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600077398/
0
Eonverfations-Xerifon,
Zehnte Auflage.
Bunfzehnter Band. Zweite Abth eilung.
bis Zwolle,
nebft
Nachtrag und Univerfal-Regifter.
er N
Allgemeine Deutiche
Neal-Encyflopädie
für
die gebildeten Stände.
Conversations-Terikon.
Zehnte,
verbeſſerte und vermehrte Auflage
In funfzehn Baͤnden.
Funtzehnter Band. Zweite Abtheilung.
3 bis Zwolle,
nebſt
Nachtrag und Univerfal-Regifter.
— — — — ——
Leipzig:
»F. A. Brockhaus.
2704,10 1855. : j
l —8
W 4. Carr —8
Nachwort.
Zur Geſchichte und Charakteriſtik des Converſations⸗Lexikon.
Die Allgemeine dentſche Keal⸗Eucyklopädie für die gebildeten Stände ober das Con⸗
verfations- Lexikon unterſcheidet ſich nach Zweck und Gehalt weſentlich von ven Büchern,
mit welchen es häufig zuſammengeftellt wird: von den Real⸗Wörterbüchern großer und
Heiner Gattımg wie von den Enchllopäbien, bie ansfchließlich ver Wiſſenſchaft, Kuuft
ober Technik gewinmet find. Während die Real» Wörterbücher als Diaterialienfpeicher
Hanptfächlich zur Unterftügung des Gebächtniffes und zur Befriebigung bes gelegentlichen
Notizbebürfniffes dienen, jene Encyllopädien aber entweber das Geſammtgebiet ver wif-
fenfchaftlichen Thätigkeit und Erkenntniß für rein wiffenfchaftliche Zwede zur Anfchaumg
bringen, ober den Inhalt gewiſſer Zweige ver Wiffenfchaft und Kumft zur praftifchen Be⸗
lehrung für Fachgenofjen auseinanberlegen: Hat Dagegen das Converſationd⸗Lexikon, we⸗
nigftens in feiner gegenwärtigen Ausbildung, bie Flüffigmachung und Populariſirung ver
wiſſenſchaftlichen, künſtleriſchen und technifchen Ergebniffe, nicht für die gefchäftliche Pra⸗
ris, fonbern für bie Befriedigung und Förderung der allgemeinen Bildung zur Aufgabe.
Unter dieſen Gefjchtspunlt geftellt, ift e8 ein bie ebelften Eulturintereffen berührendes
Ziel, welches das Lonverfationd - Lerilon in feiner popnlären Tendenz verfolgt, und fein
befcheivener Name, ver nur ven einen feiner Wirkungskreiſe bezeichnet, aber freilich ſchon
thpiſch geworden iſt, entfpricht ver Sache wenig mehr, will man nicht ven Begriff „Con⸗
verjation” als die allgemeine Form des populären Denkens im Gegenfat zur ſhſtema⸗
tiſch⸗ wiſſenſchaftlichen Geiftesthätigfeit verftehen. Denn jene allgemeine Bildung ift
nichts Geringeres als bie humane Bildung, welche das Individuum innerhalb des Cul⸗
turlebens feiner Zeit erlangt, bie für ihren Ausgangspimkt die Berufsbildung und für
ihre Aneignung ein ernfte8 Streben vorausfegt und, wie ven intellectuellen jo den morali»
ſchen Menſchen umfafjend, als ver Quellpunkt foctaler und nationaler Kraft und Entwicke⸗
Iung betrachtet werben muß. Dean würde bas Wefen unferer Eivilifation miskennen,
weilte man unter biefer Bildung etwa jene Scheincultur begreifen, vie fich oft in geſel⸗
Tigen Kreiſen als Bildung geltend zu machen fucht, aber in der That nur innere Uncultur
mit mehr ober weniger Geſchick durch erborgtes Urtheil und umbegriffene. Notizen zu
verbälfen weiß. Ebenſo würde man irren, wollte man, vielleicht burch ben Namen ver⸗
feitet, die Meinung begen, das Gonverfationd-Rerilon böte fich etwa als der Pinfel dar,
wonit bem Barbaren im Brad ver flache Eulturanftrich verliehen werben fe. Das
1 Nachwort.
Converſationb⸗Lexikon Hat allerdings dem geſelligen Verkehr, als einer Frucht und einem
Hebel humaner Bildung und Sitte, volle Beachtung gewidmet und zur Ausbildung der
geſelligen Converſation in Deutſchland ohne Zweifel viel beigetragen, aber jener Frivo⸗
Ktät und Trivialität, von der es vielleicht hier und ba gemisbraucht worden iſt, wollte
es doch darum niemals mit Abficht Vorjchub leiſten.
Die fittlide Berechtigung des Werks, die eigentlich hiermit fchon ausgeſprochen,
erhellt noch mehr, wenn man ven Boden feines Urfprungs und feiner Wirffamfeit näher
ins Ange faßt.
Das Hesausarbeiten ans ber engern Berufs- und Standesſphäre zu einer freiern und
reichern Weltanschauung und Lebenspraxis wird, wie jede Erziehung, nur damit beginnen,
baf man an die Dinge dieſer Welt herantritt und ich von ihrem Vorhandenſein und ihrer
Beichaffenheit in Kenntniß jet. Man muß Begriffe erwerben, Zufammenhang, Unter
ſchied und Wechjelwirfung der Dinge kennen fernen, ernften Urtheils über die Sachen
mächtig fein, ehe man bie Welt einer höhern Betrachtung und vernünftig-fittlichen Wür⸗
bigung unterwerfen kann, und die Uebung erlangt, nach allgemeinen Principien, als gebil-
deter Menjch, zu denken und zu handeln. Allein die Aneignung folder Bildungselemente
vermag ber durch Raum und Zeit alljeitig beſchränkte Menſch nur in geringerm Maße
durch unmitteldare Anfchauung und Beobachtung im wirklichen Leben zu gewinnen: er
muß auch hier, wie in ven Wiſſenſchaften, zu ven Büchern greifen und in den Schacht ver
Literatur einfteigen, theils um eigene Erfahrung an der Erfahrung und dem Wiffen
Anberer zu ergänzen, theild um fich gerabezu das fonft Unerreichhare in mittelbarer
Weiſe zu erobern. Diefer Weg zur Erfenntniß durch bie Bücher, dem wir hauptfächlich
bie Ausbreitung ver Intelligenz und Gefittung unferer Zeit verdanken, führt aber nicht
minder. in ein weites, dem Einzelnen unermeßliches Feld; und je welter man vorbringt,
je mehr der Reichthum und bie Manntchfaltigleit des Stoffs den Wiſſensdrang weckt,
deſto mehr tritt gerade hier das Bedürfniß nach folchen literariſchen Hülfsmitteln her-
vor, welche bie überwältigende Fülle der einzelnen Dinge, die in ver Literatur noch ge⸗
waltiger als im unmittelbaren Leben heranbrängt, auch für den allgemeinen Bildungs⸗
zweck enchklopädiſch, das heißt in planmäßiger Verkürzung, nach beftimmten Geftchts-
punkten und in fefter Ordnung zufammenfajfen.
So entfteht denn die populäre Enchflopäbie, die das Eonverfations-Rerifon vepräfen-
tirt, mit der ausgefprochenen Aufgabe, ven Kreis ber Ideen und Thatfachen, wie er ftch
für den Einzelnen unabfehbar in Geift, Geſchichte und Natur auseinanderlegt, in be⸗
grenztem Rahmen, gleichfam als Mikrokosmos, zur Anſchauung zu bringen, nicht zur Lö⸗
ſung eines wiſſenſchaftlichen Problems oder zur Uebung einer Kunſtfertigkeit, ſondern um
den Menſchen als ſolchen mit der Welt, die über ſeinen alltäglichen Horizont hinausliegt,
bekannt zu machen, indem ihm die Einſicht in den Begriff und den organiſchen Zuſam⸗
menhang ver Dinge, ſowie bie Heberficht Über das Ganze, wenn nicht erſchloſſen, fo Doch
erleichtert wird.
Aus diefen Andeutungen Über Zweck und Berechtigung bes Converfationd: Lexikon er-
geben fid nun die Grundfäße, welche bei ver Ausführung des Werks nach der äußern
und innern Seite hin maßgebend fein mußten. Als ein Buch, welches das menfchliche
Wiſſen und Könten in ver Zeit abfpiegeln foll, durfte in ihm fein Gebiet menfchlicher
Thätigfeit, Teine wirkfame Erfcheinung in Natur und Gefchichte üÜbergangen werden.
Das Werk umfaßt demnach zuvörderſt den ganzen großen Körper ver biftorifchen Wiffen-
haften: die Gefchichte ver Bölfer aller Zeiten in politifcher wie culturhiftorifcher Rich⸗
tung, bie Statiſtik, die Geographie, die Nationalliteraturen und Sprachen, bie Litern
turen ber einzelnen Wiffenjchaften und Fünfte, fowie den Complex ver politifchen Wiffen-
haften: Recht, Politik, politifche Delonomie. Es umfaßt ferner das ganze Gebiet ber
Naturwiſſenſchaften: Mathematit und Aſtronomie, Phyfik und Chemie, Naturgeſchichte
Zur Gefchichte und Charakteriſttk des Eonwerfationus-Reriton. VI
in allen itzren Zweigen, Anatomie, Phyſiologie, Heilkunde. Es werbreitet ſich über bie
techniſchen ‚Kisiite, dieſes Wort in weisefter Bebeutung genommen, über Landwirthſchaft,
Haubel uud Iubuftrie und berüdfichtigt jede Kunftfertigfeit, infofern ſe außer dem Hanbr
griff auch ein eulturbiftorifches Intereffe darbietet. Es behandelt nicht mixer die ide⸗⸗
len Rebensgebiete, bie philofophifchen Wiffenfchoften, Religion und Theologie, die fchönen -
Künfte: Poefie, Mufik, Malerei, Plaftik, Architeltur. Ein befonders wichtiger Gegen-
ftand in alfen Gebieten des Wiffens und Lebens muß aber für dieſes auf allgemeine Bil⸗
bung gerichtete Werk die Darftellung bes individuellen Lebens, die Biographie fein. Denn
bei jeber bebeutenben That erhebt fich uns die Frage, in welchem Zuſammenhange biefe
mit ihrem Vollbringer fiehe, und uns Allen ift ber Lebensgang hervorragender Menſchen
ein Spiegel, ber das allgemeine Menſchenſchickſal reflectirt und ans deſſen Bilde wir
den Antrieb für pas eigene Streben nach dem Großen und Guten fchöpfen.
Während fo das Werk mit Recht ven Anſpruch auf Univerfalität erhebt, bleiben ihm
doch rüdfichtlich der Entfaltung des Stoffe gewiffe Normen und Grenzen gezogen, bie
es nicht überfchreiten darf, will es feinen Charakter ale Enchflopäbie wie al® Eonnerfa-
tiond-Reriton im Beſondern bewahren. Der Eharakter ver Enchllopäbdie beruht, wie
ſchon angeventet, nicht auf dem Uuffpeichern der concreten Fülle des Stoffe nach ge»
wiffer Ordnung, fondern vielmehr baranf, daß der vorhandene Stoff durch ven Proceß
bes Begriffs eine Concentration erleibet: nicht die Sache felbft in ihrer reichen Aus»
führung, fondern das Gedankenbild, ver Auszug berfelben, foll gegeben werben, wobei
rücfichtlich der Ausbehnung alferbings immer noch ein fehr verſchiedener Maßfſtab ob»
walten kann. Das reiche Material des Forfchers, die veranfchaulichenven Details ber
Monographie, die Reflerionen bes Darftellers, Dies und Anderes muß in der Enchklo⸗
pädie, ſoll fie isren Namen mit Grund führen, ausgefchloffen bleiben, und encyklopädi⸗
[che Werke, vie diefe Enthaltiamfeit nicht bewahrten mb jenen Umfchmelzungsproceß ver
Sache nicht übten, würden in Bibliotheken auslaufen und eben dahin gerathen, wogegen
ſte anftreben: in das Chaos ber Dinge. Aber nicht nur ben enchFlopäbifchen Eharalter
überhaupt wird das Converſations⸗Lexikon bei ver Entfaltung des Stoffe im Auge behalten
müflen, ſondern baffelbe wird auch als eine Euchklopädie, bie ausſchließlich ber allge»
meinen Bildung dienen will, hierbei zu ermägen haben, welche größere ober. geringere
Bedeutung ein Gegenftand für jenen befonbern Bildungs zweck befige. Es wird hiernadh
eine freiere Behandlung und umfafjendere Stoffentwidlelung , unbefchgbet ver enchklopä⸗
diſchen Form und Grenze, überall pa eintreten laffen, wo unfere allgemeine Bildung we⸗
ſentlich intereffirt iſt, dagegen bie Darftellung fummartfcher geftalten, wo folch lebenbiger
Werth ver Sache nicht vorhanden, two nur ber Sachınann ober ber Sorfcher Intereffe
findet. So wird 3. B. das Werk die ältere Gefchichte im Allgemeinen fürzer faflen ale
bie neuere, in der unmittelbgr unfere eigenen Geſchicke wurzeln, doch aber auch nem Cul⸗
turfeben bes antiken Rom und Hellas, bie fo mächtig auf unfere Entwidelung wirkten
und noch wirken, in jeber Beziehung mehr Raum gewähren als den Zuftänven bes heu⸗
tigen Rom und bes heutigen Griechenland. Ehenfo wird es gerechtfertigt fein, daß
Phyfik, Chemie, Phyſiologie — Wiffenfchaften, die gegenwärtig fo tief in unfer Leben
eingreifen — unfere Aufmerlfamfeit in dem Werle mehr in Anfpruch nehmen als etwa
die Heralbif oder bie Numismatik in ihren Details; daß wir Werke der Nationaflite-
raturen vollftändiger verzeichnen als in fremden Sprachen gejchriebene Foltanten ber
Fechgelehrſamkeit, pie techuifchen Künfte mehr hervorheben als das einfache Hand»
werken. ſ. w. Nach gleihem Mafftabe wird das Werk in ver Altern und mittlern Zeit
eine vollftändigere biographifche Beharfblung mit wenigen Ausnahmen nur ven Zrä-
gern und Spigen ihrer Epoche, ben Männern mivergänglicher Schöpfungen wibmen,
während fidh ber Kreis ver Geftalten fofort erweitert, wo bie Geſchichte in bie moderne
Eufturepoche einfeitt, wo wir wicht nur die Genien ihrer Zeit, fondern alle nie zahlreichen
val Nahwort.
Borgänger kennen lernen wollen, bie mehr ober minder Einflaß auf bie Geflaftung der
Gegenwart übten und beren Denknale in ber Literatur gewöhnlich nach einen Lichtſchat⸗
ten in unfer Inneres werfen. Noch viel umfaffender aber wird fich folgerecht vie biogra⸗
phiiſche Darftellung im Krelfe ver Zeitgenofien entwideln. Hier müſſen Alle, wie ſich
durch Stellung, Amt, Talent, Probuctivität, Eharaltereigenfchaften, ungewöhnliche
Handlungen gder Schickſale irgendwie auszeichnen, ihren Pla erhalten, weil wie ein
fehr mannichfaches Intereffe Haben, bie Lebensumſtände Derer zu erfahren, welche uns
fo unmittelbar afficiren und oft fo entſcheivend in unjere eigenften Berhältniffe eingreifen.
Neben dieſer relativen Delönomie in ver Entfaltung bes Stoffs, die e8 einzig ermöglicht,
bag in fo engem Rahmen ven Anfprüchen ver allgemeinen Bildung fo alffeitig und gründ⸗
lich genügt werben lann, kommt enblich noch für bie räumliche Ausdehnung des einzelnen
Gegenftandes ein geiwiffermaßen abfoluter Maßſtab in Betracht: Das richtige Verhältniß
bes Einzelnen zum beftimmten Umfange des ganzen Werks. Das Innehalten viefes Ver⸗
Hältniffes ift für das Eonverfationd- Lerilon darum fo wefentlich und unabweisbar, weil
bas Wert, foll es feinen Zweck eines enchklopädiſchen Handbuchs für alle Stände und
unter alfen Umſtänden erfüllen, in feiner Auspehnung eine gewiffe mittlere Grenze nicht
überfchreiten darf. Ein maffenhaftes Anfchwellen.bes Buchs würde nicht nur feine Hand⸗
lichkeit im Gebrauch hemmen, fondern auch nothwendig eine verhältnißmäßige Preisftei-
gerung nach fich ziehen, bie wiederum feine Verbreitung und Zugänglichkeit für alle
Stände und Berufsclaffen hindern, wo nicht unmöglich machen müßte. Mit folcher Be⸗
fhränfung des Werks auf ben Kreis ver Bemittelten wäre aber bie gemeinnütige Wirt-
ſamkeit vefjelben in ver That aufgehoben. Ja, e8 müßte fich, bei vem ungemeinen Koften-
aufwanbe, ben bie originale Herftellung, zwedimäßige Ausftattung und immer wiederkeh⸗
rende Erneuerung und Verbefferung bes Werks erfobert, überhaupt fragen, ob feine Eri-
ftenz ohne bie allgemeine Verbreitimg, deren es fich biöher erfreute, noch möglich wäre.
Eine weitere Bedingung für die zweckmäßige Ausführung und‘ Nutzbarkeit des Con-
verſationd⸗Lexikon ift feine lexilaliſche Form. Man bat biefe Form wol als eine nur
äußerlich ordnende, den Stoff zerfplitterude, bie Ueberficht hindernde bezeichnet und
hiernach auch für bie populäre Enchllopäbie auf eine zufammenhängende, fuftematifche
Behandlung ver einzelnen Wiffenfchaften und Künfte hingebeutes, ſodaß z. B. ber eine
Band die Gefchichte, ein anderer bie Geographie, ein britter etwa die Kunft und fo fort
enthielte. Eine ſolche Faſſung würde indeſſen ohne Zweifel ein Wert fchaffen, vem alfe
bie Vortheile abgehen müßten, denen das Gonverfations » Lerikon feine Brauchbarkeit
verbankt. Zuvörderſt müßte bie Univerfalität des Buchs auf das ftärkfte beeinträchtigt
fein; denn felbft Die wifjenfchaftlichen Enchklopäbien von univerfeller Tendenz find gend«
thigt, die fyftematifche Behandlung fallen zu Laffen, weil es unmöglich ift, jo zahllofe dis⸗
arate Elemente im Zufammenbange zu faſſen, ohne dabei wenigften® bie äußerliche
erfichtlichfeit preiszugeben. Dann aber find es wefentlich zwei Vortheile, welche
bas Gonverfationd» Reriton aus feiner gegenwärtigen Form fchöpft. Es ift erftens bie
Möglichkeit, vaß jever Gegenftanb in Momente des Bedürfniſſes aufgefunden und er-
faßt werben kann, während eine zuſammenhängende Darftellung fchon gewiſſe Kenntniß
ber Sache, in manchen Fällen geradezu Gelehrfamleit ober wol gar wieder ein beſonde⸗
res Lexikon vorausfeßt, um nur bie Stelle zu finden, in welche das Fragliche eingeorb-
net ift. Berner ift nur bei ber lexikaliſchen Form die Gelegenheit gegeben, den einzelnen
Gegenftand aus feinem fuftematifchen Complex herauszuheben und in biefer Iſoli⸗
zung einer jelbftänbigen Behanblung in ver Weife und Ausdehnung und in ber Verbin.
bung mit andern, oft fehr verfchievdenen Wiſſensgebieten zu unterwerfen, wie es ber ber
fondere Zweck erfobert. So warb es nur allein hierdurch möglich, 3.8. die Geographie,
namentlich Die Oxtöbefchreibung, mit der Gefchichte, die Naturwiſſenſchaft mit ver Tech⸗
nologie, Nationalölonomie u. f. w. zu verknüpfen; fo kann nur in biefer Weife bie Bio⸗
| Bus Geſchichte und Charakterift h des Eonverfations-Lerikon. IX
graphie, ein ſo weſenklicher und lehrreicher Beftanbtheil des Buchs, überhaupt in dem⸗
felhen ſelne Jusführung erhalten; fo gewährt nur bie ifolirte Behandlung des Gegen-
ftanne® den Bortheil, ihn mit ber Literatur in Verbindung zu fegen wnb die literarifchen
Hülfswittel nach zuweifen und gugleich zu beurtheilen, welche bie weitere Einficht und Be
lehrung gewähren. Ueberdies aber vermag das Converfationd-Leriton auch, troß feiner lexi⸗
kaliſchen Form, ven Nachtheil ver räumlichen Zerftreimmg des Stoffs, der für den Au⸗
genblic® mit jeden Lexikon nothwendig verbunden ift, fehr wohl zu überwinden; ja es ge-
währt vermöge feiner eigenthümlichen Eonftruction gerade in recht Iehrreicher und bilden»
ber Weiſe ven überfichtlichen Blick über ganze Gebiete des menfchlichen Wiffens, wenn man
nur einigermaßen feinen innern Bau berüdfichtigen. will. Das Werk enthält nämlich für
jede Wiffenfchaft, Kumft, Disciplin, für jeden größern Biftorifchen Körper einen Stamm-
artikel, ber bie Hauptglieber dieſes Ganzen auseinanberfaltet, den gefchichtlichen Entwides
Iungegang im Allgemeinen barlegt, alfo das Begriffsbiln ver Sache in den Grundzügen
gibt. Son dieſem Stammartifel aus, ben man freilich auffchlagen muß, wenn man fich für
ein Ganzes intereffirt, fällt e8 nun an der Hand ber gewöhnlich auch für Das Auge her-
vorgehobenen Schlagwörter und ber überall forgfälllg angebrachten Verweiſungen und
Bingergeige keinenfalls fchwer, fich zu ven Artikeln, welche jene Hauptglieder ſpeciell bes
handeln, und von dieſen in gleicher Weife zu den weitern Abglieberungen zu wenden, bie
ih, nach Maßgabe immer wieber verzweigend, burch das Alphabet bes Werkes hindurch⸗
ziehen, fämmtlich aber mit genanefter Rückſicht aufeinander ausgeführt find. Man erhält
auf dieſem Wege nicht nur ein in den interefianteften Punkten forgfältig ausgeführtes
Bild vom Ganzen, fondern zugleich auch durch das felbftthätige Zufammenfügen ber
Sache eine beftimmtere Einficht in den Organisınus berfelben, wie fie eine gleichmäßig
fortlaufenve Darftellung in ihrer Eontimrität oft nicht gewähren bürfte.
Daß das Eonverfations-Reriton großes Gewicht auf Einfachheit, Klarheit, Schärfe und
Gewandtheit der Sprache legen, daß es vornehmlich die Terminologie und eigenthümliche
Ausdrucksweiſe bes Fachwiſſens möglichlt abftreifen und in freies, allgemein verftänbli-
ches Deutfch übertragen muß, bebarf feiner weitern Erörterung. Was die Weife ber
fachlichen Darjtellung betrifft, fo liegt es ſchon in dem bereits erörterten Charakter der
Enchllopädie, daß dieſe Darftellung auf bie Begriffsentwickelung bes Gegemftandes ge-
richtet ift, welche die Sache nicht in ihrem plaftifchen Detail wiedergeben Fam und foll,
fonbern vielmehr an deſſen Stelle ven refultirenden Gedanken und das zufanmenfaffenve
Urtheil — mit einem Worte, einen geiftuollen und darum wahrbaftigen und vollſtändi⸗
gen Auszug barreichen muß. Wer ein Anberes, etiva bier ein monographifches Ge⸗
mälpe, bort einen weiten hiſtoriſchen Pragmatismus verlangen möchte, wärbe Fode⸗
rungen thun, bie im Grunde feine Enchklopädie, am wenigften aber eine von fo mäßt-
‚ gem Umfange, wie das Choerſationd⸗Lexikon ift, zu erfüllen vermag. Wollte man aber
ſolche Art der Belehrung an und für fich verwerfen und als oberflächlich bezeichnen, fo
würde man überfehen, daß gerade bie allgemeine Kenntniß, ver allgemeine Begriff von
der Sache ber erfte Schritt ift, den wir ernftlich in biefelbe hinein thun, und daß alle
methodifche Bildung mit dieſem Schritte anhebt und anheben muß. Denn wollten wir,
um recht gründlich zu gehen, ben entgegengefetten Weg einfchlagen, fo müßte unfer Ler-
nen und Auffaffen, wie das des Mindes und unferer Urväter, mühfelig vom Einzelnften
anheben und fo fortgeben. In ver That find es bei näherer Erwägung gewöhnlich nur
Igroranten ober auch Lente von ganz einfeitiger Bildung geweſen, bie über Ench-
Hopäpien und enchllopädiſches Wiffen wegwerfend geurtheilt haben, aus leinem an⸗
bern Grunde, als weil Be dieſen Büchern und biefem Wiſſen gegenüber ihre ſchwache
und vernachläffigte Seite fühlten. Das Wiflen, das eine Enchklopäbte gewährt, ift aller-
dings nicht die volle, ausgebreitete Kenntniß der Sache, noch weniger bie Wiffenfchaft
verfelben; abet ver allgemeine Begriff, ven biefes Wiſſen in fich ſchließt, Lägt doch ſchon
Eonverfations-Lerifon,
Zehnte Auflage.
Bunfzehnter Band. Zweite Abtheilung.
8 bis Zwolle,
nebft
Nachtrag und Univerfal- Regifter,
.. Allgemeine deutſche
Real ⸗Encyklopädie
die gebildeten Stände.
Conversations-Lerikon.
Sebnte,
verbefferte und vermehrte Auflage;
Sn fünfzehn Bänden.
Funtzehnter Band. Zweite Abtheilung
Webis Zwolle,
nebſt
Nachtrag und Univerſal⸗Regiſter.
— —
Leipzig:
F. A. Brockbhaus.
Ar WTA |
IM Penn Pod.
Nachwort.
Zur Geſchichte und Charakteriſtik des Converſations⸗Lexikon.
Die Algemeine dentſche Neal» Enchklopäbte für die gebildeten Stände ober das Con⸗
berfationd - Lexikon unterfcheidet fich nach Zwed und Gehalt wefentlich von ven Büchern,
mit welchen e8 häufig zuſammengeſtellt wird: von den Real» Wörterbüchern großer und
Heiner Gattımg wie von den Enchflopäbien, bie ausſchließlich ver Wiſſenſchaft, Kunft
oder Technik gewidmet find. Während die Nenl- Wörterbücher als Materialienfpeicher
bauptjächlich zur Unterftügung des Gebächtniffes und zur Befriepigung bes gelegentlichen
Notizbedürfniſſes dienen, jene Enchklopädien aber entweder das Geſammtgebiet ver wiſ⸗
fenfchaftlichen Thätigkeit und Erkenntniß für rein wiffenfchaftliche Zwecke zur Anfchauumg
bringen, oder den Inhalt geiviffer Zweige ver Wiſſenſchaft und Kunſt zur praktiſchen Be⸗
lehrung für Bachgenofjen auseinanderlegen: Bat Dagegen bas Converfationd- Lerifon, we⸗
nigften® in feiner gegenwärtigen Ausbildung, die Flüſſigmachung und Bopularifirung der
wiſſenſchaftlichen, künſtleriſchen und techniſchen Ergebniffe, nicht für bie gefchäftliche Pra⸗
ris, fonbern für die Befriebigung und Förderung ber allgemeinen Bildung zur Aufgabe.
Unter dieſen Geffchtspunft geftellt, ift e8 ein bie ebelften Eulturintereffen berührendes
Ziel, welches das Somverfationd » Lerifon in feiner populären Tendenz verfolgt, und fein
beſcheidener Name, ber nur ben einen feiner Wirkungskreiſe bezeichnet, aber freilich ſchon
thpiſch geworben ift, entipricht ber Sache wenig mehr, will man nicht ben. Begriff „Con⸗
verfation“ als bie allgemeine Form bes populären Denkens im Gegenfat zur ſyſtema⸗
tiſch⸗ wiſſenſchaftlichen Geiftesthätigfeit verftehen. Denn jene allgemeine Bildung ift
nichts Geringeres als bie humane Bildung, welche das Individuum innerhalb des Cul⸗
turlebens feiner Zeit erlangt, die für ihren Ausgangspunkt Die Berufsbildung und fir
ihre Aneignung ein ernftes Streben vorausfegt und, wie ben intellectuelfen fo ven moralt»
ſchen Dienfchen umfaflend, als ver Duellpunkt ſocialer ımb nationaler Kraft und Entwicke⸗
Iung betrachtet werben muß. Dean würde das Weſen unjerer Eiviltfation misfennen,
wellte man unter biefer Bildung etwa jene Scheincultur begreifen, pie fich oft In gefel»
Tigen Kreifen als Bildung geltend zu machen fucht, aber in der That nur innere Uncultur
nit mehr ober weniger Geſchick durch erborgtes Urtheil und unbegriffene Notizen zu
serhälfen weiß. Ebenjo würde man irren, wollte men, vielleicht durch ben Namen ver⸗
leitet, vie Meinung hegen, das Converſationd⸗Lexikon böte fich etwa als ber Pinfel dar,
wonsit bein Varbaren im Frack der flache Eulturanftrich verliehen werben ſſne. Das
vi Nachwort.
Sonverfationd - Lerifon hat allerdings dem geſelligen Verkehr, als einer Frucht und einem
Hebel humaner Bildung und Sitte, volle Beachtung gewidmet und zur Ausbildung der
geſelligen Converſation in Deutſchland ohne Zweifel viel beigetragen, aber jener Frivo⸗
tät und Trivialität, von ber es vielleicht hier und da gemisbraucht worden ift, wollte
e8 doch darum niemals mit Abficht Vorſchub Teiften.
Die fittliche Berechtigung des Werks, die eigentfich hiermit fchon ausgefprochen,
erhellt noch mehr, wenn man ben Boben feines Urfprungs und feiner Wirkfamfeit näher
ins Auge faßt. ‚
Das Hewausarbeiten ans ver engern Berufs- und Standesſphäre zu einer freiern und
reihern Weltanschauung und Lebenspraris wird, wie jede Erziehung, nur damit beginnen,
daß man an die Dinge dieſer Welt herantritt und fich von ihrem Vorhandenſein und ihrer
Beichaffenbeit in Kenntniß fett. Dean muß Begriffe etwerben, Zuſammenhang, Unter»
ſchied und Wechfelwirfung der Dinge kennen lernen, ernften Urtheils über die Sachen
mächtig fein, ehe man bie Welt einer höhern Betrachtung und vernünftig-fittlichen Wür⸗
bigung unterwerfen kann, und die Uebung erlangt, nach allgemeinen Brincipien, als gebil«
beter Menſch, zu denken und zu handeln. Allein die Aneignung folder Dildungselemente
vermag der burch Raum und Zeit alljeitig beſchränkte Menſch nur in geringerm Maße
durch unmittelbare Anſchauung und Beobachtung im wirklichen Leben zu gewinnen: er
muß auch hier, wie in den Wiſſenſchaften, zu den Büchern greifen und in den Schacht der
Literatur einſteigen, theils um eigene Erfahrung an der Erfahrung und dem Wiſſen
Anderer zu ergänzen, theils um ſich geradezu das fonft Unerreichbare in mittelbarer
Weiſe zu erobern. Dieſer Weg zur Erkenntniß durch die Bücher, dem wir hauptſächlich
die Ausbreitung der Intelligenz und Geſittung unſerer Zeit verdanken, führt aber nicht
minder.in ein weites, dem Einzelnen unermeßliches Feld; und je weiter man vordringt,
je mebr der Neichthum und bie Mannichfaltigkeit des Stoffs den Wiſſensdrang wedt,
befto mehr tritt gerade hier das Bedürfniß nach folchen Literarifchen Hülfsmitteln her-
vor, welche die überwältigende Fülle ber einzelnen Dinge, vie in ver Literatur noch ge-
waltiger al8 im unmittelbaren Leben herandrängt, auch für den allgemeinen Bildungs»
zwed enchklopäpiich, das Heißt in planmäßiger Verkürzung, nach beftummten Geftchts-
punkten und in fefter Orbnung zufammenfajfen.
So entſteht denn bie populäre Enchllopäbie, bie das Converfationd - Lerifon repräfen-
tirt, mit der ausgeſprochenen Aufgabe, ben Kreis der Ideen und Thatfachen, wie er ftch
für den Einzelnen unabfehbar in Geift, Gefchichte und Natur auseinanderlegt, in be⸗
grenztem Rahmen, gleichfam als Mikrokosmos, zur Anſchauung zu bringen, nicht zur Lö⸗
ſung eines wiſſenſchaftlichen Problems oder zur Uebung einer Kunſtfertigkeit, ſondern um
den Menſchen als ſolchen mit der Welt, die über ſeinen alltäglichen Horizont hinausliegt,
bekannt zu machen, indem ihm die Einſicht in den Begriff und den organiſchen Zuſam⸗
menhang der Dinge, ſowie die Ueberſicht über das Ganze, wenn nicht erſchloſſen, ſo doch
erleichtert wird.
Aus dieſen Andeutungen Über Zweck und Berechtigung des Converſations⸗ELexikon er-
geben fich nun die Grundfäge, welche bei ver Ausführung des Werks nach der Außern
und innern Seite hin maßgebend fein mußten. Als ein Buch, welches das menfchliche
Wiſſen und Könhen in ver Zeit abfpiegeln fol, durfte in ihm Fein Gebiet menjchlicher
Thätigleit, Feine wirkſame Erſcheinung in Natur und Gefchichte übergangen werden.
Das Werk umfaßt demnach zuvörderſt ven ganzen großen Körper ver hiſtoriſchen Wiſſen⸗
ſchaften: Die Geſchichte der Völker aller Zeiten in politifcher wie culturhiftorifcher Rich⸗
tung, bie Statiftif, die Geographie, die Nationalliteraturen und Sprachen, bie Litera⸗
turen der einzelnen Wilfenfchaften und Künſte, fowie den Complex ver politifchen Wiffen-
Ihaften: echt, Politik, politifche Delonomie. Es umfaßt ferner das ganze Gebiet der
Naturwiſſenſchaften: Mathematik und Afteonomie, Phyſik und Chemie, Natwrgefchichte
Zur Geſchichte und Charakterifil des Eonwerfations-Lerikon. vu
in allen itzren Zweigen, Anatomie, Phyſiologie, Heilfunbe. Es werbreitet fich über bie
techniſchen Kisifte, dieſes Wort in weiteſter Bebeutung genommen, über Landwirthſchaft,
Haubel und Inbuftrie und berüdfichtigt jede Kunftfertigfeit, infeferm fie außer dem Hands
griff auch ein enlinrhiftorifches Intereffe barbietet. Es behandelt nicht minder die ibem- .
lan Lebensgebiete, pie philofophifchen Wiffenfchaften, Religion und Theologie, bie fchönen -
Künfte: Poefie, Mufil, Dialerei, Plaſtik, Architeltur. Ein befonders wichtiger Gegen»
ftand in allen Gebieten bes Wiffens und Lebens muß aber für dieſes auf allgemeine Bil⸗
bung gerichtete Werk die Darftellumg des individuellen Lebens, Die Biographie fein. Denn
bei jeder bedeutenden That erhebt fich und bie Frage, in welchem Zufammenhange diefe
mit ihrem Vollbringer ftehe, und uns Allen ift ver Lebensgang hervorragender Menſchen
ein Spiegel, ber das allgemeine Menſchenſchickſal reflectirt und aus deſſen Bilde wir
den Antrieb für das eigene Streben nach dem Großen und Guten fchöpfen.
Während fo das Werk mit Recht den Anfpruch.auf Univerfalität erhebt, bleiben ihm
doch rüdfichtlich der Entfaltung des Stoffs gewiffe Normen und Grenzen gezogen, bie
es nicht überfchreiten darf, will es feinen Charakter al8 Enchflopäbie wie als Eonverfa-
tiond-Lerifon im Beſondern bewahren. Der Eharalter ber Enchklopädie beruht, wie
ſchon angebentet, nicht auf dem Uuffpeichern der concreten Fülle des Stoffe nach ge»
wiſſer Ordnung, fonbern vielmehr darauf, daß ber vorhandene Stoff burch ven Proceß
bes Begriffs eine Eoncentration erleidet: nicht die Sache felbft in ihrer reihen Aus⸗
führung, ſondern das Gedankenbild, ver Auszug berfelben, foll gegeben werben, wobel
rüdfichtlich der Ausdehnung allerdings immer noch ein fehr verſchiedener Maßftab ob»
walten kann. Das reiche Material des Forfchers, die veranfchanlichenben Details ver
Monographie, vie Reflerionen des Darftellers, Dies und Anderes muß in der Enchklo⸗
päpie, foll fie ihren Namen mit Grund führen, ausgefchloffen bleiben, und encyklopädi⸗
fche Werte, die dieſe Euthaltſamkeit nicht bewahrten und jenen Umfchmelzungsproceß der
Sache nicht Äbten, würben in Bihliothelen auslaufen und ehen dahin gerathen, wogegen
fie anftreben: in das Chaos ber Dinge. Aber nicht nur ben enchflopäbifchen Eharafter
überhaupt wird das Conberſations⸗Lexikon bei ber Entfaltung bes Stoffs im Auge behalten
müffen, fondern baffelbe wird auch als eine Enchkllopädie, bie ausfchlieplich der allge⸗
meinen Bildung dienen will, bierbei zu erwägen haben, welche größere ober. geringere
Bedeutung ein Gegenftand für jenen befondern Bildungszweck befite. Es wirb hiernach
eine freiere Behandlung und umfaffendere Stoffentwidelung, unbejchabet ver enchflopä-
bifchen Form und Grenze, überall ba eintreten laffen, wo unfere allgemeine Bildung we⸗
fentlich interejfirt it, Dagegen bie Darftellung ſummariſcher geftalten, wo folch lebendiger
Werth der Sache nicht vorhanden, wo nur ber Bachmann ober der Forſcher Intereffe
findet. So wirb 3.9. das Werl die ältere Geſchichte im Allgemeinen kürzer faſſen als
bie neuere, in ber unmittelbgr unfere eigenen Geſchicke wurzeln, doch aber auch dem Eul-
turfeben des antifen Rom und Hellas, die fo mächtig auf unfere Entwidelung wirkten
und noch wirken, in jeder Beziehung mehr Raum gewähren als den Zuftänben des heu-
tigen Nom und des heutigen Griechenland. Ebenfo wird es gerechtfertigt fein, daß
Phyfik, Chemie, Phyſiologie — Wiffenfchaften, vie gegenwärtig fo tief in unfer Leben
eingreifen — ımfere Aufmerkſamkeit in dem Werfe mehr in Anfpruch nehmen als etwa
die Heraldik oder bie Numismatik in ihren Details; daß wir Werke ver Nationallite-
raturen voliftändiger verzeichnen als in fremben Sprachen gefchriebene Foltanten der
Fachgelehrſamkeit, pie technifchen Künfte mehr hervorheben als das einfache Hand»
werken. ſ. w. Nach gleichem Maßſtabe wird das Werk in der ältern und miltlern Zeit
eine volfftänbigere biographiſche Behandlung mit wenigen Ausnahmen nur den Trö-
gern und Spigen ihrer Epoche, den Männern Mwergänglicher Schöpfiungen widmen,
während fich der reis der Geſtalten fofort erweitert, wo die Gefchichte in bie moderne
Culturepoche eintritt, wo wir wicht nur die Genien ihrer Zeit, fondern alle bie zahlreichen
va Nahwort.
Borgänger kennen lernen wollen, bie mehr ober minder Einflaß anf vie Geflaftung der
Gegenwart übten und beren Denkmale in ber Literatur gewöhnlich nach einen Lchtſchat⸗
ven in unfer Inneres werfen. Noch viel umfaffenber aber wird fich folgerecht bie biogra⸗
phiſche Darftellung im Krelfe ver Zeitgenoffen entwickeln. Hier müffen Alle, ie fi
durch Stellung, Amt, Talent, Probuctivität, Eharaktereigenfchaften, ungewöhnliche
Handlungen oder Schickſale irgendwie auszeichnen, ihren Platz erhalten, weil wir ein
fehr mannichfaches Intereffe Haben, die Lebensumftänne Derer zu erfahren, welche uns
fo unmittelbar afficiren und oft fo entſchetvend in unfere eigenften Verhältniſſe eingreifen.
Neben biefer relativen Defdnomie in der Entfaltung des Stoffe, bie e8 einzig ermöglicht,
daß in fo engem Rahmen ven Anfprüchen der allgemeinen Bildung fo allfeitig und gründ⸗
lich genügt werben lann, kommt endlich noch für bie räumliche Ausdehnung des einzelnen
Gegenſtandes ein gewiffermaßen abfoluter Maßſtab in Betracht: das richtige Verhältniß,
bes Einzelnen zum beftimmten Umfange des ganzen Werks. Das Innehalten biefes Ver-
Hältniffes tft für pas Converſationd⸗Lexikon darum fo weſentlich und umabweisbar, weil
das Werk, foll e8 feinen Zwed eines enchklopädiſchen Handbuchs für alle Stände unb
unter allen Umftänben erfüllen, in feiner Ausdehnung eine gewiſſe mittlere Grenze nicht
überfchreiten barf. Ein maffenhaftes Anfchwellen. des Buche würde nicht nur feine Hand»
lichkeit im Gebrauch hemmen, fondern auch nothwendig eine verhältnigmäßige Preisftei-
gerung nach fich ziehen, bie wiederum feine Verbreitung und Zugänglichkeit für alle
Stände und Berufsclaffen hindern, wo nicht unmöglich machen müßte. Mit folder Be-
fhränfung bes Werks auf ven Kreis der Bemittelten wäre aber bie gemeinnützige Wirk⸗
famfeit vefjelben in ver That aufgehoben. Ja, es müßte fich, bei dem ungemeinen Koften-
aufwande, ben die originnle Herftellung, zwedinäßige Ausftattung und immer wiederkeh⸗
rende Erneuerung und Verbefferung des Werks erfobert, überhaupt fragen, ob feine Exi⸗
ftenz ohne bie allgemeine Verbreitung, beven es fich bisher erfreute, noch möglich wäre.
Eine weitere Bedingung für bie zweckmäßige Ausführung und Nutzbarkeit des: Con⸗
verſationd⸗Lexikon ift feine lerifalifche Form. Man bat dieſe Form wol als eine nur
äußerlich orpnende, ben Stoff zerfplitternde, vie Ueberficht hindernde bezeichnet und
hiernach auch für bie populäre Enchklopäbie auf eine zufammenhängenbe, ſyſtematiſche
Behandlung ver einzelnen Wiffenfchaften und Künfte hingedentet, fobaß z. B. ber eine
Band die Gefchichte, ein anderer die Geographie, ein britter etiva bie Kunft und fo fort
entbielte. Eine jalche Faſſung würbe indeſſen ohne Zweifel ein Werk fchaffen, dem alle
bie Vortheile abgehen müßten, benen das Converfationb » Lerikon feine Brauchbarteit
verbankt. Zuvörderſt müßte bie Univerfalität des Buchs auf das ftärkfte beeinträchtigt
fein; denn felbft die wiſſenſchaftlichen Enchklopädien von univerfeller Tendenz find gend-
thigt, die ſyſtematiſche Behandlung fallen zu laſſen, weil es unmöglich ift, fo zahlloſe dis⸗
arate Elemente im Zufanmenhange zu faffen, ohne dabei wenigften® bie äußerliche
erfichtlichfeit preiszugeben. ‘Dann aber find es wefentlich zwei Vortheile, welche
das Gonverfationd- Leriton aus feiner gegenwärtigen Form jchöpft. Es ift erftens bie
Möglichkeit, daß jeder Gegenftanb im Momente des Bedürfniſſes aufgefunden und er⸗
faßt werben kann, während eine zuſammenhängende Darftellung fchon gewiſſe Kenntnik
ber Sache, in manchen Fällen gerabezu Gelehrſamkeit ober wol gar wieber ein befonbe-
res Lexikon vorausfegt, um nur bie Stelle zu finden, in welche das Fragliche eingeorb-
net ift. Ferner ift nur bei der Ierifaliichen Form bie Gelegenheit gegeben, ben einzelnen
Gegenftand aus feinem fyftematifchen Complex herauszuheben und in biefer Iſoli⸗
rung einer felbftännigen Behandlung in ver Weife und Ausdehnung und in ber Verbin.
bung mit andern, oft fehr verfchtevenen Wiffertögebieten zu unterwerfen, wie es ber ber
fondere Zweck erfobert. So warb es nur allein bierburch möglich, 3.8. die Geographie,
namentlich die Oxtsbefchreibung, mit ber Gefchichte, die Naturwifjenfchaft mit ver Tech⸗
nologte, Nationalölonomie u. |. w. zu verfnäpfen; fo kann nur in biefer Weiſe bie Bio⸗
Bur Gefchichte und Chürakterifüphes Eonverfations-Rerikon. IX
graphie, ein ſo weſenklicher und lehrreicher Beftanbiheil bes Buchs, überhaupt in bem-
felben ſelne Jueführung erhalten; fo gewährt nur bie iſolirte Behandlung des Gegen-
ſtaudes den Vortheil, ihn mit bes Literatur in Verbindung zu fegen wnb bie literarifchen
Sülfswwittelnachzuweifen und zugleich zu beurfheilen, welche bie weitere Einficht und Yes
Ichrung gewähren. Ueberbied aber vermag das Eonverfationd-Lerifon auch, trotz feiner lexi⸗
kaliſchen Form, ven Nachtheil ver räumlichen Zerftreisung des Stoffs, ber für den Au⸗
genblick mit jedem Lexikon nothwendig verbunden ift, fehr wohl zu überwinben; ja es ge-
währt vermöge feiner eigenthämlichen Eonftruction gerade in recht lehrreicher und bilden⸗
ber Weiſe ven überfichtlichen Blick Über ganze Gebiete des menfchlichen Wiffens, wenn man
nur einigermaßen feinen innern Bau berüdfichtigen. will. Das Wert enthält nämlich für
jede Wiffenfchaft, Kunft, Disciplin, für jeden größern Biftorifchen Körper einen Stamm⸗
artikel, ver Die Hauptglieber dieſes Ganzen auseinanberfaltet, ven gefchichtlichen Entwicke⸗
lungsgang im Allgemeinen barlegt, aljo pas Begriffsbild ver Sache in den Grundzügen
gibt. Bon biefem Stammartifel aus, ben man freilich aufichlagen muß, wenn man fich für
ein Ganzes intereffirt, fällt e8 num an ber Hanb ber gewöhnlich auch für pas Auge her-
vorgehobenen Schlagwörter und der überall forgfäßftg angebrachten Berweifungen und
Fingerzeige feinenfalls ſchwer, fich zu ven Artifeln, welche jene Hanptglieber fpeciell be-
handeln, und von biefen in gleicher Weiſe zu ben weitern Abgliederungen zu wenden, bie
fih, nach Maßgabe immer wieber verzweigend, durch das Alphabet des Werkes hindurch⸗
ziehen, fämmtlich aber mit genauefter Rückſicht aufeinander ausgefüärt find. Man erhält
auf diefem Wege nicht nur ein in ben intereffanteften Punkten forgfältig ausgeführtes
Bild vom Ganzen, ſondern zugleich auch durch das felbfttHätige Zufammenfügen ver
Sache eine beftimmtere Einficht in ben Organismus berfelben, wie fie eine gleichmäßig
fortlaufende Darftellung in ihrer Eontinuität oft nicht gewähren bürfte.
Daß das Converfationd-Lerifon großes Gewicht auf Einfachheit, Klarheit, Schärfe und
@ewanbtheit der Sprache legen, daß e8 vornehmlich die Terminologie und eigenthümliche
Ausbrudsweile bed Fachwiſſens möglichit abftreifen und in freies, allgemein verftänbli-
ches Deutfch übertragen muß, bebarf keiner weitern Erörterung. Was die Weiſe der
fachlichen Darftellung betrifft, fo liegt e8 ſchon in dem bereits erörterten Charakter der
Enchklopäbie, daß biefe Darftellung auf die Begriffsentwidelung des Gegemftanbes ge-
richtet ift, welche Die Sache nicht in ihrem plaftifchen Detail wiedergeben farm und fol,
fonbern vielmehr an beffen Stelle ven reſultirenden Gedanken und das zuſammenfaſſende
VUrtheil — mit einem Worte, einen geiftuolfen und darum wahrhaftigen und vollſtändi⸗
gen Auszug barreichen muß. Wer ein Anderes, etwa bier ein monographifches Ge⸗
mälde, dort einen weiten biftorifchen Pragmatismus verlangen möchte, würbe Fode⸗
rungen thun, bie im Grunde feine Enchklopädie, am wenigften aber eine von fo mäßi⸗
. gem Umfange, wie das Choerſationb⸗Lexikon ift, zu erfüllen vermag. Wollte man aber
ſolche Art der Belehrung an und für ſich verwerfen und als oberflächlich bezeichnen, fo
wärbe man überfehen, baß gerabe bie allgemeine Kenntniß, der allgemeine Begriff von
der Sache der erfte Schritt tft, den wir ernftlich in dieſelbe hinein thun, und baß alle
methodifche Bildung mit dieſem Schritte anhebt und anheben muß. Denn wollten wir,
um recht gründlich zu gehen, den entgegengefetten Weg einichlagen, jo müßte unfer Ler-
nen und Auffaffen, wie das bes Mudes und unferer Urväter, mühſelig vom Einzelnften
anheben und fo fortgeben. Inder Chat find es bei näherer Erwägung gewöhnlich nur
Igreranten oder auch Leute von ganz einfeitiger Bildung geweſen, bie über Ench⸗
Hopädien und enchklopädiſches Wiſſen wegwerfenb geurtheilt Haben, aus feinem an-
bern Grunde, als weil fe dieſen Büchern und dieſem Wiſſen gegenüber ihre ſchwache
und vernachläffigte Seite fühlten. Das Wiflen, das eine Encyklopädie gewährt, ift aller⸗
dings richt die volle, ansgebreitete Kenntniß der Sache, noch weniger bie Wiſſenſchaft
berfelben; abet der allgemeine Begriff, ven biefes Wiſſen in fich ſchließt, läßt doch [hen
x KRakmwmort.
Urtheil und Beſcheid, intellectuelle wie moralifche Würbigung ber Sache, alfo beſtimmen⸗
den Einfluß auf das vernünftige Hanbeln des Menfchen zu, und bietet yor allem bie An»
regung und zugleich die Hanbhabe, fich ver Sache nad) Bedürfniß weiter zu bemeächtigen,
tiefer im fie einzubringen. Man greife irgend einen gewichtigern Artikel aus dem Con⸗
. verfationd-Rerikon heraus, 3. B. einen, welcher ein Land, einen Staat ober ein Boll behan-
delt, und man wirb nicht leugnen können, daß Der, welcher fich mit dem Inhalt biefes
Artikels befannt gemacht, weit gegrünbetern Anfpruch auf Kenntniß jenes Landes, Stans
tes oder Volkes, auf Urtheil und Würbigung feiner Verhältniſſe befitt, als Derjenige, ver
nur die Notizen geltend machen kann, bie ihm aus Erzählung, Tagespreſſe, oberflächlicher
Bectüre u. ſ. w. angeflogen. Ebenfo wird Der, welcher ſich den Inhalt gewiffer naturwiſ⸗
ſenſchaftlicher Artikel angeeignet, gewiß eher umd beffer 3. B. zur Einficht in bie Natur des
eleftrifchen Telegraphen gelangen, als Der, welcher an biefe ftaunenswerthe Anwendung
der phyſikaliſchen Wiflenfchaft auf Die Communication ohne allgemeines Willen über bie
pabei wirkenden Kräfte herantritt. Wir Alle müben uns ab, von ber Kindheit bis zum
Grabe, Erfahrungen ixı Leben, das ift nichts Anderes als allgemeine Begriffe von ven
Dingen und Verhältniſſen zu ſammeln; wir Alle ſchätzen den Mann hoch, erfennen feine
Einſicht an, legen auf fein Urtheil Gewicht, der ung als ein „erfahrener Mann“ oder ale
ein Mann von ‚allgemeiner Bildung” gilt, und wir ftellen mit Recht dieſes Wiſſen
und diefe Bildung für eine vernünftige und fruchtbare Lebenspraris viel Höher als ein
einfeitiges Fachwiſſen, wie achtungswerth und verbienftlich anch bie Wirkfamleit deſſelben
in feinem Kreife fein mag. Nun — bie populäre Enchklopädie ober das Eonverfationd-
Lexikon tft nicht mehr und nicht weniger ale das Fiterarifche Hülfsmittel, um dem Stre⸗
ben nach Dem, was wir als Lebenserfahrung bezeichnen, theils Methode, theils Gelegen⸗
beit zu allfeitiger und grünblicher Befriedigung zu geben!
Noch ift eine Erörterung des principiellen Standpunktes, ben Das Converfationd-Kerifon
einnimmt, nöthig. Im Grunde ift berfelbe bereit durch den Eharafter des Unterneh»
mens ſelbſt ausgefprochen. Müßte das Werk auch nicht, als ein populäres, für jeben
Gegenftand, den es in feinen Kreis zieht, die Gefichtöpunfte eröffnen, unter welchen
er betrachtet und gewürdigt werben kann, jo wirb es boch ſchon durch feine mehr-
fach berührte Darftellungsweife auf die Herausftellung des Urtheils und bed Ge⸗
dankens an der Sache angemwiefen. Das Urtbeil, ale das Nefultat und bie Spige
ber Begriffsentwidelung, foll aber, wie man mit Recht verlangt, Fein willfürliches
und partetifches fein, ſondern es fol aus der Sache ſelbſt herfließen und fomit den Ans
ſpruch auf Objectivität Haben, möge num fein Inhalt je nach dem Gegenftande auf eine
intellectuelle oder moralifche Würbigung hinausgehen. Wiewol nun die Wahrheit des
Urctheils als die Folgerung aus ber Sache oft genug auf der Hand liegt, ſodaß jeber ver-
nünftige Menfch davon befriedigt tft, muß boch auch zugeſtauden werben, daß gerade bei
der enchflopädifchen Behandlungsweiſe, wo die Ausbreitung des fachlichen Detail fo fehr
- zurücteitt, jene evidente Nechtfertigung des Urtheils aus der Sache felbft nicht immer
vorhanden fein kann, und das Urtheil beftgt in Diefem Falle feine andere Garantie für ſei⸗
nen Ernſt und feine unparteitfche Wahrhaftigkeit als die Fähigkeit und ven Willen Deffen,
der das Urtheil fällt. Wer ift Dies aber, bei dem man bie Fähigkeit unb den Willen, bie
Dinge viefer Welt in ihrer Objectivität zu erfennen und zu würdigen, vorausfegen barf?
Diefe Eigenfchaften kommen vor allem dem wifjenfchaftlichen Geifte zu, ver nicht nur bie
Wahrheit um ihrer felbft willen fucht, fondern bei ihrer Erforſchung auch die Höchfte
Kraft des Menfchen, das ſelbſtbewußte Denfen ober bie Nothwendigkelt der Logik geltend
macht. Das Gonverfationd »Leriton, obfchon ein Werk, das auf populäre Belehrung ges
richtet ift, kann daher ebenfalls nur bie Wiflenfchaft, die alle Gebiete des modernen Le⸗
bens durchdrungen und demjelben bie mächtigften Impulfe gegeben, zu feinem Führer
nehmen, und vermag keine andere Sarantie für die Gediegenheit feines Inhalts und den
Zur Geſchichte und Charakteriſtik des Eonverfations-Rerikon. xl
Ernſt und bie Obfectivität feines Uxtheils zu geben, als ben Hinweis, daß es Männer ver
Wiſſenſchaft gewefen, bie hier, jeber in feinem Kreife, thätig waren. Die leitenden Brinci-
pien aber, die hiernach in vem Werke zur Geltung fonımen müffen, ſind: ver Rationalis⸗
mus ober die wiffenjchaftliche Anſchauung ver Dinge auf ven intellectuellen Gebieten; der
Humanismus oder das vernünftigefittlicde Menſchthum auf ven Gebieten der Ethik oder
des Rechts und der Moral. Es liegt in bem Weſen biefer Brincipien, bie Alle anerkennen,
wenn fie auch im praltifchen Leben oft genug verleugnet werben, daß fie Die Selbftän-
digleit des Menſchen achten und wol bie Förderer und Vermittler feiner Bildung und
Aufklärung, nicht aber die. Unterdrücker feines Geiftes burch aufgenrungene Doctrinen,
noch die Brücke fein können, über welche die geiftige Trägheit ohne Mühwaltung an bie
Schätze des Wiſſens und ber Bildung herantreten möchte. Neil Das Wiffen und das
Urtheil, welches diefer Standpunkt bietet, will am wenigften die Selbftthätigleit außer
Brand fegen, fondern vielmehr die Energie des Menſchen anregen, um die Welt denkend
zu erfafjen und aus dem Gedanken bie freie fittliche That zu Ichöpfen. Wer hierbei noch
eine Vergewaltigung des Geiftes, eine Octroyirung fremden, fubjectiven Urtheils über
bie Dinge fürchten wollte, ver würbe freilich Urtbeilen und Denken überhaupt fürchten,
und felbft die Notizen bes geijtlofeften Wörterbuch müßten ihm bald zu kritiſch und
geiftig verführerifch erjcheinen.
Es fragt fich noch, ob das Converſations⸗Lexikon nach der weltbürgerlichen Richtung, bie
ihm feine Principien verleihen und bie feine Verbreitung und Wirkfamfeit weit über bie
Grenzen des Vaterlandes zur Folge gehabt, ein nationales Werk genannt werben kann?
Infofern das Eonverfationd-Lerilon der deutfchen Bildung entfprungen ift, feit einem
halben Sahrhundert diefer Bildung vorzugsweiſe gedient und von ihren Phaſen feine
Geftaltung empfangen hat, infofern es enplich bie deutſche Wiffenfchaft ift, pie aus ihrer
Fülle feinen Inhalt herausgearbeitet, kann das Werk gewiß mit Hecht auf das Prädicat
eines nationalen Anfpruch erheben; ja feine Weltbürgerlichleit und feine Univerfalität
find gerade ein fehr charakteriftifches Zeichen feines veutfchen Weſens. Dagegen will das
Werk den Namen eines nationalen nicht durch leere Lieberhebung und Lobbienerei des
deutſchen Volksthums verbienen: eine Schwäche, ver fo oft die populären Werfe ver
Sranzofen verfallen, indem fie in den trivialjten Dingen das Genie, ven Ruhm Aub bie
Stellung ihrer Nation an ver Spite ber Civiliſation geltend machen. Ebenfo wenig ſoll
fih das Werk den Anfpruch eines natioualen dadurch erwerben, daß es biejenigen Rich⸗
tungen, in welchen unfere Nation banptfächlich ihre productive Thätigkeit entfaltet hat,
etwa bie Sphäre ber Dichter und Denker, auf Koften ver übrigen Zweige menfchlichen
Willens und Könnens unverhältnißmäßig in den Vordergrund treten ließe: eine dem
Charakter der Enchklopäbte widerfprechenne Beſchränkung, ver häufig die ähnfichen
Werke ver Engländer erliggen, indem fie vor lauter Prakticismus und Induftrialismus
in Ratugefchichte und Te Snologie umichlagen.
Wie verhält ſich nun aber, wird man endlich fragen, das Converfations-Lerilon zu ven
Barteien und deren Doctrinen in Staat und Kirche, zu der Klippe, an welcher jo viele auf
populäre Bilvung gerichtete Unternehmungen in der einen oder andern Weife gefcheitert
find? Es muß hierauf zuvörderſt geantwortes werben, daß bem Werke umjoweniger
biefe Klippe entgegengetreten, je embfchienener e8 an feinen Principien und an dem Kreife
feftgehalten Hat, in ben e8 durch feine Aufgabe gewiefen ift. Das Werk unterwirft aller-
dings die Parteien, als die wichtigften Factoren ber Zeitgefchichte, feiner Darftellung und
Beurtheilung, indem e8, infofern bie Erfcheinung nicht auf nadter Willkür, fonbern auf
einem wahrhaften Elemente und Intereffe bes Zeitlebens beruht, von feinem humanen
Standpunkte aus die Berechtigung ver Partei wol anerkennt, aber auch nicht vergißt, die
Einfeitigleit und Befchränttheit des Parteiftrebens als eines folchen Hervorzuheben. Allein
das Werk würde feinen objectiven Standpunkt und feine humanen Zwecke durchaus auf
x Nachwort.
geben, wollte es in die Arena des Tages herabfteigenund ſich zum Kampforgan irgend einer
Partei, ſei es auch die berechtigtfte, machen. ‘Denn jeder Parteilämpfer muß umſomehr
der Leidenſchaft und dem Vorurtheil anheimfallen, je eifriger und fiegreicher er fein In⸗
terefje vertritt, und er muß damit die Fähigkeit verlieren, bie Dinge und Menſchen, die aus
Berbalb feines Intereſſes ftehen, mit Gerechtigkeit und humaner Gefinnung zu würdigen.
Der Barteimann wird, foll er Die Welt burchmuftern, Manches für gänzlich werthlos und
felbft ver Erwähnung unwürdig halten, was für Anbere immer noch Werth, ja vielleicht
einen hohen Werth befitt, Dagegen Vieles hochftellen, was für die Uebrigen durchaus keine
folche Bedeutung hat; er wird von feinem Geſichtspunkte aus die Menſchen befangen be-
wxtheilen und namentlich für feine Zeitgenoffen nicht die humane Milde und die Aner-
tennung bes relativen Verbienftes walten laffen, wie e8 Dem eigen fein muß, ber einen
allgemein menfchlichen Maßſtab anlegt. Man vente ſich eine Enchklopädie vom fpecififch
bemofratifchen, vom ariftolratischen, vom Standpunkte des politifchen Abfolutismus aus,
ober ein folches Werk, das an Die Dinge biefer Welt ven Maßſtab eines religiöfen Dogma
und fpeciftfch-irchlicher Beftrebungen legt, und man wird gewiß zugeben, daß in einen
folch verengten Horizont nicht Alles fällt, was den civiliſirten Menſchen als ſolchen in-
tereffiren kann, ebenfo auch, daß Das, was darein fällt, fir Alle, vie nicht zur Partei
ftehen, ſondern als unbefangene Menſchen Hinzutreten, mehr oder weniger als ein ver-
ſchobenes Bild erfcheinen muß.
Es ift eine bemerfenswerthe und keinenfalls zufällige Thatſache, daß Diejenigen Par»
teien, welche allein innere Geltung und Wirkfamfeit befigen, niemals ihre Angriffe gegen
bas Converſations⸗Lexikon und feinen humanen Standpunkt gerichtet haben, während es
bagegen von dem gelehrten Kaftenftolze angegriffen worden, ber die Popularifirung der
Wifjenfchaft für eine Entweihung verfelben Hält, fowie von Männern jener kranken Welt-
onfchauung, bie da meinen, durch die Berallgemeinerung bes Wiffens, biefem Elemente
aller menfchlichen Eultur und Wohlfahrt, müffe die Orbnung der Dinge aus den Fugen
gehen. Außerbem hat. das Werk früher von ber Negierungsmarime ber Eenfur man-
nichfache Hinderniſſe und Verationen erbulbet, die jedoch gegenwärtig gehoben find. Der
äußere Beftand des Eonverfationd- Lerilon aber warb durch die zahllofen Nachahmungen,
Nachbildungen und Ueberfegungen in faft alle lebenden Sprachen, ſowie durch bie vielen
bald mehr, bald weniger masfirten Nachprude im Ganzen und Einzelnen niemals be-
einträchtigt; vielmehr haben alle dieſe Reproductionen nur dazu beigetragen, die Anerken⸗
nung und Verbreitung bes Originals zu fördern, zumal fie der Verlagshandlung immer
neuen Anlaß gaben, das Werk auf der Höhe der Zeit und ihrer Anfprüche zu erhalten.
En.
Eine vollftändige Geſchichte des Converſations⸗Lexikon würdrein jelbftändiges Buch von
fehr vielfeitigem Interefſe abgeben; hier fei nur infofern ein Bli auf die Hanptmomente
feiner gefchichtlichen Entwidelung geworfen, als Daraus einiger Auffchluß über bie Pha⸗
fen feiner Ausbildung und feiner Verbreitung zu entnehmen ift. Die Wiege des Werts
ſteht am Ende des vorigen Jahrhunderts. Doch knupft fich fein Urfprung burchaus nicht
an eine ber größern, mehr ober weniger wiflenfchaftlichen Enchklopädien, welche jenes
Sahrhunbert, namentlich in deutfcher und franzöfiſcher Sprache und unter verfchiebenen
Titeln, aufzuweiſen hat. Huch die große franzöftfche, feit der Mitte bes 18. Jahrhunderts
von Diverot und D’Alembert herausgegebene Enchklopädie, die als der Ausprud ber phi⸗
loſophiſchen Weltanfchauung jener Epoche einen fo unermeßlichen Einfluß auf die Geis
ftesrichtung ber höhern Gefellfchaftsclaffen in Europa geübt Hat, liegt dem Conver⸗
fationd-Rerilon nach Urfprung wie Zwed fern, obfchon der berühmte „Discours prelimi-
naire‘’ jenes Werks bie Idee für ein derartiges populäres Buch ziemlich nahe legte. Das
Gonverfationd- Lerifon verdanlt feine Entftehung einzig ber frifchen Geiftesbewegung in
" Zur Gefchichte und Charakteriſtik des Gonverfations-Rerifon. XIN
Dentichlanb, welche am Ende bes vorigen Jahrhunderts der mächtige Aufſchwung unfes
rer Nationalliteratur und zugleich die großen Weltereiguiffe hervorriefen.
Ein fonft ungelannter Gelehrter, Br. Löbel in Leipzig, faßte im Jahre 1796, gegenüber
dem alten ‚Zeitungs- und Converſations⸗Lexilon“ von Hübner, das feit mehr als 30. Jah⸗
ren ben Zeitungslefern mit feinem bürftigen Notizenſchatze ausgeholfen, ben Plan zu einer
populären Enchllopäbie, welche das ‚allgemeinere Streben nach Geiſtesbildung“ und
„bie fich immer mehr verbreitende Annäherung ver Geichlechter und Stände in ihren
Degriffen” unterftügen, namentlich aber bie „‚wiffenfchaftlichen Begriffe” zur „Theil⸗
nahme an einer guten Converfation“, fowie zur ‚Erichließung des Sinne guter
Schriften‘ in fich begreifen follte. Das Werk, das fehr richtig zwei Hanptmomente,
In denen fi das Bedürfniß allgemeiner Bildung geltend macht, pie Eonverfation und
bie Lectüre, in ven Vordergrund ftellte, erfchien feit 1796 bei 5. U. Leupold in Leipzig un⸗
ter ben boppelten Titel: „Converſations⸗Lexikon mit vorzüglicher Rüdficht auf Die gegen⸗
wärtigen Zeiten‘ unb „Frauenzimmer⸗Lexilon zur Erleichterung ver Eonverfation und
Rectüre”. Es umfaßte bereits die wichtigften Gegenftände der Geographie, Geſchichte,
Mythologie, Philoſophie, der Raturlehre, der Schönen Künfte, nebft manchen andern wi»
fenfchaftlichen Notizen und einigen Biographien, und war auf vier befcheidene Octapbänbe
berechnet. Löbel, ver feine Aufgabe mit einigen Deitarbeitern geſchickt vollzog, ftarb in-
deſſen fchon im Jahre 1798 nach Vollendung des dritten Bandes, und das Unternehmen
gerieth in ungeſchickte Hänbe und wegen Mlittellofigleit bes Verlegers überhaupt ins
Stoden. Im Iahre 1800 erfchlen zwar ber vierte Band, der aber, ftatt des ganzen Re
ſtes, nur den Buchftaben R endigte, und, während bas Unternehmen inzwiſchen an bie
Firma I. K. Weber übergegangen, erſt 1806 ein füufter Band, ber immer noch nicht ben
Schluß brachte. Endlich gelangte das ſchon durch bie Zeitwirren im Vertrieb gehinderte
Werk in den Verlag von I. ©. Herzog, der dann ben fechsten und leiten Band zum
Drud brachte, aber daſſelbe 1808 noch vor der Ausgabe des Schlußbandes an Friedrich
Arnold Brodhaus, bamals in Amfterbam, verlaufte. Letzterer num führte das Werk zum
erften mal vollftänbig und in neuem Abdrucke unter bem Titel „Converſations⸗Lexikon,
ober Iurzgefaßtes Sanbwörterbuch für bie in der gefellichaftlichen Unterhaltung aus ven
Biffenfchaften und Künften vorkommenden Gegenſtände, mit beftändiger Rüdficht auf die
Ereigniffe der ältern und nenern Zeit” (6 Bände, Leipzig und Amſterdam 17961810;
neuer Abbrud 1000 11) ind Publicum ein und ließ dem Ganzen auch 1810 pie föon
bon Xöhel projectirten „Nachträge” in zwei Bänden folgen.
Friebrich Arnold Brodhaus*), ein Mann von Scharfblid, Bildung und Weltkennt⸗
niß, begriff beffer als feine Vorgänger pie Tragweite des Unternehmens und befaß Ener-
gie, Geſchick und Ausdaner genug, um ber bisher kümmerlich ausgeführten Idee von
Stufe zu Stufe eine vollendetere Ausprägung zu verleihen: er gilt darum mit Recht als
ber eigentfiche Begründer bes Werks. Die ftürmifchen Zeiten, in denen fich große Ereig-
niſſe und Perfönlichkeiten prängten, hinderten ihn, obwol er damals nur über befchräntte
Mittel verfügte, durchaus nicht, an eine Uimgeftaftung des Werts zu gehen, und bie Er-
folge entfprachen trog der unruhigen äußern Verhältniffe feiner muthigen Berechnung.
Während er 111 von Amſterdam nach Altenburg überfiebelte, begann ex mit ver zwei-
ten Auflage bes Werts beffen gründliche Nenbearbeitung, bie zugleich in bie dritte und
vierte Auflage hinüberlief und darum erft 1819 zu Leipzig vollendet warb, wohin er
zwei Jahre früher fein emporblühendes Gefchäft verlegt hatte. Durch ausgebreitete
Kenutnifje in Politik, Literatur und Sprachen wohlbefähigt, verfah er anfangs perföänlich
die Hanptgefchäfte ver Redaction, und blieb auch, als er fpäter geſchickte Mitredacteure
berbeizog, unausgefegt vie Seele und der Leiter bes Ganzen. Die nene Bearbeitung ım-
— —
Mergleiche ven Urtitel über ihn Band 3, Geite 308 fg.
⸗
xuv Rachwort.
terſchied ſich von der erſten Auflage nicht nur durch eine dem Geſichtskreiſe der Zeitbil⸗
dung angemeſſene Erweiterung bes ſtofflichen Inhalts, ſondern fie ſchlug auch einen hö⸗
bern, geiftuollern Ton an und eritrebte eine mehr exacte Darftellungsweife. Die vater-
laͤndiſche, auf vie Zeitlage gerichtete Gefinnung trat hervor; bie Zeitgeſchichte nach allen
Seiten hin und namentlich bie zeitgenöffifche Biographie gelangten zu ihrem Rechte; Po-
litik, Staatswirthichaft, alte und neue Literatur, Archäologie, Philofophie, Naturwiſſen⸗
ichaft, Matgematil, populäre Heilkunde nnd Jurisprudenz, felbft Gewerbs- und Hau⸗
delskunde wurden teils zum erſten mal, theil® in weiterm Umfange in ben Rahmen bes
Werts gezogen. Auch die Erflärungen ver Fremdwörter follten Aufnahme finden; boch
machte fich ſehr bald bie Einficht geltend, daß ſolch umfänglicher Wortballaft pas Werk
zu gewaltig auf Koften bes concretern Inhalts überladen würde, fowie daß dieſe Rudi⸗
mente ber Bildung dem Charakter des Ganzen gemäß doch ausgefchloffen bleiben müß-
ten. Reine Worterflärungen, an bie fich fein weiterer Inhalt Inüpft, wurden feitbem mit
wenigen, befonbers motivirten Ausnahmen fern gehalten. Die zweite Auflage bes Werts,
uriprünglich acht, durch ihren Anjchluß an bie dritte und vierte Auflage zehn Octavbände
umfaſſend, außerbem durch comprefien Drud auf das Doppelte ver erften Auflage erwei⸗
tert, erfchien unter dem Titel „Eonverjations-Lerilon, oder Handwörterbuch für bie gebil«
beten Stände über bite in der gefellfchaftlichen Unterhaltung und bei ver Lectüre vorkom⸗
menben Gegenftände, Namen und Begriffe, in Beziehung auf Völker : und Menſchenge⸗
ſchichte, Politik und Diplomatil, Mythologie und Archäologie, Erd», Ratur-, Gewerbs⸗
und Handlungskunde, bie fehönen Künfte und Wiffenichaften; mit Einfchluß der in bie Um⸗
gangsfprache Übergegangenen ausländifchen Wörter und mit befonberer Nückficht auf vie
ältern und neueften merfwärbigften Zeitereigniffe” (10 Bände, Altenburg und Leipzig
1812—19), und zählte ſomit noch auf dem Titelblatte alle bie Disciplinen auf, bie fte
behandelte. Brockhaus wußte für die neue Bearbeitung einige tüchtige Gelehrte zu gewin⸗
nen, bie zugleich bie bamals noch feltene Eigenfchaft einer populären und geiftreichen
Schreibweife befaßen, unb nahm auch, nachbem er ven exften Banb und bie Hälfte bes
zweiten Bandes ganz allein rebigirt, ven Dr. Ludwig Hain als Dlitrebacteur an, wodurch
bie rafchere Herftellung des Werts möglich wurde. Hain leitete ſeit dieſer Zeit bis zur Bol-
lenbung bes erften Drucks der fünften Auflager im April 1820, mit nem Verleger, als
Hauptrebacteur, vereint, das Unternehmen, das er auch auf eine ausgezeichnete Weiſe ge⸗
fördert Hat. Wie ſehr das Publicum dem Unternehmen in feiner verjüngten Geſtalt entges
genfam, follte der Verleger fehr bald erfahren, venn ſchon nach Beendigung des zweiten
Bandes mußte die anfänglich in 1500 Exemplaren gedruckte zweite Auflage auf 3800 ge-
fteigert werden. Gegen Ende des vierten Bandes waren indeſſen auch biefe JUOO Exem⸗
plare vergriffen, und der Verleger nahm nun vor dem Wiederabdruck biefer vier Bände
eine auf fchärfere Form umd zeitgefchichtliche Ergänzung gerichtete Reviſion berfelben vor
und ließ dieſe unter vem Titel „Converſations⸗Lexikon, oder enchklopädiſches Handwör⸗
terbuch für gebildete Stände” (10 Bände, Altenburg und Leipzig AIS1LA— 19) al$ dritte
Auflage erfcheinen. Der fünfte fowie die folgenden Bände bilveten nun zugleich bie
Fortſetzung ber zweiten wie der brüten Auflage. Nach Beendigung des fiebenten Bandes
trat jedoch eine Störung in ben Arbeiten ein, ba der Buchdrucker Macklot in Stuttgart,
auf bie würtembergifche Preßgeſetzgebung fußend, einen Nachdruck des Eonverfationd-Reri-
fou veranftaltete, ber das ſchwer errungene Eigenthum des rechtmäßigen Verleger arg
bedrohte. Brockhaus befeitigte diefe Gefahr dadurch, daß er raſch eine durchgängig ver-
befferte und berichtigte vierte Auflage bes Werts (10 Bände, Leipzig 1817—19) her-
ftellte, die in Würtemberg ein Privileginm auf ſechs Jahre gegen einen etivaigen neuen
Nachdruck erhielt, und deren achter, neunter und zehnter Band zugleich pie Fortjegungen
zu ber zweiten und britten Auflage ausmachten. Ein „Supplementband“ (Leipzig 1818),
ber vie Verbefferungen ver vierten für bie Beſitzer der erften, zweiten und britten Auf⸗
‘
Zur Gefhichte und Charakteriſtik des Eonverfations-Lerifon. xV
Inge enthielt, foweit Diefelben nicht an ber vierten participirten, brachte ſämmtliche Aufla⸗
gen dieſer feit 1812 begonnenen Umgeftaltung bes Werts zum befriebigenben Abſchluß.
Dem Verleger entging es freilich nicht, daß fein Werk unter äußern Störungen, unter
rafchen Revifionen und Ergänzungen, unter ben gewaltigſten Aufregungen und ertremften
Stimmungen des öffentlichen Geiftes jener Zeit nicht zu der gleichmäßigen innern umb
äußern Bollendung hatte gelangen können, wie er e8 wol beabfichtigte und ber enchflopäs
diſche Charakter des Buchs es foberte. Er ſchritt darum bereits einige Monate vor Ab»
ſchluß ver vierten zur Herftellung einer neuen, fünften Auflage, welche pas Werk vor
nehmlich zu einer gemeffenern Form herausbilden, bann aber auch den Culturfortſchritt
und die Zeitgefchichte noch forgfältiger berüdfichtigen follte. Währenn zu dieſem Zwecke
eine ftrengere Scheibung ver Arbeiten als bisher vorgenommen wurde, forgte ber Ver⸗
leger felbft wieder im Verein mit Hain für eine einheitliche Rebaction, und als Letzterer
im April 1820 Leipzig verließ, trat Brofeffor Friedrich Ehriftian Auguft Hafle an veffen
Stelle, ber als ein ebenfo kenntnißreicher wie forıngeivandter Gelehrter dem Conperfationß
Reritox in ven Sabren 1820-32, zuerft als Mitarbeiter, dann als Redactenr, insbeſon⸗
bere ber fiebenten Auflage, große Dienfte geleiftet hat. Bei dieſer fünften Auflage wurbe
bie Rebaction namentlich durch Schulrath Gottfr. Erdm. Petri in Zittau unb Prof. Dr.
Amadens Wendt in Leipzig in ihren Arbeiten kräftig unterftägt. Die fünfte Auflage, eben-
falls auf 10 Bände berechnet, führte ben Titel ‚Allgemeine veutfche Real⸗Enchklopädie
für die gebilbeten Stände (Converſations⸗Lexikon)“ (10 Bände, Leipzig 1819) und wurde
binnen 18 Monaten vollftänbig zu Ende geführt. Die erften fünf Bände gelangten ſchon
1.Nov. 1818, die nächften drei 1. Aug. 1819, die beiden legten 1. April 1820 zur Ber»
öffentlichung. Noch befanden ſich die legten Bände unter ber Preffe, ald pie 12000 Exem⸗
plare ftarfe Auflage auch ſchon vergriffen war, ſodaß 1820 ein zweiter unveränberter Ab⸗
brud in 10000 Exemplaren, in Iahresfrift aber ein dritter von abermals 10000 verans
ftaltet werden mußte, der 1822 vollftänpig erſchienen war. Schon mit dem erften Drude
ver fünften Auflage waren „Supplemente zum Converſations⸗Lexikon für bie Beſitzer ber
erften, zweiten, britten und vierten Auflage” (vier Ahtheilungen, Leipzig 1819—20) in
Angriff genommen worben, welche bie VBerbefferungen ber neuen Auflage enthielten.
Ein folch beifpiellofer Erfolg, wie ihn bie Gefchichte des Buchhandels bei einem fo bän-
bereichen und trotz feines verhältuigmäßig billigen Breifes doch immer koftfpieligen Werte
nicht weiter aufzuweifen bat, mußte bie Energie und Thätigfeit des. Verlegers immer
mehr fteigern. Abgefehen von dem materiellen Segen, ven ihm das Unternehmen brachte
unb ben er zur Entfaltung feines Geſchäfts nach großartigen Gefichtspuntten verwandte,
erhob ven edeln und gemeinnütigen Mann das burch unzweiveutige Beweife gerechtfer-
tigte Bewußtfein, wie ans feinen Anftrengungen ein Werk hervorgewachſen, das zur
Vörderung und Verbreitung humaner Bildung felbft über die Grenzen bes Vaterlandes
hinans nicht unbedeutend mitwirke. Diefer Gedanke, fich ein culturbiftorifches Verdienft
zu erwerben, war e8, ber feine Thätigleit immer wieder auf das Werk zurüdführte.
Indem ex bie weſentlichen Umwandelungen im Schoofe ber europäifchen Culturvölker,
bie pofitifchen Gegenſätze, die Entfaltung des Eonftitutionalisnus, das Aufblüßen ver
Inbuftrie und des Handels, die wiffenfchaftlichen Fortfchritte, pie veränderten Richtun-
gen der Nationalliteraturen, bie erweiterte individuelle Bildung, kurz das neue Leben,
das gegen pas Jahr 1820 Hin aus dem Weltfrieben fo ſichtbar erblähte, mit ſcharfem Blick
ine Auge faßte, blieb der Entfchluß nicht ans, auch fein Werk in biefe neuen Bahnen zu
leiten. Er entwarf ven Plan zu einer fechsten Auflage, welche fich entfchieben ven
feifchen Ideen und Thatſachen in Staat, Gefeltfchaft, Wiſſenſchaft, Kunft And Literatur
zuwenden, zugleich aber ihren Gehalt in eine geiftreiche und elegante Form faſſen follte.
Auch erfaunte er bie Richtung der. Ration in der Literatur auf die Darftellung und Be⸗
trachtung bes individuellen Lebens, und befchloß darum eine noch erfchäpfenbere Behand⸗
VI | Nachwort.
lung der Biographie eintreten zu laſſen. Da ihm jedoch, wollte er den mühſam erſtrebten
enchklopädiſchen Charakter des Werks feſthalten, gewiſſe Grenzen rückſichtlich ver Entfal-
tung wie der Behandlung des Zeitgeſchichtlichen geſteckt blieben, ſo dachte er diesmal
bem Hauptwerke ein daſſelbe ergänzendes Nebenwerk zu, das unter dem Titel „Con⸗
verſations-Lexikon. Neue Folge“ (2 Bände in 4 Abtheilungen oder des Haupt⸗
werks 11. und 12. Band, Leipzig 1823—26) die Zeitgeſchichte und den Zeitgeiſt noch
fpecieller und ausführlicher, als e8 das Hauptwerk vermochte, entwickeln follte. Wol
- würde ber Verleger noch nicht zur Verwirklichung ſeines Plans geſchritten ſein, hätte er
ſich entſchließen können, dem Publicum einen abermaligen Abdruck ver fünften Auflage,
deren letzter ſich ebenfalls raſch vergriffen hatte, darzubieten; er erachtete aber den Stand⸗
punkt dieſer fünften Auflage ber gefteigerten Zeitbildung nicht mehr entſprechend. So ging
er denn im Verein mit Haffe und unter Mitwirkung tüchtiger Fachmänner feit März
1822 zuerft an bie Ausführung bes Nebenwerks, dann im September bveffelben Jahres
an bie Herftellung der fechsten Auflage des Hauptwerks, deſſen Umfang abermals auf
10 Bände feftgeftelit wurbe, und das fortan ven Titel, wie er bei ver fünften Auflage an⸗
genommen worben, behielt. Inmitten biefer Arbeiten verfiel indeſſen ver thätige Verleger,
durch literarifche Fehden und vie feit 1821 in Preußen angeordnete Recenfur feines gan⸗
zen Verlags hart gekränkt, im Winter 1822—23 in eine ſchwere Krankheit, die ihn nach
kurzer Beiferung 20. Aug. 1823 feinem Wirkungsfceife für immer durch ben Tod entzog.
Seine beiden älteften Söhne, Friedrich und Heinrih Brockhaus, vie jet das Gefchäft
tim Intereffe ſämmtlicher Erben fortführten und es feit 1829 als Befiter übernahmen,
wandten num, nach bem Beifpiele des Vaters unb von biefem zeitig in den Organismus
wie in die Technik des Werks eingeweiht, ihre jugendlichen Kräfte dem Unternehmen mit
Eifer zu. Ste vollendeten unter Haſſe's Mitwirkung bis Ende Sept. 1823 ven Drud ber
fechsten Auflage, fügten verfelben 1824 einen „Supplementband für die Beflger ber
fünften und frühern Auflagen‘ bei und führten auch im Jahre 1826 nach dem Entwurfe
bes Verftorbenen bie „Neue Folge” des Converſationd⸗Lexikon zu Ende.
Gleich dem Vater winmeten fich die beiden Söhne ebenfalls perfönlich der Leitung des
Werks und gelangten fo fchnelf zu der Einficht, wie eine glückliche Fortentwickelung vej-
felben von fteter Aufmerkſamkeit auf bie Richtungen und Verhältniffe ber Zeit und von
eifernem Fleiß und großer Beharrlichkeit bedingt fei. Als die in 15000 Exemplaren ge
druckte fechöte Auflage vergriffen war, veranftalteten die Brüder unter Rebaction des
Profeffor Haffe räftig die fiebente Auflage des Werks (12 Bände, Leipzig 182729;
zweiter durchgeſehener Abdruck 1830), die ven Inhalt des Nebenwerks in fich aufnehe
men follte und daher von ben bisherigen 10 auf12 Bände ausgenehnt wurbe. Der
erfte Band erfchien im Mai 1827, ver zwölfte zu Oftern 1829. Diele fiebente Auflage
trug zwar tm Allgemeinen den Charakter ver vorhergehenden, war aber im Einzelnen
burchaus umgearbeitet und verbeffert. Auch im Außern unterfchied ſie fich vortheilhaft
von alfen frühern Auflagen durch gefälligere Ausftattung und größeres Format. Die
Durchſicht und Umarbeitung ber einzelnen wiffenfchaftlichen Fächer geſchah von folgenden
Gelehrten: Hofrath Dr. Ludw. Choulant in Dresben; Dr. Karl Friebr. Alex. Hartmann
in Blanfenburg; Hofrath Dr. Heine. Hafe in Dresden; Staatsrath und Prof. Dr. Ludw.
Heint. von Jakob in Halle; Major Aug. Bernh. Freiherr von Landsberg in Dresden;
Hofrath Dr. Wilhelm Müller in Deſſau; Geh. Rath Dr. Joſ. Ehriftian Emil Nürnberger
in Sorau; Geh. Rath und Prof. Dr. Karl Ernft Schmid in Jena; Hofrath und Prof. Dr.
Amadeus Wendt in Göttingen. Die flebente Auflage, erft in 13000, dann im zweiten Ah⸗
brud in 14000 Exemplaren verbreitet, fand ungemeine Anerkennung. Als Auszug dar⸗
ans erfhien ein „Supplementband für die Beſitzer ber fechsten und frühern Auflagen
und der Neuen Folge. Enthaltend die neuen und umgenrbeiteten Artilel und die Zufäße
ber fiebenten Auflage” (Leipzig 1829).
Zur Geſchichte und Charakteriftit des Converſations⸗Zexikon. XVH
Die Epoche von 1830 veranlaßte nun zumächft bie Verlagshandinng, bie Idee, weiche
das Nebenwerk der jehsten Auflage verfolgte, in einen freiern Maßftabe zur Ansfüh⸗
rung zu bringen, inbem fie bie ereignißvolle Zeit von 1830 und ihre Strömungen in eis
nem Werke barzuftellen verfuchte, das zwar in Bezug auf Zeitgejchichte als ergänzender
Anhang zum Hauptwerle gelten lönnte, in Hinficht der Aufnahme und Behandlung des
Stoffs aber ganz felbftändig baftehen follte. Die Erfehütterungen, Ummälzungen uns
Nengeftaltungen jener Zeit, ihre dramatiſchen Thatjachen und Berfänlichkeiten, die Ideen
und Geiftesrichtungen, benen fie entfprungen, ihre weitern Einflüffe auf Staat, Gefell-
ſchaft, politifche Parteinng, anf die Wiffenfchaft, auf Die Literatur, wo bie äfthetifirenbe
Kritik fo unmittelbar herporbrach, alles Dies follte fich zu einem anfchanlichen Bilde ver»
einigen. Das Werk wurbe unter redactioneller Mitwirkung des befaunten Schriftfielers
Wilhelm Adolf Lindau als „Eonverfations-Lerilon verneneften Zeit und Li⸗
teratur” (4 Bände, Leipzig 1832—34) in den Jahren 1832— 34 ausgeführt und ger
wann als glücklich gefaßter Reflex eines beivegten Zeitmoments außerorbentlichen Bei⸗
fall: e8 nahın feinen Weg in 27000 Exemplaren in die Welt. Nicht geringe Aufmerk⸗
famfeit erregten befonvers bie vielen nach Originafmittheilungen der Betreffenben gear
beiteten Biographien und bie hiftorifchen Darftellinngen aus ver Feder von Männern, bie
ben Ereigniffen nabe geftanven hatten.
Mit der gelungenen Ausführung biefes Werks war das Mittel gefunben, wonach eine
freiere Schilderung ber Zeitgefchichte plaßgreifen konnte, ohne ven enchMopäbifchen Kern
bes Ganzen zu beeinträchtigen. Ein Nebenwerk mußte im geeigneten Moment das Zeit-
bild einrahmen, während bem Hauptwerfe die Aufgabe zufiel, ausfchließenb feinen Chas
tafter als allgemeine Enchklopäote zur Beltung zu bringen, und barım zwar ebenfalls
bie Zeitgefchichte barzuftellen, aber nur ihrem pofitinern @ebalte nach, ohne Reflexion und
Beiwerk ver Tagespebatte. In biefem Sinne ging denn auch die Verlagshandlung, als
bie fiebente Anflage vergriffen, an bie Herftellung der achten Auflage des Hauptwerle,
welche fich burch eine reiche Entfaltung des Stoffs in Wiffenfcheft, Kunft und Literatur
auszeichnen, ben zeitgefchichtlichen Inhalt bed Nebenwerfs aufnehmen, doch die publici-
ftiiche Abhandlung und die politifche Tendenz fernhalten follte. Die Berlagehanplung
fuchte zur Ausführung biefes Zwecks eine Menge angefehener Gelehrter zn gewinnen,
unb übertrug, da Profeffor Haffe fich von ver Redaction zurückziehen mußte, bas eigent-
liche Redactionsgefchäft einem jungen Gelehrten, Dr. Karl Auguft Espe, der mit Geſchick
in ihre Abfichten einzugehen wußte. Mit diefer Auflage begann infofern ein neuer Ab-
ſchnitt in der Geſchichte des Werks, als ſeitdem mit jeder neuen Auflage eine durchgrei
fende unb darum längere Zeit erfovernbe Umarbeitung feines Inhalts verbunden war.
Die Arbeiten für bie achte, twieverum 12 Bände umfaffende Auflage (12 Bänpe, Leipzig
183336) begannen im Herbft 1532 ımb enbeten im Mai 1837. Im Jahre 1839 warb
biefer Auflage, von ver bis 1842 an 31000 Eremplare ins Publienm gelangten, zum erſten
mal ein die Brauchbarkeit des Werks ſehr erhöhendes, Univerſal⸗Regiſter“ beigegeben.
Es galt nun aber auch der nenen Auflage des Hauptwerks ein Nebenwerk an bie Seite
m ftellen, das einerfeits als zeitgefchichtliche Ergänzung des erfiern, anbererfeit3 als
ſelbſtaͤndiges Zeitgemälpe ber legten breifiger und erſten vierziger Sabre gelten Eönnte.
Vie Aufgabe erfchten nicht eben als eine leichte, Da ber breite ruhige Strom ber frieblichen
Eutwiclelung, ver jett überaff eingetreten, weit ſchwieriger zu analyfiren mb im Einzelnen
aufzufaffen war, als vie effectreiche Epoche von 1830. Die comftitutionelfen Verſanun⸗
lungen mit ihren Verhandlungen, legislativen Nefultaten, Parteien und Eperalteren,
bie Bewegungen und Reibimgen in Religion und Kirche, die Parteinngen und Gährungen
ü der Gefellichaft und öffentlichen Meinung, ber literariſch⸗ wiſſenſchaftliche Proceh, ber
fih in Deutſchland in kritiſchen Kämpfen entwidelte, vie reiche Propuction ber Indpftrie.
xvm Nachwort.
enblich die vielen Perfönlichkeiten, bie an dieſem Webſtuhle ver Zeit das Schifflein be⸗
wegten, dies waren bie Sanptelemente, bie fich bier zufammenfügen follten. Die Ber-
lagshandlung ging unter Espe's Diitwirkung im Jahre 1838 an vie Ausführung des Un⸗
ternehmens, das als „Eonverfations-Lerilon ber Gegenwart” (4 Bänbe, ber
letzte in zwei Abtheilungen, 1838—41) binnen brei Jahren ausgeführt und in 18000
Eremplaren verbreitet wurbe. Beide Nebenwerte, biefes wie das frühere von 1831,
haben als anſchauliche Gemälbe einer begrenzten Zeit einen bleibenden Werth erhalten.
Unterbeffen waren bie Borräthe ber achten Auflage des Hauptwerks vergriffen wor⸗
den, und bie Verlagshandlung mußte fich in Hinblick auf die reiche Enlturentwidelung
ber vierziger Yahre entſchließen, Vorkehrungen zu einer zeitgemäßen Negeneration bes
Werks zu treffen. Eine nene Auflage follte das Converſations⸗Lexikon auf allen Gebieten
bes Wiffens dem Bebärfniffe ber Zeit entiprechend erweitern, ben zeitgefchichtlichen Stoff
bes letzten Nebenwerks in fich aufnehmen umb weiterführen, babei aber in Form und
Haltung fireng an ben Begriff ver Euchklopädie gebunden bleiben. Unter Mitwirkung
einer großen Zahl von Sachgelehrten und unter der Redaction Espe's begannen bie Arbei-
ten bereits im Jahre 1843 und wurden Enbe 1847 zum Schluß gebracht. Wie fehr dieſe
durch ihre ftoffliche Ausbreitung auf 15 Bände erweiterte neunte Auflage (15 Bände,
Leipzig 1843—47)) dem Wiffens- und Bildungsaufſchwunge des Publicums entgegenfam,
bewies der mftand, daß das Werk in feiner neuen Geftalt wieberum in mehr als 30000
Eremplaren verbreitet wurbe. Mit Beendigung ber neunten Auflage ftelfte der um bas
Eonverfations -Reriton vielfach verdiente Dr. Espe feine Mitwirkung ein, indem er einer
Krankheit verfiel, die ihn Ende 1850 ins Grab führte.
Noch im Jahre 1847 traf nie Verlagshandlung Anftalten, um zur geeigneten Zeit bem
ernenerten Hauptwerke ein entſprechendes Nebenwerk an bie Seite zu ftellen. Unter Zuzie⸗
hung eines Mitarbeiters ber neunten Auflage, Dr. Auguft Kurkel, wurben bie Umrifſe des
Projects bereits entworfen, als die Februar: und Märzftürnte des Jahres 1848 der Aus⸗
führung theilweife Hinbernd entgegentraten. Zwar mußten bie gewaltigen Ereigniffe gerade
zu ihrer Darftellung auffobern, aber bie Kataftrophe nahm einen ſolchen Verlauf, daß Ende
und Refuftat nicht abzufehen, ein Heransgreifen des Einzelnen nicht möglich war. Um je
boch die Gelegenheit für bie frifche und anfchauliche Darftellung dieſes ebenfo wirren wie
gewaltigen Zeitdramas nicht vorübergehen zu lafſen, befchloß die Verlagshandlung unter
dem Titel „Die Gegenwart. Eine enchklopädiſche Darftellung ber neueften Zeitge-
fchichte für alle Etänbe” ein Wert zu beginnen, das die Scenerie jener Tage in umfängli-
dern Schilderungen wiebergeben, bie großen beivegenben ragen beleuchten, bie Staaten⸗
und VBöllergefchichte in einem mehr pragmatiichen Zuſammenhange behandeln und mit
Eintritt ruhigerer Berhältniffe auch bie Gebiete der Wiffenfchaft, Kunft und Literatur in
&hnlicher Weiſe in feinen Kreis ziehen follte. Die lexikaliſche Form, welche bie frühern
Nebenwerte des Eonperfationd-Reriton feftgehalten, mußte diesmal aufgegeben werben.
Die „Gegenwart“ trat zuerft im Mai 1848 mit einer von Augenzeugen entivorfenen
Schilderung der franzöfifchen Febrnarrevolution ins Publicum und fand, obſchon die Ge⸗
mäther in jenen Tagen wenig Aufmerkſamkeit für literariſche Probuctionen hatten, unge-
meinen Beifall. Schon nach den erften Monaten ging das Werk auch zur Behanplung ber
friedlichern Intereffen und Erfcheinungen ver Zeit über, und ſeitdem entfaltete e8 ein
enchkltfches Be, das Die Geſchichte und Zuftände ber Mitte bes 19. Sahrhumberts ab-
fpiegelt und mumfomehr. Anſpruch auf bleibendes Intereſſe hat, als bie Männer, welche
bier die polttifähen Begebenheiten. erzählen, unmittelbare und oft fehr betheiligte Augen⸗
jeugen waren, während die Abhandlungen über Wiffenſchaft, Kunft, Literatur u f. w.
von Männern gefchrichen find, bie zu ben Koryphaͤen ihres Bachs zählen. Wiewol aber
das Weil, pas bis zum Jahre 1855 feinen zehnten Band erreichte und mit bem zwölften
Bande feinen Chklus durchlaufen Haben wird, vermöge feiner Form wie feiner pragmati«
Eu wö
Zur Geſchichte und Charakteriftik des Converſations⸗Lexikon. x
ſchen Darftellungsweife von ben frühern Nebenwerten abweicht, gehört es doch feinem
Inhalte wie feiner populären Tendenz nach in den Kreis des Converſationd⸗Lexikon und
wird immer als ein zwar jelbitänbiger, boch ergänzenber und weiter ausführenner Ans
bang ber legtern Auflagen beffelben gelten müſſen.
Während bie „Gegenwart“ in ver Ausführung begriffen war, zog fich ber ältere Bru⸗
ber Friedrich Brodhaus Ende 1849 ins Privatleben zurüd, und bie Firma F. A. Brot
haus ging mit dem Eonverfafion-Rerifon und feinen Nebenwerken in ben alleinigen Befig
des jüngern Bruders, Heinrich Brodhaus, über. Diefem konnte, als die ftärmifche Epoche
vorüber, natürlich Die Frage nicht fern bleiben, wie ſich jegt die neunte Auflage des Con⸗
verfationd- Rerikon zu ven Anſprüchen verhalte, bie das Publicum gegenwärtig an baffelbe
ftellen müſſe, und er burfte fich nicht verſchweigen, baß der Zeitgeift in ben wenigen Jah»
ven, trotz ber politiichen Reftauration und Reaction, einen qualitativen Schritt gethan,
bem auch das Werk nachzulommen habe. Nicht nur eine Menge neuer Ereigniffe und
Perfönlicpleiten waren erwachfen, ſondern die Ideen, die Interefjen, die Beftrebungen ver
Geſellſchaft Leiteten in andere Bahnen ein. Mit der Ruhe und Sammlung ber Gemüther
trat eine Fülle neuer wiffenfchaftlicher Forſchungen und Errungenfchaften an ven Tag, bie
fich zugleich überall in ver Praxis geltend zu machen fuchten. Neue öffentliche Inftitute
and technifche Erfindungen hatten fich entwidlelt, welche vie Blonomifchen Verhältniffe
aller Culturvöller aufs tieffte berührten. Binnen kurzer Zeit mußten fich alle dieſe Um⸗
wandelungen noch bebeutenber geltenb machen. Unter ſolchen Umſtänden bejchloß die Ver⸗
lagshandlung, das Gonverfations-Rerilon einer entjprechenden abermaligen Umarbeitung
zu unterwerfen, und begann, wiewol bie beutfchen Verhältniffe mit neuen Verwidelungen
brohten, gegen Enbe des Jahres 1850 die vorliegende zehnte Auflage des Hauptwerks
(15 Bände, ver letzte in zwei Abtheilungen, Leipzig 1851 —55), die von Dr. Kurtzel, unter
Mitwirkung eines jüngern Gelehrten, Oskar Pilg, redigirt wurde. Die Hauptgeſichts⸗
punfte waren hierbei: Feſthalten des enchflopäptichen Charakters in ber Form wie im
Princip; Neprobuction bes Gefammtinhalts des Werles nach bem Stanbe ber heutigen
Wiſſenſchaft und Ergänzung wie Erweiterung dieſes Inhalts nad) dem Bebürfniffe ver
Zeitbilbung; allfeitige Fortführung der Zeitgefchichte bis zur Schwelle des Tages.
Diefes Programm verlieh num, wie es feit ver achten Auflage ſtets der Fall geivefen,
manchen Gebieten wiederum nach Form und Inhalt eine ganz neue Geftalt. Die politi-
Ihe Gefchichte wie die Culturgeſchichte aller Zeiten ift nach den Anfichten neuefter For-
(dung umgenrbeitet und fehr bebeutend erweitert, daneben auch ein jo reiches ftatiftifche®
Material hereingezogen worben, wie es früher niemals gefchehen konnte, da erft bie leg-
ten Jahre vie ftatiftifche Forſchung in ihrer hohen Bedeutung gewürdigt und allfeitig ge-
pflegt haben. Die Erd⸗ und Völkerkunde bat ebenfalls eine vollftänbig neue Bearbeitung
nach ven Grundſätzen der wiflenfchaftlicden Schule Ritter's, zugleich aber bie große
Ausdehnung erfahren, wie fie dem Wiſſen und bem beifpiellos fich entwidelnden Weltver⸗
lehr angemeffen tft. Die Angaben über locale Verhältniſſe in den Ortsbeichreibungen
find theils an Ort und Stelle erhoben, theils meift daſelbſt begutachtet worden. Die
Sprachen, bie Nationalliteraturen, nicht minder die Literaturen der Fachwiſſenſchaf⸗
im und Künſte haben eine vollftänbigere und auf bie jüngften Forſchungen geftügte
Behandlung erhalten. Die politiichen Wiſſenſchaften wurden zum größten Theil ber
Neubearbeitung unterzogen. Die Staats- und Gefellichaftspolitif warb ſowol theo⸗
retiſch wie.praftifch in ven Fragen und Zuftänben der Gegenwart von Männern be-
handelt, die anerlauntermaßen die wiffenfchaftlicde Auffaflung diefer Gebiete vertreten,
währenb.bie tenbenziöfe Parteipolemif vem Charakter des Werks gemäß durchaus ver⸗
mieben worden ift. Die Jurioprudenz Hat in ver Entwidelung ihrer „eaufle ‚in
xx Radmwort,
der Berüdfichtigung der neuern Gefeßgebung, in einzelnen Ausfügrungen, bie das ger»
manifche Nechtswefen imd bie gegenwärtigen Reformen des Gerichtsverfahrens betreffen,
vielfache Vervollſtändigung erfahren. Die politifche Delonomie, fowol als Staats- wie
als Nationalwirthfchaft, ift nach den Erfahrungen und Grunpfäten ber mobernen Wife
fenfchaft umgearbeitet und nach Bedürfniß weiter ausgeführt worben. Wie fehr in jeder
Hinficht die Naturwiſſenſchaften eine zweckentſprechende Berüdfichtigung gefunben haben,
wird fchon ein flüchtiger Blick auf die Artikel darthun, welche die Phyſik, Chemie, Phy⸗
fiologie, Botanik, Zoologie, Mineralogie, fowte bie auf dieſe Wiffenfchaften fußende Heil⸗
funde behandeln. Hunberte von neuen Artikeln find biefen Disciplinen gewidmet, und
überall tft ver Einfluß ihrer Fortſchritte auf das praftifche Leben dargethan worden. In
den philofophiichen Wiffenfchaften und Begriffen wurde Klarheit und Faßlichkeit ner Dar-
ftellung und eine objective Darlegung ver Auffaſſungsweiſen ber verfchiedenen Schulen,
dagegen die Vermeidung jebes einfeitigen Doctrinärismus angeftrebt. Religion, Theo⸗
fogie, Kirche wurden einer faft durchgehenden Neubearbeitung unterzogen, da8 Dogma
und die Gefchichte jener Confeſſion entwickelt, aber bie Firchliche und theologifche Polemik
wie die erbaufiche Paränefe gewiß mit Recht vermieden. In den fchönen Künften
mußten namentlich bie Nefultate ver neuern Funftgefchichtlichen Forſchungen in Be⸗
trat kommen, umb außerdem bat das Kunftgebiet durch Erweiterung ber ältern
wie neuern Biographie, an bie ſich die Aufführnng und Charafteriftrumg der Kunſtwerke
ſelbſt knüpft, fehr bebeutenden Zuwachs erhalten. Die techniifchen Gebiete im weiteften
Sinne: Berg- und Hüttenweſen, Baufunft, Schiffahrt, Transport, Mafchinenwefen,
Babrifation, fowie bie eigentliche induſtrielle Production, ber Handel, ver Landbau u. ſ. w.
find ſämmtlich ihrem gegenwärtigen Standpunkte nach von ausgezeichneten Fachmännern
bearbeitet worden. Die Kriegsfunft mit der Kriegsgefchichte und dem ganzen Militär»
wefen haben ebenfalls einer gründlichen Reviſion und theilweifen Neugeftaltung unter»
legen. Endlich muß noch beſonders hervorgehoben werben, wie der in alle Gebiete ein-
greifenden Biographie, vornehmlich aber im Kreiſe ver Zeitgenoffen, eine ungemeine
Sorgfalt gewidmet und hierbei auch die möglichfte Vollftändigkeit angeftrebt worben ift.
Tauſende von Briefen gingen in die Welt, um zuverläffige biograpbifche Materialien zu
erlangen, und e6 kann wol als ein Zeugniß für die Theilnahme an dieſem Werke wie
“ für veffen Verbreitung in allen Ländern gelten, daß ihm auf pen verſchiedenſten Wegen
die koftbarften originalen Mittheilungen zugegangen find.
Das nachftehend beigefügte Verzeichniß enthält die Namen ver hauptfächlichiten Mit⸗
arbeiter des Converfationd-Rerifon in allen feinen Auflagen und feiner Nebenwerke (außer
ber „Gegenwart“). Die Mitarbeiter ver zehnten Auflage find mit einem Sternchen (2) be»
zeichnet. Außerdem gingen auch biefer Auflage viele Beiträge, treffliche Bemerkungen
u. f. w., nicht felten aus weiter Ferne und von den angefehenften Deännern, ohne Auffobes
rung zu, die, ſoweit e8 möglich war, dankbar benutzt wurben. Neben ben auf den Inhalt ges
richteten Beftrebungen darf nicht unerwähnt bleiben, daß auf angemeffene Einfachheit und
Schärfe des Auspruds, Klarheit und Reinheit ver Sprache viel Fleiß verwendet worben
ist. Ebenfo ward bie erleichterte Handhabung bes Werks angeftrebt durch Einveifung ber
Gegenſtände unter bie populärften Schlagwörter, ſowie burch Hervorhebung ver Neben-
begriffe und Unterabtheilungen in ven Artikeln. Die Vollkommenheit, die ſich das rebliche
Streben als Ziel fett, wird freilich bei einem Unternehmen von folhem Charakter immer
nur annähernd erreicht werben können. In dem Zuſammenwirken fo vieler Kräfte und fo
mannichfacher technifher Manipulationen, anf welchem bie Herftellung dieſes Werks be⸗
ruht, gelingt es dem beften Willen ımd der unausgefekten Aufmerkſamkeit nicht Immer,
feldft äußerliche Berfehen und Irrtümer fernzuhalten. Aus diefem Geſichtspunkte find
mehre Auslaffungen zu entſchuldigen, die nur dadurch ausgeglichen werben Formten, daß
fie am Schluffe bes Werks in einem „Nachtrag“ zufammengeftellt wurden. Einige Fehler
Zur Sefchichte und Charakteriſtik des Eonverfationg-Refikon. xx
in ben Berweifungen werben fich fofort heben, wein man 208 „Uxiverfal- Regifter“
barüber zu Rathe ziehen will. Ueberhaupt it biejes jorgfältig bearbeitete und am Schlujfe
bes Werlks beigefügte Regifter beſonders in allen Fällen zu enıpfehlen, wo es ſich um
bie Auffinbung von Gegenftänden handelt, die nicht felbftändig, ſondern innerhalb eines
andern Artitels abgehandelt find. Theils um ben Stoff nicht übermäßig zu theilen, theils
um Raum zu fparen, mußte nämlich Manches, was fi als Beftandtheil naturgemäß
in ein größeres Ganze einfchließt, auch in und mit diefem Ganzen behandelt werben,
und eben burch diejes Verfahren konnte es nur gelingen, dem Werte eine fo ungemeine
ftoffliche Fülle einzuverleiben, die fi) aber oft nur durch Anwendung jenes Kegifters
erſchließen läßt.
Das Beftreben, innerhalb des gegebenen Raums fo viel ala möglich zu leiſten, hat be
ſonders auch bei Herftellung diefer Auflage zum Bortheile des Ganzen durchweg vorge
waltet. Die Verlagshandlung hatte bei Beftjtellung des Plans befchloffen, für dieſe zehnte
Auflage die Zahl von 15 Bänden, mit Einfchluß des Univerjal-Negifters, einzuhalten, ven
Raum aber für die in Ausficht ftehende Ausdehnung bes Stoffs dadurch zu fichern, daß fie
das Format des Buchs etwas vergrößerte und außerdem jedem Bande über die Bogen⸗
zahl der neunten Auflage hinaus noch einige Bogen binzufügte. Nur durch dieſe Maß⸗
regel, welche räumlichen Zuwachs gewährte, aber dabei das Buch in feinem Aeußern
nicht übermäßig anfchiwellte, blieb demſelben nicht nur feine leichte Handhabung gefichert,
jonbern es wurbe auch ermöglicht, ven Preis nicht über denjenigen der neunten Auflage zu
erhöhen. Es erſchien dies Letztere für das Intereife des Publicums als ein fo wichtiger
Punkt, daß die Verlagshandlung in ven Anfünbigungen ber zehnten Auflage ausdrücklich
bie Berficherung gab, bie neue Auflage werbe ven Preis der neunten in feinem Kalle über-
fteigen. Indeſſen zeigte fich, als die Arbeiten bis gegen bie Mitte des Werks vorgebrungen,
baß die zehnte Auflage trotz Vergrößerung des Formats und Vermehrung der Bogenzahl
der Bände bie Maſſe des heranbrängenven und nach dem aufgeftellten Brogramm unab⸗
weisbaren Stoffe ohne eberfchreitung des ihr urfprünglich ‚geftellten Maßes nicht würde
umfaften können. Es trat fomit für bie Berlagshanblung die Alternative ein, entweder
den Stoff für bie andere Hälfte des Werks unverhältnißmäßig zu kürzen, ober, ba fie
dem Publicum das Verfprechen gegeben, feinenfalls eine Preiserhöhung ber neuen Aufs
(age eintreten zu laſſen, ein nicht umbebentendes Opfer zu bringen. Die Verlagshandlung
fonnte fich nur für das Letztere entfcheiden, ein mal, weil fie dem Publicum bie titchtige
Ausführung des Werls zugefagt, dann auch, weil fie felbft ein inneres, ein moraliſches
Intereffe befitt, das Werk vor jeder Verſtümmelung zu beivahren. Der legte 15. Band
diefer zehnten Auflage enthält demnach, in zwei Abtheilungen gefaßt, ftatt ber gewöhnli⸗
hen 50 Bogen, mit Einſchluß des Univerfal-Regifters 58 Bogen, ſodaß dem Bublicum
em Mehr von gegen AD Bogen unentgeltlich verabfolgt wird. Einer künftigen Ergänzung
und Fortführung des Werks, um daſſelbe vor zu frühem Veralten zu ſchützen, bat bie
Berlagshanplung im Angefichte ver gegenwärtigen Weltlage bereits ihre Aufmerkſamleit
zugewendet, und fie gebenft im nächften Jahre dieſes Unternehmen zu beginnen.
Noch ſei eines TFünftlerifchen Unternehmens erwähnt, das aus dem Converſationb⸗
Rerifon hervorgegangen: es ift dies der „Bilder- Atlas zum Converfations-Teri-
ton. Ikonographiſche Encyklopädie ver Wiffenfchaften und Künſte“. Diefes Wert Hat
die Aufgabe, die großen Thatfachen in Natur und Wiffen in einer dem Gefchmad und der
Känftlerifchen Technik unferer Zeit angemeffenen Weife für das Auge zur Anſchauung zu
Bringen, und dient fomit einerfeits zur Erlänterung der Darftellungen des Coaderfationd«
Reriton, ift aber auch andererſeits, vermöge feiner fyftematifchen Anordnung und des
beigegebenen wiffenfchaftlichen Textes, ein felbftändiges Bilderwerk, das die Idee des
Converfationd- Lexikon auf dem Gebiete ber zeichnenden Kunſt durchzuführen fucht. Das
Berk wurde in den Jahren 1844—49 unter ber Leitung eines dazu vorzüglich befähigten
xxu NRachwort.
Künſtlers, Johann Georg Hed, in einer von ber Verlagshandlung eigens dafür errichte⸗
ten artiftifchen Anftalt mit großem Koftenaufwanbe ausgeführt, und umfaßt in LO Abthei⸗
tungen 500 in Stahl geftochene Blätter in Quart (darunter 44 Karten und Plane),
fowie mehr als 100 Bogen erläuternden Text in Octav. Die europäifche Riteratur hat
zwar eine Menge von Prachtwerken aufzuweifen, welche fich im Intereffe von Fachmän⸗
nern und Riebhabern in bilblicder Darftellung über einzelne Zweige ver Natur und bes
Wiſſens verbreiten; aber burch den „Bilder⸗Atlas zum Eonverfations - Lerilon” wurbe
zum erften mal die Idee zur Ausführung gebracht, alle Zweige ver Wiſſenſchaft und Kunft
unter dem Geſichtspunkte des allgemeinen Bildungszwecks in einem ſowol bie intellectuelle
wie die äfthetifche Anfchauung befriedigenden Bilderwerke enchklopäptich zufammenzufaf-
fen. Das Werk wurde nicht nur von Sachkennern beifällig gewürbigt, fondern fand auch
bei dem Publicum aller Länder das Tebhaftefte Intereffe. Bald nach Vollendung des Ban»
zen wurde eine zweite Ausgabe und im Jahre 1855 eine pritte veranftaltet. Einzelne Ab⸗
theilungen bes Werks fanden bereits in Unterrichtsanftalten Eingang, während in Nord⸗
amerita eine vollftänpige englifche Ueberſetzung, in Schweben und Holland Ueberſetzun⸗
gen einzelner Abtheilungen erfchtenent.
Außerdem trieb das Converſationd⸗Lexikon in jüngfter Zeit einen Sprößling, deſſen hier
auch mit einem Worte gedacht fein mag. Da nämlich das Hauptiwerf, troß feines mäßigen
Umfangs, in manchen Fällen ale Nachſchlagebuch nicht handlich genug iſt, auch feine An⸗
ſchaffung dem weniger Bemittelten, ungeachtet bes verhältnißmäßig fehr Bilfigen Preiſes,
doch noch beſchwerlich fallen pürfte, fo veranftaltete die Verlagsbandfung fett 1853 unter
bem Titel „Kleineres Brodhaus’fches Eonverfations-Lerifon zum Hand»
gebrauch” ein Beiwerk, das auf vier Octavbände berechnet ift und gegen Ende 1855
zum Schluß gebieben fein wird. Es enthält dieſes kleinere Wert alle Artikel der zehnten
Auflage des Hauptwerks in kurzer Faſſung, dann aber auch fämmtliche Fremdwörter
und eine große Menge fachlicher Notizen aus allen Fächern, bie das Hauptwerk, will es
feinen Charakter als ein höheres Bildungsbuch beivahren, nicht wohl aufnehmen fann.
Wie ſehr auch dieſes Unternehmen dem Bedürfniß entgegengelommen ift, bat die leben⸗
bige Theilnahme beiwiefen , die daſſelbe rajch im Publicum gewann, ohne daß dadurch
der Vertrieb des Hauptwerks im minbeften beeinträchtigt worben wäre.
— — — — — — — —
Das Eonverfations-Rerifon, aus dem Bildungsdrange hervorgegangen, welchen das
Aufblühen der deutſchen Nationalliteratur an ver Schwelle dieſes Jahrhunderts erweckte,
hat ſeitdem durch feine wiederholten Verjüngungen alle Bhafen des deutſchen Culturlebens
begleitet, und iſt dadurch ein Organ geworden, das nicht wenig dazu beigetragen, die
Blüten dieſer Cultur in alle Kreiſe der bürgerlichen Geſellſchaft und weit über die Gken⸗
zen des Vaterlandes hinaus zu ftreuen. Möge es auch in feiner gegenwärtigen Geftalt
bie Stufe einnehmen, die e8 befähigt, feine fruchtbare Wirkſamkeit aufs neue zu beginnen
und allen Ständen und Berufsclaffen eine reiche Quelle fachlicher Belehrung und damit
ein Förderungsmittel allgemeinen Wiſſens und humaner Bildung zu bleiben.
Leipzig, im März 1855.
— — — — — — — — —— — — —
Verzeichniß der Mitarbeiter.
Dberbibliothefar Brof. Dr. Soh. Balent. Adrian in Gießen.
Dr. Zul. Altmaun in Berlin.
—— Dr. Briehr. Aus. von Ammon in Dresden.
Sieikian Karl Andre in Stuttgart, geft. 1831.
’ Dr. I Andree in
Dr. rg ‚ Apel in Leipzi gr 1816.
Dberbibligthe er Prof. Dr. ine. ng. Arendt in Löwen.
a en Chriſtoph Freih. von Aretin in Münden, ge. 1834,
* Dr. Briebr y. Ahmann in Brannfı weig.
Geh. Hoft ru r. Karl Friedt. Bachmann in Jena.
Dr. Fried Bamberg in Paris.
Dberbüggerm ſter Friedr. Wilh. von Adrenfprung in Berlin, geſt. 1841.
Dr. Adolf Barkhanſen in Leipzig, geft. 1
Aector Dr. Detl,. Karl Wilh. Baum etene@rufins in Weißen, gef. 1845.
e Kirchenrath Prof. Dr. Lubw. Frledr. Otto Baumgarten-Gru ins in Jena, geh. 1843,
5 Sof and Bibliothefar Ludw. Bechſtein in Meiningen.
Prof. Dr. Joſ. Bed in Raſtadt.
ih. Becker in Leipzig, geft. 1854.
re Karl Ferd. Becker in Leip I.
su a Karl Frieder. Adam Beier — eripig
h. Vriedr. Benzenberg in Bill bei aloe, 3 1846.
ER Karl He m. Com. Freih. von Berg in ranb.
Dr. Leo Bergmann in ke
> Rittmeifler Karl Guſt. von eek in Berlin.
bGbofrath und Bibliothekar Dr. Karl Chriſtian Eigiem. Bernharbi in Kaſſel.
Vrof. Dr. Chriſtoph Bernoulli in Bafel.
seh. Da und Prof. Dr. Friedr. Wild. Def fel in Königsberg, ge. 1846.
ettzieh« Beta in London.
—* Dr. Friebe Karl Biedermann in Leipzig.
Domprediger Brof. Dr. Lubw. Gottfe. Blanc in Halle.
Ehucationsrath Bernh. u Taf che in Waltershaufen, geſt. 1833.
Rob. Blum in Leipzi
Prof. Dr. Karl Pr d ne
Geh. Kirchenrath und —— — Dr. Eruſt Botifr. Adolf Bö del in Oldenburg, geſt. 1854
"Dr. Aug. Bol in Berlin.
—S — —— Boffei Braunfämeig, ge. 1855
aatsra inr. Bernh. von Boſſe in Drau
Hofrath Dr. Karl Aug. Böttiger in Dresden, gert 1588.
Hofrath Prof. Dr. Karl Bil. u in Grlangen.
Kaſp. Johannes Boye in Hel
Dr. Raim. Dietr. Brahmann in Leip
°Dr. Heinr. * riſtian At in Leipzig
Geh. Regierung of. Dr. riſtian Ang. Kanbie in Bonn.
va and Brunn 27
r. Franz Brendel im
—*5 unb Be aperint, Dr. Karl Gottlieb Bretfchneider in Gotha, geh. 1848.
Prof. Dr. Herm. Brodbans in
hofgerichtsabvocat Dr. Karl Budner In Darmfadt.
"Dr. Aurel. Bubbdens in Frankfurt a. M.
vrof. Dr. Friedr. Bülan in Leipzig
Kommerherr Karl Epuard von Bü en auf Ötlisgaufen im Thurgan, gef. 1853.
Dr. Jat. Durdharbt in Bafel.
Konfforialrath 3 Joh. & Sriedr. Gannabich in Gonbershanfen.
D ?. Friedr. Wild. Tarové in Heidelberg, gefl. 1852.
Gh. Mevicinalrath Prof. Dr. Karl Su. Gars in Dresden,
* Nedicinalraih Prof. Dr. Joh. Ludw. We in Berlin.
Dr. Era Friedr. Florens Ehlapni in Breslau, per, 1837.
84, Neicinalcath Weof. Dr. Ldv. GHoulant n Dresden.
Brot. Aug. Gotta in Tharand.
— tof. .‚ Gotta in Freiber
Dr. —8 Matth. Gottfr. — Halberſtadt, geſt. 1836.
XIV Berzeichniß der Mitarbeiter.
® Dr. Friedr. Eräger in Turin.
Prof. Dr. Adelb. Eybulski in Berlin. ,
Geh. Gonfiforiarat Prof. Dr. Joh. Traug. Leber. Danz in Jena, geh. 1851.
Generalmajor Dr. Karl von Deder in Berlin, geft. 1844.
Georg Bernh. Depping in Paris, geft. 1853.
® Director Eduard Devrient in Karlsruhe,
Dr. Mar Dittmann in Leipzig, geft. 1844.
Schuldirector M. Joh. Chriſtian Dolz in Leipzig, gefl. 1843.
Dr. Joh. Nichael Heine. Döring in Jena.
Dr. Eduard Duller in Darmfladt, ger 1853.
Hofrath und hie lotie tar Dr. Friebr. Adolf Ebert in Dresden, gef. 1834
* Symmnafialdirertor Dr. $. U. Eckſtein in Halle.
® Dr. Friedr. hr ers in Berlin.
® Dr. Adolf EI ir en in Göttingen.
Kriegsminifterialferretär Karl Aug, ba a in Dresden, gefl. 183.7
Generalmajor und Dberberghauptmann ilh. Ludw. von Eſchwege in Kaſſel, gef. 1805.
Dr. Karl Aug. Espe in eipil, geft. 1851.
Brof. Dr. Ernft Mor. Ludw. Ettmuͤller in Züri.
Hofrath und Oberbibliothefar Dr. Karl Falkenſtein in Dresden, gef. 1855.
Prof. Dr. Guſt. Theod. Fechner in Leipzig.
Director Dr. Friedr. Ernſt Feller in Berka.
Brof. Dr. Heint. Dav, Ang. Ficinns in Dresben.
Oberlehrer Dr. Ednuard Fiedler in Zerbft, gef. 1850.
Dr. Gottfr. Wilh. Fin? in Zeixp „ geſt. 1846.
Archidiakonus Dr. Rud. Rich. Fiſcher in Zwickan, geſt. 1855.
Brof. Dr. Guſt. Leber. Flügel in Meißen.
* Dr. Emft Joach. Förfter in Münden.
Hofrath Brof. Friedbr. Foͤr ſter in Berlin.
Prof. Karl Förfler in Dresden, geft. 1841.
Brof. Dr. Karl Fortlage In Jena.
Dr. Serm. Franck in Berlin.
Superintendent Dr. Friedr. Frande in Schneeberg.
Brebiger Joh. Heine. Franz in Mogeleberg.
* Brof. Dr, Guſt. Adolf Fricke in Kiel
Bibliothekar Dr. Zul. Sriedländer in Berlin,
Brof. Dr. Ludw. Herm. Friedländer in Halle, gef. 1851.
Secretär Franz Kaver Babelshberger in München, geſt. 1849.
rof. Dr. Ebnard Gerhard in Berlin.
FR: und Oberbibliothefar Dr. Ernſt Gotthelf Bersdorf in Leipzig.
Dr. Karl Friedr. Wild. Gerſtäcker in Leipzig, gefl. 1852.
Conſiſtorialrath Prof. Dr. Friebr. Heine. Wild. der enius in Halle, geh. 1843
Friebr. Wild. Giehne in Karloruhe.
Brof. Dr. Ludw. Wilh. Gilbert in eeipils, geft. 1824.
Dr. Friebr. Gleich in Leipzig, geft. 1842.
Dr. Karl Gobdeke in Hannover.
Prof. Dr. Joh. Dav. olbhorn in Leipzig, geft. 1836.
Dr. Karl Iul. Goldhorn in Leipzig.
° Guflos Dr. Ri. Goſche in Berlin.
° Sauptmann Abolf Gotthardit in Hannover.
Sal, Graf Gräberg von Hemfd in Florenz, gef. 1847.
® Dr. Heiur. Bräfe in Bremen.
Paͤbagogarch Dr. Briebr. Dav. Bräter in Ulm, geft. 1830.
Dr. Friedr. Georg Chriſtian Greiner in Eifenberg.
Geh. Math Prof. Dr. Joh. Bottfr. Gruber in Halle, gef. 1851.
Francis Grund in Philadelphia.
Oberconfiſtorialrath Dr. Karl von Grüneiſen in Gtuttgart. | W
* Srof. Dr. Gottſchalkt Eonard Unhraner in Breslau, gef. 1854.
Dr. Beier. Günther in Bernburg,
® Dr. od. Saarbrüäder in Berlin.
f. Dr. Heinr. Gottlob Frieder. Ehrifitan Haufe In Breslau.
D ergeichteabuncat Dr. Friebr. Hahn In Kaflel.
Dr. £ubw. Hain in Münden, gefl. 1836.
° Dr. Wilh. Hamm in Leipzig. au
Prof. Dr. Bilg. Gottlieb Hankel in Leipzig.
Dr. Georg Wilh. Heine. Häring in Berlin.
Prof. Dr. Karl Guſt. Hartenttein in Leipzig.
Geh. Regierungsrath Dr. Theod. Konr. Hartieben in Mankelm, geh. 1837.
Dr. Franz Hartmann in Leipzig, gefl. 1853.
Dr, Karl Friedr. Alex. Hartmann in Leipzig.
Berzeichniß der Mitarbeiter,
Hefrath Dr. Heine. Hafe In Dresden, geft. 1842.
Prof. Dr. Friedr. Chriſtian Aug Haffe in Leipzig, gi 1848.
Dr. 309. Weorg Heine. Haffel in Weimar, gef. 1829.
Brof. Dr. Mor. Haupt in Berlin.
Prof. Dr. Lubw. Hänffer in Heidelberg.
Brof. Dr. Bil. Savemann in Böttingen.
Hofrath Prof. Dr. Joh. Chriſtian Briebr. Ang. Seinroth in Leipzig, geh. 1868.
Dberlehrer Dr. Karl Guſt. Helbig in Dresben.
Friedr. Ferd. Hempel in Altenburg, geſt. 18236.
Conſiſtorialrath Prof. Dr. Ernſt Lubw. Theod. Henke in Marburg.
Dr. ®ilg. Henzeu in Rom. .
Dr. Karl Heinr. Hermes in Berlin.
Brof. Dr. Karl Herzog in Bern.
. Bofcath unb Bibliothefar Dr. Ludw. Priebr. Heffe in Rudolſtadt.
Prof. Dr. Herm. Hettner in Dresben.
* Hermann Hirſchbach in Leipzig.
Sch. Kath Joſ. Freih. von Hormayr in München, geft. 1848
53. T. Horn in Brüffel.
Generalmajor Joh. Sottfr. von Hoyer in Galle, ge 1848,
Iherefe Huber, geb. Heyne, in Augpburg, geft. 1829.
Prof. Dr. Bictor Aimé Huber in Wernigerode.
Brof. Dr. Iul. Ambr. Hülße in Dresden.
Joh. Ehrikian Hüttner in Bonbon, gefl. 1847.
Dr. Karl Ludw. Ideler in Berlin, gefl. 1849.
Bibliothekar Heinr. Joach. Jaͤck in Bamberg, gefl. 1847.
Brof. Dr. Philipp Karl Beorg Jacob in Halle, gef. 1849.
Dr. Karl Sacobiß in selbl. .
Seh. Hofrath und Oberbibliothefar Friedr. Gpriftien Bilh. Jacobs in Gotha, geh. 184.
Gonrertor Dr. Joh. Ghrifian Jahn in Leipzig, gef. 1847.
Staatsrath Prof. Dr. Ludw. Heine. von Salob in Halle, geft. 1897.
Gtabtprebiger Dr. Leber. Sigism. Jaspis in Dresden.
Dr. Joh. Peter Jordan in Prag.
"Dr. Guſt. Inline in London, geft. 1851.
Dr. Nik. Heint. Julins in Hamburg,
Kramermeifler Karl Junghanns in Leipzig, geft. 1850.
°Dr. Karl Heinr. Jürgens in Hannover.
Staatsrat Prof. Dr. Ludw. Friebr. Kämp in Dorpat.
’ Director Karl Karmarfd in Hannover.
Dberfl Franz vou Kansler in Ludwigsburg, gefl. 1848.
Hofrath Dr. Chriſtian Keferflein in Halle,
ZJuſtizrath Dr. Karl Theod. Kind in Leipzig.
Etadtgerichtsrat Dr. Mor. Kind in Leipzig, geſt. 1846.
Senator Dr. Snf. Heine. Kirchenpaur in Hamburg.
Rector Dr. Zul. Ludw. Klee iu Dresden.
"Dr. Bid. Knop in Leipzig.
Theod. von Kobbe in Oldenburg, geft. 1845.
* Eduard Kolloff in Paris.
Heine. Jof. Koenig in Hanau.
Dr. Bild. Körte in Halberflabt, gefl. 18346.
Vrof. Dr. 3. Gottft. Ludw. Kofegarten in Greifswald.
Brof. Dr. Reinhold Köflin in Tübingen.
Eonfiflorialrati und Superintendent Dr. Friedr. Aug. Koethe in MIRäM, ge. 1850.
Retor Dr. Friedr. Karl Kraft in Hamburg.
Brof. Dr. Karl Chriſtian Friedr. Kraufe in Dresden, gef. 1832.
Univerfitätsprediger Prof. Dr. Aug. Ludw. Gottlob Krehl in Leipzig.
Oberappellationsrath Dr. Paul Ludolf Krig in Dresden,
Btof, Dr. Wilh. Traug. Kung in Leipzig, geft. 1842.
Staatsrath Prof. Dr. Keiebr. arl Herm. Krufe in Dorpat.
Btof. Dr. Karl Leberecht Krupfch In Tharaud, geft. 1852.
Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Franz Theod. Angler in Berlin.
Dr. Ferd. Gufl. Kühne in Leipzig.
Sof. Dr. Guſt. Kunze in Leipzig, gef. 1851.
„Dr. ing. Kurdel in Leipzig.
„Geh. Hofrat Karl Theod. von Küftner in Berlin.
Prof. Dr. Friebe. Traug. Kützing in Nordhaufen.
Bergeommifflonsrath Brot Wilh. Aug. Lampapius in Freiberg, gef. 1843.
Major Aug. Bernd. Freih. von Landsberg in Dresden,
Karl Heine. Ritter von Lang in Ansbach, gel. 1835.
Lehmann in Berlin.
VI Berzeichniß der Ritarbeiter.
Dr. Friedr. Wilh. Lembke in Mabrib
Prof. Dr. Heinr. Leo in Halle.
* Brof. Dr. Karl Kich. Lepfius in Berlin.
Dr. Titus Herm. Sul. Leyfer in uß, —5 1843.
Wilh. Adolf Lindau In Dresden, geſt
Gtaatsminifter Bernh. Aug, von Lindenau in Altenburg, gef. 1854.
Legationsrath Dr. Friebr. Ludw. Lindner in Ghuttgart, neh, 1845
Brof. Dr. Friedr. Wilh. Lindner in sueivaie.
Dr. Friedr. Lift in Stuttgart, gefl. 1
Brof. und Director Dr. Joſ. Joh. — * in Wien, geſt. 1840.
Dr. William Löbe in —
Dr. &dbel in Leipzig, geſt. 1
Geh. Regierun 5 —* D — Wilh. Loebell in Bonn.
Oberinſpector Wilh. Gotthelf Lohrmann in Dresten, gef. 1840.
Muflflehrer Lorenz in Winterthur.
® Sreverid Lowe in Berlin.
Dr. Zul, 2dwenberg in Berlin.
* Dr. Wilh. Lübke in Berlin.
Dr. Friedr. Sottfr. Herm. Lucanus in Halberflabt.
® Dr. Serm. Lüdemann in Hamburg, gefl. 1855.
Rath und Kammerfecretair Ludw. Lüders in — eſt. 1822.
Educationsrath Prof. Dr. Karl Wilh. Ed. Mager in nad
Ernſt Friedr. Georg Otto Freih. von der Maleburg in Safe geft. 1824.
Dr. Trang. Märder in Berlin,
Herm. Marggraff in Leipzig.
Prof. Dr. Rad. Marggraff in Mäün
Kirchen⸗ und Schulrath Dr. Hug. Senn ENT in Altenburg, get. 1835.
Geh. Kirchen: und Schulrath Dr. Konr. B eifner in Dresben.
® Oberpoflamtsfecretär Herm. Mertens in FR
Som Joh. Georg Friedr. Meſſerſchmidt in —2 gen. 1831.
mherr Sriebr. Ich. Lor. Meyer in Hamburg, gefl
ginn Friedr. Mich *63 in Leipzig, geſt. 1834.
. Dr. ul, Michaelis in Freiber
* Dr. Aug. Br Möbius in ipzig
Dergrat Brof. Dr. Friedr. Mohe ia Bien, gef. 1839.
Dr. Wilh. Bernh. Mönni in Nürnberg.
— iger 3. Andre. David Mordtmann in Konſtantinopel.
Prof. Dr. Karl Friedr. Mofch in Liegnig.
Oberconfiftorialrath Dr. ®riebr. Mofengeit in Meiningen, gef. 1839.
Regierungsrath Adam Helur. Müller in Bien, gefl. 1 1839.
Regierungerath Aler. Müller in Weimar, geh. 1844.
rof. Dr. Corn. Müller in Hamburg.
ofrath Karl Ludw. Methuſ. Mäller in Leip inaig, get 1837.
Hofrath und Bibliothefar Dr. Wild. Müller in Deffan, get. 1837.
— Amad. Gottfr. Adolf Müllner in Weißenfels, geſt. 1829
Mr? Hofrath und Oberbibliothefar Dr. Ernſt Herm, If. von Mind In Stuttgart, geft. 1841
liothekar Prof. Dr. Theod. Mundt in Berlin.
Brof. Karl Heiur. Bin Münnich in Dresden.
Dr. Joh. Karl Adam Murhard in Kaflel.
“ Bibliothefar Dr. Emil Wild. Rob. Naumann in Leipzig.
Bıof. Dr. Karl Sriedr. Raumann in Leipzig.
Geh. Juſtizrath Dr. Joh. Dan. Ferd. Neigebaur in Breslau.
Intendanturrath Friedt. Wild. Neumann in Berlin, gefl. 1834.
® Brof. Dr. Karl Friedr. Neumann in Münden.
Kanzler und Dbercomfocialratf Dr. Aug. Herm. Niemeyer in Halle, gel. 1838.
Brof. Dr. Herm. Agathon Niemeyer in Halle, gefl. 1851.
® Dirertor Friedr. Eduard Nobad in nemnip.
Sch. Rath und Dberpofbir. Dr. Joſ. Chriſtian Emil Nürnberger in Landsberg a. d. W. get. 1848.
Dr Jul. Obſt in Leipzig.
Hofrath Prof. Dr. Garen] Dien in Zuͤrich, get. 1851.
Theod. Dishaufen in St.⸗Louis. \
Gtaatsrath und Brof. Dr. Karl Ep. Dtto in Dorp
Dr. Georg Ghrifian Otto (Georgius) in Beirut gef. 1838.
® Brof. Dr. Joh, Adolf Dverbed in Leipzig.
Brof. Dr. Yranz PBalacky in Prag.
rof. Dr. Wilh. Fred. Bolmblad in Upfala, gef. 1852.
Br De Joh. Dav. Baffavant in Franffurt a . M.
Prof. Dr. ‚ei Ludw. Karl Friebr. Baffow in Breslau, get. 1833.
® Brof, Dr. Wild. Arthur Paſſow in Ratibor.
Berzeichniß der Mitarbeiter.
ine. Eberh. Gottlob Baulus iu Heike .
— Dr. Po Met Bei ei I Zittau. * "erg aæ. 1851
Prof. D . Ludw. Betermann in Leipzig, geh. 1855.
Kirchen » unb s niet! Bricht, Erbm. Betri aus augen, ge. in Schwerin 1850,
Dr. Karl A in aling
Prof. Dr. Guſt. Bfi n "Era art.
2 or Heinr. Ang. je in Altenburg, gef. 1850.
‚ Biesf in Mainz.
23 Ernfi Ookar 315 in Leipzig.
Generalmajor Blümide in Berlin.
Brof. Dr. Hans Friedr. Pohl in Leipzig, gef. 1850.
Brof. Dr. Karl Geiur. Lubw, Bötip in Sera geſt. 1838.
Prof. Dr. Helnr. Ludw. Bolsberw in Berlin.
Ser ®. Dr. Joh. Heiur. Fer. von Poppe in Tabingen, geſt. 1854.
of.
& bofe hr Dr. sn ur en Puchelt in Heide
u. fat, ef Puttrich in "4. ' * vn.
Director Dr. Karl Ramshorn in —ã
Siſchof EC. Reichel in Bertelsdorf.
a »3 Prof. Dr: — Gottlieb Ludw. Keich en bach in Dresden.
. von Reic lin⸗Meldegg in Heidelberg.
Sofas Pier — Zoſſen, geſt. 1840.
Geh. Hofrath und Prof. Dr. — “ ruft Gottlieb Iens Reinhold In Jene,
Heinr. nem. Rellſtab in Berlin,
Brof. Dr. Friedr. Wilh. Rettberg in Marburg, gef. 130.
Geh. Legetionsrait Dr. Alfred von Reumont A
Brof. Dr. Georg Friedr. Heinr. Rheinwalb in — 8 . 18490.
NMuſildirector —28* nun Riccius in Leipzig
—— — Prof. Dr. Amine Ludw. ter in Berlin.
Ench Richter in Hambur 1834.
* Brof. Dr. Herm. Eberh. — in Dresden.
—— eier Prof. Dr. Theod. Epuard Richter in Leipzig.
* Brof. Dr. Wilh. Heine. Riehl in Münden.
Brof. Dr. —** Wilh. —6 in Bonn.
Prof. Dr. Emil Rödiger n Halle.
Brof. Dr. Ri. Roepeli in Breslau.
* Sofrath und Prof. Dr. Wilh. Rofcher in Leipzig.
Arhivar Dr. Bernd. Röfe ın Weimar.
ee ——— u ee ob. Karl Friede. R ! in Königsberg.
. #r o oh. Kar e ofenfren
Brof. Dr. ger Friebr. Karl — in — 1885.
Brof. Dr. Ludw. Rofs in Halle.
—— Aut von Rutted in Freibur
Goufiftorialrath Dr. Andr. Gottlob en in Kopenhagen.
—— Friedr. Aug. Rüder in Leipzig.
Dr ano Ruge in London.
Friedr. Ludw. Felle Freih. von Rumobr in Dresben, geh. 1843,
Ber I Friedr. * —XX Saalfeld in Göttingen, ach . 1834.
Oberfinbien s und Oberf erfänlzatt Dr. Theod. Schacht in Darmflabt.
Prof. Joh. Ladw. von gerins in De, ef. 1847.
* Gabinetsbibliotgelar Dr. Scäeler i a Si
Dr. Zoh. Friedt. Schink in Sagan, gen 183
* Brof. Dr. Herm. ar Schletter —8
—— wein, Gen kn are von Bälteben im ‚Dresten, 8 geh. 1839.
——— — Dr. & ar j ie Dun, ei Beipaie
Beof. Dr. Sein. Schmid in —8R geſt. 1
. Rath Vrof. Dr. Karl Ernn Schmid in —8 geft. 1852.
er %bolf am in Fe Sqhmidt in Gifeufn
arector Friedr. Theo m n eufingen.
Hofrath Dr. 30h, Rarl ee, von Schorn in Beimar, gef. 1849. -
Osfrath Aloys Wilh. Schreiber in Karlsruhe, g 1841.
Geh. Rath Brof. Dr. Friedr. Wilh. Schubert in ; Rönigeberg.
Dr und Ber zgrach Bet Dr. Goithilf Heine. von Schubert in Münden.
ulz
D. u I Schulz in Belt
— — en ariz in ”
eriubiens und Ne Verka Dr. Guſt. Schwab in Stuttgart, gef. 1850.
xxvım Berzeichniß der Mitarbeiter.
Brof. Dr. Ang. Gottfr. Saweiper in Boppelsborf bei Bonn, gef. I80.
Dr. Boldemar Sevffarth in Paris.
Ymtevhufitus Dr. Friedr. Zul, Stebenhaar in Dresben.
Dr. @rnft Sievers in Rom, geft.
Brof. Dr. Joſ. Mid. Söltl in München.
SHofgerichtsabvocat Dr. Sommer in Kirchhunden.
Geh. Oderfinanzrath Joh. Dan. Ferd. Sosmann in Berlin,
Dr. Ri, Dtto Ad DER in Leipzig.
* Dtto Speyer in F ven.
Fe Brof. Dr. Kurt Sprengel in Halle, gef. 1833.
Medicinalraty Dr. Ernſt Stapf ı ja Naumburg.
* Brof. Dr. Ludw. Stein u W
Dr. Karl Steinader in —* eſt. 1847.
Geh. Archivrath ea; Dr. — bolf aralb Stenzel e voredlan, gef. 1854.
Dompropft Dr. Ehriftian Ludw. Stieglig in Feibgig, geft.
Appellationsrath Dr. Ghrifian Ludw. von Stieglig in Drekben, geft. 1854.
Hofrath Prof. Dr. Karl Chriſtian Gottlieb Sturm in Bonn, get. 1826.
* Hauptmann Emil von Sydow in Berlin,
Brof. Dr. Sottlieb Lukas Friedr. Tafel in Tübingen.
Brof. Dr. Theod. Thon in Sena, geft. 1843.
Sorftcommiffar Chriſtian Friedr. —* Thon in Erfurt.
Oberappellationsrath Dr. Karl Georg Treitſchke in Dresden.
Regierumgebevolimächtigter P. TrefhowsHanfon in Ehriftiania, get. 1843.
Dr. Ludw. Troß in Hamm.
Superintendent Prof. Dr. Heinr. Gottlieb Tafchirner in Leipzig, gefl. 1828.
Gantor und — riſtian Friedr. ——* Uber in Dresden, gef. 1822
Rector Dr. Guſt. Georg Mebelen in Stuttgart.
Oberlandesgerichtsrath ehr. von Uedtrig in Düffelborf.
Geh. Legationsrath Karl Ang. Barnhagen von A e in Berlin.
Brof. Dr. Joh. Severin Bater in Halle, ge. 1
r. Mor, Beit in Berlin.
Baflor Dr. Karl Heinz. Georg Benturini in Draunfäneig, ge. 1849.
Director Dr. So Karl Chriſtoph Vogel in Leipzig.
Sch. Hofrat Prof. Dr. Friebr. Siegm. Boigt in Jena.
Brof. Dr. Ferd. Wachter auf Unterlofa bei Plauen.
Dr. —X Heine. Adolf Wagner in Leipzig, geſt. 1835.
Brof. Dr. Karl Theod. Wagner in Dresden.
Soft. Dr. Rud. Wagner in Göttingen.
Prof. Dr. Rub. — in Nürnberg.
Rud. Weigel in Leipz
Sch. Regierungeraft Dr, Ehriften Alb. Weinlig in Dresben,
Brof. Dr. Jul. Weis bach in Freiberg.
—*8 Dr. Sul. Weioke in Leipzig.
Dr. Karl Heinr. Weller in Dresden.
nr und Prof. Dr. Jod. Amad, Wenbt in Göttingen, geh. 1836,
ve ger Alb. Werner in Trzemeszno bei Gnefen.
* eſſelhoͤft in Weimar, geſt. 1852.
Prof. Rud, Wiegmann in Dafelborf.
Paul Wigand in Wehlar,
* En Guſt. Frieder, Wiggers in Roſtock.
Georg Franz Dietrih aus dem Windell in Sdieran, geft. 1839
Fräulein Thereſe Emilie Henriette ans dem Windel in Dresben.
Hofrath Karl Gottfr. Theod. Winkler (Theodor Hell) in Dresden.
Dr. Eduard a infler an Leipzig.
* Dr. Gerd. Wolf in Wien.
Eegationsrath Karl Briebr. von Woltmann in Prag, geft. 1817.
ir ens und Schulrath Dr. Joh. Benj. Wunfter in Breslan, geh. 1890.
. Dr. Chriſtian Friedr. Wurm in Hamburg.
Dr. Sul. Zacher in Halle,
Brof. Joh, Aug. Zeune in Berlin, geft. 1853.
* Dr. Karl Zimmer in Freiber
Dr. Sob. Wil. 3 nteifen in Berlin. |
Brof. Aug. Ernft Binferling in Warſchau, gef.
° Bibliothefar Dr. Ebm. Zoller in Stuttgart.
° Minifterialfecretär Karl ung. Sfcilte in Dresden.
* Dr. £eop. Zunz in Berlin.
— — —
W.
PR, der V. Buchſtabe des deutſchen Alphabets, dient zur Bezeichnung bes fanfteflen und
weichſten Blaſelauts. Das Schriftzeichen iſt dem deutſchen wie dem holl. und engl. Alphabete
eigenthůmlich; die alten Römer wie die neuern romaniſchen Völker bezeichnen den Laut des w
durch das v, die Griechen durch B ober in vocalifcher Geſtalt durch ou. Der Buchftabe ſelbſt hat
ſich erſt im Mittelalter gebildet und iſt weiter nichts als ein doppeltes u ober v, wie denn auch
noch die Engländer das Schriftzeichen dobble u benennen. Die Dänen kennen in ihrem Alpha⸗
bet da6 w nicht ; die Schweden bedienen fich deffelben anftatt des v, wenn fie mit beutfchen Let»
tern drucken, während das v dafür bei Iat. Schrift (Antiqua) eintritt. Wis Abkürzung bedeutet
W. bei geographifchen Beftimmungen Weſten und w. weftlich, z. B. w. 2. für: weftliche Länge.
W. W. ſteht für Wiener Währung.
Waadt oder Waadfland (Pays de Vaud), ein ſchweiz. Canton, zum großen Theile am Gen⸗
ſerſee gelegen, hat auf 56° (nach audern Angaben 61'/:) LM. eine Bevölkerung von 199575
ftanzöſiſch redenden E., die mit Ausnahme von nahe 7000 Katholiten und nicht ganz 400 Juden
ber ref. Kirche angehören. In ihrer jegigen Ausdehnung umfaßt diefe Landſchaft folgende Gebiete:
1) das eigentliche Waadtland zwifchen dem Genfer und Neuenburgerfee, dad die Berner 1536
ben Herzogen von Savoyen entriffen haben ; 2) bie Landfchaften Ber und Aigle am rechten Ufer
der Rhoͤne dem walliſer Zehnten Monthey gegenüber, welcher Landſtrich ehemals zu Unter⸗
wallis gehörte, aber bei der Broberung deſſelben im Burgunderkriege 1475 von den Bernern
für fich behalten wurde; 3) die von Bern mit Freiburg feit diefem Kriege gemeinfam befeffenen
Boigteien Echallens, Orbe und Granfon, am Reuenburgerfee gelegen. Diefe ſämmtlichen Ge
biete wurden bie 1798 von den Eroberern ald untergebenes Land behandelt und durch Band»
deigte verwaltet. Im genannten Jahre gekung es jeboch mit Hülfe der Sranzofen ben Bewoh⸗
nern, fich zu eingm eigenen Breiftgate, Leman genannt, zu erflären. Sie wurden fobann der Hel⸗
tischen Nepublik einverleibt und bildeten von ber Mebiationsverfaffung an einen felbfländigen
Lanton, der wieber den alten Namen Vaud ‚oder Waadt annahm, und ein Glied bes ſchweiz.
Bundesfiaats. Seitdem hat dieſes Land in mehren Beziehungen große Bortfchritte gemacht und
manche polisifche Wandelungen erfahren. In Folge der Aufregung, welche bie vom Großrathe
eıtheilte Inſtruetian für die Behandlung der gerade ſchwebenden Jeſuitenfrage Im Wolke erzeugt
hatte, wurde Im Bebr. 1845 die Regierung durch eine unblufige Revolution geftürgt, die Con⸗
fitution vom 25. Mai 1831 einer Renifion unterworfen und bie revidirte Berfaffung 19. Juli
1845 vom Großen Rath, 10. Aug. vom Volke angenommen. Die Berfaffung ift hiernad) eine
imokratifch-repzäfentative, auf der Baſis eines höchft ausgebehnten Rechts ber activen und
vffiven Wahlfaͤhigkeit, weiche Ieptere jedoch durch ein Gefeg vom 6. April 1851, wonach kein
entonalbeamter zugleich Mitglied des Großen Naths fein foll, einige Beſchränkung erlitt.
An der Sipige der gefeßgehenden und oberauffehenden Gewalt flcht ein Großer Rath; bie höchſte
vollzichende Berwalt hat ein vom Großen Nath gewählter Staatörath. Das in ben Gemeinden
verfommelte ſouvetäne Bolt hat aber das Necht, über jeden Vorſchlag abauflimmen, den ihm
niueder ber Große Rath von ſich aus oder auf Begehren von wenigftend 8000 Bürgern vor-
legt. Die Juſtizpflege in höchſter Inſtanz hat ein Cantonsgericht, Gaffationd- amd Revifiond«
hericht. In Eriminalfachen entfheiden Schwurgexichte, bie in der Hauptfache nach dem Muſter
kr franz. Gefepgebung gebilbet find, und für Eivilſachen iſt öffentliches mündliches Verfahren
angeführt. Feld⸗ und Weinbau find die Hauptbefchäftigungen ber Einwohner. In den höher
gelegenen Gegenden wird bebeutenbe Alpenwirthſchaft getrieben, hingegen in den Umgebungen
des Benferfeed, vom milden Klima begünftigt, faft aller Fleiß dem Weinbau zugewendet. Die
Geno.s@ez. Zehnte Aufl. XV. 2. 1
2 Waag Waagen
Weine von La Cote, Lavaur und Yvorne werden weithin verführt. Manufaeturen find wenige
vorhanden. Die Hauptftabt ift Lauſanne (f.b.).
aag (bei den Alten Aucha, ungar. Vag), ein ganz zu Ungarn gehöriger linker Nebenfluf
ber Donau, welcher im Norden und Weſten das ungar. Erzgebirge umgrenzt, 'entfteht aus zwei
Quellbãchen, der Weißen Wang (Vaseczka), welche aus dem Grünen See (Zeleno Piesso)
an bem 7600 $. Hohen Kriman und dem viel tiefer ‚liegenden Wafeger Bee kommt und gleich
barauf aus bem Hochgebirge tritt, und aus der Schwarzen Wang, die weiter im Süden an den
5870 $. hohen Kralowa⸗Hola ober Königsberg entfpringt. Beide vereinigen fi oberhalb des
Hütten- und Fabrikorts Hradek im liptauer Eomitat bei bem Dorfe Kralovsla oder Kiraͤly⸗Le⸗
ta, wo ber Fluß für Flöße fahrbar wird. Anfangs fließt die Waag beinahe zur Hälfte gegen
eft- und Nordweſt nach Szent⸗Miklos oder St.-Nikolai und Rofenberg, dann bogenförmig
gegen Süden über Trentfchin und Neuftadel, wo fie in die Ebene tritt, über Leopoldſtadt, Ffei-
ſtadl, Szered, Sellye und Farkasd und mündet bei Guta in ben fogenannten presburger Do»
nauarm, ber fi) darauf unter bem Namen Waag⸗Donau (Vägduna) bei Komorn mit dem
Dauptarm vereinigt. Die Wang nimmt rechts die Bela, Arva und Kifucza, links die Revucza
und Thurocz auf, welche fämmtlich flößbar find. Ihr Lauf beträgt 40 M. Bei dem flarken Ge⸗
fälle reißt fie ungeheuere Maffe von Gerölle fort und überfchüttet bei ihren plöglicden Über-
ſchwemmungen bie Ufer. Dies und ihre gahlreichen Infeln und Sandbänfe bereiten der Schif-
fahrt große Schioterigkeiten. Sie kann mit Schiffen von 5—-400 Etrn. Tragfähigkeit befahren
werben, bei hohem Waſſerſtande bis Farkasd und Sellye. Das Thal der Wang ift bald eng und
von Felſen eingefchloffen, bald weiter und anmuthig, wirb aber dann wieder an vielen Stellen
zu einem engen Felspaß zufammengedrängt. Es enthält Gegenden, die zu ben fchönften Un-
garns gehören. |
Waagen (Buftav Friedrich), einer der bedeutendften deutſchen Kunftfchriftfieller, geb. zu
Hamburg 11. Febr. 1794, fand [don in früher Jugend In dem Haufe feines Baters, eines Ma⸗
ler6, welcher eine werthvolle Sammlung alter Gemälde und Kupferftiche befaß, für den ihm an-
geborenen Sinn für die bildende Kunſt reiche Nahrung. Fleißiges Zeichnen, befonders nach Ra-
fael, übte zugleich feine Hand und fein Auge. Auf feine ganze Geſchmacksbildung übte der mit
der Schweſter feiner Mutter verheirarhete Dichter Ludwig Tieck, welcher ihm ſchon früh eine
befondere Zuneigung bewies, einen entfcheidenden Einfluß aus. Als 1807 fein Vater von Ham-
burg nach Schleſien zog, erhielt ber junge W. feine Schulbildung in bem damals vortrefflichen
Gyinnaſium zu Hirfchberg. Seine Studien wurden indeß dadurch, daß er die Feldzüge gegen
Sranfreih 1815 und 4814 als Freiwilliger mitmadhte, auf längere Zeit unterbrochen. |
Während der drei Jahre, welche er darauf auf ber Univerfität Bredlau ftudirte und wo er bee
ſonders philologifche und hiſtoriſche Vorleſungen befuchte, genoß er bes genauen und höchſt bil⸗
denden Umgangs von Steffens und Karl von Raumer. Aber auch Friebrich von Raumer, Paſſow
und der Profeffor Schneider wirkten entfchieben auf feine wiffenfhaftliche Ausbildung ein. Für
feinen tünftigen Zebensberuf, das Studium ber Kunftgefchichte, fand er ſich durch einen laͤngern
Aufenthalt in Dresden 1818 unb in Heidelberg, wo er in demſelben Jahre und 1819 die
Sammlung der Gebrüber Boifferde fah und die Vorleſungen von Ereuzer befuchte, mächtig ge-
fördert. Eine Kunftreife durch die Niederlande, ein drittehalbfähriger Aufenthalt zu München
erweiterten ben Kreis der Kunſtſtudien ungemein und veranlaften ihn zuerſt al Schriftfteller mit
einer Abhandlung „Über einige in der koönigl. Sammlung zu Münden befindliche ägypt. Mu-
mien“ (Münd. 1820) aufzutreten, der die Schrift „Über die Maler Hubert und Johann van
Ey" (Brest. 1822) folgte. Vom J. 1823 ab war er in Berlin bei ben Vorarbeiten zum
koͤnigl. Mufeum thätig. Er gewann in diefer Stellung ein genaues Verhältniß zu Wilhelm von
Zumbeit unb vorzüglich zu Schinkel, welche ebenfalls mit jenen Vorarbeiten betraut waren.
ne Kunfifiudien wurden in diefer Zeit durch den Umgang mit Friedrich von Rumohr und
den Hofrath Dirt gefördert, mit welchem Legtern er indeß 1832 in eine literarifche Fehde gerieth.
Im 3. 1832 als Director der Bildergalerie des neuen Mufeums angeftellt, arbeitete er zuvõör⸗
berft den Katalog derſelben aus. Als die Frucht einer Reife nach London und Paris erſchien
von ihm „Kunſtwerke und Künflier in England und Paris” (3 Bbe., Berl. 1857—39). Im
3. 1844 wurde er zum Profeſſor an ber königl. Univerfität für das Fach ber Kunſtgeſchichte er-
nannt. Inzwiſchen veröffentlichte er umter bem Titel „Runftwerke und Künſtler in Deutid-
and” (2 Dbe. Lpz. 1843—45) eine kritiſche Befchreibung der Kunftdentmäler in Franken,
Schwaben und im Erzgebirge. Außerdem find noch zwei Abhandlungen von ihm in Raunter’s
Hiſtoriſchem Taſchenduch“ über den „Maler Rubens“ (1833) und über bie „Maler Andrea
Baal Bachau 8
Mantegna und Luca Signorelli“ (1850) zu erwähnen. Endlich gab er unter dem Titel „The
treasures el art in Great-Britain” (5 Bde., Zond. 1854) eine fehr ſtarke Erweiterung des oben
genannten Werks heraus, welche Schrift in England ein lebhaftes Intereſſe erregte.
Baal, ein Arm des Rhein, der unterdem Namen Merve in die Nordſee mündet. (&. Rein.)
Waarenkunde ift der Name der Wiffenfhaft, welche die Kenntnif der Waaren in Be-
jiehung auf ihren Urfprung, ihr Vaterland, ihre Eigenſchaften, Kennzeichen, Beftandtheile, Ber
älfhungen und deren Erfennungsmittel, Sorten, Gebrauch, Aufbewahrung, Bezugs- und
bfagorte, ſowie auf die beim Handel mit ihnen flattfindenden Gebräuche und den Gang dieſes
Handels zum Gegenftande hat. Unter den Lehrbüchern der Waarenkunde ift von foftematifchen.
Behandlungen bie „Zechnifche Materialwaarenkunde“ (Peſth 1846) von Blumenbach, dann
der Türgere „Grundriß der Waarenkunde” (2. Aufl., Lpz. 1852) von Erdmann, fowie das „Lehr-
buch der Waarenkunde (Bien 1850) von Haufe, von lexikographiſchen das Schebel’fche,‚Zeriton
der Waarenkunde“ (6. Aufl., bearbeiter von Wied, 2 Bde., &pz .1850—51) zu erwähnen.
Wace (Robert, richtiger Richard), einer der berühmteften anglonormannifhen Dichter,
war im legten Jahrzehnd des 11. Jahrh. auf Jerſey geboren. Sein Vater war einer der nor»
manniſchen Barone, welche Wilhelm dem Eroberer nach England folgten und in der Schlacht
bei Haſtings kämpften. W. ſelbſt wurde für die Lirchliche Laufbahn zu Caen gebildet und
kehrte auch, nachdem er einige Jahre in andern Theilen Frankreichs fowie in England gelebt
hatte, wieder in dieſe Stadt zurüd und verwendete feine Muße auf die Ausarbeitung mehrer
großerer romantiſcher Dichtungen. Sn ber legten Zeit Kanoniker zu Bayeuxr, ftarb er nad)
1174. Seine Hauptwerke find der „Roman de Brut” (herausgeg. von Zerour du Rincy, 2 Bde,
Rouen 18356—38) und der „Roman de Rou“ (heraudgeg. von Pluquet, 2Bde., Rouen 1827).
Der erfte enthält im Wefentlichen eine Bearbeitung der lat. Gefchichte des Geoffroy von Mon-
mouth; der zweite umfaßt eine Reimchronik ber Herzoge ber Normandie in zwei Theilen, von
denen ber erfte (begonnen 1160) in Alepandrinern bis zum Regierungsantritt Richard's Sans-
peur, ber andere in achtfilbigen Verſen bie zum 3. 14170 herabreicht. Sonft wird W. noch
eine fürgere „Chronique des Ducs de Normandie” (herausgegeben in ben „Mömoires de la
Societ6 des antiquaires de Normandie”, Bd. 2, Rouen, 1824) zugefchrieben, doch ſcheint
biefelbe aus fpäterer Zeit zu ſtammen. Auch wird W. als Verfaffer des Gedichts „L’&tablisse-
ment de la Fäte de la conception Notre Dame, dite la F&te aux Normands” (herausgeg. von
Marcel und Treburien, Rouen 1842), einer „Vie de St.-Nicholas”, ſowie einer noch ungedrud-
tn Dichtung auf bie heilige Jungfrau genannt.
Bach (Wilh.), Mitbegründer der neuen Malerfchule zu Berlin, wurde daſelbſt 14. Sept.
1787 geboren umd genof in ber gebildeten Familie feiner Altern eine ausgezeichnete Erziehung.
Sein erfter Lehrer in der Kunft war der Profeffor Kretfchmer, unter bem ex ſchnelle Kortfchritte
machte. Der Krieg unterbrady 1813 und 1815, wo er als Randwehroffizier den preuf. Bahnen
folgte, feine fleißigen Studien. Um die parifer Kunftfchäge und Künſtler zu ftubiren, blieb er bi6
1817 in Paris und ging dann nach Stalien, wo er in Gemeinſchaft mit Wild. Schadomw, Cor-
ndius, Dverbeck, Begas, Bogel u. U. fich einem echt fünftlerifchen Streben hingab. Mit einem
reichen Schage von Cartons und Studien kehrte er 1819 nach Berlin zurück, wo nun feine ge-
feiertfte Thätigkeit begann. Bald nad) feiner Rückkehr wurde er Mitglied des Senats und der
koͤnigl. Akademie der Künfte; dann erhielt er mit Hirt, Schinkel, Schlefinger und Waagen den
Auftrag, das neue Mufeum einzurichten, die Reftauration der Gemälde zu leiten und neue An-
füufe zu beforgen. Einem Beduͤrfniß in Berlin half er ab durch die Begründung einer größern
Malerfhule. Seine geiftreich componirten, correct gezeichneten und mit ber größten Sorgſamkeit
md Sicherheit ausgeführten Bilder brachten ihm fchnell den Ruf eines vorzüglichen Malers.
Nehre höchſt geiftreich aufgefaßte Perträts, 3. B. das oft copirte eines Mädchens aus Velletri,
machten feine Art zu porträtiren allgemein beliebt. Seine namhafteſten größern Bilder find bie
hm Mufen am Plafond des neuen königl. Schaufpielhaufes, die Aitarbilder für die Barni-
fon- md Werber’fche Kirche in Berlin. und das für die protefl. Peter⸗Paulskirche in Moskau,
deffen Unterfegbifd ein Meifterftüd und das beſte Gemälde ift, welche® aus W.'s Werkſtatt her-
borging. Er ſtarb 25. Nov. 1845. Seine Schweſter war die Romanfchriftftellerin Auguſte
von Paalzow (f. d.).
Wachau, ein Dorf etwa zwei Stunden füdöftlich von Leipzig (f. d.), war In ber Völker⸗
lacht 16. Der. 1813 ein Hauptpunkt des Kampfs. Eine Viertelflunde davon liegt dad Vor-
werk Mensdorf, vo dem Fürſten Schwarzenberg ein Denkmal errichtet iſt, 1.
4 Wache Wachler
Wache oder Wacht nennt man eine Abtheilung Militär, welche an einem beſtinmten Orte
in Bereitfchaft gehalten wird, entweder zur allgemeinen Sicherheit, zum Schuge von öffentlichen
Gebäuden, Magazinen, Kaffen u.f.w., oder ald Ehrenwache fürftlicher Perfonen, höherer Be "
fchlshaber. Kleinere Wachen werden von Unteroffigieren, größere (Hauptwachen) von Offi
zieren commanbdirt: zu jeder gehört noch ein Tambour oder Hornift (Trompeter), der die Signale
der Neveille, bes Zapfenftreichs (Retraite) oder zum Alarm (Beuer, Generalmarſch) zu geben
Ki Bon den Wachen werden Poften oder Schildwachen auögeftellt (doppelte vor fürftlichen
fonen oder höhern Generalen), welche gewöhnlich alle ziwei Stunden abgelöft werden. Im
Kriege werden gegen den Feind Feldwachen (f. b.) und innerhalb des Lagers Bahnen» und fo-
grammte Brandwachen gegeben, erftere vor, Iegtere Hinter der Fronte. Bei ber Cavalerie und
etillerie gibt es außerdem noch Stallwachen zur Beauffichtigung der Pferde.
Bachholder (Junip£rus), eine Gewächsgattung aus der Familie der cypreffenartigen Na-
belhölger, deren männliche und weibliche Blüten meift auf getrennten Individuen fichen, mit
gegenftändigen, zu drei wirteligen ober vier reihig-bachziegeligen Blättern und einer fleinfrucht-
artigen, drei Nüfchen enthaltenden Sammelfrucht ftatt des Zapfens. Der gemeine Wachhol ·
der (J. communis), in ganz Europa und Norbafien vorfommend, wirb nur unter günftigen
Verhältniffen zu einem 15—20, höchſtens 30 8. Hohen Baume, in der Regel bleibt er ein
4- 6 8. hoher Strauch mit einen halben Zoll Tangen, linealiſchen, ftechenden Blättern, bie in
Wirtein zu je drei an den.dreifantigen Aten ftehen. Die Kägchen find Mein, bie männlichen viel»
blütig, eirund, die weiblichen breiblütig, urnenförmig. Der Beerengapfen ift im erſten Jahre
eirund und von grüner Farbe, im zweiten wird er fugelig, faftig und blauſchwarz mit weißem
Reif. Die fteinharten Nüßchen Haben auf der Schale drei ölreiche Drüfen. Das gelbröthliche,
im Kerne bräunfiche, harte und wohlriechende Holz wird zum Auslegen feiner Arbeiten ge-
braucht. Zum Räuchern benugt man die trodenen Zweige, Wurzeln und Beeren. Letztere find
als Küchengewürz brauchbar, geben in ihrem eingedidten Safte (Wachholdermus) ein harn ·
und ſchweißtreibendes Mittel und dienen zur Bereitung verfchiedener reigender, die Verdauung
beförbernder Arzneimittel, 3. 3. des Wadholberbeeröls. Auch verfertigt man aus ihnen ei»
nen beſonders im weſtfäi. Dorfe Steinhagen und dem holländ. Schiedam gut deſtillirten
Branntwein. Zwiſchen Holz und Rinde fegt fi) eine harzige Subſianz an, die fonft als
deutſcher Sandaraf in Anwendung kam. Der ſpaniſche Wacholder (). oxycedrus), auf
dürten Plägen in den Rändern des Mittelmeeres wwachfend, hat größere, brauntothe, haſeinuß ·
große Brüchte. Er kommt in feiner Benugung mit dem vorigen überein und liefert das übelrie ·
ende ätherifche Huile de Cade, das in der Thierheilkunde befonders gegen die Raude der Schafe
in Anwendung kommt. Der virginifge Wachbolder (). Virginiana), auch rothe Ceder ge-
nannt, wird in feiner Heimat ein 40—50 8. hoher Baum, hat rautenförmig-länglidhe, vier-
eilig · dachziegelige Blätter und in der ſchwarzlauen Beere nur ein bis zwei Schlieffrüchte.
ei und pflangt man ihn in Anlagen und bindet aus feinen, lange grün bleibenden Zweigen Tod ·
entränge; auch werden die ſchwammigen Auswüchfe der Afte (Eedernäpfel) ald Wurmmittel
gmpfoblen. Über Sadewachhoider (). Sabina) f Sadebaum.
Waͤchler (Joh. Friedr. Lubw.), deutfcher Literarhiftorifer, geb. 15. April 1767 gu Gotha,
Ai fein Vater Geh. Regierungsrat war, befuchte kurze Zeit dad Gymnafium feiner Daterftadt,
rend zugleich die herzogl. Bibliothek eine Vorliebe für Literaturgeſchichte in ihm anregte.
inaena, too er feit 1784 Theologie und Philofophie ſtudirte, Tebte,er fehr wiſſenſchaftlich in
mn Gältmiffen, bis er in Folge einer jugendlichen Übereilung das Relegat er
j Böttingen feine Studien fortfegte, doch auch Hier durch buͤrſchikoſes Weſen
\ mlichkeiten zugog. Nachdem er 1788 als Hauslehrer zum Regierungs rath
\ ommen, erhielt er noch in demfelben Jahre eine außerordentliche Profeffur
‚fität. Im 3.1790 folgte er dem Rufe als Mector nach Herford. Doc
! ijfeiten veranlaßten ihn, 1794 fein Mectorat niederzulegen und die britte
j e in Rinteln anzunehnen, wo ihm 1797 zugleich die Profeffur der Ge-
‘ ſicht über bieiniverfitätsbjbliothet übertragen wurde. Schon 1801 wurde
\ Philoſophie nad) Marburg verfegt, wo er auch die Lehrftelle der hiſtoriſchen
! t, 1802 zugleich ordentlicher Drofeffor der Theologie wurde und 1805 den
J ionfiftorialtach erhielt. Im J. 1815 folgte er dem Rufe als Profeſſor der
\ ftoriafrath nad; Breslau. Seine bei den Streitigkeiten über dad Turnwe ·
\ thigkeit Hatte zur Bolge, daß er 1824 von den Schul » und Eonfiftorialge-
ſchãften abtretengmüßte, worauf er, mit Beibehaltung ber Profeffur, zum Oberbibliothekar ber
Wachs Wachs figuren 5
Univerſitäts bibliothek ernannt wurde. Von feinen Schriften find als die wichtigſten zu nennen:
„Verſuch einer allgemeinen Gefchichte der Literatur” (3 Bbe., Lemgo 1795 —96) ; „Handbuch
der allgemeinen Befchichte der literarifchen Eultur” (2 Bde, Marb. 1804—5; 3. Aufl. Rp}.
1833); „Lehrbuch der Geſchichte“ (Brest. 1817; 6. Aufl., 1838); „Vorleſungen über die
Geſchichte der deutſchen Rationalliteratur” (2 Bbe., Ft. 1818 — 19; 2. Aufl, 1834);
„Philomathie“ (3 Bde., Sf. 1819 — 21); „Handbuch der Gefchichte der Literatur” (Fif.
1804), das er in der zweiten (A Bbe., Fkf. 1822— 24) und insbefondere in der dritten Auf:
lage (4 Bde., Lpz. 1835) mwefentlich verbefferte; „Geſchichte der Hiftorifchen Forſchung und
Kunft, feit der Wiederherftelung der Itterarifchen Eultur in Europa” (2 Bde., Gott. 1812
—20); „Darftelung ber parifer Biuthochzeit” (2pz. 1826; 2. Aufl, 1828); „Lehrbuch
der Literaturgefchichte” (2p3.1827). Seine „Neuen theologifhen Annalen” ſchloß er mit 1823.
Bon der Sammlung feiner „Vermiſchten Schriften” ift blos ein Band erfchienen (Rpz. 1835).
Er ftarb 4. April 1838. W. war als Hiftoriker feines Stoffe wieder Form gleich Meifter
und durch gründliche Forfchung, umfaffende Belefenheit, felbftändiges Urtheil, Kraft bes Vor⸗
trage un? edle Sprache ausgezeichnet. Als akademifcher Lehrer zeichnete er fich durch feſſeln⸗
den und anregenden Vortrag aus.
Wachs ift der Name einer in der Pflanzenwelt fehr verbreiteten Subſtanz, die in der Kälte
fpröde, in der Wärme weich, bei 50° ſelbſt flüſſig wird, brennbar, in Waſſer unauflöslich, in
Beingeift etwas auflöslicher ift, Papier wie Fette durchſichtig macht, aber nicht wie Fette durch
Alkalien verfeifbar iſt. In Heinen Mengen tommt fie in faft allen Yflangenfäften, reichlicher in
ben flaubartigen Überzügen der Brüchte und Blütentheile, befonders reichlich in ben Beeren der
Myrica cerifera, der Rinde der Wachspalme u. f. w. vor. Aus legtern Pflanzen bereitet man
durch Ausfchmelgen und Austochen die verfchiedbenen Palm - und Pflanzenwachſe, welche aub
Japan, Brafilten u. |.w. zu uns kommen, noch wenig angewendet und in gewiſſer Hinficht von
unferm geroöhnlichen Wachſe verfhieden find. Das Bienenwachs mwirb von den Bienen aus
den ftaubartigen Überzügen ber Blütentheile gefammelt und von denfelben zur Herſtellung ber
Zellen benugt, in welche fie den Honig ablagern. Der größte Theil des Wachfes aber, welches
die Bienen zwiſchen ben Bauchringen ausſchwitzen, ift ein Product der Kebensthätigkeit ber
Bienen, da bekanntlich die Bienen auch fortfahren, Wachs zu erzeugen, wenn fie mit reinem
Zucker gefüttert werben. Am rohen, durch bloßes Ausfchmelzen vom Honig getrennten Zuftande
it das Wachs noch gelb und mit Honig vermreinigt (gelbes Wachs). Man bleicht es jedoch
in befondern Wachsbleichereien an der Sonne in dünnen Bändern, zum Theil mit Hülfe ches
mifcher Mittel, und erbält fo da6 weiße Wachs, das in Scheiben und Blöcken in den Handel
kommt. Das meifte Wachs liefern Rußland und der Drient, aber auch das öſtliche, nördliche
und nordweſtliche Deutfchland, befonders Lüneburg und Mecklenburg, ferner Frankreich und
Nordanıerita. Das Wachs wird zu Kerzen und Wachsſtöcken als ein vorzügliches Erleuch-
tungsmaterial, als Beftandtheil von Salben und Pflaftern, ald Bindemittel für die Wachsma⸗
kerei, als Modellirmaterial zum Boſſiren in Wachs u. ſ. w. verwendet. Das fogenannte Wachs⸗
tuch (f. d.) enthält fegt jedoch in der Regel kein Wachs, fondern ber mafferbichte Überzug iſt
Leinölſirniß oder Kautſchuk und Buttaperchaauflöfung.
Wachsbaum (Myrica cerifera) heißt ein A—8 F. hoher, im füdlichen Theile der Vereinigten
Staaten wach ſender Baum oder Strauck aus ber Familie der Gagelgewächfe mit Länglich-Tan-
jettigen Blättern, die an der Spige beiderſeits zwei Meine Sägezähne zeigen. Die weiblichen
und männlichen Kägchen ftehen auf verfchiedenen Individuen. Die Frucht ift eine einfamige
Nuß, von den fleifchig gewordenen Schuppen beerenartig umfchloffen. Durch Kochen gewinnt
man aus ihr ein grünfiches Pflanzenwachs, das zur Verfertigung wohlriechender Kerzen und
verſchiedener Arzneimittel dient. Die Wurzel wird als Brechmittel und gegen Zahnſchmerzen
angewendet. Auch die Arten M. Carolinensis und Pennsylvanica liefern vegetabififches Wache.
Wachsfig uren, kunfimäßig gebildet, welche menfchliche Körper, Thiere, Früchte u. f. w.
barftellten, waren fchon bei den Griechen und Römern bekannt, und noch zur Zeit der Kreuzzüge
gab es in Konftantinopel viele Madonnenbilder aus Wachs geformt und angemalt. Zu plafti-
ſchen Studien und Übungen, fowie zu Heinen halberhabenen Porträts ift das Wachs befonders
geeignet; Tebendgroße Wachbfiguren, bie man in ganzen Sammlungen zeigt, treten aus dem
eigentlichen Gebiete fhöner Kımft heraus. Ihre Tprechenbe Ahnlichkeit kann zwar Staunen er⸗
tegen, aber erfreuend, wie ein echtes Kunſtwerk, werden fie nie wirken. Höchſt brauchbar iſt das
Wachs ferner zur Rachbildung anatomiſcher Präparate und pomologiſcher Cabinete. Arch
beſchäftigt ſich die Wachsbildnerei mit Fertigung künſtlicher Perlen.
6 , Wachsmalexei
Wachs malerei, gewoͤhnlich mit Unrecht als ſynonym mit Eukauſtik (ſ. d.), d. i. Einbren⸗
nung, genommen, bezeichnet die Benutzung des Wachſes entweder als Bindemittel der Farben
oder blos als Befeſtigungsmittel nach bereits geſchehenem Auftrag. Die Enkauſtik beginnt erſt
mit dem Einſchmelzen bes Wachſes in die Fläche des Bildes durch Heißes Eiſen. Da die anti⸗
fen Schriftftellee und namentlich auch Plinius fich durchgängig mit Dunkeln Andeutungen be»
gnügen, fo ift nur mit Mühe etwa Folgendes ermittelt worden. Die Alten malten durchaus
nicht immer, wie man wol angenonmen, mit Wach: ihre Wand⸗ und Tafelgemälde waren
mit Wafferfarben gemalt und hatten gewiß nur felten einen fchügenden Wachsüberzug. Nur
wo ed auf Illuſion, alfo auf glänzenden Farbenreiz ankam, namentlich bei Thier- uud Blu⸗
menftüden, wurbe die Enkauſtik angewendet. Zunächft gab es eine Art derfelben ohne Wachs,
namlich das einfache Einbrennen von Umriffen auf Elfenbeintafeln. Zweitens aber wurben
die mit Wachs vermifchten Farbeftoffe mit heißen Stiften oder auch kalt aufgelöft mit bem
Pinfel auf die Fläche aufgetragen, worauf ein Vertreiben und volliges Einfchmelzen berfelben
folgte. Außerdem wurben auch noch die Schiffe mit einer aus Pech und farbigem Wacht befte-
henden Bemalung mitteld Pinfeln verfehen. Der Wachsüberzug ganzer bemalter Bände
ſcheint zwar hier und da unleugbar, aber nicht weniger ald Durchgängig angewendet worden zu
fein. Ein folder Überzug, aus Wachs und Harz beftehend, läßt fich auch an ital. Bildern bie
tief ind Mittelalter hinein nachweifen, und erft ba6 Aufkommen der Olmalerei machte bemfel-
ben vollig ein Ende. Aber auch jegt wurden, wenn nicht Wache, doc, aufgelöfte Harze fort-
während theils ald Bindemittel der Farben felbft, theils ald Beftandtheil der Firniffe gebraucht.
Nachdem feit ben 6. Jahrh. die antike Technik der Wachsmalerei verloren gegangen, machte erft
ber [pan. Maler Velasco (1715—20) Verfuche zu ihrer Wiederentdedung, indem er die in den
Wachsgrund eingegrabenen Umriffe mit geſchmolzenen Wachsfarben füllte und dann bie Ober-
fläche glättete. Um die Mitte des 18. Jahrh. glaubten ber Graf Caylus, Bachelier und Majault
dem Geheimniß auf der Spur zu fein, Jeder auf verfchiedene Weiſe. Seit diefer Zeit wurden die
vorgeblihen Entdeckungen in diefem Face, von welchen fih kaum eine bewährte, wahrhaft
zahllos. Dofrath Reiffenftein (1757) firirte Paftelbitder mit Wachs und Hirſchtalg; Calau
in Berlin gebrachte (1769) das im Waſſer auflösliche fogenannte punifche oder eleodoriſche
Wache; Baron Taubenheim (1770) mifchte fein Wachs mit OT; Abbate Requento in Ve⸗
nedig (1784) gab feinen Gemälden aus punifchem Wachſe einen heißen Wachsüberzug; aber
alle dieſe Methoden fanken, nachdem fie einige Zeit Modefache geweſen, bald wieder in Vergeſ⸗
fenheit. Erſt nachdem mit dem 19. Jahrh. eine Wiedergeburt ber Kunft überhaupt begonnen,
wurden auch die Bragen über die Technik wieder wichtiger, und fo trat auch bie Discuffion über
die Wachsmalerei von neuem in den Vordergrund mit ber Schrift des Profeſſors Roux in
Heidelberg : „Die Farben” (3 Hefte, Heidelb. 1825 — 29), und mit den von ihm gefertigten en-
fauftifchen Gemälden. Er glaubte das Wachs in ein Bindemittel verwandelt zu haben, welches
das Ol vollftändig erfegen würde und ihm an Dauer weit voranftände; auch hielt ex feine
übrigens geheim gehaltene Methode für die der Alten. Die Übelflände derfeiben waren der
Mangel an Kraft und Harmonie in ben Farben und an einem entfprechenden Grunde, mit
welchem die Farben zu einem feſten Ganzen fich hätten verbinden konnen. Bald darauf trat
M. P. de Montabert in einem „Trait6 complet de la peinture” (9 Bde. Par. 1829—30)
mit einer neuen, etwas complicirten Methode zum Behuf der Wandmalerei Bervor. Sein Bin-
demittel warein aus Wachs gezogenes, langſam ſich verflüchtigendes. DI, vermifcht mit Kopalharz
und etwas flüffigem Wachſe. Der Auftrag war ganz wie bei ber Olmalerei, der Nachbefferung
und jedes beliebigen Grundes fähig. Auf das vollendete Bild kam noch eine Art von Wachs⸗
mild von Wache, das in Alkohol aufgelöft worden. Diefe Technik wurbe unter Anderm bei
der Neftauration einiger alten Fresken in Sontainebleau angewendet. Ein ähnliches Verfah⸗
ten wurbe auf Klenze's Anregung feit 1833 bei den Malereien im Königsbau zu München
beobachtet. Bier beftand das Bindemittel, welches dann noch ein mal ale Firniß über das Ge»
mälde gezogen wurde, aus Dammarbarz, Zerpentinöl und Wachs; auch der Grund war ſchon
mit einer Wachsauflöfung getränft. Anfangs brannte man die Gemälde ein, unterließ es aber
bei den fpätern, fodaß diefe nur mit Unrecht enkauftifch heißen. Die Farben ließen fich fehr gut
behandeln uub behielten eine große Intenfität; nur läßt fich dabei ein gelblicher Ton und ein
zu ſtarker Spiegelglanz tadeln. Auch erregte ber Mangel eines tiefdringenden Grundes vom
Unfang an Beforgniffe über die Dauerhaftigkeit. Während Merimee („De la peinture à
Uhuile‘, Par. 1830) in den Gemälden des 15. Jahrh. ein aus Dien und Harzen 'gemifchtes
Bindemittel nachzuweiſen fuchte, ging Knirim in feinem Werke „Die Darzmalerei der Alten“
Bahsmuth | Madöttum 7
(23.1838) fo weit, für bie gange antife und nıttelalterliche Malerei ein Bindemittel von
Rüffigem Harze, ähnlich dem Copaivabalſam, aufftellen gu wollen und daffelbe auch der jegigen
Kunft, mit ss Wachs verbunden, anzuempfehlen. Die Ehre der Erfindung gebührt übrigens
dem alt Kunſtkenner rühmlich befannten Dr. —5 in Halberſtadt, der ſchon 1833 den Ce⸗
paivabalſam, aber unvermiſcht, als Erſatz des Ols nachgewieſen hatte. Inzwiſchen hatte der
Maler Fernbach ein neues, von den Nachrichten ber Alten vollig abſtrahirendes Verfahren
aufgeftellt, welches bit jegt in den Wandgemälden des Hohenftaufenfaals ber neuen BRefidenz
in Münden ſich am meiften bewährt hat. Sein Bindemittel befteht wol nicht aus flüffigem,
fondern aus Auflöfungen fefter Harze mit VBerbünnung durch Terpentinst, das ſich gleich nad
dem Auftrage verflüchtigt. Sowol der Grund als das vollendete Bild werben mit enkauſtiſchen
Maffen getränkt und eingefchmolgen, ſodaß die Farben von hinten und von vorm gefichert find.
Natürlich ift vollkommene Trodenheit ber Wand die erfte Bedingung. Die Technik iſt fo reich
und bequem wie bei den Olgemälden; Auftrag, Farbenglanz, Übermalung und Lafirung ſtehen
der Olmalerei in keiner Weife nach. Für monumentale, profane Prachtmalerei fcheint bier de»
finitiv das genügende Mittel gefunden zu fein. In neuefter Zeit hat der Maler Cichhoru
in Berlin („Die Wandmaletei in einer neuen Technik”, Lpz. 1853) fich eine eigenthümliche
Verfahrungsart für die Ausführung von Wandgemälden gebildet, wobei das Wachs eine
Hauptſtelle einnimmt, und welche er bei mehren in den Schlöffern von Sansfouc bei Potsdam
angefertigten Gemälden zur Anwenbung gebracht bat.
Wachsmuth (Ernft Wil. Gottlieb), vorzüglicher deutfcher Hiftoriker, geb. 28. Dee. 1784
zu Hildesheim, fludirte, auf dem Gymnafium feiner Vaterſtadt vorgebildet, feit 1803 Philo⸗
logie und Theologie zu Halle und übernahm hierauf eine Lehrerftele an ber Klofterichule zu
Magdeburg, dann am Gymnaſium zu Zerbft. Aus Neigung immer mehr dem Gtubium ber
Sprachen, namentlich dem der neuern, zugeführt, erhielt er, nachdem er 1815 als Lehrer an ber
Hauptſchule ber Vereinigten Gymnaſien nach Halle zurüdgekehrt war, bie Stelle eines Lectors
der ital. und engl. Sprache an ber Univerfität und veröffentlichte eine , Grammatik ber engl.
Sprache” (Halle 1816), fowie mehre Beiträge der von ihm mit Günther herausgegebenen
„Humaniftifchen Zeitfgrift” (3 Bde., Halle 1816-—18). Seit 1818 hielt er auch Borlefun-
gen über Weltgeſchichte, rom. Gefchichte und Geſchichte der neueften Zeit. eine „Witere Ge⸗
ſchichte des rom. Reichs“ (Halle 1819), die er aus den Quellen mit Rüdficht auf Niebuhr neu
bearbeitete und der ex den „Entwurf einer Theorie ber Gefchichte” (Halle 1820) folgen lich,
veranlaßte 1820 feine Berufung nach Kiel. Hier begann WB. bie Bearbeitung feiner „Helle⸗
niſchen Alterthumskunde“ (4 Bde, Halle 1826— 30 ; 2. Aufl., 1845— 46), die er ſedoch erſt
zu Reipgig, mo er Herbſt 1825 die Profeffur der Geſchichte antrat, vollenden konnte. Geine
akademiſchen Vorträge umfaßten feitbem die Weltgef[hichte nach feinem „Grundriß ber allge»
meinen Gefchichte der Völker und Staaten” (Apz. 1826; 2. Aufl., 18359; 3. Aufl, 1848),
griech. und röm. Gefchichte und Alterthümer, Geſchichte Deutfchlands, Geſchichte der neueflen
Zeit, Literaturgefchichte und Geſchichte der europ. Befepgebung, Geſchichte des Mittelalters,
Sächfifche Geſchichte, Befchichte der beutfchen NRationalliteratur feit Bottfched. Won feinen
übrigen Arbeiten find befonders hervorzuheben: die gehaltvollen „Hiftozifchen Darftellungen
aus der Geſchichte der neuern Zeit” (3 Bde. Lpz. 1851 — 33); „Die europ. Sittengefchichte”
(5 Bde, pa. 1831— 39), welche eine Lücke in ber hiftorifchen Literatur würdig ausfüllte; „Die
Geſchichte Frankreichs im Revolutionszeitalter” (A Bde, Hamb. 1840— 4A), vor beren Ab-
faffung er eine Reife in dieſes Land machte; die literarbiftorifche Monographie „WBeimars Mu-
fenhof in den J. 1772 — 1807” (Berl. 1844); „Beichichte des Zeitalters der Revolution“
(8b. 1—4, 2pz. 1846— 48) ; „Allgemeine Eulturgefchichte” (3Bde., Lpz. 185052); „Ge⸗
ſchichte der potitifchen Parteiungen‘ (Bd. 1 und 2, Braunfchw. 1855—54).
Bahsthum nennt man die Fähigkeit organifcher Körper, nach ihrer Entwidelung noch
eine weitere Ausbildung und Veredlung zu erlangen, welche nicht blos in einer Zunahme bed -
Umfangs und Gewichts, fondern auch in einer gleichzeitigen innern Veränderung befteht. Es
wird das Wachtthum, welches übrigens nur bis zu einer beſtimmten Grenze reicht, durch die
Grnährung (f. d.) vermittelt and gefchieht nicht durch Didler- und Längerwerben des ſchon Ge⸗
bildeten, fondern durch Anſatz neuer Maffe, welche fich wie bie erfien Bildungen durch Ent⸗
widelung von neuen Zellen in einer formlofen Ernährungsflüffigkeit oder aus ſchon vorhande
nen Zellen (Mutterzellen) und durch Fortbildung diefer Zellen zu Geweben erzeugt. Sowie bie -
verfihiedenen Drgane des Körpers nicht gleichzeitig entfichen, ſondern nacheinander, ebenfo wer
nig wachfen die einzelnen X Helle des Organismus in gleichem Berhältniffe, vielmehr find manche
8 Wachttuch Wachtel
ſchon ausgebildet, während andere erſt zu wachſen beginnen. Manche Organe verſchwinden
ſchon wieder oder nehmen wenigſtens ab, während andere noch lange fortwachſen. Einige
Theile (wie Haare, Nägel) wachen, wenn fie von Zeit zu Zeit abgefchnitten werben, ununter-
beochen faft bis zum Tode. Es fcheint dat Wahsthum mit dem Zeugungsproceffe in gewiffem
Bufammenhange zu fiehen : es ift nämlich vollmbdet, wenn diefer vollftändig ausgebildet iſt, und
ſteht file, Tobald die Zeugumgsorgane früher in Thätigkeit verfegt werden. So wachen
rauen, deren Entmwidelung noch nicht vollenderift, während der Schwangerfchaft nicht fort,
und daß beim männlichen Geſchlecht das Wachsthum durch die Begattung aufgehalten wird,
beweift die Erfahrung, daß tiere, Hengfte, Widder u.f.w., welche man bis zur erlangten
Zeugungsreife von der Begattung zurüdhält, eine bedeutendere Größe erlangen, alfo Tängere
Zeit wachſen, als andere, Denen man fie geftattet. Ebenfo fteht das allgemeine Wachsthum der
Pflanzen während der Blüte ftill und endigt fo bei den einjährigen für immer, bei ben mehr-
jährigen für eine gewiffe Seit. Uber biefe Zeit hinaus konnen der Menſch und bie Thiere wol
noch an Umfang und Gewicht zunehmen, allein diefe Zunahme befteht nicht in proportionirter
Vergrößerung aller Organe, fondern nur in vermehrter Ablagerung von Fett oder in abnormer
Vergrößerung einzelner Organe, von denen erftere ald nur einfeltig nicht Wachsthum genannt
werden kann und legtere als pathologiſche Erfcheinung dem phyfiologifchen Wachsthume noch
fremder iſt. Im Allgemeinen läßt ſich übrigens die Regel aufftellen, daß das Leben eines höher
organifirten Thieres um fo länger dauert, je mehr Zeit fein Wachsſsthum erfodert. Die räum⸗
liche Grenze des Wachsthums richtet fich wieder nach den unendlich verfehiedenen Elaffen der
Geſchöpfe und wird in diefen felbft wieder bei ben einzelnen Individuen von mannichfaltigen
Umftänden fo vielfach modificirt, daß ſich nur bin umd wieder allgemeine Angaben madyen
laffen. Beim Menfchen veranlaft ein zu ſchnelles Wachsſthum nicht felten Wuchsthumstrant-
heiten, befonders Im Blut- und Nervenfofteme; im erftern kommen am häufigſten Bleichſucht
und Blutarmutb, im legtern Krampfkrankheiten zu Stande.
Wachötuch heißt ein Gewebe, welches mit einem Firniß überzogen, der zunächſt dazu be-
ſtimmt iſt, den Stoff waſſerdicht zu machen, dann aber auch in fehr vielen Fällen, ihn zu ver-
zieren. Die Erfindung dieſes Stoffe ift ziemlich alt, indem wir denſelben ſchon zu Anfang bes
14. Jahrh. erwähnt finden. Nach dem Stoff unterfcheidet man gegenwärtig Wachstuch, Wacht-
Teinwand, Wachskattun, Wachstaffet, Wachsbarchent und felbft Wachstuchpapier. Hinfichtlich
ber Ausſchmückung wird der Firniß entweder mit einer Farbe verfegt, oder der Firnißauftrag
marmorirt, gemafert, ober endlich werden mit Formen Mufter aufgedrudkt, oder mit bem Pinfel
darauf gemalt. Soll das Wachstuch zu Tiſchdecken, Teppichen und bergl. dienen, fo wird auf
die Srundfarbe entweder mit bem Pinfel gemalt, oder mit Formen nach Art des Kapeten- und
Kattundruds gedrudt, entweder mit der Hand oder mittels einer eigenthümlich conflruirten
Preſſe. In neuefter Zeit Hat man auch Ketterndrud in ber Buchdruckpreſſe auf Wachstuch ab-
gedrudt und Lirhographien auf das Wachstuch übergedrudtt. In Deutfchland werden bie be-
ften Wachstuche in Leipzig, Berlin und Wien gemacht.
Wachtel (Coturnix) Heißt eine Gattung Hühnervögel aus der Familie der Feldhühner. Unter
den wenigen Arten iſt die gemeine Wachtel (C. dactylisonans) die befanntefte. Sie wird etwa
8" lang und hat eine graubraune Farbe, auf dem Rüden mehre Reihen gelber Federfchäfte, über
jedem Auge einen weißlichen Strich und an der Kehle einen ſchwarzen, beim Weibchen roth-
braunen Filed. Während fie fchon in Spanien als Standvogel Iebt, trifft fie in Mitteleuropa
u Anfang Mai in großen Zügen ein, verbreitet ſich bis nach Schweden, kehrt im October eben-
I, über Italien nad) Afrika zurüd, und ftteicht bis in die Nähe bes Caps der guten Hoffnung.
Außer bei diefen Wanderungen, wodurch fich die Wachtel von den meiften Hühnervögeln, mit
Ausnahme der Feldhühner, unterfcheidet, lebt fie meift am Boden, fucht Gefahren durch Lau⸗
fen zu entgehen und hält fich am Tiebften zwifchen hohem Getreide auf, beffen Körner ihr neben
andern Sämereien zur Rahrung dienen. Wie andere Hühner Iebt fie polygamifch. Die eifer-
füchtigen Männchen dienten fonft durch ihre Kämpfe zur Volksbeluſtignng. Die Weibchen Ie-
gen 8—12 bräunliche Eier in eine flache Vertiefung des Bodens und äußern gegen ihre Brut
viel Zärtlichkeit. Bei reichlicher Nahrung werden die Wachteln fehr fett und in Italien ſowie
am Schwarzerf Meere zur Herhftzeit in außerorbentlicher Dienge gefangen umd getöbtet. Bei
uns werben fie burch Wachtelpfeifen angelodt und in Negen gefangen. Man hält fie wegen
fhred eigenehümlichen Schlags als Stubenvögel, die in der Gefangenfchaft wol 8 I. aut-
Bauern, fowie auch fi fortpflanzen.
Vachter Wächter (Kar! Georg von) 9
MWachter (Berdinand), deutſcher Gefiähtsforfcher, geb. 49. Juni 1794 zu Menthenborf
im ehemaligen zu Kurfachfen gehörigen Neuſtädter Kreife, wurde auf der Domfchule zu Raum-
burg vorbereitet und bezog 1816 die Univerfität zu Sena, um daſelbſt die Rechte zu ftudiren.
Überiviegende Neigung zu gefchichtlichen Studien beſtimmte ihn, fich dem akademiſchen Lehr:
amte zu widmen, und fo habilititte er ſich 1820 an ber Univerfität zu Jena durch die Vertheibi-
gung einer lat. Abhandlung über die Bedeutung der Siegfriedsſage. Die Unterfuchungen über
die legtere führten ihn zu der Beichäftigemg mit den Quellen ber nord. Götter- und Helben-
fagen und wendeten feine literariiche Thätigkeit, nächft der deutſchen Geſchichte, vorzugsweiſe
auf bie Erforſchung des nord. Alterthums hin. Eine ftabreimende Überfegung der Helgi⸗Lieder
veröffentlichte er in feinem „‚Zorum der Kritik im Gebiete der Befchichte und ihrer Hulfswiflen-
ſchafien“ (Altenb. 1827—30). Bon feiner Überfegung der „Heimökringla” find bis fept bloß
zei Bände (2pı. 185536) erfchienen. Verdienſtlich ift feine „Thüring. und oberſächſ. Ge⸗
ſchichte, mit firenger Sichtung aus den Quellen bargeftellt“ (Bd. 1— 3, Lpz. 1826-50).
Daneben hat er fich auch als Dichter in verfchiedenen Gattungen der Poeſie verſucht. Er
veröffentlichte unter Anderm die Trauerfpiele „Brunhild” (Jena 1821) und „Rofinund und
Minnelieder” (Jena 1823); ferner die Luftfpiele „Die Kiebesrafenden” und, Der Brudermorb”
(Jena 1821), von denen das legtere eine Satire auf die Müllner'ſchen Schickſalstragödien ift, und
den dibaktifchen Roman „Otfried und Repgau“ (Neuft. a. d. D. 1821). In neuerer Zeit Tief
W. unterdem fingirten Namen Eywind Skadaſpillir das fomifch-tragifche Helbentieb „Die ſechs
Nebenbuhler auf der Dorflirmfe” (2ps. 1854) erfcheinen. Im I. 1854 legte W. die Profef-
fur, die er feit 4834 zu Jena befleidete, nieder und lebt ſeitdem mit Titerarifchen Arbeiten be-
ſchäftigt auf feinem Gute Unterlofa bei Plauen im Voigtlande.
Wächter (Georg Phil. Ludw. Leonh.), als Schriftfteller Weit Weber genannt, geb. zu
Uelzen 25.Nov. 1762, verbantte feinem Bater, welcher Prediger an ber Michaeliskirche zu Ham⸗
burg war, den erſten Unterricht umd fiudirte nach deffen Wunſche Theofogie in Göttingen, mo
er ſich indeß auch viel mit altdeutfcher Kunſt und Literatur befchäftigte. Hierauf lebte er im fei-
ner Vaterftabt als Candidat, ohne jedoch ein geiftliche® Amt erhalten zu fönnen, woran vielleicht
die zu offene Geradheit feines Charakters ſchuld war. In biefer Zeit begann er feine „Sagen
der Vorzeit” (7 Bbe., Berl. 1787— 98; neue Aufl., 1840) herauszugeben, durch welche ein
echtes beutfches Bemüth hindurchblickt. Im J. 1792 nahm er Dienfte in dem hannov. Heer
und machte mehre Feldzüge gegen die Franzoſen mit, in welchen er fih durch Muth und Beiftes-
gegenmwart außzeichnete und bei Mainz verwundet wurde. Im J. 1793 erfchienen feine „Holz-
fhnitte” und 1794 die „Hiſtorien“, deren erfter Theil die Gründung der Bürgerfreiheit Ham-
burgs behandelt. Bei feiner Zurũckkunft aus bem Felde 1798 wurde er Lehrer an ber Erzie-
bungsanftalt des Profeffor Voigt in Hamburg, die er, ald Voigt 1814 einen Rufe nach Riga
folgte, mit Glück fortfegte. Auch im Vefreiungskriege 18413 gab er unter ben Vertheibigern Ham-
burgs Proben feiner Aufopferung und ſeines Muthes. Noch ift fein Schaufpiel „Wilhelm Tel‘
zu erwähnen, welches 1804 vor dem Schiller'ſchen „Tell“ erfchien. "Er flarb 11. Febr. 1837.
Wächter (Kari Georg von), einer der ausgezeichnetften deutfchen Zuriften, geb. 24. Der.
1797 zu Marbach am Nedar, befuchte die Schule zu Eßlingen und das Gymnafium zu Stutt⸗
- gart und ſtudirte 1815—18 in Tübingen und Heidelberg. Im J. 1819 wurde er Öberjuftiz-
affeffor bei dem Appellationsgerichte zu Eßlingen, folgte aber fchon 1820 dem Rufe als außer»
ordentlicher Profeſſor der Rechte nach Tübingen, wo feine Borlefungen zahlreiche Zuhörer fan-
dem. Er wurde 1822 ordentlicher Profeffor und verwaltete feit 1825 mehre Jahre hindurch
das Rectorat der Univerfität, indem ihm baffelbe während der damals über Tübingen verhäng-
ten außerorbentlihen Mafregeln mehrmals prolongirt wurde. Bei Einführung der neuen,
nachher wieder aufgehobenen Drganifation von 1829, welche in dem Kanzler bie Functionen
des Rectors und des Kanzlers vereinigte, wurde IB. auf brei Jahre zum Vicckanzler ernannt,
nahm jedoch im Herbfte 1830 feine Entlaffung von diefem Amte. Zu Oftern 1833 folgte er
dem Rufe als Profeffor der Rechtswiſſenſchaften nad; Leipzig; doch ſchon 1836 Lehrte er ale
Drofeffor der Rechte und Kanzler der Univerfität nach Tübingen zurüd. Indeffen konnte er nur
kurze Zeit als akademiſcher Lehrer thätig fein, da ihn die mit den Kanzleramte verbundene
Virilſtimme in die Srändeverfommlung führte. Hier 1839 von ber Kammer ber Abgeordne-
ten auf ſechs Jahre und nach deren Ablauf 1845 auf meitere ſechs Jahre zum Präfidenten
erwählt, mußte er wegen bed ihm obliegenden Präfidiums im fländifchen Ausſchuſſe femen
Wohnfig zu Stuttgart nehmen. Rachbem WB. im März 1848 feine Stelle in Folge bes flatt-
gefundenen Miniſterwechſels niedergelegt, beteiligte er fi an ben Verhandlungen bes frant-
10 Bahtmeifer Wackerbarth
furter Vorparlaments und ward von demſelben in den Funfzigerausſchuß gewählt. Nach der
Rückkehr erhielt er das Präſidium einer von der Regierung niedergeſetzten Organifationscom-
miffton, legte jedoch daffelbe nach einiger Zeit nieder, um fich ganz feinem Kanzler- und Lebr-
amte in Tübingen zu widmen. Kurz vorher, im Sept. 1848, hatte er noch der Verfammlung
der akademiſchen Lehrer zur Berathung ber beutfchen Univerfitätsangelegenheiten zu Jena praͤ⸗
fidirt. Un den Ständeverbandlungen nahm er nur noch bei wenigen ganz beftinnmten Ber-
anlaffungen Theil, bis er in Folge einer Veränderung der Berfaffung 1849 aufhörte, Mitglied
der Kammer zu fein. Im J. 1851 fah fich W. veranlaßt, aud) das Amt eined Kanzlers der
Univerfität nieberzulegen. Ginige Monate darauf folgte er einem Rufe zum Präfidium des
Dberappellationsgerichts der vier Freien Städte nach Lübeck, entfagte jeboch nach einem Jahre
diefen im Übrigen ganz feiner Neigung entfprechenden Amte, weil ihm bie Däufung der Ge-
ſchäfte alle Gelegenheit zu irgend einer wiſſenſchaftlichen Thätigkeit geraubt Haben würbe.
Im Spätiahre 1852 folgte er einem wiederholten Rufe als Profeſſor des Pandektenrechts
und Geh. Hofrath nach Leipzig. Unter feinen Schriften find beſonders hervorzuheben: „Lehr⸗
buch des rom.» beutfchen Strafrechts“ (2 Bde. Gtuttg. 1825— 26); „Die Strafarten und
Strafanftalten des Königreichs Würtemberg“ (Tüb. 1832); „Abhandlungen aus bem
Strafrechte” (Bd. 1, Lpz. 1835); „Gemeines Necht Deutfchlands, insbeſondere gemeines
deutſches Strafrecht” (2py. 1844); „Beiträge zur deutſchen GBefchichte, indbefondere zur
Gefchichte des deutſchen Strafrechts“ (Tüb. 1845); „Handbuch des in Würtemberg gel-
tenden Privatrechts (2 Bde. Stuttg. 1845 — 46); „Erörterungen aus dem röm., deut⸗
ſchen und würtemb. Privatrecht” (Heft 1—3, Stuttg. 1845 — 46); „Beurtheilung des
Entwurfs eines Givilgefegbuchs für das Königreich Sachſen“ (2pz. 1853). Auch lieferte
er [hägbare Beiträge in das vom 14. Bande an von ihm in Verbindung mit Linde, von Löhr,
Mittermeier, Mühlenbruc und Thibaut herausgegebene „Archiv für civiliftifche Prapis” und
in das von ihm vom 11. Bande an, früher mit Mittermaier und Roßhirt, jegt mit Abegg,
Birnbaum, Heffter und Mittermaier herausgegebene „Neue Archiv bes Criminalrechts“.
Endlich gründete er mit Mohl, Rogge, Schrader, Scheurlen und R. Wächter bie „Kritifche
Zeitſchrift für Rechtswiſſenſchaft“ (Zub. 1826 fg-). |
Wachtmeiſter iſt der Feldwebel (ſ. d.) bei der Cavalerie. Den Namen Oberſtwachtmeiſter
— ‚gewöhnlich bei Unreben und in Briefen, gleichfam ale Hoflichkeitöbegeigung, dem
afor be
Wachtſchiff nennt man das Schiff, welches vor oder neben einer Flotte, die vor Auer liegt,
in der See kreuzt, auf Alles Acht Hat, was vorgeht, und Signale gibt, wenn fremde Schiffe ſich
In der Kerne ſehen laſſen. Huch folche Schiffe, welche am Eingange eines Kanals oder in ber
Durchfahrt einer Meerenge, z. B. im Sunde bei Helfingör, ftationirt find, um Acht zu geben,
daß die durchfahrenden Schiffe den gemöhnlihen Zoll entrichten, heißen Wachtſchiffe.
Wackenroder (Wilh. Heinr.), ein mit Novalis (f. Hardenberg) verwandter Genius, der
wie jener früh verftarb, wurbe 1772 zu Berlin geboren, wo fein Vater Bürgermeifter war.
Einen gleichgefinnten Freund gewann er in Ludw. Tieck, mit welchem er einen Theil der
Schuljahre in Berlin und die Univerfitätsjahre In Halle verlebte. Nach vollendeten Studien
wurde er Meferendar bei dem Kammergericht in Berlin. Im 3.1797 erſchienen von ihm die
„Herzens ergießungen eines Eunftlichenden Kiofterbrubers”, an welchen Tieck vielem Antheil Hatte.
Diefe Schrift, welche namentlich von den deutſchen Künftlern in Nom mit außerordentlichem
Beifall aufgenonmen wurde, drang mit Berebtfamkeit auf religiöfe Begeifterung und empfahl
dabei mit Wärme das Studium ber meift vernachläffigten Künſtlergeſchichte. Unbeſtimmte
Sehnſucht und die Glut feiner in der Kunft ſchwelgenden Phantaſie führten bei einem ſchwäch⸗
lichen Körper ſchon 13. Febr. 1798 feinen Tod herbei. In „Kranz Sternbald’6 Wanderungen”
(1798) und den-„Phantafien über die Kunft” (1799), beide von Tieck herausgegeben, find hin⸗
terlaffene Arbeiten von W. aufgenommen.
aderbarth (Aug. Chriftoph, Graf von), kurſächſ. Feldmarſchall, geb. 1662 auf bem
Schloffe Kogel im Herzogthum Sachſen ⸗Lauenburg, kam 1685 ald Page an den kurſächſ. Hof
und machte 1691 den Krieg gegen Frankreich und 1695 gegen bie Türken mit. Als General.
major diente ex feit 1703 gegen Frankteich und Batern. Der Kaifer erhob ihn 1705 zum Reichs⸗
grafen und Commandanten von Hagenau, das er 1706 den Franzoſen übergab. Er wurde num
Seneralintendant ber Eivil- und Militärgebäude und verheirathete fich mit der Marquiſe Bal-
biani von Salmour, ber Witwe bes Markgrafen Wilhelm von Brandenburg. Nachdem er 1708
— — u — — — —
Badernagel ’ 11
und 1709 als Generallieutenant in Flandern gefochten, wurde er 1710 Geh. Cabinetsminiſier
und General und 1712 Feldmarſchall. Er bezwang 1715 Stralſund und erhielt 1718 bie
Souverneurftele in Dresden, wo er 1734 farb. Seinen Stieffohn, Joſ. An. Gabaleon, der
1701 ftarb, hatte er adoptiert. — Des Legtern Brofneffe, Aug. Joſ. Ludw., Grafvon W.,
geb. 7. März 1770 zu Kutfchenborf in der Niederlaufig, war ein edler Menfchenfteund, zugleich
aber auch origineller Sonderling. Seine erſte Erziehung empfing er im älterlichen Haufe, dans
befuchte er die Schulen in Muskau und in Kamenz und fiudirte hierauf in Wittenberg und in
Böttingen. Nachdem er ein Jahr in Leipzig zugebracht, machte er Reifen in England, Amerika
und Oftindien und lebte dann abwechfelnd in Wien und Dresden. Später bereifte er wieder
Stalien und die Türkei. Seit 1801 wohnte er meift in Hamburg und Ratzeburg und nachher
bald in Dresden, bald in deffen Nähe auf der von ihm erbauten und nad) ihm benannten
Vila Wackerbarthsruhe bei Zigfchemig. Hier farb er 10. Mai 1850. Befonderes Auffehen
erregte er durch feine Anfprüche an Sachfen-Lauenburg und Hannover auf Auszahlung einer
ungeheuern Summe Geldes, die ihm aus ben frühern Befigchümern ſeiner Kamilie zugeftanden
haben fol. Er hatte die Sache ſchon beim Reichs kammergericht angebracht, war aber abgewie⸗
fen worden. Später wendete er fi) damit auch an Napoleon, ber ihn mit leeren Verſprechungen
binhielt, und endlich an den Eongreß zu Wien und an den Deutfchen Bund, die aber auch nicht
darauf eingingen. Als Schriftfieller nannte er ſich Auguſt Raugrav von Waderbarth. -
Badernagel (Karl Heint. Wilh.), einer der außgezeichnetfien Germaniften ber Gegen-
wart, geb. 25. April 1806 zu Berlin, wandte fi ſchon auf ber Schule den altdeutichen Stu⸗
dim zu, die er auch auf ber Univerfität 1824— 27 unter Lachmann’ Leitung fortiegte. Don
dem Erfolge, mit dem er fich ihnen gewibmet, gaben bereits bie „Spiritalia Iheotisca” (Bresl.
1827) und „Das Weflobrunner Bebet und die Weffobrunner Stoffen“ (Berl. 1827), von
‚feinem dichterifhen Talent feine „Gedichte eined fahrenden Schülers" (Berl. 1828) erfreu-
lies Zeugniß. Nachdem er 1828— 50 in Breslau privatifict, kehrte er 1831 nach Berlin
zurück, wo er feine „Geſchichte des beutfchen Hexameters und Pentameters bis auf Klop-
fiod” (Berl. 1851) herausgab. Nach mehren Verfuchen, in Preußen eine amtliche Stel⸗
‚ fung zu gewinnen, folgte er 1833 einem Rufe nach Bafel und wurde bafelbft 1835 orbent-
licher Profeffor der deutſchen Sprache und Literatur. Nachdem ihm die preuf. Regierung
1836 das Staatsbürgerrecht entzogen, wurbe er 1837 durch Ehrengefchen? Bürger von
Bafel und bier 1854 ſelbſt in den Großen Rath gewählt. Die Früchte von W.'s Iiterarifcher
Thätigkeit zu Bafel, bie ſich ebenſo wol auf dem Gebiete der Sprachforſchung und der Literatur,
Eitten- und Kunftgefchichte, als auf dem der Kunftphilofophie, der Theologie und der Rechts⸗
wiffenfchaft beiwegt, beftehen in zahlreichen, zum Theil fehr umfangreichen Auffägen in perio-
difchen Schriften, wie in ben von ihm mit Gerlach und Dottinger herausgegebenen „Schweiz.
Muſeum für Hiftorifche Wiffenfchaft” (Bd. 1— 3, Zür. und Frauenfeld 1837 fg.), in Haupt's
„Zeitſchrift Für deutſches Alterthum‘, in Kurz' und Weiſſenbach's „Beiträgen zur Gefchichte
und Literatur“ (Aarau 1846), in den von der biftorifchen Gefellfchaft zu Baſel veröffentlichten
„Beiträgen zur vaterländifchen Geſchichte“, in ben „Proteft. Monatsblättern” u. ſ. w. Aufer-
dem veröffentlichte er viele kleinere Schriften, die, wie alle feine Arbeiten, von forgfamfter und
gewiffenhaftefter Forſchung mie ausgebehntefler Belefenheit zeugen. Unter legtern find befon-
ders hervorzuheben : „Die Verdienfte der Schweizer um die deutfche Literatur“ (Baf. 1853);
„Die altdeutichen Handfchriften ber basler Univerfitärsbibliochet (Baſ. 1835); „Uber bie
dramatifche Poeſie (Baſ. 1838); „KR. Fr. Drollinger” (Baf. 1841); „Walther von Klingen”
(Baf. 1846); „Vecabularius optimus” (Baf. 1847); „Neinauer Raturlehre” (Stuttg. 1851);
„Das Bilhofe- und Dienſtmannenrecht von Bafel“ (Baf. 1852) u. ſ. w. Den Anſchauungen
af einer Reife, die ee 1849 durch Frankreich, Spanien und Italien machte, ſind Pompeſi
(2. Aufl, Baf. 1851) und „Sevila” (Baf. 1854) entnommen. Hieran fchließt fich noch eine
Reihe größerer Werke, wie vor allem das für die Wiſſenſchaft wie für den Unterricht gleich
wertbuolle „Deutfche Leſebuch“ (2Vde. Baſ. 1835— 36; 2. Aufl, 3 Bde. Baf. 1839 —43),
deſſen dritte Auflage vorbereitet iſt; ferner eine Ausgabe des „Schwabenfpiegel” (Bd. 1, Zür.
1840); „Wefrang. Lieder und Leiche” (Baf. 1846) ; „Befchichte der deutfchen Literatur” (Baf.
1848), cin Handbuch, das ſich von andern ähnlichen Arbeiten durch firengere Obfectivität, an
gemeffenere Theilung der Zeiten und des Stoffs, durch organifche Cinordnung auch der Sprach⸗
geſchichte nie Berüdfichtigung der fittengefchichtlichen Seiten der Literatur vortheilhaft un
et. Eine Sammlung altbeutfcher Predigten und Gebete hat WB. in Ausficht geflellt,
Am Geſchichte der Glasmalerei ſchon feit langer Zeit vorbereitet. Für bie frifche Kraft
12 Made Waffen
. feines poetifchen Talents gengen feine „Neuern Gedichte” (Zür. 1842), feine „Zeitgebich
te” (Baf. 1843) und fein „Weinbüchlein‘‘ (Rpz. 1845). Mit feinen Freunden U. E. Fröh⸗
lich in Yaran und K. R. Hagenbach in Bafel gab er die „Weihnachtsgabe zum Beſten
der Mafferbefchädigten in der Schweiz” (Baf. 1834 und 1840) und die „Wipenrofen“
(Aarau und Thun 1857—39) heraus. — Sein älterer Bruder, 8. E. Philivp W., früher
Oberlehrer an ber Erziehungsanftalt eines Schwagers zu Stetten in Würtemberg, dann am
Realgymnafiun zu Wiesbaden, gegenwärtig Director ber Gewerbſchule zu Elberfeld, machte fich
als Schriftfteller bekannt durch feine nach den Versmaßen genrbnete „Auswahl beutfcher Ge-
dichte für Höhere Schulen” (Berl. 1852; 3. Abdrud 1843), befonders aber durch, Das deutfche
Kirchenlied“ (2. Abth., Stuttg. 1841), eine aus den Quellen zufammengeftellte Sammlung
ber religiöfen Lieder dee Deutfchen von den älteften Zeiten an bis in die zweite Hälfte des
16. Jahrh., und die treffliche „Bibliographie des deutfchen Kirchenlieds“ (FE. 1854).
Wade heißt das Fleiſchpolſter an der Hintern Fläche bes Unterfchenkels zwiſchen Kniekehle
und Ferfe. Es wird gebildet von ben beiden fogenannten IBadenmusteln, welche ſich nach unten
in eine gemeinfchaftlide Sehne (die Achillesfehne) vereinigen, die ſich an die Ferſe anheftet.
Die Wadenmudteln dienen zum Stredden des Fußes und werden deshalb durch daB Tanzen
befonbders ſtark. Die trampfhafte und fchmerzhafte Bufammenziehung berfelben heißt Waden⸗
krampf; er wird durch Affection ber zu diefen Muskeln tretenden Nerven veranlaßt.
Wadi, Waby oder Hady, auch Wad oder Wed, heißt im Arabifchen Fluß, aber auch Fluß⸗
that und jede nach der Länge ausgedehnte Vertiefung des Bodens, die zur Megenzeit von einem
Gießbache bewäſſert wird. Der arab. Name Wadi oder Wab für einen Fluß ift im Spaniſchen
in Guadi ober Guad übergegangen und 3. B. aus Wad⸗al⸗Kebir (b. h. Großer Fluß) Guabdal-
quivir, aus Wadi⸗Ana (Anas der Alten) Guadiana, aus Wadi⸗al⸗Abiad (Weißer Fluß) Gua-
dalaviar entftanden. Mit Wadi find fehr viele Benennungen don Flüffen, Thälern, Landſchaf⸗
ten und Drtfchaften zufammengefept, 5. B. Wabi-Mufa, d. h. Mofesthal, im fogenannten
Steinigen Arabien mit den merfwürdigen Ruinen der alten Stadt Petra. |
Wabvoͤgel oder Sumpfodgel bilden eine durch ihre Lebensweiſe, der die äußere Geſtalt
vollkommen entfpricht, ziemlich fcharf gefonderte Ordnung der Vögel. Zange bünne WBabberne,
ein ſchmaler, meift fertlofer Körper, ein [anger, fehr beweglicher Hals und ein wenig ober gar
nicht gefrümmter langer Schnabel find die Hauptkennzeichen derfelben. Ihre Lebensweiſe iſt
fehr einförmig. Beinahe alle nähren ſich von Fifchen, Heinen Reptilien, Würmern und Waffer-
inſekten, die fie theils in gravitätifcher Haltung am Rande des Waſſer ftehend erwarten, wie bie
Neiher, wobei fie eine chamlerartige Einrichtung des Kniegelenks zu langem Ausharren in die:
fer Stellung befähigt, theil6 mit dem Schnabel aus dem Schlamme auficheuchen, unter feuchten
Blättern hervorziehen oder auf der Oberfläche bes Waſſers ergreifen. Da die Wabvögel felten
Fein find, manche fogar Mannshoͤhe erreichen, können fie, ohne naf zu werden, in feichte Ge⸗
wäffer weit hineingehen. Manche konnen fogar trefflich fchwimmen. Beim Fliegen ſtrecken alle
die Beine nach hinten lang aus. In Ermangelung ſtark gefrümmter Krallen können nur wenige
auf Bäumen figen, viele aber ſelbſt auf einem Beine ftehend fchlafen. Sie haben nicht von der
Munterkeit der Singvögel. Ihre Bewegungen find meift fteif und langfam, doch faffen Reiher
und Störche ihre Beute biigfchnell durch Hervorfchießen bes fpisigen, harten Schnabels. Bei
den infeften- und mwürmerfreffenden Ibis und Schnepfen ift derfelbe weicher und bildet zugleich
ein nervenreiches Taftorgan. Wenige Wabvögel find lebhaft gefärbt, wie die Flamingos; ihr
Kteid ift meift weiß oder von ſchmutzigem Ausſehen. Ihre Stimme, meift ein mistönendes Ge-
fchrei, gab, in der Nacht gehört, zu mander Babel Veranlaffung. Sie leben faft ale monoga-
mifch, doch kommen unter den Männchen heftige Kämpfe vor. Die Eier find oft fhön bunt ge-
ſprenkelt, die Nefter höchſt kunftlos gebaut. Alle Wadvögel find fcheu und vorfichtig, obgleich
ohne Spuren höherer Intelligenz. Manche gewöhnen fi an den Menfchen, wie der Storch,
ohne indeß recht autraulich zu werben. Durch die Bertilgung ſchädlicher Reptilien, Würmer und
Inſekten find fie nüglich und deshalb zum Theil.Begenftand des religiöfen Cultus geworden,
z. B. der Ibis in Agypten. Eßbar ift nur eine Heine Zahl; doch find die Eier der meiften
ſchmackhaft. Einige geben in ihren ſchönen Federn einen bedeutenden Handelsdttikel ab, mie
3. B. der Silberreiher in Ungarn, ber Marabuſtorch in Südafrika.
Waffen, im Altdeutſchen Wapen, heißen alle Werkzeuge, deren man fih im Kampfe
zum Angriff oder zur Vertheidigung bedient. Im weitern Sinne könnten hiernach aller-
dings auch Dedungsmittel im Terrain, Sthanzen u. ſ. w. ald Waffen betrachtet werden; doch
iſt der Ausdruck auf ſolche Dinge zu befchränten, welche zur unmittelbaren Beſchädigung des
Waffenplatz Waffenſtillſtand 13
Gegners gebraucht aber zur Deckung des Körpers getragen werben. Jene nennt man Trutz⸗,
die legten Schugwaffen. Die erftern zerfallen wieber in Nahwaffen (jept Blanke Waffen ge
nannt) und Fernwaffen (jept ausfchließlich Feuerwaffen). Bor Einführung bes Schießpulvers
waren zum Berngefecht üblich Randwaffen (Schleudern, Bogen, Wurffpieße, Armbrüfteu. ſ. w.)
und Kriegsmafchinen (f.d.), wie Balliftien, Katapulten. Diefe find ſämmtlich Durch die Feuer:
waffen verdrängt, welche in Geſchützen und Handfeuerwaffen beſtehen. Die Schutzwaffen,
welche im Mittelalter ihr Ubermaß erreichten, find feitbem allmälig auf eine gegen den Hieb
deckende Kopfbekleidung und ben Küraß der nach ihm benannten Meitergattung befchränft wor⸗
den. Enzelne Armaturftüde, welche beiläufig auch fchügen (Lederzeug, Panzerketten am Zaum
u. ſ. w.), können nicht dazu gerechnet werden. Waſſenlehbre ift die Wiſſenſchaft von der Anfer⸗
tigung und dem Gebrauche der Waffen. Auch bie verfchiedenen Zruppengattungen werden im
der Militärſprache Waffen genannt. Über das Gefchichtliche der Waffen vgl. Meyrid, „Criti-
cal inquiry into ancient armours and weapons of war” (3 be, Lond. 1824); Galland,
„Precis bistorique sur les armes offensives et defensives depuis leur invention” (Par.
1835); Meyer, „Handbuch der Gefchichte ber Feuerwaffentechnik“ (Berl. 1835).
Balfenplag ift der allgemeine Name eines befeftigten Orts, der zur Deckung eines Land»
ſtrichs, Sammlung von Truppen und zu ihrer Verforgung mit Waffen, Munition und andern
Kriegsbebürfniffen dient, oder auch ohne diefen beftimmten Zweck einen bedeutenden Vorrath
von Waffen enthält. Nächſtdem bezeichnet man diefnigen Theile einer Feſtung als Waffenplag,
in welchen fich bie zur Vertheidigung oder auch zu Dffenfivbewegungen beitinnmten Truppen
fammeln tonnen, wozu ſich vorzugsweife die Räume des Gedeckten Wegs in den ein- und aus⸗
fpringenden Winkeln eignen. Auch die Esplanade (f. d.) kann als Woffenplag dienen. Die
Parallelen des Angreifer einer Feſtung erhalten ebenfalls jene Benennung, da auch in ihnen,
namentlich in der dritten, die zu Stürmen beflimmten Truppen verfammelt werben.
Waffenrecht, gleichbedeutend mit dem Rechte des Kriegs und Friedens, heißt das Recht,
Bewaffnete zu halten, Befeſtigungen anzulegen, fein Recht mit der Gewalt der Waffen zu
vertheidigen und Streitigkeiten auf dieſe Weiſe auszumachen. Es ift das Waffenrecht ein Ho⸗
heits recht des Staats, die Kriegshoheit, und es fchließt bie Befugniß in fich, Kriegsvölker zu
werben, Kriegögefege zu geben und durch Kriegögerichte zu handhaben, Kriegslieferungen zu er»
heben und Bündniffe zu fchließen. Diefes Recht maßten fi im Mittelaiter Alle an, welche die
Mittel dazu aufbringen Eonnten, und fie waren durch die Nothwendigkeit der Selbfivertheidigung
dazu genöthigt, da es Feine Regierung zu ihrem Schuge gab. Für Deutfehland follte durch dem
ewigen Landfrieden das Necht ber Waffen eigentlich aufgehoben werben, der Zweck fonnte aber
nicht. vollftändig erreicht werden. Im Weſtfäliſchen Frieden wurde das Waffenrecht oder bie
Kriegehoheit aller Stände des Reichs volftändig ald Theil der Landeshoheit anerfannt. Es ifl
aan fo ausfchließliches Recht des Staats, daß fein Unterthan ſich auch nur einen Theil deffelben
anmaßen darf. — Außerdem verficht man unter Waffenrecht das Mecht, Waffen zu tragen
(port d’armes), welches einem jeden Freien zuſtand und fein Vorrecht des Adels war, wie man
wol zuweilen behauptet hat. Nur Unfreie, folange es beren gab, und die aus ihnen zum Theil
bervorgegangenen Claſſen, die Bauern und Handarbeiter, waren davon ausgefchloffen und durf-
ten nur Bertheidigungswerkzeuge, nicht aber bie eigentliche Wehr des Kreien, ben Degen, tra-
gen. Der zum Waffentragen Berechtigte konnte auch ein Wappen annehmen oder auf fein
Schild fegen, und daher find waffenfähig und fiegelmäßig im Weſentlichen gleichbedeutend und
bezeichnen ben freien, nicht von der Arbeit feiner Hände lebenden Mann. Mit diefer Waffen-
fähigkeit, welche man ſich in Deutfchland in der fpätern Zeit auch durch Wappenbriefe ertheilen
ließ, hängt das Recht der Jagb im gewiſſer Weiſe zuſammen; ˖denn als die Feuergewehre in
Gang kamen, wurbe das Tragen derfelben bei ſeht nachdrücklichen Strafen Allen außer ben
Wrligen, königl. Beamten u. |. w. verboten. In mehren Staaten darf noch jeht nur Der mit
Schießgewehr jagen, welcher einen Grlaubnißfchein zum WBaffentragen hat, und diefe Scheine
werden jährlich gegen Geldgebühren ertheilt. Ein allgemeines Waffenrecht wurde 1848 ale
Volksbewaffnung von der revolutionären Partei vergeblich angeſtrebt.
Vaffenſtilltand heißt der Vertrag zwiſchen Friegführenden Theilen, kraft deſſen die Feind»
feligkeiten auf eine beflimmte Zeit ober bis zu erfolgender: Auflünbigung eingeftellt werben.
Der Waffen ſtillſtand kann ein allgemeiner fein, welcher für alle Arten der Feindſeligkeiten auf
dem ganzen Kriegsſchauplatze gilt: diefer Bann feiner Natur nach nur von ben friegführenden
Regierungen geſchloſſen werden und erlangt nur durch bie Ratification vollkommene Gültigkeit.
Gr kam aber auch nur ein partieller fein, weicher von den oberfien Befehlshabern für bie unter
14 Wage *
ihrem Befehl ſtehenden Truppen und Gegenden gilt, und dieſer bedarf der Ratification nicht,
wiewol er von der Regierung gemisbillige umd aufgehoben iverden kann. Nach Annahme des
Waffenſtillſtands kommen beide Corps über die zu nehmenden Stellungen überein, welche ge»
wöhnlich durch eine Demarcarionslinie (f. d.) getrennt werden. Der Waffenſtillſtand findet
häufig auch nur auf wenige Stunden flatt, um die Todten zu begraben, Verwundete fortzw-
(haffen oder Gefangene auszuwechſeln; ebenfo während des Parlamentirens. Ein Bruch des
Waffenſtillſtands wird als eine Verlegung des Völkerrechts betrachtet. Sehr einflufreich war
der Waffenſtillſtand 1815, den Napoleon vorfhlug, um feine Reſerven heranziehen zu können,
der aber für ihn fo nachtheilig wurde, welt bie verbündeten Preußen und Nuffen, ihren Quellen
näher, diefelbe Berftärfung in vermehrtem Maße gewannen und Oftreich zur Anfchliefung an
bie allgemeine Sache veranlaft wurde. Dan hält es aber in der Regel auch nicht für Inſubor⸗
dination, wenn untergeorbnete Befehlöhaber, insbefondere Feftungscommandanten, ſich dem
Waffenſtillſtande, der etwa die Übergabe der Keflung oder die Kriegsgefangenfchaft bedingt,
nicht unterwerfen, wie das ein Theil der öfter. Armee bei der Eapitulation von Ulm that. Nur
müffen fie die Möglichkelt vor fich fehen, ſich zu halten. Ein allgemeiner Waffenſtillſtand ift ge
wöhnlich der Vorläufer bes Friebens, und es find zuweilen Waffenftilftände auf eine Reihe von
Jahren gefhloffen worden. Die Türken ſchloſſen ehedem aus religiöfem Grundfag mit den
Shriften nur Waffenſtillſtände auf 20—308., keinen Frieden. Wenn ein Waffenſtillſtand auf
beflimmte Zeiten gefchloffen ift, fo können die Beindfeligkeiten gleich mit dem Ablauf derfelben
wieder angefangen werben. Sind gewiſſe Bedingungen verabredet, z. B. daß während der Zeit
mit den Arbeiten zur Gegenwehr oder aum Angriff eingehalten werde, fo gibt jedes Dagegen
handeln dem andern Theile dab Mecht, die Feindfeligkeiten wieder anzufangen.
Wage nennt man im Wllgemeinen jedes Inſirument, welches dazu dient, das Gewicht
eines Körpers zu meflen. Die meiften derfelben beruhen auf dem Princip des Hebels, und
zwar des zivelarmigen. Die einfachfte und gemöhnlichfte Wage ift die gleicharmige, gemeine
oder Krämerwage. Der Baupttheil berfelben ift ber fogenannte Wagebalken, ein gleich-
armiger Hebel, welcher im Gleichgewicht und horizontal gerichtet iſt, ſobald die an beiden Ar-
men hängenden Raften gleich find. Derſelbe ruht bei beſſern Wagen in der Regel auf einer ver-
ticalen Säule, bie in ihrer Verlängerung einen getheilten Bogen trägt. Bor bem legtern bewegt
fich die lothrecht auf die Mitte des Wagebalkens befeftigte Zunge oder der Zeiger, ber auf den
Nullpunkt der Theilung bei horizontalem &tande des Wagebaltens zeigt. Don jeden Arme
des leptern Hängt eine Schale herab, um in eine den zu wägenden Gegenſtand, in bie andere das
Gewicht legen zu fönnen: beide Schalen müffen gleich ſchwer fein und fich auch unbelaftet das
Gleichgewicht halten. Nach ihren verfchiedenen Anwendungen heißt die Krämerwage wieder
chemiſche Wage, Goldwage, Probirwage, hydroſtatiſche Wage u. f. w. Die fogenannte
Schnellwage ober Mömifche Wage iſt ein ungleiharmiger Hebel und gewährt namentlich ben
Vortheil, daß man verfchiedene Gegenflände mit einem und demfelben Gewicht abwägen kann,
welches fich am längern Bebelarm verfihieben läßt und baher auch Laufgewicht genannt wird;
ferner daß man einen ſchweren Gegenftand mit einem viel leichtern Gewicht abwägen kann;
außerdem aber auch den, daß man, wie fehon der Name anbeutet, damit fohneller waͤgen kann.
Die gewöhnlichen Schnellwagen dienen zugleich zum Abmwägen größerer und kleinerer Laſten
und haben daher zwei ungleiche Abrheilungen des Wagebalkens. Die daͤniſche Schnellwage
unterfcheidet fich von der gemöhnlichen dadurch, daß der Unterftügungspuntt des Wagebalkens
veränderlich iff, während Wagfchale und Gewicht ihre Stelle an demfelben nicht verändern. In
neuerer Zeit bebiene man fich zum Abmwägen großer Raften faſt gar nicht mehr der Schnellwa⸗
gen, fondern der zufammengefegten Wagen, bie aus einer Verbindung mehrer Hebel beftchen
und im Allgemeinen Bruͤckenwagen genannt werden. Bier ift dat Gewicht für jede abzumä-
gende Laſt ein anderes und das Verhaltniß zwiſchen Gewicht und Laſt ein für alle mal bekannt.
Bei den meiften derfelben, ja bei allen, die in Gebrauch find, Ift das Gewicht des abzumägenden
Begenftandes gerade zehn mal fo groß al das Gewicht, welches jenem das Gleichgewicht hält,
weshalb diefe Wagen auch Deeimalmagen heifen. Auf dem Princip des Winkelhebels beru⸗
ben die Seigertwagen, die fich durch Ihre große Bequemlichkeit auszeichnen, indem fie das ge-
fuchte Gewicht unmittelbar abzulefen geftatten. Auf der Elafticität von Federn beruhen bie
verfchiebenen Federwagen, die zwar fehr bequem find, aber keine große Genauigkeit gewähren;
zu ihnen gehören auch die Oynamometer. Die Senkwagen ober Aräometer (f. d.), welche
hauptſächlich zur Beftimmung des fpecififgen Gewichte dienen, beruhen auf dem hydroſtati⸗
{chen Geſet in Betreff des Verhaltens von Körpern, die in Fiüſſigkeiten eingetaucht find. Die
Wagen Wagenaar 15
Waſſerwage und Setzwage (f.d.), die nur meigentlich den Nanıen Wage führen, gehören nicht
hierher; ebenfo wenig die Drehwage und die eleftrifchen Wagen Coulomb's und Becquerel's.
WBagen gab es ſchon in frühefter Zeit in mannichfachen Geſtalten und zu verfchiedenen
Zwecken. Die Überlieferung weit die erften in Agypten nad, und in Griechenland ſoil Erich»
tbonius, ein mythifcher König von Athen, ben Gebrauch derfelben eingeführt haben, indem er
bei den Panathenäifchen Spielen zuerft mit einem Viergefpann erfchien, weshalb er auch von
Jupiter als Fuhrmann unter die Geſtirne verfegt wurde. Urfprüngfic hatten die ZBagen wol
nur zwei Räder, die theils aus Speichen beftanden, theils voll waren oder fogenannte Scheiben
bildeten; bie Erfindung ber vierräderigen Wagen wird gewöhnlich den Phrygiern zuerkannt
Was die Beftimmung derfelben anlangt, fo waren befonders die Streitwagen ſchon im heroi⸗
[hen Zeitalter üblich, welche von Homer ziemlich genau befchrieben werben. Sie beftanden aus
zwei Rädern mit eifernen oder ehernen Schienen und einer Achſe, aus deren Mitte die Deichfel
hervorragte. Auf der Achſe ruhte der runde Wagenſtuhl, der auf der.hintern Seite zum beque⸗
mern Ein» und Ausfteigen offen war und in Riemen hing. Meift waren fie mit zwei, feltener
mit brei Pferden, von benen bann das eine auf der Wildbahn ging, befpannt. Auf dem Wagen
ſelbſt ſtanden zwei Krieger, von denen ber eine mit eivier langen Zange bewaffnet war, der andere
den Wagen lenkte. Später finden wir auch bei den Belgiern, Galliern und Britannen ähnliche
Wagen, mit benen biefe Völker, faft wie die Homerifchen Helden, unter die Feinde jagten und,
wie jene, bei Gelegenheit abfpringend zu Fuße fochten. Einen gleichen Zweck hatten die Sichel⸗
wagen, von ben Römern currus falcati genannt, die vorzüglich von den Perfern und Syrern
angewendet wurden und Durch Thefeus der Sage nach in Griechenland und fo allmälig auch bei
andern Nationen Eingang erhielten. Die Deichſeln an denfelben waren mit langen Stangen
verjehen, die eiferne Spigen trugen, und ebenfo ragten an dem Joche der bepanzerten Pferde
lange eherne Stacheln, an den Seiten ber Wagen und unterwärts fichelähnliche Inftrumente
hervor. Die Wirkung biefer Wagen war zwar außerordentlich, die Benugung derſelben aber
fehr beſchränkt, da man mit ihnen nur in ebenen Gegenden agiren Eonnte. Für ben Landbau
hatte namentlich bei den Römern der von Rindern gezogene Laſtwagen (plaustrum) flatt der
Räder mit Speichen zwei, bisweilen auch vier ſtarke Scheiben, mit eifernen Schienen umlegt
und an den Achſen befeftigt, die mit ihnen fidy umbrehten, dergleichen man noch jegt im untern
Italien antrifft. Übrigens gab es au fchon bei den Morgenländern, befonders für Frauen
und Kinder, bededite Reiſewagen, bie meift prächtig verziert und mit Decken ober Teppichen be»
hängt waren. Doch bauerte es lange, ehe ber Wagen zum Begenftand des Lupus erhoben wurbe,
da man das Tragen mit ber Sänfte und das Reiten ale bequemer und anfländiger vorzog. Ge⸗
wiß ift, daß die dichteriſche Phantafie und Kunft der Alten gerade bei der Befchreibung und Dar- ·
flellung dieſes Gegenftandes, 3. B. des Luftwagens des Triptolemus mit geflügelten Drachen,
des mit Schwänen befpannten Wagens des Apollo, des Sonnenwagens u. ſ. w, manche Aus⸗
ſchmückungen fi erlaubt bat und daß man hieraus nicht auf die Wirklichkeit fchließen darf.
Die meifte Pracht erhielten die Wagen bei den Römern, wozu bie öffentlihen Spiele, bie feier
lichen Aufzüge bei den Triumphen und andere Feſtlichkeiten die nächfte Veranlaſſung boten.
Ebenſo treffen wir bei ihnen je nach der Verwendung, für feſtliche Gebräuche, zum Reifen, zum
Wettrennen und Kriege, fowie zum Fortſchaffen von Laften, die verfchiedenften Arten von Wa⸗
gen an. In ber Landwirthichaft unterfcheidet man gegenwärtig den Rüfl-, Ernte, Dünger
und Marktwagen. Die Achfen find entweder von hartem Holz oder von Eifen ; bie eifernen
Achſen verurſachen weniger Friction als bie hölzernen, find aber in Gebirgsgegenden weniger
anwendbar. Unſere jegigen Perſonenwagen, die Kutſchen mit ihren vielen Arten, unterfcheiden
fih von Dem gewöhnlichen Wagen dadurch, daß der Kaften nicht unmittelbar auf den Achſen
ruht, fonbern zur Bermeldung bed Stoßens auf Drudfedern flieht ober fonft wenigftens in
Riemen hing. Die Kutfchen find eine Erfindumg des 16. Jahrh. und wurben anfangs nur von
fürſtlichen Perſonen gebraucht. Ein großer Fortfchritt im Transport überhaupt geſchah in
neuerer Zeit dadurch, daß man das Zugvieh, Dchfen und Pferde, durch ben Dampfwagen (1-d.)
theilweiſe erfegen konnte.
Bagenaar (Ian), bebeutender holl. Geſchichtſchreiber, geb. 1709 zu Amfterdam, hatte
fi war dem Handelt ſtande gewidmet, bewies aber flets einen großen Hang zu wiffenfchaft- -
ichen Befdgäftigungen, erlernte baher mit angefirengtem @ifer die lat. und mehre neuere Spra-
hen und machte vorzugsieife die bifterifchen Studien zur Aufgabe feines Lebens. Er flarb
1773 als Rathsſchreiber feiner Baterflabt. Sein berühmteſtes Werk If „De vaderlaudsche
ie vervaitende de geschiedenissen der vereenigde Nederlanden, inzenderbeid die
16 Bagenburg Waghoen
vaıı Holland, van de vroegste tijden ab” (21 Bde., Amſt. 1749—60; beutſch von Toze,
8Bde., 29.1756), bie bis 1751 reicht. Um die Fortfegung deffelben, „Vervolg van Wagenaar
Vaderlandsche historie” (48 Bde. Amft, 1788— 1810), welche die Geſchichte Hollands von
4776—1802 enthält, mit dem Hauptwerke zu einem Ganzen zu verbinden, erfchienen noch
Band 22— 24 (Amft. 1789 fg.), worin die Geſchichte von 1751—-74 enthalten ifl. Einen
nicht geringern Werth haben feine „Schilderung der Vereinigten Staaten der Niederlande”
(12 Bde. Amft. 1739) und die „Befchreibung von Amfterdam” (3 Bde., Amft. 1760). Bei
allen Fehlern in Stoff und Form und dem fihtbaren Mangel an Pragmatismus find diefe Lei⸗
ftungen noch immer von Wichtigkeit, dba er im Ganzen mit großer Treue und Einfachheit gggahle
und nur in Dinficht der oranifchen Partei befangen ift.
Wagenburg wird eine Anzahl Fuhrwerke genannt, welche aufeinem Page zur Beihügung
eines frei gelaffenen innern Raums zufammengefahren und. unter ſich auch wol mit Ketten
u. |. m. verbunden werben. Sie unterfcheibet fich durdy den Zweck ber Vertheidigung vom Park
(f.d.) und ift eher zu den Barrikaden (f.d.) zu rechnen. In frühern Zeiten gewährte bie Wagen⸗
burg einen guten Schug gegen Cavalerieangriffe; man findet fie ſchon in den Kriegen der Cim⸗
ben gegen die Römer und im Mittelalter vorzüglich häufig von den Hufliten angewendet. Jetzt
kommen fie nicht mehr vor, weil fie nicht gegen Artilleriefeuer ſchützen und Teicht in Brand ge-
ftedit werden können.
Wagenwinde nennt man eine Mafchine, welche zunächft dazu beftinimt ift, Die großen bela-
denen Frachtwagen infomweit zu heben, daß man bie Räder von den Achfen abziehen und letztere
fihmieren fann. Cine ſolche Wagenwinbe befteht aus einem ſtarken hölzernen Klog, in weichem
fie eine eiferne Zahnflange auf und nieder bewegen kann, oben mit einer horizontal drehbaren
Krüde verfehen, weldye unter die zu hebende Laſi gebracht wird. Am obern Ende des Klotzes
iſt ein eiferner Auffag, in welchem das Triebwerk liegt. Dies beſteht zunächft aus einem Ge⸗
triebe, welches, in die Zahnſtange greifend, diefe nach Befinden hebt oder ſenkt. An der Achſe
dieſes Betriebes ift ein Zahnrad, und biefes wird durch das zweite Getriebe bewegt, an deſſen
Achfe fi die Kurbel zum Drehen befindet. Man kann nit dieſer Winde eine fehr große Ge-
malt ausüben, indeffen muß biefelbe fehr dauerhaft gemacht fein, weshalb dafür fonft eine eigene
Zunft, die Windenmader, beftand. Die englifge Wagknwinde hat eine veränderte Con⸗
firustion. Statt der Zahnflange ift bier eine ſtarke Doppelgängige Schraubenfpindel angebracht.
welche die Krücke trägt. Die Mutter zu diefer Spindel ift in dem Dedel des Windekaſtens be-
feftigt und diefer ſelbſt ift beweglich, an feinem Umfange gezahnt und wird mitteld einer Kurbel,
an welcher fich eine Schraube ohne Enbe befindet, um die Spindel gedreht, weiche ſich alfo nach
.. Befinden heben oder fenfen muß, fobald die Kurbel bewegt wird. Die große Kraft, welche man
mittel6 der Wagenwinde bervorzubringen im Stande iſt, hat auch darauf bingeführt, diefelbe
zum Heben großer Kaften, Steine u. f. w. zu gebrauchen, und dann befindet fich, da diefe Laften
meift tief liegen, auch am unter Ende der Zahnſtange oder Schraubenfpinbel eine Klaue, welche
unter die Laſt greift und fie fo hebt. Auch beim Aufſchrauben ber Dachftühle, beim Verfegen
ganzer Gebäude u. f. w. wendet man die Wagenwinde an.
agerecht f. Horizontal.
Waghoru (Thomas), ein durch die Eröffnung des alten Verbindungswegs zwiſchen dem
Oſten und Welten berühmt getvorbener Engländer, wurde 1800 zu Chatam geboren. Schon
in feinem 12. 3. ward er Midfhipman auf einem engl. Kriegsfchiffe und noch nicht 173. alt
Lieutenant, bald darauf aber bei der damaligen ſtarken Reduction der Flotte auf halben Sold ge-
fiellt und feitden nicht mehr im activen Dienfte der brit. Kriegsmarine verwendet. Er ging ſo⸗
fort. als Unterfleuermann eines Oſtindienfahrers nach Kalkutta und wurde hierauf im Kootfen-
biemfte des bombayer Marine angeftellt ; 1824 aber, beim Ausbruch, des aracanifchen Kriegs,
erhielt er als Breimilliger dad Commando des Kutters Matchleß und einer Abtheilung
Kanonenboote. Er kam öfter ind Gefecht, beftand zu Waſſer umb zu Lande manches
Abenteuer, wurde verwundet umd erfrankte an dem gefährlichen Aracanfieber, welches da⸗
mald Zaufende binraffte und auch feine Gefundheit auf lange Zeit untergrub. Im’.
1827 kehrte er nach Kalkutta zurück, wo feine geleifteten Dienfte bei der Behörde dank⸗
„bare Anerkennung fanden. Bon da an beichäftigte ihn der große Plan, ber die Haupt
aufgabe feined Lebens wurde, nämlich die Wiederherſtellung des alten Überlandivegs von
Guropa nah Dftindien unter Anwendung der Dampfihiffahrt. W. war unermüdlich
in feinen Anftvengungen zur Ausführung dieſes Gedankens. Er wandte fi beshalb an
den oberſten Math Indiens und befuchte auf feiner Heimveife nach England die angefehen-
Banner (Gottlob Heinr. Adolf) 17
fien Kaufleute in Madras, Mauritius, der Capſtadt und auf St.-Helena, um fie für feine Idee
zu gewinnen. Zu bemfelben Zwecke bereifte er alle bedeutenden Handeld- und Hafenpläge Enge
lands und Schottland und ging von einem Minifter zum andern. Anfangs fowol von der engl.
Poſtverwaltung als von bem Directorium der Oftindifchen Compagnie abgewiefen, ward er
endlich im Det. 1829 beauftragt, mit Depefchen an den Bouverneur von Bombay über Ägyp⸗
ten nach Indien zu reifen ımd über bie Thunlichkeit ber Beſchiffung des Rothen Meeres zum
Zweck der Überlandroute zu berichten. IB. erreichte über Trieft Alerandrien in 26 Tagen. In
Suez follte er das aus Indien kommende Dampfſchiff Enterpriſe finden ; es erfchien jeboch nicht
und ee entfchloß fich daher, in einem offenen Boot, ohne Karte oder Compaß, durch das Rothe
Meer zu fleuern, indem er bei Tage bie Sonne, bes Nachts den Nordftern zu feinem Führer
nahm. So gelangte er in 6'/ Tagen nach dem 620 engl. M. von Sue; entfernten arab. Hafen
Dſchidda, wo er erfuhr, daf die Enterprife auf bem Wege von Bengalen nad) Bombay verun⸗
glüdt fei. Auf einem Handels fahrzeuge fegte er die Reife fort und erreichte glücklich Bombay.
Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß das Rothe Meer ber in jedem Betracht vorzüglichfte
Peg nad) Indien fei, berichtete in diefem Sinne an bie Regierung und brachte es au Stande,
daß eine regelmäßige Dampffchifflinie zur Beförderung der ind. Poſt von Marfeille über Malta
nach Alerandrien und von Suez nad) Bombay errichtet wurde. Mehre Jahre lang wohnte er in
Ügypten, um die Beforgung der Poſt perſonlich zu leiten, während er zugleich eine Wirftenpoft
über den Iſthmus von Suez mit acht Halteplägen für Reifende einrichtete und eine Dampfe
ſchifftommunication auf dem Nil und dem Kanal von Alexandrien fhuf. Im J. 1846 machte
er den Verſuch, eine neue Route über Trieft zu eröffnen, um fie ftatt der marfeiller benugen zu
können und fomit die brit. Regierung bei den damaligen gefpannten Verhältniſſen mit Frank⸗
reich der Nothwendigkeit zu überheben, ihre Depefchen durch die Vermittelung ber franz. Ber
hörden zu empfangen. Auch diefes Unternehmen wurde von dem volllommenften Erfolge ger
front, indem ſich bei ber triefter Route noch eine bedeutende Zeiterfparniß herausftellte. Diefe
Iegten Arbeiten, wozu noch die Ermittelung einer Route über Ancona und einer andern über
Genua kam, hatten jedoch die Kräfte W.'s erfchöpft und ihn fogar in pecuniäre Verlegenheiten
verwickelt. Von der Regierung vernadhläfligt, ftarb er bald nach feiner Rückkehr aus Malta
7. Zan. 1850 in Pentonville. Kurz vor feinem Ableben hatte ihm das Gouvernement eine Pen-
fon von 100 Pf. St. bewilligt ; feiner Witwe aber wurde die geringe Summe von 25 Pf. St.
jährlich ausgeſetzt. , .
Wagner (Gottlob Beinr. Adolf), deutfcher Schriftfteller, beſonders befannt als Überſetzer,
geb. zu Leipzig 1774, erhielt feine Bildung auf ber Thomas ſchule und feit 1792 auf der Uni⸗
verfität daſelbſt. Mehr als von der Theologie, der er zunächſt beftimmt war, fühlte er ſich von
dem Studium der Philologie und Philofophie angezogen. Nach dem Tode feines Vaters folgte
er ganz feiner Neigung zu einem unabhängigen literarifchen Leben und ging 1798 nach Jena,
wo Fichte, Schelling, die beiden Schlegel und Steffens auf feine geiftige Richtung vorzugs weiſe
einwirkten. Nach Fichte's Entlaffung kehrte er nad) Leipzig zurüd und fegte hier feine litera⸗
rifhen Studien und fchriftftellerifchen Arbeiten fort. In Jena hatte er auch an J. U. Kanne
einen Freund gewonnen, umd feine Vorliebe für Etymologie und Sprachvergleichung, die fpäter
zuweilen das Maß überfchritt, mag zuerft durch diefe Verbindung angeregt worden fein. In
Leipzig ſchloß er fich insbefondere an A. Apel an, den er auch zur Vollendung der Herausgabe
feiner „Metrik“ veranlaßte. Der Reichthum feines Beiftes läßt fich nach feinen fchriftftelleri-
ſchen Arbeiten nicht vollftändig beurteilen, da die Zahl feiner felbftändigen Arbeiten nicht groß
ft. Zu ihnen gehören „Zwei Epochen ber modernen Poefie, dargeftellt in Dante, Petrarca,
Boccaccio, Goethe, Schiller und Wieland” (2pz. 1806) und „Theater und Publicum” (2pz.
1826). Auch lieferte er die Kebensbefchreibungen der Reformatoren Zwingli, Wicliffe, Eras⸗
mus, Hutten, Hieronymus von Prag und Okolompadius (6 Bde, 2p3.1800—A). Seine zahl-
tihen Überfegungen find faft ohne Ausnahme Werke des gewifienhafteften Fleißes, menn ihnen
au der Vorwurf gemacht werben muß, daß fich in ihnen die Eigenthümlichkeit des Überfeger®
oft allzu fehr und nicht ohne Beeinträchtigung ber Originale in Farbeund Ton bes Ausdrucks gel-
tend macht. Als die bebeutendfien derfelben find anzuführen: Gore's „Gefchichte des Hauſes
Oſtreich⸗, in Verbindung mit Dippold (A Bde, Lpz. 1817), Lanzi's „Befchichte der Malerei”,
in Verbindung mit Quandt (3 Bde., Lpz. 1830—33) und Murray's Werk „Zum europ. Spra-
Henbau” (2 Bde. Lpz. 1825). Don feinen poetifchen Übertragungen verdient die von Byron’s
„Manfreb” (Rpz. 1819) Auszeichnung. Als gründlichen Kenner der neuern Sprachen zeigte
Gonv.s&er. Zehnte Kufl. XV. 2 2
18 Wagner (Ernſt) Wagner (Georg Philipp Eberh.)
ex fich in feinem „Lehrbuch der ital. Sprache” (2ypz. 1819) und bei Beforgung ber zwölften
Yusgabe des engl. Wörterbudgs von Fahrenkrüger (Jena 1822), ſowie in feinem „Parnasso
italiano” (Rpz. 1826), für beffen Forffegung er den „Orlando innamorato” des Bojarbo be-
forgte (2pz. 1834). Ein anderes Verdienſt ertvarb er fi Durch Herausgabe der ital. Schriften
des Siorbano Bruns (2 Bbe., Epz. 1832). Et flarb 1. Aug. 1835 in dem Haufe des ihm be»
freumbeten Grafen Hohenchal zu Großſtaͤbteln bei Leipzig. — Beine Gattin, als talentvolle
Schriftſtellerin ımter ber Namen Adolphine bekennt, veröffentlichte mier Anberm „Lotos⸗
hlätter. Drei Novellen” (&ps. 18353), „Ideal und Wirklichkeit“ (Lpz. 1838), „Märchen und
Erzählungen für jugendliche Referinnen” (Lpz. 1844) und als Fertfegung „Reue Märchen
und Erzählungen u. ſ. w.“ (Epʒ. 1846).
Wagner (Ernft), Romanſchriftſteller, geb. 2. Febr. 1769, war der Sohn eines Landgeiſt⸗
lichen zu Roßdorf in Sahfen-Meiningen. Die gründlichen Kenntnifſe des Baters und die mit
Fleiß verbundene ſchnelle Faſſungskraft des Sohnes erfegten den Mangel eined regelmäßigen
Schulunterrichts, zu welchem bie Mittel fehlten. Rach feiner Nüdkunft von der Univerfität zu
Jena, wo er fich der Rechtswiſſenſchaft gewidmet, wurde er Gerichrsactuar und zugleich Ver⸗
walter auf dem Rittergute bes Kreiheren von Wechmar zu Roßdorf. Mangel an ben nothwen⸗
bigften Bebürfniffen für ſich und feine Familie führte ihn 1803 auf die Schriftftellerlaufbahn.
In btefer Zeit war Jean Paul bei feinem Aufenthalte in Meiningen auf W. aufmerffam ge-
werden und hatte ihn dem Herzog Georg von Suchfen-Meiningen empfohlen, der IB. zum Ca»
binets ſecretär ernannte. Der Herzog flarb zwar kurz darauf; Doch bie Witwe beffelben erfüllte
bas Verſprechen bes Verftorbenen und W. zog unter [ehr angenehmen Bedingungen 1804 nach
Meiningen, two ihm num Muße wurde, ſich ganz ber Schrifeſtellerel zu widmen. Seine erfte
größere Dichtung war berRoman „Wilibald’s Anfichten des Lebens“ (2Bde., Meining. 1805;
3. Aufl, 1821), worin er ein fo gelungene® Gemälde lieferte, wie es deren in der damaligen
dentfchen Romanliteratur wenige gab. Hieran ſchloffen fh „Die reifenden Maler” (2 Bde,
Br}. 1806) ; „Die Reifen ans der Fremde in die Heimat” (2 Bde. Hilbburgh. 1808-10);
„Iſidora“ (3 Bde., Tüb. 1812); „Das biftorifhe ABE eines LOjährigen Fibelſchühen“
(Hildbargh. 1810), als em nt zu den „Neiſenden Malern”, mit einer Vorrede von Jean
Paul. Scheint auch bei dem erften BI auf feine Beiftungen dns Gemüthliche vorzuherrſchen,
fo überzeugt eine genauere Prüfung doch bald von W.'s reicher, Fehöpferifcher Phantafie und
feiner feinen Welt- und Menſchenkenntniß. Unverkennbar ift in feinen Schriften der Einfluß
Fean Pauls, der jedoch ihre Eigenthümlichkeit nicht beeinträchtigt, ſondern auf felbfländige
Weiſe verarbeitet iſt. W. iebte nicht lange genug, um den Reichthum feines edein Geiſtes nad)
allen Seiten bin vollfländtg zu entfalten. Er flarb 28. Febr. 1812. Beine „Sämmtlichen
Schriften“ erfhienen zu Reipzig (12 Bde. 1827—29). Bot. Mofengeil, „Briefe über den
ODichter Ernſt W.“ (Schmalkald. 1826). — Sein Sohn, Karl W. fachfen-meining. Rath und
‚Anfpector der Kunſtſammlungen in Meiningen, geb. um 1795, in Dresden und Rom gebilbet,
iſt als Landſchaftsmaler und Durch gelungene Madirungen bekannt.
Wagner (Georg Philtpp Eberh)), verdienter Philolog, geb. 19. März 1794 zu Schönbrunn
Bei Wonenſtein in Sachſen, wo fein Bater Pfarrer war, befuchte bie Landesſchule zu Pforta und
bezog 1813 die Univerfität zu Leipzig, wo er beſonders unter Beck's Keitung Philologie ſtu⸗
dirte und fich ſchon durch eine treffliche Ausgabe ber „Elegia ad Marcum Valerianum Corvinum
Messalam” (®pr. 1816) bewährte. Ro in demſelben Jahre wurde ihm das Eonrectorat in
Guben Übertragen und 4817 die vierte Lehrerſtelle an der Kreuzſchule zu Dresben, wo er 1835
in daB Eonrertorat aufruͤckte. Dieſes Amt, in dem er mit Erfolg wirkte, legte er im Sept. 1854
wegen Kränktichkett nieder. Sein Hauptwerk ift bie Überarbeitung und neue Geftaltung ber
yne ſchen Audgabe des Birgil (5 Yde., &pı. 1850 41), wobei er Schärfe der Kritik, Ge⸗
mad, Beflimmtheit und Kürze im der Erläuterung der ſprachlichen und fachlichen Gegen⸗
ftände und reiche Beleſenheit vereint zeigt. Namentlich enthalten die dem vierten Bande beige-
gebenen „Quaestiones Virgilianae” einen Schay feiner Beobachtungen und genauer Forſchun⸗
gen über dab ſprachtiche Element bed Virgil und der Tat. Dichter überhaupt, während die Un-
terſuchungen Über die Orchographie bes Dichters im fünften Band manche neue Aufſchlüſſe
gewähren. Biefer größeren Ausgabe folgte eine ebenfalls ſehr empfehlenswerte Schulausgabe
der ſaͤmmtlichen ichte Birgirz (Epz. 18455 2. Aufl, 1849). Außerdem veröffentlichte
er mehre Programme, in denen er alte Virgilianifche Schofiaften zu ſichten und zu entwirren
ſuchte. Seine Schrift „Die griech. Tragödie und das Theater zu Athen‘ (Dresd. und Lpz.
Wagner (Job. Iaf.) Wagner (Joh. Mart. von) 19
1844), vorzüglich mit Müdficht auf die „Antigone“ bes Sophokles, zeugt von verfländiger und
befonnener Auffaffung des Gegenſtandes.
Wagner Goh. Jak.), Philaſoph, geb. zu Ulm 21. Jan. 1775, fludirte in Jena und Göt⸗
tingen zů einer Zeit, wo Fichte una Schelling die Durch Kant begonnene Wevolution im (Gebiete
der Philofophie fortführten. Dennoch zeigten feine erſten Schriften mehr den Einfluß der Kanı'-
(hen und Platoniſchen als ber Fichte ſchen und Schelling'ſchen Philgfophie. Sein Studium der
Schelling ſchen Schriften befunden zuerft bie Schriften „Sheorie ber Wärme und des Lichts"
Epz. 1802); „Bon der Natur ber Dinge” (Rpz. 1803); „Werfuch über dag Lebensprincip”
(Rpı. 1803); „ESyſtem ber Idealphiloſophie“ (Bpz. 1804). Gleichzeitig gab er eine „Philo⸗
fophie der Erziehungskunſt“ (Apz. 1802) in Platonifcher Manier heraus. Schon wahrend
der Ausarbeitung der „„Zdealphilofophie” hatte ex ſich mit ber Schelling'ſchen Philofophie
immer mehr entzweit, die sr ſpäter als eine chaatiſche Miſchung von unreifer Empirie mit un⸗
reifer Speculation bezeichnete. W. hatte inzwiſchen in Jena, Göttingen und Deibelberg als Pri⸗
vatdocent gelehrt und eine ordentliche Profeſſur der Philoſophie zu Würzburg erhalten, welche
Stellung er fpäter eine Zeit lang aufgab, um fie dann 1815 von neuem einzunehmen. An feine
obigen Schriften ſchloſſen fi an: „Grundriß der Staatswiffenfchaft” (Epz. 1805); „Bon ber
Philofophie und der Bedicin” (Bamb. 1805); „Ideen zu einer allgemeinen Mythologie ber
Alten Welt“ (Fkf. 1809) und eine „Theobicee” (Bamıb. 1800), in Form Platoniſcher Dialogen.
Seine Idee, die Mathematik in Philoſophie aufzulöfen und dadurch ben Typus einer allgemei-
nen Sonfteuctionsichre und Heuriſtik zu gewinnen, fushte er in der Schrift „Mathematifche
Philoſophie“ (Erlang. 1811) auszuführen. Gleichzeitig gab er, um feine auf einem viergliede-
rigen Schema berubende Gonfkruction an einem Beifpiele darzulegen, bie Schrift „Der Staat”
Würzb. 1811) heraus. Als die reiffte Frucht feiner wiſſenſchaftlichen Studien betrachtet ex
ſelbſt das „Organon ber menfhlichen Exkenntnig” (Erlang. 1830), in welchem die Methode
der tetradifchen Conſtruction zu derjenigen Vollendung gebiehen, daß in her Zuridführung ber
Borm der Erkenntniß auf das ewige Gefeg ber Welt zugleich bad Mittel gegehen ſei, jeglichen
Borfiellungsinhalt duch bie Macht ber Form in Wiffenfchaft zu verwandels. Diefe tetrabifche
Conſtruction beftand ihrem allgemeinen Grundgedanken nach darin, daß das Leben als das über
dem Realen und Idealen fichende Weſen fich in die unendlich-enbliche Form ber endlichen Dinge
um- und aus ihr wieber zurillbilde. Dadurch entflanben bie Begriffe des Gegenſatzes und ber
Bermittelung, ſodaß die Begriffe Weſen, Gegenfag, Vermittelung, Form bas allgemeine
Ehenia bed Weltgefeges darboten. Zulegt fehrieb ex nach ein „Biyßkem der Privatökonomie
(Aarau 1836). Trog der Mannichfaltigkeit und Lebendigkeit feiner Darftellung ift ex mit ſei⸗
nen Anfichten doch Holirt geblieben. Er flarb, nachbem er 185% in überraſchender ZBeife in
Quiescenz verfegt werben war, zu Ulm 22. Rev. 1841.
Wagner (Joh. Mart. von), namhafter Bitbhauer, geb. 1977 in Würzburg als Sohn des
dortigen Hofbildhauers Ich. Peter Alex. IB. (geb. 4750 zu Obertchexes in Franken, gefl.
u Würzburg 1809), mendete ſich von ben bereits begonnenen Univerſitäts ſtudien der
Dalerei und Seulptur zu und gewann 1802 an ber.wiener Akademie ben erften Preis im hiſto⸗
riſchen Zeichnen. Nach einem kurzen Aufenthalte in Paris lebte er non I80A—8 in Rom, mo
ee fih auch 1810 — 12 aufhielt. Im biefe Zeit fallen feine Bemälde „Dex Math der griech.
Helden vor Kroja” und „Orpheus in der Unterwelt”; auch fegte ex in Rom feine plaßifchen
Studien fort. Geit 1810 von dem Kronpringen Ludwig von Baiern mit bem Anlauf von Apr
titn beauftragt, mußte ex ſich 1842 umter'großen Hinderniſſen, wegen ber Continentalſperre,
nach ante begeben, um bort die berühmten äginetifchen Gculpturen fix Münden zu erivg>
bin. Dies gelang; allein die engl. Megierung belegte die auf Malta befindlichen Kunflwerfe
mit Beſchlag, und exft 1815 holte IB. dieſelben unter vielen Schwierigkeiten nach Ropı, wo
Thorwaldſen und er fie reſtaurirten. Schon 1813 hatte W. für den Kronprinzen auch den Bar⸗
berini'fchen Faun erſianden. Bon jegt felgten ſelbſiändige Werke, welche den Ruhm bed Künſi⸗
lert begründeten. Der Entwurf eines Frieſts nach Schiller's „Eleuſiniſchem Feſte“ bews
1821 den Kronprinzen, bei IB. ben Gentauren- und. Lapithenkampf als Relief für die mund
ner Reitſchule zu beftellen, welches von W. in halber Bröße zu Rom mabellirt und dangch
Drt und Stelle in Stein ausgeführt wurde. Im 3.1822 folgte die Beftellung ded.gegen 300% .
betragenden Frieſes für das Innere der Walhalla, welcher den Künfkler mehr als 12J. beſchäf⸗-
figte und exft 1859 vollſtändig aufgefept. mar. Während diefer Beit mar ZB. zugleich mit bem
Untauf und dee mühſamen Reflauration antiker Bafen, namentlich aus Vulci, beat, weiche
20 Wagner (Morig) Wagner (Nubolf)
jegt die herrliche mündchner Vafenfanımlung ausmachen. Mit Ausnahme einer Reife nad
Deutſchland 1857 hat WB. feit 1821 wieder in Rom gelebt, wo er die bem Könige von Baiern
gehörende Billa di Malta bewohnt. Auch der 1841 an ihn ergangene Ruf zur Directorftelle
in München vermochte ihn nicht, feinen ihm theuer gewordenen Aufenthalt zu verlaffen. Er
blieb in Rom und fhuf eine Reihe plaftifcher Werke zur Ausfhmüdung des neuen Sieges⸗
thors in München, die Kreife Baierns in fech6 Medaillons enthaltend, fodann an ben Seiten
Kämpfe zwifchen Reitern und Fußvolk und oben auf der Attika ſechs Victorien und die Bava⸗
ria auf einer von vier Löwen gezogenen Quadriga. W.'s Auffaſſung geht durchaus von ber
antik griechifchen aus, deren Beift und Gefchichte er trefflich Bennt und in deren Empfindungs-
weiſe er ſich eingelebt hat. Seine Perfönlichkeit ift kernhaft, derb und eigenthümlich, fein Kunſt⸗
urtheil rafch und entſchieden.
Wagner (Morig), Reifender und Neifefchriftfteller, geb. 1813 zu Baireuth, beftimmte fich,
obgleich ohne Neigung, für den Kaufmannsfland und fam in ein Handelshaus nach Marfeille,
von wo aus er Algier beſuchte. Die hierdurch geweckte Reiſeluſt führte ihn zu dem Entſchluß,
feinem bisherigen Berufe zu entfagen und ſich zu Erlangen naturwiſſenſchaftlichen, beſonders
zoologifhen Studien zu widmen. Sodann ging er nach Paris und von hier aus 1836 nach
Algier, wo er zwei Jahre lang bie ganze Negentfchaft bereifte und ale Mitglied der wiſſen⸗
ſchaftlichen Commilfion den zweiten, fiegreihen Zug nad Konftantine mitmachte. Die Re
fultate dieſes Aufenthalts in Algerien legte er in den „Reifen in der Negentfchaft Algier
in den 3. 1856, 1837 und 1838” (3 Bde, Lpz. 1841, nebft einem naturhiftorifchen Anhang
und einen Kupferatla6) nieder, einem Werke, das fich, wie feine fpätern Meifeberichte, durch
- Zuverläffigkeit, einfache und doch lebendige Darftellung, ſowie geiftreiche Auffaffung und
Beurtheilung auszeichnet. Nach feiner Rückkehr aus Algier ließ er fi in Augsburg nieder.
Don 1843—46 umternahm W. eine andere größere Reife nach den Kaukafusländern und Ar
menien, über die er in „Der Kaukaſus und das Land ber Kofaden” (2 Bbe., Lpz. 1848) und
„Reife nach Kolchis und den beutfchen Eolonien jenfeit ded Kaukaſus“ (Xpz. 1850) berichtete.
Mit reichen naturhiftorifchen Sammlungen zurückgekehrt, lebte er feit 1846 längere Zeit in
Ftalien. Eine neue Reife nach Perfien und dem Rande der Kurden führte er 1850 — 51 aus
und theilte deren Ergebniffe in „Reife nach Perfien und dem Rande der Kurden‘ (2 Bde.,
Lpz. 1852 — 53) mit. Seit 1852 befindet fih IB. in Amerika, mo er zunächft die Vereinigten
Staaten und Gentralamerita bereifte. Mit feinem Freunde Scherzer beabfichtigt derfelbe noch
mehre Jahre dort zu verweilen. Beide bereiten ein größeres Wer? vor, von welchen die „Reifen
in Norbamerifa” (2 Bde. Lpz. 1854) nur als Vorläufer zu betrachten find.
Wagner (Rudolf), ausgezeichnet als Phyſiolog und vergleichender Anatom, geb. zu Bai«
reuth 1805, Bruder des Vorigen, erhielt in feiner Vaterftadt und zu Augsburg, wohin 1820
fein Vater als Nector des proteft. Gymnaſiums verfegt worden war, feine wiffenfchaftliche Bor-
bildung und widmete fich feit 1822 zu Erlangen, dann feit 1824 zu Würzburg mebicinifchen
Studien. Nachdem er 1826 promovirt, ging er behufs fernerer Ausbildung nach Paris, mo
ihn Cuvier's Einfluß der vergleichenden Anatomie gewann. Er befuchte nacheinander die Kü⸗
ften der Normandie und Sübfrankreich, um an niedern Thieren Forſchungen anzuftellen; ging
1828 nach Cagliari, wo er die geognoſtiſchen Verhältniſſe ftudirte und eine merfwürbige Kno⸗
henbreccie unterfuchte, und begab fich in demfelben Jahre nach Münden. Da fich ihm bier
Peine Ausficht auf eine alabemifche Stellung bot, fo wendete er fich als praktifcher Arzt nach
Augsburg; doch ging er nach kurzer Zeit als Proſector nah Erlangen, wo er ſich 1829 als
Docent habilitirte, 1832 eine außerordentliche und 4833 die ordentliche Profeffur der Zoolo-
gie erhielt. Im 3.1840 folgte er einem Rufe nach Göttingen an Blumenbach's Stelle. Von der
Einzelnforfchung ausgehend, das Factum genetiſch nach allen Richtungen verfolgend, fucht W.
zu einem Abfchluß des Ganzen zu fommen und eine Überficht der Wiffenfchaft nach ihrem ge-
genmwärtigen Stande zu gewinnen. Er verfchmäht jede eigentlich fpeculative Richtung und ge-
winnt dadurch den Vortheil, daß er die thatfächliche Grundlage nirgends der Phantafie aufopfert.
Seine Schriften find fehr zahlreich, aber ohne Unterfchieb gewiffenhaft gearbeitet und reich an
eigenthmlichen Forfchungen. Sie beftehen theils in Lehrbüchern, theils in zahlreichen Abhandlun-
gen oder Abbildungen und umfaffen menfchliche und vergleichende Anatomie und Phyfiologie im
weiteften Umfange. Dahin gehören fein „Lehrbuch der vergleichenden Anatomie’ (2 Abtheil.,
Lpz. 1854— 35 5 2. Aufl. unter dem Titel „Lehrbuch der Zootomie”, 2 Thle., Lpz. 1843 —
47); „Icones physiologicae” (3 Hefte, Lpz. 1839 — 40; neue Bearbeitung von Eder,
%pz. 1852); „Lehrbuch der Phyſiologie“ (Xpz. 1839; 3. Aufl., 1845); „Handatlas ber ver»
Bu
Wagner (Richard) al
gleichenden Anatomie” (2pz. 1841); „Grundriß der Encyflopädie und Methodologie ber me»
dieinifchen Wiſſenſchaften nach geichichtlicher Anfıht” (Erlang. 1858); „Zur vergleichen.
den Phyſiologie des Bluts“ (Rp. 1833); „Beiträge zur vergleichenden Phyſiologie“, auch
unter dem Titel „Nachträge zur vergleichenden Phnfiologie des Bluts“ (Epz. 1858); feine Ab-
handlung „Partium elementarium organorum, quae sunt in homine atque animalibus, men-
liones micrometricae” (2p;. 1834); „Prodromus historiae generationis hominis atque ani-
malium” (2pz. 1836) und viele andere. Durch Gefundheitsrüdfichten genörbigt, 1845 und
1846 zwei Winter in Stalin zugubringen, machte er hier Studien über ben elektrifchen Rochen,
weiche ihn weiter auf fpectelle Forſchungen in der Nervenphyfiologie mit Nüdficht auf Pfycho-
logie führten, derem Früchte er in „Neurologiſche Unterfuchungen” (Bött. 1854) befannt
machte. Auch beforgte W. mit Will die Deutfche Uberfegung von Prichard's „Naturgefchichte
des menſchlichen Geſchlechts“ (A Bde., Lpz. 1840— 48). Zu den bebeutendften Erſcheinungen
der naturwifienfchaftlichen Literatur gehört das von ZB. herausgegebene „Danbwörterbuch ber
Phyſiologie (Braunfchw. 1843 fg.).
Wagner (Richard), einer der bedeutendften Componiften der Gegenwart, geb. 22.Mai 1813
zu Leipzig, wo fein Vater ftädtifcher Beamter war, bereitete fich erſt auf der Kreuzſchule zu
Dresden, dann auf ber Thomasſchule zu Leipzig für das akademifche Stubium vor. Bei
feiner großen Neigung für Muſik, der er ſich ſchon mit Erfolg auf den Gynmafium, befonders
unter Weinlig's Anleitung gewidmet hatte, befuchte er bie Univerfität felbft nur kurze Zeit und
wibmete fich ausfchließlich feinen mufitalifchen Lieblingsftudien. W. wirkte 1836 ald Kapell-
meifter am Theater zu Magdeburg, ging hierauf nad) Königsberg, wo er fich verheirathete,
und dann nach kurzem Aufenthalte in Dresben als Orchefterdirigent zur Holtei’fhen Bühne
nah Riga, wo er im Sommer 1838 feinen „Rienzi‘ begann. Von Riga reifte er zur See über
London nach Paris, wo er unter mancherlei Sorgen und Entbehrungen 1841 den „Rienzi“
und den „Fliegenden Holländer” vollendete. Zur legterm Oper hatte ihm ein Seeſturm, den er
auf der Reiſe erlebte, die Idee gegeben. Im Frühjahr 1842 nach Dresden zurückgekehrt, brachte
1845 dem „Rienzi” zur Aufführung, was feine Emennung zum Kapellmeifter zur Zolge hatte.
Zu Dresden ſchrieb W. unter Anderm bie Duverture zu Goethe’s „Kauft“, 1844 ben „Gruß
fiiner Treuen an Triedrich Auguft den Geliebten”, 1845 das „Liebesmahl der Apoftel”; auch
erſchien auf der dortigen Bühne im Det. 1845 zum erſten male die Dper „Zanhäufer und ber
Sängerfrieg auf Wartburg”. Legen feiner Betheiligung an dem dresdener Maiaufftande
1849 mußte ex 7. Mai flüchten. Er wandte ſich nah Zürich, wo er In dem Untertbanen-
verband Aufnahme fand und feit 1850 den Mufikverein wie das Theaterorcheſter birigirt.
Unter Anderm bichtete und fegte er in der Schweiz ben „Lohengrin“; eine neue Oper, „Die
Nibelungen“, ift in Ausſicht geftellt. W.'s Opern, namentlich „Zanhäufer” und „Lohengrin”,
haben fich binnen wenigen Jahren auf faft allen deutſchen Bühnen Bahn gebrochen, und bie
Frage um Werth und Bebentung biefer eigenthümlichen Mufit hat die Bemüther der Kunſt⸗
freunde aufs Heftigfte bewegt und das ganze mufitalifche Deutfchland in zwei große feindliche
Bager gefpalten. Vielerlei innere und äußere Urſachen wirkten zufammen, um W. fo rafch auf
fine fo bedeutende Stellung zu heben. Die deutfche Oper war faft ganz verarmt und erfchöpfte
fh in erfolglofen Berfuchen. Gegenüber diefer Impotenz der unmittelbar vorhergegangenen
Jahre mußte W. als eine felbfländige, nach fehr beflimmten Zielen rückſichtslos vordringende
künſtleriſche Perſoͤnlichkeit eine einſchlagende Wirkung üben. Das gebildete Publicum war bei
afthetifchen Unfugs fatt, der einen gedankenloſen Operntert allmälig wie ein nothwendiges und
unvermeidliches Übel hatte erfcheinen laſſen: das Andringen W.'s auf bie Wahl großer und
neuer Stoffe, auf eine dem Weſen der bramatiichen Muſik entfprechendere Behandlung des
Lertes mußte zünden. Er felber fuchte in feinen Librettod mit entfchiebener Reform voranzu⸗
gehen, und wenn auch das Uctheil, wie weit ihm dies gelungen, fehr getheilt ift, fo kann man
m doch das Verdienſt nicht beftreiten, hier die gangbare Mittelmäßigkeit aus ihrem behaglichen
lendrian aufgerüttele zu haben. In feiner Compoſition wirkt er mit dem flärkften Effecten
und grellſten Gontraften. Er lehnt fich an Beethoven, aber nicht an die reifften, harmoniſchſten,
claſſiſchen Werke arb der Blütezeit dieſes Meifters, fondern an die ercentrifchen, hyperroman⸗
tiſchen aus Beethoven's Iegten Lebensjahren. Darum zerfprengt er bie wohlgeglieberte muſi⸗
kaliſche Architektonik und verwirft fie auch theoretifch. Der eigentliche Nerv feined Talente figt
in der mufitalifchen Situationsmalerei, die fich im Mecitativ am freieften entfalten fann. Hier
ut W. feine großen und eigenthümlichen Wirkungen, und fein Beftreben, die ganze Oper, nicht
ſowel in der Weiſe Blud’S als nach Lully's Vorgang, in eine fortlaufende muſikaliſche Decla⸗
4 —
2 >) MBagram
mation zu vermanbeln, bagegen die für fich abgefchloſſenen muſikaliſch⸗architektoniſchen Gebilde
der Arien, Duetten, Finales möglichſt daraus zu entfernen, quillt aus dieſem Grundzuge feiner
perfönlichen muſſkaliſchen Begabung. Der ſchneidend ſcharfen Charakteriftit opfert ex ſolcher⸗
geſtalt nicht felteh die maßvolle Schönheit und verwiſcht bie natürlichen Grenzen bed poetiſchen
und mufitalifchen Ausdrucks. Die rückfichtsloſe Kühnheit, womit dies geſchieht, imponirt und
hät feiner melodifch und harmoniſch oft wenig einſchmelchelnden Muftk fo große Erfolge gewon⸗
rien. Einem Tolthen Beifte war %8 bern auch hatüclich, in bem Aufgebot der ſtärkſten äußern
Wirkungen der Inſtrumentation und der Mobulaciondgegenſäͤtze niche mar m die Fußtapfen von
Meyerbeer und Berlloz zu treten, ſonbern fogar noch fiber Bas Kußerſte, was .birfe gewagt, hin-
duißzugehen. Im origineller, mitunter abentewerticher Weife Hat W. dieſe ſeine perſonliche Rich⸗
füng zu Affhetifchen Dogmen zu geflaften geſucht in feinen Schriſen, unter welchen wir nament ·⸗
ſich Oper und Drama” (3 le, Lpz. 1852) und „Drei Operndichtungen m. ſ. w.“ (Epz.
1859) hervorheben. Es ift rinleuthtend, daß ein fo ſelbſtaͤndig vordbringender Künſtler nicht
nur durch feine pofitiven Verbienfte, fonbern auch durch feine Verirrungen ımb die dadurch
hervorgerufene Oppoſition neues Reben in bie Buhöwertsmmäßig erſtarrte dramatiſche Muſik
grad Böt. Dazu wirkten noch Yiattherlei ußere Umſtaͤnde mit zu den plotzlichen Erfolgen |
.s, namentlich die Theilnahnie an ſeinen perſoͤnſichen Schickſalen und eine wenlgſtend in der
Muſtkgeſchichte bes 19. Jahrh. beifpielloſe Parteiagiratton für ſeine Kunftrichtung. Solche
Bewegung aber rüktelt zum Ermannen bei Freund und Feind auf, und two bie Parteigenoſſen
in Wes Merken eine neue Stufe ber Vollendung in der muſikaliſchen Kunſt erdlicken, da kön-
nen ihm auch feine Gegner dankbar fin für die Anregimg, dte er indirect Zur entſchiedenen Um⸗
Fehr auf andere Bahnen, zur Rückkehr zu einer In der Form einfachern, Im Gedanken tiefern, in
der maßvollen Schönheit einer echten muftaftfgen Architektonik verſöhnten Maſtik gegeben bat.
Dot. Liſzt, „Lohengrin &t Tanhäuser de Richard Wagner“ (Opz. 1851; deutſch, Köln
1852); Raff, „Die Wagnerfrage” (&p. 1, Braunſchw. 1854). — Weyner (Idhanna), Nichte
bed Vorigen, iſt eine der ausgezelchnetſten deutſchen Opernfängerinnen ber Gegenwart, befon-
ders In heroiſchen Partien. Nachbein fie bereits ain dreedener Hoftheater engagirt geweſen war,
ging fie zu ihrer weitern mufttalifihen Ausbildung zu Garda nach Paris, trat dann in Dres:
ben, Hamburg, Berlin u. ſ. fo. mit großem Beifalle als Bravourſaͤngerin auf tind wurde 1853
Fur koͤnigl. Kauiinerſängerin in Berlin ernamt.
Wangram oder Beiſche Wagrain, ein Dorf im Kreiſe unter dem Wiener Walde in Oftreich
tinfer der Ens, das durch die Schlacht geſchichtlich wurde, welche hier Napoleon 5. und 6. Juli
1809 gegen den Eryherzog Karl gewann. Nach der Schlacht bei Aspern (f. d.) und Esling be ·
keitete ſich Napoldon abermals Hör, Über ie Donau zu ſehen, um der öſtr. Hauptmacht unter
Bein Etzherzog Karl auf dan linken Flaßufer Eine entſcheibende Schlacht zu liefern. Er ver-
ftarkte fich durch die fiegreiche Werner, die ihm Prinz Eugen ans Italten zuführte, ließ bie
2, Stunden unterhalb Wien Hegende Donauinſel Lobau in eine uneinneßmbare Feſtung ver-
Mandeln und fegte Bie Inſel durch mehre befiftigte Brücken Über Sen 2400 $. breiten Haupt.
dein ber Donau mt dem rechten Ufer In Verbindung. Die unzeheuern Werke waren in 15—
WO Tagen vollenbet. Auch der Etzherzog Karl Hätte zum Aticheisenden Kanpfe ſeine Vor⸗
kehrungen getroffen. Et Hatte feine Armee Busch zahletiche Reſerven und Aushebungen in Un-
bi und Mähren verftaͤrkt und bebeutende Berſchanzangen aufwerfen laſſen, deren rechter
ügel ah Großaspern, deren Imker an Enzerſdorf Feb. Um 1. Juli 1809 verlegte Napo-
on Fein Saupeqquartier auf Bobdie. Um den Erzhetzog Über ben uͤbergangepunkt zu täufchen,
So er J. Juli ein Memes Torps auf die Nahlmfe, Gefing gegeben, dus Hier imter dem
er der Ofireſcher mit großen Geraufch Kine Bruͤcke anf Ste 4 Röbatı ſchuug. Nachts ge⸗
Yen 10 Uhr eröffneten die frauz. Batterien auf Yen Iuſein Montebello, Spegne und Lobau
Bin heftiges Feuer gegen das Tinfe Donauuifer und ſteckten Eugetsbocf m Brand. Zugleich
fepten einige Taufend Marin uiter dem Dberft Ste.Croix von der Yale Lobau aus in
Kahnen, Vie don Kanonierbodten gedeckt waren, Her ben linten Donauarm, nahmen bie öſtr.
Schanzen, defehzten Muͤhlleiten and drangen gegen Wittau vor. Inter dem Schube dieſer Ope⸗
ration ging nun bis Nachts 2 Uhr, von Finſterniß und Gewittetſtülrmen begünſtigt, die franz.
Suuptmadht bon der oͤſtlichen Spitze der Inſel Lobau aus auf das Ithfe Donauufer über. Am
oegen des 5. Juli Hatten die Franzoſen auf dem linken Flußufer ihre Fronte nach Norden;
Wr Tinker Fluͤgel war an bie Donaubrücke gelchnt, ihr rechter nach Wittau Hin ausgedehnt.
dur äußerften Linken befehligte Maffena ; dann fehloffen fi Eugen und Bernadotte mit ben
—
Bagram 2
Sachen an; im Gentruni befanden ih, Marmont, Oubinot und bie Barbe; deu rechten Flügel
bilbete das Torps Davoufl’d. Das ganze franz. Heer zählte 151000, na öſtr. Nachrichten
180000 Mann mit 584 Gefchägen von meift ſchwerem Kaliber. Der rechte Flügel der Oftrei-
der, unter Ktenau unb Kolowrat, zog ſich von Stabelau nach Gerarsborf; das Gentrum, von
Bellegarbe unb dem Erzherzog Karl ſelbſt befchligt, ſtand von Berarsborf nach W. der linke
Flügel unter Roſenberg und Hehenzollern Hatte die Stellung von ZB. nach Reufiedel, Dat
öfter. Beer bildete alfo einen Winkel, in beffen Scheitel BB. lag. Die öflr. Streitmacht zählte
100000, nad franz. Bericht 140 — 160000 Mann mit 440 Gefchügen. Wiewol ber Erzher⸗
109 Karl die Dörfer Eling und W. aufs ſtärkſte mit Schanzen umgeben, war doch, bei dem
Schwanken zwiſchen Offenfive unb Defenfiue, bie Befeſtigung der weiter rückwärts gelegenen
Stellung, ber Poſttion von Extammeröborf bis Neufiebel, verabfäumt worden. Erft 5. Juli,
als die er ſahen, daß Eur linker Flügel beteits umgangen, verfuchte man in ber Eile, bie
Poſition von Dternmersborf nach Reuſichel durch Schanzen zu decken. Indeſſen war dem Erz⸗
herzoge Karl die Gefahr für feinen linken Flägel nicht entgangen. Er hatte am Abend des 4.
Juli dem Erzherzog Johann, der mit feinem Urmercorp6 bei Presburg ſtand, den Befehl er-
theilt, über Marcheck zur Armee zu floßen ımd im Verein mit dem linken Slũgel gu operiren.
Allein das Eintreffen des Erzherzogs Johann, das berechnet war, verzögerte ſich, ſodaß bie
Plone bes Oberbefohlöhaberd zu nichte geworben ſein ſollen. Rach dem Grundgebanken, ben
ber Grzherzog Karl für ben Kampf gefaßt, ſollten feine Vortruppen vor ber überlegenen Stärke
des Feindes auf die Bauptfiellung zurückweichen. Dann wellte man, zur Linken durch ben
—— Ichaum verfläckt, die Dffenſive ergreifen und beſenders mit dem rechten Flügel auf
die Kommmmicationen bes Feindes wirken. Schon um 8 5. ram | Morgen bes 5. Juli eröffnete
Maffena die Schlacht, indem er Euzerdborf ſtürmte. D r verließen die vollig flan⸗
kirten Dörfer Esling und Aspern, die Maſſena —*8* und zogen ſich auf Stammers dorf.
Die gange franz. Armee richte nun vor, richtete ſich beſonders gegen den linken öſtr. Flügel und
befegtebalb, den Rußbach vor ſich, bad Marchfeld. Davouſt nahm GSlinzendorf und Großho⸗
fen, Bernadotte Aderklaa. Am Nachmittag entfpaun fich das Feuer auf ber gangen Linie bes
Rubbaches. Davouſt vexfuchte ben linken öflr. — zu umgehen, wurde aber von Liechten⸗
tler 6 Meiterei unter Roftig zurückgeworfen. Desgleichen wislang ein blutiger Angriff, ben
die Franzoſen gegen Übend auf W, ben —* der oſtr. Stellung, machten. Nachts 14 Uhr
ließ Napoleon dieſen Angriff von einer füdyl. unb franz. Colonne wiederholen, der aber eben⸗
falls nicht zum Zwecke führte. Wiewol der Erzherzog 5. Inli —— ſodaß feine
Streitkräfte am Abende vom Bifamberge an der Donau ‚über Stammersdorf, Hagenborn,
Serarsborf, W. und bie Höhen von Renfiebel eine Linie bildeten, blieb an bie Schlacht gänz-
fich unentſchieben. Napoleon faßte für den folgenden Tag den Entſchluß, IB. zu nehmen und
das oͤſtr. Centrum gu fprengen. Der Erzherzog hingegen wollte den linken feindlichen Flügel
durückdräüngen und * ber usfpränglihen Dispoſition gemäß, ber Donauverbindungen be⸗
mãchtigen. Freilich auißte er hierbei auf bie Ankuuft des Erzherzogs Johann auf feinem lin-
ten Blägel nechnen. Am Morgen des 8. Jali rickte demnach bie ganze öflr. Linie vor. Napo⸗
kon, der Auufũcht feines Gegners nicht ganz gewiß, blieb en lang in Unthaͤtigkeit. Erſt als bie
Oftveither Abpern und Esling nahmen und mächtig überreitenlee vorbrangen, bildete er aus
zwel Divifionen water Machonalb, der Garberavalscie, einer Küraffierdivifien und 100 Ge⸗
(digen unter —— mne zreh⸗ Augriffscolonne, nit weich⸗ er ſich auf das oͤſtr. Centrum
wiſchen W., Adertiaa und Güßenkrummn warf. Während bie Oſteeicher im Seutrum zurück.
wichen, —— — linben vſtr. Flügel am und nahm Neuſiedel; bedgleichen ſchritt Maſ⸗
ſina —— Weniger das feirbliche Eindringen ins Centrum wie bad Aufrollen des
oflt. Figels, der trotz ber blutigſten Anftrengungen die Umgehung nicht zu hinbern ver⸗
** bewmog den Erzherzog Karl ſchon gegen Mittag zum Mutritt des Mückzugs. Derſelbe
ging aufangs unter Heftigen "Angriffen, Aber in großer Ordnung und ohne Werluft vor fi.
US die Nacht aubrach, war bie. öf. Armee den Beide Aa faft ganz aufer bem Geſichte.
Um e Madanittags zeigte fich hie Avantgarde des Erzherzegs Johann bei Dberfichen-
brumn, wo am Morgen der änferfie linke Flügel der Öftreicher geftanden 2* Jede Hülfe
kam jedoch zu ſpãt, umb —— festes mit feinem Gorps nad) Preeburg zurück Der
Gefanmtoerkuft der Hſtreicher W. 324000 Bann. Die Franzofen verloren ginne
find cbenfo wi ja naxh einigen 1 Beide foger mehr. Die franz. Corys falgten ben Oſtrei⸗
Gere auf ber Straße son Nikeloburg und auf ber von Hollabrunn, auf weicher Maſſena fort-
beſchee Arrieregardengefechte Keferte. Am 14. Juli beftand ber Erzherzog Karl zur Rettung
24 Bagrien Wahäbiten -
feines Geſchützes und Gepäcks noch bei Znaym gegen Marmont ein fehr higiged Gefecht. In
der barauf folgenden Nacht wurde ber Waffenftiliftand gefchloffen, dem amı 14. Det. 1809 der
Friede zu Wien folgte.
Wagrien oder Waierland, eine Landfchaft in Holſtein (ſ. d.), welche, im Weften vom
eigentlichen Holftein und Stormarn, im Norden von der Oftfee, im Sübdoften ebenfalls von ber
Oſtſee und von Medienburg begrenzt, ben öftlichen Theil ded gefanımten Herzogthums aus ⸗
macht, wo fie als ein halbinfelartiges Dreied in die Dftfee bineinragt, beffen mit bem Lande
zufammenhängenbde Baſis von einer Linie gebildet wird, welche, vom Kieler Meerbufen aus⸗
gehend, bie Schwentine entlang durch den Plönerfee bis zur Trave fich zieht, bie das Land in
feinem Süden in einem Bogen umgibt. Die Eintheilung Holfteins ins eigentliche Holftein,
Ditbmarfchen, Stormarn und IB. ift jetzt nur noch eine biftorifche. Demgemäß find zu W.
nicht nur die zu dem heutigen Herzogihum Holſtein gehörigen Ämter Eismar, Plön, Ahrent-
bök, Travendahl, Reinfeld und Rethwiſch zu rechnen, ſondern auch bie jegt zu Schleswig geho-
rige Infel Femern ſowie das olbenburg. Fürſtenthum Lübeck und ein großer Theil bed Gebiets
der Freien Stadt Kübel, W. war urfprünglich von deutfchen Völkern falfifchen Stamms be»
wohnt, nad) beren Wegzuge ed von dem ſlaw. Volke her Wagrier, bie ihm auch den Namen
verliehen, eingenommen wurbe. Um bie Zeit Karl's d. Sr. befaßen fie das Land noch unter ei»
genen Fürften; boch ſchon im 10. Jahrh. waren fie von den fächf. Herzogen bezwungen. Durch
die Achtserklärung des Herzogs Heinrich des Stolzen von Sachſen kam W. an ben Grafen
Heinrich von Badewide und von biefem 1140 an den Grafen Abolf IL. von Holftein, der es
feiner Grafſchaft völlig einverleibte, mit welcher es feitbem alle Schickſale theilte.
Wahaͤbiten oder Wechabiten (arab. Wahäbi), eine neuere mohammebanifche Sekte, welche
- in reformatorifcher Weiſe die Lehren und Gebräuche bes Islam auf die wörtlichen Vorſchriften
des Koran und der überlieferten Ausſprüche Mohammed's zurücführte und diefe Reform, fo-
weit ihre Macht reichte, mit Gewalt durchzuſetzen fuchte. Der Stifter ber Sekte war ein ge-
lehrter Araber Abd-el-Wahab aus dem Stamme Tamim, der fih um die Mitte des 18.
Jahrh. nach langen Wanderungen mit feiner Familie in der Stadt Deraljeh in ber Provinz
Nedſch niederlie und zuerft ben damaligen Machthaber diefer Stadt, Mohammed⸗Ibn⸗Saud,
bekehrte, der auch fein Schwiegerfohn wurde. Die Lehre der Wahabiten kann als ein masle-
mifcher Puritanismus bezeichnet werben. Die Beobachtung ber Vorfchriften bed Koran hatte
befonder&uunter den Türken fehr abgenommen, die äußern Religionsgebräuche, Gebet, Reini-
gungen, Faſten und Die Verehrung der heiligen Scheikhs an ihren Sräbern waren zur Haupte
ſache geworben. Die Anhänger ber neuen Sekte drangen auf regelmäßiges Almofengeben, auf
firenge Juſtiz, auf ben Krieg gegen bie Ungläubigen, wie ihn Mohammeb und feine Nachfolger
geprebigt hatten, auf Enthaltung von Wein und gefchlechtlicher Ausfchweifung ; zugleich ver-
ponten fie den türk. Kleiderlurus und bad Tabackrauchen. Das Verbot des Tabacks wurde vor-
zugsweiſe zum Loſungswort bei den Bekehrungen ber Wahabiten. Sie verwarfen auch bie
Anbetung des Propheten und zerftörten alle Welis oder Gräber ber Deiligen. Es wurbe den
herrſchſüchtigen Führern nicht ſchwer, bie rohen Bebuinenmaffen, die für fie kaͤmpften, gu einem
wüthenden Fanatismus zu treiben, ber bie türk. Glaubensgenoſſen für Keger und Ungläubige
nahm, während diefe ebenfo ihre Gegner als Feinde ihrer Religion anfahen, obwol ſich bei einer
Beiprehung von zmei abgeorbneten Gelehrten ber Wahäbi mit den Ulemas in Kairo im
Herbft 1815 ergab, daß bie erflern nichts lehrten, was bie legtern nicht auch ale ihre Lehre an-
erfermen mußten. Bei ber Tapferkeit und Grauſamkeit ber Wahabi verbreitete fich ihre Herr-
ſchaft mit unglaublicher Schnelligkeit unter den arab. Stämmen, von welchen fie in kurzer
Zeit 26 unterjochten. Ibhn⸗Sauͤd's Sohn und Nachfolger, Abd⸗el⸗Aſid, Fonnte ſchon ein Heer
von 100000 ftreitfähigen, wohlberittenen Männern ins Feld ftellen. Vorzüglich begünfligte
bie Unternehmungen der Wahabiten die Zerrüttung, von welcher bie Pforte betzoffen war.
. Exft 1804 erhielt der Pafcha von Bagdad Befehl, gegen bie Wahabiten zu ziehen, bie aber
den gegen fie geſchickten Feidherrn durch Geſchenke zum Rückzuge bewogen, dann die Stadt
Kmäm-Huffein überfielen, zerftörten und nach Erbeutung vieler Schäge in ihre Wüſten zurück-
flohen. Nach diefem glüdlichen Unternehmen gelüftete ed den Wahabiten fehr bald nad) den
Scägen der heiligen Stadt Mekka. Der Emir Abd⸗el⸗Aſis fendete feinen Sohn Ibn⸗Saud (II.)
mit 100000 Mann gegen Meta, welches die Wahabiten ohne Widerftand einnahmen und wo
fie viele Scheith und Pilger ermorbeten, alle heiligen Denkmale zerflörten und unermeßliche
Schäge von bannen führten. Ihn-Schd verfuchte num die Eroberung von Dſchidda und Medina
und zog fich, da diefes nicht gelang, nad) Deraijeh, wo inzwifchen 1805 fein Vater ermordet wor⸗
Wahl, Wahlrecht, Bahlverfahren 25
den war. Ibn⸗Saud (II.) wurde nun Fürſt ber Wahabiten. Im J. 1806 erſchienen fie zabl-
reicher zum Kampfe ale je: fie plünderten die zum heiligen Grabe wallfahrtende Karavane,
eroberten Mekka, Medina, felbft Dfchidda und bezeichneten jeden Tag durch Blutſtröme und
durch Bekehrungen, 3.3. bes Scherif6 von Mekka. Die Furcht vor den Wahabiten verbreitete
fi) im ganzen Morgenlande, und felbft die Briten beforgten, durch fie in ihrem Handel gefähr-
det zu werben, weshalb fie 1809 den Imam von Maskat, gegen den ſich fein Bruder emport
atte, durch Truppen unterflügten. Im 3. 1811 rief die Pforte Mehemed⸗Ali, den Paſcha von
ypten, zum Kampfe gegen bie Wahabiten auf, um deren Macht, die ihr gefährlich zu wer-
"den fchien, zu brechen. Der erſte Zug gegen fie, den Mehemeb-Ali mit feinem zweiten Sohne
Aufut-Pafcha unternahm, ging anfangs glücklich von flatten; doch fah er fich fpäter zum
Rüdzug genöthigt. Bald indeß kehrte er mit neuen Verflärtungen zurüd und nahm nun De
dina und auch Mekka durch den Verrath des Scherifs von Mekka, der feit 1806 zu den Waha⸗
biten übergetreten war. Deshalb aber waren diefe noch nicht unterdrüdt. Den größten Nach⸗
theil brachten ihnen die innern Unruhen nach Ibn⸗Sauͤd's (II.) Tode 1814. Endlich wurbe
beffen ältefter Sohn, Abdallah-ben- Saüb, zum Oberhaupt gewählt. Der Krieg begann von
neuem, und es erfocht Ibrahim⸗Paſcha, ber Adoptivfohn Mehemed⸗Ali's, 1815 bei Basrah ei⸗
nen entfchiebenen Sieg über bie Wahabiten. Nichtödeftoweniger dauerte ber Kampf fort, bis
es Ibrahim⸗Paſcha 1818 gelang, fie vollftändig zu fehlagen und in ihrem befefligten Lager,
vier Tagentärfche von bee Hauptſtadt Deraijeh, einzufchließen. Das Lager wurde 3. Sept. er»
flürmt und Abdallah gefangen, worauf fi auch Die Hauprftabt unterwarf. Abdallah wurde
zu Konftantinopel nebft feinem Mufti und Schagmeifter 17. Dec. 1818 enthauptet, Deraijeh
aber von Grund aus zerſtört. Defienungeachtet waren die Wahabiten 1828 wieder fo er-
ſtarkt, daß fie abermals den Krieg gegen die Pforte begannen, jedoch dabei unterlagen. Bel.
Burckhardt, „Notes on the Bedouins and Wahabys” (Xond. 1830).
Wahl, Wahlrecht, Wahlperfahren. In der Berfaffung der Staaten iſt die Urt, wie
theils das Oberhaupt des Staats im Zahlreiche (f.d.), theild die Beamten, kirchliche und welt-
liche, Staatd- umd Corporationsbeanite, theild endlich die Sprecher und Stellvertreter des
Volkes auf ihren Pag berufen werben follen, einer der allerwichtigften Punkte, und von jeher
hat man eine Menge Cinrichtungen verfucht, um einerfeits zu jedem Amte den Würbigften zu
erheben, andererfeitö aber auch Unruhen, Parteilämpfe und gefährlicge Erfchütterungen zu
vermeiden. In ber Monarchie, wo die ganze Verwaltung ale vom Monarchen ausgehend be
teachtet wird, bilbet die Ernennung durch diefen bie Regel. In der Demokratie muß ber Ratur
diefer Verfaffung gemäß Alles auf Volkswahlen zurüdgeführt werden. Die oberfle Gewalt
legt in ben Volksverſammlungen, und auch ben erwählten oberften Beamten, 3. B. dem Praͤſi⸗
denten der Vereinigten Staaten von Nordamerika, wird bloß bie Ernennung derjenigen Negie-
rungsbeamten überlaffen, welche in einer ſolchen Gefcyäftsverbindung mit ihm find, daß ber
Gang der Gefchäfte nur durch eine volllommene Übereinftimmung erhalten werben kann, bie
fig lediglich durch das Recht ber Ernennung und Entlaffung fihern läßt. Indeß kann aud in
der Monarchie die Berufung der Beifllichen, Gemeindevorficher und anderer örtliherBeamten,
felbft der Richter, theil6 dem Volke felbft (den Gemeinden), theils einem Collegium (den Ca⸗
piteln und einem Ausſchuß ber Gemeinde, Magiftrat ober Gemeinderath) überlaffen fein.
Selbſt in der abfoluten Monardhie find den Ritterſchaften der Kreife, den Städten, Kaufmanns-
gilden, bem Klerus zuweilen in biefer Beziehung fehr ausgedehnte Wahlbefugniffe eingeräumt.
Borzugsmeife wichtig ift biefenige Ausübung des Wahlrechts und des. Wahlverfahrens, welche
fih auf die Wahl von Landesvertretern (Abgeorbneten oder Deputirten) beziehen. Wie dieſe
Wahlen einzurichten feien, damit nur echte Repräfentanten ber Volksvernunft gemählt werben,
und damit wicht Volksverführer, Schmeichler und Schmwäger den Sieg davontragen, fein ein⸗
feitige6 Intereſſe überwiegt, alle Theile des Landes vertreten find, auch bie Wahlen nicht durch
Beſtechungen erkauft oder durch einen umgehörigen Einfluß erzwungen werden Tonnen, das ift
keine Sache allgemeiner Theorie, fondern kann nur nach ben eigenthüumlichen Volksverhältniſſen
beftimme werben. Wo die meifte Einficht, die meifte ſittliche Bildung im Volke zu finden iſt,
dahin muß auch das Hauptgefchäft der Wahlen verlegt werben. Da aber jenes nicht ſtets auf
einer Stelle ſtehen bleibt, fo wird auch das Wahlgefeg eine gewiffe Biegfamteit befigen müffen,
um durch Leichte Abänberungen nach ben Bedürfniſſen der Zeit fortgebildet werben zu können.
In England war fhon von alter Zeit ber ein Cenſus eingeführt, jedoch als Bedingung bes
Wahlrechts nur beiden Butöbefigern der Sraffchaften und bei der Wahifaͤhigkeit. Durch die
Parlaments reform (f. Großbritannien) wurbe das Wahlrecht viel weiter ausgebehnt, ſodaß
⏑⏑— — —
18 Bagner (Ernſt) Sagner (Georg Philipp Eberh.)
ex fich in feinem „Lehrbuch der ital. Sprache” (Bypz. 1819) und bei Beforgung ber zwölften
Yusgabe des engl. Wörterbuchs von Yahrenkrüger (Iena 1822), forte in feinem „Parnasso
italiano” (Rpz. 4826), für deſſen Fortſezung er ben „Orlande innamorato“ bes Bojardo be⸗
forgte (2pz. 1834). Ein anderes Verdienft erwarb er fi durch Herausgabe der ital. Schriften
des Giordano Bruns (2° Bpe., Lpz. 1832). Er farb 1. Aug. 1835 in dem Haufe des ihm be»
freundeten Grafen Hohenchal zu Großſtaͤdteln bei Leipzig. — Beine Battin, als tafentvolle
Schhriftftellerin ımter ber Namen Adolphine bekannt, veröffentlichte umter Anderm „Lotos-
Blätter. Drei Novellen” (Bps. 1833), „Ideal und Wurklichkeit“ (Bpz. 1838), „Märchen und
Erzählungen für jugendliche Xeferinnen” (Roy. 1844) und ald Kortfegung „Reue Märden
und Erzählungen u. f. w.“ (Spz. 1846).
Wagner (Emft), Demanfeiftfcher, geb. 2. Febr. 1769, war ber Sohn eines Landgeift-
lichen zu Roßdorf in Sachſen⸗Meiningen. Die gründlichen Kenntniffe des Vater umd die mit
Fleiß verbundene fchnelle Faſſungskraft des Sohnes erfegten den Mangel eined regelmäßigen
Schulunterrichts, zu welchem bie Mittel fehlten. Nach feiner Rückkunft von der Univerficät zu
Jena, wo er fich ber Rechtswiſſenſchaft gewidmet, wurde er Gerichtdactuar und zugleich Ver⸗
walter auf dem Rittergute bes Freiherrn von Werhmar zu Mofborf. Mangel an den nothiven-
Bigften Bebürfniffen für fich und ſeine Familie führte ihn 4803 auf die Schriftflellerlaufbahn.
In diefer Zeit war Jean Paul bei feinem Aufenthalte in Deiningen auf W. aufmerkfam ge
werben und hatte ihn bem Herzog Borg von Sachfen-Meiningen empfobten, der IB. zum Ca⸗
binets ſecretãr ernannte. Der Herzog flarb zwar kurz darauf; doch bie Witwe deffelben erfüllte
Has Verſprechen des Verftorbenren und W. zog umter fehr angenehmen Bebingungen 1804 nad
Meiningen, wo ihm num Muße wurbe, ſich ganı der Schriftſtellerei zu widmen. Seine erfte
groͤßere Dichtung mar der Roman,Wilibald's Anfichten des Rebend” (2Bde., Meining. 1805;
3. Aufl., 1821), morin er ein fo gelungenes Gemälde lieferte, wie es deren in der bamaligen
dentſchen Romanliteratur wenige gab. Hteran fehleffen fi „Die reifenden Maler” (2 Bbe,
Ppr. 1806) ; „Die Reifen ans der Frembe in die Heimat” (2 Bde. Hilbburgd. 1808—10);
„Iſidora“ (3 Bde., Tüb. 1812); „Das hiſtoriſche ABE eines AHjährigen Fibelſchühen“
(SHildbargh. 1810), als ein Anhang zu den „Reifenden Malern“, mit einer Borrede von Jean
Paul. Scheint auch bei bem erften Blick auf feine Leiſtungen das Bemüthliche vorzuherrſchen,
fo überzeugt eine genauere Prüfung duch bald von WB. reicher, Fchöpferifcher Phantafte und
feiner feinen Welt- und Dienfchenkenntnif. Unverkennbar ift in feinen Schriften der Einfluß
zur Pauls, der jedoch Ihre Eigenthümlichkeit nicht beeinträchfigt, fondern auf felbfländige
eife verarbeitet ift. W. kebte nicht lange genug, um den Reichthum feines edeln Geiſtes nad)
allen Seiten Hin vollſtändig zu entfalten. Er flarb 28. Bebr. 1812. Seine „Sämmtlichen
Schriften“ erfhienen zu Reipzig (12 Bde. 182729). Bgl. Mofengeil, „Briefe über ben
Dichter Ernſt W.“ (Schmalkald. 1826). — Sein Sohn, Karl W. farhien-meining. Rath und
Inſpector der Kunſtſammlungen in Meiningen, geb. um 1795, in Dresden und Rom gebildet,
iſt als Landſchaftsmaler und Durch gelungene Madirungen bekannt.
Zagner (Georg Philnpp Eberh), verdienter Phitolog, geb. 19. März 1794 zu Schönbrunn
dei Worlenftein in Sachſen, wo fen Bater Pfarrer war, befuchte bie Randesfchule zu Pforta und |
bezog 1813 die Aniverfität zu Leipzig, mo er beſonders unter Beck's Leitung Philologie ftu-
dirte und ſich ſchon durch eine treffliche Ausgabe der „Elegia ad Marcum Valerianum Corvinum
Messalam (&yy. 1816) bewährte. No in demſelben Jahre wurde ihm dad Eonrectorat in
Buben Übertragen und 1817 die vierte Lehrerſtelle an der Kreuzſchule zu Dresben, mo er 1853
m das Eonrertorat aufrückte. Diefed Amt, in dem er mit Erfolg wirkte, fegte er im Sept. 1854
wegen Kränklichkeit nieber. Sein Hauptwerk ift die Überarbeitung ımb newe Geftaltung ber
ae Audgabe des Birgit (5 Bde, Bpy. 1850— 44), wobei er Schärfe der Kritik, Ge-
mad, Beſtimmtheit und Kürze in der Erläuterung der ſprachlichen und fachlichen Begen-
ftände und reiche Belefenheit vereint zeigt. Namentlich enthalten die dem vierten Bande beige-
gebenen „Quaestiones Virgilianae” einen &chag feiner Beobachtungen und genauer Forſchun⸗
gen über daB ſprachliche Element des Virgil und der lat. Dichter überhaupt, während die Un-
terſuchungen Aber die Orchographie bed Dichters im fünften Banb manche neue Aufſchlüſſe
gewähren. Biefer en Außgabe folgte eine ebenfalls ſehr empfehlenswerthe Schulausgabe
der ſämmtlichen Gedichte Virgit’® (Rpz. 1845; 2. Aufl., 1849). Außerdem veröffentlichte
er mehre Programme, in denen er alte Virgilianifche Schofiaften zu fichten und zu entwirren
ſuchte. Geine Schrift „Die griech. Tragödie und das Theater zu Athen” (Dresd. und Lpz.
Bagner (Joh. Iaf.) Wagner (Joh. Mart. von) 19
1844), vorzüglich mit Rückſicht auf die „Antigone“ des Sophokles, zeugt von verflänbiger und
befonnener Auffaffung des Gegenſtandes.
Bagner (Joh. Jak.), Philoſoph, geb. zu Ubn 21. Fan. 1775, flubirte in Jena und Göt-
tingen zuͤ einer Zeit, wo Fichte una Schelling die durch Kant begonnene Revolution im Gebiete
der Philoſophie fortführten. Dennoch zeigten feine erſten Schriften mehr den Einfluß der Kant'-
fhen und Platoniſchen als ber Fichte ſchen und Schelling'ſchen Philofophie. Sein Studium der
Schelling'ſchen Schriften befunden zuerft die Schriften „Sheorie der Wärme und des Lichts”
Epz. 1802); „Bon der Natur ber Dinge” (Rpz. 1803); „Werfuch über das Lebensprincip“.
(Lpr. 1805); „Softem ber Idealphiloſophie“ (Bpz. 1804). Gleichzeitig gab er eine „Phiſo-
fophie der Erziegungstunft” (2pz. 1802) in Platoviſcher Manier heraus. Schon wahrend
der Ausarbeitung der „Sdealphilofophie” Hatte er fich mit ber Schelling’fhen Philoſophie
immer mehr entzweit, die er ſpäter als eine chantifche Miſchung von unreifer Empirie mit une
reifer Speculation bezeichnete. W. hatte inzmifchen in Jena, Göttingen und Heidelberg als Pri⸗
vatdocent gelehrt und eine ordentliche Profeſſur der Philoſophie zu Würzburg erhalten, welche
Stellung er fpäter eine Zeit lang aufgab, um fie dann 1815 von neuen einzunehmen. An feine
obigen Schriften fihloffen fi) an: „Grundriß ber Staatswiffenfchaft” (pa. 1805); „Won der
Philoſophie und der Medicin“ (Bamb. 1805); „Ideen zu einer allgemeinen Mythologie der
Alten Welt“ (Fef. 1800) und eine Theodicee (Bamb. 1808), in Form Ylatoniſcher Dialogen.
Seine Idee, die Mathematik in Philoſophie aufzulöfen und dadurch ben Typus einer allgemei-
nen Conſtructiontlehre und Heuriſtik zu gewinnen, fushte er in ber Schrift „Mathematiſche
Philoſophie“ (Erlang. 1811) auszuführen. Gleichzeitig gab er, um feine auf einem viergliebe-
rigen Schema beruhende Gonfkzuction an einem Beifpiele darzulegen, die Schrift „Der Staat‘
(WBürzb. 1811) Heraus. Als die reiffte Frucht feiner wiſſenſchaftlichen Studien betrachtet ex
ſelbſt das „Organon ber menfchlichen Gxtenntnig” (Exlang. 1830), in welchem die Methode
der tetradifchen Gonftruction zu berfenigen Vollendung gebichen, daß in ber Zurückführung ber
Form der Erfenntnif auf das ewige Gefeg ber Welt zugleich bad Mittel gegehen fei, jeglichen
Borftellungeinhalt durch bie Macht der Form in Wiffenfchaft zu verwandels. Diele tetradiſche
Kon ftruction befland ihrem allgemeinen Grundgedanken nach darin, daß das Leben als bag uber
dem Mealen und Idealen fichenbe Weſen fich in die unendlich-endliche Form der endlichen Dinge
um- und aus ihr wieder zur ückbilde. Dadurch entſtanden die Begriffe des Gegenſatzes und der
Bermittelung, fobaß die Begriffe Weſen, Gegenfag, Bermittelung, Form das allgemeine
Schema bes WBeltgefeges darboten. Zulegt fchrieb ex noch ein Syſtem der Privarsfonomie”
(Aarau 1836). Trog der Mannichfaltigkeit und Lebendigkeit feiner Darftellung ift ex mit ſei⸗
nen Anfichten doch —* geblieben. Er ſtarb, nachdem er 4854 in überraſchender Weiſe in
Quiescenz verfegt worden war, zu Ulm 22. Nov. 1841.
Bagner (Joh. Matt. von), namhafter Bildhauer, geb. 1777 in Würzburg als Sohn hei
dortigen Hofbildhauers Joh. Meter Alex. W. (geb. 4730 zu Obertheres in Branfen, geil.
u Würzburg 1809), wendete ſich von den bereit begonnenen Univerſitäts ſtudien ber
Malerei und Seulptur zu und gewann 180% an der wiener Akademie ben erſten Preis im hiſto⸗
riſchen Zeichnen. Nach einem kurzen Aufenchalte in Paris lebte er von 1804 — 8 in. Rom, mo
er fih au 1810—12 aufbielt. Im diefe Zeit fallen feine Gemälde „Der Math ber griech.
Helden vor Troſa“ und „Orpheus in ber Unterwelt”; auch fegte er in Rom feine plafifchen
Etudien fort. Geit 1810 von dem Kronpringen Ludwig von Baiern mit bem Ankauf von A
tifen beauftragt, mußte ex fich 1842 unter großen Hinderniffen, megen ber Continentalſperre,
na) Zante begeben, um dort die berühmten äginetifhen Sculpturen für München zu ering>
bin. Dies gelang; aflein die engl. Begierung belegte die auf Malta befindlichen Kunſhwerße
mit Beſchlag, und exft 1815 holte AB. dieſelben unter vielen Schwierigfgiten nach Dom, wo
Thorwaldſen und er fie reſtaurirten. Schon 1813 hatte W. für den Kronyrinzen auch den Bar-
berini ſchen Faun erftanden. Bon jegt folgten felbfländige Werke, weldhe den Ruhm bed Kunfl-
lert begründeten. Der Entwurf eines Trieſes nach Echiler's „Kienfinifchem Kelle” bey:
1821 den Kronpringen, bei W. ben Eentausen- und Rapithenfampf als Relief für die mund
ner Reſchule zu beftellen, welches von W. in halber Bröße zu Nom medellixt und dangch
Ort und Stelle in Gtein ausgeführt wurde. Im 3.1822 folgte die Beſtellung ded.gegen 3007 .
betragenden Frieſes für das Innere der Walhalla, welcher den Künſtler meh: als 12. beſchäf⸗-
igte und erſt 1859 volffländig aufgefegt war. Während diefer Beit war W. zugleich mit bem
Untauf und der mühfamıen Reftauration antiker Bafen, namentlich aus Vulci, beſchäftigt, welche
⸗
20 Wagner Morig) Wagner (Rubelf)
jegt die herrliche mündhner Vafenfanımlung ausmachen. Mit Ausnahme einer Reiſe nah
Deutfchland 18357 hat IB. feit 1821 wieder in Rom gelebt, wo er bie Lem Könige von Baiern
gehörende Billa di Malta bewohnt. Auch ber 1841 an ihn ergangene Ruf zur Directorftelle
in München vermochte ihn nicht, feinen ihm theuer gewordenen Aufenthalt zu verlaffen. Er
blieb in Rom und ſchuf eine Reihe plaftifcher Werke zur Ausſchmückung bed neuen Sieges⸗
thors in Münden, die Kreife Baierns in fech6 Medaillons enthaltend, ſodann an den Seiten
Kämpfe zmwifchen Reitern und Fußvolk und oben auf der Attila ſechs Victorien und die Bava⸗
rin auf einer von vier Löwen gezogenen Duadriga. W.'s Auffaffung geht durchaus von der
anti griechifchen aus, deren Geift und Gefchichte er trefflich Bennt und in deren Empfindungs-
weife er fich eingelebt hat. Seine Perfönlichkeit ift kernhaft, derb und eigenthümlich, fein Kunſt⸗
ur raſch und entſchieden.
agner (Morig), Reiſender und Reiſeſchriftſteller, geb. 1813 zu Baireuth, beſtimmte ſich,
obgleich ohne Neigung, für den Kaufmannsſtand und kam in ein Handelshaus nach Marſeille,
von wo aus er Algier beſuchte. Die hierdurch geweckte Reiſeluſt führte ihn zu dem Entſchluß,
ſeinem bisherigen Berufe zu entſagen und ſich zu Erlangen naturwiſſenſchaftlichen, beſonders
zoologiſchen Studien zu widmen. Sodann ging er nach Paris und von hier aus 1836 nach
Algier, wo er zwei Jahre lang die ganze Regentſchaft bereiſte und als Mitglied der wiſſen⸗
ſchaftlichen Commiſſion den zweiten, ſiegreichen Zug nach Konſtantine mitmachte. Die Re⸗
ſultate dieſes Aufenthalts in Algerien legte er in den „Reiſen in der Regentſchaft Algier
in den J. 1836, 1837 und 1838” (3 Bde. Lpz. 1844, nebſt einem naturhiſtoriſchen Anhang
und einem Kupferatlas) nieder, einem Werke, das ſich, wie feine ſpätern Meifeberichte, durch
Zuverläffigkeit, einfache und boch lebendige Darftellung, ſowie geiftreiche Auffaſſung und
Beurtheilung auszeichnet. Nach feiner Rückkehr aus Algier ließ er fich in Augsburg nieder.
Bon 1843— 46 unternahm MB. eine andere größere Neife nach ben Kaukafusländern und Ar⸗
menien, über die er in „Der Kaukaſus ımd das Rand ber Koſacken“ (2 Bde., Lpz. 1848) und
„Reife nach Kolchis und den deutfchen Eolonien jenfeit des Kaukaſus“ (Xp. 1850) berichtete.
Mit reichen naturbiftorifchen Sammlungen zurüdgelehrt, Iebte er feit 1846 längere Zeit in
Stalien. Eine neue Reife nach Perfien und dem Lande der Kurben führte er 1850 — 51 aus
und theifte deren Ergebniffe in „Reife nach Perfien und bem Lande ber Kurden” (2 Bde.,
Lpz. 1852— 53) mit. Seit 1852 befindet fich IB. in Amerika, wo er zunächft die Vereinigten
Staaten und Eentralamerita bereifte. Mit feinem Freunde Scherzer beabfichtigt derſelbe noch
mehre Jahre dort zu verweilen. Beide bereiten ein größeres Werk vor, von welchen bie „Reifen
in Nordamerika” (2 Bde., Lpz. 1854) nur als Vorläufer zu betrachten find.
Wagner (Rudolf), ausgezeichnet ald Phyſiolog und vergleichender Anatom, geb. zu Bai⸗
reuth 1805, Bruber des Borigen, erhielt in feiner Vaterflabt und zu Augsburg, wohin 1820
fein Vater als Rector des proteft. Gymnaſiums verfegt worden war, feine wiffenfchaftliche Bor-
bildung und mwibmete fich feit 1822 zu Erlangen, bann feit 1824 zu Würzburg mebicinifchen
Studien. Nachdem er 1826 promovirt, ging er behufs fernerer Ausbildung nach Paris, mo
ihn Cuvier's Einfluß der vergleichenden Anatomie gewann. Er befuchte nacheinander die Kü-
ften der Normandie und Südfrankreich, um an niedern Thieren Forſchungen anzuftellen; ging
1828 nach Cagliari, wo er die geognoftifchen Verhältniffe ftudirte und eine merkwürdige Kno⸗
chenbreccie unterfuchte, und begab fich in demfelben Jahre nach München. ‘Da ſich ihm hier
Leine Ausficht auf eine alabemifche Stellung bot, fo wendete er fich als praktifcher Arzt nach
Augsburg; doch ging er nach Burzer Zeit ald Proſector nach Erlangen, mo er fih 1829 alt
Docent babilitirte, 1832 eine außerordentliche und 1833 die ordentliche Profeffur der Zoolo⸗
gie erhielt. Im 3.1840 folgte er einem Nufe nach Göttingen an Blumenbach's Stelle. Von ber
Einzelnforfhung ausgehend, dad Factum genetifch nach allen Richtungen verfolgend, ſucht W.
zu einem Abfchluß des Ganzen zu kommen und eine Überficht der Wiffenfchaft nach ihren ge-
genwärtigen Stande zu gewinnen. Er verfchmäht jede eigentlich fpeculative Richtung und ge-
winnt baburch den Vottheil, daß er bie thatfächliche Grundlage nirgends der Phantafie aufopfert.
Seine Schriften find fehr zahlreich, aber ohne Unterfchied gewiffenhaft gearbeitet und reich an
eigentlichen Forſchungen. Sie beftehen theils in Lehrbüchern, teils in zahlreichen Abhandlun⸗
gen oder Abbildungen und umfaffen menfchliche und vergleichende Anatomie und Phyfiologie im
weiteften Umfange. Dahin gehören fein „Lehrbuch ber vergleichenden Anatomie” (2 Abtheil.,
Lpz. 1834— 35; 2. Aufl. unter dem Titel „Lehrbuch der Zootomie”, 2 Thle., Lpz. 1845—
47); „Icones physiologicae” (3 Hefte, Lpz. 1839 — 40; neue Bearbeitung von Eder,
%pz. 1852); „Lehrbuch der Phyſiologie“ (Xpz. 1839; 3. Aufl., 1845); „Handatlas ber ver⸗
— — een —
Bogner Richard) > 1
gleichenden Anatomie” (Epz. 1841); „Grundriß der Encyflopädie und Methodologie ber me
dicinifchen Wiffenfchaften nach gefchichtlicher Anficht” (Erlang. 1858); „Zur vergleichen.
den Phyſiologie des Bluts“ (Zpz. 1833); „Beiträge zur vergleichenden Phyſiologie“, auch
unter dem Titel „Nachträge zur vergleichenden Phyſiologie bed Bluts“ (Epz. 1838); feine Ab⸗
banblung „Partium elementarium organorum, quae sunt in homine atque animalibus, men-
tiones micrometricae” (%p3.1834) ; „Prodromus hisloriae generationis hominis atque ani-
malium” (2pz. 1836) und viele andere. Durch Befundheitsrüdfichten genörhigt, 1845 und
1846 zwei Winter in Stalien zugubringen, machte er hier Studien über den elektrifhen Rochen,
welche ihn weiter auf fpecielle Korfchungen in ber Nervenphufiologie mit Rückſicht auf Pſycho⸗
logie führten, deren Früchte er in „Neurologiſche Unterfuchumgen” (Bött. 1854) befannt
machte. Auch beforgte W. mit Will die deutſche Uberfegung von Prichard's „Naturgefchichte
des menſchlichen Geſchlechts“ (A Bde. Lpz. 1840— 48). Zu dem bebeutendften Erfcheinungen
der naturwifienfchaftlichen Literatur gehört bad von ZB. herausgegebene „„Danbmwörterbuch der
Dhyfiologie” (Braunfchw. 1843 fg.).
Wagner (Richard), einer der bedeutendften Gomponiften der Gegenwart, geb. 22. Mai 1813
zu Leipzig, wo fein Vater ftädtifcher Beamter war, bereitete fich erſt auf der Kreuzſchule zu
Dresden, dann auf der Thomasfchule zu Leipzig für das afademifhe Stubium vor. Bei
feiner großen Neigung für Muſik, der er fich ſchon mit Erfolg auf dem Gynmaſium, befonderd
unter Weinlig's Anleitung gewidmet hatte, befuchte er die Univerfität felbft nur kurze Zeit und
widmete fich ausfchließlich feinen mufitalifchen Lieblingsſtudien. W. wirkte 1836 als Kapell-
meifter am Theater zu Magdeburg, ging hierauf nad) Königsberg, wo er fich verheirathete,
und dann nach kurzem Aufenthalte in Dresden als Orchefterdirigent zur Holtei’fhen Bühne
nad) Riga, wo er im Sommer 1858 feinen „Rienzi” begann. Von Riga reifte er zur See über
London nad) Paris, wo er unter mancherlei Sorgen und Entbehrungen 1841 den „Rienzi“
und den „Fliegenden Holländer” vollendete. Zur legtern Oper hatte ihm ein Seeſturm, ben er
auf der Reiſe erlebte, Die Idee gegeben. Im Frühjahr 1842 nach Dresden zurückgekehrt, brachte
er 1843 den „Rienzi” zur Aufführung, was feine Emennung zum Kapellmeifter zur Folge hatte.
Ju Dresden fchrieb WB. unter Anderm die Duverture zu Boethe's „Kauft“, 1844 den „Gruß
finer Treuen an Friedrich Auguft den Geliebten”, 1845 das „Liebesmahl der Apoftel”; auch
erſchien auf der dortigen Bühne im Det. 1845 zum erften male die Oper „Tanhäuſer und ber
Bängerfrieg auf Wartburg“. Wegen feiner Betheiligung an dem dresdener Maiaufſtande
1849 mußte er 7. Mai flüchten. Er wandte ſich nach Zürich, wo er in dem Unterthanen⸗
verband Aufnahme fand und feit 1850 den Mufikverein wie das Theaterorchefter birigirt.
Unter Anderm bichtete und fegte er in ber Schweiz ben „Zohengrin”; eine neue Oper, „Die
Nibelungen”, ift in Ausſicht geſtellt. W.'s Opern, namentlich „Zanhänfer” und „Lohengrin“,
haben fich binnen wenigen Jahren auf faft allen beutfchen Bühnen Bahn gebrochen, und die
Frage um Werth und Bedeutung diefer eigenthümlichen Muſik hat die Gemüther der Kunſt⸗
freunde aufs beftigfte bewegt und das ganze muſikaliſche Deutfchland in zwei große feindliche
Rager gefpalten. Vielerlei innere und äußere Urfachen wirkten zufanımen, um W. fo rafch auf
ine fo bedeutende Stellung zu heben. Die deutfche Oper war faft ganz verarmt und erfchöpfte
fh in erfoßglofen Verfuchen. Gegenüber diefer Impotenz der unmittelbar vorhergegangenen
Jahre mußte WB. als eine felbftändige, nad) fehr beflimmten Zielen rückſichtslos vordringende
künſtleriſche Perſonlichkeit eine einfchlagende Wirkung üben. Das gebildete Yublicum war bes
äſthetiſchen Unfugs fatt, der einen gedankenloſen Operntert allmälig wie ein nothwendiges und
unvermeidliches Übel Hatte erfcheinen laffen: dad Andringen W.'s auf die Wahl großer und
neuer Stoffe, auf eine dem Weſen der dramatiſchen Muſik entfprechendere Behandlung des
Tested mußte zünden. Er felber fuchte in feinen Librettos mit entfchiedener Reform voranzu⸗
gehen, und wenn auch das Urtheil, wie weit ihm dies gelungen, fehr getheilt ift, fo fanın man
ihm doch das Verdienſt nicht beftreiten, hier die gangbare Mittelmäßigkeit aus ihrem behaglichen
lendrian aufgerüttelt zu haben. In feiner Compoſition wirkt ex mit ben flärkften Effecten
und grellften Eontraften. Er lehnt ſich an Beethoven, aber nicht an bie reifften, harmoniſchſten,
claſſiſchen Werke ars der Blütezeit diefes Meifters, ſondern an die ercentrifchen, hyperroman⸗
then aus Beethoven's Iepten Lebensjahren. Darum zerfprengt er bie wohlgeglieberte muſi⸗
kaliſche Architektonik und verwirft fie auch theoretifch. Der eigentliche Nerv feines Talents figt
in der muſikaliſchen Situationsmalerei, Die fich im Recitativ am freieften entfalten fann. Hier
übt W. feine großen und eigenthümlichen Wirkungen, und fein Beftreben, die ganze Oper, nicht
fowol in der Weife Gluck'ẽ als nach Lully's Vorgang, in eine fortlaufende muſikaliſche Decla⸗
p | Bagram
mation zu verwandeln, dagegen bie für ſich abgeſchloſſenen muſikaliſch⸗architektoniſchen Sebilbe
der Arien, Duetten, Finales möglichſt daraus zu entfernen, quillt aus dieſem Grundzuge feiner
perſoͤnlichen muſſkaliſchen Begabung. Der ſchneidend ſcharfen Charakteriſtik opfert er folder -
geſtalt nicht ſelten die maßvolle Schönheit und verwiſcht bie natürlichen Grenzen bed poetiſchen
und muſikaliſchen Ausdrucks. Die rückfichtsloſe Kühnheit, womit dies geſchieht, imponirt und
hat feiner melodiſch und harmoniſch oft wenig einfehmeltheinben Muſik ſo große Erfolge gewon⸗
rien. Einem folgen Beifte war es denn auch natürlich, in ben Aufgebot ber ſtärkſten äußern
Wirkungen der Inſteumentation und der Modtlartonsgegenfäge nicht mar in die Fußtapfen von
Meyerbeer und Berlioz zu treten, ſondern fogar noch fiber das Kußerſte, was dieſe gewagt, hin-
auszugehen. Im origineller, mitunter adenrewerktcher Weiſe Hat W. diefe feine yerfönliche Rich
fung zu Äffhetifchen Dogmen zu geflatten geſucht in feinen Schriſten, unter welchen wir namtent-
ih „Oper und Drama” (3 Thle., Lpz. 183%) und „Drei Operhdichtungen n. f. w.“ (Xp.
1852) hervorheben. @8 if emfenthtend, daß ein ſo felbftänbig Sörbtingender AMünftler nicht
nur durch feine pofitiven Verdienfte, fondern auch durch feine Verirrungen ımb die dadurd
hervorgernfene Oppofition neues Leben in bie hundwerksinäßig erſtarrte dramatiſche Muſik
gebradt hat. Dazu wirkten noch maticherlei äußere Umſtaͤnde mie zu ben ploͤtzlichen Erfolgen
W.'s, namentlich) die Theilnahnie an feirten perſonlichen Schidſalen und eine wenigſtens in der
Mufrtgefchichte des 19. Jahrh. beiſplelloſe Phrteiagiratton für feine Kunfſtrichtung. Solche
Bewegung aber tüfelt züm Ermannen bei Freund und Feind auf, und wo die Yarteigenoffen
in WB.’ Merken eine neue Stufe ber Vollendung in der muſikaliſchhen Kunſt erdlicken, da kön
nen ihm auch feine Gezner dankbar fin für die Anregumg, die er indirect gur entſchiedenen Um⸗
Fehr auf andere Bahnen, zur Rückkehr zu einer in der Form einfachern, im Bebahten tiefern, in
der maßvollen Schönheit einer echten nrufikanſchen Architektonik verſohnten Maſik gegeben hat.
Dot. Liſzt, „Lohengrin &t Tanhäüser de Richard Wagner” (Spz. 1851; deutfch, Köln
1852); Naff, „Die Wagnerfrage” (Th. 1, Brnunfcht. 1854). — Wagner Johanna), Richte
bed Vorigen, ift eine ber audgezeläjnetiten deutſchen Opernfängerinnen ber Gegenwart, beſon⸗
ders In heroiſchen Partien. Nachbem fie bereits am dresdener Hoftheater engagirt geweſen war,
ding fie zu ihrer weitern muftlaltfihen Ausbilbung zu Garcia nach Paris, trat dann in Dres-
Ben, Hamburg, Berlin u. [. fo. mit großem Beifalle als Bravourfängerin auf und wurde 1853
Zur konigl. Kaͤllimerſängerin ih Berlin ernannt.
Wagram oder Beraſch Vagram, ern Dorf im Kreiſe unter dem Wiener Walde in Öftreich
tinter der Ens, das durch Vie Schlacht geſchichtlich wurde, welche hier Napoleon 5. und 6. Juli
1509 gegen den Erzherzog Karl gewann. Nach der Sehlacht bei Aspern (ſ. b.) und Esling be⸗
feitete ſich Napoldon abermals Hör, Über Hie Dünan zu feßeh, um ber öſtr. Hauptmacht umter
bein Erzherzog Karl auf Bam linken Flußufer Eine entſcheidende Schlacht zu Tiefen. Er ver-
ftaͤrkte fich durch die ſiegreiche Armee, die ihm Prinz Eugen ans Italten zuführte, ließ bie
2%. Stunden unterhalb Wien Hegende Donauinſel Lobau in äine uneinnehmbare Feſtung ver-
randeln und fegte die Inſel durch mehre beftftigte Brüden Über den 2400 $. breiten Haupt-
bin ber Donau Int bern techten Ufet In Verbinbdung. Die ungeßöuern Werke waren in 15—
WO Tagen vollendet. Auch Der Etzherzog Karl Hätte zum Wfchiisenden Ranıpfe feine Vor⸗
kehrungen getroffen. Et Hatte feine Armee durch zaͤhletiche Meferwen und Aushebungen in Un-
arn und Mähren verftärkt und bebeutende Berſchänzungen aufwerfen laſſen, deren rechter
ügel ah Großtiepern, deren linker an Enzersdorf lehute. Um 1. Juli 18009 verlegte Napo-
On ſein Ocupeqquartier auf Lodau. Urn den Erzherzog Über ben uͤbergangspunkt zu täuſchen,
ee J. Juli ein Meines Corps aitf die Mählinfe, Etling gegenliber, dus hler imter dem
er der O reicher Ritt zroͤßen Geraͤuſch Kite Brücke nf die aha Lobau Ang. Nachts ge
Yen 10 Uhr eröfftieten die franz. Batkerien auf den Jaſein Nontebello, @üpngne und Lobau
en Heftiges Feuer gegen das Me Donauufer umd ſteckten Euzersborf m Brand. Zugleich
fegten einige Taufend Marin unter dem Dberft SteCroix von der Inſel Lobau aus in
Kahnen, Vie don Kanonierbooten gedeckt waren, üher ben Iinfen Donauarik, nahmen bie öftr.
Schanzen, deſchten Muͤhlleiten und drangen gegen Wittau vor. Unter dem Schute diefer Ope-
ration ging nun bis Nachts 2 Uhr, von Finſterniß und Gewitterſtürmen begünſtigt, die franz.
Suuptmacht bon der öſtlichen Spige der Inſel Lobau aus auf dab Iinfe Donauufer über. Am
orgen bed 5. Juli Hatten bie Franzoſen auf dem linken Flußufer ihre Fronte nach Norden;
Wr linker Flügel war an bie Donaubrücke gelehnt, ihr rechter nach Wittau Hin ausgedehnt.
ur äußerften Linken befehligte Maffena ; dann fehloffen fi) Eugen und Bernadotte mit ben
Wagram B
Sachſen an; im Gentruni befanden ih Marmont, Dudinot und die Garde; den rechten Flügel
bildete das Corps Davoufl’6. Das ganze franz. Heer zählte 151000, nad oſtr. Nachrichten
180000 Mann mit 584 Gefhügen von meift ſchwerem Kaliber. Dex rechte Flügel der Öffrei-
cher, unter Klenau und Kolowrat, zog fi von Stadelau nach Berarbborf; das Gentrum, von
Beuegatde und dem Erzherzog Karl ſelbſt befehligt, fiand von Gerarsborf nach W. der linke
Hügel unter Rofenberg und Hehenzollern hatte die Stellung von ZB. nach Reufiedel. Das
öfter. Beer bildete alfo einen Winkel, in beffen Scheitel BB. lag. Die öfter. Streitmacht zählte -
180000, nach franz. Bericht 140— 160008 Mann mit 410 Befchügen. Wiewol ber Erzher⸗
zog Karl die Dörfer Esling und W. aufs ſtärkſte mie Schanzen umgeben, war Doch, bei dem
Schwanken zwiſchen Offenfive und Defenſive, bie Befeſtigung der weiter rückwärts gelegenen
Stellung, der Yelttion von Etamımersberf bis Neufiebel, verabfäumt worden. Erſt 5. Juli,
als die Harecher ſahen, das Ihr linker Flügel bereitd umgangen, verfuchte man in ber Eile, bie
Poſition von Stammersborf nach Meuficbel durch Schangen zu beiten. Inbefien war dem Erz⸗
herzoge Karl die Gefahr für feinen linken Flügel nicht entgangen. Er hatte am Abend bes 4.
Juli dem Erzherzog Johann, der mit feinem Armeecorps bei Bresburg fland, den Befehl er-
theilt, aber Marcheck zur Armee zu ſtoßen und im Verein mit dem linken $lügel zu operiren.
Allein das Eintreffen bed Erzherzogs Sohann, das berechnet war, verzögerte fich, ſodaß bie
Moe bes Oberbefehlöhabers zu richte geworben fein follen. Mach bem Grumdgebanten, ben
ber Grzherzog Karl für den Kampf gefaßt, Sollten feine Bortruppen vor derüberlegenen Gtärfe
des Feindes auf die Hauptſtellung zuruckweichen. Dann wollte man, zur Linken durch den
Erzherzog Johann verfärkt, die Dffenfive ergreifen und befenders mit bem rechten Flügel auf
die Kommumicationen be6 Feinbes wirken. Schon um 8 Uhr am Morgen bes 5. Juli eröffnete
Maffena bie Schlacht, indem er Einzerdborf ſtürmte. Die Oftreicher verließen bie völlig flan⸗
tirten Dörfer Esling und Aspern, die Maffena befepte, und zogen fi; auf Etammersberf.
Die gange franz. Armee rückte num vor, richtete fich befonders gegen den linken öftr. Flügel und
befegtebalb, den Nußbach vor ſich, dad Marchfeld. Davouſt nahm GSlinzendorf und Großho⸗
fen, Bernabotte Aderklaa. Am Nachmittag entfpaun fich das Feuer auf der ganzen Linie des
Rußbaches. Davouft verſuchte ben linken öfte. Flügel zu umgehen, wurde aber von Liechten⸗
fleins5 Wekterei.unter Roftig zurückgeworfen. Desgleichen mislang ein bintiger Angriff, ben
bie Franzoſen gegen Abend auf WB, den Schluͤſſel der öfter. Stellung, machten. Nachts 14 Uhr
tie Napoleon dieſen Angriff von einer ſächſ. und franz. Kolonne wiederholen, der aber eben⸗
falls nicht zum Zwecke führte. Wiewol der Erzherzog 5. Juli zurückgewichen, ſodaß feine
Streiffräfte am Abende von Bifamberge an ber Donau ‚über Stammers dorf, Hagenborn,
Seransborf, W. und bie Höhen von Neuſiedel eine Linie bildeten, blieb bach bie Schlacht gänz-
ſich unenefchieben. Napoleon faßte für den folgenden Tag den Entſchluß, W. zu nehmen und
das oͤſtr. Centrum zu ſprengen. Der Erzherzog hingegen wollte ben linken feindlichen Flügel
zurückdrüngen und fich, ber urfprünglichen Dispoſition gemäß, ber Donauverbinbungen be-
mäãchtigen. Freilich mußte er hierbei auf die Ankunft des Erzherzogs Johann auf feinem lin⸗
Ten Flügel vechnen. Am Morgen des 6. Juli rückte demnach bie ganze öflr. Linie vor. Napo⸗
kon, der Milsficht feines Gegners nicht ganz gewiß, blieb anfangs in Unthaͤtigkeit. Erſt als bie
Oſtreicher Aspern und Esling nahmen und mächtig überBreitenlee vorbrangen, bildete er aus
zwei Divifionen unter Masbenalb, der Garbemmvalerie, einer Küraſſierdiviſien und 100 Ge-
fügen unter Lauriſton eine graße Augriffscolonne, mit weicher er ſich auf das öftr. Gentrum
zwiſchen W., Aderkiaa und Güßenkrumn warf. Während die Oſtreicher im Gentsum zurück-
wichen, geiff Davouſt den.linben öſtr. Flügel an und nahm Neuſtedel; besgleichen ſchritt Maſ⸗
ſcna zur Dffenfise. Weniger das feindliche Eindringen ins Centrum mie das Aufrollen des
inften oͤſtr. Siugels der trotz ber blutigſten Auftrengungen die Umgehung nicht zu hindern ver⸗
mochte, berog den Erzherzog Karl ſchon gegen Mittag zum Autritt des Mückzugs. Derſelbe
ging anfangs wnter-heftigen Angriffen, aber in großer Ordnung und uhne Wetluſt vor ſich.
Us die Nacht aubrach, war bie öſtr. Armee dem Teinde fchon faft ganz aufer dem Gefichte.
Umd Uhr Rachmittags zeigte ſich bie Avantgarde des Erzherzogs Johann bei Oberfieben⸗
brum, wo am Morgen der. änferfie linke Fluͤgel der Öftreicher geſtanben hatte. Jede Hülfe
Lam jedoch zu fpät, und Johaun kehrte ſogleich mit feinem Corps nach Presburg zurück. Der
Seſammtverluſt der Oſtreicher betrug bei W. 24000 Mann. Die Franzoſen verloren minde-
flens ebenfo viel, ja nach einigen Berichten fogar mehr. Die franz. Corps folgten ben Oſtrei⸗
Gera auf der Bitrafie von Rifoloburg und auf ber von Hollabrunn, auf weicher Maſſena fort-
oeſchee Arrieregardengefechte lieferte. Am 11. Juli beftand ber Erzherzog Karl zur Rettung
24 | Bagrien Wahaͤbiten
feines Geſchütes und Gepäcks noch bei Znaym gegen Marmont ein ſehr hitziges Gefecht. Im
ber darauf folgenden Nacht wurde der Waffenſtillſtand gefchloffen, dem am 414. Oct. 1809 der
Friede zu Wien folgte.
Wagrien ober Waierland, eine Landſchaft in Holftein (f. d.), welche, im Weften vom
eigentlichen Holfteln und Stormarn, im Norden von ber Oſtſee, im Südoften ebenfalls von ber
Oſtſee und von Medienburg begrenzt, den öftlichen Theil bed gefanımten Herzogthums aus«
macht, wo fie als ein halbinfelartiges Dreieck in die Oſtſee hineinragt, deffen mit dem Rande
zufammenbängenbe Baſis von einer Linie gebildet wird, welche, vom Kieler Meerbufen aus⸗
gehend, die Schwentine entlang durch den Plönerfee bis zur Trave ſich zieht, die dad Land in
feinen Süden in einem Bogen umgibt. Die Eintheilung Holfteind ins eigentliche Holftein,
⸗Dithmarſchen, Stormarn und W. ift jegt nur noch eine hiftorifche. Demgemäß find zu W.
nicht nur die zu dem heutigen Derzogthum Holſtein gehörigen Amter Eismar, Plön, Ahrent-
bök, Travendahl, Reinfeld und Rethwiſch zu rechnen, fondern auch) die jegt zu Schleswig gehö-
tige Infel Femern fowie das olbenburg. Fuͤrſtenthum Lübeck und ein großer Theil des Gebiets
der Freien Stabt Lübeck. W. war urfprünglich von deutfchen Völkern faffiichen Stamms ber
wohnt, nach beren Wegzuge ed von dem ſlaw. Volke der Wagrier, bie ihm auch ben Namen
verliehen, eingenommen wurde. Um die Zeit Karl's d. Gr. befafien fie das Rand noch unter ei»
genen Fürſten; doch ſchon im 10. Jahrh. waren fie von den ſächſ. Herzogen bezwungen. Durch
die Achtserklärung des Herzogs Heinrich des Stolgen von Sachfen kam W. an ben Grafen
Heinrich von Badewide und von diefem 41140 an den Grafen Adolf I. von Holftein, der es
feiner Grafſchaft völlig einverleibte, mit welcher e6 ſeitdem alle Schickſale theilte.
Wahäbiten oder Wechabiten (arab. Wahäbi), eineneuere mohammebanifche Sekte, welche
in reformatorifcher Weiſe bie Lehren und Gebräuche des Islam auf die wörtlichen Vorfchriften
des Koran und der überlieferten Ausfprüche Mohammed's zurücdführte und diefe Reform, fo
weit ihre Macht reichte, mit Gewalt burchzufegen fuchte. Der Stifter ber Sekte war ein ge⸗
Iehrter Araber Abd-el-Wahab aus dem Stamme Tamim, ber fi um die Mitte des 18.
Jahrh. nach langen Wanderumgen mit feiner Familie in der Stadt Deraljeh in ber Provinz
Nedſch nieberließ unb zuerft den bamaligen Machthaber diefer Stadt, Mohammed⸗Ibn⸗Sauͤd,
bekehrte, der auch fein Schwiegerfohn wurde. Die Lehre der Wahnbiten Tann als ein mosle-
mifcher Puritanismus bezeichnet werben. Die Beobachtung der Vorfchriften bes Koran hatte
befonderdaunter den Türken fehr abgenommen, die äußern Religionsgebräuche, Gebet, Reini-
gungen, Baften und die Verehrung der heiligen Scheikhs an ihren Gräbern waren zur Haupt«
fache geiworden. Die Anhänger der neuen Sekte drangen auf regelmäßiges Almofengeben, auf
ſtrenge Juſtiz, auf den Krieg gegen bie Ungläubigen, wie ihn Mohammed und feine Nachfolger
gepredigt hatten, auf Enthaltung von Wein und gefchlechtlicher Ausfchweifung ; zugleich ver-
pönten fie den türk. Kleiderlurus und das Tabadrauchen. Das Verbot ded Tabacks wurde vor-
zugsweiſe zum Loſungswort bei ben Belehrungen der Wahabiten. Sie verwarfen auch die
Anbetung des Propheten und zerftörten alle Welis oder Gräber ber Heiligen. Es wurde ben
berrfchfüchtigen Führern nicht ſchwer, bie rohen Beduinenmaſſen, die für fie kämpften, zu einem
wüthenden Fanatismud zu treiben, ber bie türk. Glaubensgenoſſen für Keger und Ungläubige
nahm, während dieſe ebenfo ihre Gegner als Feinde ihrer Religion anfahen, obwol fich bei einer
Beiprechung von zwei abgeorbneten Gelehrten der Wahäbi mit den Ulemas in Kairo im
Herbft 1815 ergab, daß die erflern nichts Ichrten, was bie legtern nicht auch als ihre Lehre an-
erkennen mußten. Bei der Tapferkeit und Grauſamkeit der Wahabi verbreitete fich ihre Herr-
ſchaft mit unglaublicher Schnelligkeit unter den arab. Stämmen, von welchen fie in kurzer
Zeit 26 unterjochten. Ibn⸗Sauͤd's Sohn und Nachfolger, Abb-el-Afis, konnte ſchon ein Heer
von 100000 ftreitfähigen, wohlberittenen Männern ind Feld fielen. Vorzüglich begünftigte
bie Unternehmungen der Wahabiten die Zerrüttung, von welcher die Pforte betroffen war.
Erſt 1801 erhielt der Paſcha von Bagdad Befehl, gegen die Wahabiten zu ziehen, die aber
ben gegen fie gefchidten Feldherrn durch Befchenke zum Rückzuge bewogen, dann bie Stadt
Imaͤm Huſſein überfielen, zerftörten und nach Erbeutung vieler Schäge in ihre Wüſten zurück-
flohen. Nach diefem glüdlichen Unternehmen gelüftete e6 den Wahabiten fehr bald nach den
Scägen der heiligen Stadt Mekka. Der Emir Abd-el-Afis fendete feinen Sohn Ibn⸗Sauͤd (II.)
mit 100000 Mann gegen Mekka, welches die Wahabiten ohne Wiberftand einnahmen und wo
fie viele Scheikhs und Pilger ermordeten, alle heiligen Denkmale zerftörten und unermeßliche
Schäge von bannen führten. Ibn⸗Sauͤd verfuchte num die Eroberung von Dfchidda und Medina
und zog fich, da dieſes nicht gelang, nach Deraifeh, wo inzwifchen 1803 fein Vater ermordet mor-
Bahl, Bablrecht, Bahlverfahren
den war. Ibn⸗Sauüd (II.) wurde nun Fürſt der Wahabiten. Im J. 1806 erſchienen fie zahl⸗
reicher zum Kampfe al& je: fie plünberten die zum heiligen Grabe wallfahrtende Karavane,
eroberten Mekka, Medina, felbft Dſchidda und bezeichneten jeden Tag durch Blutſtröme und
durch Belehrungen, 3.3. des Scherifd von Mekka. Die Kurcht vor den Wahabiten verbreitete
fich im ganzen Morgenlanbe, und felbft die Briten beforgten, durch fie in ihrem Handel gefähr-
det zu werben, weshalb fie 1809 ben Imam von Maskat, gegen ben fich fein Bruder emport
hatte, durch Truppen unterflügten. Im 3. 1811 rief die Pforte Mehented- Mi, ben Pafcha von
Agypten, zum Kampfe gegen bie Wahabiten auf, um deren Macht, die ihr gefährlich zu wer-
"den ſchien, zus brechen. Der erfte Zug gegen fie, den Mehemed⸗Ali mit feinem zweiten Sohne
Juſuſ⸗Paſcha unternahm, ging anfangs glücklich von ftatten; doch fah er fich fpäter zum
Rückzug genöthigt. Bald indeß kehrte er mit neuen Verflärkungen zurüd und nahm nun Me
dina und auch Mekka durch ben Verrath des Scherifs von Mekka, der feit 1806 zu den Waha⸗
biten übergetreten war. Deshalb aber waren diefe noch nicht unterdrückt. Den größten Nach⸗
theil brachten ihnen die innern Unruhen nach Ibn⸗Sauͤd's (IL) Tode 1814. Endlich wurbe
deffen ältefter Sohn, Abballah- ben- Sauͤd, zum Oberhaupt gewählt. Der Krieg begann von
neuem, und es erfocht Ibrahim⸗Paſcha, der Aboptivfohn Mehemed⸗Ali's, 1815 bei Basrah ei»
nen entfchiedenen Sieg über bie Wahabiten. Nichtödeftoweniger dauerte der Kampf fort, bis
es Ibrahim⸗Paſcha 1818 gelang, fie voliftändig zu ſchlagen und in ihrem befefligten Lager,
vier Tagenfärfche von ber Hauptſtadt Deraijeh, einzufchließen. Das Lager wurde 3. Sept. er-
flürmt und Abdallah gefangen, morauf ſich auch die Hauptſtadt unterwarf. Abdallah wurde
zu Konftantinopel nebft feinem Mufti und Schagmeifter 17. Dec. 1818 enthauptet, Deraifch
aber von Grund aus zerſtört. Deffenungeachtet waren bie Wahabiten 1828 wieber fo er⸗
ftarkt, daß fie abermals den Krieg gegen die Pforte begannen, jedoch babei unterlagen. Bel.
Burdhardt, „Notes on the Bedouins and Wahabys” (Xond. 1850).
Wahl, Wahlrecht, Wahlperfahren. In der Verfaffung der Staaten ift die Art, wie
thejls das Oberhaupt des Staats im Wahlreiche (f.d.), theil6 die Beamten, kirchliche und welt⸗
liche, Staats⸗ und Sorporationsbeamte, theild endlich bie Sprecher und Stellvertreter des
Volkes auf ihren Platz berufen werben follen, einer der allerwichtigften Punkte, und von jeher
hat man eine Menge Einrichtungen verfucht, um einerfeitö zu jedem Amte ben Würdigſten zu
erheben, andererfeit® aber auch Unruhen, Parteilämpfe und gefährlidge Erfchütterungen zu
vermeiden. In ber Monarchie, wo bie ganze Verwaltung ald vom Monarchen ausgehend be
teachtet wird, bildet die Ernennung durch diefen bie Regel. In ber Demokratie muß ber Natur
diefer Verfaffung gemäß Alles auf Volkswahlen zurüdgeführt werben. Die oberfte Gewalt
liegt in den Volksverſammlungen, und auch bem erwählten oberfien Beamten, 5. B. dem Präfi-
denten der Bereinigten Staaten von Nordamerika, wird bloß die Ernennung derjenigen Regie-
rungsbeamten überlaffen, welche in einer ſolchen Gefchäftsverbindung mit ihm find, daß der
Gang ber Befchäfte nur durch eine volllommene Übereinflimmung erhalten werben kann, bie
fi) lediglich durch das Recht der Ernennung und Entlaffung fihern läßt. Indeß kanıı auch in
der Monarchie die Berufung ber Geiſtlichen, Gemeindevorſteher und anderer örtlicher Beamten,
felbft der Richter, theils dem Volke felbft (den Gemeinden), theild einem Collegium (den Ca⸗
piteln und einem Ausſchuß der Gemeinde, Magiſtrat oder Gemeinderath) überlaffen fein.
Selbſt in der abfoluten Monarchie find den Ritterfchaften der Kreife, ben Städten, Kaufmanns-
gilden, dem Klerus zuweilen in dieſer Beziehung fehr ausgedehnte Wahlbefugniffe eingeräumt.
Borzugsmeife wichtig ift diejenige Ausübung des Wahlrechts und des-Wahlverfahrens, welche
fi) auf die Wahl von Landesvertretern (Abgeordneten oder Deputirten) beziehen. Wie biefe
Wahlen einzurichten feien, damit nur echte Repräfgntanten ber Volksvernunft gewählt werben,
und damit nicht Volksverführer, Schmeichler und Schwäger den Sieg bavontragen, Fein ein⸗
feitige8 Intereffe überwiegt, alle Theile des Landes vertreten find, auch die Wahlen nicht durch
Beſtechungen erkauft oder durch einen umgehörigen Einfluß ergmungen werben können, das ift
keine Sache allgemeiner Theorie, fondern kann nur nach den eigenthümlichen Volksverhältniſſen
beftimme werben. Wo die meifte Einficht, die meifte firtliche Bildung im Volke zu finden ift,
dahin muß auch das Hauptgeichäft der Wahlen verlegt werben. Da aber jenes nicht flet® auf
einer Stelle ſtehen bleibt, fo wird auch das Wahlgeſetz eine gewiffe Biegſamkeit befigen müſſen,
um durch leichte Abänderungen nach den Bedürfniſſen der Zeit fortgebildet werben zu fonnen.
In England war ſchon von alter Zeit her ein Cenſus eingeführt, jedoch als Bedingung bes
Wahlrechts nur bei den Butöbefigern ber Grafichaften und bei der Wahlfähigkeit. Durch die
Parlamentsreform (f. Großbritannien) murde das Wahlrecht viel weiter ausgebehnt, fobe”
36 Wahl, Waplsccht, Wahlrerfahren
daran über eine Million Menſchen Che nahmen; aber in der immern Verfaſſung ber Städte
lagen noch fo viel Unglebchheiten und Gelegenheiten zu imgebührlicher Cinwirkung auf bie
Wahlen, 3. B. durch bieeste und indirecte Beſtechung und Einfluß der Grundherren, daß erft
die Reform der ſtädtiſchen Berfaffung dazu kommen mußte, um eine beffere Nationalrepräſen⸗
tation möglich zu malen. In Frankreich (ſ. d.) hatten bis zum Befeg vom 5. Febr. 1817 die
Wahlen zwei Stufen: in den erfim, allgemeinen ober Primärverſammlungen wurben bie Wäh-
Ter (electears) and don dieſen erft Die Deputirten au den Reichsftänden gewählt. Die erſte
Rationalverfammlung führte einen geringen Wahleenſus ein; wahlberechtigt (oitoyens actifs)
folkten mın nur Diejentgen fein, welche fo viel directe Steuern bezahlten, als an ihrem Drte ein
Weeitägiger Arbelts lohn Betrug. Die Wähler mußten wenigftens einen gehntägigen Urbeits-
lohn alb Steuer entrichten, die Deputirten zur Rationalverſammlung werigfiend eine Mark
Silber (20 Gldn.) Tienern und ein wenn auch noch fo kleines Grundeigenthum befigen. Na-
poteon hob die Wahlrechte der Nation faſt ganz auf, indem er ihe nur das Recht ließ, Wähl-
barkeitsliſten zu entwerfen, aus welchen bie Regierung felbft wählte. Ludwig XVHI. gab fie der»
ſelben zurück. dug wurde aber ber Cenſus bebeutend erhoͤht; denn nach der Charte von
1814 ſollten nur Diejenigen wahlbevechtigt oder finuımfähig fein, weiche 300 Fres. directe
Steuern bezahlten, und ein Deputirter mußte 1000 Fres. bezahlen. Daher gab ed m ganz
Branfrei 1830 nur 92060 Wahlberechtigte, wovon das am höchften befteuerte Viertheil ver-
möge des doppelten Sammdechts, welches dudch das Geſetz vom 29. Juni 1820 eingeführt
worden war, zu den 258 in den Bezirkowahlen ernannten Deputirten noch in ben Departe⸗
menswahlen 172 Deputinte zu wählen Hatte. Dieſes doppelte Botum war bi6 1850 ein großer
Stein des Anfloßes, weil eu den Weichen ein aubfehließsiches Vorrecht der Mepräfentation gab;
dennoch Yenderte es nicht, daß die Wahlen 1829 umb 1830 gan, im Sinne ber Oppoſition
ausfielen. Nach den Ordonnanzen vom 25. Juli 1850 follse Vei dem Wahlcenfus die Be-
werbſteuer nitht mehr in Aurechnung Tommen, wodurch bie Zahl ber Wahlberechtigten und
Wanfätigen Ti noch mehr vermindert haben würde. Allein die Julirevolution trat dazwi⸗
ſchen und in ihrem Gefolge kam Das Befsg vom 19. April 1851, wodurch der Wählbarkeits-
eerſus auf 300 Yves. Ahrlicher Grundſteuer herabgefegt und Allen, welche 208 Fres. directe
Orenern zuhlton, das Wahlrecht eingeräumt wurde. Bkisglieber oder Correſpondenten bed In-
flits, penfionitte Dffiziere, deven Gehalt 1200 Eros. buttug, erhielten Das Wahlrecht ſchon
ei OO Vers. Inbbeneter Stemern, mb fo ſtieg 2854 die Zahl der Wahlb erechtigten auf 194008.
Die Revolution von 1848 Fährte das allgemeine Wahlrecht ein. Die Nationalverſammlung
yon YEBO veſchraͤnkte jeboch dufſelbe von neuem, vedgrend Napoleon IH. das allgemeine Wahl
recht wiederherſtellte, ſodaß gegenwärtig Frankreich an 40 MIN. Waͤtzler zählt, obſchon Die par-
lamentart he Bewalt ſerſt mehr als je beengt worden iſt. In ben deutſchen Staaten beſtanden
Hi6 1848 für das Wahlrecht im Allgemeinen folgende Principien: 1) Der Grunbbefig war bie
Baſis der NMepräfentation und daher mit wenigen Ausnahmen sine Bebingung ſowol ber
Wahlberechtigung ale der Whhlbarteie. 2) Nur bem großen Grundeigenthum hatte man theils
erbliche eigene Sthnnmen in der Stänbeverfammtlung, thell6 unmitselbare einfache Wahlen ge-
geben, bei dem Meinen Grundeigenthum und bem ſtädtiſchen Wewerbe aber mittefbare ober dop⸗
pelte Wahlen eingeführt, wodurch nun ein breifacher Wahleenſus: a) ber Wahlberechtigten bei
Der Wahl der Wahlmänner, b) der Wahlmänner und 0) ber Deputirten entfland. 5) Außer⸗
dem band man in den melſten Staaten das Wahlrecht, in vielen auch die Waͤhlbarkeit an den
Stand, letztete disweilen auch noch an den Bezitk. Im J. 1848 trat auch Hier.an die Stelle
der beſchraͤnkenden Wahlgeſehe faſt überall das unbeſchraͤnkte Wahlrecht aller mündigen, unbe
ſtholtenen und ſelbſtaͤndigen Staatsbürger, gewöhnlich ohne Cenſus, auch für die Wählbarkeit
und ohne Zwiſthenſtufen des Waͤhlens. Nach denſelben Srundfägen wurden, wenigſtens in ben
melften Staaten, die Abgeorbneten zur Deutſchen Nationalverſammlung gewahlt. Seitdem iſt
man aber Taft alleewärts wieder au mehr aber weniger befchräntenden Wahlgeſeten zurü-
gekehrt. Rükkſichtlich des Wahlverfahrenis kommt neben ‚dem Unterfihlebe der ummitseldaren
oder Drrecten und der mittelbaren uber ndireten Wahlen (dınch Wahlmänner) auch wech bat
in Betracht, ob die — dffentlich ober geheim (durch Ballotage ſſ. d. ) abgegeben wer-
den. Erſteres finder in England ftatt, iſt aber auch dort ſchon lange ber Begenfland einer von
Jahr zu Jahr wachſenden Oppofltion geworben, welche behauptet, bie Öffentiiche Abſtimmung
mache den in abhängigen Werhäteniiin flehenden Theil der Waͤhler (wie Päthter, Hand⸗
werker u. ſ. m.) unfrei in ihrer Entſchließung, weit fie die Mache ihrer reichen Arbeitgeber ober
Kunden fürchten müßten, wenn fie gegen deren Wuͤnſche ſtimmen würden. Man unterfiheidet
Wahl ( Chriſtian Albr.) Wahlenberg 77
Dee attivem und paffivem Wahleecht; Teytere& ift gleichbedeutend mit Wahlbarkeit. Vgl.
Gau, „Wahlrecht und Wahlverfahren“ (Rpz. 1849).
Wahl (Ehrifien — verdienter Ereget und Bibelforſchet, geb. zu Dretden 1. Neon.
1773, bifdete ſich auf der Kreuzſchule zu Dresden und auf der Uninerfität zu Reiprig, hier na-
mentlich unter der Leitung Kril's. Im J. 1801 wutde er Pfarrer zu Frirßdorf und Ramımel-
burg Im Mansfelbfgen und zeichnete ſich ſchon damals auch als Schriftſteller aus dur; bie
„Hſſtoriſche Einleitung in die Tnnneliihen Buͤcher der Bibel, als Vorbereitung auf den Neli-
gtondunterricht” (Apz. 1802), ſowie durth fehwe „Quaestioner Yheologico-dogmaticae tandi-
datis theologiae e xamini sese subjeoturis propositae” (Bps. 1805). Im J. 1808 ald Dber-
pfarrer nah Schneehb eeg berufen, wirkte ex mit Riebe für das Wohl der femer Aufſicht anver-
trauten Schulen und veröͤffentlichte zu dem Zwecke imter Anderm ſeine, Vorſchlage und Witten
in Altern, Lehhrer und Erzieher, betreffend Die BDildung und Erzirhung des jeyt mıter uns auf⸗
vlichenden Reuſchenzeſchicchts⸗ (Lpy. 1808). Nicht minder erfolgreich war ſeine Thätigkrit im
dem thin 1023 Wertragenen Superintendentenamir zu Dſchatz. Rachdem Ihn bie throiogiſche
Faeutiũt zu Leipzig 1627 zum Doctor ber Thedlogie ernannt, wurde er 1835 als Kirchen- und
Schulrath ſowie als Randeseonfiftorittnmg nach Dresben berufen, wo er auch Felt feiner Penſioni⸗
rung lebt. Seine Hauptwerke find außer ber „Hiſtotiſch⸗praktiſchen Emteitung in bie dibliſchen
Schriften” (2 Bde., pz. 1820) bie „Clavis Novi Testamenti philologica” (2 Bbde., £pı. 1822;
6. Aufl, 1848) and „Clavis librorum Veteris Testamenti apocryphorum” (Epy. 1853), welche
gu den kt ften Hüffömittefn für das Verſtaͤndenß des griech. Theile der Bibel zählen.
Waptrayitutattun name Man im Deutſchen Mehhe Die Hei der Wahl eines röm.-beut-
[hen Kaiſerẽ von den Kurfürſten befühloffenen Satzungen, welche ber Kaifer vor feinem Me
gleenenigd anttrirt gen me. Beim Weſtfaliſchen Frieden von 1648 wwrbe beſtimmt,
rine BeRänkage Wadlchpttrfatien (vapitulatio perpetus) zu dieſem Brhufe zu entwerfen;
bieſelbe ift aber vorgen der Melmungboverſchiedenheit der Aurefürften nie zu Stande gekommen,
obſchon fie des firfliiige Eoltegium wiedetholt in Anregung brachte. Es wurde daher für
feden neuen Mailer eitie Paiferkige Wahleapituſatton (copitulatio caesarea) abarfaßt. Die
Hauptpuktee, die in diefer dan Raifer zur Pflicht gemacht wurden, waren: ſich der Kirche und
des Pirfies anzunehmen; das Neich zu Tehligen und au mehren; den Kurfürſten und Bürften
den nöthigen Schut zu gernähren und fle in ihren Beſtez und Ihren Nechten zu laſſen; nichte
vhne den Reichötag verzumchmen; Ten Bündniß ohne Denfefben einzugehen; bie Pollzei und
ven Handel zu umterfliipen ; kLeinen heuen Boll aufzulegen; das Mumzweſen in Orbnung gu
halten ; nichts von dem Melde gu verfaufen ober zu verpfänden; die Beſtimmungen bes Well
falifchen Friedens in Kraft zu erhalten; in Deutfchland 100 möglich zu reſſdbren; ‚Die kath. und
protrſt. Relthzibn zu frügem ; tricht zu dulden, daß fremde Mächte ſich In Bir Neugtonsangelegen⸗
heiten miſchten; ven Laudftieden, die Unabhängigtelt der rechtjprechenben Beherden und die
RKoachbpofi zu wahren. Bot bieſer Wahleapitulativn wurde ſebem Kurfürſten ein unterſiegeltes
Exemplar ausgehamcdigt, wogegen bie Kutfürſten dem Kaifer bie Urkunde feiner Wahl übergaben.
Buhte (Grorg), berahnuer ſchwed. Botaniker, geb. 1. Det. 1780 auf bem Eiſen⸗
werk Stur vfiitan in Rill pſad lag der Provinz Wermland, wo fein Water angeſrellt
wär, gab ſchon waͤhrend fehner Otublen in Ypfala Beweiſe feines Forſcherſinns bei Behand»
fung nakur teſchichtlicher Gegeniftänbe, wes halb ex auch als MUnımmuenfis beidem natırhifiori-
Then Muſcum der Univerfirät angeſtellt wurde. Unterflügt von dem Baron von Hermelin md
von Yen Gärierüten der Wiſſenſchaften zu Stockholm und Ipfala, marhte er botanifche und geo»
logiſche Netſen In Sie mtlegeneen Landſtreche Senridimaviens, durch das ſchwed. amd norweg.
Lappland mb nach Gothlarid. Ruchdem er füft ganz Skandinudlen unterſucht, reifte ex auf
Koſten ver Antoerficht und nie Bethütfe eines Nteiſeſtißendiums nah Böhmen und Ungarn,
wntetfirihre die Karpaden, begab ſich Dam auch der Schadeiz und kehrte, nachbem er bie wich⸗
Reken Unteetſitraten Deumfchlande veſucht, 1814 mach Upfald zurütk, wo er zunächſt zum De⸗
Möfftedtor Der Botanik, Tpäter zum Profeſſor der Botantk und Mebichn ernanut wurde. Hier
ſtarb er in Febr. 1801. Seine vorzüglichſten Werke find’ die „Flora Lapponica” (Bert. 1812),
Flora Carpatotem” (Böre. 1814), „Flora Upualionsis“ (Upſ. 1820) und bie „Flora Sue-
&ica” (2 Bde. Wyf. 1824; 2. Aufl., 1851 —33). Much war ur fit 1895 Heraußgeber bed
Prachtwerke „Svensk botanik”, das er fpäter dem Profeffor Wahlberg in Stockholm über
trug. Dem Werfaßren abgeneigt, die Genera und Species ins Unendliche zu vermehren,
1108 er fich faſt ängſtlich an Birne an. Auch ging er mie großer Umſicht umb Kritik zu Werke
und nahm Seine andern Pflanzen auf als folche, die er entweder ſelbſt geſehen, ober die bewährte
28 Wahlreich Wahnfinn
Männer geſammelt hatten. Als Geolog iſt ex ſehr geachtet wegen feiner genauen Beſchreibung
der Kemi⸗Lappmark und anderer wichtiger Abhandlungen. Als Arzt bemühte er ſich beſonders
um Einführung der Homöopathie in Schweden, deren eifrigſter Anhänger er war.
Wahlreich nennt man ein Rei, wo die Oberherrfchaft dem Negenten nur für feine Per-
fon, nicht aber zugleich für feine Nachkommen von der Nation oder deren Stellvertretern liber-
tragen ift. Solche Wahlreiche waren bis ins 19. Jahrh. herab das Deutfche Reich, Polen, Ve⸗
nedig in gewiffer Art und die geiftlichen Fürſtenthümer. Dem Wahlreiche ſteht das Erbreich
entgegen, wo eine beflimmte Exrbfolge der regierenden Familien befteht. Aber auch in ben Erb⸗
reichen kann ber Fall eintreten, daß nach Abgang des regierenden Geſchlechts bie höchſte Gewalt
auf da6 Volk und feine Vertreter zurüdfällt, dad dann einen Regenten zu wählen hat. Ein Fall
diefer Art fand 1809 in Schmeben ftatt. Zwiſchen einem Wahl und einem Erbreiche ift über-
dies noch der wichtige Unterfchied, daß in dem legtern ber Thron durch den Tod des Megenten
gar nicht als erledigt betrachtet wird, indem die Negierung fofort unmittelbar an den beſtimm⸗
ten Nachfolger übergeht. In den Wahlreichen hingegen wird ber Thron beim Tode des Mon-
archen für erledigt angefehen. Es entftand dann ein Zwifchenreich (interregnum), und die Re
gierung ward, wenn nicht fchon vorher ein Nachfolger erwählt war, bis zur Wahl eines neuen
Megenten von Reichövermefern geführt.
ablipruch, ſ. Symbol.
Wahlſtatt oder Wablplatz, von dem alten Worte Wal, d. h. die auf dem Schlachtfeld
Erfchlagenen (woher auch Walküren), nennt man jeden Ort, wo ein Gefecht fattgefunden hat.
Wahlſtatt, ein Dorf im preuß. Schlefien, unweit Liegnig und Y, Stunde feitwärts von der
Kasbach, liegt an der Stelle, wo Heinrich IL. oder ber Fromme, Herzog von Schlefien, 9. April
4241 den Mongolen eine blutige Schlacht lieferte, in der er das Xeben verlor. Die Mongolen
fiegten zwar, doch wurden fie zugleich von jedem meitern Vorbringen nach Deutfchland zurüd-
geſchreckt. Kein deuticher Ritter war damals geflohen, Feiner gefangen; alle waren gefallen, un-
ter ihnen 34 Rothkirche. Zum Andenken wurbe fpäter das Dorf Wahlftatt gebaut, von deffen
proteft. Kirche der Altar auf dem Pag fteht, wo man Heinrich’ IL. Leichnam fand. Noch wird
bier alljährlich das Erinnerungsfeft diefer Schlacht gefeiert. Das große ſchöne ehemalige Be⸗
nebictinerklofter, deffen fehr ſehenswerthe Kirche als Parochialkirche für bie in WB. und den um-
liegenden Dörfern wohnenden Katholiken fortbefteht, enthält in feinen Gebäuden feit 1858 die
königl. Gadettenanftalt für den Bezirk der dritten Armeeabtheilumg. Von der Anhöhe, auf
welcher Dorf und Klofter W. liegt, überficht man faft dad ganze Schlachtfeld, mo 26. Aug.
41813 Blücher über die Franzoſen unter Macdonald (f. Katzbach) fiegte, in Folge beffen er ben
Zitel eines Fürften von Wablſtatt erhielt.
Wahlverwandtfchaft nennt man einen chemifchen Proceß, wonach ein Körper, ber in
Verbindung mit einem zuſammengeſetzten Körper gebracht wird, biefen in feine Beftandtheile
zerlegt und fich mit einem derfelben verbindet. (S. Ehemie.) Diele Verhaͤltniß trug Goethe
(f.d.) in feinem Romane „Wahlverwandfchaften” auf das Gebiet bes Herzens über.
Wahnſinn (ecstasis) bezeichnet, abgefehen von dem Sprachgebrauch, der darunter jede Art
Seelenftörung begreift, im Syſtem der Lehre von den Geiſteskrankheiten (f. d.) diejenige Ano-
malie der geiftigen Tätigkeit, Deren Wefen in einer krankhaften Eraltation des Wahrnehmungs-
vermögens und ber Einbildungsfraft und den fich nach ben Erzeugniffen berfelben richtenden
Abweichungen von der gewöhnlichen Art zu denken und zu handeln befteht. In Hinficht auf
ihre Erzeugniffe bleibt die Einbildungskraft in diefer Krankheit bald bei Einem, einer fogenann-
ten firen Idee ftehen, ober fie ergeht fich in mechfelnden Traumgeftaltungen, welche Dann auch
ben übrigen Zuftand bes Gemüths mannichfach modificiren. Dabei ift bie Thätigkeit des Em⸗
pfindungsvermögens in Hinficht auf die Außenwelt eigenthümlich verändert, fobaß der Wahn-
finnige fi) manche Vorftelungen macht, deren Gegenftand durch bie Sinne nicht wahrnehm⸗
bar ift, oder in ben ihn umgebenden Gegenfländen ganz andere wahrzunehmen glanbt. Auch
tft dieſe Störung ber Seelenthätigkeit nicht immer anhaltend, fondern Häufig, befonders wenn
ber ganze Zuftand Tängere Zeit andauert, von längern ober kurzern Zmwifchenzeiten, in denen der
Geiſt mwieber frei wirkt (lucida intervalla), unterbrochen. Nach diefen und andern Merkmalen
bat man den Wahnfinn in verfchiebene Arten abgetheilt. Ehe bie Geiſtes krankheit ſelbſt fich in
ihrer erfennbaren Geftalt zeigt, beobachtet man gewöhnlich eine auffallende Veränderung im
geifligen mie im örperlichen Verhalten des Kranken, Leidenfchaftlichkeit, Vernachläffigung der
gewöhnlichen Gefchäfte, Gleichguͤltigkeit oder Widerwillen gegen fonft geliebte Perfonen und
Sachen, Zerfireutheit, fortwährende Unruhe, Schlaflofigkeit, Unregelmäßigkeiten in ber Ver⸗
Wahrheit 38
dauung, Bieberfomptome u. f.w. Nach einigen Tagen zeigt fich ber Wahnſinn volllommen
durch gänzlich entfremdeten Blid, Röthe des Gefichts, Herzklopfen, haſtiges Athmen, zweck
widrige Außerungen und Handlungen, auffallendes Betragen gegen die umgebenden Perſonen
und andere Symptome, welche ſich nach und nach ſteigern und den höchſten Grad der Krankheit
bilden. Diefer kann Wogen und Monate lang mit ober ohne Unterbrechung anhalten, worauf
entweber Genefung ober Übergang in andere Krankheiten folgt. Erftere tritt allmälig ein, bie
törperlihen Symptome verlieren fi) nach und nach, die hellen Zwiſchenräume werden immer
länger, bis fie ineinanbergreifen und die vergangene Zeit meift nur noch wie das Andenken an
einen fhweren Traum in der Erinnerung des Kranken fortlebt. Im andern Falle fegt fich bie
fire Idee im Denkvermögen feft, während das übrige geiftige und Törperliche Befinden Feine
Unwgelmäßigkeiten zeigt, oder ber Kranke wird ruhiger umd verliert fich in tiefe Melancholie mit
oder ohne Beibehaltung der firen Idee, Zuftänbe, welche gewöhnlich mit Übergang in Blödſinn
endigen; ober der Wahnfinn hat den Organismus bergeftalt erfchüttert und erfchöpft, daß die-
fer in einer mit dem Tode endigende Abzehrung verfällt. Eine erbliche Anlage zum Wahnfınn
macht fich nicht felten in einzelnen Familien bemerkbar; außerdem zeigen befonders das fangui-
nifche und cholerifche Temperament, das jugendliche Alter und das weibliche Geſchlecht eine
Prädispofition zu Diefer Krankheit, welche außerdem durch Trunkſucht, organifche Fehler des
Gehirns, Unterdrückung gewohnter Abfonderungen und durch narkotifche Gifte leicht hervorge⸗
rufen wird. Die genauefte Erforfhung ber Urfachen ift bei den Heilbeſtrebungen ımerlaßliche
Bedingung ; die Mannichfaltigkeit derſelben erfodert aber auch eine fehr verfchiebene, allgemei⸗
nen Regeln kaum unterzuorbnende Behandlung, bei welcher von Arzneimitteln befonders Die
entziehenden, bie Reizbarkeit herabſtimmenden eine bebeutende Rolle fpielen.
Wahrheit, im logifchen Sinne, tft die Übereinftimmung unferer Gedanken mit fich felbft
oder mit den allgemeinen Gefegen des Denkens. Sie heißt daher auch formelle Wahrheit, weil
jene Geſetze ſich nur auf die Form der Erkenntnif beziehen, den Stoff oder Begenftand berfelben
dagegen nicht berüdfichtigen. Nun kann aber eine Erfenntniß, bie ber logifhen Form, d. h. ſich
felbft nicht widerfpricht, gleichwol den Gegenftänden, welche fie betrifft, widerfprechen. Die
Übereinftimmung einer Erkenntniß mit den Gefegen der Logik ift baher nur ein negatives Kenn-
zeichen der Wahrheit. Es Liegt deshalb in dem Begriffe ber Wahrheit noch die zweite Foderung
ber pofitiven Übereinflimmung des Wiffens, des Gedachten überhaupt mit dem Gegenftande
beffelben. Materiell oder ihrem Inhalte nach wahr heißt eine Erkenntniß, wenn von ihr biefe
Übereinftimmung mit dem Gegenftanbe behauptet werben kann. Bleibt man nun auf dem
Standpunkte der gewöhnlichen Weltanficht fliehen, fo unterliegt die Vorausfegung, daß bie
Dinge fammt ihren Veränderungen wirklich fo befhaffen find, wie fie ſich uns barftellen, gar
feinem Zweifel, und bie Gefammtheit bes auf diefe Weife, Durch Auffaffung des thatſächlich Ge⸗
gebenen erworbenen Wiſſens fällt unter den Begriff der empirifchen Wahrheit, von welcher
wieder Die Biftorifche, auf die Begebmheiten in der Zeitreihe fich beziehenbe eine befondere Art
ift. Sobald aber der Zweifel an ber Übereinflimmung unferer Begriffe mit den Gegenfländen,
worauf fie geben, rege geworden ift, Bann biefe bloß empirifche Wahrheit ber Wiſſenſchaft, na-
mentlich ber Phifofophie, nicht mehr genügen. Denn gerade indem man bemerkt, daß wir in
unferm Denken in dem Kreife unferer eigenen Gedanken, die wir aneinander vergleichen, „prü«
fen, zu berichtigen fuchen, eingefchloffen find, entfteht die Frage nach einer Bürgfchaft der Uber-
einflimmung unferer Gedanken nicht blos unter fich, fondern mit den Gegenfländen. Die Frage
nach ber Möglichkeit, ben Bebingungen und den Grenzen bed wahren Wiffens fallt aber mit
der nach der Möglichkeit und dem Inhalte der Philofophie felbft zufammen, baher auch bie Be⸗
antwortung berfelben in ben verfchiedenen philofophifchen Syftemen fehr verfchieden ausgefallen
ft. Man kann babei die ffeptifche, Eritifche, Bogmatifche und abfolutiftifche Richtung unterfcheie
den. Der Skepticismus (f. Skepfis) läßt die Möglichkeit eines wahren Wiſſens babingeftellt
fein. Der Kriticismus (f.d.), wie er fi) namentlich in der Kant'ſchen Schule entwidelt hat, tft
darin mit bem Skepticismus verwandt, daß er bie Obfectivität des Wiffens leugnet, indem alles
Erkennen feiner Form nach durch die fubfective Organiſation des menfchlichen Geiftes bebingt
fi. Es gibt daher nach ihm nur eine fubjective, wiewol allen menfchlichen Individuen glei
zugängliche Wahrheit; die Dinge an fich bleiben dem Menfchen ganz unbekannt. Auf der ent-
gegengefegten Seite fieht der Dogmatismus (f. Dogma) der alten Schulmetaphyſik, welche bis
auf Kant bie herrfchende war und welcher diefer mit Recht den Vorwurf macht, daß fie ganz un-
kritiſch verfahre, indem fie ohne weiteres vorausſetze, daß die Begriffe, Durch welche wir die ge⸗
gebene Erfahrungswelt ihrer Materie und Korm nach auffaffen, dem wahren Weſen berfelben
80 Wahrſagung Wahrſcheinlichkeit
entſprechen. Die durch Schelling und Hegel aufgeſtellte Identitätsphiloſophie begründet bag
abſolute Wiſſen dadurch, daß ſie ſich auf die abſelute Cinheit und Identität bes Denkens und
des Seins beruft, ſodaß ber Begriff ſelbſt das wahrhaft Reale und folglich auch das Wiſſen
vom Begriffe sin dem Realen vollkommen entſprechendes, weil mit ihm identiſches Wiſſen ifl.
Die Frage um das metaphyſiſche oder fpeculative Wiſſen darf nicht verwechſeit werben mit ber
Trage nach der Gültigkeit fittlicher und äſthetiſcher JIdeen, mit deren Anerkennung gerade die
umgekehrte Foderung verbunden ift, als welcher in der Erkenatniß genügt werben fol. Denn
wo es ſich darum handelt, etwas zu erfennen, da follen ſich bie Begriffe und ihre Berbindung
nach den Gegenſtande richten, wie er unabhängig von dem Gedanken vorliegt; wo aber der vor
gebüdete Gedanke eines Kunſtwerks, einer fittlichen That u. f. w. ausgeführt werben foll, da
ſoll ſich das Wirkliche richten nach dem Gedanken als dem Vorbilde. In der Ieptern Beziehung
ſpricht man namentlich in ber Kunft von idealer, äfthetifcher Wahrheit und zwar zunächſt von
der Innern Sunftiwahrheit, vermöge deren ein Kunſtwerk der Idee mehr oder meniger entipricht,
während bie äußere Maturwahrheit fi auf die Übereinfiimmung des Dargeftellten mit dem
in der Wirklichkeit gegebenen Gegenſtande bezieht. Hierher gehört 3. B. die pſychologiſche
Wahrheit in der Entwidelung eines Charakters, bie anatomifche Nichtigkeit her Zeichnung
u. ſ. w. Die äußere Naturwahrheit darf zwar keinem Kunſtwerke (ſ. Kun) fehlen, bedingt aber
Beineöwegß feinen eigentlichen künſtleriſchen Werth.
ahrfegung, f. Weiſſagung.
Wahrſcheinlichkeit (probabilitas) findet flett, wo bei einander entgegenfiehendben Gründen
für eine Annahme die Gründe überwiegen. Die Wahrſcheinlichkeit fchließt die Möglichkeit des
Gegentheils nicht aus, hat aber felbft verfchiebene Grade, durch welche fie ſich der Gewißheit
nähert, nah dem Gewichte der Gründe, welche für eine Annahme fprechen. Dan unterfcheibet
mathematifehe und philo ſophiſche Wahrfcheinlichkeit. Die erfte, die mathematiſche Wahrfchein-
lichkeit, welche ſich vorzugsweiſe auf die empirifchen Verhältniffe des menſchlichen Lebens be»
sieht, wird beftimmt Durch das Verhältniß der Anzahl der einer Erwartung günfligen Fälle zu
der Anzahl aller möglichen Bälle, vorausgefegt, daß alle Fälle gleich möglich find. So ift z.B.
bie Wahricheinlichkeit, mit einem Würfel eine heftimmte Anzahl von Augen zu werfen, gleich ’/s,
indem die Anzahl der diefem Greiguiffe günfligen Fälle — 1, die Anzahl aller möglichen Bälle
Bingegen == 6 ift. Die ganze Schwierigkeit in ber Lehre von ber Berechnung ber Wahrſchein⸗
lichkeit kommt daher auf bie Beftimmung des Verhältniffes zreifchen ber Anzahl ber einem Er⸗
eigniffe günftigen und der Anzahl aller möglichen Fälle zurück welche bei dieſem Ereigniſſe über
baupt eintreten können. Hierbei leiſtet bie Lehre von der Combination (ſ. d.) wefentliche Dienfte ;
doch auch die Erfahrung muß nur zu oft in Anſpruch genommen werben. So laffen fih 3.2.
bie Fragen über die wahrfcheinfiche Lebensdauer einer beflimmten Perſon, über die Sterblid-
keit, über bie Wahrſcheinlichkeit Dee Geburten von Knaben und Mädchen u. ſ. w. nur durch bie
Erfahrung beantworten. Die Erfahrung lehrt, daß ſich bie Geburten ber Knaben zu jener der
Mädchen ungefähr wie 22 zu 24 verhalten, und daher wird auch die Wahrfcheinlichkeit, daß
eine Mutter einen Knaben zur Welt bringen werde, A jener, daß es ein Mädchen fein wird, fi
wie 22 zu 21 verhalten. Won ber hier betrachteten Wahrſcheinlichkeit, welche, da nur ein Er-
eigniß betrachtet wird, Die einfache Wahrſcheinlichkeit heißt, ift die zufammengefegte Wahr⸗
ſcheinlichkeit zu unterſcheiden, in weicher da6 Eintreffen mehrer Ereigniſſe in Betracht kommt.
Fragt man z. B. nach der WBahrfcheinlichkeit, dab mit einem Würfel eine beftimmte Zahl ge-
worfen werde, fo ift dies die einfache Wahrſcheinlichkeit; will man aber die Wahrfcheinlichkeit
wiffen, daß zu derfelben Zeit mit einem zweiten Würfel diefelbe Zahl, alfo ein Paſch geworfen
werde, fo ift diefes die zufammengefegte Wahrfcheinlichkeit, weil hier zwei günflige Ereignifſe
aufammentreffen müffen. Die erſtere ift offenbar ',., während bie letere viel Heiner und == ss
ift, d. 5. erfi sei 36 Wuͤrfen iſt es wahrfcheinlich, daß man mie zwei Würfeln einen Paſch wer⸗
fen werde. Die Berechnung der Wahrſcheinlichkeit ift Begenftand der Wahrſcheinlichkeitsrech⸗
nung. Pastal, Fermat, Pariſot in feinem „Trails da caleul conjeotural etc.” (Par. 181 0),
Laplace in dem „Philoſophiſchen Verſuch über Wahrſcheinlichkeiten“ (deutſch von Tönnies,
Heideid. 1819), Sacroix in dem „Trait6 el&mentaire du caloul de probabilit6s” (Mar. 1816;
deutſch, Erf. 1818) u. A. Haben diefen Begenfland bearbeitet. — Die philofopbifge Wahr:
ſcheinlichkeit findet ftatt, wenn man von der Bielheit der Fälle auf die Einheit ber Hegel ſchließt.
Die Schlüffe, welche hier vorkommen, find Induction, Unalogie und der Schluß durch Hypo⸗
theſe. — Die aſthetifche Wahrſcheinlichkeit ober die Wahrſcheinlichkeit in der Kunſt beſteht
darin, daß etwas, was als geſchehen ober ſich ereignend vorgeſtellt wird, von ums, nach den
TE — ——— —— — —
Währung Waidwerk 31
vom Künftler zu machenden Borausfegungen und Gemmdbedingungen der Darftelung, als
wirklich genonmeen werben Bönne, und beruht denmach auf einer Vergleichung Deſſen, was ber
Dichter erzählt, mit ber gewohnten Erfahrung.
Währung HH im Geldweſen gleichbebeutend mit Baluta (f. b.). Früher verftand man dar
unter vorzugs weiſe die Eintheilungäart ber Hauptmünze eines Staats, das gegenfeitige Ber-
hältniß der Gelbeinheit und ihrer Theilſtufen.
Wahrwolf, f. Werwolt.
Wahrzeichen, fo viel ale Merkmal, Kennzeichen einer Sache, heißt beſonders ein einzelner
Gegenſtand eined Orts, den bie bafigen Handwerfögefellen den Einmaubernben zeigen, bamit
diefe darthun können, daß fie daſelbſt geweſen find, meift ein alterthümliches Steinbild ober
dergleichen.
Waiblingen, Stadt im würtemb. Redarkreife, Hauptort eines Oberamte (2%, DER. mit
28500 €.), an der Reens, in einer wein · und getteibereichen Gegend, hat bebeutende Bichmärkte,
eine Tuchfabrik mb 3308 E. und liefert treffliche Brummenzohren. Die zweite Stadt des Ober-
amts iſt Minnenden, in einer rauhen, aber fruchtbaren Gegend, mit ber Paulinenpflege (Erzie⸗
bungsanflale für verwahrloſte oder taubſtumme Kinder), anfehnlichen Korumärkten, einer me
chaniſchen Wollenſpinnerei, 3300 E. und dem benachbarten Gchloffe Wimenthal, welches
jeht zu einee Irrenanftalt eingerichtet if. — Die Stadt Waiblingen und bie Burg MBaiblin-
gen bei dem Weiler Waiblingen, auf dem Hart» ober Dertöfelbe, am Kocher im würtemb. Ober⸗
amt Aalen des FJazskreifes, fol (nach Raumer) bem Geſchlechte ber Hohenſtaufen die Benen-
nung Waiblingen (f. Ghibellinen) gegeben haben.
Waiblinger (Wilh. Friedr.), deutfcher Schriftfteller, geb. 21. Nov. 1804 zu Reutlingen,
entwickelte früh poetifches Talent, und beveitt auf bem Gymnaſium zu Gtuttgart, in welches er
1819 eingetreten war, fchrieb ex den Roman „Phaeton“, ber jeboch erſt fpäter (2 Bde. Stuttg.
1823) im Druck erfchlen. Als die, Abendzeitung“ ihn in das größere Publicum einführte, ge»
hörte er noch dem theologiſchen Seminar in Tübingen an, in weichen er 1821-—26 ſtudirte.
Hier Fam er in Berührung mit ben geiſteskranken Hölberlin (f. d.), deſſen Hyperion“ ihm in
Stuttgart zu feinem „Phaeton“ begeiftert hatte und bem er in den „‚Beitgenoffen” eine anziehende
Biographie widmete. Eine reiche, üppige Phantafie und eine glückliche Darfiellungegabe mach⸗
ten feine Arbeiten, 3.8. „Bier Erzählungen aus Griechenland“ (Ludwigsb. 1821) und „Deei
Tage in ber Unterwelt” (Stuttg. 1836), fowie Anderes, was er in Journalen mittheilte, gu
höchſt anziehenden Erſcheinungen. Dennoch trat eine oft ungezügelte Leibenſchaftlich keit usb
daraus hervorgehende Berfallenheit mit fidh und dem Leben immer beutlidger hervor, die auch
dann nicht wich, als er, vom Buchhändler Gotta unterftügt, 1827 cine Reife nad) Italien an-
trat, von ber er nicht zurückkehrte, ber wir aber außer Intereffanten Reifentittheilumgen das Ta⸗
ſchenbuch aus Italien und Griechenland“ (Berl. 1329 und 1830) verbanten. Rachdem er noch
Sicilien Gereift hatte, Karb er m Rom 17. Ian. 1830. Seine „Befunmelten Bere” wurden
von H. von Canig (9 Bde, Hamb. 1840—41) herausgegeben.
id, Bürberwaib (Isatis tmotoria) heißt eine zweijährige Farbepflanze aus ber Familie
der Kreugblümter, die im mittlern unb füblichen Europa, fowie im Drient auf fonnigen Plägen
wid wächfl. Der Stengel wird 1-3 &. Hoch und it wie die fpannenlangen, ganzranbigen,
mit ihrer pfrufoͤrmigen Baſis benfelben umfaffenden Blätter von fergrüner Farbe. Nach oben
veräftelt ex ſich in eine aus zahlreichen Rinentrauben befichende Riope. Die Blüten find vier-
blätterig, Mein und geib. Die ſchwärzlichen Schötgen Hängen an haarſeinen Stielchen. Die
Blätter des Waid geben eine dlaue, dem Indigo ähnliche Farbe und waren fehon den Alten al
Sarbematerial bekannt. Im Mittelalter wurbe er allgemein angebaut und In Deutichland be»
ſonders In Whäringen euzeugt, wo bie fünf Städte Erfurt, Gotha und Langenfalza, Tenwftäbt
und Urnfladt wegen Ihres bei ben drei erfigenannten noch winge blühenden YBaibbaus
und Waispanbeis bie fünf Waidſtädte hießen. Die große WBohlfeitheit des Indigo Hat ben
aid ziemlich außer Anwendung gebracht; nur während der Continentalſperre legte marı fi
tifriger auf feinen Anbau, ber beſonders auf trockenem Lehmboden wit Vortheil betrieben wird.
Die Blätter werden drei mal im Jahre abgefloßen, getrocknet, gemahlen, in Blhemig-gebracht
md fpäter vollends pulverifirt. Jegt wird der Wald hochſtens bem Indige, bem er am Matte
nicht nachſteht, beigemiſcht. Farbereicher ats der deuefche Waibd iſt ber Fransöflfche oder laugue⸗
docſche, ber vorzüglich aus der Provence, Normandie und dem Eiſaß om. Die Samen bes
Waid enthalten ein dem Reinöl gleichkommendes DI.
Baidwerk, ſ. Yapp.
u —
t
32 | Waiſchhäuſer Waitz (Georg)
Waiſenhäuſer. Schon bei den Griechen und Römern wurde für die Waiſen einige Sorge
getragen, wenn auch geregelte Anſtalten für ſie noch nicht beſtanden. Beſonders viel thaten im
altröm. Reiche die Kaiſer Trajan, die beiden Antonine und Alerander Severus; aber ihre Stif-
tungen waren noch feine eigentlichen Waifenerziehungsanftalten. Erft nachdem die chriftliche
Neligion fi) mehr verbreitet hatte, werben Anftalten für Waifen öfter erwähnt. In ber Folge
gaben die durch Handel und Gewerbe reich und blühend gewordenen Städte, wie in vielen an-
dern nüglicden Einrichtungen, fo auch hierin ein löbliches Beifpiel. Dies gilt vorzüglich von
den großen Hanbelöftähten in den Niederlanden. In Deutfchland finden ſich in den Meichsftäb-
ten die erſten Anftalten Diefer Art; doch reicht ihr Urfprung nicht über das 16. Jahrh. hinaus.
Bis dahin gab man die ganz verlaffenen vater- und mutterlofen Kinder bei einzelnen Bürgern
in die Koft. Doc fand man mit der Zeit diefe Einrichtung nachtheilig und zweckwidrig, und fo
wurden denn allmälig Waifenhäufer, 3. B. das zu Augsburg 1572, errichtet, wo man bie Kin⸗
ber unter gemeinfchaftlicher Aufficht erzog. Eines der berühmteften Waifenhäufer in Deutfch
land ift das von U. H. Stande (f. d.) zu Halle 1698 errichtete. In neuerer Zeit hat man für
bie vaterlofen Kinder gewiſſer Claſſen ber Staatsbürger auch befondere Erziehungsanftalten
errichtet, die zum heil einen beftimmten Zweck ber Erziehung haben, z. B. militärifche Erzie-
bungsanftalten oder Militärmaifenhäufer für Soldatenkinder. Was man früher nachtheilig
gefunden hatte, nämlich die Waiſen bei Privatleuten in Koft und Erziehung zu geben, hat man
in fpätern Zeiten wieder als vorteilhaft für ben Staat ſowol als für die Kinder felbft angefeben,
und ed erhoben fich gar viele Stimmen gegen bie fehlerhafte Einrichtung der Waifenhäufer.
Zwar Finnen in allgemeinen Waifenanftalten die Kinder leicht mehr Kenntniffe für den Ver-
ftand Sammeln, aber ihre Gefundheit und Sittlichkeit werben in Privathäufern unftreitig beffer
gedeihen. Statt der in den Waifenhäufern gewöhnlichen einförmigen Befchäftigungen werden
bier die Kinder auch mehr mit den Gefchäften des bürgerlichen Lebens bekannt. Nur müffen die
Pflegeältern ber Waifen gehörig ausgewählt und unter einer genauen Aufficht, Die nicht fo
ſchwierig ifl, als es fcheinen möchte, gehalten werden. Die Mehrheit der Stimmen hat ſich
neuerdings für die partielle Erziehung der Waifenkinder erklärt, und man hat baher an mehren
Drten geradezu die Waifenvertheilung eingeführt. Der Erfolg davon ift eine bedeutende Er«
fparniß an Ausgaben und eine fehr verminderte Sterblichkeit unter ben Kindern geweſen. Nur
unter Borausfegung eines ungewöhnlich guten Vorſtehers mögen große Waifenanftalten ben
Vorzug verdienen. Sollen Waifenhäufer noch ferner beibehalten werben, fo ift für die phyſiſche
Pflege ber Zöglinge mehr Sorge zu tragen, als bisher gewöhnlich geſchehen, vorzüglich aber
darauf zu fehen, daß die Zahl ber Kinder nicht zu Hoch anwachſe. Unter einer bedeutenden Menge
von Kindern ift die Gefahr der phufifchen und moralifchen Anſteckung audy bei dem beften Wil⸗
len nicht immer zu vermeiden. Ein großer Fehler, der fich bei vielen Waifenhäufern findet, iſt
ber, daß man Waifen, preßhafte Arme und Züchtlinge in einer und derſelben Anftalt vereinigt.
Ahnliche Anftalten und gewöhnlich mit den Waifenhäufern vereinigt find die faft überall weit
früher als die legtern entftandenen Findelhäufer (f. d.). Vgl. Pflaum, „Über Einrichtung ber
Waifenhäufer” (Stuttg. 1815); Kröger, „Archiv für Waifen-und Armenerziehung‘‘ (2 Bdochn.,
Hamb. 1826—28).
Waitz (Georg), audgezeichnetee Germanift und Gefcichtfchreiber, geb. 9. Oct. 1813 zu
Flens burg aus einer aus Thüringen ſtammenden Kamilie, ftudirte, auf dem Gymnafium feiner
Vaterſtadt vorgebildet, feit 18352 — 36 zu Kiel und Berlin die Nechte, widmete fich aber babei
aus Neigung mit Eifer und Erfolg hiſtoriſchen Studien. Als Mitarbeiter anden „Monumenta
Germaniae historica“ ging er zunächft nach Hannover und befuchte bann bis 1842 für diefen
Zweck die Bibliotheken und Archive von Kopenhagen, Lyon, Montpellier, Paris, der lothringi⸗
ſchen Städte, von Luxemburg, Trier, Koblenz, Thüringen und Sachſen. Die wichtigften feiner
Arbeiten für das genannte Werk find die Ausgaben des Widukind, einer Reihe Biographien
der füchf. Zeit; ferner des Marianus Scotus, bes Ekkehardus Uraugienfis, des Annalifta Sao,
der „Gesta Trevirorum“, der Bifchofsgefchichten von Meg, Toul und Verdun, fowie ber franz.
Autoren Ademar und Hugo von Fleury. Im 3. 1842 zum Profeffor in Kiel ernannt, trat er
1846 an Chriftianfen’s Stelle als Abgeorbneter ber kieler Univerfität in die holſt. Provinzial«
ftände, deren Verfammlung nach wenigen Tagen aufgelöft wurbe. Bei der Märzbewegung
41848 war er erft einige Zeit bei der proviforifchen Negierung in Rendeburg.thätig, von welcher
er auch behufs der Vertretung der Interefien ber Herzogthümer nach Berlin gefendet wurde.
Als Mitglied der Frankfurter Nationalverfammlung gehörte er erft zur Partei bes Eafino, dann
zu der bes Weidenbuſches. Nachdem er mit Gagern, Dahlmann u. A. ausgefchieden war,
Saitz Theodor) Wakefield (Biber) Br?
trat er im Sommer 1849 feine Profeffur in Göttingen an, zu der er ſchon 1847 berufen worben
war. Seine Hauptwerke find die „Deutfche Verfafiungegefchichte” (Bd. 1 und 2, Kiel 1843
— 47) und die „Schlesw.-holft. Gefchichte” (2 Bde, Bott. 1851—54). Eine umfafiende Mo⸗
nographie über die Zeit Wullenweber's hat W. in Ausficht geftellt. Bon feinen übrigen Schrif-
ten find noch zus nennen: „Uber das eben und die Lehre bes Ufilas“ (Hannov. 1840) und „Das
alte Recht der Saliſchen Franken” (Kiel 1846). Auch hatte er weſentlichen Antheil an ber
Schrift „Das Staats und Erbrecht des Herzogthums Schleswig” (Kiel 1849).. Mit Ratten
beforgte W. die Herausgabe der „Nordalbingiſchen Studien”.
Waitz (Theodor), deutfcher Philofoph, geb. 17. März 1821 zu Gotha, widmete fich feit
1858 zu Reipzig und Jena philologifchen und mathematifchen Studien, fand fich aber dabei
überwiegend von Plato und Arifloteles, Kant und Herbart angezogen und fammelte des halb
1842 — 43 auf einer Reife durch Frankreich und Italien das Material zu einer neuen und kri⸗
tifchen Ausgabe des „Organon” (2 Bde., Rpz. 1844—46) des Xriftoteles. Seit 1844 als Do
cent zu Rarburg habilitirt, wo er 1848 eine außerordentliche Profeſſur erhielt, wandte er fich
als akademiſcher Lehrer den philofophifchen Disciplinen überhaupt, als Schriftſteller vorzüglich
der Pfochologie und Pädagogik zu. Seine bedeutendfien Arbeiten find: „Grundlegung der
Piychologie” (Hamb. und Gotha 1846), „Lehrbuch ber Pfychologie als Naturwiſſenſchaft“
Graunſchw. 1849) und „Allgemeine Pädagogik” (Braunfchm. 1852). In bdenfelben ver-
ſuchte W. die Unhaltbarkeit der ibealiftifchen Philofophien von Fichte, Schelling und Hegel
ſowol in Rückſicht der Methode als des materiellen Gehalts ihrer Lehren nachzumweifen, und
war zu gleicher Zeit beftrebt, die Pfgchologie zur Grundlage der gefammten Philoſophie zu
machen, um dadurch wieder an Kant anzufnüpfen. Während fi WB. in diefem Hauptpunkte,
ſowie auch darin, daß er die Pſychologie auf naturwiffenfchaftlichen, anthropologifchen Boden
fiellte, von Herbart entfernt, ſchloß ex ſich doch in ber Bearbeitung diefer Wiffenfchaft ſelbſi
demfelben näher an. Bebeutendere Abweichung von Herbart zeigt ZB. in der Pädagogik, ſodaß
er Baum noch als Herbartianer bezeichnet werben Bann. |
Waitzen oder Waizen, ungar. Väcz, eine Stadt indem ungar. Eomitate Peſth⸗Pilis, am
linken Ufer dee Donau, die fich plöglich gegen Süden wendet, 4’. M. nördlich von Peſth, mit
dem fie durch einen Zweig der Süboftbahn verbunden ifl, Sig eines Stuhlgerichts und feit 1075
iines Path. Bischums, hat eine ſchöne, nach der Peterskirche zu Rom erbaute Kathedrale, einige
andere Kirchen, einen bifchöflichen Palaſt mit vielen rom. und mittelalterlicden Denkmälern,
ein bifchöfliches Lyceum mit Seminar, ein Piariftencollegum mit Gymnafium, eine Tath.
Hauptſchule, ein Militär-Obererziehungshaus (Zilial von Presburg), ein Taubſtummeninſtitut,
ein Waiſenhaus und andere Wohlthätigkeitsanftalten. Die Stadt zählt 12300 E., weiche ſtark
befuchte Biehmärkte unterhalten und bedeutenden Weinbau treiben. Im J. 1597 erlitten hier
die Türken eine Niederlage und 27. Jumi 1684 wurben diefe von Herzog Karl von Kothringen
gefhlagen und die Stadt erobert. Auch iſt ZB. befannt durch die Affaire vom. 10. April 1849
zwiſchen ben Ungarn und den Oftreichern unter Eforich, welche Legtere die Stadt räumen muf-
ten und den General Götz verloren, fowie durch die Gefechte vom 15., 16. und 17. Juli 1849
zwiſchen den Ungarn unter Görgei und ben Ruffen unter&aß, welchen die Stadt entriffen warb.
Wakefield, eine Stadt in Weſt⸗Riding ber engl. Graffchaft York, in reizender Lage am
Galder, über den eine uralte Steinbrüde mit einer Kapelle aus der Zeit Eduard's I. oder
Eduard's III. Führt, freundlich und im Ganzen gut gebaut, hat eine fchöne goth. Kirche mit un⸗
gewöhnlich hohem Thurme und iſt ein Hauptfig der Tuch- und Wollenzeugfabrikation, verbun-
den mit Strumpfwirkerei, Sarnfpinnerei, Färberei und ftartem Verkehr in leichten wollenen
Zeugen und fortirter Wolle. Zugleich gilt der Ort als Getreide, Vieh⸗ und Kohlenmarkt der
benachbarten Fabrikbezirke. Der nach allen vier IBeltgegenden laufende Wakeſieldkanal führt
der Stadt befonders aus Norfolk und Lincolnfbire zahlreiche Heerden⸗ und Getreidevorräthe
iu, weshalb ber Calder an beiden Ufern mit koloſſalen Speichern gefäumt ift, die ſich noch fort-
während mehren. Die Bevölkerung belief fih 1851 auf 22065, die des Diſtricts auf
48964 €. W. ift befannt durch Goldſmith's „Vicar of Wakefleld‘‘, wie durch den hier in den
Kämpfen der Rothen und Weißen Rofe 1640 vom Grafen von Northumberland für die Kö⸗
aigin Margarethe über ben Herzog von York erfochtenen Sieg, der Legterm das Leben koſtete.
Wakeſield (Gilbert), engl. Kritiker, geb. 1756 zu Nottingham, erhielt auf ber Schule fei«
ner Baterftabt und zu Richmond den erften Unterricht, worauf ex feit 1772 zu Sambridge fi
dem Studium ber altclaffifchen und der orient. Sprachen wibmete, wobei Ihn beſonders feine
Gonv.e&es. Zehnte Aufl. XV. 2 8
34 Wakuf Walache
ungewohnliche Gedächtnißkraft unterſtuͤzte. Bald nachdem er tie Weihe als Diakenus em⸗
pfangen, verließ ex aus Bewiffenszweifeln 1779 die engl. Kirche und lebte einige Zeit als Lehrer
an einer Diſſenterakademie, dann zu Nottingham und Hackney, wo er mehre Schriften gegen
die engl. Kirche und eine Überfegung des Neuen Teſtaments mit Anmerbungen (5-Mde.,, Lond.
1792; 2. Aufl., 1795) erfcheinen ließ. Endlich miſchte ex ſich feit 1794 durch Pamphlets gegen
die Maßregeln Pitt's auch in die politiſchen Händel und trat zungleteher Zeit gegen Thom Payn⸗
für die Sache des Chriſtenthums auf. Die Leidenfchaftlichkeit, mit welcher ex ben Krieg gegen
Frankreich tadelte, zog ihm 1798 eine zweijährige Gefängnißflrafe-zu, nach deren Abbüßung er
nach Hackney zurückkehrte und kurze Zeit barauf, 9. Sept. 1801, ftarb. WB. glühte von Eifer
für Net und Wahrheit, war aber als Schriftfieller reizbar und ſchroff. Viele ſeiner Schriften
enthalten, ungeachtet des Mangels eines gebildeten Befchmads und der Intorrectheit ded Tat.
Stils, einzelne trefflicde- Bemerkungen und bie Anfichten.eines von keinem Syuſtamzwange gefef
felten Geifies. Außer mehren Ausgaben röm. und griech. Claſſiker, namentlich des Horaz
(2 Bde., Lond. 1794), Virgil (2 Bde. Lond. 1796), Lucretius (ABbe., Lond. 1796 und Glas-
gow 1815) und der außgemählten Stüdle der griech. Tragiker unter den Titel „‚Tragoediarum
delectus” (2 Bde., Lond. 1790), mit einem werthvollen Gonmmentar, erregte befonberd bie
„Silva critica” (3 Bbe., Cambr. 178595), die das Ertrem in der Kritik Darbietet, die Auf⸗
merkſamkeit der gelehrten Welt und: zugleich mannichfache Ungriffe. Im Gefängniß fegte er
feine „Noctes oarceräriae” (Zonb. 1804) auf. Er felbft befchrieb fein Reben in ben „Memoirs
of the life of Gilb. W." (2Bbe., Lond. 1795 ; 2. Aufl, 1804), Bel „Correapondence of W.
with Fox” (Lond. 1843).
Wakuf, Vakuf, Vakf Heißt in der Türkei das Gut ber Mofcheen und milden Stiftungen,
möbelondere aber eine gerwiffe Art bes Privateigenthums, das an bie Mofcheen und Geſtifte
gefnüpft ift. Unbefchadet ber Marime, daß ber Sultan ber wahre Eigenthümer aller liegenden
mb fahrenden Habe, bee Brivatbefiger aber nur ber Nugnießer, theilten bie osman. Eroberer
urſprünglich bie erbeuteten Länder in drei Portionen, von been bie eine ben Siegern ober auch
ben frühern Einwohnern als Privatbeſitz überlaſſen, die andere ald Domäne zur Unterhaltung
bes Dofs, ber Würbenträger und zur Greichtung von Militärlehen beftimmt, die dritte aber
ben Mofcheen als Dotation übergeben wurde. Diele Dotation bildet die eine Claſſe des Wakuf,
zu ber ſich allmälig eine zweite geſellte, welche aus den Schenkungen und Vermächtniffen ent⸗
ſtand, die ben Moſcheen zur Unterhaltung ber mit ihnen verbundenen Wohlthätigkeitsanſtalten
(Lehranfalten, Bäder, Hospitäler, Armenküchen u. ſ. w) gemacht wurden und zum Unterfihiebe
von den erſtern „öffentliche Wakufs“ genannt werben. Der Umftand, daß die Mofcheengüiter
abgabenfrei, vor: jeder Confiscation gefichert, überhaupt unantaflbar waren, führte im Laufe der
Zeit noch zur Begründung einer dritten Art von Wakuf, indem Privateigenthümer, um ihr
Gut vor. räuberifchen Beamten und Gonfiscationen zu ſchützen, baffelbe den Mofcheen und Ge⸗
fllften cedirten. Sie zohlten in dieſem Kalle der Moſchee 10—15 Proc. bed Taxwerths ihres
Gutes, außerdem einen jährlichen geringen Zins, behielten aber. als eine Art Beneficium alle
fonftigen Einkünfte aus dem Grundſtücke und konnen ſogar daffelbe unter beffimmten Formen
an einen Dritten verkaufen oder gefeglich vererben. Diefe Wakufs, als Schugmittel bed Befig-
thums gegen willkürliche Entziehung, vermehrten ben Grundbefig der Moſcheen und Stiftun-
gen ind Ungeheuere, da das türf. Erbrecht alle Seitenverwandten, felbft bie Enkel ausfchließt
und nur.den Sohn als-diresten Erben des Vaters zuläßt, ſodaß allmälig alle dieſe cedirten Gü⸗
ter den geiftlichen Stiftungen in Wirklichkeit zufielen. Die Mofcheegüter umfaffen hiernach in
ber Türkei drei Viertel des gangen Grund und Bodens, denen der Staat Beine Steuern und La⸗
fien auflegen barf. Die türk. Reformpartei hat darum wiederholt ben Entſchluß verlauten laſ⸗
fen, diefe „Wakufs des Herfommend” (andot), wie man fie nennt, als das Haupthinderniß jeder
Finanzverbeſſerung zu befeifigen. ,
Walachel oder Windel, türk. Ak-Iflak, das weſtliche und: größere ber beiden Donaufür-
flenthümer, ein Bafallenflaat ded Dämanifchen Reich (f. d.) an der untern Donau, auf-beven
Iintem Ufer gelegen, wird im N. von-&iebenbärgen und der Moldau, im D. von ber Landſchaft
Dobrudſcha, im S. von Bulgarien und im W. von Serbien und Ungam begrenzt und hat
einen Flächeneaum von 1550 AM: Das Land, welches im Nordweſten und Norden von der
füblichften Kette der fiebenbürg. Karpaten (f. b.) eingeſchloſſen wird, gehört feinem größten Theile
nach der Tiefebene ber untern Donau an, welche nady. Norbeften. zu ihre weitere Fortfegung in
der Moldau und Beffarabien findet. Vermöge dieſer Geftaltung.befigt das Land nur im Nom
den Gebirge, die fich hier dis zu Spigen von 6000 F. und darüber erheben, einen natürlichen,
Walachei 35
nur in fünf Päſfen überſchreitbaren Grenzwall nach. Ungarn und Siebenbürgen bildend, nach
Süden hin zur Ebene aber ſich ſchnell in eirler Menge Ausläufer abdachen, weirhe ein ſchöneö
Vorgebirgs⸗ und Hügelland abgeben. Der bei weiten: geößere Theil bed Landes beflehe aber
aus einer faſt wagerechten Ebene, weiche Länge der Donan hin eine faſt unumterbrocdgene meiten-
breite Reife ven Sünipfen und Moräften bildet. Der Haupifluß des Landes ift bie Donau,
welche, bei Neusrfova aus den Engpaß ded Eiſernen Thored zwiſchen deu banater und ben
ſerbiſchen Gebirgen tretend, von diefem Punkte an bie zur Mündung bes Sereth das Land im
Süden in einem Bogen umſchließt, ed fo von dem Hügellande Serbiens, Bulgariens und der
Dobrudfeha trennend. Außerdem wird dad Land von einer enge kleiner Flüſſe durchſtromt,
weiche ſammtlich in der Karpatenkette und deren Dorbergen im Norden des Bandes entfpringen,
es in ber Richtung nach Süden und Südoſten durchfließen und zulegt in bie Donau fallen. Die
bedeutendfien davon find ber Schyll, die Aluta, der Ardſchiſch, die Jalomiga und ber Sererh,
welcher, aus der Moldau kommend, eine Strede die Grenze nach dieſem Lande bildet. Das
Klima iſt das dee intern Donaulänber, d. h. ein ſchon bem continentalen Klima Mittelafiens
ſich nähernbdes, mit im Verhaͤltniß zur geographifchen Rage des Landes ſehr warmen Sonrmern
und fehr kalten Wintern.' Sonft ift es, mit Ausnahme der Sumpffireden, welche endemiſche
Fieber erzeugen, gefund. Bon Erdbeben wirb das Land mitunter heimgefucht. Mit Ausnahme
der Hochgebirgs ſtrecken an der Nordgrenze ift ber Boben der Walachei fehr fruchtbar, ſowol im
Hügellande als auch, und zwar in einen noch viel höhern Grade, in der eigentlichen Ziefebene,
welche von einer ſtarken Schicht des fruchtbarften Humusbodend bebedt iſt. Das Land gehört
deshalb zu den fruchtbarften Gegenden Europas und würbe in diefer Beziehung nichts zu wün⸗
[hen übrig laffen, wenn es nicht manchmal durch trodene Sommer und bie Plage der Heu-
[reden heimgefucht würde. Die Hauptproducte find Getreide, Mais, Hirfe, Bein, Flache;
auch der Ertrag der Tabadöfelder, der Obſt- und Maulbeerbäume ift geminnreih. Dagegen
findet in vielen Gegenden Holzmangel ftatt, denn Wälder finden fich nur in den nördlicdern ge
dirgigen Gegenden, während fie in der ganzen großen Ebene, wo oft meilenmeit fein Baum gu _
erbliden ift, durchaus fehlen. Die großen Stredten unbebauten Landes, welche reiche Kleider _
gründe bieten, ernähren große Heerden Pferde, Rindvieh und Schafe; auch die Schweinezucht
it fehr anfehnlih. Neben der Viehzucht wird die Bienenzucht ftark getrieben, und die Sumpf-
gegenden liefern eine Menge wilder Waſſervögel. An Dlineralien, befonders Gold», Silber⸗
und Kupferergen und Steinfalz, ift das Land ebenfalls reich, doch werben die erſtern nur wenig
noch benutzt und blo& das letztere reichlich ausgebeuter.
Die Einwohner des Landes, die Walachen oder Wlachen, beren Zahl nach einer frü-
bern Zählung auf 2,524484 und gegenwärtig auf 2,600000 gefhägt wird, find ein roma⸗
nifches Miſchvolk. (5. Walachen.) Der Eulturzuftand dieſes Volkes, das ſich zur griech.
Kirche bekennt, iſt ein fehr niedriger. Das ganze Volk zerfällt in zwei Claffen, in Ade⸗
lige und Bauern, dba ber walath. Bürgerftand zu gering ifl, ober zum Theil noch zu fehr
mit den Bauer auf einer Stufe fieht, um in Betracht zu kommen. Die Abeligen oder
Bojaren zerfallen in den hohen Adel oder die Broßbojaren, aus benen bie Großbeamten
genonmen werden, und in den niebern Adel oder die Mafftien. Der Adel genießt große
Vorrechte, ift alleiniger Grundherr und der That nach Herr der Bauern. Obſchon die
reihen Bojaren durch Reifen und Erziehung im Auslande oder burch Ausländer den Fitnif
der weſteurop. Gultur, namentlich der frangöfifeyen, angenommen, fo herrfcht Doch im Grunde
bei der größern Anzahl von ihnen und bei bem ärmern und niedern Adel auch im Außen Un⸗
wultur, zu der fich oft eine große fittliche Verdorbenheit gefellt. Der Bauer bagegen, obwol bie
Leibeigenſchaft dem Namen nach aufgehoben, befindet fi) im drückendſten Verhältniß und ift
ganz der Willkür feines Grundherrn preißgegeben, da ed nur fehr wenige Mebifchiafchen oder
Grundeigenthümer gibt, der größte Theil vielmehr aus befiglofen Zaräny ober Pächtern befteht,
weiche factifch noch immer wie Leibeigene behandelt werten. Daher ift denn auch ber walach.
Bauer, obfchon don der Natur nicht vernachläſſigt, mit ſchönem, rüftigem Körper ausgeftattet
und auch nicht ohne geiflige Anlagen, doch gänzlich verwahrloft. Die Unterdrüdung hat ihn
ſklaviſch, Hinterliftig, faul und, in Verbindung mit feinem von Ratur ſinnlichen Temperamente,
ausfhweifend gemacht. Außer den Walachen gibt’ es in ber W. auch viele Griechen, beren
Spradje noch immer vom früher. her neben dem Franzöſiſchen bie Sprache der Gebildetern if,
Armenier und Juden, weiche zuſammen den handeltreibenden Theil ber Bevölkerung bilden;
ferner Deutfche in ben grüßern Stäbten, meift Handwerker, Bulgaren, Serhier und endlich
36 Walachei
Zigeuner, bie hier ganz verachtet find, ſich in völliger Sklaverei befinden und gekauft und wieder
verkauft werben. Die politiſche Verfaſſung der W. iſt durch das 1829 unter ruff. Autorität
zu Stande gekommene Organifche Statut, welches jedoch burch den zwifchen Rußland und der
Hohen Pforte 1. Mai 1849 gefchloffenen Vertrag von Balta-Riman (f. Moldau) mehrfach mo-
dificirt worden iſt, geordnet. Nach demſelben ift bie IB. wie die Moldau ein von ber Türkei ab-
bängige® umd ihr zinsbares, unter Rußlands Schuge ſtehendes Wahlfürftentbum, an deſſen
Spige ein früher auf Lebenszeit, feit 1849 auf fieben Jahre gewählter, aber wegen Verbrechen
abfegbarer Hospodar, welcher Großbojar und nationaler Walache fein muß, ſteht. Derfelbe
bat einen aus den vornehmften Bojaren zufanmengefegten Divan oder Staaterdth, ber auch
als Oberappellationsgericht fungirt und die Befteuerung ordnet, zur Seite und wirb von
einer aus den vier Landesbiſchöfen der griech. Kirche, 125 Großboſaren, 36 Abgeorbneten des
niebern Adels und 27 Abgeordneten ber Städte beftehenden, feit 1849 aber fuspendirten Ge⸗
neralverſammlung befchräntt. Die Generalverfammlung übte bi6 1849 das Recht der Hospo⸗
darenwahl aus; doch bedurfte jeder gewählte Hospodar aud noch der Beftätigung und In⸗
yeftitur von Seiten ber osman. Pforte und der Einwilligung von Seiten Rußlands. Die
Dermaltung bes Landes gefchieht jegt durch ein vom Hospodar ernanntes Minifterium, früher
mitteld mehrer Großbeamten, als dem Großlogotheten oder Großkanzler, dem Großveftiar oder
Großſchatzmeiſter, dem Großſpathar oder Oberbefehlöhaber der Truppen und den Großdwor⸗
niks ober den Statthaltern ber verfchiebenen Landestheile. Die Verwaltung des Landes liegt,
obfchon fie äußerlich in manchen Beziehimgen nach europ. Mufter geordnet ift, im Ganzen doch
fehr im Argen und trägt ben Charakter bes Despotismus. Der Hospodar hat ein Heer zu fei
nen Befehlen. Daffelbe ift für die Ehrengarbe, ben Donauguarantänebienft, die Zolllinien
und die innere Polizei beflimmt und befteht aus regulären Truppen, Trabanten, Eivil- und
Grenzgarden. Das reguläre Militär umfaßt ein Cavalerie- und zwei Infanterieregimenter,
im Ganzen 4665 Mann. Die Seädtetrabanten find 680, die Landtrabanten 3808, die Bür-
ger» und Brenzgarden 36000 Mann ftart. Demnad zählt die ganze Miliz 45155 Dann.
Die Staatseinkünfte find auf 16,544755, die Ausgaben auf 14,493158 Piaſter veranfchlagt.
Das Verhaltniß zur Türkei ift Durch die Beftimmungen bes Friedens von Adrianopel georbnet.
Nach denfelben darf die Pforte keinen befeftigten Punkt auf dem linken Donauufer Haben und
fein Türke im Lande mehr wohnen. Die W. ift ferner frei von allen Lieferungen an bie Pforte,
die ſich außerdem feder directen Ginmifchung in Die innere Verwaltung bes Landes zu enthal«
ten hat und nichts als einen jährlichen Tribut von einer Mil. Piafter von der W. erhält. Die
Einwohner der IB. dürfen dagegen im ganzen Osmanifchen Reiche Handel treiben, ohne irgend
eine Beläftigung mit Steuern u. ſ.w. Die Anftalten für Geiftesbildung find noch fehr gering.
Die griech. Kirche, zu der ſich neben ben Walachen die griech, bulgar. und ferb. Einwohner
betennen (etwa 50000 Ungarn find röm.-fatholifch), ift Die Staatskirche. Nechnet man die hö⸗
here Geiftlichkeit ab, die aus bem Erzbiſchof von Bukareſcht und brei Bifchöfen befteht, fo bietet
die niedere Geiftlichkeit ein Bild der größten Unmiffenheit, Roheit und bes befchräntten Fana⸗
tismus. Ebenfo fchlecht beſtellt ift es mit bem Volksunterricht, der auf.dem Lande fo gut wie
gar. nicht eriftiet und nur in den Städten ſich zu verbreiten anfängt. Mehr iſt für den Unter
richt der höhern Elaffen ſowol durch Private, Lehr- und Erziehungsanftalten, wie durch öffent-
liche Unterrichtsanftalten gethan worden; doch leidet biefer Unterricht wie das gefammte öffent-
liche und fociale Leben ber W., an Oberflächlichkeit und dem Streben nach äußerm Schein. Bei
bem niedrigen Stande ber geiftigen Bildung kann die gewerbliche auch auf feinem hohen Stand»
punkte fich befinden. Der gemeine Walache fertigt feine Bebürfniffe felbft; als Schmiede die⸗
nen bie Zigeuner; eigentlichen Handwerksbetrieb, doch meift nur niederer Art, gibt e& nur in
ben größern Städten, mo er großentheil® von Ausländern geübt wird. Die feinern Gewerbs⸗
erzeugniffe werben alle vom Auslande bezogen. Nicht viel beffer fteht e8 mit bem Landbau und
der Viehzucht, die, obwohl die wichtigſte und ausſchließliche Befchäftigung des größten Theils
ber Einwohner, auf rohe und forglofe Weiſe betrieben werben. Nur der unerfchöpfliche Reich⸗
thum des Bodens macht ed möglich, daß trogbem eine fo geoße Menge von Producten erzeugt
wird. Ebenfo könnte der Handel, der bedeutende Maffen von Naturproducten aller Urt, vor»
nehmlich Getreide, Vieh, Talg, Häute und Salz ausführt umb Dagegen ben ganzen Bebarf an
Manufacturwaaren und Kunftproducten einführt, viel bedeutender fein, wenn es außer der
Waſſerſtraße ber Donau andere gute Verkehrswege gäbe; denn alle Straßen des Landes befin-
ben ſich noch im Naturzuftande. Die W. zerfällt in die Große und in bie Kleine Walachei.
Jene, das Land öftlich von der Aluta begreifend, wird wieder in das Unterland, zwifchen den
Balachei 87
Flüffen Sereth und Ardſchiſch, und das Oberland, zwiſchen Ardſchiſch und Aluta, jedes mit
ſechs Bezirken, getheilt; dieſe, die Kleine W., das Land weſtlich von ber Alırta mit ber Haupt-
ſtadt Krajowa begreifend, zerfällt in fünf Bezirke. Hauptſtadt der großen WB. und des ganzen
Landes ift Bukareſcht (f. d.).
Die W. bildete in den älteften Zeiten einen Hauptbeftanbtheil des alten Dacien (f.d.). Zur
Zeit der Völkerwanderung und in den darauf folgenden Jahrhunderten war das Land der Tum⸗
melplag dee Gothen, Alanen, Hunnen, Avaren, flaw. Stämme, ber Bulgaren, Petſchenegen,
Kumanen und Magyaren, welche Völker abmwechfelnd, eines da® andere vertreibend, in dem
Rande herrfehten und alle mehr oder weniger Spuren in der zomanifirten bacifchen Bevölkerung
zurüdtießen. Unter der Herrfchaft der Bulgaren gegen Ende bes 9. und Anfang des 10. Jahrh.
breitete ſich das Chriftenthum in der WB. aus. Im 11. Jahrh. gehörte bie W. zum Reiche der
Kumanen (f. d.); dann traf fie im 13. Jahrh. der Sturm der Mongolen, welcher das Reich der
Kumanen zerflörte. Nach dem Verſchwinden der Mongolen Fam fie unter ungar. Derrfchaft,
bis 1290 ein eigener Staat unter Woſewoden in ihr entfland, der fein Beftehen bei den benach⸗
barten Bofkern, welche Anfprüche auf die W. machten, zu erkämpfen hatte, namentlich mit den
Ungarn. Erſter Wojewode ber IB. war Radul der Schwarze. Die Verfaffung war ſlawiſch;
Bojaren ftanden dem Wojewoden zur Seite; die Regierung derſelben war höchſt deöpotifch.
Der Rame Wlad's IV. oder des Henkers, feit 1456, ift feiner unerhörten Grauſamkeit wegen
in der Geſchichte fogar fprichwörtlich geworden. Den Streitigkeiten um die Oberherrfchaft
über die W. machte das Erfcheinen der fiegreihen Türken ein Ende, welche nach der Schlacht
von Mohacs 1526 das Land vollig eroberten. Doch liefen fie der Provinz, da diefe fich freiwillig
unterworfen hatte, ihre Berfaffung unter eigenen Wojewoden, ben Einwohnern die Yusubung
ihrer Religion und befegten nur die feften Pläge. Trogdem dauerten die Kriege mit den Türken
fort, denn die Wojewoden fuchten fi; vom türk. Joche zu befreien. Erſt mit der Abfchaffung
der durch die Wahl ber Bojaren ernannten nationalen Wojewoden 1716 hörten biefe Verfuche
auf. Die Pforte fegte num fogenannte Hospodare als zindpflichtige Lehnsfürften ein, die fie aus
den vornehmen fanariotifchen Griechenfamilien nahnı und nach Willkür ein- und abfegte. Der
erfte Hospodar war Nikol. Maurofordatos, der ſich um die Eivilifation des Landes Ver⸗
dienfte erwarb. Bein Sohn Konftantin befreite als Hospodar feit 1755 die walach. Bauern
von der Leibeigenſchaft. Die Regierung der Hoßpodare war be&potifch und im höchſten Grade
dad Land ausfaugend. Denn ba fie, außer ihrem Tribut, große Gefchente nach Konftantinopel
jenden mußten, Dabei auch nie ihrer Stelle fiher waren, fuchten fie fich fo ſchnell als möglich zu
bereichern. Die Kriege Rußlands in ber neuern Zeit mit der Türkei, deren Schauplag zum gro-
sen Theil Die Moldau und WB. waren, zogen auch diefe Fürſtenthümer bald in das Intereffe des
teligionsverwandten Rußland. So kam es, baf die Ruffen den beiden Fürſtenthümern durch
die Verträge von Kainardſchi, Jaſſy, Bukarefcht und Akferman immer mehr Rechte zu fihern
und fih das Schugrecht über diefelden zu erwerben mußten. Zulegt gab ber Aufſtand Ypfilan-
tie (f.d.), der in den Fürftenthümern ausbrach, und die weitere Erhebung Griechenlands (f. b.)
Deranlaffung zu einer völligen Umgeftaltung der W. Während und in Folge des durch diefe
Ereigniffe veranlaften Kriegs zwiſchen Rußland und der Türkei, fegte ſich der ruff. Einfluß
vollends in den Fürftenthümern feft. In den I. 1828 und 1829 fland das Land unter ruff.
Nilitärverwaltung. Der Friede von Xörianopel(f.d.) 1829 regelte fein Verhältniß zur Pforte,
begründete den ruff. Einfluß vertragsmäßig, ımd die Verwaltung des ruff. Generals Kiffelem
von 182934 vollendete die übermacht Rußlands in den Fürſtenthümern. Erſt im April
1834 fand nad) dem neuen Drganifchen Statut die Wahl des neuen Hospodars flatt, melde
auf Alex. Ghika fiel. Da aber der ruff. Politik daran lag, fefte und geregelte Zuftänbe in den
Fürſtenthümern nicht aufkommen zu laffen, folgten fich bald, neben der legalen Oppoſition,
Unruhen und Intriguen aller Art, durch die der Hospodar Ghika am Ende genöthigt mar, 1842
abzudanken, um einem Hospodar, der mehr nach Rußlands Sinne, Plag zu machen.
Diefer neue Hospodar, Georg Bibesko, wurde 1843 erwählt. Obwol er mannichfache
Kämpfe mit der Oppofition ber Misvergnügten, namentlich mit der antiruff. Partei unter den
Bojaren, zu beftchen hatte und ihm gleich anfange fo heftiger Widerſtand entgegengefegt wurde,
daß fich die Pforte veranlaft fah, ihm 1844 mittels Ferman ausgedehnte Vollmachten zum
Widerfiande gegen die ihm feindlichen Bojaren und felbft zur beliebigen Auflöfung der Landes-
verſammlung zu ertheilen: fo waren boch feine Verbienfte um die materielle Hebung des Landes
ganz unleugbar. Dahin gehörte die Anlegung von Straßen, bie Erleichterung ber bäuerlichen
Raften durch firenge Mafregeln gegen ben Druck der Butspächter, die Regelung der Staats
38 Malachei
finanzen, die Verbefferung..des Geſängnißweſens und Befefligung der öffentlichen Sicherheit
Gleichzeitig wurde das Militär vermehrt, Artillerie beſchafft, Lehrcptisandos errichtet, und
auch durch Beförderung wiffenfchaftliher Anftalten fuchte Bibesko das erfirebte Ziel eines
Culturgleichgewichts der W. mit den übrigen europ. Staaten mehr und mehr zu erreichen. Bei
ber Verheerung der Viehſeuche 1846, bei den großen Brande won Bukareſcht 1847 traf er die
energifchften und heilfamften Anflalten zur Abhülfe ber großen Noth. Ohgleich die öffentliche
Ruhe nirgends geftort ward, hörte doch das Ankämpfen der liberalen Partei gegen die rufſ. Do-
litik des Fürſten nie auf, und die Verfolgung diefer Partei fleigerte die Gährung fo, daf fie
endlich 1848 zum offenen Ausbruch gelangte. Die Bewegungen in der Moldau waren be-
reits vollftändig unterdrückt, als €6 in der IB. zum Aufftande kam. Am 22. Juni 1848 erfchien
eine Maffe von Bauern, geführt von Eliad und begleitet von einem Militärdetachement, zu
Krajoma und verlangte von dem Bounerneur, einem Bruder des Fürften, eine gründliche, vollig
liberal»conftitutionelle Veränderung der Verfaffung. Den Widerſtande des Gouverneurs
wurde vafch mit Gewalt begegnet, und feine Truppen legten die Waffen nieder. Dieſelben Fo⸗
derungen ftellte 25. Juni eine Volksverſammlung zu Bukareſcht an den Fürften felbft, der, da
ſich auch dad Militär für die Volswünſche erklärte und fogar ein Schuß gegen ihn abgefeuert
wurde, fofort zur Nachgiebigkeit fich veranlaft ſah, fänmtliche Foderungen bewilligte und Die
raſch entworfene Eonftitution unterichrieb. In das neue, den Fürſten abgedrungene Minifte-
rium traten durchaus volksthümliche Männer. Am folgenden Tage reichte indeffen demfelben
der uff. Conſul von Kogebue eine Proteftation gegen die neuen Eonceffionen ein und reifte
nebft den: jüngft zum Beiftande des Fürſten angelangten ruff. Commiffar Duhamel ab. Noch
an bemfelben Abend legte Fürſt Bibesko die Regierung nieder und begab ſich nach Kronftadt in
Siebenbürgen. Am 26. Juni ward fodann eine proviforifche Regierung eingefegt, und diefe leir
ftete 27. Juni, nebft allen Notabilitäten, dem Militär und ber Jugend, auf dem Philarethfelde
den Eid der Treue auf die Verfaffung und rief 28. Juni die Intervention Frankreichs, reiche
und Preußens an, für ben Fall, daß die von bem abgetretenen Fürſten beſchworene Conſtitution
von irgend einer Seite her angefochten werden ſollte. Ein 30. Zuni von den Oberften Odobes ko
und Salomon gemachter Verfuch zx einer Sontrerevolution hatte feinen Erfolg. Die Revolu-
tion ward, nachdem fich die ganze Bevölkerung, Adel und Militär dafür erklärt, als gelungen
und vollendet betrachtet. Auf den Schug der Pforte glaubte man um fo ficherer rechnen zu dür⸗
fen, je offenbarer die Erhebung gegen ben ruff. Einfluß gerichtet geweſen. Wirklich erfchien Die
Stinnmung zu Konftantinopel derfelben anfangs günftig; aber bald zeigte ſich der Einfluß der
ruſſ. Vorftellungen. Bereits 51. Juli erfolgte der Einmarſch türk. Truppen in die W. Bei
Giurgewo bezog Dmer-Pafıha mit 23000 Mann ein Rager, und gleichzeitig erflärte der außer⸗
ordentliche Bevollmächtigte Suleiman⸗Paſcha den Notabeln des Landes, daß die Fortdauer der
gegen bie Souveränetätsrechte und NRegierungsprincipien ded Sultans eingeführten neuen Ord⸗
nung der Dinge nicht beftehen könne. In Bukareſcht herrfchte in Kolge beffen die höchſte Aufre⸗
gung; aber Suleiman⸗Paſcha beftand auf dem Rücktritt der proviforifchen Negierung und der
Einfegung einer Kaimakamie. Wirklich löfte ſich die proviforifche Negierung 4. Yug. auf; an
ihre Stelle trat eine vom Volke gewählte fürftliche Statehalterei, beftehend aus Eliad, Tell und
Nik. Gollesko, Mitgliedern der vorigen Megierung. Diermit fehien die Pforte zufrieden geftellt;
nicht fo Rußland. Dies zeigte fich ſchon in der Erfegung Suleiman-Pafcha’d durch Fund: Ef
fendi, der offenbar den Wünfchen Duhamel's ſich geneigter bewies. Am 22. Sept. foberte Fuad⸗
Effendi von dem Metropoliten die Unterwerfung und kündigte die Befegung Bukareſchts durch
türt. Truppen an. Am 25. Sept. bob er die Statthalterei auf, fegte zum einzigen Kaimakam
Konftantin Kantakuzenos ein und publicirte die alten organifchen Neglements aufs neue. Ver⸗
eblich blieben alle Protefte, Maffendeputationen und Berufungen auf die alten Rechte und
ndescapitulationen. Noch ein mal beſchworen uber 50000 Stimmibererhtigte auf dem Phila⸗
vethfelde die Conftitution, worauf unter dem Beläute aller Bloden das Goldene Buch und das
Reglement organique von dem Metropoliten verflucht und verbrannt wurden. Schon 26.
Sept. erfchienen jedoch türk. Truppen vor Bußarefcht, und nad} einem hartnädigen Kampfe wurde
die Stadt erflürmt und zum Schauplag wilder Mord- und Plünderungsfcenen gemacht. Am
27. Sept. rüdten dann auch ruff. Truppen unter General Lüders von der Moldau her ein, und
bamit war bie Erhebung der WB. völlig niedergeworfen. Der größte Theil der Gompromittirten
flüchtete, befonders nach Siebenbürgen. Die zahlreichen Verhafteten wurben vor das Gericht
einer aus Bojaren zufanmengefegten Unterfuchungscommiffion geftelt. Den Schlufftein der
moldau · walach. Revolution bildete ber nad) langen Verhandlungen zu Stande gekommene Ver-
Wulachei 20
trag zu Dalta⸗ nran voni. Mai 1649. Das alte Syſtem kehris vãllig zurück, mit ihm auch
der herrſchende Einfluß Raßlando. An die Stelle Wibesko’s, den man gleichwol fallen ließ
ward ber Großboſar Oimitri Barbo Stitbey 16. Juni 1840 zum Hos prdat erwoaͤhlt. Eine
Amneſtie hin ſechtlich der jüngflen Ertigniſſe wurde erlaſſen, jedoch blieben bauen Wille. andge-
ſchlofſen, welche fich dem Tiumarſch ber min Bukareſcht gewaltfam wiberſegt und bie das
Driginal des Reglement organitpue verbrannt Hatten.
Den dem umger. Kriege wurde die ZB. im Ganzen weit weniger berührt als die Mol-
dau. Die Hauptfrage für die Donaufürſtenthümer war die Zurüdgiehung ber Decupations⸗
armer, deren Erhaltung den Kindern zur Laſt fiel. Rußland Hatte, anflatt fen Be
fagungöheer dem Vertrage von Bulta-Biman gemäß auf 19000 Mann zu verminbern,
wie eb die Pforte gethan, daſſelbe allmälig auf 40000 Mann erhöht und ließ erft im
Sommer 4850 eine Grleichterung eintreten. In der erfien Hälfte des 3. 1851 folgte fo-
dann bie völlige Räumung. Die rufſ.türk. Berwidelungen bes I. 1853 (f. Nußland und
Dimanifiges: Weich) Hatten indeflen 9. Juli den abermaligen Einmarfch der Ruſſen (2. Juli
in der Moldau) auch in der RB. zur Folge, wo fich ihre Hauptmacht allmälig concentrirte und
im October bereitö auf 75000 Dann angewachfen war. Die Macht der einheimifchen Negie-
tung ſchwand unter. dem Walten des ruff. Oberbefehlshabers, Fürften Gortſchakow. Nachdem
von türk. Seite die Kriegsetklärung an Rußland erfolgt, wurben die Donaufürftenthümer alb⸗
bald fo ganz als eufl Arovingen behandelt, daß der Kürft Stirbey 27. Det. 4853 Bukareſcht ver-
ließ, um fich nach zu wenden. Derſelbe übergab durch einen Erlaß vom 26. Dct. die Ber-
waltung bes Laudes einem Berwaltungsdivan unter bem Vorſitz deßs Großbans Jord. Philip⸗
peito. Fürſt Gortfchatom fiftirte jedoch die bis herige Regierungsgewalt, übertrug das Gouver⸗
nement dem Generaladfutanten Baron ven Bubberg, erflärte da® Fürſtenthum in Belage
rungszuſtand und bedrohte jede, bisher noch immer häufig unterhaltene Verbindung mit ben
Türken mit ſtandrechtlicher Behandlimg. Auch wurden die walach. Truppen dem ruff. Deere
einverleibt. Am 8. Nov. erſchien ein Erlaß, worin ber Kaifer von Rufland, da die Hospobare
ber Moldau und W. ihre Wüurde niedergelegt, die Verwaltung beider Bänder dem Baron von
Budberg unter. dem Oberbefehl dos commmandirenden Generals Gortſchakow definitiv übertrug.
Bubberg farb fi als außerordentlicher bevollmädhtigter Eommiffar der Donaufürſtenthümer
50. Nov. in Jaſſy em und zeigte 8. Dec. dem Berwaltungsrathe der IB. dis Ernennung bes
ruſſ. Staatsraths Kaltſchinſti als Wicepräfidenten an. Als Kriegöfchauplag während bes
Winters bis in den Sommer. 1854 wurbe bie W. auf deren Gebiete die blutigen Gefechte von
Dltenipa, Ralafat u. ſ. w. vorſtelen, Durch Die befländigen Hin- und Hermärfche der ruff. Trup⸗
per, durch Erpreſſungen and Mishandlungen aller Art aufs härtefte Heimgefucht, um fo mehr,
da eine raſſenfeindſiche Stimmung des Bandes bei verfchiebenen Gelegenheiten unverkennbar
hervortrat. Allein bereitö mach dem verunglückten Angriffe des ruſſ. Generals Schilder auf
Kalafat, 419. April 1854, fand, da der Donauübergang im Dſten und der Bauptangriff
auf Siliſtria in ber Bulgarei vorbereitet wurde, der Rückzug aus der weſtlichen oder Klei-
nen ZB. flat. Auf demfelben erlitten die Nuffen durch Suleiman⸗Paſcha 2. Mai bei Ra-
dowan betwächttiche Berluſte. Schon 7. Mai befegten die Türken Krajowa, und 30. Mai wur⸗
den bie Ruffen von Ismail⸗Paſcha und Skander-Beg bei Karakal abermals angegriffen und bis
an bie Aluta verfolgt. Um 50. Juni räumte ſodann der ruff. General Liprandi die Pofition
Slatina und verließ die Linie jenfeit der Aluta zwifchen Rimnik und der Donau. Schon unter
dem 3. Juni war von Geiten reits an Rußland die Auffoderung zur Räumung ber Do-
naufürſtenthümer ergangen. Am 25. Juni machte Baron Bubberg den walach. Bojaren bie
amtliche An zeige über ben bevo nden Abzug der ruff. Truppen und fämmtlicher ruff. Be⸗
hörden aus Bukareſcht. Am 26. Juni fand nad) Aufhebung der Belagerung von Sitiftrin ber
Rückzug auf das linke Ufer der Donau, 31. Juli die Räumung von Butarefcht, mo der Fürft
Konftantin Kantakuzenos als Pröfident eines auferordentlichen Verwaltungsrath6 die Leitung
ber Gefchäfte übernahm, in den folgenden Wochen die Räumung der übrigen W., 21. Aug.
aber in Folge eine® Tractats mit der Pforte der Einmarfch öftr. Truppen in das walach. Gebiet
und 6. Sept. in Bukareſcht ftatt. Der Feldmarfchalfteutenant Graf Coronini, ald Commandant
fämmtlicher kaiſerl. Befagungstruppen, und der türk. Commiſſar Derwifch-Pafcha erließen
mm an den Fürften Stirbey, der fich in Wien aufhielt, die Einladung zur Rückkehr, umd diefer
bielt 5. Det. in Bukareſcht feinen Einzug. Bereits im September traten die Türken ihren Rück⸗
marfch aus der W. an. Das von bem Fürften noch im October ernannte neue Miniftertum be
fand größtentheile aus populären Namen.
u u
40 Balachen N
«
Balachen. Die Walachen haben den Ramen, unter dem fie dem Weſten Curopas be»
kannt find, unmittelbar von den Slawen erhalten, welche mit dem Ramen Wlach, Woloch alle
somanifchen Völker bezeichnen; fie felbft nennen fih Romenen. Sie bewohnen die fübliche
Hälfte der Bukowina, den größten Theil Siebenbürgens, das öſtliche Ungarn, einen Theil der
Militärgrenze, Befjarabien, einzelne Gegenden ber Gouvernements Podolien und Cherſon, bie
Walachei, die Moldau, einige Diftricte im öftlicden Serbien ; ein Theil endlich bewohnt, ger
trennt von der Maſſe feiner Stamımgenoffen, einzelne Striche in Macebonien, Albanien und
Theffalien. Eine walach. Eolonie in Iftrien ift von geringer Bedeutung: fie zählt ungefähr
4500 Seelen. Das von den Walachen bewohnte Gebiet kann baher füglich in ein norbliches
und ein fübliches gefchieden werden. Der nördliche Theil wird eingefchlofien von Rußland,
dem Schwarzen Meere, Bulgarien, Serbien und Ungarn; einen Theil dieſes Gebiets nehmen
jeboch die Deutfchen und Ungarn Siebenbürgens ein. Die am linken Ufer der Donau wohnen»
den Walachen pflegt man Daco⸗LKalachen zu nennen; die im Süben ber Türkei anfäffigen hei⸗
Ben Macedo⸗Walachen und mit einem allgemein bekannten Spottnamen Kuzo⸗Walachen ober
Zinzaren; die von Einigen fogenannten Möfo-IBalachen, d. i. jene Walachen, bie in Serbien
angefiedelt find, müſſen [prachlich zu ben Daco-JBalachen gerechnet werben. Die Walachen ge-
hören brei Staaten an: Oſtreich, Rußland und der Türkei. Sie bekennen ſich zur orientaliſchen
(griech.) Kirche; ein Theil in Ungarn und Siebenbürgen hat ſich mit ber röm. Kirche vereinigt.
Man zählt an acht Mil. Walachen, wovon auf —3 drei Mill. auf Rußland eine halbe
Mill. und auf die Türkei fünftehalb Millionen entfallen; zur orient. Kirche bekennen ſich über
ſieben Mil, zur röm. gegen eine Mill. Die walachiſche Sprache entſtand, als Kaiſer Trajan zu
Anfang des 2. Jahrh. Dacien zur röm. Provinz machte und in Folge deſſen die Dacier durch
Colonien romaniſirt wurden. Urſprünglich ſind daher im Walachiſchen zwei Elemente zu un⸗
terſcheiden: das daciſche, von dem mit einiger Wahrſcheinlichkeit angenommen wird, daß es dem
albaniſchen verwandt, und das römifche. Letzteres beſtimmte im Ganzen die Form der Sprache,
während das dacifche Element feinen Einfluß nur in einzelnen Punkten, namentlich, in der Stel-
lung bed Artikels äußert. Das Slawiſche, das fich fpäter, nämlich zu Anfange des 6. Jahrh.,
zu den genannten Elementen gefellte und aus bem bad Walachiſche einen großen Theil feines
Sprachſchatzes unaffimilict entlehnte, blieb ohne allen Einfluß auf die Form des Walachiſchen,
das daher weſentlich eine tomanifche und nicht, wie Manche behaupten, flaw. Sprache ift. Das
Borhandenfein des flam. Elements erklärt fich theils durch Die in manchen Gegenden eingetretene
Verſchmelzung von Slawen und Walachen, theild dadurch, daß das Slawiſche lange Zeit hin⸗
durch die Kirchen⸗ und Staats ſprache der Walachen war. Von geringerer Bedeutung iſt im Wa⸗
lachiſchen das griech., türk, magyar. und deutſche Element. Von den Slawen, und zwar von
den Bulgaren, eigentlich Slowenen, und nicht von den Serben, wie Manche dafür halten, haben
die Walachen auch die Schrift entlehnt, die zur Bezeichnung der Laute des Walachiſchen un⸗
leugbar weit geeigneter iſt als irgend eine der ſeit 1677 auf das phonetifche oder etymologiſche
Princip gegründeten Mobdificationen des Tat. Miphabets; in der neueften Zeit verfiel man auf
den Einfall, beide Alphabete zu verſchmelzen. Kirchenbücher werden auch jept ausfchließlich
mit corillifcher Schrift gedruckt. Die grünblichfte Darftellung der walach. Grammatik enthalt
Diez, „Grammatik derroman. Sprachen” (3 Bde., Bonn 1856 — 44) ; für den praktifchen Ge»
brauch berechnete Grammatiken befigen wir von Alexi (Wien 1826), von Eliad (Bukar. 1828),
von Siemens (Hermannft. 1856) u. f. w. für das Daco-MWalachifche und von Boſadſchi (Bien
1815) für das literarifch unausgebildete Macedo-Walachifhe. Auch Wörterbücher erifliren
für das Daco-MWalachifche mehre eins von Bobb (Klauſenb. 1822— 23); ein anderes warb
von Klein und Kolofy begonnen, von Major fortgefept und nach beffen Zode von Andern be
endet und herausgegeben (Ofen 1825). Das Macedo-Walachifche ift lexikaliſch noch nicht be⸗
arbeitet worden. Geraume Zeit hindurch war bei den Walachen das fogenannte Kirchenſlawiſch,
eigentlich Witflowenifch, und zwar in jener Form, bie es im Laufe der Zeit bei ben benachbarten
Bulgaren angenommen, Kirchen: und Staatsſprache; alle Kirchenbücher waren altſlawiſch,
alle Urkunden wurden altflawifch ausgefertigt ; das Altſlawiſche hatte daher bei den Walachen
fo ziemlich jene Bedeutung, welche im Abendlande dem Lateinifchen zukam, nur führte es, ba
es in der Literatur arm, dem Wolke nicht jene Fülle von Wiſſen zu, die das Abendland dem La⸗
teinifchen verdankt. Handfchriftliche Kirchenbücher aus jener Zeit findet man nicht felten, und
eine Sammlung flawifcher, für die Gefchichte ber Walachen nicht unmwichtiger Urkunden hat
Georg Wenelin (Petersb. 1840) herausgegeben. Da bie Walachen das Slawiſche nur aus
dem Gebrauche, wahrfcheinlich durch Leſung von Kirchenbücheen fich eigen machten, fo banden
Baqlafried Balderen 4
fie fi, wenn fie fehrieben, wenig an bie Hegeln ber Grammatik, und ihre Schriften fegen da⸗
durch dem Verſtändniſſe nicht geringe Hinderniffe entgegen. Den wirkſamſten Anftoß zur
Dflege der walach. Sprache gab Georg Raͤkoczy, Fürſt von Siebenbürgen, durch den 1643 ar
den Erzbifchef Simon Stephan erlafienen Befehl, den Walachen das Wort Gottes in ihrer
Mutterfprache zu predigen. Doch beſchraͤnkte fich die Literatur auf bie Uberſetzung der zahirei⸗
chen und großentheils umfangreichen Kirchenbücher. Als 1716 die einheimiſchen Woſewoden
den griech. Hospodaren weichen mußten, warb das Briechifche die Sprache der Bebildeten, und
dem Walachiſchen ward in der Moldau und Walachei nur geringe Pflege zu Theil; Die fieben-
bürg. Walachen gingen in biefer Zeit ihren Sprachgenoffen mit gutem Beifpiel voran. Als
endlich in jüngfter Zeit die Moldau und Walachei von dem griech. Einfluffe befreit wurben und
funge Walachen anfingen, zu ihrer Ausbildung das Ausland zu befuchen, wandten die höhern
Stände ihre Liebe dem Franzöfifchen zu, das nun zur Sprache des Landes in jenes feindliche
Verhältniß trat, in dem in der unmittelbar vorhergegangenen Zeit das Griechifche und bis zur
Mitte des 17. Jahrh. das Slawiſche zu derfelben fland. Doch iſt wegen ber Fülle von bilden-
den Elementen in der franz. Literatur der gegenwärtige Zuftand dem vorhergegangenen offenbar
vorzuziehen. Es bat ſich auch eine Reihe von Schriftftellern um die einheimifche Literatur ver⸗
bient gemacht, namentlich Peter Major, Georg Schinkay, Mich. Kogalnitſchan ale Geſchichts⸗
forfcher; Bobb, Pet. Major, I. Eliad als Leritographen und Grammatiker; Alexandri, Er.
Ulerandresto, E. Ariftia (Überfeger der „Sliade‘), Affati, Beldiman, Rik. und Joh. Vakaresko,
A. Donitſch, I. Eliad, Yar. Mumulean, Negruzzi, J.Rofetti u. A. als Dichter und als Überfeger.
Bon walach. Volksliedern find nur fpärliche Proben befannt geworden; walach. Märchen haben
Arthut und Albert Schott in deutfcher Überfegung (Stuttg. und Tüb. 1845) herausgegeben.
Walafried, Strabo oder Strabus genannt, d. h. der Schielenbe, machte fi) ald Abt des
Kofters Reichenau feit 842 um bie dafige Schule fehr verdient und flarb daſelbſt 849. Berühm⸗
ter als durch feine theologifhen Schriften war er ala Dichter der Heiligen. Auch ſchrieb er ein
Gedicht über Kräuter: „Hortalus” (herauſsgeg. von Reuß, Würzb. 1834).
Walch (Ioh. Georg), ein gelehrter Theolog, geb. zu Meiningen 1693, flubirte in Jena, wo
er nacheinander Profeffor ber Philoſophie, Beredtfamkeit, Dichtkunſt, feit 1724 der Theologie
wurde und 1775 flarb. Bekannt find beſonders feine „Theologia patristica” (Jena 1770),
das „Philoſophiſche Leriton” (2 Bde., Lpz. 1726; A. Aufl., 1775) und die „Einleitung in bie
theologifchen Wiffenfhaften” (Jena 1747; 2. Aufl., 1753). — Wald (Joh. Ernſt Imma⸗
auel), des Berigen Sohn, geb. 1725 zu Jena, feit 1759 Profeſſor ber Beredtſamkeit und
Dichtkunſt, geft. 1778, war ein berühmter Mineralog und im Befig einer ber reichften minera-
logiſchen Sammlungen. — Wald (Chriſtian Wild. Franz), Bruder des Vorigen, geb. 1726,
geft. als Profeffor ber Theologie in Jena 1784, machte ſich Durch feine kirchenhiſtoriſchen Schrif-
ten befannt, durch die „Historia Adoptianorum“ (2p3.1755), bie „Historia Patropaschitarum”
(2p3.1760) und den „Entwurf einer Gefchichte ber Kegereien” (141 Bde. 2p5.1762—85).—
Bald (Karl Friebr.), Bruber ber Vorigen, geb. 1734, geft. ald Profeſſor der Rechte in Jena
1799, war der Verfaffer ber „Introduotio in controversias juris civilis recentioris” (8 Bbe.,
Jena 1771 5 3. Aufl, 1790), der. Beiträge zu dem beutfchen Rechte” (Jena 177193) und
des „Grundriß ber Geſchichte aller in Deutſchland geltenden Rechte” (2p3. 1780). — Wald
(Georg Ludw.), der Sohn des Leptern, geb. zu Iena 8. Mai 1785, ſtudirte bafelbft und wurde
im 20.3. an der dafigen Univerſitätsbibliothek angeftell. Bon 1811—25 war er Profeflor
am Srauen Klofter in Berlin. Im J. 1850 wurde er Profeffor der alten Sprachen in Greifs⸗
wald, wo er 20. Jan. 1858 ftarb. Er beforgte gefehägte Ausgaben von bed Tacitus „Agricola”
(Berl, 1828) und „Germanie” (Berl. 1829).
Balcheren, die 2, M. lange, weſtlichſte und wichtigſte ber Infeln der niederl. Provinz
Seeland, mit 36000 E., zwiſchen den beiden Mündungen der Scheide und der Rordſee gelegen,
ift in vier Theile (Hitwateringen) getheilt, Die nach ben vier Himmeldgegenden benannt find und
gegen das Meer durch koſtbaren Deichbau verwahrt werben, während auf einer Seite Dünen
und Sandhügel gegen bie eindringenden Fluten fie fügen, Die Infel ift eben, durchaus mit
einer fetten Dammerbe bedeckt, liefert ben fchönften Weizen, beſonders gute Färberröthe, vor-
zũgliche Bartenfrüchte und ernährt aufihren ausgezeichneten Wiefen herzliche Rindvichheerben.
Auch treiben die Bewohner bedeutende Fifcherei. Die Hauptſtadt ift Mibbelburg (f. d.), ber
Hafen liege bei ber Feſtung Vlieſſingen (f. d.). Bekannt iſt die Infel durch bie brit. Erpebition
1809, wo 30. Juli 50000 Mann landeten, die Feſtung Vlieſſingen zerflörten und dann ohne
weitere Unternehmungen zurückkehrten.
SS
42 alaenaer Valbbau
Walckenaer EShacles Athanaſe, Baron), franz. Selehrter, geb. 25. Dec. 1771 zu Yard,
emigrirte wãhrend der: Revolution nach Schottland, wurde unter der. Neſtauvation 1816 eimer
ber Maires son Paris, 1847 Benevalfecvesär der Präfeetur der Seine: umd 1826 Präfect von
Rievre. Im I E50 trat er aus dem Stautsdienſt und lebte wiffenſchaftlichen Scudien zu
Paris, wo er 27. Apyil 185Sſtatb. In der leyten Zeit feines Lebens bebleidete er das Amt
eines Confervnteur⸗Abioint ber großen EBobliothek in der: Section für geographiſche Karten;
feit 1840 fungirte er als deſtündiger Secretär der. Akademie der Yrfchriften, in die er bereits
1815 aufgenomshen worden ar. W. war ein viehfeltig ‚gebitdeter, in verfihiebenen Gebieten
bed Wiſſens verbienter Gelchrter. GBekbügt ſind von feinen naturhiſtoriſchen Arbeiten beſon⸗
ber# bie.„Faune Parisienne” (insectes‘, 2 Bbe., Dar. 1805), die „Histoire naturelle des
arandides” (Heft 1—5, ar. 1805 fg.) und die „Histoire naturelle des.insectes” (3 Wbe.,
Dar. 1856). Daſſelbe gift vonmehren feiner geographifchen Werke, wie befonber® „La-monde
maritime” (A Bbe., Par. 1818; 128be.,1819), „Histoire generale des voyages” (24 Bde.,
Par. 182631) .ımd „Guographie -ancienne des Gaules“ (3 BPde., Par. 1839). Daran
Schließen füh auf Dem biographifchen Gebiet unter Inder „Histoire de la vie et des ouvrages
de Lafontaine” (Par. 1820;.5. Aufl., 1824), „Histoire de la vie et des poesies d’Horace”
(2Bde,, Par. 1840) und die „M&moires touchants la vie et les 6crits de la Marquise de Se-
vigne‘ (3 Bde, Par. 1842-532). Bablreiche Abhandlungen, Eloges und Gelegenheitöreben
von W. find in den „Mémoires“ des Inſtituts abgedruckt.
Waldäi, Stadt im zuff. Gouvernement Nowgorod, in dem nach ihr benannten Waldai⸗
gebirge (ſ. d.), auf ber Höhe des Plateaus, in ber Nähe des 800 F. über dem Meere erhabenen
Popowa Gora gelegen, war ehebem fihlecht und unzegelmäßig gebaut, hat aber jegt, nachdem
es von mehren Kewersbrünften betroffen worden, ein freundlichere8. Anſehen gewonnen, welches
durch bie ſchöne Lage an den mit büftern Tannenwäldern umgebenen, anderthalb M. langen
und eine M. breiten Waldaiſee, auf beffen einer Infel das fchöne Iwerſtikloſter liegt, noch be»
beutend erhöht wird. Die Stadt zähle 5100.€. Die hieſigen Kringeln, Baraſchki (Schäfchen)
genannt, em Gebäck aus Weizenmehl, womit nad alter Sitte bie Fremden bei ihrer Ankunft
von den waldaiſchen Mädchen beinahe beflürmt werben, ſowie die waldaiſchen Glocken, bie einen
fehr hellen Klang geben, find im ganzen Reiche berühmt. W. liegt faſt im Mittelpunfte ber gro-
fen Straße, welche die beiden Reſidenzen des Reichs verbindet. ,
Waldaigebirge oder Wolchonſtiwald, bei den Alten Mons Alaunus, ift die höchſte, quel-
lenreiche Erhebung des Bodens im Innern des europ. Rußland, welcher die Wolga, der Dniepr,
bie Düng und unzählige kleinere Flüffe ihren Urſprung verdanken. Das Gebirge beſteht aus
Aachen, meift bewaldeten Bergräden, zu benen füch bei der: Stadt Walbai (f. d.), wo e& feine
höchſte Erhebung (800 und 1000 8. über der Oſtſee) erreicht, eine Reihe zum Theil fleilever
Hügelgruppen gefellt, zwiſchen been viele enge Thäler und Ktüfte ſich befinden. Im engern
Sinne bezeichnet man. mit’ Waldatgebirge auch. nur den letzterwaͤhnten Theil diefer Berge, d. i.
bie Gegend von Waldai und dem Waldaifee. Im weitern Einne wird Waldaigebirge gleich-
bedeutend mit bem Wolchonſkiwald genommen und bezeichnet. dann eine Landerhebung, deren
‚ Länge gegen 50 M. und.deren Breite über 12 M. beträgt. Das Gebirge ift reich an Kalt- und
Sandftein, Schiefer, Vitriol, Eifen und Steinkohlen, daher auch an vielen Orten bergmänni⸗
ſcher Betrieb Rattfindet. An Waldungen ift es in Folge der Anſiedelungen nicht mehr fo rei
wie ehedem.
Baldarfer (Chriſtoph), auch Waldarfer, Valdarpher, Valdafer und Baldorfer genammt,
aud Regensburg, nimmt ‚unter den Deutfchen, weiche im 15. Jahrh. die Buchbruderkunft in
Stalien pflegten und verbreiteten, eine hohe Stelle ein. Unbekannt it, wo er feine Kunſt erlernte
und ob er fie zuerſt in Deutfihland ausübte. Er erſcheint zuerſt 1470— 72 in Benedig thätig.
‚ Die dafelbft unter feinem Ramen erſchienenen Drude zeichnen ſich ebenfo durch Eleganz als
durch Korrectheit aus, für weiche Ieptere Eigenfehaft namentlich fein Freund Ludovico Carbone
forgte, welcher ſich durch forgfältige Bergleichung guter Handſchriften um bie Zerte verdient
machte. Bor allem iſt Hier fein „Decamerone” des Boccaccio von 1471 zu erwähnen, ein der
feltenften Bücher, welches engl. Bibliomanie in der Roxburgh'ſchen Auction zu London 1812
mit 2000 Guineen bezahlte; dann bes Cicero „Orationes” von 1471 und andere. Gegen 1474
ließ ex fich in Mailand nieder, wo er bis 1488 eine Reihe von Drucken lieferte, die zu den ſchön⸗
flen jener Zeit gehören, z. B. bes Ambrofius „Opera“ (1474), des Juftinus „Historiae” (1476).
Waldau (Mar), Schrifrfiellername des Dichters Spiller von Hauenſchild (ſ. b.).
Waldbau begreift die Grundfäge und Regeln zu einer vollkommenen natürlichen Fort⸗
|
Waldbrand Baldburg (Zürſtenthum und Geſchlecht) 43
pflanzung und künfilichen Nach · und Anzucht der Wälder. Die Holzerziehung kann nicht ohne
Belhügung geſchehen. Die Holzernte aber wacht in vielen Fällen ein von der Holzerziehung
nicht abzutrennendes Manzes aus, Ein regelmäßiger Betrieb bes Waldes, fomit auch die Holz
ernte, kann nur dann gut geführt werden, wenn man weiß, wie viel man nehmen darf, fowie
auch die Benugung dann aufs hörhfte gebracht wird, wenn man die IBaare im Walde erzieht,
welche am meiften gefucht wird. Daber. fallen beidem Waldbau mehre Theile der Forſtwiſſen ⸗
(haft zuſammen und nöffen bei der Lehre defjelben berudfichtigt werben. Man theilt Die Lehre
vom Waldbau ein: in die Holzzucht oder in die Grundfüge, nach welchen die vorhandenen Wal.
dungen ſich unter freier Yirfung der Natur aus dem Sanıen oder durch Wiederausfchlag der
Stide abgehauener Bäume vollftändig fortpflangen und verlingen ; und in ben Holzanbau,
welcher fünftliche Dütfsmittel für die Ausbefferung verwüfleter, unvollfomnner Waldungen,
fowie für die Anzucht ganz neuer Holzungen angibt. (S. auch Kork und Waldungen.) Bol.
Gotta, „Waldbau“, herausgegeben von Berg (7. Aufl., Lpz. 1849); Stumpf, „Der Wald-
bau“ (Uichaffend. 1849); Swinner, „Der Waldbau in kurzen Umriffen” (3. Aufl., Stuttg.
1346); Dartig, „Lehrbuch für Förſter“ (8. Aufl, Berl. 1852); Grabner, „Sorfinirthfchafts-
lehre” (2. Aufl, Wien 1854).
Waldbrand, Waldfeyer nennt man fowol dad Brennen der Bodendeden (trodenes Gras,
Moos, Laub, Haide u. dgl.), als auch das der Bäume. Erſteres, das Lauffeuer, geht raſch über
den Boden fort; letzteres, das Wipfelfener, greift die Bäume felbft an, verbreitet ſich durch die
Kronen derfelben und wird in Nadelholgwäldern oft fehr gefährlich. Selten verbrennen bie
Baͤuwe, aber fie werden in ihren Lebensfunctionen fo gefört, daß fie abfterben. Vorbeugend
lapt man in großen Nadelholzforften gerade, 3—A Ruthen breite Aufhauungen, Feuerbahnen,
Beuergeftelle, machen, um die Beftände zu trennen. Lauffeuer werden gelöfcht, indem man die
Bodendeden in 10—12 5. breiten Streifen wegräumt und an denfelben durch ſchnell aufgebo-
tene Manuſchaft das Feuer mit Zweigen ausfchlagen läßt. Wipfelfeuer kann man nur durch
Aufhauen binlänglich breiter Beftandftreifen befämpfen. Waldbraͤnde entſtehen durch Biig,
Bosheit oder Nadhläffigkeit, in neuefter Zeit befonders durch Fahrläſſigkeit beim Cigarrenrau⸗
Ken und dem Gebrauche der Streichzündhölzchen. Zorfboden brennt oft im Innern : man nennt
dies Erbfeuer, das nur durch Umziehen mit bis zur Sohle geftochenen Gräben gelöfcht werben
kann. Die gefeglihen Vorſchriften über das Gebahren mit euer im Walde und über das bei
Waldbränden zu beobachtende Verfahren nennt man Walbfenersrhnungen.
Waldburg, ein aus den chemals reichdunmittelbaren Befigungen der Grafen von Wald⸗
burg 1805 gebildetes Fürſtenthum in Schwaben, zwiſchen Donau und Iller, das durch bie
Rheinbundsarte unter würtemberg. und nur in Dinficht eines Theils der Grafſchaft Trauch⸗
burg unter bair. Randeshoheit kam, befleht aus ber Birafichaft Zeil und der Herrfchaft Wurzach,
beide im Algau, den Grafſchaften Wolfegg und Trauchburg, den Herrfchaften Waldburg mit
dem Stammſchloſſe gleiches Namens, Waldfee und Mosrftetten. Das Fürſtenthum umfaßt
IITADM. Die Grafen führten ſchon feit dem 11. Jahıh. den Titel TZruchſeßWaldburg,
weil fie bei verfchiedenen Kaifern aus dem Haufe Hohenſtaufen, jedoch nicht erblich, dad Truch⸗
feßamt verwalteten. Im 3. 1525 erlaubte ihnen Kaifer Karl V., ſich Reichs erbtruchſeſſe zu nen-
nen, in weiches Amt fie 1594 eingeführt wurden, feit welcher Zeit fie auch ben Namen Truchſeß
als Geſchlechtsnamen führten. Der gemeinfhaftlide Stammpvater des ganzen Hauſes war
Johann, Graf von Truchſeß W.. geſt. 1423. Seine Söhne, Jakob und Georg, flifteten die
Jakobiniſche und Georgiſche Rinie. Die Jakobiniſche Linie verzweigte fich durch deſſen Enkel
Wilhelm und Friedrich. Die Wilhelmiſche Linie, welche Trauchburg beſaß, erkefch 1772.
Friedrich trat in die Dienſte des Großmeiſters des Deutſchen Ordens und ließ ſich in Preußen
nieder, wo ſein Haus unter dem Namen Truchſeß von W. noch blüht, ohne an den unmittelba⸗
zen Befigungen des Hauſes in Schwaben einen Antheil zu haben, da die Beſitzungen der erlo⸗
ſchenen Wilhelmifchen Linie an die jüngere Georgifche Linie gefallen find. Die Georgiſche Li-
nie war mit Dem Grbtruchfeßamte beliehen, welches der jedesmalige Senior verwaltete. Sie
theilte ſich 1589 in zwei Linien. Jakob's, eines Urenkels des Stifter's Georg I., älterer Sohn
Heinrich füiftete die Linie Wolfegg, welche fich in die Afte Wolfegg⸗Wolfegg und Wolfegg⸗
Waldfee theilte, von denen jener 1789 erlofeh. Jakob's jüngerer Sohn, Frobenius, fliftete die
Linie Zeil und feine Enkel, Daris Jakob und Sebaſtian Wunibald, bie beiden Afte berfelben,
Beil-Zeif, auch Zeil Trauchburg genannt, und WBaldburg-geil-Wurzad. Im 3.1628 wur-
den alle Zweige der Georgifchen Linie in den Meichögrafenfiand und 1805 die Häupter ber
Einzelnen Äſte nach dem echte der Erftgeburt in den Reichöfürftenftand erhoben. Nach der
44 Waldburg (Friebe. Ludw., Graf Truchfef-) Waldeck
Auflöfung des Deutſchen Reichs legten fie, mit Ausnahme der preuß. Linie, ben Namen Truch⸗
ſeß ab ; der Senior aber erhielt 1808 bie Exrbreich6oberhofmeifterwürbe ald würtemberg. Thron.
Iehn. Die gegenwärtigen Fürften der Georgiſchen Hauptlinie bes Haufes WB. find: 1) Fürft
Friedrich von W. zu Wolfegg-Wolfegg und Wolfegg⸗Waldſee, öſtr. Kämmerer, geb. 13. Aug.
1808, der 1835 feinem Vater folgte; 2) Fürft Konftantin von W. zu Zeil-Zeil ober Zeil-
Zrauchburg, geb. 18. Jan. 1807, feit 1845 an ber Regierung, und 5) Fürft Leopold von W.
zu Zeil⸗Wurzach, geb. 11. Nov. 1795, der 1807 feinem Großvater unter mütterlicher Vor⸗
mundfchaft folgte.
Waldburg (Briebr. Ludw., Graf Truchfeh-), preuß. General und Diplomat, geb.
25. Det. 1776 zu Tangermünde, trat 1793 in den preuß. Militärdienft, den er aber 1800
verließ, um eine größere Meife zu unternehmen, worauf er ſich 1803 mit der Tochter des
Fürften von Hohenzollern» Hedingen vermählte, in Folge davon würtemb. Dienfte nahm
und 1805 Gefandter am Hofe zu Wien wurde. Nach dem Presburger Frieden ging er
in gleicher Stellung an den Paiferl. Hof in Paris. Bei Errichtung des Königreichs Weſt⸗
falen erhielt feine Gemahlin die Stelle als Obechofmeifterin bei ber Königin; auch er wurde
im Dec. 1807 weftfät. Oberfammerherr. Schon ein Jahr nachher legte er fein Hofamt nieder
und lebte nun auf feinen Stammgütern in Preußen. Im 3. 1813 ale Oberft bei dem preuß.
Deere angeftellt, wurde er 1814 beauftragt, als einer der vier Commiffarien ber verbündeten
Mächte Napoleon nach Elba zu begleiten, der ihn mit befonderm Widerwillen empfing. Vgl.
W.'s „Reife von Fontainebleau nad) Frejus“ (Berl. 1815). Nach dem Frieden entfagte er
dem Mititärdienfte und ging 1816 ald preuf. Gefandter an den fardin. Hof, mo ihm Die Con⸗
greſſe zu Laibach und Verona viele außerordentliche Befchäfte auferlegten. Dabei verfäunite
er nicht, fich der bedrängten Waldenfer (f. d.) in den piemont. Thälern weſtlich von Saluzzo
und Pinerolo anzunehmen und die Aufmerkſamkeit feines Königs auf diefe unglüdlichen, feit
Jahrhunderten wegen ihrer religiöfen Anfichten verfolgten Vorläufer der Reformation zu rich»
ten. Auf feine Borftellungen wurde ihre Lage nicht nur durch beträchtliche Geldunterflügungen
aus dem ganzen preuß. Staate, ber Schweiz, den Niederlanden und einigen deutfchen Staaten
erleichtert, fondern auch die eigene Megierung vermocht, bie Toleranz gegen bie Waldenſer mehr
auszubdehnen und fie gegen ungerechte Angriffe zu ſchüten. Vgl. Dieterici, „Die Waldenfer
und ihre Verhältniffe zu dem brandenb.»preuß. Staate” (Berl. 1831). Im I. 1827 kam W.,
der inzwifchen den Rang eines Generalmajors erhalten hatte, als Geſandter an den nieder.
Hof, nach bem Tode feiner Gemahlin aber 1832 wieder nad) Turin. Im J. 1837 erhielt er
den Rang ald Generallieutenant. Er ftarb 18. Aug. 1844.
Waldeck, ein deutfches fouveränes Fürftenthum im norbmweftlichen Deutfchland, früher zum
Oberrheiniſchen Kreife gehörig, befteht aus der alten Grafſchaft Waldeck, die vom Kurfürſten⸗
thum Heffen, der preuß. Provinz Weftfalen und ber großhergoglich heſſ. Herrſchaft Stter be⸗
grenzt wird, und aus ber Grafſchaft Pyrmont (f.d.). Das Land ift eines der am höchften ge-
legenen im nördlichen Deutfchland, bildet einen beftändigen Wechfel von Berg und Thal, von
Wald, Wiele und Flur und ift befonders in der Edergegend und Umgebung von Wildungen
reich an NRaturfchönheiten. Die beiden größten Flüſſe find die Eder und die Diemel. Das Land
ift nicht ohne Mineralien. Man findet Gold, namentlich am Eifenberge bei Korbach, wo ein
Jahrhunderte lang betriebenes, fpäter verlaffenes Bergwerk 1854 wieder aufgenommen warb,
und in der Eder, wo einige Handarbeiter die Goldwäſche in fehr einfacher Weiſe betreiben und
täglich 12 — 14 Sgr. verdienen. Ferner findet ſich Kupfer, deffen Bau feit 1853 wieder ſtark
in Angriff genommen wurbe, fowie Eifen und Blei. Bei Wildungen (1.d.) finden ſich Mimeral«
quellen. Der Flächenraum bed Fürftenthums, mit Ausfchluß von Pyrmont, betragt etwas
über 20 QM. Ungefähr zwei Drittel des Grund und Bodens find urbar, ein Drittel befteht
aus Wald und Driefh. Der Aderbau ift die Hauptbefchäftigung und der Hauptmahrungs-
zweig der Bewohner, die zweite Stelle nimmt die Viehzucht ein. Außer einigen Lederfabriken
bat das Land nur wenig Induftrie. Die Zahl der Bewohner belief fich, mit Ausſchluß von Pyr-
mont, Ende 1852 auf 55074 Seden. Die Edergegend gehörte im 9. Jahrh. dem Franken⸗,
der übrige Theil dem Sachfenlande an; in jener herrfcht noch Heute bie oberdeutfche, in dem übri⸗
gen Theile ded Landes die nieberdeutfche Mundart. Jener alte Unterfchied zwifchen Franken
und Sachen prägt fi) auch noch in der Bauart der Bauernhäufer aus. In den Ederdörfern
finden ſich meift Heine Häufer mit Heinen Thüren, in den übrigen Landestheilen große Käufer
mit großen Fahrthoren, ganz das weftfäl. Bauernhaus. Der alte Stammesunterfchied zeigt
ſich gleichfalls noch in Sitten, Gebräuchen, überhaupt im Wolkscharakter. Die Waldeder find
Walde 45
im Allgemeinen kräftiger Conſtitution, geflttet und arbeitfam, ſodaß fie in der Srembe leicht den m
heimifchen Herb finden, ber ihnen im ande felbft Hauptfächlich durch Erſchwerung des Heira⸗
thens verfagt If. Das Fürſtenthum hat 13 Städte, barumter die Reſidenzſtadt Arolſen (f.d.)
die alte Hauptſtadt Korbach mit 2250 E., dem Obergericht beider Kürftenthümer, dem Lan-
desgymnaſium, mit welchem feit 1854 Healclafien verbunden find, und der durch Möller
reſtaurirten Kilianskirche im altdeutfchen Stile; . ferner Nieder- Wildungen, Sachſenhau⸗
fen, Sachſenberg, Waldeck und Alt-Wildungen; endlich drei Marktflecken und 94 Dörfer.
Das Fürſtenthum W. iſt in die drei Kreife der Twiſte, des Eifenberge und der Eber einge
theilt. Die Verwaltung, welche feit 4. Det. 1850 auch in der umtern Inſtanz von ber Jufliz
getrennt befteht, wirb in jedem Kreife burch einen fürfllichen Beamten (Kreisrath) geführt, dem
für beftimmte Angelegenheiten ein aus vier Mitgliedern beftehenber, von ben Kreiseinwohnern
gewählter Kreitvorfiand beigegeben ift. Die Zuftia wird in jedem Kreife durch ein aus je drei
Richtern beſtehendes Kreiögericht verwaltet. In Straffachen befteht das Anklageverfahren.
Vergehen und geringere Verbrechen werben von ben Kreisgerichten beftraft; ſchwere Verbre⸗
chen kommen vor bie Geſchworenen. Das geheime Obertribunal zu Berlin ift infolge eines
Staatsvertrags Caſſationshof für W. Die große Mehrzahl der Bewohner bes Landes bekennt
fi) zur evang. Kirche. Es gibt etwa 1000 Katholiken und 500 Juden. Das Volksſchulweſen
bat fich feit den legten 10 Jahren fehr gehoben und kann dem der meiften beurfchen Staaten an
die Seite geftellt werden. Eine höhere Bürgerfchule befinhet fi in Arolſen, ba6 Landesgymna-
fium, wie bemerkt, in Korbach. Landescollegien find die Regierung, das Conſiſtorium und das
Obergericht. Die Regierung, an ber drei verantwortliche und fieben vortragende Räthe wirken,
zerfällt in ſechs Abtheilungen: Außeres und fürftliches Haus, Inneres, Juſtiz, Finanzen, Do⸗
mänen und Forfte, Militär. Das Eonfiftorium, in ein engeres mit brei und in ein weitere® mit
fünf Mitgliedern zerfallend, verwaltet die kirchlichen Angelegenheiten, ift auch zugleich Ober-
ſchulbehörde und in dieſer Eigenfchaft der Regierung unterftellt. Das Obergericht, aus ſechs
Mitgliedern beftehend, entfcheibet in zweiter und legter Inſtanz in allen Civilſachen. Seit 1851
ift eine Dermeflung und Kataftrirung ded Landes im Gange. Gin Gefeg vom 24. Sept. 1851
bat die bis dahin beftandene Untheilbarkeit der Bauerngüter aufgehoben. Durch Belege von
1848 und 1851 iſt die Ablöfung aller gutöherrlichen Laften und Abgaben ermöglicht und auch
ſchon weit vorgefchritten. Die Gemeindeordnung vom 14. Juni 1850 hat die Gemeinden felb-
fländiger geftellt. Die Verwaltung ihrer Angelegenheiten ift ihnen umter Aufſicht bes Kreid-
raths überlaffen. Der Kürft hat auf dem Bundestage im Plenum eine Stimme, im engern
Rathe nimmt er Theil an ber 16. Stimme. Das von W. und Pyrmont zu ftellende Bundes-
contingent beträgt 519 Mann zu Fuß. Die gefammten Einnehmen, einfchlieflich derer aus
Domänen und Zorften, welche feit 1849 durch das Staatsbudget laufen, betragen 368000
Thlr. Die Schulden, einfchließlich der fpeciell auf den Domänen und Korften haftenden, an
denen Pyrmont participirt, belaufen fich auf 1,500000 Thlr.
Die Grafſchaft W. Hatte feit den älteften Zeiten eine Iandftändifche Verfafiung, welche au
zur Zeit des Rheinbunds nicht ausdrüdiich aufgehoben wurde. Am 3. 1814, bald nach dem
Regierungsantritte des Fürften Georg Heinrich, erfcgien unter dem Namen Organifationdedict
ein neues Landesverfaffungd- und Verwaltungsgefeg, in welchem zwar das Beſtreben, bie Ber»
haltmiffe zeitgemäß zu ordnen, nicht zu verfennen war, das aber rückſichtslos das Beſtehende
umgeftaltete. So wurde die Patrimonialgerichtöbarkeit nebft vielen Eyemtionen und Privile⸗
gien ohne Anhörung ber Berechtigten und ohne Zuziehung ber Stände aufgehoben. Als num
Stände und Berechtigte darüber Beſchwerde erheben, felbft die verbündeten Monarchen zu ei»
ner gütlichen Beilegung bes Streits riethen und eine Gonvention vom 3. Juli 1814 den Fo⸗
derungen der alten Stände nicht gemügte, ſah fich der Fürſt genöthigt, einen andern Weg ein-
zuſchlagen. Er berief im März 1816 bie alten Stände, beftehend aus Ritterfchaft und Städten,
und ſchon unter dem 19. April hatte man fich über ein neues Landesgrundgefeg geeinigt. Nach
demfelben befiand die Landesrepräfentation aus Nitterfhaft, Städten und Bauernftand. Diefe
Stände wurden nur in wichtigen Faͤllen berufen; die Sigungen waren geheim und bie Mitglie-
der zur Verſchwiegenheit verpflichtet. In der Megel wurden die Verhandlungen in der Art
ſchriftlich geführt, daß ein Bote diefelben von einem Ständemitglied zum andern trug. Die
Stände, bie nur 1816, 1834 und 1848 zufammentraten, hatten die Verwilligung und Regu-
lirung fämmtlicher Steuern, die Verwaltung ber Landeskaſſen, bie Zuflimmung und Begut⸗
achtung bei ben Gefegvorlagen. Ein aus den Ständen gewählter Ausſchuß, die landſtändiſche
Deputation, nahm die Landeskaſſenrechnung ab und war auch befugt, kieinere Verwilligungen
46. Biel
a zumachen. So groß die Rechte der: Stäude anf der einen Belte waren, Hatten ſich dvch bie
Mängel dieſer Verfaſſung längſt/ gelteub geniacht, und in ber Bewegung des I. 1848 ſpruch fich
der Wunſch nach): einer andern Verfaſſimg as. Ein conſtituivender, durch ein von ben alten
Ständen genehmigte Wahlgeleg verufener Landtag vereinbarte hiernach das Staatsgrund⸗
geſetz veom 23. Diai 1849. Daffelbe terug die Mängel ſeiner Zeit; imd Fürſt Georg Bleter,; der
ſeit 15. Mai 1845 umter Vormundſchaft feiner Mutter, der Fürſtin Emma, feinen Mater ge⸗
folgt war, erfiärte, che er nach erlangter Volljährigkeit bie Negierung ſelbſt übernahm, daß zuvor
die Verfaſſung einer Umänderung unterliegen muͤſſe. In Folge deſſen wurde mir den Ständen
eine neue Verfaffung vereinbart und 17. Aug. 1852, an dem Tage, an melden der Fürft die
Negierung autrat, veröffentlicht. Nach dieſer Verfaſſung vereinigt der Fuͤrſt in ſich die geſammte
Staats gewalt, ift aber bei deren Ausübung an die verfaffungsmäßigen Befege und die durch die
Verfaſſung beflimmte Mitwirkung der Stände gebanden. Diefe MRitwirkung erftredt ſich auf
bie Zuftimmung zur Geſetzgebung und Befteuerung, jedoch fo, daß biejenigen Mittel, weiche zu
einer den Bundespflichten und der Landesverfaffung entfprechenden Negierung erfoderfich find,
nicht verweigert werben dürfen. Der Landtag befteht aus 12 Abgeordneten, au bene in den
Säulen, wo es fich um Ungelegenheiten handelt, die für das Fürſtenthum IB. und das Ftften-
tum Pyrmont gemeinfhaftlih find, drei Abgeordnete von Pyrmont treten. Melde Gegen⸗
fände als gemeinfchaftliche zu behandeln, beftimmen befondere Verträge, Die Wahl der Ab⸗
geordneten ift indirect. Die Sitzungen find öffentlih. Der Landtag ift befugt, die Vorlage von
Befegen zu beantragen und hat das Hecht, gegen bie verantwortlichen Mitglieder der Regierung
wegen Berfaffungsverlegung Anklage zu erheben. Der Landtag- triet jährlich zufammen. Die
Badgetperiode ift eine dreilährige. Alle Steuerbefreiungen find aufgehoben. Die Staarskaffen-
rechnung wirb den Ständen, nachbern fle von der Regierung geprüft ımd feſtgeſtellt ift, zur
Wahrnehmung der verfaſſungsmaͤßigen Rechte vorgelent. |
Das ehemals gräflihe Haus von MB. gehört zu den älteſten in Deutſchland. Außer W.
und Pyrmont befagen die alten Grafen auch noch die Grafſchaften Swalenberg und Sternberg.
Mit dem Erlöſchen der nach diefen Graffchafter genannten Rinien fam in Folge von Verheira-
thung 1399 Sternberg an Lippe und Pyrmont 1494 an die Grafen von Spielberg, von diefen
1557 an die Grafen von Rippe, 1585 an die von Gleichen und nach deren Ausfterben- 1631
wieder an WB. Der Graffchaft Swalenberg bemäkhtigten ſich nad; ben Ableben der betreffen-
den Linie 1356 widerrechtlich der Biſchof von Paderborn und dev Graf Simon 1. von der Lippe.
Des Grafen Heinrich Söhne, Heinrich und Adolf, flifteten die beiden Linien Waldeck und
Landau, welche legtere 1495 erloſch. In den unruhigen Zeiten des 15. Jahrh. gingen beide Li⸗
nien feit 1438 zur größern Sicherung ihrer Befigungen bei dem Haufe 38 zu Lehn, wo⸗
durch nachmals viele Streitigkeiten entſtanden, die erſt 4655 durch einen Vergleich beendigt
wurden, der im Weſtfäliſchen Frieden ſeine Beſtätigung fand. Nach des Grafen Joſeph Tode
1588 ftifteten beffen Söhne Chriftian und Vollrath die Linien Eiſenberg und Wildungen.
Lehterer Befigungen fielen 1664 an ben Feldmarſchall ber Vereinigten Niederlande, Grafen
Gedrg Friedr. von Walded, ber 1682 vom deutſchen Kaifer in den Meichsfürftenftand erho-
ben wurde, mit dem aber 1692 die Wildungifche Linte erlofch, worauf die waldeckiſchen Be⸗
figungen an Chriſtian Ludwig von der Eifenbergifchen Linie fielen; die bereite feit 11651 wieder
im Befig von Pyrmont war. Das Erfigeburtsrecht war in diefer Linie ſchon ſeit 1687 einge«
führt. Auf Chriſtian Ludwig folgte 1706 Friebrich Anton Wrich, der 1711 in den Weityefür-
ftenftand erhoben wurde und 1718 ftarb. Sein jüngerer Bruder Joſias wurde dev Etifter der
Linie der Grafen von Walde zu Bergheim. Friedrich Anton Ulrich hatte nacheinander feine
beiden Söhne Ehriftian Philipp, geft: 1728, und Karl Auguſt Friedrich, geft: 1763, zu Nach-
folgern. Des Legtern Sohn und Nachfolger Friedrich erhielt endlich 1803 eine Virilſtimme
im Reichtfürſtenrathe. Er trat die Graffchuft Pyrmont 1805 an feinen jüngſten Bruder Georg
ab und wurde durch feinen Beitritt zum Rheinbunde fouverän, Als er 1812 kinderlos ſtarb,
fotgte ihm in der Regierung fein Bruder Georg, der aber fchon 1813 ſtarb. Zum Nachfolger
hatte er feinen älteften Sohn, Georg Heinrich; der. 1814 dem Deutſchen Bunde bettrat. NEHft
dee Eonftitution, über die er fich 1816 mie ſeinem Sande einigte, war beſonders der Landtag von
1851 wichtig, in Folge deffen 1854 die Ablbſung eines bedeutenden Theils der bäuerlichen
Dienſte zu Stande kam. Der Fürſt ſchloß ſich 1832 den Deutfihen Zollverein an, führte feit
1837 factifch und feit 1842 gefeglich den 14-Thalerfuß ein und farb 15. Mai 1845. In bie
Zeit feiner Regierung fiel ein für das deutſche Staatsrecht nicht unmichtiger Streit zwifchen ZB.
und Kurheffen, indem legteres, geftügt auf das frühere Lehnenerhältnig, 1842 verlangte, der
Waldemar (der falfcke) Baldemar (Friedrich Mihelm, Prinz) 47
Girfrvon M falle „die von Haufe Heffen zu Behr gehende Graffchaft B. nebſt Zubehör in
der Kueze muthen. Dex Fürſt erklärte, daß dieſes Verhältniß mit der Auflöfung des Deut.
fen Reicht anfgehört habe, und 1847 entfchied auch die Bundes verſammlung mem Nachtheile
Heſſers. Di. Wippermann, „Steht die Grafichaft ZB. water heſſ. Lehns herrlichkeit?“ (Ziegen
1847). Dem Fürſten Georg Heinzich folgte fein unmündiger Sohn, Georg Victor, geb. 14,
Jan. 1851, unter Vormundſchaft feiner Mutter Snumn, Vainzeffin von AnhaltBermburg
Schaumburg (geb. 1802), die fi den regierenden Fürften Leopold von Lippe Detmold zu ihrem
Beiſtande erwählte. Furſt Georg Victor trat, obwol er bereite 14. Ian. 1852 volljährig gewor-
ben war, erft 17. Hug. deffelben Jahres, nachdem die. Verfoffung revidirt war, die Regierung
an. Derſelbe vermählte ich 26. Sept. 1853 mit Helene, Prinzeflin von Raffeu, die ihm 27.
Juli 1854 eure. Vochter, Sophie Nicolina, gebar. Pol: Eurge, „Geſchichte und Beſchreibung
des Fürſtenthums IE.” (Aroiſen 1850); Derfeibe, „Gefchichte der evang. Kirchenverfafiung
in dem Fürfinthum IR” ( Arolfen 1850).
Waldemar, der falfche, hieß der Prätendent, welcher 1547—55 als Gegner des Kurfür⸗
fien Ludwig. von Brandenburg auftrat: Die Mark Brandenburg hatte unter dem Markgrafen.
Waldemar aus dem Anhaltſchen Haufe, der angeblich 1349 ſtarb, glückliche und glänzende Zei⸗
ten verlebt, denen eine lange Reihe unruhvoller und bebrämgter Jahre folgte. Seit namentlich
dad Wittelsbachſche Haus die Kurwürde dort erlangt, erreichte bie Unficherheit und Schwäche
nach außen, die Noth und der Adelsdrud im Innern ben höchſten Grad. In diefer Zeit der Be⸗
drängniß erſchien 1347 ein Pilger nor den Erzbifchof von Magdeburg, ber ſich für. ben angeb»
lid) verfiochenen Markgrafen W. ausgab. Es fei, fagte er, die Leiche eines andern Mannes an
feiner Statt beerdigt worden; er habe dann zur Buße feiner Sünden eine Wallfahrt nach. Pa⸗
läſtina unternommen und kehre num zuriick, um fein bebrohtes Land zu retten. Der Erzbifchef
und feine Dienftieute, die Herzoge von Sachſen, Pommern und Magbeburg, ja 3.6 eigener
Schwiegerſohn erklärten, es fei wirklich der tobtgeglaubte Markgraf. Begeiſteet fiel ihm das
Land zu und nur noch wenige Städte hielten zu dem Kurfürften Ludwig, dem Sehne Kaifer
Ludwig’ des Baiern. Der neuerhobene Kaifer Karl iV., mit dem bair. Haufe in heftiger Fehde,
ließ eine. Pirufung: anftellen, und auf viele Jeugnifle von Solchen hin, die ben Markgrafen W.
gefannt hatten, ward ber Prätenbent als ber rechtmäßige Kurfürft ausgerufen. Wie inbeffest
Karl IV. nur aus politiichen Gründen fih des Prätendenten angenonimen, ließ er benfelben
auch wieder fallen, als fich das Verhältniß zum bair. Haufe änderte. Der Kaifer lud den am
geblichen ZB. zur Unterfuchung feines Anſpruchs 1350 nach Nürnberg vor, ertheifte aber fchon
vorher das Kurfürſtenthum an den bair. Prinzen. Darauf weigerte ſich ZB. vor Hichtern, bie
fo einfeitig handelten, zu erfcheinen, während der Kaifer, ben Wittels bachſchen Intersffen ge»
mas, ihn für einen falfchen Prätendenten erlärte. Doch der größte heil ber Madk blieb ihm
treu, und erſt nach. mehrführigen Kriegen, als W. felbft die Bermohner der Marken von bem
Yuldigungseid entband, wurde bie bair. Herrfchaft wieberhergeflellt. Der Prätendent zog fi
jum Fürften von Anhalt nach Deffau zurück und lebte bort bis zu feinem Ende in fürſtlichrm
Range. Während bie Gegner ihn für einen Müllerburſchen Namens Jakob Rehbock oder einen
Badergefellen Mähnicke außgaben, ber feine Ahnlichkeit mit dem verſtorbenen Markgrafen
in einem großartigen Betruge glücklich benutzt, iſt doch aus ihrem eigenen Verhalten eine Ge⸗
wißheit über die Perſon des Prätendenten nicht zu ſchöpfen. Es wäre wol ſtatthaft, anzunch⸗
men, daß politiſche Gründe ben Kaiſer Hark IV. und den Fürſten von Anhalt zu einer abſicht⸗
lichen Zanfchemp. vermocht hätten; aber auf der andern Seite beweiſt die Art, mie der Kaifer
ihn ebenfalls aus politifchen Gründen fallen ließ, nichts gegen feine Echtheit, und die ihm gün⸗
figen Zeugniſfe befunden jebenfalls ein auffalendes Zufammentreffen merfwürbiger Umſtaͤnde,
welche Die Wahrheit feines Anſpruchs unterftüigen mußten. Bol. Klöben, „Belchichtedes Marke
grafen W.“ (A Bde., Berl. 1844). W. Aleris has den Stoff zu einem Romane benust.
Waldemar (Friedrich Wilhelm), preuß. Prinz, geb. 2. Aug. 1817, warber Sohn des Prin-
zen Wilhelm, Bruders Friedrich Wilhelm's IUl. und der Prinzeffin Maria Anna von Heffen-
Homburg. Gr genoß eine treffliche Erziehung, machte dann den Militärdienftin ben verfehiebenen
preuß. Waffengattungen durch und begab fich, nachdem er zum Oberft im Garbebragonerregiment
vorgerücht, 1845 auf größere Reifen nach dem Orient. Rachdem er bag türk. Reich, Agypten unb
Dftindien befucht, ſchloß er fich 1846 ber angleind. Erpebition gegen bie Sikhs an. Hier nahm er
an den biutigen Sänupfen am Sutledfch, in benen einer feiner Begleiter, Dr. Hoffmeifter, an feiner
Seite fiel, rühmlichen Antheil und warb dafür von ber Königin von England mit dem Groß
kreuz des Bathordens decorirt. Nach feiner Rückkehr begab er ſich im Sonmer 1847 nach
48 Waldenburg Waldenſer
England, wo er eine ſehr ehrenvolle Aufnahme fanb, und trat dann in ben activen preuß. Mille
tärbdienft zurüd. Zum Kommandeur ber 13. Eavaleriebrigabe ernannt, wurbe er zu Münfter
von einem rheumatifchen Fieber ergriffen, in beffen Folge ſich eine lebensgefährliche Entzün-
dung ausbildete. Am 17. Febr. 1849 erlag der vielverfprechende Prinz diefem Übel in der
Blüte feiner Jahre. Seine Geſchwiſter find: Prinz Adalbert (f. d.), ber Chef der preuß. Ma-
rine, bie Prinzeffin Elifabeth von Heffen-Darmftadt, geb. 1815, und die regierende Königin
Marie von Baiern, geb. 1825.
Waldenburg, ein Kreis im Regierungsbezirk Breslau der preuß. Provinz Schlefien, ber
auf 7, AM. die fehr ſtarke Bevölkerung von 62000 E. zählt, ift von dem Haupttheile bes
Waldenburger oder Hochwalbgebirgs der Subdeten erfüllt, da6 im Hochwaldberg 2700 $.
Höhe erreicht und von lieblihen Zwifchenthälern durchzogen wird. Das Gebirge bat guten,
aber für den Bedarf nicht ausreichenden Getreidebau, dagegen viel Holz, großen Reichthum
an Steimtohlen, Erzen, ergiebigen Steinbrüchen, Mineralquellen und bietet ein Bild fehr
regfamer Induftrierhätigkeit bar in Bergbau, ausgebehnter Flachs⸗ und Baummollenver-
arbeitung, Wollen⸗ und Halbwollenfabrifation, Thonmwaarenverferfigung, Bleihen, Waſ⸗
fere, Wall- und Sägemüblen u. f. w. Die Kreisftadt Waldenburg an der Polsnig, Sig
bes niederſchleſiſchen Bergamts und eines umfangreichen Bergbaus, befonders auf Stein-
Pohlen in ber Umgegend, zählt 4256 E. hat mechaniſche Flachsfpinnerei, lebhaften Lein-
wandhandel und eine berühmte Porzellanfabrit, die an 700 Perfonen beichäftigt. Die
zwei andern Städte bed Kreifes find Gottesberg, bie höchſt belegene Stadt Schleſiens,
mit 2873 E., Bergbau, Spigenverfertigung, Strumpfftriderei und der benachbarten Fell⸗
hammer Porzellanfabrit, und Friebland an ber Steinau, mit 1433 E., regem Leinwand⸗
handel, Papierfabrik und einem Heilbrunnen. Außerdem find bemerkenswerth die Bade⸗
örter Altwaſſer (f. d.) mit Steintohlengruben, Eifengießerei und bedeutender Porzellanfabrik,
Salzbrumn (f.d.) und Eharlottenbrunn; endlich das große Dorf Wüfte-@iersdorf mit 2500 E.,
einer großen Wollenmafchinenmweberei, Spinnerei, Baummollen- und Leinweberei, Bleichen,
und das ſchöne Dorf Wüfte-Waltersborf am Fuß der Hohen Eule, mit 1600 E., Bleidyen,
Leinwandfabrifation und Handel. — Waldenburg, eine Stadt in dem Kreisdirectionsbezirk
Zwickau im Königreich Sachen, Hauptort der Necefherrichaft Waldenburg des Hauſes Schön-
burg (ſ. d.), an ber Mulde, in angenehmer Gegend, hat ein fürftlich-waldenb. Reſidenzſchloß,
feit 1844 ein Schulfehrerfeminar, WBollen-, Baummollen- und Keinwaarenfabrikation und
fehr bedeutende Strumpfiwirkerei, die 1845 in und auferhalb der Stabt 700 Stühle befchäfe
tigte. Sie zählt 2500 E., aber die bicht bei ihr liegenden Dörfer Altwaldenburg, Eichlaide
und Altſtadt, die als Borftäbte angefehen werben können, haben zufammen auch noch 2200 E.
Altſtadt zeichnet ſich durch die Kabrikation der Walbenburger Gefäße aus, bie aus bem bei
Frohnsdorf im Altenburgifchen gegrabenen fehr fetten Thone verfertigt werben ; außer Töpfer»
gefchirr liefert ed auch Tabadspfeifen und vortreffliche Schmelztiegel. Die nahe bei WB. gele-
gene fürftliche Ville Greenfield bat einen Park mit herrliden Anlagen. — Waldenburg, Stabt
im Oberamte Öhringen des würtemberg. Jartkreifes in einer waldigen Gegend, hat 1200 E.,
ein altes Bergfchloß, von bem man eine weite Fernſicht hat, und gehört, wie ber Marktflecken
Kupferzell mit einem Nefidenzfchloß und 1300 E., zur Standesherrfchaft bes Fürften von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürft (f. d.).
Waldenfer. Diele als Vorläuferin der Kirchenreformation des 16. Jahrh. berühmte chrift-
liche Senofienfchaft verdankt (um dad I. 1170) dem Peter Waldud, einem reichen Bürger zu
Lyon, Enftehung und Namen, obſchon Andere diefen Namen von „Thal“ (val, vallis) ableiten,
wogegen fich aber grünblichere Unterfuchungen erflären. Waldus war eigentlich weniger ein
Sektenſtifter als ein Daupteepräfentant und Beförberer bes in jener Zeit fehr verbreiteten
mächtigen Strebens, mitten in der bamaligen Verderbniß ber Kirche die urchriftliche und apo⸗
ſtoliſche Reinheit darguftellen und in efoterifchen Vereinen zu verkörpern. Die Kirche hätte
Waldus wol ebenfo wie Franz von Afüfi, den Stifter der Franciscaner, gewähren und viel-
leicht einen Mönchsorben oder eine Congregation ober fonftige Verbindung bilden laffen, wenn
Waldus nicht fogleich in dDiefem Streben auf die Bibel, obgleich ohne Verwerfung ber firch-
lien Lehren und Sagungen, zurüdigegangen wäre. Die Hierardhie mußte um fo eher die ge
fägrliche Tragweite eines ſolchen Zurüd- oder vielmehr Hinaudgehens erkennen, als baffelbe
bei der craffen Unwiſſenheit und bem fittlichen Verberben vieler Priefter auch Laien rebenb und
lehrend auftreten lief. Da erfolgte denn bie gewaltige und durch Jahrhunderte fich hindurch⸗
ziehende kirchliche Reaction nach dem Banne des Papftes Lucius III. 1184 über Die Waldenfer,
Baldgötter Baldftein-Wartenberg 49
welche, anderer Ramen nicht zus gedenken, von dem Orte ihrer Entſtehung Leoniſten, wegen
ihrer freiwilligen Armuth Arme von Lyon, wegen ihrer hölzernen Schuhe oder Sandalen
Sabatati und wegen ihrer Demuth auch Humiliaten genannt wurden. Es war natürlich, baf
diefe Reaction von Seiten der graufam Verfolgten mit theilmeife fchroffer und feindlicher Ah»
fonderung von der Kirche, ja auch mit bewaffnetem Widerfiande gegen bie Verfolger erwidert
ward. Deffenungeacdhtet läßt fich eine eigentliche principielle Zrennung der Waldenſer von der
Kirche und ihre Verleiblichung in eine abgefchloffene Sekte, ohne der Gefchichte Gewalt anzu⸗
thun, nicht nachweifen. Die lange Berfolgungszeit bietet bis zur Reformation einen ebenfo
wichtigen und anziehenden als ſchwierigen und dunkeln Abfchnitt der Kirchengefchichte, welchen
Unkritik und ein bis in frommen Betrug ſich verirrendes apologetifches Intereſſe entſtellt ha⸗
ben. In dieſem Intereſſe wurde unter Anderm eine apoſtoliſche Succeſſion der waldenſi⸗
ſchen Biſchöfe erzwungen, von weicher die Brüderkirche auch jetzt noch die der ihrigen ab»
leitet. Schon Gieſeler erflärte ſich gegen dieſe Succeflion in feiner Kirchengefchichte; aber
erſt Dieckhoff („Die Waldenfer im Mittelalter”, Gött. 1851) und befonders Herzog
(‚Die romanifhen WBalbenfer”, Halle 1853) haben die Waldenſergeſchichte einer befondern
kritiſchen Unterfuchung unterworfen, wozu namentlich von Legterm das reiche hiftorifche, gro-
ßentheils handſchriftliche Material gefichtet und benugt worden ift. Wie die lange beſtehende
protefl. Betrachtung ber Waldenſer ald Proteflanten vor der Reformation umkritifch war,
ebenſo muß man die Annahme einiger Katholiken, daß diefe Sekte katholiſch geweſen fei, und bie
Boſſuet's, daß fie zur Zeit der Reformation dem Katholicismus näher als den Proteſtantismus
geftanden, als thatſächlich widerlegt zurückweiſen. Herzog hat in dem Bilde, nad) welchen: bie
Waldenſerſekte mit doppeltem Untlige rückwärts in bie Bath. Kirche und vorwärts in eine refor-
matorifche Zukunft ſchaute, unftreitig das Nichtigere getroffen. Die Berfolgungen trieben bie
Baldenfer über einen großen Theil von Europa, wo ihnen jenes Streben immer neue Anhän-
ger und frifche Kräfte zuführte. Daher ihre Behauptung von der Ausbreitung ihrer Sekte, daß
wenn einer unter ihnen von Antwerpen oder aus England nach Rom reifen wolle, er jede Nacht
bei einem Bruder ſchlafen könne. In Böhmen verbanden fie ſich mit ben Huſſiten und Zaberiten
und Böhmifchen Brüdern: eine Verbindung, welche natürlich zu einer Alterirung des ſchon an
und für fich ſchwankenden waldenfilhen Principe und dahin führte, daß das ihm Eigenthüm⸗
liche dem nad) Zeit und Ort ihm fich Angelegten für verwandt gehalten wurde. ine folche
Verwandtſchaft fuchte und fand man 3. B. zwifchen ven Waldenfern und Albigenſern (f. d.),
obſchon fie, bei aller localen Vermiſchung und beide gleich treffenden Berfolgungen, im Princip
fid weientlich voneinander unterfchieben, indem fene ein nur praßtifches Streben und In⸗
tereffe, diefe aber auch ein ſtarkes fpeculatives hatten. Die Hauptſtrömungen der Waldenſer
gingen in Die weſtlichen und öſtlichen Alpenthäler, namlich bort in die Danphind und die Pro-
vence und hier nach Piemont. Dort erlagen fie theild den graufamften Verfolgungen, theils
gingen fie in die Reformirten über. Hier aber haben fie fi, trog aller Verfolgungen und un⸗
geachtet ihres Anfchluffes an die ſchweiz. Reformation, bi6 auf den heutigen Tag felbftändig
erhalten, wenn fie auch zu wiederholten Auswanderungen in proteft. Länder und Unfiedelun- -
gen in denſelben genöthigt wurben. Vgl. Bender, „Geſchichte der Waldenſer“ (Ulm 1850).
Die proteft. Mächte haben den Waldenſern oft vorübergehende Duldung verfchafft und in
neuerer Zeit namentlich England und Preußen Präftig und erfolgreich ihrer fi angenommen.
Allein erft durch das Patent des Königs von Sardinien vom 17. Gebr. 1848 erhielten fie religiofe
und kirchliche Freiheit und mit der Path. Bevölkerung gleiche bürgerliche unb politifche Rechte.
Valdgoͤtter, ſ. Faunus, Pan und Satyr.
Baldhorn, f. Horn.
Waldmeiſter, im Syſtem wohlriechender Waldmeiſter (Asperula odorata), heift eine in
ſchattigen Wäldern ganz Europas vorkommende Pflanze aus der Bamilie ber Krappgewächſe,
mit kriechender rothbrauner Wurzel, am Grunde gebogenem, 5—10 Zoll hohem Stengel und
verfehrt-eilänglichen Blättern, die in 4 oder 5 Wirteln zu 6—8 ſtehen. Die kleinen weißen
Blüten bilden eine breitheilige Trugbolde. Die im friſchen Zuftande faft geruchlofe Pflanze
gibt gewelkt einen eigenthümlichen Wohlgeruch von fih. Sie blüht im Mai und Juni und
dient zur Bereitung des Maitranks (f. d.).
Waldſtein⸗Wartenberg, ein böhm. Geſchlecht (czechiſch Walſteina), das ſchon im 13.
Jahrh. vorkommt und aus welchem auch Albr. Wallenſtein (f d.) ſtammte. Es wurde 1616
in der Perſon des genannten Albr. Wallenſtein vom Kaiſer Matthias in den Grafenſtand es-
Gonv.-@er. Zehnte Aufl, XV. 2. | 4
Sy | Waldungen
hoben und theilte ſich dann in die Waldſteinſche und die Arnauſche Linie. Die Waldſteinſche
Zinie, die ſeit 1636 das ungar. Indigenat beſaß, erhielt 1654 Sig und Stimme im ſchwäb.
Reichsgrafencollegium, 1703 das Oberſt⸗Erbland⸗Vorſchneideramt in Böhmen und nahm 1758
den Beinamen Wartenberg an. Die Hauptlinie Waldſtein-Wartenberg theilt ſich in die Li⸗
nien Mündengräg und Dur-Leutomifchl. Erftere beſitzt das Stammſchloß Waldftein im
Böhmen, die Fideicommißherrfhaft Münchengräg, mehre andere Herrfchaften in Böhmen
und Ungarn, fowie die Senioratöherrfchaft Trabitfch in Mähren. An der Spige derfelben
ſteht der Graf Chriſtian Vincenz Ernft, geb. 2. Ian. 1794. Die zweite Linie, ben Grafen
Georg, geb. 25. März 1818, an der Spige, befigt die Herrſchaften Leutomiſchl, Dug, Ober-
leutensdorf, Maltheuern und Brandeis in Böhmen. Die zweite HauptlinieWaldftein-Mrnau
repräfentirte zulegt der Graf Joſeph Friedrich, geb.-1775, mit den: 1854 diefe Linie erlofch.
Berühmt hat fi aus der Linie Dug-Leutomifchl gemacht der Graf Franz Adam von W., geb.
zu Wien 14. Febr. 1759, geft. au Oderleutensdorf 24. Mai 1823, der die Naturwiffenfchaf:
ten und bauptfächlich die Botanik zu feinem Hauptftubium erwählt hatte. Als Malteferritter
nahm er an einigen Seezügen gegen die Barbaresten Theil. Dann focht er als Offizier in dem
öfte. Heere von 1787—89 gegen die Türken, worauf er feinen Abfchied nahm. Mit dem Pro-
feffor Kitaibel zu Peſth machte er auf feine Koften fieben Jahre lang botanifche Reifen in Un-
garn, und die Refultate berfelben legten fie in den, „Descriptiones eticones plantarumrariorum
Hungariae” (53 Bde., Wien 1802— 12) nieder. Inzwifchen hatte W., als das franz. Deer
1797 in Steiermark eingedrungen, ſich bei dem in Wien errichteten abeligen Cavaleriecorps an-
ftellen Laffen. Im J. 1808 trat er in die neuerrichtete Landwehr ein; 1809 führte er als Ma-
° jor das dritte Bataillon der wiener Freiwilligen mit folcher Auszeichnung, daß der Kaifer ihn
zum Oberſtlieutenant ernannte. Nach bem Tode feines Bruders 1814 übernahm er die Güter
in Böhmen, wo er durch öfonomifche und Fabrikanlagen den Wohlftand feiner Gutsuntertha⸗
nen auf alle Weiſe zu verbeffern fuchte. Der neue Bau bes Schloffes zu Dur, die Einrichtung
des dafigen Naturaliencabinets, der Porzellanſammlung, Kunftgalerie, Waffenkammer find
fein Werk. Zugleich gründete er Schulen für die Jugend und erhob aufs neue die Tuchfab rik
in Oberleutensborf. Die ganze Verwaltung feiner Güter war ein Denkmal feines edein, ge-
meinnügigen Lebens. Seine botanifchen Sanımlungen vermachte er dem böhm. vaterlänbi-
[chen Mufeum zu Prag.
Waldungen. Wald wird jede mit wildem Holze bewachſene größere Fläche genannt. Die
Verwendung oder Benugung ber Wälder für bie zeitlichen und örtlichen Zwecke der Menfchen
ift gewiß fo alt ale das Menfchengefchlecht ſelbſt. Diefe Zwecke müffen aber örtlich verfchieden
. fein, je nachdem durch das Klima die Bedürfniffe ber Waldbewohner fehr verfchieden mobdificirt
werben und je nach der Culturſtufe der Völker. Unter den Tropen wird noch jept der Wald
für wenig mehr geachtet als für den Aufenthalt wilder Thiere, obwol die Fruchtbäume in ihm
wefentlich zur Ernährung der Bewohner beitragen. Der nordamerik. Wilde betrachtet ihn,
ebenfo wie unfere alten beutfchen Vorfahren, als ein Jagdrevier; der civilifirte Europäer aber
" achtet ben Wald hoch, weil ihm feine Producte für eine angemeffene Exiſtenz unentbehrlich ge-
worden find, er auch einfieht, daß die Einwirkung des Waldes auf das Klima, die Gefundheit,
Mohnlichkeit und Fruchtbarkeit des Landes überhaupt einen Einfluß bat, welcher dur nichts
Anderes erfegt werben kann. Die Natur hat bie Walbungen ohne menfchliche Beihülfe erzeugt,
gt fie Jahrtauſende erhalten und wird fie fort und fort erhalten, unb zwar in benfelben jedem
oden, Klima und jeder Rage entfprechenden Baumgefchlechtern, wenn fie fich felbft überlaffen
bleiben. Sowie aber die Entwidelung der Bevölkerung beginnt, muß freilich der Wald immer
mebr ſchwinden, ſchon weil die Erhaltung zahlreicherer Volksmaſſen einen forgfamern Anbau
und Benugung des Grund und Bodens verlangt. Ausrodungen find die nächfte Folge davon.
Mit der fortfchreitenden Eultur der Völker wirb nun der Wald mehr und mehr in Anſpruch
genommen. Während er beim rohen Jägervolke nur als das Obdach wilder Thiere geſchätzt
ift, muß der Wald bei einem adlerbauenden und induftriellen Volke duch feine Robftoffe an
Brenn- und Nugholg, durch die Beweidung, durch Entnahme von Dungftoff u. f. w. feinen
reichlichen Beitrag zur Erhaltung der menfchlichen Erifteng geben. Dadurch aber wird die
Natur in ihrer freien Wirkung geftört, die natürliche Fortpflanzung ber Wälder gefährdet und
eine wefentlihe Verminderung im Waldzuftande nicht nur, fordern auch in ber Waldmaſſe
und beren Vertheilung über die Länder herbeigeführt. Die erfte Folge des größern und unver-
ftändigen Angriffs der Menfchen auf die Wälder ift eine allmälige Veränderung der Holgar-
ten, indem, wie ſich das faft in ganz Europa gleichmäßig herausgeftellt hat, die edeln Laubhöl-
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Waldungen 51
zer, wie Eichen, Buchen, Rüſtern u. ſ. w. welche zu Ihrem gedeihlichen Wachſen eine größere
Bodenkraft erfodern, den minder kraftbeduͤrftigen Nadelhölzern Plag machen. Die Fichte Hat
im Gebirge, die Kiefer in ber Ebene bie Oberhand erhalten. Die zmeite und weit wichtigere
Folge der Eingriffe der Menfchen in das Heiligthum der Wälder iſt, daß bie große und wichtige
Rolle, welche ihnen im Haushalte der Natur zugetheilt worden, geflört wird. Sie follen das
Gleichgewicht der Wärme und der Feuchtigkeit in der Temperatur vermitteln, die Bäche unb
Flüffe mit Waſſer fpeifen, Schug gegen die verfengenden Sonnenftrahlen gewähren, Stürme
brechen, Sturafluthen, Lavinen, Schnee- und Sandtreiben aufhalten und unſchaͤdlich machen.
Mit der Abnahme oder dem Verfchwinden ber Wälder zeigen fih in den Rändern aller Zonen
die Folgen der Verſchlechterung des Klimas, Waſſerarmuth der Flüffe, Unfruchtbarkeit u. ſ. w.
Paläftina, welcheß in alten Zeiten eine zahlreiche Volksmaſſe nährte, kann jegt Baum eine ſehr
ſpärliche Bevölketung erhalten, weil es Beine Wälder mehr hat, bie einft die natürliche Frucht⸗
barkeit des Landes begründeten. Island Hatte vor wenigen Jahrhunderten noch Wald - und
Fruchtbau: mit erſterm iſt Iegterer verſchwunden oder verfümmert. Die Flüſſe Griechenlands
und Spaniens find verfiegt. Die Wälder der Hochalpen wurden durch bie freveinde Hand bes
Menfchen und den Zahn des Weideviches zerftört, und furchtbare Sturmfluten und mächtige
Geroͤllüberſchüttungen verheeren feitdem das fruchtbare Land am Fuße derfelben. Ahnliche
Erfcheinungen zeigen fich ſchon jegt in den meiften Rändern des neuen Gontinents, wie in bem
früher fo reich bewaldeten Standinavien und in Rußland, und fie werden Immer mehr bervor-
treten, je mehr die Bevölkerung und mit ihr der Angriff auf den Wald wächſt. Als man dieſe
Nachtheile erfannte und zudem die Wälder durch die fleigenden Holgpreife einen höhern Werth
erhielten, that fich endlich, in einem Lande früher, in dem andern fpäter, da6 Verlangen nad
einet geregelten Bewirthfchaftung des Waldes fund. Cine auf wiſſenſchaftliche Grumdſätze ge-
fügte Waldbehandlung iſt alfo ein Kind der Noth: fie fand ihren Urfprung in Deutſchland
und hat fich von da über ganı Europa verbreitet, auch jegt fchon den Weg nad Amerika ge
funden. Bor ungefähr 2000 3., als die Römer Deutfchland.gennen lernten, wurde das Land
als eine große, zufammenhängende, faft unermeßlihe Waldwüfte befchrieben, bewohnt von
einem krieg riſchen Jägervolke, welches den Ackerbau kaum zu betreiben angefangen hatte. Im
Waldesdunkel Tagen die heiligen Wohnfige und Opferflätten ihrer Götter, und bie heiligen
Hine waren geſchüßt vor ſedem Frevel. Eintaufend Jahre fpäter, als zu Karl's d. Gr. Zeiten
das Ehriftenthum in Deutfchland allgemein verbreitet und der Ackerbau von ben Belchrern zu⸗
gleich als ein Mittel benupt wurde, die Jäger- und Nomadenvölfer an fefte Wohnſitze
iu gewöhnen und ihre Sitten zu mildern, bildete fich dad Grunbeigenthum aus und die frühere
freie und willkürliche Nugung der Wälder erhielt durch Geſetze die erfte Beſchränkung. Man
fing an Bannforſten zu errichten, indem bie Könige und fpäter die mädhtigern Vaſallen Herr
tenlofe Wälder mit dem Korfibann belegten und biefelben dadurch von dem gemeinfchaftlichen
Befig ausfchloffen. Diefe Wälder wurden fpäter die Grundlage der Staatsforften, in welchen
fih im Laufe der Jahrhunderte zuerft eine geregelte Wirthſchaft ausbildete, von der wir im
14. Jahrh. ſchon Spuren finden, wenn auch zumeift bie Jagbliebe der Fürſten den erften Grund
un Erhaltung des Waldes abgab. Erft nach Beendigung des Dreißigjährigen Kriegs trat die
Wichtigkeit der Wälder auch In finanzieller Hinficht mehr hervor : die Borflordnungen, welche
ine geregelte Benugung (von einer Bewirthſchaftung war damals noch nicht bie Rede) an-
frebten, mehrten fi; aber erſt im Anfange des 18. Jahrh. finden wir im Allgemeinen eine
größere forftliche Aufmerkſamkeit, und mit berfelben trat ein kräftigerer Waldſchutz, der Walb⸗
anbau, eine geregelte Bewirthſchaftung und Benutzung ins Leben, zuerſt allerdings nur
alt ſchwache Anfänge und vereinzelt daftehend. Nach und nach begann man zu begreifen, daf
die Grundlage einneß jeben geordneten forfilichen Betriebes nur auf eine berechnete Benugung
begründet fein Bönne, b. h. daß man, um den Wald zu erhalten, nicht mehr in bemfelben ſchla⸗
gen dürfe, als die neue jährliche Holgergeugung, der Zuwachs, betrage. Als Folge davon trat
dab Verlangen hervor, bie Brößenverhältniffe der Wälder kennen zu lernen und über ihre Be
wirthſchaftung zus Marern Grundfägen zu gelangen. Eine Forſtvermeſſung und Forſtwirth⸗
ſchaftbeinrichtung (Betrieböregelung) wurde Bedürfniß, und insbeſondere war es Briebrich
d. Br. vorbehalten, Hierbei im größern Maßſtabe die Bahn zus brechen, bis ſich gegen das Ende
des vorigen Jahrhunderts ein allgemeinered Intereffe dafür ausſprach, bas fich immer reger.
erhielt, je mehr die Einkünfte aus den Staatsforſten eine wichtige Stelle in ber Cinnahme der
aatbudgets erhielten. Die Aufbeſſerung ber Forſte durch wohlgeordneten Anbau und Pflege
-
.
52 Waldwolle Wales
hielt damit gleichen Schritt, und wie mit den Fortſchritten der Naturwiſſenſchaften im Laufe
dieſes Jahrhunderts ein rationeller Betrieb ſich immer mehr und mehr geltend machen mußte,
der Wald aber die auf ihn verwendete Mühe durch reichere Einnahmen vergalt, ſo hat auch die
Waldwirthſchaft und mit ihr der Wald ſelbſt begonnen, eine zweckentſprechende und normale
Geſtalt anzunehmen. Im Allgemeinen ſteht in Deutſchland, vielleicht mit Ausnahme des öſtr.
Kaiſerſtaate, die Waldwirthſchaft des Staats als Muſter da. Die größern Privatwalbbefiger
ſtreben bemfelben vielorts mit Eifer nach ; am menigften noch wird der Werth bes MWaldbefiges
von ben bäuerlichen Wirthen erkannt. Im Grundfage unterfcheibet fich der praktiſche Korft-
betrieb in der Gegenwart beſonders baburch von dem ber frühern Zeit, daß man jegt mehr den
rafchern und ficherern Anbau bes Holzes durch Saat oder Pflanzung vorzieht, während nıan
früher die natürliche Verjüngung durch Abfall des Samens von zu diefem Behufe ſtehen ge-
laſſenen Samenbäumen ald das Sauptmittel zur Fortzucht ber Wälder anfah. Die Hiebs fuͤh⸗
rung und bie Bewirthfchaftung in biefer Hinſicht vervollkommnete fich am meiften dadurch,
daß die Plane für die Wirthſchaft mit einer großern Umficht, weil geftügt auf eine richtigere
Anſchauung der Holzwachsthumsgefege und Anwendung der forftlichen Mathematik, entwor⸗
fen und ausgeführt werben. (&. Forſt und Walbbau.)
Waldwolle, f. Kiefer. |
Wales (Wallis), ein ehedem felbftändiges, jept mit dem Königreich Großbritannien verei«
nigtes Fürſtenthum an der Weſtküſte des eigentlichen England, wird gegen W. und N. vom Ir⸗
ländiſchen Meere im D. von den engl. Sraffchaften Ehefter, Salop, Hereforb und Monmouth und
im &. von dem Briftolfanal begrenzt. Es umfaßt etwa 3350 M., wovon ungefähr zwei Drittel
für bie Zwecke der Landwirthſchaft tauglich find. Drei Gebirgszüge Taufen durch dad Land,
von denen der 3571 engl. F. hohe Snowdon im Norbweften bie höchſte Spige bildet. Die Ge⸗
birge find [yon bewaldet und machen das Klima rauh, jedoch nicht ungefund. Die Hüften find
felfig und gerriffen und bilden viele Meerbufen und Vorgebirge. Die bedeutendern Flüſſe find:
Dee, Cluyd, Sonway, Tivy, Tave, Seven, Wye und Uske. Das Land hat außerdem viele
Pleine Seen, die mit den Bergen, Thälern, Felspartien, unzähligen Wafferfällen und Sturz
bachen große Iandfchaftliche Reize darbieten. Vorzüglich reich ift das Land, namentlich in der
Grafſchaft Glamorgan, an Eifen; auch liefert e& Kupfer, Blei, Marmor und Steinfohlen.
Bergbau und Eifenbereitung find die Hauptbefchäftigungen der Bevölkerung. Außerdem wird
Aderbau, mehr noch, wegen der Befchaffenheit des Landes, Viehzucht getrieben. An ben Kü-
fen ift die Fiſcherei und der Aufternfang fehr bedeutend. Der Vertrieb der Landesproducte
macht den durch mehre Kanäle unterflügten Handel fehr lebhaft. W. iſt politifch in Nord- und
Südwales eingerheilt. Rorbwales zerfällt in die Graffchaften Anglefey (Imfel), Saernarvon,
Denbigb, Flint, Merioneth und Montgomery; Südwales in die Braffchaften Brednod, Car⸗
digan, Taermarthen, Glamorgan, Pembroke und Radnor. Die Bevölkerung belief fih 1841
auf 911321, 1851 auf 1,011656 Seelen in 869 Kirchfpielen. Die Hauptftadt bes Fürften-
thums ift Pembroke (f. d.) mit 6500 E.; volkreicher find aber Holywell mit 9000, Saermar-
then mit 10000, Cardiff mit 10075, Swanſea mit 58641 und NerthztArd mit 5186A ©.
Die Ureinwohner von W. waren wahrfcheinlih Cimbern (f.d.). Das Land hieß zur Zeit
ber Römerberrfchaft in Britannien Cimeria, und noch gegenwärtig nennen fich die National⸗
einwohner Symry. Als im 5. Jahrh. die Angelſachſen (f. Großbritannien) in Britannien ein«
fielen, floh ein Theil der brit. Bevölkerung, bie von den Celten (f. b.) abftammte, vor dem
Schwerte ber Eroberer in die Wälder und Gebirge von W. Hier wuchſen dieſe celtifhen An⸗
konimlinge mit den urfprünglichen cimberifchen Elementen zu einem eigenthümlichen Volke
zufammten, das Sitten, Charakter und Sprache, dem engl. Weſen gegenüber, bis auf den heu⸗
tigen Tag bewahrt hat. Die heutigen Walen find roh, abergläubifch, aber kräftig, gefellig und
gutmüthig. Nur die höchſte Elaffe der Geſellſchaft hat engl. Euftur und Sprache umd beſteht
meift aus fpäter Eingewanberten. Noch jegt feiern die Walen ihre alten Nationalfefte, und
die Volksdichter oder Barden halten jährlich ihre Preistänpfe Dagegen liegt ber Volks
unterricht fehr im Argen. Die Sprache der Walen bat eine Grammatik und fogar eine Lite»
ratur. Zur Zeit der angelfächl. Periode in England Iebten die Walen ımter unabhängigen
Fürften, deren Theilungen und Raufereien das Eindringen der Fremdherrſchaft begünftig.
ten. Bereits dem angelfächf. Könige Adelftan, 9235 — 941, mußten die Walen Tribut zahlen.
Als die NRormannen 1068 England in Befig nahmen, fuchten bie Walen die engl. Oberherr⸗
ſchaft abzufchütteln. Doch Wilhelm ber Eroberer überzog das Land und amang bie Fürſten
zur Anerkennung feiner Oberlehnsherrlichkeit. Um bie Einfälle der Walen zu hindern, fepte
Walfiſch 53
König Wilhelm II. Markgrafen (Marchers) an die Grenzen. Während der bürgerlichen Unru⸗
yon unter König Stephan, dem legten normann. Stanıms, mußten fid) die walifchen Fürſten
ſaſt ganz dem engl. Einfluffe zu entziehen und fiden bald als Verbündete des Königs, bald der
Prinzeffin Mathilde (. Plantagenet) in England ein. König Heinrich II. benupte endlich die
Kämpfe der Zürften umtereinander, um durch die Waffen (1157) W. abermals das Joch der
Interthanigfeit aufzulegen. Nur mit Ungeduld erteugen bie Walen ihre Abhängigkeit. Schon
1163, als Heinrich II. im Kriege mit Frankreich begriffen, fiel Res, Fürft in Südwales, in
England ein und brachte auch bie andern Fürſten unter die Waffen. Heinrich ſchickte zahlreiche
Heere nach W., vermochte aber nichts auszurichten, zumal da bie Walen mit Frankreich in Ver⸗
bindung traten. Erſt 4171 verglichen ſich bie walifchen Fürften mit bem Könige und erfannten
deſſen Oberherzlichkeit wieder an. Erft unter König Eduard L, der 1272 den engl. Thron ber
flieg, gelang jedoch die vollfländige Unterwerfung bes Landes. Die Härte, womit hierauf die
engl. Marchers die Walen behandelten, bewog den damaligen Oberfürften Llewellyn 1282 zu
einem Aufſtande, in welchem er im Dec. von den engl. Truppen gefchlagen und getödtet wurde.
Sein Bruber Davib, der den Kampf für die Unabhängigkeit des Baterlandes fortzufegen fuchte,
fel im Oct. 1283 in König Eduard's Hände und flarb zu Shrewsbury durch den Henker. W.
mußte num bie Behandlung einer eroberten Provinz erbulden, indem Eduard das Fürſtenthum
mit der Krone vereinigte und die Einführung engl. Befege und Berfaffung begann. Im 3.
1501 gab ber König das überwundene Land feinem Sohne und Erbpringen, dem nachmaligen
Suard II, zu Lehn, mit dem Titel eines Prinzen von W. Seitdem führt der ſedesmalige
Kronprinz von England, wenn er ber ältefte Sohn des regierenden Königs ift, ober, wenn biefer
lirbt, fein ättefter Sohn, diefen Titel, der ihm jeboch erft durch einen befondern Brief einige
Ronate nach der Geburt verliehen wird. Die engl. Könige gingen nach ber Unterbrüdung ber
valiſchen Freiheit befonders auf bie Ausrottung der mit befondern Privilegien verfehenen Bar-
m aus, Die als die Vertreter des volksthümlichen Beiftes durch ihre Geſänge bie Erinnerungen
eb Volkes wach erhielten und oft zum Kampfe gegen die Unterbrüder aufmunterten. Owen
Hendower, ein Barde unb Nachkomme eines alten Fürftengefchlechts, benugte bie Unruhen
nter Heinrich IV. in England und erhob 1400 die Fahne des Aufruhrs. An der Spige eines
ihlreichen Haufens fiel er in England ein, verwüſtete die Beftgungen des Grafen von Mar
nd fonnte weder von Lepterm noch von den Truppen des Königs in wieberheiten Feldzügen
ezwungen werden. Erſt gegen Ende ber Regierung Heinrich's IV. gelang es den Englänbern,
ne Herrfchaft über die Walen herzuftellen. Die folgenden Könige fegten nun über die einzel»
en Diftricte des Landes engl. Große oder Marchers, bie das Volk in biutiger Unterbrüdung
ielten. Endlich wurde 1556 von Heinrich VIII. auf ben Wunſch des engl. Parlaments das
ürftenthum W. gänzlich mit England vereinigt. Die Bevölkerung erhielt zugleich alle Frei⸗
äiten und Wohlthaten der engl. Staate- und Zufligverfaffung. Über die vielen vorchriftlichen
Iterthümer in W. vgl. Robert, „The Cambrian popular antiquities” (Xond. 1815).
Walfifch (Balaena), eine Gattung aus der Drdnung ber Eetaceen (f. d.). Wie der ver-
tandte Pottfiſch bat der Walfiſch einen unverbälmigmäßig großen, faft ein Drittel des Körpers
smadenden Kopf, unterfcheidet fich jedoch von ihm durch den Mangel ber Zähne, ftatt deren
n Oberkiefer mehre Hundert gefranzte Hornplatten (Barten) ftehen. Diejenigen WWalfiih-
tten, bei welchen eine Rückenfloſſe vorhanden ift, marken eine befonbere Untergattung, Finn⸗
16, aus. Unter ben übrigen, den eigentlichen Walfiſchen, ift ber bekannteſte der gemeine Wal ˖
16 (B. Mysticetus), vielleicht das größte aller fegt lebenden Thiere, denn feine Länge beträgt
0-80 8. (früher will man gar 200 F. lange gefangen haben), feine Schwere 1000-1500
tt. Die Kiefern find einige 20, die längſten Barten 15 $. lang und ber horizontale Schwan;
üßt querüber 16 F. Unverhälnigmäßig Hein erfcheinen hingegen bie nach oben gerichteten
lugen und die von der Haut überbeciten Ohren, beide nur wenig oberhalb der zu Muberfloffen
mgebildeten Vorderfüße ftehend. Die große Enge des Schlundes erlaubt dem Walſiſch nur
leine Fiſche und Weichthiere zu verfchlingen, die er zu Tauſenden einfchlürft, während er das
Baffer mittels dex auf der Höhe des Kopfs befindlichen Spriglöcher wieder von ſich gibt. Er
hwimmt außerordentlich ſchnell und kann in großen Tiefen über eine Viertelſtunde aushalten.
Selten triffe man größere Geſellſchaften, die fich gegenfeitig unterflügen. Nur das Weibchen
ertheidigt ihr Junges, das fie nie aus dem Auge läßt, mit größter Unerfchrodenheit. Der
Valfiſch muß, nad) bet zehnmonatlichen Tragzeit gefcyägt, ein bedeutendes Lebensalter errei-
ven können, wenn er auch nicht, wie Buffon meinte, ein Jahrtauſend erreicht. Außer den
Shmwertfifgen, bie ben Jungen häufig nachftellen, find bie Hauptfeinde der Walfiſche bie in ber
54 Walhalla (Mychor.) Walhalla (Baumerk)
ſchwarzen riffigen Haut zu Taufenden angeſiedelten Walfiſchläuſe, die ihnen, wenn fie an bie
Dperfläche des Meeres kommen, von Möven und andern Seevögeln abgelefen werben. Die ei-
gentliche Heimat des Walſiſches find jegt die arktiſchen Meere jenfeit des 66. Breitengrades, mäh-
end er früher auch an beutfchen und franz. Küften gefunden wurde. Dielirfache biefes Zurück⸗
ziehens liegt in dem WBalfifchfange, der ſchon im 9. Jahrh. von ben Norwegern, im 13. und 14.
von ben Basken betrieben wurde, bie 1372 bie nach Reufumbland, fpäter tief ind Eismeer vor-
drangen. Seit 1615 traten bie Holländer an ihre Stelle. Endlich verfuchten fih 1732 die
Gnglänber barin, bie 1760 trog aller Widerwärtigkeiten fich des Monopols bemächtigt hatten.
Neuerdings hat die Zahl der Walfifchjäger, obgleich fich feit 1815 auch Franzoſen, Amerikaner,
Holländer und Deutfhe (Glückſtadt) Hinzugefellten, fehr abgenommen, während der Pottfiſch⸗
und Robbenfang in der Sübfee an Bedeutung zunimmt. Neben außerorbentlichen Strapazen
erwarten jeden WBalfifhjäger in ben Polargegenden große Gefahren. Gisberge drohen ihn zu
zermalmen; bie zum Sarpımiren ausgefandten Boote werben oft durch. ben Schlag vom
Schwanze des gereizten Thiers vernichtet, weshalb man die Harpunen häufig durch Raketen
ober Kanonenfugeln zu werfen verfucht. Manches Boot wurde auch vom entfliehenden ZBal-
fiſch mit in die Tiefe geriffen. Raubgierige Haie (f. d.) bedrohen den DMatrofen, während er
von dem getöbteren Walfiſch den Sped und die zu Fifchbein zu verarbeitenden Barten trennt.
Oftmals verbringt eine folche Erpedition zwei Jahre in jenen unwirthbaren Gegenden, ohne
einen Walſfiſch zu finden, befien Bang etwa 5000 Thlr. Gewinn abwirft. Die 50 — 70000
Thlr. der Ausrüftung find dann vollig verloren. Es erflärt fi) daraus bie Abnahme der Grön-
landsfahrten, die Durch das Verſchwinden ber Walfifche immer riöfanter werben.
Walhalla Heißt in der nordifchen Mythologie der Aufenthaltsort für bie in Schlachten Ge⸗
fallenen. Diefe glänzende Halle fland in Gladsheim (Freudenheim), vor ihr der liebliche Hain
Glaſur, beffen Bäume goldene Blätter trugen. Bor ber Halle, die fo hoch war, baf man kaum
ihren Giebel fehen konnte, hing als Symbol des Kriegs ein Wolf, über welchem ein Abler ſaß;
der Saal felbft, mit Schilden gedeckt und mit Speerfchäften getäfelt, hatte 540 Thüren, buch
beren jebe 800 Einberjer nebeneinander fchreiten konnten. Für diefe oder die Tapfern, melde
nach dem Tode zu Odin famen, war er beftimmt. Berühmten Fürften, befonders wenn fie viele
Länder verheert und weithin das bluttriefende Schwert getragen, ſchickte Obin zur Bewillkomm⸗
nung Bragi und Hermode entgegen ; ihnen zu Ehren wurde bie Halle geſchmückt; alle bie gött-
lichen Helden ſtanden auf zu ihrem Empfange ; die Walkyren Eredenzten ihnen Bein, den ſonſt
nur Odin frank. Die Könige kamen alle nach Walhalla, auch wenn fie nicht des Schlachten.
tobes geftorben; überhaupt erfcheinen diefe Freuden nur Vornehmen und Reichen bereitet.
Weil es ehrenvoll, mit großem Gefolge nach Walhalla zu kommen und viele Schäge zu befigen,
fo tödteten fich freiwillig bes in der Schlacht gefallenen Führers Kampfgenoffen, und in feinen
Grabhügel legte man nebft Roß und Waffen bie auf Kriegezügen erworbenen Schäge. Alle
Morgen zogen beim Hahnenruf die Einherjer aus zu wilden Kampfe gegeneinander, Mittags
aber waren alle Wunden geheilt und die Helden fammelten fi zum Mahle unter Odin's Vorfig.
Dbin felbft genof nur Wein; bie Speifen gab er den neben ihm figenben Wölfen Geri unb Freki.
Die Einherier fpeiften vom Sped des Ebers Sahrimmer und labten fi an Bier und Met,
die in hinreichender Menge den Eutern der Ziege Heidrun entfloffen ; bie Zrinkhörner reichten
ihnen unter Freyja's Waltung die ihnen dienenden Walkyren. Zuweilen ritt ber Einberjer zur
Nacht nach feinem Brabhügel, wo ihn bie geliebte Walkyre empfing ; in ihrer Umarmung ruhte
er, bis bei ſchwindender Nacht er ausrief: „Es ift Zeit, das Roß treten zu laſſen auf der bleichen
Lufttreppe, nad Welten muß ich fahren, nad) der Himmelsbrücke, ehe ber Hahn das Sieges volk
weckt in Walhalla.” Die Hälfte der Gefallenen gehörte der Freyja. Der Eher Sahrimmer,
von dem die Helden fpeiften, wurbe bereitet vom Koch Anbbrimmer im Keffel Eldhrimmer. Es
bedeutete Sa Waſſer, And Achem oder Seele, Eid Feuer; Hrim, d. i. Reif, war der Urftoff bei
ber Weltſchöpfung; vom Geweihe des über Walhalla fichenden Hirſches Eikthyrnir fielen Tro⸗
pfen in den Brumnen Hvergelmer, von wo aus alle Flüſſe ftrömten. Hiernach ſcheinen die Ein⸗
herjer als Sterne ober Beifter ber Geſtirne aufgefaßt, die aus den Elementen ihre Nahrung zie-
ben; Walhalla fteht hier für ben Himmel.
Walhalla, in Baiern, eines der bebeutfamften, gebiegenften und vollenbetften Baumerfe
der neuern Zeit, ift eine Schöpfung bed Königs Ludwig I. von Baiern, der noch ald Kronprinz
zur Zeit ber tiefften Erniedrigung des deutſchen Vaterlandes, 1806, den Gedanken dazu gefaßt
hatte. Mit Hülfe der Kunft wollte ex dem beutfchen Ruhme und ber beutichen Größe ein bauern-
des Denkmal gründen. Der Gedanke dieſes Denkmals, die Wahl des Orts und die Art feiner
Bolten Balkyren 55
Ausführung befhäftigten den Kronprinzen von nun an unabläffig. Im. 1816 erhielt Leo
von Klenge (f. d.) den Auftrag, Entwürfe anzufertigen, von welchen der zur Ausführung ge»
diehene Plan 1821 genehmigt wurde; body exit 18. Det. 1830 erfolgte die Grundſteinlegung
in Gegenwart des Stifters. Die Einweihung fand 18. Der. 1841 flatt. Die Walhalla erhebt
ſich auf der eichenumkränzten Höhe des füdlichen Abhangs des Braubergs bei Donauftauf un-
weit Regensburg, etwa 250 $. über den Spiegel der Donau, die am Fuße ber Anhöhe vorbei»
fließt, und von wo aus auf cyklopiſchem Mauerwerk rubende Marmortreppen bis zu den mäch⸗
tigen, terraffenfönig aufgebauten Subfizuctionen des grandiofen Tempels enıporfteigen. Der
ganze Bau hat eine Zange von AAO, eine Breite von 290 und eine Höhe von mehr ald 200 F.;
der Tempel felbfl ifl, Hei einer Ränge von 252 F. und bei einer Breite von 110 F., 63 F. hoch.
Ihn umgeben 56 cannelirte borifche Säulen von röthlichweißem Marmor, ber zudem äußern Bau
durchweg verwendet ift. Nach den Angaben bes Königs und den Skizzen von Rauch und Schwan
thaler, von dem Letztern, ſowie unter befjen Leitungin Marmor ausgeführt, fiehen im Zympanon
des Vordergiebeld 15 fombolifche Figuren in runder Arbeit, an die Wiederherftellung Deutfch-
lands durch den legten Befreiungstrieg erinnernd, in der Mitte die figende Koloffalfigur ber
Germania. Die Bildwerke des Dintergiebels, ebenfalls 15 Figuren, mit Arminius in ber Mitte,
nah Schwanthaler's Entwurf und Ausführung, beziehen ſich auf die Beftegung der Römer
duch bie Cherusker. Das Innere ded Gebäudes, die eigentliche Gella, bilbet ein längliches
Diered, bad, 220 F. lang und 50 F. breit, in drei Abtheilungen gefondert wird, von denen bie
mittlere zwei figende, bie beiden andern je zwei ſtehende Ruhmesgenien, von Rauch in Berlin,
enthalten. An der Wand, in der Höhe ber Halbfäulen, bie die Cellen voneinander ſondern, ent
hält ber Fries die von J.M. Wagner componirten und modellirten, von Pettrich und P. Schöpf
in Marmor ausgeführten Reliefdarftellungen aus dem Leben der alten Deutfchen bis zur Ein-
führung des Chriſtenthums durch Bonifacius, in acht Abtheilungen, zufammen 292 $. lang.
Unter dem Fried an der Wand ftehen auf Conſolen und Poftamenten die plaftifchen Bruflbilder
der Walhallagenoffen, deren einformige Reihen, in Gruppen getheilt, durch Siegesgöttinnen
getrennt werben. Daß man, flatt im altdeutfchen Stil, das Chrendenkmal des deutſchen Volkes
im griech. Stil aufgeführt, hat oft Tadel gefunden. Vgl. bes Königs Lubwig „Walhallas Ge⸗
noſſen“ (Münd. 1842) und „Donauſtauf und Walhalla” (7. Aufl, Regensb. 1847).
alten heißt die Behandlung ded vom Webftuhle genommenen Tuchs, wodurch baffelbe
gefilzt und verdichtet, zugleich von allen bei der Fabrikation hineingelommenen Unreinigkeiten
(Bett, Leim, Schmug) befreit wird. Man walft das Tuch auf Walkmüblen, indem man es
tinweicht, dann mit Seife ober feifenartig wirkenden Dingen, als gefaultem Urin, Walkererde
(1. d.) und einer gehörigen Menge immer erneuerten Waffers in einem Troge (Kump oder
Walkſtock) durch große hölgerne Hämmer, in neuerer Zeit in den fogenannten Cylinderwalken
mittel6 Walzen, durcharbeiten läßt. Das Walken war fhon den Alten befannt. ‘Der Begriff
bes Walkens ſchließt hauptſächlich das kräftige Kneten und mechanifche Durcharbeiten eines
Körpers ein, daher wird biefer techniſche Ausdrud auch für andere Proceſſe gebraucht, welche
mit dem Tuchwalken mehr oder minder Ahnlichleit haben : fo walkt der Hutmacher feinen Filz,
der Strumpfwirker die wollenen Strünipfe, ber Weißgerber das Leder, der Kürfchner bie Felle,
der Bleicher die Leinwand.
Walkererde heißt ein erdiges Mineral von grünlihgrauer Farbe, geringer Härte und
Schwere, das fich fertig anfühlt und im Waffer unter Ausftoßung von Bläschen zu einem fei-
nen, milden Schlamme zerfällt. Sie hat, wie Thon, Speckſtein, Bergfeife und Gimolit, die Eis
genfchaft, fette Ole begierig einzufaugen, und dient deshalb zu Fleckkugeln, befonders aber zum
Balken des Tuchs, wovon fie ihren Namen führt. Dan findet fie an mehren Orten Deutfch-
lands, 3.3. bei Börlig und Roßwein in Sachien, in Schweden, Frankreich, befonders ſchön
jedoch in Bedfordfhire, Hampfhire und Cornwall in England.
alkyren ift abgeleitet von dem altmord. Val, welches einen Haufen Erfchlagener bedeutet,
und fjöra, wählen. Die Sage von den Walkyren iſt bie furchtbar fchönfte Dichtung ber Ufen-
lehte (ſ. Rordiſche Mythologie) und vielleicht aller Mythologien. Die Walkyren, auch Schlacht⸗
lungfrauen, Schild-, Wunſchmadchen (Oskmeyar) genannt, find reigende Jungfrauen, die gold«
geſchmückt in ſtrahlender Waffenrüftung durch bie Küfte reiten, nach Odin's Befehlen die
Schlachten lenken und die Todesloofe vertheilen. Won den Mähnen ihrer Roffe träufelt auf die
Erde befruchtender Thau; Licht firahlt aus ihren Lanzenſpitzen und ein fladernder Schein be-
zeichnet ihre Ankunft in der Schlacht. Mit ihrem reigenden Anbli erfreuen fie noch das bre
ende Auge des Helden und geleiten ihn dann nach Walhalla (f.d.), wo fie ihm ben Becher kre⸗
46 Walde
a zumachen. So groß die Rechte der Srände auf der einen Seite waren, Hatten fi doch bie
Mängel diefer Berfaffting längſt geltend geniacht, und in dee Bewegungßdes J. 1848 ſprach fich
der Wunſch nach einer andern Verfaſſung aws. Ein conſtituirender, durch ein von den alten
Ständen genehmigtes Wahtgefep beruferrer Landtag vereinbarte hiernach das Stuatsgrund⸗
gefep vom 25. Mai 1849. Daffelbe trug die Mängel fehrer Zeir, und Fürſt Georg Wleter, der
ſeit 15. Mai 1845 ımter Vormundſchaft feiner Deutter, der Fürſtin Ema, feinen Bater ges
folgt war, erflärte, ehe er nach erlangter Volljährigkeit bie Negierung ſelbſt übernahrn, daß zuvor
die Verfaſſung einer Umändernng unterliegen müſſe. In Folge deſſen wurde mit der Ständen
eine neue Verfaffung vereinbart und 17. Aug. 1852, an ben Tage, an welchen der Fürft die
Negierung antrat, veröffentlicht. Nach diefer Verfaſſung vereinigt der Fürft in fich die gefammmte
Staatsgewalt, ift aber bei deren Ausübung an die verfaffungsmäßtgen Gefege und bie durch die
Derfaflung beftimmte Mitwirtung ber Stände gebunden. Diefe Mitwirkung erſtreckt fich auf
die Zuftimmung zur Geſetzgebung und Befteuerung, jeboch fo, daß dieſenigen Mittel, welche zu
einer den Bundespflichten und der Randesverfaffung entfprechenden RNeglerung erfoderfich find,
nicht verweigert werben Dürfen. Der Landtag befteht aus 12 Abgeordneten, zu been in den
Fällen, wo e8 fih um Angelegenheiten handelt, die für das Fürſtenthum W. und das Fürfien-
thum Pyrmont gemeinfhaftlic find, drei Abgeordnete von Pyrmont treten. Welche Brgen«
fände als gemeinfchaftliche zu behandeln, beftimmen beſondere Derträge Die Wahl der Ab-
geordneten ift indirect. Die Sitzungen find öffentlich. Der Landtag ift befugt, bie Vorlage von
Geſetzen zu beantragen und hat das. Recht, gegen bie verantwortlichen Mitglieder bee Regierung
wegen Berfaffungsverlegung Anklage zu erheben. Der Landtag trirt jaͤhrlich zufammen. Die
Budgetperiode ift eine Dreifährige. Alle Srewerbefreiungen find aufgehoben. Die Staatskaffen-
rechnung wirb den Ständen, nachdem fie von der Mrgierung geprüft ımd feftgeftellt iſt, zur
Wahrnehmung der verfaffungsmäßigen Rechte vorgelegt.
Das ehemals gräflihe Haus von W. gehört zu den Alteflen in Deutſchland. Außer IB.
und Pyrmont befaßen die alten Grafen audy noch die Grafſchaften Swalenberg und Sternberg.
Mit dem Erlöſchen der nach diefen Braffchaften genammten Binien kam in Folge von Verheira-
thung 1399 Sternberg an Lippe und Pyrmont 1494 an die Grafen von Spielberg, von dieſen
41357 an die Grafen von Rippe, 1585 an bie von Gleichen und nach) deren Ausfterben 1631
wieder an W. Der Graffchaft Smalenberg bemäcktigten ſich nach dem Ableben ber betreffen-
den Linie 1556 widerrecdtlich der Bifchof von Paderborn und ber Graf Simon 1. von ber Lippe.
Des Grafen Heinrich Söhne, Heinrich und Adolf, flifteren die beiden Linien Waldeck und
Lundau, weiche legtere 1495 erloſch. In den unruhigen Zeiten des 15. Jahr. gingen beide Li⸗
nien feit 14358 zur größern Sicherung ihrer Befigungen bei dem Haufe Deffen zu Lehn, wo⸗
durch nachmals viele Streitigkeiten entſtanden, die erft 1655 duech einen Vergleich beendigt
wurden, der im Weſtfäliſchen Frieden feine Beftätigung fand. Nach beb Grafen Joſeph Tobe
1588 flifteten deffen Söhne Chriſtian und Vollrath Die Linien Eifenberg und Wildungen.
Letzterer Befigungen fielen 1664 an den Feldmarſchall dee Dereinigten Niederlande, Grafen
Gedrg Friedr. von Walde, der 1692 vom deutſchen Kaifer in den Reichsfürftenftand erho-
ben wurde, mit dem aber 1692 die Wilbungiſche Linte erlofch, worauf die waldeckiſchen Be⸗
figungen an Chriſtian Ludwig von der Eifenbergifchen Linie fielen, die bereit feir 1:651 wieder
im Befig von Pyrmont war. Das Erfigeburtsrecht war in dieſer Linie ſchon fett‘ 1687 einge:
führt. Auf Chriſtian Ludwig folgte 1706 Friedrich Anton Wrich, dee 3711 in den Meichsfür-
ftenftand erhoben wurde und 1718 ftarb. Sein jüngerer Bruder Joſias wurde ber Stifter ber
Linie ber Grafen von Waldeck zu Bergheim. Friedrich Anton Ulrich hatte nacheinander feine
beiden Söhne Ehrifttan Philipp, geft. 1728, und Karl Auguft Friedrich, geft: 1763, zu Nach-
folgern. Des Legtem Sohn und Nachfolger Friedrich erhielt endlich 1803 eine Virilſtimme
in Reichsfürſtenrathe. Er trat die Grafſchaft Pyrmont 1805 an feinen jüngfien Bruder Georg
ab und wurde durch feinen Beitritt zum Aheinbunde fouverän, Als er 1812 Anderlos ſtarb,
fotgte ihm in der Regierung fein Bruder Georg, der aber fhon 1873 flarb. Zum Nachfolger
hatte er feinen älteften Sohn, Georg Heinrich, ber 1814 dem Deutfchen Bunde beitrat. NRächſt
der Eonftitution, über die er fich 1816 mit ſeinem Sande einigte, war beſonders ber Ranbtag von
1854 wichtig, im Kolge deffen 3934 die Ablöfung eines bedeutenden Theils der bäuerlichen
Dienfte zu Stande kam. Der Fürft ſchloß ſich 1832 dem Deutfchen Zollverein an, führte feit
1857 factifch und feit 1842 gefeglich ben 14-Thalerfuß ein und ftarb 15. Mai 1845. In die
Zeit feiner Regierung fiel ein für das deutfche Staatsrecht nicht unwichtiger Streit zwiſchen W.
und Kurheffen, indem Iegteres, geftügt auf das frühere Lehnsverhältniß, 1842 verlangte, der
Waldemar (der falſche) Waldemar (Sriedrich Mehelm, Prinz) 4
Güftvon td, falle „die vom Haufe Heften zu Lehn gehende Braffchaft IE. nebft Zubehär in
ber Kurze mutben”. Der Fürſt erflärte, daß dieſes Verhältniß mit ber Auflöfumg des Deut
ſchen Reiche aufgehört habe, und 1847 entfchied auch die Bundes verſanuulung yu Nachtheile
Heſſens. Val. Wippermann, „Steht die Grafſchaft TB, water heſſ. Lehn6herrlichleitt" (Giegen
1847). Dem Fürſten Georg Heinrich folgte ſein unmündiger Sohn, Georg Victor, geb. 14,
Jan: 1851, unter Vormundſchaft ſeiner Butter Enma, Veinzeffin von Anhalt Bernburg
Schaumburg (geb. 1802), die fich den regierenden Fürften Leopold von Lippe- Detmold zu ihrem
Beiſtande erwählte. Furſt Georg Victor trat, obwol er bereit 14. Ian. 1852 volljährig gewor-
dem war, erft 17. Aug. deſſelben Jahres, nachdem bie Verfaffung revidirt war, die Regierung
an. Dirfelbe vermahlte fich 26. Sept. 4855 mit Helene, Prinzeſſin von Nafſau, die ihm 27.
Juli 1854 eine Tochter, Sophie Nicelina, gebar. Vgl Eurge, „Geſchichte und Befchreibung
des Fürſtenthums A" (Aroiſen 1850); Derſelbe, „Geſchichte ber evang. Kirchenverfaffung
in dem Fürftnthum IR” (Arolfen 1860).
Waldemar, ber falfche, hieß der Prätendent, weicher 1547—55 als Gegner bed Kurfür⸗
fien Ludwig von Brandenburg. auftrat: Die Mark Brandenburg hatte unter dem Markgrafen.
Waldemar aus dem Anhaltſchen Haufe, ber angeblich 1519 ſtarb, glückliche und glänzende Zei⸗
ten verleht,. denen eine ange Reihe unruhvoller amd bebrämgter Jahre folgte. Geit nmwentli
das Wittefsbndgiche Haus die Kurwürde bort exlangt, erreichte bie Unficherheit und Schwäche
nad) außen, die Noth umd der Adelsdruck im Innern den höchſten Grad. In diefer Zeit ber Be⸗
drangniß erſchien 1547 ein Pilger nor dem Erzbiſchof von Magdeburg, der ſich für ben angeb⸗
li verftorbemen Markgrafen W. ausgab. Es fei, fagte er, Die Leiche eines andern. Mannes an
feiner Statt beerdigt worden; er habe dann zur Buße feiner Sünden eine Wallfahrt nach. Pa⸗
lafling unternommen und fehre nun zurück, um fein bedrohtes Land zu retten. Der Erzbifchof
und feine Dienftleute, die Herzoge von Sachen, Pommern und Dlagbeburg, ja BB.’ eigener
Schwiegerfohn erflärten, es fei wirklich der todtgeglaubte Markgraf. WBegeiftert fiel ihm bas
Land zu ımd nur noch wenige Stäbte hielten zu dem Kurfürften Ludwig, bem Sohne Kaifer
Ludwig's des Baiern. Der neuerhobene Kaiſer Karl iV., mit dem bair. Haufe in heftiger Fehde,
ließ eine Prüfung anftellen, und auf viele Jeugnifie von Solchen hin, die ben Markgrafen W.
gelannt hatten, warb der Prätenbent als der rehtmäßige Kurfürft ausgerufen. Wie indeſſen
Karl IV. nae aus politifchen Gründen fich bes Prätendenten angenonmen, ließ er denſelben
auch wieder fallen, als fich dad Verhaͤltniß zum bair. Haufe änderte. Der Kaifer Ind den an
geblichen DB. zur Unterfuchung feines Anfpruch6 1350 nach Nürnberg vor, ertheifte aber fchon
vorher das Kurfürftenthum an ben bair. Prinzen. Darauf weigerte fih W. vor Richtern, die
fo einfeitig handeiten, zu erfcheinen, während der Kaifer, den Wittelsbachſchen Intereſſen ger
maß, ihn für einen falfchen Prätendenten erflärte. Doch ber größte Theil der Mark biieb ihn
treu, und erſt nach mehrjährigen Kriegen, ale W. felbft die Bewohner der Marken von bem
Huldigungseid entbanb, wurde bie hair. Herrfchaft wiederhergeſtellt. Der Prätendent zog: fich
zum Fürften von Anhalt nad) Deffau zurück und lebte dort bis zu feinem Ende in fürſtlichem
Range. Während die Gegner ihn für einen Müllerburſchen Namens Jakob Nebbod oder einen
Bäckergeſellen Mähnicke ausgaben, ber feine Ahnlichkeit mit dem verfiorbenen Markgrafen
zu einem großartigen Betruge glücklich benugt, iſt Doch aus ihrem eigenen Verhalten eine Ge⸗
wißheit über die Perfon des Prätendenten nicht zu fchöpfen. Es wäre wol flatthaft, anzuneh⸗
men, daß politiſche Gründe den Kaifer Karl IV. und ben Fürften von Anhalt zu einer abſicht⸗
lien Taäͤnſchung vermocht hätten; aber auf der andern Seite beweift die Art, mie der Kaifer
ihn ebenfalls aus. politifchen Gründen fallen ließ, nichts gegen feine Echtheit, unb die ihm gün⸗
fügen Zengniffe befunden jedenfalls ein auffallendes Zufammentreffen merkwürdiger Umftände,
weiche die Wahrheit feines Anſpruchs unterflügen mußten. Bol. Klöden, „Geſchichte des Marks
grafen W.“ (A Bbe,, Berl. 1844). W. Aleris Hat den Stoff zu einem Romane benupt.
Waldemar (Friedrich Wilpelm), preuß. Prinz, geb. 2. Aug. 1817, warder Sohn des Prin-
zen Wilhelm, Bruders Friedrich Wilhelm's Ul., und der Prinzeſſin Maria Anna von Heſſen⸗
Homburg. Er genoß eine treffliche Erziehung, machte dann ben Militaͤrdienſt in ben verfehiebenen
preuß. Waffengattungen durch und begab fich, nachdem er zum Oberft im Garbebragonerregiment
vorgerüdt, 1845 auf größere Reifen nach dem Orient. Rachden er das türk. Reich, Agypten unb
Dflindien befucht, ſchloß er fich 1846 ber angleind. Erpedition gegen bie Sikhs an. Hier nahıner
an den blutigen KKmpfen am Sutledfch, in denen einer feiner Begleiter, Dr. Hoffmeifter, an feiner
Seite fiel, rühmlichen Antheil und warb dafür von der Königin von England mit bem Groß
kreuz des Bathordens decorirt. Nach feiner Rückkehr begab er fi im Sommer 1847 nad
48 Waldenburg Balbenfer
England, wo er eine fehr ehrenvolle Aufnahme fanb, und trat dann in ben activen preuß. Mili⸗
tärbdienft zurüd. Zum Commandeur ber 13. Gavaleriebrigabe ernannt, wurde er zu Münfter
von einem rheumatifchen Fieber ergriffen, in befien Folge ſich eine lebensgefährliche Entzün-
bung ausbildete. Am 17. Febr. 1849 erlag ber vielverfprechenbe Prinz biefem Übel in der
Blüte feiner Jahre. Seine Geſchwiſter find: Prinz Adalbert (f. d.), der Chef der preuf. Ma⸗
zine, bie Prinzeffin Elifabeth von Heffen-Darmftadt, geb. 1815, und die regierende Königin
Marie von Baiern, geb. 1825.
Baldenburg, ein Kreis im Negierungsbezict Breslau der preuß. Provinz Schleſien, der
auf 7,2. AM. die fehr flarfe Bevölkerung von 62000 E. zählt, ift von dem Haupttheile bes
Waldenburger ober Hochwalbdgebirgs ber Sudeten erfüllt, das im Hochwaldberg 2700 $.
Höhe erreicht und von lieblihen Zwiſchenthälern durchzogen wird. Das Gebirge hat guten,
aber für den Bebarf nicht ausreichenden Getreidebau, dagegen viel Holz, großen Reichthum
an Steinkohlen, Erzen, ergiebigen Steinbrüden, Mineralquellen und bietet ein Bild fehr
eeglamer Anduftrierhätigkeit dar in Bergbau, ausgedehnter Flachs⸗ und Baummollenver-
arbeitung, Wollen⸗ und Halbwollenfabritation, Thonwaarenverferfigung, Bleihen, Wafe
fer, Wall. und Sägemühlen u. f. w. Die Kreisitabt Waldenburg an der Polönig, Sig
bes nieberfchlefiihen Bergamts und eines umfangreichen Bergbaus, befonders auf Stein-
Fohlen in ber Umgegend, zählt 4256 E., hat mechanifhe Flachsſpinnerei, lebhaften Lein⸗
wandhandel und eine berühmte Porzellanfabrif, die an 700 Perſonen beichäftige. Die
zwei andern Städte bed Kreifes find Gottesberg, bie höchſt belegene Stadt Schlefiens,
mit 2873 E., Bergbau, Spigenverfertigung, Strumpfftriderei und ber benachbarten Fell-
hammer Porzellanfabrit, und Friebland an ber Steinau, mit 1433 E., regem Leinwand
handel, Papierfabrit und einem Heilbrunnen. Außerdem find bemerkenswerth die Bade⸗
örter Altwaſſer (f. d.) mit Steintohlengruben, Eifengießerei und bedeutender Porzellanfabrik,
Salzbrunn (f.d.) und Charlottenbrunn; endlich das große Dorf Wüfte-@iersdorf mit 2500 E.,
einer großen Wollenmafchinenweberei, Spinnerei, Baummollen- unb Reinmweberei, Bleichen,
und das fhöne Dorf Wuͤſte⸗Waltersdorf am Fuß der Hohen Eule, mit 1600 E., Bleichen,
Leinwanbfabrifation und Handel. — Waldenburg, eine Stadt in dem Kreisdirectionsbezir?
Zwickau im Königreich Sachfen, Hauptort der Neceßherrſchaft Waldenburg bed Haufes Schön-
burg (f.d.), an der Mulde, in angenehmer Gegend, bat ein fürftlich-waldenb. Reſidenzſchloß,
feit 1844 ein Schullehrerfeminar, Wollen, Baummollen- und Leinmaarenfabrikation und
fehr bedeutende Strumpfrirkerei, die 1845 in und auferhalb der Stadt 700 Stühle beſchäf⸗
tigte. Sie zählt 2500 E., aber bie dicht bei ihr liegenden Dörfer Aitwalbenburg, Eichlaide
und Altſtadt, Die als Vorſtädte angefehen werben können, haben zuſammen auch noch 2200 €.
Altſtadt zeichnet ſich durch die Fabrikation der Waldenburger Gefäße aus, bie aus dem bei
Frohnsdorf im Altenburgifchen gegrabenen fehr fetten Thone verfertigt werben ; außer Töpfer-
geſchirr Liefert es auch Tabackspfeifen und vortreffliche Schmelztiegel. Die nahe bei W. gele⸗
gene fürftfiche Villa Greenfield hat einen Park mit herrlichen Anlagen. — Waldenburg, Stabt
im Oberamte Öhringen des würtemberg. Jartkreifes in einer waldigen Gegend, hat 1200 E.,
ein altes Bergſchloß, von bem man eine weite Fernſicht hat, und gehört, wie ber Marktflecken
Kupferzell mit einem Nefidenzfchloß und 1300 E., zur Standesherrſchaft bes Fürften von
Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürft (f. d.).
Waldenfer. Diefe ats Borläuferin der Kirchenreformation des 16. Jahrh. berühmte hrift«
liche Senofienfchaft verdankt (um bad J. 1170) dem Peter Walbus, einem reichen Bürger zu
Lyon, Enftehung und Namen, obfehon Andere diefen Namen von „Thal“ (val, vallis) ableiten,
wogegen ſich aber gründlichere Unterfuchungen erklären. Waldus war eigentlich weniger ein
Settenftifter als ein Hauptrepräfentant und Beförderer bed in jener Zeit fehr verbreiteten
mächtigen Strebens, mitten in ber damaligen Verderbniß der Kirche bie urchriftliche und apo⸗
ſtoliſche Reinheit barzuftellen und in efoterifchen Vereinen zu verkörpern. Die Kirche hätte
Waldus wol ebenfo wie Franz von Afhfi, den Stifter der Francidcaner, gewähren umb viel»
leicht einen Mönchsorden ober eine Gongregation oder fonftige Berbindung bilden laffen, wenn
Waldus nicht fogleich in biefem Streben auf die Bibel, obgleich ohne Verwerfung ber kirch⸗
lichen Lehren und Sagungen, zurüdgegangen wäre. Die Hierarchie mußte um fo eher bie ge-
fägrliche Tragweite eines folchen Zurück⸗ oder vielmehr Hinausgehens erkennen, als baffelbe
bei der craffen Unwiffenbeit und dem fittlichen Verderben vieler Priefter auch Laien rebend umb
lehrend auftreten ließ. Da erfolgte denn die geivaltige und durch Jahrhunderte ſich hindurch⸗
ziehende kirchliche Meaction nach dem Banne bes Papftes Lucius LIT. 1484 über die ZWalbenfer,
Baldgötter Baldfiein-Wartenberg 4
welche, anderer Namen nicht zu gedenken, von dem Orte ihrer Entfichung Leoniſten, wegen
ihrer freiwilligen Armuth Arme von Lyon, wegen ihrer hölzernen Schuhe oder Sandalen
Sabatati und wegen ihrer Demuth auch Humiliaten genannt wurden. Es war natürlich, baf
diefe Reaction von Seiten der graufam Verfolgten mit theilweife fchroffer und feinblicher Ah»
fonderung von ber Kirche, ja auch mit beimaffnetem Widerflande gegen die Verfolger erwidert
ward. Deffenungeachtet läßt fich eine eigentliche principielle Trennung ber ZBaldenfer von der
Kirche und ihre Verleiblichung in eine abgefchloffene Sekte, ohne der Gefchichte Gewalt anzu-
thun, nicht nachweifen. Die lange Verfolgungszeit bietet biß zur Reformation einen ebenfo
wichtigen und angiehenden als fehwierigen und Dunkeln Abfchnitt der Kirchengefchichte, welchen
Unkritik und ein bis in frommen Betrug fich verirrendes apologetifhes Intereffe entſtellt ha»
ben. In diefem Intereſſe wurbe unter Anderm eine apoftolifhe Succeffion ber walbenfi-
hen Biſchöfe ergmungen, von welcher die Brüderkirche auch jegt noch die der ihrigen ab»
leitet. Schon Giefeler erflärte ſich gegen dieſe Succeffion in feiner Kirchengefchichte; aber
erft Dieckhoff („Die Walbenfer im Mittelalter”, Gött. 1851) und befonders Herzog
(„Die romanifhen Waldenſer“, Halle 1853) haben die Waldenfergefchichte einer befondern
fritifchen Unterfuchung unterworfen, wozu namentlich von Letzterm das reiche hiftorifche, gro-
ßentheils handfchriftliche Material gefichtet und benugt worden ift. Wie bie lange beftehende
proteft. Betrachtung der Waldenſer als Proteflanten vor der Reformation unkritiſch war,
ebenfo muß man bie Annahme einiger Katholiken, daß dieſe Sekte katholiſch geweſen fei, und bie
Boſſuet's, daß fie zur Zeit der Reformation dem Katholicismus näher als dem Proteftantiömus
geftanden, als thatſächlich widerlegt zurückweiſen. Herzog bat indem Bilde, nach welchem bie
Waldenferfekte mit boppeltem Antlige rückwärts in bie Bath. Kirche und vorwärts in eine refor-
matorifche Zukunft ſchaute, unftreitig das Richtigere getroffen. Die Verfolgungen trieben die
Waldenſer über einen großen Theil von Europa, wo ihnen jenes Streben immer neue Anhän-
ger und frifche Kräfte zuführte. Daher ihre Behauptung von ber Ausbreitung ihrer Sekte, daß
wenn einer unter ihnen von Antwerpen oder aus England nach Rom reifen wolle, er jede Nacht
bei einem Bruber fchlafen könne. In Böhmen verbanben fie ſich mit den Huffiten und Taboriten
und Böhmifchen Brüdern: eine Verbindung, welche natürlich zu einer Alterirung des ſchon an
und für fich ſchwankenden waldenſiſchen Princips und dahin führte, daß das ihm Eigenthüm-
liche dem nach Zeit und Ort ihm fich Angelegten für verwandt gehalten wurde. Eine folche
Verwandtſchaft fuchte und fand man z. B. zwifchen den Waldenfern und Albigenfern (f. b.),
obfchon fie, bei aller Iocalen Vermiſchung und beide gleich treffenden Verfolgungen, im Princip
ih wefentlich voneinander unterſchieden, indem jene ein nur praktiſches Streben und In⸗
tereffe, diefe aber auch ein ſtarkes fpeculatived hatten. Die Hauptfirömungen der Walbenfer
gingen in bie weftlichen und öftlichen Alpenthäler, nämlich dort in bie Danphind und die Pro-
vence und Hier nad) Piemont. Dort erlagen fie theild den graufanıften Verfolgungen, theils
gingen fie in die Neformirten über. Hier aber haben fie fich, trog aller Verfolgungen und um
geachtet ihres Anfchluffes an bie ſchweiz. Reformation, bi6 auf den heutigen Tag felbfländig
erhalten, wenn fie auch zu wiederholten Ausmwanderungen in proteft. Länder und Anſiedelun⸗
gen in benfelben genöthigt wurden. Vgl. Bender, „Geſchichte der Waldenfer” (Um 1850).
Die proteſt. Mächte haben den Waldenſern oft vorübergehende Duldung verfchafft und in
neuerer Zeit namentlich England und Preußen kräftig und erfolgreich ihrer fich angenommen.
Allein erſt durch das Patent bes Königs von Sardinien vom 17. Febr. 1848 erhielten fie religiofe
unb kirchliche Freiheit und mit der kath. Bevölkerung gleiche bürgerliche und politifche Nechte.
Valdgötter, f. Kaunus, Ban und Satyr.
Waldhorn, f. Horn.
Baldmeifter, im Syftem wohlriechender Waldmeiſter (Asperula odorata), heißt eine in
ſchattigen Wäldern ganz Europas vorfommende Pflanze aus der Kamilie der Krappgewächſe,
mit kriechen der rothbrauner Wurzel, am Grunde gebogenem, 5—10 Zoll hohem Stengel und
verfehrteeilänglichen Blättern, die in A ober 5 Wirteln zu 6—8 ftehen. Die Heinen weißen
Blüten bilden eine breitheilige Trugbolde. Die im friſchen Zuftande faft geruchlofe Pflanze
gibt gewelkt einen eigenthümfichen Wohlgeruch von fi. Sie blüht im Mai und Juni und
dient zur Bereitung des Maitranks (f. d.).
Baldftein-Wartenberg, ein böhm. Geſchlecht (czechiſch ZWBalfteina), das ſchon im 15.
Jahrh. vorkommt und aus welchem auch Albt. Wallenftein (f. d.) ftanımte. Es wurde 1616
in der Perfon des genannten Albr. Wallenſtein vom Kaifer Matthias in ben Grafenſtand es-
GonpBer. Behnte Xufl. xVv. . | 4
Su Waldungen
hoben und theilte ſich dann in die Waldſteinſche und die Arnauſche Linie. Die Waldſteinſche
Linie, die feit 1636 das ungar. Indigenat beſaß, erhielt 1654 Sig und Stimme im ſchwäb.
Neichögrafencollegium, 1705 das Oberfl-Erbland- Vorfchneiberamt in Böhmen und nahnı 1758
ben Beinamen Wartenberg an. Die Hauptlinie Waldſtein-Wartenberg theilt fich in die Li⸗
nien Mündengräg und Dux⸗Leutomiſchl. Erſtere befigt dad Stammſchloß Walbftein in
Böhmen, die Fideicommißherrſchaft Münchengräg, mehre andere Herrfchaften in Böhmen
und Ungarn, ſowie die Senioratöherrfchaft Trabitſch in Mähren. An der Spige derfelben
fteht der Graf Chriftian Vincenz Ernſt, geb. 2. Jan. 1794. Die zweite Rinie, ben Grafen
Georg, geb. 25. März 4818, an der Spige, befigt bie Herrfchaften Leutomiſchl, Dug, Ober-
leutensdorf, Maltheuern und Branbeis in Böhmen. Die ziweite Hauptlinie Waldſtein⸗Arnau
repräfentiete zulegt der Graf Joſeph Friedrich, geb. 1775, mit dent 1854 diefe Zinie erlofch.
Berühmt hat ſich aus der Linie Dug-Leutomifchl gemacht der Graf Franz Adam von W., geb.
zu Bien 14. Febr. 1759, geft. zu Dberleutensdorf 24. Mai 1823, der die Naturwiffenfchaf:
ten und hauptfächlich bie Botanik zu feinen Hauptftubium erwählt hatte. Als Malteferritter
nahm er an einigen Seezügen gegen bie Barbaresfen Theil. Dann focht er als Offizier in dem
öfte. Heere von 1787—89 gegen die Türken, worauf er feinen Abfchied nahm. Mit dem Pro-
feffor Kitaibel zu Peſth machte er auf feine Koften fieben Jahre lang botanifche Reifen in Un⸗
garn, und die Refultate derfelben legten fie in ben „Descriptiones eticones plantarumrarioruns
Hungariae” (5 Bde., Wien 1802—12) nieder. Inzwiſchen hatte W., ald das franz. Heer
1797 in Steiermark eingedrungen, ſich bei dem in Wien errichteten adeligen Gavaleriecorps an-
ftellen laffen. Im 3. 1808 trat er in die neuerrichtete Landwehr ein; 1809 führte er ald Ma⸗
jor das dritte Bataillon der wiener Freiwilligen mit folher Auszeichnung, daß der Kaifer ihn
zum Oberfifieutenant ernannte. Nach bein Tode feines Bruders 1814 übernahm er die Güter
in Böhmen, wo er durch öfonomifche und Fabritanlagen den Wohlftand feiner Gutsuntertha-
nen auf alle Weife zu verbeffern fuchte. Der neue Bau des Schloffes zu Dur, die Einrichtung
des dafıgen Naturaliencabinets, der Porzellanfamnılung, Kunftgalerie, Waffentammer find
fein Werk. Zugleich gründete er Schulen für die Jugend und erhob aufs neue die Tuchfab rit
in Oberlentensdorf. Die ganze Verwaltung feiner Güter war ein Denkmal feines edeln, ge-
meinnügigen Lebens. Beine botanifhen Sammlungen vermachte er dem böhm. vaterlänbi-
[hen Mufeum zu Prag.
Baldungen, Wald wird jede nit wildem Holze bewachſene größere Fläche genannt. Die
Derwendung oder Benugung der Wälder für die zeitlichen und örtlichen Zwede der Menfchen
ift gewiß fo alt als das Menfchengefchlecht felbft. Diefe Zwecke müffen aber örtlich verfchieden
. fein, je nachdem buch das Klima die Bedürfniffe der Waldbewohner fehr verfchieden modificirt
werden umd je nad) der Eulturftufe der Völker. Unter den Tropen wird noch jegt der Wald
für wenig mehr geachtet als für den Aufenthalt wilder Thiere, obwol die Fruchtbaume in ihm
weientlih zur Ernährung der Bewohner beitragen. Der nordamerif. Wilde betrachtet ihn,
ebenfo wie unfere alten beutfchen Vorfahren, als ein Jagdrevier; ber civilifirte Europäer aber
"achtet den Wald hoch, weil ihm feine Producte für eine angemeffene Eriftenz unentbehrlich ge⸗
worden find, er auch einfieht, daß die Einwirkung des Waldes auf das Klima, die Gefundheit,
Wohnlichkeit und Fruchtbarkeit des Landes überhaupt einen Einfluß hat, welcher durch nichts
Anderes erfegt werden Tann. Die Natur hat bie Waldungen ohne menfchliche Beihülfe erzeugt,
jet fie Jahrtaufenbe erhalten und wirb fie fort und fort erhalten, unb zwar in benfelben jedem
oben, Klima und jeder Rage entfprechenden Baumgefchlechtern, wenn fie fich felbft überlaffen
bleiben. Sowie aber die Entwidelung ber Bevölkerung beginnt, muß freilich der Wald immer
mehr ſchwinden, ſchon weil bie Erhaltung zahlreicherer Volksmaſſen einen forgfamern Anbau
und Benugung bed Grund und Bodens verlangt. Ausrodungen find die nächfte Folge bavon.
Mit der fortfchreitenden Cultur der Völker wird nun ber Wald mehr und mehr in Anſpruch
genommen. Während er beim rohen Jägervolke nur als das Obdach wilder Thiere geſchätzt
iſt, muß der Wald bei einem ackerbauenden und induſtriellen Volke durch feine Rohſtoffe an
Brenn und Nugholz, durch die Beweidung, durch Entnahme von Dungftoff u. ſ. w. feinen
reichlichen Beitrag zur Erhaltung der menfchlichen Eriftenz geben. Dadurch aber, wird die
Natur in ihrer freien Wirkung geftört, die natürliche Fortpflanzung der Wälder gefährdet und
eine wefentliche Verminderung im Waldzuftande nicht nur, fordern auch in der Waldmaſſe
unb deren Bertheilung über die Ränder herbeigeführt. Die erfte Kolge bes größern und unver»
ftändigen Angriffs der Menfchen auf die Wälder ift eine allmälige Veränderung der Holzar-
*en, indem, wie fich das faft in ganz Europa gleichmäßig herausgeftellt hat, die edeln Laubhöl⸗
Waldungen 51
zer, wie Eichen, Bu:yen, Rüſtern u. f. w., welche zu ihrem gedeihlichen Wachſen eine größere
Bodenkraft erfodern, den minder Praftbedüirftigen Nadelhölzern Plag machen. Die Fichte Hat
im Gebirge, die Kiefer in der Ebene die Oberhand erhalten. Die zweite und weit wichtigere
Folge der Eingriffe der Menſchen in das Helligthum der Mäder ift, daß die große und wicytige
Nolte, welche ihnen im Haushalte ber Natur zugetheilt worden, geflort wird. Sie follen das
Gleichgewicht der Wärme und der Feuchtigkeit in der Zemperatur vermitteln, die Bäche und
Flüſſe mit Waffer fyeifen, Schup gegen die verfengenden Sonnenftrablen gewähren, Stürme
brechen, Sturzfluthen, Lavinen, Schnee» und Sandtreiben aufhalten und unſchaͤdlich machen.
Mit ber Abnahme oder dem Verſchwinden der Wälder zeigen fich in den Ländern aller Zonen
die Folgen der Verfchlechterung des Klimas, Waſſerarmuth ber Flüſſe, Unfruchtbarkeit u. ſ. w.
Paläftina, welches in alten Zeiten eine zahlreiche Volksmaſſe nährte, kann jegt Baum eine fehr
fpärliche Bevölkerung erhalten, weil es feine Wälder mehr hat, die einft die natürliche Frucht -
barkeit des Landes begründeten. Island hatte vor wenigen Jahrhunderten noch Wald - und
Fruchtbau: mit erfierm iſt letzterer verſchwunden oder verfünmert. Die Flüſſe Griechenlands
und Spaniens find verfiegt. Die Wälder der Hochalpen wurden burch bie frevelnde Hand bes
Menfchen und den Zahn des Weideviches zerftört, und furchtbare Sturmfluten und mächtige
Geröllüberfhüttungen verheeren feitdem das fruchtbare Land am Fuße derfelben. Ahnliche
Erſcheinungen zeigen ſich fchon jegt in den meiften Ländern des neuen Eontinents, wie in bem
früher fo reich bewaldeten Sfandinavien und in Rußland, und fie werden Immer mehr hervor-
treten, je mehr die Bevölkerung und mit ihr der Angriff auf den Wald waͤchſt. Als man diefe
Nachtheile erkannte und zudem bie Wälder durch die fleigenden Holzpreiſe einen höhern Werth
erhielten, fhat fich enblich, in einem Lande früher, in dem andern fpäter, bad Verlangen nad
einer geregelten Bewirthfchaftung bes Waldes fund. ine auf wiſſenſchaftliche Grundſätze ge-
ftügte Waldbehandlung ift alfo ein Kind der Noth: fie fand ihren Urfprung in Deutſchland
und Hat ſich von ba über ganı Europa verbreitet, auch jeht fchon den Weg nach Amerika ge-
funben. Bor ungefähr 2000 J., als die Römer Deutfchland.Eennen Iernten, wurde das Land
als eine große, zufammenhängende, faft unermeßliche Waldwüſte befchrieben, bewohnt von
einem krieg 'rifchen Jägervolke, welches den Aderbau kaum zu betreiben angefangen hatte. Im
Wal desdunkel Tagen die heiligen Wohnfige und Opferftütten ihrer Götter, und bie heiligen
Haine waren gefchüpt vor jedem Frevel. Eintaufend Jahre fpäter, al zu Karl's d. Gr. Zeiten
das Chriſtenthum in Deutfchland allgemein verbreitet und ber Ackerbau von ben Bekehrern zu⸗
gleich als ein Mittel benugt wurde, Die Jäger» und Nomadenvölker an feſte Wohnfige
zu gewöhnen und ihre Sitten zu milbern, bildete fich da6 Grundeigenthum aus unb bie frühere
freie und willkürliche Nugung der Wälder erhielt durch Geſetze die erſte Beſchränkung. Man
fing an Bannforften zu errichten, indem bie Könige und fpäter die mächtigern Vaſallen her»
renloſe Wälder mit dem Forftbann belegten und dieſelben dadurch von dem gemeinfchaftlichen
Befig ausſchloſſen. Diefe Wälder wurden fpäter die Grundlage der Staatsforften, in welchen
ſich im Laufe der Jahrhunderte zuerft eine geregelte Wirthfchaft ausbildete, von ber wir im
14. Sahrh. [don Spuren finden, menn auch zumeift die Jagdliebe der Kürften ben erften Grunb
zur Erhaltung des Waldes abgab. Erſt nach Beendigung des Dreifiglährigen Kriege trat die
Wichtigkeit der Wälder auch in finanzieller Hinficht mehr hervor : bie Forſtordnungen, welche
eine geregelte Benugung (von einer Bewirthſchaftung war damals noch nicht die Rede) an-
firebten, mehrten ſich; aber erſt im Anfange des 18. Jahrh. finden wir im Allgemeinen eine
größere forftliche Aufmerkſamkeit, und mit derfelben trat ein kräftigerer Waldſchutz, der Walbd⸗
anbau, eine geregelte Bewirthſchaftung und Benutzung ins Leben, zuerſt allerdings nur
als ſchwache Anfänge und vereinzelt daſtehend. Nach und nach begann man zu begreifen, daß
die Grundlage eines jeben geordneten forſilichen Betriebes nur auf eine berechnete Benugung
begründet fein Fönne, d. b. daß man, um ben Wald zu erhalten, nicht mehr in bemfelben ſchla⸗
gen dürfe, als die neue jährliche Holzerzeugung, der Zuwachs, betrage. Als Folge davon trat
das Verlangen hervor, die Größenverhältniffe der Wälder kennen zu lernen und uber ihre Be⸗
wirtbfhaftung zu Marern Brundfägen zu gelangen. Eine Forſtvermeſſung und Forſtwirth⸗
ſchaftseinrichtung (Betriebsregelung) wurde Bebürfnif, und Insbefondere war es Friedrich
d. Gr. vorbehalten, hierbei im größern Maßſtabe bie Bahn zu brechen, bi6 ſich gegen das Ende
des vorigen Jahrhunderts ein allgemelneres Intereſſe bafür ausiprady, das fich Immer reger.
erhielt, je mehr die Einkünfte aus ben Staatsforften eine wichtige Stelle In der Cinnahme ber
Staats budgets erhielten. Die Aufbefferung ber Forfte durch mohlgeorbneten Anbau und Pflege
“”
®.
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52 Waldwolle Wales |
hielt Damit gleichen Schritt, und wie mit ben Fortſchritten ber Naturwiſſenſchaften im Laufe
dieſes Jahrhunderts ein rationeller Betrieb fich immer mehr und mehr geltend machen mußte,
der Wald aber bie auf ihn verwendete Mühe durch reichere Einnahmen vergalt, fo bat auch bie
Waldwirthſchaft und mit ihr der Wald ſelbſt begonnen, eine zweckentſprechende und normale
Seftalt anzunehmen. Im Allgemeinen fteht in Deutfchland, vielleicht mit Ausnahme des öftr.
Kaiſerſtaats, die Walbwirchfchaft des Staats ale Muſter da. Die größern Privatwaldbefiger
fieeben bemfelben vielorts mit Eifer nach ; am wenigften noch wirb der Werth bed Waldbefiget
von ben bäuerlichen Wirthen erkannt. Im Grunbfage unterfcheidet fi ber praktiſche Korfl-
betrieb in der Gegenwart befonders dadurch von dem ber frühern Zeit, daß man jegt mehr ben
raſchern und ſicherern Anbau des Holzes durch Saat oder Pflanzung vorzieht, während man
früher die natürliche Verfüngung durch Abfall des Samens von zu diefem Behufe fichen ge-
laſſenen Samenbäumen ald das Hauptmittel zur Fortzucht ber Wälder anfah. Die Hiebsfüh⸗
rung und die Bewirthichaftung in biefer Hinficht vervollfommnete fi am meiften dadurch,
daß bie Plane für die Wirthfchaft mit einer größern Umficht, weil geftügt auf eine richtigere
Anfchauung der Holzwachſsthumsgeſetze und Anwendung der forftlihen Mathematik, entwor⸗
fen und ausgeführt werden. (S. Forft und Walbbau.)
Waldwolle, f. Kiefer.
Wales (Wallis), ein ehedem felbftändiges, jegt mit bem Königreich Großbritannien verei⸗
nigtes Fürftentbum an der Weſtküſte bes eigentlichen England, wird gegen W. und N. vom Ir⸗
ländiſchen Meere im D. von ben engl. Grafſchaften Chefter, Salop, Hereford und Monmoutb und
im S. von dem Briftoltanal begrenzt. Es umfaßt etwa 350 AM., wovon ungefähr zwei Drittel
für Die Zwecke ber Landwirthſchaft tauglich find. Drei Gebirgszüge laufen durch das Land,
von denen der 3571 engl. F. Hohe Snowdon im Nordweſten die höchſte Spige bildet. Die Ge⸗
birge find fon bewaldet und machen das Klima rauh, jeboch nicht ungefund. Die Küften find
felfig und zerriſſen und bilden viele Meerbufen und Vorgebirge. Die bebeutendern Flüſſe find:
Dee, Cluyd, Conway, Tivy, Tape, Seven, Wye und Uske. Das Land hat außerdem viele
Peine Seen, die mit den Bergen, Thälern, Felspartien, unzähligen Wafferfällen und Scury
bäcen große landſchaftliche Reize barbieten. Vorzüglich reich ift das Land, namentlich in der
Grafſchaft Glamorgan, an Eifen; auch liefert es Kupfer, Blei, Marmor und Steinkohlen.
Bergbau und Eifenbereitung find die Hauptbefchäftigungen der Bevölkerung. Außerdem wird
Aderbau, mehr noch, wegen der Befchaffenheit des Landes, Viehzucht getrieben. An ben Kü-
ften ift die Fiſcherei und der Aufternfang fehr bedeutend. Der Vertrieb der Landesproducte
macht ben durch mehre Kanäle unterflügten Handel fehr lebhaft. W. iſt politifch in Norb- und
Sübwales eingerheilt. Mordivales zerfällt in die Sraffchaften Anglefey (Infel), Saernarvon,
Denbigh, Flint, Merioneth und Montgomery; Sübdwales in die Graffchaften Brednod, Car⸗
digan, Eaermarthen, Glamorgan, Pembroke und Rabnor. Die Bevölkerung belief fih 1841
auf 911324, 1851 auf 1,011656 Seelen in 869 Kirchfpielen. Die Hauptftadt bes Fürſten⸗
thums ift Pembroke (f. d.) mit 6500 E.; volkreicher find aber Holywell mit 9000, Caermar⸗
then mit 10000, Cardiff mit 10075, Swanſea mit38641 und Merthyr⸗Tydvil mit 51864 &.
Die Ureinwohner von W. waren wahrſcheinlich Cimbern (f.d.). Das Land hieß zur Zeit
ber Römerherrſchaft in Britannien Cimeria, und noch gegenwärtig nennen fich die National⸗
einwohner Cymry. Als in 5. Jahrh. die Angelfachien (f. Großbritannien) in Britannien ein-
fielen, floh ein Theil der brit. Bevölkerung, bie von den Eelten (f. d.) abftammte, vor dem
Schwerte der Eroberer in die Wälder und Gebirge von WB. Hier wuchſen diefe celtiſchen An⸗
koͤnimlinge mit den urfprünglichen cimberifchen Elementen zu einem eigenthümlichen Wolke
zuſammen, das Sitten, Charakter und Sprache, bem engl. Weſen gegenüber, bis auf den heu⸗
tigen Tag bewahrt hat. Die heutigen Walen find roh, abergläubiſch, aber kräftig, gefellig und
gutmüthig. Nur die höchſte Claſſe ber Geſellſchaft Hat engl. Cultur und Sprache und befiche
meift aus fpäter Eingewanderten. Noch jept feiern bie Walen ihre alten Nationalfefte, und
die Volksdichter oder Barden halten jährlich ihre Preistämpfe Dagegen liegt ber Volks⸗
unterricht fehr im Argen. Die Sprache der Walen bat eine Grammatik und fogar eine Lite⸗
ratur. Zur Zeit der angelfächl. Periode in England Iebten die Walen unter unabhängigen
Fürften, deven Theilungen und Raufereien das Eindringen der Fremdherrſchaft begünftige
ten. Bereits dem angelfächl. Könige Adelftan, 925— 941, mußten die Walen Tribut zahlen.
Als die Normannen 1066 England in Befig nahmen, fuchten bie Walen die engl. Oberherr
(Haft abzufchütteln. Doc Wilhelm ber Eroberer überzog dad Land und zwang bie Fürſten
zur Unerkennung feiner Oberlehnöherrlichkeit. Um bie Einfälle der Walen zu hindern, fepte
Walfiſch 53
ı König Wilhelm 11. Markgrafen (Marchers) an die Grenzen. Während der bürgerlichen Unru⸗
ben unter König Stephan, dem legten normanıı. Stammes, mußten fid) die waliichen Fürfien
faſt ganz dem engl. Einfluffe zu entziehen und fielen bald als Verbündete bed Königs, bald der
- Prinzeffin Mathilde (f. Plantagenef) in England ein. König Heinrich I. benutzte endlich die
- Kämpfe der Fürften umtereinander, um durch die Waffen (1157) WB. abermals bas Joch der
Unterthänigfeit aufzulegen. Nur mit Ungebufd ertrugen die Walen ihre Abhängigkeit. Schen
1463, ale Heinrich U. im Kriege mit Frankreich begriffen, fiel Res, Fürft in Gübmwales, in
England ein und brachte auch die andern Fürſten unter die Waffen. Heinrich ſchickte zahlreiche
Heere nach W., vermochte aber nichts auszurichten, zumal da die Walen mit Frankreich in Ver⸗
bindung testen. Erſt 1171 verglichen fich die walifchen Fürften mit dem Könige und erfannten
beffen OberherzlichPeit wieber an. Erft unter König Eduard L., der 1272 den engl. Thron ber
flieg, gelang jedoch die vollfländige Unterwerfung des Landes. Die Härte, womit hierauf die
engl. Marchers die Walen behandelten, bewog ben damaligen Oberfürſten Llewellyn 1282 zu
einem Aufſtande, in welchem er im Dec. von den engl. Truppen geſchlagen und getöbtet wurbe.
Sein Bruder David, der den Kampf für die Unabhängigkeit des Vaterlandes fortzufegen fuchte,
fiel im Det. 1283 in König Eduard’ Hände und flarb zu Shrewsbury durch den Henter. W.
mußte num die Behandlung einer eroberten Provinz erdulden, indem Ebuard das Fürſtenthum
mit der Krone vereinigte und die Einführung engl. Befege und Berfaffung begann. Im J.
1501 gab ber Känig das überwundene Land feinem Sohne und Erbpringen, dem nachmaligen
Eduard II, zu Zehn, mit dem Titel eines Prinzen von W. Seitdem führt ber febesmalige
Kronprinz von England, wenn er der ältefte Sohn bes regierenden Königs ift, oder, wenn biefer
ſtirbt, fein ättefter Sohn, diefen Titel, der ihm jeboch exft durch einen beiondern Brief einige
Monate nach der Geburt verliehen wird. Die engl. Könige gingen nach ber Unterbrüdung ber
walifchen Freiheit beſonders auf die Ausrottung der mit befondern Privilegien verfehenen Bar-
ben aus, die als die Vertreter des volksthümlichen Geiſtes durch ihre Geſänge die Erinnerungen
des Volkes wach erhielten und oft zum Kampfe gegen die Unterdrüder aufmunterten. Omen
Glendower, ein Barde und Nachkomme eines alten Kürftengefchlechts, benugte die Unruhen
unter Heinrich IV. in England und erhob 1400 die Fahne bes Aufruhrs. An der Spige eines
zahlreichen Daufens fiel er in England ein, verwüftete die Befigungen des Grafen von March
md fonnte weder von Lepterm noch von den Truppen des Königs in wiederholten Feldzügen
besmungen werden. Erſt gegen Ende ber Regierung Heinrich’ IV. gelang es ben Englänbern,
ihre Herrſchaft über die Malen herzuftellen. Die folgenden Könige fegten nun über bie einzel⸗
sen Diftricte des Landes engl. Große oder Marchers, die das Volk in blutiger Unterdrüdung
hielten. Endlich wurde 1536 von Heinrich VIII. auf den Wunſch des engl. Parlaments das
Fürſtenthum W. gänzlich mit England vereinigt. Die Bevölkerung erhielt zugleich alle Frei-
heiten und Wohlthaten der engl. Staatd- und Juſtizverfaſſung. Über die vielen vorchriſtlichen
Alterthũmer in W. vgl. Robert, „The Cambrian popular antiquities” (Xond. 1815).
Walfiſch (Balaena), eine Gattung aus der Ordnung ber Getaceen (f. d.). Wie der ver-
wandte Portfifch hat der Walfiſch einen unverhältnißmäßig großen, faft ein Drittel des Körpers
ausmachenden Kopf, unterfcheidet fich jedoch von ihm durch den Mangel der Zähne, ftatt deren
im Oberkiefer mehre Hundert gefranzte Hornplatten (Barten) ſtehen. Diejenigen Walfii-
arten, bei welchen eine Rüdenfloffe vorhanden iſt, machen eine befonbere Untergattung, Finn⸗
Ri, aus. Unter den übrigen, den eigentlichen TBalfifchen, ift der befanntefte der gemeine Wal ˖
ſiſch (B. Mysticetus), vielleicht das größte aller jept lebenden Thiere, denn feine Länge beträgt
60-80 F. (früher will man gar 200 $. lange gefangen haben), feine Schwere 1000-1500
Sn. Die Kiefern find einige 20, die längſten Barten 15 8. lang und ber horizontale Schwanz
mißt querüber 16 $. Unverbälmißmäßig Hein erfcheinen hingegen bie nach oben gerichteten
Augen und die von der Haut überdeckten Ohren, beide nur wenig oberhalb der zu Muberfloffen
umgebildeten Vorderfüße ſtehend. Die große Enge des Schlunbes erlaubt dem Walſiſch nur
feine Fiſche und Weichthiere zus verfchlingen, die er zu Tauſenden einfchlürft, während er das
Waſſer mittels ber auf ber Höhe des Kopfs befindlichen Spritzlöcher wieder von ſich gibt. Er
ſchwimmt außerordentlich ſchnell und kann in großen Tiefen über eine Viertelſtunde aushalten,
Belten triffe man größere Gefellfchaften, bie ſich gegenfeitig unterflügen. Nur das Weibchen
vertheibigt ihr Junges, das fie nie aus dem Auge läßt, mit größter Unerfchrodenheit. Der
Waifiſch muß, nach det zehnmonatlichen Tragzeit geſchätzt, ein bedeutendes Lebensalter errei-
hen Eönnen , wenn er auch nicht, wie Buffon meinte, ein Jahrtauſend erreicht. Außer den
Schwertfiſchen, bie den Jungen Häufig nachſiellen, find die Hauptfeinde der Walſfiſche bie In ber
54 Walhalla (Myehei.) Balpalla (Bauwert)
ſchwarzen riffigen Haut zu Taufenden angefiedelten Walfifchläufe, die ihnen, wenn fie an die '
Oberfläche des Meeres tommen, von Möven und andern Seevögeln abgelefen werden. Die ei-
gentliche Heimat bes Walſiſches find jegt die arktifchen Meere jenfeit des 66. Breitengrabes, wäh-
rend er früher auch an deutſchen und franz. Küften gefunden wurde. Die Urſache dieſes Zurück
ziebens liegt in dem Walſiſchfauge, der ſchon im 9.Jahrh. von ben Norwegern, im 13. unb 14.
von den Basken betrieben wurde, bie 1372 bis nach Seufumblnd, fpäter tief ind Eismeer vor-
drangen. Seit 1643 traten die Holländer an ihre Stelle. Endlich verfuchten ſich 1732 bie
Engländer darin, die 1760 trog aller Widerwärtigkeiten ſich des Monopols bemächtigt Hatten.
Neuerdings hat die Zahl der Walfiichläger, obgleich ſich feit 1815 auch Franzoſen, Amerikaner,
Holländer und Deutfche (Glückſtadt) hinzugefellten, fehr abgenommen, während ber Pottfiſch⸗
und Robbenfang in der Südſee an Bedeutung zunimmt. Neben außerorbentlichen Strapazen
erwoarten jeden WBalfifchjäger in den Polargegenden große Gefahren. Eisberge drohen ihn zu
zermalmen; die zum Harpuniren ausgefandten Boote werben oft durch den Schlag vom
Schwanze des gereisten Thiers vernichtet, weshalb man die Darpunen häufig burch Raketen
oder Kanonenkugeln zu werfen verſucht. Manches Boot wurde auch vom entfliefenden Wal⸗
fiſch mit in die Tiefe geriffen. NRaubgierige Haie (f. b.) bedrohen den Matrofen, während er
von dem getöbteten Walfiſch den Speck und die zu Fifchbein zu verarbeitenden Barten trennt.
Oftmals verbringt eine folche Expedition zwei Jahre in jenen unwirthbaren Gegenden, ohne
einen Walfiſch zu finden, defien Bang etwa 5000 Thlr. Gewinn abwirft. Die 5070000
Thlr. der Ausrüftung find dann vollig verloren. Es erklärt fi) daraus die Abnahme ber Grön-
landsfahrten, die durch das Verfchwinden der Walfiſche immer ris kanter werben.
Walhalla Heißt in der nordifhen Mythologie der Aufenthaltsort für die in Schlachten Ge⸗
fallenen. Diefe glänzende Halle ftand in Gladsheim (Freudenheim), vor ihr der liebliche Hain
Glaſur, deffen Bäume golbene Blätter trugen. Bor der Halle, bie fo hoch war, daß man faum
ihren Giebel fehen konnte, Bing als Symbol bes Kriegs ein Wolf, über welchem ein Adler ſaß;
der Saat ſelbſt, mit Schilden gedeckt und mit Speerfchäften getäfelt, Hatte 540 Thüren, durch
beren jebe 800 Einherjer nebeneinander ſchreiten Ponnten. Für diefe oder die Zapfern, welche
nach dem Tode zu Odin famen, war er beftimmt. Berühmten Fürften, befonders wenn fie viele,
Länder verheert und weithin das bluttriefende Schwert getragen, ſchickte Odin zur Bewillkomm⸗
nung Bragi und Hermode entgegen ; ihnen zu Ehren wurbe die Halle geſchmückt; alle die gött-
lichen Helden flanden auf zu ihrem Empfange; die Walkyren kredenzten ihnen Wein, den fonft
nur Odin trank. Die Könige kamen alle nad) Walhalla, auch wenn fie nicht des Schlachten⸗
todes geftorben; überhaupt erfcheinen diefe Freuden nur Bornehmen und Reichen bereitet.
Weil ed ehrenvoll, mit großem Gefolge nad) Walhalla zu kommen und viele Schäge zu befigen,
fo töbteten fich freiwillig des in der Schlacht gefallenen Führers Kampfgenoffen, und in feinen.
Srabhügel legte man nebft Roß und Waffen die auf Kriegezügen erworbenen Schäge. Alle,
Morgen zogen beim Hahnenruf bie Einherjer aus zu mwildem Kampfe gegeneinander, Mittags
aber waren alle Wunden geheilt und die Helden fammelten fi zum Mahle unter Odin's Vorfig.
Odin felbft genoß nur Wein; die Speifen gab er den neben ihm figenden Wölfen Geri und Freki.
Die Einherfer fpeiften vom Sped des Ebers Sahrimmer und labten ſich an Bier und Meth,
die in hinreichender Menge den Eutern der Ziege Heidrun entfloffen ; die Trinkhörner reichten
ihnen unter Freyja's Waltung bie ihnen dienenden Walkyren. Zuweilen ritt ber Einherjer zur
Nacht nach feinem Grabhügel, wo ihn die geliebte Walkyre empfing ; in ihrer Unarmung rubte
er, bis bei ſchwindender Nacht er ausrief: „Es ift Zeit, das Roß treten zu laffen auf ber bleichen
Lufttreppe, nach Welten muß ich fahren, nach der Himmelsbrüde, ehe der Hahn das Siegesvolk
wedt in Walhalla.“ Die Däkfte der Gefallenen gehörte der Freyja. Der Eber Sahrimmer,
von dem die Helden fpeiften, wurde bereitet vom Koch Anbhrimmer im Keffel Eldhrimmer. Es
bedeutete Sa Waffer, And Athem oder Seele, Eld Feuer; Hrim, b. i. Reif, war der Urftoff bei
der Weltfchöpfung ; vom Geweihe des über Walhalla fiehenben Hirfches Eikthyrnir fielen Tro⸗
pfen in den Brunnen Övergelmer, von wo aus alle Klüffe firömten. Hiernach [cheinen bie Ein-
herjer als Sterme oder Geiſter ber Geſtirne aufgefaßt, bie aus ben Elementen ihre Nahrung zie⸗
ben; Walhalla ſteht Hier für den Himmel.
Walhalla, in Baiern, eines der bedeutfamften, gediegenften und vollendetſten Bauwerke
ber neuern Zeit, ift eine Schöpfung des Königs Ludwig I. von Baiern, der noch als Kronprinz
zur Zeit der tiefften Erniedrigung des deutſchen Vaterlandes, 1806, den Gedanken baztı gefaßt
hatte, Mir Hülfe der Kunft wollte er dem deutſchen Ruhme und ber beutichen Größe ein dauern-
des Denkmal gründen. Der Gedanke dieſes Denkmals, bie Wahl bes Orts und bie Art feiner
——
Walken Walkyren 55
Ausführung befchäftigren den Kronpringen von nun an unabläffig. Im. 1816 erhielt Leo
von Klenze (ſ. d.) den Auftrag, Entwürfe anzufertigen, von weichen det zur Ausführung ge-
diehene Plan 1821 genehmigt wurde; doch exft 18. Det. 1850 erfolgte die Grimdfteinlegung
in Gegenwart des Stiftere. Die Einweihung fand 18. Der. 1841 flatt. Die Walhalla erhebt
ſich auf der eihenumfrängten Höhe des füblihen Abhangs des Braubergs bei Donauftauf un.
weit Regensburg, etwa 250 F. über den Spiegel der Donau, bie am Fuße der Anhöhe vorbei-
fließt, und von wo aus auf cyBlopifchem Mauerwerk ruhende Marmortreppen bis zu den mäd-
tigen, terraffenfoınig aufgebauten Subfiructionen des grandiofen Tempeld emporfteigen. Der
ganze Bau hat eine Länge von 440, eine Breite von 290 und eine Höhe von mehr ald 200 3.5
der Tempel felbfi ift, bei einer Länge von 252 3. und bei einer Breite von 110 F., 63 F. hoch.
Ihn umgeben 56 cannelirte borifche Säulen von rothlichweißem Marmor, der zu Dem äußern Bau
durchweg verwendet iſt. Nach den Angaben des Königs und den Skizzen von Rauch und Schwan-
thaler, von dem Leptern, ſowie unter deffen Zeitungin Marmor ausgeführt, fliehen im Tympanon
des Vordergiebels 15 ſymboliſche Figuren in runder Arbeit, an die Wiederherſtellung Deutfch-
‚ lands durch den legten Befreiungskrieg erinnernd, in ber Mitte die figende Koloffalfigur der
Germania. Die Bildwerke des Dintergiebels, ebenfalls 15 Figuren, mit Arminius in der Mitte,
nad Schwanthaler's Entwurf und Ausführung, beziehen ſich auf die Befiegung der Römer
dur die Cherusker. Das Innere des Gebäudes, die eigentliche Gella, bildet ein längliches
Viereck das, 220 &. lang und 50 FJ. breit, in drei Abtheilungen gefondert wird, von denen die
mittlere zwei figende, die beiden andern je zwei flehende Ruhmesgenien, von Rauch in Berlin,
enthalten. An der Wand, in der Höhe der Halbfäulen, bie die Gellen voneinander fondern, ent
hält ber Fried die von F.M. Wagner componirten und modellirten, von Pettrich und P. Schöpf
in Marmor ausgeführten Reliefdarftellungen aus dem Leben der alten Deutfchen bis zur Ein-
führung des Chriſtenthums durch Bonifacius, in acht Abtheilungen, zufammen 292 $. lang.
Unter dem Fries an der Band fiehen auf Konfolen und Poſtamenten die plaftifchen Bruflbilber
der Walhallagenoffen, deren einformige Reihen, in Gruppen getheilt, durch Siegeögöttinnen
getrennt werben. Daß man, flatt im altdeutfchen Stil, dad Ehrendenkmal des deutſchen Volkes
im griech. Stil aufgeführt, hat oft Tadel gefunden. Vgl. des Königs Ludwig „Walhallas Ge⸗
noſſen“ (Münd. 1842) und „Donauftauf und Walhalla” (7. Aufl, Negeneb. 1847). Ä
Walken heißt die Behandlung des vom Webſtuhle genommenen Tuchs, wodurch baflelbe
gefilzt und verdichtet, zugleich von allen bei der Fabrikation hineingelommenen Unreinigfeiten
(Bett, Keim, Schmug) befreit wird. Man walkt dad Tuch auf Walkmühlen, indem man es
einweicht, dann mit Seife oder feifenartig wirkenden Dingen, ald gefaultem Urin, Walkererde
(1. d.), und einer gehörigen Menge immer erneuerten Waffers in einem Troge (Kump ober
Walkſtock) durch große hölzerne Hänımer, in neuerer Zeit in den fogenannten Eylinderwalfen
mitteld Walzen, durcharbeiten läßt. Das Walken war [don den Alten bekannt. Der Begriff
des Walkens fchließt hauptſächlich das Bräftige Kneten und mechanifche Durcharbeiten eines
Körpers ein, Daher wird dieſer techrtifche Ausdrud auch für andere Proceffe gebraucht, welche
mit dem Tuchwalken mehr oder minder Ahnlichkeit haben : fo walkt dee Hutmacher feinen Filz,
der Strumpfwirker Die wollenen Strünipfe, der Weißgerber das Leder, ber Kürfchner die Felle,
der Bleicher die Leinwand.
Walkererde heißt ein erdiges Mineral von grünlichgrauer Farbe, geringer Härte und
Schwere, das fich fettig anfühlt und im Waſſer unter Ausftoßung von Bläschen zu einem fei⸗
ren, milden Schlamme zerfällt. Sie hat, wie Thon, Spedftein, Bergfeife und Cimolit, die Ei,
genſchaft, fette Ole begierig einzufaugen, und dient deshalb zu Fleckkugeln, befonders aber zum
Balken des Tuchs, wovon fie ihren Namen führt. Man findet fie an mehren Orten Deutfch-
lands, z. B. bei Görlig und Roßwein in Sachen, in Schweden, Frankreich, befonders ſchön
jedoch in Bedfordfhire, Hampfhire und Cornwall in England.
Walkhren ift abgeleitet von dem altnord. Val, welches einen Haufen Erfchlagener bedeutet,
und föra, wählen. Die Sage von den Walkyren ift bie furchtbar fchönfte Dichtung ber Aſen⸗
Ichte (f. Rordiſche Mythologie) und vielleicht aller Mychologien. Die Walkyren, auch Schlacht
ſungfrauen, Schild, Wunſchmädchen (Oskmeyar) genannt, find reigende Jungfrauen, die golb«
geſchmüctt in ſtrahlender Waffenrüſtung durch die Lüfte reiten, nad Odin's Befehlen die
Schlachten lenken und die Zodesloofe vertheilen. Von den Mähnen ihrer Roffe träufelt auf die
Erde befruchtender Thau; Kicht ſtrahlt aus ihren Ranzenfpigen und ein fladernder Schein be
zeichnet ihre Ankunft in der Schlacht. Mit ihrem reizenden Anblick erfreuen fie noch das bre⸗
Gende Auge des Helden und geleiten ihn dann nach Walhalla (f.d.), wo fie ihm ben Becher Fre »
56 Bol Wallace
denzen. Auch Odin felbft reichen zwei Walkyren, Hrift und Mift, den Becher. Ihrer Abkunft
nach find fie verſchieden; theils ſtammen fie, gleich ben Nornen (f.d.), von Alfen uud andern
übermenfchlichen Weſen, theils werben auch Fuͤrſtentöchter noch bei ihrem Keben unter die Wal⸗
Eyren aufgenommen, alle ihre Eigenfchaften theilend, und diefer Geifter werben dann wieder
Walkyren. Sie reiten gewöhnlich zu drei oder drei mal oder vier mal drei und haben die Babe,
fi) in Schwäne verwandeln zu können. Oft wählen fie fich edle Helden zu Geliebten. So war
Swawa bie Geliebte bed Helgi, wurde mit demfelben ald Sigrum und Kara zwei mal wieberge-
boren und begleitete ihn in feinen Kämpfen, ale Schwan fingend über feinem Haupte fliegenb. Auch
Brynhild ift im nord. Heldenliede eine Walkyre. Zur Strafe, daß fie in der Schlacht Sieg und
Tod gegen Odin's Willen vertheilt, hatte ihr diefer dad Walkyrenamt genommen und die Ehe
beftimmt. Von Odin’ Schlafborn berührt, lag fie im Zauberfchlafe, bis Sigurd, von feinem
edein Hoffe durch das ihre Burg umfladernde euer getragen, ihren Panzer lofte und den Zau-
ber brach. Wer den Walkyren ihr Schmanenhend raubt, bekommt fie in feine Gewalt. So
atten drei kühne Helden fich der Königstöchter und Walkyren Hladgudr Swanhwit, Heröd
lvitr und Alrun bemächtigt, als diefe Poftlichen Flachs fpinnend am Seeftrande faßen. Sie
ben Jahre blieben fie bei ihnen; dann zogen fie wieder als Walkyren in die Schlachten. Hier
gleichen fie den Schwanfungfrauen ber deutfchen Sagen. So lieblich fie aber Hier erſcheinen, fo
furchtbar tönt das Walkyrenlled in der Nialsfaga, als fie während der Schlacht Sigtryg's
mit dem feidenen Barte und König Brian’s von Irland In einem Hügel figend das Schlacht-
gervebe weben. Häufig werden die Walkyren mit den Nornen verwechſelt. Man dachte ſich die
Walkyren auch unter dem Bilde der Wolken. So bedeutet Hrift dunkle Luft und Mift Er-
fehütterung ; die meiften Namen der Walkyren beziehen fich jedoch auf Krieg und Schlacht.
Wal heißt eine Erbbruftwehr, wenn fich hinter derfelben noch eine Erdanſchüttung, der fo-
genannte Wallgang befindet, die zur Aufftelung von Gefhügen und Mannfchaften eingerich-
tet it. Der Wal kommt mithin nur in Keftungen vor, da bei den Feldſchanzen das Gefchüg
entweder auf dem Horizont bed Terrains felbft oder auf einzelnen Barbetten (Gefhügbant)
fieht. Man unterfcheidet ben Hauptwall, ber das Innere der Feſtung unmittelbar umgibt und
am höchften und ftärfften gebaut ift, von den übrigen und namentlich der Außenwerke. Zur Be⸗
flimmung ber Korm des Walles gehört zunächft die Feftftelung des Trace, d.h. der Richtun⸗
gen, in denen feine Linien geführt werben follen, bei denen nicht blos das gewählte Befeftigungs-
foftem, fondern vorzüglich eine gefchidte Benusung des Terrains von Wichtigkeit if. Dann
folgt die Beftimmung bes Profils (f.d.) des Walles. Seine Höhe richtet ſich nad) dem vorlie-
enden Terrain und muß binreichen, um ben innern Raum gegen birected Gefchügfeuer zu
chern; bie Höhe der Bruftwehr, vom Wallgang aus gemefien, beträgt gewöhnlich 7 F.; der
Unterfchied jener beiden Höhen beftimmt die Döhe des Walgangs über den Bauhorizont. Die
Stärke der Bruftwehr muß, wenn fie bem Gefchügfeuer wiberftehen foll, wenigftens 18 F. be-
tragen, wozu noch außerdem bie Anlagen der innern unb äußern Böfchung treten. An der letz⸗
tern liegt die Berme (f.d.), welche fih vorn an die Escarpe anfchließt. Die Breite des Wall⸗
gangs beträgt 30 — 40 $., damit das Geſchütz binlänglihen Raum zum Rücklauf behalte und
bie Sommunication für Truppen und Zransporte nicht gehindert werbe. Auf dem Wallgang,
dicht an ber Bruſtwehr, liegt das Banker zum Auftritt für die Infanterie. Die Krone der Brufte
wehr, b. h. ihre obere Fläche, muß ſich nach vorn ſenken, damit das Gewehrfeuer den Feind tref-
fen könne, wenn er auch in die vorliegenden Werke eingedrungen iſt; die Bruftiwehren der leg-
tern müffen aus gleichem Grunde ſtets niedriger als der Hauptwall fein.
Ballace (Will.), ein fchott. Freiheitshelb am Ende des 15. Jahrh., geb. 1276, ftammte
aus anglo-normann. Geſchlecht und war ber Sohn des Ritters Malcolm ZB. von Eiberslie in
ber Grafſchaft Renfrew. Im Alter von 19 3. erfchlug er ben Sohn Selby's, des Gouverneurs
vom Schloſſe Dundee, ber ihn arg beleidigt hatte. Diefe That nörhigte ihn zur Flucht und
führte ihn zur Schilderhebung gegen bie Engländer, die damals Schottland (ſ. d.), das fich ohne
eigenen König befand, unterbrüdten. W. fammelte die vielen Beächteten und überfiel die ſchwa⸗
hen engl. Befagungen in den Städten und Schlöffern. Mit den Erfolgen mehrten fich die An⸗
hänger ſowie ber Muth und die Kühnheit bes Jünglings. Überall, wo er erfchien, erhob fich das
Bolt und trieb unter feiner Reitung die Engländer aus dem Lande. Auch Rob. Bruce, Wil.
Douglas und viele andere Große unterftügten feine Beftrebungen. Köntg Eduard I. von Eng
land ſchickte 1298 den Brafen von Warenne mit einem Deere nach Schottland. Warenne rüdte
bie Stirling vor, wurde aber 11. Sept. 1298 jenfeit des Forthfluffes von W. gänzlich gefchla-
° gen, ſodaß er mit ben Reſten feiner Streitfräfte nach England fliehen mußte. Die Schotten prie-
Wallbüchfen Wallenſtein sr
fen W. als den Retter bes Vaterlandes und ernannten ihn während Baliolg Abweſenheit, der
von Eduard I. zum König ernannt, aber wieder abgefegt worden war, zum Reichsverwefer.
Nachdem er fich durch zahlreiche Parteigänger verftärkt, fiel er im Nov. 1298 in die nördlichen
Provinzen Englands ein und kehrte erſt im Kebr. 1299 mit anfehnlicher Beute über die fchott.
Grenze zurüd. König Eduard eilte aus Flandern, wo er ben Friedensabfchluß mit Frankreich
betrieb, herbei und fammelte ein Heer von 80000 Mann zu Fuß und 7000 Reitern, an deſſen
Spige er zur Unterwerfung Schottlands vorbrang. Einer folden Macht konnten bie Schotten
um fo weniger mwiderfiehen, als fie untereinander in Zwieſpalt geriethen. Die Großen hielten eb
für eine Schmach, den gemeinen Edelmann W. ale Negenten und Oberbefehlshaber anzuer
kennen. Um die Eiferfucht zu mildern, legte WB. die Regentfchaft nieder, behielt aber den Befehl
über dad Truppencorps. Die Barone hingegen übertrugen die Obergewalt dem Stewart von
Schottland und dem Lord Cumyn von Badenoch, von denen jeder ebenfalls ein Truppencorps
fammelte. Das vereinigte Heer zog dann na Falkirk und wurde bier 22. Juli 1299 von
Eduard angegriffen. Wiewol WB. die höchſte Kaltblütigkeit und Tapferkeit entwidelte, unter-
lagen doch die Schotten der engl. Kriegskunſt. Gegen 50000 Vaterlandsvertheidiger blieben
auf dem Schlachtfelde. W. zog fich hinter ben Earronfluß zurüd. Wiewol die Engländer den
Norden des Neichs nicht unterwerfen konnten, war ihnen doch die vereinzelte Macht W.es nicht
mehr gefährlich. Als die fchott. Großen 1302 abermals gegen Eduard's Herrfchaft die Waffen
erhoben, that IB. Wunder ber Zapferkeit, blieb aber ohne kräftige Unterſtüzung. Eduard umter-
warf feitdem das ganze Land und unterhanbelte mit den einzelnen Infurgentenhäuptern. Weil
fich W. zu keinem Bergleich bewegen ließ, boten bie Engländer Alles auf, um feiner habhaft zu
werden. Enblich verrieth 1305 ein Freund, der Ritter John Menteith, feinen Schlupfwintel.
W. wurde gefangen genommen und in Ketten nach London gefchafft. Hier führte man ihn, ei⸗
nen Lorberkranz auf dem Haupte, vor ein Gericht, das ihn als Hochverräther zum Tode verur-
theilte, obfchon er dem Könige nie einen Treueid geleiftet. Eduard ließ ihn 25. Aug. 1305 auf
Zomerhill förmlich fchlachten ımd feine Glieder in ben fchott. Städten aufhängen. Der Ruhm
W.'s lebte indeſſen in den Liedern feiner Baterlandegenoffen fort. Der ſchott. Barde Blind
Harry, ber in ber Mitte des 15. Jahrh. lebte, faßte die Thaten und das Leben des Helden in ein
Gedicht, das noch jetzt fehr verbreitet ift. Die befte Ausgabe davon erfchien zu Perth 1790.
Wallbüchlen find Danfeuerwaften von größerm Kaliber al die Fägerbüchfen und mithin
viel ſtärker an Metall und ſchwerer. Deshalb werden fie auch nur bei ber Bertheidigung in Fe⸗
flungen gebraucht, mo man Zeit zum Laden und durch die Bruftwehr ein Mittel hat, fie aufzu-
legen und leichter zu handhaben. Die Wallbüchſe hat ein gezogened Rohr von etwa 4 F. Länge;
bie Bleifugel wiegt drei bis ſechs Loth. Der hintere Theil bes Rohrs und Schafts kann nach
unten geffappt werben, wodurch das Laden von hinten und alfo eine große Erleichterung in der
Handhabung möglich wird. Das Schloß ift zur Percuffion eingerichtet und mit einem Stecher
verfehen, der Kolben in gewöhnlicher Form gefchäftet; Bayonnet und Ladeſtock fehlen; zwei
KHappvifire hinten und das Korn vorn am Lauf find feftfiehend. Die Wallbüchſe gewährt auf
600—800 Schritt einen ziemlich ſichern Fräftigen Schuß; fie wird Daher auf den Außenwerken,
auch vom Hauptwall, gegen den recognofeirenden Feind und gegen ımvollendefe, mangelhaft
gebaute Sappenteten, fpäter gegen die Scharten der Demontirbatterien und gegen bie Bela-
gerungsarbeiten von der dritten Parallele an mit vielem Vortheile gebraucht. Die franz. Wall-
düchſe hat in Algier und bei der Belagerung ber Eitadelle von Antwerpen gute Erfolge gewährt;
fie ifl mit einigen Mobificationen auch in andern Staaten eingeführt. Noch befindet fich in den
Feſtungen ein ziemlicher Vorrath alter Wallbüchfen, mit Steinfchlöffern verfehen; fie find zum
eil nicht gezogen unb werden wie andere Gewehre geladen. In neuefter Zeit find die Wall-
büchfen jedoch vielfach durch andere, Teichtere Gewehre erfegt worden, welche nad) Thouvenin’:
ſchem Syſtem eingerichtet und mit einem größern Kafiber als daB Infanteriegewehr ebenfo weit
als jene tragen.
Ballenſtein, eigentlich Waldftein (Aibr. Wenzel Eufebins von), Herzog zu Friedland,
Medienburg und Sagan, wurde 15. Sept. 1583 auf dem väterlichen Gute Hermanic in Böh:
men geboren. Sein Bater war Wilh. von W., feine Mutter eine geborene Freiin Smirricky
don Smirric; Beide bekannten fich zu bem böhm.-evang. Glauben. ZB. befuchte ald Knabe die
Schule der Brübergemeine in Koſchumberg. In feinem 16. 9. finden wir ihn in dem Gonvic-
torium der Jefuiten zu Olmüg, wohin ihn nach dem frühzeitigen Tode ber Altern fein Oheim,
Ahr. Stavata, gebracht hatte und wo er zur kath. Kirche übertrat. Er befuchte dann die Uni-
verfitäten zu Bologna und zu Padua, machte Reiſen durch Stalien, Deutfchland, Frankreich
58 Wallenſtein
und die Niederlande und nahm hierauf Kriegsdienſte in dem Heere Kaiſer Rudolf's in Ungarn
unter dem General Baſta. Als Hauptmann kehrte er nach dem Frieden 1606 auf kurze Zeit
nach Böhmen zurück. Hier vermählte er ſich mit einer betagten Witwe, Lucretia Nikeſſin von
Landeck, durch deren Tod ihm 1614 anſehnliche Güter in Mähren zufielen; auch erbte er 14
Güter von feinem Oheim, ſodaß er ſchon jetzt zu ben reichſten Edelleuten in Böhmen und Mäh—
ren gehörte. Nachdem er den Erzherzog Ferdinand in Kriege gegen Venedig unterflügt, ward
er in den Grafenſtand erhoben und zum Oberften ernannt; auch erhielt er durch Vermählung
mit Jfabela Katharina, der Tochter bed Grafen Harrach, am Hofe einflußreiche Verbindungen.
In dem böhm. Aufftande ſchloß er fich feinen Landsleuten nicht an: er rettete vielmehr für den
Kaifer die Landeskaffe, errichtete ein eigenes Regiment und focht mit demſelben glücklich gegen
Thurn und Bethlen Gabor. Als durch die Schlacht am Weißen Berge 1620 die Hoffnung der
böhm. Patrioten vernichtet war und Diejenigen, welche bem Henferbeil entgingen, Landes ver-
wiefen wurden, kaufte W. aus der Beute ber confiscirten Güter vom Kaifer 60 größere und
Beinere Herrfchaften für die Sunme von 7,290228 Gidn. Zugleich erhob ihn ber Kaifer 1623
zum Lohn für feine Treue unter dem Titel eines Fürften von Friedland (f. d.) in den Neiche-
fürftenftand. Obgleich ber Kaifer ihn dabei nicht mit Gütern befchentte, fo befaß W. doch jetzt
Thon an liegenden Bründen ein Vermögen von 30 Mil. Gldn., welches er Durch treffliche Be⸗
wirthſchaftung und ſtrenges Eintreiben der Gefälle beftändig zu mehren wußte. Als der Kaifer
durch den niederfächf. Bund 1625 in neue Verlegenpeit kam, erbot ſich W., ihm auf eigene Ko-
fin ein Heer von 40000 Mann zu ftellen, und 25. Juli 1625 wurde er zum Generaliffinus
und Feldmarſchall ernannt. Mit einem Heere von 30000 Mann zog er zuerft an die Wefer zu
Tilly, dann nad) der Elbe. Dier an der Brüde bei Deffau erfocht er 25. April 1626 einen voll-
ftändigen Sieg über den Grafen Mandfeld, dem er zu Ende des Jahres, als diefer fich durch
Schleſien nach Ungarn wendete und fi mit Bethlen Gaber vereinigte, nıit 50000 Mann
folgte, un Letztern nieberguhalten. Dierauf ernannte ihn ber Kaifer 1627 zum Herzog und er⸗
theilte ihm den Auftrag, Schlefien von den Feinden zu fäubern und Brandenburg, Medienburg
und Pommern zu befegen, bamit ſich dieſe evang. Ränder nicht etwa Chriftian IV. von Däne-
mark anfchlöffen. WB. machte Schlefien frei, und der Kaifer verfaufte ihm das Herzogthun Sa-
gan für 125708 Gldn., wobei IB. feine aufgewandten Kriegskoſten in Rechnung ftellte. Die
Herzoge Adolf Friedrich) und Johann Albrecht von Medienburg wurden, eines Einverfländ-
niſſes mit Dänemark verdächtig, durch kaiferl. Patent vom 4. Febr. 1628 ihres Landes für
verluftig erflärt; ihr Herzogthum aber überließ der Kaifer Ferdinand W. zuerſt als Unterpfand
für noch nicht abgetragene Kriegskoſten und bald darauf durch Kauf als wirkliches Eigenthum.
Beine in Folge diefes neuen Befiged unternommene Erpedition gegen Pommern und Stralſund
war dagegen nicht glücklich. Von dän. und ſchwed. Hülfstruppen unterftügt, hielt fich die Stadt fo
tapfer, daß W. nach viermonatlicher vergeblicher Belagerung abziehen mußte. Inbeffen mehr-
ten fich die gerechten Befchwerden über den Soldatendrud und die Gewaltthaten der W.ſſchen
Scharen mit jedem Tage. Die Eiferfucht der fürfllichen Heere gegen den Emporkömmling unb
die Furcht, feine revolutionär-militärifche Macht mochte vom Kaifer gegen das Fürſtenthum ge-
braucht werden, kam biefen Befchwerden zu Hülfe, ſodaß IB. 1650 vom Kaifer die Entlaffung
als Oberfelbherr erhielt. Er zog fich nach feiner Reſidenz Gitſchin zurück, wo er, in fürftlicher
Pracht und Üppigfeit lebend, die Zeit erwartete, da man feiner wieder bedürfen würde.
Unterbeffen landete 24. Juni 1650 Guſtav Adolf (f. d.) an ber pommerfchen Küfte und
drang ſchnell nah Sachſen vor. Nachdem er Tilly 7. Sept. 1631 bei Breitenfeld, in der Nähe
von Leipzig, gefchlagen — blieb dem Kaiſer in feiner höchſten Noth nichts übrig, als ſich wie-
der an den Herzog von Friedland zu wenden. So entſchieden auch dieſer anfangs die ihm von
Wien aus gemachten Anträge ablehnte, gab er doch den wiederholten Bitten des Kaiſers endlich
nach und übernahm zu Anfang des 3. 1632 den Oberbefehl aufs neue. Boch forgte ex in der
Gapitulation, welche ber Kaifer mit ihm abſchloß, nächft feinem Vortheil für eine vollig unab-
hängige Stellung, um nicht zum zweiten male die Behandlung vom I. 1650 zu erfahren. Der
Kaifer verfprach ihm fchriftlich „als ordinäre Recompens ein kaiſerl. Erbland, als ertraordinäre
Recompens die Oberlehnsherrfchaft in allen eroberten Ländern und außerdem alle Mittel und
Spefen zur Führung bed Kriegs und zu jeder Zeit freien Rückzug in alle kaiſerl. Lande”. Nach
diefen Zugeftändniffen endlich ſtellte W. fih an bie Spige des indeß gefammelten Heeres von
40000 Mann, das in Mähren fand. Er eröffnete ben Feldzug damit, daß er Prag wieberer-
oberte.und bie Sachfen aus Böhmen vertrieb. Hierauf wenbete ex fi nad Nürnberg, um
Baiern von den bis nach München vorgedrungenen Schweden zu befreien. Hier fchlug ex einen
Wallenſtein 50
verzweifelten Angriff, welchen Guſtav Adolf auf ſein Lager beiRürnberg 4. Sept. 1632 machte,
ab und zwang dieſen, feine dortige feſte Stellumg aufzugeben. Während Guſtav Adelf Baiern
aufs neue bedrohte, wendete fih W. nach Sachſen, wohin ſich, auf das inſtändigſte Bitten des
beſorgten Kurfürſten Johann Georg, der tapfere Schwedenkönig ebenfalls begab und ein Lager
bei Naumburg an der Saale bezog. W. glaubte, Guſtav Adolf werde ihn während des Win
ters nicht beunrubigen, und beurlaubte den General Pappenheim mit mehren Regimentern.
Kaum .aber erfuhr Guſtav Adolf den Abzug biefer Abtheilung, fo brach er 5. Nov. 1652 nad
Weißenfels auf und führte feine Schweden 6. Nov. zur Schlacht bei Zügen, in welcher er zwar
fiel, aber fiegte.
Rahdem W. in Böhmen feine Armee ergänzt und wieberhergeftellt, brach er gegen bie
Sachſen auf, ſchloß jedoch mit ihnen im Juni 1633 einen Waffenftiliftand, erfi auf 14 Zage,
dann bis in den Herbſt. Mit Nusnahme des Überfalls eines ſchwed. Corps bei Steinau im Det.
geſchah nichts Nennenswecthes bis zum Herbſt; dagegen pflog W. während diefer ganzen Zeit
mit den Sachfen und Schweden diplomatiſche Verhandlungen, beren Plan und Zweck wenige
ftens nicht unzweideutig war. Ohne auf jedes der Worte Werth zu legen, das er bei biefen An⸗
läffen gefprocdyen ober gefprochen haben foll, kann man ſich doch auch nicht von der Behauptung
überzeugen, daß er nur um die Gegner zu entzweien gehandelt. Vielmehr war er offenbar fchon
jegt geneigt, Politik auf eigene Hand zu machen, wenn aud ohne nachweisbar verrätherifche
Abſicht. Die Verhandlungen führten zu feinem Ergebniß, während fich eine ernfte Differenz
mit dem £aiferl. Hofe vorbereitete. W. fuchte fich feine Winterquartiere in Böhmen und Maͤh⸗
ren; der Kaifer dagegen verlangte, er möchte nach Baiern aufbrechen und die® Land vor der
Invaſion Herzog Bernbard's von Weimar zu retten. Die Verhandlungen darüber führten zu
keinem Reſultate, indem fich W. auf feinen Vertrag berief und die fpäte Jahreszeit als Hinder⸗
niß anführte, der Kaifer aber fein Mittel befaß, den Willen des allmächtigen Feldherrn zu bre⸗
hen. Der Kaifer begnügte fih am Ende mit einer unbeftinnmten Zufage W.'e, ein kleines
Hülfscorps nach Baiern zu fenden, und fchien (im December) verföhnfich geftimmt. Aber beide
Theile waren nicht mehr aufrichtig. W. hatte fich in den legten Monaten des Jahres von neuem
in Unterhandlungen mit Sachſen, Schweden und Franzoſen eingelofien, die, wenn fie auch viel
leicht noch nicht den fofortigen Verrath bezweckten, doc für ben Fall eines Bruchs mit bem
Kaifer bie fremde Unterftügung ſichern follten und unter allen Umftänden mit der Stellung einet
kaiſerl. Feldherrn unverträglid) waren. Indeffen waren aber auch die Feinde W.'s, namentlich
Baiern, in Wien ımermüdet thätig, feine Entfernung und, wenn biefe nicht anders au erreichen,
eine blutige Kataftrophe zu erwirken. Daß MB. fichtbar bemüht, das Heer ganz in feiner Gewalt
zu erhalten, objchon er den Schein annahm, als wolle er feine Stelle niederlegen, kam dieſem
Drängen in Wien zu Hülfe. Seit er 12. Jan. 1634 ſich zu Pilfen von den Offizieren hatte
einen Revers unterzeichnen faffen, worin fie verſprachen, nicht von ihm zu laffen, war fein Schick⸗
fal am Baiferl. Hofe entfchieden, au) wenn man bort feine Falſchheit vorerft noch mit gleicher
Münze bezahlte und in freundlicher Correſpondenz ihn ficher unk arglos zu machen fuchte. Am
24. Jan. unterzeichnete indeſſen der Kaifer ein Patent, durch welches der Herzog des Comman⸗
dos entfegt und für einen Rebellen erflärt wurde. Den Generalen Piccolomini und Gallas
wurde der Oberbefehl übergeben und diefen aufgetragen, ſich des Friedländers todt oder lebendig
zu bemächtigen. W., der den Boden unter fi wanken fühlte, fuchte dem Kaifer gegenüber fich
als unſchul dig darzuftellen und anftögige offentlihe Schritte fo viel voie möglich zu vermeiden;
um fo eifriger drängte er aber im Geheimen auf einen Abſchluß mit Schweden und Frankreich.
As er fi nun von Ballas und Piccolomini umringt und angegriffen ſah und für feine Sicher⸗
heit fürchten mußte, befchloß er, fich mit wenigen Getreuen in das gut befefligte Eger zu werfen,
wo er 24. Febr. mit geringer Begleitung ankam. In feinem Gefolge befanden fich, außer feiner
Gemahlin und der Bräfin Terzka, die Oberſten Terzky, Kinsky und Illo. Die Bedeckung von
200 Dragonern führte der Oberft Buttler, ein Irländer und Katholik, welcher von Gallas und
Piccolomini bereitd zur Ausführung des Mordes gewonnen worden. Ein Gleiches vermuthet
man auch von bem ital. Aftrologen Seni, ber W.'s fleter Begleiter war. Buttler verband fih
in Eger mit zwei andern irifchen Offizieren, Gorbon und Leslie, und fon 25. Febr. Abends
ſollte die „geſchwinde Erecution” vollzogen werben. Nachdem lo, Terzky, Kinsky und ber
Rittmeifter Neumann auf dem Schloffe, wohin der Commandant Gordon fie zu einen Fa⸗
ſchings ſchmauſe geladen, ermordet worden, übernahm es ber Hauptmann Deveroug, mit ſechs
Dragonern in die Wohnung W.'s, der auf dem Markte in einem Privathaufe abgeftiegen war,
einzubsechen. Als die Mörder eindrangen, war Der Herzog ſchon zu Bette; er fprang auf und
60 Waller Wallfahrt
empfing, von einer Partiſane durchbohrt, den Todesſtoß. WB. war von hoher, magerer Geſtalt
und lebhaften, glänzenden Augen, hatte röthliche Haare und eine franfhafte, grüngelbe Geſichts
farbe. Seine Manieren waren im Ganzen raub, er redete wenig, lachte felten und im Gefpräd
verließ ihn niemals die dem ſtrengen Bebieter eigenthümliche ſtolze Zurückhaltung und Ernſt⸗
haftigkeit. Über feine Schuld hat fich erſt in der juͤngſten Zeit eine einigermaßen fihere Meinung
gebildet, nachdem der Glaube, daß W. ein Opfer blinden Haffes und rüdifcher Feinde geworben
fei, theil6 durch das Verfahren des kaiſerl. Hofs, theils durch die ungeſchickte Art, wie man bie
Kataftrophe von Eger dort motivirte, eine natürliche Unterftügung erhielt. F. Foörſter Hat dann,
auf öſtr. Urkunden geftüst, in feinen „Briefen W.'s“ (3 Bde. Berl. 1828—29), in der „Bio- .
graphie WB.’8” (Potsd. 1834) und „W.'s Proceß“ (Rpy. 1844) bie Unſchuld W.'s durchzu-
fechten gefucht, was ihm indefien ungeachtet werthvoller Mittheilungen nicht vollig hat gelingen
wollen. Eine inhaltsreiche Darlegung der Thätigkeit der Gegner W.'s hat aus bair. Quellen
Aretin in der Schrift „Wallenſtein“ (Negeneb. 1846) gegeben. Aus ſächſ. Archiven ift dann
Helbig in den Schriften „WB. und Arnim 1652 — 34” (Dresd. 1850) und „Der Kaifer Fer-
dinand und Friedland” (Dresd. 1852), aus ſchwed. Quellen aber Dudik in den „Forſchungen
für Mähren Gefchichte” (Brünn 1852) mit wichtigen Ergänzungen aufgetreten, bie den Ge⸗
danken, W. fei als arglofes Opfer gefallen, feine Unterbandlungen nur Schein gewelen, fortan
wol faum mehr werden aufkommen laffen. Auf ben Grund ber beiden erftern Förfter’ichen
Schriften Hat der Graf Chriftian von Waldftein-Wartenberg, ber rechtmäßige Erbe W.'s, ſein
Anrecht auf die confiscirten Güter bei dem kaiſerl. Kiscus wieder geltend zu machen gefucht,
jedoch ohne Erfolg. Die dramatifchen Dichtungen Schillers: „IB. Lager”, „Die Piccolo-
mini” und „W.'s Tod“, ruben auf Hiftorifchem Grunde. Einige der darin handelnden Perfo-
nen, wie Thefla und Mar, find blos der Phantafie bes Dichter6 angehörige Geſchöpfe; W.'s
Tochter hieß Marie Eliſabeth.
Waller (Edmund), engl. Dichter, geb. 3. März 1605 zu Coleshill in der Grafſchaft War⸗
wid, erhielt feine Schulbildung zu Eton, feine Univerfitärsbildung zu Sambridge. Brühzeitig
Erbe eines bedeutenden Vermögens, Fam er im Alter von 16 3. an den Hof und wurde im
418.3. Parlamentsmitglieb. Als folches trat er 1640 auf die Seite ber Oppofition, wendete ſich
aber allmäfig ber königl. Partei zu und ließ ſich fogar in eine Verſchwörung ein, um derſelben
London in die Hände zu fpielen. Die Verſchwoͤrung aber wurde entdeckt. W., um ſich zu retten,
verrieth fämmtliche Theilnehmer, von. benen viele hingerichtet wurden. Durch biefe Verrätherei
und eine Geldbuße von 10000 Pf. St. gelang es ihm, nach einjährigem Gefängniß mit dem
Leben davonzukommen; doch mußte er England verlaffen. In Frankreich, wohin er fi num
zurückzog, lebte er in Dürftigkeit. Sein Verwandter Cromwell geftattete ihn endlich, nach Eng⸗
land zurückzukommen, und behandelte ihn als Freund, ohne ihm jedoch Staatsgefchäfte anzuver-
teauen. W. verherrlichte ihn dafür nach deffen Tode durch eines feiner beften Gedichte. Als
bald darauf Karl II. zurückkam, richtete er auch an dieſen Lobgedichte, bie indeffen Hinter dem
auf Cromwell fo weit zurückſtanden, daß Karl ihn ſelbſt auf den Unterfchieb aufmerkſam machte;
worauf der Dichter antwortete: „Dichter find immer glüdlicher in Erdichtungen als in der
Wahrheit.” Sein Wig machte ihn zum Kieblinge des Hofe. Als Parlamentsredner war er
fortwährend beliebt, obwol es ihm eigentlich wenig um die Sache, fondern mehr um feine wigi-
gen Einfälle zu thun war. Auch Jakob IE. zeichnete ihn aus. W. farb 21. Oct. 1687 auf feinem
Landfige zu Beaconsfield. Die meiften Gedichte von W. find Gelegenbeitögebichte; fie zeich-
nen fich aber durch wirklich ſchönen Versbau, Genauigkeit im Reim und durch gemählte Sprache
aus. Tiefe Gefühl und Natürlichkeit fehlen ihm faſt ganz und werden durch die genannten
Vorzüge und durch feinen Wig keineswegs erfegt. Am belichteften find noch feine Liebeslieder,
bie ſich durch Leichtigkeit, Wig und Kebendigkeit empfehlen. . Die erſte Ausgabe feiner Bebichte
en: vollſtändiger ift Die von Fenton (1771 und 1774).
allfahrt heißt der Bang, die Reife oder der feierliche Bug nach einem heiligen Orte, um
an diefem zu beten. Die Anficht, daß dad Gebet in einem beftimmten Tempel ober an einem
gewiffen Orte wirkſamer fei ald anderswo, ift uralt. Griechen und Römer unternahmen ſchon
Bänge oder Reifen nach fernen Zempeln. Im Judenthume mwallfahrtete man aus jenem
Grunde nach Jeruſalem; bei den Mohammedanern find noch bie Wallfahrten zum Grabe
Mohammed's gebräuchlich. In der Früheften Kirche ging man gern zu den Gräbern ber Mär-
tgrer. Helena, bie Mutter Kaifer Konftantin’sd. Gr., zog zum Grabe Jefu nach Serufalem,
und ihr Beifpiel der Wanderung nach Paläftina fand bald viele Nachahmer. Diefe Wande⸗
rungen überfchritten jeboch alsbald das Maß, ſodaß Hieronymus, Gregor von Nyſſa und an-
Wallich Ballin 61
dere Kirchenlehrer gegen bie Wallfahrten eiferten, weil eine tiefe Sitterverderbnaͤß bamit einriß.
Dennoch blieb es in der Kirche Sitte, zur Verfohnung mit Gott und zur Bußübung nicht blos
nach Ierufalem, fondern auch nach Rom, Loreto, Gompoftella und andern wegen Reliquien
und wunderthätigen heiligen Bildern als befonders heilig geltenden Ortern Wallfahrten einz eln
ober in Maſſe anzuſtellen. Im Großen traten fie in dem Kreuzzügen hervor. Die Wallfahrer
nach Serufalem und andern entfernten Orten hießen Pilger (f. d.), Pilgrime ober Wallbrüder.
Befonders nach den Kreuzzügen mebrten fich die Walfahrtsörter in auferorbentlider Weiſe
und wurden meift mit großen Abläffen verfehen. Unter den Walfahrtsörtern im 15. Jahrh.
zeichneten fich, außer ben ſchon genannten, befonders aus: Wilsnack, Einfiedeln, Aachen und
tier. In der Path. Kirche beftehen bie Wallfahrten zwar noch jetzt, doch find fie wegen ber
vielen mit ihnen verbundenen Ausfchreitungen mannichfach befchränkt worden. Neuerdings
bat man die Wallfahrten von klerikaler Seite wieber vielfach zu heben gefucht.
Wallich (Nathanael), Botaniker, wurde 1787 in Kopenhagen geboren, ftudirte auf der
Univerfität feiner Vaterſtadt Medicin und erhielt 1807 eine Anftellung ald Arzt am dän. Eta-
bliffement zu Frederiksnagor in Oftindien. Als diefe Colonie in die Hände der Engländer fiel,
ſtellte man ben han. Beamten frei, in ben Dienft der Dftindifchen Compagnie zu treten, welche
Srlaubniß auch von W. benugt wurde. Er hatte bereits angefangen, ſich mit ber Pflanzentunde
Indiens zu befchäftigen, und feine Leiſtungen in diefem noch fo wenig bebauten Sach zogen bald
die Aufmerkſamkeit ber Behörden auf fih. Im 3. 1815 ward er zum Director bes botanifchen
Gartens in Kalkutta ernannt, und von diefer Zeit an entwidelte er eine beifpiellofe Thaͤtigkeit
in der Sammlung, Beſchreibung und Abbildung von Pflanzen aus allen Theilen des indobri⸗
tiſchen Reichs. Zahlreiche Exemplare derſelben wurden von ihm nach England abgefertigt, und
ed gab kaum einen Garten von einiger Bedeutung, ber ihm nicht in dieſer Hinſicht zu Dank
verpflichtet war. In Berbindung mit Dr. Garey begann er 1820 bie Herausgabe von Rop
burgh's „Flora Indica”, die er durch feine eigenen Entdedungen fehr erweiterte und vervoll⸗
flänbigte, und ſchrieb hierauf feine „Description of the Iree, which produces the ripal cam-
phor wood and sassafras bark” (Kaltutta 1823). Als die Kunft der Lithographie in Indien
Anwendung erhielt, benugte W. diefe, um dem wiflenfchaftlichen Publicum in feinem „Tenta-
men florae Nepalensis” (Kaltutta 1824 - 26) die fat unbelannte Pflanzenwelt Nepals zu
erfchließen, wozu er die Materialien auf einer Infpectionsreife nach jener Provinz gefummelt
hatte. Im J. 1825 erhielt er den Auftrag, bie Walbungen bes weftlihen Hindoflan zu unter
fuhen, und 1826—27 bereifte er Ava und bas von den Eingländern neu eroberte birmanifche
Gebiet. Seine zerrüttete Gefundheit nöthigte ihn jeboch 1828 nach Europa zurückzukehren. Er
brachte achttaufend von ihm felbft gefammelte Specimina verfchiedener Pflanzenarten mit, bie
zugleich mit einer unglaublichen Anzahl Duplicaten glücklich nach London gelangten und unent-
geltlich an alle öffentlichen Herbarien Europas und Amerikas vertheilt wurden, indem bie Oftin-
difhe Compagnie mit großer Munificenz fümmtliche Koften übernahm. Vgl. feine „List of
plants from the dried specimens in the East India Company’s Museum” (Xond. 1828, Fol.).
Unterdeffen arbeitete er fleifig an feinem Hauptwerke „Plantae Asiaticae rariores”, welches
1829— 52 zu London in drei Foliobänden mit 300 Kupfertafeln erfchien. Seine Amtöpflid-
ten riefen ihn jegt wieber nach Indien, wo man ihm die Leitung einer Eppebition anvertraute,
welche die Provinz Affam unterfuchen und über den dort betriebenen Theebau berichten follte.
Dos Klima übte jedoch feinen alten Einfluß auf ihn aus, und nach einem zur Stärkung feiner
Befundheit unternommenen Ausfluge,nad dem Gap ber guten Hoffnung, der ohne die ge-
wünfchte Wirkung blieb, verließ er endlich 1847 Hindoftan aufimmer, um ben Reſt feiner
Tage in England zu verleben. Er ftarb in London 28. April 1854 im Ruf eines ebenfo edeln
Menſchen als fleißigen und gelehrten Botanikers. u
Wallin (Johan Dlof), berühmter ſchwed. Dichter und Kanzelrebner, geb. 15. Oct. 1779 zu
Stora Tuna in Dalekarlien, der Sohn eines Offizier, begann feine Studien 1799 zu Upfala und
zeichnete fich früh durch dichterifche Leiſtungen aus, fobaß die ſchwed. Akademie ihm feit 1805
brei mal goldene Denkmünzen verlieh. Man rühmte an feinen Gedichten bie Leichtigkeit, An
muth und poetifche Sprache ; doch an ber Poefie ſelbſt fehlte es. Erſt nahdem er 1306 Geiſt⸗
licher geworben, nahmen feine Poefien eine andere Richtung. Er gab feitdem Palmen heraus,
anfangs mit Choräus, fpäter mit Franzen, zulegt allem. Im J. 1810 wurde er Mitglied der
ſchwed. Akademie und 1811 des Gomitd, weichem bie Umarbeitung des Geſangbuchs übertra-
gen war. DB, ensichieb fi) unbedingt für Die Wiederaufnahme der alten Kernlieder, und ba ex
feine Anſicht nicht durchzuſeden vermarhte, fo gab er 1813 ſelbſt ein Geſangbuch heraus, in
⁊
62 Wallis (Bürftenthum) Wallls (Canton)
welches er fo viel als möglich von den alten Liedern aufnahm, indem er nur ber Sprache durch
leichte Veränderungen nachhalf, und außerdem eine Auswahl neuerer geiftficher Lieder und eine
Anzahl felbfigebichteter Hinzufügte. Die ganze Nation nahm das gelungene Berk mit lauten
Beifall auf, und fo erhielt Schweden 1819 eine& ber beften Gefangbücher. Als Kanzelredner
zeichnete ſich WB. durch Beredtſamkeit und Kraft aus. Nachdem er 1809 Lehrer an der Kriegs⸗
ſchule zu Karlberg geworden und zugleich ein Pfarramt erhalten, fam er 1812 als Prediger
nah Stockholm, wo er den Auftrag erhielt, dem Prinzen Oskar Religiondunterricht zu erthei-
Ien. Im 3. 1818 wurde er Dompropft zu Wefteras, 1821 Oberpfarrer an der Großkirche zu
Stodholm, 1824 Drdensbifchof, 1830 Dberhofprediger und Vorfigender des Hofconfiftoriums
und 1835 Erzbiſchof von Upfala, wo er 30. Juni 1839 ftarb. Seit 1812 wohnte er ale geift-
licher Deputirter allen Reichſtagen bei. Die von ihm herausgegebenen „Religions-Tal vid
ätskilliga Tillfällen“ (Bd. 4 —3, Stodh.1827—31), denen nach feinem Tode „Predikningar”
(3 Bde., 2. Aufl, Stockh. 1842) folgten, haben ungemeine Verbreitung gefunden. Seine
poetifchen Arbeiten erfchienien gefanmelt ald „Witterhets-Arbeten” (2 Thle., Stockh. 1848).
Wallis, f. Wales.
Wallis (le Valais), einer der füdlichen Santone der Schweiz, hat auf 90.—110 AM.
81096 Latholifche, unter einem eigenen Biſchofe ftehenbe und A63 proteft. Einwohner. Von
Siders abwärts wird die franz. Sprache von etwa zwei Drittheilen der Geſammtbevölke⸗
rung in einer der favoyifchen ähnlihen Mundart gefprochen, im obern Theile eine deutſche
Mundart, derjenigen im Haslithale verwandt, woher auch Oberwallis wahrfcheinfich bevölkert
wurde. In dem fchon früh begonnenen Streit der Obermwallifer und ber ihnen verbündeten
deutfchen Nachbarn mit ben von Savoyen unterftügten Unterwallifern unterlagen biefe Letztern,
und ald Bern in den Burgunderkriegen (1475) die untere Randfchaft bem favoyifchen Haufe
entriffen hatte, wurde diefelbe von dem zu den zugewandten Orten der Schweiz gehörigen Ober-
wallis aus ald erobertes Land behandelt und durch Landvoigte verwaltet. Dienad) muthvollem
Widerſtand der Obermallifer eingeführte Helvetifche Verfaffung räumte 1798 beiden Theilen
gleiche Rechte ein; doch wurde W. fchon 4802. von der Schweiz getrennt und 1810 mit denn
franz. Reiche vereinigt. Sogleich nach dem Einmarſch der verbündeten Heere erpoben fih die
Oberwalliſer gegen die franz. Derrfchaft, und nad) dem Pariſer Krieden wurde WB. als Canton
der Eidgenoffenfchaft zugetheilt. Die Verfaffung vom 12. Mai 1815 Hatte auf Seiten des
Dberwallis ein Übergewicht der Nepräfentation gelaffen. Seit den Verfafſungsreformen in
der Schweiz 3831, befonderd aber von 1833 an, erhob ſich ein Tebhafterer Streit zwiſchen ben
beiden Randescheilen für Herftelung der politifchen Rechtsgleichheit, Die endlich nad, langen
Kämpfen in der Conftitution vom 3. Aug. 1839 durchgefegt wurde. Ein Angriff der Ober-
wallifer zur Herftellung der frühern Ungleichheit feheiterte im April 4840, und der ganze Can⸗
ton unterwarf fich nun der neuen Verfaffung. Allein bie ariftofratifchen Führer des Oberwal⸗
lis, hauptſächlich die Beiftlichen und die Partei der Jefuiten, die feit 1814 zu Brieg und Sitten
ihre Schulen eröffnet Hatten, wußten auch die neue Conftitutton in ihrem einfeitigen Interefie
audzubeuten. Abermals traten ſich Die Parteien einer dem Unterwallis angehörigen fogenann-
ten Jungen Schweiz und einer Alten Schweiz einander fchroff gegenüber, bis es endlich zum
biutigen Ausbruch und im Mai 1844 zur Niederlage ber Jungſchweizer am Trient am. Das
Mefultat diefed Siegs der Ultramontanen war die Verfaffung vom 34. Sept. 1844, welche die
Mepräfentation des Klerus im Randrathe vermehrte, deffen Immunitäten formlich anerkannte,
allen Unterricht der Kirche überließ und ben proteft. Gottesdienſt unterdrüdkte. ZB. betheiligte
ſich fpäter am Sonderbund. (&. Schweiz.) Nach deffen Auflöfung erhielt der Canton 40. Ian.
1848 eine neue Verfaffung in freifinnigem Geiſte. Die Initiative der Befeggebung fteht dem
gegenwärtig aus 85 Mitgliedern beftehenden Großen Mathe zu. Ein vom Großen Rathe ge-
wählter Staatsrath von 7 Mitgliedern ift die höchfte vollziehende Behörde. Die höchfte richter-
liche Inftanz ift daB aus 14 Mitgliedern und 7 Erfagrichtern gebildete Appellationsgericht.
Geographiſch bildet das ganze W. ein einziges großes Thal, bon der Rhoͤne mit ihren Zuflüffen
bewäffert und von ben höchften Gebirgen eingefdsloffen. In der Ebene hat ed nur einen fehr
engen Ausgang bei &t.-Maurice. Won allen andern Seiten kann man nur mittels fehr fleiler
Alpenpäffe dahin gelangen, von denen der niedrigfte der Simplon (f.d.), 6170 F. über dem
Meere, und allein fahrbar gemacht ift. Die zu Pferde gangbaren Päffe find Gries und Brimfel
beim Rhönegletfcher, Gemmi bei den berühmten Bädern von Leuk, Col de Balme oberhalb
Chamouny. Im Einverftändniffe mit Sardinien und mit Unterftügung von Seiten ber Eidge-
noffenfchaft ift der Bau einer neuen Handelsſtraße über den Großen Bernhard im Werke.
Wallis Sohn). Wallmoden 63
Merkwürdig iſt der beſchwerliche Paß über den Mont Cervin, mit der St.Theodulsſchanze,
wahrſcheinlich dem höchſten befeſtigten Punkt der Erde, 10280 F. über dem Meere, der Rawyl
und Sanetfh. Die Hauptnahrungsquellen find Viehzucht, in neuerer Zeit etwas Bergbau;
fodann in der Ebene ein noch nicht fehr rationell hetriebener ZBeinbau und der Tranfit auf ber
Simplonſtraße. Das Klima ift äußerft verfchieden, die ſtrengſte Kälte und Hitze erreichen, je
nach der Rage der Ortfchaften, einen unglaublichen Grad, und erſtaunenswürdig ifl Darum der
Reichthum an Pflanzen und Infekten. Regierung und Bifchof Haben ihren Sig in ber faft in
der Mitte von IB. gelegenen Stadt Sitten (f. b.).
Wallis (John), ein ausgezeichneter Mathematiker, war zu Aſhfort in der engl. Grafſchaft
Kent geboren und in feinen frühern Jahren Prediger. In bem bürgerlichen Kriege von 1640
machte er ſich durch feine Fertigkeit, den Schlüffel zu ben verborgenften Chiffern zu finden, fo-
wie durch mathematifche und theologifch-pofemifche Arbeiten bemerflich, auch fprach er mit Ei«
fer für Karl 1. Nachdem er 1649 Profeffor der Geometrie in Orford geben, widmete er
fi) ganz der Mathematik, die er in allen ihren Zweigen burchforfchte. Was feine Zeitgenoffen
darin leifteten, wurde von ihm nicht nur beachtet, fondern meift bereichert. Er berechnete mehre
Sonnenfinfterniffe und bie Quadratur bes Cirkels, ſchrieb über die Berechnung der unenblichen
©röfen („Arithmetica infnitorum”, Orf. 1655) und über bie Kegelfchnitte und gerieth dar»
über mit Hobbes, Fermat und andern Mathematifern in viele Streitigkeiten. Als Karl 11.1660
den Thron beſtieg, ernannte ex W. zu feinem Kaplan. In diefer Zeit machte er beim Unterricht
eines Zaubflummen die Entdedlung, wie diefer durch Übung jedes Wort genau ausſprechen
vente. Als 1663 die Royal society ſich bildete, wurde er eines ihrer erften Mitglieder, und feine
mathematifchen Arbeiten wie feine Beiträge zu ben Vereinsfchriften trugen nicht wenig bei, die
Geſellſchaft in Ruf zu bringen. Von diefer Zeit an mit mancherlei Problemen, mit Herausgabe
alter mathematifcher Schriftfteller und mit Commentaren dazu befchäftigt, ſchien W. der Theo⸗
Iogie gang entfagt zu haben, als er 1687 wieder brei theologifche Abhandlungen ımb 4690 ein
Bert über die Dreieinigkeit berausgab. Er ftarb 1703. Eine Ausgabe feiner fämmtlichen
Werke ließ die Univerfität zu Orforb drucken (3 Bde, 1692 fg.). Beine „Arithmetica infini-
torum“ gift unter feinen vielen Arbeiten für die befte, obfchon fie durch die von Newton heraus⸗
gegebene „Analysis infinitorum‘‘, bie W. felbft 1696 gegen Leibniz unpartelifch in Schut
nahm, in Schatten geftellt worden if. |
Wallifer (Chriſtoph Thom.), ein ausgezeichneter Mufiker, aus Straßburg gebürtig, wurde
1599 Schulcollege und Mufikdirector am dafıgen Dome, wo er 1648 farb. Er gibt Zeugniß,
wie fehr ſich Deutfchland ſchon damals um die Kunftverfuche des Auslandes kümmerte und fie
fogleid weiter ausbildete. Man hatte in Florenz die alte griech. Muſik, befonders in den Schau-
fpielen, herzuftellen gefucht und war damit auf bie Oper gelommen, wenn auch in ſchwachen
Anfängen. Sofort machte ſich W. daran und fehrieb Ehöre zu bes Ariftophanes „Wolken“,
die 1613 gedruckt wurden und den beften ausländifchen Gompofitionen diefer Art keineswegs
nachſtanden. Nächft einer Menge Kirchengefänge ließ er aud ein Lehrbuch der Muſik (‚„‚Mu-
sicae figuralis praecepta brevia”, 4614) erfcheinen.
Balmoden, ein altes freiherrliches Befchlecht in Niederfachfen, das nad) Ankauf der
Herrſchaften Bimborn und Neuftadt in Weflfalen durch Bans Lubw. von W. 1783 bie
Reichsgrafenwürde erhielt und ſich hierauf in zwei Kinien, B.-Gimborn und W.⸗Wallmoden,
theilte, welche lehtere erlofchen ift. — Zu der Rinie Wallmoden-Btmborn gehört Ludw. Georg .
Thedel, Graf von W., öftr. Geh. Rath, General ber Gavalerie und Inhaber des 6. Küraf«
ferregiments, geb. 6. Febr. 1769 zu Wien, wo fein Vater, der erwähnte Hans Ludwig,
als großbrit. Geſandter angeftelle war. Ex trat zuerft in hannov., 3790 in preuß. und, als
Preußen in Folge des Bafeler Friedens die Waffen gegen Frankreich niederlegte, in öftr. Kriegs⸗
dienſte. Bier zeichnete er fich in den Feldzügen von 17961801 ald Parteigänger aus, wurde
auch wiederholt zu Biplomatifchen Sendungen gebraucht. Er ſchloß in London den Subfidien-
vertrag zwiſchen England und Oftreich ab, ais dieſes 1809 den Krieg gegen Frankreich er-
neuerte. Bei feiner Rückkehr nad Wien nahm er mit Auszeichnung an ber Schlacht bei
Wagram Theil. Nach dem Wiener Frieden wurbe er zum Feldmarſchallieutenant befördert
and als Divifionär nach Böhmen verfegt, wo er meift in Prag, fern von politifhen Berüb-
tungen, lebte. Im I. 1813 trat er mit gleichem Charakter in ruff. Kriegsdienſte. Er wurde
Befehlshaber der Deutfchen Kegion, die er nach Mecklenburg führte, vereinigte diefelbe dann
nach dem Waffenflillſtand im Aug. 1845 mit der Rorbarmee und behauptete ſich mit feinem
Corps nicht nut gegen die übermacht Davoufl’6, fondern ſchlug auch Die franz. Divifion Pecheur
64 Ballnußbaum Ballouen
im Treffen an der Göhrde und drang in Schleswig vor, wodurch er die Dänen zum Frieden
‚ nöthigte. Nach dem zweiten Parifer Frieden nahm er wieder in Oftreich Dienfte und wurde
1817 an des Grafen Nugent Stelle, der in neapolit. Dienfte trat, Oberbefehlehaber der im
Königreihe Neapel zurüdgelaffenen öfte. Truppen. Im 3. 1821 befebligte er einen Haupt⸗
theil des gegen Neapel beftimmten öſtr. Heeres und befepte im Juni diefed Jahres bie Inſel
Sicilien, wo er bi6 1823 blieb. Sodann wirkte er ald Befehlshaber des 1. Armeecorps in
DOberitalien und ale WMilitärcommandant zu Mailand, bis er 1848 in ben Ruheſtand trat.
W. bewies ſtets durchdringenden Verftand und Feftigkeit des Charakters, verbunden mit einem
ebein Gemüth. Um die öſtr. Armee hat er fich befonders durch Ausbildung der leichten Infan⸗
terie und Verbefferung bes Tirailleurſyſtenis verdient gemacht. — Sein Bruder Karl Auguft
Ludwig, Graf von W., geb. A. Jan. 1792, ift ebenfalls k. k. Geh. Rath, Feldmarſchallieute⸗
nant, Inhaber bed 5. Uanenregiments, fowie Kommandant des 7. öfter. Armeecorps. Ex befigt
die Herrfchaften Heinde und Liftringen im Königreich Hannover.
Ballnußbaum (Juglans), eine Gattung anfehnlider, meift Nordamerika wachfender,
kägchentragenber Bäume aus der Familie der Juglandineen, mit unpaarig gefiederten Blättern
von eigenthümlich aromatifchem Geruch und einkernigen Steinfrüchten, deren beinharte zrwei-
klappige Kernfchale einen zweilappigen, wulftigen, wohlfhmedenden Samen umfchließt. Die
befanntefte Art, der gemeine Wallnußbaum (J. regia) ftammt aus Perfien, wird aber heutzu-
tage faft in ganz Europa cultivirt. Seine Früchte (Wallnüffe oder Welſche Hüffe) werden unreif
in Zuder eingemacht gegeffen, find aber namentlich reif und von ber fleifhigen Schale befreit ein
beliebtes Obft. Die Samen (Kerne) find befonders nach der Entfernung, der dünnen fie be
deckenden Haut füß und wohlfhmedend. Sie enthalten eine Dienge, fettes DI (Nußoͤl,) das an
die Speifen, namentlich an Salat gethan wird, ehedem auch zur Dimalerei gebraucht wurde.
Sonft haben alle Theile des Baums einen ſcharfen, bittern Geſchmack und ſtarken Geruch. Man
pflegt Deshalb mit ben frifchen Blättern die Pferde zu reiben, um fie vor Stechfliegen zu [chügen.
Officinell find die unreifen Früchte, deren fleifchige Schalen und die Blätter. Kegtere und eben-
fo die Rinde geben eine fehr dauerhafte ſchwarzbraune Farbe. Der Stamm des Wallnufbaums
liefert ein Schönes, hartes, dunkelbraunes Holz, das zu den beften europäifchen gehört, jedoch
von dem bes amerif. ſchwarzen Wallnußbaums (J. nigra) an Schönheit und Härte noch über-
troffen wird. Aus den Samen biefer Art macht man eine als Getränf dienende Mid. Sonſt
kommt diefe Art in ihrer Benugung mit dem gemeinen Wallnußbaum überein. In Amerika
vertritt häufig die glatte vierkantige Frucht der weißen Hickorynuß (Carya alba) die Stelle
unferer Wallnüffe.
Walldnen nennt man die zur großen roman. Völkerfamilie, fpeciel aber zum franz. Volks⸗
ſtamm zu rechnende Volkerfchaft, welche ben Landſtrich längs der Grenze bes german. Sprach
gebiet# in den füblichen Niederlanden, von Dünkirchen bis nach Dalmeby, inne und namentlich
in dem Arbermengebiet ihren Sig bat, alfo Theile der Depart. Pas⸗de⸗Calais, Nord, Aisne,
Ardennes in Frankreich, vorzüglich aber das fübliche Brabant, ſowie bie Provinzen Hennegau,
Namur, Lüttich in Belgien, Luxemburg (letzteres nur mit Ausnahme eines fehr Heinen deutſch
redenden Theils in DOften) und endlich einige Ortfchaften um Malmeby in Rheinpreußen be-
wohne. Die Wallonen, deren Anzahl in Belgien, wo fie bauptfächlich wohnen, auf 1’ Mill.
angegeben wird, find die Nachkömmlinge der alten gallifchen Belgier, welche bem Andrange der
german. Eroberer im Arbennengebirge wiberftanden, fi) aber mit rom. Elementen mifchten
und namentlich in ber Sprache romanifirten, die jegt vollig als ein Patois ober franz. Volkd-
dialekt, ber ed nicht zur Schriftfprache gebracht Hat, erfcheint, in welchem jeboch unter allen franz.
Volks dialekten mit bie meiften galliſchen Sprachüberrefte ſich erhalten haben. Vgl. das unvoll-
ftändig gebliebene Werk von Grandgagnage: „Dictionnaire etymologique de la langue wal-
lone” (Zütti 1845). Der Name Wallonen, hol. Walen genannt, bezeichnet Hinlänglich ihren
gallo-roman. Urfprung und ihre theils ftammliche, theils fprachliche Verwandtſchaft mit den
Galliern, Baelen, Walefern oder Wallifern und den Welfchen, Walchen, Walachen überhaupt.
Doc unterfcheiden fich die heutigen Wallonen, obfchon das Franzöfifche die Umgangs» und
Bücheriprache bei den Gebildeten unter ihnen ift und fie auch im Allgemeinen den Sranzofen
mehr ähneln als ihren deutſchen Nachbarn, vielfach von fenen, Es find gebrungene, mittelgroße
Geftalten, mit Bräftigen Gliebern, dunkelm Haar, tiefliegenden feurigen, Dunkeln, braunen oder
blauen Augen. An Gewandtheit, Beweglichkeit und Anftelligkeit übertreffen fie ihre vlami«
ſchen, an Ernft, Ausdauer und Fleiß ihre franz. Nachbarn. An leidenfchaftlicher Entzündbar⸗
„ Veit gleichen fie mehr dieſen als jenen; aber ihr Zorn verraucht ſchneller al& ber des fpäter, aber
Waliref Balpole (Sir Rob.) )
tiefer aufgeregten Vlamãnders. Un Urbeitfanäsit, Ruüfligkeit, Erſindſamkeit wetteifern fie mit
diefem ; aber ihr Gefühl ift minder tief, wenn auch äußerlich lebhafter. Dechalb ift auch ihre
Religiofität von geringerer Tiefe, und wenn ſie fhon zuweilen zum Fanatiomus gefteigert
wurbe, fo bemerft man doch weniger Bigotterie unter ihnen. Noch verdient bemerkt zu wer
den, daß bie belg. Revolution vorzüglich auf wallen. Gebiet Wurzel faßte und die hervor
ragendften Staatömänner des neuen Belgien wallon. Herkunft find. Gegen den von ihnen
vertretenen Geift tft vorzüglich Die vläm. Bewegung (f. Blaͤmiſche Sprache und Literatur)
gerichtet. — — Waloniſche Barbe hieß fonft ein Theil der fpan. Haustruppen. Auch die Mepu-
bit der Vereinigten Niederlande hatte Zruppen gleichen Namens und Urfprungs in ihrem
Dienfle. — Walloniſche Kirche, Waalſche Kerk ober Gemeente heißt noch gegenwärtig bie
franz.ref. Kirche in ben nörblichen Provinzen der Niederlande, weil die Reformirten aus den
wallon. Niederlanden fich bei der Trennung der Republik dahin flüchteten und anfiedelten.
Wallraf (Berd. Franz), ber Begründer des nach ihm genannten Muſeums in Köln, geb.
bafelbft 20. Juli 1748, war der Sohn eines wohlhabenden Schneiders und zeigte frühzeitig
eine entfchiebene Neigung für Wiſſenſchaft und Kunft. Er ſtudirte Theologie, erhielt 1773 die
Priefterweihe nnd murde Mitglied der philofophifchen Facultät an der Univerfität zu Köln,
1786 aber ordentlicher Profeffor der Naturgefchichte, Botanik und Äſthetik, Aufſeher über
den botaniſchen Garten, audy noch in demfelben Jahre Doctor ber Mebicin und Philoſophie.
Seitdem benugte er jebe Gelegenheit, um feine fchon bedeutenden Sammlımgen an Witerthü-
mern und Raturalien zu erweitern. Im 3. 1794 wurde er Nector ber Univerfität ; doch legte
er dieſes Amt nieder, weil er den von ben Prieftern gefoderten Eid nicht ſchwören wollte. Nach
Aufhebung der Univerfität erhiele er 1799 eine Profeffur der Geſchichte und der fhönen WBif-
ſenſchaften an der neuerrichteten Centralſchule. Als Numismatiter machte er fich befannt na»
mentlich durch) „Befchreibung der Münzſammlung des Domherrn von Merle”. Die Refultate
feiner hiſtoriſchen Forſchungen findet man in der „Sammlung von Beiträgen zur Geſchichte
der Stadt Köln“. Bon 1799 — 1804 gab er das an kunſtgeſchichtlichen Auffägen reichhaltige
„Zafchenbuch der Ubier“ heraus. Mit Lebensgefahr rettete er in der franz. Zeit die gemalten
Benfter ber Domkirche, deren Wegnahme ſchon befchloffen mar. Im 3.1802 nahm er Antheil
an der kirchlichen Organifation feiner Baterftadt, und 4804 wurde ihm ein dem Domkapitel
gehörige® Daus, Die Propftei, zum Iebenslänglichen Gigenthum überlaffen. Im 3. 1812 un.
ternahm er eine kunſtwiſſenſchaftliche Neife nach Paris. Als er 1818 von ſchwerer Krankheit
genefen, vermachte er ber Stadt Köln feine an feltenen Gegenfländen ber Kunft und WBiffen-
haft überaus reiche Sammlung. Die von der Stadt ihm bewilligte Penfion wendete er zur
Ermwerbung einer Sammlung röm. Antiten an. Auch der König von Preußen ertheilte ihm
feit 1819 eine Penſion. Er flarb 18. März 1824. Seine Sammlungen wurden 1827 in bem
Kölnifchen Dofe aufgeftellt und bilden ben Grund bes kölner Mufeums. Vgl. Smets, „Bio
geaphifcher Verſuch über WB.” (Köln 1825). |
Walpole (Str Rob.), Graf von Oxford, ein berühmter engl. Staatömann, war der dritte
Sohn eines Landedelmanns und wurde 26. Aug. 1676 zu Houghton in der Grafſchaft Norfolk
geboren. In früher Jugend zeigte er wenig Luft zum Lernen. Als aber fein Vater und einer
feiner Lehrer in Eton fein Ehrgefühl zu wecken wußten, entwidelte ex ſchnell große Faͤhi feiten.
Er fiudirte in Cambridge Tpeologie, verließ jedoch 1698 nach dem Tode feiner beiden Beüder
bieiniverfität, um bie Laufbahn eines Randedelmanns zu beginnen. Nachdem er 17700 die reiche
Erbin des Sir John Shorter geheirathet, verfchaffte er fich einen Sig im Unterhaufe, mo er bem
Whigs fich anſchloß, die damals das Staatsrubder führten. Seine Gewandtheit und Berebtfam«
kit brachten ihn bald bei Marlborough in Gunſt, durch deffen Einfluß er 1708 GStaatsferretär
im Kriegebepartement und 1709 Schagmeifter der Marine wurde. Als 1711 die Tories am
Hofe der Königin Anna bie Oberhand erhielten, mußte W. nicht nur fein Amt niederlegen, fon»
dern wurde auch von den zahlreichen Tories des Unterhaufes der notorifchen Corruption ange»
klagt und aus dem Parlament gefloßen. Die Anklage war freilich gerecht; doch geſchah die Be
ſtrafung aus Parteirache und machte den Betroffenen zum Märtyrer. Als Whig und eifriger
Anhänger des Haufes Hannover erhielt IB. nach der Thronbefleigung Georg's I. die Geheim⸗
rathswürde und bad Amt eines Zahlmeifters bei der Land» und Seemacht. Bei Eröffnung bes
neuen Parlaments im Jan. 1715 wurbe er auch Mitglied der Eommiffion, welche die Unter
ſuchung gegen die abgetretenen Toryminiſter führte, und nahm hiermit Gelegenheit, bie haͤrteſte
Wiedervergeltung zu üben. Dex Hof belohnte feinen Eifer noch in demſelben Jahre mit bem
Gonn.s@er. Zehnte Aufl. XV, 2% 5
1.) Malpole (Sir Rob.)
Ymte eines erſten Lords ber Exhaykamnter. Behr bald Indeifen beſchuldigten Ihn feine Gegner
ber Beftechung von Parlamentsgliedern, und Die Furcht wor einer Unterfuchung, ſowie Lerwürf⸗
niffe mit feinen Gollegen über die Finanzverwaltung bewogen ihn, im April 1717 das Amt
aufzugeben. Hierauf legte er als Parlamentsglied dem Unterhaufe einen großartigen Plan vor,
nach welchem die Zinfen der Staatsſchuld, die ſich damals auf 47,522200 Pf. St. belief, von
ſechs auf fünf Proc. herabgefegt werden follten. Hierbei gerieth ex mit dem Gtaatsfecretär
Stanhope in einen perfonlichen Streit, in weichen: bie beiden Männer gegenfeitig ihre Befte-
ungen und ſchmaͤhlichen Berabredungen zum Erſtaunen der Nation enthüllten. W. ſuchte die
öffentliche Meinung zu verfühnen, indem er zur Oppofition überging, auf die Verminderung ber
©ubfidien und des fiehenden Heeres drang und den Hof durch fein mächtiges Rednertalent und
ben Schein eines rauhen Patriotibmus in Furcht fegte. Bald lieh ex fich aber vom Bofe gewin⸗
nen und ging zur Vertheidigung der Regierungspolitif über: Schon im April 1721 erbielt er
dafür an des Grafen von Sunberland Stelle das Amt des erfien Lords des Schages zugleich
mit dem des Kanzler ber Schagfammer. Fortan begann feine lange, glüdliche und gefchickte
Finanzverwaltung, die durch die ſteigende Gunſt des Hofs unterflügt wurde. Er führte die
größte Sparſamkeit im Staatshaushalte ein, verminderte im Laufe von 18 I. die Schuld um
fieben Millionen und die Zinfen durch Herabfegung und Fuge Manoeuvres um bie Hälfte. Er
bielt den König im Binanzintereffe vom Kriege zurud und fuchte die auswärtigen Berwidelun-
gen duch die Diplomatie zu ordnen, unterflügte freigebig Induſtrie und Handel, forgte für bie
Entwickelung ber amerik. Golonien, deren Befteuerung er ausfchlug, und verwendete große Sum-
men Auf öffentliche Anftalten. Als der König 1723 nach Hannover reifte, übertrug er W. die
Regierung und wollte ihm auch die Peerswürde verleihen, die diefer jedoch klüglich feinem Sohne
zuwandte. Die vielen Auszeichnungen, die er bei Hofe genoß, erregten ihm ohnedies Neid,
Beindfchaft und Anklagen. Man befchuldigte ihn, Daß er die Krongewalt auf Koften der Natio-
nalfreiheiten zu ftärßen ſuche, fowie daß er ſich die Majorität im Unterhaufe durch Beſtechung
aus ber Staatskaſſe verfchaffe. Legterer Vorwurf war nur zu gegründet. W. machte ſich die
bodenlofe Verborbenheit feiner Zeitgenoffen zu Nuge, erfaufte der Regierung bie Stimmen durch
ein formliches Eorruptionsfgften und ſcheute fich nicht, zu behaupten, baf er den Preis eines
Jeden Eenne. Deffenungeachtet blieb der geſchickte Minifter, dem eigentlich die neue Dynaftie
ihre Befeftigung zu danken hatte, in der vollen Gunft des Hofe. In ben legten Jahren Georg's 1.
wußte fih WB. auch das Vertrauen des Kronpringen zu erwerben. Als Legterer als Georg II.
dem Vater 1727 folgte, blieb WB. im Amte und übte die erften fünf Jahre mittels der Eorrup-
tion ungefchmälert feinen frühern für die Verwaltung höchſt erfprießlichen Einfluß. Um die
Zollunterfchleife im Handel mit Colonialwaaren zu verhindern, brachte er 1733 Me fogenannte
Aeccifebill vor das Parlament, die bei den Kaufleuten und dem niebern Volke fo Heftigen Wider⸗
fland fand, daß der perfüntich bedrohte Miniſter den Antrag zurücknehmen mußte. Ebenfo er-
bitteste er feit 1732 den Handeltfland, die Eolonien und die heißdlutigen Patrioten, indem ex
fih aus Rückſicht für die Finanzen dem Kriege mit Spanien widerfegte. Als er endlich dem
allgemeinen Wunſche nachzugeben fchien, gefchahen die Vorbereitungen fo langſam, daß ihm
feine Feinde Verrath vorwarfen. Ein gewiſſer Sandys, ber ſpäter fein Amtsnachfolger wurde,
klagte ihn endlich in der Parlamentsfigung von 1738 der Gorruption, der Beruntreumg und
anderer Öffentlichen Vergehen an und erhärtete zum heil die Befchuldigung durch Beweis⸗
fhriften. IB. vertheidigte fih mit Kaltblütigkeit und Geſchick, würde aber doch der Berurthei-
lung kaum entgangen fein, hätte der Hof den Proceß und bie Sigung nicht in Die Länge gezo⸗
gen, fobaß fich viele feiner Feinde vor der Zeit entfernten. Die geringen Exfolge des 1739 mit
Spanien begonnenen Kriegs, zu dem noch 1741 der Krieg mit Frankreich am, und bie Vermeh⸗
tung ber Abgaben, Die damit verbunden war, vollendeten bie Unpopularität des Minifters. Zu
feinen Gegnern gefellten ſich jegt auch die ſtrengern Whigs umb alle Diejenigen, welche die Re-
gierung durch Corruption mit Ekel und Beforgnif erfüllte. Zufegt verftärkte fogar der Kron-
prinz, ber fpätere König Georg IU., der fich Durch den Minifter bei Hofe beeinträchtigt glaubte,
die Oppofition. Bergebens fuchte W. dieſen gefährlichften feiner Feinde durch Beldanbietungen
zu gewinnen. Bei Eröffnung des Parlaments von 1742 von allen Selten bebroht, führte er
fon in der Adreßdebatte eine entfcheidende Abftimmumg herbei, wobei er nur eine Majorität
- von vier Stimmen erhielt. Er legte beshalb im Februar alle feine Ämter und Würden nieder,
und der König ernannte ihn, um ihn der Berfolgung der Gemeinen zu entziehen, zum Grafen
von Drford und bewilllite ihm auch ein Jahrgeld von 4000 Pf. St. Als ihm demmod das
Unterhaus mit einer Unterfuchung drohte, wurde das Parlament prorogirt. W. ſtarb 29. März
Balpole (ag) Balpole (Spenter Horatio) -@
41743. Be Som, „Memoirs of Ihe life and administration of Sir Rob, W.“ (3 Bhe., Lomb.
1798 und öfter).
Walpole (Horace), einer der geiſtreichſten und wigigften engl. Briefe und Memeirenſchrei⸗
ber, geb. 1717, der jüngfte Sohn Sir Rob. Walpele's (ſ. d.) wurbe unter der Leitung feiner
Mutter erzogen und fludirte zu Cton, wo er mit dem Dichter Gray, mit bem er 1739 Italien
bereifte, ein freunbfchaftlicges Verhältnif anfnüpfte. Seit 1741 vier mal nacheinander ins Un.
terhaus gewählt, zeigte er fich bei allen Gelegenheiten feft und unbeſtechlich. Da ex jedoch bei
allen feinen Talenten weder als Redner glänzte, noch ald Staatsmann fi auszeichnete, über
dies hinter ben alten Adelsfamilien gurüdigefegt wurde, fo konnte er ſeinen Wunſch, überwiegen
ben Einfluß auf die Leitung ber Stantögefchäfte auszwüben, nicht erfüllt fehen und zog fi
endlich 1767 vollig von allen Staatögefchäften zurück, ſich Hinfort nur feinen literariſchen Lieb⸗
Imgsbelhäftigungen und ber Rache an feinen polltifhen Gegnern wibmend. Sein Landgut zu
Strawberry Hill bei Twickenham baute ex im mittelalterlichen Stile mit Thürmen und Thürm⸗
Gen, gemalten Senflern, Wappen u. ſ. w. aus und legte barin bie koſtbarſten Sammlımgen von
Kunftwerken, Büchern, Autographen und Seltenheiten aller Art an, die leider 1842 durch Ver⸗
fleigerung zerſtreut worben find. Bier fehrieb er auch feine kunfigefchichtlichen und ſchöngeiſti⸗
gen Werke, den „Catalogue ol royal and noble authors“ (1758), die „Anecdotes of painting
in Eogland” (2 Bde., Zend. 1761), die „Aedes Walpolianae”, das Verzeichniß aller im Befig
feiner Familie zu Houghten in Norfolk befindlichen Kunfifchäge, welche fpäter die Kaiferin Ka⸗
tharina ankaufte; ſeinen Geiſterroman „The castle of Otranto“ (1765), das Urbild einer zahl»
zeichen Familie ähnlicher Werke; das Zrauerfpiel „The mysterious mother” (1768), bas er
auf feiner eigenen Preffe deuden ließ, und bie „Historic doubis on the life and reign of Ri-
chard I.” (1768). Am berühmteften if jeboch WB. durch feine Briefe und Memoiren. Die
erftern, welche 1841 in ſechs Bänden geſammeit erfchienen, denen 1851 noch zwei Bände feiner
Gorrefponden; mit dem Dichter Maſon folgten, find wahre Mufter von Lebendigkeit, Wig und
Schärfe, oft auch von Boshelt, und enthalten die lebendigften Echilderungen ber Derfönlichkei-
ten und Zuflänbe feiner Zeit. Seine Memoiren, bie von 1751 beginnen und faft bis ane Ende
feines Lebens fortgeführt find (neue Ausg. 12 Bde, 1846; deutfch in ber „Sammlung von
Memesiren” von Pipig und Fine, 3 Bbe., 1846), fiehen den Briefen nach. Geine bittern
und fonberbaren, oft wechfeinden Urtheile über Verfonen treten bier gu unangenehm hervor ;
auch ſchöpft er fietö zu fehr von der Oberfläche. Bei alle Dem liefern fie nicht verächtliche Bei⸗
träge zur Geſchichte der Regierungen Georg's II. und Georg's 111. Im I. 1791 wurde W. noch
durch den Tod feines Neffen Graf von Oxford; er ftarb 2. März, 1797. Bet. Warburton,
„Memoirs of H. W. and his contemporaries’‘ (2 Bbe., Zond. 1851).
Walpole (Spencer Soratio), ein Führer ber confervativen Partei in England, ſtammt von
Horatio, Lord Walpole von Wolterton, Bruder des Sir Robert W. deffen Sohn Horatio nach
dem Erlofchen der ältern Linie 1806 ben Titel eined Grafen von Orford erhielt, der jept von
feinem Enkel Horatio W. (geb. 14. Juni 1783) geführt wird. Spencer wurbe 11. Sept. 1806
als der zweite Sohn Thomas W.'s auf Stagbury Park in Surrey aus befien Ehe mit Lady
Margaret Perceval, Tochter des Grafen von Egmont, geboren. Er fiudirte m Eton und Cam ⸗
bridge, wo er fich durch mehre Preisfchriften ausgeichuete, wurde 1831 Barrifter und widmete fi
mit Erfolg der Rechtspraxis. Im 3.1835 heiratheteer feine Couſine, Iſabelle, die jüngfle Tochter
des verſtorbenen Premierminiſters Spencer Perceval, wodurch er mit ben Tories, denen er fchon
durch feine Geburt angehörte, in noch engere Verbindung kam. Der Einfiufi des Grafen Eg⸗
ment brachte ibn 1846 als Vertreter des Fledens Mibhurft ind Parlament. Weniger durch
eigene Begabung als in Kolge feiner Connexionen und des gänzlichen Mangels an talentvollen
Führern, der die Wirkſamkeit ber an Zahl mächtigen Protectiontftenpartei lihmte, wurde e#
ihm möglich, eine bebeutende Rolle zu fpielen. Mit gründlichen Kermtniffen auf juriſtiſchen,,
noch mehr aber auf theologifchem Gebiet ausgerüftet und ein nicht ungewandter Nebner, fand
er namentlich in der Debatte über bie Geiſtliche⸗Titelbill 1851 Gelegenheit, ſich Geltung zu
verſchaffen, indem er dem Widerfireben bes Whigminifteriums zum Trotz bie Verſchärfung der
gegen die Bath. Geifllichkeit verhängten Maßregeln burchfegte. Als daher im Febr. 1852 ein
protestioniftifches Miniflerium unser bene Borfig Lord Derby's zu Stande kam, wurde auch W.
als Staatöferzetär des Innern ins Babiner berufen. Die Verwaltung biefed Amts, welches er
gan, uneorbereitet übernahm, trug keineswegs bazu bei, feinen Ruf zu erhöhen, und feine poll.
tifche Unerfahrenheit trat mehr ale ein mal in ziemlich auffallender Weite bean, Viele Heiter
68 ° Balpurga Walroß
keit erregte unter Anderm bei ben Verhandlungen über die Milizbill der von ihm ohne Rück
ſprache mit feinen Eollegen gemachte VBorfchlag, allen zur Landwehr einberufenen Perfonen das
Wahlrecht zu ertheilen, den ber Premierminifter augenbidtich mit großer Entrüftung bes.
avouirte. Mit dem Sturze des Torgminifteriums im Dec. 1852 zog auch ZB. ſich von feinem
Poſten zurüd. Sein Privarcharakter wird als höchſt achtungswerth gefchildert.
Walpurga oder Walpurgis, die Heilige, war ihren Brüdern, bem heil. Wilibald und Wun⸗
nibald, zur Zeit bes heil. Bonifacius aus ihrem Baterlande England nach Deutfchland gefolgt,
um mit jenen hier für bie Verbreitung des Chriftenthums zu wirken. Wilibald gründete das
Bisthum Eihftäde um 741, Wunnibald dagegen das unfern davon belegene Klofter Heiden⸗
im um 745, beffen Zeitung nad) feinem um 763 erfolgten Tode Walpurga als erfie Abtiffin
übernahm und bis an ihr eigenes Kebensende fortführte. Ihre Gebeine, aus denen fchon nach
ber älteften Biographie ein wunderbares beilkräftiges DI floß, wurden um die Mitte des 9. Jahrh.
nach Eichſtädt übertragen, wo man ihr zu Ehren ein eigenes Kloſter erbaute. Jene Lebensbe ⸗
fchreibung war gegen Ende bes 9. Jahrh. von einem Mönche Wolfhart im Klofter Hafenried
verfaßt worden und enthält, wie alle fpätern, Tebiglich auf ihr fußenden Legenden, nur eine
Menge Wunbererzählungen gewöhnlichen Schlag. Eigenthümlichere Bedeutung hat etwa nur
ber Zug, daß W. von biffigen Hunden nicht beläftige worden fei und deshalb gegen ſolche und
gegen andere reißende Thiere angerufen werde. Der Eultus WB.’ gewann eine fehr große Ver⸗
breitung. Durch ganz Deutfchland, ja fogar in Frankreich, ven Niederlanden und England
wurden ihr Kiechen und Kapellen geweiht, Reliquien von ihr gezeigt und Fefte zu ihrem Anden-
ten gefeiert. Warum aber gerade ihr Hauptfeft, ihre Heiligfprechung auf den erften Mai ver-
legt worden fei, wird nicht berichtet. Der Tag war einer der hehrften des ganzen Heidenthums
geweſen; es war bie Zeit eines großen Opferfeftes und der alten Maiverfammlungen bes Volkes.
Noch Jahrhunderte ang wurden am 1. Mai vorzugsweife die ungebotenen Gerichte gehalten,
auf biefen Tag fiel das fröhliche Maireiten und das Anzünden des heiligen Matfeuers. Als
demnach die alten heibnifchen Götter durch die chriftlichen Bekehrer waren völlig zu Teufeln
berabgedrüdt worden, und als der Herenglaube in Schwang gekommen war, erlangte natürlich
die Walpurgisnacht eine berüchtigte Bedeutung, indem man in der Nacht vom 50. April zum
1. Mai die Heren auf Beſen und Böden nach ben alten Opfer- und Gerichts ſtätten fahren ließ,
um dort mit ihrem Meifter, dem Teufel, fich zu eriufligen. Solche Hepenberge gab ed deshalb
auch ziemlich zahlreich in Deutfchland und den benachbarten Rändern. Am bekannteften aber
ift in Diefem Sinne, nachweisbar feit dem 15. Jahrh., die höchſte Spige des Darzes, ber Broden
(f.d.), Brocks⸗ oder Blocksberg geworden. Und wenn man ferner in heibnifcher Zeit an böfe
Beifter geglaubt Hatte, welche ben grünenden Saaten und den blühenden Bäumen ſchaden fonn-
ten, fo 309 man jept in chriftlicher Zeit während der Walpurgisnacht mit Büchfen aus, ſchoß
über die Ader, fehlug an die Bäume, Enallte mit Peitfcgen, lief mit brennenden Strohwiſchen
um und gab bem Viehe gauberbrechendes Futter, um bie vermeinten ſchädlichen Wirkungen ber
Hexen zu vereiteln.
Walrath oder Bpermaceti heißt eine fettartige Subſtanz, welche beim Potfiſch oder Kar
ſchelot (f. b.) die ungewöhnlich weite Schädelhöhle erfüllt. Beim lebenden Thiere hat bie Sub⸗
ftany die Beſchaffenheit eines gelblichen DIS, und fie findet fich in folder Drenge vor, daß man
Fäffer damit anfüllen kann. Der frifche Walrath wird durch mehrmaliges Filtriren, Maceri⸗
ren und Umſchmelzen in eine fpröde, fettig anzufühlende Maffe von füßlidem Geſchmack und
eigenthümlichem Geruch (Eetin) verwandelt. Man gebraucht biefelbe zur Bereitung von Pfla-
ftern und Salben, Schminke und Lippenpomabe, beſonders aber zur Berfertigung von Lichtern,
die hön hell und geruchlos brennen.
Walroß (Trichechus), eine Gattung von Gäugethieren aus ber Familie der Robben. Man
Bennt nur eine Art: das gemeine Walroß (Tr. Rosmarus), welches in feiner Geſtalt den übrie
gen Robben gleicht, jedoch durch feine bis 2. F. langen und 15 Pf. ſchweren Eckzähne und die
ftumpfen, breitfronigen Badenzähne genügend ſich unterfcheibet. Die aufgefchwollmeOberlippe
ift mit einem borftigen Barte bebedit. Dem Unterkiefer fehlen Vorder und Edzähne. Das
Walroß erreicht eine Länge von 20 F., mißt an der Bruft 10 — 12 $. im Umfange und befteht
felbft mit Eisbären fiegreihe Kämpfe. Seetange und Seethtere nieberer Urt dienen ihm zur
Nahrung. Häufig Tagern Hunderte von Walroſſen aufden Strande und auf ſchwimmenden Eis⸗
feldern, ihrem legten Zufluchtsorte vor ben Berfolgungen der Walfifchfänger, die ihnen wegen
ihres feinen Thrans, ihrer dicken Haut und ihrer Stoßzähne eifrig nachflellen. Letztere find
durchaus maſſiv, Härter als Eifenbein, vergilben nicht und taugen Beffer als jenes zu manchen
Bealingdem Balter 08
techniſchen Zwecken. Die Jagd ift übrigens nicht ohne Gefahr, da bie Walroſſe einander nr»
thig beiftehen, die Bote umzuwerfen ober zu zertrümmern fischen und weder Kugeln noch Lau⸗
aenfpigen leicht in ihre harte, dicke Haut einbringen.
Balfingham (Sir Francis), berühmter engl. Staatsmann unter der Königin Eiifaberh,
war ber füngere Sohn einer alten Familie und wurde 1536 zu Chiſelhurſt in der Graffchaft
Kent geboren. Nachdem er zu Cambridge ſtudirt, bereifte er die Länder Europas und kehrte
nach der Thronbefteigung Eliſabeth's nach England zurüd. Alsbald mußte er ſich die Gunſt
des Staatöfeeretärd Cecil zu erwerben, der ihn in Angelegenheiten bes Proteflantiemus nad
Frankreich ſchickte. Im Aug. 1570 erhielt er eine Sendung an den Hof zu Paris, um über bie
Bermählung Eliſabeth's mit dem Herzog von Alenson, dem Bruder Karl's IX., zu unterhan-
dein. Er benahm ſich hierbei fo geſchickt, daß er feine Stellung behalten durfte. Beil ihn: je-
doch fein Hof nicht die Hinlänglichen Mittel gewährte und er in Schulden verfant, trug er 1573
ſelbſt auf feine Zurudberufung an. Eliſabeth belohnte ihn mit der Ernennung zum Staats⸗
ferretär, Geh. Rath und Ritter. Im 3. 1578 ſchickte ihn die Königin nach den Niederlanden,
wo er gegen ben fpan. Hof bie Union von Utrecht zu Stande brachte. Hierauf übernahm er
1581 eine dritte Sendung nad) Frankreich, die angeblich den Abſchluß des Heirathevertragd
zwifchen Elifabeth und Alençgon zum Zweck hatte. Wie franz. Schriftfteller behaupten, wünfchte
Elifaberh eifrig diefe Verbindung, welche W. im Verein mit Leicefter und andern engl. Großen
insgeheim zu hintertreiben wußte. Als 1583 ber junge Jakob VI. von Schottland, der Sohn
der unglücklichen Maria Stuart, das Staatsruber ergriffen, ging W. nach Schottland, um an-
feheinend dem Könige kluge Rathfchläge zu ertheilen. In der That aber verfuchte er burch Geld
und Verfprechungen das engl. Interefie zu wahren, was ihm jedoch trop aller Lift und Anſtren⸗
gung wenig gelang. Als dem verfchlagenften und treueften ihrer Räche übertrug ihm bie Köni⸗
gin vorzugsmeife die geheimen Verhandlungen, die Spionerei und das Polizeivefen. W. un
terhielt an allen fremden Höfen Agenten und Spione und überwachte auch in biefer Weiſe bie
engl. Katholiken, die er ald geheimer Puritaner fehr bedrückte und oft durch die unwürdigſten
Kunfigriffe verfolgte. Auch auf das Schickſal der Maria Stuart (f.d.) übte er einen verhäng-
nißvollen Einfluß. Ex entbedite durch feine Kundſchafter die das Leben Eliſabeth's bedrohende
Verſchwörung Babington’s, in welche er die gefangene Maria zu verwideln wußte. Auf feinen
Math wurde zwar von Elifaberh der Vorſchlag Leiceſter's, die fchott. Königin durch Gift aus
dem Wege zu räumen, verworfen, dagegen aber Marin vor ein Gericht geftellt, das fie zum
ode verurtheilte. W. brachte in dem Proceffe Briefe gegen die Unglückliche vor, bie er mit
einigen gewonnenen Geſchworenen felbft fabricirt Haben fol. Nach Maria's Hinrichtung wurde
er zum Kanzler von Rancafter erhoben. Als Philipp II. 1588 feine furchtbare Armada gegen
England ausrüftete, wußte W. durch feine Spione und Intriguen das Auslaufen der fpan.
Erpedition um ein ganzes Jahr aufzuhalten. Seiner Anficht nach follte Elifaberh gegen Spa⸗
nien kühn die Dffenfive ergreifen, was diefelbe jedoch unterließ. W. flarb, in hoher Gunft bei
ber Königin, 6. April 1590 in feinem Landhaufe zu Seething-Lane. Er war fo arm, daß ihn
feine Freunde begraben Iaffen mußten. Seine einzige Tochter war erft mit Sir Philipp Sid⸗
ney, dann mit dem Grafen von Eſſer, endlich mit dem Grafen von Clanricarde vermäßlt.
W. machte ſich fehr verdient um den Aufſchwung Englands zur See und betrieb namentlich
bie erften Eolonifationsverfuche auf der nordamerik. Küfte. Seine Verhandlungen unbBriefe,
welche er während der Geſandtſchaft in Frankreich fchrieb, gab Sir Dudley Digges unter dem
Titel „The complete ambassador etc.” (1655), dann Bouleſteis de Ia Eontie in einer franz.
Überfegung (Amſt. 1700) heraus. Die früher viel benugten und oft gebrudten „Arcana au-
lica” werden ihm ebenfalls, doch nicht mit Gewißheit zugefchrieben.
Walter (Ferdinand), ausgezeichneter beutfcher Nechtslehrer, geb. 30. Nov. 1794 zu Wetz⸗
lar, befuchte anfangs die nach der damaligen franz. Weiſe eingerichtete Lehranftalt zu Köln, wo
er fih befonder6 mit Mathematik und Raturmiffenfchaften befchäftigte. Bon der allgemeinen
Begeifterung für Deutfchland ergriffen, nahm er 1813 in einem Doniſchen Kofaddenregimente
Theil an dem Kampfe gegen Franfreich. Hierauf ging er im Herbſte 1844 nach Heidelberg,
um dort fich der Nechtswiſſenſchaft zu widmen. Nachdem er hier 1818 als Doctor ber Rechte
promevirt und kaum wenige Monate Privatbocent geweien war, erhielt er eine orbentliche Pro⸗
feffur an der neugeftifteten Univerfität zu Bonn, we er feitdem Kirchenrecht, röm. Rechts⸗
gefchichte, ber er durch Niebuhr’s Schriften und perfünliche Anregung zugeführt wurbe, deut⸗
ſches Privatrecht und deutſche Rechtögefchichte mit bem glänzendften, durch die Klarheit und
Eleganz feines Vortrags bedingten Erfolge lehrt. Als Abgeordneter der preuf. Rational
70 Baltber von der Bogelweide
verfammlung von 1848 trat W. entfchieben wuf bie Seite ber Krone. Ju ben J. 1849 und
4850 war er ald Mitglied ber erfien Kammer im Sinne der gemäßigten conſervativen Bichtung
vielfach theils auf der Tribune, theild in ben Gommiffionen und als Referent thätig. WB.s
Hauptwerte find das „Lehrbuch des Kirchenrecht” (Bonn 1822; 11. Aufl., 18654), die „Ge⸗
fehichte des rom. Rechts bis auf Juſtinian“ (Bonn 1840; 2. Aufl, 2 Bbe., 1845—46), das
„Corpus juris Germanici antiqui” (3 Bbe., Berl. 1824), die „Deutfche Nechtögeichichte”
(Borm 1853) und „Syſtem bes gemeinen beutfchen Privatrecht#” (Bonn 1864). Einen eu⸗
top. Ruf erlangte W. befonders durch fein „Lehrbuch des Kirchenrechts“, das ins Franzöſiſche
(Par. 1840), Stalienifche (1846) und ins Spanifche (2. Aufl., Madr. 1852) überfegt wurde
W. hat in demfelben die weientlichen Grundfäge des kanoniſchen Syſtems richtiger aufgefaft
als alle deutfchen Kanoniften der Neuzeit, wie denn auch feine Werdienfte um Wiederbelebung
ber rom. Anſchauungen in Deutichland 1836 vom Papft Gregor XVI. durch Verleihung des
Gregoriusorbene anerfannt wurden.
Walther von der Bogelweide, der größte und gefeiertfie unter ben mittelhochdeutſchen
Lyrikern, war zwifchen 1165 und 4170 in Franken ober in Oſtreich geboren. Zwar adeli⸗
gen Geſchlechts, aber unbegütert, lernte er „fingen und fagen” in Ditreich, mo ber ältere
Reinmar (f. d.) ihm Meifter und Mufter wurde. Er mag zu dichten angefangen haben
um 1187 und gewann bald in dem fungen babenbergifchen Herzoge Friedrich dem Ka⸗
tholiichen zu Wien feinen erfien umd höchſt wohlwollenden fürftlihen Gönner. Als bie-
fer aber kurz darauf 24jährig auf einem Kreuzzuge flarb, begann W. gegen Ende des 3.1198,
die Höfe der Könige und Fürften auffuchend, ein langfähriges Wanderleben, welches ihn faſt
durch gang Deutſchland und vielleicht fogar über deſſen Grenzen hinausführte. Bien ungern
verlaffend, wandte er fich zunächft zu König Philipp, den er auch 1199 zum Weihnachtöfefte
nach Magdeburg begleitete; aber im Mai 1200 fiheint er wieder in Bien geweſen zu fein bei
der Schwertleite Derzog Leopold's VII, des GBlorreichen, ber Friedrich's Bruder und Rachfolger
war. Nochmals verweilte WB. in Philipp’s Nähe, als diefer im Jan. 1205 zum zweiten male in
Aachen gekrönt wurde, verließ ihn jedoch bald für immer, weil er unlünigliche Kargheit an ihm
zu rügen fand. Run begab er ſich an den Hof des gepriefenen Dichterfreundes, des thüring.
Landgrafen Hermann zu Eiſenach. Dort verweilte er {echt Jahre, bis der Landgraf fi) im
Sommer 1211 von König Otto IV. abmendete und nach Vorfchrift des Papftes mit einigen
andern Fürften die Wahl König Friedrich's IL. zu fördern fuchte. In Folge defien ging W.
wahrfcheinlich zu dem Markgrafen Dietrich von Meißen und fiheint in den 3. 1214
und 1215 wiederholt in der Umgebung König Otto's geweilt zu haben, ber ihn gleichfalls Durch
Kargheit abſtieß. Endlich 1216 eröffnete ihm ein neuer beabfüchtigter Parteiwechfel bed Land-
grafen Hermann die Rückkehr nad Eifenach; doch Hermann flarb bald, und fein Nachfolger,
der überfromme Ludwig, war nicht ber Dann, bei dem W. fich wohl fühlen fonnte. Da nun
Herzog Leopold von Oftreich, auf den er gehofft Hatte, eben einen Kreuzzug unternahm, fcheint
W. die nächften Jahre (1217—19) bei Herzog Bernhard in Kärnten verbracht, aber am Hofe
bafelbft Widerwärtigkeit erfahren zu haben. Won Leopold ward er nach deffen Heimkehr zwar
freundlich empfangen (1219), übermwarf fich aber bald mit ihm aus unbefannten Urfachen und
erhielt num endlich (1220) von Friedrich II. ein befcheibenes Lehn zu Würzburg. Geflor-
ben ift ex wahrfcheinlich zu Anfange bes 3. 1228, nachdem er mehr als 40 J. gedichte hatte.
In einer Handfchrift des 14. Jahrh. ift feine Grabfchrift erhalten, umd lange hat man im
Lorenzgarten des neuen Münfters zu Würzburg unter einem Baume feinen Grabflein gezeigt.
Ein neues Denkmal iſt ihm zu Würgburg 1843 gefegt worden. Seinen Meifter Reinmar, den er
etwa um zwei Kahrzehnde überlebte, hat W. ſowol in Beziehung auf Gehalt als auf Form fei-
ner Dichtung bei weitem übertroffen, während hinter der Fülle und Vielgeftaltigkeft feines Gei-
les alle übrigen Minnefänger zurüdtehen müffen. Denn feiner reichen Empfindung und ſei⸗
ner gediegenen Kunft maren alle Töne gerecht : Zartheit und Innigkeit wie Deiterkeit und Much»
wiße, tiefer Ernſt wie fchalkhafter fpielender Scherz und in gewandter Veredelung der Volks⸗
ton. Nicht blos befchränkte er fich, wie Neinmer, auf das Minnelieb, fonbern auch in Gotteb-
und Herrendienſt und lehrhaft dichtete er. Richt allein der Berrlichkeit Gottes und ber Heiligen
Jungfrau, oder ber Schönheit der Natur, oder der Vergänglichkeit aller irdifchen Dinge, fon-
dern auch der Ehre und dem Wohle feines Volkes, den Zuftänden und Ereignifſen feiner Zeit
galt fein theilnehmenbes Lied. Da fang er von den Pflichten und Würden des Kaiſers, von den
Dbliegenheiten der Fürſten und Lehnsmannen, von dem Rechte und Unrechte des Papftes gegen
Kokfer und Reich, von der Derzlichkeit der wahren, nicht nach Macht und weltlichen Gute trach⸗
Walther Mhil. Franz von) Walzer 71
tenden Koͤrche und fang oft mit ernfter und ſcharfer Rüge; aber Leb wie Kabel, Liebe wie Haß
gab er nur aus Überzeugung, nie beſtochen durch Gunfl oder Ungunft, freimüthig zwar, aber
fromm und gläubig, ſtets lebendig und eindringlich, aber doch gemäfigt, weil dichteriſch begel»
ſtert und weife zugleich, ein Bann im beften Sinne durch und durch. Zumal fland er aus en
ſchieden vaterlaͤndiſchem Sinne beharrlich zum Neiche und zum Kaifer gegen die Anmafungen
und Übergriffe bes Papſtes und hielt ſelbſt zu ben Hohenſtaufen danm, wenn der Papft ihr Feind
war. Geine in diefem Geifte gebichteten Sprüche hatten eine ebenfo weit als tief eingreifende
Wirkung, machten, nach dem Zeugnifle des gleichzeitigen Thomaſin, Tauſende dem Papfte ab»
wendig und beflimmten bie Parteiſtellung ber deutſchen Dichter für das ganze Jahrhundert fe
enefchieden, daß von da ab Beiner mehr für, wol aber mancher gegen den Papft auftrat. Doc
nirgends, weber in diefen politifchen Sprüden noch in andern lehrhaften Gebichten, verlieh W.
den Boden ber echten Lyrik. Deshalb auch warb er ſchon von ben Zeitgenoſſen, wie namentlich
von Gottfried von Strasburg, ale Meifter der Lyrik anerfannt und noch lange nach feinem Tode
ebenfo aufrichtig beklagt als gepriefen, und bie Sage der fpätern Meifterfingerfchulen verfegte
ihn unter die Zwölf, die zu Kaifer Otto's d. Gr. Zeit die edle Singelunft erfunden und gefliftet
hätten. Bild. Brimm hat mit ebenfo viel Scharffinn ale Gelehrſamkeit zu erweiſen verfucht,
daß WB. auch das unter Freidant’s (f. d.) Namen bekannte Spruchgebicht verfaßt habe. Bon
DB. GBebichten beforgte Lachmann eine meifterhafte kritiſche Ausgabe (Werl. 1827; 5. Aufl,
1855) und Gimrod eine treffliche Überfegumg (mit Erläuterungen von Simrock und Wacker
nagel, 2 Bde., Bert. 1833; 2. Auf, Epz. 1853). Uhland gab eine ſchöne Darſtellung fer
nes Lebens und Dichtens („W. von ber Bogelweide, ein altbeutfcher Dichter”, Stuttg. und
Zub. 1822) und Hornig ein vollftändiges „Glossarium‘ zu feinen Gedichten (Dueblinb. 1844).
Bgl.Reuf, „WB. von der Bogelweide‘ (Würzb. 1843); Daffis, „Zur Lebensgeſchichte W.’s
von der Vogelweibe” (Berl. 1854). |
Balther (Phi. Franz von), ausgezeichneter Wund⸗ und Augenarzt, geb. A. Jan. 1784
zu Bugweiler in Rheinbaiern, ſtuditte in Heidelberg und Landshut, wo er bie mebicinifche Doc⸗
terwürbe erhielt, umd bildete fich dann in Wien und Paris weiter aus. Nach feiner Rückkehr
nach Deutfchlanb wurbe er 1803 zum Medicinalrathe bei der damaligen kurfürſtlichen Landes ⸗
direction in Bamberg und zum Oberwundarzt bes dortigen allgemeinen Krankenhauſes, 1804
aber zum orbentlicden Profeſſor der Medicn an der Univerfität zu Landshut ernannt. Bon
bier aus kam er 1819 als Profeffor der Chirurgie und Director des chirurgifchen Klinikums
an bie Univerfität zu Bonn, worauf er 1830 bie Profefſur der Chirurgie und Aug
nebft den: Directorium des chirurgiſchen und Augenklinikums in München übernahm, welches
(egtere Amt er indeß 1837 nieberlegte. Dom Könige von Baiern zum Wirklichen Beh. Rath
und Leibarzt ernannt, flarb er 29. Dec. 1849 zu München. Bon feinen Schriften, bie faft
fämmtlich unter die claffifchen zu rechnen find, erwähnen wir befonders : „Phyſiologie bes Men⸗
ſchen“ (2 Bbe., Landeh. 18078); „Syſtem der Chirurgie” (A Bde, Berl. und Freiburg
1835 —40; Bd. 1, 2. Aufl, Karls. 1843); „Über die angeborenen Ferthautgefhwätfte”
(Zandsh. 1814); „Reue Heilart des Kropfes” (Sulzb. 1817); „Worträge, gehalten in Fonk's
Criminalproceß“ (Trier 1822); „Uber kliniſche Lehranflalten in fläbtifchen Krankenhäu⸗
fern” (Freiburg 1846). Seit 1820 redigirte er das „Journal für Chirurgie und Augenheil⸗
kunde“ gemeinfchaftlich mit Gräfe, an deffen Stelle feit 1842 Ammon trat.
Walthiere, ſ. Eetaceen.
Walze, ſ. Cylinder.
Walzende Grundftücke nennt man ſolche Grundſtücke, die nicht unbedingt zu einem
Landgute gehören, fondern auch ohne biefed einzeln verkauft werben können; ebenfo gibt es wal⸗
ende Güter, deren Grundſtücke einzeln verkauft oder von ben Erben getheilt werben Tonnen.
Balzer iſt ein Deutfcher Tanz von heiterm, fröhlidem Charakter. Obgleich einfürmig, iſt
er doch nicht ohne Bedeutung; er ſtellt gewiſſermaßen ein fich leicht brehendes vertraute Paar
vor, das ſich zur Fröhlichkeit vereinigt hat. Brüher hatte er eine mäfige, dem beutfhen Ratio»
nalcharakter mehr angemeffene Bewegung und ging bisweilen ins Sehnſüchtig⸗Zaͤrtliche uber.
Seitdem aber ber Wiener Balzer herrfhend wurde, hat er fich zu Frohſinn und Luſtigkeit,
oft auch bis zur bacchantifchen Wuth gefleigert. Die Muſik bat diefe Perisden mit durchlau⸗
fen. Die Muſikſtücke find im %- oder rn Takt gefchrieben. Um die Einförmigfeit berfelben zu
vermeiden, bat man in neuerer Zeit mehre Walzermelodien aufeinander folgen laſſen und fie in
einem Anhange (coda) verbunden. Als Meifter ber Walzereompofition find Strauß, Ranner,
Gungi unb Zabigky zu erwähnen, die bereits mehne glüdliche MRachfolger gefunden haben.
72 Walzwerk R Ban
Walzwerk ift eine Berbindung von zwei aber mehren Walzen in einem beſondern Gerüſte,
worin die Walzen übereinanderliegen.und durch einen befondern Mechanismus einander näher
gebracht oder voneinander entfernt werben Binnen. Die Walzwerke dienen im Allgemeinen da⸗
zu, Körpern eine gewiſſe Form auf eine große Ränge mitzutheilen, und man theilt fie in bie ei-
gentlihen Walz⸗ und Strediwerke, Plättwerke und Prägewerke. Sobald es fi Darum han⸗
delt, ſchmale Körper zu verlängern und in regelmäßigen Formen barzuftellen, bedient man fid
der eigentlichen Walz: und Strediwerke. Auf ſolchen macht man z. B. Stabeifen, Eifenbahn-
ſchienen u. ſ. w, und dann enthalten die Walzen vertiefte Rinnen, welche anfangs nur die zu
gebende Form im Groben haben und auf derfelben Walze nach und nach abnehmen, bis fie das
richtige Kaliber liefern. Die glühende Eifenmaffe wird nach und nach durch alle dieſe Rinnen
gezogen und, indem fie die gehörige Form erhält, zugleich geſtreckt. Die Walzen in den Walz
werten find von Hartguß und genau abgedreht und bis zu zwei Buß im Durchmeffer flark. Die
Plattwerke haben ganz glatte Walzen und dienen dazu, den Körpern auf eine größere Breite
eine volllommen gleiche Dice zu geben, und es wird alfo barauf 3.8. Eifenblech, Meifing-,
Bintblech u. |. w. gemacht. Die Praͤgewerke dienen zu Anfertigung von gemufterten Leiften
und haben eine Mufterwalge, auf welcher die zu gebenden, in fich felbft zurückkehrenden Mufter
erhaben und vertieft gearbeitet find, und eine Unterwalze, welche mit einem bildfamen Stoff,
z. B. Blei ober Leder, überzogen wird und ald Eontrematrize dient, um den Stoff in die Mufter
der Oberwalze mehr einzutreiben. Die Walzwerke in allerlei Mobificationen find in der Tech⸗
nit weit verbreitet, und es gehören babin die Galanberwerke in der Gemwebemanufactur, bie
Glattpreſſe, bie Satinirmafchine, die Drabtplättmafchine für die Lahnfabrikation, die Walz
werke für die Goldarbeiter, die Kniffe oder Tollmafchine für die Wäfchereien u. f. w.
Wan oder Ban, ein türk. Ejalet im füdöftlichen Armenien, gewöhnlich zu Kurdiftan ge
rechnet, hat ein Areal von etwa 600DAM,, ift fehr gebirgig und umfchließt den 77, AM.
großen Wanſee, der bei den Alten Arbifia ober Thospitis, bei den Armeniern See von Tosp
genannt wurde. Er liegt im Welten des Urmiafees, 5124 $. uber dem Meereöfpiegel und
ift wie jener durch feinen Salzgehalt und die Nachbarſchaft hiſtoriſch merkwürdiger Orte aut-
gezeichnet. Etwa drei Viertelftunden von feinem füdöftlichen Ufer liegt die feſte Stadt Wan,
in einer mit vielen Gärten und Landhäufern bebediten Gegend, Sig des Generalgouverneurs
des nördlichen Kurdiſtan, mit 20000 E., die grobe Salicos fertigen und Salzfiedereien unter
halten. Die Stadt hieß bei den alten Urmeniern Ban Zospai, bei den Griechen Thospia oder
Buang, bei den Byzantinern Iban und wird von den jegigen Armenien auch Schamiramakert,
db. h. Bau der Semiramis, genannt. Es fanden fi) nämlich auf dem Dügel, welcher die Kita-
delle trägt, ungeheuere Höhlen und Gewölbe nıit Trümmern von alten Dentmälern und Bild⸗
werten mit vielen Keilinfchriften, welche man ber berühmten Königin Semiramis zuertheilte.
Schon Mofes von Chorene beichrieb fie im 5. Sabrh., und neuerdings (1827) wurden fie von
dem Profeffor Schulz aus Gießen unterfucht. Alle diefe Denkmäler, fowie die Nachrichten des
Mofes von Ehorene und verſchiedene mythiſche Überlieferungen beweifen, daß W. fchon im
graueften Alterthum eine bedeutende Stadt war, die ben affyr. und fpäter den perf. Königen
häufig zum Aufenthaltsort diente. Die Stadt foll ihren jegigen Nanıen vom armen. König
Dan im A. Jahrh. v. Chr. erhalten haben, vom König Zigranes im 1. Jahrh. v. Chr. mit kriege»
gefangenen Juden bevölkert und vom perl. König Sapores in der Mitte des A. Jahrh. m.
Chr. zerftört worden fein, erfcheint aber fpäter, bis 1021, als Mefidenz einer armen. Dy-
naftie im Lande Wasburagan, defin Namen auch noch jept das türk. Sandſchak im Nor⸗
den des Gerd trägt. Sie kam dann unter bie Herrfchaft der Byzantiner, hierauf unter die der
Seldſchuken und Turkomanen, warb 1587 und 1394 von Timur, 1425 vom Zurfomanen Is⸗
Tander erobert und 1533 und 4548 von den Türken durch Gapitulation den Perſern entriſ⸗
fen, welche fie 1636 auf kurze Zeit wieder eroberten. — Am norböftlichen Ufer des Sees
liegt die Stadt Ardſchiſch, mit warmen Mineralquellen und Nußbaumpflanzungen, bei
den Alten Arfiffa genannt, im 10. Jahrh. Sig mohammed. Fürſten, feit 993 im Befig der
Byzantiner, 1071 von den Seldſchuken erobert und fortan die Schidfale der Nachbarftädte
theilend. Beruhmter als alle diefe Orte ift aber in der Kriegégeſchichte Vorderaſiens die am
nordweſtlichen Ufer des Sees gelegene Stadt Achlath, Aklath, auch Chelath oder Khelath,
bei den Byzantinern Ehliat genannt, mit einem feften Schlofje, vielen Ruinen und 10000 €.
Sie war angeblich die Refidenz altarmen. Könige, zählte einft 200000 E. und ftand im 10.
Jahrh. unter arab. Emirn, die fih vom Khalifat freimachten, aber nach 1021 als byzantin.
Bafallen ericheinen. Seit dem 12. Jahrh. war fie Hauptort turlomanifcher, ſeldſchukiſcher und
Bandı Bandern der Handwerker 13
anderer Dynaftien. Nach vielen Belagerungen kam fie endlich Ma3 an die Mongelen und
wurde 1247 duch Erdbeben zerftört. Im 3.1279 und 1292 warb die Stadt von ben Agyp-
ten, 1387 von Timur, 1548 von den Türken unter Soliman erobert, unter welchem fie 1562
das feſte Schloß erhielt.
Wanda, ber nationalen Sage nach die Tochter des poln. oder bohm. Könige Krak, des ver⸗
meintlihen Gründers ber Stadt Krakau, nach Einigen die Schwefter der Libuffa (f. b.), foll
um 700 Polen beherrfcht haben. Sie wird als eine fehr ſchöne und tapfere Heerführerin ge»
f&ildert, Die beftändige Keufchheit gelobt hatte. Als der deutſche Fürft Rytiger um ihre Hand
anhielt und nach Verweigerung berfelben Polen mit Krieg überzog, befiegte fie denfelben zwar,
ftürgte fich aber, ihrem Gelübde getreu und um Polen vor weitern Kriegen zu bewahren, in bie
Weichſel. Noch heute wird ein Hügel, Mogila, unfern Krakau, als ihr Grabmal bezeichnet.
Die Sage iſt wiederholt von poln. Dichtern, auch von Zachar. ZBerner, au poetifchen Darſtel⸗
lungen benugt worden.
Wandelndes Blatt nennt man mehre zu ben laufenden Geradflüglern gehörige Infekten,
die fich durch den Mangel der Springbeine und eine bedeutende Verlängerung des Bruftfchilds
von ben Heuſchrecken unterfiheiden und grünen ober verdorrten Blättern oder Afkchen nicht un«
ähnlich erfcheinen. Manche bedienen fich der ſtets aufrecht getragenen Vorderfüße ale Bang-
werkzeuge, indem fie durch Zufanımenflappen ber Glieder Heinere Inſekten erhaſchen. Sie bil.
den die Familie der Kangheufchreden, unter denen eine ſüdeurop. Art (Mantis religiosa), von
der Stellung der Vorderfüße Bottesanbeterin genannt, am befannteften iſt. Mehr noch recht.
fertigen jenen Namen die Geſpenſtheuſchrecken, bei denen alle Beine Bangbeine find. Unter
diefen Bewohnern wärmerer Dimmelsftriche gleicht insbefondere eine Art (Phyllium citrifo-
lium) bis zur Täuſchung einem Citronenblatte.
Bandern der Haudwerker, Einen auf Erlangung gewiſſer Selbſtändigkeit, allgemei-
ner Bildung, namentlich aber befonderer technifher Geſchicklichkeit berechneten Beſtandtheil
der mittelalterlichen Zunftverfaffung bilder die faft ausnahmslofe Beftimmung, daß jeber Ger
felle, bevor er zur Erwerbung bes Meifterrechts zugelaflen wird, eine beftinunte Zahl von Jah⸗
ren, meift drei, gewandert fein, d. h. fein Handwerk ald Gefelle in andern, befonders für feine
Gewerbe berühmten Orten und Ländern ausgeübt haben fol. Hierüber hat er ſich durch feine
Kundſchaft, eine von dem polizeilichen Wanberbucge wohl zu unterfcheidende, von ber Innung
ausgeftellte und feine Befähigung zum Wandern atteftirende Regitimation, auf welcher die In-
nungen aller der Orte, wo er gearbeitet, folches befcheinigen müffen, auszumeifen. Überall,
wo noch Zunftverfaffung befteht, beſteht auch diefer felbft durch verhältnißmäßig neuere Zunft-
oxdnungen wieder beftätigte Zwang, ja felbft da, wo die eigentlichen Zünfte aufgehoben find,
häufig noch die Sitte. Daß biefer Brauch nicht nur fehr geeignet war, fondern in den meiften
Fällen noch ift, techniſche Fertigkeit, fowie Lebenebildung im Handwerkerftande zu verbreiten,
kann nicht geleugnet werden. Nicht mit Unrecht hat man eine in neuerer Zeit befonders unter
Webern, Strumpfwirkern, Pofamentirern und ähnlichen Handwerkern, bei denen die neuere
Sefeggebung Dispenfationen vom Wandern beſonders erleichtert, bemerkbare Stabilität zum
Theil auf die Abnahme des Wanderns gefchoben. Kerner ift nicht zu leugnen, daß mit der Ab-
nahme des Wanderns die gefährliche Zunahme zu zeitigen Etablirens und Deirathens unter ge
wiſſen Handwerkern parallel geht. Nichtöbeftoweniger hat das Wandern auch feine großen
Schattenfeiten, welche befonders darin beftehen, daß bei zu zeitigem und unvorbereitetem Ans
tritt der Wand erfchaft nicht nur jene Vortheile nicht erreicht werden, fondern Viele in Verwil⸗
derung und Arbeits ſcheu zu Grunde gehen, woran allerdings manche, nicht überall gleiche, un⸗
zwedmäßige Einrichtungen, 3. B. daß der einwandernde Gefelle den Meifter nicht wählen darf,
fondern der Reihe nach vertheilt wird; daß er wieder auswandern muß, wenn er den erfien Mei»
fer verläßt, und mehre dergleichen nach Landesſitte und Zunftartiteln [ehr verfchieden beſchaf⸗
fene Misbräuche ihren Theil haben. Nimmt man dazu, daß die Möglichkeit, ſich auch ohne
andern zum tüchtigen Arbeiter zu bilden, mit ber Berbefferung ber Bildungsmittel zunimmt,
fo wird man es erflärlich finden, daß die neuere Gefeggebung theild das Wandern ganz aufge
hoben, theils Dispenfationen davon fehr erleichtert hat, und daf bie Theorie fich wenigftens
nicht für unbedingte Beibehaltung des Wanderzwangs in feiner alten Korm erklären kann. Vie
lerlei Beſchränkung hat außerdem in neuerer Zeit das Wandern ber Handwerker von poligel-
licher Seite gefunden, weil man, und zwar nicht ohne Grund, die Verführung ber Jungen Hand⸗
werker zur Demagogie und zum Communisuus befürchtete. Beſonders wurde aus dieſem
Grunde von manchen Regierungen bad Wandern in Frankreich und in ber Schweiz verboten.
714 auderunge ber Thiere Wangenheim
Banderungen der Thiere. Nicht ſelten werden manche Thierarten durch Verfiegen ihrer
Rahrungsquelle zur Auswanderung nach futterreichern Gegenden gezwungen. So ziehen, in
Folge ihrer ſtarken Vermehrung an Futter Mangel leidend, alte 10 — 20 Jahre Millionen von
Zemmingen aus dem hohen Norben Skandinaviens der Dftfeeküfte und dem fühlichen Sibirien
zu. Rennthiere fuchen in jedem Winter wärmere Breiten auf. Am gewöhnlichften find ſolche
aljährliche Wanderungen bei Vögeln. (&. Zugvögel.) Nicht felten gibt auch, namentlich bei
niebern Thieren, bie Sorge für die Nachkommenſchaft zum Wandern Beranlaffung. So ziehen
manche Fifche alljährlich, um zu Laichen, in Menge aus dem Meere die Ströme hinauf, 3.8.
die Lachſe und Störe; andere verfammeln fi dazu an gewiffen bevorzugten Küften, wie
bie Heringe; während umgekehrt die Krabben meilenweit ihre Eier dem Meeresufer zutragen.
Wie e6 diefen Thieren möglich wird, nicht nur das Ziel ihrer Reife zu finden, fondern auch in der
Regel die gerabe Richtung dahin nie zu verlieren, kann zur Zeit nicht genügend erflärt werben.
andsbeck, ein Fleden im Herzogthum Holftein, in Stormarn, eine Stunde von Ham⸗
burg, mit 3130 E., einigen Kattundrudereien, Zuchfabriten, Wachöbleichen, einer Bleiweiß⸗
fabrit und dem gräflih Schimmelmann’fchen Schloß, ift insbeſondere als der Aufenthaltsort
bes Dichters Matth. Glaudtus (f. d.) bekannt, der fi Danach ben Wandsbecker Boten nannte
und dem man bier ein Denkmal errichtet hat.
ange (gena) iſt der an der Seite des Untliges befindliche und erhabenfte Theil des Ge⸗
fichts, welcher bem (befonders bei den wilden Menfchenftämmen) ftarf hervorfpringenden Wan⸗
genbeine entfpricht. Zwiſchen den Wangen beider Seiten ift der Tängfte Breiteburchmeffer bes
Geſichts. Die Wange liegt etwas feitlich, abwärts und nad) außen von der Augengegend, über
der Bade, neben ber Nafe. Die Grenze zwifchen der Wangen⸗ und Nafengegend bildet eine
Furche, die fich vom innern Augenwinkel nach außen gegen die Backe herabzieht.
Wangenheim (Karl Aug., Freiherr von), würtemberg. Staatdmann, geb. zu Gotha 14
März; 1773, ſtudirte, Auf dem dortigen Gymnafium gebildet, anfangs Theologie, dann bie
Rechte zu Jena und Erlangen. Er wurde 1795 Affeffor, hierauf Rath in der fachfen-
oburgfaalfeld. Landesregierung, Geh. Affiftenzrath im Minifterium und unter dem diri⸗
girenden Minifter Kretihmann 1803 Wicepräfident in der Landesregierung. Wegen einer
Differenz mit dem Minifter erhielt ex plöglih 1804 feine Entlaffung. Der Reichshof.
tath erkannte zwar auf feine fofortige Wiedereinfegung; allein in Folge der Auflöfung
des Deutfchen Reichs wurde das Erkenntniß nicht vollzogen. W. hielt fi) damals in
Hidburghaufen auf, wo er fih mit Finanzwiſſenſchaft befchäftigte und feine „Beiträge zur
Geſchichte der Organifation der ſachſen⸗ koburg · ſaalfeld. Lande” ( Gotha 1805) ſchrieb.
In Aufträgen des Herzogs von SachſenHildburghauſen wurde er mit dent Könige Friedrich
von Würtemberg bekannt, der ihn 1806 zum Präfidenten des Oberfinanzdepartements ernannte.
Sein Eifer in der Herftellung einer feiten Finanzordnung aber machte ihn unbequem; baher
wurde er im Nov. 1809 zum Präfidenten ber Regierung und nach deren Aufhebung 1811 zum
Präfidenten des Obertribimals und Curator der Univerfirät in Tübingen ernannt. Hier war
der geniale, für Wiffenfchaft und Jugendbildung glühende WB. an feinem Mage. Bei Gelegen-
heit des Verfaſſungsſtreits in Würtemberg fchrieb er einen „Entwurf zur Erneuerung von
Würtembergs alter Randesverfaffung”. Die Schrift misftel bem Könige und den alten Stän-
den; gleichwol und gerade deshalb ernannte ihn der König im Det. 1815 zum Mitgliede der
Verfaſſungscommiſſion, deven Urbeiten jedoch des Könige Tod unterbrad). Der neue König
Wilhelm übertrug ihm 8. Nov. 1816 das Eultusminifterium. Zugleich arbeitete er mit an
dem Werfaffungswerke, vorzüglich an der Ausführung der Gemeinde und Amtskörperſchaften
verfaſſung. Weil er aber nicht mit den Anfichten des Miniftere Malchus übereinftimmte, bat
er um feine Entlaffung, worauf ihn der König 11. Nov. 1817 zu feinem Befandten am Bun-
deötage ernannte. Hier war er in mehren Commiffionen, befonders in der Reclamationdfache,
fehr thätig. Wegen feiner im Militaͤrausſchuſſe gemachten Bemerkungen maß ihm eine ber
Regierungen bundes verfa fſunge widrige Plane bei. Seine bei dieſer Gelegenheit an ben Fürften
Metternich gerichtete freifinnige Vertheibigungsfchrift machte er fpäter durch den Drud bekannt.
Allein bie Stimmung gegen ihn wurde immer herber, und fein Vortrag über bie Beſchwerde
der weftfäl. Domänenverkäufer veranlaßte im Juli 1823 feine Abberufung. Er wurde als
Staatsminifter penſionirt und lebte feitdem in Dresden und in Koburg. Im Dec. 1831 wurde
er zum Deputirten des würtemberg. Oberamts Ehingen in bie zweite Kammer der Abgeord-
neten gewählt, feine Wahl aber 14. Febr. 1833 von der Kammer für ungültig erklärt, weil die
Berfeffungsurfunde bei der Wahl der Abgeordneten beflimme, daß fie im Königreiche ſelbſt
WBangeroge Bgpyen 15
wohnhaft fein müßten. Selbſt ſeine politiihen Gegner konnten in ber heftigen Debatte nicht
feugnen, daß ſich die Kammer eines ebenfo wilrbigen tie intelligenten Charakters hierdurch be⸗
raube. Bot. W.s Schrift: „Die Wahl bes Freiherrn von WB. zum Abgeordneten ber würten»
berg. Ständeverfammlung im April umb Hai 1832 ; nebft einem Anhange über ben Deutſchen
Bund und die Unmöglichkeit moderner Freiſtaaten“ (Tüb. 1832). W. lebte fortan zurüdige-
zogen auf feinem Gute bei Koburg und flarb zu Koburg 19. Juli 1850. Noch in feinen fpdtern
Sahren bewies er lebendiges Intereffe für die Entwickelung der politifchen Verhaltniſſe unb
mußte die Greigniffe eindringend zu beurthellen. Aus feinem Nachlaffe erfchien die Schrift:
„Das Dreikönigsbündniß vom 26. Mai 1849 (herausgeg. von Michaelis, Stuttg. 1851).
Wangeroge, eine zur oldenburg. Herrſchaft Jever gehörende Infel in ber Nordſee, von der
Küfte zwei, von der Mündung ber Weſer vier, von der ber Elbe ſechs M. entfernt, mit einem
Leuchtthurme, iſt feit 1819 feiner Seebabeanftalt wegen befannter gemorden und zählt 400 @.
Die Inſel ift eine Stunde fang, fehr ſchmal, kann in 1 Stunden umgangen werben und bietet
auf allen Selten durch ihren feften, fi) fanft Ind Meer ſenkenden fandigen Stranb bequeme @e-
legenheit zum Baden, wozu man fich der Babelutfchen bedient. Die Babdegäfte wohnen theils
bei den Einwohnern, theild in dem AO wohnliche Zimmer enthaltenden Logirhauſe, welches
durch einen Garten mit den übrigen Gebäuden der Anſtalt verbunden ifl, unter benen ſich ein
Badebaus mit Sinrichtungen zu warmen und andern Bäbern befindet. Auch find auf den
übrigen Teilen der überall beraften Infel Spaziergänge angelegt. Die Infel leidet Thon längft
Abbruch durch die Meeresfluten und warb namentlich am Ende des 3. 1854 durch einen ge
waltigen Orkan hart mitgenommen. Vgl. Shemnig, „IB. und das Seebad“ (Brem. 1833).
Banzen bilden eine befondere Abrheilung der Halbflügler (Hemiptera) unter ben Infel-
ten. Sie find meift lichtſcheue, räuberifche Thiere: Ihre Mundtheile erfcheinen, wegen ber aus⸗
ſchließlichen Beftimmung zum Saugen von Säften, zu einem flechenden Rüſſel umgebildet,
der in ber Ruhe meift zwifchen die Beine untergefchlagen wird. Die Waſſerwanzen haben kurze,
dide Fühler und find Häufig im Stande, ohne naß zu werben, blitzſchnell auf dem Waſſer hin⸗
laufend ihre Beute zu erhafchen, während manche langſam auf dem Boden der Gewäſſer hin⸗
friechen. Die Landiwanzen zeigen längere, fadenförmige Kühler, laufen gut und geben großen-
cheils einen ekelhaften Geruch von fich, der ſelbſt den von ihnen berührten Begenftänben anhaf-
tt. Während die Schildwanzen fich nur auf Pflanzen aufhalten, von deren Safte fie ſich näh⸗
ten, wird bie Bettwanze (Acanthia lectularia) dem Menſchen ſelbſt, deffen Blut fie faugt, zur
größten Page. Angeblich aus Afien ftammend, hat ſich bies Fleine, braunrothe Thierchen, be
günftigt durch bie früher allgemeine Unreinlichkeit, ungeheuer ausgebreitet und iſt um fo ſchwe⸗
rer auszurotten, als ihm neben feiner ungemeinen Sruchtbarkeit jebe Holzſpalte einen Zufluchte-
ort Darbietet und ſelbſt Iangdauernder Hunger ober heftige Kälte nicht tobrlich wird. Wo nicht
altes Holzwerk jeden Verſuch der Vernichtung unmoͤglich macht, iſt Neinlichkeit, insbefondere
häufiges Waſchen und Scheuern, fowie das forgfame Auffpüren und Vertilgen der Brut, das
beſte Mittel, ſich ihrer zu entledigen. Die vielen Mittel, die man zur Tilgung der Wanzen an-
wendet, bewähren fich gerwohnlich nicht, wenn fie keine giftigen Subſtanzen enthalten, während
andererfeit die wirkſamen Biftmittel, wie z. B. Queckſilber⸗ und Arfenitpräparate, ſchon durch
ihre Verdunſtung zugleich auch ben Menſchen gefährlich werden können. Jedenfalls ift bei dem
Gebrauche ſolcher Mittel, namentlich wenn es Geheimmittel find, die äußerfte Vorficht zu
beobachten. In neuefter Zeit bat man das Kaukaſiſche Inſektenpulver (aus den Blüten ımb
Blättern von Pyreihrum Caucasicum bereitet) gegen Wanzen empfohlen.
Bappen nennt man im Allgemeinen Schilde mit allerlei Figuren verziert und umgeben.
Man bar vielfach geglaubt und felbft in der neuern Zeit behauptet, daß die Wappen ſchon im
hohen Alterthume üblich und gebräuchlich geweſen, wogegen Andere in den Schildzeichen der
Griechen und Römer nur ein Symbol (f. d.) ertennen wollen. Die Frage iſt noch nicht entſchie⸗
den; allein fo viel ficht feſt, daß die Ausbildung der Wappen dem Mittelalter angehört. Das
Vappenweſen fleht mit dem Lehnweſen in engſter Verbindung, beide greifen ineinander und
bildeten fich gleichzeitig aus. Das Recht der Führung eines Wappens wurde urfprünglich ein.
kinen Perfonen ertheilt, welche dadurch befondere Rechte erhielten, erbte fpäter auf die Famille
fort, ging auf das Beſitzthum über und blieb bei biefem. So entflanden nach und nach die Be-
ſhleches und Landeswappen. Die Kreuzglige und das Ritterweſen bildeten die Wappen vom
glich aus, namentlich durch die Wappenſchau, weiche ben Turnieren vorherging. Das Rit
terthum erkennt bie Wappen, aus Schilb und Helm zufammengefegt, als erblich, und bie ein-
wal fir die Ritserfolele angenommene Form blieb für jeden andern Gebrauch, z. B. für Siegel
76 Bapfpenkunde Wappers
u. ſ. w. Die eigentliche Bedeutung der Wappen liegt in ben Gebrauche ſelbſt, indem das Wap⸗
pen Den, ber es führte, als Inhaber ber Rechte des Befiges, Standes u.f. w. bezeichnete, welche
er beanfpruchte, oder welche damit verbunden waren. Die älteften Wappen wurben entweder
von ben durch Geburt dazu Berechtigten willfürlich angenommen, ober durch Verleihung er-
eilt. Diefe Wappen zeichnen fich durch ihre große Einfachheit aus. Später wurde jede will⸗
Bürliche Annahme eines Wappens gefeglich verboten und die Ertheilung beffelben bem Landes
herrn vorbehalten. Mit dem Gebrauche des Wappens war ber Begriff bürgerlicher Ehre eng
verbunden und ber Verluft der legtern hatte die Entziehung des Wappens zur Folge. Die mei-
ſten Schriftfteller über Wappenkunde (f. d.) theilen die Wappen in verfchiedene Claſſen, von
denen die hauptfächlichften: 1) Berfonenwappen, z. B. Zamilien-, Geſchlechts⸗, Gefelfchafts-
wappen, die dann wieder in perfönliche und erbliche zerfallen ; 2) Landeswappen, unter denen
bie Erbfchafts- und Anfpruchewappen eine befondere Rolle fpielen. Erſtere werben oft nad
längft verlorenem Befige fortgeführt, 3. B. das Wappen bes Königreichs Jerufalen ; Iegtere
ſuchen einen zukünftigen Befig zu begründen oder wenigſtens einen Anfpruch darauf zu erhal.
ten. Alle Wappen beftehen aus Haupt⸗ und Nebenftüden. Zu erſtern gehört der Schild mit
allen Figuren, legtere dagegen find theils Unterſcheidungsſtücke, z. B. Helm, Krone, Hut u. ſ. w.,
oder Prachtſtücke, z. B. Schildhalter, Mantel u. f. w.
Wappenkunde, eigentlich eine Abtheilung der Heroldskunſt (f. Gerold) oder Yeraldit
(1.d.), in Frankreich Blason genannt, heißt die Wiſſenſchaft von den Regeln und Rechten
ber Wappen (f. d.), die fi im Mittelalter zuerft durch die Turniere (ſ. d.) wiſſenſchaft⸗
lich ausbildeten. Die Wappenkunde ift, gleich den Turnieren felbft, in Deutfchland ent-
ftanden, weshalb die deutfche Sprache auch faft lauter echt deutfche Kunftworter für diefelbe
befigt. Dagegen läßt ſich nicht leugnen, daß fpäter die Franzofen für die weitere Ausbildung
und Verbreitung der Wappenkunde fehr viel gethan haben, weshalb auch die Engländer in
Folge des franz. Einfluffes faft Tauter franz. Kunftausdrüde befigen. Die Wappenkunſt ift
von ihrer praktiſchen Seite eine Hülfswiſſenſchaft der Jurisprudenz, aber bei weitem wichtiger
für die Gefchichte, der fie manche Aufklärung gewährt. Sie fteht mit der Genealogie (ſ. d.) und
mit der Sphragiftif (f. d.) oder Siegeltunde in engfter Verbindung, indem beide ſich gegen-
feitig aufllären und ergänzen. Die Hauptquellen für die Wappenkunft find Wappen, Sie⸗
gel und Münzen; nächſtdem einzelne Angaben in den Quellenfchriftftellern des Mittelalters,
Denkmäler, 3. B. Grabfteine u. f. w., Lehnsbriefe, Turnierbefchreibungen, alte Familien⸗ und
Stammbücher, Wappenfammlungen u. f.w. In Frankreich wurde die Wappenkunde feit der
Mitte des 17. Jahrh. von Geliot, Palliot und befonders von dem Jefuiten Meneftrier zuerſt
wiffenfchaftlich behandelt. Letzterer war e6, der um 1662 in Lyon Phil. Jak. Spener von neuem
für die Wappenkunde intereffirte, welcher bann in feinem Werke „Insignium theoria“ (1690)
biefe Wiſſenſchaft in Deutfchland zuerſt umfaffend bearbeitete und fo gewiffermaßen ber Vater
derfelben wurde. Unter den nachfolgenden Bearbeiten find Schmeizel („Einleitung in die
Mappenlehre”, Sena 1723), 3. P. Reinhard (1747 und 1778), vor Allen aber Gatterer
in feinem „Abriß der Heraldik” (neuefte Aufl., Gott. 1792) und in der „Praktifchen Heraldik”
(Nürnd. 1791) zu erwähnen. Das vollftändigfte und gründlichfte Handbuch der Wappen⸗
kunde lieferte Bernd (‚Die Hauptſtücke ber Wappenwiſſenſchaft“, 2 Bde, Bonn 1841 — 49);
gründliche Monographien über einzelne Wappen und über die Wappen einzelner Ränder, Staa⸗
ten, Provinzen, Städte u. f. w. find zählreich vorhanden. Vgl. Bernd, „Allgemeine Schrif-
tentunde der gefammten Wappenwiſſenſchaft“ (A Thle. Lpz. 1850—41). Unter den ältern
Wappenbüchern ift Siebmacher's „Großes Wappenbuch“ (6 Thle., nebft 12 Supplementen,
Nürnb. 1772—1806 ; neue Aufl, 1854 fg.) am bekannteſten; von den neuern iſt zu erwähnen
Doſt's „Allgemeines Wappenbuch“ (Görlit 1845 fg.).
Wappers (Guft., Baron), außgezeichneter niederl. Maler, geb. 1803 zu Antwerpen, erhielt
feine erſte Bildung auf der Malerakademie feiner Vaterftadt. Später ſchloß er fi in Paris
ber im Entftehen begriffenen romantifchen Richtung an umd trat dann, nad Belgien zu-
rückgekehrt, als erſter Repräfentant derfelben, bald aber als Stifter einer neuen Schule auf,
welche unter ben jegigen Kunſtſchulen einen der erften Pläge einnimmt. Schon fein erſtes gro-
Seres Werk, eine Scene aus ber Belagerung von Leyden durch die Spanier, erregte, zumal un«
ter der jüngern Generation, allgemeinen Enthuſiasmus. Hier Tab man flatt ber correcten, aber
todten Attituden, ber leblofen Auffaffung der meiften Claſſiciſten, wieder individuelles Leben,
Wahrheit, Charakter und ein warmes Golorit. Was aber W. und die ganze belg. Schule auch
von den franz. Romantikern auf das beſtimmteſte unterfcheibet, ift das ämfige Eingehen auf bie
Baräger Barasdin 77
großen nationalen Borbilder Rubens und van Dyck. Beſonders feit der Revolution von 1830,
welcher 28. mit Eifer anhing, wurde biefer nationale Standpunkt aufs nachdrücklichſte hervorge⸗
hoben. Zwar blieben weder ZB. noch feine Schule frei von künſtleriſchen Verirrungen: phanta⸗
ftifche Willkür und Incorrectheit ber Zeichnung ſchienen einige Zeit die Oberhand gewinnen zu
mollen. Aber bald arbeitete man fich wieder empor zu ben höhern Brundprincipien, und W.
war nicht ber Zegte, welcher zu ber großartigen Diftorienmalerei, bie jegt bie Bewunderung
Europas ausmacht, das Seinige beitrug. Bein Abſchied Karl's I. von feinen Kindern, fein
Karl IX. in der Bartholomäusnacht, feine Anna Boleyn vor der Hinrichtung find Meiſterwerke.
Auch das fhöne Altarbild zu St.-Michael in Löwen fand gerechte Würbigung. Ganz befon-
ders aber wirkte, als Begenftüd von be Keyſer's Schlacht bei Worringen, das grofe Gemälde,
welches den Anfang der brüffeler Septembertage barftellt. Bier zeigte fich der Naturalismus
ber beig. Schule in feiner Kraft und Bielartigkeit wie in feiner Schönheit. Übrigens zeichnet
fih W. umter den belg. Malern weniger durch Farbenpracht und Effect als durch finnvollen
Ernft, Würde und Tiefe aus. Außer einer Anzahl vorzüglicher, Durch Lebenswahrheit, Wärme
und Energie der Auffaffung hervorragender Porträts hat er neuerdings mehre bedeutende Hi⸗
florienbilder und Genreftüde gemalt. Zu erflern gehören: Wilhelm der Schöne auf dem
Sterbebette, ber Dichter Camoens im Elend, die Genoveva, Chriſtoph Columbus ımd bie Ein-
nahme von Rhodus durch bie Türken; zu ben legtern: röm. Mädchen, welche einem Bettler
Almoſen reichen, und der für die Königin Victoria gemalte große dntwerpener Fifcherzug. Seit
1846 zum Sräfidenten des belg. Nationalmufeums ernannt, benugte er bie in feinem wichtigen
Wirkungsfreife gebotene Gelegenheit, vielfeitig anregend und fördernd zu wirken. Doch gab
er diefe Stellung 1853 wieder auf. Im 3.1847 war ZB. vom Könige der Belgier zum Baron
erhoben worben.
WBaräger oder Bäringer, ein normann. Bolt am Baltifchen Meere, welches durch man⸗
nichfache Raubzüge ben fungen Freiftaat von Nomgorod in Rußland beunruhigte und fowol
die flam. als die finn. VBolkerfchaften, welche die nördlichen und bie mittleren Gegenden Ruß⸗
lands bewohnten, mehrfach unterfochte. &o unterwarfen fie die Kriwitſchen, Tſchuden, Weſſen
und Meränen einem Tribut und entriffen den Ruſſen die heutigen Gegenden von Reval, Pe⸗
ter&burg und Archangel. Die Ruffen zogen ſich nach Finnland und Karelen zurüd, verſchmol⸗
zen aber fpäter vollig mit den Warägern, fodaß um die Mitte des 9. Jahrh. der Name Ruffen
und Waräger faft als gleichbedeutend erſcheint. Um diefe Zeit, 862, wurden die. Heerführer dies
ſes warägifch-ruff. Volkes, die Fürften Rurik (f. d.), Sineus und Trumwor, von dem Conföde⸗
rativſtaate Nowgorod, mo bauptfächlich Slawen regierten, aufgefodert, ſich an Die Spige deſſel⸗
ben zu ftellen, und da Rurif den Auftrag annahm, fo gab dies Veranlaffung zu der Gründung
des jegt fo gewaltigen ruff. Reich, an deffen Spige demnach zuerft ein german. Fürſtenge⸗
ſchlecht geftanden hatte. Auch wurden bie Waräger im Anfange vor ben übrigen Völkern des
nowgorod. Staats und vornehmlich vor ben Slawen vielfach ausgezeichnet; da fie indeffen die
bei weiten Pleinere Anzahl des Volkes bildeten, fo behielten ſſaw. Sprache und Sitten bald bie
Oberhand und beide Nationen ſchmolzen völlig ununterfcheibbar in Ein Volk zufammen. Da
das waräg. Reich einen fo guten Fortgang nahm, fo baten auch andere flam. Völker, namentlich
die am Dniepr wohnenden, welche von den Chazaren bebrängt wurden, fich maräg. Fürften zu
Heerführern aus, die dann zugleich, die Regentfchaft übernahmen. &o finden wir fur, nad
Nurik's Begründung des flam.-ruff. Geſammtſtaats von Großnowgorod einen zweiten ſlaw.⸗
ruff.-Conföderativftaat in Kiew, den der Chazarenbeſieger Oskold, ein waräg. Fürft, der Stief-
ſohn Rurif's, gegründet hatte. Bereits unter Rurik's nächſtem Nachfolger, dem Präftigen
Dieg, ber ald Vormund feines Neffen Igor regierte, fand die Bereinigung beider Tlaw.-ruff.
Reiche flatt. Die Stadt Kiew wurde damals zur Reſidenz des gefammten Staats erhoben, wel
ches fie blieb, bie fpäter jene Zarenfladt an der Moskwa ihre Stelle einnahm. Vgl. Krufe,
„Chronicon Nortmannorum” (Dorp. 1850).
Warasdin oder Barasdin, ein Comitat des öſtr. Königreichs Kroatien, wurde 1849 aus
dem frübern Comitat diefes Namens und der Murinfel des ungar. Eomitats Szalad gebildet
und auf 46% DM. mit 204624 €. (1851) in vier Bezirken oder Bicegefpanfchaften und
eif Gerichtsorten, dagegen nad, der 1854 veröffentlichten Eintheilung des Kronlandes, bei
reicher bie Geſpanſchaft Kreuz einging und mit W. größern Theils vereinigt wurde, auf
60QM. mit 259594 E. in 13 Bezirken angegeben. Das Land wird in Nordweſten durch
das Magelgebirge von Steiermark getrennt und im Innern von dem Warasdiner Gebirge
durchzogen, weiches füboflwärts nach Slawonien (f. d.) übertritt. Im Übrigen iſt es eben von
18 Barbed
ber Drau und Mur betoäffert, reich an Betreide, Taback, Wein, Obft, Suchtvich, Wild, Fiſchen,
hat auch Gold, Schwefel und mehre warme Bäder. Bon befonberer Fruchtbarkeit und ergiebig
an fehr gutem Taback ift die 16’, DM. große Wintan, Murinſel ober Muraksz, eigentlich ber
unterfte Theil ber von der Drau und Mur eingefchloffenen Halbinſel. Der Hauptort bed Co⸗
mitats, Warasdin, rechts an der Drau, über welche bier eine Lange Holzbrücke führt, ift eine
königl. Freiftadt, Sig eines Landesgerichts erfter Claſſe und zählt 5000 E. Un der Sübfeite der
Stadt befinden ſich Schanzen und Feflungswerke, an einem Ende berfelben ein altes feftes
Schloß. W. bat neun kath. Kirchen, brei Ktöfter, eine Synagoge. Andere bemerkenswerthe
Bebäube find das fehr fchöne Comitatshaus, das Rathhaus, das ehemalige Paulinerkloſter, bie
Gebäude des agramer Erzbiſchofs und Kapitels, außer welchen auch das Eollegiatcapitel von
Chasma bier feinen Sig hat. Die Stadt befigt ein kath. Symnaflum, zwei andere Schulen, ein
philharmoniſches Inſtitut, betreibt Geidencultur, Effigfieberei, Tabackefabrikation und einigen
andel. Andere Orte bes jegigen Comitats find der Marktfleden Toplika, drei Stunden ſuͤd⸗
öſtlich von W., ampbitheatralifch in einem freundlichen Thale gelegen, mit 1000 €. und einem
altberühmten Schwefelbad, deffen Bares, falzigfchmedendes Wafler 45 — 47 R. hält und das,
fon den Römern bekannt und von Kaifer Konftantin I. erneuert, Thermae Constantinianae
genannt wurde. Verſchieden bavon ift das warıne Bad Teplitz im Südmweften von W., unweit
ber Freiftadt Krapina an ber Krapnicza, mit 900 E. und den Ruinen der alten Burg Kraping,
an welche ſich die älteften Sagen des Landes knüpfen und auf welcher die Könige Ludwig b. Er.
und Matthias Corvinus zuweilen refidirten. Ferner die Stadt Cſakathurn oder Tſchaka⸗
tBurn auf ber Murinfel, mit 1800 E., einem alten Schloß, deffen Altbau Wohnort des be
rühmten Band Niklas Zrinyi war; Die Freiſtadt Kreuz, ungar. Körös Vasarhely, [lam.
Krisevarz, bisher Hauptort eines eigenen Comitats, Sig eines griech.-unirten Bifchofs, Dom-
capitel® und Seminars, mit 3500 €., und die Freiftadt Kopreintg oder Kaproncza am gleich-
namigen Zluffe, mit ftarfen Mauern, einem feflen Schloffe und 5700 €.
Warbeck (Berlin, d. i. Peterchen), ein angeblicher Sohn Eduard’s IV. (f. d.) von England,
ber gegen Heinrich VII. (f. d.) ald engl. Kronprätendent auftrat. Nach denjenigen Schriftfid«
lern, welche im Intereffe des Haufes Tudor fchrieben, foll er der Sohn eines getauften Juden
aus Tournay gewefen fein, der fih zur Zeit Eduard's IV. zu London aufbielt. Einige halten
Perkin fogar für einen natürlichen Sohn König Eduard’s. Nach einigen Jahren Tehrte, wie
erzählt wird, ber Knabe mit feinen Altern nach Tournay zurüd, kam aber nach deven frühzei⸗
tigem Tode zu einem Verwandten nach Antwerpen. Hier fiel Perkin, der ein glängendes
feres und fprechende Ahnlichkeit mit Eduard IV. beſaß, einem Agenten der Herzogin Mar⸗
rethe von Burgund, ber Schiwefter Eduard's IV., in die Hände, die ihn aus Haß gegen bie
Dynalie Tudor (f. d.) in die Rolle eines Prätendenten einweihte. Perkin mußte zuvorbderft
nach Portugal reifen, um fich dort vornehmes Weſen anzueignen. Nach Ausbruch des Kriege
zwifchen Karl VII. von Frankreich und Heinrich VII. rief ihn die Herzogin 1492 zurüd und
erflärte ihn feierlich für ihren Neffen, indem fie behauptete, bie Söhne Eduard's wären von
Richard IIL. (f. d.) nicht ermordet, ſondern nur verborgen worden. Perfin ging noch 1492
unter dem Titel eines Herzogs von York nach Irland, wo ihm fogleich viele Wisvergnügte zu-
fielen. Desgleichen rief ihn der König von Frankreich an feinen Hof und bezeugte ihm die Eh⸗
ren eines engl. Thronerben. Nach dem Friebensichluffe, der im Rov. 1492 zwiſchen Frank⸗
reich und England erfolgte, mußte jedoch Perfin nach Burgund zurückkehren, wo er ald Prinz
und engl. Thronerbe behandelt wurbe. Das Volt, auch viele Große in England waren von der
königl. Abkunft Perkin’s überzeugt. Heinrich VII. ließ die noch lebenden Mörder der Söhne
Eduard's, Tyrrel und Dighton, feharf verhören und machte das Refultat befannt; aber der
Priefter, ber allein die Begräbnißftelle der ermorbeten Prinzen im Tower gekannt haben fellte,
war geftorben, und deshalb blieb bie Sache immer noch zweifelhaft. Um bie engl. Größen,
welche mit Perkin in Verbindung ftanden, zu ſchrecken, lief der König mehre als Hochverräther
verurtheilen und hinrichten. Nach Irland, wo Perkin befonders viele Anhänger zählte, ſchickte
Heinrich ein ſtarkes Truppencorps. Als Perkin durch ſolche Anftalten feine Sache bedroht ſah,
rüftete ex im Juli 1495 ein Corps von 600 Abenteurern und fiel an der Küfte von Kent ein,
mußte aber mit Verluft vieler Begleiter nach Flandern zurückkehren. Er machte hierauf einen
Verſuch in Irland, ber ebenfalls mißlang, und ging fodann nad) Schottland. Bon Maximilian I.
und Karl VIII: empfohlen, fand er hier bei Jakob IV., dem Feinde Heinrich's VII., bie beſte Auf⸗
nahme. Jakob gab ihm fogar die Tochter des Grafen von Huntley, die fchöne Katharina Bor
bon, eine Verwandte ber Stuarts, zur Gemahlin, Außerdem fiel Jakob im Verein mit Perkin
Wactburg Barburton 19
im Herbft 1495 in England ein und wiederholte ben Zug auch im folgenden Jahre. Weil
iedoch die Schotten in England Feine Unterflügung fanden, trat Jakob mit Heinrich VIL in
Friedensunterhandlungen, die Perkin's Entfernumg aus Schottland zur Folge hatten. Perkin
wendete ſich mit feiner Gemahlin und Gefolge nach Irland, von wo aus er, einen Aufftand im
Sornmallis benugend, mit 120 Mann im Sept. 1498 an der Küfte von hitefand-Bay lan.
dete. Er nahm ben Kitel Richard IV. an, erhielt Zulauf von mehr ale 3000 Bauern und mar-
ichirte auf Ereter, das hm jedoch bie Thore verfchloß. Bei der Annäherung der Fönigl. Trup⸗
pen zog er fi nach Taumton zurüd und wollte hier feine Sache bis zum Tobe verteidigen.
Allein er felbft verlor zuerſt ben Muth mb floh In der Nacht nach dem Kiofter Beaulien, wo er
nad) der Sitte der Zeit eine Freiftätte fand. Der König begnadigte bie Rebellen bis auf wenige,
bemädhtigte fich aber Perkin's ſchwangerer Gemahlin, die bei Hofe gut gehalten wurde. Da
Heinrich daB geiftliche Aſyl nicht zu verlegen wagte, trat er mit Perfin in Unterhandlung, ber
ſich endlich ſelbſt auöfieferte. Man führte ihn Durch die Strafen von London und warf ihn in
den Tower. Nach Verlauf eined Jahres entfloh Perkin und eilte nach ber Küfte von Kent, um
ich einzufchiffen. Da er fi aber verfolgt ſah, ſuchte und fand er Schug in dem Ktofter Shyne.
Der Prior Tieferte ihn erft aus, nachdem ihm das Leben des Unglüdlichen verſprochen worden.
Heinrich VIT. ließ jegt bein Prätendenten einen ganzen Tag hindurch erft im Hofe von Weſt⸗
minfter, dann unter dem Kreuze von Cheapfide ausſtellen und in bem Tower in engen Gewahr⸗
fam bringen. Doc fand Perkin, wahrſcheinlich auf des Königs Anfliften, Gelegenheit, mit
dem als rechtmäßigen Thronerben gefangen gehaltenen Brafen von Warwick (f.b.), bem Bohne
des Herzogs von Elarence, in Verbindung zu freten, mit bem ex eine gemeinfame Flucht verab-
redete. Heinrich benugte dieſes Gomplot, um fich Beider zu entledigen. Er ließ 1799 Perfin
ohne Umftände an den Galgen fnüpfen, Warwick aber als einen königl. Sprößling kurz baranf
enthaupten. Vgl. Rey, „Essais historiques et eritiques sar Richard MI” (Bar. 1818), ber
die Rechtmäßigkeit Perkin's zu beweiſen fucht.
Barburg, Kreisftadt im Regierungsbezirk Minden der preuß. Provinz Weſtfalen, an der
Diemel gelegen und an der wetfäl. Eifenbahn, ehemals eine Reichsftabt, dann zum Bisthum
Paderborn gehörig und Hanfeftadt, theilt fich in die Alt- und Neuftadt und hat 3870 E. bie
Zabadt- und Reinwandfabrikation, Getreide, Vieh⸗ und Eifenhandel treiben. Die Stadt hat
zwei Kirchen, ein kath. Progymnaſium und eine Kapelle zum Heil. Erasmus, zu beffen Gebei⸗
nen häufig gemallfahrtet wird. Zu WB. fand in Giebenjährigen Kriege 31. Juli 1760 ein ber
deutendes Gefecht zwifchen dem Herzog Kerbinand von Braunfchweig und bem franz. Generaf
Muy flatt, in welchem Letzterer geſchlagen wurde. Die Franzofen, etwa 30600 Mann ſtark,
verloren zwölf Kanonen, zehn Fahnen und Standartm und 5000 Todte, Berwundete und
Befangene. — Die umliegende Gegend bis zur Stabt Borgentrei (mit 1853 ©.), die War⸗
burger Börbe genannt, an deren Südrand W. Tiegt, iſt die getreibereichfte Gegend in ganz
MWeftfalen. Sie trägt außer andern Früchten ben beften Flach und Hanf und hat Eifenftein
und Bleierz. Im ſuͤdweſtlichen Theile des Kreifes W. zieht fich der Warburger Wald Hin,
von dem eine Hügelverbindungskette „Auf dem Bald“, genannt, nordwärts zum Teutoburger
Wald ftreicht; derfelbe bildet eine der ſchwierigſten Strecken der weſtfäl. Eifenbahn.
Barburton (Wil), ein ausgezeichneter engl. Gelehrter und Kritiker, geb. 1698 zu Ne-
warf in der Graffchaft Nottingham, wählte anfangs den Sachwalterberuf, trat jedoch fpäter
in den geiflfihen Stand und wurde 1728 Rector in der Grafſchaft Lincoln. Auffehen in ber
Literatur machte er durch feine Schrift „The divine legation of Moses demonstrat«d” (Xonb.
1738; 3. Aufl., 1743; deutfch, 3 Bde., Fef. 1751 —53). In derfelben fuchte er zu zeigen,
daß von den alten Sefepgebern der Glaube an Gott und die Lehre von einem künftigen Ver⸗
geltungs zuſtande zur Erhaltung der bürgerlichen Anftalten für durchaus unentbehrlich gehal-
ten worden fei; nur Mofes habe eine Ausnahme gemacht und feine Erwartungen eines göft-
lichen Berichts nach dem Tode angeregt, fondern den Gehorſam feiner Nation gegen bie in
Gottes Vollmacht ihr überlieferten Gefege blos durch zeitliche Belohnungen und Strafen zu
erwirfen gewußt. Seine bier ausgefprochenen Anfichten verwidelten ihn in einen heftigen
Streit. Durch die Verteidigung von Pope's „Verfuch über den Menfchen” gegen Eroufaz
in Genf wurde dagegen zwifchen W. und Pope eine dauernde Freundſchaft begründet, ſodaß
Regterer bie Hätfte feiner Bibliothek und die Rechte und Anfprüche auf das Eigenthum eines
Theils feiner Schriften auf W. vererbte. Daher vertheidigte auch W. 1749 den Charakter
Pope's mit großem Eifer gegen Bolingbrofe. Ebenfo beforgte er eine Ausgabe von Pope’s
Herten, deffen Leben er fehr panegyriſch beſchrieb. Ungeachtet feines literarifchen Rufe ge-
80 Bardöchuus Barmen
langte W. doch erſt fpät zu den höhern Würden in ber Kieche; er wurde 1754 Kaplan bes Kö-
nigs und Biſchof von Glouceſter. W. ftarb 7. Zuni 1779. Seine Werke, darunter die Ab»
handlung über den Urfprung der Nitterbücher, erfchienen nebft feiner Biographie in ſechs
Bänden (Lond. 1788).
Wardsdehuus oder Bardöehuus, ein Hafenplag mit Stabtgerechtigkeit im öftlichen Theile
des norweg. Amts Finnmarken, auf der Infel Wardöe ober Vardöe, gedeckt durch ein Fort, bie
nördlichfte Feſtung der Erde, unter 70° 22’ n. Br., zähle nebft der Befagung von 24 M. etwa
160 E. Man bat hier Kartoffeln und Gerfte zu bauen verfucht, allein nicht mit dem beften
Erfolge. Die wenigen Kühe, welche man bier unterhält, befommen, wenn das Futter audgeht,
Heringe zu frefien. Im Süben der Infel, in ber Nähe der uff. Grenze, ſchneidet das Waran-
gerfiord tief in das Land ein. Andemfelben liegt der Heine Hafenplag Wabsde oder Vadsöe,
deffen wenige Bewohner ftarke Kifcherei treiben.
ardein oder Waradein ift jedenfalls die im Mittelalter üblich gewordene beutfche Form
des Wortes Buarbian (f.d.). Der Wardein war urfprünglich ein Beamter, ber über ben Ge
balt der ausgebrachten Metalle zu wachen hatte und diefe nach ihrem Gehalte unterfuchte. Da-
mals war dad Berg- und Münzweſen eng verbunden und Ein Beamter ftand beiden vor. Erſt
in fpäterer Zeit wurbe Beides getiennt und man ernannte nun einen Bergwardein für das
Bergfach und einen Münzwardein für das Münzweſen. Wie Warbein von guardian, fo wird
waradiren, d. h. ben Gehalt unterfuchen, von guardare abgeleitet.
Warendorf, eine Kreisftadt in dem Regierungsbezirt Münfter der preuß. Provinz Weſt⸗
falen, an der Ems, mit 4647 E., gehörte früher zum Bisthum Münfter und ift beſonders be»
kannt ald Hauptfig der münfterfchen Leinweberei, des Barn- und Leinenhandels. Doc wirb
ein großer Theil der fogenannten Warendorfer Leinwand von den Landleuten berumliegenden
Gegend im Winter gefertigt. Außerdem hat die Stadt bedeutende Baummollfabriten, Lein⸗
wanbbleichen, eine Leggeanſtalt, mehre Druckereien und Blaufärbereien, eine Xeder-, drei
Zuchfabriten, mehre Bierbrauereien und Branntweinbrennereien, Waffer-, D1- und Wall:
mühlen. Es befteht hier auch ein Klofter, ein Progymnafium, ein Irrenhaus und das königl.
Landgeftüte ber Provinz Weſtfalen.
Barmblütige Thiere heißen die Säugethiere und Vögel, weil ihr Blut, abgefehen von
unbedeutenden Abweichungen in befondern, zumal Erankhaften Zuftänden, eine eigene con-
ftante Wärme von etwa 300 R. zeigt, währen bei.andern Xhierclaffen die Blutwärme von ber
des fie umgebenden Elements abhängig iſt. Warmdlütige Thiere athmen ausfchließlih durch
Zungen und befigen vermöge bes auß zwei Kammern und zwei Vorkammern beftchenden Herz
apparats einen volltommenen, boppelten Kreislauf des Bluts.
Barmbrunn, ein ftadtähnlicher Marktflecken von 2600 E., eine Stunde von Hirfchberg,
im Regierungsbezirk Liegnig in Schlefien, 1083 F. über der Oftfee, am Baden und am nörd-
lichen Abhange des Riefengebirgs, ift befonders wegen feiner alkalifch-falinifchen Schwefel⸗
quellen von 2I— 30’ N. Wärme bekannt, welche jährlich von mehr als 2000 Babegäften ge
braucht werben. Das Waſſer wird ſowol zur Trink als auch zur Badecur benugt. Zu legte
rer find das Große oder bad Brafenbab, das Kleine ober das Propfteibad, das Leopoldsbad, in
welchen man gemeinfchaftlich in großen Baffins badet, das Gebäude, in dem fich die Wannen-,
Fall«, Frottir · Regen- und Douchebäder befinden, und eine befondere Anſtalt für die Vorbe⸗
reitungsbäber eingerichtet. Für die Trinkcur find das Trinkzimmer und bie Moltenbereitungs-
anftalt beſtimmt. Man gebraucht die Quellen befonders gegen Gicht, Rheumatismus, Hä-
morrhoiden, Verftopfungen im Pfortaderfyftem, chronifche Hautausichläge, Metallvergiftum-
gen u. 1. w. Die reizende Umgegend befördert nicht wenig ben guten Erfolg vieler Euren, und
von den Ausflügen, die am häufigften gemacht werben, find befonders Hirfchberg, Hermsborf,
die Ruine Kynaft, Fiſchbach, der Zadenfall, der Kochelfall und andere zu nennen. Die Quellen
von W. follen 1175 vom Herzog Boleflam IV. Crispus entdeckt worden und bald darauf in
Gebrauch gefommen fein. Im J. 1401 kam die Stadt an die Grafen Schaffgotfch, die fie auch
jept noch befigen und zur Reſidenz haben. Das gräfliche Schloß, wozu ein ſchöner Garten ger
bört, enthält die früher zu Hermsdorf befindliche Bibliothek von A0000 Bänden und eine Kar
pelle, außer welcher ſich noch eine Bath. und eine evangel, Kirche im Orte befinden. - Auch bat
W. ein vom Grafen Schaffgotſch 1820 erbautes fchönes Hospiz für 24 Kranke. Berühmt
find die im Orte beftehenden Glas⸗ und Steinfchleifereien. Ferner gibt es hier viele Wappen-
ftecher, und das hier gefertigte Schuhwerk wird fehr gefchägt. Vgl. Wendt, „Die Thermen zu
VDarme (nyyRkalikh) 1
W.“ (Brei. 1840), Meiß, „Der Kurort W., feine warmen Schwafelquellen und bie
vhörigen Hulanflalten" (Brei. 1850. um
Wärme. Die äuferlid wahrueßmbaren engen melde die Wärme in den Körpern
verayfaßt, find entwebes Anderungen des Bolumens ober en bes Aggregatzuftandes
berfelben. Die Ausbehnungen, welche die verichiebenen Körper durch die Erhöhung ihrer Jem⸗
peratus um eine gleiche-Anzahl Grade, z. VB. vom Gefrierpunkte bis zum Siedepunkte des Wal
ſers, erleiden, ſehr verichieden. Am geringften find biefelben bei ben feilen, größer
bei den flüffigen und am größten bei den gasformigen Törpern. Mift man bei einem Stabe
nur die durch die Wärme eingetretene Vergrößerung feiner Bänge, fo heißt biefe Ausdehnung bie
ſineare, im Begenfag zu der kubiſchen Ausdehnung, bei welcher die Vergrößerung bes Volu⸗
mens nach allen Richtungen in Betracht gem wird. Bei flüffigen und gasformigen Körpern
iſt ſtets nur vom ber legten die Rebe. Man benugt bie Ausdehnung ber Korper au Thermo⸗
metern ( .d.) oder Pyrometern (f.d.), d. 5. zu Vorrichtungen für bie Beſtimmung ber frei vor
handenen Waͤrme. Die ungleiche Ausdehnung der Körper durch die Wärme liefert ein Mittel,
um den flörenden Ei ber Temperatur auf ben Bang der Uhren zu befeitigen. (&. Pendel.)
Soll eine gleiche ichtsmenge verfehiedener Subftanzen um eine gegebene Anzahl Zem
peratusgrabe erhigt werben, fo find dazu ungleiche Waäärmemengen nöthig. Diejenige Wärme⸗
menge, welche die Gewichtseinheit eines Körpers gebraucht, um ihre Temperatur (ohne
tung ihres Aggregatzuftandes) um 1° zu erhöhen, heißt bie fpeeififcge Wärme dieſes Koörpers.
Die Berhätniffe zwiſchen ben Tpecifiichen Wärmen zweier verſchiedenen Subftangen bezeichnet
man als ZBärmecapacitäten (Fähigkeiten, bie Wärme aufzunehmen) Gegt man bie fpecififche
Wärme bes Waſſers — 1, fo ift z. B. die ſpecifiſche Wärme des Ciſens O,11, des Goldes O,om,
d. b.: wenn man, um 1 Pfund Waſſer von O° auf 1’yu erwärmen, bie Wörmemenge 1 gebraudht,
ſo if für Die Erwärmung eines Pfundes Gifen von 0° bis 1° nur die YBärmensenge "io umb
für eine gleiche Erwärmung eines Pfundes Gold nur bie Wärmemenge "oe nöthig. Bei den
Sasarten find zwei verfchiebene fpecififche Wärmen zu unterfcheiben, je nachdem man bei ber
Ermärmung bad Gas durch Ynserung bes _Druds auf einem conflanten Bolumen, ober durch
Geſtattung einer Ausdehnung (olfe einer Ande des Volumens) unter conſtantem Drucke
erhält. Die im zweiten Falle beſtimmte ſpoeiſiſ⸗ ge Bärme (bei conflantem Druck und veränber-
lichem Volumen) ift ſtets größer als bie im esften Falle (unter veränderlichem Drud und con-
ftantem Volumen). Hierdurch erklärt ſich die Erfcheinung, baf bei dem Zuſammenpreſſen von
Sasarten die Temperatur fich erhöht (f. Feuerzeng, pneumatiſches), beim Berbünnen bagegen
fintt. Die fpecifiihen Wärmen ſtehen mit den chemiſchen Aquivalenten ober Atomgewichten in
einer jehr merkwürdigen Beziehung. Zür chemiſch ähnli aufommeugefegte Körper, z. 2. für
bie einfachen Metalle, gilt daS Befeg, daß bie fpecifilchen 2 u derſelben fehr nahe im unge
Schrten Altniffe der Atomgewichte ober Aquivalente fliehen, ober daß bie Producte aus den
ſpecifiſchen Warmen in die Atomgewichte ſehr nahe canflant find, oder in noch anderer Aus⸗
druch&weife, baf Gewichtömengen dieſer Körper, melche ſich wie Die Atomgewichte berfelben ver-
halten, gleiche Wärmemengen erfodern, um ihre Temperatur um biefelbe Anzahl Grabe zu er»
höhen. Die fpecififhe Wärme des Waſſers, d. b. alſo die Wärmemenge, welche bie Gewichts⸗
einheit (3.2. 1 Pf.) Waſſer nöthig hat, um von 0° bis 4° erwärmt zu werben, dient ale Ma$-
einheit für Die Waͤrmemenge. Die Wärmemenge 8 iſt alfo die Menge, welche gerade aus⸗
reicht, um acht Gewichtseinheiten (Pfunde) Waſſer von 0° bis 1° zu erwärmen.
Penn die Temperatur ber feften Körper einen beſtimmten Brad erreicht hat, fo beginnen die⸗
felben ihre Uggregattforın zu verändern und den flüffigen Zuftand anzunehmen. Zu biefer Um
änderung wird eine beftimmte Wärmemenge verbraudt, ohne daß durch bie Aufnahme ber
„ felben ſich die Temperatur erhöht. Man bezeichnet biefe Wärmemenge mit dem Namen ber Ia-
tenten ober gebundenen Warme. So ift z. B. die Intente Wärme bes Waſſers — 79), b. h.:
um 1 Pf. Eis von 0° in Waſſer von 0° zu verwandeln (alfo ohne Temperaturerhöhung nus
zu (jmelgen), ift fo viel Wärme nöthig, als 79% Pf. Waſſer von 0° erfodern, um ihre Tem
peratur um 1” zu erhöhen. Die Temperaturen, bei welchen bie feſten Körper —— — find ſehr
verſchieden und Gleiches gilt von den latenten Wärmen ber aus ihnen gebildeten Flüſſigkeiten
Wenn ein flüſſiger Körper erſtartt, fo muß ex bie latente Wärme wieder abgeben. Daher gefriert
ein Gefäß mit Waſſer nur nach und nach, weil bie von deu erfiarzenben Theilen abgegebene
latente Wãrme bad übrige Waffer noch flüſſig erhält. Wenn Blüffigfeiten srhigt werben, fo
tritt bei einer gewiffen Temperaiur abermals eine Zuſtands veraͤnderung ein, indem fie ſich in
GonnsBes. Behnte Auf. XV. 2 6
— —
83 Wärme (phyſtkaliſch)
Dampf verwandeln. Bei dieſem Übergange ber Fräjjigkeit:= in Dänpfe wird wiederum Märme
latent. So 3. B. gebraucht Waſſer von 100° Eelfius die Wärmemenge 556, um ſich in Dampf
von berfelben Temperatur, 100°, zu verwandeln. Um 1 Pf. Waffer von 0° in Dampf von
100° €. zu verwandeln, bedarf man alfo ber Wärmemenge 100 + 556 — 656. Aud wenn
Waſſer bei niebrigern Temperaturen ala 100° verdanıpft, wird Wärme gebunden und zwar noch
mehr als 536 Wärmeeinheiten ; was ſich deraus erflärt, daß der aus einer gegebenen Waſſer⸗
maſſe gebildete Dampf bei niedrigern Temperaturen einen fehr viel größern Raum einnimmt ale
bei höhern Temperaturen. Die Summe ber freien und der latenten Wärme des Wafferdampfs
iſt beinahe eine conftante Größe. Wenn die Dampfe verdichtet werden, fo geben fie die ganıe
Iatente Wärme wieber ab. Darauf gründet fi die Benugung des Wafferbampfs zum Er»
bigen (f. Bampfheizung.) Die Temperatur, bei welcher das Waſſer fiedet, d. h. ſich mit Hef.
tigkeit in Dämpfe verwandelt, hängt von dem über dem Waſſer befindlichen Drude ab; bat
Sieden tritt ein, fobald die in ber Flüſſigkeit gebilbeten Dämpfe durch die Erhigung hinreichende
Spannkraft erhalten haben, um die über ber Oberfläche befindliche Luft fortzuftoßen.
Alle Körper ftrahten von ihrer Oberfläche Wärme aus und diefe Wärmeſtrahlen verhalten
fi) ganz analog den Lichtſtrahlen. Die ftrahlende Wärme wird an fpiegelnden Oberflächen re⸗
flectirt, beim Durchgange durch bie Körper theils abforbirt, theild gebrochen wie das Licht. Je—⸗
doch geht bie Durchfichtigkeit der Körper nicht parallel der Eigenfchaft, Die Wärmeftrahlen hin-
durchzulaſſen (Diathermanfie). Die einzige bis jegt bekannte Subftany, welche für alle Wärme⸗
ſtrahlen gleich gut burchbringlich ift, wie das farblofe Glas für die Richtftrahlen, ift das Mare
farblofe Steinſalz. Alle andern Körper verhalten fich gegen die Wärmeſtrahlen wie farbige
Slaͤſer gegen bie Kichtftrahlen, d. h. fie verſchlucken von einer Art Strahlen mehr als von den
übrigen. Somie es nämlich verfchiedenfarbiges Licht gibt, ebenfo gibt es verfchiedenfarbige
Wärmeſtrahlen, d. h.: ſowie es Lichtftrahlen von verfchiedenen Wellenlängen gibt, ebenfo gibt es
auch Wärmeftrahlen von verfchledenen Wellenlängen, die, gerade wie beim Xicht, beim Über»
gang aus einem Körper in einen andern, z. B. aus Luft in Steinfalz, verfchieben gebrochen wer⸗
den. Läßt man daher bie von der Sonne ausgehenden Wärmeftrahlen durch ein Prisma auß
Steinfalz gehen, fo entfteht Hinter demfelben nicht blos ein Kichtfpectrum, fondern auch ein Wär-
mefpectrum, das fogar bebeutenb großer ift als das Kichtfpectrum, denn es breiten fich die Wär⸗
meftrablen noch außerhalb des vothen Endes des Kichtfpectrums ungefähr ebenfo weit in ben
dunkeln Raum hinaus, als die Entfernung des rothen Endes diefes Spectrums vom violetten
beträgt. Die Wärmeftrahlen werben ferner beim Durchgange durch fogenannte doppeltbre-
ende Kryſtalle wie das Licht doppelt gebrochen und polarifirt und zeigen auch ebenfo wie letz⸗
teres bei ihrem Zufammentreffen die Erſcheinungen ber Interferenz (.d.). Die Wärmeftrahlen
werden im Allgemeinen um fo leichter abforbirt, je weniger brechbar fie find, alfo je weiter fie in
dem durch ein Steinſalzprisma gebildeten Spectrum nach dem rothen Ende hin- oder barüiber
binausliegen. Die aus Körpern von fehr niedriger Temperatur ausgehenden XBärmeftrahlen
gehören zu dieſen Tegtern Strahlen und werben baher leicht abforbirt. Um die Oberfläche eines
undurchfichtigen Körpers in den für die Ausfirahlung und für die Abforption ber auffallenden
Strahlen geeignetften Zuftand zu verfegen, überzieht man fie mit Ruß.
Wenn Körper, die ſich in einem gefchloffenen Raume befinden, gleiche Temperaturen befigen,
fo ſtrahlt jeder derfelben durch feine Oberfläche genan fo viel Wärme aus, als er durch die Strah⸗
Jung von allen übrigen wieder empfängt. Iſt ein Körper wärmer als feine Umgebung, fo ſtrahlt
er mehr aus, als ex wieber empfängt, und kühlt fich Dadurch ab ; bei geringen Zemperaturumter-
fehieden ift der Wärmeverluft eines Körpers in jebem Augenblide nahe feinem Temperatur
überfchuffe proportional. Über die fcheinbare Ausftrahlung der Kälte, ſ. Kälte.
Die Fortpflanzung der Wärme im Innern der Körper gefchieht durch eine Strahlung von
Theilchen zu Theilchen. Diefes Wärmefortleitungsvermögen ift bei verfchiedenen Stoffen fehr
perfchieden. Metalle find gute Wärmeleiter, Holz und Glas dagegen ſchlechte. Ebenfo find
Flüſſigkeiten und befonders die Bafe fchlechte Wärmeleiter. Wenn Flüffigkeiten und Gafe er»
wärmt merben, fo wird die Verbreitung ber Wärme in ihnen durch die Ortöveränderung ber
Theilchen begünftigt, indem die ermärmten, leichter gewordenen Theilchen auffleigen, auf ihres
Wege Fältern Theilchen begegnen und biefen ihre Wärme mittheilen.
Bei oberflächlicher Betrachtung könnten bie Erfcheinungen der fpecififchen und der Tatenten
Wärme leichter mit der Annahme, daß die Wärme ein imponberabler Stoff fei, vereinbar er»
fheinen. Indeß weiſen ſämmtliche Vorgänge bei ber firahlenden Wärme mit NothivendigPeit
darauf hin, die Wärme ganz analog dem Lichte als Schwingungen des Äthers oder der mate-
Wärme (thierifche) 83
riellen Teilchen der Körper aufzufaffen. Aus dieſer Vorſtellung lafſen ſich auch bie Erſchei⸗
nungen der fpecififden und Satenten Wärme erflären.
Wärme kann bei verfchiedenen phyſikaliſchen und ddemifchen Vorgängen erzeugt werben. So
entfteht te beim Reiben fefter Körper, beim Verdichten derfelben durch Hämmern und Schla⸗
gen, beim Iufammendrüden von Gasarten, beim Riederfehlegen der Dänıpfe, beim Exftarren
flüffiger Körper, beim Hindurchleiten von eleftrifchen Strömen durch metallifche Drähte, bei
der Mifchung ber Schwefelſäure ober des Kalks mit Waffer, bei der Verbindung ber Körper
mit Sauerfloff (f. Verbrennung) u. ſ. w. Die Wärme der thierifchen Körper ift eine Folge der
in ihnen vorgehenden chemifchen Proceffe. Die Wärme unferer Atmofpbäre ſtammt von den
Strahlen der Sonne. Ein Theil der wärmenden Strahlen der Sonne wird bei feinem Durch⸗
gange durch die Atmoſphäre fogleich abforbirt, der größte Theil trifft jedoch die Erboberfläche
unb erwärmt fie. Die von der erwärmten Erboberfläche ausgehenden Wärmeſtrahlen werben,
weil fie aus einer Quelle von fehr nieberer Temperatur ftammen, von ben anliegenden Luft⸗
ſchichten ſehr leicht abforbirt. Daher ift die Luft an der Oberfläche der Erbe wärmer als in
größerer Dohe; dies wird noch dadurch vermehrt, daß die verbünnte Luft in ber Hohe eine größere
ſpecifiſche Wärme hat als die untere Dichtere, alfo eine größere Wärmemenge gebraucht, um
auf eine beftimmte Temperatur erhigt zu werben. Die Waͤrme wird in der Höhe um fo rafcher
abnehmen, je mehr der Drt, wo man fie ntift, ifolirt flieht. So würde man z. B. in einer Höhe
von 1000 F. über dem Meeredfpiegelin einem Luftballon eine niedrigere Temperatur beobachten
als auf einer Hochebene, welche unter fonft gleichen klimatiſchen Berhältmiffen in berfelben Höhe
über dem Meeresfpiegel läge. Diele Abnahme ber Temperatur mit ber Erhebung ertlärt, daß
ſelbſt unter dem Aquator auf Hohen Gebirgen eine Region angetroffen wird, in welcher ber
Schnee das ganze Jahr hindurch nicht ſchmilzt. Man bezeichnet biefelbe mit bem Namen der
Schneegrenge ober Schneelinie (ſ. d.). ,
Wenn bie Oberfläche unferer Erde überall gleichartig wäre, fo würde die an einem Orte flatt-
finbende mittlere Jahreswärme nur von der geographifchen Breite deffelben abhängen; durch
die ungleiche Bertheilung bes Waſſers und des feften Landes, durch die Erhebung be legtern,
durch die Richtung der berrfchenden Winde u. |. w. wird aber diefe Regelmäßigkeit vielfach ge»
flört werden. Die fogenannten Iſothermen (f. d.), welche Orte von gleicher mittlerer Jahres-
wärme mitelnander verbinden, weichen baber ſtark von den Parallelkreifen (Breitenkreifen) ab.
Der erwärmende Einfluß der Sonne auf den feften Erdboden erftredit fich nur bis zu einer
geringen Tiefe. Tägliche Schwankungen in der Temperatur hören fhon in 3—5 F. Tiefe auf,
und felbft im Laufe eines Jahres find in einer Tiefe von ungefähr 60%. keine Anderungen mehr
wahrzunehmen. Dringt man tiefer in bie Erde ein, fo fleigt die Temperatur (f. Erdwaͤrme)
um fo mehr, je tiefer man fommt. Im Durchſchnitt fleigt diefelbe für etwas uber 100 &., um
welche man tiefer geht, um 1°G. Dan würde alfo fchon in einer Tiefe von wenigen Meilen
eine Temperatur finden, bie felbft den Granit zu ſchmelzen vermöchte. Auf die Oberfläche ber
Erbe hat die innere Wärme berfelben feinen Einfluß mehr.
Bärme (thterifche) oder Eigenwärme des menfchlichen Körpers. Der menfchliche Kör-
per erzeugt in feinem Innern, folange er lebt, fortwährend eine Wärme von etwa 28— 30’ R.
(oder 95— 99’? 8. oder 55—37'/° C.), welche dazu dient, bie zum Leben unentbehrlichen
Proceffe, befonders ben Stoffwechfel im gehörigen Gange zu erhalten, was eben nur bei Wärme
möglih. Die hauptſächlichſte Duelle dieſer Wärme ift, obſchon ber Körper durchaus nicht mit
einem Dfen verglichen werben ann, doch wie in diefem ein Verbrennungsproceß, ber ebenfalls
feinem Zuflandefommen eines Feuerungsmateriald und des Sauerftoffs benöthigt iſt.
ie bei der Verbrennung im Ofen, fo auch im Körper mwanbelt fi) duch das Verbren⸗
nen das Feuerungsmaterial in verfchiebene theils luftförmige, theils mäflerige und fefte
Stoffe um, die bann noch zu beftimmten Sweden weiter verwendet werben. Es wechſelt
übrigens ber Grab biefer Eigenwärme, aber nur um ein Weniges, an verfchiedenen Stel-
len bed Körpers (innere Theile find wärmer als die äußern) na Tageszeit, Alter, Blut-
gehalt des ganzen Körpers und einzelner Organe, Ernährungsweife, Gefunbheitt- und
Krankheitszuftand; jedenfalls richtet fich derfelbe auch nach ber Beichaffenheit ber Stoffe,
welche innerhalb des Körpers gerade vorzugsweife verbrannt werden. Am meiſten ſteigt
bie eigene Wärme bed Körpers bei fieberhaften Zuftänden, wo fie bis gu + 35° R. eder
+40 — 44° C. gefunden wurde und bier wahrſcheinlich die Schuld an ben unangench-
men Fiebesempfindungen (Eingenonmenheit de6 Kopfes, Kopfichmerz, Särindd, Gefühl
3 - BBärme (thieriſche)
von Wſpannung, Durfl) träge Stamm mm bie Eigenwärmte vorzugs weiſe won ce
brennungsproceffen, fo fragt es ſich: mad wird verbrannt? we wird etwas verbrannt 9 wu
was wird ans und mit dem Werbrannten® NDaß auch. in. unſerm Krner zum Verbrennen von
Gtoffen-bee Sauerſtoff ganz unentbehrlich, zeigt der Achmungsproceß; durch beſſen Hälfe fort ·
während Sauerſtoff aus ber eingeathmeten atmoſph Laft dem Biute wich
Ebenfo muß ja auch dem Beuer im Dfen Die gehävige Menge Luft (Ganevfisff) zugeführt men
ben, wenn es ordentlich brennen und Wärme entwichein fol. Gomie nını ber Dfen ben gehö⸗
rigen Zug braucht, folk in ihm das Verbrennen bed Feuerungematerials vollſtündig ver ſich
8 fo ſcheint auch innerhalb unſers Kärperd nach ber Menge des Gauerſtoffe im
niſſe um Berbrennungsmateriale dee Grad ber Verbrennung verſchieden zu fein. && möns
nicht —— daß ſich bei einer unvollſtaͤndigen Berbreunung im mewfchlichen Rünpen, bis
in einem Misverhätmiffe zwiſchen Ganeefloff und Berbrenuungsmaserial, vielleicht mtmuchen
In einer zu geringen Dienge von Sauerſtoff oder In einer zu großen Menge von Berbuenunngtr
materiaf ihren Grund haben Bönnte, ſolche Verbrennuugoproducte bildeten, welche durch üwe
Unbäufung im Blute Krankheiten zu ergeugen im Stande wären. Go bilden ſich z. B. bein
unvolfländigen Verbrennen von Kohlen kn Dfen bad fee ſchaͤdliche Kohlenorybgas, mahrend
das vollftändige Verbrennen berfeiben Kohlenſdure erzeugt: Uhnliches feheint auch im menſch⸗
lichen Körper vorkommen zu Finnen, werm ſich 3. B. durch unvolifländiges Verbrennen von
gewifſen alten abgeflorbenen Gewebobeſtandtheilen anfbatt det Haruſtoffo bie Haumfäune bil
det, welche ben Grund zur Gicht legt. Wielleicht könnte alles Vorbrennungomaterial ia unfern:
Körper unter gerstffen Bedingungen falfıh verbrannt werden, ſodaß fh alsdann, wenn wein den
Vergleich mit dem Ofen fefihalten wollen, Rauch, ide, Nauß von ſchählicher B
erzeugte. Das Verbrenmungẽmaterial, weiches innerhalb unſers Körpers ab zwar, wis es
ſcheint, Innerhalb des Blutſtroms mit Hülfe des eingeathmeten Gauschloffe verbuanmt wirb,
iſt breifacher Urt: es beſteht naͤmlich aus ſUchſtofflofen fettigen und fettbllbenben Nahrungs⸗
mitteln, au® abgeftorbenen Gewebsbeſtandtheilen und aus 78 Bildungẽſio ſſen. Die fi»
ſtoffloſen Subſtanzen, welche wir mit unferer Nahrung in ben Körper und das Blut einführen
und zu denen Fett, Ole, Stärke, Zuder, Pflanzenſchleim und-Pflangengallstte, Gummi und
Alkohol gehören, werben eines Theils in Nett umgewandelt und: ale ſeiched benust, gum anbern
Theile aber im Intereffe der Waͤrmeent wickelung wahrfcheinlich fofort verbraune t
fel genießt man deshalb Im Winter und in falten Klimaten, wo fich deu Körper gegen bie aufere
Kälte durch innere ZBärme beffer [hyügen muf, eine größere Menge dieſer Rahrungsfteffe als
bei wärmerer Lufttemperatur. Iſt die Zufuhr dieſer Stoffe zu gering ober gan, aufgehoben,
dann fcheint, um doch die zum Beben nöthige Wärme zu behaupten, zuerſt bas Fett unfers
eigenen Körpers verbrannt zu werden, denn dieſes ſchwindet zufehende. Sodann dürften aber
auch bie abgeftordenen Gewebsbeſtandtheile und ſungen Bilbungeftoffe mehr, als ſich gehört,
‚ zur Verbrennung bienen und dadurch ıdie allgemeine Abmagerung bed Körpers zu Stande
tommen, wobei natürlich die Eigenmwärme immer mehr finkt. Bei der volllommenen Werbren-
nung biefer nur aus Kohlenftoff, Wafferftoff und Sauerſtoff zufammengefogsen flidftofftofen
Subſtanzen bilder fich zulegt Koblenfäure und Waſſer, nachbem fich vieleicht vorher Mitch,
Butter, Effig-, Ameifen- und Kteefäure daraus gebildet hatte. Die Kohlenſaͤure wird haupt-
ſächlich in der Lunge aus dem Blute und durch dad Ausarhmen aus bem Körper int; des
Waſſers entledigt ſich der Körper durch die Nieren, Haut und Lungen. Eine unvollfsuumene
Verbrennung biefer Subſtanzen würde vielleicht, anftatt bis zur Bildung von Kohlenfäuse und
Waſſer zu gelangen, blos Zuder (aus der Etärke), Kleeſaͤure ober eine andere beugleichen
Säure erzeugen und dadurch ben Körper krank machen. Mod ii aber ein ſolcher abnoumer
Verbrennungsproceß und baraus erwachfender krankhafter Zuftand bes Blutes und Körpers
nicht weiter erforfht. Die alten abgeflorbenen Gewebobeſtandtheile ober Mauferichladen,
welche ein zweites Fenerungsmaterial abgeben, fh beim Stoffwechſel in Folge bes Thätigfeine
der Drgane fortwährend bilden und in flüffiger Form durch die Haargefäßwaͤnde wieder in ben
Blutſtrom gelangen, find entweber ſlickſtoffhaltige (Fettige) und werden dann wie bie vorigen
Subſtanzen ſchließlich zu Kohlenſäure und Waſſer verbrannt, ober es find eimeißartige und
wanbeln fich durch bie Verbrennung fchließlich in Kohlenſäure, Waſſer und Harnftoff um,
‚nachdem fich wahrfeheinlich vorher Bieifegftoff (Rreatin), Heifhbafls (Rreatinin) und Ficft-
fänre (Inofinfäure), Harnosybul und Harnfäure gebildet hatten. Der alte Blutfarbftoff ober
das Blutroth dürfte in Ballen» und Barnfarbftoff ſowle in ſchwarzen Farbſtoff verbrannt
werben. Die Verbrennungsproducte ber flidftoffhaltigen Schladen werben vorzugemelfe durch
®
Bärmemelfer Barntönig =
die Ritvn nit dem Urin mebgifdjleben. Eine unselllorkmene Werbrrmumg ber
tigen Senerimpäfteffe ſcheint das Wut eeiih au Harnſcacre zu machen und Mönch um
Veraula ſſung zu geben. March verarehrtes Thatizſein ber Gaorbe und Orgrne biltet ne
— —— ſobchen Berbremmimgämtterlatd aus Veweb sſchlliicken, und bechatb
eniwickelt ſich bei Karkern Weberbrivchnigen ımöhr innere Wätuir. Die jumen Biibunge-
fRoffe, welche als Giweſß and Fett mit dem more und der 5 in den Blutſteom ar»
dangin und aus dem Biute endlich in das Gewebe des Körpers Übentrenen, werben if sat
Gälfe des Sauetftoffd (alſo durch eine Verbrennung) in gewibstilbaibe Gabfiımga Wange
wanbtit ab zwar fo, Daß ans bein Eirosif ſich Bufen und 8 Leim und Hatuſtoff Ye
vorbHdit, aus Her Fette uber bie verſchiedenurtigen und eigen Feuforten des Röspens
—— Unit bei dieſen Werbrenaungen (von denen bie Rikfioffhaltigen Gubſtanizen vine
geringeve Ge tie ſtickſtoffloſen verlangen) dilbet Tich Time, und es Tre
wicht 2 Mr As wenn 8 unvolitundig vor ſich un, fohdye Stoffe regeugt würben,
welche Genebe zu bilden unfähig würen unb alb afte Bobfungn tab fir * und da tik
Köcher aus 5* ablagetden ( mie Suberbel⸗ und Kxchtnae). Der zur Gewebebildung
aicht gu veriwendende Uberfluß an Eiweißſubſtunzen fcheint cbenfalls zu —2 Verben
- u werden. Das Biden und Besfallen der Beftimbtiseite unſers Körpers (ſ. Stoffwechſel) tft
ſonach die Hauptquelle unferer iigadume, und ed iwieb alfe nicht dlos eine Portion in wudferm
Komer mit der Rahrung iingeflührten ——— aber fondern auch wnfer eigener Kötper
wrbianat. Es Teuchtet —** gewiß auch ein, daß 1 16 be i Sumger und weniger Eigen⸗
wärme as bri keãftiger Aufl and Bewehernt vaitwichein warf, und daß ſich ein großet Einklang
en unferee Warme und dem Stoffwechfel Runder, ſodaß bie —— — als ein erg des
efehen webben Bam. Darum das Sinken ber Wärme bei herannchendem Tode
Kabinen — ſich In wnferm Körper aber auch erh * andere Sik Biene enttelälein
Binmwen und yasız durch gewiſſe <henrifchpäufitutiiihe Vorgänge, welche m
in eugem Aſammenhange ſtihen und befländig ** Fr Bo itche Rn wem |
ein Salz (eine Berbinbumg einer Baſis mic einer Säure) bildet der ein Mitielſalz in ein
ſiſches amwandet. Dies ſindet beforkbers ſtatt, wenn Pohlenfaueres Natron durch — *
Vbriſcqanre vder Phoephorfture zerlegt witd und wenn die Phosphor⸗ und Schwe⸗
ſelſãure, welche darch dad BVerbrenmen ſchwefel · und phobphothatriget vimeifirtiger Sub ſtanzen
Rich gebildet hat, e bißbet, In welthen Ratren umb Kali vorherrfihen. Berner eutwickat is
dadrch auch noch Wärme, daß de dutch Vebtennmgen mtflandene —— von den
der Rörperd — voteb, ſewie in Folge der ſteten Benezung und Trenkung
aller ſeſten Gewehr mit waſſeriger Fluͤſſigkeit, weil dabei dus eat in ven frinſten Ränntchen
verdichtet wird. Godarm iſt aoch fee Brwegang lm Korper als einr Quelle von Wine zu
trachten. ſind alſo bie Wärmequellen im menfchiichen Körper ſehr mamrichfaltige,
wide} * wol niemals genan ergtuͤnbet werben Bönnen, wie diel von Waeme jeder Quelle
Jedoch tieibt es gewiß, daß Die verſchiedenen Verbremmungsproreſſe die meiſte
Bäume ifo, and daß burch ———— derſelben willkuͤrlich einiger Einfiuß
n
auf bie Wiinmehiibung atrögelibt worden
Bhrmiensöffer oder Salvelneter Mi ein Snftrancnt, beſtimmt, die beim Verbrennen aber
bei andern Proceſſen entwickelte Waͤrme⸗ zu meſſen. Beſonders bekannt find das Eisca⸗
lorimtter Caveiſſers, Ton biefe Waͤrmemenge * dir Quantität zum Schmelzen gebrachten
Eifes, und das Waſſerralorimeker Runford's, wo fie durch den Teinperatuegead, Dam eine ges
gebene Duantität Waſſer aunianmt, beftlimmt vird
WBartemünde, ein Wieden und Safenpiag in Meiltenburg · Shwetin, 2 2. nördinh von
Noſtock, am —2 — ber Warnow in die Oſiſer und 2 M. nördlich von Dobberan (f. d.),
zößlt ettan 1700 E., vaeiſteas Echiffer, Gchiffb auer, Looeſen und Fiſchet, hat kebhaften Beeder⸗
Ba und Be 1821 viwe 32 weise jättinh von 1500-2000 Bare ziten Befucht
De Amflalten, welche dem Maglſtrat zu Roſtock grhoren, beſtehen aus 20 einfachen
2. ws deren Eseye in die Ge — 2 — Kuh Find Einrichtungen zu Douche⸗, Negen⸗
Kroyf und ee en ſowie — ehn Badehaus wit ſechs Zimmern —*
un Diben. end iſt Ode, d die Weſſtſeite dus me ange to»
menabe. Bel. vb —28 die Wi — .1843).
orden ũ er
ku , ea 1708 zu Braſal, RL, Musi *
vet un der Undeerſttãt gu
Heidetberg und ding dann narh wor 1816 die araifige Doetorwutde erlangte,
86 - Barren
Delvatbocent und außerorbentlicher Belfiger des Spruchcollegiums wurde. Im J. 1817 folgte
er einem Rufe als Profeffor der Nechte nach Lüttich und benupte dieſe vortheilhafte Stellung
nicht nur zur Verbreitung beutfcher Wiffenfchaft in ben Niederlanden, fondern auch insbeſon⸗
bere dazu, eine nähere, für bie Wiffenfchaft überhaupt förberlihe Verbindung zwiſchen deut
khen und franz. Rechtögelehrten herbeizuführen. Zu biefem Zwecke verband er fich mit mehren
Profeſſoren der Rechtsſchule zu Paris zur Herausgabe einer umfaflenden Zeitfehrift unter
dem Zitel „Themis, ou bibliotböque du jurisconsulte”. Zubem machte er wieberhofte Reifen
durch Deutfchland, Srankreih und Holland. Seinem Wunſche gemäß erhielt er 1827 ben
Lehrſtuhl der Pandekten in Löwen. In Folge der belg. Revolution wurbe er mit allen übrigen
nicht belg. Profeſſoren penftonirt, ſchon 1. Fan. 1831 aber wieber als Profeffor der Rechte in
Bent angeftellt. Hier befchäftigte er fich vorzüglich mit der Staats⸗ und Rechtsgeſchichte Flan⸗
dernd. Für diefelbe durchforſchte er mit Erfolg die meiften Archive und Bibliotheken ber beig.
Provinzen, fowie des nörblichen Frankreich und füblichen Deutfchland. Später wurde er von
ber Regierung zum Mitgliede der Sommiffionen für Herausgabe imgebrudter Quellen ber
beig. Geſchichte und für-Debung ber Velksbildung ernannt. Deffenungeachtet folgte er 1836
bem Rufe als Profeffor der Rechte an die Univerfität zu Freiburg, von wo er 1844 an die Unk
verfität zu Tübingen ging. Seine Hauptwerke find die „Flandriſche Staats⸗ und Rechts ge⸗
Ihichte” (3 Bde, Tüb. 18354—39) und die in Gemeinfchaft mit Stein bearbeitete „Branzöfl-
ſche Staats» und Nechtögefchichte” (3 Bde. Baf. 1845—48). Sonſt find noch zu nennen:
„Institutiionum sive elementorum juris Romani privati libri VI” (2ütt. 1819; 3. Aufl,
Bonn 1834) ; „Verſuch einer Begründung bes Rechts durch eine Bernunftibee” (Bonn 1819);
„Commentarii juris Romani privati” (3 Bbe., Lũtt. 1825— 29); „Recherches sur la
legislation beige aumoyen äge” (Gent 1834); „Histoire externe du droit romain” (Brüff.
1836); „Histoire du droit belgique pendant la p6riode franke“ (Brüff. 1837); „Beiträge
zur Geſchichte und Quellenkunde bes Tütticher Gewohnheitsrechts“ (Freib. 1838); , Rechtb⸗
philoſophie als Raturlehre des Rechts” (Freib. 1839); „Vorſchule ber Inſtitutionen und Pan⸗
beften” (Freib. 1839); „Juriſtiſche Encyklopädie“ (Erf. 1853).
Barren (Samuel), engl. Romanſchriftſteller und Rechtsgelehrter, iſt 23. Mai 1807 zu
Racre in Denbighfhire (Wales) geboren. Sein Vater, der aus einer alten, in der Grafſchaft Nor⸗
folk anfäffigen Familie ſtammte, war Geiftlicher der Anglikanifchen Kirche und beflimmte ihn
zum Arzte, welcher Plan indeß an feiner Abneigung gegen biefen Stand fcheiterte. Er bezog 1826
die Univirfität Edinburg und ging 1828 nach London, wo er im Inner Temple niit ſolchem
Erfolg die Rechte ftudirte, daß er bereits 1851 als Privatconfulent (Special Pleader) auftre-
ten konnte und ſich bald einer bedeutenden Praxis erfreute. Dies hinderte ihn jedoch nicht, fich
mit Eifer fiterarifchen Befchäftigungen hinzugeben. Schon in feinem 17. Jahre hatte er eine
Erzählung „Blucher, or (he adventures of a Newfoundland dog” veröffentlicht, welche bei-
fällig aufgenommen wurbe und ber er mehre journaliftifche Arbeiten in Proſa und Werfen fol-
gen ließ. Im 3.1830 erfchienen in „Blackwood's Magazine” bie erften Capitel feiner „Pas-
sages from the diary of a late physician”, die 1832 als befonderes Werk herauskamen und
ſich durch Lebendigkeit ber Darftellung, große, oft peinliche Naturwahrheit und pfgchologifches
Intereſſe auszeichnen. Im 3. 1839 begann er für diefelbe Zeitſchrift den befannten Roman
„Ten thousand a year”, der fogleich die allgemeine Aufmerkſamkeit in hohem Grabe feffelte.
DB. hatte bisher bie Anonymität bewahrt, da er fürchtete, der Ruf eines Noveliften würde ihm
in feiner juriftifchen Laufbahn fchaden ; die genaue Kenntniß aller Feinheiten bes engl. Rechts,
bie fich in biefer Erzählung offenbart und auf ber die Intrigue berfeiben beruht, verrieth jedoch
den Stand des Verfaſſers und er mußte fich endlich zur Hutorfchaft bekennen. Das Werk
wurde mit folcher Begierde gelefen, daß der monatlide Abfag von „Blackwood's Magazine”
um mehr al& 10000 Erempfare flieg. Nach feiner Vollendung warb das Werk 1841 in drei
Bänden veröffentlicht, in Frankreich, Deutfchland und Amerika nachgedruckt und in die mel»
ften europäifchen Sprachen überfegt. Trog mancher Längen, einiger verfehlten, theild carikir⸗
ten, theils zu ſehr idealifirten Charakterzeichnungen und ber leidenſchaftlichen Parteipolemik,
in der ber toryſtiſche Standpunkt bes Verfaffers in gar zu fchroffer Weiſe hervortritt, gehört es
boch zu den anziehendften Erfcheinungen ber engl-Romanliteratur. Nach einer längern Paufe
fieß W. 1847 den Roman „Now and then” (3 Bde.) erfcheinen, der aber die Erwartungen
bes Publicums nicht ganz befriedigte. Noch weniger Anklang fand feine Gelegenheitsfchrift
„The lily and the bee”, ein zur Verherrlichung der Snauguration bes Kryftallpalaftes 1851
gefchriebener Apolog in poetiſcher Profa, ber zwar von Binigen für das genialfte Erzeugniß
Barrington Warſchau 87
der neuern engl. Literatur erklärt, von ber Kritik hingegen als ein geſchmackloſes Machwerk ver
urtheilt wurde. Unterbeffen hatte 2B., feit 1837 als Barrifter, feine amtliche Thätigkeit un-
unterbrochen fortgefegt und erhielt im Juli 1851 unter dem Whigminiſterium von dem Kanzler
Lord Zruro die Würde eined Queen's Counfel, die ihm ſchon fein Parteigenoffe Lyndhurſt zu
gedacht. Zugleich mählte ihn die Rechtscorporation des Inner Temple zu ihrem Vorftande
(Bencher). Während ber Zeit der Aufregung gegen bie Maßnahmen der rom. Curie veröffent-
fichte der fireng proteftantifch gefinnte W. eine Flugſchrift, „The queen and the pope“, in
ber Form eines Sendfchreibens an feinen Freund Walpole, nachherigen Minifter des Innern,
welche in Burger Zeit mehre Auflagen erlebte. Eine von der confervativen Partei an ihn ergam
gene Auffoderung, ſich um einen Sig im Unterhaufe zu bewerben, lehnte er jedoch wiederholt
ab, um nicht feinen Berufspfliägten und feinen literarifchen Arbeiten entzogen zu werben. Im
. 3.1852 warb er vom Minifterium Derby zum Syndikus (Recorder) von Hull ernannt, und
im Juni 1853 verlieh ihm die Univerfität Oxford den in England fehr geachteten Grad eines
Doctors bes Civilrechts. Verdienſte als juriſtiſcher Schriftfteller hatte er fich durch feine Ab⸗
handlungen „On tbe moral, social and professional duties of attorneys and solicitors” und
„On the parliamentary election law of the united kingdom” (2 Bde.), beſonders aber durch
bie „Popular and practical introduction to law studies” erworben, bie nicht nur in England,
fondern auch in Amerika als Lehrbuch gefchägt ift. Außerdem veröffentlichte W. 1853 eine in
der Titerarifch-philofophifchen Geſellſchaft zu Hull gehaltene Vorlefung : „The intellectual and
moral developement of the present age.” ine Auswahl feiner Bleinern, in „Blackwood’s
Magazine” nnd andern Journalen enthaltenen Schriften erfchien 1854 unter dem Titel „Mis-
cellanies, critical, imaginative and juridical”. Eine People's Edition feiner belletriftifchen
Werke ift 1855— 54 in achtzehn Bänden veranflaltet worben.
Harrington, eine bedeutende Fabrikftadt in der engl. Graffchaft Lancafter an der Mer-
fey, durch einen Kanal mit Liverpool und Manchefter verbunden, liegt in einer dicht mit Fabri⸗
Ben bebediten Gegend, hat eine alte Kirche, eine Handelsſchule und einen botaniſchen Garten,
zählt 23363 E. (in ihrem Diftrict 36065), fertigt ſchweres Segeltuch und Baummollenzeuge,
Stednabeln, Glas und Uhren, hat Eifenhütten, raffinirt Zuder, braut Ale und treibt mit den
arten diefer Induftrie, ſowie mit Malz, Metall- und Flachsfabrikaten bebeutenden Handel.
Warſchau, poln. Warszawa, franz. Varsovie, die Hauptftadt des ruff. Königreichs Polen
und bes gleichnamigen Bouvernemmts, Sig des Statthalters ober Namieſtniks des König.
reichs, des Verwaltungsraths, des Kriegs- und Tivilgouvernements, des Path. Erzbisthums
und des griedh.-nichtunirten Erzbisthums von Polen, zieht fich bei einer durchſchnittlichen Breite
von M. etwa 1 M. weit auf der 40 F. Hohen Tinten Uferwand der ſchiffbaren Weichſel Bin,
über welche früher eine Schiffbrücke, feit 1832 eine flehende Brücke nach Praga (f. d.) führt,
weiches zumeilen als Vorſtadt angefehen wird. Mit diefem Ort hat die Stadt einen Umfang
don etwa 3 M. Den weiten Raum nehmen faft zu einem Drittel Bärten und freie läge ein, ein
zweites Drittel ift mit hölgernen Häufern befegt und nur ein Drittel befteht aus maſſiven Bebäu-
den. Indeſſen verſchwinden bie hölzernen Häufer immer mehr und WB. ift bereits eine ber ſchön⸗
flen Städte Europas mit Prachtbauten und impofanten Strafen. Es zerfällt in die Altſtadt,
bie am fchlechteften gebaut, bie Neuftadt und mehre zum Theil fehr fchöne, zum Theil aber noch
aus Holz erbaute Borftäbte. Die Stadt wirb nur von Gräben und Dlauern umgeben, ift aber
durch die 1852— 35 erbaute, überaus ſtarke und umfangreiche Alexanderscitadelle (mit einem
Monumente Alexander's, beftehenb aus einem 60 F. Hohen Obelisten) und einen ftarten
Brückenkopf mit Montalembert’fchen Thürmen volltommen beherrfcht und gededt. W. hat
ein Marsfeld und zwölf öffentliche Pläge, zehn Thore und an 300 Strafen, 26 kath. Kirchen,
eine griech., eine luth. eine ref. Kirche, 18 zum Theil aufgehobene öfter, mehre Synagogen.
Die Zahl der Einwohner belief fih 4820 auf 104346, 1850 auf 165501 (darunter 106000
Katholiken, 10600 Evangelifche, 1000 Briechen [ohne Militär] und 43000 Juden), 1852 aber
nur auf 157871 Seelen. Unter ben Strafen zeichnen fich aus die Meth- oder Honigſtraße (Mio-
dowa), bie Langeſtraße (Diaga), bie Neue Welt (Nowy Swiat), die Krakauer Strafe ober Vor-
ftabt (Krakowski Przedmiast) mit ber Reiterflatue bes Fürften Jof. Poniatowſti, einem Meifter-
werke Thorwaldſen's, die Kurfürftenftraße (Blectoralna), die Königs-, bie Senatoren», bie Mar⸗
ſchalls⸗ bie Riederwall-, bie Lescinoſtraße und mitten in ber Stadt bie Alleen von Uzjabom, Die
mit dem Prater von Wien wetteifern und an deren Ende bie Bagatella Tiegt, ein großartiger
unb befucgter Vergnägungsort. Bon ben öffentlichen P lägen find bemerfenswerth : der Saͤchſi⸗
ſche Platz mit einen: gußetfernen Denkmale zu Ehren der 29. Nov. 1850 dem Kaifer treugebiie-
88 . Barihau
benen Polen, der Aigiemundpiag mit der vergoͤldeten Erzſtatue bed Königs Sigksmund ILL. auf
einer 26 8. hohen Säule aus poln. Marmor, der Plat von Marieville, der T saterplaß. Auf
bem Marsfeld ober Waffenplay können 10000 Mann exerciren. Die außgegeichnetften Tirchen
find : die Bach. Kathedrale St.Johannis In der Aitfladt, mit bem königl. Schloſſe durch Gorri-
bors verbunden, ein ſchönes Altarblatt von Palma Nova und eine von Johann IN. Sobieſti
den Türken abgenommene Fahne enthaltend; bie griech. Kathedrale (früher Piariftentirhe), bie
Turh. Kirche, eines der vorzüglichiten Gebäude der Stadt, bie heil. Kreuzkirche in ber Neuen
Belt, mit herrlicher Fagade und ſchönen Gemälden, die Kapuzinerkirche mit bem prachtvollen
Marmordentmal Johann’s IM. und die Weranderficche. Unter den Paläften nimmt das vor ⸗
malige Pönigl. Schloß (Zamek), das auf einer bie Weichſel beherrichenden A g% fe von
Sigismund-IIl. erbaut ift, aber den Königen Auguft II. und Staniflaw Auguſt feine Pracht
verdankt, den erſten Rang ein. Es enthält prächtige Säle, den frühern Senatorenfaal, bie che-
malige Landbotenſtube mit Gemälden und Sculpturmwerfen, eine Bibliothek, das poln. Archiv,
und ſtößt an einen fchönen Garten und den Dom. Dann find der ſächſ. Palaſt nebft Garten, wo
bie beiden Auguſte Hof hielten, der ehemalige Bruͤhl ſche Palaſt, ben Großfuͤrſt Konſtantin be»
wohnte, der vormals dem Primas gehörige Palaft, nachheriges Kriegscommiffariat,, der vor⸗
mals Kraſinſti'ſche Palaft, im ital. Stil erbaut, nebft Garten, jegt Souvernementspalaft, der
frühere Radziwill ſche, jeht Palaft des Statthalters, bie Paläfte der frühern vier Minifterien,
der Suftizpalaft, bie Schagkammer, ber Palaſt ber aufgehobenen Univerfität und der Palaft ber
ehemaligen Philomathiſchen Sefelifchaft, vor welchem dad Standbild des Kopernicus fieht, zu
erwähnen. Am Südende der Stadt liegt das Luſtſchloß Belvedere, einft Aſyl bes Grafen von
Drovenge (Ludwig's XVII.) und Sommeraufenthalt bed Großfürften Konftentin, in einem
künſtlichen See mit engl. Part. Außerdem gibt ed viele, meiſt in großartigem Stil erbaute Dei
vatpalaͤſte, wie den der Potocki, Tarnowſti, Zamoyſti u.a. Unter ben oͤffentiichen Gebäuden find
befonbers hervorzuheben bie Bant, das Zeughaus, die Münze mit einer ſehenswerthen Dampf.
mafchine, der erften in Polen, die Poſt, das Rathhaus, Marieville, nach Art des parifer Palais-
Royal eingerichtet, mit der Börfe, dem Zollamte, vielen Hunderten Buben, Kaufmannsläden und
Magazinen; das große Theater (außer welchem noch zwei andere beftehen), die großen Kafernen,
had große Militärlagareth. Endlich find die überaus zahlreichen Bäder und die ausgegeich⸗
neten Löfchanftalten bemerkenswerth. Von milden Stiftungen verdienen befonderd das große
Stadthospital zum Herzen Sefu, das Findelhaus und bie wei Serenhäufer Beachtung. An
Unterrichtsanftalten beſiht W. die Polytechniſche Schule, eine Gubernialſchule, zwei Bymna-
fien, ein Piariftencollegium, ein Tath. adeliges Collegium, eine theologifdge Akademie (früher
geiſtliches Tentralfeminat), eine Thierargneifchule, eine Forſt und eine Bergwerksſchule, ein
ĩandwirthſchaftliches Inflitue zu Marymont, eine Militärfchule, eine Blindenanftalt, ein
ophthalmiſches und ein Taubflimmeninfütut, eine Kunft-, eine Mufit- und Gingſchule, ein
pädagogifches Inftitut, vier Kreid⸗ mehre Anbufkrie, Etementar · und Sonntagsfcgulen und
etwa 30 —— und Säulen. Unter den wiſſenſchaftlichen und Kunſtſammlungen
fh die ſchöne Bemäfbegälerie der Grafen Ofſolinſti, die Kunftfammlungen im Potock’fgen
alais hervorzuheben. Die erſt 1816 erichtete und bereits 700 Studivende zählende Univer-
fität wurde 1832 wieder aufgehoben und das Befte ihrer reichen Bibliothek nach Petersburg
gebracht, während das zoologiſche, mineralogifche und phyſikaliſche Cabinet, die Sammlung
von Mebailten, Gypdabgüſſen und Mebellen, die Gemaͤl sanken die Sternwarte und ber be»
tanifche Garten der Univerlität ber Sta geblieben find. Wiewol die wiſſenſchaftlichen An⸗
ſtalten, die bis zur Revolution in hoher Blůte ſtanden, durch Auswanderung, Enttzziehung ber
beften Kräfte und Ungunft der Verhältniſſe überhaupt viel an Lebensfriſche und volksthüm⸗
licher Bedeutung verloren haben, iſt doch IB. noch immer ber Hauptlig ber wiſſenſchaftlichen
Bildung für ganz Polen. Ebenfe muß e6 auch als Brennpumtt der Induftristhätigkeit und bes
andels von Polen gelten. Es —— ſich fortwährenb mehrende Fabriken faſt jeder
et, bie vorzüglich Tuch, Kaſimir, Bon, Teppiche, Decken, 33 Strumpfe,
Handſchuhe, Baumwollwaaren, muſikaliſche und andere Inſtrumente, eß, Gold⸗ und
Silberarbeiten, Taback, Farben, Lasfirniffe, Leder, Zunftstumen, Ciſen-und Stahlwaaren
Bronzen, Papier, Wachtleinwand, Strohhüte u. a. Flechtwaaren, Tavezierarbeiten,
und Stearinlichter, Nunkelrübenzucker u. w. liefern. Beſonders hervorzuheben find, außer ben
Tuchfabriken, zwölf Jortepianofabriken, 89 Kutfhen- und Wagenfabriken, die zahlteichen
Satileriverkftätten, eine ſehr große Metallmaaren- und Raſchinenfabrit, Dampfmühlen große
Brauereien, Brennereien und Liqueurfabriten. Die Stadt bat ferner wöchentlich große Ge⸗
Sarſchau
trribe⸗ Bieh⸗ und Pferdemaͤrkti fatelteh enen debeutenden Wollurarkt und gwei Deeſſen. Dies
Me Vorzüge ald Haupiſtadt, en im ber ſchifſbaten Weichſel und —S —
frofen machen W. zum Erntralpunkt bed gamzen por. Binn dels, den bern bie poln.
Bank, die Börfe, die Eredit⸗ Aſſeeuranz und andere Anftalten begimfligen. Bank unter»
ſtũtt zugleich den Bergban und die — (Eine wurſchauer enge bat bie
Weich ſeid ampfſchiffahtt ins Leben gerufen. Di fenbapn zwijchen W. und —— ver-
bindet IB. mit ber Krakauer und Obetſchleſiſchen Bahn. Yon ber warſchauepeterbbirrget Kifen-
bahnlinie (über Biatyftod, Grodno, Wilna, Dünaburg und Pftow) ward 19. Nov. 1853 die
erfte Section eröffnet. Die ammittelbart Unngebung der Otadt ſt mehr durch Kunſi als don der
Ratur audgeſtattet mb bietet eine Menge Bergnligumgsorte, Vilten, kuſtſchloſſer, Gärten und
Parkanlagen dat. Unmweit der Stadt liegen det Zuftort ——* beffen Park mehre kleine
Yatäfte und bad kailſerl. Luſtſchloß Laytenti erbaut find, einſt Sommerauftnthalt bed Könige
Staniſlaw Auguſt; der Kaninchengarten bder Kroͤltkarnich ein Thiergarten mit ber gleichna ·
migen geſchmackvollen Villa, die eine fehr bedeutende Blidergalerie enthält; Mototiw mit
einem großen Garten, Teichen und ſchönen Sommerhäuſern und das Dorf Mole mit dem
Wahlſelde, auf werfen einſt unter freiem Himmel die Könige von Polen getwähtt wurden.
Ferner ine Meike von ber Stadt das Waäldchen Marymont oder Mariemont mit einem Pa⸗
tafl, ſEsnen LTeichen, dem agronomiſchen Inftitut und einer Fabrkk; dad Dorf Wilanbw am
änem Weichſelarme, mit einem von Sohann IH. Sobieſti durch türk. Kriegſgefangene im franz.
erbanten Luſtfchloß nebſt Park, Bibliothek und Bildergalerie; a6 Def Dielen
an ber Weichſel mit einem Camaldulenſerkloſter in einem fchönen Walde, am zeiten Dinar
tag anferorbentlich ſtark beſucht. Auch das ſchöne Dorf Inblunne mit einem Park und
ffe, einft dem Fürften Joſeph Poniatowſti gehörig, Rust an ber Weichfel.
wird urkundlich erſt 1224 erwähnt, erfeheint aber 1939 bereitd ummauert und war
meiſtentheild Die Refidenz ber Herzoge von Maſevien dis zu deren Wrlöfihen 1526. Um 1550
nahm es König Sigizmund U. Auguſt zu feiner Neſidenz, und 1573 wurden bei dem nahen
Bola Me Rönige von Wolen erwählt. Uber erſt 1609 ward es durch Sigismund M. ffder
Arckan, d48 deſfenungeachtet auch Tpäter die Keßnungeftadt blieb, förmlich zur königl. Meftden;
erhoben, an die ſich fortan die meiften dentwürdi Begebenheiten bes poln. Reichs knupften.
Im Aug. 1655 ergab fi W. an Karl X. Sulav von Schweden, marb dann im folgenben
Jahre von König Johann Kaſinir wiebererobert, ergab ſich aber gem zweiten mal burch €a-
pitulation in Folge der Siederkage dieſes Könige in ber 28.50. Juti 1656 vor W. gelieferten
großen breitägigen Schlacht degen KartX. und deffen Bandesgehofien, ben Kurfürſten Friedricqh
Bilyein von Brandenburg. Unter den Tächf.spofn. Röntgen wurde W. dutch neue Pracht⸗
banten und ben Luxus bes oft biet refibirenden Hofs fehr verfihönert und befebt, litt aber dufuͤr
während bed Rorbifchen Kriegs ungemein, indem e8 bald von den &achfen und Wolen, batd von
den Ruffen ober den Schweden befept war. Bon 1764—73 und wiederum 1793 Ps 3
don. ben Ruffen befegt. In dem Aufftand vom 17. — 18. April 1794 wurde die raff. Beſatzung
medergemetelt und vom 9. Jull bib 6. &ept. 1794 die Stadt von ben Preußen vergeblich bela-
gert; k: tapituftrte aber 5. Nov. nach der Bintigen Erſtürmung von Braga (f. d.) an Die M
unter GSaworow. Durch Medritte Theilung Polens warb W. preußiſch und blieb es biß 1806,
soo ch 28. Nov. bie Franzofen befekten. Geit dem Tilſtter Frieden gali ZB. als Hauptftadt des
ihen benannten Herzogthums. Um 8. Febr. 1813 nahmen ed bie Ruffen in Beſit. Die
poln. Nevolution begann mit dem Aufftand von W. 29. Nov. 1830 umd endete mit der
Atitemung der Stadt 6. und 7. und mit der Kapitulation 8. Sept. 1831 an den Feldmarſthall
Yastewitfh. In der neweften Beit wurden zu W. wiederholt dipiomatiſche Conferrnzen ach
ten. — Dad fehige Bouvernement Warſchun, 1845 aud ben ernements W. ober Hia-
ſovien und Kalifch gebildet, pöblte 1851 auf 668,0 AM. 1,5447 €. — Das Herzog
um Warſthan wurbe 1807 burch diefenigen Theile bed ehemaligen Polen gebildet, die im
ieben zu Tilfit von Preußen abgetreten werden mußten, Jeboch mt Ausbnahme von Btaly-
flo, dat an Rußland kam. Das —— umfahte anfangs 1856 DR. mit 2,200000 E.
und tar In die Wepart. Poren, Kurifch, Died, Barſchan, Lomza und Dtenibetg geteilt.
Dutch den Wiener Trieben von 1809 dam nöd Berfigalhien dazu, das Oſtreich abtreten
mußte. Legteres wurde in die Depart. Kertikan. Rabom, Rubfin und Sieblee getheilt ımb das
Yerzogtiuin uınfapte run 2800 AIR. mit 3,780000 €. Sam Derzge von 2B. ernannte Rapo-
teon den König Wriedeich Auguſt Yon Gachſen, ber eb aber ſchon gegen Ende 1812 in Woige
der Vetrichtung ber Franzoſen in Ratand und Polen verivͤr.
90 Wartburg Wartburgfeſt
Bartburg, ein Bergſchloß über ber Stadt Eiſenach (ſ. d.) im Großherzogthum Sachſen⸗
Weimar, in reizender Lage, am Nordweſtende des Thüringer Waldes gelegen, welcher hier von
einer Unzahl breiterer und ſchmaͤlerer Thaͤler durchſchnitten wird, ſodaß die Gegend die größte
Mamnichfaltigkeit und eine ganz eigenthümliche Schönheit erhält. Die Burg wurde wahr
ſcheinlich 1070 — 80 von Graf Ludwig (f.d.) dem Springer erbaut und blieb bis zum Tod deb
Legten dieſes Hauſes (des Königs Heinrich Raspe, geft. 1247) ununterbrochen die Reſidenz ber
alten thüringifchen Landgrafen. Als nad Beendigung des thüringifchen Erbfolgefriege Thü⸗
tingen an Markgraf Heinrich den Erlauchten aus dem Haufe Wettin gefallen war (1264),
übergab biefer ba6 neuerworbene Land feinem Sohne Albrecht dem Unartigen (Schwieger
fohn des Hohenflaufen Friedrich IL), welcher feinen Sig wiederum auf der ZB. nahm, ebenfo
wie feine Nachfolger bis zum Tode Balthafar's (1406). Deffen Sohn, Friedrich ber Friedfer-
tige, kam nur felten auf die Burg feiner Väter, und da nach feinem Tode Thüringen an bie
meißner Linie des Haufes Wettin zurüdfiel (1440), hörte die Wartburg auf, Nefidenz zu
fein, und murde nun von einem Amtmann oder Schloßhauptmann bewohnt. Gerade durch
dieſe Vernachläffigung wurde der Bau aber ber Kunftgefchichte als wahres Kleinod erhalten;
benn bie W. muß als einziges Beiſpiel eines Kürftenfchloffes gelten, welches aus der romani-
[chen (oder byzantinifchen) Periode auf die Neuzeit gekommen iſt. Zwar hat die ZB. im Innern
und Außern vielfache Veränderungen erfahren; die alten DMauerzinnen mußten hölzernen
überdachten Vertheidigungsgängen weichen, die Thürme find bis auf einen verſchwunden
u. f.w.; aber da6 Hauptgebäude, das Palatium, ift im Ganzen das alte geblieben und ſtrahlt
jegt, nachdem ber funftliebende Großherzog von Sachſen⸗Weimar, Karl Alexander, eine groß
artige Reftauration ber Burg begonnen hat, mit den offenen rundbogigen Säulenarcaden wie
ber in der alten Herrlichkeit. Vorzüglich bewundernswerth ift der Reichthum der oft genial
componirten und technifch gut ausgeführten Säulencapitäle. In diefem Gebäude find in allen
drei Stockwerken nach bem Hofe zu drei lange Verbindungsgalerien, aus denen man in die
innern Säle und Zimmer gelangte, mit drei prächtigen Arcaden, durch welche das Licht fallt.
Im Erdgeſchoß war die Privatwohnung der Landgrafen, darüber bie Kapelle und zwei große
Staatszimmer (jegt durch Schwind aus Münden mit herrlichen Fresken geſchmückt) und im
britten Stockwerk ber riefige, über 100 F. lange Mitterfaal, der Palas im eigentlichen Sinne,
beffen ftilgemäße Wieberherftellung mit kühner Dachconftruction und prächtiger Decoration
dem Baumeifter von Nietgen zur Ehre gereicht. Ein Saal enthält eine werthvolle Sammlung
mittelalterlicher Rüftungen, Waffenflüde u. ſ. w. Im vordern oder Thorhaufe (früher Ritter
haus) befindet ſich das einfache Zimmer Luther's nebft den Wohnungen des Kommandanten
und des Gaftelans. Abgefehen von dem kunſthiſtoriſchen Werthe der Burg erweckt fie in ge
fchichtlicher, culturgefchichtlicder und religiofer Beziehung das größte Intereffe, da ſich an dieſe
Räume die bedeutendften Erinnerungen nüpfen. Bier hielt Landgraf Hermann I. feinen
glänzenden Hof, welcher in ber Befchichte der deutfchen Kiteratur durch den Sängerkrieg
(f. Wartburgkrieg) bekannt ift; bier waltete die fegenfpendende ungar. Königstochter, die
heilige Elifabeth (f. d.), Ludwig's IV. oder ded Heiligen Gemahlin; hier wohnte Zuther
(f.d.) zehn Monate und begann bie Überfegung des Neuen Teflaments; hier endlich feierten
18. Det. 1817 die protefl. Studenten Deutfchlanbs zur Erinnerung an die Neformation und
an die Befreiung vom franz. Drude ein Feſi, welches mande traurige Folgen nach fi zog
(&. Wartburgfeft.) In den legten Jahren diente das Schloß dem jegigen Großherzog, einem
warmen Freund der Kunft und Beförberer der mittelalterlichen Studien, Häufig zum Aufent-
balt. Nach vollendeter Neftauration, bie er begann, verfpricht Die W. einer der fchönften deut⸗
ſchen Fürftenfige zu werden. Befchreibungen der IB. gaben heraus: Thon (Eiſenach 1826),
Schöne (Eif.1835), Wigfchel (anonym, Eif. 1845). Schöne Abbildungen enthalten Puttrich's
„Denkmale der Baukunft” (Abth. 1., Bd. 2, 2pı. 1847).
Wartburgfeſt. Diefes in den fogenannten Demagogenunterfu Bunde (f. Demagog)
hiftorifch gewordene Feft wurde 18. Det. 1817 gefeiert und war veranlapt durch eine Auffode
rung der Burſchenſchaft zu Jena an bie Studenten aller deutſchen Hochſchulen zur Betheili⸗
gung an der dritten Säcularfeier der Meformation. Mehre Hundert Studenten wählten von
zwölf Univerfitäten einen Ausfchluß von 24 Mitgliedern. Auch bie Profefforen Fried, Ofen
und Kiefer von Jena, fowie der bamalige Profeffor und nachmalige fachfen-weimar. Staate
miniſter Schweizer nebft vielen ehemaligen afademifchen Bürgern betheiligten ſich bei dem
Feſte, und der Großherzo von Sachfen-Weimar, ber hochſinnige Karl Auguſt, hatte Allet,
was man erwarten durfte, zur Förderung deffelben gethan. Hier erfchienen bie fpäter verbete
Bartburgfrieg gi
nen burfchenfehaftlichen Farben zum erſten male als Symbol beutfcher Volkteinheit. Un ei⸗
nem Siegesfeuer ber Octoberſchlacht, das auf dem ber Wartburg nahe gelegenen Wartenberg
angezündet worden, wurbe inbeffen, nachdem fchon bie Mehrzahl ber Beteiligten fich entfernt,
ohne Wiſſen des Ausfchuffes der Einfall ausgeführt, verfchiedene Schriften und Sachen, bie
mit ber allgemeinen Vollöftimmung im Widerſpruch fchienen, ben Flammen zu opfern. So
wurden bie Titel von 28 Schriften verlefen und an ihrer Stelle ſymboliſch Maculaturbogen
verbrannt. Unter dieſen Cchriften waren: Dabelow, „Über den 13. Art. ber Bundesacte”;
Kampg, „ober ber Benbarmerie”; Kogebue, „Geſchichte des Deutſchen Reichs”; Haller,
„Reflauration ber Staatswiſſenſchaft“; Colin, „Vertraute Briefe”; Saul Afcher, „Die Ger
manomanie” ; einige Schriften gegen die Turnkunſt, fowie über die Statuten der Adelskette;
W. Reinhard, „Die Bunbdesacte über Ob, Wann und Wie deutfcher Landflände” ; einige
Schriften von Schmalz; bie „Alemannia“ und freilich auch der „Code Napoleon” und 2a
haria’6 Schrift über benfelben. Der eigentlich praßtifhe Grundgedanke des Feſtes aber war
die Gründung einer allgemeinen Burſchenſchaft (f. d.), die. Befeitigung ber Iandsmannfchaft-
lichen Spaltungen auf den Hochſchulen und bie Reinigung der Sitte im Studentenleben. Diefe
Idee wurde zumal 19. Dct. entwidelt"und fpäter theilmeife durchgeführt. Allein die Feuer-
cenfur, die Erbitterung ber von ihr Betroffenen, manche gehäffige Denunciation oder auch un⸗
abfichtlich verbreitete falſche Gerüchte, fobann ein in gereiztem Zone für Anklage und Gegen⸗
anlage geführter Schriftenwechfel, das Alles ließ nur allzu bald das Wartburgsfeft in den Au⸗
gen vieler Regierungen ald ben Ausbrud einer revolutionären Stimmung und als Anfang eb
ner Berfchwörung zur Republikaniſirung Deutfchlands erfcheinen. Gerichtliche Unterſuchun⸗
gen wurben eingeleitet und die von Ofen herausgegebene Beitfchrift „Iſis“ unterbrüudt. Als
man endlich das Weſentliche von dem Unmefentlichen, was zu Misdeutungen Anlaß gege-
ben, unterfcheiden lernte, hatte doch ſchon die Reaction aus den Vorgängen bei dem Wartburg⸗
fefte neuen Eifer und vermehrte Kraft gefogen. Auch die jugendlich kecke Sprache einiger Theil⸗
nehmer am Fefte, vor allem aber bie fpätere, allerdings gänzlich ifolirt fiehende That Sand's
(f. d.), der gleichfalls Theil genommen, mußte bie Rückfchrittspartei in ihrem Intereſſe auszu⸗
beuten. &o wurden denn nicht fehr ange nach dem Wartburgfeſte alle deutfchen Hochſchulen
durch Bundesbefchluß unter polizeiliche Aufſicht geftellt und bie Theilnahme an ber Burfchen-
Ichaft als ftrafbar unterfagt.
Bartburgfrieg heißt jener ernſthafte Dichtermettlampf, der 1206 oder 1207 auf der
Wartburg (f. d.) ftattgefunden haben foll, und ebenfo (genauer „Krieg von Wartburg”) nennt
ſich ein mittelhochdeutfches Bedicht, welches von ihm handelt. Zur Zeit ald die mittelhoch-
deutſche Dichtkunſt am vollften blühte und die Dichter felbft in Höchfter Geltung flanden, hatte
der freigebige Landgraf Hermann (f. d.) von Thüringen an feinem Hofe neben allerlei andern
berzudrängenben Leuten vorab den Dichtern eine vielgepriefene Zufluchtöftätte eröffnet. Es
konnte nicht fehlen, daß bei ſolchem Zufammenfluffe mandherlei Wetteifer und Eiferfucht fi
regen mußte, was fich auch beutlich genug aus ben Anfpielungen mehrer der ausgezeichnetften
dort anmwefenden Dichter, wie Wolfram's und Walther's, ergibt. Die Erinnerung an jene Zu⸗
ſtãnde geflaltete ſich aber bald zu einer fagenhaften Überlieferung, bie aus den gelegentlichen
vorübergehenden Reibungen einen eigentlichen und abſichtlichen Wettſtreit ber Dichter um den
Preid der Kunft, Wettgefänge mit gefahrbrohendem Ausgange machte und zu den Namen ber
wirklich einft in Eifenach verfehrenden Dichter auch andere theils hiſtoriſche, theils rein erdich⸗
tete fügte, wie den tugendhaften Schreiber, Bitterolf, Reinmar (den alten, fpäter fogar noch mit
Reinmar von Zweter vermechfelt), den faft fagenhaften Heinrich von Ofterdingen und ben völ⸗
fig fagenhaften fiebenbürg. Zauberer und Sterndeuter Meifter Klingsor (f. d.). Auf Grund
diefer geſchichtlich⸗ ſagenhaften Überlieferung und unter dem formellen Einfluffe der eben jegt
beliebten Streitgedichte, Räthſelſtreite und geiftlichen Schaufpiele entftand um 1300 ber
Ariec von Wartburg”, ein wunderliches, dunkles, unharmoniſches, in zwei Theile zerfal-
Iendes Gedicht. Im erften Theile, der in einer großen und kunſtreichen Strophe, den „Zone
bed Fürften von Thüringen‘ fortfchreitet, fodert Heinrich von Ofterdingen die übrigen Dichter
bes Dofs zu einem Geſangſtreite über den ruhmwürdigſten Fürſten auf Leben und Tod ber-
aus und behauptet das Lob Herzog Leopold's von Oſtreich gegen ben von den Andern geprie-
fenen Landgrafen Hermann. Als aber der Sieg ben Eiſenachern fich zumendet, wird Klingsor
von Heinrich zu Hülfe geholt und ftreitet nun feinerfeits unter Beiftand feiner böfen Geifter
mit Rächfeln und dunkler Gelchrfamkeit gegen Wolfram. Mit deutlicher Beziehung auf
Kiingsor’s ſchwarze Kunſt (Zauberkunſt) wird die einfachere und kürzere Strophe dieſes zweiten
9 Barte Barthe
eils der Iwarge Vor’ genannt. In Dein ganzin Gebichte, wad ald veſter Wechuth vinde
—2* bei betrachtet werden datf, Aber ut An gwittetheiſteo DR Koran
Sieeſtgedicht und Drama geworden iſt, zrigt ſich underkbennbare Nachchmung von %
Dichtart und noch An Höfich gehatrenrt Ton. Wit ed aber hedichtet habe, HR uftvefannt; Hein:
dh Frauach gewiß hläht, obfchhn ee ſich WIEKBÄARS feet deiben Gebphenformen Aimier den
Kamen Ruiften und Splegelton) biete tb Ten Werkstoffe Hermann ber Demten den
„Wartdurgkrieg gekannt zu haben fcheint. WERE Futſcheſdung darſcher FÄUL um Fo ſchwecget,
Ab Eine kritiſche Unterſuchung und Anogude des Taste en noch gebricht. Wins bir
gleichmaͤgiglenn der Sprache dirrf man fehliößen, DaB mehre Bände an beim Gecdichte TUR Her
Veſen Find, und andere Grunde machen dB vahrfſcheinlich, Bay der größere auid Ältere EHER bei»
ſAben am Reine, ehva in Maim, viellelcht in der Mainzer Singſchune entſtanden iM. Auf bie
Rteratur ſcheint das In neuerer Zeit wert Über Bebüht ethobene Bedicht Keinen Tonbetiidyen
Vingluß Het zu haben. Die Gage don dem Dichterkampfe ſelbſt erſchtint feit dem Auf
drs 14. Jahrh. und wol vorzüglich auf Brand beb Gedichts, da manche Wißveritändni
« Beffelben mit unterlaufen, in den gereimten und proſaiſchen Muleing Chroniken. Bebrudt
DB Gedicht in der Eimzefandgabe Ekemüllerd Ihmenau 1838) und, in Bobmerv tmb dom
det Bügen’s Saumluangen dir „Döinnefiitger”. Vgl. Koberſtrin, „Über dab wahrſcheinliche
Mer and die Bedeutung des Gedichts vom Warfbutger Kt Raub 1 )5 Rucub,
„Aber ben Krieg von Warkdurg“ (Konigob. 1838)5 don Mög, „Uber den Süngerktieg auf
Barth" (Mrtm. 1851).
Warte beißt ein ethabener Ort, von welchem man eine freie Weröficht hut, um Mich umzufe-
hen und zu beobachten, wad in der Gegend vorgehl. Im Mittelalter nannte man fo die Wacht
thfieme, don weichen man die Annäherung eines Weindes, oder Bheiferrde, die man Pfänbern
wollte, entdecken konnte. Auf einem ſolchen Thurme, der ad) Schauthurm oder Hochwaqht
annt wurde, Wache zu halten, war das eigentliche Geſchaͤft ded Burgwarts, der davon
Einen Namen hatte. Jeytift dieſes Wort nur noch in der Benennung Sternwarte gebräudhtich.
Wartenberg, eine 8 QM. umfalfende Standesherefihaft mit 22600 E. in dem Regie
tungöbentite Breblau der preuß. Provinz Schleſten, und zwar in dem an der Grenze von Poſen
gelegenen Kreiſe Wartenberg (14%, DM. mit 53000 E.), mit der Hampt- und Kreisftadt
Wartenberg oder Polnif-Wartenberg an ber Weida, welche 2562 €. zaͤhlt, amei &chlöffer
nebſt Luftgarten und Foſanerie enthaͤlt, Vieh ˖ und Flachſmärkte unterhält und Tuchwebereien
befipt, gehdete Früher den Burggrafen von BDohna, ſeit 1734 dem rufſ. Oberfammerheren Bra-
fen von Biron, nachmaligem Herzog von Kuriand, feit 1738 durch Abtretung bem Schwager
deſſelben, dein poln. und kurfächſ. Kammerheren von Trotta, Baron von Treyden, ber hierauf
von dern Kaifer in den Reichögrafenfland erhoben wurde. Nach dem Ball bes 98 von
Rurland ſchenkte die Gtoßfürſtin Anna die Herrfchaft dem Feldmarſchall Grafen von Mimnich.
Als aber 1741 Munnich ebenfalls verbannt wurde, nahm ber König von Preußen bie Herr⸗
I Ms 1765 der Herzog von Kurland und der Graf von Mürmich, die
1760 thre Freihet wieder erlangt hatten, fi dahin verglichen, daß Erſterer fie gegen eine Geld⸗
fumme behielt. Jegt gehört ſie den Hinterbliebenen des 1801 verftorberen Prinzen Kari Ernſt
Biron von Surland. — Deutſqh⸗Wartenberg beißt eine Stadt im Sreife erg des
ken. Negieru ngsbeitks Liegnitz in Schlefien. Sie iſt Hauptort einer Herrſchaft der inte Bi⸗
von · Sagan and hat ein Schloß und Vob E. — Warkenberg wennt ſich auch ein Dorf in der
duir. Rheiupfalz, In Dandgericht Wirmweiler, mit einem Schioß und 300 E. Gs iſt der Stamm-⸗
ver der Kolben, Gtafen von Wartenderg, deren Beſtzungen 1707 zu einer freien Reichdgraf
ſchaft erhoben wutden und Far deren Verluſt der Braf 1805 die Abtei Roth erhteft.
Burtenburg, tin Dorf am Tinten Elbufer, im Kreife Wittenberg des RNegierungbbezieke
Meifeburg der preuß. Provinz Sachen, iſt durch das Treffen vom 5. Det. 1813 denkwürdig,
In welchem die Preußen ter Blucher (namentlich das 24000 Mann ftatte Korps York 6)
rtwa 206000 Hann Frangofen unter Bertrand Ringen. York (f. d.) erhieft von biefem Tage
Yen Ehrrnnanten von Wartenbutg Das Ergebniß be Terffens war die Weftfegimg ber ſchleſ.
Armee auf dem linken Elbufer, wab hre Be ng mit der Nordarnree entſchied.
Varthe, ng — — Neb der Ober, entfptingt bei Kronolow auf den
NRachen Höhen ded ſabpoln. K Plateau, TR. — von Radan an der Weichfel
and eine Melle weftlich von der Quelle ber in Meſe Michenden Pilica und ift vorder von jenet moch
yon dieſer durch Pitch —— Wahfreſcheldetcken gerrennt. Gie Ueßt mit mehren
Windamgen erſt wegen Rorden über Tzenſtochau, dann In einem tiefer eingeſerikten Thale bid in
Barton Maxi ( Geafſchaft) m
bie Rähe von Raben —*52 brit lt: Unere. gegen Rerden gerichteten Qaufe in
das Aichand, Meßt in daefem In aft. zuei Gitunben bueiien — wicht felgen mehr»
armig, wach Sieradz und Warta, dans mach Hufaabıme bet Mer bei Bollo ticher weſtwärth
ent bar esse lange, mit 5 und Magr erfüllte Senlurg über Sanin 3 Peiſern, wo fie Im
Prosna aufeimens wub 350.8. bucht ius Poſerſcho eintritt. Cie durchffiaßt fobenn bieken
Baht in noxdweſtlicher Ricksung über Schzimm und Pofer, bi 300%. breit, über Aixnkauu
ua ESchwerin, nimmt linka die Dbra von Meferig des: anf, geht dann ig bie Neumauk bez
yarıf. Provinz Baandenhung über, mendot füh hier nah Kufnakıne der Rege ahırmals welb
wmärtß über Bauköberg durch bie Werthebrũche und wmimdet GOOD Gi. kreis unter ber Feſſune
Kiftrin in die Der. Fhr Flußgebirt hat ein Areal von 8334 OQM., waren 657 auf Preußen
kommen; von ihrem 106 M. langan Laufe gahören 44 M. zum preuß. GSebiet. Gdiffher iß fir
im Baum AB M. wein, von oberhalb Kowin.an, we ein Kelkſtenriff Mes ſebt.
* — und die Oegend bie Kolja *6 vernnand⸗es. Ubugens if Die Warth⸗
Berſumpfunten und Verfandungen je fahr er daß ihr Nuten Ex bie 5 ſche
dadurch beeintrachtigt wind. Duuch bie Mage, die 45 M. ang iſt und bei Valel ſchiffben vaizb,
den Bramberger Laual und bin Beehe Hi Dis Marche mis der Weichfel verbunden.
Marton Aham.), Srũnder der visl. Acraturgeſchichte, wunde 1728 zu Drferd schon,
wg fein Water Wrofeflor des Dihehnf mar. Er ſtudirie in Duforh, medis frühzeitig Vesfe
und gab bereitä im 19. J. bie „Plessueea of mwanahebr” hezank, walde ven SR. alt Dichter
bei weitem grifen Erinartingen erraten. ala en ie rfülte. Im. 3, 1757 web ex in Drker)
dea Desert. Ui einas Nirofeffork der Dichtkunf x auſerden einige Vfründen, wodurch «6
Khan verfaftet incr. 00 ganz feinen Studien zu leben.” Ga trat man zuerſt mit einem „Resay 08
Spenser’a Fairy quean‘’ auf wab veranſialteta auch eine Auſsgabe van Milten's Fiaiarım Bier
dichten wait vielen teafflüchen Anwerkuugen. Im J. 1274 him dar enfie Vaud fin „Air
story of English poeiry”, eineh für feine Zeit eek ürdigen umd auch bis auf ben
hentigen Tag ald Ganges noch wicht übertroffen Werks. obwel «8 au einzelwen Mängeln Ic»
bet, namentlich au dem zu Deuge der Gründlichleit, dewen Schein ex wi —* feines Gelchaſan⸗
* und Beisfenheit anzunehmen verſtand. Die rühern von SB. ſelbſt beſorgen Wusgahen die
ſeo Buchs End jegt 4 den Fortſchritten, welche bie Kenntniß der — lerne feitdem 99
macht hat, ziemlich unbrauchdar geworden; bie neuern Ausgaben deſſelben van Yrice (3 Vbe,,
Zend. 1824; neue Aufl, 1840) Haben durch Anxurkungen bedeutend umhgchelfen. Im 3.
#706 erhielt M die Würde einek gefrönten Dichters und bald darauf munde er Profe ſſer der
Geſchichee. Er ſtarb MM. Mai 1790. Unter ſeinen Gedichten find feine Sonette bie gelungen-
ten. — Gein älterer Bader, Joſepb B., geb. 1722, ber 1766 zum Rector der Wincheſter⸗
fihebe ernanut werde und HAND farb, hat ſich gleichfalls als Dichten, namentlich durch bie
„Ode ta faney” Ruf erworben.
Bearwid, cm u Vanlih im der Mitte von England gelegene Buoffchaft, begrenzt von Dy⸗
fest, Bomcefter, Worceſter, Eltafford und —— bat ein Areal von 424 DM, wovon
gegen 37 auf Weide, Feld und Wieſen dommen, und zählte 1851 480120 G. in 303 Kirch-
fpielen. Das Nud beſteht aus weiten Ebenen und niebrigen Hügeln. Es mar einft mit auge
dehnten Waldungen bedeckt amd noch enthält ber nörblide Thal, Woodland genannt, weben
weiten Strecken von Golden una Mosrgründen auch Dolzungen. Der mittlere und befandens
ber fübliche Aeinere Til, Felden genannt, find Dagegen fehr fruchtbar mb reich an vortreff
licher Grasweide. Die Hügel und kleinen Berge, haufig mit Schlöffern ober ſchönen Meiereien
geteims, in Verbindung mit ben zahlreichen Flüſſen, unter benen ber Avon ald Hauptfluf, au-
ferbeın ber Lame, Kine und Leam bie wichtigſten find, ben vielen Bächen und Zeichen, mit ben
beishten Genanunicatienswegen bed Birminghan⸗VFazelykanals, des Warmid-Birmingbam,
Warwich Napton · und Oxferblanals, ber LonbemBiverneol-, ber Loudon⸗Birmingham u. a.
ee mit ben ee Babritetabliffemmts, bieten berams wechſelvolle Bilder bar.
, und Bohnen, Bemüfe und mancherlei Obſt werden In großer Ausdeh⸗
nung —* ; allein bei dem Vorherrſchen ber Hutungen, bie etwa zwei Drittel der Grafſchaft
, iſt — namensäc die Schaf⸗ und Ninderzucht, verbunden mit Milch⸗
Be bebeutender ald ber Feldbeu. Im Ganzen aber iſt W. vorzugsriveife Babrikdiftiet,
die reichen Eifenminen, die veichhalugen Kahlengruben fie die Rachbarfcheft ber Berg-
we von Stafford wicht wenig beigetungen Gaben. Ramenflich find bie Städte — ren
9 b 2 als ‚Banptfig ber Eifer vu und —— — und Cobentry (ſ. d.), wegen
Bänder hervorzuheben· Die Bauptfladt Marwick an und auf einem felfigen ga
94 Warwick (Grafentitel)
am Avon, an der Vereinigung mehrer Kanäle gelegen, durch Ciſenbahn mit Birmingham u. ſ. w.
verbunden und feit dem großen Brande von 1694 mit großer Regelmäßigkeit wieber aufgebant,
hat nur eine Hauptflraße und 10973 E., die Hauptfächlich Wollenftoffe fabritiren. Uberrafcgenb
im Verhäftnif zur Größe des Orts find die vielen fchonen Bauwerke, darunter die 1810 er-
richtete Brüde mit einem einzigen Bogen; die St.Mary⸗ und St.Riklaskirche, die eine mit
hohem Thurme, bie andere mit ber Ruheftätte des berühmten Grafen Effer; das aus Qua⸗
dern erbaute und von Säulen getragene Rathhaus; das große Kaufhaus und die Afſiſenhalle.
Das fhönfte Werk von allen aber iſt das auf 40 F. hohem Felfenplateau über ber Stadt ſich
erhebende Warwid-Eaftle, dad einft als Feftung hochberühmte Schloß der Grafen von War⸗
wid (ſ. d.). Bon andern Orten der Grafſchaft find bemerkenswerth: Stratforb upon Avon
(f.d.), der Geburtsort Shaffpeare's ; Leamington, nahe öſtlich von der Hauptſtadt, früher ein
unbedeutendes Dorf, aber fchon von Alters wegen feiner heißen Quellen bekannt, felt Anfang
dieſes Jahrhunderts als Badeort fo in Aufnahme, daß es 1851 fehon 15692 €. zählte; der
Flecken Kenilworth, die Ruinen bed gleichnamigen Schloffes enthaltend, welches in neuerer
Zeit durch die Romane von Wulter Scott und Miß Anna Rabcliffe fehr bekannt wurde.
Warwick, ein engl. Srafentitel, ben verfchiebene Häufer führten und der mit dem Beflg
von Warwid-Gaflle verfnüpft war. Dieſes Schloß, eines ber älteften in England, war angeb-
ich ſchon in der angelfächl. Zeit der Wohnfig des in ben engl. Heldenfagen berühmten Grafen
Guy von Warwid; wurde aber von Wilhelm dem Eroberer erweitert und feinem Verwandten,
dem Normannen Henry de Newburgh oder Bellomont, mit dem Titel eines Grafen von W.
verliehen. Nach dem Ausfterben diefer Fantllie wurde Wiliem Beauchamp, der im weiblicher
Binie von ihr abflammte, zun Grafen von W. erhoben. Er zeichnete ſich als tapferer Krieger
in den Feldzügen Eduard's I. gegen Schotten und Franzoſen aus umd farb 1298. Sein Nach
tomme, Richard Beauchamp, Graf von W., war ein berühmter Feldherr und Günſtling
Heinrich's V. von England. Kurz nad beffen Thronbefteigung ging er als engl. Geſandter auf
das Concil zu Konftanz. Sein glänzendes, 800 Pferde ſtarkes Gefolge, in welchem ſich eine
Unzahl von Beiftlichen, Doctoren und Schreibern befand, machte überall das größte Aufſehen.
Nach feiner Rückkehr folgte er dem Könige nach Frankreich und nahm an allen Ereigniſſen Theil,
welche zur Unterfochung des Landes durch die Engländer führten. Nach dem Tode Heinrich's V.
(f.d.), der ihn zum Gouverneur ded neun Monate alten Heinrich VI. ernannte, fegte ZB. den
Krieg unter der Regentfchaft Bedford's gegen Karl VII. (f.d.) von Frankreich fort und eroberte
Maine. Im 3. 1431 führte er den jungen König nah Rouen, wo er ben Tod der Jungfrau
von Orleans betrieb. Nachdem im Dec. 1431 die Krönung Heinrich's VI. zu &t.- Denis vo
ogen worden, ging er nad) London zurüd und nahm bier einen vorzüglichen Untheil an der
egierung. Als die Herrfchaft ber Engländer jenfeit des Kanals fich den Ende zunelgte, wurde
er 1437 als Regent nach Frankreich gefchidt. Zwar nahm er Pontoife und andere Mäge, doch
konnte er die Fortfchritte Karl's VII. nicht mehr aufhalten. Ex flarb zu Rouen 30. April 1439.
Sein einziger Sohn, Henry, wurde 1444 zum Herzog von W. erhoben, ftarb aber 11. Juni
4445 kinderlos, worauf bie Güter und Würden bed Daufes ber mächtigen Familie Neville (ſ. d.)
zufielen. — Richard Meville, ältefter Sohn bes Grafen von Salisbury (ſ. d.), ber ald Gatte
Anna Beauchamp's den Titel Graf von W. erhielt, ift berühmt durch bie Rolle, die er in ben
Kriegen der Rothen und Weißen Rofe fpielte. Sein Reichthum, die Macht feiner Familie, fein
Rriegstalent, fein kühner und ehrgeiziger Charakter befähigten ihn in ben Wirren feiner Zeit
unter Heinrich VI. zum Parteihaupte. Als 1455 der Krieg der beiden Roſen begann, ergriff
W., der ale Gouverneur von Calais fi wie ein unabhängiger Souverän benahm, die Partei
des Herzogs von York und fchlug die Königlichen 23. Mai bei St⸗Albans. Die Königin Mar-
garethe von Anjou (f. b.) vergab hierauf Calais an ben jungen Herzog von Somerfet; allein
W. ſchlug feinen Nebenbuhler zurück, eroberte deſſen Flotte und machte fih dem Hofe mehr alt
je furchtbar. Im Srühjahe 1460 Tandete er mit einem Corps in Kent, überwand bie König-
lichen 19. Juli bei Northampton, nahm Heinrich VL gefangen und nötbigte ihn, ben Herzog
von York zum Thronfolger zu erlären. Indeffen fommelte Margarethe, die mit ihrem Sohne,
bem Prinzen Eduard, nach Schottland geflohen war, Im nördlichen England ein bedeutendes
Heer und flug den Herzog von York 31. Dec. 1460 bei Walefield. York blieb auf dem
Schlachtfelde; IB.’ Vater, der Graf von Salisbury, fiel in der Lancaftrier Hände und wurde
entbauptet. W. zog der Königin von London aus, wo er bie Regierung führte, entgegen und
lieferte Derfelben 15. Febr. 1461 ein Treffen bei St.Albans, das er durch die Verrätherei eini-
ger. Großen verlor. Trohdem vereinigte er fich mit der Streitmacht bed Grafen Eduard von
Barze 95
March, älteften Sohns des Herzogs von York, zog mit Ihm nach London und bewog die Ein-
wohner durch feine Autorität und Berebtfamkeit, ben jungen Eduard IV. (f. d.) an Heinrich's
Stelle als König anzuertennen. Eine Armee von 60000 Lancaftriern, welche die Königin Mar-
garethe zufammengebracht hatte, wurbe von W. 29. März 1461 bei Towton in einen furcht-
baren Gemesel aufgerieben. Eduard IV. war nun zwar im Befig der Krone, fah ſich aber in
allen feinen Handlungen von W. abhängig. Der König wagte gegen den Willen feines Be»
fhügers die Eliſabeth Woodville zu heirathen, was W. aͤußerſt aufbrachte. Misvergnügt, lief
ch W. in eine enge Berbindbung mit Ludwig XI. von Frankreich ein, befuchte denfelben 1467
und gab nad der Rückkehr feine Tochter Sfabelle dem unzufriedenen Bruder bes Königs, dem
Herzoge von Elarence, zur Ehe. Hierauf föhnte er fich mit Margarethe von Anfou auß, ver-
mähblte feine zweite Tochter Anna mit deren Sohne, bem Prinzen Eduard, und machte ich an⸗
beifchig, den im Tower ſchmachtenden Heinrich VI., ben ex felbft geſtürzt hatte, wieder auf den
engl. Thron zu fegen. Der umvorbereitete Eduard IV. mußte nach Burgund entfliehen; IB. aber
zog 6. Oct. 1470 in London ein, erflärte Heinrich VI. wieder zum König und übernahm im
Berein mit Slarence die Regentfchaft. Schon im März 1471 Iandete jedoch Eduard IV. mit
2000 Wann bei Ravenspurg, fammelte die zahlreichen Anhänger ber Yorks um ſich und rüdte
ohne Schwertſtreich nach London. Zwar gelang ed WB., in Leiceſter ein Heer zu vereinigen; al
kein mehre Lords fielen von ihm ab, und auch der wankelmüthige Elarence, ber in der Erhebung
ber Lancaftrier keinen Vortheil fah, ging mit 12000 Mann zu feinem Bruder, Eduarb IV,
über. Jede Vermittelung zurückweiſend, wagte W. dennoch 14. April 1471 bei Barnet ein
Treffen gegen die Streitmacht Eduard's, in weichem er nad ben biutigften Anſtrengungen mit
16000 Kancaftriern erſchlagen wurde. — Der Titel der Warwick ging num auf Eduard, den
Bohn des Herzogs von Clarence aus der Ehe mit Sfabelle Neville, über. Nach der Ermordung
feines Vaters wurde er erfl von Richard IL, dann von Heinrich VII, die in ihm ben legten le⸗
gitimen männlichen Sprößling der Plantagenet (f. d.) fürchteten, in Befangenfchaft gehalten.
Rad) I5jähriger Haft verband fich endlich ZB. mit dem Prätendenten Peter Warbeck (ſ. d.) zur
Flucht aus dem Tower. Wahrfcheinlich war es Heinrich VII. ſelbſt, der dieſes Complot anftif⸗
tete, um fi Beider zu entledigen. Nach einer kurzen Unterfuchung wurde Warbed 1499 ge
bangen, W. aber im Tower enthauptet. — Unter, der Regierung Eduard's VI. erhielt der be»
rüchtigte John Dudley, ber fpätere Herzog von Northumberland (f. Dudley), Warwid-Eaftle
mit dem Titel eines Grafen von W. Wiewol derfelbe als Hochverräther ftarb, wurde doch
ber Titel 1561 zu Bunften feined Sohns Ambrofe Dudley erneuert, der jeborh 1589 unbeerbt
ftarb. Hierauf ward Robert, Lorb Ri, 1618 zum Grafen von W. erhoben. Der legte Graf
aus diefer Familie ftarb 7. Sept. 1759. Bereit 1603 hatte Sir Fulke Sreville, der Freund
und Waffengefährte Sidney's, der in weiblicher Linie von den alten Beauhamps abftammte,
einen Theil der Güter biefed Haufes mit Warwid-Eaftie erhalten und war 1621 zum Korb
Broofe ernannt worden. Nach feinem Tode, 30. Sept. 1628, folgte ihm fein Neffe Robert,
deffen Rachkomme, Franeis, Graf Brooke, 27. Nov. 1759 auch ben Titel eines Grafen von
WB. erhielt. Der jegige Graf von W., George Buy Greville, geb. 28. März 1818, folgte
feinem Bater 10. Aug. 1853 in den Würden und Gütern bed Haufes. Er refidirt zu Warmid-
Caſtle, das, außer feinem prachtvollen Park, durch reiche Kunftfammlungen berühmt ift, unter
denen ſich namentlich die berühmte Vaſe von Warwick, eine der fchönften Antiken, auszeichnet,
Warze nennt man im Allgemeinen jeden unregelmäßigen Auswuchs auf der Oberfläche
eines organifchen und thierifchen Körpers. Bei dem Menfchen bezeichnet man mit Warzen die
verfchiebenartig geftalteten Auswüchſe ber Haut, die am häufigften an ben Händen, aber auch)
im Geſicht, am Halfe und an andern, dann meift mit zarter, fehr empfindlicher Haus bedeckten
heilen des Körpers vorkommen und bie Größe eines Hirſekorns haben, öfter aber bie einer
Erbſe und barüber erreichen. Man hielt die Warzen ehemals für bloße Verdickungen ded Dber-
haͤutchens; allein, wie man fpäter entdeckt hat, beruhen fie auf krankhafter Entwidelung des
eigentlichen Hautgewebes (ded Papillarkörpers ber Keberhaut). Die Entficehung der Warzen
iſt noch unbekannt. Scheinen fie auch zuweilen durch rein örtliche Einwirkungen, wie anhalten.
den Druck, Häufige Reibung, Stöße u. dgl. hervorgerufen worden zu fein, fo zeigen fie ſich wie»
der bei einzelnen Individuen ohne vorausgegangene örtliche Einwirkungen in fo großer Anzahl
und gleichzeitig an fo verfchiedenen Stellen des Körpers, dag man fie mit der allgemeinen Kör⸗
perconftitution für wefentlich verbunden betrachten muß. Irrig ift die Dieinung, nad) welcher
bas auß einer Warze ausfließende Blut Im Stande fein fol, ba, wo es mit ber Haut in Be
rũhrung kommt, gen zu erzeugen. Die Befeitigung ber Warzen hält zumeilen ungemein
| 96 Bafa (iktterfig) Baſhington (George)
ſchwer, da fie Häufig auch vech mehmmaliger. Secfkörung om Vorſcheis Tamm. Dar
gegen verſchwinden fie wicht felkay von —5 ——2 an melche man bisher yır Ver⸗
tügung von Warzen empfohlen hat, finh ſehe zahlteich ut Iayfen alle auf Atung, Ausſchnei⸗
den aber Untarhinden hinaus.
Mala, ein alter Ritterſitß in ber ſchwed. Yroyi db, IM, van Stodhalm, iſt das
Stamshant des Tünigl, Geſchlechte biefea Bann YE), bat mit Guflan IL. Adolf
($.5) und feiner Aochtes Chriſtine (f.d.) ausſtarb. (S. Giäinchen.) Seit 56. Mai 1829 führe
der Bohn det Känigt Guftav IV. Abolf (f. d.) von Schwehen ben Kiel eines Prinzen von
Waſa. Beine von ihm geſchiedene Gemahlin, Laiſe von Bahn, flaxb 4854. Seine einzige Toch⸗
tey, Kazaline, geb. 5. Uug. 1853, ift feit 18. Juni 1855 wit dem Kronprinzen Albert von
Sachſen varmaͤhlt. Männlige Nachkommen hat ker Prinz von Waſa keine.
Bela, die Hauytſtadt bei Kreiſes oben Laͤns gleiches (TIEAM. mit 257824 €.)
im Sroßfürftensgum Kinnland, eine See⸗ und Handelsfladt an einer Heinen Bucht bes Bort-
niſchen Meerbuſend, iſt der Gig eine Hofgerichts, hat breite und gerade Strafen, mehre Pläge,
darunter den ſchönen Gufßßonänlag, an welchem das ſtattliche Hofgerichtsgebãude und die Woh⸗
nungen der Beamten liegen, ein verfalleuss Schloß Karlöbolm, Schiffäwerfte und 3500 €,
welcht anfehulichen Handel, befonders mit Theer, Pech und Roggen treiben. Größere Fahr⸗
uge müffen in dem neuerbauten Hafen Smultronören anlegen, ba ber alte nur noch für Feine
iffe brauchbar if. Angelegt wurde W. 1606 vom Könige Karl IX., ber e8 nach den Stamm
ſchloſſe ſeinen Geſchlechts benannte. Mit Finnland wurde fie 1809 im Frieden zu Frederiks⸗
hamn an Rußland abgetseten.
au, |. Bagefen. .
fi (George), ber enfte Präfident ber Vereinigten Staaten von Nordamerika,
wurde 22. . 1752 in ber Grafſchaft Weltmoreland in Birginien geboren. Sein Water,
Kuankkin V., deſſen Borfahren 1657 aus England einwanderten, war ein reicher Pflanzer,
den aber frũhzeitig finub. George, von fünf Kindern das dritte, wurde von feiner Mutter, einer
fahr tüchtigen Frau, einfach erzogen. Bis zum 15.3. befuchte er die Schule zu Williamsburg,
me au den gewöhnlichen Untersickt für das praktifche Leben empfing. Mit befonderm Talent
und mit Vorliebe widmate es fih dann zu Hauſe mathematifchen Studien. Da ihm nur ein
ſchmaler Theil den väterlichen Erbſchaft zufiel, wallte er in Die engl. Marine tresen, lieh fich aber
won der Mutter, bie feines als Stũtze bedurfte, bewegen, im Hauſe zu bleiben und das Geſchäft
eines Feldmeſſers zu treiben. Als folcher fand er bei Durchſtreifung ber wüften Gebiete Virgi⸗
wien vielfache Gelegenheit, Geiſt und Körper zu ſtählen, fowie ſich billigen Grundbefig zu er»
merben. Im 3.1751 erhielt er den Grab eines Motors in ber Colonialmiliz. Er verſah dieſes
Amt mit Eifer und Luft und übernahm 1753, als die Kämpfe mit den Beanpofen am Obio
und an den nörhlicgen Seen begannen, eine Miffion au ben franz. Befehlähaber in Canada, bie
jedoch ohne Erfolg ablief. Mach des Rückkehr trat er als Oberfllieutengut an die Spige eines
Milizuogiments und focht gegen die Franzoſen und Indianer am Ohio. Die Geriugfägumg,
wit ber die beit. Megiesung die Miligoffiziere behandelte, veranlaßte ihn 1754 außer Dienft zu
testen. Er 309 fich auf das von feinem ältern Bruder ererbte Landgut Mount Vernon zurück.
len fehon 1755 ſchloß er ſich aus Patriotismus als Freiwilliger ber unglüdlichen Sppebition
des enal. Generals Braddeck an, bei dem er Adjutantendienſte leiſtete. Nach diefem Ereigniß
erhoh ihn die auf die eigenen Kräfte angewieſene Provinz zum Oberſt und Befehlshaber der
virgin. Jruppen. Ungeachtet aller Anſtrengungen konnte ex mit feiner geringen Macht, bie ſich
Seyın-auf 1000 Mann belief, die Fortſchritte der Franzoſen nicht aufhalten. Erſt 1758 brachte
ax eine gröfiere Expedition gegen bad franz. Kort Duquetne zu Stande; doch fand er die Fe⸗
lung bei der Annäherung ſchon verlaffen. Als die Gefahr vorüber, legte er feine Stelle nieder,
weheirethese ſich mit Martha Guftis, einer jungen Witwe, und lebte auf Mount-VBernon als
Pflanzer. Durch Fleiß und Ordnung brachte ex feine Güter zu hohem Ertrage und wurde ei⸗
wer ber zeichflen und angefehenften Gigentbümer ber Provinz. Man wählte ihn in bie geſetz⸗
gebende Berfammlung von Birginien, mo er fich zwar nicht durch Bertdtſamkeit, aber dur
Scharfſinn und Feſtigkeit auszeichnete. Als bie Gteeitigkeiten mit bem Mutterlande ausbra⸗
Ken, erklärte ex ſich für das Selbſtbeſteuerungsrecht her Golomien und bewies fich als aufric-
tigen, wenn auch nicht fanatifchen Patrioten. Seine Mitbürger wählten ihn zum Deputirten
auf dem Generaltongreß ber vereinigten Colonien, ber 1A. Gept. 1774 zu Philabelphia eröffnet
wurde. Nachdem bie Beindfeligfeiten zwifchen ben Amerikanern und ben Engländern beifering-
ton begonnen, befchloß ber Convent bie Errichtung eines ſtehenden Heeres und wählte 14. Juni
Bafbington (George) 97
1775 einmüthig B. zu deffen Dbergeneral, indem man ihn wegen feines unbefcheltenen, zu-
verläffigen und doch gemäßigten Charakters viel geübtern Dffizieren vorzog. Nur aus Patrio-
tismus und mit Mistrauen gegen feine Fähigkeiten übernahm W. bie ſchwierige Stellung,
auch wies er jeden Gehalt zurüd. Er fand die ungefähr 14000 Mann flarke, aus den Coloniaf-
contingenten und Miligen zufammengefegte Armee vor Bofton ohne Waffen, ohne Munition,
ohne irgend eine Organifation. Unter ungeheuern Anſtrengungen und Hinderniffen brachte er
zwar einige Orbnung und Gehorfam in die Maffe, begriff aber bald die Unmöglichkeit eines
Angriffs kriegs und befchloß, fich nur auf Vertheidigung umd auf Beobachtung und Überra⸗
[hung bes Feindes zu beſchränken. Durch diefe® Syſtem, das er trog Verlockung und Anfein
dung fefthielt, wurde er ber Befreier feines Vaterlandes. (E. Vereinigte Staaten.) Ex forgte
für Befeftigung der Küften, die Herftellung einer Flotille und drängte im März 1776 die Eng-
länder aus Bofton. Als der auf 35000 Mann verftärkte Feind im Auguft Neuyork befegte,
ging er nad einer Reihe unglückücher Gefechte aus einer feften Stellung in die andere in das
nördliche Gebirge zurüd. Hunger, Kälte, Seuchen, Mangel an Kleidung rafften einen Theil
feiner Streitkräfte hin. Ein anderer Theil benugte ben Ablauf der auf ein Jahr feftgeftellten
Dienflzeit und verließ die Fahnen. Mit dem Refte von 2000 Mann, bie ihm noch geblieben,
mußte fih W. mitten im Winter hinter den Delaware zurüdziehen, wo er, von dem Zögern des
engl Dberbefehlshabers Dome begünfligt, feine Armee wieder auf 6000 Mann brachte. Der
Congreß führte jegt eine dreijährige Dienftzeit ein und verlich W. eine Art Dictatur, die ihn
zu Requifitionen und einer firengern Disciplin im Heer ermächtigte. Am 25. Dec. 17776 wagte
W. einen kühnen und glüdlichen Überfall der engl.-deutfchen Soldtruppen bei Zrenton und
3. San. 1777 fchlug er Cornwallis bei Brincetown. Dieſe Erfolge und die Ankunft berühm-
ter Ausländer, die an W.'s Seite dienen wollten und unter denen ſich auch Lafayette (ſ. d.) be
fand, hoben die Zuverficht der Amerikaner. Dennoch vermochte W. nicht, ber Noch und
Schwäche feines Heeres abzuhelfen. Am 13. Sept. fhlug ihn Howe am Brandywinefluß, und
als er Leptern 4. Det. bei Germantown angriff, mußte er ebenfall der Beübtheit und Stärke
der Engländer unterliegen.
Während ein amerikan. Corps mehr als 6000 Engländer bei Saratoga zur Eapitulation
zwang, war W. genöthigt, mit der Hauptmadht ein Kager in der Einöde von VBalley-Forge, ſechs
Stunden von Philadelphia, wo bad engl. Hauptquartier lag, zu beziehen und alle Keiden des
Winters, des Hunger und Mangels jeder Art zu erdulden. Sein Heer ſchmolz hier vollends
durch Berrätherei, Abfall und Widerfpenftigkeit auf ein Meines, aber erprobtes Häuflein zu⸗
fammen. WB. bewährte gerade damals die ganze Größe und Stärke feines Charakters, indem er
auf feinem Poften ausharrte. Das Bündniß der Colonien mit Frankreich und bes letztern
Kriegserflärung an England gab der Sache der Amerikaner eine günftigere Wendung. Im
Suni 1778 brach W. aus feiner Einöde hervor und überfiel den neuen engl. Dberbefehlehaber,
Slinton, am 29. auf dem Rückzuge von Philadelphia nad Neuyork bei Monmouth. Hierauf
nahm er eine Stellung bei Weſtpoint und hinderte dadurch die Engländer, fi) aufs neue aus⸗
zubreiten. Clinton fpielte deshalb mit dem Frühlahr von 1780 ben Kriegsichauplag in die ſüd⸗
lichen Colonien; allein IB. tieß fich weislich nicht nachziehen und fegte mit feinen wenigen Mann⸗
ſchaften die Einſchließung der engl. Hauptmacht in Neuyork fort, bis er endlich, durch bie An⸗
Lunft Rochambeau's mit 6000 Franzofen verftärft, aus ber Rolle bes Beobachter heraustre⸗
ten und den Plan zu einem entfcheidenden Schlage faffen Tonnte. Während er Elinton durch
täufchende Bewegungen im Norden fefthielt, wendete er fih, von dem franz. Admiral Graffe
zur See unterflügt, nad) Yorktown und zwang 29. Det. 1781 7000 Engländer, bie baffelbe
befegt Hielten, zur Gapitulation. Eine große Menge Gepäd, Gefhüg und viele Magazine fie-
Len dabei in feine Hände. WB. hatte im Laufe des Kriegs die Engländer zwar nicht im offenen
Felde gefchlagen, aber ihre Kräfte durch fein zähes Beobachtungs ſyſtem fo gefhwächt, daß fie
nach Diefer Niederlage keine Unternehmung mehr wagten. Nachdem 30. Nov. 1782 in einem
proviforifchen Frieden die Unabhängigkeit ber Amerikaner anerkannt worben, mar es der innere
Feind, gegen welchen fich die Aufmerkſamkeit W.'s richten mußte. Im Heere, für beffen Zu⸗
Eunft ber Congreß nicht bie verfprochene Sorge zu tragen ſchien, gab fich eine tiefe Unzufrieben-
Beit kund, die jeden Augenblid in Empörung außzubrechen drohte. Sogar machte man W. von
bieſer Seite aus den Vorſchlag zu Staatsſtreichen, die auf Gründung einer Monarchie binaus«
lefen, die er aber mit größter Entrüftung zurückwies. Als endlich die Engländer 25. Nov.
2783 Reuyort räumten, entließ er die Reſie feines Heeres in einem Herzlichen Abſchiede und be-
Gono.stez. Behnte Aufl, XV. 2 7
88 Waſßhington (&tabt)
gab ſich nach Annapolis, mo er im Songreß fein Amt als Oberbefehlshaber nieberlegte. Er zog
ſich dann als einfacher Pflanger nad) Mount ˖ Vernon zurüd und arbeitete mit Eifer an der
Herftellung feine® hart mitgenonnmenen Vermögens. Wol Niemand wußte beſſer als er, wie
nothwendig bem jungen Staatenverein eine Berfaffung und Gentralregierung wäre. W. ſchloß
ſich deshalb der fogenannten Köderaliftenpartei an und. half als Deputirter der Generalver-
fammlung von 1787 die noch jegt geltende Bunbesacte entwerfen. Als im April 1789 Die neue
Verfaffung in Wirkfamteit trat, übernahm er nad einftimmiger Wahl bad Amt des Präfiden-
ten und wurde hiermit zum zweiten mal ber Retter und Wohlthäter des Vaterlandes. Inmitten
bes Kampfs der Parteien, ber die Union gewaltſam zu zerreißen drobte, ordnete er die Staatb⸗
ſchuld, die Landesvertheidigung, den Verwaltungsorganismus und ben öffentlichen Unterricht
und legte den Grund zu dem Straßen⸗ und Kanalfyftem des innern Verkehrs. Nach aufen
ftellte er das Princip ber Neutralität auf und begünftigte dadurch die Erneuerung des Handels⸗
verkehrs mit England, ber einen nie dageweſenen Auffchwung nahm. Nachdem die Präſiden⸗
tenwahl 1793 nochmals auf ihn gefallen, fteigerten ſich für ihn die Schwierigkeiten Durch das
Berhältnif der Union zu dem revolutionären Frankreich. Gegen bie Abfichten der Demokraten⸗
partei, welche bie Unterftügung Frankreichs gegen England foderte, ſchloß W. einen vortheil
haften Handelsvertrag mit England und ſchickte fogar die Intriguanten und Agenten des fran.
Directoriums aus dem Lande, die das Volk offen für eine Empörung gegen ben Präfidenten
bearbeiteten. Der Anklagen, mit welchen man ihn überfchüttete, müde, verbat er fich jedoch die
abermalige Wiedererwählung zum Präfidenten und Iegte fein Amt mit einer herrlichen An-
fprache an die Ration in März 1797 für immer nieder. Als aber im folgenden Jahre der Krieg
mit Frankreich ernftlich drohte, bewog ihn der neue Präfident Adanıs, die Stelle eines Oberbe
fehlshabers nochmals anzunehmen. IB. farb während der Spaltung mit Sranfreid 14. Der.
1799 zu Mount-Vernon in Folge einer Erkältung. Erſt nach feinem Hintritt fühlte man den
ganzen Verluft dieſes Mannes und alle Parteien der Union ehrtenihn durch eine feierliche Trauer.
W. führte eine glüdliche, aber Einderlofe Ehe. In feinem Teſtament gab er feine Sklaven frei;
ex fliftete anfehnliche Vermächtniffe für Schulen und hinterließ den Reſt des Vermögens einem
Neffen. Seine Gebeine ruhten erfi zu Mount-Vernon, bis fie auf Beſchluß des Congreſſes in
ber Hauptftadt des Bundes, bie feinen Namen trägt, unter einem Denkmale beigefegt wurden.
Dol. Marfhall, „Life of W.” (2 Bde., 3. Aufl., Philadelphia 1832); Bancroft, „Essay on
the life of W.“ (neue Aufl, Bofton 1851); Joſch, „IB. und bie nordamerit. Revolution”
(Gieß. 1817); Redding, „Life of W.” (2 Bde., Lond. 1835); Edmond, „The life and times
of W.“ (2 Bde., 3. Aufl, Lond. 1839). Sparks gab im Auftrag des Eongreffes eine Samm-
lung von W.'s officiellen und privaten Papieren nebft einer gründlichen Lebensbefchreibung
unter dem Zitel „The works of W.” (12 Bbe., 1854— 37) heraus, bie Guizot franzöſiſch
(6 Bbe., Par. 1840) und Raumer deutſch (2 Bde., Lpz. 1845) bearbeitete.
Wafhington, die Haupt und Bundesftabt der Vereinigten Staaten, feit 1800 Sig ber
Bundesregierung und bes Congreffes, liegt auf einer von zwei Armen des Potomac gebildeten
Landzunge, in dem Diftricte Columbia (f. d.). Als man 1790 eine gemeinfchaftlihe Haupt-
fladt für die Union gründen wollte, gaben die Staaten Maryland und Virginia ein faft
im damaligen Mittelpunkte der Republik belegenes Terrain dazu her, das über acht engl.
DM. umfaßt und in deffen Mitte man die Stadt erbaute, bie nach dem Helden ber norbamerif.
Freih eit benannt wurde. Man befolgte dabei einen eigenthümlichen, ſehr weitläufigen und re⸗
gelmäßigen Plan, der jedoch noch bei weitem nicht zur Ausführung gelangte, auch bereits manche
Ubänderungen erlitt. Das Terrain der Stadt enthält einige mäßige Erhöhungen, von benen
zwei für das Sapitol und das Haus des Präfidenten außerfehen wurden. Won dem Eapitol,
als dem Mittelpuntte bed Bauplans, follen nach allen Richtungen Iange Avenues ausgehen,
jebod find Davon nur wenige wirklich vorhanden. Der Haupttheil ber Stadt liegt jegt fogar im
Rüden, auf der Weſtſeite des Gapitols, und nur dieſer trägt einen ftabtähnlichen Charakter,
während in den übrigen Richtungen Alles ein borfähnliches Anfehen hat. Die Strafen laufen
ſchnurgerade von Norden nach Süden und von Often nach Welten, ſich umter rechten Winkeln
ſchneidend. Fünf der Avenues gehen radienförmig von dem Capitol, ebenfo viele von dem Prä-
fidentenhaufe aus. Innerhalb bes großen Gtabtgebiets finden fich bie Häufer bis jegt nur par»
tienweife bier und ba vertheilt, die Paläfte liegen iſolirt, ſodaß man ZB. mit einem unfertigen
Stickmuſter vergleichen Bann. Die öffentlichen Gebaͤude ſind mit großer Pracht ausgeführt ; aber
nur bie nach antiken Muftern erbauten Binnen auf architeftonifche Schuͤnheit Anſpruch machen.
Das impofantefte und eins ber fchönften öffentlichen Gebäube ift das Capitol, ein großer, maſ⸗
Waſhington (Stadt) 99
ſenhafter, im Mittelpunkte eines großen Vierecks aufgeführter Palaſt im griech. zumeiſt im ko⸗
rinth. Stil, in welchem feit 1800 der Congreß feine Sigungen hält. Am 14. Aug. 1814 zer⸗
flörten die eingebrungenen Engländer unter Roß alle öffentlichen Gebäude ber Stadt, die jedoch
nach dem Frieden um fo prächtiger wieberhergeftellt wurden. Das neue Gapitol, beffen Haupts
gebäude 1818—27 emporftieg, tritt aus den an feinem Fuße befindlichen Parkanlagen in
daffifher Eleganz hervor. Seine Lage ift 38° 55° 34” n. Br., 59° 21° 52” weſtlich
von Ferro, und nach feinen Meridian berechnen bie Norbameritaner bie geographiſche Länge
aller übrigen Orte. Das Gebäude ift aus behauenen Sandfteinen errichtet, mit -den Flü⸗
gel 352 engl. F. lang, 121%. tief und mit der Hauptkuppel des Mittelgebäudes 120 $. hoch.
Die Fronte bes leptern, nach Oſten gerichtet, ſchmückt ein Porticus von 22 korinthifchen, 38 F.
hohen Säulen. Außer den Sälen des Congreſſes und der Bibliothek enthält das Capitol auch
den Sigungsfaal des oberften Gerichtshofs der Union und an 70 Zimmer für verfchiedene
Ausfhüffe und Beamten des Eongreffed. Am 2. Dec. 1852 brach eine Feuersbrunſt im Ca⸗
pitol aus umd vermichtete den größern Theil der Bibliothef. Die Amtswohnung des Präfiden-
ten, gewöhnlich bad Weiße Haus (WhiteHouse) genannt, liegt auf einer ähnlichen, aber gerin-
gern Erhöhung als das Eapitol, 1', engl. M. im Nordweſten von biefem, in ber Mitte eines
20 Acres großen, parfähnlich angelegten Pages. Es ift ein ſchönes Gebäude aus Duaderftei-
nen, an ber nördlichen Fronte mit einem ionifchen Porticus, an der füblichen durch eine kreis⸗
förmige Colonnade geziert. Die vier Eden bes Pages bilden die Amtögebäube der Minifterien
des Auswärtigen, des Kriegs, berMarine und des Schages. Für das ſchönſte Gebäude gilt das
Generalpoftamt, in antitem Stil und in weißem Marmor ausgeführt. Ganz in feiner Nähe
fiegt das koloſſale Patentamt (Patent Office) mit einem Porticus, der mit dem Parthenon zu
Athen gleiche Ausdehnung hat. Es enthält das Naturalien- und ethnographifche Mufeum bes
Rationafinftituts, fowie eine ausgezeichnete Modellfammlung. Im Bau begriffen war 1854
das Waſhingtonsmonument, ein koloffaler Obelisk, deffen Höhe auf 600 F. berechnet iſt. Be⸗
mertenswerth find ferner das neue Schagamtsgebäubde, die Kaferne mit der Wohnung des
Sommandanten, das Marinearfenal, dad Artilleriebepät und die Gebäude mehrer wiſſenſchaft -
licher Inftitute. Von ben öffentlichen ftäbtifchen Gebäuden ift nur das Stadthaus (City Hall)
zu erwähnen. W. befigt außer vielen mittlern mehre höhere Unterrichtsanftalten und fehr bes
deutende wiffenfchaftliche Inflitute, wie das Columbian⸗College ber Baptiften, das kath. Prie-
fterfeminar unter Zeitung der Jeſuiten, eine höhere weibliche Erziehungsanſtalt bes kath. Con-
vent of visilation, bie National Institution for the promoving of science mit ihrem ausge»
zeichneten Nationalmufeum, bie Smithsonian Institution (f. d.), dad 1842 gegründete, durch
feinen gegenwärtigen Director, Maury, berühmt gewordene National Observatory, endlich bie
öffentliche Eongreßbibliotheß, welche 1851 ungefähr 55000 Bände zählte. Außerdem befigt W.
einige zu wohlthätigen Zwecken geftiftete Geſellſchaften. In Bezug auf Handel und Induftrie
ift die Hauptftadt der Union ohne Bedeutung. Der Eongreß, welcher burchfchnittlich nur drei
Monate im Jahre figt, ift fein Anziehungsmittel, eine zahlreiche Bevölkerung zur Niederlaffung
zu bervegen. Die nicht zu den fchnell wechfelnden Staatödienern gehörige permanente Bevölke⸗
rung ber Metropofe, deren Zahl in den J. 1800 — 40 von 3210 auf 23364 und 1850 auf
40001 flieg (darunter 8073 freie Farbige und 2143 Sklaven), beftcht, abgefehen von den Fa⸗
milten der frenıden Dipfomatifchen Nefidenten, überwiegend aus Detailliften und Krämern, Gafte
wirthen und Koſthausbeſitzern. In der Nähe W.s befindet fich der fehön angelegte Congreßkirch⸗
hof und Kriegsfchiffswerfte der Union am Anacoſtia, über ben eine 2375 Schritt Tange Brüde
führt. Nur zwei engl. M. oberhalb W., anı linken Ufer des Potomac und am Anfange bed Che
fapeat-Dhiofanals, durch den von zwei Brüden überfpannten Rock ˖ Creek von der Bunbeöftabt
getrennt, liegt Georgetown, City und Einfuhrhafen, mit 8366 E, fieben Kirchen und fieben hö⸗
bern und mittlern Schulen, darunter da6 1789 gegründete und 1815 vom Congreß zur Erthei⸗
lung von atabemifchen Graben autorifirte Georgetomn-Eollege unter Zeitung der Jeſuiten. —
Außer der Bundesftadt tragen in den Vereinigten Staaten den Namen W. 22 Counties ober
Bezirke, 83 Townſhips oder Stadtgebiete, 13 Städte und andere Ortfchaften. Unter den legtern
find bemerkenöwerth:: der ſchön gelegene Borough Wafhington in Pennſylvanien, an ber Na-
tionalftzaße, mit neun Kirchen, dem 1806 gegründeten Wafhington-Gollege, einigen Fabriken
und 2600 E.; Waſfhington im Staate Miſſiſſippi, unweit oͤſtlich von Vatchez, mit dem
1802 gegründeten Jefferſon⸗College; Waſhington in Texas, rechts am Brazos-Niver mit
äner Akademie und 1200 E. — Auch mehre Berge haben dieſen Namen erhalten, und
100 Waſſer
Waſhington⸗Territory Heißt ſeit 1853 auch ber nördliche Theil des Gebiets Dregon (. d.). —
Wafhingtonsinfeln iſi der Name der nördlichen, aus acht Inſeln beſtehenden Gruppe ber
Marquefatinfeln, in welcher Nukahiwa (f. b.) die größte und berühmtefle.
Waſſer. Früher hielt man das Waffer für einen einfachen Grundftoff, für ein Element.
Die Entdedung der Zufammenfegung des Waffers gebührt dem Engländer Cavendifh, der
4781 durch feine Verfuche darauf geführt wurde. Seine Angaben beftätigten dann mehre
franz. Chemiker, beſonders Lavoifier. Man fand, baf reines Waſſer aus Waſſerſtoffgas und
Sauerftoffgas befteht und von jenem 11,11, von diefem 88,89 Gewichttheile enthält. In dem-
felben Verhältniſſe dem Gewichte nach, dem Raume nad im Verhältniß von 2:1 entwideln
ſich beide Gaſe, wenn man das Waſſer durch einen galvanifchen Strom zerfegt. Läßt man durch
ein Gemenge von zwei Volumen Waſſerſtoffgas und ein Volumen Sauerſtoffgas einen elektri⸗
ſchen Funken ſchlagen, ſo vereinigen ſich beide unter Detonation ohne Rückſtand zu tropfbarem
Waſſer. Das reinſte Waſſer iſt dasjenige, das der in hohen Gegenden aufgefangene Regen
oder Schnee liefert, worin ſich feine Spur fremder Stoffe entdecken läßt. Da jedoch ſolches Waſ⸗
fer felten zu haben ift, fo verſchaffte man fich reines Waffer durch Deftillation. Daffelbe ift in
dem Zuftande feiner Reinheit eine farblofe, vollkommen durchſichtige, geruch- und geſchmackloſe
Flüffigkeit. Bei der Mitteltemperatur unferer Atmofphäre bleibt dad Waſſer ſtets flüffig; ver-
mindert ſich aber die Wärme bis unter Nullgrad des Reaumur'ſchen Thermometer, fo gefriert
ed. In verfchloffenen Gefäßen, oder wenn man bie Oberfläche mit DI bededt, ann es noch
einige Grade ımter Null flüffig bleiben, fo lange feine Bewegung ftattfindet; es gefriert aber
augenblicklich, ſobald es gefchüittelt wird. Wenn bas Waſſer erftarrt, nimmt ed, wie die meiften
übrigen Körper, Kryſtallgeſtalt an. (S. @i8.) Die ſpießigen Kryſtalle fegen fich unter einem
Winkel von 10—120° aneinander und bilden fo die Dendriten an ben Fenftern oder bie ſechs⸗
zadige Geftalt bes Schnees. Waſſer, welches andere Stoffe, 3. B. Säuren, Salze u. ſ. w, ent-
hält, gefriert in der Regel langfamer und zwar nach Verhältniß der Menge biefer Beimifchun-
gen. Wenn ein Theil einer ſolchen Löſung erftarrt, fo gefriert gemöhnlich nur das Waffer und
die rückſtändige Auflöfung ift dann um fo viel mehr concentrirt, wie dies bei Wein, Bier, Eifig
- und Kochfalz der Fall iſt. Wenn das Eis aufthaut, erhalten fich die regelmäßigen Kryſtalle
nebfl den zuerft gebildeten Nadeln länger als das übrige, weniger regelmäßig Ungefchoffene.
Die Dichtigkeit des Waſſers ift nicht beim Nullpunkt des Thermometers am größten, fondern
erit bei 3° oder genauer 3°,2 NR. über diefem Punkte. Bon diefem Punkte an dehnt es fich auf,
fowol beim Abkühlen ale bei der Erwärmung. Diefe Ausnahme von den für die Einwirkung
bes Wärmeftoffs auf flüffige Körper beftehenden Regeln ift von großer Wichtigkeit. Dad Waſ⸗
fer würde nämlich im Winter ziemlich bald, felbft in ben größten Seen, bis zum Nullpunft und,
darunter abgekühlt werden und in feiner ganzen Maffe erftarren. So aber finft dad Waſſer,
fobald es bis zu 3° abgekühlt ift, in den Seen zu Boden, und wenn endlich alles Waſſer diefe
Temperatur angenommen bat, fe kann nur feine Oberfläche noch unter diefen Grad abgekühlt
werden, weil nun das kältere Waffer leichter als das warme ift, und das Waſſer, wie alle tropf⸗
baren Flüffigkeiten, den Wärmeftoff fehr langſam leitet. Der Grund der Seen und Flüffe be»
hält die angegebene Temperatur von ungefähr 3°. Wird das MWaffer von 3° an erwärmt, fo
dehnt es fich allmälig aus, bis es bei 80° zu fieden anfängt. Im Ganzen dehnt ſich das Waſſer
von 0— 80° um 42 Taufendtheile des Volumens aus, welches es bei 0° hat. Der Waſſerdampf
folgt bei feiner Nusbehnung durch die Wärme den gewöhnlichen Gefegen ber Basarten. Wenn
Waſſer in einem verfchloffenen Gefäße erhigt wird, fo gewinnt der Dampf nach und nach einen
fo hohen Grab von Elafticität, daß er die ftärkften Gefäße zu zerfprengen vermag. (S. Dampf
und Dampfmafcdinen.) Dem unfihtbaren Wafferdampf wird durch kalte Körper bie Wärme
entzogen ; er verdichtet fich Dann zu Waſſer und wird fichtbar. Darauf beruht die Bildung ber
Wolken, der Nebel und die Entftehung anderer meteorolegifen Erfcheinungen. Daher fehen
wir den Hauch in Falter Luft und befchlagen Falte Körper in warmen Zimmern, welche feuchte
Luft enthalten. — Meteorwaffer nenne man das ald Dampf in die höhern Regionen geführte
Waſſer, das fi dur die Einwirkung Lälterer Kuftfchichten in fichtbare Dünfte umwandelt
und bei flärkerer Verdichtung wieber auf bie Erde ergießt. Es erfcheint dann ald Negen, Schnee
und Hagel. Faſt alles Waffer auf der Erbe verdankt feinen Urfprung dem Meteorwaffer, das
auf die Erde fälle und theild über die Oberfläche wegrinnt, theils von der Dammerde eingefo-
gen wird, ober fich in die Klüfte und Spalten ber Gebirge ſenkt. Dieſes in höher gelegenen Ge⸗
genden in die Erde eingebrungene Waſſer tritt in ben Quellen unferer Bäche und Flüffe wieder
Waſſerblei Waſſerfenchel 101
zu Tage. Die erdigen Beſtandtheile, welche es mit ſich führt, ſind bei dem Durchſickern durch
die Gebirgsmaſſen aufgelöſt worden (S. Mineralwaſſer.)
Waſſerbleiſ. Molybbaͤn.
Waſſerdicht nenne man Bekleidungsgegenſtände u. ſ. w, wenn fie fein Waſſer durch ſich
hindurchlaſſen, ja fogar an ſich keinerlei nachtheilige Veränderung durch die länger fortgefegte
(Einwirkung des Waſſers erfahren. Es Hält im Allgemeinen gar nicht fchwer, gewebten Stoffen
tie Eigenfchaft der Wafferdichtigkeit zu ertheilen ; denn ein mehrfacher Anſtrich von Leinölfirniß
3. B. ertheilt fie ihnen im vollfommenften Grade, und das Wachstuch (f. d.) if ein auf folche
Weiſe waſſerdicht gemachte® Fabrikat. Aber fehr oft wünſcht man die Wafferbichtigkeit ohne
Beränderung bed äußern Anfehens und ohne Beeinträchtigung der Reichtigkeit und Gefchmei-
digkeit hervorzubringen, und dies tft eine bisher nicht genügend gelöfte Aufgabe. Zwar befigen
gewifle falsige Auflöfungen (insbefondere effigfauere Thonerde, Kupfervitriof) die überrafchende
Eigenfchaft, Leinwand, Tuch u.f. w., welche Damit getränkt und wieder getrodinet werben, gegen
das Waſſerdurchlaſſen zu ſchützen; allein diefe Wirkung verfchwindet, wenn die naßgewordenen
Stoffe gedrückt oder gequetfcht werden, und in ſtarkem, anhaltendem Regen wafchen fich die zur
Zubereitung angewendeten Salze heraus, die Wafferdichtigkeit geht damit verloren. Leder wird
wafferdicht gemacht durch tũchtiges Tränken mit Leinöl oder durch Lackiren; wafferbichte Filz
hüte haben ftatt des Leims, womit fonft bie Hüte fleifgemacht wurden, eine Steife von Schellack
ober anderm Harz. Am meiften Eingang haben die mitteld Kautſchuk (ſ. d.) mafferdicht gemach-
ten Zeuge zu Überroden und Mänteln gefunden, welche zuerſt von Madintofh (f. d.) fabricirt
wurben und nach ihm ben Namen behalten haben. Diefelben find zwar volllommen wafferdicht,
verhindern aber auch dad Herausbringen der Körperausbiinftung, ſodaß ſich der Schweiß auf
ihrer Innenfeite ablagert und fie den damit befleideten Perſonen durch ein fehr Läfliges Digge-
fühl unbequem werden.
Waſſerfall, au im Befondern Katarakt (f. d.), nennt man die Stelle, mo ein fliefendes
Waſſer von einem fteilen Felſenabhang, der oft eine ſenkrechte Wand bildet, ſich in die Tiefe
herabſtürzt. Die Erfcheinung findet flatt bei Bächen im Hochgebirge, bie auf flufenförmige
Belfenabfäge treffen, wo der Wafferfal hHauptfächlich ber Hohe wegen, von der er herabfällt,
einen intereffanten Anbli gewährt, und bei Zlüffen und Strömen, wenn ihr Bette in feiner
regelmäßigen Neigung durch einen plöglichen fteiten Abfall unterbrochen wird, wo der Waſſer⸗
fall durch die Mächtigkeit der Waflermaffe einen großartigen Eindrud hervorbringt. Es gibt
ſowol natürliche wie fünftliche Waſſerfälle, welche Iegtere den befondern Namen Eascaben (f. d.)
führen. Zu den Wafferfällen im Allgemeinen gehören auch die Stromſchnellen, wo in Folge
einer fleilern Abſenkung oder einer Berengerung des Flußbettes oder in Folge plöglichen Zu⸗
flrömens großer Waffermaffen der Fluß fig mit reißender Schnelligkeit bewegt, fobaß die
Shiffahrt mehr ober weniger gehindert, in den meiften Fällen felbft unterbrochen wird. Die
Ihönften und großartigften natürlichen Wafferfälle kommen in Amerika und in Europa auf ber
Skandinaviſchen Halbinfel vor. Als befonders merkwürdig find zu erwähnen in Amerika ber
Waſſerfall des Rio Binagre bei Puraze, bed Rio Bogota bei Tequendama und des Niagara,
an die fich noch der Fall des Parana in Paraguay anfchließt; ferner in Afrika die Katarakten
des Nil, in Europa der Riukandfoß in Obertellemarken und der Vöringfoß in Norwegen, in
Schweden ber Waſſerfall Zrollhätta der Böthaelf bei Gothenburg, der der Dalelf bei Eifterleby
und ber Lundelf; die Wafferfälle bein Berge Marbore in Spanien, die des Velino bei Spoleto
und des Cetino in Dalmatien ; der Rheinfall bei Schaffhaufen, der Staubbach im Thale von
Lauterbrumnen, ber wegen ber größern Waſſermenge noch ſchönere, aber weniger hohe Fall bes
Reichenbach bei Dleiringen, der Gießbach am Briengerfee und der Handekfall im Haslithafe;
der Krimmifall und der Gollingfall im Salzburgiſchen. Schöne künftliche Waſſerfälle find in
Frankreich zu Marly unweit Verfailles und zu St.-Gloub ; bei dem Luftfchloffe Zoo in Geldern;
auf der Wilhelmshöhe bei Kaſſel.
Waſſerfarben nenn: man in der Malerei alle Farben, die blos mit einfachem oder mit
Leim, Gummi u. f. w. verſetztem Waſſer aufgelöft werden. — Zur Wafferfarbenmalerei ge-
hört forwol die Aquarellmalerei (f. d.) mit burchfichtigen Farben, wie Die Bouachemalerei (f. d.)
mit Dedfarben. Beide Arten laffen fich auch verbinden, indem man mit Dedfarbe übermalt
and mit durchfichtiger Tafirt, wodurch man eine ungemeine Kraft und Klarheit erzielt, Die jedoch
mit’der Zeit ſchwindet, weil die legten Farben, die meift aus Pflanzenftoffen bereitet find,
durch das Richt aufgezehrt werden. .
Waſſerfenchel (Oenanthe Phellandrium) Heißt eine an Gräben und Zeichen häufig vor-
kemmenbe Pflanze aus der Bamilie der Doldengewächfe mit büfchelig-faferiger Wurzel und
94 Warwick (Grafentitel)
am Avon, an der Bereinigung mehrer Kanäle gelegen, durch Ciſenbahn mit Birminghamu. ſ. w.
verbunden und feit dem großen Brande von 1694 mit großer Regelmäßigkeit wieber aufgebant,
hat nur eine Hauptſtraße und 10973 E., die hauptſächlich Wollenftoffe fabriciren. überraſchend
im Verhäftniß zur Größe des Orts find die vielen fchönen Bäuwerke, darunter die 1810 er-
richtete Brücke mit einem einzigen Bogen; die St.Mary⸗ und St.Riklaskirche, die eine mit
hohem Thurme, die andere mit ber Nuheftätte des berühmten Grafen Effer; das aus Qua⸗
bern erbaute und von Säulen getragene Rathhaus; das große Kaufhaus und die Afſiſenhalle.
Das ſchönſte Werk von allen aber iſt das auf 40 F. hohem Felſenplateau über der Stabt fi
erhebende Barwid-Eaftle, das einft als Feſtung hochberühmte Schloß der Grafen von War
wid (f.d.). Bon andern Orten der Grafſchaft find bemerienswerth: Stratford upon Avon
(f.d.), der Geburtsort Shaffpeare’d ; Leamington, nahe öftlich von der Hauptſtadt, früher ein
unbedeutendes Dorf, aber fchon von Alters wegen feiner heißen Quellen bekannt, feit Anfang
diefes Jahrhunderts als Badeort fo in Aufnahme, daf es 1851 fchon 15692 €. zählte; der
Fleden Kenilworth, die Ruinen des gleichnamigen Schloſſes enthaltend, welches in neuerer
Zeit durch die Romane von Walter Scott und Miß Anna Radeliffe fehr bekannt wurde.
Warwick, ein engl. Srafentitel, ben verſchiedene Häufer führten und der mit dem Befig
von Warwick ˖ Caſtle verknüpft war. Dieſes Schloß, eines ber älteften in England, war angeb-
ich ſchon in der angelfächf. Zeit ber Wohnfig des in ben engl. Heldenfagen berühmten Grafen
Buy von Warwid; wurde aber von Wilhelm dem Eroberer erweitert und feinem Verwandten,
dem Normannen Henry de Newburgh ober Bellomont, mit dem Titel eines Grafen von W.
verliehen. Nach dem Ausflerben dieſer Fanlie wurde William Beauchamp, ber in weiblicher
Linie von ihr abflamımte, zum Grafen von W. erhoben. Er zeichnete fi als tapferer Krieger
in den Feldzügen Eduard’ I. gegen Schotten und Franzoſen aus und flarb 1298. Bein Nach⸗
komme, Riarb Beauhamp, Graf von W. war ein berühmter Feldherr und Günſtling
Heinrich's V. von England. Kurz nach deffen Thronbefteigung ging er als engl. Befandter auf
da8 Concil zu Konſtanz. Sein glänzendes, 800 Pferde ſtarkes Gefolge, in welchem fich eine
Unzahl von Geiſtlichen, Doctoren und Schreibern befand, machte überall das größte Auffchen.
Nach feiner Rückkehr folgte er dem Könige nach Frankreich und nahm an allen Ereigniffen Theik,
welche zur Unterfochung bed Landes durch die Engländer führten. Nach dem Tode Heinrich's V.
(f.d.), der ihn zum Gouverneur des neun Monate alten Heinrich VI. ernannte, fegte W. den
Krieg unter der Regentſchaft Bedford's gegen Karl VI. (f.d.) von Frankreich fort und eroberte
Maine. Im J. 1431 führte er den jungen König nach Rouen, wo er ben Tod ber Jungfrau
von Drldans betrieb. Nachdem im Dec. 1431 die Krönung Heinrich's VI. zu &t.- Denis voß>
ogen worden, ging er nad) London zurüd und nahm hier einen vorzüglichen Antheil an ber
Regierung. Als die Herrſchaft der Engländer jenfeit des Kanals fich dem Ende zuneigte, wurbe
er 1437 als Regent nach Frankreich geſchickt. Zwar nahm er Pontoife und andere Maͤtze, doch
konnte er die Fortſchritte Karl's VII. nicht mehr aufhalten. Er farb zu Rouen 30. April 1439.
Sein einziger Sohn, Henry, wurde 1444 zum Herzog von W. erhoben, ftarb aber 11. Juni
1445 finderlos, worauf bie Güter und Würben des Hauſes der mächtigen Familie Neville (ſ.b.)
zufielen. — Nichard Meville, ältefter Sohn bes Grafen von Saliöbury (ſ. d.), der ald Gatte
Unna Beauchamp's ben Titel Graf von W. erhielt, ift berühmt durch bie Rolle, bie er in ben
Kriegen der Rothen und Weißen Roſe fpielte. Sein Reichthum, die Macht feiner Familie, fein
Rriegstalent, fein kühner und ehrgeisiger Charakter befähigten ihn in den Wirren feiner Zeit
unter Heinrich VI. zum Parteihaupte. Als 1455 der Krieg der beiden Roſen begann, ergriff
W., der ale Gouverneur von Calaid fich wie ein unabhängiger Souverän benahm, bie Partei
bes Herzogs von York und fchlug bie Königlichen 23. Mai bei St.Albans. Die Königin Mar⸗
garethe von Anjou (f. d.) vergab hierauf Calais an ben fungen Herzog von Somerfet; allen
DB. ſchlug feinen Nebenbuhler zurüd, eroberte beffen Flotte und machte fih dem Hofe mehr als
je fuchhtbar. Im Srühjahe 1460 Iandete er mit einem Gorps in Kent, überwand die König-
lichen 19. Juli bei Northampton, nahm Heinrich VL. gefangen und nötbigte ihn, den Herzog
von York zum Thronfolger zu erflären. Indefien fammelte Margarethe, die mit Ihrem Sohne,
dem Prinzen Eduard, nad) Schottland geflohen war, im nördlichen England ein bebeutendes
‚Heer und ſchlug den Derzog von York 31. Dec. 1460 bei Wakefield. York blieb auf dem
Schlachtfelde; IB.’ Vater, der Graf von Salisbury, fiel in ber Lancaftrier Hände und wurde
enthauptet. W. zog der Königin von London aus, wo er bie Regierung führte, entgegen und
lieferte derfelben 15. Kebr. 1461 ein Treffen bei St.Albans, das er burch die Verrätherei eini-
ger Großen verlor. Trotzdem vereinigte er ſich mit dee Streitmacht bes Grafen Eduard von
Barze 95
March, älteften Sohns des Herzogs von York, zog mit Ihm nach London und bewog die Ein-
wohner durch feine Autorität und Beredtſamkeit, den jungen Eduard IV. (f. d.) an Heinrich's
Stelle als König anzuertnnen. Eine Armee von 60000 Lancaſtriern, melde die Königin Mar-
garethe zufammengebracht hatte, wurde von W. 29. März 1461 bei Towton in einem furcht-
baren Gemesel aufgerieben. Eduarb IV. war nun zwar im Befig der Krone, fah fich aber in
allen feinen Handlungen von W. abhängig. Der König wagte gegen ben Willen feines Be
fhügers die Eliſabeth Woodville zu heirathen, was W. aͤußerſt aufbrachte. Misvergnügt, Tief
ſich W. in eine enge Berbindung mit Ludwig XI. von Frankreich ein, befuchte benfelben 1467
und gab nach ber Rückkehr feine Tochter Sfabelle dem unzufriedenen Bruder des Königs, dem
Herzoge von Elarence, zur Ehe. Hierauf föhnte er fi mit Margarethe von Anſou aus, ver
mäblte feine zweite Tochter Anna mit beren Sohne, bem Prinzen Eduard, und machte fich an.
heiſchig, den im Tower ſchmachtenden Heinrich VI., den er ſelbſt geflürzt hatte, wieder auf den
engl. Thron zu fegen. Der imvorbereitete Eduard IV. mußte nach Burgund entfliehen; IB. aber
zog 6. Oct. 1470 in London ein, erflärte Heinrich VI. wieber zum König und übernahm im
Berein mit Slarence die Regentfchaft. Schon im März 1471 Iandete jeboch Eduard IV. mit
2000 Mann beiRavenspurg, fammelte die zahlreichen Anhänger ber Yorks um fi und rückte
ohne Schwertftreich nach London. Zwar gelang es W., in Keicefter ein Heer zu vereinigen; al⸗
kein mehre Lords fielen von ihm ab, und auch ber wankelmüthige Elarence, der in ber Erhebung
ber Lancaſtrier keinen Vortheil ah, ging mit 12000 Mann zu feinem Bruder, Eduard IV,
über. Jede Vermittelung zurüdweifend, wagte IB. dennoch 44. April 1471 bei Barnet ein
Treffen gegen die Streitmacht Eduard's, in welchem er nach ben blutigften Anftzengungen mit
16000 Lancaſtriern erfchlagen wurde. — Der Titel ber Warwid ging nun auf Eduard, den
Sohn des Herzogs von Elarence aus der Ehe mit Sfabelle Neville, über. Nach ber Ermordung
feines Vaters wurde er erſt von Richard UL, dann von Heinrich VII, die in ihm ben Iepten le⸗
gitimen männlichen Spsößling der Plantagenet (f. d.) fürchteten, in Gefangenfchaft gehalten.
Rach 15jähriger Haft verband fich endlich ZB. mit dem Prätendenten Peter Warbed (ſ. d.) zur
Flucht aus dem Tower. Wahrfcheinlich war es Heinrich VII. feibft, der diefes Complot anftife
tete, um fi) Beider zu entledign. Nach einer kurzen Unterſuchung wurde Warbed 1499 ge
bangen, W. aber im Tower enthauptet. — Unter ber Regierung Eduard's VI. erhielt ber bes
rüchtigte John Dubley, ber fpätere Derzog von Rerthumberland (ſ. Dudley), Warwid-Gaflle
mit bem Zitel eined Grafen von W. Wiewol derfelbe als Hochverräther flarb, wurde doch
der Titel 1561 zu Bunften ſeines Sohns Ambroſe Dudley erneuert, der ſedoch 1589 unbeerbt
flarb. Hierauf warb Robert, Lord Ri, 1618 zum Grafen von W. erhoben. Der legte Graf
aus biefer Familie flarb 7. Sept. 1759. Bereits 1603 hatte Sir Fulke Greville, ber Freund
und Waffengefährte Sidney's, der in weiblicher Linie von den alten Beauchamps abflammte,
einen Theil der Güter diefed Haufes mit Warwid-Eaftle erhalten und war 1621 zum Korb
Brooke ernannt worden. Nach feinem Tode, 30. Sept. 1628, folgte ihm fein Neffe Robert,
befien Rachkomme, Francis, Graf Brooke, 27. Rov. 1759 auch den Titel eines Grafen von
W. erhielt. Der fegige Graf von W., George Guy Greville, geb. 28. März 1818, folgte
feinem Bater 10. Aug. 1853 in ben Würden und Gütern bed Haufes. Er refidirt zu Warmwid-
Caſtle, das, außer feinem prachtvollen Park, durch reiche Kunftfammlungen berühmt iſt, unter
denen fi) namentlich bie berühmte Vaſe von Warwick, eine ber fchönften Antiten, auszeichnet.
Warze nennt man im Allgemeinen jeden unregelmäßigen Auswuchs auf bee Oberfläche
eines organifchen umd thierifchen Körpers. Bei dem Menfchen bezeichnet man mit Warzen bie
verſchiedenartig geflalteten Auswüchfe der Haut, die am häufigften an den Händen, aber auch
im Beficht, am Halfe und an andern, dann meift mit zarter, ſehr empfindlicher Haus bedeckten
Theilen bes Körpers vorkommen und bie Größe eines Hirſekorns haben, öfter aber bie einer
Erbſe und barüber erreichen. Man hielt bie Warzen ehemals für bloße Verdickungen bes Ober
hautchens; allein, wie man Tpäter entdeckt hat, beruhen fie auf krankhafter Entwidelung des
eigentlichen Hautgewebes (des Papillarkörpers der Kederhaut). Die Entfiehung ber Warzen
ift noch unbelannt. Scheinen fie auch zuweilen durch rein örtliche Einwirkungen, wie anhalten.
den Drud, Häufige Reibung, Stöße u. dgl. hervorgerufen worben zu fein, fo zeigen fie fich wie,
Der bei einzelnen Individuen ohne porausgegangene örtliche Einwirkungen in fo großer Anzahl
und gleichzeitig an fo verfchiedbenen Stellen des Körpers, daß man fie mit der allgemeinen Kör⸗
perconftitution für wefentlich verbunden betrachten muß. Irrig iſt bie Meinung, nach welcher
dad aus einer ausfliefende Blut Im Stande fein fol, ba, wo es mit ber Haut in Be
rũhrung konnnt, Warzen zu erzeugen. Die Befeitigung ber Warzen Hält zumeilen ungemein
96 Bafa (Mitterfig) WBafbington (George)
ſchwer, da Be häuũg auch voch mehnmaliger. Zerſtörung wieder zum Vorſcheis Tamm. Da⸗
gegen verſchwinden fie nicht felten von ſelb aͤufern Mittel, welche man bisher yır Ber»
tügung von Warzen empfohlen hat, ſind ſehr zahlreich ud Iayfen alle auf Atung, Husfchnei-
den aber Uufschinhen hinaus.
Mala, sin alter Nisterfig in ber ſchweh. Yroyinz Unland, FM. von Stockholm, ift das
Scammhaut des Lünigl, Geſchlechte dieſes Ramens (T. Quſtay Be mit Guflat II. Wholf
(£.d.) und ſeiner Zochtes Ghriftine (f.d.) ausſtarb. (S Gämehen.) Seit 5. Mai 1829 führe
der Sohn het Königs Guftav IV. Wolf (f. d.) non Schwehen ben Kitel eines Prinzen von
Maſa. Beine von ihm goſchiedene Bemahlin, Luife von Bahn, flanb 1854. Seine einzige Toch⸗
tey, Karaline, aeb. 5. Aug. 185%, ift feit 18. Juni 1853 mit dem Kronprinzen Albert von
varmaͤhlt. Mãnnliche Nachkommen bat ber Prinz von Waſa Being.
q, die Hauytſtadt bet Kreiſes chen Läns gleiches (TTIEAM. mit 257824 €.)
im Großfürftensgum Finnland, eine GSee⸗ und. Handelsſtadt an einer Heinen Bucht des Bott⸗
niſchen Meerbuſens, ift ber Gig eines Hofgerichts, hat breite und gerade Gtrafien, mehre Pläte,
darunter den ſchönen Gußßansplag, an welchem das ſtattliche Hofgerichtögebäube ah die Woh ⸗
nungen der Beamten liegen, ein verfalleuss Schloß Karlsholm, Schiffiwerfte und 3600 €,
welche anfehulichen Handel, beſonders mis Theer, Pech und Roggen treiben. Größere Fahr⸗
uge müſſen in dem neuerbauten Hafen Smultronören anlegen, ba ber alte nur noch für kleine
Sfr brauchbar ift. Angelegt wurde WB. 1606 vom Könige Karl IX, ber es nach bera Stamm⸗
ſqhloſſe feinse Gefchlachts benannte. Mit Finnland wurde fie 1809 im Trieden zu Frederiks⸗
bamn an Rußland abgetseten.
eu, |. Bagefen. .
(George), der erſte Praͤſident der Vereinigten Staaten von Nerbamerife,
wurde 22. Fehr. 1732 in der Grafſchaft Weſtmoreland in Birginien geboren. Sein Water,
Kuankin W. deffen Vorfahren 1657 aus England einwanderten, war ein reicher Pflanzer,
dan aber frühzeitig ſtaub. George, von fünf Kindern das dritte, wurbe von feiner Mutter, einer
fahr tüchtigen Frou, einfach erzogen. Bis zum 15.3. befuchte ex die Schule zu Williomsburg,
ne au den gewöhnlichen Untersicht für das praftifche Leben enıpfing. Mit befonderm Talent
und mit Porliehe widmete es füch dann zu Sanfe mathematiſchen Studien. Da ihm nur ein
ſchmaler Theil ben väterlichen Erbſchaft aufiel, wollte er in die engl, Marine treten, lief fich aber
won der Mutter, die feines als Stütze bedurfte, bewegen, im Daufe zu bleiben und bad Geſchäft
eines Feldmeſſers zu reiben. Als folder fand ex bei Durchflreifung ber wüften Gebiete Virgi⸗
wien vielfache Gelegenheit, Geiſt und Körper zu fläplen, fowie ſich billigen Grundbeſttz zu em
merben. Im 3. 1751 erhielt er den Grab eines Mafor& in der Colonjialmiliz. Er verſah biefes
Amt mit Eifer und Luft und übernahm 1753, als die Kämpfe mit ben Franzoſen am Ohio
und an den noͤrdlichen Seen begannen, eine Miſſion an ben franz. Befchlähaber in Canada, bie
jedoch ohne Erfolg ablief. Nach der Rückkehr trat ce ald Oberfllisutengut an bie Spige eines
Miüizsegiments und fochs gegen bie Franzoſen und Indianer am Ohio. Die Geriugfigägumg,
mit ber die brit. Megissung die Milizoffiziere behanbeite, veranlafite ihn 1754 außer Dienft zu
testen. Er zog fich auf das von feinem älter Bruder everbte Landgut Mount Vernans zurüd.
Ullein ſchen 1755 ſchloß er fich aus Patriotismus als Freiwilliger der unglücklichen Eppedition
des engl. Generals Braddock an, bei dem er Adjutantendienſte leiſtete. Nach dieſem Ereiguniß
erhoh ihn die auf die eigenen Kräfte angewieſene Provinz zum Oberſt und Befehlshaber der
virgin. Exruppen. Ungeachtet aller Auſtrengungen konnte er mit feiner geringen Macht, die fi
Bey auf 1000 Mann belief, bie Fortſchritte der Franzoſen nicht aufhalten. Erft 1758 brachte
ax eine größere Eypedition gegen dad franz. Fort Duquesne zu Stande; doch fand er die Fe⸗
tung bei der Annäherung ſchon verlaffen. Als die Gefahr vorüber, legte er feine Stelle nieder,
vecheirathete ſich mit Martha Guftis, einer jungen Witwe, und lebte auf Mount⸗WVernon als
Danzer. Dur Fleiß und Ordnung brachte or feine Güter zu hohem Ertrage und wurbe ei»
wer der weichflen und angeſehenſten Cigenthümer ber Provinz. Man wählte ihn in bie geſetz⸗
gebende Berfammlung von Birginien, wo er fich zwar nicht durch Beredtſamkeit, aber dur
Geharfiinn und Feftigkeit — Als die Streitigkeiten mit dem Mutterlande ausbra-
den, erklaͤrte er ſich für das Selbfipefleuerungsrecht her Colonien und hewies ſich als aufrich⸗
tigen, wenn auch nicht fanatiſchen Patrioten. Seine Mitbürger wählten ihn zum Deputirten
auf dem Generaltongreß der vereinigten Colonien, ber 14. Sept. 1774 zu Philadelphia eröffnet
wurde. Nachdem die Beindfeligfeiten zwifchen ben Amerikanern und ben Engländern beikering-
ton begonnen, beſchloß ber Convent bie Errichtung eines ſtehenden Heeres und wählte 14. Juni
u.
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Bafhington (George) 97
1775 einmüthig B. zu deffen Obergeneral, indem man ihn wegen feines unbefcheltenen, zu⸗
verläffigen und doch gemäßigten Charakters viel geübtern Offizieren vorzog. Nur aus Patrio-
tismus und mit Mistrauen gegen feine Bähigkeiten übernahm W. die ſchwierige Stellung,
auch wies er jeden Gehalt zurüd. Er fand die ungefähr 14000 Mann flarke, aus den Coloniaf-
contingensen und Miligen zufammengefegte Armee vor Bofton ohne Waffen, ohne Munition,
ohne irgend eine Drganifation. Unter ungeheuern Anftvengungen und Hinderniffen brachte er
zwar einige Ordnung und Gehorfam in die Maffe, begriff aber bald bie Unmöglichkeit eines
Angriffskriegs und befchloß, fich nur auf Vertheibigung und auf Beobachtung und Überra-
ſchung des Feindes zu befchränten. Durch diefe® Syſtem, dad er trog Verlodung und Anfein-
dung fefthielt, wurde er der Befreier feine Baterlandes. (S. Vereinigte Staaten.) Er forgte
für Befeftigung der Küften, die Herftellung einer Flotille und brängte im März 1776 die Eng-
länder aus Bofton. Als der auf 35000 Mann verftärkte Feind im Auguft Neuyork befegte,
ging er nad) einer Reihe unglüdlicher Gefechte aus einer feften Stellung in die andere in das
nördliche Gebirge zurüd. Hunger, Kälte, Seuchen, Mangel an Kleidung rafften einen Theil
feiner Streitkräfte Hin. Ein anderer Theil benugte den Ablauf der auf ein Jahr feftgeftellten
Dienflzeit und verließ die Fahnen. Mit dem Reſte von 2000 Mann, die ihm noch geblieben,
mußte fi ZB. mitten im Winter hinter den Delaware zurüdziehen, mo er, von dem Zögern des
engl. Oberbefehlshabers Home begünftigt, feine Armee wieder auf 6000 Mann brachte. Der
Congreß führte jegt eine dreijährige Dienftzeit ein und verlieh WB. eine Art Dictatur, die ihn
zu Requifitionen und einer firengern Disciplin im Heer ermächtigte. Am 25. Dec. 1776 wagte
W. einen kühnen und glüdlichen Überfall der engl.-deutfchen Soldtruppen bei Trenton und
3. San. 1777 ſchlug er Cornwallis bei Princetown. Diefe Erfolge und die Ankunft berühm-
ter Ausländer, die an W.'s Seite dienen wollten und unter denen fich auch Lafayette (f.d.) be
fand, hoben die Zuverficht der Amerikaner. Dennoch vermochte W. nicht, der Noth unb
Schwäche feines Heeres abzuhelfen. Am 13. Sept. flug ihn Howe am Brandymwinefluß, und
ale er Letztern A. Det. bei Germantown angriff, mußte er ebenfalls der Geübtheit und Stärke
der Engländer unterliegen.
Während ein ameritan. Corps mehr ald 6000 Engländer bei Saratoga zur Sapitulation
wang, war W. genöthigt, mit der Hauptmacht ein Rager in ber Einöde von Balley-Korge, fechb
Stunden von Philadelphia, mo bad engl. Hauptquartier lag, zu beziehen und alle Leiden bes
Winters, des Hungers und Mangels jeder Art zu erdulden. Sein Heer ſchmolz hier vollends
durch Verrätherei, Abfall und Widerfpenftigkeie auf ein Bleines, aber erprobtes Häuflein zu⸗
fammen. W. bewährte gerade damals die ganze Größe und Stärke feinet Charakters, indem er
auf feinem Poften ausharrte. Das Bündniß der Eolonien mit Frankreich unb bes legtern
Kriegserlärung an England gab der Sache der Amerikaner eine günfligere Wendung. Im
Suni 1778 brach WB. aus feiner Einöde hervor und überfiel den neuen engl. Oberbefehlehaber,
Clinton, am 29. auf dem Rüdzuge von Philadelphia nach Neuyork bei Monmouth. Hierauf
nahm er eine Stellung bei Weftpoint und hinderte dadurch die Engländer, ſich aufs neue aus-
zubreiten. Clinton fpielte deshalb mit dem Frühſahr von 1780 den Kriegsichaupfag in bie füb-
lichen Colonien; allein W. tieß fich weislich nicht nachziehen und fegte mit feinen wenigen Dann-
haften die Einfchliefung der engl. Hauptmacht in Neuyork fort, bis er endlich, durch die An-
kunft Rochambeau's mit 6000 Franzoſen verftärkt, aus der Nolle des Beobachters heraustre⸗
ten und den Plan zu einem entfcheidenden Schlage faffen konnte. Während er Elinton dur
täufchende Bewegungen im Norden fefthielt, wendete er fih, von dem franz. Admiral Graffe
zur See unterftügt, nad) Yorktoron und zwang 29. Det. 1781 7000 Engländer, bie daſſelbe
befegt Hielten, zur Capitulation. Eine große Menge Gepäd, Gefhüg und viele Magazine fie-
(en dabei in feine Hände. WB. hatte im Kaufe des Kriegs die Engländer zwar nicht im offenen
Felde gefchlagen, aber ihre Kräfte durch fein zähes Beobachtungs ſyſtem fo geſchwächt, daß fie
mach diefer Niederlage keine Unternehmung mehr wagten. Nachdem 30. Nov. 1782 in einem
proviforifchen Frieden die Unabhängigkeit der Amerifaner anerkannt worben, mar es der innere
Feind, gegen welchen fich die Aufmerkfamkeit W.'s richten mußte. Im Heere, für deſſen Zu⸗
kunft der Congreß nicht die verfprochene Sorge zu tragen fchien, gab ſich eine tiefe Ungufrieben-
keit kund, die jeden Augenblid in Empörung auszubrechen drohte. Sogar machte man W. von
bieſer Seite aus den Vorſchlag zu Staats ſtreichen, die auf Gründung einer Monarchie hinaus⸗
kefen, die er aber mit größter Entrüſtung zurückwies. Als endlich die Engländer 25. Nov.
1783 Neuyork räumten, entlieh er die Nefte feines Heeres In einem herzlichen Abſchiede und be»
Gero.⸗Lex. Zehnte Aufl. XV. 2 7
88 Waſphington (Stade)
gab fich nach Annapolis, wo er im Kongreß fein Amt ale Oberbefehlshaber nieberlegte. Er zog
ſich dann al& einfacher Pflanzer nach Mount-Vernon zurüd und arbeitete mit Eifer an ber
Herftellung feines hart mitgenommenen Vermögens. Wol Nieniand wußte beſſer als er, wie
nothwendig bem jungen Staatenverein eine Verfaffung und Centralregierung wäre. W. ſchloß
fi deshalb der fogenannten Föderaliftenpartei an und. half ale Deputirter der Generalver-
fammlung von 1787 die noch jegt geltende Bunbesacte entwerfen. Als im April 1789 die neue
Verfaſſung in Wirkſamkeit trat, übernahm er nad) einftimmiger Wahl das Amt des Präfiden-
ten und wurde hiermit zum zweiten mal ber Netter und Wohlthäter des Vaterlandes. Inmitten
des Kampf der Parteien, ber die Union gemwaltfam zu zerreißen drohte, ordnete er die Staatb⸗
ſchuld, die Landesvertheidigung, den VBerwaltungsorganismus und ben öffentlichen Unterricht
und legte den Grund zu dem Strafen« und Kanalfyftem des innern Verkehrs. Nach aufen
flellte er das Princip der Neutralität auf und begünftigte badurch die Erneuerung des Hanbele-
verkehrs mit England, ber einen nie bagewefenen Auffchwung nahm. Nachdem bie Präſiden⸗
tenwahl 1793 nochmals auf ihn gefallen, fteigerten fich für ihn die Schwierigkeiten durch das
Berhälmig der Union zu dem revolutionären Frankreich. Gegen die Abfichten der Demokraten
partei, welche die Unterflügung Frankreichs gegen England foberte, ſchloß W. einen vortheil⸗
haften Handelsvertrag mit England und ſchickte fogar die Intriguanten und Agenten bes franı.
Directoriums aus dem Lande, die das Volk offen für eine Empörung gegen den Präfidenten
bearbeiteten. Der Anlagen, mit welchen man ihn überfchüttete, müde, verbat er fich jedoch bie
abermalige Wiebererwählung zum Bräfidenten und Iegte fein Amt mit einer herrlichen An⸗
ſprache an bie Ration im März 1797 für immer nieder. Als aber im folgenden Jahre der Krieg
mit Sranfreich ernftlich drohte, betvog ihn der neue Präfident Adanıs, die Stelle eines Oberbe⸗
fehlshabers nochmals anzunehmen. W. farb während der Spaltung mit Frankreich 14. Der.
1799 zu Mount-Vernon in Kolge einer Erkältung. Erft nad) feinem Hintritt fühlte man den
ganzen Berluft dieſes Mannes und alle Parteien der Union ehrtenihn durch eine feierliche Trauer.
DB. führte eine glückliche, aber Einderlofe Ehe. In feinem Teftament gab er feine Sklaven frei;
er ftiftete anfehnliche Vermächtniffe für Schulen und hinterließ den Neft des Vermögens einem
Neffen. Seine Gebeine ruhten erft zu Mount-VBernon, bi fie auf Befchluß des Gongreffes in
ber Hauptftadt bes Bundes, bie feinen Namen trägt, unter einem Denkmale beigefept wurden.
Dot. Marfhall, „Life of W.” (2 Bde., 3. Aufl., Philadelphia 1832); Bancroft, „Essay on
the life of W.“ (neue Aufl., Bofton 1851); Joſch, „IB. und bie norbamerif. Revolution”
(Gieß. 1817); Nebding, „Life of W.” (2 Bde., Lond. 1835); Edmond, „The life and times
of W.“ (2 Bde., 3. Aufl., Lond. 1839). Sparks gab im Auftrag des Eongrefjed eine Samm-
lung von W.'s officielen und privaten Papieren nebft einer gründlichen Xebensbefchreibung
unter dem Titel „The works of W.” (12 Bde, 1834 — 37) heraus, die Guizot franzöſiſch
(6 Bde, Par. 1840) und Raumer beutfch (2 Bde., Lpz. 1845) bearbeitete.
Waſhington, die Haupt und Bunbesftadt der Vereinigten Staaten, feit 1800 Sig ber
Bundesregierung und bes Congreſſes, Tiegt auf einer von zwei Armen des Potomac gebildeten
Landzunge, in dem Diftricte Columbia (f. d.). Ald man 1790 eine gemeinfchaftlihe Haupt⸗
fladt für die Union gründen wollte, gaben die Staaten Maryland und Virginia ein faft
im damaligen Mittelpuntte- ber Republik belegened Terrain dazu ber, das über acht engl.
DM. umfaßt und in deſſen Mitte man die Stadt erbaute, bie nach bem Helden ber nordamerik.
Breiheit benannt wurde. Man befolgte dabei einen eigenthümlichen, fehr weitläufigen und re»
gelmäßigen Plan, bet jedoch noch bei weiten nicht zur Ausführung gelangte, auch bereits manche
Übänderungen erlitt. Das Terrain der Stadt enthält einige mäßige Erhöhungen, von denen
zwei für das Capitol und das Haus des Präfidenten auserfehen wurden. Bon dem Capitol,
als dem Mittelpunkte bes Bauplans, follen nach allen Richtungen lange Avenue ausgehen,
jeboch find davon nur wenige wirklich vorhanden. Der Haupttheil ber Stadt liegt jegt fogar im
Rüden, auf der Weſtſeite des Eapitols, und nur diefer trägt einen ftadtähnlichen Charakter,
während in ben übrigen Richtungen Alles ein borfähnfiches Anfehen hat. Die Strafen laufen
ſchnurgerade von Norden nach Süden und von Often nach Weſten, fich unter rechten Winkeln
ſchneidend. Fünf ber Avenues gehen radienförmig von dem Eapitel, ebenfo viele von dem Prä-
fidentenhaufe aus. Innerhalb bes großen Stabtgebiets finden fich Die Häufer bis jegt nur par⸗
tienmeife bier unb da vertheilt, die Paläfte liegen iſolirt, ſodaß man ZB. mit einem unfertigen
Stickmuſter vergleichen kann. Die öffentlichen Bebäubefind mit großes Pracht ausgeführt ; aber
nur bie nad) antiten Muftern erbauten innen auf architektonifche Schoͤnheit Anfpruch machen.
Das impofantefte und eins ber fchönften öffentlichen Gebäude ift das Capitol, ein großer, mafe
Bafhington (Stadt) 99
fenhafter, im Mittelpunfte eines großen Vierecks aufgeführter Palaſt im griech, zumeiſt im ko⸗
rinth. Stil, in welchem feit 1800 der Congreß feine Sigungen hält. Am 14. Aug. 1814 zer-
flörten bie eingedrungenen Engländer unter Roß alle öffentlichen Gebäude der Stadt, die jedoch
nad) dem Frieden um fo prächtiger wieberhergeftellt wurden. Das neue Capitol, deffen Haupt.
gebäude 1818—27 emporftieg, tritt aus den an feinem Fuße befindlichen Parkanlagen in
claſſiſcher Eleganz hervor. Seine Lage ift 38° 55° 34” n. Br., 59° 241° 52” weſtlich
von Ferro, und nach feinem Meridian berechnen die Norbamerikaner die geographifche Länge
aller übrigen Orte. Das Gebäude ift aus behauenen Sandfteinen errichtet, mit den $lü-
geln 552 engl. 8. lang, 121 8. tief und mit der Hauptkuppel des Mittelgebäudes 120 F. hoch.
Die Fronte des legtern, nad) Dften gerichtet, ſchmückt ein Porticus von 22 Lorinthifchen, 38 $.
hohen Säulen. Außer den Sälen des Congreſſes und der Bibliothek enthält das Capitol auch
den Sigungsfaal des oberften Gerichtshofs der Union und an 70 Zimmer für verfchiedene
Ausfhüffe und Beamten des Congreſſes. Am 2. Dec. 1852 brach eine Keuersbrunft im Ca⸗
pitol aus umd vermichtete den größern Theil der Bibliothek. Die Amtswohnung des Präfiden-
ten, gewöhnlich das Weiße Haus (White House) genannt, liegt auf einer ähnlichen, aber gerin-
gern Erhöhung ale das Capitol, 1’ engl. M. im Nordweften von diefem, in der Mitte eines
20 Acres großen, parkähnlich angelegten Pages. Es ift ein ſchönes Gebäude aus Quaderſtei⸗
nen, an ber nördlichen Fronte mit einem ionifchen Porticus, an der füblichen durch eine kreis.
formige Colonnade geziert. Die vier Eden bed Platzes bilden die Amtögebäube der Minifterien
des Auswärtigen, des Kriegs, der Marine und bes Schages. Für das ſchönſte Gebäude gilt das
Generalpoftamt, in antitem Stil und in weißem Marmor ausgeführt. Ganz in feiner Nähe
liegt das Poloffale Patentamt (Patent Office) mit einem Porticus, der mit dem Parthenon zu
Arhen gleiche Ausdehnung hat. Es enthält das Naturalien- und ethnographifche Mufeum des
Rationalinftituts, forvie eine ausgezeichnete Modellfammlung. Im Bau begriffen mar 1854
das Wafhingtonsmonument, ein koloffaler Obelisk, deffen Höhe auf 600 F. berechnet iſt. Be⸗
mertenswerth find ferner das neue Schaganıtögebäube, die Kaferne mit der Wohnung bed
Sommandanten, das Marinearfenal, das Artilleriedepät und die Gebäude mehrer wiſſenſchaft -
licher Inftitute. Bon den öffentlichen ſtädtiſchen Gebäuden ift nur das Stadthaus (City Hall)
zu erwähnen. W. befigt außer vielen mittlern mehre höhere Unterrichtsanftalten und fehr be»
deutende wifjenfchaftliche Inftitute, wie das Columbian-@ollege ber Baptiften, das Bath. Prie⸗
fierfeminar unter Zeitung der Jefuiten, eine höhere weibliche Erziehungsanftalt bes Path. Con-
vent of visilation, bie National Institution for the promoving of science mit ihrem ausge⸗
zeichneten Nationalmufeum, die Smithsonian Institulion (f. d.), das 1842 gegründete, durch
feinen gegenwärtigen Director, Maury, berühmt gewordene National Observatory, endlich bie
öffentliche Congreßbibliothek, welche 1851 ungefähr 55000 Bände zählte. Außerdem befigt W.
einige zu wohlthätigen Zwecken geftiftete Geſellſchaften. In Bezug auf Handel und Induflrie
if} die Hauptftadt der Union ohne Bedeutung. Der Congreß, welcher burchfchnittlich nur drei
Monate im Jahre figt, ift fein Anziehungsmittel, eine zahlreiche Bevölkerung zur Niederlaffung
zu bewegen. Die nicht zu den fchnell wechfelnden Staatöbienern gehörige permanente Bevölke⸗
rung der Metropofe, deren Zahl in den I. 1800 — 40 von 3310 auf 23364 und 1850 auf
40001 flieg (darunter 8075 freie Farbige und 2113 Sklaven), befteht, abgefehen von den Fa⸗
milien der fremden diplomatiſchen Reſidenten, überwiegend aus Detailliften und Krämern, Gaft-
wirthen und Kofthausbefigern. In der Nähe W.s befindet fich der ſchön angelegte Congreßkirch⸗
hof und Kriegeſchiffs werfte der Union am Anacoſtia, über ben eine 2375 Schritt lange Brücke
führt. Nur awei engl. M. oberhalb W., am linken Ufer des Potomac und am Anfange des Che
fapeat-Ohiofanals, durch den von zwei Brüden überfpannten Rock ˖ Creek von der Bunbesftabt
getrennt, liegt Beorgetown, City und Einfuhrhafen, mit 8366 E., fieben Kirchen und fieben hö⸗
bern und mittlern Schulen, darunter da8 1789 gegründete und 1815 vom Congreß zur Erthei⸗
lung von akademiſchen Graden autorifirte Georgetoron-Eollege umter Leitung ber Jeſuiten. —
Außer der Bundesftadt tragen in den Vereinigten Staaten den Namen W. 22 Counties oder
Bezirke, 83 Townſhips oder Stadtgebiete, 13 &tädte und andere Ortſchaften. Unter den legtern
find bemerkenswerth: der fhön gelegene Borough Waſhington in Pennfylvanien, an der Na-
tionalftraße, mit neun Kirchen, dem 1806 gegründeten WBafhington-Eollege, einigen Babrifen
und 2600 &.; Wafbington im Staate Miffiffippi, unweit oftlich von Natchez, mit dem
1802 gegründeten Sefferfon- Eollege; Waſhington in Teras, rechts am Brazos ⸗River mit
aner Akademie und 1200 E. — Auch mehre Berge haben biefen Namen erhalten, und
100 Wafler
Wafbington-Territory heißt feit 1853 auch der nördliche Theil des Gebiets Dregon (ſ. d.). —
Wafhingtonsinfeln ift der Name der nördlichen, aus acht Infeln beftehenden Gruppe der
Marquefasinſeln, in welcher Nukahiwa (f. d.) die größte und berühmteſte.
Wafler. Früher hielt man das Waffer für einen einfachen Grundfloff, für ein Element.
Die Entdedung der Zufammenfegung des Waſſers gebührt dem Engländer Cavendiſh, der
4781 duch feine Verfuche darauf geführt wurde. Seine Angaben beftätigten dann mehre
franz. Chemiker, befonders Lavoifier. Man fand, daß reines Waſſer aus Waſſerſtoffgas und
Sauerftoffgas befteht und von jenem 41,1, von diefem 88,99 Gewichttheile enthält. In dem-
felben Verhäftniffe dent Gewichte nach, dem Raume nad im Verhältniß von 2:1 entwideln
fich beide Gafe, wenn man das Waſſer durch einen galvanifchen Strom zerfegt. Läßt man durch
ein Gemenge von zwei Volumen Wafferftoffgas und ein Volumen Sauerfloffgas einen elektri-
fhen Funken fchlagen, fo vereinigen fich beide unter Detonation ohne Nüdftand zu tropfbarem
Waſſer. Das reinfte Waſſer ift dasjenige, da8 der in hohen Gegenden aufgefangene Regen
oder Schnee liefert, worin ſich feine Spur fremder Stoffe entdecken Täßt. Da jeboch ſolches Waf-
fer felten zu haben ift, fo verfchaffte man fich reines Waſſer durch Deftillation. Daffelbe ift in
dem Zuftanbe feiner Reinheit eine farblofe, vollkommen durchſichtige, geruch⸗ und geſchmackloſe
Flüffigkeit. Bei der Mitteltemmperatur unferer Atmofphäre bleibe das Waſſer ſtets flüffig; ver»
mindert fich aber die Wärme bis unter Nullgrad des Reaumur'ſchen Thermometers, fo gefriert
es. In verfchloffenen Gefäßen, oder wenn man die Oberfläche mit DI bededt, kann es noch
einige Grabe unter Null flüffig bleiben, fo Lange Feine Bewegung flattfindet; es gefriert aber
augenblicklich, fobald es gefchüttelt wird. Wenn das Waſſer erſtarrt, nimmt es, wie die meiften
übrigen Körper, Kryftallgeftalt an. (S. Eis.) Die fpiehigen Kryftalle fegen fich unter einem
Winkel von 10—120° aneinander und bilden fo die Dendriten an den Fenftern oder die ſechs⸗
zadige Geftalt des Schnees. Waſſer, welches andere Stoffe, 3. B. Säuren, Salze u.f. w, ent
hält, gefriert in der Regel langfamer und zwar nad) Verhältniß der Menge diefer Beimifchun-
gen. Wenn ein Theil einer ſolchen Löſung erftarrt, fo geftiert gewöhnlich nur das Waſſer und
bie rückſtändige Auflöfung iſt dann um fo viel mehr concentrirt, wie dieß bei Wein, Bier, Eflig
- und Kochfalz der Fall ifl. Wenn das Eis aufthaut, erhalten fich die regelmäßigen Kryſtalle
nebft den zuerſt gebildeten Nabeln länger als das übrige, weniger regelmäßig Angefchoffene.
Die Dichtigkeit des Waffers ift nicht beim Nullpunkt des Thermometerd am größten, fondern
erft bei 5° oder genauer 3°,2R. über diefem Punkte. Bon biefem Punkte an behnt es fich auf,
ſowol beim Abkühlen als bei der Erwärmung. Diefe Ausnahme von den für die Einwirkung
des Wärmeſtoffs auf flüffige Körper beftehenden Regeln ift von großer Wichtigkeit. Das Waf-
fer würde nämlich im Winter ziemlich, bald, felbft in ben größten Seen, bis zum Nullpunkt und,
Darunter abgefühlt werben und in feiner ganzen Maſſe erftarren. So aber ſinkt das Waſſer,
fobald es bis zu 3° abgekühlt ift, in ben Seen zu Boden, und wenn endlich alles Waſſer dieſe
Temperatur angenommen bat, fo ann nur feine Oberfläche noch unter diefen Grad abgekühlt
werben, weil nun das Bältere Waſſer leichter als das warme ift, und das Waſſer, wie alle tropf-
baren Flüffigkeiten, den Wärmeftoff fehr langfam leitet. Der Grund ber Seen und Flüſſe be-
bält die angegebene Temperatur von ungefähr 3°. Wird das Waffer von 3’ an erwärmt, fo
dehnt es fich allmälig aus, bis es bei 80° zu fieden anfängt. Im Ganzen dehnt fich das Waſſer
von O— 80° um A2 Taufendtheile des Volumens aus, welches es bei O° hat. Der Wafferbampf
folgt bei feiner Ausdehnung durch die Wärme den gewöhnlichen Gefegen ber Gasarten. Wenn
Waſſer in einem verfchloffenen Gefäße erhigt wird, fo gewinnt der Dampf nach und nach einen
fo hohen Brad von Elafticität, daß er die ftärkften Gefäße zu zerfprengen vermag. (S. Dampf
und Dampfmafdinen.) Dem unfichtbaren Wafferdanıpf wird durch kalte Körper die Wärme
entzogen ; er verbichtet fich dann zu Waſſer und wird fichtbar. Darauf beruht die Bildung der
Wolken, der Nebel und die Entftehung anderer meteorolegifchen Erfcheinungen. Daher fehen
wir den Hauch in Balter Luft und befchlagen kalte Körper in warmen Simmern, welche feuchte
Luft enthalten. — Meteorwaffer nennt man bas ale Dampf in die höheren Megionen geführte
Waſſer, das fich durch die Einwirkung ?älterer Ruftfchichten in ſichtbare Dünfte ummanbelt
und bei flärferer Verdichtung wieder auf die Erbe ergießt. Es erfcheint dann ald Regen, Schnee
und Hagel. Faſt alles Waffer auf der Erbe verdankt feinen Urfprung dem Meteormwafler, das
auf die Exde fällt und theild über Die Oberfläche wegrinnt, theils von der Dammerde eingefo-
gen wird, ober fich in bie Klüfte und Spalten der Gebirge fenkt. Dieſes in höher gelegenen Ge⸗
genden in die Erbe eingebrungene Waſſer tritt in den Quellen unferer Bäche und Fluͤſſe wieder
Waſſerblei Waſſerfenchel 101
zu Tage. Die erdigen Beſtandtheile, welche es mit ſich führt, ſind bei dem Durchſickern durch
die Gebirgsmaſſen aufgelöft worden (S. Mineralwaſſer.)
Waſſerbleiſ. Molybdaͤn.
Waſſerdicht nennt man Bekleidungsgegenſtände u. ſ. w, wenn ſie kein Waſſer durch ſich
hindurchlaſſen, ja fogar an ſich keinerlei nachtheilige Veränderung durch die Länger fortgeſetzte
Einwirkung des Waſſers erfahren. Es hält im Allgemeinen gar nicht ſchwer, gewebten Stoffen
tie Eigenfchaft ber Wafferdichtigkeit zu ertheilen ; denn ein mehrfacher Anftrich von Leinölfirniß
3.B. ertheilt fie ihnen im vollflommenften Grade, und das Wachstuch (f. d.) ift ein auf ſolche
Weiſe waſſerdicht gemachtes Fabrikat. Aber fehr oft wünſcht man die Wafferdichtigkeit ohne
Beränderung bed äußern Anfehens und ohne Beeinträchtigung der Leichtigkeit und Befchmei-
digfeit hervorzubringen, und dies iſt eine bisher nicht genügend gelöfte Aufgabe. Zwar befigen
gewiffe falzige Auflöfungen (insbeſondere effigfauere Thonerbe, Kupfervitriol) die überrafchende
Eigenfhaft, Leinwand, Tuch u.f. w., welche damit getränkt und wieder getrodinet werden, gegen
das Waſſerdurchlaſſen zu fhügen; allein dieſe Wirkung verfchwindet, wenn die naßgewordenen
Stoffe gedrüdt oder gequetfcht werden, und in ſtarkem, anhaltendem Negen wachen füch die zur
Zubereitung angewenbeten Salze heraus, die Wafferdichtigkeit geht damit verloren. Keder wird
wafferdicht gemacht durch tüchtiges Tränken mit Leinöl oder durch Lackiren; wafferdichte Filz»
hüte Haben ftatt bes Leims, womit fonft die Hüte ſteifgemacht wurden, eine Steife von Schellad!
oder anderm Darz. Am meiften Eingang haben die mittels Kautſchuk (f.d.) waſſerdicht gemach⸗
ten Zeuge zu Überröden und Mänteln gefunden, welche zuerft von Mackintoſh (f. d.) fabricirt
wurden und nach ihm ben Namen behalten haben. Diefelben find zwar vollkommen wafferbicht,
verhindern aber auch das Herausdringen ber Körperausdunſtung, ſodaß fich der Schweiß auf
ihrer Innenfeite ablagert und fie den damit befleideten Perſonen durch ein fehr läftiges Higge-
fühl unbequem werden.
Waſſerfall, auch im Befondern Katarakt (f. d.), nennt man die Stelle, wo ein fließenbes
Waſſer von einem fteilen Felfenabhang, der oft eine fenfrechte Wand bilder, fich in die Tiefe
berabftürzt. Die Erfcheinung findet flatt bei Bächen im Hochgebirge, die auf flufenförmige
Eelfenabfäge treffen, wo der Waſſerfall hauptfächlich der Höhe wegen, von der er herabfällt,
einen intereffanten Anblick gewährt, und bei Flüffen und Strömen, wenn ihr Bette in feiner
regelmäßigen Neigung durch einen plöglichen fteilen Abfall unterbrochen wird, mo der Waſſer⸗
fall durch die Mächtigkeit der Waſſermaſſe einen großartigen Eindruck bervorbringt. Es gibt
ſowol natürliche wie künſtliche Wafferfälle, welche Iegtere den befondern Namen Eascaben (f. d.)
führen. Zu den Wafferfällen im Allgemeinen gehören auch die Stromſchnellen, wo in Folge
einer fleileen Abfentung oder einer Berengerung des Flußbettes oder in Folge plöglichen Zu⸗
firömens großer Waſſermaſſen der Fluß fich mit reißender Schnelligkeit bewegt, ſodaß bie
Schiffahrt mehr oder weniger gehindert, in den meiften Fällen felbft unterbrochen wird. Die
(hönften und großartigften naturlichen ZBafferfälle kommen in Amerika und in Europa auf der
Standinavifchen Halbinfel vor. Als befonders merkwürdig find zu erwähnen in Amerika ber
Waſſerfall des Rio Binagre bei Puraze, bes Rio Bogota bei Tequendama und des Niagara,
an bie ſich noch der Fall des Parana in Paraguay anfchließt; ferner in Afrika die Katarakten
bes Nil, in Europa ber Riukandfoß in Obertellemarken und der Vöringfoß in Norwegen, in
Schweden der Bafjerfall Trollhätta der Bothaelf bei Gothenburg, der der Dalelf bei Elfkerleby
und der Lundelf; die Wafferfälle bein Berge Marbore in Spanien, die des Velino bei Spoleto
und des Setino in Dalmatien; ber Nheinfall bei Schaffhaufen, der Staubbach im Thale von
Lauterbrumnen, ber wegen ber größern Waſſermenge noch fchönere, aber weniger hohe Fall des
Reichenbach bei Meiringen, der Gießbach am Brienzerfee und der Handekfall im Haslithafe;
der Krimmifall und der Sollingfall im Saflgburgifchen. Schöne künſtliche Wafferfälle find in
Frankreich zu Marly unmeit Derfailles und zu St.Cloud; bei dem Luftfchloffe Zoo in Geldern;
auf der Wilhelmshöhe bei Kaffel. Ä
Bafferfarben nennt man in der Malerei alle Karben, die blos mit einfachem oder mit
Leim, Bummi u. ſ. w. verfegten Waſſer aufgelöft werden. — Zur Wafferfarbenmalerei ge
hört ſowol die Aquarellmalerei (f. d.) mit durchfichtigen Farben, wie die Gouachemalerei (f. d.)
mit Dedfarben. Beide Arten laffen ſich auch verbinden, indem man mit Dedfarbe übermalt
und mit Durchfichtiger laſirt, wodurch man eine ungemeine Kraft und Klarheit erzielt, die jedoch
mie’ber Zeit ſchwindet, weil bie leztern Farben, die meift aus Pflanzenftoffen bereitet find,
durch das Licht aufgezehrt werden. .
Waſſerfenchel (Oenanthe Phellandrium) heißt eine an Gräben und Zeichen häufig vor-
kommendbe Pflanze aus der Familie der Doldengewächfe mit büfcelig-faferiger Wurzel un
102 Waſſergeſchwulſt Waſſerregal
ſtarkem hin⸗ und hergebogenem Stengel, der an ſeinem untern aufgetriebenen Ende einer fü
cherigen Möhre ähnelt, 2—A F. hoch wird und drei⸗ umd mehrfach ficderfchnittige Blätter und
vielftachelige weißblütige Dolden trägt. Die eigenthümlich aromatifch, aber unangenehm rie-
enden Früchte find, wenn auch fein Specificum gegen Lungenſchwindſucht, wie man fonft
meinte, doch bei niehren Zungenfranfheiten niit guten Erfolg anzuwenden.
Waſſergeſchwulſt, ſ. Odem.
Wa —3 ſ. Kaltwaſſercur.
—I8 — Wetterſäule, Trombe, iſt eine der merkwürdigſten Erſcheinungen, welche
ſich bisweilen auf dem Meere zeigt. Aus dem untern Theile einer dunkeln Wolke ſenkt ſich
nämlich ein ſpitzer Zipfel zum Meere nieder; das Meer beginnt unter ihm zu dampfen und er⸗
ſcheint wie ein rauchender Ofen. Der Zipfel der Wolke ſinkt immer tiefer herab und erreicht
endlich die Oberfläche bes Meeres, das um fein Ende ein buſchähnliches Waſſerſpiel erzeugt.
Die Erfcheinung rotirt wie ein Kreifel un ihre Axe und fehreitet dabei langfam vorwärts; in
ihrem Innern zeigen fich öfter Blige. Die Wafferhofe fcheint eine elektriſche Erſcheinung zu
fein ; eine elektriſche Wolke (Gewitterwolke) ſenkt fi, burch dad Meer angezogen, nieder und
ſpitzt fi an ihrem untern Theile zu einem Kegel zu, ber wegen der auf ihm vorhandenen großern
Diehtigkeit der Elektricität immer ftärker von dem Meere angezogen wird, das öfter auch burch
fein eigenes Auffteigen ihm entgegenkommt. Iſt die Vereinigung gefchehen, fo entladet ſich bie
Wolke durch bie bergeftellte Verbindung mit einem eigenthümlichen raffelnden Geräufch und,
wie ſchon erwähnt, öfter felbft mit Bligen. Das aus einer ſolchen Wafferhofe auf Schiffe fal-
Iende Fafle iſt nicht ſalzig; ed rührt alfo von den in der Luft condenfirten Waſſerdaͤmpfen
ber. Ahnliche Erfcheinungen aufden Lande heigen Randbofen oder Sandhofen.
Waſſerhuhn (Fulica), eine Gattung aus der Familie der Waſſer⸗ oder Sumpfhühner,
kenntlich durch den an der Wurzel in einer Stirnplatte verbreiterten Schnabel und die mit einer
lappig eingefchnittenen Haut geläumten Vorberzehen. Europa befigt nur eine Art, das ſchie⸗
fergrau gefärbte ſchwarze Wafferhuhn (F. ara), wegen feiner weißen Stirnplatte auch Weiß.
bläßhuhn genannt. Schilfbewachfene Weiher find fein Lieblingsaufenchalt, feine Nahrung
Mürmer, Infektenlarven, Schneden und Wafferpflangen. Es fliegt und Läuft fchlecht, taucht
jedoch gefchickt und lebt gefellig und mit andern Waſſervögeln verträglich.
Ba erfun fern, f. Libellen.
Waſſerkopf, ſ. Waflerfucht.
Waſſerkünſte nenne man gewiſſe künſtliche und in großem Maßſtabe ausgeführte Vor⸗
richtungen zur Hebung und Bewegung des Waſſers; namentlich 1) Druckwerke (ſ. d.), womit
das Waſſer aus Bergwerksgruben geheben und weggeleitet, oder aus Flüſſen auf die Höhe
thurmartiger Gebäude (Waſſerthürme) gefchafft wird, von wo es dann mitteld Rohrleitungen
in bewohnten Orten vertheilt werben kann; 2) ähnliche Punipvorrichtungen zur Speifung von
Springbrunnen an ſolchen Orten, wo kein natürliches Gefälle hierzu vorhanden ift; 3) allerlei
Combinationen von Gascaden, fpringenden Fontainen u. dgl. ald Gegenſtand des Vergnügens.
Die Anlage und der richtige Betrieb aller Arten von Waſſerkünſten beruht auf den Regeln
der Hydraulik (f. d.) und erfodert meift nebftdem gründliche Kenntniß im Maſchinenweſen.
afferleitung, f. Aquäbduet.
Wüffern, bei der Landwirthſchaft, ſ. Bewaͤſſerung; in Bezug auf gewebte Stoffe,
f. Moiriren. -
Wafferprobe, ſ. Orbalien.
Wailerregal nennt man das in Deutfchland allmälig zur Regalität (f. Negalien) erho⸗
bene Recht des Staats auf,die Benugung fchiffbarer Flüffe, während an den übrigen Ge⸗
wäfern ein ſolches allgemeines Regal nicht vorkommt, daher auch die Benennung Wafferregal
nicht ganz richtig ift. Nicht zu vermechfeln ift das Wafferregal mit der Waſſerboheit, welche
die Staatsgewalt über alle Gemwäfler ihres Gebiets als Dberauffichtsrecht über deren Be-
nugung ausübt. Das Wafferregal bezieht fi 1) auf den Gebrauch, des Waſſers folder Flüſſe
als bewegender Kraft, zur Anlage von Mühlen und der dazu gehörigen Wehre und zu Gräben,
welche Niemand eigenmächtig unternehmen barf; auf Schiffahrt und Holzflößen nebft den er⸗
foberlihen Schleußen, Uferbauten, Randungsplägen, Zeinpfaben uud Krahnen; auf Wäfſerun⸗
‚gen, auf Brüden und Fähren: 2) auf Grund und Boden, das Flufbett und die Ufer, infofern
fie zur Benugung bes Waſſers nöthig find, die im Fluffe entfiehenden Inſeln; 3) auf bie
Fiſcherei und was fonft etwa im Waſſer gewonnen werden Bann, z. B. Perlen u. f. w. Die
Rupungen beftehen insbefondere in den Abgaben, welche von Schiffahrt, Mühlen, Fähren, vom
Fiſchen u. ſ. w. erhoben werden, infofern dies Alles andern Perfonen geflattet wird.
Waſſerſcheu und Huudswuth 103
Waſſerſcheu und Hundswuth beim Menſchen. Die Waſſerſcheu (hydrophobia) iſt
eine dem Starrkrampfe nicht unähnliche und mit Fortdauer des Bewußtſeins einhergehende
Krampfkrankheit, deren Eigenthümlichkeit aber darin beſteht, daß durch jeden Verſuch, Zluffig-
keit zu ſchlucken, fpäter ſchon durch den Anblick von Flüſſigkeiten und endlich durch den bloßen
Gedanken daran heftige Kiefermustel- und Schlundkrämpfe geweckt werben, die fi bald mit
Ermürgungsfgmptomen und allgemeinen Krämpfen verbinden, zu denen fich in der Megel noch
eine furchtbare Angſt mit Tobſucht gefellt. Die Wafferfheu oder Hydrophobie ift gewöhnlich
ein Symptom der Hundswuth (f. d.), kann aber auch manche andere, befonbers Nervenkrank⸗
heiten begleiten. Die Hundswuth (hydrophobia rabica; rabies canina) yeigt fich in Kolge des
Biſſes wuthkranker Thiere (des Hundes, Wolfes, Fuchſes, der Kage) als eine Krampfkrankheit
mit Waſſerſcheu. Die ausgebrochene Hundswuth ift bei den uns zur Zeit zu Gebote flehenden
Mitteln unbedingt tödtlih. Ihrem Ausbruche, welcher fhon nach 14 Zagen oder erft nad
fieben bis neun Monaten erfolgen kann, meiftend aber zwifchen dem erften unb dritten Donate,
geht fehr haufig mehre (zwei bis drei) Zage lang eine fehmerzhafte, die Nerven entlang zum
Naden ziehende Empfindung (von Juden, Spannen, Ziehen) in der gewöhnlich bereits ver»
narbten Bißwunde vorher, der ſich zuweilen auch Roͤthe, Geſchwulſt und Wiederaufbrecdyen der
Narbe zugefellt. Die noch offene Wunde (die fonft durchaus nichts Eharakteriftifches hat) ent-
zündet fich von neuem, fängt an zu juden, ſchmerzt, die Schmerzen verbreiten fich centripetal
über das ganze Glied, die Farbe der Wundfläche wird dunkler und die Abfonderung dünner,
jauchender. Nach Urban’d Angabe follen fich zumeilen im Umfange der Wunde hirſekorn⸗ oder
erbfengroße, mit röthlicher Flüſſigkeit gefüllte Bläschen bilden. Zu diefen örtlichen Erfcheinun-
gen an der Bunde oder Narbe gefellen ſich: allgemeine Verſtimmung, Angſt, Hang nad Ein»
ſamkeit und Theilnahmloſigkeit, Trübfinn oder ungewöhnliche Munterfeit (und Geſchlechts⸗
tuft), unruhiger Schlaf, Kopfſchmerz, Fieberbewegungen, Müdigkeit, Schwere der Glieder,
Appetitlofigkeit, Ekel vor Speifen, Brechreiz, Erbrechen. Jedoch können auch alle Vorboten
fehlen; der Ausbruch (des furibunden Stadiums) gefchieht dann plöglich, wenn der Kranke
trinken will, mit dem Gefühle des Erwürgtwerdens und Erſtickens, welches ſich bei jeder
Wiederholung des Trinkverſuchs fteigert und mit wachfender Angft vergefellfchafter. Die Ne
fpiration ift dabei kurz, ängftlich, feufzend; das Ziehen im Naden und Halfe wird immer
ſchmerzhafter und felbft das Verfchluden fefter Nahrungsmittel unmöglich; die geringfügigften
auf die Haut und Sinne einwirkenden Reize bringen heftige tonifche und convulſiviſche Nefler-
främpfe, vorzugsmeife in ben Schling- und Athnıungsapparaten, hervor. Bei ber höchften
Steigerung verbreiten fich die Krämpfe über die Halsmuskeln hinaus und erfcheinen unter ber
Form tetanifcher Krämpfe. Der Kranke vermag den reichlich abgefonderten Speichel, ber ihm
als Schaum vor den Mund tritt.und den er beftändig um fich her fprigt, nicht zu ſchlucken.
Eigenthümlich ift die Haft und Aufregung, womit willfürliche Bewegungen vollzogen werden,
da6 jähe Aufrichten, der Trieb aus dem Bette zu fpringen, zu entrinnen und zu zerflören. Jetzt
erfcheinen auch wirkliche Wuthanfälle von etwa 10—30 Minuten Dauer; das Geficht wird
dabei roth und aufgetrieben; die Augen find glänzend, wilderollend, hervortretend ; die Miene
ift wild⸗angſtlich; der Kranke fucht bisweilen fogar zu beißen und fpeit um fi. In der
Zeit zwifchen den Wuthanfällen ift Patient bei vollem Bewußtſein, verzmweiflungsvoll, Tucht
fi) zu tödten, warnt feine Umgebung, Plagt über brennenden Schmerz in der Bruft und Herz
grube und über außerordentlihen Durft. Der Schlaf fehlt ganz. Der Geſchlechtstrieb iſt zu⸗
mweilen bis zur qualvollen Satyriafis und zum ſchmerzhaften Priapismus angeregt. Die Harn-
und Stuhlentleerungen find fparfam ; häufig wird grüne gallige Flüſſigkeit erbrochen ; der Puls
wird immer freguenter und fleiner. Die Anfälle wiederholen fich in immer kürzern Zwiſchen⸗
taumen und babei nimmt bie Heftigfeit derfelben von Stunde zu Stunde zu (ganz befonders,
wenn Zwangsmittel angewendet werben). Endlich erfolgt der Tod, ungefähr 36 St. bis ſechs
Tage (gewöhnlich drei Tage) nach Ausbruch der Krankheit, entweder plöglich apoplektifch und
afphyktifch in einem heftigen Anfalle von Zudungen, oder in der höchften Erſchöpfung, rubig,
ſelbſt unter dem Scheine von Befferung, nachbem die Fähigkeit zu trinken miedergefehrt war.
Kinder und Weiber findet man bei der Hundswuth gewöhnlich weniger ängſtlich und tobfüchtig
als Männer, wahrfcheinlich weil fie fich die Gefahr nicht fo vorftellen können und ein ſchwä⸗
cheres Nerven- und Muskelſyſtem befigen. Die Behandlung der völlig ausgebrochenen Hunds-
wuth ift bis jept ſtets erfolglos geweſen und hat ſich deshalb nur auf humane Sicherung bed
Kranken, forie auf Beruhigung deffelben durch Ehloroforminhalationen zu erſtrecken. Da⸗
gegen fol, ſelbſt wenn ſich in der Bißſtelle ſchon bie Vorboten ber Krankheit zeigen, durch eine
104 Waſſerſchraube Waſſerſucht
hinreichend tiefgreifende Cauteriſation dem Ausbruche vorgebeugt werden können. Allein da
nicht wol anzunehmen, da das Gift fo lange in der Wundſtelle ruhig verweilen könne, dürf⸗
ten die angeblichen Borboten, auch wenn die Gauterifation unterblieben wäre, nicht zur Hunde-
wuth ausgeartet fein. Jedenfalls ift aber zur Beruhigung des Kranken, feiner Angehörigen
umd des Arztes die Cauterifation zur Anwendung zu bringen. Die Prophylaxis bald nach ge-
Tchehener Verlegung befteht in Entfernung des Giftes (durch Ausſaugen, Auswaſchen, Blu-
tenlaffen, Ausfchneiden der Wunde), in Verzögerung bes Übergehens des Gifte in den Blut⸗
om (durch Compreſſion oder Unterbindung des Gliedes) und in Zerftörung des Giftes (durch
Smittel, brennende Hige). Alle Beobachter flimmen übrigens in der Anficht überein, daß bie
Bunde längere Zeit in Eiterung zu erhalten fei (durch Kantharibenpulver, rothen Präcipitat).
Ganz unentbehrlich ift auch bie pfychifche Behandlung, die in Beruhigung, Zerſtreuung und
Aufheiterung bes Gebiffenen beftehen muß. Entbehrlich fcheint dagegen eine allgemeine Be⸗
handlung mit Maimurm, Mercurialien, Canthariden, Belladonna, Opium.
Waſſerſchraube oder Schnecke des Archimedes, eine Wafferhebungsmafchine, die nad
Diedorut Siculus von Archimedes erfunden, nach andern Angaben aber ſchon weit früher von
den Agyptern zum Entwäffern ihrer Wiefen nach den Nilüberſchwemmungen gebraucht wer-
den fein foll. Sie befteht gewöhnlich aus einer eifernen Spindel von etwa 1'%— 2, Zoll Durch⸗
meffer, welche die Achfe oder Welle einer aus geraden Dauben gebildeten, durch eiferne Bänder
zufammengehaltenen cylindrifchen Tonne, des fogenannten Mantels, von zwei Fuß Durchmef-
fer und 16 — 24 Fuß Ränge bildet. Im Innern läuft eine fchraubenförmig gewundene, oben
und unten offene Röhre um bie Spindel, oder auch nur eine wendeltreppenartig gewundene
Wand, die durch Bretchen gebildet wird, welche nach ber Richtung einer Schraubenlinie in die
Welle eingefalze find; die Stelle einer cylindrifhen Tonne fann durch einen hohlen Halbcy⸗
linder vertreten werben. An ber Kortfegung des obern Endes der Spindel befindet fich eine
Kurbel, welche zum Umdrehen derfelben dient und an welcher mehre Perſonen, nach Befinden
bis 16 Mann, arbeiten können. Die Mafchine wird beim Gebrauche ſchräg geftellt, ſodaß das
untere Ende im Waffer fteht, und ſchnell, etwa 90mal in der Diinute, umgedreht; fie hebt dann,
indem das Waſſer immer aus einem Schraubengang in den andern fällt, eine außerordentliche
Menge Waſſer, aber immer nur auf eine geringe Höhe. Dreht fich der Mantel mit der Spindel
zugleich, fo nennt man bie Vorrichtung auch eine Zonnenmühle; fie heißt aber eine Waſſer⸗
ſchraube im engern Sinne, wenn fich die Spindel mit der fie umgebenden Schnede ohne ben
Mantel dreht. An der Regel verleiht man ber Schraube zmei bis drei gleichlaufende Gänge,
Damit fie bei jeder Umdrehung in einem dreifachen Guſſe Waſſer gibt; big Achſe der Schraube
neigt man um 45 — 60° gegen den Horizont, bie Schraubengänge um 30°.
afferfloff oder Hydrogen heißt der in Verbindung mit Sauerfloff das Waſſer bildende
Srundftoff. Er ift, wie der Sauerftoff, in freiem Zuftande gasformig, bis jegt noch unter kei⸗
nem Drude flüffig gemacht, farblos, fehr leicht und fein, weshalb er zur Füllung ber Luftbal-
lons angewendet wird, und mit blaßblauer Flamme brennbar. Das Product feiner Verbren-
nung, welche, wenn er gerade mit Sauerftoft ober Luft in den gehörigen Verhältniffen gemenge
ift, mit heftiger Detonation ftattfindet, ift Waſſer. Der Waſſerſtoff kann das Athinen und das
Verbrennen nicht unterhalten. In chemifcher Beziehung ift ber Waſſerſtoff durchaus von den
Sauerftoff (f. d.) verfchieden und der birecte Gegenfag deffelben. Der Wafferftoff wird darge-
ftellt durch Zerfegung des Waſſers mittels glübenden ifenbrahts, oder durch Auflöfung ge-
wifjer Metalle, wie des Zinks oder Eifens, in verdünnter Schmwefelfäure ober Salzfäure, oder
endlich durch eleßtrifche Zerfegung des Waſſers. Er verbindet fi) noch mit vielen andern Stof-
fen zu meift gasförmigen Verbindungen, 5. B. mit dem Chlor zu Salyfäure, mit dem Schwefel
zu Schwefelmafferftoff, mit bem Phosphor zu Phosphormwaflerfloff. Mit Kohle gibt er die
Koblenwaferftoffarten, wie das Reuchtgas, das Sumpfgas, dad Terpentinöl, das Steinöl. In
gemwiffer Beziehung hat der Waſſerſtoff Ähnlichkeit mit den Metallen, was beſonders bei den
complicirtem Verbindungen des —— deutlich hervortritt. Außer zum Füllen des
Luftballons dient der Waſſerſtoff zum Löthen und zur Erzeugung des Siderallichts; in neue⸗
rer Zeit iſt auch verſucht worden, ihn zur Beleuchtung und Heizung im Großen anzuwenden.
Waſſerſucht (hydrops) nennt man im Allgemeinen eine krankhafte Anhäufung einer wäſ⸗
ferigen, aus dem Blute ſtammenden Flüſſigkeit in Höhlen oder Geweben des menſchlichen Kör-
perd. Es ift eine ſolche Wafferanhäufung ſtets nur ein Krankheits ſymptom, niemals eine
Krankheit felbft und kann mit ſehr verfchiedenartigen Kranktheitszuftänden verbunden fein. Am
häufigſten begleitet fie Nierenentartungen nnd Krebsübel, fowie organifche Herz ˖ und Rungen-
Waſſerwage Baflerziehen der Sonne 105
leiden und ifl, da diefe Krankheiten unheilbar find, gewöhnlich ein fehr ſchlimmes Zeichen.
Ein wenig gefährliches Symptom ift die Wafferfucht nad) Scharlady oder wenn biefelbe nur
Beinere Stellen des Körpers und neugebildete Säde betrifft. Die Behandlung muf natürlich
nach der Urfache diefer Krankheitserfcheinung eine fehr verfchiebene fein. Erſtreckt fich Die
Waſſerſucht auf Die Gewebe bes Gehirns, fo nennt man dies Waſſerkopf.
aſſerwage ober Libelle ift ein Inftrument, welches dazu dient, eine Ebene in Bezug auf
ihre Dorizontalität zu prüfen und eine genau horizontale Ebene zu erhalten. Es befteht im
Allgemeinen in einem Gefäße, das mit Waſſer ober ungleich beſſer, um das Gefrieren im Win⸗
ter zu verhüten, mit Weingeift gefüllt ift, und beruht auf dem Gefege, daß die Oberfläche einer
Flüſſigkeit inımer eine horizontale Ebene bildet. Nach ber Form der Gefäße unterfcheidet man
Dofenlibellen und Röhrenlibellen. Die erftern befiehen aus einer meffingenen Dofe von zivei
bis vier Zoll Durchmeffer und gegen ein Zoll Höhe, beren Oberfläche mit einer wafferdicht
ſchließenden Scheibe von Spiegelglas bedeckt iſt. Im Boben der Dofe ift in der Mitte eine Off-
nung, welde dazu dient, den Innern Raum ber Dofe mit Weingeiſt zu füllen, wobei jedoch
noch ein kleiner Raum frei bleiben muß, ſodaß fich nach dem Umkehren der Dofe umter der
Glasſcheibe eine Luftblafe bildet. Sobald num die Dofe auf einem genau horizontalen Boden
fteht, kommt die Luftblafe gerade unter die bezeichnete Mitte der Glasſcheibe zu ſtehen. Em-
pfindlicher, aber weniger bequem find die Röhrenlibellen. Eine folche beficht aus einer drei bis
acht Zoll langen und zwei bis acht Xinien weiten Glasröhre, die biß auf eine Meine Luftblafe
mit Spiritus gefüllt, an beiden Enden aber verkittet ober zugeſchmolzen iſt und ſich felbft in
einer meffingenen, an beiden Enden mit einem Dedel verfehenen Röhre befindet, die in ber
Mitte zu etwa zwei Drittel ihrer ganzen Länge ausgefchnitten ift, um bie Luftblafe beobachten
zu Eönnen. Diefe Röhrenverbindung wird auf die zu prüfende Fläche entweder feftgefchraubt
oder mit Dülfe von Füßen aufgeftellt oder mitteld Haken aufgehängt. Steht die Luftblafe nicht
genau in ber Mitte, fo muß man durch Schrauben oder fonft die Lage derjenigen Ebene u. f. m,
welche horizontal fein fol, corrigiren, bis vollſtaͤndige Horizontalität erzeicht if.
WBafjerweibe Heißt das hohe Feſt, welches die griech. Kirche am 6. Jan., bem Theopha-
niaſtage, zum Andenken an die Taufe Jeſu feiert. Hierzu wird ein Zoch in das Eis des näch⸗
ften Fluſſes gehauen und mit Nadelholzzweigen verziert; auch werben Hütten von Toldyen
Zweigen errichtet, um in benfelben die Heiligenbilder, namentlich, Johannes den Täufer, aufzu⸗
ſtellen. Nach beendigtem Kirchendienft zieht bie Geiftlichkeit mit der Gemeinde unter Gefang
nach dem Fluſſe, wo ber erſte Priefter das Waſſer, das man nun Jordan nennt, burch dreima-
liges Bekreuzen und Eintauchen de Kreuges weiht. Dann taucht ber Priefter eine Quafte in
das geheiligte Waſſer und befprengt bamit in Kreuzesform die Umflehenden. Nach verfchiebe-
nen Gebeten und Geſängen, die ben Glauben an wundervolle Wirkungen dieſes Waſſers aus-
ſprechen, fülle man Flaſchen und Schüffeln mit demfelben, um es wider: leibliche und geiflige
Schäden zu brauchen. Auch Kinder werden zur Stärkung in das Waſſer getaucht. In Ruß⸗
land nimmt in der Regel die Paiferliche Familie mit dem ganzen Hofftaate Theil an bem Feſte.
und das dabei paradirende Militär begleitet die Weihe mit Salven. Ein anderer kirchlicher Ge⸗
brauch ift das Weihwaſſer (f. b.).
Waſſerzeichen heißen Zeichnungen oder Buchftaben im Papiere, weiche durch größere
Helligkeit auffallen, wenn man das Blatt gegen das Licht gehalten betrachtet. Sie haben ihren
ummittelbaren Grund darin, daß das Papier an den betreffenden Stellen dünner iſt als übri⸗
gens, umd werben auf verfchiedene Weiſe hervorgebracht. In dem auf Handformen geſchöpften
Papiere entjtehen fie bei der Verfertigung der Bogen unmittelbar, indem man die gemünfchten
Figuren oder Schriftzeichen aus Draht oder Blech gebildet als niedrige Reliefs auf dem Draht»
geflechte der Form anbeftet. Dem Mafchinenpapiere gibt man fie mittels einer aus Drahtge⸗
flecht gebilbeten und mit ähnlichen Neliefö verfehenen Walze, unter weldher auf der Papierma-
fine ſelbſt das noch ganz frifche (naffe und weiche) Papier durchgeht, ſodaß bie Zeichen ſich in
daſſelbe eindruden. Ganz fertigem trodenem Papiere kann man Waſſerzeichen durch Auf-
preffen entfprechender Stenipel unter fehr flartem Drucke ertheilen, weil die comprimirten und
fomit dünnern Stellen durchfcheinender werden. Urſprünglich brachte man die Waſſerzeichen
nur an, um das Papier mit der Firma des Fabrikanten oder gewiffen zur Gortenbegeichnung
bienenden Emblemen zu verfehen; neuerlich benugt man fie bei Papiergeld, Staatöpapieren
und dergi. in der Ubficht, deren Nachmachung zu erfchweren, wiewol fie in diefer Beziehung
nicht von fo großem Werthe find, al6 gewöhnlich geglaubt wird.
‚ Bafferziehen der Sonne nennt man die Erſcheinung am Himmel, wenn bie Sonnen⸗
106 Wateau Waterford
ſtrahlen nur durch Lücken zwiſchen den Wolken dringen und ſo blos gewiſſe Luftſtriche erleuch⸗
ten, indeß die angrenzenden dunkel bleiben, weshalb die erſtern als helle Streifen auf dunkelm
Grunde erfgeinen. Da dieſe Erfcheinung nur bei in der Luft vorhandenen Dünften möglich
iſt, fo fchließt man von ihr nicht ohne Grund auf bald zu erwartenden Regen.
Wateau (Antoine), einer der vorzüglichflen franz. Genremaler, geb. zu Balenciennes 1684,
war ber Schüler des Humoriften Claude Gillot, welcher befonders Scenen der franz. Komödie
genrehaft darftellte. Später vervollfommmete er fich bei Audran; das Golorit fiudirte er nach
Rubens in der Galerie bes Lurembourg. Schon als „Galanteriemaler“ wurbe er in die parifer
Akademie aufgenommen. Nachdem er eine Reife nady England gemacht, nahm er in Paris
feinen bleibenden Aufenthalt und wurde hier Durch feine Genrebilder der Liebling der höhern
Stände, welche fich der gefpreizten heroifchen Malerei ber Schule Lebrun's bereits abneigten.
DB. fol in feiner Jugend auf Märkten und öffentlichen lägen die Schaufpiele der Quackſalber
nachgezeichnet haben ; in der Folge jedoch mendete er ſich Faft ausſchließend dem Xeben der vor
nehmen Stände zu, für deren Galanterie er einer der intereffanteften Hiftorifchen Zeugen ifl.
Es find meift komiſche Theaterfcenen, Maskenzüge, Kiebesintriguen, Gefellfchaften in Gärten,
fogenannte „Schäfereien‘‘, d. 5. vornehme Geſellſchaften in Schäfer und andere Masten ver-
Fleidet im Freien, u. f. w.; Alles mit größter Feinheit meift in Meinem Maßſtabe ausgeführt,
warm und ſchön gemalt, aber ohne rechte Humoriftifche Tiefe der Charaktere und im Einzelnen
oft manierirt. Die kokette Grazie diefer Figürchen, bie wenn auch nicht immer gleiche Zier-
lichkeit ihrer Ausführung, ſowie das culturgefchichtliche Intereffe derfelben fichern ihnen,
auch abgefehen von der Zeitmode des Rococo, einen bleibenden Werth. IB. war, wie fo manche
Humoriften, ein trübfinniger Menfchenfeind und flarb noch jung zu Nogent bei Paris 1724.
Die Werke feiner Nachfolger Paterre und Lancret werden bier und da mit den feinigen verwech⸗
felt; überhaupt fand W. das 18. Jahrhundert hindurch eine ungeheuere Nachahmung. Bon
feinen Werken befinden fich die vorgüglichften in parifer Privatfammlungen und in ben Schlöf-
fern zu Berlin und Potsdam, wo Friedrich d. Br. fie mit Vorliebe gefammelt hatte.
Waterford, bie öſtlichſte Küftenlandfchaft und Graffchaft in Irland, hat ein Areal
von 54°/, DM., wovon etwa ein Viertel auf uncuftivirteß Berg und Moorland fommt. Das
Land ift fehr bergig. Seine Gebirge Haben, obwol wenig über 2500 F. hoch, doch ein eigen-
thümliches, Höchft malerifches Anfehen und bieten, in Verbindung mit den Pleinen Geefpiegeln,
den üppigen Aderfeldern und Wiefengründen ber Thäler oft überrafchend ſchöne Anfichten dar.
Die höchften Berge find der Knockmeldown imNorden von Lismore, 2535 F., und der Cumme⸗
ragh, 2150 F. hoch; unfern ber Dungarvanbai erheben fich die Arbmore-Mountains und Die
Sleges, welche drei ungeheuern Hafen gleich über ben Meeresfpiegel emporfteigen. Die Hüfte
ift, wenngleich nicht fehr hoch, doch mit Klippen und Riffen befäet. ‘Die bedeutendften Flüffe
find der Suir, welcher, vereinigt mit den Barrow, in die geräumige fihere Bai von Water-
fordhaven mündet; im Südweſten der Blackwater, der mit feiner ebenfalls breiten Mündung
in die Younghallbai übergeht. Beibe gleichen in ihrem untern Kaufe ſchmalen Meeresarmen
und find weilenweit für Seefchiffe aufwärts fahrbar. Es fehlt dem Lande nicht an Eifen, Ku⸗
pfer und andern Mineralien, allein ber Mangel an Holz und Steintohlen behindert den Berg-
bau und Hüttenbetrieb. Die mehr ober minder breiten Thäler haben, befonders im Südoſten,
fehr fruchtbaren Boden, ber Weizen, Hafer, Flachs und Kartoffeln erzeugt, bern Anbau
bier zuerft in Europa begonnen haben fol. Bedeutender als der Ackerbau ift jedoch die Vieh⸗
zucht, begünftigt von vortrefflihen Bergmweiden und üppigem Wieſenwuchs. Die Rinder- und
Schweinezucht Tiefert Butter und Käfe, Salzfleifh und Sped für den Ausfuhrhandel. Diefer
und Fiſcherei, Whiskybrennerei und Leinmweberei bilden bie Hauptnahrungszmweige der Cinwoh⸗
ner, deren Zahl 1841 —51 von 172971 auf 135856 Herabfant. — Die Hauptftadt und City
Waterford, am füblihen Ufer des Suir, unmeit von beffen Bereinigung mit dem Bar⸗
row gelegen, einer der erften Hafenpläge Irlands, um fo wichtiger, als er für den auswärti⸗
gen wie für den Handel nad) dem Innern gleich günftig liegt, Sig eines anglitan. und
eines Path. Biſchofs, hat erſt in neuerer Zeit ein freundlicheres Anfehen gewonnen. Der geräu-
mige Waterforbhaven, den eine kleine Feſtung dedit, ift zugleich die Station ber Packetboote aus
Milfordhaven in Wales. Neben dem fehr bedeutenden Handel, deſſen Hauptausfuhrgegenftände
Getreide, beſonders Hafer, Mehl, Rübfamıen, befonders aber Talg, Butter und eingefchlachter
tes Fleiſch find, betreiben bie 26667 E. der Eity (im Diſtrict beträgt ihre Zahl 65000) ftarfen
Heringe- und Stodfilchfang, der jährlich über 60 eigene Schiffe in Neufundland befchäftige.
Die Induſtrie befchränte fih auf Wollen« und Flachsſpinnerei, Bierbrauerei, Brannt-
Waterloo (Schlacht bei) 107
weinbrennerei, etwas Eifen- und Glaswaarenfabrikation; dagegen find die Schlächtereien
von großer Bedeutung. Außer den Quais zeichnen fich nur die zierliche Borfe, die neue Ge
sihtöhalle, da6 Grafſchaftsgefängniß und die proteft. Kathedrale aus. Außerdem find be
merkenswerth das vom Dänen Reginald im 11. Jahrh. erbaute Caſtell, eins ber älteften Schlöſ⸗
fer Irlands, das alte Rathhaus, der Palaft des anglitan. Bifchofs, das Zucht- und Arbeits
haus, das Theater, dad Zollhaus, mehre Kirchen und einige Schulhäufer. Andere Orte der
GBraffchaft find: Dungarvan, eine fefte Hafenfladt an der Dungarvanbai, mit Seebabern, $-
fhereien und 12582 E.; die Hafenfladt Younghall, an der Mündung des Blackwater, mit
9600 E.; Aismore am Bladwater, ehemals einer der bebeutendften Orte Irlands, der zur
Hälfte aus Moͤnchsklöſtern beftand und daher noch jegt in bem Rufe der Deiligkeit ficht, mit
35000 &., einer Kathedrale und einem ſchönen Schloffe des Herzogs von Devonfhire.
Waterloo, ein Dorf in ber belg. Provinz Sübbrabant, mit 3500 E., an der Straße von
Charleroi nach Brüffel, am Eingange des Waldes von Soigne, ift geichichtlich durch die große
Schlacht, welche Napoleon hier in der Imgegend 18. Zuni 1815 gegen Wellington und Blücher
verlor und die dem franz. Kaiferreich zum zweiten mal ein Ende machte. Nur die Briten be
nannten bie Schlacht vom Dorfe W., weil Wellington dafelbft fein Hauptquartier hatte; die
Franzoſen bezeichneten fie nach dem Dorfe Mont St.-3ean, dem Schlüffel der brit. Stellung;
bie Preußen gaben ihr den Ramen vom Meierhofe Belle-Mlliance, wo das franz. Centrum
ftand. Rachdem Wellington am Morgen des 17. Juni die Niederlage der Preußen bei Ligny
und deren Rückzug auf Wavre erfahren, brach er um 10 Uhr von Duatre-Bras auf, mo er
während ber Schlacht von Ligny mit Ney gekämpft hatte, und nahm eine Stellung zwiſchen
dem Städtchen Braine⸗la⸗Leud und dem Meierhofe Papelotte. Die Zufiherung Blücher’s,
daß ihn derfelbe im Falle eined Angriffs von Seiten Napoleon’d mit feiner ganzen Macht
unterflügen würbe, bewog ihn, in biefer Stellung zu verharren. Sonſt wollte er Brüffel
aufgeben und eine feftere Stellung binter der Maas und Scheide fuchen. Napoleon, dem ſeit
Beginn bed Feldzugs Alles daran lag, bie Vereinigung der beiden feindlichen Armeen zu ver
hindern, hatte in ber Frühe des 17. Juni Grouchy mit 54000 Mann und 100 Kanonen
zur Weiterverfolgung Blücher's auf Wavre abgeſchickt, während er felbft mit der Hauptmacht
auf Frasnes ging ımd fich dort mit bem Corps Ney's vereinigte. Er hielt Wellington auf dem
Rückzuge nach Brüffel begriffen; als er denfelben aber fiehenden Fußes fand, faßte er fogleich
ben Entfchluß, ihn auf den folgenden Tag anzugreifen. Die brit.-niederländ. Armee unter Wel⸗
lington zählte 64000 Mann, mit 12000 Pferden und 150 Gefchügen; fie war bereits am
Morgen des 18. Juni in Schlachtordnung aufgeftellt. Drei engl. unb zwei niederländ. Divi⸗
fionen ımter den Generalen Alten, Collaert und Ehaffe, die vor dem Dorfe Mont St.-Sean ftan-
den umd auch die weiter vorliegende Meierei La Haye Sainte an ber Straße von Eharleroi befept
hielten, bildeten das Centrum. Der rechte Flügel, aus zwei engl. Divifionen und ber Divifton
Braunfchweig beftehend und von Cook und Clinton befehligt, lehnte fi) an die Straße von Ni-
velled und hatte den Meierhof Hougomont und das vorliegende Wäldchen ſtark befegt.» Der
linke Flügel, aus zwei engl. und einer niederländ. Divifion zufammengefegt, ſtand unter ben
Generalen Picton, Lambert und Perponcher und dehnte fih bis zu ben Meierhöfen la Haye und
Lovette aus und hielt auch Papelotte befegt. Cavaleriedetachements deckten die Flügel; die Re⸗
ferve fland hinter Mont &t.-Jean. Auch hatte Wellington ein Beobachtungécorps bei Wautier⸗
Braine aufgeftellt, das im Falle des Rückzugs bie Verfolgung der Franzoſen aufhalten follte.
Dig Streitkräfte, über welche Napoleon zu verfügen hatte, beſtanden aus drei Infanteriecorps,
‚mer Cavaleriecorps und ben Barden und zählten 69000 Mann mit 242 Gefhügen. Um 9 Uhr
am 18. nahmen bie Franzoſen ihre Schlachtftellung ein. Ihr Centrum fland am Meierhofe
Belle-Alliance; ihr linker Klügel reichte bis an die Strafe von Nivelles; ber rechte zog fich bis
Friſchenmont. Des ſtarken Regens wegen konnte Rapoleon erft um 42 Uhr das Zeichen zum
Angriff geben. Derfelbe begann auf dem linken franz. Flügel, wo Dieronymus das Gehölz von
Hougomont mehrmals nahm und endlich behauptete. Die Hauptabſicht Napoleon’s war, das
feindliche Centrum zu ducchdrechen, um Wellington den Rückzug durch ben Wald abzufhnei-
den, ober denſelben wenigftens an ber Verbindung mit Blücher zu hindern. Um 2 Uhr rüdte
das erfte franz. Corps unter Rey vom linken Flügel in Echelond gegen das feindliche Centrum
vor, brach zwifchen WBellington’s erſtem und zweitem Treffen ein, wurbe aber mit großem Der
luſte zurückgeworfen, weil Ney mit ber Reiterei zu weit vorgegangen war. Diefe Unvorfitig-
keit Ney's ſoll den errungenen Vortheil allein verloren gemacht und ben nunmehrigen Bang der
Schlacht beſtimmt haben. Während des Angriffs zeigte fih zum Schrecken ber Franzoſen auf
108 | Waterloo (Schlacht bei)
deren rechtem Flügel, auf der Höhe von St.-Rambert, bie Spige des vierten preuß. Corps unter
Bülow, das die nahe Ankunft fämmtlicher Streitkräfte Blücher's errathen ließ. Soult, als
Generalmajor, ſchickte fogleich an Grouchy den Befehl, auf dem kürzeften Wege über die Dyle
zu gehen und die Preußen im Rüden zu faffen. Unterdeffen wurbe ber Marſchall Lobau auf
dem rechten Flügel beorbert, die Preußen mit einer ſchwachen Infantertecolonne und einigen Ca⸗
daleriedetachements bis auf Weiteres aufzuhalten. Nachdem Ney fein erſtes Corps wieder ge-
ordnet, eroberte er gegen 3 Uhr ducch einen blutigen Angriff den Meierhof La Haye Sainte vor
Mont St.Jean. Napoleon glaubte nun ben Augenblid! der Entfcheidung gefommen und ließ
feine ganze Neferveartillerie und Cavalerie auf das brit. Centrum vorgehen. Es begann ein
furchtbarer Kampf, indem die Sranzofen wiederholt durch das Kartätfchenfener des Feindes
zurüdgeworfen wurden. Bei dem allgemeinen Vorrücken ließ fi auch, ohne Befehl zu erhal
ten, bie Refervegarbecavalerie unter Guyot mit in ben Kampf reißen. Dieſem Zufall fchreibt
Napoleon in feinen „M&moires“ den ſchlimmen Ausgang der Schlacht zu, indem er hierdurch
die Mittel verlor, dem fpätern Einbruch der Preußen auf dem rechten franz. Flügel zu begeg-
nen. Da Napoleon begriff, daß der Sieg von dem Durchbruch des brit. Gentrums vor Ankunft
der Preußen abhing, fo ließ er Angriff auf Angriff folgen, und endlich gelang es auch vier Ba⸗
tailfonen feiner Garde bis auf das Plateau von Mont St.Jean vorzudringen und ſich daſelbſt
zu behaupten. Die Felder hinter den beiden Beeren bedediten fich mit zurückgehenden Bermun-
beten, wie wenn ein ungeordneter Rückzug ſtattfände. Kaum zählte daB brit. Heer gegen den
Abend noch 30000 Fanıpffähige Leute, und Wellington, wie hartnädig er auch den erfchopfen-
ben Kampf fortfegte, befand fich um 7 Uhr in ber bedenklichften Lage. Schon glaubte Napoleon
an einen, wiewol ſchwer errungenen Sieg, als die Dazwiſchenkunft ber Preußen dem blutigen
Drama eine plögliche, entgegengefegte Wendung gab. Nachdem zwifchen 3 und 4 Uhr das vierte
und das zweite preuß. Corps bei St.-Rambert eingetroffen, entwidelte fi Blücher auf der
Ebene von Friſchenmont. Zwei feiner Brigaden trieben die Tirailleurslinien Lobau's zurück
und nahmen fogar Frifhenmont. Napoleon ſchickte auf diefe bedrohliche Nachricht eine Garde⸗
divifton und fein ſechstes Corps, das bisher in Reſerve geflanden, vor, die den Feind bei Fri⸗
ſchenmont zurüdhielten, Planchenoit befegten und das Weitereindringen in den rechten franz.
Flügel hinderten. Gegen 8 Uhr des Abends jedoch erfchien auf Wellington's linkem Flügel ein
Theil des erften von Ziethen befehligten preuß. Corps, das fogleich im Verein mit der brit. Ca⸗
valerie die Meierhöfe Dapelotte und Smouhen wieder nahm und bie rechte Flanke der Sran-
zofen angriff. Diefer Angriff war für den Tag entfcheidend. Das ſechste franz. Eorp6 wurde
ganz von dem rechten Flügel getrennt und die Preußen drangen in bie Züde ein und fuhren
24 Kanonen im Rüden der Franzoſen auf. Alsbald nahm der ganze rechte Flügel Napoleon’6
die Flucht und ſtürzte ſich wild nach dem Centrum bei Belle-Alliance. Zu gleicher Zeit hieb die
hrit. Gavalerie in die franz. Infanteriemaffen zu La Haye Sainte ein und trieb biefelben eben-
falls zurück. Die vier Garbebataillone, die fi auf dem Plateau von Mont St.-Jean behaup-
teten? ſahen fich in ihrer Flanke bedroht und mußten, in Bierede formirt, zulegt auch den Rück⸗
zug auf die Höhe von Belle-Alliance antreten, der in größter Ordnung ausgeführt wurde. Wel⸗
fington flürzte ſich mit feiner ganzen Armee auf die ſich auflöfenden franz. Maffen, wiewol
einige franz. Batterien, welche die Gardebataillone auf der Höhe von Belle-Alliance beiten,
ein mörderifches Kartätfchenfeuer unterhielten. Endlich gelang es auch ber brit. Cavalerie, die
Sardebataillone einzeln zu fprengen. Jedes Hinderniß der Perfolgung war hiermit gebrochen,
und die Verwirrung ber fliehenden Franzoſen überftieg Alles, was bisher ber Art gefehen wor⸗
den. Gavalerie, Infanterie, Sefhüg, Gepäd mifchten ſich zu einem dichten Kuäuel, indem Je⸗
der auf feine Hand dem Verderben zu entrinnen fuchte. Napoleon, der nahe daran war, ’gefan-
gen zu werden, warf fich in eins ber Gardebataillone und wollte mit deusfelben untergehen,
wurde aber von feinen Generalen ergriffen und davongeführt. Die Erflürmung von Plandjenoft
zum Schluffe der Schlacht vermehrte noch das Gebränge der Fliehenden. Gegen 9 Uhr Abende
teafen die beiden fiegenden Feldherren auf der Höhe von Belle⸗Alliance zufammen. Blücher
übernahm die Verfolgung über Charleroi; Wellington follte über Nivelled vordringen. Diefe
ungefäunte Verfolgung vollendete ben Ruin Napoleon’, ber weder, wie er gehofft, die Flüch⸗
tigen zu Genappe fammeln, noch Nachricht von dem ihm unbelannten Schidfale Grouchy's
einziehen konnte. Die Franzofen verloren während ber Schlacht 35000 Zodte, 6000 Befan-
gene und auf der Flucht alles Gefhüg und Gepäck. Selbſt der kaiferl. Wagen wurde noch zu
Benappe erbeutet. Das brit.niederländ. Heer zählte 20000, die Preußen zählten 6000 Todte.
Napoleon gab dem Nichteintreffen Grouchy's und dem willkürlichen Borbringen ber Reſerve⸗
Baterloo (Antonj) Bat-Tyler 109
cavalerie die Schuld feines Unglücks. Indeſſen mochte fich mol ber Ungehorfam und die Nach⸗
läffigkeit feiner Generale mit der Ungeübtheit und innern Schwäche feines in der Eile gebildeten
Heeres zur gänzlichen Niederlage vereinigen. Vgl. Sourgaub, „Campagne de 1815”, mit den
Noten eines deutfchen Offiziers (Berl. 1819); Berton, „Precis historique, militaire et criti-
que des batailles de Fleurus et W. en juin 1815" (Par. 1815); Gerard, „Quelques docu-
ments sur la bataille de W.” (Par. 1829); Derfelbe, „Derniöres observations sur la bataille
de W. en röponse à Mr. de Grouchy“ (Par. 1830); Gleig, „History of the battle of W.“
(Zend. 1847). Bon diefer Schlacht führte ber Herzog von Wellington ben Zitel Fürft von W.
In der Kirche zu W. befinden ſich die Denkmale gefallener brit. Offiziere; das auf demSchlacht⸗
felde von dem Prinzen von Oranien und der holländ. Armee errichtete Monument: in Form
eines Hünengrabes, fowie das vom Könige von Preußen bei Planchenoit, 1'z Stunde von W.,
wurden beide 1832 von den Franzoſen fehr beſchädigt.
Waterloo (Antonf), ein vorzüglicher niederländ. Maler, berühmter Zeichner und Kupfer
äger, wurde zu Utrecht, nach Andern zu Anıfterbam 1618 geboren. Er lebte faft immer in ber
Umgegend von Utrecht bei Maarfen und Breufelen ımd ftarb arm und elend 1662 im Hospital
St.Hiob bei Utrecht. Seine Lanbfchaften find treue Naturbarftelungen; ex malte bie Gegen⸗
den, wie ex fie fand; das Licht, das er durch Bäume und Blätter durchfchimmern läßt, und der
Wiederſchein der Bäume im Waſſer, dies Alles gibt feinen Darftellungen im Gemälde wie in
Zeichnung und Radirung den Reiz ber Wahrheit, der nie veraltet. Seine Landſchaft trägt wer
fentlich den Charakter ber Gemüthlichkeit; er fchilderte die Natur meift in ihren freundlichen Be⸗
ziehungen zum Menfchenleben, nicht in ihrer großartigen Einfamkeit, wie Ruysbael. Weenir
zierte bie Gemälde von ZB. zuweilen mit Figuren und Thieren. Wegen der Seltenheit feiner
Gemälde kennt man WB. mehr aus feinen vortrefflichen Zeichnungen, meift in Kreide und Tufche,
und aus feinen unübertroffenen 136 geägten Blättern, nänıli in guten Abdrücken, benn den
von den fpäter aufgeägten Platten entnommenen fehlen Geiſt und Harmonie.
Watt (James), der Berbefferer der Dampfmafchinen und Erfinder des Condenſators, geb
19. Jan. 1736 zu Greenock in Schottland, wurde ſchon ale Knabe zu jener Gewohnheit des
einfamen Fleißes hingezogen, ber er während feines ganzen Lebens treu blieb. In feinem 20.3
ging er nad) London, wo er bei einem fehr geſchickten Werkmeiſter in Arbeit Fam. Wegen
Kränklichkeit mußte er nach einem Jahre in die Heimat zurüdtehren, wo er ſich nun ganz allein
durch eigenen Fleiß weiter ausbildete. Seine Talente entwidelten fich fo ſchnell, daß er bereits
1757 als Univerfitätsopticus zu Glasgow angeſtellt wurde, wo er indeß bis 1774 in fehr be»
drängten äußern Umfländen lebte. Schon feit 1763 arbeitete er an ber Berbefferung der Dampf-
mafchinen (ſ. d.), und die umfaffenbe Anwendung, weiche gegenwärtig biefelben Haben, verdankt
man W. und feinem Mitarbeiter Boulton (ſ. d.) faft allein. Gleichzeitig erfand W. 1779 eine
Maſchine zum Briefcopiren, die allgemeih in England eingeführt und fehr bequem if. In ben
fpätern Lebensjahren überließ er fein Geſchäft feinem Sohne, der es mit Boulton's Sohne fort-
führte. DB. war Mitglied der Königlichen Gefellfchaft der Wiffenfchaften zu London und der
franz. Afabemie. Er ftarb 25. Aug. 1819 in feinem Landhaufe zu Heathfield bei Birmingham.
Eine Bildfäule wurde ihm zu Birminghanı 1827 errichtet.
Batte nennt man im Allgemeinen bie durch Schlagen, Auflodern und Kragen aus Baum-
wolle gebildeten plattenförmigen, noch ziemlich verfilgten Daffen. In der Spinnerei bildet die
Watte nur einen Übergangszuftand. Wan bedient fi) derfelben aber auch zum Füttern ber
Kleider u. ſ. w. und verfieht zu dem Ende diefelbe des Zuſammenhalts wegen auf beiden Seiten
mit einem Überzug von Gummiwaſſer ober Leim.
Watten, holländ. Wadden oder Schoren, nennt man die feichten Stellen an ber nieder»
land. und beutjchen Nordfeeküfte, welche ſich von ber niederländ. Provinz Friesland bis nach
Schleswig zwilchen dem Feftlande und den vorliegenden Düneninfeln hinziehen und bei ber
Ebbe ganz oder theilweife vom Meere verlaffen find. Wegen der häufigen Sandbänfe in ber
Nähe des feften Landes kann man diefe Küften nur mit einer gewiffen Art Fahrzeugen befchiffen,
* Wattenfahrer genannt, bie vorm und hinten breit find und höchſtens 6 ©. tief
im Waſſer gehen.
Wat ˖ Tyler, d. i. Walter, ber Ziegeldecker, bieß ber Anführer des furchtbaren Bauernauf
andes, der 1581, in den erften Megierungsjahren Nichard's IL, England verwüſtete und viel
bruichkeit mit den Bauernkriegen bes 16. Jahrh. in Deutfchland hat. England befand fich
damals in einer trofilofen Verfaffung. Für ben jungen König regierten beffen Oheime, die das
Bolt duch Grauſamkeit, Tyrannei und Erpreffung in Zorn verfegten. Ein unglüdlicher Krieg
110 Wat⸗Tyler
in Frankreich und die unſinnigſte Verſchwendung bed Hofs vollendeten ben Nuin der Finan⸗
zen. Das Parlament fah ſich im Nov. 1380 zur Bewilligung einer neuen Kopfſteuer genö-
ehigt. Jede Perfon, ohne Unfehen des Befchlechts und Vermögens, bie 15 I. alt war, follte
eine Abgabe von zwölf Denarien oder drei Groats erlegen. Diefe harte Schagung erregte um
fo größern Unmillen, als die Steuer an flandrifche Wurcherer verpachtet wurde, welche bie Ein-
treibung mit äußerfier Härte vollzogen. Namentlich geriethen das von den Juftigbeamten ge-
plagte Vol der Landftädte und die ſchon von den Baronen gefehundenen Bauern in Erbitte-
rung und Verzweiflung. Die Stimmung war gefährlicher als je, weil die Gerüchte von den
Bolksbewegungen in Flandern und von den Bauernaufftänden in Frankreich herüber nad
England drangen. Außerdem durchzog ein überfpannter Priefter, John Ball, das Land und
predigte die Aufhebung der geiftlichen Hierarchie, bie Gleichheit aller Menſchen und die gerechte
Vertheilung der Güter. Das brutale Betragen eines Steuereinnehmers verurfachte endlich
den Ausbruch der Volkswuth im Juni 1581. Die Stenereinnehmer durchzogen das Dorf
Deprford in Effer und traten in das Haus W.'s, mo fie die Auflage auch von beffen junger
und fchöner Tochter foderten. Die Mutter verficherte, das Mädchen wäre noch nicht 15 3. alt
und folglich frei von ber Taxe. Einer der Beamten behauptete das Gegentheil und wollte ſich
von dem Alter der Jungfrau durch eine unverfchämte Unterfuchung verfichern. In dieſem Au-
genblicke trat W. ein und erfchlug den Frechen auf der Stelle mit feinem Hammer. Die
Bauern rechtfertigten die That und erhoben fogleich die Fahne des Aufruhrs, der fich in weni⸗
gen Tagen der ganzen Graffchaft mittheilte. Auch in den Grafſchaften Suffer, Hereford, Sur-
ten, Suffolk, Norfolt und Cambridge griff das niedere Volk zu den Waffen. Ehe noch der Hof
die Nachricht erfuhr, wälzte ſich unter W.'s und des Bäckers Jack Stram Anführung ein Heer
von mehr als 100000 Bauern gegen London, das unterwegs bie Schlöffer zerftörte, die Großen
und Beamten mishanbelte und die Kerker erbrach. Der Hof hatte keine Truppen zur Der-
fügung und die Furcht der Großen und Beamten war grenzenlos. Weniger gefährdet Tchien
der König, ben die Rebellen rühmten unb leben ließen. W., ohne Zweifel ein Mann von großer
Energie und natürlicher Begabung, foderte Totalteform des Reichs und Bafantien gegen bie
Tyrannei der königl. Prinzen. Auch follten die Adeligen ihrer Macht entfleidet und die gelehr-
ten Schreiber, Richter und Beamten abgefchafft werden. Befonders richtete fich die Wuth der
Empörer gegen den Herzog Johann von Rancafter, von dem man glaubte, er würbe ben König
vom Throne floßen und dann eine Regierung des Schrediens beginnen. Als fi das Bauern
per auf der Haide von Blackheath unweit London niederließ, fchiete der König einen Unter
händler ab, der jedoch die Antwort erhielt, der König follte in Perfon fommen; man habe ihm
wichtige Dinge zu eröffnen. Richard beftieg auch ein Fahrzeug auf der Themſe, um fich den
Empörern zu nähern ; allein feine Begleiter, der Primas und Kanzler Subley und der Schatz⸗
meifter Dale, welche die Volkswuth am meiften zu fürchten hatten, hielten ihn auf halben
Wege zurück. Als die Bauern diefen Rückzug vernahmen, drangen fie gegen die Londonbrücke
vor, deren Thore ihnen vom Pöbel geöffnet wurden, und ergoffen ſich über die Stadt. Sie be-
gannen eine furdhtbare Zerftörung. Die Häufer der Großen, die Juſtiz- und Regierungs ge⸗
bäube, die Parlamentsacten, die Proceffchriften, bie Grundbbücher gingen in Flammen auf,
während viele Abelige, hohe Beiftliche, Richter und die ausländiſchen Steuerpächter erfchlagen
wurden. Ihre Lebensbebürfniffe nahmen die Empörer nur gegen Bezahlung; deögleichen war
unter ihnen Plünderung bei Todesſtrafe verboten. W. erzwang von dem königl. Barben bie
Eröffnung des Tower, in den fich ber Hof eingefchloffen hatte. Subley, Hales, dad Oberhaupt
der Steuerpächter und des Königs Beichtvater wurden hier ergriffen und ermordet. Der König
enttam und faßte den Entfchluß, eine gütliche Ausgleichung herbeizuführen. Dreifig Schreiber
mußten in ber Nacht vom 13. zum 14. Juni eine Proclamation vervielfältigen, in welcher ben
Bauern Gmeralpardon, die Abſchaffung der Leibeigenfchaft, das Necht, in den Städten frei
zu kaufen und zu verkaufen, und eine bedeutende Herabfegung des Grundzinſes verfprochen
wurde. Als die Emporer am Morgen diefes Document erhielten, ftellten fie fich zufrieden und
kehrten größtentheile in ihre Heimat zurüd. Nur W. widerfegte ſich an der Spige feines Hau-
fens diefer ohne ihn getroffenen Vereinbarung. Er willigte indeffen 15. Juni in eine Unter
redung mit dem Könige zu Smithfielb, wobei er fich fo Hochmüthig benahm, daß ihn die Be⸗
gleiter Richard's vom Pferde ftachen. Sein Haufe zerfireute fi und auch in den Provinzen
nahm der Auffland ein ſchnelles Ende. In Norfolk ftand ein Färber, John Litteſtere, an der
Spige einer Notte, der fi König der Gemeinen nannte und ſich bei Tafel von Adeligen fnieend
bedienen ließ. Der Biſchof Spencer von Norwich hieb dieſes Corps bei Northwalsham theils
Bau Wavre 111
nieber, theils ließ er die Emporer hinrichten. Die Barone boten fo eilig ihre Vaſallen auf, daß
der König fehr bald ein Heer von 40000 Wann beifammen hatte. Mit diefer Streitmacht
wurden fämmtlihe Grafſchaften, die im Aufftande begriffen, überzogen. Außer den Anfüh-
tern wurben gegen 1500 Bauern martervoll hingerichtet. Noch im Juni erfihien ein Manifeft,
welches die königl. Bewilligungen widerrief, und das niebere Volk feufzte feitbem umter noch
bärterm Drude ale vorher.
Ran oder Gelbkraut (Reseda Luteola) ift eine zur Gattung Nefede (f. d.) gehörige, zwei
bis drei Fuß Hohe Pflanze mit geradem Stengel, die zum Gelbfärben der Seide und bes Garns
angewendet wird. Sie wächſt in vielen Gegenden Europas und faft überall in Deutſchland
wild, muß aber, wenn fie ein gutes Bärbematerial werden fol, mit Fleiß behandelt und ange
baut werben. Der befte Wau wird in Frankreich, England und Holland erbaut und befonders
der um Bette in Frankreich angebaute allen andern Arten vorgezogen. Guter Wau muß fchon
gelb ober gelbgrünlich blühen und blätterreich fein; ber Heine, Dünnflielige, gelbe iſt beffer als
der große, dickſtielige und grüne, ber auf trodenem, fandigem Boden gewachſene beffer ale ber
auf fettem und feuchten Boden gezogene.
Wavre, eine an dem Flüßchen Dyle gelegene Stadt von 5900 E., im Bezirk Nivelles
ber belg. Provinz Sübbrabant, die burch die hier 18. und 19. Jumi 1815 zwifchen den
Preußen und Franzofen vorgefallenen Gefechte gefchichtlich gemorben ift. Blücher hatte fich mit
feiner Armee nach der 16. Juni bei Ligny (f. d.) verlorenen Schlacht auf die Höhen jenfeit W.
zjurüdgezogen, während Wellington in gleicher Höhe nach den Gefechten bei Qnatre-Bras
(f. d.) eine günftige Stellung zu Mont St.-Sean nahm. Die Vereinigung beider Armeen war
fomit möglich und Blücher fagte Wellington, wenn Legterer 18. Juni von Napoleon ange-
griffen würbe, die volle Unterftügung zu; im andern Falle wollten Beide vereint 19. die Offen-
five ergreifen. Indeffen hatte Napoleon nach dem Siege bei Ligny, indem er Wellington nach⸗
309, den Marſchall Grouchy (ſ. d.) mit 54000 Mann ımb 100 Kanonen vor ber preuf.
Armee gelaffen, der diefelbe weiter zurückwerfen und dadurch die Vereinigung Blücher's mit
Wellington hindern follte. Blücher glaubte keineswegs einen fo ſtarken Feind vor fich zu haben
unb fegte fich am Bormittag des 18., dem Verfprechen gemäß, zur Unterftügung Wellington's
mit feiner Hauptmacht auf St.-Rambert in Marfch, ließ aber Thielmann nıit dem 15000 Mann
ftarfen dritten Corps zurüd, mit der Weifung, daß derfelbe bis zum Ausgange der Schlacht
W. behaupten follte, was im Falle eines Rückzugs wichtig war. AmNachmittag bed 18. gegen
3 Uhr unternahm Grouchy ben erfien Angriff auf WB. Bandamıme drang fogleich über bie
Doyle in das brennende Städtchen, mußte jedoch wieder zurückweichen. Ebenſo vergebend ver-
fuchte Grouchy auf Thielmann’s äußerſtem rechten Flügel den Übergang zu erzwingen. Schon
bei dem erſten Kanonendonner von Waterloo ber wurde Grouchy von feinen Untergene-
talen, namentlich von Gerard (f. d.) befchworen, die Angriffe auf ZB. aufzugeben, bei Limale
über bie Doyle zu gehen und dem im Gefecht begriffenen Kaifer zu Hülfe zu ziehen. Diefe Oper
ration würde ben Marfch der Preußen gefährdet und wahrfcheinlich der Schlacht bei Waterloo
eine für Napoleon beffere Wendung gegeben haben. Allein Grouchy wollte weder an ben wirk⸗
ichen Abmarfch Blücher’s glauben, noch feine erhaltene Inftruction überfchreiten. Erſt am
Nachmittag des 18. gegen 5 Uhr ſchickte er Gerard mit dem vierten Infanteriecorp6 und einer
Savaleriedivifion nach Limale, wo berfelbe die Dyle paffiren, Thielmann aus der Stellung von
BB. zurüdnöthigen und ſich dann nach dem rechten franz. Flügel bei Waterloo wenden follte,
Gerard traf bei Limale auf ein preuß. Infanterieregiment und einige Schwadronen, die bier
Ziethen, der das erſte preuß. Armeecorps führte, zur Dedung des Marfches zurüdgelaffen
hatte. Obſchon diefe ſchwache Nachhut die Franzofen nicht werfen konnte, fo verzögerte biefelbe
doch den völligen Übergang Gerard's bis zur Nacht. Als Thielmann den Übergang vernahm,
ſchickte er ben Oberft Stükpnagel mit einer Brigade ab, der Gerard zwar um Mitternacht an«
griff, aber nicht über die Dyle zurüdzutreiben vermochte. Wiewol Grouchy in der Nacht vom
18. zum 19. von Napoleon ben Befehl erhalten haben foll, fi dem rechten Flügel der franz.
Hauptmacht zu nähern, fo ließ er fich doch aus unbefannten Gründen am Morgen bed 19. Juni
auf das Gefecht an der Dyle wieder ein. Thielmann, deffen Stellung durch Gerard's Über
gang unhaltbar geworben und ber ben Sieg ber Verbündeten bei Waterloo ſchon erfahren
hatte, nahm indefien zwei Stunden rückwärts eine andere Stellung und zog fich gegen Mittag
fogar nach Löwen zurück, um Grouchy nach fich zu ziehen und abzufchneiben. Allein auch
Grouchy erfuhr gegen Mittag die Niederlage Napoleon's und nahm num den fchleunigften
Nückzug über Gemoͤlour nad Namur. Beide Theile hatten an der Dyle etwa 2000 Mar
112 Wawre Weben und Weberei
verloren. Hätte Napoleon geahnt, daß Grouchy feine Armee, bie unterwegs durch Flücht⸗
Tinge auf 40000 Mann anwuchse, unverfehrt unter bie Mauern von Paris bringen würde, fo
würbe er feine Abdankung nicht übereilt und das Kriegsglück wol weiter verfucht haben.
Wawre, ein Dorf zwei Stunden von Warfchau, auf der Straße nach Pultusk, an dem
rechten Ufer der Weichfel, ift durch die Schlacht zwiſchen den Polen und Ruſſen 19. Febr. 1831
biftorifh geworben, in welcher hauptſächlich Chlopicki (f. d.) für ben Sieg die größten An⸗
firengungen machte.
Warholm oder Werbolm, eine Stadt im Stodholmslän des Königreihd Schweden
auf Waxöe oder der Infel War, 2%. M. oftnordöftlich von Stodholm, am Ausfluß des Mä-
farfees, mit zwei Häfen unb 1100 E., welche Fifchfang, Schiffahrt und Handel treiben. Die
ſtarke Feſtung Waxholm liegt auf einem Felſen zwiſchen Waxöe und Nidon; ihr Thurm hat
zwei bombenfefte Gewölbe. Schon 1549 wurde hier ein Fort zur Deckung der Einfahrt nach
Stockholm angelegt. In ber Feftung faß Erufenftolpe (. d.) drei Jahre ale Staatögefangener.
Eine halbe Meile oftmärts von WB. liegt am Sunde Orbdjup auf Wermdön die 1724 erbaute
Feftung Fredriksborg, beftehend aus einem mächtigen Thurme, gewölbt und bombenfeft, mit
vielen Kanonen befegt. Er wird als ber größte Militärthurm in Europa betrachtet.
Beben und Weberei. Weben heißt durch regelmäßige Verfchlingung rechtivinkelig fich
kreuzender Fäden oder fabenförmiger Körper mittels mechanifcher Vorrichtungen eine Fläche,
ein Gewebe, Zeug ober einen Stoff hervorbringen. Bon dem Wirken unterfcheidet es fich da-
durch, daß legteres die Fäden in verfchtedenen Richtungen fo vereinigt, daß Mafchen entftehen,
wie 3.3. bei Strumpfmwaaren, Spigengrund u. ſ. w. In bloßer Handarbeit entfpricht dem
eben bas Flechten, dem Wirken das Stricken; doch gibt ed Gebiete, in denen biefe verfchie-
benen Arten ber Badenverbindung vielfach ineinander übergehen. Die Vorrichtung, beren man
fi zur Erzeugung der Gewebe bedient, gläichviel, ob ſie ſchmal, wie Bänder, Borten, Treffen
u. ſ. w., ober breit find, heißt dev Webſtuhl. An jedem Zeuge unterfcheidet man zwei Syſteme
paralleler Fäden, die fich rechtwinkelig kreuzen. Die ber Länge nach laufenden nennt man Kette,
Zettel, Werfte ober Aufzug und die der Breite nad) Iaufenden, in den meiften Fällen nur ein
ununterbrochener hin» und hergehenber Baden, ben Schuß, Eintrag oder Einſchlag. Die ein-
fachfte Form bes Webſtuhls ift ein Rahmen, in welchem die Kettenfäben parallel ausgefpannt
werden, während man den Eintrag mit ber Band hineinflicht. Die antike Weberei hat fo an-
gefangen und im Drient kommt biefe Form noch vor, ja fie kommt felbft in Europa noch da vor,
wo durch fehr häufig wechfelnden farbigen Eintrag, der die Kettenfäden gar nicht ſichtbar wer⸗
den läßt, formliche Bilder erzeugt werben follen, wie bei ber Gobelinsweberei.
Die Regel ift aber jegt, daß das Einflechten des Einfchuffes auf mechaniſche Weiſe bewirkt
wird. Zu diefem Zwecke hat der Webſtuhl folgende Einrichtung. In einem aus vier fenkrechten
Dfoften beftehenden, durch Querpfoften verbundenen Geftelle ift hinten eine Walzez ber Ketten-
baum, angebracht. Die zu einem Stud Zeug erfoderlichen Kettenfäden werden burch eine vor-
gängige Operation, das Scheeren, in ber erfoberlichen Zahl und Ränge abgemeffen und parallel
auf die Walze aufgewunden. Bon diefer Walze führt man fie horizontal (da nur in fehr ſelte⸗
nen Fällen die Kette eine verticale Richtung hat) nach dem an ber vordern Seite bed Geſtells
liegenden Bruftbaume, an den fich ber Weber bei feiner Arbeit mit der Bruft anlegt, und von
da abwärts auf eine andere Walze, den Zeugbaum, auf welchen fich das fertige Zeug aufwinbet ;
denn hinter dem Bruſtbaume geichieht durch den Weber das Einflechten des Schuffes, ſodaß
auf dem Bruftbaume bereits fertiges Zeug anlangt. Um auf dem Wege von Kettenbaun nach
Bruftbaum gehörig parallel und in Ordnung zu bleiben, werben die Fäden der Kette burch bie
Zwiſchenräume des Rietblattes gezogen, welches aus zwei Leiften befteht, zwiſchen denen paral«
lele ſenkrechte Draht⸗ oder Nohrftäbchen befeftige find. Das Nietblatt hängt an zwei Armen,
welche pendelartig um ihr oberes Ende ſchwingen, und bildet mit diefen Armen zufammen die
fogenannte Lade. Jeder Kettenfaden wird ferner hinter dem Rietblatt durch ein Meines metalle-
nes ober gläfernes Ohr (Auge oder Maillon) gezogen, und jedes dieſer Ohre iſt nach oben und
unten mit einem flarten Zwirnfaden (Kige) verbunden. Indem man nun nach beftimmiter,
bucch das Mufter des Gewebes bedingter Ordnung (bei glatten Geweben ſtets bie abwechſeln⸗
ben Fäden) die Ligen ganzer Fädenabtheilungen oben und unten an Onerleiften (Schäfte) an⸗
bindet, diefe Schäfte aber nach unten mit Kußtritten, nach oben mit Schnuren verbindet, welche
über Rollen gehen, erlangt man die Möglichkeit, durch Niedertreten eines ober mehrer diefer
Tritte alle mit den entfprechenden Schäften verbundenen Kettenfäben etwas herab, die andern
etwas in bie Höhe zu ziehen und baburch die urfprünglich in einer Ebene liegenden Kettenfäben
Beben und Weberei 113
in eine obere Abtheilung (Oberfach oder Obergelefe) und eine untere (Unterfach ober Unterge⸗
lefe) zu theilen, welche vorn im fertigen Zeuge in einen fpigen Winkel zuſammenſtoßen und einen
dreifeitigen Raum einfließen, der nach hinten durch das Rietblatt begrenzt wird. Durch dies
fen Raum bewegt ber Weber den Schußfaben, welchen er vorher auf eine Fleine Spule gewun⸗
den und mit dieſer in eine kahnartig geftaltete, leicht über bie Fäben des Unterfachs weggleitenbde
Vorrichtung (das Schiffchen ober die Schüge) eingelegt bat. Indem nämlich der an einem
Ende bereitö im Zeuge befeftigte Faden fich leicht von ber Spule abrollt, braucht ber Weber nur
das Schiffchen von einer Seite zur andern mit ber Hand oder mitteld einer mechanifchen Hülfs-
vorrichtung (Schnellſchütze) hindurchzuwerfen, um den Schußfaden quer über alle Fäden bes
Unterfachs zu legen. Läßt er nım bie Tritte los, fo begeben fich die Kettenfäden wieber in eine
Ebene, aber alle Fäden bes Oberfachs liegen über, alle Fäden bes Unterfadhe unter dem Schuf-
faden. Damit fi nun legterer dicht an ben fertigen Theil bes Zeugs anlege, faßt ber Weber
die Lade mit ber Hand und bewegt dad Rietblatt fchlagend nach dem Bruftbaume zu, wobei bie
Stifte bes Rietblatts ben Schußfaden vor fich her ſchieben und andrüden. Bon ber Zahl und
Stärke ber Ladenſchläge hängt ſonach die Dichtigkeit des Gewebes einerfeits, andererſeits aber
von der Zahl und Dichtigkeit ber Kettenfäben ab. Iſt der Schußfaben feflgefchlagen, fo wird
die Lade wieder zurückbewegt, durch das Treten anderer Tritte wieber Oberfach und Unterfach
gebildet, aber mit anderer Fäbenvertheilung als vorher, dad Schiffchen wieber durch ben Zwi-
ſchenraum zurüdbewegt, und fo geht bie Arbeit fort vom Bruftbaume aus nach hinten zu. Da⸗
bei wird mittels befonderer Einrichtung allmälig das fertige Zeng auf den Beugbauus auf
und Die Kette vom Kettenbaume abgewunden, ſodaß bie Stelle, wo das Zeug gebildet wird,
immer in ziemlich gleicher, dem Weber bequem erreichbarer Entfernung Hinter dem Bruſt⸗
baume bleibt.
Diefes find die ſich immer gleich bleibenden Grundzüge des Webſtuhls. Die Berfchieden-
heiten im Einzelnen beziehen ſich theils auf die Dimenfionen der Zeuge, indem ſehr breite Zeuge
fowol ald Bänder und Borten zum Theil eine etwas abweichende Dispofition des Stuhls er
beifchen, theils auf dad zu ergeugende Muſter. Leptere Berfchiebenbeiten find bie wichtigern, da
in der erften Beziehung nur die Einrichtung ber Schnellfehüge, um bei fehr breiten Stoffen
ne Gehülfen arbeiten zu tonnen, und bie Einrichtungen, wonach mehre Bänber gleichzeitig
nebeneinander auf bemfelben breiten Stuhle (Mühlenſtuhl oder Bandmühle) gemacht werben
können, befondere Erwähnung verdienen. Sind die Zeuge glatt, d. 5. liegen auf ber Fläche bie
Kettenfäden ſtets einfach abwechfelnd über und unter ben Aufzugöfäden, fo vertheilt man bie
Ligen ebenfo abwechfelnd auf zwei Schäfte und Hat nur zwei Tritte, bie wechſelsweiſe getreten
werben; fo bei Leinwand, Kattun, Bollmuffelin, Tuch, glatten Wollen⸗ und Geibenftoffen
aller Art. Schwieriger wird bie Bertheilung ber Kettenfäben auf bie Schäfte (dad Einlefen der
Kette), wenn Mufter zu bilden find, indem man dann nad) Anleitung bes Muſters, welches
deshalb vorher auf Mufterpapier gezeichnet wird, bie Kettenfäben in fo viel Abtheilungen zu
bringen bat, al6 regelmäßig wiederkehrende Fabencombinationen vorkommen; jebe biefer Faden⸗
daffen erhält einen Schaft, und beim Weben werben bann bie diefen Schäften entſprechenden
Tritte nad) Anleitung eines fogenannten Zettels, ber nach bem Muſter entworfen wird, getreten.
Mit der größern Zahl der Tritte und Schäfte wird bie Arbeit für den Weber ſchwerer und ein
Berfehen möglicher, und man muß daher entweder befondere Gehülfen zur Beſorgung ber
Fachbildung aufftellen, wie bei den Bambelftühlen für Damaftweberei, ober ben Stuhl felbft
mit einer mechanifchen Hülfsvorrichtung verbinden, welche bie Arbeit bes Webens vereinfacht.
Solche Vorrichtungen find die Zrommel-, bie Leinwand» und Sacquarbmafchinen, welche legtern
jegt allgemein verbreitet find. (&. Jacquard). Wo das Zeug nicht durchaus gemuftert iſt, fon-
bern auf einem Grunde ein Mufter enthält, wofür zumellen zwei Ketten übereinander a
gen, Grund⸗ und Figurkette, oder abwechfelnd zwei verfhiedene Schußfäben, Brunb- und Fi⸗
gurfchuß, eingefchoffen werden, da find für die Grunhbildung Schäfte ober, wo ber Grund ſelbſt
wieder gemuſtert ifl, eine Zrittmafchine, für dad Mufter eine Jacquarbmafchine vorhanden
Farbige Mufter entftchen theils durch Aufziehen gefärbter Kettengarne in Streifen und Durd)-
ſchießen einfarbigen Schuffes, oder man wechfelt auch mit der Farbe bes Schuffes, wo dann für
jede Farbe ein anderes Schiffchen nöthig ift. Lepteres kann man fich, wenn es regelmäßig ge-
ſchieht, durch Anwendung einer fogenannten Wechfellade erleichtern. Wo das Dlufter nicht
aus durchgehenden Fäden, welche nur ba, we kein Musfter fichtbar iſt, unfichtbar auf ber untern
klache des Zeugs fortgehen und in biefem Falle auch zumeilen nach Vollendung bes Zeugs un.
Gono.Eez, Aehute Aufi. XV. 2, 8
n4 Weber Ber)
terhalb ausgeſchnitten werden, fondern nad) Art ber Stiderek durch in ſich felbſt gurückkehrende
Fäden erzeugt werden ſoll, da wird bem Webſftuhle bie Beoſchielabe oder Plattfſtichmaſchine zu⸗
gefügt. (S. Brofchiten.) Solcher Abänderungen gibt ed noch vnendlbch viele md täglich ent⸗
ſtehen neue, da bie Mode Immer zu Erfindung ganz riemer, haufig auch ganz neue Mittel fr
dernder Gombinafionen antreibt. Eigenthümlich iſt noch dad Beben fammetartiger Zeuge.
Der haarige Überzug wird hier durch eine zweite fchlaffe Kette (Polkette) erzeugt, welche man
in beflimmten Zeitpunkten durch den Schußfaden mit bindet, beim Riedergehen aber fich um
einen eingelegten Draht [hingen laͤßt. Nach Hußziehen diefer Drähte zeigen fi mın auf ber
Fläche des Stoffo Reihen von Schlingen, die man theil® auffehltge (geriffener Sanımer), theils
ganz laͤßt (ungeriffener Santmet).
Eeinenweberei und Tuchweberel waren urſprunglich Rebe Aftigumgen ber ländlichen
Bevölkerung, und erftere iſt es an vielen Drten noch. Schon im Mittelalter waren indeffen
beide zu zünftigen Gewerben ausgebllbet, denen fich noch bie Zünfte ber Seĩdenweber und
Naſchmacher anſchloſſen. Die Bandweberei ift Gegenſtand des Pofamentirgemerbed. Auch bie
Baumwollenweber bilden Bier und da noch Iunungen. In der neuern Zeit, wo die Arten ber
Gewehre ſich fo verntielfacht Haben und gemifchte Gewebe Mode geworben find, iſt es kaum noch
möglich, die Gewerbögebiete biefer Innımgen gehörig zu begrenzen. Bugleich hat fich mit dem
Übergange zum fabrikmäßigen Betriebe bie Weberei Überall fehr anf die Dörfer verbreitet.
Die Mehrzahl der Weber arbeitet aus Mangel an Eapttal nicht mehr auf eigene Nechnung,
fondern empfängt Garn und Muſter, zumeilen auch den Stuhl, von einem Unternehmer oder
beffen Mittelsmann, dem Factot, und Hefert bie fertige Waare gegen ein Stücklohn ab. Die
Gelbſtändigkeit dieſer Weberei Ift nur noch eine feheinbare. In der That find es namentlich die
Difteicte, wo Weberei (in der Tuchmacherei fteht es noch etwas beffer, Body fommt e6 and, noch
dahin) In Leinen, Baumwolle ımd Seide auf diefe Art getrieben wird, in benen ſich das Prole-
farlat am ſchnellften entmickelt, hauptſächlich alfo In Dentfchland: Schlefim, Wupperthal,
Laufig ımd Erzgebirge. Dem wird nur Durch einen Übergang ber Weberei zum Betrieb in ges -
ſchloſſenen Etabliffements, freifich nicht ohne einen Übergang dirrch vorübergehende Arbeitslo-
figkeit vieler Weber, abgeholfen werben können, fei es nun, daß diefe won einzelnen Unterneh-
mern oder auf gemeinfchaftliche Rechmmg ber Arbeiter angelegt werben. Letzteres geſchieht in
Bezug auf Borbereitungsarbeiten and Appretur von den Tuchmacherinnungen immer häufiger.
Die Weberel auf ihre urfprüngfiche Stufe theils des häuslichen Nebmeriverbs theils bes be»
bagfichen gunftmäßigen Vertriebs zurüdführen zu wollen und darin das Heil zu fuchen, heißt
alle Fabrikationsbedingungen der Gegenwart verfennen. Die Aaſchinenweberei, d. h. Die Be⸗
treibımg von MWebftühlen, deren Saupteinrichtumg ganz mit der oben befihriebenen überein-
kommt, durch Elementarkraft, wobei bann ein Weber, feibft ein Mädchen zwei Webftühle ber
aufſichtigen Tann, deren jeber doppelt fo viel liefert als ein Handſtuhl, iſt im Anfange biefes
Jahrhunderts zuerft in England erfunden und auf glatte Baumwollenſtoffe (Drucktuche) an⸗
geroenbet worden. Seitdem webt man auch gemuſterte Stoffe, feibft mit Benupung der Face
quaedmaſchine, ferner Muffeline, Tuche u. f. w. auf Maſchinenſtühlen. Außer England find
Mafthinenwebereien fire Baummolienfloffe m Frankreich und Deutſchland am vielen Orten.
Bor; verbreitet fich wegen des niedrigen Arbeitslohns und der höhern Anſchaffengskoſten der
Mofkinen die Mafchinenweberei In Deutſchland nur langſam. Die Branchen der Weberei
unterfiheiden ſich theils nach ben Stoffen, theils nach andern Rückſichten. Eine umfaſſende
a ee 20) Fachs enthält der Artikel „WWeberei” in Prechtls „Sechnelogifcher Encyklo
yadie’ . 20).
Weber (Beda), bekannt als hiftorifcher und abeetiſcher Schriftſteller wie als Dichter, geb.
26. Det. 1798 zu Lienz im Yufterthal, erlernte das Schuhmacherhandwerk, bezog aber, etma
165. alt, das Gynmaſſum zu Bogen und vier Jahre darauf bieiniverfität zu Innsbruck. Nach
Beendigung ded zweijährigen philofophifchen Curſus trat er im Stift Marienberg im Vintfch
gau in ben Benedictinerorden, mo er Det. 1821 bie Ordensgelübde ablegte, und ftudirte hierauf
erſt zwei Jahre auf der theologiſchen Lehranſtalt an der Hochſchule zu Innsbruck, mo er ſich an
bem Leſe⸗ und Dichterverein ber bedeutendften Köpfe ber damaligen tiroler Jugend betheiligte,
bann in ben Seminaren zu Brixen und Trient. Unterdeffen 1824 zum Priefter geweiht, erhielt
et 1825 die Seelforge auf einer Pfarre des Stifts Marienberg, warb aber ſchon im Herbſt
1825 als Profeffor am Gymnafium zu Meran angeftellt. Als Lehrer rote als Geiſtlicher viel-
deftebt, verfehlten jedoch feine humaniflifchen Tendenzen, wie ſchon früher, auch hier nicht, in vie
en Kreifen anftöfig zu werden. Als Anhänger bes fpecififchen Tirolerthums ober patriotifcher
Weber (Bernd. Anfelm) Weber (Gottfr.) 115
Balcontent Hatte er von mehren Seiten her mancherlei Anfeindungen zu erdulden. Trot ber
Anftrengumg ber Beamten ward er von Volk und Geiſtlichkeit 1848 für den Wahlkreis Meran
im die franffurter Nationalverfammiung gewählt, wo er mit feinen- beutfchtiref. Freunden mit
der Mechten, in der Kaiferfrage, wie faft alle Oftreicher, mit der Linten flimmte. Während fei-
ner Anmefenheit in Frankfurt ward W. im Aug. 1849 Domcapitular zu Limburg und Pfar-
ver der Bath. Gemeinde zu Frankfurt. Begabt mit reicher und lebhafter Phantafie, har
SB. viele gelungene Proben feines poetifchen Talents, befonders im Bereich der Lyrik abgelegt,
wie namentlich feine „Sieber aus Tirol” (Innöbr. 1842) befunden. Von feinen übrigen Schrif-
ten find beſonders bie über Tirol hervorzuheben. Sein Hauptwerk in diefer Beziehung ift „Das
Land Tirol” (3 Bde, Innsbr. 1838), von welchem ald „Handbuch für Neifende in Tirol“
(Innsbr. 1842; 2.Aufl., 1853) ein Auszug erfchien, und an das fich feine Befchreibungen von
Innsbruck (Innsbr. 18358), Meran (Innebr. 1845), Bogen (Bog. 1850), vom Thal Paffeier
( Innsbr. 1852), fowie „Oswald von Wolkenftein und Friedrich mit ber leeren Taſche (Innsbr.
4850) und „Andreas Hofer und das I. 1809 (Innebr. 1852) anfchließen. Auch gab er bie
„Gedichte“ Oswald's von Wolkenſtein (Innsbr. 1847) heraus. Übrigens hat W. der reli⸗
giöfen Ascetit ein auifmerkfames Studium zugewendet. Früchte deffelben find „‚Giovanna Ma-
ria dalla Eroce und ihre Zeit” (Bog. 1850), „Zirol und die Reformation (Innsbr. 1841), die
fehr verbreiteten „Blüten beiliger Andacht” (Innsbr. 1845), denen fi „Predigten an das
tiroler Bott’ (Fkf. 1851) und die „Charakterbilder” (Fkf. 1855) anreihen.
Weber (Bernd. Anfelm), Componift, geb. zu Manheim 1766, erhielt feit feinem 14. J.
zu Münden den Unterricht des berühmten Abts Vogler in der Compofition und im Kla⸗
vierfpiel. W. veifte dann einige Jahre ald Virtuos, fam 1787 nach Hannover und übernahm
bafelbft bie Direetion bei bem Großmann’fchen Theaterorchefter, welches er brei Jahre lang lei⸗
tete. Dierauf unternahm er wieder einige Reifen, auch nach Stodholm zu Vogler, bis er 1792
nach Berlin ging. Hier wurbe er Mitdirector bes Orcheſters bei der beutfchen Oper; doch ſchon
im folgenden Sabre ging er nach Wien, mo er das fchon früher begonnene Studium der Gluck'⸗
ſchen Werke fortfegte. Er ftarb als Kapellmeifter in Berlin 1821. W. war ein guter Muſik⸗
dieector und in der Behandlung des Orcheſters ausgezeichnet. In feinen Compoſitionen, von
denen bie meiften aus einzelnen Mufifftüden, 5. B. zu „Iel”, „Braut von Meffina”, „Junge
frau von Orleans‘, Werner's „Weihe der Kraft”, Kotzebue's „Huffiten”, und aus andern Ge⸗
legenheitsftüden, z. B. zu Goethe'd Epimenides“, beftchen, läßt ſich Gluck als W.'s Vorbild
allerdings erkennen, dabei aber auch zugleich Kenntniß großer Orcheftereffecte, Klarheit, kräfti⸗
ger Ausdruck und Häufung gefälliger Melodien bei weniger Originalität und Mannichfaltigkeit
ber Gedanken. Seine Dpern „Deobata” (1840) und „Hermann und Thusnelde” (1819) wur.
ben aufer Berlin bei weitem weniger befannt als feine melobiöfen und charaktervollen Gefänge
mit Begleitung des Pianoforte und feine melodramatifche Eompofition des Schiller [hen „Gang
nad) bem Gifenhammer“.
Beber (GBottfr.), bekannt als muſikaliſcher Theoretiter, geb. 1. März 1779 zu Freinsheim
in Rheinbaiern, fludirte feit 1796 zu Heidelberg und Göttingen bie Rechte. Er wurde 1802
Advocat und 1804 Fiscalprocurator in Manheim, 1814 Tribunalrichter in Mainz, 1818 Hof-
gerichtörath In Darmſtadt und Generalabvocat, 1832 Generalflantsprocurator beim Ober-
appellationd- und Gaffationsgericht gu Darmſtadt und ftarb zu Kreuznach 21. Sept. 1839. W.
ſchrieb „Uber das öffentliche und mündliche Rechtsverfahren” (Darmft. 1819) und „Betrach⸗
tungen über das Syſtem und die Natur der Disciplinarfachen” (Mainz 1850). Zugleich
Hatte er ſich durch guten Unterricht, ſowie durch den Umgang mit fremden Künftlern zum prak⸗
tifhen Muſtker gebildet und auf Flöte und Bioloncello einen bedeutenden Grab von Kunftfer-
tigkeit erreicht. Später widmete ex fich vorzugsweiſe der äfthetifchen und technifchen Theorie ber
Mufit und Hierin hat er in dem „Berfuc, einer geordneten Theorie ber Fonfegkunft zum Selbſt⸗
unterricht· (2 Bde, Mainz 1817; 3. Aufl, Mainz 1830— 32), in der „Allgemeinen Mufife
lehre“ (3. Aufl, Darmft. 1831) und in der „‚Eäkilia, einer Zeitfchrift für Muſik“, die er 1824
begründete, Bedeutende geleiftet. Namentlich erwarb er ih um Manheim und Mainz durch
zweckmäßige mufitalifche Einrichtungen viele Verdienſte. Unter feinen Compoſitionen, die fich
durch ein Streben nach Einfachheit und declamatoriſchem Charakter auszeichnen, befinden ſich
drei Meſſen, ein Te Deum (1812), eine Missa funebris, die er den Manen ber Sieger bei Leip⸗
zig von 1813 widmete, und mehre Befänge, die mit Beifall aufgenommen wurden. Auch er⸗
fand ex einen ſehr einfachen Taktmeſſer. In mancherlei literariſche Fehden verwicelten i
feine Unterſuchungen über die Echtheit ehrzeiner Abtheilungen des „Besen von Mozart
116 Weber (Karl Jul.) Weber (Karl Maria Friedrich Erneft, Freiherr von)
Weber (Karl Jul.), deutſcher Schrifefteller, wurde 16. April 1767 zu Rangenburg gebo-
ven, wo fein Vater Rentbeamter bes Fürften von Hohenlohe-tangenburg war. Er befuchte
die Schule zu Langenburg und dad Gymnaſium zu bringen und bezog 1785 die Uni
verfität zu Erlangen, wo er neben ber Rechtswiſſenſchaft zugleich allgemeine Studien trieb.
Im 3.1788 kehrte er nach Langenburg zurüd, wo er bei der Regierungskanzlei arbeitete, bis
er aus Überdruß an den dortigen Verhälmniffen 1789 nad) Böttingen ging, um ſich für das afa-
demifche Lehramt vorzubereiten. Da fich indeß nirgends Ausficht für eine Profeffur zeigte,
nahm er eine Hofmeifterftelle in der franz. Schweiz an. Er machte ſich Hier mit der franz. Lite»
ratur und Philofophie vertraut, und fein natürlicher Hang zur Satire, unterftügt durch bie Gabe
bes Wipes, fand volle Nahrung und Ausbildung. Im I. 1792 wurde er Privatfecretär bes
regierenden Grafen von Erbach⸗Schönberg, durchiwanderte aber zuvor die Schweiz und bas
füdliche Frankreich. Seit 1799 erfter Rath der Regierungstanzlei in bem Marktflecken König
im Odenwalde, trat er 1802 als Hof- und Negierungsrath in ifenburg. Dienfte, um ben jungen
Erbgrafen auf feinen Reifen in begleiten. Diefer aber entwifchte ihm und-eilte geraden Wegt
zurüd nach Büdingen. Auch ZB. Lehrte dahin zurück, boch der junge Graf, ber ihn haßte, that
nun Alles, um ihm das Leben zu verbittern. W. verließ deshalb in büfterer Stimmung ben
ifenburg. Dienft und verfiel fogar in eine Gemüthskrankheit, von ber er erft nach mehren Mo- -
naten genas. Von jept an lebte er zu Jaxthauſen bei einer Schwerter in ruhiger Unabhängig»
keit. Nur ein mal noch trat er In das öffentliche Leben, als er 1820 von dem Dberamt Kimzelsau
zum Wbgeorbneten in die Stänbeverfammlung gewählt wurde. Seiner Schwefter folgte er an
bie verfchiedenen Orte, wohin diefe die Dienftverhäftniffe ihres Gatten führten, nach Weickers⸗
beim, Künzelsau und zulegt nach Kupferzell. Seine Mußezeit ganz den Wiſſenſchaften wid
mend, unterbrach er fein Einfieblerleben von Zeit zu Zeit durch Beifen, bie ihn durch ganz
Deutſchland führten. Er flarb zu Kupferzell 20. Sul 1832. Als Schriftfteler trat er
zuerft auf mit feiner „Döncherei” (3 Bde., Stuttg. 181820), einer Gefchichte bes Möndh-
thums, die, obgleich als Geſchichtswerk mit weſentlichen Mängeln behaftet, doch das Ge⸗
präge eines eigenthümlichen Geiſtes trägt. Gegen die Recenſenten, welche den Verfafſer
ſpöttiſch mit dem Journaliſten IB. L. Wechherlin verglichen hatten, ließ er, Weckherlin's Geift“
(Stuttg. 1825) erſcheinen, einen Auszug aus deſſen Schriften, um darzuthun, daß er ſich eine
Vergleichung mit dieſem wigigen Schriftfteller gern gefallen laffe. Denfelben Zabel und baffelbe
Lob, wie Tein erftes Werk, verdient die Schrift „Dad Nitterwefen” (3 Bbe., Stuttg. 1822).
Bein beftes, mit allgemeinem Beifall aufgenommenes Berk ift „Deutfchland, oder Briefe eines
in Deutſchland reifenden Deutſchen“ (4 Bbe., Stuttg. 1826—28; 3. Aufl, 6 Bde, 1845)
dem ſich zufegt ber „Demokritos, oder Hinterlaffene Papiere eines lachenben Dhilofophen“ (Bh
4—7, Stuttg. 1832— 36 ; 5. Aufl., 12 Bde, 1854) anfchloß, ber aber unvollendet blieb.
Eine Sammlung feiner „Schriften” erfchien in 30 Bänden (Stuttg. 1834 — 45).
Weber (Karl Maria Friedrich Erneſt, Freiherr von), einer der größten deutfchen Componi⸗
ften und zugleich geiſtvollſten Männer dieſes Jahrhunderts, wurde 18. Der. 1786 in Eutin
geboren und genof eine fehr forgfältige Erziehung, welche nach dem frühzeitigen Tode feiner
trefflichen Mutter, einer geborenen von Brenner, Bauptfächlich von feinem Vater, Franz An»
ton, Freiherrn von Weber, geleitet wurde. Derfelbe war zur Zeit ber Geburt W.s Hoflapell-
meifter in Gutin, fpäter Major in bairifhen Dienften, 1810 öftr. Kammerherr. Bei
bem wieberholten Wechfel des Wohnorts erhielt der Iernbegierige Knabe die verfchieden-
ſten Lehrer und dies auch noch mit Unterbrechungen. Nicht ohne Glück verfuchte er fi
in früher Jugend in der Kunft bes. Zeichnend und Malene, die jeboch durch feine Liebe
zur Mufit allmälig in den Hintergrund geftellt wurde. In ben J. 1796 und 1797 legte
er bei Haufchkel in Hildburgbaufen den Grund zu feinem nachherigen Klaviervirtuoſen⸗
thum; 1798 ging er aber ſchon zu Michael Haydn na Salzburg, wo bald fein erftes Werk,
ſechs Fughetten, gedruckt erfchien. Noch in demfelben Jahre begab er fich nach Münden, wo
er Geſang bei Valeſi, Eompofition aber bei dem dortigen Hoforganiften Kalcher ſtudirte, und
zwar legtere mit großem Erfolg. Unter ben Augen Kalcher's ſchrieb er feine exrfte Oper: „Die
Macht der Liebe und des Weins“, eine große Meſſe und miehres Inftrumentale und Vocale,
welches Alles jedoch fpäter ein Raub ber Flammen wurde. Bald darauf ergriff den vielfeitig
regen Geiſt die Idee, Senefelber, dem Erfinder des Steindrucks, den Rang abzugewinnen; er
glaubte dieſelbe Erfindung gemacht zu haben, und zwar mit einer noch zwekmaͤßigern Mafchine
—*8 Um bie Sache ind Große zu treiben, zog er mit feinem Vater nach Freiberg in Sach⸗
fen; die Weitlaͤufigkeit und das Mechaniſche des GBefchäfts aber ließen ihn gar bald bavon abe
Weber (Karl Marta Friedtich Erneſt, Freiherr von) 117
Aehen und mit verdoppelter Luft zur muſikaliſchen Mufe zurückkehren. Noch in Freiberg ſchrieb
er, als nunmehr IAfähriger Knabe, die Dper „Das Walbmäbchen”, welche im Nov. 1800
bort zur Aufführung kam und fich bei großem Beifalle weiter nad) Prag und Wien, ja fogar
nach Peteröburg verbreitete. Im J. 1801 ging W. wieder nach Salzburg, wo er die zweiactige
Dper „Peter Schmoll und feine Nachbarn” componirte, über welche fein alter Lehrer, M.
Haybn, ihm ein höchſt anerfennendes Zeugniß ausftellte. Die Dper wurbe in Augeburg auf-
geführt ; nur Die Duverture iſt geftochen. Die Partitur weift eine Dienge fchöner, genievoller
Züge auf, namentlich eine bereits fehr Intereffant gehaltene Inftrumentirung. Im J. 1802
machte WB. mit dem Bater eine mufitalifche Reife nach Leipzig, Hamburg und Holftein, mo er
fheoretifche Werke fammelte und eifrigft fludirte, und darauf nach Wien, wo er Joſeph Daydn
und den Abt Vogler kennen lernte. Beſonders der Legtere kam dem ernften Streben bes Jüng-
lings mit Liebe entgegen und erfchloß ihm mit ber reinften Dingebung den Schag feines Wil -
ſens; fo wurde WB. Vogler's begeifterter und eifrigfter Schüler. Zwei volle Jahre gab er fich
faft ausfchließlich den flrengften Studien hin, und öffentlich erfchienen von ihm in Diefer Zeit nur
einige Variationen und ber Klavierauszug zur Vogler'ſchen Dper „Samori”. In ber zweiten
Hälfte von 1804 folgte WB. einem Rufe ale Mufikdirector nach Breslau: Hier eröffnete fich fei-
nem Talente ald Dirigent ein fruchtbares Feld der Prazis, zumal er ſowol Chor als Drchefter
erft zu bilden hatte. Zugleich überarbeitete er mandhe frühere Probucte und componirte die
Oper „NRübezahl” zum größeren Theile. Erſchienen find aus bderfelben nur bie Düverture
unter dem Titel „Zum Beherrfcher der GBeifter” und ein Quintett. Viele Dienftgefchäfte
ließen W. jedoch nicht zu felbftändigen Arbeiten fonımen. Gegen Ende 1806 zog ihn der kunſt⸗
liebende Prinz Eugen von Würtemberg nach Karlsruh in Schlefien, mo er zwei Symphonien,
mehre Eoncerte und Harmonieſtücke fchrieb. Als der Krieg Theater und Kapelle bes Prinzen
auflöfte, trat WB. im Frühling 1807 eine Kunftreife nach Dresden, Leipzig, Ansbach, Rürn-
berg, Erlangen und Baireuth an, dieer jedoch bald aufgab, um an bem Hofe des Herzogs Louis
von Würtemberg als deffen Attache in Ludwigsburg bei Stuttgart bie damals für die Kunft fo
ungünftigen Zeitverhältniffe abzuwarten. Hier und in Stuttgart abwechfelnd lebend, blieb er in
biefer Stellung anderthalb Jahr. Während deffen fchrieb er feine Oper „Silvana“, nach bem
Sujet des ‚„Waldmäbchen” von Diemer neu bearbeitet, welche zuerft auf der Frankfurter Bühne
16. Sept. 1810, bald aber auf vielen andern Bühnen. mit großem Beifall gegeben und fpäter in
Berlin gebrudt wurde; ferner die Santate „Der erfieZon”, Duverturen, Symphonien, die erfte
feiner vier großen Kiavierfonaten wie fonftige Klavierſachen und viele Lieder. Ende Febr. 1810
trat er abermals eine Kunftreife an, bei beren Anfange er zum zweiten male Vogler's Unter
richt und zwar biedmal mit Meyerbeer und Bänsbadher in Gemeinfchaft genoß und auf deren
fpaterm Verlauf er die Schweiz, Deutſchland aber nach allen Richtungen durchzog, nachdem
er no im Nov. 1810 in Darmfladt die Oper „Abu Haffan” componirt hatte, welche den
4. Juni 1811 in Münden zuerft auf der Bühne und fpäter in Bonn im Drud erfchien. Vom
Febr. 1813 bis Det. 1816 leitete er als Muflkdirector die Oper in Prag, die er wiederum ganz
neu zu organifiren hatte. Im 3. 1814 im Sept. componirte er auf einer Erholungs reiſe feine
begeifternden Kriegölieder auf Theod. Körner's Dichtungen, an deren Spige „Lützow's Jagb“
und das „Schwertlieb” fliehen und bie zum erften male bie gefpannte Aufmerkſamkeit von ganz
Deutfchland auf ihn zogen. Es folgte 1815 die große Eantate „Kampf und Sieg”, die durch
Sröfe und Fülle der Ideen wie durch glänzende Bearbeitung tiefen und allgemeinen Eindrud
machte. Rachbem W. feine Stelle in Prag niedergelegt hatte, ging er 1816 nach Berlin, wo
er fich laͤngere Zeit im Haufe feines Freundes, des Profeffors Kichtenftein, aufhielt; hier fchrieb
er die zweite und britte Sonate (As-dur und D-moll) feiner vier großen Meiſterwerke diefer
Sattung und mehres Andere. Da erging der Ruf zur Bildung einer deutſchen Oper in
Dresden von bort aus an ihn, und mit allen feinen Kräften und dem glängendften Erfolge wid⸗
mete er fich feit Anfang 1817 der Löſung biefer fo fehmwierigen wie ehrenvollen Aufgabe als
Kapellmeifter und Director der beutfchen Dper in Dresden. Im Nov. 1817 verheirathete
ex fich mit der ausgezeichneten Schaufpielerin Lina Brandt vom Theater zu Prag. Zunächft
ſchrieb er in Dresden außer mehren Inftrumentalfachen die große Jubelcantate nebft Ju⸗
belouverture, bie barmonie- wie melodiereiche großartige Jubelmeffe in Es, die kleinere
Mefie in G umb mehre Gantaten zu VBermählungen bei Hofe. Am 14. März 1821 kam in
Berlin W.'s reizende Muſik zu P.A.Wolff’s „Preciofa” zum erſten male und zwar mit außer⸗
ordentlichen Erfolge auf die Bühne und fpannte die Erwartungen in hohem Grade für Wee
neue Oper, bie in Berlin als erfte in dem daſelbſt nen erbauten Schaufpielhaufe gegeben
118 Weber (Did)
werben follte. Diefe Oper aber, ber bald nachher weltberühmt gewordene „Freiſchütz“, über»
flügelte jede von ihr gehegte Erwartung ; denn nachdem fie zum erften male 18. Zuni 1821 in
Berlin zur Aufführung gekommen war, durchflog fie in wenigen Jahren bie ganze gebildete
Belt, begleitet von einer in der Kunſtgeſchichte beifpiellofen Art der Begeifterung. Der uner⸗
hörte Erfolg des „‚Kreifchüg‘‘ verfchaffte WB. 1822 den Antrag, eine neue große Oper für Wien
zu fchreiben. Er wählte die ihm von H. von Chezy gedichtete Oper „Euryanthe“, die er in elf
Monaten (Ende Aug. 1823) vollendete, nachdem er Anfang 1822 Wien beſucht hatte, um
das dortige Opernperfonal kennen zu lernen. Die erſte Aufführung der „Euryanthe“ 25. Det.
41823 in Wien und drei darauf folgende Teitete W. felbft. Die Oper fand im großen Yublicum
dennoch Begnerfchaften, und dies aus bem natürlichen Grunbe, da man wol etwas ben „Frei⸗
fhug” Ahnliches, Volksthümliches erwartet hatte und dafür zwar ein Meiſterwerk erften Nan⸗
ges erhielt, das aber der Maffe ferner zu fichen Bommen mußte, da es fich ausfchließlich im Ho»
ben und Erhabenen bewegt. Schon Anfang 1824 erhielt W. von London aus ben Auftrag,
den „Oberon” für da6 Coventgardentheater zu ſchreiben. Leider hatten feine anſtrengenden
Berufsarbeiten in Berbindung mit feiner höpferifchen Thätigkeit ale Künſtler feine Befund-
heit damals ſchon bedeutend angegriffen. Nachdem er in Folge beffen genöthigt geweſen, einen
Theil des Sommers 1825 in Ems zu verleben, und während er im Dec. 1825 „Euryanthe‘ auf
bie berliner Bühne brachte, wobei fich Tein Hals- und Bruftübel immer mehr verfchlinmerte,
componirte er dennoch angeftrengt am „Dberon”. Im Febr. 1826 ging er nady London, wo feine
Aufnahme eine fo glänzende war, wie folche vor ihm dort noch feinem Eomponiften zu Theil
geworben. Sobald er den „Dberon” bier vollendet, führte er denfelben am 12. Upril mit dem
enthuſiaſtiſchſten Beifall dafelbft auf. In der Abreife begriffen und voll Sehnſucht nach der
Heimat ſtarb er 5. Juni 1826 zu London an einem Lungenübel. Als Katholik wurbe er in der
Moorfieldstapelle in London beigefegt. Dort ruhten feine irdiſchen Überrefte bis 1844, wo
biefelben nach Deutfchland gebracht und 15. Dec. feierlich anf dem Bath. Kirchhofe in Dresden
ber Samiliengruft übergeben wurden. IB. verband die glänzendften Eigenfchaften in Ei
ner Perfon; er war nicht nur einer der fchöpferifchften und originalften Zondichter, ein großer
ausübender Künſtler, ber als Klaviervirtuos Seltenes und Eigenthümliches Ieiftete, ein eben fo
feuriger als befonnener, einfichtsvoller und umfichtiger Director, ein im äfthetifchen wie gram-
matifchen Theile feiner Kunft überall einheimifcher Theoretiker, fondern auch einer der gebil-
betiten und geiftreichfien Männer. Von ber großen Anzahl feiner Werke ift nur ein geringer
Theil noch ungebrudt im Berwahrfam ber Familie. Mit Opuszahl find 80 Werke erſchienen,
boch beftchen mehrfach Irrthümer in den Zahlen; ganz und gar ohne eine ſolche erfhienen ges
gen 50 Werke. Das befte vorhandene Verzeihniß fänımtlicher gedruckten Werke bat bie züri⸗
her Muſikgeſellſchaft 1836 herausgegeben. Außer den obenerwähnten fchrieb W. viele In⸗
firumentalftüde, als: Eoncerte, Eoncertinos, Potpourris und Harmonieflüde für Klavier, Cla⸗
tinette, Fagott, Horn, Cello, Violine und Guitarre; ein Clarinettquintett; ein Quartett für
Klavier und Streichinftrumente; Sonaten, Polonaife, Variationen von hohem Werth für Kla⸗
vier ; Gantaten, Eoncertarien, vierftimmige Lieder und beſonders viel herrliche Lieder mit Kfavier.
Unter feinem unvollendeten muftlalifhen Nachlaß nimmt bie 1821 begonnene Oper „Die
drei Pintos“, Text von-Sheobor Hell, die erfte Stelle ein. Ein größerer Theil feines vollendeten
mufibalifchen Nachlaſſes ift durch Jaähns in Berlin herausgegeben ; ein Pleinerer Theil bavon
erfchien 1854 ohne Namen des Herausgebers in Reipzig. WB.’ „Dinterlaffene Schriften” find
von Theodor Hell (3 Bde, Dresb. 1828) herausgegeben, die, bed bebeutendften Inhalts voll,
Zeugniß ablegen für W.'s geiftige Bildung. — Bon W.s beiden Söhnen Mar und Weranber
lebt nur noch der äftefte, Phil. Ehriftian Mar Maria von W., geb. 1822, königlich ſäch⸗
fischer Eifenbahndirecter in Dresden, ber fich nicht nur als Dann feines Bade, fondern
auch als Dichter, befonders durch den Romanzencyklus „Roland’s Graalfahrt“ (Dresd.
4854), befannt gemacht hat. Von feinen übrigen Schriften ift noch „Algerien und die Aud⸗
wanberung dahin” (Rp. 1854) zu erwähnen.
Weber (Mich.), proteſt. Theolog, geb. 6. Dec. 1754 zu Gröben bei Weißenfels, erlangte
feine Vorbildung auf der Schule zu Zeig und ſtudirte in Leipzig, wo er fih 1778 Habifitirte
und 1782 außerordentliher Profeffor wurde. Im J. 1784 folgte er dem Rufe als ordentli⸗
her Profeffor der Theologie nach Wittenberg. Er wirkte hier zugleich als Prediger an der
Sehloßkirche. Als 1815 die dafige Untverfität aufgelöft und mit der zu Halle vereinigt wurde,
erhielt er eine Profeffur in Halle, wo er als Mitdirector bes theologischen Seminars eine audge-
zeichnete Thätigkeit bewies. Er flarb als Senior der theologifchen Facultät 3. Aug. 1833.
Weber (Ernſt Heine.) Weber (Wit. Chuard) 119
Biele feiner Schriften, namentlich Die „Eclogae exegelico -crilicae in nonnullos Novi Te-
stamenli loeos“, bereichern die Kritit und Epregefe des Reuen Zeflaments, während bie vom
ihm felbft gefmumelten „Opuscula academica eaque apologetica, Vitebergae publice scripta
etc. (Rp. 1828) als Zulammenftellung alles Deffen, was ſich für das Chriſtenthum als
Dffenbavung jagen läßt, wichtig find. Seine „Libri symbolici ecalesiae evangelico-luthere-
Ase ammadversionibus ac dispulationibus ilustrati”, von denen nur der erfie Band (Wittenb.
18089) erfehienen, gehören zu ben bibliographifchen Seltenheiten. Uster den von ihm zulett
hteraus gegebenen Schriften find noch zu nennen bie „Symbolse ad grammaticam Latinam ei
eriticam“ (Xpz. 1828). Bgi. Frigkhe, „Narratio de Mich. W.” (Halle 1834).
Weber (Ernſt Heinr.), ausgezeichneter Phyfiolog und Anatem, Sohn des Vorigen, geb.
24. Juni 1795 gu Wittenberg, widmete fich, auf der Fürſtenſchule zu Meißen vorbereitet, in
Bittenbeng und Reipzig ber Medicin und erhielt von erflerer Univerfitäc 1845 die Doctor
würde. Seiner Habilitation als Privatbecent in Leipgig folgte ſchon 1848 die Anftellung als
außerordentlicher Profefior der vergleichenden und 1821 als orbentlicher Pdofe ſſor ber menſch⸗
Eichen Anatomie, wozu er auch 1840 bie Profeſſur ber Phyfickogie Abernahm. Außer feinen
geöhern Schriften: „Analoınia comparata nervi sympathici”(2p3. 1817), „De aure ei auditu
hominis et animalium‘ (Rpy. 1820), der gemeinfchaftlich mit feinem Bruder Wilhelm herausge⸗
gebenen „XBelleniehre” (Epz. 1825), ben „Zufägen zur Behre vom Bau und von der Berridgtung
der Beſchlechtsorgane“ (Epz. 1846), verdienen feine vielem phyſislogiſchen und anatomifdgen
Abhandlungen in Zeitſchriften, ſowie feine akademiſchen Gelegenheits ſchriſten die größte Be
achtung. Letztere erſchienen unter dem Titel Annotatioues anatomicae et physiologicae”
CEpj. 1851) geſammelt. Auch beſorgte er Ausgaben von Mofenmitller’s Lehrbuch ber Ana⸗
tomie” und HOildebraubts Handvuch ber Anatomie”. W. hat ſich um die menſchliche, Die ver
gleichende umd die mikroſkopiſche Anatomie, fowie um die Bitdungsgeſchichte der Thiere und
die Phyfiologie die anerkanmteſten Werbienfte erworben. Beſonders zu erwähnen find feine
Unterfachungen über das Gchoͤrorgan ber Fiſche, die Auffinbung eines Rudiments bes Uterus
Sei dem männlichen Geſchlecht der Menſchen und Säugethiere, die Unterfurhungen über ben
Drum, Temperaturſinn und Ortöfinn in der Haut bes Menfchen und bie Beftimmung ber
Feinheit diefer Sinne durch Meſſungen. — Weber (Ebuarb Friede.), Bruber des Borigen,
geb. zu ZBitterbeug 10. März 1806, ftudirre, auf der Waifenhausfegule und dem Pädagogium
zu Dale gebildet, in Reipgig und Halle Medicin und widmete ſich nach feiner Promotion einige
Jahre ber mebicinifthen Praxis theils in Halle als Affiftenzargt an der Klinik von Krufenberg,
theils in Naumburg. Dierauf ging er nach Göttingen, too er gemeinſchaftlich mit feinem Bru⸗
der Wichelm bie „Mechanik ber menſchlichen Gehwerkzeuge“ (Götting. 1856) herausgab.
Im 3.1855 erhieht er durch das Euratorium ber Univerfität zu Halle bas Anerbieten eines Ge⸗
halts, wenn er fich daſelbft als Privatdocent nieberlaffen wollte, folgte aber dem faſt zu gleicher
Zeit an ihn ergangenen Rufe als Profertor nach Leipzig. Durch feine Abhandlung „Muskel
bewegung” in Wagner’ „Handwörterbuch der Yhyfiologie” eröffnete er in dieſem Thelle ber
Phyfiologie neue Bahnen, bereicherte auch biefe Wiffenfchaft durch mehre in den „Berichten”
der Koniglich Säch ſiſchen Geſellſchaft der Wiffenfchaften herausgegebenen Unterfuchmgen.
Weber (With. Eduard), ausgezeichneter Phyſiter, Bruder ber Borigen, geb. 24. Det. 1804
zu Wittenberg, beſuchte feit 1815 die Unterrichtsanftalten des Waiſenhauſes und Pädagogiums
zu Halle, bann die Untverfität daſelbſt, war aber gleichzeitig mehre Jahre hindurch in Gemein
ſchaft mit feinem Bruder mit Erperimentalunterfuhungen befchäftigt, beren Reſultate Beide
In der, Wellenlehre (Epz. 1825) veröffentlichten. Nachdem W. hierauf fich 1827 zu Halle
mit einer Schrift, in der er zuerſt die Theorie ber Zungenpfeifen entwidelse, habilitirt und bald
darauf eine-außesorbentliche Profeffur erhalten hatte, folgte er 1831 einem Rufe als orbent-
Eicher Profeſſor der Phyſik nach Böttingen, wo er jebody 14. Dec. 1837 in Folge feiner bei
Gelegenheit der Aufhebung ber Eonftitution abgegebenen Erklärung feines Ans entfegt
wurbe. Er lebte ſeitdem als privatifitender Gelehrter in Göttingen und auf Reifen, bis er
1843 ale Profeſſor nad) Reipzig berufen wurde. Bon hier fehrte er Oſtern 1849 in feine frä-
here Stellung nach Göttingen zurüd. Seinen wiffenfchaftlichen Ruf hatte W. bereits zu Dale
theils durch die erwähnte Wellenlehre“, theils durch mehre Kleinere akuftifche Arbeiten in
Schweigger’s Jahrbüchern für Chemie und Phyſik“, in Poggendorf's „Annalen“, der Zeit
fehrift „Säcitia” u. f. w. begründet. Die bebeutendfign Verbienfte erwarb ex fi jedoch durch
feine Arbeiten über Erbmagnetismus, die er gemeinfchaftlich mit Gauß unternahm und die ber
Behre über biefen Gegenſtand eine ganz neue Richtung gaben. Als Früchte berfelben find dir
120 Weber (Witt. Ernſt) Bebſter
Meſultate aus den Beobachtungen des magpetiſchen Vereind” und der „Atlas bes Erbmagne-
tiemus” ( Apz. 1840) zu erwähnen. Im Verein mit Eduard W. gab er die „Mechanik ber
menfchlichen Gehwerkzeuge” (Gott. 1836) heraus. Wichtig für Ergründung des Zufammen-
hangs der Elektricität mit dem Magnetismus und mit ben Diamagnetismus find die „Elektro»
dunanıifchen Mafbeftimmungen” (3 Abth., Lpz. 1846—52). Die erfte Abrheilung ber let⸗
term behandelt ein von WB. aufgefundenes allgemeines Grundgefeg der eleftrifchen Wirkung,
bie zweite umfaßt Widerſtandsmeſſungen, die britte verbreiter fi über Diamagnetismus.
Dielen folgten unter Anderm die Unterfuchungen „Über bie Anwendung der magnetifchen In⸗
buction auf Meffung ber Inclination mit dem Magnetometer” (Gött. 1855).
Weber (Wild. Ernft), ausgezeichneter deutſcher Pädagog, geb. 14. Oct. 1790 zu Weimar,
befuchte das dafige Gymnaſium, ftudirte dann in Leipzig Philologie, wurde 1814 Erzieher im
Haufe bes Grafen von Benzel-Sternau und erhielt 1817 die Profeffur der alten Kiteratur an
der Gelehrtenfchule zu Chur in Graubündten. Doch kehrte er bereits 1819 nach Deutfchland
zurüd und nahm eine Oberlehrerftelle an dem Gymnaſium zu Weplar an. on hier folgte
er 1825 dem Rufe als Prorector und Profeffor nach Frankfurt a. M., wo er ſowol in der Ver⸗
befferung des Gymnaſialweſens als auch bei dem ftädtifchen Muſeum eine überaus nügliche
Thätigkeit entwidelte. Im 3. 1829 übernahm er das Amt eines Vorftehers der Belehrtenfchule
zu Bremen, wo ex 26. Mär; 1850 flarb. Außer feinen Ausgaben des Herodian (Rpz. 1816)
und des „Corpus poetarum Latinorum” (ff. 1833) verdienen bie trefflichen metrifchen Über-
feßungen der „Elegiſchen Dichter ber Hellenen in ihren Überreften” (Fef. 1826), mie fehr zweck⸗
mäßigen Erläuterungen, und ber „Griech. Anthologie” (2 Bbchn., Stuttg. 1838), fowie bie
geiftvollen Biographien „Kaifer Marcus Salvius Otho“ (Fkf. 1815) und „Quintus Horatius
Flaecus als Menſch und Dichter” (Jena 1844) eine ehrenvolle Erwähnung. Zugleich wußte
ZB. ben Geift des claffifchen Alterthums mit einer warmen Empfänglichkeit für das Große in
ber vaterländifchen Kiteratur zu vereinigen. So erfchienen von ihm „BVorlefungen zur Aſthe⸗
tik, vornehmlich in Bezug auf Goethe und Schiller” (Hannov. 1831); „Die Aſthetik aus bem
Geſichtspunkte gebildeter Freunde bes Schönen“ (2 Abthl. Brem. 1834 — 36); verfchiedene
Kritiken über Goethe's Werke in ben „Sahrbüchern für wiffenfchaftliche Kritik”; die Unter-
fuchung „Goethe's Kauft, eine überfichtliche Beleuchtung beider Theile zur Erleichterung bes
Berftändniffes” (Halle 1836) u. |. w. Ebenfo zog er die Bragen ber Zeit in ben Kreis feiner
Betrachtung, 3. B. in den Schriften: „Uber die myſtiſchen Tendenzen unferer Zeit” (Darmft.
1829); „Über Freiheit; ihre Förderungen, ihre Dinderniffe und ihre Erfcheinungen in den
Staatöformen” (Brem. 1831); „Über Predigerwablen” (Brem. 1842); „Die Reinheit
und bie Flecken des Chriftenthums” (Jena 1847). Seine pädagogifchen anficgen und Grund⸗
füge entwidelte er in ber Schrift „Schule und Keben” (Halle 1837), in den „Offentlihen Re-
den” (2 Bbchn., Jena 1845 — 46) und in ber „Revifion des deutſchen Schulweſens“ (Fkf. 1847).
Weber (Veit), |. Wächter (Georg Phil. Ludw. Leonh).
Weberbiftel, ſ. Karbe. |
BWebſter (Dan.), ausgezeichneter nordamerik. Staatsmann, wurde .18. Jan. 1782 zu
Salisbury in Neuhampfhire geboren. Sein Urgroßvater wanderte 1656 aus England
ein; fein Vater diente im nordamerit. Freiheitökriege, war Mitglied ber Gefepgebenden
Berfammlung von Neubampfhire und farb erſt 1816. Der junge W. erhielt feine Bil-
dung im Collegium zu Dartmouth, zeichnete ſich durch feltene Talente aus. und verbiente
fi) nach beendigtem Lehrcurfus das Geld zum Studium der Rechte durch Errichtung
einer Schule zu Fryburgh. Hierauf ging er nach der Sitte des Landes bei erfahrenen Advoca-
ten, exft bei Thompfon, fpäter bei Ehriftopher Gore zu Bofton, in die Lehre und ließ fih 1807
zu Portsmouth felbft als Advocat nieder. Nachdem er ſich als Sachwalter bedeutenden Ruf
erworben, wurde er 1812 in die gefeggebende Verſammlung von Neuhampihire gewählt, wo
er durch fein Nebnertalent viel Einfluß übte. Um einen größern Spielcaum für feine Fähig-
Zeiten zu gewinnen, ließ er fi) 1817 zu Boſton in Maffachufetts nieder. Im I. 1820 wurte
ex bier zum Mitglied der Sommiflion gewählt, welche Die Revifion der Verfaffung dieſes Staats
beforgen mußte, und gründete in bemfelben Jahre feinen Ruf durch die meifterhafte Rebe, die er
zur Berberrlichung des zmeihundertiährigen Jubiläums der Anſiedelung von Neuengland
bielt. Bald nachher trat er als Deputirter ber Graffchaft Suffolk in Maffachufetts in dad Ne⸗
präfentantenhaus, 1828 aber in ben Senat. Im Congreß ſprach er fich in begeifterter Rede für
die Beftrebungen der Griechen forwie für die Anerkennung und Umterflügung ber ſüdamerik.
Freiſtaaten aus. Mit. Clay erhob er fich gegen Iadfon in ber Bankfrage, die befonders ſelt
Bechabiten BVechſel 131
4852 den Congreß befchäftigte. Er wollte bie Rationalbank aufrecht erhalten und gewann um
fo mehr das Zutrauen der Whigs, ald der Sieg ber Demokraten und die Aufhebung ber Bank
für den Augenbfid die größte Verwirrung Im Verkehr hervorriefen. Sein jährlicher Aufenthalt
zu Waſhington ald Congreßmitglied gab ihm auch Gelegenheit, ald Advocat beim Bundesge-
richt mit dem größten Erfolge au prafticiren. Die Achtung feiner Mitbürger lohnte fein raft-
Iofes Streben, und ſelbſt in England, welches ex 1839 befuchte, wibmete man feinen Beifte und
feinem edeln Charakter hohe Verehrung. Als 1841 ber General Harrifon, ein eifriger Whig,
ben Präfidentenftuhl mit dem Entfchluffe beftieg, dad Bankweſen zu erneuern, ftellte berfelbe
DB. als Stantsferretär an die Spige des Minifteriums. Wiewol Harrifon ſchon nach vier Wo⸗
chen ſtarb, behielt doch WB. dieſes Amt bis 1843 unter der Regierung Thler's. Im Auftrage
deffelben fchloß er 1842 zu Wafhington mit bem brit. Gefandten Lord Afbburton den Vertrag
zur Regulirung der Grenzen, zur Unterbrüdung bes Sklavenhandels und zur Auslieferung
der Verbrecher. Gewiß würde W. bei Tyler's Rücktritt viel Ausſicht auf die Präfidentfchaft
gehabt haben, wenn nicht fortwährend die Demofratenpartei das politifche Übergewicht behaup-
tet hätte. Doch warb er 1845 wieder in ben Senat gewählt und bekleidete feit 1850 zum zwei⸗
ten mal das Amt eines Staatöfecretärs, in welcher Eigenfchaft er die befannte Rote an den öſtr.
Gefchäftsträger Hülfemann richtete, die ein fo große Auffehen in den politifchen Kreifen er-
regte. Er flarb nach kurzer Krankheit auf feinem Landfig Marfhfield in Maffachuferts 24
Det. 1852. W. gehört ohne Zweifel zu den merfwürbdigften Männern, welche die Vereinigten
Staaten hervorgebracht Haben. Der Ruhm und die Ehre feines Vaterlandes gingen ihm über
Alles, und feine vielen Reben, die vorzugsweife bie Wahrung ber amerit. Berfaffung betrafen,
zeigten ihn als einen echten Patrioten. Seine Vorträge empfehlen ſich durch ungewöhnliche
Klarheit und Leichtigkeit in ber Ausführung und durch ſchwunghafte Kühnheit des Stils, zu⸗
gleich mit der größten Strenge in der Debuction, die ihm in Amerika ben Beinamen bes Logi⸗
kers verſchaffte. Sie erfchienen während feiner Lebzeit in drei Bänden (Bofton 185043),
vollſtändiger nach feinem Tode mit einer biographifchen Skizze von E. Everett unter bem Titel
„Speeches, forensic arguments and diplomatic papers of D. W.” (6 Bbe., Bofton 1853).
Bol. Lanman, „Private life of D. W.” (Xonb. 1853).
Wechabiten, |. Bahabiten.
Wechel, eine verdiente Buchdruckerfamilie, welche Deutfchland und Frankreich zugleich an-
gehörte. — Chriſtian W. gründete im dritten Jahrzehnd des 16. Jahrh. eine bald in ganz
Europa geachtete Druderei zu Paris, aus welcher eine ange Reihe griech., lat., hebr. und franz.
Werke hervorging, bie ſich durch bie höchſte Correctheit und gefälligen Druck auszeichneten.
Um bie Gorrectheit feiner Werke machte fi) namentlich fein Freund Friedr. Sylburg fehr
verdient. Als Anhänger ber Reformation und wegen des Vertriebs verbotener Bücher ver-
folgt, mußte er, namentlich) auf Antrieb ber theologifchen Facultät in Paris, Frankreich ver-
laffen. In Deutichland gründete er zu Frankfurt a. M. eine neue Druderei und Buchhand-
lung, bie bald zu gleicher Blüte, wie das frühere Gefchäft, gebiehen. Er ftarb 1554. — Audr.
®., fein Sohn, war in Paris zurüdigeblieben. Er hatte jedoch bald mit feinem Vater gleiches
Schickſal und mußte als Ealsinift 1573 Frankreich verlaffen. Auch er begründete darauf zu-
erft in Frankfurt a. M., dann in Hanau eine bedeutende Öfftein, um berem Werke ſich ebenfalls
Fr. Eylburg und Vince. Opſopäus viele Verdienfte erwarben. Das bedeutende Gefchäft wurbe
nad) feinem 1581 erfolgten Tode durch feine Schwiegerſohne Claude Mary und Jean Aubry
unter dem Namen ber Wechel'ſchen Buchbdruckerei fortgefegt. Im I. 1590 erfchien ein Ka-
talog der in derfelben gebrudten Werke. — Joh. W. war ganz beutfcher Buchdruder, denn
bereits 1583 gründete er in Franffurt, wo er ſchon unter feinem Bater, Andr. W., gearbeitet
hatte, ein anſehnliches Gefchäft, das auch von feinen Erben noch lange Zeit fortgefegt wurbe.
Bechſel ober Wechſelbrief (franz. Leitre de change, engl. Bill of exchange, ital. Lettera
di cambia) heißt das ſchriftliche Verfprechen, durch welches der Ausfteller fich nach dem bafür
geltenden befondern Rechte (Wechſelrecht) verpflichtet, an eine barin genannte Perſon eine ge-
wiffe Summe Geldes zu einer beftimmten Zeit entweder felbft zu zahlen ober durch einen Drit⸗
ten zahlen zu laffen, und welches (in Deutfchland) als Bezeichnung feiner felbft das Wort
„Wechſel“ enthält. Die Entfichung der Wechſel fällt höchſt wahrſcheinlich in die zweite Hälfte
bes 12. Jahrh. und ift beiden Florentinern zu fuchen. Leiſtet der Ausſteller die Zahlung ſelbſt,
fo Heißt der Wechſel ein eigener oder trockener Wechſel: er iſt dann eigentlich ein bloßer mechfel-
mäßiger und wechfelfräftiger Schulbfchein. In Frankreich heißt dieſer fogemannte eigene Wech⸗
ſel Billet, in England Promissory nete. Leiſtet ein Dritter die Zahlung (welche bann in ber
199 Wechſel
Negel an einem von dem ber Ausſtellung verſchiedenen Orte erfolgt), fo heißt er ein gezoge⸗
ner aber trafiirter Wechſel, oder eine Zratte; ift ein folcher Wechſel am Orte ber Austellung
ſelbſt zahlbar, fo Heißt er Platzwechſel oder Platztratte. In Frankreich gelten Platztratten
nicht als Wechfel. In Frankreich, den Niederlanden und England hat jeder Schein, welcher an
Drdre lautet und das Valutabekenntniß (f. Valuta) enthält, Wechſelkraft. Der Nugen ber
Wechſel beſteht Hauptfählich barin, daß mittels derfelben Zahlungen zwiſchen verfchiedenen
Drten ausgeglichen werden koͤnnen unb die koftbare und unbequeme Sendung in baarem Gelbe
erſpart wird. Ein und berfelbe Wechfel kann als Zahlungsmittel durch viele Hände und Drte
gehen und vielfache Verbindlichfeiten ausgleichen. Derjenige Wechſel, welcher dieſe Vor⸗
theile erzeugt, ift aber nur ber gezogene Wechſel, ohne deſſen Wermittelung ber Handel gar nicht
zu feiner gegenwärtigen wichtigen Stellung und Ausbreitung hätte gelaugen können. Das
efegliche Befugniß, ſich mit Gültigkeit in Wechfelverbindlichkeiten einzulaffen, namentlich
echfel auszuftellen, wird die Wechfelfähigkeit genannt. In den wichtigften Handeltreibenden
Staaten, fo auch in Dentfchland (deffen neue allgemeine YBechfelordnung in den meiften beut-
ſchen Staasen 1849 zur Geltung gelangt ift), ift jeder Dispofitionsfühige (d. h. Jeder, welcher
ſich durch Verträge verpflichten kann) wechfelfähig. In den meiſten Staaten bedürfen bie TBech«
fel, ehe ein Gefchäft in Inlande damit gemacht wird, eined Stempels (Wechſelſtempel). Der
Ausſteller Heißt auch Trafſant, Zraffent, Wechſelgeber und juriftifch Wechſelſchuldner; Der,
welcher von Ausfeller den Vedhfel als Eigenthum überfommt, Nemittent, erfter Inhaber,
Wesfelnehmer, juriftifh Wecfelgläubiger. Sobald der Nemittent den Wechfel weitergibt,
vermerkt er bie Eigenthumsübertragung auf der Rückſeite des Documents, und da dieſe Über-
tragung Indoffament oder Giro genannt wird, beißt er dann auch Indoſſant oder Birant.
Sein Nachmann, der folgende Inhaber, ift dadurch Indoſſat, Indoſſatar oder Girat. Gibt
der Inboffat ben Wechfel in gleicher Weiſe weiter, fo wird er feinerfeits zum Indoſſanten, fein
Nachmann gum newen Indoſſaten u. f. w. Derjenige, welcher den Wechſel bezahlen fol, wird
Bezogener ober Zraffat und, fobald er den Wechſel angenommen (acceptirt) hat, Hcceptant
genannt. Derjenige, welcher den Wechſel dem Bezogenen zur Unnahme (Acceptation) oder
zur Zahlung vorlegt, heißt Worzeiger oder Bräfentant, die Vorzeigung auch Präfentation.
Der fchriftliche Vermerk der Annahme heißt das Accept. Die weſentlichen Inhaltsftüde des
Wechſels find: Dre und Zeit (Datum) der Ausftellung, Zeit ber Zahlung bes Wechſels (Ber-
fallzeit), Name des Nemittenten, Wechfelfumme, Unterfchrift des Ausftellere, Bezeichnung des
Begogenen und bed Zahlungsorts; in einigen Staaten außerdem das Valutabekenntniß, in
Deutſchland die Bezeichnung des Documents als Wechſel. Der gezogene Wechſel hat die
um einer kurzen brieſlichen Auffoderung an den Bezogenen, die Zahlung an ben Remittenten
oder deſſen Ordre (deffen Nachmann, welcher im Indoſſament wieder das Recht auf feinen
Nachmann überträgt u. f. m.) zu leiſten. Der eigene Wechſel bat die Form einer Zahlungszu⸗
fage. Der eigene el kann an die Drdre bes Inhabers geftellt werben und in mweitern Um»
lauf kommen: er heißt dann eigener Wechfel an Drbre (franz. Billet a ordre); nur folche
an Ordre geftellte eigene Wechſel Haben in Frankreich und den Niederlanden volle Wechfel-
kraft. Dem gezogenen Wechfel kann man die Möglichkeit der weitern Übertragung ſeitens
des Remittenten nehmen, wenn man on nicht an Orbre ftellt, Tobaß der Inhaber blos ald Be⸗
vellmädhtigter zur Einziehung der Wechſelſumme erfcheint: der Wechfel heißt dann Necta-
wechfel. In Deutſchland gilt jeder Wechſel als „an Ordre“ geftellt und weiter übertragbar,
wenn nicht ausdrücklich das Gegentheil darin vermerkt ift, was durch ben Zufag „nicht an
Ordre ober einen gleichbebeutenden gefchieht. Die Wechfel find entweder Datowechſel, d. i.
die Wechſelfriſt ift in einer gewiſſen Zeit „nach dem Tage ber Austellung” (nad) Dato) ausge»
drückt; ober Sichtwechſel, d. i. die Wechfelfrift iſt in einer gewiffen Zeit „nach ber Vorzeigung
bei dem Bezogenen“ normirt, oder der Verfalltag ift der Tag biefer Vorzeigung ſelbſt („bei
Sicht”, „auf Sicht“, „gleich bei Borzeigung”); ober Tagwechſel, d.i. an genau bezeichneten
Kalendertagen zahlbar. Zu ben Tagwechſeln gehören auch die Ultimowechſel, die am legten
Zage des Wechſelmonats zahlbar find , die Mediowechſel, die in der Mitte (in Deutſchland
am 15. Tage bed Dionatd), Die Meßwechſel, bie an einem gefeglich beflimmsen Tage der Meffe
verfallen. Die Uſowechſel find eine in Deutfchland nicht geltattete Kategorie, fofern fie im
Inlande ausgeftellt find. Der Wechſel „an eigene Ordre“ iſt eine Tratte, welche ber Aus⸗
fteller außfertigt, ehe er noch einen Memittenten dafür weiß, fodaß er fie an feine „eigene
Ordre“ flellt, und die er bei Erlangung eines Nemittenten durch Indoſſament an benfelben
überträgt, wonach dann der Ausſteller zugleich ber erfte Inboffant wird, Domieilirter
Wechfelbegriffe Bechſelſieber 123
VWeqhfel heißt derjenige, welcher an einem andern Orte als dem gewöhnlichen Wohnplatze
des Bezogenen bezahlt wird. Der Zahlplatz beißt dann bad Demiell des. Wechſeis, bee
Bezogene Domiciliant, der Geſchäftöfreund, welcher die Zahlung an deſſen Stelle leiftet,
der Domiciliat. Zu diefen Wechfeln gehören auch die meiſten Meßwechſel (Marktwechſel)
welche im einer beftimmten Meffe zahlbar geſtellt find, wo fie aber gewöhnlich ber am
Mebplage anweſende Bezogene in feinem Meßlocale felbft eintofl. Wenn der bomicilirte
Wechſel ein eigener Wechſel ift, fo heißt er domicilirt ⸗ eigener oder traffirt-eigener Wechſel,
auch eigene Tratte (franz. Billet a domicile), weil er in Hinficht des Umlaufs mie der Tratte
viel Ahnlichkeit gewinnt. Die meiften dieſer Wechſel find zugleich Mefwechfel (eigene Mep-
wechfel). Wenn man im Auftrage und für Rechnung eines Dritten einen Wechſel ausftellt, fe
heißt biefer eine Commiſſionstratte. Wechſel „an jeden Inhaber zahlbar” (au porteur) find in
Deutfdyland nicht geflattet, wol aber in England und, fofern es eigene Wechſel find, in Frank⸗
reich. Die Werhfel find entweder Solaweqhhſel, d. h. nur in einem Exemplare ausgeftellt, oder
fie Haben Duplicate, fodaf dann Prima», Secunda⸗, Tertia⸗Wechſel u. f. w. eriflicen. Ges
wohnlich behält man fi) auch bei den blos ein malausgefertigten Wechſeln die mehrfache Aus⸗
fertigung vor und bezeichnet fie ald „Primamwechfel”. Tälfchlich nennen manche die eigenen
Wechſel Solawechiel. Duplicate werben auögeftellt, entweder um eine verlorene Prima zu er⸗
fegen,, oder (meit häufiger) um den Umlauf umd die weitere Übertragung zu erleichtern.
Iaterimöwechfel find wechſelmäßige Schuldverfchreitumgen (eigene Wechſel) über eine
durch einen erhaltenen Wechſel entfiandene Schuld. Nädweihfel (Ritratte) Heißt berjenige
Wechſel, durch welchen ein Inhaber den Betrag bed vom Bezogenen nicht bezahlten oder
nicht angenommenen Wechſels ſammt Koften auf feinen Vormann traffirt, wozu er im
der Regel berechtigt iſt. Kellerwechſel find jene Art falſcher Wechſel, welche der wirkliche
Ausfieller als an einem entfernten Orte ausgeftellt und an feine Ordre lautend traffirt,
um durch ihre Werpfändung fich auf eine Zeit Tang Geld zu verfchaffen, während ein Be⸗
trug um ben Gelbbetrag in der Megel nicht beabfichtigt if. Wechſelintervention Heißt die im
Sale der Weigerung feitend des Bezogenen durch einen Andern geleitete Anwahme oder
Zahlung (Ehrenannahme, Ehrenzahlung) für Rechnung irgend eines frühern Wechſelbethei⸗
ligten (des Ausftellers oder eines Indoſſanten), welcher legtere dann Honorat genannt wird,
während ber zu feinen Laften annehmende oder zahlende Intervenient auch HRonvraut heißt.
Zu einer folchen etwaigen Intervention wird man gewöhnlich durch einen Nebenvermerk auf
dem Wechſel felbft, die fogenannte Nothadreffe, vom Honoraten aufgefobest. Wechfelreiterei
heißt das wieberholte Zraffiren auf ein Haus, an welches man weder eine Foderung noch ben
Anſpruch auf Wechſelcredit hat, oder das Zraffiren über diefen (vielleicht bereits erfchöpften)
Eredit hinaus, blos um fich durch den Verkauf des Wechfels fchnell Gelb zu verfchaffen. Der
Ausfteller remittirt dann vor Verfall an den Bezogenen und fehafft gewöhnlich auch hierzu bie
Mittel durch eine neue Tratte jener Art, ſodaß die fafl nothwendig folgende Wieberholung der
Operation in der Pegel feinen baldigen finanziellen Ruin zur Folge bat, deſſen Herannahen
überhaupt bie weſentliche Urfacye des Verfahrens if, dem in den meiften Fällen Beine eigentlich
betrügerifche Abſicht zum Grunde liegt. Über die einzelnen techniſchen Ausbrüde beim Wech⸗
ſelverkehr, wie Indoſſament, Präfentation, Accept, Proteft, Negreß, Nefperttage, Aval, Avis,
Dedung, u. |. w., ſiehe außerdem die betreffenden Artikel.
Wechfelbegriffe, f. Correlat.
Wechſel ſeber, Kaltes Fieber (febris intermittens) ifl eine in der Regel dur Sumpf⸗
luft ergeugte Blutentartung, weiche ſich durch eine Anzahl von Fieberanfällen (Baroryömen)
zu erfennen gibt, bie mit vollkommen fieberfreien Zwiſchenzeiten (Apyrerien) regelmäßig ab-
wechfeln. Jeder Fieberanfall fängt mit Fröfteln oder ſtarkem Froſte an, dieſem folgt dann
(nady bis 4—6 Stunden) Hige und diefer ſchließlich ſtarker Schweiß. Neben diefen Anfäl«
len ift beim Wechſelfieber ftetö noch die Milz gefchwollen und in bes Regel auch die Magen-
verdauung geſtört. Nach der Wiederkehr ber Anfälle unterſcheldet man ein reguläre und
em irroguläres, ein vor« oder nachſetzendes, dad ein«, brei- und viertägige Wechſelfieber;
verlarvt wird es genannt, wenn anflatt ber eigentlichen Fieberſymptome anbgpe Krank»
heits erſcheinungen (befonders fogenannte Nervenfchmerzen) nad) regelmäßigen Upyrerien pe
rediſch wiederkehren. Wird bas Wechfelfieber durch Luftveränderung ober China und andere
bergleichen Fiebermittel nicht bald vertrieben, dann bildet fich gewöhnlich bei bleibender Mily
und Leberanfchwellung eine chroniſche Blutentartung aus, weiche allgemeine Waſſerſucht nach
fi) zieht. Die Heilung gefchieht am beften fo, daß gleich nach dem erften oder zweiten Anfa’
124 Wechſelnoten Wechſelwirkung
eine größere Gabe ſchwefelſaueres China genommen wird. Fruͤher ließ man die Kranken ge⸗
wöhnlich ſieben mal tüchtig vom Froſte abfchütteln, ehe das Fieber unterdrückt wurde, und ver-
anlaßte dadurch mahrfcheinlich eine bleibende Milzanſchwellung mit großer Neigung zur öftern
Wiederkehr des Fiebers. Übrigens verliert fich das Wechſelfieber, fobald ber Patient eine rei⸗
nere Luft athmet, auch ganz von felbfl. In tropifchen Gegenden entfprechen unferm kalten
Fieber Wechſelfieber von weit bösartigerm Charakter (das. Sumpf- oder Malariafieber, das
Batavia⸗, Polka⸗, Jungle, Marſch⸗, Klima-, Zropen- und Küftenfieber, das perniciöfe
Mechfelfieber).
BWechfelnoten (ital. note cambiate) find in ber Muſik folge ber Brundharmonie fremde
Noten, welche beim unregelmäßigen Durchgange auf ben guten Zeittheil kommen und fo bie
Stelle der Hauptnoten vertreten; dahingegen durchgehende Noten im engern Sinne auf den
ſchlechten Zeittheil fallen.
Wechſelrecht iſt der Inbegriff der die Wechſel betreffenden Rechte. Das Wechſelrecht ift
gleich andern Theilen des Rechts ein geſchriebenes und ein nichtgeſchriebenes. Jenes gründet
ſich auf ausdxückliche Verordnungen ber gefeggebenden Macht, welche Wechſelordnungen ge-
nannt werben und deren es fehr viele gibt, die nicht felten voneinander abweichen. Faſt jedes
Land hat eine befondere Werhfelorbnung. Die neue allgemeine deutfche Wechſelordnung ift in
den meiften deutfchen Staaten 1849 in Kraft getreten, und nur Kurheſſen, Rupemburg, Limburg
und Liechtenftein Hatten diefelbe bis Ende 1854 noch nicht angenommen. Das nichtgefchriebene
Wechſelrecht Hingegen gründet ſich auf gewiſſe, rechtöbeftändigerweife eingeführte Gewohnhei⸗
ten, bie man aus ben Pareres (f. d.) oder Gutachten ber Kaufleute kennen lernt. Bon biefen
legtern find jedoch die an einigen Orten unter den Kaufleuten eingeführten Ufanzen (ſ. d.), wenn
fie nicht die Eigenſchaft einer gefegmäßigen Gewohnheit haben, unterfhieden. Der Wechſel⸗
proeeß ift in verfchiebenen Ländern meift verfchieden. &o kann 4.3. bei erhobener Wechfelfiage
gegen den fäumigen Wechfelfchuldner nicht überall mit Verhaftung feiner Perſon verfahren,
fondern es muß erſt aus feinem Bermögen die Befriedigung des Gläubigers geſucht werben.
Wechfelrecht nennt man bann auch dasjenige Recht, welches Wechfelbriefe vor andern Schuld⸗
verfchreibungen voraushaben. Die Strenge bed Wechſelrechts beſteht darin, daß, wenn Der
Schuldner nicht zahlt, fogleich die Perſon deffelben angegriffen werben kann, ohne auf feine
Güter Rückſicht zu nehmen. Sich nach Wechſelrecht verbindlich machen, heißt daher, ſich bei
Nichterfüllung feiner eingegangenen Verbindlichkeit derjenigen Strenge unterwerfen, welche
das Wechſelrecht für den Wechſelſchuldner feftgefegt hat. Gegenwärtig iſt e6 auch nicht unge
wöhnlich, bei Yacht-, Mieth-, oder andern Verträgen fich bie Zahlung nach Wechſelrecht ver⸗
ſchreiben zu laſſen. Ein folder Vertrag wird zwar dadurch kein eigentlicher Wechſel, wol abe
entfteht daraus die Wirkung, daß man gegen den fäumigen Zahler nach Wechfelrecht verfahren
kann. Ungeachtet ber Wechfelgläubiger viele Vorzüge vor andern Bläubigern bat, fo finder
boch bei Goncurfen für die Wechfelfoderungen nicht überall eine Priorität ftatt, und die Wech⸗
felgläubiger werben in ben meiften Ländern ben gemeinen Gläubigern gleichgefegt. Die Lite⸗
ratur bed Wechfelrechts ift feit Einführung ber allgemeinen deutfchen Wechſelordnung in
Deutſchland außerordentlich ſtark vertreten. Es find namentlich zu nennen: Thol, „Das Wedh-
felrecht”’ (Bott. 1847); (Kiebe), „Die allgemeine deutfche Wechfelordnung” (Xpz. 1848);
Brauer, „Die allgemeine beutfche Wechfelordnung” (2. Aufl. Erlang. 1851) ; von ältern Wer⸗
ten: Treitſchke, „Encyklopädie der Wechfelrechte” (2 Bde., Lpz. 1830); Meißner, „Coder
ber europ. MWechfelrechte” (Nürnb. 1836); Derfelbe, „Allgemeine europ. Wechfelpraktit”
(Mürnb. 1846) ; Einert, „Das Werhfelrecht nach dem Bedürfniß des 19. Jahrh.“ (Epz. 1839).
Wechſelwinkel Heißen zwei innere ober zwei äußere, auf entgegengefepten Seiten ber ſchnei⸗
denden Linie, aber nicht nebeneinander liegende Winkel, welche entftehen, wenn zwei Parallelen
durch eine dritte Linie geſchnitten werben. Sie find einander gleich.
Wechſelwirkung (mutuum commercium) heißt das Verhältniß zweier gleichzeitig vor⸗
Handenen Gegenftände oder Theile von Gegenftänden, vermöge deffen fie ſich gegenfeitig Durch
ihr Thun und Leiden beftimmen. &o reden wir von der Wechſelwirkung der Glieder eines Dr-
ganismus untereinander, von der Wechſelwirkung bes Beiftigen und Leiblichen, der Seele und
bes Körpers. Welche Dinge und Creigniffe miteinander in Wechſelwirkung ftehen, darüber
entſcheidet zunächft die Erfahrung: Den Sag: daß fein Ding in ber Welt vollig ifolirt und
abgefchloffen fei, drückte die Metaphyſik ehebem dadurch aus, daß fie fagte: „In mundo non
datur insula”, d. b.: Es gibt in der Welt keine Infel. Die Behauptung, daß alle Dinge mit al-
Wechfelwirtsfchaft Bedherlin (Georg Rub.) 135
len in einen gegenfeitigen Sufammenbange fliehen, wie fie 3. B. Kant als ein nochwendiges
Geſeß unfers Denkens aufftelfte, wird freilich burch die Erfahrung nicht beftätigt.
Bechfelwirtbfchaft nennt man gegenwärtig mit entfchiebener Beftimmeheit das Feldſy⸗
ftem, welches früher Fruchtwechſelwirthſchaft (f. d.) genannt ward und bad vornehmlich ein
richtiges Berhältmif des Futterbaus zum Getreidebau erzielt.
Weckherlin (Aug. von), auögezeichneter deutfcher Landwirth, geb. 1794 zu Stuttgart,
erhielt feine erfte landwirthſchaftliche Bildung zu Hofwyl unter der fpeciellen Leitung bes Pro⸗
feſſors Schübler und unternahm bann größere landwirthſchaftliche Reifen. Won denfelben zu-
rückgekehrt, berief ihn 1817 der König von Würtemberg zur Einrichtung und Adminiſtration
feiner Yrivatdomänen; auch erhielt er von dem Könige mehrfache Aufträge zu Reifen nad)
Sachen, Preußen, Belgien, Holland, Italien, der Schweiz, zulept nach Frankreich und Eng⸗
land. Im 3. 1837 folgte er dem Rufe ald Director der land⸗ und forſtwirthſchaftlichen
Lehranftalt zu Hohenheim mit dem Prädicat Geh. Hofbomänenrath und wirkte mit aner-
kanntem Erfolg für diefe Anftalt, bis er 1844 als fürftlich hohenzollernſcher wirklicher Geh.
Rath zum Chef der Domänenbirection für die umfaffenden Befigungen des Fürften ernannt
ward. Um die Landwirthſchaft erwarb er fich hohe Verbienfte durch Einführung und Ber
breitung ber Berbefferungen an dem hohenheimer Pfluge, durch feinen erfolgreichen Kampf
für Hebung ber Viehzucht, durch feine gludfiche und Plare Auffaffung und Empfehlung
ber neueren Wirthſchaftsſyſteme, insbefondere des englifcgen, fowie durch die Einführung
der mehrjährigen Kleegrasfchläge in bie Fruchtwechſelwirthſchaften. Won feinen Schriften find
befonders hervorzuheben: „Landwirthſchaftliche Befchreibung ber Befigungen bes Königs von
Würtemberg” (Stuttg. 1825); „Abbildung der Hausthierracen auf ben Privatgütern bes
Königs von Würtemberg“ (Gtuttg. 1827 — 34); „Die Rindviehzucht Würtembergs” (Stuttg.
1839); „Uber engl. Landwirthſchaft“ (3. Aufl., Stuttg. 1852); „Die landwirthſchaftliche
Zhierproduction” (3 Bde., 2. Aufl. Stuttg. 1851).
Beckherlin (Georg Rub.), deutfcher Dichter des 17. Jahrh, war 15. Sept. 1584 in
Stuttgart geboren. Er fludirte in Tübingen bie Mechte, war aber zugleich mit poetifchen
und allgemein literarifchen Arbeiten befchäftigt. Später machte ex nach der Sitte ber Zeit
eine große Reife durch Frankreich, England, wo er fi am längften aufhielt, mol auch
durch Spanien. Nac feiner Rückkehr wurde er Secretär in ber bergoglichen Kanzlei zu
Stuttgart. Zugleich verherrlichte er als Hofdichter das Haus feines Fürſten. Doch an
größere Berbältniffe von feinen Reifen her gewöhnt, ging er 1620 nach London und er
hielt Hier eine Anſtellung in ber deutſchen Kanzlei, welche während bes Dreißigjährigen
Kriegs errichtet wurde, um bie Verbindung mit dem proteft. Deutſchland leichter zu ber
treiben. W. fcgeint in London großes Unfehen genoſſen zu haben unb zu wichtigen Ge⸗
ſchäften gebraucht worden zu fein. Der Dreifigjährige Krieg zerftörte feine heimifchen
Bamilienverhältniffe und beraubte ihn des väterlichen Erbes; auch ein großer Theil feiner
Jugendgedichte ging zu Grunde. Er felbft blieb in London und ftarb bafelbft wahrſcheinlich
1651. Seine zahlreichen, faft durchaus lyriſchen Gedichte zeichnen ſich durch Friſche des Aus⸗
drucks, Kraft des Gedankens und Wahrheit bes Gefühle aus, wie man es in jenem Jahrhun⸗
bert kaum findet. Die fchönften berfelben find dem deutfchen Vaterlande und dem großen Ver⸗
fechter des Proteftantismus, Guſtav Adolf, gewidmet, und diefer Gefinnung blieb W. auch in
der Fremde treu. Außer den erwähnten Zeitgedichten find befonders feine Ziebes-, Zrin?- und
Kriegblieber von hohem Werthe; einige fpätere Bebichte find von einer großartigen Ironie,
andere von ber keckſten Laune und muthwilligem Scherz erfuͤllt. Die Obe, das Sonett, bie Ek⸗
loge und da6 Epigramm führte er eigentlich zuerſt in die beutfche Literatur ein. Auch trug er
viel zus der immer allgemeinern Anwendung des Alexrandriners nach franz. Vorbilde bei, wäh«
renb fonft ber Einfluß der engl. Dichter bei ihm überwiegt. Dagegen wollte er von ben firengern
metriſchen Gefegen, wie fie Opig einführte, nichts wiffen: er zählte bie Silben und erlaubte
fig manche ſprachliche Härten ; doch leitete ihn dabei ftet# ein feines Ohr für poetiſchen ZBohl-
Hang. DB. kam durch bie regelrechten Dichter ber Schlefifhen Schule bald in Vergeſſenheit,
welcher ihn erſt 1779 Herder entriß. Eine vollfiändige, jegt feltene Ausgabe feiner Dichtungen
beforgte er feibft von London aus (Amft. 1648). Sein großes Gedicht auf Guſtav Abolf’s
Tod wurde daraus von Rühs (Halle 1806) wieberabgebrudt und auch in des „Rnaben Wun⸗
berhorn“ aufgenommen. Eine Auswahl aus feinen Dichtungen nebft Lebens beſchreibung gibt
Düler’s „Sibliothek deutſcher Dichter des 17. Jahrh.“ (Bd. 4). Vogl. Eonz, „Nachrichten
won bem Leben und ben Schriften W.o (Zubwigsb. 1803).
18 Beckherlin (Wir. Ludw.) Wedekind (Aut. Chriftian)
Weckherlin (Wilh. Ludw.), ein vielſeitig gebilbeter Journaliſt, war 1739 zu Bothnang
im Würtembergiſchen geboren. Nachdem er in Tübingen kurze Zeit die Nechte ſtudirt hatte,
ging er ald Hofmeiſter nach Serasburg, dann nad Yarls, wo er befonders Woltaire'& und Lin-
guet's Schriften fludirte und aus ihnen den fpöttelnden, frivolen Ton fog, der feine meiſten
Schriften charakteriſirt. Bald nachher ging er nach Wien und lebte hier von Privatunterricht
und Oelsgenheitsfchriftfiellerei. Sein reicher Wig verfchaffte ihm anfangs viele Freunde, bie
ihm ader durch feine ungerogelte Lebensweiſe und feinen Haug zur Satire wieder entfrembet
wurden. Sehlleßlich zogen ihm die minbeftens [ehr muthwilligen, Denkwürdigkeiten von Bien”
(1777), deren Verfaſſer zu fein er fich, da fie anonym erfshimen waren, thörichterweife rühmte,
Haft und Randesverweifung zu. Er lebte nun nacheinander in Negensbung, Augsburg, Rörd⸗
lingen und zulegt in Baldeingen, einem fürftich Wallerftein’fchen Dorfe bei Mörbiingen.
Überall mar er anfangs willkommen; doch machte er durch feine Satiren, die mehr und mehr in
Schmaͤhſchriften ausarteten, ſich den längern Aufenthalt unmöglich. Für die Verweifung aus
Augsbärg rächte ex fi durch „Unfelmus Rabiofus' Neife durch Deutfchlanb” (1778), die
großes Auffehen machte. Im Nördlingen ſchrieb er bie politifche Zeitfchrift Felleiſen“,
welches er. mit allgemeinern Tendenzen ale „Ehronofogen” (12 Bde, 1779 — 81), „Das
graue Ungeheuer” (12 Bde, 1782—87), „Hyperboreiſche Briefe” (6 Bbe., 1788 — 90) und
„Baragraphen” (2 Bde., 1791) fortfegte. Diefe Zeitfchriften find reich an Witz, Satire, Frei⸗
mütbigteit und Anzüglichkeiten; doch Hatte fih IB. zuletzt merklich ausgefchrieben. Wegen
einer Schmähfchrift gegen die Neichsfladt Nördlingen wurde er von 1788 an auf bem Waller⸗
ſtein ſchen Schloffe Hochhaus vier Jahre in Haft gehalten, biefelbe jeboch mit großer Milde ımb
ohne Störung feiner fchriftftellerifchen Thätigkeit vollzogen. Im 3.1792 begann er in Ans-
bach unter Hardenberg's Schuz eine politifche Zeitung, die, Ansbachſchen Blätter”. Der Ber-
dacht eines Einverftändnifies mit ben Franzoſen erregte, als fich franz. Truppen näherten,
‚ einen Volksauflauf gegen ihn, und bald darauf erhielt er Haudarreſt. Dies ergriff ihn fo, daß
er erkrankte und 24. Nov. 1792 ftarb. W. deffen Charakter und Leben vielfach an Schubart
(ſ. d.) erinnert, hat zur Reinigung und Befferung der höchſt verrotteten Zuftände in bem ba-
maligen Sübdeutfchland viel beigetragen. Da aber perfönliche Beweggründe bei feinen An⸗
griffen oft vorwalteten und feln Charakter nie zur Stetigfeit und Feſtigkeit gelangte, fo wear
auch feine Wirkſamkeit nicht tiefgreifend umd der Werth feiner Schriften Bein bleibenber.
Vgl. (K. J. Weber), „IB. Geift, herausgeg, von IB. jun.” (Stuttg. 1823).
Wedekind (Ant. Chriftian), deutfcher Gefchichteferfcher, geb. 14. Mai 1765 zu Viſſelho⸗
vede im Herzogthum Verben, wurde auf der Michaelisſchule zu Lüneburg und dann auf der
Domſchule zu Werden gebildet und widmete ſich feit 1782 zu Helmſtedt und Böttingen ber
Nechtswiſſenſchaft. Fa lebte er drei Jahre ale Advocat in Hannover und wurde 1790 al
Gerichtoſchreiber zu Reuftabt imterm Hohnftein angeftellt, 4795 aber ale Amtsfchreiber nad
Lüneburg verfegt. Die Fremdherrfegaft in den J. 1805 —13 brachte ihn in fehr peinliche Ber⸗
hältniffe. Seine Anftellung als Pröfeturrach des Depart. Eibemündungen und eine Ver⸗
waltung der Unterpröfeetur des Bezirke Plineburg verbefferten feine Lage nicht. Doch wurden
die Berhättniffe bes Michaeliskloſters zu Lüneburg, bei deffen Bermaltung er betheiligt war,
günftiger, nachbem Cuvier den Zuſtand der Stiftung ımd ber mit ihr verbundenen Lehran ſtalt
perfönfich kennen gelernt und fich fire fie verwendet hatte. Später, nachdem bie beiben Vorſteher
des Kloſters bald nacheinander geftorben waren, führte W. von 181620 Die alleinige Ber-
waltung der Anſtalt. Auf feinen Wunſch murbe er 1832 von den Juſtizgeſchäften befreit, Da-
fire aber Oeramtmann bes feit 1831 in eine Mitterafabemie unıgeflalteten Dich astisfiofters
m Lüneburg. Hier flard er 14. Mär, 1845. Seine literarifche Thätigkeit wurbe faft allein
durch die hm 1797 übertragene Anordnung bed reichhakeigen Kloſterarchivs geweckt und ge-
nährt. Außer ſeinem Unheil an Wagner's Ausgabe des „Chranicon’ des BDiſchofe Dietmar
von Merfeburg (Rürnb. 1807) gehören au feinen erſten Reiftungen die, Welthiſtoriſchen Exrin-
nerungöbfätter” (9. Aufl, Lüneb. 1845) und das „Handbuch der Welt- umb Völkergeſchichte
(Lüneb. 18445 3. Aufl. 18248), das ſich durch zweckmaßige Einrichtung, Reichthum, bedadyt-
fame Auswahl und bündigen Ausdruck Anerkennung gewonnen hat. Nicht minder verbienfHlich
ift fein reichhaltigesChronologifches Handbuch der neuern Befchichte” (2 Bde., Lümeb. 1816),
das den Zeitraum von 1740-1846 umfaßt. In feinen „Roten zu einigen Sefchichtfehreibern
des deutſchen Mittelakter&” (FO Defte oder 3 Bde, Hamb. 1824—37) hat er ſich Derbienfte
um die Gefchichte Hannovers und Norbdeutfchlands erworben. Unter feinen Monographien
find zu erwähnen: „Die Eingänge ber Meffen“ (Lüneb. 1815); „Tabula Waldemari, primi
Wedekind (Georg Chriſtian Bottlieh, Frhr.v.) Sedekind (Brorg Wilh., Schr. v.) 197
regis Daniae” (Ziineb. 1817). Das Ihönfte Denkmal Hat er ſich bei feinem Tode gefegt durch
die Gründung einer Preisftiftung für deutfche Gefchichte, welche unter der Verwaltung der Hifte-
tifch-phifologtfchen Elaffe ber königl. Societaͤt der Wiſſenſchaften in Göttingen von zehn zu zehn
Sahren drei Preife, jeden von 1000 Thlr. m Gold, fir die beften Bearbeitimgen von Gegen⸗
ftänden der deurfchen Geſchichte vertheilen Toll. '
Wedekind (Georg Ehriftian Gottlleb, Freiherr von) wurbe 1764 zu Göttingen, wo fein
Bater Profeffor war, geboren, ſtudirte dafelbſt Mediein und erhielt 1730 bie Doctorwürbe,
worauf er fogfeich Vicephyſikus in Uslar, 1781 Phyſikus In Diepholz wurde und 3785 als
praktifcher Arzt füch zu Mühlheim am Rhein mieberlieh. Im J. 1787 als Leibarzt bes Kurfür-
ften und Profeffor der Mediein nah Mainz berufen, trat er nad) der Eroberung der Stadt durch
bie Sranzofen 1793 ats Hospitalarzt im franz. Dienfte und blieb als ſolcher von 1794 an in
Strasburg. Dur mehre politifche Schriften: „Bemerfimgen über das Jakobinerweſen“,
„Frankreichs okonomifcher und politifeher Zuſtand und deffen Gonftitution vom 3. Jahre der
MRepublik“ (franz. und deutſch, Strasb. 1796) und „Bertraute Briefe der die Revolution vom
48. Bruimmire” (1800), von denen die zweite ihm die fram. Bürgerkrone einbrachte, bie Tegte.
aber anonym erſchien, legte er wol Intereffe an der Franzöſiſchen Revolution, zugleich aber auch
Sinn für gefegliche Ordnung an den Tag. Im 3.1797 trat er feine Profeffur in Mainz wie
der an, wurbe aber 18303 penftentrt und nun Eantonsarzt in Kreuznach, 1805 abermals Mili-
tärarzt umd Profeffor der neuerrichteten Medicinalſchule und Medicinalratch in Mainz, dann
Oberſtabs arzt bes Neſervecorps unter Lefebvre und endlich 1808 Keibarzt des Großherzogs don
Heffen, Geh. Hofrath und in den Freiherrenfland erhoben. Ex ftarb 28. Ort. 1831. Bon feinen
zahlreichen Schriften, die fi über Mebiein, Philofophie, Politik, Maurerei und felbft Theolo⸗
gie verbreiten, fmb noch befonder® zu erwähnen: „Allgemeine Theorie der Entzündungen und
ihrer Ausgänge” (2pz. 1792); „Rachricht über das franz. Kriegshospitahvefen” (2 Bbde., Lpz.
4797); „Abhanbfung von den Kuhpoden” (Baf. 3802); „Über die Muhr” (ef. 1811); „Cie
nige Blide in die Lehre von den Entzündungen und Fiebern überhaupt” (Darmfl. 1814);
„ber den Werth ber Heilkunde” (Darmfl. 1816); „Prüfung bes homöopathiſchen Suftems
von Hahnemam“ (Darmft. 1822); „Uber ben Werth bed Adels und über bie Anſprüche des
Zeitgelftes auf Verbefferung des Adelsinftituts (2 Bde, 2. Aufl, Darmft. 1818); „Bruch⸗
ftüde über Religion” (Darmfl. 1817); „Der Pothagoräifche Orden“ (Apz. 1820); „Baur
ftüde für Freimanrer” (2 Sammlungen, Gieß 1820— 21). -
Wedekind (Georg Bith., Freiherr von), großherzogl. hefl. Geh. Oberforfirath, der Sohn
des Borigen, geb. 28. Juli 1796 zu Strasburg, beſuchte 1805—8 das Gymnaſium zu
Mainz und bie 1811 das zu Darmſtadt, ging hierauf 1812 auf die Univerfirdt zu Göttingen
und 1813 nad) Dreißigacker, um fich bafelbft als Forſtmann vollftändig auszubilden. In dem⸗
felben Jahre noch wurde er Afſeſſor bei dem Forflcollegium zu Darmſtadt. Bald nachher ftellte
er ſich als freiwilliger Jäger zum Feldzuge gegen Napoleon unb machte als Sleutenant bes In-
genieutcorps ben Feldzug nad) Frankreich unter dem Prinzen Emil von Heffen mit. Nach
Beendigung bes Feldzugs Lehrte er nad) Darmſtadt zurüd, wo er feinen Dienft bei bem Ober⸗
forftcollegium wieber antrat und Commandant ded zweiten Bataillons der hefſ. Landwehr
wurde. J. 1815 fegte er feine Studien in Gottingen fort. Im folgenden Jahre unter⸗
nahm er eine große forſtliche Reife und erhielt ben Titel als Forſtmeiſter. Bon 181620 war
er Mitglied bes Oberforficolegtums und 1824 wurde er Oberforſtrach. Im I. 1848 zum
Sch. Oberforſtrath ernannt, ward ihm 41852 auf wiederholtes Anfuchen feine Werfepgung in
den Ruheſtand bewilligt. Als einem Biberalen verweigerte ihm die Staatsregierung bei mehr-
maliger Erwählimg zur Tandftändifchen Wirkſamkeit den Urlaub: Nach ber Märyrevolutton
von 1848 ward ee m ba6 Vorparlament gewählt, Außer feiner bienfllichen Stellung befleibete
er noch mehre Ehremämter. So mar er Vicepräfident des Bereins zur Berbefferung des Zu⸗
ſtandes ber Juden in der Provinz Starkenburg, Tangjähriger Dirertor des Gartenbauverein®,
Beneralfecretär ber Eifenbahngefellfchaft zu Darmſtadt u. ſ. w. Seine bebeutendfien Schriften
find der „Grundriß zu einem Syſtem ber Forſtſtatiſtik (By. 1818); „Beiträge zur Kenntniß
des Forſtwefens m Deutfhfand” (A Hefte, Lps. 181921); „Berfuch einer Forſtverfafſung
im @eifte der Zeit” (2p. 1821); „Anleitung zur Forſtverwaltimg und zum Korfigefhäfts-
betriebe“ (Darmfl. 1834); „Anleltung zur Betriebsregulirung md Holzertragsfhägung der
Forſten“ (Darmft. 1834); „Umtiß bee Forſtwiſſenſchaft für Staatsbürger und Stantögelehrte”
(Altona 1839); „Encyklopaͤdie der Forſtwiſſenſchaft“ (Stuttg. 1847)3 „Reue Jahrbücher
der Ferſikunde (erſte Folge, pz. und Darmft., 182850; zweite Folge, Fkf. 1851 fg.).
128 Wedel⸗Jarlsberg Wegſcheider
Seit 1847 iſt W. alleiniger Herausgeber ber „Allgemeinen Forſt⸗ und Jagdzeitung“, bie er
Schon feit 1840 bauptfächlich leitete.
Wedel - Jarlsberg (Joh. Kasp. Herm., Graf von), norweg. Staatsmann, murbe
21. Sept. 1779 zu Montpellier geboren als der ältefte Sohn bes dän. Minifters Ant. Grafen
von W., der Damals ben Gefandtfchaftspoften am londoner Hofe bekleidete, und in England
erzogen. Er fludirtein Kopenhagen die Rechte und Staats wiſſenſchaften, zugleich aber auch Phi⸗
Iologie, deren Studium ihm bei feltenem Sprachtalent zur Lieblingswifienfchaft wurde. Ausge⸗
rüſtet mit einem Reichthum von Kenntniffen, trat er 1800 in dän. Dienfle und wurde Amtmann
in Buskerud bei Drammen. Rach bem Tode feines Vaters erbte er bie Grafſchaft Jarlöberg am
Meerbufen von Chriſtiania. Im Kriege mit Schweben 1808—9 bildete und führte er ein eige-
nes Freicorps. Seine Humanität hatte ihm ein ſolches Zutrauen bei den Schweben erworben,
daß 1810 bei der Wahl eines Thronfolgers Mehre im Bürger- und Bauernftande ſich für ihn
intereffirten. Als der Kieler Friebe von 1814 Norwegen von Dänemark trennte, erklärte er
fi, ale Mitglied der conftituirenden Neichöverfammlung zu Eib6vold und des erſten auferor-
bentlichen Storthing in Ehriftiania, unummunden für eine Bereinigung mit Schweden, weil
Norwegen zu erfchöpft fei, um fich als vereingelter Staat behaupten zu Tonnen. Deshalb als
Derräther angefehen, büßte er bie allgemeine Zuneigung ein, deren er fich bisher erfreut hatte.
Als nun aber doch bie Vereinigung Norwegens mit Schweben zu Stande fam, wurde er fofort
vom Könige zum norweg. Staatsrat und Chef des Finanz⸗, Handels - und Zollbepartenents
ernannt, welchem er bis 1822 vorftand. Damals zogen die Aufnahme einer Staatsanleibe in
Berlin und andere willfürliche Maßregeln ihm eine Anklage vor dem NMeichögericht zu, welches
ihn freiſprach. Indeß noch ehe das Urtheil gefällt war, hatte er feinen Abfchied genommen und
fi) auf feine Güter zurüdgezogen, die er aufs mufterhaftefte verwaltete. Indeſſen warb er wie⸗
der zum Mitglied des Storthing gewählt, in welchem er fich durch liberale Befinnung, Kennt⸗
niffe, hellen Blick umd Leichtigkeit bes Vortrags auszeichnete. Wiewol feine Befundheit fehr
geſchwächt, übernahm er doch 1836 die Würde eines Statthalters von Norwegen, zu einer Zeit,
wo es galt, die allgemeine Unzufriedenheit zu befchwichtigen. Er befaß ununterbrochen das
Vertrauen bes Königs, deffen Intereffen er aber auch aufs forgfältigfte wahrnahm, während
ex bie Intereſſer der Ration in vielen Fällen zurückſetzte, wie fich namentlich auf dem Storthing
von 1859 deutlich zeigte. W. flarb im Bade zu Wiesbaden fchnell 27. Aug. 1840.
Wedgwood iſt eine nach ihrem Erfinder benannte Gattung engl. Steinguts, bie ſich durch
Härte, Feinheit und Schönheit auszeichnet. Es war Joſfiah Webgwoob, ein armer Töpfer
aus der Grafſchaft Stafford, geb. 1730, der in dem legten Drittel des 18. Jahrh. zunächft ein
blaßgelbes Steingut von großer Dauerhaftigkeit und trefflichem Glanze und fpäter noch mehre
anbere Sorten erfand, die indeffen nicht alle unter feinem Namen bekannt find. Seine große
Fabrikanlage unweit Neweaſtle in der Graffchaft, Stafforb wurde zu einem eigenen Flecken,
ben er Etruria nannte; die Hauptnieberlage der fänmtlichen Erzeugniffe befindet fih zu
Kondon. Auch in mehren Zweigen der Naturwiffenichaften bewandert, erfand W. ein nach
ihm benanntes Pyrometer (f. b.), das ein unverbientes Aufſehen erregte. Er flarb 1795.
(&. Botteries.) -
Weenir (Job. Bapt.), ein nieder. Maler, geb. 1621 zu Amfterdam, der Schüler Abrah.
Bloemaert's und Hondekoeter's Schwiegerfohn, hielt fich einige Jahre in Italien auf, arbeitete
dort viel für große Herren und begab ſich dann nach Utrecht, wo er 1660 flarb. Seine Heinen
Landichaften, Thierftücde und Geſchichten find ſehr fauber ausgeführt, aber etwas eintönig,
feine Zeihnungen und ſechs geägte Blätter außerordentlich felten. — Einen noch größern Auf
erlangte fein Sohn Joß. We geb. zu Amſterdam 1644, ber nur kurze Zeit bed Vaters Unter
richt genoß. Inbem W. die Natur auf eigenem Wege verfolgte, erlangte er zwar nicht wie fein
Vater in allen möglichen Darftellungen, doch befonder# in der Darftellung bes Thierifchen eine
große Meifterichaft. Ex flarb zu Amfterdam 1719. Gtillieben, Hirfch- und Schweinsjagben,
beren er einige für den Kurfürften von ber Pfalz, Johann Wilhelm, malte, Iebendige und todte
Thiere bat er mit einer unerreichbaren Naturwahrheit und mit großem Farbenzauber dargeſtellt.
Schöne Werke von ihm befigen bie Galerim in München, Dresden und Amfterbam.
Wegmeſſer, ſ. Hodometer.
Wegſcheider (Jul. Aug. Ludw.), proteſt. Theolog, ein Hauptvertreter des Nationalismus,
wurde 17. Sept. 1771 zu Kübbelingen im Braunſchweigiſchen geboren. Er bildete ſich auf den
Schulen zu Helmftedt und Braunſchweig und ftubirte in Helmftebt TBeologie. Hierauf wurbe
Bebrgeld Beichſel 199
er Schrer am daſigen Paͤdagegium und dann Hauslehrer in Hamburg, wo er bas Studium ber
Lheologie und Philofophie, vorgügli der Kantichen, fortfegte und zuerſt 1797 als Schrift:
fleller auftrat. Im 3. 1805 ging er als theologifcher Repetent nach Göttingen. Bei feiner
Habilitation dafelbft ſchrieb er die geiflvolle Abhandlung „De Graecorum mysteriis religioni
non obtrudendis” (@ätt. 1805), welder die „Einleitung in das Evangelium des Johannes“
(Bött. 18086) folgte. Im J. 1806 wurde er Doctor ber Theologie in Göttingen und ging dann
ale ordentlicher Profeſſor der Theologie und Philoſophie nad) Rinteln. Auch bier war feine
Wirkſamkeit als theologifcher und phllofophifcher Lehrer fehr erfolgreich. Bei ber Aufhebung
biefer Univerfität 1810 wurde ex als orbentlicher Profeſſor der Theologie nach Halle verfegt, mo
ſich der Kreis feines Wirkens beträchtlich erweiterte. Gleichzeitig erſchien von ihm „Der erfle
Brief des Paulus an ben Timotheus, neu überfegt und erflärt, mit Beziehung auf bie neueften
Unterfinhuchungen über bie Authentie befielben” (Gott. 1810), worin ex fi) gegen Schleier
macher s Zweifel an der Authentie biefed Briefe mit Gewandtheit ausfpradh. Seine Vorlefun-
gen betrafen neuteftamentliche Eregefe, Dogmengeſchichte und Dogmatit. Als Handbuch feiner
Borlefungen über die Glaubensichre ließ er die „Institutiones theologiae chrislianae dogma-
tieae” (Halle 1815; 8. Aufl, 1844 ; deutſch von Weiß, Halle 1831) exfcheinen, in denen das
rationaliftifche Princip confequent durchgeführt ift. Liebe und Achtung von Seiten feiner Amts»
genoffen und ber ſtudirenden Jugend entichädigten ihn für bie Angeberei, mit welcher 1830 feine
und ſeines Gollegen Geſenius Lehrnorträge verdächtigt wurden. Er flarb zu Halle 27. Jan. 1849.
Wehrgeld, f. Wergelb ; Wehtwolf, |. Werwolf. |
Beib, f. Grauen ımd Geſchlecht.
Beibild Heißt der zu einer Stade gehörige Gerichtsbezirk, bisweilen auch bie Stadt ſelbſt
mit ihrem Gebiet, gewöhnlich aber die Stadtflur außerhalb der Ringmaneen ; endlich bezeichnet
man damit das Stadtrecht, welches innerhalb des Stadtgebiets entſtanden und in Geltung ge
Tommen und nady welchem alle Streitigkeiten und Gewaltthätigkeiten, die innerhalb des Weich-
Bildes vorfielen, entſchieden werben follten. Das Wort kam feit bem 12. Jahrh. in Gebrauch
unb wird gewöhnlich vom althochbeutichen wih (= vicus, Stadt) und Bild, d. i. Siegel der
Stadt, abgeleitet. Nach Eichhorn ift das Wort daher entftanden, bag man bie Grenzen bes
©tabtgebiess bei ben bifhöflichen Städten, in welchen fich die Städteverfaflung zuerft ent-
wickelte, durch Aufflellang von geweibten Bildern oder Grucifigen zu bezeichnen pflegte.
Meichert (Jonathan Aug.), Philolog und Schulmann, geb. 18. San. 1788 zu Ziegra bei
Döbeln in Sachſen, kam trefflich vorbereitet auf die Univerfität zu Wittenberg, wo er fich mit
allem Eifer ben altelaffifchen Studien widmete und 1809 die Stelle als Conrector, bald darauf
ald Rector am bortigen Lyceum erhielt, nachbem er fich vorher noch durch Vertheidigung feiner
Abhandlung „De Nonno Panoplitano” (Wittenb. 1810) Habilitirt hatte. Im J. 1814 nahm
er die ihm angetragene fechöte Profeffur an ber Lanbesfchule zu Meißen an, wurde 1818 als
vierter Profeffor an die zu Grimma verfept, im folgenden Jahre dem Rector fubflituirt und
1825 zu deſſen Nachfolger ernannt. Cine lange Reihe von Jahren wirkte er bier mit außer»
ordentlicher Energie und trug weſentlich zur Blüte diefer Anſtalt bei. Im J. 1843 feines Amts
entbunben, flarb er 23. Juli 1844. Unter W.'s Schriften, die ſich durch große Belefenheit,
Sicherheit inder Kritik und Reichthum bes Wiſſens auszeichnen, find zu nennen: „Epistola cri-
tica de Caji Valerii Flacci Argonauticis” (23.1812); die Ausgabe des Pomponius Melia (Lpg.
1816) und bes achten Buchs der „Argonautica” bes Valerius Flaccus (Meif. 1818); ferner
das Hiftorifch-Britifche TBerk „Über das Reben und Gedicht des Apollonius von Rhodus“ (Meiß.
1821); vorzüglich aberdie trefflichen Arbeiten: „Poetarum Latinorum Hostii, Laevii, Caji Lici-
nii Calvi, Caji Helvii Cinnae, C. Valgii Ruf, Domitii Marsi aliorumque vitae et ocarminum reli-
quiae” (29,.1830); „De Lucii Varii et Cassii Parmensis vita et carminibus” (Grimma 1836);
„Lectionum Venusinarum libellus” (Grimma 1845); „Imperatoris Augusli scriptorum
reliquiae” (Grimma 1846).
Beichſel, poln. Wista, lat. Vistula, einer ber wichtigften Ströme des preuf. Staats und
ber wichtigfte des Königreichs Polen, entftcht öfttich von Jablunka in Oftreichifch"Schleften,
in dem großen, 2700 €. zählenden Dorfe Weichſel aus der Vereinigung ber Weißen, Kleinen
und Schwarzen Weichſel (Biala, Molinta und Ezorna), die an und nahe dem 4175 8. hohen
Großen Baranio in den Beskiden entfpringen. Vom Dorfe Weichſel, wo der Fluß einen 1808.
hohen Waſſerfall bilbet, geht er in einem von felfigen Rändern begrenzten Thale bis zur Stadt
Schwarzwaſſer, wo er daB Gebirgsiand verläßt, fließt dann über Krakau, hierauf auf der
Qusirker Zehnte Aufl, XV. a 9
10 Beichfelzopf
Grenze zwiſchen Galizien und Polen bis zur Einmündung bes San, unterhalb Ganbo-
mir. Nahe unterhalb der Sanmündung bei Zawichoft tritt die Weichſel ganz auf das
yoln. Gebiet, ducchfließt daffelbe in einem weiten gegen Weſten geöffneten Bogen, und zwar
zuerft nordwärts, verläßt bei Pulawy das fühpoln. Plateau, behält aber noch bie zur Mün⸗
dung der Pilica ein biß auf . DM. eingeengtes Thal zwiſchen ſteilen, bewaldeten Rändern. Bon
Pulawy an burchfließt fie die weite, fruchtbare Ebene zwifchen niedrigen Ufern, 800— 1500
Schritt breit, über Warfchau und Moblin, dann nad) Einmündung des Bug wefl- und nord⸗
weitwärts, auf der rechten Seite nieder von hohen Steilufern begleitet, über Plock und
Dobrzyn. Als ein 2850 F. breiter Fluß tritt fie fodann auf das preuß. Gebiet, 2 M. oberhalb
Thorn, mo auf dem linken Ufer bewaldete, dünenartige Hügelreihen ſich erheben. Bon Fordon
an, unterhalb der Mündung ber Brahe und bes Brombergerfanals, burchbricht fie, über Kulm,
Schweg und Graudenz gegen Rorbnordoft, zulegf gegen Norden fließend, den preuß. Lanbrüden
in einem tief eingefchnittenen, breiten und fruchtbaren Nieberungsthal, in bem fie mehrarmig
zwiſchen fchön bemaldeten Infeln und Sandwerbern in großer Breite dahin fließt. Bei Mewe
unterhalb Marienwerber ift der Durchbruch vollendet, und e8 eröffnet fich die preuß. Weichfel-
nieberung, ein fehr fruchtbares, aber oft verheerenden überſchwemmungen ausgefeptes Delta,
land. In demfelben theilt fi die W. bei der Montauer Gpige zunächft in zwei Arme, von
denen der öftliche, die Rogat genannt, bei Marienburg vorüber fließt und nad; einem Laufe von
faft 7 M. mit 20 Mündungen in das Frifche Haff ſich ergießt, deren eine (bie öftliche) durch ben
a M.langen Kraffuhlkanal (1795 angelegt) mit der Elbing verbunden wird. Der weſtliche
rm, bie Weichſel, theilt fi, nachdem er Dirſchau berührt Hat, an dem fogenannten Danziger
Haupt, unter dem Dorfe Käfemark, abermals: ber öftliche Arm, die Alte oder Elbin-
ger Weichſel, 3 M. Tang, ergießt fi mit 14 Mündungen ebenfalls in das Friſche Haff
der weſtliche ſchwächere, der Verſandung befonders unterworfene Arm, bie Neue ober Dan-
ziger Weichfel, 424 M. lang, fließt an Danzig vorüber und ergießt fich bei ber Feſtung Weid-
felmünbe in die Oftfee. Doch ift dieſe Mündung, die Rorderfahrt, nur noch für Kähne fahr-
bar, ba ſich Sandbänke bavor gelegt haben. Der eigentliche Hafen und bie Einfahrt in bie Weich-
fel für Danzig wich durch einen Kanal, bie Weſterfahrt ober Reufahrwaſſer, gebildet, ber be-
reits im 17. Jahrh. durch eine tiefe Sandbank, die Platte, Durchgebaggert wurde, durch Schleu⸗
Benmwerke gegen Berfandung gefichert ift und jährlich einen bedeutenden Koftenaufmand erfobert,
um bie in Die See gehenden Molen gegen VBerfandung zu f[hügen. Der Hafen hat bei der Mün⸗
dung 13 F. im Innern mindeftens 11 $. Tiefe; ein neuer Kanalbau, auf 120 8. Breite und
18 $. Tiefe projectirt, hat 1844 begonnen. Während des Eisgangs 1840 bahnte fich am 2.
Bebr. der Strom noch eine neue Mündung, bie Meuführer Weichfel, indem er zwiſchen Neu-
fähr und Bohnfad, 2 M. öftlich von Danzig, die ſchmale Nehrung durchriß und in nördlicher
Richtung in die Oftfee floß. Allein auch dieſer Durchbruch iſt gegenwärtig ſchon fehr verfanber.
Die ganze Ötromlänge der Weichfel beträgt 130 M. Durch zahlreiche Nebenflüffe, von denen
aber nur der San, der Bug und die Brahe für die Schiffahrt von Wichtigkeit find, wird
das Flußgebiet auf 3550 AM. erweitert. Schiffbar wird die Weichfel ſchon bei Krakau,
aber für größere Fahrzeuge erſt bei Zamwichoft, nach Aufnahme des San. Im mittlern und
untern Laufe wird indeß die Schiffahrt Durch große Maſſen von Sand und Lehm, bie bald da,
bald dort zu Bänken und Infeln zufammengetrieben werben, gehindert und gefährdet. Die
Weichſel liefert viele und gute Fiſche. Der größte Vortheil aber, den fie Polen gewährt, ift bie
bequeme Ausfuhr der Kandeserzeugniffe an Getreide, Holz u.f.w., die auf einer großen Anzahl
von Schiffen und Flößen jährlich nach Danzig gebracht und von da ausgeführt werben. Die
Bauten der preuß. Oſtbahn, welche bei Dirſchau den Strom auf einer großartigen, überaus
Foftfpieligen Brüde überfchreiten wird, haben auf die Weichfel einen fehr wefentlichen Einfluß
gehabt. Durch den Brombergerkanal fteht fie mit der Nege und fo mit der Warthe und Ober
in Verbindung. Krakau in Galizien, bie Alexandercitadelle bei Warſchau und Modlin in
Holen, Thorn, Graudenz, Danzig mit Weichfelmünde in Preußen find bie feften Punkte,
welche den Strom beberrfchen. Vgl. Pfeffer, „Die aflerverhältmiffe ber Weichfel und No⸗
gat” (Danzig 1849); Kalbus und Brandflätter, „Die Weichſel von ihrem Urfprung bis zu
ihrer Mündung” (Danz. 1852 —53); Brandftätter, „Die Weichſel, Hifterifch, topographifch
und malerifh” (Marienwerber 1853).
Weichfelzopf, Wichtel- oder Jubenzopf (plica Polonica , trichoma) iſt eine ftarfe gopfe
artige ober tappenähnliche Verfilzung ber Haare (gewöhnlich des Kopfes, doch auch des Bar⸗
tes und ber Achfel«, fowie der Schambaare), welche durch eine zwifchen denfelben befindliche kle⸗
Weichthiere Beiden 131
brige Materie zu Stande zu kommen ſcheint. Dieſe Materie ſoll nach Cinigen von den Talg⸗
drüfen, nach Andern von den Haarbälgen (Haarkeimen) abgeſondert werden. Manche fegen diefe
Abfonderung mit einem Allgemeinleiden in Verbindung, während Andere den Weichſelzopf für
gar keinen kranken Zuftand halten, fondern für eine Haarverfilgung, bie bei dem in Polen herr-
ſchenden Vorurtheile, als heile die Plica alle Krankheiten, durch unterlaffene Reinigung des
Kopfes und durch Anhäufung von Schmug und Refiduen der Hautausbunflung zwifchen ben
Haaren erzeugt werde. Nach Gümburg ift der Weichfelzopf von der Entwidelung Pryptoga-
mifcher Pflangen (Mycoderma plicae, Trichomaphyton) abhängig, die (Sporen und Thallus-
fäden) ſich zwiſchen der Wurzelfcheide und dem Haare unter dem Oberhäutchen und im Marke
bes Haare befinden und eine Auftreibung mit Zerfplitterung (dadurch die Verfilgung) beffel-
ben erzeugen follen. Dagegen finden fich nad) von Walther diefe Kryptogamen niemals in den
Haaren, fondern immer nur zwiſchen benfelben und koönnen wol die Verwirrung der Haare be»
fordern helfen, find aber nicht alleinige Urfache derfelben. Hebra hält bie Plica für eine näffende
Flechte des Kopfes bei unreinlichen Perfonen, Cazenave für eine Talgdrüſenkrankheit der Kopf⸗
baut. Die beim Weichfelzopfe an den Daaren und Haarorganen gemachten Beobachtungen
find folgende: die Haare follen nach Einigen Prankhaft verändert (angeſchwollen, fucculenter,
pilzehaltig), nad) Andern gar nicht und bisweilen unbebeutend verändert fein (heller, gefpalten,
brüdiger); die Hebrige Materie zwifchen den Haaren ift nach Manchen eine (nach ranzigem
Bette) übelriechende, leimartige Slüffigkeit, nach von Walther im frifchen Zuftanbe breiartig,
nach Münter eine gelblihbraune, Blebrige Maffe, die beim Trocknen körnig erſcheint. Bei ge
nauerer Unterfuchung biefer Materie fand man darin Epidermisfchuppen, Fäden von Wolle,
Seide und Baummolle, Sandkörner, Pilze, Infekten und eine amorphe feinkörnige Maffe.
Falſcher Weichſelzopf wird eine Berwirrung ber Haare niebern Grades genannt, welche offen-
bar durch Unreinlichkeit entftanden ift. Abfchneiden der verfilsten Haare und Waſchungen mit
grüner Seife heilen den Weichfelzopf, ohne daß deshalb andere Krankheiten entfländen.
Weichthiere, ſ. Mollusken.
Weide (Salix) heißt eine Pflanzengattung aus der Familie der Salicineen, die zahlreiche als
Bäume und Sträucher vortommende, ſchwer zu unterfcheidende Arten enthält. Die Afte find
. meift biegfam, die Blätter lanzettig. Die Kägchen entwideln fich vor den Blättern. In ökono⸗
mifcher Hinſicht find die Weiden von großem und mannichfahem Nugen. Zwar geben bie
Stämme nur wenig werthvolles Nug- und Brennholz, doch gebraucht man die Kohle der Sahl-
weide (S. caprea) zum Zeichnen und zur Bereitung bes Schießpulvers, die Rinde von dieſer
und der weißen Weide (S. alba) zum erben des dan. Handſchuhleders, forwie zum Färben.
In Folge eines eigenthümlichen, darin enthaltenen Alkaloide (Sallcin) wird bie Rinde der wei⸗
fen Beide, der Purpurweide (S. purpurea), ber Bruchmeide (S. fragilis) und der Lorberweide
(S. pentandra) gegen Wechfelfieber angewendet. Die bei den meiften Weiden, mit Ausnahme
ber Bruchweide, fehr zähen und biegfamen Zweige dienen ben Böttchern zur Fertigung von
Reifen, ferner zum Faſchinenbau, zu nıancherlei Flechtwerk, befonders die ber Korbweibe (S.vi-
minalis) zum Binden von Heden, zur Anfertigung von Körben u. |. w. Da bie Weiden an
Sümpfen und vielen folden Orten vorzüglich gedeihen, wo Bein anderer Baum fortlommt, ba
fie ferner das Abhauen ihrer Ziveige (Köpfen) fehr gut vertragen und dann fogar nur un fo
üppiger und rafcher treiben, werden fie überall fehr häufig angepflangt. Außerdem vervielfältigen
fie füch leicht durch ihre Zweige und die geringften Stedlinge ohne Spige und bilden in kurzer
Zeit Dichte Gehege, weshalb man fie zur Befeſtigung der Ufer und Dämme anmwenbet. Hierzu
eignet ſich namentlich die Korbweide. Die aus dem Driente ſtammende Zrauerweibe (S. Baby-
lonica) wird wegen ihrer fehönen hängenden Zweige bei und häufig auf Gräber gepflanzt.
Eine Abänderung davon iſt bie Rapoleonsweide (S. annularis) mit fchnedenförmig zufam-
mengeroliten Blättern. . .
Weiden oder Biehweiden kann man eintheilen in natürliche oder wilde und in künſtliche
ober cultivirte. Die erflern find, die Fett und Marfchweiden an den Strömen ausgenommen,
felten gut beftanden. 2egtere find folche, mo der Boden, zweckmäßig vorbereitet, entweder von
felbft bewächſt, oder mit paffenden Weidepflanzen befäet wird. Sie gewähren auf gleichem
Raume in ber Regel mehr Nahrung als jene und ernähren daher auf einer kleinern Fläche die⸗
felbe Anzahl Thiere beffer. Die cultivirten Weiden werden entweder mit Weidepflanzen or-
dentlich beftellt (künſtliche Weiden), oder man überläßt das Bewachſen der Ader mit Weide
pflanzen der Natur (Dreifch- oder Dreefchfelber und Eggarten). Erftere find ge legtern *
-
t
132 Beidig Beigel (Karl Chriſtian Leber.)
zuzichen. Künftliche Weiden werben gebilbet, wenn man in ben wohl vorbereiteten und in gutem
Düngerftanbe befindlichen Boden, der im Frühjahr oder Sonmer mit einer Sommerfrucht be»
ftellt wird, mit diefer zugleich Weidepflanzen fäet. Außer diefen Weiden kommen noch vor:
a) die Stoppelweide, melde auf den Beldern nach der Ernte vor einem neuen Umbruch ſtatt⸗
findet; b) die Brachweide ober die Behütung der brachliegenden Felder ; c) die Vor⸗ und Nach⸗
weiden auf den Wiefen im Frühjahr und Herbft und d) die Waldweide. Alle diefe Weiden find
entweder dem Grundbefiger allein auftehenbe oder communliche, d. 5. folche, welche außer dem
Grundeigenthümer noch von Andern gemeinfchaftlich, oft ſelbſt mit Ausſchluß des Erftern,
vermöge einer auf dem bemweibeten Grundſtück Laftenden Servitut benugt werden. — Koppel-
weiden nennt man Beiden, die mehre Communen gemeinfhaftlich benugen. — Weidewirth⸗
Schaft ift dad Feldſyſtem, bei welchem ein Theil des Areals zu mehrjähriger Sommermweibe für
bas Vieh benugt wird. (S. Koppelhwirthſchaft.) — Weiderecht, ſ. Hutungsrecht.
Weidig (Friedr. Ludw.), ein heſſ. Pfarrer, befannt durch fein Schickſal als politifch Ver⸗
folgter, wurde 15. Febr. 1791 zu Obergleen im Naffauifchen geboren, wo fein Vater, der fpäter
nad) Busbach in ber Wetterau kam, Oberförfter war. Nach guten Studien zu Butzbach und
Gießen bekleidete er feit 1811 das Conrectorat, dann das Mectorat an ber Tat. Schule zu Bup-
bach. Er bewies fich Schon feit 1813 als deutfcher Patriot, verwickelte fich aber in die polttifchen
Beftrebungen ber dreißiger Jahre und warb nach dem Frankfurter Attentat, an dem er nicht
perſönlich theilnahm, polizeilich verhaftet, jedoch ſchon nach einigen Wochen wieder freigelaffen.
Nach der gegen feinen Willen erfolgten Verfegung an die Pfarrei Obergleen wurde er wieder
im April 1835 von neuem verhaftet. Er war angeflagt der Abfaffung und heimlichen Ber-
breitung revolutionärer Drudichriften, fowie der Mitwiſſenſchaft und einer jedenfalls fehr pro»
blematifch gebliebenen Mitwirkung am Frankfurter Attentat ımd einigen damit in Verbindung
geftandenen vorbereitenden Unternehmungen. Manche Gerüchte über die während ber Unter
fuhungshaft zu Darmftadt an ihm verübten Mishandlungen hatten fich fehon verbreitet, als
man 23. Febr. 1837 erfuhr, daß fi ZB. mit den Scherben einer zerbrochenen Glasflafche ben
Hals fowie die Adern an Armen und Füßen durchfchnitten habe und mehre Stunden darauf
geftorben fei. Nicht fehr Tange darauf farb auch feine Gattin am Nervenfieber und gebroche
nem Herzen. Selbſt W.'s politifche Gegner gaben ihm das Zeugniß eines ſtreng fittlichen Xe
bene, einer feltenen Kraft der Aufopferung und einer von jedem Flecken ber Selbftfucht reinen
Liebe für das Wohl, die Freiheit und Macht feines deutfchen Vaterlandes: ein Urtheil, das
feinem Weſen nach ſelbſt in die offictelle „Darlegung der Hauptrefultate aus den wegen ber
revolutionären Eomplote der neuern Zeit in Deutfchland geführten Unterfüchungen” überge⸗
gangen ift. Bei der in Deutfchland herrfchenden Cenſur war es möglich, daß Jahre lang über
WB. Behandlung im Kerker nur Bruchftüce zur Öffentlichkeit gelangten, bis endlich die von
feinen Brüdern gegen den Unterfuhungsrichter Georgi erhobene Befchuldigung des an W.
verübten Kerkermords eine Befprechung der Sache in weiterm Kreife und eine zahlreiche Kite»
ratur über den merkwürdigen Eriminalfall veranfaßte. Als Baum widerfprochenes, auf amt-
lien Zeugniffen und mancherlei Enthüllungen beruhendes Refultat drang hiernach wenigftens
bie Aberzeugung durch, daß W.s Unterfuchumgsrichter zugleich deffen perfönlicher Feind und
Anfallen von Säuferwahnfinn ausgefegt gewefen, und daß die wahrfcheinliche Veranlaſſung
von W.'s Tode eine im Widerſpruch mit einer ausdrücklichen gerichtlichen Weifung an ihm
verübte Lörperliche Mishandlung gewefen fei. Diefe Überzeugumg erhielt dadurch weitere Be⸗
flätigung, daß über das Verfahren gegen W. keine weitere amtliche Rachforſchung angeſtellt
wurde. Beſonders aber ward das Schickſal W.'s häufig als Veifpiel angeführt, wie nothwen⸗
dig es fei, an die Stelle des heimlichen Verfahrens die Offentlichkeit treten zu Iaffen. Außer
mehren Heinern Schriften ift W. Verfaffer einer Anzahl fehr inniger Gedichte, gefammelt in
„Gedichte Dr. F. 2. WS. Zum Beften feiner Rinder herausgegeben von einigen Freunden“
(Mand. 1847). Uber feinen Proceß find befonders zu vergleichen: „Der Tod bes Pfarrers W.“
(Zür. und Winterth. 1843); Nölfner, „Actenmäßige Darlegung des Verfahrend gegen W.“
(Darmſt. 1844), und inshefondere Schulz und WWelder, „Geheime Inquifition u. ſ. w. Schluß
vergab mit vielen neuen Actenftüden über den Proceß IB.” (Karler. 1845).
eife, ſ. Haspel.
‚Weigel (Karl Ehriftian Leber.), gelehrter Arzt, geb. 1. Dec. 1769 zu Leipzig, zeigte ſchon
frühzeitig eine befondere Vorliebe für die griech. Sprache und Riteratur, die er bei dem häufigen
Umgange mit den damals In feiner Baterftadt lebenden Griechen auch auf die Kenntniß der neu⸗
griech. Sprache ausdehnte. Nachdem er feit 1785 in Leipzig und Göttingen die Arzneiwiſſen-
Weigel (Balentin) 133
ſchaft gründlich ſtudirt, bereifte er Frankreich, Italien und bie Schweiz, lebte hierauf einige
Jahre in Wien, wo er Dollmann in feinem Bemühen unterflügte, den in Dimüg gefangen ge«
haltenen Lafayette zu befreien, und kehrte 1796 nach) Leipzig zurüd. Hier hielt er als Private
bocent mehre Jahre Vorlefungen, ließ fich 1799 als praktiſcher Arzt in Meißen nieder, um zu-
gleich ungeflörter die auf den Bibliotheken bes Auslandes zur Herausgabe der griedy. Ärzte
gemachten Sammlungen zu ordnen, vertaufchte aber ſchon 1801 feinen Aufenthaltsort mit
Dresden und war bafelbft namentlich für Einführung der Kuhpodenimpfung thätig. Wegen
bes Vorſchubs, den er mehren kranken ruff. Offizieren geleiftet, wurbe er im Sept. 1813 auf
Napoleon’s Befehl in die Feftung Erfurt gebracht. Als er nach wenigen Monaten feine Frei-
heit wieder erhalten hatte, zeichnete man ihn durch Titel und Orden vielfach aus. Gr flarb 17.
Jan. 1845 zu Dresden. Außer mehren Beiträgen zu mediciniſchen Zeitfchriften und zum
„Supplementband” von Schneider's „Griech.deutſchem Wörterbuch” gab er den Aretaus,
„De pulmonum inflammatione” (%p;. 1790), „Aetianarum exercitationum specimen“ (Rpz.
4791), mit Kühn die „Ital. mediciniſch⸗chirurgiſche Bibliorhet” (Rpz. 1793 fg.) Heraus und
überfegte Strambi’6 Werk „Uber den Pellagra” (Rpz. 1796). Auch war ex der Exfte, der ein
„eugriech.-beutfch-ital. Wörterbuch” (Lpz. 1796) und ein „Deutfch-neugrieh. Wörterbuch”
(2pz. 1804) lieferte. — Weigel (Joh. Aug. Gottlob), jüngerer Bruder des DVorigen, geb. zu
Leipzig 23. Gebr. 1773, befuchte die Nikolaifchufe, Ternte bann von 1789 an in der Gleditſch'⸗
ſchen Buchhandlung und übernahm 1793 unter ber Aufficht Leich's die Keitung der ehemaligen
Müller'ſchen Buchhandlung. Nach feines Vaters Tode wurde ihm im Jan. 1795 deffen Stelle
als Auctionator bei der Univerfität übertragen. Hierauf errichtete er eine antiquariſche Buch⸗
handlung, deren Umfang ber von ihm herausgegebene Katalog unter dem Titel „Apparatus li-
terarius” (2p3. 1807; 2. Aufl. 1821; neuefte Aufl., 1834) betunbet. Sodann begründete er
eine eigene Berlagshandlung, aus der eine Menge auögezeichneter, vorzüglich philologifcher
Werke hervorgegangen ift, deren Herausgeber er zum Theil mit feinen eigenen Sammlungen
unterflügte. Da bei neuen Ausgaben von Claſſikern die Herausgeber fich nicht ohne bebeuten-
den Aufwand die Materialien verſchaffen konnten, fo legte er felbft Sammlungen von Collatio⸗
nen ber Handſchriften und ungedrudkten Arbeiten dev Gelehrten über Schriftfteller an. Was er
darin geleiftet, zeigen die Ausgaben des Ronginus von Weiske, des Euripides von Matthiä,
des Plato von Stallbaun, des „Eiymologicum Gudianum‘’ von Sturz u. |. w. Zugleich war
er ein eifriger Kunftfreund und Kunfttenner; er befaß eine trefflihe Sammlung yon Drigi-
nalhanbzeichnumgen (nun im Befig feines Sohnes Rudolf, welcher eine Auswahl davon 1853
anfing in treuen Facſimiles herauszugeben), Gemälden, Kupferftichen, Rabirungen und xylo⸗
graphifchen Arbeiten (letztere jest im Befig von Theodor Oowald W.). Eine Beſchreibung
derfelben erfchien unter dem Titel „Üprenlefe auf dem Felde der Kunſt“ (3 Abth. Lpz. 1836—
45). Er ftarb 25. Dec. 1846, nachdem er einige Sahre vorher feine Stelle als Proclamator
niedergelegt und das Gefchäft feinem jüngften Sohne, Theod. Oswald W., geb. 1812, über
geben hatte. Letzterer fegt baffelbe in weiterer Ausdehnung fort. Er befigt eine außerordent-
lich reihe Sanımlung von pylographifchen Werken, einzelnen älteflen Holzichnitten, befonder®
auch von fogenannten gefchrottenen Blättern aus ber früheſten Zeit der Kupferſtechkunſt;
ferner eine große Sammlung von Autographen, befonders der Reformatoren und der Helden des
Dreifigjährigen Kriegs. — Sein zweiter Sohn, Rudolf W., geb. 1804, im Geſchäfte feines
Vaters und auf Reifen in Deutfchland, Holland und England gebildet, errichtete 1831 in
Leipzig ein eigenes Kunftgefchäft, über beffen Beſtand er einen wiſſenſchaftlich geordneten
„Runftlager- Katalog” (Abth. 1—25, Lpz. 1835535) herausgab. Auch lieferte er die Litera⸗
tur zu Rumohr's „Holbein” und Supplemente zu Bartſch' „Peintre-graveur” (Bd. 1, 2pʒ.
4843), fowie aus feinen Collectaneen Zufäge zu verfchiedenen in feinem Verlag erfchienenen
kunſthiſtoriſchen Büchern, wie z. B. zu Choulant’6 „Geſchichte der anatomifchen Abbildun⸗
gen”, Beder’s „Jobft Ammann” u. ſ. w. Er felbft gab heraus „Holzfchnitte berühmter Mei⸗
fier” (Ep. 1851 — 54, mit 74 Bacfimiles, Fol.).
Weigel (Valentin), Stifter ber Weigelianer, einer myſtiſchen Sekte des 17. Jahrh., geb.
4533 zu Großenhain in Sachfen, wurde 1567 Pfarrer zu Ifchopau und flarb 10. Juni 1588.
Er Hatte die Schriften des Theophraftus Paracelfus und Tauler's gelefen und glaubte darin
geheimnißvolle Weisheit gefunden zu haben, die er in feine Erbauungsbücher übertrug. Seine
Schriften wurden zum Theil erft Iange nach feinem Tode von dem Cantor Weichert herau?-
gegeben (1614 — 21) und erregten großes Auffehen. Wir nennen feine „Kirchen- und
Poſtill über die Evangelien”; „Principal und Haupttractat von der Belaffenheit”; „Das
134 Weigl Weihnachten
lein vom Gebet” ; „Der güldene Gryff, d. i. Anleitung, alle Dinge ohne Irrthum zu erkennen,
vielen Hochgelehrten unbekannt und doch allen Menſchen zu wiſſen nothiwendig” (1578).
W. fpricht in diefen Schriften viel vom innem Lichte, von ber Salbung im Menfchen, ohne
welche alles Lehren und Unterrichten umfonft fei. Daher nennt er auch die Theologie, die auf
Univerfitäten vorgetragen wird, eine falfche; die wahre beftehe in der Erkenntniß feiner felbft,
nämlich woraus, durch men und wozu der Menfch gefchaffen und geordnet fei. Er nennt alle
Geſchöpfe Ausflüffe des göttlichen Wefens. In Anfehung der Lehre von der Dreieinigkeit
und von Chriffo hatte er von dem Firchlichen Kehrbegriff ganz abweichende Meinungen; ben
Werth des äußerlichen Gotteödienftes und die Geiftlichen der proteft. Kirche fegte er fehr herab.
Verſchiedene feiner Schriften wurden auf Tandesherrlichen Befehl 1624 zu Chemnig öffentlich
verbrannt, aber fie hatten ihm bereitö eine Menge Anhänger erworben. Unter diefen, den foge-
nannten Weigelianern, wurben am befannteften Jef. Stiefel, geft. 1627, und fein Neffe Ezech.
Meth, geft. 1640, welche fih für Incarnationen Chrifti und des Erzengel! Michael hielten.
Auch Fat. Böhme (f. d.) war Weigelianer; aber mit Unrecht wurde Arnd (1. d.) bazu gerechnet.
Weigl (of.), geſchätzter Operncomponift, geb. 1766 zu Eifenftadt in Ungarn, wo fein
Vater erfter Violoncellift der fürftlich Eftechagy’fchen Kapelle war, machte feine muſika⸗
lifchen Studien in Wien unter Joſ. Haydn, Albrechtöberger und Salieri, der ſich ihn ald Ge⸗
hülfen in ber DOperndirection wählte. Unter Kaifer Leopold wurde er Kapellmeifter ber ital.
Dper. In feiner Oper „L’uniforme” fang bei der Aufführung zu Schönbrunn die Kaiferin
Maria Therefia felbft die erfte Partie. In Folge der Ablehnung eines Rufs nach Stuttgart
erhielt er eine lebenslängliche Anftellung in Wien, wo er 3. Febr. 1846 ftarb. W. hat fehr
viele ital. und deutfche Opern gejchrieben; fein Hauptwerk ift die „Schweizerfamilic” (1809),
ein Werk, dad noch jegt gern gehört wird und feinen Ruf begründet hat. Unter feinen Ora⸗
torien, die würdevoll und meifterhaft gefchrieben find, ift zu erwähnen „La passione di Gesü.
Für die Kammer hat er wenig gefchrieben. |
MWeibbifchof Heißt in der kath. Kirche ein hoher Geiftlicher, der, zum Biſchof (f.d.) geweiht,
fein wirkliches Bisthun befigt, fondern den Titel nach einem ehemaligen, jegt in der Gewalt
der Ungläubigen (in partibusiinfidelium) befindlichen Biſchofſitze erhält und für einen Bifchof -
oder Erzbifchof die geiftlichen Gefchäfte verrichtet. Nur die Fürftbifchofe in Deutfchland hatten
fonft Weihbifchöfe, weil fie felbft zu fehr mit der Regierung ihrer Länder befchäftigt waren.
Sept aber Haben auch Bifchöfe, die Feine weltlichen Regenten find, Weihbifchöfe, welche im Er»
ledigungsfalle das bifchöfliche Amt verwalten.
Weihe, f. Priefter; Weihkeſſel, |. Weibwaſſer.
Weihnachten (gekürzt aus der altdeutfchen Formel ze wihen nahten, „zu’ oder „an den
heiligen Nächten“) oder das Ehriftfeft, das Gedächtnißfeſt der Geburt Jeſu, ift nicht vor dem
4. Jahrh. als chriftliches Hauptfeft gefeiert worden. Uber Jahr, Monat und Tag der Geburt
Chriſti gab es weder eine fchriftliche Nachricht, da daB Evangelium Lucä eben nur erzählt, dag
fie in der Nacht erfolgt fei, noch auch hatte ſich eine mündliche Überlieferung geftaltet und noch
viel weniger ein Streit (mie über die Dfterzeit) erhoben, und folches darum, weil bie erften Chri⸗
ften den Tag des Todes, als den Beginn ber wahren Verklärung zum Leben, viel höher achteten
als den Geburtötag und mithin auch ihre firchlichen Gebächtnißfefte immer auf bie betreffen.
den Todestage verlegten. Deshalb fand auch die Beftfegung bed Weihnachtöfeftes auf den
25. Dec., welche zugleich mit ber Feier felbft im A. Jahrh. von Gallien ausging, allgemeine
Annahme, zunächſt in der abendbländ. und dann auch in ber morgenländ.griech. Kirche. Das
Meihnachtöfeft ward nicht nur die Mutter vieler einzelnen fpätern Fefte, zu denen namentlich die
Marientage gehören, fondern es wurden auch vom 5. bis zum 8. Jahrh. mehre theil® ältere,
theild neu auflommende Fefte mit ihm in unmittelbare Verbindung gefegt, ſodaß ein Weih-
nachtscyklus entftand, ber ſich vor allen andern hriftlichen Feftgruppen durch reiche Mannich-
faltigkeit des Stoffe auszeichnet und den nach Zweck und Gegenftand fich orbnenden und über
das ganze Jahr fi vertheilenden fuftematifchen Ausbau der gefammten Firchlichen Feſtfeier
zum Abſchluß forderte. (S. Feft- und Feiertage.) Als Vorbereitung auf die Ankunft (ad-
ventus) des Herrn in deren breifacher Beziehung, im Fleiſche, im Geifte und zum Gericht, und
nach der Birchlichen Symboli zugleich dem dankbaren Andenken an die den Bätern gemorbene
Verheißung und Erfüllung geweiht, flellte man im Abendlande eine drei« bis viermöchentliche
Adventszeit (f. Advent) voran und ließ mit ihr zugleich das neue Kirchenjahr beginnen, waͤh⸗
rend die griech. Kirche den Abvent ſchon mit dem 14. Nov. anheben läßt und diefen ſcharfen
Jahres abſchluß nicht kennt. Der Ehriftnacht und dem erften Hauptfeiertage ber Geburt Chriſti,
Weißggätäiend Beifwaffer 138
als bem-eigentlichen Feſtkerne, folgte baun als feria seounda ber ſchon lange vor bem A. Jahrh.
gefeierte Bebächtniftag des heil. Stepbanus, ber zuerſt fein chriſtliches Bekenntniß als Märty
ter mit feinem Blute befiegelt hatte; dann al6 feria terlia der Gebächtniftag des Apoſtels Jo⸗
hannes, der Chriſti innigfter Sreund geweſen war umb fein Evangelium begonnen hatte mit der
Verkündigung: „Das Wort warb Fleifch”, und darauf ferner 28. Dec. das ebenfalls ſchon viel
früher eingeführte Heft der Unfchuldigen Kinblein, welche die erſten Märtyrer des kommenden
Chriſtenthums waren unb nebft den Makkabäern allein aus dem alten Bunbe in die hriftliche
Feſtfeier herübergenommen wurben. Am achten Tage nad) ber Geburtsfeier trat Hinzu das
Feſt der Befchneidung unb Namengebung, daran gemahnend, baf Chriſtus auch bie Bedingun⸗
gen und Pflichten des nationalen umb bürgerlichen Lebens erfüllt habe; das bürgerliche Neu-
jahre jedoch warb von ber Kirche erft fpät und ungern damit verbunden. Den Beſchluß endlich
machte am 6. San. und den nächftfolgenden Sonntagen das Epiphaniasfeft mit feinen Anhängen
(f. Epiphania), frühzeitig eingeführt und reich an Inhalt, da es die fogenannte Anbetung ber
heil. drei Könige, die Reinigung Maria's, bie Darftellung Jeſu im Tempel, feine Jugend»
geſchichte, feine Kaufe und fein erfte® Wunder zu Hana, zugleich aber auch die weltbürgerliche
Anficht des Meſſiasreichs, die Berufung der Heiben in fich befaßte. Nicht zufällig und willkür⸗
lich mar das Gedächtnißfeſt ber Geburt Chriſti auf den 25. Dec. gelegt worben. Unter den ver-
ſchiedenen und zum Theil nicht hinlänglich befannten Urfachen, welche dazu mitgewirkt hatten,
war weitaus bie wichtigfle und folgenreichfte diejenige, daß faft alle Religionen und Volker bie
Winterſonnenwende als einen höchſt bebeutfamen Zeitpunkt auffaßten, als ben Beginn des er-
neuten Lebens und Wirkens ber Naturkräfte und ber aus Symbolifirung und Perfonificirung
berfelben Heruorgegangenen Götter. Wie folches fich in nörblichern Gegenden befonders fühlbar
machen mußte, fo betrachteten namentlich auch bie Kelten und bie Germanen diefe Zeit von Al⸗
ters ber als eine hochheilige Feftzeit. Die Germanen feierten zur Winterſonnenwende ihr gro⸗
Ges, der Umkehr des feurigen Sonnenrades (angelfächf. hveol, altnord. hiol, faterländ. jule)
geltendes Julfeſt und glaubten in den vom 25. Dec. bis zum 6. Ian. reichenden Zwölf Näch⸗
ten (ſ. d.) ein perfönliches Umziehen und Eingreifen ihrer großen Götter, bes Wuotan, der Berchta
u. ſ. w., zu verſpüren. Biel von dem betreffenden Glauben und Brauche bes german. umd wol
auch bes rom, Heidenthums ift in das Chriſtenthum übergegangen und hat fich theilmeile bie
auf dieſen Zag erhalten. Die Kixche aber fuchte tiefgervurzelten heidniſchen Sinn und Feſt⸗
brauch dadurch erfolgreich zu bekämpfen und zu verbrängen, daß fie zu ber übrigen Ausbildung
ihrer-tiefgebachten Liturgie auch einen äußerlichen Reiz hinzufügte, durch finnliche Darfiellung
Deſſen, was bie geheiligte Überlieferung von Chriſti Geburt und erften Lebens ſchickſalen er⸗
zählte. So entſtanden die ſogenannten Krippel und eine Menge von Weihnachtsliedern und
Weihnachtsdramen, die zeit- und ftrichweife fogar ſtark ausarteten zu Narrenfeften (ſ. d.), in
gemäßigser Form ſich aber in einzelnen Fath. Gegenden noch bis jegt auch im firchlichen Ge⸗
brauche erhalten haben ; ferner die mit Kichtern und Gaben geſchmückten Chriſtbäume, die Sitte
des gegenfeitigen Beichentens, dad Herkommen gewifler eigenthümlicher Feſtſpeiſen, als Chrift-
fiollen, Striezel, Huzel⸗ ober Klögenbrot, Mohnklöſe u. dgl. So ward Weihnachten ein allge
meines Sreudenfeft für Jung und Alt, für Hoch und Niedrig in einem Maße, wie es fein ande
res hriftliches Feſt werden Eonnte. Bgl. Augufli, „Denkwürdigkeiten aus der chriftlichen Ar⸗
chäologie“ (Bd. 1, Lpz. 1817); Strauß, „Das evang. Kirchenjahr” (Berl. 1850); Weinhold,
Meihnachtsſpiele und Lieder aus Suͤddeutſchland und Schlefien“‘ (Gräg 18535); Sandys,
„Christmas carois” (Xond. 1833); Desfelbe, „Chrisimas-tide” (Zond .1852), und die verfchie-
beuen von Sandys verzeichneten Sammlungen der franz. „No&ls‘.
Weihnachtsland, ſ. Ratal. |
Beihranch (Thus) heißt das Harz des ind. Weihrauchbaums (Boswellia sorrata), eines
in Dftindien wachfenden anfehnlihen Baums aus der Familie der Amyrideen, mit gefieberten
Diättern und traubigen, fünfblätterigen, blaßrothen Blüten. Das aus feiner Rinde ſchwitende
Harz kommt theils in blaßgelben Tropfen (auserlefener), theild in unregelmäßigen bräunlichen
Stüden (gemeiner Weihrauch) in den Handel, hat einen fcharf aromatiſchen Geruch und wurde
fonft äußerlich als Arzneimittel, befonbers aber als Raͤucherwerk gebraucht. Als folched kann⸗
ten ihn ſchon Griechen und Hebräer, die ihn aus Arabien erhielten, daher arab. Weihraud.
Die röm. und griech. Kirche wenden ihn feit Konſtantin's d. Gr. Zeit beim Eultud an.
Weihwaſſer wird das geweihte Waſſer genannt, das meifl in den am Eingange ir
Schiff kath. Kirchen befefligten Weißkeſſeln oder Weißbecken enthalten ift und mit d
Gin: und Austretenden fich zu befpsengen pflegen. Neligiöfe Reinigungen vor bem U
®
O
128 Wedel⸗Jarlsberg Wegſcheider
Seit 1847 iſt W. alleiniger Herausgeber ber „Allgemeinen Forſt⸗ und Jagbzeitung“, bie er
Schon feit 1840 hauptſaͤchlich leitete.
Wedel⸗Jarlsberg (Joh. Kasp. Herm., Graf von), norweg. Staatsmann, wurde
21. Sept. 1779 zu Montpellier geboren als ber ältefte Sohn des dan. Miniſters Ant. Grafen
von W., der damals den Befandtfchaftspoften am londoner Hofe bekleidete, und in England
erzogen. Er fiudirte in Kopenhagen die Rechte und Staatswiffenichaften, zugleich aber auch Phi⸗
lologie, deren Studium ihm bei feltenem Sprachtalent zur Kieblingswiffenfchaft wurde. Ausge⸗
rüſtet mit einem Reichthum von Kennsniffen, trat er 1800 in dän. Dienſte und wurde Amtmann
in Buskerud bei Drammen. Rach dem Tode feines Vaters erbte er die Grafſchaft Jarlsberg am
Meerbufen von Chriftiania. Im Kriege mit Schweben 1808—9 bildete und führte er ein eige⸗
ned Sreicorps. Seine Dumanität hatte ihm ein ſolches Zutrauen bei den Schweden erworben,
daß 1810 bei der Wahl eines Thronfolgers Mehre im Bürger- und Bauernftande fi für ihn
intereffirten. Als der Kieler Friede von 1814 Norwegen von Dänemark trennte, erflärte er
fich, als Mitglied ber conftituirenden Neichöverfammlung zu Eidsvold und des erften außeror-
dentlichen Stortbing in Chriftiania, unummwunden für eine Bereinigung mit Schweben, weil
Norwegen zu erfchöpft fei, um fich als vereingelter Staat behaupten zu Tonnen. Deshalb als
Derräther angefeben, büßte er die allgemeine Zuneigung ein, deren er fich bisher erfreut hatte.
Als nun aber doch bie Vereinigung Norwegens mit Schweden zu Stande kam, wurde er fofort
vom Könige zum norweg. Staatsrath und Chef bes Finanz⸗, Handels» und Zollbepartements
ernannt, welchem er bis 1822 vorftand. Damals zogen die Aufnahme einer Staatdanleihe in
Berlin und andere willtürliche Maßregeln ihm eine Anklage vor dem Meichögericht zu, welches
ihn freifprach. Indeß noch ehe das Urtheil gefällt war, Hatte er feinen Upfchied genommen und
fi auf feine Güter zurückgezogen, die er aufs mufterhaftefte verwaltete. Indeffen ward er wie⸗
ber zum Mitglieb bes Storthing gewählt, in welchem er ſich durch liberale Befinnumg, Kennte
niffe, hellen Blick und Leichtigkeit bes Vortrags auszeichnete. Wiewol feine Befundheit fehr
geſchwächt, übernahm er doch 1836 die Würde eines Statthalters von Norwegen, zu einer Zeit,
wo es galt, die allgemeine Unzufriedenheit zu befchwichtigen. Er befaß ununterbrochen das
Vertrauen bes Königs, beffen —5 er aber auch aufs ſorgfältigſte wahrnahm, während
ex bie Intereſſen der Nation in vielen Fällen zurücfegte, wie fich namentlich auf dem Storthing
von 1839 deutlich zeigte. IB. flarb im Bade zu Wiesbaden ſchnell 27. Aug. 1840.
Wedgwood iſt eine nach ihrem Erfinder benannte Gattung engl. Steinguts, die ſich durch
Härte, Feinheit und Schönheit auszeichnet. Es war Jofiah Webgwoob, ein armer Töpfer
aus ber Grafſchaft Stafford, geb. 1730, der in dem legten Drittel des 18. Jahrh. zunächft ein
blaßgelbes Steingut von großer Dauerhaftigkeit und trefflichem Glanze und fpäter noch mehre
andere Sorten erfand, bie indeffen nicht alle unter feinem Namen bekannt find. Seine große
Sabritanlage unweit Newcaftie in der Graffchaft, Stafforb wurde zu einem eigenen Flecken,
ben er Etruria nannte; die Hauptniederlage der ſämmtlichen Erzeugniffe befindet fich zu
Zondon. Auch in mehren Zweigen der Naturwiffenfchaften bewandert, erfand W. ein nach
ihm benanntes Pyrometer (f. d.), das ein umverbiente® Aufſehen erregte. Ex farb 1795.
(&. Bottertes.) -
Weenix (Job. Bapt.), ein nieder. Maler, geb. 1621 zu Amfterdam, ber Schüler Abrah.
Bloemaert's und Hondekoeter's Schwiegerfohn, hielt fich einige Jahre in Italien auf, arbeitete
dort viel für große Herren und begab fich dann nach Utrecht, wo er 1660 flarb. Seine Heinen
Landfchaften, Thierftüde und Geſchichten find fehr fauber ausgeführt, aber etwas eintonig,
feine Zeichnungen und ſechs geägte Blätter außerordentlich felten. — Einen noch größern Ruf
erlangte fein Sohn Jo. ., geb. zu Amſterdam 1644, ber nur kurze Zeit des Vaters Unter
richt genoß. Indem IB. bie Ratur auf eigenem Wege verfolgte, erlangte er zwar nicht wie fein
Dater in allen möglichen Darftellungen, doch befonders in ber Darftelung des Thierifchen eine
große Meifterfchaft. Er farb zu Amfterdam 1719. Stillleben, Hirfch- und Schweinsjagden,
deren er einige für ben Kurfürften von der Pfalz, Johann Wilhelm, malte, lebendige umd tobte
Thiere hat er mit einer unerreihbaren Naturwahrheit und mit großem Barbengauber bargeftellt.
Schöne Werke von ihm befigen die Galerien in München, Dresden und Amſterdam.
Wegmeſſer, ſ. Hodometer.
Wegſcheider (Jul. Aug. Ludw.), proteſt. Theolog, ein Hauptvertreter bes Rationaltemus,
wurde 17. Sept. 1774 zu Kübbelingen im Braunſchweigiſchen geboren. Gr bildete ſich auf ben
Säulen zu Helmſtedt und Braunſchweig und ſtudirte in Helmftedt Theologie. Hierauf wurche
Wehrgeld Beichfel 199
er Lehrer am daſigen Paͤdagogium und dann Hauslehrer in Hamburg, wo er das Stubium bee
Theologie und Philoſophie, vorgüglich ber Kant'ſchen, fortſette und zuerſt 1797 als Schrift-
fieller auftrat. Im 3.1805 ging er als theologiſcher NRepetent nach Göttingen. Bei feiner
Habilitation dafelbft fchrieb er die geiftvolle Abhandlung „De Grascorum mysteriis religioni
non obtrudendis” (@ött. 1805), weicher die „Einleitung in das Evangelium des Johannes“
( Gõtt. 1806) folgte. Im I.1806 wurde er Doctor ber Theologie in Göttingen und ging dann
als ordentlicher Profeffor der Theologie und Philoſophie nach Rinteln. Auch bier war feine
Bırkfamteit als theologiſcher und philofophifcher Lehrer fehr erfolgreich. Bei der Aufhebung
biefer Univerfität 1810 wurde er ald ordentlicher ‚Drofeffor ber Theologie nad) Halle verfegt, mo
ſich ber Kreis feines Wirkens beträchtlich erweiterte. Gleichzeitig erfchien von ihm „Der erſte
Brief des Paulus an den Zimotheus, neu überfegt und erklärt, mit Beziehung auf die neueften
Unterfuchuchungen über bie Authentie befielbtn” (Gott. 1810), worin er fi gegen Schleier
machers Zweifel an der Authentie dieſes Briefs mit Gewandtheit ausfprach. Seine Vorleſun⸗
gen betrafen neuteflamentliche Eregefe, Dogmengefdichte und Dogmatik. Als Handbuch feiner
Borlefungen über die Glaubenslehre ließ ex die „Institutiones theologiae christianae dogma-
tioae” (Halle 1815; 8. Aufl, 1844; deutſch von Weiß, Halle 1831) exfcheinen, in denen das
rationaliſtiſche Princip confequent Durchgeführt ift. Liebe und Achtung von Seiten feiner Amts⸗
genoffen und der ſtudirenden Jugend entſchädigten ihn für bie Angeberei, mit welcher 1830 feine
ines Gollegen Geſenius Lehrvorträge verbächtigt wurben. Ex ftarb zu Halle 27. Fan. 1849.
Wehrgeld, ſ. Wergeld ; Wehrwolf, ſ. Werwolf.
Beib, ſ. Frauen und Geſchlecht.
Beichbild Heißt der zu einer Stadt gehörige Gerichtsbezirk, bisweilen auch die Stadt ſelbſt
mit ihrem Gebiet, gewöhnlich aber die Stadtflur außerhalb der Ringmaneen; endlich bezeichnet
man damit bad Stadtrecht, welihes innerhalb des Stabtgebiets entfianden und in Geltung ge
kommen und nach welchem alle Streitigkeiten und Bewaltthätigkeiten, Die innerhalb des Weich-
bildes vorfielen, entſchieden werden follten. Das Wort kam feit bem 12. Jahrh. in Gebrauch
unb wird gewöhnlich vom althochdeutſchen wih (— vious, Stadt) und Bild, d. i. Siegel der
Stadt, abgeleitet. Rach Eichhorn ift das Wort daher entflanden, bag man die Grenzen des
Stadtgebiess bei den bifchoflichen Städten, in welchen fich die Städtenerfaffung zuerft ent-
wickelte, durch Auffellung von geweihten Bildern oder Erucifigen zu bezeichnen pflegte.
Beichert (Sonathan Aug.), Philolog und Schulmann, geb. 18. Jan. 1788 zu Ziegra bei
Döbeln in Sachſen, Sam trefflich vorbereitet auf bie Univerfität zu Wittenberg, wo er fich mit
allem Eifer den altclaffiichen Studien widmete und 1809 die Stelle als Conrector, bald darauf
als Rector am bortigen Lyceum erhielt, nachdem er fich vorher noch durch Vertheidigung feiner
Abhandlung „De Nonno Panoplitano” (Wittenb. 1810) habilitirt hatte. Im. 1814 nahm
er die ihm angetragene ſechste Profeſſur an ber Landes ſchule zu Meißen an, wurbe 1818 als
vierter Profeffor an die zu Grimma verfegt, im folgenden Jahre dem Rector fubflituirt und
1825 zu deffen Nachfolger esnannt. Cine lange Reihe von Jahren wirkte er hier mit außer»
orbentlicher Energie und trug weſentlich zur Blüte dieſer Anftalt bei. Im J. 18453 feines Amts
entbunben, flarb er 23. Juli 1844. Unter W.'s Schriften, die ſich durch große Belefenheit,
Sicherheit inder Kritik und Reichthum bes Wiſſens auszeichnen, find zu nennen: „Epistola cri-
tica de Caji Valerii Flacei Argonauticis“ (2p3. 1812); die Ausgabe bes Pomponius Mela(2pp
4816) und bed achten Buchs ber „Argonaulica” des Valerius Flaccus (Mei. 1818); ferner
das hiſtoriſch · kritiſche Werk „Über das Leben und Bebicht des Apollonius von Rhodus“ (Meiß.
1821); vorzüglich aber die trefflichen Arbeiten: „Poetarum Latinorum Hostii, Laeviü, Caji Lici-
nii Calvi. Caji Helvii Cinnae, C. Valgii Ruf, Domitii Marsi aliorumque vitae et ocarminum reli-
quiae“ (293.1830); „DeLucii Varii et Cassii Parmensis vita et carminibus“ (Grimma 1836);
„Lectionum Venusinarum libellus” (Grimma 1843); „Imperatoris Augusti scriptorum
reliquiae” (Grimma 1846).
Weichfel, poln. Wisla, lat. Vistula, einer ber wichtigſten Ströme des preuf. Staats und
ber wichtigfte bes Königreichs Polen, entſteht öftfich von Jablunka in OftreihifchSchlefien,
in dem großen, 2700 €. zählenden Dorfe Weichſel aus.der Vereinigung der Weißen, Kleinen
und Schwarzen Weichſel (Biale, Molinka und Ezorna), die an und nahe dem 4175 8. hohen
Großen Baranio in ben Beskiden entfpringen. Dom Dorfe Weichfel, wo der Fluß einen 1808.
hohen Waſſerfall bildet, geht erim einem von felfigen Rändern begrenzten Thale bie zur Stadt
rzwaſſet, wo er das Gebirgsland verläßt, fließt dann über Krakau, hierauf auf bez
Behnte Aufl. XV, a v
1% Beichſelzopf
Grenze zwiſchen Galizien und Polen bis zur Einmündung bes San, unterhalb Sando⸗
mir. Nahe unterhalb der Sanmündung bei Zawichoſt tritt bie Weichſel ganz auf das
yoln. Gebiet, durchfließt daffelbe in einem weiten gegen Weſten geöffneten Bogen, und zwar
zuerft nordwärts, verläßt bei Pulawy das füdpoln. Plateau, behält aber noch bie zur Mün-
dung der Pilica ein bis auf M. eingeengtes Thal zwifchen fleilen, bewaldeten Rändern. Bon
Pulawy an durchfließt fie die weite, fruchtbare Ebene zwifchen niedrigen Ufern, 8001500
Schrist breit, über Warfchau und Moblin, dann nad) Einmündung des Bug mwefl- und nord»
weitwärts, auf der rechten Seite nieder von hohen Steilufern begleitet, über Plock und
Dobrzyn. Als ein 2850 F. breiter Fluß tritt fie fodann auf das preuß. Gebiet, 2 M. oberhalb
Thorn, mo auf dem linfen Ufer bemaldete, dünenartige Hügelreihen fich erheben. Bon Fordon
an, unterhalb ber Mündung ber Brahe und des Brombergerkanals, Durchbricht fie, über Kulm,
Schwetz und Graudenz gegen Rordnorboft, zulegf gegen Norden fließend, den preuß. Lanbrüden
in einem tief eingefchnittenen, breiten und fruchtbaren Niederungsthal, in bem fie mehrarmig
zwiſchen ſchön bewaldeten Infeln und Sandwerdern in großer Breite dahin fließt. Bei Mewe
unterhalb Marienwerder ift der Durchbruch vollendet, und es eröffnet fich die preuß. Weichſel
nieberung, ein ſehr fruchtbares, aber oft verheerenden Überfchwermungen ausgeſetztes Delta,
land. In demfelben theilt fich die PB. bei der Montauer Spige zunächſt in zwei Arme, von
denen der öftliche, die Rogat genannt, bei Marienburg vorüber fließt und nad; einem Laufe von
fett 7 M. mit 20 Mündungen in das Frifche Haff fich ergießt, deren eine (die öftliche) Durch den
M. langen Kraffuhlkanal (1795 angelegt) mit der Elbing verbunden wird. Der weſtliche
rm, bie Weichſel, theilt fi, nachdem er Dirſchau berührt hat, an dem fogenannten Danziger
Haupt, unter dem Dorfe Käfemark, abermals: ber öftliche Arm, die Alte ober Elbin⸗
ger Weichfel, 3 M. lang, ergießt fih mit 44 Mündungen ebenfalls in das Frifche Haff,
der mweftliche ſchwächere, der Berfandung befonders unterworfene Arm, bie Neue ober Dan-
ziger Weichfel, 424 M. lang, fließt an Danzig vorüber und ergießt fich bei ber Feftung Weich⸗
felmünbe in die Dftfee. Doch ift biefe Mündung, bie Rorderfahrt, nur noch für Kähne fahr-
bar, da fih Sandbänke davor gelegt Haben. Der eigentliche Hafen und die Einfahrt in die Weich⸗
fel für Danzig wird durch einen Kanal, die Wefterfahrt oder Reufabrwaſſer, gebildet, der be⸗
reits im 17. Sabıb. durch eine tiefe Sandbant, die Platte, burchgebaggert wurde, durch Schleu-
Benmwerke gegen Verſandung gefichert ift und jährlich einen bedeutenden Koſtenaufwand erfobert,
um die in die See gehenden Molen gegen Berfandung zu fhügen. Der Hafen hat bei der Mün⸗
dung 13 F. int Innern mindeftens 14 5. Tiefe; ein neuer Kanalbau, auf 120 F. Breite und
18 8. Tiefe projectirt, Hat 1844 begonnen. Während des Eisgangs 1840 bahnte ſich am 2.
Bebr. der Strom noch eine neue Mündung, bie NReufährer Weichfel, indem er zwifchen Neu⸗
faͤhr und Bohnfad, 2 M. öfttich von Danzig, die ſchmale Nehrung durchriß und in nördlicher
Richtung in die Oftfee floß. Allein auch dieſer Durchbruch iſt gegenwärtig fehon fehr verfander.
Die ganze Stromlänge ber Weichfel beträgt 130 M. Durch zahlreiche Nebenflüffe, von denen
aber nur der San, der Bug und die Brahe für die Schiffahrt von Wichtigkeit find, wird
das Flußgebiet auf 3550 AM. erweitert. Schiffbar wird die Weichſel ſchon bei Krakau,
aber für größere Fahrzeuge erft bei Zamichoft, nach Aufnahme des San. Im mittlern und
untern Laufe wird indeß die Schiffahrt durch große Maffen von Sand und Lehm, die bald ba,
bald dort zu Bänken und Inſeln zufammengetrieben werden, gehindert und gefährdet. Die
Weichſel liefert viele und gute Fiſche. Der größte Vortheil aber, ben fie Polen gewährt, ift die
bequeme Ausfuhr der Randeserzeugniffe an Getreide, Holz u.f. w., bie auf einer großen Anzahl
von Schiffen und Flößen jährlich nach Danzig gebracht und, von da ausgeführt werden. Die
Bauten der preuß. Oftbahn, welche bei Dirſchau den Strom auf einer großartigen, überaus
Eoftfpieligen Brüde überfchreiten wird, haben auf die Weichfel einen fehr weientlichen Einfluß
gehabt. Durch ben Brombergerkanal ſteht fie mit der Nege und fo mit der Warthe und Oder
in Verbindung. Krakau in Galizien, die Alegandercitadelle bei Warfchau und Modlin in
Polen, Thorn, Graudenz, Danzig mit Weichfelmünde in Preußen find die feften Punkte,
welche ben Strom beberrfchen. Bol. Pfeffer, „Die Wafferverhältniffe der Weichfel und No-
gat” (Danzig 1849); Kalbus und Brandflätter, „Die Weichfel von ihrem Urfprung bis zu
ihrer Mündung” (Dans. 1852 —53); Branbflätter, „Die Weichfel, Hiftorifch, topograpbifch
und malerifch” (Marienwerber 1853).
Weichfelzopf, Wictel: ober Jubenzopf (plica Polonica, trichoma) ift eine ſtarke zopf-
artige oder tappenähnliche Verfilzung der Haare (gewöhnlich bed Kopfes, boch auch ded Bar-
tes und ber Achfel-, fowie der Schamhaare), welche Durch eine zwiſchen denfelben benbliche Ele»
Beichthiere Weiden 131
brige Materie zu Stande zu kommen fcheint. Diefe Materie fol nad; Ginigen von den Talg⸗
drüfen, nach Andern von den Haarbälgen (Daarkeimen) abgefondert werden. Manche fegen diefe
Abfonderung mit einem Allgemeinleiden in Verbindung, während Andere den Weichfelzopf für
gar keinen kranken Zuſtand halten, fondern für eine Daarverfilgung, die bei bem in Polen herr⸗
ſchenden Vorurtheile, als heile die Plica alle Krankheiten, durch unterlaffene Reinigung des
Kopfes und durch Anhäufung von Schmug und Reſiduen der Hautausbünftung zwifchen den
Daaren erzeugt werde. Nach Gümburg ift ber Weichfelgopf von der Entwidelung Eryptoga-
mifcher Pflanzen (Mycoderma plicae, Trichomaphyton) abhängig, die (Sporen und Thallus«
fäden) ſich zwifchen der Wurzelfcheide und bem Haare unter dem Oberhäutchen und im Marke
des Haares befinden und eine Auftreibung mit Zerfplitterung (dadurch die Verfilgung) deſſel⸗
ben ergeugen follen. Dagegen finden fich nach von Walther diefe Kryptogamen niemals in den
Haaren, fondern innmer nur zwifchen denfelben und können wol die Verwirrung der Haare be»
fördern helfen, find aber nicht alleinigeürfache derfelben. Hebra hält bie Plica für eine näffende
Flechte ded Kopfes bei unreinlichen Perfonen, Sazenave für eine Talgdrüſenkrankheit der Kopf:
baut. Die beim Weichfelzopfe an den Haaren und Haarorganen gemachten Beobachtungen
find folgende: die Haare follen nach Einigen krankhaft verändert (angefchwollen, fucculenter,
pilzehaltig), nach Andern gar nicht und bisweilen unbedeutend verändert fein (heller, gefpalten,
brüchiger); die klebrige Materie zwifchen ben Daaren ift nach Manchen eine (nach ranzigem
Bette) übelriechende, leimartige Zlüffigkeit, nach von Walther im friſchen Zuftande breiartig,
nach Münter eine gelblihbraune, klebrige Maffe, die beim Trocknen körnig erſcheint. Bei ge-
nauerer Unterfuchung diefer Materie fand man darin Epidermisfhuppen, Fäden von Wolle,
Seide und Baummolle, Sandklörner, Pilze, Infekten und eine amorphe feinkornige Maffe.
Falſcher Weichſelzopf wirb eine Verwirrung ber Haare niedern Grades genannt, welche offen-
bar durch Unreinlichkeit entftanden ift. Abfchneiden der verfilzten Haare und Waſchungen mit
grüner Seife heilen den Weichſelzopf, ohne daß beshalb andere Krankheiten entfländen.
Weichthiere, ſ. Mollusken.
Weide (Salix) heißt eine Pflanzengattung aus der Familie der Salicineen, die zahlreiche als
Bäume und Sträucher vortommenbe, ſchwer zu unterfcheidende Arten enthält. Die Afte find
. meift biegfam, die Blätter lanzettig. Die Kägchen entwideln ſich vor den Blättern. In öfono-
mifcher Hinſicht find die Beiden von großem und mannichfahem Nugen. Zwar geben bie
Stämme nur wenig werthvolles Nug- und Brennholz, Doch gebraucht man bie Kohle der Sahl⸗
weide (S. caprea) zum Zeichnen und zur Bereitung des &chießpulvers, die Rinde von diefer
unb ber weißen Weide (S. alba) zum erben bes dan. Handſchuhleders, ſowie zum Färben.
In Folge eine eigenthümlichen, barin enthaltenen Alkaloids (Saltcin) wird bie Rinde der wei⸗
Gen Beide, ber Purpurmeide (S. purpurea), der Bruchmeibe (S. fragilis) und der Lorberweide
(S. peutandra) gegen Wechfelfieber angemenbet. Die bei den meiften Weiden, mit Ausnahme
der Bruchweide, fehr zähen und biegſamen Zweige dienen den Böttchern zur Fertigung von
Reifen, ferner zum Faſchinenbau, gu maucherlei Flechtwerk, befonders Die der Korbweide (S.vi-
winalis) zum Binden von Hedien, zur Anfertigung von Körben u. f.w. Da die Weiden an
Sumpfen und vielen folgen Orten vorzüglich gedeihen, mo kein anderer Baum fortfommt, da
fie ferner da6 Abhauen ihrer Ziveige (Köpfen) fehr gut vertragen und dann fogar nur un fo
üppiger und rafcher treiben, werben fie überall fehr häufig angepflanzt. Außerdem vervielfältigen
fie ſich leicht durch ihre Zweige und die geringften Stecklinge ohne Spige und bilden in kurzer
Zeit Dichte Gehege, weshalb man fie zur Befeftigung der Ufer und Dänme anwendet. Hierzu
eignet fich namentlich Die Korbweide. Die aus dem Driente ſtammende Zrauerweibe (S. Baby-
lonica) wird wegen ihrer fchönen hängenden Zeige bei uns häufig auf Gräber gepflanzt.
Eine Abänderung bavon ift bie Mapoleonsweide (S. annularis) mit fehnedenförmig zufam-
mengeroliten Blättern. . .
Weiden oder Biehweiden kann man eintheilen in natürliche oder wilde und in künſtliche
oder cultivirte. Die erftern find, die Fett- und Marfchweiden an den Strömen ausgenommen,
felten gut beftanben. Letztere find folche, wo ber Boden, zweckmäßig vorbereitet, entweder von
feibft bewächft, oder mit paffenden Weidepflanzen befäet wird. Sie gewähren auf gleichem
Raume in der Regel mehr Nahrung als jene und ernähren daher auf einer kleinern Fläche die-
felbe Anzahl Thiere beffer. Die cultivirten Weiden werben entweder mit ZBeidepflangen or-
Dentlich beſtellt (künſtliche Weiden), oder man überläßt das Bewachfen der Ader mit Weide-
pflangen der Natur (Dreifch- oder Dreefchfelder und Eggarten). Erftere find 8 letztern vor⸗
-
f
132 Beidig Weigel (Karl Chriſtian Keber.)
zuziehen. Künſtliche Weiden werben gebildet, wenn man in ben wohl vorbereiteten und in gutem
Düngerftande befindlichen Boden, der im Frühjahr oder Sonmter mit einer Sommerfrucht be»
ftellt wird, mit diefer zugleich Weidepflanzen füet. Außer biefen Weiden kommen noch vor:
a) die Stoppelweide, welche auf den Feldern nach ber Ernte vor einem neuen Umbruch ſtatt⸗
findet; b) die Brachweide ober die Behütung ber brachliegenden Felder ; c) bie Bor» und Nach⸗
weiden auf den Wiefen im Frühjahr und Herbft und d) die Waldweide. Alle diefe Weiden find
entweber dem Grundbefiger allein zuftehende oder communliche, d. h. folche, welche außer dem
Grundeigenthümer noch von Andern gemeinſchaftlich, oft ſelbſt mit Ausſchluß des Erftern,
vermöge einer auf dem beweideten Grundſtück laſtenden Servitut benugt werben. — Koppel»
weiden nennt man Weiden, die mehre Communen gemeinf&haftlich benugen. — Weidewirth⸗
{haft ift das Feldſyſtem, bei welchem ein Theil des Areals zu mehrjähriger Sommermeibe für
bad Vieh benugt wird. (S. Koppelhwirthichaft.) — Weibereät, ſ. Hutungsrecht.
Weidig (Sriedr. Ludw.), ein heſſ. Pfarrer, bekannt durch fein Schickſal als politifch VBer⸗
folgter, wurde 15. $ebr. 1791 zu Obergleen im Naffauifchen geboren, wo fein Vater, der fpäter
nad) Butzbach in der Wetterau Fam, Oberförfter war. Nach guten Studien zu Butzbach und
Gießen bekleidete er feit 1811 das Conrectorat, dann das Rectorat an der Tat. Schule zu Bup-
bach. Er bewies ſich fchon feit 1813 als deutfcher Yatriot, verwickelte fich aber in die politifchen
Beftrebungen ber dreißiger Jahre und warb nach dem Frankfurter Attentat, an dem er nicht.
perſoönlich theilnahm, polizeilich verhaftet, jedoch ſchon nach einigen Wochen wieder freigelaffen.
Nach der gegen feinen Willen erfolgten VBerfegung an die Pfarrei Obergleen wurde er wieder
im April 1835 von neuem verhaftet. Er mar angeflagt der Abfaſſung und heimlichen Ber-
breitung revolutionärer Drudichriften, forvie ber Mitwiſſenſchaft und einer jedenfalls fehr pro»
blematifch gebliebenen Mitwirkung am Frankfurter Attentat ımd einigen damit in Verbindung
geftandenen vorbereitenden Unternehmungen. Manche Gerüchte über die während der Unter
fuhungshaft zu Darmftadt an ihm verübten Mishandlungen hatten ſich ſchon verbreitet, als
man 23. Febr. 1837 erfuhr, daß ſich ZB. mit den Scherben einer zerbrochenen Glasflaſche den
Hals fowie bie Adern an Armen und Füßen burchfchnitten habe und mehre Stunden darauf
geftorben fei. Nicht fehr Tange darauf ftarb auch feine Gattin am Nervenfieber und gebroche-
nem Herzen. Selbft Wes politifche Gegner gaben ihm das Zeugniß eines ftreng fittlichen Xe
ben, einer feltenen Kraft ber Aufopferung und einer von jedem Flecken ber Selbftfucht reinen
Liebe für das Wohl, bie Freiheit und Macht feines deutfchen Vaterlandes: ein Urtheil, das
feinem Wefen .nach felbft in die offictelle „Darlegung der Hauptrefultate aus ben wegen ber
revolutionären Eomplote ber neuern Seit in Deutfchland geführten Unterfüchungen” überge
gangen ift. Bei der in Deutfchland herrfchenden Eenfur war es möglich, daB Jahre lang über
WB. Behandlung im Kerker nur Bruchftüce zur Offentlichkeit gelangten, bis endlich die von
feinen Brüdern gegen ben Unterfuchungsrichter Georgi erhobene Belhuldigung des an W.
verübten Kerkermords eine Beſprechung der Sache in weiterm Kreife und eine zahlreiche Lite⸗
ratur über den merkwürdigen Criminalfall veranlaßte. Als kaum widerfprochenes, auf amt-
Noch Zeugniffen und mancherlei Enthüllungen beruhendes Refultat drang hiernach wenigſtens
die Überzeugung dur, daß W.'s Unterfuchungsrichter zugleich deſſen perfönlicher Feind und
Anfällen von Säuferwahnſinn ausgefegt gemefen, und daß die mahrfcheinliche Veranlaffung
von W.'s Tode eine im Widerfpruch mit einer-ausbrüdlichen gerichtlichen Weifung an ihm
verübte törperfiche Mishandlung gewefen fei. Diefe Überzeugumg erhielt dadurch weitere Be⸗
flätigung, daß über das Verfahren gegen W. keine weitere amtliche Nachforſchung angeftellt
wurbe. Beſonders aber ward das Schickſal W.'s Häufig als Beiſpiel angeführt, wie nothwen⸗
dig es fei, an die Stelle bed heimlichen Verfahrens die Offentlichkeit treten zu laffen. Außer
mehren kleinern Schriften ift W. Verfaſſer einer Anzahl fehr inniger Gedichte, gefammelt in
„Gedichte Dr. F. 2. WS. Zum Beften feiner Kinder herausgegeben von einigen Freunden“
(Mand. 1847). Über feinen Proceß find beſonders zu vergleichen: „Der Tod des Pfarrers MB.”
(Zür. und Winterth. 1843); Nöllner, „Actenmäßige Darlegung des Verfahrens gegen WB."
(Darmft. 1844), und insbeſondere Schulz und Welder, „Geheime Inquifition u. f. w. Schluß
Bere umg mit vielen neuen Actenftüdten über ben Proceß W.“ (Karler. 1845).
eife, ſ. Saspel.
Weigel (Karl Chriſtian Leber.), gelehrter Arzt, geb. 1. Dec. 1769 zu Leipzig, zeigte ſchon
frühzeitig eine befondere Vorliebe für die griech. Sprache und Literatur, die er bei dem häufigen
Umgange mit den damals in feiner Vaterftadt iebenden Griechen auch auf bie Kenntniß ber neu⸗
griech. Sprache ausbehnte. Nachdem er feit 1785 in Leipzig und Göttingen die Arzneiwiſſen ⸗
Weigel (Valentin) 133
ſchaft gründlich ſtudirt, bereifte er Srankreich, Italien und bie Schweiz, lebte Hierauf einige
Jahre in Wien, mo er Bollmann in feinem Bemühen unterftügte, den in Olmüg gefangen ge»
haltenen Zafayette zu befreien, und kehrte 1796 nach Leipzig zurüd. Hier hielt er ald Privar-
docent mehre Jahre Borlefungen, ließ fi 1799 als praktifcher Arzt in Meißen nieder, um zu-
gleich ungeftörter die auf ben Bibliotheken des Auslandes zur Herausgabe der griech. Ärzte
gemachten Sammlungen zu ordnen, vertaufchte aber fhon 1804 feinen Aufenthaltsort mit
Dresden und war bafelbft namentlich für Einführung ber Kuhpodenimpfung thätig. Wegen
des Vorſchube, den er mehren kranken ruff. Offizieren geleiftet, wurde er im Sept. 1813 auf
Napoleon's Befehl in die Feſtung Erfurt gebracht. Als er nach wenigen Monaten feine Frei-
beit wieder erhalten hatte, zeichnete man ihn durch Titel und Orden vielfach aus. Er flarb 17.
Jan. 1845 zu Dresden. Außer mehren Beiträgen zu mebdicinifchen Zeitfehriften und zum
„Supplementband” von Schneider's „Briech..deutfhem Wörterbuch” gab er den Aretaus,
„De pulmonum inflammatione” (2p3. 1790), „Aetianarum exercitationum specimen” (2p3.
41791), mit Kühn die „Ital. medicinifh-hirurgifche Bibliothek” (Bpz. 1793 fg.) heraus und
überfegte Strambi’& Werk „Uber den Pellagra” (Rpz. 1796). Auch war er der Erſte, der ein
„Neugriech.deutſch⸗ital. Wörterbuch” (2pz. 1796) und ein „Deutfchneugrieh. Wörterbuch”
(Epz. 1804) Tieferte. — Weigel (Job. Aug. Gottlob), jüngerer Bruder des Vorigen, geb. zu
Leipzig 23. Febr. 1773, befuchte die Nikolaifchule, lernte dann von 1789 an in der Gleditſch'⸗
Then Buchhandlung und übernahm 1793 unter der Aufficht Leich's die Leitung ber ehemaligen
Müller’fhen Buchhandlung. Nach feines Vaters Tode wurde ihm im Jan. 1795 deffen Stelle
als Auctionator bei ber Univerfität übertragen. Hierauf errichtete er eine antiquarifche Buch-
banblung, deren Umfang der von ihm herausgegebene Katalog unter dem Titel „Apparatus li-
terarius”‘ (2&pz. 1807; 2. Aufl, 1821; neuefte Aufl, 1834) befundet. Sodann begründete er
eine eigene Verlagshandlung, aus der eine Menge ausgezeichneter, vorzüglich philologifcher
Werke hervorgegangen ift, deren Herausgeber er zum Theil mit feinen eigenen Sammlungen
unterflügte. Da bei neuen Ausgaben von Claſſikern bie Herausgeber fih nicht ohne bebeuten-
den Aufwand die Materialien verfchaffen onnten, fo legte er felbft Sammlungen von Collatio⸗
nen ber Handſchriften und ungedrudkten Arbeiten dee Gelehrten über Schriftfteller an. Was er
darin geleiftet, zeigen die Ausgaben des Longinus von Weiske, bes Euripides von Matthiä,
des Plato von Stallbaum, des „‚Eiymologicum Gudianum‘ von Sturz u. ſ. w. Zugleich war
er ein eifriger Kunftfreund und Kunfttenner; er befaß eine trefflihe Sammlung von Drigie
nalhanbzeichnungen (nun im Befig feines Sohnes Rudolf, welcher eine Auswahl davon 1853
anfing in treuen Facfimiles herauszugeben), Gemälden, Kupferflihen, Radirungen und xylo⸗
graphifchen Arbeiten (legtere jegt im Befig von Theodor Oswald W.). Eine Beſchreibung
derfelben erfchien unter dem Titel Ährenlefe auf dem Felde der Kunft” (3 Abth. Lpz. 1836 —
45). Er flarb 25. Dec. 1846, nachdem er einige Jahre vorher feine Stelle als Proclamator
niedergelegt und das Geſchäft feinem füngften Sohne, Theod. Oswald W., geb. 1812, über»
geben hatte. Letzterer fegt baffelbe in weiterer Ausdehnung fort. Er befigt eine außerordent-
lich reiche Sammlung von gylographifchen Werken, einzelnen älteften Holzfchnitten, befonder®
auch von fogenannten gefchrottenen Blättern aus der früheften Zeit der Kupferſtechkunſt;
ferner eine große Sammlung von Autographen, beſonders der Reformatoren und ber Helben des
Dreifigjährigen Kriegs. — Sein zweiter Sohn, Nubolf W., geb. 1804, im Gefchäfte feines
Baters und auf Reifen in Deutfchland, Holland und England gebildet, errichtete 1831 in
Leipzig ein eigenes Kunftgefchäft, über deſſen Beſtand er einen wiffenfchaftlih geordneten
„KRunftlager- Katalog” (Abth. 1—25, Lpz. 1833 — 53) herausgab. Auch lieferte er die Litera-
tur zu Rumohr’s „Holbein” und Supplemente zu Bartſch' „Peintre-graveur” (Bd. 1, 2pz.
1843), fowie aus feinen Collectaneen Zufäge zu verfchiedenen in feinem Verlag erfchienenen
kunſthiſtoriſchen Büchern, wie z. B. zu Choulant's „Geſchichte ber anatomiſchen Abbildun-
gen”, Becker's „Jobſt Ammann” u. ſ. w. Er felbft gab heraus „Holzſchnitte berühmter Mei⸗
fier” (By. 1851 — 54, mit 74 Bacfimiles, Fol.).
Weigel (Balentin), Stifter der Weigelianer, einer myſtiſchen Sekte des 17. Jahrh., geb.
1533 zu Großenhain in Sachfen, wurde 1567 Pfarrer zu Zſchopau und flarb 10. Jumi 1588.
Er Hatte bie Schriften des Theophraftus Paracelſus und Tauler's gelefen und glaubte darin
geheimnißvolle ZBeißheit gefunden zu haben, bie er in feine Erbauungsbücher übertrug. Beine
Schriften wurden zum Theil erſt lange nach feinem Tode von dem Gantor Weichert heraus-
gegeben (1614 — 21) und erregten großes Auffehen. Wir nennen feine „Kirchen. und Haus-
poftill über die Evangelien”; „Principal und Haupttractat von der Belaffenheit”; „Das Büd-
134 Weigl Weihnachten
lein vom Gebet“; „Der güldene Gryff, d. i. Anleitung, alle Dinge ohne Irrthum zu erkennen,
vielen Hochgelehrten unbekannt und doch allen Menſchen zu wiſſen nothwendig“ (1578).
PB. fpricht in diefen Schriften viel vom innern Lichte, von der Salbung im Menfchen, ohne
welche alles Kehren und Unterrichten umfonft ſei. Daher nennt er auch die Theologie, die auf
Univerfitäten vorgetragen wird, eine falfche; die wahre beftehe in der Erkenntniß feiner feldft,
nämlich woraus, durch men und mozu der Menfch gefchaffen und geordnet fei. Er nennt alle
Geſchöpfe Ausflüffe des göttlichen MWefens. In Anfehung der Lehre von ber Dreieinigkeit
und von Chrifto hatte er von dem kirchlichen Kehrbegriff ganz abweichende Meinungen; ben
Werth des äußerlichen Gottesdienftes und die Beiftlichen der proteft. Kirche fegte er fehr herab.
Berfchiedene feiner Schriften wurden auf Iandesherrlichen Befehl 1624 zu Chemnig öffentlich
verbrannt, aber fie hatten ihm bereits eine Menge Anhänger erworben. Unter diefen, den foge-
nannten Weigelianern, wurden am befannteften Jeſ. Stiefel, geft. 1627, und fein Neffe Ezech.
Meth, geft. 1640, welche fih für Incarnationen Chrifti und des Erzengeld Michael hielten.
Auch Fat. Böhme (f. d.) war Weigelianer; aber mit Unrecht wurde Arnd (ſ. d.) dazu gerechnet.
Weigl Goſ.), geihägter Operncomponift, geb. 1766 zu Eifenftadt in Ungarn, wo fein
Vater erfter Violoncellift der fürftlich Efterhagy’fchen Kapelle war, machte feine muſika⸗
liſchen Studien in Wien unter Joſ. Haydn, Albrechtsberger und Salteri, der ſich ihn als Ge-
bülfen in bet Operndirection wählte. Unter Kaiſer Leopold wurde er Kapellmeifter der ital.
Dper. In feiner Oper „L’uniforme‘ fang bei der Aufführung zu Schönbrunn die Kaiferin
Maria Therefia felbft die erfte Partie. In Bolge der Ablehnung eines Nufs nach Stuttgart
erhielt er eine lebenslängliche Anftellung in Wien, wo er 3. Febr. 1846 ftarb. W. hat fehr
viele ital. und beutfche Opern gefchrieben; fein Hauptwerk ift bie „Schmeizerfamilic” (1809),
ein Werk, das noch jept gern gehört wird und feinen Muf begründer hat. Unter feinen Ora⸗
torien, bie würdevoll und meifterhaft gefchrieben find, ift zu erwähnen „La passione di Gesù“.
Für die Kammer hat er wenig gefchrieben.
Weihbiſchof heißt in der kath. Kirche ein hoher Geiftlicher, der, zum Bifchof (f.d.) geweiht,
fein wirkliches Bisthun befigt, fondern den Titel nach einem ehemaligen, jegt in ber Gemalt
der Ungläubigen (in partibusinfidelium) befindlichen Bifchyoffige erhält und für einen Biſchof
oder Erzbifchof die geiftlichen Gefchäfte verrichtet. Nur die Fürſtbiſchöfe in Deutfchland hatten
fonft Weihbifchöfe, weil fie jelbft zu fehr niit der Regierung ihrer Länder befchäftigt waren.
Jetzt aber haben auch Bifchofe, die keine weltlichen Negenten find, Weihbifchöfe, welche im Er-
ledigungsfalle das bifchöfliche Amt verwalten.
Weihe, f. Prieſter; Weihkeſſel, ſ. Weibwaffer.
Weihnachten (gekürzt auß ber altdeutfchen Formel ze wihen nahten, „zu‘ oder „an den
heiligen Nächten”) oder das Chriftfeft, das Gebächtnißfeft der Geburt Jeſu, ift nicht vor dem
4. Jahrh. als chriftliches Hauprfeft gefeiert worden. Über Jahr, Monat und Tag der Geburt
Chriſti gab es weder eine fchriftliche Nachricht, da das Evangelium Lucä eben nur erzählt, dag
fie in der Nacht erfolgt fei, noch auch hatte ſich eine mündliche Überlieferung geftaltet und noch
viel weniger ein Streit (mie über die Ofterzeit) erhoben, und ſolches darum, weil die erften Ehri-
ften den Tag des Todes, als ben Beginn der wahren Verklärung zum Xeben, viel höher achteten
als den Geburtötag und mithin auch ihre kirchlichen Gebächtnißfefte immer auf die betreffen-
den Tobestage verlegten. Deshalb fand auch die Keftfegung des Weihnachtöfeftes auf den
25. Dec., welche zugleich mit der Beier felbft im A. Sahrh. von Gallien ausging, allgemeine
Annahme, zunächſt in der abendländ. und dann auch in ber morgenländ.-griech. Kirche. Das
Meihnachtöfeft ward nicht nur die Mutter vieler einzelnen fpätern Fefte, zu benen namentlich die
Marientage gehören, fondern ed wurden auch vom 5. bis zum 8. Sahrh. mehre theils ältere,
theils neu auflommende Fefte mit ihm in unmittelbare Verbindung gefegt, ſodaß ein Weib⸗
nachtseyklus entftand, der ſich vor allen andern hriftlichen Feftgruppen durch reihe Mannich»
faltigkeit des Stoffs auszeichnet und den nach Zwed und Gegenftand ſich ordnenden und über
das ganze Jahr ſich vertheilenden ſyſtematiſchen Ausbau der gefammten kirchlichen Feſtfeier
zum Abfchluß förderte. (S. Feft- und Feiertage.) Als Vorbereitung auf die Ankunft (ad-
ventus) de8 Herrn in deren breifacher Beziehung, im Fleifche, im Geiſte und zum Gericht, und
nad) der kirchlichen Symbolik zugleich bem dankbaren Andenken an bie den Vätern geiworbene
Verheißung und Erfüllung geweiht, ftellte man im Abendlande eine drei- bis viermöchentliche
Adventszeit (f. Advent) voran und ließ mit ihr zugleich das neue Kirchenjahr beginnen, wäh-
rend die griech. Kirche den Advent ſchon mit dem 14. Nov. anheben läßt und diefen fcharfen
Jahresdabſchluß nicht kennt. Der Chriſtnacht und dem erften Hauptfelertage der Geburt Chriſti,
Beibugbtslend Beihßwaſſer 135
als dem eigentlichen Feſtkerne, folgte dann als feria secunda bez ſchon lange vor dem 4. Jahrh.
gefeierte Gedãchtnißtag bes heil. Stephanus, ber zuerſt fein chriſtliches Bekenntniß als Märty
zer mit feinem Blute befiegelt hatte; dann als feria terlia ber Gedächtnißtag des Apoſtels Io
hannes, der Chriſti innigfter Freund geweſen war und fein Evangelium begonnen hatte mit der
Beründigung: „Das Wort ward Fleiſch“, und barauf ferner 28. Der. das ebenfalls ſchon viel
früher eingeführte Feft der Unfchuldigen Kindlein, welche die erfin Märtyrer des kommenden
Chriſtenthums waren und nebft den Makkabäern allein aus dem alten Bunde in bie hriftliche
Seftfeier herübergenommen wurden. Am achten Tage nach ber Geburtsfeier trat hinzu das
Ber der Beſchneidung und Namengebung, baran gemahnend, daß Chriſtus auch die Bebingum-
gen und Pflichten des nationalen und bürgerlichen Lebens erfüllt habe; das Hürgerliche Neu-
jahr jedoch warb von der Kirche erft [pät und ungern damit verbunden. Den Beſchluß endlich
machte am 6. Ian. und den nächſtfolgenden Sonntagen das Epiphaniasfeft mit feinen Anhängen
(f. Epiphania), frühzeitig eingeführt und reich an Inhalt, da es bie fogenannte Anbetung der
heil, drei Könige, die Reinigung Maria’s, die Darftellung Jeſu im Tempel, feine Jugend»
gefchichte, feine Taufe und fein erfted Wunder zu Kana, zugleich aber auch die weltbürgerliche
Anſicht des Meſſiasreichs, die Berufung der Heiden in ſich befaßte. Nicht zufällig und willfür-
lich war das Gebächtnißfeft der Geburt Chriſti auf ben 25. Dec. gelegt worden. Unter den ver-
ſchiedenen und zum Theil nicht hinlänglich bekannten Urfachen, welche dazu mitgewirkt hatten,
war weitaus die wichtigfle und folgenreichfte diejenige, daß faft alle Religionen und Volker bie
Winterſonnenwende ald einen höchft bedeutfamen Zeitpunkt auffaßten, als ben Beginn des er-
neuten Lebens und Wirkens der Naturkräfte und der aus Symbolifirung und Perfonificirung
derſelben hervorgegangenen Götter. Wie ſolches ſich in nörblichern Gegenden befonbers fühlbar
machen mußte, fo betrachteten namentlich audy bie Selten und die Germanen biefe Zeit von Al⸗
ters ber als eine hochheilige Feſtzeit. Die Germanen feierten zur Winterfonnenmwende ihr gro»
Bes, der Umkehr des feurigen Sonnenrabes (angelſächſ. hveol, altnorb. hiol, faterländ. jule)
geltendes Julfeſt und glaubten in den vom 25. Dec. bis zum 6. San. reichenden Zwölf Näch⸗
ten (f.d.) ein perfönliches Umziehen und Eingreifen ihrer großen Götter, des Wuotan, der Berchta
u. f. w., zu verfpüren. Viel von dem betreffenden Glauben und Brauche bed german. und wol
auch des röm. Heidenthums ift in das Chriftenthum übergegangen und hat ſich theilweiſe bis
auf biefen Tag erhalten. Die Kirche aber fuchte tiefgewurzelten heidniſchen Sinn und Feſt⸗
brauch dadurch erfolgreich zu bekämpfen und zu verbrängen, daß fie zus der übrigen Ausbildung
ihrer.tiefgebachten Liturgie auch einen äußerlichen Reiz binzufügte, durch finnliche Darftelung
Deſſen, mas die geheiligte Überlieferung von Ehrifti Geburt und erften Lebensoſchickſalen ev
zählte. So entflanden die fogenannten Krippel und eine Menge von Weihnachtöliedern unb
Weipnachtöbramen, die zeit- und ſtrichweiſe fogar ſtark ausarteten zu Narrenfeften (f.b.), in
gemäßigser Form fich aber in einzelnen kath. Gegenden noch bis jegt auch im kirchlichen Ge⸗
brauche erhalten haben ; ferner die mit Kichtern und Gaben gefhmüdten Ehriflbäume, bie Sitte
bes gegenfeitigen Befchentens, das Herkommen gewiſſer eigenthümlicher Feftfpeifen, als Chrift-
fiollen, Striegel, Huzel⸗ oder Klögenbrot, Mohnklöſe u. dgl. So ward Weihnachten ein allge»
meines Sreubenfeft für Jung und Alt, für Hoch und Niedrig in einem Maße, wie es fein ande
res chriſtliches Feſt werden konnte. Bol. Augufli, Denkwürdigkeiten aus der chriftlichen Ar⸗
dyäologie” (Bd. 1, 2pz. 1817); Strauß, „Das evang. Kirchenjahr” (Berl. 1850); Weinhold,
„WBeihnachtöfpiele und Lieder aus Süddeutfchland und Schleſien“ (Gräg 1853); Sandys,
„Christmas carols“ (2ond. 1833); Derfelbe, „Chrisimas-tide” (Zond 1852), und bie verfchie-
beuen von Sandys verzeichneten Sammlungen der franz. „Nodls”.
Beihnachtsland, f. Ratal. |
Beihrauch (Thus) heißt das Harz bes ind. Weihrauchbaums (Boswellia serrata), eined
in Oſtindien wachfenden anfehnlihen Baums aus der Familie der Amyrideen, mit gefieberten
Blättern und traubigen, fünfblätterigen, blaßrothen Blüten. Das aus feinerRinde ſchwitende
Harz tommt theils in blaßgelben Tropfen (auserlefener), theils in unregelmäßigen bräunlichen
Stüden (gemeiner Weihrauch) in den Dandel, hat einen fcharf aromatifchen Geruch und wurbe
ſenſt äußerlich als Arzneimittel, befonders aber als Räucherwerk gebraucht. Als ſolches kann⸗
ten ihn ſchon Griechen und Hebräer, bie ihn aus Arabien erhielten, daher arab. Weihrauch.
Die rom. und griech. Kirche wenden ihn feit Konſtantin's d. Gr. Zeit beim Eultus an.
Weibwafler wird das geweihte Waſſer genannt, das meift in ben am Eingange in das
Schiff kath. Kirchen befeſtigten Weißkeſſeln oder Weibbecken enthalten ift und mit dem bie
Sin · und Austretenden fi zu befprengen pflegen. Weligiöfe Meinigungen vor dem Unfange
Ss
136 Beil Bine
gotteöbienftlicher Handlungen waren und find bei den Juben und Heiden gebräudlich; denn
das Gebet erfodert reine Hände. Als Nachbild bes ehernen Meeres am Tempel der Juden wurbe
feit dem A. Jahrh. auch am Eingange jeder chriſtlichen Kirche ein. Waſſerbecken angebracht,
worin bie zur Andacht Eintretenden fich Die Hände wuſchen; ; boch erſt feit bem 6. Jahrh. pflegte
man bad Waffer dazu befonders zu weihen und dem Gebrauche beffelben heiligende, ja wunder⸗
volle Kräfte beizumeffen. Die griech. Kirche Hat ben Gebrauch bes Weihwaſſers mit der katho⸗
liſchen gemein. -
Weil (Guftav), Orientalift und Sefchichtfchreiber, geb. 24. April 1808 zu Sulzburg im
bad. Dberlande, kam in feinem 12.9. zu feinem Großvater, Confiftorialrabbiner zu Meg,
der feine Deranbildung zum Theologen beabfichtigte. Doch fagte er ſich 1828, zur Fort
fegung feiner talmudifchen Studien unter Ettlinger nach Manheim gefendet, von der geiftlichen
Laufbahn vollig 108 und wibmete ſich zu Heidelberg philologifchen, Hiftorifchen und orient. Stu ⸗
dien. Befonders um ſich im Arabifchen zu vervollkommnen, ging er 1830 nach Paris und einige
Zeit darauf nad dem Orient, wo er fünf Jahre lang mit geringen Unterbrechungen meift zu
Kairo lebte und im Arabiſchen den Unterricht des Scheith Ahmeb-Attunifi und Mohammed: A.
jad's, im Perfifchen und Türkiſchen den Ibrahim⸗Effendi's genoß. Gleichzeitig wirkte W. felbft
an mehren öffentlichen Schulen und war zuletzt an der polytechniſchen Schule theils als Lehrer
im Franzöſiſchen, theils als Überſetzer thätig. Nach feiner Rückkehr zuerſt als Collaborator
an der Univerſitätobibliochek zu Heidelberg angeſtellt, ward er ausnahmsweiſe 1838 zum Bi⸗
bliothekar mit Staatsbienereigenfchaft befördert und 1845 zum außerordentlichen Profeſſor
der morgenland. Sprachen ernannt. Seine literariſche Laufbahn begann er mit der Überfegung
von Samachſchari's „Goldenen Halsbändern” (Stuttg.1836), welcher aunächft „Die poetifche Li-
teratur der Araber” (Stuttg. 1837), ſowie die Überfegung der „Zaufend und eine Nacht” (4 Bde,
Stuttg. 1837 — 41) folgte. Mit genauefter Kenntnif der morgenländ. Quellen, aber von eu⸗
ropãiſch⸗kritiſchem Standpunkte aus bearbeitet find feine beiden Hauptwerke „Mohammed ber
Prophet” (Stuttg. 1843) und die „Geſchichte der Khalifen” (3 Bde., Manh. 1846—51).
Sonſt find noch zu nennen: „Biftorifch-Britifche Einleitung in den Koran’ (Bielef. 184A) und
„Biblifche-Regenden ber Mufelmänner” (ZEf. 1845).
„ Beiller (Kajetan von), befonders bekannt als trefflicher Päͤdagog, geb. 1762 von armen
Altern zu München, begann und vollenbete bafelbft von 1773 —83 feine wiffenfchaftliche Kaufe
bahn und wurde 1735 in Freifingen zum Sriefter geweiht. Da er keine Anftelung finden
konnte, gab er Privatunterricht in den höhern Wiffenfchaften, in Mathematik, fowie in Yhile-
fophie und Theologie bei ben Theatinern. Im 3.1702 kam er ale Xehrer der Mathematik,
Geſchichte und Religion an die Realfchule zu München, anfangs ohne allen Gehalt, bis er 1799
Profeſſor der prattifchen Philofophie und Pädagogik und dann Mector bes Lyceums wurde.
Im Mai 1802 wurde er ald ordentliches Mitglied ber pbilologifch- philsfophifchen Glaffe der
Akademie der Wiffenfehaften aufgenommen, jedoch mit Beibehaltung der Rectoratsgefchäfte.
Im 3.1809 erhielt er auch noch das Nectorat des Symnafiums, Progymnaſiums und der
Primärclaffen, ſodaß er nun Director aller Lehranftalten in Münden war. Die von ihm be»
kleidete Inftructorftelle bei dem Prinzen Karl von Baiern brachte ihm 1812 die Erhebung in
ben Adelſtand. Seine vielen Gefchäfte Hinderten Ihn nicht, fortwährend als Schriftfteller fee
thätig zu fein. Er erflärte fih mit Exnft gegen mehre Misgriffe in der Erziehung und im Un⸗
terricht. Insbefondere brang er auf Entwidelung der Bernunft und ein gereinigte® Chriſtenthum.
Am 3. 1823 feiner Studiendirection enthoben, wurbe er zum Geh. Rath, ſodann an Schlichte⸗
groll's Stelle zum Generalferretär ber Akademie ber Wiffenfchaften ernannt. Er flarb zu
Münden 23. Juni 1826. Unter feinen Schriften find befonders zu erwähnen: „Verſuch eines
Lehrgebäubes der Erziehungstumde” (2 Bde, Münd. 1802—5); „Anleitung zur freien An⸗
ſicht der Philoſophie (Münch. 1804); „Ideen zur Gefchichte der Entwidielung des religiöfen
Blaubens” (3 Bde, Münd. 1808— 14); „Grundlegung ber Pſychologie“ (Münch. 1817);
„Über die vefigiöfe Aufgabe unferer Zeit” (Münd. 1819); „Kleine Schriften” (3 Bde.,
Paſſau 182126); „Der Beift des echten Katholicismus ald Brundlage für jeden fpätern’‘
(Sulzb. 1824); „Gharakterfhilderungen feelengroßer Männer, nebft der Biographie des
verſtorbenen Berfaffers, von einem feiner Schüler“ (Münch. 1827).
Weimar, die Daupt- und Refidenzftabt bes Großherzogthums Sachfen⸗Weimar ⸗ Ciſenach,
eine der benfwürbigften Städte Deutfchlands, mit 12000 E, Liegt in einem freundlichen Thale
an der Ilm. Sie iſt jegt ein offener Ort mit meift unregelmäßigen Straßen und Plägen, doch
zeichnen fich die neuen Anbaue durch Regelmäßigkeit und beffern Stil aus. Das großherzog⸗
Bein, Beinfiod 187
Uche Schloß, nach dem Braude von 1774 größtentheils auf ben alten Grundmauern wieber
aufgezichtet und im Neubau von 1804 von Genz, Rabe und F. Ziel wieber aufgerichtet, ent»
hält unter andern Sehenswürbigkeiten da6 Zimmer des Herzogs Bernhard und im neuen von
der Großherzogin· Großfürſtin Maria erbanten Flügel die den großen deutſchen Dichtern Schü.
ler, Goethe, Wieland, Herder gewidmeten, mit trefflichen Srescogemälden von Reber, Prelier
Jaͤger geihmüdten Zimmer. Bor dem Schloſſe zieht fich ein reigender Hark hin. Andere alt⸗
fürſtliche Gebäude find das fogenannte Rothe und das Gelbe Schloß, jegt miteinander verbun-
ben und zu Amtslocalen verfchiedener Behörben eingerichtet, und das ehemalige Franzöfifche
Schloßchen, erweitert 1803, 1821 und 1849, worin die 140000 Bände ſtarke Bibliothek auf
geſtellt ift, welche außerdem eine reiche Sammlung von Bildniffen ausgezeichneter Männer
umfaßt. Das neue Rathhaus wurde 1844, die Loge 1853, die Sandrentenbant 1854 ftattlich
erbaut. Das Hoftheater, deffen Perfonal unter Goethe's und Schiller's Leitung zu den ausge»
fuchteften Deutfchlands gehörte und auf edlere Bildung wirkte, ward 1825 neu gebaut. Das
Fürftenhaus enthält jegt unter Anderm ben Stänbefaal, das Witthumspalais, die Kunftfamm-
lung. Rerfwürbigfind insbefondere noch 2. Cranach's Wohnhaus (im Befige des Buchhändb⸗
lers Hoffmann) am Markte, dem Rathhauſe gegenüber, Goethe's Haus am Frauenplan (jegt
Goetheplatz) und Schillers Wohn: und Sterbehaus an der Esplanabe (jegt Schillerftraße),
das von Seiten des Stadtraths im Auguſt 1847 angelauft worden ift. Die Stadt hat zwei
peoteft. Kirchen, eine Bath. und eine griech. Kapelle. In der protefl. Hauptkirche finden fich [chene
fürfilide Srabmonumente, Herder's Grab und mehre Gemälde Cranach's, befonders das be
rühmte Altargemälde diefed Meifters, ben Erlöfer am Kreuz nebft Johannes dem Täufer vor-
flellend (Luther und Cranach zur Seite, auf den Flügeln Kurfürft Johann Friedrich und feine
Familie). Vgl. Meyer, „Über Die Aitargemälde von Cranach in der Stabtlicchezu IB." (Weim.
41813). In der Fürftengruft auf dem neuen Friedhofe ruhen, nebft den Gebeinen des Großher⸗
zogs Karl Auguft, Schiller und Goethe. W. hat ein Gymnaſium, ein Seminar, zwei Bürger»
ſchulen, eine freie Zeichenfchule mit vier Ateliers, ein Zuchthaus, ein Walfenhaus, ein wohlthä⸗
tiges Sraueninftitut, ein Hospital umb ein Krankenhaus und ein feit 1791 beftchendes Leichen»
Baus. Nächſidem ift Hier ein Kunftinftitut, das Zweige in Eifenach und Jena hat; das von F.
J. Bertuch (ſ. d.) geftiftete Landed-Inbuftriecontor mit dem Geographiſchen Inſtitut; ferner
Falk's (f. d.) Anſtalt für vernachläſſigte Kinder, die 1829 unter dem Namen Falk ſches Inſti⸗
tut in eine öffentliche Erziehungsanftalt verwandelt und mit bem Landes waiſeninſtitut verbum-
ben wurde; eine landwirthſchaftliche Gefellfchaft, eine Gentralbaumfchule und das Archiv für
die Erneftinifchen Lande. Eine halbe Stunde von der Stadt liegt auf einem Hügel, wohin eine
ſchoöne Allee führt, das Luftfchloß Belvedere, Sommerrefibenz bes Großherzogs, mit einem
reizenden Park und herrlichen Bewächshäufern für feltene Pflanzen ; etwas näher das Dorf
Tieffurth mit freundlichen Anlagen und Dentmälern ber Bringen Leopold von Braunfchweig,
Konflantin von Weimar und Denkſteinen Herder's und Mozart's; ferner die Etteröburg, ein
1706 erbautes Jagdſchloß auf dem fchonbemwalbeten Etteröberge; Oberweimar, eine große
nomie an der Jim, über welche eine Kettenbrüde führt, und zwei Stumben von. ber Stabt
Dimaunfiedt mit Wieland's Grabe im Garten feines frühern Guts. Vgl. Gräbner, „W., die
Stadt nad) ihrer Geſchichte und ihren gegenwärtigen Verhältniſſen“ (Weim. 1836); Schöll,
„W.'s Merkwürdigkeiten einft und jegt” (Weim. 1847). Die Stadt komme fchon frühzeitig
vor unb gehörte feit dem 10. Jahrh. den Grafen von Orlamünde. Nach dem Ausſterben dev»
ſelben 1376 am fie an die Landgrafen von Thüringen, bei deren Erlöfchen 1440 an Weißen;
im der Thellung zwiſchen Ernft und Albert fiel fie mit Thüringen ber Exneftinifchen Linie zu,
bei der fie fortwährend verblieben ift.
Bein, Weinſtock. Der Weinſtock wird nur in einer einzigen Art angebäut, dem edein
Weinſtock (Vitis vinifera) ; alle übrigen von Botanifern und Ampelographen angegebenen Ar⸗
tm (als V. !aciniosa, lacinate, labrusca, vulpina u. f. w.) find bloße Abarten. Die Pflanze
gehört in die Familie der Sarmentaceae oder Neben, nach Linne in die vierte Claſſe ber erften
Ordnung. Sie bildet einen ranfenden Strauch mit vielen Enotigen Stengeln und Zweigen, mit
ziffiger, leicht abſchalbarer Rinde ; die ſtets Tappigen, tief gegadten Blätter find handgroß ; den⸗
felben gegenüber ſtehen die Trauben ober gabeligen Ranken, die fih um Pfähle und Zweige
winben und ben Stengel feſthalten. Die Blüten find klein, grünlich weiß und von mild gewürz⸗
haften Geruch. Die Früchte find Beeren von rumdlicher oder eiförmiger Geſtalt, verfchiede-
ner Größe und von grüner, gelber, rother und blauer Karbe, deren Pigment nur in ber
Dberhaut befinblich iſt. Der Saft ift bei allen Arten völlig farblos. Man kennt bis jegt vor
138 Bein, Beinftod
dem Weinfiod mehr als 1500 mehr oder minder voneinander verfchiebene Spielarten, welche
man nach verſchiedenen Kennzeichen: Barbe ber Beeren, Stand der Beeren in ber Traube,
Form der Beeren, Geftalt der Blätter u. ſ. w, in befondere Elaffen gebracht hat. Diefe Elaffi-
fication ber WBeintrauben bildet unter dem Namen Ampelographie einen eigenthümlichen
Zweig der befchreibenden Naturkunde. Am richtigften ift wol das Syſtem der Glaffenbildung
nach ber Form der Beeren, wie ed neuerdings von Babo und Megger auf ältern Grundlagen
wieber auferbaut haben. Das Schema beffelben ift: I. Elaffe: Reben mit runden Beeren;
4. Ordnung: Beeren groß; 2. Ordnung: Beeren mittelmäßig; 3. Ordnung: Beeren Hein.
11. Claſſe: Reben mit länglichen oder eiformigen Beeren; Ordnungen wie bei l. III. Claſſe:
Meben mit auffallmd Iangen Beeren. Vgl. von Babo ımd Megger, „Die Wein- und Tafel-
trauben u. f. w.“ (Manh. 1836, mit Atlas); Burger, „Softematifche Slaffification und De
ſchreibung ber öftr. Reben u. |. m.” (Wien 1837); Hlubek, „Verſuch einer neuen Charakteriftif
und Slaffiftcation ber Rebforten” (Grätz 1841).
Schon im graueften Altertyume ward aus ben Beeren ber Weintraube ein geiftiges, berau⸗
ſchendes Getränk, ber Wein, durch Gährung gewonnen. Die Bibel und Homer erwähnen deſ⸗
felben fehr oft. Die Mythe von den Bacchuszügen wird mit der Verbreitung des Weinbaus
von Aſien nad Europa ibentificirt. Die erflen pofitiven Nachrichten von dem Anbau bes
Weinſtocks und ber Behandlung bes Weins erhalten wir von ben Römern, namentlich von
Virgil und Columelle. Im füblihen Deutfchland wurden die erften Reben fchon am Ende des
3. Jahrh. v. Chr. gebaut. Auguſtus ſchon zog die rhätifchen Weine allen übrigen vor. Weit
früher gelangte ber Weinbau nad) Frankreich ; fchon 600 v. Chr. brachten die Phocäer mit dem
Olbaum die Rebe nach Maffilia. In Italien nahm die ZBeincultur dermaßen überhand, daß,
nad Sueton, 81 n. Chr. der Kaifer Domitian, Getreidemangel befücchtend, den Bau der Nee
ben durch ein formliches Edict unterfagte. Diefe Verordnung blieb über 200 3. in Gültigkeit,
. bauptfählich aus Furcht vor den beutichen Barbaren, die man durch ben guten Wiin nicht her»
beifoden wollte. Am Mittelrhein und an der Mofel ließ Kaifer Probus 281 n. Chr. die erſten
Weingärten anlegen. Unter ben Merovingern hob ſich der norbdeutfche Weinbau fehr. Karl
d. Gr. erhob ſchon Zehnten und Zinfen, Theiltrauben ımb Weinſteuer von den Winzern. Im
$. 1074 wurden bie rübesheimer, 1131 bie fteinberger, gleichzeitig etwa die johannisberger
Weinberge angelegt. Unabhängig von andern Anfieblern hatten Hunnen, welche nach dem gal-
lifchen Zuge bes Attila (451) zurückgeblieben waren, an verfchiebenen Orten längs bes Rhein
die Weincultur eingebürgert, bie fie in Pannonien kennen gelernt hatten: lange Zeit hindurch
kannte man hunn. Reben unb hunn. Wein. Im Mittelalter hob fi Anbau und Behandlung
des Weins zuerft durch die Klöfter, dann durch die herrfchaftlichen und ftädtifchen Kellereien
ungemein. Der Preis des Weins blieb indeffen gering: 1447 Eoftete ein Fuder Wein zu Mainz
bios 10 Gldn. Leider ift über den Betrieb bes Weinbaus im Mittelalter wenig bis auf uns
gekommen. Eines ber wichtigften Documente Darüber ift die Weinbergsordnung des Kurfürften
Chriſtian von Sachfen von 1588. Die Weincultur hatte fi in Deutfchland weit nach Rorden,
nach Thüringen, Sachfen und Schlefien verbreitet und fefte Wurzel gefaßt. Wahrend fie von
Spanien und Portugal aus fi) nach den Azoren und der Neuen Welt überfiebeite, holte ſchon
im Anfange bes 16. Jahrh. ber Holländer Peter Simens Rieslingreben vom Rhein nach Süb-
fpanien und gewann aus benfelben ben Löftlichen Pedro⸗Eimeneswein. Auch dem fernen Gap
ber guten Hoffnung lieferte der Rhein durch Vermittelung der Holländer die erften Reben 1650.
Dagegen wollte die Einführung des Weinbaus von Frankreich aus in Holland und England
nicht gelingen. Frankreich baut im Verhältniß den meiften Wein und die Production wacht
unausgefegt bafelbft dergeftalt, daß fie jege fchon über ein Viertheil mehr beträgt als 1794.
Aber es verfleht fich auch keine Nation befjer auf die Eultur der Nebe und bie Behandlung des
Weins als eben die Franzoſen. Vorzüglich im 18. Jahrh. wurden in Deutfchland viele fremden
Zraubenforten eingeführt. &o gelangte der Silvaner aus Oſtreich an den Rhein, der Gutebel
aus Ungarn nach Schwaben, ber Ortlieber 1777 aus Frankreich nah Baden u. ſ. w. Im
49. Jahrh. Hob ſich mit dem Aufblühen der Landwirthſchaft und Naturwiffenfchaft bie Wein⸗
eultur und Weintechnik auf vorher ungeahnte Höhe. Dagegen fiellte fig ber Verbreitung
ber erftern ber mit ber Bevölkerung fteigende Werth von Grund und Boben und die große
Unfigerheit des Weinertrags bindernd entgegen, und dies vielfach zum Glück. Nach ber
würtemb. Weinchronik von 1455 — 1836 erfchienen in dem Seitraume von 384 I. audge
zeichnete Jahre mit abwechſelnder Quantität 33; mit guter und vieler Crescenz 85; mit guter,
aber weniger Crescenz 52; fehlechte Jahre mit fauerm Wein 20; ſauer und viel 23; fauer und
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Bein, Beinftod 139
wenig 90. Danach kommen auf fe 12 I. nur 1 ausgezeichnetes, 4% gute Jahre. Wal. Hen-
derfon, „Geſchichte der Weine der alten und neuen Zeiten” (deutſch, Weim. 1833); Carlowig
„Verſuch einer Culturgeſchichte des Weins“ (Lp;. 1846).
Gegenwärtig ift der Weinbau über große Theile der Welt verbreitet und überfchreitet vielfach
die Iſothermgrenzen feiner eigentlichen Region, die bis zu 5%’ n. Br. reiht. Die europ. Wein»
credcenz ift nach annähernder Schägung folgende: Frankreich auf 8,760000 Morgen. oder
407% AM. baut jährlih 67'% Mil. Eimer Wein; Oftreich auf 4,270000 Morgen ober
198, AM. 38,553000 Eimer; Spanien auf 1,600000 Morgen 8,500000 Eimer; Stalien
mit Sitilien auf 800000 Morgen 1,800000 Eimer ; Portugal auf 400000 Morgen 1,400000
Eimer ; Griechenland auf A80000 Morgen 500000 Eimer; Zonifche Inſeln auf 73000 Mor-
gen 60000 Eimer (in Griechenland und Jonien werben die meiften Trauben zu Mofinen ge-
trodinet); Schweiz auf 120000 Morgen 456000 Eimer; Deutſchland ohne Oftreih auf
916500 Morgen oder 42°, AM. 2,560000 Eimer ; Baieen auf 560000 Morgen 1,355000
Eimer; Baden auf 132000 Morgen 220000 Eimer; Würtemberg auf 84000 Morgen
150000 Eimer; Preußen auf 64000 Morgen 450000 Eimer; Heffen-Darmftadt auf 24000
Morgen 240000 Eimer; Naffau auf 15500 Morgen 115000 Eimer; Sachen auf 10500
Morgen 29000 Eimer; Kurheffen auf 500 Morgen 1000 Eimer. Bol. Volz, „Beiträge zur
Culturgeſchichte (Epz. 1852). Nach Berghaus Läft fich der Befammtertrag des europ. Wein⸗
baus durchſchnittlich auf 120 Mill. Eimer jährlich fchägen, durch die ein Werth von minde-
ftens 1200 Mit. Thlen. in Umlauf tommt. Vgl. Haintl, „Weinbau des öfter. Kaiferthums”
(Bien 1821); Bronner, „Der Weinbau in Sübdeutfchland u. f. w.“ (7 Hefte, Heidelb. 1834
— 40); Schams, „Ungarns Weinbau in feinem ganzen Umfange u. f. w.” (2 Bde., Peſth
1832); Julien, „Topographie aller befannten Weinberge u. |. w.“ (aus dem Franz., 2 Bde.,
Queblinb. 1835— 35) ; Hellrung, „Atlas ber Weinländer” (Magdeb. 183739).
Die Eultur der Rebe ift je nach Rage und Ortlichkeit außerordentlich verfchieden. Sonnige
Lage bes Weinberge, tüchtige Düngung und gründliche Bearbeitung find Hauptfactoren bed
Erfolgs. Die einzigen praftifch brauchbaren Vermehrungsarten der Nebe find die durch Sted-
linge und Ableger oder Gruber. Ebenfo fönnen bie Reben auch burch Veredlung mittel® Über-
tragung von Augen vermehrt werden. Sehr wichtig ift die Auswahl der Sorten. Als Tafel
trauben verdienen die verfchiedenen Arten von Gutedel und Muskateller, bie gelbe Seibentraube,
der blaue und ber frühe Klevner, dad Mörchen, der Ruländer umd der blaue Trollinger ange
pflanzt zu werden. In der Nähe großer Städte, wo die Trauben zum DVerfpeifen einen guten
Preis Haben, find frübreife Sorten, wie die Klevner, bie blaue Magyarentraube, früher blauer
Waͤlſcher, früher blauer Portugiefe, früher Gutedel, vorzuziehen. Bei der Wahl ber Keltertrau-
ben müffen die klimatiſchen Berhältniffe, die Beichaffenheit des Bodens und der Umftand in
Betracht gezogen werden, ob weiße ober rothe Beine leichtern und beffern Abfag finden. In
einer zum Weinbau günftigen Lage verdienen zu Weißwein ber Heine Riedling, der Mosler,
Wälſchriesling, der weiße und rothe Traminer, der gelbe Drlean, der weiße Lämmerſchwanz
und ber rothe Veltliner, zu Rothwein der blaue Arbft, die Kauka, Kadarka, der blaue Pineau,
Zrollinger, Wildbacher angepflanzt zu werden; in minder günfligen Lagen zu Weißwein:
Traminer, Klevner oder Burgunder, der gelbe Plavez, Ortlieber, Ruländer, Sylvaner, Babo⸗
traube, zu Rothwein: ber blaue Kleuner, das Mörchen, ber blaue Portugiefe. Am Rhein wer
ben aus bem Kieinriesling die feinften Rheinmweine, aus dem rothen Zraminer der Forſter,
Deibesheimer, Ruppertöberger, aus dem blauen Kleuner der Admannshäufer, Ingelheimer,
Affenthaler bereitet. Das Bepflanzen bee Weinberge gefchieht ſtets in Reihen. Die erſte
Arbeit der Pflege ift ber Schnitt (entweder Kopfſchnitt, Schenkelfchnitt oder zufammengefegter
Schritt) ; nur in Italien und marmen Klimaten läßt man bie Reben ſich freian Bäumen empor»
tanken, fonft erhalten fie Pfähle oder werden am Spalier gezogen. Weitere Arbeiten find: Ein-
fingen, d. i. Abbrechen der Triebfpigen; Ausgeizen, Ausbrechen unfruchtbarer Zweige; Bes
baden und Düngen. Die Ernte oder Lefe erfolgt bei völliger Neife. Den beften Wein ober
Ausbruch liefern die edelfaulen oder Zrodlenbeeren, welche einzeln ausgeleſen werden. Ertrag
und Preis bes Weins wechſeln außerordentlich mit den Jahrgäͤngen. Unter der überaus zahl»
reichen Literatur des Weinbaus find als bie beften Schriften hervorzuheben: Metzger, „Der
thein. Weinbau” (Heidelb. 1827); Kölgeb, „Handbuch der beutfchen Weineultur u. ſ. w.“
(2 Bode., 58.1837); von Babo, „Der Weinbau” (Fkf. 1846); Kecht, „VBerbefferter praktifcher
Weinbau“ (7. Aufl., Berl. 1852).
Die Bereitung und Behandlung des TBeins ftibfl, ale eines Kunſtproduets, bildet einen eige⸗
140 , Bein, Weinſtock
nen Zweig der Landwirthſchaftskunſt, bie fogenannte Kellerwirthſchaft. Die gelefenen Trau-
ben werben zertreten ober yerflampft, hierauf außsgepreßt oder gefeltert und dann ihr Saft ale
Moft in Fäffer und Keller gelagert. Eine boppelte Bährung, zuerft bes Moſtes, dann des
Weins felbft, verwandelt nach und nach den Zuder der Flüſſigkeit in Alkohol; die flille Nach⸗
gährung bes Weins verleiht demfelben namentlich feinen angenehmen Roblenfäuregebalt. Dann
folgt das Abziehen, die Klärung mitteld Haufenblafe oder Eiweiß. Nun ift ber Wein. fertig.
Aus dem Mofte wird Feberweiß, dann Prickler, bann junger Wein und diefer wird endlich zus
altem ober firnem Bein. Als Krankpeiten oder Fehler des Weins betrachtet man: das Zähe-
werben; dad Sauerwerben oder den Stich; das Kahnigwerden ober Schimmelbilbung ; das
Bockern; das Brechen oder bie fchnelle Veränderung der Farbe; dad Abſtehen; den Schim-
melgeruch ; da6 Nepfen oder ben Geſchmack nach Kämmen; ben Luftgeſchmack; bas Bitteriwer-
den; den Erdgefhmad. Zur Verhütung oder Befeitigung diefer Übel gibt e8 mancherlei Mit-
tel. Schmieren nennt man die Verfälfchung der Weine, die auf taufenderlei Art vorgenom⸗
men wird. Um ihm den Anſchein der Stärke zu geben und ihn zu entfäuern, wendet man Alto»
bol, Kalk, Bimöflein an; zur Verfüßung braucht man Zuder, Honig, Syrup, Moft, Rofi-
nen, Rofinenfaft, Stärkezucker; um das Volumen zu vergrößern: Waſſer, Apfelmein, Birn-
wein; um ihm Farbe zu geben: Brafilienholz, Hollunderbeeren, Heidelbeeren, Fernambuk,
Sandelholz, rothe Rüben, Schwargpappeln u. f.w. In neuefter Zeit hat Gall in Trier durch
ein neues Verfahren gezeigt, wie ſchlechte Weine in gute verwandelt werden können. Er ,ent-
fäuert fie durch Stredung mit Waffer und verfüßt fie mit Traubenzuder. Vgl. Chaptal, „Uber
Bau, Bereitung und Aufbewahrung ber Weine” (au dem Kranz., 2. Aufl., Karler. 1806);
von Babe, „Behandlungsart bed eingekelterten Weine‘ (Heidelb. 1832) ; Kölges, „Dnochemie”
(Berl. 1841); Gall, „Darftellung guter Mittelmeine u. ſ. w.“ (Bd. 1—2,2.Aufl., Trier 1854).
Der Weinhandel bildet einen fehr bedeutenden Erwerbszweig: es gibt viele Laufende von
Weinhandlungen in Städten und Dörfern und viele Tauſende von Gefchäftsgehülfen werden
dadurch ernährt. Speculanten, Mäkler, Küfer, Zuhrleute, Schiffer u. f. w. find in ihrem Ge⸗
folge und weite Landftriche verbanten ihren Wohlitand blos dem Weinhandel. Soll derfelbe
rationell betrieben werben, fo verlangt er neben großer Erfahrung auch chemifche Kenntmifle.
Der Wein ift ein Gaͤhrungsproduct des Traubenfaftes und enthält Waſſer, Alkohol, Trau⸗
benzuder, Weinfteinfäure, Weinblumenätber, einen eigenthümlichen Riechftoff, Karbeftoff und
Gerbefäure. Bon Bier und Branntwein unterfcheidet er ſich dadurch, daß er keine eigentlichen
Nahrungsbeſtandtheile enthält, ebenfo wenig bittere oder narkotifche Stoffe, und daß er ohne
Zufag von Hefe in freiwilliger Gährung vergobren ift. Se nach der Lagerung oder Verhältniß-
menge feiner Beſtandtheile enthält der Wein befondere Eigenfchaften und wird befonders be⸗
zeichnet. Man theilt die Weine ein: nach ihrem innern Gehalt in ausgezeichnete, geiflige, con⸗
centrirte, ſehr gute, gute, mittelmäßige, geringe, geiftlofe und fchale; nach dem Grade ihrer
Bortfchreitung in gährende, fchäumende, nachgährende, junge, ausgebildete, firne, abgelegene,
abgelagerte, alte und rückſchreitende Weine; nad, ihrem Gefundheitszuftande in gefunde und
kranke; nach ihrer Farbe in federweiße, helle, farblofe, fchillernde, rothe, dunkelrothe, hellgelbe
und goldgelbe Weine; nach ihrer charakteriftifchen Verfchiedenheit in Geruch und Geſchmack
in bouquetreiche, blumige, brennferige, würzige, flüchtige, flumme, geruchlofe, trodene, füße,
bittere, ſauere, rauhe, herbe, harte, geringe, fchlechte, werthlofe Weine; nach ihrer Reinheit in
natürliche, einfache, gemifchte, nachgebildete, gefünftelte und verfälfchte Weine ; nach ihrem öko⸗
nomifchen Werth in Zafelmeine, Wirthſchaftsweine und Handelsweine. Vol. Frey, „Beine
büdlein, oder vollfländige Berechnung der Weinpreife u. f. w.“ (Bafel 1812); „Der voll-
fommene Weintellermeifter u. ſ. w.“ (2. Aufl., Sf. 1820).
In Europa wie überhaupt übertrifft Frankreich alle übrigen Länder in der Erzeugung und
Behandlung des Weins. Obgleich es in feinen meiften Departements Weinbau betreibt, fo find
doch im Auslande nur die Namen weniger Diftricte bekannt. Die vorzüglichften franz. Weine
find : Bordeaur (f. Borbeaurweine), rothe, z. B. Medoc, Latour, Margaux, Lafitte; weiße, 3.8.
Graves, Sauterne, Preignac; ferner Burgunder (f. Burgunderweine), 5. B. Beaune, Ro-
mande, Pomard, Volnay, Nuits, Bougeot ; dann Muskat (f. Muskatellerweine), alt Lunel,
Frontignan, Riveſaltes; endlich Champagner (f. Ehampagnerweine), der ſich wieder in moufe
firenden und nichtmouffirenden theilt. Spanien erzeigt ſehr ſtarke, geiftige Beine, aber nur in
wenigen bevorzugten Lagen, 3. B. Malaga, Lacrima di Malaga, Zereb und Pararete, Zinto bi
Mota, Alicante, Benicarlo, Deralta, Malvafia, Webro-Zimenes. Unter feinen leichtern Weinen
find bie beften der Ribadavia, Garnacha, Valdepeüas und Foncarrel. Die Mehrzahl der fpan.
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Wein. Beinflod 141
Beine ift aber leicht, ohne Gehalt und daher nicht ausführbar. (S. Spaniſche Meine.)
Das Gleiche gilt von den portug. Weinen, die noch geringer md geifllofer als bie fpani-
{chen find und des Zufages von Sprit bedürfen, um haltbar zu bleiben. Die berühmteften
find der Port (von Dporto, ſ. Portwein), ber Pezo ba Regna, ber weiße Garvacellos, der &x-
tubal und Bucellas. Wieden Wein, meift auf fehr fünflliche Weiſe, erzeugt Stalien, darunter
verhältnifmäßig nur wenige gute Sorten. Die beiten find: Albano, Chambery, Brescianer,
Elba, Falerner, Griante, Marſala, Montepulciano, Montefinscone, Lacrimä Ehrifli, Pu
zuoli, Orvieto, Viterbo, Toßcolano, Vinofanto, Bicenza und Montemalo. Die ital. Beine
find meiftens füß und liqueurartig, jedoch dabei etwas ſcharf und wenig haltbar, was ber un-
volltommenen Zubereitungsart zugufchreiben if. Auch diejenigen Griechenlands haben dieſe
unvortheilhaften Eigenfchaften. Die vorzüglichften griedhifchen Weine (ſ. d.) find: Cyper, be-
fonders der Sommendaria, Malvafier, Santorin, Mifttra, Scopolo, Niconi, Chios und Livadia:
fämmtlich überfüße, fogenannte Liqueurweine. In Kleinafien find ber weiße Muskat von Smyrna
und ber rothe Sect von Tenedos befonders berühmt. Das fübliche Rußland, namentlich die
Krim und Beffarabien, erzeugt neuerdings werthvolle Weine von Mittelftärke und großer
Süße. Die Landfchaft Kachetien im Kaukaſus treibt ebenfalls ausgedehnten Weinbau. Un-
gan liefert hochberühmte Weine aller Arten und Gattungen in unglaublicher Menge und ift
eins ber bebeutendfien Weinländer der Welt. (S. Ungariſche Weine.) Es zeichnen fich von
feinen theils füßen (Deffertiweine), theils herben (Tafelmeine) Sorten folgende aus: weiße:
Ruſter, Odenburger, Schomlauer, Neßmelyer, Hegyalia oder Tolayer; rothe: Menefcher, Vil⸗
laner, Erlauer, Ofener, Carloviczer. Steiermark bat eine bebeutende Production an mittlern
und geringen Weinſorten, barunter die befannteflen: weiße: Brandner, Luttenberger, Pickerer,
Nadkersburger, Pettauer, Wiffeller, Sauritfcher; rothe: Bonobiger, Wildbacher. Überhaupt
treibt Oſtreich einen fehr umfaffenden Wenbau, wenn auch von feinem Erzeugniß nur fehr
wenig ins Ausland geht. Die als die beften anerkannten Sorten feines Marktes find: Stam-
mersborfer, Bifamberger, Gumpoldskirchner, Boslauer (meiß und roch), Grinzinger, Klofter-
neuburger, Weidlinger. Mähren erzeugt viele geringere Weine, beffere ſchon Böhmen, 3. 8.
den Melniker; Tirol die bekannten Beltliner, Roveredo, Brirner, Bogener und Marzimin.
Die Schweiz baut eine Menge Wein, durchſchnittlich von geringer und mittler Güte; bie be-
fien Sorten find: Completer (Graubünbten), Neuenburger, Lacote, Lavauxr (am Genferfee),
Räftenbacher (Zürich). Im füdlichen Deutfchland liefert die Umgegend des Bodenfees die leich-
ten, angenehmen Seeweine, Würtemberg die leichten Schillerweine, den Raufinger, Beutels⸗
bacher, Deppacher, Eßlinger u. f. m. ; die Nedlarweine find leicht, aber haltbar, die Taubermweine
besgleichen. In Baben zeichnen fich aus der Marfgräfler und ber Affenthaler. Die Franken⸗
weine (f. d.) wachſen längs des Main; die vorzüglichften darunter find: Leiften, Stein, Cal-
nuıth, Wertheimer, Würzburger. Berühmt find die Pfälger- oder Hardtweine in Rheinbaiern,
darunter Deibesheimer, Korfter, Ruppertöberger, Wachenheimer, Türkheimer, Mußbacher,
Hambacher und Ebenkober weiß; der Königsbacher, Ungfteiner, Bimmeldinger roth. Die Rhein⸗
weine (f. d.) find bie gepriefenften Deutfchlands ; zu ihnen werben gegählt: die rheinheffifchen,
darunter Liebfrauenmilch, Oppenheimer, Rierfteiner, Scharlachberger, Markobrunner weiß und
Ingelheimer roth; die Rheingauer, die ebelften, 5. B. Steinberger, Sohannisberger, Rauentha-
ler, Rübesheimer, Geiſenheimer, Hochheimer, Bacharacher, der rothe Aßmannshäuſer u. |. w.;
die Ahrweine, darunter die Bleicharte, ber Ahrweiler, Walporzheimer; die Naheweine, z. B.
Laubenheimer, Norheimer, Münfterer ; die Mofelweine, leicht, fehr fäuerlich, aber angenehm ;
davon die beften: Pisporter, Zeltinger, Brauneberger, Dligsberger, Berncafteler und Zrar-
bacher. In Thüringen wird befonders im Saalthale Weincultur betrieben, am beften und flärf-
ften bei Naumburg Auch Sachen erzeugt im Elbthale, vorzüglich bei Meißen, geringe Land⸗
weine. Die nörblichfte Spige des Weinbaus Im Großen in Deutfchland und überhaupt befin-
bet fi in Schlefien, bei Grüneberg, deffen Product im Ganzen jeboch beffer ift als fein Ruf.
Bon den andern Welttheilen ift Afrika Durch feine Weinausfuhr am wichtigften. Die Azoren
und Ganarifhen Infeln erzeugen hochgefchägte, feurige Weine, die erftern den Vino pastado,
die fegtern den Teneriffa und Bidogne oder Canarienſect. Das ausgezeichnetfte aller Wein⸗
länder ber Welt ift aber bie Infel Madeira (f.d.). Ebenfo berühmt find auch die Weine bes
Gaplandes (f. Eapweine), ber Eonftantia, Hendrid, Rota u. f. w. In Amerika hat erft in ber
neuern Zeit der Weinbau am Ohio, Miffouri u. ſ. w. einigen Aufſchwung genommen, verfpricht
aber viel für die Zukunft. Huch in Auftralien, befonders im Bezirk Adelaide, Haben ihn deu
fe Eoloniften eingebürgert. Am wenigften wiffen wir über die Weincultur des innern v
12 Beinbrenner Beingarten
öftlichen Afien ; gewiß ift, daß fie in China, Japan, Indien und Perfien allerdings fehr läſſig
betrieben wird. Über einzelne berühmte Weinſorten f. die betreffenden Artikel. Ein reiner,
gutgepflegter Wein ift für bie meiften Menſchen ein angenehmes, belebenbes und, wenn er
mäßig genoffen wird, unfchäbliches Getränk. Der Wein warb daher bei allen Eulturvöltern
als das edelfte Getränk gefchägt und gefeiert. Selbſt ein Raͤuſchchen ſchadet bei gutem Weine
nicht, ſondern legt fich Teicht und ohne Kolgen. Für Geſchwächte ift Wein, unter Auswahl und
Beflimmung bes Arztes, in vielen Fällen Medicin. Altern Lexten dient ber Wein bei mäßigem
Genuffe in der Regel als treffliches diätetiſches Mittel, indem er bie Nerven anregt, die Ber-
dauung flärkt und dad Gemüth erheitert. Dan pflegt daher fogar den Wein „die Milch der
Alten” zu nennen. Zu häufiger und unmäßiger Weingenuß zieht dagegen alle Übel nad) ſich,
welche dem Misbrauche fpirituöfer Getränke (f. Trunkenheit und Trunkſucht) entfpringen.
Dot. Satterer, „Literatur des Weinbaus aller Nationen u. ſ. w.“ (Heidelb. 1852); Thiene⸗
mann, „Die Meinwiffenfchaft” (Abth. 1: „Literatur der Weinwiſſenſchaft“, Dresd. 1839);
Kölges, „Bibliothek der gefammten Weinbau-, Weinbereitungs⸗ und Weinerziehungs kunde
u. ſ. w.“ (Sf. 1848); Rawald, „Das Buch vom Wein” (Lpz. 1852); Dornfeld, „Die Wein⸗
und Obftproducenten Deutſchlands“ (Stuttg. 1853).
Weinbrenner (Zriedr.), Architekt und Schriftfteller, wurde 1766 zu Karlsruhe geboren.
Sein Vater, ein Zimmermann, ftarb frühzeitig, doch hatte er dem Sohne eine folche Neigung
für fein Gewerbe eingeflößt, daß biefer vom 15.3. an bdaffelbe betrieb. Da aber fein nad)
höherer Wiſſenſchaft ftrebender Geiſt Hierin fehr bald Feine Befriedigung fand, ftudirte er neben
der Baukunft auch Phyſik und Mathematit. Im 21.3. ging er in die Schweiz, wo er die Yuf-
ſicht über verfchiedene Baue führte und faft drei Jahre fich aufhielt; dann befuchte er die Bau-
akademie zu Wien. Im 3.1791 begab er ſich nach Stalien und ftudirte in Nom faft ſechs Jahre
lang die Überrefte alter Baukunſt. Auch gab er in Rom Unterricht in der Baukunſt und lie-
ferte mehre architektonische Sompofitionen und Zeichnungen. Im 3.1798 kehrte er nach Karls-
ruhe zurüd, wo er fogleich Bauinfpector und bald darauf Baubdirector wurde. Sehr verdient
machte er fich bier zunächſt durch die Begründung einer Unterrichtsanftalt für Architekten.
Hauptſächlich befchäftigte ihn die Theorie des Theaterbaus. Er hatte die alten Theater gefehen
umb ſich überzeugt, daß die Form derfelben bie befte fei, fowol in optifcher als akuſtiſcher Hin-
ſicht. Nach diefen Srundfägen und im halbantiten Stiel erbaute er das Theater in Karls ruhe
und dad Schaufpielhaus in Leipzig. Auch baute er 1821 das Ständehaus, ſowie eine proteft.
und eine Path. Schule zu Karlsruhe. Er war zulegt Oberbaudirector und farb zu Karlörube
4. März 1826. Seine Bauten zeichnen ſich aus durch praßtifchen Sinn in der Anordnung und
große Virtuofität in der Eonftruction. Auch bie Verhältniſſe find meift gut, bie Details da-
gegen oft ſchwer und flach. Dabei ift nicht zu überfehen, daß ber malerifche Sinn, welcher jegt
in der Baukunſt verlangt wird, in W.'s Zeit überhaupt nur wenig entwidelt war, und daß ein-
zelne wichtige Seiten der griech. Architektur erft feitbem entdeckt worben find. So ift zwar ber
Eindruck mancher feiner Bauten kalt und profaifch, während gleichwol bie Strenge und Ehr-
lichkeit feines architeftonifchen Verfahrens fie auf immer in gewiffen Beziehungen muſtergül⸗
gültig machen. Bon feinen Schriften find zu nennen: oe: Theater in architektonifcher Hin-
Sicht” (üb. 1809); „Architektoniſches Lehrbuch” (3 Bde., Stuttg. 181025); „Entwürfe
und Ergänzungen antiter Gebäude” (Karler. 1823); „Ausgeführte und profectirte Ge⸗
baubde” (5 Hefte, Karlsr. 1825— 30). Aus feiner Schule ift eine große Anzahl tüchtiger Ur-
chitekten hervorgegangen.. Vgl. „Denkwürdigkeiten aus W.'s Leben” (herausgeg. von Schrei⸗
ber, beiden. 1830).
einen, f. Shränen.
Weingarten, ein Schloß im Oberamte Ravensburg des würtenıberg. Donaukreiſes, zum
Marktfleden Altborf, der 2794 E. zählt, gehörig, war vormals ber Sig ber gleihnamigen
Reichsabtei bed Benedictinerordens, einer welfifchen Stiftung des 9. Jahrh. welche außer ben
drei Herrfchaften Brochenzell, Hagnau und Blumened fehr viele Drter und Güter in der ehe-
maligen Randvoigtei Altdorf befaß. Die von 1705—24 erbaute, außen und innen prächtige
Kirche „Zum Blute Chriſti“, mit einer außerordentlich großen Orgel von 76 Negiftern und
6666 Pfeifen, iſt ein berühmter Wahfahrtsort. Das 6 QM. umfaffende Gebiet ber Abtei
kam 1802 an den Fürften von Naffau-Dieg und 1806 unter würtemberg. Hoheit. Jett dient
das Schloß als konigl. Waifenhaus, mit welchen ein Erziehungshaus (Rettungsanftalt) für
verwahrlofte Kinder verbunden ift.
Beingeift Veintberg 143
Beingeift, fo viel als Alkohol (f. d.).
Weinheim, eine Stadt im Unterrheinkreis des Großherzogthums Baden, an der Berg-
ſtraße, der Main-Redarbahn und der aus dem Odenwalde kommenden forellenreichen Weſch⸗
nig, Hauptort eined Amtsbezirks, die anfehnlichfte Stadt, ber ſchönſte und befuchtefte Punkt an
ber Bergfirafe, im Ganzen gut gebaut, mit Thürmen und Gräben, einem Schloffe, dem fegt
als Amtbaus dienenden Templer- und Deutſchordenshauſe, einem gräflich Lehrbach’fchen Pa⸗
lais nebft Park, fimf Kirchen, einer Synagoge, einem Yädagogium, einer höhern Bürgerfchule
mb dem unter tüchtiger Leitung ftehenben Bender’ichen Privaterziehungshaufe. Die Stadt
zahlt 5800 E., welche viele Gerbereien unterhalten, Leinwand, Nußöl, Ehocolabe, nußbaumene
Gewehrſchäfte verfertigen, ſchönes Obft, namentlich viel Wallnüſſe und auch Mandeln ziehen,
guten Bein, darunter den Hubberger, ben beften an ber Bergfiraße, bauen und lebhaften Han⸗
dei treiben. In der Nähe der Stabt befinden fi gefhmadvolle Villen ber Manheimer und
Heidelberger und eine Stahlquelle mit Babeanftalt. Im Often fleigt auf einem Bergkegel bie
von ſchönen Anlagen umgebene alte Burg Windel empor. Vorzüglich anziehend find in ber
f&hönen Umgegend das von ber Wefchnig durchſtrömte birfenauer und das gorrheimer Thal. —
Weinheim, ein Pfarrborf in ber Provinz Nheinheffen bes Großherzogthums Heffen, im Kreife
und Y% M. weftlich von der Stadt Alzei, hat über 1000 E., Porphyrbrüche und die Burgruine
Windberg. In der Nähe liegt ber Heiligenblutberg, wo ein vortrefflicher Bein wächſt.
Beinlig (Ehriftian Theod.), Componiſt und theoretifcher Mufiker, geb. 25. Juli 1780 zu
Dresden, wurde im väterlichen Haufe durch Privatunterricht vorbereitet und ftudirte ſeit 1797
in Leipzig die Rechte. Er praßticirte hierauf als Advocat bis 1804 in Dresden, als die Nei-
gung und Liebe zur Muſik ihn mit folcher Heftigkeit ergriff, daß er die abvocatorifche Laufbahn
aufgab und unter ber Zeitung feines Onkels Chriſtian Ehregott WB., der Cantor an der Kreuz.
fyule zu Dresden war, fi ganz dem Stubium ber Tonkunſt hingab. Im J. 1806 ging er
nach Stalien, wo er unter Mattei in Bologna hauptſächlich Contrapunkt fludirte und Mitglied
der Philharmoniſchen Gefelfchaft wurde. Nach feiner Rückkehr nach Dresden wurbe er 1814
Gantor an ber Kreuzkirche, legte jedoch 1817 freiwillig diefe Stelle nieder. Er privatifirte
nun in Dresden, bis er 1823 Schicht's (f. d.) Nachfolger ale Gantor an ber Thomaskirche
in Leipzig wurde. Er farb 7. März 1842. Als Componiſt ift W. durch mehre Hefte
Singübnngen befannt geworben. Vorzüglich gefchägt war er als theoretifcher Muſiker. Nach
feinem Tode erfchien feine „Iheoretifch-praßtifche Anleitung zur Buge” (Dresb. 1845), worin
er die Refultate feiner Studien niebergelegt bat, die jedoch den gehegten Erwartungen nicht
durchaus entfprochen haben. — Weinlig (Ehriftian Albert), Sohn bes Vorigen, geb. 1812
zu Dresden, flubirte in Leipzig Raturwiffenfchaften und Mebicin und habilitirte fich, nachdem er
die mebicinifche Doctorwürde erlangt, ald Privatdocent für Mineralogie, Technologie und ver-
wandte Gebiete. Später auch ald Lehrer der Chemie, Phyſik und Technologie an ber Handels⸗
lehranſtalt angeftellt, gab er feinen praftifchen mebicinifchen Beruf ganzauf, um ſich aus ſchließ⸗
lich der Anwendung der Naturwifienfchaften auf Technik und Aderbau, fowie dem Studium
der Nationalökonomie zu wibmen. Im J. 1845 folgte er einem Rufe als Profeffor der Natio-
nalõkonomie nach Erlangen, ging aber bereits 1446 als Wirklicher Minifterialrath im Mini-
flerium des Innern für Gewerbe, Handels⸗ und Aderbauangelegenheiten nach Dresden. Im
Febr. 1849 übernahm er in bem unter Held’ Vorfig gebildeten Übergangsminifterium das
Portefeuille des Innern, trat aber ſchon im Mai wieder aus demfelben aus, um als Geh. Rath
die Direction ber Abtheilung für Handel, Gewerbe und Aderbau zu übernehmen. Bon feinen
Schriften find außer mehren Überfegungen und ben Bearbeitungen von Thomfon’s „Pflanzen-
chemie (2pz. 1838) und Herſchel's „Einleitung in das Studium der Naturwiffenfchaften”
(2pz. 1836) zu nennen: „Lehrbuch der theoretifchen Chemie” (Epz. 184041) und „Grund⸗
riß der mechaniſchen Raturlehre” (Xpz. 1843). Von 18355—45 redigirte er bad „Pharma⸗
ceutifche Gentralblatt” und (mit Hülße) das „Polytechniſche Gentralblatt”.
Weinprobe nennt man bie Unterfuchung des Weins, ob ex rein oder verfälfcht fei, und die
Dazu angewendeten Mittel. Für bie verfchiebenen Verfälfhungen hat man auch verfchiebene
Weinproben. Befonbers befannt ift bie auf Entdeckung eines Bleigehalts berechnete Hahne-
maun'fde Weinprobe, welche in einem Gemenge von Schwefelleber (Schwefelcalcium) und
Weinfſteinſäure befteht, beffer aber durch mit einer Säure verfegtes Schweſelwaſſerſtoffwafſer
erfegt wird. Sie erzeugt in bleihaltigem Weine eine braune oder ſchwarze Faͤrbung. Eine Ver⸗
fälſchung des Weins mit Blei kommt indeſſen jetzt wol nicht mehr vor.
Weinsberg, eine Stadt im würtemb. Nedarkreife, Hauptſtadt eines Oberamts, früher,
144 | WBeinftein Beife
wenigftens noch 1402, eine Freie Reichsſtadt, Bat 1954 E., Gypobrüche und nit un
wichtigen Weinbau. Auf dem runden Berge, an welchem die Stadt zum Theil liegt, fieht
man die Trümmer bes Schloffed Weibertren, fo genannt zum Andenken an die durch
Bürger's Ballade verherrlichte Sage. Kaiſer Konrad II. fol namlich nach dem in ber Nähe
der Stadt 1140 über den Grafen Welf gewonnenen Sieg, bei welchem auch zum erften male das
Feldgefchrei „Die Biehlingen” und „Die Welf“ erwähnt wird, diefen in W. belagert und über
den hartnädigen Widerfland der Belagerten erbittert, bei der endlich erziwungenen Übergabe bie
Männer zum Zobe verurtheilt und nur den Weibern mit ihren Koftbarkeiten freien Abzug ge⸗
flattet haben, welche Erlaubniß biefe benupten, un ihre Männer auf dem Rüden herauszutra-
gen und fo zu retten. Ein altes Bild in der Stadtkirche ftellt bie Begebenheit dar; auch wurde
1823 in W.auf Betrieb des hier mohnenden Arztes und Dichters Juſtinus Kerner ein Srauen-
verein zur Verfchönerung des Berge und zur Unterflügung unbemittelter Frauen geftiftet, die
fih buch Treue und Aufopferung ausgezeichnet haben. Im Bauernkriege wurden bier 1525
ber Graf von Helfenftein und viele andere Edle durch die Spieße der Bauern gejagt umd bie
Stadt deshalb das Jahr darauf eingeäfchert. Vgl. Jäger, „Beichreibung und Befchichte der
Burg W.“ (Heilbe. 1823); I. Kerner, „Die Beflürmung der Stadt WB. im I. 1525”
(2. Aufl., Heilbr. 1848).
Weinſtein heißt die aus jungen Weinen fich fcheidende fefte rothe oder graue Maffe, weiche
fih an ben Wänden der Faäffer anfest und aus zufammenhängenden Kryſtallen befteht. Durch
wieberholtes Auflöfen in ſiedendem Waffer, Durchfeien, Klären und Verdampfen wirb der rohe,
als rother oder grauer Weinſtein in den Handel kommende Weinſtein von ben färbenden und
andern nicht mefentlichen Stoffen gereinigt und gibt kryſtalliſirt ben gereinigten Weinſtein oder
- die Weinkryſtalle. Der gereinigte Weinſtein beſteht aus Weinſteinſäure und aus Kali mit Über-
ſchuß von Säure und ift allgemein unter dem Namen Cremor tartari (f. d.) bekannt.
WBeinſtock, [. Wein.
Weintraubenent, ſ. Traubeneur.
BVeisbach (Julius), ausgezeichneter Mathematiker und Hydrauliker, geb. 10. Aug. 1806
auf der Eiſenhütte Mittelſchmiedeberg bei Annaberg, wo ſein Vater Schichtmeiſter war, kam
1820 auf die damalige Hauptbergſchule, 1822 auf die Bergakademie zu Freiberg, ging dann
1827 nach Göttingen und 1829 nach Wien, wo er die Vorleſungen an der Univerſität und dem
Polytechniſchen Inſtitut beſuchte und ſich vorzugsweiſe an Mohs anſchloß. Nachdem W. 1830
eine bergmanniſche Reife durch den größten Theil der öſtr. Staaten gemacht hatte, befchäftigte
er ſich zu Freiberg beſonders mit dem Stubium ber höhern Mathematik, bis er Anfang 1833
als Lehrer der angewandten mathematifchen Wiffenfchaften ander Bergakademie eintrat. Seit⸗
bem wandte W. feine Aufmerkſamkeit vorgugsweife der Hydraulik und der praktiſchen Beobäfie
zu und begann 1841 feine hydrauliſchen Verſuche, die ex bis auf die neuefte Zeit fortgefegt hat.
Die Ergebniffe berjelben veröffentlichte er zunächſt in ben Schriften: „Verſuche über den Aus»
fluß des Waſſers durch Schieber, Hähne, Klappen und Ventile” (Lkpz. 1842) und „Verſuche
über die unvollkommene Gontraction bed Waffers beim Ausfluß deſſelben aus Röhren und Ge⸗
fäßen“ (2ps. 1843). Durch die von W. zuerft aufgeftellte Idee des Widerftandscoifficienten
find die hydrauliſchen Rechnungen ungemein vereinfacht worden ; die Entdeckung und Behand⸗
lungsweiſe der unvolltommenen Contraction gehört zu ben wichtigften Fortfchritten der Hydrau⸗
lik feit Joh. und Dan. Bernoulli. W.s Hauptwerk bildet das „Lehrbuch der Ingenient- und
Mafchinenmehanit” (3 Bde, Braunfchw. 1845 — 54; 2. Aufl, Bb. 1 und 2, 1850—51).
Sonft find noch zu nennen: „Handbuch der Bergmafchinenmechanit” (2 Bde, Lpz. 1835 —
36) ; „Die neue Markfcheidefunft” (Bd. 1, Braunfchw. 1850); „Der Ingenieur” (Braun
ſchw. 1848; 2. Aufl., 1850); „Verſuche über die Leiftungen eines einfachen Reactionsrades“
(Sreib. 1851); „Erperimentalbybraufif” (Braunſchw. 1855). Viele Beiträge lieferte IB. auch
in das „Polytechnifche Eentralblatt”; in den „Ingenieur“ und „Civilingenieur” und in die
„Polytechniſchen Mittheilungen” von Volz und Karmarfch. In Tegterer Zeitfchrift (1844) gibe
W. auch Mittheilungen über die von ihm erfundene monodimetrifche und anifometrifche
Projections methode.
Weiſe (Chriſtian), Schulmann und Dichter, geb. 30. April 1642 in Zittau, ſtudirte in
Leipzig, wurde 1670 Profeſſor der Beredtfamkeit, Dichtkunſt und Politik an dem Gymnaftınn
zu Weißenfels und 1678 Rector des Bymnafiums feiner Baterfladt, wo er 21. Dct.1708 flarb.
Er mar für feine Zeit ein trefflicher Lehrer, führte zuerft die beutiche Sprache in die Gymnafien
ein, auf denen man bis dahin nur Lateiniſch und Griechifch duldete, und ſchrieb für mehre Lehr»
— — Dan 5
Beisflog Reiffagung 145
füher, namenilich für bie Dichtkunſt uud die Neredtlambeit, Schrhächre, , B. Auricuſe Ge-
danken von deutſchen Verſen“, walche zwar iept Im harhflan Grade abooſch mackt ericheinen, zu
ihrer Zeit aber doc; ein Fortſchritt wayen und feine Methode anf längere Zeit zur hetrſchenden
in Deutſchland machten. Auch feine Michtumgen fegte er mit ber Schule in Verbindung, indem
er mebre Schaufpieke für die Damals voch üblichen, yon Schulen veranſtalteten dramatifchen
Aufführungen ſchrieb, Die unter dem Titel „Zittauiſches Thegtrum“ (Bi. 1685 und öfter) ge
fammelt exfienen. Beine Hauptwerke find jeboch fatiriiche Romane, z.B. „Die drei Haupt
verderber” (2py. 1671 und öfter), und Luſtſpiele, 3.8. „Bäurifcher Macchiavell” (Zitt. 1679).
In beiden Arten von Werken fucht ex bie deutſche Dichtung von dem Lohenftein’fchen Schwulß
zur einfachern Naturwahrheit zurũückzuführen, wobei ex fich freilich vielfach plump und ungelenf
geberdet. Tiefer chen feine geifllichen und weltlichen Igrifchen Bebichte, 3.8. „Buß- und Zeit-
andachten” (Wang. 17230), die in dem gewöhnlihen langweiligen Tone Iemer Zeit gehalten,
aber auch nicht non ihm ſelbſt veröffentlicht merden find. Durch ben bedeutenden Ruf, den er
mit Mecht ald Padagog genof, erwarb er fi) aud auf ben Entwidelungsgang ber deutfchen
Dichtkunlt bes 17. Jahrh. einen nicht geringen Einfluß. .
Weis ſlog (Karl), Verfaſſer komiſcher Erzählungen, geb. 27. Dec. 1770 in Sagen, fhubirte
in Königsberg, wurde 1802 Stabtrichter, 1827 Stadtgerichtsdirector in feiner Vaterſtadt und
ſtarb, lange kraͤnkelnd, 17. Juli 1828 im Bade IBarmbrunn. Gr lieferte zu vielen Taſchen⸗
büchern und belletziflifchen Zeitfchriften Beiträge, welche zum Theil wieber abgedruckt find in
feinen „Phantaſieſtũcken und Hiftorien” (12 Bbe;, Dresd. 1824—29; neue Aufl, 1839).
Seine Darfiellungen haben fait ausfchließend die engen Kreife des Heinen bürgerlichen Lebens
zum Gegeuſtande; body befigt er babei jo viel Gewandtheit in ber Erfindung, fo viel gutmüthi⸗
gen, mit einer gewiffen Wehmuth durchzogenen Humor und eine fo treue und wahre Darftel-
lung, daß feine Erzählungen zu den beffern der einer flüchtigen Unterhaltung gewidmeten Ar⸗
beiten gezählt werden müſſen.
Weishaupt (Adam), der Stifter des Drbens der Illuminaten (ſ. d.), geb. 6. Febr. 1748
zu Ingolftadt, ſtudirte bafelbft und erhielt, nachdem er 1768 Doctor der Rechte geworben, bie
Stelle eines juriflifchen Repetenten, 1772 eine außerordentliche Profeffur der Rechte und 1775
bie Profeffur bes Natur und kanonifchen Rechte. Da die Lehrerftelle des Panonifchen Rechts
vorher immer von Ordens geiſtlichen bekleidet gewefen, fo feindeten ihn die Geiftlichen an, zumal
da er, ein Zögling ber Sefuiten, nad Aufhebung des Ordens ſich al ihr bitterfier Feind zeigte.
Er trat als ein aufgefMärter Mann mit mehren guten Köpfen in Verbindung und fuchte fie für
feinen ſogenannten Kosmopolitißöimus empfänglich zu machen. Dabei ging er aber fo offen und
ehrlich zu Werke, daß man ihm deshalb offentlich nichts anhaben konnte; defto mehr wirkten
gegen ihn die Jefuiten im Geheimen. Als Rechtsgelehrter erlangte ex viel Ruhm und feine Vor⸗
lefungen wurden von Stubenten aus allen Sacultäten befucht. W. benugte dieſe Gelegenheit,
feine neue Lehre auszubreiten, und fo wurde fein Horfaal die Pflanzſchule des Kosmopolitis-
mus, für deffen Pflege er auch den Illuminatenorden ftiftete. Nachdem er als ein Opfer mön⸗
chiſchen Fanatismus und eigenes Unvorſichtigkeit feine Xehrftelle in Ingolftadt 1785 verloren,
ging er nach Gotha, wo er vom Herzog zum Legationsrath und fpäter zum Hofrath, ernannt
wurde, ‚Bier ftarb ex 18. Nov. 1830. Als feine wichtigften Schriften find zu erwähnen bie
„Apologie der Illuminaten“ (Ef. und pz. 1786); „Das verbefferte Syftem der Illuminaten“
(Ef. und Rp. 1787; 3. Aufl., Lpz. 1818); „Pythagoras, ober Betrachtung über die geheinie
Welt- und Regierungstunft” (&Ff. 1790); „Materialien zur Beförderung der Welt⸗ und
Menfchenkunde” (3 Hefte, Gotha 1810); „Uber Staatsausgaben” (Landéh. 1820); „Uber
das Befteuerungsfuftem” (Landsh. 1820). Sein Sohn, Karl von W., flarb 18. Der.
1853 als bair. General.
Weisheit ift das Wiſſen des Wahren, infofern es Srömmigfeit unb Gefinnung und Hand⸗
lung erzeugt. Die Weisheit geht alfo vom Wiſſen aus, ift auf fefte Überzeugung bes Wahren
und zwar des unbedingt Wahren gegründet, bleibt aber Dabei nicht ſtehen, fondern wird prat-
tiſch. Je ausgebildeter das Wiffen und Die Befinnung ift, defto Höher und würdiger iſt die Weis⸗
beit. In ihr fehen wir das Nefultat des ganzen Lebens; darum unterfcheidet fie fih auch von
der Wiffenfchaftlichkeit und Gelehrſamkeit, welche oft ohne diefelbe ift.
Beiflagung (althochdeutſch wizagunga, von dem althochdeutfchen Zeitworte wizagon, wi-
zon, über deſſen Wurzel die Meinungen ber Gelehrten noch auseinander gehen) heißt im Au—
gemeinen die durch übernatürlighe Eiugebung bewirkte Berfündigimg des Verborgenen, gewohn-
Eonb.⸗ex. Behnte Inf XV. 2 10
146 Beiffegung
lich des Zukünftigen, feltener bed Gegenwärtigen ober des Bergangenen, während Wahrſagung
und noch mehr Waßrfagerei die Anwendung geheimer Künfte zur Erlangung jener aufcheinend
übernatürlichen Kunde voraußfegt. Der natürliche Wunſch, dab Verborgene und namentlich
das Zukünftige zu erfahren und bie gewonnene Kenntniß in ben eigenen Nutzen zu verivenden,
verbunden mit dem Bewußtſein von ber Unzulängfichkeit der gewöhnlichen Hülfsmittel, hat
Weiffagung und Wahrfagung zu allen Zeiten und an allen Orten hervorgerufen, gefördert und
feibft auch gegen beffere Einficht hartnädig aufrecht erhalten. Daher findet ſich Weiſſagung
unter den mannichfachften Formen zu allen Zeiten und bei allen Völkern, am üppigften ba, wo
Religionsbegriffe, Wiſſenſchaft und fittliches Leben entiweder noch auf fehr niedriger Entwicke⸗
Iungsftufe ftehen, oder in jähem Verfall und zerfegender Auflöfung begriffen find, am gemäßigt-
ſten dort, wo zu reinen und würbigen Religionsvorftellungen ernfte fittliche Geſinnung und eine
von Borurtheilen freiere Bildung ſich gefellt. Unter den oriental. Eulturvolkern befaßen befon-
ders die Perſer (f. Magier), bie Chaldäer und die Agypter einen feit älteſter Zeit gepflegten
Hang zur Weiffagung, und viele wahrfagerifche Künfte find von ihnen erfunden, fortgebildet
umd zu den Europäern verpflangt worden. Den Hebräern dagegen war durch bie mofaifche Re
figion.nur bie ernfte und auf fittliche Ziele gerichtete Gattung der Prophetie ([. Propheten) ver-
ftattet, obgleich fich allerdings auch Wahrfager mancherlei Art im Lande verbielten, wie unter
Anderm die Geſchichte von der dur Saul befragten Wahrfagerin zu Endor bezeugt. Bei
ben Griechen fand Weiffagung, von ihnen Mantik genannt, in engftem Verbande mit ber Re-
ligion und dem Staatöleben und wurde deshalb auch vergeblich von den Philofophen angefoch-
ten. Wie Opfer und Fefte auf Zorn und Huld der Götter wirken follten, fo wär es die Aufgabe
der Mantik, ihren Rath und Willen zu erforfchen, um danach die menſchlichen Handlungen ein.
zurichten. Am unmittelbarften ſprach ſich nach griech. Glauben bie Gottheit aus durch die an
beſtimmte Stätten gefnüpften Orakel (f. d.), welche auch häufig von Staats wegen befragt wur⸗
den; dann gab fie Auskunft durch den Mund gemiffer Menfchen, der Manteis, denen die oft in
der Familie forterbende Babe der Weiffagung als befondere göttliche Gunft verliehen war und
zu benen auch die Sibyllen (f.d.) gehörten. Kerner fuchte man orakelhafte Antiworten zu ge-
winnen Durch Befragung der Verftorbenen, durch Nekromantie (f. d.), und vermeinte auch aus
Träumen mehr oder minder deutlich den Willen der Götter und die Geftaltung der Zukunft zu
_ entnehmen. Die eigentliche Traumdeuterei jedoch fcheint erft fpäter aus dem Driente Eingang
und Derbreitung bei den Griechen gefunden zu haben, von denen wir noch des Artemidorus
„Traumbuch“ befigen. Minder unmittelbar redeten die Götter durch allerlei bald zufällig ſich
darbietende, bald abfichtlich gefuchte Zeichen, deren Sinn erſt durch eine Deutung gefunden wer-
den mußte. Es gehören dahin die Zeichen, welche beim Opfer in der Geberdung und in der Be-
ſchaffenheit bes Thieres und namentlidy feiner Eingeweide, fowie in der Geftalt der Opferflanımze
wahrgenommen wurden, ferner die Himmelserfcheinungen, Flug und Stimme ber Vögel, Ber
gegnungen auf Gängen und Reifen, vernommene Laute und Wörter und zahllofe andere Dinge,
wie fie überall vom Aberglauben für vorbedeutend gehalten werden. Noch viel ausgebreiteter
und welt inniger mit dem Staatsleben verwachfen war die Weiffagung bei ben Römern, und
zwar die mittelbare (divinatio), auf der Auslegung gegebener oder gefuchter Zeichen beruhende
(f. Bivination), während bie unmittelbare durch Orakel und fchidfalsfundige Seher (vates)
ihnen faft gänzlich abging. Eine Unzahl zufälliger Erſcheinungen, ſowol fihtbarer (prodigium,
osteutum, monstrum) als hörbarer (omen im engern Sinne), galt ihnen als vorbedeutend, und
die Deutung der Dimmelserfcheinungen, befonders der Blitze, forte diefenige des Flugs und
der Stimme der Vögel ward durch die Körperfchaft ber Augurn (f. d.) in eine Art von wiſſen⸗
THaftlihem Syſtem gebracht und übte ben größten Einfluß auf Staats- und Privatleben aus.
Daneben war zugleich die urfprüngfich etrurifche, von ben Haruſpices (f. d.) gepflegte Kunft
ber Opferfchau vom Staate anerkannt, und nicht minder wurden bie Sibylliniſchen Bücher,
fowie die Entfcheibung des Looſes (sortes) von Staats wegen zu Nathe gezogen. Zuletzt dran-
gen gegen Ende ber Republik und in der Katferzeit noch allerlei fremde, meift orient. Wahr-
fager- und Zauberfünfte ein, Darunter namentlich die Aftrologie (f.d.), und wußten fich bei dem
tiefen Verfalle des fittlichen und bes religiöfen Lebens auch gegen wiederholte StaatEverbote zu
ehaupten.
Bei den Germanen fand Weiffagung feit ältefter Zeit in hohem Unfehen unb warb in
öffentlichen wid in Privatangefegenheiten vielfach gelibt, durch Prieſter, Durch Die Hausväter
‚und befonbers auch durch Frauen. Gern benugte man bazu bieXoofe, Stäbchen aus dem harten
Holze eines fruchttragenden Baums, vorzugsmeife der Buche, gefchnitten und mit Runen (f.d.)
Weisthum Weiß (Barbe) 147
bezeichnet. Vgl. Homeyer, „Über das german. Looſen“ (Berl. 1854). Ferner weiſſagte man
aus dem Schnauben und Gewieher von Roſſen, die auf Staatskoſten in heiligen Hainen
gehalten wurden, aus Geſchrei und Flug ber Vögel, aus dem Strudeln fließender Wäſſer
u. dgl. Als vorbedeutend galten eine Menge von Dingen und Begebniffen, namentlich
aber der Angang oder bie Begegnung eines Beil- oder unbeilbringenden Weſens am frü-
ben Morgen oder bei dem Beginne eines Unternehmens. Bei weitem nicht alle Arten der
altgerman. Weiſſagung vermochte die chriſtliche Kirche des Mittelalter auszurotten. So
mußte fie 3. B. bie Gottesurtheile (ſ. Orbalien) lange Zeit dulden, ja fie blieb ſelbſt nicht
frei von der Anwendung einer fogar bei Bilchofswahlen gebrauchten eigenthümlichen Urt
des Looſes, die bei den Romern namentlich in der Geftalt der sortes Virgilianae (f. Birgi-
lius) gangbar geweien war, nur daß man jegt heilige Schriften auffchlug , um aus dem gerabe
in die Auge fallenden Berfe (sortes sanctorum) den vermeinten Ausgang des betreffenden Unter-
aehmend zu erfehen. Im 15. und 16. Jahrh. Bamen allerlei Formen der Wahrfagung, die theil®
von ben Römern, theild auch von ben Arabern herfiammten und von den fahrenden Schülern
fleißig gefördert wurden, Aftrologie, Chiromantie (f.d.), Geomantie (f. Punktirkunſt), Rhabdo⸗
mantie (f.d.), Traumdeutung u. dgl. in eine faft epidemifch krankhafte Geltung und erzeugten
unter Anderm die bändereiche Literatur ber „Praktiken“, eine Art von wahrſageriſchen Kalen-
dern; ihren poetifchen Ausbrud aber fanden fie in der Sage von Dr. Fauſt (f. d.). Bon dem
Lichte der religiöfen und wiffenfchaftlichen Aufklärung aber wurden fie allmälig theils ganz ver-
drängt, theils als Aberglaube geächtet und friften gegenwärtig nur noch hier und ba ein dunkles
kümmerliches Dafein unter verfchiebenen Formen: als Zigeunerwahrfagerei, Deutung des Kaf-
feefages, Kartenfchlägerei, Punktirkunſt, Bleigießen u. dgl. Höchftens konnten in politifch tief-
bewegten, troftlofen Zeiten oder bei religiös überfpannten oder glaubensleeren Gemüthern eine
Zenormand (f. d.) oder die Offenbarungen des Somnambulismus (f. d.) ein vorübergehen-
des Anfehen finden. Das Tiſchrücken und Geifterflopfen (f. d.), welches in den legten Jah⸗
ren auftaudhte, hat gar nur eine kurze Erheiterung zu erregen vermocht. Doch von dem uralten
tiefgewwurzelten Volksglauben in Beziehung auf Vorbebeutung und Angang bat ſich noch Man-
cherlei im Volke lebendig erhalten.
Bon den Weiffagungen und Wahrfagereien heidnifchen Urfprungs find die Weiffagungen
(vaticinia) der Heiligen Schrift wohl zu unterfcheiden. Diefe find zuvörderft die von den Pro⸗
pheten des Alten Teſtaments gemachten Meffianifhen Weiffagungen (f. Meſſias), die nicht
nur die Zeiten der Herrfchaft des Chriſtenthums im Allgemeinen, fondern auch Umflände des
Lebens und der Schickſale Jeſu verfünbdigen und wegen der unverfennbaren Übereinflimmung
der im Neuen Teſtament erzählten Thatfachen, und weil Jeſus fich ausdrücklich auf dieſe bezo⸗
gen hat, von den Ehriften hochgeachtet werden. Huch Sefus felbft Hat einige Weiffagungen ge-
than, die erfüllt worden find. Dieſelben find theils politifcher Natur, wie über Jeruſalems Un-
tergang, theils gründen fie ſich auf eine Hare Durchſchauung der Gefinnung feiner Umgebung,
wie 3. B. über Petri Fall, und fallen als ſolche in das hellere Anfchauen des Weiſen überhaupt,
theild kommen ſie aber auch auf Rechnung der zu wörtlichen Epegefe, wie z. B. ber Weltunter-
gang (Luc. 21). Übrigens ift e8 im Ganzen immer zweifelhaft, ob Jeſus Weiſſagungen im ei⸗
gentlicden Sinne des Worte gegeben habe. Seine Antwort auf bie Foberung einer folchen war:
„Niemand weiß, welche Stunde der Vater feiner Macht vorbehalten hat.” Unter bie Vorzüge
der erſten Lehrer des Chriftenthums gehörte auch die Babe der Weiffagung. Von den Proben
derfelben ift jeboch wenig Zuverläffiges befannt, und nie waren die Ehriften vollig einverfianden,
in welchem Sinne ber prophetifche Inhalt der „Offenbarung Johannis” aufzufaffen fei.
Weisthum bezeichnete im Mittelalter zunächſt die von den Schöffen ertheilte Rechtsnach⸗
weifung und Belehrung ; bann überhaupt jebe urlundliche, von Gemeinden, Benoffenfchaften
oder Schöffencollegien veranlaßte Erklärung über beftehendes Recht, namentlich einzelner Orte.
Dergleichen Weisthümer finden fi vom 13. Jahrh. an und enthalten, auch wenn fie erſt weit
fpäter aufgezeichnet wurben, doch oft fehr alte Nechtöfagungen und Gebräuche. Manche find
noch jegt gültig. In denfelben finden wir befonders Beftimmungen über die Rechtöverhältnifie
des Herrn zu ben Ortseinwohnern, alfo über die mannichfachen Gaben und Leiftungen ber letz⸗
tern. Oft verbreiteten fie fi) aber auch über das Gericht bed Heren und bad Verfahren in dem-
felben, ſowie über Angelegenheiten des reinen Privatrechts. Eine Sammlung ber deutfchen
„Weis thümer“ veranftaltete Jat. Grimm (3 Bde. Gott. 1840-—42).
Weiß. Mit dem Namen des weißen Lichts bezeichnet man öfter das farbiefe Sonnenlicht,
148 Weiß (Chriſtlan Sam.) Weiße (Chriſtian Selig)
das bekanntlich (f. Yarbenlehre) aus fehr verfchlebenfarbigen Strahlen aufammengefegt iſt.
Weiß nennt man bie Farbe eined mehr ober weniger undurchſichtigen Körpers, wenn feine nicht
polirte Oberfläche alle im Sonnenlichte vorhandenen farbigen Strahlen im gleicher Weiſe, d. 5.
in gleichem Berhältniffe nach allen Seiten hin zurückſtrahlt.
Weiß (Epriftian Sam.), verdienter Mineralog, geb. 26. Sehr. 1780 zu Leipzig, deſuchte Die
bafigen gelehrten Schulen und die Univerfität, übte ſich daun 1801 — 2 zu Berlin umter Klap⸗
roth praßtifch in ber Chemie umd ftudirte Hierauf 1802—5 zu Preiberg, wo er zu Werner's vor
züglichften Schülern gehörte. Oftern 1803 nach Leipzig zurückgekehrt, habilitirte er fich daſelbſt
unb ward, nachdem er feit 1805 Deutſchland, bie Schweis und Frankreich Sereift Hatte, 1808
ordentlicher Profeſſor der Phyſik. Im 3.1810 als Profeſſor der Mineralogie an die neube
gründete Univerfität nach Berlin berufen, hat er eine Menge guter Minerelogen geblibet und
ben muthematifchen Theil ber Mineralogie nach einer fehr naturgemäßen Methode zu einem
hohen Grade der Volltommenheit ausgebildet. Auch war er der Exfie, ber in feiner Abhandlung
„ber bie natürlichen Abtherlungen der Kroftallifationsfgfteme” (1813) eine folche Abtheilung,
die Bafis alles Eruftallographifchen Wiſſens, aufftellte. Außer der genannten Schrift und
einer Reihe Abhandlungen in den Schriften der Akademie und der Ratwrforfchenden Sefell-
ſchaft zu Berlin hat WB. kein größeres felbfländige® Werk verbffentiht. Die Grundlagen
und Eigenthümlichkeiten feiner kryſtallographiſchen Methode beftehen in der Zurückführung aller
kryſtallographiſchen Verhältniffe auf beftimmte Aren der Kryftalle, bie auf ie mathematiſche
Bezeichnung der Kroftallflächen ſich gründet, ferner in der Auffindung des Geſetzes bed Zufam-
menhangs aller verfchiebenen Flächen eines Kryſtallſyſtems durch Beobachtung der Zonen def
fetben und ber Eombination berfelben. Sein Mineralſyſtem ift ein natürliches, in welchen rich⸗
tige Beſtimmungen der Species oder Battungen die Dauptfache find. Wiewol er bie Beftalt
als Grundprincip bei Feſtſtellung ber Species annimmt, fehließt er dach bie Refultate der che⸗
mifchen Unterfuchung nicht davon aus.
Weißdorn (Crataegus), eine Gattung dorniger Sträucher aus der Familie der Pomaceen.
Der gemeine Weißborn (C. oxyacantha) wird 6—12%. hoch, bisweilen baumartig, hat ver-
kehrt eirunde, drei» bis fünflappige Blätter, doldentraubige, weiße, ftarkeiechende Blüten und
ift in ganz Europa in Büfchen und Hecken gemein. Dan verwendet ihn gu Einzäunungen ;
auch find feine eirumben, rothen, innen gelblichen Früchte (Mehlfaͤßchen) efbar und können zur
Bereitung eines geifligen Getraͤnks dienen.
Weiße (Chriſtian Felix), bekannt als Dichter und Iugendfchriftfteller, wurde 8. Sarı. 1 726
zu Annaberg im füchf. Erzgebirge geboren. Sein Water war Nector ber dafigen Stadteſchule
und wurde kurz nach bes Sohnes Geburt Director des Gymnaſiums zu Altenburg, wo er früh⸗
zeitig flarb. W. erhielt hier ſeinen erflen Unterricht und widmete fidh von 1745 an zu Leipzig
vorzüglich der Philologie. Mit Leifing knüpfte er Hier eine vertramte Sreunbfchaft, und Beide
fingen gemeinfchaftlich an, für das deutſche Theater zu arbeiten. ZB.'6 erfter Berſuch war, Die
Matrone zu Epheſus“. Im 3. 1750 kam er ald Hofmeifter zu einem Grafen von Geyeröberg,
mit welchem er mehre Jahre in Leipzig verweilte. In dieſer Zeit wurde er auch mit Bellert und
Mabener bekannt; er arbeitete fleifig für dad Theater, gab 1758 feine „Scherzhaften Lieder”
heraus, die fehr gefielen, und ging 1759 mit feinem Zöglinge na Paris. Im J. 1760 nad
Leipzig zurückgekehrt, benugte er Die gegebene Muße vorzüglich wieder zu dramatiſchen Arbei⸗
ten. Auch gab er 1760 die „Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften umd freien Fünfte” und
1761 feine damals fehr zeitgemäßen „Umazonenlieder” heraus. Im J. 1762 erhielt er die
Stelle ald Kreisfteuereinnehmer in Leipzig, welche er bis an feinen Tod beffeidete. Seine
ganze Mufe war fortwährend einer fehr ausgedehnten Titerarifchen Thätigfeit gewidmet, welche
nicht nur in zahlreichen eigenen Productionen, fonbern faft noch mehr in dem lebhaften und an-
regenben Verkehr mit den meiften beutfchen Gelehrten ſich zeigte., Bon 1763 an arbeitete er
für bie Koch ſche Geſellſchaft in Reipzig omifche Opern, zuerft in Überfegungen aus dem Fran⸗
zöſiſchen, ſpäter Driginalftüde, z. B. „Die Jagd”, „Der Erntekranz“ u. ſ. w., und eine Reihe
Luftfpiele, die großen Beifall fanden. Doch gab er feit 1774 die theatralifchen Arbeiten faft
ganz auf. Außer der Herausgabe ber „Neuen Bibliothek der ſchönen Wiffenfchaften” und ber
Theilnahme an dem neuen Befangbuche feines Freundes Zollikofer beſchäftigte er fich vorzuge-
weiſe mit Schriften für die Jugend, welche Gattung von Schriftwerken er eigentlich begründet
bat. Seine „Lieder für Kinder“, fein „ABC-Buch“ wurden mit verdientem Beifall aufgenom-
men, und es ift fegteres Tange das vorzüglichfte Buch biefer Art geblieben. Bon 1775 an gab
er den „Kinderfreund” (24 Bde., 1776— 82 und öfter) heraus, dem ſich ber „Briefwechſel der
Weiße (Chriſtian Emft) Beiße (Gfeifiian Herm, 149
Familie des Ktuderfreundes“ (12 Bbe., 1785— 93) anfchlof. Sein päbagogifher Ruf wurde
durch diefe Jugendſchriften fehr verbreitet, und wie früher an Bellert, wendete man fi von
allen Orten her an ihn, um durch feine Empfehlung Erzieher der Jugend zu erhalten. Diefe
Berbindungen veranlaßten feinen ausgebreiteten Briefwechfel, den nur ein Dann von feiner
Thatigkeit unterhalten konnte und ber erſt durch feinen Tod, 16. Der. 1804, unterbrochen
wurde. ZB. war ein heiterer, edler, wohlwollender Bann, ber in jeder Müdficht bie Achtung
verdiente, die ihm von allen Seiten zu Theil wurde. Roc find zu erwähnen feine „Ruflfpiele”
(3 Bbe., 2p3. 1785), „Komiſchen —* (3 Bde., Xp. 1777) umb „Lyriſchen Gedichte”
(3 Bde., %pz. 1772). Bgl. feine „Selbftbiographie”, herausgegeben von Chr. Ernft Weiße
und Friſch (Epz. 1806). Im J. 1826 feierte man in Annaberg und Leipzig feinen 100fährigen
Geburtstag, und dur Sanımlungen wurde eine Schule für arme Kinder In Annaberg unter
dem Ramen Weißensftiftung errichtet.
Weiße (Ehriftian Ernſt), ein verdienter Rechtslehrer, der Sohn bed Vorigen, geb. zu Leip⸗
sig 19. Nov. 1766, begann hier 1781 das Stubium der Rechte, ging dann 1786 nach Göttingen
und tat 1788 in Leipgig ald Privarbocent auf. Mit Uncerfügung der Regierung hielt er fich
feit 1790 zwei Jahre lang in Weglar, Regensburg und Wien auf, um fi mit dem prattifchen
Staatsrechte vertraut zu machen. Nach feiner Rückkehr nach Leipzig begann er hiftorifche und
ſtaatsrechtliche Vorlefungen. Er wurde 1796 außerordentlicher Profeſſor der Rechte, 1800
Dberhofgerichtöaffeffor und 1805 ordentlicher Profeſſor des Lehnrechts. Als nach der Auflö⸗
fung des Deutfchen Reichs das Staatsrecht feine praktifche Wichtigkeit verlor, widmete er ſich
mit Eifer dem deutſchen Privatrecht; doch befchäftigte er ſich vorzüglich mit ber rein juriftifchen
Geite der deutſchen Alterthumskunde, ohne in den ganzen Umfang biefer Studien einzugehen.
Bon jenem Standpunkte aus ift auch feine „Einleitung in Das gemeine beutfche Privatrecht”
(2ps. 18175 2. Aufl., 1832) bearbeitet. Ex wurde 1809 Beifiger der Juriftenfaculeät und er»
hielt 1813 Die Profeſſur des Criminalrechts. Seitdem fielen vorzüglich Strafrechtsurtheile in
den Kreis feiner amtlichen Arbeiten in der Juriftenfacultät. Er flarb 6. Sept. 1832. Befon-
ders bat fich W. durch feine ſtaatsrechtlichen und biftorifchen Schriften verdient gemacht. Sein
„Eehrbuch bes ſächſ. Staatsrechts“ (2 Bbe., Lpz. 1824—-27) behält noch immer Werth als
Hülfsmittel. Seine „Geſchichte ber kurſächſ. Staaten“ (A Bde., Lpz. 1802—6), weicher ſich
die „Neueſte Befchichte des Königreichs Sachſen nach dem Prager Frieden” (5 Bde., Lpz.
1808 — 12) anſchloß, Hat als Hiftorifche Entwickelung der Ausbildung der Berfaffung und ber
Berwaltungsformen bleibende Bedeutung. Das „Mufeum für fähf. Geſchichte, Literatur und
Staatöfunde” (3 Bde, ps. 1794-—96), fortgefegt ald „Neues Mufeum u. f. w.“ (4 Bde.,
Freib. 18004), hat er ald Herausgeber beffelben zu einer [hägbaren Fundgrube gemacht.
Weiße (Ehriſtian Herm.), deutſcher Philoſoph, Sohn des Vorigen, geb. 10. Aug. 1801
zu Leipzig, widmete ſich ſeit 1818 anf der Univerſitaͤt feiner Vaterſtadt dem Studium ber Rechte,
mit dem ſich jedoch frühzeitig bie Neigung zu philo ſophiſchen, äſtheciſchen und antiquariſchen
Studien verband. Nachdem ex ſich 1823 habilitirt, ſuchte er fi eine genauere Bekanntſchaft
mit der neuen Philofophie, namentlich der Echelling’fchen und Hegel’fchen, zu erwerben. Bald
wurde er der erklaͤrte Anhänger dberfelben, und dieſe Richtung beſtimmte auch ben Inhalt feiner
akademiſchen Berlefungen. Seiner erfien größern Schrift „Uber das Stublum des Homer und
feine Bedeutung für unfer Zeitalter” (LApz. 1826) folgte die „Uber den Begriff, bie Behandlumg
und die Quellen der Mythologie” (Epz. 4827), in der fich ſchon die erſten Spuren einer philo⸗
ſophiſchen Differenz von Hegel zeigten. Das Bewußtſein dieſer Differenz führte ihn bald wei»
ter, und die erſte Frucht feines feibfländigen Nachdenkens war die Schrift „Uber den gegenwar⸗
tigen Standpunkt ber philofophifchen Wiſſenſchaft“ (Epz. 1829), worin er ſich zwar noch zu
Hegel's Logik befannte, Dagegen aber einen andern Inhalt und eine neue Geftaltung für die rea⸗
len Theile der Philoſophie foderte. Gleichzeitig ließ er die Überfegungen von Ariſtoteles
„Phyſik“ (Apr. 1829) und „Bon der Seele” (ps. 1829) erfcheinen. Bein Antritt diner au⸗
Fererdentlichen Profeſſur fehrieb er „De Platonis et Aristotelis in constituendis summis philo-
sopbiae principiis differentia” (2pz. 1828). Zunächft nım erfchien fein „Syſtem ber Aſthetik
als Wiſſenſchaft von der Idee der Schönhelt” (2 Bde, Lpz. 1830), in welchem er eine diefe
Diseiplin entfchieden bereichernde Entwickelung gab. Seit 1832, wo W. die Meine Schrift
„Über bie Legitimität der gegenwärtigen franz. Dynaftie” (Epz. 1832) verfaßte, begann er ber
fonders journaliſtiſch fehr thätig zu fein. Demnaͤchſi erfchienen von ihm „Die Idee Gottes“
(Deesd. 1833), „Die philofophifcge Geheimichre über die Unfterblichteit des menfchlichen Iu⸗
Disiduums“ (Drebb. 1834), em Thema, welches er außerdem in zwei unter bem Namen Rilo-
150 Beiße Frau
demus herausgegebenen Schriftchen: „Theodicee, in beutfchen Reimen“ (Dresb. 1854) und
„Büchlein von der Auferftehung” (Dresb. 1836), behandelte, und bie „Brundzüge der Meta-
phyſik“ (Epz. 1835), in denen er zuerft von Hegel ſich vollftändig emancipirte, ohne jedoch die
fivenge Anmwenbung der dialektiſchen Methode aufzugeben, deren Entbedung er für Hegel’s
Hauptverdienft, für bie welthiſtoriſche That dieſes Denkers erfennt. Hieran ſchloß fich eine
Reihe meift das Allgemeine der Philofophie betreffender Abhandlımgen in ber feit 1837 von
J. H. Fichte (ſ. d.) In Bonn herausgegebenen „Zeitichrift für Philofophie und Tpeculative Theo⸗
logie”. In engem Zufammenhange mit W.'s allgemeiner philofophifcher Tendenz ſtehen auch
die „Kritik und Erläuterung des Goethe'ſchen Fauſt“ (Rpz. 1837) und „Die evang. Gefdhichte
Pritifch und philofophifch bearbeitet” (2 Bbe., Lpz. 1838). Die nähere Veranlaſſung zu beiden
Schriften gab das eigenthümliche Verhältniß der Hegel’fchen Schule zu Goethe und zu der Ur⸗
gefchichte bes Chriſtenthums; auf Beranlaffung der zulegt gmannten Schrift erhielt er von ber
theologifchen Facultät zu Jena bie Doctorwürde. Seit 1837 hatte W. der alabemifchen Thä⸗
tigkeit entfagt und lebte eine Zeit lang in literarifcher Muße auf feinem Landgute zu Stötterig
bei Leipzig; nach einigen Jahren nahm er diefe Thätigkeit wieber auf und wurde 1845 zum
ordentlichen Profeffor der Philofophie ernannt. Seitdem hat er „Die Ehriftologie Luther’s”
(2pz. 1852) veröffentlicht, [hon vorher, ohne Nennung feines Namens, die Schrift „Uber bie
Zukunft der evangelifchen Kirche. Reden an bie Gebildeten beutfcher Nation“ (Aufl. 1 und 2,
&p;. 1849). Sonft ift noch feine Schrift „Das pbilofophifche Problem der Gegenwart” (2pz.
1842), ein Sendfchreiben an Fichte, zu nennen.
Weiße Fran. Die Weiße Frau ift ein Weſen, das nach der Volksſage in mehren Schlöf-
fern deutfcher Fürften und Herren, zu Neuhaus in Böhmen, in Berlin, Ansbach, Batreuth,
Kleve, Darmftadt, Altenburg u. |. w. fowol bei Nacht als bei Tage erfcheint, wenn wichtige
Begebenheiten, freubige wie traurige, namentlich aber Todesfälle von Familiengliedern bevor-
ftehen. Sie gilt als Ahnmutter bes Gefchlechts, zeigt fich ftetö in fchneeweißem Gewande, trägt
ein Schlüffelbund an ber Seite und ‚wiegt und wartet auch zuweilen bed Nachts die Kinder,
wenn bie Ammen fchlafen. Am früheften, ſchon im 16. Jahrh., ift unter dem Namen Bertha
von Rofenberg die Ahnfrau und Weiße Frau der Herren von Neuhaus und Rofenberg in Böh-
men berühmt worben, fodaß man felbft in der Weißen Frau anderer Fürftenfchlöffer diefe felbe
Bertha zu fehen vermeinte, und folches aus Verſchwägerung ber andern betreffenden Fürſtenhäu⸗
fer mit dem Haufe der Herren von Roſenberg erflärte, in deren Kolge die Weiße Frau auch in
jene Schlöffer Eingang gefunden habe. Im berliner Schloffe will man fie ſchon 1628 und no
1840 und 1850 gefehen haben. Man führt Hiftorifch diefe Weiße Frau in den Schlöffern bes
preuß. Fürftenhanfes bald auf die ſchuldbeladene Gräfin Agnes (f.d.) von Orlamünde, bald
auf jene Bertha von Nofenberg, bald fogar auf die bulgar. Prinzeffin Kunigunde, welche erft
mit Ottokar IL. von Böhnten, bann mit einem Nofenberg vermählt war, zurüd, indem man bie
weitläufigen Berwanbtfchaften durch Heirathen bes Haufes Brandenburg mit jenen Perfonen
geltend machte. Vgl. Julius von Minutoli, „Die Weiße Frau” (Berl. 1850). Die Volks⸗
überlieferung kennt aber in fehr zahlreichen und weitverbreiteten Sagen auch nod) andere Weiße
Frauen, bie in Burgen und Bergen gewöhnlich als verwünſchte Jungfrauen wohnen und der
Erlöfung harren. Sie zeigen ſich zumeilen und gern bei warmem Sonnenfchein armen Schä-
fern oder Hirtenfungen. Sie kämmen entiweder ihr langes Baar oder waſchen fi, trodinen
Weizen, Hopfen Flachsknoten, fpinnen, zeigen auch wol Schäge und bitten um Exlöfung, be»
ſchenken auch wol mit Blumen, Körnern oder Spreu, und ſolche Babe wandelt fi) dann da⸗
heim in Gold und Silber. Sie tragen ein ſchneeweißes oder ein halb weißes, halb Ihwarzes
Gewand, gelbe oder grüne Schuhe und ein Schlüffelbund. Alle biefe und noch manche andere
in den einzelnen Sagen hervortretenbe Züge weiſen zurüd in die germanifche Mythologie, auf
eine Göttin, bie auf Geburt und Tod einwirkt und ber Drbnung des Hausweſens vorfteht. Noch
beflimmter führt die Benennung Weiße Frau und ber Name Bertha auf jene unter mehren
Namen erſcheinende große Naturgättin, die ald „Berhta”, d. h. die Glänzende, Leuchtende, Weiße,
befonders in den Zwölf Nächten ihren Umzug hielt und ihre Macht offenbarte. Wenn bie Sage
weiter berichtet, daß die bohm. Bertha im 15. Jahrh. den Arbeitern zu Neuhaus für die Voll⸗
enbung des Schloßbaus einen füßen Brei verfprochen habe, und daß diefer Brei nebft Karpfen
feitdem alljährlich zu ihrem Gedächtniffe am Gründonnerötage den Armen verabreicht werbe,
fd erkennen wir hierin wiederum die der Berhta geheiligte Kaften- und Feftfpeife, welche als
Suche und Hafergrüge oder Knödel mit Hering u. dgl. gewöhnlich pm die Zeit der Zwölften,
um Weihnachten, noch gegenwärtig in den meiften Gegenden Deutſchlands üblich ifl.
Beißenburg Beißenburger Linien 151
Weißenburg, zum Unterfcied von andern gleichnamigen Städten auch Rronweißenburg
genannt, ehemals (feit 1247) eine Freie Reicheftadt im Elſaß und Mitglied des Nheiniſchen
Städtebundes, jept unter dem Namen Wiſſembourg Hauptflabe eines Arrondiffements im
franz. Depart. Niederrhein, mit unbedeutenden Feſtungswerken, liegt an ber Rauter, am Buße
der Bogefen in einer fhönen Gegend, hat zwei ehemalige Comthureien des Sohanniter- und bes
Deutfritterordens, zwei ehemalige Kiöfter, ein Communal-Eollege und drei Kirchen, unter de-
nen bie von Dagobert II. geftiftete berühmte Collegiatkirche bis 1524 eine fürflliche Abtei war.
Die Einwohner, etwa 6500, nähren fi) von Strumpf⸗, Woll- und Kattunmweberei, Töpfer⸗
arbeiten, Fayence⸗ Leder⸗, Seife, Pottaſche⸗ und Strohhutfabrikation, Ziegelbrennerei und
einbau. In den nahegelegenen Dörfern Lampertslo und Bechelbrunn finden fih Erdöl⸗
quellen. Seit 1855 iſt zwiſchen W. und Neuftadt an ber Harbt die bair.-pfälzifche Maximi⸗
liansbahn im Bau begriffen, die ſüdwärts nach Straßburg verlängert werden fol. Bon IB. er-
hielten die in der neuern Kriegögefchichte merkwürdigen Weißenburger Linien (ſ. d.) ihren Na⸗
men. — Weißenburg, aud; Weißenburg am Sande ober im Rordgau, eine Stadt im bair.
Kreife Mittelfranken, an ber ſchwäb. Rezat und am weftlihen Buße des Frankenjura, in
fruchtbarer Gegend gelegen, mit zwei proteft. Kirchen, einer lat. Schule und ziemlich lebhaftem
Bewerböbetrieb in Bold- und Silberdraht, Borten und Treffen, Nähnadeln und Tuch, bes
rũhmten Bierbrauereien, einer Mineralquelle nebft Badeanftalt, ſchönen Matmorbrüchen und
4200 E. Der Ort war früher gleichfalls Freie Reichsſtadt, bis er 1802 an Baiern kam. Liber
der Stadt erhebt fi auf dem hohen Rande des Jura die Bergfeſtung Wülzburg, 1955 8.
über dem Meere, die zum Befängniß dient. In dem nahen Eichenwalde fieht man noch die fo-
genannten Teufeldmauern, Überreſte eines rom. Walls und Spuren des Kanals (Fossa Caroli),
durch welchen Karl d. Gr. die Altmühl mit der Regnig und dadurch bie Donau mit dem
Rheine verbinden wollte. — Weißenburg, lat. Alba Julia, ungar. Gyula Fejervär, walach.
Belgrad (nicht zu verwechfeln mit Belgrad in Serbien), eine Stadt in bem früher fogenannten
Lande der Ungarn in Siebenbürgen und zwar im unterweißenburger oder unteralbenfer Comi⸗
tate, an der Marofch gelegen, von Adern und Weinbergen umgeben, gewöhnlich nach der von
ihr abgefondert auf einem Berge gelegenen Feftung Karlsburg genannt, ift eine königl. Frei-
ftadt und Hauptftadt des 1851 errichteten, 1855 aber wieder veränderten Karlöburger Krei⸗
fe8 (mit 172335 €.). Die Stabt war feit Gyula, den König Stephan von Ungarn 1002 be-
fiegte, die Reſidenz der fiebenbürg. Fürften, iſt jeht der Sig der Kreisbehörden, eines 1851 reace
tivirten griech. tath. Erzbisthums, eines röm.kath. Bisthums, eines Feftungscommandos umb
bat eine ſchöne, merkwürdige Kathedrale, ein bifchöfliches Lyceum als theologifche Lehranftalt,
ein Gymnaſium, früher eine Art Hochfchule, an welche Martin Opig (f. d.) vom Fürften Beth-
len Gabor 1622 als Profeffor der Philoſophie und Humaniora berufen ward, eine Stern-
warte nebft einer an Handichriften und Incunabeln reihen Bibliothek, ein Münz- und Mi⸗
neraltiencabinet umb andere Sammlungen. Die Stadt zählt 7000 E., die aus Ungarn, Sad.
fen, Walachen, Armeniern und Juben gemifcht find. Die Bevölkerung nährt fich von Ader-
und Weinbau, einigen ftädtifchen Gewerben ; von Wichtigkeit ift die Salpeterfieberei. Die Stadt
liegt, wie viele Reſte bezeugen, an ber Stelle der rom. Colonie und Mimicipalftabt Apulum,
die fpäter Alba Julia genannt wurde. Die Citadelle, unter Kaifer Karl Vi. durch Prinz Eugen
von Savoyen erbaut, ift die einzige regelmäßige Feſtung Siebenbürgens. — Weißenburg, ein
Dorf im ſchweiz. Canton Bern, 5 Stunden von Thun, an der Simmen, in einem engen Thale,
mit ben Ruinen des gleichnamigen Schloffes, ift bemerkenswerth wegen bes benachbarten Wei⸗
Senburger- oder Buntſchibades, welches in einer tiefen, vom Buntſchibache durchſtrömten, von
wilden Kalkfelfen der Stockhornkette eingeengten Bergfchlucht 1000 F. über dem Thunerfee,
2750 8. über dem Meere gelegen iſt. Die zum Eurhaufe in hölzernen Röhren geleitete Mineral⸗
uelle entfpringt 20 Minuten weit von demfelben aus Kalkfelfen, hat am Urfprung 22° R.
ärme, einen angenehm fäuerlichen Geſchmack und wird hauptfächlich zum Trinken benugt
gegen Bollblütigkeit, Bruft- und Nervenkrankheiten, Stodungen im Unterleibe, Hämorrhoidal⸗
und Menſtrualbeſchwerden. Befonders fol die Eur gegen Sallenftein wirken.
Beißenburger Linien, eine Kette zufammenhängender Verſchanzungen, die fi) im franz.
Depart. Niederrhein von Weißenburg (f. d.) am rechten Ufer der Lauter bis Lauterburg an den
Rhein Hinziehen, nad) Beichaffenheit bes Terrain fehr unregelmäßig laufen und von Entfer-
nung zu Entfernung durch Redouten flankirt find. Diefelben beftehen aus Bruſtwehr und
Graben, wurden feit 1705 im Spanifchen Erbfolgeriege vom franz. Marfchall Villars anges
legt und follten ben Elſaß gegen Angriffe von Norden her dedden. Noch im Revolutionskriege
19 Weißenfels Weißes Dice
fpielten diefe für fehr feſt gehaltenen, jeht vernachläſſigten und verfallenen Werke eine Holle,
Nach der Einnahme von Mainz burch die Pressen ımb Sachſen eroberte ber öſtt. Seneral
Wurmfer in der Natht ded 13. Dee. 1795 die Linien, wobei ihm das Lager ber von Bearhar⸗
nais befehligten franı. Nheinarmer mit Geſchüh und Gepäd in die Hände fiel. Hatten hier
die Verbündeten in —— operirt, fe waren die Franzoſen verloren. Am 26. Der.
flug Pichegru die ichet und Preußen bei Weißenburg, eroberte die Linien wieber und
nöthigte daduvch Die Berbiruderen zum Rückzuge über ben Rhein.
Weißenfels, eme Stadt im Regierungobezirk Merfeburg der preuß. Probinz Saufen, an
ber Saale, über welche eine Hölgerae Brücke führt, hat ein Schullehrerfeminae, eine Taubſtum⸗
menanflalt und zahlt 10006 E., die eine Porzellanfabrik, Wollfpinnerei, zahlteiche Schuh⸗
macherwerkftätten, Gerbereien, Töpfereien und Pianofortefabriken unterhalten und nicht unbe»
deutenden Hotzhandel treiben. Das auf einem Sandſteinfelſen gelegene umfangreiche Schloß,
die neue Auguſtusburg, erbaut 1664 — 90, iſt jegt eine Kaſerne und beißt die Friedrich⸗Wil⸗
helmskaſerne. In der Umgegend gibt es fehr ergiebige Sanbfteinbrüche. W. war in frühefter
Zeit im Befige der Randgrafen von Thüringen. Nachdem e6 Markgraf Otto det Reiche nebſt
andern Herrſchaften für feinen Sohn Dietrich angefauft Harte, erhob er es zur Gtafſchaft.
Durch Dietrich kam diefelbe an Meißen und bei ber Länbertheilung an die Urbertinifche Binie.
Don 1657 an war die Stadt Mefidenz der Herzoge von Sachſen ⸗Weißenfels, einer Neben⸗
(inte des Kurhauſes Sachen, die Auguſt, den zweiten Sohn des Kurfürften Johann Georg't I,
em Stifter Hatte und mit Johann Adolf II. 1746 erlofch. Vgl. Sturm, „Chrorik der Stadt
(Weißenf. 1846).
Weißensee, eine Kreisſtadt im Regterımgöbegirt Erfurt der preuf. Provinz Sachſen, an
einem Arme der Helbe, früher den: Thüringer Kreiſe des Königreichd Sachſen angehörig, eine
vormalige Johanniterordenscomthurei, hat zwei alte Schlöſſer, zwei Kirchen und 2745 E., die
bebeutenden Gartenhandels pflanzen⸗, befonderd Saflorbau treiben. Die Stadt kommt fehon
im 12. Jahrh. vor und lag früher zwiſchen zwei Seen, bie aber fpäter beide ausgatrocknet mor-
den find. Wegen der Treue, die fie im Bauernkriege bewieſen, hatte bie Stadt an Landesſtenern
nur die Hälfte zu zahlen. Im Kreife W. liegen bie Städte Sömmerda an ber Unſtrut mit
4573 E. zahlreichen Brennereien, Viehmaſtung, berühmter Metallwaarenfabrikation, nament-
lich für Schießgewehre und Zündhütchen, und Sebeſee mit 2021 E., Handelöpflangen- und
Gartenbau und landwirthſchaftlichen Fabrikationen.
Weißenthurn (Johanna Ftanul Veronika von), Schaufpielerin und dramatifche Schrift.
ftellerin, mar zu Koblenz 1775 geboren. Als fich nach dem Tode des Waters, des Exhaufpielerb
Beni. Grünberg, ihre Mutter in zweiter Ehe mit Andr. Zeihmann aus Ciſenach verband, be
nuste diefer Dad Talent der Kinder und führte bie damals beliebteften Stücke aus Weiße „Kin-
derfreund‘ auf. Bei ben deshalb nöthigen Proben konnte Johanna, weldye noch die Wirthſchaft
zu beforgen Hatte, felbft die unentbehrlichften Kenntniffe fidy nicht erwerben. Allein gerade biefe -
mannichfarhe Thätigkeit wurde ihre befte Lehrmeiſterin. Sie war 14 3. alt, ale fie am Dof-
theater zu Münden ein Engagement annahm; zwei Jahre fpäter folgte fie einer Einladung
ihres Stiefbruders nach Baden bei Wien. Bei bem Hoftheater zu Wien angeftellt, hatte fie
anfangs neben einer Adamberger, Sacco und Stephanie einen ſchwierigen Stand, doch gelang
«8 ihr endlich, fich den Beifall des Publicums zu erwerben. Bor Napoleon fpielte fie 1809 zu
Schönbrunn die Phädea. Schon im zweiten Jahre ihres Aufenthalts in Wien mit dem Kaſſi⸗
ver des Arnſtein ſchen Handlungthauſes, von Weißenthurn, verheitathet, benugte fie jegt ihre
beſſere Rage, um das in ihrer Ausbildung Verſäumte nachguholen. Das Talent zur Schrift ⸗
ſtellerin entwickelte ſich bei ihr erſt im 25. 3. und zwar auf Veranlaffung einer Wette. Rad
einem Plane, den man ihr vorlegte, ſchrieb fie in acht Tagen das Trauerfpiel „Die Drufen“.
Demfelben folgten gegen 68 dramatiſche Urbeiten der verfchiebenften Urt, welche zwar ohne
portifchen Gehalt, aber gröftentheits buͤhnengerecht und anziehend find und deshalb weite Ber.
breitung fanden. Nachdem fie fi 1841 vom Theater aurüdigezogen, ftarb fie 18. Mai 1847
zu Hieging bei Wien. Ihre „Schauſpiele“ erfihienen in 14 Bänden (Win 1810—36).
Belt luß, ſ. Leukorrhoe.
eißes r, ruſſ. Bjeloje-More, ein großer Buſen bes nörblichen Eismeers, der zwi⸗
ſcheu der Halbinfel Kanin und der Rappländifehen oder Halbinfel Kola (f.d.) in das ruſſ. Gouver⸗
nement Archangelsk ſüdwaͤrts bis über 6A" ber Breite einbringt, bei feinem Eingang zwiſchen
Gap Kanin und Swiatoi · Nos 23M., im Übrigen eine durchſchnittliche Breite um 15 M. in füd⸗
weſtlicher Richtung aber 85 M. Länge dat und einen Flächenzaum von 22327 AM. einwimmt.
Veißſiſch Beiß ˖ Kua 153
Es cheilt fich TE in drei Heträchtliche Buſen, den Ranbalaskala-, Dnega- und Dwinabuſen,
von welchen der erſiere, weit gegen Rordweſten in Lappland einfchneidend, nach dem Städtchen
Kandalack, vie Heiden letztern nach den in fie einmündenden Ptüffen Onega und Dwina benannt
find. Bazu gefellt ſich noch auf ber Oftfeite die Bat, in welche der Mefen unterhalb ber Stadt
gleiches Namens minder. Die Küſten find im Norden und Ofen bergig, ſonſt überall im Gan⸗
zen flach, einförmig, wit Seen bebedit, welche meift mit dem Meere in Verbindung fiehen, und °
von einer Menge Beinerer Flüffe durchzogen. Unter den zahlreichen Inſein des Meeres iſt Me
Infel Solowezk oder Salowezk, mit einem befeftigten Kloſter, die größte. Sie liegt am Eim-
gange zum Onegabufen, ftlich bem Hafen Kem gegenüber, ift felfig und kahl umb dient vielen
Pelsthieren aub Strandoogeln zum Aufenthalt. Das Meer, welches den größten Theil des
Jahres geftoren uud wit Schnee bebeckt ift und Daher feinen Ramen eralten dat, kann nur 150
—170 Tage im Jahre, In den Monaten Mai bis Ende September, in den meiften Jahren nur
von Uafaug Jani an befahren merben, wuburdh ber für biefe norbifehe Gegend an fich bedeu⸗
tende Handelsverkehr fehr beichräntkt wird. Mittels zweier Kanäle, weldye bie Dwina mit
der Wolga und dem Mniepr verbinden, wird eine unmistelbaue Schiffahrt aus dem Schwar⸗
zen und Kaspiſchen nach dem Weißen Meere umterhalten. Die Anwohner deffeiben find Lap⸗
pen, Finnen uud Samoieden, bie fich mit Fiſchfang, Robbenſchlag, Jagd und Handel befehäfti-
gen. Der Banptfiapeiplag iſt bie große Handelsftadt Urchangeldt (1.d.). Die Ausfuhrgegen-
flände finb Flache, Thran, Harz, Beeter und Battens, Matten, Leinſamen, Roggen, Dafer,
Weizen und Mehl; die Ginfuhrartikel Colonialwaaren, Buder, Wein, Salz, Fifche, Baumoͤl,
Rauchwerk. Die Heinem Hafen find Dnega, Sumsty-Wofiab und Kem; auch wird Kola zum
archangelskſchen Zollbezirk gerechnet. Die Audfuhr diefer Eleinen Häfen befteht in Getreide
and Sänblichen Daubacheiten, vornehmlich aus Holz. Wichtig iſt ferner für dieſe Häfen deren
Berkehr mit den norweg. Daubelsplägen Hammerfeſt und Tromsde. Der Handel wird faft
nur in vuſſ. Schiffen betrieben, erfreut ſich ber Befreiung vom gewifſen Abgaben, litt aber nicht
unbedeutend durch die engi.-frang. Blockade felt Sommer 1854, Den Sreweg nach biefem
Meere entdeckte der Emgländer Nichard Chautellor 1655 bei des zur Anffmdung einer nerb-
öftlicgen Darchfahrt auögegangenen Polarerpedition unter bem Oberbeſehl Hugo Willoughby's.
Für wie wichtig die Engländer biefe Entdeckung hielten, erhelle Daraus, daß fie fofort bie genaue⸗
fien Unterfechungen über Uncfang, Größe, Weite, Tiefe unb Poſitionen des Weißen Meeres
anfdllten und dann an der Mündung der Dwing in ben Druinabufen das Maine Sort Archan⸗
geist zur Haupmiederlage Ihre Handels nad Nußland aubrüſteten, weiche baffelbe auch bis
zur Exrheusmg und Aufnahme Sereräburgs blick.
Weißfifeh (Leuciseus), eine Gattung Fiſche aus der Familie ber Karpfen, vom den echten
Karpfen unterfejleden durch eine der ziemalich kurzen Rüdenfloffe an Länge gleichende Ufter-
flo ſſe. Die zahlreichen Arten dus Weißfifches bewohnen die füßen Gewäſſer alter Welttheile,
befonders des mittlern (Europa, werden felten über 1 F. lang und über 1 Pf. ſchwer, leben von
Waſſerwürmern und Wafferpfiangen, find weißlich gefärbt umb oft mit bunten Floſſen geziert.
Die geſchätzteſte Art iſt bie Mothfeder (L. rutilus), mit großen Schuppen und rothen Floſſen.
De gemeine Weißfiſch (L. vulgaris) dient als Küber für Hechte. Die Plötze (L. ery-
Iheophthalmus) wird wegen ihres Schlammgeruchs feltener gegefien Wegen des minder
ſchmackhaften und an Bräten überreichen Fleiſches gelten bie Weißſiſche im Ganzen für die ge»
tingern der Zluß- und Teichſiſche.
anal f. Gerberei.
Beid-Kunig, d. h. ſowol der weiße als auch der weiſe König, heißt das In Proſa gefchrie-
bene Gegenſtück des Theuerdank (f.d.), ein Buch von fehr untergeorbnetem Werthe, Halb Chro⸗
nit, helb Homan, welches in drei Theilen die Bermählung und Krönung Kalfer Sriebeich’s II.
umd ferner die Erziehungs, Meiche- und Kriegsgeſchichte feines Sohnes Merimikten 1. (f.D.)
bis auf die Beendigung des wenetianifchen Kriegs erzähle, im Ganzen der Gefchichte gemäß,
aber wit allegorifcher Verhülluug fänmtlicher Eigennamen, wodurch es ſchon den Zeitgenoflen
raͤthſethaft und unverkändlich wurde. So heißt Kaifer Friedrich der alte TWeifimig, Maximi⸗
lian der funge Weißkunig, bie Frauzoſen die blaue Geſellſchaft u. ſ. w. Auch dieſes Werk hatte
Maximilian bis zum 3. 1312 felbſt entworfen, dann aber 1514 durch feinen Seheimſchreiber
arg Treisfanrwein von @rentreiz (gefl. 6. Sept. 1527) ausführen und vollenden lafien.
Ein erwarteter Commentar von Mastmilian’s eigener Hand iſt unausgeführt geblieben ; dage⸗
gen aber Haben Andere ſchon im 46. Jahrh. wie namentlich Reichard Strein, Breiherr zu Schwar⸗
denau (geft. 1600), Mancherlei für die Erklärung des Buchs zuſammengetragen. Erſt 177F
154 MPeißpfennig Beitzel
warb bad Werk durch Joſeph Kurzböck zum Druck befördert (2 Bbde., Wien), mit ben 237
trefflichen Holzfchnitten Hand Burgkmair's, deren Originalholztafeln ſich glücklicherweiſe in
Gräg erhalten hatten. Vgl. Haufen, „De claro libro der Weiss-Kunig“ (#ff. 1776).
Weißpfennig, 1. Albus.
Weißrußland wurde in ältefter Zeit der ganze mittlere Landftrich Großrußlands genannt,
wo bie alten Großfürftenfige Roſtow, Wladimir, Susdal und Moskau liegen, weshalb auch
viele öſtliche Völkerſchaften, namentlich die Tataren, den ruſſ. Monarchen gemeiniglich den
Weißen Zaren nannten. Später bezeichnete man mit dem Namen Weißrufland denjenigen
Theil Rußlands, welcher lange Zeit unter Tithauifcher Herrſchaft fand, indbefondere bie alten
Fürſtenthümer Smolensk und Polock nebit Mohilew und Witepst. Gegenwärtig begreift
man unter diefem Namen diejenigen Landfchaften Rußlands, welche unter poln. Herrfchaft die
Wojewodſchaften Polock, Witepsk, Meiflam, Livland und Smolensk bildeten und bie, nachdem
fie 1772 bei der erften Theilung Polens wieder ruffifch geworden waren, die zwei jegigen Gou⸗
vernements Witepst und Mohilew ausmachen.
Weitling (Wilh.), Communift, geb. 1808 zu Magdeburg, ging als Schneidergefelle, mit
bürftiger Bildung ausgeftattet, auf die Wanderfchaft. In Paris trat er in communiftifche Ver⸗
bindungen und empfing hier ben Samen ber Lehre, die er fpäer auszubilden und zu verbreiten
bemüht war. Er wandte fich von ba in die Schweiz, mo er während einiger Jahre theild Tite-
rariſch, theils zur Gründung und Ausdehnung communiftifcher Verbindungen unter deutſchen
Handwerkern fehr thätig war, bis er im Nov. 1843, als gerade der Drud feiner fpäter zu
Bern erfchienenen Schrift „Das Evangelium des armen Sünders“ begonnen hatte, in Züri
verhaftet wurde. Die Unterfuchung gegen W. gab Anlaf zu dem von Einfeitigkeit und fchiefer
Auffaffung keineswegs freien Berichte „Die Communiften in der Schweiz nach den bei W.
vorgefundenen Papieren” (Zür. 1849). Nach Beendigumg des gegen ihn eingeleiteten Ver⸗
fahrens warb W. 1845 polizeilich über die ſchweiz. Grenze gefchafft. Er fiedelte fpäter nach
Nordamerika über, wo er noch jegt für feine Zwecke thätig ift. Wie groß die boctrinären Ver⸗
irrungen feien, in bie auch IB. mit den andern Benoffen der communiſtiſchen Schule verfiel,
fo laͤßt fich doch nicht leugnen, daß er die ihm überlieferten Lehren mit urfprünglich eigenſtem
Beifte zu durchdringen und zu beleben wußte. Zu feinen Schriften, Die in weiterm Kreife Auf⸗
fehen erregten, gehörten außer ber fehon genannten: „Garantien ber Harmonie unb Freiheit”
(Vivid 1842) umd „Die Menfchheit, wie fie ift und wie fie fein follte” (2. Aufl, Bern 1845).
Weitſichtigkeit oder Bresbyopie, Fernſichtigkeit, ein Übel, das faft ſtets fich im Alter
einftellt, beftebt darin, daß die Gegenftände in einer bie gewöhnliche Sehweite (f. Sehen) über-
fehreitenden Entfernung beffer gefehen werben als in ber Nähe. Die Urfache bavon liegt in der
geringern Wölbung ber Kroftalllinfe, oder ber zu großen Entfernung berfelben oder ber Horn-
haut von ber Neghaut bed Auges (f. Geſicht), ober in der Unfähigkeit der Organe des Auges,
bie Lichtſtrahlen gehörig zu brechen, ober einer anfangenden krankhaften Verengerung der Pu⸗
pille. (S. Ange.) Alle dieſe Umftände tragen dazu bei, gerade das Gegentheil von Dem zu be-
wirken, was man bei Kurzfichtigkeit (f. d.) findet. Diefe anatomiichen Veränderungen det Au-
ges werden aber nicht blos durch das Alter, fonbern auch durch Gewöhnung bei Menſchen, bie
meiſt nach entfernten Gegenftänden fehen, z. B. Schiffern, Jägern u. f. w., hervorgebracht. Bon
einer gründlichen Heilung der Presbyopie kann nicht die Nede fein, und das befte Mittel, bie»
felbe weniger fühlbar zu machen, muß immer eine bem Grade des Übel angepafte conver ge-
ſchliffene Brille bleiben, welche jedoch gewöhnlich nach längerer ober kürzerer Zeit mit einer
ſtärkern vertaufcht werben muß.
Weigel (Sohannes), deutfcher Publicift, geb. zu Johannisberg im Rheingau 24. Det.
1771, wurbe nad) dem frühen Zode feines Vaters, eines Winzers, zum Schneiderhandwerk be-
flimmt, ging aber aus eigenem Antriebe auf dad Gymnafium nad) Mainz, wo er fi) durch Un-
terrichtgeben forthalf. Den Kampf feiner Fräftigen Natur mit allem Ungemach der Dürftigkeit
und der Vorurtheile hat ex felbft in der Schrift „Das Merkwürdigſte aus meinen Leben und
aus meiner Zeit" (2 Bde, Lpz. 1821—22) befchrieben. Schon früh hatte er fih in Dramen
und Romanen ald Schriftfteller verfucht, aber ſeit dem Ausbruch der Franzöſiſchen Revolution,
für die er mit jugendlicher Wärme fühlte, wendete er fich ausfchließend publiciflifchen Arbeiten
zu. Als 1792 die Franzoſen Mainz befegten, ging er als Hauslehrer in den Rheingau. Erft
feit 1795 fegte er feine Studien in Jena und Göttingen fort, worauf er einen Theil Frankreichs
und der Schweiz bereifte. Im J. 1798 wurde er von der franz. Behörde zum Commiſſar bes
Gantons Dtterberg im Depart. Donneröberg ernannt und bald darauf in gleicher Eigenſchaft
Weizen Weller (Friedr. Gettlieb) 155
nach Germersheim verfegt. In biefer gefährlichen &tellung zeigte er eine Rechtlichkeit und
Strenge, die feiner Partei gefiel. Bei der Reorganiſation der Verwaltung 1800 verlor er fein
Amt und kehrte nad dem Johannisberg zurüd; aber die ehemalige mainzer Regierumg zu
Alchaffenburg ließ ihn, angeblich verberbliher Romane wegen, aus dem Lande weifen. In die
fer peinlichen Lage, da er nicht blos für fich, fondern auch für feine Familie zu forgen hatte, ent-
ſchloß er fih, nad) Mainz zu gehen, um als Schriftfteller fein Glück zu verfuchen. Gr gab zu⸗
nächſt eine Zeitfchrift für Gefchichte, Gefeggebung und Politik unter dem Zitel „Egeria” her⸗
aus, übernahm dann bie Rebaction der „Mainzer Zeitung” und wurde endlich zum Profeffor
an dem kaiſerl. Lyeeum ernannt. Das Vertrauen feiner Mitbürger berief ihn in das Bezirke⸗
wahlcollegium, und als Präfident der Jury bes öffentlichen Unterrichts leiſtete er dieſem weſent⸗
liche Dienfte. Da er fi) aber dem Willen der damaligen Machthaber nicht fügte, mußte er bie
Nedaction der „Mainzer Zeitung” nieberlegen, flatt beren er nun mit N. Vogt die „Europ.
Staatörelationen” und felt 1810 das „Rheiniſche Archiv“ Leitete. Kortwährend für eine Neu
geftaltung des deutichen Vaterlandes geiflig thätig, ging er 1814 nach Wiesbaden und gab hier
die „Rheinifchen Blätter” heraus, bie ex aber in Folge der Karlsbader Befchlüffe aufgab. End⸗
lich wurde er 1820 zum herzogl. Hofrath und zum Bibliothekar in Wiesbaden ernannt. Hier
ftarb er 10. Jan. 1837. Bon feinen Schriften find zu nennen: „Auguſt und Wilhelmine“
(2 Bde., Fkf. 1814— 15); „Vermiſchte Schriften” (3 Bde. Fkf. 1820 fg.) ; „Europa in fei-
nem gegenwärtigen Zuftande” (&f. 1824); „Die Nheinreife” (Fkf. 1825); „Scherz und Ernſt,
zur Charakteriſtik umferer Zeit” (Fkf. 1830); „Geſchichte der Staatswifienfchaft” (2 Bbe,,
Stuttg. 1852 — 35); „Briefe vom Rhein” (Stuttg. 1834). In allen diefen Werken zeigte
W. fich als einen von Rechtögefühl burchdrungenen, für Menſchenwohl und Völkerglück begei«
flerten Dann und als einen ſcharfen Beobachter, der aber über dem Streben nach bem Beften
und Höchſten die Wirklichkeit und deren nothwendige Schranken mitunter aus den Augen verlor.
Beizen (Triticum), als Pflanzengattung zur Familie der Gräfer gehörig, zeichnet ſich bo-
taniſch dadurch aus, daß die Spelzenblumen einzeln, mit der breiten Seite der Spindel zuge
wendet, in den Ausfchnitten berfelben figen. Der Weizen ift die vorzüglichte und nächft dem
Mais ergiebigfte aller Getreideartn. Schon Griechen und Hebräern war er als ſolche
befannt und gegenwärtig ift fein Anbau über die ganze Erbe verbreitet, obwol man fein
eigentliches Vaterland (vermuthlich Mittelefien) nicht beftimmt angeben kann. Während man
bei und Weizenmehl nur zu feinerm Gebäd verwendet, dient ed in England und Frankreich faſt
ausfchließlich zum Brotbacken. Außerdem bereitet man daraus Stärke, Bier (Ale), Brannt-
wein und Effig, während das Stroh auch ald Viehfutter und zum Strohflechten gebraucht wird.
Man unterfcheibet vom Weizen mehre Arten: ben gemeinen Weizen (Tr. vulgare), der am
bäufigften angebaut wird, 3— 4 5. hoch wächſt und mit vierfeitigen, 5—4 F. langen Ahren
und freien Schließfrüchten theils mit, theild ohne Grannen in zahlreichen Abänderungen vor-
kommt; den englifhen Weizen (Tr.turgidum), mit etwas bidderer AÄhre; den Bartweizen (Tr.
durum), mit markigem Halm und breitlieligen Klappen, der befonder# in Spanien und Stalien
gebaut wird ; den polnifchen Weizen (Tr. Polonicum) mit 6 F. hohem, marligem Halme, 4—
7 8. langer Are und fehr großen Körnern; den Spelz oder Dinkel (f.d.); endlich das Ein-
korn oder St. Peterkorn (Tr. monoecum), dad, häufig mit Dinkel verwechfelt, felbft auf
trodenem, fleinigem Gebirgsboden wächft, meift aber nur zu Viehfutter, zum Bierbrauen und
wegen feines dunkelbraunen groben Mehls zum Baden des gewöhnlichen Broted verwendet
wird. Zum Anbau des Weizens eignen fich Fältere Länder mit langem Winter nicht. Am be»
fien gedeiht er auf feuchtem, gebundenem Boden, der nicht über 55% Sand und etwa 15%
Kalk enthält und früher Hadfrüchte und Dung hatte. Brand und Roſt richten in Weizenfele
dern oft große Zerftörungen an.
Welcker (Eriedr. Gottlieb), geiftooller Alterthumsforfcher, hochgeachtet zugleich ale Dann
von edler Sreimüthigkeit, geb. 4. Nov. 1784 zu Grünberg im Großherzogthum Heſſen, erhielt
nad) Vollendung des akademiſchen Eurfus zu Gießen am dafigen Pädagogium 1803 eine An⸗
ftellung al Lehrer und unternahm 1806 auf zwei Jahre eine Reife nach Rom, bie feinen Be
ſtrebungen und feiner fchriftftelferifchen Thätigkeit eine entfchiedene Richtung gab, zumal da er
Zoega's perfönlihen Umgang genofien hatte. Nach feiner Rüdkehr wurde ihm 1809 eine or-
dentliche Profeffur der Archäologie und griech. Literatur zu Gießen übertragen, die er 1816
mit einer Profeffur in Göttingen vertaufchte, worauf ere1819 dem Nufe als Profeffor ber
Philologie und al Oberbibliothelar an die neuerrichtete Univerfität zu Bonn folgte, mo er noch
gegemvärtig durch feine belehrenden und anregenden Vorträge wirkt und überhaupt feine ganze
156 Welcker (Kari Theod.)
Kraft der Förderung und Hebung eines echt wiffenichaftlichen Sinnes widmet. Wenige Wo⸗
hen nach feiner Ankunft in Bonn wurden feine Papiere, gleichreitig mit benen feines Bruders
und EM. Arndt's, in Beichlag genommen, von der königl. Minifterlaleemmiffton zu Berlin
aber 1826 Ihm zurückgegeben und er felbft vollig freigefprochen. Ebenſo wurbe er ſpäter 1832,
als man ihn wegen bes Wiederabdrucks zweier politifcher Abhandlungen zur Berantwertung
zog und von feinen amtlichen Bunctionen fuspendirte, Durch Wiedereinſetzeing fehr bald gerecht
fertigt. Die Reihe feiner antiquarifchen Schriften, welche eine zumellen fogar der Klarheit
nachtheilige Überfüllung des Stoffe charakterifiet, begann er mit ber Abhandlung „Uber bie
Dermaphroditen der alten Kunft” in ben „Heidelberger Studien” von Daub und Greuger
(Bd. A, 1808), der bald viele andere in Zoega's „Basrelief6 Roms‘ (2 Bde, Geh. 1811 —
42), in der „Zeitfchrift für Gefchichte und Auslegung ber alten Kunft“ (3 Hefte, Gött. 1817
—18) und in Zoega’d „Abhandlungen (Gött. 1817) folgten. Schon vorher hatte er „Zoe-
ga's Leben, Sammlung feiner Briefe und Beurtheilung ſeiner Bart” (2 Be, Stuttg.1810)
herausgegeben. Unter feinen Überfegungen verdient wegen der großen Genauigkeit und RNeich⸗
haltigkeit in der Erflärung die ber „Komödien“ bes Ariſtophanes (2 Bde, Gieß. 1810—11),
weiche leider nur zwei Stüdle, die, Wolken“ und die „Fröſche“, enthält, eine ehrenvolle Erwäh⸗
nung. Eine gleiche Anerkennung fanden feine Ausgaben ber „Fragmenta Alcmanis Iyrici‘
(Sie. 1815); „Hipponactis et Ananii iambographorum fragmenta” (Bött. 1817); von
„Theognidis reliquiae” ($f. 1826); von „Philostratorum imagines et Callistrati statuae”
(2ypr. 1825), die er mit 5. Jacobs bearbeitete, und die Unterfuchung „De Erinna et Corinna
podtriis” in Greuzer’6 „Motetemata” (Bb. 2, 1816). Beſonders reich aber an Ergebnifien
fharfinniger Forſchung find feine Werke, die das griech. Alterthun nach verfchiedenen Seiten
bin umfaffen und aufklaͤren, befonders die Schriften „Uber eine Pretifche Kolonie in Theben, bie
Söttin Europa und Kabmeos“ (Bann 1824); ferner „Die Aſchyleiſche Trilogie“ (Darmfl.
41824), wozu, durch &. Hermann's Widerſpruch veranlaßt, ein „Nachtrag nebft einer Abhand⸗
lung über das Satyrfpiel (Fkf. 1826) kam; ſedann „Der epifche Cyklus ober die Homeriſchen
Dichter” (Bb. 1 md 2, Bonn 1835— 49); „Die griech. Tragödien mit Rüdficht auf den
epitchen Cyklus“ (3 Bde., Bonn 1859); „Kleine Schriften zur griech. Riteraturgefchichte”
(3 Bde., Bonn 1844 — 50); „Alte Dentmäle” (3 Bde, Gött. 1849—51). Auch be>
forgte er die Sammlung von Diffen’s „Kleinen lat. und beutfchen Schriften” (Bott. 1839), zu⸗
gleich mit Thierſch und Otfr. Müller, ſowie von Näke's „Opuscula” (2 Bbe., Bonn 1842).
Ein beſonderes Berbienft erwarb er füch emblich theils durch Übernahme ber Rebaction des, Rhei⸗
nifchen Muſeum für Philologie“, das er feit 1834 mit Näke, feit 1842 mir NRitfhl (f. d.) be
forgt und mit den gediegenflen Beiträgen bereichert hat, theils durch feine Bemühungen für
das von ihm errichtete Kunftmufeum in Bonn, beffen Schätze er burch feine wiederholten Nei⸗
fen nach Italien bedeutend vermehrt und in ben Schriften „Das afademifche Kunſtmufeum in
Bonn” (2. Aufl, 1841) und „NReuefter Zuwachs des alademifchen Kunftmufenms in Bonn“
(Borm 1845) befchrieben Bat.
Welder (Karl Tyeod.), bad. Geh. Rath, der Bruder bes Vorigen, geb. 29. März 1790 zu
Oberefleiden, einem Dorfe bes Ohmthals in Oberheffen, flubirte von 1807 — 11 in Gießen
und Heidelberg die echte. Von Jugend auf von ber feurigften Vaterlandsliebe befeekt, ſtiftete
er ſchon in Gießen eine Studentenwerbindung, bie der ſpätern Burfchenfchaft ähnlich war und
auch deren Karben trug. Auch als Schriftfteller trat W. fehon auf ber Univerfität auf in dem
Bee „Die Iepten Gründe von Recht, Staat und Strafe“, das ihm einen ehrenvollen Ruf
erwarb. Im J. 1815 wurde er Docent und 1814 auferorbentlicher Profeſſor in Gießen. Bon
ver allgemeinen Wegeifterung ergriffen, trat auch IB. als Frelwilliger ein, doch wurde ihm ber
Urlaub verweigert. Er folgte nım einem Rufe als Profeffor der Rechte nach Kiel und ſchrieb
bier mit Salt, Dahlmann, Tweſten u. A. bie „Kieler Blätter”, die großen Einfluß hatten und
beſonders die Verfaſſungsfragen fcharf erörterten. Bon der din. Regierung wurde er zum
Bevollmächtigten bei der Commiſſton zur Übernahme des Herzogthums Lauenburg ernannt;
auch erhielt ex den Auftrag, Vorſchläge zur Begründung des Rechesguftandes im Herzogthume
zu machen. IB. genügte demfelben, doch nahm man von feinen Borfeplägen wenig an, wenn
ihm auch bie Regierung großen Beifall dafür zollte. Später folgte ex einem Rufe an die Uni-
verfität zu ‚Heidelberg, von wo er 1849 nad) Bonn berufen ward. "Bein Streben für bie Her⸗
fiellung ber verheißenen Verfaſſumgozuſtände verwidelte ihn in Bonn wenige Wochen nach
ferner Ankunft in die Unterfucgung wegen bemagogifcyer Umtriebe, wobel zulegt das Dlinifte-
rium erklaͤrte, daß gar Beine Griminakmterfuchung gegen ihn geführt worden fei. Im Brühjahe
Belden 157
1823 ging W. als Profeffor ber Rechte nach Freiburg in Haben. Hier ſchrieb er zumcchft bie
„Aetenmaͤßige Vertgeidigung gegen bie Verdächtigung ber Theimahme an demagogiſchen Um⸗
tzieben” (2 Abth. Stuttg. 1825-24); dann begann ex das Wert „Das innere und Äußere
Syſtem der praktifchen, natürlichen und röm.<chriflidgıgerman. Nechts⸗, Gtaats « und Deſchge⸗
bungsichre” (Btutig. 1829), von welchen aber nur der erſte Band erfchienen ifl. Im Dec.
1830 uberfendete er dem Bundestage feine viel Aufſehen erregende Petition „Die vollfommene
und gange Preßfreiheit u.f. im.” (Freib 1830). Im 3. 1831 fir das bad. Oberamt Ettenheim
guuı Deputirten gewählt, beachte er mehre Motionen an die Kanımer, in ber er vorzugsweiſe
für bie Preffreiheit ſich verwendete. Darauf grimbdete er mit Motte u. U. das liberale Kebt⸗
Blatt „Dex Freifinnige”, das ungemeine Verbreitung fand. Mehre Huffäge Darin waren Dev
anlaffung, daß das Blatt unterbrüdt und WB. und Rotteck, jedoch mit Beibehaktung hres Ge
halts, in Ruheſtand verfegt wurben. In dem darauf folgenden Proceffe wegen verbächtiger
Berbindimgen wurde WB. freigefprochen. Hierauf unternahm er mit Rotteck die Herausgabe
des „Stamtblezilon” (12 Bde. Altena 1834 ; 2. Aufl. 184648). Im Aug. 1840 wurde er
als Prefeffor wieber in fein Amt eingefegt, jedoch nach einer Reiſe ins noͤrbliche Deutfihlanb,
auf bez ex vielfach mit öffentlichen Zeichen ber Liebe und Verehrung begrüßt wurde, im Det.
41841 abeemals fuöpenbdirt. Er zog nun nach Deibelberg, wo er ganz den Wiſſenſchaften lebte
und ſtets den vegſten Antheil an den Kammerverhandlungen nahm. Aus neuen Proceffen, die
ihm bie Schriften „Wichtige Urkunden über den Rechtszuſtand deutſcher Nationen“ und „Die
geheime Inquiſition, die Cenſur und Eabinetöfuftiz im unheilvollen Bunde” zuzogen, ging er
fiegreih hervor. Im März 1848 nahm W. an dem Siehenerausfchuffe zu Heidelberg Theil,
weicher den Zuſammentritt des Worparlaments in Frankfurt vorbereitete, und warb zugleich
von feiner Regierung ald Bunbestagsgefandter nach Frankfurt geſchickt. Die Stadt Frankfurt
wählte ibn fobann zum Abgeordneten in Die Nationalverſammlung, wo er gun vechten Gentrum
gehörte und fi als Borkämpfer der großdeutichen Partei bewies. Er ward Auoſchußmitglied
für den Berfaffimgsentwurf und betheiligte ſich in allen wichtigen pelitifchen Fragen. Außer
bem ging er im Juli 1848 als Bevollmachtigter des Deutfchen Bundes nach Rayeburg, im
Auguſt im Auftrag ber Sentralgewalt in diplomatifeher Miſſion nach Schweden umd übernahm
auch im October mit Oberſt Mosle bie fruchtlofe Sendung nad) Oftreih. Nachdem die Kunde
von der Aufloͤſung des Reichſtags zu Kremfier und ber Verkündigung der neuen öſtr. Verfaſ⸗
fund eingetroffen, brachte W. Allen unerwartet, 13. März 1849 ben Antrag in bie National»
verfammlung, die beutfche Meichöverfaffung, wie fie ber Ausfchuß für die zweite Leſung zuſam⸗
meengeflellt, durch einen Befanamtbefchluß anzunehmen und die erbliche Kaiſerwürde bem Kö⸗
nige von Preußen zu übertragen. Diefer Präftige Vorſchlag, In dem allerbings bie Rettumg für
bie Kaiferpartei lag, ward indeſſen 21. März nach ben Ichhafteften Verhandlungen verworfen,
und das Reichsminiſterium trat in Folge deſſen zurüd. (&. Deutfſchland.) WB. ſchied
tar Juni 1849 aus der Rationalverfammlung, nahm auch als Bevollmächtigter der hab. Me
gierung bei der Gentrafgewalt feine Entlaffung ımd zog ſich hiermit vom politiſchen Schau»
plage zurüd. Im J. 1850 wurde er jedoch wieder in bie bab. Kammer gewählt.
WBelden (Rubw., Freiherr von), öflr. Feldzeugmeiſter, geb. 1782 zu Laupheim in Würtem⸗
berg, begann feine militärifche- Laufbahn 4798 in würtemberg. Dienften unb nahm an den
Feldzũgen 1799-—1800 gegen Frankreich Theil, welche fein Landesherr fo energiſch betreiben
half. Im 3. 1802 trat er in öfte. Dienſte und wurde hier vor unb während des Feldzugs von
1805, in welchem er als Hauptmann des Generalquartiermeifterftabes wirkte, bei topographi«
ſchen Aufnahmen befchäftigt. Als Major war er 1809 dem Hauptquartier bes Erzherzogs
Karl zugetheilt, unb während der folgenden Friedensjahre wurbe er mit mancherlä ehrenvollen
Aufträgen, auch diplomatifcgen, betraut. Zum Oberſtlieutenant avancirt, wohnte WB. 1813
dem Feldzuge gegen den Vicekönig von Stalien, 1815 dem Kampfe gegen das Corps Suchet's
bei, wurde denn Dberft und 1816 Brigadier bes Pionniercorps. Hierauf fland er eine Zeit lang
dem topographiſchen Bureau vor und dirigirte fpäter, nachdem er 1824 als Quartiermeiſter
des Bubna’fchen Corps den kurzen Feldzug gegen die piemontef. Aufſtändiſchen mitgemacht,
bie militärifche Landesbeſchreibung. Im 3. 1828 wurbe er zum Generafmajer, 1832 zum Be⸗
vollmächtigten bet ber Militärcommiffion des Deutfchen Bundes, wo er den Borfig führte,
1836 aber zum Feldmarfchalfientenant ernannt. Sodann erhielt ex 1858 das Divifionscon-
mando in Gräg, 1843 das Seneralcommande in Zirol. Beim Uufftande der Lombardei 1848
erwarb er fi das Verdienſt, durch feine gefchickten Operationen von Zirel aus bie Verbindung
des Feldmarſchalls Radegky mit den Erblanben zu fichern. Er ſchloß Hiernänft Venedig ein,
158 Welfen | Belle
wurbe aber durch feine Ermennung zum Militär- und Civilgouverneur von Dalmatien von hier
abberufen. Nach den Dctoberereignifien und der Einnahme von Wien vertraute ihm der Kai⸗
fer das Gouvernement ber Hauptſiadt, welches er unter ben ſchwierigſten Verbältnifien über-
nahm und mit einer kurzen Unterbrecdung vom April bis Jımi beffelben Jahres, wo er das
Gommando der ungar. Armee führte, bis zu feinem Rücktritt aus dem activen Dienfte im Juni
4851 behielt. Als Feldzeugmeifter, welcher Grad ihm 1849 verliehen worden war, zog er ſich
nach Grüg zurück, lebte hier befonders feiner Vorliebe für Botanik unb farb 7. Aug. 1852.
Als Mititärfchriftfteller hat er fich bekannt gemacht durch „Epifoden aus meinem Leben“ (Gräg
1855), in benen er — zur Geſchichte der öfte. Armee in den J. 1848 und 4849 liefert,
und „Der Feldzug der Oftreicher in Stalien 1813 und 1814 (Gräg 1853). Ein befonderes
Verdienſt hat er fich noch durch Stiftung eines nad) ihm benannten Invalidenfonds erworben.
Welfen, ſ. Ouelfen.
Welbaven (Johann Sebaftian), einer ber bedeutendflen norweg. Dichter, geb. 22. Dec.
4807 zu Bergen, wo fein Vater Prebiger war, bezog 1825, auf der Gelehrtenſchule feiner
Baterftadt vorbereitet, die Univerfität Chriftiania, vo Damals Wergeland theils öffentlich, theils
In einem Verein von Studenten mit poetifhen Productionen auftrat. Diefelben erregten bei
W. das höchfte Intereffe und beſtimmten ihn zur Herausgabe der Schrift Henri? Wergelands
Digtekunft og Polemik“ (Chriſt. 1832). Diefe Kritik, in welcher er Wergeland's ultranatio⸗
nale Richtung befämpfte, rief mehre Gegenfchriften hervor, die ZB. jedoch unbeantwortet lief.
Um feine eigenen Anfichten zu verbreiten, begründete W. mit Schweigaard und Birch Hei
chenwald das Kiterarifche Wochenblatt, ‚Widar” und gab das polemifche Gedicht „Norges Däm⸗
ring” (Chrift. 1854; 2. Aufl, 1835) Heraus, welches in den politiſchen und literarifchen Krei⸗
fen eine außerordentliche Bewegung hervorrief. Er ftellte darin die Anficht auf, daß das nor-
wegifche Volk nur durch Überwindung feiner Sfolation und Anfchließung an das allgemeine
Weltleben, ſowie durch Bewahrung des hiftorifchen Fadens feiner Entwidelung in ben Stand
gefegt werden Fönne, feine Eigenthümlichkeit zu verftchen und in fruchtbringender Weiſe durch⸗
zuführen. Trotz ber heftigen Bekämpfung durch Wergeland und deffen Partei gewann ZB. doch
bald anderweitige Vertreter für feine Tendenzen, von denen einige, nachdem 1835 bad Blatt
„Widar“ eingegangen mar, 1836 den „Eonftitutionelle” gründeten, ber über ein Decennium
ald Drgan die neue Richtung, der fich bald mehre bebeutendere jüngere Kräfte, wie Collett, U.
Mund, Moe, Asbjörnfen u. A, enfchloffen, in Politik und Literatur vertrat. Außer vielen
Beiträgen zu diefem Blatt gab IB. unter Anderm „Andeutungen zu einer Revifion unferer
Kirchenpſalmen“ (Chrift. 1840), „Uber die Oppofition der norweg. Dichterfchule gegen bie
Ewald'ſche Poefie” (Ehrift. 1849), eine Anthologie aus Frimann's „Gedichten“ (Ehrift. 1851)
umd eine biographifcde Schrift über Ludwig Holberg (Chriſt. 1854) heraus. Seine poetifchen
Arbeiten erfchienen in „Digte“ (Chrift. 1859), „Nye Digte“ (Chriſt. 1844), „Halvhundret
Digte“ (Kopenh. 1848) und „Reifebilleder og Digte” (Chrift. 1851). Ein größeres Wert
über die dän. Literaturgefchichte hat IB. vorbereitet. W.s öffentliches Wirken ſieht in genaue»
fter Verbindung mit der füngften Wendung, welche Norwegens Eulturgang uud geiftige Ent
widelung genommen bat. Wie in der Literatur, fo hat er feinen Anfichten auch in der Kunft,
theil durch perfönliche Einwirkung auf die bedeutendften norweg. Künfller, theils als Director
des Kunſtvereins zu Chriftiania, Einfluß zu verfchaffen gefucht. Zugleich gilt ex für einen ber
bedeutendften Vertreter ber Beftrebungen, welche eine nähere Verbindung der drei ſkandinavi⸗
ſchen Völker, zunächſt in culturhiftorifcher, weiterhin auch in politifcher Beziehung, begmeden.
Geit 1840 bei der Univerfität zu Ehriftianta angeftellt, erhielt er 1846 eine Profeffur der Phi⸗
loſophie dafelbft. '
Belle Heißt in dem Maſchinenweſen derjenige cylindrifche Körper, um welchen ſich ein Rad
dreht und ber an feinen beiden Enden Zapfen hat, bie fich in dem Welllager, der fogenannten
Unwelle, drehen. Man hat auch vieredige und ſechseckige Zellen, und diefelben können von
Holz oder Metall (Eifen) fein. Iſt die Welle fo dünn, daß Ihre Enden zugleich unmittelbar die
Zapfen bilden, fo nennt man fie eine Achfe. — Rad an der Welle ift eine einfache Machine,
deren man ſich zum Heben von Laften bedient. Sie befteht aus einer Welle, an deren einem
Ende ſich ein Rad befindet und zwar bei Heinen Mafchinen ein Hornhaspel, bei größern ein
Tretrad. Auf die Welle windet ſich, fobald das Rad gedreht wird, ein Tau auf und hebt fo die
angehängte Laft, 3. B. bei Brunnen ben Waffereimer, in Bergfchachten den Kübel u. ſ. w. Es
verhält fich Hier die Kraft zur Laſt wie der Halbmeffer der Welle zum Halbmeſſer bes Rades;
je größer alfo leßterer und je kleiner erfterer ift, um fo geringer braucht die Kraft zur Überwin⸗
m
Bellen und Wellenlehre Bellesley 159
bung einer gleichen Laſt zu fein. Da aber ber Weg der Laſt mit dem Wege ber Kraft bei allen
Mafchinen im umgekehrten Verhältnif ſteht, fo wirb man auch hier mit dem größern Rade und
ber Meinern Welle zwar eine größere Laſt zu heben im Stande fein, aber die Bewegung wirb
u ebenfo viel Tangfamer von flatten geben.
ellen und Wellenlehre. Die Welle beſteht in tropfbaren Flüffigkeiten, sie im Waſſer,
in einer abmechfelnden Hebung und Senkung, zum Theil auch horizontalen Verfchiebung der
Waſſertheilchen; in elaftifchen Flüſſigkeiten, wie bei den Schallwellen in der Luft, in einer ab-
wechlelnden Berbichtung und Verbünnung der Flüſſigkeit, oder, wie bei den Lichtwellen im
Ather, in einer feitlicden Verſchiebung. In allen biefen Fällen iſt der Vorgang der Art, daß
der Zuftand (die Phaſe) der Wellenbewegung, in dem fich irgend ein Theilchen ber Flüſſigkeits⸗
maffe zu einer gewiffen Zeit befindet, fidh von da auf ben ganzen übrigen Theil der Flüffigkeit
allmälig fortpflangt, worauf die fogenannte Fortbewegung der Welle beruht. Bei dem fchein-
baren Fortrücken 3. B. der Wafferwellen bewegt fich nämlich nicht die Waſſermaſſe felbft fort,
ſodaß etwa ein Wellenberg in das ihm vorangehende Wellenthal hineinftürste, um es auszu⸗
füllen u. ſ. w, fondern die Geſammtheit ber Waſſermaſſe (ober der Luft- und Schermaffe) bleibt
(abgefehen von der abmechfelnden Hebung und Senkung der einzelnen Theilchen darin) an ihrer
. Stelle und blos die Form der Welle ift fortfchreitend. Über die Wellenbemegungen des Waffers
verdanken wir den Brüdern Ernft Heine. und Eduard Wilh. Weber (f.d.) in dem Werke „Die
Wellenlebre, auf Eyperimente gegrünbet u. f. m.” (Epz. 1825) höchſt Intereffante und ſcharf⸗
finnige Unterfuchungen. Bemerkenswerth ift die Eigenfchaft des DIS, welche, auf bie Ober»
fläche von Waſſer gegoffen, die Wellenbewegungen befänftigt.
Weller (Zat.), ein um Verbefferung des griech. Sprachunterrichts fehr verbienter Theolog,
geb. 5. Dec. 1602 zu Neukirchen im ſächſ. Voigtlande, erhielt, nachbem er zu Wittenberg feine
Studien vollendet hatte, dafelbft bie Profeffur der orient. Sprachen, wurde 1640 Superinten-
dent zu Braunſchweig und 1646 Oberhofprediger in Dresden, wo er 6. Juli 1664 ftarb. Eine
weite Verbreitung fand megen ihrer lichtvollen Anorbnung und einer beffern methodiſchen Be-
ndlung feine „Grammatica Graeca nova” (Ppʒ. 1634), die fpäter viele verbefferte Auflagen
durch J. F. Fiſcher (zuletzt pz. 1780) erlebte, von welchem auch die durch flupenden Fleiß
ausgezeichneten „Animadversiones ad Welleri grammaticam Graecam” (4Bbe., &ypy. 1798—
1801) verfaßt wurden.
Bellesley ift der Name einer unter König Heinrich VIII aus England in Irland einge-
wanderten proteft. Samilie, die eigentlich Cowley heißt. Walter Cowley oder Colley war
1537 Generalfiscal von Irland. Deffen Sohn, Sir Henry Eolley, zeichnete fich in den Krie-
gen der Königin Elifaberh aus. Bon ihm flammte Richard Eolley, Parlamentsmitglied für
Trim, welcher 1728 die Büter ber Kamilie Wesley oder Wellesley erbte und deren Namen
annahm. Er wurde 1746 zum irifchen Peer mit dem Titel Baron Mornington erhoben und
ftarb 31. San. 1758. — Sein Sohn Barret Eolley, geb. 19. Zuli 1735, wurde 1760 Bis-
eount Wellesley und Graf Mornington. Er ftarb 22: Mai 1784 und hinterließ fünf Schne,
die fi fämmtlich im öffentlichen Leben auszeichneten und von denen ber dritte der verftorbene
Herzog von Wellington (ſ. d.) war. Der ältefte und begabtefte ber Brüber, NRichard Colley,
feit 1797 Peer von England, feit 1799 Marquis Wellesley in Irland, berühmt als Gene⸗
talgouverneur bed brit. Oftindien, wurde 20. Juni 1760 zu Dublin geboren. Er erwarb fich
tüchtige Kenntniſſe zu Eton und Orforb und trat 1784 in die Güter und Titel bes Vaters,
fowie in den irländ. Geheimrath ein. Bald darauf wurde er auch von ber Stadt Windſor in
das brit. Unterhaus gewählt. Seine glückliche Vertheidigung der Politik des Minifters Pitt,
befonders fein Eifer gegen das revolutionäre Frankreich, verfchafften ihm die Gunft Georg's III.,
der ihn zum Korb des Schages, bann zum Commiſſar für die oflind. Angelegenheiten, enblich
1797 zum Generalgouverneur von Oftindien ernannte. W. trat fein Amt unter ben ungün«
fligften Aus ſichten an. Die Franzofen hatten ſich mit Zippo-Saib_(f. d.), dem Sultan von .
Myſore, zum Angriff auf bie brit. Befigungen verbunden, der von Ägypten ausgehen follte.
W. fperrte nach feiner Ankunft die Meerenge Bab⸗el⸗Mandeb und eröffnete den Krieg gegen
Tippo⸗Saib. Durch den Fall von Seringapatam, das Harrid mit Sturm eroberte, untermarf
fih ZB. ganz Myfore. Er fegte ſodann den Kampf gegen die Maharatten fort und eroberte bin-
nen drei Monaten das Land zwifchen Ganges und Dſchumna, ſodaß Scinbiah und der Rafıh
von Berar Friede machten. Im J. 1801 ſchickte er ein Hülfscorps gegen bie Franzoſen nad)
Agypten. Schon 1805 legte er jedoch feine zwar koſtſpielige, aber gluͤckliche Verwaltung nie⸗
ber. Nach der Rückkeht nach England erlitt er von Seiten der Oppofition die heftigften An⸗
160 Bellingen
griffe, während ihn bie parlansnterifche Malerität wit Dank und ber Hof mit Guuft über»
bäuften. Anfang 1809 ſchickte ihn der König als Bptfchafter an die Centzaljumta nach Spa-
nien, mo er qußererbentliche politiſche Umſicht entfaltete. Nach dent Zabe bes Herzags vom
Portland, gegen Ende 1809, übernahm er an Sanning’s Stelle das Departement bes Yus-
wärtigen und erhielt hiermit Gelegeuhrit, für die ſpan. Sache, die fen Bruder mit dent
Schwerte vertheidigte, mit voller Hingebung zu wirken. Mit feinen Collegen über bie ſpau.
Angelegenheiten entzweit, verlangte er 1812 an Perceval's Stelle Die Leitung des Fabinets und
legte, als ihm dies der Prinzregent abſchlug, fein Amt nieder. Wiewol IB. ald Tory galt, flug
er doch mit flastömännifchem Blick in ber Sigung von 1812 die Aufhebung der Beige gegen
die Katholiken vor. Sein Antrag ſcheiterte indeſſen an der Majorität einer Gtimme. Drö-
gleichen erklärte ex fich wisberholt gegen die Aufhehung der Habeas⸗Corpus-Aete. Im Der.
1821 ernannte ihn die Negierung zum Vicelönig yon Seland. W. verband mit Energie große
Möfigung gegen bie Bath. Irländer und erregte dadurch den Haß der Drangiſten, die ihn ſogar
öffentlich befchimpften. Im März 1828 legte ex feine Statthalterfihaft nieder. Dos Whig⸗
minifterium Grey, das feiner Verwaltung Gerechtigkeit widerfahren lieh, ſchickte Ihe 1833
abermals als Lordlieutenant nach Irland, und hier blieb er num bi in ben Dee. 1854 bis zum
Rücktritt ber Whigs vom Staatsruder. Seitdem zog er firh, vom Alter gedrückt, auf ſeinen
Eig Kingfkonhoufe bei Bronipten zurüd, wo er 26. Sept. 1842 ſtarb. Noch 1828 vermählte
er fich in zweiter Che mit der reichen Amerikanerin Mrs. Patterfon, hinterließ aber feine Kin⸗
der. Bgl. Pearce, „Memoirs and correspondence of Rich. Marquis W.“ (9 Bde., Lond.
1845). — Sein nächſter Bruder, William W.Pole, Baron Maryborough in England,
erbte die Würde eines Grafen von Mornington. Derſelbe wurde 20, Mai 1763 geboren und
nahm 1778 den Namen Pole durch die Beerbung eines Eoufins an. Er biente anfangs in der
Marine, teat dann ins irifche und fpäter ind engl. Unterhaus und folgte 1809 feinen Bruber
Arthur ald Staatsfecretär für Irland. Weil er die Nationalpartei durch ungeitige Strenge em
bitterte, mußte er biefed Amt 1812 niederlegen. Im 93.1815 wurde.er Münzmeifter, 1821
Peer von England und 1828 Oberjägermeifter. Zulegt war ex im kurzen Minifkerium Peel
vom Dec 1854 bis April 1855 Generalpoftmeifier. Sr farb 22. Febr. 1845. Sein Sohn,
William Pole-Tyiney-Long-Wellesley, Graf von Mornington, das jegige Haupt der Fa⸗
milie W., geb. 22. Juni 1788, heirathete 1812 Miß Tylney⸗Long, die reichſte Erbin in Eng-
land, deren Vermögen er vergeubete, worauf er fi) Schulden halber lange Zeit auf bem Con⸗
tinent aufhalten mußte. Im Mat 1847 z0g er abermals die öffentliche Aufmerkſamkeit auf
fi, indem er vom Poligeigericht angehalten werben mußte, feiner zweiten gefchiebenen Ge⸗
mahlin, die ex der ärgften Entblößung preißgegeben, bie gefeglich ausgemachten Wlimente zu
zahlen. — Der vierte Bruber, Gerald Valerian W., geb. 7. Dec. 1770, widmete fi dem
geiftlichen Stande, warb Kanoniker von Durham, Recter von Bifchop- Wearmonth und
Kaplan ber Königin und flarb zu Durham 21. Det. 1848. Der jüngfte ber Brüder enblich,
Henry W., wurde 1828 Baron Cowley (f. d.).
Wellington (Arthur Wellesiey, Herzog von), Fürſt yon Waterloo, brit. Feldherr und
Staatsmann, der dritte Sohn bed Grafen von Mornington (f. Wellesley) aus ber Ehe mit
Anna Hi, Tochter des Viscount Dungannen, wurde 1. Mai 1769 zu Dungan-Eaflle gebo-
zen. Er erhielt feine Erziehung zu Eton, ging dann auf die Kriegefchule zu Angers in Frank
veich und trat 1787 als Kähnrich in ein brit. Infanterieregiment. Später kaufte er fich die
Oberftlieutenantöftelle vom 33. Regiment, mit bem er 1794 dem Feldzuge in Holland bei«
wohnte. Als fein Bruder 1797 Generalgouverneur im brit. Oftindien geworben, begleitete er
benfelben an der Spige feines Regiments, zeichnete fich in dem Kampfe gegen Tippo-Baib aus
und erhielt Dafür ben Brad eines Generalmajors. Noch mehr Anerkennung erwarb er fid) im
Kriege gegen die Maharatten, deren 60000 Streiter zählende Armee er bei Aſſye mit einem
Corps von 12000 vernichtete. Nachdem Sir Arthur 1805 nach England zuruͤckgekehrt, trat
er 1806 für Newport ins Unterhaus. Im 3. 1807 begleitete er den Statthalter Herzog von
Richmond al Secretär nach Irland. Im Aug. deſſelben Jahres ſchloß er fich jedoch der &p
pedition Korb Cathcart's gegen Kopenhagen an, deſſen Sapitulation er verhandelte. Die Ne
gierung belohnte feine Dienfte bei biefem Unternehmen mit dem Nange eines Generallieute-
nants und ſchickte ihn 1808 an ber Spige eines Corps nach Portugal. Bier ſchlug er 18. Aug.
bie Sranzofen bei Nolera und 21. bei Vimieira. Deffenungeachtet mußte er ben Oberbefeht an
Dalrymple abtreten, der den Vertrag von Cintra ſchloß, nach welchem die Franzoſen Portugal
saumten. Sir Arthur beſaß Klugheit genug, jede Empfindlichkeit zus unterdrücken, ja er ver
Bellington 161
theibigte fogar die Handfungen feines Vorgefegten. Schon im April 1809 erhielt er dafür den
Oberbefehl über die verflärften brit., ſowie über die einheimifchen Truppen in Portugal. Er
übercafchte Soult 11. Mai zu Oporto, drang dann in Spanien ein und flug die vereinigte
franz. Macht 26. Juli in der zweitägigen, aber wenig entfcheidenden Schlacht bei Talavera.
Das beit. Parlament belohnte ihn mit einer Jahresrente von 2000 Pf. &t.; der Prinzregent
erhob ihn zum Baron Douro von Wellesley und Biscount Wellington von Zalavera; bie
portug. Regentfchaft verlieh ihm den Titel eines Marquis von Bimieira. Der ſchnelle Marſch
der franz. Marſchälle Soult und Ney von Salamanca auf Eſtremadura nöthigte ihn feboch als⸗
bald, über den Zajo nach Portugal zurückzukehren. Er warf den franz. Oberbefehlshaber
Maflena, der ihm folgte, 27. und 28. Sept. in ber blutigen Schlacht bei Bufaco und eilte dann
zur Dedung von Liffabon in die befefligte Stellung von Zorres-Vedras. Maffena wagte biefe
Linien ohne Verſtärkung nicht anzugreifen und fah ſich endlich nach ſechsmonatlichem Harren
genöthigt, den Rückzug nach Spanien anzutreten. Von den ſchwachen Megentfchaften ber Py⸗
renãiſchen Halbinfel wenig unterftügt, rückte IB. vorfichtig dem Feinde nach, zwang denfelben
zum Aufgeben von Almeida und behauptete 5. Mai 1814 feine ſchon umgangene Stellung zu
Fuentes de Onoro. Im Sept. überfchritt er ben Tajo, um bie Berproviantieung von Ciudad⸗
Rodrigo zu verhindern. Während Marmont, der neue franz. Oberbefehlshaber, in den Win⸗
terquartieren lag, bereitete er die Belagerung des Plages vor und nahm benfelben 12. Febr.
1812. Die fpan. Negentfchaft belobnte ihn mit dem Zitel eines Herzogs von Eiudad-Rodrigo
und der Würde eines Granden erfter Elaffe; das brit. Parlament beiilligte ihm aufs neue ein
Sahrgeld von 2000 Pf. St. Hierauf eroberte W. 7. April Badajoz, ging dann, im Rücken be-
freit, wieder über den Taſo, drang in Gaftilien ein und flug Marmont 22. Juli bei Sala⸗
manca aufs Daupt, worauf er 13. Aug. Madrid in Befig nahm. Der engl. Prinzregent erhob
ihn jegt zum Marquis von Wellington und das Parlament gab ihm zum Ankauf von Gütern
ein Geſchenk von 100000 Pf. St. Er wandte fich jegt gegen Burgos, fand aber hier einen fo
hartnädigen Widerftand, daß er Die Belagerung aufheben und 20. Dct. 1812 den Rückzug an
die portug. Grenze antreten mußte. Die Derminderung ber franz. Streitkräfte auf der Pyre⸗
näiſchen Halbinſel und die Niederlage Napoleon’8 im ruff. Feldzuge bewogen W. nur um fo
mehr, für den Feldzug von 1813 außerordentliche Anftrengungen zu machen. Auf feinen
Wunſch erhielten die fpan. Zruppen eine beffere Organifation und wurden unter feinen unmit-
telbaren Befehl geftellt. Ex befegte im Frühſahre das von dem Feinde bis an den Ebro frei«
willig verlaffene Land, drängte die franz. Armee, die unter dem König Joſeph und Jourdan
eine Stellung hinter dem Duero genommen hatte, auf Burgos zurüd und erfocht bei Vittdria
21. Juni 1815 den vollftändigften Sieg. Zahllofe Gefangene, 151 Kanonen, das ganze Ge⸗
päd und der Schag des Königs Joſeph fielen in feine Hände. Während ihm bee Prinzregent
die Würde eines Feldmarfchalls verehrte, ernannten ihn die fpan. Cortes zum Herzog von Vit-
toria und fchenften ihm die Herrſchaft Sotto di Roma. Unterdeffen ftellte Soult bie franz.
Armee zu Bayonne her und drang in die Pyrenäen vor, um die Pläge San-Sebaftian und
Pampelona zu retten. WB. ſchlug die verzweifelten Angriffe dieſes ebenbürtigen Gegners vom
24. Juli his 1. Aug. ab und nahm 8. Sept. San-Sebaftian durch Sturm. Am 7. Det. er-
zwang er ben Übergang über bie Bidaſſoa und durchbrach in blutigen Gefechten bie franz.
Stellungen an der Nive und Nivelle. Soult verſchanzte fih mit feinen gelichteten GStreitfräf-
ten in Bayonne, dem fih W. im Dec. näherte. Nach zweimonatlichem Aufenthalt, während
deffen W. Verſtärkungen an fi) zog und wiederholt die Angriffe des Feindes abwies, nöthigte
er Soult durch einen Angriff auf deſſen rechte Flanke zum Rückzug in die Stellung bei Orthez.
Allein auch bier trug W. 27. Febr. 1814 den Sieg davon und folgte dem Feinde fämpfend
bis unter die Mauern von Touloufe, das nad) einem legten blutigen Gefecht 10. April in feine
Hände fiel. Auf die Nachricht von der Einnahme von Paris durch die Verbündeten bewilligte
er endlich dem Gegner einen Waffenftillftand, dem eine Eapitulation folgte. Nachdem er hier
auf den verbündeten Monarchen zu Paris einen Befuch gemacht, reifte er nach Madrid, wo Ihm
Ferdinand VO. die erhaltenen Würben beftätigte und ihn zum Generalcapitän ernannte. Für
Die Gehaltsrückſtände wählte er die Krondomäne Eeres de la Frontera. Der engl. Prinzregent
verlieh ihm 3. Dat 1814 die Würde eines Herzogs von Wellington und eines Marquis von
Douro. Nach feiner Antımft zu London, 23. Juni, bewilligte ihm das Parlament 400000
FH. St.zum Ankauf von Ländereien und empfing ihn in einer feierlichen Sigung vom 1. Juli.
18 auferordentlicher Geſandter eilte er nunmehr nad) Paris zurüd, und 1. Febt. 1815 trat
Gono.sker. Behnte Aufl XV. 2 11
162 Wellington
er als brit. Bevollmächtigter auf dem Gongreffe zu Wien an Caſtlereagh's Stelle. Als die
Landung Rapoleon's bekannt wurde, trat ex ber Achtserklärung bei, unterzeichnete den Wiener
Vertrag und ging dam na Belgien, wo er 6. April zu Brüffel ben Oberbefehl irber die
brit. hannov.⸗braunſchwelg.hollaͤnd. Truppen übernahm. Am 18. Juni lieferte er Rapo-
leon die blutige Schlacht bei Waterloo (ſ. d.), in welcher feine eiferne Beharrlichkeit und das
endliche Eintreffen der Preußen zum zweiten mal bem franz. Kaiferreich das Ende bereiteten.
Am Berein mit Blücher marfchirte er nun auf Paris, wo er 5. Juli 1815 dur Capitulation
einzog. Das brit. Yarlament belohnte ihn nochmals mit 200000 Pf. St., der König der Rie⸗
derlande gab ihm den Titel eines Fürften von Waterloo und die übrigen Souveräne überhäuf:
ten ihn ebenfalls mit Titeln, Orden und den werthvollſten Gefchenten, Ganz Europa feierte
den Helden, der fo weſenklich zum Sturze Rapoleon's und der franz. Übermacht beigetragen.
Nach dem Bertrage vom 20. Nov. 1815 erhielt W. das Obercommando über die verbünde⸗
ten Truppen, die Frankreich befegt bieten. Auch in diefer mehr diplomatiſchen Stellung be»
hauptete er fein befonnenes Wefen, vermochte fich aber nicht, wie fehon fein Betragen im Pro-
ceffe Ney's bemeift, zum Edelmuthe zu erheben. Hingegen fanden die Bourbons den Berbün-
deten gegenüber in ihm eine fichere Stüge. Auf dem Congreſſe zu Hachen beantragte er 1818
ſelbſt Die Zurückziehung des Dccupationäheeres; auch haff er die Contributionsfrage zu Gun⸗
ften der franz. Regierung enffcheiden. Im J. 1822 ging er als brit. Bevollmächtigter auf ben
Congreß nach Verona, mo er ſich zwar nicht nach dem Sinne der Heiligen Allianz, aber doch alt
toryſtiſcher Staatsmann erflärte. ‘Seine Wirkſamkeit ats Mitglied des Oberhauſes näherte
fich ebenfalls den Srundfägen des ſtarrſten Toryomus. Imar fchien er anfangs die freifinni-
gern Anſichten Caming's zu ımterflügen, allmäfig jedoch trat ex denfelben entgegen. Rad)
Goderich's Nucktritte übernahm er im Yan. 1828 die Bildung des neuen Minffteriums, in
welchen er die Stelle eines erſten Lords de Schatzes verfah. Schon ein Jahr vorher mar er
nad dem Tode bed Herzogs von York zum Oberbefehlshaber der brit. Landmacht ernannt
worden. Er umgab fich mit entfchiebenen Tories, ſuchte der Bermaltung einen militärifchen
Charakter aufzubrüden und vernachläffigte gänzlich bie fehr vermidelten auswärtigen Ver⸗
hättniffe. Indeffen befaß er Scharfblick und Ruhe genug, um 1829 felbft die Initiative in der
Emanecipation (f. d.) der Katholiken zu ergreifen. Ber Einfluß der franz. Julirevolution auf
die brit. Nation und die Thronböfteigung Wilhelm's IV. veranlaßten im Nov. 1850 den Sturz
feiner Verwaltung und ber Tories Überhaupt. Mit gewohnter Hartnächgkeit wiberfegte er ſich
num der Parlamentsreform und den übrigen Fortfchritten, welche bie Whigminifter einleiteten,
und regte dadurch das Volk fo auf, daß er öffentlich infultirt wurde. Wenn er auch im Ober-
hauſe fein glänzendes Nebnertalent geltend machte, übten doch fein perföntiches Anfehen und
die Klarheit und Beſtimmtheit feines Ausdrucks den größten Einfluß. Nach der Entlaffung
der Whigs im Nov. 1854 ergriff er mit Peel wiederum die Zügel der Verwaltung als Minifer
bed Auswärtigen; doch mußte er fchon bei Eröffnung der Sitzung von 4835 zurüdtreten. Ute
Deel nach dem Sturze der Whigs im Sept. 1841 fein Miniſterium bildete, betheiligte W, fich
aufs neue an ber Regierung, ohne ein beflimmtes Departement zu übernehmen. Zum Arger
ber Hochtories ließ er fich von feinem geiftedgemandten Benoffen für die Freihandelspolitik be-
flimmen und behielt auch unter dem Whigminiſterium feit Juni 1846 die Dberbefehlöhaber-
ftelle nebft den Amtern des Gouverneurs im Tower, des Lord⸗Wardeins ber fünf Häfen umb
des Kanzlers der Univerfität Oxford. Dem Parteitreiben fern, übte er nur noch eine vermit-
teinde Wirkſamkeit und wurde namentlich von der Königin in fehwierigen Confuncturen zu
Mathe gezogen. So beendigte er durch feinen Einfluß die Minifterkrife vom Febr. 1851,
indem er Lord John Ruffell bewog, das Staatsruder von neuem zu übernehmen. Seine ein-
flige Unpopularität war vergeffen, und er erfreute fich deu ungetheilten Liebe und Achtung bes
Bolkes, als er 14. Sept. 1852 faft plöglich auf Walmer-Eaftle mit Tode abging. Mit königli-
chem Pomp ward er 18. Nov. in der St.Paulskirche beigefept. W. war weber durch Genialität
noch durch Fühne Ideen, wol aber burch bedeutende Eharaktereigenfchaften ausgezeichnet. Ein
ſcharfer Berftand, em eiferner Mille, daneben eine leidenfchaftslofe Kälte, die faft als Phlegma
- erfcheint, und ein ımerfchütterliches Pflichtgefühl bildeten die Grundzüge feines Wefens. Mol.
bie von Gurwood herausgegebenen „Despatches of field-marshal the duke of W.” (12 Bbe.,
Lond. 1856— 38) und feine „Speeches in parliament” (2 Bbe., Lond. 4854), fowie Bauer’s
„Leben und Feldzüge des Herzogs von W.“ Quedlinb. 4840). Außerdem befchrieben fein Leben
bie Engländer Elliot, Clarke, Wright, Maxwell, Stoqueler, Macfarlane, Graf be Grey u. A. —
Aus feiner Ehe mit Miß Catherine Pakenham, Schwefter des Grafen von Longford, hinterlich
Wels (diſch Welſer 163
er zwei Söhne. Der älteſte, Arthur Richard, geb. 3. Febr. 1807, der ihm als zweiter Her⸗
zog von Wellington folgte, hieß früher Marquis von Douro und faß im Unterhaufe erft als
Parlamentsmitglied für Aldborougb, dann für Norwich. Er war Oberft in der brit. Armee
und Adjutant feines Vaters und wurde im Juni 4854 zum Generalmajor befördert. Im
San. 1855 erhielt er unter dem Minifterium Aberdeen den Poften eines Oberftallmeifters.
Er lebt in Finderlofer Ehe mit Lady Elizabeth Hay, Tochter des Marquis von Tweeddale. Der
zweite Sohn, Lord Charles Wellesley, geb. 16. Ian. 1808, ift Oberfi und Parlamentsmit⸗
glied für Sud-Hampfhire.
Wels (Silurus), eine Gattung Fifche aus ber Familie gleiches Namens. Ihr einziger Res
präfentant in Europa ift der gemeine Wels (S. Glanis), zugleich der größte unter den europ.
Flußfiſchen, indem er 6—9 $. lang und I -- 2 Er. ſchwer wird. Die Beftalt bes Körpers if
plunp, die flumpfe Schnauge mit, zwei langen und vier kurzen Bartfäden verfehen. Am
ſchlammigen Boden großer Flüffe verborgen, lauert er auf Heinere Kifche und kommt nur des
Nachts an die Oberfläche. Das Fleifch der jüngern Welſe wird gern gegeffen, ift jedoch wegen
feines vielen Fettes fchwer verbaulih. Man findet den Wels in den großen Strömen Deutfch-
lande, Ungarns und beſonders Südrußlands. In den heißen Gegenden finden ſich zahlreiche
andere Arten diefer und verwandter Gattungen.
Wels, jest wicder, wie früher, die Hauptſtadt des Hausrudkreifes (65°) AM. mit
226255 €.) in Oberöftreih, 1849— 53 nur der Hauptort einer Bezirfshauptmannfchaft, am
linken Ufer der fchiffbaren Traun, an der Eifenbahn von Gmunden nach Linz und am Ende der
3 M. weit nach Linz reihenden Welferhaide gelegen, gilt für die ſchönſte und freundlichfte
Landftubt bes Kronlandes, hat eine alte Pfarrkirche mit ſchönen Glasmalereien, eine aus den
Mitteln des Buflav-Adolf-Vereins gegründete cvang. Kirche nebfl Thurm, ein Rathhaus, die
alte Burg, dem Fürften von Auersperg gehörig, das Schloß Pollheim, viele Schöne Häufer,
einen großen Hauptplag mit zwei Springbrunnen, eine Normalſchule, drei Armenhäufer, ein
Caſino und ein Theater, eine Kattunfabrif, einen Rupferhammer, eine Pulvermühle und zählt
gegen 5000 E., welche beträchtlichen Getreide» und Holzhandel treiben und berühmtes Brot
baden. Am rechten Ufer der Traun liegt die Vorftadt Aigen mit dem fehr hefuchten Herzogs⸗
brunnen, einem Garten mit Grotten und MWafferfünften. W. ift das Ovilabis ber Römer.
Welſchkorn, ſ. Mais,
Welſer iſt der Name einer berühmten ausgeſtorbenen Patricierfamilie zu Augsburg. —
Zulius W. ſoll vom Kaiſer Otto I. wegen feiner Dienſte im Kriege gegen die Ungarn zum
Ritter gefchlagen worden fein. — Sein Sohn, Detavian W., ſieß fich in Augsburg nieder
und von ihm flammt das Patriciergefchlecht ab, welches ſtets angeſehene Stellen im Rathe
dieſer Stadt bekleidete. Bartholomäus W., Beh. Rath Kaifer Karl’6 V., war fo mohl«
habend, daß er nebft Fugger (f. d.) dem Kaifer zwölf Tonnen Goldes vorfchiegen konnte. Mit
Genehmigung des Kaifers rüftete er 1526 drei Schiffe in Spanien aus, welche unter bem Be⸗
fehle des Ambrof. Dalfinger, eines Ulmerd, nad) Amerika fegelten und die Provinz Caracas in
Befig nahmen, die ber Kaifer IB. ald Pfand überließ. Doc ſchon nad) 20 J. gaben die Welfer
die Befigung freiwillig auf, die nun wieder an Spanien fiel. In dieſer Zeit ſchickten fie auch in
Verbindung mit nümberger Kaufleuten ein Schiff nach Ofkindien, um neue Handelöpläge zu
ſuchen. — Am berühmteften wurde des Barth. W. Nichte, Philippine W. eine Tochter feines
Bruders Franz W., geb. um 1550. Sie hatte durch ihre kluge Mutter eine treffliche Erzie⸗
hung erhalten und war von außerordentlicher Schönheit. Bei Gelegenheit eines Reichstags
zu Augsburg 1547 fah fie der. Erzherzog Ferdinand, der zweite Sohn des nachmaligen Kaiſers
Ferdinand 1., und verliebte ſich in fie. Standhaft widerfegte fich die Jungfrau allen Anträgen
des feurigen, erſt 19jährigen Zünglingd und weigerte fich, irgend eine andere Verbindung ale
durch die Ehe mit ihm einzugehen. Diefe wurde denn aud) 1550, ohne Vorwiſſen des Vaters
und des Oheims, des Kaiferd Karl V., gefchlofien. Der Vater wurde, fobald er die Nachticht
davon erhielt, äußerft erzürnt und der Sohn burfte lange Zeit hindurch nicht vor ihm erſchei⸗
nen. Auch in Auslande machte diefe Misheirath großes Auffehen. ‚Das Liebende Paar genoß
indeß das größte häusliche Glück und Philippine begauberte durch ihren Verſtand und ihre
Herzensgäte Alle, die fie näher kennen Iernten. Erſt nach einem Zeitraume von acht Jahren
uͤeß ich der Vater verföhnen. Philippine felbft überreichte ihm, verkleidet, eine Bittſchrift, und
ihr Benehmen dabei, fowie ihre Schönheit entwaffneten den erzürnten Vater. Er verzieh dem
Sohne und erflärte beffen Kinder für legitim, erhob die Mutter zur Margrit, bon Burgau,
164 Welt. | Weltumfegler
und nach ihr er"'elten ihre beiden Söhne den Namen Markgrafen von Burgau. Diefe glück⸗
liche Ehe dauer. 30%. Philippine flarb zu Innsbruck 1580. Im Schloffe zu EC i:ö5nbrummn
wird noch das Bildniß der ſchönen Philippine gezeigt. Ihr ältefter Sohn, Andr., Markgraf
von Burgen, trat in den geiftlichen Stand und ftarb 1600 als Cardinal; ihr zweiter Sohn
Karl, der fich im Kriege gegen Ungarn und Spanien auszeichnete und von feinem Bruder
Burgau erbte, flarb 1618, ohne Erben zu hinterlaffen. — Marcus W., Stadtpfleger zu
Augsburg, geb. 1558, galt zu feiner Zeit für einen Polyhiſtor. Er war ein Schüler Ant.
Muret’s, ein großer Freund und Beförderer der Gelehrten und ftand auch mit Galilei in Ver⸗
bindung. Die Zahl feiner Schriften ift beträchtlich. Wie um die Gefchichte überhaupt, fo hat er
fi ins beſondere um bie feiner Vaterſtadt verdient gemacht; auch machte er zuerſt 1591 die fo-
genannte „Tabula Peutingeriana” bekannt. In der Folge verbreiteten fich Zmeige der Familie
W. nad Ulm, Regensburg und Nürnberg, wo fie überall ein würdiges Gedächtniß fich ge-
ftiftet Haben.
Welt (althochdeutſch weralt, mittelhochdeutſch werld) bezeichnet den Inbegriff alles Seien-
den, bie eriftirenden Dinge in ihrer Zotalität. Die philofophifche Lehre über Welt in diefem
Sinne nennt man Kosmologie (f. Kosmos), die als ein Theil ber Metaphufit betrachtet wird.
Ferner begreift man unter Welt das Weltgebäube ober Weltall, die Geſammtheit der Welt-
törper und nermt diefelben,, in ihrer Ordnung und Verbindung gedacht, das Weltſyſtem.
(S. Weltall.) Weiter bedeutet Welt im allgemeinen Sprachgebrauche die Erbe unb daß fie
bewohnende Dienfchengefchlecht; baher Welttheile, Weltkunde, Weltgefchichte, Welteroberer,
Weltumſegler u. f. w. Endlich verfteht man unter Welt das Endliche und Greatürliche und
ſetzt diefem den Begriff bes Unendlichen, Ewigen, des Geiſtes entgegen. Im Neligiöfen ift hier-
nad) das Weltliche der Gegenfag zum Heiligen und Göttlichen; im individuellen Xeben die
Richtung auf das Irdiſche, auf die Außenwelt, im Gegenfag zum innerlichen, geiftigen Xeben.
Weltachſe nennt man eine gerade Linie, die man fich zwiſchen ben beiden ſcheinbar ftillfte-
henden Himmelspelen, bem Nord und Südpol, durch das ganze Weltgebäude gezogen benft
und um welche biefes fich zu bewegen ſcheint. Sie heißt auch Simmelsachfe und ift als verlän-
gerte Erdachſe zu betrachten.
Weltall, Weltgebäude oder Untverfum ift der Inbegriff aller Weltkörper, d. h. aller Fir
ferne, Planeten, Rebenplaneten und Kometen in ihrer Verbindung und Ordnung als ein Gan-
zes betrachtet. Als biefes georbnnete Ganze bilden die Weltkörper das Weltſyſtem, unter wel⸗
her Bezeichnung man aber auch zugleich die verfchiedenen Anſichten über eine folche Verbin⸗
bung ber Weltkörper, namentlich der Körper unfers Sonnenſyſtems begreift. Solcher Welt⸗
fofteme werden bauptfähli drei angenommen, die von Ptolemäus (f. d.), Tycho de Brahe
(.d.) und Kopernicus (f. d.) aufgeftellt wurben. Ptolemäus nahm an, die Erde ſtehe im Mir
telpunkte des runden Weltgebäudes unbeweglich ſtill und um fie bewegten ſich die übrigen WBelt-
körper in feften, volllommen runden Kreifen. Das Unhaltbare diefes Syſtems fuchte Tycho de
Brabe zu verbeſſern. Er nahm aber gleichfalls die Erde als unbeweglich in ber Mitte bes
Weltgebäubes an und ließ Sonne und Mond um fie, die übrigen Planeten aber um die Sonne
fi) bewegen. Das Syſtem, das Kopernicus früher als Tycho de Brahe daß feinige aufftellte,
das ſchon die Pythagoräer, jeboch nicht aus aftronomifchen Gründen, fondern in Folge ihrer
Theorie vom Feuer, ahnten und welches durch die Beobachtungen und Entdeckungen aller nach⸗
folgenden Aftronomen im Allgemeinen beftätigt und nur in Einzelnheiten berichfigt und vervoll-
kommnet wurde, ift unftreitig das richtige, weil allein nach demfelben die Erfcheinungen am
Himmel fi) genügend erflären Iaffen. Noch mag hier das ägypt. Weltſyſtem erwähnt werden,
das und jedoch blos in feinen allgemeinen Zügen befannt iſt. Es unterfcheibet fi von bem des
Prolemäus nur dadurch, daß nach jenem Mercur und Venus ſich um bie Sonne, nicht um die
Erde bewegen.
Weltgeiftliche oder Weltpriefter, auch Zeutpriefter oder Laienprieſter werben diejenigen
Geiftlichen in ber kath. Kirche genannt, welche keinem geiftlichen Orben angehören, fondern an
Kirchen als Pfarrer und Kaplane oder in Domtapiteln als Domberren, Gapitufaren, Vicare
u. ſ. w. angeſtellt'ſind. In der lat. Kirchenſprache heißen fie Clerici saeculares, im Gegenfage
zu den Ordensgeiſtlichen (Clerici regulares), welche eine Ordensregel beobachten.
Beltgericht, ſ. Jüngſter Tag.
Weltgefchichte, fo viel als Univerſalgeſchichte, ſ. Geſchichte.
‚Beltumfegler. Die Reihe dieſer kuͤhnen Männer würde der Portugieſe Magellan (ſ. d.)
eröffnen, wenn er nicht 1521 in einem Gefechte mit den Bewohnern ber Infel Matan geblie
Wendekreife Wenden 165
ben wäre, worauf Sano fein Schiff zurüdführte. Dem von ihm genommenen Wege durch bie
nad ihm benannte Magellanftrafe oder um das Kap Hom herum in die Südſee find fpäter
Spanier, Sranzofen, Holländer, Engländer, Deutſche, Ruffen und Nordamerikaner gefolgt,
Die meiften und die wichtigften Seereifen und WBeltumfegelungen haben die Engländer unter-
nommen. Etwa 50 J. nach Sebaftiano Caboto (f. d.) drang 1555 Hugo Willoughby auf fei-
ner nördlichen Sendung bis Nowaja-Semlja vor. Alle ſeitdem angeftellten Verfuche, mittels
einer nordöftlicden oder norbweftlichen Durchfahrt in den Großen oder Stillen Ocean zu gelan-
gen und dann ſüdwärts die Alte und die Neue Welt zu umfegeln, find bis jegt nicht gelungen,
wenn auch das geographifche Problem ber Durchfahrten felbft, das der nordweſtlichen freilich
erſt ganz neuerdings durch M’Kure gelöft worden ift. (S. Rorbpolerpeditionen.) Doch hat-
ten die durch Chancelor, Bourrough, Frobifher, Arthur, Pet, Jackmann, Gilbert, Davis und
Weymouth (1591) gemachten Reifen nad Nordoften und Nordiweften mehrfache Länderent-
deckungen zur Folge. In derfelben Zeit umfchiffte Francis Drake (f. d.) bie Erde. Cavendiſh,
Chidley und Hawkins fegelten dem großen Vorgänger im Süden nach, doch nicht mit gleichem
Glücke. Unter den fühnen Nautikern, welche im 17. Jahrh. große Seereifen unternahmen,
zeichneten fi) Hudſon, Button, Baffin, Bylot und Narborough, befonders aber Dampier,
Halley, Wood Rogers und der ruff. Capitän Bellingshaufen durch die Größe oder die Wich⸗
tigkeit ihrer Entdbedungen aus. Wood Rogers drang bis 62° 53’ zum Südpol vor; Bellings⸗
haufen 1820 bis zu 70". Dreifig Jahre nad Rogers umfciffte Anfon (f. db.) 1741—44 bie
Erbe, und mit ihm bob die Entdedung des gefammten Sübmeers, alfo von ganz Polynefien,
von neuem an. Darauf machten Garteret und Wallis (1767) ihre Entdeckungéreiſe. Mit
Coot᷑ (f.d.) beginnt feit 1770 die neuefte Epoche bet Weltumſegelung. Vancouver machte 1791
die Geographen und Seefahrer mit der Nordweſtküſte Amerikas genau befannt. In demfelben
Sabre ward d’Entrecafteaug abgefendbet, um Lapeyroufe (f. d.) aufzufuchen und den Großen
Ocean zu befchiffen, und ihm verdankt man bie Kenntniß der Weſtküſte Neucaledoniens. In
der neuern Zeit wurden beſonders von Frankreich (Sreycinet und Dumont d'Urville), Rußland
(Krufenftern, Dtto von Kogebue und Lütke) und ben Vereinigten Staaten von Nordamerika
Entdedungsreifen um bie Welt veranftaltet. Ganz befonders hervorzuheben ift die auf Koften
der Vereinigten Staaten 1838 — 42 ausgeführte große Unterfuchungserpedition (United Sta-
tes exploring expedition) nach der Sübdfee und um bie Welt unter dem Oberbefehle des Com-
mandeurs Charles Wilkes, der auch im Intereffe der Wiffenfchaft mehre Naturforfcher beige-
fellt wurden und die in ihren nautifchen und naturwiſſenſchaftlichen Ergebniffen (welche in einer
Reihe koſtbar ausgeftatteter Werke veröffentlicht wurden) fih den berühmten Weltumſegelungs⸗
egpebitionen der Engländer und Franzoſen würdig anreiht.
Wenbekreife oder Tropici nennt man diejenigen beiden dem Aquator parallelen Kreife
der Himmelskugel und der Erdkugel, welche von bem Aquator 23° 28° (des Himmels oder ber
Erde) nördlich und-füblich entfernt find. Die himmliſchen Wendekreiſe Haben ihren Namen
daher, weil bie Sonne, fobald fie einen derfelben erreicht hat, gleichfam ummendet oder umkehrt
und fih dem Aquator wieder nähert, nachdem fie fi von bemfelben nördlich oder ſüdlich ent-
fernt hatte. Die irdiſchen Wendekreife, von denen man den nördlichen häufiger den Wende⸗
Preis des Krebfes, den füblichen aber ben des Steinbocks nennt, bilden die Grenzen der hei-
Sen Zone und gehen durch alle diejenigen Punkte der Erdoberfläche, in denen die Sonne ein mal
des Jahres, und zwar zur Zeit ihrer geößten füblichen oder nördlichen Entfernung vom Aqua-
tor, im Zenith fteht.
Wendeltreppe, f. Treppe.
Wenden nannten die Deutfchen den Zweig der Slawen (f.d.), der fhon im 6. Sahrh. im
nördlichen und öftlichen Deutfchland von der Elbe längs der Oſtſee bis zur Weichſel und füb-
wärts bis an Böhmen feſtſaß. In biefem Sinne werben gewöhnlich dazu gerechnet: 1) die
Dbotriten (Bodrici), ein mächtiges Volt im jegigen Mecklenburg unter eigenen Königen, das
Heinrich der Löwe, Herzog von Sachſen, im 12. Jahrh. beinahe ganz ausrottete, nebft ben Po-
laben, Wagriern und Linonen; 2) die Wilzen (f.d.) längs ber Oftfee Hin, von der Oder bis an
die Weichſel oder Pommern, deren altes Fürftengefchlecht, feit 1184 mit Deutfchland verbun«
den, erft 1637 ausftarb ; 3) die fern, Heveller und Rhetarier in ben fünf brandenburg.
Marken, bie durch Albrecht den Bär, Markgrafen von Brandenburg, bezwungen und vertilgt
wurben; 4) die Lufitzer in der Markgraffchaft Ober- und Niederlaufig ; ja fogar 5) die Sorben
(f.d.), die aber anderwärts ausdrüdlich von ben Wenden unterfchieden werden. Im engern
inne bezeichnet man jegt mit dem Namen Wenden die Überrefte ſſaw. Bewohner in der Obr
166 Wendt Wenerſee
und Niederlaufig (ſ. Lauſitz), die noch gegenwärtig die wend. Sprache reden und ihre eigen⸗
thuͤmlichen Sitten und Gebräuche haben. Sie treiben vorzugsweiſe Ackerbau und find ein kräf⸗
tiger Menfchenfchlag, weshalb wend. Knechte und wend. Ammen in benachbarten Provinzen fehr
gefucht werden, arbeitfam, bildſam und gaftfrei. Ihre Zahl beläuft fi) gegen 150000, wovon
zwei Drittheife Dber- und en Drittheil Niederlaufiger find; von jenen gehören 50000 zu Sach⸗
fen, alfe übrigen zu Preußen. Ihre Sprache, welche feit dem 16. Jahrh. als Schriftfprache an⸗
gewendet worden ift, empfiehlt fich durch Melodie und Kraft. Eine Sammlung ber „Volkslie⸗
der der Wenden” (2 Bde., Grimma 1845—44) veranftalteten Haupt und Schmäler. Die
Wenden fhmadhteten, gleich ben übrigen Slawen, in ben erften Zeiten ihrer theilweifen Unter-
johung durch die Deutfchen unter dem härteften Drude. Erft feit der Verbreitung eines huma⸗
nern Geiftes in Europa und nanıentlich feit der Neformation wurde auch ihr Schickſal erträg«
licher. Im Dreißigfährigen Kriege wollte man ihre Sprache gänzlich ausrotten und gab ihnen
deutfche Prediger; im 18. Jahrh. wurde man bduldfamer und ließ ihnen ihr natürliches Recht
der angeftammten Sprache.
Wendt (Joh. Amadeus), beutfcher Philoſoph und Schriftfteller, geb. zu Leipzig 29. Sept.
41783, erhielt feine Bildung auf der dafıgen Thomasfchufe, fudirte dann auf der Univerfität ſei⸗
ner Vaterſtadt Theologie, fand fich jedoch mehr zur Philofophie, ſchoͤnen Literatur und Kunft
hingezogen. Im J. 1804 kam er ald Hofmeifter in eine abelige Familie in der Nähe ven Gro-
ßenhain; im folgenden Jahre kehrte er mit feinem Zöglinge nach Leipzig zurüd, wo ihm fein
Verhaltniß zu diefem zur Pflicht machte, die Nechtswiffenfchaft mit zuhören. Hier trat er 1808
als akademiſcher Docent auf und wurde 1810 Profeffor der Philofophie. Im J. 1829 folgte
er dem Rufe als Profeſſor der Philofophie nacy Göttingen, an Bouterwek's Stelle, und farb
dafelbft 15. Det. 1836. Seine literarifche Thätigkeit war eine fehr vielfeitige. Er führte bie
Medaction ded „Leipziger Kunftblate” (1817 — 18) und des „Taſchenbuch zum gefelligen
Vergnügen” (1821— 25), wodurch er mit Tied, Hoffmann, Schefer, Paten u. X. in nähere
Berührung fam. In den legten Jahren feines Aufenthalts in Leipzig unternahm er die Ser
ausgabe des neuen „Deutfchen Mufenalmanach”, den er in Göttingen noch eine Zeit lang forte
fegte. Auch hatten das „Converfationd-Rerikon’‘, das „Morgenblatt“, die „Zeitung für die ele⸗
gante Welt” u. ſ. w. an ihm einen tüchtigen Mitarbeiter. Don feinen Schriften gehörten in dies
fen Kreis: „Roſſini's Leben und Arbeiten” (Lpz. 1824) und „Über die Hauptperioden ber
ſchönen Künfte oder die Kunft im Laufe der Weltgefchichte” (Xpz. 1831). Früher Hatte IB. die
„Brundzüge der philofophifhen Rechtslehre“ (Lpz. 1811) herausgegeben und Tennemann'é
„Grundriß der Geſchichte der Philofophie” bearbeitet, der 1829 die dritte Auflage erlebte.
Seine Heinern atademifchen Abhandlungen „De rerum principiis sacundum Pythagoram“
und „De philosophia Cyrenaica” find nicht ohne Werth.
Benersborg, die Dauptftadt bes nach ihr benannten Läns (231'% QM. mit 246156 ©.)
im weftlichen ſchweden, auf einer Landzunge am Südende des Wenerfees, unweit de Aus⸗
fluffes der. Göthaelf günftig gelegen und durch einen brüdenförinigen, 1000 Ellen langen Fel⸗
fendamnı, ein wahres Niefenmwert, welcher über den zwifchen dem Wenerfee und dem Buſen
Waßbotten befindlichen Sund führt, mit dem Feſtlande verbunden, wurde 1642 gegründet, in
den Kriegen mit den Dünen häufig angegriffen, durch Feuersbrunſt 4. Det. 1854 faft ganz zer-
fort, feitden aber nach einem regelmäßigen Plane wieder aufgebaut. Die Stadt iſt Sig des
Landeshauptmanns und zählt 2500 E., welche Handel mit Eifen u. f. w. treiben.
Wenerfee, der größte See Standinaviens und nach dem Ladoga und Onega der größte
Europas, im meftlichen Theile Südſchwedens gelegen, ift in feiner Haupfrichtung von NO. ge«
gen SW. 20 M. lang, bis 10 M. breit und bedeckt einen Flächenraum von 108,AM. Er liegt
150—140 $. über dem Spiegel der Nordfee, in welche er gegen Süden mittels der Göthacif
abflieft, ſowie er durch eine Section des Göthakanals mit bem Wetterfee (f. d.) im Often in
Verbindung ſteht. Eine Eigenheit des Sees iſt, daß feine Waſſerhöhe bis zu 10 F. varürt,
jedoch im Laufe eines Jahres ſelten über 4 F. Seine größte Tiefe beträgt gegen 360 F. Eine
von MWermeland ſüdoſtwaͤrts vorfpringende Landzunge, die fich in vielen Heinen Eilanden füd-
wãrts bis zur großen Infel Källandso gleichfam fortfegt, theilt dad ganze Beden in den klei⸗
nern Dalbofee im Südweſten und den größern eigentlichen Wener im Norbdoften. Außer Käl-
landsõ umfließt er zwei andere größere Infeln, Thorsö im Süboften und Hammarö in Nor
ben, fotvie viele Meine. Er ift reich an Fiſchen. Von den 24 Flüffen, bie er aufnimmt, iſt die
von Norden her einmündende Klaraelf der bedeutendſte. Der See wird von etwa 150 Schiffen
befahren. Um ihn Liegen mehre angefehene Städte, wie Karlftad und Chriftinehamn im Norden,
Wentworth Wenzel deutſcher Kaiſer) 167
Marieftad im Dften, Bibfüping und Wenersborg im Süden, Amaͤl im Feen, fomie auch im
Süden die Zwillingebesge Halle und Hunneberg md das wegen feiner großartigen Fernficht
berühmte Kinnekullen, einer der ſchönſten Berge Schwedens, der 856 F. über dns Meer und
726 8. über den See auffteigt und wegen der von ihm ergählten Desengefdidgten als Schwe⸗
dens Blocksberg anzufehen ift.
Wentworth (Thom.), |. Strafford.
Wenzel, Heiliger und Märtyrer, Herzog von Böhmen im 10. Sahrh., war der Sohn des
Herzogs Wratiflam und defien Gattin Drahomira, einer noch dem Heidenthum ergebenen
Srau. W. wurde von feiner Großmutter väterlicgerfeits, Ludmila (ſ. d.), im Chriſtenthum er⸗
zogen, zeichnete fich von Jugend auf in gottesfürcktigem Kandel aus, hatte aber ſtets bon ſei⸗
ner Mutter, die Ludmila fogar ermorden lief, bed Glaubens wegen Berfolgung zu erbulben.
Noch dem Tode des Vaters mußte W. mit feinem Bruder Boleſlaw des Reich theilen. Ein
Fürſt Radiſlaw von Baurzim fiel in fein Land ein, und W. ſah fich gezwungen, zu ben Waffen
zu greifen. Um da6 Blut der Seinen zu fchonen, trug er Rabiflam einen Zivsifanapf an, in ben
Letzterer im Ungefichte beiber Deere einwilligte. Eine Engelserſcheinung an der Girite des Hei⸗
ligen verhinderte jeboch, der Sage nach, ben Zweifanıpf und bewog Radiſſlaw zum Srieden. Auf
dem Reichktage zu Worms wurde W. vom Kaifer Otto I. bie döhm. Königekrene angeboten,
bie er aber demüthig aus ſchlug, während er füch dafür Die Reliquien des heiligen Vitus und des
heiligen Eigiemmub von Burgund erbat, die er zu Prag beiſetzen ließ. Unzufriedene Große,
bie feinen chriſtlichen Eifer haften, verbanden ſich endlich mit Drahrmira und Boleſlaw, um
W. aus dem Wege zu räumen. Derfelbe warb von Boleſſawm zum Geburts feſt von deffen Sohne
auf ein Schloß eingelaben und hier, als er des Nachts in der Kirche betete, auf Anſtiften feiner
Butter Drahomira ermarbet. Sein durch die Wunder, weiche an W.'s Grabe geſchahen, ber
kehrter Bruder ließ die Gebeine des Heiligen in der St. Veitskirche zu Prag beifegen, wo fie
noch aufbewahrt werben. Kaifer Otto I. überzog des Mords wegen Böhmen mit einem Kriegs⸗
heere und erzwang von Boleflatw die Einführung des Chriſtenthums. Der kirchliche Gebächt⸗
wi} W.'s ift ber 28. Gept.
ngel (Wenceslaue), deutſcher Kaifer, 1378 — 1400, ältefier Sohn Kaifer Karl's IV,
aus dem Haufe Luxemburg, geb. 1364, wurde ſchon ald breifähriges Kind zum König von Böh⸗
men gekrönt, im zehnten Jahre mit Johanna, Tochter Herzog Albrecht's I. von Baiern, ver⸗
möhlt. Bald darauf mit der Mark Brandenburg belehnt, deren Verwaltung ſedoch ber Water
fortführte, folgte er demfelben, 17 3. alt, 1378 auf dem böhm. und beutfihen Koͤnigkthrone.
Sein Regierungsantritt fiel in eine Zeit, wo die bürgerlichen. und Birchlichen Elemente Deutſch⸗
lands in einem Zuftanbe ber Gährung und Auflöfung fi befanden, Aber W., obgleich wohl
unterrichtet und talentvoll, war nicht der Beift, ber die Übel der Zeit heilen konnte. Zwar ver⸗
fuchte ex anf dem Reichätage zu Nümberg 13833 dur Zurückführung der Reihöverfaflung
auf bie urfprüngliche Geſtalt eines Bundesvereins den für bie Ruhe Deutfchlande verberblichen
Stäbtebünbniffen und Adels vereinen entgegenzutzeten; allein weder diefer Plan, noch ein 1584
au Deidelberg gemanhter und 1387 zu Mergentheim wicheshelter Verſuch einer Geſammtelni⸗
gung aller Fürſten und Städte war von Erfolg. W. zog. es darıum vor, ven nun an, unbeküm⸗
mert um die Händel der Kürfien, bes Adels und ber Städte, feine Zeit in Schwelgerei zu ver⸗
bringen. Dergebens richteten bie Reichtfürſten die Bitte an ihn, der Verwirvung zu fleuerns
ex wies fie höhmend ab. Erſt der Drang ber Umſtände konnte ihn beimegen, 1389 einen Fürſten⸗
tag, nad) Eger zu berufen. und einen Landfrieden feflzufielen, in welchem er ſeßt die Sache ber
Städte, die er früher felbft zum Widerſtande aufgenuntert hatte, preiögah. Bald barauf ver-
nichtete W. auf den Antrag der Reichteſtärde die auf Fuͤrſten und Abel laſtenden Judenſchulden
und ließ fsch für dieſe Befreiung 15-30 Proc. von den Schuldnern in feine Kammerkaſſe zah⸗
len, und als 1389 der prager Poͤbel über die Juden, bie eine Hoftte gehöhnt haben follten, herfiel
umb 3000 derfelben tödtete, riß er gleichfals dns Vermoͤgen der Ermordeten an fih. Wenn W.
ſich die Unzufriedenheit der deutſchen Nation durch fein forglofed, unthätiges Regiment zuzog,
war er Dagegen ben Böhmen verhaft, weil ex bier bie Deutfchen begünftigse, von dem Adel bie
verpfändesen Krongüter unentgeltlich zurüdfoderte, die Geiſtlichkeit reigte und überhaupt nach
Gigenfinn handelte. Den Priefler Johaun von Nepomuk (f. d.), ber ans Treue gegen den Erz⸗
biſchof von Drag ihm eine Aus ſage verweigerte, folterte er mit eigener Hand und Heß ihn 1375
gebunden von der prager Brüde in die Moldau werfen, und Diejenigen vons bel, welche bie
Kammergüter nicht freiwillig zurückgaben, wurden vorgelaben und ohne Weiteres hingerichtet.
Diefe Herrſcherwillkůr brachte die böhm. Großen dahin, fich mit 2B.’6 Bruder, dem König Si⸗
168 Werbung Werchoturie
gismund von Ungarn, und feinem Better, dem Markgrafen Jobſt von Mähren, zu verbinden,
Durch deren Veranftaltung W. auf einer Reife überfallen und auf dem prager Schloß mehre
Monate in geheimer Haft gehalten wurbe, bis auf feines Bruders, des Herzogs Johann von
Görlitz, Betrieb die deutfchen Fürften feine Freilaffung bewirkten. Er ſuchte nun zwar durch
Gewaltthaten fich im Befige feiner Macht wieber feftzufegen; aber neue Empörungen zwangen
ihn, unter Vermittelung feines Bruders Sigismund und des Markgrafen Zobft einen Frieden
einzugehen, durch welchen feine königl. Macht auf eine Schattenherrfchaft herabgeſetzt wurde.
Auch in Deutfchland fan? fein Anfehen immer mehr. Während er in fteter Gelbnoth ſich ver-
leiten ließ, an Johann Galeazzo Visconti die Würbe eines Herzogs von Mailand für 100000
Goldgülden zu verlaufen, erhoben die Verbindungen ber Schlegler und Martinsvögel und an-
"dere Ritter und Städtebündniffe aufs neue ihr Haupt und: benugten die Unthätigkeit W.'s zu
Gemaltthätigkeiten, denen ein neues Landfriedensgebot 1398 auf dem Reichötag zu Frankfurt
nicht zu fleuern vermochte. Als W. fich endlich zur Befeitigung der Kirchenfpaltung mit Frank⸗
reich vereinigt und in die Abfegung der Gegenpäpfte Bonifacius IX. und Benebict XIIL einges
wilfigt, verfeindete er fich Dadurch mit dem Erzbifchof Johann von Mainz, ber biöher den Kö⸗
nig nur um feiner Sreundfchaft mit Bonifacius IX. willen gefchont hatte. Die vier Kurfürften
von Mainz, Köln, Trier und Pfalz vereinigten ſich nun 1400 zu Frankfurt in dem Entfchluffe,
ihn abzufegen. Un feine Stelle wurde der Kurfürft Ruprecht (ſ. d.) von der Pfalz gewählt, der
jedoch nie zu allgemeiner Anerkennung Fam. Unterdeffen war W. mit den Böhmen In neue
Zwiſtigkeiten gerathen, die Sigismund benugte, um feinen Bruder gefangen zu nehmen und
19 Monate zu Wien in Haft zu halten. Auch hatte Bonifacius IX. W.'s Abfegung 1405
formlich ausgefprochen. Durch feine ziweimalige Gefangenfchaft nicht klüger geworben, herrſchte
TB. doch in Böhmen mit größter Willkür und Laune fort. Nur aus Haß gegen die kath. Geiſt⸗
lichkeit begünftigte er Die Anhänger von Huf, den er auf alle Weife zu ſchützen ſuchte. Als hier⸗
auf nach Ruprecht's Tode 1410 Sigismund zum rom. König gewählt wurde, trat W. in ei⸗
nem Vergleiche zu deffen Gunften feine Rechte auf die Kaiferwürbe ab, überließ von jegt an den
Landftänden die Negierung in Böhmen und ergögte ſich auf feinen Schlöffern mit der Jagd.
Noch mußte er den durch Huß' Hinrichtung bewirkten Aufftand zu Prag, der den Huffitenfrieg
zur Folge hatte, erleben, ehe ex 1449 vom Schlage getroffen flarb. Vgl. Pelzel, „Lebent
gefchichte des rom. und böhm. Königs W.“ (2 Bde, Prag 1788—90).
Werbung bezeichnet den Erfag des Heeres durch Necruten, welche gegen ein gewiſſes Hand⸗
geld freiwillig in ben Militärdienft treten. Das Werbefyftem ſteht alfo dem Cantonſyſtem (f.
Canton) und der Eonfcription (f.d.) gegenüber. Die Werbung fand fchon in den älteften Zei-
ten ftatt. Im Mittelalter wurde fie nothwendig, wenn die Anzahl der Söldner und Lehnsleute
nicht außreichte. Im 18. Jahrh. regelte man das Verfahren durch Gefege und ftellte die Wer⸗
bung im Inlande wie im Yuslande an. In diefer Weife erhielt fich diefe Art der Recrutirung
bis zu Anfange des 19. Jahrh. Jeder Staat ſchickte Werbeoffiziere aus, welche auf gewiſſe
Werbepläge angemwiefen und mit Werbegeldern verfchen wurden. Noch unter Friedrich IL.
beftand ein Drittel des preuß. Heeres aus Ausländern. Zede Compagnie mußte eine Anzahl diefer
geworbenen Fremdlinge Haben und ben Abgang durch Defertion u. |. w. zum Theil aus eigenen
Mitteln deden. Daher kam es, daß die Werber keine gute Auswahl trafen, und daß oft fchlech-
tes Gefindel, zufammengelaufene Deferteurs und nicht felteh körperlich untaugliche Recruten
eingeftellt wurden. Auch fanden oft Misbräuche und felbft Gewaltthätigkeiten flatt, um junge
unerfahrene Perſonen zu überreden und zu betrügen. Gewöhnlich wurbe der Recrut auf eine
beftimmte Dienftzeit angenommen, worüber man eine Eapitulation mit ihm abfchloß. Die Vor⸗
theile der Verpflichtung jedes wehrhaften Mannes, als Vertheibiger bes Vaterlandes mitzu-
wirken, haben das Werbeſyſtem faft überall verdrängt, und nur noch in England, Holland, Nea⸗
pel und dem Kirchenſtaat wird baffelbe befolgt. |
Werchoturie, wichtige Kreisbergftadt im ruff. Gouvernement Perm und einer der Haupte
ftapelpläge des fibir. Handels, in einer rauhen Gegend auf der Höhe des Uralgebirge, an der
Tura, die unfern von hier dem Berge Blagobat entfpringt, hat reiche Goldfandlaggr, die feit
1828 mit großem Gewinn ausgebeutet werden, wichtige Eifenhütten, zwei Mlöfter, fünf Kirchen
und 3000 E. Die Stadt iſt 100 M. von der Bouvernementsftadt und 400 von Petersburg
entfernt. Der Kreis W. hat eine große Menge von Schmelzöfen und Tiefert bedeutende Quan⸗
titäten Gold und Kupfer; befonders berühmt iſt das Hüttenwerk von Niſhnij-Tagilsk oder
Tagil (f.d.). Wonder Stadt W. hat ba6 Werchoturiſche Gebirge, ein Theil des Ural
U. d.), den Namen.
Werder (der) Wergeland 169
Werder, Wärber oder Wörth heißt eigentlich eine Infel in einem Fluſſe, dann aber auch
ein Landſtrich zwiſchen Flüffen und flehenden Gewäffern. Solche Werber in der fegtern Be-
deutung find in Weſtpreußen der Danziger Werder, eine herrliche Marfchgegend zwiſchen
Weichſel und Mottlau mit vortrefflicher Pferdezucht; ber Martenburger Werder an der Ro-
dat und der @lbinger Werder ziwifchen Nogat und Weichfel. Sie find meiſt ganz eben und
ſeht fruchtbar an Getreide und Graswuchs. Der Danziger Werber enthält 33 Dörfer. Eben
ſoiche Werder find auch die in der Elbe bei Hamburg gelegenen und zum Gebiete ber Stadt ge»
hörenden Infeln und Marfchländer, wie Billimerder, Ochſenwerder u. f. w.
Werder (Karl), deutfcher Philoſoph, geb. 15. Dec. 1806 zu Berlin, erhielt feine Bildung
bafelbft, widmete fich philofophifchen Studien und habilitirte fih 1834 an der berliner Univer-
fität als Privatdocent der Philofophie. Seit 18358 außerordentlicher Profeffor, verfchafften
ihm die Tiefe, das Feuer und die Lebendigkeit feiner Vorträge einen weitgreifenden Wirkungs⸗
kreis, beſonders unter den Mitgliedern ber philofophifchen und furiftifchen Kacultät. Durch den
Drud bat er nur wenig veröffentlicht ; außer der Abhandlung „DePlatonis Parmenide” (Berl.
4834) ift befonders feine „Logik“ (Bd.1, Bert. 1841) zu nennen. In einer 1849 im Friedrich»
Wilhelmsinftitute gehaltenen und auch fpäter im Drud erfchienenen Rede beleuchtet er ben an⸗
geblich negirenden Charakter der Philofophie und zeigt, worin das Pofttive aller philoſophiſchen
Erkenntniß beftche. Wiewol IB. der Schule Hegel’d angehört, nimmt er doch in feine Logik
manche Elemente aus andern Philofophien, befonders aus Fries, auf. Bon W.'s Igrifchen
Arbeiten ift, außer einigen Dichtungen in Gruppe'# „Mufenalmanach” (Berl. 1850), nur We⸗
niges in weitern Kreifen bekannt geworden. Der erfte Theil feiner Tragödie „Columbus“, die
in ihrer legten Geftalt eine Trilogie bildet, hat Friebrich Wilhelm IV. 1847 zu Charlottenburg
vor einem ausgewählten Kreife von Zuhörern aufführen laſſen; auch ift das Stück fpäterbin
auf mehren deutfchen Bühnen zur Aufführung gelangt.
Werft, auch Werft (Adrian van der), ein ausgezeichneter nieberländ. Geſchichts⸗ Genre⸗
und Porträtmaler, wurbe zu Kralingerambadht in ber Nähe von Motterbam 1659 von armen
Altern geboren. Sein Vater, der des Sohnes Luft zum Zeichnen bemerkte, ſchickte ihn nach Rot-
terbam zu dem Porträtmaler Cornelius Picolet in die Lehre; dann befuchte IB. bie Schule bes
Eglon Hendrik van der Neer, der ihn als Gehülfen mit auf Reifen nahm. In feinem 17.93.
fing er an, auf eigene Hand zu arbeiten. Ganz befonders befchäftigte ihn ber Kurfürſt von ber
Dfalz, der auf feiner Neife durch Holland W.s Arbeiten kennen gelernt harte. WB. nahm in
Rotterdam feinen Wohnort und heirathete dort 1687 im eine anfehnliche Familie. Unter An-
berm beftellte der Kurfürft von ber Pfalz bei ihm auch fein Porträt und bas Urtheil Salomonis,
weiches ihm WB. perfonlich nach) Düffeldorf überbringen mußte. Der Kurfürft belohnte ihn
fürftlich, gab ihm einen Jahrgebalt von A000, Tpäter 6000 Gldn. und erhob ihn mit feiner Fa⸗
milie in den Adelftand. W. ſtarb in großer Wohlhabenheit 1722. Keinem Maler jener Zeit
wurden feine Bilder fo theuer bezahlt wie ihm. Diefe Werthſchätung hatte ihren Grund darin,
daß feine Werke, abgefehen vom künſtleriſchen Gehalt, bie zierlichften Sabinetsftüde find, bei de⸗
nen man oft die unrichtige Zeichnung, den unnatürlichen, elfenbeinglatten Sleifchton, den Man-
gel an Adel der Auffaffung und bie Manier überfah. Übrigens bat W. im Verhältniß zu fei
ner minutiöfen Ausführung ziemlich viel gemalt. Die Galerien in München und Dresben be-
wahren feine fchönften Bilder. Zugleich war W. in der Architektur fehr erfahren und feinen
Sreunden fertigte er die Entwürfe zu den Façaden ihrer Gebäube; auch die Borfe in Rotter-
dam iſt nach feiner Zeichnung ausgeführt. Seine Zeichnungen, die er zum Theil in fo ausführ«
Ucher Vollendung arbeitete wie feine Gemälde, find fehr felten. — Sein Bruder, Peter van
ber W., geb. 1665, geft. 1718, war fein Schüler, erreichte ihn aber nicht in feinen Arbeiten.
Werft Heißt ein Schifföbauplag, der bei einem Hafen bieht am Meere angelegt wird und
alle feiner Beflimmung entfprechenden Etabliffements, 3. B. Baufchuppen für die Kriegs und
größern Handelsfchiffe, Reepbahnen, Vorrathshäuſer u. ſ. w. enthält. An manchen Orten find
auch Docks (f.d.) oder Marinedepötd damit verbunden, oder die Werft ift, wie in Venedig, in
den Bezirk des Arſenals gezogen. Das bazu gehörige Perfonal bildet in der Organifation der
Marine das Werfteorps.
Bergeland (Henri? Arnold), einer der berühmteften unter den Dichtern Norwegens, wurde
17. Juni 1808 in Chriftianfand geboren, wo fein Vater, ein fehr gebilbeter und gelehrter Mann,
Lehrer an der lat. Schule war. Ex erhielt feine Bildung in ber Kathedralſchule zu Chriftiania,
wurde 1825 akademiſcher Bürger und 1829 Candidat der Theologie. Da man aber megen
feiner liberalen Befinnung es für bedenftich fand, ihm ein geiftliches Amt zu übertragen, fo gim
170 Wergeld Werlauff
er 1834 wieder nach Ehriftianie, um Arzneikunde zu ſtudiren, und warb bier 1836 Cuſtos ber
Unlverfitaͤtsbibliothek. Durch ein Gedicht bei Anweſenheit bed Königs Karl Johann in Chri⸗
fliania (1858) erwarb er deffen ganze Gunft. Im Nov. 1840 wurde er. norweg. Reichsarchivar
zu Chriſtiania; doch ftarb er bereits 12. Aug. 1845. Seine ſchriftſtelletifche Laufbahn begann
Wi 1827 mit der Farce „Ach! unter dem Ramen Siful Sifadda, ber er, neben bar unter ſei⸗
nem eigentlichen Namen herausgegebenen Schriften, im Garen 13 „ESifuliniſche Farcon“ oder
Dransatifirte Satiren folgeh ließ. Im I. 1828 erſchien von ihm „Sinclair's 806”, ein Trauer»
fpiel, und 1830 das religiös⸗philoſophifcht Bebicht „Die Schöpfung, der Menſch und der Mef-
find”. Hierauf erſchienen die Dramen „Opiun” und „Die ind. Cholera”; das Zrauerfpiel
„Die Kindetmörderin” ; das Singipiel „Die Campbells“ und 1840 das Schaufpiel „Die Ve⸗
netfaner”, feine beiden vollendetſten Stüde; das Baudeville „Die Soecadetten am Lande“ und
die läugern Dichtimgen „San van Huyſum's Blumenſtück“ imd „Der Spanier“, bie nicht nur
von ber inwohnenden Kraft und Gefühlstiefe des Verfaſſers, fondern auch von einer feltenen
Bollendung und Neinheit ber Eompofition zeugen. Bon feinen früher Gedichten gibt ed zwei
Sammlungen oder Ringe, wie er fie nannte. Nach feirier Anſtellung in Chriſtiania vebigirte er
das radicale Blatt „Der Stantsbürger”. Das Volk tiebte Ihn, Die jüngere Welt ſchloß ſich an
ihn und auch unter den Männern von reifeum Urtheil gab es nicht wenige, bie fich in ber-Haupt-
ſache für ihn erklaͤrten. Doc fand er befonder& in Tegterer Zeit an Welhaven mit feiner Schule
eine mächtige Gegenpartel. Wiewol W. eine claffifche Bildung genoffen und mit ber neuern
deutſchen, franz. und engl. Literatur vertrant war, blieb ex doch in feiner Geiftes erz eugniſſen
volllommen origimell. Seine Mutterſprache handhabte er mit Kuhnhelt und Gewanbtheit. Ban
kann vieleicht Ordnung, Symmetrie, gehörige Verthellung unb Werrugung bes Stoffe bei ihm
vermiffen, aber nie Wärme, Nalvetät und innere Wahrhaftigkeit bes Charakters. Died gilt ganz
befonders von feinen Igrifchen Arbeiten, von denen eine Auswahl 1846 erſchien. Durch ben -
Stubentenverein zu Chriſtiania wurde eine auf wem Bände berechnete Husgabe feiner gefam-
melten Werke (Chriftiania 1831 fg.) veranftaltet.
Wergeld. Aus der Blutrache (ſ. d.), die wir, wie bei andern Wölkern auf nieberer Bil-
bungeftufe, fo auch im german, Alterthum finden, bildete ſich allmällg das Recht ber Compo⸗
fitionen, b. 5. der Abfindung des Todtſchlägers mit ber Famille bes Getödteten, ein nach Ber»
ſchiedenheit de6 Standes abgeme ſſenes Suͤhn⸗ ober Wergeld (unrichtig Wehrgeld), welches ber
Mörder zu geben und der Belribigte anzunehmen ſchuldig war. Wer ſich doſſen weigerte, trat
aus dem Bande und Schutze ber Gemeinde und hatte die Gefahren ber ungefühnten Feind⸗
ſchaft zu fürchten. Wergeld mußte für ben Tod, aber für jede geringere Berlegung eine
geringere Compoſition nach einem in ben alten german. Befegen genau entworfenen Tarif und
daneben eine Strafe für den Landfriedentbruch an ben König gezahlt werben, bis enblich das
Strafrecht des Staats als das alleinige anerkannt wurde. Doc hat fich das Wergeld wegen
unvorfäglichen Todtſchlags als eine an gewiffe Verwandte des Exrſchlagenen zu zahlende
Beldfumme unabhängig von der Strafe ſelbſt im Sachſenrecht und aus dieſem längere Zeit
im fächf. Particularrecht forterhalten.
Werkhäuſer, f. Kebettähänfer.
Werlauff (Exit Chriſtian), einer der gelehrteften nord. Geſchichts⸗ und Alterthumsforſcher,
wurde zu Kopenhagen 1781 geboren und erhielt bereits 1861 eine Anftelung an der königl.
Bibliothek zu Kopenhagen. Mit einem raftlofen Eifer warf er ſich auf Die alten isländ. Quel⸗
Iemfchriften, von benen er „Vatnsdaela saga ok sagan af finnhoga hinum rama” (1812), ein
Anekdoton zur Gefihichte des Knigs Sperre (1815) und mic B. Thorlacius ben 4.—6. Band
ber „Rorweg. Königsſagen“, bie ſich an Snorri Sturleſon anfchließen (1813-26), herausgab.
Ebenſo forderte er mit Engelstoft bie Herausgabe bes achten Bandes ber „Scriptores rerum
Danicarum” (1834), Bon ber Überzeugung ausgehend, daß der Anbau der Befchichtswiffen-
{haft nothwendig von der forgfältigen Durchdringung bes Einzelnen abhänge, bereicherte ex bie
Literatur mit einer Menge höchſt [hägbarer Monographien, Hauptfächlich zur Geſchichte und Beo-
graphie des Mittelafters, bie auch in Deutfchland größtentheils derdiente Anerkenmung gefunden
haben, forwie zur dän. Special« und zur allgemeinen nord. Literaturgeſchichte. Außer einer Reihe
höchſt gründlicher Unterfuchumgen in ben „Skandinaviſk Ritteramur -Weiftabs Skrifter“, den
„Antiquarifte Annaler”, ber „Norbift Tidsftrift for Ofdfyndigheb” u. f. w. find zu nennen:
„Symbolae ad geographiam medii aevi ex monumentig Islandicis” (Kopenh. 1821); „Ber-
ſuch einer Befchichte ber dän. Sprache im Herzogthume Schleswig“ (Kopenh. 1819); „Det
banfte Selſtab for Faeberlandets Hiftorie i dets fürfle Aarhundrede (Kopenh. 1847); „Riö-
Wermelaud Werner (Abr. Gottlob) 171
benhavns Univerfität fra dets Stiftelſe indtil Reformationen“ (Kopenh. 1850); „Über die
Coustitutio Waldemari” (Kopenh. 1848) ; „De hellige 3 Kongers Kapel I Rostitbe-Domtirke“
(Kopenh. 1849) u. f. m. Durch Gediegenheit der Einzelnforfhumg ausgezeichnet find die „Hi-
ftorifte Antegnelfer til &. Hofberg’s Lyſiſpil“ (Bd. 4, Kopenh. 1858). Neben feiner literari-
ſchen wie feiner akademiſchen Thaͤtigkeit als Profeffor an der Univerfität widmete ZB. der großen
koͤnigl. Bibliothek, an welcher er felt längerer Zeit als Oberbibllothekar wirkt, ganz befondere
Aufmerkſamkeit. Unter feiner Verwaltung wurbe ber Realkatalog, welcher über 1 90 Rotiobände
umfaßt, vollendet, der alpbabetifthe vervollfonmnet und fortgefegt, der Katalog über die neue
koͤnigi. Manuferiptenfamnlung von ihm felbft redigirt; die Bibliothek erhielt viele Acceffionen
und eine verbefferte Aufftellung in erweiterten Raͤumen. Auch, veröffentfichte er „Hiſtoriſke
Efferretninger om bet Store fongelige Bibliothek” (Kopenh. 1847).
MWermeland, Wermland oder Wärmeland, eine Provinz in Mittelfchweben, berühmt
duch ihren Reichthum an Eifen und Naturfchönheiten, grenzt im N. und WB. an Nor
wegen, im NO. an Dalefarlien, im D. an Weftmanland, im &. an Weftgothland, den We-
nerfee und Dalsland, bilder, bis auf einen Meinen zu Örebro gehörigen Theil, das Karl.
Habsldn, hat ein Areal von 326,H AM. (ohne den Antheil des Wenerfees) und zählte 1850
221885 E. Nur um den Wenerfee ift das Land flah, an den andern Grenzen gebirgig und
waldig. Großentbeils enthält es von Norden nach Süden geftredite, oft weit ausgedehnte be-
waldete Bergrüden, dazwiſchen ſchmale Längenthäler, theils von großartiger nord. Natur,
theils von mehr ſüdlichem Charakter, belebt Durch zahlreiche Seelpiegel, Flüſſe und Waſſerfälle.
Unter den romantifch ſchönen Landestheilen wird namentlih Fryksdalen, die Schwedifche
Schweiz genannt, ſtark befucht unb von den Reifenden allgemein bewundert. Die Klaraelf
kommt aus ber Nordfpige des Landes, durchfchneidet e8 in der Mitte, bildet bei dem Eiſenwerk
Munkefors mehre Wafferfälle, darunter einen von 30 F. Höhe, und mündet bei Karlſtad in den
Wener, in den auch die übrigen Flüffe ihren Lauf nehmen. Das Hauptprobuct ift Eifen. Man
zahlt an 300 Gruben, 300 Sammerwerke und 80 Schmelzofen und die Production beträgt
jährlich 80000 Schiffspfund Roh⸗ und 100000 Schiffspfund Stabelfen. Kupfer und Silber
zeigt fich ebenfalls, indeffen zır wenig, als daß es mit Vortheil ausgebeutet wurde. Aderbau
wird wenig getrieben. Das gemohnlichfte Getreide ift Hafer; Gerfte, Erbſen und Flach ge-
winnt man wenig, Roggen etwas mehr, Kartoffeln in Menge. Hauptftadt und Bifhoffig ift
Kariftad (ſ. d.). Die Stadt Chriſtinehamn, an der Mündung zweier Flüffe in eine Bucht des
Wener, ift regelmäßig gebaut, zählt gegen 2000 E. und hält jährlich eine berühmte Meffe
(Fastning market), bie ſtark befucht und die wichtigfte in Schweden iſt, meil Hier die Eifenpreife
für das ganze Fahr beſtimmt und Eontracte zur Lieferung gefchloffen werden. Das Heine Phi⸗
Iipftad, in einer fehr gebirgigen, eifenreichen Gegend gelegen, iſt Sig der Bergmeifterei, hat
1050 €. und bedeutenden Handel mit Gußeiſen. Zu Ombergsheblen, im Kirchſpiel Sunne,
wird vielleicht der größte Zand- und Jahrmarkt Schwedens gehalten.
Wermuth, f. Absynthium und Artemifia. |
Werner (Abr. Gottlob), ausgezeichneter Mineralog und Begründer der Geognofie, wurde
25. Sept. 1750 zu Wehrau in der Oberlaufig geboren, wo fein Vater Infpector der gräflich
Solms’fchen Eifenhütten war. Er befuchte die Waifenhausfchufe zu Bunzlau und wurde 1764
bei feinem Dater als Hüttenfchreiber angeftellt. Im 93.1769 bezog er die Bergakademie zu Frei-·
berg und 1771 die Univerfität zu Leipzig, wo er fih dem Stubium der Rechte und fpäter der Ra⸗
turkunde widmete. Im J. 1775 kam er ald Infpector und Lehrer Der Mineralogie und Bergbau-
Bunde an die Bergakademie zu Freiberg, wo er nım bis zu feinem Tode lehrte und wirkte. Wenige
Fahre nachher trennte er die Vorträge über Bergbaukunde von benen der Mineralogie; auch
ſchied er die Dryktognoſie oder Mineralogie von ber Geognoſie (f. d.), welche legtere von ihn:
begründete iffenfafe er1785 zum erften male vortrug. Das Bild der finnfichen Anſchauung
der Begenflände vollftändig und genau aufzufaffen und in Worten deutlich ausgeprägt wieder⸗
zugeben, war bie Seele feiner Lehrmethobe, und Worte, Kennzeichen und Befchreibungen wa⸗
ven nur die Mittel. Auf alle bedingten umd höhern wiffenfchaftlichen Hülfsmittel leiſtete biefe
Methode freilich Verzicht. Sein mineralogifches Syſtem ift daher einer wiffenfchaftlichen Be⸗
handlung gewichen, aber feine Kennzeichenlehre und feine Mineralbeſchreibungen bleiben für
alle Zeiten claffifch. Gleich großes Auffehen machte fein Syſtem der Geognoſie. Vor ihm kannte
man nur bie fogenannte Geologie ober Beogenie, die Theorie oder Bildungsgeſchichte der Erde,
beftehend in einer Reihe von Hypotheſen. W. gründete feine Geognofie auf Beobachtungen und
machte fie duch und durch zur Erfahrungsmwiffenfchaft. Die Bafis berfelben ift die Kenntnif
172 Werner (Briedr. Ludw. Zachar.)
der räumlichen Verhältniſſe zwifchen den verfchiebenen, die Erdoberfläche zufammenfegenben
Maffen ; die Kenntnif ihrer Natur hat die zweite Stelle. Die Klarheit und Einfachheit in fei-
ner Darftellung der Gebirgsverhältniffe und die Bündigkeit in feinen Folgerungen erweckten
bei feinen Anhängern ein fo unbebingtes Vertrauen, daß fie zum Theil keinen Zweifel an Dem,
was der große Meifter darftellte, dulden wollten. Nach W.'s Anficht ift der Ocean der eigent«
liche Quell aller Bildung der Erbe und noch jegt der Grund zu jeder neuen Geftaltung im Mi-
neralrelche im Waſſer enthalten. Die von unten heraus wirkenden plutonifchen Kräfte und die
noch fortwährend wirdenden Vulkane wurden baher von WB. verfannt und erfchienen ihm von
geringer Bebeutung. Wenn aber auch eine Menge einzelner geognoftifcher Lehren W.'s jegt für
irrig erfannt werden, fo bleibt der Ruhm des Begründers doch ungefchmälert. Uber nicht allein
als Lehrer der Mineralogie und Beognofie, fondern auch ald Lehrer der Bergbaukunft, der Ei⸗
ſenhüttenkunde und anderer Zweige der Bergwerkskunde, ald Mitglieb bed Oberbergamts zu
Freiberg und vor allem als Freund der Alabemiften wirkte er ſehr wohlthätig. Außerdem be»
ſchäftigten ihn Gefchichte, Geographie, Linguiſtik, Archäologie und Numismatik fehr ernſtlich.
Als Schriftfteller har er weniger geleiftet. Außer ber Abhandlung „Uber die äußern Kennzei⸗
hen der Foſſilien“ (Lpz. 1764) und einer Reihe von Auffägen in verfchiedenen Zeitichriften,
von denen mehre von großer Wichtigkeit find, befigen wir von ihm: „Kurze Slaffification und
Beichreibung der Gebirgsarten” (Dresb. 1787); „Neue Theorie über die Entſtehung der
Bänge” (Freib. 1791); die Überfegung von Cronſtedt's „Verſuch einer Mineralogie” (Bd. 1,
Lpz. 1780) und das „Verzeichniß des Mineraliencabinets des Berghauptmanns Pabſt von
Ohain“ (2 Bde., Freib. 1791— 92). W. farb zu Dresden 30. Juni 1817. Die Zahl feiner
Schüler war fehr groß und es finden ſich darunter viele berühmt gewordene Namen. Seine
reiche und vollftänbige Mineralienfammlung, fowie feine übrigen Sammlımgen und fein litera-
riſcher Nachlaß find an die Akademie gekommen. Seine Kebensbefchreibung lieferte Friſch (Lpz.
1825) ; biefelbe enthält zugleich die beiden Abhandlungen des Profeffors Chriſtian Sam. Weiß
über W.'s Verbienfte um Oryktognoſie und Geognofte.
Werner (Friedr. Ludw. Zachar.), deutfcher Dichter, wurde 18.Nov. 1768 zu Königsberg in
Preußen geboren, wo fein Vater Profeffor der Gefchichte und Beredtfamkeit war. Nach dem frü-
ben Tode deſſelben ftand W., der einzige Sohn, ganz unter bem Einfluffe feiner geift- und phan-
tofiereichen Mutter. Er befuchte feit 4784 juriftifche und tameraliftifche Vorlefungen in Kö⸗
nigöberg, hörte Philofophie bei Kant und lebte dabei fehr frei. Von einer vorherrichenden reli⸗
giöfen Richtung blickte Feine Spur durch, eher von der damaligen Mobeaufllärerei. Im
3.1793 trat er als Kammerfecretär in den preuß. Staatödienft und verweilte ald folder am
längften in Warfchau. Hier ſchloß er fich vor Allen dem tüchtigen Mnioch und dem jugendlich
offenen Bigig an. Seine maurerifhe Stellung wedte in ihm um 1800 die Idee zu feinen
„Söhnen des Thals““. Die Krankheit feiner Mutter rief ihn 1801 nach Königsberg, wo er bis
zu deren Tode blieb. Sie ftarb 2A. Febr. 1804, an einem Tage mit Mnioch. So wurde ihm
der 2A. Febr. ein verhängnißvoller Tag und er benannte nach ihm fein berühmteftes drama»
tifches Bebicht. Im Beſitz eines baaren Vermögens von 12000 Thlen., das ihm durch den
Tod feiner Mutter zugefallen war, kehrte er 1804 mit feiner Gattin nah Warfchau auf feinen
Poſten zurüd, wo er mit Ernft Theod. Amadeus Hoffmann in nähere Berührung fam, der zu
dem dafelbft vollendeten „Kreuz an ber Dftfee” eine originelle Mufit fchrieb. Durch die Gunſt
bed Minifters von Schrötter, welcher fi für die Sache ber Religion und Maurerei intereflirte,
wurbe IB. 1805 in Berlin als geheimer expedirender Gecretär angeftellt. Hier verfiel er aufs
neue einer wilden Genußſucht; auch entfagte er bald dem Staatsdienſt gänzlich. Damals
bichtete ex für das berliner Theater „Martin Luther, oder die Weihe der Kraft“, in wel⸗
chem Stück die Gefchichte mit myſtiſcher Phantaſtik verfegt if. Hierauf burchreifte er
Deutfchland und kehrte nad) einem breimonatlichen angenehmen Aufenthalt zu Weimar
1808 nach Berlin zurüd. Sodann unternahm er eine Reife nach ber Schweiz, mo er
zu Interlaken die Bekanntfchaft der Frau von Stael machte. Während des Spätherb-
fle6 1808 war er in Paris, doch fchon im December wieder in Weimar, wo er durch
den Großherzog von Frankfurt die Zuficherung einer Penſion erhielt. Kaft um diefelbe Zeit
ernannte ihn der Großherzog von Heffen-Darmftabt zum Hofrath. Noch ein mal hielt er
fi, zugleich angezogen von A. W. Schlegel, vier Monate in Coppet bei Frau von Stael auf,
durch deren Vermittelung er 1809 nach Rom reife. Hier trat er indgeheim 19. April 1811
zum kath. Glauben über und ſtudirte nun privatim Theologie. Er hielt fich 1814 einige Zeit
im Seminar zu Afchaffenburg auf und wurde dafelbft zum Priefter geweiht. Zur Zeit des
Wernigerode 173
Congreſſes, im Aug. 1814, ging er nach Wien, wo feine Predigten viele Zuhörer fanden. Von
41816 —17 lebte er in Pobolien bei dem Grafen Choloniewſki, Durch deffen Einfluß er Ehren⸗
domberr von Kaminiec wurde. Auch wurde ihm von dem Großherzog von Sadfen-Weimar
der Derluft feiner Penſion ewfept, die er von bem Fürften Primas bezogen hatte. Den Re-
bemptoriftenorden in Wien, in welchen ex getreten war, verließ er zum Erſtaunen des Publi-
cums bald derauf nieder. Mit bewunderungswürdiger Geiſteskraft aber prebigte er bis kurz
ve; jeinem Tode, 18. Jan. 1823. Alle Sonberbarkeiten einer demüthig anmaßenden umd im
Grunde zerriffenen Natur offenbart fein Teflament, das auch gedruckt ift. Unter feinen dra⸗
matifchen Werken zeichnen fich beſonders aus die „Söhne bed Thals“ durch kühne Anlage,
glückliche Charakterzeichnung, Größe bed Sinnes und ausgezeichnete Sprache, namentlich im
erften Theile. „Das Kreuz an der Oftfee”, „Die Weihe der Kraft”, „Attila, König ber Hun-
nen” und „Wanda, Königin ber Sarmaten” verriethen bei vielen einzelnen Schönheiten eine
wachfende muflifche Tendenz, die ihren Grund gehabt haben mag theils in dem hervortretenden
Misverhälmig der Tchaffenden Seelenkräfte, theild In der ausfchweifenden Eitelkeit des Ver⸗
faffers, die mit feiner chaotiſchen Geifteerichtung zufammenfloß und ihn häufig zum Aben-
teuerlichen, Egcentrifchen und Abgefchmadten hinriß. Ein Nachiſtück im eigentlichen Sinne ift
fein „Bierundamwanzigfter Februar”, weit hervorragend über die Flut der fpätern Nachahmun⸗
gen durch erfchütternde Originalität, tief eindringende Blicke ind menfchliche Herz, kunſtreiche
Zufammendrängung und feltene Gewalt der Sprache. Die fi immer mehr abfondernde Ei-
genthümlichkeit feiner ungeregelten Yhantafie brach vorzüglich in der Zragodie „Kunegunde“
hindurch. Sein legtes Trauerfpiel „Die Mutter der Maflabäer” (Wien 1820) weift im Ein-
zelnen große Schönheiten auf, verduntelt diefe aber durch renommiftifche Roheit ber. Sprache
unb einen plumpen, durchaus unheiligen Humor. Den geringftien Werth haben feine geifllichen
Lieder. Der gerügten Mängel ungeachtet verbient boch W. den Namen eines Dichters. Seine
glängendfle Eigenthümlichkeit liegt in der höhern Geiſtigkeit eines unaufhaltfamen Strebens,
in der oft überrafchenden Kraft der Charakterzeichnung, in bem unmiberftchlichen Reize einzel-
ner Situationen und in bem reichen Quell einer frifchen, ſtarken, mitunter fehr originellen
Darftellung. Als Kanzelrebner zeigte er fich fehr ungleich; neben einer hinreißenden und erfin-
derifchen Auslegungskunſt fehlt e8 auch nicht an fpigfindigen Spielereien, unheiligem Wig und
falfcher Demuth, In der Sammlung „W.'s Theater” (6 Bde, Wien 1817—18) fehlen bios
die „Makkabaͤer“. Seine „‚Nachgelaffenen Predigten” erfchienen zu Wien 1836 und feine
„Bämmtlihen Werke” in 14 Bänden, mit Lebensbefchreibung von Schüg (Grimma 1839
—41). Bgl. Higig, „Lebensabri WB. E" (Berl. 1825).
Wernigerode, eine ben Grafen von Stolberg-WBernigerobe (ſ. Stolberg) gehörende flan-
beöherrliche Grafſchaft am Harze, die feit 1826 einen Kreis des Regierungsbezirks Magheburg
der preuß. Provinz Sachen bildet, umfaßt As UM. mit 20000 E., einer Stadt, einem Markt⸗
fleden (Iſſenburg), neun Dörfern und mehren Höfen. Sie bat ihre eigene Regierung, welche
bie Polizeiverwaltung ımter einem königl. Eonmiffar leitet unb zugleich dad Obergericht ift, das
umter dem Kammergericht in Berlin ſteht. Das Land erhebt ſich in anfehnlich bemalbeten Ber-
gen rings um den Brocken, der ben Mittelpunft der Graffchaft bildet. Die Einwohner treiben
außer Bergbau und Hüttenbetrieb auf Eifen befonders Viehzucht, Flachsbau, auch Köhlerel
umb Nugbolzbereitung und fertigen Holzwaaren. ‘Der Hauptort iſt bie Stadt Wernigerode
an ber Holgemme und am Zilliger Bache mit 5600 E, einem Gymnaſium, Kupferhammer,
Dapiermühle und Topfereien, in reizender Umgebung. Unter den Gebäuden zeichnen fi aus
bie Sylveſterkirche mit vielen greäflichen Grabdenkmälern, das im altdeutfchen Stile erbaute
Rathhaus und mehre Häufer burch vortreffliche alte Holzfehnigverzierungen. Dicht neben der
Stadt auf einer anfehnlihen Berghöhe liegt das gräfliche Reſidenzſchloß, wo bie insbeſondere
an Bibelausgaben (2000) reiche Bibliothek und werthvolle naturmwiffenfchaftlihe Sammlungen
aufgeftellt find. Bei dem Schloffe liegt der 749 Morgen umfaflende Thiergarten. Merfwürbig
ift auch dad Waſſerreſervoir unter dem Schloßhofe, in welches das Waſſer mittels thönerner
Röhren faft zwei Meilen weit aus dem Gebirge geleitet wird. Vor Zeiten hatte die Grafſchaft
eigene nach ihr benannte Grafen, von denen Konrad 1208 bie Grafſchaft den brandenburg.
Markgrafen Otto und Konrad aus dem askaniſchen Haufe zu Lehn auftrug. Nach dem Erlö⸗
fchen des astanifhen Stamms trat das Erzftift Magdeburg an beffen Stelle. Als aber Graf
Heinrich 1428 ohne Erben ftarb, kam bie Graffchaft in Folge eine zuvor errichteten Erbver⸗
trags an den Grafen Bodo IV. von Stolberg, und als 1638 die Söhne des Brafen Chriſtoph
von Stolberg fich in die väterlichen Lande theiften, erhielt Graf Heinrich Ernft bie Graffchaft
174 Wernike Werragebirge
W., die nach Abgang der Ilſenburgiſchen Linie an den Grafen Chriſtian Ernſt von der Gedern⸗
{chen Linie fiel. Bei den deutſchen Neichstagen hatten die Grafen von Stolberg-Iernigerode
Sig und Stimme auf der wetterauifchen Reichsgrafenbank. Im I. 1807 kam die Grafſchaft
an Weſtfalen und 1813 wieder an Preußen. i
Wernike (Chriftian), auch Wernigk, Warned oder Wernad genannt, deutfcher Epigran-
matift, war in Preußen geboren und früher Secretär bei mehren Gefandtfchaften. Nach wie-
derholten Reifen ging er ald dan. Staatsrath und Mefident an den franz. Hof, wo er um 1720
ftarb. Seine Epigranıme aber „Überfhhriften” (Amft. 1697; verm. Ausg, 1701) erhoben
ſich durch Kraft und Freiheit der Gedanken und des Stils weit über ihr Zeitalter und wurden
vielleicht bediwegen bald nergeffen, bi8 Bodmer und dann Ramler mwieber auf fie aufmerkfam
"machten und eine neue Ausgabe (Lpz. 1780), aber nicht ohne Anderungen, veranftalteten.
W. zog darin gegen franz. Sitten und die Verfehrtheiten der Lohenſtein'ſchen Schule zu Felde.
Dies führte zwifchen ihm und einigen Anhängern der legtern, namentlich Poſtel und Hunold,
einen Kampf herbei, der in der deutfchen Riteraturgefchichte des 17. Jahrh. eine Rolle ſpielte.
Eine Sammlung feiner „Gebichte” mit dem gegen Poftel gerichteten Heldengebichte „Dans
Sachs“ erfchien au Hamburg 1704.
Werra, ber Hauptquellſtrom der Wefer (f. d.), entfpringt auf dem füboftlichen zu Sach.
fen-Meiningen gehörigen Theile bed Zhüringerwaldes, im Nordweſten des 2688 F. hohen
Bleßbergs, aus der Naſſen Werra auf der Südoſt⸗ und der Zrodenen Werra auf der Nord-
weftfeite des Großen Saufopfs. Beide Quellflüßchen vereinigen ſich zwiſchen Kirnrod und
Schwarzenbrunn zur eigentlichen Werra. Diefe fließt in derfelben Nichtung weiter nach Eis—
feld und tritt dann oberhalb Hilbburghaufen, 1148 $. über dem Meere, in den Zängenfpalt,
welcher als die Suüdweſtgrenze des thüringer Berglandes angefehen werden kann. Sie fließt
bann nordweftwärts, den Thüringerwald von dem Nhöngebirge trennend, über Themar, Mei«
singen, Wafungen und Salzungen, tritt nun aus dem Meiningifchen auf das fachf.-weimar.«
eifenach. Gebiet, berührt Vach und Philippsthal (kurheſſiſch) und wendet fich von der Einmün-
dung ber Uifter mit vielen Krunmungen über Berka, Serftungen und Kreuzberg bis Mihla
nah NO. Sodann richtet fie fich wieder, die Höhen bed Hainich und Eichsfelds von dem heil.
Hügellande oder fogenannten Werragebirge (1. d.) feheidend, gegen NIB., berührt im preuf.
Kreife Mühlhaufen Treffurt, in Kurheffen Heldra, in Hannover Wanfried und Efthivege,
im preuß. Kreife Heiligenftade Allendorf, Wigenhaufen und vereinigt fich nach einem Laufe von
SOM. bei Hannoverifh-Münden (384 5. hoch) mit der Fulda, worauf fie den Namen Weſer
annimmt. Schiffbar wird fie bei Wanfried für 400, bei Witzenhauſen für 700 Etr. Laſt.
Man gedenkt fie bis Gerftungen oder Meiningen fhiffbar au machen, was freilich ſchon feit
1603 und 1658 beabfichtigt wird. In der Thalebene finden ſich vortreffliche Wiefen und zieht
man viel Bartenfrüchte. Rechts nimmt die Werra die Schleufe, die Veßra, die Schmaltalte
und bie Hörfel mit der Neffe, links die Herpf, Ulfter, Wehra und Gelfter auf. Das Depart.
Werra im.ehemaligen Königreich Weltfalen umfaßte 90%, AM. und Hatte zur Hauptfladt
Marburg. — Die Weftfälifhe oder Lippiſche Werra, auch Werre genannt, entſteht öſtlich
vom Teutoburgerwald im Fürftenthun Lippe beidem Dorfe Werren, fließt exft Tüdlich nach dem
Badeort Meinberg, dann nordwefhvärts nach Detmold, von.da in ber Werraebene über Rage,
Schöttmar und Salzuflen, in deffen Nähe fie. rechts die durch Die Salza verflärfte Bega von
Lemgo ber aufnimmt. Sie tritt dann auf preuf. Gebiet, fließt an Herford vorüber, wo fte
links die Aa aufnimnit, nach Norden bis zur Einmündung ber Elfe und fällt oflıwärt6 in die
Weſer bei Nehme.
Werragebirge nennen einige Geographen den nörblichften Theil des heff. Berg- und
Dügellandes, welcher den Winkel zwifchen bem untern Werra» und Fuldathale erfüllt und in
feinen einzelnen Theilen verfchiedene Namen führt. Die Werra ſcheidet baffelbe im Often von
dem Hohen Eichsfeld. Unter vielen Andern Heinen, aber geologifch intereffanten Bafaltbergen
echebt fi aus einer 1500— 1900. 8. hohen ‚Grundfläche, zwiſchen Großalmerode, Allendorf,
Waldkappel und Lichtenau, ganz Plötzlich und Ifolirt ald ber größte und höchſte Berg des gan-
zen nördlichen heſſ. Berglandes der Meißner oder Hohe Meißner, auch Weißner und bei den
Anwohnern gewohnlich Wiſſener genannt, über 2300 F. hoch. Merkwürdig iſt ber Berg,
außer ſeinen malen feinen Braunkohlen mit bituminöfem Holze, auch durch feine vielen
Klippen und fchroffen Felſen, feine trichterformigen Vertiefungen (Exdfälle) und verſchiedene
Höhlen, befonders die Kig- oder Käutzkammer, eine ungeheuere Grotte, welche bis auf eine
Beine Höhle ganz von regelmäßig übereinander Tiegenden Bafaltfäulen ausgefüllt ift, ſowie
Berk Wertheim 176
durch feine reichlichen Quellen am Abhange und feine ſeltenen Pflanzen, weshalb er ven
Botanikern und Geologen nicht nunder häufig wie von Andern wegen der prächtigen Ausſicht
befucht wird. Gegen Norden und Oſten umgibt den Meißner eine breite Hochfläche, Die mit wal⸗
digen umd felfigen Bergen raſch zur Werra abfällt und von Heinen engen und wilden Thal-
gründen durchfehnitten ifl. Am Nordweflfuße des Berge liegt die Stabt Groß - Umerode
1040 8. hoch im einem Thalgrunde, weftlich davon der Halſerwald mit dem 2100 5. hehen
Dirfhberg, wichtig durch Braunkohlen, Alaunerde und weitberühmten Gchmelztiegel- umd
Pfeifenthon. Den Raum nördlich von Groß⸗Almerode zwifchen der Merra, Fulda, Loſſe und
Gelfter nimmt ber Kaufungerwald ein, eine breite Bergmaſſe, die mit der bis zur Bereinigumg
ber Werra und Fulda reichenden Hochfläche ein ununterbrochenes Ganzes bildet unb im höch⸗
fien Punkte, denn Bielflein, bis 1855 F. auffleigt.
Werft, eigentlich Werſta, die zuff. Meile von 500 Saſchen (Baden) oder 3560 ruff. ober
engl. Fuß — 1066,% franz. Mitte. Es sahen 104/, Werft auf einen Grad des Aquators.
Auf eine deutsche oder geographifche Meile find baber gegen fieben Werſt zu rechnen.
Werth bezeichnet den Grab ber Schätzung, vermöge deren man eine Cache einer andern
vorzieht. Inwiefern eine Sache als Mittel für anderweitige Imede der menfchlichen Geſell⸗
(af: tawglich ift, wird ihr Werch in ber Nationalötonomie betrachtet. Abſoluten innen
erth haben zivar nur bie höhern geifligen und fittlichen Güter; fie find keiner Abſchätung
nach Geld und Waaren fähig, kommen aher bach felbft in der Nationalötonomie in Betrad-
tung. Die moraliſchen Gigenfchaften eines Volkes, feine Aufklärung, Arbeitfamkeit, Sunerkäf-
ſigkeit und Mäßigkeit find felbft im Werkehr von großer Bedeutung. Der Werth der finnlichen
Büter ift aber nach verfchiedenen Beziehungen zu betrachten. In Hinſicht auf ben Zweck iſt
berfelbe ein unmittelbarer, wenn ber Gegenſtand irgend einem menfchlichen Bebürfniffe abhilft
(Gebrauchswerth), ein mittelbarer, wenn er dazu dient, fi) andere brauchbare Gegenſtände
zu verfchaffen (Tauſchwerth). Der Gebrauchswerth ift objectiv, wenn er für jeden Beſitzer
ziemlich derſelbe ift, dlos fubjectiv, wenn er nur durch befondere Beziehungen auf die Perſon
bes Beſitzers (pretium affectionis) begründet wird. Ob ber Zweck, für weldyen der Gegenftand
brauchbar ift, einem urfprünglichen, unzweifelbaften menfchlichen Bebürfaiffe abhüft, wie
Nahrungsmittel und Kleidung, ober nur einem Sünfllichen und eingebilbeten, wie blofer Das,
Edelſteine, Taback und Thee, ift in diefer Beziehung gleich. Bei dem Gebrauchewerthe läft
fi noch der relative Gebrauchswerth unterfcheiben, weicher von befondern Umfländen und zu⸗
fälligen Verhältniffen abhängt, und von diefem relativen Gebrauchswerthe wird vornehnilich
ber Tauſchwerth beſtimmt, indem derſelbe Die Nachfrage vermehrt ober verminbert. In einem
etwas andern Sinne nennt man aush Das den innern Werth eines Gegenſtandes, was fich auf
ben Stoff beffelben oder auf die Koften feiner Verfertigung bezieht, in welcher Iegtern Hinficht
er aud) ben Unfchaffungs- ober Fabrikationspreis bilder. Der Tauſchwerth aber, welcher aus
dem Verhältniſſe der Coneurrenz und Nachfrage hervorgeht, macht den Marktpreis eimer
Waare aus. Den Werth eined Gegenſtandes in feinen verſchiedenen Beziehungen auffuchen,
heißt denſelben abfhögen, und nationalötonomifch käßt ſich felbft das Leben eines Menfchen,
das in jeder andern Rückſicht einen unfchägbaren Werth hat, doch einer Abſchätung unterwer⸗
fen, fofem man ed als eine Summe von Arbeitstagen betrachtet, deren Werth nach dem Ge⸗
genſtande der Arbeit vorher zu beſtimmen iſt. J
Werth oder Werdt (Jeh. von), auch Zeau de Weert genannt, General im Dreißigiährigen
Kriege, geb. zu Weert in Brabant aus niebenn Stande, diente anfangs in dem fpan. ‚Deere unter
Spinola, trat.aber 4651 in die Dienſte des Kurfiüurſten: Marimikian von Baiern und flieg bier
fehr ſchnell zum Generalcen<chef enıyor. Er quchnite ſich rüheniihfl in der erſten Shhlacht bei
Rörblingen 1654 aus, nahm 1637 ben Ehrenbreitſtein und fiel dann in Frankreich ein. Da-
gegen wurbe er in ber Schlacht bei Rheinfelden 2. März 1638von dem Herzoge Bernhard
von Sachfen-WBeimar. nicht. nur überwunden, faudern auch gefangen und faß nun in Vincennes,
bis er 1642 gegen ben: ſchwed. General Horn ausgewechſelt wurde. Hierauf focht er wieder
im bair. Deere in Böhmen, Heffen und Schwaben. Er eroberte Rettweil, nahm beiWöhringen
zehn frayz. Megimenter gefangen mb nettete in ber zweiten Schlacht bei Nöcblingen, 5. Aug.
1645, nach Mercy's Tode Das von Conde geſchlagene kath. Heer. In Folge eines Auſchlags,
das bair. Heer dem Kaiſer zuzuführen, 1646 flüchtig geworben, trat er in kaiſerliche Dienſte.
Duch Wrangel wurde er bei Hllersheinr m. Rach dem Frieden lebte er In Böhmen, Ivo
er 1652 flach. Vgl. Barthold, „J. van W. im Zufammenhange mit feiner Zeit” (Berl. 1826
Wertheim, eine Stabt im Unterrheinkreiſe des Großherzogthume Baden, am Mein r
176 Werwolf Weſel
an der Tauber, am Fuß eines Bergs, iſt der Hauptort eines Amtsbezirks, Hat 3400 E., ein
Gymmaſium, eine proteft.»Fath. Simultankirche, eine Synagoge und feit 1834 einen Freihafen.
Es unterhält Effigfiebereien, Weinfteinraffinerien, Branntweinbrennereien und treibt Weinbau,
Schiffahrt, Wein-, Hrlz⸗, Getreider und Speditionshandel. Der Wertheimer Wein ift ein
bekannter Frankenwein; die beffern Sorten wachſen am Main, auf dem Remberg und Wetten-
berg, die geringern an ber Zauber. Das alte Bergſchloß in der Nahe ift das Stammhaus der
jegigen Fürften von Lö.venſtein. Auch gibt ed in W. noch zwei fürftliche Schlöffer, Hofhal-
tungen genann:, in deren einen der Fürft von Löwenftein- Wertheim- Freudenberg refibirt.
Die Stadt ſelbſt ift ein gemeinfchaftlicher Befig des fürftlichen Haufes und der Gig ber fürft-
lichen Behörden.
Werwolf, minder rihtig Wehrwolf und Wärwolf, ift zufanımengefegt aus Wolf und
den: veralteten Worte wör (goth. vair, lat. vir), der Mann, was fich außerdem nur noch in
Wergeld und Wirth (wör-gelt, wir-t) erhalten hat, und bedeutet einen Menfchen, der Wolfs⸗
geftalt annehmen kann. Auch m das Branzöfifche iſt das deutfche Wort frühzeitig übergegan-
gen und hat fich in regelrechtem und hiftorifch nachweisbarem Kortfchritte des Lautwechſels all⸗
mälig verwandelt aus altbeutfchem wervulf in franz. gerulf, garoul, garou, woraus zulegt mit
pleonaftifcher Zufammenfegung das jetzt übliche loup-garou geworben ift. Schon bie Scythen
kannten nad) Herodot's Zeugniffe den Werwolf, und auch die Griechen, namentlich bie Arkadier,
wußten viel vom Lykanthropos zu erzählen, wie nicht minder bie Römer vom versipellis. Im
Mittelalter herrfchte der Glaube an Werwölfe bei allen flaw., celt., german. und roman. Voͤl⸗
tern, und felbft noch gegenwärtig lebt er in verfchiedenen Gegenden, befonbers in Volhynien
und Weißrußland; in Serbien und der Walachei berührt er ſich mit ber Vorftellung vom
Bampyr (f. d.). Nach der älteften german. Vorſtellungsweiſe, welche ben Körper gern als ein
Kleid der Seele auffaßte, hing Verwandelung in Wolfögeftalt ab von dem Überwerfen eines
Wolfshembes oder Wolfsgürtels, was ohne Adficht des Zauberns gefchehen konnte, mit der
Geſtalt zugleich au Stimme und Wildheit des Wolfe gab und die Rückkehr in menſchliche
Geſtalt gewöhnlich erft nach einer beftimmten Anzahl von Zagen ober Jahren erlaubte. Der
fpätere, häufig in Derenproceffen vorfommende Aberglaube ließ die Verwandelung bewirfen
duch einen aus Menfchenhaut gefchnittenen und um ben Leib gebundenen Riemen; auch konnte
die Werwolfbnatur angeboten werben. Der Wermwolf, weldyer befonbers in ben Zmölften um⸗
geht und von echten Wölfen fich durch abgeftumpften Schwanz unterfcheidet, gräbt Leichen aus,
ift aber auch nach jungem Blute gierig und raubt Kinder und Mädchen. Urfprung und Grund-
bebeutung diefer uralten mythologifchen Vorftellung, bie von ben Germanen, in engfte Bezie-
bung mit Wodan gefegt wurde, iſt noch nicht hinreichend ermittelt. Nahe verwandt ift ihr auch
eine mit geflörter Phantafie zufammenhängende Krankheitsform, die Lykanthropie (ſ. d.),
welche zuerft von fpätern griech. Ärzten erwähnt wirb umd zuweilen auch mit erblihem ober
epibemifchem Charakter vorgefommen fein fol. Vgl. Leubufcher, „Uber die Werwölfe und
Thiervermandelungen im Mittelalter” (Berl. 1850).
Weſel, Stadt und Feftung zweiten Ranges mit einer flarfen Citadelle, im Negierungsbe-
zirk Düffelborf der preuß. Rheinprovinz, hat faft 17000 E., die zur Hälfte evangeliſch, zur
Hälfte katholiſch find. Die jübifche Gemeinde hat gegen 200 Seelen. Die Befagung ift über
3000 Mann ſtark. Die Stadt liegt am Rhein, in welchen ſüdlich von ber Citadelle die bie
Lippftadt ſchiffbar gemachte Lippe mündet. Über ben Rhein, ber hier durch eine befefligte In-
fel getheilt ift, führt eine ſtehende Pontonbrücke, welche auf dem Tinten Ufer durch dad von Na-
poleon angelegte, von Preußen vollendete Fort Bücher vertheidigt wird. Nicht weit davon Tag
das 1814 auf Napoleon’ Befehl durch Sprengung gefchleifte Städtchen Büderich ; das neue
Büderich Tiegt eine halbe Stunde weftficher an der Straße nach Geldern. Unter den fünf Kir-
hen W.s ift die ältefte und größte die 1181 eingeweihte, aber in ihrer heutigen Form erſt
1521 vollendete Markt» oder Willibrordkirche. Die Metenakirche Ift aus einer ältern Antonius-
Bapelle zwiſchen 1472— 77 hervorgegangen und jet evangel. Garniſonkirche. Die ehemalige
Iutherifehe oder Meine Kirche ift in neuerm Stil 1731 erbaut. Den Katholiken gehören die
Koftericche (dad Dominicanerfiofter ift fegt Artilleriekaſerne) und Fraterhaus kirche. Das
Rathhaus, nach dem großen Brande 1396 vollendet, zeichnet fich durch feine architektoniſch
verzierte Fronte aus und befigt-ein werthvolles Bild des nieberrheinifchen Malers Jan von
Talcar. Das Sonvernementshaus, jept Wohnung bes Gommandanten, hat ber erfte kleviſche
Herzog Adolph 1417 erbaut, deſſen Gebeine in der Kloſterkirche ruhen. Eine architektoniſche
erde ber Stadt iſt das 1722 vollendete Berliner Thor mit ben Statuen bes Hercules und ber
Beſen Beſer 177
Ninerva. Bor bemfelben erinnert ein 1835 errichtetes Denkmal an bie Hier 16. Sept. 1809
erſchoſſenen 14 Offiziere vom Schill ſchen Korps. Lebhafter Verkehr auf dem Rheine und ber
Lippe, durch Sicherheitd- und Breihäfen, ſowie durch frequente Dampfſchiffahrt geförbert,
Spebitions-, Holy und Fiſchhandel (Lachs und Reunaugen), mehre Fabriken, Tiſchlerei und
Gartenbau find bie wichtigfien Nahrungszmweige. Die Bageliche Officin und die Adam'ſche
Fortepianofabrik befchäftigen viele Arbeiter. Kür ben Handel ift die hiefige Büter-A ffecuranz-
Geſellſchaft von großer Wichtigkeit. Die im Bau begriffene Ciſenbahn von Oberhaufen nad
Arnheim berührt WB. unmittelbar. Das Glacis rings um die Feftung ift zu -Spaziergängen
eingerichtet. W.s Gefchichte beginnt 1425 mit der Stiftung bed Kloſters Avendorp in ber
Rheinvorftadt, das aber 1587 von ben Bürgern gefchleift wurde, damit fich die Spanier barin
nicht feftfegen tonnten. Die Stabt war eine reihsunmittelbare, wurde aber als ein Theil ber
Herrfhaft Dinslaken betrachtet und kam durch Erbſchaft mit biefer an Kleve 1220. Ihre
alten Freiheiten beftätigte und erweiterte Graf Dietrich V. 1241. Sie gehörte audy zur Hanfe.
Wichtig ift die 1568 Hier abgehaltene Synode ber reform. nieberlänbifchen Kirchen. Seit 1540
Iutherifch, wurde die Bürgerfchaft mit dem Magiftrat feit Anfang des 17. Jahrh. ſtreng re-
formirt. Die kirchliche Union wurde 1818 eingeführt. Die Drangfale im niederlänbifchen
Kriege, befonders zwifchen 1586 und 1598, dann im kleviſchen Erbfolgekriege, ald W. von
1614 — 29 in der Gewalt der Spanier war, zerflörten den alten Wohlſtand. Nach ber
Befreiung vom [panifchen Joche durch die von drei muthigen Bürgern eingeführten Holländer
blieb die Stadt brandenburgifch, verlor aber 174 A ihre alten Privilegien. Auf kurze Zeit kam
1672 und 1760 die ımvertheidigte Feſtung in die Hände ber Sranzofen. Im 3. 1805 an Na⸗
poleon abgetreten, wurde fie großherzoglich bergifch, 1806 aber franzöfifh. Im Nov. 1815
ſchloß ein preuß. Corps, vom Landſturme der Umgegend unterflügt, die Feſtung ein, bt6 der
franz. Gouverneur Bourke fie in Folge des Pariſer Friedens im Mai 1814 Preußen übergab.
Weſen heißt einfach Das, was iſt. Der gewöhnliche Sprachgebrauch bebient ſich daher
biefes Worte, um etwas als feiend, eriftivend zu bezeichnen, 3. B. in den Ausbrüden Ratur-
weien, lebendige, vernünftige Wefen u. f. w. Eine ſchärfere Bedeutung erlangt ber Begriff de®
Weſens, wenn der Accent auf das Bas ber Dinge gelegt und dieſes Was als ein Beharrliches,
fich ſelbſt Gleiches dem Veränderlichen und Zufälligen entgegengefegt wird. In diefem Sinne
ſpricht man von wefentlihen Merkmalen eines Begriffs, von dem Weſen bed Staats, der Fa⸗
milie u. ſ. w. Der allgemeine Begenfag für den Begriff des Weſens ift dann die Erfcheinung.
Die Erfcheinung ift ebendarum Erſcheinung, weil fie nicht Das ift, ald was fie erfeint. Es
entſteht daher das Bebürfniß, zu den Exrfcheinungen das Weſen zu finden und jene auf dieſes
zurüdzuführen, wo möglich aus ihm abzuleiten. Diefer Gegenfag ift e& eigentlich, der bad all⸗
gemeinfte Motiv metapbyfifcher Unterfuchungen enthätt, daher er fih auch in den metaphyſi⸗
ſchen Berfuchen aller Zeiten wieberfinbet.
Weſer (lat. Visurgis, altdeutſch Viſuracha), einer der Hauptflüffe Deutichlands, entfteht
aus der 30 M. langen Werra (f.d.), die vom Thüringermwalde herfommt, und aus ber 21 M.
langen Fulda (f. d.), bie auf dem nörblidhen Gehänge der Rhön im bair. Kreife Unterfranken
entfpringt. Beide vereinigen ſich bei Hannoverifh- Münden und erhalten nım den Namen We⸗
fer. Diefelbe fließt zunächſt mit mancherlei Bindungen, indem fie hannov., kurheſſ., braun-
ſchweig., Tippefches und preuß. Gebiet mehrfach berührt oder durchſchneidet, gegen Morbweften,
bei Karlshafen links die Diemel aufnehmenb, wenbet fich dann gegen Norden, durchbricht nach
der Aufnahme der Werre (ſ. Werra) in der Porta Westphalica bei Preußifch-Minden die We⸗
ferkette, den nörblichen Rand des Wefergebirgs (f. d.), welches fie bis dahin in einem fchonen
Thale durchflofien, tritt hierauf vom preuß. wieder auf das hannov. Gebiet, die Au und Hoya
aufnehmend, und wendet ſich nach Aufnahme der Aller gegen Norbweften über Bremen und
Vegeſack. Zulegt fcheidet fie nach ihrem nördlichen Laufe Oldenburg und Hannover, dort die
Hafenpläge Elsfleth an ber Mündung der Hunte und Braake, hier Geeſtmünde und Bremer
Haven berührend, und mündet unter dem letztern in bie Nordfee, im Oſten des Jahdebuſens.
Geographifch zerfällt ihr Kauf in den obern und untern, deren Grenzſcheide bei Minden iſt, bin
fichtlich der Schiffahrt aber wird ald Grenzpunkt der Ober- und Unterwefer Bremen angenome
men. Ihr ganzer Lauf beträgt von Münden bis Bremerhaven 45 M., mit allen kleinen Krüm⸗
mungen aber 594 M., auf welcher Strede fie an beiden Ufern 35 mal bie Landes hoheit wech⸗
ſelt. Nimmt man die Werra, wie gewöhnlich geſchieht, als den eigentlichen Quellarm an, ſo hat
der Weſerſtrom eine Länge von 75M. und ein Flußgebiet von 820 QM. Schiffbare Blüffe
Gonn.-Eex. Zehnte Xafl. XV. 2 12
178 Weſer
nimmt fie nur im Tieflande auf, nänfic rechts bie Aller mit ber Leine, die Leſum ober bie mit
der Damme vereinigte Wümme bei Begefad, die Dchte und Geeſt bei Bremerhaven und Geeſt ⸗
münde, fämmtlich in Hannover, linko die Humte in Oldenburg. Bis zur Mündung der legtern
fließt der Strom ungetheilt, dann aber bildet er mehre Werder. Die Breite deffelben beträgt
von Münden bis Hameln 80, von ba bis Minden 140-—180, oberhalb Bremen 300 Schritt,
bei Elsfleth bereitd ' und an der Mündung I; M. Die Weſer iſt eine ber vorgüglichften
Wafferfirafen für Deutſchlands Handel, indem fie aus ber Vereinigung bereits ſchiffbarer
Flüffe entfieht und bis Eisfleth aufwärts für Seefchiffe fahrbar if. Die Mündımg iſt mit
Sandbänten angefüllt und hat bei Flutwaſſer nur 19 8. Tiefe im Minimum. Das Haupte
fahrwaſſer liegt hier auf hannov. Seite und ift bi6 Bremerhaven 12, zur Slutzeit 22 8. tief,
alfo für tiefgehende Schiffe ausreichend. Die Beichaffenheit bes Fahrwaſſers der Oberweſer
entfpricht indeffen der großen Verkehrswichtigkeit des Stroms in keiner Weiſe. Auf preuß.
Gebiete ift fie durchſchnittlich 5—6 F. tief und trägt bie Hameln Schiffe von 50 Laften. Aber
die bisherigen Bauten haben ihr noch nicht einmal 24 Zoll durchgängige Waſſertiefe bei mitt-
lerm Stande verfchafft und im Sommer ift fie wegen der Seichtigkeit oft Monate lang ımfahr-
bar. Die geringe Breite des Fahrwaſſers, mehre Stromfchnellen und die Gefahren der Schif-
fahrt bei hohem Wafferftande find andere Übelftände. Dazu kommt die Menge von engen
Brüden (ftehenden zu Münden, Nienburg und Bremen, Schiffprüden zu Hameln und Rin-
teln), Schleußen und Wehren. Auch die Häfen, namentlich bie Überwinterungshäfen der Ober-
wefer, find unzureichend. Der Plan, die Wefer durch bie jegt fchiffbare Lippe mit dem Rhein
zu verbinden, ſieht noch feiner Ausführung entgegen. Dagegen ift der bereitö im 18. Jahrh.
angelegte Kanal zur Verbindung ber Damme mit ber Ofte bei Bremervörde feit 3830 wieber
fHiffbar gemacht, und vom Mai 1852 His Nov. 1853 hat Hannover im Lande Hadeln einen
Entwäfferungs - und Schiffahrtskanal zur Verbindung der XBefer mit der Elbe bergeftelle.
Die größten Schiffe der Wefer werben Bode genannt, find 118—120 $. lang, 8—9 8. breit
und teagen 50—40 Laften ; die mittlern, After, Achter oder Hinterhänge genannt, find gemöhn-
ih 106—108 F. lang, 6— 75. breit. und laden 20 — 25 Laſten; die dritte Art führt dem
Namen Büllen, iſt 60— 65%. lang, gegen 3'/ $. breit und ladet 10 Kaften. Diefe drei Schiffe
machen, wenn fie beladen find, eine Maſt aus; eine volle Maft ladet 60-79 Laften. Die
Schiffe werden von Bremen bis Hameln durch Reinenzicher, zumeilen 40— 70 an ber Zahl,
von Hameln bis Minden durch Pferde gezogen. Auch mit Dampffchiffen wird bie Wefer in
neuerer Zeit befahren ; doch ift der Fluß zu Zeiten fo flach, daß fie mit 18—20 Zoll Tiefgang
häufig auf Hinderniffe ftoßen und ihre Fahrten einftellen müffen. Für Neifende, weiche die rei-
zenden Ufer der Weſer kennen lernen wollen, ift befonders dad im Sommer regelmäßig von
Münden abgehende Dampfboot zu beachten, das bei hinreihendem Waſſer Nachnıittage in
Hameln und Abends in Minden eintrifft. Bon hier gehen regelmäßig Dampfſchiffe nad) Bre⸗
men und Bremerhaven, dem Sammel- und Einfchiffsplage der Auswanderer. Außer der [yon
feit Tängerer Zeit vorhandenen WBefer-Dampffchiffahrtögefellfchaft zu Hameln befteht feit 1853
auch eine neugegrünbete zu Minden, die aber erſt ein Schiff befigt. Die früher durch politifche
Hinderniffe faft unmögliche Weferfchiffahrt Hat erft Durch die zu Minden 10. Sept. 1823 unter-
zeichnete Weſerſchiffahrtsacte größere Freiheit erhalten. Die hannov. Negierung dehnte bie
Beftimmungen der Acte, fomweit es geichehen konnte, gefeglich auch auf die Aller und Leine
aus, Auch hat biefelbe 1850 die Weſerzollämter Stolzenau und Lauenförde aufgehoben umd
‚erhebt jegt nur noch zwei Weferzölle, zu Hameln und Dreye, die 1850 etma 20000 Thlr. ein-
brachten. Ein großer Übelftand für ben Verkehr auf dem Weſerſtrom ift, daß die außer der
Weſerſchiffahrtsacte und ihren Ergänzungen, bie fi hauptſächlich auf den Weſerzoll, beffen
Controle und verſchiedene Ermäßigungen beziehen, erfoderlich gewordenen zahlreichen Beſtim ⸗
mungen über die Uferordnung, Strompolizei, Hafenreglements u. ſ. w. nicht auch gemeinſchaft⸗
lich von allen Regierungen erlaſſen worden find. Was den Weſerhandel im Allgemeinen be⸗
trifft, fo beſchäftigt er fich befonders mit Reinengarn, Produeten bes Harzes, Wolle, Rübsl,
Bein, allen Gattungen Colonialmaaren, Farbehölzern, Thran und Seefiſchen hannov. Leinen,
fabricirtem Zabad, Stabeifen, Steingut, engl. Fabrikaten feder Axt, rohem Leder; Fenfſterglat
und Spiegeln. Die wichtigſte Handeisſiadt an ber Weſer ift Bremen (f. d.). Im 3. 1865 lie-
fen 2729 Seeſchiffe von 189053 Laft (zu 4000 Pf.) ein und 2696 Schiffe von 202895
Loft aus. Der Werth der Einfuhr feewärts betrug 23,200782.Thfr., der ber Ausfuhr fee-
waͤrts 28,520727 Thlr.; ber Werth der Gefammteinfuhr fee- und landwaͤrts 53,026861 Thlr.
d der ber Geſammtausfuhr 48,908743 Thle. In demfelben Jahre Hefen von ber Oberweſer
Weſergebirge 179
2401 Segel- und Dampfſchiffe und 750 Flöße mit einer Ladung von 1,903992 Ctrn. im Werth
von 1,901893 Thlm. Gold (zu 1 Thlr. 3 ar) ein und gingen ab 1251 Segel- und Dampf.
ſchiffe mit einer Ladung von 538369 Eten., im Werth v0n2,950674 Thlen. Gold. Lichterſchiffe
von den brem., hannov. und oldenburg. Plägen der Unterwefer kamen bafelbft an: 4097, bela-
den mit 107572 Laſten, 8895 Teer ; ab gingen 3111, beladen mit 78278 Kaften, leer 1544. —
Das Depart. Weſer im ehemaligen Konigreih Weftfaln, 105 AM. groß mit 331000 E.,
umfaßte Minden, Osnabrück, Navensberg, ben heff. Antbeil an Schaumburg und das Amt
Thedinghaufen und hatte zur Hauptftadt Osnabrüd. Im J. 1810 wurde es dem franz. De
part. Oberems einverleibt, 1814 aber kehrte Alles in Die frühere Verfaffung zurück.
Beſergebirge, Welerbergland, Weferterraffe ift der gemeinfhaftlihe Name des Ge-
wirres von bald größern, bald Meinern bewaldeten Bergzügen, Plateau- und Hügellandfchaften,
weiches den ganzen obern Lauf der Weſer (ſ. d.) von Bannoverifh-Münden bis Preugifh-Min-
ben auf beiden Seiten begleitet, von ihr in das oftfälifche und weftfälifche Bergland getheilt wird
und theils zu Braunſchweig und Hannover, theild zu den Fürſtenthümern Lippe und dem kur⸗
heſſ. Schaumburg, theild zur preuß. Provinz Weſtfalen gehört. Im O. durch das Thal der
Reine von dem Göttingerwalde und den weftlichften Vorhöhen des Harzes getrennt, im S. mit
bem heff. Plateau- und Hügelland, im SW. mit dem nieberrhein. Gebirge verwachfen, er-
ſtreckt es fich als der Außerfte Gebirgsvorfprung des deutſchen Mittellandes in Norbiweftrichtung
weit in die norbbeutfche Tiefebene hinein, in welcher es die große weftfälifche oder Bucht von
Muünfter aus den allgemeinen Gebiet der Niederung abfcheidet. Die einzelnen waldreichen
Bergzüge haben, untereinander ziemlich parallel laufend, diefelbe Richtung nach Nordweſt und
erreichen felbft in ihren höchften Kuppen kaum die abfolute Höhe von 1600 F. Was ihnen aber
den Gebirgscharakter verleiht, daß ift der plateauartige Zuſammenhang ihrer Maſſen, dann die
wallförmige, oft ſcharf marfirte Geftalt der einzelnen Ketten, endlich ihre bedeutende relative
Erhebung über die tiefe Thalfurche der Weſer und das benachbarte Niederungsland, über wel⸗
ches fie theilweiſe 10001200 3. emporfteigen, wodurch fie dem Auge bedeutender ald manches
abfolut Höhere Gebirge erfcheinen. Überdies bieten fie eine Menge fchöner, malerifcher Punkte
dar und namentlih das Weferthal gehört zu den fchönften Thälern Norkbeutfchlands. In der
öftlichen Weſerterraſſe find die befannteften Theile von Süden gegen Norden der Bramwald,
das plateauartige Sandfteingebirge bes Sollingwalbes oder Solling (f.d.), das wechſelvolle
Bergland der Hils«, ber Iht und ber Lauenfteinerberge und bes Oſterwaldes, ber Süntel
(f.d.), ber Deifter (f. d.), die Büdeberge und als weſtliche Kortfegung, zugleich als nördlicher
Hand der Weferterraffe bie dftliche oder eigentliche Weferkette, die ihr Weftende im Jakobs⸗
berge oberhalb Minden erreicht. Diefem gegenüber, auf dem linken Ufer der Weſer, erhebt fich
ber Wittekindsberg. Zwiſchen beiden bildet, um in bad Ziefland zu gelangen, ihren legten
Durchbruch bie berühnite Weftfältfche Pforte oder Porta Westphallca. Die ungleich aud-
gedehntere weftliche Weferterraffe hat zum Nordrand die mit den Wittelindöberge beginnende
weftlihe Weferkette, die unter ben Namen der Mindenfchen Bergkette, des Wiehenge⸗
birgs, der Luͤbbenſchen Berge, Kappeler Berge u. f. w. in gleicher wallartiger Form weſt⸗
wärts zur Quellgegend der Hunte, dann weſtnordweſtwärts bis zu den unabfehbaren, meeres⸗
gleichen Moor- und Haidegegenden an der mittlern Hafe, gegen Norden aber, wie der ganze
Zug der Weferkette, ohne Vorhöhen in das Ziefland abfällt. Sie ift durch die Thalebene der
obern Hafe von dem Teutoburgerwalde (f. d.) gefchieden, der die Weferterraffe gegen bie
weſtfäl. Tiefebene oder die große münfterfche Bucht abgrenzt. In dem Hochland öftlich von ihm
find hervorzuheben: das Paderbornfche Plateau und das nördlich angrenzende Hügelland von
Lippe und Pyrmont. In dem Bereiche der Weferterraffe treten außer im Brammalde und
andern Theilen ihres öftlichen Abſchnitts, wo ſich Bafaltkegel finden, nirgends kryſtalliniſche
Maffengefteine oder Eryftallinifche Schiefer an die Oberfläche hervor. Dagegen find die Flötz⸗
formationen von der Kohlengruppe bis zur Molaffe außerordentlich volfländig vertreten, und es
findet fich hier eine Mannichfaltigkeit und Abwechfelung der Schichtengefteine, wie fie nirgends
fonft wo in Deutfchland vorfommt. Echte Steinkohlen finden ſich bei Jobenbühren; die Kohlen
der Wieldenformation werden jept bereit an vielen Orten gewonnen. Zu Steinbrüchen haben
die Kalk⸗ und Sandfteine aller Formationen Veranlaffung gegeben. Im Wielden bei Minden,
im Hilsfandflein bei Salzgitter, fowie an andern Orten wird Eifenftein ausgebeutet. Zahlreich
find die Salzwerke und unter diefen Reuſalzwerk bei Rehme oberhalb Minden beſonders merf-
würdig wegen feines bereits 2220 F. tiefen Bohrlochs, mit welchen man eine Soolquelle von
180 Wesley Wespen
DER. Wärme erbohrt hat, die feit 1845 als Heilquelle (königliches Bad Deynbauſen) ſtark
benugt wird. Bon andern kräftigen Mineralquellen find Pyrmont (f. d.), Eilfen (f. d.), Rebe
burg (f.d.) und Nenndorf (ſ. d.) zunennen. Der Boden ift vorherrfchend fehr fruchtbar, wenn
” auch feiner Natur nach abwechfelnd. Landwirthſchaftliche Gewerbe find daher im Allgemeinen,
beſonders aber im weftlichften Theile vorwiegend. Doch hat fich zwifchen den vielen Hügelfetten
eine mannichfaltige Snduftrie eingefunben, unter welcher die Reinwanbmweberei in der Umgegend
von Bielefeld den älteften Ruf bat. Die Weferketten in Verbindung mit dem Harz ftellen fich
ber Derkehröverbindung zwifchen dem Nheinland und ber nordoftdeutfchen Niederung hindernd
entgegen. Deshalb find ihre Querdurchbrüche an der Weferpforte und bei Bielefeld ſchon feit
älteſter Zeit zu einer Hauptſtraße, neuerdings aber auch für eine wichtige Eifenbahnverbindung
benugt worden. Der natürlichen Zertheilung des Landes entfpricht deffen frühere und auch
noch vorhandene politifche Zerftüdung.
Wesley (John), der Stifter der Methodiſten (f. d.), war der Sohn eines engl., aud ale
Schriftfteller befannten Theologen und wurde 17. Juni 1703 zu Epworth in der engl. Graf-
haft Lincoln geboren. Schon in früher Jugend begeifterte er fi an den Schriften des Tho—
mad a Kempis und Taylor’ und hatte das Vorgefühl eines befondern geiftlichen Berufs. Er
ftudirte dann zu Orford Theologie und warf fich, nachdem er 1725 als Diakon orbinirt wor
den, mit großem Eifer auf dad Studium der Bibel und adcetifcher Schriften. Im J. 1729
verband er fich mit feinem Bruber und 45 orforder Studenten zur Erforfehung der biblifchen
Wahrheiten, zum Faften, Beten und zu guten Werken. Schon damals gab man biefen zum
Separatismus neigenden jungen Leuten wegen ihres frommgeordneten Lebens den Spottna⸗
men der Methodiften, den fie fpäter beibehielten. W. ging 1735 mit feinem Bruder nach Ame⸗
rika, wo fie befonderd den Indianern das Evangelium predigen wollten. Hier entfagte er allen
Annehmlichkeiten des Lebens, genoß weder Wein noch Fleifch und fchlief auf der bloßen Erde.
Zelotismus und Intoleranz fowie feine fatirifche Zunge erregten ihm feboch heftige Feinde, fo
daß er 1738 nach England zurüdging. Er trat jegt mit den Derrnhutern, die er fchon in Ame⸗
rika kennen gelernt hatte, in Verbindung und fliftete nach dem Mufter der Brübergemeine,
welche er 1738 befuchte, in England eine felbfländige Kirchengemeinfchaft. Im I. 1641
trennte er fich von feinem bisherigen Genoffen Whitefield (f. d.), weil derfelbe die Methodiften-
kirche ganz von der Staatöfirche und der Regierung unabhängig machen wollte. Zwei Jahre
fpäter brach er auch mit den Herrnhutern, indem er fi im Dogma zur frengften Prädeflina-
tionslehre bekannte. Er befuchte jährlich alle Methodiftengemeinden, die feiner Partei treu
blieben und Wesleyaner genannt wurden, predigte fehr oft und foll überhaupt gegen 50000
Predigten gehalten haben. Wiewol er früher die Ehelofigkeit empfahl, verheirathete er fich doch
4749, lebte aber fo unglüdlich, daß ex fich feheiden ließ. WB. war außerordentlich wohlthätig,
bülfreich und uneigennügig, befaß jedoch einen herrfchfüchtigen Charakter, der ihn mol zum
Stifter einer Sekte treiben und befähigen mochte. Er ftarb 2. März 1791. Seine Schriften,
die formlos und meift Bearbeitungen älterer Werke find, zählen mehr ald 100 Bände. Seine
Predigten und Heinern ascetifchen und geſchichtlichen Auffäge erfchienen gefammelt in 52Bän-
den (Xond. 1774). Vgl. Southey, „Life of W. and the rise and progress of methodism“
(Xond. 1820; deutfch von Krummacher, 2 Bde, Hamb. 1828). — Sein Bruder Charles
W., geb. 1708, Eehrte fchon 1736 nad) England zurück, wirkte ebenfalls mit größtem Eifer für
die Ausbreitung des Methodismus und ſtarb 1788.
Weöpen (Vespae), eine den Bienen verwandte Familie ber Inſekten aus ber Orbnung ber
Hautflügler, Fenntlich durch den platten, in der Mitte ſtark eingefchnürten, ſchwarz und gelb
gefärbten Leib, und wie die Bienen mit einem Stachel verfehen. Ihre Nahrung befteht in ”
Früchten, kleinern Inſekten und Fleiſch. In der Negel leben fie gefellig in Neftern, die fie in
Bäumen, Belsfpalten, Erdlöchern u. f. w. aus faulen Holz und Blättern erbauen. Diefelben
erfcheinen wie aus grauem Papier gefertigt, find mit einer wafferdichten Schicht bedeckt, haben
den Eingang ſtets unten und enthalten in mehren übereinander angebrachten Stodwerfen
bis an 16000 Zellen. Die Bewohner zerfallen in Männchen, Weibchen und Geſchlechtsloſe.
Letztere, die Arbeiter, belaufen fich bis auf 30000, auf die nur 400 Männchen und wenige
Weibchen kommen. Die aus ben Eiern der legtern ausfriechenden Larven werden von ben Ar⸗
beitern in einzelnen Zellen gefüttert. Im Winter erfrieren die fämmtlichen Inſaſſen bis auf 3
oder A der ftärkften Weibchen, welche im Frühjahre nach mehrmonatlicher Erftarrung, jede für
ſich, ein neues Neft anfangen. Dergleichen Anfiedelungen findet man dann häufig auf Dach-
böden und unter Simfen an einem dünnen Stiele aufgehängt. Die bekannteften Arten find: bie
Weſſel Weſſeling 181
gemeine Wespe (Vespa vulgaris) und die Horniſſe (ſ. d.) Die Mauerwespe (Odynerus) höhlt
fich ihr Neſt in den Mörtelfchichten alter Mauern aus. Verwandte Familien find: die Blatt-
wespen, meift frei auf Blättern lebend; die Gallwespen, durch beren Stich die Galläpfel (f. d.)
entftehen; die Holzwespen, bie, im Innern ber Bäume lebend, ben Waldungen großen Schaden
zufügen; die Schlupfmespen (Ichneumoniben), die ihre Eier in den Körper lebender Infekten-
larven legen, welche von ben auskriechenden Wespenlarven ausgehöhlt und getödtet werben.
Beflel (Joh.), auch Bansfort genannt, ein Vorläufer Luther's, wurde 1419 zu Grönin-
gen geboren, lehrte nachmals die Philofophie zu Köln, Löwen, Heidelberg und Paris und farb
1489 in feiner Baterftadt. Wegen feiner Gelehrfamkeit erhielt er den Beinamen Lux mundi,
während ihn feine Feinde wegen feine Widerſpruchs gegen den Scholaſticismus Magister con-
tradictionum nannten. Luther flimmte mit W. namentlich in der Rechtfertigungslehre ganz
überein, weshalb er ihn fehr hoch achtete. Nach dem Tode W.'s wurde ein großer Theil feiner
Schriften als Legerifch verbrannt; ein anderer erfchien unter dem Titel „Farrago rerum theo-
logicarum‘” und wurde fehr oft, unter Andern auch mit einer Vorrede von Luther (MWittenb.
4522), herausgegeben. Die vollftändigfte Ausgabe feiner Werke beforgte Joh. Lydius (Amſt.
4617). gl. Ullmann, „Joh. W. ein Vorgänger Luther's“ (Hamb. 1834) ; Bähring, „Das
Leben Soh. W.'s“ (Bielef. 1846).
Weſſelenyi (Nikolaus, Baron), Führer der ungar. und der fiebenbürg. Oppofition von
1825 —40, geb. 1794 zu Zfib6, dem fiebenbürg. Stammgute feiner Familie, erhielt im Altern-
hauſe, welches ber Sammelpunkt der politifchen und Titerarifchen Celebritäten des Landes war,
eine treffliche Erziehung, aber auch frühzeitig fchon die nationale und oppofitionelle Richtung.
Nach kurzem Dienfte in ber öfter. Armee, in welcher er die legten Feldzüige gegen Napoleon mit-
machte, kehrte er 1818 in feine Heimat zurüd und ftellte fich dort an die Spige der Agitation
gegen bad ohne Mitwirkung bes Reichstags erlaffene Urbarialgefeg. Er reifte von Comitat zu
Comitat, kaufte überall Grundbefig, um Sig und Stimme in den Eongrefationen zu erlangen,
und verbreitete burch Wort und Schrift die Aufregung gegen die öftr. Regierung, die ſich 1854
endlich genöthigt fah, ben feit Jahrzehnden befeitigten fiebenbürg. Reichstag wieder einzuberu-
fen. Inzwiſchen Hatte W. mit dem Grafen Stephan Szechenyi mehrjährige Reifen im Aus-
Lande gemacht. Als fie nach Ungarn zurückkamen, traten fie hier 1825 auf dem Reichstage an
die Spige der neugewedkten liberalen Bewegung. Szechenyi, mehr gemäßigt und mehr für bie
praftifchen Reformen mirkend, wurde bald von der liberalen Partei überflügelt, welche befon-
ders auf politifche Reformen drang und deren Führung ganz an W. überging. Kegterer fuchte
unter Anderm auch auf dem Wege der Preſſe das Volt mit für den Kampf zwifchen Regierung
und Reichstag zu intereffiren, und mie er felbft, da die Regierung in beiden Ländern die Veröffent⸗
lichung ber Reichstagsverhandlungen hinderte, in Siebenbürgen eine lithographirte Reichstags⸗
zeitung herausgab, fo war er der eifrigfte Förderer und Befchüger der von 2. Koſſuth zuerft in
Presburg umd dann in Pefth herausgegebenen lithographirten Zeitung. Er wurde darüber mit
Koffuth im Sommer 1837 verhaftet, in einen Hochverrathsproceß verwickelt und zu vierfähri-
ger Haft verurtheilt. Die Amneftie von 1840 verfchaffte auch ihm die Freiheit; aber er hatte
im Kerker das Augenlicht eingebüßt und mußte fernerhin auf jede hervorragende politifche Rolle
verzichten. W. lebte feitdem in fliller Zurückgezogenheit zu Zfibs, jedoch in Iebhaftem Verkehr
mit der Dppofition, bie fich bei ihm oft Raths erholte. Infolge der Vorgänge von 1848 kam
W. wieder nach Pefth, nahm auch feinen Sig an der Magnatentafel ein, ohne jedoch irgendwie
in den Gang der Ereigniffe einzugreifen. Den Ausgang ber Nevolution überlebte er nur kurze
Zeit, indem er im Herbft 1850 zu Peſth ftarb. Vgl. Efengery, „Ungarns Redner und
Staatdmänner” (2 Bde, Wien 1851).
Weſſeling (Det), verdienter Philolog, geb. 7. San. 1692 zu Steinfurt, wurde, nachdem er
feine Studien zu Leyden und Franeker vollendet hatte, 1717 Conrector zu Middelburg, 1723
Profeffor der Beredtſamkeit zu Francker und erhielt 1735 die Profeffur der alten Riteratur zu
Utrecht, wo er 9. Rov. 1764 farb. Nächft feinen vorzüglichen Bearbeitungen ber „Vetera Ro-
manorum itineraria” (Amft. 1735), des Diodorus von Sicilien (2 Bde, Amft. 1745; neue
Ausg. von 2. Dindorf, 5 Bde., Lpz. 1828-31) und Herodot (Amſt. 1763) find zu erwmah-
nen: die „Observationes variae” (Amft. 1727; wiederholt von Frotſcher, Lpz. 1852); die
„Probabilia” (Franeker 4731); die „Diatribe de Judaeorum archaeologia” (Amfl. 1738);
die „Epistola de Aquilae fragmentis” (Amft. 1748) und bie „Dissertatio Herodotea” (Ütr.
4758). Auch beforgte ex verbefferte Ausgaben von Simſon's „Chronicon” (Leyd. 1752) und
von Petituß’ „Leges Alticae” (Keyd. 1741).
182 Befienberg Weſſer
Weſſenberg (Ignaz Heinr. Karl, Freiherr von), Generalvicar des Bisthums Konſtanz
bis 1827, ein Freund Karl von Dalberg's (ſ. d.), wurde 2. Nov. 1774 in Dresden geboren,
wo fein Vater, Philipp Karl, Freiherr von W., öſtr. Befandter war. Schon als Jüngling
beHeibete er Domherrenftellen an mehren deutfchen en Er war Domdechant zu Kon»
ftanz, als ihn Dalberg 1802 zum Generalvicar dieſes auch einen großen Theil der weftlichen
und mittlern Schweiz umfaffenden Bisthums erhob. In feinem bedeutenden Wirkungskreife
zeigte ex fi bemüht, die Geiſtlichkeit fortzubilden, ber deutfchen Sprache in der Liturgie
Einfluß zu verfchaffen, den deutfchen SKirchengefang einzuführen, die Seelforge fruchtba⸗
rer zu machen und im Einverftändniffe mit der Regierung des Cantons Luzern ſchon feit
4806 die Überzahl der Klöfter zu vermindern. Auch gründete er ein Seminar und Prie⸗
flerhaus für junge Geiftlihe und eine große Armenanftalt. Vom päpftlihen Nuntius zu
Luzern, den Haupte der ultramontanen Partei in der Schweiz, ſchon lange verdächtigt,
verweigerte ihn aber die rom. Curie die Betätigung zu feiner 1814 durch Dalberg be-
wirkten Berufung zur Coabjutorftele im Bistum Konſtanz. Als ihn nad Dalberg’s
Tode bie Gapitularen zum Bisthumsverweler ernannten, verwarf ber Papft burch Breve
vom 15. Mär; 1817 auch dieſe Wahl. Zur Rechtfertigung reifte ZB. nach Rom, wo er jedoch
feinen Hauptzwednichterreichte. Die Erwiderungen Conſalvi's enthielten nur Vorwürfe und das
ſchließliche Anſinnen einer unbebingten Verzichtleiftung auf fein Amt. W. behauptete gegen
die rom. Curie eine männliche und doch gefegmäßige Haltung und ber Großherzog von Baden
Thügte ihn in der Ausübung feines Amts. Diefer erflärte zugleich die Sache für eine allge
meine Rirchenangelegenheit beutfcher Nation und brachte die mit officiellen Actenſtücken heraus»
gegebene Denkſchrift „Uber das neuefte Verfahren der röm. Eurie gegen ben Bisthumsverwe⸗
fer von WB.” an den Bundestag. Endlich wurde in Kolge Concordats mit dem Papfte 1827
das Bisthum Konftanz aufgelöft, wodurch W. feine Stelle verlor. Seitdem lebte ex in Ba⸗
den ald Privatmann, fortwährend einem befonnenen Fortfihritte auf dem Gebiete der kath.
Kirche huldigend. Zu feinen zahlreichen Schriften, von benen einige ber wichtigern anonym er-
fhienen, gehören: „Die Elementarbildung bes Volkes” (Zür. 1814; 2. Aufl, 1835); „Die
chriſtlichen Bilder” (2 Bde., Konft. 1826— 28; 2. Aufl., St.-Gallen 1845); „Betrachtungen
über die wichtigften Begenftände im Bildungsgange der Menfchheit” (Aarau 1856); „Die
großen Kirchenverfammlungen des 15. und 16. Jahrh. in Beziehung auf Kirchenverbefferung” -
(ABde., Konft. 1840). Seine „Sämmtlichen Gedichte” erfchienen in ſechs Bänden (Ötuttg.
1854— 44). — Sein Bruder, Job. Phil., Freiherr von W.-Ammpringen, geb. 1773, wurde,
nachdem er in Freiburg und Straßburg feine Studien gemacht hatte, durch Karl von Dalberg
befördest, trat 1797 in öfte. Staatöbienft und wurde 1805 bei der Säcularifation Minifter in
Frankfurt. Im Verdacht bed Liberalismus, erhielt er 1818 den Geſandtſchaftspoſten in Berlin
und 1811 den zu München. Im 3.1813 vermittelte er den Bund zwifchen Öftreich und England.
Er nahm darauf den wichtigften Ancheil am erften und zweiten Frieden zu Paris und an den
Verhandlungen bes Wiener Eongreffed. Dem Metternich’fchen Syſtem nicht befreundet, trat
er wieder ins Privatleben zurüd, bis er nach der Julirevolution von 4830 reactivirt und zum
außerordentlichen Gefandten im Haag ernannt wurde, ald welcher er an den Londoner Conferen⸗
zen zur Schlichtung der holl.belg, Wirren Theilnahm. Indeffentrater ſchon 1831 abermals aus
dem bdiplomatifchen Dienft und ward erft durch die Ereigniffe des 3. 1848 wieder zu den Ge⸗
ſchäften berufen, indem er den Auftrag erhielt, in dem im Juli gebildeten „conftitutionellen‘
Minifteriun dad Departement des Außern zu übernehnen. Der Gang ber Dinge geftattete
diefem Minifterium kaum, feine friedliche Thätigkeit zu entfalten. Nach der Octoberrevolution
von 1848 folgte W.dem Kaiferund leitete die Gefchäfte, bis dad Novemberminifterium Schwar⸗
zenberg-Stadion-Bach gebildet war. Der greife Diplomat kehrte abermals ind Privatleben zurück.
Weſſer, d. h. Weftfachfen (altfächf. \estseaxas), eins ber Neiche der Angelfachfen (f. d.)
in England, unfaßte bie jegigen Grafſchaften Hamp mit der Infel Wight, Berk, Wil, Dor-
fet, fpäter, nach gänzlicher Beftegung der Briten, auch Somerfet, Devon und Cornwall, welche
drei legtern, die Corniſche Hafbinfel bildend, als altbrit. Gebiet auch Danınovia oder Weſtwales
oder auch Südwales hießen, inı Begenfage zu Nordwales oder Cambria, d. i. dem jegigen Für⸗
ſtenthum Wales. Das Königreich W. wurde von Kerdit und feinem Sohne Kenrik geftiftet,
welche 494 landeten und 519 ihren Hauptfieg bei Charford gewannen, hatte zur Hauptftadt
Witanceafter (Wincheſter) und war, mit Ausnahme der Infel Wight und ihrer Gegenküſte,
bie von Jüten befegt waren, rein angelfächfifch. Das Neich wurbe mit der Zeit fo mächtig, daß
es unter König Egbert 827 alle übrigen Reiche ber brit. Infel verfchlang. (S. Großbritannien.)
Veſſo bruun Weſtauftraͤlien 183
Weſſobrunn oder Weſſensbrunn hieß ein im 8. Jahrh. von Herzog ThaſſAo tes
Benedictinerkloſter in Oberbaiern, unfern des Lech, zwiſchen Schongau und em
Bol. Leutner, „Historia monasterii Wessofontani” (Wugsburg und Freiburg 1753). Im
einer feiner alten, jegt in München befindlichen Handſchriften bat fich ein für die althechdeutſche
Literatur wichtiges Sprachdenkmal bes 8. Jahrh. erhalten, das fogenannte Weflobrunner Ge-
Bet, beginnend mit einer kurzen Schöpfungsgefchichte in alterthümlich gehaltenen alliterirenden
Berfen, an bie fi dann das eigentliche Gebet in profaifcher Rede ſchließt. Es iſt fehr oft ge-
drudt und commentirt und faſt in alle altbeutfchen Lefebücher aufgenommen worden. Vgl.
Wadernagel, „Das Weſſobrunner Gebet” (Berl. 1827).
Wett, f. Abend und Himmeldgegenden.
Wert (Benjamin), ein berlihmter Maler, 1738 zu Springfield in Pennfolvanien geboren,
ging 1760 nad Rom und nach einem dreijährigen Aufenthalte in Italien nad) England, mo
feine Bilder alöbald große Anerkennung fanden. Auch fam er mit dem Könige in Berbindung,
was für ihn felbft wie für die Künfte in England gute Folgen hatte. W. begründete die Fönigl.
Kunftafademie, die 1768 beflätigt wurde. Der König nahm fein Talent in Anfpruch zur Ber⸗
ſchönerung des Schloſſes Windfor und Heß ihm eine jährliche Befolbung von 1000 Pf. &t.
zahlen, die man ihm aber entzog, als des Könige Gemüthskrankheit zum Ausbruch kam.
Schon früher hatte ſich W. von der Kunftatabemie, deren Präftbent er geweſen, zurückgezogen
und bagegen thätigen Antheil an ber Stiftung ber 1805 gegründeten British Institution genom⸗
men. Es läßt ſich wol nicht leugnen, daß W. mehr durch diefe Anftalt und die Kunſtakademie
als durch feine eigenen Werke zur Hebung der Kunft in England gewirkt habe; denn es fehlte
ihm an jener kühnen Schöpfergabe, bie ben großen Künftler bildet. Er kannte bie Regeln, feine
Sompofition und Gruppirung find ſtets wiffenfchaftlich, feine Zeichnung hat das Verdienſt ber
Richtigkeit, aber fein Colorit ift nicht Harmonifch. Sein berühmteftes Gemälde ift ber General
Sam. Wolfe, fein größtes Chriftus vor Pilatus. Andere berühmte Gemälde von ihm find der
Tod Nelfon’s; Chtiſtus, Die Kranken und Lahmen im Tempel Heilend ; ber Tod auf dem fahlen
Herde u.f.w. Weniger Beifall fanden fein König Zear, den er für bie Shaffpearegalerie malte,
und fein Paulus auf der Iufel Melite, wie er die Natter von der Hand ſchüttelt, in ber Kapelle
au Greenwich. Im Ganzen find feine Compoſitionen unffar, verwidelt und oft ohne Haltung.
Er ftarb zu London 1820. Bgl. Galt, „Life and studies of Benj. W.” (Lond. 1820).
Weſt (Thomas und Karl Auguft), Pfeudonym für Schreyvogel (f. d.).
BWeitauftralien, früher im befchränktern Umfange Schwanenfiußenlonie genannt, eine
engl. Anfiedelung in Neuholland, begreift ben ſüdweſtlichſten Theil dieſes Sontinents, etwa zwi⸗
ſchen 39— 35° f. Br. und 135 — 138° 9. L., und hat ein Areal von ATIODM., ungerechnet
den neuerdings erft dazu gefchlagenen, zur Golonifation aber noch nicht abgegrenzten Küften-
ſtrich, der fich norbiwärts bis zu der großen Sharkbal oder Halfifchbai erſtreckt. Die Weſtküſte
iſt mit Ausnahme der Leeumwinhalbinfel mit einer bis 800 F. hohen Dünenkette eingefaßt, welche,
von büfterer grünlicher Farbe, auf jüngftem Sandſteingrund lagert, auf ber Seefeite von Lagu⸗
nen begleitet, auf der Landſeite mit einer zur Schafweide tauglichen Pflanzendecke bewachſen iſt.
Hinter ihr Tiegt eine wellige, vorherrfchend fandige und bürre, theild mit Wald und Weide be-
deckte, theils von ziemlich fruchtbaren Thälern durchfchnittene Ebene, die landeinwaͤrts mehr
und mehr ergiebig wird. Etwa 5-7 M. vom Meere fteigt plöglich Die Darlingkette (Darling-
Range) auf, der 2000 $. hohe bergige Weſtrand eines nach ihr benannten Hochlandes von ge-
zinger Erhebung, dad aus mehren parallelen, im Ganzen plauteauartigen Bergzügen zufam-
miengefegt umd überwiegend aus Granit mit metamorphifcher Bekleidung beſteht, oſtwärts in
ein niedriges, bewaldetes Tafelland, zulegt wahrſcheinlich allmälig in bie innere Tiefebene über⸗
gebt, ſüdlich aber mit theils fleilen und felfigen Ufern, theils fanft fich verflachenden Ebenen an
die Sudküfte tritt. Zahlreiche Meine Flüſſe ſtrömen von den Bergen beiben Geſtaden zu. Der
bebeutendfte unter ihnen ift der Schwanenfluß (Swan-River), der unterhalb Perth in das tiefe,
Iagunenartige Becken Meivillewater mündet, welches durch eine ſchmale Strafe, der Infel Rot-
teneft gegenüber, mit ben Meere in Verbindung ſteht und eine nur unfichere Rhede (Gages
Boads) bazbietet. Durch den gegen Süden in die Flindersbal fließenden Blackwood von dem
übzigen Hochlande getrennt, erſtreckt fich zwiſchen dieſer Bai und ber nörbilch von ihr gelegenen
Geographenbai die Leenwinhefbinfel weit in dad Meer hinaus. Diefe Halbinfel enthält ein
ſchmales, ähnlich dem größern gebilbetes, bewaldetes und mohl bemäffertes Hochland, deſſen aus
Kalkſtein beftchende plateauartigeBergrüdten eine fumpfige Oberfläche und rothen, off fruchtbaren
Thonboden haben. W. erfreut fich eines. milden Klimas und eines faſi allentHalben anbaufähle“
184 Beſtenrieder Beſteraͤs
Bodens, hat Reichthum an Waldungen, liefert auch Sandelholz, Gummi und eine Palmenart,
deren Nu zur Seifefabrilation verwendet wird, und eignet ſich fehr wohl zur Golonifation.
Diefe hat 1829 direct von England aus begonnen ımb wurde zuerft auf das Küflenland zwi-
fhen dem Smwan-River und König-Georgsfund befchräntt, hatte aber mit ben größten Hin⸗
berniffen zu Lämpfen, ſodaß 28. von allen auſtral. Colonien diejenige ift, welche am meiften in
der Entwidelung zurüdblieb. Überdies leidet W. Mangel an geficherten Anterplägen, indem
es außer dem Codburnfund, zwei M. füblich von ber Mündung des Swan⸗NRiver, und dem Kö⸗
nig-Georgsfund an der Südküſte feinen Hafen hat. Die Zahl ber europ. Einwohner ber Cole-
nie, in welcher Beine Verbrecher angefiebelt werben Dürfen, mwurbe 1850 auf 5904, die der Ur⸗
einwohner 1848 auf 1960 angegeben. Die Eoloniften bauen mit Erfolg europ. Getreide, auch
Flachs, Taback, gewinnen Dliven und gerühnmten Bein, jiehen Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen
umd Schweine und treiben mit den Landesproducten, fomie mit denen ber Fifcherei einen ver»
hältnißmäßig lebhaften Seehandel. Auch hat man Kohlenlager und ergiebige Blei⸗und Zink.
gruben, 1854 auch Gold entdedt. W. zerfällt gegenwärtig in 26 Counties. Die wichtigften
Städte u. a. Ortfchaften find: Perth, an der Mündung bes Swan-River in dad Melvillewater
und zwei M. von feinem Hafenplage Freemantle an der Mündung ins Meer gelegen, ig bed
Gouverneurs und ber Colonialregierung, fowie eines Bath. Biſchofs, nebft dem etwas oberhalb,
an ber Einmündung bed Helenafluffes gelegenen Städtchen Gailford bie erfte Rieberlaffung
der Engländer; Auftralind, an der Geographenbai, 1840 gegründet; Auguſta, an der Flin⸗
bersbai und Miumbung des Blackwood; Albany, am König-Beorgsfund, mit dem beften Hafen
der ganzen Kolonie und lebhaft betriebenem Walſiſchfange.
eftenrieder (Lor. von), ein um Baiernd Geſchichte und Landeskunde vielfach verbienter
Mann, geb. 1. Aug. 1748 zu München, wo er das Gymnaſium und Lyceum befuchte, wurde
erft Beltpriefter, dann nach Aufhebung der Jefuiten 1773 Profeffor der Poeſie in Landshut
und 1774 Profeffor der Rhetorik zu München, 1776 Büchercenfurrath, 1778 Mitglied ber
Akademie der Wiffenfchaften, 1786 Geiftlicher Rath und 1800 Domcapitular. Er flarb zu
München 15. März 1829. Im Auftrage der Regierung verfaßte er eine Reihe nüglicher
Schulbücher, wie: „Allgemeine Erdbefchreibung für die fünf Gymnaſialſchulen“ (3 Bde.,
Münd. 1775), „Die allgemeine Exrdbefchreibung für die kurbair. Realſchulen“ (2 Bde,
Münd. 1776) und bie „Geſchichte von Baiern für die Jugend und das Boll’ (2 Bde,
Münd. 1785). Bon feinen übrigen zahlreichen Schriften find zu erwähnen: das heroifche
Drama „Marc Aurel”; „Bairifche Beiträge zur fchönen und nüglichen Literatur” (Münch.
1779 — 81), aus welchen erweitert das „Leben bed guten Jünglings Engelhof” (2 Bde,
Mündy. 1732) hervorging; ferner „Jahrbuch der Menfchengefchichte in Baiern” (2 Bde.
Münd. 1783), eine Kortfegung ber „Bairifchen Beiträge”; „Bairifch Hiftorifcher Kalender”
(21 Bdchn., 1787 fg., mit Kpfen.) ; „Beiträge zur vaterländifchen Hiftorie, Geographie, Stati⸗
fit und Landwirtäfchaft” (12 Bde, 1788 fg.); „Meademifche Reden und Abhandlungen“
(Münd. 1779); „Geſchichte der bair. Akademie der Wiffenfchaften” (2 Bde, Münd. 1779
—1800); „Hundert Sonberbarkeiten, oder das neue München im 3. 1850” (Münd. 1824)
und als Fortfegung „Das neue Münden und Baiern im 3. 1850” (Münd. 1828). Cine
Sammlung feiner „Sämmtliyen Werke” wurde nach feinem Tode veranftaltet (10 Bde., Kemp-
ten 1831 — 38, 4.; 29 Bde., 18351 —37, 16.). W. hatte in der erften Hälfte ſeines Lebens
viel gewirkt in Baiern für Gefchichte und Landeskunde, wie für Veredelung ber tiefgefuntenen
Mutterfprache und des Geſchmacks; allein in den legten 25 3. war fein Birken mehr ein
hemmendes als ein forderndes. Der Kem feines Weſens war Widerftand, anfangs gegen Un-
terdrückung und Verfinfierung von innen, fpäter gegen das Borwärtöftreben. Im J. 1854
wurde ihm zu München ein von Wibnmann gefertigtes Standbild gefegt. Vgl Ganber6hofer,
—— an Lor. von W.“ (Mund). 1830).
Weſteraͤs, eine Landeshauptmannſchaft im mittlern Schweden, ber öſtliche und Haupttheil
der alten Provinz Weſtmanland, zwiſchen Dalekarlien (Falun) und Geſtrikland (Gefle) im RN.
Upland (Upſala) im O., Söbermanland (Nyköping) und dem Mälarfee im S. Nerike (Orebro)
im W. gelegen, bat ohne ihren 224 AM. großen Antheil am Mälar ein Areal von 126,12 AM.
und zählt 96691 E. (Ende 1850). Das Land iſt außer ben Bergwerksdiſtricten im Weſten
und Rorbiveften, die ſich durch Raturfchönheiten auszeichnen, eben ober flachhũgelig. Bewaldete
Höhenzüge wechfeln mit tiefen Thälern, Feine Aderfelder mit fhönen Wieſen, Laubholzwal⸗
dungen und gut beftellten Landgütern ab, beſonders in der Hachbarfchaft der größern Gewäſſer,
woran W. fehr reich iſt. Won den zahlreichen Seen ift der Mälar(f. d.) mit feinen Buchten und
WBelterbotten Beſtergaard 185
Snfeln der größte und fehönfte. Im Rorben bildet die Dalelf zum Theil die Brenge. Der Ström⸗
holmskanal verbindet ben Maͤlar mit den Bergwerksgegenden Weſtmanlands und Dalekarliens
und ift mit den Seen 14. M. lang ; ber 1, M. ange Hlelmar- oder Arbogakanal fegt ihn mit
dem Hielmarfer in Verbindung. Mineralquellen gibt esin Menge. Aderbau, Viehzucht, Fiſcherei,
Waldwirthſchaft und Bergbau bilben bie Hauptnahrungszweige ber Bevölkerung. Bon Erzen
werden befonders Eifen, Kupfer und &ilber erbaut, lepteres hier faft allein in ganz Schweden.
Auch bat W. die ftärkfte Production an Stabeifen im gangen Lande. Die in dem ebenften und
feuchtbarften füblichen Theile, an dem Swartän ımb dem Möälarfee gelegene Hauptſtadt We
Keras, Sig des Landhöfdings und Bifchofs, ein uralter Drt, hat ein ehemals befeftigtes Schloß,
in welchem Karl Erich XIV. bis 1574 gefangen ſaß, eine berühmte große, prachtvolle, an Dent-
würdigkeiten reiche Kathedrale, welche im 11. Jahrh. gegründet, aber fpäter erweitert wurde,
ein Meiſterſtück goth. Baukunſt, mit der Bibliothek des Gymnaſiums, welche nach der zu Lin⸗
koͤping befindlichen bie größte Gymmnafialbibliothet Schwedens ift, 12000 Bände zähle und
darunter die kurmainziſche Bücherfammlung, ein Geſchenk Axel Oxenſtierna's, enthalt. Fer⸗
ner hat die Stadt ein Rathhaus, einen botaniſchen Garten, eine Hospitalkirche, ein Lazareth, den
Geſundbrunnen Emmaus und Schiffswerfte und zaͤhlt 4000 E., die Schiffahrt und Handel
mit Eifen- und Meſſingwaaren, Vitriol u. ſ. w. treiben. Das Schloß wurde 1454 von den
Dalekarliern unter Ertgelbrecht, 1520 von König Chriſtian IL erobert und 1522 von Guſtav
Waſa belagert, ber hier 29. April 1521 mit den Dalekarliern feinen erften Sieg über die Da
nen erfocht und in der Stadt mehre Reichstage hielt. Im Südweſten, an unb nahe dem Mälar,
liegen: Arboga (f. d.); Köping, eine Stadt mit großer und fhöner Kicche, einem Gefundbrun-
nen und 1600 E., die Baummollenwaaren und berühmte Tifchlerarbeiten, befonderd Chatoullen
liefern ; das königl. Schloß und Geftüte Stroͤmsholm, auf einer Infel des Kolbälsän, mit
- Schönen Gärten; bie Infel Tidd, ein altes But mit herrlichen Parkanlagen, den Überreften des
alten feiten Schloffes Oldenburg und einem von Axel Drenftierna erbauten Schloſſe mit
merfwürbiger Rüſtkammer, Bibliothek u. ſ. w. Etwa 5% M. im Norden ber Hauptftabt liegt
bie Bergftadt Sala, am Sagaͤn, 1624 von Guſtav Mbdolf gegründet, mit 3200 E. und einem
Sefundbrunnen, berühmt aber durch Die benachbarte Silbergrube, bie reichfte Schwedens; fer
ner bad liebliche Waͤsby, ehemals ein Krongut, wo ſchon König Magnus Ladulaͤs im 13. Jahrh.
häufig Hof hielt und fpäter Guſtav Waſa und Guſtav Adolf mitunter wohnten.
Wefterbotten, ber nördlichfte Theil des großen ſchwed. Norr- oder Nordlands, umfaßt zu⸗
gleich, mit Ausnahme der zum Öfterfunds-Län gehörigen Famtlands-Rappmark, das ganze
übrige ſchwed. Lappland und zerfällt in die beiden Läne Umeä (f. d.) oder Weſterbotten im en-
gern Sinne und Piten ober Rordbotten, von denen jenes auf 1582, AM. 70758 E. diefes
auf 1554, AM, 55751 €. zähle, fobaf auf einen Länderraum von 2937%, AM. nur
126509 €. tommen. Die Hauptftäbte find Umes und Piteä, Hafenpläge an der Mündung
ber gleichnamigen Flüffe in den Bottnifchen Meerbufen, jene mit 1500, diefe mit 1300 €.
Bemerkenswerth find außerdem Kules, an der Mündung bes Luleä, mit einem Hafen und
1200 E., und Haparanda, eine Zeit lang Karl-Iohannsftad genannt, die nörblichfte Stabt
Schwedens, mit nur 170 E. am rechten Ufer des Torneä, gegenüber der ruff. Stadt Torneä
(f. d.), welche in dem von Schweden abgetretenen Ruffifch-Wefterbotten liegt.
Beltergaard (Niels Ludwig), verdienter Orientalift, geb. 27. Oct. 1815 zu Kopenhagen,
widmete ſich erft auf der Univerfität feiner Vaterſtadt, dann feit 1838 zu Bonn dem Studium
ber indifchen Sprachen und befuchte hierauf 1839 Paris, London und Orford. Im I. 1841
unternahm er zum Theil mit Unterflügung des Königs und der Univerfität eine Reife um das
Gap nach Indien, von ber er durch Perfien 1844 über Tiflis, Moskau und Petersburg zurück⸗
kehrte. Noch in demfelben Jahre warb er zum Lector, in Sept. 1845 zum Profeſſor der in-
Difch-orimt. Philologie zu Kopenhagen ernannt. Im Oct. 1848 in ben Reichstag gewählt,
fungirte er bei der grundgeſeggebenden Reihsverfammlung 1848— 49 al6 einer der Secre⸗
täre. W.'s Hauptwerke find bie vortrefflichen „Radices Sanscritae” (Bonn 1841) und die kri⸗
tiſche Ausgabe des „Zendavesta” (Bd. 1, Kopenh. 1852-53), welche auf drei Bände berech⸗
net ift, von bemen der erfie den Text fämmtlicher Handfchriften enthält, der zweite eine engl.
Überfegung und der dritte Grammatik und Wörterbuch der Zendfprache bieten wird. Außerdem
gab er den „‚Bundehesh” (Kopenh. 1851) heraus. Auch machte er den Verfuch zur Entziffe
zung der Achämenibifchen Keilſchrift zweiter Gattung, wie er ſich denn überhaupt unter Anderm
durch genaue Copien der altperſiſchen Keilinſchriften von Perfepolis, die er von feiner Reiſe
mitbrachte, um bdiefen Zweig des orient. Witerthums Verdienſte erworben bat. Außer einer
186 Beſtermann Beſterwald
„Sanskrit Formlare” mit „Sanskrit Aſebog“ (Kopenh. 1846) iſt noch fein Katalog ber indi⸗
Shen Handſchriften der königl. Bibliothek zu Kopenhagen (Kopenh. 1846) zu nennen.
Weſtermann (Ant.), verbienter Pbilolog, geb. 18. Juni 1806 zu Leipzig, widmete fidh,
auf dem Gymnaſium zu Freiberg vorbereitet, auf ber Univerfirät feiner Vaterſtadt 1825 — 30
ben altclaffifchen Studien. Nachdem er ſich 1830 bafelbft ald Priyatbocent habilitirt, erhielt er
4833 eine außerordentliche, 1834 bie ordentliche Profeſſur ber Alterthumskunde. Für das
Entftehen unb bie erfte Einrichtung ber 1846 geflifteten Geſellſchaft der Wiffenfchaften hat er
thätig mitgewirkt. Seine mündlichen Vorträge zeichnen fich durch große Klarheit und Gedie⸗
genheit aus, und dieſelben Vorzüge finden fich auch in feinen zahlreichen ſchriftſtelleriſchen
Leiftungen. Bon feinen Beinen Schriften find zu bemerken: „De publicis Atheniensium
honoribus ac praemiis” (2pz. 1830); „Quaestiones Demosthenicae” (2p3. 1850—37);
„De Callisthene Olyothio” (Xpz. 1858—42); „De litis instrumentis, quae exstant in De-
mosthenis oratione in Midiam“ (2p;.1844) ; „Commentationes crilicae in scriptores Grae-
cos” (Rpz. 1846 — 52); „De epistolarum scriploribus Graecis” (2pz. 1851 — 54). Richt
‚minder verbienen auch feine mit reichem kritifchen Apparat ausgeftatteten Bearbeitungen meh-
ver griech. Schriftfteller Beachtung. Zu erwähnen find die Ausgaben der „Vitae decem ora-
torum” (Quedlinb. 1833); der „Paradoxographi” (Braunfhw. 1839); des Stephanus vor.
Byzanz „De urbibus” (2pz. 1839); von Plutarch’s „Vita Solonis” (Braunfhw. 1840); der
„Mythographi” (Braunſchw. 1843); der „Biographi*” (Braunfdhiv. 1845); der fämmtlichen
Werke des Philoftratus (Par. 1848); der Neben des Lyſias (Lpz. 1853); der „Ausge⸗
wählten Heben” des Demofthenes (3 Bbe,Lpz. 1850—52). Eine Lüde in der Kiteratur
füllte W. durch feine „Geſchichte der Beredtſamkeit in Griechenland und Rom” (2 Bde, Lpz.
1833— 35) aus, die ebenfo wol von einem forgfältigen Quellenſtudium als von feinem Urtheile
zeugt. Außerdem lieferte er eine vielfach vermehrte, Ausgabe ber Schrift von G. I. Voß: „De
historicis Graecis” (83.1838), und eine beutfche Überfegung von Leafe'8 „Demen von Attita”
(Braunfhw. 1840), Viele Beiträge arbeitete er für bie von ihm mit Funkhänel begründeten
‚Acta societalis Graecae” (2 Bde., Lpz. 1835 fg.), für Jahn's „Jahrbücher der Philologie
und Pädagogik“, die „Zeitfchrift für die Alterthumswiſſenſchaft“ und die „Berichte und
„Abhandlungen“ ber Königl. Sächſ. Gefellihaft ber Wiffenfchaften.
Weſterwald heißt im weitern Sinn derjenige Theil des oftniederrhein. Gebirgslandes, wel⸗
her zroifchen dem Rhein im W., der Sieg im N., der Lahn im D. und &., der Eifel gegenüber-
liegt, größtentheils zu Naffau und den preuß. Negierungsbezirken Koblenz und Arnsberg, fehr
geringen Theils zur großberzogl. Provinz Oberheffen gehört; im engern Sinn aber nur der
nordöftliche und mittlere höchfte Theil des Gebirgbabfchnitts, welcher auch der. Hohe Weſterwald
oder die Kalte Eich genannt wird. Im Ganzen ift der Weſterwald eine Hochfläche, über welche
ſich nicht Hohe Bergrüden und einzelne Kuppen erheben, ein Grauwackenplateau mit Auflage-
rungen der Braumfohlenformation und fehr zahlreichen bafaltifchen, trachytiſchen und phonoli⸗
thiſchen Ducchfegungen, die in Geſtalt kleiner Kuppen darüber emporragen. Die Kegelforr, ifl
beshalb bei den Bergen des Weſterwalds die herrfchende. Die Scheitel der Berge find meifl ab-
gerundet unb mit Felsblöcken überfäet, bie oft mahre Felfenmeere bilden. Gewöhnlich ſchließt eine
Gruppe folder Kegelberge ringförmig eine Einſenkung des Plateaus ein, die dann meift ſum⸗
pfig und mit Torfmoor erfüllt oder ein See ift, nach Art des Laacherfees auf der Eifel. Der
Hohe Wefterwald oder bie Kalte Eich, der höchfte und rauhſte Theil des Gebirge, zieht vom
Ederkopf an den Quellen der Eder, Sieg und Rahn ſüdweſtwärts über Burbach bis gu der in
bie Sieg fließenden Nifter bei Hachenburg al eine kahle, ode Bafaltfläche von 1500 8. Höhe,
über welche viele einzelne Kuppen höher emporragen. Der höchfle Gipfel des ganzen Gebirge
ift der Saalberg oder Salzburgerkopf, 1937, nach Andern 2604 F. hoch. Es find nur Peine
Thalgründe, welche zwifchen den niedrigen Kegelbergen unregelmäßig verlaufen, nur fehr felten
duch den Braunkohlenthon und die Braunkohlen bis in die Grauwackenſchichten eingeſchnitten.
Bemerkenswerth find dagegen im Südweſten des Hohen Weſterwalds einige der erwähnten
Seen, unter denen ber Dreifelberweiher der größte. Gegen den Rhein fälle das Gebirge mit
ſchroffer, oft felfiger Böoſchung ab. Die Rauhheit und große Feuchtigkeit des Klimas, gefteigert
durch die vielen Verfumpfungen, ift im Weſterwald der Degetation, beſonders ber Holzzucht
nicht günftig. Das Gebirge erfcheint daher verhältnißmäßig fehr kahl, nur bie Abhänge der
Berge, auch des Hohen Weſterwalds find wie die niedrigen Bergflächen gegen ben Rhein hin
faſt überall mit Waldung bedeckt. Der bafaltifche Boden an fich if Dagegen bem Wachsthum
ber nicht perennirenden Bewächfe günſtig. Zxog bes langen fchneereichen Winters werben ziem⸗
Weſtfalen Weſtfalen (Königreich) 187
(ich viel Kartoffeln, Hafer, Gerſte, Kohl, Flachs und Heu erbaut und ausgezeichnet find die Ge⸗
birgeweiben und Wiefen. Der innere Bau liefert zur Benugung vorzüglich Braunkohlen und
Töpferthon, auch Kupfer und Eifen, welches legtere beſonders im Siegener Kreife und in mehr
als 100 Gruben in Naſſau ausgebeutet wird. Der Südabhang bed Gebirgs ift fat indufirielos,
der nörbfiche dagegen auf preuß. Gebiet gehört zu den induftriellften Gegenden Deutſchlands
An der Norbiweftede, — der Sieg und dem Rhein, erhebt ſich das Siebengebirge (ſ. d.).
Die Südweſtecke des Weſterwalds, zwiſchen Lahn und Rhein, bildet bie Montabaurer Höhe ober
ber Wald von Montabaur, der fih 1500-1774 F. Hoch erhebt und fteil zum Rhein abfällt.
Weſtfalen wurde feit der zweiten Hälfte des 8. Jahrh. der weftliche Theil des alten Der-
zogthums Sachſen zwifchen Weſer, Rhein und Ems genannt, im Gegenfag zu Oftfaien, dem
öftlihen Landftrihe Sachſens zwifhen Elbe und Weſer. Zu Grenznachbarn hatte das Land
die rhein. Franken, Friefen, Nordalbinger, Engern, Oftfalen, Thüringer und Karten. Bei ber
Auflöfung des Herzogthums Sachſen nach ber Achtserklärung Heinrich's des Löwen 1180
verlor ſich der Name Oſtfalen; der Name WW. aber ging theils auf den ſpätern Weſtfäliſchen
Kreis, theils auf das Sauerland ober das Herzogthum Engern über. Bei der Auflöſung des
Herzogthums Sachſen riß das Erzſtift Köln W. an ſich und erhielt es dann vom Reiche unter
dem Namen eines Herzogthums W. zu Lehn. Dieſes neue Herzogthum, als Zubehör des
Stifts Köln, gehörte aber nicht zum Weſtfäliſchen, ſondern zum Kurrheiniſchen oder Rieder⸗
rheiniſchen Kreiſe. Der Weſtfaͤliſche Kreis begriff das Land zwiſchen Niederſachſen, den Nie⸗
derlanden, Thüringen und Heſſen, auch anſehnliche Landesbezirke jenſeit des Rhein und wurde
zum Theil vom Niederrheiniſchen Kreiſe durchſchnitten. Seiner am Rhein gelegenen Zube⸗
hörungen wegen führte er kanzleimäßig auch den Namen des Niederrheiniſch⸗Weſtfäliſchen Krei⸗
fes. Er umfaßte die Stifter Minfter, Paderborn, Dsnabrüd, Lüttich ; die Abteien Korvei,
Stablo, Werden, Effen, Herford u. f. w.; die Herzogthümer Jülich, Kleve, Berg und Diden-
burg ; die Fürſtenthümer Minden, Verden, Oſtfriesland, Meurs und die naffauifchen Lande;
die Sraffchaften Mark, Ravensberg, Hoya, Diepholz, Blankenheim und Geroldsftein, Man-
berfcheid, Schaumburg, Kippe, Sayn, Bentheim, Tedlenburg, Lingen, Steinfurt, Rietberg,
Pirneburg, Wied, Pyrmont, Schleiden, Gimborn und viele Eleine geiftliche und weltliche Hert⸗
ſchaften, fowie die Reichsſtädte Köln, Aachen und Dortmund. Kreisdirectoren waren der Bi⸗
fchof von Münfter und der Herzog von Jülich, weshalb feit 1676 Brandenburg unb Pfalz al-
ternirend diefe Stelle befleideten. Das Herzogthum W., mit 72 AM. und 195000 kath. Be-
wohnern, 25 Städten und neun Freiheiten, blieb bei dem Stifte Köln, bie es in Folge bes
Reichsbeputationshauptfchluffes 1805 zur Entfchädigung an Heffen-Darmftabt gegeben wurde.
Zegteres trat auf dem Wiener Congreß das Herzogthum W. an Preußen ab.
Beftfalen, das Königreich, wurde vom Kaifer Napoleon zufolge der Beflimmungen bes
Tilſiter Friedens zwifchen Elbe und Rhein durch Decret von 18. Aug. 1807 gegründet. ‘Der
Friede zu Zilfit Hatte Napoleon zum Herrn aller preuß. Staaten bis zur Elbe gemacht; auch
war er im Befig ber Ränder der Kurfürften von Heffen und Hannover und bes Herzogs von
Braunſchweig, die er fich durch die Waffen zugeeignet hatte. Noch lag es nicht in feiner Ab⸗
fit, die Grenzen des Kaiſerreichs über den Rhein zu eriveitern ; es gefiel ihm daber, aus einem
Theile diefer Länder einen Filialſtaat feines Reichs zu bilden, und fo entftand das Königreich
Weſtfalen. Daffelde umfaßte die braunfchw.-wolfenbüte. und die kurheſſ. Länder (mit Uus-
nahme von Hanau und Kagenellubogen), die preuß. Provinzen Altmark und Magdeburg dieſ⸗
feit der Elbe und mit einem Rayon von einer Meile im Durchmeffer auf dem rechten Eibufer,
ferner Halberftadt, Hohnftein, Hildesheim, Goslar, Quedlinburg, Eichsfeld, Mühlhauſen,
Nordhaufen, Paderborn, Minden, Ravensberg und Stolberg Wernigerode, die hannov. Pro⸗
vinzen Göttingen, Brubenhagen mit Hohnftein und Elbingerode, Dönabrüd, ben ſächſ. An-
theil an der Grafſchaft Mansfeld und die fächf. Amter Gommern, Querfurt, Barby und Tref⸗
furt, dad Gebiet von Korvei und die Braffchaft Rietberg. Es hatte ein Areal von 602 DM.
mit Damals 1,946343 E. Napoleon gab das Königreich feinem jüngften Bruder Hieronymus
(f. Bonaparte), ber 7. Dec. in feiner neuen Reſidenz Kaffel eintraf und unter dem 15. Nov.
1807 dem Rande eine der franz. nachgebildete Verfaffung verlieh. Die Lage des newen durch
den Krieg bereits erfchöpften Staats war nicht günftig. Der Kaifer hatte fich zur Belohnung
feiner Krieger die Hälfte aller Domänen vorbehalten und bie Haltung einer Beſatung von
42500 Dann in Magdeburg ausbedungen, welche DB. erhalten mußte. Außerdem follten
noch die bedeutenden Refte der ben einzelnen Provinzen aufgelegten Kriegs ſteuer an Frankreich
bezahlt werden. Wiewol alle Hülfsmittel fehlten, gelang es doch, bie nöthigen Einrichtungen
188 Weftfalen (Provinz)
u treffen und in Burzer Zeit ein Heer von 16000 Mann aufzuflelien. Die neuen franz.
Kormen in Verwaltung und Rechtöpflege, die man ohne Weiteres einführte, wurben zwar
widerwillig aufgenommen, aber bald als psaktifch erkannt. Da außerdem bie Abgaben im:
Vergleich zu den Nachbarftaaten -erträglich waren, bie neue Verfaffung dem Volke doch eine
gewiffe Garantie und manche Rechte bot, auch ber glänzende Hof des Königs, der, neben
feiner feften Givilfifte vom Lande, ald franz. Prinz eine Apanage von einer Million France
bezog, namentlich der Hauptfladt viele Vortheile gewährte, fo ſchwand allmälig das Mis-
trauen und bie Regierung gewann eine gewiffe Feſtigkeit. Dennoch flammte, wie in ganz
Deutfchland, auch in W. Hier und da der Zorn über die Fremdherrſchaft auf und ed kam fchon
1809, während des Oſtreichiſchen Kriegs mit Frankreich, zu Unruhen im Innern. Auf der
öftlichen Seite des Staats fielen unter Schill’8 (ſ. d.) Anführung feindliche Streifcorps in
bie Provinzen an der Elbe ein; im Süden brach bei Marburg ein Bauernaufftand (f. Dörn-
berg) aus; im Magbeburgifchen organifirte der heff. Oberft Emmerich ben Aufftand, der Her»
309 von Braunfhweig-DIs zog nach ber Wefer und kaum konnte die Reſidenz gerettet werden.
Diss veranlaßte harte Mafregeln und ein drückendes Polizeimefen. Der König ſah fich außer-
dem nach den Verfügungen bes Kaiſers genothigt, fein Heer bis auf 50000 Mann zu erhöhen,
fobaß die Confeription äußerft Täftig und die Ausgaben vermehrt wurden. Die Staatsſchuld,
welche fich fchon 1808 auf 28 Mil. Thlr. belief, betrug 1809, nach den erften Reichstage,
412,667750 Thlr., und der Staat bedurfte ein jährliches Eintommen von 37,375000 Fres.
Neue Finanzverlegenheiten veranlaßten die Berfammlung des zweiten und legten Reichstags
28. San. 1841, der aber fo wenig wie der Finanzminiſter zu helfen im Stande war und zu
einer Anleihe von 10 Mil. Fred. und zu einer Eintommenfteuer fich entfchloß. Auch griff man
zur Verfchleuberung der Domänen (f. Weftfälifhe Domänen) und nahm zur Herabfegung
der Staatsfchuld feine Zufluht. Der Kaifer fchien das Königreich für diefe Anftrengungen
entfchädigen zu wollen, indem er im März 1810 faft ganz Hannover, mit Ausnahme von
Zauenburg, damit vereinigte. Kaum aber hatte der König fich in den Beftg gefegt, als eine an-
dere Verfügung des Kaifers den größten Theil bavon wieder nahm und von ben alten Provin-
zen Dönabrüd, Minden und einen Theil ber Graffchaft Navendberg trennte und mit dem Kai-
ferreich vereinigte, fobaß das Königreich nur wenig gegen früher vergrößert wurde, indem es
jest auf 825 AM. 2,056973 €. zählte. Die Regierung fah fich genöthigt, auch bie Continen⸗
talfperre in Ausübung zu bringen, worunter man jedoch in W. weniger litt als im übrigen
Deutſchland. Im 3.1812 führte ber König felbft fein Heer nach Polen, boch wurde er von
bem Kaiſer, der mit ihm unzufrieden war, zurückgeſchickt. Die fchone, mehr als 24000 Mann
ſtarke Armee fand mit der franzofifchen ihren Untergang jenfeit des Niemen. Schnell wurde
ein neues Heer organifirt und 12000 Weftfalen begleiteten den Kaifer von neuem nach Sach⸗
fen; aber gleich nach ben erften Unfällen, die den Kaifer in Schlefien trafen, gingen zwei Cava⸗
lerieregimenter davon zu den Preußen über. Schon vor der Schlacht von Leipzig vertrieb 1. Det.
1813 Tſchernyſchew den König Hieronymus aus feiner Reſidenz und erflärte das Königreich
für aufgelöft. Nach feinem Abzuge kehrte ber König in Begleitung eines franz. Truppencorps
nach Kaffel zurüd, aber nur, um auf die Nachricht von der Schlacht bei Reipzig 26. Dct. Re
fidenz und Land aufimmer zu verlaffen. Er hatte vorher Alles, was ſich in den Schlöſſern
befand ımd felbft einen Theil der Schäge des Mufeums megführen laffen. Zwei Tage nad
feinem Abzuge trafen bie Nuffen zu Kaffel wieder ein, und in der kürzeſten Zeit waren faft in
bem ganzen Königreiche W. das ohne irgend eine dDiplomatifche Verhandlung fofort verſchwand,
die früheren Regierungen wieder eingerreten.
Weſtfalen oder Weftphalen, Provinz des preuß. Staats, begrenzt von ben Niederlanden,
Hannover, Braunfchweig, Lippe- Detmold und Schaumburg - Kippe, Kurheſſen, Waldeck,
Heffen- Darmftadt, Naffau und der preuß. Rheinprovinz, befteht in ihrer jegigen Geftalt
feit dem Wiener Congreß und Parifer Frieden. Die Gebietötheile, aus welcher fie zu-
fammengefegt ift, gehörten theils fchon vor 1807 zu Preußen, theild mwurben fie 1815
damit verbimden. Zu den erſtern gehören die 1609 mit ber fülich-Mev. Erbſchaft an
Brandenburg gefommenen Graffchaften Mark und Ravensberg. Im I. 1648 wurbe
buch den Weſtfäliſchen Frieden damit das Hochflift Minden als Fürſtenthum verbunden.
Durch Kauf kamen hinzu bie Graffchaften Tecklenburg und Limburg, buch Erbſchaft
bie Grafſchaft Lingen, als Reichsentfhädigung 1802 die Bisthümer Münfter und Pader-
born als Fürftenrhümer und das Fürftenthum Korvei. Diefen feit 1807 theild mit dem
Königreich Weſtfalen (f.d.), theild mit dem Großherzogthum Berg vereinigt geweſenen Landes
Beſtfalen (Yroninz) 188
theilen wurben 7815
inzugefũgt: das Herzogthum Weſtfalen, die Kreiſe Arnsb
von Lippſtadt und Ol — —* Grafſchaften —— —
und Wittgenflein-Berledurg und die ehemals freien, dann mediatiſirten Reichsſtände des vor⸗
maligen Weſtfäliſchen Kreifes: Salm⸗Ahaus, Bocholt und Horftmar, Rheina-Wolbe, Ritt.
berg, Rheda, Anholt, Dülmen, Gehren, Bentheim und Steinfurt. Im 3. 1851 ward der bit da⸗
bin dem Fürften von Lippe gehörige Antheil der Stadt Rippftadt von diefem gegen eine Jahres-
rente abgetreten. Die Provinz hat ein Areal von 567,6 QM. zählte im Dec. 1852 1,504251
E. (wobei 7883 Militär) und zerfällt in die drei Regierungsbezirke Münfter (Nordweſten) mit
elf Kreifen (132,7 AM. mit 429863 €.), Minden (Nordoften) mit zehn Kreifen (95,8 AM.
mit 471775 E.)und Arnsberg (Süden) mit 14 Kreifen (140,1 AM. mit 602613 €.). Die
Bevölkerung ift ganz deutſch, ohne alle fremdartige Vermifchung, mit eigener, zu ber platt oder
niederdeutfchen gehörigen Mundart. Bon ber Gefammtbevölferung des 3.1852 waren 652801
Proteſtanten, 835841 Katholiten, 1 Grieche, 109 Mennoniten, 15499 Juden. Der Dber-
fläche nach ift die Provinz meift Gebirgd-, Berg- und Dügelland; nur der Regierungsbezirk
Münfter ift vorwaltend Ziefebene. Den öftlichen und nordöftlichen Theil nimmt das Weſer⸗
gebirge (ſ. d.) ein, deſſen Nordrand die in der Weftfälifchen Pforte bei Minden vom Weſerſtrom
burchbrochene Weferkette bildet, während der von dem ſüdwaͤrts bis zur Diemel reichenben foger
nannten Paderborner Plateau ausgehende, weit nad) Nordweſten hin geftredte Berg- und Hü-
gelzug des Döning oder Teutoburger Waldes (ſ. d.) als deffen Südweſtrand anzufehen ift. Den
fübfichen Theil der Provinz erfüllt der nörbdlichfte, zwifchen der Sieg und Ruhr gelegene Ab⸗
ſchnitt des oftniederrhein. Schiefer- und Graumadengebirgs. Die Thalfurche ber Ruhr felbfi
feheibet Davon auf ihrem rechten Ufer den kahlen Rüden der Haar ober des Haarſtrangs ab, der
im Often noch 800—1000 F. hoch ift, weftwärts in niedrige Hügelzüge übergeht, ſüdwärts
ſteil, nordwärts fanft zur Ebene ber Kippe, dem fogenannten Hellweg abfällt. Das vielfach ver-
zweigte und von tiefen Selfenthälern zerriffene Bergland im Süden der Ruhr heißt bad Sauer-
land (1. d.). Die öftliche Maffe, die höchſte des ganzen Gebirgsabfchnitts und von ganz W. ift
das Plateau von Winterberg an den Duellen der Rubr und Lenne, mit bem Eulminations-
punkte des 2536 8. hohen Aſtenbergs. Bon ihm zieht ſüdweſtwärts das Rothhaar- oder Roth⸗
lagergebirge zu dem 2200 F. hohen Ederkopf, an ber Quelle ber Eder, Sieg und Lahn, und von
diefem findet die Verbindung mit dem Weſterwalde (f. d.), dem füdlichften Hauptgebirge W.s,
flatt. Die Gebirgsgegenden haben fteinigen Boden, find jeboch von fruchtbaren Streden un-
terbrochen, wie das Weſerthal und bie reiche Warburger Börde an der Diemel. Zwifchen dem
Zeutoburger Walde und dem Haarſtrang dringt als eine Fortfegung bes nieberrhein. und holl.
Flachlandes die Weftfälifhe Ziefebene oder die Münfterifche Bucht zroifchen bad Weſer⸗ und
das nieberrhein. Bergland ein, welche, nur von wenigen vereinzelten Dügelgruppen unterbro«
hen, felbft an ihrem Oſtende bei Paderborn nur 400 $. hoch liegt und aus welcher die Emb,
bie Bechte und Lippe bervortreten, deren Wafferfcheiden kaum merklich erhöht find. Die Frucht.
barkeit des Bodens in biefer Tiefebene nimmt im Allgemeinen vom Nordrande gegen Süden
zu; fie iſt am größten in bem Landſtriche zwifchen Eſſen und Paberborn, die Soefter Börde
und den erwähnten Hellweg in der Graffchaft Mark einfchließend, welcher bie Kornfammer der
Provinz ift und einft die Heerftraße der Römer vom Rhein zur Weſer war. Am geringften iſt
die Fruchtbarkeit in dem Sumpf- und Waldlande der Senne und auf dem Kreibegebiet zwi⸗
fen Haltern und Borken, welches nebft den im Norden angrenzenden Gegenden bie Benen-
nımg das Sandland erhalten hat, aus welchem gleich Dafen bie Schöne Efch bei Süblohn
und dad Gebiet der Guten Stemwerbauern um Lüdinghaufen hervortreten. Dad eigentliche
Münfterland führt dagegen den Namen die Kleie. Die landwirthſchaftlichen Bewirthſchaf-
tungesfofteme find in dieſem verhältnigmäßig Meinen und gleichförmigen Niederungsgebiet fehr
wechfelnde. Ungefähr inder Mitte der ganzen Bucht liegt bie alte Hauptftabt Münſter (ſ. d.). Die
größern Bodenfchäge an Kohlen und Erzen am Südrande haben von dba bis zur ſchiffbaren
Lippe einen dichten Gürtel von Drten emporblühen laffen, wie Dorften, Bochum, Haltern,
Dortmund, Hamm, Unna, Kamen, Werl, Soeſt, Lippftadt, Geſecke, Salzkotten und Paderborn,
welche bie frühere Wichtigkeit Münfters in den Hintergrund ftellen. Die Weſer (mit der Die
mel und Weftfälifchen Werra), die Ems, Lippe und Ruhr, insgefammt ſchiffbar, find die wich
figften Slüffe. Von geringer Bedeutung find ber Max⸗Clemens⸗ oder Münfterfche Kanal, der
von ber Aa bei Münfter über Clemenshafen nah Marhafen nahe ber Vechte führt, und ber
Emstanal bei Rheine. Das Klima ift im Allgemeinen gemäßigt, rauf nur in ben Gebirge
gegenden des Bauerlandes und des Wefterwaldes; die Witterung übrigens veränderlich, feucht
130 | Weſtfalen (Provinz)
durch bie vorherrfehenden Nordweſtwinde, befönders int Regierungsbezitk Münfter. Häufig ift
auch dev Höhenrauch, befonder& im Norden. Won der gefammten Bodeunfläche der Provinz im
Betrage von 7,907600 Morgen kommen nach amtlicher Ermittelung (1852) auf Aderlanb
3,238730, auf Wiefen 549863, auf Waldungen 2,020989, auf Gärten, Obftland u. |. w.
4122757, auf Räumehütungen ober beftändige Weiden 928881, auf uncultivirted Land, Flüſſe,
Wege, Wohnpläge u. f. mw. 1,046380 Morgen. Der Grund und Boden ift ganz überwiegend
in Händen der Bauern und Meinen Anbauer, und im Ganzen herrfcht unter den Landleuten
eine größere Wohlhabenheit und beffere Lebensweife als in den oftlichen und nördlichen Pro-
vinzen ded Staatd. Nur aus den nördlichen Gegenden wandern viele Bewohner, um etwas zu
verdienen, nad) den Niederlanden, mo fie Torf ftechen und bei ber Ernte helfen. Die Weftfa-
Ien find im Ganzen gutmüthig, derb, gerade, ausbauernd, arbeitfam; ein eigenthümliches Nah-
eungsmittel ift ber Punipernidel. Die Erzeugniffe der Landwirthſchaft find Getreide aller Art,
auch Buchweizen, viel Kartoffeln, auch Hülfenfrüchte, Dfe und Bartengewächfe, befonders aber
viel Hanf und ausgezeichnet jchöner Flache, ſodaß W. unter den deutſchen Flachsländern den
erften Rang einnimmt. Doch deckt der Getreibebau nicht ganz den ſtarken Bedarf; auch Obft
und Hopfen wird nicht hinreichend gewonnen, Taback weniger als in ben andern Provinzen.
Der Wiefenbau wird befonderd im Süben gepflegt; im Siegenfchen hat ber Kunftwiefenbau
feine eigentliche Heimat. Holy wird nur in ben Gebirgögegenden, befonders im Sauerland und
im Süden überhaupt im bedeuternden Umfange erzeugt; in den nördlichen Ebenen rechts ber
Lippe decken Steinfohlen und Torf den Bedarf. Sehr anfehnlich ift die Rindvieh⸗, noch bedeu⸗
tender bie Schmweine- und in manchen Gegenden bie Ziegenzucht; ftrichweife wirb auch ſtarke
Bienenzucht getrieben. Der Pferdebeftand ift in den Kreifen Dortmund, Ham und Seeft fehr
bedeutend; das Weſtfäliſche Landgeſtüte ift zu Warendorf. Der Schafbeftand ift im Ganzen
gering, namentlich die Zahl ber veredelten Schafe fehr unbedeutend. Seinen Hauptreihthum
bat das Land neben dem Ertrage in ber Flachscultur in den Schägen ded Mineralreichs: Stein-
kohlen, Eifenerzen, die bei Siegen und dem nahen Müffen das befte Eifen in ganz Beftdeutfch-
land liefern; Kupfer, Blei, Zinkblende, Galmei, etwas Silber, Vitriol, Alaun, Antimon, Ko-
balt. Die Ruhrgegend und Ibbenbühren find bie Hauptdiftricte für den Kohlenbau, das Sie
genfche, die Umgegend von Brilon und Olpe, die Sraffhaft Mark für den übrigen Bergbau.
Sehr bedeutend ift auch der Steinbruchsbetrieb in Kalk. und Baufteinen, Gyps, Dachſchiefer
u. ſ. m., fowie der Salinenbetrieb in fieben Saltnen, unter denen bie von Königsborn bei Unna,
von Neufalzwerk bei Minden, von Salzkotten und Werl die ergiebigften find. Mineralquellen
und Gefundbrunnen find zu Driburg (f. b.), Brakel, Bünde, Vieftel oder Fieftel, Lippſpring
(Arminiusbad), Petershagen und Schwelm; Soolbäber zu Neuſalzwerk (königl. Bad Deyn-
haufen) und Königsborn.
Die Provinz hat eine bedeutende induftrielle Thätigkeit entwickelt. Obenan ftehen die Bear-
beitung des Flachfes zu Garn und Reinenzeugen und der Eifenhüttenbetrieb ; Iegterer beſonders
im Regierungsbezirk Arnsberg, erftere in den beiden andern. Der eigentliche Sig der weitfäl.
Zeineninduftrie ift ſchon feit dem 14. Jahrh. zwifchen der Kippe und Weſer. In und um Biele⸗
feld (1. d.), welches fchon Damals der Handelsfig für Garn und Leinwand war, wird die berühmte
- feine Leinwand gefertigt. Auch die Wollen-, Strumpf- und Bandweberei ftehen in hohem
Nufe. Berner gibt es viel Tuch und Baummollenfabriten. In Regierungsbezirk Arne-
berg ift die Metallmaarenfabrifation , namentlih im Weften, in der Graffhaft Mark,
und int Siegenfchen ausgezeichnet. Bekannt hierfür find befonders die Drte Iſerlohn, Lü⸗
denfcheid und Altena. Im Kreife und in der Stadt Hagen, von welcher ſich 1’, M. ge⸗
gen Südweſten nad) Gevelöterg die fogenannte Emperftraße ober Enneperfttaße hinzieht,
ein Thal am Flüßchen Empe oder Ennepe, bad ganz mit Wafferwerken, befonders Eiſenwerken,
befegt ift, werden allerlei unter dem Namen Enneper Waaren befannte kurze Eifen- und
Stahlmaaren, auch Ambofe, Mafchinen (zu Wetter), Senfen, Sicheln u. f. w. fabricirt. Auch
fabricirt man in W. Leder, Lederwaaren, Glas, Papier, Pulver, Pottaſche; DT, Seife, Holz⸗
waaren, Zuder, Tabad, Fayence. Der Handel bringt außer den zahlreichen Fabrikaten auch
Holz, weftfäl. Schinken, Würfte u. f. w. zur Ausfuhr. Die vorzüglichftien Handelsftädte find
Bielefeld, Iferlohn und Dortmund; Gtapelpläge für Getreide Beverungen und Minden als
Weſerhafen und Spebitionsort; der Hauptwollmarkt ift Paderborn. Ungemein fördert den
Verkehr außer den ſchiffbaren Flüſſen und guten Landſtraßen jegt das für gang Norddeutſchland
wichtige Eifenbahnneg W.s, defien Knotenpunkt Hamm ift. Die Köln-Mindener Bahn durch⸗
langt die ganze Provinz. Bon der Weſtfäliſchen Eifenbahn wurde die Strecke von Paberborn bis
DE m ui —
Weſtfaͤliſche Domanen 191
Hamm (10/. M.) im Det. 1850, yon Paderborn bis Warburg (7% M.) 21. Juli 1853 er⸗
öffnet. Dieſe ſchließt ſich bei Karlshafen an die Main⸗Weſerbahn an. Seit Juli 1853 iſt auch
von der wichtigen Muünſter⸗Emdener Bahn die auf weſtfäl. Boden belegene Strecke Münfter-
heine im Bau begriffen. Handelskammern befichen zu Herford, Bielefeld, Münfter, Arms-
berg, Kreis Hagen, Siegen, Iſerlohn. An höhern Bildungsanftalten befigt die Provinz bie
(kath) theologifche und philofophifche Akademie oder Halbuniverfität zu Münſter, bie philofo-
phifch-theologifche Lehranſtalt (Seminarium Theodorianum) zu Paderborn, die fath. Priefter-
feminare in beiben Städten, eine mebicinifh«hirurgifche Schule zu Münfter, eine Provinzial«
Hebammeniehranftalt zu Paderborn; 13 Gymnaſien: zu Minden, Herford, Bielefeld, Pader⸗
born, Gütersloh (evang. Privatgymnaftun, feit 1851 eröffnet), zu Münfter, Burg-Steinfurt
(1853 wieder eröffnet), Koesfeld, Recklinghauſen, Arnsberg, Dortmund, Hamm und Goeft;
acht Progymmaften: zu Warendorf, Werben, Rheine, Dorften, Warburg, Nietberg, Brilon
und Attendorn; ſechs Schullehrerfeminare: zu Münfter, Paderborn (beide für Kehrerinnen),
Langenhorft, Büren, Petershagen und Soeft, die vier letztern evangelifdy und mit Taubſtum⸗
meninflituten verbunden; ein jüd. Xehrerfeminar zu Münfter; ferner fünf Provinzialgewerb⸗
fhulen: zu Münfter, Bielefeld, Bochum, Hagen und Iſerlohn; zwei Handelsſchulen: zu Lü⸗
denfcheid und Nabe vorm Wald ; Realſchulen zu Münfter, Minden und Siegen; höhere Stadt.
ſchulen zu Altena und Lippftadt. Die von PVinde'fche Provinzialblindenanftalt hat zwei Abthei-
lungen, eine evangelifche zu Soeft und eine fatholifche zu Paderborn. Ein Randarmen- und
Befferungshaus und Kinderrettungsanftalt befindet fi) zu Benninghaufen; Srrenanftalten zu
Münfter, Warendorf und die Provinzial-Irren-Heil- und Pflegeanſtalt zu Stadtberge oder
Maröberg, die größte Anftalt ihrer Art in Preußen, mit einer Srrenabtheilung zu Gelede.
Der Sig der Regierung tft zu Münfter, ebenda der bes Generalcommandos bes fiebenten Ar-
meecorps, wozu außer ZB. noch ber Regierungsbezirk Düffeldorf gehört. Appellationdgerichte
find zu Münfter, Paderborn, Hamm und Arnsberg. Die kath. Kirchen und Geiftlichen ſtehen
unter ben Bischümern zu Münfter (mit 17 Dekanaten, wovon fieben im Negierungsbezirke
Düffeldorf) und Paderborn (mit 26 Dekanaten); bie evang. Kirchen und Geiſtlichen unter dem
Gonfiftorium zu Münfter, wozu 19 Kreisfynoden oder Superintendenturen gehören. Die Pro⸗
vinzialftände beftehen aus 12 Fürften und Herren, 20 Abgeordneten der Nitterfchaft aus ſechs
Wahlbezirken, 20 Abgeorbneten ber Städte und 20 Adgeorbneten ber Landgemeinden. Sie ver-
fammeln fi in Münfter. Dem verftorbenen Oberpräfidenten Freiherrn von Binde (f.d.) hat
die Provinz unendlich viel zu danken. .
Weſtfäliſche Domänen. Bei der großen Finanznoth des Königreichs Weftfalen 1810
wußte der Finanzminifter feinen andern Ausweg, ald auf ben Verkauf eined Theile der Staats⸗
domänen anzutragen, worauf auch ber Staatsrath einging, während ber Reichdtag dabei gar
nicht gefragt wurde. Nach der Auflöfung des Königreichs Weſtfalen erflärte zuerft der Kurfürft
von Heffen 14. San. 1814 diefen Domänenverkauf für nichtig; Daffelbe thaten die Kammern
von Dannover und Braunfchweig. Preußen dagegen beftäfigte 1814 die Verkäufe aus dem
Grunde, weil es das Königreich Weſtfalen anerkannt hatte. Ungeachtet der befondern Verwen⸗
bung von Seiten Preußens bei Kurheſſen, Braunſchweig und den althannov. Provinzen wur⸗
ben bie Domänenfäufer ohne Entſchädigung aus ihren Eigenthum vertrieben. Diefelben wen-
deten fich durch ihren Bevollmächtigten Phil. Wilh. Schreiber an ben Wiener Congreß und
erhielten durch den preuß. Minifter von Humboldt und den öftr. Minifter von Weſſenberg die
Berficherung, daß man ihre Rechte wahrnehmen werde. Als nun aber die Wiener Congreßacte
durchaus nichts über diefe Angelegenheiten beſtimmte, wies der Kurfürft von Heffen alle Ge
fuche der Domänenkäufer ohne Weiteres zurüd, obfchon die Stände fich zu Gunſten berfelben
ausgefprochen Hatten. Die Sache fam hierauf an den Bundestag, ber im März 1817 den Be
ſchluß faßte, baf den Domänenkäufern zur Ausführting ihrer Einrede, der Kauffchilling fei im
Nugen bed Staats verwendet worben, ber Weg des Rechtens zu geftatten fei. Der Bevollmäch⸗
tigte betrieb nun ben Proceß bei ben kurheſſ. Randeögerichten durch alle Inftangen, verlor ihn
aber vor dem Oberappellationsgerichte zu Kaffel aus dem Grunde, mweil die Eurfürftliche Ordre
vom 14. San. 1814 ein von dem Landesheren, ald dem höchften Gefeggeher, ausgegangene6
Befeg fei. Die Sache kam nochmals an ben Bundestag und nacheinander an die Congreſſe zu
Aachen, Karlsbad und 1820 nad Wien; auch wurde 3821 in Berlin eine Commiſſion von
Preußen, Hannover, Heffen und Braunfchweig niedergefegt, welche eine Ausgleihung der
weitfät. Sinanzangelegenheiten zu bewirken fuchen follte, mas aber Alles nichts Fruchtete und ohne
Erfolg blieb. Endlich erledigte ber Bundestag die Sache feinerfeits A. Dec. 1825 durch den
192 Weftfälifeher Friede
Beſchluß, daß er fich für die Angelegenheiten ber weitfäl. Domänenfäufer nicht für eompetent
halte, weil in der kurfürſtlich heſſ. Drdre von 1814 eine Juſtizverweigerung begründet fei.
Preußen einigte ſich bereit6 1827 mit den Domänenkäufern. In den andern Staaten blieb bie
Sache nach dem Tode bed Bevollmächtigten ganz Tiegen, und felbft bie Hoffnumg auf einen nur
einigermaßen günftigen Erfolg ſchwand, feitdem Preußen, Kurbeffen, Braunfchweig und Han⸗
nover 1843 in einem gemeinfamen Vertrage fih babin ausfprachen, daß bie in ben genannten
Staaten gemachten Zwan gsanleihen von 1808, 1810 und 1812 definitiv nicht anzuerkennen,
fondern für nichtig zu erklären feien.
Weftfälifcher Friede wird der 1648 zu Münfter und zu Dsnabrüd, welche beide Städte
zum MWeftfälifchen Kreife gehörten, gefchloffene Friede genannt, durch den ber Dreifigjährige
Krieg (ſ. d.) geenbigt, die Ruhe für Deutfchland hergeftellt und ein neues politifches Syſtem ir
Europa begründet wurde. Er war die Grundlage aller nachfolgenden Friedensfchlüffe bie zur
Franzöſiſchen Revolution und wurde insbefondere in Deutfchland ald das vornehmſte Grund⸗
gefeg der deutfchen Staatöverfaffung angefehen. Schon fieben Jahre vor den Abfchluffe wur⸗
den gegen Ende des 3. 1641 zu Hamburg Präliminarien feftgefegt, bie befonders ben Ort und
die Art der Eonferenzen betrafen. Deutfchland war zu biefer Zeit erſchöpft und Oſtreich in fei-
nen Erblanden bedroht. Der Kaifer Ferdinand II. zeigte fich Daher fehr geneigt für ben Frie⸗
ben; doch hatte er dabei die geheime Abficht, den Frieden mit Frankreich und Schweben für ſich
allein, ohne Beitritt des Deutſchen Reiche, zu fchließen. Die wirklichen Friedensverhandlungen
fingen erft 1644 an und wurden zu Osnabrück zwifchen den Eaiferlichen, reichsftändifchen und
ſchwed. Gefandten, zu Münfter zwiſchen dem Kaifer, Frankreich und andern fremden Mächten,
jedoch immer in gewiſſer Verbindung und fo betrieben, daß die an beiden Orten angenommenen
Artikel für Einen Tractat gehalten werden und fein Theil ohne ben andern Frieden fchließen
follte. Die Trennung gefchah, theild um Rangftreitigkeiten zwifchen Frankreich und Schweden
u vermeiden, theild aber auch, weil bie Schweden nichts mit dem päpftlichen Nuntius, der ben
Kriehen vermitteln helfen follte, zu thun haben wollten. Von Frankreich waren in Münfter be _
vollmächtigt der Herzog von Dunois und Longueville, d'Avaur und Servien, welche von Ma-
zarin und Lyonne inftruirt wurden. Schmwebifcherfeitd unterhanbelten Oxenſtierna, ber Sohn
bes Kanzlers, und Salvius, die auch den Tractat zu Osnabrück unterzeichneten. Die kaiſerl.
Bevollmächtigten waren der Graf Joh. Ludw. von Naffau, dee Graf von Lamberg und die
Nechtögelehrten Bolmar und Crane; doch in den legten 18 Monaten war bie Seele des ganzen
Werks der Graf Mag. von Zrauttmansdorff (f.d.). Spanien hatte Saavedra, Brun u. A. ber
vollmagtigt. Die Generalſtaaten hatten acht Bevollmächtigte gefchidt ; die Eidgenoſſenſchaft
vertrat der wadere Bürgermeifter von Bafel, Joh. Jak. Werftein. Unter den protefl. Geſand⸗
ten zeichneten fich aus der Bevollmädhtigte von Braunfchweig, Jak. Lampadius, und ber von
MWürtemberg, Joh. Konr. Barnbühler. Der Gefandte der Republik Venedig, Contareno, und
ber päpftliche Gefandte, Fabio Ehigi, der nachherige Papſt Alesander VIL, traten als Vermitt«
ler auf. Adam Adami, der Gefandte des Fürſtbiſchofs von Korvei, machte den Geſchichtſchrei⸗
ber ber Berfammlung. Nang- und Titelftreitigkeiten verzögerten noch lange die Eröffnung des
Congreſſes. Die fürftlihen Gefandten verlangten nämlich gleich den Purfürftlichen den Titel
Excellenz; daher der kurbrandenburg. Geſandte einft vor Ungeduld ausrief: „Wir fonnten wol
etwas Gutes miteinander ausrichten, wenn nur die gottlofe Ercellenz nicht ware!” Während ber
Verhandlungen wurbe der Krieg fortgefegt. Der ſchwed. General Torſtenſon drang fogar 1645
in die kaiſerl. Erbländer ein. Der legte Priegerifche Auftritt fand da flatt, wo der Krieg ange»
fangen hatte, nämlich bei Prag. Königsmark eroberte 15. Juli 1648 die fogenannte Kleinfeite
biefer Stadt. Dies gab ben langen, fchwierigen Unterhandlungen ben Ausfchlag und ed wurbe
nun der Friede 24. Det. 1648 zu Münfter abgefchloffen, wohin kurz vorher auch die Bevoll-
mächtigten ven Osnabrück, welche früher zum Schluß gekommen waren, ſich begeben hatten.
Durch ihn wurde bie Staats und Religionsverfaffung Deutfchlands auf einen feften Fuß ge
fegt und die Landeshoheit ber Reichsſtände anerkannt. Regtere erhielten dad Recht ber Bünd⸗
niffe unter fi und mit fremden Mächten, nur nicht gegen Kaifer und Reich; auch follten ohne
ihre Einwilligung die bisher vom Kaiſer fo häufig verhängten Achtserflärungen nicht mehr ſtatt ⸗
finden. Das Kurhaus Pfalz erhielt die Pfalz am Rhein zurüd und es wurde für daffelbe eine
achte Kurwürde errichtet, die jedoch, im Kal die bair. Linie ausftürbe, was 1777 gefchah, wie-
der erlöfchen follte, weil alsdann Pfalz in die bair. Kurwürde zurücktrete. Die feit dem Neli-
giondfrieden von 1555 zum Vortheil der Proteftanten gemachten Veränderungen erhielten ei«
m feiten Beftand durch die Beftimmung, da Alles fo verbleiben follte, wie e8 mit den An-
—
2 Beſtfaliſcher Friede 198
fange des fagenannten Normaljahrs (ſ. d.), des J. 1624, geweſen war. Ber 3. Jun. dieſed Jahres
mar der Normaltag für den Beſitzſtand der fäcularifirten Güter; das ganze Jahr galt für den
Belipftand der Religionsübung und der an Mittelbare zurückzugebenden mittelbaren geifttihen
Güter. Nur für Oftreidy galt dieſe Beſtimmung nicht; für die Pfalz, Baden und Wuͤrtemberg
‚galt das 3. 1618 als Normaljahr. Den Beformirtm wurden gleiche echte mit den augbbur
ger Eonfelfionsverwandten bewilligt. Den Landesherren wurde zum Geſeß gemacht, die Con⸗
feillouen, die nicht die. ihrigen wären, wenigſtens nicht zu verfolgen oder zu bebrüden. Mehre
geiſtliche Stifter wurden färularifirt ımd einzelnen Ständen ald Entſchädigung überfaffen. Der
Kailer willigte in diefe Maßregel, um keins non feinen Erbländern au verlieren. An Frankreich
wurde Elſaß abgetreten ; Schweden erhielt Borpommern, Bremen, Verden, Wismar und bie
Summe von 5 Miu. Thirn. für feine Truppen; Brandenburg die ſäculariſirten Bisthümer
Halberftadt, Minden, Kamin und die Anwartſchaft auf Magdeburg; Mecdlenburg die fäculari-
firten Bisthümer Schwerin und Napeburg; Dannoper, abwechfelnd mit einem farb. Bifchof,
das Bisthum Dönabrüd und einige Klöfter; Deffen-Kaffel die Abtei Hirfchfeld und 600000
Thlr. Die vereinigten Nieberlänber wurden von Spanien als eine freie Nation und die Schwei⸗
zer ald unabhängig vom Deutichen Reiche anerkannt.‘ Frankreich ımd Schweden garantirten
den Frieden. Die feierliche Berwahrung bes Papſtes Innocenz X. gegen diefen Frieden, bejon-
ders in Rückſicht auf den Verluſt des päpſtlichen Stuhls dur die Säcularifation der Stifter,
wurde nicht auerfannt; doch fand die vollſtändige Ausführung aller Bedingungen des Frieden
mancherlei Schwierigkeiten. Der Krieg dauerte fogar noch fort zwiſchen Frankreich und Spa⸗
nien ımd ebenfo zwiſchen Spanien ımd Portugal. Vgl. Woltmann, „Geſchichte des Weſtfäli⸗
fhen Friedens” (2 Bde., Lpz. 1808), die den dritten und vierten Band von Schiller's, Ge⸗
Ihichte des Dreißigjährigen Kriegs“ bilder.
Das fpätere Schickſal Deurfchlands hat gezeigt, daß, foniel auch diplomatiſche Talente und
zum Theil felbft guter Wille bei diefem Friedenswerke thätig waren, dennoch der Nationalein-
heit ded Deutſchen Reiche und Damit der Kraft und Würde deffelben umgemein gefchadet wurde.
Indeß war dies größtentheils Die Folge der Territorialpolitik, welche Deurfchlands Fürften ſchon
fängft unter ſich verfeindet und dem Einfluffe des Auslandes bahingegeben hatte. Wäre Fer⸗
dinand II. nicht unduldfam, fondern in demielben Grade ſtaateklug gewefen, fo fand ed nach
dem Frieden mit Dänemark zu Lübeck 4629 wol im feiner Gewalt, das Deutſche Reich wieder
au feiner alten Würde zu erheben. Durch dad von Jeſuiten betriebene Reftitutiondedict (f.d.)
aber entriß ex fich felbft die Frucht der Siege Tilly's und Wallenſtein's. Jetzt forgte jeder deut-
Ihe Fürſt nur für fih und fein Haus. Das Meich nentor fo durch den Weſtfäliſchen Frieden nicht
blos eine Ländermaſſe von 1900 AM. mit 4", Mil. Menſchen, fondern auch feine weſtliche
Militärgrenge; überdies blieben Lothringen nach Elſaß bin und der Burgunder Kreis im Mes
fin und Norden ſchutzlos. Wenn anferdem diefer Berluft fihem am ſich den beutfchen Handel
mit Stalien und den mit ber Nordfee, zumal bei der Sperrung der Schelde, fehr erſchwerte, fo
mußte im innern NRationalverkehr des Reichs die Befeftigung der dreihundertfach landes herr⸗
lichen Vielherrſchaft und die Verwickelung fo vielfeitiger Grenz⸗ umd Hoheitsrechte noch weit
mehr den Bang ber Berwaltung erfchweren, fie mit Formen überladen und die Volksſtämme
feindfelig auseinanderreißen. Dagegen wurde Deutfchland nun Gegenſtand und Schauplat
der europ.Staatshändel, feit Die Fürften das van Frankreich bei derfriebnsverhanblung durch⸗
gefegte Recht der Bündniſſe geltend machten, Baiern aber, Braudenburg und andere deutfche
Regentenbäufer eine Stellung in bem eurep. politifchen Syſtem annahmen und fremde Mächte,
wie Schweden, in das innere Reichsregiment mit eisteatem. Mit dem Weſtfäliſchen Frieden ent
ftand ganz eigentlich die neuere Gabinetsregierung der dentſchen Höfe und bie damit verbun⸗
dene außmärtige Diplomatik. &s bildete ſich nun ein Hofe und: ein Kriegoſtaat nach, dem an⸗
dern aus, und die in ihrer Gewerb⸗ und Handelsfrelheit darch Zölle und Beſchraͤnkumgen aller
Art vielfach eingefchnärte deutſche Nution ſtrengte ihren Kunſtfleiß und ihre Kraft faft mır
dazu an, um für eimige Hımdert Hofhaktungen, Geſandſchaftcorps umd größere oder Meinere
Kriegbheere bie Koften zu erfchwingen. Mit dem Allen erlangte die dentſche Ration weder Ach⸗
tung noch Sicherheit vor dem Auslande, vielmehr wurden die meiſten europ. Kriege auf ihrem
Grund und Boden, mit ihrem Blute und auf ihre Koſten ausgefochten. Auch als Schut des
Proteſtantismus kann der Weſtfäliſche Friebe nicht angeſchen werben. Vielmehr verlor der-
ſelde in den Friedensunterhandiungen zum Theil wieber, was ihm die Waffen ſchon erkämpft
hatten. Gr konnte ſich nicht weiter Im Reiche ausbreiten, und die aus den öſtr. Erblanden ver-
Gono.⸗Lax. Zebnte Aufl- XV. a. 2133 J
194 : WBeftgotpen Weftindien
triebenen, ihrer Güter beraubten Proteflanten erhielten nicht einmal die Wiebereinfegung in
den vorigen Stand, geſchweige Entſchädigung. Übrigens ift es gar nicht unwahrſcheinlich, daß
die Königin Chriftine von Schmeden durch eine Sumne von 600000 Thlen. fich beivegen ließ,
von ihren Foderungen für jene Unglücklichen abzuftehen. Allerdings ftellte der Weſtfäliſche
Friede viele Entfchädigungsmittel auf, aber nur zu Bunften der Fürften und auch dies auf Ko⸗
fien der Schwächern. Diefer Friede har im Deutſchen Reiche das ariftokratifche Princip auf
Koften des monarchiſchen recht eigentlich entwidelt. Unftreitig war er auch für das Haus ÖR-
reich fehr nachtheilig; denn diefed wurde nun aus dem Herzen des Reichs auf feine Erbſtaaten
zurüdgedrängt, während Frankreich und Schweden in jenem Platz faßten. Bei diefem Vortheil,
den die fremden Mächte erlangten, verlor aber am meiften das Reich ber deutfchen Nation felbft.
Den deutfchen Staatömännern, die ben Frieden mit abfchloffen, Bann man indeffen die Schulb
davon keineswegs aufbürden. Sie fonnten ſchon nicht umfchaffen, was frühere Jahrhunderte,
vorzüglich die Umgriffe der Feudalmacht und ber Hierarchie im deutfchen Reichshaushalte ver-
dorben hatten. Der Weftfälifche Friede war das enbliche Ergebniß von taufend unglücklichen
Begebenheiten, die ungefchehen oder folgenlos zu machen eigentlich in Feines Menfchen Gewalt
mehr fland. Endlich darf diefer Friede nicht als das Werk deutſcher Staats kunſt angefehen wer⸗
den; er war das Werk europ. oder vielmehr franz.⸗ſchwed. öſtr. Staatskunſt. Daf er aber dieſes
war, davon fällt die Schuld auf die Uneinigkeit der deutfchen Fürſten unter fi) und auf bie
Gleichgültigkeit der meiften gegen bie allgemeine Volksehre und Nationalwohlfahrt.
Weſtgothen, ſ. Gothen.
Beſtgothland, ſ. Gothland.
Weſtindien wird der zwiſchen den beiden Continentshälften Amerikas gelegene Archipela-
gus genannt, der in einem großen von Südoſt nach Nordweſt gerichteten Bogen das große
centroamerik. Binnenmeer nad Often zu abſchließt. Dieſer ganze weſtind. Archipel, der ſich,
zwiſchen I0° und 26° n. Br. und zwiſchen 42° und 67° w. L., von der Mündung des Dri-
noco bis zur Halbinfel Florida und Yucatan zieht, zerfällt in mehre Gruppen oder Rei-
ben größerer und Eleinerer Infeln, welche faft durchgehende eine Längliche, der Richtung der
Reihen, welchen fie angehören, entfprechende Geftalt haben. Diefe Gruppen find: bie Kleinen
Antillen, die fi von ber Mündung des Drinoco in der Richtung von Süden nad) Norden bie
zu 19° n. Br. erfiteden; die Großen Antillen, oder Portorico, Haiti, Jamaica und Cuba,
welche in einer Reihe vom Nordende der Kleinen Antillen in weſtnordweſtlicher Richtung
nach der Nordoftfpige der Dalbinfel Yucatan ziehen; die Bahamainſeln oder Zucayen, die
fih im Norden von Haiti in nordweſtlicher Richtung bis zur Oftfüfte von Florida erftreden,
von ber fie durch den Neuen Bahamakanal getrennt werden. Auch theilt man die Gruppe der
Kleinen Antillen in Infeln über dem Winde und unter dem Winde, fowie in die äußere Reihe
oder die Karaibiſchen Infeln und in die innere Reihe, die ſich längs der Nordküſte Südame-
rikas hinzieht. Der Flächenraum ſämmtlicher weſtind. Infeln beträgt etwa 4500 AM., mo-
von 3980 auf die Großen Antillen, gegen 300 auf die Kleinen und der Reſt auf die Bahama⸗
infeln fälle. Sämmtliche Antillen erheben fich hoch über die Meeresfläche, fodaf man fie als
Bruchſtücke eined untergegangenen oder vielleicht richtiger eines noch nicht vollſtändig über Die
Meeresfluten gehobenen, noch nicht vollſtändig entwidelten Gebirgszugs betrachten ann.
Die Bahamainfeln dagegen beflehen aus niedrigen Rorallenfelfen.
Die höchften Berge findet man im weſtlichen Theil von Haiti, im öftlichen Theil von Cuba
und im nördlichen von Samaica, doch ift ſchwerlich einer über 8000. F. hoch. Auf den Kleinen
Antillen findet man die auögebehnteften Ebenen an der öftlichen Küfte, was auf den Großen
Antillen und den Jungferninſeln nicht der Fall ift. Auf den meiften Infeln wird das Hochland
von den Rieberungen durch fchroffe Abhänge gefchieben, die beſonders auf Haiti auffallend find.
Die zahlreichen Buchten der Infeln bieten fichere Häfen dar. Die Korallen und Mabdreporen-
felfen, die in diefem Meere häufig find, haben ebenfo viel zur Bildung diefer Infelwelt beige-
tragen al& bei den Infelgruppen im Südmeere. Cuba, die Jungferninfeln und die Bahamain-
fein find von ungeheuern Korallenlabyrinthen umgeben, die bis an die Oberfläche des Meeres
binaufreichen und mit Palmen bedeckt find. Mehre Infeln zeigen Epuren eines vulkanifchen
Urfprungs. Alle weftind. Infeln haben ziemlich gleiches Klima. Die heiße und feuchte Jah⸗
teögeit, ber weftind. Srühling, beginnt im Mai; Laub und Gras erhalten ein friicheres Grün,
und um die Mitte ded Monats fällt der erfte periodifche Regen, täglich gegen Mittag. Nach
“rzehntägigem Regen tritt trockenes und beftändiges Wetter ein und ber tropifche Sommer
"me in aller Herrlichkeit. Die Dige wird durch Die faft während des ganzen Jahres we ⸗
— — — — — — — —
Veſtindien 195
henden Oftpaffatiwinde und die bei den: geringen Umfange der meiften Inſein kraͤftig wirkenden
Seewinde gemildert. Die Feuchtigkeit dauert oft bei der ſtärkſien Sonnenhige fort, ſodaß die
Infelbewohner gleihfam in einem Dampfbade leben und das Klima in den Niederumgm am
Meere, befonders den Europäern, durch das Gelbe Fieber und andere den Tropengegenden
eigenthumliche Krankheiten im höchſten Grade verderblich wird. ine mildere, reinere und
darum gefündere Zuft weht auf den höhern Theilen der Infeln; um fo milder und gefünder, .
je größer bie Höhe if. In der warmen Jahreszeit find die Nächte unbefchreiblich fhon. Der
Mond und die Sterne glänzen mit einer in Europa ganz unbefannten Klarheit. Um die Mitte
bes Yiuguft wird die Hipe unerträglich, und Die Seewinde hören faft ganz auf. Der herbftlicye
Regen wird allgemein im Detober. Die Wolken ergießen fih in Strömen, alle Flüſſe werben
angeſchwellt und alle Riederungen überſchwemmt. Bom Auguft bis October werden die Inſeln
von Stürmen heimgefucht, die oft furchtbare Verheerungen anrichten. Gegen Ende November
beginnt heiteres und angenehmes Wetter, nördliche und nordöftliche Winde wehen und der
ſchönſte Winter auf dee Erde dauert vom December bis Mai. Ausnahmen von diefen Mimatifchen
Berhältniffen findet man auf den gröfern Infeln, welche oft durch die von den Bergen wehen-
den Landwinde erfrifcht werden. Eine große Page WB.8 find die furchtbaren Orkqne und Erd-
beben, durch die ein Theil der Infeln von Zeit zu Zeit heimgeſucht wird. Die Uppigkeit des
Pflanzenwuchfes, den wir auf dem amerik. Fefllande finden, zeigt ſich auch auf den Inſeln.
Mehre Bäume liefern treffliches Bauholz, wie die Ceder, Eiche u.f. m. Der Mahagonibaum
wächft vorzüglich auf Jamaica, wird aber nad) und nad) feltener. Der Europäer hut hier Die
Erzeugriffe des Drients und des Abendlandes zu vereinigen gewußt. Ponteranzen, Eitronen,
Sranaten, Feigen wachen rings um die Pflanzungen, die meiften europ. Obftarten gedeihen in
den Bebirgsgegenden, während die Ebenen die herrlichften tropifcgen Gewächſe ſchmücken. Die
ungeheuern Wiefenflähen (Bavannen) im Innern der größern Inſeln bededt ein ſammtarti⸗
ges Grün. Der Hauptreichthum befteht in den aus der Cultur der tropifchen Handelspflanzen
geinonnenen Producten. Die Vanille wächſt nur in den Wäldern von Jamaica wild, die Aloe
auf Cuba und den Bahamainfeln. Indigo, Piment, Cacao, Cocosnuß, Mais, Tabad und
Baummolle findet man auf vielen Infeln. Yams und Bataten, beide einheimiſch, find die
Hauptnahrung der Neger. Die Brotfrucht wurde von Draheiti nach Jamaica verpflanzt. Don
Getreidearten wird nur der Mais flarf gebaut, Reizen dagegen nur wenig; man bedarf
daher deſſen Zufuhr aus Canada und den Vereinigten Staaten. Die Hauptftapelmaaren W.s
find Zucker ımd Kaffee. Das aufden mweftind. Inſeln angebaute Zuderrohr wurde im 16. Jahrh.
durch Die Spanier von den Ganarifchen Infeln gebracht und der Kaffeebaum aus Arabien be
ſonders von Niederländern und Franzoſen in W. eingeführt. Die Baumwolle ift haufig auf
Infeln, die einen trockenen und fleinigen Boden Haben, doch die Ernte der herrſchenden Feuch⸗
tigkeit wegen oft unfiger. Bor der Ankunft der Europäer auf den weſtind. Infeln waren nur
wenige Arten vierfüßiger Thiere einheimiſch, beſonders Eleinere Arten, wie das Aguti, eine
Mittelgattung zwifchen Kaninchen und Natten, das Pekari oder merican. Schwein, das Arma-
did, das Dpoſſum und kleinere Affenarten. Haufig find Eidechfen, Sforpione und Schlangen,
aber nur Martinique und Sainte⸗Lucie haben wahre Vipern und giftige Storpione. Der ger
fräßige Kaiman lebt in flillen Gewäſſern. Die köfttichften Schildkröten werden bei Jamaica
gefangen, wie auch die Rieſenſchildkroͤte. Die Vögel zeichnen fih durch das glänzendfte Gefie⸗
der aus. Der Papagei und ber goldglängende Kolibri beleben die Wälder und zahltofe Waſſer⸗
vögel die Geſtade. Sämmtliche Hausthiere find aus Europa eingeführt, von denen namentlich
Rindvich und Pferde auf den größern, grasreichern Inſeln gebeihen, wo fie, wie in den &a-
vannen Sũdamerikas, in großen Heerden in halbwildem Zuſtande eriftiren.
Die erfien weftind. Infeln, Bahanıa, Cuba, Haiti und Portorico, würden feit 1492 durch
Columbus (f.d.) entdedt. Da man in ihnen das von Columbus gefuchte Indien gefunden zu
Baben meinte, fo erhielten fie, als man erkannt, daß man einen gang neuen Erbtheil gefunden,
den Namen Weſtindien, im ˖ Gegenſatze zu Dftindien. Antillen wurden bie beiden Hauptgrup⸗
pen der weftind. Infeln nach einer eingebilbeten Infel Untilia genannt. Man fand zwei ver-
f&iedene Menfchenflämme, die Karaiben und die Arrowauks, auf Cuba, Haiti, Portorico, den
Bahamainſeln und Samaica, jene Triegerifch, diefe friedlich umd durch verfchiedene Sprachen
unterfchieben. Die Karaiben mögen die ſchwächern Stänıme vertilgt haben, wie fie ſelbſt den
Europäern weichen mußten. Es leben jegt nur noch geringe Überrefte von ihnen auf Zrinidad
und der Küſte des amerik. Feſtlandes, wohin die Spanier fie verpflangt habg. Die Spanie
196 Beflindien
gründeten die erſten Niederlaſſungen auf Gubas die Gingeborenen aber wurben durch Tribut
an Gold und Baumwolle hart gedrückt. Seit 1503 begann die völlige Bertheilung der Boden-
fläche (repartimientos) unter den Europäern. Durch diefe Einrihtung wurden eigentlich wi⸗
der den Willen der fpan. Regierung die Eingeborenen zu Sklaven gemacht, und bie allmälige
Ausrottung des Urſiamms war zu Anfange bes 17. Jahrh. vollftändig. Es begaun num auf
den weftind. Infeln ber Anbau von Colonialwaaren, Gewürzen, Barbehölzern und Baunmolle.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. geriethen die Infeln in Verfall; Anbau und Bevölkerung
nahmen ab, weil die deöpotifchen Ginrichtungen der fpan. Regierung die Entwidelung der in-
nern Kraft binderten. Die Statthalter der Infeln waren ganz abhängig von ber Regierung.
Der Handel murde immer mehr gefeffelt; fein Schiff eines andern europ. Volkes durfte landen;
die Coloniften konnten nur mit einer einzigen fpan. Stabt (Sevilla und feit 1720 Cadiz) han⸗
dein, und in fpätern Zeiten war die Ausfuhr ber einheimifchen Erzeugniffe auf gewiſſe Sorten
befchränft. Diele Coloniften wanderten aus und die Infeln verödeten. Alle Heinern Küſten⸗
ftädte wurden zerftört, um den Schleihhandel zu hemmen. Bei dem zunehmenden Sinken der
fpan. Macht wurden aud) von andern Seemächten feindliche Unternehmumgen gemacht. Die
größte Gefahr aber brachten den Colonien feit 1650 die Flibuftier (ſ. d.), die endlich einen form-
ih eingerichteten Raubftaat bildeten. Auf manchen Infeln wurde durch fie der Grund zur er⸗
fien Anfiebelung gelegt. Als im 17. Jahrh. auch andere europ. Mächte Infeln in W. erwar-
ben, wurde man auf die Wichtigkeit dieſes Theils von Amerika für den Welthandel immer auf-
„merffamer. Seitdem, befonders aber feit der Mitte des 18. Jahrh., erhoben fich die weſtind.
Colonien zu neuer Blüte. Die europ. Seemächte fuchten fie ſich einander zu entreißen und mehr⸗
mals gaben fie zu Kriegen Veranlaffung. .
Man berechnet gegenwärtig die Einwohnerzahl W.s, bei den ſchwankenden Angaben über
deren Beltand in den fpan. Colonien und auf Haiti, annähernd bald auf 3,500000, bald auf
3,800000. LXegtere Zahl als die richtige vorausgefegt, find darunter 2,900000 Neger und
Mulatten, von denen noch etwa 500000, ſämmtlich auf den fpan. und niederl. Colonien, Skla⸗
ven find. Die Negerbevölterung, die mit der Einführung afrik. Sklaven um 1511 ſich zu bil»
den anfing, erhält fich außer durch die eigene Fortpflanzung noch immer durch die widerrecht⸗
liche Einführung ſchwarzer Sklaven in die fpan. Colonien. In ſämmkllichen brit. Colonien ift
bie Sklaverei feit 1834 vollig aufgehoben, und ſämmtliche ehemalige SHaven find feir 1858
gänzlich freigelaffen. (S. Sklaverei und Sklavenhandel.) Ebenſo ift in Haiti (f. d.) feit der
Negerrevolution bafelbft und in den dän. Colonien feit 1847, fowie feit 1848 in den franzöſi⸗
Then die Sklaverei aufgehoben. In den übrigen europ. Colonien W.s beftegt fie noch, obſchon
es bafelbft viele freigelaffene und entlaufene oder ſogenannte Maronneger in pen Wäldern gibt.
Sämmtliche Neger fprechen, mit Ausnahme der aus Afrika erſt eingeführten, einen verdorbenen
‚Dialekt der Sprache des Volkes, unter deffen Derrfchaft fie fliehen. Die Zahl der Einwohner
europ. Stamms auf den weftind. Inſeln rechnet man auf 900000. Auf den einzelnen Inſeln
| find unter den da herrfchenden Nationen am zahlreichften die Spanier (gegen 800000), Eng⸗
änder (70000), Franzoſen (30000) und außerdem Holländer (6500), Dänen und Schweden.
Die Bewohner der Infeln find Chriften, mit Ausnahme der noch nicht bekehrten Neger, die
zwar auf den fpan. Infeln meift getauft, Doch eigentlich noch Heiden find. Auf den brit., holl.
und Ban. Infeln haben fich befonders die Blaubensboten der Brüdergemeine und die Metho-
diften durch Miffionen und Negerfchulen um die Bildung der Afrikaner verdient gemacht. Die
Einwohner europ. Stamms haben größtentheild die Bildung ihres Mutterlandes, wenn aud)
meift nur in äußerlicher Weiſe, da die ganze Thätigkeit in ben materiellen Beichäftigungen auf:
geht. Die Hauptbefchäftigung beſteht in dem Anbau der Colonialproducte und im Handel mit
denfelben. Handwerke gibt es nur für bie nothwendigſten Bebürfniffe; alle Fabrikwaaren und
feinern techniſchen Erzeugniffe werden aus Europa eingeführt.
Mit Ausnahme des freien Haiti, welches feit 1844 zwei Staaten umfaßt und auf 13570
UM. 680000 E. (nad Andern 850000 oder 900000), und der Inſel Margarita, welche
zu Venezuela gehört und nebſt einigen Nachbareilanden auf 21 AM. 20000 €. zählt, find
alle übrigen Inſeln Colonien von ſechs europ. Staaten. Das Spaniſche Weſtindien, zwat
nicht mebr fo umkänglich wie in ältern Zeiten, bat doch noch unter allen das größte Areal
und bie ffärffte Bevölkerung ; es umfaßt die Infeln Cuba (f. d.) und Portorico (ſ. d.) nebft Per»
tinenzien, zufammen 2340 AM. mit 1,650000 E., worunter gegen 800000 Weiße, 355000
freie Barbige und gegen 500000 Sklaven. Das Britiſche Weſtindien hat 685 AM. mit
5000 E., worunter etma 600000 Neger, Mulatten und neueingeführte Kulis, und beftcht
Weſt⸗Lothian Weſtmacott 1
I) aus den Bahamainſeln (f.d.); 2) Jamaica (f. d.); 3) den zu den Zungferninfeln gehorigı
wegen bes Schleichhandels wichtigen Eilanden Pirgin-Gorda, Tortola und Anegada, 12 09
und 9000 &.; 4) Anguila und Barbada, 6 AM. und 3000 E.; 5) St.⸗Kitts oder Chriſto
{f. 8.)5 6J Nevis oder Newis, 1,OM. mit 10200 E., woruneer 1100 Weiße; 7) DMontien
2 DM. mit 7800 €.; 8) Antigua (f.d.); 9) Dominica (f. d.); 10) Sainte⸗Lucie oder Sta.:!
cia, I0 QM. mit 24600 E.; 11) &t.-PVincent, 6 AM. und 28000 €. ; 12) Barbadoes (f.!
15) Grenada (f.d.) mit ben Brenadillen ; 14) Tabago (ſ. d.); 15) Trinidad (f. d.), bie größte
Kleinen Antillen. Unter allen europ. Mächten, welche Anfiedelungen in W. befipen, hat die er
Regierung die größte Sorgfalt auf eine liberale Verwaltung und auf ein zweckmäßiges Vert!
digungs ſyſtem gewendet. Der Gouverneur der Infeln oder einzelnen Infelgruppen übt im 9
men ded Königs die vollgiehende Gewalt auß ; überall ift ihm ein Regierungsrath aus ben E
geborenen beigefept. In den meiften Colonien gibt es eine gefeggebende Berfammlung, bie
ein Oberhand und ein Unterhaus zerfällt, jene® aus mehren von der Krone ernannten Mitg:
dern, dieſes aus den gewählten Repräfentanten der Provinzen beftehend. Die richterliche €
walt wird unaßhängig durch befondere Gerichtshöfe ausgeübt. Die franzöſiſchen Colon!
begreifen ein Areal von 38 AM. mit 255700 €. und beftehen aus den Hauptinfeln Marti
que (ſ. d.) und Buabeloupe (f. d.) und beren Dependenzien (6'. AM.), den Eilanden M:
Galante, Led Saintes, Defirade und dem nördlichen größern Theile von St.-Martin, 1
1638 von Franzofen und Holländern gemeinfchaftlich angebaut und 4648 gerheilt wurde.
niederländifhen Colonien haben einen Fläcteninhalt von 17',AM. und 28700 €. |
befiehen aus: 1) Euragao (f. d.) ımd den Nachbareilanden; 2) &t.-Euftäche, faſt nur aus cı
ſchenen Bulkanen beſtehend, fonft wichtig wegen des Schleichhandels, 1632 von den Holland:
befest, wenig über ';OM. groß, mit 1853 E., worunter 1100 Sklaven; 3) dem felfigen, a
fleißig bebauten &t.-Baba, AM. mit 1677 E., worumter über 650 Sklaven; 4) dem ſüdlid
oder dritten Theil der faum 2M. großen Infel St.Martin. Die däniſchen Eolonien, TO
mit 59614 E. (im $. 1850), größtentheils freien Schwarzen, beftehen aus den zu ben Jungfe
mfeln gehörigen Infeln: 1) Ste.-Eroig, 4'/, AM. mit 23720 E. die 1640 von ben Flibuſti
beſedt, 1650 den Engländern von ben Spaniern, dann biefen von ben Franzoſen entriffen und ı
Letztern 1735 an Dänemark verkauft wurde; fie ift fruchtbar und gut angebaut, reich an Zud
hat zur Hauptftade und zum Gouvernementsſitz Chriftiansftadt, mit einem feften Hafen ı
8256 €. und mehre Herrnhutermiſſionen; 2) St.Thomas (ſ. d.); 3) &t.-Jean und einen: %
teile an der Krabbeninfel, 1/ AM. mit 2228 E., zwei Miffionsplägen und einem Hafen, t
wie die Hafen von &t.-Zhomas, feit 1815 allen Europäern als Freihafen geöffnet iſt. Schr
den befigt nur das Inſelchen Barthelemy (f.d.), ’/ (mach Andern 2'/,, AM. mit 10000
Val. Montgomery Martin, „The history, geography and statistics oftbe West-Indir
(5 Bde, Zond. 1834— 35); Southey, „History ofthe West-Indies” (3 Bde., Lond. 182‘
Dupertd, „Nolices statistiques sur les colonies francaises” (4 Bde. Par. 1856— 40); V
nide, „Berfisch einer Gefchichte der europ. Colonien in W.“ (Wein. 1831).
Veſt⸗Lothian, f. Linfithbgow. |
Weſtmacott (Sir Rich.), einer der berühmteften engl. Bildhauer, geb. zuXondon in J
41775, wo fein Barer benfalle als Bildhauer ſich auszeichnete, erhielt ſeit 1792 feine Bildi
in Rom und Paris. Nach feiner Rückkehr machte er fich zunächſt bekannt durch Die in der IB
minſter⸗Abtei 1806 aufgeſtellte Statue Addiſon's. Im J. 1809 wurde er Mitglied der kön
Akademie. In demſelben Jahre vollendete er die Monumente für Sir Nalph Abercrombie ı
fir Lord Collingwood in der Paulskirche. Nachdem er bei der Bronzeftatue des Herzogs ı
Bebford für NRuſſellſquare perfönlich die Formung und den Buß geleitet und dann bie Sta
Reifon’s für Birmingham und bie von For für Bloomsburyſquare ausgeführt hatte, vollent
er 1822 den Koloß des Achilles in Hydepark, eine ber größten Statuen, die je gegoffen wurd
Im 3. 1814 arbeitete er das Monument Will. Pitt's für die Weltminfter-Abtei. Von fein
andern Werken ermähnen wir noch die ſchöne Statue eines Bauernmäbchene (1819), die z
Monument für Lord Penrhyn und die eines Hindumädchens, welche zu einem Denkmale A
Eotvin’s in Kalkutta gehörte; ferner die Bronzeflatuen Georg's III. in Liverpool, Canning'®,
48323 umveit des Parlamentöhaufes errichtet wurde und vielleicht das fchönfte Werk der B
hauerkunſt tft, das London befigt, und die des Herzogs von York, die 18534 im St.Jamesp
aufgeſtellt wurde. Auch lieferte WB. 1844 das große allegoriſche Relief Fir den Fronion
neunen Börfe in London. Als Profeffor der Sculptur an der königl. Akademie hat er eine Rı
von Jahren hindurch durch lehrreiche Borträge über feine Kunſt gewirkt. — Weſtmacott (Nic
.198 WBeſtmeath | Weſtminſter Bal
Sohn des Vorigen, geb. um 1802 zu Rondon, ward von feinem Vater unterrichtet und bildete
ſich in Italien fireng nach der Antike. Außer Statuen, wie die Pandora und eine afrit. Sklavin
(in Florenz), ein Amor mit dem Pfeile und Venus, bie den Ascanius fchügt, verfertigte er zuhl-
reihe Büften, 3. B. von Lord John Ruſſell (1845), welche die feines Vaters theilweife noch
übertreffen. Als Meifter des gothifchen Stils zeigte er fich durch fein Denkmal des Erzbiſchofs
Howley im Dome zu Canterbury (1850). Ein anderer Bildhauer diefes Namens, James
Shewood W.,nrachte ſich befonders durch die trefflichen Statuetten Alfred's des Großen,
des Richard Löwenherz und des Johannes (1851), ſowie durch einen fprechend ähnlichen Kopf
Sir Robert Peel's bekannt.
Weſtmeath, eine Grafſchaft in der irifchen Provinz Leinſter, hat ein Areal von 29, DM,
von welchen 5'/ auf uncultivirtes Land und Seen entfallen. Die Oberfläche bietet einen ange
nehmen Wechſel von Waldung, überaus ſchönen grünen Aderfeldern und Wiefen, von Hügeln
und Ebenen, Seefpiegeln und Zlüffen dar, unter welchen legtern der Shannon, Inny und
Brosna die bemerfenswertheften. Auch durchzieht der Königliche Kanal und die Weſtbahn das
Land. Viehzucht, Leinweberei, Zorfgräberei und Handel bilden die Hauptnahrungszweige ber
Bevölkerung, deren Zahl 1841 —51 von 141300 auf 107510 Herabgefunten ift. Rullingar,
ber Hauptort, am Kanal und der Weltbahn, im Mittelpunkt des Landes gelegen, ifl ein Bo⸗
rough, der 5000 E. zahlt und bedeutende Woll- und Pferdemärkte unterhält. Athlone, ein
Borougb, am Shannon, zählt 12000 E., die von Spigen- und Hurfabrifation, Aalfang und
Torfhandel leben. Das Dorf Kinnagat producirt den beften Käfe Irlands.
Veſtminſter, Haupttheil von London, f. London.
Weftminfter-Abtei oder die St.-Peter&-Eollegiatkirede in London hat ihren Namen von
dem Stabttheile, in dent fie liegt. Die Kirche gehörte zu einem noch in feinen Reſten vorhande⸗
nen Kfofter, dad von Sebert, König der Weſtſachſen, zu Anfange des 7. Jahrh. gegründet, von
den Dänen zerftort und von König Edgar 958 erneuert wurde. Eduard der Bekenner baute
die Kirche kurz vor feinem Tode um. Heinrich IL. ließ diefelbe wieder abtragen und gab mit
feinen naͤchſten Nachfolgern ber Kirche ihre jegige Geſtalt. Nur die beiden fchönen, zum Ganzen
jedoch nicht recht Harmonirenden Thürme und ber weftliche Eingang wurden noch im 18. Jahrh.
von Ghriftopher Wren errichtet. Heinrich VIIL. verwandelte bei der kirchlichen Trennung das
Klofter in ein Collegiatſtift, fpäter in die Kathedrale der Grafſchaft Middlefer. Schon fein
Nachfolger, Eduard VI., löfte dieſes Bisthum auf und fellte das Stift wieder her. Unter der
Königin Maria wurde bie Anftalt in ein Klofter umgeformt ; ihre Nachfolgerin Elifabeth ver-
einigte das Collegiatſtift mit einer Erziehungsanftalt für Knaben. Die Kirche ift in Kreugform
erbaut; an ihre Südſeite ftoßen bie Reſte der alten Kloftergebäube. Wiewol dad Außere der
Kirche ſchwerfällig ift und keinen Totaleindruck geftattet, gewährt doch das Innere, namentlich
vom weftlichen Eingange aus, den erhabenen Eindrud eines Meifterwerks der goth. Baukunſi.
Freilich wird auch ber freie Blick im Innern durch Holzverfchläge, Gitterwerk und Rebenbauten
zum Theil gehindert. Das 100 $. hohe Gewölbe wird von fühnen Pfeilern getragen. Die
Kirche iſt 375 F. lang, im Kreuze 195, im Schiffe 72 3. breit. In dem ſchönen Eher, befien
Einheit ein Altar von griech. Bauart flört, werden feit uralten Zeiten die Könige von England
gekrönt. Die Kirche umfaßt viele Kapellen, darunter die Eduard's des Bekenners, Heinrich's Ill.
und Heinrich’6 VII. Die legtere enthält das Grabmal dieſes Königs und feiner Kamilie, iſt in
einem reichen, faft überladenen Stile von dem Florentiner Pietro Zorregiano erbaut.und wurbe
erſt feit 1809— 23 mit großem Koftenaufwand reftaurirt. Die Königin Eliſabetch und ihre
Nebenbublerin, Maria Stuart, ſowie andere Hiftorifche Perfonen haben in ben verfchiebenen
Kapellen Monumente. Im füdlichen Kreuzflügel befinden ſich die Grab- und Denkmäler vieler
‚Dichter und Belehrten, weshalb man diefen Ort den Poetenwinkel (Poets’ corner) nennt. Der
nördliche Flügel ift die Ruheſtätte ausgezeichneter Männer, die fih um den Staat und das of-
fentliche Wohl verdient gemacht haben. Die meiften der Kunſtwerke, womit ein Theil der Grab⸗
mäler geziert ift, haben feinen oder nur geringen äfthetifchen Werth; doch findet man auch einige
fchöne Arbeiten von Roubillac, Rysbtach, Nollekens, Chantrey und Slarman. Die Ehre, in
der Weftminfter-Abtei begraben zu werden, hängt übrigens von der Erlegung einer bedeu-
tenden Summe ab. gl. „The history of the Abbey Church of St.-Peter's Westminster,
its antiquilies and monuments” (2 Bbde., Lond. 1812); Neule, „History and antiquities ef
the Abbey of Westminster etc.” (Xond. 1818 und öfter).
Beftminfter-Safl, ein meitläufiges Gebäude in London, gegenüber ber Weſtmunſtet⸗Abtei
(ſ. d.) das die PYarlamentshänfer und die höchften Gerichtshöfe von Großbritannien in fi
Beſtmoreland 109
ſchleſt. U, der Sohn des Eroberers, baute die eigentliche Weſt den ber
rũhmten Saal, welcher, mit Ausnahme des Theaters zu Drford und des Gerichtiſaals in Ya-
dus, als der größte in Europa gilt. Der Saat iſt 90%. hoch, 275%. lang und 70%. breit; feine
künfilich mit Rufbaumbol; gewölbte Dede wird von ſchönen Pfeilern getragen. Ex wurde zur
Abhaltung von Hoffeftfichkeiten erbaut und Richard II. bewirthete darin bei feiner Krönungs-
ferer 10000 Perfonen. Schon kängft denugt man nur den Saat bei großen Staatsproceſſen
und Peerögerichten. Auch Karl I. wurde bier verurtheilt. Außer den Parlamentshäufern ha⸗
ben in bem Gebäude die vier hohen Gerichtshöfe, der Court of Bxchequer, ber Court of Com-
mon Pleas, der Court of Chancery umb der Court of King's Bench, ihren Plat. Das Unter-
haus war urfprünglich eine vom König Stephan erbaute Kapelle, die Heinrich II. den Gemei⸗
nen zu ihren Gigumgen einräumte. Am 16. Det. 1834 wurde der Theil von Weſtminfter⸗Hall
in dem fich Die Sigungsſäle des Parlaments befinden, durch Feueröbrunft zerflört, worauf man
ſich entſchloß, ein ganz neues Parlamentsgebäube aufzuführen. Das zur Prüfung der einge
reichten Plane ernannte Comite genehmigte den Entwurf des Banmeifters Charles Barry,
und nach einigen vorläufigen Arbeiten wurde 27. April 1840 der erſte Stein zum Weſtmin⸗
ſterpalaſt gelegt. Diefer Prachtbau, der fich jegt feiner Vollendung nähert, iſt im goth. Stil
errichtet und bedeckt einen Raum von 12 Morgen Land zwiſchen der Theme ımd der Weſtmin⸗
ſter⸗Abtei. Er hat vier Bagaden, wovon die Fasade an der Themſe 900 F. lang iſt, und drei
Hanptthürme: den Victoriathurm, 340 F. hoch, nur 64 $. niedriger als das Kreuz auf der
Paulskirche, den mittlern Thurm, 500 F., und den Glockenthurm, am nörblichfien Ende des
Gebäudes, 320 F. hoch, ſowie mehre Fleinere, welche die Kinien der etwa 20 Bäder auf eine
Weiſe drehen, die architektoniſche Schönheit mit Exrhabenheit vereinigen fol. Der ſüdliche
Theil des Palaſtes iſt den Bemächern des Oberhaufes, der nördliche denen des Unterhauſes ge-
widmet. Don den 300 Hallen, Zimmern, Bureaur u. ſ. w. find au erwähnen: tie St.Ste⸗
phanshalle, zwifchen den Berfammlungsfälen der beiden Häufer, 95 $. lang, 30 F. breit und
50 3. hoch, mit den Statuen und Büften ausgezeichneter brit. Staatömänner ; die Normannen-
Halle, mit Fresken aus den Zeiten der Normarmen, neben welcher das Ankleidezimmer der Kö⸗
nigin in die 140%. lange, 45%. breite und 45 F. hohe Royal gallery führt, Die mit der Prince's
chamber in Berbindung fleht, von we aus eine prächtige Thür ind Oberhaus leitet. Dieſer
Baal, wo fich die Peers 16. April 1847 zum erfien male verfammelten, hat eine Länge von
97 F. eine Höhe und Breite von 45 F. und ifl mit verſchwenderiſcher Pracht ausgeftattet.
Die Fresken fielen theils Hiftortfche, theils fombolifche Scenen dar; zwiſchen den zwölf Fenſtern
find Rifchen mit Statuen engl. Könige angebracht. Der innere Raum zeigt die Foloffale Tafel
der Lords, den rorhen Wollſack des Kanzlers ımb den von einem herrlichen Baldachin befchatte-
tn Thron. Der Unterhausſaal iſt ebenfo Hoch umb breit, aber nur 62%. lang und mit Aus⸗
nahme des reich verzierten Plafonds in einfacherer Weiſe eingerichtet. Die Koften des Baus
werden auf 1’); Mil. Pf. St. veranſchlagt. Er befigt den Vorzug, daß er nie abbrennen kann,
indem alles Brennbare durch den Magnetiankalkftein von Yorkfhire oder Granit von Überdeen,
aus welchem der ganze Bau befleht, immer fo von den brennbaren Stoffen ber andern Räume
geſchieden ift, daß höchſtens ein einziges Gemach von den Flammen verzehrt werben Bann.
Beſtmoreland, eine Srafichaft im nordweſtlichſten Theile Englands, hat ein Areal von
nahezu 36 QM., wovon kaum 13" zur Feldwirthſchaft tauglich find. Es iſt ein rauhes, kal⸗
tes Land voll langer Reihen hoher Felſenberge (Bells oder Moors), die oft Bid gegen Som-
mersanfang tief befchneit find und langgeſtreckte Ungthäler und Seen einfchließen. Der Pflug
findet hier wenig Raum. Über was der Cultur des Bodens abgeht, das exrfegen die berühmten
Raturfchönheiten des Landes, feine fleilen, oft ſenkrecht abſtürzenden Bergmaffen, die anmuthi-
gen Seen, wie der berühmte Windermere, der größte Englands (über 2, M. lang und ’/; M.
breit), und der Ulleswater, die reichen Weideflaͤchen der ſchmalen Thäler und die prachtvollen
Wälder. Bon Wichtigkeit find die Schieferbrüche, unbedeutend die Kohlen- und Bleigruben.
Der Aderbau ifl untergeordnet; Weizen gebeiht nirgends. Deſto ausgedehnter wird die Vich-
zucht betrieben. Die Berggegenden nähren große Schafheerden, die Sumpfgegenden viele
Schweine, die den teefflichen Weftmoreland- Schinken liefern. Auch die Ganſezucht iſt von Be
deutung. Den mittlern Raum zwiſchen den hoch und niebriggelegenen Gegenden nimmt die
Rindvichzucht ein. Das Vieh iſt von der bekannten nicht großen, aber fehr milchreichen ſchott.
Race und liefert Butter von ganz vorzũglicher Güte, die hauptſächlich zur Verproviantirung
der Schiffe Benupt wird, weil fie fich ungeröhnlich lange hält. Bei den Mangel an Steinkohlen
kann die Induſtrie nicht auflommen. Dieſeibe beſchraͤnkt fich auf Handarbeit and dieſe wieber
192 Beltfülfeher Friebe
Beſchluß, daß er fid für die Angelegenheiten der weitfäl. Domänenkäufer nicht für competent
halte, weil in der kurfürſtlich heſſ. Ordre von 1814 Feine Juſtizverweigerung begründet fei.
Preußen einigte fich bereite 1827 mit den Domänentäufern. In den andern Staaten blieb bie
Sache nach dem Tode bes Bevollmächtigten ganz liegen, und felbft bie Hoffnumg auf einen nur
einigermaßen günftigen Erfolg ſchwand, feitbem Preußen, Kurheffen, Braunfchweig und Han-
nover 1843 in einem gemeinfamen Vertrage fich dahin ausſprachen, daß bie in ben genannten
Staaten gemachten Iwan gsanleihen von 1808, 1810 und 1812 definitiv nicht anzuerkennen,
fondern für nichtig zu erflären feien.
Meftfälifcher Friede wird der 1648 zu Münfter und zu Osnabrück, welche beide Stäbte
zum Weitfälifchen Kreife gehörten, gefchloffene Friede genannt, durch den ber Dreißigjährige
Krieg (ſ. d.) geemdigt, die Ruhe für Deutfchland hergeftellt und ein neues politifches Syſtem in
Europa begründet wurde. Er war die Grundlage aller nachfolgenden Friedensſchlüſſe bis zur
Franzöſiſchen Revolution und wurde in&befondere in Deutfchland als das vornehmſte Grund⸗
geſetz ber deutichen Staatöverfaffung angefehen. Schon fieben Jahre vor dem Abfchluffe wur-
den gegen Ende des 3. 1641 zu Hamburg Präliminarien feftgefegt, die beſonders den Drt und
die Art der Gonferenzen betrafen. Deutichland mar zu biefer Zeit erſchöpft und Öftreich in ſei⸗
nen Erblanden bedroht. Der Kaifer Ferdinand III. zeigte ſich baher fehr geneigt für den Frie⸗
den; doch hatte er dabei die geheime Abficht, den Frieden mit Frankreich und Schweden für fich
allein, ohne Beitritt des Deutfchen Reichs, zu ſchließen. Die wirklichen Friedensverhandlungen
fingen erft 1644 an und wurden zu Osnabrück zwifchen den Eaiferlichen, reichsftänbifchen und
ſchwed. Gefanbten, zu Münfter zwifchen den Kaifer, Frankreich und andern fremden Mächten,
jedod) immer in gewiffer Berbindung und fo betrieben, daf die an beiden Orten angenommenen
Artikel für Einen Tractat gehalten werben und Bein Theil ohne den andern Frieden fließen
follte. Die Trennung geſchah, theild um Rangflreitigkeiten zroifchen Frankreich und Schweden
zu vermeiden, theild aber auch, weil die Schweden nicht& mit dem päpftlichen Nuntius, der den
Frieden vermitteln helfen follte, zu thun Haben wollten. Yon Frankreich) waren in Münfter be
vollmächtigt der Herzog von Dunois und Longueville, d' Avaux und Servien, welche von Ma-
zarin und Lyonne inftruirt wurden. Schwediſcherſeits unterhandelten Oxenſtierna, der Sohn
des Kanzlers, und Salvius, die auch ben Tractat zu Obnabrüd unterzeichneten. Die kaiſerl.
Bevollmächtigten waren der Graf Joh. Ludw. von Naffau, ber Graf von Lamberg umd bie
Nechtögelehrten Volmar und Crane; doch in den legten 18 Monaten war die Seele bes ganzen
Werks der Graf Max. von Trauttmansdorff (f.d.). Spanien hatte Saavebra, Brun u. AU. ber
vollmädtigt. Die Generalftaaten hatten acht Bevollmächtigte geſchickt; die Eidgenoffenfchaft
vertrat der wadere Bürgermeifter von Bafel, Joh. Jak. Werftein. Unter ben protefl. Geſand⸗
ten zeichneten fich aus der Bevollmächtigte von Braunſchweig, Jak. Lampadius, und der von
Würtemberg, Joh. Konr. Barnbühler. Der Gefandte der Republik Venedig, Eontareno, und
ber päpftliche Gefandte, Fabio Chigi, der nachherige Papſt Alerander VIL, traten als Vermitt⸗
ler auf. Adam Adami, der Gefandte des Fürſibiſchofs von Korvei, machte den Geſchichtſchrei⸗
ber der Verfammlung. Rang- und Zitelftreitigkeiten verzögerten noch lange die Eröffnung bes
Congreſſes. Die fürftlihen Gefandten verlangten nämlich glei den kurfürſtlichen den Titel
Excellenz; daher der urbrandenburg. Geſandte einft vor Ungebuld ausrief: „Wir könnten wol
etwas Gutes miteinander ausrichten, wenn nur bie gottlofe Excellenz nicht wäre!” Während der
Verhandlungen wurde der Krieg fortgefegt. Der fchwed. General Torftenfon drang fogar 1645
in die kaiſerl. Erbländer ein. Der legte Eriegerifche Auftritt fand da flatt, mo der Krieg ange-
fangen hatte, nämlich bei Prag. Königsmark eroberte 15. Juli 1648 die fogenannte Kleinfeite
diefer Stadt. Died gab den langen, fehrwierigen Unterhandlungen ben Ausfchlag und es wurbe
num ber Friede 24. Oct. 1648 zu Münfter abgefchlofien, wohin kurz vorher auch die Bevoll-
mächtigten von Osnabrück, welche früher zum Schluß gekommen waren, ſich begeben hatten.
Durch ihn wurde die Staatd- und Religionsverfaffung Deutfchlande auf einen felten Fuß ge
fegt und die Landeshoheit der Reichsſtände anerkannt. Letztere erhielten das Recht ber Bünd-
niffe unter fi und mit fremden Mächten, nur nicht gegen Kaiſer und Reich; auch follten ohne
ihre Einwilligung die biöher vom Kaiſer fo häufig verhängten Achtserflärungen nicht mehr ſtatt⸗
finden. Das Kurhaus Pfalz erhielt die Pfalz am Rhein zurüd und es wurde für dafjelbe eine
achte Kurwürde errichtet, die jedoch, im Fall die bair. Linie ausftüirbe, was 1777 gefchab, vwie-
der erlöfchen follte, weil alsdann Pfalz in die bair. Kurwürde zurüdtrete. Die feit dem Reli⸗
gionsfrieden von 1555 zum Vortheil der Proteftanten gemachten Veränderungen erhielten ei«
nen feſten Beftand durch die Beftimmung, daß Alles fo verbleiben follte, wie es mit dem An⸗
8
. Bellen.
fange des ſegenannten Nermaliahrs (1.9) 14
war der Normaltag für den Beſitzſtand der NN make
Beſißſiand der Religiensübung und der an Dar Sin 2 2 *
Güter. Nur für Oftreich galt dieſe Defkiamug take —
galt das J. 1618 als Normallahr Den 5
ger Confeſſions verwandten bewilligt. Den —E Vote a.”
feffionen, die nicht die ihrigen wären, Yoenigfteng yigy —22 w._
geiſtliche Stifter wurden fücularifirt ımd einzeiam ra hy Tr
Kaifer willigte in diefe Maßregel, um keins vom feinen —— ar, De
wurde Elſaß abgetreten ; Schweden erhielt Borpommmen, gr vn,
Summe von 5 Mill. Thirn. für feine Truppen; Drandenden. Ya
Halberftabt, Minden, Kamin und die Anwartfchaft a eu.
firten Bisthiimer Schwerin und Napeburg ; Hannover, Gele Re, m.
das Bisthum Osnabrüd und einige Klöſter; Heflen- Kaffe — on
Ihlr. Die vereinigten Niederländer wurden von Spanien als «; Geigs,, —
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zer ald unabhängig vom Deutſchen Reiche anerkannt. Erantscig, X ae
den Srieden. Die feierliche Verwahrung des Papftes Inn X 3* ur
ders in Rückſicht auf den Vertuft des päpſtlichen Stuhls dur& Vie Sen Freie wu.
wurde nicht anerfannt; doc) fand die volftändige Ausführung aller Bu,
mancherlei Schwierigkeiten. Der Krieg dauerte fogar noch fort —S m *
nien und ebenfo zwiſchen Spanien und Portugal. Val. Woitmann 2
ſchen Friedens“ (2 Bde., Lpz. 1808), die den dritten und vierten Ban ee Meier
ſchichte des Dreißigjährigen Krieg” bilder. dns, 8-
Das fpätere Schickſal Deutfchlands hat gezeigt, daß, ſoviel auch biplomarnrg, Km or
zum Theil felbft guter Wille bei diefem Friedenswerke thätig waren, dennoch im Yemae:.
heit des Deutſchen Reiche und damit der Kraft und Würde deffelden ungemein geia an nr.
Indeß war dies größtentheils die Folge der Territorialpofitit, welche Deurfchlande Furksy vrx-
längft unter fi) verfeindet und dem Einfluffe des Auslandes dahingegeben hatte. Ware Frı-
dinand I. nit unduldfam, fondern in demielben Grade ſtaatsklug geweſen, fo fland es nı%
dem Frieden mit Dänemark zu Lübed 1629 wol in feiner Gewalt, das Deutſche Reich wirt
au feiner alten Mürde zu erheben. Durch das von Jeſuiten betriebene Reftitutionsebtct (1.>.,
aber entriß ex ſich felbft die Frucht der Siege Tilly's und Wallenftein’s. Jetzt forgte jeder dem.
ſche Fürſt nur für fi und fein Haus. Das Meich verlor fo durch den Weſtfäliſchen Frieden nie:
blos eine Ländermaffe von 1900 UM. mit 4, Mill. Meufhen, fondern auch feine wefnise
Militärgrenze; überdies blieben Kothringen nach Elfaß bin und der Burgunder Krei® im We⸗
ſten und Norden fhuglos. Wenn außerdem diefer Verluſt fchen am fich den deutſchen Dandı
mit Stalien und den mit der Nordſee, zumal bei der Sperrung ber Scheide, fehr erſchwerte, fı
mußte im innern Nationalverkehr des Reichs die Befeftigung der dreihundertfach landeshen.
lichen Vielherrſchaft und die Verwickelung fe vielfeitiger Grenz. und Hoheitsrechte noch weit
mehr den Gang der Verwaltung erſchweren, fie mit Formen überladen und die Volksſtämme
Feindfelig auseinanderreißen. Dagegen wurde Deutfchland nun Gegenſtand und Schauplaz
Der europ.Staatöhändel, feit die Fürſten das von Frankreich bei der-Friebendverhanbiung durch.
gefegte Recht der Bündniſſe geltend machten, Baiern aber, Brandenburg und andere beutfche
Regentenhauſer eine Stellung in dem europ. politifchen Syſtem annahmen und fremde Mächte,
wie Schweben, in das innere Reichsregiment mit eintreten. Mit den Weſtfäliſchen Frieden ent-
ftand ganz eigentlich die neuere Gabineteregierung der deutfihen Hofe und bie damit verbun⸗
Dene ausmärtige Diplomatil. Es bildete ſich nun ein Baf- und eim Kriegäftant nach, dem an-
dern auß, und bie in ihrer Bewerb- und Handelsfreiheit durch Zölle und Beſchraͤnkungen aller
Art vielfach eingefchnürte deutſche Nation ſtrengte ihren Kunſtfleiß und ihre Kraft faft nur
Dazu an, um für einige Hundert Hofhaltungen, Geſandſchaftcorps und guößere oder Meinere
Eriegsheere bie Koften zu erfchwingen. Mit dem Allen erlangte die deutſche Ration weder Ach⸗
zuang nody Sicherheit vor dem Auslands, vielmehr wurben bie meiſten europ. Kriege auf ihrem
Srund und Boden, mit ihrem Blute und auf ihre Koften ausgefochten. Auch als Schus des
VN roteſtantismus kann der Wefkfälifche Friede nicht angefehen werben. Bielmehr verlor der-
Felde in den Briedensunterhandiungen zum Theil wieber, was ihm die Waffen ſchon erfümnf‘
H atten. Gr fonnte ſich nicht weiter im Reiche ausbreiten, und die aus den öflr. Grblanden
Gono.⸗Lox. Ichnte Aufl XV. 2, . ... 7
192 Belttäläfeher Friebe
Beſchluß, daf er ſich für die Angelegenheiten der weitfäl. Domänentäufer nicht für competent
halte, weil in ber kurfürſtlich heſſ. Ordre von 1814 keine" Juſtizverweigerung begründet fei.
Nreußen einigte fich bereitö 1827 mit den Domänenfäufern. In den andern Staaten blieb bie
Sache nach dem Tode des Bevollmächtigten ganz liegen, und felbft bie Hoffnung auf einen nur
einigermaßen günftigen Erfolg ſchwand, feitdem Preußen, Kurheffen, Braunſchweig und Han-
nover 1843 in einem gemeinfamen Vertrage ſich dahin ausfpracdhen, daß die in den genannten
Staaten gemachten Iwan gsanleihen von 1808, 1810 und 1812 definitiv nicht anzuerkennen,
fonbern für nichtig zu erflären feien.
Weftfälifcher Friede wird der 1648 zu Münfter und zu Osnabrüd, welche beide Städte
zum Weltfälifchen Kreife gehörten, gefchloffene Friede genannt, durch ben ber Dreißigiährige
Krieg (.d.) geendigt, die Ruhe für Deutſchland bergeftellt und ein neues politifches Syſtem in
Europa begründet wurde. Er war bie Srundlage aller nachfolgenden Friedensfchlüffe bis zur
Franzöſiſchen Revolution und wurbe insbeſondere in Deutfchland als das vornehmfte Grund-
gefeg der deutfchen Staatsverfaflung angefehen. Schon fieben Jahre vor dem Abfchluffe wur⸗
den gegen Ende bed 3. 1641 zu Hamburg Präliminarien feftgefegt, bie beſonders den Drt und
bie Art der Conferenzen betrafen. Deutichland war zu biefer Zeit erfhöpft und Oftreich in ſei⸗
nen Erblanden bedroht. Der Kaifer Ferdinand II. zeigte fich daher fehr geneigt für ben Frie⸗
den; doch hatte er dabei die geheime Abficht, den Frieden mit Frankreich und Schweben für fich
allein, ohne Beitritt des Deutſchen Reichs, zu ſchließen. Die wirklichen Friedens verhandlungen
fingen erft 1644 an und wurden zu Osnabrück zwiſchen den Faiferlichen, reicheftändifchen und
ſchwed. Geſandten, zu Münfter zwifchen dem Kaifer, Frankreich) und andern fremden Mächten,
jedoch immer in gewiffer Berbindung und fo betrieben, daß die an beiden Orten angenommenen
Artikel für Einen Tractat gehalten werden und kein Theil ohne den andern Frieden fließen
follte. Die Trennung gefchah, theild um Rangfkreitigkeiten zwifchen Frankreich und Schweden
zu vermeiden, theils aber auch, weil bie Schweden nichts mit bem päpftlichen Nuntius, ber den
Frieden vermitteln helfen follte, zu thun Haben wollten. Von Frankreich waren in Dlünfter be
vollmächtigt der Herzog von Dunois und Kongueville, d'Avaur und Servien, weldye von Ma-
zarin und Lyonne inftruirt wurden. Schwediſcherſeits unterhandelten Drenſtierna, der Sohn
des Kanzlers, und Salvius, die auch den Tractat zu Osnabrück unterzeichneten. Die kaiſerl.
Bevollmädtigten waren der Graf Joh. Ludw. von Naffau, der Graf von Lamberg unb bie
Mechtögelehrten Volmar und Crane; doch in den legten 18 Monaten wor die Seele bes ganzen
Werks der Graf Mag. von Trauttmansdorff (f.d.). Spanien hatte Saavebra, Brun u. U. ber
vollmädtigt. Die Generalftaaten hatten acht Bevollmächtigte geſchickt; die Eidgenoſſenſchaft
vertrat der wackere Bürgermeifter von Bafel, Joh. Jak. Werften. Unter den proteſt. Gefand-
ten zeichneten fich aus der Bevollmächtigte von Braunfchweig, Jak. Lampadius, und der von
MWürtemberg, Joh. Kon. Barnbühler. Der Gefandte ber Republik Venedig, Contareno, und
der päpftliche Geſandte, Fabio Ehigi, der nachherige Papft Alerander VIL, traten als Vermitt-
fer auf. Adam Adami, der Gefandte bes Fürftbifchofs von Korvei, machte den Geſchichtſchrei⸗
ber ber Berfammlung. Rang- und Zitelftreitigkeiten verzögerten noch lange die Eröffnung des
Congreſſes. Die fürftlihen Sefandten verlangten nämlich gleich den kurfürſtlichen den Zitel
Excellenz; daher der urbrandenburg. Geſandte einft vor Ungeduld ausrief: „Wir fönnten wol
etwas Gutes miteinander ausrichten, wenn nur bie gottlofe Excellenz nicht wäre!" Während ber
Berhandlungen wurde der Krieg fortgefegt. Der ſchwed. General Zorftenfon drang fogar 1645
in die kaiſerl. Erblänber ein. Der legte Eriegerifche Auftritt fand ba ftatt, wo der Krieg ange-
fangen hatte, nämlich bei Prag. Königsmark eroberte 15. Juli 1648 die fogenannte Kleinfeite
diefer Stadt. Dieb gab ben langen, fehwierigen Unterhandlungen ben Ausſchlag und es wurbe
nun ber Friede 24. Det. 1648 zu Münfter abgefchloffen, wohin kurz vorher auch die Bevoll-
mädhtigten von Déenabrück, welche früher zum Schluß gekommen waren, ſich begeben hatten.
Durch ihn wurde die Staatd- und Religionsverfaffung Deutfchlands auf einen feften Fuß ge-
fept und bie Landeshoheit ber Reichsſtände anerkannt. Letztere erhielten das Recht ber Bünd⸗
niffe unter fi und mit fremden Mächten, nur nicht gegen Kaifer und Reich; auch follten ohne
ihre Einwilligung die bisher vom Kaifer fo häufig verhängten Achtserflärungen nicht mehr ſtatt⸗
finden. Das Kurhaus Pfalz erhielt die Pfalz am Nhein zurüd und es wurde für daffelbe eine
achte Kurwürde errichtet, bie jedoch, im Fall die bair. Linie ausftürbe, mas 1777 geſchah, wie-
der erlöfchen follte, weil alsdann Pfalz in die bair. Kurwürde zurüdtrete. Die feit dem Reli-
gionsfrieden von 1555 zum Vortheil der Proteftanten gemachten Veränderungen erhielten ei⸗
nen feſten Beftand durch die Beftimmung, daß Alles fo verbleiben follte, wie ed mit den An⸗
. Beſtfaͤliſcher Friede 198
fange des fogenanuten Normaljahrs (1.d.), des J. 1624, gemefen war. Der 3. Ian. dieſes Jahres
war der Normaltag für den Beſitzſtand ber fäcularifirten Güter; das ganze Jahr galt Für dan
Beſitzſtand der Religionsubung und der an Mittelbare zurückzugebenden mittelbaren geiftlichen.
Büter. Nur für Oftreich galt diefe Beſtimmung nicht; für die Pfalz, Baden und Wuͤrtemberg
galt das 3. 1618 als Rormaljahr. Den Reformirten wurden gleiche Rechte mit ben augsbur-
ger Confeſſions verwandten bewilligt. Den Bandesherren wurde zum Befep gemacht, die Con⸗
feffiouen, die nicht die ihrigen wären, wenigſtens nicht zu verfolgen oder zu bedrücken. Mehre
geiſtliche Stifter wurden ſäculariſirt imd einzelnen Ständen ald Entſchädigung inberfaffen. Der
Kaiſer willigte in diefe Maßregel, um keins von feinen Erbländern zu verlieren. An Frankreich
wurde Elſaß abgetreten; Schweden erhielt Vorpommern, Bremen, Verden, Wismar und bie
Summe von 5 Mill. Thlru. für feine Truppen; Brandenburg die facktarifirten Bisthümer
Halberfiadt, Minden, Kamin und die Anwartfchaft auf Magdeburg; Medienbnrg die ſäculari⸗
ſirten Bisthümer Schwerin und Rageburg; Hannover, abmechfelnd mit einem kath. Bifchof,
das Bisthum Dönabrüd und einige Klöſter; Heffen-Kaffel die Abtei Hirfchfeld und 600000
Thlr. Die vereinigten Niederländer wurden von Spanien als eine freie Nation und bie Schwei⸗
zer ald unabhängig vom Deutfchen Neiche anerkannt. Frankreich ımd Schweden garantirten
den Frieden. Die feierliche Verwahrung des Papftes Innocenz X. gegen diefen Frieden, befon:
ders in Rückſicht auf den Verluſt des päpfitichen Stuhls durch die Säcularifation der Stifter,
wurde nicht anerfannt; doch fand die volftändige Ausführung aller Bedingungen des Friedens
mancherlei Schwierigkeiten. Der Krieg dauerte fogar noch fort zwifchen Franfreich und Spa⸗
nien und ebenfo zwiſchen Spanien und Portugal. Pol. Woltmann, „Geſchichte des Weſtfäli⸗
ſchen Friedens“ (2 Bde., Lpz. 1808), die den dritten und vierten Band von Schiller's, Ge⸗
ſchichte des Dreißigjährigen Kriegs” bilder.
Das fpätere Schidfal Deutfchlands hat gegeigt, daß, foniel auch diplomatifche Talente und
zum Theil felbft guter Wille bei diefem Friedenswerke thätig waren, dennoch der Nationalein-
heit des Deutſchen Reiche und bamit ber Kraft und Würde deffelden ungemein geſchadet wurde.
Indef war dies großtentheils die Kolge der Zerritorialpofitit, welche Deurfchlands Fürften khon
längſt unter fi verfeindet und dem Kinfluffe des Auslandes bahingegeben hatte. Wäre Fer:
dinand II. nicht unduldfam, fondern in demfelben Grabe ſtaateklug geweſen, fo fland es nach
den Frieden mit Dänemark zu Kübel 1629 wol im feiner Gewalt, das Deutſche Heich wieder
au feiner alten Würde zu erheben. Durch dad von Jeſuiten betriebene Reſtitutionsedict (ſ. d.)
aber entriß ex fich felbft die Frucht der Siege Tilly's und Wallenflein's. Jetzt forgte jeder deut⸗
che Fürſt nur für fich und fein Haus. Das Neich verlor fo durch den Weſtfätiſchen Frieden nicht
blos eine Ländermaſſe von 1908 AM. mit 4'/, Mil. Dieufchen, fondern auch feine weſtliche
Militärgrenze; überdies blieben Lothringen nach Elfaß bin und der Burgunder Kreis im We⸗
ſten und Norden Schuglos. Wenn außerdem diefer Verluſt ſchon am fich den deutſchen Handel
mit Italien und den mit ber Nordfee, zumal bei der Sperrung ber Scheibe, fehr erſchwerte, To
mußte im innern Nationalverkehr des Reichs die Befeſtigung ber dreihundertfach landesherr⸗
Iichen Vielherrſchaft und die Verwickelung fe vielfeitiger Grenz. umd Hoheitdrechte noch weit
mehr den Gang ber Berwaltung erſchweren, fie mit Formen überladen und die Volksſtämme
feindfelig auseinanberreißen. Dagegen wurde Deutfchland nun Gegenſtand und Schauplatz
der europ. Staatöhändel, feit die Fürſten das von Frankreich bei derFFriebensverhandlung durch⸗
geſetzte Recht der Bündniſſe geltend machten, Baiern aber, Brandenburg und andere beutfche
Regentenhäufer eine Stellung in bem europ. politifchen Syſtem annahmen und fremde- Mächte,
wie Schweden, in das innere Meichöregiment mit eintreten. Mit ben Weſtfaäliſchen Frieden ent»
ftand ganz eigentlich die neuere Gabinetsregierung der dentfchen Höfe und bie bamit verbun--
dene gusimärtige Diplomatil. Es bildete ſich nun ein Hofe umt- ein Kriegoſtaat nach dem an-
dern aus, und die in ihrer Gewerb⸗ und Haudelsfreiheit durch Zölle und Beſchraͤnkumgen aller
Art vielfach eingefchnürte beutiche Nation ſtxengte ihren Kunſtfleiß und ihre Kraft faft nur
dazu an, um für eimige Hundert Hofhaktungen, Geſandſchaftcorps umd größere oder Meinere
Kriegsheere die Koften zu erſchwingen. Mit dem Allen erlangte die bentfche Nation weder Ach⸗
tung noch Sicherheit vor dem Auslande, vielmehr wurden bie meiflen europ. Kriege auf ihrem
Grund und Boden, mit ihrem Blute und auf ihre Kaflen audpefochten. Auch als Schus des
Hroteflantismus kann der Weſtfäliſche Friebe nicht angeſchen werden. Bielmehr verlor der- -
felbe in den Briedensunterhandlungen zum Theil pieher, was ibm die Waffen ſchon erfämpft
hatten. Er Ponnte fich nicht weiter im Reiche ausbreiten, und die aus den öſtr. Erblanden ver-
Gono.⸗Lex. Ichnte Aufl. XV. 2, 1213 =
104 GBeſtgothen | Weſtindien
triebenen, ihrer Güter beraubten Proteſtanten erhielten nicht einmal die Wiedereinſezung in
den vorigen Stand, gefchweige Entfchadigung. Übrigens iſt ed gar nicht unwahrfcheinlich, daß
die Königin Chriftine von Schweden durch eine Summe von 600000 Thlen. ſich bewegen ließ,
von ihren Koderungen für jene Unglüdlichen abzuſtehen. Allerdings ftellte der Weſtfäliſche
Friede viele Entfchädigungsmittel auf, aber nur zu Bunften ber Fürſten und auch dies auf Ko»
fien der Schwächern. Diefer Friede har im Deutfchen Reiche das ariſtokratiſche Princip auf
Koften des monarshifchen recht eigentlich entwickelt. Unftreitig war er auch für das Haus Öfl-
reich fehr nachtheilig; denn dieſes wurde nun aus dem Bergen des Reichs auf feine Erbftaaten
zurüdgedrängt, während Frankreich und Schweden in jenem Play faßten. Bei diefem Bortheil,
den die frenıden Mächte erlangten, verlor aber am meiften das Reich der deutfchen Nation ſelbſt.
Den deutſchen Staatömännern, die den Frieden mit abfchloffen, kann man indeffen die Schuld
davon keineswegs aufbürden. Sie konnten ſchon nicht umfchaffen, was frühere Suhrhunderte,
vorzüglich die Umgriffe der Feudalmacht und der Hierarchie im deutfchen Reichshaushalte ver-
dorben hatten. Der Weſtfäliſche Friede war das endlidhe Ergebniß von taufend unglücklichen
Begebenheiten, die ungefchehen oder folgenlos zu machen eigentlic) in feines Menfchen Gewalt
mehr ftand. Endlich darf diefer Friede nicht als das Werk deuticher Staatskunſt angeſehen wer⸗
den; er war dad Werk europ. oder vielmehr franz. ſchwed.oöoſtr. Staatskunſt. Daß er aber dieſes
war, davon fällt die Schuld auf die Uneinigkeit der deutſchen Fürſten unter ſich und auf die
Gleichgültigkeit der meiften gegen die allgemeine Volksehre und Nationalmohlfahrt.
Weftgothen, ſ. Gothen.
—I ſ. Gothland.
Weſtindien wird der zwiſchen den beiden Continentshälften Amerikas gelegene Archipela-
gus genannt, der in einem großen von Südoſt nach Nordweft gerichteten Bogen das große
centroamerik Binnenmeer nach Often zu abfchließt. Diefer ganze weftind. Archipel, der fich,
zwiſchen 10° und 26° n. Br. und zwifchen 42° und 67° w. L., von der Mündung des Dri-
noco bis zur Halbinfel Florida und Yucatan zieht, zerfällt in mehre Gruppen oder Rei-
ben größerer und Pleinerer Infeln, welche faft durchgehende eine längliche, der Richtung der
Reihen, welchen fie angehören, entſprechende Beftalt haben. Diefe Gruppen find: die Kleinen
Antillen, die fih von der Mündung des Drinoco in der Richtung von Süden nad) Norden bis
zu 19° n. Br. erfireden; die Großen Antillen, oder Portorico, Haiti, Jamaica und Cuba,
welde in einer Reihe vom Norbende der Kleinen Antillen in weſtnordweſtlicher Richtung
nad der Norboftfpige der Dalbinfel Yucatan ziehen; die Bahamainſeln oder Lucayen, die
fih im Norden von Haiti in nordweftlicher Richtung bis zur Oftfüfte von Florida erftreden,
von der fie burd) den Neuen Bahamakanal getrennt werden. Auch theilt man die Gruppe der
Kleinen Antillen in Infeln über dem Winde und unter dem Winde, fowie in bie äußere Reihe
oder bie Karaibifchen Infeln und in die innere Reihe, die fich längs der Rordfüfte Südame-
rikas hinzieht. Der Flächenraum fänmtlicher weftind. Infeln beträgt etwa 4500 AM., wo⸗
von 5980 auf die Großen Antillen, gegen 300 auf die Kleinen und der Heft auf die Bahama-
inſeln falle. Sänmtlihe Antillen erheben fich hoch über die Meeresfläche, ſodaß man fie als
Bruchſtücke eines untergegangenen oder vielleicht richtiger eines noch nicht vollſtaͤndig über die
Meereöfluten gehobenen, noch nicht volftändig entwidelten Gebirgszugs betrachten Fann.
Die Bahamainfeln dagegen beſtehen aus niedrigen Koralienfelfen.
Die höchften Berge findet man im weſtlichen Theil von Haiti, im öftlichen Theil von &uba
und im nördlichen von Jamaica, doch ift ſchwerlich einer über 8000 F. hoch. Auf den Kleinen
Antillen finder man die außgedehnteften Ebenen an der öftlichen Küfte, was auf den Großen
Antillen und ben Jungferninfeln nicht der Fall ift. Auf den meiften Infeln wird das Hochland
von ben Nieberungen durch ſchroffe Abhänge gefchieben, die beſonders auf Haiti auffallend find.
Die zahlreichen Buchten der Inſeln bieten ſichere Häfen dar. Die Korallen und Madreporen-
felſen, die in biefem Meere häufig find, Haben ebenfo viel zur Bildung diefer Inſelwelt beige-
tragen als bei den Infelgruppen im Güdmeere. Cuba, die Sungferninfeln und die Bahamain-
feln find von ungeheuern Korallenlabyrinthen umgeben, die bis an Die Oberfläche des Meeres
binaufreichen und mit Palmen bedeckt find. Mehre Infeln zeigen Spuren eines vulkanifchen
Urfprunge. Alle weftind. Infeln haben ziemlich gleiches Klima. Die heiße und feuchte Jah⸗
reszeit, Der weftind. Frühling, beginnt im Mai; Laub und Gras erhalten ein frifcheres Grün,
und um bie Mitte des Monats fällt der erfte periodifche Regen, täglich gegen Mittag. Nach
vierzehntägigem Regen tritt trockenes und beftändiges Wetter ein und der tropifche Sommer
erſcheint in alles Herrlichkeit. Die Hige wird Durch die faft während des ganzen Jahres we⸗
Bellindien 195
henden Oſtpaſſatwinde und die bei dem geringen Umfange der meiften Infen kräftig wirkenden
Seewinde gemildert. Die Feuchtigkeit dauert oft bei der ſtärkſien Sonnenhige fort, fodaß die _
Infelbewohner gleichſam in einem Dampfbade leben und das Klima in den Niederungm am
Meere, befonders den Europäern, durch das Gelbe Fieber und andere den Tropengegenden
eigenthümliche Krankheiten im höchſten Grade verderblich wird. Cine mildere, reinere und
darum gefündere Luft weht auf ben höhern Theilen der Infeln; um fo milder und gefünder, .
je größer bie Höhe ift. In der warmen Jahreszeit find die Rächte unbefchreiblich ſchön. Der
Mond und die Sterne glänzen mit einer in Europa ganz unbekannten Klarheit. Um die Mitte
des Auguſt wird bie Hige unerträglich, und die Seewinde hören faft ganz auf. Der herbſtliche
Regen wird allgemein im Detober. Die Wolken ergiefien fih in Strömen, alle Flüffe werden
angeſchwellt und alle Niederungen überſchwemmt. Bom Auguft bis Dctober werden die Infeln
von Stürmen heimgefucht, die oft fircchtbare Verheerungen anrichten. Gegen Ende November
beginne heitere® und angenehmes Wetter, nördliche und norböftliche Winde wehen und der
fhönfte Winter auf der Erde dauert vom December bis Mai. Ausnahmen von dieſen klimatiſchen
Berhältniffen findet man auf den gröfern Infeln, welche oft durch die von den Bergen wehen-
den Landwinde erfrifcht werden. Eine große Plage W.8 find die furchtbaren Orkane und Erd-
beben, durch die ein Theil der Infeln von Zeit zu Zeit Heimgefucht wird. Die Uppigkeit bes
Pflangenwuchfes, den wir auf dem amerik. Feſtlande finden, zeigt fich auch auf den Infeln.
Mehre Bäume liefern treffliches Bauholz, wie die Ceder, Eiche u. ſ. w. Der Mahagonibaum
wächft vorzüglich auf Jamaica, wird aber nach und nach feltener. Der Europäer hat hier die
Erzeugniffe des Orients und des Abendlandes zu vereinigen gewußt. Pomeranzen, Eitronen,
Granaten, Feigen wachen rings un die Pflanzungen, die meiften europ. Obftarten gedeihen in
den Bebirgsgegenden, während bie Ebenen die herrlichfien tropifcgen Gewaͤchſe ſchmücken. Die
ungeheuern Wieſenflächen (Savannen) im Innern der größern Inſeln bededit ein fanımtarti-
ges Grün. Der Hauptreichthum befteht in den aus der Cultur der tropifchen Hanbelspflangen
geivonnenen Producten. Die Vanille wächſt nur in den Wäldern von Jamaica wild, die Aloe
auf Cuba und den Bahamainfeln. Indigo, Piment, Cacao, Cocosnuß, Mais, Taback und
Baumwolle findet man auf vielen Infeln. Yams und Bataten, beide einheimifch, find Die
Hauptnahrung der Neger. Die Brotfrucht wurde von Draheiti nach Jamaica verpflanzt. Bon
Getreidearten wird nut der Mais flark gebaut, Weizen dagegen nur wenig; man bedarf
Daher beffen Zufuhr aus Kanada und den Vereinigten Staaten. Die Hauptfiapelmaaren W.6
find Zuder und Kaffee. Das aufden weftind. Snfeln angebaute Zuderrohr wurde im 16. Jahrh.
durch bie Spanier von den Canariſchen Infeln gebracht und der Kaffeebaum aus Arabien be
ſonders von Niederländern und Franzofen in W. eingeführt. Die Baumwolle ift häufig auf
Infeln, die einen trodenen und fleinigen Boden haben, doch die Ernte der herrfchenden Feuch⸗
tigkeit wegen oft unſicher. Bor der Ankunft der Europäer auf den weſtind. Infeln waren nur
wenige Arten vierfüßiger Thiere einheimifh, beſonders Meinere Arten, wie das Aguti, eine
Mittelgattung zwifchen Kaninchen und Ratten, dad Pekari oder merican. Schwein, das Arma-
bill, das Opoſſum und kleinere Affenarten. Häufig find Eidechfen, Eforpione und Schlangen,
aber nur Martinique und Sainte-Lucie haben wahre Vipern und giftige Storpione. Der ge
fräßige Kaiman lebt in flillen Gewäſſern. Die köſtlichſten Schildkröten werben bei Jamaica
gefangen, wie auch die Rieferfchildfröte. Die Vögel zeichnen fih durch das glänzenbfte Gefie⸗
der aus. Der Papagei und der golbglängende Kolibri beleben die Wälder und zahllofe Waſſer⸗
vogel die Geſtade. Sämmtliche Hausthiere find aus Europa eingeführt, von denen namentlich
Rindvieh und Pferde auf den größern, grasreichern Infeln gedeihen, wo fie, wie in den Sa⸗
vannen Südamerikas, in großen Heerden in halbwildem Zuftanbe eriftiren.
Die erfien weftind. Infeln, Bahanıa, Cuba, Haiti und Portorico, würden feit 1492 durch
Columbus (f.d.) entdedt. Da man in ihnen dad von Columbus gefuchte Indien gefunden zu
Gaben meinte, fo erhielten fie, ald man erfannt, daß man einen gang neuen Erdtheil gefunden,
den Namen Weftindien, im-Begenfage zu Oftindien. Antillen wurden die beiden Hauptgrup⸗
pen der weftind. Infeln nach einer eingebilbeten Infel Antilia genannt. Man fand zwei ver-
fhiedene Menſchenſtämme, die Karaiben und die Arrowauks, auf Cuba, Haiti, Portorico, dem
Bahamainfeln und Samaica, jene Triegerifch, diefe friedlich und durch verfchiedene Sprachen
unterfchieden. Die Karaiben mögen die ſchwächern Stänme vertilgt haben, wie fie felbft den
Guropäern weichen mußten. Es leben jegt nur noch geringe Überrefte von ihnen auf Trinidad
und der Küfte des amerit. Feſtlandes, wohin die Spanier fie verpflanat be, Die Spanier
196 Seſlindien
gründeten die erſten Niederlaſſungen auf Cubas die Gingeborenen aber wurden durch Tribut
an Gold und Baumwolle hart gedrüdt. Seit 1503 begann bie völlige Bertheilung der Boden
fläche (repartimientos) unter den Europäern. Durch diefe Einrichtung wurden eigentlich wi⸗
- der den Willen der fpan. Regierung die Gingeborenen zu Sklaven gemacht, und die allmälige
Ausrottung des Urſiamms war zu Unfange bes 17. Jahrh. volftändig. Es begann num auf
den weſtind. Infeln der Anbau von Colonialwaaren, Gewürzen, Sarbehölzern und Baummolle.
In der zweiten Hälfte bed 16. Jahrh. geriethen die Inſeln in Berfall; Anbau und Bevölkerung
nahmen ab, weil die beöpotifchen Kinrichtungen der fpan. Regierung bie Entwidelung der in-
nern Kraft Hinderten. Die Statthalter der Infeln waren ganz abhängig von der Regierung.
Der Dandel wurde immer mehr gefeffelt; kein Schiff eines andern europ. Volkes durfte landen;
die Coloniften konnten nur mit einer. einzigen ſpan. Stadt (Sevilla und feit 1720 Cadiz) han-
dein, und in fpätern Zeiten war die Ausfuhr der einheimifchen Erzeugniffe auf gewifle Flotten
befchränkt. Viele Coloniften wanderten aus und die Infeln verödeten. Alle Heinern Küften-
ftädte wurden zerftört, um den Schleihhandel zu hemmen. Bei dem zunehmenden Sinken der
fpan. Macht wurden aud) von andern Seemächten feindliche Unternehmungen gemacht. Die
größte Gefahr aber brachten den Eolonien feit 1650 die Flibuftier (f.d.), Die endlich einem förm⸗
lich eingerichteten Naubſtaat bildeten. Auf manchen Infeln wurde durch fie der Grund zur er⸗
fien Anfiedelung gelegt. As im 17. Jahrh. auch andere europ. Mächte Infeln in W. erwar-
ben, wurde man auf die Wichtigkeit diefes Theils von Amerika für den Welthandel inmer auf
„ merkfamer. Seitbem, befonders aber feit der Mitte des 18. Jahrh., erhoben fich die weſtind.
Colonien zu neuer Blüte. Die europ. Seemächte fuchten fie ſich einander zu entreißen und mehr⸗
mals gaben fie zus Kriegen Veranlaffung. .
Man berechnet gegenwärtig die Einwohnerzahl W.s, bei den ſchwankenden Angaben über
deren Beftand in den fpan. Eolonien und auf Haiti, annähernd bald auf 3,500000, bald auf
3,800000. Legtere Zahl ald die richtige vorausgefegt, find darunter 2,900000 Neger und
Mulatten, von denen noch etwa 500000, fänmtli auf ben fpan. und niederl. Sofonien, Skla⸗
ven find. Die Negerbevölterung, die mit der Einführung afrit. SHaven um 1541 ſich zu bil»
den anfing, erhält fi außer Durch die eigene Fortpflanzung noch immer durch die widerrecht⸗
liche Einführung ſchwarzer Sklaven in die fpan. Colonien. In ſämmllichen brit. Colonien ift
die Sklaverei feit 1834 vollig aufgehoben, und ſämmtliche ehemalige SHaven find feit 1858
gänzlich freigelaffen. (S. Sklaverei und Sklavenhandel.) Ebenſo ift in Haiti (f. d.) feit der
Negerrevolution dafelbft und in den dän. Colonien feit 1847, ſowie feit 1848 in den franyofie
chen die Sklaverei aufgehoben. In den übrigen europ. Colonien W.s befteht fie noch, obſchon
es dafelbft viele freigelaffene und entlaufene oder fogenannte Maronneger in pen Wäldern gibt.
Sämmtliche Neger fprechen, mit Ausnahme der aus Afrika erſt eingeführten, einen verborbenen
Dialekt der Sprache des Volkes, unter deffen Herrfchaft fie ftehen. Die Zahl der Cinwohner
europ. Stamms auf den weftind. Infeln rechnet man auf 900000. Auf den einzelnen Inieln
. find unter den da berrfchenden Nationen am zahlreichſten die Spanier (gegen 800000), Eug-
änder (70000), Sranzofen (30000) und außerdem Holländer (6500), Dänen und Schweden.
Die Bewohner der Infeln find Ehriften, mit Ausnahme der noch nicht bekehrten Neger, die
zwar auf ben ſpan. Inſeln meift getauft, doch eigentlich noch Heiden find. Auf den brit., holl.
und dan. Infeln haben ſich befonders die Glaubensboten der Brüdergemeine und die Metho-
diften durch Miffionen und Negerfchulen um die Bildung der Afrikaner verdient gemacht. Die
Einwohner europ. Stamms haben größtentheild die Bildung ihred Mutterlandes, wenn auch
meift nur in äußerlicher Weife, da die ganze Thätigkeit in ben materiellen Befchäftigungen auf⸗
geht. Die Hauptbefchäftigung befteht in dem Anbau der Golonialproducte und im Handel nıit
denfelben. Handwerke gibt ed nur für die nothwendigſten Bedürfnifſe; alle Kabrifivaaren und
feinern techniſchen Erzeugniffe werden aus Europa eingeführt.
Mit Ausnahme des freien Haiti, welches feit 1844 zwei Staaten umfaßt und auf 1570
AM. 680000 E. (nad Andern 850000 oder 900000), und der Infel Margarita, welche
zu Denezuela gehört und nebft einigen Nachbareilanden auf 21 AM. 20000 €. zählt, find
alle übrigen Inſeln Colonien von ſechs europ. Staaten. Das Spaniſche Weſtindien, zwar
nicht mehr fo umfänglich wie in ältern Zeiten, hat doch noch unter allen das größte Areal
und bie flärffte Bevöfkerung ; es umfaßt die Infeln Cuba (f. d.) und Portorico (f.d.) nebft Per⸗
tinenzien, zufammen 2340 DM. mit 1,650000 &., worunter gegen 800000 Weiße, 355000
freie Farbige und gegen 500000 Sklaven. Das Britiſche Weftindien has 683 AM. mit
815000 E., worunter etma 600000 Neger, Mufatten und neueingeführte Kulis, und befteht
Weſt⸗Lothiau | Weſtmacott 197
1) aus den Bahamainſeln (f.d.); 2) Jamaica (f. d.); 5) ben zu den Sungferninfein gehörigen,
megen bes Schleichhandels wichtigen @ilanden Birgin-Gorda, Tortola und Anegada, 12 AM.
und 9000 E.; 4) Angnila und Barbada, KAM. und 3000 E.; 5) St.-Kitts oder Chriſtoph
(1. 2.)5 67 Nevis oder Newis, 1. RXM. mit 10200 E., worunter 1100 Weiße; 7) Montferrat,
2 DM. mir 7800 €.; 8) Antigua (f.d.); 9) Dominica (f.d.); 10) Sainte-2ucie oder Sta.-Ru-
cin, I0 QM. mit 24600 E. ; 11) St.Vincent, GAM. und 28000 €. ; 12) Barbadoes (f. d.);
15) Grenada (ſ. d.) mit den Grenadillen; 14) Zabago (f. d.); 15) Trinidad (f. d.), bie größte der
Kleinen Antillen. Unter allen europ. Mächten, welche Anfiedelungen in W. befigen, Hat die engl.
Negierung bie größte Sorgfalt auf eine liberale Verwaltung und auf ein zweckmäßiges Verthei⸗
digungs ſyſtem gewendet. Gouverneur der Infeln oder einzelnen Inſelgruppen übt im Na⸗
men des Königs die vollziehende Gewalt aus; überall iſt ihm ein Regierungsrarh aus den Ein⸗
geborenen beigefegt. In ben meiften Solonien gibt es eine gefeggebende Verſammlung, die in
ein Oberhand und ein Unterhaus zerfällt, jenes aus mehren von der Krone ernannten Mitglie-
dern, dieſes aus den gewählten Repräfentanten der Provinzen beftehend. Die richterliche Ge⸗
walt wird unabhängig durch befondere Gerichtshöfe ausgeübt. Die franzöſiſchen Eolonien
begreifen ein Areal von 8 QNM. mit 255700 €. und beftehen aus den Hauptinfeln Rartini-
que (ſ. d.) und Guadeloupe (f. d.) und deren Dependenzien (6', AM.), den Eilanden Marie
Galante, Les Seintes, Deftrade und dem nördlichen größern Theile von St.-Martin, bas
1638 von Sranzofen und Holländern gemeinfchaftlich angebaut und 4648 gerheilt wurde. Die
niederländifhen Colonien haben einen Flächeninhalt von 17',AM. und 28700 €. Bie
befiehen aus: 1) Curacao (f. d.) und den Nachbareilanden; 2) &t.-Euftäche, faſt nur aus erlo⸗
ſchenen Bulkanen beftehend, fonft wichtig wegen des Schleichhandels, 1632 von den Holländern
defest, wenig über '„ UM. groß, mit 1853 E., worunter 1100 Sklaven; 3) dem felfigen, aber
fleigig bebauten &t.-Saba, AM. mit 1677 E., worumter über 650 Sklaven; 4) dem ſüdlichen
oder dritten Theil der faum 20 M. großen Infel &t.- Martin. Diedanifchen Eolonien, TAM.
mit 314 E. (im I. 1850), größtentheils freien Schwarzen, beftehen aus den zu ben Jungfern-
inſein gehörigen Infeln: 1) Ste.-Eroiz, 4, AM. mit 23720 E., die 1640 von den Flibuftiern
beſetzt, 1650 den Engländern von den Spaniern, dann diefen von den Franzoſen entriffen und von
2estern 1755 an Dänemark verkauft wurde; fie ift fruchtbar und gut angebaut, reich an Zucker,
bat zur Hauprftade und zum Gouvernementslig Chriftiansfladt, mit einem feften Hafen und
8256 E. und mehre Herrnhutermiffionen ; 2) &t.-Thomas (T.d.); 3) St.Jean und emem An-
theile an der Krabbeninfel, 1, AM. mit 2228 €., zwei Miffionsplägen und einem Hafen, der,
wie bie Hafen von &t.-Thomas, feit 1815 allen Europäern als Freihafen geöffnet iſt. Schwe⸗
den befigt nur das Inſelchen Barthelemy (f. d.), °/ (nach Andern 2, AM. mit 10000 €.
Val. Montgomery Martin, „The history, geography and statistics ofthe West-Indies“
(5 Bpe., Zond. 1834 — 35); Southey, „History ofthe West-Indies” (3 Bde., Lond. 1827);
Duperrf, „Notices statistiques sur les colonies frangaises” (% Bde, Par. 1856 40) ; Mei-
nide, „Verſuch einer Gefchichte der europ. Eolonien m W.“ (Weim. 1831).
Beft-Lothian, f. Linlitbgow. |
Weſtmacott (Sir Nich.), einer der berühmteften engl. Bildhauer, geb. zu London im Juli
1775, wo fein Vater ebenfalls als Bildhauer ſich auszeichnete, erhielt ſeit 1792 feine Bildung
in Rom und Paris. Nach feiner Rückkehr machte er fich zunächſt befannt durch die in der Wefi«
minſter⸗Abtei 1886 aufgeftellte Statue Abdiſon's. Im J. 1809 wurde er Mitglied der königl.
Hlademie. In demſelben Jahre vollendete er die Monumente für Sir Nalph Abercrombie und
für Lord Collingwood m der Paulskirche. Nachdem er bei der Bronzeftatue des Herzogs von
Bedford für Auffellfguare perfönlich die Formung und den Guß geleitet und dann die Statue
Nelſon's für Birminghanı und die von For für Bloomsburyfquare ausgeführt hatte, vollendete
er 1822 den Koloß des Achilles in Hydepark, eine der größten Statuen, die je gegoffen wurden.
Am 3. 1814 arbeitete er dad Monument Will. Pitt's für die Weltminfter-Abtei. Non feinen
andern Werken ermähnen mir noch die ſchöne Statue eined Bauernmäbchens (1819), die zum
Monument für Bord Penrhyn und die eines Hindumäbchens, welche zu einem Denkmale Alcr.
Colvin's in Kalkutta gehörte; ferner die Bronzeſtatuen Georg's III. in Liverpool, Sanning’s, die
4832 unweit des Parlamentöhaufes errichtet wurde und vielleicht das fchönfte Werk der Bild-
hauerkunſt iſt, das London befigt, und bie des Herzogs von York, die 1834 im St. Jamespark
aufgeftellt wurbe. Auch lieferte W. 1844 das große allegorifche Relief für den Fronton der
"neuen Börfe in London. Ars Profeffor der Sculptur an ber königl. Akademie hat er cine Reihe
von Fahren hindurch durch Ichrreiche Vorträge über feine Kunſt gewirkt. — Weſtmacott (Nid.),
.188 Weſtmeath Weſtminſter⸗Bal
Sohn des Vorigen, geb. um 1802 zu London, ward von feinem Vater unterrichtet und bildete
ſich In Italien fireng nad) der Antike. Außer Statuen, wie die Pandora und eine afrit, Sklavin
(in Florenz), ein Amor mit dem Pfeile und Venus, die den Ascanius ſchützt, verfertigte er zahl⸗
reihe Büften, 3. B. von Lord John Ruſſell (1845), welche Die ſeines Vaters theilweiſe noch
‚übertreffen. Als Meifter des gothiſchen Stile arigte er fich durch fein Denkmal des Erzbiſchofs
Horoley im Dome zu Canterbury (1850). Ein anderer Bildhauer biefes Namens, James
Shewood W., machte ſich befonders durch die trefflichen Statuetten Alfred's des Großen,
des Richard Löwenherz und des Johannes (1851), fowie durch einen ſprechend ähnlichen Kopf
Sir Robert Peel's bekannt.
Weſtmeath, eine Grafſchaft in der iriſchen Provinz Leinfter, hat ein Areal von 29 AM,
von welchen 5/ auf uncultivietes Rand und Seen entfallen. Die Oberfläche bietet einen ange
nehmen Wechſel von Waldung, überaus ſchönen grünen Uderfeldern und Wiefen, von Hügeln
und Ebenen, Seefpiegeln und $lüffen dar, unter welchen legtern der Shannon, Inny und
Brosna die bemerfenswertheften. Auch durchzieht der Königliche Kanal und die Weſtbahn das
Land. Viehzucht, Leinweberei, Torfgräberei und Handel bilden die Hauptnahrungszweige der
Bevölkerung, deren Zahl 1841—51 von 141300 auf 107510 herabgeſunken iſt. Mullingar,
der Hauptort, am Kanal und der Weltbahn, im Mittelpunkt des Landes gelegen, ift ein Bo⸗
rough, der 5000 E. zählt und bedeutende Voll» und Pferdemärkte unterhält. Athlone, ein
Borougb, am Shannon, zahlt 12000 E., die von Spigen- und Hutfabrikation, Yalfang und
. Zorfhandel leben. Das Dorf Kinnagat producirt ben beſten Käfe Irlands.
eftminfter, Haupttheil von Zondon, f. London.
Weftminfter-Abtei oder die St.-Perer&-Gollegiatkirche in London hat ihren Namen von
dem Stadttheile, in dem fie liegt. Die Kirche gehörte zu einem noch in feinen Reſten vorhande-
nen Kloſter, das von Sebert, König der Weſtſachſen, zu Anfange des 7. Jahrh. gegründet, von
den Dänen zerftört und von König Edgar 958 erneuert wurde. Eduard ber Belenner baute
die Kirche kurz vor feinem Tode um. Heinrich II. ließ diefelbe wieder abtragen und gab mit
feinen nächſten Nachfolgern der Kirche ihre jegige Geſtalt. Nur bie beiden fchönen, zum Ganzen
jedoch nicht recht Harmonirenden Thürme und der weſtliche Eingang murben noch im 18. Jahrh.
von Ehriftopher ren errichtet. Heinrich VIIL. verwandelte bei der kirchlichen Trennung bas
Kofter in ein Collegiarflift, fpäter in die Kathedrale der Sraffchaft Middiefer. Schon fein
Nachfolger, Eduard VI., lofte dieſes Bisthum auf und ſtellte das Stift wieder her. Unter der
Königin Maria wurbe die Anſtalt in ein Klofter umgeformt; ihre Nachfolgerin Elifabeth ver-
einigte das Collegiatflift mit einer Erziehungsanſtalt für Knaben. Die Kirche ift in Kreuzform
erbaut; an ihre Südſeite floßen. die Nefte der alten Kloftergebäude. Wiewol dad Außere ber
Kirche ſchwerfällig ift und keinen Totaleindruck geflattet, gewährt doch das Innere, namentlich
vom weſtlichen Eingange aus, den erhabenen Eindrud eines Meifterwerk der goth. Baukunſi.
Freilich wird auch der freie Blick im Innern durch Holzverfchläge, Gitterwerk und Nebenbauten
zum Theil gehindert. Das 100 F. Hohe Gewölbe wird von kühnen Pfeilern getragen. Die
Kirche iſt 375 F. lang, im Kreuze 195, im Schiffe 72 F. breit. In dem ſchönen Ehor, deffen
Einheit ein Altar von griech. Bauart flört, werden feit uralten Zeiten die Könige von England
gekrönt. Die Kirche umfaßt viele Kapellen, darunter die Eduard's des Belenners, Heinrich’ IL.
und Heinrich's VII. Die legtere enthält das Grabmal diefes Königs und feiner Familie, ift in
einem reichen, faft überfabenen Stile von dem Florentiner Pietro Zorregiano erbaut und wurbe
erft feit 1809— 23 mit großem Koftenaufwand reftaurirt. Die Königin Eliſabeth und ihre
Nebenbuhlerin, Maria Stuart, ſowie andere hiſtoriſche Perfonen haben in den verfchiebenen
Kapellen Monumente. Im füdlichen Kreuzflügel befinden fich die Brab- und Denkmäler vieler
Dichter und Gelehrten, weshalb man diefen Ort den Poetenwinkel (Poets’ corner) nennt. Der
nörbiiche Flügel ift bie Ruheſtätte ausgezeichneter Männer, die fi) um den Staat und das öf-
fentliche Wohl verdient gemacht Haben. Die meiften der Kunſtwerke, womit ein Theil der Grab⸗
mäler geziert ift, haben feinen oder nur geringen äfthetifchen Werth; doch findet man auch einige
fchöne Arbeiten von Roubillac, Rysbrach, Nollekens, Chantrey und Flaxman. Die Ehre, in
der Weftminfter-Abtei begraben zu werben, hängt übrigens von der Erlegung einer bebeu-
tenden Summe ab. gl. „The history of the Abbey Church of St.-Peter's Westminster,
its antiquities and monuments” (2 Bde, Zond. 1812); Neale, „History and antiquities ef
the Abbey of Westminster etc.” (Xond. 1818 und öfter).
Weſtminſter⸗Hall, ein weitläufiged Gebäude in London, gegenüber der Weftminfter-Absei
(1. d.) das die Parlamentshäufer und die höchften Gerichtshöfe von Großbritannien in ſich
- Weftmoreland 199
ſcheßt. ZBligelm U, der Sohn des Eroberers, baute die eigentliche Weltminfierhalie, den Ser
rüßmten Saal, welcher, mit Ausnahme bes Theaters zu Oxford umd des Gerichtöfanis in Pa⸗
dus, als der größte in Europa gilt. Der Saal ift HOF. Hoch, 275%. lang und 70%. breit; feine
künftlich mit Nußbaumholz gewoͤlbte Dede wird von ſchönen Pfeilern getragen. Er wurde jur
Abhaltung von Hoffeftlichkeiten erbaut und Richard II. bewirthete darin bei feiner Krönungs-
ferer 10000 Perfonen. Schon längft benutzt man nur den Saal bei großen Staatsproceſſen
und Peerögerihten. Auch Karl I. wurde bier verurtbeilt. Außer den Parlamentshäufern ba-
ben in bem Gebäube die vier hohen Berichtshöfe, der Court of Exchequer, der Court of Com-
mon Pleas, der Court of Chanoery unb der Court of King's Bench, ihren Plag. Das Unter-
haus war urfprünglich eine vom König Stephan erbaute Kapelle, die Heinrich II. den Gemei⸗
nen zu ihren Gigungen einräumte. Am 16. Det. 1834 wurde der Theil von Weſtminſter⸗Hall
in dem fich die Sigungsfäle des Parlaments befinden, burch Keuersbrunft zerftört, worauf man
ſich entſchloß, ein ganz neues Parlamentsgebäude aufzuführen. Das zur Prüfung der einge
reichten Plane ernannte Gomite genehmigte den Entwurf des Baumeifters Charles Barry,
und nad). einigen vorläufigen Arbeiten wurde 27. April 1840 der erfie Stein zum Weſtmin⸗
Rerpalaf gelegt. Diefer Prachtbau, der fich jept feiner Vollendung nähert, tft im goth. Stil
errichtet und bededit einen Raum von 12 Morgen Land zwiſchen der Theme und der Weſtmin⸗
ſter⸗Abtei. Er hat vier Fagaden, wovon die Façade an der Themſe 900 F. lang ift, und drei
Danptthärme:, den Victoriathurm, 340 F. hoch, nur 64 F. niedriger al6 das Kreuz auf ber
Paulskirche, den mittlern Thurm, 300 F., und den Glockenthurm, am nörblichfien Ende des
Gebäudes, 320 $. hoch, ſowie mehre kleinere, weiche die Linien der etwa 20 Dächer auf eine
Weile brechen, die architektoniſche Schönheit mit Erbabenheit vereinigen fol. Der fübliche
Theil des Palaſtes ik den Gemachern des Oberhaufes, der nördliche denen des Unterhaufes ge-
widmet. Von den 300 Hallen, Zimmern, Bureaur u. f. w. find zu erwähnen: Lie St.⸗Ste⸗
phanshalle, zusifchen den Berfamnlungsfälen der beiden Häufer, 95 F. lang, 30 F. breit und
50 3. hoch, mit den Statuen und Büften ausgeaeichneter beit. Staatsmänner; die Normannen-
halle, mit Fresken aus den Zeiten der Normannen, neben welcher das Ankleidezimmer der Kö-
nigin in die 140%. lange, 45%. breite und 45%. hohe Royal gallery führt, Die mit ber Prince's
chamber in Berbindimg fleht, von mo aus eine prächtige Thür ins Oberhaus leitet. Dieſer
Baal, wo fidh bie Peers 15. April 1847 zum erften male verfammelten, hat eine Länge von
97 F. eine Höhe und Brelte von 45 $. und ifl mit verfehwenderifcher Pracht ausgeftattet.
Die Fresken fielen theils Hiftorifche, theils fombolifche Scenen dar; zwiſchen den zwölf Fenſtern
find Rifchen mit Statuen engl. Könige angebracht. Der innere Raum zeigt die koloſſale Tafel
der Lords, den rothen Wollſack bes Kanzlers und den von einem herrlichen Baldachin befchatte-
ten Thron. Der Unterhausfaal iſt ebenfo Hoch und breit, aber nur 62%. lang und mit Aus⸗
nahme des reich verzierten Plafonds in einfacherer Weiſe eingerichtet. Die Koften des Baus
werden auf 1‘) Mill. Pf. St. veranfhlagt. Er befige den Vorzug, daß er nie abbrennen Tann,
indem alles Brennbare durch den Magnetiankalkftein von Yorkfhire oder Granit von Überdeen,
aus welchem der ganze Bau befteht, immer fo von ben brennbaren Stoffen ber andern Räume
gefchieden ift, daß höchſtens ein einziges Gemach von den Flammen verzehrt werben kann.
Beſtmoreland, eine Brafichaft im nordweſtlichſten Theile Englands, hat ein Areal von
nahezu 36 QM., wovon kaum 13% zur Feldwirthſchaft tauglich find. Es iſt ein raubes, kal⸗
tes Land voll langer Reihen hoher Felfenkerge (Bells oder Moors), die oft bis gegen Som⸗
mer&anfang tief befchneit ind und Ianggefizedte Cngthäler und Seen einfchließen. Der Pflug
findet hier wenig Raum. Uber was der Eultur des Bodens abgeht, das erfegen die berühmten
Raturfchönheiten des Bandes, feine fleilen, oft ſenkrecht abftürzenden Bergmaffen, bie anmuthi⸗
gen Seen, wie ber berühmte Windermere, der größte Englands (über 2%, WM. lang und / M.
breit), und ber Ulleswater, die reichen Weideflächen der ſchmalen Thäler und die prachtvollen
Wölder. Bon Wichtigkeit find die Schieferbrüche, unbedeutend die Kohlen- und Bleigruben.
Der Aderban iſt untergeordnet; Weizen gebeiht nirgends. Deflo ausgedehnter wird bie Vieh ⸗
zucht betrieben. Die Berggegenden nähren große Schafheerden, die Sumpfgegenden viele
Schweine, bie den trefflichen Weſtmoreland⸗Schinken liefern. Auch die Bänfezucht iſt von Be⸗
deutung. Den mittlern Raum zwiſchen den hoch und niedriggelegenen Gegenden nimmt die
Rinbviehgucht ein. Das Vieh iſt von der bekannten nicht großen, aber ſehr milchreichen ſchott.
Race und liefert Butter von ganz vorzüglicher Güte, die hauptſächlich zur Berproviantirung
der Schiffe Benupt wird, weil fie fich ungewöhnlich lange hält. Bei den Mangel an Steinkohlen
kan die Induſtrie nicht auflommen. Dieſeibe beſchraͤnkt fich auf Handarbeit and dieſe wieher
t
200 Weſtmorlaud —Weſtpreußen
auf das Spinnen der Wolle, Stricken von Sitrünpfen und Weben rines Apemigfikfichei gre«
ben Wollenzeugs. Die Grafihaft wird in vier Wards eingesheilt und zählt 58580 E. Die
Haupiſtadt iſt Appleby, am Eden, mit 2700 €. Wichtiger it Kendal, eigentlich Kirkby in
Kendal, an der von-Rancafter nach Carlisle und Schonland führenden Eiſenbahn, nut 11829 €.
(im Diftrict. 536564), welche unter Anderm die Kendal ⸗Cottons, geobe Wollengenge zu Neger⸗
und Matroſenkleidern, fertigen. Der Hafenort Mältory, an der Mündung ded Ken in bie Me-
recambebai, hat Papiermuählen und Vertrieb von Schiefer nach Lwerposl, Landen und Hull.
Weſtmorland (John Fane, Graf von), brit. Diplomat, ſjammt aus einer alten wallififchen
Familie, deren jüngere Binie ſich Vane fihreibt und au der der berühmte republißanifche Partei⸗
führer Sir Harry Vane und deffen Nachlorumen, die jegigen Herzoge von Cleveland, gehören.
Thomas Fame heirathere 1574 Mary Neville, Die Tochter des Gords Abergavenny, mt der er
einen Sohn Francis yeugte, der, tn Betracht ber Ablunft feiner Mutter von den Brafen von
Weſtmorland aus dem Haufe Nevilte (ſ. d.), 1624 zum Baron Burgherfh und Grafen von W.
erhoben wurde. John Fane, zehnter Graf von W., geb. 1. Zan. 1759, der unter Pitt's Mini»
fterium Porblieutenant von Irland, danıı aber lange Jahre hindurch (Bid 3827) Beheimfiegel«
bewahrer war und 12. Dec. 1841 fiarb, war der Water des gegenwärtigen (efften) Grafen.
Diefer, der bis zum Ableben feined Waters Lord Burgherſh hieß, wurde 3. Febr. 1784 geboren,
trat zeitig in Militärbienfte und machte die Feldzüge in Portugal und Spanien unter Welling-
ton mit, defien Nichte er 1811 heirathete. In Geſellſchaft Lord Aberdeen'b befand er ſich 1814
im Hauptquartier Schwarzenberg's, mit dem er in Paris einzag. Zum Oberft befördert und
mit dem Bathorben und dem Maria⸗Thereſienkreuze geſchmückt, ward er noch während bee
Diener Congreſſes zum brit. Geſandten in Florenz ernannt, welche Stelle er 15 3. eimahm
Er benugte die Muße, die ihm hier in reichlichem Maße zu Theil wurde, um ſich künſtleriſchen,
namentlich mufitalifchen Beichäftigungen und Studien hinzugeben. Außer zahlreichen Sym-
phonien, Santaten und Meffen ronponirte er fogar ziwei Opern: „N Teorneo” und „L'Eroe di
Lancastro”, die freilid, den Dilettanten verraten. Er ließ in feinen Geſandtſchafethhotel ein
Liebhabertheater einrichten, auf welchem er ſelbſt mit ſeiner Gemahlin auftrat, und machte fein
Haus zum Vereinigungspunkte der gebildeten Welt und der Reifenden aller Rationen. Dane-
ben verfuchte er ich ale Mititärfehriftfteller, inden or zwei Werke über bie „Operations ol ihe
allies in Portugal” (Lond. 1818) und die „Operalians of ihe alliad arınles in 4814” (Lond.
1822) herausgab, denen er „Erinnerungen aus den erſten Feldzügen des Herzogs von Wel⸗
lington in Portugal und Spanien” (deutſch von Graf von der Belp, Berl. 1845) folgen lieh.
Nach England zurüdgekehrt, wurde er Mitglied ded Geh. Raths umd vückte 1858 zum Gene
rallieutenant auf, Im Aug. 1841 trat fein alter Freund Aberdeen an die Spitze des audwäar-
tigen Miniſteriums, während zugleich der Herzog von Wellington tinen sinflußrelchen Play sm
Sabinet innehatte, umd fo geſchah es, daß Lord Burgherih, deffen diplomatiſche Thätigkeit bis
dahin ziemlich untergeorbneter Urt geweſen, den wichtigen Geſandtſchaftspoſten anı preuf
Hofe erhielt. Kurz darauf erbte er den Titel eines Grafen von ZB. und bie bebentenden Bitter
der Familie. In Berlin erwarben ihn: die Zeutfeligkeit feines Charakters und feine künfileriſchen
Neigungen viele Fremde, und durch die Beliebtheit, deren er ſich in ben hödkften Regionen
erfreute, half ex das innige Verhältniß zwifchen England und Preußen befefligen. Die Errig-
nifje von 1848 gaben ihm endlich Gelegenheit, in die wichtigften politiſchen Verhandlungen ein⸗
zugreifen und in ber fehledrn.«hotft. Angelegenheit eine Vermittletrolle zu Tpielen. Die brit. Re:
gierung war mit feinem Benehmen fo zufrieden, daß fie ihn 1854 6 Berfchafter nach Wien
Schidte, da man ihn auch durch feine frühern Verbindungen geeignet glauste, die Spannung,
welche in Folge der Palmerfton’fchen Politik zwiſchen England und Oftreich eingetueten war, au
befeitigen. Die Wiener Eonferenz, bie 1853 auf Anlaß der im Orient ausgebrochenen Con⸗
flicte zuſammentrat, nahm feitdem feine angeftrengtefte Ihätigfeit in Anspruch. Bei dem gro-
fen Avancement ins beit. Heere im Juni 1854 erhielt W. den Rang eines wirklichen Generals.
Be leu, ſ. Weſtfalen.
Weſtpreußen beißt bie weftlich gelegene Hälfte der Provinz Preußen ober des eigentlich fo-
genannten Königreichs Preußen, welches von der Dftfee, Oftpreufen, Velen, Poſen, Beanden-
burg und Pommern umgrenzt wird und auf 471,0 AM. 1,073476 E. (Ende 4852)
zähle, Die, aus Deutichen und vorherrichend aus Polen gemifcht, zu faft gleichen Theilen
der protefi. und kath, Kirche angehören, mit Ausnahme von 12500 Mennoniten und 23000
Juden. Die Landfchaft bildet eine nur hier und da von. geringen Anhöhen unterbrochene
wei bene, welche von der Weichfel, den Hauptfluſſe, der Brahe, Drewenz, Sorge, Elbing,
Weſtreenen van Tiell andt 01
Moctlau und tutigeh Meinem Flüſſen, Torie vom Draufen-, Geſerich⸗ Radaun⸗ imd andern
Seen, abgeſehen vom Friſchen Haff, bensäffert wird. Der Boden ifl in ben höher gelegenen Rand-
ftrichen entweber fandig ober von Haiden und Moräften bedeckt und daher großentheils minder
ergiebig, in den fetten Rieberungen aber, die nor Zeiten der Weichſel abgewonnen worben ſind,
defto fruchtbarer. Getreide, Hülſenfrüchte, Higewachſe und Fiachẽ werden in ſolcher Menge er-
zeugt, daß man einen großen Theil davon ausführen kann; auch baut nıan vieles Obſt, und die
Waldungen fiefern viel Bau⸗ und Brennholz zur Ausfuhr. Die Hferber, Aindvich-, Schweine
und Bienenzucht wird flarf getrieben, befonders zieht man in der Weichſelniederung große
ſchöne Pferde und treffliches Nindvieh. Un mineralifchen Producten iſt W. arm und beſchränkt
auf etwas Sumpfer,, Töpferthon, Kalk, Bernſtein und hauptſächlich Torf. Anſehnliche Fa⸗
briken und Manufacturen gibt es, Danzig (ſ. d.), Eibing (ſ. d.) und Thorn (ſ. d.) ausgenom⸗
men, faſt gar nicht; dagegen ſind bie Garnſpinnerei und die Leinwandfabrikation im Lande all
gemein verbreitet. Der Handel, obgleich durch die Oſtſee und die Weichfel, den Bromberger-
anal und nenerdings durch die Oſthahn begimfäsgt, If mur in ben Städten Danzig und Elbing
lebhaft, hat aber in neusrer Zeit auch hier an Bedrutung verloren. In Berug auf die Civilver⸗
waltung zerfällt die Landſchaft in die zwei Regierungsbezirke Danzig, nıit 152,» DM. (wovon
4, Waſſer) und 423928 E. in 8 landrathlichen Kreifen, und Marienwerder (f. d.), mit
31941 QM. und 649548 €. in 15 landraͤthlichen Kreifm. Staͤdte zählt dad Land mır 54
Fieden 8, Dörfer 1479, Borwerte 1412, Eolonien 364. Füt die kath. Kirche beſteht das Bis-
thum zu Culm (f. d.), deffen Biſchof feinen Sitz zur Pelplin hat, doch erſtreckt fich auch der Spren«
gel des Bistums Ermeland Über einen kleinern Theil W.s. Für die proteſt. Kirche befichen
im jebem Regierungsbezirk fieben Kirchenkreiſe oder Superintendenturen. Die Provinzialſtände,
die im Verein mit den Seänden Oftpveußens abwechfelnd zu Königsberg und Danzig fich ver-
fammeln, befiehen aus 15 Deputirten der Ritterfehaft, 13 Deputirten der Städte und 7 Ab-
geordneten der Landgemeinden. An wiſſenſchaftlichen Anflakten beſitzt Weſtpreußen ſechs Gym⸗
nafſien: Danzig, Elbing, Konch (kathsliſch), Erin (tatholiſch), Marienwerder und Thorn; drei
Schullchr erſeminãre: Graudenz (zwei) und Marienburg; ein biſchöfliches Prieſterſeminar in
VPelplin und. ein Tadettenhaus zu Gun, eine Hebammenanſtalt zu Danzig, eine Blindenpflege⸗
anſtalt u Marienwerder, cine Taubflunmenſchule zu Marienburg, eine Handels akademie und
Schiffahrtoſchule zu Danzig, ferner Rral- und höhere Bürgerſchulen an Danzig, Jenkan (bei
Danzig), Eibing, Marienburg, Enim md Graudenz, endlich zwei Provinziatgewerbfchufen
zu Danzig und Graudenz. Die Lanbſchaft führte nis 1772 den Ramen PBolnifc: Preußen,
weil fie mit Inbegriff von Ermeland au denjenigen Theilen Preußens gehörte, weiche bie Krone
Boten in dem Thorner Frieden 1466 vom Deutichen Drben abgetreten erhalten und 1525 im
Krakauer Frieden, als fie bem Ordensmeifter, Albrecht von Brandenburg dad Herzogthum
Preußen, d. i. Dſiprrußen, zu Belm gab, ſich dorbeh Aten hatte. Danzig, Thorn ımd Elbing
waren darin die bebeutenibfien Städte. As 1772 der:Rönig Friedrich N. Pokniſch⸗Preußen mit
Unsnahne von Danzig und Thorn in Deſittz nahm, ſchlug er Ermeland zu Dfipreußen, ver-
einigte mit jenem ben garmin Nepediſtriet und gab dem Bande, im Gegenfas von Oſtpreußen
-(f.d.), den Namen Wefipreufen. Hierauf kamen 179% auch Danzig und Thorn in preuß. Be⸗
fig. Aber im Frieden zu Autfit 1807 michten mehre Theile diefer Provinz (etwa 255 DOM.) an
Frankreich abgetreten Werben, Die Napoleon theild zum Herzogthum Warſchau (f. 6.) ſchlug,
theils zar Bildung des Yreikumb Danzig verwendete. Erft 1815 gab der Wiener Congreß
dieſe Landesſchelle an Preußen zurück, welches hierauf die füdlichen Bezirke am der Nege zu
der Provinz Pofen ſchlug, am dem eigentlichen Weſtpreußen aber eine befonbere Provinz bil-
bete, die jeboch 1824 mit Dſtpreußen in eine einzige Provinz, unter bem Namen Preußen, ver-
einigt wurde.
Beſtreenen van Tiellanbt (Willren Hendrik Jacob, Baron van), niederlaͤnd. Hiflorifer
und Bibliegraph, aus einer alten, ſeit mehren Jahrhunderten in der Provinz Utrecht anſäſſigen
Familie, wurde 2. Det. 1783 im Haag geboren. Rachdem er einige Aufſätze m Zeitfchriften
geliefert, Tief ex 1804 ſeine Schrift „"S Gravenhage in de I3de eeuw” erfcheinen. Bei Gele-
genheit der Stiftung des neuen Ordens der Union durch König Sudwig fehrteb er den „Essai
sur les anciens ordres de chevalerie” (1807) und wurde zum Hiſtoriographen dieſes Ordens
md zum Adjuncten beim Reichtarchlv ernannt. Sein Berzeichniß über van Damme's Br
bliothef und Münzfammılımg (2 Bbe., 1308), das er als Auffeher derfelben herausgab, fand -
verbiente Anerbennumg. In feiner „Dissertation sur l’invenfion el les premiers progrès de
ia typographie” (1808) fürchte es die Verſchiedenheit der Meinungen ber Holländer und Dei
202 BVeſtroͤmiſches Rei Wetterau
ſchen über die Erfindung ber Buchdruckerkunſt zu vermitteln. Rad ber Bereinigung Holands
mit Frankreich Iebte ex in fliller Zurückgezogenheit bis 1813, wo er eifrigen Antheil an ber
Wiederherſtellung der Unabhängigkeit feines Baterlandes nahm. Bald nachher wurde er Mit
glied der Ritterſchaft der Provinz Holland, die ihn fpäter zum Abgeordneten am Reichttage
ernannte. Unter feinen Schriften erwähnen wir noch „Recherches sar l’ancien forum Ha—
driani et ses vesliges prös de la Haye” (Haag 1826) ; „Esquisses des progrös de l’impri-
merie dans les Pays-Bas pendant les 15., 16. et 47. sidcles” (1829), eine Ergänzung feie
ner obenerwähnten Schrift vom 3. 4809, worin er Leyden die erfte Idee, Strasburg die Ver»
befferung und Mainz die Erfindung der Buchdruckerkunſt mit beweglichen Lettern zueignen
wollte; und endlich feine bei Gelegenheit des halb literarifchen, halb politiſchen Streits über
den Gebrauch der holländ. Sprache herausgegebenen „Recherches sur la langue nationale de
la majeure partie du royaume des Pays-Bas“ (1850). Im 3. 1842 wurbe er zum Gurator
der königl. Bibliothek ernannt und war als folder außerordentlich thätig. Er flarb 22. Nov.
1848. Als gelehrter Paläolog hatte TB. auf feinen Reifen in Frankreich, Deutfchland, der
Schmeiz und Srntien anfehnliche Sammlungen an Handfchriften, alten Druden, Münzen und
andern Alterthümern erworben, Die nach feinen Zode Staatseigenthum geworden find.
MWeitrömifches oder Decideutalifches Reich, im Gegenfag zum Oftrömilchen oder
Byzantiniſchen Reiche, |. Rom und Roͤmiſches Meidh.
Beſtwind heißt die in der Richtung von Welten nach Oſten fortfchreitende Luftſtrömung.
Während zwifchen den Wendekreifen auf ber Oberfläche der Meere in Folge des Zuſtrömens
der Luft von den Polen und der Umdrehung der Erde öſtliche Winde (Paffare) wehen, müffen
in ben obern Regionen, wo die aufgeftiegene Luft nach den Polen zurückkehrt, weſtliche Winbe
(in der nördlichen Halbkugel Südweſtwinde und in der füdlichen Norbweſtwinde) herrichen.
(8. Wind.)
Wetſtein ift der Name einer Belehrtenfamilie, die. urfprünglich aus Kyburg im ſchweizer.
Canton Zürich ſtammt. — WBetftein (Joh. Jak.), geb. zu Bafel 1594, trat zuerfl in venetian.
Dienfte, wurde 1620 Mitglied des Naths der Stadt Bafelund 1645 Eonfuf. Er war Gefandter
des Santons beim Abſchluß des Weſtfäliſchen Friedens, wurde 1655 in den Reichsadelſtand er-
hoben und flarb 1666. — Wetftein (Joh. Rubd.), des Vorigen Sohn, geb. zu Baſel 1614, gef.
ale Profeffor der Theologie daſelbſt 1683, war ein Hauptgegner ber Einführung ber Formula
oonsensus. Übrigens unterflügte er Suicer bei der Ausarbeitung bes „Thesaurus ecclesiasii-
cus”. — Sein Sohn, Joh. Mud. W. geb. zu Bafel 1647, geft. ebenfalls als Profeffor der
Theologie Dafelbft 1741, machte fi) befonders als Derausgeber mehrer Schriften bes Drigines
verdient. — Wetftein (Joh. Heinr.), geb. zu Baſel 1649, gründete zu Amſterdam ein Geſchaͤft
ale Buchdruder und Buchhändler, dem er durch Thätigkeit und Sachkenntniß einen großen Um-
fang zu geben wußte und das nach feinem Tode 1 726 von feinen beiden Söhnen fortgefegt wurbe.
Aus feiner Offizin gingen zahlreiche, durch Gehalt, Correctheit und äußere Schönheit ausgegeich-
nete Ausgaben alter Claſſiker hervor. — Um berühmteften iſt Joß. Jak. W., geb. zu Baſel 1693,
der Sohn von Joh. Rud. IB. dem Jüngern. Ex ſtudirte ebenfalls Theologie, war einige Zeit
Feldprediger bei einem ſchweizer. Regiment in bolländ. Dienflen und wurde 1717 Diakonus in
feiner Vaterſtadt, 1730 aber wegen verfchiebener von dem Glauben ber ref. Kirche abweichen-
den Lehrfäge feines Amts entſeht. Im J. 1733 folgte er dem Hufe als Profeffor der Kirchen-
geſchichte nach Amſterdam, wo er 1754 farb. Sein Hauptwerk ift die kritiſche Auegabe des
Neuen Teftaments (2 Bde., Leyd. 1751 —52). Seine „Prolegomena” (Amſt. 1730) wurden
fpäter von Semler mit Anmerkungen (Halle 1764) Herausgegeben.
- Bette (sponsio) heißt ein Vertrag, wodurd Zwei oder Mehre ſich etwas Beſtimmtes ge-
enfeitig verfprechen, wenn eine ungewiſſe Thatſache fich ereignen oder fich in einer beſtimmten
Seife als wahr oder unwahr ergeben follte. Nach gemeinem röm. Rechte iſt die Wette erlaubt,
wenn ihr Gegenſtand nichts Unfittlicheö (causa inhonesta) enthält. Die Ungewißheit muß für
beide Theile gleich fein ; wenn ber eine ſchon von dem Verhaltniß ber Sache Nachricht hat, if
die Wette ungültig. Das für eine verlorene Wette zu Leiſtende kann nicht eingeflagt, Das fchon
Geleiſtete aber auch nicht gerichtlich zurückgefodert werben. Die Wette Darf nicht zum Glücks
(piel werben, weil dieſes zu den unerlaubten Beihäften gehört. Zu diefer Gattung von Betten
gehören die Wetten bei Pferberennen, auf das Steigen und Sinken der Staatöpapiere u. dergl.
Wetter, f. Witterung; Better (bergmänniſch), |. Grubenban und Grubengas.
Wetterau beißt der ebene, zwiſchen dem Bogelberge ımd dem Taunus ſich ausbreitende,
ehr fruchtbare Landſtrich, ber zum größten Theil zu Heffen-Darmflabt, zum Theil aber auch
Betterlenchten Vetlin 208
su Heffen-Raffel, Deffe-Homburg, Raffau und Frankfurt gehört und ungefähe 15 DER. um-
faßt. Gr wird vom Mein, der Uſe, Nidda und Wetter, die ibm den Namen gegeben hat, be
wãſſert und erzeugt in großer Menge Obſt und befonbers (Betreide. Bei bem deutichen Reicye-
tage hieß eines der vier Gollegien, in welche die Reichsgrafen und Herren getheilt waren, das
Wetteranifcge Graſeneo legium, zu welchem 3. B. die Fürften und Grafen von Solms, Ifen-
burg, Stolberg und andere gehörten.
Betterleneten wird die feurige Lufterfcheinung genannt, weiche man vorzüglich im ber
wärmern Jahres zeit bed Abends oder bei Nacht nicht blos am bewölkten, fondern auch öfters
bei ganz Haren Himmel plöglich als einen hellen, aber bald wieder verſchwindenden Lichtfchein
erblidt. Gewoͤhnlich pflegt man alsdann zu fagen, das Wetter kühle fi) ab. Das Wetterleuch⸗
ten ift entweder nur das reflectirte Richt der Blige von fernen Gewittern, die ſich unter dem
Horizonte befinden, oder es find elektriſche Entladungen, die zwar über dem Horizonte, aber in
fo großer Höhe und fo verdünnter Luft vor ſich gehen, daß fie von feinem von uns wahrnehm-
baren Beräufche begleitet find.
Wetterfcheide wirb in der Sprache des gewöhnlichen Lebens die Dunfikreiäftelle in einer
gewiſſen Gegend genannt, wohin fowol Gewitter ald Strichregenwolken zu ziehen, ober wo fie
ſich zu gertheilen pflegen. Wenn man genau darauf Acht gibt, fo wird man bemerken, daß der
Zug einzelner Wolkenmaſſen, wenn fie nicht von einem vorherrſchenden Winde getrieben wer-
den, entiweder nach Hügeln und Gebirgen, oder auch nach Seen, Wäldern und großen Blüffen
bingeleitet wird. Es kommt babei immer auf die Lage ber Gegend an. Die Theorie der Wetter:
ſcheiden liegt noch um fo mehr im Dunkeln, als die Erklärung, die man etwa von einigen der-
felben geben konnte, wenig auf andere Zocalitäten paßt.
Wetterfee oder Wettern, nach dem ing Welten von ihm gelegenen Wenerſee (f. d.) das
größte Binnengewäfler Schwedens, von Norden nach Süden geftredit und an beiden Enden
(pig zulaufend, 1718 M. lang, bis AM. breit, 270 Par. F. ober doppelt fo hoch als der We⸗
nern über dem Deere gelegen, bedeckt eine Fläche von 36,2 Am. ImD. und W. von Berg-
Betten eingefchloffen, hat ber See fehr romantifche Ufer, aber weit weniger Buchten als der
Wenern und nur eine Infel, Wiltngsö,. die 14 M. lang, '/; M. breit, fehr ſchön und fruchtbar
iſt, im Mittelalter öfter Königsſitz war, fpäter der Familie Brahe als Graffchaft gehörte. Der
See hat außerordentlich klares, felbft trinkbares Waſſer und eine fehr bedeutende Ziefe, an zwei
Stein 347 und 385 F. Befonders merfwürdig ift er durch das plögliche Fallen und
Steigen feines Waſſers, indem erſteres zuweilen bei Regenwetter, letzteres bei ber größten
Dürre eintritt. Ebenſo merkwürdig find feine Stromungen (Strömfalde), die ſowol auf der
Dberfläche als in einer Tiefe von mehr ald 200 F. ſtattſinden, mit und gegen den Wind gehen
und oft an einem Tage 20 — 30 mal ihre Richtung verändern, fowie fein oft ganz plöglich
eintretenbes Aufwallen und heftiges Wogen und Wirbeln, was die Schiffahrt und wegen der
ungleichen Dice des Eifes, die obenein nicht felten ganz zerfprengt wird, auch die Winterreifen
gefährlich macht. Diefe wifienfchaftlich noch nicht erflärten Srfcheinungen, verbunden mit ben
feltfamen Dunfigebilden und Luftfpiegelungen, haben natürlich dem Volksgeiſte zu mancherlei
Sagen und Spukgeſchichten Anlaß gegeben. Der Wettern nimmt an 40 Beine Gewäffer auf.
Durch die Motalaelf und mebre Heine Seen hat er gegen Norköping bin feinen Abfluß in bie
Dſtſee, durch den Bottenfee, den Wilenfee und den Göthakanal fleht er mit dem Wenern in Ber-
bindung, der ſeinerſeits durch die Göthaelf mit dem Kattegat verbunden iſt. An feinem Ufer lies
gen Jönköping im Süden, Motala, Wadſtena und der viel befuchte reizende Gefundbrum-
nen Medewi im Often, Askerfund im Norden und die mächtige Feſtung Karlsborg im We⸗
ſten. Wie am Wenern der Kinnekullen, fo ift am Oſtufer des Wettern der etwa 600 F. hohe,
an der Seefeite fteil abgefchnittene Dmberg wegen feiner herrlichen Ausſichten berühmt.
Bettin ift der Rame eines im früheften Mittelalter fehr berühmten thüring. oder ſächſ.
Dynaſtengeſchlechts, von welchem fänmtliche jegt regierenbe fächl. Dänfer abflamımen. Grafen
von BB. nannten fie fich nach Wettin, einem ſlaw. Drte in dem Saolkreiſe des Herzogthums
Magdeburg, in deſſen Rähe das Stammhaus der Grafen nody gegenwärtig in ber alten Burg
Winkel, jegt einem Rittergute, vorhanden ifl. Die ehemalige Sitte, den Urfprumg der mei»
ſten angefehenen fürftlihen Häuſer in Deutichland von dem Heerführer der Sachſen gegen
Kari d. Gr., Witteind, herzuleiten, gab die VBeranlaffung, daß man ihn auch für ben Uhnberen
der Grafen von W., mithin des ganzen fühl. Hauſes, ausgab. Nach einer andern, ehenfalls
auf ſchwachen Gründen ruhenden Meinung foll der Herzog Burkard von Thüringen, der 909
in einer Schlacht wider die Ungarn blieb, der gemeinfchaftliche Stanmmater der Grafen vom
a | VDettrennen Betzel
|
8. geivefen fen. Der erfle Graf von W., ber mit Beftinmmsheit von den Quellenſchriftſtellern
erwähnt wird, ift Dietri, aus dem Haufe Bapizi, ein tapferer Krieger, der eines Andern
Lehnomann war und 982 zu Baſentello in Kalabrien ſtarb. Bon feinen beiden Söhnen folgte
ihm der ältcfle, Dedo 1., als Graf von W.; der jimgere, Friedrich, erhielt die Grafſchaft Eilen-
burg, die nach feinem Einderfofen Tode 1017 an des bereits früher verftorbenen Dedo 1.
Sohn, Dietrich II., Grafen von W., fiel. Bon den ſechs Söhnen Dierrich'& II. erhielt der zweite,
Dedo Il, um 1051. nad) dem kinderlofen Ableben des Markgrafen Odo die Markgrafichaft
Lauſitz und, ald der Markgraf Ebert I. von Meißen 1068 ftarb, ach deſſen Marfgraffchaft.
Er ſtarb 1075. Unser feinem Sohne, Heinrich den Altern, Grafen von Eilenburg, und beffen
Sohne, Heinrich dem Jüngern, ift die Gefchichte der Markgrafſchaft Meißen fehr dunkel. Nach
des Legtern Tode 1127 beerbte ihn Konrad d. Br. (f. d.), der als einer der mächtigſten Zärften
feiner Zeit 1457 flarb.. .
Mettseunen. Das Werrennen der Dferbe war fchon ein griech. Spiel und verdanktt ſei⸗
nen Ursprung jedenfalld den Diympifchen Spielen. Von den Griechen überfanen die Römer
die Wertrenmen. Sie arteten aber bei ihnen bald in gemeine Schauſtücke aus, die bei gewöhn⸗
lichen Foften zum Dienſſe der Götter und zur Beluſtigung des Volkes im Eircus gegeben wur⸗
ben. Wenn ſpäter die chriſtliche Meligion diefe Spiele vertilgte, fo kamen fie dafür In einer an⸗
dern Geſtalt bei den Kirchenfeſten wieder auf. Süddeutfchland, befonderd Baiern und Oſtreich,
wurde mit diefen Rennen bei Kirchenfeſten zuerſt in Italien bekannt. Don Öftreich aus ver-
breiteten ſich die Wettrennen nach Ungarn, wo fie ſchon in fehr früher Zeit und zwar bei Kir⸗
chenfeften und beugieichen Feierlichkeiten vorkommen. In England wurden die Wettrennen
fchon von den Römern eingefüihrt und es finden ſich och Heute Spuren von Rennbahnen aus
den Nömerzeiten. Ausgebiſdet wurden aber bie Wettrennen in England erft unter Heinrich IL
withen 1154-70. Sie dienten zur Unterhaftung des Volles. Bon 1558 an zeigten fi die
Wettrennen noch zahlrricher, weil damit dad Wetten in Verbindung fam. Damals gab ed-aber
nur Privarrennen und Wetten unter Edelleuten. Erſt mit Anfang des 17. Jahrh. wurden
öffentliche Rennen und Preife veranlaßt. Gent iſt das Wettrennen faft in allen engl. Graf⸗
ſchaften üblich, gewöhnlich ein nal jährlich, im Herbſte ober Frühlinge; doch finden auch außer-
ordentliche Rennen fatt. Die berühmteſten Rennpläge find : Ufcot, Derby, Doncafter, Epfom,
Melton⸗Mowbray und Rewmarket. Auer England find bie Öffentlichen ettrennen in neuerer
Zeit in vielen Bändern des Feſtiandes, namentlich in Frankreich bereite feir 1806, als Yörde-
tungsmittel dev Bollblutzucht in Rußland zu Uralsk, Drenburg, Lebedjän u. ſ. w, in Wür-
temberg, Medimburg, Preußen, Holftein, Braurifehweig und Harmover, meift ganz nad) engl.
Zuſchnitt, eingeführt worden. Über ben Rusen der Wettrennen find die Meinumgen noch ge-
theitt. So viel iſt wenigftens gewiß, daß die Wettrennen der gemöhnlichen Landespferdezucht
nichts mügen, und daß fie nur der reinen edeln Pferdezucht förderlich werben fünmen. Denn die
Rennen, welche das kräftige, unter befferer Hebelkraft, mit teirern Reſpirationstheilen gefchaf-
fene Volibhıtopferd immer mustulöfer, freier arımend, ſchneller, ausdauernder madyen, ver-
derben ebenfo fidher alle Pferde, welche nicht Generationen hindurch mach Räftungen gegüchtet,
aus dem reinen Binte der fo entflandenen bewährten Rennfamilien entfproffen find, weil bie
Rennen für fie zum überreiz und zu einer Anſtrengung werden, welche das Maß ihrer Kräfte
‚äberfleigt. Aus diefem Grunde find aud die Bauernrennen mol zu verwerfen. VBgl. Dazzi,
„Über die Pferderennen ats weſentliches Beförderungsmittel der beffern Pferdezucht” (Nünch.
1826) ; Burgedorf, „Werfurh eines Beweiſes, daf die Pferderennen in England kein weſent⸗
tihes MBeförderungsmittel der beffern edein Pferdezucht in Deutſchland werden konnen”
(Konigsb. 1827); Ammon, „Bemerkungen über den Rugen der Wertrennen nad) engl. Art”
(Nürnb. 1831); Kloch, ‚Über Wettrenner und Wettrennen” (Bresl. 1835).
Wegel (Briedr. Gottlob), deutfcher Schriftiteller und Dichter, geb. 1780 in Bauen, wo
“en Bater Tutchmacher war, vollzog feine Studien auf der Schule ſeiner Vaterſtadt und den
Umwerfteiten Leipzig und Sena unter kümmerlichen Verhältniffen. Nachdem er Jena, wo
Schelling mächtigen Eindruck auf ihn marhte, vertaffen, Iebte er feit 1802 in Sachfen und Thü⸗
ringen ohne beftimmten Beruf nur feiner Ausbildung. Er ſchrieb Manchertei und filderte durch
weiten Ertrag feine äußere Lage. Im 3.1805 zog er zu ſeinem Freunde, dem nachmaligen
Profeſſor Schubert in München, der ſich damals in Dresden aufhielt, uiid vollendete hier feine
gründliche Bildung. Mit reger Theilnahme fah vr die Breigniffe von 1806 und 1807 an fi
vorübergehen, die er prophetifch ein Jahr vorher in ſeinem „Magifchen Spiegel, drinnen zu
fchauen die Zukunft Deutfchlands u. f. w.“ verfündigt Hatte. Als Schubert nach Nürnberg ger
Weplar Werford 205
rufen wurde, ging W. nach Bamberg, wo er bie Medaction des Fraänkiſchen Mercur” über
nahm, der unter feiner Zeitung zu einen: der bedeutendſten politifhen Blätter Deutſchlauds fich
erhob. Nur ſpärlich nährte ihn und feine Familie disfe Zeitungsrebactien. Er Rarb eines zeitie
gen Todes 1819. Die Bekehrungsverfuche des nachmals als Wunderthäter befannt geworde⸗
nen Prinzen von Hohenlahe- Waldenburg - Schillingsfürft harte der Sterbende mit proteft,
Feſtigkeit abgeſchlagen. Seine fehriftftellerifche Thätigkeit beweiſt, wie viel er in einer forgen-
freien, unabhängigen Bage hätte leiften können. Eine Bibel und ein altes Befangbuch machten
feine ganze Bibliothek aus. Seine mit faft Shakſpeare'ſchem Beifte ausgeführte „Zeanne d' Arc
(2pz. und Ultenb. 1817) if, was die Anlage und fcenifche Behandlung betrifft, beſonders me»
gen der viel größern Treue, mit welcher fie der Geſchichte folgt, der Schiller en „Jungfrau
von Orkdand‘' nicht unmürdig. Sein Zrauerfpiel „Dermanufried, legter König von Thüringen”,
gehört zu ben originellften Deamatifchen Schöpfungen jener Zeit. Auch feine „Schriftproben”
(2 Bdchn. Bamb. 1814-18) enthalten originelle und räftige Gedichte. Hätte man feine hu⸗
moriſtiſchen Schriften, namentlich) das „Rhinoceros“ (Nürnb. 1810) und feinen „Prolog zum
großen Magen“ (Altenb.und Lpz. 1815), aus dem gemüthlichen Standpunkte aufgefaßt, fo würde
man fie milder beurtheilt haben. Seine „Kriegslieber” (Altenb. und Lpz. 4815) und feine pocti«
Ihen Gaben in mehren Almanachen beurtunden W.'s reine poetiſche Natur, die ſich auch in feis
nen anonym erfhienenen Schriften, z. B. „Der Sieg über die Hypochondrie“, „Briefe über das
Brown'ſche Syften” u. f. w., nicht ganz verleugnen konnte. Daß deu gemüthliche, geifivolle,
nie auf den rechten Schauplag feiner Thätigkeit geftellte, immer aber feine Umgebungen freund»
lich geftaftende Sänger von feinen Freunden nicht vergeflen ift, hat noch der pſeudonyme 3. Fund
in der Schrift „Aus den Leben zweier Dichter, E. X. 28. Hoffmann's und F. &. 38.8” (2pz.
1836) bewiefen. Die hier befindliche biographifche Skizze gibt über manche intereflante Ver⸗
hältniffe in Wes Leben Auffchlüffe. 3. Fund gab auch „W.'s gefanmelte Gedichte und Nach⸗
laß” (8pz. 1858) heraus.
Wetzlar, Kreisftadt ine preuf. Regierungsbezirk Koblenz, an ber Lahn und Dil, die ſich
bier vereinigen, zählt 5000 E. (ohne die Garniſon) und ift Sig der Kreisbehörden. Das merke
. mwürdigfte Gebäude ift der alte, aber unvollendete Dom, an dem man die Übergänge der deut«
fhen Baukunſt in ihren verfchiedenen Perioden auf belehrende Weiſe ertennen fann. Das
kõnigl. Bymnafiun: wurde aus der ehemaligen Jefuitenfchule gebildet. Die Bewohner treiben
Strunpfe, Leder, Handſchuh⸗, Dl- und Tabadsfabrikgtion ; ber Eifenhandel iſt nicht unbeden⸗
tend. Aus den Ruinen der alten Burg Kalsmunt, auf einem bie Stadt beherrſchenden Berg⸗
gipfel, erhebt fih ein rom. Thurm, der Die Römerſtraße deckte, welche hier vorüber vom Rhein
nad Heſſen führte. W. war aus einer koönigl. Villa entflanden und bewahrte, trog fteter Fehden
mit den benachbarten Zerritorialherren, ihre Reichsunmittelbarkeit, erhob ſich auch aus ſehr
geſunkenem Zuftande, als 1693 das Neichſskammergericht hierher verlegt wurbe. Im J. 1803
verlor die Stadt ihre Selbfländigkeit und kam an den Kürften Dalberg, der.fie zu einer Graf- '
ſchaft umwandelte; 1806 ward das Reichskammergericht aufgehoben. Der Wiener Gongreß .
überließ 1815 WB. an die Krone Preußen; das 80000 Acten umfaffende Reichsfammerge-
richts archiv (ſ. d.) blieb aber unter Aufficht und Verwaltung des Deutſchen Bunbes, bis es in
neuerer Zeit an die einzelnen Bundesregierungen vertheilt ward. Bei W. fhlug Eraherzog
Karl 15. Juni 1796 ein franz. Corps unter Zourdan. Zum Andenken an diefen Sieg warb
auf dem Schlachtfelde 1846 dem deutfchen Feldherrn ein Monument errichtet. Durch die Er⸗
lebniſſe Goethe’ ine nahen Dörfchen Garbenheim ward deffen „Werther“ hervorgerufen, wes⸗
Halb hier 28. Aug. 1849 dem großen Dichter ein Denkmal gefegt wurde, ur
Werford, eine Grafſchaft in der iriſchen Provinz Leinſter, die: ſüdöſtlichſte der Inſel,
hat ein Areal von 41%, AM,, wovon kaum der dreißigſte Theil auf Unland kommt. Im
Ganzen ift die Ebene vormwaltend, doch im Innern mehrfach unterbrochen von Bergzügen,
die mit den Gebirgen son Wicklow und Kilkenny in Verbindung fichen. An der Weſtgrenze
ziehen die Black⸗Stairs mit dem 2443 $. hohen Leinfterberge Hin. Auf dem Tara⸗Hill ſol
das in Dffian’s Liedern gefeierte Temora geflanden haben. An ber Südweſtecke des Landes
mündet der Barrew in die Bai des Waterfordhaven, bie Mitte bes Landes durchſchneidet die
Glaney, weilche fi in bie Bai bes Werfordhaven ergießt. Das Thal der Slanch ifl geräumig
und fruchtbar; in Demfelben wird beträchtlicher Ackerbau und ſtarke Viehzucht betrieben. Auch
in den Thälesn der benachbarten Berge finden die Viehheerden reichtiches Butter. Die Küſte iſt
durch tief eingefhnittene Buchten und Baien ſcharf ausgezadt, befonders im Süden. Hier
trogen nicht Felsmaſſen, fondern Sandbänte und Dünen dem Andrang der Meereswoge
206 Reid Weymonthokiefer
Die Baronie Forth, welche die halbinfelartige Südweſtecke des Landes einnimmt, unterſcheidet
ſich von jedem andern Diftricte Irlands. Sie wurde in alter Zeit von einer Colonie aus dem
füdlichen Wales befiedelt, Daher hier Die welfche Sprache noch bis in die neuere Zeit gefprochen
wurde, und zeichnet fich durch die große Thätigkeit und forgfältige Bodencultur vortheilhaft
aus. Im Ganzen wird in W. weit mehr auf Wiefenwachs als auf Aderbau gefehen, denn bie
Viehzucht bildet den Haupterwerbögmeig. Auch gibt es viel Wild umd die Fifcherei befhäftigt
viele Hände. Dagegen fehlt jeded Mineral von Belang, und die Induſtrie befchräntt ſich faſt
nur auf Wollenmeberei in den Städten. Das Klima ift mild und die Luft fehr geſund, daher
die Leute hier ein ungemein hohes Kebendalter erreichen. Sm 3. 1841 zählte W. 203055, 1854
aber 180170 E. zeigte alfo eine weit geringere Abnahme als die meiften andern Grafſchaften Ir
lands. Die Bevölkerung thut ſich durch größere Bildung und Gefittung hervor, und die Baronie
Forth z. B. hat Feine Bettler. Die Hauprftadt Werford, ein alter Borough, füdlich an der nach
ihr benannten Hafenbai und nicht weit von der Mündung der Slaney, hut mit Ausnahme der
breiten Hauptſtraße enge Gaſſen, Pleine Gebäude, eine alte, jegt in eine Kaferne verwandelte
normann. Burg, Überrefte ehemaliger Befefligungen, das Gefängniß und die Gerichtshalle der
County und mehre Kirchen. Sie ift der Sig bes proteft. Biſchofs von Ferne, der ungeheuere
Einkünfte und, da die Einwohner katholiſch, nichts zu thun hat. Die Hafenbai iſt geräumig und
gegen Stürme gefichert, aber feicht und zum Theil durch eine Sandbant am Eingang ſchwer
zugänglich. Die Stadt hat 13000 E., beträchtliche Wollenzeugmweberei, Rhederei mit mehr al®
100 eigenen Schiffen und lebhaften Handel mit Gerfte und anderm Getreide, Bich, Rindfleifch
und Butter, befonders nad Dublin und Liverpool, mit welchen Städten fie in regelmäßigen:
Dampfbootverkehr fteht. Auch der ftarke Befuc ihrer räftigen Mineralquelle trägt viel zu
ihren: Verkehre bei.
Berid, f. Smaͤland. |
Wende oder Wyde (Moger van der), niederl. Maler, ſ. Moger.
Weyer (Sylvain van de), belg. Staatsmann, wurde 1802 zu Löwen geboren, ſtudirte in
feiner Vaterſtadt die Rechte und begann feine öffentliche Laufbahn als Advocat in Brüffel, gab
jedoch, als er zum Stadtbibliothekar von Brüffel, zum Confervator der burgundifchen Hand⸗
ſchriftenſammlung umd zum Profeffor am Muſeum ernannt worden, diefen Beruf ganz auf
und befchäftigte fi num vorzugsmeife mit Worlefungen über Philofophie und literariſchen
Studien. Als die Oppofition gegen die damalige niederländ. Regierung eine ernftere ZRendung
nahm, fchloß er fich den Koryphäen der Oppofition an und nahm beſonders thätigen Antheil
an der Rebaction des „Courrier des Pays-Bas”. Der Verluſt feiner Stellen führte ihn vollends
auf die Seite ber Oppofition. In dem Potter'ſchen Proceffe war er einer ber Verteidiger der
Angeklagten. Sehr thätig wirkte er mit zum Ausbruch der belg. Revolution 4830, doch ging
auch feine Thärigfeit dahin, die Nation vor Anarchie zu bewahren. Ex wurde zum Mitglied
der Sicherheitdcommiffton und dann der proviforifchen Regierung ernannt. Als Mitglied des
Nationalcongreffes fprach er für die Ausfchliegung des Hauſes Dranien und begab ſich
Anfang Nov. 1850 im Auftrage nach London, um über die Abſichten des engl. Cabinets in
Betreff Belgiens Auffchluß zu erhalten. Bei der Bildung eines diplomatifchen Ausfchuffes
wurde W. zu deffen Präfidenten ernannt und nad) der Eonftituirung der Londoner Gonferenz
mit dent Grafen Hippolyt Vilain XIV. abermals nach London gefendet und als belg. Com-
miffar bei der Conferenz beglaubigt. Indeſſen kehrte er wegen unzureichender Inſtructionen
bald nach Brüffel zurüc, wo er nun vom Regenten Surlet-de Chofier 26. Febr. 1831 zum
Minifter des Auswärtigen ernannt wurde. In diefer Stellung wirkte er vorzüglich gegen bie
franz. Partei und für die Wahl des Prinzen Leopold zum Könige, bie er überhaupt zuerſt in
Anregung gebracht hatte. Nach der Thronbefteigung Leopold's wurde er zum Gefandten am
Iondoner Hofe und fpäter bei der Eonferenz ernannt, in welcher wichtigen Stellung er biß 1845
verblieb. Im I. 1839 verheirathete er fich mit einer der reichſten Erbinnen Englands, der
Tochter des Bankiers Bares. Nach dem Sturze des Minifteriums Nothomb 3845 murde er
an die Spige des neuen fogenannten Cabinet mixte berufen und mit dem Minifterium des In⸗
nern beauftragt. Allein da er fich wegen ber Unterrichtöfrage zwiſchen ben Parteien, der libe-
ralen und der Patholifchen, nicht zu halten vermochte, machte er fchon 1846 dem de Theur’fchen
Minifterium Pag. Er übernahm nun wieder den Geſandtſchaftspoſten zu London, mo er fi
bei feiner künſtleriſchen, wiſſenſchaftlichen und gefelligen Bildung eines hohen Anſehens in ber
vornehmen Welt erfreut.
Weymouthskiefer, ſ. Kiefer.
Weyſe Wheaten >
Beyſe (Ehr. Emft Friedr.), Pianoferte- und Drgelbirtuoß, geb. 5. Märı 1774 in
Ultona, erhielt den erften Muſikunterricht won feinem Großvater, damaligem Santer am
Ghriftianeum daſelbſt. Durch Vermittelung des Profefford Cramer in Kiel wurde W. von
den Kapellmeiſter Schulz in Kopenhagen liebevoll aufgenommen, und ihm allein hatte
er feine höhere mufitalifche Ausbildung zu verbanten. Auf deffen und Neinhardt's Empfeh-
lung ward 38.1792 al6 Organiſt angeftellt und durch feine erſten Gompofitionen befannt.
Die Oper „Ludlam's Höhle”, die auch in Wien Beifall fand, brachte ihm ben Profefortitel
und eine andere, „Der Schlaftrunf”, 1809 eine Auftellung bei der Hofmufit. Später wendete
er fi mit entichiedenem Beruf faft ausfchließlich der Kammer- und Kirchenmuſik zu und beur-
fundete bier wie in feinen dramatifchen Leiftungen gründliche, gediegene Bildung, tiefe Ur:
theilskraft und große Gewandtheit in der Behandlung ber mufitalifchen Ausdrudsmirtel. Von
feiner eminenten Bähigkeit in freien Phantafien erzähle man Merkwürdiges, fowie überhaupt
von feiner originellen Perfönlichkeit. Unter feinen zahlreichen Werken find noch au nennen:
die Opern „Sloribella” und „Abenteuer im Rofenburger Garten”, Dftercantaten, PYaffions-
mufiten, Te Deum, Pater noster, Symphonien, Duverturen, Klavierwerke, ein Choralbuch und
ein dan. Nationalgefang. W. ftarb als Organift an der Frauenkirche, welche Stelle er 1805
angesreten hatte, 4. Det. 1842. |
Wezel (Joh. Karl), Romanſchriftſteller und Yuftfpieldichter, geb. 31. Det. 1747 zu Son»
dershaufen, lebte nach beendigten akademiſchen Studien eine Zeit lang als Hauslehrer in der
Zaufig und machte dann Reifen nach Berlin, Hamburg, London, Paris und Wien. Hier war
er eine Zeit lang Zheaterdichter und in befonderer Gunft bei Sofeph II.; bald aber ging er wie
der nach Leipzig, wo er ſich mit Schriftflellerei beichäftigte. Obgleich mehre feiner Arbeiten das
Gepräge der Eile an ſich tragen, fo vermißt nıan doc) in denfelben weder Bewanbtheit des Gei⸗
fies noch lebhafte Phantafie, Wig, Laune und treue Schilderung. Sein „Verfuch über bie
Kenntniß des Menfchen” (2 Bde. Lpz. 1784—85) zeigt von Welt- und Menſchenkenntniß.
Bon feinen zahlreichen Romanen find „Lebensgefchichte Tobias Knaut's des Weiſen“ (A Bde,
2p;. 1774— 75) und „Dermann und Ulrike” (4 Bde, Lpz. 1730) die werthvollſten. Seine
„Luſtſpiele“ (A Bde., Lpz. 1778—86), in welchen er fih den Franzoſen Marivaur zum
Vorbilde genommen zu haben ſchien, geftelen beim Leſen beffer als bei der Vorftellung, weil bie
Dialoge in denfelben oft fehr raſch und zu gedrängt waren. Huch bearbeitete er den „Robin
fon’, worüber ex in lebhafte Streitigkeiten mit Campe gerieth, und Cook's „Dritte und
legte Reife” nach dem Englifhen. Seine Schrift „Uber Sprache, Wiſſenſchaft und Geſchmack
ber Deutfchen” (Epz. 1781) verwidelte in in eine literarifche Fehde mit dem damaligen Pro»
feffor Ernſt Platner in Leipzig. Seit 1786 verfiel er in einen Zuftand gänzlicher Geifteszer-
züttung, in welchem er fi für einen Gott hielt. Über feine Bücher hatte er die Inſchrift
„Opera Dei Wezelii“ gefegt, und allen Befuch ablehnend, ließ er fi) Nägel und Bart wachfen.
In diefem traurigen Zuſtande lebte er, von wohlthätigen Menfchen ımterftügt, in feiner Vater⸗
ftabt bis zu feinem Zode, 28. San. 1819.
Wheaton (Henry), amerik. Staatsmann und Schriftfteller, geb. im Nov. 1785 zu Provi⸗
dence in Rhode⸗Island, erhielt eine claffifche Schulbildung auf dem Kollege feiner Vaterftadt
und wibmete ih dann dem Rechtsſtudium. In den 3. 1804 und 1805 lebte er abmechfelnd in
Frankreich, Holland und England, um röm., franz. und engl. Recht, letzteres namentlich in ſei⸗
nen Abweichungen von amerik., kennen zu lernen. Nach feiner Rückkehr ind Vaterland
wurbe ex Abvocat in Rhode⸗Island, fpäter in Neuyork, wo er ein-politifches Journal „The Na-
tional Advocate” herausgab, und 1812 Mitglied des Seegerichts in Neuyork. Hier gab er
1815 feine „Digest of the law of maritime caplures and prices” heraus. Seit 1816 prafti-
cirte er bei dens Obergerichtöhofe zu Waſhington, deffen Entfcheidungen er in zwölf Bänden
(1816-27) erfcheinen Heß, wodurd er auf die amerik. Rechtöpflege und Rechtswiſſenſchaft
. bedeutenden Einfluß ausübte. Eine Überfiht aller Entſcheidungen diefes Gerichts feit 1789
gab er 1821 ebenfalls Heraus. In demfelben Jahre wurde er zum Abgeordneten der General»
verfammlung des Staats Neuyork gemählt und fpäter zum Mitglied bes Ausfchuffes der Drei,
welchen die Abfaffung der veränderten Berfaffungsurkunde oblag ; die von diefem Ausfchufle
ausgegangene Urkunde bildet noch gegenwärtig im Wefentlichen die Berfaffung des Staatd Neu-
york. Im 3.1824 fliftete er zu Neuyork das Athenäum, ein öffentliches literarifches Inflitut,
und 1826 fchrieb er fein „Life of William Pinckney”. Um diefelbe Zeit nahm er wieder Theil
an der Abfaſſung eines privatrechtlichen Geſetzbuchs für den Staat Neuyork. Im J. 1827
wurde er mit einer diplomatifchen Sendung nach Kopenhagen beauftragt, um Dänemark zur
208. Bw
Zahlung einer Antſchätigungeſamme wegen der Wegnahme amerik. Schiffe dur die Dähen
während: des legten Kriega zwiſchen Amerika und England. zu beivegen, welchen Zweck er nach
mehriährigem Aufenthalte in Kopenhagen erreichte. Seine Mußeſtunden in diefer Zeit füllte er
mir dem Studium den nord. Sprache, Gefchichte und Alterthümer aus, ale deffen. Frucht feine
„Hiatary ofthe Nortirmen, or Danes and Normans” (Land. 1854) erfehien, ein Wert, das in
einer fpätern franz. Ausgabe 1844 vielfache Verbefferumgen und Erweiterungen erfahren hat.
Rath mehrfachen Reifen in Frankreich, England und Deutfehland kehrte er 1854 nach Ame⸗
rika zurũck, wo er einen UÜberblick der, Geſchichte und Fortſchritte ber Gefepgebung und Rechts⸗
wiſſenſchaft in Europa feit der amerik. Mesolution” herausgab. Im folgenden Jahre ging er
als außerordentlicher Gefaudtor an ben preuß. Hof nach Europa jurüd, namentlich um mit dem
Zellvereine Unterhandlungen zu führen, und wurde 1837 zum bevollmächtigten Minifter ba-
ſeibſt ernannt. Seine ftaatsrechtlichen und hiftorifcyen Studien vernachläfftgte er auch hier nicht;
1856 erfchienen feine „Elements af international Inw““ (in franz. Bearbeitung: „El&ments du
droil international“, 2Bde., pr. 1848; 2. Aufl., 1852), ein geiftreihes Handbuch, dem
1842 die erweiterte „Histery of the law of nations“ falgte. Denſelben Gegenftand behandelt
die Preisichrift „Histoire des progrös du droit des gens en Burope depuis In paix de West-
phalie” (24.1841; 3. Aufl, 2 Bde., Lpz. 1854). Auch gab erin Gemeinfchaft mit Crich⸗
ton ein Werk über die Raturgefchichte und die Entwidelung der nord. Reiche unter bem Titel
„Scundinavia” (Edinb. 1838) heraus. Im 3. 1845 von feinem diplomatiſchen Poſten abberu⸗
fen, hielt er fich eine Zeit lang in Paris auf und begab fich dann nach feinem Vaterlande au-
rüd, wo ihm die Profefjur des Staatsrechtd an der Harvard-liniverfität angetragen murde.
Er farb jedoch ver Autretung derfelben gu Rorbury inı Staate Maſſachuſetts 11. März 9848.
Wbhewell (William), einer der berühmteften Gelehrten ınıferer Zeit, ift 24. Mai 1794 gu
Lancaſter im nerblichen England geboren. Er ftudirte 1812-16 in Gamıbridge, wo er promo⸗
viete und 1817 zum Fellow des Trinity⸗College erwaͤhlt wurde. Hierdurch in forgenfreie Um⸗
ftände verfegt, widmete er fi) dem Pripatunterrichte der Studirenden, beſonders in der Mathe⸗
matik, über welche Dissiplin er auch feine erfien Schriften veröffentlichte, die, auf den Mefulta-
ten der großen Marhematiter des Gontinentd, namentlich; Euler's fußend, eine Burchgreifende
Reform in dem auf der Univerfität Cambridge befolgten mathematifchen Lehrſyſtem bewirken
halfen. Seine Handbücher der Statik und Dynamit wie der „Mechanical Buclid“ (deutſch:
„Elementarbuch der Mechanik“, Braunſchw. 1841) brachten vielfachen Rugen und erlebten
mehre Auflagen. Durch diefe Befchäftigungen warb feine Aufmerkſambeit auch auf andere
Zweige der Wiſſenſchaft gelenkt, und zwar zunächſt auf die Mineralogie, deren Profeſſur er
: 4838 erhielt. In feinen Hierauf bezüglichen Studien ſchloß er fig vornehmlich an Mohs
an, den er in Freiberg und Wien beficchte und der ihn mit feinen Mathe unterflügse. In⸗
beffen trat. er 1833 von dem Lehrſtuhle zurück, da er fich überzeugte, daß die enfolgreiche Kort-
fegung feiner mineralogifhen Forſchungen durch umfarfende chemiſche Arbeiten bedingt fei, de⸗
nen er fih nicht ausfchließfich Hingeben wollte. Um diefe Zeit wurde er dem größern Publicum
durch die an ihn ergangene Auffoderung bekannt, ſich bei ber Abfafſung der ſogenannten Brid⸗
gewaterbücher zu betheiligen. W.e Abhandlung „Astronomy and general physics, considered
in reference to natural thoology” (Lond. 4834) war die erſte von diefen Schriften, weiche
im Drud erfchien. Diefelbe murbe in England mit allgemeinem Beifall aufgenommen und
auch unser dem Titel „Die Sternenwelt ald Zeugniß für die Herrlichkeit ded Schöpferd (Stuttg.
41837) ins Deutfche überfegt. W. fchritt jeht zur Veröffentlichung feines großen Werks „Histerv
of the inductive.soiences” (3 Bhe., Lond. 1837 ; deutſch von Littrow, 3 Dde., Sturtg. 1859
—42), denen er die „Philosophy of ihe inductive soienoes” (2 Bde., Bond. 1840) folgen ließ.
Beide Schriften bifden ihrem Weſen nach ein Ganzes, indem letztere die Befchichte der wiſſen⸗
ſchaftlichen Ideen, wie erſtere die der wiſſenſchaftlichen Thatſachen gibt. Die eine behandelt den
Gegenſtand von fubjectiver, die andere von objectiver Seite, und W. tritt darin zu der ſonſtigen
engl. Philoſophie in eine Oppofition, die um fo richtiger iſt, da fie gerade die Punkte betrifft,
welche man al6 bie Hauptpunkte der von Bacon und Lode Her ununterbrochen verfolgten Nich⸗
tung betrachtet : bie Juductionen und die angeborenen Feen. Die „Philosophy of the induc-
tive sciences’ hat auch dadurch Intereſſe, daß fie für dem kräftigſten bis dahin gemachten Ben»
ſuch gelten Bann, in Gngland einen Boden für die Lehren Kants zu gewinnen. Rad
dem W. 1838 zum Profefior der Moralphiloſophie an bez Univerfität erwähkt werden, wibmete
ee ſich vorzugsweiſe der Betrachtung ethifcher Fragen. So veröffentlichte er 1845 feine „Ble-
ments of morality, including polity” (3. Aufl, 2 Dde., Zend. 1856), ferner „Leotares om
Bhigs Bhitbread 208
systemalic morality” (Xenb. 1846) und „Lectures on the history of moral philosophy in
England’ (Xond. 1852), fowie eine Ausgabe von Grotius „De jure belli et pacis” mit engl.
Überfegung und Anmerkungen (3 Bde, Cambridge 1854). Die Discuffionen über Verbeffe-
sung des engl. Univerfitätsfyflems veranlaßten feine Schrift „On the principles of English uni-
versity education‘ (2. Aufl., Lond. 1838; deutfch von Schnufe, Braunſchw. 1845), in der
er, wie in einer fpätern „On a liberal education in general, and with parlicular reference to
the leading studies of the university of Cambridge“ (Cambridge 1850), ziemlich confervative
Anſichten kundgibt, ohne jedoch nothiwendige Reformen ganz abzumweifen. Ein warmer Vereh⸗
rer und Kenner ber beutfchen Literatur, bat ZB. durch Übertragungen von Goethe's „Hermann
und Dorothea” in Herametern und von Auerbach's „Frau Profeſſorin“ feine Landsleute,
nad) feinem eigenen Ausdrucke, mit dem fchönften Gedicht und der vollendetften Profaerzählung
der neuern Zeit befannt zu machen gefuchts doch wurden beibe mit großer Kälte aufgenommen.
Als Früchte feiner Reifen in Deutfchland (1829) hat man von ihm noch „Architectural notes
on German churches” (2. Aufl., Lond. 1835), die von brit. Zouriften vielfach ald Handbuch be» _
nugt wurden. Im 3.1841 wurde W. zum Maſter des Trinity-College ernannt, eine angefehene
Stellung, bie früher der berühmte Mathematiker Barrow und der Philolog Bentley innehatten.
Whigs, ſ. Tory und Whig.
Whiskey, eigentlich Waſſer, nennt man in Irland und im ſchott. Hochlande einen aus
Gerſte bereiteten Branntwein, der jegt auch in den andern Theilen Großbritanniens ſtark con-
fumirt wird. In Nordamerika beftillirt man den Whiskey hauptſächlich aus Mais, feltener aus
Weizen oder Roggen. Eine Art deffelben in Schottland heit Bergthau (mountain dew).
Whöiſt ift ber Name eines beliebten aus England nad) Deutfchland verpflanzten Karten-
fpield, welches feinen Namen daher haben fol, weil es große Aufmerkſamkeit und deshalb
Stille erfodert. Vgl. „Manuel complet de whist” (Par. 1841); Godelberge- Dugele, „Das
rationelle Wpift” (Wien 1843).
Whiſton (Bill), berühmter engl. Gelehrter und Theolog, geb. 1667 zu Rorthon, erwarb
fich ald Lehrer ber Mathematik zu Cambridge ſolchen Ruhm, daf Newton ihn zu feinem Nach-
folger in der Profeffur der Mathematik empfahl. W. trat indeffen in ben geiftlichen Stand und
befleidete mehre Pfarrämter, zog fich aber durch feine Zweifel an der Lehre der Dreieinigkeit
Berfolgungen zu, welche 1710 feine Entfernung vom Lehramte zur Folge hatten; vom: geiſt⸗
lihen Gerichtshofe wurden feine Schriften verdammt, aber fonft feine Schritte gegen ihn ge
than. Hierauf ging er nad) London, wo er mit Beifall Vorlefungen über Aftronomie hielt.
Gegen Ende feines Lebens trat ex zu den Baptiften über und lehrte die Nähe des Taufendjäh-
tigen Reiche. Er ftarb 1752, nachdem er ſich noch durch Erfindung einer Maſchine bekannt
gemacht hatte, welche die vor Anker liegenden Schiffe gegen Stürme und Wellen fügt. Seine
Schriften find überaus zahlreich; die wichtigften waren zu ihrer Zeit „Theory of the earth”
(1696), „Primitive christianity revived” (5 Bde., Zond. 1712) und feine „Memoirs‘
(3 Bde., Lond. 1749—50), eine nicht unintereffante Autobiographie.
Whitbread (Sam.), ein durch Freifinnigkeit ausgezeichnetes Mitglied des brit. Unterhau-
fe6, war der Sohn eines reichen und angefehenen Brauers zu London und wurde bafelbft 1758
geboren. Er fludirte nicht ohne Erfolg zu Eton und DOrforb und bereifte dann umter Leitung
des berühmten Gefchichtfchreibere Core Frankreich, Deutfchland und die Schweiz. Nach feiner
Rückkehr heirathete er 1788 die Schwefter des fpätern Grafen und Minifters Grey. Im
3.1790 trat er nach hartem Wahlkampf für den Flecken Bedford ins Unterhaus. Er ſchloß
fi) der damals glänzenden Whigoppofition an und zeigte ſich als entfchiebener Gegner der
Politik des Minifters Pitt. Seine Beredtfamkeit war zwar nicht gewählt, aber er gewann bie
Herzen durch Kraft, Patriotismus und eigene Überzeugung. Als mit dem Ausbruch der franz.
Revolutionsgräuel ein Theil der Oppofition zur Negierungspolitif überging, blieb er mit or
auf feinem Plage und erklärte fich gegen den Krieg, fowie gegen die Verfolgung ber demokra⸗
tifchen Negungen in England. Auch fprach er für die Katholitenemandipation, die Parla-
mentsreform und für die Abfchaffung der Negerftlaverei in den Eolonien. Große Aufmerk-
ſamkeit erregte er 1805 felbft im Auslande durch feine Entfchloffenheit, womit er im Proceſſe
gegen Dundas, Lord Melville (f.d.), auftrat. Als 1806 For und Grey ins Minifterium traten,
unterftügte IB. die neue Regierung, ohne feine Unabhängigkeit aufzugeben. In ben folgenden
Jahren drang er im Parlamente auf die Verbefferung des Looſes der untern Volksclaſſen;
auch fchlug er die Einführung des ſchott. Kirchfpielfgftems in England vor, vermochte aber
Gonv.s&er. Behnte Aufl. XV. 2 14
210 WBhitby White (Henry Kirke)
nichts auszurichten. Ex vertheidigte bie Unabhängigkeit der ſpan. Ration und billigte die Politik,
welche die Regierung auf der Pyrenätfchen Halbinfel übte. Dagegen tadelte er fpäter die Grund-
füge, welche die Cabinete auf dem Wiener Eongreffe verfolgten ; er fah die Unabhängigkeit der
Voͤlker dadurch bebroht und zwang die brit. Minifter durch fühne Interpellationen zu Erflä-
rungen. Auch fand er in der Achtserklärung, die gegen Napofeon nach deffen Rückkehr erlaffen
wurde, eine Immoralität und erflärte die Erneuerung bed Kriegs und die gemaltfanıe Herftel-
fung der Bourbons für einen Eingriff in das Recht der franz. Nation. Trog feiner lebhaften
parlamentarifchen Thärigkeit, der Verwaltung zahlreicher Randgüter, einer bedeutenden Braue-
rei und eined großen Hausweſens hatte er doch noch die Angelegenheiten des Drurylane-Thea-
‚ters übernommen, und es gelang ihn, die verwickelte Finanzlage ber Anftalt zu ordnen und den
Aufbau derfelben 1812 zu vollenden. Die anftrengende Thätigfeit zerrüttete ihn aber allmälig
an Geift und Körper. Er verfant in tiefe Melancholie und Abfpannung und glaubte fich in der
öffentlichen Meinung verachtet. Eines Morgens, 6. Juli 1815, fand man ihn todt, mit abge-
ſchnittener Kehle in feinem Bette. W. war ein tüchtiger Landwirth, ein feiner Kunſtkenner und
der befte Familienvater. Ex hinterlieh aus feiner Ehe mit Lady Eliſabeth Grey mehre Kinder.
Whitby, eine Hafenftadt im North⸗Riding der engl. Srafichaft York, zwifchen zwei Hügeln
an ber Mündung bes Esk in die Nordfee, mit überall in den fchmalen, fteilen Gaffen fichibaren
Merkmalen Hohen Altertyums, namentlich in feiner einft prächtigen, um 650 von König Os⸗
wald von Northbumberland gegründeten, bald nach Wilhelm dem Eroberer ausgebauten Abtei
(St.-Hilbe), zu deren Ruinen eine Treppe von 200 Stufen hinaufführt. Der Drt gewann
durch die vor etwa zwei Jahrhunderten dafelbft entdeckten Alaunlager große Bedeutung. Im
J. 1787 verſank eine ganze Straße, die auf Waunfchiefer und Sand ruhte. Der ſtarke Handel
mit den Erträgen der Alaunſchieferbrüche wurde duch Grönlandsfiſcherei und Steinfohlen-
ausfuhr vermehrt und durch den vom Esk gebildeten Hafen mit guten Docks und Quais gefor-
dert, ift aber im Abnehmen. Dagegen finden die in den Schichten der umliegenden Felſen vor-
Sommenden Verfteinerungen fortwährend Abfag. Eine ähnliche Merkwürdigkeit find die ſoge⸗
nannten Robin-Hoodsfäulen, unmeit der Abtei. Die Stadt zählt in ihrem Diſtrict 21595 €.
Weite (Charles), engl. Schriftfteller, geb. 16. Ian. 1793 auf feinem Familienfigein Shrop⸗
fhire, wurbe in Eton erzogen, trat fehr jung in das Garderegiment Coldftream und machte von
41809 an bie Feldzüge in Spanien und Portugal mit. Nach ber Erflürmung von Ciudad-Ro⸗
drigo rückte er zum Hauptmann auf und wurde beim Sturme von Badaſoz dem Generalftabe
bed Herzogs von Wellington aggregirt. Segen Ende 1812 nad England zurückgekehrt, diente
er ald Adjutant des Generals Williams, fpäter des Herzogs von Eambridge, den er nach Han⸗
nover begleitete, und befand fich während der Belagerung Hamburgs im ruff. Hauptquartier.
Nachdem er noch zum Oberſten befördert worden, widmete er fich, feit 1827 zur Diespofition
geftelit, literariſchen Befchäftigungen. Sein Roman „Almacks revisited” (deutſch: „Derbert
Milton”, 3 Bde., Aachen 1828) war der Vorläufer der Pelham-Romane. Bald folgten „The
King's page” (deutſch: „Arthur Beverley“, 3Bde., Aachen 1830) und „The married unmar-
ried’ (deutfch: „Die heimliche Ehe”, 3 Bde, Aachen 1837). Seine Theilnahme an der belg.
Revolution, wo er im Auftrage der brit. Regierung zur Thronerhebung des Prinzen Leopold
mitwirkte, hat er in dem YBerfe „The Belgic revolution in 1830” (2 Bde., Lond. 1835) dar-
gelegt. Der Roman „The Cashniere shawl” (deutfch, 3 Bde., Aachen 1840) enthält interef-
fante Schilderungen aus Indien, wo fein Vater eine Zeit ang Gouverneur in Madras wat.
Das Refultat einer Reife nach ber Türkei waren bie „Three yearsin Constantinople” (3 Bde.,
2. Aufl., Lond. 18465 deutſch, 2 Bde, Berl. 1844—45). Außerdem hat W. zahlreiche Bei-
träge zu engl. literarifchen und politifchen Journalen geliefert, 3. B. fehr vollſtändige tabellari⸗
ſche Nachrichten über die Organifation der preuß. und ruff. Armee im „Naval and military
journal” für 1853. Ex lebt theils in England, theils auf dem Eontinent, namentlich in Berlin.
White (Henry Kirke), engl. Dichter, geb. zu Nottingham 21. Aug. 1785, half zuerft fei-
nem Vater, einen Zleifcher, bei feinem Befchäft und wurde dann Lehrling bei einem Strumpf-
wirker, vermochte aber endlich feinen Vater, ihn bei einem Advocaten in die Lehre zu geben. In
diefer Lage lernte er auf eigene Hand Lateiniſch, Griechiſch, Stalienifch, Spanifh und Portu-
giefifch. Er war Mitarbeiter am „Monthiy mirror” und gab 1803 die erfte Sammlung feiner
Gedichte heraus, die zwar in der „Monthiy review“ ungünftig beurtheilt wurbe, aber die Auf-
merkſamkeit und das Wohlmollen Southey's u. U. auf ihn zog, die ihm die Mittel verfchaffe
ten, in Cambridge zu ftudiren. Hier zeichnete er fich durch folchen Fleiß und folche Talente au,
daß er allgemeine Aufmerkſamkeit erregte; boch ftarb er Thon 19. Oct. 1806. Seinen bichte-
Wpiteboys Wpitefleld 211
rifgen Nachlaß nebft feinem Leben gab Southey Heraus; ex wurde mit Beifall aufgenommen
und hat viele Auflagen erlebt. Reichthum der Einbildungsfraft und Klarheit der Gedanken
zeichnen W.'s Gedichte aus, welche indeffen der Tiefe ermangeln. . |
Whiteboys, d, i. Weißburſchen, hießen in Irland die Mitglieder einer ber zahlreichen Ber-
bindungen, welche das Racheamt gegen harte Grundherren, Pfarrer, Beamte und beren Helfer
übten. Die Verbindung entſtand um das 3. 1760, ald die engl. Regierung nach ber Unter
drückung bes fchott. Aufſtandes auch die frühere Strenge gegen bie Iren erneuerte. Brotlofe
Zagelöhner, ausgeſetzte Wächter und andere preßbafte und verfolgte Beute verbanden fich durch
Eide, überfielen des Nachts ihre Opfer, miöhandelten oder ermordeten biefelben unb verſchwan⸗
ben ebenfo ſchnell und geheimnißvoll, als fie gelommen waren. Um fich unfenntlich zu machen,
trugen bie Whiteboys geſchwärzte Gefichter und weiße Hemden oder Kittel über den Kleidern.
Neben den Whiteboys traten 1765 auch die Hearts of oak, d. i. Eichenherzen, in ähnlicher
Weiſe auf und richteten ihre Erpeditionen befonder® gegen Perfonen, welche die drückenden
Wegebaufrohnen foderten. Nach dem Unabhängigkeitötriege der nordamerik. Colonien ent-
ftand die große, auf bie Befreiung Irlands (f. d.) überhaupt gerichtete Verbindung der Defen⸗
ders. Die Härte, womit viele hochlirchliche Pfarrer von den Path. Iren den Zehnten eintrie
ben, brachte endlich 1786 den Bund ber Nightboys, d. i. Nechtöburfchen, zumege. Bis zur
Stiftung der Repealaffociation (f. d.) durch D' Connell tauchten diefe Verbindungen, meift
unter dem Namen ber Whiteboys, von Zeit zu Zeit wieber auf. Man perfonificirte auch bie
Voldsjuftiz unter dem Nanien des Capitaͤn Rod (wahrfcheinlich von dem weißen Kittel) und
ſchrieb demfelben die Leitung der nächtliden Strafgerichte zu. Vgl. Moore, „Memoirs of
the life of Gaptain Rock ” (Lond. 1824), und die Gegenfchrift „Captain Rock detected’
(Zond. 1824).
Wpitefield (George), ein Mitftifter und Haupt der Sekte der Methobiften (f. d.), wurde
41744 zu Gloucefter geboren und lebtein früherer Jugend wenig erbaulich. Er Hatte fchon ge-
lehrten Unterricht empfangen, als ihn feine Mutter, die Witwe war und eine Schenke hielt,
wieber ins Haus nahm und ale Kellner anftellte. Im Alter von 18 3. erhielt er jeboch eine
Freiftelle auf der Univerfität zu Oxford, fludirte nun Theologie und wendete ſich dem religiöfen
Vereine ber Gebrüder Wesley (f. d.) zu, aus dem der Methodismus hervorging. Nachdem er
4736 die Orbination nach dem Ritus der engl. Hochkirche empfangen, beftieg er zum erflen
mal die Kanzel in feiner Vaterſtadt. Der Eindrud, ben er hervorbrachte, war fo groß, daß fünf
Derfonen wahnfinnig wurden. Seitdem predigte er zwei Jahre hindurch mit gleichem Erfolg
an verfchiedenen Orten Englands. Wesley rief ihn 1738 nach Amerika; woch kehrte er fchon
1739 zurüd und erhielt eine Prebigerftelle zu Oxford. Indeffen wählte er befonders die Kir-
hen von London zum Schauplag feiner geifllichen Thätigkeit, wo er ſtets eine zahlloſe Zuhörer⸗
ſchaft herbeisog. In der Gegend von Briſtol befaßte ex fich mit Erfolg mit der Belehrung der
ãußerſt verwilderten Bevölkerung der Koblenminen. Schon 4740 wurden ihm jeboch bie
Staatskirchen verboten, weil er bedeutend von dem hochkirchlichen Dogina abwich. Er verſam⸗
melte nun feine Anhänger im Freien. Noch 4740 ging er auf kurze Zeit nach Nordamerika,
wo er bei Savannah in Georgien ein großes Waiſenhaus nach dem Mufter des hallefhen
Waiſenhauſes fliftete. Nach feiner Rückkehr zerfiel er über die Stellung der Methobdiften-
firche zum Staat und über die Prädeftinationsiehre, die er verwarf, mit Wesley. Er baute
fi nun in Moorefields zu London, neben ber Kirche Wesley's, ein eigenes Gotteshaus, das er
Zabernaculum nannte, und wußte einen Theil der zahlreichen Methodiftengemeinden für ſich
zu gewinnen. Auch eröffnete ihm bie ſchott. Staatskirche willig ihre Kanzeln, von denen herab
er unter dem größten Zulauf prebigte. Auf der Nückreiſe aus Schottland, wo er fich großes
Verdienſt um die Errichtung von Schulen und Waifenhäufern erwarb, beirathete er 1742 zu
Abergavenny eine vornehme Witwe. Seit 1744 reifte er häufig auf kurze Zeit nach Nordame-
rifa, in beffen Colonien ſich die Methodiften feiner Partei, die Whiteſieldianer, immer mehr
ausbreiteten. Er flarb 30. Sept. 1770 zu Newbury bei Bofton in Maffachufetts. Ungeachtet
feines ergreifenden Nednertalents und feines frommen Eifers ſcheint W. wenig wiffenfchaft«
liche Bildung befeffen zu haben. Er führte die Anwendung der Stichomantie (das Befra-
gen der Bibel durch zufälliges Auffchlagen bei wichtigen Unternehmungen) ein und bediente
fi) ſogar diefes Mittels zur Entſcheidung Dogmatifcher Fragen. Seine Predigten, Briefe und
Gontroversfchriften erfchienen 1771 in ſechs Bänden. Vgl. „Life of W.“ (Edinb. 1826 ; deutſch
von Tholuck, Rpz. 1854). ve
212 Bhitehaven Wiarda
Bhitehaven, eine Hafenſtadt in ber engl. Grafſchaft Cumberland, an einer Bucht
ber Iriſchen See, ift regelmäßig gebaut , hat drei Kirchen und ein Theater unb zählte
1851 18916, in ihrem Difkict 356351 €. Die Stabt unterhält Bierbrauereien, Kupfer»
bämmer, Vitriol⸗, Gegeltuch- und Seidenwaarenfabriken, bereitet Seeſalz, baut Schiffe
und verführt hauptfächlich die Steintohlen aus den in unmittelbarer Naͤhe befindlichen, dem
Grafen Lonsdale gehörigen Gruben meift nach Irland und Schottland, treibt auch beträcht⸗
fihen Handel nad) der engl. Weſtküſte und nach Weftindien, was zur Bildung eines künſt⸗
lichen, durch Batterien gebediten Hafens mittels eines langen Molo, fowie zum Bau von ſechs
Docks Beranlaffung gegeben. Drei Stunden im Norboften, am Derivent, liegt bie Hafenftadt
Workington mit 5837 E., Segeltuchfabriten, Taubrehereien, Kanonenbohrerei, Eiſengieße⸗
seien, Seefalzihlämmen, Fifcherei, befonder® auf Lachfe, anſehnlichem Handel in Kohlen und
Eifen, einer ſchönen Kirche und einem Bleinen Theater. Das Kohlenfelb von Whitehaven
und Workington oder das Cumberland-Eoalfield, eines der bedeutendften in England, be
ginnt auf der Weſtſeite ber Sumberlandöberge bei Egremont, geht über Whitehaven, Eoder-
mouth und Workington bis Maryport, von da gegen Hesket-Newmarket, dann füboflmärts,
mit einzelnen Unterbrechungen, bis in die Nähe von Shap und Orton.
MWpitelode (Sir Bulftrode), ein engl. Staatsmann zur Zeit Cromwell's, war der Sohn
eines angefehenen Nechtögelehrten und wurde 6. Aug. 1605 zu London geboren. Er erwarb
ſich eine tüchtige wiſſenſchaftliche Bildung und widmete fich zu London mit großem Erfolg dem
Berufe ald Sachwalter. Als die Zermwürfniffe Karl's I. mit der Nation ausbrachen, gewarn
er die öffentliche Meinung, indem er Hampder in defien Proceſſe wegen Verweigerung des
willkürlich aufgelegte Schiffsgeldes vercheidigte. Man wählte ihn 1640 in das Lange Par-
lament. W. war zwar Mitglied.dber Conmiffion, durch welche ber Graf von Strafford das
Schaffot beftieg, benahm fich aber fonft mit großer Mäfigung und bezeugte lebhaftes Verlan⸗
gen, die Wirren burch Übereinkunft mit Karl I. zu löfen. Nachdem ber Krieg mit bem König
ausgebrochen, nahm er Dienfte in den Parlamentstruppen und wurde Gouverneur vom Schloß
Windfor. Im J. 1644 beftimmte ihn da8 Parlament zu einem der Sommiffare, die mit dem
König zu Orford in Friedensunterhandlungen treten follten. Er benahm fich hierbei mit we⸗
niger Klugheit ald Ergebenheit für Karl I. und hatte fpäter Mühe, fi) deshalb einer Anklage
vor dem Parlament zu entziehen. Wiewol W. von Cromwell mit vieler Rüdficht behandelt
wurde, trat er deffen Ehrgeiz mehr als ein mal entgegen. Das Parlament wählte ihn in den
Gerichtshof, welcher den König verurtheilen follte; allein W. fand Gelegenheit, ſich aufs Land
zurückzuziehen. Nach Karl's L Hinrichtung kehrte er zurüd und billigte alle Maßregeln, welche
bie republitanifche Partei genommen. Cromwell fuchte ihn aber zu entfernen, indem er ihm
eine Borfhaft an den Hof ber Königin Ehriftine von Schweden übertrug. Hier wurde er fehr
gut aufgenommen und zum Ritter des Amaranthenordens erhoben, was ihn berechtigte, in
England die Ritterwürde in Anfpruch zu nehmen. Nach feiner Rückkehr wollte ihn Cromwell
zum Viscount machen und in die neue Pairie aufnehmen; aber W. ſchlug dies weislih aus.
As Cromwell geftorben, ſchien er deffen Sohnes Regierung zu unterftügen ; doch trat er auch
mit Mont und mit Karl II. in geheime Verbindung. Nach der Neftauration erhielt er von
Karl Il. den Rath, fich auf feine Güter zurückzuziehen. Er ftarb in diefer Art von Verbannung
28. Jan. 1676. Die vorzüglihern Schriften, welche er hinterließ, find „Memorials of the
English affairs from the beginning of the reign of Charles I. to the Restoration” (Lond. 1682
und öfter) und „Journal of the Swedish embassy in 1653 and 1654 from the Common
wealth of England“ (2 Bbe., Lond. 1772).
Whitſtable, ein Dorf und Meiner Hafen in der engl. Grafſchaft Kent, am Themfebufen,
1% M. nordnordweftlih von Canterbury, von wo eine zur Förderung von Steinfohlen und
Büterwaggons beftimmte Pferdebahn hierherführt, treibt bedeutenden Kohlenhandel, und bie
bafelbft gefangenen Auftern werden weithin, auch nach Deutfchland, verfendet.
Wiarda (Zilemann Dothias), ein um Friesland und die frief. Gefhichte fehr verdienter
Mann, geb. 18. Dct. 1746 zu Emden, aus einem alten frief. Gefchlecht, befuchte die Tat. Schule
zu Aurich, flubirte zu Duisburg und Halle die Rechte und wurde dann Auscultator bei der
oftfrief. Regierung, damals dem oberften Juſtizcollegium der Provinz, und 1770 Juſtizcom⸗
miffar beim Stadt und Landgericht zu Aurich. Als 1781 die Rechtspflege weſentliche Bere
Anderungen erfuhr, ward er Aſſiſtenzrath bei der Regierung umd, noch in denıfelben Jahre trat
er in feines verflorbenen Vaters Stelle als Secretär der oflfrief. Landfchaft ein. Sodann wurde
er 1808 Landſyndicus und, ald unter der Hol. Regierung die fländifche Verfaffung diefer Pro⸗
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Mana Bichern 213
vinz ganz aufgehoben wurde, Aſſeſſor beim holl. Landdroſtenamt und bei Einführung der
Prafectur umter franz. Herrſchaft 1811 Präfecturrath. Als nach Befegung Oſtfriesiands
ducch Preußen 1814 die Präfectur wieder abgefhafft wurde, erhielt W. Wartegeld, bie er
1818, bei Wiedereinführung der Landftänbe, feine Stelle ald Landſyndicus zuräderhielt, die er
bis zu feinem Tode, 7. März 1826, mit Eifer verwaltete. Vermögend und unabhängig, dabei
von einer auserlefenen Bibliothek und einer fehr reihen Sammlung ofifrief. Münzen un-
terflügt, verwendete W. feine Mußeflunden mit Vorliebe auf das Stubium vaterländifcher
Sprache, Sitten, Gefege und Gebräuche, und man verdankt benfelben eine Anzahl für bie Ge
ſchichte Friesland wichtiger Schriften. Unter diefen find, außer ben vielen intereffanten Auf⸗
fägen in den oflfrief. und oldenburg. Zeitfchriften, erwähnenswerth: „Oſtfrieſ. Gefchichte”
(9 Bde, Aurih 1791 —98; Bd. 10, Leer 1817); „Bon den Landtagen ber Friefen bei
Upftalsboom” (Brem. 1777; 2. Aufl, Zeer 1818); „Altfrief. Wörterbuch“ (Aurich 1786)
„Aſegabuch, ein altfrief. Gefegbuch der Rüftringer” (Berl. 1805); „Geſchichte und Ausle⸗
gung des Salifchen Gefeges und der Maldergifchen Stoffen” (Brem. 1808); „Willküren der
Brodtmänner eines freien frief. Volkes” (Bert. 1820).
Biasma oder Wiäsme, eine Kreisftadt im ruff. Souvernement Smolenst, am Wjaſsma
und Bebri, mweitläufig gebaut, mit 8716 E. (1850), 20 Kirchen, bedeutendem Handel und be
ruhmten Pfefferkuchenbädereien, ift gefchichtlich durch den hier 16354 zmifchen Rußland und
Polen gefchloffenen Frieden, fowie durch den Sieg, den die Ruffen unter Miloradowitfch über
die Franzoſen unter Ney, Davouft, Eugen und Poniatowfli 3. Nov. 1812 erfochten.
Biatka oder Wiätka Heißt ein zum Zarenthum Kafan gehöriges, 2507, AM. großes
Souvernement bes europ. Rußland. Der Boden ift meift bergig, indem mehre Nebenzweige
des mittleren ober erzreichen Uralgebirgs ſich bis in da8 Gouvernement erftredien, moraftig und
thonartig, außer an den Ufern der Kama, mo er ſchwarzerdig und fehr fruchtbar ift. Die gro»
Gen Moräfte find mit Wald bebedit, und die Forſten, welche größtentheild im Befig der Krone
find, liefern derfelben einen anfehnlichen Ertrag. Der Ackerbau bietet vornehmlich an ber Kama
einen reihen Gewinn; auch wird die ſchon durch Peter d. Gr. begünftigte Vieh- und nament-
lich Schafzucht in biefem Gouvernement fehr thätig betrieben. Fiſchfang und Bienenzucht find
ergiebig; auch das fehr reichlich vorhandene Kupfer und Eifen, welches in vielen Hüttenwerken
verarbeitet wird, bringt dem Gouvernement großen Gewinn. Schon 1782 wurden in diefer
Provinz allein 300000 Pud Eifen erzeugt. Im 3. 1850 betrug die Ausbeute an Roheiſen
860000 Pud. Unter den Fabriken zeichnen ſich beſonders bie Juften-, Seifen- und Leinwand⸗
fabrifen aus. Hauptausfuhrartitel find Getreide, Talg, Honig und Wachs, welche Probducte
meift nach Archangel verführt werden. Außer den Ruffen, welche die Mehrzahl der Bevölke⸗
tung bilden, gibt e6 auch, viele finn. und tatar. Einwohner, namentlich Wotſäken, Tſchuwa⸗
(hen und Ticheremiffen. W. Hat 1,662800 E., darunter nur 50000 Stäbtebewohner, bie
in 13 Städten leben. Die Hauptſtadt Wiatka, früher Ehlünom genannt, liegt an ber Wiatka
und Ehlünowiza, ift &ig eines Eivilgouverneurs und’eines Bifchofs, hat 9550 E., 23 Kirchen,
darunter eine ſchöne Kathedrale mit einem Altar von maffivem Silber, ein Gymnaſium und
ein Seminar, ſowie mehre anfehnliche Fabriken. Die hiefigen Silber- und Kupferſchmieden
find berühmt. Die Hauptfabrikftäbte des Gouvernements find indeffen Ich, Sſarapul an
ber Kama mit 5109 E.ımd Slobodskoi, weiche Iegtere über 6000 fehr gewerbthätige Einwoh⸗
ner zählt, die einen beträchtlichen Handel mit Getreide, Leinfamen, Zalg, Leinwand und Pelz-
wert nach Archangel, Tobolsk, Irbit, Niſhnij⸗NRowgorod und Moskau und fünf zum Theil fehr
befuchte Jahrmärkte unterhalten. Auch hat Slobodskoi viele Kupfer- und Eifenfehmiebe. Die
Fabrikſtadt Iſch, Iſchewſt oder Iſchewſti⸗Zawod, am Fluſſe Iſch gelegen, hat 9000 €. und
eine große und fchon gebaute Gewehrfabrik, die 1807 von der Krone gegründet wurde, 2—
3000 Arbeiter befchäftigt und jährlih 50 — 75000 Flinten liefern kann, außerdem auch eine
Eifen- und Meſſingfabrik.
Miborg (in Jütland und in Finnland), f. Viborg.
Wichern (Joh. Hinrich), Vorflcher des Rauhen Haufes bei Hamburg und bekannt durch
fein Wirken für die Angelegenheiten der Innern Miffion, geb. 21. April 4808 zu Hamburg,
wo fein Vater als Rotar und beeidigter Überfeger lebte, befuchte das Johanneum und akade⸗
miſche Gymnaſium ſeiner Vaterſtadt und wibmete ſich dann bis Oſtern 1830 zu Göttingen
und Berlin theologifchen Studien. Gleich nachdem er zu Hamburg feine Prüfung beſtanden,
wendete er ſich der praktiſchen Wirkſamkeit zu, beſuchte die Armuth und das Elend in den Höfen
und Gängen ber Stadt und übernahm die Leitung einer Sonntagsfreifehule für arme Kinder,
214 Bihmann Wiek
in welcher er bald A—500 Zöglinge, von 40 freiwilligen Lehrern und Lehrerinnen unterrichtet,
um fich vereinigte. Die in diefer Zeit an ihn ergangenen Einladungen zur Übernahme eines geiſt⸗
lichen Amts außerhalb Hamburg Ichnte W. ab, weil ihn fehon bald nach Beginn jener Thätigkeit
ber Gedanke zu einer folchen Anftalt, wie er fie Michaelis 1855 im Rauhen Haufe (f. d.) eröff-
nete, befchäftigt hatte. Etwa feit 1840 war W. auch vielfach für Arbeiten verwandter Art außer-
halb des Rauhen Haufe in Anſpruch genonmen, indem bie Begründimg ähnlicher Rettungs-
häuſer auf Veranlaffung und nach der Einrichtung feiner Mutteranſtalt in Deutfchland, in
größtem Maßſtabe aber in Frankreich (Mettray bei Tours) begann, dem fpäter England, Hol-
fand und andere Länder folgten. Bereits hatte W. das Ganze der Wirkfamkeit für Arme,
Eiende, Befallene und dem religiöfen und fietlichen Leben Entfrembete unter dem Namen der
Innern Miffion zufammengefaßt, als namentlich durch feine Mitwirkung auf dem erften Kir-
hentage zu Wittenberg im Sept. 1848 der Gentralausfhuß für Innere Miſſion (f. d.) zu
Stande fam, wodurch er, ald Mitglied dieſes Ausſchuſſes, für feine Thätigkeit ein viel weiteres
Geld gewann. Don 184850 hatte W. im Auftrage der preuß. Regierung Vorfchläge zur
Regulirung ber Angelegenheiten der 10000 oberfchlef. Typhuswaiſen zu machen, bie von Re⸗
gierung und Kammern vollfländig angenommen wurden. Auf Reifen durch alle Theile Deutich-
lands wirkte er durch Wort und That bei Begründung von Anftalten und Geſellſchaften aller
Kt hut Erziehung, Kranken⸗, Armen- und Gefangenenpflege. Bon einer Reife nad) England
1851 zurückgekehrt, beauftragte ihn die preuß. Regierung, in allen Provinzen der Monarchie
bie Zuchtanftalten und Gefängniffe zu befuchen und daran Vorfchläge für Verbefferungen zu
knüpfen. Durch diefe anhaltende praktiſche Wirkſamkeit an größerer literarifcher Thätigkeit be⸗
hindert, veröffentlichte er nur Weniges, darunter die Schrift „Die Innere Miffion der beutich-
evang. Kirche” (Hamb. 1849), in der er feine Brundanfichten über bie ganze freie chriftliche
Liebesthätigkeit und deren Verhälmiß zu den kirchlichen und focialen Kragen ber Gegenwart
audeinanderfegte. Seit 1844 gibt er die „Bliegenden Blätter des Rauben Hauſes“ heraus, in
benen aud) ein Theil der Vorträge enthalten ift, die ex auf den verfchiedenen Kirchentagen ge-
halten hat. Im J. 1851 erhielt W. von der Univerfirät zu Halle die theologifche Doctorwürde.
Wichmann (Karl Friebr.), deutſcher Bildhauer, geb. 1775 zu Potsdam, geft. 1836 zu
Berlin, befchäftigte fich ſchon früh in der Werkſtatt feines Vaters, welcher decorativ-architek«
tonifche Arbeiten fertigte, umd bildete fi dann unter den Bildhauern Boye und Unger
weiter, bid er in Schadow's Atelier fam. An deffen Arbeiten betheiligte er ſich mit gro-
ßem Eifer, und fo ift unter Anderm die Statue des Herzogs Leopold von Deffau auf dem
Wilhelmöplage in Berlin größtentheils feine Arbeit. Im 3. 1819 reifte er nach Stalin
und ſtudirte dort in Gemeinſchaft feines Bruders bis 1821, wo Beide nach Berlin zu⸗
rüdfehrten und ein Atelier eröffneten. Seine Hauptthätigkeit war fortan auf Porträt
büften und Statuen gerichtet, die er mit forgfältigfier Vollendung in Barmor ausführte,
Die Marmorflätue der Kaiferin Alesandra von Rußland ift eins feiner Hauptwerke.
Außerdem porträtirte er die übrigen Mitglieder der Baiferl. Familie. Er war Mitglied der
‚ Akademien zu Berlin und Petersburg. — Sein jüngerer Bruder, Ludw. Wil. W., be-
gann feine Laufbahn unter denfelben Verhältniſſen und begab ſich dann nach Paris und Rom,
wo er mit dem Bruder zufammentraf und nach zwei Jahren mit ihm nach Berlin zurüdichrte.
Auch er war vorzugsmeife im Gebiete ber Porträtbarftellung thätig. Sein Bildniffe athmen
ein außerordentliches Leben und find von meifterhafter Feinheit der Durchbildung. Zu feinen
berühmtefien Werken gehören die Büften Schleiermacher's, Theodor Körner’s, des Großen
Kurfürften, welche Iegtere für die Walhalla beftellt wurde, Degel’s, der Sängerin Henriette
Sontag, des Königs von Preußen und der Fürſtin von Liegnig, W. von Kaulbach's u. U.
Außerdem fertigte er jedoch auch andere Darflellungen. &o find von ihm mehre Figuren im
Innern des Opernhaufes au Berlin, einige weibliche Geftalten, weiche ald Akroterien auf dem
Mufeum ſtehen, ber Heil. Michael an der Werberfchen Kirche, die Basreliefs für die Giebel.
felber des Nitolaus-Bürgerhospitald und ber Thierarzneiſchuie und endlich eine der Marmor-
gruppen auf der Schloßbrüde. W. ift Profeffor an der Akademie der Künfte zu Berlin unb
Mitglied des Senats berfelben.
Wick, eine Stadt an ber Oſtküſte der Grafſchaft Caithneß im nördlichen Schottland und
Sig des Sheriffs berfelben, an der Mündung des Wil, zählt 6722. (1851), hat einen 1854
eröffneten neuen Kunfthafen, Pulteney-Town genannt, und iſt wichtig ald Hauptſtation der
1786 gegründeten britifchen Fifchereifocetät. Im Sommer 1848 gehörten zum Fiſcherei⸗
Wide Bieliffe 215
diſtrict von WB. nicht weniger als 800 Fahrzeuge mit 5500 Mann und faſt ebenfo viele Packer,
Küfer und Einfalzer. Der Ertrag bes Heringfangs 1849 belief fi auf 142000 Crans.
Wide (Vicia) heißt eine zur Familie ber Gchmetterlingsblätier gehörende Pflanzengat⸗
tung, kenntlich an dem unterhalb der Narbe gebarteten Griffel. Bemerkenswerthe Arten find:
die Futterwicke (V.sativa), mit Metterndem, flaumbaarigem Stengel, paarig gefiederten, in eine
Wickelranke endenden Blättern und violettrothen Blüten, die zu zwei in ben Blattwinkeln fie
hen. Sie fommt häufig unter der Saat vor, wird auch als Futterkraut eigens gebaut. Kerner
die Bohnenwide, auch Sanbohne (f. Bohne), für die man jegt Häufig auch die Purpurwicke
(V. porphyrea) baut, die ſich durch 8—10blütige purpurrothe Trauben auszeichnet. Die
Vogelwicke (V. Cracca) unterſcheidet fi) durch lange blaue Blütentrauben. Die Heine foge
nannte Vogelwicke, bie ſich häufig im Getreide findet, gehört jedoch zur Gattung Erwe.
Willow, eine Grafſchaft der iriſchen Provinz Leinfter, hat ein Areal von 3624 QM.,
wovon etwa 7 AM. auf uncultivietes Berg- und Moorland kommen. Sie ift fehr ge
birgig und durch ihre Naturfchönheiten berühmt. Das Bergland von W. ift 6'% M. lang
und über 2 M. breit, theild aus Berggruppen, theil® aus vereingelten, durch Thäler oder
Ebenen getrennten Bergen ımd Bergzügen zufammengefegt, die im centralen Theile ganz aus
Granit beftehen. Die höchften Gipfel find im Norden der Kippure, 2345 $., im Süben ber
Zugnaquilla oder Lugnaguilly, 2851 F., an der Nordoſtecke der Große und Kleine Zuderhut
(Sugar Loaf), erfterer 1880 $. Hoch. An der Grenze von Wexford liegen die Bupferreichen Hügel
von Gronebane mit bem1982 F. hohen Croghan, der im vorigen Jahrhundert große Stücke gedie
genen Goldes lieferte und auch Eife, Zinn, Zink, Molybbän, Wismuth und Braunftein enthält,
aber Alles in zu geringer Menge, als daß ein ertragreicher Bergbau fich bis jegt entwickeln konnte.
IB. wird wegen feiner zahlreichen romantifchen Partien viel bereift. Es finden fich feltfame
Berggeftalten, wilde Thäler (Glens), zum Theil Felsfchluchten mit Wafferfällen und Heinen
Seen, herrliche Baumgruppen, frifche Wiefen, gartenumgebene Pachthäuſer, ſchöne Kandfige,
Schiöffer, Parks, Ruinen von Kirchen und Klöftern, viele Ortfchaften, reizende Durchſichten
auf das Meer, treffliche Bergweiden, die eigentliche Heimat bes iriſchen Schafe. Beſonders be
rũhmt find das Felfenthal Dargle-Blen mit dem donnernden Waſſerfall des Dargle, Devils-
Glen, d. 5. Zeufelsthal, mit einem 150 F. hoben prachtvollen Waſſerfall, ferner Downs⸗Glen
mit dem herrlichen Randfige Bellevue, das Thal der Sieben Kirchen mit den Ruinen ber zerflörten
unb verödeten Stadt Glendilough oder Glanbelougb, eines berühmten Bifchoffiges, von
welchem der in Dublin refibirende Bifchof noch jegt den Namen hat. Die wichtigften Flüffe find
die Slaney und der Avoca. Zahlreihe Bäche durchſtrömen das Land in allen Richtungen und
würden bei größerer Thätigkeit der Bevölkerung für Mafchinerien aller Art zu benugen fein. _
Das Klima ift feucht, doch mild und, meil bie weitläufigen Torf- und Moorgründe ziemlich hoch
liegen, im Ganzen gefund. Der Aderbau liefert die gewöhnlichen Probucte, im Often auch Wei⸗
zen, doch wegen ber Beſchränkung durch da6 Gebirge für ben Bebarf nicht ausreichend. Bedeu⸗
tender ift die Rinder- und Schafzucht, die Dublin mit Schlachtvieh, wie die ergiebige Fiſcherei
mit Auftern, Hummern u. f. w. verforgt. Von Mineralien und Erben werden Baufteine, Schie⸗
fer, Kalt und Mergel benugt. Bon hohem Werthe find auch die Zorflager. Die Zahl der
Einwohner fant 1841 — 51 von 126143 auf 99287 herab. Die Hauptfladt Wicklow
ift ein Borough an ber Mündung des Leitrim, hat einen kleinen Hafen, 2500 E., Alebrauerei
und auf dem ſenkrecht aus bem Meere emporfteigenden Felfen Blad-Eaftle die Spuren eines
alten Schloffes. Bebeutenber ift der Borough Arklow, an der Mündung des Avoca, einft Re
fidenz der Könige von Irland, mit 5000 E., einer Kupferhütte und etwas Handel, auch be
kannt durch die Nieberlage, welche 1798 ein kleines brit. Detachement den iriſchen Infurgenten,
30000 an ber Zahl, beibradhte.
Wicliffe oder Wiclef (Bohn), ein engl. Kirchenreformator des 14. Jahrh., wurde 1324 im
Dorfe Wicliffe in der Grafſchaft York geboren. Er widmete fi in Orford mit Eifer der Theo⸗
logie, ſtudirte befonders die Bibel und bie Kirchenväter und trat fpäter als Lehrer auf. Seine
freien Aufßerungen über den Klerus umd die Mönche, namentlich, über bie Bettelmönd;e, welche
die Univerfitätsämter an fich riffen, verfchafften ihm zahlreiche Zuhörer. Im 3. 1365 follte er
Vorſteher eined neuen, vom Erzbiſchof von Canterbury geflifteten Collegiums werben, bem fidh
jedoch bie Mönche wiberfegten. W. appellirte an ben Papft, erhielt aber eine ungünflige Ant
wort. Urban Y. haßte den Bühnen Theologen, weil derfelbe das Verfahren König Eduard's IIl.,
der dem päpftlichen Stuhle den Lehnstribut vertoeigerte, durch Wort und Schrift vertheibigte.
Um fo höher flieg W. in der Gunſt des Hofs, zumal bei dem einflußreichen Herzog von Ranca-
⸗
216 Widdin
ſter. Der König ſchickte ihn 1374 mit einer Geſandtſchaft zum päpſtlichen Runtius nach Brügge,
wo man ſich vergebens über die Streitigkeiten zu verſtändigen ſuchte. Nach der Rückkehr gab
ihm der Hof die Pfarre zu Lutterworth in Leiceſter und eine Präbende an der Collegiatkirche
zu Weſtbury. W. erklärte ſich nun offen gegen die päpſtliche Oberherrſchaft, gegen die Reich⸗
thümer und Schwelgereien ber Geiſtlichen, gegen die Kloſtergelübde und faulen Bettelmönche,
gegen die Gerichtsbarkeit und den politifchen Einfluß des Klerus, gegen den Gölibat und eine
Menge anderer Einrichtungen. Auch lehrte er, daß die Chriſtenlehre im Laufe ber Zeit verfälfcht
worden und daß man fie aus der Bibel wieber rein herftellen müffe. Er verwarf demmach bie
kath. Lehre von der Gegenwart des Leibes Ehrifti im Abendmahle, hielt es bei aufrichtiger Reue
nicht für nöthig, einem Prieſter zu beichten, und fprach den gottlofen Prieftern die Gewalt über
die Gläubigen und das Vermögen, kirchliche Handlungen zu verrichten, ab. Die Verbreitung
biefer Lehren auf der Univerfität zu Orford und allmälig auch im Volke fegte bie ganze engl.
Beifttichkeit in Bewegung. Der Papft Gregor XI. erließ im Mai 1377 an bie Biſchöfe von
Canterbury und London eine Bulle, nach welcher IB. verhaftet und über 18 Punkte feiner ketze⸗
riſchen Kehren befragt werben follte. Man wagte' zwar nicht, ſich an ihm zu vergreifen, lud ihn
aber vor eine Commiſſion, vor welcher er in Begleitung des Herzogs von Lancaſter und des
Lords Percy erfchien und mit Muth und Gelehrfamteit feine Lehre vertheibigte. Das Verhör
endete mit Skandal, indem ber Herzog von Rancafter für feinen Elienten die Erlaubnif des Nie-
derfigens in Anſpruch nahm, wobei der anweſende und aufgehegte Pöbel die Partei des Bifchofs
ergriff. Ein zweites Verhör, das man 1378, nach König Eduard's Tode, mit ihm anftellte,
blieb ebenfalls ohne Folgen. W. fuhr unter dem Schuge des Herzogs von Lancafter fort, zu
lehren und zu predigen. Als 1381 der von Wat⸗Tyler (ſ. d.) geleitete Bauernaufruhr aus»
brach, wußte Die ebenfalls hart bedrohte Beiftlichkeit den jungen König Richard II. einzunehmen
und W.s Lehren als die Urfache des Aufſtandes darzuftellen. Zwar hatte ein Priefler, John
Bau, der fih zu W.'s Anhängern zählte, durch fanatifche Freiheitspredigten das Volk aufge
regt; allein ZB. felbft war an der Empörung der unmenfchlich gedrüdten Bauern ebenfo wenig
ſchuld wie fpäter Luther in Deutſchland. Dennoch wurde 1382 auf einer zu London abgehal ⸗
tenen Berfammlung die Lehre W.'s verbanımt, und die Bifchöfe zogen fortan deffen Anhänger
zur Rechenfchaft, zwangen fie zum Widerruf oder warfen fie ind Gefängniß. Indeſſen hatte
man nicht den Muth, die Dand an WB. zu legen, nur wurde er mit Erlaubniß des Königs von
Drford auf feine Pfarre zu Lutterworth verwiefen. Ex ftarb dafelbfl, während er die Meffe ab-
bielt, wahrfcheinlich am Schlage, 29. Dec. 1387. Die zahlreichen Schriften W.'s befinden ſich
meift ungebrudt zu Orford, Cambridge und im Britifchen Muſeum. Unter den gedrudten
machte der „Trialogus” (1525; Fkf. 1723), ein Geſpraͤch zwifchen der Wahrheit und einem
argliftigen Theologen, großes Auffehen. Bon der Bibelüberfegung, die IB. nach dem Zerte der
Bulgata in engl. Sprache 1383 vollenbete, ift das Alte Teftament noch ungedrudt. Crowley
gab 1555 ben Prolog zur Überfegung heraus. Eine Ausgabe des Neuen Zeftaments (Xond.
1731) veranftaltete Lewis, eine andere Baber (Xond. 1810). Mit W.'s Tode war feine Wirk-
ſamkeit keineswegs erloſchen: die Zahl feiner Anhänger wuchs, namentlich unter den höhern
Ständen. Inbeffen zeigte fich die Maffe für eine Kirchenreformarion nicht reif und es gelang
dem Klerus mit Dülfe des weltlichen Arms, bie Wicliffiten, die man als Lollharden (f. d.)
brandmarkte, allmälig durch Feuer und Schwert auszurotten. Nur in einzelnen Familien er-
hielten fich die Anfichten W.'s bis zur Zeit der Reformation. Einige Ausländer brachten die
Lehre nach Deutfchland und nach Böhmen, wo Huf (f. d.) daran für feine Reformbeftrebun-
gen erweckt wurde. Bol. Lewis, „The history of the life and sufferings of John W.“ (Xond.
1720); Baughan, „Life and opinions of John W.“ (Lond. 1828 ; 2. Aufl., 2 Bde, 1831);
LZebas, „Life of W.“ (Lond. 1832; 2. Aufl., 1846); Huber, „England in the days of W.“
(Thetforb 1849),
iddin, law. Bodun, das alte möftfche Bononia, die fefte Hauptftabt eines türk. Cjalets
in Bulgarien, rechts an der Donau, Sig eines Pafchas und griech. Bifchofs, mit 20000 meift
türk. Einwohnern, einer von jeher wichtigen umd durch neuere Bauten fehr verftärkten Citadelle,
ſchmutzigen Straßen und verpefteten Bazars. Die Stadt wurbe in neuerer Zeit durch die glüdl-
lihen Unternehmungen Paßwan⸗Oglu's gegen bie Pforte (1797-1807) und feit 1853 durch
bie Kämpfe zwifchen den Zürken und Ruffen fehr bekannt. Am 28. Oct. 1853 nämlich be»
gann Omer-Pafcha die Feindfeligkeiten damit, daß er hier die Donau überfchritt, die gegenüber-
liegende Hafen- und Handelsfladt Kalafat oder Kalefat in der Walachei befegte und biefelbe
Widerruf WBiebeling 217
nach und nad) in ein uneinnehmbared Bollwerk umſchuf, wodurch bie Nuſſen auf ihrem redh-.
ten Flügel bedroht und ihre befürchtete Vorbringen nach Serbien gänzlich vereitelt wurde
Widerruf, |. Abbitte und Palinobie. -
Widerfpruch ift zwiſchen Begriffen oder Gedankenbeſtimmungen vorhanden, wenn ſich bie-
felben ihrem Sinne nach aufheben. Der logiſche Wiberfprud (contradictio oder repugnan-
tia logica) bezeichnet das Verhaͤltniß zweier Denkbellimmungen, die fich wie reine Bejahung
und Derneinung deſſelben Gedankens verhalten, worauf ſich das logiſche Geſeh des Wider⸗
ſpruchs (principlum contradiotionis) gründet: „Denke nicht Widerfprechendes”, oder weil
das Widerfprechende fich felbft aufpebt: „Miderſprechendes ift undenkbar.” Der Widerfpruch
ift entweder ein unmittelbarer, wenn zwei Gebankenbeflimmungen fi ohne Bermittelung ei-
ner dritten aufheben, wie in bem Begriffe eines vierediigen Zirkels, oder ein mittelbarer, wenn
eine folche Vermittelung ftattfindet. Dies ift meift dann ber Kal, wenn eine Gedankenbeſtim⸗
mung ber nothiwendigen Folge einer andern zumibderläuft. &o ift der Begriff eines gleichfeitigen
rechtwinkeligen Dreiecks wiberfprechend; denn die Gleichheit der Seiten ſteht im einer nothwen-
digen Beziehung zu der Gleichheit der Winkel im Dreied, welche die Rechtwinkeligkeit aus⸗
fließt. Die legtere Art des Widerfpruch& kann man oontradiotio in adjeoto nennen. Mit-
telbare Widerfprüche find ſchwerer zu entbeden und zu vermeiden als unmittelbar in die Augen
fpringende Ungereimtheiten.
Widerſtand Heißt in der Dynamit Alles, was einer Bewegung hindernd entgegenwirkt.
Die gewöhnlichften Widerftände find die Widerflände des Mittels, in welchem ein Körper ſich
bewegt, 3. B. der Zuft, des Waſſers, die Widerftände der Reibung und der Steifigkeit von Sei⸗
len und Ketten, bie zur Kortpflanzung einer Bewegung in gebrochener Linie dienen u. f. w. Die
praktiſche Mechanik hat biefe Wibderftände zu beachten, um fich über den Effect ihrer Vorrich⸗
tungen nicht zu täufchen.
Widukind oder Wittekind, einer der ausgezeichnetfien deutfchen Quellenſchriftſteller, war
in Sachen geboren und Mönch zu Korvei in Weſtfalen. Er lebte um bie Mitte bes 40. Jahrh.
und feinen Tod kann man nicht lange vor 1004 anfegen. Wir befipen von ihm Anna-
len unter dem Zitel „Res gestae Saxonicae” ; auch fchrieb er „Gesta Ottonis”, bie aber nicht
mehr vorhanden zu fein fcheinen. Beide Schriften würden für ein und daſſelbe Werk zu halten
fein, da die zweite nur einen Theil der erfiern bilden konnte, wenn dem nicht des Verfaſſers
eigene Worte in der Vorrede zu dem erfien Werke und das Zeugniß des gleichzeitigen Hiftori-
kers Sigebert von Gemblours entgegenftänden. Die Annalen enthalten in drei Büchern, nach
voraus geſchickten Bemerkungen über die Herkunft der Sachfen, bie Gefchichte König Heinrich’ 8 1.
und Kaifer Otto's I. Daß das Werk noch bei Lebzeiten Otto's I. gefchrieben fei, geht auß ber
Borrede hervor ; wie es ſcheint, ift es wiederholt überarbeitet. Benutzt haben baffelbe befon-
ders Dietmar und der Chronographus Saxo. Am beften herausgegeben wurbe e8 von Perg in
ben „Scriptores rerum Germanicarum” (Bb. 3), überfegt von Schottin (Berl. 1852).
Zeiebefing (Karl Friedr. von), ausgezeichneter Givilingenieur und Baumeifter, geb. 25.
Juli 1762 zu Wollin in Pommern, arbeitete fchon feit 1779 mehre topographifche Karten.
Zugleich beſchäftigte er fich mit Waſſerbaukunde. Im 3. 1788 wurde er als Wafferbaumeifter
im Derzogthum Berg in Burpfalzbair. Dienften angeftellt; doch ſchon 1790 trat er als Steuer-
rath und Oberrheinbauinfpector in heſſen⸗darmſtädt. Dienfte. Er war jegt vorzüglich beichäf-
tigt, bie Materialien zu einem großen Werke über die Waſſerbaukunſt zu fammeln, was ihn zu
verfchiedbenen größern Reifen, namentlich nach Holland, veranlaßte. Bei Gelegenheit des Ra⸗
fladter Congreſſes verfaßte er eine Denkfchrift über die Nheingrenze, worin er nachwies, daß bei
Stromgrenzen ber Thalmeg eines Stroms die eigentliche Grenze bilde. Im J. 1800 machte er
eine Reife durch Frankreich. Hierauf trat er 1802 als Hofrath und Referent im Baumefen bei
den höchſten Stellen in öfte. Dienfte, in denen er fi) bauptfächlich durch Chauffeeanlagen ver-
bient machte. Dinderniffe aber, die feiner Thätigkeit entgegentraten, bewogen ihn, 1805 al6 Geh.
Kath, Finanzreferendar und Generaldirector des Waffer-, Brüden- und Straßenbauweſens
wieder in bair. Dienfte zu treten. Bier leitete er eine große Anzahl Bauten, die ihre Trefflichkeit
bewährt haben, bis er 1818 dem Staatsdienſt entfagte, um ſich ganz wiffenfchaftlihen Studien
zu widmen. Er flarb in München 28. Mai 1842. Aus der großen Zahl feiner daffifchen, zum
Theil fehr Lofibaren Werke find zu erwähnen die „ZTheoretifch-praßtifche Waſſerbaukunſt
(5 Bde, Manh. 1798— 1805; neue Aufl. 4 Bde. mit 153 Kpfen., 1811—17); „Beiträge
zur Wafferbrüden- und Stragenbaukunde” (Manh. 1809); „Beiträge zur Brückenbaukunde
(Tüb. 1809; 2. Aufl, 1812); „Theoretiſch⸗praktiſche bürgerliche Baukunde (A Bde. mit *
s
218 Wied (Graffchaft) Wiedehopf
Kpfrn., Münd. 1821 —26) ; „Kurzgefaßte Erläuterungen und Grundſätze der Civilarchitek
tur” (Mündy. 1824); „Architecture civile Ihdoretique et pratique” (7 Bde, Münd. 1822
— 30, mit 260 Kupfertaf.); „Bon dem Einfluß, den die Unterfuchungen ber Baudenkmale des
Alterthums, des Mittelalters und der neuern Zeit auf die Forſchungen im Gebiete der Geſchichte
haben“ (Münd. 1834); „Bon der Ratur ober den Eigenfchaften ber Flüffe” (Stuttg.
1834). — Sein Sohn, Karl Buft. von W., der mit dem Vater gleiche Studien theilte, geb.
zu Düffeldorf 1792, flarb als bair. Regierungsrath und Baurath des Rheinkreiſes zu Speler
20. Mai 1827.
Wied, eine ehemals reichdunmittelbare Grafſchaft im Weſtfäliſchen Kreife, gehörte ſchon im
11. Jahrh. dem alten Dynaſtengeſchlecht Wied (ſ. d.), das nach ihr den Namen führt und die-
ſelbe noch gegenwärtig befigt. Sie theifte fich feit der Mitte bes 15. Jahrh. wo durch Verhei⸗
rathung die Herrfchaft Runkel mit W. vereinigt wurde, in bie obere Graffchaft W. Nunkel
und die untere Grafſchaft W.Neuwied; jene umfaßt ein Areal von 4 QM. an der Lahn im
Herzogthume Naffau, diefe von 11 AM. mit der Stadt Neuwied ([.d.). Für den Verluft an
Befigungen auf dem linken Rheinufer im Luneviller Srieben wurde ber Befiger ber Sraffchaft
W.⸗Nunkel im Reichs deputationshauptſchluß 1803 mit bis dahin kurkölniſchem Landbefig ent
ſchädigt. Beide Graffchaften Hatten Sig und Stimme in dem weſtfäl. Grafencollegium und
W.-Runkel noch außerdem Antheil an ber wetterauifchen Euriatflimme im Reichsfürſten⸗
rathe. Sämmtliche Lande verloren durch die Begründung bes Rheinbunds 1806 ihre Neiche-
unnmittelbarkeit und wurden theils unter herzogl. naffauifche, theild unter großherzogl. bergifche
Landeshoheit geftellt. Durch die Wiener Congreßacte Eamen fie ald Standesherrfchaften unter
preuß. und naffauifche Kandeshoheit.
Wied, ein altes Dynaftengefchlecht, das feinen Namen nach der Graffchaft Wied (ſ. d.)
führt, kommt urkundlich zuerft 1093 vor. Es erlofch im Mannsſtamm mit dem Grafen Lothar
4243 und die Grafſchaft fiel m Bruno, Grafen zu Iſenburg, ber mit der Erbtochter vermahlt
war und ben Namen Wied annahm. Als auch diefes Geſchlecht mit dem Grafen Johann 1462
wieder im Mannsſtamm erlofch, Fam die Grafſchaft an Dietrich von Runkel aus dem Haufe
Leiningen⸗Weſterburg, ben Gemahl der Exrbtochter des legten Grafen, der nun der Stifter des
gegenwärtigen Haufe W. wurde. Nach dem Tode des Strafen Friedrich 1698 theilte ſich
dad Haus durch beffen Söhne in zwei Linien, W.⸗Runkel und ZB.-Neumied. Jene befaß
die obere Sraffchaft W. an der Lahn und wurde 1791 mit dem Grafen Chriſtian Ludwig in
ben Fürftenftand erhoben; diefe erhielt die untere Grafſchaft W. und ſchon 1784 unter dem
Grafen Joh. Chriſtian Alerander die Reichſsfürſtenwürde. Die Linie W.- RNuntel erlofch,
als ſchnell nacheinander der Fürft Karl Ludw. Friedr. Aler. 9. März 1824 und fein Bruder,
der Fürft Friedr. Ludw., der erft in holl. dann in öftr. Dienften in höhern militärifchen Wür⸗
ben den ganzen franz. Krieg mitgemacht hatte, 24. April 1824 kinderlos verftarben, worauf
bie jüngere Linie unter dem Namen Wied fämmtliche Lande vereinigte. In der Linie W.-
Neuwied war auf den Stifter derfelben 1791 fein Sohn Friedr. Karl gefolgt, der das Fürften-
thum Neuwied 1802 anfeinen Sohn Joh. Auguft Karl abtrat. Dem Letztern folgte bei feinem
Tode, 24. April 1836, fein Sohn, Fürft Wilh. Hermann, geb. 22. Mai 1814, königl. preuß
Oberſt und Chef eines Landiwehrregiments, vermählt feit 1842 mit der Yrinzeffin Marie von
Naffau. Des Fürften Oheim ift der durch feine naturhiftorifchen Reifen bekannte Prinz Ma-
yimilian (f. d.) von W. .
Wiedehopf (UpupaEpops), ein zu den Dünnfchnäblern gehörender Zugvogel, der im Som-
mer alle Theile Europas, vorzüglich Frankreich und Südrufland, befucht. Deutſchland verläßt
er ſchon im Auguſt wieder, um in Nordafrika und Vorderafien zu überwintern. Er mißt einen
Buß in der Länge, hat gelbes Gefieder unb ſchwarze, weißgebänbderte Flügel und Schwanz.
Eine aufrichtbare, an der Spige ſchwarze Federkrone, die er beim Freſſen und Schreien m
raſche Bewegung fept, zeichnet ihn vor andern beutfchen Vögeln aus. Sumpfige Ebe-
nen, am liebften Viehweiden, mit einzelnen Bäumen befegt, ſucht er vorzugsweiſe zum Aufent-
halt. Seine Nahrung find Infektenlarven, bie er aus dem Schlamme oder den Ererementen
großer Säugethiere hervorzieht. In Folge diefer Nähriveife und weil die Beichaffenheit feines
in Baumlöchern angelegten Neftes die Entfernung bed Unraths nicht geftattet, hat er von dem
vielen ihm anklebenden Unrathe einen fehr midrigen Geruch, der ſich jedoch während der Wan⸗
derungen verliert und keineswegs dem Fieiſche anhaftet. Daß erfein Neft aus Koth erbaue, ſich
ſelbſt davon nähre, hat ihm der Volksglaube, wie vieles Andere, angedichtet. Obgleich von Na⸗
ur ſcheu, läßt der Wiedehopf ſich Leicht zaͤhmen, empfiehlt fich jedoch wegen feiner großen Un⸗
Biederbringung aller Dinge Biedertäufer 919
reinlichkeit nicht zum Simmervogel. Außer bem gemeinen Wiebehopf kennt man noch einen
indiſchen und einen afrtlanifchen.
Biederbringung aller Dinge, |. Apokataſtaſe.
Wiebereinfegung in den vorigen Stand, T. Reſtitution.
Siedererzeugung, |. Reproduction.
Wiedergeburt, ſ. Palingeneſie.
Wiederkäuer, eine Ordnung der Säugethiere, deren hauptſächlichſte Eigenthümlichkeit es
iſt, daß das Futter, aus Pflanzentheilen beſtehend, nach einiger Zeit wieder in den Mund her⸗
aufgewürgt und von neuem gekaut wird. Es wird dies ermoͤglicht durch eine beſondere Einrich⸗
tung des Magens, der einen aus vier Abtheilungen beſtehenden Sack bildet. Die erſte Abthei⸗
lung, ber Panſen, dient nur zur vorläufigen Aufnahme der grobgekauten Nahrungsmittel.
Zindet das Thier fpater Muße zum forgfältigen Durchkauen derfelben, fo werben fie in größern
Biffen in den Mund urüdbefärbert unb gleiten zulept, in einen dünnen Brei verwandelt, in⸗
dem fich Die nach dem Panfen führende Offnung der Speiferöhre fchließt, in die untern Abthei⸗
lungen, ben zelligen Regmagen (Baube), ben faltigen Blättermagen (Buch, Löſer) und den
Zabmagen hinab, wo die eigentliche Verdauung erfolgt. Der Darmlanal mift das 12—24-
fache der Körperlänge bei den Wieberfäuern. Den Kiefern fehlen die obern Vorberzähne, bie
durch einen knorpeligen Wulſt erfegt werben ; der unten Vorberzähne find meift acht an Zahl;
bie Edzähne fehlen ebenfalls. Die Backenzähne haben auf der Oberfläche mehre vorfichende
Schmelsfalten und können, um beffer zum Zerreiben zu dienen, in Kreifen aufeinander herum⸗
. gefchoben werden. Die Füße der Wiederkäuer find zum fehnellen Laufe fehr paffend eingerichtet.
Die beiden mittlern Zehen find in aneinander fchließende Hufe eingehüllt (gefpaltene Klauen),
während bie verfümmerten äußern (Afterflauen) ben Boden nicht berühren. Faſt alle Wieber-
kauer find mit Hörnern oder Geweihen bewehrt. Obgleich von friebfertigem, gutmüthigem,
häufig etwas phlegmatifchem Charakter, wiſſen die größern von ihnen trefflich Gebrauch von
ihren Waffen zu machen und fcheuen den Kampf mit den gefährlichften Raubthieren nicht.
Die ſchwächern entgehen burch ihre Schnellfüßigkeit der Gefahr. Dem Menfchen gewähren
die Wiederkäuer durch ihr Fleiſch, Milch, Haare, Fell, Hörner, Klauen, feibft durch ihren Mift
unberechenbaren Rugen. Ihre Zucht pflegt Die Übergangsftufe von der Wildheit zum Eultur-
leben zu bezeichnen. Die Wieberfäuer zerfallen Hauptfächlidh in folgende Gruppen: Kameele
und Lamas, Giraffen, Dirfche und Mofchusthiere, Antilopen, Ochfen, Schafe und Ziegen.
Wiedertäufer oder Anabaptiften heißen überhaupt die Ehriften, welche, die Kindertaufe
verwerfend, die Taufe nur an Erwachfenen vollziehen und Jeden, ber zu ihnen übertritt, nod)
ein mal taufen. Der eigentliche Urfprung der Wiebertäufer läßt ſich nicht mit Sicherheit nach-
weifen, er hängt aber offenbar mit der Bekämpfung der Kindertaufe in der alten Kirche zu-
fammen, und auch in den fpätern Gegnern derfelben, vorzüglich in ben einer befondern Erleuch⸗
tung ſich rühmenben Parteien ber Katharer, Petrobrufianer, Henricianer a. |. w., konnte bie
Wiedertäuferei ſtets Nahrung erhalten. Kurz nach dem Entftchen ber Reformation erhoben
fich neue Begner der Kindertaufe in fanatifchen Schwärmern, namentlich in ben fogenannten
zwidauer Propheten in Sachfen, an deren Spige Thomas Münzer (f. d.), Mart. Sellarius,
Marc. Stübner und die Tuchfärber Nikol. Storch und Marc. Thomä, Pfeiffer u. U. ſtanden.
Münzer ging über Rürnberg nah Waldshut an der Grenze der Schweiz, mo er fhon Anhän-
ger in Konrad Grebel, Simon Stumpf, Balthafar Hubmeyer, Ludwig Heger u. U. gefunden
hatte. Bald wurde bier das Dorf Zolliton ein Hauptfig der Wiedertäuferei, Waldshut aber
ber Centralpunkt von Schwärmern, die ſich über bie Schweiz verbreiteten. Sie rühmten ſich
neuer göttlicher Offenbarungen, träumten von ber Stiftung des bimmlifchen Reichs auf Er-
ben, foberten die Fürften auf, zu ihnen übergutreten, wenn fie das Schwert nicht verlieren woll-
ten, unterftügten baburch das Umfichgreifen bes Bauernkriegs (ſ. d.), verwarfen die Kindertaufe,
lebrten, daß die zu ihnen Übertretenden durch bie geiftige Kaufe wiebergetauft werden müß-
ten, und verfündigten die Gütergemeinfchaft und bie Gleichheit aller Chriſten. Raſch verbrei-
tete fich ihr Anhang am Rheine, nad Weftphalen, Holflein und in den Nieberlanden, ohnge-
achtet der härteſten Verfolgungen. In Sachſen, Franken und Thüringen wurde ihr Treiben
durch die Schlacht bei Frankenhauſen unterbrüdt. Dennoch erhielten fich zerftreut Anhänger
diefer Schwaͤrmerei, und durch Reifen ihrer Wortführer bildeten ſich felbft mieder neue Gam-
melpläge für fie. In diefer Beziehung zeichnete fich befonders Melchior Hoffmann, ein Kürfch-
ner aus Schwaben, aus, der die Schwaͤrmerei 1527 in Kiel, 1528 in Emden predigte, hier den
Bäder Joh. Matthiefen aus Harlem als Bifchof einfegte und fih dann nad Gtrasburg F“-
v
220 BWiedertäufer
gab. Mattbiefen fandte darauf Apoftel für die neue Lehre aus. Kwei von ihnen begaben ſich
nad Münfter, wo fie an dem bisherigen proteft. Geiftlichen Rothmann und an ben Bürgern
Knipperdolling (f.d.) und Krechting fanatifche Mitarbeiter fanden, denen fich noch der Schnei-
der Bodold aus Leyden und Gerrit Kippenbroek von Amfterdam, genannt Gerrit der Buch⸗
binder, endlih Matthiefen felbft gefellten. Bald machten fie fich mit ihrem Anbange, die Mün-
fterfche Rotte genannt, zu Derren der Stadt; Matthiefen trat als Prophet auf, und als er bei
einem Ausfalle gegen den Bifchof von Münfter, ber die Stadt belagerte, das Xeben verlor, nah⸗
men Bodold und Knipperbolling feine Stelle ein. Jetzt wurden bie Kirchen zerftört, zwölf
" Richter, wie in Iſrael, über die Stämme beftellt, und Bockhold ließ fih 1534 unter dem Na-
men Johann von Leyden (f. d.) zum Könige des neuen Zion krönen. Vornun an erreichte der
wiedertäuferifche Unfinn in Münfter ein alle Grenzen überfteigendes Maß. Die Stadt felbft
wurde der Schauplatz der wildeften Ausſchweifungen, bis endlich Durch mehre proteft. Fürften
im Vereine mit dem Bifchofe die Stadt eingenommen und durdy bie Hinrichtung der fanati-
fchen Anführer dem neuen Reiche 24. Juni 1555 ein Ende gemacht wurde. Indeß war bamit
die Vernichtung aller von den Schwärmern bisher gelehrten Grundjäge noch nicht erreicht.
Biele verfolgte Wiedertäufer waren fchon früher nach Emden geflohen: an ihrer Spige fland
Melchior Hoffmann, der 1540 im Gefängniffe zu Strasburg ftarb. Sie waren von dort in bie
Niederlande gedrungen, hatten feit 1533 befonders in Amſterdam Anhang gefunden und fi
weiter zu verbreiten gewußt. Bockold hatte auch Apoftel ausgefandt, von denen aber mebre
den wilden Fanatismus ihres Meiſters aufgegeben, namentlich die Lehre von ber Gemeinſchaft
der Güter und Frauen verlaffen hatten und neben müflifch-theofophifchen Träumereien die
übrigen Lehren der Wiedertäufer und die Stiftung eines neuen Reichs reiner Ehriften verfün«
digten. Die Hauptquelle ihrer Lehren war die Apofalypfe. Am meiften zeichneten ſich in die⸗
fer Beziehung die Anhänger von Hoffmann und von David Joris aus. Lepterer, ein Glasmaler
und fogenannter Rammerfpieler aus Delft (geb. 1501, geft. 1556), mifchte den Liberalismus
in die Wiedertäuferei, Huldigte der Theofophie, fuchte die verfchiebenen Parteien zu vereinigen
und gewann Manche, die fein 1542 zu Deventer erſchienenes, Wunderbuch“ ftudirten und in
ihm gemwiffermaßen einen neuen Meffias erkannten. Verfolgt, entzog er ſich 1544 feiner-Partei,
lebte unanftößig unter dem Namen Johann von Brügge in Bafel und farb hier in der Ge-
meinfchaft ber ref. Kirche. Erſt 1559 kam feine Irrlehre an den Tag, weshalb der Rath von
Baſel die Gebeine des Joris ausgraben und unter dem Galgen verbzennen ließ.
Mit dem münfterfchen Unweſen fchloß fich die Periode der Roheit und des Fanatismus in
der Geſchichte der Wiedertäufer ; eine neue Periode bricht in berfelben mit dem Auftreten
der Brüder Ubbo und Dirk Philipps und des Menno Simons an. Diefe Männer wurden bie
Meformatoren unter den Wiedertäufern, bei benen es übrigens immer auch Solche gegeben
hatte, welche das Streben nady der Umgeftaltung aller Verhältniffe und die hierbei an ben Tag
gelegten Schwärmereien verwerfen und nur ein Leben ftreng nach dem Evangelium foderten.
Wie Menno (f. d.) hatte auch Ubbo Philipps den münfterfchen Unfug entfchieden gemisbilligt.
Ubbo Philipps, früher kath. Priefter in Leeumarden, war 1534 ein Daupt ber Wiebertäufer
geworden und hatte feinen Bruder, den David Joris und Menno zu Beiftlichen der Sekte ge-
weiht. Unter fteten Lebensgefahren, aber mit einem befonnenen Eifer gelang es Menno,
die zerftreuten Glieder feiner Partei zu fommeln, in den Niederlanden, in den Seeftädten Nord-
deutſchlands und in Preußen Gemeinden zu fliften. Er nannte die lieber feiner Partei nur
„Gemeinde Gottes, elende, wehrlofe Chriften, Brüder”, während fie fpäterhin nach ihm Men-
noniten genannt wurben, jest aber gewöhnlich Zaufgefinnte (Doopsgezinden) ſich nennen,
Namen, die zuerft nach dem 3. 1570 vorkommen. Menno ftellte feinen Lehrbegriff in dem
„Bundamentbuche von dem rechten hriftlichen Glauben“ 1556 auf. Er gilt noch jegt unter ber
Partei, die ohne myſtiſchen Beifag eine rein evangelifche Anficht und Behandlung des Chri⸗
ſtenthums feſtzuhalten ſucht und zur proteft. Kirche gehört. Diele Sekte bringt darauf, bie Leh⸗
ren der Heiligen Schrift einfach und gläubig zu erfaffen und flxeng zu befolgen, legt aber auf
Gelehrſamkeit und wiſſenſchaftliche Fortbildung des Lehrbegriffs feinen Werth. Die fymbo-
lichen Schriften, die von 1580— 1664 unter ihr erfchienen („Historia Christianorum, qui in
Beigio foederato inter Protestantes Mennonitae appellantur”, Amft. 1723; „Historiae Men-
nonitarum plenior deductio”‘, Amft. 1729), haben bei ihr eine geringe ober gar Peine kirchliche
Autorität. Die Partei verwirft den Eid, ben Krieg und jede Art von Rache, die Cheſcheidung,
ben Sal des Ehebruchs ausgenommen, die Kindertaufe, die übernahme obrigkeitlicher Amter,
betrachtet die Obrigkeit als eine zwar jegt noch nothwendige, aber dem Reiche Chrifti fremde
Wiedertäufer 21
Einrichtung, bie Kirche als eine Gemeinde ber Heiligen, die durch ſtrenge Kirchenzucht in bee
Reinheit erhalten werden müffe. In der Lehre von ber Gnade bekennt fie fich zum Univerſalis⸗
muß, in der Lehre vom Abendmahle, bei defien Feier von vielen die Fußwaſchung beibehalten
wird, zur Meinung Zwingli’s. In Deutfchland, wo die Sekte beſonders am Rheine und in Oft-
preußen häufig ift, in der Schweiz, Elſaß und Lothringen finden fich bei ihr nur wenige Ab⸗
weichungen von ben Formen bes proteft. Gottesdienſtes. Ihre Bifchöfe, Alteſten und Lehrer
dienen unentgeltlich. Die Kinder erhalten den Namen bei der Geburt, die Kaufe wird in den
Bethäufern vollzogen, und alle Erwachſenen, bie zu ihnen übertreten, werden noch ein mal getauft.
Der Grad der bei ber Kirchenzucht anzuwendenden Strenge veranlafte ſchon 1554 eine
Spaltung in der neu georbneten Kirche und ſchuf in ihr die Parteien der gelinden und feinen
Mennoniten. Letztere wollten jedes Vergeben, ohne vorher gegangene Ermahnung, mit dem
Banne geſtraft wiffen, ber felbft die Gemeinfchaft zwifchen Ehegatten und Verwandten aufhe⸗
ben follte. Diefer Meinung trat Menno nach einigem Schwanken enblich ſelbſt bei. Die gelin-
bere Partei wollte den Bann erft nach Vermahrtungen und Zurechtiveifungen in verfchiedenen
Graben, befonber& bei beharrlichem Ungehorfam gegen bie Gebote der Bibel, und ohne weitere
Bolgen für das häusliche Leben anwenden. Diefe Partei nannte man auch Waterländer,
weil fie im Waterlande am Pampus in Nordholland und bei Franeker ihren Sig hatte. Die
Feinen, die von jener Partei fpöttifh Drediwagen genannt wurben, beftanden aus riefen in
und um Emben, aus vlämifchen Flüchtlingen (Flamingern) und Deutfchen. Seit 1565 trennte
ſich diefe Partei wieder in drei Theile, indem bie Flaminger bei der größten Strenge bed Ban-
nes beharrten, bie Friefen nicht ganze Gemeinden mit demfelben belegt und Beine Störungen des
Familienlebens bewirkt wiſſen wollten, während die Deutfchen nur durch ein firengeres Ver⸗
meiden jedes Luxus von ben Friefen fich unterfchieden. Zu den Deutfchen gehörten die Wieder⸗
täufer in Holftein, Preußen, in der Pfalz, am Rhein, in Jülich, Elſaß und ber Schweiz, wie
auch die, welche ſich bis zum Dreifigiährigen Kriege nach Mähren verbreitet, dann aber verfolgt,
feit 1659 nach dem Elſaß und der Rheinpfalz ſich gewendet hatten; fie vereinigten ſich 41591
durch das fogenannte Concept von Köln mit ben Frieſen und beide Parteien endlich auch mit
ben Blamingern zu Amfterbam 1630. Diefe Bereinigung wurde mehrmals erneuert, z. B. zu
Harlem 1649 und zu Leyden 1664 ; aber bald darauf erhob ſich doch wieder eine neue Spal-
tung unter den Sriefen durch Jan Jakob, der die Strenge der Flaminger im Kirchenregimente
noch erhöhte ; unter den Flamingern rief Ute Walles eine Partei hervor. Die Anhänger Jan
Jakob's bildeten die Janjafobschriften, die Anhänger bes Uke Walles bie Ukewalliſten oder
Dompelers, d. i. die Untertaucher, weil fie die Taufe mit dreimaligem Untertauchen vollzogen.
Die zuerft Genannten verbreiteten fich nach Litthauen und Danzig und heißen auch Elarchen
oder Elerden. Zu ihnen gehören noch einige Gemeinden in Oft- und Weftpreußen, und mit
ihnen flimmen die Taufgefinnten in Galizien überein, die aber, weil fie ihre Kleidung entweber
zufnöpfen oder zuheften, Knöpfler und Beftler heißen. Durch ihr fittliches Verhalten gewan⸗
nen bie Parteien Achtung, durch ihre Thätigkeit Wohlftand. In den Niederlanden erhielten fie
1572 Duldung, 1626 förmliche Religionsfreiheit; in den Seeftädten Emden, Hamburg, Dan-
sig und Elbingen fanden fie durch ihre Faufmännifchen Bedeutung Zoleranz.
Höchſt wichtig für die Taufgefinnten war bie in der amflerdamer Gemeinde ber vereinigten
Waterlander, Flaminger, Friefen und Deutfchen 1664 durch bie Neigung eines Theils der⸗
felben zu freiern Grundfägen entftandene Trennung, beinahe die einzige, die unter ihnen aus
ber Berfchiebenheit Dogmatifcher Anfichten hervorging. Die Waterländer hatten fih ſchon
frühzeitig durch freiere Neligionsbegriffe hervorgethban und der Arminianismus (f. Remon⸗
ftranten) war von Einfluß auf fie gemefen. Der Anführer ber vemonftrantifch Gefinnten oder
Sreifinnigen wurde der Arzt Balenus Abrahams de Haen; nad) ihm hießen fie Baleniften
ober nad) ihrem Verſammlungshauſe bei einer vormaligen Brauerei zu Amfterdam, die als
Schild ein Lamm führte, Lamiften. An die Spige der Altgläubigen flellte fich der Arzt Sa-
muel Apoſtool; daher hießen fie Apoſtoolen oder nach ihrem mit dem Symbole ber Sonne
verfehenen Berfammlungshaufe zu Amfterdam Soniften. Diefe hielten die Lehre von ber ab⸗
foluten Yrädeftination und Menno's Lehre für den Glauben und das Leben feft. Die Breifin-
nigen aber verwarfen jedes fefte Glaubensbekenntniß ald Menſchenſatzung, eigneten ſich allmälig
die Zeiftungen der engl. Nation auf dem Gebiete der Philoſophie und Theologie an und ge
wannen dadurch einen nicht unmwichtigen Einfluß auf die geiftige Kortbildung Hollande. Die
angeführten Parteinamen gingen inbeß nach und nach auf die beiden Hauptparteien ber Ge
linden im Allgemeinen über, benen fich die übrigen Taufgefinnten gleicher Gattung anſchlo⸗
323 Biedertäufer
fen; denn bie beiden Hauptparteien zu Amfterbam bildeten ben Mittelpunkt, in welchem ſich
die zerſtreuten Nefte der frühern Parteien zufammenfanden, ſodaß es am Ende bes 18. Jahrh.
nur zweierlei Taufgefinnte in ben Nieberlanden gab, die ſich 1800, mit Ausnahme der Gemein-
den auf der Infel Amelanb und in den Dörfern Aalſmeer und Balk, zu einem Ganzen verban-
den. Seit dem 3. 1811 find alle Gemeinden durch die Errichtung der allgemeinen Zaufgefinn-
ten Societät in Amfterdam, mit Beibehaltumg völliger Freiheit ihrer angenommenen Eigen-
thümlicheiten, enger verbunden. Die Partei zählt jept ohngefähr 420 Gemeinden mit 125
Predigern und genießt gleiche Rechte mit den übrigen Gonfeffionen. In Deutfchland fuchte ſich
ihre Kicche in neuerer Zeit weiter zu verbreiten; namentlich war dazu ber engl. Miffionar Da⸗
Ben thätig, aber ohne merklichen Erfolg. Im J. 1852 gab es 52 Gemeinden mit 58 ordinirten
Predigern und ohngefähr 3000 Mitgliedern in Deutfchland, von denen etwas über bie Hälfte
in Preußen allein heimifch if. Hier erlangten Die Taufgefinnten feit 1802 die Befreiung vom
Soldateneide, bald darauf vom Kriegsbienfte, feit 1827 auch vom Amts» und Zeugeneide. In
Baiern, Baden, Würtemberg, Meflenburg, Rußland, Siebenbürgen, in Frankreich und Dä-
nemark, wo fie exft feit 1842 eine Gemeinde bildeten, find fie geduldet; aus Schweden aber
wurden fie verwiefen. Überall, wo fie heimifch find, werden fie als ſtille, fleißige Untertbanen
geachtet; doch find in mehren deutfchen Ländern neuerdings Verordnungen zur Beſchränkung
ihrer gottesbienftlichen Übungen gegeben worben. Der Grund dazu lag in ber ſchwärmeriſchen
Richtung, die fih in mehren Gemeinden wieder zeigte. Namentlich war dies der Fall im Kanton
Thurgau, in Wurtemberg, Kurheſſen (Marburg) und Hannover (Eimbed). Am verbreitetiten
find fie in England und Norbamerifa.
In England ftehen bie Wiebertäufer außer aller kirchlichen Verbindung mit ben Nachkom⸗
men ber ältern Partei: fie nennen fich hier Baptiften, leiten ihren Urfprung von den Albigen-
fern her und zählen Wicliffe unter ihre Vorgänger. Aus Deutfchland und Holland kamen fie
nah England, wurden unter Heinrich VIII. und Elifabeth verfolgt und Tonnten erft in den
Jahren 1653, 1639 und 1640 die erften Gemeinden gründen, bie meift aus Überläufern ber
Presbyterianer beftanden. Unter Jakob II. erhielten fie Gewiſſensfreiheit, unter Wilhelm Ill.
volle Religionsfreibeit. Die Gemeinden, die fich nun bildeten, trennten fich aber bald in zwei
Dauptparteien, indem ein Theil in ber Lehre von ber Präbeftination eng an Calvin fich anfchloß
und daher ben Namen Partienler- oder Antinomianbaptiften empfing, ein anderer Theil
aber bem Lehrbegriffe der Memonftranten folgte und auch Socinianifche Meinungen begte.
Diefer Theil befam den Namen General: oder Univerfal: oder Arminiauiſche Baptiften.
Diefe find in der Ausübung der Kirchenzucht nicht fo fireng wie jene. Alle Baptiften aber
nahmen gleich anfangs von den Eigenheiten ber Wiebertäufer nur die Berwerfung ber Kinder-
taufe und den Gebraud an, Erwachſene durch dreimaliges gänzliche® Untertauchen zu taufen.
Sie erlauben den Eid, den Kriegsbienft und die Verwaltung obrigkeitlicher Amter; im Gottes-
bienfte ſtimmen fie mit den andern Diffenters Englands überein. In der Mitte des 18. Jahrh.
führten fie den Kirchengefang bei ihrem Gottesdienfte ein. Die Particularbaptiften find am
meiften verbreitet. Im Ganzen beträgt die Anzahl der Baptiften in England in neuerer Zeit
gegen 500 Gemeinden. Nach Nordamerika kamen fie in 17. Sahrh.; hier verbreiteten fte ſich
beſonders in Pennſylvanien und Maryland. Man fchägt ihre Zahl auf 6 Mill. Glieder, die
meift Particulariften find. Zu ihnen gehören die 1671 von Franz Bampfield geftifteten Sab⸗
batharier (Sionſche Brüderſchaft), welche die Feier des Sonnabends ſtatt des Sonntags
einführten, und die von Deutſchen abſtammenden Dunkers, geſtiftet von Konrad Peyſel, einem
Deutſchen, welche über 50 Kirchen beſitzen und vom Untertauchen bei der Taufe ihren Namen
haben. Der Hauptpunkt des Glaubens beider Parteien iſt die Meinung, daß die künftige Se⸗
ligkeit nur durch ſtrenge Asceſe in Buße und Entfagung zu erwerben ſei. In den Verſammlun⸗
gen, welche die Gefchlechter gemeinfchaftlich in der Woche nur am Sabbath halten, darf Ieber
laut beten und ſprechen. Das Abendmahl halten fie in der Nacht mit einem Xiebesmahle, mit
Fußwaſchung, Bruderkuß und Handfchlag. Wer fich verheirathet, gehört nicht mehr zu den
vollkommenen Gliedern ber Gemeinde, fondern nur zu den Verwanbten berfelben. Aus dem
Gemeindevermögen aber, das burch den Ertrag ihrer Arbeiten wächt, erhalten die Volllomme-
nen wie die Verwandten ben Unterhalt. Außerdem find noch die Chriſtians zu erwähnen, bie
gegen 1000 Kirchen in Amerika befigen und auch in Eingland heimifch find. Sie verwerfen die
Lehre von ber Zrinität, vom Teufel und Fegfeuer, erkennen die Fefl- und Sonntage nicht an,
finden weder in der Taufe noch in der Ehe eine göttliche Anordnung, und jebes Mitglied kann
in ihrer Verſammlung lehren und predigen. In England und Amerika haben ſich die Baptiften
Biegmanu Wieland (der Schmied) 223
durch ihre fittlicheß Leben wie durch ihren Eifer für die chriftfihen Miffionen und die Unter-
brüdung des Sklavenhandels fehr verbient gemacht. Vgl. af „Geſchichte der Wieder
täufer bis zu ihrem Sturz in Münfter” (Münft. 1836); von Reiswig und Wadzeck, „Bei
träge zur Kenntniß der Mennomitengemeinden in Europa und Amerika” (Wert. 1824).
Biegmann (Arend Friedr. Aug-), ein außgezeichneter Raturforfcher, wurde 2. Juni 1802
zu Braunſchweig geboren, wo fein Vater, U. Friedr. W. geft. 12. Mär, 1853, ebenfalls als
naturhiſtoriſcher Schriftfleller geachtet, anfangs Hofapotheker war nnd fpäter als Profeſſor
der Raturgefchichte wirkte. Ex befuchte das Martinigymnafum und lernte feit 1817 die Apo-
thekerkunſt, die er aber 1819 in Bremen aufgab, wo er eine Zeit lang die Gelehrtenfchule be»
fuchte und an bem ältern Mertens einen Förderer feiner Neigung zur Raturgefchichte fand.
Nachdem er von 4821 an das Collegium Earolinum feiner Vaterſtadt befucht hatte, bezog er
4822 die Univerfität zu Leipzig und ergab fich ba dem Studium der Philologie in der Abſicht,
die alten Naturhiſtoriker bereinft zu erläutern. Den eigenen Mangel an hinreichendem natur⸗
biftörifchen Wiſſen erkennend, ging er nach Berlin, wo er den Unterricht ımb die Unterftügung
Lichtenftein’8 genoß. Diefem und Menke in Bremen widmete er feine erſte Schrift „Observa-
tiones zoologicae criticae in Aristotelis historiam animalium” (29,.1826), in welcher er feine
claſſiſche und naturhiftorifche Bildung gleichmäßig befimdete. Er wurbe Lehrer am kölniſchen
Nealgynmaſium, habikitirte fich als Privasdocent an der Univerfirät und erhielt am zoologifchen
Muſeum eine Anftellung. Seine Forichungen wenbeten fi vorzüglich den Amphibien zu. Au⸗
Fer mehren Abhandlungen begann er das Prachtwerk über diefelben: „Herpetologia Mexicana,
seu descriptio ampbibiorum Novae Bispaniae” (Berl. 1834, mit Kpfrn.), wovon nur ein
Band erfchienen if. Vorher hatte er bereitö mit Ruthe das „Handbuch der Zoologie” (Berl.
1852) erfcheinen laffen, das unter den kürzern zoologifchen Hand» und Lehrbüchern eine ber
vorzüglichften Stellen einnimmt und von Zrofchel und Ruthe (Berl. 1845) in zweiter Auflage
bearbeitet erſchien. Das großte Verdienft erwarb er ſich durch Gründung. des „Archiv für
Naturgeſchichte“ (1835), einer zoologifchen Zeitſchrift, die Erichfon, fpäter Troſchel fortfegte:
ZB. ſtarb zu Braunfchweig 15. San. 1841.
Wieland, der Schmied (angelſächſ. Veland, altnord. Völundr), war nad) der altgerman.
Sage, die ihren Dauptzügen nach bereitö in der ältern Edda vorliegt, am ausführlichften aber
in der Viltinafaga erzählt wird, ein Sohn bes Meerriefen Wate, ein Enkel des Könige Wili-
nus und ber Meerfrau Wäc-hilt. Sein Vater hatte ihn zuerſt bei dem berühmten Schmiede
Mimi in die Lehre gethan, dann aber über das Meer hingetragen zu den kunſtreichſten Zwergen,
benen er bald nicht nur alle ihre Kunſt ablernte, fondern fie auch noch bei weitem übertraf.
Darauf wohnte er eine Zeit lang in Ulfdalir (dem Wolfsthale, welches, wie die Hinzuziehung
und Vergleichung anderer Sagen ergibt, dem griech. Labyrinth entfpricht) mit feinen beiden
Brüdern, mit Eigil, ben: beften Schügen, an den die ältefte Geftale der Tellſage fich Enupft, und
mit Slagfidr, den die Sage nicht weiter charakterifirt hat. DieBrüder trafen hier drei Schwan⸗
jungfrauen (f. d.) und lebten mit diefen zufammen, bis folcye nach fieben Jahren bavonflogen,
um als Walkyrien ben Schlachten nachzuziehen. Darauf fam W. zu König Nidung, der ihn
durch Zerfchneidung der Fußſehnen lähmen und gefangen fegen ließ, wofür ſich W. dadurch
rächte, daß er ded Königs beide Söhne tödtete und feiner Tochter Beadohild Gewalt anthat, die
danach den Wittich, einen gewaltigen Kämpfer der deutfchen Heldenfage, gebar. Dann entflog
W. in einem Federkleide, welches er felbft verfertigt und welches fein Bruder Eigil zuerft ver-
fucht hatte, Dabei aber auf die Erde herabgeſtürzt war. Unter Benugung ber verfchiedenen alten
Überlieferungen und mit geſchickter Ergänzung ber Lücken hat Simrod die Sage von W. im
Zufammenhange poetifch dargeftellt in feinem Gedichte „IB. der Schmied“ (Bonn 1855, und
im 4. Thl. feines „Heldenbuch“, Stuttg. 1843). Bei allen german. Völkern mar die Sage
verbreitet und fehr beliebt, wie ſowol die häufigen Anfpielungen in nord., angelfächf., engl. und
deutfchen Gedichten beweifen, als auch die zahlreichen, durch alle german. Länder noch jept in
mündliche Überlieferung lebenden Trümmer, bie bei aller Mangelhaftigkeit und vielfacher Ver⸗
derbniß Doch manche fehr bedeutfame alte ımd echte Züge errettet haben. Die noch im 13. Jahrh.
vorhandenen deutſchen Gedichte, auf welche die Viltinafaga fich beruft, find jedoch ſpurlot ver⸗
Ioren gegangen. Selbſt über Deutfchlands Grenzen hinaus erzählen altfranz. Gedichte und
Überlieferungen von dem Schmiede Galans. Vgl. Depping und Michel, „Veland le forgeron‘
(Par. 1833). Allein nicht blos germanifch war bie Sage, fondern es ift ein weit über das ger-
man. Alterthum binaufreichember, den indogerman. Völkern gemeinfamer Mythus, der mit ben
älteften Mythen von den Zmergen (f. d.) in engem Sufammenhange fteht, wie auch noch in *
[
224 Wieland (Chriftoph Dart.)
Edda W. ein Genoffe und ein König der Zwerge genannt wirb und die lebendige Volkefage in
Niederdeutfchland und England fogar noch gegenwärtig ſolchen Zuſammenhang erkennen läßt.
Freilich ift nirgends der alte Mythus in feiner urfprünglichen Reinheit und Bollftändigkeit er«
halten. Außer ber german. Überlieferung findet er fich am beutlichfien wieder bei den Griechen,
in den verfchiedenen Sagen von Dädalus, Hephäftus, Erichthonius u. X. Nach Jak. Srimm’s
grundlegender Erörterung in der „Deutfchen Mythologie” (3. Aufl., Gött. 1854) hat Be⸗
deutung und Verzweigung bes Mythus am beften nachgewiefen Kuhn in feiner Abhandlung
„Die Sprachvergleichung und die Urgefchichte der german. Völker” in ber „Zeitfchrift für
vergleichende Sprachforfchung” (Bd. A, Berl. 18541).
Wieland (Chriſtoph Mart.), einer der bebeutendften deutſchen Dichter, geb. zu Oberholzheim,
im Gebiete ber ſchwäb. Reichsſtadt Biberach, 5. Sept. 1733, erhielt von feinem Vater, ber da⸗
mals Pfarrer daſelbſt, ſpäter in Biberach war, eine forgfältige Erziehung und den erſten Grund
feiner wiffenfchaftlichen Bildung. Die Schule der Vaterftabt förderte ihn daneben in ber lat.,
griech. und hebr. Sprache, und bie ungewöhnliche Entwidelung des höchſt empfänglichen Kna⸗
ben erregte fchon früh die Aufmerkſamkeit. Im 12. Jahre verfuchte er bereit fein poetifches
Talent, bald in lat., bald in beutfchen Verſen. Im 14.3. kam er auf die Schulezu Klofterbergen
bei Magdeburg. Schon hier traten feine fpätern fchriftftellerifchen Eigenthümlichkeiten, Empfäng-
lichkeit für die verfchiedenften gelfligen Eindrücke, eine eigenthümliche Vereinigung bichterifcher
und pbilofophifcher Thätigkeit und Anmuth der Darftellung hervor. Außer den alten Claſſi⸗
fern, von denen er befonders Zenophon liebte, befchäftigte er fich mit engl. und franz. Literatur.
Als 16jähriger Jüngling verließ er Kloſterbergen, brachte nun anderthalb Jahre bei einem
Verwandten in Erfurt zu, ber ihn zur Univerfität vorbereitete, und kehrte 1750 in feine Vater⸗
ftadt zurüd. In diefen Aufenthalt fällt feine Liebe zu Fräulein Sophie von Guttermann, ber
fpäter allgemein geachteten Sophie von Laroche. Auf einem Spaziergange mit ihr Bam ihm bie
Idee zu einem Lehrgedicht „Über die Natur dee Dinge, oder die volllommenfte Welt“, welches
in ben Supplementen zu feinen „Werken“ (Bb. 1) abgedruckt ift, von ihm felbft aber als un-
reifer Derfuch verworfen worden war. Im Herbſte 1750 begab fi ZB. auf die Univerfität zu
Tübingen, um die Rechtswiſſenſchaft zu ftudiren ; doch befchäftigte er fich mehr mit den huma⸗
niftifchen Wiffenfchaften und der neuern ſchönen Riteratur bes In- und Auslandes. Seine da-
malige Richtung bezeichnen die „Zehn moralifchen Briefe” (1751), an feine geliebte Sophie
gerichtet. Don Tübingen kehrte er 1752 nach Biberach zurück. In diefer Zeit wirkte beſonders
Klopſtock's Vorbild auf ihn ein, fodaß er fich theils einer ſchwärmeriſchen Frömmigkeit ergab,
die fi) in den „Empfindungen bes Chriften” ausſprach, theils einem etwas erfünftelten
Deutfchthum, das den Entwurf zu einem Epos „Arminius“ veranlaßte. Beide Richtungen
waren aber feiner Natur fo fremd, daß aus ihnen feine werthuollen Reiftungen hervorgehen
konnten. Doch brachten fie ihn in Verbindung mit Bodmer. Auf eine Einladung befjelben
gab er den Plan auf, ſich in Göttingen zu habilitiren, und ging nad) Zürich. Hier lernte er bie
Repräfentanten ber frifch aufblühenden beutfchen Literatur aus ihren Schriften kennen, und
zudem verband Zürich felbft in einem engen gefelligen Kreife mehre ausgezeichnete Gelehrte
und Künftler, wie Breitinger, Hirzel, Sal. Geßner, Füßli, Heß u. A. W. ſchrieb zunächft eine
Abhandlung von den Schönheiten des Bodmer'ſchen Gedichts „Noah”. Wie Bodmer felbft
Bielerlei auf einmal und mit Zlüchtigkeit zu treiben pflegte, fo folgte auch IB. dieſem Beifpiele,
wie die Menge und Beſchaffenheit feiner damals verfaßten Schriften darthut, 3. B. „Briefe
von-Berftorbenen an binterlaffene Freunde” (1753); „Der geprüfte Abraham“, epifches Ge⸗
dicht in Drei Gefängen, wozu Bobmer als Zriebfeder und Muſter mitgewirkt hatte; verfchiedene
Hymnen und Pfalmen u.f.m. Das fräftigende Studium griech. Lebensweisheit, hauptſächlich
an der Quelle des Plato, führte ihn bald zu feinem eigentlichen Berufe zurüd, löſte aber auch
dad Verhältniß zu Bodmer. Der lebhafte Antheil, welchen er an ben Thaten Friedrich's d. Gr.
nahm, veranlaßte W., das Ideal eines Helden in einem größern Gedichte auszuführen, wozu
er Cyrus wählte. Die erften fünf Gefänge diefes Gedichts erfchienen 1757 und 1759 in einer
neuen Ausgabe; allein ber Beifall war mit Recht nur mäßig und fo blieb es unvollendet. Nach
einigen unglüdlichen bramatifchen Verfuchen: „Lady Johanna Gray“ und „Slementine von
Porretta“, wendete IB. fein Talent wieder ber heitern, ihm ungleich mehr zufagenden Welt der
Griechen zu. Die ſchoͤne Epifobe aus der „Eyropädie” des Xenophon,„Araspes und Panthea“,
erichien um biefe Zeit und kündigte ben Dichter ber Liebe an. Bodmer's Haus hatte er fon
1754 verlaffen. Er unterrichtete nun bie Söhne zweier züricher Familien vier Jahre lang,
Bieland (Chriftoph Mart.) 225
worauf er auf karze Zeit nach Bern zum Landvoigt Sinner als Hautlehrer ging. In Bern ent⸗
wickelte feine Natur, unter dem Einfluffe bildender Frauen, eine immer beſtimmtere Richtung.
Er lernte bier unter Andern auch Nouſſeau's Freundin, Julie Bondeli, kennen, mit der er in
freundligen Berhätmiffen ledte, bis endlich das 3. 1760 ihn in feine Vaterſtadt als Kanzlei-
director zurüdverfepte. ZB. fühlte indeffen bald, daf die Sefchäfte dieſes Amts ſich mit feiner
Eigenthümlichkeit nicht recht vereinigen ließen; auch hatte ex bereits zu viel von den Freuden
feinexer Gefelligfeit gekoftet, als daß es ihm in dem befchrankten Biberach, hätte gefallen Lön-
nen. Dazu fam nech, daß er feine erfie Beliebte als Sophie von Raroche wiederfand. Dies
Altes drängte die nach ſchöpferiſcher Darſtellung ftredende Phantafie in die innere Welt des
Gemuths zuxück und er haste es ale ein Glück zu betzachten, daß er auf eine Arbeit gerieth,
welche nicht nur feine ganze Geiſteskraft m Anſpruch nahm, fondern ihn auch auf das man-
nichfaltigfte belehrte, aufflärte und ftärkte, nämlich die Überfegung Shakſpeare's (8 Bbde., Zur.
1762 —66). So wenig es dem durch die Griechen, Römer und Franzoſen gebildeten und mit:
unter auch ieregeleiteren W. bei feiner vorherrichenden Neigung zum Artigen, Reichten und
Geſchwaͤtzigen gelingen konnte, den Geift Shakſpeare's ſich ganz anzueignen, fo leiſtete W. doch
für feine Zeit in diefer ſchwierigen Arbeit fehr viel und brach feinen Rachfolgern die Bahn.
W. fühlte fich in der angenehmflen Umgebung, al6 das Gefchid feine erfte Geliebte in Ge⸗
ſellſchaft ihres Gatten und des ehemaligen kurmainz. Staatsminifiers Grafen von Stadion,
bei dem fich jener befand, in feine Nähe führte. Zu Warthaufen, ummeit Biberach, bem Gute
des Grafen, eined Mannes von Welt und Geiftesbildung und eines Feindes aller Überfpan-
zung, fand IB. recht eigentlich feine Heimat. Hier wurde er durch Umgang und Leetüre in die
moderne franz. Lebensphilofophie eingeweiht, melche bie meiften feiner fpätern Schriften cha⸗
takterifirt. An einzelnen derfelben ift eine Lüſternheit, von ber fein perfönliches Leben ſtets frei
blieb, wicht zu verkennen; in der Mehrzahl aber hat er die naturwahre Sinnlichkeit des Grie
chenthums mit der franz. Genußſucht zu einer eigenthümlichen, grasiofen Lebenspbilofophie
verfihmolzen. Das erſte Exzeugniß, weiches den Ausdrud jener franz.-griech. Sinnlichkeit an
fi trägt, war die poetifche Erzählung „Rabine“, welche er ſelbſt eine Schöpfung in Prior's
Manier nennt. Auf biefelbe folgten 1764 die „Abenteuer des Don Sylvio von Rofalva,
oder ber Sieg der Natur über die Schtwärmeret”, wobei ihm ber „Don Quigote” zum Muſter
diente, und die Komiſchen Erzählungen”. In die 3.1766 und 3767 fallt die erfte Erſcheinung
des „Agathon”, weldger W.'s Ruhm zunächft begründen half. Seine Abficht dabei war, zu
zeigen, wie weit es ein &terblicher durch die Kräfte ber Natur in der Weisheit und Tugend
bringen könne und wie viel Antheil die Außenwelt an der Bildung umfers Weſens habe. Seine
Anfichten von ber Liebe wollte er in einem größern Gedicht „Pſyche“ nieberlegen, allein es
entfianden nur Bruchftüde davon. Umfaffender fielen fie fi dar in „Idris und Zenide”
(1768), am zeigendflen und ebelften aber in „Mufarion”, einem duch Anmuth, Leichtigkeit
und Harmonie ber Darftellung vieleicht einzigen Werke, das ex ſelbſt nach dem angeflebten
Zweck eine Philoſophie ber Grazien nannte. Diefe lieben ihm auch zu einem befondern Ge⸗
dichte den Namen, das 1770 erfchien und der eblern Liebe dad Wort redet gegen die gemeine.
TB. Hatte füch inzwiſchen 1765 mut einer Augsburgerin vermählt und war 1769 dem Rufe als
Profeſſor der Philofophie an die Univerfität zu Erfurt gefolgt. Er befchloß die vorherrichend
erotiſche Periode feiner Dichterlaufsahn mit dem „Verklagten Amor“, wodurch er bie Gattung
ber Poefie, der er ſich bisher gewidmet hatte, gewiſſermaßen rechrfertigte, und zur Rechtfertigung
feiner Lebensauſichten ſchrieb er die „Dialoge des Diogenes von Sinope” (1770). Im Geiſte
bes feinern Cynismus verfaßte er bald darauf das Gedicht „Kombabus”, beffen mehr als
zweibeutiger Gegenfland an die äuferfien Grenzen des Erlaubten ſtreifte. Sein Eifer für
Menſchenwohl erhielt eine fruchtbare Nahrung in Rouffeau’s Schriften und Joſeph's II
Berbefferungen. Gegen die „Paraderen’ des Erſtern waren feine „Beiträge zur geheimen Ge⸗
ſchichte des menſchlichen Verſtandes und Herzens, aus ben Archiven ber Natur“ (1770) gerih?
tet. Der „Neue Amabis“ (1771) ſchildert den Triumph der geiftigen Schönheit über die kör⸗
perliche, ein Thema, das der Dichter noch ein mal in ben legten Jahren feines Lebens durch
Ærates und Dipparchia” auszuführen fuchte. Der durch Sofeph II. angeregten Begeifterung
für die ediern Zwecke des Staats entfprang der „Goldene Spiegel“ (1772), eine Art Aus»
zug des Nützlichſten, was bie Großen und Edeln einer gefitteten Ration aus der Geſchichte ber
Menſchh it zu lernen haben. “ .
Eine Zeit der fhönften Muße und der ungeflörteften Thätigkeit begann für W., als bie Her⸗
Gony.-Les, Bebute Aufl. IV. 2. 15
236 Wieland (Epeiflopd Mart)
zogin Anna Amalia den durch Dalberg Empfohlenen als Erzieher ihrer beiden Söhne mit
den Charakter eines herzogl. Hofraths und der Zufiherung eines Gehalts von 1000 Thlrn.,
folange er die Erziehung der Prinzen leiten würde, den er aber fpäter als Penfion behielt,
1772 nad) Weimar berief. Mehre aubgezeichnete Männer, voie Mufäus, von Einfiedel, von
Knebel, von Voigt, Bertuch u. A., waren hier bereits thätig. WB. war in folher Gefellfchaft
ganz an feinen Plage und fein Genius regte muthiger die Schwingen. Gr fehrieb fein Sing⸗
ſpiel „Die Wahl des Hercules“ und dad lyriſche Drama „Alcefte” (1773), die mit großem
Beifall aufgenommen murden. Bedeutender für die gefammte deutfche Literatur wurde die
Herausgabe bed „Deutſchen Mercur“, einer Monatöfchrift, der fih IB. bis gegen das Ende
feines Lebens mit ber größten Sorgfalt widmete. Et legte fi mit ihr die licht auf, feine
äfthetifche Anficht einem ausgebreiteten Publicum vorzutragen. Im Ganzen war jedoch feine
Kritik weber rein noch tief genug und litt an jener conventionellen Befchränktheit, die Damals in
Frankreich herrſchte. Seine Briefe über feine „Alceſte im „Deutſchen Mercur” (Sept. 1773)
enthalten hinreichende Spuren diefer Richtung, worüber Goethe und er in Harniſch ge-
riethen. Der Erftere Schrieb dagegen die Satire „Götter, Helden und Widand”. W. erwiberte
den Angriff mit leichtem Scherz und der ihm eigenthümlichen Milde. Bald darauf trat Goethe
felbft in den Kreis ein, deffen Seele die Herzogin-Mutter Amalia war. FB.’ fchriftfiellerifches
Zalent entwidelte fich hier immer mehr, und in einer Reihe von mehr al6 20 J. ereignete fidy
faft nichts von Wichtigkeit in der politifchen wie in der literarifchen Belt, woran er nicht mehr
oder weniger lebhaften Untheil genommen. Seine dichterifche Fruchtbarkeit gab fich zunächſt kund
in der „&efchichte ber Abderiten” (1773), einem ergöglichen Werke, das die Mufe ber Weisheit
unter bem Gewande des Satyrs verkleidet. Daran ſchloſſen ſich Erzählungen und Märchen, theils
fremden Originalen nachgebilder, theils felbft erfunden. Als das gelungenfte und dauerndſte fei-
ner größern Werke erfchien „Oberon”, ein romantiſches Heldengedicht (1780 ; zufegt Rp. 1853).
Die Üherfegungen des Horaz („Briefe”, 1782; „Satiren“, 1786) und des Lucian (1788),
vorzüglich des Erſtern, erfolgten darauf in der Weife, die er [chen für Shakfpeare angewendet
hatte, jedoch mit ben Unterfcyied, daß jene beiden feiner Eigenthümlichkeit weit mehr zufagten
und er alfo Zon und Farbe beffer traf. W. felbft erklärte die Horazifchen Epifteln und Com⸗
mentare für diejenigen feiner Arbeiten, auf die er den meiften Werth lege. Aus dem anhalten-
den Umgange mit Lucian entftand das Werk „Peregrinus Proteus“” (1791), zu dem fich der
„Agathodämon“ wie ein Seitenftüd verhält. Ein noch vollendeteres Abbild von feiner Auf
faffung der griech. Welt enthält der „Ariftipp” (1800). Eine Sefammtausgabe der W.'ſchen
„Schriften“ bis 1802 in 36 Bänden mit ſechs Supplementbänden in Großquart und Groß
und Kleinoctav (neue Aufl., mit des Dichters Leben, 535 Bde., 1828; 36 Bde, 1839) ver-
anftaltete der Buchhändler Göfchen zu Leipzig. Durch das Honorar wurde WB. in den Stand
gefegt, fich dad Gut Dsmannſtädt bei Weimar zu kaufen. Bon 1798— 1803 Iebte er hier im
Kreife einer zahlreichen Familie (feine Battin hatte ihm in 20%. 14 Kinder geboren) und wid
mete den größten Theil feiner Zeit literarifchen Arbeiten, worunter fein „Attiſches Mufeum”
(1796— 1804) und das „Neue attifhe Muſeum“ mit Hottinger und Jacobs (18059),
sicht Die geringften waren. Er führte dadurch ben Entſchluß aus, feine Ration mit einer Reihe
Meifterwerken der griech. Poefie, Philoſophie und Nedekunft vertraut zu machen. Im J. 1803
verkaufte er feinen Landſitz, weil er ihn nicht mehr behaupten konnte, und lebte num wieder ih
Weimar, wo er fehr bald mit Schiller in innige Verbindung trat. Hier überlebte er die Tage
der Schlacht von Jena, ben Tod der Herzogin Amalia, den von Herder und Schiller. Durch
Arbeiten fuchte er ſich einigermaßen zu erheitern, befonders durch bie Überfegung von Gicero’6
„Briefen“, die er mit der fixengfien Sorgfalt ausführte. Die Ehrenbezeigungen, melde er
durch Alexander und Napoleon erhielt, feine Aufnahme in den Bund der Freimaurer und in
das Franzöfiſche Inſtitut, ſowie mehre glückliche Ereigniffe milderten fo manden Kummer,
wohin vorzüglich das Hinſcheiden feiner Gattin 1801 gehörte, mit der er ein langes Leben in
feltener Zärtlichkeit verlebt hatte. Sein Tod erfolgte 20. Ian. 1813. Seine Überrefte ruhen
nach feinem Wunſche zu Osmannftäbt in Einem Grabe mit denen feiner Gattin und einer En⸗
Eelin feiner Jugeridfreundin Laroche, Sophie Brentano. WB. war weder ein reformatorifcher
Geiſt wie Klopftod und Leffing, noch reicht er an Goethe's uud Schiller's Dichtergröfe. Den-
noch har er fich um bie deutfche Literatur große Verdienfte erworben, welche nicht immer hin⸗
zeichend anerfannt worden find. Er gab der beutfchen Dichtkunft, als fie ſich au tieferm, na«
tionalem Gehalte erhob, bie ihr noch fehlende Anmuch und den Wohllaut des Worts und des
Verſes, in welcher Beziehung namentlich Goethe viel von ihm gelerns hat, Außerdem hat er
®
Dieliezka 227
durch ſeine ũberſetzungen und Nachahmungen viele nachhaltige Richtungen zuerſt angeregt.
Ganz nen ging von ihm aus dichteriſche Behandlung des mittelalterlichen Nitterthums, und fo
verdankt ihm eigentlich die romantifche Dichterfchule ihr Entſtehen, obgleich fie ihn nicht nach
Verdienſt anerkannte. Aber auch aus England, Srankreich, Spanien und Stalien hat er dich⸗
teriſche Stoffe eingeführt, die nicht ohne Nachwirkung blieben. Überall wußte W. mit feinem
Takt das allgemein Menfchliche herauszufinden, fobaß er nirgends als blinder Nachahmer des
Auslandes dafteht. Endlich hat auch feine Kritik, bei aller Seichtigkeit, viel zur Verbreitung
allgemeiner Bildung beigetragen. Vgl. außer Gruber's Biographie W.'s (A Bde., Lpz. 1827
fg.; Bd. 50— 55 der „Werfe”) „W.'s ausgewählte Briefe” (A Bbde., Zür. 1815), „Auswahl
dentwürtiger Briefe” (2 Bde, Wien 1815) und „Briefe an Sophie Laroche” (Berl. 1820).
.Wieliczka, eine Bergftadt im podgorzer Bezirke ber neuen krakauer Statthalterei des Kö⸗
nigreichs Galizien, 2M. füdöftli von Krakau und 3%, wefllih von Bochnia, Sig eines Ber
zirksgerichts und der kaiſerl. Berg-, Salinen« und Zorfidirection, liegt in einer flachhügeligen,
annıuthigen und fruchtbaren Gegend, theils in ber Ebene, teils in mehren Terraſſen an einem
Bergabhange, der die Stadt im Süden faft in einem Halbfreife umgibt. Der Ort Hat zum
Theil nur hölzerne Häufer und gegen 7000 E., einen geräumigen Marftplag, in defien Mitte
das Schloß liegt, eine Haupt- und eine Mädchenfchule, ein großes Salzſoolenbad mit Schwefel
und Malzbädern. W. ift feines Salzbergwerks wegen beruhmt, des reichften der öfter. Monar-
ie, welches 1250 von dem Hitten Wielicz entdedit fein fol und fich gerabe unter der Stadt be»
findet und gleichfam eine zweite, unterirdifche Stadt bildet, die mit ihren Straßen, freien Plätzen
u. f. w. einen weit größern Naum einnimmt als das W. der Oberwelt. Die großte Ausbeh-
mung bes Salzſtocks von W. nach D., mo er nıit jenem von Bochnia zufammenhängt, beträgt
9500, von R. nach &. 3600 und die größte Tiefe 12208. Elf Tagfchachte führen in die
Grube, davon zwei in ber Stadt felbft, nämlic, der Franzifzet mit einer Wendeltreppe von 470
Stufen, unter Auguſt II. 1744 erbaut, und ber Danielowicz, der nur 198 F. tief, gewöhnlich
von Reifenden an fihern Tauwerken befahren wirb. Die Grube wird in vier Stockwerken be⸗
baut. Sandiger Thonmergel, Anhybdrit und Sandftein wechfeln mit Salzfchichten. Ein wahres
Labyrinth von Gängen, oft in bedeutender Hohe durch Brücken verbunden, breitet fi in den
Stockwerken aus. In den neuen Kammern läßt man Salypfeiler ftehen, in ben alten wird die
Dede duch Zimmerwerk geftügt, welches fich trefflich erhält, da die Grube außerordentlich
troden ift, obwol fie 16 Teiche enthält, berem mehre mit Nachen befahren werden fönnen. Die
ausgebrochenen Kammern werden theild mit Kothſalz und taubem Geftein zugefchüttet, theil®
zu Magazinen benugt, unter denen gegen 70 won bedeutender Größe find. Mehre davon find
architeftonifch verziert, mit Kronleuchtern, Statuen u. f. w. verfehen, Alles iſt aus Salz ge
bauen, und das Ganze gibt, zumal bei feftlicher Beleuchtung, einen feenhaften Anblid. Man
bat berechnet, daß eine Wanderung durch alle die fih windenden und kreuzenden unzähligen
Gänge des Bergwerks ein weiterer Marſch fein würde als von Krakau nach Wien und wieder
zurüd. Das Salzwerk beſchäftigt 300 — 1000 Menfchen, bie aber nicht in der Grube wohnen,
und gegen 100 Pferde, die zum Theil zehn Sabre lang fortwährend unter der Erde wohlerhal⸗
ten bleiben und beren Ställe gleichfalls in das Salz gebrochen find. Man bricht, Haut unb
fprengt, Iegteres jedoch felten, das Salz, befien Kubifflafter gegen 280 Etr. liefert. In den
Handel kommt baffelbe als vierediige Kormalftüde von 1'4 Ctr. (Kroftallfalz) ; als faßähnliche
Walzen oder Balmanenfi von 5— 10 Ctrn., hauptſächlich für Rußland beftimmt; ale Minutien⸗
falz, welches in Fäffer von 2',—5 Etrn. gepadt wird, und al6 Koth- oder Blottnikfalz, weiches
ſtark mit Lehm vermifcht ift und nur für das Vieh taugt. Man erbeutete 1817—22 jährlich
im Durchſchnitt 611682 Ete.; 1849 — 29 zufammen 6,947477 Etr.; 1830 — 39 aber
8,226297 Etr.; 1840— 49 fogar 9,840896 Gtr., und zwar 1849 allein 1,103974, dagegen
1850 nur 962420 Etr. Der reine Ertrag beläuft fich jährlich im Durchſchnitt auf 6 MIN.
Gldn. Die Salzwerke gehörten ehemals zu Polen; Kaſimir d. Gr. ordnete ben erflen regelmä⸗
figen Betrieb derfelben an. Später zog Auguſt IL ſächſ. Bergleute Hierher, welche eine beffere
Bebauung einführten; doch brachten die Salzwerke dem poln. Schage ſtets nur geringen Ge⸗
winn. Im $. 1772 kamen fie an Oftreih. Durch ben 1809 zu Wien gefchloffenen Frieden
wurden fie in ihrem ganzen Umfange dem Kaifer von Oſtreich und dem Herzogthume Warſchau
gemeinſchaftlich überlaffen. Beide Theile ſtellten eine gleiche Anzahl Beamte zur Verwaltung
an unb gewannen gemeinfam jährlich an 1,700000 Er. Satz. Nach bye Parifer Frieden von
1814 Famen durch) den Wiener Congreß die Salzwerke wieder ganz an frei . | |
228 - Bien
Wien (lat. Yindobona, Wienna), die alte Hauptfladt des einft Heinen Herzogthums Öf-
reich, jept die Reihshaupt- und Neſidenzſtadt des öſtr. Kaiſerſtaats, ift der Sig des Kaiſers,
des Reichsraths, aller Höchften Centralſtaats behörden (Minifterien), des oberfien Gerichts und
Gafationshofe, der Statthalterei in Oftreich unter ber Enns, des Oberlandeögerichts, der Fi⸗
nanzlandesdirection für das ganze Erzherzogthum nebft Salzburg, eines Fürſterzbiſchofs und
eines erzbifchöflichen wie proteft. Conſiſtoriums u. ſ.w. Sie liegt in einer Ebene, umgeben von
fanft fich abdachenden Hügeln, am füblichften Arme ber Donau (dem fogenannten Donaufa-
al), in den innerhalb der Linien die Wien, ber Ottafringer- und Alſerbach, beide mit feften
Bewölben überdedt, münden, bat mit Inbegriff der Vorftädte einen Umfang von 3. M.
und zählt über 9600 Häufer, 50 Kirchen, 36 Kapellen, 14 Klöfter ımd nad} der legten Zählung
mit Ausfchluß der Barnifon A51147 E. W. beficht aus der innern oder alten Stadt und 54
Vorftädten, die erfiere in weiten Kreife fo umgeben, daß fie faft den Mittelpunkt bildet. Die
innere Stadt, etwa der zehnte The des Ganzen, ift von Feſtungsmauern mit vorfpringenden
Baftionen und einigen neu errichteten Blodhäufern ungeben und von den Vorftädten Durch °
einen tiefen Graben und das 160— 250 Klafter breite, durch Wielenpläge und Alleen wie in einen
Barten umgewandelte Glacis getrennt. Dreizehn Thore führen nach allen Richtungen in die Bor-
ftädte ; unter diefen verdienen das von Kaiſer Franz 1824 erbaute prachtvolle Burgthor und Das
neue, feiner Vollendung nahe Franz⸗Joſephsthor befondere Erwähnung. Übrigens ift die eigent ⸗
liche Stadt, wiewol in jüngfter Zeit zur Erweiterung einiger allzu engen Paffagen ganze Häu-
fergruppen abgebrochen wurden, nichts weniger ald regelmäßig gebaut. Sie zählt im Ganzen
427 Straßen und Gäßchen, neun große und zehn Heinere Pläge, 12183 maffive, meift vier Stod
hohe Häufer mit ungefähr 54000 Bewohnern. Die Straßen find durchaus mit ſchönen Gra-
nitwürfeln gepflaftert, werben forgfältig rein gehalten und zur Nachtzeit mit Bas beleuchtet.
Megelmäßiger als die eigentliche Stadt find die Vorftädte erbaut, welche durch breite Straßen,
wie die Zägerzeile, Taborſtraße u. a., ſchöne, meift drei Stod hohe Häufer (83586 Nummern)
und eine Menge Sommerpaläfte und Gärten adeliger Familien fi auszeichnen. Auch bier
beſchränkt fich die Pflafterung und Beleuchtung mit Gas nicht blos auf die Hauptftraßen, fon-
dern dehnt fich mehr und mehr auf bie Seitengaffen ans. Die Borftädte fehliefen Gärten, Wie⸗
fen und Felder ein und werden ihrerfeitd zugleich mit ber eigentlichen Stadt wieder auf ber
Kandfeite durch die fogenannten Linien, einen 1703 gegen bie Kuruzzeneinfälle aufgeführten,
jegt ald Verzehrungsfieuerlinie dienenden, 12 8. hohen Wal mit Graben und zwölf Thoren
geichloffen. Die 34 Vorftädte, unter denen die Wieden mit 1044, Leopoldſtadt und Jägerzeile
mit 8357, die Landſtraße mit 758, Gumpenbdorf mit 566 und Scottenfeld mit 520 Häufern
die umfangreichften find, ziehen ſich rings um die Stadt herum und liegen, mit Ausnahme ber
Leopoldftadt und Jägerzeile, ſämmtlich auf dem rechten Donauufer. Über den vorzüglich zur
Zufuhr von Lebensmitteln und Brennholz beflimmten Donaufanal führen fünf Bruden, dar-
unter drei Kettenbrüden, in die Leopoldſtadt. Das jenfeitige Ufer ber Großen Donau iſt mit der
Inſel der Leopoldftadt durch hölzerne Jochbrücken, ſowie mittels der Eifenbahnbrüden verbun-
ben. Über den Wienfluß führen zwölf Brüden und Stege, unter benen die ſchöne, 1854 voll»
endete Eliſabethbrücke vor dem Kärntnerthore fich auszeichnet. Einige ber füdlichen, Hoher ge
legenen Vorſtädte leiden an Waffermangel und müffen durch die von Hüttelborf ziwei Stunden
weit durch Herzog Albrecht von Sachfen-Tefchen und feine Gemahlin, Erzherzogin Ehriftine,
nach W. geführte Wafferleitung (die mittels 16000 gußelferner Röhren 42 öffentliche Brun-
nen fpeift), insbefondere aber durch die neue Kaifer-Kerbinandsmafferleitung, welche, durch
Dampfkraft betrieben, in 24 Stunden 100000 Eimer filtrirtes Donauwaſſer liefert, mit Waſ⸗
fer verfehen werden. Zur Beförderung der Reinlichkeit haben die Vorflädte, wie die eigentliche
Stadt, unterirdifche gemauerte Kanäle, welche unmittelbar in die Donau münden und allen
Unrath dahin abführen. Das Klima it in W. fehr unbeftändig und windftilleTage zählt man
jährlich kaum mehr ald 40. Eine Hauptplage ift der öftere rafche Temperaturwechſel und der
fortwährende Staub, wodurch häufige Lungen und Augenkrankheiten entfliehen. Am gefünde-
ften find die fudlichen und ſüdweſtlichen Vorftädte, welche gegen die Abhänge des Wirner- und
Kablenbergs liegen.
W. hat mehre fehr Schöne Stadttheile, befigt herrliche öffentliche Pläge und ift reich an ge
fhichtlich merkwürdigen und durch Pracht ſich auszeichnenden Gebäuben, fowie an geſchmack⸗
vol und folid gebauten Privarhäufern. Die lebhafteſten, eleganteften und durch prunkvolle
Auslagen in ſtehende Kunft- und Induftrienusftellungen umgemwandelten Stabttheile find der
Kohlenmarkt und Graben; auch der Stephansplag, die Bifchofgaffe, Herrengaffe, die Rothen-
Bien 229
Murm- und Karntnerſtraße [Ind fehr belebt. Unter den Plätzen zeichnen fi) durch Größe aus: ber
Hof (71 Klafter lang, 30-32 Klafter breit), mit einer Marienfäule aus Metall gegoffen von Bal⸗
thaſar Herold (1667) und zwei ſchönen Brunnen mit Statuen von Fifcher; der äußere Burg.
sder Paradeplatz, der größte unter allen Plägen W.s; der innere Burg», jegt Franzensplat mit
dern nach Marcheſis Modell zu Malland in Erz gegofienen Denkmal Franz’ I. (errichtet 1846);
der von Prachtbauten umgebene Joſephsplatz mit der ehernen Reiterftatue Joſeph's II. von Zau-
ner; ber Hohe Markt mit einem von Karl VI. 1732 errichteten Marmordenkmal, die Bermäh-
fung Maria's mit Joſeph darftellend ; der Neue Markt mit einem burdy Metaliflatuen von Ra-
fael Donner's Meifterhand verzierten großen Springbrunnen; der Stephansplag rings unı bie .
Domkirche, in feiner Nähe der Stodimeifenplag, wegen bes am Haufe Nr. 1079 befindlichen
Baumſtamms merfiwürdig, der Sage nach das legte Überbleibfel des Wiener Waldes am
Plage der jegigen Stadt, nach alter Sitte von wandernden Schloffergefellen mit eingefchlagenen
Rägeln bededt, und die Freiung mit einem ſchönen Brunnen, geſchmückt durch Schwanthaler’s
Darftellung der vier Hauptflüffe der Monarchie. Die Vorſtädte Haben nur wenige und mit de
nen der innern Stadt keinen Vergleich aushaltende Plätze. Ungemein zahlreich find bie öffent⸗
lichen Gebäude und Paldfte des hohen Adels und reicher Familien, doch find unter ihnen faft
nur. die durch Architektur ausgezeichnet, bie im vorigen Jahrhundert Fifcher von Erlach erbaute.
An der Spitze der Patäfte fteht dem Umfange nad) die den erwähnten Franzensplatz uniſchlie⸗
ßende kaiſerl. Burg, die Reſidenz des Kaiſers, am Südende ber Stadt, ein an ber äufern Fronte
gegen ben Parabeplag 204 Kiafter langes Gebäude von unregelmäßiger Bauart und zu ver-
ſchiedenen Zeiten, daher auch in fehr abweichendem Stile aufgeführt. Die Burg befteht aus
vier Hauptheilen: den Schweizerhofe gegen Süden und zur Linken vom innern Burgplage aus;
dem Keopoldinifchen Zracte, wo bie Appartements bed Kaiſers und der Kaiferin fich befinden ;
denn Amalienhofe zur Rechten und gegen Weſten und der ehemaligen Neichskanzlei, von Fiſcher
von Erlach erbaut, welche die ganze innere Seite des Burgplages einfchließt und außer pracht-
vollen Gemächern auch das Paiferl. geheime Haus⸗, Hofe und Staatsarchiv enthält. An bie
Burg ftoßen die Gebäude der Hofbibliothek, des zoologifchen, mineralogifchen, Dunn des Münz⸗
und Antikencabinets, das Burgtheater und die Winterreitſchule, bie ſchönſte in Europa, deren
Fronte gegen den Michaelöplag hinausgeht und in der A6 fleinerne Säulen eine ringsherum
laufende Doppelgaferie tragen. Befondere Beachtung verdienen ferner: der Palaft bes Erz-
berzog6 Albrecht, in der Nähe der kaiſerl. Burg auf der Baſtei, mit feinen Kunftfhägen, jener
des Dinifteriuns des Äußern und des faifer!. Haufes, des Minifteriums für Handel, Gewerbe
und öffentliche Bauten in der Herrengaffe, das Majoratshaus des Fürften Liechtenftein in ber
Vordern Schentenftrage, 1839— 47 mit ungeheuerm Aufwanbe prachtvoll eingerichtet; das
Gebäude bernieberöftr. Statthalterei, der Stände, die Nationalbank, der Palaſt des Armeeober⸗
eommanbo® am Hofe, das bürgerliche Zeughaus mit feiner großen Waffenfanımlung, bie papft-
liche Nuntiatur, das Magiftratsgebäude mit einem ſchönen Sitzungsſaal, die Paläfte der Mini⸗
fterien des Innern und der Finanzen (lepterer von Fifcher von Erlach für ben Prinzen Eugen
von Savoyen erbaut), das Poftgebäude, die fürfterzbifchöfliche Refidenz, Die Paläfte des Herzogs
von Sachſen⸗Koburg, der Fürften Schwarzenberg, Lobkowitz, Efterhazy, Kinsky, der Grafen
Pallavicini, Harrach u. a. Unter den zahlreichen palaſtaͤhnlichen Gebäuden, bie als Zinshäufer
benutzt werden, find zu erwähnen: das neue Haus des Grafen Montenuovo mit einer [hönen
Statue des heil. Georg von Fernkorn, der Bazar, das Bürgerfpitalzinshaus mit 11 Höfen,
mehr ald 200 Wohnungen und Verfaufsläden und einem jährlichen Zinsertrag von mehr als
400000 Gulden, der Schotten- und Melkerhof, der Trattner⸗, Bellegarde⸗ Mozart: und Dom-
herrenhof, die Zinshäufer des Freiheren von Pereira u.a. Auch in den Vorftädten finden ſich
große fhöne Gebäude und prachtvolle Paläfte: fo das kaiſerl. Luſtſchloß Belvedere am Renn-
weg, einft Sommerpalaſt des Prinzen Eugen von Savoyen, jepr Aufftelungsort der kaiſerl.
Gemäldegaterie und der Ambrafer Sammlung; der Palaſt des Fürſten Schwarzenberg, See
Fürſten Metternich, die Sommerpaläfte des Fürſten Liechtenſtein auf der Landſtraße (gegenmär-
tig der Sig der Geologifchen Reichbanftalt) und in der Roßau mit auögezeichneter Gemälde⸗
galerie ; das Starhembergifche Freihaus, ein Zinshaus mit feche Höfen und 220 Wohnungen ;
das Eſterhazy ſche Bartenpalais mit der trefflichen Gemätdegalerie; die kaiſerl. Hofftallungen
am Glacis, in neuefter Zeit aufs großartigfte erweitert und umgebaut; die Kaferne der kaiſerl.
Hofgendarmerie (früher Palaſi der ungar. adeligen Leibgarde); die Paläſte der Fürſten Dier-
tihftein und Auersperg; die Mauthgedäude und mweitfäufigen Magazine unter den Weißger⸗
bern; das Invalidenhaus; das k. k. Polytechniſche Inſtitut; das Thereſianum; das mititarifch-
il . gg.
ie. /
ar . BR aupeeeeflcht; bob allgemeine Sram
des MT pr — Jtrenhaus; bie kaiſerl. Por»
Gh ne — der Leimgrube, Alſervorſtadt, Jo⸗
non ee - . 206 neue koloffale Arfenal vor der Belve
ein — — —— —— — der Hauptſtadt auch bie früher im Zeug-
* u — 7, uge Waffenfommlung aufzunehmen beftimmt
n ur . 2 am Surlötheater in der Leopoldſtadt.
EEE J
ur ein acht Pfarren eingetheilt iſt, neben welchen noch
ae, find die merkwürdigſten: bie Metropolitankirche zu
TAMier altdeutſcher Baukunſt, 1144 eingeweiht, 1359
7 or wit Ausnahme des noch unausgebauten zweiten großen
XMÆ Ben den fünf Eingängen ift das Riefenthor an der mit ‚mei
AA der Kirche mit feinen Rundbogen und fhönen Sculpturen
5 Sub Innere des Doms, 542 8. lang. 2225. breit und 86%. hoch,
eeebschends im Geſchmacke des 17. und 18. Jahrh. ausgeführte Al-
TIAA Säle des Gebäubes vor allem wünfchenswerth wäre; 18 freiftehende
I m pönen Gewölbe ruhen; S1 hohe reichverzierte Fenſter, einige noch mit
IMamalerei; eine Kanzel von ber zierlichften Steinmegarbeit, durch Anton
” 12 gefertigt; den marmornen Zaufftein vom 3. 1481 ; die herrlichen Chor-
wunreiffe, eine Arbeit Wilhelm Rollinger's, 1484 ; zahlreiche Brabmäler, unter
u Aumerdenfual Kaifer Friedrich's IN. im Palfionschore (von Riklas Lerch begon-
ca Meifter Diichel Dichter 1515 vollendet), da8 Grabmal Herzog Rubolf's IV., das
un Arutuaal deb Prinzen Eugen von Savoyen in der Kreuz- oder Zirnafapelle fih aus⸗
us Di8 riefige Dach der Kirche ift mie farbigen glafirten Biegeln gedeckt. Der unter-
ge Theil dieſer Kirche befteht aus 50 mächtigen Gewölben, weiche ungeheuere Katalonıben
a amd aus der alten Bürftengruft, wohin jeboch jegt nur die Eingeweide der verftorbenen
‚unygireder des kaiſerl. Haufes in kupfernen Gefäßen übertragen werden. Der berühmte Thurm,
x Qürffle in Guropa, von Meifter Hans Brachadicz 1435 vollendet, hat 435 F. Höhe, eine
ur Etr. Schwere Glocke (1711 aus eroberten türk. Kanonen gegoflen) mit einem 15 Gtr.
gmeren Schwengel und bildet eine mit ungeheuerer Sicherheit und Kühnheit auffliigende
Poramide, die allenthulben reich mit Zierathen im Spigbogenftil geſchmückt erfheint. Die im
Kaufe der Zeit fehadhaft gewordene Spige bes Thurms wurde 1859 in einer Länge von 60 8. ab-
etragen und ber Wiederaufbau auf Grundlage eines eiſernen Gerippes 1842 glüdlich vollender.
1. Tſchiſchka,, Der &t.-Stephansdom” (Wien 1852) ; Perger, „Der Dom zu &t.-Stepban”
(Trieft 1854). Die Augufliner- oder Hofpfarrlicche, 1339 im fhönften Spigbogenflü vollen-
det, enthält Canova's berühmtes Monument der Erzherzogin Chriſtina, Gemahlin des Der-
3096 Albrecht von Sachfen-Tefchen, und in der anſtoßenden Todtenlapelle die Dentnäler Rai
fer Leopold's II. des Feldmarfchalls Daum u. a. und bewahrt in der Roretofapelle die Derzen
ber verftorbenen Perfonen des Kaiferhaufes in filbernen Urnen. Die in der jegigen Geſtalt une
1412 vollendete und 1820 paffend veftaurirte Kirche zu Maria-Stiegen mit ſchönen Schnig-
altären in altdeutfchem Stil und neuern Gladmalereien von Mohn hat einen befonder6 Tcyonen,
180 $. hoben Thurm, der fich oberhalb der Uhr in eine durchbrochene, aus Blättern und Zynei-
gen geichlungene Kuppel von ungemeiner Leichtigkeit zufammenfchließt und in einen großen
Blumenkelch mit dem Kreuze endigt. Berner find zu erwähnen bie nad) ber Ordensregel Tyınuck-
lofe Kapuzinerkicche mit der unterixdifchen kaiſerl. Gruft, feit Kaifer Matthias (geſt. 1619)
die legte Ruheſtätte der Glieder bes kaiſerl. Hauſes, durch wiederholte Zubauten unter Warte
Iherefia, Franz und Berdinand vergrößert, mit ben prachtvollen Särgen Leopold'sL, Karl’ VI,
der Katferin Maria Therefia und ihres Gemahls, Franz I. u. ſ. w.; die ber ital. Gongregation
eifigeräumte Kirche zu Marla-Schnee am Dinoritenplage, im 14. Jahrh. vollendet, in vwelcher
ſich feit 1846 das Moſaikbild Naffaeli's, eine Copie des Abendmahls von Leonardo da Wind im
der Größe des Originale, befindet; die Michaelskirche mit einem ſchlanken Thurme, WBaureften
im roman. Stil und zahlreichen Grabdentmälern, unb die einfache Fleine Rupretötirdge, dir
ältefte Wiens, deren früherer Bau der Sage nad) bis zum I. 740 hinaufreit. Die Kirdyer
in den Vorftädten find alle in neuerm Stil gebaut; unter ihnen ift die Pfarrkirche gun Se - ar
von Borromeo in der Vorſtadt Wieden bie fhönfte. Sie wurde in Bolge eines Gelübbes Kaife
Karls VI. wegen Abwendung ber Pet 1736—37 nach dem Plane Fiſcher's von Erlach Dura
Martinelli nad dem Muſter der Peterslicche in Rom aufgeführt. Auferden verdienen Auf
Bien a
merkſamkeit: die Ateche der Salefianerinnen mit ihrer mächtigen Kuppel; bie Frauenkirche zu
Mariahilf, ein berühmter Wallfahrtsort; bie Pfarrkirche zu &t.-Johann in der Jügerzeile,
4845 vollendet, mit fhönen Fresken von Kuppelwieler und Führich; die Neue Kirche im Alt.
lerchenfeld, deren innere Ausſchmückung durch die bedeutendflen vaterländikhen Künſtler 1854
in Angriff genommen wurde. Die nichtunirten Griechen haben zwei Kirchen; bie evang. und
helvet. Gemeinde erftere zwei, lehtere ein Bethaus; Die Juden eine ſchöne Synagoge nebft Schule.
W. hat zahlreiche wifienfchaftliche Anftalten. Unter ihnen fteht obenan bie 1365 von Her-
30g Rudolf IV. gegründete Univerfität mit vier Facultäten. Sie wurde 1622 von Kaifer Fer⸗
dinand H. ben Jeſuiten übergeben, erlitt unter Maria Therefia 1749 — 53 durchgreifende Ände-⸗
rungen und eine neue Drganifirung aller Facultäten durch van Swieten und erhielt 1756 ein
prächtiges, auf Koften des Gtaatöfchages errichtete Gebäude. Vgl. Kink, „Befchichte ber
kaiſerl. Univerfität zu W.“ (2 Bde, Wien 1854). Im J. 1849 wurde vom kaiſerl. Miniſte⸗
rium für Eultus und Unterricht für diefe abermals gänzlich umgeſtaltete und durch Berufung
zahlreicher neuer Lehrkräfte erweiterte Staatsanftalt ein proviforifches Statut erlaffen, dem de⸗
finitive Beſtimmungen in nächfter Zeit folgen bürften. Die Univerfitäe zähle (Ende 1854) 103
Profefforen, Privardocenten und Lehrer und befigt außer einer bedeutenden Bibliothet für afle
wiffenichaftfichen Zweige trefflide Sammlungen von 2ehrmitteln ; fo ein anatomifches, phyſio⸗
logiſches, anatomifch-pathelogifches und pharmakognoflifches Cabinet, eine mit koſtbaren In⸗
ſtrumenten verfehene Sternwarte, ein phyfitalifches Eubinet, ein reiches naturhiftorifches Mu⸗
feunt, einen botanifchen Garten u. |. w., während zahlreiche Stipendien und Stiftungen (gegen
40000 Gldn. jährlich) zur Unterftügung ärmerer Studirender beſtimmt find. Für die Heran⸗
bildung des Mlerus beftehen das fürſterzbiſchöfliche Alumnat, das Pazman'ſche Gollegium für
ungar. Kieriker, die höhere Priefterbildungsanftalt zum heil. Auguſtin und ein griech.unirtes
Kleritalfeminar. Die protefl.theologifche Lehranftalt erhielt in Tegter Zeit das Hecht, Doctoren
zu creiren. An militärifhen Bildungsanflalten befigt WB. außer einer kaiſerl. Kriegefchule das
neuerrichtefe Mifitärcentraf- und das Artillerie Equitationsinftitut mit fehenswerthen Gebäu-
den ; die von Joſeph II. zur Bildung von Arzten und Wundäarzten für bie Armee 1785 gegrün⸗
dete mebicmifh -Hirurgifche Joſephsakademie, 1849 aufgehoben, mit Det. 1854 wieder ins
Leben getreten, mit einer [hönen Sammlung anatomifcher Wachtpräparate und Kliniken im
Mitttärfpital ; das Thierarznelinſtitut zur Bildung von Veterinärärzten u. f. w. Bemerkens⸗
werth find ferner die orient. Akademie, von Marta Therefin 1754 geftiftet mit der Beſtimmung,
fähige Junglinge für dipfomatifche und Eonfularpoften im Orient heranaubilden ; die Therefia-
nische Ritterafademie im ehemaligen kaiſerl. Lufifchloffe Favorita aufder Wieden, 4745 für junge
Edelleute geflifter, feit 1848 jedoch nicht mehr ausfchließlich für Adelige beftimmt ; das graflich
Töwenburg'fcdhe Convict, zwei Mädchenpenfionate, vier Gymnaſien, jedes zu acht Claſſen (das
Akademiſche, Sofephftädter, Schotten - und Therefianifche Symnafium), zwei Oberreaifchulen, -
die Normalhaupt- und Unterrealfchufe bei St.-Anna, Hauptſchulen in jeder Pfarre umd zahle
reihe Erziehungsanflalten und Arbeitsfchufen für Mädchen u. f. w. Hierzu kommen noch die
Taiferl. Akademie der bildenden Künſte, von Leopold I. 1704 geftiftet, 1850 neu organifirt und
als Unterrichtsanftalt dermalen in höhere Kunfifchulen, eine Borbereitungs - und eine Elemen-
tarzeichnungs- und Modellirfchule eingetheilt; das Confervatorium ber Muſik mit einer großen
Muſikalien · und Inftrumentenfammlung; die 1851 gegründete Akademie der Tonkunſt; das
von Franz I. im großartigfien Maßſtabe errichtete Polgtechnifche Inftitut u. a. Die meiften bie-
fer Inflitute haben eigene Bibliothefen, wie auch die aum Unterricht nöthigen Sammlungen,
worunter die des Joſephinums, der Akademie der bildenden Künfte und des Polgtechnifchen In⸗
flitnts merfwürbig find.
erhaupt ift ZB. ausgezeichnet Durch feine reihen Sammlungen aller Art, welche fämmtlich
mit mufterhafter Liberalität dem Publicum unentgeltlich geöffnet find. Die vorzüglichfien Bi⸗
vliocheken find die kaiſerl. Hofbibliothet in einem mit Fresken von Daniel Gran gefhmüdten,
240 8. langen und 45 $. breiten Saale mit ovaler Kuppelund mehren Nebenfäten, am Joſephs⸗
plage, beflehend aus 350000 Bänden, gegen 20000 Handfchriften ımd 10000 Incunabeln, mehr
als 200000 Kupferftichen und vielen literarifchen Seltenheiten mit einem Fonds von 190006ldn.
jährlich zu ihrer Vermehrung (vgl. Mofel, „Sefchichte ber Hofbibliothek⸗, Wien 1835 5 Bartſch,
„Die Kupferflihfammiung der Hofbibliothef”, Wien 1854); die Univerfirärsbibliothek mit
130000 Bänden; die kaiſerl. Kriegsbibliothet mit einer Sammlung topographifcher Karten
und Plane; die Bibliothek ber orient. Akademie mit einem Schage orient. Monufcripte; die
Privatbibliothek Franz’ !., jege k. k. Fideicommißbibliethet, 60000 Bände nebft vielen Kupfer-
flichen umd Lanbkarten; die ded Etzherzegs Albrecht, 30000 Bände nebſt ber berühmten
Sammlung von Handzeichnungen und Kupferſtichen; die bed Fürſten von Riechtenftein von
40000 Bänden, des Fürften Eſterhazy von 56000 Bänden, Schwarzenberg von 50000
Bänden, Metternich von 24000 Bänden, die Wanufcriptenfammiung der nieberöftr. Stände
u.a. Bon Klofterbibliothelen find au bemerken die der Serviten mit 22000 Bänden, der Be-
aedictiner zu den Schotten mit 20000 Bänden, der Dominicaner, Piariften und Kapuziner;
auch viele Private befigen größere Bücherfammiungen. Unter den Kunſtſammlungen ſteht oben-
an die kaiſerl. Gemäldegalerie im obern Belvedere (an 1700 Gemälde), die Werke aus allen
Schulen und befonders aus gezeichnete Stüde von Tizian, Rubens, van Dyd, Dürer u. U. be:
figt. Vol. Kraft, „Verzeichniß der ©. £. Gemäldegalerie im Belvedere zu IB.” (Wien 1845).
Ferner find zu erwähnen die Gemäldeſammlung ber kaiſerl. Akademie der bildenden Künfte
(geößtentheild ein Vermächtniß des Grafen Lamberg), die fürftlich Liechtenftein’fche, mit herr⸗
lichen Bildern von Rubens, die fürftlich Efterhazy'fche, reich an feltenen Gemälden ber ſpan.
Schule, nıit einigen Bildiverfen von Canova und Thorwaldfen, die Galerien Schönborn, Czer⸗
nin, Harrach, Arthaber u.v.a. Vgl. Perger, „Die Kunftihäpe W.s in Stahlſtich“ (Trieſt
41854 fg.). Bor allem ſehenswerth ift die kaiſerl Schagkammer in der Burg, mit der Krone und
dem Kuiferornate Karl's d. Gr., den kaiſerl. Neichsinfignien, dem überaus koftbaren Familien⸗
ſchmuck, unfhägbaren Kleinoden, wie dem 133/. Karat fchmeren florent. Diamanten, dem
größten befarmten Smaragd und unzähligen Koftbarkeiten aller Art, das phyſikaliſche Cabinet,
das Münz- und Antitencabinet mit 25000 griech, gegen 32000 rom., 1900 orient. und mehr
als 60000 mittelalterlichen und modernen Münzen und Mebaillen, den: biöher unübertroffenen
Schatz antiter Gameen und Intaglios (darunter der berühmte Onyr, bie Apotheofe des Augu-
Rus), herrlichen antiten Gold-, Silber- und Bronzedentmalen, einer großen Vafenfammlung
u. ſ. w. Dazu gehören noch die Marmormonumente und das ſchöne ägypt. Mufeum nebft der
vom Erzherzog Ferdinand von Tirol (geft. 1595) gegründeten und nach ihrem frühern Aufſtel⸗
fungsorte benannten Ambraſer Sammlung mit vielen biftorifh beglaubigten Rüftungen be:
rühmter Männer des 16. Jahrh., werthvollen Porträts und Kunſtwerken des Mittelalters und
neuerer Zeit. Die Paiferl. Naturalienfammilungen zerfallen in drei große Cabinete: das zoolo⸗
giſche, botanifche und minerakogifche, und wetteifern mit den berühmteften Sammlungen dieſer
Art in Europa. Unter den botanifchen Gärten zeichnen ſich aus die der Univerfität und bes Jo-
fephinums, ferner der 20 Joch große Garten der Landwirthſchafts⸗ und Gartenbaugefellichaft,
früher der kaiſerl. Privatobfigarten.
W. befigt auch viele gelehrte und gemeinnügige Vereine. Hier ift vor allem zu erwähnen die
kaiſerl. Akademie der Wiffenfchaften, von Kaifer Kerdinand 14. Mai 1847 mit eiger Dotation
von jährlich 40000 Gidn. Konv.-M. ins Leben gerufen. Sie zerfällt in die mathematiſch⸗na⸗
turwiſſenſchaftliche und die Hiftorifch-philofophifche Claſſe mit einem Präfidenten, einem Dice-
präfidenten, zwei Secretären und befteht aus 60 inländifchen wirklichen und 120 correfpondi-
renden Mitgliedern, 24 Ehrenmitgliedern (acht für das Inland, 16 für das Ausland), zu glei⸗
chen Theilen für beide Claffen. Eine Überficht ihrer Leiſtungen gibt der feit 1851 jährlich
ericheinende akademiſche „Almanach“. Außerdem befteht zu W. eine reich dotirte Geolo-
gifche Neichsanftalt zur Durchforſchung des ganzen Kaiferftaats, eine Gentralanftalt für
Meteorologie und Erdmagnetismus, das militärifch »geographiiche Inftitut, durch feine
ausgezeichneten Leiftungen Im Fache der Kartographie aufs rühmlichfte bekannt; ferner
die niederöftr. Kandwirthfchaftsgelellichaft, .die Eentralgefellichaft für Flachs und Hanf⸗
eultur, die Sartenbaugefellfchaft, der Reichöforftverein, der niederöftr. Gewerbverein, bie Ge-
felfchaft der Ärzte, der zoologifch-botanifche Verein, ein Verein zur Beförderung der bildenden
Künfte feit 1830 (älterer Kunflverein), der 1850 gegründete öftr. Kunftverein, die Gefelfchaft
der Mufiffreunde des öftr. Kaiſerſtaats, mehre Vereine zur Hebung der Kirchenmuſik, der
Männergefangverein, ein Derein zur Verbreitung von Drudichriften für Volksbildung, ein
taufmännifcher, juridifch-politifcher und medicinifcher Refeverein, ein Gafinovercin der Adeligen
u.a. Zahlreich und ausgezeichnet find die Anftalten für Arne, Kranke, für Waiſen und Inva⸗
liden. Wir erwähnen bier nur das k. k. allgemeine Krankenhaus in der Alſervorſtadt von un-
geheuerm Umfange, mit 11 Höfen, 104 Krantenfälen und mehr als 2500 Betten, 60 einzelnen
Krankenzimmern, der neuerbauten Irrenanftalt, der Gebäranftalt, dem Findelhauſe und dem
arogen Filial» und Bezirko krankenhauſe auf der Wieden; das Krankenhaus im Kofler der
'rmbergigen Brüder in ber Xeopoldfladt mit 180 Krankenbetten, das der Elifabethinernonnen
er Landſtraße, der Barmherzigen Schweftern zu Gumpendorf und in der Leopoldſtadt, das
Wien 353
fraslitenfpital ; ferner dns ©. k. Waiſenhaus, das Tanbfiammen- und WBiidenimflitnt, dad
kaiſerl. Snvalidenhaus, das Bürgerfpital, das Armeninſtitut und zwei Berforgungstäufer un«
ter Reitung des Gemeinderaths, die Geſellſchaft adeliger Frauen zur Beförderung des Buten
und Nüglichen, der Frauenwohlthätigkeitsverein, mehre Säugling - und Kleinkinderbewahr⸗
anftalten, Bereine zur Unterſtühung und Befferung entlaffener Sträffinge, gegen PiiöBandlung
der Thiere u. a, wozu dann noch die Sparkafſe und allgemeine Berforgungsanftalt, die Ren
ten-, Sapitalien- und Brandverficherungsanftalten hinzukommen.
Wie überhaupt in ber Monarchie, fo hat auch in ZB. der Gewerbfleiß feit den lehten Decen⸗
nien höchſt beachtenswerthe Fortſchritte gemacht und bei den Bewerbeausfiefungen im In⸗ wie
Auslande die Beweife dafür geliefert. IB. ift ber Mittelpunkt des öſtr. Handels, vorzüglich
nad) Dften auf der Waſſerſtraße der Donau und den täglich fiy mehrenden Communications⸗
mitteln in Ungarn. Zur Beförderung bes Verkehrs dienen die kaiſerl. Börfe, die Nationalbank
und die niederöfte. Escomptegefellfchaft ; auch wird ber Verkehr durch die In fteter Zunahme be-
griffene Dampfſchiffahrt auf der Donau und beven Rebenflüffen, die Kaiſer⸗Ferdinands⸗Rord⸗
bahn und Südliche Staatsbahn mit beren Fortfegungen und zahlreiche, in W. zuſammenlau⸗
fende Straßenzüge wie auch den WienenReuftädter Schiffahrtskanal weientlich unterftügt. Im
Ganzen zählt man über 6000 Handelsleute, darunter mehr als 100 Großhändler, 150 türk.
und griech, und AO jüd. Dandelöhäufer. Der literarifche Verkehr und der Kunſt⸗ und Mufika-
lienhandel werden von 53 Buchhandlungen, 24 Buchdrudereien, 14 Kunſthandlungen und 31
lithographifchen Anflalten gefördert. Unter den typographiſchen Anftalten ift die k. k. Hof: und
Staatedruderei den erften Anflalten diefer Art in Europa beizugählen. W. ift der Hauptſitz
der Manufacturen und Fabriken ber Monarchie, bie Alles fiefern, was Nothwendigkeit, Luxus
und Bequemlichkeit fodern. Im Berein mit den zum Polizeirayon W. gehörigen umliegenden
Ortſchaften Neindorf, Braunhirfchen, Fünf und Sechſshaus fabricirt W. alle Arten von Baum-
wollenwaaren, Seidenzeugen, Shawls, Echloffer-, Salanterie- und Tiſchlerwaaren und in be
fonderer Trefflichkeit Wagen und Fortepianos. Einen erſchöpfenden Überblid der gefammten
gewerblichen Thaͤtigkeit der Stadt and ihrer Umgebungen erhält man durch das auch in ſtatiſti⸗
ſcher Beziehung intereffante „Dandeld- und Gewerbeadreſſenbuch“, das alljährlich ber niederöftr.
Gewerbverein herausgibt.
Die Stadt im Ganzen wird von ber nieberöftr. Statthalterei regiert, und in Folge der neuen
Gerihtsorganifation find außer dem Oberlandes- und Landeögericht für W. acht Bezirks⸗
gerichte errichtet worben. Für die öffentliche Ordnung umd Sicherheit forgen in dem anf die
benachbarten Drtfchaften ausgedehnten Polizeirayon von W. 28 k. k. Polizeibezirkseommifſa⸗
tiate, von benen 20 für die innere Stadt fammt den 3A Vorftäbten beſtimmt find, und eine ſtarke
Abıheilung des k. k. Militärpoligeimachtcorps unter dem Commando eines Oberfllientenants.
Dem Gemeinderathe find die innern Angelegenheiten der Commun, das Armenmefen, die Hu-
manitätsanftaften, das ſtädtifche Bauweſen, die Finanzangelegenheiten der Stadt, deren Ap⸗
provifionirung, die Marktpolizei und die Löfchanftalten zugewiefen, und der den Gemeinderath
untergeordnete Stadtmagiftrat verwaltet ben adminiſtrativen Theil fäntmtlicdher obgenannten
Geſchäftszweige. Für den Verkehr innerhalb und außerhalb der Stadt iſt Durch 656 numerirte
Fiacres, 35 Stabtlohnkutfcher, eine große Anzahl einfpänniger eleganter Fuhrwerke, zahfreiche
Sefellichaftd- und Stellwagen, Landkutſcher u. f. m. genügend vorgeforgt. Sehr zahlreich find
die Bäder, unter ihnen die berühmteften das Dianabad in der Leopofdflade, das Sophienbad
unter den Weißgerbern, das Efterhazybad in der Kothgaſſe, jedes mit einer Schwimmſchule, u.a.
Gefängniffe zähle IB. vier, Darunter das Stabsſtockhaus; ferner eine Arbeitd- umd Befferungs-
anſtalt. Begräbnifpläge Hat W. ſechs.
W. iſt berühmt durch den Frohſinn und die Lebensluſt ſeiner Bewohner, die nach den
Mühen des Tags gern ber Heiterkeit und dem Vergnügen ſich hingeben, wozu die Stadt
und befonders die herrlichen Unsgebungen in hohem Grabe einladen. Zahfreiche Wirthe⸗
häufer, innerhalb der Linien allein 1269, bienen zur Befriedigung leiblicher Bedürfniſſe,
und auch das früher ſehr vernachläſſigte Hötelmefen nimmt zum Frommen der Fremden
den erfreufichften Aufſchwung. Im Faſching werden gegen 500 öffentliche Bälle gegeben
und die Maskenbälle in den kaiſerl. Redoutenfälen vereimen befonders am Faſchingsdienſtag die
Elite der Geſellſchaft in zwangloſer Heiterkeit. Für den Genuß des Schauſpiels beftehen in
W. fünf Theater, zwei bavon in der innern Stadt: das Hof- und Nationaltheater nachſt der
Burg, eine der vorzüglichften Bühnen Deutfchlands, die ausfchtießend für Tragodie, Dram
und feineres Lufifpiel beſtimmt ii; das Hofthenter nächft bem Kärntnerthor fire die Oper t
33 Wien
das Ballet; in ben Vorfläbten bad Theater an der Wien mit bem dazu gehörigen Sommer-
theater vor ber Martahilfer Linie, das Garlötheater in der Leopolbſtadt, von feinem Erbauer
Director Earl fo genannt (an der Stelle bes alten Reopoldftäbter Theaters) und das Theater in
der Joſephſtadt, in denen fammtlich Schaufpiel, meift aber Poſſe vorberrfcht. Am beiebteften
ift W. im Frühiahr, ehe der Adel auf feine Güter geht, und dann bildet der Prater den Glanz
punkt des öffentlichen Lebens. Derfelbe befindet fich auf der Infel, welche der bei W. vorüber»
fließende Donauarm bildet, und ift ein 1’, St. langer Luſtwald, der am Ende der Jägerzeit be⸗
ginnt und am Zufammenfluß bes Donauarms mit dem Hauptſtrom unter dem Luſthaus endigt.
Eine herrliche Allee von vier Reihen Noßkaſtanien durchſchneidet denfelben, zu beiben Seiten
von großen Wieſen umgeben, und bildet den Corſo ber Wiener, der beſonders am Oftermontag
und 1. Mai durch den Wetteifer bes reichen Adels im Glanze der Equipagen und Livreen ein
Schauſpiel bietet, wie es in Deutfchland nirgend& zu fehen fein dürfte. Kinds von der Haupt⸗
allee ift der fogenannte Wurſtelprater mit 82 Gaſthäuſern, Ringelfpielen, Schaufel» und
Schaubuden aller Art, an Sonn- und Feiertagen von den untern Bolfsclaffen zahlreich befucht.
Bier mal des Jahres werben auf einem geräumigen dafür beftimmten Plage Feuerwerke mit
vieler Vollendung gegeben. Links vom Prater führen fchattige Allen nad bem Augarten,
einer einfachen, aber großartigen Parkanlage, 1775 von Jofeph MI. dem Yublicum eröffnet. An
den Augarten ftöße die Brigittenau mit anmuthigen Gehölzen und fchönen Wieſen, die aber
allmälig in eine neue Vorftabt umgewandelt wird und bereits 254 meiſt gemauerte Gebäude
zähle. Das einft fo berühmte Volksfeſt des Brigittenkirchtags verliert Dadurch mit jedem Jahr
an feiner volksthümlichen Bedeutung. Außerdem gehören zu den öffentlichen Promenaden der
die innere Stadt umgebende Wall, die Baftei genannt; dad Glacis zwiſchen ber Stadt und ben
Worftädten mit ſchönen Rafenplägen und fchattigen Baumreihen, der Volksgarten bei der
kaiſerl. Burg mit einem Kaffeehaufe und dem Thefeustenipel, in dem Canova's foloffale Mar-
morgruppe Theſeus und der Centaur aufgeftellt ift. Die Gärten der Fürſten Liechtenſtein und
Schwarzenberg, der botanifche Garten der Univerfität und der Garten bes Belvedere find dem
allgemeinen Befuche geöffnet. Zahlreich find die Vergnügungsorte rings ınn W. die feit Ein-
führung der Geſellſchaftswagen und Eifenbahnen immer allgemeiner beſucht werden. Hierher ge
hört vor allen das prachtvolle kaiſerl. Luſtſchluß (f.d.) Schönbrunn, ber gewöhnliche Sommer⸗
aufenthalt des Hofs, in ber dermaligen Geftalt eine Schöpfung Maria Therefin’s, mit dem be»
rũhmten betanifchen Garten, einer großen Menagerie u. ſ.w. Hinter Schönbrunn liegt Hepen-
dorf mit einem Pleinen kaiſerl. Auftichloffe. Sehr befucht ift auch Laxenburg (f. d.), gleichfalls
ein kaiſerl. Luſtſchloß mit einem [onen Park und der Franzensburg, einer Nachbildung einer
Burg des 15. Jahıh., mit einer Fülle mittelalterlicher Gegenftände ausgeftattet. Reizende
MWaldpartien enthält das TB. naheliegende Kablengebirge, an deffen nördlichem Abhang das
uralte Stift Klofterneuburg liegt, mit einer reichen Bibliothek und ſehenswerthen Alterthümern
in der Schaglanımer, worunter das unter den: Namen des Berbuner Altar bekannte Riello-
Antipendium aus dem 12. Jahrh. beſondere Beachtung verdient. Drei Stunden ſũdwefllich
von W. liegt das romantische Thal der Briel und vier Stunden bie Stadt Baden (f. d.) in rei-
zender Gegend mir ſchönen Anlagen. Überdies bietet der Wienerwald mit feinen Höhen und
Thälern einen unerfchöpflichen Fonds fir Raturgenüffe, die immer mehr gefucht werden. Waͤh⸗
rend mit jedem Jahre durch Anlage von bequemen Fuß⸗ und Fahrwegen neue Gegenden ih den
- Bereich der Befuche gezogen werden, find bie reizenden Ortfchaften anı Fuße ber Gebirge dem
Sommeraufentbalt der wohlhabenden Wiener gewidmet und befinden fi im raſchen Em-
porblüben.
W. ift eine der älteften Städte Deutfchlande und ging, wie die meiften berfelben, aus dem
Standlager hervor, das die Römer zur Beherrfchung ber Donau und Abwehr feindlicher Cin⸗
fälle Hier an der nördlichen Grenze des Reichs auffchlugen. Zahlreihe Römerbentmale ſpre⸗
en dafür. Die Geſchichte W.s hat ihre Hauptbebeutung nach ben Beziehungen der Stadt
als firategifch wichtiger Punkt, ats Vormauer gegen bie Osmanen, als Handels: und Mefidenz-
fladt. Mit dem 5. Jahrh. endete die Römerherrfchaft in W. und die Stadt wurde bie Beute
milder Scharen während ber großen Völkerwanderung, bis das ganze Zand in die Gewalt
Karl's d. Br. fiel, der die Oſtmark begründete. Die Markgrafen wohnten zu Melt ımb- fpäter
auf bem Kahlenberge. Markgraf Leopold der Beilige, aus dem Haufe Babenberg (geft. 1156),
erfcheint als der Wiederherfteller W.s, welches fein Sohn Heinrich II. Jaſomirgott noch mehr
emporbob, indem er 1160 feine Reſidenz in IB. auffihlug und 1158 das Schottenkloſter flif-
tete. Unter Herzog Leopold YH. erhielt DB. ein neues Stadtrecht, wodurch Handel, Erwerb und
Diener Songref 235
Drbnung ber innern Angelegenheiten der Stadt fi merflich Haben. Alte, zum Theil fagen-
hafte Nachrichten verkünden das Glück jener Tage. Befenders blühte WB. empor unter ber
turzen Regierung Herzog Rudolf's IV., geft. 1365, vorher die Univerfität gründete, den Umbau
ber &t.-Stephanstirche in ihrem dermaligen Umfange begann und die wichtigſten ftädtifchen Ein-
richtungen ind Leben rief. Noch mehr gewann die Stabt, als fie bald nach Maximilian's Tode
unter Ferdinand und feinen Nachfolgern die beſtändige Reſidenz der beutfchen Kaiſer wurde.
In den Türkenkriegen wurde W. zum erften mal 1529 von Sultan Soliman mit 120000 Mann
belagert, aber von 16000 Dann Soldaten und 5000 Bürgern unter den Befehlen des Grafen
Nikolaus von Salm vom 27. Sept. bis 15. Det. tapfer vertheidigt; das zweite mal, 1685, ver»
theibigten fi 13000 Mann Soldaten und 7000 Bürger unter Rüdiger von Starhemberg
gegen 200000 Türken unter dem Brofvezier Kara⸗Muſtapha zwei Monate lang, bis der König
von Polen, Johann Sobiefki, der Herzog von Kothringen und die Reihsarmee ZB. entfegten.
Nicht minder vergeblich belagerten es 1619 die gegen Ferdinand II. aufgeflandenen Proteſtan⸗
ten unter dem Grafen Thurn. In den 3. 1381, 1541 und 1564 wüthete hier die Peſt und
1679 farben daran mehr als 122000 Menfhen. Im 3. 1480 wurde WB. zum Bischum,
1725 zum Erzbisthum erhoben. Im Kriege mit den Franzofen wurde es von biefen zwei mal,
13. Nov. 1805 und 12. Mai 1809 (f. Wiener Friede) beiegt und 4815 hier der Wiener
Gongreß (f. d.) und 1819 ein Miniftercongreß gehalten. Nach den blutigen Scenen im Det.
1848 wurde W. 31. Oct. ungeachtet lebhafter Gegenwehr der Empörer von ber kaiſerl. Armee
mit bewaffneter Hand eingenomnen. Vgl. Hormayı, „W. feine Geſchicke und feine Denkwür⸗
digkeiten” (9 Bde., Wien 182325); Böckh, „Merkwürdigkeiten Wis“ (2 Bde, Wien
1822 —23) ; Pezzl, „Beſchreibung der Haupt- und Refidenzftabt WB.” (8. Aufl. von Tſchiſchka,
Wim 1841); Schmidt, „W. die Kaiferftadt und ihre nächfte Umgebung” (6. Aufl., Wien
1854) ; Schlager, „Wienerſkizzen aus dem Mittelalter“ (5 Bde., Wien 1835— 46); Tſchiſchka,
„Geſchichte der Stadt W.“ (Stuttg. 1846— 47); Schneidawind, „Geſchichte der Belagerungen
W.s durch die Türken” (Hamb. 1846); Schmidt und Feil, „W.e Umgebungen auf 20 &t.
im Umtreife” (3 Bbde., Wien 1855— 39); Schmidl, „Eine Woche in WB.” (3. Aufl, Wien
41851); Weidmann, „Süuftrirter Srembdenführer in W.“ (Wien 1853); Derfelbe, „Um⸗
gebungen 8.8” (2. Aufl., Wien 1853).
Wiener Congreß. Mit dem Sturze des franz. Kaiſerreichs mußten die fiegreichen Ber-
bündeten nothwendig an eine Wiederherſtellun, bes politifchen Gebäudes von Europa denken.
Der Schlußartikel des Parifer Friedens vom 30. Mai 1814 enthielt die Beflimmung, daß alle
bei dem Kriege gegen Rapoleon betheiligt gersefenen Mächte Abgeſandte nad Wien fchidlen
foßten, um dort auf einem Gongreffe den Friedensvertrag vollends auszuführen und die ſchon
früher gefchloffenen Verträge zu regeln. Frankreich hatte in dem Frieden feine Grenzen von-
1792 erhalten, bagegen die Verfügung über die abgetretenen Länder den vier Großmächten, die
den Frieden unterzeichnet, überluffen müffen. Berner willigte es ausdruͤcklich ein, daß Holland
nrit Gebietsermweiterung an das Haus Dranien gelange, daß die deutfchen Staaten ein unab⸗
bängiger Bund vereinige, daß die Schweiz ihre alte Berfaffung herftelle, baß England Malte
behalte, daß aus den Theilen Italiens, bie nicht an Oſtreich fielen, unabhängige Staaten gebil⸗
det würden. Auch die Sieger untereinander waren bereitö Durch Ginigungen gebunden. Dem
Kronprinzgen von Schweden war durch Verträge Norwegen als Entſchädigung für Finnland
zugefihert. Die Verträge von Kaliſch und Reichenbach ſprachen bie Herfiellung Preußens
nach dem Umfange von 1805 aus. Der Vertrag von Teplig that auch ein Gleiches rückſichtlich
Oſtreiche umd beftimmte Die Auflöfung des Rheinbundes ſowie die Wiedereinfegung des Hau⸗
ſes Braunſchweig. Oftreich ımd England hatten Murat (f. d.) den Befig von Reapel garan-
tirt ; Deögleichen waren Berträge mit den fpan. Gortes ımb mit Portugal vorhanden. Der An»
fang des Eongreffes wurde wegen der Reifen der Fürften bie zum 20. Sept. 1814 verfehoben.
Außer den Monarchen von Rußland, Preußen, Baiern, Würtemberg und einer Menge ande
rer fürfllicder Derfonen, deren man ſammt bem biplomatifchen Corps über 450 zählte, waren
alle namhaften Diplomaten ber Zeit auf dem Eongreffe anwefend. Die kleinſten deutſchen Büre
fien, ſelbſt die Reichsſtädte und wer überhaupt in Europa etwas zu gewinnen ober zu verlieren
hatte, fand fich felbft ein oder war durch Abgeordnete vertreten. Unter den Diplomaten waren
vor allen Metternich, Neffelrode, Eaftlereagh, Hardenberg, Talleyrand, Münſter zu nennen,
Auch Stein war anınefend, zum Nachtheil Deuiſchlands allerdings ohne bie recht einflußreiche
Stellung. Die Bevollmächtigten der vier verbündeten Grofmächte, Oſtreich, Rußland, Preu⸗
fen und England, begannen mit dem Befchiuffe, daß für die Gonareharbeiten wei Ausſchüffe
Pe Wiener Congreß
der ein? für die Beſtimmung Dentfihfunds, der andere für bie europ. Angelegenheiten, für Län⸗
dervertheilung und Grenzbeflimmung errichtet werben follten. Auch der fegtere follte nut aus
den Bevollmächtigten der vier Möchte beſtehen. Geſchickt wußte Zalleyrand dies zu vereiteln,
die Giferfucht Oſtreichs und Englands gegen Preußen und Rußland rege zu machen und es da⸗
hin zu bringen, daß ein Ausſchuß von acht conflituirt ward, in den auch Spanien, Portugal,
Schweden und Frankreich zugelaffen wurden. Am 8. Oct. erließ der fo organifirte Ausſchuß
die Erflärung, daß er alle Fragen infomweit ordnen würde, bis diefelben zur Verhandlung mit
den einzelnen Betheiligten veif waren. Dieſe Machtergreifung wurde von den Fürſten zweiten
und dritten Range, die auf eine Art europ. Parlanıent gerechnet, nicht günftig aufgenommen.
Man fah in den Ausfchuffe einen eigenmächtig conflituirten Gerichtshof, der feine Entſchei⸗
dungen den zwar Schwächern, aber völkerrechtlich ebenfo Selbftändigen aufbringen würde. Die
Hauptfragen, die den Congreß fogleich befchäftigten und ben Knotenpunkt aller Berhanblurhgen
ausmachten, waren die Fragen um das Schickſal Sachſens und Polens oder vielmehr des Her⸗
zogthums Warſchau. Der Kaifer Alerander foderte Das Herzogthum Warfchau, um baraus
ein Königreich Polen unter ruff. Protectorat zu gründen. Diefer Plan, der nothwendig auf
Pereinigung- aller ehemals poln. Provinzen ausging, verlegte entfchieden Preußens und Öf-
reiche Intereffe, die vielmehr die legte Theilung Polens aufrechtbalten mußten. Gegen den
uff. Plan, der überhaupt Deutichland und das weftliche Europa bedrohte, ſchlug Caſtlereagh
die Bildung eines poln. Nationalreichs vor, das von alfen drei nord. Mächten unabhängte fein
follte. Nicht nur Talleyrand fchloß fich behutfam dem engl. Syftem an, fondern auch Oſtreich
wellte lieber feine poln. Ränder einem poln. Nationalreiche opfern, als Polen unter ruff. Scep-
ter und die Lande des Königreich Sachfen bei Preußen fehen. Doc, widerftritt Die Herſtelung
des poln. Nationalreichs fo vielen Intereffen, daß Caſtlereagh und Metternich fehr bald auf die
ım Zepliper Vertrage ſchon vorgefehene Theilung des Herzogthums Warſchau zurückkamen.
Der Kaifer Alegander durfte in der poln. Frage beftimmt auf Preußen zählen, indem letzteres
ebenfalls feine Hauptfoderung, die Einverleibung des ganzen Königreichs Sachſen in die preuf.
Monarchle, nur mit Ruflande Hülfe durchſetzen konnte. Preußen fchien indeſſen durch die Zu-
fagen Englands und Ofireichs feiner Anfprüche ſicher, als ſich plöglich, vorzugsweife von Tal«
leyrand angefacht, auch im Kreife diefer Verbündeten der Widerfland dagegen regte. Talley⸗
rand, deffen Einfluß inmitten der Entzweiung wuchs, verftand es ſehr gut, mit der Vorſpiege⸗
fung der fogenannten Legitimitätsintereffen, in deren Namen er audy für die bourboniſche Fa⸗
milienpolitit wirkte, den gegen Sachſen gerichteten Schlag als den allgemeinen Printipien
widerftreitend darzuftellen und nicht nur Metternich und Caſtlereagh, fondern auch einen Theil
der ehemaligen Rheinbundsftanten unter feinen Bahnen zu fammeln. Nicht nur England wi»
derſtrebte jept der preuß. Entfchädigung, fondern auch Oftreich, das aus Bamitienrüdfichten die
Vernichtung Sachſens nicht wünfchte, außerdem die Abrundung Preußens und defien Grenz⸗
nachbarfchaft an den böhm. Päſſen Hintertreiben wollte, gab endlich offen zu verfichen, daß es
höchſtens in eine Theilung der ſächſ. Länder willigen würde. Die Dartnädigkeit, womit cine
Partei der andern entgegentrat, ſchien im Dec. 1814 Europa mit einem neuen Kriege zu be=
beohen. Sämmtliche Großmächte, ſelbſt Frankreich, rüfteten und nahmen lärmende Truppen⸗
bewegungen vor. Indeſſen erklärte Kaifer Aleramder, daß er in eine beſcheidene Theilung des
Herzogthums Warſchau zur Verhinderung eines Kriegs willigen würde. Die vier Mächte
fhritten nach diefer Eröffnung am Ende December zur Errichtung des fogenannten Ausfchuf«
ſes für Polen und Sachen, in ben auf Caſtlereagh's Betrieb 12. Sun. 4815 au Tallegrand
teeten durfte. Die Foderung des Kaiſers Alexander war früher nicht nur auf das Herzogthum
Warſchau, fondern auch auf die Städte Thorn und Krakau gegangen. In den Berhandlungen,
bie feit 51. Dec. begannen, einigte man fich, daß Thorn und Krakau zur Dedung der preuß.
umd öftr, Grenzen zu freien, Eeiner der drei Mächte unterworfenen Städten erhoben wegen
fellten. Überdies trat Nußlaud an Preußen dad gegenwärtige Herzogthum Poſen ab, und ft:
wei wurbe die Rüdgabe der poln. Ränder verwilligt, die es im Frieden von 1809 verloren
hatte. Ferner behielt ſich Alexander vor, aus den Refie bes Großherzogthums Warfchau ein
poln. Königreich mit nationalen und liberalen Inſtitutionen zu bilden, wozu ihn beſonders Caſt⸗
kereagh ermunterte. Ungeachtet die poln. Angelegenheit auf diefe Weiſe gluͤcklich fortfchritt,
deohte doch die fächf. Frage den Congreß gänzlich zu farengen. Darbenberg erflärte, daß es im
Intereſſe Europas liege, ein ftarfes, durch Sachſen abgerundetes Preußen zu fehaffen, Daß ver
König von Sachſen fein Land völkerrechtlich verwirkt, daß Sachſen felbft wuͤnſchen müffe, nicht
gefheilt zu werden, fondern im Ganzen an Preußen zu gelangen. Auf bie Drobung Harden⸗
Wiener Congreß | 237
berg's, Preußen werde im Verein mit Rußland fein Recht zu vertbeidigen wiſſen, einigten ſich
fogar 3. Febr. 1815 England, Öftreich und Frankreich zu einem geheimen Defenfiotractat, dem
auf Einladung auch Hannover, Baiern, die Niederlande und Sardinien beitraten. Jede der
Sroßmächte follte im Falle des Kriegs 150000 Mann flellen, und [yon entwarf man die milis
tärifchen Operationen. Indeſſen gelang es Metternich, allmälig ben preuß. Widerſtand zu er«
müden und für feinen Plan einer Theilung Sachſens zu gavinnen. Hardenberg felbft foberte
jest nur etwa den dritten Theil ber fäch]. Bevölkerung, nämlich 855505 Seelen, wollte babei
aber wenigftend eine große Stadt, und zwar Leipzig, eingeſchloſſen wiffen. Erſt ale Rußland
die Ausiieferung von Thorn an Preußen verfprach, fand Hardenberg von ber Koderung auf
Leipzig ab. Der völlige Abſchluß ber fächj.-poln. Frage durch förmliche Verträge erfolgte erft
fpäter im Drange der Umftände. Napoleon’s Nückkehr von Elba war ein mächtiges Mittel,
die innern Zerwürfniffe des Congreſſes zu beendigen. Nach einem Beichluffe des Ausfchuffes
vom 7. März eilten Metternich, Zalleyrand und der für Caſtlereagh 14. Febr. eingetretene
Herzog von Wellington zum Könige von Sachſen nad) Presburg, vermochten jedoch die Unter⸗
zeichnung bed Theilungsvertrags, in dem Preußen das jegige Herzogthum Sachſen und einen
Strich der Laufig erhielt, exrft IR. Mai 1815 zu Wien zu Stande zu bringen. Am 8. April
4815 fchloffen Preußen, Rußland und Oftreich ein Vertrag, in dem Krakau zu einem unab-
hängigen, unter dem Schuge ber drei Mächte ſtehenden Staate erflärt wurde. Dem folgte 3.
Mai 1815 die Unterzeichnung von drei Verträgen zwiſchen den drei Mächten, welche Die getrof«
fene Zheilung Polens fihgrten, fowie Grenzen und Verfaſſungsform Krakaus beftimmten.
Rah der Einigung über Polen und Sachſen nahmen die Angelegenheiten des Congreſſes
einen rafchern Gang. Der Ausfchuß ernannte 8. Febr. 1815 eine Commiſſion, welche die Vor⸗
bereitungen zur weitern Rändertheilung treffen mußte. Preußen erhielt außer feinen alten Pro»
vinzen zwilchen Oder und Elbe Pofen und den ſächſ. Ländertheil ald weitere Entſchädigung
und für die Abtretung Oftfrieslands, Hildesheims u. f. w. an Hannover, Ansbachs und Bai⸗
reuths an Baiern, Lauenburgs an Dänemark Kleve, Berg, den großern Theil des linken Rhein⸗
ufers bis an die Saar und Schwedifch-Pommern. Es gewann im Vergleich mit dem Beflande
von 1805 41620 Serien, was bei ben großen Kriegeopfern und der Zerftüdelung feines Be
figes immer nur ein geringer Gewinn blieb. Die Schöpfung des Königreichs der Niederlande,
die England eifrig betrieb umd wofür es fich mit holland. Colonien bezahlt machte, wurde dem
deutſchen Mächten als eine Vormauer gegen Frankreich, als eine Stüge Preußens gegen Nuf-
fand eingerebet, obwol es offenbar nur dem brit. Interefie darum zu thun war, Deutſchland dieſe
Küftenländer zu entziehen, und man fchon damals begründete Bebenten gegen die Haltbarkeit
einer ſolchen Schöpfung geltend machte. Weniger glüdlich ale das Haus Dranien war Dänes
mark, das Norwegen an Schweden abtreten, den bafür gebotenen Erfag, Schwediſch⸗ Pommern,
an Preußen überlaffen und fich mit Lauenburg und einer Gelbentfchädigung begnügen mußte.
Schweden ward zwar durch Norwegen mehr concentrirt, aber ber Verluſt Finnlands nicht er⸗
fegt, fein Einfluß in Deutfchland befeitigt. Einen Gegenfag zu der Seelenmätelei, in bie der
Congreß verfiel, bildete der freilich nicht ohne Sigennug von England geftellte Antrag auf Ab⸗
Ihaffımg des Negerhanbels (f. SElaverei) und Unterbrüdung ber aftif. Raubſtaaten. Die
Landmächte nahmen diefen humanen Vorfchlag fehr beifällig auf; allein Talleyrand ſuchte ber
ſtimmten Zufagen auszuweichen und Spanien und Portugal proteſtirten und betrachteten bie
Sache als einen Anfchlag auf ihre Eolonien. Endlich einigte man fi 8. Febr. 1815 zu der Er⸗
Märung, daß die Aufhebung des Menfchenhandels zwar wünfchenswerth fei, aber von den Er⸗
mefjen der einzelnen Staaten abhängen müſſe. Die Bitten der fpan. und portug. Flüchtlinge
um Schug vor ber Wuth ihrer Regierungen wurden als Privathaͤndel abgewiefen. Dagegen
fegte man zur Entſcheidung bes Streits der Häufer Rohan und be la Tremouille über den Be
fig des Herzogthums Bouillon (f.d.) eine befondere Commiſſion ein. Außerordentliche Aufmerk⸗
ſamleit widmete ber Congreß den Angelegenheiten der Schweiz. Als Geſfichtspunkte babei gal-
ten: die Sicherſtellung der Schweiz gegen Frankreich, die Feſſelung des demokratiſchen Geiſtes
im Innern und die Verhinderung einer Erſtarkung ber Schweiz als gefchloffener Macht. Man
fuchte fo viel wie möglich die alte ber Gantonalfouveränetät günftigere Verfaſſung und auch das
alte Gebiet der Eidgenoffenfchaft wieberherguftellen. Nur einen Berluft erlitt die Schweiz, in⸗
dem Oſtreich das ehemals zu Graubündten gehörige Veltlin und die Thäler Shiavenna und
Bormio, ale die Schlüffel von Deutfchland, behieft und mit dem Mailändiſchen vereinigte. Die
Gaftfreiheit des wiener Hofs, die Geſchicklichkeit Metternich's und das Butrauen, welches im
Allgemeinen die Höfe in Oftreich fegten, trugen nicht wenig dazu bei, ba die Entſchaͤdigung
238 Biener Congreß
des habsburg. Haufes höchſt glänzend und ohne großen Widerſtand vor fi ging. Seit dem
Mai 1814 hatte ſtreich nach Übereinfunft mit den Verbündeten das ganze Land zwifchen dem
Po, Teſſin und dem Lago-Maggiore in Befig genommen. Bald nachher gefland man man ihm
auch dab ganze Litorale vom Adriatiſchen Meer bis mit Einfchluß von Ragufa zu. Baiern
wußte ihm Zirol und Vorarlberg, Salzburg und die 1809 abgetretenen Theile des Inn- und
Hausruckviertels abtreten. Im Zepliger Vertrage hatten ihm die Mächte den Befipfland von
1805 garantirt; allein feine Bevölkerung nach der Entſchädigung übertraf fogar den Beſtand
von 1789 um 733476 Seelen. Dazu befaß ed nun die Obergewalt in Stalien und erhielt Ge»
fegenheit, auf dem Mittelmeer eine Seemacht zu gründen. Nicht minder reihli wurden aud
die Habsburg. Nebenlinien in Italien bedacht und dadurch die öſtr. Macht nur noch höher ge
hoben. Das Großherzogthum Toscana, feit 1765 eine Secundogenitur bes Haufes Habsburg,
nahm der Erzherzog Ferdinand wieder in Beftg. Derfelbe erhielt vom Congreſſe außerdem
Piombino, die vormals ſpan. Küftenorte und fpäter Elba zugeſprochen. Im Feldzuge von 1799
war Toscana von Frankreich erobert und 1801 als Königreich Etrurien an den Erbprinzen
von Parma, den Infanten Karl Ludwig, gegeben worden, wegegen fich die franz. Regierung
41802 Parmas, des väterlichen Erbtheil6 des Infanten, bemädhtigte. Im I. 1807 nahm jedoch
Napoleon, kraft eines Vertrags mit Spanien, dem jungen Könige auch Etrnrien ohne alle Ent»
Schädigung. Der fpan. Bevollmächtigte Labrador foderte deshalb vom Congreß Toscana für
Karl Ludwig zurück, vermochte aber gegen Oſtreich nicht durchzudringen. Auch erhielt der Erz-
herzog Franz von Efte, als Erbe des von Frankreich vertriebenen Herzogs Hercules, Modena
mit den Depenbenzen zurüd und außerdem die faiferl. Lehen von Lunigiana. Parma warb an
die Gemahlin Napoleon’s, Maria Luife, mit bem Recht, es an ihren Sohn zu vererben, gewiefen,
und die Verſuche Spaniens, dies Fürftenthum für den Infanten Karl Ludwig zu verlangen, hate
ten nur den Erfolg, daß fich Oſtreich endlich dazu verftand, dem Infanten Lucca mit einer Leib-
rente von 500000 Livres anzubieten. Später (1817) ward die Erbfolge für den Sohn Maria
Luiſens caffirt und durch einen Vertrag zwifchen Oftreich, Frankreich und Spanien feftgefegt,
daß ber Infant Karl Ludwig im Todesfalle Maria Luiſens die Nachfolge in Parma erhalten
ſollte, was auch gefchehen iſt. (S. Lucca, Parma und Toscana.) Um eine flärkere Mittelmacht
zwifchen Branfreich und Stalien zu ſchaffen, fegten die Verbündeten ſchon im Parifer Frieden
die Vergrößerung bes KönigreichE Sardinien fe. Der Congreß ſicherte zuvörderſt bie männ⸗
liche Erbfolge für ale Provinzen des fardin. Königreichs, um eine Erbtyeilung mit Oftreich zu
hindern, und ſprach dann bie Vereinigung des ehemaligen Freiſtaats Genua mit Sardinien aus.
Zwar erheben die Benuefer fehr gegründete Einwendungen gegen die willtürliche, das Legitimi⸗
tät6princip verlegende Unordnung; allein die Einverleibüng wurde vollzogen. Die Berfuche
Tallegrand’s, Murat aus Neapel zu verdrängen und die Bourbon in beiden Sicilien wieber-
herzuftellen, wollten anfangs nicht gelingen, da weder England noch Öflreich großes Intereffe
daran batten. Erſt Murat's unüberlegtes Losbrechen nach Napoleon’ Rückehr erleichterte
die Durchführung des Plans. Oſtreich nämlich ſchloß in Foige deſſelben ohne Umſiände
mit Ferdinand IV. einen Allianztractat, dem auch Rußland und Preußen beitraten, und trieb
Murat mit den ZBaffen vom Po nad Neapel zurüd, fodaß derfelbe als Flüchtling fein König-
reich verlaflen mußte. Am 21. Mai ſchloß Hierauf General Earascofa zu Capua mit Kerdi-
nand IV. eine Gapitulation, kraft welcher Legterer Neapel fogleich in Befig nahm, das ihm nun
auch vom Gongreß beflätigt wurde. Die neapolitan. Reftauration führte zugleich zur endlichen
Entſcheidung der Angelegenheiten des Kirchenflaats. Der Papft Pius VII. verlangte vom Eon-
greß die gänzliche Wiederherſtellung der Güter, Rechte und Provinzen, melche der päpftliche Stuhl
vor der Kranzöfifchen Revolution befeffen hatte. Indeſſen hielt Oſtreich die rom. Legationen
Ferrara, Bologya und Ravenna als eine Eroberung befege, mährend Murat auf Grund jenes
Vertrags mit England und Dftreich die Marken Ancona und Urbino befegte. Schon hielt der
päpſtliche Stuhl die Legationen verloren. Nah Murat's Sturze mußte jedoch Ferdinand IV.
dem Papſt Ancona und Urbino räumen und Öftreich gab die drei andern Kegationen zurüd.
Nur eignete es fich den Theil Ferraras am linken Poufer und das Beſatzungsrecht ber Pläge
Serrara und Commachio aus militärifihen Rückſichten zu. Völlig vergebens waren bie Bemü⸗
hungen Conſalvi's um die Wiedergeminnung der franz. Graffchaften Venaiffin und Avignon,
die Ludwig XVIII. fehon aus Rüdficht auf die öffentliche Meinung verweigern mußte. Ebenſo
wenig erlangte der Papft die gefoberte Herftellung alles Deſſen, mas die kath. Kirche feit 1803
” Deatfchland verloren hatte. Der Congreß wies ihn hierbei an die einzelnen Mächte. Auch
Wakteferosden begehrte durch feinen Geſandten vom Eongrefi die Herausgabe Maltas und
Dlener Congreß 338
derjenigen Güter, die im Laufe der Zeit in den verfchiedenen Ländern von feinem Beſch waren
eingezogen worden. Man dachte dem Orden bie Infel Korfu zu; doch bie eilige Schließung des
Eongreffes und die Erneuerung ded Kriegs gegen Rapoleon traten dem Plane entgegen.
Wiewol Rapoleon im Bertrage vom 11. April 1814 den ungeftörten Befig der Infel Elba
von den Machten zugeficyert erhalten, betrieben doch bie ital. Fürſten, Oſtreich, Frankreich und
England die ımfreimillige Verfegung des Kaifers in eine ferne Zone. Portugal bot eine ber
Azoren, England Ste.-Rucie oder St.-Helena zum Gefängnif an. Allein man beforgte, der ge»
rũſtete Rapoleon würbe den furchtbarften Widerſtand leiften; auch ſcheute man Rußlands und
Preußens Einſprache, die den gefeffelten Löwen als Schredbild gegen die drei Zheilungsgenof
fer gebrauchten, und man verfchob deshalb die Entfcheidung der Sache bie zum Schluffe des
Congreſſes. Rapoleon hingegen kam den Anſchlägen feiner Feinde zuvor. Am Abend des
5. März 1815, al der Congreß einem Hoffefte beimohnte, traf die Kunde ein, Napoleon habe
Elba verlaffen; am 8. brachte ein Courier aus Sardinien dem Congreß die Nachricht, er fei an
der Küfte der Provence gelandet. Troh der Beftürzung und ber Ratblofigkeit faßte man ben
Beſchluß, die Berhanblungen fortzufegen, und Talleyrand bot fogleich Alles auf, um die Mächte
zu einer abermaligen Schilderhebung im Intereffe der Bourbons zu vermögen. Am 13. Mä
erklärte auf Metternich's Antrag ber Ausſchuß der Acht, daß der Vertrag vom 11. April 1814
gelöft, daß Napoleon durch abermalige Störung der Ruhe Europas den Schug ber Befege und
ber bürgerliyen Ordnung verwirkt habe. Napoleon ließ diefe berufene Achtserklärung als ein
Machwerk Talleyrand's widerlegen und richtete Schreiben an fümmtliche Monarchen, in denen
er die Beſchuldigungen zu entkräften fuchte und den Parifer Frieden anerkannte. Der Congreß
erftärte jedoch, daß weder bie Friebenderbietungen noch die Rechtfertigung die Lage des Ufur-
pators zu ändern vermöchten. Am 25. März fchloffen Oſtreich, England, Rußland und Preu-
Ben einen Allianztractat, der dem Bertrage von Chaumont neue Geltung verfchaffte und dem
auf Einladung auch die Bourbons und alle übrigen Fürften und Staaten beitraten. Nur
Schweden blieb zurüd, dem England keine Subſidien gewährte, und Spanien führte den Krieg
auf feine Hand, weil ihm der Congreß den Rang einer Großmacht verweigerte. Während nun
eine bejondere Sommiffion die Vorbereitungen zum Kampfe traf, beeilte fich die Diplomatie,
die Verhandlungen zu Ende zu bringen. Im Drange der Umftände kamen felbft noch die deut.
fchen Angelegenheiten zu einem kaum erhofften Abſchluſſe. Die Entſchädigungen, Ausglei⸗
.. Hungen und Zerritoriafverhäftnifie der enpelnen Staaten Deutſchlands, Hannovers, das den
Nang eines Rönigreichd erhielt, Baierns, Würtembergs, Badens u. f. w, wurden in dem Aus⸗
fchuffe der Acht verhandelt „Belangten aber nicht zu völliger Abfertigung. Man errichtete darum
aus den Bevollmächtigten Oſtreichs, Preußens, Rußlands und Englands zu Frankfurt eine
Territorialcommiſſion, die durch den Receß vom 20. Zuli 1819 bie deutfchen Gebiets verhältniſſe
vollendo entichied. Der Fürſt von Sfenburg, der für Napoleon ein Regiment errichtet, wurde
durch den Congreß mediatifizt. Die Entfcheidungen über die Stellung ber Mebiatifirten behielt
der Kongreß meift ben betheiligten Souveränen und dem Deutfchen Bunde vor. Schon An⸗
fang Det. 1814 hatten die vier Großmächte, mit Ausſchluß Talleyrand's, der ſich in die beutiche
Berfaffungsangelegenheit durchaus nicht mifchen durfte, Die Bildung des fogenannten deutichen
Ausichuffe zur Entwerfung der Bundesacte eingeleitet. Die Mitglieder dieſes Ausſchuſſes
waren für Oftreich Metternich und Weſſenberg, für Preußen Hardenberg und Humboldt, für
Baiern Wrede, für Hannover Münfter und Baron Hardenberg und für Würtemberg Winzin-
gerode. In der erſten Sihung (14. Det.) erflärte der Aus ſchuß, daß zur Beſchleunigung det Ge
ſchäfts keine Bevollmächtigten weiter zugelaffen werden dürften. Metternich legte am 16. den’
Entwurf einer Bundesacte vor, durch welche Deutfhland in Kreife mit Kreisoberfien getheilt
wurde. Gegen diefen Entwurf erhoben fi Batern und Würtemberg mit großer Entſchieden⸗
heit; man betrachtete denfelben al& einen Angriff auf Die Souveränetät der Fürften. Der Streit
wurde fo ernſt, daß Rußland feine Dazwiſchenkunft zu Bunften Öftreiche, Preußens und Han-
novero anbot. Die kleinen Fürften drängten eifrig darauf hin, zur Berathung mit zugela
zu werden, und übergaben im Nov. 1814 eine Rote, welche ein Oberhaupt in Deutfchland ver-
langte und worin fie fich zu allen Opfern bereit erflärten, welche die Herftellung bes deutſchen
Neichs gebiete. Doc war daran nicht zu denken. Vielmehr ſtanden ſich allmaͤlig nur zwei
Entwürfe gegenüber, ein preußifcher (Bebr. 1815), dem ſich auch Graf Münfter in der Haupt«
fache anſchloß und der eine Bundesverfammlung mit zwei Näthen, Kreisverfaſſung, landftän-
diſche Berfaffungen, Bundesgericht und ausgedehnte Volksrechte aufftellte, und ein öftr. Ge⸗
genentwurf Detternich's (Mai 1815), weicher einen Bundestag in der nachher feftgefegten Weif⸗
340 Biener Friebe
vorſchlug, das Bundesgericht in der Schwebe ließ, die Wolfsrechte enger faßte. Auf diefe Grund⸗
lagen hin ward dann im Drang der Umftände raſch abgefchloffen und die Bunbesverfaffung
vom 8. Juni unterzeichnet, deren Unvolllonmenheit die Urheber ausdrüdlich betonten, jedoch
mit der richtigen Betrachtung entfchuldigten: „daß ed wünfchenswerther fei, einen unvollkom⸗
menen beutichen Bund ald gar feinen einzugehen”. Un diefe legten Verhandlungen des Con⸗
greffes fchloffen fich die Arbeiten über ben Flußverkehr und die deutſche Militärverfoffung. Da
eine allgemeine Verſammlung bed Congreſſes nicht in der Abſicht ber Großmächte lag, bereitete
der Ausſchuß der Acht die fogenannte Schlußacte oder Generalacte vom U. Juni 3845 vor,
welche bie Nefultate des Congreſſes zuſammenfaßte. Diefe Acte, die eigentlich eine Art europ.
Staatsrecht bildete und eine vollfländige und gegenfeitige Gewährleiftung aller aufgeftelften
Rechte und Verpflichtungen fein follte, wurde von den Bevollmächtigten des Ausſchuſſes der
Acht unterfchrieben. Unter Anderm enthält die Acte auch bie Gewährleiftung der Deutichen Bun-
deöacte mit ihren Verheißungen, die Gewährleiftung der Verfaffung und Verwaltung bes Kö⸗
nigreich Polen, die Gewährleiftung bed Gebiets, ber Freiheit und der Neutralität des Staats
Krakau. Außer Spanien, das äußerſt erbittere war, proteftirte auch ber Papft gegen die Schluß-
acte, weil feine Foderungen in ihrem Umfange nicht erfüllt worden waren. An den Gongreß.
reihte fih der Sieg der Berbündeten bei Waterloo und der zweite Parifer Friede vom 20. Nov.
4815, der die Schlußacte ſchon infofern veränderte, ale Frankreich zur Sicherheit Europas
neuen Einfchräntungen unterlag. Durch diefen Frieden erhielt auch England ſchließlich noch
das Protectorat über die Joniſchen Infeln. Die Schwierigkeiten eines ſolchen Werks müſſen
bei ber Beurtheilung wehl erwogen werden ; doch ift der Vorwurf begründet, daß der Congreß
fih mehr von dynaſtiſchen Rückſichten als den Intereſſen der Volker peherrfchen ließ, daß die
Herſtellung des Gleichgewichts, wie man es wollte, nicht gelungen, mehre der wefentlichiten
Schopfungen (Niederlande, Polen) bald ind Begentheil verkehrt worden find. Die Stelung
Dentichlands auf dem Gongreffe, fowol gegenüber den übrigen Mächten ale in feinen eigenen
innern Angelegenheiten, macht nad) den Kampfen und Opfern, wie fie vorausgegangen waren,
in ber That einen mieberfchlagenben Gindrud. Klüber gab „Acten des Wiener Congreffes”
(9 Bde., Fkf. 1815—55) und eine „Überfidht der diplomatifchen Verhandlungen bes Wirner
Congreſſes“ (Sf. 1816) Heraus. Flaſſan fchrieb mit einer wibrigen Lobrednerei die „Histoire
du congres de Vienne” (5 Bde., Par. 1829; deutſch, 2 Bde., Lpz. 1850). Vgl. U, de La⸗
garde, „Föles el souvenirs du congrös de Vienne etc.” (2 Bde, Par. 1845; deutfch von
Eichler, 3 Bde, Lpz. 1845). Für die Charakteriftif des Congreffes find auch die Schilderung
son Varnhagen von Enfe in feinen „Denkwürdigkeiten“ und K. von Noflig („Leben und Brief-
wechfel‘‘, Lpz. 1848) von Intereffe.
Wiener Friede heißt vorzugsmeife der 14. Oct. 1809 zu Schönbrunn zwifchen Franukreich
und Oftreich abgefchloffene Friede. Der Krieg, den Öſtreich im Aprit 1809 ohne Bundesge-
noffen unternommen hatte, um den Rheinbunb gu fpxengen, war durch die Schlacht bei Wa⸗
gram (f. d.) und durch den Waffenftillfiand von Znaim geendigt. Napoleon hielt Wien beſeht;
der Kaifer Franz refidirte in Komorn. Die Friedensunterhandlungen zwiſchen Champagny
und Metternich, bei dem fich noch der Graf Nugent befand, begannen 17. Aug. zu Altenburg
in Ungarn ; die Öftreicher aber fuchten fie in Folge der Landung der Engländer auf der Iufel
Walcheren in die Zange zu ziehen. Erſt gegen Ende September verließen die Bevolmäch⸗
tigten Yitenburg und 27. Sept. langte der Prinz Johann von Liechtenflein mit Vollmachten
in Wien an. Am 14. Oct. früh wurbe der Briede in Wien vom Herzog von Gadore unterzeich-
net, nachdem Napoleon, der fi in Schonbrunn aufhielt, feine Foderung von I00 Mil. Fres.
Gontribution auf 85 vermindert hatte. Oſtreich mußte abtreten: 1) Salzburg, das Innviertel
und faft die Hälfte des Hausruckviertels, die Napoleon Baiern zutheilte; 2) Gary, das öſtr.
Friaul, Zriefl, Krain, ben villacher Kreis von Kärnten, Kroatien am rechten Saveufer und
Dalmatien, aus welchen Napoleon das Beneralgouvernement Illyrien bildete; 3) die Herr⸗
(haft Räzuns in Graubündten; A) einige böhm. Enclaven in ber Oberlaufig, wie Schirgis-
walde u. f. w., an den König von Sachſen; 5) Weftgaligien mit Krakau und Zamose und die
Gemeinſchaft an den Salinen von Wieliczka an das Großherzogthum Warſchau; 6) das öft-
liche Stud Oſtgaliziens an Rußland; Auch wurde in diefem Frieden die von Napoleon 24.
April zu Regensburg verfügte Aufhebung des Deutihen Ordens in den Rheinbundsſtaaten
beftätigt, modurch Mergentheim; das dem Erzherzog Anton als Deutfchmeilter gehörte, an
Würtemberg kam, OÜſtreich verlor ſonach durch den Wiener Frieden feine füdliche und weftliche
Militärgrenze, 2151 AM. mit 3,505000 E., und feine Seehäfen; doch wurde ihm Aus - und
u Wienbarg Bier 241
Einfichr in Fiume geflattet. Auch mußte ber Kaiſer Napoleon’s Einrichtungen in Spanien,
Portugal und Italien, mo durch ein Decret von Schönbrunn 17. Mai 1809 der Kirchenſtaai
mit Frankreich vereinigt wurde, anerkennen und dem Sperrſyſtem gegen England beitreten. —
Über den Wiener Frieden von 1735 und 1738 f. Oſtreich.
Wienbarg (Ludolf), deutfcher Schriftſteller, geb. 1803, ber Sohn eines Schmiebs im Hol.
ſteiniſchen, ſtudirte in Kiel und in Bonn und las dann an erflerm Orte ein Semeſter lang über
Aſthetit und deutſche Literatur. Hierauf ging er nach Frankfurt a. M. und verband ſich mit
Gutzkowm zur Herausgabe der „Deutfchen Revue”, die aber unterdrückt wurde. Da die Proſcri⸗
birung des Jungen Deutfchland (f. d.) auch ihn traf, fo lebte er eine Zeit lang am Rhein und
ging dann nach Hamburg, wo er längere Zeit ben Eritifchen Theil der „Börfenhalle”, dann nach»
einander die Mitredaction ber „Bamburger neuen Zeitung”, des ‚Altonaer Derar” und der
‚„iterarifchekritiichen Blätter” (bis 1847) beforgte. Von einer bereits beichloffenen Auswan⸗
derung nach Amerika hielt ihn der Ausbruch des ſchlesw.holſt. Kriegs zurüd, an dem er fich
. 1848 als Stabsadjutant im Freicorps, 1849 als freiwilliger Jäger betheiligte. Seitdem lebte
er wieder zu Hamburg und Altona. IB. vereinigt den gründlich Unterrichteten, in trockene For⸗
[chungen bebarrlich Eingehenden mit dem eleganten SJournaliften, und diefe Miſchung machte
ihn intereffant. Worin er fich aber ſtets gleich geblieben, das ift bie moralifche Würde und ein
Ringen nach ethifcher Schönheit. Als Schriftfteller Hat er vorzüglich Meifebefchreibungen und
Kritiken geliefert. Als Reiſender hat er eine eigene Verbindung von Genrebitblichkeit, politifcher
Skizzirung und von hiftorifch-ftatiftifcher Treue und Umfaſſung. &o fein [ehr [chägbares Buch
„Holland in den 3. 1851 und 1832” (2 Bbe., Hamb. 1833) umd das „Tagebuch von Helgo-
land” (Hamb. 1838). Als Kritiker trat er zuerft mit feinen dem Jungen Deutichland gewid-
meten „Afthetifchen Feldzügen” (Hamb. 1854) auf. An diefe ſchloß fi eine Sammlung Re-
cenfionen unter bem Zitel „Zur neueften Literatur” (Manb. 1835; 2. Aufl., Hamb. 1838), in
welcher er unter Anderm eine treffliche Auseinanderfegung der Bedeutung gibt, welche Goethe
nicht nur für die Vergangenheit und Gegenwart, fondern auch für die Zukunft der beutfchen
Literatur bat. Seine „Geſchichtlichen Borträge über altdeutſche Sprache umb Literatur” (Hamb.
41838) ftehen für die ältere Zeit hinter dem gegenwärtigen Standpunfte der altdeutfchen Philo⸗
Sogie zurüd. Bon feinen „VBermifchten Schriften” if! nur ein Band erfchienen (Altona 1840).
Duck die Ereigniffe der Zeit wurden hervorgerufen: „Der bän. Fehdehandſchuh. Aufgenom⸗
men von IB.” (Hamb. 1846) und „Darftelungen aus den fchlesw.-Holft. Feldzügen“ (Bb. 1
und 2, Kiel 1850—51). In dem „Beheimniß bes Worts“ (Kiel 1852) machte er ben Ver⸗
fuch, in die urfprüngliche fchöpferifche Bemeinfamkeit von Wort und Mythe einzubringen. +
Wier (Johann), auch Weiler genannt, geb. 1515 zu Brave in Nordhrabant, bereifte früh⸗
zeitig Deutſchland und Frankreich, findirte in Orleans Mebicin und wurde bier zum Doctor
promovirt. Er machte num wieber größere Reifen und ließ fich endlich als praktifcher Arzt in
Arnheim nieder. Im 9. 1550 trat er als Leibarzt in die Dienfte Wilhelm's IV., Herzogs von
Jülich, Kleve und Berg, eines der freifinnigften Fürften feiner Zeit. Das Herenunmefen hatte
damals feinen höchften Gipfel erreicht: beinahe in allen Ländern Europas loderten täglic, die
Holsflöße, um unglückliche Frauen zu verbrennen. W. war der Erſte, ber feine Stimme gegen
diefen Gräuel erhob, der allen Bettelmönchen und Prieftern gegenüber mit ergreifender Beredt⸗
ſamkeit und gründlicher Wiſſenſchaftlichkeit darthat, daß alle Anklagen wegen Hexerei falſch,
die Bekenntniſſe nur durch die Folter ergmungen ober durch Wahnſinn hervorgerufen und Die
meisten Schlachtopfer ganz unſchuldig gerichtet fein. Seine Schrift „De praestigiis daemonum
et incantalionibus ac venefciis” (Baf. 1565), wovon bei feinen Leben ſechs Auflagen erfchie-
nen, begleitete er mit einer Zufchrift an ben Kaifer wie an alle Fürften, in welcher er biefelben
von der Verderblichkeit des Wahns, von der Gottlofigkeit des „Herenhammer”, von der Thor:
heit des Gerichts und der Unfchuld der Opfer zu überzeugen fuchte. Da alle feine Schriften la⸗
teinifch abgefaßt warenund die Geiſtlichen aller Confeſſionen gegen ſich Hatten, machten fie wäh.
rend feines Lebens keinen großen Eindruck in Deutichland und hatten zumächfl keine andere
Folge, als daß man in den drei Herzogthümern in dem Verfahren gegen die Heren ſich vorſich
tiger zeigte. Der Hauptgegner W.s war ber Branzofe Jean Bodin (f. d.), der, in Beziehung
auf Staat und Kirche ein Freidenker, in mehren Schriften bad Unweſen vertheidigte und W.
fehr heftig anfocht. W. ſtarb 1558 zu Teckienburg, wo er bei dem Grafen von Bentheim in
Dienften ftand. Erſt nach feinem Tode fanden die Wahrheiten, welche er in feinen Werken nie-
dergelegt, weitere Verbreitung. Spee (f. d.) und Thomaflus (ſ. d.) fegten den von TB. begonne-
Gonv.sker. Behnte Auf. XV. a 16
-
2 Wiesbaden wieſelgren
nen Kampf mit Erfolg fort; die Wiſſenſchaft mit der gefunden Vernunft im Bunde beſiegte
den Wahn, über welchen WB. ſtets erhaben geweſen. Sicherlich wäre W. keines natürlichen
Todes geftorben, wenn er feinen Gönner, den Herzog, überlebt hätte; allein biefer freifinnige,
der Reformation günftige Fürft ſchütte ihn gegen alle Angriffe der ergrimmten Moͤnche. Ein
Wiedetabdruck feiner „Opera omnia” erfchien zu Amfterdam 1660.
Wiesbaden, Hauptftadt des Herzogthums Naffau mit 16000 E. und feit 1840 Reſibenz
des Herzogs, am füblichen Buße des Taunus, 346%. über dem Meere, zwei Stunden von Mainz,
acht von Frankfurt a. M., in einer an Naturfchönheiten und Hiftorifchen Merkwürdigkeiten reie
hen Gegend gelegen, ift feinem größten Theile nach neu und gut gebaut und wegen feiner Dir
neralquellen, die eine Temperatur von + 32 bis 55’ N. haben, einer der befuchteften Badeorte
Deutſchlands. Die Quellen find fehr zahlreich, gehören zu den alkalifchen Kochſalzwaſſern und
werden fowol zum Baben als zum Trinken, vorzüglich bei Gicht, Rheumatismus, Hämorrhoi-
den, Strofeln, chronifchen Hautausfchlägen, Krankheiten der Geſchlechtsorgane, Nervenübeln
and manchen Bruftleiden benugt. Die 35 Badehäufer enthalten etwa 800 Badecabinete, von
denen verfchiebene zu Dampf- und Douchebäbern eingerichtet find. Außerdem befindet ſich bier
eine gymnaſtiſche Heilanftalt und in ber Nähe liegt bie Kaltwafferheilanftalt Nerothal. Für
das Vergnügen ber Babegäfte ift durch die großartigen Eurgebäude und Anlagen, ſowie durch
das Theater u. f. w. reichlich geforgt. Zudem bietet die Umgegend vielfältige Gelegenheit zu an⸗
ziehenden Partien. Auch ift zu W. ein bedeutendes naturbiftorifches Muſeum, die Landesbiblio-
thek, das hemifche Laboratorium bes Profeſſors Frefenius, die Verſuchswirthſchaft des land⸗
wirthſchaftlichen Vereins und des landwirthſchaftlichen Inſtituts zu HofeGeisberg. WB. iſt eine
ber Älteften Städte Deutſchlands, und ſowol die Zeugniffe des Tacitus und Plinius als die aufe
gefundenen Alterthümer beiweifen, daß bie Römer die bier entfpringenden heißen Quellen
(Aquae Mattiacae) nicht unbenugt und den für fie ftrategifch wichtigen Punkt nicht unbefeftigt
ließen. Unter ben Karolingern beftand bier eine Pfalz und unter Dtto d. Gr. wurde W. zur
Stadt erhoben. Vgl. Müller, „Medicinifche Topographie der Stadt ZB.” (Wiesb. 1846).
Wieſel (Mustela vulgaris), ein kleines, ohne ben zwei Zoll langen Schwanz nur ſechs Zoll
meffendes Raubthier aus der gleichnamigen Familie, macht mit bem Hermelin, Srettchen, Iltis,
Marder und Zobel eine Gattımg aus. Das Wiefel ift in ganz Europa bekannt als eifriger
Vertilger von Mäufen, Ratten und Maulwürfen, benen es vermöge feines ſchmächtigen, kurze
beinigen Körpers in ihre Höhlen zu folgen vermag ; aber auch als unermüdlicher Verfolger von
Hafen, Kaninchen, Tauben und Hühnern, weshalb ihm überall eifrig, bei feiner Lift und Schnel-
ligkeit jeboch oft vergeblich, nachgeftelle wird. Häufig begnügt es fich, feiner Beute den Kopf zu
zerbeifen und das Gehirn zu verzehren. Dem Menfchen fucht es ins Geficht zu fpringen und
kann ihm, in größerer Zahl vereint, gefährlich werden. Am Tage in dunkeln Winkeln verſteckt,
geht dad Wiefel des Nachts auf Raub aus und Bann felbft am fenfrechten etwas rauhen Wan⸗
den hinanklettern. Sein zimmetbraunes, am Bauche weißes Fell ift von geringem Werth.
Wiefelburg, ein Comitat im ödenburger Diftricte bed Königreichs Ungarn, umfaßt
jegt mit den vom presburger Komitat abgetretenen Ortfchaften am rechten Donauufer
37,8 IM. mit 70942 (1851) vorherrfchend magyarifchen, aber ſtark mit Deutfchen und
Slawen gemifchten Einwohnern. Das Land ifl, aufer in der Nordweſtgrenze, völlig eben,
länge der Rabnit und befonders am Neufiedlerfee fehr fumpfig, Die Hauptproducte find
Weizen, Wein, Vieh, Fifche und Salpeter. Das Comitat zerfällt in die drei Stuhlbezirke Wie⸗
ſelburg, Ragendorf und Neufiedel und bat zur Hauptſtadt Ungarifch: Altenburg (f. Alten-
burg), wo fi eine 1850 von dem Staat übernommene höhere landwirthſchaftliche Lehran⸗
ftalt mit großer Merinofchäferei befindet. Der Marktflecken Wiefelburg an der Kleinen oder
Wiefelburger Donau, welche mit bem Hauptarme des Strond bie Infel der Kleinen Schütt
(f. Schütt) umfließt, zählt 3600 E., Hat eine Salpeterſiederei, Ziegelbrennerei, Tuchwebereien,
große Viehzucht, befonderd an Pferden und Schafen, und ftarfen Getreidehandel. Der Ort,
früher Hauptört des Comitats, kommt im Mittelalter unter dem Namen Mefburg oder Möt-
burg vor. Der Marktfleden Neufiebel am See, am nördlichen Ufer des nach ihm benannten
Sees, hat 2200 E., kürzlich eröffnete Seebaͤder, guten Ader- und Weinbau, Fiſchfang und
ſtarke Getreibemärkte. Hier enden bie fogmannten Alten Schanzen, welche norbiwärts über
Parndorf bis an die Reitha unterhalb Rohrau reichen, ein riefenmäßiges Werk neuerer Zeit.
Biefel ren (Peter), ſchwed. Geſchichtſchreiber und Kanzelredner, geb. 4. Det. 1800 bei
MWeriö, machte feine Studien zu Lund, wo er 1823 promovirte, 1824 Docent ber-Riteratur-
geſchichte und Adjunct für die Aſthetik, 1830 auch Bibliothekar an der Univerſitätsbibliothek
Wiefen und Wiefenbau 343
wurde. gleich feine Borlefungen fich eines ungemein zahlreichen Zuhsrerkreiſes erfreuten,
entfagte ex doch der akademiſchen Wirkſamkeit und ging 1854 als Paftor und Propſt nach
Weſterſtad in Schonen, von wo er 1847 in gleicher Eigenſchaft nach Delfingborg verfegt warb.
W.es Hauptwerk ift „Sveriges sköna Literatur” (3 Dde. Lund 18353— 35; 2. Aufl, 5 Bbe,,
Upſ. 184549). Bon audgebreitetem und forgfamem Quellenſtudium zeugen W.'s böchft
werthuolle Hiftorifche Arbeiten, unter denen „Ny Smälands Beskrifning inskränkt till We-
xid Sun’ (5 Bde, Weriö 1845 47) und „Syd-Skandinavernas Förstfödslorätt” (Üpf.
1846), fowie feine Ausgabe von „De la Gardiska Archivet” (20 Bbe., Lund 1831 —43 ; „Bi-
bang”, Lund 1844). Um das trefflihe „Biographiskt Lexikon öfrer namnkunnige Svenska
Män” (Bd. 1— 21, Upf. 1835—55) hat fi WB. als thätiger Mitarbeiter, feit Palmblad's
Zobe auch ald Redacteur verdiene gemacht. Ungemein populär ift IB.’ Name in Schweden
durch feine Beftrebungen für das Mäßigkeitsweſen geworben, als befien Reformator er in ſei⸗
nem Baterlande betrachtet wird. Nicht bios durch mehrfache Schriften, unter denen wir nur
„Historik öfver Svenska Bränvins-lagstiftningen” (2und 1840) nennen, hat er in biefer Rich⸗
tung mit Erfolg gewirkt, fondern feine Predigten in allen Provinzen Schwedens, die er zu die»
fem Zwecke mehre Sommer hintereinander durchwanderte, haben bie Bildung zahlloſer Mäfig-
keits · (Nüchternheits«) Vereine veranlaft. In Zuſammenhang hiermit fleht feit einigen Jahren
fein Wirken für die Angelegenheit der Innern Miffion, wie denn das Miffionsinftitut zu Lunb
fein Auflommen zum großen Theile dem Eifer Wes zu danken hat.
Biefen und Wieſenbau. Unter einer Wiefe verficht man eine bleibende Surterfläche,
beren Dauptbeftand Gräfer und Kleearten bilden. Man unterfcheibet künſtliche und natürliche
Wieſen. Die künftlihen Wiefen, die Hauptflüge der Wechfelwirtbfchaft (f. d.), find mit Futter
angefäete Adler, welche eine Zeit lang zur Weide oder zur Mahd liegen bleiben, dann umgebro⸗
chen werben und wieber in den Turnue eintreten. Die eigentlichen oder natürlichen Wieſen da»
gegen find zur fortdauernden Erzeugung von gras⸗ und kleeartigen Futterpflangen, mit enf-
ſchiedener Vorwaltung der erſtern, beſtimmt und wird ihr Ertrag gemöhnlich zur Gewinnung
von Heu, dem getrodineten erften Exhnitt bes Graſes im Frühjahr, und Grummet (Ohmd), dem
Herbſtheu, benugt. Man theilt die Wieſen fehr verfchieden ein: der Landmann nennt fie nad
der Qualität des Ertrags füße und fauere; nach der Mähbarkeit einfchürige, zei» und mehr⸗
ſchürige Wiefen. Nach der Rage unterfcheidet man: Höhes, Berg- und Waldwieſen, oder Niebe-
rungs⸗, Thale, Fluß⸗ und Bachwieſen; nach dem Feuchtigkeitögehalt bed Bodens: trockene,
naffe, quellige, Moor⸗ Sumpfwiefen. Wir finden nach der Dauer ihrer Benugung beftänbige
ober Wechſel und Koppelwiefen, und endlich haben wir noch bie ökonomiſche Elaffification, bie
Eintheilung bderfelben nach der Menge des Futters. Zwei Hauptclaffen der natürlichen Wie»
fen laſſen fih aber im Ganzen und überall annehmen: 4) Naturwiefen, welche an Stellen ge»
legen, die Beine andere vortheilhafte Benugung zulaſſen, fich von felbft befamt haben und ohne
menſchliche Zuthat ihren Ertrag bringen, und 2) Kunſtwieſen, welche durch beftimmte Anlage
und regelmäßige Bewäfferung zu gefteigerter Production gebracht werben. Die Naturwiefen
konnen als zufällige Sutterquelle von Werth fein: fie bebürfen einer befondern Pflege und yer-
urfachen geringe Koften. Mit ihrer Unterhaltung, mit der Anlage, Verbefferung, Bewäflerung
ber Wieſen überhaupt befchäftige fih der Wiefenbau, welcher ſich nach jenen beiden Claſſen
wiederum in natürlichen und in Kunftwiefenbau feheidet. (Über den fegtern und die verſchiede
nen Arten deſſelben ſ. Bewäfferung.) "Die hauptſaächlichſten Wieſenpflanzen find a) Gräſer:
Lolche, Fuchs ſchwanz, Rispengräfer, Schmingel, Knaulgras, Lieſchgras, Haferarten, Honig-
gräfer, Fioringras, Trespenarten, Kammgras und Ruchgras; b) Kräuter: die Kleearten, Zus
zerne, Schotenflee, Spigwegerich, Wicken, Dlatterbfen, Löwenzahn, Pimpinelle, Becherbiume,
Biefentnopf, Kümmel, Bodsbart und Schafgarbe. Als Unkränter ber Wiefen find zu be
trachten: Salbei, Kälberkropf, Kukuksblume, Fingerfraut, Ranunkeln, Ampfer, Huflattig,
Bucerblume, Klapperkraut, Flachsheide, Hauhechel, Kuhblume, Läufekraut, Schaftheu, Schilfe,
Binfen, Simfen, Wollgräfer, NRiedgräfer, Seggen u. |. w. Giftpflanzen der Wiefen find:
Herbftzeitlofe, Schierling, Bilfenkraut, Stechapfel, Wolfsmild, Taumellolch, Hahnenfuß u. ſ. w.
Neu gebildet wird eine Wieſe entweder Durch bloße Ruhe und Überlaffen ber Natur, oder durch
Anſaat, oder durch Auflegen einer anderswo abgehobenen Grasnarbe. Die Unterhaltung»
arbeiten auf einer Wieſe find: Reinigen und Inftandhaften ber Wäfferungsgraben, Dertheilen
ober Abführen der Exde und des Schlamms, Ebenen der Ameifenhaufen, der Maulwurfshl-
gel u. |. w., am beften mit dem WBiefenbobel, einem fchneibigen Schlitten ni gue Dornegge;
244 Wietersheim Wigalois
Ausftechen bes Unfrauts und der Biftpflangen ; Ableſen ber Steine ; Eggen und Walzen; enb⸗
lich Düngen mit Sauche, Compoft u. dgl, wohingegen bas uoch oft Beliebte Überfahren mit
ſtrohigem Stalldünger zu verwerfen iſt. Berjüngen der Wieſe nennt man das tiefe Aufreißen
einer alten Wieſe mittels des Wieſenmeſſers (Scarificator) und barauf folgendes Überfahren
von Erde, wodurch die alten Grasftöde zu ermeutem Ausfchlagen und friſchem Zriebe gezwun⸗
gen werden. Eine gute Wiefe ift der bequemfte und ficherfte Butteranker bes Aderbaus. Nichte-
deftoweniger ift nicht hinwegzuſtreiten, daf, mo die Rage es erlaubt, der Boben ſtets als Acker
weit beffer ausgenugt zu werben vermag wie als Wiefe, und daß die künſtlichen, mit Klee,
- Raygrab, Luzerne, Esparfette u. ſ.w. beftandenen Futterflächen faft immer einen höhern Ertrag
abmerfen als die Wiefen. Das Ideal eines volllommenen Landwirthſchaftsbetriebs verweift
daher die Wiefen in folche Lagen, wo z. B. wegen Überfhwemmungen u. f. w. der Aderbau
unmöglich oder unficher wird. Vgl. Fries, „Lehrbuch des Wiefenbaus“ (Braunſchw. 1850).
Wietersheim (Eduard von), früher ſächſ. Staatsminifter, geb. 1789 in ber Feſtung Lu⸗
zemburg, wo fein Vater damals als Oft. Hauptmann in Garnifon ftand, erhielt feine Erziehung
auf dem väterlichen Gute Puch bei Bitterfeld, fiudirte zu Leipzig die Nechte, erhielt ben Acceß
bei der Landesregierung und trat dann ald Mitglied berfelben ein. Im J. 1813 machte er die
Feldzüge als Offizier beim fächl. Banner mit. Obgleich 1815 feine Güter unter preuß. Hoheit
kamen, blieb er doch in fähf. Staatsdienften und ward zum Wirklichen Hof- und Juſtizrath bei
der Landesregierung ernannt. Einen ausgebreiteten Wirkungskreis fand er hierauf ald Kreis-
hauptmann des voigtlänbifchen, in noch höherm Grabe aber des erzgebirgtfchen Kreifes, wo er
ſich mit befonderer Vorliebe und einfichtövoller Sachkenntniß auf dem Gebiete des Gewerb- und
Sabritweiend bewegte. Nach Einfiedel’6 Entlaffung (1850) trat W. an deſſen Stelle als Di.
rector der Commerzdeputation und erhielt nach deren Auflöfung unter bem Titel eines Prafi-
benten bie oberfle Zeitung ber an das Minifterium des Innern reffortirenden Randesbeputation. _
Als Regierungscommiffar bei den conftitutionellen Landtagen feit 1831 zeigte er bei vielen Ge⸗
legenheiten gewandte Beredtfamkeit und Sachkenntniß. Im J. 1835 ward er zum Kreisdirec-
tor in Dresden ernannt und ihm gleichzeitig unter Beilegung bes Charakters eines Wirklichen
Seh. Raths bie Reitumg einer beſonders Die gewerblichen Angelegenheiten behandelnden Abthei-
lung im Minifterium des Innern übertragen. In allen biefen Amtern forgte er mit Eifer für
die Beförderung der Landesinduftrie nach allen Richtungen. Im 3. 1840 trat er als Minifter
des Cultus und öffentlichen Unterrichts in das Cabinet. Ex wirkte auch in diefem Kreife febr
fegensreich, z. B. durch die Stiftung einer Penfionskaffe für Witwen und Waifen ber proteft.
Schullehrer, durch Stiftung der königl. fächf. Akademie ber Wiffenfchaften zu Leipzig, durch
Anftellung neuer tüchtiger Lehrer an ber leipziger Univerfität und durch das neue Reglement
für die Gelehrtenfchulen Sachfens. Nach feiner Entlaffung von diefem Poſten in Folge der all-
gemeinen Ereigniffe von 1848 behielt er noch eine Zeit lang die Aufficht über die Kunftanftalten,
gab aber auch diefe im Juli 1853 auf und zog fich gänzlich Ind Privatleben zurüd. Als Frucht
feiner Muße veröffentlichte WB. außer der Schrift „Die Demokratie” (Rpz. 1848) mehre die
ältefte Gefchichte Germaniens betreffende Unterfucyungen, worunter befonders bie „Zur Vorge⸗
ſchichte beutfcher Nation” (Epz. 1852) hervorzuheben ifl.
Wigalois, oder, nach feinem Helmſchmucke, der Ritter mit dem Made, heift der Held eines
mittelhochdeutſchen epifchen Bebichts, welches um 4209 ein fränk. Ritter, Wirnt von Graven-
berg (heute Bräfenberg, ein Städtchen awifchen Nürnberg und Baireuth), verfaßt hat, über deſ⸗
fen Lebensumflände wir nichts weiter wiffen, als daß er 1204 bei bem Tobe des erften Herzogs
von Meran, Berthold's IV. zugegen mar und vieleicht den Kreuzzug von 1228 mitgemacht hat,
ohne von demfelben wieber heimzukehren. Wirnt verfaßte feine Dichtung, eine Erftfings«, aber
feine Jugendarbeit, nach der münblichen Erzählung eines Knappen, etwas freier mitdem Stoffe
ſchaltend, als feine Zeitgenoſſen zu chun pflegten, und zu Reflexionen geneigt, unter ſtärkerm
Einfluffe dee Hartmann'ſchen, ſchwächerm der Wolfram'ſchen Dichtung. Sein Werk fand
großen Beifall und im 15. und 16. Jahrh. wiederholte Überarbeitung. Die 1472 entflandene
profaifche Umarbeitung eines Ungenannten ward 1493 zuerſt gebrudt und erhielt ſich als Volks
buch, ging auch als folches in die ſtandinav., ja fogar in bie jüd.-deutfihe Literaftır über. Dage-
gen meift ein engl. Gedicht „Ly beaus disconus” („Der fdöne Unbekannte”, gebrudt in Rit⸗
fon’® „Metrical romances”, Bd. 2) auf eine frang. Erzählung als feine Duelle zurüd, und
höchſt wahrſcheinlich mag auch ſowol bem franz. Voiksbuche („Histoire de Giglan“, Lyon 1530
und öfter) al&, der Erzählung von Wirnt's Knappen ein altfrany. Gedicht zu Grunde gelegen
haben, obſchon von einem folchen bis jegt noch Peine Spur aufgefunden worden iſt. Überhaupt
Digan Vigand
hat die Geſchichte von IB. (Guy Galois, d. i. Vitub Gallenſis) wol kaum einen weſentlichen
ſiandtheil des Artus ſagenkreiſes gebildet, zu dem fie ihrem Inhalte nach freilich gehört, da
in den bekannten franz. und deutſchen Artusromanen des 13. Jahrh. fowie in den verfchiede
Berzeichniffen der Ritter von ber Tafelrunde Leine erhebliche Hinweifung auf diefelbe fir
Herausgegeben warb Wirnt's ZB. von Benede (Berl. 1819) und Pfeiffer (2p3. 1847).
Wigan, eine Fabrikſtadt in der engl. Grafſchaft Kancafter, nordweſtlich von Dance
am Zluffe Douglas, an dem Xeeb6 -Liverpoollanal und an ber von Liverpool über Lancı
nach Carliole und Glasgow führenden Eifenbahn gelegen, zählte 1851 bereits 31911 €.
Diſtrict 77545), hat große Swirnbleichen, Eifengießereien und Schmieden, große Manufa
ren in Baummolle, Flachs, Meffing und Zinn, Töpfereien und eine Fabrik von Schnupftab«
doſen und Nippes aus ber in ber Nähe brechenbden feinften Känneltohle Englands, welche |
gelblanke Politur annimmt. Die Kirche und dad Rathhaus find bemerkenswerth. Unmeit
Stadt befindet fich eine zum Baden eingefaßte Schwefelquelle.
Wigand (Paul), ausgezeichneter Befchichtsforfcher, geb. 10. Aug. 1786 zu Kaffel,
fein Vater 1805 als Profeffor an ber Gabettenfchule und Geh. Hofarchivar flarb. W. ftud
zu Marburg die Rechte und mit befonderer Vorliebe Gefchichte. Nach vollendeten Stut
übernahm er die Herausgabe der politifchen Zeitung zu Kaflel, deren Privilegium von feiı
Vater auf ihn übertragen wurbe, die er aber unter der Herrfchaft ber Franzoſen 1807 an ei
Andern überließ. Er arbeitete hierauf als Procurator bei den Gerichten zu Kaffel und nc
in dem neuen Königreiche Weflfalen die Stelle als Kriedensrichter zu Dözter ein. Dam
veröffentlichte er ben „Verſuch einer foftematifchen Darftellung der Amtögefchäfte und des
kungskreiſes der Friedensrichter” (Marb. 1810) und „Handbuch für Friedensrichter“ (©
1815). Als Hörter. an Preußen kam, wurde er in biefen Drte Affeffor bei dem Land⸗
Stadtgericht. Alle feine Mußeflunden dem Studium der Geſchichte wibmend, war er einer
Erften, welche bie preuß. Regierung auf die feit Jahren verwahrloften und in einen fehr
fährbeten Zuftand gebrachten Urkundenfchäge aufmerkfam machten. Als Beleg für die W
tigkeit diefer Quellen überreichte er der Regierung ben erften Band feiner „Geſchichte ber
fürfteten Reichsabtei Korvei” (Hörter 1819). Im 3.1820 ließ ihn der Staatskanzler H
benberg nach Pyrmont und 1821 nach Berlin berufen, um feine Kräfte und Kenntniffe bei
bemnächft vorzunehmenden Sichtung, Ordnung und Aufftelung der Urkundenfchäge Preuß
in Anſpruch zu nehmen. Dierauf wurbe ihm dad Archiv zu Korvei nebft einem heile ber '
chive von Paderborn überwieſen, die er ordnete und mit vollfländigen Nepertorien verfah. €
Streben war bahin gerichtet, die Duellenichäge Weftfalens für die vaterländifche Geſchi
naglich zu machen und dad Intereffe für hiftorifche Forſchungen zu beleben. Zu diefem €
nahm er 1824 vorzüglich thätig Theil an der Stiftung des Aiterthumsvereine für Weftfe
und gründete als Drgan beffelben das „Archiv für Gefchichte und Alterthumskunde Weftfalen
(7 Bde, Damm 182627 ; Lego 1828-— 38). Zugleich benugte W. fein anhaltendes Q
lenftudium zu andern rechtöhiftorifchen Werken, wie „Das Bemgericht Weſtfalens“ (Haı
1825); „Die Dienfle” (Hamm 1828) ; „Der torveifche Büterbefig” (Lemgo 1831). In
nen: Werke „Uber Offentlichkeit und Mündlichkeit bed gerichtlichen Berfahrene” (Lemgo 18;
wurde eine Tagesfrage hiftorifch-Pritifch beleuchtet. Im I. 1828 übernahm er im Verein
Strombe die Bearbeitung und Herausgabe der vaterlänbifchen Provinzialcechte und erl
bald darauf vom Juſtizminiſterium ben Auftrag, die Provinzialgefegbücher für ben Obe
richtsbezirk von Paderborn zu entwerfen. Als Frucht diefer Arbeiten erfchienen „Die J
vinzialtechte der Kürftenthümer Paderborn und Korvei” (3 Bbe., Zpz. 1832) und „Die J
vinzialrechte des Fürſtenthums Winden, der Graffchaften Ravensberg und Rietberg, ber H
haft Rheda und bed Amts Nedenberg” (2 Bbe., Lpz. 1854). Unterbefien 1855 old St«
gerichtöbirector nach Weplar verfegt, erhielt er den Auftrag zur Bearbeitung eines Theile
Particularrechte der Rheinprovinz. An der Eontroverfe über die Echtheit de6 „Chronicon C
beiense” betheiligte er ſich mis der Schrift „Die korveifchen Gefchichtsquellen” (Apz. 18
und wies auch in einer Britifchen Ausgabe ber „Traditiones Corbeienses” (Lpz. 1843) de
Berfälfhung nad. Im J. 1839 wurde W. Mitglied ber von ber Deutſchen Bundes verſan
lung beſtellten Commiffion für Orbnung und Verwaltung des chemaligen Reichskamm
gerichtsarchivs und hat in diefer Stellung große Thätigkeit entwidelt. Nachdem zulegt bie B
desverfammlung bie ganze große Schriftfammlung nach einzeln angefertigten Regiflern uı
die verfehiedenen beutfchen Regierungen vertheilen ließ, hat er durch eine „Dentfchrift” auf
Geſchichte, ben Inhalt und bie Bedeutung bieſes Archivs aufmerkſam gemacht und zug!
246. Right Wilberforce
„Denkwürdigkeiten“ (Epz. 1854) heraudgegeben, bie fehr wichtige Beiträge für deutſche Staats⸗
und Nechtögefchichte enthalten. Im 3.1848 trat IB, in den Ruheſtand und wendete feitbemt
feine Muße ausfchlieglich Hiftorifchen Studien zu. In Ausficht geftellt find von ihm unter Au
bern „ Dentwürbige Beiträge für Gefchichte und Rechtsalterthümer“.
Wight, bei den Nömern Veclis, eine engl. zu Hampfhire gehörende Infel im Kanal,
in der geringen Gntfernung von I—3 engl. M. von ber engl. Küfte, ſüdweſtlich vor dem
Hafen von Portsmouth gelegen, hat einen Flächenraum von 6°, DM. mit 45500 €. und ift
ouf allen Seiten durch Kreldefelſen, die ſich ftellenmeife bis zu 600 8. erheben, Klippen und
Feſtungswerke gegen Angriffe gefichert. Der Flug Medham oder Medina theilt fie in zwei Hälf⸗
ten. Die Infel ift reich an Naturfchonheiten, berühmt wegen der gefunden und milden Luft
und wird wegen der großen Fruchtbarkeit an Gartenfrüchten, Hopfen und Getreide der Garten
Englands und die Kornlammer für die weitlichen Graffchaften genannt. Beträchtliche Schäfe
reien liefern eine gute Wolle, welche roh nach England gebradyt wird. Auch gibt es viele Ha-
fen und Kaninchen und einen Überfluß an Fifchen und Seevögeln. Außerdem gewimt man
Pfeifenthon, Marmor, Quadern u. |. mw. Die Infel zähle vier Städte. Die vorzüglichfte bar-
unter ift das gut befeftigte Newport mit 8050 E. und fehr befuchten Getreide und Wollmaͤrk⸗
ten. Nicht weit davon liegt das verfallene Schloß Carisbrooke mit einem 240 $. tiefen Brun-
nen. In diefem Schloffe faß Karl I, ver fich 1646 auf diefe Infel geflüchtet, 43 Monate lang
gefangen. Wichtig ald Anker⸗ und Zufluchtöplag ift die Mhebe von Cowes, eines an der Rorb-
küſte gelegenen Städtchens und Badeorts mit 4800 E. auf ber fi) gewöhnlich die engl. Kriegk⸗
flotten im Kanal fammeln und eine Menge Hanbelsfchiffe anlaufen, fowie auch Hier häufig
Schiffowettfahrten veranftaltet werben. In der Nähe von Comes liegt das Schloß Osborne⸗
Houſe, ber Sommeraufenthalt der Königin Victoria. Die Luft ift hier äußerft gefund und bie
Lage, welche an die von Stolzgenfeld am Rhein erinnert, gewährt eine entzückende Rundficht.
Südoſtlich vom Schloffe liegt der Babeort Mybe.
Wigton, Wigtown oder Weſt ˖ Galloway, die weftlichfte Grafſchaft Südſchottlands, im
S. und W. vom Meere begrenzt, durch welches dieſelbe von dem nur fünf M. entfernten Ir⸗
land getrennt und mittels der Ryan⸗, Luce⸗und Wigtonbai halbinſelartig zerſpalten wird, hat
ein Areal von 24 AM,, von denen ber dritte Theil zur Feldwirthſchaft benutzt iſ. Die Ober⸗
fläche ift Hügelig, aber ohne beträchtliche Höhen; der Larg erhebt ſich 1642, der Cairnsmuir
41663 8. Die weftliche Halbinfel, Ahynns oder Rynns of Galloway genannt, endet im Sü⸗
den mit dem Mull of Galloway, in Norden mit dem Cap Corfewall. Kleine Seen und Flüfſe,
wie ber Eree, Bladenoch und Luce, geben Bewaͤſſerung. Der Boden befteht wenigftens zum
britten Theil aus Mooren, erift an ben Küften und da fruchtbar, wo man bie erſt 1730 entdediten
ungeheuern Mergellager zu feiner Verbefierung benugt hat. Das Klima ift mild. Dan baut
date und Gerfte, auch etwas Weizen, in größerer Ausdehnung aber Kartoffeln und Zumips.
ie Viehzucht ift indeß wichtiger ald der Aderbau. Das Gallowayrind ift hornlos (Polled
breed) und gehört zu ben beften Racen Schottlands ; Schafe werden in mehren Varietäten ge
. zogen und geben zum Theil eine feine Wolle. Man bricht Schiefer und Marmor ; auch gibt es
Kupfer, Biei und Kohlen. Indeß ift der Bergbau, wie auch die übrige Induftrie, ohne Bedeu⸗
tung. Die Graffchaft zählt 45255 €. (1851). Die Hauptfladt Wigton oder Wightown, an
ber gleichnamigen Bai, ift ein Borough und Dafenort mit 2232 E. Wichtiger iſt Stranvaer,
ein Flecken an der Bucht Loch⸗Ryan, mit 5738 E., einem Dafen, lebhaften Handel, befonder®
mit Getreide, beträchtlichen Leinwand- und Baummwollmmanufacturen, einträglichem Deringe«
und Aufternfang. Das Hafenftädtchen Portpatrit, als Überfahrtsort nach Irland wichtig,
bat au Schiffsbau, Handel mit Rindvieh und Pferden und ein Seebad.
Wilberforce (Will.), ein befonders durch feine Bemühungen für die Abfchaffung ber Ne-
gerfflaverei berühmter Engländer, wurde 24. Yug. 1759 zu Hull geboren. Durch den Tob
feines Oheims und Großvaters Herr eines fehr bedeutenden Vermögens, fludirte er zu Game
bridge und ſchloß hier eine enge Freundſchaft mit Pitt. Im 3. 1780 trat er für feine Vater⸗
ftadt ind Unterhaus, wo er die Abfchaffung der Sklaverei zum Ziele feiner parlamentarifchen
Wirkſamkeit machte. In der Seffion von 1789 trug er, von For, Pitt, Smith und andern an⸗
geſehenen Rednern unterflügt, auf Unterbrüdlung bes brit. Negerhandels an, erlangte aber nur
eine Berordnung für die menſchlichere Behandlung der Negerfllauen auf der Überfahrt. Als
bie Sranzöfifhe Revolution ausbrach, erklärte er fich gegen den Krieg und fah in den Prindpien
ber großen Ummälzung einen Kortfchritt ber Menfchheit. Die Gefepgebenbe Berfammlung In
Frankreich ſchenkte ihm dafür 1792 das franz. Bürgerrecht. Schon 1790 brachte W. die Skla⸗
Bild (dat) Bild Granz) 34
venfrage abermals vor dad Haus, fegte aber erft 3792 den Beſchluß durch, nach welchem ber
Sklavenhandel 1795 aufhören follte. Der Krieg und die gefährdete Lage ber Eolonien ließen
indeſſen die Maßregel diesmal nicht zur Ausführung kommen. Seitdem Bonaparte in Kran
reich die Regierungdgewalt erobert, unterftügte W. die Minifter in der Kriegspolitit. As 1808
der Minifter Kor die Stlavenangelegenheit zur Sache der Regierung machte, hatte WB. endlich -
die Freude, daß In der Sigung vom 23. Febr. 1807 die Unterbrüdung des brit. Sklavenhan⸗
deis, vom 8. Jan. 1808 an, ausgefprochen wurde. Rach biefem Siege fuchte er bie brit. Regie-
rung zum Einfchreiten gegen den Menfchenhandel anderer Nationen zu bewegen. Auf feine
Veranlaffung brachte Caſtlereagh die Abfchaffung der Sklaverei auf.dem Eongreffe zu Wien
ur Sprache. Desgleichen richtete IB. eigenhändige Schreiben an Kalleyrand, den König vom
reußen und ben Kaifer Alerander. Nach Abſchluß der Verträge, in welchen ſich Frankreich,
Spanien und Portugal zur Abftellung des Negerhandels verpflichteten, erhob er im Parlament
oft feine Stimme gegen die Übertretungen, bie fi die Regierungen mie die Privaten zu Schul⸗
den Fommen ließen. Im J. 1816 that er den erſten Schritt zur Abfchaffung der Sklaverei
fetbfi, indem er die Verminderung der Neger im brit. Weſtindien vorfchlug. Sn berfelben
Sitzung half er Folkfione und Tierney gegen die Einfommenfteuer (Income-tax) kämpfen und
hielt 18. März eine berühmte Rede, die einen beifpiellofen Beifallefturm erregte und unmittel-
bar die allerdings fchon im Intereſſe der befigenden Slaffen liegende Abfchaffung der Steuer
berbeiführte. Als die Regierung feit 1823 die vollige Emancipation der Neger Schritt für
Schritt vorbereitete, entfaltete ZB. den größten Eifer, um das Werk gegen bie vielen und maͤch⸗
tigen Feinde bucchführen zu helfen. Mit feinen Freunde Buzton (f. d.) unterwarf er bie Frage
im Unterhaufe der allfeitigften Betrachtung und fammelte das unermeßliche Material, aus wel-
chem die Gegner nur widerlegt werben konnten. Doc follte es W. nicht vergönnt fein, das Re»
fultat feiner Beftrebungen zu erleben. Am Tage, nachdem ber Negierungsantrag für die allge-
meine Befreiung ber ſchwarzen Bevölkerung in den brit. Colonien die zweite Leſung erhalten,
ſtarb W., 29. Juli 1833. Er war ein echt religiöſer Charakter und veröffentlichte das Buch
_ „Practical view of the prevailing religious system of professed Christians in Ihe higher and
middle classes of this country, contrasted with real Christianity” (Xond. 1797 und öfter),
welches in mehre Sprachen überfegt wurde und namentlich in ben höhern Kreifen großen Ein-
drud machte. Die Bibelgefellfchaft, die Miffionen und alle Anftalten, die zur Kräftigung des
Chriſtenthums bienen Eonnten, hatten an ihm einen eifrigen Beförberer. Sein Leben, nebfl
Auszügen aus feinem Kagebuscche und feiner Gorrefpondenz, wurde von feinen Söhnen Robert,
Iſaak und Samuelin fünf Bänden herausgegeben. — Bon ben Söhnen W.'s widmeten fich vier
dem geiftlichen Stande und nahmen einflußreiche Stellungen in ber engl. Staatskirche ein. Der
ältefte, William, trat bald nach Ausbruch des pufeyitifchen Schisma zum Katholicismus über;
ihm folgte Henry, Vicar von Farleigh, der fich nachher durch feinen profelgtifirenden Eifer be»
merfbar machte und 1851 zum Secretär bes Bath. Schugvereins in Irland erwählt wurbe. Ro-
Bert W., Archidiakonus von York, geb. 1801, galt Iange Zeit für eine der Hauprflügen des
Puſeyiſsmus und gab In feinen Werken „The fire empires‘ unb „History of Erastianism”
Anſichten zu ertennen, die mit den Brundfägen des Proteftantismus im Wiberfpruch flanden.
Nachdem er noch in einer Schrift „On the holy eucharist” bie Xehre von der Transfubftantia-
tion offen vertheibigt und deshalb von dem Erzbifchof von Banterbury zur Rechenſchaft gezo-
gen worden, legte er fein geiftliches Amt nieder und ließ fih Det. 1854 in die kath. Kirche auf-
nehmen. Samuel W., geb. 1805, flubirte zu Oxford, mo er 1829 promovirte, wurbe dann
Pfarrer zu Brighſtone, Archidiakonus von Surrey und 1845 Bifchof von Orforb. Als theo⸗
logiſcher Schriftfteler zeichnete er ſich durch Fruchtbarkeit aus. Unter feinen Werken find „Aga-
thos‘, „Eucharistica”, „Note-book of a country clergyman”, „Sermons of miscellaneous
subjects” zu nennen. Obgleich Batholifirender Beflrebungen verbächtig, hat er ed doch vermie -
ben, fi) durch zu offenes Hervortreten zu compromittiren, und konnte daher feine Stellung In
der Anglitanifchen Kirche beibehalten. Seit Nov. 1847 iſt er auch Großalmoſenier der Königin.
Wild, ſ. Jagd; Wildbann, Wilddiebflahl, Wildfchaden, f. Jagdgeſetzgebung
und JagbhoBeit. .
Wild (Franz), Opernfänger, geb. zu Hollabrumn in Riederöftreich 1792, wurbe früh Chor⸗
knabe In Kiofter-Reuburg und fpäter Saͤngerknabe an der Höfkapelle zu Wien. Nachdem er
1809 den Übergang zum weltlichen Gefange durch feine Anftelung bei der Eſterhazy'ſchen
Privatlapelle zu Eifenfladt gefunden, ging er 1814 zum Theater an der Wim und wurde fon
1813 als erfler Tenoriſt beim Hofoperntheater zu Wien angeflellt. Ex gaflirte 1816 in Berlin
248 Bilde Wildbad
und kam 1817 ale Kammerfänger nad Darmfladt. Sein Ruf flieg in jener Zeit fo, daß Oſi⸗
reich, als WB. dem Rufe zur Rückkehr ind Vaterland nicht folgte, feine Auslieferung verlangte,
die jedoch Heſſen⸗Darmſtadt entfchieden verweigerte. Als die Blütezeit der darmfläbter Oper
vorüber, ging WB. 1826 nach Paris und fang an ber ital. Oper mit glängendem Erfolge; dann
nahm er ein Engagement in Kaffel an. In Folge der kaffeler Theaterzuftände kehrte er indeffen
1830 nach Wien zurüd, wo feine Aufnahme in wahren Fanatismus ausartete. Obſchon biefe
Zeit ben Höhepunkt feines künſtleriſchen Wirkens bildete, blieb er doch bis 1847 beim Kärnt-
nerthortheater in Wien angeftelle und gab aud während der Serien Gaftfpiele in München,
Dresden, Berlin und Petersburg. Nachdem er 1847 das Kärntnertbortheater verlaflen, zog er
fih 1848 ins Privatleben zurüd. Er lebte feitbem zu Oberböbling bei Wien von ben Einkünf⸗
ten feiner Befigungen. Wenn ein mächtiger Stimmfonds und die Kunft, denfelben aufs kunſt⸗
gerechtefte zu verwenden, alle Exfoderniffe eines dramatiſchen Sängers find, fo war W. ber
größte Tenorift, welchen Deutfchland gehabt hat. An Umfang, Wohlklang und Kraft der
Stimme hat er Alle übertroffen; fein Ton hatte eine unglaubliche Fülle und Gewalt; er er⸗
ſchütterte Durch feine Stärke und berubigte durch feine außerordentliche Sicherheit und Klarheit.
Auch verftand W. zu fingen wie Wenige, nicht nur fireng nach den Regeln der Schule und mit
äußerft geſchickter Handhabung feiner großen Mittel, fondern auch mit Gefühl und Empfindung,
ja oft mit hinreißender Leidenſchaft; befonders war fein Vortrag des Mecitativs von feltener
Vollkommenheit. Aber wie hinreißend er auch Partien, wie Othello, Kicinius und Severuß
fang, blieb er doch ein minder vorzüglicher Darfteller.
Wilde (Wild. Eduard), ordentlicher Profeffor des deutfchen Rechts zu Kiel, geb. 17. Aug.
41800 zu Altona, ſollte anfangs Kaufmann werden, faßte aber 1816 ben Entſchluß, fich dem
gelehrten Studien zuzumenden. Er befuchte das Johanneum zu Hamburg, bezog 1821 bie
Univerfität zu Göttingen und hörte hier Hugo's und Meiſter's, insbefondere aber Eichhorn'b
Borträge über deutfche Nechtsgefchichte, in denen feine Studien ihre Richtung empfingen.
ef ftudirte er noch zwei Jahre lang in Heidelberg unter Ehibaut, Mittermaier und Schlof
er, erhielt dafelbft Die juriflifche Doctorwürde und ging dann nach Kiel und Kopenhagen, um
fich mit dem nord. Rechte bekannt zu machen. Nachdem er feit 1826 Deutichland, die Schweiz
und Frankreich bereift, begann er in Hamburg als Abvocat zu prafticiren. Seine Neigung jur
alademifchen Laufbahn beftimmte ihn jedoch, fih 1851 in Halle zu habilitiren. Schon nach
wenigen Monaten wurde er zum außerorbentlihen Profeſſor ernannt. Im J. 1842 folgte er
dem Rufe zu einer ordentlichen Profeffur nach Bredlau, die er 1854 mit einer ſolchen zu Kiel
vertaufchte. ZB. nimmt unter den Germaniften einen hohen Rang ein. Wie kaum ein Anderer
weiß er, unterftügt Durch tüchtige Kenntniß ber nord. Sprachen, die german. Rechtsinſtitute in
ihrer Ziefe zu erfaffen und den Zufammenhang und die Einheit ihrer Quellen zu vermitteln.
Diefes glänzende Talent bewährte er ſchon in feiner erften Schrift „Das Gildenwefen im Mie-
telalter” (Halle 1831; 2. Aufl., Berl. 1838), welche die Phafen der Entwidelung dieſes
ganz aus german. Anfchauungen bervorgegangenen Inſtituts von feiner Begründung zum
Zwecke genoffenfchaftliher Bewahrung ber Rechte der Freien bis zu feinem Übergange in ben
Begriff der Handwerközünfte zuerft entwickelt hat, und nicht minder in. feinem „Strafrecht der
Germanen“ (Halle 1842), dem zweiten Theil einer lange vorbereiteten „Gefchichte des beut-
[hen Rechts“. Nächfidem erwarb er ſich ein Verdienft durch die feit 1839 von ihm mit Rey
her herausgegebene „Zeitfchrift für deutſches Necht”. Unter ben von ihm gelieferten Beiträ-
gen zu derfelben find beſonders die Unterfuchungen über dad Pfündungsrecht, über Spiel und
Wette, über Gewiffensfreiheit Hervorzuheben. Auch Weiske's „Rechtslexikon“ enthält mehre
Ihägbare Arbeiten von ihm.
Wildbad, ein Städtchen im Dberamte Neuenbürg des würtemberg. Schwargmaldfreifes,
in einem engen, wildromantifchen, von der Enz durchſtrömten Thale, hat ein königl. Schloß,
23550 E., unterhält Papier, Holzwaaren und Pottafchfabriten, ſowie Holzflößerei und wird
wegen feiner altalifchen Mineralquellen, die einen Wärmegrad von + 25618 30’ R. haben, je-
ben Sommer von ungefähr 2000 Babegäften befucht, welche hier bei Hüftweh, Podagra, der
fhiedenen Hautkrankheiten, Rheumatismen und Keberverhärtungen Heilung ſuchen. Die
Quellen find feit früher Zeit in Gebrauch und die Anftalten Haben neuerdings viel zwedmäßige
Umgeftaltungen erfahren. Bon ben vielen romantifchen Partien, welche die Umgegend bietet,
iſt beſonders der Wilde ee zu nennen, beffen Waffer ohne fihtbaren Ab- und Zufluß innmer
baffelbe Niveau zeigt. Vgl. Kerner, „Das W. in Würtemberg” (3. Aufl, Züb. 1852);
Brider, „Die Heilträfte ber warmıen Quellen zu W. in Würtemberg” (2. Aufl. Stuttg. 1840).
Wilde Jagb 39 '
Wilde Jagd, Wüthende Jagd, Wildes Heer, Wüthendes Deez, Nachtgejeib, Nee
fäger, Helljäger u. |. w. nennt das Volk in Deutfchland ein nächtliches Zofen in der Luft, wie
don einem mit Jagdrufen und Hımbegebell über Wälder, Felder und Ortfchaften dahinbrau⸗
fenden Geifterheere. Die Sagen vom Wilden Jäger find ebenfo zahlreich als weit verbreitet,
ebenfo mannichfaltig im Einzelnen als übereinflimmend in den Grundzügen und berühren fi
vielfach bald mit uralter Götter⸗, bald mit Heldenfage. Am augenicheinlichfien liegt bie eine
Hauptwurzel derfelben zu Tage in dem noch heute in Niederdeutfchland üblichen Husbrude de
Wode tüt oder Wode jaget, d. i. Wodan, der einherzieht an ber Spige feiner Schlachtjung-
frauen, der Walkyrien (f. d.), und ber Einberjar ober aller auf dem Gchlachtfelde gefallenen
Helden, vielleicht auch begleitet von feinen Wölfen, die nad dem Mythus nebft feinen Raben
als ftreitluftige, tapfere Thiere dem Kampfe folgten und fi auf bie Keichen der Gefallenen
flürgten. Etwas verdunkelter ſchon ift die in der Prignig vorfommende Benennung frau Gode,
welche ſich aus dem nicht mehr verflandenen frö Gude, d. h. Herr Woban, entwidelt hat. Durch
das Chriſtenthum waren bie heidnifchen Götter nicht gänzlich aus der Borftellimg des Volkes
verdrängt, aber aus dem freundlichen Verkehre mit ben Menfchen verwiefen und zu Gefpenftern
und Zeufeln herabgedrückt worden ; doch Laffen ſich noch überall die göttlichen Züge deutlich er⸗
Eennen. Wie der Himmelsgott Wodan, der. Derr aller Luft und Wettererfcheinumgen und folg-
lich auch ber Stürme, zu Roffe gedacht wurde und bekleidet mit einem breitfrempigen, das Ge⸗
ficht befchattenden Hute und einem weiten dunkeln Dantel, fo erſcheint auch der Wilde Jaͤger in
Hut und Mantel zu Pferde, jegt aber am Kreuzwege ſtürzend und jenfeits fich wieder aufraffend,
und begleitet von Geiftern anderer Art, unter denen man zumeilen jüngft verflorbene Perfonen
zu erfennen geglaubt hat, von Truntenbolden, Selbſtmördern und andern Gewaltthätern, die
oft ohne Köpfe ober in anberweiter graufer Verſtümmelung einherziehen. Nur felten noch zeigt
er fich dem begegnenden Wanderer mildthätig; gewöhnlich bringt er Schaden ober Verberben,
zumal dem Vorwigigen, ber ihn anruft oder in bie Jagdſchreie einſtimmt; wer aber in der Witte
der Landſtraße verharrt, oder ausweichend auf ein Saatfeld tritt, ober fich ſchweigend zu Boden
wirft, entgeht der Gefahr. An Wodan’s Stelle find in vielen Gegenden Helden ber ältern oder
jüngern Volksſage getreten, fo in der Rauftg und im Orlagau Berndietrich (Dietrich Bernhard,
Dieterbenada), d. i. Dietrich (ſ. d.) von Bern, in Nieberheffen Karl d. Sr. ober Karl V., in
England König Artus, in Dänemark König Waldemar oder gar König Chriftian H., auf Für
nen Palnejäger, d. i. Palnatoki, u.f.w. Auch Hat der Mythus fich in neuerer Zeit ſagenhaft
an verfchiedene Jäger und Jagdliebhaber geknüpft, die zur Strafe ihres übermüchigen und
maßlofen oder gar fünblichen und ruchlofen Treibene, zumal auch für die Entheiligung bee
Sonntags dazu verbanımt worden feien, als Nachtjäger oder als Begleiter deffelben umzuzie⸗
hen. Namentlich gehen in Niederbeutfchland viele folcde Sagen von einem Hakkelberend (Hadel-
berg, Hadelblod, Hadmefter, Rakebrand, Habsberg, Förfter Bärens), deffen Grabftätte auch
an mehren Orten gezeigt wird. Doch fchon der bloße Name führt wieder auf den Mythus von
Wodan zurüd; denn Hakkelberend heißt buchftäblich der Mantelträger (von althochdeutfch
hahhul, altnoxrd. hökull oder hekla, angelfächf. hacele, Gewand, Mantel, Rüftung, und beru,
tragen). Das Erfcheinen des Wilden Jägers ift zwar nicht an eine beflimmte Zeit ge
knüpft, doch zeigt er ſich am häufigfien und regelmäßigften in ben Zwölften. Außer auf
Wodan leiten einige Spuren in den Sagen au auf ro (Freir). Eine andere Auffaſ⸗
fung des Wüthenden Heeres zeigt fich beſonders in der thüring. und mansfeld. Sage. Hier fuhr
er, auch bie ungetauft verfiorbenen Kinder in fich begreifend, im Geleite der Frau Holla alljähr⸗
lich auf Faftnachtödonnerstag vorüber, und da verfammelte Volk wartete feiner Kunft, als folle
ein mächtiger König einziehen. Vor dem GBeifterhaufen aber trat ein alter Mann einher mit wei»
Bem Stabe, der Getreue Eckhart (f. Zanhäufer und Vennsberg), ber bie Leute aus dem Wege
weichen, einige auch heimgehen hieß, damit fie nicht Schaden nähmen. Das ift die unter verfchie
Denen Ramen erfcheinende milde Göttin, die Gemahlin Wodan’s, welche zu heiliger Jahreszeit
ins Land einzieht. Ihre Milde zeigt ſich auch da, wo fie ald Frau Gaude am Kreuzwege, den
fie gleichfalls nicht ungefchädigt überfchreiten kann, ein Stüd an ihrem Wagen bricht und bem
hülfreichen Menſchen für die Ausbefferung mit den abgefallenen Spänen oder andern unfcheine
baren Gaben lohnt, die fich daheim in Gold verwandeln. Auch diefeb Heer der Holla ober Berch⸗
tha liebt die Zwölften. Eine dritte Art ber Wilden Jagd, weiche mehr einem Kriegszuge oder
Kampfe gleicht, ift in den Sagen weniger entwidelt und verbreitet. Im Allgemeinen geht ber
Mythus vom Wüthenden Heere über alle german; Ränder und findet fi auch in Frankreich
und ſelbſt in Spanien. In Niederdeutſchland bat er ältere und reinere Züge bewahrt als im
0 Bildenfels Bild-, Rhein: und Raugrafen
Oberbdeutſchland. Berührung mit celtifcher Mythologie ift wahrſcheinlich, mit ſlawiſcher wicht
erfichtlih. Bol. Jak. Grimm, „Deutfche Mythologie” (3. Aufl., 2 Bde, Gött. 1854).
- Bildenfels, eine fühl. Standesherrſchaft im Kreisditectionsbezirt Zwickau, etwa “OLD.
wit 8500 E. umd der gleichnamigen Stadt an der Mulde, mit 2900 €. und einem Schloffe, hatte
. früher eigene Dynaften von Wildenfels, die ſchon im 12. Jahrh. bei Meißen, dann bei Sachfen zu
Zehn gingen, aber ihre Beiträge zu den Reichslaſten unmittelbar an das Reich zahlten, bid diefe
Kurfachfen1549 zur Vertretung übernahm. Nach dem Ausfterben diefer Dynaftie mit Fried»
rich 1602 fiel die Herrfchaft W. an die Sonnenmwalder oder eigentlich ſächſ. Linie der Grafen
von Solms, bie aber 1625 ebenfalls im Mannsflamme erlofh. Mit Sonnenwalde kam au
die Herrfchaft W. an die Linie Solms-Raubach, in ber durch den Grafen Heinrich Wilhelm
(geft. 1741) die Nebenlinie Solms -Wildenfeld zu Wildenfels gefliftet wurde, die noch
jetzt im Beftg von W. ift. Zufolge eines Receſſes von 1706 war die Herrfchaft WB. dem Kurs
fürſtenthum Sachſen nur hinſichtlich der Grenzacciſe und Salgregie, der Truppenverpflegung
und Einquartierung unterworfen; für alle andern Abgaben wurden 500 Thlr. gezahlt. Durch
Vertrag von 1846 iſt aber die Herrfchaft gegen eine Entfchäbigung von 112000 Thlrn. in Hin⸗
ficht der Abgaben und Steuern mit den übrigen fächf. Zandestheilen ganz gleich geftellt worden.
Wild⸗, Ahein- und Raugrafen waren bie Feudaltitel mehrer der älteften weſtdeutſchen
Dynaftengefchlechter, bie eine große Zahl zerftreuter Burgen und Güter von der Nheinpfalg
ab über den Dundsrüd, an der Nahe, dem Simmern, Kyr bis nad Winſtingen, Püttlingen,
Salm am Wasgau und tief in Rothringen hinein befaßen. Erſt im Kaufe des Mittelalter& ver»
erbten diefe verfchiebenen Zitel zugleich mit den Burgen und Gütern auf Einen Stamm. Die
Rheingrafen im Rheingau kommen ficher fchon zu Anfange des 12. Jahrh. vor, und bald darauf
wird ein Wildgraf Emich II. von Schmidburg am Hundsrück ermähnt, deffen ältefter Sohn .
Konrad den Titel Wildgraf führte, während der jüngere, Emich, mit bem Titel Raugraf (f. d.)
bie Güter bei Altfimmern und Stromberg erhielt. Frühzeitig entftanden durch Verheirathun⸗
gen der Nachkommen der benachbarten Dynaften neue Linien, wie denn ſchon frühzeitig die
Bildgrafen in die Linien Kyrburg, Schmibburg und Dhaun fich theilten. Die Rheingrafen
bielten fich zu dem Erzſtift Mainz, wo fie bald, wie auch zu Worms und Strasburg, zu hoben
Ehrenftellen befördert wurden; bie Wildgrafen dagegen lagen in Streitigkeiten mit Rothringen,
Trier und Köln und büßten babei manche Befigung ein. Schon bes Wildgrafen Johann vom
Dhaun Schweſter, Hedwig, war mit dem Rheingrafen Sohann I. zu Stein vermählt; ihr
Sohn, ber Nheingraf Johann I. beerbte 1347 feinen kinderloſen Oheim zu Dhaun. Io
hann II. vermählte ſich mit der Wildgräfin Margaretha zu Kyrburg, mit deren Bruder Dtto
41409 das wildgräflihe Geflecht im Mannsftamme erlofh, worauf Johann's II. Sohn,
Johann III., der mit der einzigen Erbtochter des wilbgräflichen Haufes vermählt war, ben größ⸗
ten Theil der Güter dieſes Haufes in Befig befam. Mit Sohann’s III. Enkeln begannen neue
Theilungen und mannichfache Familienirrungen; zu Anfange bes 15. Jahrh. gab es wieder
“ drei Afte der Wild⸗ Rhein⸗ und Raugrafen zu Zroneden, zu Dhaun und zu Kyrburg. Auch
war die halbe obere Brafichaft Salm im Wasgaugebirge, mit ben Schlöffern Salm und Lan⸗
genftein, bucch die Vermählung ber Exbtochter des gräflihen DHaufes Salm mit dem ZBild-
Nhein⸗ und Raugrafen Johann V. nad) dem Tode ihres Vaters, der Feine männlichen Erben
hinterließ, 1475 dem alten Erbe nebft andern Xehen in Meg und in Lothringen zugefallen.
Johann's VI. Söhne, Philipp und Johann VIL., theilten 1514 das väterlihe und mütterliche
Erbe und es erhielt Philipp die Grafſchaft Dhaun, Nheingrafenftein im jegigen Rheinheſſen
und Saln mit ben Zehen von Meg und Lothringen, Johann VII. aber Kyrburg nebft den
Herrfchaften in Deutfeh-Rothringen. Die feit 1485 erworbene Herrfchaft Winftingen (F6-
nestrange) und der Heimfall des Aſtes von Tronecken, ber 1533 erfolgte, blieben gemeinfchaft«
ih. Der Wild- und Mheingraf Philipp ftarb 1521 und Hinterließ zwei unmündige Söhne,
Spilipp Franz, geb. 1518, und Jobann Philipp, geb. 1520. Der Kurfürft Ludwig von der
Pfalz wurde nach des Vaters Beftimmung ihre Vormund. Philipp Franz fludirte, wie es
ſcheint, zu Heidelberg, und früh fand zum Theil durch ihn die neue Lehre Eingang in feiner
Herrſchaft; Johann Philipp ging 1538, ungeachtet feiner Hinneigung zu Luther's Lehre, an
den franz. Hof, wo er fich, unbefümmert um feine Achtung durch den deutfchen Kaifer und um
den Verluſt feiner Büter, 1543 unter den Fahnen Frankreichs an bie Spige beutfcher Söldner
ftellte. Philipp Franz ftarb 1561 und fein Bruder Johann Philipp 1566. Sein Neffe Jo⸗
hann Philipp ftarb bald darauf in der Schlacht von Moncontour, und fein Anfehen und feinen
Einfluß erbte fein Bruder, ber Rheingraf Friedrich, geb. 1547, welcher der Stifter ber Linie
Bildſchwein Bilhelm von Holland 351
Salm (f. d.) war, wieder zur Path. Kirche ubertrat und durch den deutfchen Kaifer die fürſtliche
Würde erhielt. Wild und Rheingrafen zu Kyrburg fochten im Breißigiährigen Kriege im
Dienftie Guſtav Adolf's und der Krone Schweden; Mheingraf Otto Ludwig gab nach ber
Schlacht bei Nördlingen bie Veſten und Städte des Elſaß an Frankreich und ſtarb bald nachher
1634 ; fein Bruder Johann Philipp fiel 1638 in dem erften Treffen bei Rheinfelden ; Rhein⸗
graf Dtto, ſchwed. Statthalter, farb zu Strasburg 1637. Gegenwärtig führt den Titel Wild⸗
und Rheingrafen nur noch die Grumbachſche Linie des Haufes Salm, die, nachdem fie für bie
verlorenen Güter jenfeit bes Rhein 1805 mit dem münfterfchen Amte Horftmar entfchädigt
werden war, 1817 unter dem Zitel Salm Horſtmar vom Könige von Preußen in den Für⸗
ftenftand erhoben wurde, aber neben dem fürfilichen den alten Titel fortführt.
Bildfhwein, ſ. Schweine.
Wildungen ift der Name ziveier nahe beieinander gelegenen Städtchen im Fürftenthum
Waldeck. NRiederwilbungen ift befonders bekannt burch feine trefflichen Mineralquellen, weiche
wirkſam find in Krankheiten ber Abfonderungsorgane, bei Gries⸗ und Steinanlage, Berfchlei-
mung des Unterleibes u. |. w. Bon dem Mineralwaſſer werden jährlich 60 — 70000 Flaſchen
ausgeführt. Das Bad war bereits im 16. und 17. Jahrh. fehr befucht, gerieth aber ſeitdem
mehr und mehr in Vergeffenheit. Erſt in neuefter Zeit, befonders feit von Hufeland das Waſ⸗
fer empfohlen wurde, hat fich ber Befuch wieder gehoben, und man hat Anſtalten getroffen, um
das Bad wieder zu Anfehen zu bringen. Die Natur der Umgebung bietet viele Schönbeiten.
Die Stadt felbft zähle etwa 2000 E. und befigt ein Waiſenhaus und Hospital. In der Kirche
befindet fich ein dem Grafen Joſias von Walde von ber Republik Venedig errichtetes Denk⸗
mal. Das Oftern 1850 dort begründete Vorfeminar ging im Herbſt 1854 wieder ein. Bol.
Dresed und Wiggers, „Die Mineralquellen bei W.“ (Gött. 1835); Fifcher, „ZB. und feine
Umgebungen” (Didenb. 1838); Kunsler, „Uber Eigenfchaft, Heilkraft und Gebrauchsweiſe
des Wildunger Dineralwaflers” (Urolfen 1841; 2. Aufl., 1848). Das 10 Minuten entfernte
Städtchen Altwilbungen hat ein fürftliches Schloß, das bereitd 1247 genannt wird.
Wildungen (Karl Ludw. Eberh. Heinr. Friede. von), geiftreicher Forſtmann und Dichter,
geb. 24. April 1754 zu Kaffel, ward nach Beendigung feiner furiftifhen Studien 1776 Bei-
figer bei der Regierung zu Kaſſel, gab aber diefe feinen Neigungen nicht zufagende Stellung
4778 wieder auf und warb Befellfchafter de& Herzogs von Naffau-Ufingen, der ihm 1780 den
Charakter als Regierungsrarh verlieh. Im I. 1787 trat er ald Regierungsrath zu Marburg
wiederum in beff. Dienfte. Neben feinen Berufsarbeiten fich eifrig dem Studium der Forſt⸗
wiffenfchaften und dem Jagdbetriebe wibmend, erfolgte 1799 feine Ernennung zum Oberforft-
meifter in Marburg. In legtere Stellung trat er auch 1813 wieder zurüd, nachdem er feit 180€
unter ber weflfäl. Regierung ald Conservateus des eaux et des foräts gewirkt hatte. Er flarb
45. Juli 1822. Durch feine zahlreichen Lieder und Gedichte ift Wes Name noch gegenwärtig
allen Korftleuten und Jagbfreunden in gutem Andenken. Außer den „Liedern für Forſtmänner
und Jäger” (Epz. 1788 und öfter), bie auch unter dem Namen „Grünes Befangbuch” bekannt
find, verdienen von feinen Schriften befondere Erwähnung: ‚‚Neujahrsgefchen? für Forft- und
Jagdliebhaber“ (6 Bochn, Marb. 1794— 99), welches unter dem Zitel „Zafchenbuch für
Forſt⸗ und Jagdfreunde” (8 Bdchn., Marb. 180012) und „Weidmanns Feierabende”
(6 Bochn. Marb. 1815 — 22) fortgefegt wurde.
Wilhelm von Holland, deutfcher König, 124756, geb. 1227, der Sohn des Grafen
Florent von Helland, folgte 1234 dem Vater in der Grafſchaft. Als nach dem Ableben bes
beutichen Königs Heinrich Maspe (f. d.) 1247 jeder Ritter in Deutfchland ſich fchämte, die
vom Pupfte Innocenz IV. ausgebotene beutfche Scheinkrone anzunehmen, und Dito von Gel⸗
dern, Heinrich von Brabant, Richard von Cornwallis und Hakon von Norwegen fie ausge
fhlagen hatten, fiel der Papft auf den kaum 20jährigen Grafen Wilhelm von Holland, um ihn
dem Kaifer Sriebrich II. und befien Sohne Konrad IV. als Gegenkönig aufzuftellen. IB. wurbe
Im der That gewählt und 1248 in Aachen gekrönt. Da indeß die größte Maffe der Stände fi
für Friedrich 11. erlärte, fo mußte er, ohne etwas gegen dieſen ausrichten zu können, wieder
nach Holland zurückkehren. Exft nachdem Friedrich 11. 1250 geftorben und fein Sohn Konrad
genöthigt war, nach Stalien zu eilen, um dieſes für fich zu retten, gewann W. durch Gnaben-
bezeugungen und Belehnungen in Deutfchland einigen Anhang, während er von ber Mehrzahl
verachtet wurde. Als jedoch Konrad IV. in Italien 1254 ftarb, erfannten faft alle deutfchen
Fürften W. als König an, der fih 1252 mit Eliſabeth von Braunſchweig vermählt hatte. Im
J. 1256 fiel er im Kampfe gegen die Briefen.
252 Wilhelm der Eroberer
Wilhelm der Eroberer, König von England, 1066—87, Stifter der engl.-normann.
Dynaftie, geb. 1027, war ber natürliche Sohn Robert's II. (f.d.) bed Teufels, Herzogs von ber
Normandie, und einer ſchönen Kurfchnerstochter, Arlete oder Arlotte, aus Falaife. W. erhielt
feine Erziehung bei Hofe, zeigte früh die gewaltigen Eigenfchaften des Vaters und wurde 1033,
als Robert feine Pilgerfahrt antrat, von den zu FFcamp verfammelten Ständen als rechtmäßiger
Nachfolger in der Normandie anerfannt. Auf die Nachricht von des Vaters Tode wollten ihm
Verwandte und Bafallen das Herzogthum entreifen. Der junge W. fand jedoch an feinem
Lehnsherrn und Vormund, Heinrich I. von Frankreich, eine fräftige Stüge. Im Alter von 199.
ergriff W. felbft die Herrfchaft, bändigte feine Vaſallen, heirathete die Tochter des Grafen von
Flandern und mar bald der Schrecken ber Beinen Fürften. Selbſt ber König ſah jegt einen ge
fährlichen Nebenbuhler in ihm und fuchte ihn, wiewol vergebens, zu fchmächen. Im J. 1051
befuchte IB. feinen Verwandten, Eduard den Belenner, König von England. Derfelbe hatte
lange als Verbannter in ber Normandie gelebt, liebte normann. Weſen und foll ihm in Erman-
gelung eigener Nachkommenſchaft die engl. Krone verfprochen haben. Als Eduard 5. Jan.
1066 farb, mußte fich jedoch, mit Übergehung Edgar Atheling's, des legten Sprößlings aus
angelfächf. Königsſtamme, der angefehene Graf Harold von Weſſer den engl. Thron anzueig⸗
nen. W. gewann den Papft für feinen Plan und fuchte anfangs Harold durch Unterhandlun«
gen zu befeitigen. Als dieß midlang, fammelte er ein Heer von angeblich 60000 Mann, landete
mit bemfelben 27. Sept. 1066 zu Pevenfy bei Haſtings und lieferte hier feinem Nebenbubler
44. Det. eine blutige Schlacht, in der Harold mit bem Kerne bed angelſächſ. Adels blieb.
W. 38 hierauf nach London, wo fich ihm die meiften Großen unterwarfen. Auf den Wunſch
der Reichsverſammlung ließ er fich 25. Dec. 1066 in Weftminfter krönen und leiftete dabei den
gewöhnlichen Königseid. Sein erſtes Verhalten war ftreng, aber keineswegs barbarifch. Zwar
wählte ex feine Beamten aus den Normannen und wies feinen Kriegern die Rändereien der er-
ſchlagenen engl. Großen fowie einen Theil der Krongüter an; allein kein Engländer ſcheint da-
mals aus feinem Befige vertrieben worben zu fein. Auch bändigte IB. den Übermuth der Sie
ger, übte eine fcharfe Polizei, führte die viel geordnetere normann. Rechtspflege ein und fegte die
Abgaben bedeutend herab. Freilich bebecite er auch das Land zur Sicherung ber Eroberung
mit Schlöffern. Auf das Verlangen feiner Gemahlin Mathilde unternahm er im März 1067
eine Reiſe nach der Normandie, auf ber ihn viele, engl. Große begleiten mußten. Kaum hatte
er fich entfernt, als fich die Bevölkerung des nördlichen und weftlichen England erhob, die
Schlöfier erftürmte und die normann. Eindringimge planvoll auszurotten fuchte. Der König
kehrte im Dec. 1067 zurück und bämpfte ben Aufftand, aber 1068 brach er weit gefährlicher
in Northumberland aus. Hier erklärten fi die engl. Grafen Morcar und Edwin für Edgar
Arheling, riffen die übrigen Großen mit fi) fort und fanden Unterflügung an den Konigen
Malcolm von Schottland und Swen Eftridfon von Dänemark. Letzterer machte ebenfalls An-
ſprüche auf den engl. Thron und ſchickte feinen Bruder Osborne ab, der mit einer großen Flotte
an ber Humbermündung landete und eine furchtbare Verwüſtung begann. W. ſchloß im Herbfte
1069 einen Vertrag mit Osborne, in welchem er ben Dänen bie ganze Küfte unter der Bedin⸗
gung preidgab, daß fie nach Verlauf bes Winters abzögen. Hierdurch gelang es ihm, feine gan⸗
zen Kräfte auf die Unterdrückung ber Engländer zu verwenden. Zwar unternahm auch Malcolm
son Schottland nach dem Abzuge der Dänen einen Einfall; derfelbe mußte aber bald wieder
zurückkehren. Um die Northumbrier zu trafen, verwandelte W. das ganze Land zwifchen bem
Humber und Tees in eine Einode. Außerdem begann er die Ausrottung der angelfächf. Adels⸗
familien über das ganze Land und die Einführung der normann. Feudalverfaffung. Die Nor⸗
mannen wurden dadurch in ihrem Beſite befeftigt; die eingeborenen Edeln, die in ihren Gütern
geblieben, geriethen hingegen in Abhängigkeit. Diefe Aufhebung der freien angelfächf. Grund⸗
verfaffung brachte zwar Alle in Die Knechtſchaft des Vaſallenthums, verhinderte aber die Aus»
bildung einer Territorialhoheit, wie Diefelbe in Deutfchland zur Entwidelung kam. Mit fo ge-
waltigen Veränderungen verband WB. auch die Einführung der normann.-frang. Sprache im
öffentlichen Leben. Wiewol es nicht möglich, war, das Angelfächfifche aus dem Geſchäfts ver⸗
kehr bes Volkes ſowie aus den Kirchen und den niedern Gerichten auszurotten, fühlten doch bie
Eingeborenen die arge Verlegung ihrer Nationalität und verfuchten wiederholt mit Hülfe der
Schotten das fremde Joch abzufchütteln. Im 3.1074 machten fogar einige normann. Große
mit den Englänbern gemeinfchaftliche Sache. ZB. bämpfte den Aufruhr mit biutiger Härte
und eilte Dann in die Normanbie, wo fein ältefter Sohn Robert, auf Anftiften Philipp's I. von
Frankreich, die Herrfchaft an ſich zu reißen trachtete. Der Krieg zwiſchen Vater und Sohn
Wilhelm IIL (König von Großbritannien) 353
dauerte mehre Jahre, bis endlich die Königin 1080 eine Ausfohnung zu Stande brachte. Da
unterbeffen König Malcolm verheerend in Northumberland eingefallen war, unternahm nun
Robert einen Nachezug nach Schottland. Um diefe Zeit befchäftigte ſich W. mit Abfaffung des
berühmten „Doomsday-book”, eines Grund. und Lagerbuchs, das noch vorhanden ift und
die wichtigfte Geſchichtsquelle für jene Epoche bildet. Wie fehr auch diefe und andere Einrid-
tungen von WB.’5 Genie unb Herrfchergröße zeugen, fo erfcheint dach fein Verfahren in andern
Dingen höchft barbarifch und kurzſichtig. Um der Jagdluſt zu fröhnen, ließ er in der Gegend
von ZBinchefter einen ber blühendften Striche des Landes im Umfange von mehr ald 30 M. in
Wald verwandeln. Im J. 1083 gab er einen furdhtbaren Forſtcoder, in welchem das Betreten
der koͤnigl. Wälder mit Xobesftrafe, Augenausftehen und Entmannung belegt war. Schon
feit 1070 Hatte W. der unmäßigen Bereiherung bes Klerus Grenzen gefegt. Gegen bas
$.1085 gab er eine Verorbnung, welche die Verhandlung geiflliher Sachen vor weltlichen Ge⸗
richten und umgekehrt fireng verbet. Zu gleicher Beit traf er auch Anftalten, um feinen Feind
Philipp I. von Frankreich zu züchtigen. Er ging in die Normandie, fah fi) aber Tange in dem
Unternehmen aufgehalten, indem er, von Fettfucht gedrüdt, das Bert hüten mußte. Durch, bie
Spöttereien feines Gegners erbittert, brach er endlich im Aug. 1087 gegen Paris auf und ver-
wüftete unterwegs Alles mit Feuer und Schwert. Als er aber in den brennenden Trümmern
von Mantes-fur-Seine, daB ex erobert, herumritt, that fein Pferd einen Sprung, der ihm eine
ſtarke Berlegung am Unterleibe zugog. Man brachte ihn nach Rouen zurüd, wo er 9. Sept.
1087 flarb. Seine Bafallen und Diener beraubten ben Todten und ließen ihn nadend am
Boden liegen. Erft auf Befcht des Erzbiſchofs wurde er nach einer Reihe feltener Schickſale
zu Caen beftattet. W. befaß nicht nur gewaltige Eigenfchaften des Beiftes, fondern auch des
Körpers. Seinen Bogen vermochte Niemand als er felbft zu fpannen. Seiner Anordnung
gemäß folgte ihm in ber Normandie ber älteſte Sohn, Robert; die engl. Krone erbte der zweite,
Wilhelm IL (f. Großbritannien); ber dritte, Heinrich, erhielt die Verlaſſenſchaft feiner vier
Jahre vorher verftorbenen Mutter. Vgl. Thierry's geiftreiche, aber die Sache der Engländer
nicht immer unparteiifch vertheibigende „Histoire de la conquä&te de l’Angleterre par les Nor-
mands” (3 Bbe., Par. 1825 und öfter).
Wilhelm III. aus dem Haufe Oranien, durch die Revolution von 1688 König von Eng-
land, Schottland und Irland, feit 1672 Beneralcapitän und Grofabmiral der niederl. General⸗
flaaten, fowie Statthalter der Provinzen Holland und Seeland, war der Sohn Wilyelm’s IT.
von Dranien, der in ben Niederlanden biefelben Würden befleidete, und ber Henriette Marla
Stuart, Tochter Karl's I. von England. Er wurde 14. Nov. 1650 viel zu früh und acht Tage
nach bem Tobe feines Vaters geboren. Alles vereinigte fih zum Verderben bes körperlich
ſchwachen Knaben. Cromwell verfolgte ihn ald Stuart, Ludwig XIV. nahm ihm mehrmale fein
Feines Fürſtenthum Orange, und fchon 1661 flarb ihm die Mutter. Gein Vater hatte das
Beneralcapitanat und bie Statthalterfchaft in der Familie erblich zu machen geſucht. Allein die
demokratiſche Partei, an deren Spige der Großpenfionnär Witt, fegte 1668 ben Beichluß durch,
daß Fein fünftiger Generalcapitän zugleich Statthalter fein Tonne, wodurch der Prinz die Aus⸗
ficht auf die eine oder andere Würde verlor. Indeffen überwachten bie Generalftanten doch feine
Erziehung und übertrugen diefelbe feiner Großmutter, Emilie von Solms, einer firengen und
politifch gebildeten Frau. Bereits im Alter von 17 J. offenbarte W. einen feften, ernften, un⸗
terrichteren Charakter. Während der Unruhen, bie im Mat 1672 die Invafion Ludwig's XIV.
begleiteten, wählten ihn die Staaten Holland und Seeland und die Beneralftaaten zum Bene
ralcapitän und Großadmiral der Union. W. ſchwor, die Niederlande zu retten ober in der legten
Schanze zu fierben, und weckte durch fein erftes Auftreten fchon das Zutrauen ber fremden
Möchte. Er ließ zum größten Nachtheil des Feindes das Land unter Waffer fegen und ermübete
die franz. Generale, die größten Krieger ihrer Zeit, durch gefchicdte Bewegungen. Nachdem ſich
1673 der Kaifer und Spanien gegen Frankreich erflärt und England 1674 einen Separatfrie
den gefchloffen, übernahm er ben Dberbefehl über das nur 60000 Mann ſtarke Bundesheer
und hielt 11. Aug. 1674 gegen Conde die zwmölfftündige Schlacht bei Senef aus. Die Bering-
fügigfeit feiner Streitmigtel und die wankelmüthige Politik der Verbündeten hinderten ihn jebod)
von einem Feldzuge zum andern, große Schläge zu verfuchen. Im 3.1676 wurde er 11. April
bei Mont-Gaffel geſchlagen und mußte mit Verluften bie Belagerungen von Maſtricht, St.
Dmer und Charleroi aufheben. Da Ludwig XIV. auf dem Eongreffe zu Nimwegen ungeheuere
Soderungen erhob, fuchte W. England an feine Perfon und das niederl. Interefje zu Betten.
Im Herbft 1677 reiſte ex nach London und vermaͤhlte ſich hier mit feiner Eoufine Maria, ber
— — Ze A
354 Wilhelm IN. (König von Brefbritammich)
älteften Tochter des Herzogs von York, des fpätern Jakob IE. Als ex aber bie Bereitwilligkeit
der Beneralftanten zum Abfchluf eined Separatfriedens vernahm, geiff er voll Zom die Fran⸗
zofen nochmals 14. Aug. 1678 bei Mons an, mußte ſedoch am nächflen Tage, auf die Nach⸗
richt von dem Friedensfchluffe, die errumgenen Vortheile aufgeben. Uber die Räubereien empört,
die Ludwig XIV. unter dem Namen von Reunionen im Frieden verübte, brachte er 10. Det.
1681 den Affociationsvertrag zwiſchen ben Generalftaaten und Schweden zu Stanbe, der im
Sehr. 1685 durch des Kaifers und Spaniens Beitritt in ein Schugbünbnif gegen Frankreich
verwandelt wurde. '
Während W. raftlos feinen Todfeind, den König von Frankreich, bewachte, befchäftigte fich
fein eigener weitgreifender, aber mit Geduld und Klugheit gepaarter Ehrgeiz mit großen Ent
würfen. Bereits nach der Thronbefteigung feines Schwiegervatere, Jakob'é I. (f.d.) von Eng⸗
land, war er, ald der Gemahl der präfuntiven Thronerbin, dem kirchlichen und pelitifchen Des-
potismuso beffelben wiederholt entgegengetrerfin. Als Jakob offen die Einführung des Katholie
ciömus betrieb, ſchützte er die verfolgten Proteflanten und warnte ben engl. Hof vor Gewalt»
reihen. Nach ber Geburt des Prinzen von Wales, den die Proteftanten für ein untergefcho-
benes Kind hielten, vereinigten fich die Whigo und die Tories, die Bifchöflichen und die Pres-
byterianer und baten ZB. um eine bewaffnete Einmifchung. Im Sommer 1688, ald bie Spal-
tung zwiſchen König und Volk in England aufs höchfte geftiegen, nahm W., von engl. Großen
unb den Generalſtaaten unterftügt, bedeutende Rüſtungen vor, bei welchen ihm die europ.
Weltlage zum Vorwand diente. Sodann ließ er in England ein Manifefl verbreiten, indem er
bie Rechtöverlegungen Jakob's aufzählte, den Prinzen von Wales für untergefhoben erklärte
und als Gemahl ber Thronerbin feine Ankunft in England zur Herftellung ber kirchlichen und
politifchen Freiheit verfündigte. Bald darauf landete er 5. Nov. 1688 mit 50 Kriegsſchiffen
und 14000 Mann zu Torbay, marſchirte fogleich"auf Ereter und fand, nachdem bie erfte Furcht
überwunden, von Hohen und Niedern ben größten Zulauf. . Auch die von Jakob abgefchidten
Zruppencorps, der Prinz von Dänemarf und beffen Gemahlin Unna, die zweite Tochter des
Königs, erflärten fich für ihn. Während W. langſam auf die Hauptſtadt vorrüdte, erleichterte
ihm Jakob den Sieg, indem berfelbe auf Andringen feiner kath. Räthe nach Frankreich entflob.
Unter dem Jubel bes Volkes und ohne Schwertftreich nahm ZB. endlich 18. Dec. 1688 von
Bonbon Befig, mo ihm die in Eile verfammelten Peers die proviforifhe Negentichaft übertru-
gen. In diefer Stellung berief W., da er vom Rechte der Eroberung keinen Gebrauch machen
wollte, das Parlament unter dem Namen einer Convention, dad 22. Ian. 1689 die Sigung
eröffnete. Auf die Erflärung W.'s feboch, daß er fich mit ber Rode eines Regenten und Ge⸗
mahls der Königm nicht begnügen, ſondern lieber nach den Niederlanden zurüdtehren werde,
übertrug 13. Febr. 1689 das Parlament ihm und feiner Gemahlin die brit. Krone mit ber Be»
flimmung, daß er allein Die Gefchäfte beforgen und daß nach Beider kinderloſem Tode die Prin-
zeffin Anna ben Thron erben follte. Zugleich legte ihm das Parlament die berühmte Erklärung
der Rechte (f. Declaration of Right), eine Art Gapitulation, vor, in welcher die alten Ratio
nalfreiheiten in zeitgemäßer Form zufammengefaßt waren. Alle Anmaßungen Jakob's II.
wurden durch dieſes Document als dem Befege zuwider erflärt. Auch wurde bie Krone barin
verpflichtet, die Wahlen und Debatten des Parlaments nicht au beeinträchtigen, die Geſchwo⸗
renengerichte ohne Parteilichkeit zufanımenzufegen, bei Hochverrathsproceſſen bie Geſchworenen
aus den Gemeinheiten zu wählen, feine Sonfiscationen und Wiederverleihungen von Gütern
vor ber richterlichen Verurtheilung vorzunehmen u. ſ. w. W. unterzeichnete ohne Zögern biefen
neuen Brundvertrag, der ald bie Baſit bes brit. Staatsrechts betrachtet wird. Auch die fchott.
Nationalconvention fprach ihm 11. April 1689, am Tage, wo er zu Weftminfter gekrönt wurde,
den Thron zu; nur mußte er dagegen in die Abfchaffung des Epiftopats und des Supremateids
willigen. Obſchon die Begünftigung, welche W. ausſchließend den Whigs erzeigte, viel Mis-
bergnügte erwedte, gab doch das Parlament feine Zuftimmung zu einer Toleranzacte, welche die
kirchlichen Verfolgungen befchräntte. Leicht erlangte W. die Beiflimmung der Häuſer zur
Iheilnahme anı Kriege gegen Frankreich und zu einem engen Bünbniffe mit ben Generalftaaten.
Ehe er jedoch den Krieg erflären konnte, Iandete Jakob II. mit franz. Hülfe auf Irland (ſ. d.)
und untermarf ſich die ganze Infel. W. brachte mit der Bezwingung Irlande mehre Jahre zu
und vermochte erſt feit 1691 feine Kräfte ungetheilt bem europ. Kriege zu wibmen. Bereits
20. Dec. 1689 war er der Allianz des Kaifers mit den Generalftaaten beigetreten. Im Sehr.
1691 ging er mit einem Heere von 45000 Mann nach den Niederlanden, war aber als Felbherr
weder in biefem noch in den folgenden Feldzügen glüdlih. Während die brit. Flotte zin See
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Wilhelm IV. (König von Großbritannien)
fiegte, vouxde er 3. Aug. 1691 bei Steenkerken geſchlagen. Nachdem eine ErpeditienJakob’s IT.
auf die engl. Küfte, im Mai 1692, gefeheitert, vereinigte ſich derfelbe mit dem franz. Hofe zu
einem Anſchlage auf W.'e Leben, der jedoch ebenfalls mislang. Im Juli 1693 eroberte IB. die
franz. Linien zwiſchen Schelde und Leye, erlitt aber 29. Juli die Niederlage bei Neerwinden.
Um das Unglüd der Engländer zur See zu rächen, verwüſtete er 1604 die franz. Küſten; auch
eroberte er 3695 Namur. Ludwig XIV. rüflete für den Feldzug von 1696 zu einer neuen Lan⸗
dung auf England, und zugleich follte ein abermaliger Mordverſuch auf feinen Gegner die Ul-
lianz der Mächte fprengen. Wiewol beide Anfchläge gänzlich fcheiterten, fteigerten fie doch den
Haß WB. gegen feinen Feind, ſodaß ein Friebe unmöglich ſchien. Doch mußte fich ZB. bei feiner
ſchwierigen Stellung zur Nation und den großen Verluſten des beit. Handels zur See zum Frie-
den entichließen. Derſelbe wurbe im Sept. 1697 zu Ryswiſk unterzeichnet und war infofern
für W. fiegreich, als Ludwig XIV. die neue Regierung Englands anerkannte und die Macht
Frankreichs tödtliche Kunden empfangen hatte,
Das froflige und verſchloſſene Weſen W.'s, fein zurücdigezogenes Leben in Hamptoncourt
und Kenfingten, wo Niemand leicht Zutritt erhielt, fein geringer Eifer für bie Hochkirche, feine
Parteilichkeit für die Whigs hatten ihm bereits in ben erſten Negierungsjahren die Neigung der
Engländer entzogen. Die Härte, bie er 1692 gegen die Jakobiten (f. d.) und bie Glare im
ſchott. Hochlande übte, entzog ihm vollends die Herzen. Da auch er durch Geld und Ämter
auf die Abftimmung im Parlament zu wirken fuchte, trugen beide Häufer 1695 auf eine drei⸗
jährige Parlamentsdauer (f. Septennalitaͤt) an, welche Acte er mit großem ZBiberwillen erfl
im nächſten Jahre beftätigte. Anı 28. Dec. 1694 flarb feine Gemahlin im Alter von 33 3. an
den Kinderblattern, womit ihm num die Krone allein zufiel, bie er auch entſchloſſen war zu be
haupten, wermgleich er wiederholt drohte, fie niederzulegen und nach Holland zurückzukehren.
Nach dem Frieden zu Ryswijk fegte das Parlament 1697 gegen feinen Willen das Heer in
Sriedenszeiten auf 10000 Mann herab und zwang ihn auch, feine holl. Garde zu entlafien.
Es traf dies mit dem Augenblide zufammen, wo Ludwig XIV. die Erbfchaft der fpan. Monar⸗
hie für die Bourbons erfirebte. Anfangs fchien W. durch feine Verlegenheiten genothigt, in
eine Theilung derfelben zu willigen ; al& aber nad Karl's II. von Spanien Tode das Teflament
zum Vorfchein Sam, das ben Enkel Ludwig's XIV. zum Erben einfegte, war er ber rührigfte
Dränger zum Kriege. Er vermochte das Parlament zur Abfendung eines Corps nad, ben
Niederlanden; und nachdem er in berfelben Sigung (22. Juni 1701), in Folge bes Ableben
des einzigen Sohnes der Prinzeſſin Anna, die berühmte proteft. Succeffionsacte (f. Stuart und
Georg L) durchgeſetzt, ſchloß er 7. Sept. im Haag bie Allianz, zwifchen dem Kaifer und den
Seemähten. Dennoch würbe er Baum das Parlament zum Kriege haben fortreißen können,
hätte nicht Ludwig XIV. die engl. Nation verlegt, indem derfeibe nach Jakob's II. Tode deffen
Sohn ald König von England anerkannte. Das neue Parlament, bas im San. 1702 zufam-
mentrat, erPlärte dieſes Berfahren als Friedensbruch und bewilligte W. fogleich ein Heer von
45000 Mann. BB. follte indeffen den Heißerfehnten Kampf feiner Nachfolgerin auf dem brit.
Throne, der Königin Anna (f. d.), überlaffen. Schon lange den Tod im Herzen tragend, brach
er auf einem Ritt nach) Hamptoncourt bas rechte Schlüffelbein, was ein heftiges Wundfieber
und 19. März 1702 feinen Tod zur Folge hatte. Großbritannien (f. d.) hat ihm unermeßlich
viel, ed hat ihm bie Feſtſtellung feiner kirchlichen und politifchen Freiheit, überhaupt die Be⸗
gründung feines modernen Staatölebens zu verdanken. Kür Wiffenfchaften und Künfte war -
fein kaltes Gemüth unempfänglih. Nur die Muſik ſchloß zumeilen feinen theilnahmlofen Cha⸗
rafter auf, und nur am Tage der Schlacht erglängte fein fonft unbelebtes Auge in leidenfchaft-
licher Aufregung. Seine zahlreichen Befigungen in Deutfchland und den Niederlanden verur-
facgten den langen Dranifchen Erbfolgeftreit. (S. Oranien.) Dal. Trevor, „Life and times
of William III.“ (2 Bde. Lond. 18355 — 36); Vernon, „Court and times of William 111.”
(3 Bde., Lond. 1841).
Wilhelm IV. (Heinrich), König von Großbritannien und Irland und von Hannover, dritter
Sohn Georg's ILL. (ſ. d.), wurde 21. Aug. 1765 geboren und verrieth zeitig eine kräftige Conſti⸗
tution und Derbheit ded Charakters, weshalb man ihn 1778 als Eadet in die brit. Marine ein-
ſtellte. Der Prinz wohnte 1780 dem Gefecht gegen den fpan. Admiral Rangara, dann ber Er
oberung des franz. Schiffs Proteus, 1781 der gefahrvollen Berproviantirung von Gibraltar
bei und befuchte dann die weftind. Gewäſſer. Nach der gefegmäßigen Prüfung fam er 1785
als Lieutenant auf Die Fregatte Hehe und 1786 übernahm er auf ber Station ber Infeln unter
bem Winde ba6 Commando ber Fregatte Pegafus. Bei der Rückkehr nach England erhielt ber
256 Wilhelm I. (Prinz von Orauien)
\ ein 1788 ben Titel eines Herzogs von Slarence und St.-Unbreiss, ſowie eines Grafen von
unfter in Irland. As 1789 ein Krieg mit Spanien drohte, wurde er Befehlshaber eines
Schiffs von 74 Kanonen und 3. Dec. Contreadmiral. Wiewol er von Stufe zu Stufe flieg,
durfte er fich doch ſeitdem nicht mehr an Eriegerifchen Unternehmungen berheiligen. Gegen das
$. 1790 trat der Herzog von Elarence in ein Berhältniß mit der liebens würdigen Schaufpielerin
Dora Jordans, die ihm im Kaufe von 203. zehn Kinder gebar. Von ber königl. Familie ge»
drängt und in ber Hoffnung, feine geringe Apanage burch eine legitime Che vermehrt zu fehen,
verließ er 1814 die fehr brave Mutter feiner Kinder. Dora Jordans Tehrte gebrochenen Her-
zens auf die Bühne zurüd, mußte aber 1815, in Folge einer geleifteten Bürgfchaft bebrängt,
nach Frankreich fliehen, wo fie einige Monate fpäter in Dürftigkeit au St.-Gloub flarb. Der
Sense verheirathete fich Hierauf 11. Juli 1848 mit Adelheid, der Tochter des Herzogs von
Hfen-Meiningen. Wiewol dad Parlament feine Einkünfte um 5000 Pf. St. vermebrte,
reichten diefelben doch nicht für einen Hofhalt in England bin. Er lebte deshalb bald in Han
nover, bald in Meiningen, bi6 er 1819 auf feinen Landfig Bufhy«-Park bei London zurückkehrte.
Im 3. 1821 gebar ihm feine Gemahlin eine Tochter, die aber ſchon nach drei Monaten flarb
Nach den: Tode feines Bruders, des Herzogs von York (f.d.), erhielt er 1827 die naäͤchſten An⸗
ſprüche auf den brit. und auf den hannov. Thron und zugleich vom Parlament eine Erhöhung
feiner Apanage auf 40000 Pf. St.; auch wurbe er buch Canning's Einfluß zum Großadmiral
des Reichs ernannt. In biefer Eigenfchaft gab er dem Admiral Eodrington eine geheime In⸗
ſtruction, bie gegen den eigentlichen Willen der Minifter 20. Aug. 1827 die Schlacht von Ra-
varin herbeiführte. Wiewol er fein Amt mit Eifer und Redlichkeit verfah, gerieth er doch als
freifinniger, ben Whigs zugeneigter Chargkter bald in Zwiefpalt mit dem Toryminifterium Wel⸗
lingten, ſodaß er im Aug. 1828 feine Entlaffung nahm. Als ihm mit dem Tode feines Bru-
ders, Georg's IV., 26. Juni 1830 der Thron zufiel, wendeten fich ihm die Herzen der Vielen zu,
die in der Starrheit und Kieblofigkeit des bisherigen Regiments den Ruin ber brit. Größe er-
blickten. Die tiefe Aufregumg des Volles durch Verwerfung ber von Ruffell vorgefchlagenen
Parlamentsreform, fowie durch die Juliereigniffe in Frankreich machte die erflen Schritte
W.'s gefahrvoll und beftimmte ihn für Beibehaltung der Toried. ALS indeffen der König bei
Eröffnung des Parlanıents im Nov. 1850 die Abneigung ber Nation gegen die Tories erfuhr,
berief er ohne Zögern die Whigs unter Grey ans Staatoruder. Die neue Verwaltung fegte
endlich nach Iangen Kämpfen im Juni 1832 die Parlamentsreform durch, melde überhaupt
ben Weg ber Staatöverbefferungen in Großbritannien eröffnete. Die Beforgniß, eine liberale
Behandlung der irländ. Fragen möchte den Proteftantismus gefährben, bemog ben etwas leicht.
Hläubigen König im Nov. 1854 zur plöglichen Entlaffung der Whigs. Er übertrug den Zories
unter Peel und Wellington abermals die Regierung, mußte jedoch ſchon im April 1835 bie
Whigs unter Melbourne wieder zurüdtrufen. Die Durchführung des engl. Städtegeſetzes, bie
heftigen Kämpfe um bie irifche Kirchen⸗ Zehnten- und Städtebill, die VBerwidelungen in Ca-
nada endlich machten auch diefe Tegten Jahre W.'s zu einer bewegten Regierungsepoche. Die
auswärtige Politik concentrirte ſich während feiner Regierung in den Angelegenheiten der Py ⸗
renäifchen Halbinfel. Zu dieſem Zwecke fand eine innigere Verbindung mit Branfrei und 1834
der Abfchluß der Quadrupleallianz ftatt. Der Wunfch W.'s, in der oriental. Frage entfchie-
dener der Politit Rußlands entgegenzufreten, fcheiterte am den politifcden Anfichten, welche das
Sabinet und das Parlament verfolgten. W. ftarb an der Bruſtwaſſerſucht in der Nacht vom
19. zum 20. Juni 1837, Er befaß zwar feinen glänzenden Geift, aber einen biedern und ein»
fachen Charakter. Ihm voraus flieg feine ältefte und liebſte Tochter, die Lady Delisie Dudley,
ins Grab. Für die übrigen mit Dora Jordans erzeugten Kinder, die ihn überlebten, hatte
er nach feiner Thronbefteigung beſtens geforgt. Der ältefte Sohn, Georg Figclarence,
geb. 1794, geft. 1842, erhielt 1831 den Titel eines Grafen von Munfter. Deſſen ältefter
Sohn, William George Figelarenee, geb. 1824, ift der gegenwärtige Graf von Munfter.
Der zweite Sohn W.s, Lorb Frederick Fitzelarence, geb. 1799, war zulept Oberbefehlöhaber
in Bombay und flarb als folder 30. Det. 1854. Den Thron von Großbritannien beftieg
nad) W.'s Tode feine Nichte Victoria (f. d.), die Tochter feines nächften, aber verſtorbenen Bru-
ber6, des Herzogs von Kent. Auf dem Throne von Hannover, dem er feit 1831 eine ben Beit-
bebürfniffen angemeffene Berfaffung und Landesverwaltung gab, folgte ihm fein Bruder Ernſt
Auguft (ſ. d.), der fünfte Sohn Georg's II.
"ilpelm I, ber Jüngere, Graf von Naffau, Prinz von.Dranien, der Gründer ber nieder
Mnabhängigkeit, geb. 16. April 1533 auf dem Schloſſe Dillenburg in der Srafſchaft
Wilheim 1. (Prinz von Dranien) 257
Raffau, war der ältefle Sohn des Grafen Wilhelm bes Altern von Naffeu und deffen zweiter
Gemahlin Jullane von Stolberg. Er kam zeitig als Page an den Hof Kaifer Karl's V., wurde
von deſſen Schwefter Maria im Katholicismus erzogen und erbte 1544 von feinem kinderloſen
Vetter, Renatus von Raffau, das Fürſtenthum Oranien (f.d.). Durch feine Fähigkeiten und
Beicheidenheit gewann ex die Gunſt des Kaifers, der mit ihm die wichtigften Angelegenheiten
berieth und ihm oft bebeutende Aufträge anvertraute. Schon im Alter von 22 3. erhielt er in
Abweſenheit Philibert's von Savoyen den Oberbefehl in den Nieberfanden und 'die Statthal-
terfchaft in Holland, Seeland nnd Utrecht. Karl V. empfahl ihn auch feinem Nachfolger Phi-
Iipp II. Die eiferfüchtigen Spanier fuchten jeboch W.'s Treue bei Philipp verbächtig zu ma-
chen, ſodaß Ihn derfelbe für den Anflifter ber niederländ. Unruhen hielt und ihm die verfprochene
Dperftatthalterwürbe nicht ertheilte. Die bespotifche Regierung des Cardinals Granvella, der
bie Generalſtatthalterin Margarethe von Yarıya zur Einfuhrung ber Inquifition in den Nie-
derlanden und andern harten und geſetzwidrigen Handlungen verleitete, bewog endlich IB. und
die Grafen Egmond (f. d.) und Doorn (f. d.), dem Könige Vorftellungen zu machen und um
die Abberufung Granvella's zu bitten. Philipp rief zwar ben verhaßten Minifter zurück, fah
aber den Schritt als Majeflätsverbrechen an und ſchickte dafür ben Herzog von Alba (f. d.) mit
fpan. und ital. Truppen in die Riederlande. Da W. die Ubfichten des Hofs durchſchaute,
wollte er jegt feine Gouvernements nieberlegen; allein die Statthalterin nahm dies nicht an,
fondern foberte von ihm einen neuen Treueid und die Entfernung feines Bruders Ludwig.
Statt deſſen menbeten ſich W., Egmond und Hoorn mit dem Geſuch um freie Religionsdul-
dmg an den König. Als Hierauf 1566 bie Geuſen (T. d.) mit ihren Vorftellungen von der
Statthalterin in fhimpflicher Weiſe zurüdigewiefen wurden, veranftaltete W. mit Egmond,
Hoorn, feinem Bruber Ludwig und andern angefehenen Männern zu Dendermonde eine Zu-
fammentunft, in welcher bie Mittel zur Abwehr der Unterbrüdung berathen murden. Die
Meiften riethen zum Kriege und gingen ins Ausland ; nur Egmond rieth zur gütlichen Aus-
gleihung und blieb in den Niederlanden. Während fich W. mit feiner Familie nad) Dillen-
burg zurückzog, rüdte Alba in den Niederlanden ein und begann fein Werk damit, daß er Eg⸗
mond, Hoorn und 18 Angefehene vom Adel einziehen und (Juni 1568) zu Brüffel hinrichten
ließ. Die Geflohenen, barunter WB. und beffen Bruder Ludwig, wurden zugleich vor den foge-
nannten Blutrach gelaben und, als fie nicht erfchienen, geächtet. WB.’E 13jährigen Sohn,
Philipp Wilhelm, ber zu Löwen fludirte, nahm Alba gefangen und fhidte ihn als Geiſel nach
Spanien. W. bekannte fih nun öffentlich zum proteft. Glauben und bereitete fidh, von mehren
proteft. Fürſten Deutfchlands reichlich unterflügt, zum Kampfe vor. Seine Brüder Ludwig
und Adolf drangen an der Spige eines Heeres in Friesland ein und ſchlugen den fpan. General
Johann von Rigne zu Heiligerlee in Gröningen, wobei Adolf blieb. Ludwig befaß jedoch zu
wenig Geld, um feine Streitmacht unter ben Waffen zu erhalten, und wurde darum 21. Juli
1568 bei Jemmingen von Alba befiegt. IB. warb hierauf ein neues Heer von 24000 Deut-
[den und A000 Franzofen, erflärte, Daß die Errichtung bed Blutrath (Conseil des troubles)
in Brüſſel die Urſache feiner Erhebung wäre, und rüdte über den Rhein und die Maas. Er
drang in Brabant em und fchlug eine Abtheilung der fpan. Armee, vermochte aber weder Alba
zur entfheidenden Schlacht, noch das Volk zum allgemeinen Aufftande zu bewegen, fobaß er
die Truppen entlaffen mußte. Mit 1200 Reitern, bie ihm blieben, ſchloß er fi Todann dem
Zuge bed Herzogs von Zweibrücken gegen die Bath. Partei in Frankreich an. WB. zeichnete fi
bier mehrfach aus und kehrte nach dem unglüdlichen Ende diefes Feldzugs in fein Herzogthum
Naffau zurüd. Auf des franz. Admirals Coligny Anrathen rüftete er jegt gegen bie Spanier
Kaper aus, bie ſich vorzüglich in Holland und Seeland feftfegten. Schon 1572 bemächtigten ſich
biefe fogenannten Meergeufen des Hafens Briel auf Voorne und eroberten Blieffingen. Da
fih Alba's Tyrannei fleigerte, erhoben ſich endlich für IB. mehre Städte in Holland, Seeland,
Dberyffel und Geldern. W. Hatte inzmifchen ein neues Heer von 17000 Mann verfammelt
und fiel in Brabant ein, um zunächft feinen zu Bergen von Alba belagerten Bruder Ludwig
frei au machen. Allein die franz. Hülfstruppen, die Eoligny ſchickte, wurden gefchlagen und W.
ſelbſi konnte Alba nicht zur Feidſchlacht bringen. Dit großem Verlufte mußte er fich nach dem
Rpein zurückwenden und feine Truppen entlaffen. Er wendete fi nun nach Utrecht und See⸗
land und ließ ſich hier von ben Meergeufen zum Admiral ernennen. Im J. 1574 übertrugen
ihm die Staaten von Holland auf die Daͤuer des Kriegs gegen Spanien die Ausübung der
Souveränetät, welchem Beifpiele auch Seeland, Geldern und Obernffel folgten. Diefe Macht
Gowo.cter. Beate Xufl, XV. 2. 17
258 Wilhelm I. (Prinz von Dranien
yerleihung war indeffen perfönlid) und wurde von vielen Stäbten nicht anerkannt. Bereits
41573 hatte W. zu Vlieſſingen eine Flotte von 150 Segeln bergeftellt, die ben Spanien über-
legen mar und große Nachtheile verurfachte. Während Alba. Bergen und andere Plätze über-
wältigte, eroberte IB. Gertruydenburg und Mibdelburg, die Hauptſtadt von Seeland. Ludwig
von Zufliga, ber 1573 dem Herzog Alba im Commando folgte, fchlug jeboch 14. April 1574
die Brüder W.'s, Ludwig und Seinrich von Naffau, auf ber Mookerhaide, wobei beide Prinzen
fielen. Nur eine Meuterei der beutfchen Truppen war die Urfache biefer Niederlage. W. Hin-
gegen entfegte Leyden, indem er die Dämme durchftechen ließ. Nach Zuñiga's Tode verübten
die fpan. Truppen fo furchtbare Frevel, daß fig, mit Ausnahme Lusemburgs, 1576 ſämmt-
liche niederländ. Provinzen zur. Vertreibung ber fremden Soldatesta und zur Vertheidigung
ber Slaubensfreiheit vereinigten. Die Milde aber, mit welcher ber als fpan. Statthalter eintrefe
fende Don Juan d’Auftria auftrat, hatte das Kriebensebict von 1577 und bie Trennung bed
Bundes zur Folge, wiewol WB. nichts unverfucht ließ, eine Einigung nıtt dem fpan. Dofe zu
hindern. Als auch Don Juan fehr balb gegen das Edict handelte, wurde W. von den Stänben
von Antwerpen zu Hülfe gerufen und von einem Theil der Stände zu Bröffel zum Statthal⸗
ter erwählt. IB. fegte jedoch kiug die Wahl des Erzherzogs Matthias von Oſtreich zum Gene-
ralftatthalter buch, während er die Leitung aller Staats ſachen behielt. Als ber Sieg der Spa⸗
nier bei Semblours, 31. Jan. 1578, und dad Huge Benehmen des nah Den Juan's Tode
mit ber Statthaltermürbe beBeideten Aleſſ. Farneſe von Parma ber fpan. Herrſchaft aufs neue
Vorschub leiſteten, ſchloß W. 23. San. 1579 zwiſchen den fünf nördlichen Provinzen, Holland,
Seeland, Utrecht, Geldern unb Friesland, die berühmte Union zu Utrecht, der fpäter auch
Oberyſſel und Sröningen beitraten und burch welche ber Grund zur Republik der Vereinigten
Niederlande gelegt wurde. Nach den erfolglofen Friedensunterbandlungen zu Köln trugen bie
nieberländ. Stände 1580, auf W.'s Vorſchlag, ben Herzog Franz von Anjou, bem Bruber
König Heinrich's III. von Frankreich, dad Protectorat der Niederlande an und kündigten zu⸗
gleich 26. Juli 1581 dem Könige Philipp, als einen Tyrannen, den Gehorfam auf. Philipp HM.
erklärte Hierauf ben Prinzen von Dranien für, vogelftei und fegte auf feinen Kopf einen Preis.
ährend die Stände im Sommer 1581 bie Übertragung der Staatsgewalt an ZB. erneuerten,
erfchien der Protector Herzog von Anjou mit einem franz. Corps. Dranien unterflügte anfangs
die Stellung Anjou’s mit Aufrichtigkeit. Als er aber deffen Nichtigkeit und Zreulofigkeit ber
merkte, trat ex ihm entgegen, fodaß Anjou im Jan. 1583 nach Frankreich zurückkehren mußte.
W. übernahm Hiermit wieder die ungetheilte Obergewalt, erfuhr aber ebenfalls von verfchiede-
nen Seiten Anfeindung. Um fi) gegen die Anfchläge ber kath.ſpan. Partei fiher zu ftellen,
zog er fich nach Delft zurück, wo er indeffen bald feinen Untergang finden follte. Ein Burgun-
der, Balthafar Gerard, fanatifcher Katholik, Faßte den Plan, Dranien zu ermorden, und wußte
fich bei ihm einzufchleichen, indem ex ſich für einen verfolgten Proteftanten ausgab. Als fich
W. 10. Juli 1584 im Schloffe zu Delft von ber Tafel erhob, näherte fih ihm Gerard und
ftredte ihn Durch einen Piftolenfchuß zur Erde. W. farb im Beifein feiner Gattin und feiner
Schweſter, ber Gräfin von Schwarzburg, mit bem Ausrufe: „Mein Gott, hab’ Erbarnıen mit
mir und deinem arnıen Volke.” Gerard, ein Jüngling von 22 J. betannte, daß ihn ein Fran⸗
ciscaner von Tournay und ein Jefuit von Trier durch das Verfprechen ber Seligkeit zur That
bewogen, baß er fein Vorhaben bem Herzog von Parma entdeckt und biefer ihn zur nähern
Verabredung an ben Staatsrath b’Affonville gewiefen hätte. ZB. beſaß eine mwohlgebildete
Geſtalt und die Kunft, die Menſchen zu gewinnen. Das Feuer feiner Rebe überwältigte bie
Gemüther. Ein durchdringender Verſtand, ein unerfchütterlicher Charakter und eine unbefieg-
bare Schweigſamkeit in wichtigen Dingen machten ihn zu einem großen Staatsmann. In fei-
ner Politit trieb ihm weniger ber Ehrgeiz ald Haß gegen die Tyrannei und Liebe zu den Rie-
berländern. Im Privatleben zeigte er ſich prächtig, liebensiwürdig und äußerſt freigebig. ZB.
war vier mal verheirathet: 1) mit Anna von Egmond, geft. 1558, der Tochter bes Grafen
Mar von Buren, die ihm eine Tochter und ben Sohn Philipp Wilhelm, Prinzen von Dranien,
gebar, der als Jüngling flarb; 2) mit Anna, bed Kurfürften Morig von Sachſen Tochter,
geft. 1577, von ber er fich aber 1575 ſchied; bie Kinder dieſer Ehe waren mehre Töchter und
der Prinz Morig (ſ. d.) von Oranien, ber al6 großer Krieger und Staatsmann bed Vaterd RoHe
in den Niederlanden fortführte; 3) mit Charlotte von Bourbon, geſt. 1582, des Herzogs Rub-
wig II. von Montpenfier Tochter, die ihm ſechs Töchter gebar; 4) mit Louife, ber Tochter des
berühmten Admirals Goligny, geft. 1620, aus welcher Ehe Heinrich Friedrich von Raſſau, Prinz
7 Dranien, hervorging, der dem Bruder Morig als Statthalter in den Niederlanden folgte.
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BVilhelm I. (König der Rieberliimde) 9359
Wilhelm 1. ( Friedrich), König der Niederlande, 1815—40, Großherzog von Luremburg
Herzog von Umburg und Prinz von Dranien-Raffau, wurde im Bang 24. Aug. 1772 als
Erbprinz geboren. Sein Bater, Wilhelm V., Fürſt von Dranien-Raffeu, Erbſtatthalter der
Niederlande, finmmte von Johann bem Altern von Raffau-Diingen, dem Bruder Wilhelm’ s I.
(ſ. d.) von Dranin, ab und flarb zu Braunſchweig 9. April 1806. Sein Großvater, Wil-
heim IV., geb. 1751, der erſte Erbſtatthalter ber Niederlande feit 1748, hatte bie vier Landes
theile der Raſſau⸗Ottoniſchen Linie, Stegen, Dillenburg, Diep und Hadamar, wieder zufam-
men an feine, bie Linie Raffau-Dieg oder Dranien, gebracht. Seine Bildung verbankte ber
Prinz feiner Mutter, Friederike Sophie Wilhelmine, bes Prinzen Auguft Wilhelm von Preu⸗
Fen Tochter. Zum Lehrer hatte er ben Holländer Tollius, zum Führer den General von Stam-
ford, einen guten Taktiker und Staatsmann. Im 3.1788 ging er nach Deutfchland, wo er
eine Zeit lang am Hofe feines Dheims, bed Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen, ver-
weilte. Hierauf flubirte er 1790 ein Jahr Iang in Leyden und verheirathete ſich im folgenden
Jahre mit Friederike Luife Wilhelmine, des Königs Friebrich Wilhelm von Preußen Tochter.
Er machte ſich nebft feinem Bruder, dem Prinzen Friedrich, um bie Verbefferung der nieder.
Landmacht verdient ; allein der innere Zwiefpalt, indem bie 1787 burch preuß. Waffen unterbrüd-
ten Patrioten dem Hauſe Dranien insgeheim enfgegenwirkten, verhinderte Vieles. Jene hatten
fich zum Theil nach Frankreich geflüchtet. Um fich mit Hülfe derfelben des reihen Holland zu
bemächtigen, erPlärte der franz. Nationalconvent 1. Febr. 1793 dem Exbftatthalter den Krieg.
Dumouriez eroberte Brabant, und ber Prinz von Dranien, ber den Dberbefehl über die nieber!.
Truppen führte, mußte ſich anfangs hinter bie Scheibe ziehen. Allein nachdem ber kaiſerl. Feld⸗
marfchall, Prinz von Koburg, ben Gieg bei Neerwinden 18. März über Dumouriez davonge⸗
tragen, konnte auch ber Prinz von Dranien wagen, wieber vorzugehen und Brabant zu befreien.
Hierauf hielt derfelbe die franz. Rorbarmee von ben Eindringen in Weltflandern ab. Allein
13. Sept. wurbe er in feiner Stellung zwiſchen Menin und Werwid von bem Feinde mit folder
Ubermacht angegriffen, daß er ungeachtet bes tapferften Widerſtandes nebft feinem Bruber,
bem Prinzen Friedrich, der hier ben rechten Flügel befebligte und verwundet wurbe, fich hinter
die Schelde zurückziehen mußte. Bald darauf eroberte dee Prinz von Dranien Landrecy ; auch
warf er im Berein mit den Öftreichern den Feind über die Sambre; boch nach ber großen Schlacht
bei Sleurus 26. Juni 1794 mußte er nach der Anordnung bed Prinzen von Koburg fich eben-
falls zurückziehen. Die Oftreicher wichen vor Pichegru und Jourdan bis hinter Die Maas, und
dem Seinen von Oranien blieb mit feinen gefchwächten Heere nichts übrig, als in Verbindung
mit dem Deere bes Herzogs von VYork die Grenzen der Republik zu beiden. Allein die Feſtungen
fielen ſehr ſchnell und bie Kälte baute dem Beinde Brüden über die Waal, ſodaß Pichegru ſchon
17. Jan. 1795 In Utrecht einrüdte. Die Partei der Patrioten begünfligte den Feind, und ber
Erbſtatthalter ſah fi außer Stand, die von ihren Bundesgenoffen verlaffene Republik zu vet»
ten. Seine Söhne Hatten 16. Jan. ihre Befehls haberſtellen niedergelegt; ber Vater, Wilhelm V.
ſchiffte ih 18. Ian. mit feiner Familie und einigen Getreuen zu Scheveningen nach England
ein, wo ihm Damptoncourt als Wohnfig eingeräumt wurde. Die beiden Brüder kehrten indeß
bald auf das fefle Land zurüd, um eine Schar ausgewanderter Niederländer auf Englande
Koften zu bewaffnen, bie fi aber nach dem Bafeler Frieden wieder zerſtreute. Der Prinz Fried⸗
rich frat dann in öſtr. Dienfte und ftarb zu Padua 6. Jan. 1799. Der Prinz von Dranien be
gab fich mit feiner Familie nach Berlin, wo er von dem diplomatifchen Ginfluffe des mit Frank⸗
reich befreundeten preuß. Hofs eine günflige Wendung feines Schickſals erwartete. Er erwarb
fi einige Güter in Pofen und in Schlefien, und nachdem fein Vater die durch den Reichodepu⸗
tations hauptſchluß ihm zugefallene Entfchädigung in Deutfchland, das Fürftenthum Fulda
nebfl Korvei, Dortmund, Weingarten und andern Orten, 29. Aug. 1802 an ihn abgetreten,
wohnte er meift in Fulda. Nach feines Vaters Tode übernahm er bie Regierung der naſſaui⸗
fen Stammländer. Als er aber dem Rheinbunde beizutreten fich weigerte, verlor er die Ho⸗
heit über die oranifchen Lande, welche feine Stammvettern, Raffau-Ufingen und Naſſau⸗Weil⸗
burg, und der Großherzog Murat von Berg erhielten, während Weingarten an Würtemberg
fid. Hierauf ging W. im Aug. 1806 wieder nach Berlin, mo ex im September ben Oberbefehl
über eine Abtheilung des rechten Flügels des preuß. Heeres zwifchen Magdeburg und Erfurt
erhielt. Nach der Schlacht bei Jena mußte er Möllenborf nach Erfurt folgen und gerieth durch
die Gapitulation, bie biefer hier abſchloß, in Kriegegefangenfchaft; doch durfte er fi bei feiner
Gemahlin in Preußen aufbalten. Rapoleon erflärte ihn, fowie den Kurfürken pam Heſſen und
20 WBilfelm II. (Rönig der Niederlande)
ven Herzog von Braunſchweig, feiner Länder für verfuftig, und Fulda mußte 17. Det. dem
franz. Kaifer Huldigen; Korvei, Dortmund und bie Grafſchaft Spiegelberg aber wurden 1807
dem Königreich Weſtfalen und Großherzogthum Berg einverleibt. WB. war inzwiſchen mit fei-
ner Familie nad) Danzig gegangen. Als ber Krieg der Weichſel fich näherte, nahm er zu Pil-
Tau feinen Sig. In dem Tilſiter Frieden gänglich übergangen, trat er im Kriege von 1809 mir
feinent ſteten Gefährten Heinr. Fagel als Freiwilliger in bas Heer des Erzherzogs Karl,
in welchem er an der Schlacht bei Wagram Theil nahm. Darauf lebte er abermals zurüdige-
zogen in Berlin. Als nach der Schlacht bei Leipzig einflußreihe Märmer in den Niederlanden
an der Wiebecherftellung bed Hauſes Dranien arbeiteten, ging W. nach England, um wegen
Unterftügung der Niederländer zu unterhandeln. Auf die Kunde, daß mit Annäherung ber
Berbündeten der Volksaufftand auf verfchiedenen Punkten der Niederlande ausgebrochen, Ian-
dete er 29.Nov. 1814 bei Scheveningn und fah ſich fofort vom Volke wie von bem provifori-
fchen Bouvernement als Landesherr begrüßt, während er erflärte, daß eine Stantöverfaffung
bie Freiheiten bed Volkes verbürgen folle. Noch aber waren 23 fefte Pläge in den Bänden ber
Bramzofen, bie bei Utrecht im Lager flanden; allein bald befreiten bie Bunbesheere und bie auf-
gebotenen Kreimilligen das Land. W. befchleunigte die Bewaffnung bes Volkes unb übertrug
einer Commiſſion die Entwerfung eines Verfaffumgögefeges, das 29. Mär, 1814 von ben Ab-
georbneten bes Volkes angenommen wurde. Seine beutfchen Erbländer hatte er fon por
Ende 1813 wieder in Befig genommen. Darauf fprach der Wiener Congreß die Bereinigung
Belgiens und Lüttichs mit ben vereinigten Niederlanden zu einem KRönigreiche aus, und 16. Maͤrz
41815 wurde W. im Haag unter bem Namen Wilhelm I. zum König ber Rieberlande und Der-
309 von Luxemburg ausgerufen. Eine Veränderung ber neuen Verfaffung, die ber König 21.
Sept. 1815 abermals beſchwor, war bie Folge diefer Erweiterung. Seine Erbländer in Deutfch-
Iand mußte er für Luxemburg, das feit 22. Zuli 1815 dem Deutſchen Bunde einverleibt ward
umb das er im Mai zum Großherzogthum erhoben hatte, an Preußen abtreten. Abwechſelnd
zefidirte nun ZB. in Brüffel und im Daag, bis ſich Südniederland durch die Revolution von
1830 losriß und auch 20. Dec. 1830 als imabhängiges Königreih Belgien (f. d.) von den
Großmächten in London anerfannt wurde. Der König W., deffen fehroffe, namentlich durch
ben Suftigminifter van Maanen vertretene Politik nicht wenig zu dieſem Verluſte beigetragen
(f. Niederlande), wiberfegte ſich hartnädig Tange der Anerkennung ber Thatfache und dem
Arrangement ber Mächte, ſah ſich aber bach endlich 4. Febr. 1839 genöthigt, die Beflimmungen
ber Londoner Konferenz anzuerkennen und 10. April 1839 zu unterzeichnen. Die ungeheuere
Schuldenlaſt, in die er fein Band durch Halsftarrigkeit geftürgt, und feine geringe Geneigtheit
für zweckmäßige Reformen fteigerten 1839 und 1840 die Misftimmung in ben Generalflaaten
wie im Volke bedenklich. Das Mistrauen bes Volkes warb noch vermehrt durch bie Dinneigung
bed Königs zu ber Bath. Gräfin Henriette d Dultremont, die er zu heirathen beabfichtigte. Unter
ſolchen Umſtänden fand er es gerathen, die Krone 7. Det. 1840 in die Hände feined äfteften Soh⸗
nes, Wilhelnrs IE. (f.d.), niederzulegen. Er nahm den Zitel eines Grafen von Naffau an und
begab fich mit feinem ungeheuern Vermögen nach Berlin, wo er fi 17. Behr. 3841 mit ber
Gräfin d'Dultremont vermählte und 12. Dec. 1843 ſtarb. Von feinen Kindern leben noch: der
Prinz ber Niederlande, Friedrich (ſ. d.), und eine Tochter, Marianne, geb. 9. Mai 1810, die ſich
1850 mit dem Prinzen Albrecht von Preußen vermählte, aber 1849 wieder gefchieben ward.
Wilhelm I. (Friedr. Georg Ludw.), König der Niederlande, Großherzog von Luremburg
und Herzog von Limburg, 1840—49, Sohn König Wilhelms I. (ſ. d.), geb. 6. Dec. 1792,
wurde ımter der Aufficht feines Vaters in der Militärakademie zu Berlin ergogen und vollen-
dete feine Studien auf ber Univerfität zu Oxford, wo er viel wiffenfchaftlihen Sinn und Talen:
zeigte. Schon früh für ben Militärdienft beftimmt, machte er feine erften Feldzüge in ber engl.
Armee und trat dann 1811 als Oberftlieutenant in fpan. Dienfte. Dur Muth und Thätig-
keit erwarb er fich die Achtung des Herzogs von Wellington, deffen Adjutant er wurde. Bei
ber Belagerung von Ciudad⸗Rodrigo war er unter den Stürmenden einer der Erſten. Beim
Sturme von Badajoz drang er in die Stadt an ber Spige einer engl. Colonne, die er von der
Flucht abgehalten und in den Kampf zurüdgeführt hatte. Ebenſo tapfer bewies er fi in der
Schlacht von Salamanca und bei vielen andern Vorfällen jenes Feldzugs. Hierauf wurde er
Adjutant des Königs von Großbritannien. Als fein Bater 1814 Souverän der Niederlande
geworden, fahen befonber# bie Belgier in dem tapfern Prinzen mit Freude ben fünftigen Thron:
erben, ber eine feltene Güte bes Herzens mit Offenheit, Rechtlichkeit und Herablaffung verband.
*Kronprinz ber Niederlande befehligte er 1815 das niederl. Heer. Er zeigte Muth und mi-
wm. — .. — -
Wilhelm II. (König der Niederlande) Wilhelm E (König von Würtemberg)- 361
titärifche Einſicht, namentlich in dem Treffen bei Quatre⸗Bras und in ber Schlacht bei Water
loo, wo er an ber Spige feiner Truppen einen muthigen Angriff machte und durch einen Schuß
in die Schulter verwundet wurbe. Nach feiner Herftellung begab er fich au den Verbündeten
nach Paris. Nachdem ber Plan einer Bermählung mit der Prinzeffin Charlotte von Wales
ſich zerſchlagen, vermählte ex fich in Petersburg 21. Febr. 1816 mit der Schweſter des Kaiſers
Alerander, der Großfürftin Anna Pawlowna, geb. 19. San. 1795. Im 3. 1830, als die Re
volution in Belgien (f. d.) ausbrach, begab fich der Prinz von Dranien fofort nach Antwerpen
und 1. Sept. nad) Brüffel, wo feine Erfcheinung in der That einen günftigen Eindruc machte,
Allein von andern Seiten wurbe zu viel gefodert, und es Fam der Prinz endlich ſo ins Bebränge,
daß er, feine Vollmacht überfchzeitend, 16. Det. die Freiheit Belgiens anerkannte. Der König
caffirte des Prinzen Vollmacht, der hierauf nach England ging, wo er feine beiden Alteften
Schne erziehen ließ. Im folgenden Jahre übernahm ex wieder den Oherbefehl über die holl.
Armee, bie er im Auguft in dem dreizehntägigen Kriege mit Belgien fiegreich anführte, bis er
vor der bewaffneten Intervention Frankreich ſich zurüudziehen mußte. Später führte er das
Commando über die hol. Obfervationsarmee an ber beig. Grenze. Nach feines Vaters Ab⸗
dankung 7. Dct. 1840 übernahm WB. die Regierung, die durch die wachfenden Finanzverlegen⸗
heiten des Landes und die Nothwendigkeit innerer Reform Feine leichte Aufgabe war. (&. Nie
berlanbe.) Der König fuchte der Finanznoth buch durchgreifende Mittel zu begegnen, aber
er zögerte, bie immer lautes gefoberten politifchen Reformen, von denen auch eine Befferung
der ökonomiſchen Zuftände erwartet wurde, zu gewähren. Die Umgeftaltung der europ. Ver⸗
hältniſſe von 1848 brach jeboch auch feiwen Wiberftand. Statt fpärlicher Eonceffionen bewil-
ligte er die vollſtändige Umgeſtaltung der Verfaffung, bes Finanz- und Steuerwefens, erlebte
aber die Vollendung diefer großen Reorganifationen nicht mehr. Er ftarb 17. Mär, 1849.
Bon feinen Kindern überlebten ihn zwei Schne: König Wilhelm Il. (f. d.) und Prinz Hein⸗
rich, geb. 13. Juni 1820, Statthalter von Luxemburg, feit Juli 1852 vermählt mit ber Prin⸗
zeffin Amalie, Zochter des Herzogs Bernhard von Sachen - Weimar, und eine Tochter,
Sophie, geb. 8. April 1824, vermaͤhlt feit 1842 mit dem regierenden Großherzog Karl Aleran-
ber von Sachſen⸗Weimar.
[helm III. (Alexander Paul Friedrich Ludwig), regierender König der Niederlande,
geb. 19. Febr. 1817, if der ältefte Sohn König Wilhelm's II. (f.d.). Er trat 17. März 1849
die Regierung in dem ſchwierigen YAugenblid an, wo bie alte Berfaffung befeitigt, eine neue
entworfen, aber in Folge diefer Anderung auch eine Umgeftaltung der ganzen ökonomiſchen und
politifhen Abminiftration des Landes nothwendig geworden war. Er fuchte den aufgeregten
Stimmungen mit perfönlichen Zugeftändniffen, namentlich der Verminderung ber Civilliſte
entgegenzufommen. Es gelang ihm dies aber erſt, als er im Herbſt 1849 ein Minifterium aus
der liberalen Oppofition berief (f. Rieberlanbe), in welchem Thorbecke (f.b.) das Portefeuille
bes Innern übernahm. Seitdem wurbe die völlige Reform des innern Staatslebens, die Förde⸗
rung der materiellen Wohlfahrt und die Entwidelung bes parlamentarifchen Weſens in einem
Umfang durchgeführt, die IB.’6 Negierung zu einem ber bentwürdigften Abfchnitte der nieder⸗
ländifhen Geſchichte macht. Auch als in Folge der antipapftlichen Agitation im Lande, ber fich
die ungebuldige Reactionspartei rührig anfchloß, das liberale Minifterlum im Sommer 1853
zum Rücktritt genöthigt war, wurde in den weſentlichen Fragen die hetretene Bahn der conſti⸗
tutionellen Reformen nicht verlaffen. W. ift feit 18. Juni 1839 mit Sophie (geb. 17. Juni
1818), ber Tochter des Königs Wilhelm von Würtemberg, vermählt, melche ihm zwei Söhne
geboren hat: ben Kronprinzen Wilhelm, geb. 4. Sept. 1840, und Prinz Aleranber, geb. 1851.
Wilhelm J. König von Würtemberg feit 1816, wurbe 27. Sept. 1781 zu Lüben in Schle⸗
fien geboren, wo fein Vater, ber nachmalige König Friedrich I. (f. d.) won Würtemberg, ba-
mals als preuß. Generalmajor und Chef eines Dragonerregiments in GBarnifon lag; feine
Mutter war die Pringeffin Augufte Karoline Friederike Luife von Braunfchmeig- Wolfenbüttel
Manches pr Ereigniß umwölkte des Prinzen Jugend. Als Knabe führten ihn bie
Derhältniffe feiner Familie aus Schleſien nad Rußland, in bie Schweiz, nach Deutſchland au
ben Rhein, endlich 1790 nach Würtemberg zum bleibenden Aufenthalte, ſoweit bie Storungen
der Revolutiondkriege dies geflatteten. Der gebieterifche und gewaltthätige Sinn des Vaters,
der im Haufe fo despotiſch wie fpäter im Lande waltete, trübte mannichfach diefe Jahre der &r-
ziehung und legte ben Grund zu fpäteen Misverhältniffen zwifchen Vater und Sohn. Im.
1800 trat W. auf einige Zeit als Freiwilliger in das öfter. Armeecorps unter dem Erzherʒos
Johann und zeichnete ſich in ber Schlacht von Hehenlinden aus. Im Dec. 1797 war fein Bas
9682 Wilhelm I. (König von IBürtemberg)
ter zur Regierung bed Herzogthums Würtemberg gefommen, während ber Prinz, bereit zum
ZJüngling herangewachſen, fortwährend in unbebingter Abhängigkeit erhalten wurbe. Unter
diefen Umfländen Hielt es der Prinz für bas Beſte, vom Hofe fich zu entfernen, und unternahm
4803 eine Reife nach Frankreich und Italien, bie für feine meitere Ausbildung von gutem Er-
folge war. Erſt 1806, nachdem fein Vater die Königswürde angenommen, kehrte W. in das
Vaterland zurüd, mo er nun ald Kronprinz bis 1812 zurückgezogen, von wenigen Freunden
umgeben, in Stuttgart lebte. Huch feine Bermählung 1808 mit der Prinzeffin Karoline Au⸗
gufte yon Baiern, von der er fi 1814 fcheiden ließ und die nachher mit dem Kaifer Franz
von Oſtreich fich vermählte, änderte in feiner Lebensweiſe fehr wenig. Bereits in jener Zeit
Laftete die Megierung des Königs Friedrich in mancher Hinficht ſchwer auf Würtemberg. In
biefer Roth fegte das Land feine ganze Hoffnung auf den Kronprinzen, obgleich ſich der Prinz
von jeder Einmifchung in bie Staatögefchäfte fern hielt. Als 1812 Napoleon den Krieg gegen
Rußland begann, mußte ber Kronprinz, dem Wunſche feines Water gemäß, fih an bie Spige
des würtemberg. Contingents ftellen. Nach dem Einrüden ins ruff. Gebiet mußte er aber, ge-
fährlich erkrankt, in Wilna zurüdbleiben, von wo er nad) feiner Genefung ins Vaterland zu-
rückkehrte. Als nach der Schlacht bei Leipzig endlich auch fein Vater den Alliirten beigetreten,
übernahm der Kronprinz das Commando des fiebenten Armeecorps, beftehenb aus dem wür⸗
temberg. Contingent und mehren öftr. und ruſſ. Regimentern. Der Prinz entwidelte ein aus-
gezeichnetes Feldherrntalent, wirkte vorzüglich zu der biutigen Eintfcheibung bei La Rothiere
und Send ımd hielt beſonders unter den gefährlichften Berhälmiffen bei Montereau, den Rück⸗
zug der Verbündeten deckend, den weit überlegenen Feind unter Napoleon felbft ben ganzen
Zag auf. Auch im Feldzuge von 1815 führte er ein Commando. Eine feiner Hauptwaffentha-
ten war, daß er den General Rapp nach Strasburg zurückwarf. In Paris lernte er bie Grof-
fürftin von Rußland, Katharina Pawlowna, Witwe des Prinzen Peter von Holfiein-Dfden-
burg, kennen, mit der er fi 1816 vermählte, die aber 1819 farb, nachdem fie ihm zwei Töch⸗
ter geboren, Marie, geb. 1816, feit 1840 mit dem würtemberg. Generalmajor Alfred Grafen
von Neipperg vermählt, und Sophie, geb. 1818, feit 1839 die Gemahlin des Prinzen Wil-
helm von Dranien, jeht regierenden Könige Wilhelm III. ber Niederlande. Nach dem uneriwar-
tet ſchnellen Tode feines Vaters 30. Det. 1816, dem er auf dem Throne folgte, trat W. die Re-
gierung mit der ErHärung an, daß er des Volkes Wohl gewiffenhaft fordern werde. Die ver-
worrenen Zuftände des Landes wurden geregelt, Sparfamkeit und Ordnung zurüdgeführt und
bie wichtigfte Angelegenheit, die definitive Feſtſtellung ber Verfaffung, nach langen und mühe⸗
vollen Verhandlungen geregelt. (S. Würtemberg.) In ben Jahren des Friedens genoß es
einer freifinnigern und georbnetern Regierung als viele andere Ränder Deutichland#, und auch
in bem Verhältnig zum Bundestag verfolgte der König mehre Jahre hindurch eine Oppofition
gegen bie abfolutiftifchen Beftrebungen der Metternich ſchen Politik. Doch warb auch Würtem-
berg von den Erfchütterungen des 3. 1848 heftig ergriffen. König W. berief ein Minifterium
aus der Oppofition und ging in die Wege der liberalen Reformen ein: nur den Tendenzen eines
preuß.-deutfchen Bunbesftaats fegte er behartlichen Widerftand entgegen. Zwar mußte er, von
der Volksbewegung gebrängt, wie er offen erklärte, mit innerm Wiberftreben die zu Frankfurt
beichloffene Reichsverfaſſung (April 1849) anerkennen; aber es gelang boch feiner perfönli«
hen Entſchloſſenheit, bie Überflutung Wuͤrtembergs durch bie demokratiſche Revolution ab-
zuwenden. In den von Preußen nun projectirten engern Bunbesftaat einzutreten weigerte er
fi, trat vielmehr (1850) den darauf gerichteten Beftrebungen in feiner —** ſo ſcharf
entgegen, daß Preußen feinen Geſandten abberief und ſich erſt allmälig bie diplomatiſchen Be⸗
ziehungen beider Staaten wiederherſtellten. Un dem gegen Preußen gerichteten Bündniß ber
Königreiche mit Oſtreich zu Bregenz (Det. 1850) nahm er Iebhaften Anthei, obwol er bie
fpäter erfolgte unbedingte Wiederherftellung des Bundestags nicht zu billigen ſchien, vielmehr
In einem Schreiben an ben Fürften Felix Schwarzenberg nationale Meformen als wünſchens⸗
werth bezeichnete. Im Innern fuchte er durch Einlenken in die Wege der Reftaurationspofitif
bie Spuren ber Revolutionsjahre zu verwiſchen. Gr hatte fi 45. April 1820 zum britten
male vermäblt mit Pauline, der Tochter feines verſtorbenen Ohelms, des Herzogs Ludwig von
MWürtemberg, geb. 4. Sept. 1800, welche ibm bie Prinzeffin Katharina, geb. 24. Aug. 1821,
"it 1845 mit dem Neffen des Königs, bem Prinzen Sriedrich von Würtemberg, fer-
nprinzen Karl, geb. 6. März, 1823, vermählt 13. Juli 1846 mit der Großfürftin
ter des Kaifers Nikolaus von Rußland, und die Prinzeffin Auguſte, geb. 4. Det
it feht 47. Juni 1854 mit dem Prinzen Hermann von Sachſen⸗Weimar, geboren
zw ww wu vu wu wm en Teer 2⏑,.,. ———7—
IR ae TOD a a I we ET T
Wirpelm IV. (Landgraf von Heffen-Kaffel) Wilhelm 1. (Kurfürft von Heffen) 263
hat. Bon feinen Geſchwiflern find zu nennen: Prinzeffin Katharina, geb. 21. Sehr. 1783,
vermãhlt 1507 mit dem noch lebenden König Hieronymus von alen, dem füngften Bru-
der Rapoleom’s I. aus weicher Ehe Mathilde, vermaͤhlte Fürſtin von Demidow, und Prinz Ra-
poleon, geb. 1822, ber eventuelle Nachfolger Kaifer Rapoleon’s IL, entfproflen find; dann
Prinz Paul, geb. 19. Ian. 1785, geft. 46. April 1852, deffen ältefler Sohn Friedrich mit
der Tochter bed Königs vermaͤhlt iſt.
Wilpelm IV., Landgraf von Heffen-Kaffel, 1547—92, geb. 1532, der Sohn Philipp’s
des Brofmütbigen (f.d.), beſonders bekannt als großer Aſtronom feiner Seit, fehien, von Wei⸗
bern erzogen, im feinen erften Jugendjahren jedes Befchäft, welches Kopf und Anſtrengung er-
foderte, weichlich zu fliehen. Doc, bald ertwachte in ihm bie Liebe zu den WBiffenfchaften. Um
das Berfäumte nachzubolen, wurbe ex in feinem 14. J. nad Erratburg gebradit, ba bie Kriegs⸗
unruhen in der Heimat feiner Ausbildung nicht förderlich fehienen. Allein ſchon im folgenden
Jahre gerieth fein Bater in kaiſerl. Gefangenfchaft, und Heffen wäre verlaffen geweſen,
wenn ber I5jährige Jüngling nicht eilig zurückgekehrt und fein Retter geworben wäre. Erſi
nach fünf Jahren wurde der Vater, vorzüglich durch Mitwirkung feines Sohnes, ber Haft ent-
laffen, und W. kehrte nun, die Zügel der Regierung tn die Hanb bes Vaters legend, zu feinen
Studien zurück. Anfangs befchäftigte er fich vorzüglich mit der Berfertigung künſtlicher Plane-
tarien. Äls er die geringe Übereinflimniung der damaligen Sternfataloge bemerkte, befchloß er
ſelbſtthätig mitzuwirken, um biefem Mangel abzuhelfen, und errichtete 1561 einen Thurm auf .
einem der Thore in Kaffel, den er mit einem bemeglichen Dache und mit Inſtrumenten verfah,
mit denen er bis 1567 ohne Gehülfen den Himmel beobachtete. Als jedach fein Vater in biefem
Jahre flarb und er die Regierung übernehmen mußte, war er ſtark genug, feinen Kieblingsarbei-
sen größtentheils zu entfagen. Dafür wählte er fih in Rothmann und Juftus Byrgius (f. d.)
zwei wadere Gehülfen, melche bie von ihm begonnene Arbeit unter feiner Auffiche fortfegten.
Er farb 25. Aug. 1592. Der Aftronomie mit Eifer ergeben, fuchte W. auch bie Anwendung
der Mathematit auf das praftifche Leben mit Vortheil zu benugen. Auf dem Reichötage zu
Worms arbeitete er ebenfo thätig ale verftänbig gegen die allen Verkehr in Deutfchland flören-
den Müngverfälfchungen und legte dem Reichstage forgfältig verfertigte Tabellen vor, durch
welche ber wahre Werth aller in jener Zeit gangbaren Münzen beflimmt wurde. Auf dem
Reichsſtage zu Regensburg wegen ber Annehmbarkeit bes Gregorianifchen Kalenders befragt,
erflärte er fich als proteftant. Fürft gegen denfelben, jedoch nicht etwa weil er bie Vorzüge deſſel⸗
ben verfannte, fondern weil er, wie er in feinen Schreiben an den Kurfürften von Sachfen fagt,
Eingriffe in das Anfehen des Deutfchen Reis und die Ausbreitung einer fremden Berichts-
barkeit in demfelben beforgte. ‘Diefe Antwort war die Urfache, daß ber neue Kalender von ben
fämmtlichen proteftant. Fürſten Deutſchlands nicht angenommen wurde. Einen Theil feiner
Beobachtungen hat Smellius unter dem Titel „Coeli-et siderum observationes” (®eyb. 1618)
herausgegeben; doch bei weitem bie meiften finden fich ungedruckt in ber Bibliothek zu Kaffel.
Wilhelm I., Kurfürft von Heffen, 1805—21, vorher als Landgraf Wilhelm IX. genannt,
wurde zu Kaffel 3. San. 1743 geboren. Als fein Bater, Friedrich II. der zur kath. Kirche über-
gegangen mar, 1760 zur Regierung gelangte, traten die Maßregeln in Wirkſamkeit, welche
man getroffen, um dem Lande und der Regentenfamilie die ungeftörte Beibehaltung des ref.
Religionsbekenntniſſes zu fihern. Friedrich's Gemahlin, Marie, die Tochter Georg’s II. von
England, überfam als Vormünderin ihrer Söhne die Regierung der Grafſchaft Hanau und
leitete ohne jede Theilnahme bes Waters der Kinder Erziehung. Durch treffliche Lehrer vorge
bitdet, befuchte W. die Univerfität zu Göttingen. Während ber Unruhen bes Siebenfährigen
Krieg lebte er am Hofe feines Dheims, des Königs Friedrich V. von Dänemarf, beffen zweite
Tochter, Wilhelmine Karoline, er 1764 zur Gemahlin wählte. Gleichzeitig hatte er die Ne
sierung ber Grafſchaft Hanau übernommen und trug nım durch Reutfeligkeit, Fuge Sparfam-
keit und thätige Hülfe viel zur Minderung der Roth bei, bie der Krieg über das Land gebracht.
Weniger Iandesväterliche Gefinnung bewies er durch den Abſchluß bes Subfidientractats mit
England 1776, in Folge deffen er zur Bekämpfung der im Aufftande begriffenen nordamerik.
Golonien feine Unterthanen für Gelb verkaufte. Im 3. 1778 nahm er als preuß. Generalmajor
an dem Bairiſchen Erbfolgefriege Theil. Seitdem bildete fich eine leidenfchaftliche, für fein
Land ebenfo drüdende als für feinen Schag Eoftfpielige Neigung für das Soldatenweſen aus.
Als er 1785 feinem Vater in ber Regierung von Heffen - Kaffel gefolgt war, verlegte er feine
Reſidenz nach Kaffel. Er verwaltete feine Regierungsgefcyäfte mit Eifer, Selbftändigkeit und
Gerechtigkeiteliebe, drüdte aber das Land auch vielfach durch Härte, Geiz und feine Golbaten-
264 Wilhelm I (Kurfürft von Heffen)
ſucht. Er hielt die Beamten in firenger Ordnung, fah auf ftrenge Poligei und that viel für
Verbefferung des Schul- und Kirchenweſens. Bürftlihen Glanz zeigte er befonders in ber Ne
gung zu Paraden, fowie zu Bauten, durch die er feine Reſidenz ebenfo wie Hof-Geismar, Nenn
dorf, Wilhelmöbad und Schwalheim verfchonerte. Der. erfte Verfuch, welchen er mit feinem
Heere machte, um fich bei den beutfchen Fürſten in Geltung zu fegen, war, daß er einen Theil
der Graffhaft Schaumburg als heif. Zehn nach dem Tode des regierenden Grafen Philips
Ernſt von Schaumburg-Lippe 1787 befegte, weil er beffen unmündigen Sohn, Georg Wilhelm,
wegen einer nicht ebenbürtigen Großmutter nicht für lehnsfähig anerkennen wollte. Doc bie
Neichögerichte, der Kaifer, Preußen und England nahmen fid) des jungen Grafen an, und der
Landgraf mußte das befegte Ländchen räumen und Schaden und Koften exfegen. In demfelben
Fahre ſchloß er mit England einen neuen Subfidientractat, dem zufolge er 12000 Mann ftellte
und dafür jährlich 675000 Kronenthaler empfing. Neue Anregungen zu Kriegdrüftungen fand
er bei Gelegenheit des Ausbruch der Franzöſiſchen Revolution. Durch ein Kager bei Bergen
von 80080 Mann bedfte er 1790 die Kaiferfronung Leopold's II. gegen einen möglichen Überfall
franzöfifcherfeits. Dierauf ſchloß er fich mit einer gleichen Seerengabl dem Feldzuge der Preu-
fen gegen Frankreich an, eroberte 22. Dec. 1792 Frankfurt a. M. wieder und ließ 1793 feine
Zruppen, 12000 Mann ſtark und im engl. Solde, in Flandern aufs neue gegen die Sranzofen
kämpfen. Als der Bafeler Friede 1795 dem Kriege ein Ende gemacht, mußte der Landgraf feine
jenfeit bes Rhein gelegenen Randestheile im franz. Beſitze laffen ( AM. mit 2500 E.). Im
Reichs deputationshauptſchluſſe von 1805 wurde er nebft ber Kurwürde, die er unter dem Na⸗
men Wilhelm I. antrat, für den Verluft am linken Nheinufer durch mehre ehemals kurmainz.
Amter und die Reichsſtadt Gelnbaufen (5 AM. nit 14000 €.) entſchädigt. W. führte als
Kurfürft feine Regierungsweife in ber frübern Art fort, vermehrte den Wohlftand feiner Staa⸗
ten und in großerm Maße bie Reichthümer feines Schages, hielt aber ebenfo an feinem Dafie
gegen Frankreich feit und ſchloß fi) deshalb immer inniger an Preußen an. Durch diefe den
Sranzofen wohlbekannte Gefinnung, durch feine Verhältniffe zu Preußen als Feldmarſchall
und durch die Vermählung feines älteften Sohnes mit der Tochter Friedrich Wilhelm’s IL,
fowie durch feine fortwährenden Kriegsrüſtungen zog er das Ungewitter auf fich, welches nad
der Schlacht von Jena über ihn ausbrach. Gewagten Unternehmungen abgeneigt, entfloh er,
als die Franzoſen unter Mortier heranrückten, mit feiner Familie und feinen Schägen in die
neutralen Staaten des Königs von Dänemark. Als der Friede zu Tilfit ihn feines Throns für
verluftig erffärte und feine Ränder mit dem neuerrichteten Königreihe Weftfalen (f.d.) vereinigt
wurden, wenbete ex fich erfi nach Schleswig und im Juli 1808 nach Prag. Bon hier aus erließ
er beim Ausbruch des öſtr.franz. Kriegs von 1809 einen Aufruf an die Heſſen und fammelte
bei Eger ein Meines Heer, mit dem er die Wiedereroberung feiner Staaten zu bewirken gedachte.
Bei.der ſchnellen Wendung des Kriegs fah er fich aber genötigt, feine Truppen wieder gu ent»
laffen, welche er Dadurch zum Theil in die größte Verlegenheit brachte. Erſt nad) der Schlacht
bei Leipzig gewann das Schickſal W.'s eine günftigere Wendung. Er hatte bereitd im Sept.
1815 eine Zuſammenkunft mit dem Kaifer von Rußland und dem Könige von Preufen zu
Breslau, wo er fich zur Aufftellung von Hülfstruppen erbot, flatt beffen aber zur Zahlung von
Hülfsgeldern an bie nn ae verpflichtet wurde. Die Siege der Verbündeten be⸗
freiten fchnell die kurheſſ. Länder. Schon 21. Nov. 1813 309 W. an der Seite feiner Gemahlin
wieder in Kaffel ein und übernahm die Regierung von neuem-mit Thätigkeit und Kraft. Er
ftellte den Verbündeten fofort 20000 und 1815 wieder 12000 Dann gegen Napoleon ind Feld,
die fich viel Kriegsruhm erwarben. Mit feinem Wunfche zur Wieberherftellung des beutfchen
Kaiſerthums drang er auf dem Wiener Congreſſe nicht Durch. Auch foll er dort vergeblich ben
Plan geltend gemacht haben, ald König der Hatten anerkannt zu werben, weshalb ex den kur⸗
fürſtlichen Titel beibehielt und ihn mit dem Präbicate Königliche Hoheit verband. Allem Län
dertaufche abgeneigt, erhielt ex für manche Abtretungen und Aufopferungen reichliche Entſchä⸗
digungen, nach deren Befignahme er auch den Zitel eines Groppergogt von Fulda, 8. Febr.
1816, und eines Fürſten von Iſenburg annahm. Wie in den Verhältniffen nad außen, fo
zeigte ber Kurfürft in den Innern Angelegenheiten feines Landes eine für fein Hohes Alter unge
wöhnliche Tätigkeit. Ex förderte vieles Nügliche, wirkte eifrig für Verbeſſerung des Rechts
pflege, ſowie ber Kirchen und Schulen und war feinem Volke zu Rath und That ſtets zugänglich.
eilich aber wurden dieſe Vorzüge durch manche feiner Eigenſchaften verdunkelt. Unglüͤcktfälle
und höheres Lebensalter hatten die Strenge feines Charakters gemehrt und feine übertriebenen
*en von fürftlicher Machtvollkommenheit cher geſteigert als gemübert, bie ihn nun fort
Bilpelm 11. (Kurfünt von Heften) 265
dauernd in Widerfprud zu ben Boberungen ber neuern Zeit brachten. Er meinte alle Ereigniffe
der Zeit von 1806—13 verlöfchen zu fonnen, wenn er im Civil und Militär Alles wieder auf
den alten Fuß ftellte, ſezte demgemäß bie Beamten, Die während der Zeit ber Zwifchentegierung
Anancirt waren, wieder we die frühern niedrigern Poften zurück, machte die Capitäns zu Lieu⸗
tenants, flellte die unter Hieronymus abgefchafften Frohnen wieder ber, führte bei der Armee
Puder, Zöpfe und Stockſchläge wieder ein, vertrieb die in Amtern vorgefundenen Ausländer
benachbarter beutfcher Staaten, rebucirte die Staatsobligationen auf ein Drittel Werth und
nohm den Domänenfäufern (f. Weftfälifhe Domänen) die während feiner Abwefenheit er-
kauften Güter ohne Entichädigung. Dabei erregten feine Härte und fein Geiz große Unzufrie-
benheit und brachten ihn ebenfo mit den Ständen bes Landes wie mit feinen Kriegsverbünbeten
in ben beftigfien Zwiefpalt. Als nämlich, noch vor dem erften Parifer Krieden, den kurheſſ.
Truppen die Rückkehr in die geimat verfiattet murbe, unter der Bedingung, daß fie auf dem
Kriegsfuße blieben, und der Kurfürft dies aus übergroßer Sparſamkeit vernachläffigte, rückten
Executionstruppen in fein Rand, die nur erſt durch Preußens Vermittelung wieder entfernt
wurden. In einen gleich übeln Conflict gerieth er in Bezug auf feine Verpflichtung, dem Bande
eine fändifche Verfaffung zu erteilen. Zwar rief der Kurfürft die althefl. Stände mehrmals
zufammen, auch ordnete er ihnen Deputirte der Bauern zu, aber da bie Mitglieder der Ver⸗
fammlungen ſich feiner Willkür nicht fügen, namentlich nicht von der Foderung einer Sonde⸗
zung bed Staatövermögens von dem überreichen Privatichage des Kurfürften abgehen wollten,
unterblieb die Herftellung der Verfaffung. (S. Heſſen⸗Kaffel.) Eine fehr abgemeffene Lebens⸗
weife hatte feinem Körper eine Feſtigkeit verliehen, bie ber gewöhnlichen Hinfälligkeit eines ho-
ben Alters Trotz zu bieten ſchien. Ein Schlagfluß endete jedoch plöglich fein Leben 27. Febr.
41821, nachdem feine Gemahlin ihm 24. Jan. 1820 im Tode vorangegangen war. Ihm folgte
in der Regierung fein einziger Sohn, Wilhelm II. (ſ. d.).
Wilhelm U., Kurfürft von Heffen und Großherzog von Fulda feit 1824, geb. 28. Juli
4777, feit 1803 Kurprinz, folgte feinem Vater Wilhelm I. (f. d.) 27. Febr. 1821 in der Re⸗
gierung. Ex wurde, nach bem Plane feines Vaters, fireng und für ben Krieg erzogen, fludirte
in Marburg und Leipzig und vermäblte fich 13. Febr. 1797 mit der Prinzeſſin Augufte, der
Tochter des Könige Friedrih Wilhelm II. von Preußen. Als die Krangofen 1806 das Rand
befegten, folgte ex feinem Vater nach Schleswig und nach Prag; dann ging er 1809 nach Ber-
fin. Im 3.1813 focht er im preuß. Deere in der Schlacht bei Leipzig. Er erließ in Kaffel
30. Dct. ben Aufruf an die Heflen zum Kampfe gegen Frankreich, bewies ſich nach der Nüd-
Lehr feines Vaters bei Ausrüftung des Heeres fehr thätig und übernahm im März 1814 den
Dperbefehl über das ganze Heer, das bie Feftungen Meg, Thionville, Luremburg und Saar⸗
Louis einzufchließen beftimmt war. Nach dem Parifer Frieden befuchte er mit feinem Vater ben
Congreß zu Wien; dann lebte er in Hanau. Als er nach dem Tode feines Vaters 27. Febr.
1821 den Thron.beftieg, erregte er durch mehre zeitgemäße Meformen, die er in ber Verwal⸗
tung vornahm, manche Hoffnumgen. Die Erwartung jedoch, die Wirkfamkeit der Landſtände,
welche feit 1816 nicht mehr zufammenberufen worden waren, hergeftellt zu fehen, blieb unew
füllt und noch weniger lag es in der Abficht W.s, eine neue, ben Zeitbebürfniffen angemeffene
Berfaffung zu gewähren. Zu biefem Misftimmung verurfachenden Umftande kamen noch Spal⸗
tungen in ber fürftlichen Familie felbft. Als der Kurfürft feine Geliebte, Emile Drlöp aus
Berlin, 1821 zur Gräfin von Reichenbach (Tpäter zur Gräfin von Leffonig) erhob, zog fich die
Kurfürflin, die die Liebe und Achtung bes Volkes in hohem Grabe genof, vom Hofe zurüd und
viele vom Adel folgten ihrem Beifpiele. Enblich erbitterte 1825 auch ein Drohbrief ben Kur-
fürften, beffen Urheber felbft die firengften Unterfuchungen und ein Preis von 10000 Thlrn.
nicht zu entbedden nermochten. Die Kurfürftin verlieh 1826 Kaffel und begab fi nach Bonn;
auch der Kurprinz ging nach Berlin und föhnte fich erft 1830 mit feinem erkrankten Vater in
Karlsbad aus. Bon hier kehrten Vater und Sohn 12. Sept. nad) Kaffel zurüd, wo unterdeß
die europ. Bewegung jener Zeit 6. Sept. einen Aufſtand und dann die Bürgerbewaffnung zur
Folge gehabt Hatte. Der Kurfürft bewilligte 15. Sept. das Geſuch der Bürger um Verſamm⸗
tung der Landflände und ſchon 5. Ian. 1831 kam hiermit eine neue Conſtitution zu Stande.
S. Heflen-Raffel.) In Folge der Unruhen über bie Rückkehr der Gräfin Leſſonit 11. Jan,
bie zur Abreiſe genöthigst wurde, verlegte der Kurfürſt feine Reſidenz nach Hanau und übertrug,
nachdem die Stände und die Stadt Kaffel vergebens ihn gebeten hatten, nach Kaffel zurückzu⸗
Tchren, auf die Zeit feiner Abweſenheit vom Gige ber Regierung 30. Sept. 1851 die Regent
(haft dem Kurpringen Friedrich Wilhelmm. Der Kurfürft behielt ſich die Einkünfte bes Haus-
286 Bilhelm (Herzog von Braunſchweig)
fibeicommiffes vor, trat aber dem Kurpringen bie aus ber Staatbkaſſe zu zahlende Summe des
Hofetats für beftänbig ab. Seitdem lebte ber Kurfürft abwechfelnd in und bei Hanau (zu Phi«
fippsthat), in Baden und befonders zu Frankfurt a. M., getrennt von feiner Gemahlin, nach
deren Tode (19. Febr. 1841) er fich 8. Juli 1841 mit der Gräfin Leffonig und, als biefe 12.
Febr. 1843 ſtarb, bald darauf (28. Hug.) mit Karoline Baronin von Bergen, geborener von
Berlepfch, morganatiſch vermählte. Er ſtarb 20. Nov. 1847 zu Frankfurt und fein Sohn, der
bisherige Kurprinz-Mitregent, folgte ihm als Friedrich Wilhelm I. (f. d.) in der Kurwürde.
Wilhelm (Aug. Lubw. Mar. Friedr.), vegierender Herzog zu Braunfchweig- Wolfenbüttel
feit 1850, geb. 25. April 1806, ift der zweite Sohn des in der Schlacht bei Quatre⸗Bras 1815
gefallenen Herzogs Friedrich Wilhelm (f. d.) und der Prinzeffin Marie von Baden. Nach der
Schlacht bei Auerftäbt, in welcher fein Großvater Karl Wilhelm Ferdinand (f. d.) töbtfich ver-
wundet wurbe, floh bie Mutter mit ihren beiden Söhnen Karl und Wilhelm 18. Oct. 1806
von Braunſchweig über Stralfunb nach Schweden, dann über Dänemark und Hamburg nach
Karlsruhe, endlich nach Bruchfal, wohin auch ihr Gemahl, damals noch Herzog von Braun⸗
fſchweig „Dis, im Aug. 1807 iam und wo fie 20. April 1808 im Kindbetie flarb. Die Prinzen
kamen num unter bie Obhut ihrer Großmutter, der verwitweten Landgräfin Amalie von Beffen-
Darmſtadt. Als aber der Krieg 1809 zwiſchen Frankreich und Oftreich vorauszufehen war,
ließ der Vater im März 1809 durch den Oberfien von Nordenfels (den frühern Major Flei⸗
ſcher) fie zu ſich nach Ois Holen, von wo fie, um nicht Durch den Feind aufgehoben zu werben,
dem Water nach Nachod inBöhmen folgten. Beim Ausbruch bed Kriegs Tief fie der Vater durch
den Dberften von Nordenfels nach Kolberg in Pommern und von bier gegen Ende Aug. 1809
über Schweden nach England führen, wo fie ber Aufficht ihrer Großmutter, der verwitweten
Herzogin Augufte, Schweſter Georg's III, übergeben wurden. Nachdem der Vater im Dec.
1813 von London nach Braunfchweig zurückgekehrt, folgten ihm nfit ihrem bisherigen Lehrer,
dem Hofkaplan Prince, 1814 auch die Prinzen. Jetzt erft konnte an eine regelmäßige Erzie⸗
bung gedacht werben. Nach dem Tode des Vaters wurbe der Prinz⸗Regent von Großbritan⸗
nien (feit 1820 König Georg IV.) ihr Vormund und der Hofrath Eigner ihr Erzieher. Im J.
4820 begaben fich die Prinzen von Bramfchweig, begleitet von bem Baron von Linfingen und
dem Hofrath Eigner, nach Lauſanne. Der Herzog Karl ging dann 1822 nach Wien, der Prinz
W. aber, unter Leitung bed Oberſten von Dörnberg, nach Göttingen und 1823 nach Berlin,
wo er Militärbienfte nahm umd zum Major aufflieg. Im 3. 1826 trat ihm fein Bruder, Karl
(ſ. d.), der die Regierung 1823 übernommen hatte, das Fürftenthum DIE in Schlefien ab. Auf
die Nachricht von dem Aufftande in Braunſchweig 7. Sept. 1830 und von der Vertreibung
des Herzog6 traf der Prinz W., der in Berlin feinen Aufenthalt hatte, 10. Sept. in Braun⸗
ſchweig ein und übernahm 28. Sept., auf Anfuchen der Stände, proviforifch die Regierung bed
Landes, morin er durch einen Beſchluß der Bundesverfammlung vom 2. Dec. 1830 bie auf
Weiteres beftätigt wurde. ine Samilienacte des Befammthaufes Braunſchweig vom Behr.
1834 erlärte ben Herzog Karl für abfolut regierungsunfähig und bie Regierung für erledigt,
welche hierauf der Herzog W. 20. April 1834 definitiv kraft eigenen Rechts, im Einverfländnif
"mit den Agnaten, antrat. Er ftellte gemäß dem Randesgrundgefege den Landftänden eine Ber-
ſicherungsurkunde für Aufrechthaltung der Berfaffung und der Hausverträge aus und nahm
25. April die Bandeshuldigung an, morauf er aus dem preuß. Dienft im Mai 1831 ausfhieb.
Bei einem Befuche in London erhielt er den Hofenbandorden. Nach feiner Rückkehr eröffnete er
30. Sept. 1831 die Ständeverfammlung, in welcher bie neue Berfaffung berathen und ange
nommen wurde, welcher unterm 12. Dct. 1832 der Herzog die Sanction ertheilte. Am 14. März
1833 vollzog derfelbe die von fämmtlichen Agnaten deſchloſſene Obercuratel über den vertrie-
benen Herzog wegen beffen Verſchwendung. Un der Stelle des niebergebrannten Schloſſes ließ
der Derzog ein neues prachtvolles Reſidenzſchloß unter ber Oberleitung des Baumeiſters Dtt-
mer aufführen, zu welchem ex 26. März 1853 den Grundſtein legte. Auf die geipannten und
gewaltſamen VBerbältniffe unter Herzog Karl folgte nun eine Periode ruhiger und ungeflörter
conftitutioneller Sntwidelung, die dem materiellen und pofitifchen Kortfchritt bes Landes gleich
förderlich war. Auch die politifcgen Stürme des I. 1848 haben daher in wenig deutfchen Län-
bern einen ruhigern Verlauf genommen als in Braunfchweig, zumal Herzog DB. nicht nur dem
billigen Reformwuͤnſchen bereitwillig nachgab, fondern auch nach dem Ablauf ber beivegten Zei-
ten bie Perſonen und Grundſaͤtze des befonnenen Fortſchruts walten Tief. In den Bragen der
hen Einigung und ber Sache Schles wig⸗ Holſteins hat der Herzog immer In der Meihe ber
iſchen und opferbereiten Fürften geflanden. Ungeachtet der vielfach im Lande laut gewor⸗
Bilhzelm (Friedr. Wilh. Prinz v. Preußen) Wilhelm (Zriedr. Lubw., Prinz v. Preußen) 267
denen Wünſche iſt W. unvermahlt geblieben, fobaß aller Vorausficht nach das Haus Braun.
ſchweig mit ihm erlöfchen und die Bereinigung der welfifchen Gebiete nach feinem Tode ein-
treten wird.
Wilhelm (Briedr. Wild. Karl), Prinz von Preußen, der dritte Sohn des Könige Friedrich
Wilhelm II. und Bruder bes Königs Friedrich Wilhelm II, wurbe zu Berlin 3. Juli 1783
geboren. . Seine Erziehung war von dem Generalmajor von Schad und von Gouffroy geleitet;
in ben Kriegſwiſſenſchaften unterrichteten ihn Die Generale Temperheft und Scharnhorfl. Seit
1799 diente er in ber Garde. Er vermählte ſich 12. San. 1804 mit Maria Anna, Tochter bes
Landgrafen Friedrich Ludwig von Heffen-Homburg (geb. 13.0c1.1785, gefl. 14. April 1846),
aus welcher Ehe zehn Kinder mtfprangen. Im Kriege von 1806 commanbdirte Prinz WB. ale
Dberftlieutenant eine Eavaleriebrigade. In der Schlacht bei Auerfläbt zeichnete er ſich durch
einen Fühnen Ungriff auf das franz. Fußvolk aus. Später, nachdem er in Zilfit der Commiſ⸗
fion zur Reorganifirung ber Gavalerie vorgeftanben, befand er fich in bein Hauptquartiere de6
Generals von !’Eftocg. Seit dem März 1807 commandirte er das zweite Dragonerregintent.
Um eine Srmäfigung der bem Lande auferlegten Kriegslaften von Napoleon zu erlangen, reiſte
et im Dec. 1807 nad) Paris, doch vermochte er nur eine geringe Verminderung ber gefoberten
Kriegsfteuer von 154'4 Mil. Freẽ. bis 140 MIN. zu bewirken, wofür den Franzofen die Fe⸗
Kungen Glogau, Küften und Stettin einftweilen überlaffen werben mußten. Am Ende bes
3.1808 begleitete er den König umd bie Königin nach Petersburg, von wo fie 40. Febr. 1809
in Königsberg wieber eintrafen. In Berlin befchäftigten ihn ſodann die Wieberherfleflung und
bie neue Belebung bes Staatsweſens. In dem Befreiungskriege von 1813 befand fih W. in
Blücher's Hauptquartier: er commanbirte in der Schlacht bei Rügen bie Refervecavalerie auf
dem linken Flügel der Armee und warf mit feinen Küraffieren ein feindliche Duarrd. Auch au
ben folgenden Thaten des ſchleſ. Heeres nahm er ruhmvollen Antheil. Bei der Schlacht von
Reipzig vermittelte er die Mitwirkung des Norbheeres in der Zuſammenkunft Blücher's mit
dem Kronpringen von Schweden zu Breitenfeld. Später führte er Die achte Brigade im erften
Armeecorps, weiches General York befehligte, über den Rhein und fämpfte auf dem Boden
Frankreichs ſehr tapfer. Nach dem Pariſer driehen begleitete ber Prinz ben König nach London
und wohnte dann den Berhandlungen des Wiener Gongreffes bei. Im Kriege von 1815 befehligte
er in der Schlacht bei Belle-Alliance die Refervecavalerie bes vierten Armeecorps. Er nahm
an ber nächtlichen Verfolgung des Feindes Theil und rüdte hierauf an ber Spige der Avant.
garbe nad) Paris vor. Geit beim zweiten Pariſer Frieden lebte er theils in Paris, theild auf
feinem Schloſſe Fiſchbach bei Scpmiebeberg in Schlefien. Hier befand er fich, als die Juli⸗
revolution von 1830 ausbrach. Wegen der bedrohten Rage ber Nheinprovinzen ernannte ihn
der König zum Beneralgouverneur der Rheinprovinzen und Weſtfalens, worauf er Ende 1830
in Köln feinen Wohnfig nahm. Nach feiner Rüdkehr von Köln, im Dec. 1831, lebte er ab-
wechſelnd in Berlin und Fiſchbach. Im März 1834 wurde er zum General der Eavalerie und
zum Gouverneur ber Bunbesfeftung Mainz, welche Stelle er Thon 1824—29 bekleidet hatte,
ernannt. Doch lebte er nach dem Zode feiner Gemahlin meift zu Fiſchbach. Er flarb 28. Sept.
1851. Bon feinen Kindern überlebten ihn die Söhne: Adalbert (f.d.) und Waldemar (ſ. d.);
bie Töchter: Eliſabeth, geb. 1815, ſeit 1836 vermählt mit bem Prinzen Karl Wilhelm Ludwig
von Heſſen und bei Rhein, und Maria, geb. 1825, jegige Königin von Baiern.
helm ( Friedr. Ludw.), Prinz von Preußen, zweiter Sohn des 1840 verflorbenen Kö-
nig6 Friedrich Wilhelm IN. und Bruder König Friedrich Wilhelm's IV., als präfumtiver Thron⸗
folger vorzugsweife der „Prinz von Preußen” genannt, wurbe 22. März 41797 geboren. Der
Prinz erhielt eine forgfältige Erziehung, trat früh in Milttärdienfte und wohnte den Feldzügen
von 1815 umb 1814 bei. Seit der Thronbefteigung feines Bruders zu hohen militärifehen und
politifhen Chargen erhoben, zum Statthalter von Pommern ernannt und in ben erften Der-
einigten Landtag berufen, nahm er auch an ben politifchen Angelegenheiten des Landes Iebhaf-
ten Untbeil. Wol feine ausgefprochene Vorliebe für das Militärweſen war eine der Urfachen,
weshalb er von Vielen mit Unrecht als die Hauptflüge der abfolutiftifchen Tendenzen betrachtet
ward: ein Borurtheil, das ſich in den biutigen Revolutiondtagen bes März 1848 in einer bef-
tigen, mannichfach Fünftlich gefchürten Aufregung gegen den Prinzen kundgegeben bat. Es
wurde damals für tathſam gehalten, ihn ſich entfernen zu Taffen, bis die Stimmungen berubigt
waren, und ber Prinz begab ſich nach England. Doch mar das Minifterium Camphauſen fir
feine Rüdberufung bemüht und im Juni kehrte er auch nach Berlin zurüd. Zum Abgeordnet
in die preuß. Nationalverfammlung gewählt, trat er diefe Stelle an, ohne doch an den ®
268 Wilhelm (Markgraf von Beben)
handlungen mweitern Antheil zu nehmen. Als dann im Frühiahr 1849 Preußen feine Streit⸗
Bräfte zu den Waffen rief, um die füddeutfche Nevolution zu bewältigen, ward bem Prinzen bee
Oberbefehl übertragen. Er unterwarf in wenig Wochen die aufftändifche Pfalz und Baben und
hinterließ durch fein gerades, bieberes Benehmen wie durch feine Milde überall in den berubig-
ten Gebieten einen fehr günftigen Eindruck. Im Dct. 1849 zum Militärgouverneur am Rhein
und in Weftfalen ernannt, nahm er feinen regelmäßigen Wohnfig in Koblenz, ward feboch in
allen den wichtigen Angelegenheiten, die in dieſem und den folgenden Jahren die preuß. Politik
befchäftigten, zu Nathe gezogen. Die frühern Stimmungen gegen ben Prinzen find in Die un«
beftrittenfte Popularität umgefchlagen, zumal feit fich bei mehren Anläffen kund gab, wie fehr
fein mititärifch einfaches Wefen allen Parteiegtremen abhold und nur auf die öffentliche Wohl⸗
fahrt und Macht Preußens gerichtet ift. Bei der Feier feiner filbernen Hochzeit (Juni 1854)
- hat fich dies in allen Kreifen und Theilen bes Landes aufs unzweifelhaftefle kundgegeben. Au-
Ber feinen andern hohen Amtern, zu benen 1854 die neucreirte Würde eines Generaloberften
der Infanterie und die Function eines Gouverneurs der Feftung Mainz gekommen ift, bekleidet
ber Prinz auch bie Stelle eines Großmeiſters ſämmtlicher Freimaurerlogen in Preußen. Cr ift
feie 11. Juni 1829 mit ber Pringeffin Marie Luiſe Auguſte, geb. 30. Sept. 18414, der Tochter
des verftorbenen Großherzogs Karl Friedrich von Sachfen-Weimar, vermählt, aus welcher Ehe
zwei Kinder entfprofien find: Prinz Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl, geb. 18. Det. 1831,
gegenwärtig Major im Garderegiment, ber, von ausgezeichneten Lehrern gebildet, feine Stubien
in Bonn gemacht und 1855 —54 eine größere Reife nach Italien unternommen bat, und die
Prinzeſſin Luife Marie Elifaberh, geb. 3. Der. 1838.
Wilhelm (Lubw. Aug.), Markgraf von Baben feit 1817, früher Graf von Hochberg, ber
zweite Sohn des Großherzogs Karl Friedrich (f. d.), aus beffen zweiter Ehe milder Gräfin
Hochberg, und Bruder des 1852 geftorbenen Großherzogs Leopold (f. d.) von Baden, geb.
zu Karlsruhe 8. April 1792, genoß gleich feinen übrigen Gefchwiftern eine forgfältige Er
ziehung. Er trat fehr jung in bad. Militärdienfte und war im Kriege gegen Oſtreich, 1809,
Adjutant in dem Generalftabe Maffena’s. Nach dem Frieden kehrte er in fein Vaterland zurüd
und wurbe zum Generalmajor ernannt. In dem Feldzuge gegen Rußland 1812 befehligte der
Straf von Hochberg bie bad. Brigade, welche dem neunten Armeecorps unter dem Marſchall
Victor zugetheilt war. Doch ber größte Theil der Brigade mußte in Danzig bleiben und
erſt beim Rückzuge der Franzoſen von Moskau wurde fie zur Befegung von Witebsk und an-
dern Orten verwendet. Beim Rückzuge des neunten Armeecorps hatte die bad. Brigabe die
Arrieregarde zu unterflügen. Sehr glücklich manoeuvrirte der Graf von Hochberg trog feiner
Jugend an der Bereszina. Hierauf übernahm er das Commando der fammtlichen Infanterie
des neunten Armeecorps, die er unter großen Belchwerlichkeiten über die Bereszina führte.
Don allen Seiten gebrängt und täglich im Gefecht, zeichneten fic) die bad. Truppen noch immer
durch gute Haltung. und Tapferkeit aus; doch kamen davon nächft einer Anzahl Offiziere kaum
50—60 Unteroffiziere und Soldaten nah Wilna. Nach der Rückkehr ins Vaterland wurde er
zum Generallieutenant erhoben und führte dann die zweite Hälfte des bad. Gontingents nach
Sachſen, wo er das Kommando des bad. Armeecorps übernahm. In der Schlacht bei Leipzig
capitulirte er 19. Det. mit den Verbündeten. Ex ließ feine Truppen die Waffen nieberlegen,
lehnte jeboch den Antrag der Verbündeten ab, ſich mit ihnen zu vereinigen. Im 3. 1814 leitete
er die Blockaden von Strasburg, Landau, Pfalzburg, Bitſch, Lichtenberg und Rügelftein; zu-
gleich führte er den Oberbefehl im Unterelfaß. Hierauf begab er fich 1815 auf den Congreß
nach Wien, um die Angelegenheiten des Haufes Baden zu vertreten. Nach Napoleon's Rüd-
keht von Elba führte er das Obercommando bei den Blodaben von Schlettfladt und Neu-Brei«
ſach. Nach Aufhebung der Blodaden mar er bei der Belagerung von Hüningen, mo er unter
bem Erzherzog Johann eine öſtr, mit Würtembergern und Heffen-Darmflädtern combinirte
Divifion befehligte. In Angelegenheiten des bad. Haufes ging er 1818 zwei mal nad) Peters-
burg, wo er fich bie Gunſt des Kaiſers Alexander in hohem Grade erwarb. Im vwiflenfchaft-
lichen Intereffe unternahm er 1820 eine Reife nach Frankreich. Nach ber Thronbefteigung fei«
nes Bruders Leopold (1350) nahm er eine bedeutende und einflußreiche Stellung ein. Ex warb
Sommandeur bes bad. Armeecorps und nahm ald Präfibent der erften Kammer einen thätigen
Antheil an den Hffentlichen Angelegenheiten bes Landes. Erſt die Stürme von 1848 bewogen
ihn, die Führung der Truppen nieberzulegen und fich auf feine Stellung als Präfibent der Kam-
mer au beſchränken. Anhaltende Kraͤnklichkeit nöthigte ihn indeſſen in ben legten Jahren, auch
teit zu entfagen. Außer feiner politifchen Thätigkeit übte er als Vorſtand des
Bilhelmsbad Bilhelusthal 208
landwirthſchaftlichen Vereins in Baden eigen günfligen Cinfluß auf die Förderung ber mate-
zielen Interefien des Landes. Der Prinz ift feit 1830 mit Eliſabeth (geb. 1802), der Tochter
des verfiochenen Herzogs Ludwig, vermählt, aus welcher Ehe brei Töchter entipreffen find.
Bilhelmsbad, ein Geſundbrunnen und Bergnügimgsort in Kurheſſen, eine Halbe Stunde
von Hanau, wurbe 1769 zufällig entbedit. Den Namen erhidt er vom nachmaligen Kurfürſten
Wilhelm 1. von Heffen, ber dafelbf noch als Erbprinz, 1779 fhöne Gebäude aufführen und
einen Park anlegen Tieß, fowie Alles chat, um ben Babegäften den Aufenthalt angenehm zu
machen. Beſucht wird der Ort beſonders von Frankfurt und Hanau aus, Doch mehr wegen fei- "
ner Unlagen und zum Bergnügen als megen ber Mineralquelle. Das Schloß ift in neuerer
Seit veftaurirt worben und eine Spielgefellichaft Hat dafelbft ihren Sig aufgefchlagen. In den
Wirren von 1850 (f. Heflen-Raffel) war ZB. vom 17. Sept. bis 28. Dec. Regierungsfig.
Biülbelmshöhe, früher Weißenſtein, während ber weſtfäl. Zwiſchenregierung Rapoleons-
Höhe genannt, ein turfürftl..heff., eine Stunde von Kaffel entferntes Luſtſchloß, ift der gewöhn⸗
liche Sommeraufenthalt der regierenden Fürften. Die hiefigen, durch Ratur wie Kunft gleich
reizenden Parfanlagen mit berühmten Waſſerkünſten verbanten feit 1701 ihre Entſtehung
bauptfächlich dem Landgrafen Karl. Eine Lindenallee fährt zwiſchen Häufern und Bärten von
Kaſſel bis an den Buß bes Hügels, wo die Anlagen beginnen. Diefe erheben ſich allmälig bis
zum Gipfel bes Habichtswaldes und gewähren entzückende Ausfichten in das Thal, weiches
ſich über bie Ufer der Fulda hin bis zum Söhregebirg erftrecdt und in deſſen Mitte bie Reſidenz
liegt. Das Schloß Wilhelmshohe wurde unter dem Landgrafen, nachherigem Kurfürſten Wil⸗
beim I. ſeit 1787 im ältern Stil erbaut und beſtand urſprünglich aus einem Hauptgebaͤude
md zwei durch bedeckte Galerien mit bemfelben aufammenhängenben Flügelpavillons, bis Kur-
fürft Wilhelm 11. flatt jener Galerien bie drei Haupttheile durch im gleichen Stile erbaute
maffive Gebänbe verbinden ließ, ſodaß jegt das Ganze einen zufammenhängenden Bogen von
750 F. Länge, meift 60— 70 F. Döhe und mit ber Kuppel auf dem Hauptgebäude über 100%.
Höhe bildet. Unter dem ſüdweſtlichen Flügel des Schloſſes Sffnet ſich ein tiefes hal, durch
welches über Felſen ſchäumend ein Bach flürzt, ber fich aus einen mit Blumen und gebüfchrei-
den Infeln geichmädten See ergießt. Über dem See erblickt man das chinefifche Dorf Mulang
mit einer Pagode. Weiter weftlich liegt am Berge die Lömenburg, eine Fünflliche Ruine, die,
vom Kurfürft Wilhelm I. 1793 erbaut, deffen Begräbnißort ifl. Oben auf der Höhe liegt das
Rieſenſchloß, wegen feiner achtedigen Form Oktogon genannt, unter welchem bie Waſſerbe⸗
hälter für die Casſcaden ſich befinden. Daſſelbe bildet, von Kaſſel aus geſehen, den Schluß der
durch die ſchnurgerade Allee und bie Fronte bes Schloffes gebildeten Perfpertive. Es beſteht aus
drei übereinandergethürmten Bogengewölben und hat 284 F. im Durcgmeffer. Auf der Pla⸗
teforme, nach der Seite der Cascaden hin, ragt, aus großen Quaderſtücken errichtet, die beinahe
100 &. hohe Pyramide hervor, auf weicher eine 31 F. Hohe Nachbildung des Farneſe ſchen Der:
cules (in Heſſen der große Chriſtoph genannt), aus Kupfer getrieben, ſteht. Die kupferne
Keule des Hercules kann 8—10 Perſonen in fich aufnehmen; eine Senfteröffnung in derſelben
gewährt bie unbefchränktefte Ausficht bis zum Infelsberge bei Gotha und bie zum Broden bin.
Bon dem Riefenfchloffe ziehen ſich die Cabcaden in einer Ränge von 600 und in einer Breite
von 40%. den Berg hinab. Unter den übrigen Waſſerwerken find noch zu erwähnen: ber
Steinhöferfche Waſſerfall, ein romantifcher Waldwaſſerſturz; ber Waſſerfall an ber Teufels:
brüde; der Aaquäbduct, die Ruine einer altröm. Waſſerleitung barftellend, von beren gerflörtem
Ende das Waſſer 100 $. tief in den Abgrund flürzt, um von ba in ein großes, durch einen
herrlichen Rafenplag von ber weſtlichen Fronte des Schloffes getrenntes Baffin ſich zu ergießen,
aus weichem 190 $. hoch und am Urfprunge faft I $. did bie große Fontaine eniporfleigt ;
endlich der neue Wafferfall, ber, in anderm Charakter angelegt, ben Steinhöferfchen an Größe
noch übertrifft. Die ſämmtlichen Waſſerkünſte, welche einige Zeit lang nicht vollftkändig im
ange waren, find jegt wieder vollkommen bergeftellt.
Bilhelmsthal, ein großherzoglich fachfen-meimar. Jagd⸗ und Luſtſchloß mit Thiergarten
in der Nähe von Eiſenach, wurde 1729 vom Herzog Wilhelm von Eiſenach erbaut. — BU:
Beimsthal, fonft Amalienthal, heißt auch ein zwei Stunden von Kaffel liegendes kurfürſtlich
heſſ. Luſtſchioß mic Donomiegebänden, Blumenhäufern und Park, welches lange Zeit ber
Landfig ber 1841 verfiorbenen Gemahlin des Kurfürfieh Wilhelm IL. war. Im Siebenjährl-
gen Kriege wurde biefer Ort durch die Niederlage bekannt, welche bie Franzoſen bei einem Tiber-
-fal 24. Juni 4762 durch ben Herzog Ferdinand von Braunſchweig erlitten und webei f
A008 Kobte unb Gefangene verloren.
*
ſtructors des jungen Fürſten Georg
270 Silibald Alexis Bilkes
Bilibald Alexis, Pſeudonym für Wilyelm Häring (ſ. d.).
MWilken (Briedr.), deutſcher Geſchichtſchreiber, wutde 23. Mai 1777 zu Ratzeburg im
Lauenbargifchen geboren, befuchte bie daſige Domſchule und fludirte feit 1795 zu Göttingen -
anfangs Theologie, bald aber ausfchliegend claſſiſche und oriental. Philologie und Geſchichte.
Im 3.1798 erhielt feine kritifhe Arbeit „De bellorum cruciatorum ex Abulfeda historia”
den von ber philofophifchen Facultät zu Göttingen ausgeſetzten Preis, und 1800 wurde er
Nepetent der theologifchen Facultät du Göttingen. Dann nahm er 1805 bie Stelle eines In⸗
ilhelm von Schaumburg-kippe an und begleitete dieſen
auf die Univerfität nach Leipzig und fpäter auf einer Reiſe duch Deutſchland. Hierauf wurde
er 1805 Profeffor der Gefchichte an der Univerfität zu Heidelberg und 1807 Director der Uni«
verſitãtsbibliothek. Die 1815 ftattfindende Zurüdfoderung der von den Franzoſen nach Paris
entführten Schäge ber Wiſſenſchaft und Kunft erwedte in ihm den Gedanken, die im Dreißig⸗
jährigen Kriege von den Baiern geplünberte nnd bem damaligen Papfte geſchenkte Palatiniſche
Bibliothek ebenfalls für die Univerſität zu Heibelberg zurüdzufobern. &o viele Schwierig.
£eiten auch diefe Reclamation eines Schatzes fand, beffen Eigenthumsrecht ber rom. Stuhl
buch faft 200jährigen Beſit für geheiligt erachtete, gelang es W. dennoch einen Theil der
Bibliothek (zufammen 891 Dandfchriften) wieder zu erlangen. Im 3. 1817 folgte er bem
Nufe als Oberbibliothefar und Profeffor an die Univerfität zu Berlin, wo er 1819 Mitglied
der Akademie der Wiſſenſchaften, dann königlicher Hiſtoriograph, Profeffor der Geſchichte an
der Kriegöfchule, Rath im Obercenfurcollegium und endlich 1830 Seh. Negierungsrath wurde.
Zur Herftellung feiner Geſundheit hielt er ſich feit 1824 in Dresden, Prag und Wien auf;
dann unternahm er 1826 eine wiſſenſchaftliche Reiſe nach Italien, 1829 im Auftrag bes Mi-
nifteriums nach Frankreich und England, 1838 nach Wiesbaden und München. Bald nad
ber Rückkehr ftellte fich ein leidender Zuftand, eine Geiſteskrankheit in Folge der Sicht, wieder
ein und ging endlich in völlige Geiſtesſtörung über, der er 24. Dec. 1840 erlag. WB. hat fi
vorzüglich durch das fleifige Studium der Schriften Silveſtre de Sacy's gebilbet und diefem
großen Mufter nachgeftrebt. Unter feinen Schriften, welche meift die perf. Sprache, für die er
1805 die erfte deutfche Grammatik und Ehreftomathie herausgab, und bie Geſchichte des Orients
zum Gegenftande haben, ift die „Geſchichte der Kreuzzüge nach morgenländ. und abenblänb.
Berichten” (7 Bde., 2pz.1807— 32) fein Hauptwerk. Daffelbe hat zwar dad große Verdienſt,
ſich zum erften mal auf die ortentalifhen Quellen mit zu ftügen, leidet aber rüdfichtlich der hi⸗
ftorifchen Kritik an einer zu geringen Sonberung ber Sage von ber geſchichtlichen Thatſache.
Außerdem fchrieb er: „Befchichte der Bildung, Beraubung und Vernichtung ber alten heidel⸗
berg. Bücherſammlung, nebft Verzeichnif der aus Rom nach Heidelberg zurückgekehrten Hand-
ſchriften“ (Heidelb. 1817) und „Sefchichte der königl. Bibliothek zu Berlin” (Berl. 1828).
Wilkes (Sohn), engl. Publiciſt, war ber Sohn eines reichen Branntweinbrenners und
wurde 17. Det. 1727 zu Xondon geboren. Er ftudirte auf der Univerfität zu Leyden
und trat 1754 für Aylesbury ins Unterhaus, wo er, ohne große Rebnergaben zu ent-
wideln, bie Regierung unterflügte. Seine Lebensart und die Koften feiner Wahl hatten
fein Bermögen fo zerrüttet, daß ihm ein Gönner, Lord Temple, die Oberftlieutenantöftelle
in ber Miliz der Grafſchaft Buckingham verfchaffen mußte. Nah der Thronbefleigung
Georg's II. bat W. die Regierung um ein auswärtige Amt, fand aber am Minifter
Bute einen unerbittlihen Gegner. Nachdem Lord Temple aus der Verwaltung getre⸗
ten, rächte fi) W., wol nicht ohne Temple's Einfluß, indem er feit dem März 1762 mehre
Blugfchriften veröffentlichte, welche bie Perſon und die Verwaltung Bute's dem biutigften
Spotte preisgaben und 1763 deſſen Ruͤcktritt mit herbeiführten. Zugleich gab W. feit bem
Sunt 1762 die Zeitfchrift „Nord Briten” heraus, in der er überhaupt die Politik des Hofs gei-
ßelte. In der berühmten Nr. 45, vom 23. April 1768, trat er bei Beurtheilung ber Thronrede
fogar dem Könige zu nahe. Der Staatsfecretär Halifar fertigte einen in früherer Zeit nicht un⸗
gewöhnlichen, aber gegen bie Habeas⸗Corpus⸗Acte verftoßenden Haftsbefehl aus, der auf Feine
beflimmte Berfon, fondern auf die Urheber des Blattes im Allgemeinen gerichtet war. W.
wurde auf Grund deffen verhaftet und vor zwei Staatsfecretäre geftellt, denen er wegen Unge-
ſetzlichkeit des Verfahrens keine Auskunft gab. Man warf ihn in den Tower, ftellte ihn aber,
ba fich die Volksſtimme erhob, vor das gewöhnliche Bericht, das ihn in Betracht ungefegmäßi-
ger Verhaftung der Anklage entlaftete. W. ftellte, von Temple mit Dritteln verfehen, eine Ent-
ſchädigungsklage gegen die Staatsferretäre und beren Beamten an, die er auch gewann. Diefer
Ausgang war für ganz England fehr wichtig, denn fortan gelangte bie Habeas⸗Eorpus⸗ Acte,
Bilkie 371
das Palladium ber perfönlichen Freiheit, zur wollen Geltung und bie Haftsbefehle ohne Namen
blieben für immer befeitigt. Jept fehaffte fich ZB. in feinem Haufe eine Preſſe an, druckte
unter Anderm ben „Nord Briton” wieber ab und ſah ſich deshalb abermals »erfolgt. Er hielt
es gerathen, ſich nach Frankreich zu menden, wo er jeboch wegen einer Duellangelegenheit ins
Befängniß gerieth. Nachdem ex feine Freiheit erhalten, ging er nach England zurüd, um bier
feinen Parlamentsfig zu behaupten. Ein Duell, das er mit dem Parlamentsmitglied Martin,
ber feine Zeitfchrift Hart getabelt, beftand, und die Nachricht, daß der „Nord Briton” zur Der»
brennung durch Henkershand verurtheilt worden, bewogen ihn indeß, ſich wiederum nach Srant-
zeich zu retten. Das Unterhaus ftieß ihn nicht nur aus, ſondern die Regierung lief ihn auch ein
zweites mal wegen einer cynifchen Schmähfgrift verurtbeilen, die er zwar nicht verfaßt, aber ge
druckt hatte. Erſt 1768, nach der Veränderung des Minifteriums, kam IB. nach England zurüd.
Das Volk, das ihn als Opfer des minifteriellen Despotismus betrachtete, empfing ihn mit Ju-
bel, und ein Bezirk von London wählte ihn ind Parlament. W. fiellte fich freiwillig vor Ge
richt und erwirkte zwar bie Aufhebung ber Contumazſentenzen, wurde aber nach einer ernener«
ten Procedur als Linellift zur Strafe von 1000 Pf. Sterl. und 22 Monaten Gefängnif verur⸗
theilt. Während er im Gefängnif faß, wiederholte jener Bezirk feine Wahl ind Parlament
drei mal; das Unterhaus jedoch erkannte diefelbe nicht an. Um dem Skandal vorzubeugen, ftellte
endlich die Regierung 1769 den Oberft Luttrell als Begencandidaten auf. Wiewol Legterer
nur 296, IB. Hingegen 1249 Stimmen davontrug, erflärte das Unterhaus die Wahl Luttrel’$
für die gültige und räumte bemfelben ben Yarlamentsfig ein. W. aber wurde nachträglich vor
bie Schranken des Hauſes geführt und mußte bier kraft des legten Proceſſes bie Erneuerung
feiner Ausftoßung vernehmen. Das Verfahren des Unterhaufes, das in mehren Punkten bie
Berfaflung verlegte, fepte die Hauptftabt und das ganze Land in Bewegung. Hätte fih WB. im
Gefängniffe nicht ruhig verhalten, fondern dem Wolke die Hand geboten, fo würde er ſich an
der Spige eines furchtbaren Aufſtandes gefehen haben. Als er 1770 die Freiheit erhielt, wählte
ihn fogleich ein Bezirk von London zum Aldermar. In diefer Stellung fand er auch bald Ge
legenheit, feine Gewalt fühlen zu laffen, indem er bie Verhaftung ber Schriftfteller ale unge-
feglich verweigerte, Die ba& Unterhaus wegen Veröffentlichung der Debatten verfolgte. Da W.
in ber That dem Geſetze nach Parlamentsmitglied war, wagte auch das Unterhaus jegt nicht,
ihn als ungehorfamen Beamten vor das gewöhnliche Gericht zu flellen, fondern Iub ihn vor
feine Schranken. W. nahm bie Gelegenheit wahr und erfehien, erzwang aber, ehe er fich ver-
antwortete, bie ausbrüdliche Anerkennung als Parlamentsmitglied. Diefe Nachgiebigkeit er-
niedrigte das Unterhaus in den Augen der Nation und brachte in die Angelegenheit bie höchfte
Berwirrung ; die freifinnigften Männer, z. B. For, hatten, dies vorausfehend, gegen W.s An⸗
ertennung geflimmt. Im 3. 1772 wurde IB. zu einem der Sheriffs, 1774 fogar zum Lorb⸗
mayor von London erwählt. Er erwarb fich in diefen Amtern fo allgemeine Achtung, daß bie
Regierung bei den Parlamentswahlen von 1774 feiner Candidatur nicht mehr entgegenzutre-
ten wagte. Als 1778 Rockingham Minifter wurde, trug ZB. auf die Yustilgung der Anerken⸗
nung Luttrell's aus dem Journale des Haufe an, was er auch mit großer Majorität erlangte.
Diefer legte Sieg des Mannes machte ungeheueres Auffehen und wurbe ald eine Herftellung
des Geſetzes und als warnendes Beifpiel für verfolgungsfüchtige Minifter-betrachtet. Um W.e
Alter zu fichern, verlieh ihm 1779 die Stadt London das Amt eines Kämmerers. Er verwal⸗
tete daffelbe bis an feinen Tod, ber 6. Dec. 1797 erfolgte. W. wurde von Einigen für ben
Verfaſſer ber Briefe des Junius (f. d.) gehalten. Almon gab bie „Correspondence of W.”
(5 Bde, Lond. 1805) heraus.
Willie (Dav.), brit. Maler, wurbe 1785 zu Eults in der ſchot. Grafſchaft Fife geboren,
wo fein Vater Pfarrer war. Früh verrieth ſich feine Neigung zur Kunfl, weshalb feine Altern
ihn nach Ebinburg brachten, wo er feine Stubien in der Akademie mit Eifer betrieb. Ex zeigte
ſolches Talent in der Darftellung von Scenen aus dem wirklichen Leben, daß er, durch feine
Freunde ermuntert, fich endlich dieſem Kunſtzweige ausfchliegend widmete. Nach feiner An«
kunft in London 1805 wendete er fich zwar der Porträtmalerei zu, allein bald entfchieb fein er⸗
ſtes zur Ausftellung der Akademie geliefertes Bild, die Dorfpolititer, über bie Richtung,
bie ex ſeitdem verfolgte. Er wurde 1809 Ehrenmitglied, 1811 wirkliches Mitglied ber Akade⸗
mie und nad) Sir Henry Naeburn's Tode von dem König zum fchort. Hofmaler ernannt. Zur
Wiederherftelung feiner Geſundheit reiſte ex 1825 auf das Feſiland. Er lebte einige Jahre
in Stalien und ging dann nad) Spanien, wo er eine Reihe Bilder malte, welche Scenen aus
dem Kriege auf der Pyrenäiſchen Halbinfel in den I. 1808— 14 darſtellen und fich jegt in de
372 Bilamow Wille (der)
konigl. —— iu Fonbon befinden. Nach Er Thomas Lamrence'6 Tode wurbe WB. noch
unter Georg IV. 1830 erfter Hofmaler und von Wilhelm IV. in diefer Stelle beflätigt. Im J.
4840 ging er nach dem Orient, um dort Anfichten zu zeichnen; bei ber Rückreiſe 1841 ſtarb
er auf dem Schiff. Beine außgezeichnetften Gemälde außer dem erwähnten find das Dorffefl,
dad Blindekuhſpiel, der Zinstag, der blinde Geiger, die Eröffnung bes Teſtaments und bie
Denfionärs in Chelfen, welche in der Zeitung die Nachricht von der Schlacht bei Waterloo Ie-
fen. Seine Genrebilder gehören faft durchgängig der Sphäre des gemüthlichen Humors an.
In der Färbung iſt W. kräftig und forgfältig, in der Zeichnung dagegen nicht immer correct.
Willamov (oh. Gottlieb), ein beutfcher Dichter, geb. 15. San. 1736 zu Morungen in
Preußen, fludirte in Königsberg und wurde 1758 Profeſſor in Thorn. Im J. 1763 ließ er
bie erfte Sammlung feiner Bebichte unter dem Titel, Dichyramben“ erfcheinen, in denen man
wol ein eifrige® Studium bes Pindar anerfennen mußte, die aber feinen Anklang fanden und
bafd vergeffen wurden. Dagegen gefielen bie erften zwei Bücher feiner „Dralogifchen Fabeln“
(1765) duch Natürlichkeit, Anmuth, Wahrheit und eine eigenthümliche Form. Bald aber ge-
ftafteten fich feine Verhältniſſe fo unerfreulich, daß er als Dichter ganz verflummte Im J.
1767 ging er als Director ber deutſchen Schule nach Petersburg, wo er 1771 feineüberfegung
der „Batrachomyomachie“ hHerausgab. Doch Mangel an ökonomiſchen Einfichten brachte ihn
bier in die unangenehmfte Rage. Er flürzte das Inftitut in Schulden, fodaß er 1776 feine Ent-
laffung nehmen mußte. Zwar warb er als Lehrer an einem Mädcheninflitute angeftellt, allein
mit fo geringem Gehalt, daß er fich durch das Anfertigen von Gelegenheitögebichten und der⸗
gleihen erhalten mußte. Er ftarb 21. Mai 4777. Seine ,Poetiſchen Schriften” erfchienen zu
ipzig 1779, voltftändiger in Wien 1793 (2 Bde.).
ine. Die Definition des Wollens unterliegt denfelben Schwierigkeiten wie faft ale De-
finitionen Innerer Ereigniffe, weit biefe in der Wirklichkeit durch fo leife Übergänge fich ineman-
der verlieren, daß jede ſcharfabſchneidende Definition dem wirklichen Bufammenhange derfelben
Gewalt anthut. Man thut daher am beften, daB Wollen mit andern verwandten Zuſtänden zu
vergleichen, um feine charakteriftifchen Merkmale zu finden. Der gelinbefte Grab bes Begeh⸗
tens iſt der Wunſch, d. h. bie Vorftelung irgend eines Gegenftandes, mit welcher ſich der Ge⸗
danke, das Vorgeftellte möge wirklich fein, unmittelbar im Bewußtſein verbindet. Tritt bie
Boraubfegung hinzu, daß das Gewünſchte aus irgend einem Grunde erreichbar ei, fo wird ber
innere Zuftand eigentliche Begierde in verfihiedenen Graben ber Lebhaftigkeit. Verbinder ſich
bamtit die Überzeugung, daß das Verlangte zu erreichen in der Gewalt des Begehrenden ſelbſt
ftehe, fo wird Die Begierde zum Willen. Daher wird Sein Verftändiger wollen, mas er ſich be-
wußt ift ſchlechterdings nicht zu können, und Bein Vernünftiger, was es fich bewußt ift nicht zu
dürfen. Diefer allgemeine Begriff des Willens ift aber vieler nähern Beſtimmungen fähig.
Die Gegenftänbe deffelben konnen ins Unendliche verfchteben fein, und daher die Möglichkeit
eines firtlichen und unſittlichen, guten und ſchlechten Willens ; die Überzeugung von bem Grade
und der Stärke ber eigenen Kraft kann falfch, unficher, ſchwankend fein, und daher ein verftän-
diges und thörichtes, fees und ſchwankendes Wollen u. f. m. Immer aber bleibt der Wille
des Menfchen fein innerftes Eigenthum, die eigenfte Thaͤtigkeit feines geiftigen Lebens. Was
er will, ift fein Bmed, und Niemand Tann im firengen Sinne wollen, ohne zu wiſſen, was er
will; wenigftend bedient fi auch im gewöhnlichen Leben Niemand der Nedensart: „Ex weiß
nicht, was er will“, von einem entfchiedenen und feften Wollen. Es iſt daher nicht falfch, den
Willen mit Kant zu befintren als das Vermögen, ſich Zwecke zu fegen und für die Erreihung
derfelben thätig zu fein. Zugleich erhellt daraus ber genaue Zufammenhang bes Wollens nıit
dem Überlegen, bem Abwägen von Gründen und Gegengründen, welche, infofern das wirffiche
Wollen duch fie beftimmt wird, Motive des Willens heifen. In dieſer Möglichkeit, burch
Gründe beftimmt zu werden, welche vorausfegt, daß der Wille nicht von einerlei Motiv oder
von bloßer Naturnothwendigkeit, z. B. ber rohen Gewalt der Leidenfchaften, den von dem Kör«-
per außgehenben organifchen Reizen u. ſ. w., abhängt, Itegt die wahre Freiheit des Willens,
welche demnach ebenfo wenig in einer Thätigkeit ohne alle Gründe (fogenannte Freiheit der
Willkür, liberum arbitrium) als in ber fogenannten transſcendentalen Freiheit, als dem Ver⸗
mögen einer im firengen Sinne des Worts abfoluten Selbftthätigkeit, befteht. Auf Ihr beruht
endlich die Möglichkeit, den Willen zu bilden, und auf biefer das Gefchäft der Erziehung, la
fogar die möglichkeit daß das Menſchengeſchlecht im Ganzen zum Beffern fortfchreite. Ge⸗
fege für ben Willen koͤnnen eigentlich nur bie fittlichen Ideen fein, millenlofe Urtheife, welche den
Werth des Willens beflimmen; alle übtigen Antriebe gehen immer wieder von der Begierde
Wille (Joh. Georg) Williams 273
ſelbſt aus und entſpringen in ihr, da doch ein Geſetz für den Willen über Um ſtehen muß. Die
vollkommene Reinheit des Willens beſteht in Heiligkeit und Güte, die nur Gott beigelegt werben
kann. Über die Annahme eines befondern Willensvermögens f. Begebrungkvermögen.
Wille (Joh. Georg), vorzüglicher Kupferfiecher, wurde 1715 auf der Obermühle unweit Kö⸗
nigsberg bei Gießen gebosen. Er lernte erſt als Müller, dann als Büchſenmacher, hierauf als
Schuhmacher, jedesmal aber ohne Erfolg. Enblich lernte er 1736 in Strasburg Georg F. Schmidt
kennen, mit dem er nach Paris ging, wo ſich Beide der Kupferftechkunft befleißigten und mo W.
bis zu feinem Tode ſich aufhielt. Die Gleichheit ihrer Glücksumſtände und ihre® Kunſtgenies ver»
band fie als wahre Freunde. Namentlich wares derberühmte Porträtmaler Rigaud, der W. aufe
munterte, größere Blätter zu flechen, und ihm Arbeiten verfchaffte, bie ihn bald in Ruf brach⸗
ten. Zu feinen Meifterflüden gehören die Stiche ber Porträts Maffe' 6, des Marquis de Ma
rigny und des Grafen Florentin. Auch hiftorifche Wilder und vorzüglich die Genrebilder ber
bolländ. Maler, z. B. Zerburg’s, Dow's, Mieris’, Netſcher's, Schalten’s, Metzu's, ſowie Diet-
rich's, gab W. auf eine ausgezeichnete Weiſe wieder. Alle feine Arbeiten zeichnen ſich durch
Schönheit des Grabſtichels, Reinheit der Zeichnung, durch die Wirkungen bes Hellbuntels und
durch das Colorit aus. Er hatte ſich ein bedeutendes Vermögen durch feine Kunſt erworben,
verlor aber Alles während der Revolution und würde vielleicht ein Opfer berfelben geworben
fein, wenn nicht fein Sohn, Bet. Alex. W., geb. 1746, ber Maler war, General bei der pari⸗
fer Nationalgarbe geweſen. Napoleon ernannte WB. zum Ritter der Ehrenlegion, und das In-
ftttut nahm ihn zum Mitgliede auf. Er farb 8. Aug. 1806. Unter feinen Schülern find Die
vorzüglichften Berwic, I. &. von Müller, Schmuger, Dunker, Guttenberg und Ingauf. Seine
Blätter find in fchörien Abdrücken felten und Abdrücke vor der Schrift zum Theil von größter
Seltenheit. Vgl. Le Blanc, „Le graveur en taille douce” (Abtheil. 1, &pz. 1847).
Billems (Jean Frangoie), vläm. Philolog, Geſchichtsforſcher und Dichter, geb. den 11.
Mär; 1793 zu Bouchout, einem Dorfe der Provinz Antwerpen, wird mit Hecht als derjenige
“betrachtet, welcher der fogenannten vläm. Bewegung den Eräftigften Impuls gab. Yrübzeitig
durch feine Mitwirkung an den religiöfen ſceniſchen Darftelungen der Rederykkammer zu
Lierre für Titerarifche Intereffen gewedt, fam er 1809 zu einen Rotar in Antwerpen in bie
Lehre. In diefer Stellung dichtete er 1814 ein Preisgebicht zur Verherrlichung ber Schlacht bei
Friedland und bes Zilfiter Friedens, welches gekrönt wurbe. Diefer Arbeit folgten viele andere
poetifche Erzeugniſſe Igrifcher und dramatiſcher Art, die ſich vorzüglich durch leichten Versbau
auszeichnen. Mit feinem patriotifchen Gedicht „An die Belgier” (1818) begrüßte er dad Wie⸗
dererwachen einer belg. Rationalität unter dem Schuge des holland. Scepters. Das Gedicht
fand wol einen ſtürmiſchen Beifall in den nördlichen Provinzen und die Regierung belohnte
ihn mit einer Steuereinnehmerftelle in Antwerpen, die Belgier felbft aber empfingen es kalt
und fahen in W. nur ein williges Inſtrument der midliebigen Regierung. Im Kampfe mit
folhen Vorurteilen gab er von 1819 — 24 die mit vieler Kritik außgearbeitete „Disser-
tation sur la langue flamande”' heraus, bie ihm das Lönigl. Inflitut zu Amſterbam eröffnete.
Inzwifhen Archivar zu Antwerpen geworben, fegte er feine hiſtoriſchen Studien fort und
ſchuf manche verbienflliche Arbeit auf diefem Gebiete. Der Eifer, momit er die inzwiſchen im⸗
mer lauter werdende Oppofition gegen bie holländ. Regierung befämpft hatte, bewirkte, daß er
nad ber belg. Revolution von 1830 von ber neuen Regierung nur mit einem befcheidenen
Finanzpoſten in der Meinen flandrifhen Stadt Eecloo bedacht wurde. Hier in feinem Still-
leben verfolgte er umausgefegt feine vlam. Studien, copirte unebirte Fragmente aus der alt»
nationalen Literatur unb überfegte in neuere Sprache den „Reineke Vos“, beſſen Urtert er
ebenfalls (Gent 1836; 2. Aufl. 1850) veröffentlichte und dem er feinen vläm. Urfprung wie⸗
ber vindicirte. Im J. 1834 wurde WB. Mitglied der königl. belg. Geſchichtscommiſſion und
1835 in ein höheres Amt nach Gent befördert. Für die Gefchichtscommiffion veröffentlichte ex
mit philologiſcher und hiſtoriſcher Gelehrſamkeit die Chroniken von van Heelu und von be
Klerf’t „Gesten der Hertogen van Brabant“. Börzüglic hat er in feiner Vierteljahrsſchrift
„Belgisch Museum” einen unerfchöpflichen Schag national-hiftorifcher und linguiſtiſchet Kennt»
niffe niedergelegt. Außerdem war er die Seele aller jener nationalen Beftrebungen, die man
unter bem Namen ber Blämifchen Bewegung begreift. Kurz bevor er fi zum Germaniften-
congreffe nach Frankfurt begeben wollte, ftarb er 24. Juni 1846. WB. war eine friſche, bele⸗
bende Individualität und ein Eharakter voll hoher Sittlichkeit und edler Vaterlandsliebe.
Billenlofigkeit, ſ. Abulie.
Billiams 82 Maria), engl. Schriftſtellerin, wurde 1762 geboren, trat bereits im 18.
Gonv.sEer. Behute Aufl. XV. 2 18
2374 Billis Bilifen
Sabre ald Dichterin auf und zeichnete fich namentlich im Zache ber Erzählung aus durch „Elwin
and Eltrude” (1782) und „Peru“ (4784). Der Ertrag einer Sammlung ihrer Gedichte
(2 Böchen., 1786) fegte fie in ben Stand, 1788 Frankreich zu befuchen, wo fie ſich ſeitdem faft
immer aufhielt. Zur Zeit ber Schredensregierung wurde fie wegen ihrer Vertheidigung
ber Girondiften in ihren „Letters written in France” (1790 und 1792) eingekerkert, nach
Nobespierre s Sturze aber wieber in Freiheit gefegt. Sehr wurde fie von den Royaliſten ange-
feindet wegen ber Zufäge, mit welchen fie die Herausgabe der Gorrefpondenz Ludwig's XVI.
begleitete (3 Bbe., 1793). Aus einer eifrigen Republitanerin wurde fie eine ebenfo eifrige Lob⸗
rednerin Napoleon’, deffen Unmillen fie jedoch Durch eine Ode, in der fie die Macht ihres Vater
landes erhoben hatte, auf fich zog. Sie lebte fortwährend in Paris und farb bafelbft 14. Der.
1827. Unter ihren Schriften find noch zu bemerken: „Poem on the bill for regulating the
slave-trade” (1788); „Julia“ (2 Bbe.. 1790), ein Roman; „Letters on the political state
of France” (A Bde., 1796); „Letters on Ihe moral state and public opinion in the French
republic” (2 Bde. 1800).
Willis (Nathaniel Yarker), amerik. Schriftfteller, geb. zu Portland in Maine 20. Jan.
1807, erhielt feine Schulbildung in Boſton und ſtudirte fpäter im Yale-College zu Newhaven.
Dort veröffentlichte er feine erfte Gebichtfammiung „Scripture sketches” (1823), die vielen
Beifall fand. Andere Gedichte folgten; zugleich gab er dab Taſchenbuch „The token” für
1828 heraus, gründete bas „American Monihly Magazine” und fhrieb eine Sammlung Er
zählungen unter bem Zitel „The legendary”. Im J. 1831 trat er eine Reife nach Europa an
und hielt fich mehre Jahre in England auf, wo er ſich 1835 auch verheirathete. Unter dem Zitel
„Pencillings by the way” gab er dort eine Reihe von Briefen über engl. Sitten, Zuftände und
Charaktere heraus, bie zwar wegen darin vorkommender Perfönlichkeiten aufs heftigfte be-
kampft, Dabei aber mit Begierde gelefen wurden. Im 9. 1836 ließ er feine „Inklings of ad-
venture”, eine Sammlung ähnlicher Skizzen, erfcheinen. Hierauf kehrte er 1837 nach Ame⸗
rika zurück und lebte hier auf feinem Bute am Susquehannah. Im 3. 1859 ging er aufs
neue nach London, wo er die „Loiterings of travel” (2 Bde.), Neifeflizien, und feine beiden
Trauerfpiele „Bianca Visconti” und „Tortesa the usurer“ herausgad, welche beide auf den
amerik. Bühnen entfchiedenes Glück machten. Nachdem er noch eine illuftrirte Ausgabe feiner
Gedichte (1840) und die „Letters from under a bridge” herausgegeben hatte, Behrte er wieder
nach Nordamerika zurüd und übernahm die Rebaction bed „New-York Mirror“, die er jedoch
1844 nach den Tode feiner Gattin aufgab, um fich von neuem nach Europa einzufiffen. In
London ließ er 1845 feine „Dashes at life wilh a free pencil‘’(3 Bde.) und in Neuyork, wo
er fi im Det. 1846 zum zweiten mal verheirathete, eine Befammtausgabe feiner Werke in
Einem Bande erfcheinen, worauf er in Verbindung mit feinem Freunde Morris bad Kiteratur-
blatt „Home Journal” berausgab. Auch fchrieb er hier feine „Hurrygraphs, or sketches of
scenery, celebrities and society” (1851), die, wie faft alle feine Werke, mit Beifall aufge
nommen wurden. Die zur Stärkung feiner Gefundheit unternommenen Ausflüge nach bem
Mittelländifchen Meer und nach Weftindien fchilderte er in „A summer cruize in the Medi-
terransan on board an American frigate” und „Health trip to Ihe Tropics” (1853). W. ift
trog feiner Srivolität ein poetifcher Geift, der fich namentlich durch die Kunft auszeichnet, auch
das Kleinfte und Geringfügigfte zu ibealifiren und in einem glänzenden Lichte darzuftellen.
Seine Hauptvorzüge find großer Reichthum der Einbildungskraft, feiner Wig und entſchiede⸗
nes Auffaffungstalent in Verbindung mit Reinheit und Eleganz der Sprache.
Willifen (With. von), preuß. General, geb. 1790 zu Staßfurth im Magbeburgifchen, trat
ſchon im 15.3. in preuß. Militärdienft, machte als Junker den Feldzug von 1806 mit, wurbe
aber bei der Reduction ber Armee nach bem Zilfiter Frieden inactiv. Dann fludirte er einige
Zeit in Halle. Als er fi) 1809 der, weſiphäl. Confeription zu entziehen fuchte, wurde er ver⸗
haftet; es gelang ihm jedoch, nach Oſtreich zu enttammen, mo er in einem Breicorps Dienſte
nahm und in Tirol und Italien mitkämpfte. Im J. 1811 erhielt er wieder eine Anſtellung im
preuß. Heere und wohnte ben Beldzügen von 1813 und 1814 als Generalftabboffizier in ber
ſchleſ. Armee, dem von 1815 ald Hauptmann, ebenfalls im Blücher'ſchen Hauptquartier, bei.
Später bem großen Generalftabe zugetheilt, gab er auf ber Allgemeinen Kriegsſchule Unterricht
in ber Kriegögefchichte, welchem er eine ſtreng ſyſtematiſch gehaltene Theorie bes Kriegs, die er
nachher veröffentlicht hat, zu Grunde legte. Auffäge über den ruffifch-polnifchen Krieg von 1831,
die er im „Militärwochenblatt“ drucken ließ, zogen ihm die königliche Ungnade zu, jedoch nur
auf kurze Zeit. Bis 1840 avancirte er zum Oberſten, wurde Chef des Generalſtabs beim
Willkür Wilmſen 275
5. Armeecorps tu Poſen und 1843 Generalmajor und Brigadecommandeur in Breslau. Im
März 1848 ernannte ihn der König, da ZB. mit den poln. Zuſtänden vertraut war, zum Bevoll⸗
mädhtigten in Pofen, um die beabfichtigte Reorganifation des Großherzogthums durchzufüh⸗
ren. Es gelang ihm zwar, durch Convention bie poln. Bewaffnung aufzulöfen, feine politifchen
Anſichten brachten ihn aber bald in widrige Conflicte, fobaß er zurüickberufen wurde. Die
Stimmung bes Offiziercorps war gegen ihn und diefer weichend ging er mit Urlaub nach Paris
und Stalien, wo er als unbetheiligter Augenzeuge dem Ende des Feldzugs gegen Sardinien
und der Einnahme von Malghera beimwohnte. Im 3. 1849, ald er fi im Avancement über-
gangen fah, fuchte und erhielt er feinen Abfchied. Die Statthalterfchaft in Schleswig⸗Holſtein
trat hierauf nach der Abberufung des preuß. Generals von Bonin mit ihm in Unterhandlung
wegen Übernahme bed Obercommandos ber fchlesw.-holft. Armee. W. nahm diefe Stellung
an, aber feine Operationen gegen bie Dänen waren unglüdlich und endigten mit der Nieder
lage von Idſtedt und dem fehlgefchlagenen Angriffe auf Kriedrichftadt. (S. Säleswig-Hol-
fein.) Mit ber Statthalterfchaft deshalb in Zerwürfniß gerathen, legte er das Commando
nieder und zog ſich ganz in den Privatftand zurüd. Er fchrieb: „Theorie des großen Kriege,
angewendet auf den Keldzug von 1831 und auf ben ital. Feldzug von 1848” (3 Thle., Berl.
1840-50) ; „Acten und Bemerkungen über meine Sendung nach bem Großherzogthum Pofen
im Frühiahr 1848” (Kiel 1850). — Ein füngerer Bruder Ws, welcher 1815 in die Armee
teat, bis 1847 zum Öberften und 1852 zum Generalmajor avancirte, ift General à la suite bes
Könige von Preußen und Commandeur der 8. Eavaleriebrigade. Für alle neuen Erſcheinun⸗
gen im Gebiet feiner Waffe ſowol als dem des ganzen Kriegsweſens lebhaft intereffirt, hat er
früher Baucher’s Werk über Reitkunft (f. b.) überfegt und neuerdings den verbefferten Feuer⸗
waffen feine Aufmerkfamteit zugewendet.
Willkür nennt man im Allgemeinen Dasjenige, mas auf einer menfchlichen Wahl beruht,
eine Beftimmung oder Entfcheidung, welche nicht Durch das Gefeg oder die Vernunft fomol an
fi) als in quantitativer und formaler Beziehung gegeben ift, daher gewillkürtes Mecht,
worunter man basjenige Recht verſteht, welches durch menfchlihe Werabredungen und
Satzungen gegeben ift, dad demnach dem DVernunftrechte ober dem fogenannten natürlichen
Rechte entgegenfteht, zumal demjenigen Theile deffelben, welcher als unbedingt gültig und
nothwendig beachtet werben muß. Es gibt rechtliche Wahrheiten, welche durch eine menſch⸗
liche Satzung umgeflofen werben können und auch ohne poſitives Gefep anerkannt werden
müffen. In einem ähnlichen Sinne nennt man die vertraggmäßigen Abreden zwiſchen Privat.
perfonen Willkür, und noch öfter werden die Statuten einzelner Eorporationen und Gemeinden
Wilfüren genannt. Wo nicht verbietende Gefege und ein allgemeines Intereffe bes Staats
entgegenftehen, ift e8 den Bürgern erlaubt, Durch Verträge etwas Anderes, als das Befeg be»
fagt, zu verabreden, daher das Rechts ſprichwort: „Willkür bricht Stadtrecht; Stadtrecht bricht
Zandrecht; Landrecht bricht gemeines Recht.” Sowol in bürgerlichen Nechtsſachen ald im
Strafrechte kann der Richter Häufig feine Entfcheidung nur auf die befondern Umftände, ört⸗
liche Berhältniffe und perfönliche Eigenfchaften gründen. Die Strafe kann nicht bis in bie ein-
zelne Verfchiebenheit des Falls durch das Geſetz beftimmt, fondern es muß für das pflicht-
mäßige Ermeffen (arbitrium) des Richters ein Spielraum übrig gelaffen werden. Die Gefege
ſprechen oft keine beftimmte Strafe aus, fondern verweifen den Richter auf Analogie und allge»
meine Brundfäge. Dan nennt dies richterliche Willkuͤr oder arbiträre Strafe, Ausdrude,
bie nicht ganz paffend erfcheinen wollen. Außerdem wird Willkür als das Wollen nach Be⸗
lieben dem Befeg entgegengefegt und bedeutet dann Dasjenige, was vom Gefege abweicht oder
doc) durch baffelbe nicht gerechtfertigt if. Weiteres |. unter Wille.
ilmanſtrand oder Willmanſtrand, eine Heine Stadt im Kreife Viborg des ruff. Groß⸗
fürftenthums Finnland, am Lapwefi, einem Buſen des großen Saimaſees, ift auf der Kandfeite
mit einem Wall umd Graben und auf der Seefeite mit Paliffaden umgeben und zahlt in feinen
meift Hölgernen Häufern nur wenig über 1000 E., die fich mit Fiſchfang, Holzfchnigereien und
Einfammeln von Beeren ernähren. Bei W. war es, wo 3. Sept. 1741 die Schweden unter
Wrangel eine nicht unbedeutende Niederlage von den Ruffen erlitten, deren Gentrum unter dem
Oberbefehl Lascy's fland. Diefe Niederlage, verbunden mit mehren ungünftigen Kriegsereig⸗
niffen im nächſtfolgenden Jahre, führte Anfang 1743 die Lostrennung des fogenannten Bon
vernements Viborg von Finnland und deſſen Einverleibung in das ruff. Reich herbei.
Wilmot (John), engl. Satiriker, f. Rocheſter.
Bilmfen (Friedr. Phil.), Sugendfchriftfteller, wurde 23. Febr. 1770 ju Magdeburg ger
276 Wilna
boren, wo fein Vater, Friedr. Ernſt W., Prediger war. Nach ber Verſetzung deſſelben an bie
Parochialkirche zu Berlin 1777 befuchte IB. das Gymmnaſium zum Grauen Klofter, fpäter das
Soachimsthaler Gymnaſium und feit 1787 die Univerfität zu Sranffurt a. d. DO. und zu Halle.
Nach Berlin zurückgekehrt, wurde er Haußlehrer und einige Zeit nachher an der Privatanftalt
des Profeſſors Hartung angeftellt. ZB. befaß große Gewandtheit im Unterrichten und befchäf-
tigte fich eifrig mit der Erziehungswiſſenſchaft. Er fuchte den alten Schlendrian im Elemen-
tar» und Volksſchulweſen auszurotten und hielt ſich zu der fogenannten philanthropifchen
Schule Im April 1798 erhielt er in Berlin die Stelle feines verftorbenen Vaters und unter«
309 fih num ald Prediger und Schulvorfteher feinem Beruf mit feltener Gewiffenhaftigkeit.
Mit befonderer Liebe wirkte er ald Neligionsiehrer an der 1814 zum Andenken ber Königin
Luife gegründeten Anftalt für Töchter höherer Stände. Später erhielt er bie Oberaufficht über
das Kornmeſſer'ſche Waifenhaus. Kerner nahm er Untheil an ben Arbeiten ber fädtifchen
Schulcommiffion und Armendirection, an ber berliner Predigerſynode, in welcher die Angele⸗
genheiten der Kirche unter Schleiermacher's Borfig berathen wurden, fowie an der Commiffton
ur Ausarbeitung eines neuen Gefangbuchs für Berlin. Schmerzlich war für ibn der Streit
über Annahme ber neuen Agende, an welchem er infofern Theil nahm, als er zu ben 13 ber«
liner Prebigern gehörte, die dagegen ſich erflärten. Noch größern Kummer machte es ihm, daß
gegen die Einführung des neuen berliner Geſangbuchs die pietiftiiche Partei ſich ernſtlich erhob.
Er ftarb nach Iangen Leiden A. Mai 1831. Die größte Verbreitung fand fein „Deutfcher Kin-
derfreund” (Berl. 1802; 198. Aufl., 1852). Von feinen übrigen zahlreichen Schzfften find zu
erwähnen: „Der Bibelfreund” (Berl. 1814); „Das Leben Jeſu“ (Berl. 1816); „Die Erde
und ihre Bewohner” (3 Bde. Bert. 1812—15); „Der Menſch im Kriege” (Berl. 1815);
„Herſilia's Lebensmorgen” (Berl. 1816; 2. Aufl., 1821) ; „Eugenia” (Berl. 1819; 2. Aufl,
1824); „Handbuch der Naturgefchichte” (3 Bde., Berl. 1821; neue Aufl., 1851). Vgl.
„W.'s Selbſtbekenntniſſe“ (Berl. 1829); Hefekiel, „Erinnerung an ZB." (Berl. 1855).
Wilna, ein Bouvernement in Weſtrußland, hatte, ehe 1843 aus feinen nörblichen Kreifen
und einigen andern Gebietstheilen das neue Gouvernement Kowno (f. d.) gebildet und über
haupt andere Abgrenzungen vorgenommen mwurben, ein Areal von 1162 AM. und zählte
1,315800 E. darunter 100260 Städter. In feiner Damaligen Geftalt umfaßte es den größten
Theil des frühern und urfprünglicden Großfürſtenthums Lithauen und im Norben die ganze
ehemalige Landſchaft Samogitien oder Schmubdien. In biefem Umfang bildet das wilnaer
Gebiet ein großes, zum Theil mit Moräften und dichtem Wald bedecktes, nur felten von
Hügeln unterbrochenes Flachland, welches blos in einzelnen Yunkten eine Höhe von 5—
800 $. über der Meeresfläche erreicht und nach der Oſtſee zu ſich vollig abflacht. Das
Klima iſt ziemlich gemäßigt und dem Aderbau fehr zuträglich, der bier auch in bedeu⸗
tendem Flor ift. Man gewinnt reichlich das doppelte Duantum ber eigenen Gonfumtion
und führt Daneben auch viel Hanf, Flache, Gemüſe und Obftfrüchte aus, beögleichen viel Bau-
und Brennholz, Pech, Theer, Pottafche, Honig, Wachs, Wild, darunter Eienntbiere, und ſchö⸗
nes Rindvieh. Der Fiſchfang ift unbedeutend, auch dad Fabrikweſen noch auf ziemlich nieberer
Stufe, ſodaß der Handel ſich faft einzig auf die vorerwähnten Naturprobucte befchränft. Die
Einwohner find Lithauer, Polen, Juden, Deutfche, Ruffen, Tataren uud Bigeuner in buntes
ſtem Gemiſch. Die Gutsbefiger find meift poln. und bie Bauern meift lich. Abkunft. Das
jegige, feit 1843 organifirte Gouvernement W. bildet den füblichen Theil des befchriebenen
Landes, den Haupttheil des eigentlichen Lithauen und hat ein Areal von 768 AM. mit
nur 863700 E. Die Hauptftadt Wilna, die 1833 nur 35637, 1849 aber 82286 E. (dar ⸗
unter faft Ys Juden) zählte, ift der Sig eines Militär- und eines Civilgouverneurs, fowie
eines Path. Bifchofs und eine der älteften Städte. Sie liegt an der ſchiffbaren Wilie,
zum Theil auf Hügeln, zum Theil am Steomufer, in einer malerifchen Lage, deren Reis
für den Beſchauer duch die große Zahl der Möfter und ber Kirchen, deren es gegen 40
gibt, erhöht wird. Der in der Nähe gelegene Kreupberg bat eine Höhe von 468 8. über
dem Deere. Auf dem Schloßberge erheben fich die prächtigen Ruinen bes alten herzogl.
Schloſſes der Jagellonen. In der Stadt find das Rathhaus, Zeughaus, der Gouvernemente
palaft, dad Gebäude der ehemaligen Univerfität und das alte Schloß ber Radziwill bie durch
Pracht ober Bauart hervorragendften Gebäude. Es befinden fich dafelbft drei jüd. Synagogen,
eine Mofchee, zwei griech. Kirchen, ein ref. und ein luth. Gotteshaus und 25 kath. Kirchen,
unter denen ſich die Kathedrale des heil. Staniflam mit der Marmorkapelle bes 1480 geftor-
nen heil. Kaſimir, die St.Johanniskirche durch ungeheuere Größe, die St.Peters kirche durch
- fen (Aler) Wilfen (Hresce ,
Pracht auszeichnet. Die 1576 gegründete und 1805 ermenerte Urteile wur 4
gehoben und ihre große Bibliothek nad; Mersburg gebracht Die su us Erle
chirurgiſch - mebicinifche Akademie, welcher der botanifege Garn sur Demunse
bfieb, if jept ebenfalls aufgehoben und dafür Kiew mit einer mıdicmitgen Bscalcse '
Übrigens befigt W. immer noch fehr zahlreiche Unterrichts auſtalten, Darmmtez
geiftliche Akademie, ein griech. kath. Priefterfeminar, ein Bymnaftrm, em —R
nebſt Penſion, über 20 Kreis⸗ und ſtädtiſche Schulen, wobei bie fogemammien Perbenen
eingerechnet find. Die Induftrie ift nicht fo wichtig wie ber Handet, der beſender⸗ —*
ittinen) betrieben, durch eine Meſſe ſowie durch mehre Märkte gehoben wird ib CARE
größere Bedeutung zu erlangen verfpricht, ba die Stadt zum Knotenyunk der im Bau Di
Petersburg» Warſchauer und ber projectirten Warfchau-Moskauer Eiſenbahn erfchen WB.
Wilfon (ler), ein ausgezeichneter Ornitholog und Dichter, geb. 6. Juli 1766 zu
in Schottland, lernte und wanderte zuerſt als Weber, doch fuchte er nebenbei sche
bilden; auch gab er ſchon Damals Beweiſe feiner bichterifchen Anlagen. Des ei
mübe, verließ er 1789 den Webſtuhl, ergriff dad Gewerbe eines wandernden u
fammelte, während er feine Leinwand verkaufte, zugleich Unterzeichnungen auf feine Gedichte.
Als diefeß Unternehmen mislang, Eehrte er wieder zu bem Webfluhl zurüd. Darauf Beh et
41791 das Bebicht „The laurel disputed” und 1792 „Watty and Meg” erfheinen, welches
tere zu den beſten Producten der ſchott. Muſe gehört. Eine Schmaͤhſchrift, die er gegen einen
Einwohner von Paisley fehrieb, zog ihm Gefängnißftrafe zu, und da er auch als Mitglied ber
Geſellſchaft der Volksfreunde verdächtig wurbe, fo entfchloß er fih 1794 nach Amerika zu ge
hen, wo er anfangs wieber fein Gewerbe trieb, fpäter aber ald Schulmeifter in verfchiedenen
Drten Pennfylvaniens angeftellt war. Der Naturforfcher Bartram und der Kupferfleger
LZawſon, die er in Philadelphia kennen lernte, weckten durch Unterricht fein Talent für Ratur-
forfchung. Nachdem er mehre Wanderungen gemacht, ließ er feine trefflihe „American orni-
thology” (Bd. 1—7, Philadelphia 1808— 13) erfcheinen, die nach feinem Tode, ber 23. Aug.
1815 zu Philadelphia erfolgte, aus feinen Sammlungen von Ord, der auf mehren Wanderun⸗
gen fein Begleiter geweſen war, fortgefegt (Bd. 8 und 9, 1814) und von Lucian Bonaparte
durch vier Supplementbände (1825— 33) ergänzt wurde. Bol. über fein Leben Jardine's
„Ornithology” (3 Bde., Zend. 1856).
Wilſon (Horace Hayman), einer der ausgezeichnetften Kenner des Sanskrit und ber ind.
2iteratur, geb. um 1787, ftubirte urfprünglich Medicin und Chemie und trat 1808 in die
Dienfte der Dftindifchen Compagnie. In Kalkutta, wo er eine Anftellung bei ber Münze er⸗
halten, fand er Muße, fi dem Studium der ind. Sprachen zu widmen. Als erfies Erzeugniß
veröffentlichte er Kalidafa's Gedicht „Megha-düta” (Kalk. 1813) mit freier engl. Überfegung im
gereiniten Jamben. Diefer kleinern Arbeit folgte das „Sanskrit Dictionary” (Kalt. 1819;
2. Aufl., Kalt. und Lond. 1832), ein Werk, durch welches W. feinen Ruf begründete und ein
erfolgreihes Studium der altind. Literatur erſt möglich machte. Im J. 1820 ging er im Auf
trag der Oftindifhen Compagnie nach Benares, un die von Alters her dort beftehende Univer-
fitär neu zu beleben. Eine Frucht feines dortigen Aufenthalts war fein „Hindu Theatre“ (5 Bde.,
Kalt. 1826-27; 2. Aufl., 2 Bde., Lond. 1835), in welchem er die Überfegung von ſechs voll»
fländigen Dramen, fowie die Analyſe von 25 andern und eine treffliche Einleitung über das
dramaturgifhe Syſtem ber Indier, ihre Bühne u. f. w. mittheilte. Als Secretär der Afia⸗
tiſchen Geſellſchaft in Kalkutta bereicherte er deren Gefellfchaftöfchriften mit einer Menge treffe
licher Arbeiten, unter denen feine Abhandlungen über die Gefhichte von Kaſchmir und über bie
verſchiedenen Religionsfekten der Indier befonders hervorzuheben. Im März 1832 wurde er
als Profeffor des Sanskrit an bie Univerfität zu Orforb berufen und nach Wilkins' Tode auch
Bibliothekar am East India House. Seit feiner Rückkehr nad) Europa hat WB. mehre fehr be
deutende Werke veröffentlicht, wie die Überfegung des „Vishnu-Puräna” (Lond. 1840), bie
„Sanskrit Grammar” (2. Aufl., Zond. 1847), die Ausgabe und Überfegung bed „Sankbya-
Kärika” (£ond. 1838) und ber Novellenſammlung „Daga-kumära-carita” (Lond. 1845). Seine
für die Gefchichte ded Drients wichtigen Korfchungen über das indobaktriſche Reich legte er in
„Ariana antiqua” (Xond. 1842) nieder. In der „History ufBritish India from 1805 to 1855”
(2 Bde., Lond. 1846) lieferte er eine treffliche Kortfegung zu Mill's „History of British India”.
Mehre Abhandlungen von ihm enthält das „Journal of the Royal Asiatic Society of Greab
Britain”. Eine Überfegung des Rigveda (Buch 1, Lond. 1850) har WB. begonnen. Übrigens
nimmt W. auch einen bedeutenden Rang in der Geſchichte ber Civiliſation des Orients eir
Inn
Hi
Hr
Ina
7
278 Bilfon (John) Wilſon (Sir Rob. Dom.)
Hauptfaͤchtich durch ihn wurde die Theilnahme der Indier für ihre eigene Literatur und Sprache
von neuem erregt. Als Secretär der Education Cgmmihtee gelang es ihm, wenigftens theil«
weife, ben Beftrebungen einer Partei entgegenzutreten, welche die Unterdrüdung der einheimie
fchen Literatur, Sprache und Civilifation Indiens und die Anglifirung des Landes bezweckte.
Außerdem muß noch erwähnt werden, daß auch engl. Poeſie, Gelehrſamkeit und Sprache
beſonders durch ihn bei den Hindu in günftige Aufnahme Fanıen, wir nennen bier nur als
Beweife diefer eigenthümlichen Thätigkeit die Überfegung von Todd's Wörterbuch ins Ben⸗
galifche (2 Bde., Kalk. 1845) und den „Shair („Der Sänger”) von Kaſipraſad Ghoſch
(Kalt. 1830), ein epifches Gedicht, von einen Brahmanen in engl. Verfen gedichtet. Seit
einigen Jahren ift W. mit der Ausführung eines umfaſſenden angloind. Wörterbuch befchäf«
tigt, welches die Erflärung aller Sremdwörter, bie in die engl. Sprache Indiens Eingang ger
fimden haben, enchalten wird. Seine Hanbfchriftenfamnlung hat er auf der Bodlejaniſchen Bi⸗
bliothek zu Oxford niedergelegt.
Wilſon (John), gewöhnlich Profeffor W. oder nad) feinem Pſeudonym Chriſtopher North
genannt, ein höchſt merfwürbiger Mann als Menfch, Lehrer, Schriftfteller und Dichter, wurde
1788 zu Paisley geboren. Von begüterten Altern ſtammend, hatte er nicht nöthig, ein Brot⸗
ftudium zu ergreifen, fondern konnte ſich ungeftort feinen Neigungen überlaffen, wie fie eine
ungeröhnliche Körperkraft, eine ſchöne kräftige Geftalt, unerfchopfliche Kebensluft und ein reger
empfänglicher Geift mit fich brachten. Während er indeß auf den Univerfitäten zu Glasgow
und zu Oxford ſtudirte, zeichnete er fich durch Fleiß und Talente ebenfo vortheilhaft vor feinen
Mitftudenten aus, ald er fie im Zechen, Fechten und Fauſtkampf übertraf; dabei war er be
liebt bei Jedermann, bei den fittenftrengen Profefforen wie bei dem geringften Stallknecht.
Mandherlei Abenteuer werben aus biefer Zeit, fomwie auch noch aus feinen fpätern Jahren von
ihm berichtet. Nach Beendigung feiner Studien kaufte er ein ſchönes Gut in Cumberland, vers
heirathete fi, baute ein Haus nad, feinem Geſchmack und errichtete einen Segelclub auf dem
See. Er dichtete, verkehrte mit Wordsworth und fchweifte in der herrlichen Umgegend umher.
Der Berluft eines Theils feines Vermögens durch Bankrott eines Schuldners und eigene Ver-
ſchwendung zwangen ihn aber, fich nach einer Erwerbsquelle umzufehen. Er bewarb fi 1818
um die Profeffur der Moralphilofophie in Edinburg, erhielt fie und wurde einer ber aubge-
zeichnetften alademifchen Lehrer. Zugleich trat er in Verbindung mit „Blackwood's Magazine”,
für welches ex eine Reihe trefflicher äfthetifcher, literarifcher, philofophifcher und politifcher Ar-
titel und Erzählungen lieferte. Die werthuollften von diefen Auffägen find unter dem Titel
‚Ihe recrealions of Christopher North” (3 Bde., Edinb. 1842) erfchienen. Seine Gedichte
„The isle of palms” (1812) und „The city of the plague” (1816) haben e& einzig mit den zar⸗
tern Bemüthöregungen zu thun und find baher etwas eintönig, enthalten aber bie berrlichften
Schilderungen. As Romanſchriftſteller trat er 1822 auf, zuerft mit einer Sanımlung Etzaͤh⸗
lungen aus dem ſchott. Volksleben: „Lights and shadows of Scottish life”, einem trefflichen und
überaus beliebten Buche. Es folgten 1823 „The trials of Margaret Lindsay” und 1824 „The
foresters’', welche leptere Werk weniger Beifall fand als die frühern. Als Herausgeber von
„Blackwood's Magazine” ſpielte er auch eine nicht unwichtige politifche Rolle, indem er die Sache
ber Zories mit Geiſt und Scharffinn, aber auch mit großer Leidenfchaftlichkeit und einer bei einem
fo reich begabten Manne faft unerflärlichen Einfeitigkeit verfocht. Doc mußte er andererfeits
durch Witz und Jovialität, die fich namentlich in feinen „Noctes Ambrosianae” ausfpricht, auch
die Gegner zu verföhnen, welche feine ercentrifchen Ausfälle nur ald das Überfprudeln einer ge⸗
nialen Ratur betrachteten. Wegen zunehmender Kränklichkeit trat er 1852 von feinem Lehr
ſtuhl zurüd und flarb nach langen Leiden 3. April 1854 in Edinburg.
Wilſon (Sir Nob. Thom.), ein durch feinen Lebensgang und feine Schriften berühmter
brit. General, der Sohn des Landfchaftsmalers Ben. W. ſtammte aus einer achtbaren Familie
in der Grafſchaft Monsgomery und wurde 1777 zu London geboren. Wiewol fein Vater ſchon
1782 ftarb, erhielt erdoc eine treffliche Erziehung und beftimmte ſich für den Militärdienſt. Im
3.1793 begab er fich zur brit. Armee ir den Niederlanden und erhielt bier eine Lieutenantsftelle
in einem Dragonerregimente. Schon 1794 zeichnete er fich mehrfach aus, namentlich rettete er
24. April 1794 den Kaifer Franz vor Gefangennehmung. Seit 1795 biente er in Irland und
1799 fchloß er fich der zweiten Erpedition nach Holland an. Hierauf trat er als Major in das
vom Baron Hompefch errichtete Regiment und ging mit dbemfelben nad) Agypten. Er focht
tapfer gegen die Franzoſen, beforgte auch bie Correſpondenz zwifchen Abereromby und dem
türk. Befehlshaber und verfchaffte fich hierdurch tiefe Einficht in die Ereigniffe. Nach England
Wiltfhire 279
zurückgekehrt, wo er auf Halbſold gefegt wurde, veröffentlichte er den „Historical account of the
British. expedition to Egypt, witlı some important facts relative to General Bonaparte”
(2 Bde., 4.Aufl., 1802 und öfter), der viel Auffehen machte, weil er darin erzählte, daß Bona⸗
parte die peſtkranken Franzoſen zu Jaffa habe vergiften laſſen. Schon 1804 erhob er in einer
andern Schrift über den Zuftand des brit. Heeres feine Stimme gegen die Prügelftrafe, was ihm
viele Gegner zugog. Nachdem er fihim Jan. 1806 bei der Wiedereroberung des Caps ber guten
Doffnung betheiligt, begleitete er den General Hutchinfon auf einer diplomatifch-militärifchen
Sendung an ben Kaiſer von Rußland. Er blieb während des Kriegs mit Frankreich beim ruff.
Deere, erwarb ſich mancherlei Verdienſte und wurde nach bem Frieden von Tilſit in Peterdburg
vom Kaifer fehr ausgezeichnet. Als jedoch Rußland an England den Krieg erflärte, eilte W.
nach London, um vor Ankunft der Erklärung bie Beſchlagnahme der ruff. Schiffe zu bewirken.
Im J. 1809 organifirte er im Auftrage feiner Regierung die fogenannte Rufitanifche Legion in
Portugal, die er mit großer Umficht und Tapferkeit führte. Als Napoleon Rußland mit Krieg
bedrohte, begann er wiederum für legteres zu wirken. Er fchrieb „Account ofthe campaigns
in Poland in 1806 and 1807, with remarks un the character and composition of the Rus-
sian army” (2ond. 1814). Im Feldzuge von 1812 befand er fich im ruff. Hauptquartier und
Leiftete al Rathgeber gute Dienfte. Doch bewies ihm die brit. Regierung auch nicht die ge
ringfte Anerfennung, weil er oft fehr freimüthig feinen Tadel äußerte und der Cabinetspolitit
Das Interefie des Volkes entgegenfegte. Im Dec. 1815 trug er mis zwei feiner Landbleute,
Hutchinſon und Bruce, zur heimlichen Kortfchaffung bes zum Tode verurtheilten Lavalette (f.b.)
aus Paris bei. Mit Erlaubniß des Herzogs von Wellington ftellte ihn die franz. Regierung
vor die Aſſiſen, nach deren Ausfpruch er zu dreimonatlichem Gefängniß verurtheilt wurde. Als
er hierauf in Xondon erfchien, erließ der Prinzregent eine Proclamation an das brit. Heer, welche
W.'s That befonder& darum als eine unwürdige erflärte, weil er ſich dabei verfleidet hatte. Diele
kleinliche Behandlung und andere Erbärmilichkeiten ſteigerten W.'s Unmuth. Er benugte feine
Wiſſenſchaft als Theilnehmer an den Ereigniffen und veröffentlichte, meift anonym, eine Menge
Schriften, die auf die Politit der Mächte im Kampfe mit Napoleon nicht das günftigfte Licht
warfen. Großes Auffehen machte befonders „A skeich of ihe military and political power of
Russia” (Lond. 1817). Im 3. 1818 ging er nach Südamerika, un unter Bolivar's Fahne zu
fampfen. Er überwarf fich jedoch mit Lepterm, kehrte zurück und trat für Southwark ins Un⸗
terhaus, mo er die Regierung wenig fhonte. Seine Parteinahme für die Königin hatte 1820
feine Ausftoßung aus dem Heere zur Folge. Als 1825 die franz. Arnıee zur Unterbrüdung
der Conſtitution in Spanien einrückte, trat er in die Dienfte der Eortes, wurde aber bei Corufia
ſchwer verwundet und flüchtete nach Gibraltar. Preußen, Oſtreich und Rufland erflärten ihn
ihrer Orden verlufiig. Im 3.1826 trat er für Southwark abermals ins Parlanıent, wurde
aber ald Gegner ber Reformbill 1831 nicht wieder gewählt. Nach Wilhelm’s IV. Thronbe
fleigung wurde er im Heere wieder angeftellt und ihm zugleich das Generallieutenants patent er»
theilt, da8 vom 27. Mai 1825 datirte. Im J. 1835 ward er Inhaber des 15. Hufarenregie
ments, im Nov. 1841 wirklicher General und 1842 Gouverneur von Gibraltar, auf welhem
Doften er fieben Jahre verblieb. Bald nach feiner Rückkehr ftarb er zu London 9. Mai 1849.
Wiltfhire, verfürgt Wilts, eine der ſüdlichen Sraffchaften Englands, zählte 1851 auf
64 QM. 240966 E. Die langen Reiben niedriger Kreideberge oder Done, welche für
Südengland charakteriſtiſch find, gehen hier in ein weites, welliges Tafelland über, das, obgleich
fein höchſten Punkte nur 725 und 950 $. über das Meer auffteigen, dennoch ein ziemlich raus
hes Klima hat und deffen nadte Flächen weiter nichts als Schafweiden darbieten. Der Kennet-
Avonfanal durchzieht die Mitte des Landeg in weſtlicher Richtung und theilt es in Norb- und
Südwilts. Auf dem nördlichen Abhange haben die Quellgegenden bes Avon treffliche Wiefen,
die Gelände des Themſethals meift Unterholz und gute Weide, mo der gerühmte Rordwiltſbire⸗
kaſe bereitet wird. Überdies gibt es in dieſem nördlichen Theile die ausgebehnteften Striche
reichen Eufturlandes ; nur die Marlborough ⸗Downs find unwirthbar. Südwilts enthält den
beträchtlichften Theil des Downlandes und bie einförmige, kahle Ebene von Salisbury mit dem
räthſelhaften Steinmonument der Stonehenge (f. d.), doch auch ergiebige Culturſtriche und
Kunſtwieſen in größter Ausdehnung und Vollkommenheit. Der Feldbau it in W. weit fort-
gefchritten, obwoi ihm nicht über ein Fünftel des Bodens zu Gebote ſteht. Von größerer Aus-
dehnung ift die Schafzucht und Wollproduction, die Rindviehzucht, verbunden mit Milchwirth⸗
ſchaft, und die Schweinezucht. Überdies iſt W. ein anſehnlicher Fabrikdiſtrict, obſchon ohne
Toncentrationspuntt. ine Menge lebhafter kleiner Stäbte fabriciren auf eigene Hand feine
230 Wilzen Wimpern
Tuche, Teppiche u. a. Wollenzeuge, auch Mefferfbmiede- und Quincailleriewaaren, Leinwand⸗
und Baummollenfloffe. Die Ausfuhr der Erzeugniffe diefer Inbuftrie forwie der Landwirth⸗
fchaft, namentlich auch bes Schlachtviehs, nach London, Bath u. f. w. begünftigen ſchiffbare
Flüffe, wie Die Theme, der Untere oder Weftliche Avon und der Obere ober Südliche Avon, mehre
Kandle und Eifenbahnen. Die Hauptfladt und einzige City ift Salisbury (f. d.). Wilton, ein
in der Nachbarſchaft, am Zufammenfluß des Wily und Nadder gelegenes Städtchen mit 8607 E.,
nach welchem die Grafſchaft benannt ifl, war vor Fahren der Hauptort ber engl. Teppichwirke⸗
rei und bemühte fich in neuefter Zeit, feinen in diefer Beziehung verlorenen Nuf wieder zu ge
winnen; zugleich fertigt es Kafimir und Modezeuge. Nabe babei liegt Wiltonhoufe, ber wegen
feiner reichen Semäldegalerie, Antiten- und Statuenfammlung berühmte Ranbfig bed Grafen
von Pembroke. Die Hauptfige der Fabrikation feiner Tuche, Kafimird und Modezeuge find:
Bradford (f.d.); Trowbridge mit 10157 E.; Devizes, ein alter Drt am Kennet⸗Avonkanal
mit 6554 E., einem verfallenen Schloffe und einer gelehrten Sreifchule; Malmesbury am un-
tern Avon, mit ber Kirche der um 675 geftifteten Abtei, dem fogenannten Abtshaufe, und
6998 E.; ferner Warminfter am Wily mit 4220 E., die zugleich auch lebhaften Handel
mit UÜrerzeugniffen treiben, und Ehippenham am untern Avon mit 6283 €. und einer
1850 eröffneten Kaufhalle für den bedeutenden Käfehandel, Cricklade, an ber bier fchiff-
bar werdenden Themfe und ber Einmündung des Northwilts⸗ in ben Themfe-Gevernkanal, hat
in feinem Parlamentebezirt 35503 E. und treibt Handel. Marlborough, en Borough am
Kennet, mit 5133 €., ift gefehichtlich dentwürdig, weil dafelbft 1267 das Parlament Beſchlüſſe
erließ, welche unter dem Namen Statutum de Marlborough zum Theil noch jept gelten. An
bem Orte haftet auch der Herzogstitel des berühmten John Churchill. (S. Marlborongb.)
Wilzen, Weleten ober Lutizer, welcher leptere Name der einheimifche geweſen zu fein
Scheint, waren der mächtigfte und ftreitbarfte Stamm unter ben norbweftlichen Slawen, bie be»
reits im 2, Jahrh. n. Chr. die preuß. Küfte befegten, worauf fie an die Obermündungen vor⸗
drangen und die Infeln dafelbft und das nach Welten gelegene Land in Befig nahmen, auch
fpäter bis zur Elbe fich ausbreiteten. Ihre Geſchichte bilder eine Reihe der blutigften Kämpfe
mit den Sachfen, ſowie mit andern Stawenftämmen, namentlich den Obotriten. Mit der Unter-
werfung Brandenburgs unter deutfche Herrfchaft beginnt ihre Name aus der Geſchichte zu
verſchwinden.
Wimpern oder Cilien werden, abgeſehen von ben Augenwimpern (ſ. d.), bie im thierifchen
und menfchlichen Körper vortommenden fehr feinen, mitzoffopifchen, burchfichtigen, haarförmi⸗
gen und beweglichen Fäden genannt. Sie wurben bis jept blos an der Oberfläche von Organen
beobachtet, welche mit Flüſſigkeiten in Berührung ftehen, und es können Wimpern ober Cilien
auch, wie es fcheint, ihre Thätigkeit nur in Flüffigkeiten entfalten, in denen fie Ströme erzeugen,
welche meift eine beitimmte Richtung haben. Die Bewegung der Wimpern ift nämlid eine
fehr rafche und Präftige und geht ftet nach derfelben Richtung, bisweilen felbft in einer ber
Schwere entgegengefesten Richtung. Die Eilien flehen gewöhnlich reihenweiſe und meiften®,
bei Wirbelthieren aber lets, auf einen Oberhäutchen oder Epithelium (Flimmerepithelium).
Ihre Bewegung foll nad) Einigen in einem unaufhörlichen Niederbiegen und Wieberaufrich-
ten, nach Andern in einem hadenförmigen Biegen und Strecken, oder in einem kreisförmigen,
peitfhenförmigen Schwingen beftehen. Bei einer großen Anzahl ſchwingender Cillen ſieht
man nur ein Flimmern, oder die Bewegung derfelben erfcheint wie das Bogen eines Getreide
feldes im Sturme. Das Phänomen der Wimperbewegung iſt ein in der Thierwelt fehr ver-
breitetes, hat aber eine fehr verfchiedene Ausbreitung. in ben verfchiebenen Claſſen; doch ift faſt
feine einzige Thierclaffe des Antheils der Wimperbewegung ganz beraubt. bat dieſe Be⸗
wegung bis jegt noch nicht bei Inſekten, bei Fiſchen nur in ſehr beſchränktem Umfange auffinben
können. Am meiften fcheint fie in der Glaffe der Radiaten und Mollusten (befonders bei Infu-
forien, Polypen, Spongien, Actinien, Medufen, Seefternen und Seeigeln) vorzulommen. We⸗
niger allgemein ift fie bei den Reptilien, Vögeln und Säugethieren, wo fie vorzugsmeife auf
ber Nafen- und Refpirationsfchleimhaut, fowie in den weiblichen Genitalien beobachtet wird.
Doch zeigt fie fih hier auch in den Digeftiond- und Harnwerkzeugen. Es untexliegt wol keinem
Zweifel, daß die Gilien die Gebilde find, mittels welcher die niedern Thiere, namentlich die In
fuforien, der Ortsbewegung fähig werden, ihre Nahrung ergreifen und vielleicht Ströme in dem
Waſſer erregen, wodurch daffelbe einen gleichen Einfluß auf den Körper äußern mag, welchen
es bei höhern Lebensformen durch die Refpirationsorgane vermittelt. Eine andere Bebeutung
hat aber die Wimperbewegung bei den Wirbelthieren : hier dient fie dazu, um abgefonberte
oo Bimpfen Wimpffen 281
Flüſſigkeiten auf der freien Oberfläche ber fecernirenden Gebilde fortzubewegen. Wahrfcheie-
Uch hat fie einen wefentlichen Antheil an dem Ubergange bed Eies durch bie Tuba in den Uterus.
Die Wimperbewegung ift ferner auch die Urfache ber Bewegung ber Embryonen im Ei bei meh⸗
ven Thieren (Gafteropoden), ja fogar der freien Eier bei mehren niedern Thieren (Radiarien
und Korallenthieren). Uber die Natur ber Wimperbewegung läßt ſich bis jegt noch nichts Ge⸗
naues beſtimmen, und wir müffen und begnügen, biefelbe einftweilen ale ein Fundamentalphä-
nomen bed Lebens anzufehen. Beim Menfchen finden ſich Wimpern an folgenden Stellen: in
der Nafenhöhle, in den Nebenhöhlen der Nafe, ben Thränenmwegen, in der Obrtrompete, ben
Luftwegen, den weiblichen Gefchlechtötheilen und an einzelnen Stellen bes Nervenſyſtems (in
den Hirnhöhlen und der Nervenſcheide).
Wimpfen oder Wimpfen am Berg, ein Städtchen am Nedar von 2400 E., Hauptort
eines von Würtemberg enclavirten Bezirks der großherzoglich Heff. Provinz Starkenburg, war
bi6 1802 eine Freie Reichsſtadt und kam 1803 durch Tauſch an Heffen-Darmftadt. Die fehr
alte Saline bei W. ift eingegangen, dagegen iſt das durch Bohrverfuche feit 1818 aufgefundene
Salzwerk, Ludwigshall genannt, eins der bedeutenbften in Deutichland, indem es jährlich .
410000 Etr. Salz producirt; auch find Soolbäber bamit verbunden. Geſchichtlich ift W. merk⸗
würdig durch Tilly's Sieg 6. Mai 1622 über den Markgrafen Georg Friedrich von Baben-
Durlach, wo, um den Rückzug zu deden, 400 pforzheimer Bürger ſich dem Heldentode weih⸗
ten. Vgl. Heid, „Geſchichte der Stadt W.“ (Heilbr. 1846). Gleichfalls am Nedar, ber in die⸗
fer Gegend ben Kocher und die Jart aufnimmt, Liegt das Dorf impfen im Thal mit 450 €,
welches jährlich einen großen Markt hält, auf dem beſonders Leinwand zum Verkauf fommt.
Bimpffen, ein altes ſchwäb. Gefchlecht, welches zur reichsunmittelbaren Nitterfchaft im
Eanton Ortenau gehörte, dem Graichgau entfproß und einft auch die beiden gleichbenannten
Ortſchaften dafelbft befaß. Die unmterbrocdhene Stammreihe beginnt mit Sigismund Her-
mann von W. der reich begütert in Schwaben und kaiſerl. Keldoberft war und 1373 vom Kai-
fer auf dem Reichötage zu Speier eigenhändig den Nitterfehlag empfing. Deſſen Sohn Karl
Auguſt, geb. 1355, kaiſerl. Keldhauptmann, verpflanzte die Familie nach Rürnberg, wo fie
Jahrhunderte unter den Patriciergefchlechtern blühte. In der erften Hälfte des 16. Jahrh. ge-
langten die W. nad} dem Elſaß, von mo aus zwei Brüder, Johann Friedrich (geb. 1581) und
Johann Dietrich (geb. 1583), die Stifter der noch jept blühenden beiden Hauptlinien wurben.
Haupt ber erften Linie, deö Johann⸗FriedrichsStamms, ift jegt der Freiherr Friedr. Ferd.
Franz von W., geb. 31. März 1805, der in königl. dän. Forftdienften fteht. Die zweite Linie, der
Johann ⸗Dietrichs⸗Stamm, zerfiel Tpäter durch vier Söhne Johann Georg's (geb. 1689, geft.
1767): Stanislaus, Franz Ludwig, Georg und Felix, in vier Arte, welche die Namen ber
Stifter tragen. Der Freiherrenſtand, zuerft 1658 verliehen, wurde diefen vier Brüdern durch
Kaifer Joſeph II. 1781 beftätigt. Außerdem aber ward ein Sohn von Franz Ludwig, Franz
Karl Eduard von W., würtemb. Generalmajor, geb. 2. Jan. 1776, geft. 1842, vom Kaifer
Franz 1. 1797 in den Grafenftand erhoben. — Sein Sohn und gegenwärtiges Daupt bes
gräftichen Zweige ift Graf Franz Emil Lorenz Hermann von W., kaiſerl. öftr. Feldzeugmei⸗
fer, geb. 2. April 1797 zu Prag. Er trat im Det. 1813 als Unterlieutenant in das kaiſerl. Deer
und wohnte den Belbzügen von 1815 — 14 in ber Hauptarmee der Verbündeten bei, dem von
1815 aber bei der Srimont’fchen Armee in Stalien. Im 3. 1821 wurde ex zum k. k. wirklichen
Kämmerer ernamt, avancirte 1822 zum Hauptmann, 1828 zum Major, 1830 zum Oberſtlieu⸗
tenant, 1833 zum Oberften und Regimentscommandanten des Infanterieregimentd Großher⸗
30g von Buben. Im J. 1858 wurde er Generalmajor und Brigadier in Trieſt, 1846 erhielt er
als Jdmarſchallieutenant eine Divifion bes zweiten Armeecorps in Stalien. Im Feldzuge von
18 zeichnete er fich befondere bei Vicenza und Cuſtozza aus, wofür er den Maria-Therefien-
orden erhielt; in dem folgenden kurzen Feldzuge commanbirte ereine detachirte Diviſion, welche
den Poübergang bei Caſale fefthielt. Nach Dem mit Sardinien abgefchloffenen Waffenftillftande
wurde er mit dem Öberbefehl über die zur Intervention im Kirchenftaate beftimmten Zruppen
betraut. Er rüdte vor Bologna und zwang die Stadt durch ein Bombardement zur Eapitulation,
ebenfo Ancona. Darauf übernahm er die Leitung des Gouvernements der Legationen. Im
Dct. 1849 wurde er bei der neuen Eintheilung ber Armee zum Eivil- und Militärgouverneur
von Trieſt und Statthalter bed Küftenlandes, auch zum Feldzeugmeiſter ernannt. Als provifo-
rifcher Obercommandant der Marine war feine Thätigkeit fehr erfolgreich: der neue Aufſchwung
der öftr. Seemacht iſt großentheils ihm au banken. Im Sept. 1854 erhielt er das Commando ber
erfien Armee, an des zum Feldmarfchall avanicirten Grafen Wratiflam Stelle. — Die freiherr⸗
282 Bindefter Bindel -
lichen Linien und Afte des Geſchlechts find gegenwärtig in Oftreich, Preußen, Würtemberg,
Frankreich und Dänemark verbreitet, befennen fich zur kath. ref. und luth. Kirche und zählen
viele Blieder, die fi im Offentlichen Keben und hoher Stellung ausgezeichnet haben. Ein Zweig,
der ſich nach Spanien verpflangte, erlofch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Ganz befon-
ders bekannt machten fid: der General Franz Zubiw., Freiberr von W.Berneburg, geb.
1732 zu Zweibrũcken. Er trat zeitig in das frana. Heer und wohnte den Feldzügen im Öftreichi«
fen Erbfolge und Siebenjährigen Kriege bei. Dann ging er 1760 als General in die Dienfte
des Herzogs Karl von Würtemberg, an deſſen Hofe er, mit befonderer Gunſt beebrt, eine bedeu-
tende Rolle fpielte. Nach dem Vergleiche von 1770, als der Herzog feine für die Staatskräfte
überftarke Armee reducirte, überhaupt alle Ausgaben befchränkte, vertaufchte W. den würtemb.
Dienſt, nach einigen misglüdten Berfuchen bei andern Regierungen, wieder mit dem franzö⸗
fifchen, wo er ald Divifionsgeneral und Präfes des militärifchen Reviſionsgerichtshofs 24. Der.
1800 zu Mainz flarb. Er fchrieb „Reforme de !’economie de l’armee frangaise” (Par. 1787,
ein Project) und „Mömoires sur ma vie” (Par. 1788). — Felix, Freiherr von W. : Berne-
Burg, ebenfalls franz. General, geb. 1745 in Zweibrüdten, machte ſich zuerſt im franz. Dienft
ale Führer eines Freicorps in Eorfica gegen Paoli (1769) bemerklih und commandirte 1782
das Negiment Bouillon bei der Belagerung von Gibraltar. Nach dem Frieden von Verfailles
nahm er feinen Abfchied, lebte in der Normandie und wurde hier 1789 zum Deputirten in die
Verſamnilung der Reiheftände gewählt. Bei dem erften Conflict über die Abſtimmung gehörte
er zu bem Beinen Theile des Adels, der fich gleich dem Dritten Stande anſchloß. Er verfaßte die
Proteftation gegen die getrennte Abflimmung, votirte auch in der Nacht des A. Aug. für bie
Abfchaffung der Vorrechte, hielt ſich jedoch fletö zu der gemäßigten Partei. Beim Auöbruche
des Kriegs von 1792 wurbe er als General wieder in ber Armee angeftellt und vertheidigte
Thionville gegen bie Preußen. Das ihm angebotene Kriegsminiflerium ſchlug er aus und über
nahm das Commando der Küftenarmıee in Eherbourg. Hier trat er nach dem Sturze der Gi-
tondepartei gegen den Eonvent auf, verhaftete deffen Deputirte in Caen und rief die nördlichen
Departements zu ben Waffen. Er hatte jedoch menig Erfolg ; von England ſchwach unterflügt,
wurde er bei Bernon gefchlagen und mußte fliehen. Eine Zeit lang hielt er ſich verborgen, bis es
ihm gelang, nach England zu enttommen. Erſt 1799, nach der Kataftrophe des 18. Brumaire,
kehrte er wieder zurück und erhielt vom Erften Gonful eine Anftellung als Divifionsgeneral.
Später war er Director der kaiſerl. Geftüte und ftarb 1814.
Winchefter, eine City in der engl. Grafſchaft Hants, im Thale des Itchen oder Itching und
an der von London nach ber jegigen Dauptftadt Southanıpton führenden Eifenbahn, Sig eines
Biſchofs und ehemals Hauptſtadt der Graffchaft oder eigentlich von England, ift eine der älte-
fien und ehriwürdigften Städte des Königreichs, jedoch von feiner frühern Höhe tief herabgeſim⸗
ten. In der angelſächſ. Periode Wintanceaſter genannt unb aus dem altbrit. Caer Owint ent«
ftanden, nahm es den Nang der Metropole ein, und noch fpäter zählte ed 90 Kirchen und Ka-
pellen, während jetzt fünf beftehen. Wegen feiner Märkte und ale Stapelplag des Wollhandels
war ed ungemein befucht und breitete feine Gewerbe in allen Richtungen aus. Als nad) der
normann. Eroberung London ſich zur königl. Nefidenz erhob, begann ber Verfall von W. Das
Wegziehen des Wollhandels, die Aufhebung der Kiöfter unter Heinrich VII. und die Drang-
fale des Bürgerkriegs vollendeten den Verfall. Was W. noch ift und gilt, dankt e6 feiner Ka-
thebrale, denn Gymnaſium und den Afftfen, die abwechſelnd hier und in Southampton gehalten
werden. Im 3.1851 zählte die Stadt 13704 E. An ber Kathedrale haben Jahrhunderte ge⸗
baut. Begonnen 963 und zu Meinem Theile noch im Urbau Ethelwold's vorhanden, wurde fie
im 11. Jabrh. vergrößert und zu Anfang bes 16. Jahrh. mit gleichzeitigen Zufägen und Ver⸗
fhönerungen vom Bifchof Kor vollendet. Sie ift unfcheinbar im Außern, mit nur einem niebri-
gen Mittelthurme verfehen, doch im Innern eine der größten und am beften erhaltenen goth.
Kirchen Englands. Alte Glasmalerei und die ſchoͤnſten in Holz gefchnittenen Grotesten
ſchmücken das Chor. Hier ruht auch die Afche einer Tangen Reihe angelfächl. Könige. Das
vom Bifchof Wykeham 1387 geftiftete Gymnaſium ift den drei andern hohen Gymnaſien Eton,
MWeftminfter und Harrow ebenbürtig und nimmt ein flattliched Gebäude ein. Bon ber alten
Burg W.'s befteht nur noch die Kapelle, in welcher die Affifen flattfinden. Der von Karl.
unternommene Palaftbau iſt imvollendet. Dagegen find Arthur's Tafelrunde, das Markefreug
und mehre Antiquitäten im Nathhaufe bemerkenswerth.
Windel (George Franz Dietr. aus dem), Schriftfteller im Fache des Forſt und Jagdwe⸗
fens, geb. 1762 auf dem Nittergute Priorau im Kurkreife Sachfens, befuchte das Pädagogium
s
Winckelmann 283
zu Dalle, die Landesſchule zu Grimma und fludirte dann in Leipzig die Rechtswiſſenſchaft. Die
Bolgen eines Sturzes von Werde gaben die Beraniaffung, daß er für die Forftwiffenfchaften
fich entfchied, die er nun mit dem großten Eifer fiudirte. Ungeachtet feiner guten Kenntniffe
blieb er mit feinen Gefuchen um Anftellung im fächf. Jagdweſen unberückſichtigt, weil fein -
Stammbaum, den er vorlegen mußte, nicht rein war. Als er 1794 fein Familiengut an die
Erbprinzeffin von Anhalt⸗Deſſau verkaufte, that er die6 mit der Bedingung, daß er ald Kam»
merjunfer des Fürſten von Anhalt-Deffau und fpäter im Forfifache angeftellt werde. Doc
auch hier mußte er eine bittere Zurücklegung erfahren, und 1802 legte er feine Hofftelle nieder
und nahm feinen Wohnfig in Obernitzſchka bei Wurzen, bis er fih 1807 nach dem nahen Ma-
chern wendete. Dur Morig von Thümmel deſſen Schwiegerfohn, dem Freiherrn von Thün⸗
gen in Franken, empfohlen, erhielt er 41812 die Verwaltung von deffen Familienforft. In die
fer Stellung blieb er bis 1832, worauf er fi in Schierau bei Deffau niederließ. Dier ftarb er
31.Mai 1839. Sein Hauptwerk, das große Verbreitung gefunden, ift das „Handbuch für
Jäger, Jagbberechtigte und Jagdliebhaber“ (2. Aufl., 5 Bde., Lpz. 1820— 22).
Bindelmann (Soh. Joach.), ein um Kritik, Geſchichte und Erklärung der claffifchen
Kunftwerke, ſowie um das Studium der Antike überhaupt hochverdienter Gelehrter, geb. 9.
Dec. 1717 zu Stendal in der Altmark, war ber Sohn eines armen Schuhmachers und konnte
nur ducch fremde Mildthätigkeit unterftügt die lat. Schule feiner Baterfladt befuchen. Durch
ungewöhnliche Kortfchritte, beſonders in ben alten Sprachen, zeichnete er ſich bald fo fehr aus,
daß ihn der Hector der Anftalt in fein Haus nahm und bei eintretender Erblindung zu feinem
Borlefer wählte. Auch wurde ihm die Aufficht über die Schulbibllothet übertragen, die einige
gute Ausgaben der alten Claſſiker und andere nügliche Werke enthieht, und ed verdient hier be
fonders erwähnt zu werben, daß er damals die erfte Bekanntfchaft mit den Schriften der Bild⸗
bauer- und Malerkunſt machte. In den Elementen der griech. umd lat. Sprache gründlich vor»
bereitet, fam er 1735 nach Berlin auf das Kölnifhe Gymnaſium und bezog zu Oftern 1738
die Univerfität zu Halle, wo er fich befonders mit ber alten Literatur und ben fchönen Wiſſen⸗
fchaften befchäftigte. Nachdem er eine kurze Zeit eine Haudlehrerftelle beBleibet, ging er 1741
nad) Jena. Hier fing er fogar an, mit mathematifchen und medicinifchen Studien fi zu be
ſchäftigen, ging aber 1742 wieder als Hauslehrer nach Heimersieben bei Halberflabt und er⸗
hielt 1745 daß fchlecht botirte Gonrectorat an der Schule zu Seehaufen in der Altmark. Unter
eifriger Bortfegung der wiffenfcaftlichen Beichäftigungen ertrug er das Kümmerliche feiner
Lage und feines Amts fünf Jahre lang. Sodann bor er feine Dienfte dem ſächſ. Minifter
Grafen von Bimau an, der ihn als Secretär bei feiner Bibliothek zu Nothnig bei Dresden
mit fehr geringem Gehalte anftellte. Die Nähe Dresdens mit reihen Kunftfchägen und die
Berbindung mit einigen Künftlern fleigerten in ihm bie Biebe zur Kunfl, und vorzüglic war
ber Unigang mit Lippert, Hagedorn und Oſer von Einfluß auf feine Studien in diefer Bezie⸗
bung. Das Anerbieten des päpftlichen Nuntius in Dresden, Archinto, ihm in Rom eine
Bibliothekarſtelle zu verfchaffen, unterflügt durch Die Überrebungstunft des Pater Rauch, war
zu anlodend, IB6 Enthufiasmus für die Kunft zu mächtig, al6 daß er die zur Erreichung ſei⸗
nes Wunſches gemachte Bedingung des NReligionswechfels hätte zurkickweiſen follen. Allein
erft nad) langem Zaubern trat er 1754 förmlich zur röm. Kirche über. Diefer Schritt erfuhr
von den Meiften Misbilligung, da er nicht aus innerer Überzeugung gefchah. W. verließ nun
die Dienfte des Grafen Bünau umd lebte in Dresden ganz der Liebe zur Kunfl. Mit einer
königl. Denfion auf zwei Jahre-reifte er im Herbſte 1755 nad Rom ab, wo er an ven Barbi-
nalen Paffionei und Albani, fowie an Archinto, der inzwiſchen Eardinal und Staats ſecretär
geworden war, Freunde und Gönner fand. Namentlich trat er mit Mengs (f.d.) in ein ver«
tramtel, für die Richtung und ben Gang feiner Studien höchft erfolgreiches Verhältniß. Von
jegt an überließ er fih ganz der Betrachtung alter und neuer Kunftwerke. Die Idee einer
Geſchichte der alten Kunſt ſchwebte ihm vor, aber noch fehlte es ihm dazu an Klarheit und Er
fahrung. Im Frühjahr 1758 befuchte er Neapel, erlangte den Zutritt zu ben Alterthümern
zu Portici, Herculanum und Pompeſi und kehrte mit reicher Ausbeute nah Rom zurück.
Hierauf reiſte er im Sept. deſſelben Jahres auf Einladung des Baron Muzel⸗Stoſch, der im
Beſitze einer der koſtbarſten Gemmenfanımlungen war, nach Florenz, wo er neun Monate ver»
weilte, um diefe Sammlung zu orbnen und zu verzeichnen. Als er bald darauf eine Anftellung
als Bibliothekar und Auffeher über die Alterihümer des Cardinals Albani angenommen,
lehnte ex verfchiedene andere Anträge ab und beſchloß, zumal da fich eine Anftellung in Dres
den wieber gerfchlagen hatte, in Rom für immer feinen Aufenthalt zu wählen. In Geſellſchaft
284 | Mindelmann
des Grafen Bruͤhl befuchte er 1762 abermals Neapel und vollendete nach feiner Rückkcht,
nachdem er 1763 zum Oberauffeher aller Aiterthümer in und um Rom ernannt morben, fein
Hauptwerk über die Gefchichte der Kunft des Alterthums. ine dritte Reife nad Neapel
machte ex ein Jahr darauf mit Volkmann und Heine. Füßli. Im I. 1767 begab er ſich zum
vierten male dorthin, um einige Misverfländniffe und Entgegnungen, bie feine Mitcheilungen
über die herculanifchen Entbedungen hervorgerufen, wieder auszugleichen. Schon lange hatte
- ex fi) vorgenommen, Deutfchland noch ein mal zu befuchen, namentlih um in Berlin eine neue
franz. Ausgabe feiner Kunftgefchichte, die er inzwifchen nach Iangfährigen ämfigen Stubien
herausgegeben, zu beforgen ; allein exit 1768 kam biefer Plan zur Ausführung. Am 10. Aprü
reifte er in Gefellichaft bes Bildhauers Cavaceppi von Nom ab über Venedig, Verona und
durch Zirol. Der Anblick der tiroler Gebirge brachte aber in ihm Gefühle ber Schwermuth
und Seelenunrube hervor, die in Augsburg und München mehr und mehr zunahmen. In Re⸗
gensburg angelangt, faßte er den Entfchluß, allein nach Stalien zurüdzufehren, und das Ein-
zige, was Eavaceppi erreichte, war, daß er, obaleich mit forgenvollem Sinne, ihm nach Wien
folgte, wo fie 12. Mai anlangten. Wie in München, fo wurde er auch bier auf das ehrenvollſte
empfangen und fogar der Kaiferin Maria Therefia in Schönbrunn vorgeftellt, von ber er koſt⸗
bare Geſchenke und glänzende Anerbietungen erhielt. Aber alle Mittel, ihn zu feffeln, waren
ebenfo vergeblich als die Verfuche, ihn zu eiuer WBeiterreife nach Deutfchland zu bewegen. Er
trennte fi) von Cavaceppi und verließ allein Wien, um über Zrieft wieder nad) Rom zu ge⸗
langen. Der geheimnißvolle Schleier, der über die auffallende Anderung in Wes Gemüth und
Borfag ausgebreitet ift, wird durch die Gemißheit, daß fein krankhafter Zuftand weſentlich mit
einmwirfte, nur zum Theil gehoben. Am 1. Mai kam WB. ganz allein in Trieſt an, trat in einem
Gaſthauſe an dem Peteröplage ab und machte noch an demfelben Tage bei Tifche bie Bekannt⸗
fehaft mit einem gewiffen Sranc. Arcangeli, einem abgefeinten Böfewicht, der wegen eines
frechen Gelddiebſtahls vorher mit Kerker und Landesverweiſung beftraft worden war. Diefer
Menfch wußte das Vertrauen ded arglofen W. durch Dienftwilligfeit zu gewinnen, indem er
ihm bei Einfäufen und befonder& bei Bemühungen, eine Schiffögelegenheit nach Venedig zu
finden, behülflih war. &o hatte ſich, zumal da fi ZB.’ Abfahrt verzögerte, zwiſchen Beiden
ein faft freundfchaftliches Verhältnif gebildet. W. fpeifte mit ihm auf der Stube, befuchte mit
ihm das Kaffeehaus und zeigte ihm feine werthvollen Ehrengeſchenke. Am 8. Juni gegen
Mittag trat Arcangeli in W.'s Zimmer, unter dem Vorwande, fein Taſchentuch vergeflen zu
baben, und es bleibt unentfchieden, ob ex felbft die feltenen Münzen und Medaillen noch ein mal
zu fehen wünfchte, ober ihn erfuchte, dieſelben beim Mittagstifche vorzugeigen. Verdrießlich
über die Zudringlichkeit des Italieners fegte fih WB., um das Geſpräch abzubrechen, an ben
Schreibtifch, und diefen Augenblick benutzte Jener, warf ihm von hinten einen aus Segelgarn
geflochtenen Strid um den Hals, um ihn zu erdroffeln, und brachte ihm nachher, als W. mit
Berzweiflung fich wehrte, mit einem Dolche noch fünf theilmeife tödtliche Wunden in der Bruſt
und in der Seite bei. Auf diefen Lärm eilte die Dienerfchaft des Gaſthauſes herbei; Arcangeli
aber bahnte fich gewaltfam einen Weg und entrann. Alle Anwefenden liefen beftürgt burcheinan-
ber und fuchten eher eirten Beichvater als einen Arzt herbeigufchaffen; W. ſelbſt jedoch vermochte
noch mit dem Strick um ben Hals und den blutenden Wunden die Treppe nach der unterften
Etage hinabzugehen, um Hülfe zu fuchen. Eine volle Stunde verftrich während diefer Verwir⸗
rung, ehe ihm ärztlicher Beiftand zu Theil wurde, und fo verfchied er unter heftigen Schmerzen
Nachmittags gegen A Uhr am 8. Juni 1768, nachdem er vorher noch den Cardinal Albani zum
Univerfalerben eingelegt und fterbend um Gnade für feinen Mörder gebeten hatte. Urcangeli
wurde 13. Juni zu Planina, acht Meilen von Zrieft, aufgegriffen und 20. Juni zu Zrieft von
oben herab gerädert. Die Handfchrift zur zweiten Ausgabe ber Kunſtgeſchichte, die W. bei
fih führte, kam in den Beltg der Laiferlichen Akademie der bildenden Künfte in Wien, feine
übrigen Papiere erhielt die Bibliothek der Familie Aibani.
W.'s unfterbliches Verdienft beftcht darin, daß er ber Schöpfer einer bleibenden Kunftwiffen-
{haft wurde und durch fein Beifpiel auf die gebilberften Nationen einmwirkte, Er war ber Erſte,
ber die alterthümliche Schöpfung mit felbfländigem Blick betrachtete und von der Erhabenheit,
der Harmonie und dem lebendigen Hauch derfelben fo durchdrungen war, daß fich dieſer antike
Geiſt bei ihm in der körnigen und einfachen Sprache, in ben Grundfägen feiner Lehre und in
ber Idee vollendeter Schönheit wieder ausgeprägt hat. Won ber Macht diefes Geiſtes beherrſcht,
erfaßte er die Charaktere, Stilarten und Grundzüge der alten Denkmäler, trennte das rein
»eiech. von dem fremden Glemente, das Mufterhafte von dem Ausgearteten, entwidelte bie
GE GE 4 u 7 A J I —
" Bindelmam 285
Fortfchritte und das Weſen ber Epochen und vereinigte die Refultate der höchfien Auſchauun⸗
gen in feiner Kunftgefehichte. Dadurch wurde er der Begründer einer Bahn, die feine Nach⸗
folger in Dinficht ber gelehrten Behandlung und Sichtung des Stoffe weiter verfolgten, deren
fpätere Richtungen aber ſtets wieder in feiner Theorie ſich concentrirten. Die hergebrachte
Meinung, als habe W. das Weſen der Schönheit Tediglich in die Form gefept, iſt fhon von
Goethe berichtigt worden. Was feinen Charakter anlangt, fo waren bei ihm Biederkeit,
Einfachheit, Aufrichtigkeit, Nedlichkeit, dankbare Hingebung gegen Wohlthäter und tiefeß
Gefühl für Freundfchaft die hervorftechendften Eigenfchaften. Ziemlich bedeutend ift bie
Zahl feiner Werke: Zuerft fchrieb er die „Gedanken über die Nachahmung ber griech. Werke
in der Malerei und Bildhauerkunſt“ (Dresd. und Lpz. 1754; 2. Aufl., 1756), und um
die Wirkung diefer Schrift zu verflärten, fammelte er felbft alle Einwürfe, die ihm gegen
diefelbe gemacht worben waren, in dem „Sendfchreiben über die Gedanken von ber Nach⸗
ahmung ber griech. Werke in der Malerei und Bilbhauerkumft” (Dresd. 1756) und wie
derlegte fie dann in der „Erläuterung ber Gedanken von ber Nachahmung. u. f. m.” (Dresd.
1756). Hierauf folgte das nah Abdrücken nur flüchtig entworfene Verzeichniß der ge-
ſchnittenen Steine in der Stoſch'ſchen Sammlung unter dem Zitel „Description des pier-
res gravées du feu baron de Stosch“ ($lor. 1760), das et dem Gardinal Albani wib-
mete; dann „Anmerkungen üser die Baukunſt der Alten” (2pz. 1762; franz., Par. 1783);
das „Sendfchreiben von den herculaniſchen Entdedungen” (Dresd. 1762; franz. Dredb.
4764); die „Nachricht von den neueften hereulanifchen Entdedungen” (Dresd. 1764) ; ber
„Verſuch einer Allegorie, befonders für die Kunft” (Dresb. 1766), der wegen ber vielen ge
fuchten Erklärungen als verfehlt bezeichnet werben muß, und die „Abhandlung von ber Fü-
higkeit der Empfindung des Schönen in der Kunft und dem Unterricht in derfelben” (Dresb.
41771). Sein Hauptwerk ift die „Sefchichte der Kunft des Alterthums“ (Dresd. 1764), mit
den „Anmerkungen über die Gefchichte der Kunſt“ (Dresbd. 1767), wovon fpäter eine mit ben
Handfchriftlihen Bemerkungen des Verfaffere vermehrte Ausgabe (2 Bde., Wien 1776),
erfhien. Unter den franz. Überfepungen iſt hervorzuheben die von Janſen (3 Bde., Par.
1790 — 94); unter ben italienifchen die vom Abbe Amoretti unter dem Zitel „Storia delle
arti del disegno presso gli antichi” (Mail. 1779, mit 52 Kupfern und Vignetten) und von
ea : „Storia degli arti del disegno presso gli antichi” (3 Bde. Rom 1783— 84). Damit in
Berbindung flehen die „Monumenii antichi inediti” (2 Bbde., Rom 1767 — 68; neue Ausg.,
1821), wovon auch eine vollftändige beutfche Überfegung durch Brun (2 Bde, Berl. 1791 —
92, mit 208 großen Kupfertafeln und vielen eingebruditen Bignetten) beforgt wurbe, bie jedoch
das Driginalwerk nicht entbehrlich macht. In diefem Werke ftellte W. den Grunbfag feft, daß
die griech. Kunſtwerke, namentlich bis auf die Zeit Alexander's, immer nur mytbifche Gegen-
ftände barftellten, und befeitigte Damit die Beziehung ber alten Kunſtwerke auf gefchichtliche Ge⸗
genftände, bie unter den bamaligen Gelehrten herrfchend war. Eine Gefammtausgabe feiner
Werke wurde von Fernow begonnen. und von Meyer und Johannes Schulze mit großer Ge⸗
nauigkeit vollendet (8 Bde., Dresd. 1808— 20; neue Ausg. Dresd. und Lpz. 1828 fg.), wo⸗
von der achte Band die fehr forgfältig gearbeiteten Regifter von Siebelis enthält. Als Nad-
trag zu diefer Ausgabe erfchienen „WB.’6 Briefe” (3 Bde., Berl. 1824— 25) von Friedr. För⸗
fter, in einer vollftändigen Sammlung chronologifch, geordnet, nebft mehren Beiträgen zu einer
Biographie. Dagegen blieb bie ital. Befammtausgabe unter dem Zitel „Opere, prima edi-
zione italica completa”’ (4 Bde, Prato 1850) unvollendet. Bon den vielen nach W.'s Tode
veranflalteten Sammlungen feiner Briefe, die mancherlei zur Kunft und Literatur gehörige
Nachrichten geben, find neben der angeführten beften Sammlung von Förfler noch zu erwäh⸗
nen die „Briefe an Bern Hleyne)“ (Rpz. 1776); „Briefe an feine Freunde”, mit einigen
Zufägen und literarifchen Anmerkungen herausgegeben von ©. IB. Dafdorf (2 Bde., Dresd.
1777 —80); „Briefe an feine Freunde in ber Schweiz”, herausgegeben von Üfleri (Zür. 1778);
„Briefe an einen feiner vertrauten Freunde (Muzel-Stofch), nebft einem Anhang von Briefen
an verfchiedene andere Berfonen” (2 Bde., Berl. und Gtett. 1781); „Briefe an einen
Freund (Rud. von Berg) in Livland“, herausgegeben von Voigt (Rob. 1784). Die genauefte
Auskunft über W.'s Leben und Schriften gibt Gurlitt's „Biographifche umd literarifche Notiz
von W.“ (Magdeb. 1797), nebft zwei „Nachträgen” (Hamb. 1820 — 21), mit Berichtigungen
und Zufägen wieder abgedruckt in defien Archäologiſchen Schriften”, herausgegeben von 6.
Müller (Altona 1831), und die trefflihe „Biographie WB.’8” von Peterfen in ber „Allgemeinen
Einleitung in das Studium der Archäologie”, aus dem Dänifchen überfegt von Friedrichſen
286 Bindler Wind
(2p;. 1829). Über die legten Tage und den Tod WB.’ verbreitet fich fehr ausführlich Roferei,
der ihm 1820 ein Denkmal in Trieſt errichtete, in der Schrift „W.'s Tegte Lebenswoche, aus
ben gerichtlichen Driginalacten des Sriminalproceffes feines Mörders Arcangeli”, mit einer
VBorrede von Böttiger (Dresd. 1818). Vgl. Rofetti, „U sepolcro di W. in Trieste” (Ben.
18235). Mehr den Charakter, die geiftige Wirkſamkeit und die Berdienfte W.'s umfaflen Heyne
in der „Lobſchrift auf W.“ (Kaff. 1778; franz., Gött. 1778 und öfter), C. Morgenftern in
„W., eine Rebe” (Lpz. 1805), Goethe in „W. und fein Jahrhundert” (zuerft Tüb. 1805), D.
Jahn in „W., eine Rede“ (Greifew. 1844) und Schömann in „ZB. und die Archäologie”
(Greifsw. 1844). In neuerer Zeit wird ber Geburtstag W.'s in Rom von dem Archäologi-
ſchen Inſtitut daſelbſt durch einen feierlichen Act jährlich begangen, und auf nächſte Veran⸗
laffung Forchhammer's und Dito Jahn's find auch auf mehren deutſchen Univerfitäten, na-
mentlich zu Kiel, Greifswald, Göttingen, Berlin und Bonn, zur Erinnerung an den großen
Mann Windelmannsfefte am 9. Dec. jedes Jahres gefliftet worben.
Winckler (Job. Heinr.), ein eifriger Anhänger der Leibniz ⸗Wolf'ſchen Schule und autge
zeichneter Pänfiter, geb. 13. Mär, 1703 zu Wingenborf in der Oberlaufig, wo fein Vater
Muller war, zeigte fhon auf der Schule zu Lauban große Liebe zur Mechanik und zu miffen-
ſchaftlicher Naturforfhung. Er ftudirte feit 1724 auf der Univerfität zu Leipzig, wo er fich
1729 Habilitirte. Während er vorher nach Jena gehen wollte, um gegen Ehr. Wolf (ſ. d.) aufe
zutreten, wurde er durch das Studium von Wolf's Schriften für deſſen Philofophie gewonnen
und fchrieb die „Institutiones philosophiae Wolfianae utriusque Contemplativae et activae”
(2pz. 1735), wovon bie dritte Auflage unter dem Titel „Institutiones philosophiae universae”
(2p3. 1763) erfchien. DB. wurde 1731 Lehrer an der Thomasfchule zu Leipzig, 1739 Profef-
for der Philoſophie, 1742 Profeffor der griech. und lat. Sprache, fpäter der Phyſik und ftarb
418. Mai 1770. Der Profeffor der Mathematik Chriſt. Aug. Haufen (geft. 1745) und W.
waren bie Erſten in Deutfchland, Durch welche die Eigenfchaften der Elektricität näher befannt
wurben. Unftreitig wurde auch Franklin (f. d.) bei Erfindung der Btigableiter durch die von
W. angeftellten Verſuche geleitet, der in Deutfchland die erſten Vorfchläge zur Ableitung des
Bliges in feiner Differtation „De avertendi fulminis artificio ex doctrina electricitatis“ (Rpz.
1753) that. Nächſt den angeführten find von W.'s Schriften zu erwähnen: „Institutiones
mathematiso-physicae” (&%p3. 1738); „Gedanken von ben Eigenfchaften und Wirkungen der
Elektricität” (2ypz. 1744); „Die Eigenfchaften der elektrifhen Materie und des elektrifchen
Feuers u. f. w.“ (Rypz. 1745); „Die Stärke der eleftrifchen Kraft des Waſſers in gläfernen
Gefäßen, welche durch ben Mufchenbroek’fchen Verſuch befannt geworden” (Epz. 1746).
Wind. Winde heifen alle mehr oder weniger gewaltfamen Bewegungen ber atmofphärk
fchen Luft, die nach ihrer verſchiedenen Stärke, nad) der Gegend, aus welcher fie wehen, und
nach den befondern Umftänden, unter benen fie auftreten, verfchiedene Namen erhalten. Diefe
Bewegungen entfichen in Folge einer Störung des Gleichgewichts der den Erdball allenthalben
umgebenden Zuftatmofphäre duch die Wärme und gründen fi) demnach auf das Streben
ber Atmofphäre, das Gleichgewicht mwiederherzuftellen. Wird nämlich an einem Orte über der
Erbe die Atmofphäre flärker erwärmt als an einem andern danebenliegenden, fo wird fie ſpe⸗
eiftfch leichter, fleigt in Die Höhe und fließt oben ſeitwaͤrts ab; bie benachbarte Fältere und daher
fchwerere Luft dringt dagegen unten ein und erzeugt eine aus ber kältern nach ber wärmern Ge⸗
gend getichtete Strömung. Diefelbe Erfcheinung muß auch, nur mit umgekehrter Richtung der
Bervegung, eintreten, wenn ein Theil der Atmoſphäre flärker als ber andere abgekühlt wird.
Je nachdem num die Urfachen zur Aufhebung des Gleichgewichts in der Atmofphäre beftändig
vorhanden find, ober periodifch oder regelmäßig eintreten, find es auch die Davon abhängenden
Winde. Zu den beftändigen Winden gehört ber zwifchen ben Wendekreiſen berrfchende Oft-
wind (Yaflatwind), der den Seefahrern fo bekannt ift, da man, um von Europa nad) Ame⸗
rika zu fegeln, erft bis zur Region deffelben binauffchifft und dann, fich ihm überlaffend, ben
Dean in gerader Linie durchfchneidet. Die Urfache diefes Windes iſt in der vereinigten Wir⸗
kung der Sonnenwärme und ber Umdrehung der Erde, welche in der Richtung von Werften nad
Oſten vor fich geht, zu fuchen. Die flärkere Erwärmung der Luft zwifchen ben Wendekreiſen
bewirkt ein befländiges Zuftrömen älterer Luft aus den Polargegenden, alfo von Punkten,
welche bei der Umdrehung der Erdkugel eine geringere Umdrehungsgefchwindigkeit befigen al6
die Aquinoctialgegenden. Bei der Ankunft in den letztern bringt die von den Polen kommende
Luft diefe geringere Geſchwindigkeit mit, ſodaß ein mit der rotirenden Erdkugel gegen Often
fortgeführtes Schiff fich an biefe weniger geſchwinde Luft ſtößt ober, weil die erftere Bewegung
Mind 287
vom Schiffer nicht empfunden wird, auf der nördlichen Halbkugel einen Nordoſt⸗ oder auch
wol Oft-, auf der ſüdlichen Halbkugel einen Südoft- oder Oſtwind erfährt. Dieſe Paffat-
winde erſirecken fi) auf beiden Seiten des Aquators bis ungefähr 30°. Die unter dem Äqua⸗
tor aufgeftiegene märmere Luft fließt nun oben nach den Polen zurück, und da fie eine größere
Umdrehungsgeſchwindigkeit befipt als Die Orte in ben höhern Breiten, zu denen Ge gelangt, fo
eilt fie der Bewegung der Erde voraus und erzeugt alfo auf der nördlichen Halbkugel einen
Südweft- und auf der füdlichen einen Norbweitwind. Den beftändigen Winden zunächft fie
ben die periodifchen Winde, 3. B. die Mouffons, welche in den oftind. Gewäffern, nament-
lich auf ber Norbfeite bes Aquators, von der afrit. Küfte bis zur Oftfeite des Meerbufens von
Bengalen und im Chinefifchen Meere die eine Hälfte des Jahres in einer und die andere in ber
entgegengefegten Richtung wehen. Ihre Entftehung ift bedingt durch die ungleiche Erwärmung
ber diefe Meere einfchließenden Länder, welche, da der Aquator fie faft mitten durchfchneidet, zu
derfelben Zeit entgegengefegte Jahreszeiten haben. Zu den periodifchen Winden, die aber nicht
in Zeiträumen von einem Halbiahre, fondern mit Eintritt ber verfchiebenen Tageszeiten wech-
fein, gehören gewiffermaßen auch bie Land- und Seewinde (Brifen), die an Küften, befonders
innerhalb der Wenbekreife und felbft auch in der Nähe großer Binnenfeen, wie die des Genfer-
fees, auftreten und die von den Seefahrern ſchwache Winde genannt werden. Sie wehen am
Tage vom Waſſer nach dem Lande, des Nachts vom Lande zur See hin und erflären fich dar-
aus, daß das Land fich bei Tage ftärker erhigt, des Nachts dagegen auch wieder flärker abkühlt
als das Meer. Unbeftändige ober veraͤnderliche Winde endlich nennt man diejenigen, welche
feinen beftimmten Perioden und keiner ſolchen Gleichförmigkeit wie Die befchriebenen unter-
worfen find. Es ift dies diejenige Gattung von Winden, die man vorzüglich in unfern Gegen⸗
den Eennt, die aber übrigens auch in ihren mittlern Verhältniffen, felbft auf dem Eontinent,
wie neuere Unterfuchungen bewiefen haben, eine gewiſſe Regelmäßigkeit haben, deren Charakter
indeß durch die vielen als Hinderniſſe auftretenden Umflände und Zocalverhältniffe, 5. B. Ge
birge, oft verwiſcht wird. So mehen in Deutfchland die ſüdlichen Winde am häufigften in ven
Herbft- und Wintermonaten, die nörblichen in ben Frühlings» und Sommermonaten, bie weſt⸗
lichen im Sommer, die öftlicden im April und in den Wintermonaten. Die Drehung bed Win-
des ift in den meiften Fällen die von Often durch Süden nach Weſten und Norben, wovon jedoch
Ausnahmen ftattfinden.
Was num die Befchaffenheit der Winde, ob fie feucht, trocken, kalt oder warm find, anbetrifft,
fo hängt biefe davon ab, von wo die Luftmaffen, welche fih im Winde ergießen, ihren Urfprung
herleiten. Am merkwürdigſten find in diefer Hinficht die heißen Winde, die in ben großen vege⸗
tationsarmen Ebenen und Wüſten der größern Eontinente in heißen Gegenden wehenden Winde,
welche zum Theil feinen, heifen Sand mit fich führen. Es gehört hierher der Samum (f. d.)
im Arabien und Perfien, der Chamfin in Agypten, ber Harmattan (f.d.) in dee Wüfte Sahara,
der Solano in Spanien und der Sirocco (f. d.) in Italien. Diefen entgegengefegt gibt es aber
auch Winde, die fich Durch beſonders fchneidende Kälte auszeichnen und, da fie vorzugemeife im
Frühjahre wehen, die Urfache der um diefe Zeit fo häufigen rhenmatifch-Fatarrhalifchen Krank.
heiten werden. Bekannt in Hinficht ihrer Heftigkeit und Kälte find beſonders der Bora in Dal-
matien, ber Miftral (f. d.) an der untern Rhoͤne und ber Gallego in Spanien. Ganz aus dem»
felden runde, weil die aud entfernten Gegenden zu uns fommenden Winde einen Theil der
Eigenfchaften, welche das Klima jener Gegenden hat, annehmen, erflärt es fi auch, daß bie
über das Meer kommenden Südweſtwinde feucht find und uns in der Negel naffes Wetter
bringen, die Norboftwinde dagegen troden erfcheinen und ſchönes Wetter im Gefolge haben.
Was ferner die Geſchwindigkeit der Winde betrifft, fo gründet fich darauf die Unterfcheibung
zwifchen Wind, Stuem und Orkan, ohne daß jedoch ſtreng abgrenzende Beftimmungen über
diefe Begriffe fefifiehen. Im Allgemeinen wird ein Wind, der eine Geſchwindigkeit von 40 —
50 8. in der Secunde hat, Sturm (f. d.), ein Wind von wenigſtens 80 F. Schnelligkeit in ber
Secunde Drkan (f.d.) genannt. Dabei gilt bier die Erfahrung, daß, je höher man in der At⸗
mofphäre auffteigt, defto heftiger der Wind wird. Die Seefahrer beziehen bie Benennung
Sturm ausfchließlich auf diejenigen in ber angegebenen Schnelligkeit wehenden Winde, welche
in den gemäßigten Zonen, außerhalb der Grenzen der Paſſatwinde, vorfallen. Sie wehen zu⸗
weilen mehre Tage lang nach einer und berfelben Richtung, meift aus Weſten. Die Heftigften
biefer Winde aber find die Orkane: fie pflegen bie furchtbarften Verwüſtungen anzurihten, fol-
gen durchaus nicht Einer Richtung, fondern umkreiſen ben ganzen Horizont und fpringen plötz⸗
lich von einem Striche gerade auf ben entgegengefegten über. Ihr Schauplag ift befondere in
\
288 Bindau Windbüchſen
den heißen Erdſtrichen, wo die hohe Temperatur ihre Erzeugung begünſtigt, namentlich in Weſt⸗
indten, auf der Oftfüfte von Madagaskar, den Infeln Mauritius und Bourbon und oſtwärts
von bier bis an die Grenzen des Südoftpaffats, ferner an ben ind. Küften, im Meerbufen von
Bengalen und im Ehinefifden Meere, wo fie den Namen Trifuns führen. Zu den mit unge
wöhnlicher Schnelligkeit fich bewegenden Winden gehören ferner die Wirbelwinde, welche durch
das Zufammentreffen zweier Luftſtröme unter einem Winkel entflehen, neben ihrer Achſendre⸗
bung noch eine fortfchreitende Bewegung zeigen und häufig furchtbare mechanifche Wirkungen
Außern. Die heftigften Winde diefer Art find die, welche wir Wind⸗ auch Sandhofen, oder
auf dem Meere Waſſerhoſen (f. d.) nennen. Da es oft von Wichtigkeit ift, die Stärke oder Ge⸗
ſchwindigkeit bes Windes genau zu erfahren, fo Hat man, um ben Grad diefer Eigenfchaften zu
meffen, Windmeffer (f.d.). Das gewöhnliche Infteument zur Beftimmung der Windrichtung
ift die Wind- oder Wetterfahne, während die fogenannte 2Bindrofe (f. ».Q vielmehr zur Ver⸗
anfhaulihung ber Himmelsrichtung dient. Wenngleich übrigens die Winde in ihrer Stei⸗
gerung zur größten Heftigkeit als Stürme und Orkane oft die größten Verbeerungen an-
"richten, fo bringen fie doch auch fehr wohlthätige Wirkungen hervor. Denn außerdem,
daß ohne -fie nothwendig das Ruftmeer in Folge trägen Stilftands bald in einen ſtinken⸗
den Pfuhl verwandelt werben müßte, wird durch fie ebenfo bie Kälte der norbifchen wie
bie Hige tropifcher Gegenden fo gemildert, daß biefelben für Menſchen und Zhiere be-
wohnbar werben. Indem fie ferner die von wäflerigen Dünften geſchwängerten Wollen
von den Gegenden ber Meere in das Innere der Eontinente treiben, mo biefe bann in Ge⸗
ftalt von Regen oder Nebel niederfchlagen, dienen fie zugleich zur Erzeugung von Duellen und
Flüffen, wie zu ber für das Wahsthum ber Begetabilien fo nothwendigen Befruchtung der
Erde. Auch für die Befruchtung der Pflanzen find fie von Wichtigkeit, indem fie den Blüten-
ftaub von den männlichen Pflanzen zu ben weiblichen tragen. Endlich haben fie auch durch die
fon in früher Zeit verfichte Anwendung derſelben bei Mafchinen ald Arbeitserleichterungs-
mittel den Menfchen vielfach wichtigen Nugen gewährt, in welcher Dinficht nur an bie Wind⸗
mühlen und die Fortbewegung ber Schiffe durch mwindfangende Segel erinnert werden barf.
Bgl. über die Natur der Winde Dove, „Meteorologifche Unterfuchüngen” (Berl. 1837).
Windau, eine nicht unbedeutende See- und Handelsftabt im ruſſ. Bouvernement Kurland,
an der Mündung der ſchiffbaren Windau in die Oftfee, hat einen Dafen und eine Rhede, bie
einen lebhaften Handel vermitteln. Der Werth der Einfuhr belief fih 1852 auf 42556 Silber-
rubel, ber der Ausfuhr 1853941 auf 155455 Süberrubel. Die Einfuhr befteht vorzüglich
in Salz und Deringen, Manufactur- und urusgegenfländen, bie Ausfuhr in Holzwaaren, Lein⸗
faat, Roggen und Gerfte, auch Hanf, Bauholz, Wolle, Leber und Talg. Küftenfahrer gingen
1851 im Ganzen 17 ab, deren Ladung den Werth von 11781 Sitberrubeln hatte. Die Stadt,
welche ſich durch hübſche Bauart auszeichnet, zählt 2000 E. und hateine ſchöne neue luth. Kirche.
Windbruch, Windfall entftehe in den Wäldern durch Wirbelminde, Windhofen, Beinitter-
ftürme und Orkane, welche die Bäume entwurzeln ober zerbrechen. Die Windbruͤche werden
nachtheilig, indem durch das Zerbrechen viel werthvolles Nutzholz verloren geht, bei bebeutendem
Windfall der Preis des Holzes gebrüdt und im Ganzen eine hinbernde Einwirkung auf die
planmäßige Bewirthſchaftung der Forften ausgeübt wird. Holzarten mit flach laufenden Wur ⸗
zeln, 3. B. die Fichte, leiden am meiften davon. In den Gebirgsforften ift ber Sturmichaden
am häufigften und hier wird es auch eine ber wichtigften Aufgaben der Forſtwirthſchaft, dem
felben möglichft zu begegnen. Durch richtige Anlegung der Dauungen, durch gehörige Grup⸗
pirung ber Beftände nach ihrem After und buch Bildung eines Waldmantels, indem man tief-
beäftete und feſtbewurzelte Randbäume an den Beſtandesgrenzen überhält, erlangt man einige
Sicherheit. Die Sturmrichtung In Deutfchland ift in der Hauptfache aus Weſt und Rordweſt
und dieſer entgegen müffen alfo die Hauungen geführt werden, bamit der Sturm nicht auf bie
Hauungsfronten wirken kann.
Windbüchfen find Gewehre, bei denen zufammengeprefte atmofphärtfche Luft als Treib⸗
kraft benugt wird. Der Lauf iſt entweder glatt ober gezogen, etwa brei Fuß lang und hat in ber
Regel nur ein kleines Kaliber. Zu dem Laufe gehört ein abzufchraubendes Mittelftädl, an wel
chem ſich das Schloß befindet. Daffelbe wird mit dem Kolben in Verbindung gefept, ber die zu⸗
fammengepreßte Luft enthält. Der Kolben ift vorn mit einem Begelförmigen Ventil gefchloffen,
weiches beim Abdrüden des Hahnes zurüdigeftoßen, ein momentanes Ausftrömen ber Luft ge
Ratte, ſodaß man bei gefülltem Kolben mehre Schüffe thun kann, deren Kraft aber mit ber Ber-
derung ber eingepreßten Luft abnimmt. Zumeilen wird auch eine kupferne Kugel als Luft⸗
„oe
Binde | Windham 2
behaͤlter benugt und unten an das Mittelſtück geſchraubt. Um ben Kolben zu laden, wird er mit
einer eifernen, mit einem Ventil verfehenen Röhre verbunden, in der ſich ein genau fchließender
Stempel befindet. Das untere Ende bdeffelben hat zwei Querarme, bie man auf die Erde ſetzt,
mit ben Füßen fefthält und nun durch Auf⸗- und Abbewegen des Kolbens die Luft einpumpt.
Dpgleich manche Vorrichtungen erfunden find, um zu erfeunen, ob die Verdichtung ber Luft
noch Durch die Feſtigkeit des Kolbens gehalten werden Tann, fo zeigen bie vielen vorgelommenen
Unglücksfälle doch die ftet6 vorhandene Gefahr beim Laden des Kolbens. Das Springen deſ⸗
felben kommt felbft zuweilen beim Schießen vor. Deshalb und weil bie Wirkung der Wind»
büchfe fchon bei den erften Fräftigften Schüffen der bes Feuergewehrs nachfteht, ift fie ald Kriegs
waffe im Felde nicht brauchbar. Nur ein öftr. Zägerbataillon ift vorübergehend damit bewaffnet
worden. Dagegen waren fonft Windbüchfen in den Armirungsetat öfte. Feſtungen aufgenom⸗
men. Die Windbüchfe ift angeblich 1430 von Guter in Nürnberg erfunden; doch wird auch
Hans Lobſinger, der 1566 in Nürnberg lebte, als Erfinder genannt.
Winde (Convolvulus), eine PYflanzengattung aus der Familie der Windengewächfe mit
fünftheiligem Kelch, trichterig-glodiger, fünffaltiger Blumenkrone und fünf Staubgefäßen. Die
Aderwinde (C. arvensis) hat einen empormwindenden Stengel, pfeilförmige Blätter und Heine
röthliche Blüten. Sie ift auf Keldern und Bartenbeeten ein läſtiges Unkraut. Durch ihre ſchö⸗
nen, großen, weißen Blumen zeichnet fic) die Zaunwinde (C. Sepium) aus. Bon der im Driente
wachfenden Purgirwinde (C. Scammonia) flammt das ehedem berühmte Purgirmittel Scam⸗
monium ber, welches nichts als der eingebidte und häufig verfälfchte Milchſaft der mohrenar-
tigen Wurzel ifl. Die befenartige Winde (C. scoparus), ein auf ben Eanarifchen Infeln hei
mifcher Strauch, deffen weiße Blüten eine zufammengefepte Traube bilden, liefert in Wurzel
und Stamm einen Theil des fogenannten Rofenbolzes.
Binden, ein flaw. Volksſiamm, f. Slowenzen.
Bindham (WiN.), ein ausgezeichneter brit. Staatsmann und Redner, flammte aus einer
Familie in Norfolt und wurde 1750 zu Rondon geboren. Er fludirte zu Orford, bildete fich
dann durd Reifen und trat 1782 ins Parlament. Den Srunbfägen ber Whigs ergeben und
dem Kriege gegen die Eolonien abgeneigt, verftärkte er anfangs die Reihen der berühntten Op-
pofition. In der Sigung von 1784 unterftügte er Burke's Antrag auf Unterfuchung des Zu⸗
ftandes der Nation, 1789 verwarf er in der Regentfchaftöfrage die minifterielle Politik und
1791 fprach er für den Frieden mit Rußland und verlangte die Unterdrüdung des Sklaven⸗
handels. Die Ereigniffe der Franzofifhen Revolution bewogen ihn jedoch plöglich, feine politi«
ſche Stellung mit vielen andern bisherigen Parteigenoffen zu ändern, Schon gegen Ende 1792
mollte er nichts mehr von einer Parlamentsreform wiſſen, und in den Sigungen von 1793
und 1794 erfchopfte er die ganze Fülle feines Rebnertalents, um Pitt's Kriegspolitiß, die Unter-
drüdtung der demokratiſchen Außerungen in England, fowie die Aufhebung der Habeas-Cor-
pus-Xcte zu unterftügen. Seinen alten Freunden For und Sheridan begegnete er in dieſen ge-
mwaltigen Kämpfen auf das härtefte. Schon im Juli 1794 rief ihn dafür Pitt in den Geh. Rath
und übertrug ihm die Verwaltung des Kriegsbepartementd. Noch eifriger als Pitt felbft betrieb
W. jegt die Erweckung des Kriegs auf franz. Boden und brachte 1795 die unglückliche Erpes
dition ber franz. Emigranten auf Quiberon (f. d.) zu Stande. Nach Abfchluß der zweiten Coa⸗
lition vom J. 1799 arbeitete er an einer neuen Infurrection der Venbee, fah aber feine Pläne
durch die Niederlage der Verbündeten bei Zürich, den übeln Ausgang der Erpebition nach Hols
land und die Rückkehr Bonaparte's aus Agypten zertrümmert. Als W. den Wunſch nach
Frieden im Parlament nicht mehr bemeiſtern konnte, legte er mit Pitt und ben übrigen Colle⸗
gen im Febr. 1801 die Verwaltung nieder. Man bedrohte befonders ihn der vielen Härten und
Rechtswidrigkeiten wegen, bie er fich im Drange der Umftände hatte zu Schulden kommen laſ⸗
fen, mit einer Unterſuchung; allein er wußte Durch fiegreiche Beredtſamkkit eine Inbemnitätebill
zu erringen. Beim Abfchluffe der Sriedenspräfiminarien im Det. 1802 überfchüttete er das
Minifterium Addington mit Vorwürfen und bezeichnete ben Frieden als eine Unterwerfung Eng-
lands unter die uͤbermacht Frankreich. Als nach dem Sturze Addington’s, der namentlich fein
Berk war, Pitt 1804 abermals dad Staatöruder ergriff, wurde IB. von der Verwaltung aus⸗
gefchloffen. Ex behielt deshalb feine oppofitionelle Stellung und verweigerte Pitt nad) deſſen
Tode das Zeugniß eines großen Staatsmanns. Dagegen übernahm er nun im Miniſterium
Fox und Grenville wieder das Departement bes Kriegs und ſetzte eine große Reform im brit.
Kriegswefen durch. Nach For Tode zog er ſich aus dem Minifterium zurüd und befämpfte
Gonn.sgez. Behnte Aufl. XV. 2. 19
290 Windharfe Bindifhmann
feitdem unausgefegt im Unterhaufe bie Maßregeln der Regierung. Schon 1809 mußte indeffen
W. die öffentliche Thätigkeit wegen Krankheit aufgeben. Er ftarb 4. Juni 1810. W. beſaß
viel Muth, Gewandtheit und Uneigennügigkeit; body hielt er ben Drud und die Entwürdigung
ber niedern Volksclaſſen für eine politifche Rothwenbigkeit. Seine Parlamentsreden gab Amyot
(3 Bde, Lond. 1812) heraus.
eindharfe, f. ÄAolsharfe.
Winbiſchgraͤtz, ein uralte deutſches Dynaftengefchlecht, dad den zweiten Sohn des Her⸗
zogs Ulrich von Kärnten, Weriand, zum Stammvater hat, der gegen Ende des 11. Jahrh. in
ber Windifhen Mark vorfommt und Stadt und Landſchaft Windifchgräg als freie Herrſchaft
befaß, wonach er ſich nannte. Fruͤhzeitig theilte fich dad Haus in die Ruprecht'fche und die wie-
ber erlofchene Sigiemund’fche Linie. Die ältere Linie kaufte 1468 das Schloß Waldſtein und
wurbe 1551 unter dem Namen von Walbftein und im Thal in den Freiberrenfland und 1557
unter ihrem frühern Namen Windifchgräg zur gräflichen Würde erhoben. Gemeinſchaftlich
befaßen beide Rinien feit 1565 die Erblanbftallmeifterwürbe in Steiermark und die Magnaten-
würde in Ungarn. Sodann erhielt die ältere Linie 16614 die Reichs⸗ und Kreisftandfchaft im
dem wetterauifchen und 1684 in dem fränf. Grafencollegium. Nach Ankauf der reihsunmite
telbaren Herrfchaften Egloffs und Siggen in Schwaben wurde das Haus unter dem Namen
1.24. Mai 1804 in den Reichefürftenftand nach dem Rechte der Erftgeburt erhoben und er-
hielt Sig und Stimme im ſchwäb. Srafencollegium. Im 3.1806 aber wurde das Reichs⸗
fürſtenthum mebiatifirt und durch die Mheinbundsacte wie durch den Wiener Congreß als
Standes herrſchaft unter würtemberg. Landeshoheit geftelle. Der Kaiſer Franz I. dehnte 1822
den Zürftenftand auf alle Glieder des Hauſes aus. Übrigens befist das Haus noch mehre Herr-
haften in Böhmen, Nieberöftreich und Steiermark und bekennt ſich zur kath. Kirche. — Der
gesenvärtige Standesherr, Fürſt Alfred zu W. öfter. Feldmarfchall, wurde 11. Mai 41787 zu
rüffel geboren und erhielt eine feinem felbftgewählten militärifchen Berufe entfprechende Er⸗
jiehung. Er trat 1804 als Oberlieutenant in das Ulanenregiment Schwarzenberg, in welchen
er als Secondrittmeifter den Feldzug von 1805 mitmachte. Bis 1813 zum Oberſtlieutenant
avancirt, zeichnete er fich befondere bei Leipzig aus und wurde noch in demfelben Jahre zum
Dberften und Commandanten des Regiments Großfürft Konftantin-Küraffiere ernannt. Im
Feldzuge von 1814 führte er dad Regiment mit großer Auszeichnung, namentlich im Treffen
bei Troyes, wo er durch fieben glückliche Attaken den Rückzug der Infanterie dedite, und bei 2a
Fere-Champenoife. Mit vielen Orden decorirt, wurde er 1826 zum Generalmajor und Briga-
bier in Prag, 1850 zum Ritter des Goldenen Vließes, 1833 zum Beldmarfchallieutenant und
Divifionär ernannt, nachdem ihm 1832 fchon das Dragonerregiment Vincent verliehen war.
Im I. 1848 übernahm er nach den Märzereigniffen bad Commando in Wien, kehrte aber bald
auf feinen Wunſch nach Prag auf feinen Poften zurüd. Bier unterbrüdte ee den 11. Juni
ausgebrochenen Aufſtand, mobei feine Gemahlin, geborene Fürftin Schwarzenberg, in ihrem
Zimmer erſchoſſen wurde, mit großer Energie. Als im Detober ber blutige Aufruhr in Wien
au Prag bekannt geworden, rückte er fogleich mit allen disponibeln Streitkräften dorthin, wurbe
zum Feldmarſchall und Obercommandanten aller außer Italien ftehenden Truppen ernannt
und traf feine Dispofition zum Angriff fo, daß Wien trog eine anrüdenden magyar. Entfag-
heeres bis auf bie innere Stade eingenommen und 1.Nov. zur volllommenen Unterwerfung
gebracht wurde. Don den neuen Kaifer, Kranz Joſeph I., in feiner Stellung beftätigt, begann
er Mitte December mit einer Streitmacht von 150000 Mann die Operationen gegen Ungarn,
befegte Presburg, Raab und durch meifterhaft combinirte Gefammtbewegungen Anfang Jan.
1849 Buda-Pefth. Die weitern Operationen gegen bie Theif nahmen jedoch bei der überlegen⸗
heit des Feindes, befonders an leichter Neiterei, in ganz offener Gegend, keinen erwünfchten
Fortgang, fodaß er feine Armee vor Peſth in einer concentrirten Stellung vereinigte, um hier
bie Verſtärkungen, die von allen Seiten im Anmarfch waren, abzuwarten. Daß er fo den An-
griff auf Debreczyn unterließ, zog ihm vielen Tadel zu. Am 12. April berief ihn der Kaifer
zu fich in das Boflager zu Olmüt, um feinen Rath über wichtige innere Angelegenheiten zu
hören, und an feiner Stelle übernahm Welden (f. d.) den Oberbefehl der Armee. Fürſt W.
zog ſich hiernächſt auf feine Güter in Böhmen zurüd. Das in feinem Auftrage bearbeitete
Wert „Der Winterfeldzug 1848—49 in Ungarn” (Wien 1851) ift eine ber wichtigften Quel-
len über biefen Theil des ungar. Kriegs.
Windifhmann (Karl Sof. Hieron.), deutfcher Philoſoph, geb. 24. Aug. 1775 zu Mainz,
erhielt feine Bildung auf dem Gymnaſium und feit 1792 auf der Umiverfität feiner Vaterſtadt.
S
Windkeſſel WBindmeſſer 291
Der Einfall der Franzoſen vertrieb ihn nach Würzburg, wo er das Studium ber Philoſophie mit
dem ber Mebicin vertaufchte. Nachdem er 1796 in Mainz promovirt, ging er nach Wien. Nach
feiner Nückkehr nad Mainz 1797 befchäftigte er ſich, da die Wirkſamkeit ber Univerfität
durch den Krieg geflört war, in der Zurückgezogenheit mit Philofophie und Gefchichte. Im
9.1801 folgte er dem Rufe als Hofmedicus des Kurfürflen von Mainz nach Aſchaffenburg,
wo er auch an der zum Theil hierher verlegten mainzer Univerfität Borlefungen über Natur- ·
geihichte, Philoſophie und. Geſchichte hielt; zwei Jahre fpäter wurde er ordentlicher Profeffor
ber Philofophie und Univerfalgefchichte und 1841 Bibliothekar: Im J. 1818 erhielt er an der
nengegründeten Univerfität zu Bonn bie Bath. Profeffur der Philoſophie, doch gehörte er auch
der mebicinifchen Facultät an. Seine wiffenfchaftliche Richtung war faft ausfchliegend durch
die urfprüngliche Form ber Schelling’fchen Naturphilofophie bedingt, bie mit feiner Neigung zu
einer myſtiſchen Naturanfhauung, zur Xheofophie und feinem aufrichtigen Katholicismus zu
einem trüben Gemiſch zufammenfloß. Unter feinen frühern Schriften find zu erwähnen die
„Darſtellung des Begriffs der Phyſik“ (in Schelling’$ „Neue Zeitfchrift für ſpeculative Phy⸗
fit”, 1802); die „Ideen zur Phyſik“ (Bd. 4, Würzb. 1805); die Schrift „Über die Selbfiver-
nichtung der Zeit” (Heidelb. 1807). Über fein Verhältniß zur Hegel'ſchen Philofophie fuchte er
fi in der Schrift „Kritiſche Betrachtungen über die Schidfale der Philofophie in der neuern
Zeit u. f. w.” (Ef. 1825) auszuſprechen. Das Gebiet, auf welchem er für feine Träume die
zeichfte Nahrung fand, war der Drient, und hieraus ging auch fein außführlichftes Werk her⸗
vor: „Die Philofophie im Fortgange der Weltgeſchichte“ (Bd. 1 in A Abtheil., unter dem Xi.
tel „Die Grundlage der Philoſophie im Morgenlande”, Bonn 1827— 34). Als Arzt Hatte W.
Borliebe für alle fompatbetifchen und miraculöfen Heilungen und ben thierifhen Magnetis⸗
mus. Seine Schrift „Über Etwas, mas der Heilkunft Noth thut“ (Rpz. 1824) war beftimmt,
für die wunderbaren Heilungen, durch welche ber Fürft von Hohenlohe damals Auffehen machte,
eine fpeculative Begründung zu erwirten. Er farb zu Bonn 25. April 1839 während bes
vollen Parteikampfs gegen die Anfichten der Hermefianer. Einer feiner Söhne, Friedr. W.,
Domcapitular zu Freifing, hat fich als gelehrter Bach. Theolog wie als gründlicher Kenner ber
altindifchen Sprache und Literatur ein geachteten Namen erworben. Außer einem Commen⸗
tar über den Galsterbrief (Mainz 1843) find von feinen Schriften befonders zu erwähnen:
„Sancara, seu de theologumenis Vedanticorum” (Bonn 1853) ; „Über den arifchen Urfprung
ber armen. Sprache” (Münch. 1844); „Uber den Somacultus“ (Münch. 1847); „Urſagen
der arifhen Völker“ (Mund. 1855) u. f. w. |
Windkeſſel ift eine Vorrichtung, um in Pumpwerken die Ungleichheiten des Waſſerſtoßes
auszugleichen, eine Art Regulator. Jede Pumpe kann, wenn fie Seine rotirende ift, nur ſtoß⸗
weife wirken, und felbft wenn zwei Pumpen auf ein und daffelbe Steigrohr drückten, würde ber
Waſſerſtrahl Bein continuirlicher fein. -Um einen folchen zu erlangen, hat man den Windkeſſel
angelegt, in welchen zunächft die Druckröhren ber Pumpwerke ihr gefördertes Waſſer ergießen.
Dieſer Windkeffel ift ein großes Gefäß, meift cylindrifch mit einer Kuppel, von ſtarkem Eifen-
blech und mit einem Sicherheitöventil verfehen; aus diefem Windkeſſel tritt dann das Waſſer
in da6 eigentliche Steigrohr. Beim Anfang bed Pumpens ift natürlich der Keffel voll Zuft,
dieſe wird aber durch das eintretende Waſſer comprimirt und ſtrebt fich wieder auszubehnen.
Daburch wird auf das eingetretene Waſſer ein continuirlicher Drud geübt, welcher baffelbe
gleihmäßig in das Steigrohr treibt, wenn ſchon die Stöße der Pumpen abwechfelnd wirken.
Vindkolik, ſ. BTähungen.
Windmeſſer oder Anemometer ſind Vorrichtungen, um die Stärke des Windes zu meſſen.
Man ſtellt zu dieſem Zwecke eine vertical hängende Fläche dem Winde entgegen und mißt bie
Kraft, welche nöthig iſt, um die durch den Wind aus der verticalen Stellung gebrachte Fläche
wieder in die urſprüngliche Stellung zurückzuführen, oder man mißt bei Anwendung einer etwas
ſchweren Fläche ſogleich den Winkel, um weichen dieſelbe durch den Wind aus ber verticalen
Stellung gedreht wird, und berechnet daraus bie vom Winde ausgeübte Kraft. Da bei ben ge-
nannten Vorrichtungen wegen ber Beränberlichkeit ber Stärke des Windes ſtets große Schwan-
Zungen eintreten, fo ift eine genauere Beflimmung der Mittelwerte, worauf es hier gewöhnlich
ankommt, auch durch anhaltende, aufmerkfame Beobachtung nicht wohl möglich. Die gelingt
beffer durch das von Woltmann angegebene Anemometer, das aus zwei Heinen Windflügeln
befteht, welche durch ihre Umdrehung ein Räderwerk in Bewegung fegen, welches bie gemachten
Umdrehungen zählt. Um bie Meinen Windflügel ftets dem Winde entgegenzufiren, wird bie
392 Bindmühlen Bindfor
Vorrichtung an einer Windfahne auf der bem Winde zugekehrten Seite befefligt; und um fo-
gleich auß ber Anzahl ber in einer beflimmten Zeit gemachten Umdrehungen die Stärke bes
Windes zu finden, kann man im voraus eine Tafel in der Weiſe berechnen, baf man bas In-
firument mit befannten Gefchwinbigkeiten burch ruhige Luft bewegt und die Anzahl der in
einer Minute gemachten Umlaͤufe zähle. Diefe Bewegung bes Inftruments durch rubende
Luft wird am beften gefchehen, indem man baffelbe in der Stube an einem Arme befeftigt, ber
ſich mit beliebiger Geſchwindigkeit um eine Are drehen läßt,
" Bindbmü len, ſ. Müplen.
Bindpoden, f. Baricellen.
Windrofe oder Schiffſsroſe nennt man bie bei allen Schiffscompaſſen angebrachte, den
Horizont vorfiellende Scheibe, weiche durch 32 vom Mittelpumkte nad) dem Umkreiſe gezogene,
gleichweit voneinander abftehende Linien die Lage der Himmels⸗ oder ZBeltgegenben anſchaulich
macht. Sie bildet einen Stern mit 32 Strahlen und hat eine entfernte Ahnlichfeit mit einer
Mofe, von der fie den Namen führt. Gewöhnlich wird diefenige Spige bes Sterns, welche Nord
angeben fol, durch einen Pfeil oder eine Lilie unterfchieden und jede der übrigen Linien durch
den binzugefchriebenen Namen der betreffenden Himmeldgegend bezeichnet. Die vier Gegenden
Nord, Sud, Oft und Weſt, welche die Scheibe in Duadranten theilen, heißen Hauptgegenden,
alle andern Nebengegenben. Jede der vier Hauptgegenden wird in zwei gleiche Theile getheilt
und bie Benennung derfelben aus den Namen ber beiden Dauptgegenden, zwiſchen welde fie
fallen, zuſammengeſetzt, Doch fo, daß Nord und Süd allezeit vorangehen. &o erhält man vier
erfte Nebengegenden: Nord⸗Weſt, Norb-Oft, Süd-TReft und Süd⸗Oſt. Diele acht Gegenden
werben nun wieder halbirt und es entflehen dann acht neue fogenannte zweite Nebengegenden:
Sůud⸗Sud⸗Weſt, Weſt⸗Süd⸗Weſt, Weſt⸗Nord⸗Weſt, Nord⸗Nord⸗Weſt, Nord⸗Nord⸗Oſt, Ofl«
Nord⸗Oſt, Oſt⸗Süd⸗Oſt und Süd⸗Süd⸗Oſt. Die Zwiſchenräume dieſer 16 Weltgegenden wer-
den endlich nochmals getheilt, wodurch 16 andere ſogenannte dritte Nebengegenden entſtehen,
die ſo bezeichnet werden, daß jedesmal der Name der nächſten Hauptgegend oder erſten Neben⸗
gegend ausgeſprochen und, je nachdem bie auszuſprechende Gegend rechts oder links von dieſer
liegt, der Rame der nächften Hauptgegend mit dem Wörtchen „gen“ ober „in” beigefügt wird. So
erhält man Nord in Oft oderNord gen Oft, Norboft in Nord, Oft in Nord, Oft in Süd, Südoſt
in Oft, Südoft in Süd u. ſ. w. Bon Süden nach Welten bin folgen daher aufeinander: Sub,
Süd gen Weſt, Süd⸗Süd⸗Weſt, Südweſt gen Süd, Südweft, Südweſt gen Weſt, Weſt⸗Süd⸗
Weſt, Weft gen Süd, Welten. Am äußerfien Rande der Scheibe ift gewöhnlich noch bie Ein-
theilung in 360 Grabe verzeichnet, deren alfo 11'/ı auf jede der 32 Abtbeilungen kommen.
Windſor, ein Marktfleden in der engl. Sraffchaft Berks mit 9596 E., 4’. M. von Lon-
bon, am füdlichen Ufer der Themſe, über welche eine eiferne Brücke zu dem am andern Ufer lie»
genden Dorfe Eton führt, ift wegen des Lönigl. Schloffes auf einer Anhöhe berühmt und Hat
auch ein ſchönes Rathhaus. Wilhelm ber Eroberer erbaute das Schloß kurze Zeit nachher, als
er fich zum Deren von England gemacht hatte. Später wählte es Heinrich I. zu feinem Aufent-
halte; Eduard III. der bier geboren wurde, baute ed nach einem neuen Plane. Auch Karl 11.
that viel für die Verfchönerung des Schloffes, ſodaß es feit feiner Zeitder Lieblingsaufenthalt ber
Könige von England und ihre gewöhnliche Sommerrefidenz wurde, insbeſondere Georg's II.
dem bier eine koloſſale Bildfäule errichtet wurde. Große Summen verwendete endlich auch
Georg IV. auf die Reftauration und prächtige innere Ausſchmückung des Schloffes. Daflelbe
bat ein ehrwürdiges, alterthümliches Anfehen, zwei Höfe, welche Durch den fogenannten runden
Thurm, die Wohnung bes Commandanten, voneinander getrennt werben. Im obern Hofe be»
findet fi die metallene Bildfäule Wilhelm's des Eroberers. An ber Nordfeite des obern Hofe
liegen die Staats- und Audienzzimmer, an ber Oftfeite die Zimmer der Königin und gegen
Süden die ber vornehmften Kronbebienten. Der untere Hof ift wegen der St.Georgenkapelle
merkwürdig, in ber die Dofenbanbritter aufgenommen und bie Eapitel gehalten werden. Die
Säle und Zimmer des Schloffes find aufs prächtigfte becorirt und meiſt mit werthvollen Ge⸗
mälden geſchmückt. Der merkwürdigfte unter den Sälen ift der 200 F. lange St⸗Georgsſaal,
ber Banketſaal bei feierlichen Gelegenheiten, verziert mit ben Bildniffen der brit. Monarchen
von Jakob I. bis Georg IV. Solange Mitglieder der königl. Familie im Schloſſe anweſend
find, weht von bem Thurme die große engl. Flagge, bie man fchon in weiter Entfernung erblidt.
Das ganze, eine Höchft impofante, großartige Fürftenwohnung bildende Schloß wird von einem
Ihönen Park umgeben. Der fhönfte Punkt von Windfor-Caftie iſt die große, in ihrer Urt
einzige Terraffe, bie ſich Kings der öftlichen und eines Theils ber nördlichen Seite des Schloffes
Biner Binkel 293
erſtreckt, 1870 8. Lang und von verhäftnigmäßiger Breite if. Die Ausficht auf die Themſe,
welche ſich durch eine ber reichften Landfchaften hinſchlängelt, auf die mannichfaltigen Land-
häuſer, Dörfer und Sieden, bie ihre Ufer beleben, auf den parfähnlichen Wald yon Windſor
und die in der Nähe liegenden Gärten ift [don und reizend. Außerdem befinden fi in dem
Dark fowie in der Nähe des Schloffes noch mehre moderne Gebäude, die theild für ben Hof
feibft, theils für den Hofſtaat und Haushalt beftimmt find; fo Frogmore ⸗Lodge, die Reſidenz
der Herzogin von Kent, Mutter der Königin Victoria.
Biner (Georg Benedict), Kirchenrath und ordentlicher Profeſſor der Theologie an der
Univerfität zu Leipzig, geb. zu Leipzig 13. April 1789, ſtudirte, auf der Rikolaiſchule vorgebil-
det, auf der dortigen Univerfität, an der er fih 1817 habilitierte. Schon 1818 wurbe er aufer-
ordentlicher Profeffor und 1819 von den theologifchen Facultäten zu Halle und Roſtock zum
Doctor der Theologie ernannt. Sein Ruf als alabemifcher Lehrer und feine gebiegenen fehrift-
ſtelleriſchen Arbeiten veranlaßten 1823 feine Berufung als ordentlicher Profeſſor der Theo⸗
logie nach Erlangen. Die ihm fpäter nach Gabler's Tode angetragene Profeffur zu Jena fchlug
er aus, dagegen kehrte er 1852 als ordentlicher Profeſſor der Theologie nach Leipzig zurüd. Seine
wiffenfchaftlichen Studien richtete er anfangs auf die altteflamentlichen Grundſprachen, wovon
feine „Grammatik des biblifchen und targumifchen Chaldäismus“ (2pz 1824; 2. Aufl., 1842)
nebſt dem „Chaldäifchen Leſebuch“ (2pz. 1825) und feine Bearbeitung von Simon’s „Lexicon
manuale Hebraicum” (23.1828) zeugen ; fpäter auf bie kritiſch und eregetifch noch wenig be»
arbeiteten orient. Bibelüberfeguugen. Doch wendete er fich fehr bald der neuteflamentlichen Exe⸗
gefe au und begründete diefelbe von ber fprachlichen Seite fefter. In feiner trefflichen „Bram-
matik des neuteflamentlichen Sprachibioms“ (Rpz. 1822; 6. Aufl., 1854) wendete er die philo-
logifchen Grundſäte G. Hermanns auf die neuteftamentlihe Sprache an ; ebenfo in feiner Er-
Märung ber „Ad Galatas epistola” (2p;. 1821; 3. Aufl., 1829) und in den meiften feiner in
Erlangen gefhriebenen Feſtprogramme. Das „Biblifche Reatwörterbuch” (2 Bde., pz. 1820;
3. Aufl., 1845— 47) ift namentlich in ber zweiten und dritten Auflage eine ebenfo reichhaltige
als fcharffinnige Duellenforfchumgen bietende Fundgrube. Außerdem find noch zu erwähnen
die „Somparative Darſtellung bed Lebrbegriffs der verſchiedenen chriftlichen Kicchenparteien,
snebft Belegen aus ihren fombolifchen Schriften” (Rp. 1824; 2. Aufl, 1837), das „Hande
buch der theologifchen Literatur, bauptfächlich des proteft. Deutfchland” (Rpz 1825; 3. Aufl,
1857 — 40) und „De verborum cum praeposilionibus camposilorum in Novi Testa-
menti usu” (Abth. 1, 2pz. 1843). '
Bingolf Heißt in der Afenlehre ein Saal, den die Afen für die Göttinnen Afynien bauten.
Aber auch Odin’ Walhalla in Glabsheime und ebenfo ber Gimlir genannte neue Himmel,
in welchem nach bem großen Weltbrand bie Seligen wohnen follen, wird Wingolf benannt,
was nicht fowol, wie Klopſtock, Gerftenberg u. U. deuteten, den Palaſt ber Freundfchaft und
des Friedens ald vielmehr den Saal der Freunde oder auch bes Weins bezeichnet.
Winkel ift die Neigung zweier Linien gegeneinander und bezeichnet daher das Gegen-
theil von Parallel (f. d.). Um den Winkel zweier Linien oder Richtungen zu beflimmen, muß
man bie gegebenen Nichtungen bis zu dem Punkte verfolgen, wo fie ſich ſchneiden. Dieſer
Punkt Heißt dann der Scheitel ; die beiden Linien heißen bie Schenkel bes Winkels. Sind bie
beiden Linien, welche die Schenkel bilden, gerabe, fo entfteht ein gerabliniger oder ebener Win⸗
kel; liegen beide Schenkel in einer und berfelben geraden Linie, aber auf verfhiedenen Seiten
des Scheitels, fo Heißt der Winkel ein gerader oder geſtreckter. Die Hälfte eine geſtreckten
Winkels heißt ein rechter Winkel; ein Winkel, der Heiner als ein rechter ift, heißt ein fpiger, ein
Winkel, der größer iſt, ein ftumpfer Winkel ; jeder Winkel, der Meiner als ein geſtreckter ift, heißt
ein concaver ober hohler, jeder Winkel, ber größer iſt, ein converer oder erhabener. Jeder Win-
Bel wird von einem Bogen gemeffen, der von feinem Scheitel aus mit einem beliebigen Halb⸗
meſſer zwiſchen feinen Schenkeln befchrieben wird. Daher wird die Größe der Winkel wie bie
der Bogen durch Grade ausgedrüdt. Der geſtreckte Winkel hat 180, ber rechte 90 Grab. Der
Winkel zweier in einem Punkte zufammenftoßenden krummen Linien ift einerlei mit bem ZBin-
kel ihrer durch den gemeinfchaftlichen Punkt gezogenen Tangenten. Auch der Winkel einer
Ebene mit einer geraben Linie, ſowie der Winkel zweier zufammenfloßenden Ebenen läßt ſich
auf einen geradlinigen Winkel zurückführen. Nicht fo der Förperliche Winkel, welcher entficht,
wenn mehre Ehmen in einem Punkte zufammenftoßen. Als Mas deſſelben kann man das
paifhen jenen Ebenen enthaltene Stück einer Kugelflähe betrachten, welche aus ber Spige des
fpI8 mit irgend einem Halbmeſſer befchrieben worden ift. — In der Kriegsbaukunſt has
2394 Winkelried Winter (der)
man eingehende Winkel, deren Schenkel gegen das Feld, und ausgehende, deren Schenkei
fi) gegen die Feſtung öffnen. |
Hinkelried (Arnold Struth von), ein Schweizer aus bem Canton Unterwalben, der 9. Juli
41386 durch feine tobeßmuthige Aufopferung ben Sieg der Schweizer über Leopold von ſtreich
bei Sempach (f.d.) entfchied.
Winkler (Karl Gottfr. Theod.), als Pſeudonym Theodor Heli, geb. 9. Fehr. 1775 zu
Waldenburg im Schönburgifchen, kam früh mit feinem Vater, einem vielfeitig gebildeten Geiſt⸗
lichen, nach Dresden, wo häuslicher Unterricht ihn zur Univerfität vorbereitete. In Wittenberg
fludirte er die Nechte und Gefchichte, nebenbei mit dichterifchen Verſuchen befchäftigt. Ex wurbe
4796 beim Stadtgerichte zu Dredden angeftellt, ging 1801 an Langbein’s Stelle zum Gehei-
men Archiv über und rüdte 1805 zum wirklichen Geh. Archivregiſtrator auf. Bald barauf
zum Geh. Secretär beförbert, reifte er 1812 nach Italien und Frankreich. Nach feiner Rüd-
Schr vom Könige ber Hinterlaffenen Negierungscommilfion ald Secretär beigeorbnet, wurde er
beim Eintritt bes Generalgouvernements zu bemfelben zugezogen, mit ber Nebaction des Gene-
ralgouvernementsblatts beauftragt, uff. Hofrath, dann zur Organtfation des Theaters beru-
fen und zu deſſen Intendanten ernannt. So fand feine frühe Dinneigung zur Bühne Gelegen-
heit, fich praftifch zu bewähren, und fein monatlich erfcheinendes „Bühnentagebuch” zeugt von
ſeiner umfichtigen Thätigkeit in diefem Berufe. Von Michaelis 181A an ſtand W. der Ver⸗
waltung ber Hofbühne zu Dresden und bann auch in Leipzig vor. Bei der Rüdkehr des Könige
wurbe er zum Theaterfecretär und fpäter zum Kaffirer beider Beſoldungskaſſe der Staatsdie⸗
ner, auch 1816 zum Gecretär bei ber königl. Akademie der Künfte ernannt und ihm 1824 der
Titel eines konigl. füchf. Dofrath verliehen. Im J. 1825 wurbe er überdies noch mit der Nee
gie der ital. Oper beauftragt und 1841 Bicedirector des königl. Hoftheatere unb ber muſikali⸗
ſchen Kapelle. Die Zahl feiner belletriftifchen Schriften, die ſich durch Anmuth, weniger durch
Driginalität auszeichnen, if fehr groß. Seine „Ryratöne” (2 Bde., Dresb. 1821) and feine
„Neuen Lyratöne” (2 Bde, Braunſchw. 1830) bezeugen eine, große Gewandtheit in Sprache
und Beröbau, wovon insbeſondere auch feine fehr zahlreichen Übertragungen den Beweis fie-
fern. Bon metrifchen Überfegungen find zu nennen bie der „Rufiade” des Camoens, gemein«
ſchaftlich mit F. A. Kuhn (Dresd. 1807), und Byron's „Mazeppa” (1820). Als Dichter em-
pfahl ſich W. beim Publicum durch feine „Penelope“ (feit 1811), den „Komus“ (3 Jahrgänge)
und die „Agrionien“, durch die Beiträge zu vielen andern Taſchenbüchern und beſonders durch
die „Abendzeitung“, die er von 1817 — 43 herausgab. Mit dem „Strubeltöpfchen” (1805) und
mit,‚Bianca von Toredo“ (1806) trat er in die Reihe der bramatifchen Schriftfteller ; ſeitdem
bat er zahlreiche Überfegungen und Bearbeitungen vorzüglich franz. Dramen für bie Bühne ge
liefert. Seine ungemeine Bühnentenntniß wird unter Anderm durch fein feit 1823 herausgege⸗
benes „Dramatifches Bergifmeinnicht” bekundet. Zu den „Binterlaffenen Schriften von K. M.
von Weber” (3 Bdchn., Dresd. 1828 fg.) hat er ein biographiſches Vorwort geliefert.
Winland, fo viel wie Binland (f. d.).
Winter, die rauheſte und Lältefte Jahreszeit, fängt auf der nördlichen Halbkugel ber Erde
im aftronomifchen Sinne mit dem kürzeſten Tage (21. oder 22. Dec.) an und endet mit ber
Frühlingsnachtgleiche (um den 21. März). In der füdlichen Halbkugel fällt der inter in die
Zeit bes Sommers auf ber nördlichen Halbkugel. Auf der legtern währt er nur etwas über
89, auf der füblichen Halbkugel hingegen über 93 Zage, weil der nördliche Winter in die Son»
nennäbe, der füdliche aber in bie Sontienferne fällt, wo die Erbe fich langfamer bewegt und
alfo fänger verweilt. In der Meteorologie bezeichnet man gewöhnlich die drei Monate Decem-
ber, Januar, Februar als Winter. In der heißen Zone findet Bein Winter nad) unferm Begriffe
ftatt. Hier gibt es nur eine Regenzeit, die aber nicht kalt ift, und eine ziemliche Strecke über bie
Wendekreiſe hinaus, in beiden gemäßigten Zonen, find bie Berhältniffe ähnlih. In ganz Nord»
und Südafrika, mit Ausnahme der Gebirgsgegenden, ja felbft in Neapel, Sicilien, dem füb-
lichen Spanien und Portugal Tennt man wenigftens für gewöhnlich weber Eis noch Winter
Pälte. Im Januar pflegen bereits die Mandelbäume zu blühen, und die Gartengewächſe gedei⸗
ben in biefer Zeit zum Theil beſſer ald im Sommer. Weiter hinauf und ſchon im Kirchenſtaate
friert e8 öfter, noch mehr in Oberitalien. Dieffeit der Alpen, wo der Winter immer mehr fleigt,
wird ex fchon ziemlich anhaltend und ſtreng; jenfeit des Polarkreifes erreicht er einen Grad von
Kälte, der unfere Vorſtellungen davon überfleigt. Daffelbe Fortfchreiten findet nach-dem Gb»
pol zu flatt. Strenge Winter fielen in die 3. 1709, 1732, 1740, 1776, 1785, 1789, 1824
Winter (Seorg) Binter (Bet. von) 206
und 1846— 47. Der Winter von 1829— 50 hatte das Eigenthümliche, daß er in Deutſch⸗
Iand, Frankreich, Spanien und im Süden überhaupt früher als gewöhnlich eintrat, lange am
hielt und in füblichen Breiten viel Schnee und Eigmit fih brachte. — Winterpunkt wird der⸗
jenige Punkt der Effipti? genannt, in welchem bie Sonne bei ihrem, fcheinbaren jährlichen Um⸗
Taufe den mweiteften Abftand fübwärts vom Aquator erlangt bat. Dies gefchieht um ben 21.Der,
Der Winterpunkt ift der Anfang vom Zeichen bes Steinbods, obſchon biefes Sternbild den
Ort verlaffen hat und jener Punkt daher jept in das Bild des Schügen fällt.
Winter (Georg Ludw.), bad. Staatsmann, Sohn eines Pfarrers, geb. 18. Jan. 1778 zu
Prechthal in der Altmarkgraffhaft Baben, befuchte das Lyceum zu Karls ruhe und ftubirte
dann in Göttingen die Rechte. Er wurde ſchon 1803 Geh. Secretär in bad. Minifterium bes
Snnern, 1805 Affeffor im evangelifchen Kirchenrathscollegium und 1807 Mitglied des Ober-
kirchenraths und Regierungsrath. Nachdem er kurze Zeit Stadtdirector in Heidelberg geweſen,
wurde er 3815 Minifterialrath im Minifterium des Innern und 1818 Geh. Referendar. Ob-
gleich die Ariftokratie fowie Großherzog Ludwig ihm nicht wohlgefinnt waren, ließ man ihn
Doc) feiner gediegenen Kenntniffe wegen 1822 zum Staatsrath und Mitglied des Staatsmini«
fteriums und 1824 zum Director bes Minifteriums des Innern aufrüden. Dit bem Regie⸗
rungsantritt des Großherzogs Leopold, deſſen Vertrauen er ſich erworben, eröffnete ſich für
W. eine neue Perigde. Ex follte das Minifterium des Innern und zu biefem Zwecke ben Adeld-
eitel erhalten. Da er aber dieſe Erhebung ablehnte, übertrug man ihm 1830 vorläufig unter
Dem Namen eines Chefd des Minifteriums die ganze Function des Minifters bes Innern, bie
man 1853 endlich fich entfchloß, Ihm auch den Namen eines folchen beizulegen. An dem parla-
mentarifchen Leben Badens hat W. feit 1819, wo er in feinem Bericht über das Adelsedict ben
ariftofratifhen Prätenfionen entgegentrat, ben bedeutſamſten Antheil genommen. Namentlich
wurde feit 1850 feine Wirkſamkeit dankbar anerfannt. Obwol durch Me Zeitumflände und bie
raſch wieder erwachte Meflaurationspolitit vielfach bedrängt, gelang es ihm doch, die Verwal⸗
tung in dem freifinnigen Gange zu erhalten, dem fie in den Innern Organifationen auch nach
dem Rückſchlag von 1832 tteu blieb. Eine Reihe wichtiger Reformen, namentlich die Umge-
ftaltung des Gemeindeweſens, waren hauptſächlich fein Werk. Obwol mit der liberalen Oppo-
fition bisweilen in heftigem Conflict, ward er doch von ihr refpectirt, und im Lande genoß er
eine feltene Popularität. Nur bie ariftoßratifchen und ultramontanen Parteien verbargen faum
ihre Abneigung gegen ihn. Stets die Foderungen ber Zeit würdigend, ergriff ZB. mit Begei⸗
fterung die Idee, eine Eifenbahn durch das Großherzogthum auf Staatskoſten auszuführen,
für melden Zweck man im Febr. 1858 die Kammern berief, von denen ein Befeg. hierüber be
hloffen wurde. Unmittelbar nach diefem Landtage flarb IB. 27. März 1858, ein Mann,
ftoly auf fein Bürgerthum, aufrichtig und freu, ein eiftiger Freund des Volkes, ein befonnener
Beförderer politifcher Entwidelung und vernünftiger Reformen zur Beförderung bürgerlicher
Freiheit. Durch Bewilligung einer außerordentlichen Penſion an feine Witwe legten die Kam⸗
mem ihre Achtung an den Tag, während im Volke der Wunſch laut warb, ihm ein Denkmal zu
fegen, welcher Plan freilich nachher auf vielfache Hinderniffe ber Gegner fließ. Als Schrift
fteller ift W. in dem Erbfolgeftreit mit Baiern für das badifche Intereffe thätig geweſen in der
Schrift „Über die Anfprüche der Krone Baierns im Randestheile des Großherzogthums Ba⸗
ben” (Manh. 1827). Vgl. „Reliquien von 2. Winter”, von W. Wei (Freib. 1843).
Winter (Bet. von), deutſcher Sefangscomponift, geb. zu Manheim 1754, ber Sohn eines
Brigadiers der kurpfälz. Barbe, wurde ſchon als Knabe von 10 Jahren in das kurfürftliche Hof
orchefter aufgertommen. Hierauf geno$ er in der Eompofition den Unterricht des Abts Vogler
(f. d.). Eine concertivende Symphonie mar bad erfte von ihm öffentlich aufgeführte Muſikſtück.
Im J. 1775 wurde er Orchefterbirector des beutfchen Theaters in Manheim, welche Stelle ex
auch bei Verfegung des Furfürftlichen Hoflagers von Manheim nach Münden am legtern
Orte fortbehielt. In diefe erfte Periode Feiner Schaffenden Thaͤtigkeit fallen mehre Ballets,
Santaten und Melodramen. Seine zweite Periode beginnt mit der Reife nach Wien 1780, wo
er unter Einfluß Salieri's noch größere Kortfchritte in der gründlichen Compofition machte.
Nach feiner Rückkehr von Wien führte er in München 1782 feine erfte Oper „Helena und Pa-
ri6” auf, und wurbe dann 1788 zum Kapellmeifter ernannt. Beine dritte Periode begann mit
. feiner erſten Kunftreife nach Stalien im Oct. 1790. Hier erft entwidelte fi volllommen fein
Zalent, für den Befang zu fehreiben und Befang zu Iehren. In den 3. 1795 und 1796 war er
in Prag und Wien, und 1802 unternahm er eine Reife nad) Frankreich und England. Nach
dem $. 1813 trat eine neue Wendung in W.'s Künftlerleben ein, indem fich nun feine Ge⸗
Bo Binterfeld Winterfeldt
fang&werte mehr und mehr zu dem herrfchend gemorbenen Geſchmack Roffini’s hinneigten. Er
ftarb 18. Det. 1825. Unter feinen vielen geiſtlichen Mufiten zeichnen ſich mehre Oratorien,
.B. „Beitulia liberata” (1792), und einige Cantaten, ein treffliches Requiem, welches er zur
$ obtenfeier Kaifer Joſeph's II. ſchrieb, ein in fehr edelm Stile componirtes Miferere, mehre
Meffen und Bespern aus. Bon feinen weltlihen Cantaten, die noch höher ftehen als die geift-
lichen, ift „Ximotheus, oder bie Macht der Töne” am höchften ‚zu ftellen. Unter den 18 Opern,
die er fchrieb, ift „Das unterbrochene Opferfeft” (1796) eine der Tieblichften. In der Behand»
fung bed Gefangs war W. ein Stern erfter Größe: fein Gefang iſt der Stimme volltommen
angemeffen und beförbert die Bildung derfelben auf ausgezeichnete Weiſe; feine Melodien find
immer fließend und ſchmeicheln Dem Ohre, ohne das Derz leer — Doch gelang ihm das
Anmuthige und Prächtige mehr als das Erhabene. Um aber W.s Verdienſte vollkommen zu
würdigen, muß noch angeführt werden, daß er, obwol ſelbſt ohne Stimme, einer der trefflichſten
Singlehrer in Deutſchland war, wovon auch feine „Singſchule“ (A Abtheil. Mainz 1824) zeugt.
Winterfeld (Karl Georg Auguſt Virigens), gründlicher Muſikkenner und verdienter muſi⸗
kaliſcher Schriftſteller, geb. 28. Jan. 1794 zu Berlin, wo ſein Vater, Karl Friedr. Gotthilf von
W., als neumärk. Regierungsaſſiſtenzrath lebte, erhielt ſeine gelehrte Bildung auf dem Gymna⸗
fium zum Grauen Kloſter und widmete ſich dann zu Halle von Oſtern 1803—6 dem Studium
ber Rechte. Bereits im Oct. 1811 zum Kammergerichtsaffeffor zu Berlin ernannt, befchäftig-
ten ihn neben feinen Berufsarbeiten beſonders Muſik, zu der er ſchon in feiner früheften Jugend
die auffallendfte Neigung und gab, fowie dad Studium der neuern roman. Sprachen. Auf ei⸗
ner Reife nach Italien, die er 1812 mit feinem jüngern Bruber antrat, fand er in Folge feiner
Bekanntſchaft mit Santini und Baini Gelegenheit, eine Menge alter Muſikwerke zu famnıeln.
Bis zum Parifer Frieden in Stalien, erft in Rom, dann in Florenz zurückgehalten, ward er
1816 zum Oberlandeögerichtörach in Breslau ernannt und ihm bald darauf auch die Aufficht
über den muſikaliſchen Theil ber dortigen Univerfitätöbibliothet anvertraut. Auch gründete er
damals einen mufifalifchen Verein, der in feinem Haufe und unter feiner Keitung vorzugsmeife
die ital. und deutfch-proteft. Compofitionen bes 16. Jahrh. zur Aufführung brachte. Derfelbe
ward auch von ihm neu begründet, als er im März 18352 in Folge feiner Ernennung zum Geh.
Obertribunalrath nach Berlin überfiedelte. Derfelbe hat wefentlich dazu beigetragen, das nörd⸗
liche Deutfchland mit ber ital. Kirchenmuſik des 16. und 17. Jahrh. näher bekannt zu machen.
Wegen Gehorſchwäche genöthige, im Zuli 1847 feine Entlaffung aus dem Staatsdienft zu
nehmen, bie ihm auf das ehrenvollite ertheilt warb, widmete er fich ſeitdem ausfchließlich mu⸗
ſikaliſchen Studien. Er ftarb 19. Febr. 1852. Im Beſitz einer ausgezeichneten Sammlung als
terer Compoſitionen der niederländ., ital. und deutſchen Schule gab W. unter Benugung vieler
Bibliotheken Deutfchlands eine Reihe von Werken heraus, die zu den vortrefflichfien gehören,
welche die Literatur auf dem Gebiete der Gefchichte der Muſik aufzumeifen hat. Es find befon-
ders bervorguheben: „Johannes Gabrieli und fein Zeitalter” (3 Bde., Berl. 1834); „Der
evang. Kirhengefang und fein Verhältnig zur Kunft des Tonfages” (3 Bde., pz. 1843 —
47); „Über Herftellung des Gemeinde und Chorgefangs in der evang. Kirche” (Epz. 1848) ;
„Zur Geſchichte Heiliger Tonkunft” (2 Bde, Lpz. 1850—52); „Sohannes Pierluigi von Pa-
Ieftrina” (Brest. 1858); „Martin Luther's deutfche geiftliche Kieder, nebft den während feines
Lebens bazu gebräuchlichen Singweifen” (2pz. 1840). |
Winterfeldt (Hans Karl von), ein berühmter Feldherr Friedrich's d. Gr. und fein Lieb-
fing unter ben Generalen, geb. A. April 1709 zu Banfelow in Vorpommern, trat im 16.9.
in die milttärtfche Laufbahn bei dem Küraffierregimente von Winterfeldt ein, von welchem er
bald zur Garbde⸗du⸗Corps verfegt wurde. Friedrich d. Gr., ber ihm fchon ale Kronprinz fein
Vertrauen gefchentt, erhob ihn nach feiner THronbefteigung vom Lieutenant fogleich zum Ma-
jor und Flügeladjutanten und fendete ihn beim Beginn des Schlefifchen Kriege 1740 nach
Petersburg, wo er die Abficht des wiener Hofs, von der ruff. Kaiſerin Hülfstruppen zu erlan-
gen, bintertreiben follte. Der Zweck wurde erreicht, und W. trat nad) feiner Rückkehr an die
Spige eines Grenadierbataillons, mit welchem er fich bei der Überrumpelung von Glogau,
8. März 1741, befonders aber in ber Schlacht bei Mollwig, 10. April, mo er auch verwundet
wurde, außzeichnete. Kurze Zeit hernach wurde er zum Oberft und Generalabjutanten befördert.
Sodann leitete er 22. Juni das glänzende Gefecht bei Rothſchloß. Im zweiten Schlefifhen
Kriege von 1744 zeigte er bei dem Rückzuge aus Böhmen feine militärifche Gemwandtheit, em-
pfing jedoch abermals eine Wunde. Im J. 1745 lieferte er den ungar. leichten Truppen bei
Schlawentiz 11. April ein glänzendes Gefecht und bald darauf dem General Nadasdy bei fande-
Binterfchlaf Winterthur 297
but, wofür ihn der König zum Generalmajor ernannte. Vorzüglichen Antheil Hatte W. auch
am Siege von Hohenfriedberg 4. Juni, ſowie an dem glüdlichen Gefecht bei Katholifch-Denners-
dorf 23. Nov., wo er namentlich bem nad Böhmen fliehenden Feinde bei Zittau noch beträcht-
lichen Schaden zufügte. In der nach bem Dresdener Trieben eingetretenen elfjährtgen Waffen⸗
tube war er ald Generaladjutant immer in ber Nähe des Könige und wurde von biefem zu
wichtigen Gefchäften gebraucht. Den dritten Schlefifchen Krieg vorausfehend, firebte er durch
Einziehung ficherer Nachrichten über die Militäreinrichrungen der Nachbarftaaten und durch
Studium bes wahrfcheinlichen Kriegsſchauplatzes ſich Darauf befonder6 vorzubereiten. Als die
aus dem dreädener Cabinet erhaltenen Papiere keinen Zweifel über die Abficht der Gegner übrig
ließen, drang er in den König, der ihm drohenden Gefahr durch einen raſchen Angriff zuvorzu-
kommen, eine Anficht, bie auch, obgleich fie ihm ben Vorwurf großer Reidenfchaftlichfeit und
Ehrfucht zuzog, wirklich Die Oberhand gewann. Kurz vor bem Ausbruch des Kriegs wurbe er
Senerallientenant. Als Friedrich die fächf. Armee in ihrem Lager bei Pirna einfchloß, wurde
ZB. abgefendet, um den König Yuguft von feiner Verbindung mit Aſtreich abzuziehen, er-
reichte jeboch feinen Zweck nicht und brachte hierauf mit Rutomwffi die Kapitulation von Pirna
zu Stande. In der Schlacht bei Prag befehligte er die Divifion des linken Flügels und wurde
am Halfe verwundet. Später wurde WB. ber Armee bed Prinzen Auguft Wilhelm zugetheitt.
Als diefer wegen des Fehlers, den er fich beim Rüdzuge aus Böhmen nach der tolliner Schlacht
bei Gabel und Zittau hatte zu Schulden kommen laffen, nächft allen unter ihm ftehenden Ge⸗
neralen die volle Ungnade des Königs fühlen mußte, war es W. allein, den Friedrich freundlich
behandelte und nun bei dem Armeecorps ded Herzogs von Bevern anftellte, das er eigentlich
ihm anvertraute. Als Friedrich im Herbfte 4757 gegen die Reichsarmee und die Franzoſen
marfchirte, ließ er fein Hauptheer zur Dedung Schlefiend unter dem Herzog zurück, bei wel-
chem W. das Corps, das bei Moys unmeit Börlig fand und namentlich mit zwei Bre-
nabdierbataillonen den Holzberg befegt hielt, commanbdirte. Im öſtr. Lager war der Minifter
Kaunig angefommen, und die Generale befchloffen, um diefem eine Aufmerkſamkeit zu ermel-
fen, den Angriff auf W.'s Stellung, zu welchem fie in ber Nacht zum 7. Sept. 66 Bataillone
und 70 Escadrons zufammengezogen hatten. Am 7. des Morgens begann ber Angriff auf den
Holgberg und die beiden Bataillone mußten ihn nad tapferer Gegenwehr verlaffen. W, der
den Derzog vergebens um Unterflügung bat, eilte an der Spitze einer Brigade nach dem be»
drobten Punkte, erhielt aber bier eine Schußwunde in die Bruft, an welcher er den folgenden
Morgen, 8. Sept. 1757, ftarb, nachdem er kurz vorher noch einen Brief an den König bictirt
hatte. Friedrich, ber ihm ſtets unbebingtes Vertrauen gefchentt hatte, betrachtete feinen Tod
als einen der größten DVerlufte. Seine marmome Bildfäule ftebt auf dem Wilhelmsplage zu
Berlin. Vgl. Barnhagen von Enfe, „Leben bes Generals W.“ (Bert. 1836).
Rinterfchlaf, Während Vögel der Kälte und dem Nahrungsmangel des Winter ver
möge leichter Drtöveränderung durch periodifche Auswanderung in wärmere Gegenden entge⸗
ben, verfallen viele andere Thiere höherer oder nieberer Elaffen in einen mehrmonatlihen Win⸗
terſchlaf (Xethargie), ber durch eine eigenthümliche Dispofition ihres Körpers herbeigeführt und
meiſt in irgend einem Verſteck abgehalten wird. In biefen Schlaf verfallen Weichtbiere
(Schneden), Infekten (Bienen, Wespen, die Schmetterlinge meift als Puppen), ferner bie mei-
ſten Reptilien (Schlangen, Eidechſen, Kröten, Fröſche) und verfchiedene Säugethiere (1.8.
Bledermäufe, Igel, Hamfter, Murmelthtere, Siebenfchläfer). Legtere bringen diefen Zuftand meift
in Erdhöhlen oder hohlen Bäumen zu und kugeln fi babei zum Schuge gegen die Kälte zu«
fammen, wodurd Eingeweide, Luftröhre und Lungen zuſammengedrückt werden. Die Athmung
wird in Folge deffen beinahe unterbrochen, bie Wärme bedeutend herabgeftimmt, ber Kreislauf
bes Blutes gefchieht [ehr langſam, die Verdauung ift faft ganz gehemmt. Sie bedürfen baber in
diefer Zeit wenig ober gar keine Nahrung. Der Dachs ſteckt hierbei die Schnauze in eine Fett-
tafche am Öinterleibe; der Bär faugt an den Tagen. Die Empfindlichkeit if in biefem Zuſtande
ebenfalls geringer, und viele Thiere liegen in völliger Erftarrung. Kein Vogel nimmt in ber
Negel an biefem Schlafe Theil; doch will man zurüdtgebliebene Schwalben (in Südfrankteich
nicht felten) in ähnlichem Zuftande gefunden haben. Einen Gegenfag dazu bildet ber Sommer.
ſchlaf, den während ber bürren Jahreszeit Krokodile und Schlangen der heißen Himmelöftriche,
unter einer Schlammdecke verborgen, halten.
Winterthur, eines der fchönften und reichften Städtchen der Schweiz, an ber Eulach, im
Canton Züri, 1350 F. über dem Meere, in einer freundlichen, von Weinbergen und anbern
Hügeln umgebenen Ebene gelegen, hat 5340 E. Zur Verſchoͤnerung trug die Ausfüllung ber
298 Binther | Bingingerode (Ferd., Freiherr von)
. j affung ber Thore und Eröffnung ımgehinderter Eingänge ver⸗
5* Ben 0, Bemertensmerte Bebäube find die belle und geräumige Haupt-
Eircge mit gutem Geläute und fhoner Orgel, dad Rathhaus, Spital und das neuerbaute Schuf-
In der Rüge von W fiel 919 eine wichtige Schlacht zwifchen Herzog Burkhard von
—* und Lönig Rubolf U. von Kleinburgund vor.
Wintper (Rosmus Willads Chriftian Ferdinand), dän. Dichter, wurbe 1796 zu Tent-
mark in Geeland geboren, wo fein Vater Geiſtlicher war. Nath dem frühzeitigen Tode deſſelben
vermähtte ſich feine Mutter mit dem als Theologen und Philologen verdienten Biſchof Ratınus
Röler, non weihem W. feine Erziehung erhielt. Hierauf wibmete er ſich feit 1815 dem Stu-
A der Theologie zu Kopenhagen. In ben 3. 1850—31 ‚unternahm er eine Reife nad) Ita-
Gm, welcher er ſich mit ber Sprache und Kiteratur des Landes befchäftigte. „Seit 1841
jeher er au Neuftrelig, wohin ihn König Chriſtian VIII. gefenbet hatte, um die Verlobte feines
Sohnes, des jehigen Könige Sriebrich VIL, die Pringeffin Karoline Charlotte Marianne, im Där
niſchen gu unterrichten. Bon dort zurückgekehrt, privatifirt IB, zu Kopenhagen, feit 1851 im
Genuß eines Jahrgehalts von 1000 dän. Rehlrn., den ihm ber Meichötag bewilligt hat. ZB. iſt
unftreitig einer der bedeutendften lyriſchen Dichter ber Gegenwart unter ben Dänen. Die erfte
Sammlung feiner Dichtungen erfchien 1828 und nahm in den folgenden Auflagen den Titel
igte, gamle og nye” (5. Aufl, 1854) an. Daran fchliegen fi „Nogle Digte” (Kopend.
1835; 2. Aufl, 1852); „Sange og Sagn“ (1840); „Digtninger” (1843); „Lyriſte Digte”’
(1849); „Nye Digte” (1851); „Nye Digminger” (1853). Ein Bruchſtüd geblieben ift das
vößere Gedicht „Judich” (1837). Als Novellift hat W. in den „Haandtegninger” (1840; 2.
Kun, 1845), „Fire Noveller” (1843) und „Tre Kortällinger” (2. Aufl., 1851) ebenfalls Be⸗
achtenswerthes geleiftet. Für. die Jugend beflimmt find „Fem og tyve Fabler“ (1845) und „En
Morftabsbog” (1850). Außer Überfegungen, 3. B. vom „Reineke Vos“ (1849) und von
Hey's „Fabeln“ (2. Aufl. 1848), veröffentlichte W. auch ein „Udvalg af Kjämpeviferne” (1839)
und „100 Romanzer afdanfte Digtere’ (3. Aufl, 1851). Auch redigirte er einige Zeit das
„Banfte- Kunftblad”. Bon feinen „Befammelten Novellen” ift eine beutfche Überfegung
(2 Bde., Lpz. 1851) erfchienen. .
. Ringingerode (Georg Ernſt Levin, Reichsgraf von), ehemaliger würtemberg. Staats
minifter, geb. 27. Nov. 1752, ftammte aus einer der alteften beutfchen Adelsfamilien, bie früh⸗
zeitig im Eichöfelde ſeßhaft war und es noch gegenwärtig ift. W. hatte ſich dem Militärdienſte
gewidmet und war als Offizier in heſſ. Dienfte getreten. Die Verhältniſſe enthoben ihn aber
bald diefem Lebenskreiſe und er förderte nun feine geiftige Bildung durch Meifen ımd Studium
der Geſchichte und Politik. Im J. 1794 wurde er in ber Stellung eines kurköln. Kämmerers
in den deutfchen Reichögrafenftand erhoben. Herzog Friedrich, der nachherige König Friedrich 1.
von Würtemberg, veranlafte ihn fobann in feine Dienfte zu treten. W. wurde 1804 Minifter
ber auöwärtigen Angelegenheiten und 1806 erfter Minifter. Die Urt, mit der er den Innern
und äußern Stürmen begegnete, ſowie ber Adel und die Kraft feines Geiſtes und Charakters
fanden allgemeine Anerkennung. Nach dem Tode des Könige Kriebrich 1816 ließ ſich W. von
feinen Staatsämtern entheben ; doch übernahm er 1820 wieder den Geſandtſchaftspoſten an den
Höfen zu Berlin, Dresben, Hannover und Kaffel. Seit 1825 lebte er zurückgezogen und flarb
zu Stuttgart 24. Det. 18354. — Sein Sohn, Heine. Karl Friedr. Levin, Graf von W.,
geb. 16. Dct. 1778, war zuerft Gefandter in Karlöruhe, Münden, Paris, Petersburg und
Wien, ſowie im Hauptquartiere ber Verbündeten während ber Feldzüge von 1814 und 1815.
Gr erhielt dann den Poften eines Staatsminifters und wohnte als folcher 1820 nebft dem Frei⸗
herrn Hardenberg dem Gongreffe zu Wien bei, wo er ſich als Vertbeidiger liberaler Brundfäge
auszeichnete. Später entfagte er allen öffentlichen Befchäften und zog ſich auf fein Gut Boden⸗
ftein im Regierungsbezirk Erfurt zurück Der Graf war in erfler Ehe mit Lady Jane Diana
King vermählt, aus welcher Ehe der Sohn Julius, geb. 1806, entfprang. Aus einer zweiten Ehe
mit einer Sreiin von Hagen wurde ber Sohn Wilke 1833 geboren.
Bingingerode (Ferd., Freiherr von), derfelden Familie angehörend, bekannt als ruf.
General, geb. zu Bodenftein 1770, trat aus Drang nad Waffenthaten 1790 aus hefſ. Dien-
fien zur öſtr. Urmee in den Niederlanden, zwei Sabre fpäter wieder in heſſ. Dienfle, wo er am
Rhein mitkämpfte, dann nochmals unter die Fahnen Oſtreichs, wo er bis zum Frieden von
Gampo-Formio diente. Im J. 1797 wurde er ale: in ruff. Dienften. Den Feldzug von 1799
machte er mit Bewilligung Rußlands wieder in Oftreich mit und zeichnete fich in der Schlacht
von Stockach aus. Seit 1802 Generaladjutant des ruſſ. Kalfers, ging er alg Geſandter 1805
Ripper BRirbelfänle 308
nach Berlin, um ben König zur Allianz gegen Rapoleon zu beivegen, und dann nach Wien, wo
er die Soalition zwifchen Oſtreich und Preußen abfchloß. Er zeichnete ſich in dem Gefechte bei
Dürrenflein aus ımb war in ber Schlacht bei Anfterlig, wo er nar mit Mühe ber Befangen-
(haft enttam, in Alexander's Umgebung. Im J. 1809 focht er wieder mit den Oſtreichern bei
Aspern, wo ihm eine Kartätichenkugel den Fuß zerfchmetterte. Noch auf dem Schlachtfelde
wurde er zum Feldmarſchallieutenant befördert. Im ruff.-franz. Kriege von 1812 ward er beim
Verfolgen des Feindes in der Nähe von Moskau gefangen. Napoleon befahl, ihn fofort zu er⸗
fchießen, doch wurde diefer Befehl aus Rückſicht für bie franz. Generale in ruff. Sefangenfchaft
zurüdgenommen und W. nach Wilna gebracht. Durch den General Tſchernyſchew aus der Ge
fangenfchaft befreit, ging er nun einer Reihe Siege entgegen, welche ihn den berühmteften Weib»
berreu feiner Zeit an bie Seite fegen. Beſonders waren es bie Schlachten bei Lügen, Dennewig
und Leipzig, der Sturm auf Soiffons und die Erpedition gegen Rapoleon bei St.-Dizier, welche
dem hochherzigen und biebern Manne großen Kriegbruhm eintrugen. Er flarb 17. Juni 1818
su Wiesbaden.
Wipper, f. Kipper und WBipper.
Wiprecht der Altere, Graf von Groitzſch, aus bem Haufe ber Grafen Arneburg, ver-
taufchte feine Stammgüter in der Altmark mit ded Grafen Udo von Stade Gütern in ber
Gegend von Pegau und Groigfch im jegigen Königreih Sachſen. Er war ein unrubiger
Geiſt, kämpfte für Kaifer Heinrich IV. und ſtand bei ben Streitigkeiten mit bem Markgrafen
von Meißen Ekbert bem Herzoge von Böhmen Wratiſlaw bei, der ihm 1086 feine Tochter Ju⸗
dith und die nachherige Oberlaufig gab. Durch den Kaifer, den er auf dem Zuge nach Italien
‚begleitete, erhielt er Keißnig, Lauterflein und Dornburg. Auch wußte er auf eigene Kauft feine
Befigungen zu mehren. Er ging nach Ron, dann zum St.Jakob nad) Eompoftella in Spa⸗
nien und erhielt hier die Weiſung, flatt der von ihm zerftörten Jakobskirche in Zeig ein anderes
Stiſt herzurichten. So entfland 1096 das Klofter zu Pegau. Durch feine zweite Gemahlin
Kunigunde, die Witwe Kuno's von Beichlingen, erhielt er die Boigtei über das Kloſter DIdie-
leben; auch baute er das Klofter Reinersdorf an ber Unftrut. Als er indeß wegen Betheiligung
bei ben böhm. Erbfolgeftreitigkeiten mit Kaifer Heinrich V. in Streit gerathen, mußte er 1110,
um bie Freiheit feines Sohnes, Wiprecht's des Züngern, zu erkaufen, Leisnig, Morungen
und die Oberlaufig an den Kaifer zurückgeben, ber fie für den Grafen Hoyer von Mans feld be-
flimmt hatte. Der undankbare Sohn fchloß fich aber Heinrich V. an und belagerte ben Vater
in Pegau, ber dann 1112 in ber weimar. Erbfolgefehde von Hoyer gefangen und von einem
Sürftengerichte'in Würzburg zum Tode verurtheilt wurbe. Der Sohn rettete des Vaters Leben
durch Aushändigung von Groigfch und von andern Befigungen an den Kaifer; doch wurbe ber
ältere W. fortwährend in Verwahrung gehalten. Jetzt erhoben fich des alten WB. Söhne, W.
der Jüngere und Deinrich, gemeinfam gegen den Kaifer, erſchlugen 1115 in der Schlacht beim
Welfes holze im Mansfeldifchen den alten Hoyer, eroberten Groitzſch und fochten fo glücklich,
daß der Kaiſer fich genöthigt fah, den alten W. gegen mehre von deffen Söhnen gefangen ge
nommene Edle auszulöfen. Der Kaifer wendete ihm fogar feine Bunft wieder zu, gab ihm feine
Güter zurüd und überbied noch die Burggrafſchaft Magdeburg und die von der Oſtmark ge»
trennte Nieberlaufig, vielleicht auch ben von ihm früher befeffenen Theil der Oberlaufig. ZB.
behauptete fich in biefen Befigungen ; doch in ber Mark Meiben mußte ex Konrad von Wettin
weichen. Schwer verlegt durch Feuer in feinem Schlafgemach, lief er fich beivegen, die Mönchs⸗
Putte anzulegen, in ber er im Juni 1124 flarb. Sein ältefter Sohn war ihm im Tode voraus⸗
gegangen umb es folgte ihm daher der jüngere Sohn, Heinrich. Vgl. Schöttgen, „Hiſtorie des
Grafen W. zu Groigfch” (Regensb. 1749). j
Wirbelfänle oder Rückgrath (spina dorsi) nennt man bie beim Menfchen ſenkrecht gela-
gerte, ſchlangenförmig gebogene Knochenfäule, welche die Grundlage des Rumpfs bildet, den
Kopf trägt, dem Bellen zum Anfage dient und aus den 24 Wirbeln (vertebrae), dem Kreuz-
beine und Steifbeine beftcht. Die Wirbel find durch Swifchenlagen von Bandmaffe und Bän-
dern fehr innig untereinander verbunden, ſodaß jeber einzelne von ihnen fehr wenig, die ganze
Säule aber ziemlich bedeutende, wenn auch nicht an allen Stellen gleiche Beweglichkeit befigt.
Man nennt die fieben oberften Wirbel, deren erſter unmittelbar mit dem Hinterhauptbeine des
Schädels verbunden ift, Halswirbel, die zwölf folgenden, an deren Seite ſich die Rippen (f. d.)
anfchließen, Bruſtwirbel, und die fünf unterfien, beren legter auf dem Kreugbeine ruht, Len⸗
denwirbel. Erſtere find bie kleinſten, legtere bie größten. An Geftalt find fie außer dem erfien
und zweiten Halswirbel (atlas und epistropheus), welche eine bie Beweglichkeit des Kopfs
[4
— — — — -
—— Wirklich und Wirklichkeit
werunimelane Born Haben, untereinander bem Weſen nach gleich, namentlich find fie alle Durch.
Naher uud küden fe den Kanal, welcher das Rückenmark (f. d.) enthält. Die Wirbelfäute ift in
Ürer Onerpeligen Grumdlage im Embryo früher als andere Knochen vorhanden, verknöchert
tech fnirer als viele andere. Angeborene Bildungsfehler, zu viel oder-zu wenig Wirbel, Spal⸗
va dea Rũckenmarkskanals, Verfrümmungen u. |. w., find nicht felten, legtere werden oft auch
Inärer erworben. Diefelben Krankheiten, welche andere Knochen befallen, können auch bei der
Wirdelſäule vorfommen und find hier wegen ber Nähe des Rückenmarks mit mehr Gefahr ver-
dumden. Welche Wichtigkeit die Wirbelfäule in der Hkonomie des thierifchen Körpers befigt,
zeige die wohlbegründete Eintheilung des gefamniten Thierreichs in zwei große Glaffen, die
Wirbel: und bie wirbellofen Thiere. Während letztere ber Wirbel gänzlich entbehren und
von erfiern in der ganzen Körperorganifation bedeutend abweichen, hält in diefen bie Wirbel-
fäule, obgleich an Anzahl und Geftaltung der Wirbel felbft mannichfaltig verfchieden, ihre all⸗
gemeine Beſtimmung, einen weſentlichen Theil des Knochenſyſtems, fomit-ein Hauptorgan der
Geftaltung und Bewegung des ganzen Körpers und einen feften Schug für das Rückenmark
abzugeben, durchgängig feſt. — Wirbelfäulenverfrümmungen find äußerſt felten angeboren,
in der Regel nach der Geburt erſt erworben und am häufigften bei blutarmen Mädchen, deren
fchlecht genährte Rüdenmusteln zu fehr oder auf falfche Weiſe (befonders beim Sigen) ange
firengt werden. Man unterfcheibet eine Verkrümmung nach der Seite (Scoliofe), eine nach
vorn (Lordofe, Senkrücken) und eine nach hinten (Kyphofe, Höder, Budel). Eine jede diefer
Verkrümmungen ruft nach und nach im benachbarten höher oder tiefer gelegenen Theile des
Nückgraths, um das Gleichgewicht in der WBirbelfäule wieder herzuftellen, eine Verkrümmung
nach der entgegengefegten Seite hervor, und diefe heißt die compenfirende. So erzeugt z. D. eine
Seitenverkrümmung ber Bruftwirbel nach rechts eine Scoliofe der Lendenwirbel nad links
u. ſ. w. Die Seolioſe, die häufigfte und meiftens nach recht® im Brufttheile der Wirbelfäule
(mit linBfeitiger compenfirender Scoliofe bes Lendentheild und Beckens) entftchende Verkrüm ⸗
mung wird veranlaßt durch active Muskelretraction, einfeitige Lähmung der Einathmungs⸗ und
Nückenmuskeln (befonders nad; Bruſtfellentzündung), ſowie Durch einfeitige (chachitifche oder
eopalgifche) Misgeftaltung des Beckens. Bei jeber beträchtlichen Seitenkrümmung findet auch
eine Drehung ber Wirbel um ihre Achfe ftatt, und zwar nach der Seite hin, nach der die Krüm⸗
mung ftattfindet: die Wirbelkörper fehen nach der Gonverität, die Dornfortfäge nach der Eon-
sanität der Krümmung.. Kyphoſe ift als bogenformige Krümmung der Rückenwirbel Folge
hohen Alters und von Stnöchenerweichung und wird auch als wirkliche Krümmung durch
Krankheit der Wirbel und Wirbelkörper (Entzündung durch Knochenfraß) erzeugt. Lordoſe
kommt gewöhnlich an den Lendenwirbeln und hier faft ſtets als eine confecutive vor. Sie com-
penfirt als folche entweder eine Kyphoſe oder die durch Rhachitis, angeborenes Hinten, Goral-
gie herbeigeführten Abweichungen des Beckens. Sie ftammt bisweilen von Caries der Wirbel.
Die Heilung aller dieſer Verkrümmungen ift äußerft fchwierig und läßt fich eher noch durch Die
gymnaſtiſche Curmethode ald durch Apparate erzielen. (&. Orthopaͤdie.)
Wirklich und Wirklichkeit gehören zu den Begriffen, welche Jedem unmittelbar Mar zu
fein feheinen und über welche dennoch die Philoſophie mit ber gewöhnlichen Anſicht der Dinge
feit Jahrtaufenden in Streit liegt. Das Wirkliche iſt für die gewöhnliche Auffaffung zunächſt
das Dafeiende und in Raum ober Zeit Vorhandene, im Begenfage zu dem blos Gedachten ober
Eingebildeten. Scheint daher bie Wirklichkeit, d. 5. der allgemeine Begriff biefes Vorhanden⸗
ſeins, auf die Natur und Gefchichte befchräntt zu fein, fo fchreibt man doch im gewöhnlichen
Sprachgebrauche auch ben Gedanken, innern Bildern, Ideen, ja felbft den Träumen, infofern fie
wirklich gebucht oder auch nur geträumt werben, Wirklichkeit zu. So leicht nun auch die Bemer-
ung ift, daß man dann den Act des Denkens, bed Träumens u. ſ. w. als wirklichen meint, nicht
aber den Gegenſtand deffelben für wirklich hält, fo liegt doch in der Hierbei möglicherweife ftatt-
findenden Bermechfelung der natürliche Anfangspuntt der Streitigkeiten Darüber, ob das Ge⸗
dachte ald folches Wirklichkeit Habe ober nicht. Dieſe Streitigkeiten werben dadurch noch ver-
widelter, Daß bie wiffenfchaftliche Beflerion ſehr bald zu der Überzeugung kommt, baf bie Ge⸗
genftände der äußern und innern Wahrnehmung durch ihre Eigenfchaften (Barben, Töne
u. f. w.) nicht unmittelbar das wahrhaft Seiende, das Wirkfiche im metaphyſiſchen Sinne des
Worts barftellen. Wie weit fich die Philofophie veranlaßt gefehen hat, in biefer Beziehung von
ber gewöhnlichen Anficht abzuweichen, lehrt das Beiſpiel des Idealismus (f. d.) und des Iden⸗
titätsfofteme Schelling s, ſowie Hegel'd Sag: Was vernünftig ift, ift wirklich; und was wirklich
Tr münftig. — In einem engem Sinne verfteht man unter Wirklichkeit das Ganze ber
Wirknug | Wirth (Joh. Uri) ⁊ 301
menfchlichen Verhältniſſe, wie fie ſich nun gerade geſtaltet Haben und den Einzelnen hemmen
und fördern. Der allgemeine Gegenfag der Wirßtichkeit iſt danm im Leben und in der Kunſt
das Ideal (f.d.), gleichviel ob es ein wahres ober ein falfches ift. Schreibt man dabei dem Idea-
len wieder eine höhere Wirklichkeit zu (ein feltfamer Begriff, da etwas, mas wirklich ift, nicht
mehr oder weniger wirklich fein kann), fo betritt man wieder das Gebiet jener philoſophiſchen
Streitigkeiten, von welchen die Geſchichte biefer Wiffenfchaft Zeugniß ablegt.
Wirkung, f. Eaufalität.
Wirth (Joh. Georg Aug.), politifher Schriftfteller, geb. 1799 zu Hof an der Saale in
Baiern, zeigte ſchon früh im bair. Staatsdienfte jene Unbeugſamkeit des Charakters, womit er
“als poſitiſcher Schriftfteller in die Reihen der Oppofition trat. Er ging 1831 von Baireuth
nah Münden, um bafelbft während des Landtags feine Zeitfchrift „Der Kosmopolit” fortzu⸗
fegen, die er aufgab, als ihm Gotta die Herausgabe ber Zeitfehrift „Das Inland” übertrug.
Damals bekannte er fich zu den Brundfägen ber conflitutionellen Monarchie mit Preßfreiheit
und empfahl die Einführung von Schwurgerichten, (Bewerbfreibeit, einer Rationalban? und
andere die Volksentwidelung begünftigende Inftitutionen. Indeſſen ſah er ſich unausgeſetzt mit
der Genfur im Conflict, und dies wie manche Angriffe fleigerten feinen oppofitionellen Eifer
und führten ihn dem Republikanismus zu. Seit 1852 gab er zu Homburg in Rheinbaiern die
wegen ihrer kühnen Sprache viel Auffehen erregende, Deutſche Tribüne” an der Stelle bes „In-
land’ heraus, die jedoch ſchon im März 1852 vom Bunbestage verboten wurde. In einem
„Aufruf an die VBaterlandöfreunde in Deutfchland” erflärte fi nun W. für das Princip der
Volksſouveraͤnetät, als der Grundlage der politifchen Umgeftaltung Deutfchlande. Bei bem
Sefte in Hambach (f.d.) hielt er eine Rebe über Deutſchlands Nationaleinheit und foberte zu
einer Verbindung auf, bie unter dem Schirm ber Gelege den Kampf für Reform beginnen
follte. Am Schluffe ber Rede überreichten ihn: einige Srankfurter ein Schwert ald Ehren⸗
geſchenk. ZB. wurde indeffen nebfl andern Theilnehmern an den: Feſte (f. Stebenpfeiffer) im
Suni 1832 verhaftet und nach Zweibrüden gebracht. Während feiner Haft fchrieb er eine Flug»
ſchrift „Die politifche Reform Deutfchlands” (Strass. 18352). Endlich wurde er im Aug.
1835 von dem Schwurgerichte zu Landau von ber Anklage wegen Aufreizung zum Umflurz
ber deutſchen Verfaffung zwar freigelprochen, aber vom Zuchtpoligeigericht wegen Beleidigung
inländiſcher und ausländifcher Behörden im Nov. 1833 zu zweilähriger Haft verurtheilt. Bei
feiner Abführung durch Gendarmen in das Gefängniß zu Kaiferslautern machten Berwaffe
nete ben vergeblichen Verſuch feiner Befreiung. Nach überftandener Strafe ward W. im
Dec. 1835 nach Paſſau gebracht, um dort noch eine Kontumazftrafe zu erleiden. Er durfte fo»
dann unter poligeilicher Aufficht in Hof leben, von wo er 30. Dec. 1836 nach Frankreich flüch-
tet:. Später wandte er fich nach Thurgau in der Schweiz und bier redigirte er einige Zeit „Die
deutfche Volkshalfe”. In feiner Kerkermuße machte er ben misglückten Verſuch, dad Kepler-
Newton'ſche Weltfyftem durch eine eigene Theorie zu verdrängen. Außer den angeführten
Schriften veröffentlichte er no: „Bragmente zur Eulturgefchichte” (2 Bde., Kaiferst. 1835),
„Die politifch-reformatorifche Richtung der Deutfchen im 16. und 19. Jahrh.“ (Bellevue 1841)
und die „Deutiche Geſchichte“ (4 Bde., Stuttg. 1845— 45; 2. Wufl., fortgefegt von Zim-
mermann, 1846—55). Im J. 1847 erhielt WB. die Erlaubniß zur Rũckkehr nach Baiern,
ließ ſich aber in Karlsruhe nieder, wo er das „Deutfche Nationalblatt” in conflitutionellenion-
archiſcher Richtung begann. Er ward 1848 in den reuß. Fürſtenthümern in die Deutfche Na⸗
tionalverfammmlung gewählt, ftarb aber ſchon 26. Juli 1848.
Wirth (Ich. Weich), deutfcher Philofoph, geb. 17. April 1810 zu Dizingen im Oberamt
Leonberg in. Würtemberg, genoß feine erfte Erziehung auf der lat. Schule in Weinsberg und
auf dem Seminarium zu Schönthal und ftudirte von 1828—33 als Zögling des evang. Stifte
zu Tübingen Philofophie und Theologie in einem für Wiffenfchaft jugendlich begeifterten Freun⸗
deskreiſe, welchem unter Andern Reiff und ähnliche firebende Geifter angehörten. Nach Weins⸗
berg zurückgekehrt, wo ew ald Gehülfe des dortigen Dekans eine Anftellung fand, fah er ſich
durch die magnetifchen Curen des Juftinus Kerner (f.d.) veranlaßt, gegen einige unlautere und
phantaſtiſche Elemente im Somnambulismus aufzutreten, woraus feine Schrift „Theorie des
Somnambulismus” (2ypz. und Stuttg. 1836) hervorging. Unterbeffen war W. in Kleingare
tach, zufolge des dort noch geltenden Wahlrechts der Gemeinde, zum Stadtpfarrer ges
wählt worden. Hier nun trat er mit feinem „Syſtem der fpeculativen Ethik“ (2 Bde,
Heilbr. 1841—42) hervor, welches als die erfie Leiflung in einer Kerte von neuern Bearbei⸗
tungen biefer Wiſſenſchaft anzufehen ift, unter denen neben ihm vorzüglich Richard Roche, Chr
302 Wirthſchaftsſyſtem Wiſchni ˖Wolotſchok
IHbäus und J. H. Fichte zu nennen find. Seit 1842, wo W. auf die erſte geiſtliche Stelle zu
Winnenden befördert wurbe, erfchienen ferner von ihm: eine Schrift über „Die fpeculative Idee
Gottes“ (Stuttg. und Züb. 1845); eine Reihe. von Abhandlungen in verfchiedenen Zeitfchrife
ten, insbeſondere eine „Über bie Affinität als Princip der Bildung und Bewegung der Him-
melstörper” in ben Noack'ſchen Jahrbüchern; „Philoſophiſche Studien” (2. Aufl., Stuttg.
41854). Seit 1852 iſt W. zufammen mit I. H. Fichte und H. Ulrici Herausgeber der erneuer-
ten Fichte ſchen · „Zeitſchrift für Philofophie und philofophifche Kritik“. W.'s philofophifche
Methode ift aus der Hege’fchen hervorgegangen, unterfcheidet ſich aber von ihr in weſentlichen
Punkten. In der Ethik verwirft er zwar mit Hegel ben Dualldmus von Moral und Recht, wie
er bei Kant und Fichte aufgetreten war, wiberfegt fich aber auch ebenfo fehr ber Aufhebung ber
Moral im Begriffe des Staats. Vielmehr vollendet ſich ihm Die fittliche Idee in drei Sphären:
nämlich der ſubjectiven Sittlichkeit im Einzelleben, in ber Freundſchaft und Ehe; der objectiven
Sittlichkeit im Staate; der abfoluten Form ber Sittlichkeit ald wiſſenſchaftlich, religiös und
fhönfittliches Leben. Übrigens hält er an ber bialektifchen Methobe feft, mit dem Brunbfage,
baf das Denken vermöge feiner innem Selbſtbeſtimmung ſchon ein Denken des von ihm
verfchiedenen Seins fei, ohne erft aus fich heraus und zur Erfahrung übergehen zu müffen, laßt
aber der dialektiſchen Methobe eine inductive Methode der Beobachtung felbftändig gegenüber-
treten, als realphiloſophiſche Erkenntniß oder Philofophie der Natur. Im Gebiete ber Freiheit,
als dem idealen Wiſſen, welches fi) auf ein Seinfollen bezieht, in Religion, Kunft und Sitt-
lichkeit unterfcheidet ex ſich dadurch von Degel, daß ihm nicht ber theoretifche Standpunkt bes
Wiſſens, fondern der praktifche der Ethik als das Princip gilt, woran alle Lebensformen als an
ihrem legten Zweck gemeffen werben müffen.
Birtpfebaftefpiiem nennt man bie Eintheilung der Aderlänbdereien in Bezug auf bie
Ordnunz und das Berhältniß, in welchem fie gebüngt, mit verfchiebenen Früchten beftellt und
benugt werden follen. Verwechſelt wird oft Wirtbfchaftsfuftem mit Sruchtfolge (f.d.). Beide
find aber wefentlich voneinander unterfchieden, indem bie Lehre von ber Fruchtfolge nur anzeigt,
in welcher Orbnung und Folge bie Iandwirthfchaftlichen Gewächſe nacheinander angebaut wer-
ben follen, um von ihnen mit der geringften Mühe ben möglich größten Ertrag zu erlangen.
Die Hauptrüdficht bei jedem Wirthſchaftsſyſtem iſt, Hinreichendes Material zur Erzeugung
derjenigen Düngermaffe zu erlangen, die zur Erhaltung, auch wol Vermehrung ber Bobden-
kraft erfoderlich iſt. Ob dieſes Material ausfchliegend auf Wiefen und Beiden oder auf dem
Ader felbft im Wechfel mit andern Früchten erzielt wird, macht den Hauptunterfchied zwiſchen
den Wirthſchafts ſyſtemen aus.
Wisby, der Hauptort auf der ſchwed. Inſel Gottland (f.d.), an ber Weſtküſte, war im Mit-
telalter ein fehr wichtiger, zur Danfa gehöriger Handelöplag und fein Seerecht aus dem 13. Jahrh.
in dem ganzen Norden eingeführt. Die Stadt zählt jegt A600 E., die noch immer lebhaften
Handel treiben. Sie ift der Sig eines Bifchofs und eines Gymnaſiums und zeige die Ruinen
großer Gebäude und vieler Marmorarbeiten. Die Kirchen find meift aus dem 114. und 12.
Jahrh., prächtige goth. Bauwerke, befonders die 1046 vollendete Deiligegeiftkicche und bie 1190
vollendete Marienkirche.
Wiſchehrad (fonft altflaw. und böhm. wyschehrad, poln. wyszogrod, ruth. wyszehorod)
ift die Benennung von zahlreichen Localitäten, namentlich Städten und Burgen in allen flaw.
Ländern. So heißt namentlich die urfprüngliche Nefidenzburg Böhmen, jegt ein Stadttheil
von Prag, Wiſzehrad, der Sig der Fürftin Lubufcha, bie ein Lied ber Königinhofer Handſchrift
befingt. So komme bei Konftantinus Porphyrogenneta im 40: Jahrh. ein Wiſchehrad unweit
ber Stelle vor, wo jegt Kiew fteht; fo in Polen die ehemalige Mefidenz von Mafovien Wyſzo⸗
grob und andere mehr. Das Wort heißt genau fo viel als das deutſche Hochburg und ift aus
der Wurzel wys (wysch), d. h. hoch, und ber Wurzel hrad (in dialektifcher Form grad,
grod, gorod), welche eigentlich Zaun, Umgrabung, Burg und fchlechthin auch Stadt bedeutet
und vollkommen dem beutfchen gard entfpricht, zufammengefegt. Der legtere Worttheil dient
überhaupt zur Bildung einer unzähligen Menge von Ortönamen, bie meiftentheild auf eine von
Natur oder durch Kunft befeftigte Lage hinweiſen, fonft auch überhaupt nureine Stadt bezeichnen.
Wiſchni⸗Wolotſchok oder Wyfchnij⸗Wolotſchok, Kreisftadt im ruff. Gouvernement
Twer, an der Ina und an dem die Ina mit ber nahen Twerza verbindenden, 4 M. langen,
1704 —12 angelegten Kanale, ſowie an ber großen Poſtſtraße und der neuen Eifenbahn, welche
Peteröburg (48, M. in Rordweften) und Moskau (39 M. im Güpoften) verbindet, in einer
durchaus flachen Gegend gelegen, ift regelmäßig gebaut, hat ein ſchönes Kaufhaus, einen alten
5 ——
Wiſchnũ Wibconfin 303
Zarenpalaſt, eine große Kathedrale, mehre andere Kirchen und 9125 (1851) fehr gewerbthä-
tige und wohlhabende Einwohner. Den Haupterwerb zieht die Stabt aus der bier durchgehen⸗
den Waſſerfahrt, indem bier der Knotenpunkt des nach der Stadt benannten Wiſchni⸗
Wolotſchokiſchen Kanalfyftems fich befindet, welches eine durch 406 Pleinere und größere
Flüſſe, 78 Seen und verfchiebene Kanäle und Wafferleitungen vermittelte Communication
wifchen der Wolga und Newa oder dem Kaspifchen Meere und der Oftfee herſtellt. Der ganze
—28* von Petersburg bis Aſtrachan beträgt über 500 M., von Petersburg bis Ry-
binst 188 M., und die Hauptftapelpläge, welche auf der lehtgedachten Tour paffirt werben,
find außer Petersburg und Rybinsk die Städte Nowaja-Ladboga, Nomwgorod, Borowitſchi,
Wiſchni⸗Wolotſchok, Twer, Kortfchewa, Uglitfch und Mologa. Bei der Stadt befindet fich in
einem Gehölze ein wunberthätiger, mit einem Heiligenbilde geſchmückter Brunnen nebft einer
Kapelle, deren Priefter bie vielen Gaben, welche in den Brunnen nach alter Bitte geworfen
werden, von Zeit zu Zeit herausnimmt.
Vifchnu, fo viel wie Viſchnu, |. Indiſche Neligion.
Wisconfin, einer der jüngften und am fehnellften aufblühenden Staaten der nordamerik.
Union, im W. und SW. durch den Ste.-Eroig und Miffiffippi von Minefota und Jowa gefchie-
ben, im S. an Sllinois, im D. an den Michiganfee, in NO. und N. an den Staat Michigan
und den Oberfee grenzend, hat ein Areal von 2345 AM. Dies weite Gebiet, früher blos von
Indlanerftämmen bewohnt und zu Michigan gerechnet, wurde 1836 von biefem getrennt und
als eigenes Territorium organifirt, 9. Febr. 1847 aber als Staat in bie Union aufgenommen.
Der Spiegel des Michiganſees, der hier die tief einfchneidende Greenbai bildet, liegt etwa 563 8.
über dem Meere. Die Oberfläche des Staats ift überall wellenförmig, nicht hügelig, viel weni«
ger gebirgig. Eine merkwürdige Vertiefung durchzieht das Rand in fübmeftlicher Richtung von
der Greenbai nach dem Miffiffippi und bildet das Bett des For-Niver, des Winnebagofeed und
des untern Wisconfinfluffes. W. ift mit Quellen, Bächen, Flüffen und Seen überfäet. In den
bier bereits ſchiffbaren Mifftffippi ergießen fich der Ste.-Croig, Chippeway, Sappah oder Blad-
River und der 87 M. lange Wisconfin, bie fämnitlich fchiffbar find. Der Nod-River gehört
nur theilweife bem Staat an. Mit dem Wisconfin ift der Neenah- oderKor-Niver jegt burch einen
Kanal verbunden, welcher eine fahrbareelBafferverbindung von 78 M. Länge zmwifchen dem Mi«
higanfee und dem Miffiffippi herftellt. Das Klima des zwifchen 42'%" und A7'hr’ n. Br. gele-
genen Staats ift anerfannt das gefundefte ber weftlichen Staaten. Die Sommer find nad) Tem⸗
peratur und Dauer geeigriet, ale Naturprobucte diefer Breitengrade zur Reife zu bringen; aber
fie find nicht drückend heiß. Die Winter find gleichmäßig und kalt, aber nicht rauh und zu ſtreng;
bie Herbfte ſprichwörtlich herrlich. Für den Aderbau bietet W. ein überaus günftiges Terrain.
Jede Art der Landwirthſchaft, welche biefer Zone angemeffen, fann mit dem günftigften Erfolg
betrieben werben. Schon 1850, wo erft 1,045500 Acres (77 AM.) oder Ys ber Bodenfläche
bebaut waren, wurde in Maffe Weizen und Mais ſowie anderes Betreide, auch Hanf und Flachs,
Zabad, Obſt und Wein erzeugt. Ungeheuere Weidepläge und Prairiengewähren zudem ber Vieh»
zucht großen Vorſchub. Won bedeutender Ausdehnung find auch die Waldungen, die viel Bau-
holz und Ahornzuder liefern. An Wildpret aller Art wie an Fiſchen ift Überfluß. Groß zeigt
ſich auch der Reichtum an Metallen. Bon dem 136 AM. großen Obern Miffiffippi-Bleidi«
ftrict, der fih auch über Illinois und Jowa erſtreckt, gehören über 105 AM. zu W. das feit
41841 —52 jährlich im Durchſchnitt 41°/ Mill. Pf. Blei lieferte. Die Kupferminen, bie zu der
Megion des Oberfees gehören, genießen ebenfalls eines bewährten Rufs. Die Eifenlager
find bisher noch nicht in bedeutender Ausdehnung eröffnet. Überbied befigt das Land für Fa⸗
britanlagen einen Überfluß an Wafferkräften. Außer den ſtark producirenden Mehl- und Säge:
můühlen zählte man fchon 1850 1237 Fabriken und ſolche Manufacturen, bie jährlich 500 Doll.
und darüber abmerfen, darunter 16 Eifenwerke. Für ben Handel, ber bereit viel Getreide,
Fleiſch und Kupfer ausführt, Hat W. die vortheilhaftefte Rage eines Binnenlandes. Es ſteht
Durch die Seen Superior, Michigan, Huron, Erie, Ontario und fo durch den St.Lorenzſtrom,
durch die ſich an diefelben anfchließenden Kanäle und Eifenbahnen in directefter und Iebhaftefter
Berbindung mit dem Often. Regelmäßige Dampfbootlinien durchkreuzen, vermifcht mit zahlloſen
Segelſchiffen, den Michigan. Im Innern wird die Communication durch Stein- und Planten-
chauſſeen (plank roads) vermittelt, und Anfiedelungen, Städte, Kanäle, Hafenbauten, ſowie
Eifenbahnen, von denen 1853 drei mit 42 M. Länge vollendet, 98 M. aber im Bau begriffen
waren, fchreiten rafch vorwärts. Überhaupt ift das Land, vor wenig Jahren nod) eine Wildni“
Durch das Zuftrömen ftrebfamer Einwanderer in Burger Zeit zu einer wunderbaren Entir
201 Biſelius
lung gelangt und verſpricht für die Zukunft Bedeutendes. Die Zahl der Einwohner belief ſich
1850 auf 3245, 1840 auf 30947, 1845 bereits auf 140000, 1850 ſchon auf305191 (worun«
ter gegen 100000 Deutfche, 20000 Norweger und 626 freie Sarbige), 1853 auf mehr als
400000 Seelen. Diefelben wohnen am dichteften im füblichen Theile an und jenfeit der be-
zeichneten Bodenſenkung und großen Waſſerſtraße. Dies Gebiet hat bis jegt wegen feiner gro-
Ben Fruchtbarkeit die flärkite Anziehungskraft auf die europäifche Einwanderung geübt und
die größte Cultur entfaltet. Für den öffentlichen Unterricht und bie Erziehung hat die Negie-
rung des Staats viel Sorge getragen. Im J. 1850 beftanden 2 höhere, 20 mittlere und 2350
niedere Schulen. Am Schluß des 3. 1851 betrug die Zahl der die Schule Beſuchenden 79869
und der Schulfonds 765109 Doll. Letzterer wirb in Folge der Anweiſung ausgebehnter Län⸗
dereien und des Erlöſes aus deren Verkauf mit ber Zeit 5, Mil. Doll. erreihen. Die Staats-
verfaffung gewährt das Stimmrecht allen 213. alten Bürgern ber Union, allen Fremden, welche
ihre Abficht, Bürger werden zu wollen, erfärt haben, und allen civilifirten Indianern und in
dianifchen Mifchlingen. Das Haus der 5A Repräfentanten wird auf ein, ber Senat von 18Mit-
gliedern auf zwei Jahre mit jährlihem Austritt einer Hälfte, der Gouverneur, der 1250 Doll.
Gehalt hat, ebenfalls auf zwei Jahre erwählt. NRepräfentanten zum Congreß fchidt der Staat
drei. Die Finanzen befinden fi in gutem Zuftande. Die Einnahmen für das J. 1851 belie-
fen fi auf 184056, die Ausgaben auf 171667, ber Überfchuß alfo auf 12369 Doll. ; der Ge⸗
fammtmerth des fteuerpflichtigen Grund⸗ und perfönlichen Eigenthums auf 27,647264, die
von demfelben erhobene fogenannte Dreimillionfteuer 82940 Doll Banken waren bis zum
1. Jan. 1852 noch nicht handen. Der Staat wird, nachdem das den Menomonis abgekaufte und
feit 1847 zuerſt befiedelte fogenannte Inbianerland 1853 zu ſechs neuen Counties abgegrenzt
worben, in 33 Counties ober Bezirke getheilt. Die bebeutendfte Stadt ift Milwaukee (ſ. d.);
Sig, der Regierung aber ift Madifon, auf einer Halbinfel zwifchen zwei Seen in herrlicher
Gegend, halbwegs zwifchen dem Michiganſee und dem Miffiffippi gelegen, mit 3008 €. und
der Wisconfin-Univerfität. Eines frifchen Gedeihens erfreuen ſich am Michiganſee bie Han⸗
dels ſtädte Southport mit 5000 E. und bedeutender Weizen und Mehlausfuhr, Racine mit
5111 E,, Sheboygan mit 3000 E. und Manitouwoe, der größte Stapelplag für Bauholz,
mit 1200 E. Auch Greenbai an der Mündung des For in die Greenbai hat lebhaften Handel,
ein Fort und 1200 E. Südweſtlich von Madifon liegt die Stadt Mineralpoint, in der Nähe
vieler Blei- und Kupferminen, mit 7000 €. und Bleifchmelzyütten ; nördlich davon, am Wis⸗
eonfin, Selena mit dem berühmten Wisconfin-Schrotthurm, in dem täglich 5000 Pf. Schrot
gegofien werden. Am Rod-River liegt Janesville, die volkreichfte der innern Städte und ig
der Staatsanftalt für Blindenerziehung. Um Miffiffippi ift die bedeutendfte Stabt Prairie
du Ehien, 1 M. oberhalt der Mündung des Wisconfin, mit 3000 E.
Wifelins (Sam. Iperuszoon), Hol. Dichter, geb. 1769 zu Amfterbam, flammte aus einer
Familie von urfprünglich engl. Adel, Whiſel of Orkney, die feit 1416 in Holland blühte, und
war der Sohn eines Oberften der Schuttern, der ſich in die Unruhen von 1787 verwidelte. W.
"befuchte das Athendum zu Amfterdbam, ſtudirte Die Rechte zu Leyden und Göttingen und ließ ſich
1792 ald Sachmalter in Amfterdam nieder; doch fehr bald entfagte er diefem Berufe und fing an
Handelsgefhäfte zu treiben. Als in Folge der Franzöſiſchen Revolution der entfcheidende Augen⸗
bli für die Föderativregierung der Vereinigten Provinzen nahte, wurde auch WB. für bie Grund»
füge der Freiheit gewonnen. Seine politifhen Befinnungen wie feine Gefchäftsgemandtheit
brachten ihn in bedeutendes Anfehen. Er wurde Mitglied der Provinzialregierung von Holland,
zog fi) aber bald in ben Ausfchuß für die Angelegenheiten der Eolonien zurück, ber fpater der
Aſiatiſche Rath hieß, eine Behörde, bie an die Stelle ber Oftindifchen Compagnie trat. Als fi
1802 die alten Drangiften und die gemäßigten oder ariftofratifchen Patrioten näherten, verlor
W. feine Stelle unter dem Vorwande, daß er jme Behörde umgefchaffen habe. Er nahm nım
wieder fein Handelögefchäft vor, befchäftigte fich aber zugleich mit den Wiffenfchaften und der
Dichtkunſt. Nach der Throndefteigung des Königs Ludwig zog er fich auf das Land zurück, mo
er auch nad) der Vereinigung Hollands mit Frankreich blieb. W. nahm fodann eifrigen An-
theil an der Wieder herſtellung feines Vaterlandes und wurde 1814 Vorſtand der Polizei zu Am⸗
ſterdam. Um dieſelbe Zeit waͤhlte ihn das Inſtitut zum Secretär der zweiten Claſſe. Er ſtarb
in Amſterdam 15. Mai 1845. Waͤhrend feiner langen Zurückgezogenheit hatte ex ſich mit Eifer
der Literatur gewidmet, befonders der Poefie. Seine Dden, Epifteln, dibaktifchen Gedichte und
"rfpiele zeichnen ſich durch geläuterten Gefhmad und große Sprachgewandtheit aus. Die
und Römer ſchwebten ihm ſtets ald Mufter vor. In feiner Tragödie „Polydorus”
mn zu we au — u — — — — — — 1700
Wiſeman Wislicenus 305
(1814) brachte ex, ohne blod Überfeger zu fein, den Geiſt des Euripides auf die holänd. Bühne.
Diefelbe claſſiſche Strenge herrfcht in feinen übrigen Schaufpielen, 3.8. im „Son”. Seine
Zrauerfpiele und eine Auswahl feiner übrigen Gedichte erſchienen ımter dem Xitel „Mengel-
en tonneelpoezij” (5 Bde., Amft. 1813 — 22); daran fchloffen fich als fechster Band bie
„Nieuwe gedichten” (1833). Außerdem gab er heraus „Verdeedigiag van het gedrag van
Prins Willem Il. tegen Amsterdam in 1651” unb bie intereffante Schrift „Tafereel van de
' staatkundige verlichting der Nederlanderen”.
Wiſeman (Nicolas), Haupt der röm.-Bath. Kirche in England ımb Präfect der Eongrega-
tion der Propaganda, wurde von irländ. Altern zu Sevilla 2. Aug. 1802 geboren. Roc ſehr
jung brachte man ihn nach England, wo er feine Erziehung im Bath. &t. - Guchbertscollege
zu Uſhaw bei Durham erhielt. Er vollendete feine Studien auf bem Engliſchen Gollegium in
Rom, lieh ſich dafelbft zum Priefter weihen und war eine Zeit ang Profeſſor an einem dortigen
Seminar. Als Rector von Uſhaw kehrte er 1835 nach England zurüd und erwarb ſich Durch
öffentliche Vorträge über mannichfache wiftenfchaftliche Gegenftänbe ben Ruf eines aufgeflär-
ten Geiftlichen. Er reifte indeß bald wieder nach Rom, wo er ten Papſt Gregor XVI. bewog,
bie Zahl der apoftolifhen Vicare in England zu vermehren. W. felbfi warb Coadjutor bed Vi⸗
cars der londoner Diöceſe Walfh und Präfident des St.Mary's⸗College in Dscott, in wel⸗
her Eigenfchaft er große Thätigkeit entwidelte und ben Entwurf zur Reftauration einer Path.
Hierarchie in England ausarbeitete, den er 1847 Pius IX. perfönlich vorlegte. Die Unruhen,
Die bald darauf in Italien und im übrigen Stalten ausbrachen, vergögerten die Verwirklichung
dieſes Plans; doch ward WB. zum Provicar und nad) dem Tode Walſh's zum apoftolifchen
Bicar in London erhoben. Als ſich inzwifchen die politifchen Verhaͤltniſſe günfliger geftaltet,
reifte W. im Aug. 1850 abermals nady Rom, wo er in einem 30. Sept. abgehaltenen Conſiſto⸗
rium zum Cardinal von St.-Pudentia, ſowie zum Erzbifhof von Weſtminſter und Primas
der Path. Kirche in England ernannt wurde. Die Kunde von Diefen Schritte, den man als einen
birecten Angriff Roms auf die proteft. Kirche betrachtete, rief in England eine außerordentliche
Agitation hervor, und es wurde durch eine Parlaments aete umter ſchweren Strafen verboten,
bie von einem fremden Potentaten verlichenen bifchöflicden Titel zu führen. (S. Großbritan⸗
nien.) Dieſes GBefeg blieb zwar ohne nachhaltige Wirkung, da es leicht umgangen werben
Tonnte; doch hatte das Verfahren der rom. Eurie die öffentliche Meinung auf das Umfichgrei-
fen des Katholicis mus aufmerffam gemacht, befien Fortſchritte bisher im Stillen vor ſich ge
gangen unb durch das Licht ber Öffentlichkeit keineswegs befördert wurden. Man kann baher
mit Recht behaupten, daß die von W. im Intereſſe feiner Kirche angerathene Mafregel cher
bad Begentheil des von ihm beabfichtigten Erfolge zuwege gebracht hat. Lbrigens benahm ſich
IB. während der ganzen Zeit mit vieler Klugheit und hielt ſich möglichft im Hintergrunde, bie
der erfle Sturm vorüber war. Indeſſen verwidelte ihn die Sorgfalt für die finanziellen Inter-
effen feiner Kirche in einige ärgerliche Händel, denen ex im Herbſte 1853 durch eine neue Reife
nad Rom auswich. Gr predigte hier unter großem Zulauf in engl. und ital. Sprache umb lief
es ſich namentlich angelegen fein, die in Stalien reifenden Briten in die kath. Kirche zurückzu⸗
führen. Im Frühjahr 1854 kehrte er nad) England zurüd, wo er, wie früher, an mehren Orten
BVorlefungen hielt, die vom Publicum mit Beifall aufgenommen wurden. Zwei foldye in Liver⸗
pool und Manchefter gehaltene Reden erfchienen unter bem Titel „On the connection between
the arts of design and the arts of produetion” (ond. 1854). Bald darauf hielt er auf Ein⸗
ladung des Comite für die pädagogifche Ausftellung in London Vorträge über bie Erziehung
und die Lectüre der untern Glaffen, die jedoch meniger Anklang fanden, weil man in feiner Hin
weifung auf die Maßregeln ber franz. Regierung zur Unterdrückung irreligiöfer und unfittlicher
Schriften den Verſuch zu einer Büchercenfur erblidlte. Außerdem bat man von ihm „Twelve
lectures on tbe connection between seienoe and revealed religion” (2 Bde., 3. Aufl, Lond.
1849) und „Essaya on various subjects” (3 Bde., Lond. 1853).
BWislicenus (Guft. Adolf), bekannt als rationaliflifcher Geiſtlicher, wurde 20. Nov. 1803
in Battaune bei Eilenburg geboren, we fein Bater Paſtor war. Gebildet auf den Gymmafien
zu Merſeburg und Halle, ftudirte er feit 1824 in Tegterer Stadt Theologie, kam aber 1824 al®
Burſchenſchafter in Unterſuchung, wurde zu zwölf Jahren Feſtungsarreſt verurtheilt, jedoch nach
vier Jahren begnadigt. Sm J. 1834 erhielt er das Pfarramt zu KHein-Eichftädt und Greckſtädt,
1841 das an der Neumarkts kirche zu Halle. Er ſchloß ſich daun den Proteſtantiſchen Freunden
(f. Biätfreunde) an, nahm eifrig Theil an den Verſammlungen derſelben in Köthen und hielt
Gonv.-Ler. Zehnte Aufl. XV. 2 20
306 Bismar Wismuth
bier 29. Mai 1844 über die Autorität der Heiligen Schrift einen Vortrag, der den Profeffor
Bueride in Halle veranlafte, ben Standpunkt bes Redners als einen undhriftlichen zu bezeichnen
und die Kirchenbehörbe wiederholt zum Einfcgreiten gegen ihn aufzufodern. Eine Anzahl fehr
orthodoxer Beiftlicher ſprach die Ausfchliegung aus der Kirche über WB. aus und das Eonfifto-
rium ber Provinz Sachen foderte ihm fowol das Goncept feiner Rede in Köthen als auch das
feiner drei an ben legten Fefttagen gehaltenen Predigten ab. W. hatte aber in Köthen und an
den angegebenen Fefltagen nur freie Vorträge gehalten und konnte baher über biefe Vorträge
nur berichten ; zugleich aber gab er in ber kleinen Schrift „Ob Schrift, ob Geift?“ (Aufl. 1 —4,
Lpz. 1845) eine vollftändige Darlegung feiner Grundfäge. Die kirchliche Behörde berief ihn
darauf zu einem Colloguium, welches 5. Mai 1845 ftattfinden follte. 28. wies. diefe Auffode-
zung ab, mußte fich aber dennoch 8. Mai bem Golloguium zu Magdeburg unterwerfen, das 14.
Mai in Wittenberg wiederholt wurde. Die dazu abgeorbneten kirchlichen Beamten waren die
Gonfiftorialräthe Tweften, Snethlage, Deubner und Müller. Am Schluffe der Colloquien wurde
DB. veranlaßt, einen Urlaub zu nehmen, den man dann verlängerte, und unterm 12. Juli eröff⸗
nete man ihm, daß er wegen Abweichung von der Baſis und Orbnung der evang. Kirche in eine
Disciplinarunterfuchung gezogen werben folle. Diefe Unterfuchung brachte ihm Suspendirung
und 1846 Amtsentfegung. Seinen Proceß ftellte er in der Schrift „Die Amtsentfegung des
Pfarrers W. in Halle” (2p4.1846) dar. Bon jetzt an war er ald Prediger der Freien Gemeinde
(ſ. Freie Gemeinden) in Halle thätig ; doch verwidelte ex fich durch eine neue Schrift „Die
Bibel im Lichte der Bildung umferer Zeit” (Epz. 1855) in einen neuen Proceß. Einen ungün-
fligen Ausgang beffelben fürchtend, hatte er Preußen bereits verlaffen, als er im Sept. 1855
zu einer Gefängnißftrafe von zwei Jahren verurtheilt wurde. Er ging darauf nach Nordamerika.
Wismar, die zweite See» und Handelsftadt des Großherzogthums Medienburg- Schwerin,
liegt an einem Beinen Meerbufen, der hier einen ber beften Häfen ber Dftfee bildet, umd zähle
12000 E. die ſich von Handel, Schiffahrt (mit 47 eigenen Schiffen), Fiſcherei, Aderbau und
ben gewöhnlichen ftädtifchen Bewerben nähren. Zu W. mündet ein Zweig der mecklenb. Eifen-
bahn; auch ift bie Stadt durch regelmäßige Poſtdampfſchiffahrt mit Kopenhagen verbunden.
Ungeachtet ihrer günftigen Lage fteht jedoch IB. mit feinem Handel gegen Lübed und Roftod
fehr im Nachtheil. Die Ausfuhr befaßt fih mit den Randesprobucten, namentlich mit Getreide,
wovon jährlich A— 5000 Laſt (a 100 Scheffel) verführt werden, umd mit Butter und Vieh ; ber
Einfuhrhandel hat Steinkohlen, Bauholz, Kalt, Eifen u. ſ. w zum Gegenftande und iſt am
Iebhafteften mit Schweden. Für den Wollhandel befteht ein Wollmarkt. Bon Fabriken find
nur eine Eifengießerei und eine Eichorienfabrit zu nennen. Sonſt befindet fich in ber Stadt eine
Realfchule, ein Gymnaſium und ein Theater. Eine Seebabeanftalt ift auf der kleinen Infel
Walfifch errichtet. ZB., die vormalige Hauptſtadt de Stammlandes Mecklenburg und gleich
Roſtock eine reiche Hanfeftade mit vielen Privilegien und Freiheiten, wurde im Weſtfäliſchen
Srieden zugleich mit der Herrfchaft W., welche die zufammen etwa 6000 E. zählenden Doma-
nialämter Neuklofter und Poel, leſteres auf der vor dem Wismariſchen Meerbufen liegenden
gleichnamigen Infel, umfaßt, an die Krone Schweden abgetreten, wofür Medienburg als Ent-
ſchaädigung die Bisthümer Schwerin und Nageburg als weltliche Fürſtenthümer und unmittel«
bare Reichelehen erhielt. Im 3.1803 ward Stadt und Herrfchaft W. für 1,250000 Zhir.
(Hamb.) Banco von Schweben wiederum an Medienburg-Echwerin überlaffen. Die Stadt
war von ben Schweden ſtark befefligt und galt für eine ber vorzüglichften Feſtungen Deutſch ⸗
lands, hatte baher vielfache Belagerungen auszuhalten. Zur Zeit der Schwebenberrfchaft hatte
bier da6 Oberappellationstribunal für fämmtliche fchwed. Befigungen in Deutfchland feinen
ie In den Verband ber Lanbftände ift W. trog vielfältiger Verhandlungen noch nicht wie-
er eingetreten.
Wismuth, auch Bismuth, ein Metall von röthlichweißer Farbe und blätteriger Tertur, iſt
faft fo hart wie Kupfer, aber weder zäh noch geſchmeidig, ſondern fpröbe, fobaf es leicht gepul-
vert werben kann. Es ſchmilzt faft ebenfo leicht als Sinn und verflüchtigt ſich in der Glũhhide.
An der Luft oxydirt es leicht. Das Oxyd ift gelb. Das Wismuth iſt in der Ratur nicht
fehr häufig verbreitet. Es kommt am bäufigften in gebiegenem Zuſtande, beſonders im fädhf.
Erzgebirge und in Böhmen vor, feltener ale Wismuthglanz mit Schwefel, als Wiemuthblei
und Wismuthkupfer mit Blei oder Kupfer und Schwefel und ale Wismuthoder mit Gauer-
ftoff verbumden. Man gewinnt es einfach durch Ausfchmelgen oder Seigern bed gebiegenen
Wismuths. In der neuern Zeit gewinnt man auch das Wismuth in großer Menge ald Reben-
product in ben fogenannten Blaufarbenmwerten, in benen man Ridel und Kobaltblau darſtellt.
Wispel Wiſzniewſti 307
Das Wismuth wird zu einigen leichtflüſſigen Metalllegirungen, zu Spaniſch⸗Weiß (Siſmuth⸗
weiß, baſiſch ſalpeterſauerm Wismuthoxyd) und auch als Heilmittel verwendet. Es wird bei
ungleicher Erwärmung ſtark thermoelektriſch und daher zu thermoelektriſchen Apparaten ange»
wendet. Als Orxyd benugt man es mit Borfäure und Kiefelfäure geſchmolzen zuweilen bei der
Herftellung optifcher Bläfer. Die Legirungen des Wismuths zeichnen fich durch große Schmelz.
barkeit aus; fo fchmilgt eine Legirung von zwei Theilen Wismuth, ein Theil Blei und ein Theil
Zinn ſchon bei 75°. Eine ſolche Legirung benugt man zum AbHatfchen (Clichiren) von Holz.
ſchnitten, Stereotypen u. f. w.
MWispel oder Winspel, ein im nördlichen Deutfchland übliche größeres Getreidemaß: in
Preußen — 24 Scheffel, im größern Handel aber gewoͤhnlich — 25 uub bei Hafer = 26 Schef-
fel; in Hamburg meift — 10 Scheffel oder 20 Faß (= 20 preuß. Scheffel), bei Gerfte und
Hafer aber = 50 Faß; in Sachſen = 24 Scheffel; in Braunfdhweig — 40 Himten; in Boi-
genburg (Medienburg) — 8 Sad oder 48 Himten. An räumlihem Inhalt ift der Wispel
in den genannten Staaten und Orten abweichend, 3. B. in Sachſen mehr als doppelt fo groß
als in Preußen. .
Wiſſen beißt die Überzeugung von der Wahrheit eines Gedachten, welche ſich entweder auf
Sinnesanfhauung und Erfahrung gründet (Hiftorifches oder empirifches Willen), oder auf
mathematifche Zufammenhänge von Größe, Geftalt und Zahl (mathematifches Willen), oder
auf Die Begriffe des Verflandes und ihre Abhängigkeit voneinander (philofophifches Wiffen) ;
meift aber befteht es in dem Ergebniß aller dieſer Erkenntniſſe zuſammen. Im ftrengften Sinne
nennt man Wiffen die durch den Zwang einer logifchen Demonftration geficherte Überzeugung,
wie 3. B. die Überzeugung von der Richtigkeit eines geometrifchen Satzes, und alles Wiſſen in
diefem Sinne beruht auf Nothwendigkeit, d. h. auf Einfiht in die Unmöglichkeit bes Gegen-
theils, folglich immer auf Brunden, zu deren Anerkennung ein jeder mit Verſtand und gefun-
ben Sinnen Begabte fi innerlich gezwungen fühlt. Deshalb unterfcheidet man vom Wiffen
den Glauben (f.d.) als eine Überzeugung, welche auf fubjectiven Gründen beruht, nämlich ent-
weder auf innern Erfahrungen, 5. B. religiöfer Art, welche fich nicht durch Erperiment oder
fremdes Zeugniß beglaubigen laffen, oder auf gewiffen ebenfo wenig mittheilbaren Denkzuſam⸗
menbängen, wonad wir 3. B. in eine Perſon, mit welcher wir umgehen, ein unbebingtes Ver-
trauen fegen und hiernach handeln, obgleich wir nicht im Stande find, unfere leitenden Urtheile
hierbei in ſtrenge Beweis form zu bringen.
Wiſſenſchaft heiße zunächft das Wiffen ſelbſt als Zuftand des Wiffenden, fodann ber In⸗
begriff Defien, mas man weiß. Im engern Einne heißt Wiffenfchaft der vollftändige Inbegriff
gleichartiger, nach durchgreifenden Hauptgedanken geordneter Erkenntniffe. Diefe an fich bil⸗
den ben Stoff, bie Materie einer beſtimmten Wiffenfchaft. Das bloße gedächtnigmäßige Wiſſen
dieſes Stoffe ift Gelehrſamkeit (f. d.) im untergeordneten Sinne des Worts. Cin bloßes Ag-
gregat rein empirifcher Erkenntniffe ift Daher noch nicht Wiſſenſchaft, befommt aber durch die
doppelte Rückſicht auf VBolftändigkeit und Ordnung fchon einen wiſſenſchaftlichen Charakter,
wie z. D. in der Heraldik und Genealogie, der Botanik, Mineralogie u. ſ. w. So ſuchen ſich na⸗
mentli die legtern zu Claſſenſyſtemen auszubilden. Der durchgreifende Hauptgedante, das
Princip des Syſtems genannt, ift babei der Eintheilungsgrund für die Arten der Thiere, ber
Pflanzen u. f. w. Aus folder Grundlage einer bloßen Syſtematik wächſt dann erft die Wiſſen⸗
[Haft im ſtrengen Sinne als eine Erklärung und Zurüdführung der Erfahrungsftoffe auf ihre
tiefern Gründe und Zufammenhänge hervor. So gelangt man in allen Wiffenfchaften bie zu
gewiffen legten Principien und Srundfägen, aus denen erflärt wird, die fich aber nicht weiter
erffären laffen. Die Unterfuchungen und Discuffionen, welche ſich auf diefe beziehen, bilden die
Aufgabe der Speculation (f. d.). Jede Wiftenfchaft muß daher nicht nur Principien haben,
fondern fi auch aus ihnen entwideln, und zwar nicht nach fubjectiver Willkür, fondern mit
innerer Nothwendigkeit. Die ftrengften Foderungen machen in diefer Hinficht die Philoſophie
und bie Mathematit. Der Verfuh, das gefammte menfchliche Wiffen überhaupt nach allen
feinen verfhiedenen Richtungen und Begenftänden als ein geordnetes Syſtem darzuftellen,
führt zu dem Begriff einer foftematifchen Encyhklopädie (f. d.).
seifgniemffi (Michael), poln. Schriftfteller, geb. 1794 in Firlejow in Galizien, erhielt den
niedern Schulunterricht in Lemberg, den höhern in dem Lyceum au Krzemieniec in Volhynien
und fludirte dann auf der Univerfität in Edinburg. In den I. 1818— 22 lebte er bald in Ita⸗
lien, bald in Paris, bald in Edinburg. Bon 1825—24 war er Profeffor ber Philologie in
308 Bit Witebst
Krzemieniec. Un feine Gefundheit zu ftärten, ging er 1825 wiederum nach Italien und bem
füdlichen Frankreich. Seit 1830 Iehrte er allgemeine Geſchichte und Geſchichte ber allgemeinen
Literatur, dann auch Geſchichte der poln. Literatur auf der Univerfität Krakau. Später wandte
er ſich ganz nach Italien und errichtete in Genua ein Bankierhaus. Seine Werke haben einen
bleibenden Werth in ber poln. Riteratur, nicht nur megen ber ſchönen Sprache, in ber fie gefchrie-
ben, fondern auch wegen ihres reichen Inhalts. Sein Hauptwerk ift die Wefchicht⸗ der poln.
Literatur” oder vielmehr der geſammten Aufklärung Polens („Historya literatury polskiej“,
7 DBde., Krak. 184045), das freilich unvollendet blieb, denn es reicht nur bis in die erfte
Hälfte des 17. Jahrh. Seinen Studien in Edinburg bat man zu verbanfen „Bakona meloda
ttumazzenia natury” (Krak. 1834), welche Arbeit das Verdienft befigt, das Studium ber
Philoſophie in Polen befonders angeregt zu haben. Ein anderes in das Gebiet der Philoſophie
einfchlagendes Werk ift „Charaklery rozumow ludzkich” (Kraft. 1837). Auch gab er heraus
die fehr werthvollen, meiftens von Czacki bearbeiteten „Pomniki do historyi i literatury pols-
kiej” (A Bde. Krak. 1835).
Wit (Zerb. Johannes), genannt von Dörring, bekannt durch feine Erlebniffe als politiſch
Eonpromiittirter, geb. 1800 zu Altona, beſuchte das Zohanneum zu Hamburg und fludirte
bereits feit 1817 zu Kiel und Jena, wo er mit Karl Sollen zufammenmwohnte. Er ſchloß ſich
der Burſchenſchaft an, fah fich aber in Folge deffen 1849 gezwungen, nad) England zu flüch⸗
ten, wo er dem „Morning Chronicle” zahlreiche und heftige Artikel über deutſche Zuftände
lieferte. Durch feinen mütterlihen Oheim, den Baron Edftein, nach Paris gerufen, fand
er im Haufe des damaligen Großfiegelbewahrers, Grafen de Serre, Gelegenheit, Im Ber-
fehr mit den bedeutendften Staatsmännern Frankreichs feine Anfichten zu mäßigen umb zu be«
richtigen. Politiſche Intriguen, in die er verflochten wurde, hatten 1821 feine Verhaftung in
Piemont zur Folge, und ba von mehren Seiten feiner Thätigkeit eine größere Bedeutung beige»
legt wurde, als ihr wol gebührte, fo warb W. fünf Jahre lang abmwechfelnd in Stalien, Preu⸗
Ben, Oftreich, Baiern und Dänemark gefangen gehalten. Nachdem er bie Freiheit wieder er-
langt, vermählte er fi 1828 mit einer vermögenden Dame von Stande und kaufte ſich in Ober»
fohlefien an, wo er ſeitdem auf feinen Gütern Iebt. Hier zeigte er fich als eifriger Freund und
Förderer ber Mäßigkeitöbeftrebungen. Vielſeitig beſchuldigt, ein Mitglied der ultramontanen
Partei zu fein, hatte er 1848 von der Demokratie mannichfache Anfeindungen und Angriffe
zu erdulden. W. Hat felbft feine Erlebniffe erzählt in den Schriften: „Lucubrationen eines
Staatögefangenen” (Braunfchw. 1827), „Fragmente aus meinem Leben und meiner Zeit“
(4 Bde., Braunfhw. 1827— 30) und „Mein Jugendleben und meine Reife” (ps. 1832).
Witebsk, ein ruff. Gouvernement mit der gleichnamigen Hauptſtadt, welches ein Areal
von 810, AM. mit 789500 €. umfaßt, Fam mit dem Gouvernement Mohilew 1772
von Polen an Rußland, wurde 1778 durch die Kaiferin Katharina II. in ein befonderes Bou-
vernement, welches erft Polock, dann Witebsk hieß, umgefchaffen und führte von 17961802
mit Mohilew vereint den Namen des Gouvernements Weißrußland. Gegmmärtig bilder
ed mit Mohilem und Smolensk ein Generalgouvernement. Der Boden bes Landes ift vol«
fige Ebene, theild aus Thonerde, theild aus Sandfchollen beftehend, und an vielen Stellen mit
herrlichen Waldungen bebedt. Zahlreiche Landſeen, Flüſſe, darunter die Düna, und Moräfte
bewäffern das Land, und die guten Weidepläge haben eine bedeutende Viehzucht hervorgerufen.
Ackerbau und Forſtcultur bilden indeß immer noch bie Hauptnahrungsquellen der Einwohner.
Zetztere, der Religion nach theild katholiſch, theils griechiſch (Früher unirt), gehören mit Aus-
nahme von 18000 Juden dem poln., Iett., großruſſ., weißruff. oder rußniak. Volksſtamme an.
Daneben trifft man vereinzelt auch Deutfche und einige wenige Zataren und Zigeuner. Der
ſtaͤdtiſche und der Landadel beſteht faſt nur aus Polen. Der durch die Düna und den
Beres zinakanal begünſtigte Handel mit Getreide, Hanf, Lein, Hanfſamen, Maſten, Bauholz,
Häuten, Talg, Wachs, Honig, Wolle u. ſ. w. ift faſt ganz im Betrieb der Hauptftadt Witebsk.
Diefe, umgeben von Moräften, liegt auf beiden Seiten ber Düna, ift mit alten Feſtungswerken
umgeben und zählt gegen 50000 E., worunter fehr viele Juden. Sie hat 15 Kirchen, zehn Klö
fer, mehre Unterrichts anſtalten, darunter ein Gymnaſium, Gerbereien, Tuch - und andere Fa-
briken und einen Kaufhof. Berühmt ift der hiefige Meth, der Häufig ins Innere Rußlands
ausgeführt wird; auch das bier von Juden gearbeitete Tuch hat einen weiten Vertrieb. Die
ältefte Stadt des Gouvernements und überhaupt von ganz Weißrußland ift Polock (f. d.):
anhere buch Handel und Verkehr ausgezeichnete Städte find Welifch oder Wieliſch mit
Mitold Mitte 309
9600 E., Dünaburg, eine wichtige Feſtung mit einem koloſſalen Brückenkopf und 44400 E.,
und Mewel mit 4500 E. Überall werden viel befuchte Jahrmärkte abgehalten.
Witold, ein lith. Kriegeheld, war ber Sohn bes ſith. Großfürften Kieiftut. Nach Tangenı
Streit um bie Herrfchaft mit Jagello (f. d.), feines Vaters Brudersfohne, und nach mannich-
fachen Berfuchen, mit Hülfe des Deutfchen Ordens Lithauen für fih zu erobern, fohnte er fich
mit Sagello aus und ließ ſich mit ihm zugleich 1586 in Krakau taufen. Erſt 1592 überließ
ihm Sagello bie. Herrfchaft über Kithauen, dad unter W. feine höchſte Macht erlangte. W.
eroberte ganz Pobolien, das aber bald in den Befig Polens kam, und madıte in vielen Kämpfen
mit den Rufen, ben Zataren und den Ordensrittern feinen Ramen weit und breit fo berühmt,
daß ihm die Huffiten die bohm. Krone anboten. Nachdem er auf der Kürftenverfammlung zu
LZuzk durch Katfer Sigismund vergeblich den Königstitel zu erlangen geſucht hatte, ftarb er
1432 zu Troki. j j
Witt (Ian de), Sroßpenfionnär von Holland, geb. 1625 in Dordrecht, war der Sohn des
dortigen Bürgermeiflerb Ja. de W., der als Gegner des Prinzen Wilhelm II. von Dranien
geraume Zeit im Kerker zubrachte. Der Sohn erbte vom Vater den Haß gegen das Haus Ora⸗
nien und die Grundfäge ald Republikaner. Nach forgfältiger Ausbildung feiner Talente trat
er in die Dienfte feiner Vaterftadt. Er war einer ber Deputicten, welche die Staaten von Hol«
land 1652 nach Seeland ſchickten, um diefe Provinz, welche die Würde eines Generalcapitäans
auf ben zweijährigen Prinzen Wilhelm IEL von Oranien übertragen wollte, von dieſem Plane
abzubringen. Seine Beredtfamteit erwarb ihm hier das allgemeine Vertrauen; baffelbe aber
zu erhalten, war bei ben fortwährenden Bährungen faft unmöglid. Eine Partei, die Dra⸗
niſche, wollte während bed Kriegs, den England mit Holland führte, dem Prinzen Wilhelm IT.
immer mehr Macht eingeräumt wiffen ; eine andere, die republitanifche, W. an ihrer Spige,
ſuchte dagegen biefem alle Macht zu entziehen und die Statthalterfchaft gänzlich aufzuheben.
Durch den Friedensſchluß mit England 1654, der die geheime Bedingung enthielt, daß das
Haus Dranien von allen Staatsämtern ausgefchloffen fein follte, fchien die republitanifche
Partei gefiegt zu haben, und W., als Großpenfionnät, benugte die Zeit des Friedens, die dem
Staate gefäglagenen Wunden zu heilen. Nachdem Karl II. den Thron der Stuarts wieder ein-
genommen, neigte ſich W. mehr auf Frankreichs Seite, welche Stimmung bei bem 1665 zwi⸗
[hen ben Generalſtaaten und England ausbrechenden Kriege neue Nahrung erhielt. Da der
Biſchof von Münfter, Bernd. von Balen (f. d.), während deffelben ebenfalls gegen bie Gene-
ralftaaten zu den Waffen griff und deshalb der Unwille des Volkes gegen W. fich mehrte, fo
ſah er fich genöthigt, dem Prinzen Wilhelm II. größere Rechte einzuräumen und mit England
1667 Frieden zu fchließen. W.'s Berhältniffe verfchlimmerten fich noch mehr, ald Ludwig XIV.
mit feinen Abfichten auf die fpan. Niederlande offen hervortrat. Die Dranifche Partei drang
barauf, den Prinzen Wilhelm zu der Würbe feiner Ahnen zu erheben. DB. dagegen fegte es
duch, daß die Würden des Statthalter und Generalcapitäns voneinander getrennt und daß
der Prinz, mwenigfiens in Holland, von diefer ganz audgefchloffen fein follte. 28.8 Feinde
mehrten fi} bierburch ; er mußte daher mit England und Schweben eine Zripleallianz gegen’
Frankreich fchließen, die fich aber nach dem Aachener Frieden von 1668 fo fehnell wieder auf
töfte, als fie entftanden war. Bei dem Angriffe Ludwig's XIV. auf die Vereinigten Niederlande
1672 fegten es bie Freunde des Prinzen Wilhelm durch, daß Legterer zum Oberfeldherrn er»
nannt wurde. Der erfte Feldzug fiel jedoch fehr unglücklich aus und man ſchrieb dies den Ver⸗
räthereien W.'s und feiner Freunde zu. Meuchelmorder bedrohten deshalb W.'s Leben. Wäh—⸗
rend Wilhelm durch die allgemeine Stinnme zum Statthalter ernannt warb, legte IB. fein Amt
nieder. Doc) das Volk war damit fo wenig befänftigt als der Haß der Dranifchen Partei be
friedigt. W.'s Bruder, Cornelius W., wurde befchuldigt, den Prinzen nach dem Leben ge-
teachtet zu haben, gefangen genommen, gefoltert und, ba er nichts geftand, aller feiner Güter
beraubt. Auf die Nachricht, daß derfelbe ihn im Gefängniß fprechen wolle, eilte W. nach dem
Haag, worüber hier ein Volksauflauf entftand. Der Pöbel erbrach das Gefängniß und mor-
dete 20. Aug. 1672 beide Brüder. Die Generalftaaten foderten vom Statthalter Unterfuhung
und Beſtrafung der Mörder, die aber nie erfolgt ift. So fiel W. als Opfer der Parteimuth In
Folge des von der Dranifchen Partei genährten, wiewol ungegründeten Verdachts, er habe fein
Vaterland an Ludwig XIV. verrathen. W. war auch politifcher Schriftftelfer und hat uber bie
Begebenheiten feiner Zeit manches Treffliche gefchrieben.
‚Witte (Karl), Profeffor der Rechte an der Univerfität zu Halle, wurde 1. Juli 1800 zu
Lochau bei Halle geboren, wo fein Vater, der 1. Yug. 1845 flarb, damals Pfarrer war. Dir
»
310 Wittekind (Heerführer) Wittenberg
Fortfchritte die der junge W. in feiner Kindheit namentlich in Sprachen machte, erregten in
jener Zeit Auffehen, was den Vater ſpäterhin veranlafte, bie „Erziehungs » und Bildungs»
gefchichte” des Sohnes (2 Bde. Lpz. 1819) herauszugeben. Im Jan. 1810 befland ber
Knabe auf der Thomasfchule zu Leipzig das Abiturienteneyanen, worauf er ald Stubent ber
dortigen Univerfität immatriculirt ward. Wohlwollende Bewohner Leipzigs brachten die Mike
tel auf, ihn dort fudiren zu laffen. Auf Anordnung des Königs Dieronymus von Weſtfalen,
zu beffen Königreich auch Halle gehörte, bezog indeß der Knabe unter Führung feines Vaters
die Univerfität Göttingen, wo er vier Jahre lang mit Eifer den zur philofophifchen Facultät ge-
rechneten Studien oblag. Im San. 1813 erfchien feine lat. Abhandlung über die Konchoide bes
Nikomedes, eine Curve des vierten Grades, auf Grund deren er ſich 10. April 1814 zu Gießen
- die philofophifche Doctorwürde erwarb. Bon 1814—16 ftudirte er in Heidelberg, beſonders
unter Thibaut's Keitung, Jurisprudenz. Im Winter 1816—17 bewarb er fi auf Verlangen
feines Vaters an ber Univerfität Berlin um das Necht, Vorlefungen zu halten, fand aber dabei
wegen feiner Zugenb lebhaften Widerfpruch von Profefforen und Studenten. Diefer unerfreue
lichen Stellung entriß ihn der Befehl des Könige, fich noch einige Jahre auf Reifen, zu benen
die Mittel verwilligt wurden, mehrfeitig fortzubilden. ZB. widmete fi während feines mehr ale
zweijährigen Aufenthalts in Stalien zum Theil den juriftifchen Forſchungen in den Bibliothe⸗
fen, vorzugsweiſe aber dem Studium der Kunftgefchichte und ital. Literatur. Nach ſeiner Heim⸗
kehr las er feit 1821 in Breslau Rechtswiſſenſchaft, wurde 1829 ordentlicher Profeffor und
1834 als folcher nach Halle verfegt. Seine juriftifgen Schriften betrafen früher vorzugöiweife
die Quellen des rom. Rechts, fpäter wandte ex fich mit Vorliebe dem byzantin. Rechte zu, von
dem er mehre Stücke zuerft herausgab. Noch fpäter hat er Mehres über preuß. Recht geſchrie⸗
ben, 3.8. „Das preuß. Inteflaterbrecht, aus dem gemeinen deutſchen Erbrechte entwidelt”
(29.1838). Dem Studium ber ital. Literatur, vor allem Dante's, hat er fortwährend feine
Mußeftunden zugewendet. Außer einer Bearbeitung des „Decamerone” von Boccaccio gab
er mit Kannegießer eine Überlegung und Erklärung von Dante's „Lyriſchen Bebichten” (2 Bde.,
2. Aufl. Lpz. 1842— 43) heraus. Diefe Arbeiten ſowol wie auch mehre andere ital. gefchrie«
bene Abhandlungen haben jenfeit der Alpen vielen Beifall gefunden und W.'d Ernennung zum
Mirgliede der Erusca veranlaft.
Wittekind, der berühmtefte Heerführer der Sachfen in ihren Kriegen gegen Karl d. Gr.,
ein weftfät. Häuptling, tritt als Führer mit dem oftfäl. Albio oder Albion zuerft in dem Zuge
auf, den die Sachfen, während Karl die Londobarden unterwarf, 774 gegen bie Zelte Eresburg
in Weftfalen und in den fränk. Heffengau unternahmen. Als nad) einem neuen Yufftand bie
meiften fächf. Edelinge fich auf dem Reichstage zu Paderborn 777 dem Kaiſer Karl unterwar«
fen, floh WB. zu dem jüt. König Siegfried, deſſen Schweſter Geva ihm vermaͤhlt geweſen ſein
ſoll. Im 3. 778 kehrte er zurück und fiel, während Karl in Spanien war, verheerend in das
fränt. Rheinland. Karl's Rückkehr nöthigte ihn zu neuer Flucht, aber 782 wurde durch ihn
am Süntelberg das frank. Heer überfallen, deſſen Vernichtung Karl dur) die Hinrichtung von
4500 Sachſen fo furchtbar rächte. Den Krieg, au welchem hierauf alle ſächſ. Stämme ſich er-
hoben, leitete IB. wieder mit Albio, bi6 785 Karl mit Beiden Unterhandlungen anknüpfte, die
den Erfolg hatten, daß fie in feinem Hoflager zu Attigny in der Champagne erfchienen und bie
Taufe annahmen. Sie erfcheinen ſeitdem nicht mehr in der Gefchichte. Nach der Sage aber,
die noch in Weftfalen unter dem Volke Iebt, erhob Karl den W., der dab ſchwarze Roß in fel-
nem Schilde in ein weißes verwandelte, zum Herzog der Sachſen und gab ihm Engern (f. d.)
zu eigen. W. habe dann, heißt ed, mild und gerecht von feinem Schloffe aus, Babilonie ge-
nannt, in der Nähe von Lübbecke geherrfcht, bis er 807 auf einem Feldzug gegen Herzog Gerold
von Schwaben den Tod gefunden. Seine Gebeine ruhen in der Pfarrkirche zu Enger in ber
Grafſchaft Ravensberg, wo ihm Karl IV. 1377 ein Denkmal fegen ließ und wohin fie aus der
Sohannisfirche zu Herford, in die fie verlegt worden waren, 1822 wieder zurüdgebracht wur-
den. Den Namen Wittekindsberg trägt der eine höhere von den beiden Bergen, die an der
Weſer bei Minden die Weftfälifche Pforte bilden.
Wittekind, deutſcher Duellenfchriftfteller, [. Widukind.
Wittelsbach, das Stammhaus der ehemaligen Herzoge von Baiern und von der Pfalz
und be gegenwärtigen bait. Königsgeſchlechts, lag im jegigen Oberbaiern bei Aichach. Es
wurbe 1209 von Grund aus zerftört und feine Stätte bezeichnet gegentvärtig eine Kirche und
ein 50 $. hoher Obelisk.
Wittenberg, die duch Luther und Melanchthon mwelthiftorifche Stadt, im jegigen merfe
Rittenberge J sıl
burger Regierungsbezirk der preuß. Provinz Sachen, an ber Elbe, über weiche eine aus Ganb⸗
ftein erbaute 500 Ellen lange Brüde führt, g bat 10750 €. (einſchließlich bes Mifrärs),
zwei Kirchen, zwei Vorftädte, Friebrichöftabt und Kleinwittenberg, bie erſt feit 1817 entflanden
find, ein Predigerfeminar, ein Gymnaſium, ein Hebammen-Lehrinflitut, ein Kreisgericht und
ein feſtes Schloß, das früher eine Zeit ang als Eurfürfilicde Nefidenz diente und in einem feiner
zwei Thürme das 1803 getheilte ſächſ. Geſammtarchiv enthielt. W. ift eine Feſtung dritten
Nangs, die aber theild wegen ihrer Lage an ber Elbe, theils ald Dedung Berlins Wich⸗
tigkeit hat. Die Bevölkerung treibt Wollen-, Lein- und Strumpfweberei, Zeberbereitung,
Branntweinbrennerei und Bierbrauerei. Beſonders merkwürdig ifl das berühmte große
Gemälde von Lukas Cranach in ber Stabtlicche, welches das Abendmahl, wie Chriftus
dem Judas den Biffen reicht, rechts die Taufe mit Melanchthon, links die Beichte mit
Pomeranus, unter diefem breifachen Hauptbilde ben Gekreuzigten und Ruthern predi⸗
gend, barftellt; ferner das Rathhaus mit Cranach's bilblicher Darftellung ber Zehn Ge⸗
bote und andern biftorifchen Merkwürdigkeiten, befonbers aus der Zeit des Dreißigjährigen
Krieg; das frühere Auguftinerflofter, worin jegt das Prebigerfeminar ift, einft von Luther
bewohnt, beffen Stube man noch in Ihrem alten Zuflande zeigt; das frühere Wohnhaus
Melanchthon's, durch eine Tafel bezeichnet; bas auf dem Markte vor bem Rathhauſe bei ber
dritten Jubelfeier ber Reformation gegründete und 1822 auf einem 1200 CEtr. ſchweren Era
nitblode aufgeftellte brongene Denkmal Luther's von Schabow, wovon das Piebeftal 7 8.
6 Zoll hoch if, bie Statue aber 75 Gtr. und der Baldachin mit den Buchftaben 90 Gr. wiegt;
vor allem aber die von Friedrich dem Weiſen 1490— 99 erbaute Schloß. und Univerfitätslirche,
an welche Luther 51. Dct. 1517 feine berühmten 95 Säge anſchlug und in der Luther, Me
lanchthon, Friebrich der Weiſe und Johann der Beftändige begraben liegen. &ie wurbe 1760
bei der Beſchießung ber Stadt ein Raub der Flammen, wobei auch brei Gemälde von Albr.
Dürer verbrannten, welche die fächf. Fürften harten malen laffen. Nachmals wieder aufgebaut,
erlitt fie neue Befcyädigungen während der legten Belagerung 1813, boch wurde fie auf königl.
Koften 1817 wieberhergeftellt. (Bol. über die Kunſtdenkmäler Schabow, „ZB. Denkmäler
ber Bilbnerei, Baukunſt und Malerei mit Hiftorifchen und artiftifchen Erläuterungen”, Wittenb.
1825.) Die 1502 von Friedrich dem Weiſen geftiftete Univerfität, welche anfehnliche Grund⸗
flüde, darunter acht Dörfer, und außerdem 354694 Thlr. an Gapitalien, barunter 79 Stipen-
bien, befaß, wurbe 1815 von der preuß. Regierung mit ber Univerfität zu Halle unter dem Na⸗
men Friedrichö-Univerfität von Halle-Wittenberg vereinigt. Bor dem Gifterthore ift Die Stelle,
auf welcher Luther 20. Dec. 1520 die papftliche Bulle verbrannte, durch eine umgitterte Eiche
bezeichnet. W. war feit Albrecht I., beffen Linie auch ben Namen Sachſen ˖ Wittenberg erhielt,
bis zum Tode Albrecht's II. 1422 Mefidenz der Herzoge und Kurfürften von Sachſen und
blieb bann wenigftens die Hauptftadt des ehemaligen Kurkreiſes und bes jegigen Wittenberger
Kreifes (ISHOM. mit 38000 E.). Im 3.1547 wurbe die Stadt nach der Schlacht bei
Mühlberg vom Kaifer Karl V. eingenommen, doch fchonte der Sieger das Eigenthum, ben
Gottesdienft und die Gräber ber Reformatoren. Im Giebenjährigen Kriege wurbe ZB. vom 10.
—14.Dct. 1760 durch die Reichsarmee bombarbirt und der preuß. Commanbant zur Übergabe
genöthigt. Dabei gingen das Schloß, die Vorftädte und 144 Häufer in Flammen auf. Die Stabt
hörte damals auf, eine Feftung zu fein; da fie aber noch mit einem Wall und naffem Graben um-
geben war, wurde fie auf Napoleon's Befehl 1813 unter dem Marſchqll Victor beim Bor»
rüden der Ruffen wieber als formliche Feſtung bergeftellt. Die Garniſon beftand zu jener Zeit
aus poln., holland. und franz. Truppen. Vom 26. März bis 20. April burch das Corps bed Ge
nerallieutenants von Kleift blodirt, während bes Waffenſtillſtands verftärkt, verpaliffadirt und
mit einem Bedeckten Wege verfehen, wurde fie nach ber Schlacht bei Dennewig vom Bülow’
(hen Corps eingefchloffen. Gegen Ende October rüdte bie Brigade des Beneralmajors von
Dobſchũt vor W.; die eigentliche Belagerung begann aber erfl nach der Eroberung von Tor-
gau 28. Dec., worauf die Erftürmumg 13. Jan. 1814 erfolgte. Dabei wurden 285 Häufer in
der Stadt und den Vorftädten vollig zerftört. Der General Tauenzien (ſ. d.), ber diefe Bela⸗
gerung ſowie die von Torgau geleitet hatte, erhielt den Ehrennamen Tanenzien von Witten
Berg. Bol. Meyner, „Geſchichte ber Stadt ZB.” (Deff. 1845). "
Wittenberge, eine Stadt im Kreife Weftpriegnig des Negierungsbezirks Potsdam in ber
preuß. Provinz Brandenburg, unweit des Ginfluffes, der Stepenig in bie Elbe gelegen, hat
4700 @., welche lebhafte Schiffahrt, Tranſitohandei, Olfabrikation und Bifcherei treiben. Sie
ift der Sig des Elbhauptzoilamis. Die hier 26. Det. 1854 eröffnete Eifenbahn-Eibbrüc
312 Witterung
welche die Magbeburg- Wittenberger Bahn auf dem linken mit der Berlin- Hamburger auf dem
rechten Stromufer in Verbindung fegt unb vom preuß. Regierungsbaurath von Unruh erbaut
it, gehört zu den großartigfien Bauwerken ihrs Art. Sie hat einen Brüdenkopf, 35 Pfeiler
und 5985 rhein. & Totallaͤnge, mit den Dämmen aber 5065 8. Die Anlagekoſten betrugen
gegen 1,600000 Thlr.
Witterung if der Zuftand der Atmofphäre (f. d.), wie er an einem beflimmten Orte und
zu einer beftimmten Zeit ohne weitere künſtliche Hülfsmittel von ımfern Sinnen wahrgenom-
men wird. Diefe temporäre und locale Beichaffenheit des Luftkreiſes bezeichnet man im ge»
wöhnlichen Beben nach ihren Dauptmertmalen, ale Wärme, Kälte, Beuchtigkeit, Trodenheit,
Klarheit, Trübheit, Bewegtheit, Ruhe u. ſ. w., und fpricht Demnach von einer warmen, Talten,
feuchten, trockenen, heitern, trüben, flürmifchen u. |. w. Witterung. Wird die vorberrfchende
Beſchaffenheit der Atmoſphaͤre weniger durch einzelne, raſch wechſelnde Borgänge unterbrochen,
fo neiint man die Witterung beftändig, im Gegentheil veränberlih. Schätzt man die Zuftände
der-Atmofphäre nach ihrem Einfluß auf'Entwidelung, Wachsthum, Geſundheit und Wohlbe⸗
finden der Pflanzen, Thiere und Menſchen, ſowie nach ihrer Hinderung und Förderung menſch⸗
licher Thätigkeit und Beſtrebungen, fo charakteriſirt man dieſelbe als fruchtbare ober als gute
und ſchlechte Witterung. Mehr braflifch ſich vollziehende Proceffe der Atmoſphaͤre, wie Ge⸗
witter, Regen, Hagel, Schneefall, Sturm u. f. w, pflegt man als Wetter zu bezeichnen, wie-
wol der Sprachgebrauch, hierbei nicht immer confequent verfährt. Die Bedingimgen, auf wel-
chen die Witterung beruht, find verfchieden, complicitt und theils mehr allgemeiner, theils mehr
localer Natur. Zunahft ift e6 das Klima (f. d.) im engern Sinne, d. h. die Vertheilung der
Wärme über die Erbfläche, welches bie Witterimg in ihren periobifchen Hauptphafen (Jabres-
zeiten) bedingt. Die Wärmevertheilung wirb aber bewirkt zuvörderſt durch ben Stand ber Erde
zur Sonne, welcher veranlaßt, daß nahe dem Aquator die heiße Jahreszeit mit der kühlern Ne⸗
genzeit, in ben mittlern Breitegraden die vier Jahreszeiten (Winter mit Kälte und Eis, Früh⸗
ling mit Wärme und Feuchtigkeit, Sommer mit Dige und Trodenheit, Herbſt mit frifcher Luft
und Marem Dimmel), an den Polen ein langer, firenger Winter mit einem kurzen, unvollkom⸗
menen Sommer wechſelt. Bedeutende Modificationen erleidet indeſſen dieſe Wärmevertheilung
durch die verticale Ausdehnung und Formation der Erdflaͤche, ihre Hebung (Gebirge, Hochebe⸗
nen) und Senkung (Niederungen, Thäler), fobaß auch von diefer Formation das Klima und bie
atmofphärifihen Proceffe, alfo die Geftaltung der Witterung mefentlich abhängig ift. Den beiden
Hauptfactoren fchließen fich als Witterungsbedingumgen an: bie geologifche Beichaffenheit des
Erdbodens, die Hydrographifchen Verhältniffe (Meere, Binnenfeen, Flußſyſteme), die Vegeta-
tion, namentlich die Wälder, die Bodencultur und die Anfiedelungen der Menfchen. Ferner ift
die Witterung wol nicht ganz unabhängig von ber Stellung des Mondes zur Erde, obwol man
biefer Beziehung mwenigftens früher mehr Einfluß, als begründet ift, zugefchrieben hat. Der
Stand der Planeten und der Kometen ift aber im allerentfchiedenften Sinne ohne alle und jede
Bebeutung für unfere Witterungsverhältniffe. Endlich aber müffen noch eine Reihe von jenen
Hauptmomenten freilich abhängende Proceffe und Erfcheinungen der Atmofphäre, wie die nad)
gersifien Regeln mehenden Binde, die Eiektricität, vieleicht auch der Magnetismus u. f. w.,
als Faetoren ber Witterungsverhältniffe in Betracht kommen. Alle diefe und mol noch andere
'unbefannte Momente, bie ineinander eingreifen, fich gegenfeitig bedingen ober aufheben, bilden
zuſammen ben Compfer Deffen, aus dem Witterung und Wetter auf ben einzelnen Strichen
und Punkten des Erdkörpers hervorgehen.
Die Beobachtung und Erforfchungder Witterung, um daraus praktifche Vortheile zu ziehen,
iſt fo alt wie der Menſch felbft, aber in keiner feiner Beftrebungen auf Naturerfenntnif ift zu«
gleich dee Menfch fo wenig ficher fortgefchritten als gerade in dieſer. Erſt der firengen Naturfor-
[hung der Reuzeit iſt es gelungen, durch weitgreifende Beobachtung, Erfindung von Inftrumenten
(3.8. des Barometers) und gewaltige Entdeckungen im Gebiete der Phyſik überhaupt (Wärme,
Siektricität, Balvanismus, Magnetismus u. f. w.) in die Natur und die Befege der dtmofphä-
rifchen Veränderungen tiefer eingudringen, obgleich man, wie dies nicht anders fein kann, nie
dahin gelangen wird, die Gomplicität diefer Erfcheinungen in jedem einzelnen Falle bis ins Ein-
zelne nachzuweiſen und fomit den nothwendigen Verlauf ber Witterungsverhältniffe auch nur
für die allernächfte Zukunft feftzuftellen. Die Männer, welche die Grundlagen zur Wiſſenſchaft
ber atmefphärifchen Erſcheinungen und Veränderungen, der Meteorologie (f. d.), feftzuftellen be-
gannen, waren vornehmlich Wer. von Humboldt (ſ. d.) und 2. von Buch (f.d.), denen in neuefter
Beit befonders die ebenfalls deutſchen Phyſiker Kãmtz und Dove (f.d.) folgten. Ramentlich waren
Wittgenfein Wittfiod '313
es auch diefe Männer, welche die ſyſtematiſche Witterungsbeobachtung auf verfchiebenen Punk
ten der Erde zugleich vorſchlugen, veranlaßten und zum Theil einrichteten. Xrog ber Unficher-
heit und Beichränttheit unferer Einficht in die Proceffe der Witterung bat man ven jcher eine
Unzahl von Zeichen und Regeln aufgeftellt, aus welden man bae Better für nähere ober fer»
nere Zukunft erfennen will. Diefe Wetterzeichen find theils folche, die ſich allerdings auf er-
kannte Raturgefege flügen, theild aber auch folche, welche nichts als bie Behauptung einer un-
fihern Erfahrung für ſich Haben. Zu den auf phufikalifcher Erkenntniß beruhenden Anzeichen
und Regeln gehören bie Anzeichen aus ben ZBinden, aus dem Luftdrude (wahrzunehmen durch
das Barometer), aus der Farbe und Durchfichtigkeit beruft, aus der verſchiedenen Lichtbeichaf-
fenbeit dee Himmelskörper, aus ber Befchaffenheit ber often, der Trockenheit und Feuchtigkeit
der Atmofphäre (beſonders wahrzunehmen burdy das Hygrometer), aus der Auftelektricität u. ſ. m.
Unficherer find fchon als Witterungs « und Wetterzeichen die Bewegungen mandyer Pflanzen
vor atmofphärifchen Veränderungen, fowie die Äußerungen und das Benehmen mancher Thiere
vor heranziehendem Better. Wiewol uralt, doch meift gänzlich unbegründet find bie Witte
rungsregein, welche aus ber JBerterbefchaffenheit einer beflimmten Zeit, Tag, Stunde genom-
men werben (bie fogenannten Bauernregeln). Schon bie forgfältigern Beobachtungen dieſes
Jahrhunderts haben nachgewiefen, wie biefe Regeln zum größten Theil auf Täuſchung und
willfürlicher Annahme beruhen. Man * fogar früher förmliche Witterungscyklen feftfegen
wollen, bie fi, wie z. B. ber humbertfährige Kalender, durch thatfächlihe Wahrnehmungen
ebenfalls als nichtig herausgeftelle haben. Allerdings laſſen die wechfelnden Perioden von Mis-
wachs und Erntefegen, bie man in ber Befchichte ber Volker umd Jahrhunderte verfolgen kann,
wol auf mehr oder weniger anhaltende WBitterungsverhältniffe (fogenannte naffe, trockene, heiße
u. f. w. Zeiten) fchließen ; aber abgefehen von vielen andern Urfachen, bie diefe Erfcheinungen
veranlaffen können (3. B. Vernadhläffigung oder Reformen in ber Bodencuftur), kann doc
das Auftreten folder Witterungsepochen nach beftimmten Regeln und Eyfien keineswegs nadh-
gewiefen werden. Für die Theorie ber atmoſphäriſchen Erfcheinungen und Proceffe vgl. Pouil⸗
let's „Lehrbuch ber Phyſik und Meteorologie”, bearbeitet von Müller (2 Bbde., 4. Aufl,
Braunfhw. 1853 fg.). Sodann Kämtz, „Lehrbuch ber Meteorologie” (3 Bbe., Halle 1831 —
56); Derfelbe, „Borlefungen über Meteorologie” (Halle 1840); Günther, „Die Atmofphäre
und ihre Erfcheinungen” (Iktf. 1835); Dove, „Meteorologifche Unterfuchungen” (Berl. 1837);
Deffelben intereffantes Schriftchen „Die Witterungsverhältniffe von Berlin” (Berl. 1842).
ittgenftein, ſ. Sayn und Wittgenftein.
Bittbum (dotalitium, franz. douaire, und vidualitiam) heißt der Theil der Güter des
Mannes, welchen nach feinem Zode feine Witwe zu fodern hat. Bei ben german. Nationen
war es gemöhnlich, der Frau fogleich bei der Verheirathung einen Theil ber Büter bes Man-
nes zum lebendlänglichen Genuß, auch wol zum Eigenthum auszufegen. Es wurde dies in
mehren Ländern gefeglich ein Drittheil oder ein Vlertheil der Güter. Das Lehnweſen änderte
aber die Sache. Der Hann durfte über Lehngüter nicht mehr fo verfügen ; auf der andern
Seite brachten nun auch die Frauen dem Manne häufig baares Vermögen zu. Daraus ent.
ftand zunächft das eigentliche dotalitium, eine Art der Zurückgabe des von der Frau dem Manne
zugebrachten Vermögen, indem ihr ftatt des Capitals doppelte und ebenfo von dem gewöhn⸗
lichen Gegenvermäcdhtniffe gleichfalls doppelte, alfo eigentlich vierfache Zinſen auf Lebenszeit
als Leibgedinge bezahlt werben, wobei fie das Capital felbft nicht zurüdbefommt. Sie hat
aber meift die Wahl, entweder das Capital oder bie vierfachen Zinfen zu nehmen. Das Leib»
gedinge verliert fie auch nicht, wenn fie ſich wieder verheirathet ; in mandyen Rändern iſt es aber
bei Lehngütern auf ein gewiſſes Verhältniß zum Werthe des Lehns eingefchränft. Berner ent-
fland daraus das eigentliche Witthum (vidualitium), der ftandesmäßige Unterhalt, welcher der
Witwe aus den Gütern des Mannes und bei fürftlichen Witwen von dem Lande gewährt wird.
Dieſes geht verloren, fobald die Witwe fich wieder verheirathet. Es gehören dazu Wohnung
(Witwenfig), baares Geld und Naturalien; auch wirb zuweilen der Genuf eines Guts oder
Grundſtücks dazu angewiefen.
Wittſtock, eine Stadt im Kreife Oftpriegnig des Regierungsbezirks Pots dam in ber preuß.
Provinz Brandenburg, an der Doffe, hat drei Kirchen, darunter die ſchöne Marienkirche, ein
merfwürbiges Rathhaus, ein Landarmenhaus (für 500 Perfonen) mit Stropflechterei und zahlt
6824 E., welche hauptfächlih Tuchfabriken, auch Gerbereien und Tabadsfabriten unterbal-
tem. Hier erfochten 2A. Sept. 1636 die Schweden unter Baner einen glänzenden Sieg über bie
Dftreicher unter Hapfeld und die Sachſen unter Kurfürft Johann Georg I. Die Verbündeten,
314 Witwe Big
welche Baner ein ganzes Jahr in Schach gehalten, verloren in ber Schlacht und auf dem Rück⸗
zug 5000 Todte, 6000 Verwundete und 8000 Gefangene, 151 Bahnen, 42 Kanonen, 180
Dunitiond- und 1000 Packwagen, während die Schweden 2000 Todte und 5000 Ber-
wundete hatten. Ä
Witwe (lat. vidua) nennt man eine Frau, die ihren Mann durch den Tod verloren hat.
ie behält in der Regel ben Aufenthalt an dem Orte, wo ihr Mann lebte, body Bann fie ihren
MWohnfig willkürlich verändern; ihr verbleibt der Name und Rang ihres verfiorbenen Man⸗
nes, bis fie fich wieder verbeirathet, und felbft dann, wenn fie unehelich ſich ſchwaͤngern läßt;
ebenfo bleibt ihr ber Gerichtsſtand ihres Mannes. Die binnen der nächften zehn Monate nach
des Mannes Tode von ber Witwe geborenen Kinder gelten für eheliche, e8 müßte benn bie Un-
möglichkeit nachgerwiefen werben, daß ihr verflorbener "Mann fte erzeugt Haben könnte. Die
Witwe bat ein Jahr lang um den verlorenen Many zu trauern; bei Übertretungen wirb über
fie eine willkürliche Strafe verhangen, die neugefchloffene Ehe aber wird nicht ungültig. Nach
rom. Recht bat die Witwe im Allgemeinen kein Erbrecht, außer auf das Ganze, wenn ber ver-
fiorbene Gatte Beine Verwandten innerhalb bes zehnten Grades bat, und auf den vierten ober
ben Kindestheil unter der entgegengefeßten Borausfegung. Die Witwe erhält zwar ihr Erb»
theil, doch bat fie davon nur den Nießbrauch, das Eigenthum baran gehört ihren Kindern.
Bon dem Todfchläger ihres Mannes kann die arme Witwe Entfchädigung fodern. Die Par⸗
ticulargefeggebungen haben an ber rom. Erbfolge viel geändert. Nach gemeinem ſächſ. Recht
bat die Witwe den vierten Theil der männlichen Verlafienheit in Anſpruch zu nehmen; nad
franz. Recht beerben fi Ehegatten gegenwärtig nur in Ermangelung von anerfannten Kin-
dern, Altern, Gelchwiftern und been Nachkommen; nach engl. Recht hat bie Witwe auf Le-
benszeit ein Drittheil aller erbliden Befigungen ihres verftorbenen Mannes als Witthum in
Anſpruch zu nehmen ; nach deutſchem Rechte haben die adeligen Witwen noch befondere Be-
günftigungen, namentlich Witthum (f. d.) und Xeibgedinge.
Witwenkaſſen find Anftalten zur Unterflügung binterlaffener Witwen. Es gibt beren
wei Hauptgattungen, welche wefentlidh voneinander verfchieden find: 1) folche, die ein durch
Dernähtnirf e, Schenkungen und Befoldungsabzüge gebilbeted Capital befigen, beffen Zinfen
jährlich unter die Witwen im Berhältniffe zu den von ihren Ehegatten geleifteten Beiträgen
vertheilt werben. Hierbei wird, um ficher zu gehen, gewöhnlich keine beftimmte Summe zuge»
fihert, fondern bie Größe der Unterftügung richtet fich nach ber Zahl ber Intereffenten und der
Witwen. 2) Solche, bie auf Leibrentenfuß eingerichtet find (f. Leibrente), indem ſich eine An-
zahl Ehentänner, beren Frauen noch ſämmtlich am Leben find, anheifchig macht, entweder auf
einmal ober nach und nach eine gewifle Geldſumme durch ihre Beiträge zufammenzubringen,
um ihren bereinftigen Witwen eine bem Beitrage gemäße, ſtets gleiche Penſion bis zum Tode
ober bis zur Mündigkeit ber Kinder zu verfichern. Dan kann in diefe Anftalten auf zweierlei
Weiſe eintreten: a) auf Capitalfuß, d. h. durch Herfchiefung einer Summe auf Einem Brete ;
b) auf Sontributionsfuß, d. h. dergeftalt, daß man jebes Jahr zu beflimmten Zeiten eine ge-
wifle Summe als Beitrag zahlt. Die Größe der dei Witwe zugeficherten Leibrente wird be⸗
rechnet entweder nach dem Lebenbalter bes Mannes und der Frau zur Zeit bes Eintritte, oder
nach dem mwahrfcheinlichen Tode Beider, oder endlich nad der Größe bes Einfages, welcher
legtere jeboch verfallen iſt, wenn bie Frau vor dem Manne ſtirbt. Bei den Anflalten, welche
auf Eapitalfuß eingerichtet find, ift die Berechnung leichter zu überfehen unb die Kaffe mehr
gefichert als bei denen auf Eontributionsfuß. Binfichtlich der Urt und Weiſe der Berehnung
bat man folgenden Grundſat aufgeftellt: Bei dem wahrfcheinlichen Tode des Mannes muß,
der Beitrag mag auf Sapital- oder Gontributionsfuß gefchehen, die volle Summe vorhanden
fein, welche, mit Zinfen und Zinfeszins berechnet, erfoberlich ift, um der Witwe bis u ihrem
wahrfcheinlichen Tode die beſtimmte verfprochene Penſion zu verfchaffen. Die Sicherheit einer
Witwenkaſſenanſtalt beruht, wie bei allen Rentenanftalten diefer Art, hauptſächlich auf ber
dabei zum Brunde gelegten Berechnung der Wahrfcheinlichkeit ber Mortalität.
Witz ift der Inflinet der Natur, zwifchen zwei ſcheinbar völlig fremden Größen die Ahnlich-
keit herauszufinden. Die Pointe des Wiges iſt der Augenblick, wo zugleich die ganze Span-
nung der abfloßenden Fremdartigkeit des herbeigegauberten Gegengliedes und zugleich ber Zau-
ber der Einheit in die Augen fpringt. GBeiftreich nennt daher Sean Paul den Wig ben verklei-
deten Priefter, der jedes Paar copulirt. Die niebrigfte Art bes Witzes ift der Wortwit, der ent»
weber blos die Apnlichkeit des Klangs ausbeutet (wie z. B. ber berliner Witz über die Auffüh⸗
rung der Antigone: Anti? o nee!), oder ſich an bie doppelte Bedeutung eines Wortö hält, role
Witzleben (Iob Wilh. Karl Ernſt von) Witzleben (Karl Eng. Irledr. von) 315
vornehmlich die auf die Gefchlechtöverhäftniffe anfpielende Bote. Höher fteht ber bilbliche Wig
Gr vergleicht nicht Werte, fondern Dinge miteinander, und zwar ift ber Witz um fo beffer, fe
mehr der Vergleich durch die Fremdartigkeit der verglichenen Begenflände überrafcht und trog
der Brembartigkeit doch zutreffend ift. Mit Recht hat Ruge ben Wig einen Wechſel auf Sich
genannt, denn der Wig verpufft fpurlos, wenn er nicht acceptirt, d. b. von bem Hörenden ver-
ftanden und eben deshalb belasht wird. |
Witzleben (Job Wild. Karl Ernſt von), preuf. Beneral und Kriegsminifter, wurde 20. Jull
1783 zu Dalberftadt geboren, wo fein Bater als Hauptmann im Infanterieregiment bes Der»
3098 von Braunfchweig ftand. In feinem 11. I. kam ZB. in das Pageninftitut nach Potsdam
und wurde bald darauf königl. Leibpage. Im J. 1799 trat er als Fähnrich bei der Leibgarde
ein und erhielt 1802 das Offizierspatent. Als ſolcher rückte er 1806 mit ben Barden ins Feld,
begleitete am Tage ber Schlacht bei Jena die Bagage des Königs nach Erfurt und wurde ba»
ſelbſt in die Gapitulation bes Feldmarſchalls von Möllendorf eingefchloffen. Während feiner
Kriegsgefangenfchaft hielt er fich theile in Halberſtadt, theils in Berlin auf, wo er fleißig ſtu⸗
dirte, biß im Aug. 1807 feine Auswechfelung erfolgte, worauf er fi) in das Hauptquartier
Blücher's nach Pommern begab. Hier erbielt er eine Sendung an Marſchall Eoult, und bald bare
auf wurde er mit Depefchen an ben König nad) Memel gefchict, ber ihn zum Premierlieutenant
ernannte und ihm eine Compagnie in der Garde verlieh. Bine gebiegene Abhandlung über den
leichten Dienft gewann ZB. die Gunſt des Generals Scharnhorft, fodaß er im Dec. 1808 als
Stabscapitän zu dem neuerrichteten Bardejägerbataillen Fam. Zu Unfange bes 3. 1812 in
diefer Truppe zum Major befördert, betheiligte er fi 18413 an ber Schlacht von Großgörſchen,
befehligte dann die Arrieregarde im Defild von Groigfch und wurde vor der Schlacht bei Baugen
mit einem Heinen Corps nach Kamenz auf Kundichaft entfendet. Wahrend des Waffenſtillſtan⸗
bed wurde er zum Sommandeur eines Gardebataillons, während des Feldzugs in Frankreich,
wo er ſich namentlich bei Paris auszeichnete, zum Oberſtlieutenant ernannt. Im Frühjahr 1815
warb er-dem Beneralftabe ber niederland. Armee unter Blücher beigegeben, dann al6 Oberft
und Chef bed Beneralftabs zum nosbdeutfchen Bundescorps verfegt. Nach feiner Rückkehr ins
Baterland wurde W. zum wirklichen Infpectene der Jäger und Schügen und kurze Zeit dazauf
zum Chef bes Generalflabe beim Gemeralcommande in Oftpreußen unter Bülow ernannt,
blieb aber doch in Berlin, um die Organifation der Jäger und Schützen zu vollenden. Im J.
1817 erhielt er die Stelle als Director des dritten Departements bed Kriegsminiſteriums, rückte
1818 zum Generalmajor und Generalabiutanten des Königs auf und wurde endlich 1831 zum
Generallieutenant fowie, als 1833 der Kriegsminifter von Hake abtrat, zum wirklichen Staats⸗
und Kriegeminifter erhoben. Seine zerrüttete Geſundheit zwang ihn ſedoch 1855 bie Entbin-
dung von feinen Befchäften nachzuſuchen. Er flarb 9. Juli 1837. W. war ein Mann von -
firenger Rechtlichkeit, Gefchäftseifer und gründlichen Kenntniſſen. Seiner Thätigkeit verdankt
bie preuß. Armee beſonders die Errichtung der Unteroffizierfchule, der Cadettenhäuſer in Schle⸗
fien und am Rhein, vor allem aber bie innigere Berfhmelzung des Linienmilitärs mit ber
Landwehr. Auch über den Kreis der Militärangelegenbeiten hinaus gewährte ihm das Ver⸗
trauen feines Königs Einfluß auf politifche und Birchliche Angelegenheiten, wie man ihm benn
namentlich großen Antheil an der Abfaffung der preuß. Kirchenagende zufchreibt. Vgl. von Mi-
nutoli, „Der Graf Haugmig und Job von WB.” (Berl. 1844).
Wittzleben (Karl Aug. Friedr. von), als Rovellift A. von Tromlig genannt, nad) Trom⸗
(i$ in Thüringen, dem Gute feines Waters, wurbe bafelbft 27. März 1773 geboren. Neun
Jahre alt, kam er in das Pageninftitut zu Weimar. In feinem 13. J. trat er in preuß. Kriegs⸗
dienſte und nahm ald Offizier an den Feldzügen am Rhein 1792 — 95 Theil. Schop ba»
mals verfuchte er ſich als Schriftfteller. Im J. 1806 befand er ſich ald Oberftlieutenant im
Hauptquartiere bed Herzogs von Braunfchweig und nach der Schlacht bei Jena bei dem Fürften
von Hohenlohe. Bei Prenzlau gefangen, ging er in Folge ber Reduction des preuß. Heeres in
großherzoglich bergifche Dienfte über, wo er ald Hauptmann der Infanterie, bald darauf aber
ale Escadronchef bei einem Lancierregimente angeftellt wurde. Im 3. 1811 ging er an ber
Spige eines von ihm zu Münfter gebildeten Lancierregiments nach Spanien, doch war er 1812
wieder in Deutichland. Nachdem Preußen an Frankreich den Krieg erlärt hatte, nahm er aus
bergifchen Dienften feinen Abſchied und erhielt 1813 als ruff. Oberft das Commando der han⸗
featifchen Legion. Nach bem Frieden lebte er auf dem Lande bei Halle, bis er 1821 zur vor-
längft abgebrochenen fhriftftellerifchen Tätigkeit zurückkehrte, der er, erft zu Berlin, dann feit
1826 in Drelßen, ununterbrochen bis zu feinem Tode, 9. Juli 1839, freu blieb. Seine im
316 . Bladimir (Gouvernement)
„Geſellſchafter“, „Freimüthigen“, in der „Ubendzeitung‘ und in Taſchenbüchern, namentlich
in dem von ihm herausgegebenen Taſchenbuch „Bielliebchen” mitgetheilten Novellen und Er-
zählungen erfchienen gl6 „Sämmtliche Schriften” in drei Sammlungen (zufammen 99 Bde.,
Dresd. 182940). Man hat ihm, beſonders in den fpätern Arbeiten, verbrauchte Motive
und den Umftand zum Vorwurfe gemacht, daß er ſich in der Wahl feiner hiſtoriſchen Stoffe
allzu fehr auf den Kreis bes Dreißigjährigen Kriegs befchränkte und dennoch ſich nirgends zu
einer höhern hiſtoriſchen Auffaffung erheben konnte. Gleichwol hat er fih durch unermübetes
Schaffen und eine im Ganzen frifche Darftellung ein zahlreiches Publicum erworben.
Wladimir, ein 862 AM. großes und 1'/, MIN. E. zählendes Gouvernement bes europ.
Rußland, welches zu Großrußland gehört, liegt ganz im Ylufgebiet der Wolga und wird
von einem Hauptmebenfluffe derfelben, der Ofa, die Hier die Kljäsöma aufnimmt, burdy-
firömt. Das Gouvernement, welches ben größten Theil des alten Großfürſtenthums glei
ches Namens umfaßt, ift ein ebenes, nur von wellenförmigen Bügeln durchzogenet, meift
fruchtbared und für Landbau und Viehzucht trefflich geeignetes Terrain, indem der Bo⸗
den größtentheild aus Thon, zum Theil auch aus Morafigrund und Sandflächen befteht.
Unter den vielen Landſeen zeichnen fich ber Koromije - DOfero oder Kubfee durch feine
ſchwimmende Infel, durch ihre Größe der Pleſchtſchejewo oder Satjefkoi, der Swfaͤtoi⸗
Dfero ober Heilige See und der Pagannoi-Dfero oder Unreine See aus, welcher letztere
davon den Namen hat, weil bie Mörder des Fürften von Susdal, Andrei Jurjewitſch, nebft def-
fen am Morde Theil Habender Gemahlin 1175 in denfelben geſtürzt wurden. Getreide, Flach»,
Hanfdau, Semüfe- und Obftzucht bilden neben ber Biehzucht bie Haupterwerbsquellen der
Bewohner. Auch die Jagd liefert reiche Ausbeute. Das Mineralreich bringe Marmor, Thon,
Mühl- und Baufteine und Eifen hervor. Überdies ift W. nach Moskau das induſtriereichſte
Souvernement Rußlands. Das Fabrikweſen ift auf einer bedeutenden Stufe der Bolllommen-
hei und es gibt bier bie blühendften Baummollenmanufacturen des ganzen Reichs, bie fünf
euntel der ganzen ruff. Baummollenproduction liefern. Daneben find die Reinwandinduftrie,
die Perkmutter-, Kroftallglas-, Fayence⸗, Vitriolöl- und Stahl- und Eifenwaarenfabrifation
im Schwunge. Im 3.1839 betrug die Bevölkerung 1,133200 Seelen; damals gab «6 15
Spädte mit 58844 E. Die Hauptftabt Wladimir im Lande Susdal, um 14120 von Wladi⸗
mir II. Monomachus, Großfürſten von Kiew, erbaut, eine Zeit hindurch (1157 — 1328) die Re⸗
fidenz der ruff. Broßfürften, mit einem uralten Kreml, deffen Mauern aber faft ganz zerfallen
“find, Hat eine treffliche Lage auf Hügeln der Kljäsma und iſt von Kirfch- und Gemüſegärten
umgeben. Unter den Gebäuden verrathen nur bie Marienkirche und die Dmitriew'ſche Kathe-
brale den ehemaligen Glanz diefer alten Hauptftadt Rußlands, welche in der Tatarenzeit zwei
mal (1238 und 1410) faft gänzlich verwüftet wurde. W. 1849 von 13405 €. bewohnt, hat
28 Kirchen, ein ſtark befuchtes Priefterfeminar, ein Gymnaſium und mehre andere Schul-
anftalten und 20 größere Fabrifanlagen und ift jegt durch eine 4840 vollendete Chauf-
fee mit Moskau und mit Niſhnij⸗Nowgorod verbunden. Die zweite Stadt ift Murom, mit
9109 E., an der Dia, in malerifcher Hügeliger Rage, mit mehr als 20 Kirchen und Klöſtern
und vielen Fabriken, befonders in Seife und Leder. In der Nähe diefer Stadt find die befann-
ten, dichtverwachfenen Muromifchen Wälder, welche lange Zeit durch Näuberbanden berüdh-
tigt waren. Bemerkenswert find außerdem die Städte Susdat- (f.d.), welche bis 1157 Refi⸗
benz der Groffürften war; Schufa, ein blühender Fabrikort an der Tefa, mit 8A0R E. und
ſtarken Baummollenmanufacturen, deren 12000 Webftühle jährlich für 2 Mil. Rubel Stoffe
liefern ; Pereflawi:-Saffefty, an der Mündung des Trubeſch in den großen See Kleſchnind oder
Pleſchtſchejewo (auf den Peterd. Er. das Seeweſen lieben lernte), 1152 erbaut, mit 35 Kir-
hen, 6555 E., Leinwand», Tuch · und Seidenfabriken und nicht unbebeutendem Handel; Alexan⸗
drow an ber Seraja, mit 3907 E. Baumwollenmanufacturen, Flinten » und Eiſenwaaren
fabriken, einſt Aſyl Iwan's IV.; Jurjew⸗Polſeky, an ber Kolokſcha, mit 3867 E. ebenfalls mit
Baummollen- u. a. Fabriken; Wjasniki, mit 3542 E., Reinen- und Raventuchweberei, Flachs⸗
fpinnerei und bedeutenden Kornhandel; Melenki, an der Unfha, mit 3574 E. an 40 Fabri⸗
ten, benachbarten großen Eifenhütten, Eifengießereien, Glashütten, Kryftallfabriten; Gore-
chowez, an der Kljäsma, ein Stapelplag mit 2200 E., Xeber- und befonders wichtiger Zwirn-
bereitung. Wie bedeutend die Induftrie des flachen Landes ift, beweifen die aahlreichen Fabrik-
dörfer: Piftiakt, dab niit feiner Umgebung über 15000 E. zählt und durch die Lieferung einer
ungeheuern Menge von geftrieten wollenen Strümpfen und Handſchuhen berühmt iſt; Iwa⸗
nowo, mit 5432 E. dem Grafen Scheremetjew gehörig, bas ruff. Manchefter genannt, indem
Wladimir (Großfürſt) Bladiſlaw 317
hier und in ben dazu gehörigen Sloboden ſich 130 Kattun- und Zigfabriken befinden, Die weit
über 40000 Individuen befchäftigen, jährlich I Mil. Stud Big und Halstücher in Werthe
von 8 Mill. Silberrub. liefern und in Berbindung mit Eifen- und Kupfergießereien, einer chemi⸗
fchen, einer Mafchinen- u. a. Fabriken wol über 50000 Menfchen Befchäftigung geben; Choöͤ—
[nf oder Choluiskaja⸗Sloboda, mit 1900 E., die nur aus Malern beflehen und jährlich A—
500000 Heiligenbilber für Dorfkirchen und Bauernftuben verfenden.
Wladimir der Große, Großfürft von Rußland, wurde 981, nad dem Tode feiner
beiden Brüder, Herr des ganzen ruſſ. Staats und vergrößerte denfelben durch Beſie⸗
gung verfchiebener benachbarter Volker, ſodaß unter ihm bereits das ruff. Reich vom Dniepr
bis zum Ladogaſee und bis an die Ufer der Düna reihte. Da W. auch im Innern bes Reichs
manche gute Einrichtungen traf, fo gebührt ihm mit Recht der Beinahme bed Großen, den ihm
fein Volk bei feinen Tode gab. Den Beinamen bes Heiligen erwarb er ſich Dadurch, daß er bei
Gelegenheit feiner Vermählung mit ber griech. Prinzeffin Anna Romanowna 988 ſich taufen
ließ und mit feinem ganzen Dofftaate ımd einem großen Theile ſeines Volkes zur chriftlichen
Religion überging, während er bis dahin Heibe geweſen war. . Er ließ fich die Ausbreitung bes
Chriftenthums von ganzem Derzen angelegen fein, gründete Kirchen, 5. B. in Susbal, und
Köfter, legte Schulen an und berief aus Konftantinopel eine Menge Priefter, die ben chriftli-
hen Cultus unter feinem Volke verbreiteten. Er wurde damit der Begründer der griech.kath.
Kirche in Rußland. Einen Misgriff beging er badurch, daß er bei feinem Zode, 1015, fein
Reich unter feine zwölf Schne theilte, die gemeinfam unter der Oberherrichaft des älteften, den
er zum Großfürſten ernannte, regieren follten. Es lag darin der Grund, daß kurz nach feinem
Tode eine Reihe Familienkriege begann, die eine Auflofung des Reichs in viele vereinzelte Für⸗
ſtenthümer und endlich beim Hereinbrechen der tatar. Horden den gänzlichen Verfall des Staats
zur Folge hatten. Die Stadt Wladimir und das frühere Großfürftenthun gleiches Mmens
haben zu Ehren W.'s ihre Benennung erhalten. Desgleichen ftiftete die Kaiferin Katharina II.
1782 zu IB.’6 Andenken den Wlabimirorden in vier Claffen.
Wladiflam ift der Name von drei poln. Herzogen und vier poln. Königen. — WIabiflawL.
Hermann regierte 1081 — 1102, unternahm mehre glückliche Züge gegen die Pommern, unser:
drückte einen Aufftand feines natürlihen Sohnes Zbignjew und theilte Darauf zwifchen biefem
und feinem ehelichen Sohne Boleflam das Neich, indem er fich nur die Hauptflädte vorbebielt.
Später lehnten fich beide Söhne gegen ihren Vater auf und nöthigten ihn, feinen Vertrauten,
den Palatin Siecieh*unter deffen felbftfüchtigen Beftrebungen das Land zu leiden hatte, zu
entlaffen. WB. ftarb 1102 zu Plod und ruht unter einem prächtigen Dentmale im dortigen
Dome. — Wlabiflaw IL, des Vozigen Enkel, erhielt bei der Xheilung Polens burch Bo⸗
leffam I. 1139 Krakau und Schlefien und das Seniorat über feine Brüder. Als er aber feine
Brüder ihrer Ränder berauben wollte, wurbe er von diefen bei Pofen überwunden und mußte
mit feiner Gemahlin Agnes, einer Halbſchweſter Kaifer Konrad’s III., nad) Deutfchland fliehen.
Bergeblich fuchte ihn Friedrich I. nach einem fiegreihen Zuge in das Innere Polens wieder
einzufegen, und W. ftarb in Deutfchland 1162. Erft feine Söhne erhielten wieder Schlefien
und gründeten dort die pinflifchen Herzogthümer Breslau, Ratibor und Glogau. — Wla⸗
diffaw IIL, Sohn Mieczyſlaw's ILL, Herzog von Großpolen, war ducch eine Fehde mit der
Kirche genöthigt, die eine Zeit lang behauptete Oberhoheit unter den poln. Fürften 1207 wie⸗
der aufzugeben, und flarb, von einem Neffen, Wiadiflam Odonicz, auch aus Großpolen ver-
trieben, 1251. — WBIabiflaw L Lokjetek (eigentlich Wladiſſaw IV.). Als Her og von
Krakau zu vielfachen Kämpfen mit den andern poln. und fchlef. Zürften und mit den Bohmen
genöthigt, mehrmals aus feinen Befigungen vertrieben und unftät umherirrend, gelang es
ihm durch feine Kraft und Beharrlichkeit dennoch, die gewaltigfien Dinderniffe zu befiegen,
Holen, das faft 200 J. lang durch Theilungen zerriffen geweſen, wieder zu vereinigen und ſich
1519 zu Krakau ald König von Polen krönen zu laffen. Mit Weisheit wußte er die Ver⸗
Ihmelzung der bisher getrennt geweſenen Theile des Reichs und das erfte Aufblühen bes
Handels und der Nechtöpflege herbeizuführen. Durch Verheirathung feines Sohnes an eine
Tochter des lithauifchen Großfürften Gedimin bereitete er die Bereinigung Polens mit
Lithauen vor. Er flarb nach glorreicher Regierung 13353 zu Krakau. — Bladiſſaw II. Ja⸗
gello, f. Jagello. — Wladiflaw II, der Sohn und Nachfolger Jagello's, wurde, 109.
alt, 1454 gekrönt und 1439 nach dem Tode Albrecht's auch von den Ungam als W. I.
zum Könige gewählt. Im Kriege mit den Türken erlangte er durch Hunyad (f. d.) einen vor«
theilhaften zehnjährigen Waffenftillftand, aber auf den Antrieb des Papfles Eugenius IV.
318 Blaſta Woche.
welcher ihn von dem durch einen Eid bekräftigten Tractate entband, erneuerto er ben Kampf
und fiel ins tůrk Gebiet. Die durch den Treubruch aufs äußerſte gereizten Zürken ſiegten in
der Schlacht bei Barna 10. Nov. 1444, in der W. mit dem größten Theile ber Mterfchaft das
Leben verlor. — Wladiflaw IV. Sohn Sigismund's I. (f. d.), regierte 1632—48. Noch
als Kronprinz erwmählten ihn die Ruffen zum Zaren; boch durch die Unentfchloffenheit feines
Vaters wurbe er biefer Krone verluftig. Ein geiftreicher, ftantöfluger Fürſt, bemühte er fich,
die Mängel der poln. Berfaffung zu heben, ohne durchdringen zu können. Vergeblich ſuchte er
den Bedrüdungen der Diffidenten Einhalt zu thun, vergeblich veranftaltete er das Religions.
geipräch zu Thorn, vergeblich nahm er fich der aller Rechte beraubten Koſacken an, ber Adel
widerfirebte in Allem. Zwar war e& ihm gelungen, mit den Ruffen und Schweden ziemlich
vortheilhafte Verträge abzufchließen, die Türken waren durch Koniecpolffi von Kamieniec zu-
rüdgetrieben; allein der Staat ſchwebte nichtödeftoweniger in Folge des Kofadlenaufftandes
unter Chmielnicki, der an den Goldenen Gewäſſern und bei Korfun die poln. Heere aufgerieben
hatte, in der aufßerften Gefahr, als IB. 20. Mai 1648 in Merecz farb und fein Bruder 3o-
bann I. Kafimir den Thron beftieg.
Blaſta, der Sage nad) Freundin der böhm. Herzogin Libuffa (f.d.), welche nach den: Tode
diefer Fuͤrſtin das Joch der männlichen Herrfchaft ſich nicht gefallen laſſen wollte, mit ihren
Freundinnen nach Art der Amazonen zu den Waffen griff und einen Vernichtungstrieg gegen
das ganze männliche Gefchlecht anfing, dem Wyſchehrad gegenüber eine feſte Burg mit hoben
Thürmen unter dem Namen Diemwin oder DMäbchenburg errichtete, ſodaß fie endlich von dem
Herzog Przemysl mit Gewalt befiegt und ihre Burg zerftort werben mußte. Diefe Sage ifl
wahrſcheinlich ohne alle hiftorifche Begründung, ein reines Werk der Volksphantaſie, da die
älteften einheimifchen und auswärtigen Ehroniften auch nicht die geringſte Erwähnung des
Maͤdchenkriegs thun. Der Romandichter Hajek ift die Duelle für alle fpätern Bearbeitungen
dieſek Sage, unter welchen die, Wlaſta“ von K. E. Ebert die erfte Stelle einnimmt.
Woche, ein Zeitabfchnitt von fieben Tagen, ift ihren Urfprunge nach höchſt wahrfcheinlich
nur ein natürlicher Theil einer eben fo natürlichen größern Einheit, des fogenannten fonodifchen
oder burch den Mondumlauf gebildeten Monats, beffen Viertel die fiebentägige Woche nur um
drei Achtel Tage übertrifft. Deshalb findet fie fich auch als einheimifche Zeiteintheilung bei
den entlegenften Völkern, wie 3.3. bei den Chinefen und den alten Peruanern. Den femiti-
ſchen Völkern und den Ägyptern war fie fchon fehr früh bekannt, aber nur bei ben Iſraeliten
warb die von scheba (b. t. fieben) schebua genannte Woche auch mit der Kosmogonie, ber Ge⸗
feggebung und der Religion in Verbindung gebracht, fofern jeder fiebente Tag ald Sabbath,
d. h. ald allgemeiner Ruhetag gefeiert und der Eintritt des Pfingſtfeſtes oder des jüdifchen
Erntedankfeftes nach einem Wochencyklus beftimmt wurde, wovon dies Feft auch den Namen
Wochenfeft erhielt. Im gemeinen Leben fcheint man feboch die Zeitbeftinnmungen häufiger nach
Tagen als nach Wochen gezählt und erft nach dem Exile die Wochenrechnung gewöhnlicher
angewendet zu haben. Auch finden fich keine Namen für die einzelnen Wochentage, und noch
im Neuen Zeftamente, fowie bei den ältern Kirchenvätern wird gemöhnlich gezählt „am erften,
zweiten u. f. w. bes Sabbath” für Sonntag, Montag u. f. w., und auch die Benennung Eßdo-
pas Telbft begegnet im Neuen Teftamente in Gleichwol gab es wahrſcheinlich ſchon vor
Chriſti Geburt Namen ber Wochentage, beren Erfindung Dio Caſſius ben Agyptern zufchreibt.
Aber diefe Namen hatten zunächft nur aftrologifche Bedeutung und waren fo entilanden,
daß man die erfte Stunde des Sonnabends unter der Herrfchaft des Außerften Planeten, bes
Saturns, ſtehend dachte, und fo durch die 24 Tagesſtunden unb bie bamald angenommenen
7 Planeten fortzählend, für die erfte Stunde bes folgenden Tages die Sonne, für bie erfte des
dritten den Mond u. f. w. erhielt. Diefe aftrologifche fiebentägige Woche kam zugleich mit ihren
Tagesnamen ungefähr gegen Anfang der chriftlichen Zeitrechnung zu den Griechen (welche ih⸗
ren Monat in drei Dekaden theilten) und zu den Römern und ward beiihnen, wie aus vielfa-
chen —53 alter Schriftſteller hervorgeht, bald ſehr beliebt, obſchon die alte achttägige
Woche ber Römer (nundinae, weil der auch für bie Staatsgeſchäfte wichtige Markttag nono
quoque die, an jebem neunten Tage, wiederkehrte) erſt durch Konftantin officiell aufgehoben
wurde. Begründet war fo allgemeine Verbreitung wol zunächft in der damals herrfchenden
Vorliebe für Sterndeuterei, wefentlich gefördert aber wurde fie durch bie mit andern oriental.
Culten im Abendlande aufgenommenen jübifchen Neligionsvorftellungen, die befonders dem
Sabbathe eine ausgebehnte, durch mandherlei Aberglauben verftärfte Beltung verfchafften,
welche Fräftig genug war, um ben Ramen in alle romanifchen Sprachen, ja felbft in bie deutfche
Wodan 318
zu verpflanzen: ital. sabbato, fpan. sabado, framg. samedi (sabbati dies), althochd. sambaz-
tac, oberdeutſch Samstag. So gingen nım auch bie bisher für jede Siebenzehl geltenden griech.
und röm Wörter, das griech. EBdoas und das lat. septimana, als befegbere Benennungen
auf die fichentägige Woche über. Letzteres finder ſich in biefer Bedeutung zuerftim Codex Theo-
dosianus und drang in alle romaniſchen Sprachen (ital. settimana, semmana, [pan. und port.
semana franz. semaine), ja fogar bi6 ins Srifche (sechtmaine). Die Ehriften aber, welche die
fiebentägige Woche von den Juden überfommen hatten ımd fie gleich Diefen mit dem Sonntage
begannen, konnten fich der bereits befeftigten heidnifchen Namen nicht mehr entfchlagen, denn
eine eigenthbümlich chriftlihe Weife, die Wochentage vom Sonntage ab als feria secuuda
(Montag) bis zur septima (Sonnabend) zu zählen, ift wenig über den kirchlichen Gebrauch hin-
aus gediehen. Nur neben den Namen bes Sonntags (dies solis) ftellten die Ehriften mit Erfolg
eine neue an ben Auferfiehungstag Chriſti erinnernde Benennung : xupuasen oder (dies) domi-
nicus oder dominica, Tag des Herrn, welche in den romanifchen Sprachen zur alleinherrfchen-
den wurde (ital. domenica, fpan. und port. domingo, franz. dimanche), während ein althochb.
fröntac (von frön, dominicus) nur ein mal vereinzelt in einer &t.-Ballifchen Überfegung er-
ſcheint. Für die übrigen Tage vom Montage bis zum Freitage blieben die aftrologifchen Na⸗
men in allen romaniſchen Sprachen üblich. Die Germanen, welche ſchon nach be Tacitus Be⸗
richte gotteßbienftliche, gerichtliche und politifche VBerfammlungen und wichtigere Unternehmun⸗
gen nach dem Wechſel (atthochd. wih-sal, woh-sal) bed Mondes beftimmten, konnten fehr wohl
von ſelbſt auf eine fiebentägige Woche (althochb. wehha, wecha, angelf. vuce, altnord. vika,
ſchwed. vecka, dän. uge, goth. vielleicht vik6) gerathen fein; aber bei ihren Benennungen ber
Wochentage [cheint, und ſchon vor Einführung des Chriſtenthums, rom. Einfluß, vielleicht über
Gallien her, gewaltet zu Haben. Für Sonntag und Montag wurden bie aftrologifchen Namen
beibehalten, für die übrigen Tage aber bie Ramen derjenigen germanifchen Gottheiten gewählt,
deren Weſen den betreffenden rom. Göttern am nächften verwandt erfchien; und ſolches in al«
len germanifchen Sprachen, bie wir fo weit verfolgen Eönnen, wobei wir befonder# den Abgang
ber goth. Namen bedauern. Dem rom. Mars entiprady der beutfche Ziu oder Ear, nord. Tyr.
Daher warb dem dritten Wochentage der Name Zieſtag, Tieftag, Dieftag, Dienftag, bairiſh
Eritag oder Erchtag. Dem Mercur verglich fi Wodan: daher der weftfälifche und nie-
derrheinifche Gobdenstag, Gunstag, Genesdag, zu dem bie niederländifchen, englifchen und
ſtandinaviſchen Benennungen fi) fügen, während in Oberbeutfchland fich ſchon frühzeitig ein
abflractes diu mittawecha, Mittwoch, einftellte. Dies Jovis ward überall zum Tage bed Donar,
nörd. Thor, ebenfo dies Veneris zum Tage der Fria, nord. Srigg, ber Gemahlin Wodan's,
doch auch in den Namen ber Freyja hinüberſchwankend. Wiederum beim letzten Wochen-
tage gehen die germanifchen Sprachen auseinander: den dies Saturni bewahrte das Nieder-
ländifche, das Angelſächſiſche und das Englifche und der ältere weſtfäliſche Dialekt, während
fi im Norden ein laugardagr (bän. löverdag, ſchwed. lördag), d. i. Babetag, und in Ober-
deutſchland ein Samstag oder Sonnabend (mahrfcheinlich feria ante dominicam) einftellte.
Slawen, Kithauer, Finnen kennen die Planetentagnamen nicht, fondern zählen die Tage gleich
den Griechen. Die Vertaufchung ber fiebentägigen Woche mit einer gleichfalls blos zählenden
Dekade im franz. republitanifchen Kalender (f. d.) hatte nur Beftand vom 5. Det. 1795 bis
zum 31. Dec. 1805. Die in der Bibel vorfommenden Jahreswochen find Jahrfiebente, die nur
der hebr. prophetifchen Poeſie angehören, und eben ſolche Jahrfiebente ohne praktiſch - chrono-
logifche Geltung find die annorum hebdomadae einiger rom. Gchriftfteller. Vgl. Ideler,
„Handbuch der Chronologie” (2 Bde, Berl. 1825—26; Grimm, „Deutſche Mythologie”
(2 Bde, 3. Aufl, Gött. 1854).
Wodan ift die niederdeurfche, Wuotan bie hochdeutſche Namensform besjenigen Gottes, ben
die Standinavier Odin (f.d.) nannten. Er ward nachweislich bei vielen german. Stämmen
als oberfte und wahrfcheinlich bei allen als eine befonders hohe und mächtige Gottheit verehrt
und bat unter allen germanifchen Böttergeftalten die vollendetfle Ausbildung erfahren, fobaß
er, zufolge des auch allen polytheiftifchen Religionen innesvohnenden monotheiftifchen Triebes,
gleihfam zum Mittelpunkte des ganzen Kreifes geworden war und alle bie Eigenfchaften ver-
einigt in ſich trug, welche in ben übrigen Göttern mehr vereinzelt zur Erfcheinung kamen. Dar⸗
über ift freilich feine urfprüngliche finnliche, phufifche Bedeutung einigermaßen in den Hinter-
grund getreten, ſowie auch aus feinem Namen, der fi vom althochdeutfchen watan (lat. vadere),
gehen, waten, herleitet, einige geeignete Aufklärung über die Grundbedeutung feines Weſent
faum geiwonnen werden kann. Bon vorchriſtlichen deutſchen Sprachdentmalern, bie ihm ar
330 Wogulen Woͤhler
droͤdlch gelten, at ſich zwar nur ein einziges erhalten, das eine ber beiden Meinen, vielleicht
ſchon im 8 Jah tſtandenen, aber erſt im 10. Jahrh. niedergeſchriebenen ſogenannten, Mer⸗
ſeburger Gedichte”, aber zahlreiche gelegentliche Erzählungen in andern Schriften, Tom’ die
noch lebende Voltsubenlieferung laffen mit Sicherheit entnehmen, baf in Deutſchland im WBe-
fentlichen diefelben Vorftellungen und Mythen von ihm geherricht haben eis im ſtandinaviſchen
Norden. Auch in Deutfchland dachte man fich den Wodan einäugig, mit Preitfrämpigem Hute
und weitem, dunkelfarbigem Mantel, woburch Sonne, Wolken und Himmelsgewölbe ſymboli⸗
firt wurden. Er war der Herr aller Auft- und Bettererfcheinungen und fuhr im Sturme baber
auf feinem zur Verſinnlichung der Schnelligkeit achtfüßig gedachten Noffe Steipnir und gefolgt
von den Einberjar, d. i. ben Geiftern der in der Schlacht gefallenen Krieger, und von den Wal⸗
Eugen (f. d.), deren Roffe aus ihren Mähnen Thau in bie Thäler und Geriefel auf die Bäume
ſchüttelten und fo die Felder befruchteten, woraus das Wilde Heer (f. d.) der noch lebenden
Volksſage hervorgegangen iſt. Sein Walten erkannte man aber auch, wenn die Sonne wieder
höher flieg, wenn der Frühling über den Winter fiegte und wenn ber Erntefegen wirkte: darauf
gründet es fich, wenn noch beutein manchen Dörfern zur Zeit der Zwölften (f. d. oder im Anfange
des Mai verBleidete Burfche einen Schimmielreiter darftellen (vgl. Zobausfreiben), ober wenn
von den Mähern Getreibebüfchel für Wodan's Pferd ausgefpart werden. Doch nicht nur Ver⸗
leiher des Ernteſegens war er, fondern überhaupt der Geber alles Guten, alles Wünſchenswer⸗
then, der „Wunſch“ felbft, wie die ältere Sprache das nannte (f. Wünſchelruthe); und nicht
blos leibliche Gaben verlieh er, fondern auch geiftige, die Begeifterung bed Dichters wie des Krie-
gers, und die Erfindung ber Runen (f. d.) und damit die Grundlage aller Kenntnif ging von
ihm aus. Wie er aber Alles durchdrang, fo wußte er auch Alles, was die mythologifche Vor⸗
ftellungsweife dadurch ausdrüdt, daß zwei Naben Huginn (Gedanke) und Muninn (Gedädht-
niß) ihm Alles ins Obr fagten, was fie fahen und hörten, und daf er felbft von feinem Stuhle
Hlidsklalf aus die ganze Welt überfchaute. Diefe Eigenfchaften erhoben ihn zum Staatsgotte,
ſodaß alle politiſchen Einrichtungen und öffentlichen Handlungen, Gerichte, Friedensſchlüſſe,
Eiße u. dgl. unter feinem Schuge flanden, und daß Könige ihr Geſchlecht und folglich auch ihre
Macht von ihm herleiteten. Zu ihm, dem Allvater, gingen endlich auch die Tapfern, die in der
Schlacht gefallen waren, und freuten fich des Mahls in feiner Halle, in Valhöll (Walhalla).
Nach rom. Vorftellung verglich fih Wodan am nächften dem Mercurius; darum ift auch ber
Dies Mercurii (Mittwoch) in den meiften german. Sprachen Wodanstag benannt worden.
Wogulen, eine der ruff.-finnifchen Völkerfchaften, auf beiden Seiten des nördlichen Ural,
in den Statthalterfchaften Perm und Tobolsß, an den Flüſſen Srtifh und Kama, find nad)
ihren Überlieferungen ſtets in ihren heutigen Wohnfigen feßhaft geweſen und waren ehedem ein
tapfere& Volk, welches fih nur ſchwer in die Herrfchaft der Nuffen fügte. Die Wogulen, die
von ben Ruffen Wogulitſchi genannt werden, nomadifiren, etwa 30000 Köpfe flarf, bis auf den
heutigen Tag und lieben namentlich die Gegenden nördlich von Solikamsk und Werchoturie, mo
ihnen bie grasreichen Steppen an ben Flüffen Tawda, Kolma und Wichura fette Weibepläge
für ihre Heerden, die meift aus Rennthieren beftehen, darbieten.
Wohlau oder Wolau, ehemals ein unmittelbare Kürftenthum Niederichleftend, das jegt,
auf die beiden zum breslauer Regierungsbezirk gehörigen Kreife Wohlau und Steinau vertheilt
ift, bie zufammen etwa 227. AM. mit 78000 €. zählen. Das Fürſtenthum wurbe von Polen
und ben Fürſtenthümern Ols, Breslau, Liegnig und Glogau begrenzt und bildete unter Kon-
rab VIII. geft. 1492, zum erften male ein felbftänbiges Herzogthum, welches biefer mit DIE
wieber vereinigte. Im 3. 1586 erhielt es Johann Georg, zweiter Sohn bed Herzogs Georg II.
von Brieg, der es, da er ohne Nachkommen ftarb, an feinen Bruder, Joachim Friedrich von
Brieg, vererbte, deffen Enkel Chriftign es dann 1639 zugetheilt erhielt und mit ben von
feinen Brüdern everbten Herzogthümern Brieg und Liegnig vereinigte. Die Hauptftabt
Wohlan, an ber Jüfche, von Zeichen umgeben, iſt jegt Kreisftadt, hat ein königl. Domänen
amtsſchloß, das früher Karmeliterkloſter war, eine Pfarrkirche und 2500 &., die ſich von Ader-
bau, Branntweinbrennerei, Zeinweberei und Garnhandel nähren. In der Nähe von W. findet
man guten Mergel,
- Wöhler (riedrich), verdienter Chemiker, geb. 31. Juli 4800 im kurheſſ. Dorfe Eſchers⸗
eim bei Frankfurt, ward bis 4842 im älterlichen Haufe zu Rödelheim, wo fein Vater eine
fonomie angefauft hatte, erzogen und befuchte dann das Gymnaſium zu Frankfurt. Bih-
rend dieſer Zeit bereitẽ mit Phyfik, Chemie und Mineralogie eifrig beſchaͤftigt, widmete er ſich
feit 1820 zu Marburg neben der Mebicin befonders chemifchen Studien, bie er zu Heidelberg
Wohlfaprtsausfäuf 321
unter Gmelin mit günftigfiem Erfolge fortfegte. Nachdem er im Sept. 1823 promonvirt
hatte, ließ er die Medicin ganz beifeite und wandte ſich nach Schweden, wo er bis Det. 1824
bet Berzelius arbeitete, Daneben aber wiederholte Ausflüge und Reifen im mineralogifcdh«geog-
noftifchen Intereffe unternahm. Nach feiner Rückkehr erhielt er im März 1825 eine Anftellung
als Lehrer an ber neubegründeten Gewerbfchule zu Berlin. Obgleich bereits 1828 zum Profef-
for an derfelben ernannt, nahm er doch 38352 feinen Abſchied und wendete ſich zunächft nad
Kaffel, mo er unter Anderm eine Methode zur Gewinnung des Nidels auffuchte und, als dies
gelang, mit zwei Breunden eine Ridelfabrit errichtete. Um diefelbe Zeit erhielt er auch an der
höhern Gewerbſchule, an beren Einrichtung er im Auftrage der Regierung Theil genommen
hatte, die Kehrerftelle für Chemie und Technologie. Nach Stromeyer's Tode folgte er im März
1836 einem Rufe als ordentlicher Brofeffor der Medicin, Director des chemiſchen Inflituts unb
Generalinfpector der hannov. Apotheken nach Göttingen, wo er feitdem mit günftigfiem Erfolge
gewirkt bat. Seine zahlreichen Unterfuhungen und Entdeckungen hat er meift in Zeitfchriften,
wie in den Riebig’fchen „Annalen ber Chemie und Pharmacie”, beren Mitherausgeber er 1838
wurde, in Gilbert’6, dann Poggendorf’6 „Annalen der Phyſik und Chemie” und den „Abhand»
ungen” ber göttinger Geſellſchaft der Wiſſenſchaften veröffentlicht. Die weitefte Verbreitung
im In» und Auslande hat fein „Grundriß der Chemie” gefunden ; der erfte Theil deſſelben um-
faßt den „Grundriß ber unorganifhen Chemie” (Berl. 1851; 10. Aufl, Berl. 1854), ber
zweite den „Grundriß der organifchen Chemie” (Berl. 1840; 5. Aufl., 1854). Sonft find noch
zu nennen: „Die Schwefelmafferquellen zu Nenndorf” (Kafjel 1836) und „Praktiſche Ubun-
gen der chemifchen Analyfe” (Berl. 1854). Huch machte er ſich durch die deutfche Bearbeitung
von Berzelius’ ‚Lehrbuch der Chemie” (4 Bde, Dresd. 1825; 10 Bde, Dresd. und Rpz.
1835 —41), ſowie von deſſen „Jahresbericht über die Fortfchritte der phyſikaliſchen Wiſſen⸗
ſchaften“ verbient.
Wohlfahrtsausſchuß (Comils de salut public) hieß im der Franzöſiſchen Revolution bie
Regierungsbehörde des Nationalconvents (f. d.). Der Abfall Dumouriez’, der traurige Zu⸗
ftand des Heeres und die Gefahren im Innern bewogen den Eonvent zu Anfang des I. 1793,
zur Rettung ber Republik außerordentliche Mafregeln zu ergreifen. Nachdem im März bas
Nevolutionstribunal errichtet worden, gründete der Convent in feiner eigenen Mitte ein Cen⸗
tralorgan ber ausübenden Gewalt, indem er 6. April 1793 den Wohlfahrts ausſchuß decretirte,
der ſchon 10. April ins Leben trat. Die Gewalt des Ausſchuſſes follte nur von einem Monat
zum andern reichen und jedesmal am 40. entweder vom Convent erneuert oder zurüdgenommen
werben. Der Ausſchuß follte die Thätigkeit der Minifter regeln, überwachen und befchleuni«
gen. In dringenden Fällen jedoch konnte er die Verfügungen der Minifter fuspendiren und
felbftändige Mafregeln für die äußere oder innere Bertheidigung ergreifen. Der Ausſchuß
wer für feine Handlungen dem Convente verantwortlich und mußte möchentlih Rechenſchaft
ablegen. Nur Staatsbeamte Eonnte er verhaften; für geheime Ausgaben waren ihm jährlich
100000 Fres. beflimmt. Die Wahl der Mitglieder, aus denen ber Ausſchuß beftehen follte,
fiel zum erften mal, Danton, Gambon und Barere ausgenommen, auf ziemlich unbedeutende
Männer. Nach dem Sturze der Gironde fügte man drei entſchiedenere Mevolutionäre, Cou⸗
thon, St.⸗Juſt und Jean Bon St.- Andre, Hinzu. Am 10. Juli ſtieß man jedoch drei als
gemäßigt geltende Mitglieder aus, ſodaß der Ausſchuß abermals aus neun Perfonen beftend.
Größeres Vertrauen erlangte dad Inftitut erft, indem man Nobespierre und Carnot für zwei
Erkrankte einfhob. Dennoch konnte ber Wohlfahrtsausfhufß nicht die gemünfchte Gentralifa-
tion der Gefchäfte bewirken, weil feine Macht noch zu beſchränkt mar. Erſt als ber Konvent.
fab, Daß die Ausführung ber estremen Maßregeln, befonders der Erhebung in Maffe, ohne eine
Art Dictatur unmöglich, decretitte ex 4. Dec. 1793 eine revolutionäre Regierung bie zum
Srieden und flellte an beren Spige den jegt mit großer Machtvollkommenheit verfehenen Wohl⸗
fahrtsausſchuß. Die Minifter und die fpäter an deren Stelle gefepten Sommiffionen waren .
fortan nur die Vollitedier feiner Befehle. Der Ausfchuß übte eine abfolute Gewalt über alle
Localbehörben, befegte alle Amter und konnte Sebermann verhaften und vor das Nevolutiond-
tribunal ftellen. Seine Rechenſchaft Iegte er bem Gonvent monatlich ab, wobei febesmal feine
Erneuerung flatefinden follte, was aber ſtillſchweigend unterblieb. Die zwölf Männer, denen
diefe ungeheuere Macht übertragen wurde, waren Robekpierre, Gouthon, St.Juſt, Carnot,
Linder, Prieur (von Cdte⸗d'Or), Billaud-Varennes, Collot d'Herbois, Barere, Herault be Se
chelles, ber aber mit Danton das Schaffot beſtieg, Jean Bon St.Andre und Prieur (von ber
Sonu.sker. Zehnte Aufl. XV. 2 al
%
333 Woplfehrtäpeitzei Vohlgemuth
Marne), die ſich ſtets auf Sendungen befanden und ſpäter gar nicht mehr mitzählten. Kaum
war die neue Regierung in Gange, ald man auch ſchon die Energie, aber audy ale Schreden
der Dictatur empfand. Von den Pyrenden bis zum Rhein, von den Alpen bis zum Meer
nahm der Wohlfahrts ausſchuß Alles, Menfchen und Sachen, m Belchlag, um den Kampf
gegen die Monarchien Europas zu beftehen. Er eröffnete gewaltfan alle Hülfsquellen der Na⸗
tion, befchaffte ein ungeheueres Kriegsmaterial, organifirte die Maſſen, entwarf fühne Feld-
zugsplane und befahl den Truppen, zu fiegen ober zu fierben. Die Mittel, wodurd ber Wohl.
fahrts aus ſchuß ſolche Wunder wirkte, waren der Polizeiausſchuß (Comil6 de sureld gens-
rale), die im März 1793 zur Vollſtreckung der Gefege gegen die Verbächtigen in allen Gemein-
den eingerichteten Revolutiond- oder Uberwachungsausſchüſſe (Comites de surveillance) und
das Revolutionstribunal (f. d.). Im Innern erftichte er die Sutriguen und Verſchwörungen
der Royaliften, fchüchterte Die Jakobiner ein und unterdrückte die übrigen Bolkögefellichaf-
ten; ex ließ die cynifchen Freiheitdmänner der parifer Gemeinde in ber Perſon Hebert’3 und
feiner Genoffen das Scaffot befteigen; er wagte fogar die Partei Danton's, welche die
Revolution auf ein beſtimmtes Maß zurüudführen wollte, unter die Guillotine zu bringen. In⸗
deſſen war es nicht ein gemeinfames Handeln der Mitglieder, fondern die im Ausſchuſſe felbft
errichtete Dictatur Robespierre's, die diefes Syſtem ded Blutes und des Schredens bit auf
den Gipfelpunkt verfolgte. Nobespierre, im Verein mit Couthon und St.Juſt, dictirte
die Ausrottung der Revolutionsparteien, um über deren Köpfen zur Alleinherrſchaft zu gelan-
gen. Man nannte diefe fchredlihen Männer das Zriumpirat, auch die Gewaltigen (gens de
la haute main). Nach dem Sturze Danton’s begannen fie ein kaltes Morden faft ohne Aus⸗
wahl, blos um die Gemüther durch Furcht und Verzweiflung zu zerrütten. Eelbft der Na-
tienalconvent zitterte und bewilligte die Blutanträge, die Nobespierre unter dem Namen des
Ausfchuffes machte, ohne Discuffion. Alein eine folhe Negierung muß bald ihren Räder
finden. Schon in den erfien Monaten des 3.1794 vereinigten fih Billaud, Collot und Barere
theils aus Neid und Eiferfucht, theild aus Furcht gegen Nobespierre, und ihnen gefellten ſich
bald auch bie übrigen Mitglieder des Ausfchuffes bei. Nobespierre beging die Unklugheit, ſich
aus verlegtem Hochmuth vor diefer Goalition aus dem Ausfchuffe zurückzuziehen, und gerieth
fo in eine vereinzelte Lage, die 9. Thermibor (f. d.) zu feinen und Finer Anhänger Untergange
führte. Man hob zwar nach dem Sturze des Terrorismus deffen Werkzeug, den Wohlfahrtd-
ausfchuß, nicht auf, fondern begnügte fich, ihn durch fechd_neue gemäßigtere Glieder, Zallien,
Breard, Thuriot, Treilhard, Laloi und Efchafferiaur den Altern, zu ergänzen. Bei dem reißen-
den Fortgange der Reaction gegen das frühere Regiment nahm jedoch der Konvent fchon Ende
Auguft 1794 flatt der höchſten Kentralifation eine ebenfo große Zerfplitterung der Negie-
tungsgewalt vor. Die Verwaltungszweige wurden an 15 verfchiedene Sonderausfchuffe ver-
teilt und ber Wohlfahrtsaus ſchuß, der fo ſchrankenlos gemaltet, behielt nur die Keitung der
militärifchen und dipfomatifhen Geſchäfte. Zugleich ſtieß man Sollot, Billaud und Barere
aus dem Ausſchuſſe auf die Bank der Angeklagten. Der Wohlfahrtsausfchuß verfant feitbem
in Bedeutungsloſigkeit und hinterließ dem Directorium (f. d.), das im Oct. 1795 eintrat, die
Geſchäfte im tiefften Verfall. Rächſt Carnot's und befonders Barere's Memoiren vgl. Se
art, „Mömoires inedits, ou revelations puisdes dans les cartons des comites de salut
public et de suret6 göndrale” (2. Aufl., Par. 1824).
Moblfahrtöpofizei, f. Polizei.
Boblgemuth (Michel), der Stifter der nürnberger Malerfchule und Lehrer Albr. Dürer’s,
‚wurde zu Nürnberg 1434 geboren und ftarb daſelbſt 1519. Zu feiner Zeit war er ber beite
Maler Nürnbergs, welches von ihm, nächſt den Bildern auf der Burg, in ber Morigfapelle
vier Werke, den heil. Georg, die heil. Katharina, die heil. Rofalie und Johannes den Täufer,
fämmtlih mit Rüdfeiten, befigt, die ehemals den Hauptaltar der Auguſtinerkirche zierten. Auch
die Marienkirche in Zwickau Hat fieben Gemälde von ihm aufzumeifen, die 1851 reſtaurirt
wurden; dad bemunbertfte feiner Werke aber befigt die Stadt Schwabach unmeit Nürnberg.
Nach Einigen fol auch das Jüngſte Gericht in Danzig von ihm fein, was aber zu bezweifeln
flieht. Sehr ausgezeichnet ift fein großes Votivbild mit dem heil. Hieronymus in der Galerie
des Belvedere zu Wien, voll milder Raiverät in ben Köpfen und mit vortrefflichen Porträtfigu-
en der Schenkgeber. Sonſt zeigt ſich W. als Repräfentanten der harten, ftrengen, fharfge-
ſchnittenen Manier der ältern nürnberger Künſtler, welche die Umriffe nachdrücklich gegenüber
der Barbe hervorhoben. In manchen untergeorbneten Bildern W.s kommt noch, zumal bei be-
goegten Scenen, eine flarre Ungeſchicklichkeit und in den Phyfiognomien der Widerſacher eine
Sohlthaͤtigkeit Dojwodſchaft Serbien und Temeſer Banat 323
unangenehme &xurrilität zum Vorſchein; doch fehlt nirgende ein Fräftiger, treuer Charakterkepf,
ber den Beſchauer ſchadlos Hält. Übrigens war WB. lange Zeit einer der wenigen Namen, mit
welchen man alle möglichen Bilder ber verfchiedenften Schulen zu taufen gewohnt war. Wie
die meiften feiner Seitgeneffen war ex zugleich Helgfchneider und Kupferſtecher. Ausgezeichnet
ſchõne Blätter von ihm in Holzfchnitt enthält die 1493 erſchienene Schedel ſche „Ehronik von
Nürnberg”. Sein Schüler Albr. Dürer malte ihn in feinem 83. 3.
Wohlthaätigkeit und Wohlthätigkeitsauſtalten. Im fubjectiven Sinne nennt man
Wohithätigkeit die Eigenichaft oder Gewohnheit des Wohlthuns, der Linderung fremden
Elends; im objectiven Sinne die Summe ober das Syſtem Der zu ſolchem Zwecke getroffenen
Veranſtaltungen. In legterer Beziehung unterfheidet man zwiſchen der Privatwohlthaͤtigkeit
und der öffentlichen Wohlthätigkeit. Die Privatwohlthaͤtigkeit ift nicht auf Die vereinzelten
Acte des Almofengebens befchränkt, fondern fann, fa fol ebenfalls planmäßig und nad be
ſtimmten Grundfägen die vorhandene Roth zu mildern, bem Überhandnehmen folder zu ſteuern
fuchen. Das wefentlichfte Mittel dazu find Vereinigungen oder Affociationen der Privaten zur
foftematifchen Unterflügung der Arm, Nothleidenden und Kranken, zu vorbeugenden Maß⸗
regeln gegen Berarmung (z.B. Arbeitsnahweifungsanftalten, Sparanſtalten, Bermittelung
eines billigern Einkaufs der erfien Lebensbedürfniffe), ferner zur Darbietung von Vorſchüfſen
an unbemittelte Gemwerbtreibende, zur Erleichterung der Kinderpflege (Kinderbewahranftalten,
ertragung der Koften des Schulunterrichts u. f. w.), zur Befferung vermahrlofter Kinder
und zu andern ähnlichen Veranflaltungen, welche eine Verbefferung der Lage Mittellofer be»
zweden. Die öffentlihe Wohlthätigkeit, in welche fidy wiederum der Staat und bie Gemein⸗
den, bisweilen auch noch als drittes Glied die Reiche und Provinzen zu theilen pflegen, verfolgt
im Allgemeinen denfelben Zweck: Linderung der vorhandenen Noth, Befeitigung der Urfachen
drohender Roth und Armuth. Sie tritt entweber ergänzend und belfend ba ein, wo die Privat.
wohlthätigkeit nicht ausreicht, oder verbindet ſich auch wol mit biefer zu gemeinſchaftlichem Wir⸗
Ben. Unter den vielen Schriften über Wohlthätigkeit und Wohlthätigkeitsanftalten ift eine der um-
faffendften und gründlichſten Degerando’s „De la bienfaisance publique” (zufegt 4Bde., Par.
1849 ; deutſch von Buch, Stuttg. 1845). Übrigens ſ. die Artikel: Armenarzt, Armencolo-
nien, Armenſchulen, Arbeitshäuſer, Urmentare, Armenweſen, Pauperiſsmus, Innere
Miſſion, Rauhes Haus, Sparkaſſen, Kinderbewahranftalten, Krippen u. ſ. w.
Wohlverlei, ſ. Arnica.
Wojwsda (poln. wojewoda), ein altes ſlaw. Wort (gebildet aus woi, d. h. Krieger,
Kämpfer, wovon wojna, Krieg, wojsko, Heer, und von, wodit, d. h. führen), heißt wört-
ih Heerführer, namentlih Anführer im Kriege und war in biefer Bedeutung bei den
meiften law. Völkern von jeher im Gebrauch. Später wurde diefer Rame ber Titel des berr-
ſchenden wählbaren Fürften, bevor ſich erblihe Monarchien bildeten. &o hießen ehemals die
Fürften der Walachei und Moldau Wojwoden, die dann von den griech. Kaifern, mit denen
fie feit 1459 in einiger Verbindung fanden, den Titel Despoten erhielten, den fie nachher mit
dem Titel Hos podar vertaufchten. Ebenfo hießen die wechſelnden und wählbaren Dberſten der
Regierung in Polen vor dem Antritt der Pinftendynaftie, deren es zwölf gab. Später bezeich-
nete der Rame Amt und Würde. So nannte man im ehemaligen Königreihe Polen Woj⸗
woben die Statthalter In den Rand» oder Wojwodſchaften, in welche das Reich eingetheilt
war. Sie hatten anfangs Beine civile, fondern nur eine militärifche Amtsftellung ; doch wurben
beide fpäter in einer Perfon vereinigt, fodaß man Wojwoda mit Palatinus überfegte und gieich-
Relite. Diefelben verwalteten alfo die Regierungsgeſchäfte, Juſtiz und Polizei und bildeten bie
erſte Elaffe der weltlichen Neicheftände, Hatten Sig im Senate und wurben daher auch Sena⸗
toren genannt. Wenn in Kriegszeiten ein Aufgebot deö Adels flattfand, fo führte feber Woj-
wode den Adel feiner Wojwodſchaft ins Feld. Der Name Wojwodſchaft wurde bis in die
neuere Zeit auch in ruſſ. Polen beibehalten; jegt find dafür Gouvernements eingeführt. In
der Türkei führen den Titel Wojwoden die Pächter der Abgaben.
VWoiwodſchaft Serbien und Temefer Banat iſt der Rame eines erſt 1849 gebildeten
Kronlandes der öftr. Monarchie. Daffelbe erſtreckt ſich zu beiden Seiten der untern Theiß (1.d.),
weiche die eigentliche Wojwodina von dem Banat fcheidet, und wird von Ungarn im N. und
W., von Siebenbürgen im O, von ber Militärgrenzge im SO. ımb &., von Slawonien im SW.
eingeſchlofſen. Es iſt zufammengefegt aus der Bacska oder dem frühern ungar. Comitat Bacs
(f. d.), den drei temeſer Banatscomitaten Temesvar, Torental und Kraſſo 6 Banat) und den
334 | Boſjwobſchaft Serbien und Temeſer Banat u
vormals zu Slawonien gehörigen Bezirken Ruma und Illok in Syrmien und enthielt 1854
527,7 AM. mit 1,580757 €. (nach der Zählung von 1851 auf 544, LM. 1,426221). Der
größte Theil des Landes ift als fübliche Kortfepung der centralen Ziefebene Ungarns (f.b.) flach.
Gebirgig find nur ber öftfiche Abſchnitt des Banats, der von Ausläufern der fiebenbürg. Karpa-
ten durchzogen wird, und im Südweſten die von Slamonien hinzugelommenen Gebietöthelle, wo
die wald», frucht und weinreiche Fruſchka⸗Gora und das Werbaitgebirge das rechte Ufer der Do-
nau begleiten. Die Ziefebene vom Banat weflmärts über die Theiß hinaus bis zur Donau befteht
aus Haiden, im Norden von graßreichen Biefen und Weinbergen, in der Mitte von ben fetteſten
Fruchtebenen unterbrochen. Das Kronland ift reichlich bewäffert. Die Donau tritt bei Bafa ein
und geht nach einem Laufe von 33° M. in die Militärgrenzge über. In fie mündet die Theiß,
welche an Der Rordgrenze die Maros, füdlicher die Bega aufnimmt, und die Temes. Diefe Waf-
ferftraßen werben noch durch den 14% M. langen Bacfer- oder Franzenskanal und ben 26, M.
langen Begakanal erweitert.” Außerdem find ber Bergava- und der Verfeczerfanal bemer-
kenswerth, die zur Entwäfferung von Sümpfen und Moräften dienen. Unter ben Seen
iſt der HAM. große Palicferfee bei Therefienftadt der bedeutendfte und wegen feines Reich⸗
thums an roher Soda wichtig. Das Klima nähert fih im Sommer faft dem italieniifchen, der
Winter aber ift doch zu anhaltend und wegen des freizügigen Norbwinds zu rauh für Oliven
und Drangen, während der härtere Rebftod köſtliche Weine erzeugt. Der Boden befigt eine
wunderbare Zeugungsfraft und bebarf, mit Ausnahme einiger Sandftredien, keiner Dümgung.
So gehört das Land zu den gefegnetften Europas und ift das fruchtbarfte umd die Kornkammer
der öftr. Monarchie. Erzeugniffe find: Weizen, Mais, Roggen, Hafer, auch Reis, Kartoffeln
und Hälfenfrüchte, Klee, Flache, Hanf und Raps, Krapp, Tabad, Saflor und Süßholz. Aus
dem Pflaumenobfl (das befte in Syrmien) wird der Sfibowiga (f. d.) bereitet. eigen und
Mandeln werden ebenfalld gewonnen. Die Waldungen find umfangreich und ergiebig; ber
Weinſtock ergiebiger als fonflwo in der Monarchie. Den meiften Wein trägt das torontaler
Gomitat, den beften Syrmien. Die productive Bodenfläche wirb auf 471,13, bie uncultivirte
auf 73,60 AM. berechnet. Die Viehzucht wird mit großer Vorliebe betrieben, mit Sorgfalt
jedoch die Pferdezucht nur von ber deutfchen und magyar. Bevölkerung, die Rindvich⸗ und
Schweinezucht von ber ferbifchen, während bie Schafe in allen Landestheilen nur von geringen:
Schlage find. Nicht unwichtig iſt die Bänfe- und die Bienenzucht, von geringerer Bedeu⸗
tung die Seidenzudt. Groß ift ber Fiſchreichthum der Gewäſſer, namentlich der Donau und
der Theiß. Eine Landplage ift die Eolumbager Mücke (f. d.). Der Bergbau wird nur im öſt⸗
lichen Theile des Banats betrieben. Man gewinnt Gold, Silber, dann Kupfer, Blei und Glätte,
Zink und Galmel. Schwefel wird in den Kupferwerken, Pottaſche in ben Waldungen, rohe
Soda am Palicferfee gewonnen. Un Salz fehlt ed. Bon großer Mächtigkeit und Güte
find die Steintohlenlager von Dravicza und Moldava. Marmor liefern Dravicza, Moldava,
Dognacſta, befonders aber Szaſzka, mo er dem carrariſchen faft gleichfommt. Unter den Mine
ralquellen ift die von Buſziaſj im Banat zu erwähnen. Die Induftrie ift von geringem Belang.
Bedeutende Olmühlen beftehen in der Bacſta und im Banat. Slibowitza wird in allen Lan-
deötheilen erzeugt und bildet einen belangreichen Handels artikel. Auch die Erzeugung von Le⸗
der ift von einiger Bedeutung. Ungleich wichtiger ald die Induſtrie ift der Handel. Der Tran⸗
fitohandel von Oftreich in die Türkei und ben Drient nimmt größtentheild den Weg durch bies
Kronland, wozu die Donaudampfſchiffahrt viel beiträge. Nicht minder erheblich und gewinn⸗
reich iſt der felbftändige Handel mit Getreide und andern Feldfrüchten, namentlich firomauf-
wärts nad Dftreih. Außer ben Flüffen und Kanälen fördern auch gute Landſtraßen ben Ver⸗
Behr. Bon Dravicza führt eine IM. lange Rocomotiveifenbahn nach Bazias an bie Donau,
und eine 1854 im Bau begriffene Bahn von 17 M. Länge wird Temesvar mit Szegedin in
Verbindung fegen und ben Anfchluß an die große Südoftbahn der Monarchie herbeiführen.
Das Land war ſchon feit den Zeiten der rom. und byzant. Herrſchaft der Schauplag von
Ein- und Auswanderungen wie von blutigen Völkerkämpfen, fobaß ſich hier feltfam eine große
Anzahl verfchiedener- Nationalitäten zufammengedrängt hat. Indeffen nur die Slawen (aber
in verfchiedenen Völkerfchaften), Romanen oder Walachen, Deutſchen und Magyaren treten in
größerer Maſſe auf, wohnen jedoch bunt durcheinander. Bei der Zählung von 1851 betrug die ein-
heimifche Bevölkerung 1,598997 Individuen, darunter: Slawen 406784, Romanen 398094,
Deutfche (mit Einfhluß von 16214 Juden) 340149, Magyaren 241594, Andere 12376.
Unter ben Slawen gab es nichtunirte Serben 290023, kath. Serben oder Schokaßen und
Bunjevagen 43163, Slowaken 28040, Bulgaren 22267, Nuthenen 7276, Kroaten nur
Wojwodſchaft Serbien und Zemefer Banat 225
3709, Polen 174 Köpfe. Dazu kamen 12121 Zigeuner, 147 Griechen, einige Jtafiener, Arme⸗
nier, Tuͤrken u.f.w. Der Religion nach zählte man 679556 nichtunirte Briehen, Römifh-Ra-
tholiſche 614577, Sriehifch-Unirte 11612, Proteftanten 77058, Juden 16214. Selbftändige
Sprachgebiete kommen nur den vier Hauptftämmen zu: es beträgt das der Walachen 182,9,
das der Serben 142,2, der Deutſchen 129,6, der Magyaren BI HMM. Im Allgemeinen nimmt
das Sprachgebiet der Romanen den öftlichen Theil des Banats ein. Das ber Serben ift in den
formifchen Diftricten Ruma und Illok, alfo im Süden vollig compact und wird im Rorben von
der Donau begrenzt; auf der Nord» und Öftfeite der Donau aber ift es durch Sprachinſeln und
Miſchungen vielfach zerklüftet. Das Sprachzebiet der Magyaren ftellt fih, im Rorben gelegen,
in zwei Hauptgruppen bar, die durch einen ferb.-magyar. Streifen am rechten Theißufer von-
einander getxennt werben. Das Gebiet der Deutſchen zerfällt in drei Hauptgtuvpen, in der
Bacska, im torontaler und temefer Gomitat, von welchen bie zwei letztern durch ferb. und ro-
man. Sprachinfeln getrennt find, während in der erften ein roman. Keil von Temesvar bis Wie⸗
fenfcheid norbwärts eingreift. Außerdem ift die Zahl der beutfchen Spracdhinfeln innerhalb der
andern Gebiete ungemein groß.
Die Serben oder Rascier (f. Raizen), nad) welchen die Wojwodina benannt if, gewannen
in diefer, im Banat und in Syrmien fefte Wohnftige erft feit dem 15. Jahrh. durch wiederholte
maffenbafte Einwanderungen. Im 16. Jahrh. von den Türken erobert und nebft einem großen
Theile des eigentlichen Ungarn von diefen über 150 3. lang in Befig behalten, waren diefe fand»
ſchaften beſonders im 17. und 18. Jahrh. der Schauplag verheerender Kriege und verbanften ihre
Befreiung und erneute Urbarmachung der Tapferkeit und dem Fleiße der ferb. Einwanderer wie
der deutſchen, roman. und bulgar. Anſiedler. Als 1690 in Folge Aufrufs Kaifer Leopolb’s I.
36-—57000 ferb. Familien griech.nichtunirten Glaubens in die entvolferten Gegenden Syr⸗
miens und der Theißmündung einmwanderten, wurden den Antömmlingen burch das Privile⸗
gium vom 20. Aug. 1691 befondere Rechte, fowie durch Reſcript von 1694 die Freiheit von jeder
Comitatsgewalt und die unmitelbare Unterordnung unter die kaiſerl. Regierung zugeſichert. Als
im Carloviczer Frieden 1699 das Rand zwifchen der Donau und Theißmimbung, fowie das
weſtliche Syrmien von der Pforte an Öftreich abgetreten und weiterhin die Theiß und Maros
als Grenze des beiderfeitigen Gebiets beflinmt worden, erhielt das ſſawon. wie dad Theif- und
Marosgrenzland eing milieörifüe Berfaflung. Durch den Paffarowiger Frieden 1718 kam bas
Zemefer Banat an Oftreich und wurde gleichfalls als Militärgrenziand organifirt. Doch bald
ſchwand mit den, Zurüddrängen ber Türken das unmittelbare Bedürfniß einer militärifchen
Berfaffung und 1747 wurde das Grenzland an der Save, 1750 die Theiß⸗Marosgrenze aufge
hoben und 1751 die Einführung der Provinzialverwaltung angeordnet. Nachdem 1763 die
Zichaitiftencompagnien das Delta an der Mündung der Theiß in die Donau befegt, erfolgte
1768 die eigentliche Ausſcheidung der banater Militärgrenze von dem Provinziale, und das
legtere wurde, nachdem es in die drei Gomitate Temes, Torontal und Kraffo geheilt worden,
von Kaifer Joſeph IL. der Sentralverwaltungsbehörbe bes Königreichs Ungarn untergeordnet.
Doch betraf Diele Maßregel nur die politifche Adminiſtration; in militärifcher und fameralifti«
(cher Beziehung blieb das Banat in Abhängigkeit von den Eentraiftellen in Wien. Inzwifchen
erfolgten neue ferb. Einwanderungen, jo 1740 unter Karl VL, dann unter Joſeph Il. und
ſelbſt noch unter Franz I. während bes ferb. Aufftandes. Mit den adminiftrativen Umgeftaltun-
gen traten jedoch Unzufriedenheit unter den Serben, mehrfache Aufftände und namhafte Aus⸗
wanderungen auf, während fich die Angriffe auf die nationale Selbftändigkeit und die gegen
ihre Confeſſion gerichteten Unionsbeftrebungen von Seiten der Regierung mehrten. Die eigene
Berfaffung, namentlich die politifche Commiſſion zu Effeß, hörte auf; die 1760 eingefete illyr.
Hofdeputation wurde 1779, die 1790 eingeführte illor. Hofkanzlei 1792 wieder aufgelöft, die
Würden des Woſwoden und Patriarchen nicht mehr verliehen. Die Beftrebungen der Magya-
ren neuerer Zeit, ihre Nationalität zu der allein herrfchenden in ganz Ungarn zu machen, mußten
vollendet die ferb. Rationalität bedrohen. Als 1848 die magyar. Bewegung ausbrach, erhoben
daher Die Serben gegen die ungar. Regierung und deren Politik die Waffen und begannen in
ihrem eigenen wie im Intereffe der öfter. Gefammtwmonarchie einen verheerenden Bürgerkrieg.
Die vom Carloviczer Rationalcongreß im Mai 1848 vorgenommene Wahl eines Wojwoden
wurde, unter JWiederherftellung diefer alten Würde, vom Kaifer beftätigt, gleichzeitig auch dem
Metropoliten von Garlovicz die Würde eines Patriarchen verliehen und der ferb. Nation eine
nationale Organifation in Ausſicht geftet. Demgemäß erfolgte nun durch kaiſerl. Verordnung
vom 18. Nov. 1849 die Herflelung ber „Wohwodichaft Gerbien und Temeſer Banat“, deren
338 Wolchonſtiwald Wolf (der)
Adminiſtration, unabhangig von jener Ungarns, durch unnittelbar dem kalſerl. Riniſterium
untergeordnete Randesbehörden geleitet werben follte, während der Kaifer ben Titel eines Groß-
wofwoben annahm. Das neue Kronland follte in einen ferb., roman. und deutſchen Diſtrict
zerfallen und die politifhen Häupter derfelben der ferb. Vicewojwode, ber roman. Gapitän und
der beutfche Obergeſpan fein. Allein eine folche Abfonderung ber Nationalitäten fließ bei der
Zerfplitterung und Miſchung derfelben auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Das Kronland
bilder gegenwärtig eine eigene Statthalterei mit ber Hauptſtadt Temesvar (f. d.). Dem Statte
halter, der zugleich Militär. und Civilgouverneur, fowie Finanzdirector, fteht ein Bicepräfident
umd ein Hofrath und als zweiter Vorftcher der Finanzdirection ein Director mit dem Titel und
Charakter eines Miniſterialraths zur Seite. Das Kronland bildet den Bezirk des Oberlanbes-
gerichtd von Temesvar. Durch ein kaiſerl. Patent vom 16. Febr. 1855 wurde in demfelben
eine Civilſurisdictionsnorm feftgefegt, nachdem ſchon durch ein Patent vom 24. Nov. 4852 die
Beſchränkungen des allgemeinen bürgerlichen Gefegbuch6 von: 1. Juni 1814 angeorbnet wa.
ren, welche vom 1. Mai 1855 in Kraft traten. Eingetheilt ift das Kronland in die fünf nad
ihren Hauptorten benannten Kreife: Temesvar mit ſechs, Lugos mit vier, Groß⸗Becskerek mit
acht, Zombor mit ſechs und Reufag mit fünf Bezirken. |
Wolchonſkiwald, ſ. Waldaigebirge.
Wolchomw Heißt ein bedeutender Strom im europ. Rußland, der ſich in den Ladogaſee er⸗
gießt und als der Hauptabfluß des Itmenfees (ſ. d.) zu betrachten iſt. Wis feine eigentlichen
Quellflũſſe find die Lowat, Poliſta und Scholena, welche von ber füblichen Seite her in ben
Ilmen fallen, zu betrachten, wodurd der Wolchow ein nicht unbeträchtliches Flußgebiet von
1200 - 1500 AM. gewinnt. Der Lauf deffelben tft an einigen Stellen fehr reißend ; er fließt
in einem tiefen Thale und teitt daher felbft beim Hochwaſſer im Frühlinge nicht leicht über feine
Ufer. Un der Stelle, wo der Wolchow den Ilmenſee verläßt, liegt bas prächtige Klofter des
heit. Jurij oder das Jurgew'ſche Monchskloſter, in einer angenehmen Gegend, zwei Meilen von
Groß⸗Rowgorod entfernt. Er durchftrömt hierauf diefe Stadt, durchſchneidet in ber Nähe von
Tſchudowo die alte Poftftraße und die Eiſenbahn, welche die beiden Hauptftäbte Rußlandé
verbindet, und fällt bei Nowaja⸗Ladoga in den Zabogafee und in den Kanal gleiches Ra-
mens. Der Wolchow bildet feinem ganzen Laufe nach einen Theil des großen Wiſchni⸗Wolot⸗
ſchokiſchen Waſſerwegs (f. Wiſchni⸗Wolotſchok), mittels deffen die Oftfee und das Kaspifche
Meer in Verbindung gefept find. |
Woleot (Iohn), als fatirifcher Dichter Beter Pindar genannt, geb. 1738 zu Dodbroke in
Devonfbire, widmete fich ber Ehirurgie und Apothekerkunſt und folgte, nachdem er ſich in den
Krantenhäufern von London weiter ausgebildet hatte, 1768 dem Gouverneur Sir Will. Tre
lawney als deſſen Leibarzt nach Jamaica. Da ihm bier fein Amt viel Muße übrig ließ, fo trat
er in den geiftlichen Stand umb erhielt auch von feinem Gönner ein Pfarranıt auf der Infel.
Nach dem Tode deffelben kehrte er nach England zurüd, wo er fi zu Truro in Cornwall als
Arzt niederließ. Hier verfuchte ex ſich zuwerft in der Satire. Im J. 1778 begab er ſich nad
London und wurde hier bald ein ebenfo fruchtbarer als gefürdyteter Satirifl, wodurch ex fich ein
reichliches Eintommen erwarb. Zuerſt richtete er feine Angriffe gegen die königl. Akademiker,
dann gegen den König und die Königin, namentlich in der „Lousiad” (1786), welche dadutch
veranlaßt war, daß ber König, als er einft bei Tafel eine Laus auf ber Schüffel entdedite, Befehl
gegeben hatte, allen Küchenbedienten bie Haare abzufchneiden. Bon 17781808 ſchrieb er
über 60 dichterifche Blugfchriften, und fo groß war bie Furcht vor feiner Satire, daß das Mini⸗
ſtetium verfucht Haben fol, ihn durch Beſtechung zum Schweigen zu bringen. Im 3. 1795 em
bielt er von feinen Buchhändlern eine Leibrente von 250 Pf. &t. jährlich für das Verlagsrecht
feiner Schriften, die 1796 in Quart und 1812 in fünf Dctavbänden erfchienen. - Er erblindete
im Alter und flarb 14. Jan. 1819 zu Somers-Tomn. Seine meiften Schriften find jegt vergef-
fen; als Satiriker kam er Churchill gleich.
Bolf (Canis Lupus), ein Raubthier aus der Familie der Hunde, gehört mit dem Haus⸗
hunde zu einer und derfelben Gattung und unterſcheidet ſich von dieſem hauptſächlich durch grö⸗
Gere Magerkeit, Stärke des Halſes und der Beine, fpigere Schnauze und herabhängenden
Schwanz. An Größe übertrifft er einen großen Fleiſcherhund, ift von graugelber Farbe, bat
an ben Borberbeinen ſchwarze Streifen, auch find bie Spigen der Ohren ſchwarz. Chedem
über gang Europa verbreitet, ift der Wolf in den eultivirtern Rändern feit Sapchımberten auß-
gerottet, findet ſich jedoch noch in ben Pprenäen und Ardennen, zahlreicher in den Karpaten
in Ungarn und der ganzen europ. Türkei, befonbers aber in den unermeflichen Waldungen
mm ⏑ HM 5 m
WBolf (Ehriſtian, Freiherr von) 397
Auflande und Polens, wo er im Winter zu großen Scharen vereint einfame Gehöfte überfällt
und überhaupt Menfchen, Schafe und andere Hausthiere tödtet. Aus Rufland und Polen
fommen auch die einzelnen verfprengten Wolfe, welche zuweilen in den deutſchen Grenzlän⸗
dern auftreten. Trotz großer Stärke und Blutgier ift der einzelne Wolf doch felten muthig, geht
meift bei Nacht auf Raub aus und meidet vorfichtig Alles, mas ihm gefahrbrohend erfcheint.
Daher find Fallen, zumal bei feiner großen Sruchtbarkeit, wenig geeignet, ihn zu beſchränken.
Die beften Mittel zu feiner Ausrottung find Lichtung der Wälder ımd häufige Treibjagden.
Der Pelz ift grob, aber lang und wärmend, daher mehr zu Oberfleitern, Mänteln, Deden
u.f. mw. geeignet. Eine ſchwarze Spielart kennt man in ben Pyrenäen und im Drient. Cine
andere, weiß, grau, ſchwarz und gefleckt vorkommend und dem nordiſchen Schäferhunde ähn-
lich, gibt e8 in Nordamerika. .
Wolf (Chriftian, Freiherr von), berühmter Philoſoph und Mathematiker, murbe 1679
zu Breslau geboren. Sein Vater, ein nicht fehr bemittelter, aber gebildeter Handwerker,
wendete Alles an, un feinem Sohne, der frühzeitig vortreffliche Anlagen zeigte, eine gute
Erziehung zu geben. W. erhielt den erſten Unterricht auf dem Gymnafiun zu Breslau
und ging 1699 nach Sena, um Xheologie zu ftudiren. Doch waren Mathematit umb
Philoſophie feine Lieblingswiffenfchaften, mit denen er ſich faft ausfchließend befchäftigte.
Vorzüglich fludirte er Eartefius’ und Tſchirnhauſen's Schriften, zu deflen „Medicina mentis’
er Erläuterungen ſchrieb, wodurch er mit Leibniz in Verbindung famı. Im 3. 1703 habilitirte
er ſich in Leipzig durch die Disputation „De philosophia praclica universali, methodo matbe-
malica conscripta”, bie eine fehr günftige Meinung für ihn erweckte, und hielt nun fehr befuchte
mathematifche und phifofophifche Vorlefungen. Durch verfchiebene Werke, die er über einzelne
Theile ber Mathematik herausgab, wurbe fein Name auch im Auslande rühmlich bekannt. Ale
der Einfall Karl's XII. in Sachſen 1706 ihn von Leipzig entfernte, erhielt er auf Leibniz’ Em⸗
pfehlung 1707 den Ruf ald Profeffor der Mathematik und Naturlehre an die Univerficät zu
Halle. Hier erwarb er fich durch feine foftematifche Lehrmethode, fowie durch mehre mathema«
tiſche Schriften großen Ruhm. Die Deutlichkeit und Beftimmtheit ber Begriffe und Lehrfäge
in feinen mathematifchen Vorträgen war etwas bi6 dahin ganz Ungewöhnliches. Daher kam
es, daß feine Philofophie, die er nach dieſer Methode bearbeitet herausgab, allgemeinen Beifall
fand, fi ſchnell durch Deutfchland verbreitete und man anfing, diefe Methode auch auf andere
Wiſſenſchaften, nicht felten mit Übertreibung und Pedanterie, zu übertragen. W. wurbe jedoch
von feinen Collegen in Halle, befonders von denjenigen Theologen, welche den damals fi ent-
widelnden Pietismus begünftigten, namentlih von dem bigoften Joach. Zange, heftig am
gegriffen, für einen Religionsverächter und Irrlehrer erklärt und bei der Regierung förmlich
angeflagt. Die Deranlaffung dazu gab namentlich feine Rebe „De philosuphia Sinensium
morali”; außerdem bediente man ſich gegen ihn der gehäfligften Infinuationen,.die man aus
feiner Lehre von ber Freiheit hernahm. Durch eine Cabinetsordre Friedrich Wilhelm's I. vom
15. Nov. 1723 wurde W. feiner Stelle entfegt und ihm unter Androhung des Strange befoh-
Ien, Halle in 24 Stimden und in zwei Tagen die preuß. Staaten zu verlaffen. Ex that dies
23.Nov. und fand in Kaffel günftige Aufnahme und bei der Univerfität ju Marburg eine An-
flellung. Der Streit über fein philoſophiſches Syftem wurbe nun allgemeiner und faſt ganz
Deutſchland nahm Partei für oder wider ihn. Indeſſen erhielt er aus dem Auslande viele
Ehrenbezeigimgen und vortheilhafte Anträge, welche leptere ex aber ablehnte. Der Proceß wider
feine Philofophie war unterbeffen durch eine in Berlin eigens dazu niedergefepte Commiſſion zur
feiner völligen Benugthuung entfchleden worden, und 1740, als Friedrich II, der ihn fehr ſchätte,
den Thron beftiegen hatte, ging W. ald Geh. Nach, Vicekanzler der Univerfität und Profeffor
des Natur - und Völkerrechts nad) Halle zurüd. Im 3.1743 wurde er, an Ludwig's Stelle,
Kanzler und 1745 vom Kurfürften von Baiern, während des Reichsvicariats, in den Reichs⸗
feeiherrenftand erhoben. W. ftarb 1754. Bei feinem Tode fah er feine Philofophie durch gang
Deutſchland und einen großen Theil Europas verbreitet; doch hatte er feinen Ruhm als akade⸗
miſcher Lehrer überlebt. Daß er um die Philoſophie großes Verdienft gehabt, läßt fih gewiß
nit leugnen. Wenn er diefelbe auch nicht mit großen und glänzenden Erfindungen bereicherte,
fo hat er doch die Aufmerkſamkeit vornehmlich auf die foftematifche Methode gelenkt. Seine
fireng mathematifche Methode brachte Ordnung, Licht und GBründlichkeit in das Gange der
iffenfhaft, deckte aber auch, je mehr fie angewendet wurde, ihre eigenen Schwächen um fo
fihtbarer auf.’ Daß diefe Methode in der Bolge von ſchwachen Köpfen gemißbraudht wurde,
Bann aber W. nicht als Schuld angerechnet werden. W. machte fich vorzüglich Leibniz' Oypo⸗
398 Bolf (Zerd.) Wolf (Briebr. Aug.)
thefen und Grundſatze zu eigen, bildete fie weiter aus und popularifirte fie, brach aber dadurch
zugleich den eigentlich metaphuftfchen Grundbegriffen derfelben, namentlich. der Leibniz ſchen
Monadologie, die Spige ab. Der Kriticismus Kant’s ſtürzte endlich den Wolffhen Dogma-
tismus gänzlich. Durch die Menge feiner zum Theil in beutfcher Sprache gefchriebenen Schrife
ten und durch Die große Zahl feiner Zuhörer hatte WB. einen fehr außgebreiteten und bei dem da⸗
mals fich regenden Pietismus und Myſticismus zugleich fehr wohlthätigen Einfluß auf fein
Zeitalter. Auch um die deutfche Sprache erwarb er fich weſentliche Verdienſte. Er entwidelte
eigentlich zuerft ihren Reichthum für philofophifche Begriffe und fchrieb rein und verfländlich
in derfelben. Die Menge und ber Unfang feiner Schriften ift in der That erftaunlich, ſelbſt
wenn man blos auf die mechaniſche Mühe des Aufzeichnens fieht. Er behandelte fämmtliche
mathematifche und philofophifche Wiffenfchaften in einer doppelten Reihe von Werken, ein
mal ausführlich in Tat. Sprache, fobann kürzer in beutfchen Lehrbüchern, von welchen die meiſten
mehre Auflagen erlebt haben. Dazu kommt noch eine große Anzahl Abhandlungen über ein-
zeine Gegenftände der Phyſik, Mathematik und Philofophie. Seine foftematifhen Werke über
fämmtliche Daupttheile der Philofophie betragen allein 22 Bände in Quart. Vgl. „Chriftian
78.5 eigene Lebensbefchreibung”, Herausgegeben von Wuttke (Rpz. 1841); Ludovici, „Sanım-
fung und Auszüge der fämmtlichen Streitfchriften wegen der Wolf’fchen Philoſophie u. f. m.’
2 Bde, Lpz. 1737); Derfelbe, „Ausführlicher Entwurf einer vollftändigen Hiftorie ber
offen Philofophie” (3 Bde, Lpz. 1737); (G. Volkm. Hartmann) „Anleitung zur Hi⸗
ftorie der Leibniz-⸗Wolf ſchen Philofophie” (Rpz. 1737).
Wolf (Berb.), einer der gründlichften Kenner der roman. befonders ber fpan. Sprache und
Literatur, geb. zu Wien 8. Dec. 1796, begann feine Studien an dem Gymnafiun ber wiener
Univerfität und vollendete die philofophifchen und juridifch«politifhen Studien an bem Gymna⸗
fium und der Univerfität zu Gräg, wohin er 1809 mit feinen Altern übergefiedelt war und
bis 1819 blieb. In diefem Jahre kehrte er nach feiner Vaterſtadt zurück, um nach dem Wun⸗
fhe feiner tern fi) zur Advocatur vorzubereiten. Seine Neigung zog ihn aber zu literariſchen
Beſchäftigungen und vorzüglich zum Studium der Literaturgefchichte. Er fuchte daher eine An⸗
ftellung an der kaiſerl. Hofbibliothef und ward noch 1819 zum Scriptor, fpäter zum Cuſtos der⸗
felden ernannt. Bei Begründung der Akademie der Wiffenfchaften zu Wien trat er als Mit-
glied und Secretär im diefelbe ein. Seine felbftändigen Werke find: „Uber die neueften Leiſtungen
der Franzoſen für bie Herausgabe ihrer Nationalheldengedichte” (Wien 1835); „Die Sage vom
Bruder Rauſch“, zufammen mit feinem Freunde Endlicher herausgegeben (Wien 1855; nur
50 Eremplare) ; „Floresta de rimas modernas castellanas” (2 Bbe., Par. 1837); „Uber die.
Lais, Sequenzen und Leiche” (Heidelb. 1844); „Rosa de romances” (Ipʒ. 1846; auch als
dritter Theil von Depping’8 „Romancero”); „Über eine Sammlung ſpan. Romanzen in fliegen⸗
den Blättern auf der Univerfitätsbibfiothet zu Prag” (Wien 1850). Außerdem lieferte ex
mehre größere Auffäge in die wiener „Jahrbücher der Literatur”, wovon einige auch in Sepa⸗
ratabdrücen erfchienen, sie „Beiträge zur Geſchichte der caftilianifchen Nationalliteratur‘
(Wien 1832); „Über altfranz. Romanzen und Hofpoefie” (Wien 1834); „Über bie Roman»
.zenpoefie der Spanier” (Wien 1847). Mehred von ihm enthalten die „Schriften” der Fair
fert. Akademie, 3.3. eine Ausgabe eines Auto sacramental von Todtentanze, die in der „Co-
leccion de documentos” (Mabr. 1855) fpanifch erfchien. Auch zur Deutfchen UÜberfegung von.
Zidnor’s „Geſchichte der fpan. Literatur” (2 Bde., Lpz. 1852) lieferte er Berichtigungen und.
größere Zufäge. j |
Wolf (Briedr. Aug.), der genialfte Alterthumsforſcher und erfte Kritiker feiner Zeit, geb..
15. Bebr. 1759 zu Haynrode unweit Rordhaufen, wurde von feinem Pater, der dafelbft Cantor
und Örganift war, mit großer Strenge erzogen und unterrichtet, fpäter jedoch dem Gymnaſium
zu Nordhaufen übergeben. Hier entwickelte fich in ihm, beſonders unter der Reitung des Rectors
Hafe, nit nur jener raſtloſe Eifer für das gründliche Studium der alten Sprachen, fondern
auch die nachher in ihm ſtets vorherrfchende Neigung zur Autodidaktie und bie Gewohnheit, im⸗
mer nur einen Gegenſtand mit größter Anftrengung und Ausdauer zu betreiben. Bis zu fei-
nem Abgange zur Univerfität hatte er die bedeutendften Schriftfteler der Alten wie der Sran-
zofen, Staliener, Spanier und Engländer gelefen und außerdem auch in der Muſik theoretiſch
und praktiſch fih ausgebildet. Auf der Univerfität zu Göttingen, die er 1777 mit ben
Vorfage bezog, ausſchließend Philologie zu ftudiren, hörte er die Vorleſungen nur unre
gelmäßig, da er des Selbſtudiums fchon zu ſehr gewohnt mar. Übrigens lebte er zurüd«
gezogen, von Wenigen gefucht und gekannt und nur mit Einigen vertraut. Doch ertheilte
n
VWolf (Briedr. Aug.) 320
ee mehren Studirenden Unterricht im Griechiſchen und namentlich im Engliſchen, wofür er auch
Shakfpeare’8 „Macbeth mit erflärenden Noten (Gott. 1778) bearbeitete. Bon Heyne (f.d.),
der ihn früher von der Theilnahme an einem Kollegium über Pindar ausgefchloffen, Hielt er ſich
ganz fern. Um-fich jedoch dem einflußreichen Manne zu empfehlen, legte ex ihm kurz vor feinem
Abgange 1779 in einem Auffage feine abweichenden Anficgten über die Homerifchen Geſänge
vor, welche Heyne indeß kalt zurückwies. Hierauf ging er noch in demfelben Jahre als außeror-
dentlicher Lehrer an das Pädagogium nach Sifeld und begründete von bier aus zuerft feinen Ruf
durch Herausgabe des Platonifchen „Symposium” mit Anmerkungen und Einleitung in deutſcher
Sprache. Nachdem er 1782 zum Rector ber Stadtſchule zu Ofterode am Harz ernannt worben,
erhielt er 1783 einen Ruf als Director des Gymnaſiums nad) Gera und zugleich den Antrag
als Profeffor der Philofophie und Pädagogik in Halle. Auf Semler's Rath entſchied er ſich
für die Profeffur, die ihm einen großen Wirkungskreis darbot. In Halle hatte W. anfangs
mit Unannehmlichfeiten zu kämpfen, da er Durch feinen höhern Lehrton die Studirenden cher von
fi abwendete ald anzog. Doch bald erfannte er das rechte Verhältniß und groß war nun der
Zubrang wisbegieriger Zuhörer. Als alabemifcher Lehrer verfolgte er den Grundſah, daß das
claffifche Altertfum vorzüglich als Vorbild eines auf den edelſten und größten Ideen beruben-
den öffentlichen und Privatlebens betrachtet und von diefer Seite als Bildungsmittel auf Hoch-
ſchulen benugt werden müffe. Zur Hauptaufgabe feines Amts machte er ed ſich, den vaterlän«
diſchen Schulen tüchtige Lehrer und Vorſteher zuzuführen und das Schulweſen wo möglich für
immer von der wiffenfchaftelnden Praktik der Pädagogen zu befreien. Schriftſtelleriſche Thä⸗
tigkeit und Berühmtheit betrachtete er mehr als Nebenfache, und beifpiellos war feine Wirkſam⸗
keit ald Xehrer während der 23 J. die er zu Halle verlebte. Doch verewigte er in dieſer Zeit
feinen Namen durch eine Bearbeitung der Demofthenifchen „Oratio adversus Leplinem”,
die großes Aufichen erregte, und mehr noch durch die „Prolegomena in Homerum”, in
benen er feine Gedanken von ber urfprünglichen Geftalt der Homeriſchen Gedichte, ihren
mannichfahen Schickſalen umd der Art und Weife ihrer Wiederherfiellung nieberlegte.
Dieſes Ieptere Werft, worin er mit Gelehrſamkeit und Gcharffinn den Gag begründet,
daß die „Ddpffee” und „Ilias“ in ihrer gegenwärtigen Geſtalt nicht das Werd Homer’s, fon-
dern mehrer Homerifcher Rhapſoden find, machte durch ganz Europa Aufſehen und hatte
die wichtigften antiquarifchen und Pritifchen Unterfuchungen zur Folge. (&. Homer.) Wi⸗
derlih war ihm hierbei die Außerung mehrer Gelehrten, auch Heyne’s, daß ihnen längſt
gleihe Gedanken vor der Seele geichmwebt. Dies veranlaßte bie geiftreichen „Briefe an
Heyne, eine Beilage zu den neueften Unterfuchungen über Homer” (Berl. 1797), von de
nen die drei erften ald Mufter gelehrter Polemik und feiner Ironie betrachtet werben kön⸗
nen. Einige Jahre darauf fuchte er die fhon früher von Markland angefochdene Echtheit von
vier Reden des Cicero „Posi reditum in senalu”, „Ad Quirites post reditum“, „Pro domo
sua ad pontifices”, „De haruspicum responsis”, ſowie die ber Rede „Pro Marcello” dur
ſchlagende Gründe darzuthun. Nachdem er 1796 einen Ruf nad) Leyden, 1798 nad Kopen-
hagen und 1805 nad) München abgelehnt, wurde feine Stelle bedeutend verbeffert und er ſelbſt
erhielt den Zitel als Geh. Rath. Nach Aufhebung der Univerfität zu Halle warb er für den
Augenblid in drüdende Noth verfegt. Doch fand er bald eine entfprechende Stellung als Mit-
glied der Akademie der Wiffenfchaften in Berlin, wo er an der neuen Einrichtung der Univer-
Srät mit Rath und That Antheil nahm. Da aber fein Hauptwunfd, von allen Geichäften, die
feine Zeit und Kraft zum Lehren fehnälern würden, möglichft befreit zu bleiben, nicht vollige _
Berüdfihtigung fand, blieb er nur noch kurze Zeit im eigentlichen Staatöbienfte al6 Director
der wifjenfchaftlichen Deputation und Mitglied der Section für den öffentlichen Unterricht ins
Minifterium des Innern. Er fagte ſich von den Arbeiten eines ordentlichen Frofeffors los und
behielt fich endlich auch als Ehrenmitglied der Akademie nur noch das Recht vor, freie Vorle⸗
fungen an der Univerfität halten zus dürfen. Zur Wiederherftellung feiner Gefunbheit untemahm
W. im April 1824 eine Reife nad) dem ſüdlichen Frankreich, wo er 8. Aug. 1824 zu Marfeille
flarb. Seine zahlreichen Schüler haben die von ihm geftiftete Schule bes freien Forfchend und
Selbftudiums zum größten Theil auf eine würdige Weiſe fortgefegt. Unter feinen überaus
zahlreichen Schriften find noch zu erwähnen die Ausgabe des „Symposium“ von Plato (8pz.
1782; neue Aufl. von Stallbaum, %pz. 1828); der „Theegonia” des Hefiod (Halle 1785); der
„Oratio adversus Leptinem” (Halle 1790; neue Ausg. von Bremi, Zür. 1831); von einzel=
nen Schriften Lucian's, ımter dem Titel „Luciani libelli quidam” (Halle 1791); der „Histo-
riae” des Herodian (Halle 1792), mit einer kritiſchen Vorrede und trefflichen Einleitung; der
0 Volfe Bolfenbüttel
„Quaestiones Tusculanae” des Gicero (Lpz. 17925 3. Aufl., 1825); von Cicero'$ „Oraliones
quatuor, quae vulgo feruntur,, post reditum ir senatu , ad Quirites post reditum, pro domo
sua, de haruspicum responsis” (Berl. 1801), fowie der Rede „Pro Marcello” (Berl. 1802) ;
ferner des Sueton (4 Bde. Lpz. 1802), mit den Anmerkungen von Erneſti und Caſaubonus;
Plato s „Dialogorum delectus” (Berl. 1832 und 1820), welcher den „Euthyphron“, die „Apo⸗
logie des Sokrates“ und ben „„Kriton” in einer neuen Textrecenſion und mit einer claffifhen Tat.
Überfegung enthält, fowie die Erflärungen „Zu Plato's Phädon“ (Berl. 1811). Auch beforgte
er eine vielfach bereicherte Ausgabe der Schrift von Reiz: „De prosodiae Graecae accentus
inclinatione” (2p5.1791). Als trefflihen Überfeger und feinen Kenner des antiten Lebens be-
währte er fich In der Bearbeitung von Ariftophanes’ „Acharner“, griech. und deutfch, mit eini«
‚gen Scholien (Berl. 1811),und „Bolten“, griech. und beutfch (Berl. 1812), ebenfo von „Horay'
erſter Satire” (Berl. 1813). Seine literariſche Thätigkeit erſtreckte ſich aber auch auf weitere
Kreife des claffifchen Alterthums. Dahin gehören befonders feine „Geſchichte der rom. Litera-
tur”, als Leitfaden zu Vorlefungen (Halle 1787); das mir Buttmann herausgegebene „Mu⸗
feum der Alterthumswiſſenſchaften“ (2 Bde. in 6 Heften, Berl. 1807—10); das „Museum
anliquitatis studiorum” (Bd. 4, Berl. 1808— 11); die „Literarifchen Analekten“ (A Bde,
‚Berl. 1817— 20); die „Vermiſchten Auffäge in lat. und deutfcher Sprache” (Halle 1802).
Nach feinen Tode erfchienen, meift aus Eollegienbeften zum Theil mangelhaft entnommen, feine
„Borlefungen über bie vier erften Geſänge von Homer's Ilias” von Uftert (3 Bbchn., Lpz.
4831); feine Anmerkungen zu Eicero'8 „Quaestiones Tusculanae” in berbefondern Ausgabe
derfelben von Drelli (Zür. 4829) und zu Heſiod's „Scutum Herculis” in ber Ausgabe von
Ranke (Quedlinb. 1840); ferner die „Encyklopädie der Philologie” von Stockmann, d. i. Bergk
(Epz. 1850; neue Anfl., 1845); „Borlefungen über die Alterthumswiſſenſchaft“ von Gürtler
(5 Bbe., Lpz. 18351 — 35); „Darftelung der Alterthumswiſſenſchaft“ von Hoffmann (Lpz.
1833) und „Consilia scholastica von Föhlifh (2 Hefte, Wertheim 1829— 50). Aus feinen
Nachlaß gab fein Schwiegerfohn Körte (ſ. d.) die „Ideen über Erziehung, Schule und Univerfi«
tät“ (Quedlinb. 1835) heraus. Bol. Hanhart, „Erinnerungen an $r. Aug. WB.” (Baf. 1825);
Körte,. „Leben und Studien Fr. Aug. Ws, des Philologen“ (2 Bde., Efien 1853); Gott⸗
boldt, „Br. Aug. W., die Philologen und die Gymnaſien“ (Königsb. 1845).
Wolfe (Iam.), engl. General, berühmt durch feinen Sieg bei ueber, mar der Sohn eines
ebenfalls ausgezeichneten Militärs und wurde 1726 au Weſterham in Kent geboren. Bon
Jugend auf für die milttärifche Laufbahn beſtimmt, genoß er eine entfprecheude Erziehung. In
ver Ofkteidifgen Erbfolgekriege erwarb er ſich in den Niederlanden den Grad eines Bri⸗
gadegenerals und zeichnete fich befondere 1747 in dem Treffen bei Lawfeld aus. Im J.
4758 wurde er gım Generalmajor befördert und mit der Flotte des Admirals Boscamen
zur Übernahme eines Commando® nad) den nordamerik. Colonien gefendet. Er trug bier im
Juli 1758 wefentlich zur Eroberung der franz. Feſtung Louisburg und der Befignahme von
Gap-Breton bei. Während im Feldzuge von 1759: die engl. Hauptmacht unter Amherſt die
franz. Forts an den nördlichen Seen eroberte, bereitete fich IB. zu dem Angriffe auf die canad.
Hauprftadt vor. Er ging im Juni mit einer ſtarken Flotte und 8000 Mann den Lorenzſtrom
hinauf und griff Quebec wiederholt und mit großem Verluſt von der Oftfeite an. Die Ver⸗
theidigungsanftalten bes Marquis Montcalm, ber hier die ganze franz. Streitmacht zufammen-
gezogen, und Raturhinderniffe ließen den Erfolg mehr als zweifelhaft erfcheinen. IB. veränderte
deshalb feinen Man, fchiffte fich wieder ein und landete unter den größten Schwierigkeiten
13. Sept. 1759 unvermuthet auf der Weftfeite von Quebec, auf der Ebene von Abraham.
Montcalm fah fich durch diefen kühnen Streich genöthigt, aus feiner vortheilhaften Stellung
berbeizueilen und das Schickſal der Stadt auf der Stelle durdy eine Schlacht zu enticheiden.
Der Sieg wendete fi) ben Englänbern zu; allein IB. wurde von drei Kugeln durchbohrt aus
dem Treffen getragen. Schon fehlen er tobt, als der Ruf: „Sie fliehen“, an fein Ohr drang.
ner flieht?” fragte W. wie vom Tode eriwachend. Als er vernahm, daß es die Franzoſen
wären, verfchieb er mit ben Worten: „Dann fterbe ich ruhig.” Nicht minder groß endigte einige
Stunden fpäter auch Montcalm, fein tapferer Gegner. Die Schlacht war die folgenreichfie, bie
auf Amerikas Boden je geliefert worben; denn einige Tage fpäter fiel Duebec umb bald ganz
Sanaba in die Hände der Engländer. W.s Überrefte wurden nad England gebracht und im
der Weftminifterabtei beigefegt. Sehr verbreitet ift der B.’6 Tod darftellende Kupferſtich von
Woollet, nach einem Bilde des amerik. Malers Weſt.
Wolfenbürtel, das Fürſtenthum, nannte man ehemals im weitern Sinne bie Befigungen
Wolff (Emif) Wolff (Pins Aler) 331
der ältern Linie des Hauſes Braunſchweig (ſ. d.) oder Braunſchweig ˖ Wolfenbüttel im Nie
derſãchſiſchen Kreiſe und im engern Sinne den wolfenbüttel⸗ſchöningenſchen Hary- und Weſer⸗
bezirk (62 AM.). Jett führt diefen Namen derjenige von den ſechẽ Kreifen des Herzogthums
Braunſchweig, der bie Amter Wolfenbüttel, Salder, Scheppenftädt und Harzburg umfaßt ımb
auf 10%. AM. 50000 €. zählt. — Die Stadt Wolfenbüttel, bis 1754 bie Reſidenz ber Her-
zoge von Beaunfchweig, liegt in einer niedrigen und fumpfigen Gegend an beiden Seiten der
Der. Sie iſt Sig des Obergerichts, ſowie des gemeinfchaftliden Oberappellationsgerichts für
Braunfchweig und bie Lippefchen Fürſtenthümer, eines Eonfiftoriums und Obergerichts, hat
vier Kirchen, unter welchen ſich die Hauptkirche mit einem alten umd neuern fürftfichen Erbbe-
gräbnif auszeichnet, ein Gymnaſium, ein Landſchullehrerſeminar und eine Realſchule und zählt
mit Einfluß der beiden Vorſtädte Augufiftadt und Gotteßlager 9500 E., bie fih mit Ge-
werben aller Art und befonders mit Gemüſebau befhäftigen. Die Stadt war fonft mit Fe-
finngswerken umgeben und hatte in ihrer Mitte eine Eitadelle; die Wälle find aber jegt in Spa⸗
"ziergänge verwandelt. In dem alten fürftlichen Refidenzfchloffe befindet ſich jegt theils das
Amtsgericht, theil6 dient es ald Theater. Dem Schloffe gegenüber liegt das ſchöͤne vom Her-
zog Auguft Wilhelm 1725 in Form des Pantheons zu Rom aufgeführte Gebäude, in deffen
Erdgeſchoß ſich die herzogliche Reitbahn, in dem obern Theile aber die berühmte Wolfenbütt⸗
Ier Bibliothek befindet, deren Bibliothekar Leſſing (f. d.), Der Herausgeber der „WBolfenbütt-
Ier Fragmente” (ſ. Neimarus), war, dem hier auch auf dem Bibliocheköplage ein Denkmal
errichtet iſt. Sie befigt über 10000 Handfchriften,, eine große Anzahl Incunabeln und gegen
270000 Bände, darımter gegen 1400 Bibeln. Vgl. Ebert, „Zur Handfchriftentunde” (2Bde.,
£p;. 18237), im deren zweitem Bande ein Verzeichniß der griech. und Tat. Handfchriften diefer
Bibliothek gegeben ift. Die Stadt liegt inmitten der großen deutſchen Eifenbahn und ficht mit
bem nahen Braunſchweig In engem Verkehr. Richt weit davon liegt das 1000 geftiftete Fräu⸗
leinſtift Steterburg. Im Dreißigjährigen Kriege fiegten bei IB. 19. Suni 1641 die Schweden
unter Wrauůgel und Königsmark über Die Kaiferlichen unter bem Erahersog Leopold.
Wolff (Emit), Bildhauer in Rom, geb. zu Berlin 1802, empfing feine Bildung auf der
dortigen Akademie und ging 1825 als konigl. Penſionaͤr nad Rom, wo er feitbem faft immer
fi) aufgehalten hat und umter ben beutfchen Künſtlern eine der erften Stellen einnimmt. So⸗
wol bie heroifche Darftelungsweife wie die genreartige zählen ihn unter ihre erften Repräfen-
tanten. In beiden Gattungen ragt er bauptfächlich durch Anmuth und Schönheit der Seftal- .
ten, durch Leichtigkeit der Bewegung und burch Naturwahrheit hervor, mehr als durch Kraft
und Energie. Unter feinen Genrefiguren find beſonders ausgezeichnet ber Jäger, die Hirtin, der
Hirtentnabe und der angelnde Knabe; unter den mothologifchen Figuren, zu denen ihn unter
Anderm eine Reife nad) Griechenland begeifterte, die Thetis mit ben Waffen des Achilles, Amor
als Sieger, die Nereide und die beiden füämpfenden Amazonen. Auch W.'s Porträtbüften find
durch Ahnlichkeit und Lebendigkeit fehr ſchätzbar, fo z. B. die von Niebuhr, des Prinzen Albert
u.ſ.w. Neuerdings hat er eine der Marmorgruppen für die Schloßbrücke in Berlin, eine Vic-
toria, bie einem Jünglinge von den Thaten großer Helben erzählt, ausgeführt. W. ift Mitglied
ber Akademie ber Künfte in Berlin.
Wolff (Pius Aler.), berühmter deutſcher Schaufpieler, geb. 1782 zu Augsburg, war ur- .
{prünglich für den gelehrten Stand beſtimmt. Mit Iebhafter Bhantafie, tiefem Gefühl, finnen-
den: Ernfte, feiner Beobachtungsgabe, einem umfangreihen Sprahorgan und überdies mit
ebeler Geſtalt ausgerüftet, ging er 1804 nad) Weimar zum Theater, wo ex in jener Zeit ald ein
Mann von Geiſt und Talent vielfache Gelegenheit fand, fi zum wahren Künſtler auszubilden.
SB. firebte, indem er fi beſonders der Tragodie zuwendete und jugendliche Helden oder ernfte,
tiefe md erhabene Charaktere barflellte, nach ſchöner umd beliebter Geftaltung bes idealen Men- .
fen. Ws Hamlet, Poſa, Mag Piccolomini, Weißlingen, Oreft und fpäter ald Taſſo erwarb
er fi bald einen bedeutenden Ruf. Später zeichnete er ſich auch im Komifchen aus, wozu ihn
feine reiche, feicht bewegliche Phantafie und fein feiner Beobachtungsgeiſt befäpigten. Auch
trat er ald dramatiſcher Dichter auf. Er ſchrieb das Luflfpiel „Bäfario”, welches uͤberall mit
Beifal aufgenommen wurde; die Dramen „Pflicht um Pflicht und „Treue fiegt in Liebes-
nepen” (Bert. 1823) ; die ſpaͤter von Weber in Nuſik gefegte „Preciofa” ; das Singfpiel „Udele
von Beudey”; bie Auflfpiele „Der Mann von funfzig Jahren” (1830) und „Der Kam⸗
merbimer” (1832). SB. mar ſeit 1816 Mitglied bes koͤnigl. Theaters zu Berlin umd flarb auf
Der Rüdreife aus dem Bade Ems zu Weimar 1828. Im Berein mit Levezov gab er dat
„Bramaturgifche WWeodenblatt” heraus, In welchem fig manche gebiegene Aufſäte von Ihm
‚9 Wolff (Dstar Sum. Bea) 7 OB
Baden. — Geine Gattin, Amalie, geb. Malcolmi, verwitwete Weder, eine nicht minder aus-
gezeichnete dramatische Künftlerin, geb. 1780 zu Leipzig, betrat 1791 in Weimar die Bühne.
Grft mit dem Schaufpieler Becker und nach deſſen Tode mit IB. verheitarhet, wurde fie zugleich
mit Lepterm am königl. Theater zu Berlin angeftellt. Mit einer hohen, wohlgebildeten Geſtalt
vereinte fie eine ausdrucksvolle Gefichtöbildung und eine edle, würdevolle Haltung. Ihr bieg-
fames, obwol dem Umfange dee Töne nach beſchränktes Drgan erleichterte ihr die Kunft zu
fprechen, die fie in hohem Grade befaß. So eignete fich ihr Weſen befonders für das Trauer-
fpiel, in welchem fie die erſten Heldinnen mit Glüd darftellte. Höchft anmuthsvoll waren ihre
Darflellungen rein naiver und idealer weiblicher Geftalten, 3. B. als Ihigenin in Goerhe'6
Drama, Stella, Maris Stuart, Fürftin in der „Braut von Meffina”, Klärchen in „Egmont“,
Adelheid in „Gotz von Berlichingen‘, Leonore Sanvitale in „Laffo” und Eboli in „Don Gare
106”. In fpäterer Zeit hat ſie Rollen wie Sappho, Elifaberh in „Maria Stuart“, ſowie auch
in Schau und Luſtſpielen Rollen wie Frau Feldern in „Hermann und Dorothea”, Frau Stür⸗
mer im „Obeim’ übernonmen und mit großer Meifterfchaft ausgeführt. Nachdem fie 1841
ihr 5Ojähriged Künfklerjubilium an der berliner Hofbühne gefeiert, wurde fie 1844 auf ihren
Wunſch in den Ruheftand verfegt. Sie trat noch einige male 1845 auf und flarb 18. Aug. 1851.
Wolff (Oskar Ludw. Bernh.), bekannt als Improvifator und Schriftfieller, geb. 26. Juli
1799 zu Altona, erhielt ben erften Unterricht in ber Schule feiner Vaterftadt, dann in einer Er-
ziehungsanftalt zu Wandsbeck und befuchte hierauf das Gymnaſium femer Vaterſtadt. Den
mebdicinifchen Studien, benen er zu Berlin und Kiel ſich anfangs gewidmet hatte, entjagte er
nach zwei Sahren, um ſich vorzugsweife den fhönen Wiſſenſchaften zuzuwenden. Nach Been-
digung feiner Studienzeit ertheilte er an zwei Erziehungsinſtituten zu Hamburg Unterricht.
Der ungemeine Beifall, ben er hier bereits bei feinem erften Auftreten als Improvifator fand,
begleitete ihn auch auf feinen weitern Reifen, auf denen er ſich in diefer Kunſt producirte, bis er
endlich nad, Weimar fam, wo Goethe lebhaftes Intereffe an ihm nahm. W. erhielt hier 1826
eine Profeffur der neuern Sprachen am Gymnaſium, die er 1830 mit’einer außerbrdentlichen
Profeſſur zu Jena vertaufchte. Seit 1858 ordentlicher Honorarprofeffor in der philoſophiſchen
Facultät, farb er daſelbſt 16. Sept. 1851. W. hat ſich durch eine ungemein große Anzahl belle-
triftifcher Schriften, Überfegungen, Anthologien und anderer Bücher compilatoriicher Ratur
befannt gemadt. Seine Romane, Novellen und Erzählungen hat er in „Schriften“ (14 Bde,
Sena 1841 — 43) vereinigt. Die meifte Verbreitung von feinen anthologiſchen Arbeiten bat
der „Poetifche Hausfchag bes deutſchen Volkes“ (16. Aufl., Lpz. 1853) nebft den: „Hausichag
ber Volfspoefie‘ (4. Aufl, Lpz. 1855) und ben „Hausfchag beutfcher Profa‘ (7. Aufl., 2pz-
48535) gefunden. Daran fchließen fi „Handbuch deutſcher Beredtfamkeit” (2 Bde., Lpz.
4846) ; „Elaffiiher Hausfchag. der ieh: und rom. Poeſie (2 Bbe., Grimma 1850—51);
„Hausſchatz engl. Poeſie“ (3. Aufl. von Manitius, Zpz. 1852); „La France poötique” (Rpz.
1845) u. |. w. Sonſt find außer der „N fennig-Encyklopädie” (4 Bde. Lpz. 1854—37) noch
die „Encyklopädie der deutſchen Nationalliteratur” (6 Bde. Lpz. 1834 — 40) und die „Allge
meine Gefchichte des Romans“ (2pz. 1851) zu nennen. Bon mehren fatirifhen Schriften, die
er unter dem Pfeudonym Plinius der Jüngfte veröffentlichte, find die „Naturgefchichte de deut-
fen Studenten” (2. Aufl, 2pz. 1845), „Die Heinen Leiden des menfchlichen Lebens” (illuſtr.
von Grandville, 2. Aufl., £p3.1846), bie „Reife ins Blaue” (illuſtr. von Johannot, 2pz. 1846)
und „Eine andere Welt’ (illuſtr. von Grandville, Apr. 1847) hervorzubeben.
Woͤlffl (Iof.), ausgezeichneter Pianofortefpieler, geb. zu Salzburg 1772, erhielt von Leop.
Mozart und Midy. Haydn den erften Unterricht. In den neunziger Jahren ging er nach War⸗
(Hau und fand dort eine glänzende Aufnahme. Die Nothwendigkeit, während der Velksunru-
ben mit zu den Waffen zu greifen, verleibete ihm ſedoch den Aufenthalt und ex ergriff die Ge⸗
legenheit, um nach Wien zu entlommen. Dort wurde er Beethoven’s Rival ins Klavierſpifl,
ja fogar auch im freien Phantafiren. Nach feiner Verheirathung 1798 trat er eine Kunſtreiſe
nach Norddeutſchland an, wo er mit Enthufiasmus aufgenonımen wurde. Nach feiner Rüd-
kehr fand er aber in Wien feine häuslichen Verhätmiffe in ſolcher Lage, daß ex biefe Stadt auf
immer verließ. Er ging nach Paris, wurde zum Mufttmeifter der Kaiferin Sofephine ernannt
und folgte derfelben nach Napoleon's Sturze in die Schweiz. Weil er ſich hier wenig behaglich
fühlte, ging er bald nach England, wo fein Geſchick eine fehr ungünflige Wendung nahm. Ge-
wohnt, auf großen Fuß zu leben, gerieth er in Dürftigkeit und ftarb um 4814 im Elend. WB. bat
mehre Opern gefchrieben und e& find über 50 Werke von ihm gebrudt. Das Bedeutendſte Ich
ſtete er im Sache der Inftrumental-, namentlich der Pianofortemufil.
7
Velfgang Bolfemilch 333
Wolfgang, Fürk zu Anhalt, ber Bränder und Vollender der Reformation in Anhalt, geb.
1492, war der Sohn des Fuͤrſten Woldemar mit Margaretha, Gräfin zu Schwarzburg. W.
war von Natur fröhlich und muthig; in Körperflärfe, ritterliher Haltung und Gewandtheit
Hatte er kaum feineögleihen. Nach dem Tode feines Vaters fam er, 16%. alt, zur Regierung
und hatte fein Hoflager zu Köthen. Luther's Jünger und inniger Freund wurde er 1521, als
dieſer zu Worms fein Bekenntniß ablegte. Als es die Evangelifchen hart anging, fagte W.: er
wolle lieber Anbern die Stiefeln abwifchen, Land und Leute verlaffen und mit einem Stecken
bapongehen, als dem Evangelio untreu werden! Im I. 1550 unterzeichnete er auf dem Reichs⸗
tage zu Augsburg das evang. Glaubensbekenntniß. Als Kaifer Karl V. und Ferdinand auf
Antrieb der päpfllichen Gefandten die Evangeliſchen durch Drohungen zu bewegen fuchten, bie
Predigt des Evangeliums einzuftellen und an den Gebräuchen bes Papſtthums Theil zu neh⸗
men, da waren ed W. und Markgraf Georg von Brandenburg, welche zu dem Kaifer hineintra-
ten und mit feſtem Muthe erklärten: fie würden fich gegen des Kaiſers Majeftät in aller Un-
terthänigkeit verhalten, wenn er fie bei iprem Glauben und Bekenntniſſe ließe ; aber che fie Bott
und fein Evangelium verleugneten, möge er ihnen lieber bie Köpfe abſchlagen laffen! W. war
Mitftifter bes Schmalkaldifchen Bundes und Luther nannte ihn, da er viele Reifen nıachte, den
Legaten Gottes. Bei bem Ausbruche des Kriege nach Luther's Tode zog W. felbft mit in den
Kampf. Hierauf erflärte ihn Karl V. 12. San. 1547 in die Acht; das Land W.'s fchenkte
er einem fpan. Bünftling, Namens Ladrone. ZB. erhielt die Nachricht davon auf feinem Echloffe
zu Bernburg, fegte fich zu Pferde und Luther's Lied „ine fefte Burg ift unfer Gott“ fingend,
zitt er zur Stadt hinaus. Gr ſuchte einen Aufenthalt im Harzgebirge und erft 1552 gelangte er
wieder zu bem ungeſtoͤrten Befig feines Landes. Im hohen Alter übertrug er die Negierung ſei⸗
nen Bettern. Er flarb 23. März 1566 und Ift in der Bartholomäustirche zu Zerbft begraben.
Bolfram, Scheelium oder Tung ſtene ift ein einfacher metallifcher Körper, der als Wolfram⸗
fäure am Eifen- und Manganorybul gebunden in dem Mineral Wolfram, an Kalk gebunden
im Scheelipath ober Zungftein und an Bleioryd gebunden im Scheelbleifpath vorkommt. Es
bildet eine eifenähnliche graue Metallmaffe, bie fehr ſpröde, hart, äußerft firengflüffig und von
kryſtalliniſchem Bruche if. Das fpec. Gewicht des Wolframs iſt 174. Mit Sauerftoff bitdet
e6 das Wolframoxyd und die Wolframfänre. Zeptere ift verfuchömeife in ber Zeugdruckerei
anſtatt des Indigo angewendet worben.
Wolfram von Efchenbadh, |. Eſchenbach.
Bolfögruben, eigentüch Erdgruben, in denen man Wölfe zu fangen pflegt, dienen im
Kriegsweſen als Hindernißmittel gegen dad Andringen des Feindes. Dan bildet gewohnlich
ſchachbretformig drei Reihen derfelben, macht fie rund ober vieredig, oben etwa fünf Fuß weit,
unten enger und verfieht den Grund mit einem fpigen Pfahle, um das Hineinfpringen gefahr⸗
ol zu machen. Die ausgehobene Erde wirb auf den Zwifchenräumen aufgefchüttet. Gegen
Gavalerieangriffe fchügen fie vollftändig. Die Infanterie findet aber in ihnen und hinter den
zwiſchenliegenden Erdmaſſen eine Dedung, die einen weitern Angriff begünftigen fann, wes⸗
Halb es auch rathfamer ift, bie Erbe nicht aufzufchüütten, fondern zu vertheilen, Damit bie Wolfs⸗
gruben durch Gewehr und Geſchützfeuer beftrichen werden fonnen. Man legt fie vor Feld⸗
ſchanzen an und benuge fie auch anderweitig zur Sperrumg von Räumen, wo keine Verhaue
angebracht werden können.
Wolfskirſche, f. Belladonna.
Wolfsmilch (Euphorbia) gehört zu ber fehr zahlreichen Pflangenfamilie der Euphorbia⸗
ceen, die mit wenigen Ausnahmen einen Saft enthalten, der äußerlich ald Reigmittel, innerlich
als heftiges Gift wirkt. Zu diefer großen Pflangenfamilie zählen unter andern die Brechwur⸗
zei ober Ipecacuanha, der Buchsbaum, Groton, Manioc, Ricinus. Die gemeine Wolfsb⸗
milä (BE. esula), mit viefpaltigem Blütenfchirm, faft herzförmigen Hüllden und gleid-
förmigen Blättern, wächft in Deutfchland und bem übrigen Europa an unbebauten Orten wild
umb enthält einen Milchfaft, ben man ſonſt zum Beizen der Warzen und Blaſenziehen benußte.
Die Eyprefienwolfsmild (E. cyparissias) ift fehr gewöhnlich auf bürren Rändern und
teodenen Feldern, hat lanzettfürmige Stengelblätter, blüht, wie die vorige, roth und gelb ge»
mifcht vom Mai bis in den Juli und befigt eine gelblichweiße Wurzel, die ein fehr heftiges Pur⸗
girmittel abgibt. Die Raupe des Wolfsmilchichmärmers nährt ſich von diefer Pflanze. Die
Erenzblätterige Wolfsmilch (E. lathyris), auch Springkraut genannt, im ſüdlichen Deutſch⸗
Land heimiſch, hat elaftifch auffpringende Kapfeln, deren Samen, ebenfalls als heftiges Yur-
girmittel bekannt, Springkoͤrner heißen. Die harzbringende Wolfsmilch (E. oficinarum) oder
v0 k }
DB u wainmn2
Baden. — Geine Gattin, Amalie, geb. BRaleoImi, verwitwett Weder, eine nicht minber ande
gezeichnete dramatische Künſtlerin, geb. 1780 zu Leipzig, betrat 1791 in Weimar die Bühne.
Erf mit dem Schaufpieler Beder und nach defien Tode mit W. verheirathet, wurde fie zugleich
mit Letzterm am königl. Theater zu Berlin angeftellt. Mit einer hohen, wohlgebilbeten Geſtalt
vereinte fie eine ausdrucksvolle Gefichtöbildung und eine eble, würdevolle Haltung. Ihr bieg-
fames, obwol dem Umfange der Töne nad) befhränktes Organ erleichterte ihr die Kunft zu
fprechen, die fie in hohem Grade beſaß. So eignete ſich ihr Weſen beſonders für das Trauer⸗
ſpiel, in weichem fie die erſten Heldinnen mit Glück darſtellte. Höchſt anmuthesvoll waren ihre
Darſtellungen rein naiver und idealer weiblicher Geſtalten, z. B. als Ihigenia in Goethes
Drama, Stella, Maria Stuart, Fürſtin in der „Braut von Meſſina“, Klärchen in „Egmont“,
Adelheid in „Sog von Berlichingen”, Leonore Sanvitale in „Taſſo“ und Eboli in „Don Care
108°. In fpäterer Zeit Hat ſie Rollen mie Sappho, Elifabeth in „Maria Stuart”, ſowie auch
in Schau- und Zuftfpielen Rollen wie Frau Feldern in „Hermann und Dorothea”, Frau Stur-
mer im „Oheim“ übernommen und mit großer Meifterfchaft ausgeführt. Nachdem fie 1841
ihr 5Ojähriges Künſtlerjubiläum an der berliner Hofbühne gefeiert, wurde fie 1844 auf ihren
Wunſch in den Ruheftand verfegt. Sie trat noch einige male 1845 auf und ſtarb 18. Aug. 1851.
Wolff (Oskar Ludw. Bernh.), bekannt als Improvifator und Gchriftfteller, geb. 26. Juli
1799 zu Altona, erhielt den erften Unterricht in der Schule feiner Vaterftadt, dann im einer Er-
ziehungsanftalt zu Wandsbeck und beſuchte hierauf das Gymnaſium femer Vaterſtadt. Den
medicinifhen Studien, denen er zu Berlin und Kiel fid, anfangs gewidmet hatte, entfagte er
nad) zwei Fahren, um ſich vorzugs weiſe den fhonen Wiſſenſchaften zuzuwenden. Nach Been-
digung feiner Studienzeit erteilte er an zwei Erziehungsinſtituten zu Hamburg Unterricht.
Der ungemeine Beifall, den er hier bereitö bei feinen erften Auftreten als Improvifator fand,
begleitete ihn auch auf feinen weitern Reifen, auf denen er fich in dieſer Kunft producirte, bis er
endlich nach Weimar fam, wo Goethe lebhaftes Intereffe an ihm nahm. IB. erhielt hier 1826
eine Drofeffur der neuern Sprachen am Gymnaſium, bie er 1830 mit’einer auferorbentlichen
Profeſſur zu Jena vertaufchte. Seit 1838 orbentliher Honorarprofeffor in der philofophifchen
Bacultät, farb er dafeleft 16. Sept. 1851. WB. bat fich durch eine ungemein große Anzahl belle⸗
triftifcher Schriften, Überfegungen, Anthologien und anderer Bücher compilatorifher Natur
bekannt gemacht. Seine Romane, Novellen und Erzählungen hat er in „Schriften” (14 Bde,
Sena 1841 — 43) vereinigt. Die meifte Verbreitung von feinen anthologifhen Arbeiten hat
der „Poetiſche Hausichag des deutfhen Volkes” (16. Aufl, Lpz. 18553) nebft den: „Hausihag
ber Volkspoeſie“ (4. Aufl, Lpz. 1853) und dem „Hausſchatz deutfcher Profa” (7. Aufl., Lpz-
1855) gefunden. Daran fchliefen fi „Handbuch deutfher Berebtfamleit” (2 Bde., pa.
1846) ; „Staffifcher Hausfhag: der griech. und rom. Poefie” (2 Bde, Grimma 1850— 51);
„Hausſchatz engl. Poefie” (3. Aufl. von Manitius, pz. 1852); „La France poötique” (Rpz.
1845) u. ſ. w. Sonſt find außer der „Nennig-Encyklopädie” (4 Bde., Lpz. 1854—37) neh
die „Encyklopädie der deutfchen Nationalliteratur” (6 Bde., Lpz. 1854— 40) und die „Allge⸗
meine Gefchichte bed Romans” (2pz. 1851) zu nennen. Bon mehren fatirifchen Schriften, die
er unter dem Pfeudonym Plinius der Jüngfte veröffentlichte, find die „Naturgefchichte des deut-
fen Studenten“ (2. Aufl, &py. 1845), „Die Meinen Leiden des menfchlichen Lebens” (illuſtr.
von Srandville, 2. Aufl., Lpz. 1846), die „Reife ins Blaue” (illuftr. von Johannot, pz. 1846)
und „Eine andere Welt” (illuftr. von Grandville, pz. 1847) hervorzuheben.
Woͤlffl (Iof.), ausgezeichneter Pianofortefpieler, geb. zu Salzburg 1772, erhielt von Leop.
Mozart und Mid. Haydn den erften Unterricht. In den neunziger Jahren ging er nach War⸗
ſchau und fand dort eine glänzende Aufnahme. Die Nothwendigkeit, während der Volksunru-
ben mit zu den Waffen zu greifen, verleidete ihm ſedoch den Aufenthalt und ex ergriff die Ge⸗
legenheit, um nach Wien zu entlommen. Dort wurde er Beethoven's Rival in Tlavierſpitl,
ja fogar auch im freien Phantafiren. Nach feiner Verheirathung 1798 trat er eine Kunſtreiſe
nach Norddeutſchland an, wo er mit Enthuſiasmus aufgenonimen wurde. Nach feiner Rück⸗
Sehr fand er aber in Wien feine häuslichen Verhälmiffe in folcher Rage, daf er diefe Stadt auf
immer verließ. Er ging nach Paris, wurde zum Mufitmeifter der Kaiferin Joſephine ernannt
und folgte derfelben nach Napoleon's Sturze in die Schweiz. Weiler fi bier wenig behaglich
fühlte, ging er bald nach England, wo fein Gefchid eine fehr ungünflige Wendung nahm. Ge
wohnt, auf großem Fuß zu leben, gerieth er in Dürftigkeit und flarb um 1814 im Elend. W. hat
mehre Opern gefchrieben und es find über 50 Werke von ihm gebrudt. Das Bederitendfle iei⸗
ſtete er im Sache der Inftrumental«, namentlich der Pianofortemuftk.
& r
r Belfgang Bolftwiiqh 333
Wolfgang, Fürft zu Inhalt, der Gründer und Vollender der Reformation in Anhalt, geb
4492, war ber Sohn des Grm Boldemar mit Margaretha, Sram zu er 'B.
war von Natur fröhlich und mutbig; in Körperftärke, ritterlicher Haltung und Gewandiheit
Hatte er kaum feinesgleihen. Rach dem Tode ſeines Vaters kam er, 163. alt, zur Regierung
nand hatte fein Hoflager zu Köthen. Zuther’6 Jünger und inniger Freund wurde er 4523, ai⸗
Dieſer zu Worms fein Bekenntniß ablegte. Als es die Evangeliichen hart anging, ſagte ——
swolle lieber Andern die Stiefeln abwiſchen, Land und Leute verlaffen und mit einem ren
Savongehen, als dem Evangelio untreu werben! Im 3.1530 unterzeichnete er aufDO®" . uf
Tage u Augsburg das evang. Glaubensbekenntniß. Als Kaifer Karl V. umd derdinand
A ntrieb der paͤpftlichen Geſandten die Evangeliſchen durch Drohungen zu bewegen 2 —
r cdigt des Evangeliums einzuftellen und an den Gebräuchen bes Papflthums Theil DET.
zusen, da waren ed W. umd Markgraf Georg von Brandenburg, welche zu dem Kaiſer un
sers umd mit feflem Muthe erlärten: fie würden fi) gegen der Katfers Mojeäs in BF zu
terthänigkeit verhalten, wenn er fie bei ihrem Glauben und Bekennmiffe ließe ; aber he wos
sınnDd fein Evangelium verleugneten, möge er ihnen lieber Die Köpfe abſchlagen laſſen! = de⸗
Mti tſtifter des Schmalkaldifchen Bundes und Luther nannte ihn, da er viele Meilen mocht¶ us
Zegaten Gottes. Bei dem Ausbruce des Kriegd nach Luther’s Tode zog WB. (eipfi m! w I 54
Rampf. Hierauf erflärte ihn Karl V. 12. San. 1547 in die Acht; das Land U. (6 6
er einem fpan. Bünftling, Namens Ladrone. WB. erhiekt Die Rachricht davon auf [einem
zus Boernburg fepte ſich zu Pferde und Buther’6 Lied „Eime fefie Burg in unfer Gore" IP
ritt er zur Stadt hinaus. Ex fuchte einen Aufenthalt im Dearıgebirge und erfi 4592 —* or
wieder zu dem ungeflörten Befig feines Landes. Im hoben Alter übertrug er Die Regemt Ed
nen Bettern. Er florb 23. März 1566 und iſt in der Bartbolomänslirhr au Zerbt bes: ⸗
o i fram, Egeelium oder Tungföne iſt ein einfodger mesollifiger Körper, der is Ficl”
(äure am Eifen- und Manganorydul gebunden in dem Rineral Yolfram, ar Ko —— 7
im Scheeifpach oder Zungflein umd an Bleieryd gebunden im Eiredbiiipatt portonmt. *
biibet eime ciſcnãhaſiche graue Metallma ſſe, die Fehr rode, Hart, cherſi firergfin'T.g u
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334 Wolforachen BWolga
die. Apothekereuphorbie iſt eine 3—A FJ. hohe Pflanze Wfritas, ſtachelig und blätterlos, deren
Milchſaft das gegen Knochenfäule u. |. w. gebräuchliche Enphorbiengunmi liefert. Unter den
vielen andern einheimifchen Gattungen gibt ed auch einige, die, wie bie E. characias, wegen ih-
rer aierlichen Blüten in Gärten gezogen werben.
Bolfsraden (palatum fissum) heißt ber Bildungsfehler des Gaumens (f.d.), bei welchen:
der Baumen in der Dritte nicht vollig gefchloffen iſt und Daher die Naten- und Mundhöhle come
municiten. Diefes Übel führt nach Maßgabe feiner verfchiedenen Grade, indem oft nur das
Baumenfegel, zumeilen jebody auch der knöcherne Gaumen gelpalten iſt, auch größere ober ge-
zingere Befchwerben beim Schlingen, Sprechen und felbft beim Hören mit fi. Die Spaltung
bed Gaumenſegels hat Gräfe durch eine neuerfundene Operation, die Gaumennapt (staphy-
lorrhaphia oder uranorrhaphia), in vielen Zällen zu befeitigen gelehrt, während die Spaltung
bed harten Gaumens nur durch angefügte Plättchen von Gold oder Silber verſchloſſen werden
Bann, deren Drud bisweilen die Ausfüllung kleinerer Öffnungen durch dichtes Zellgewebe und
fomit Heilung bewirkt hat. Beim Wolfsrachen ift ſtets auch Hafenfcharte zugegen.
Wolga, bei den Alten Rha oder Daros und Rhos, hunniſch Var, finnifc noch jegt Rau,
bei den Turktataren Atel, Etel, Idel, bei den Stawen Bolga oder Wolga nach den alten Bol-
garen benannt, der Hauptſtrom Nußlands und hinſichtlich feines langen Laufs, der nad
Studenberg 454, M..mißt, der bedeutendfie Strom Europas, entfpringt etwa 45 M. vom
Finnifchen Meerbufen und in der Nähe der Düna im Gouvernement Twer, auf einer Sumpf-
ebene des Wolchonſkiwaldes bei dem Dorfe Wolgino⸗ oder Wolcho⸗Werchowija aus einem
eingefaßten, einft bewallfahrteten Brunnen, den die Anwohner Jordan nennen. Die W. verei-
nigt ſich nach einem Laufe von 14% M. mit ber Selisharowka, dem Abfluffe bes Seligero⸗
fee (f.d.), und fegt weiterhin ihren obern Lauf in füböfllicher Richtung über Rſhew Wolo⸗
dimirow nod) etwas über 21 M. bis Subzow fort, wo fie das wellenförmige Ziefland erreicht,
welches fie 297; M. weit auf iprem 325°, M. langen, bis Kamyſchin reichenden Bittellaufe
nicht wieder verläßt. Auf diefer weiten Stuede fließt fie erft oftwärtd über Twer, Kortſchewa,
Uglitſch, Rybinsk, Jaroflam, Koſtroma, Tſchebokfar und NifpniNowgorod an der Mündung
der Oka, und zwar bis dahin in ruhigem Laufe, dann mit flärterm Gefälle hinab in bie tiefe
Thalſenkung von Kafan. Hierauf wender fie ſich ploglich fübwärts und geht, durch die mächtige
Kama verftärkt, über Simbirst, Stawropol, Samara, Sysran, Ehwalinst, Wolst nad Sara⸗
tow, und zwar auch hier noch, wie fchon von der Ofamündung an, mit hoher, oft bergähnlicher
Thalwand auf dem rechten Ufer oder der Bergfeite, Dagegen mit weiten, bis an die Borhöhen
bed Uralgebirgs reichenden Niederungen auf dem linken Ufer oder der Wiefenfeite. Zwiſchen
Saratom und Kamyichin, auf einer Strede von 281, M. durchbricht fie die hügelige Gegend
ber ſüdweſtlichen oder uralifch-Barpatifchen Landhöhe, die fi im Obtſchei Syrt an den Ural an-
ſchließt, auf den rechten Ufer Wolgahöhe genannt wird und dem Strom fteile, zerriſſene und
relativ höher als bie bisherigen Gelände auffleigende Ufer gibt. Bei Kamyſchin tritt der Strom
mit feinem noch 93 M. Iangen Unterlaufe, auf dem ihm alle Nebenflüfle fehlen, zugleich auf
aftatifchen Steppenboden, ber ihn bi zur Mündung begleitet, nur daß fein rechtes Ufer bie
Zarizyn und Sarepta, während auf dem Linken fich flache Wieſengründe ausbrdten, immer
noch fteil, fein Thalrand noch bis 200 $. Hoch bleibt. Bei Sarepta wendet fich die W. plöglich
gegen Südoften, wälzt zwiſchen durchweg flachen und niedrigen Ufern langfam Ihre ungeheuere
affermaffe in vielen Armen, deren erſte bedeutende Spaltung bei Zarizyn beginnt und beren
nördlichfter Achtuba heißt, ein Labyrinth von Sand» und Sumpfinſeln, Schilf- und Wieſen⸗
gründen bildend, durch den horizontalen Boden der falzigen Steppe umd ergieht fich jegt 10 M.
unterhalb Aſtrachan in einem 15 M. breiten Delta mittel mehr als 60 Neben- und 8 Haupt⸗
mündungen, die meift verfandet find und deren bedeutendfte eine Meile breit if, in dad Rad
piſche Meer. Schr merkwürdig ift das überaus geringe Gefälle dieſes europ. Rieſenſtroms, das
im Banzen nur 876 $., oder nach einer neuern Angabe, die für bie Quelle nur 516 9. abfelute
Höhe anfept, nicht mehr als 594 8. beträgt. Durch muchr als 100 Nebenflüffe fallen mehr als
24 Souvernements in das Bereich des 30154 (nach Andern 24840) AM. umfafienden
Stromgebietd des koloſſalen Fluffes. Unter den Nebenflüffen, die faft ſämmtlich, wie die WA.
ſelbſt, ſchon bald nad ihrem Urſprung ſchiffbar werben, find die bedeutendſten rechts Die Die,
die Hauptrinne des blühenden moslowitifchen Sieflands, 188 M. ang, durch die Ugra, Upa,
Moskwa, Mokſcha und Kljäsnıa verfiärkt, und links die Kama oder Kleine WBolga, die
Hauptader der weſturaliſchen Gewaͤſſer, 244 M. lang, mit den großen Zuflüffen Wiatke,
“
Wolgu W
Tſchuſſowaja und Bielaja und mit einer Waſſermaſſe, die bei der Mündung diefenige dei
Hauptſtroms feibft übertrifft.
Im Winter belegt fich der ganze Strom mit Eis, aber bei der Verfchiedenheit der Klimate,
welche et zwifchen 57° und A6° n. Br. durchfließt, ift der Eintritt und die Dauer der Eiszeit
verfchieden. Der Eisgang ift jedes Jahr ohne Ausnahme ſtark, zu Zeiten und ftellenweife ſeht
verheerend. Während des hohen Wafferftandes-in Folge der Schneeſchmelze tritt ber Strom
aus und ermeitert fid) dann außerordentlich, auf der MWiefenfeite felbft bis zu 20 Werft. Unter
foichen Umftänden ift auch das Strombett beftändigen Veränderungen unterworfen. Eigent-
liche Stromfchnellen oder Rapiden (ruff. Porogi) hat die W. nicht, aber eine große Menge von
Sanbbänten und feichten Stellen. Auch find Flußarme, die einft die Hauptwaſſer bilde»
ten, jeht entweder verſchlämmt oder ausgetrocknet und merden nur im Frühling mit Waſſer er-
füllt. Solche Arme beißen Woloſchki (Kleine Wolgen), während man Saloni und Gawobi
theild kurze Nebenarme des Hauptſtroms, theils Beine Buchten oder Uferfeen nennt, die mit
ihm durch kurze, meift enge Mündungen zufammenhängen und old Gicherheite- und Ladungs⸗
pläge von großer Wichtigkeit find. Dem Nuffen gilt die W. als ein heiliger, fegenbriugenber
Fluß, und er nennt fie daher faft nur Mütterchen Wolga. Der Reichthum des Stroms an Fir
fen, ber Korn⸗ und Holzreihthum feiner Uferlandfehaften wie derjenigen vieler feiner
zahlreichen Neben- und Zuflüffe, der Umftand, daß er felbft, und auch theilweiſe feine Zur
flüffe, die induftriellen Gegenden des Reichs durchftrön, daß feine öſtlichen Seitengewäſ⸗
fer zugleich die Communication mit deu uralifhen Bergwerksdiſtricten berftellen, daß in
ber Nachbarfchaft der unterften Stromftrede die ergiebigften Salzfeen, an der Kama reiche
Salinen fliegen, endlich feine ausgedehnte Schiffbarkeit verleihen ihm die höchſte Bedeu
tung für den Verkehr des innern Rußland, die durch großartige Kanalſyſtenie noch ge.
fleigert wird. Schiffbar ift die ZB. von der Mündung ber Selisharomfa bis zum Kabe
pifhen Meer, alfo auf einer Strede von etwa 440 M. Indeffen erfi 44 M. weiter unter
halb, von Twer an, trägt fie größere Kaftfchiffe und wird Verkehrsweg des ganzen Kaifer
reihe. Großartig geftalter fich die Schiffahrt fodann 48%, M. ımterhalb Twer, bei Ry
Sins? (f.d.), dem Theilungspunkte der drei großen nad Petersburg führenden Kanalfye
fteme und einem ber beſten Winterhäfen, deren die IB. überhaupt wenige und noch weniger
gute hat, obgleich an ihr 126 Stapelplätze gezählt werden. Bei Rybinsk beginnt auch die
Dampfſchiffahrt, die bis jegt noch wenig bedeutend ift. Obgleich aber die W. mit Recht die
Lebens ader der ganzen innern Handelsbewegung Rußlands genannt wird, trägt fie doch im ben
toloffalen Dimenfionen ihres Waſſerſyſtems die Zeichen der aſiatiſchen Nachbarfihaft, wird
ihrer Abdachung nach Aſien zugerechnet und iſt eigentlich ein Steppenfluß, der wegen Verſan⸗
bung der Mündungsarme nur mit Mühe feinen Einfluß in einen aflat. Binnenfee erreicht, wel⸗
cher, meift von bedürfnißlofen und productionsarmen Barbaren umwohnt, für den Verkehr
nach außen ohne Bedeutung bleibt. Um fo wichtiger erfcheinen die großartigen Kanäle, wor
durch bie WB. und ihr Stromgebiet mit dem Ocean in Verbindung gefegt und der auswärtige
Handel Rußlands außerordentlich belebt wird. Unter ihnen zeichnen ſich die drei Kanalſyſteme
von Wiſchni⸗Wolotſchok (f. d.), Tichwin und des Marienkanals befonders aus, welche die Ver⸗
bindung mit Peteröburg bewirken, während ber nördliche Katharinenkanal und der Kanal des
Herzogs von Würtemberg die W. auch mit der Dwina in Verbindung fegen, ſodaß von allen
Anlandın des Hauptſtroms eine ununterbrochene eaifebr bis zur Dfifee, dem Weißen Meere
nnd dem Kaspifchen See ımterhalten werben kann. Der ſchon unter Peter d. Gr. projectirte
fogmannte Sapifankanal aber, der die WB. mit dem Don und fo mit dem Schwarzen Meere in
Berbindung fegen follte, iſt nicht zur Ausführung gekommen, dagegen neuerdings durch eine
Pferdeeiſenbahn erfegt. Auch if, um den Schiffsweg zwifchen Moskau und Peteröburg um etwa
144 M. zu verkürzen und den Landtransport entbehrlich zu machen, ber Bau det Wolge-
Mostaufanals, der die obere W. mit der Moskwa mitteld ber Geftra und Iſtra vereinigen
und einen Waſſerweg von 31 M. herftellen fol, bereits 1825 begonnen, aber noch nicht garız
vollendet. Bon großer Wichtigkeit ift Die Wolgafifcherei. Ohne Zweifel kommt der W. hin
fichtd der Fülle der Zifche und deren vorgüglicher Güte kein Strom Europas gleich, und über
troffen wird fie hierin von feinem der Erde. Die Fifchereien im Strome felbft und vor feinen
Mündungen find die Quelle außerordentlicher Reichthümer und fegen bedeutende Gapitalten im
"Bewegung. Doch nur von Simbirsk an beginnen fie eine ſtaatswirthſchaftliche Wichtigkeit zu
erlangen. Es fangen bier die beftändigen Kifchereien oder Watagen an, bie fih am zahlreich⸗
ſten unterhalb Aſtrachan, an ben Mündungen und nächftdem an ber Achtuba finden. Die mer
%
38 | Bolgaft Bolten
fien find ein Regal und werben verpachtet, was dem Staatsſchat jährlich bi6 zu 700000 Ru-
bei Banco einträgt. Bon den mannichfaltigen Fifchen, bie fich im Kaspifchen Meere finden,
drängt fi im Frũhſahr eine fo außerordentliche Menge in die Flußmündungen umd weiter hin⸗
auf, daß der Fiſchfang in dieſer Zeit über 10000 Beine Fahrzeuge beſchäftigt. Die häufigften
Fifche find: Störe ([.d.), Haufen (f. d.), Welſe, Sterlete, Safanen oder Seekarpfen, Sewr⸗
jugen, Weißlachs. Außerdem find faft alle Arten gemohnliche Flußfiſche vorhanden, unter des
‚nem Quappen bis zu 40 Pf. ſchwer. Vgl. Studenberg, „Hydrographie des ruff. Reihe”
(Bd. 5, Petersb. 1848).
Wolgaſt, eine Hafen- und Handels ſtadt in: Kreife Greifswald des pommerfchen Regierungs-
bezirks Stralfund, an der Peene, die ihren Hafen bildet und eine Meiledavon indie Oftfee mümbet,
allein wegen einiger Untiefen nur kleinere Seefchiffe trägt, hat eine Navigationsfchule, ein-öffent-
liches Schiffswerft, ein Arbeitöhaus und zählt 5800 €., die fi von Schiffsbau, Rhederei und -
Handel, fowie von Lichter⸗, Seifen- und Tabadsfabrikation nähren. W. befaß 1853 32 Schiffe
von 4385 Laften. Den Hafen befuchen jährlih 150—170 Schiffe. Größere Fahrzeuge werden
auf dem Ruden gelichtet und geladen, einem einen Eilande und einer Rootfenftation vor der
Mündung der Peene, bekannt durch die Landung Guſtav Adolf's 1650. DB. iſt eine fehr alte
Stadt, war ſchon im 12. Jahrh. ftark befeftigt, fonft Sig ber Herzoge von Pommern⸗Wolgaſt,
wurde 1628 von Wallenftein, 1630 von den Schweden, 1637 von den Kaiferlihen, 1658
von den Schweden und 1675 von dem Großen Kurfürften von Brandenburg erobert, 1713 von
den Ruffen geplündert und eingeäfchert, 1715 jedoch von den Schweden wieder erobert.
Wolke (CHriftian Heinr.), Pädagog und Sprachreiniger, geb. 1741 zu Jever, bereitete ſich
erft feit feinem 20. I. auf der Schule feiner Vaterſtadt für die höhern Studien vor, denen er
„fi dann zu Göttingen und Leipzig ſechs Sabre hingab. Er entwarf 1770 den Plan zu einer
Erziehungsanftalt nach einem naturgemäßen Stufengange, wodurch er mit Bafedom (f.b.) in
Altona in engere Verbindung trat. Als diefer einige Jahre fpäter zu Deffau das Philanthro-
pin gründete, wurde W. einer der thätigften Mitarbeiter an demfelben. Nach Auflöfung dei-
felben ging er nach Petersburg und widmete ſich auch hier mit Eifer dem Unterrichsweſen, 309
fi) aber 18041 in den Privatftand zurück und lebte in Leipzig, Dresden, zulegt in Berlin, wo
et 8. Jan. 1825 ftarb. Beine zahlreichen, meift fehr verdienftlihen Schriften find theils rein
padagogiſchen Inhalts, theils befchäftigen fie fich mit deutfcher Orthographie und Sprachrei⸗
nigung, bie er aber offenbar übertrieb. Hervorzuheben find jege nur no: „Erſte Kenntnifie
für Kinder von der Stabenkenntniß an bis aur Weltkunde” (Rpı. 1783); „Beſchreibung ber
Hundert von Chodowiecki zum Elementarwerke gezeichneten Kupfertafeln” (2 Bbe, Epz-
1781—87 ; auch franz., 1782, und lat., 1784); „Anweifung, wie Kinder und Stumme zum
Verſtehen und Sprechen oder zu Sprachkenntniffen und Begriffen gu bringen find” (2py.1804);
„Erziehlehre, oder Anleitung zur Förperlichen, verftändlichen und fittlichen Erziehung” (2pz-
1805); „Mittheifungen der allererften Sprachkenntniſſe und Begriffe” (&pz. 1805) und das
Hauptwerk „Anleit zur deutschen Befammtfprache oder zur baldigen Erkennung und Berich⸗
tigung einiger (zumenigst 20 taufend) Sprachfehler in der hochdeutschen Munbart u. !. m."
(Dresd. 1812; 2. Aufl, mit verändertem Titel, 1816). Durch feine Sammlung „Dudöge
or ſaſſiſche Sinngedichte, Gravfchriften, Keder, fingbare Vertelfeld un wunderbare Eventure
u. ſ. m.” (2p,.1804 5 2. Aufl., 1816) wollte er auf das Wohlklingende der niederſächſ. Sprache
aufmerffam machen. Bol. Haſſelbach, „Xebensgefchichte Ws“ (Aach. 1826).
Wollen. Bei einer gegebenen Temperatur ann in einem Raume (mag er Iuftleer oder
tufthaltig fein) nur eine beftimmte Menge Wafferdampf in gadförmiger Form vorhanden fein;
man nennt ben Raum, wenn biefe größtmögliche Menge von Dämpfen in demfelben vorhanden
iſt, mit Dampf gefättigt. Wird die Temperatur erniedrigt, fo kann nicht mehr bie ganze Menge
der Dämpfe gelöft bleiben, fondern ein Theil ſchlaͤgt fich nieder, während der übrigbleibende ben
Raum wieder bis zur Sättigung erfüllt. Der ſich verdichtende Theil nimmt je nad) der vor-
Handenen Temperatur den flüffigen oder (menn die Temperatur unter 0° ifl) den fehlen Zuftand
(Eis und Schnee) an. Wenn ein Raum nicht völlig mit Dämpfen gefättigt ift, fo kann man
die Temperatur um eine beflimmte Anzahl Grabe erniebrigen, ohne daß ſich Dämpfe nieder-
{lagen ; erft wenn bie Temperatur tiefer ſinkt als Diefenige, bei welcher die vorhandenen Danı-
pfe fih auf dem Sättigungszuftande befinden, beginnt der Niederfchlag. Erfolgt nun ein fol-
er Niederfchlag in den in ber Atmofphärevorhandenen Dämpfen, fo verliert die Luft ihre Durch⸗
ſichtigkeit, und wir bezeichnen dieſen Nieberfchlag, wenn er gleich an der Oberfläche ber Erde
geſchieht, als Nebel, tritt er Dagegen in größerer Höhe ein, als Wolken. Während ein Reifen
Bollaſton (Wit) Wellafton (Wil. Hyde) 337
ber auf einem hohen Berge fi für von Nebel umgeben bält, bezeichnen die Bewehner ber
Erde diefen Niederfchlag, welcher den Gipfel des Berge umgibt, ale Wolke. Der Engländer
Howard hat verfucht, bie Wolken nach ihren Formen zu unterfcheiden. Der Cirrus (Feder⸗
wolke) beſteht gewöhnlich nur aus zarten Bafern, die ſich bisweilen zu einem Gebilde (Winds-
bäume genannt) von dem Anfehen eines Pferdefchweifs vereinigen. Diefe Wolken ſchweben in
fehr bedeutender Höhe und find, wie ſich durch die in ihnen entftehenden Höfe und Nebenfonnen
nachweifen läßt, aus Schnee und Eistheilchen gebildet. Ihre Entflehung verbanten fie wol
meift dem Zufantmentreffen kalter und feuchter warmer Luftſtröme in ben höhern Regionen;
daher fie auch häufig eine Anderung der Witterung zur Folge haben. Der Enmulus (Haufen-
wolte) zeigt im Allgemeinen eine halbkugelige Beftalt auf horizontaler Grundfläche. Die Hau-
fenwolken bilden ſich befonders an heitern Sommertagen und gleichen, wenn fie in großer Menge
vorhanden find, einen Gebirge. Sie ſchweben niebriger als die vorigen und verdanken ihre Ent-
fiehung dem auffteigenden Luftſtrome, indem bie von biefem nach oben geführten Danıpfe in
größerer Höhe durch Abkühlung niedergefchlagen werben. Ihre Zahl und Größe wächſt an
ſchönen Sommertagen bis zur Zeit der größten Tageswärme; bann nehmen fie ab und ver-
ſchwinden zur Zeit des Sonnenuntergang, weil durch das Schwächerwerden des auffleigenden
Luftſtroms die Wolken finken, in wärmere Regionen kommen und hier zu durchßchtigen Däm-
pfen wieder aufgelöft werben. Der Stratus (Schichtwolke) ift eine oben und unten horizontal
begrenzte Nebelfchicht, wie fie z. B. an heitern Tagen nach dem Untergange ber Sonne über
Gewaͤſſern fich zeigt. Außerdem unterſchied Howard noch den Eirroeumulns (die ſogenann⸗
ten Schäfchen), welche rundliche zarte, in Reihen geordnete Floden bilden. Der Eirroftratus
(federige Schichtwolke) wirb durch flache Wolken gebildet, die dichter find als die Federwolken;
nad) dem Horizonte zu erfcheinen fie als zufanmenhängende Schicht, während man im Zenith
ihre Zufammenfegung aus vielen Wolken erkennt. Der Cumuloſtratus (gethürmte Haufen-
wolke) entfleht, wenn die Haufenmwolten fi vermehren und ein dunkleres Anſehen erhalten.
Stratoeumulus (haufenartige Schichtwolte) nennt Kämg eine dem Cumulus verwandte Wol⸗
tenart, die ſich aber Dadurch von dieſem unterfcheidet, daß fie im Sommer gegen Untergang ber
Sonne entſteht, am Abend zunimmt, die Nacht hindurch den Himmel bededt hält und am Mor-
gen nach Aufgang der Sonne verſchwindet; im Winter hält fie den Himmel oft Wochen lang
bebedt. Nimbus (Negenwolke) ift nach Howard an einem gleihformig grauen Anfehen und
einem faferigen Rande kenntlih. Das Schweben ber Wolken hat in der großen Kleinheit der
verbichteten Waſſertheilchen und bem Widerftande, welchen die Luft dem Ballen derfelben ent-
gegenfest, und in dem aufſteigenden Luftſtrome feinen Grund, der die wegen des angegebenen
Widerftandes nur langfam finfenden Waſſertheilchen mit fich nach oben führt. In vielen Bal-
len iſt das Stillftchen einer Wolke nur fcheinbar, indem auf der einen Seite der Wolke die durch
den Wind herbeigeführten Dämpfe fich niederfchlagen, während die auf der andern Seite der-
felben befindlichen niebergefchlagenen ſich durch Eintreten in trodiene ober warme Luft wieder
auflöfen. Eine ſolche Wolke wird alfo immer aus neuen Theilen gebildet.
Wollaſton (Will), engl. Moralphilofopb, geb.1659, war früher Lehrer in Birmingham
und lebte fpäter in London al Privatmann, wo ihn namentlich die Königin Charlotte fehr be»
günftigte. Sein Hauptwerk „Religion of nature delineated” (Lond. 1724 und öfter; frang,
Haag 1726) fand großen Beifall. Einen Gegner fand er an Sohn Clarke in deffen Buche
„Examination of the notion of moral good and evil advanced in a late book intitled: Tbe
religion of nature delineated“. IR, ftarb 1724. Vgl. Dreier, „Uber W.'s Philoſophie“
(2. Aufl., Erl. 1802).
Bollafton (Will. Hyde), engl. Chemiker und Phyſiker, geb. 1766, ftudirte in Cambridge
und ließ fi dann ald Arzt zu Bury St.Edmund's nieder, wo es ihm jeboch mit der Praxis
wenig glüdte. Hierauf ging er nach London, gab bier die Mebicin auf und legte ſich mit gro-
Bem Erfolge auf die Chemie und Phyſik. Durch feine für Künfte und Gewerbe wichtigen Er-
findungen, vor allem durch die in den „Philosophical transactions” befchriebene Entdeckung,
Platin Hämmerbar zu machen, erwarb er fich bald ein fehr anfehnliches Vermögen. Er flarb
22. Dec. 1828. Seine Arbeiten mit Platin führten ihn auf die Entdeckung zweier neuen Me⸗
talle im Platinerz, des Yalladium und Iridium. Er gab auch eine Vervollkommnung bes Mi-
kroſtops an und machte ſich mehrfach um bie Lehre des Galvanismus durch Conſtruction der
fogenannten Wollaſton'ſchen Doppelplatte, dei galvanifchen Bingerhutapparats u. f. wm. ver⸗
dient. Seine Unterfuchungen bat er in einzelnen Abhandlungen theils in den „Philosopbical
Gonv.sLer. Behnte Xufl. XV. 2 22
338 | Volle
transactions” (feit 1797), theil in Thonfon’® „Annals of philosophy” mitgetheilt und Die
chemiſch⸗phyſikaliſchen find ziemlich vollſtändig in Gilbert's „Annalen” und Poggendorf's
Kortfegung derſelben enthalten. Das von ihm erfundene und in den „Philosophical trans-
actions” (4809) befchriebene Reflexions - Boniometer macht es dem Kryftallographen und
Beognoften möglich, Kryftallgeftalten nrittel® ber Zurückſtrahlung mit früher umerreichter Ge⸗
nauigkeit zu nıeffen.
Wolle, Obgleich man die flodenartige gefräufelte Haarbeffeidung mehrer Säugthiere eben⸗
falls Wolle nennt, fo wird doc darunter vorzugsweiſe die Schafwolle verftanden. Die zu⸗
fammenhängende Wollbebedung eines Schafs, welche bei der Schur dem Thiere abgenonmen
wird, heißt Vließ. Sie Hülle den größten Theil des Körpers ein; doch finden fich an diefem im⸗
mer auch einzelne Stellen, mo feine Wolle wächft, fondern nur wirkliche, kurze, glänzende Haare
ftehen, die nicht mit abgefchoren werben. Es ift dies befonders der Fall am vordem Theile des
Kopfes und meift an den untern Theilen der Beine. Auch im Vließe felbft finden fi häufig
einzelne kurze, glänzende, Leicht herausfallende Haare, Stichelhaare genannt. Zu den Eigen«
[haften der Wolle an den einzelnen Haaren gehören: a) ber Durchmeffer oder die Feinheit;
b) Gleichmäßigkeit des Wollhaars, welche darin befteht, daß das Wollhaar feiner ganzen Ränge
nad; einen gleichen Durchmeffer hat, alfo im obern Theile nicht merklich gröber iſt als im
untern; c) Gefchmeidigkeit, welche in einem hohen Grade der Biegfamteit oder der Fähigkeit
der Wollfäden befteht, alle Richtungen leicht anzunehmen; d) Dehnbarkeit, wonach das Woll⸗
baar nach der Entkräuſelung noch beträchtlich ausgedehnt werben kann, ohne zu zerreißen;
e) Beftigkeit, wonach die Wollhaare bei dem Anfpannen nicht zu leicht zerreißen; f) Korm ber
Kräuſelung; die wünfchenswerthefte Kräufelung find niedrige und ſchmale, daher verhältniß-
mäßig Beine Bogen; 8) Höhe und Ränge. Zur Fabrikation feiner Tuche darf das Woll⸗
haar nicht zu lang fein, in der Entkräufelung nicht über vier Zoll meffen. Hierbei ift aber das
Verhältniß der Höhe zur Länge der Kräufelung von großer Bedeutung. Dieſes Verhältnif
hängt von der Korm der Bogen ab und ift demnach ganz anders bei flachen als bei hohen,
ſchmalen Bogen. Das befte Verhältniß ift jenes, wo fich die Höhe zur Länge wie 1 : 11. —
1°, verhält. Gute Eigenfchaften der Wolle in den Flocken find: a) Gleichartigkeit, wenn bie
Wollhaare in allen Eigenfchaften vollkommen übereinffimmen ; b) ftumpfer, gefchloffener, Pla-
rer Stapel; c) Sanftheit; d) Elafticität. Gute Eigenfchaften des Vließes find: a) Aus-
geglichenheit; b) Dichtigkeit, wenn eine fehr große Anzahl Wollhaare auf bemfelben Raume
fteht; c) Wollreichthum. Schleche Eigenfchaften ber Wolle find dagegen Hungerfeinheit,
Maͤßigkeit, Smeimüchfigkeit, trockene Spitzen, Futterwolle und gelbe Wolle.
In technifcher Hinficht wirb die Wolfe unterfchieden in Kammwolle und in Streichwolle
ober Krempelwolle. Jene ift Tänger, mehr fchlicht, felten ſtark gefräufelt, fondern haufig nur
gewellt und wird vor dem Spinnen mit heißgemachten eifernen Kämmen gelänmt, um fie noch
mehr zu ſchlichten, ihr die Walkfähigkeit zu nehmen und die längern Haare von ben etwa darin
befindlichen fürzern, den Kämnlingen, zu trennen. Sie wird angewendet zu allen glatten wol⸗
Ienen, ben fogenannten Kammmollzeugen, Merinos, Kamelots, Shawls, Weſtenzeugen,
Steümpfen u. ſ. w. Die Streichwolle dagegen ift fürzer, mehr gefräufelt und veriworren, dich⸗
ter zuſammenhängend und wird vor dem Spinnen kalt gefrempelt. Sie wird angemenbet zu
allen gewalkten wollenen Zeugen, Tuch, Fries, Kafımir, Damentuch u. ſ. w. Bei einiger
Länge kann zwar jede von Natur mehr zum Krempeln ſich eignende Wolle auch gekämmt unb
Dadurch ihrer Walkfähigkeit beraubt werden; allein es ift dabei fein Vortheil, weil viele Haare
jerriffen werden und dadurch ein großer Abgang entfteht. Entfchiedene, fehr lange, ſchlichte,
glatte Kammwolle taugt dagegen faft gar nicht zum Krempeln; allein es gibt auch viele Wol⸗
len, Die zu beiden Verwendungen ziemlich gleich gut ſich eignen. Die zum Kämmen zu nehmenbe
Wolle kann fo lang fein mie fie will, fie gewinnt fogar immer mehr an Zauglichkeit, je fänger
fie bei übrigens guten Eigenfchaften ift; die Krempelmolle dagegen darf, wenn fie nicht an
Tauglichkeit verlieren foll, nicht zu lang fein, nicht die Ränge von höchftens vier Zoll im ausge⸗
dehnten Zuftande und von zwei unb einem halben Zoll im Stapel in ihrer Kräufelung über-
ſchreiten. Die Feinheit des Haars iſt der wichtigfte Gegenftanb, welcher bei der Wolle in Be-
trachtung kommt, fie mag zum Kämmen oder aum Krempeln genommen werden, und ed wirb
demnach jedesmal diefenige Wolle am theuerften bezahlt, welche unter übrigens gleichen Um⸗
fländen das feinfte Haar enthält. Es findet übrigens eine außerordentliche Verfchiedenheit in
ber Wolle flatt; denn es find nicht nur ganze Heerden darin fehr voneinander abweichend, ſon⸗
bern in biefen felbft kommen höchſt felten alle einzelnen Thiere volllommen miteinander über
ein, und ſelbſt auf dem beften einzeinen Thiere if die Wolle nuht an allen Thellen bes Körpers
von gleicher Güte und Feinheit. Das Streben des Schafzüchters muß daher darauf Hinaus-
gehen, daß die Abweichungen in der Wolle auf dem einzelnen Thiere wicht grell Yervortreten,
fondern ſelbſt auf ben. unedeln Theilen feines Körpers eine ſchöne, micht ſehr verfchiedene Wolle
wachſe. Die Kunfl der Menſchen bat Hierin fhon ungemein viel geleiftet. Ein Thier, das auf
feinem gungen Körper eine feine, tabelfreie, ziemlich gleiche Wolle trägt, Heißt ausgeglichen,
und unter einer ausgeglichenen Heerbe verficht man eine foldhe, In welcher bie Wolle der einzel-
nen Thiere, fei fi-nun grob oder fein, fehr miteinander übereinfonunt. Wegen ber fo merfli-
hen Berfchiedenheiten in der Wolle wird es nöthig, fie vor ber Fabrikation zu fortiren, d. h.
die gleichartige zufammenzubringen, weil aus ungleichartiger Wolle fein gutes Fabrikat er-
zeugt werben Bann. Diefes Sortiren wird auf fehr verſchiedene Weiſe vorgenommen.
Die Wolle hat verfehiedene Benennungen: Raufwelle oder Gerberwolle, welche in Weißger⸗
bereien und Saffianfabriken mittels Kalk von den Schaffellen abgenommen wird; Schhlachtwolle,
von gefchlachteten Schafen; Sterblingswolle, von geftorbenen Schafen. Die beiden letztern
Wollſorten find die fchlechteften. Die befte und gewöhnliche Wolle ift Die Schurwolle, von der
man wieder einfchurige (die häufigfte) und zweiſchurige unterfcheidet. Jene kommt von Schafen,
bie des Jahres nur ein mal, diefe von Schafen, welche des Jahres zwei mal gefchoren wer⸗
den. Den Ländern nad) kommt die fpan. Wolle, welche in früherer Zeit, ehe Deutfchland mit
feiner feinen Wolle in Concurrenz trar, ben Engländern, Niederländern und Franzoſen faft
allein das Material zu feinen Züchern gab, in vier Sorten in ben Handel, nämlich als Refina,
Prima, Secunda und Tercera. Unter ben feinen fpan. Wollſorten, die jeboch in neuerer Zeit
ſehr berunterfamen, find vorzüglich die Leoneſas, Segovianas, Sorias, Avilas und Bırrgalefer
berühmt. Die portug. Wolle ift ebenfalls fehr gut, wenn auch nicht fo fein ald bie ſpan.
Die beften Sorten find: Badajoz, Campo -Mayor, Elvas, Olivenga und Efiremoz. Treff⸗
tich ift auch die engl. Wolle, hauptſächlich aus den mittlern Gegenden des Landes, wie⸗
wol nıan dort fehr gewöhnlich über dem Streben nach großem Fleiſchertrag die Qualität ber
Wolle vernachläffige. Die beften Sorten franz. Wolle finden fich in Berri, Vatan, Nar-
bonne und Rouffillon. Unter den ital. Wollſorten zeichnen ſich aus die aus Apnfien und Ba-
filicata in Neapel, ſowie die aus bem Kirchenftaate. Dänemark hat hin und wieder fehr gute
Wolle, fo bie eiderfledtifche, feefänbifche und jütländifche. Unter den deutfchen Wollſorten
nehmen ben erſten Rang ein die fächf., fchlef., brandenburg., öſtr., medfenburg. und wür-
tenıbergifche. Die deurfchen Wollhändler, und zwar zuerft die fͤchfiſchen, find von Jahr
zu Jahr forgfamer in der Bildungihrer Sortimente geworben, ſodaß man jegt eine weit größere
Menge von Elaffen macht als früher; gewöhnlich Superelecta, Electa, Prima, Secunda,
Zertia, Duarta, Duinta und Sexta, Stüde und Loden. Außerhalb Europa find einige Theile
von Amerika und ganz beſonders Auftralien von Bedeutung für die Wollproduction.
Im Wollhandel ift England der Mittelpunkt des Weltverkehrs: was anf dem engl.
Wollmarkte vorgeht, wirkt weit hinaus bi in die entlegenften Ränder Europas und der übrigen
Erdtheile. Bei der außerorbentlihen Ausdehnung ber brit. Wolleninbuftrie und bei dem
ſchon berührten eigenthümlichen Verhältniffe, da der engl. Landwirth das Echaf meift nur
für den Schlächter erzieht, ift Großbritannien zu einer höchft bedeutenden Wolleinfuhr geno-
thigt und nimmt hiermit alle Theile der Welt in Anſpruch. Während bie einheimifche Woll⸗
erzeugung etwa auf jährli 820000 Err. angenommen merben kann, wird ungefähr ebenfo
viel (1852: 849500 Etr.) eingeführt, mogegen die gefammte Ausfuhr unverarbeiteter Wolle
200000 Etr. nicht oder nur unbedeutend überfleigt, fodaß circa 1,450000 Ger. der innern
Verarbeitung zufallen. Die eingeführte Wolle kommt faft zur Hälfte aus Auſtralien, zu einem
Siebentel aus Deurfchland, übrigens aus Oſtindien, Südafrika, Spanien, Rußland, Peru,
Ehile, der Argentinifchen Republik u. f. mw. Die Wollproduction Frankreichs mag ber von
Großbritannien an Menge gleichzuftellen fein; eingeführt werden 230000 Etr. Preußen er-
zeugt 380000 Str. Im Deutfchen Zollvereine, deffen Gefammtproduction auf nahe 550000
Str. veranfchlagt werben Tann, find 1853 223951 Er. Wolle ein- und dagegen nur
43943 Etr. ausgeführt worden. Die öſtr. Monarchie erzeugt etwa 840000 (preuf.) Etr.,
davon Ungarn beinahe die Hälfte liefert; ausgeführt werden an 170000 Ctr. Zur Förderung
des deutfchen Wollhandels begründete man in neuerer Zeit in mehren Etäbten Wollmärkte,
die früher, feit langen Seiten nur jn einzelnen Heinen Ortſchaften, namentlich in Thüringen, In
böchft unbedeutenber Weife beftanden. Der erfte große Wollmarft wurde in aan abgehal-
340 BVollenmanufactur Wollin
ten; jegt gibt es deren an einer Menge Orte, z. B. in Berlin, Stettin, Poſen, Magdeburg,
Dresden, Leipzig, Kirchheim unter Ted, Nürnberg, Weimar, Gotha, Göppingen, Stuttgart
u. ſ.w. Von der Bedeutung und dem Ginfluffe der wichtigern unter diefen Märkten gibt die
durchſchnittliche Menge der bahin zum Verkauf gebrachten Wolle einen Begriff, weiche z. B
für Breslau 50— 60000, Berlin 40000, Stettin 18000, Pofen 14000, Kirchheim unter Ted
12000 Etr. beträgt. Vgl. Schmidt, „Die Schafzucht und Wollkunde“ (Stuttg. 1852);
Jeppe „Terminologie ber Schafzucht und Wollkunde“ (Roſtock 1847).
Wollenmanufactur begreift im weiteften Sinne des Worts die gefammte Verarbeitung
ber Wolle zu Gefpinnften und Geweben. Wie aber die Wolle bezüglich ihrer phyfifchen Be-
Ichaffenheit in zwei große Abtheilungen zerfällt, welche nach ber charakteriftifch verſchiedenen
technifchen Anwendung und Behandlung durch die Namen Streihmwolle und Kammwolle be»
zeichnet werden, fo theilt füch die Wollverarbeitung in die beiden Hauptzweige, von denen ber
eine mit Darftellung der ftreihwollenen Fabrikate, der andere mit Hervorbringung ber kamm⸗
wollenen Waaren fich befchäftigt, und legtern pflegt man wol unter dem Ausdrude Wollen⸗
manufactur zu verfichen, wenn man biefes Wort In feiner engern Bedeutung nimmt. Ale
Nepräfentant der Streihwollenmanufactur ift die Tuchfabrikation aufzuftellen (f. Tuch); denn
in der That kommen bei diefer fämmtliche Mittel und Arbeitömerhoden der Streichwollverar⸗
beitung im ausgedehnteften Maße zur Anwendung, namentlich das Walken, Rauben und
Scheeren, welche bei den meiften andern ftreihwollenen oder (mie fie auch genannt werden)
tuchartigen Wollenftoffen nicht fo weit getrieben oder nicht fo oft wiederholt werden. Die eigent⸗
liche Wollenmanufactur nun, nämlich die Fabrikation der Kammwollwaaren, benugt ald Ma-
terial nur längere, meift auch gröbere umd weniger gefräufelte Wollgattungen und erzeugt
daraus Gefpinnfte von glattem Faden, aus diefen aber fchließlich Gewebe, die einer Walke un-
terworfen werben, daher feine filgartige Dede auf ihrer Oberfläche zeigen, im Gegentheile den
Baben ebenfo offenliegend darbieten wie leinene und baummollene Stoffe. Die Kammwolle
wird, nachdem fie burch Waſchen von Schweiß gereinigt ift, entweder eingeolt ober auch nicht,
hierauf mitteld Handkämmen oder auf Kämmmafcinen gefämmt, ferner zum Theil noch auf
Spinnräbern, größtentheild aber ſchon mitteld Mafchinenfgftemen eigenthümlicher und künſt⸗
licher Art verfponnen. Das Verweben der Garne erfolgt auf Stühlen, welche nicht weſentlich
don jenen zu andern Stoffen verfchieden find. (SG. Weberei.) Manche Lammwollgewebe find, ſo⸗
wie fie vom Stuhle kommen, fertig und werben nur zufammengelegt und gepreßt ; andere erfo-
dern eine Appretur, welche nach Uniftänden das Abfengen ber oberflächlich hervorragenden Här⸗
hen, das Auswaſchen unter Waſchhämmern, dad Scheeren auf Scheermafchinen, dad Eteifen
mittels Semwafft, das Mangen, Kalandern, Blätten oder Glänzen und dad warme Prefjen
begreift. Die gebräuchlichften kammwollenen Fabrikate (von denen manche oftmals mit Baum»
wollgarn gemifcht auftreten) find folgende und zwar glatte: Kamelot (ſ. d.), Orleans, Beutel
tuch, Krepp, Wollmuffelin, Chaly; geköperte: Köpermuffelin, Merino und Zibet (ſ. d.), Serge,
Rafting ; gemufterte: Damaft (f. d.), mannichfaltige Kleider», Mantel, Beinkleider- und We⸗
ftenftoffe; fammetartige: der wollene Plüſch (f.d.), wozu der als Möbelftoff bekannte Utrechter
Sammet gehört. Als befondere Claſſen fchliegen fich die Shawls (f. d.) und die Teppiche
(f. Zapeten und Teppide) an, von welchen erftere fehr oft, leptere fletd nur zum Theil aus
wollenem Gefpinnfte beftehen. — Ein beträchtlicher Theil der aus Kammwolle erzeugten Ge⸗
fpinnfte ift nicht zur Weberei, fondern zum Striden und für die Strumpfwirkerei beftimmt,
fogenannte Strumpfgarne, wozu man meift bie Wolle durch Behandlung auf Kratzmaſchinen
vorbereitet, ohne fie zu kämmen, während jedoch dad Spinnen auf den eigenthümlichen Kamm
wollfpinnmafchinen gefchieht ( Halbkammgarne). — Die Kammwolleninduſtrie blüht befon-
ders in England, Frankreich und Deutfchland. Charakteriftifch für England ift die Verarbei⸗
tung ber langen, feften und glänzenden, aber gröbern Wollen, von welchen es einen fo großen
Reichthum befigt ; den eigentlichen Sig ber engl. RKammmollfpinnerei und Kammmollweberei
bildet die Grafſchaft York und darin befonders wieder die Städte Bradford und Halifar,
welche zuſammen 1850 nicht weniger als 258 derartige Fabriken mit 7000 Pferdekräften in
Dampfmafchinen und Wafjerrädern nebft 55000 Arbeitern befaßen. Frankreich und Deutſch⸗
land (fegteres in Sachfen, Thüringen, Böhmen, Mähren, Niederöftreich) verarbeiten mehr
feine und fürzere Wollgattungen (Merinowolle), woraus Garne zu Shawls, Wollmuſſeli⸗
nen u. dgl. geivonnen werben.
Wollin, eine Oftfeeinfel im Regierungsbezirk Stettin def preuß. Provinz Pommern, bildet
mit ber Infel Uſedom (f. d.), von der fle im W. ducch die Smwine, wie in DO. vom Feſtlande
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Wollmeſſer Wolluſt 301
durch die Divenow getrennt iſt, den Kreis Uſedom⸗Wollin und zählt auf 4, MER. etwa
11000 €. Die Lobbinifchen Höhen abgerechnet, in denen auch Bier die weiße Kreide aus ber
Diluvialbildung hervortritt, ift die Infel flach, größtentheils fandig und unergiebig. Cie Hat
zahlreiche Seen, enthält anfehnliche Waldungen und gute Viehweiden. Die Küfte iſt mit Dünen
und Flugſandhügeln befegt, die ihre Geſtalt oft verändern, wenn es der Kunſt nicht gelingt, fie
durch Anpflanzungen zu befeftigen. Viehzucht und Heringefifcherei find die Hauptnahrungs-
zweige der Landbewohner ; Bogelfang und Bernfteinfammelnbefchäftigen ebenfalls viele. Hände.
Auch werden fehr viele und große Male gefangen (Britteraale), die man geräudhert weit ver-
fendet. An der Südoftede der Infel liegt, durch Brücken, welche über die Dreiarmige Divenow
führen, mit dem Feſtlande verbunden, bie einzige Stadt berfelben, Wollin, mit 4600 E. die
Schiffahrt, Schiffsbau, Zeugmeberei, Lohgerberei, Fifchfang und Holzhandel treiben, auch Vieh⸗
und Pferdbemärkte unterhalten. Die Stadt war feit 1125 Sig eines Bisthums, das 1170
nad dem gegenüberliegenden Kammin verlegt wurbe, und nimmt bie Stelle des alten Fulin,
Dandelöplages der Slawen, ein, deſſen Verkehr fich bis an das Kaspiſche Meer erftredt haben
foU und der 1183 von den Dänen zerflört wurde. Nah Schafarik find Fulin, Fumne, Foms⸗
burg und Vineta (f. d.), d. 5. Wendenſtadt, nur verfchiebene Namen defielben Orts. An ber
Nordküſte ift in neuefter Zeit das Fiſcherdorf Miftroy oder Misdroy ale Seebad in Aufnahme
gefommen. Gegen Welten, in ber Nähe der Swing, liegt das Dorf Britter mit berühmten
Yalfang. Vgl. W. von Raumer, „Die Infel W. und das Seebad Miſtroy“ (Berl. 1851).
Woll meſſer oder Eriometer nennt man ein Infirument, welches beſtimmt iſt, die Feinheit,
b. h. den Durchmeffer der Schafwolle zu meſſen. Es find ſeit ber Zeit, daß man die Woll⸗
Funde wiffenfchaftlicher zu behandeln angefangen hat, mehre Inftrumente biefer Art erfunden
worben, beſonders aber haben bis jegt drei fich Anfehen erworben. Das erfle wurbe von dem
berühmten engl. Mechaniter Dollond erfunden, Hier wird bas einzelne Wollhaar unter einem
Bergrößerungsglafe mit einem Mikrometer (f. d.) gemeſſen. Das zweite ift eine Erfindung
bes Wollhändlers Köhler und des Mechanikers Hoffmann in Leipzig und unter dem Ranıen
Köhler'8 Wollmeſſer bekannt geworden. Auf bemfelben werden 100 Haare auf einmal im zu⸗
fammengedrüdten Zuftande mittels eines Fühlhebels gemeſſen. Das neuefte ift da6 von dem
Uhrmacher Grawert in Wriegen a. d.D., welches einen beliebig zu verengernden Spalt dar»
bietet, defien Weite mitteld eines Mikrometerapparats gemefien wird, nachdem man ihn fo ad⸗
juftirt hat, daß die Dicke des Wollhaars gerade darin Play findet. Die Wollmeffer bleiben
jebod) immer unvollkommene Inftrumente, die nur einen befchränkten Nugen gewähren und das
Yugenmaß bei Prüfung der Wolle nicht entbehrlich machen, fondern nur controliren können.
Wöllner (Joh. Shriftian von), ein namentlich durch fein berufenes Religionsedict befann-
ter preuß. Minifter unter der Regierung Friedrich Wilhelm's IE, der Sohn eines Predigers,
wurde 1727 zu Dovrig geboren. Er hatte zu Halle Theologie ftudirt und war feit 1759 Pre⸗
Diger unweit Berlin. Nachdem er fein Amt niedergelegt, wurde er Kammerrath des Prinzen
Heinrich von Preußen, indem er ſich durch feine Schriften als einen Mann bewährt hatte, ber
auch im Gebiete ber Dkonomie gute Kenntniffe beſaß. Im 3.1786 vom Könige Friedrich Wil⸗
heim 11. in den Adelftand erhoben und zum Geh. Oberfinangrath und Intendanten bes Fönigl.
Bauweſens ernannt, wußte er fich auf die Perſon des Monarchen einen großen Einfluß zu ver
Schaffen, und da er zugleich in mehren geheimen Orbensverbindungen ftand, fo gelang es ihm,
1788 fich bes feinem bisherigen Befchäftskreife ganz fremden Minifteriums der geiftlichen An»
gelegenheiten zu bemächtigen. Als Miniſter fuchte er, den bisher im preuf. Staate befolgten
Brumbfägen entgegen, der Aufllärung durch Zwangsmaßregeln Einhalt zu thun und für bie-
felben felbft den Monarchen zu gervinnen. Die Folge davon war, daß endlich bas Religions-
edict (f.d.) vom 9. Juli 1788 erfchien, weiches jede Abweichung vom Kirchendogma mit bürger⸗
lichen Strafen belegte. Nach dem Tode Friedrich Wilhelm’s II. erhielt IB. feine Entlaffung und
lebte nun duf einem feiner Güter, Großriez bei Beeskow in Brandenburg, wo er 1800 ftarb.
Außer mehren Schriften über Landwirthſchaft hat er auch Predigten drucken laſſen und im Ge⸗
heimen verſchiedene roſenkreuzeriſche Reden, ba er biefen Orden angehörte.
Wolluft ift das Gefühl der finnlichen Luft und im engften Sinne der Geſchlechtsluſt. Der
Hang zur Wolluft macht nicht nur bie niebere Seite im Menſchen zur herrſchenden und iſt in«
fofern überhaupt vernunftiwidrig, fondern fie macht auch durch ihre Aus ſchweifungen ben Kör⸗
per untüchtig, dem Geiſie als Werkzeug der Vernunft zu dienen, und zerftört die Achtung vor
ber Menſchenwürde Anderer. Sie ift fomit der größte Feind der häuslichen, bürgerlichen und
menfchlichen Geſellſchaft. |
20. Bologda Wolfey
Wologda, nach Arkhangelst das größte Gouvernement des europ. Rußland, 6967 QM.,
wird von der Petſchora, dem Meſen und namentlich von der Dwina durchſtrömt, deren beide
Quellſtrõme, Sucona und der Jug, nebſt mehren andern Nebenflüſſen derſelden (wie der mächti-
gen Wytſchegda) dieſem Bouvernement ebenfalls angehören. In feinem Büdwefttheile befigt das
Land aud) ginen beträchtlichen See, ben Kubinfloje-Dfero, welcher 81. M. lang, bis 2M. breit
und 74 DM. groß iſt. Das Bouvernement if im Banzen eben, nur der fogenannte fleinerne
Gürtel, Pojäs Kamennoi, der bie Flußſcheide zwifchen der Petſchora und Drvina und weiterhin
zwifchen ber Petſchora und dem Mefen bildet, macht bie einzige Unterbrechung. Im Norden
und Oſten behnen ſich gewaltige Moräfte und Sandhalden aus. Culturland ift faft nur im Sü⸗
den und Weſten vorhanden, wo aber auch die Kälte den Ernten großen Schaben zufügt, ſodaß
der Aderbau nicht für die Conſumtion hinreichendes Getreide erzeugt. Viehzucht, Jagd, Fi⸗
ſcherel, Schiffahrt auf den Flüffen und Kanälen und Waldwirthſchaft bilden die Dauptbefchäf-
tigungen ber Einwohner. Es werben jährlich im Durchſchnitt 1,050000 Bäume gefällt, meift
zur Holgausfuhr nad) Archangelst, und etwa 142000 Pud Robeifen erzeugt. Fabriken gibt es
wenige; doch find bie Wologdaiſchen Lichter bekannt. Außer den Ruſſen leben hier einige Samo-
jeden in ben Urmäldern an ber Perfchora und bie Syrfänen. Das Gouvernement zählte 1846
822200 E. Die Hauptſtadt Wologda, an ber in die Suchona fließenden Wologda, ift weitläuftg
gebaut, mit in umfangreichen Gehöften und Gärten liegenden Blocdhäufern und nur am Haupt«
plag von einer Anzahl ſteinerner Bebäube in modernem Stile befegt. Wiewolobe und (1849)
nur 13714 ©. zählend, hat W. doch 56 Kirchen mit vielen Thürmen und Kuppeln. Die Stadt
ift Sig eines Militär⸗ und Civilgouverneurs, hat eine Barnifon, ein Stabthospital, ein Seminar
für 600 Beiftliche, ein Gymnaſium und mebre andere Lehranftalten, eine blühende Bank, gegen
40 Fabriken, befonbers Lichtziehereien und Seifenſiedereien, dann in Kryſtall, Glas, Leder, Blei⸗
weiß, Leinwand, Drell und Segeltuch, ſowie Iebhaften Handel. W., eheden nur ein umwaldeter
ea gehörte feit bem 13. Jahrh. der Republik Nowgorod und war im Mittelalter ein
uptbepöt des Handels mit Innerafien. Im 16. Jahrh. bildeten fich hier Dandelöverbindungen
mit England und es wohnten viele Engländer in W. Solange Rußland noch Feinen Hafen an ber
Oſtſee Hatte, ging fein europ. Danbel über Archangeldt und das Weiße Meer und in BB. war
der Hauptfiapelplag defielben. Der Zar Iwan II. hatte eine Vorliebe für W., wollte Hier feine
Daupt- und Refidenzſtadt grimden und von bier aus mit dem Decibdent in nähere Verbindung
treten. Noch jegt führt eine wenn auch nicht mehr fo wie ehedem wichtige und befuchte Handels⸗
ſtraße über W. bis nach China. Bor der Eroberung Sibiriens war W. der gewöhnliche Verban⸗
nungtort. Sept verweiſt man Solche dahin, bie man unter ſichere Obhut ſiellen, aber nicht von
allen Benüflen des modernen Lebens abfchneiden will. — Bemerkensewerth find noch Uftjug-
Veliti ober Weliei.Uſtjug, eine ebenfalls fehr alte, gewerbfame Stadt an ber Straße von Ar⸗
changel nach Sibirien und am Zufammenfluß bes Jug und der Suchona, mit außgebreitetem
Handel in Holz, Getreide, Matten, Schmalz u. f. w., einer Stadtbank, mehren Fabriken, 39
Kirchen und 7763 E., worunter viele Schloffer und Silberarbeiter, welche vorzüglich filberne
Eettchen, fogemannte Gaitane, von ungewöhnlicher Feinheit verfertigen;-Zotma, eine Stadt an
der Suchona, mit zwei benachbarten Salinen, 5200 €. und bedeutendem Handel.
Bolfey (Thom.), Cardinal, Erzbiſchof von York und Minifter Heinrich’s VIN. von Eng
land, wurbe 1471 au Ipswich in niedrigem Stanbe geboren. Er ftubirte gu Orford mit gro-
Hem Erfolge Theologie und Fam fpäter als Hofmeifter in das Haus des Marquis Dorfet, der
ihm eine Pfarre verſchaffte. Bald aber wurde er Heinrich VII. durch den Biſchof und Staark
fecretar Sog als rin au ben Befchäften höchſt tauglicher Kopf empfohlen, ſodaß er bei ‚Hofe die
Sielle eines Kaplans erhielt. Heinrich Vn. ſchickte ihn 1506 zum Kaifer nad) Brügge und
belohnte feine Gewandtheit mit bem Amte eines Almoſeniers und einer Pfründe. Nach Hein-
rich's VII, Tode wußte For feinen Exchügking auch bei deffen Nachfolger zu empfehlen. W. zeigte
fih dem jungen Heinrich VII. äuferft willfäßrig und hatte bald deffen Bunft und Vertrauen
gewonnen. Schon 2310 erat er In ben Staaterath, wo feine Thätigkeit und Einficht alle Andern
verbunfelte. Als 1545 Tournay in der Engländer Hände fiel, mußte er dieſes Bisthum an fi
zu reißen. Im J. 3514 erhielt er das Bisthum Lincoln und einige Monate fpäter das Erabis-
thum York. Bereits war ſein Einfluß beim Könige fo groß, daß ihn Papſt Leo X. 1515 dur
die Verleihung dr6 Cardinalthuts zu gewinnen ſuchte. Bon bem Talente ımb dem Stolze des
Gmyerkömmiings gebrüdt, legte hierauf der Biſchof von Canterbury die Kanzlerftelle nieder,
welche num W. fogleich Abernahım. Dieſe Erhzebung veranlaßte ben Rücktritt der übrigen Kron-
räthe und die ganze Regierungsgewalt befand ſich fomit in feinen Händen. Gr führte indefſen
Wolſey 348
die Verwaltung mit größter Mäßigung und Gerechtigkeit und offenbarte bie ausgebreitetſten
Kenntniffe im Recht und in ber Staatöverfaffung. Zugleich befaß cr das Geſchick, den auf feine
Macht eiferfüchtigen König zu überreden, als ob er nur deffen Anfichten und Befehle blind»
lings vollgöge. Die Stellung Englands zwifchen dem Kaifer und Frankreich, machte Hein-
rich VIII. eigentlich zum Schiedsrichter von Europa. DB. erfaßte fcharffinnig biefes Verhältnig
und beutete e8 für feine eigene wie für des Königs Machtvergrößerung durch eine Art Schau⸗
kelſyſtem aus. Er ließ ſich zuerft von Franz I. von Frankreich gewinnen und gab demfelben
1516, gegen ein Jahrgeld von 12000 Livres, Tournay zurüd. Beſonders aber bot ber Papft
Alles auf, um den Minifter zum Freunde zu befigen. Nach Abberufung bed Legaten Cam⸗
peggio erhielt IE. 1518 die Würde eines päpftlichen Legaten mit Rechten, die ihn gewifferma-
Fen zum Papſt von England machten. Wiewol W.s Amter ſchon fehr einträglich, gewährte
ihm ber Papſt noch ein Sahrgeld von 7500 Dukaten auf bie Bisthümer Toledo und Plafen-
ein. Mit W.'s Gewalt flieg aber auch fein Stolz, feine Anmaßung und feine Prachtliebe. Seine
Einfünfte machte er faft denen der Krone gleich ; fein Aufwand überflieg den der meiften Könige.
Als nach der Wahl Karls V. zum Kaifer deffen Seindfchaft mit Franz I. ausbrach, fuchte jeder
diefer Monarchen den Cardinal W. auf feine Seite zu ziehen. Dieſer verfchaffte 1520 ſowol
Franz I. wie Karl V. eine Zuſammenkunft mit Heinrich VIII. erklärte fich aber endlich für den
Kaifer, der ihm ein Jahrgeld von 7000 Dukaten und die Ausficht auf die Papſtwürde germährte.
Nachdem er im Aug. 1521 zwifchen Karl und Franz zu Calaid eine Sriedensvermittelung ver-
fucht, ſchloß er 21. Nov. mit dem Kaifer ein geheimes Bündniß, vermöge deffen Heinrich VIII.
das Verhältniß mit Frankreich aufgeben und gegen baffelbe ben Krieg erklären follte. Kaft Hätte
ihn der Tob Leo's X. und bie Papſtwahl Hadrian’s VI. wieber von Karl V. abgezogen. Allein
der Raifer beruhigte ihn buch die Verficherung, daß er ihm nach des alten Hadrian Tode ge-
wiß die Papſtwürde verfchaffen würde, und gab ihm abermals ein Sahrgeld von 2500 Duka⸗
ten und ein anderes von 9000 Goldthalern für den Verluft der franz. Penſion. Schon im Juni
1522 eröffnete hierauf Heinrich VIII. den Krieg gegen feinen alten Verbündeten, indem er von
Calais aus verwüftend in Frankreich einbrah. Da W. hierzu Geld ſchaffen mußte, griff er zu
Finanzbedrückungen, welche Parlament und Nation aufs tieffte empoͤrten. Indeſſen fah ſich
28. 1523 wiederum bei der Papftmahl übergangen, und dies namentlich bewog ihn, Hein
rich VII. allmälig zu Gunften bes inzroifchen in Gefangenfchaft gerathenen Franz I. umzuſtim⸗
men. Der Konig mufte ſich vom Kriege zurückziehen, 1525 ein Bündnif mit der franz. Re⸗
gentfchaft eingehen, wobei IB. 100000 Kronen empfing, und 1528 dem Kaifer fogar den Krieg
erfiären. Nach dem Frieden zu Cambray (1529) befand ſich W. auf dem Gipfel der Macht,
aber auch am Rande feines Verderbens. Er war ber Abſicht Heinrich's VII, ſich von Ka»
tharine von Arragonien zu ſcheiden, ſchon aus Haß gegen beren Neffen, Karl V., nicht entgegen
geweſen. Als er aber erfuhr, daß fich ber König mit Anna Boleyn vermählen wollte, widerrieth
er die Eheſcheidung aus Furcht, bie Verwandten Anna's möchten feine Stellung bei Hofe beein
trächtigen. Dennoch betrieb er auf des Königs Befehl die Sache einige Zeit mit Eifer, erkaltete -
jeboch, da er bemerkte, daß ber Papft felbft in Rückſicht auf den Kaifer die Scheibung zu hinter-
treiben fuchte. Heinrich VII. hielt die Verzögerung der Scheidung einzig für eine Intrigue Ws
und beichloß, nicht ohne Zuthun der Anna Boleyn und ihres Anhangs, fich des übermächtigen
Mannes zu entledigen. Am 18. Det. 1529 mußte W. plöglich das Reichs ſiegel abgeben, feinen
prächtigen Palaſt zu London, das fpätere Whitehall, verlaffen und ſich auf das Landhaus Gfher
bei Hamptoncourt zurüdziehen. Zwar verficherte ihn der König feines Schuges und verfprach
pm ben Befig der Bisthümer York und Windefter, aber das Parlament, das ſich nach fieben-
jährigen Zwiſchenraume im Nov. 1529 wieder verfammeln durfte, fegte 44, zum Theil lächer⸗
liche Klagepunfte gegen ihn auf und verurtheilte ihn zum Verluſte feiner Güter und zu ewigem
Gefängniß. Heinrich VIIL, ber W. nicht ganz verderben wollte, begnadigte ihn und verwies
ihn ind Erzbischum York, wo er zu Cawood feine Reſidenz auffhlug. Schon hatte er ſich Hier
durch ein einfaches Keben mit feinem Schickſale außgeföhnt, ald im Nov. 1530 der Herzog von
Northumberland mit dem Befehl erfchien, ihn als des Hochverraths ſchuldig zu verhaften und
nad) Zondon zu bringen. W. erfrankte auf diefer Reife und kehrte unterwegs in Die Abtei Lei⸗
cefter ein, wo er 28. Rov. 1550 flarb. Heinrich VIII. verlor mit W.'s Sturze ben Halt feines
Privatlebens wie feiner Politik, denn der Minifter hatte ebenfo eifrig für den Herrn wie für ſich
felbft geforgt. W. liebte die Wiffenfchaften und gründete aus eigenen Mitteln mehre Collegien
und Unterrichtsanftalten. Auch ging er mit dem Plane um, in England eine Kirchenverbeſſe⸗
rung durchzuführen, wiewol er den von Deutfchland herandringenden Proteflantismus hart
344 Wolsk Woltmann
verfolgte. Außer Hume und Lingard vgl. Cavendiſh, „Life of Cardinal V.“ (Xond. 1841 ; neue
Ausg. von Singer, 1827); Galt, „Account of the life and administration of Cardinal V.“
(Lond. 1812 und 1817); Howard, „The Cardinal W.“ (Xond. 1824).
Wolsk, Wolshok oder Wolgsk, eine der bebeutendern Städte an ber Wolga, im ruff.
Seuvernement Saratow, am rechten Stromufer und zmwifchen ben beiden Flüßchen Malykowka
gelegen, von fteilen Bergen eingefchloffen, entfiand 1780 aus dem Pfarrborfe Malykowka, bat
einen bebeutenben Flußhafen, einen fchonen fleinernen Kaufhof, fünf Kirchen, Gerbereien und
44570 E., die anfehnlichen Handel treiben. Die Stadt iſt Hauptort eines Kreifes, deſſen auf
dem linken Wolgaufer gelegener Theil feit 1850 dem Gouvernement Samara gehört und bie
deutſch⸗ſchweiz. Eolonien Schaffhaufen, Bafel, Glarus und Solothurn enthält.
Roltmann (Karl Ludw. von), deutfcher Gefhichtfchreiber, geb. zu Oldenburg 9. Febr.
1770, ftubirte in Göttingen feit 1788 neben der Rechtskunde erſt alte und neue Sprachen,
dann ausfchließend Gefchichte. Nachdem er fic) 1792 einige Zeit in Oldenburg aufgehalten
hatte, ging er wieder nach Göttingen, um fich zu habilitiren. Aber ber akademiſche Ritus und
feine Mittellofigkeit fegten ihm große Dinderniffe entgegen, und erft Bürger, der feinen an
Schiller für die „Thalia“ eingefendeten, aber von diefem zurückgewieſenen „Otto III.“ trefflich
fand, öffnete ihm ein Feld für feine Thätigkeit, nämlich das der hiftorifchen Schriftftellerei. ZB
ſchrieb 1794 feine „Geſchichte der Deutfchen in ber fächf. Periode”, ein fehr mittelmaͤßiges Buch,
deffen zweiter Theil nie erfchien. Bon ber Bedeutung ber Franzöſiſchen Revolution ward er fo
bingeriffen, daß er fich durch feinen Enthuſiasmus viele Feinde zuzog. Von Spittler begünftigt,
begann WB. endlich in Göttingen hiſtoriſche Vorlefungen zu halten, die zahlreich befucht wurden,
und feine Recenfionen in den „Böttinger Anzeigen” verfchafften ihm einen Ruf als außerordent-
licher Profeffor der Philofophie nach Jena. Sehr bald aber gab er dieſe Stelle wieder auf und
ging 1799 nad) Berlin. Hier begann er bie Zeitſchrift „Geſchichte und Politit” (Berl. 1800
— 5). Im folgenden Jahre wurde er Nefident des Landgrafen von Heffen-Homburg, 1804
Geſchaͤftsträger des Kurerzkanzlers und 1806, nachdem er in den Adelſtand erhoben worben,
in gleicher Eigenfchaft für die Städte Bremen, Hamburg und Nürnberg angeſtellt. Als kurz
darauf, in Folge der Schlacht bei Sena, feine diplomatifche Wirffamkeit faft aufhörte, wibmete
er fich, von feiner Gattin Häufig unterftügt, gänzlich wieder fiterarifchen Arbeiten. Nach der
Schlacht bei Lügen 1843 floh er, um ber Rache Napoleon's auszumweichen, Thon fehr frank,
nad Prag, wo er 19. Juni 1817 ſtarb. W. war ein Mann von unverfennbarer Genialität,
aber von wenig Charakterfeftigkeit. Nachdem er lange der Kohrebner Napoleon's geweſen, bot
er dem Minifter Stein feine Dienfte an, in der Hoffnung, zu einem wichtigen Poften zu gelan-
gen. Als Schriftfteller nahm er an dem Factionsweſen ber Literatur, das er doch felbft fo fireng
tadelte, wie unter Anderm feine Schmähfchrift „Johannes von Müller‘ (Berl. 1810) beweift,
mehrfach. perfonlich Theil, brachte es aber in feinen Werken, trog der überall fich offenbarenden
Genialität, zu keiner höhern Bolltommenheit. Bon feinen Schriften find zu erwähnen : die eben-
falls unvollendete „Geſchichte Großbritanniens” (Bd. 1, Bert. 1799), fein beſtes Werk; „Ge⸗
ſchichte des Weftfäliichen Friedens” (2 Bde. Berl. 1808), eine treffliche Fortfegung von Schil-
ler's,Geſfchichte des Dreißigjährigen Kriegs” ; „Gefchichte der Reformation” (3 Bde. Altona
4800 fg.), die einen größern Ruf verbient hätte, als fie erlangte; „Geſchichte Frankreichs“
(2 Bde, Berl. 1797 fg.); „Geſchichte Boöͤhmens“ (2,Bde., Prag 1815) und feine „Kleinen
biftorifchen Schriften” (2 Bde., Jena 1797). Seine Überfegung des Tacitus (6 Bde. Berl.
1811—17) trägt viele Spuren der Flüchtigkeit. Eine Ausgabe feiner „Sämmtlichen Werke‘
veranftaltete feine Witwe (12 Bde., Berl. 1818-21). „Die Memoiren des Freiheren von
&--a” (3 Bde., Prag 18155 Bd. 13 und 15 der „Sämmtlichen Werke”, Berl. 1827), bie er
anonym herausgab, find in vieler Dinficht ein Denkmal feiner jchlecht verhüllten Eigenliebe. —
Beine Battin, Karoline von W., geb. 6. März 1782, Tochter des preuß. Geh. Raths und Arz-
tes Stofch, 1799— 1804 mit dem Kriegsrath Karl Müdler, dann feit 1805 mit ZB. verhei-
rathet, eine ſehr geiftreiche Frau, nahm vielfachen Antheil an feinen Arbeiten und begleitete ihn
1813 nach Prag, wo fie auch nach feinem Tode blieb. Später wendete fie fidh nach Berlin, wo
fie 18. Nov. 1847 flarb. Unter ihren Schriften find hervorzuheben: „Volksſagen der Böhmen”
(2 Bde., Prag 1815) und, Neue Volksfagen” (Dalberft. 1820); die Zugendfchrift „Spiegel
der großen Welt” (Prag 1814); „Marie und Walpurgis” (2 Bde., ps. 1817); „Die Bild⸗
bauer (2 Bde, Berl. 1829); „Das Erbe” (Gera 1831); „Der Ultra und der Liberale, und
bie weiße Frau“ (Hamb. 1832); „Menfchen und Gegenden” (2 Bde, Berl. 1835) und bie
werthvollern, auf geiftige und fittliche Bildung ihres Geſchlechts abzielmden Schriften, wie
[4
Rölufpä Wolzogen (Karoline von) 345
„Biftorifche Darſtellungen“ (Hatberfi. 1820) und „Uber Beruf, Berhättni, Tugend und Bil-
dung der Frauen” (Prag 1820). Übrigens find Form und Haltung aller ihrer Arbeiten etwas
manierirt und gefucht geiftreih. Ihres Gatten und ihre eigenen Erzählungen und Gedichte er⸗
fehienen unter dem Titel „Schriften” gefammelt in fünf Bänden (Berl. 1806—7).
Woluſpaͤ, d.i. Weiffagung ber Wale, heißt ein altmordifches, in der ältern Edda erhaltenes
Gedicht, das hauptſächlich die Schilderung der Weltfhöpfung und bes Weltuntergangs ent.
—* Die Wala, die ſie verkündet, eigentlich ſo viel als Weiſſagerin bedeutend, erſcheint darin
elbſt als ein mythiſches Weſen. Nach Weinhold's Auseinanderfegung in Haupt's „Zeit⸗
fhrift” (1847) iſt das Gedicht, fo wie wir es befigen, aus ältern Volksliedern durch bie Hand
eines fpätern Bearbeiter zu einer Zeit, wo das Chriſtenthum bereits in den Norden eingedrune
gen, etwa in ber erften Hälfte bes 9. Jahrh. entftanden. Außer den Gefammtausgaben der
Edda (f. d.) ift es beſonders von Bräter (Xpz. 1818), von Ettmüller (2pz. 1830), fowie von
Bergmann in ben „Po&mes islandais‘ (Par. 1838) und von Dietrich in dem „Altnord. Leſe⸗
buch’ (Xpz. 1843) Herausgegeben.
olverhampton, die volt« und gewerbreichfte Stadt ber engl. Grafſchaft Stafford und,
wie Birmingham und Sheffield, mit ihrer Umgebung ein Hauptfig der engl. Eifenfabrikation,
liegt auf einem Hügel, unter welchem ein Arm bes Grand⸗Trunkkanals ſich nach ber Severn
und nach Briftol zieht, inmitten von Kanälen, Steintohlengruben und Eifenhütten, ift fehr alt,
jedoch, abgefehen von der Engigkeit der Strafen, gut gebaut. Don den Kirchen ift die Collegiat⸗
Lirche zu St.-Peter wegen ihrer Kanzel, Orgel und Grabdentmäler, ſowie wegen ihres Zauf-
beckens und Glockenſpiels berühmt. Im J. 1851 zählte W. in dem ſtädtiſchen Parlaments-
wahlbezirte 119748, in dem ftädtifhen Municipalbezirke ober der eigentlichen Stadtgemeinde
49985 E. Die Stadt Hat große Eifengiefereien. Das Hauptgeiwerbe befteht in Fertigung von
Schlöffern, Schlüffeln, Riegeln und fonftigen ſchweren Eiſenſachen. Nebenbei wird ſtark in
Blech gearbeitet und bedeutender Handel mit den aus ber überaus induftriellen Umgegend ein-
geführten kurzen Waaren getrieben.
Wolzogen (Karoline von), geborene von Lengsfeld, deutſche Dichterin, wurde 3. Febr. 1765
in Rubolftadt geboren und genof eine treffliche Erziehung, welche ihr bedeutendes Talent allfeitig
ausbildete. Eine beftimmte Richtung erhielt ihr geiftiges Leben, als &Schiller feit dem Herbſte
1787 ein regelmäßiger Gaſt in dem Haufe ihrer Mutter wurde und fich bald darauf mit ihrer
jüngern Schwefter Sharlotte verlobte. Karoline wurde, faum 16%. alt, an den rubolftädt. Geh.
Rath von Beulmig verheirathet, jedoch diefe nicht glückliche Ehe bald wieder durch Scheidung ge»
Töft. Im Aug. 1796 ſchritt fie zu einer zweiten Ehe mit dem weimar. Oberhofmeifter Wilhelm
Freißerrn von Wolzogen (geb. 1762, geft. 1809), welche ihr bis zu dem Tode des Batten rei-
ches Glück gewährte. Gefteigert wurde bafjelbe beſonders durch dad Zuſammenleben nıit
Schiller und deſſen Familie. Als Dichterin trat fie zuerft ohne Nennung ihres Namens mit
bem Roman „Agnes von Lilien” (2 Bde., Berl. 1798) auf. Die allgemeine Bewunderung,
bie biefer Roman mit Recht erregte, veranlaßte anfangs felbft bei gebiegenen Kennern die Ver⸗
muthung, daß Goethe der Verfaffer fei. Anmuthige Darftellung, tiefe poetifche Wahrheit,
Zartbeit des Gefühle umd fittliche Tüchtigkeit Iaffen diefen Roman noch gegenwärtig zu dem
beften derartigen Werken zählen. Außer Heinern „Erzählungen“ (2 Bbe., Stuttg. 1826 —27)
verfaßte fie erft nach Tangem Zwiſchenraume wieder ein größeres Wert „Cordelia” (2 Bbe.,
2p;. 1840), an welchem man allerdings einzelne Schwächen, mehr aber noch die Reife des vor-
gerüdten Alters leicht wahrnimmt: namentlich ift ber vaterländifche Hintergrund des ganzen
Gemäldes anzuerkennen. Bon weit größerer Bebeutfamteit iftihre dritte größere Arbeit, „Schib
ler's Leben, verfaßt aus den Erinnerungen der Familie, feinen eigenen Briefen unb den Nach⸗
richten feines Freumbes Kömer” (2 Bbe., Stuttg. und Tab. 1830; 2. Aufl., 1845). Durd-
weg auf eigene Anfchauung geftügt, hat fie hier ein Bild Schiller's gezeichnet, welches fich durch
Treue, Reichhaltigkeit und Tiebevolle Bärme der Darftellung auszeichnet, ſodaß es für die nä⸗
here Kenntniß beffelben immer eine Hauptquelle bleiben wird. Ihre fpätern Lebensjahre brachte
fie in feltener geiftiger Friſche, welche ihr einen ununterbrochenen geifligen Verkehr mit geiflig
bedeutenden Männern geftattete, in Jena zu. Bei regem Sinn für das Leben der Welt und der
Literatur hörte fie ſelbſt nie auf, thätig zu fein, wovon ihr „Riterarifcher Nachlaß” (2 Bde, 2pz.
1848— 49) intereffante Beweiſe enthält. Sie ftarb in Jena 14. Ian. 1847. Mit ihr dürfte
die Generation, welche an der Blanzperiode Weimars bewußten und thätigen Antheil genorh-
men, namentlich der Kreis, in welchem Schiller bie Jahre feiner dichteriſchen Vollendung burd)-
lebte, gänzlich außgeftorben fein.
346 Wolzogen (Juſtus Ludw., Freiherr von) Woodſtock
Wolzogen (Iuftus Ludw. Freiherr von), preuß. General der Infanterie, der Schwager
son Karoline von W, geb. 4. Febr. 1773 zu Meiningen, wurbe auf ber Karls ſchule in Stutt-
gart erzogen und trat 1792 als Lieutenant in die würtemb. Gardelegion. Im 3.1794 ging er
in preuß. Dienfte und kam nach dem Frieden von Bafel nach Breslau in Garnifon, wo er an
dem glänzenden gefelligen Leben Theil nahm, babei aber auch ernfle Studien trieb und bereits
einige militärifche Abhandlungen veröffentlichte, welche ihm bie Aufnahme in die durch Scharn-
horſt in Berlin geftiftete militarifche Geſellſchaft verfchafften. Im J. 1802 wurde ex Erzieher
des Prinzen Eugen von Würtemberg, der bisher in Peteröburg erzogen und fchon als Kind zum
Generalngjor ernannt worden war. Bei feinen geringen Ausfichten im preuß. Dienft verließ
ex diefen 1805 auf die Anerbietungen des Kurfürften von Würtemberg, der ihn ald Hauptmann
und Klügeladiutant anftellte und noch in demfelben Jahre zum Major beförderte. Als das
würtenib. Gontingent fi) Napoleon's Heere anfchließen mußte, verfah W. dabei bie Stelle ei-
nes Quartiermeifterlieutenants. Um im Feldzuge von 1806 nicht gegen Preußen zu fechten,
ſuchte und erhielt er die Zufage einer MWieberanftellung in ber preuß. Armee. Der Kurfürft
wußte darum und ernannte ihn trogdem zum Oberftlieutenant und Commandeur ber Garde zu
Buß; doch bereiteten ihm feine Feinde bald fo widrige Verhältniffe, daß er 1807 ohne alle Pen⸗
fion feinen Abfchied nahm. Da die Friedensunterhandlungen zu Zilftt ſchon im Gange, ver-
zichtete er für jegt auf die ihm verheifene Anftellung in Preußen und begab ſich nach Peters«
burg, wo er durch Belanntfchaft mit dem General von Phull eine Stelle als Major im Gene-
ralquartiermeifterftabe erhielt. Durch mifitärifhe Denkſchriften machte er fi den Kaifer be-
merklich, der ihn 4810 zu feinem Flügeladiutanten ernannte, jedoch mit Belaſſung in feinem
Verhältniſſe zum General von Phull, unter welchem er fortarbeitete. Im J. 1814 übertrug
ihm ber Kaifer bei dem drohenden Zerwürfniß mit Napoleon die Recognoſcirung des weftlichen
Kriegstheaters, die er mit Dezug auf den Phull'ſchen Feldzugsplan zur Zufriedenheit aus⸗
führte. Im Feldzuge von 1812 war er dem Generalftabe des Fürften Barclay de Tolly beige
geben, kehrte aber Ende September, als biefer die Armee verließ, zur Perfon des Kaiſers zurück,
bei welchen er während des Keldzugs von 1815 blieb. Auf dem Schlachtfelde von Leipzig
wurbe er wegen feines Raths, die Referven näher heran zu ziehen, außer der Tour zum Ge⸗
neralmajor befordert. Als der Herzog von Sachfen-Weimar dad Commando des neugebildeten
dritten deutfchen Armeecorps übernahm, wurde ihm IB. ald Chef bes Generalftabes beigegeben.
Er machte nicht allein unter ihm den Feldzug von 1814 mit, fondern begleitete ihn auch mit
Erlaubniß des Kaiſers zum Congreſſe nach Wien, um ſeine Geſchäfte zu leiten. Hier fand er
Gelegenheit, ſeinen Wiedereintritt in die preuß. Armee zu vermitteln, welcher nach erhaltenem
Abſchiede aus der ruſſiſchen 1815 als Generalmajor erfolgte. Während des J. 1816 ertheilte
er dann in Berlin dem Kronprinzen und dem Prinzen Wilhelm und Friedrich Unterricht in der
Kriegskunſt und wurde fpäter mit mancherlei Miſſionen betraut, z. B. Abſchließung der Etap⸗
penconventionen mit ben die beiden Theile der Monarchie trennenden Staaten. Im J. 1818
ernannte ihn der König zum Bevollmächtigten bei der Militärcommiffion des deutfchen Bun-
ded, in welcher Stellung er, feit 1820 Generallieutenant, blieb, bis er 1856 als General der
Infanterie in ben Ruheftand verfegt wurde. Er ftarb 4. Juli 1845 zu Berlin. Die aus feinem
Nachlaß veröffentlichten „Memoiren“ (Lpz. 1851) bieten intereffante Auffchlüffe über die Zeit»
geſchichte. — Die Familie W. ſtammt urſprünglich aus Tirol, Fam dann nach Oſtreich und
blühte um 1500 in zwei Linien, von denen die ältere 1607 in den Reichsfreiherrenſtand erho-
ben, beide aber 1628 wegen ihres proteft. Bekenntniſſes aus Oſtreich verbannt wurden. Die
jüngere oder miffingdorfer Linie verbreitete ſich nach Schlefien, Polen, Oldenburg, Schweden,
Holland und der Nheinpfalz, erlofch aber um 1700. Ihr gehörten an der als Socinianer be⸗
rühmte Joh. Ludw. von W., geb. 1596, geft: 1658, und Ludw. von W., geb. 1632, gefl.
1690, der als Profeffor der Kirchengefchichte zu Utrecht zu den Arminianern zählte. Die äl-
tere, freiherrliche oder neuhäufer Linie begab fich nach Franken, wo fie an den Höfen von Kulm:
bach, Baireuth, Koburg, Meiningen und Weißenfels hobe Ämter befleidete. Unter Andern
war Hans Chriſtoph von W., geb. 1666, geft. 1734, Premierminifter des Herzogs Chriſtian
au Sachſen⸗Weißenfels. Seine Söhne gründeten 1734 zwei Linien, von benen bie ältere oder
muͤhlfelder zu Anfang des 19. Jahrh. erlofch, die jüngere ober bauerbacher noch fortblüht. Ihr
gehörten die Brüder Juftus Ludw. von W. und Wilh. von W. an.
Woodſtock, ein Städtchen in der engl. Grafichaft und unweit ber Stadt Oxford, am Even⸗
lode reizend gelegen und gut gebaut, zählt in feinem Parlaments bezirke 7983 E. und bat feinen
ehemaligen Ruhm in polirten Stahlarbeiten faft gänzlich für den hingegeben, wohlfeile Leder⸗
Woollett Boolwich 367
handſchuhe, die in England allgemein beliebten Woodſtock⸗Gloves, und andere Lederarbeit zu
fiefern. Dabei liegt Blenheim-Honfe oder das Schloß Bienheim nebfl Park, welches die Kö⸗
nigin Anna und das Parlament dem Herzog von Marlborough unb defien Erben zum Be
ſchenke machten zur Anerfennung feines Siegs bei Blenheim. Das Schloß ift ein durch feine
Größe impofante® Gebäude, aber fein ſchwerfälliges Außeres macht Beinen angenehmen Ein-
druck. Im Innern enthält es unter Anderm eine Gemäldeſammlung mit Meiſterwerken von
Rubens, van Dyd und Tizian, der Statue ber Königin Anna und ber Büſte Alexander's d. Br.
aus Herculanum, ein Zimmer mit Bobelinstapeten, bie Schlachten des Herzogs darſtellend, bie
Kapelle mit deffen Grabmal von Rysbrock. Vorzüglich ſchenswerth ift der Park mit einem
ſchönen korinthiſchen Eingang, einer Brüde über einen See von 101 F. Spannung, einem
Waſſerfall, dem Standbilde Marlborough's auf einer 130 F. hohen Säule u. ſ. w. Auf einer
Ziele, die jegt zu bem Parke gehört, fland einft das Landhaus, in welchem bie fpätere Königin
Elifabeth erzogen ober vielmehr gefangen gehalten wurde. Außerdem lebte hier in ſtrengſter
Einſamkeit die ſchöne Rofanıunde Elifforb, bie Geliebte Heinrich's II. Auch iſt W. der Dirt, wo
Karl II. auf feiner Flucht nach ber Schlacht bei Worcefter (1651) fein von Walter Scott in den
Roman „Woodſtock“ beſchriebenes Abenteuer beftand.
Woollett (Will.), engl. Kupferfiecher, war zu Maibftone 1735 geboren. Gr fühste in fei-
nen Arbeiten mit bewundernswürdiger Leichtigkeit und Freiheit die Radel und wußte dadurch
Bäumen, Felfen und Pflanzen eine Mannichfaltigkeit und charakteriflifche Wahrheit zu geben,
wie man fie vor ihm felten gefehen hatte. Die Vorgründe zadirte er mit ungewöhnlich breiten
Strichen, die er dann mit den Grabſtichel überſchutt und durch Uusfüllung der Zwifchenräume
aneinanderbrachte. Punkte an den rechten Stellen angebracht, gaben diefen Vorgründen noch
mehr Kräftigkeit. Sein Waffer und feine Luft find von der reinften und fauberften Grabſtichel ⸗
arbeit. Die größte unter feinen vielen Arbeiten ift Jakob und Laban, nach Claude Lorrain;
die gefuchteften find fein Tod ded Generals Wolfe (jegt in hohem Preife) und bie Schlacht am
Boyne nach Welt. Unter den übrigen find Niobe, Phaëthon, Eeladon und Amelia nad) Ric.
Wilſon und die röm. Nuinen nach Claude Rorrain zu erwähnen. Bei fpätern Ürbeiten lief er
fid) von feinen Schülern Browne, Pouncy, Ellis, Emes, Smith und 3. Vivares unterflügen.
Er flarb zu London 22. Mai 1785 und wurde in der Weſtminſterabtei begraben. Seine Werke
zählen vollftändig 174 Blätter.
Woolſton (Thom.), engl. Theolog, geb. 1669 zu Northanıpton, ftudirte zu Cambridge
Philofophie und Theologie. Das Studium des Origenes gab ihm frühzeitig eine entfchiedene
Dinneigung zu einer allegorifchen Erflärung der biblifhen Schriften. Schon 1705 behauptete .
er in einer Schrift, daß die Handlungen des Gefeggebers Moſes keine Wirklichkeit, fondern nur
vorbildliche Darftellungen Chriſti feien. Im 3.1720 verließ er das Sidney-College zu Cam⸗
bridge und ging nach Zondon, wo er mit Angriffen gegen die Geiſtlichkeit hervortrat, welche ihm
den Verluſt feiner Pfründe zuzogen. In feinen folgenden Schriften, namentlich in den „Six
discourses on Ihe miracles of our Saviour” (Kond. 1727—29) und in ber „Defence of Ihe
discourses” (2 Bbe., Lond. 1729— 30) ftellte er die Behauptung auf, daß die Wunder Chriſti
nie wirklich vollbracht worden wären, fondern myſtiſch gedeutet werden müßten. Dies.brachte
Geiſtlichkeit und Regierung gegen ihn in Harnifch; die legtere lief ihm den Proceß machen. W.
wurde zu Gefängnis und Geldftrafe verurteilt. Nachdem bie erftere abgelaufen, fehlten ihm
bie Mittel, um die andere gu bezahlen. Er blieb Daher im Gefängniß bie an feinen Tod 17353.
Woolwich, eine Stadt und Flottenftation in der engl. Graffchaft Kent, an der Themfe,
mit 25000 €., ift wichtig ald Mittelpunkt der gefanmıten engl. Artillerie, Die bier ihren Haupt-
ftandort mit allen möglicgen Anftalten zum Astilleriedienft und einem ungeheuern Artillerie
zeughaus hat, das die umfangreichfien Anftalten und Werkftätten zu Kanonengießerei, Stüd-
bohrerei und anderer Waffenfabrilation und ein großes Laboratorium für Feuerwerker, Ma-
gazine, Waffen- und Munitionsvogrätke für Land» und Seemacht befigt, wie fie fonft nirgends
auf der Welt aufgehäuft find. Im J. 4849 Tagen 3.3. 24000 Kanonen und über 4 Mill.
Kugeln im Arfenal. Außerdem befinden fich in W. auch bedeutende königl. Werfte, bie älteften
Englands, auf denen große Kriegsſchiffe, auch Dampfboote gebaut werden, eine 1200 &. lange
Zaudreherei, Anterfchmieden und andere Marineanftalten. Die Zahl der Beamten und Ar⸗
beiter, die in biefen Kriegsanftalten befchäftigt find, beläuft fich in Friedenszeiten auf 3 — 4000.
Auch hat W. große umd prächtige Artilerie-, Sappeur- und Darinekafernen, ein Artillerie
bospital, eine koͤnigl. Mikitärafabenıie für. Artillerie und Beniewefen in einem ſchönen Gebaͤubd⸗
(Royal military academy) mit-80 Zöglingen (Cadetten), theild aus guten Bamilien, theil
348 Vorceſter Vorbsworth
lentvolle arme Knaben, die unentgeltlich aufgenommen und von AMProfeſſoren und Lehrern,
worunter acht für Mathematik, zwei für deutſche und zwei für franz. Sprache, unterrichtet wer⸗
den, und in einem eigenen @ebäube, bem Royal military repository, eine Sanınılung von aller-
hand fehenswerthen Merkwürdigkeiten, Feſtungsmodellen u. ſ. w. Auf ber Themſe liegen Con⸗
viet⸗Ships oder Hulks, d. i. abgetafelte Kriegsfchiffe mit Strafgefangenen.
Worcefter, eine der weltlichen Braffhaften Englands, hat ein Areal von 34,7 QM.,
wovon °, aus Adern, Wieſen und Welden beſtehen. Sie bildet mit @loucefter ben
ſchönſten Theil des durch feine natürliche Fruchtbarkeit und landſchaftlichen Reize ausge-
zeichneten Thals der Severn, welche bier den Teme, Avon und mehre andere Nebenflüffe aufe
nimmt und durch verſchiedene Kanäle mit dem großen Kanalnege des übrigen Engiand in
Verbindung gefept tft. Die bebeutenbften Erhebungen des Landes find bie Malvernhügel, an
ber Südweſtgrenze, gegen Dereford, 1354 F. hoch, die Brebonhügel, ſüdwärts von Perfhore am
Avon, 844 F., und die Hügel an der Nordgrenze zwifchen Hale-Dwen und Brombgrove. Das
Ktima iſt heiter und angenehm; der Boden in den Flußthälern ungemein ergiebig. Es gedeihen
in üppiger Fülle nicht nur alle Getreidearten, Hülfenfrüchte, Gemüfe, fowie Hopfen und &a-
fran, fondern auch vortreffliche Obftforten, namentlich Apfel, aus denen eine große Menge Ei-
der bereitet wird. Die Abhänge der Berge bieten reichliche Weide für die großen Rinder und
Schafherden; nur die Höhen felbft, befonders im Often, haben fleinigen, nuglofen Boben. &tein-
kohlen finden fi im Norden; die reichfie Salinen Englands liegen bei Droitwich. Die Lanb-
wirthſchaft ift der Da piertoerbö nei der Bevölkerung; doch ift auch bie Induftrie in Metall-
und Lederwaaren, ZBolle, Glas, Porzellan u. f. w., ſowie ber Handel nicht unbeträchtlich. Die
Grafſchaft zählte 1851 258735 E. Die Hauprftadt und City Worcefter, Sig eines Bifchofs,
fteundlich am öftlichen Ufer ber Severn gelegen, im Ganzen geräumig, gut und nett gebaut,
hat eine fchöne fünfbogige Brüde, eine ſchon 680 von König Ethelred von Mercia gegründete,
aber erfi im 13. und 14. Jahrh. vollendete goth. Kathedrale mit merkwürdigen unterirdifchen
Gewolben, ben Gräbern des Königs Johann und des Prinzen Arthur (Bruders von Hein.
ri VIN.), einem Thurme für acht Glocken, deren ſchwerſte 6600 Pf. wiegt, und andere Se⸗
henswürdigkeiten; gerner 12 Kirchen, ein zum Dom gehöriges mächtiges Kloftergebäube, beffen
großer Gapitelfaal eine befonders an wertvollen Handfchriften reiche Bibliothek enthält, ein
Rathhaus mit feltenen Gemälden, ein neues graffchaftliches Zellengefängniß, ein Theater
u. ſ. w. W. wird daher zu den angenehmften Städten Englands gerechnet, oft Klein
London genannt und im Winter von einer großen Zahl reicher Butsbefiger, Lords unb
. Baronetd aus Tales, den füdlichen und weftlichen Graffchaften befucht. Die Stadt zählte 1851
27528 E. Ihre früher großartige Tuch- und Teppichmanufactur ift faft ganz eingegangen, an
“ deren Stelle aber blühende Manufactur von Lederhandſchuhen und Porzellan, Tegtere vielleicht
bie vorgüglichfte in England, nebft ſtarker Vorterbrauerei und Branntweinbrennerei getreten.
Der durch bie ſchiffbare Severn und Kanalverbindungen geförderte Handel beichäftigt ſich auch
mit Getreide und Hopfen. Hiftorifch denkwürdig ift Die Stadt befonders durch den hier 3. Sept.
1651 von Grommell gegen Karl II. erfochtenen Sieg geworden. Außer ber Hauptftadt finb be-
merkenswerth Dubley (f.d.) ; Kidderminfter (ſ. d.); Stourbridge, am Stour und einem Kanale,
unregelmäßig gebaut, mit 7847 E., Handel mit ihren Blas-, Eifen- und Thonmaaren ; Droit⸗
wid, am Salwarp und Worcefterfanal, mit 3125 €. und großer Saline, bie einen jährlichen
Reingewinn von mehr als 150000 Pf. St. gewährt; das große Dorf Evesham, am Avon,
im Mittelpuntt bed reizenden Eveshamthals, rings von Bärten umgeben, mit 4605 E., bie
neben Hopfen- und Gartenbau flarfe Strumpfftriderei treiben, mit drei Kirchen, bem Thore
einer fhon 701 gegründeten Abtei und dem Schlachtfelde, auf dem 4. Aug. 1265 Simon von
Montfort, Graf von Leicefter, im Kampfe gegen Prinz Eduard fterbend erlag, wodurch Hein-
rich 111. feine Freiheit wieder erlangte. Malvern oder Great-Malvern hat eine ſtark befuchte
eilquelle, die Ruine einer um 1083 geflifteten Abtei und bemerfenswerthe Denkmäler und
lan iont in der Kirche.
ordsworth (William), einer der ausgezeichnetſten unter den neuern engl. Dichtern,
wurde 7. April 4770 zu Godermouth in Eumberland geboren, erhielt feine erfte Erziehung
auf der Schule zu Hawkeshead in Lancaſhire und fludirte feit 1787 in Bambridge. Seine
Altern hatten ihn für die Kirche beflimmt, aber bie Poeſie 308 ihn frühzeitig von biefer Zauf-
bahn ab. Er trat 3793 mit einer Epiftel in Verfen „The evening walk” auf und veröffent-
lichte bald nachher feine „Descriplive skeiches”, in weldyen er einen Ausflug durch Frankreich,
die Schweiz und Stalin ſchilderte und durch welche er mit Goleridge bekannt wurde. Beibe
Boͤrlitz Vorms (Infel) 348
Dichter, die ſich damals noch fremd waren, trafen im Sommer 1796 zum erfien mal aufanmıen.
Gleiche Neigungen und Anſichten führten eine vertrauliche Sreundfchaft zwifchen ihnen herbei.
Im I. 1798 machten fie, von W.s Schweſter begleitet, eine Reife nach Deutſchland, die auf
ihre äfthetifche Bildung nicht ohne Einfluß blieb. Nach England zurüdgekehrt, heirathete W
und ließ fih 1803 zu Graßmere in Weſtmoreland, fpäter aber auf feinem Landgute zu Rybul-
Mount nieber, wo ihn das durch die Verwendung Lord Lons dale's erlangte gefchäftslofe und
einträgliche Amt eines Stempelausgebers in ben Stand fegte, vollig feinen literariſchen Beichäf-
tigungen zu leben. Er hatte 1798 eine Sammlung „Lyrical ballads” herausgegeben, denen er
1807 noch zwei Bände folgen ließ. Sie fanden anfangs eine höchſt ungünflige Aufnahme.
W. wollte namlich eine neue Art ber Dichtung begründen, indem er meinte, die einfachften und
niederſten Gegenflände feien Vorwürfe für die Poeſie, und die Sprache müffe die Sprache bes
gewöhnlichen und Ländlichen Lebend fein. Diele Theorie fowol als ihre Anwendung in dem
erften Bande feiner Gedichte machten ben Dichter zum Gegenſtande allgemeinen Spettes, der
die Schönheiten, durch welche fich viele feiner Poeſien auszeichneten, vollig vergefien ließ. Erſt
allmälig begann man anzuerkennen, wie er eine Macht der Belchreibung und eine Fülle von
Gedanken bejige wie faft fein gleichzeitiger Dichter, fobaß er endlich eifrige Bewunderer und
Bertheibiger fand. Indeffen hielt er auch an feiner Theorie nicht fireng feſt und war vielmehr
Dichter trog feiner Sheorie. Im J. 1814 erfchien „The excursion“, ein philofophifches und
B.6 beſtes Gedicht; 1815 folgten „The white doe of Rylstone“, „Peter Beil” unb „The wag-
goner”; 1820 „The river Duddon”, ein Sonettenkranz, „Vaudracour and Julia” und „Eccle-
siastical sketches”; 1822 „Memorials of a tour on Ihe Continent” und „Description of the
lakes in the North of England”; 1835 „Yarrow revisited”. eine gefammelten Werke, die er
. in fonderbarer Weile geordnet hat, gab er in ſechs Bänden heraus, denen 1842 noch ein fieben-
ter folgte, die Bedichte aus feiner früheſten und lehten Zeit enthaltend. Eine neue Ausgabe er-
fchien 1845 ; die vollftändigfte nach feinem Zobe („Poetical works ofW.”, 6 Bde. Lond. 1852).
Im 3. 1842 legte W. fein Amt zu Gunften feines Sohnes nieder und erhielt im folgenden
Jahre von der Regierung eine Penfion von 500 Bf. &t. und die Ernennung zum gefrönten
Dichter an Southey’s Stelle. Allgemein verehrt, ftarb er zu Rydal 25. April 1850. W. ıft
son bebeutendem und günftigem Einfluffe auf die engl. Dichtung geweſen, bie fich feit ihm wie⸗
"der dem Stubium des Menfchen und ber Natur zugewendet hat und in Hinficht auf die Sprache
einfacher und natürlicher geworben ift. Ex Hat eine große Anzahl Freunde und Schüler gefun-
den, welche man unter dem Namen der Lake school begreift, weil die Häupter berfelben, W.
und Coleridge, an den Seen von Cumberland und Wellmoreland gewohnt und fie zu Begen-
ftänden ihrer Schilderungen gemacht haben. Ausführliche Nachrichten über fein Leben findet
man in Chriſtopher XBordsmorth'6 „Memoirs of William W.' (2 Bbe., Lond. 1852).
Woͤrlitz, Stadt im Herzogthum Anhalt-Deffau, drei Stunden von Deffau, mit einem ge-
ſchmackvollen Luftfchloffe, der gervohnlichen Sommerrefibenz bes Herzogs, zählt gegen 1900 G.,
darunter 126 Juden, die hier eine Synagoge haben. Den hiefigen herrlichen, aus fünf Abthei⸗
lungen befteßenden Garten im engl. Geſchmack mit den verfchiedenften Anlagen ließ der Herzog
Leopold Friedrich Franz einrichten. Zu den fehenswertheften Punkten dieſes Gartens gehören
das fogenannte goth. Haus, welches eine intereffante Sammlung merkwürdiger alter Kunft-
werße, beſonders Gemälde, enthält, die Einfiedelei, da6 Monument mit Marmorbildern beffauer
Fürften, die Reptunsgrotte Pantheon mit wenigen, aber guten Antiten. Der ganze Park kann
auf dem in feiner Mitte liegenden See und den künftlich angelegten Kanälen auf einer Gondel
um⸗ und burchfchifft werden.
Mormind oder Worm (Dlaf), ein gelehrter Däne, geb. zu Aarhuus 1588, fludirte erft
Theologie, dann Medicin und wurde 1643 auf der Univerfität zu Kopenhagen Profeffor der
ſchönen Wiffenfchaften, 1615 der griech. Sprache und 1624 der Medien. Als Kanoniker zu
LZund und al6 Leibarzt des Königs Chriftian V. flarb er 1654. Er war ein guter Anatom, aber
ein noch ausgegeichneterer Kiterator. Bon feinen Iiterarifchen Schriften, die noch immer Werth
haben, find zu erwähnen: „FastiDanici“ (Kopenh. 1626); „Monumenta Danica“ (Kopenh.
1643); „Literatura Danica” (Kopenh. 1651); „Specimen lexici runici” (Kopenh. 1659);
„Literatura runica” (Kopenh. 1661).
Worms, eine 1’/ AM. große, im Often von Dags liegende, zum ruff. Gouvernement Eſth⸗
land gehörige, im Innern flache und ziemlich waldloſe Inſel, mit vielen ſteilen Ufervorſprüngen.
um weiche fich Heftige Deeresftröme erſtrecken, ift durch jene legtern oft Monate —
allem Verkehr mit den Nachbarinſeln Oſel, Dags, Runs u. ſ. m. und dem eſthniſchen F
350 - . Worms (Stadt)
ifelirt und hat ſich dadurch hinſichtlich feiner Bewohner, die ſchwed. Urfpeungs find, vor aller
Bermifchung mit fremden Elementen wahren Binnen. Der Fremde, ber auf dieſem Eiland eine
feltene und angeftaunte Erfcheinung ift, wird feinerfeits nicht minder durch ben eigenthümlichen
altſchwed. Dialekt, den Bauſtil umd die Sitten und Bräuche diefes Heinen, dürftigen, aber glück⸗
lichen Inſelvölkchens überrafcht. — Worms ober Wordina heift auch ein großartiges Pfarv
dorf im Krelfe Gorbatow ded ruff. Gouvernements Rifynif-Nowgorod, an der Oka, mit
5000 E., das berühmt ift durch feine bedeutende Stahl. und Eifenwaarenprobuction.
Worms, ehemals eine Freie Reichsſtadt und Sig eines gleichnamigen Biethums, in der
Provinz Reinheſſen bes Großherzogthums Heffen, Itegt am linken Ufer des Rhein, durch eine
Eifenbahn mitt dem neun Stunden entfernten Mainz und Ludwigshafen (Manheim) in Ver⸗
bindung ftehend, in einer höchſt fruchtbaren Begend (dem von ben Dinnefängern vielfach ge-
priefenen Wonnegau), hat 9100 &., darunter 5442 Proteflanten ımb 2435 Katholiken, ift
Sig eines Kreisamts und Barnifon eines Infanterieregimente. Bon den früber fehr zahlreich
borhandenen firchlichen Gebäuden find noch acht Kirchen erhalten, berem drei von den Prote⸗
ſtanten und drei von ben Katholiken zum Gottesbienft benugt werben. Unter ben legten ift be
ſonders ausgezeichnet ber ſchöne, in byzant. Stil erbaute Dom, 470 Ellen lang, ein ehrwürdiges
Gebäude, mit vier Thürmen, bereite im 8. Jahrh. begonnen, aber erft im 12. vollendet. In ber
Umgebung ber goth. Liebfrauenfirche vor der Stadt wächſt die berühmte Kiebfrauenmilc, ein
durch Lieblichkeit und Feuer ausgezeichneter Wein. Die Stabt befigt ein reich botirte Bürger
hospital. Die Einwohner treiben Weinbau, Schiffahrt, Handel und Gewerbe. Unter legtern
find ausgezeichnet bie Glanzlederfabriken (mit 1200 Arbeitern) ; auch hat W. Cigarren⸗, Kunft-
wolle- und Cichorienfabriten. Bon den Weinen, bie W. erzeugt, find noch ber Katterlöcher und
Zuginsland gefchägt. Eine Halbe Stunde von W., Heim Dorfe Pfiffligheim, flieht ber merfwür- .
dige fogenannte Lutherbaum, eine uralte Rüſter, 116%. hoch und 12%. did. ZB. iſt ber Schauplatz
ber Nibelungenfage (ein Difteict jenfeits bes Rhein heiße ber Rofengarten) und außerdem eine
der älteften und in ber frühern Gefchichte berühmteften Städte Deutſchlands. Zahlreiche Spu-
ren zeigen, daß bie Römer bier eine Niederlaffung und ein Caſtell hatten. Durch Attila murbe
fie zerſtört und erft durch Chlodwig wieder aufgebaut. Später war fie häufig der Yufenthaltsort
Karl's d. Sr. und feiner Rachfolger. Erſterer hielt Hier die Volksverſammlung, welche ben Krieg
gegen die Sachſen beſchloß. Später Hatten in ZB. eigene Grafen und nachher die Herzoge von
Franken ihren Sig. Sie kam bei der Theilung bes Kräntifchen Reichs an Ludwig ben Deutfchen
und gehörte feitbem ununterbrochen zu Deutfchland. Die Kaifer Heinrich IV. und Heinrich V.
hielten Hier mehre Reichsſstage, und der hier 1422 zwifchen dem Legtern und dem Papſte abge
fchloffene Bertrag endete den Inveftiturftreit. Heinrich V. erhob W. zur Freien Reichsſtadt; fie
hatte den Kurfürften von der Pfalz zum Schugherrn und auf ber rhein. Stäbtebanf die vierte
Stelle. Kaifer Maximilian I. brachte auf dem Meichstage in W. 1495 den ewigen Landfrie-
den (f. d.) zu Stande. Hier mußte Luther 18. April 1521 vor Kaiſer Karl V. und dem Reichs⸗
tag erſcheinen, und da er nicht wiberrief, fo wurde er geächtet. Es fanden dafelbft 1540 und
1547 Religionsgefpräche ftatt; auch hielt hier Karl V. 1547 noch einen Reichstag und ebenfo
1573 Rudolf IE. Gegen Ende bes Mittelalters hatte die Stadt eine große Bedeutung als Glied
des rhein. Städtebundes in den Fehden zwiſchen den benachbarten Fürſten erlangt. Ihr Ge⸗
werbfleiß, ihr Handels verkehr und ihre große Bevölkerung, die fich zur Zeit der Hehenſtaufen
auf 60000 und noch am Ende des Dreißigjährigen Kriegs auf 30000 Seelen belief, verſchaff⸗
ten ihr Reichthum und Anfehen. Allein in ben legten zwei Jahrhunderten ift ihr Flor durch
mancdherlei Urfachen, befonder® aber durch die Kriege zwifchen Deutfchland und Frankreich ge-
funten. In 3. 1689 wurde W., wie Speier, anf Louvois' Befehl von ben Franzoſen fall ganz
verwüftet; doch entgingen die meiften Kirchen, darunter ber herrliche Dom, der Zerflörung.
Seitdem ift die Stadt zwar wieder gut aufgebaut worden, doch gibt es noch viele jegt in Gärten
verwandelte ehemalige Brandftellen. Im J. 1743 wurde bier 17. Sept. zwiſchen Großbritam-
nien, Ungarn und Sardinien ber fogenannte Wormſer Tractet, ein Dffenfivbiinbniß, abge-
fehloffen. In den erften Jahren des franz. Revolutionskriegs hatte IB. ungemein zu leiden, in-
dem ed abwechſelnd von beiden Parteien befegt wurde. Das bifchöfliche Schloß wurde in biefen
Zeiten ein Raub der Flanınıen. Das ehemalige Bisthum Worms, gegründet von Brunehil-
dis, hatte In der legten Zeit ein Areal von 8. mit etwa 20000 E. und 85000 Gldn. Ein-
fünften. Es wurde jederzeit von bem Grabifchofe zu Mainz verwaltet, ber deshalb Sig und
Stimme auf dem Reigetage hatte und auf dem oberrhein. Kreistage das Directorium führte.
Im Luneviller Brieden von 1901 Sam ber am linken Rheinufer gelegene Theil bes Bisthums
Bormier Joch Bormig 332
an Frankreich, den Reſt (2M.) auf dem reiten Rheinufer aber erhteit 1803 Heſſen⸗Darm ·
fladt. Im Pariſer Frieden von 1814 wurde W. nebft dem biſchöflichen Gebiete an Deutfchlanb
jurüdgegeben und durch den Congreß zu Wien 1815 an Heflen-Darmftadt überlaffen.
Bormfer Joch, fo benannt nad Bormio (f. d.) oder Worms, ſ. Stilfſer Joch.
Morönefch, das füdlichfte Bouvernement Großrußlands, umfaßt 1209 AM. und
begreift einen Theil des alten ruff. Kürftenthums Rjäſan in ſich. Das Gouvernement,
das feine Verfaſſung unter der Kaiſerin Katharina IH. 1779 erhielt, Hat einen ebenen,
ſchwarzerdigen, fehr fruchtbaren Boden und ein fehr gemäßigte® Klima. Die Flüffe Den,
Woroneſch, Donez u. f. m. frieren erft im December zu ımd gehen bereits Anfang März
wieber auf. An — ift das Land reich, ſodaß Ban- und Brennholz bedeutende Aus⸗
fuhrartitel bilden. Die Fruchtbarkeit des Landes begünftigt Aderbau, Sartencultur, Ta⸗
backsbau, der erſt in neuefter Zeit betrieben wird, und die herrlichen Weideplaͤtze die Viehzucht,
die bier auf einer hohen Stufe ſteht. An dem Fluſſe Bitfug, der in den Don fällt, ifl Die be⸗
deutendfte und befte Pferdezucht in Rußland ausgebildet. Nicht mur das riefige Geſtüte der
Gräfin Orlow und die ähnlichen Geſtüte der Grafen Roftoptfchin, Orlow u. f. w. Tiegen bier,
fondern faft jeder — at ein folches in Heinerm Maßftabe und auch die Bauern treiben
ausgezeichnete Pferdezucht. Diefe Bitjugpferde unterfcheiden fich von allen nordruſſ. id
ihre große Kraft, Ausdauer und Luft zum Ziehen. Auch mehre Militärftutereien befinden fi
in diefem Gouvernement. Die wichtigſten Ausfuhrartitel außer Holz find Getreide, Obſt,
Wolle, Pferde und Ochſen. Die Induſtrie dagegen fteht nicht fehr Hoch. Die Einwohner,
deren Zahl ſich 1846 auf 1,657900 belief, find Groß. und Kleinruſſen und einige deutfche
Eotoniften; auch Zigeuner und Tataren finden fih. Die Hauptftadt Woroͤneſch, Sig eines
Erzbifchofs und Eivilgouverneurs, 1842 von 43800 Seelen bewohnt, liegt unweit bed Ein-
fluffes des Woroneſch in den Don, auf und an einer mit Gärten bepflanzten Anhöhe, hat einen
ziemlichen Umfang, 22 Kirchen, mehre fehr geſchmackvolle Gebäude, ein Priefterfeminar, ein
Gymnaſium, ein Cabdetteninftitut für 400 Zöglinge, ein Invalidenhaus für Seeleute, eine
große Vitriolfabrit und fehr bedeutende Tuchfabrikation. Es wird hier ein bedeutender Han»
dei, befonders durch die Schiffahrt auf bem Don unterhalten und jährlich finden zwei große
Vieh⸗, Woll⸗ und Krammärkte ftatt. Peter d. Er. Iegte hier 1697 ein großes Schiffewerft an.
Die Stabt liegt an der großen Heerftraße nach dem Kaukaſus. Außer ihr find bemerkens⸗
werth: die Kreisftäpte Sadonsk, mit 5100 E., an ber Taſchewka, nach dem babei liegenden
großen und reichen Sadonskiſchen Kiofter benannt; Korotojat, am Don, mit 7500 E.,
und Oſtrogoshsk, an der Sofina, mit 5622 €. und bedeutenden Banbel.
VWoronicz ar Paul), poln. Kanzelrebner, geb. 1757 in Volhynien, ftammte aus einer
altabeligen ‘poln. Familie. Er befuchte die von den Sefuiten geleitete Schule in Oftrog,
wurde —* Hülfslehrer an demſelben Gymnaſium, ließ ſich in den Sefuitenorben auf⸗
nehmen und wandte ſich nach Aufhebung der Anſtalt zu Oſtrog in das Seminar der war⸗
ſchauer Miſſionare, wo er die prieſterliche Weihe empfing. Sein Charakter ſowie ſeine Gelehr⸗
ſamkeit gewannen ihm die Gunſt der Biſchöfe von Kiew und Warſchau, die ihn während des
vierjährigen Reichstags zur diplomatifchen Eorrefpondenz und ſchwierigen Dienftgefchäften
der Kitche verwendeten. Zur Anerkennung feiner Dienfte wurde er Kanoniker; aber von leb⸗
haftem Drange erfüllt, das Landvolk zu veredeln, ließ er fich von feiner Kirchenwürde nicht ab»
halten, viele Dorfiprengel zu befuchen, mo er Durch einfache Predigten viel wirkte. Seine firen»
gen Sitten und hohen Gaben bes Beifted erwarben ihm bie Gunft des Staniflam Auguft und
die Propftei Liv. Nach der Errichtung des Herzogthums Warfchau berief ihn ber König
Friedrich Augnft in den Staatsrach umd würdigte ihn während feines Aufenthalts in Warſchau
feines vertrauten Umgangs. In derfelben Gunſt behauptete er fih unter den Regierungen
Alesander’s und Nikolaus’: Erfterer ernannte ihn zum Biſchof von Krakau, Regterer erhob ihn
1828 zum Primas von Polen. Zur Herftellung feiner Gefundheit ging er nach Wien, wo er
4. Dec. 1829 farb. Während er früher auf das Landvolk durch einfache Beredtſamkeit mirkte,
machte ex fpäter durch glänzende und ſchwungvolle Reden in der Kathedrale zu Warſchau gro»
gen Eindrud. Die Neben leiden indeffen zuweilen an verwideltem Periobenbau, zeichnen ſich
aber insbeſondere aus durch märmliche Kraft, reiche Ideenfülle und durch eine höhere, Begel-
fterung weckende Weihe. Beſonders wird die Rede auf den Tod des Kaifers Alexander als em
Meiſterwerk geiftlicher Beredtfamkeit betrachtet. Nicht minder ragte W. auch ale Dichter hervor.
Seine „Sibylle” zeugt von erfindungsreicher Phantafie und edelm Geſchmack. In feinen rell⸗
glöfen Dichtungen offenbart ſich ein tiefes, frommes Gemüth.
362 Moronzow
Woronzow (ausgeſprochen: Waranzom) ift ber Name einer fehr berühmten ruff. gräflishen
und fürſtlichen Familie, beren Stammbaum indeffen nur bie in bie Mitte des 17. Jahrh. hin⸗
aufreicht, indem das alte Bojarengeſchlecht biefes Namens, welches fi im 15. und 16. Jabhrh.
in Rußland auszeichnete, nicht mit diefer Familie in Verbindung gebracht werden kann, ba es
bereits um 1576 erlofch. — Der erfte Ahn der gräflih W.fhen Familie war Gawrilo B.,
ber bei ber Belagerung von Tſchigirin in Kleinrußland 1678 feinen Tod fand. — Unter feinen
Enteln that ſich befonders Michael W., geb. 1710, ber Bünftling der Kaiferin Elifaberh, her-
vor, welche ihn mit ihrer Couſine, ber Bräfin Anna Skawronſky, einer Bruberstochter der Kai-
ferin Katharina L, vermählte, ihn 1744 zum Vicekanzler erhob, ihm die Keitung des Minifte-
riumse des Auswärtigen übertrug und ihn durch Kaifer Karl VII. 1744 in den Reihögrafen-
ftand erheben ließ. Er ift beſonders ald Diplomat befannt geworben durch ben Allianzvertrag,
den er zwifchen Rußland und Schweden zu Petersburg 25. Juni 1745 beiverfftelligte, ſowie
durch den Vertrag, den er mit Oftreich zur Vertheidigung der Erbfolge Maris Thereſia's ab-
ſchloß. Im 3.1747 kam ebenfalls burch feine Vermittelung ein Subfidienvertrag mit Groß⸗
britannien zu Stande, nach welchem ein ruff. Corps von 37000 Mann in Solde der See-
mächte bis an ben Rhein marfchirte. In den legten Jahren ber Regierung der Kaiferin Elifa-
beth ſtand W. an der Spitze der ſchwed. Partei, deren Seele der Großfürft Peter war. Er
ſtürzte den Kanzler Beſtuſchew und wurde an deſſen Stelle zum Reichskanzler ernannt, verlor
aber unter Katharina II. feinen Einfluß und ftarb 1767. — Die Nichte det Vorigen, Eliſa⸗
Beth Romanowna W., war bie Geliebte Peter's LII., noch ehe er den Thron beftieg. Nach ſei⸗
nem Tode murde fie in die Nähe von Moskau verwielen und dann an den Senator Polänfkii
verheirathet. — Ihre Schweiter, Katharina Romanowna W., war die Fürſtin Daſchkow
(f. d.), die Vertraute Katharina’6 II., die mit dem Grafen Panin den Man zu deren Erhebung
auf den Thron entwarf und ausführen half. Zum Erben ihres bedeutenden Vermögens fegte
fie ben Sohn ihres Vetters Ilarion DB. ein, der den Namen W.Daſchkow annahm. — Eine
dritte Schwefler war die durch Schönheit und Liebenswürdigkeit ausgezeichnete Grafin Bu-
turlin. — Der Bruder ber Vorigen, Graf Alexander W,, früher Gefandter an mehren
europ. Höfen und zugleich Präfident des Handelscollegiums unter der Kaiferin Katharina II.,
wurde vom Kaifer Alerander 1802 zum Reichskanzler ernannt und erhielt darauf Die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten. Im 3. 1804 nahm er feine Entlaffung und zog
fih nad) Moskau zurüd, wo er 1806 ftarb. — Sein jüngerer Bruder, Sfemen W., geb.
1744, war als ruſſ. Gefandter in London, ale die Franzöſiſche Revolution ausbrach, und
Schloß 25. März 1795 mit Lord Grenville den Doppelvertrag, der die Handelsverhältniſſe zwi⸗
hen Rußland und England, auf dem Fuße bes für England fehr vortheilhaften Handelsver⸗
trags von 1766, auf fech6 Jahre erneuerte und fi auf die Mitwirkung beider Mächte bezog,
um ber Ausbreitung der Franzöſiſchen Revolution entgegenzuwirken. Unter Alexander I. hatte
er Theil an den Verhandlungen, welche die dritte Coalition Durch ben peteröburger Tractat (ge⸗
nannt Trait6 de concert) vom 11. April 1805 berbeiführten. Nachdem er ben Poſten eines
ruſſ. Botfchafters in London 20 I. lang bekleidet, Iebte er daſelbſt als Privatmann und farb
21. Juni 1852. — Sein Sohn, Michael W., ruff. General der Infanterie und Generalad-
iutant bes Kaiſers, geb. 1782 zu Moskau, wurde bei feinem Vater in England erzogen, trat
bierauf in bie ruff. Arnıee, focht im Kaukaſus unter Zizgianow und in der Türkei unter Kutuſow
und zeichnete ſich vorzüglich in ben Feldzügen von 1812—14 gegen Frankreich aus. Bon
1815 — 18 befehligte ex das ruff. Contingent bei dem Befagungsheere in Frankreich und begab
fi dann nach Wachen, wo ber Kongreß verfammelt war. In der Kolge wurde er Beneralgouver-
neur von Neurußland und Beffarabien, deren Eulturentwidelung er mächtig förderte. Seine
Hauptebrenftellen verdankt er der Regierung bed Kaifers Nikolaus, der er auch feine wichtig-
ften Dienfte erwies. Bereits im Juni 1826 leitete er nebft Ribeaupierre die Verhandlungen zu
Aljernan und 1828 commandirte er nach Menſchikow's Verwundung das Belagerungsheer
von Barna. Die Erinnerung an das Kriegeglüd, welches W.'s Schritte in frühern Kämpfen
begleitet hatte, veranlaßte den Kaifer, ihn im Dec. 1844 zum Statthalter von Kaukaſien zu er⸗
nennen. Er nahm 18. Juli 1845 die Hauptvefte Schemyl’s, dad Städtchen Dargo, mit Sturm,
wofür ihm die ruff. Fürſtenwürde verliehen wurde, eroberte 1847 Salti und 1848 Gorgebil,
während ex zugleich durch eine verföhnliche Politik die Bergvölker für Rußland zu gewinnen
te. Tropdem gelang es ihm nicht, den Widerſtand Schemyl's zu brechen, und durch den
Ausbtuch des Kriegs mit der Türkei 1853 fah er bie Schwierigkeiten feiner Lage noch ver
mehrt. Obfchon felbft durch Krankheit an Tiflis gefeffelt, ſchlug er durch feine Unterfeldherren
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Borfage Wort 353
bie Türken von Uchaltfiche zurägl und brachte ihnen bei Baſch ⸗ Kadyklor eine Niederlage bei. In⸗
deffen wurbe er im März 1854 genöthigt, zur Wieberherftellung feiner Geſundheit einen ſecht ·
monatlichen Urlaub zu nehmen, den er zu einer Reife nach Karlsbad und Schlangenbad benußte.
Am October kehrte er zurüd und erhielt 31. deſſelben Monats die erbetene Entlaffung als
Statthalter im Kaukaſus und Generalgouverneur von Neurußland. — Sein einziger Sohn
aus der Ehe mit einer Gräfin Branicka, Fürft Sfemen Michailowitſch W., war Kammer-
junter am kaiſerl. Hofe, trat aber 1847 als Gardeſtabshauptmann in bie Armee, nahm ber-
vorcagenden Antheil an den kaukaſ. Kämpfen, wurbe 1849 Hauptmann, gleich darauf Oberſt
und Commanbdeur bes den Ramen feines Vaters tragenden Jägerregiments und 1852 Gene
ralmajor. Sm I. 1853 war er, angeblich in diplomatifhen Aufträgen, längere Zeit hindurch
in England und erhielt im Aug. 1854 ben Befehl einer Refervebrigabe des Barbecorps. —
Der Oberceremonienmeifter Graf Iwan W.Daſchkow, geb. 1795, war 1824— 28 ruff. Ge⸗
fandter in München und bann bis 1832 in Turin. Hierauf nach Peterdburg berufen und zum
Mitglied des Reichsraths ernannt, vertrat er wiederholt den Grafen Neſſelrode als Minifter
des Auswärtigen. Geachtet als ein Mann von hoher Bildung und freigebiger Beförberer ber
Künfte, ftarb er 9. Juli 1854 in Peterhof an der Cholera.
Worfaae (Jens Jacob Asmuffen), verdienter dän. Altertyumsforfcher, geb. 14. März
1821 zu Veile in Jütland, wo fein Vater Juſtizrath und königl. Amtsverwalter war, befuchte
1854— 36 das Gymnaſium zu Horfens, 18356— 38 die bamals berühmte Schule für Bürger-
tugend in Kopenhagen und widmete fich hierauf erft theologifchen, dann juriſtiſchen Studien, bie
jedoch bald von bem Intereſſe für vaterländifche Befchichte und Alterthümer übermogen wur⸗
den, wie er denn aud von 1858—43 ald Affıftent beim königl. Muſeum für nordifche Alter⸗
thümer fungirte. Nach verfchiedenen Reifen und Unterfuchungen in Dänemark, Schweden und
Norwegen ging er 1845 nad) Deutfchland, über deffen Sammlungen für vaterländiſche Alter
thümer er in „Die nationale Alterthumskunde in Deutfchland” (Kopenh. 1846) Bemerkungen
veröffentlichte. Die 3. 1846 — 47 verbrachte er in England, Schottland und Irland, befonders
um bie Spuren der alten dän. und norweg. Derrfchaft zu verfolgen. Zu ähnlichem Zwecke be»
teifte er fpärer 1851— 52 die Normandie und die Bretagne, das mittlere Frankreich und Eng-
land. Im J. 1854 ging er durch Deutfchland und bie Lombardei nach Neapel und Rom, von
wo er über Piemont, Savoyen und Frankreich zurückkehrte. Geit 1847 zum Infpector ſämmt⸗
licher Dentmale bes Alterthums im bän. Staate und zum Mitgliede der königl. Commiſſion
für Aufbewahrung der Alterthümer Dänemarks ernannt, erhielt er nach Auflöfumg ber legtern
1849 mit Thomfen den Auftrag, eine eigene Sommiffion für Eonfervirung der Alterthümer
Dänemarks zu bilden. Im Oct. 1854 ward W. der Rang eines Profefford verliehen. Seine ber
deutendſten Arbeiten, die ihm einen europ. Ruf gewonnen haben, find: „Danmark Oldtid
(Kopenh. 1843; deutſch, Kopenh. 1844; engl. von Thoms, Lond. 1849); „Blekingſke Min-
des märker fra Debenold” (Kopenh. 1846; deutfch unter dem Titel „Zur Alterthumekunde bed
Norden”, Lpz. 1846); „Minder om de Danfke og Norbmändene i England, Skotland og Ir⸗
land" (Kopenh. 1852; engl., Lond. 1852); „Wfbildninger fra det Eongelige Mufeum for Nor
diſke Oldfager” (Kopenh. 1854). Bon feinen Hleinern Schriften Haben befonderes Interefle:
„Danevirke“ (Kopenb. 1848; deutſch, Kopenh.1848); „Iyllands Danfkhed” (Kopenh. 1850),
das von Schorn als „Proteft eines Jütländers gegen Jak. Brimm’s neues deutſches Volks⸗
recht” (Kopenh. 1850) ins Deutfche überfegt ward; „Om en forhiſtoriſt ſaakaldet tyſt Befoll⸗
ning in Danmark” (Kopenh. 1849) u. ſ. w. Zahlreiche Beiträge von ihm enthalten die hi⸗
fiorifchen und antiquarifchen Zeitfchriften Standinaviens.
Wort heißt derjenige einzelne Sprachlaut oder derjenige Berein von Sprachlauten, weicher
Ausdrud einer Vorftellung ober eines Begriffs ift. Jedes Wort bildet eine lautliche Einheit,
die auß fo viel Theilen oder Silben befteht, als Abfäge in den Bewegungen der Sprachorgane
zum Ausfprechen des ganzen Worts erfoberlich find, und jede Silbe wiederum kann fo viel ein»
zelne Laute unter fich befaffen, als eine abfaglofe Bewegung der Sprachorgane zu bewältigen
vermag. Jedes Wort aber iſt zugleich auch Ausdruck einer begrifflichen Einheit, die ihrerſeits
wieder eine einfache oder eine zufammengefegte fein ann. Ebenſo zahlreich und mannichfaltig
als bie Vorflellungen werben mithin auch die Worte fein müffen. Nun find aber die urſprüng⸗
lich durchaus finnlihen Vorftelungen ihrem Inhalte nach boppelter Art, entweber materielle
(fofflie), d. 5. Vorſtellungen von den Dingen und deren Eigenfchaften, ober formelle, d. 5.
Dorftellungen von ben Verhältniffen und Beziehungen, in welchen jene Dinge und @igem
Conv.⸗ex. Behnte Xufl. XV. 2, 23 .
354 Wörterbuch
ſchaften gebacht werden Binnen. Demnach Tondern fi die Wörter urfpränglich in Stoff⸗ und
Formmwörter; zu jenen gehören 3. B. Baum, grün, blühen, zu diefen 3.3. weil, nach, und.
Einige Sprachen, die fogenannten ifolirenden, find bei diefer einfachften Gliederung flehen ge-
blieben, andere find mehr ober minder darüber hinausgegangen, am weiteften bie indogermani-
fen. Die inbogerman. Völker Haben ed am Iebendigften gefühlt und erkannt, daß das Form⸗
element nur an einem Stoffelemente Bedeutung haben kann und daß wiederum das Stoffele-
ment zur feften Begrenzung feines Weſens des Formelementes bedarf, und diefe Wahrnehmung
haben fie auch in ihren Sprachen zum Ausdrude gebracht bucch Die Flerion (f.d.), d. h. durch
Bor- und Nachſilben, durch Ab- und Umlaute (f.d.), welche nach beftimmten Gefegen an und
in den Stoffwörtern felbft und auch in gewiſſen Formwörtern fo zur Erfcheinung fommen, daß
fie mit diefen organifche Ganze bilden und zur Bezeichnung beftimmter Glaffen von Ber-
bältniffen und Beziehungen dienen, während alle übrigen Verhältniffe und Beziehungen durch
befondere Formwörter ausgedruckt werben. Und in gleicher Weiſe haben diefe Völker die Ver⸗
wandtichaften, welche ſowol unter ſtofflichen ald unter formellen Vorftellungen zahlreich ſtatt⸗
finden, auch durch Kautmittel ähnlicher Art in den Ableitungen (f. d.) zur Anfchauung gebracht.
Vorftelungen werben zur höhern Einheit zufammengefaßt im Gebanfen, und dem entfprechend
werden Worte zur höhern Einheit zufammengefaßt im Sage. Wie im Gedanken die gegenfei-
tigen Verhältniffe der Vorftellungen, fo entwideln ſich im Sage die gegenfeitigen Verhältniſſe
der Worte; folglich entftehen erft in und mit dem Sage bie Wortarten oder die Rebetheile (|. d.)
und die Flexionen, ober alle jene verfchiedenen Lautgebilde, welche den verfchiedenen Arten von
Vorftelungen und den mancherlei Beziehungen derfelben zum Ausdrude dienen: Subflantiva,
Adjectiva, Verba, Adverbia, Präpofitionen, Genus, Numerus, Caſus, Tempus, Modus u. |. m.
Die gemeinfchaftliche Grundform, aus welcher verwandte Wörter erwachſen find, heißt Wur«
zel, derjenige Theil bes Wortes aber, an und vor welchen bie Klerionsfilben treten, wäh-
rend er felbft in den meiften Fällen unverändert bleibt, heißt Stamm. Die Bildung der Wur⸗
zen ift im Jugendalter ber -verfchiedenen Völker in einem weit über unfere ältefte Kunbe bin
außliegenden Zeitraume erfolgt und ſchon feit langen Jahrhunderten gänzlich gefchloffen, ſodaß
nene Wurzeln zu bilden fept nicht mehr möglich iſt; wol aber können noch immer neue Wörter
gebildet werben aus bereit vorhandenen, und zwar entweder burch Ableitung (f. d.) oder durch
Zuſammenſetzung (ſ. d.); doch befigen die verſchiedenen Sprachen das Vermögen ber Wortbil-
dung in fehr verfchiedenem Grade. Der Plural von Wort lautete im Gothifchen vaurda, im
Alt. und Mittelhochdeutfchen wie der Singular Wort; im 16. Jahrh. zeigt fich die neuhochdeut⸗
[he Doppelform Wörter und Worte, aber erft feit der erften Hälfte bes 18. Jahrh. hat fi
auch) ein jeboch nicht ftreng feftgehaltener Unterfchied in ber Bedeutung beider Formen einge
fiellt, fofern man unter Wörtern die Worte in ihrer Vereinzelung als Theile der Sprade, un⸗
ter Worten dagegen Diefelben in ihrem Zufammenhange ale Theile der Rede verfteht. Den
entfprechend hat man auch feit 1739, nach dem Vorgange Kramer's, den Ausdrud Wörter
buch (1.d.) allgemein angenommen, während die Schriftfteller des 17. Jahrh. noch Wortbuch
fagten. Sprichwort bildet feine Mehrzahl nie anders als Sprichwörter. Vgl. Weinholg, „Zur
Erklärung des Urfprungs und der Bedeutung bes Wortes” (Rpz. 1854).
Wörterbuch im weitern Sinne heißt jedes Buch, welches ein nach einer beftimmten Bolge
geordnetes Verzeichniß von Wörtern einer oder mehrer Sprachen enthält; im engern und eigent-
lichen Sinne aber verficht man darunter ein alphabetifch georbnetes Verzeichniß der Wörter ei«
ner oder mehrer Sprachen, welches den gefammten betreffenden Wortſchatz zu erfchöpfen ftrebt.
Um legtere Abſicht augenfälliger zu bezeichnen, hat man für den Titel ſolcher Werke auch wol
ben Ausdruck Theſaurus (1.d.), Sprachſchatz gewählt, ober ein Adfectiv beigefügt, wie z. B.
„Lexicon totius Latinitatis”. Vom Wörterbuche unterfcheiden ſich als Unter- und Abarten,
welche befondere Zwecke verfolgen, das Lexikon ober Dictionarium, das Gloffarium, das Vo⸗
eabular, das Idiotikon, das Dnomafticon. Weiter fondern ſich nach ihren eigenthümlichen
Zwecken ab: das etymologifche Worterbuch, welches vorzugsweiſe die Abftammung und Ber-
wandtſchaft ber Wörter verfolgt; das Synonymenwoͤrterbuch, welches die Unterſchiede der
Bedeutungen aufweift und erflärt; das Specialwoͤrterbuch, welches ben Sprachſchatz eines
einzelnen Schriftftellerd darlegt, und endlich die verſchiedenen Realwörterbücher, welche nut
durch ihre alphabetifche Anordnung unter diefen Begriff fallen, fofern fie nicht auf Sammlung
und Erklärung bes Sprachlichen, fondern bes Sachlichen hinftreben. Griechen und Römer hat-
ten feine Vorftellung von einem wirklichen Wörterbuche, von einem foldyen, welches alle Porter
Drer eigenen, geſchweige einer barbarifchen Sprache enthalten hätte; auch bedurften fie deffen
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Wörterbuch 355
nicht, weder für praßtifche noch für wiſſenſchaftliche Zwecke; fa es war ihnen fogar gänzlich un-
möglich; denn wer hätte ein fo gemwaltiges und umfangreiches Werk abfaflen, wer abfchreiben,
wer kaufen, wer leſen können ? Deshalb beichränkten fie ſich auf Dasjenige, was der Zuftand ih
rer Sprachwiſſenſchaft und ihrer Stiliſtik Foderte und geftattete: auf Lexica, Glossaria, Ety-
mologica, Synonymica, Onomastica und auf Special- und Realmwörterbüder, die aber ſämmt⸗
lich keineswegs auf erſchöpfende Vollſtändigkeit ausgingen. Der Erſte, welcher ein umfaffen-
deres, über Homer, die Dramatiker, Lyriker, Redner, Geſchichtſchreiber und Arzte fi verbrei-
tendes, alte und noch gebräuchliche Wörter in alphabetifcher Ordnung enthaltendes Lexikon ab-
faßte, war Diogenianus aus Heraflea gegen Ende bes 2. Jahrh. v. Chr. (Vgl. Griechiſche
Sprache und Roͤmiſche Sprache.) Das Mittelalter ließ einen beträchtlichen Theil der von den
Griechen und Römern geförderten lexikaliſchen Arbeiten untergehen und begnügte ſich durch⸗
ſchnittlich mit magern Auszügen aus verfchiedenen jener ältern Werke. Größere Sammlungen,
die nicht lediglich auf den Keiftungen der Vorgänger beruhten, fondern auch felbftändig Gefun⸗
Denes hinzufügten, entftanden für das Griechifche einige wenige zu Konftantinopel, wie im 10.
ober 11. Jahrh. das Lexikon des Suidas (f.d.) und das fogenannte Etymologicum magnum.
Für das Lateinifche wurden die „Originum seu etymologiarum libri XX”, ein encyflopädi-
fches Realwörterbuch des Iſidorus Hispalenfis (f. d.), Bifchofs von Sevilla im 7. Jahrh., Haupt⸗
werk, zu welchem fpäter noch die Gloſſare des Papias um 1050, des Ugutio von Pifa um 1200
und das „Catholicon” des Dominicanerd Joannes de Janua um 1280 traten. Ein wirfliches
Wörterbuch ward erft möglich Durch die Buchdruckerkunſt, welche ebenfo wol bie Leiftungsfähig-
keit als auch das Bedürfniß in ungeahnter Weiſe fleigerte und in gleichem Maße die Wirkung
bes Gedankens befchleunigte. Deshalb regen fih kurz nach ihrer Erfindung auch ſchon bie er⸗
ſten und fofort zahlreichen Berfuche auf diefem neuen Wege. Für das Griechifche legte nach
den Vorarbeiten von Budäus, Camerarius u. A. eine breite und fefte Grundlage Henricus Ste»
phanus durch feinen „Thesaurus linguae Graecae” (4572), auf welhem bann die Hemfterhu-
ſiſche Schule weiter baute biß herab zu den neueften Keiftungen von Schneider, Paſſow, Seiler,
Jakobitz, Roft, Pape u. A. Die lat. Wörterbücher heben an mit Perotti's „Cornu copiae”
(1498) und dem Thesaurus” des Robert Stephanus (1534) und wurden weiter geförbert
durch die umfaffenden Arbeiten von Joh. Matth. Gesner, Forcellini, Scheller, Freund,
Georges u. X.
Die erften Anfänge ber deutfchen Lexikographie reichen hinauf bis ind 7. Jahrh. Außer ben
Interlinear- und Randgloffen entftanden im althochdeatfchen Zeitraume zahlreiche, bald fachlich,
bald alphabetifch geordnete, ſowol kleinere als umfänglichere Verzeichniffe deutfcher Wörter mit
nebengefegter lat. Bedeutung, die, mannichfach unter fich verwandt, durch fortgefegtes Abſchrei⸗
ben bis tief in den mittelhochdeutfchen Zeitraum hinein immer mehr miteinander verfchmolzen
und durch neue Zufäge erweitert wurden. Im 15. Jahrh. tauchen dann neben jenen ältern noch
eine siemliche Anzahl neuer Vocabularien auf, die auch bald unter verfchiedenen Titeln in den
Drud übergehen und wiederholt aufgelegt werben, als der „Vocabularius ex quo”, „V. brevi-
loquus”, „V. rerum“, „V. praedicantium‘, „V. gemma gemmarum“ und „V. ineipiens Teu-
tonicum ante Latinum”. Alle diefe für die erfte Entwidelungsfiufe der neuhochdeutfchen
Sprache wichtigen Vocabularien find ziemlich felten geworden und noch fo wenig unterfucht,
daß wir von ihnen faum etwas mehr al& einige nadte Berfaffernamen Eennen, wie Wenzeslaus
Brad und Sohannes Melber de Geroltöhofen; doc, ſteht eine umfaffende Durchforſchung und
wiffenfehaftliche Ausbeutung derfelben durch Lorenz Diefenbach in Ausficht. Verdienten Ruf
erwarb fich Gherard van ber Schueren's „Teutonista of Buytschlender” (Köln 1477 ; heraus-
geg. von Clignett, Leyden 1804), eine reiche, einſichtige und noch jegt nußbare, aus ber nieder⸗
theinifch-tlevifchen Mundart gefhöpfte Auswahl, welche durch ihr Beifpiel bie alphabetifche
Ordnung für alle folgenden zur Regel machte. Ihm folgte des aus der Schweiz ſtammenden
ſtrasburger Arztes Petrus Dafgpobius (Hafe oder Häslein) „Dictionarium Latino-Germani-
cum et Germanico-Latinum” (Strasb. 1535 und öfter), zwar noch wenig über ben Charakter
eines Schulbuchs hinausgehend, aber ebenfalls frifch aus der elfaffifchen Mundart gezogen und
Aphabetiſch geordnet. Nach des Robert Stephanus „Dictionarium Latinogallicum“ hatte ber
Züricher Joannes Frifius ein,, Dictionarium Latino-Germanicam” ausgearbeitet (Bür. 1541),
welches dann Joſua Maaler (Pictorius), ein züricher Geiftlicher, auf Gesner's Rath in ein
beutfch-Tat. Wörterbuch mit alphabetifcher Folge umgof und mit einem fo reichen, aus der le⸗
bendigen Schweizerſprache gehobenen Schage von Wörtern und Biebenbarten ‚ausflatiee ‚ baf
356 Wortipiel Woskreſensk
als das erſte wirkliche deutſche Wörterbuch gelten darf („Die teutſch Sprach”, Zür. 1561).
beraus fleißig und Iehrreich, nur zu überladen, iſt des augeburger Arztes Georg Henifdy in
einem Foliobande bis zum Buchftaben G gediehenes Wörterbuch („Deutfche Sprach und Weiße
beit“, Augsb. 1616). Ebenfalld reich und recht verbienftlich, bei aller Mangelbaftigkeit in An⸗
ordnung, Etymologie, Worterflärungen und Beifpielen, ift bad Werk Kaspar von Stieler's
(Der deutfchen Sprache Stammbaum und Fortwachs ober deutſcher Sprahfhag. Yon dem
Spaten‘, Nürnb. 1691). Das erfte dem Forfcher noch ganz unentbehrliche gelehrte deutſche
Mörterbuch fchrieb der ebenfo grünbliche als befonnene Friſch („Deutſch⸗lat. Wörterbuch”,
Berl. 1741), nicht mehr aus der Mundart einer befondern Gegend, fondern aus reichen und oft
weit entlegenen Quellen. Ausgezeichnet durch Wortvorrath, umfichtige Entwidelung ber Ber
beutungen und wohlgewählte Belegftellen ift dad Wörterbuch Adelung’s (A Bde., Lpy. 1774
— 80; 2. Aufl., von geringerm wiſſenſchaftlichen Werthe, 5 Bde, Lpz. und Berl. 1795 —
4817), nur leiber beſchränkt auf diejenige Redeweiſe, welche der Verfaffer „verfeinertes ober-
fächf. Hochbeutfch” nannte. Viel tiefer fteht das durch Überladung und übertriebenen Yuris-
mus hart beeinträchtigte deutſche Wörterbuch Campe's (5 Bde. Braunfhw. 1807—11).
Dagegen läßt alle Vorgänger weit hinter fich zurüd das „Deutfche Wörterbuch” der Brüber
Jakob und Wilhelm Grimm (Lpz. 1854 fg.), deſſen Belege in reicher Fülle aus den bedeu⸗
tendern Schriftftellern des geſammten neuhochdeutichen Zeitraums geſchöpft und deffen Erläu-
terungen mit ber umfaffendften und eindringendften Sprachkenntniß abgehandelt find. Ein
nieberdeutfche® Wörterbuch hat Kofegarten zu Greifswald verheifen. Alles, was die goth.
Sprachdentmäler barbieten, haben erfchöpfend verzeichnet und erläutert von ber Babeleng und
Löbe („Bloffarium der goth. Sprache”, Lpz. 1843) und Schulze („Gothiſches Bloffarium“,
Magpdeb. 1848); den althochbeutfchen Zeitraum umſpannt Graff's „Althochdeutfcher Sprach»
Ihag” (7 Bde, Berl. 1854—46), den mittelhochbeutfchen das reiche, auf Grund des Benede'-
(den Nachlaſſes von Wilh. Müller bearbeitete „Mittelhochdeutſche Wörterbuch” (Bd. 1, Lpj.
1854), und unter den zahlreichen mundartlichen Wörterbüchern ift das Bairiſche Wörter⸗
buch“ von Schmeller (A Bde. Stuttg. und Tüb. 182737) unerreicht geblieben. Sonach be-
figen die Deutfchen Wörterbücher, die fich faft über den ganzen Bereich ihrer Sprache, durch
alle Zeiträume, Schriftgattungen und Mundarten derfelben ausbreiten, wie fie kein anderes
Bolt aufmeifen kann; namentlich ftehen die beiden berühmteften Wörterbücher der ital. und
franz. Sprache, das „Vocabolario degli academici della Crusca” und da# „Dictionnaire de
l’Acadömie frangaise” fehr weit hinter den deutfchen Leiftungen zurüd, denn jenes ift eigentlich
nur ein Idiotikon der florentin. Mundart, diefes nicht ein Wörterbuch im oben angegebenen
Sinne, fondern ganz feinem Namen entfprechend nur ein Diclionnaire oder Zeriton ber feinern
Umgangsfprache des sidcle de Louis XIV. Die neue Sprachwiſſenſchaft, für welche alle Epra-
Gen und alle Wörter eine innere Berechtigung haben, fobert nothwendig wirkliche Wörter⸗
bücer, ſolche, die Bolftändigkeit in jeder Beziehung erftreben, und es ift von den Deutſchen auch
bereits für fremde Sprachen in biefem Sinne Treffliches geleiftet worden, wie z. B. durch den
bebräifchen Theſaurus von Geſenius (f.d.), durch Freytag's arab. Wörterbuch u. ſ. w. Ja fo-
gar die wiffenfchaftliche Brundlage für alle küriftige romanische Reritographie ift von deurfcher
Hand meifterlich gelegt worden durch das „Etymologifche Wörterbuch der romaniſchen Spra-
Ken” von Diez (Bonn 1853). Vgl. Vater, „Literatur der Grammatiken, Lexika und Wörter
fammlungen aller Sprachen der Erde” (2. Aufl. gänzlich umgenrbeitet von Jülg, Berl, 1847).
Wortfpiel nennt man in der Rede dieNebeneinanderftellung von Wörtern, die bei Äpnlic-
keit der Lautverhältniſſe verfchiebene, oft ganz entgegengefepte Bedeutung haben, ſodaß biefe
Verbindung eine wigige Pointe enthält. Gin Beifpiel gibt und die Rebe des Kapuziners in
Wallenlein'e Lager von Schiller: „Die Bisthümer find geworden Wüſtthümer, bie Abteien
Raubteien, bie gefegneten deutfchen Länder Elender.” Solche wigige Wortverknüpfungen,
bie ſich oft ganz ungezwungen, namentlich aber in der franz. Sprache barbieten, find um
fo ſchlagender, je weniger es dabei einer Abänderung ber Worte ober eines Zufegend von Prä-
pofitionen, Abverbien u, dgl. bedarf. Doch muß man fich vor zu Häufigem ober affectirtem Ge⸗
brauch und vor Gehaltlofigkeit des Wortfpiels hüten, weil es fonft gänzlich feine humoriſtiſche
Wirkfamkeit verliert und dann abgeſchmackt wird. Es gibt übrigens fehr viele Arten umb
Schattirungen bes Wortfpield und im weitern Sinne gehört auch ber Calembourg (ſ. d.) hierher.
Boskreſensk, eine Stadt des Kreiſes Swenigrod im ruff. Gouvernement und 7 DR. norb-
weſtlich von der Stadt Moskau, links an der Sfira, mit 1100 E., war urfprünglich ein Dorf,
welches der Patriarch Nikon wegen feiner ſchönen Lage für dad Woskreſenskiſche Kloſter
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Wotjaͤken Wouwermaun 357
kaufte, da6 er 1656 nach dem Mane des Heiligen Grabes zu Jerufalem erbauen ließ und das
deshalb, ſowie wegen einiger Ähnlichkeit mit der Umgebung jener Stadt auch Reuferufalem ge
nannt wird. Bei dem Klofter W. war es, wo Peter db. Gr. 20. Juni 1698 durch feinen Gene
tal Bordon die Streligen befiegte. ,
Wotjaken oder Woten, eine der ruff.-finn. Völkerſchaften, die fich felbft Udi, Udmurdi oder
Murdi, d. i. Menſchen, nennen, leben in den Bouvernements Perm, Kaſan und Wiatka, zumal
in dem legtern, wo fie ſich zu beiden Seiten des Wiatkafluſſes angefiedelt Haben und Aderbau
umd Viehzucht treiben. Weil fie wenig mit andern Völkern vermifcht leben, fo ift ihre Sprache,
die zu der finn. Gruppe zähle, auch reiner geblieben. Sie find zum Theil zum Chriſtenthum
und zwar zur griech.-ruff. Religion übergetreten, body findet man noch viele Heiben unter ihnen.
Auch haben felbft die getauften Worjäten viele heidnifche Gebräuche, wie die Opfer u. f. w.,
beibehalten. Ebenſo gilt noch beiihnen die alte Eintheilung nach Stämmen, wonach alsdann ihre
Dörfer benannt werden. Früher ftanden fie, wie die meiften finn. Völterfchaften in jenen Gegen-
den, ımter tatar. Herrfchaft, und damals führten fie ein nomadiſirendes Leben; ihre fefte Nie-
derlaſſung fällt in die Zeit, als fie unter ruff. Botmäßigkeit famen. Ihre Anzaht ift nicht unbe»
beutend: im Kafanfchen leben einige Zaufend, in dem Bouvernement Perm über 20000 und
in Wiatka zwiſchen 30—40000 Worjäken.
Wotton (Henry), mgl. Diplomat und Gelehrter unter Jakob J., wurbe 1568 zu Boughton-
Hal in der Braffchaft Kent geboren. Gr erwarb fich auf der Schule zu Wincheſter und ber
Univerfität zu Opford tüchtige Kenntniffe im Rechte, in ber Mathematik und ben Raturmiffen-
haften und befuchte dann neun Jahre die gelehrten Anſtalten Frankreichs, Deutfchlands und
Stalins. Nach feiner Rückkehr trat er als Secretär in die Dienfte des Grafen von Efler.
Während des Hochverrathöprocefied dieſes Günſtlings der Königin Eliſabeth hielt er es gera-
then, fich zu entfernen. Er ging nach Florenz und fchrieb Hier die erſt nady feinem Tode veröf-
fentlichte Schrift „The state of Christendom”. Dem Könige Jakob VI. von Schottland gab er
Nachricht von einem Morbanfchlag gegen denfelben, wofür er, al6 Jakob ben engl. Thron beftie-
gen, bie Ritterwürbe erhielt. Im 3. 1604 ſchickte ihn der König als engl. Gefandten nad
Venedig. W. entledigte fich feines Auftrags mit großem Geſchick und erhielt nun bie verſchie⸗
denſten Sendungen nad Italien, Deutfchland und Holland. Als er einft burdy Augsburg reifte,
ſchrieb er in da6 Gedenkbuch eines Freundes zum Scherz bie Worte: „Ein Gefandter ift ein
rechtichaffener Mann; er wird ins Ausland gefchidt, um für das Wohl feines Landes zu lü⸗
gen.” Ginige Jahre fpäter fiel diefe Schrift dem Scioppius, einem ber heftigften Feinde Ja-
kob's, in die Hände, der nicht ermangelte, diefe Sentenz als ben Grunbfag des Königs zu be⸗
zeichnen. Jakob erfuhr dies und glaubte in der That, ZB. habe ihn durch diefe Worte charakte-
rifiren wollen. Wiewol W. den Scherz aufzuklären fuchte, entzog Ihm doch der argwöhniſche
Monarch feine Gunft. Im I. 1623 wurde W. zum Vorſteher der Schule zu Eton ernannt.
Er widmete ſich fortan ausſchließend den Wiſſenſchaften und ber Leitung ber Anftalt, die unter
ihm emporblühte. Auf Karl’s 1. Wunfch begann er eine Gefchichte Englands zu fchreiben, die
jedoch nicht weit gebich. W. ftarb zu Eton 1639. Außer Gelehrſamkeit befaß er auch viel
Big und Phantafie. Seine Schriften, unter denen ſich ein Lehrbuch der Baukunſt befindet,
find gänzlich vergefien. Eine Sammlung feiner Poeſien, Briefe und Charakterbilder erfchien
unter dem Zitel „Reliquiae Wottonianae” (Lond. 1651 ; mit Biographie 1685).
Wouwerman (Philipp), ein berühmter Pferde und Schlachtenmaler ber niedtrl. Schule,
geb. 1620 zu Harlem, lernte zuerft bei feinem Bater, Paul W., dann bei feinem Landsmann,
Joh. Wynantd. Er arbeitete, da er eine zahlreiche Familie zu ernähren hatte, viel und gut,
erhielt aber wenig für feine Arbeit ; defto mehr bereicherten fich die Kunſthändler durch Verkauf
feiner Werke ins Ausland. W. malte Landfchaften, Jagdzüge, Pferbemärkte, Reiterſchar⸗
mügel, Sifchereien u. ſ. w. und pflegte in feinen Gemälden gern Pferde anzubringen, unter
welchen ſich zuweilen ein weißes auszeichnet. Der Krieg, ber damals in den Niederlanden ge
führt wurde, fcheint zu einigen feiner Gemälde die Ideen gegeben zu haben. Alle diefe Dat»
flelungen find mit einer Freiheit, Leichtigkeit und Naturtreue ausgeführt, welche kaum je über
troffen worden. In W.es vornehmen Jagdgefellfchaften iſt Anftand und Sitte auf bat feinfte
bezeichnet; die Schlachten find voll gewaltiger Bewegung und Leidenſchaft; bie Räuber- und
Buhrmannöfcenen hat er der Natur abgelaufeht; vor allem aber ift der Mittelpuntt feiner Bil-
ber, dad Pferd, in allen Momenten feines Dafeins mit feither faum je erreichter Schönheit und
Wahrheit dargeftellt. Das Ganze verbindet meift ein duftiger landſchaftlicher Hintergrund,
welcher W. zugleich als einen der größten Landſchaftsmaler offenbart. Die Harmonie bes Tons
358 Wrack Wrangel (Karl Guſtav, Graf von)
endlich, weiche alle diefe Bilder bezeichnet, ift für W. faft fprte wörtlich geworben. Viele feiner
Gemälde find von guten Meiftern in Kupfer geflochen worden, fo von I. Moyreau in den „Oeu-
vres de Phil. W. d’apr&s ses meilleurs tableaux” (Par. 1737). Die tönigl. Galerie zu Dres»
den befigt den größten Schag in der Menge meift vorzüglicher Gemälde von ihm. In dem franz.
Mufeun: befindet fic ebenfalls eine große Anzahl; auch enthalten einige derfelben die Galerien
zu München, Wien und Pommersfelden. Das königl. Mufeum im Haag befigt von ihm eine
Schlacht, das umfangreichfte Bild dieſes Meifters. Er farb 1668. Nach feinem Tode ftiegen
feine Arbeiten zu einem fehr hoben Preife, indem ber Kurfürft von Baiern, Marimilian
Maria, Gouverneur der Niederlande, fie eifrig auffuchen und kaufen ließ. Seine Zeichnun-
gen find außerordentlich felten, nicht etwa deshalb, weil er Leine Zeit auf Vorſtudien ver-
wendet hätte, fondern meil ex fie vor feinen Tode verbrannte, um feinen Kindern die Luft zu
benehmen, Maler zu werden. Auch fol W. einige Blätter in Kupfer geägt haben, die aber
außerft felten find. Das vollftändigfte Verzeichnif feiner Gemälde befindet fich in Smith's „Ca-
talogue raisonn&“ (Bd. 1, Lond. 1829). Bgl. Kaͤmmerer, „Über die Compofition in Phil.
W.'s Gemälden u. ſ. w.“ (Rpz. 1789). Unter den Nachahmern W.'s, Bet. und Joh. W., ſei⸗
nen Brüdern, I. van Breda, B. Gaal, Querfurt, 3. van Huchtenburg und Karl Falens, find
der erfle und bie beiden fegtern Die bedeutenpften.
Wrack heißt in ber Schifferfprache der Körper eines gefcheiterten oder fonft untauglich ge»
. wordenen Schiffs, überhaupt Alles, was das Meer von verunglüdten Schiffen an das Üfer
treibt. Das Necht ber Küſtenbewohner, fi Deffen, was das Meer ans Land wirft, zu be
mächtigen, heißt Strandrecht (ſ. d.).
Wrangel (Karl Guſtav, Graf von), ſchwed. Feldmarſchall, geb. 1613 auf dem Gute Sko⸗
kloſter, ftammte aus einer alten berühmten fchweb. Familie. Sein Vater, Hermann W., war
ſchwed. Reichſsrath und Feldmarfchall und flarb 1644 als Generalgouverneur von Livland.
Der Sohn trat zeitig in Kriegsdienfte und Iernte in der Schule Guſtav Adolf's, deffen Feld⸗
zügen in Deutfchland er beimohnte. Nach des Könige Tode diente er unter Bernhard von
Sachſen⸗Weimar und Baner. Als ber Letztere 1641 ftarb, gehörte W. als Generalmajor zu
Denen, welche das ſchwed. Heer unter fehr mislichen Umftänden bis zur Ankunft des neuen
Oberbefehlshaber Torftenfon befehligten. Unter Korftenfon machte er den Feldzug in Deutfii
land und begleitete dieſen 1643 auf dem Zugenad) Holftein. Nach dem Tode ded Admirals Claas
Flemming erhielt W. den Oberbefehl über die ſchwed. Klotte, mit welcher es ihm gelang, die
bän. Slotte 13. Det. bei ber Infel Femern zu fchlagen. Nachher befehligte er ein Meines Corps
in Holftein und Schledwig gegen bie Dänen mit Glück, bis der Kriede zu Brömfebro 23. Aug.
4645 diefen Krieg endigte. Sobann ging er wieder nach Deutfchland, wo ihm und Könige-
mark, als Zorftenfon 1646 erkrankte, der Oberbefehl übertragen wurde. Bald nachher ver-
einigte er ſich mit der franz. Armee unter Zurenne, und gemeinfchaftlich zwangen fie nun den
Kurfürften von Baiern, den Waffenftilfftand zu Ulm 14. März 1647 einzugehen. Einige Zeit
nachher wendete ex ſich nach Franken und von ba nach Böhmen, wo er Eger eroberte. Als die
ſchwed. und franz. Armee ſich getrennt, trat zwar ber Kurfürft von Baiern von dem geſchloſſe⸗
nen Waffenſtillſtande zurüd, aber beide Heere vereinigten fich von neuem und ſchlugen 17. Mai
41648 Wei Zusmarshaufen unweit Augsburg das vereinte kaiſerl. und bair. Heer mit großem
Verluſte. WB. befegte hierauf Baiern und behandelte es fehr hart, bis endlich der Weſtfäliſche
Friede den Unternehmungen der Schweden in Deutfchland ein Ziel fegte. W. ging nun nach
Schweden zurüd und verlebte einige Jahre in Frieden. Als Karl Guſtav den ſchwed. Thron
beftiegen, begleitete IB. diefen 1655 auf dem Zuge nach Polen und wohnte der dreitägigen
Schlacht Hei Warſchau (18.— 20. Juli 1656) bei. In dem darauf folgenden Kriege Schwe⸗
dens mit Dänemark belagerte ex die Feſtung Kronburg, bie ſich ihm nach 21 Zagen, 6. Sept.
4658, ergab. Hierauf wurbe ihm der Oberbefehl über die ſchwed. Flotte übertragen, bie Kopen⸗
bagen angreifen follte; allein diefes Unternehmen misglückte, weil bie Dänen Zeit gehabt, die
Hauptſtadt in Vertheidigungszuftand zu fegen, und eine hol. Flotte zum Entfag ankam. Unge⸗
achtet des Vortheils, ben IB. über die legtere 29. Det. 1658 erhielt, mußte body der Angriff auf
Kopenhagen aufgegeben werben. Im folgenden Jahre vereitelte er dagegen die von ben Dänen
auf der Infel Fünen verfuchte Landung. Als Ludwig XIV. 1674 einen Krieg gegen bad Deut-
[che Reich begann, trat Schweben auf die Seite Frankreich und griff im November unerwar-
tet die Staaten des Kurfürften von Brandenburg an, der auf biefen Angriff nicht vorbereitet
war und mit feiner ganzen Macht gegen die Franzoſen am Rhein fland. W. befehligte das
16000 Mann ſtarke fchwed. Heer, welches in das Brandenburgifche einfiel; doch erkrankte er
Wrangel (Eriedr. Heine. Ernft, Freiherr von) Wrangell 380
fehr bald. &o konnten ber unvermuthet zum Schuge feiner Staaten zurückgekehrte Kurfürft
Friedrich Wilhelm und der Feldmarſchall Derfflinger durch bie Siege bei Rathenow und Fehr»
bellin die Schweden vollftändig zur Räumung des Landes zwingen. W. legte hierauf feine
Stelle wegen Alters und Krankheit nieder und flarb 1675. Kür feine frühern Siege war er
4645 in ben Grafenftanb erhoben worden.
Wrangel (Friedr. Hein. Ernſt, Freiherr von), preuß. General der Gavalerie, geb. 15. April
4784 zu Stettin, trat 1796 in ein Dragonerregiment und wurde fchon 1798, 14 3. alt, zum
Lieutenant befördert. Das Regiment, 1806, erft nach der Schlacht von Jena mobil gemacht,
nahm an dem Feldzuge von 1807 Theil und W. zeichnete ſich bei Heilöberg aus, wofür er den
Orden pour le merite erhielt. Nach bem Frieden von Tilfit wurden aus der achten Escadron
bed Negimentd zmei neue Negimenter gebildet und W. blieb bei dem einen, nun das oſtpreuß.
Küraffierregiment, in welchem er 1811 Nittmeifter und Escadrondyef wurde und 1812 mit
nah Schleſien abrüdte. Beim Ausbruch ded Kriegs 1815 mit ben übrigen Küraffieren zur
Reſervecavalerie beftimmt, nahm das Regiment rühmlichen Antheil an den Schlachten und
Gefechten von Sroßgörfchen, Hainau, Kiebertwolkwig umd Leipzig. ZB. zeichnete ſich beſonders
bei Sroßgörfchen aus und wurde bafür zum Major befördert. Im J. 1814 wohnte er am
fangs der Einſchließung von Luxemburg, dann aber ben Gefechten im Februar bei, wo er
auf dem Rückzug nad Etoges dad Regiment vortrefflid, führte, auch fpäter bei Laon und
Sezanne, fodaß er im April 1814 zum Oberftlieutenant und Commandeur des zweiten weſt⸗
preuß. Dragonerregiments ernannt wurde. Am Feldzuge von 1815 nahm baffelbe nicht
Theil. W. avancirte noch 4815 zum Oberſten, 1824 erhielt er dad Kommando der zehnten
Gavaleriebrigade, wurde 1823 Generalmajor und 1834 Kommandeur der 13. Divifton in
Münſter. Dier bämpfte er 1837 emergifch die Unruhen, welche bie Wirren mit dem Erz⸗
bifchofe von Köln erzeugt hatten. Im J. 1838 wurde er zum Generallieutenant und 1839
zum commandirenden General des erften Armeecorps in Königsberg ernannt. Misverhältniffe
bewirkten es, daß er 1842 das Generalcommanbo bes zweiten Armeecorps in Stettin erhielt.
Im Herbft 1842 leitete er bie Übungen bed zufammengezogenen Cavaleriecorps von 56 Es⸗
cabrond und 32 Gefchügen bei Berlin, dab dem Kaifer von Rußland vorgeführt wurde. Im
3. 1845 ernannte ihn der König nach der Revue feines Corps zum Chef bes dritten Küraffier-
tegiments. Im beutfch «dänischen Kriege von 1848 erhielt IR. im April das Obercommando
der preuß. und Bunbeötruppen in Schleswig-Bolftein, das er am 21. übernahm. Er fiegte
25. April bei Schleswig und brang in Zütland ein. Uber ſchon 8. Sept. legte er den Ober«
befehl nieder, um den in den Marken zu übernehmen. Am 9. Nov. rückte er mit ben bei Berlin
verfommelten Truppen in bie Hauptſtadt ein, verhängte ben Belagerungszuftand und ftellte bie
Autorität der Regierung wieder her. (S. Preußen.) Zum General der Gavalerie ernannt,
wurde ihm 1849 zum Obercommando in ben Marken noch ſpeciell das Generalcommando des
dritten Armeecorps übertragen.
Wrangell (Ferd. Baron von), ruff. Biceadmiral, einer der berühmteften Seefahrer der
neueren Zeit, flammt aus einer altadeligen Familie Efthlands, wo er um 1795 geboren wurde.
Beine erfle Erziehung erbielt er im Seecadettencorps in Petersburg, machte dann als
Midfhipman einige Übungsfahrten mit und wurde 1817 durch Kruſenſtern's Vermittelung der
Seemannfchaft ber Kriegäfloop Kamtſchatka beigeordnet, welche unter den Befehlen des Ca⸗
pitänd Golownin eine Reife um die Welt antrat, um einerfeits die ruſſ. amerik. Golonien zu
revidiren, andererfeit# im Beringsmeere hydrographiſche Arbeiten anzuflelen. An diefen
nahm der junge W. den thätigften Antheil, und dem Eifer, mit dem er die gewonnenen Reſul⸗
tate nach feiner Rückkehr im Sept. 1819 den Belchrten Rußlands mittheilte, verdankt er eb,
daß ihm bereit6 im folgenden Jahre jene Eppebition aufgetragen wurde, die ben Hauptruhm
feines Lebens bildet. Die Entdedungsreifen der Ruſſen in den nördlichen Meeren hatten näm-
lich noch manches Problem ungelöft, manche Küftnaufnahme und Ortsbeflimmung unvollen-
bet gelaffen, und namentlich war bie Lage des Capé Schelagin noch umermittelt. Die genaue
Drtöbeftimmung jenes Vorgebirg& wurde nun W., ber damals noch Flottenlieutenant war,
übertragen, während er gleichzeitig bie Küfte oflwärts vom Gap Echelugin bie zur Berings⸗
flraße, die Gruppe ber Bäreninfeln, die Mündungen ber Kolyma und die dort nach Welten ſich
hinziehende Küfte aufnehmen und durch Fahrten auf dem Eife des Polarmeers bie auf Über
heferungen der Uferbewohner der Jana, Indigirka und Kolyma beruhende Meinung von dem
Borhandenfein eines großen Landes im Norden des Eismeers unterfuchen follte. Am 2. Nov.
1820 langte W. aus Petersburg in Niſchne⸗Kolymsk an, drang zu Anfang des folgenden
860 Branigfi
Jahres auf Hunbdefchlitten nach dem Cap Schelagin vor, unterfuchte die Bäreninfeln und fuhr
im Sommer den Fluß Kolgma aufwärts in das Land der mittelkolymſchen Jakuten, während
ber Midfhipman Matfufchkin und der Doctor Kyber eine Reife zum Großen und Kleinen Anüj
ausführten und der Steuermann Kosmin bie Seeküſte aufnahm. Am 10. März 1822 erneuerte
W. mit Matjuſchkin und Kosmin die Fahrt auf dem Eife des Meeres und gelangte nach einer
Abtägigen Reiſe bis zu 72° 2’ n. Br., ohne irgendivo eine Spur vom Lande anzutreffen. Die
Sommermonate dieſes Jahres brachte er mis der Aufnahme der Seeküfte an der Mündung des
Kolyma und der Erforſchung des Landes ber Tſchuktſchen zu, worauf er im Febr. 1823 eine
neue Erpedition über dad Eis gerade nah Norden antrat. Bis zu einer offenen Stelle des
Meeres gelommen, überzeugte er ſich von der Unmöglichkeit einer weitern Fahrt und kehrte
daher von diefer Stelle, unter 70° 51’n. Br. und 175° 27° 0. 8., zurüd. Am 1. Nov. 1823
. verließ W. enblih Niſchne⸗Kolymsk und traf 15. Yug. 1824 wieber in Petersburg ein.
Seine auf diefer Reife angeftellten „Phyſikaliſchen Beobachtungen” wurden von Parrot (Berl.
4827) herausgegeben, benen die ausführliche Meifebefchreibung in ruff. Sprache erft viel fpäter
‘ folgte („Puteschestwie po sjewernym beregam Sibiri i po Ledowitomn Morju”, 2 Bbe.,
Detersb. 1841), nachdem bereits eine von Engelhardt nach den handſchriftlichen Journalen des
Verfaſſers bearbeitete beutfche Ausgabe („Reife längs der Nordküſte von Sibirien und auf dem
Eismeere in den 3. 1820— 24”, 2 Bde. Berl. 1839) erfchienen war. Inzmwifchen unternahm
W. als Sapitänlieutenant und Befehlshaber ber Kriegsfloop Krotkoi 1825 eine abermalige
Meife um die Zelt, von ber er 1827 nad Kronftadt zurüdkehrte, und wurde alddann zum
Gouverneur ber ruff. Colonien an ber Nordweſtküſte von Amerika ernannt, wohin er 1829
in Begleitung feiner Gattin über Sibirien und Kamtſchatka abging. Auf feinem neuen often,
den er fünf Jahre verwaltete, ftiftete er viel Gutes, z. B. durch Beförderung des Kartoffelbaus,
und fammelte auch höchſt [hägbare geographifche und ethnographifche Notizen über jene noch
fo wenig erforfchten Regionen, die zum Theil in ben „Nachrichten über die ruff. Befigungen an
ber Rorbweftküfte Amerikas” (Petersb. 1859) enthalten find. Seine Rückreiſe, die er über den
Iſthmus von Panama und bie Vereinigten Staaten bewerkftelligte, befchrieb er in „Otscherk puti
is Sitchi w' S.-Peterburg” (Peter&b. 1836). Zum Eontreabmiral erhoben, ftand er hierauf län»
gere eit an der Spige bed Departements ber Marinewaldungen im ruff. Seeminifterium und
ward 1847 Viceabmiral. Nachdem er ſich 1849 aus dem Staatsdienft zurüdgezogen, über-
nahm er dad Amt eines Directors der ruff.amerit. Hanbeldcompagnie. — Außerdem haben
fih in ruff. Militärdienſten mehre Mitglieder der Familie W. ausgezeichnet. Der General-
lieutenant Baron Karl Karlowitſch W. focht ale Oberft im Polnifchen Kriege, dann als Ge-
neral im Kaukaſus und wurbe Chef der 21. Infanteriedivifion. Im Feldzuge von 1854 erhielt
er ben Befehl eine eigenen, an der erimanfchen Grenze aufgeftellten Corps, ſchlug 29. Juli
Selim-Pafcha bei Karabulat und befegte die Feftung Baſaſid. Der Generalfieutenant Baron
Karl Egorowitſch W. ift Chef der erften Divifion des Dragonercorps. Der Generalmajor
Baron Hlerander von W. commanbdirt den linken Flügel ber kauk. Linie, wo er 1854 gegen
emyl einen harten Stand hatte.
ranitzki (Paul), Componiſt, geb. 1756 zu Neureufch in Mähren, kam 1776, um feine
theologifchen Stubien zu vollenden, nach Wien, wandte ſich aber hier ganz ber Muſik zu. Mit
Hülfe des Kapellmeiftere Kraus eriwarb er ſich dienöthigen theoretifchen Kennmiffe, während
Unterrichtertheilen und Aushülfe im Orchefter ihm den bürftigen Unterhalt gewährten. Bald
trat er als Componiſt mit folchem Erfolge auf, daß er 1785 als Orchefterdirector beim Hof-
theater angeftelle wurbe. Er fchrieb nun die Opern „Der dreifache Liebhaber”, „Die Poſiſta
tion”, „Mercure“, „Der Heirathöftifter”, „Die gute Butter“, „Das Feſt ber Layzaroni”,
„Oberon“ und viele Ballete: Tonfchöpfungen, welche lange auf den meiften deutſchen Thea⸗
tern beliebt waren. Befonders fein „Oberon” hatte glänzende Erfolge und blieb auf dem Re⸗
pertoite, bis er von Weber'ſchen verdrängt wurde. W.'s Mufit if reich an feelenvollen, ſchö⸗
nen Melodien und wahrhafter Harmonie. Doc ftand er hinfichtlich der Handhabung ber
Mufit am Schluffe einer Epoche und konnte dem gewaltigen Schwunge Mozart’s und Beetho-
ven's nicht folgen, ſodaß feine Schöpfungen fehneller verſchwanden, als fie ed verdienten. Er
ftarb 28. Sept. 1808. — Seine Tochter, Karoline, geb. 1790 zu Wien, betrat das Hofopern⸗
theater zu Wien, verließ jedoch daffelbe bald wieder und wirkte dann einige Jahre an ben Thea⸗
tern zu Presburg, Peſth, Lemberg u. f. w. Im J. 1815 am fie auf einer Gaftfpielreife nad
Berlin, wo fie mit folcher Auszeichnung fang, daß fie fofort angeftellt wurbe und diefe Hof
bühne nicht mehr verließ. Faſt ein Biertelfahrhundert wirkte fie hier ehrenvoll, nach ihrer
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Brarall Brede 301
Bermählung unter dem Namen Selbdler⸗Wranitzki, und zwar fpäter in ältern Dpernpartien.
Sie beſaß alle Eigenfchaften, welche zu einer bedeutenden Sängerin machen konnen, eine volle
und umfangreiche Stimme, tüchtige mufikalifche Bildimg, einen trefflihen Vortrag, feltene
Fertigkeit und eine reizende Perfönlichkeit. Nur Darftellungstalent war Ihr in geringerm Grade
zu Theil geworden. — Bedeutender ald Sängerin war Katharina, die zweite Tochter des
Dbengenannten, geb. zu Wien 27 Aug. 1801. Sie betrar nad) forgfältiger Ausbildung unter
Salieri die Bühne 1828 und war drei Jahre Mitglied des Hofoperntheaters. Dann gaflirte
fie auf den meiften Bühnen von Bebeutung, unter andern auch in Leipzig, mo fie für das Ge⸗
wandbausconcert gewonnen wurde. Nach mehrfachen Kunftreifen und nachdem fie mehre Jahre
in Hamburg angeftellt war, kehrte fie 1850 nach Wien zurüd, wo fie ſich mit dem Cabinets⸗
kurier Kraus vermählte und feitdem den Namen Kraus⸗Wranitzki führt. An Stimme und
Bildung ebenfo ausgezeichnet als ihre Schwefter, aber minder mit Körperfhönheit begabt,
übertraf fie diefelbe bei weitem als Darftellerin. Die Wahrheit, Tiefe und das Feuer ihrer Lei⸗
flungen, befonder& in Partien der Gluck'ſchen Opern, erinnerten an die großartigen Schöpfun⸗
gen einer Sophie Schröder, die wahrſcheinlich ihr Mufter und Vorbild war. Der deutfche Ge⸗
fang war die ausfchließliche Sphäre ihres Wirkens.
Wraxall (Sir Rathaniel William), engl. Gefchichtfchreiber, geb. 1751 zu Briftol, kam
1769 in den Dienft der Oſtindiſchen Gefellfchaft nad Bombay, wo er bi 1772 blieb. Er be
ſuchte dann das europ. Keftland, indem er von Lappland bis Portugal faft Fein Land überging;
und gab nach feiner Rückkehr „A voyage round Ihe Baltic” (1775) heraus. Bald danach folg-
ten feine „Befchichte der Könige Frankreichs aus den Haufe Valois“ (2Bde., 1777) und „Bes
ſchichte Heinrich's III. und IV. von Frankreich” (3 Bde., 1777). Im 3. 1780 kam er ins Par⸗
lament, wo er fich meift zu Pitt's Partei hielt. Im 3. 1799 gab er „Memoirs of the courts of
Berlin, Dresden, Warsaw and Vienna” heraus und 1818 „Memoirs of hisown time” (2 Bde.).
Eine in biefem Buche vom Grafen von Woronzow, bem bamaligen ruff. Gefandten in London,
erzählte Gefchichte führte zum Proceß bes Brafen gegen IB. und zog biefem eine @eldftrafe .
und ſechs Monate Gefängniß zu. Zum Baronet wurde W. 1813 erhoben. Er farb 1831.
Eine Ergänzung zu feinen Memoiren erfchien nach feinem Zode unter dem Titel „Posthumous
re@ords of his own time, including original anecdotes of the most distinguished political
and other personages in (he lalter part of the reign of George 111,” (3 Bde., Lond. 18336).
Brbna und Freudenthal (Rud., Graf), öfte. Staatemann, aus altem ſchleſ. Geſchlechte,
das 1642 die Grafenwürde erhielt, wurde 1761 zu Bien geboren. Er ftudirte zu Wien Phi⸗
loſophie und die Rechte, fowie auf ber Bergakademie zu Schemnig die Bergwiffenfchaften und
machte hierauf mehre bergmännifche Reifen. Nachdem er 1785 ald Hoffecretär feine Laufbahn
begonnen, flieg er bald von Stufe zu Stufe, wurde 1801 Vicepräfident der Hoflammer im
Münz- und Bergwefen und leitete als folcher mit Erfolg den gefammten öftr. Bergbau. Als in
Folge der franz. Invaſion 1805 Kaifer und Regierung Wien verließen, wurde W. Hofcom-
miſſar und leiftete in diefer Stelle durch fein Auftreten gegen die franz. Behörden dem Staate
große Dienfte. Nach bem Frieden von Presburg zum Oberſtkämmerer und Chef des Geh. Ea-
binets ernannt, befand er fich ſtets um die Perfon des Kaiſers. Trotz ber Umfänglichkeit eines
ſolchen Dienftes nahm er an den Fortſchritten der Wiſſenſchaften und Künfte den Tebhafteften
Antheil und war theild Mitbegründer, theild Beförderer mehrer vaterländifcher Bildungsan-
flalten. In feiner Eigenſchaft als Chef des Beh. Cabinets hatte IB. auch beim Kaiſer den Vor-
trag in Gnadenſachen und wendete unzähligen Menfchen Gutes zu. Er ftarb, als Menſch und
Beamter tief betrauert, 30. Jan. 1823.
Wrede (Karl Phil. Fürft), bair. Reichsrath und Feldmarſchall, geb. 29. April 1767 zu
Heidelberg, machte dafelbft feine furidifchen Studien und widmete fich zugleich der Forſtwiſſen⸗
haft. Er wurde zuerſt Hofgerichtsrath in Manheim, 1792 Affeffor beim Oberamte Heibel-
berg und im Kriege Oftreich® mit Frankreich pfälz. Landescommi ſſar bei dein öfte. Corps unter
Hohenlohe. Bon 1793— 98 begleitete er als Oberlandescommiffar die öftr. Heere unter Wurm⸗
fer, dem Herzog Albert und dem Erzherzog Karl, wobel er fich die erſte praßtifche Kriegserfah⸗
rung erwarb. Einer Oberforftmeifterftelle, die er gekauft, entfagte er, als er 1799 den Auftrag
erhielt, für den Erzherzog ein kurpfalzbair. Corps zu bilden, das er nebſt zwei öſtr. Divifionen
zuerft 14. Oct. bei Friedrichöfeld am Nedar auf den Kampfplatz führte. Zum Oberſt befördert,
nahm er an mehren andern Gefechten und Schlachten in den Feldzügen von 1799 und 1800
Theil. Nachdem er 1800 Generalmajor geworden, deckte er in dem Feldzuge dieſes Jahres ben
Nückzug der Öftreicher und fämpfte dann in der Schlacht bei Hohenlinden. Rad) dem Frieden
362 Wren
arbeitete er mit an der neuen Geſtaltung des bair. Heeres. Er wurde 1804 Generallieutenant
und erhielt 1805 an des verwundeten Generals Deroy Stelle ben Oberbefehl über das im Felde
fiehende bair. Deer. Bon biefer Zeit an begann feine glänzende militärifche Laufbahn. Der
Priegerifche Sinn, ber fi dem bair. Heere durch die Verbindung mit dem franzgofifchen mit
theilte, fagte feinem lebendigen Beifte zu, und ber Feldzug von 1805 gab ihm vielfache Gelegen-
heit zur Auszeichnung. Im J. 1807 befehligte er in Polen und 1809 die zweite Divifion des
beit. Heeres, mit welcher er an ben Siegen bei Abensberg und Landshut einen nicht geringen
Antheil hatte. Er verfolgte ben Feind über die Ifar, rettete in dem Zreffen bei Neumarkt dat
von Hiller ſchon gefchlagene Heer Beſſieres', eroberte Salzburg, brach in Verbindung mit den
andern bair. Heerführern in Zirol ein und befegte nach wenigen Tagen Innsbruck. Als man
Zirols Unterwerfung für vollendet hielt, zog er in Eilmärfchen über Salzburg und Linz bem
Kriegsfchauplage zu, wo er burch fein pünftliches Eintreffen in der Schlacht bei Wagram ben
Ausfchlag gab. Er trieb den Feind bis Znaim und kam nach abgefchloffenem Waffenftillftande
nach Salzburg zurüd. Die in Tirol von neuem audgebrochenen Unruhen nöthigten ihn, feine
Truppen noch ein mal in biefe Gebirge zu führen. Nach bem Frieden ernannte ihn Napoleon
zum franz. Reichögrafen und botirte ihn im Innviertel mit Mondfee, Engelhardszell u. f. w.
Zum General der Cavalerie ernannt, führte er mit Deroy 1812 die Baiern nach Rußland. Er
focht in der Schlacht bei Polock und übernahm, ald beim Vorbringen Wittgenflein’6 Deroy
fiel, den Oberbefehl auch über das Fußvolk, deckte hierauf bie Flucht des aufgelöften franz. Hee⸗
res und führte 6. Dec. den Reſt feines Corps bei Danufchen über die zugefrorene Wilia. Nach-
ben er 1843 mit dem neugebildeten bair. Deere an dem Inn lange den Öftreichern gegenüber
geftanden, ſchloß er 8. Det. ben Vertrag von Ried, zufolge deffen fih Baiern ben Verbündeten
anfchloß. Er übernahm hierauf ben Oberbefehl über das vereinigte bair.-öflr. Heer und führte
baffelbe rafch vom Inn an den Main. W. hatte Würzburg erobert und Frankfurt befegen laſ⸗
fen, ald Napoleon mit feinem Deere aufdem Rüdzuge aus Sachfen bei Hanau ankam. Hier
lieferte er bemfelben 30. und 31. Det. eine blutige Schlacht (f. Hanau), in welcher er ſelbſt
ſchwer verwundet wurbe. Nach feiner Wiederherſtellung eilte IB. nach Frankreich, wo er das
fünfte Armeecorps befehligte, nahm Theil an der Schlacht bei Brienne 1. Kebr. 1814 und er-
oberte hier 25 Kanonen. Er ſchlug Marmont bei Rosny, drängte Dubinot bei Donnemarie
zurüd, deckte 18. Febr. den Rückzug des großen Heeres von Troyes, entfchied dann den Sieg
bei Bar-fur-Aube und trug zu dem bei Arcis-fur-Aube 21. März viel bei. Unterbeffen hatte
ihn ber König von Baiern 7. März 1814 zum Keldmarfchall und 9. Zuni in den Fürftenftand
erhoben und verlieh ihm auch, befonders als Belohnung für den 3. Juni 1814 zu Paris mit
dem Fürften Metternich abgefchloffenen, für Batern fo günftigen Rändertaufchvertrag mit Oſt⸗
reich, 24. Mai 1814 das im Nordgau liegende Ellingen ald ein nach der Erfigeburt erbliches
Fürſtenthum und Thron- und Mannlehn unter bair. Hoheit. Auch auf dem Eongrefie in Wien
wirkte er ald Diplomat für das bair. Interefie. Bei dem Wiederausbruche des Kriegs 1815
brang er an der Spige des bair. Heeres in Rothringen ein und ging 23. Juni über die Saar.
Die Ereigniffe in den Niederlanden öffneten ihm ben Weg ind Herz von Frankreich. Nach Be-
endigung des Kriegs kehrte er nach Baiern zurüd und nahm nun al Neichsrath an den Ber-
handlungen des erſten Landtags in Baiern 1819 Antheil. Dann wurde er mit mehren wichti-
gen Sendungen beauftragt und 1. Det. 1822 als Generaliffimus an die Spige bes bair. Heereb
geftellt. In Folge der Unruhen in Rheinbaiern 1832 ald Hofeommiffar dahin entfendet, wußte
er duch umfichtiges Benehmen die Aufregung zu befänftigen. Er ftarb 12. Dec. 1858 zu
Ellingen. — Unter feinen Söhnen war Eugen, geb. 4. März 1806, geft. 1. Mai 1845, ber
als Regierungspräfident in der Pfalz fich viele Verdienfte erwarb, dann vom Minifterium Abel
als Präfident zum Appellationdgericht in Oberfranken verfegt ward, ber hervorragendfie. Der
Chef des Haufes ift der ältefte Sohn des Marſchalls, Karl Theodor, Fürſt W., geb. 8. Ian.
4797, erblicher Reis - und Staatsrath in außerordentlihen Dienften. Er ift durch die Op-
pofition, die er 1846 in der Kammer ber Reicheräthe dem Minifterium Abel machte, bekannt
geworben und ward dann 1848 als Candidat eines Wiberftandsminifteriums genannt, das
jeboch nicht in Wirkſamkeit trat.
ren (Sir Ehriftopher), engl. Baumeifter, geb. 1632 zu Eafl-Knoyle in Wiltfhire, wo
fein Bater Pfarrer war, entfaltete ſchon auf der Schufe zu Weftminfter große Anlagen. In
Drford zeichnete er ſich namentlich durch große Fortfchritte in den mathematifchen Wiſſenſchaf ⸗
ten aus. Er wurbe 1652 Lehrer der Aſtronomie im Gresham-Eollege in London, vertauſchte
aber diefe Stelle 1661 mit dem Lehrſtuhl der Afttonomie in Orforb und zeichnete fich ſeitdem
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durch Arbeiten in allen Theilen ber Mathematik fee aus. Als Mitglied
ber koͤnigl. Geſellſchaft nahm er an den wiſſenſchaftlithen Beftrebumgen berfelden den thätigften
Antheil. Die Vollendung des Baus der Peterskirche unter Bernini's Aufficht war zu fener
Zeit ein Gegenftand allgemeiner Aufmerkſamkeit und fcheint bazu beigetragen au haben, Wee
Beiftesträfte in das Gebiet zu führen, wo er feinen Ruhm finden follte. Der Tod feines Vor⸗
gängers Inigo Jones bahnte ihm den Weg. Sein erſtes Werk war das prächtige Sheldonthen-
ter in Orford 1665. Nicht Lange nachher erbaute er das Pembrokecollegium in Cambridge.
Doch wurde er ungeachtet diefer Thätigkeit den Wiſſenſchaften nicht untreu. Im 3. 1665 reifte
er nach Frankreich, wo die unter Ludwig XIV. errichteten Bauwerke, beſonders dad Louvre, für
ihn eine Iehrreiche Schule wurden. Der große Brand in London 1666 öffnete feinem Beifte ein
neues Feld. Sein Plan zu einer neuen Stadt fand vor allen andern Entwürfen Befall; doch
kam er nicht zur Ausführung. Nach feinen Entwürfen wurde die Paulskirche 1676— 1710
aufgeführt. Überhaupt zählt man über 60 Kirchen und öffentliche Gebäude, die na W.'s Plan
unb unter feiner Aufficht von 1668 an, wo er Oberauffeher aller königl. Bauten war, vollendet
wurden. Das neuere London verdankt ihm mwefentlich feine jegige Phyfiognemie. Freilich iſt e6
Bein vorzüglicher Stil, welcher feine Werke kenntlich macht; denn feine gerühmte Einfachheit
befteht Hauptfächlich in der kahlen Keblofigkeit der Formen und in einem ziemlich bürftigen De⸗
teil. Seinen Kirchen fehlt die höhere Würde des kirchlichen Charakters, feinen Paläften die
Driginalität, allen feinen Bauten aber die malerifche Wirkung, welche einer gewiffen Formen⸗
fülle bedarf. Do war IR. ald Techniker bedeutend. Durch Hofränte murbe W. 1718 ver-
brängt. Seitdem lebte er abgefchieden und den Wiffenichaften ergeben in feinem Haufe zu
Hamptoncourt und fam nur zuweilen nach London, um über die Ausbeſſerung der Weftminfter-
abtei die Aufficht zu führen. Er ftarb 1723 und wurbe in der Paulskirche begraben. Seine
nachgelaffenen Werke und Zeichnungen wurden von feinem Sohne herausgegeben. Man ver
dankt ihm auch mehre Entdedungen im Gebiete der Naturwiffenfchaften. Vgl. Elmes, „Me-
moirs of the life and works of W.“ (Xond. 1823).
Wright (Thomas), ein thätiger und kenntnißreicher Beförderer des Studiums der altengl.
Sprache und Kiteratur, Ift Profeffor am Zrinity-Gollege in Cambridge. Seit etwa 20%. Hat er
eime ebenfo bewundernswürdige als erfolgreiche Thätigkeit gezeigt, um bie Schäge der altengl.
Literatur ans Licht zu ziehen, den Geſchmack an derfelben zu verbreiten und zugleich eine feftere
Brundlage für die Grammatik Diefer Sprache zu ſchaffen. Seine ausgezeichneten Sprachkennt⸗
niffe auf dem Gebiete ber german. und roman. Sprachen, ſowie fleibiges Studium namentlich
der Werke von Jak. Grimm haben ihn hierbei vortrefflic unterftügt. Unter feinen felbfländigen
Schriften find die verdienftlichften die „Essays on the literature, superstitions and history of
England in the middle ages” (2 Bde., Zond. 1846) und bie „Biographia Britannica literaria”
(2 Bde, 1842— 46), welche die angelfächf. und die anglo-normann. Periode umfaffen ; ferner
bie „Narratives of magic and sorcery” (2 Bde., Lond. 1851), „The Celt, the Roman and the
Saxon” (Xond. 1852) und „Wanderings of an antiquary” (Xonbd. 1854). Außerdem hat er
eine große Anzahl forgfältiger Ausgaben von Denkmälern der angelfächf., altengl., mittellat.
und anglo-normänn. Literatur veranftaltet, unter benen namentlich hervorzuheben find: „Poli-
tical songs of England from Ihe reign of John to that of Edward II.” (Xond. 1839) ; „Political
ballads” (2ond. 1841); „Early mysteries and other latin poems of the 12th and 15th cen-
turies” (Lond. 1844); „The Chester plays” (Bd. 1: „Specimens of Iyric poeiry composed
in the reign of Edward 1.”, Lond. 1841); „The lalin poems commonly altributed to W. Ma-
pes” (Xond.1847); „Treatises on science written during the middle ages” (Xond. 1841).
Endlich gab er auf Koften der Percy society die „Canterbury tales” von Chaucer nach einer
Driginalhandfchrift mit Britifchen und fprachlichen Anmerkungen (3 Bde, Lond. 1847—51)
heraus und lieferte in feinem „England under the house of Hannover, illustrated by the sa-
tires, caricatures and burlesques of the day“ (2 Bde., Lond. 1848) einen intereffanten Bei⸗
trag zur Sittengefchichte Englands während des Iegten Jahrhunderts.
Wroniecki (Antoni), poln. General, geb. 1790 zu Pofen, trat in feinem 17. 3. in das
zur Zeit des Herzogthums Warſchau gebildete poln. Heer und wurde fchon 1809 Hauptmann
und Führer eines franz. Bataillons. Während des Feldzugs von 1812 bei Boriſſow ſchwer
verwundet, trat er fpäter in dad poln. Heer unter dem Großfürften Konftantin ein. Als bie
Revolution von 1830 ausbrach, welcher ſich W. anfchloß, war er Oberftlieutenant. Nach der
Schlacht bei Grochow, in der er fich befonders auszeichnete, avancirte er zum Brigadegeneral.
Bei der Erflürmung von Warfchau leiſtete er den Ruſſen den tapferften Widerftand. Darauf
364 Wucher Ruf Stephauowitſch Karadſchitſch
wanderte er nach Frankreich aus und ſtarb in großer Dürftigkeit 3. Dec. 1838 im Hospital
Chaillot zu Paris. IB. aͤchört zu den beften militärifchen Schriftflellern Polens. Er fchrieb
unter Anderm eine Lehre des kleinen Kriegs („Mala wojna batalionu”, Warſch. 1819) und ein
Werk über den Werth und die Verwendung ber Infanterie (Par. 1834).
Wucher (usuraria pravitas). Wer einem Andern Geld zu feinem Gebrauche vorſtreckt,
muß billigerweife dafür einen Theil von Dem erhalten, was ber Andere mit biefem Gelde ver-
dienen kann. Diefes find die Zinfen (usurae), deren Maß (Zinsfug) im Allgemeinen durch
den Gewinn beſtimmt wird, den man nach ben jebesmaligen Zeitumfländen durch den eigenen
Gebrauch des Geldes erhalten kann. Das Verhältnif der Zinfen hat im Recht fehr verfchiebene
Auffaffımgen erlitten. Das ältere deutfche Necht, fo fehr es dem röm. Rechte in der Würdi⸗
gung des Rechts ber Arbeit voraus war, überfah gleichwol ben Werth des Capitald und wies
Daher dem Darlehn eine fehr untergeordnete Stellung an, bie im Mittelalter dadurch noch
mehr verfümmert ward, dag das kanoniſche Recht wegen misverftandenen biblifchen Etellen
alles Zinsnehmen für Sünde erklärte. Mit dem Aufftellen eines ſolchen gefeglihen Binsver-
bots ward der Begriff des Wuchers ibentifch mit Zinsnehmen überhaupt. Die natürliche
Folge war, baß die Gelbdarleiher fich durch verftedtte Zinfen, Nenten, Kauf von Gütern mit
Borbehalt des Rückkaufs u. f. w. zu helfen fuchten. Als fi mit Dem Umſchwunge der forialen
Verhältniſſe feit dem Ende des Mittelalters das Capital zum Werkzeug fremder Arbeit erhob
und das Darlehn in größerm Maße für probuctive Zwecke beftimmit warb, fielen zwar bie un⸗
bedingten Zinsverbote von felbft, allein Reichs⸗ und Creditgefege, ftatt blos einen normalen
Zinsfuß aufzuftellen, gingen weiter und erhoben dieſen gefeglichen Zinsfuß zum Zwangs zins⸗
fuß dergeftalt, daß fie jebes Nehmen höherer Zinfen (im Allgemeinen über 5 Proc. jährlich)
ale Wucher ftraften. Derartige, meift auf Geldbußen fich befchränkende, in manchen Staaten
aber auch auf Freiheitsftzafen ausgedehnte Straffagungen haben ſich auch in den neuern Ge⸗
feggebungen fort erhalten, nur daß die eigentlich Faufmännifchen Geſchäfte davon ausgeſchloſ⸗
fen find. &o gut auch die Abficht ift, welche dergleichen Wucherftrafen unterliegt, die dahin
geht, Bebrüdungen und Übervortheilungen der Armern vorzubeugen, fo wenig vermag doch
die Gefepgebung biergegen auszurichten, weil dadurch nur entweder eine Werheimlichung oder
Umgebung herbeigeführt, oder die Gapitalaufnahme überhaupt erfchwert wird. Überhaupt aber
ſteht das Verbot, Höhere als gewiſſe normale Zinfen zu nehmen, mit ben wichtigern national.
Öfonomifchen Anfichten im Widerſpruche; jenes Mehr rechtfertigt ſich vielmehr von felbft als
eine nach Art der Verfiherungsprämien zu betrachtende Entfhädigung für die größere Ge⸗
fahr bei unfihern Darlehen.
Wühlmaus (Hypudaeus), eine Gattung Nagethiere, die fi von den Däufen (f.b.) be
fonders durch ftumpfe Schnauze, kaum merklihe Ohren und kurzen Schwanz unterfcheibet. Dier-
ber gehört außer der Waflerratte (ſ. d.) die Wurzelmaus (H. oeconomus), 3—4 Zoll groß,
welche fich in ganz Sibirien findet und durch ihre eingefammelten Wurzelvorraäthe nützt, die von
den Eingeberenen ausgegraben und verzehrt werben. Die ftarke Vermehrung zwingt nach ei⸗
nigen Jahren Heere von vielen Taufenden folder Mäufe zur Auswanderung, deren Biel in
ſchnurgerader Richtung verfolge wird. Ahnlihe Züge unternimmt aller 10-20 J. der in
Norwegen heimiſche Lemming (H. Lemmus), der fi durch fein gelbrothes, ſchwarzgeſtreiftes
Bell wie durch die langen Grabekrallen ber Vorderfüße kenntlich macht. Die Reit- oder Scheer⸗
mauß (H. terrestris) fürchtet man im füboftlichen Deutfchland, wo fie durch unzählige nahe
unter ber Oberfläche getriebene Gänge, wie der Maulwurf, auf feuchten Gartenbeeten zumeilen
großen Schaden thut. Bekanhter als alle diefe Arten ift die Feldmaus (H. arvalis), an Farbe
und Größe der Hausmaus ähnlich und trog ihrer Kleinheit an manchen Orten eine Landplage,
indem man kein Mittel Bennt, ihre Scharen, die Keldfrüchten und Baumſaaten unermeßlichen
Schaden zufügen, mit Sicherheit zu vertilgen. Nur naffe Jahre fegen ihrer Vermehrung
„Schranken, die in trockenen Sommern fogar Theuerung herbeiführen kann.
Wuk Stephanowitſch Karadfchitfch, der verdienftvolifte und bebeutendfle ſerb. Schrift.
fteller der Gegenwart, geb. 26. Oct. (alten Stils) 1787 zu Triſchitſch im Gebiete Jadar bei
heutigen Fürſtenthums Serbien, ſchloß fich gleich bei Ausbruch bes ferb. Befreiungskriegs
1804 dernationalen Bewegung an und leiftete während der ganzen Periode des Aufſtands unter
Kara-Beorg feinem Baterlande die wefentlichften Dienfte. Erſt Secretaͤr bei dem nicht ſchrift⸗
fundigen Georg Kjurtſchia, dann bei Jakob Nenadowitfch, befchäftigte ex ſich hierauf eine Zeit
lang in der Kanzlei des damaligen ferb. Senats zu Belgrad und wurde, da er fih das Bertrauen
der damaligen Machthaber erworben hatte, theils vom Senate, theild von Kara⸗Georg felbft
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mit mehrfachen abminiftrativen und politifhen ba und Sendungen betraut, beren ex ſich
ſtets zur Zufriedenheit feiner Vorgeſetzten entledigte. In Folge der Kataftrophe von 1813 mußte
fi 9. mit vielen feiner Landsleute auf öſtr. Gebiet flüchten. Er wandte ſich nach Wien, wo er
feitdem gänzlich den Wiffenfchaften lebte. Theilweiſe durch Kopitar angeregt, hat hier W. eine
großartige, das gefammte Volksleben ber Serben in allen feinen Richtungen umfaffende literari-
ſche Thätigkeit entwidelt und durch diefelbe eine neue Epoche in der ferb. Literatur begründet
Don Kindheit an mit der Sprache feines Volkes in ihrer ganzen Fülle von Liedern, Sagen, Er⸗
zählungen und Sprichmwörtern vertraut, ſtellte fich ZB. die Aufgabe, bie Schäge der ferb Volks⸗
fiteratur auf Neifen durch alle von Serben bewohnten Länder aus dem Munde des Volkes
felbft zu fammeln und herauszugeben, und er bat dies in fo genialer Weiſe vollbracht, daß feine
Reiftungen für die Serben diefelbe Bedeutung haben wie die des ihm befreundeten Jak. Grimm
für die Deutfchen. Bon Kapitar veranlaft, gab W. nach zwei Heinern Proben, ben „Prostona-
rodnja pjessmariza” (2 Bde, Wien 1814—15), die meifterhafte Sammlung ber „Srpske
narodne pjessme” (2. Aufl, 4Bde., &pz. und Wien 1823 — 33; 3. fehr verm. Aufl., 3 Bde,
Wien 1841—46) heraus, die, von Goethe und Jak. Grimm mit Bewunderung begrüßt, bald
die Theilnahme ganz Europas erregte und faft in alle Sprachen überfept wurde. Deutiche
Übertragungen verfuchten unter Andern Talvj (neue Aufl., 2 Bde, Lpz. 1855), Gerhard
(„Wila“, 2 Bbe., Lpz. 1828) und Kapper („Befänge ber Serben”, 2Bde., %p3. 1852; „‚Kürft
Lazar“, 2. Aufl. 2p,.1852). Durch die „Pissmeniza srpskoga jesika” (Wien 1814; 2. Aufl,
1818; deutſch von Jak. Grimm, Berl. 1824), fowie das vortreffliche, ben gefammten im Munde
des Volkes lebenden Sprahfchag umfaflende „Srpski rjetschnik” (Wien 1818; 2. Aufl,
1852) warb ZB. der wifjenfchaftliche Schöpfer ber ferb. Grammatik und Lexikographie. Auf
Beranlaffung der engl. ruff. Bibelgeſellſchaft unternahm er feine gelungene Überfegung bes
Neuen Zeflaments aus dem Altflowenifchen, welche in Gemeinſchaft Kopitar's mit dem
Gries bach ſchen Teste collationirt und von W. felbft nach einer Reihe von Jahren wieder durch⸗
geliehen im Drud erfchien (Wien 1847). Inzwifchen hatte er den Almanach „Daniza” (5Bbe,,
Bien und Ofen 1826— 34), eine reiche Fundgrube für ferb. Geſchichte und Philologie, heraus⸗
gegeben und in „Knjas Milosch Obrenowitsch” (Dfen 1828; beutfch von Poffart, Stuttg.
1838) und der deutfchen Schrift „Montenegro und die Montenegriner” (Stuttg. und Tüb.
1837) beachtenswerthe Beiträge zur ſerb. Gefchichte und Ethnographie geliefert. Sonft find
außer „Kowtschetschitsch sa jesik i istorija" (Bd. 4, Wien 1849) noch „Srpske narodne
posslowize” (Gettinje 1836; 2. Aufl., Wien 1849) und „Srpske narodne pripowijetke”
(Wien 1853) zu nennen. Eine deutfche Überfegung des leptern Werks, ſowie von 1200 aus-
gewählten Sprichwörtern hat W.'s Tochter, Wilhelmine Karabdſchitſch, gegeben (Berl. 1854).
B. erhielt von der Univerfität zu Jena die philofophifche Doctorwürde und warb von ben
Akademien zu Peteröburg, Göttingen, Berlin und Wien, fowie von faft allen ſlaw. gelehrten
Geſellſchaften zum Mitglied gewählt.
Bullenweber over Wullenwever (Georg oder Jürgen), banfeatifher Staatsmann umd
Volksführer, gegen Ende des 15. Jahrh. zu Lübeck geboren, wird zuerſt 1530 als einflußreiches
Mitglied der „Verordneten“ in der Bürgerfchaft feiner Vaterflade genannt. Er war dann
mehrfach ihr Sprecher und nahm 4532 als ihr Vertreter an ben Verhandlungen in Kopen-
hagen Theil. Im Frühjahr 1533 ward er in ben Rath gewählt und bald darauf Bürgermei⸗
fler von Lübeck. Das erfte bedeutfamere Hervortreten des begabten und kühnen Mannes zeigt
ihn als Gegner der niederländifchen Hanbelspolitit, indem er bemüht war, bie bedrohte Macht
der Hanfa durch Einigung mit den übrigen Oftfeeftanten gegen die Rivalen an der Norbfee zu
behaupten. Bald gaben ihm die innern Wirren Dänemarks die Gelegenheit, weitere Ziele mit
Eifer zu verfolgen. Der reformatorifchen Bervegung eifrig zugethan und von bemofratifcher
Abneigung gegen das ariftofratifch fürftliche Weſen erfüllt, Hoffte er die Verwirrung in Döne-
mark, den Streit zwifchen dem vertriebenen Chriftian II. und feinen Gegnern zu einer Ummäl-
zung in feinem Sinne benugen zu können. Allein der Krieg, be fich darüber in Norbdeutich-
land und zur See entfpann, nahm 1534 und 1535 feinen glüdlichen Verlauf. Auch regte fi
in Lübeck felbft die Dppofition feiner kirchlichen und politifchen Gegner, namentlid der Pa-
tricier, und die Lauheit feiner eigenen Partei am ihnen zu Hülfe. Im Sommer 1555 fah er
ſich genöthigt von feiner einflußreichen Stellung abzutreten, wurde aber bald nachher von einem
feiner heftigften Gegner, dem Erzbiſchof von Bremen, auf einer Reife verhaftet und gefangen
gehalten. Es begann ein weitläufiger Proceß gegen ihn, deffen einzelne Momente noch nicht
genügend aufgehellt find. So viel ik jedoch gewiß, daß ſich religiöfer und politifcher Banatiem“
m
366 Runde Wunder (das)
feiner Feinde verband, an dem einft gefürchteten Manne furdgtbare Rache zu nehmen. W.
wurbe verbrecherifcher politifcher Plane befhuldigt und des Anabaptiömus angeklagt. In ei
nem an Bewaltthätigkeiten reichen Derfahren vermochte man auch ihm durch Die Folter manches
ſchwer belaftende Geftändniß abzugmwingen. Die lübecker Ariftofratie hatte die Vollſtreckung
der blutigen Strafe feinen fürftlichen Gegnern überlaffen, deren einer, Herzog Heinrich von
Braunfchweig, ihn 29. Scpt. 1537 in Wolfenbüttel hinrichten ließ. Bekannt ift das Schickſal
W.'s in neuerer Zeit durch das gleichnamige Trauerfpiel von Gutzkow geworben. Eine außführ-
liche Darftellung von W.'s Leben ımd Birken hat Waig verfprochen.
Wunde (vulnus) bezeichnet eine in der Regel auf ber Oberfläche des Körpers fich darſtel⸗
lende und durch mechaniſche Gewaltthätigkeit plöglich hervorgebrachte Trennung der organi⸗
ſchen Gebilde. Die große Menge derartiger Berlegungen wird nach verfchiedenen Geficht#-
punkten eingetheilt. Hauptabtheilungen bilden, nach den einwirkenden Snftrumenten Ind der
Art ihrer Einwirkung, die Schnitt, Stich⸗, Hieb«, Biß- und Schußwunden und zerfallen dabei
in gequetſchte und nicht gequetfchte Wunden (f. Duetfchung). Berner find fie nach der Theil-
nahme entweder ber unmittelbar verlegten Theile allein oder des ganzen Organismus einfache
und compficirte Wunden, von denen letztere fich da finden, wo 5. B. ein allgemeines Übel fchon
vorhanden war, ein fremder Körper in der Wunde bleibt, ein Giftin den Blutſtrom überge-
führt wird u. f.w. So wichtig biefe Unterfchiede auch für die Praris find, können fie doch oft
von ber Theorie nicht volllommen fharf gefchieden werben. Mit Übergehung anderer Einthei⸗
lungen, die für die Praxis größern oder geringern Werth haben, find befonders noch die nach
ber Form, nach dem Umfang und ber Tiefe ber Verlegungen und nad) ben verlegten Körper
theilen zu erwähnen, ſowie die für die Gefeggebung uud Nechtöpflege wichtige nach der Bedeu⸗
tung für die Gefundheit und das Xeben, wobei befonders die Tödtlichkeit ber Wunden in Frage
kommt. (&. Letalität.) Außer der charakteriſirenden Eigenfhaft der Trennung bietet faft
jede Wunde noch Ergiefung von Klüffigkeiten (vorzugsmeife Blut), Schmerz und Entzündung
in fehr verfehiedenen Graden dar, Merkmale, welche zur Gefährlichkeit derfelben durchaus nicht
immer in geradem Verhältniſſe ftehen. Überhaupt wird die Bedeutung einer Wunde in vielem
Ballen durch andere Umflände, Alter, Körperbefchaffenbeit, geiftige Stimmung, Kfima, Lebent⸗
art u. ſ. w, beſtimmt. Mit der Entzündung im nächften Zufammenhange ſteht das Wundb⸗
fieber (febris traumatica), welches, wie bei jeder ſtarken Entzündung, fo auch, wenn die eine
Wunde begleitende bedeutend ift, erfcheint und gewöhnlich, wenn die Wunde zu eitern beginnt,
am erften, zweiten ober dritten Tage nach gefchehener Verlegung als Ausbrud der Mitleiden-
[haft des ganzen Organismus eintritt. Nach der Art der Verwundung richtet ſich auch das
Wundfieber in feiner Dauer, feinem Verlaufe, feiner Stärke u. f. w. Als eine nur unter ge-
wiſſen, aber nicht leicht vorhergufehenden Umfländen fich zu manchen Wunden gefellende Er⸗
ſcheinung ift auch der Wundſtarrkrampf (f. Starrtrampf) zu erwähnen. Zur Heilung einer
Wunde bat bie Natur zwei Mittel: entweder Vereinigung durch unmittelbares Zufammen-
wachſen bee Wundränder mitteld Ausfhwigung gerinnbarer Lymphe, oder Ausfüllung ber
entftandenen Öffnung durch neuergeugte organifche Subſtanz mittels der Eiterung und Ber-
narbung. Dieſe von der Natur eingeleiteten Proceffe zu befördern durch Hinwegräumung ber
Dinderniffe, welche fremde in ber Wunde verbliebene Körper, Kacherien u. f. no. abgeben, fie
aufzuhalten, wenn z. B. eine tief eindringende Wunde auf ber Oberfläche ſchnell fich ſchließen,
die tiefere Verlegung aber durch Eiteranfammlung ſchaden würde, wenn die Wunde vergiftet
iſt und unter andern Umfländen, kurz fie fo zu regeln, daß fie ohne ſchädliche Folgen in kürzeſter
Zeit ihren Zweck erfüllen, ift Sache der Chirurgie.
Wunder (miraculum) nennt man im gemeinen Sinne des Worts die Ereigniffe, welche
Denen, die fie fahen, Verwunderung abnöthigten, weil fie ihnen nach den befannten Gefegen
"der Natur und des gewöhnlichen Weltlaufs unerflärlidh erfhienen. In fireng firhlid-bogma-
tifcher Bedeutung hingegen wird unter Wunder ein Ereigniß verftanden, weldes überhaupt
allen Raturgefegen zumiderläuft, oder womit Gott durch unmittelbare Fügung bie Ordnung
des Weltallẽ gefliffentlich durchbrochen hat. Die Erzählung von Wundern, die ſich früher zu-
getragen haben follen, wird uns um fo dunfler bleiben, je weniger wir befriedigend auszumit-
teln vermögen, mit welchen Augen die unmittelbaren Zeugen und erſten Erzähler folge Ereig-
niffe angefehen haben. Unwiffenden Menfchen erfcheint Vieles wunderbar, mas ein mit genauer
Kenntnif der Natur bereicherter Geift ganz in der Ordnung und nur in bem Sinne wundervoll
findet, wie es die Entftehung des geringften Brashalms ift. Der Kirchenvater Auguftinus fagt:
„Bott thut in ben Wundern nicht wider die Natur; ungewöhnliche Dinge erfcheinen und wi-
dernatürlich, aber nicht Gott, der die Natur gemacht hat.” Kür die Wiflenfhaft hat ber Ber
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Bunder (Eduard) WBünfchelruthe 367
griff des Wunders Feine Bedeutung; wo das Wunder beginnt, Hört die Wiſſenſchaft auf und
umgelehrt. — In der äfthetifchen Sprachenennt man das Wunderbare das Phantaftifche (ſ. d.).
Es ift dies daher nur in ſolchen Kunftarten erlaubt, die ihrem innerften Weſen nach gegen die
Geſetze bes Möglihen und Wahrfcheinlichen verftoßen und bem Wunder Thür und Thor öff⸗
nen, wie vor allem im Märchen.
Wunder (Eduard), verdienter Philolog und Schulmann, geb. A. Mai 1800 zu Witten-
berg, erhielt feit 1812 auf bem Lyceum feiner Vaterfladt und fpäter auf ber Landesfchule zu
Meißen eine gründliche Vorbildung und widmete fich feit 1818 zu Reipzig, befonder6 unter
Hermann, philologiſchen Studien. Nach Beendigung berfelben ward er 1823 als Adjunct an
bie Landesfchule nach Grimma berufen, 1828 zum fünften Profeffor an berfelben ernannt, wor⸗
auf er allmälig bis 1842 in bie zweite Kehrerftelle aufrückte. Nach der Emeritirung Weichert’6
41843 ward ihm das Directorat und die erſte Profeffur übertragen, in welcher Stellung es ihm
gelungen ift, den alten Ruf des Symnafiund nicht nur zu erhalten, fondern noch zu erhöhen.
Bei Einführung des neuen Regulativs für die Gelehrtenfchulen ward W. 1847 von dem Eul
tusminifterium mit bem Auftrage betraut, die ſächſ. Gymnaſien zu befuchen und’ einen umfafe
fenden Bericht über den Zuftand derfelben zu erftatten. Seine Verdienſte um bie Kritik des Ci⸗
cero, von deſſen „Oratio pro Plancio’' er eine größere kritifche und eregetifche Ausgabe (Xpz.
4830) veranftaltete, beſonders aber um Sophofles haben im In- und Auslande die vollfte An-
ertennung gefunden. Bon ber trefflihen Bearbeitung des legtgenannten Dichters haben die ein«
zelnen Stüde (7 Bde., Gotha und Erfurt 1831 fg.) bereitd mehrfache Auflagen erlebt. Außer
einer Anzahl deutfcher Schufreden, die einen tiefen Sinn für Menfchenverebelung und einen
wahrhaft chriftlichen Geift athmen, find von feinen Meinern Schriften noch zu nennen: „Ad-
versaria in Sophoclis Philootetam‘ (2py. 1823); „Über Lobed’6 neue Ausgabe des Sopho⸗
Meifchen Ajas“ (%pz. 1837; „Anhang“, 2pz. 1837); „De scholiorum in Sophoclis tragoedias
auetoritale” (Grimma 1838); „Emendationes in Sophoclis Trachinias” (Grimma 1840);
„Miscellanea Sophoclea” (Grimma 1843); „De Aeschyli Eumenidibus” (Grimma 1854).
Bür die Zwecke bes Unterrichts beflimmt find „Die fehwierigften Kehren ber griech. Syntar“
(Stimma 1848).
Wunderlich (Karl Aug.), Geh. Medicinalrath und Profeffor der Medicin zu Leipzig, geb.
4815 zu Sulz am Nedar, widmete fich, zu Stuttgart vorgebildet, feit 2833 auf ber Univerfität
Tübingen mediciniſchen Studien und befuchte nad) erlangter Doctormürde 1837—38 andere
beutfche Univerfitäten, forwie Belgien und Frankreich. Nachdem er 1858 — 39 ale Affiftenzarzt am
Katharinenhospital in Stuttgart gewirkt hatte, habilitirte er fi 1840 als Privatdocent in Tü⸗
bingen, mo er 4841 zum Affiftenten ber innern Klinik ernannt wurde, mit bem Auftrag, für
den erkrankten Director zu funetioniren. Seit 1843 verwaltete er dieſes Inftitut unter gleich⸗
zeitiger Ernennung zum auferordentlichen Profeffor mit Sig in ber Facultät als proviforifcher
Director, bis ihm 1846 bie Direction definitiv Übertragen und er zum ordentlichen Profeffor
befördert wurbe. Im 3. 1850 folgte er einem Rufe nach Leipzig als ordentlicher Profeffor der
Klinik, mo er 1851 auch ben Charakter als Geh. Medicinalrath erhielt. Sein Hauptwerk ift das
„Dandbuch ber Pathologie und Therapie” (2 Bde. in mehren Abtheil., Stuttg. 1846— 54;
2. Aufl., 1853 fg.). Außerdem find noch „Über die franz. und deutſche Mediein“ (Stuttg.
1841) und, Verſuch einer pathologifchen Phyſiologie des Bluts“ (Gtuttg. 1844) zu nermen.
Auch begründete W. mit Nofer 1841 das „Archiv für phyfiologifche Heilkunde”, das erfte Or-
gan der in lepter Zeit zur Herrfchaft gefommenen Richtung in der Medicin, zu deren nam»
hafteften Vertretern er zählt.
WBünfchelrnthe, ein zauberhafter heilbringender Stab, war in Deutfchland von Alters
ber bekannt. Schon eine althochdeutfche Gloſſe bietet „wunseiligerta, caduceus”, und trifft ba-
mit vollkommen den eigentlihen Sinn des Worts, welcher ſich aus feiner grammatifchen Form
nicht unmittelbar ableiten läßt. Denn legtere führt nur auf eine Gerte ober Ruthe, durch deren
Beſit man alles gewünſchten irbifchen Heils theilhaftig wird; aber die Babe diefes Heild ging
nad) der Vorſtellung unferer Vorfahren von Woban (f. d.) aus, der deshalb felbft ben Namen
„Wunſch“ führte. Und Wodan wiederum, ber Geber bes Reichthums, vergleicht fich vorzugb⸗
weife dem Mereur oder dem Hermes, dem Geber des Reichthums der rom. und griech. Mytho⸗
logie, weldyem ber Caduceus als heil- und reihthumbringender Stab zufam. Im fpätern Mit-
telalter ward die Wünfchelruthe zum Gegenſtande eines bis in die neuere Zeit fortbauernden
und häufig durch Betrüger audgebeuteten Aberglaubens. Man brach fie unter gemiffen Bebin-
gungen und Formeln von dem gezwiefelten (gabeligen) Afte eines Haſelſtrauchs oder Kreuz
368 Bunfiedel Wupperthal
dorne, ober machte fie auch ans Metalldraht und unterſchied mehre Arten: Feuerruthe, Spring-
ruhe, Schlagruthe u. ſ. w. Bei dem Gebrauche kam es darauf an, fie unter Herfagung der
nöthigen Formeln richtig in der Hand zu halten; dann zeigte fie Durch ihre Bewegung, ob und
wo die gewünfchten Gegenftände verborgen feien. Dan glaubte mittels der Wünſchelruthe
verborgene Schäge, Erzadern, Wufferquelien, ja felbft Mörder und Diebe zu entbeden. Bat.
Grimm, „Deutfche Mythologie” (2 Bde. 3. Aufl, Göttingen 1854).
Wunfiedel, eine freundlihe Stadt im bair. Kreife Oberfranken, Hauptort eines Landge
richts, liegt an der Rößlau, im Fichtelgebirge, vier Stunden vom Ochſenkopf, hat drei Kirchen,
eine Studienjchule, eine Gewerb⸗ und mehre andere Schulen, ein reiches 1486 geftiftete® Hos⸗
pital und A000 E. Es befinden fich dafelbft Eifengruben und Eifenhämmer, Thongruben,
Steinbrüche, Wollmafhinenfpinnereien, Tuch, Strumpf-, Nägel⸗ Blehwaarenfabriten. Auch
liefert die Stadt Drechslerarbeiten und gutes Bier. Seit dem Brande von 1834 iſt fie neu
und regelmäßig aufgebaut. Sie ift der Geburtsort Sand’s, der Kogebue ermorbete, und Jean
Pauls, dem hier 1845 ein Monument errichtet worden ifl. Die Umgebungen find reich an Na⸗
turfchönheiten. So drei Viertelftunden von ber Stadt das Felfenlabyrinth der Zuifenburg (f.d.)
und Yı M. ſüdöſtlich dad Alexandersbad (f. d.).
Wuotan, f. Wodan.
Wupperthal, das gewerbreichfte und bevölkertſte von gang Deutfchland, in der preuß.
Rheinprovinz, feinem Pleinern obern Theile nad) zu den Regierungsbezicken Arnsberg
und Köln, feinem Haupttheile nach aber zum Regierungsbezirk Düffeldorf gehörig, durch⸗
fchneidet in Hufeifenform das ofiniederchein. Bergland und hat feinen Namen von dem Fluſſe
Wupper oder Wipper. Die Wupper entfteht bei dem Dorfe Kierspe unweit Meinerzhagen
an dem Ebbegebirge im Sauerland, nur 6 M. vom Rhein, in den fie bei Rheindorf zwiſchen
Köln und Düffeldorf mündet, macht aber auf ihrem erſt gegen Welten nach Wipperfurt, dann
gegen Norden über Hüdeswagen nah Wupperfelb, von da weftwärts nah Barmen und
Elberfeld, von Sonnborn an ſüdwärts zwiſchen hohen Bergen, fübwärts an Gelingen
vorbei nach Dorp und Burg, zulegt gegen Südweſten über Opladen gerichteten Laufe
fo viele kleinere Krümmungen, daß berfelbe im Ganzen 14 M. beträgt. Das Thal iſt eng
und tief, am breiteften , etwa eine Viertelſtunde breit, zwifchen Barmen und Giberfeld.
Es gehört den Kreifen Wipperfurt (5,8 AM. mit 28100 E.), Lennep (5,55 AM. wit
75900 €.), Elberfeld (5,47 AM. mit 138800 €.) und Solingen (5,5 AM. mit 73800 €.)
an, bie auf 22 AM. nicht weniger al6 316600 E, d. i. 14390 auf 1 AM. zählen. Bei Im⸗
bad, Fa Dpladen, tritt die Wupper in die Ebene, aber ſchon unterhalb Solingen ift fie
für Meine Fahrzeuge [hiffbar. Auf einer Strede von 7 M. Länge und mit ihren 37 Neben-
bãchen auf 10, AM. treibt fie gegen 400 Mühlen, Schleife und Hammerwerke. Wegen ihres
flarten Falls ift fie reißend; auch ift fie häufigen Überfhmemmungen unterworfen. Unter
Wupperthal im engern Sinne verfteht man die zwei Stunden lange Strede von Barmen (f.d.)
bis Elberfeld (f. d.), den zwei vorzüglichften Städten des ganzen Thals, bie faft nur einen Ort
ausmachen, indem fich Hier awei Stunden weit Haus an Haus, Fabrik an Fabrik reiht. Diefe
Thalſtrecke ift es insbeſondere, melde wegen des Hangs ihrer Bevölkerung zum Mofticit-
mus befannt geworben ift. Der erwähnte Ort Wupperfelb ober Wipperfeld bildet jegt einen
Theil von Barmen. Die zum Regierungsbezirk Köln gehörige Kreisftabt Wipperfurt hat
2000 €., ein Progymnaſium, Tuch⸗, Leinen-, Hut⸗ und Eifenfabriten und eine Kupferhütte.
Im Regierungsbezirt Duffeldorf liegen unter andern, theils an ber Wupper felbft, theils in
deren unmittelbarer Nachbarfchaft, die Städte Lennep, Hauptort eines Kreifes, mit 7750 €,
einer höhern (Nrivat«) Lehranftalt, einer Handelskammer, Wollmaſchinenſpinnerei, bedeuten.
ber Fabrikation von feinem Tuch, Leinwand» und Hutfabriten, Färbereien und Weinhandel.
den Remſcheid (f. d.); Ronsborf mit 7300 E., Band», Seiden-, Baummwollen-, Leinwand⸗,
Eiſenwaarenfabriken; Hüdeswagen mit 5080 E., Wollen und Baummollenfpinnerei, Tuch⸗
Baummollen«, Reinen-, Eifen- und Stahlfabriten; Lüttringshaufen mit 8300 E., Tuch⸗, Lei⸗
nen, Eifen- und Stahlmaarenfabrifation; Burg mit 1650 E., Baummollenfpinnerei, Wol⸗
Ien- und Papierfabrikation und ben benachbarten Ruinen bes auf einem hohen Berge, in einer
ber romantifchften Gegenden Deutfchlands gelegenen Nefibenzfchloffes ber alten Grafen von
Berg. Dann im Kreife von Solingen (f. d.) die Städte Höheſcheib mit Merſcheid vereinigt,
mit 15035 €, Schleifmühlen, Schmieden und einer Bleihütte; Graͤfrath mit 4780 E., Baune
wollen, Zeinen-, Seidenband-, Eifen- und Stahlfabriken; Dorp mit 7310 E. Schleifmühlen,
Schmieden, TZabads- und Papierfabritation; Burſcheid mit Leiglingen vereinige, mit 9212 €,
— — wu. — m
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Würdtwein Bu 380
Wollen- und Baummollen-, Seiben«, Strumpffabriten, Färbereien, Zeugdruderei und Ge⸗
treidehandel; Oplaben mit Reukirchen, mit 3710 E. Wollenfpinnereien, Tuchfabriken und
Eifenhämmern. Bgl. „Das Ruhrthal nebft dem angrenzenden Wupper⸗ und Enneperthal,
Iſerlohn und Elberfeld” (Berl. 1855).
Würdtwein (Steph. Aler.), verdienter Diplomatiker, geb. 1719 zu Amerbach, war
feit 1783 Weihbifchof zu Worms. Wahrend des Revolutionskriegs aus Furcht vor ben Sran-
zofen nach Ladenburg geflüchtet, flarb er dafelbft 1796. Neben feinen „Concilia Moguntiaca”
Manh. 1766) und andern Schriften über Mainz find als befonders werthvoll zu erwäh—⸗
nen: „Subsidia diplomatica ad selecta juris ecclesiastici Germaniae et historiarum capila
elucidanda” (13 Bde., Bamb. 1772 — 80); „Nova subsidia diplomatica” (14 Bde.,
Bamb. 1781 — 89); „Diplomataria Moguntina” (2 Bde., Mainz 1788); „Monasticum
Palatinum” (6 Bbe., Manh. 1792— 96).
Würfel, f. Kubus.
Würger, eine zur Ordnung der Haker gehörige Familie Heiner Vögel, bie ſich von Inſekten,
bie größern von Mäufen und Heinen Vögeln nähren und an Wildheit und Grauſamkeit andere
Maubvögel übertreffen. Der Oberfchnabel ift an der Spige hakig übergebogen, die Schnabel«
wurzel mit Bartborften befegt, die Krallen find fharf und gekrümmt. Der befanntefte unter
ben hierbergehörigen Vögeln Deutfchlande ift der große Würger (Lanius excubiter), auch
Neuntödter. Er mißt in der Länge 10 Zoll, hat hellgraues Gefieder, ſchwarze Blügel und
Schwanz und zeichnet fich, wie mehre Artgenoffen, durch die Gewohnheit aus, getödtete Inſek⸗
ten u. dgl., bevor er fie verzehrt, auf Dornen oder ſcharfe Afte zu fpießen, ober zwiſchen Gabel-
äfte ober Steine einzuflemmen. Die Sattung Shwalbenwürger (Ocypterus) ähnelt den
Schwalben burch die den Schwanz überragenden Flügel, die fie zu einem ausbauernden, fegeln-
den Fluge befähigen.
Burm (Joh. Friedr.), deutfcher Aftronom, geb. 19. Jan. 1760 zu Nürtingen, erhielt feine
Borbildung in den Kloſterſchulen Denkendorf und Maulbronn und fludirte in ben Seminar
zu Tübingen 1778 — 83 Theologie. Er wurde 1788 Lehrer in Teiner Vaterftadt und, nachdem
er eine Pfarrſtelle bekleidet Hatte, 1800 Profeſſor an dem theologifhen Seminar zu Blau⸗
beuten, von wo er 1807 dem Rufe zu einer Profeffur am obern Bymnafium zu Stuttgart folgte.
Seit 1824 Alters halber in Ruheſtand verfegt, ftarb er zu Stuttgart 23. April 1833. W. ver
diente als Gelehrter und als Lehrer, ſowie als Menfch die Hochachtung feiner Zeitgenoffen in
hohen Grabe. Gründliche Kenntniß des claffifchen Alterthums war bei ihm mit der tiefften
Einficht in die Mathematik gepaart. Nach ihm ift die Wurm'ſche Reihe benannt. Ein ehrendes
Andenken fihern ihm in der Gefchichte der Aftronomie einestheils die anhaltende Befchäfti-
gung mit den yeränderlichen Sternen, indem er aus Beobachtungen, bie ein halbes Jahrhun«
dert außeinander lagen, fehr genaue Refultate über Periode und Epache des Lichtmechfels ziehen
konnte, anderntheils der raftlofe Eifer in Berechnung der Ränge von Orten in beiden Hemi⸗
Tphären aus Kinfterniffen und Sternbededlungen. Unter feinen Schriften bemerken wir die „Se
fhichte de& neuen Planeten Uranus” (Gotha 1791); „Praktifche Anleitung zur Parallaxen⸗
. rechnung” (Züb. 1804); „Observationes ad aliquot Xenopbontis Cyropaediae locos”
(Stuttg. 1807) und das treffliche Werk „De ponderum, numorum, mensurarum ac de anni
ordinandi rationibus apud Remanos et Graecos” (Stuttg. 1821); auch lieferte ex zahlreiche
Auffäge in Bode's „Aftronomifches Jahrbuch”, Zach's „Monatliche Correfpondeng”, Linder
nau's und Bohnenberger's „Zeitfchrift für Aftronomie” und Schumacher's „Aftronomifche
Nachrichten”. Außerdem gab er 1834 und 1832 zwei Heine Schriften über Bengel's apoka⸗
Igptifche Zeitrechnung heraus. — Von feinen beiden Söhnen bekleidete der ältere, Jul. Friedr.
B., geb. 1791, ein fehr tüchtiger Mathematiker und Philolog, eine Profeffur am Seminar zu
Blaubeuren und flarb 1859 ale Stadtpfarrer in Waldenbuch. Früher lieferte er eine Anzahl
theologifcher, fpäter mehre philelogifche Arbeiten für Zeitfchriften., Auch befchäftigte er fich viel
mit Mathematik und Chronologie der Alten. In dem Werken „Auszüge aus der Schrift:
Das Leben Luther's, Eritifch bearbeitet von Eafuar” (Xüb. 1836), einer Parodie auf Strauß
„geben Jeſu“, führte er den Beweis, daß Luther's Leben eine Mythe fei. — Wurm (Chriftian
Briedr.), jüngerer Bruder bes Regtgenannten, geb. 1803, fludirte Theologie, hielt fi 1825 —
27 in England auf, von wo er nah Hamburg kam, hier den „Gleaner” (182830), dann
1850— 34 die „Kritifchen Blätter der Börfenhalle” beforgte und 1833 zum Profeffor am afa-
bemifchen Gymnaſium ernannt ward. Unter feinen zahlreichen Hiftorifchen, handelspolitiſchen
Gonnsker. Behnte Aufl. XV. 2 24
370 Bürmer Wurmſer
und volkerrechtlichen Arbeiten find beſonders hervorzuheben: „Kritiſche Verſuche über bie öffent-
lichen Rechtöverhältniffe in Deutfchland feit 18352” (Xpy. 1835); „Der Sundzell” (Hamb.
1838); mit Müller: „Die Aufgabe der Hanfeftädte” (Hanıb. 1847); „Die Diplomatie, das
Parlament und ber deurfche Bundesftaat” (Braunfchw. 1849); „A letter to Viscount Palmer-
ston, concerning (be question of Schleswig-Holstein” (Xond. 1850; beutfh, Hamb. 1850),
eine Flugſchrift, die Bunfen beigelegt wurde; „Vier Briefe über die freie Donauſchiffahrt“ (Lpz.
1855). Im frankfurter Parlament 1848 vertrat er einen Wahlbezirk feines Heimatlandes Wür⸗
temberg. W. hat in den ſtädtiſchen Archiven wie in der Cotton'ſchen Sammlung des Britifchen
Mufeum (1850) und dem niederl. Reichsarchiv (1852) reiches Material für hanſeatiſche Ge⸗
ſchichte gefammelt und Einiges davon in Journalauffägen und Belegenheitsfchriften bearbeitet.
Würmer (Vermes) nannte Linne feine fechöte und unterfte Thierlaffe, welche Alles um⸗
faßte, was in den andern nicht untergebracht werben Bonnte. Da diefelbe jedoch Thiere der ver-
fehiedenartigften Organifation enthält, hat man fie feit Cuvier, nach Abfonderung der Glieder
würmer (Annulata), in zwei große Gruppen: Weichthiere oder Mollusca (f. Mollusten) und
Strahlthiere oder Radiata (f. Straplthtere), zerlegt und jene in die Kopffüßler (Cephalo-
poda), Schneden (Cephalophora), Mufcheln (Acephala) und Koraminiferen (Foraminiferae),
biefe in bie Stachelhäuter (Chinodermata), Quallen (Acalephae), Pflanzenthiere (Polypi,
Zoophyta) und Aufgußthierchen (Infusoria) getheilt. Im gemeinen Leben verſteht man unter
Würmern entweder Gliederwũrmer oder Eingeweidewürmer (f.b.). |
Burmtrankheit oder Wurmfucht (helminthiasis oder verminatio) nennt man die Er-
zeugung von Würmern im Innern bed lebenden Körperd und insbefondere im Darnılanal.
Gewöhnlich bezeichnet man mit Wurmfucht nur den Iegtern Begriff, da nur die im Darmkanal
lebenden Würmer bei Lebzeiten bes Menfchen erkennbar und der ärztlichen Behandlung zu.
gänglich find. Von diefer Elaffe Hat man bis jegt drei Dauptarten aufgefunden, den Peitfchen-
wurm ober Haarkopf (Trichocephalus dispar), die Abkaride mit ihren Unterarten (dem Ma-
denwurme ober Pfriemenfchwanze und dem Spulmurm) und den Bandwurm (f.d.). heile bie
felben, theil® andere Gattungen diefer Würmer beobachtet man auch bei den größern Thieren,
von denen jeder Elaffe auch befondere Eingemweidewürmer (f. d.) eigenthümlich find. Die
früher fehr getheilten Anfichten über das Entftchen ber Würmer haben fich jegt allgemein
dahin geeinigt, daß ihre Eier von außen in den Darnılanal gelangen und hier ausgebrütet
werden. Das Vorhandenfein von Würmern im Darmkanale des Menfchen läßt fi aus
mancherlei Zeichen, die befonders dad Nervenfoften unb die Verdauung betreffen, fehlie-
gen, ſicher erkennen jedoh nur aus dem Abgange von Würmern mit bem Darmkothe,
in welchem man dann abgeriffene Stüde des Bandwurms, einzelne Spulmwürmer oder
große Mengen von Madenwürmern findet. Für die Behandlung gelten dit einfachen Re
gein, theils das Krankheitöproduct, für welches die Würmer gelten müffen, gu entfernen,
theils die Wiedererzeugung derfelben zu verhüten. Leſteres wird durch eine Diät, melde
überhaupt Verbeſſerung der Verdauung bei den erwähnten Zuftänden des Darmkanals
bezweckt, durch leicht verbauliche und gut nährende Koft erreicht; erfteres durch Anmendung .
der fogenannten Wurmmittel (remedia anthelminthica) bewirkt. Von diefen find befonders
zu nennen: Wurm» oder Zittwerfamen (Semina Cinae oder Santonici), Rainfarenfamen
(Semina Tanaceti), die Farrnfrautwurzel (Radix filicis maris), die Möhren, Zwiebeln, der
Knoblauch, dad Wurmöl (Oleum anthelminthicum Chaberti), aus Terpentinol und Hirſch⸗
—8 beſtehend, das Wurmmoos (Helminthochorton) und andere, welche theils allein in ver-
hiedenen Präparaten, theils in Verbindung mit draftifchen Abführmitteln ale Wurmpulver,
Wurmlatwergen u. f. w. angewendet werden. Nicht gering ift die Anzahl der Würmer, welche
zumeilenim Zellgewebeunterder Haut, im Herzen, im Gehirn, in den Gierftöden, ber Leber, den
Nieren, ber Harnblafe, in manchen Drüfen und andern Organen gefunden werben, welche aber,
wie ſchon erwähnt, beim Leben nicht zu erkennen, auch bis jegt der ärztlichen Kunſt unerreichbar
geblieben find. Vgl. Bremfer, „Über lebende Würmer im lebenden Menſchen“ (Wien 1819).
Wurmſer (Dagobert Sigmund, Graf von), kaiſerl. öftt. Generalfeldmarfhall, ftammte
aus einer angefehenen und reichen Kamilie im Elfaß und wurde 1724 geboren. Anfangs wollte
er fih den Wiſſenſchaften widmen; boch fehr bald trat er in öſtr. Kriegedienfte, machte den
Siebenjährigen Krieg mit und kam als Generalfeldmachtmeifter aus bemfelben zurüd. Im
3.1773 wurde er Chef eines Hufarenregiments und einige Jahre Tpäter Seldmarfchallieute-
nant. Im Bairifchen Erbfolgekriege befehligte er ein befonderes Korps in Böhmen. Es wurde
zwar in bem erſten Feldzuge (1778) von beiden Seiten nichts Großes gewagt; aber beide Ar ˖
— [Tr ww
Burfigift 371
meen beunrubigten ſich häufig in den Winterquartiern. &o machte au W. 18. San. 1779
eine Unternehmung gegen die Grafſchaft Glatz, wobei e6 ihm gelang, die Preußen in Habel-
ſchwerdt zu überwältigen und viele Gefangene zu machen. Nach bem Frieden wurde W. zum
eommmandirenden General in Galizien und 1787 zum General der Savalerie ernannt. Im
Kaufe der Franzöfiichen Revolution verlor feine Familie ipre Befigungen im Elſaß und er
ſelbſt litt dadurch bedeutenden Schaden. Beim Ausbruche des franz. Revolutionskriegs er-
hielt er den Auftrag, ein Armeecorps im Breisgau zufammenzuziehen. Er überfchritt mit
derifelben 31. März 1793 bei Ketfch, zwiſchen Manheim ımd Speier, ben Rhein, griff am fol-
genden Tage ben franz. Nachtrab unter Euftine an und lie feine Vorpoften bis Landau ſtrei⸗
fen, welches er, 10 ohne Erfolg, zur Übergabe auffaberte. Sein Hauptquartier war hierauf
zu Speier, wo das Conde'ſche Corps fich mit ihm vereinigte. Am 13. Det. eroberte er in Ver⸗
Bindung mit dem Herzog von Braunfchweig bie Weißenburger Linien. Durch nachfolgende
minder glüdliche Gefechte wurde er im December genötbigt, über ben Rhein zurückzugehen und
im San. 1794 von feinem Corpsé abgerufen, bei welchem ber Prinz von Waldeck einftweilen in
feine Stelle trat. Im Aug. 1795 Bam er wieber zum Heere, und nachdem bie Franzoſen 23.
und 29. Det. bei Manheim gefchlagen worden, eroberte er das verſchanzte Lager bei dieſer Fe⸗
flung und 22. Nov. diefe felbft. Während des im Dec. 1795 zwiſchen ben Deutfchen und
Franzoſen abgefchloffenen Waffenftillftands nahm W. fein Hauptquartier zu Manheim. Am
Rhein berrfchte bis zum Mai 1796 eine faft gänzliche Unthätigkeit; defto lebhafter wurde der
Krieg in Italien geführt. Beaulieu, der ſich mit dem öſtr. Heere bis nach Tirol hatte zurüd-
ziehen müffen, legte ben Oberbefehl deffelben nieder und W.trat an feine Stelle. Er traf 1. Juli
41796 im Hauptquartiere zu Trient ein, machte fogleich Anftalten zum Vorbringen, um das
yon ben Franzoſen blodirte und von Vukaſſowich tapfer vertheidigte Mantua zu befreien, und
vertrieb die Sranzofen aus verfchiedenen Stellungen. Diefe hoben zwar die Blodade von Man-
- tua auf, benugten aber W.'s Fehler, der feine Armee in zwei Colonnen getheilt hatte, ſogleich
und fielen mit ganzer Macht zuerfl über den von Brescia heranrüdenden Quosdanowich ber,
der in viertägigen Gefechten nad) Tirol zurüdigetrieben wurde, und fehlugen num auch WB. felbft
bei Caſtiglione 5. Aug. und bei Roveredo A. Sept., bis er ſich 8. Sept. bei Baffano mit großer
Tapferkeit nach Mantua dburchfchlug, wo er 13. Sept. anfam. Am 30. warf er ſich, von ben
Franzoſen gedrängt, in die Feſtung, welche nun aufs neue blodirt wurde. Zwar machte er ver-
ſchiedene glüdliche Ausfälle, aber die Schlacht bei Arcole 15. Nov., wo bie — ** unter
Alvinczy geſchlagen wurden, hatte Auch die Folge, daß Mantua enger eingeſchloſſen wurde. Der
Verluſt der Schlachten bei Rivoli und bei der Favorite unweit Mantua 14. und 16. Jan. 1797
verſchlimmerte die Lage diefer Feſtung, von deren Schickſal das Schickſal Italiens abzuhängen
ſchien. Die Unmöglichkeit eines Entfages, Mangel an Lebensmitteln und beſonders an Arz-
neien bei eingeriffenen Seuchen nötbigten endlich W. 2. Febr. Mantua, nach einer Blodade
von neun Monaten, an ben franz. General Serrurier zu übergeben. Für W. war die Capitu⸗
lation fehr ehrenvoll, und der franz. Obergeneral Bonaparte ließ ihm in feinem Bericht an das
Directorium volle Gerechtigkeit wiberfahren. Nach ber Übergabe von Mantua ging er nach
Wien und wurde zum commandirenden General in Ungarn beftimmt. Er flarb aber, noch ehe
ex diefen Poften antreten Eonnte, 1797 in Wien, W. war nicht nur ein tapferer und einfichte-
voller Feldherr, fonbern auch ein ebelmüthiger und freigebiger Mann.
zeurfgift nennt man bie Urſache ber eigenthümlichen Vergiftungsfälle, welche zumellen
nach dem Genuſſe ſchlecht geräucherter, feltener ungeräucherter, befonders fetter Würſte, na
mentlich Leberwürſte, beobachtet werben. Erft feit etwa 50 3. ift man barauf aufmerffam ge-
worden und die meiften Beobachtungen find in Würtemberg gemacht. Eine eigenthümliche
Berberbniß ber Würfte, vielleicht die Erzeugung einer flüchtigen Bafe (des Trimerhylamins),
iſt die Urfache; doch haben alle analytifchen Verſuche bis fegt noch keinen nähern Aufſchluß
darüber gegeben. Die Symptome dieſer Vergiftung treten nur langſam ein und befchränfen fich
zumeilen auf Obnmachten, Übelfeiten, Erbrechen, Durchfall; in andern Fällen tritt eine geroiffe
Wühllofigkeit der Haut, Lähmung der Augenlider, Heiferkeit, Trodenheit der Haut und ber
Schleimhäute, Schlingbefchwerden, Stuhlverflopfung, Schwindel u. f. w. hinzu, and in Fällen
der legtern Art erfolgt wol innerhalb acht Tagen der Tod, ober bie Krankheit geht in ein chroni⸗
(ches Siechthum über. Im Anfange leiften Brechmittel bie beften Dienfle; aber bei dem Dun-
gel, welches über die Entflehungsurfache verbreitet ifl, Bann von einer rationellen und ſichern
Behandlung noch nicht bie Rebe fein. ge
373 Wurſtwagen Wuͤrtemberg
Wurſtwagen find Artilleriefuhrwerke, die zum ſchnellen Fortſchaffen ber Bedienungs⸗
mannſchaften der Geſchũtze beſonders eingerichtet werben. Zwar hat das Auffitzen der Leute
auf der Proge und auf den Dandpferden der Befpannung einen gleichen Zweck, aber nicht Die
Einrichtung des Wurſtwagens, der im Allgemeinen aus einem gepolfterten, in Federn oder
Riemen hängenden Sige beſteht, unter welchem ſich ein Mumitionsbehälter befindet. Sie find
in der bair. Armee für die ſechspfündigen Batterien eingeführt; in Oſtreich find die Laffeten
der ſechs⸗ und fiebenpfündigen Cavaleriegeſchütze mit einem zwifchen die Wände paffenden Mu⸗
nitionstaften verfehen, beffen obere gepolfterte Dede ebenfalls zum Auffigen dient. Auch bei
den Raketenbatterien befinden ſich Wurſtwagen. Unftreitig ift diefe Einrichtung wohlfeiler als
die Unterhaltung ber reitenden Artillerie und gewährt mehr Einfachheit der Organifation; da-
gegen ift Die Möglichkeit des Zerbrechens eines Fuhrwerks, auch wol bie Gefahr ber Entzün⸗
dung der Munition überhaupt oder durch feindliche Schüffe ale Nachtheil zu betrachten. Huch
bat die reitende Artillerie Durch bie größere Zahl ihrer Pferde weit mehr Sicherheit bes Fort⸗
bringend ber Befchüge, wenn große Verlufte bei Hartnädigen Gefechten flatifinden follten.
Würtemberg, dad Königreich, officiell feit 1802 Württemberg, früher Wirtemberg ge
nannt, ift feiner Große nach der fünfte, dem Range nad) ber fech6te der deutſchen Bundes ſtaa⸗
ten. Es gehört zum ſüdweſtlichen Deutfchland, grenzt im Norboften, Often und Süboften an
Baiern, gegen Norbweften, Welten und Sübweften an Baben, gegen Süden theild an diefes,
theild an die preuß. Fürſtenthümer Hohenzollern und den Bobenfee, der es von der Schweiz
trennt, und befigt außerhalb diefer einfachen und wohl abgerundeten Umgrenzung einige Tleine
Enclaven im Babenfchen und Hohenzollernfchen, wie es andererfeits bie hohenzollernſchen Für-
ſtenthümer und drei großherzoglich heſſ. Enclaven umfchlieft. Das Königreich hat ein Areal
von 354,8 QM. und zählte Ende 1852 in 9457 Wohnplägen (darunter 136 Städte) 1,753269
E. Seinen Oberflächenverhältniffen nad) gehört W. zum weſtlichen Theil des fübdeutfchen
Hochlandes. Sein Relief beftimmen der Schwarzwald, der Schwäbifche Jura und aus Baiern
berüberftreichende Züge der Algauer Alpen. Im Allgemeinen ift das füdliche W. weit hoher
als das nördliche. Dort erhebt ſich das Plateau von Oberſchwaben, zwiſchen dem Bobenfee und
der Donau, 18002000 $., ale einer ber höchſten Landſtriche Deutfchlanbs mit regelloſen
Hügelgruppen und Hügelfetten, mit dem 3456 F. hohen Schwarzen Grat und bem 3204 $.
hohen Hochkopf auf der Adelegg. Von dem aus Baden herübertretenden Schwarzwalde (ſ. d.) ge
hört nur ein Theil ber Nordhälfte zu W.; die 36208. hohe Hornsgrinde, ber Höchfte Punkt des
ganzen Königreichs, und üblicher die Bergmaffe bes merfwürdigen Kniebispaffes mit dem
2960 8. hohen Roßbühl, beide auf ber Grenze gelegen, find feine höchſten Theile und das ſchöne
obere Murgthal fein bebeutendftes Gebirgsthal in W. Der Schwäbifche Jura, auch Rauhe ober
Schwäbiſche Alb (ſ. Alp) genannt, zieht in norböftliher Richtung von der bad. zur bair.
Grenze. Zwiſchen dem Schwarzwald und ber Rauhen Alb breitet fih im Nedargebiet das
Zerraſſenland von Unterſchwaben aus mit reizendem Wechfel von fruchtbaren Hügellandfchaften,
Thälern und Ebenen. Im Ganzen ift in WB. das Hügelland vorherpfchend; ed nimmt 46 Pror.
bed Geſammtareals ein, während auf bad Berg- und Bebirgsland nur 29, auf das Flachland
nur 25 Proc. kommen. Zu legterm gehören beſonders das Nedarthal und die Landfchaften am
mittlern und untern Raufe bed Kocher, der Jart und Zauber. In orographifcher Dinficht zeich-
net fich unter ben genannten Gebirgen ber Nordweſtabfall der Alb durch große Zerriffenheit
ber Bergformen aus, indem einzelne Kegel von der Daffe des Bergwalls mehr oder minder
weit vorgefchoben find, deren Gipfel die Stammfchlöffer berühmter Negentenfamilien krö⸗
nen. Solche ifolixt ſtehende Punkte, meift Bafalt - und Phonolithtuppen, find die Achalm bei
Reutlingen, 2191 &., ber Hohen-Neuffen bei Neuffen, 2298 F. die Ted’ am Lauterthal, 2396 &.,
ber Hohenftaufen, 2140 $., der Rechberg, 2219 $., ber Stuiffen oder Staufen, 2381 F. und
ber Nipf bei Bopfingen, 2089 F. Hoch. Seinen geognoflifchen Verhältniffen nach gehört W.
vorherrichend den tertiären Gebilden, befonders der Mufcheltalt- und Surakalke, ber Keuper-
und Liasformatioͤn und der Molaffe an; faft nur am Schwarzwald treten Granit und Bneis,
zum Theil von Buntfandftein überlagert, auf. Die Tertiärgebilde haben emen großen
Reichthum an fchönen Verfteinerungen und eine bedeutende Menge von Höhlen, beren an 30
den Juradolomit der Alb durchziehen und die fchönften Tropffteingebilde enthalten. Die Ge
gend von Boll gehört zu den berühmteften Fundſtätten großer vorweltlicher Meptilien. Die
Gewäffer gehören theils dem Gtromgebiet bes Rhein, theild dem der Donau an. Der wiqh⸗
tigfte Fluß ift der Nedar (f. d.), der an 40 M., den größen Theil feines Laufe, auf wür⸗
temb. Gebiete zurücklegt und aufdemfelben links die Enz mit ber Nagold, rechts die File, Rems
nn WET 34 DH BE 3
Bürtemberg 373
Murr, Kocher und Jart aufnimmt. Die Donau durchſtrömt das Land mit einer kurzen Unter-
brechung auf einer Strede von 14 M., von Tuttlingen bi6 Ulm, wo fie ſchiffbar wird umd linke
die Blau, rechts als Grenzfluß die Iller aufnimmt. Außerdem ftrömen die Salzbach, Pfinz,
Murg und Kinzig durch Baden, die Zauber mittels des Main, bie Rothbach, Schuffen und
Argen mittel des Bodenſees bem Rhein zu. Die vorzüglichfien Seen find der Bodenfee, von
welchem 1, AM. zu IB. gehört, und bei Buchau ber Federſee, der St. lang und A breit,
418 8. tief ifl, von fumpfigen, faft unzugänglichen Ufern umgeben wird, 814 Morgen einnimmt
und mittel der Kanzach in die Donau abflieft. Mineralquellen zahle man 32; die berühmte:
ken fmd die von Wildbad (T. b.) und Gannflabt. Das Klima ift im Ganzen gefund; fehr mild
befonders in den Thälern des untern Redar, am untern Kocher, an der Tauber und der untern
Enz; rauh, zum Theil ſehr kalt auf den Gebirgen, auf den Hochflächen der Alb und dem Pla-
teau von Oberfchwaben, mo einige Orte wie Jeny und Leutkirch über 2000 8. Hoch liegen. Die
ſtarke Bewaldung des Landes bringt eine beträchtliche Feuchtigkeit mit fich, welche durch ben
vorherrfchenden Sũdweſtwind noch gefleigert wird. Der rafche Witterungswechfel erzeugt
häufig Hagelſchlag, der jährlich im Durchſchnitt Die Ernten von 50524 Morgen im Werthe
von 635000 Glon. zerflört.
Der Boden ift, die wafferlofen Gegenden ber Alb, einige Theile Oberſchwabens und der
übrigen Gebirge abgerechnet, fehr fruchtbar und gut angebaut, befonders in Unter- und Mittd-
ſchwaben, ſodaß W. mie zu den ſchönſten, fo auch zu ben gefegnetften Theilen Deutſchlands
gerechnet wird. Bon der gefammten Bodenfläche, 6,188252 würtemb. Morgen (1 — 1,
preuß. Morg.). tommen nur 4,64 Proc. auf Unland, 95,36 Proc. auf Eulturland und zwar auf
er 42,18, auf Gärten 1,96, Weinberge 1,34, Wiefen 14,2, Waldungen 31,02, Weiden 4,231
Proc. Die ergiebigften Landestheile find die Filder bei Stuttgart, das Ried bei Neresheim,
das Strohgäu bei Herrenberg und einige Bezirke Oberſchwabens. Man baut Getreide aller
Art und über den Bedarf, befonders viel Dinkel ober Spelt (1852 nicht weniger als 4,184321
würtemb. Scheffel), viel Hafer und Gerfte, Tegtere jegt mehr (1,116667 Scheffel) als früher
wegen der Brauereien, aud Mais, aber nur wenig Buchweizen und Hirfe ; außerbem viel Kar-
toffeln und Kopfkohl, gute Hülfenfrüchte in Menge, Raps, Hanf (3,854425 Pf.), Flachs
(1,825976 Pf.), Tabad, Hopfen, Mohn, Cichorie, Karden, Zuderrüben, viel Futterkräuter.
. Bon den Brotfrüchten wird ein namhafter Theil nad der Schweiz und nach Oſtreich ausge:
führt. Der Getreideumfag belief ſich 1852 in den 72 Schrannen des Landes auf 1,109834
Scheffel, der Erlös auf 11,385735 Gldn. Die bedeutendſten Fruchtmärkte find Ulm, Bibe-
rach, Heilbronn, Ravensburg, Riedlingen, Reutlingen und Waldſee. Ein fehr wichtiger Nahe
rungszweig ift auch der Weinbau, der 1853 in 369 Drten betrieben wurde. Das Land theilt
fih in 8 Weinbaubezirke: die obere und die untere Nedargegend, bas Rems⸗, Enz, Kocher»,
art und Tauberthal, das Zabergau und die Bodenſeegegend (Schuffenthal u. ſ. w.). In
den 25 3. von 1827 — 52 war der durchfchnirtliche Naturalertrag im Ganzen 145165
würtemb. Eimer und befien Geldwerth 3,260248 Glbn. Legterer belief fi im beften
Sahrgang (1834) auf 9,684920, im fchlechteften (1851) auf nur 617442 Gldn. Die
befamnteiten Weinforten find im Unter-Nedarthal der Lauffener , der Schalkſteiner bei
Beſigheim, der Heffigheimer, der Käsberger bei Mundelsheim, der Groß- und der Klein
bottwarer, der Aſsperger, der Untertürfheimer und Uhlbacher, im Remsthale die Weine
von Korb, Kleinheppach, Beutelsbach, Fellbach und Stetten, im Enzthal bie von Roßwag,
Mühlhauſen, Maulbronn, Hohenhaßlach, im Kocher » Jartthal die von Ingelfingen, Varren ⸗
berg, Michelbach, im Taubergrund die von Markolsheim und Mergentheim. Obſt wird
in fehr großer Menge, vorzüglich in Unterſchwaben erzeugt, wo ſich ganze Obſtwälder fin-
ben; namentlich zeichnet fi die Gegend von Eßlingen aus, die in guten Jahren fchon über
30000 Eimer Doftwein erzielt hat. Im J. 1852 belief ſich der Obftertrag von 7,947674
Obſtbaumen auf 4,126660 Simri, im Geldmerthe von 1,525000 Glbn. Getrodnetes Obſt
wird in nicht geringer Menge ausgeführt. Der Gartenbau nimmt mehr und mehr zu. Beſon⸗
ders wichtig ift der Bemüfebau im Nedarthale zwifchen Eßlingen und Cannſtadt. Berühmt in
ganz Schwaben find die Settinger Rüben, der Weißkohl auf den Fildern, der Spargel und Blu⸗
mentohl von Um. Von großer Bebentung und gut beſtellt iſt in W. die Forſtwirthſchaft. Die
Walbfläche betrug 1853 nicht weniger als 1,919341 würtemb. Morgen, d. i. über 31 Proc.
bes Staatsgebiets. Hierunter befanden fich etwa 960000 Morgen Laubholz- und 890000
Morgen Nadelholzwaͤlder; jene find in Unterfranken und auf ben NRorbabhängen der Alb, dieſe
Im Schwarzwalde, in Oberſchwaben und im Welsheimer Walde zwifchen dem Rems- um’
374 Bürtemberg
Murrthale vorherrfchend. Der Ertrag der Staatswaldungen hat ſich feit 1822 um 62, ber ber
Semeinde- und Privatwaldungen um 38 Proc. gebefjert. Einen bedeutenden Zuſchuß an
Brennmaterial liefern die etwa 30000 Morgen großen Torfmoore. Sehr wichtig ift bie Holz⸗
ausfuhr. Vom Schwarzwald allein wird jährlich, beſonders durch bie Holländercompagnie zur
Calw und durch die Landescompagnie, für mehr als 400000 Gldn. Holz verführt. Neben
dem Aderbau und der Korftcultur fteht die Viehzucht iri großer Blüte. Ganz vontrefflich
ft W.s Nindvieh, deffen Stand fih Anfang 1853 auf 811159 Stüd belief, und deſſen Er-
trag an Mil auf 21,433440 Glbn., an Fleifch auf 5,637780, an Häuten und Zellen auf
1,159802, fowie bie Zugarbeit auf 6 Mill. und die ganze Nente auf 34,250000 Glbn. beredh-
net wurde. Die Stallfütterung ift überwiegend. Käfereien gibt es vorzüglich zu Emerkingen,
Bechingen, Erbach, Überkingen, Pleibelsheim, Hohenheim und Oberdiſchingen. Die Ausfuhr an
Rindvieh, befonders nach Frankreich und ber Schweiz, ift fo bedeutend, baf fie unterben Erporten
W.s den erftn Rang einnimmt. Die größten Viehmärkte hat Oberſchwaben. Auch zieht man
recht gute Pferde (95038 Stück im Werthe von 5,569254 Gldn.), vorzüglich in Oberſchwaben
und der fühlichen Alb. Zu ihrer Veredelung haben in neuerer Zeit befonders bie königl. Privatge-
ftüte zu Weil, Scharrnhauſen, Klein⸗Hohenheim, Seegutpartund Monrepos, fowie das Landes⸗
geftüt mit ben vier Geftüthöfen zu Marbach, Offenhaufen, Güterſtein und St.-Fohann und dem
allgemeinen Landesbeſchälerſtall zu Stuttgart gewirkt. Die Schafzucht ift merkbar vorwärts
geſchritten, allein die Anzahl ber Schafe hat abgenommen, indem fie 1840 676659, 1852 aber
nur noch 458488 Stüd betrug. ‘Der Geldwerth mag fich jegt auf 3,588000 Eldn. belaufen.
Die befte Wolle liefern die königl. Mufterfchäferei zu Achalm, die bes Inflituts zu Hohenheim,
bie Gotta’fche, Zeffin’fche, Kerner'ſche und Viſher'ſche Privatfchäferei.. Der Bollumfag auf
ben Märkten von Kirchheim, Heilbronn, Göppingen, Ehingen und Zuttlingen Hat im Allgemei-
nen zugenommen. Die Hauptausfuhr geht nach Baiern und Baben, während fie nach Frank⸗
reich und der Schweiz faft ganz aufgehört hat. Zur Veredelung ber Schweine, deren Zahl
1844—54 von 178094 auf 143524 (im Geldwerthe von 1,621800 Glbn.) herabgegan-
gen ift, find 41854 Zuchttbiere aus England angelauft worden. Die Bienenzudt bat im
Ganzen zugenommen; die Zahl der Bienenſtöcke flieg 1834 — 52 von 63324 auf 75358,
im Werthe von 376000 Glön. Der Geldwerth des gefammten Viehſtands wird auf
432, MIN. Gldn. berechnet. Nicht unbetraͤchtlich ift auch die Fifcherei, namentlich auf dem
Bobenfee, und eigenthümlich die Schnedienmäflung auf ber Alb. Die Sorge für bie Land- und
Forſtwirthſchaft ift althergebracht in W. Dur König Wilhelm wurde fie ſowol an und für
fi als in der öffentlichen Meinung bedeutend gehoben. Hierzu trugen befonders die königl.
Mufterrirchfchaften bei, für den Aderbau zu Monrepos, für ben Weinbau zu Untertürfheim,
für Rindviehzucht zu Monrepos und Manzell, für Pferde- und Schafzucht bie oben erwähnten
nflalten. Einen weitern Antrieb gab das allgemeine landwirthſchaftliche Feſt zu Cannſtadt,
das feit 1818 alljährlich im September abgehalten wird. Die feit 1817 begründete Eentral-
fielle des Tandwirthfchaftlichen Vereins, die dem Minifterium des Innern untergeordnet ift und
mit 62 Bezirksvereinen in Verbindung ſteht, theilte das Land 1845 in elf landwirthſchaftliche
Gaue ab, die zahlreiche Bauverfammlungen halten, wozu noch die fogenannten Wanderver⸗
fammlungen ber Landwirthe kommen. Außerdem wirken in diefer Richtung zahlreiche Privat⸗
vereine. Die wiffenfchaftlichen Inftitute zur Beförderung der Landwirthſchaft u. f. w. find, au⸗
Her den Iandwirthfchaftlichen Borlefungen an ber Univerfität zu Tübingen, die Thierarzneifchule
zu Stuttgart, das 1808 gegründete und 1847 zur Akademie erhobene Iandwirthfchaftliche In-
flitut zu Hohenheim (f. d.), die dortige und bie Ackerbauſchulen zu Ellwangen, Ochfenhaufen
und Kirchberg bei Sulzbach und bie Walbbaufchule zu Ellwangen. Der zu häufige Güterver»
kauf und Güterzerſtückelung find gefeglich erſchwert. Unter den Producten des Bergbaus find
nur Salz und Eifenerz von Erheblichkeit. Die fünf Staatsfalinen zu Hall, Sulz, Wuhelms hall
bei Schenningen, Friedrichshall und Clemenshall bei Kochendorf und das bedeutende Stein⸗
ſalzwerk zu Wilhelmsglüd, deſſen Ertrag in Hal verſotten wird, lieferten 1852 —53 nicht
weniger als 708755 CEtr. Salz, wovon 262275 Etr. nach dem Auslande, größtentheil® nach
ber Schweiz, ausgeführt wurden. Eifenerz findet fih, außer in der Begend von Neuenbürg unb
Breudenftabt im Schwarzwalde, vorzüglich in den zonenartig am fleilen Nordabfall dergAib
hervortretenden Schichten von Eifenfandftein und Eifenrogenftein, die an vielen Orten des Ko-
cher· und Brenzthals, namentlich aber in der Gegend von Aalen und Wafferalfingen zu bedeu-
tendem Bergbau und Hüttenbetrieb Veranlaffung geben, wozu fich noch die Bohnerze gefellen,
bie in etwa 20 Gruben bergmännifch gesvonnen werben. Der Staat befigt fieben Eifenhütten-
Bürtenberg 375
werke, zu Königebronn, Unterkochen, Wafferalfingen, Lubwigsthal, Abtsgmünd, Friedrichsthal
mit Chriſtophsthal, Wilhelmshürte. Auf Vitriof wirb eine Grube bei Gaildorf, auf Kobalt bei
Alpirsbach durch Private betrieben; Töpferthon wird bei Heidenheim und Schramberg ge-
monnen; Kalkftein, Gyps, Kalkfchiefer, der die vortrefflihen Kolbinger Platten liefert, Kalt»
fpath, Tuffftein, Weg- und Schleiffteine, Mühl» und Quaderſteine, auch Marmor in vielen
Sorten, Alabafter, Walker» und Siegelerde und mancherlei Farbenerden find reichlich vorhan⸗
den, Stein- und Braunkohlen nur wenig.
W. gehört nicht zu den Kabrifländern, doch bildet auch die Verarbeitung ber inländiſchen wie
ber eingeführten Roherzeugniſſe einen wichtigen Zweig der Nationalthätigkeit. Was zunächſt
die Metallinduftrie betrifft, fo zählen die genannten fieben Staatseifenhüttenwerke zufammen
7 Hoc. und 9 Umfchmelzungsöfen, 3 Pubdlingsöfen mit Walzwerken und 19 Frifchfeuer;
außerdem gibt ed etwa 14 Privateifenhämmer. Das Erzeugniß an Rob-, Guf- und Stabeifen
ward für 1852 auf 240000 Etr. im Werthe von 1, Mill. Glon. der Bedarf an Eifen auf
450000, die Ausfuhr auf 30000, die Einfuhr auf 250000 Etr. im Werthe von 1,520000
Stdn. berechnet. Eifenproduction und Verkauf haben aber feitbem bedeutend zugenommen.
Kupferhammer gibt es 5, Glockengießereien 2, Blechwaarenfabriken 6, Senfentaßriten 2,
Schrotgießereien 2, Hammerfchmieden 20, Mafchinenfabriten 5, mworunter die zu Eflingen
mit 700 Arbeitern; ferner eine königl. Gewehrfabrik zu Oberndorf, eine Nabele, eine Metall-,
eine Mefling-, eine Metalltypenfabrit und etwa 15 Gold- und Silberwaarenfabriten, beren
Geſchäfte in bebeutendem Auffchwunge begriffen find. Die große Waffermenge und das ſtarke
Gefälle der Flüffe und Bäche ſchenken dem Lande zahlreiche Wafferkräfte, ſodaß W. 4951 Wafe
ſerwerke, darunter 196 Fabriken und 2214 Mühlen befigt. Was die Manufacturinduftrie an«
langt, fo hat bie Rinneninduftrie in IB. wegen zunehmender Verbreitung der Baunmvollenfpin-
nerei eine bebeutende Abnahme erlitten; doch ift anzunehmen, daß fie immer noch ben innern
Bedarf des Landes dedt; in etwa 50 Orten wird die Spinnerei und Weberei vorzugsweife be⸗
trieben, am ftärkften in der Alb und in Oberſchwaben, namentlich in Urach, Laichingen, Blau⸗
beuren, Göppingen, Donzdorf u. f. m. Damafte werben befonders in Münfingen gefertigt.
Leinmwandbleichen gibt es 11 größere und 169 kleinere. Die einzige mechanifche Flachsſpinnerei
in Urach befchäftige 4208 Spindeln und 260 Perfonen. Die Baumwolleninduftrie ift im
Wachsthum begriffen und wird an etwa 30 Orten betrieben. Mechanifche Spinnereien gibt e6
15 mit ungefähr 50000 Spindeln, die 1500 Arbeiter befchäftigen und jährli 16000 Ctr.
Baummolle verfpinnen. Die Baummollenweberei geht gut in den Fabriken, ſchlecht bei den ein-
zelnen Meiftern; der erftern zählt man 16, darunter die wichtigften zu Göppingen, Biberach,
Ravensburg und Heidenheim. Mancheſter wird in fech6 Fabriken gefertigt. Einer ber bedeu-
tendften Erwerbszweige, befonders für die Landgemeinden, ift feit einigen Jahren die Weiß.
fliderei. Im J. 1848 betbeiligten fich erft 120 Gemeinden daran, 1853 waren bereit# 279 Ge⸗
meinden (15975 Perfonen) damit befchäftigt und zwar 208 ausſchließlich für die Schweiz, 37
für Schweiz und Inland, 3A nur für würtemb. Fabrikanten. Die Seidenmanufactur fteht, mit
Ausnahme ber etwas zunehmenden Zwirnerei, auf einem ziemlich niedrigen Standpunkte; fie
befchäftigt etwa zehn Fabriken. Die Wolleninduftrie ift im Steigen begsiffen; die Mafchinen-
fpinnerei, befonders aber die Streichgarnfpinnerei, wird in A8 Fabriken ſchwunghaſt betrieben.
Die Hauptetabliffenents find in Calw, Cannſtadt, Wartbaufen, Heilbronn, Ravensburg,
Winnenden, Reutlingen und Eßlingen. Die Tuchfabrikation leidet fehr an der Coneurrenz der
andern Zollvereinsſtaaten. Außer den zahlreichen Kleinmeiftern gibt es etwa 25 größere Tuch⸗
fabriten, befonder& in Ludwigsburg, Waiblingen, Cal, Eflingen, Cannſtadt, Bietigheim, Na-
gold, Stuttgart, Aalen, Göppingen u. f. w. Die fluttgarter Tuchmeffe fegte 1855 6818 Stud
Tuch ab, wovon 3665 ind Ausland gingen. Die Teppichfabrikation in fünf Fabriken und bie
Wollſtickerei ift fehr in Zunahme begriffen. Dagegen nimmt die Weberei wollener Strümpfe
ab, die von baummollenen zu; es gibt etwa 15 Fabriken, beſonders zu Calw und Ravensbur
Bon ben übrigen fabritmäßig betriebenen Induftriegweigen werden gegenwärtig mit Beifle
gung der Geſammtzahl ber Etabliffemente und ber Hauptorte ber Fabrikation als In Zunahme
begriffene bezeichnet die Fertigung von Papier, worin fi) W. feit langer Zeit auszeichnet und
wovon e8 1850 an 60000 Err. ausführte; von chemifchen Producten Soda, Seife, Stearin,
Lichter, Karben, Zündhölger, Droguerien u. f. w. in 25 Fabriken; von Tabad und Eigarren
in 15 Fabriken; von Oberleder und lackirtem Leder in 12 Fabriken zu Reutlingen, Calw (für
Saffianleder), Ulm, Stuttgart, fowie von Ledergalanteriewaaren in zwei Fabriken zu Stutt-
gart; von muſikaliſchen Inftrumenten in 42 Fabriken zu Stuttgart, Gmünd, Heilbronn, Aa⸗
376 WBürtemberg
Ien, Rottenburg und Ludwigsluſt, welches Drgeln liefert; von Eonditorei- und Traganthwaar en
m acht Fabriken zu Stuttgart, Biberach, Ulm; von Holzwaaren aller Art im Schwarzwalde
und Welsheimerwalde, ſowie von Kinderfpielfachen in fünf Fabriken zu Stuttgart, Lubwige-
burg, Biberach; von Beindrechslerwaaren in fünf, von Strohmaaren in vier, von Steingut in
fechs Fabriken; ferner die Türkifchrothfärberei in fieben Anftalten zu Cannſtadt und Calw; die
Runkelrübenzuckerfabrikation in fünf Etabliffements, wovon die drei zu Stuttgart, Züttlingen
und Altshaufen die Hälfte bes in W. verbrauchten Zuckers (45724 Etr. aus 685857 Een
Rüben mit einem Erlös von 287356 Gldn.) erzeugen; endlich die fehr bedeutende Buchdrucke⸗
rei, Schrift- und Stereotypengießerei in Stuttgart. Abnehmende Fabrikationszweige find ba-
gegen die Fertigung von Sohlleder und gefärbtem Leder (Meutlingen und Calw), von ledernen
andſchuhen (Eflingen), von mathematifhen und phyſikaliſchen Inftrumenten (Stuttgart), von
laswaaren, Föpferwaaren, Bronze⸗ und Semilorwaaren (Gmünd) u. ſ. w. Bedeutend
iſt die Zahl der Ol⸗ und Getreide⸗, Säge⸗und Lohmühlen, der Pottaſchſiedereien, Eſſigfabriken,
eimſiedereien, der Bierbrauereien (3040 im J. 1851) und Branntweinbrennereien (10227).
Im Allgemeinen iſt durch die ſteigende Zunahme der ländlichen Bevölkerung ein Zuſtrömen zu
ben kleinen Gewerben entftanden, welche fich der Concurrenz der Fabriken ohnehin nicht erweh⸗
ren Ponnten, ſodaß jene in einen Nothftand geriethen, ber duch Miswachs und politifche Wir⸗
ren noch vermehrt wurde und vorzugsweiſe bie maffenmweife Auswanderung zur Folge Harte,
bie dem Lande viele geſchickte Hände entführte. Seit 1842—52 wanderten im Durchſchnitt
jährlich 4104, 1851 —52 aber 13767 und in den erften fünf Monaten des 3. 1854 ſchon
15981 Perſonen aus.
"Der Handel fteht in ziemlicher Blüte und ift ſeit W.s Anfchluß an den. Deutfchen Zollverein
(1834) in fleter Zunahme begriffen. Beſonders ift der Speditiond- und Tranfitohandel fehr
bedeutend. Ausgeführt werben vorzüglic Vich, Wolle und andere Vieherzeugniſſe, Getreide
und Nugholz, dann Salz, Obft, Sämereien, Wein, Mübl- und Werffteine und Gyps, von
Kunfterzeugniffen Tuch und andere Wollenwaaren, Leinwand, Garn, Schnittmaaren, Leder
und Zeberarbeiten, Papier, Pech, Theer, Ol, Olkuchen, Obſtwein, Kirſchgeiſt, ulmer Pfeifen⸗
köpfe aus Holzmaſur und andere Drechslerwaaren, Schwarzwaͤlder Uhren, Holzwaaren, Sen⸗
fen, Sicheln, Blechwaaren, Gold» und Silberarbeiten und chemiſche Producte. Eingeführt
werden Hopfen, Tabacksblätter, Hanf und Flachs, Häute und Felle, Wacht, Federn, Horn,
Schwefel, Eiſen und andere Metalle, Steinkohlen, Farbeholzer, Baumwolle, Metallwaaren,
Seidenzeuge, Porzellan, Steingut, Fayence, Colonial⸗ Spezerei- und Galanteriewaaren. Der
Reinertrag ber Zolleinnahme belief ſich 18435—52 auf 23,506117 Thlr., im Durchſchnitt
ih 1,257164 Thlr. Die Haupthandelspläte find Heilbronn, Stuttgart und Ulm, dann
folgen Friedrichshafen am Bodenfee als Stapelplag nach der Schweiz, Cannftadt, Tübingen,
ferner Reutlingen, Calw, Urach, Freudenſtadt, Hall, Rottweil, Ravensburg, Tuttlingen und die
Dörfer Ehningen, Gönningen, Möffingen, Geislingen und Rechberg. Befondere Erwähnung
verdient der Buchhandel W.s und die damit in Verbindung flehende Induftrie. Im J. 1855
hatte es bereite 4108 Buchhandlungen, darunter 37 Verlage», 16 Kunft- und 10 Mufikalien-
bandblungen. Stuttgart, welches in biefer Beziehung nach Leipzig und Berlin bie erſte Stelle
einnimmt, zählte 52 Buchhandlungen, Tübingen und Ulm fe 8, Reutlingen 7, Heilbronn 5;
es waren im Bang 41 Schnell- und 90 Handpreffen, 2 Schriftgießereien, A Stereotypir- umd
35 fithographifche Anftalten, 2 eylographifche Anftitute und eine Stahlftihdrudanftalt. Im].
1852—53 betrug die Zahl der erfchienenen und erfcheinenden Werke 699. Der Handel wird
unterflügt Durch gut chauffitte Straßen, durch die Schiffahrt auf den zwei Hauptflüffen und
dem Bodenfee und neuerdings durch Eifenbahnen. Die Chauffeen haben eine Länge von 343’):
M. Am 1. Juli 1851 wurde das frühere Poſtlehn des Hauſes Thurn und Taxis abgelöft; am
26. Aug. 1851 trat IB. dem beutfch-öftr. Poftverein bei, und durch Vertrag vom A. April 1853
wurbe bie Verbindung mit dem Deutfchen Zoliverein, dem WB. 1. San. 1834 beitrat, auf 123.
erneuert. Im J. 1850 wurde bie würtemberg. Staatd- oder Nedar-Bobenfee-Eifenbahn er-
öffnet, die von Heilbronn über Bietigheim, Stuttgart, Ulm (mo ſich die bair. Bahn nad) Augs-
burg anſchließt) nach Friedrichshafen führt und 33% M. lang iſt; feit 1853 ift die Zweigbahn
im Gange, welche von Bietigheim über Mühlader und Maulbronn bis zur Grenze 4% M. weit
und von ba nach Bruchfal geht und fo den Anſchluß an die bad. Staatsbahn bewirkt. Die Fluf-
ſchiffahrt auf dem Nedar, deren Haupthäfen Sannftadt und Heilbronn find, fegt W. nicht nur
mit den deutfchen Rheinuferftaateri, fondern direct fogar mit Rotterbam und Amfterdbam in
Verbindung, und bie 1841 zu Heilbronn errichtete Dampffchiffahrtögefelifchaft unternimmt
. Bürtemberg 377
jaͤhrlich mit ihren vier Booten etwa 300 Fahrten nach Heidelberg hin und zurüd. Im J. 1852
kamen zu Heilbronn ſtromaufwärts 859 Gegelfchiffe, 1402 Kähne, 210 Dampffchiffe mit
41,253000 Etrn. Güter an, während ſtromabwärts außer ben Floßhölzern 432567 Etr. beför⸗
dert wurden. Auf ber Donap gehen von der Grenzſtadt Ulm, wo fie ſchiffbar wird, zahlreiche
Auderfchiffe abwärts nach Oſtreich, wo Fracht und Schiffe verfauft werden. Die 1838 ent-
ſtandene bair.- wiretemb. Donaudampffchiffahrtögefellfchaft zu Regensburg hat 1846 ihr Un-
ternehmen ganz an die batr. Regierung überlaffen, und die würtemb. Gefelfchaft zu Ulm, die
fi 1843 bildete und feit 1847 eine Bergfahrt bis Ulm unterhielt, ift ſeitdem eingegangen. Da⸗
gegen macht die Bodenſee⸗Dampfſchiffahrtsgeſellſchaft (jegt Staatsanftalt) mit drei Booten, vier
Schlepp⸗ und Segelfchiffen gute Gefchäfte. Zur Förderung der Induftrie und des Handels ifl
in neuerer Zeit Vieles gefchehen. Im J. 1844 wurde ein allgemeiner Gewerbverein gegründet,
bem feit 1842 verfchiebene Bezirfövereine folgten. Im J. 1848 wurde eine Eentralftelle für
Handel und Gewerbe errichtet, die, dem Miniflerium des Innern untergeorbnet, in Stuttgart
ihren Sig nahm und 1850 dafelbft ein Mufterlager von in- und auslänbifchen Gewerbserzeug-
niffen etablirte. An der Spige ihrer vier Bezirksvereine ftehen die zugleich als Handelsfchieds-
gerichte wirffamen Handelöfammern zu Heilbronn, Reutlingen, Stuttgart und Ulm. In den
größern Städten, überall aber da, wo Realſchulen vorhanden find, beftehen Sonntagsgewerb-
fehulen, deren man bis 1854 79 mit 541 Gefellen und 3622 Lehrlingen zählte. Induftrie-
ausftelungen finden feit 1841 in verfchiedenen Städten alljährlich flatt. Den Dandel för-
dern ferner die feit 1853 in Heilbronn beftehende Transportverſicherungsgeſellſchaft (früher
Schiffahrts aſſecuranz), die würtemberg. Handelögefellfehaft zur Erleichterung des Exports, der
bauptfächlich zur Förderung ber Landwirthſchaft begründete Ereditverein nnd die königl. wür-
temb. „Hofbanque” zu Stuttgart, 1802 errichtet. Wechſelgeſchaͤfte werben hauprfählich in
Stuttgart, Ulm und Heilbronn gemacht. Die allgemeine beutfche Wechfelordnung wurbe in IB.
41349 angenommen.
Was die geiflige Cultur ber Bewohner betrifft, fo ſteht diefelbe auf einer hohen Stufe und
erhebt ſich namentlich über die ihrer öſtlichen Nachbarn. Außer den vielen Kandfchulen, deren
feit alter Zeit eine in jedem Dorfe befteht, befigen die größern Städte höhere Bürgerfchulen.
Niedere Realfchulen gibt es 55, höhere Realanſtalten oder Oberrealfchulen acht, zu Stuttgart,
Heilbronn, Ludwigsburg, Tübingen, Reutlingen, Efingen, Rottweil und Ulm; Handelslehr⸗
anftalten zu Stuttgart und Ulm; lateiniſche Schulen, welche die Schüler bis zum 14.3. füh-
ren, zählt man 68, größtentheils mit NRealfchulen verbunden; Lyceen, weiche bie Kinder bis zum
16.3. führen, vier, zu Ludwigsburg, Tübingen, Reutlingen, Ravensburg; Staats- oder hö⸗
here Symnafien ſechs, zu Stuttgart, wo auch ein Privatgymnafium befteht, Heilbronn, Ulm,
_ Ehingen, Rottweil und Ellwangen (Ieptere drei Patholifch); außerdem mehre höhere Erzie⸗
bungsanftalten. Die Spige der Unterrichtsanftalten bildet die Lanbesuniverfität zu Tübingen
(f.d.). Außerdem gibt ed zu Stuttgart eine Kunftfchule, eine weitberühmte Thierarzneifchule,
eine Debammenfchule, ein Polytechnifches Inftitut, eine Winterbaugewerksſchule, eine Offizier-
bildumgsanftalt und Buidenfchule, zu Ludwigsburg eine Kriegsſchule. Außer den bereitd er-
wähnten landwirthſchaftlichen Schulen zu Hohenheim u. ſ. w. beftehen noch fieben andere In⸗
ftitute zu befondern Zwecken in Heilbronn, Cannftadt, Reutlingen, Urach und Friedrichthafen.
Ein höheres evang.-theologifches Seminar befteht zu Tübingen, vier niedere gibt es zu Schön-
thal, Maulbronn, Urach und Blaubeuren, ein kath. Priefterfeminar zu Rottenburg und brei
Bath. Convicte zu Zübingen (dad Wilhelmsftift), Rottweil und Ehingen, zwei evang. Schullch-
rerfeminare zu Eßlingen und Rürtingen, außerdem zwei mit den Staatswaiſenhäuſern zu
Stuttgart und Weingarten verbundene Schullehrerbildungsanftalten und ein kath. Xehrerfemi-
nar zu Gmünd. Anflalten für Taubftumme find zu Wilhelmédorf, Winnenden und Luſtnau,
für Blinde zu Gmünd, Eflingen, Nürtingen und Stuttgart. Staats waiſenhäuſer beftchen-
zu Stuttgart und Weingarten; Gtaatsirrenhäufer zu Winnenthal umd Imiefalten, Pri-
vatirrenanftalten zu Schorndorf, Pfullingen, Eßlingen, Bol und Chriſtophsbad; Anftal-
ten für ſchwachſinnige Kinder zu Göppingen, Bondorf, Solitude, Winterbach und Mariaberg;
gegen 30 Rinderrettungsanftalten, eine Reihe Kleinkinderbewahranſtalten, Armen- und Kran-
tenhäufer, gegen 40 Armenbefchäftigungsanftalten, über 1100 Induftriefehulen mit mehr als
60000 männlichen und weiblichen Schülern (über die Hälfte Arme), zum Theil unter den Cen⸗
tralmohlthätigkeitsanftalten flehend, darunter die Strohmanufactur zu Schramberg mit 500
Ürbeitern und einer Einnahme von mehr als’, MU. GIdn. Unterflügungsvereine und Berfor-
gungsfaffen für Alte und Kranke, Witwen und Waifen find fehr zahlreich, wie auch die Hülft-,
378 Bürtemberg .
Spar- und Leihlaffen und bie Vereine zu gegenfätiger Unterflügung unter ben
Handwerkern, Fabritarbeitern u. f. w. Seit einigen Jahren befigt W. in dem Pönitentiarhaus
zu Stuttgart ein Sellengefängni für ſchwere Verbrecher; außerdem gibt es ein Zuchthaus zus
Gottes zell bei Gmünd, ein Arbeitshaus für Männer zu Ludwigsburg und eins für Weiber zu
Mark-Sroningen, zwei Kreisgefängniffe zu Heilbronn und Ulm, zwei Zuchtpolizeihäufer zu
Rottenburg und Hall, polizeiliche Befhäftigungsanftalten zu Rottenbung und Vaihingen an
der Enz, ein Staatsgefängniß nebft Strafanftalt auf der Feſtung Hohenasperg.
Kunft und Wiſſenſchaft finden umfaffende Hulfsmittel in der koͤnigl. öffentlichen Bibliothek
unb ben Sammlungen zu Stuttgart (f.b.), in ben Bibliotheken der Univerfität Tübingen und
bes landwirthſchaftlichen Vereins zu Stuttgart, ber Gemäldegalerie zu Ludwigsburg u. f. w.
Bon den zahlreichen wifienfchaftlichen und Kunflvereinen fmd zu erwähnen ber ärztliche und
der wunbärztliche, der thierärztliche, ber Berein für vaterländifche Naturkunde, der hiftorifche
Verein für das frank. W., die ſäͤmmtlich Zeitfchriften herausgeben ; ber literarifche Verein zu
©tuttgart, ber würtemberg. Kunftverein, ber feit 1827 befteht und 1846 dem rhein. Kunftver-
eine beigetreten ift; ber würtemberg. AlterthHumsverein zu Stuttgart feit 1843, ber Verein für
Kunft und Alterthum in Unterfhwaben, ber Verein für claſſiſche Kirchenmufil, der Sänger-
bund, ber 1849 aus 143 Riedertafeln und Sängergeſellſchaften hervorgegangen ift. Im I. 1851
beftanden im Königreich 95 politifche und 54 nichtpolitifche Zeitfchriften.
Die herrſchende Kirche ift die evangeliſche Nach der legten 1846 erfolgten Detailaufnahme
der Bevölkerung befanden ſich unter 1,752638 E. Evangelifche 1,208025, Katholiten 551566
(faft zur Hälfte im Donaukreiſe), andere Chriften 591, Sfraeliten 12356. Die Angelegenhei-
ten ber evang. Kirche werben jegt unter ber oberfteg Leitung des Minifteriums bed Kirchen- und
Schulmefens, welches früher mit dem Minifterium des Innern verbunden war, von einer Sy⸗
node beforgt, bie aus ben fech6 Beneralfuperintendenten oder Prälaten (zu Heilbronn, Hal,
Ludwigsburg, Tübingen, Ulm, Reutlingen) und aus den Mitgliedern des Confiftariums mit
mehren weltlichen Räthen unb einem weltlichen Präſidenten zufammengefegt ift. Unter den
Prälaten ſtehen die 49 Dekane oder Superintendenten, bie ihren Sig meift in den Oberamts-
ftäbten Haben und benen die Gemeindegeiſtlichen, I42 in 884 Ortſchaften, untergeben find. Die
Reformirten haben eine Kirche in Stuttgart, die Brüdergemeine (in Kornthal) beftgt zwei
Pfarreien. Die Aufficht über die kath. Kirche, die zum Erzbisthun Freiburg gehört, führt ber
Landesbiſchof und bas Domcapitel zu Rottenburg, dem ber kath. Kirchenrath ald Staatöbe-
örde gegenüberfteht, und welchen 898 Geiſtliche in 29 Dekanaten oder Landescapiteln mit 652
farrern, 157 Kaplanen und 92 beftändigen Bicariaten, auf 645 Orte vertheilt, untergeorb-
net find. Die Deutfchkatholiten Haben nur noch zwei Gemeinden, in Stuttgart und Ulm, ber
iſraelitiſche Cultus 48 Kirchengemeinden mit 19 Geiftlihen. Zum Reffort des evang. Conſiſto⸗
riums und des kath. Kirchenraths gehört auch das Volksſchulweſen; die Leitung bes höhern
Schulweſens dagegen beforgt der Oberftudienrath zu Stuttgart; bie Univerfität fleht unmittel-
bar unter bem Minifterium. Im Ganzen findet ſich in W. viel religiöfes und kirchliches Leben,
reger Eifer für Bibelverbreitung, Miffionswefen, Armentinderrettungsanftalten u. f. w. Zu
Stuttgart beſteht ein Miffionsverein (Zweigverein der bafeler Miffionsgefellfchaft) und eine
Bibelgefellfchaft. Die evang. Geſellſchaft zur Verbreitung von Tractätchen hat 1852—53
nicht weniger al6 201187 Tractätchen vertheilt. Das Inftitur der barmberzigen Schweftern
zu Ehingen, Gmünd, Rottweil und Steinbach gewinnt immer mehr Ausdehnung.
W. ift eine conflitutionelle Erbmonarchie, die im Plenum der beutichen Bundesverſamm⸗
lung vier und im engern Rathe eine Stimme befigt. Der gegenwärtige Konig ift Wilhelm I.
(f. d.) ; der Kronprinz Karl, geb. 6. März 1823, vermählt 13. Juli 1846 mit der Großfürſtin
Olga von Rußland, ift ber einzige Prinz und hat zur Zeit noch Feine Defcendenz ; der eventuell
nächfte Thronerbe nach ihm iſt feines 16. April 1852 verftorbenen Oheims, des Prinzen Paul,
älterer Sohn Prinz Friedrich, geb. 21. Febr. 1808, vermähle 20. Nov. 1845 mit Prinzellin
Katharina (geb. 24. April 1821), des regierenden Königs Tochter; beider Sohn, Prinz Wil
helm, ift 25. Febr. 1848 geboren. — Das Hauptgrundgefeg des Staats ift bie Verfaflung vom
25. Sept. 1819, die während der 3. 1848—51 mehre Veränderungen erlitt, feitbem aber
reactivirt worden ift, jeboch in Eingelnheiten einer Revifion entgegenficht. Nach berfelben ift der
König das Haupt des Staats; er vereinigt in fich alle Nechte der Staatögewalt und übt fie
unter den durch die Verfaſſung feftgefegten Beftimmungen aus. Das Recht ber Thronfolge
gebührt nach dem Hausgefeg vom 8. Juni 1828 zunächft dem Mannsflamme nach dem Erſt⸗
aeburtsrechte; nach dem Erlsſchen defielben geht die Krone auf die weibliche Linie über. Der
WBürtemberg 370
König bezieht nach dem Beleg von 1820 eine auf feine Regierungszeit beſtimmte Cwilliſte von
850000 Glidn., bie im Finanzetat für 1852 —55 auf 857160 Gldn. profectirt iſt; die Mit⸗
glieder ber königl. Familie beziehen Apanagen, die in bemfelben Etat auf 255531 Gldn. pro-
jectirt find; auch fleht dem König die Benugung und Verwaltung bes Hofdomänenfammerguts
zu. Die alle brei Jahre berufenen Landſtände find befugt, die Rechte des Landes geltend zu
machen, bei der Gefeggedung mitzuwirken, die Steuern zu bewilligen, das Budget zu prüfen
und Anklagen wegen verfaflungswidriger Handlungen zu erheben. Sie beſtehen aus zwei Kam-
mern, ber Kammer ber Standeöherren und ber der Abgeorbneten. Die erfte Kammer, deren
Dräfidenten der König ohne Vorſchlag aus ihrer Mitte wählt, zählt zu ihren Mitgliedern bie
Prinzen des königl. Haufe, die Häupter der fürfllichen und gräflichen Familien und die Ver⸗
treter der Standesherrfchaften, welche früher eine Reichstagftimme befaßen, ſowie die vom Kö—
nig erblich aus adeligen Gutsbeſitzern oder auf Lebenszeit aus den würbigften Staatsbürgern
ernannten Mitglieder. Die zweite Kammer ift zufanmengefegt aus 45 Mitgliedern bes ritter-
ſchaftlichen Adels, die dieſer aus feiner Mitte wählt, aus den ſechs proteft. Generalfuperinten-
benten, aus bem Bath. Landesbiſchof und zwei andern höhern Bath, Geiftlichen, aus dem Kanzler
der Lanbesuniverfität, aus je einem gewählten Abgeorbneten der Städte Stuttgart, Tübingen,
Zubwigsburg, Ellwangen, Ulm, Heilbronn, Reutlingen, endlich aus je einem Abgeordneten ber
64 Oberamtöbezirke, zuſammen aus 94 Mitgliedern. Den Präfidenten mählt der König aus
brei ihm vorgeichlagenen Candidaten der Verfammlung. Zum gerichtlichen Schuge ber Ver⸗
fafjung befteht ein Staatsgerichtshof, der aus einem Präfidenten und 12 Richtern zufam-
mengefegt ift, von benen ben Präfibenten und ſechs Richter der König, die andere Dälfte die
Stänbeverfammlung außerhalb ihrer Mitte wählt. Dem König zur Seite zur Ausfertigung
ber von ihm unmittelbar ausgehenden Entfchließungen fleht das Geheime Cabinet für Eivil-
und bie Geheime Kriegslanzlei für Militärangelegenheiten.
Die oberfte Staatsbehörde ift der Geheime Rath, ihrer Hauptbeflinmung nach eine blos be
rathende Behörbe, unter einem eigenen Präfidenten, aus ben Departementsminiftern und aus
dazu ernannten Geh. Räthen, wirklichen Staatsräthen und auferorbentlichen Mitgliebern ge
bildet. Das Staatsfecretariat ift feit 1851 aufgehoben. Die Staatövermaltung war feit ber
Drganifation vom 18. Nov. 1817 unter fünf Departementöminifterien vertheilt, nämlich
das ber Juſtiz, das der auswärtigen Angelegenheiten und der Familienangelegenheiten bes
Fonigl. Hauſes, das des Kriegs, das der Finanzen und das des Innern und bes Kitchen- und
Schulweſens; feit 1848 ift jedoch das Departement bed Kirchen- und Schulweſens als ſechstes
felbftändiges Minifteriun von dem des Innern getrennt. Zum Reffort des Juftizminifteriums
gehört das Obertribunal zu Stuttgart, die oberfte Gerichtöftelle des ganzen Königreichs; unter
biefem ftehen die vier Kreisgerichtshöfe, bie Schwurgerichtshöfe, deren jeder Kreis zwei hat, die
Oberamtögerichte ; das Strafanftaltencollegium ift Dagegen unmittelbar dem Juſtizminiſter un⸗
tergeorbnet. Zum Departement bes Minifteriums des Innern ftehen die vier Kreidregierungen,
welche tie Mittelftufen zwiſchen dem Minifterium und ben 64 Oberämtern, ſowie die nächften
Auffichtöbehörden für die in ihren Kreifen befindlichen Staatsanftalten bilden ; ferner eine Ab⸗
teilung für Straßen und Wafferbau, das Medicinalcollegium und die Gentralftelle für Han⸗
del, Gewerbe und Landwirthichaft. Dem Departement des Kirchen- und Schulwelens find
untergeordnet das evang. Gonfiftorium, ber kath. Kirchenrath, ber Studienrath, beffen Director.
zugleich die Commiſſion für die gewerblichen Fortbildungsanftalten leitet. Der Finanzmini⸗
fier Hat die Oberleitung ber Oberfinanzkammer mit fünf Abtheilungen für bie Domänen nebft
einer Ablöfungsvollzugscommiffion für das Bergmwefen, für die Korfte, für die Bauten und für
Verkehrsanftalten mit ben drei Sectionen für Eifenbahnen, Poſten und Zelegraphen; ferner
die Oberrechnungsfammer und das Steuercollegium. Letzteres dirigiert fünf Haupt- und zwölf
Nebenzollämter. Das Bergweſen beftcht aus einem Bergamt, den fieben Hütten- und fünf Sa⸗
Iinenämtern und einer Salzlegeftätte; das Forfiperfonal aus dem Forftcollegium mit einem
Vorſtande und ſechs Forſträthen, 26 Oberförftern mit 26 Affiftenten, 165 Nevierjägern, 74
Forſtwarten u. |. w. Die Gemeindevermwaltung ift wefentlich burch dad Verwaltungsedict vom
1. März 1822 feftgeftellt. Als Folge der Ereigniffe von 1848 und 1849 find die Geſetze vom
18. Juni 1849, wodurch ber Amts- und Gemeindeverband auf alle Theile des Staatögebiett
ausgedehnt wird, und vom 6. Juni 1849, wodurch die Gemeindeordnung wefentliche Abaͤnde⸗
tungen erlitt, zu betrachten. Geitdem find nur die Gefege vom 15. Juni 1853 uber bie Ein-
tommenfteuer für Zwecke der Amtskörperfchaften und Gemeinden und vom 17. Sept. 1853 über
die Berhältniffe der zufammengefegten Gemeinden zu Stande gekommen. Die politifchen Ge
380 Würtemberg
meinden ober Schultheißenämter, deren es jegt 1913 gibt, zerfallen, je nachdem fie über 5000,
über 1000 und unter 1000 E. zählen, in drei Elaffen, deren erfte jegt 14, die zweite 490,
die dritte 4409 Gemeinden unfaßt. Die Verwaltung der Gemeinde wird, unter Aufficht und
Leitung des Oberamts, durch den Gemeindevorſteher ober Schultheiß (in Städten Stabtfchuft-
heiß genannt) und ben Gcmeinderath, dem ein Bürgerausſchuß zur Seite fteht, geführt. In po»
litifch-adminiftrativer Beziehung ift IB. in vier Kreife, den Neckarkreis (605OM. mit 501034
E.), Schwarzmwaldkreis (86,7 AM. mit 443872 E.), Donaukreis (113,7 UM. mit 413444 €.)
und Sartlreis (93,15 AM. mit 374913 €.) getheilt, deren jeder ald Provinzialftelle einen
Kreisgerichtshof, ein Regierungscollegium, eine Finanzkammer und eine Kreisforftmeifterei
hat. Die vier Kreife zerfallen zufammen, mit Einfchluß der Stadtdirection Stuttgart (f. d.)
der Haupt» und Refidenzftadt des Königreichs, in 64 Oberämter, bie ben Kreißregierungen um
tergeorbnet find und zu deren Wirkungskreiſe alle Gegenftände gehören, die weber ben Berichte-
noch den Finanzbehörden zugetheilt find.
Was die Finanzen betrifft, fo waren von 1841 —47 die Einnahmen geftiegen und Hatten
die Ausgaben fo Hinter denfelben zurüdgeflanden, daß fe einen Überfchuß gewährten, ber
41844—45 fih auf 1,699698 Gldn. betrug. Seit 1847 aber entftand ein Defteit, wel⸗
ches 1851 —52 bereits 1,078829 Gldn. betrug, indem die Einnahmen ſich auf 11,126186,
die Ausgaben aber auf 12,205015 Gldn. beliefen. Für die dreijährige Finanzperiode von
1845 —48 ftellte das Budget eine jährliche Einnahme von 10,869808 und eine Ausgabe von
40,711210 Gldn. auf; in dem für 1852 — 55 tft jene auf 36,569504 , diefe auf 36,188777
woraus veranfchlagt. Die Deficits der legten Jahre wurden theils durch eine 1850 gemachte
Ausgabe von Papiergeld im Betrag von 3 Mill., theild durch disponibles Reſervevermö⸗
‚gen gebedt. Die Staatsſchuld ift feit 1844 — 45 in Folge bedeutender durch bie Eifen-
bahnbauten nothiwendig gewordenen Neuaufnahmen um das Anderthalbfache geftiegen.
Sie belief ſich 50. Juni 1844 auf 20,784997 Gidn., dagegen 30. Juni 1853, mit Einfchluß
der 3 Mil. Papiergeld, auf 52,351592. Die Ausmünzung beltef ſich in den 11 J. von 1841
—52 auf 9,629125 Glidn. Das Bundescontingent W.s bildet mit dem von Baden und
Heffen-Darmfladt das achte deutfche Bundescorps und zwar deffen erfte Divifion. Nach der
Bundesmatrikel ift der Sollſtand des Haupt- und Refervecontingents 18607 Mann, ber wirt.
liche Stand aber nach den Standestabellen für 1853 beträgt 18708 Mann. Auf bem Frie-
bensfuß zählt das würtemb. Heer mit Hinzurechnung ber den Minifterien des Innern unb der
Finanzen untergeordneten Landfäger » und Steuerfchuswachen faum 9000. Ulm ift Bundes
feftung, Hohenasperg dient nur als Gefängniß; die frühern Befeſtigungen von Freudenflabt
und Hohentwiel find zerfallen. Ritterorden hat W. drei: den Orben der würtemb. Krone, aus
dem Rivilverdienftorden und dem Orden des goldenen Adlerd gebildet 23. Sept. 1818; den
Briedrichsorden, zu Ehren bed Königs Friedrich geftifter 1. San. 1830, und ber Milittärver-
dienftorden, gefliftet 6. Nov. 1806, beftätigt und mobificirt 23. Sept. 1818. Um die Kennmiß
ber Landesverhäftniffe hat fich das flatiftifch-topographifche Bureau zu Stuttgart große Ber-
dienfte erworben. Es beftcht feit 1820 und zeichnet fi) durch feine Keiftungen, namentlich in
Hinſicht der Topographie und ber landwirthſchaftlichen Statiftif, vor den meiften deutfchen In⸗
flituten diefer Art rühmlich aus. Daffelbe bearbeitet bie „Statiftifch-topographifche Befchrei-
bung von W.“, herausgegeben von Memminger (3. Aufl. Stuttg. 1841), bie „Befchreibung der
Dberämter des Königreichs WB.” (bis jegt 33 Hefte, Stuttg. 1824—54, mit Karten und An-
fichten), die feit 1822 jährlich in 1—2 Heften erfcheinenden „AWürtemb. Jahrbücher für vater-
laͤndiſche Gefchichte, Geographie, Statiftif und Topographie”, das „Königl. würtemb. Hof- und
Staatshandbuch“ (zulegt Stuttg. 1854), endlich den 1850 vollendeten „Zopographifchen
Atlas von W.“ Bol. Schwarz, „Reine natürliche Geographie von WB.” (Gtuttg. 1832);
Wittmann, „Geographie von W.” (Ulm 1842); Sid, „Beiträge zur Statiſtik der Lanbwirth-
ſchaft des Königreichs WB.” (Stuttg. 1853); Seubert in Hübner’ „Jahrbuch für Volkewirth⸗
ſchaft und Statiſtik“ (Rypy. 1855).
Geſchichte. W. war in der Zeit, als die Römer das Land zuerft kennen lernten, von ſuevi⸗
ſchen Stämmen bewohnt, die dem röm. Andrange wichen und das Land, gleichwie die übrigen
Meiche am Oberrhein, der rom. Herrſchaft und Colonifation überließen. ‘Die Städte, Straßen
und Befefligungen, welche die Römer anlegten, konnten gleichwol nicht hindern, daß auch dies
Gebiet der Priegerifchen Einwanderung der Alemannen erlag. Diefe verloren dann (496) durd)
die Schlacht Hei Zülpich ihre Selbftändigkeit an die Franken und ihr Gebiet fiel theild an das
rheinfränt., theils bildete es einen Theil des ſchwaͤb. Herzogthums, das fich bis gegen Ende des
MWürtemberg . 381
13. Jahrh. behauptete. Um biefe Zeit bildete in ber Mitte bed Bandes die Brafihaft W. ſchon
ein anfehnliches Gebiet, das nach und nach immer mehr an Umfang gewann. Das Haus W.
ftammt wahrfcheinlich von Bertold, dem Herzoge von Alemannien (724), ab. Einer aus ben
zahlreichen und angefehenen Geſchlechtern, die von Bertold ausgingen, heirathete um bie Mitte
des 11. Jahrh. Liutgard, die einzige Tochter Konrad's von Beutelſpach, Grafen im Remsgau,
eines der mächtigſten und xeichſten ſchwäb. Dynaſten. Sein Name iſt uns urkundlich nicht
überliefert; Chroniken nennen ihn Alrich, ein Name, ber in dem würtemb. Fürſtengeſchlechte
fpäter häufig vorkommt. Bein Sohn Konrad baute auf einem Berge am Nedar, in der gefege
netften Gegend Schwabens, eine Burg, die er, wahrſcheinlich feiner Gattin Hedwig zu Ehren,
Würtemberg, d. h. Frauenberg, nannte. Bon biefer Burg erhielt das Geflecht feinen neuen
Namen, den Grafentitel aber von der Würbe der Grafen des Nemsgaus, die fi in dem Ge
ſchlechte forterbte. Seit Konrad kennt man bie Namen ber Mitglieder dieſes Geſchlechts; die
fortlaufende Geſchichte defielben beginnt aber erſt mit Urich L, von feinem ungerwöhnlich großen
Daumen mit bem Daumen, von ber Erneuerung des Stifts zu Beutelfpach 4260 der Stifter
genannt. Ulrich wußte bie Verlegenheiten bee Hohenſtaufen geſchickt zu benugen, auf ihren
Verfall die Macht feines Hauſes zu gründen und gegen die Städte, die dem hohenftaufifchen
Haufe meift anhingen, feine Autorität mit Erfolg geltend zu machen. Als er 1265 flarb, un
foßte WB. das Beutelſpachiſche Erbe mit den Städten Stuttgart, Cannſtadt, Waiblingen,
Schorndorf und etlichen Orten am Schwarzwald, vom alten Stammerbe Münfingen und an-
bere Ortfchaften auf der Alb und an der Donau, die Städte Göppingen und Leonberg, bie
Grafſchaft Urach und die früher hohenſtaufiſche Herrfhaft Waldhaufen. Dazu famen dann die
Schirmrechte über Klöſter und Städte, die gefchidt ausgebeutet und nebft Eroberung, Kauf
und Erbſchaft zur Erweiterung bes Erbes fo glücklich benugt wurden, daß W. fchon zu Enbe
des 15. Jahrh. das anfehnlichfle Fürſtenthum Schwabens war. Auf Ulrich den Stifter folgten
befien Söhne, Ulrich IE und feit 1279 Eberhard ZIEL, der Erlauchte, der mit König Rubolf
umd Albrecht, namentlich aber mit Heinrich VIL in heftige Fehde gerieth. Sein Land wurde
verwüftet, feine Burgen zerſtört, er jelbft zur Flucht genothige. Erſt Heinrich's VILL Tod än-
derte feine Lage. Den Thronſtreit zwifchen Friedrich von Oſtreich und Ludwig von Baiern be>
nuste er gefchidt, indem er auf die Seite bes Erſtern trat, um wieder zu ‚feiner frühern Macht
zu gelangen und fein Gebiet durch glüdlihe Erwerbungen und Fehden zu erweitern. Er ver
legte größerer Sicherheit wegen bad Stift, mo das Erbbegräbniß feiner Bamilie mar, nad
Stuttgart (1321), welche Stadt feitdem bie Hauptſtadt des Fürftenehume wurbe. Nach feinem
Tode (1525) folgte ihm fein Sohn Ulrich M, bis 1344, der dad Gebiet ebenfalld vergrößerte.
Er Hinterließ das Land feinen Söhnen Ulrich IV. und Eberhard IV, Bon dieſen fuchte na»
mentlich der Zegtere, feinem Großvater vielfach ähnlich, feine Macht auf Koften ber Reichsfür⸗
ften zu vermehren, und als die Städte ihn beim Kaifer verklagten, trogte er beffen Gebot, 308
aber, wie fein Ahnherr, eine Reichbegecution über das Land. Nach dem unglüdlichen Treffen
bei Schorndorf (28. Aug. 1360) unterwarfen fidy beide Grafen, mußten jeboch den Frieden mit
dem Verluſte der Reichs landvoigtei erfaufen. Doch erhielt Eberhard diefelbe in Niederſchwaben
fpäter zurüũck, wußte die angefonnene Theilung des Landes mit feinem Bruder zu vereiteln und
fuhr fort, In unausgefegten Fehben theils mit den Städten, theils mit benachbarten Herren, mie
Wolf von Eberſtein und Wolf von Wunneſtein, feine Macht anfehnlich auszubehnen. Die Leg-
tern fuchten einft den Grafen, als er mit feinem Sohne Ulrich im Wildbad war, zu überfallen;
ein Hirte rettete aber Bater und Sohn, indem er fie auf geheimen Pfaden nach Zavelfiein
brachte (1367). Darüber entftand eine Fehde, welche erft 1370 beigelegt wurde. Kurz nachher
brach ein heftiger Krieg mit den Reichsſtädten aus, der mit mehren Unterbrechungen von 1372
— 90 dauerte. WB. fowol als die Gebiete der Reichsſtädte litten ſchwer durch diefen Krieg. Bei
Altheim an der Donau fiegte 7. April 1372 Eberhard, bei Reutlingen aber erlitt 14. Mat
1377 fein Sohn Ulrich eine ſchwere Niederlage. Einige Zeit nachher wurde Friede gefchloffen,
und Eberhard, nachdem er bie drei Abelsbündniffe bes St.Georgenſchilds, des heit. Wilhelm
und des Löwen vereinigt, brachte nun auch ein Bündniß ber Reichsftäbte mit ihnen zu Stande,
an welchem er ſelbſt und die Herzoge von Öftreich Theil nahmen. Allein 1386 brach der Kampf
von neuem aus, heftiger und verheerender als je; auch der Pfalzgraf Ruprecht und der Mark
graf von Baden nahmen daran Theil. Namentlich durch die Verrätherei des nürnberger Feld⸗
hauptmanns, eines Brafen von Henneberg, ſowie buch die Ankunft Werner's von Nofenfelt
und der Grafen von Bitſch mit einer frifchen Schar fiegte Eberhard bei Döffingen 25. A
1388, wobei fein Sohn Alrich V. blieb. Die erfchöpften Meicheftäbte mußten nun nacheina
382 Bürtemberg
mit ihm (1389— 91) Frieden ſchließen. Eberhard farb 15. März 13925 von feinen vielen
Fehden erhielt er den Namen des Greiners oder des Gtreitfüchtigen, von feinem langen Barte
aber wurde er auch ber Raufchebart genannt. '
Ihm folgte fein Enkel Eberhard V., der Sohn bes in der döffinger Schlacht gefallenen
Grafen Ulrich. Man nannte ihn den Friedfertigen, und er verdiente auch biefen Namen. In⸗
beffen hatte ex doch mit dem Adelsbunde der Schlegler zu kämpfen. Als er aber in Heimsheim
24. Sept. 1395 die Häupter deffelben gefangen bekam, auch König Wenzel ben Bund aufhob,
mußten die Schlegler um Frieden bitten und 1396 ihre Verbindung auflöfen. Hierdurch wuch⸗
fen Anfehen und Macht Eberhard's bebeutend, der überdies fehr thätig in den Reichbangelegen-
heiten war, aber wenig neue Eriwerbungen madıte. Er farb 16. Mai 1417. Auf ihn folgte
fein Sohn Eberhard VL, der aber ſchon 2. Juli 1419 flarb. Durch feine Gemahlin Henriette
hatte Eberhard VI. 1397 die Graffchaft Mömpelgard nebft mehren Herrihaften in Burgund
erworben, bie einzige anfehnliche Erwerbung durch Heirath, welche die würtemb. Fürſten mach⸗
ten. Henriette führte die Bormundfchaft über ihre minderjährigen Söhne Ludwig TIL. und UI-
rich VL Die Nachbarn, welchen zur Demüthigung der Grafen W. bie rechte Zeit gekommen
ſchien, wurden mit ihren Angriffen kräftig zurückgewieſen, befonders Graf Friedrich von Zol-
fern, der eine perfönliche Beleidigung mit lebenslänglicher Gefangenſchaft bügen mußte. Zu
biefen häufigen Fehden kam nun feit 14241 der Huffitenkrieg, zu welchem auch W. Mannſchaft
ftellen mußte. Ludwig III. trat 1426 die Regierung an, Wrich VI. 4435. Beide ſuchten Durch
Verbindungen die Ruhe in Schwaben zu befeftigen. Nachdem Beide fich vermählt, beſchloſſen
fie eine Theilung des Landes, die 25. San. 1442 zu Stande fam. Ludwig, der die weſtliche
Seite des Landes erhielt, nahm feinen Sig in Urach, Ulrich, dem der öftliche Theil zufiel, im
Stuttgart. Mömpelgarb, das nach ihrer Mutter Tode 1443 ihnen zuflel, wurde anfangs eben-
falls getheilt, bald aber überließ Ulrich feinen Antheil für 40000 Gidn. an Ludwig. Legterer
beberrfchte feinen Randestheil in Frieden, ftarb aber ſchon 23. Sept. 1450, worauf fein Bruder
Ulxich VI. die Bormundfchaft über deffen minderjährige Söhne LudwigIV. und Eberhard VIL
übernahm. Ulrich hatte kurz zuvor an dem legten großen Städtekriege (1449) Theil genom-
men; jegt wurbe fein Randesantheil von neuem arg verwüſtet und feine Kriegsrüftungen Bofte-
ten ihm viel Geld. Auch machte ihm die Vormundſchaft viel Mühe und Verdruß, befonders da
ber Pfalzgraf Friedrich ale Oheim fich einmifchte. Zwar trat Ludwig IV. 1455 die Regierung
ſelbſt an, aber er ftarb fchon 3. Nov. 1457, und nochmals mußte Uli VI. die Vormundſchaft
über feinen Neffen Eberhard VII. oder im Bart (f.d.) übernehmen, einen wilden, ausſchweifen ⸗
ben Süngling, der fich feiner Vormundſchaft nicht ohne Zuthum des Pfalzgrafen Friedrich im
Nov.1459 entzog. Dies und die Streitigkeiten über das Heirathögut feiner Gemahlin brachten
den Krieg mit dem Pfalzgrafen zum Ausbruch, der für Ulrich ein fehr unglüdliches Ende
nahm. Mit dem Markgrafen Karl von Baden und dem Biſchof von Meg in der Schlacht bei
Seckenheim (1. Juli 1462) gefangen, mußte er außer andern Berluften eine Löfegeld von
400000 Gldn. zahlen. Nach feinem Tode folgte ihm 1480 fein Sohn Eberhard VIIL, ber
Jüngere, zum Unterfchied von feinem Vetter Eberhard VII. fo genannt. Verſchwendung und
Ausfchweifungen bezeichneten fein kurzes Regiment. Schon 14. Dec. 1482 trat er durch einen
Vertrag feinen Landesantheil an Eberhard VII. ab, und es wurde zugleich feftgefegt, day W
von nun an „zu ewigen Zeiten ungerheilt als ein Wefen ehrlich, löblich und wehrlich beieinander
bleiben” folle. Spätere Verſuche Eberhard's VIII, den Vertrag wieder umzuftoßen, gelangen
nicht; Kperhard im Bart blieb Alleinherrfcher bed Landes. Nach einer wilden Jugend raffte
diefer fich mit Kraft empor: eine Pilgerreife nach PYaläftinga 1482 bezeichnete den Wendepunkt
in feinem Leben und feiner Befinnung. Auf wiederholten Reifen nach Stalien erwarb er fi
Erfahrung und Menfchenkenntnif und feine Mutter Mechtild, die edle Befchügerin der Gelehr-
ten, fowie ſeine Gemahlin Barbara, aus dem Haufe ber Gonzaga, vollendeten feine Umbilbung.
Ihm verdankt W. die fefte Begründung feiner Iandftändifchen Verfaffung. Die Städte des
Landes hatten von ältern Zeiten her verfchiedene Nechte, namentlich durften ihnen ohne ihre
Zuftimmung feine neuen Steuern auferlegt werben, und auch bei der Annahme neuer Belege
holte man ihren Rath ein. Während der Bormundfchaftsftreitigkeiten nach Ludwig's Il. Zode
hatte fich dieſes Verhältniß weiter ausgebildet, und im Laufe des 15. Jahrh. wurden die Vertre
ter der Städte und Amter als „Landichaft” mehrfach einberufen. Aber erft Eberhard dachte
darauf, die beiden andern Stände bes Landes, die Prälaten und Ritterfchaft, mit der Landſchaft
zu verbinden: fie waren alle drei zum erften male 1482 zu Münfingen vereinigt. Für Berbefle
rung der Rechtöpflege und Polizei forgte Eberhard durch beffere Einrichtung des fon von fei-
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Bürtemberg 383
nem Oheim eingeführten Hofgerichts, durch die Landesordnung von 1495 und durch eigene
Ordnungen, bie er den Städten Stuttgart und Tübingen gab, fowie durch mancherlei fpecielle
Verordnungen. Er wurde auch 1477 der Stifter der Univerfität zu Tübingen. Den Gebrechen
der Geiſtlichkeit fuchte er durch; Neformation der Kiöfter und Stifter abzubelfen. Er felbft
gründete 41492 ein neues Stift, In welchem Abel, Bürgerftand und Geiftlichkeit näher vereinigt
werben follten, zu Santtftetten im Einſiedel. Sein Hof war eine Bildungsfchule für junge
Fürfienföhne und fein Rath wurde überall in Deutfchland eifrig begehrt. Seine Verbdienfte er-
hielten Anerfennung, indem ihn Kaifer Marimilian auf dem Reichstage zu Worms 21. Juli
4495 mit der Würde eines Herzogs von ZB. und Ted befleidete. Doc, fchon 24. Febr. 1496
farb der Herzog, als folher Eberhard L genannt, ohne rechtmäßige Erben. Ihm folgte fein
Better Eberhard IL. Leihtfinnig und ausgelaffen, ſchlechten Rathgebern, wie dem entlaufenen
Mönch Holzinger und bem Hans von Stetten, vertrauend, machte er fich bald fo verhaßt, daß er
mit Zuſtimmung bed Kaiferd Thon 1498 abgefegt wurde. Er ftarb 1504.
Nun beftieg deffen elfjähriger Neffe Ulrich (f.d.), der Sohn des geiſteskranken Grafen Hein-
rich zu Mömpelgard, den herzogl. Thron, trat aber erft 1503 die Regierung felbft an. Ein
glüdlicher Krieg gegen die Pfalz (1504) verfchaffte ihm großen Ruhm und anfehnlicde Be⸗
figungen, während feine Verbindung mit Sabine von Baiern ihm mächtige Verwandte und
Außeres Anfehen erwarb. Aber Leichtfinn und Verſchwendung, durch fehlechte Nathgeber un-
terflügt, und ungeftüne Reidenfchaftlichkeit machten feine Regierung fehr bald verhaft, zumal
feit er zu bedenklichen Finanzmitteln feine Zuflugt nahm. Bei Einführung des Neugeldes und
der Verringerung von Maß und Gewicht brach 1514 im Remsthale durch bie Geſellſchaft des
armen Konrad ein Aufruhr aus, ber nur dadurch unterbrüdt warb, daß der Herzog die Treue
bes Bürgerflandes durch Gonceffionen ficherftellte. Im Zübinger Vertrag (8. Juli 1514) er-
hielt diefer Stand gegen Übernahme der herzogl. Schulden eine Reihe von Rechten, welche fo-
dann bie Grundlagen der öffentlichen Freiheit IB.8 bildeten. Bald brachte aber Ulrich durch
Ermordung des Hans von Hutten (Mai 1515), den er bes Ehebruchs mit der Herzogin befchul-
bigte, und durch Mishandlung ber Kegtern den Abel bes Landes und feine bair. Verwandten
gegen fi auf. Während ber Kaifer biefe Händel leidlich fchlichtete, fteigerte fich das deöpotifche
Berfahren des Herzogs, und der gewaltchätige Überfall von Reutlingen (1519) brachte den
mächtigen ſchwab. Bund gegen ihn auf und verflodht ihn in einen Kampf, der mit feiner Ver⸗
treibung aus bem Lande endigte. Der Bund verkaufte das Land an Öftreich (1520). Es folg-
ten nun für W. Zeiten harten militärifhen Drucks und firenger Unterdrückung aller religios-
teformatorifchen Regungen, ſodaß fich das Land bald nad) feinem vertriebenen Herzog zurüd-
fehnte. Nachdem verſchiedene Verfuche, das Land wieder zu gewinnen, mislungen, erlangte es
Ulrich im Bunde mit Philipp (f. d.) von Heffen umd ben proteft. Fürften wieder. Durch bas
Treffen bei Lauffen 13. Mai 1534 wurden bie Öftreicher verdrängt, und die Wiebereinfegung
Ulrich's ward dann in dem Vertrage von Kadan vom 29. Sumi 1554, morin er die öſtr. After:
lehnſchaft anerkannte, beftätige. Num wurde die Neformation, namentlid durch Schnepf, ber
nach des Zwinglianers Blaurer Entfernmg die Leitung allein behielt, durchgeführt, die tübin-
ger Hochſchule reformirt, für das Schulweſen aus den reichen Mitteln ber eingezogenen Kir⸗
chengüter geforgt. Noch ein mal erfuhr Ulrich eine Zeit der Bedrängniß. Nach dem unglüd-
lichen Ausgange des Schmalkaldifchen Bundes, deſſen Mitglied er war, konnte er ſich nur durch
demüthige Unterwerfung behaupten, mußte das Interim (f. d.) annehmen und warb von den An-
fprüchen Serdinand’s, bes Bruders des Kaifers, bedroht. Inzwiſchen aber farb er 6.Nov. 1550.
Ihm folgte fein Sohn Ehriftoph, einer der edelften Fürſten feiner Zeit. Durch Klug-
heit und Feſtigkeit gelang es diefem, aumal feit den Umſchwung, den Morig von Sachſen 1552
berbeiführte, das Drängen Oſtreichs und der kath. Reaction loszuwerden, obwol ed bie After⸗
lehnſchaft einräumen mußte. Die Jahre des Friedens benutzte er dann zur Aufrichtung einer
politiſchen und kirchlichen Ordnung, die zum Theil bis in die Gegenwart fortdauerte. Das
Kiechenweſen wurde mit Hülfe von Joh. Brenz und Jak. Andreä neu geordnet, der Kirchen⸗
rath gefchaffen, Superintendenten und Kirchenvifitationen eingefept, die Hochſchule verbefiert,
in den eingegogenen Klöftern Gelehrtenfchulen angelegt, auch das Volksſchulweſen eifrig gefür-
bert. Die Polizei und Rechtspflege wurden verbeffert, eine neue Landesorbnung (1552) und
ein Landrecht (1555) verfaßt, gleiches Maß und Gewicht eingeführt. Auch bie landftändifche
Berfaffung ward vollends fo ausgebildet, wie fie im Weſentlichen bis zu ihrer Auflöfung beftan-
den hat. Aus den Prälsten und Abgeordneten der Städte und Amter gebildet, verfammelten
fih die Stände einerſeits zu den Randtagen, die der Herzog aus eigenem Antrieb, oder auf
384 Würtemberg
Bitten der Städte Stuttgart und Tübingen oder der Iandfchaftlichen Ausſchüſſe berief, ande-
rerſeits gingen aus ihnen ber engere und größere Ausſchuß hervor. Die Landſchaft hatte im-
mer einen Rechtögelehrten ald Confulenten, auch ihre befondere Kaffe und feit 1608 die foge-
nannte geheime Truhe für geheime Ausgaben. Ihre Pflicht war, zu forgen, daß bie proteft.
Kirche, mit Ausfchluf anderer, erhalten, daß Fein Stüd vom Lande getrennt oder mit Schulden
belaftet, daß den Unterthanen keine ungefegliche Steuer auferlegt, daß ohne ihre Einwilligung
feine Gefege verändert oder neu gegeben, baf die Rechte der Gemeinden und Einzelnen nicht
gekränkt, daß Niemand ohne rechtliches Erkenntniß geftraft werde und Jeder frei auswandern
dürfe. Um feinen Anordnungen eine feftere Dauer zu geben, berief Chriſtoph 1565 die Land»
fände und ließ diefe Verfaffung durch biefelben feierlich beftätigen. Nachdem ber im Reich
hochangefehene und auch in proteft. Angelegenheiten vielfach thätige Herzog 28. Dec. 1568 ge-
ftorben war, folgte ihm fein zweiter Sohn Ludwig, wegen feiner theologischen Kenntniffe der
Fromme genannt. Diefer gab fich viele Mühe, um die Concordienformel (1580) zu Stande zu
bringen, gründete 1592 zu Tübingen das Collegium illustre, eine Bildungsanftalt für Fürfien-
föhne und Adelige, bad erft gegen Ende des 18. Jahrh. einging, untergrub aber gleich feinem
ältern Bruder feine Gefundheit dur unmäfigen Hang zum Trinken. Nach Ludwig's Tode,
8. Aug. 1593, folgte deſſen Vetter, Herzog Friedrich L, der Sohn bes Grafen Georg, bes jün-
ger Bruders Ulrich‘, welchem ber kinderloſe Herzog Chriftoph die Grafſchaft Mömpelgard
überlaffen und ihn auch zu einer Verheirathung veranlaßt hatte. Friedrich hatte eine treffliche
Erziehung genoffen und auf Reifen fich eine Menge Kenntniffe erworben. Allein von andern
Staatsanihauungen, als fie in W. hergebracht waren, durchdrungen und durch gleichgefinnte
Nathgeber, namentlich den fhlauen Geh. Rath Enzlin, geleitet, fuchte er die Macht der Land⸗
ftände zu ſchwächen, hielt einen glänzenden Hofftaat und belaftete das Land mit Schulden,
wozu auch fein Glaube an die Goldmacher, deren er nacheinander mehr ald 20, bei ſich hatte,
viel beitrug. Auch fein Bemühen, bie öftr. Afterlehnfchaft los zuwerden und durch den Prager
Vertrag vom 24. Suni 1599 fie in eine bloße Anmartfchaft umzuwandeln, verfchlang anfehn-
lihe Summen. Dennoch machte er auch bedeutende Ankäufe, felbft außerhalb Deutfchland,
wie 3. B. das Herzogthum Alencon in ber Normandie, das fein Nachfolger 1612 mieder ver⸗
Paufte. Nachdem er kurz vorher von den Ständen die fogenannte Erflärung bed Tübinger
Vertrags erzwungen, welche bie Srundfeften ber Verfaſſung erfchütterte, ftarb er 29. Jan. 1608,
Sein Sohn und Nachfolger Johann Friedrich, dem bed Vaters kräftiger Geiſt ganz fehlte,
nahm die alten Räthe wieder an. Friedrich's Neuerungen wurden fofort abgefchafft, und fein
Hauptratbgeber Enzlin 1613 hingerichtet. Viel beffer wurde es freilich nicht. Die Finanzen
blieben zerrüttet, der Hofftaat und.die Hoffefte Pofteten viel, nicht weniger die häufigen Ge
fanbtfchaften und bie Abgeorbneten auf den Reichstagen, bei Zufammenkünften deutſcher
Fürften und an fremde Hofe, fowie die Kriegsrüftungen, da auch Johann Friedrich der Union
ber Proteftanten beitrat, welche 1620 der Riga gegenüber fo fchimpflich zerfiel. Vergebene wa-
ren feine Bermittelungsverfuche zwiſchen dem Kaifer und dem unglüdlichen Kurfürften Fried⸗
rich V. von der Pfalz. Beim Beginn des Dreißigjährigen Kriegs rüftete fi) auch Johann
Friedrich zur Abwehr, allein vergebens: das durch die fchlechte Münze und den Unfug der
Kipper und Wipper bedrängte, von Krankheiten heimgefuchte Herzogthum mußte kaiſer⸗
liche Truppen aufnehmen, die e8 plünderten und verheerten. Die Demüthigungen, welde er
von dem ſtolzen Wallenftein erlitt, brachten ihm 15. Juli 1628 den Tod. In Folge eines Ver⸗
trags von 16177 erhielt des Herzogs Bruder, Ludwig Friedrich, Mömpelgard unb fliftete die
Linie W. Mömpelgard, die 1723 mit Leopold Eberhard ausftarb; Julius Friedrich erhielt
Weiltingen und fliftete die Linie W.-Weiltingen, bie 1705 mit Friedrich Ferdinand erlofch.
Julius Friedrich’ Sohn, Sylvius Nimrod, fliftete die Linie W.-DIs, die 1792 mit Karl
Ehriftion Erdmann ausftarb, worauf Ols an ben Herzog von Braunſchweig Bam, den Gemahl
der einzigen Tochter des legten Herzogs.
Die Vornmundſchaft für Johann Friedrich's erft 14jährigen älteften Sohn Eberhard über-
‚nahmen nacheinander des Vater Brüder Ludwig Friedrich und Julius Friedrich. Das Land
empfand immer ftärker die Bedrängniffe bed Kriegs. Das Neflitutionsebict (f. d.) von 1629
beraubte es auf einmal wieder bes Kirchenguts, von welchem kath. Mönche Befig nahmen; ein
Verſuch zu bemaffnetem Widerftand in dem ſchnell und ſchmählich geendeten fogenannten Kiv
ſchenkrieg 1651 hatte neue Verheerungen zur Folge. Glücklichere Ausfichten eröffneten ich,
als Guſtav Adolf fiegreich Heranzog. Eberhard trat die Regierung 1633 felbft an und verband
fi zu Heilbronn mit Schweden; allein feine Hoffnungen vernichtete bie Schlacht bei Nörd-
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ui ei Bu 3
Börtemberg 385
fingen (26. Aug. 1634). Der Herzog mußte nach Strasburg entfliehen. Jahre lang wurbe
da6 Rand durch kaiſerliche Scharen, Hunger und Seuchen verheert, und von einer halben Mil⸗
lion Menſchen blieb fein Zehntheil. Einen großen Theil des Landes verſchenkte ber Kaifer an
feine Räthe und Feldherren. Unterbefien lebte ber Herzog luſtig zu Straſsburg und vermäßlte
fich im größten Elend mit ber ſchönen Anna Katharina von Salm, während treffliche Diener
ihm das Land zu erhalten fuchten. Wiederhold behauptete mit unerfhütterlicher Treue die
Bergvefte Hohentwiel; Löffler und nach dieſem Burkard waren in anderer Weiſe thätig.
Legterm gelang es 1658, die Wicbereinfegung bed Herzogs zu bewirken ; dennoch mußte das
Band intausgefege ſchwere Bebrängniffe erbulden. Dazu kam daß fich beim weſtfaͤl. Sriedent-
congreffe die kaiſerlichen Minifter mit den Geiſtlichen der Wiedererlangung der von W. lodge-
riffenen Landestheile wiberfegten. Allein die Treue Burkard's, die Baterlanbsliebe Bidenbach's
und vor allem der beharrliche Eifer Joh. Konr. Varenbüler's, ber die Fräftige Mitwirkung des
ſchwed. Kanzlers Dprenftierna erlangte, brachten endlich die vollkommene Wiebderherſtellung
W.s zu Stande. Diefen und andern Männern, wie Myler von Ehrenbach und Dan. Imlin,
welche mit- unb nacheinander an der Spige ber Verwaltung flanden, gelang es auch Ordnung
und Wohlfahrt im Laufe von etwa 15 3. wiederherzuftellen, umb ber Herzog felbft wirkte hier-
zu bereitwillig mit. Bon zwei Gemahlinnen hatte der Herzog Eberhard 25 Kinder. Sein
zweiter Sohn Friedrich Karl wurde Stifter ber Winnenthaler Linte, die 1753 aufden Thron
gelangte; fein Bruder Friedrich aber fliftete die Menenkädter Linie, welche mit deſſen
Sohn Karl Rudolf 1742 ausflarb. Eberhard flarb 2. Juli 1674, als dem Rande neue Kriegs⸗
gefahr von Frankreich her drohte.
Sein Sohn und Nachfolger Wilhelm Lubwig ſuchte, gleich bem Vater, neutral zu bleiben,
allein trogbem empfand das Land die Baften des Kriege. Ein Schlagfluß raffte den Herzog
fon 23. Juni 1677 dahin, und ba fein Sohn Eberhard Ludwig faum ein Jahr alt war, fo
übernahm deffen Dheim Friebrih Karl die Vormumndſchaft. Raſch und kriegemuthig, wollte
diefer gegen den Willen der Stände Untheil am Kampfe nehmen, als ihm die Franzoſen zuvor-
kamen und das Land fchrediich vermüfteten. Rur das fehnelle Heranrücken des deutſchen
Heeres rettete bie Hauptſtadt (1688). Als 1692 die Franzoſen ſich von neuem nahten, rückte
ihnen Friedrich Karl entgegen, wurde aber bei Otisheim 17. Sept. gefchlagen und gefangen.
Noch ehe Karl Friedrich, ber fich ein bleibendes Andenken durch die Gründung be6 Gymna-
sium iHlustre in Stuttgart (1686) fliftete, die Freiheit wieder erlangte, hatte Eberhard Ludwig
4693 die Regierung felbft angetreten. Ungeachtet der Roth des Landes richtete ber Herzog ei⸗
nen glänzenden Hofſtaat ein, ſchuf eine flehende Militärmacht und mifchte ſich in auswärtige
Händel, die dem Lande ſchwere Opfer koſteten. Auch als nach dem Ende des Spanifchen Erb⸗
folgekriegs endlich ber Friebe folgte, fam für DB. keine beffere Zeit. Der Herzog gab ſich ganz
dem Einfluß einer Maitreffe, der Chrifline Wilhelmine von Grävenitz bin, die zwar, nachdem
fie ſich ſchon 1707 als Gräfin von Urach und Gemahlin bes Herzogs gebrüftet, auf Befehl des
Kaiſers das Rand verlaffen mußte, aber trog des eiblichen Verſprechens, es nicht wieder zu be⸗
treten, von Eberhard Ludwig zurüdgeführt ufb zum Schein an einen Grafen von Würben
sermählt warb, um dann 20 $. lang das Land ımumfchränke zu beherrfchen. Der Herzog er-
baute ihr zu Liebe Audwigsburg und verlegte Mefidenz und Kanzleien bahin, wodurch bie Ver⸗
waltung in die größte Verwirrung kam. Exft als ihre Reize vollends verblüht, wurbe fie vom
Hofe verwiefen und 1731 nach Urach gebracht.
Als Eberhard Ludwig 51. Det. 1733, zwei Jahre nach dem Zode feines einzigen Sohnes
und Erben, flarb, folgte ihm in der Regierung Karl Alexander, der Sohn feines Oheims
Friedrich Karl, ber vom elften Jahre an fich großen Kriegeruhm erworben und vom Kaifer bie
Würde eines Feldmarſchalle, Geh. Raths und Oberbefehlshabers von Belgrad und Serbien
erworben hatte. Politifche Gründe hatten ihn auch 4742 bewogen, zur Bath. Kirche überzu⸗
treten, und darum mußte er ben Landſtänden wiederholt fehr beſtimmt abgefaßte Reverfalien
ausftelen.-Die Zuneigung des Volkes gewann er, ald ex 1733 zum Schutze des Landes bei dem
newausgebrochenen Krieg mit Frankreich kräftige Maßregeln traf. Doch fehlte es dem Her⸗
zoge bei gutem WBillen.im Regieren an Behartlichkeit, und es gelang dem Juden Süß-Oppen-
heimer, fich feiner zu bemädtigen und eine zweite Ungfüdsperiode für W. herbeizufüh⸗
ten. Süß, zum Geh. Finanzrath erhoben, wurde ber eigentliche Beherrſcher des Landes, benn
alle Staatsangelegenheiten gisigen durch feine Hände. Noch fchlimmer wurden die Ausfichten,
als der Bifchof von Würzburg, der von Süß umterflügt wurbe, den Herzog für die Einführung des
Senv.s&rz. Zehute Aufl. XV. 2 25
⁊
380° Würtemberg
Katholicismus zu gewinnen wußte. Indeſſen ſtarb Karl Alerapder hierüber 12. März 1737,
und fein älteftee neunjähriger Sohn Karl Eugen (f. d.) folgte ihm auf dem Throne. Für den
Unmündigen übernahm der nächfte Agnat, Herzog Karl Rubolf von der neufläbter Linie, die
Vormundſchaft, der nun ben Juden hängen und befien Genoffen abflrafen ließ. Kurz nadyher
trat Karl Rudolf, feines Alters wegen, die vormundſchaftliche Regierung an ben Herzog Fried⸗
rich Karl von W.⸗Ols ab. Für Abftelung der mancherlei Befchwerben übernahmen bie Stänte
bie Schulden deö Herzogs Eberhard Ludwig. Dad Militär wurde vermindert und 1740 wmehre
Zaufend Mann in öfter. Sold gegeben. Die Söhne des verfiorbenen Herzogs wurden am Hofe
Friedrich's d. Br. forgfältig erzogen, und das Lob, das dieſer Fürſt beſonders dem jungen Her⸗
zoge ſpendete, bewirkte vornehmlich, daß Karl Eugen 1744 mündig erklärt ward und 23. Marz
die Regierung. übernahm. Gein erftes Auftreten, ſowie feine Vermählung mit Eliſabeth Frie-
derite Sophie, Markgräfin von Baireuth, erregten allgemeine Freude. Bald begann aber der
Einfluß unmürbiger Höflinge, namentlich des Grafen Montmartin, der ihm die abfolutifchen
Mazimen des franz. Hofs einflößte. Männer wie diefer und der Geh. Kriegsrath Rieger, der
[päter geſtürzt und verbannt, dann wieder zurückgerufen warb, beherrfchten ben verſchwenderi⸗
hen und gemwaltthätigen Zürften. Sein übermäßiger Hang zum Solbatenıwefen, der ihn auch
in die ruhmloſe Theilnahme an dem Siebenfährigen Kriege flürzte, feine ZBilffür gegen Land-
ftande, Beamte und Geſetze, feine Prachtliebe, feine verſchwenderiſchen Bauten, feine Eoftfpie-
ligen Liebhabereien künſtleriſcher Art laſteten ſchwer auf dem Rande und riefen drücende Fi-
nangmittel, namentlich den Stellenhandel hervor, während die Ausfchweifungen des Herzogs
zugleich bie öffentliche Sittlichkeit untergruben. Died Alles und die Gewaltthätigkeit, womit
die würdigften Männer, namentlich der Landfchaftsconfulent 3. I. Mofer, verfolgt und auf die
Feſtung gefegt wurden, fleigerte die Unzufriedenheit aufs äußerſte. Die Stände Pagten beim
Kaifer und begannen, von England, Preußen und Dänemark unterftügf, 1764 den Kanıpf
für die verlegte Ranbesverfaffung, der endlich zu dem fogenannten Erbvergleich vom 27. Febr.
1770 führte. Freilich fehlte ed auch nach Montmartin's Entfernung nicht an einzelnen Ge⸗
waltthaten, wie 3.3. die Gefangennehmung Schubart's (f. d.), noch an Finanzfünften und
andern Eingriffen in die Verfaffung. Wegen des gänzlichen Verfalls ded Kammerguts muß
ten des Herzogs Brüder 1780 ernſtlich einfchreiten. Nachdem er fih 1786 von feiner erften
Gemahlin hatte ſcheiden laſſen, verheirathete er fich mit Franziska von Bernarbin, die er zur
Gräfin von Dopendeim erheben ließ, einer liebenswürbdigen, geiftvollen Frau, bie großen Einfluß
auf ihn gewann. Gin lang anbauernder Friede half dem Derzoge zum Theil die früher dem
Lande gefchlagenen Wunden heilen. Ex erichte noch den Ausbruch der Franzöſiſchen Revolu⸗
tion und ftarb 24. Dct. 1795 zu Hohenheim, Unter ihm wurde das Land durch Ankauf der
Herrfchaften Bönnigheim, Iuflingen und Sterned ſowie eines anfehnlichen Theils der Graf-
[haft Limburg vergrößert.
Dem Herzog Karl Eugen folgte fein Bruder Ludwig Eugen, der früher Inden Malte:
feroeden aufgenommen, feit 1749 in franz" Kriegsdienften und 1757 zum GBenerallieute
nant aufgefliegen war. Mit feinem Bruder, ben Derzoge, in Zwiefpalt, vermählte er fich mit
ber Reichögräfin Sophie Albertine von Beichlingen und lebte nun auswärts. Erſt 1778 kehrte
er in fein Vaterland zurüd. Die Freude über feinen NRegierungsantritt war allgemein; aber
Schwäche und Bigotterie raubten ihm bald die Kiebe des Volkes. Noch mehr gefchab dies in
Bolge feines zu eifrigen Antheild am Kampfe gegen die Sranzöfifche Revolution, der Dem Lande
große Summen koftete. Er farb 20. Mai 1795 und ihm folgte fein Bruder Friebrich Eugen,
ber fi in preuß. Dienften im Giebenjährigen Krieg ausgezeichneten Kriegs ruhm erworben.
Derfelbe war mit einer Nichte Friedrich's d. Gr. vermählt, der ihn auch dahin brachte, baf er
feine Kinder wieber im proteft. Glauben erziehen ließ und in Treptow lebte, bis ihm Karl Eugen
1786 die Regierung in Mömpelgard übergab, von wo ihn aber nach fünf Jahren bie Stürme
der Franzöſiſchen Revolution vertrieben. Rachdem er feinem Bruber als Herzog gefolgt, dran-
gen 1794 die Franzoſen fiegreich in WB. ein, ſodaß der Herzog mit dem General Moreau
17, Juli 1796 den Waffenſtillſtand zu Baden abfchließen mußte, in Folge deffen die würtemb.
Truppen ſich von der Reichsarmee trennten. In Folge eines zu Paris gefehloffenen Friedens
vom 7. Aug. 1796 wurde von W. Mömpelgard an Frankreich abgetreten. Die Drangfale,
welde das Land feit Moreau’s Abzuge von ben Öftreihern erbulbete, bewirkten, zum erflen
male feit dem Abſchluß des Erbvergleichs, bie Berufung des Landtags, beffen Ende jedoch der
Hergog, der 23. Dec. 1797 ftarb, nicht erlebte. Sein ältefter Sohn und Nachfolger Friedrich IL,
ber bie Berfaffung fogleich beftätigte, erregte Durch fein Herrfchertalent ſchoͤne Hoffnungen, bie
— w- — — — — --
er Bürtemberg 387
aber ſchnell wieber ſchwanden. Ein unheils voller Jwieſpalt mit den Ständen, der Einfall der
Franzofen unb die Bunt des Herzogs ftürzten das Land aufs neue in Serrürtung, die 1801
der Frieden von Lunedille einigermaßen befetigte Friedrich wurde fegt Mitglied der zur Ente
f&ädigung der Reichsfürften niedergefegten Reichs deputation und erhielt (1805) neben an-
fehnlicher Entfhädigung an Land durch die Propfteien Ellwangen, Rothmünſter, Zwiefalten
u. f. w. und neun Reichsſtäbte, Reutlingen, Eftingen, Rormvell, Gmünd, Heilbronn u. f. w.,
die von ben frühern Segen ſchon Tange geſuchte Kurmürde. Das alte Herzogthum hatte
einen Umfang von 134 AM. mir 660000 E.; 1803 wurde ed um 29%, AM. mit 125000 €.
vermehrt. Die Lage bes Landes war jedoch um nichts verbeffert und ber Zwiefpalt zwifchen
Herzog und Ständen nahm mehr und mehr zu. Statt die neuen Erwerbungen dem alten Lande
einzuverleiben, vereinte er fie ald Aeuwürtemberg zu einem eigenen Staate. Nachdem ihn Na-
poleon 1805 zu einem Bünbnif und ber Stellung von 8000 Mann für Frankreich gezwungen,
erhielt er noch im Presburger Frieden die Graffchaften Hohenberg, Nellenburg und Bonnborf,
die Landvoigtei Altorf, die Herrfchaften Zriberg und Ehingen, bie fünf Donauftädte, einen
Theil des Breisgau, die Befigungen bes Deutſchen und des Johanniterordens und die Ober-
herrlichkeit über die in feinem Gebiet eingeſchloſſenen Befigungen der Reichsritterfchaft. In⸗
zwifchen erflärte er 30. Dec. 1805 die alte Randesverfaffung für aufgehoben, nahm 1. San.
1806 als Friedrich 1. (f. d.) die Königswürde an und vereinigte Alt und Neumürtemberg mit-
einander. An die Stelle des Geh. Raths trat ein Minifterium, mit welchem 1811 ein Staats⸗
rath verbunden wurde. Statt der bisherigen Collegialverfaffung wurde die Bureaufratie ein.
geführt und das Kirchengut mit der Kammer vereinigt. Im Jull 1806 trat ber König dem
Rheinbunde bei, zu dem er ein Contingent von 12000 Mann ftellte, das mit Auszeichnung in
ben Kriegen Napoleon's focht, während diefer Beiftand dem Könige neuen Länderzuwachs ver⸗
ſchaffte. Erſt durch den Bertrag zu Fulda, 2. Nov. 1813, ſchloß fi der König bem Bunde
gegen Napoleon an. In Folge einiger Disharmonie mit den Aufftellungen des Wiener Con-
greſſes trat er dem Deutſchen Bunde erfl 1. Sept. 1815 bei, verhieß aber feinen Lande 11. an.
1815 eine neue Verfaffung. Allein die 15. Febr. 1815 eröffnete Ständeverfammiung beftand
zunächft auf Herftellung der alten Verfaffung und lehnte den vom König vorgelegten Ent-
wurf ab. Die Stände wurden erft vertagt, bann von neuem (Detober) berufen, beharrten aber
auf ihrer Meinung, obwol der König fich zu weitern Eonceffionen herbeiließ. Ehe der Streit
geſchlichtet war, flarb Friedrich 30. Det. 1816.
Ihm folgte auf dem Throne fein Sohn Wilhelm 1. (f. d.), zu einer Zeit, mo Elend ald Folge
des Miswachſes im Lande herrfchte. Bon ben Ständen wurde 1817 ein dritter Berfaffunge-
entwurf verworfen, worauf Wilhelm die Berfammlung A. Juni aufhob, mit der Berficherung,
daß er ohne Stänbeverfammlung nach der vorgelegten Verfaffung fortregieren werde. Selbſt
Wangenheim (f. d.), der bamals feine „Ideen der Staatöverfaffung” herausgab, wurde mit
feinem Entwurfe ber Verfaſſung abgewiefen. Wegen der Berfaffung begannen indeffen immer
wieder neue Verhandlungen, bie endlich 13. Juli 1819 eine. neue zwifchen König und Ständen
vereinbarte Verfaffung zur Folge hatten. Die 1817 gewährte Preßfreiheit mußte ſedoch in
Tolge des Bundesgefeges vom 20. Sept. 1819 aufgehoben werben. Der erfte Landtag nad)
Sründung der neuen Berfaffung begann 15. San. 1820 und dauerte bi6 26. Suni 1821. Die
Majorität der Abgeordneten war für die Regierung, mas fich hauptfächlich auch in der Sache
des Abgeordneten Sriedr. Rift (f. d.) zeigte, der wegen Verleumdung ber Regierung angeflagt
worden. Ein Hauptgefchäft ber Verſammlung war bie Prüfung ber Staatsverwaltung nach con-
fitutionelem Maßſtabe und ber Erfolg davon 57 Anträge, bie (10. April 1821) der Regierung
vorgelegt und von diefer zum größten Theil auch zugeftanben wurden. Der zweite Landtag
dauerte vom 3. Dec. 1823 bis 9. Juli 1824, und unter den berathenen Gefegentwärfen befan-
den fich die Strafproceßordnung und das Pfandgefeg. Der britte Landtag vom 1. Dec. 1826
bis 5. Juli 1827 überfam eine ſolche Menge wichtiger Gefegentwürfe, daß ein auferorbent-
iher Landtag vom 15. San. bis 2. April 1828 abgehalten werden mußte. Die bebeu-
tenden Entwürfe, welche durch biefe Verſammlung zur Vollziehung gelangten, betrafen die
Entwickelung des neuen Pfandſyſtems, das Fönigl. Hauögefep, die allgemeine Gewerbeord⸗
nung, ein Geſet über das Bürger» und Beifigerrecht, über die Verhältniffe und das Kirchenwe⸗
fen ber Sfraeliten und ein neued Recrutirungsgefeg. Während ber Dauer des Landtags wur⸗
ben auch die feit 1818 eröffneten Verhandlungen mit bem Papfte über die DOrganifation ber
kath. Kirche in W. beendigt. Nach Beendigung ber Sitzung erfchien ein orgeriſchet Statut für
388 Bürtemberg
die Univerfität Tübingen (18. Jan. 1829), das allgemeines Aufſehen erregte und viele Be⸗
kämpfer, namentlich an Thierſch in München, fand, weil die Beflimmungen Lchr- und Stu-
bienfreiheit gänzlich aufhoben. Die Regierung fand ſich auch endlih (1831) beivogen, das
Statut zu mobificiren, zumal ſich auch auf dem vierten Landtage (15. Jan. bis 7. April 1830)
fehr gemwichtige Stimmen dagegen erhoben hatten.
Die Ereigniffe des 3. 1830 wirkten auch auf W. mächtig zurüd. Die Lethargie im Volke
wich mit einem Schlage ; die Preffe nahm einen neuen Aufſchwung; bie Gebrechen der Staate-
verwaltung wurben lebhaft und freimüthig befprochen. Als 1831 die neuen Wahlen beraunah-
ten, machte fich eine ungewöhnliche Bewegung im Lande geltend, und auch die Regierung ver-
ſprach Verbefferungen. Bevor jedoch bie neue, durch anfehnliche Kräfte ber Tiberalen Dppofition
verftärkte Ständeverfammlung, deren Eröffnung nicht ohne Abficht verzögert ward, im San.
4833 zufammentam, war ſchon ber politifhe Umfchwung eingetreten. Die Regierung unter
drückte bie unbequemften Blätter, verbot die politifchen Vereine und fegte es durch, daß vier
Deputirte, Rödinger, Tafel, Wagner und Kübel, weil fie früher wegen bemagogifcyer Umtriebe
verurteilt worden, aus der Kammer ausgefchloffen wurden. Auch Wangenheim hatte das
gleiche Schickſal. Doc war die Oppofition immerhin moralifch in großer Macht und zog die
Wahlfreiheit, die freie Preſſe, bie Bundesangelegenheiten in ben Kreis ihrer Berathung. Alt
dann P. Pfizer's Antrag über bie Bundesbefchlüffe vom 28. Juni 1852 von ber Kammer
nicht verworfen, fondern die von Uhland darüber verfaßte Adreſſe 11. Mär, 1835 angenom-
men warb, erfolgte elf Tage fpäter die Auflöfung der Stände. Indeſſen gelang es der Regie
zung nicht, die Oppofition herauszudrängen: auch in ber neuen, 20. Mai eröffneten Ständever⸗
fammlung blieb die Oppofition anfehnlich vertreten. Vergebens freilich befämpfte diefelbe bie
großen Ausgaben für militärifege und auswärtige Ungelegenheiten und aus politifchen Antipa-
thien den Anfchluß an den preuß. Zollverein. In Folge der damals auch in W. flattfindenden
Verbaftungen und Unterſuchungen ftellte dann Römer ben Antrag in Betreff der Garantien
ber perfönlichen Freiheit, Schott beantragte Herficllung der verfaffungsmäßigen Preßfteiheit,
wobei die Cenſur von ber Kammer für verfaffungewidrig erflärt ward. Die erſte Kammer, bit
dahin ziemlich lautlos, machte ſich Dagegen jegt bemerkbar durch entſchiedenen Widerwillen ge
gen alle Neuerungen. Die wichtigen Befegentwürfe, bie auf dieſem Landtage zur Berarhung
Pamen, wurden meift erft auf dem folgenden Ranbtage vom 30. Jan. bis 48. Juli 1856 erledigt.
Dahin gehören dad Erpropriationdgefeg, bie Ablöfung der Frohnen, Beben und ähnlicher Ab⸗
gaben, die Entſchädigung für aufgehobene leibeigenfchaftliche Leiſtungen ımb das Schulgeſet,
das die Lage ber Elementarfchullehrer verbefierte. Der 17. Jan. 1858 eröffnete und 22. Dit.
beendete außerordentliche Landtag hatte es hauptſächlich mit der Berathung bes Strafgefegbuche
au thun, Dad mit geringen Modificationen angenommen wurde.
Inzwifchen war bie fechsjährige Wahlperiode abgelaufen und ed mußten daher neue Wahlen
vorgenommen werben, die ganz zu Gunſten ber Megierung audfielen, indem fich bie zweite Kam⸗
mer faft mit lauter Staatsdienem und Gemeindebeamten füllte. Diefer Landtag begann 1. Febr.
1839 und wurbe, nachdem die wichtigften Berathungen, über dag Polizeiftrafgefegbudh und
dad Budget, erledigt, 9. Juli 1839 gefchloffen. In Folge ber VBermählung der Prinzeffin &o-
phie mit dem Prinzen Wilhelm von Dranien und Kronprinzen der Niederlande 17. Juni war
vom König eine Amneftie aller feit 1830 verübten politifchen Vergehen’ erlaffen worben, bie
einen guten Eindrud machte. Unter großem Jubel feierte auch der König 25. Sept. 1841 fein
25jähriged Negierungejubiläum. Bei der 23. Det. eröffneten Stãndeverſammlung führte der
König den volljährig gewordenen Kronpringen in die erfte Kammer ein, nachdem berfelbe ben
Eid auf die Verfaſſung geleiftet. Die Verfammlung befchäftigte ſich vorzüglich mit der Reform
bes Proceßverfahrens, ohne indeß, wie dies in frühern Kammern wiederholt geſchehen, Offent-
lichkeit und Mündlichkeit in Antrag zu bringen. Dagegen wurde ber Antrag, daß fich die Re
gierung bei bem Bunbestage für Wiederherftellung des NRechtözuftandes in Hannover veriven-
den möge, einflimmig in der zweiten Kammer angenommen. Der Lanbtag war vom 20. Der.
1841 bie zum 2. Febr. 1842 vertagt, worauf er fich noch in langwierigen Debatten über kirch⸗
liche Angelegenheiten und über Reform der Strafproceßordnung verbreitete, die zu Seinem Re
fultate führten. Die Ständeverfammlung 1843 befchäftigte ſich Hauptfächlich mit der Frage,
ob in W. auf Staats koſten eine Staatseifenbahn angelegt werben folle, mas fchließlich bewilligt
wurde. Auch kam man auf bie Strafproceforbnung zurüd, jebody ein genügendes Refultat
wurde aud) diesmal nicht gewonnen. In diefer Zeit machten der Regierung bie religiöfen Ber-
Haltniffe viel zu fchaffen, indem verfchiedene Sekten und 1845 auch die Deutfchlathollten auf-
Würtemberg 389
tauchten, bie von ben Behörden viel Wiberſtand erfuhren. Die neuen Wahlen für den Landtag
nahmen ein erhöhtes Intereife in Anſpruch, da fich mehre frühere Oppoſitionsmitglieder wieder
unter ben Candibaten zeigten. Doch nur Römer wurde durch die Wahl in die Kammer zurück»
geführt, derem Eröffnung 1. Febr. ſtattfand. Es gelang der Oppofition, manchen ihrer Anträge,
namentlich die Streichung der Eenfurkoften, durchzufegen ; inbeffen verlief der Landtag ziemlich
unfruchtbar. Die wichtigfte Frage, bie zur Verhandlung fam, bie Eifenbahnangelegenheit, na⸗
mentlich ber Anſchluß an Baden, kam nicht zur Entfcheibung, da bie 6. Aug. verabfchiedete
Ständeverfammlung fi über keinen beſtimmten Beſchluß zu einigen vermochte. Im Juli
1846 vermäßlte fich der Kronprinz mit der Großfürſtin Olga, der Tochter des Kaifers Nikolaus
von Rußland. Eine außerordentliche Ständeverfammlung fand fobann 5. San. 1847 flatt, in
ber fogleich die Frage um Preßfreiheit wieder aufiebte. Wiewol die Regierung gegen bie Sache
ankämpfte, gab doch der König auf die Petition um Prefreiheit die Erklärung ab, daß die Re⸗
gierung bie Preßgefepgebung nicht abändern könne, Daß aber über bie &chritte, eine folche durch
die Bundesgefepgebung herbeizuführen, ber nächſten Ständeverfammlung Mittbeilungen ge»
macht werden follten. Drei andere von der zweiten Kammer mit Einflimmigfeit angenommene
Unträge auf Ablöfung aller Grundlaſten, auf Verkauf ertragslofer Domänen und auf Wild»
fhadenerfag ſcheiterten am Widerſtande der erften Kammer. Die materielle Roth war durch
die Misjahre wie allenthalben fo auch befonders in ZB. auf einen hohen rad gefliegen und er»
foderte energifche Unterftügung des Staats. Es kam gleichwol, namentlich in Stuttgart und
Um, im Mai 1847 zu unrubigen Auftritten, bie man von oben wie politifche Emeuten zu be»
trachten und zu behandeln ſchien. Allerdings waren auch die politifchen Reformmünfche wieder
lauter geworden. Die Eingriffe dee Beamtengewalt und der Genfur gaben täglich Anlaß zu
neuen Befchwerben, die ſich innerhalb und außerhalb ber Kammer in erbitterten Kämpfen ber
Parteien Luft machten.
Die Embrüde ber franz. Revolution vom 24. Febr. 1848 machten fich darum auch in W.,
wie anderwärts, fofort bemerflih. Gleich in den erften Tagen wurden bie bekannten Reform-
foberungen laut, und die 2. März verfündete Preßfreiheit vermochte den allgemeinen Petitio-
nenſturm nicht mehr zu befchworen. Man verlangte fofortige Einberufung der Stände, Revi⸗
fion ber Berfaffung, Derflellung einer Befammtverfaffung Deutſchlands mit Rationalvertre»
tung umb eine Reihe von innern Umgeftaltungen, wie fie auch in ben übrigen Ländern Deutſch⸗
lands begehrt wurben. Zugleich regte fich, namentlich in den flandesherrlichen Gebieten, eine
gewaltthätige Bauernbewegung, die zunächſt den Beuballaften galt. Die Standesherren wie
bie Ritterſchaft erklärten fich unter dem Eindrude diefer Vorfälle bereit, die oft verweigerten
Opfer zu bringen und fowol zur Ablöfung der Lehnslaſten wie der Jagdrechte die Hand zu bier
ten. Das Miniflerium Schlayer war unter diefen Umfländen unbaltbar geworden. Rachdem
ein Verſuch, ein ariſtokratiſch⸗ reactionäres Cabinet unter Freiherr von Linden zu bilden, im
Entſtehen vereitelt war, berief ber König 9. März bie Führer der Oppofition, Römer, Pfizer,
Goppelt, Duvernoy, ins Minifterium, in welchem die Departements bed Kriegs und des Außern
ben biöherigen Riniftern, ben Grafen Sontheim und Beroldingen, verblieben. Das neue Mi-
nifterium verfprach in feinem Programm: Beeibigung des Heeres auf die VBerfaffung, Ver⸗
eind- und Berfammlungsrecht, Bolksbewaffnung, Einführung der Öffentlichkeit und Mündlich-
keit in der Nechtöpflege, Schwurgerichte, Revifion des Strafgeſetzbuchs vñnd der Strafproceß-
ordnung, Entlaftung des Grundeigenthums, Hebung ber Gewerbe, Bereinfachung des Staats⸗
baushalts, Kräftigung ber Gemeinden zu höherer Selbſtändigkeit, weitere Entwidelung ber
Berfaffung und vor allem Mitwirtung zu bem Ziele einer beutfchen Gefammtverfaffung mit
Rationalrepräfentation. Mit der alten Kammer wurden dann, außer ben Befegen über Bürger-
bewaffuung und Verſammlungsrecht, Bauptfächlich nur die Ablöfungsgefege in Betreff ber
Entlaflung des Grund und Bobens vereinbart und bie VBerfammlung dann 27. März aufge
löſt. Die neue Regierung ſuchte zwifchen den Extremen hindurchzufteuern. Während ſich aud)
in W. bald eine demokratiſche Partei mit republitanifchen Tendenzen bildete und im Heere
Symptome erfchütterter Disciplin fichtbar wurden, fehlte es auch nicht an Regungen entgegen-
gefegter Art, wie denn z. B. den Soldatenmeutereien innerhalb einzelner Megimenter freche
Aus ſchweifungen zur Seite gingen, die (Ende Juni) in Um von Soldaten gegen unbewaffnete
Bürger verübt wurden. Die Folge diefer Vorgänge war ber Rücktritt des Kriegsminiſters, ber
bucch General von Rüpplin effegt ward. Der Verſuch einer demokratiſchen Maffenbeiwegung,
ben ber Fabrikant Rau von Bailderf machte, fand im Volke feinen Anklang. Indeſſen war in
den innern Angelegenheiten eine Pauſe eingetreten unb das Iehhaftefle Intereffe den Dingen
390 Würtemberg
in Frankfurt zugewandt. Erſt 24. Sept. kam die neue Ständeverſammlung zuſammen, bie
weite Kammer überwiegend liberal, zum Theil in fehr vorgefcgrittener Richtung. Die erften
erathungen galten ber Abſchaffung des Jagdrechte, ber Zehntablöfung und ber Ausdehnung
bes Amts» und Bemeinbeverbands auf ſämmtliche Theile des Staatögebiets, woburd die Büter
des Staats wie der Grundberrfchaften zur Xheilnabme an ben Laſten ber Bezirks und Ge⸗
meinbecorporafionen beigegogen wurden. Zugleich murben, ber materiellen Bebröugnis zu
feuern, Wünfche laut, bie Penfionen, die Apanagen und die Civilliſte zu vermindern, ein Ver⸗
langen, bem infofern theilweife genügt ward, ald ber König fich bereit erflärte, feine Civilliſte
fo lange um 200000 Gldn. zu vermindern, als es ihm bie Bebürfniffe des Wolke zu erfodern
ſchienen. Auch war bie würtemb. Regierung eine ber erſten, welche bie in Frankfurt beichloffe
nen Grundrechte ald Gefege verfünbigte. Ebenſo ging fie in ben übrigen Verfaffungdfragen
im Einverftändniß mit ber Deutſchen Natzonalverſammlung, wenngkich ber Minifier Römer
die in Frankfurt eingefchlagene Richtung eines preuß. deutſchen Erbkaiſerthums nicht billigte.
Ernfter geftaltete fich die Verwickelung, als die Reichs verfaſſung vom 28. Mär; 1849 vollendet
war und der König ihre Anerkennung, namentlich in dem Punkte der Oberbauptöfrage, ver
weigerte. Doc bewog ihn die Entſchiedenheit des Minifteriums, das feinen Ruͤcktritt in Aus
ſicht ftellte, und die in allen Theilen des Landes mächtig anfchwellende Agitation ber demokra⸗
tiſchen wie ber conflitutionellen Partei, 24. April bie Anerkennung ber Reichöverfaffung aus-
zufptechen. Bald aber veränderte der Ausbruch des pfälz. und bad. Aufſtands die ganze Rage,
infofern die Agitation für die Reichsverfaſſung bort in republilanifche Revolten umſchlug
Auch in W. zeigten ſich ähnliche Regungen. Die demokratiſchen Vereine hielten 37. Mai eine
große Volktverſammlung in Reutlingen ab, weiche ein Bünbnig mit Baden und der Pfalz,
Rüdziehung ber würtemb. Truppen und ihrer Angriffäftellung gegen Baben, Bewaffnung des
Volkes gegen den Reichsfeind, allgemeine Beeidigung auf bie Meichöverfaffung und Amneflie
verlangte und durch Bildung eines Wehrausfchuffes die Vorbereitungen zum bewaffneten Wi-
berftande traf. Wie in andern beutfihen Rändern, fo war auch hier dies das Signal zur Schei⸗
dung der bisher vereinigten canflitutionellen und republitanifchen Parteien; namentlich ſchlug
bie ſchon geraume Zeit vorhandene Spannung zwiſchen dem Minifterium und der bemofrati-
Shen Bewegungspartei zum offenen Bruce aus. Das Minifterium wies bie reutlinger Be
ſchlüſſe zurüd und nahm eine um fo fchroffere Haltung gegen bie bemofratifchen Tendenzen an,
als in bemfelben Augenblicke der Meft des Frankfurter Yarlaments feine Sigungen nad Stutt-
gart und damit ben Mittelpunkt der Bewegung nad W. zu nerlegen befchlof. Es folgten
dann bie Schritte, die 18. Juni mit ber gewaltiamen Verhinderung der Berathungen bes deut-
[den Rumpfparlaments (f. Deutſchland) ndigten. Na Die Kammern außer bem Schwur-
gerichtögefen hauptſächlich noch das Wahlgefeg vom 1. Juli erledigt, wonach eine aus allgemer
ner directer Wahl hervorgegangene Landesverſammlung im Einklang seit ber Neichsverfafſung
und den Grundrechten bie würtemb. Verfaffung revidiren ſollte, wurde fie aufgelöft. Die neuen
Wahlen für die fünftige und aus einer Kammer von 6A Abgeordaeten beſtehende Randeövertre-
tung wurden fofort vorgenommen und ergaben ein ganz entſchiedenes UÜbergewicht der demokra⸗
tiſchen Partei. .
Indeffen war die Stellung bes Miniſteriums fehr fchreierig geworden. War daffelbe einer-
feit6 mit ber demokratiſchen Partei völlig entzweit, fo zeigte andererfeit6 Die ungebuldige Reat⸗
tion, durch ben Umfchwung ber Zeisen begünftigt, eine noch größere Keinbfeligkeit gegen Römer
und deffen miniflerielle Collegen. Zwiſchen dem König aber und feinen Nathgebern beftanb
über bie beutfche Frage kein Ginverflänbnig mehr, da feuer ben Reflauratiewstendenzen zu-
neigte, diefe die Durchführung eines parlamentariſchen Bundesſtaats, wenn auch in einer an-
bern Form ald ber Verfaffung vom 28. März, erſtrebten. Um 28. Det. 1849 geſchah bat
lange Erwartete: das Maͤrzminiſterium erhielt feine Entlaſſung und ber vormärzliche Borgan
ger, Schlayer, bildete Die neue Verwaltung. Wenige Wochen fpäter (1. Dec.) trat bie neue
Landes verſammlung zufarsmen. Schon bei ben Bureauwahlen ergab fi) die demokratiſche
Mehrheit. Die Abdreßdebatten und die ungünflige Aufnahme, weiche ber miniflerielle Berfaf-
ſungsentwurf fand, zeigten, daß zwiſchen dem neuen Minifteeium und dieſer Lanbeövertretung
ein Verſtändniß nicht möglich ſei. Die Erfiärung der Megierung, daß fie nad bem Fall der
Reicheverfaſſung bie Grundrechte nicht ald zu Mecht beftehend anerfenne und bie privilegirte
nieht als aufgehoben betrachte, führte rafch zum Bruch. Am 22. Dec. warb bie Ber-
fammlung aufgelöſt und in einem Manifeſi von der Regierung ans Bolt appelirt. Die neuen
Wahlen zu der 15. März 1850 zufammentretenden zwoiten Sandeöoerfeuumiung: zur Neviſton
-—m m w- A I v—⏑— ZB —
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Würtemberg 391
der Berfaffung ergaben ein noch entfchiedenere® Übergewicht ber bemokratifchen Partei. In
zwifchen hatte die Regierung in ber deutſchen Frage eine beſtimmte Stellung genommen. ZBäh
rend bie demokratiſche Partei die Anerkennung ber Reicheverfaffung erhalten ſehen wollte, die
altfiberale den Anſchluß an die preuß.-beutfche Union verlangte, ſchloß fig die Regierung dem
fogenannten Vierkönigsbündniß an und nahm eine jchroffe Pofition, namentlich gegen Preußen
und deffen Verbündete ein. Die Thronrede bes Königs fprach fo Herbe Anklagen gegen die
Unionspolitif aus, daß Preußen die diplomatifchen Beziehungen mit ZB. abbrach. Auch mit
der Landesverfretung führte die Haltımg der Regierung in der beutfchen Frage zu Zerwürf⸗
niffen. Die Berfanmlung hatte fich bald nach ihrer Eröffnung vertagt, um bie Ausichüffe are
beiten zu taffen, und trat Ende April wieder zufanımen. Hier gab fich denn bald ihr Gegenſatz
zur Regierung fund. Während diefe nur eine beſchränkte Verfaffungsrevifion zulaffen wollte
und die Standesherren (Mai 1850) einen Proteftgegen jede Beeinträchtigung ihrer Vorrechte
erließen, verlangte die Kammer eine vollftändige Revifion. Auch In der Berathung des Finanz⸗
etats konnten fich beide nicht vereinigen, und in dem Abſchluß des Vierkönigsbündniffes fah die
Derfammlung Anlaß zu einer Minifteranklage, bie denn auch gegen ben Chef des auswärtigen
Departements, Freiheren von Wächter-Spittler, erhoben, jedoch vom Staatsgerichtshof als unbe-
gründet abgewiefen ward. Nachdem die Verfammlung erft vertagt worden, wurde filed. Juli aufe
gelöft, zugleich das Cabinet durch ein noch fhärfer ausgeprägtes Minifterium ver Reſtauration,
an deſſen Spige Freiherr von Linden fland, erfegt. Doch ſchrieb man noch ein mal Wahlen
nach dem Wahlgeſetz vom 1. Juli 1849 aus. Der aus der aufgelöften Werfammlung hervor
gegangene ſtändiſche Ausſchuß gerieth in vielfache Differenzen mit der Regierung, und es ent-
ſpann ſich ein lebhafter Schriftenwechfel, zumal feit die deutfche Politik der Regierung In eine
neue Phaſe eingetreten war. Das Minifterium betheiligte fi an der Reftauration des Bun-
dedtags und folglich an der gegen Kurheſſen befchloffenen Execution; der König ging nad) Bre⸗
genz und fchloß fich dem von Oftreich mit den deutfchen Mittelſtaaten gegen Preußen gefchlof-
fenen Bündniß an. Inzwiſchen waren aud die Wahlen zur dritten Landesverſammlung zu
Bunften der Demokratie ausgefallen: das Minifterium konnte faum auf eine und die andere
Stimme zählen. Zwar waren die Anfänge ber A. Det. eröffneten Verſammlung verföhnlich,
aber bald gaben bie militärifchen Rüftungen, die aus der deutfchen Politik der Regierung ent
fprangen, ergiebigen Stoff zum Streite, indem die Berfammlung Bedenken trug, bie zu ſolchen
Zwecken gefoderten Mittel zu bewilligen. Nun entſchloß fich die Regierung auch im Innern zu
rudhaltslofer Reftauration. Eine Verordnung vom 6. Nov. löfte die Werfammlung auf, bob
ihre Wirkſamkeit, ſoweit fie in einem permanenten Ausfchuß fih äußern konnte, auf, ftellte ben
frühern ftändifchen Ausfchuß, wie er nach der Verfaffung von 1819 gewählt war, wieber her
und bebiele fich weitere Maßregeln vor. Der von ber aufgelöften Berfammlung gewählte Aus-
ſchuß ward an jeder öffentlichen Thätigkeit gehindert, ftatt feiner 26. Nov. eine proviforifche
Schuldenverwaltungscommiffion gefchaffen, gegen die widerfirebenben Ausſchußmitglieder po-
figeifich und gerichtlich verfahren, auch ein Befeg gegen Prebmisbrauch octroyirt. Entlaſſun⸗
gen bemofratifch gefinnter Beamten folgten. Doch murde verfprochen, die Revifion ber Ver⸗
faffung nicht fallen zu Taffen. .
ährend diefer innern Zerwürfniffe waren die früher verzögerten Eifenbahnbauten ihrer
Vollendung entgegengeführt worden. Nicht nur bie Kinie, welche das Land von Rorben nad
Süden burchfchneibet, mar ausgebaut, fondern der lange: verzögerte Unfchluß an Baden umb
ber Vertrag über die Verbindung mit Baiern Bamen 1851 zu Stande. Für die Dedung, ber
Mittel wurde Papiergeld ereirt. Langen und gegründeten Beſchwerden wurde durch den Uber
gang ber Taris’fhen Poſt an ben Staat abgeholfen; auch trat IB. dem öſtr.deutſchen Moft-
vereine bei. Zudem fchien in den inneren Wirren allmälig ein Ruhepunkt einzutreten. Am
6. Mai 1851 kam der nach der Berfaffung von 1819 neugewählte Randtag zufammen. Zwar
fhienen die Bureaumahlen, welche drei Märgminifter, Roͤmer an der Spige, als Kandidaten
der Präfidentfchaft aufftellten, eine entſchiedene Mehrheit der Altliberalen zu befunden, allein
die Regierung hatte Doch in allen wichtigen Fragen, namentlich mo es fih um eine Indemnitätd«
bill für ihre Finanz» und Preßverordnungen handelte, die Mehrheit. Darum vermochte man
auch in dem Reſtaurationswerke fortzufchreiten, ohne daß dies bie Kammer gehemmt hätte,
Der Berfaffungseib des Militärs ward befeitigt; die Grundrechte wurden (Sept. 1851) auf
gehoben, die Voiksvereine (Febr. 1852)-aufgelöft. In ihrer deutfchen Politik blieb die Megies
zung in den eingefchlagenen Bahnen. Sie ſchloß ſich auch in der Handels⸗ und Zollfrage an
Oftreich an, trat im April 1852 dem darmftädter Bündniß bei, deffen Conferenzen im Auguſt
392 Buͤrtemberg (Chriftian Friebe. Alexander, Graf von) Würzburg (Biſthum)
zu Stuttgart flattfanden, und nahm lebhaften Antheil an ber Oppofition gegen Preußen, bie
im September zum Bruch des Bollvereine zu führen drohte, bi6 ber Vertrag vom 19. Febr.
4853 die Ausgleichung brachte. Unter ben übrigen öffentlichen Fragen war es befonders die
Kirchenangelegenheit, in welche IB. gleich den übrigen Staaten ber oberrhein. Kirchenprovinz
verwickelt ward. Die Regierung fchloß fich den Schritten der andern Regierungen an, erließ
im Mär; 1855 im Ginflang hiermit eine Verordnung, welche einzelne Eonceffionen enthielt,
beſchied aber die übrigen biſchöflichen Foderungen abſchlägig. Es folgte dann Remonſtration
des Epiftopate, wobei ſich indeſſen ber Biſchof von Rottenburg zurückhaltender und vorſichtiger
als feine Gollegen in Freiburg, Mainz und Limburg benahm. Doc, blieb ber Streit unge-
ſchlichtet. Beunrubigend ‚war. die fortwährende Zunahme ber Armuth und bie in gewaltiger
Progreſſion fertfcgreitende Auswanderung, bie kaum ein beutfches Rand fo fehr wie W. traf.
Dem im Nov. 1854 zufammentretenden Landtage legte bie Regierung mehre Entwürfe vor,
welche zum Theil dem Übel abhelfen follten, zugleich jebody andere, welche die Ablofungsgefege
von 1848 zu Bunften der Berechtigten mobifteiren follten. Die Kammer erfuchte bie Regie
rung, bie Arbeiten des Landtags auf die nöthigen Finanzvorlagen zu befchränten, wurbe jedoch
abfchlägig befchieden. Bgl. S. Sattler, „Allgemeine Gefchichte von WB. unter ben Grafen“
(5 Bde. Ulm 1764—68) ; Derfelbe, „Neuere Sefchichte von W. unter ben Herzogen“ (13 Bde.
Um 1769— 84); Spittler, „Geſchichte W.s unter der Regierung der Grafen und Herzoge“
(Bstt. 1785); Pfifter, „Geſchichte von Schwaben” (5 Bbe., Heidelb. 1805—27); Pfaff,
„Geſchichte bes Fürſtenthums und Bandes WB.” (Epz. 1819; 2. Aufl, 3 Bbe., Stuttg. 1835
—39); Pohl, „Beichichte W.s“ (Stuttg. 1850); Stälin, „Würtembergiſche Gefchichte*
(Stuttg. 1847 fg.). 0
Bürtemberg (Chriftian Friedr. Alexander, Graf von), als Igrifcher Dichter bekannt, der
Sohn des Herzogs Wilhelm von Würtemberg und der Burggräfin von Tunderfeldt, wurbe
5.Nev. 1801 in Kopenhagen, wo fein Vater Gouverneur war, geboren. Ex trat früh in
würtemb. Militärdienfte, hatte zulegt den Rang eines Oberften und lebte feit 1852 mit der
Gräfin Helena Feftetich-Tolna in glüdlicher, durch vier Kinder gefegneter Ehe abwechfelnd in
Stuttgart und Win. Schon lange kraͤnkelnd und leidend, flarb er doc fehnell 7. Zuli 1844
im Wildbad. WIE Igrifcher Dichter trat er zuerft im „Morgenblatt” unter dem Namen Saudor
von S. aufz unter feinem eigenen Namen gab er bann Beiträge zu Chamiffo’s und Echwab's
„Deutſchem Muſenalmanach“. Gefammelt und mit neuen vermehrt exrfchienen feine lyriſchen
Productionen unter bem Titel „Wedichte” (Stuttg. 1837) und in einer noch reichern Samm⸗
Img ale „Geſammelte Gedichte” (Stuttg. 1841). Im Allgemeinen erkennt man darin bie
Einwirkung ber ſchwäb. Dichterfchule und im Speriellen die Wahl- und Geiftesvermandtfchaft
mit Zenau, befien genauer Freund er war. Gigenthümlich ift vielen feiner Dichtungen ein Ge⸗
fühl der Schwermuth und das Ringen, eine Kraft zu offenbaren, die ein durch Gemüthsleiden
und Krankheit gebrochener Körper nicht zur vollen Entfaltung kommen ließ. Überall zeigen
fie tiefes Gefühl, eine Eräftige, geiftig gefunde Natur, einen deutſchen, bürgerliebenden umd zu-
gleich ritterlichen Sinn, und dies Alles verfchönt von einer reichen Phantaſie. Außerdem find
feine Poefien gewandt im Versbau und reich an Gedanken und Bilden. Das Beſte in der
genannten Sammlung find die „Lieber eines Soldaten im Frieden” und die dichterifchen Ge
mälde aus Ungarn. Origineller bewegte fich der Dichter in den „Liedern bed Sturme“. Wegen
feiner freimüthigen Richtung waren feine Gedichte in Oftreich verboten, während er felbft in
den wierrer Salons gern gefehen wurde. Wohler fühlte er ſich ſtets im Kreife feiner ſchwäb.
Gangesgenoffen, benen er nahe befreundet war.
Bürzburg, ein ehemals reichäfreies Bisthum, wurde 7A1 (nad) andern Angaben 742 oder
746) geftiftet und von den fränf. Königen mit Befigungen begabt, welche bie deutſchen Kaifer
und Könige in der Bolge vermehrten. Der erfte Bifchof war ber von Bonifaz beftallte ımd ge-
weihte Burkhardt. Zum Schugpatron hatte es den heil. Kilian, der bier ſchon 688 das Evan-
gelium geprebigt haben fol. Durch gute Wirthſchaft und Sparſamkeit war ed ben Biſchöfen
möglich, zahlreiche Befigungen der benachbarten fränt. Grafen’ und Herzen an ſich zu bringen,
aus welchen allmalig das umfangreiche Fürftbistbum W. ſich bübete, an deſſen Spige
der Fürſtbiſchof als Herzog von Franken ftand. Die erfte wirkliche Verleihung des Herzogs⸗
titels und ber Herzogẽgewalt, d. i. ber vichterlichen Gewalt, findet ſich 1120. Gine neue Beflä-
tigung der berzoglichen Würde erhielt der Bifchof Herold 1168 durch Friedrich I. ; in ber kaiſerl
Urkunde ift aber abſichtlich das Wort Franken und fränkifd) vermieden und nur von einem
„wirgburgifchen” Herzoge die Rebe. Doch benugte ber Biſchof diefe Beftätigung, um ihr einen
wu. a vu mn. ma vu -
Vürzburg (Stadt) 393
mächtigen Schein zu geben. Es wurden Erbänter am bifhöflichen Hofe gefchaffen und anfehn-
liche adelige Geſchlechter Damit bekleidet ; auch bie erſte Spur einer landſtändiſchen Thätigkeit in
Franken datirt ſich von biefem Zeitpunkte her. In geiftlihen Angelegenheiten ftanden bie Bis
fcgöfe unter bem Erzbiſchofe von Mainz, felbft nachdem ihnen Benedict XIV. 1751 das erzbi⸗
ſchöfliche Pallium und das Kreuz ertheilt hatte. Der Flächeninhalt bes Hochſtifts belief fich auf
87 AM. mit 250000 €. und die jährlichen Einfünfte wurden zu 500000 Gldn. angegeben.
Während des Dreißigjährigen Kriegs gab der Kanzler Openftierng 1633 bem Herzoge Bern-
hard von Sachfen-Weimar die Bisthümer W. und Bamberg als Herzogthum Franken in Zehn,
das aber 1634 wieder aufgelöft und an den Bifchof zurücdigegeben wurde. In Kolge bed Frie
dens zu Luneville wurde das Bischum ZB. gleich den übrigen unmittelbaren geiftlichen Beftgun-
gen in Deutfchland fäcularifirt und durch ben Reichsdeputationshauptfchluß von 1803 an das
Kurfürſtenthum Baiern zur Entſchädigung für feine verloumen Rheinprovinzen ald ein melt-
liches Erbfürſtenthum überlaffen, mit Ausnahme einiger Amter, bie an andere Fürſten fielen.
Der legte Fürſtbiſchof, Georg Karl (von Fechenbach), erhielt eine Penfion und flarb zu Bam⸗
berg 9. April 1808. Im Frieden zu Presburg trat Baiern gegen anderweite Entſchädigung
das Fürſtenthum WB. 1805 an ben ehemaligen Großherzog Ferdinand (f. d.) von Toscana ab,
der das 1803 zur Entſchädigung überlaffene Kurfürftenthum Salzburg an Oftzeich überließ,
wogegen nun W. flatt Salzburg zum Kurfürſtenthum W. erhoben wurde. Am 50. Sept. 1806
trat ber Kurfürft Ferdinand dem Rheinbunde bei und nahm num ben Zitel Großherzog von W.
an: Dur Beſchluß des Wiener Congreſſes erhielt der Großherzog feinen Erbflaat Toscana,
W. aber fiel an Baiern zurüd. Gegenwärtig bilbet das Fürſtbisthum einen Theil des unter-
fränk.-afchaffenburg. Kreiſes; kleinere Theile deſſelben fielen aber an Baden und Würtemberg,
während das Fürſtenthum Afchaffenburg, die Amter Brüdenau, Hammelburg, Weyhers, Al⸗
zenau, Amorbach, Klein-Heubach und Miltenberg, Marktfteft und die ehemalige Freie Reiche-
ftadt Schweinfurt ben ganzen unterfränk.-afchaffenburg. Kreis ausmachen. Der Flächeninhalt,
der zum abgetretenen Großherzogthum ZB. gehörte, betrug 107 AM. mit ungefähr 260000 E.,
von denen bie meiften der kath. Kirche angehören. Das Land ift eben, allein hohe und walbige
Bebirge umgeben baffelbe: nach N. die Rhön, nad W. der Speffart, welcher die Grenze des
Fürſtenthums gegen Mainz zu bildete, gegen D. und S., an der frübern Grenze des Hohenlohe
chen über das Eaftelliiche und Schwargenbergifche, der Steigerwald. Die getreibereichen Ge⸗
genden bed Grabfelbes, des fchweinfurter und ochfenfurter Baus, die futterreichen Thäler der
Fränkiſchen Saale, der Werra, ber Streu und der Zauber liegen innerhalb des ehemaligen
Fürſtbisthums, welches vom Main durchfchlängelt wird. Die ebeiflen Sorten des Franten-
weins (ſ. d.) gedeihen an den Ufern dieſes Stroms, namentlich ber Stein und Leiften bei Würz⸗
burg und der Kallmuth bei Homburg. An Mineralien ift das Ländchen nicht reich, wol aber an
Mineralquellen, zu denen dad berühmte Kiffingen und ber Nachbarbrunnen Boklet gehört. Die
Induſtrie hob ſich in jüngfter Zeit durch die neugefchaffenen Verkehrsmittel der Maindampf
ſchiffahrt und der Eifenbahn bedeutend.
ürzburg, Hauptflabt bes ehemaligen Fürſtenthums Würzburg, jept des bair. Regie
rungsbezirks Unterfranken, liegt in einem fchönen Thale an beiden Ufern des Main, über wel-
chen eine 605 $. lange fleinerne, mit Statuen von Heiligen geſchmückte Brüde von acht Bogen
führt. Die Zahl der Bewohner beläuft fi auf 28000, darunter 2500 Proteftanten und 600
Juden. Unter den öffentlichen Gebäuden zeichnen fi aus das große und fchone, 1720-44
neuerbaute bifchofliche Schloß oder die Reſidenz, eines der ſchönſten Kürftenfchlöffer, mit einem
berrlihen Garten, und das 1576 gefliftete große, reiche und trefflich eingerichtete Suliushospi-
tal, in beffen Nähe 1850 ein neues Anatomiegebäude aufgeführt ward. Unter ben vielen Kir⸗
hen find bemerkenswerth die reichverzierte Domkirche, bie feit 1042 von Grund aus wieder auf-
gebaut wurde, mit ber Schönborn’fhen Kapelle und vielen Dentmalen von Bifchöfen ; die Ma-
rientapelle, eines ber ſchönſten Denkmale altdeutfcher Kunft, mie 14 Statuen von Tilmann
Riemenfchneider aus dem 15. Jahrh.; die Kiche von Stifthaus, 1670— 91 neu erbaut, mit
majeflätifcher Kuppel; die Reumünftericche mit ben Gebeinen des heil. Kilian. Anſehnliche
Gebäude find auch das Rathhaus, die Regierung, die Univerfität mit der Sternwarte, das
Schullehrerſeminar, das Theater, das Harmoniegebäube, das Zucht» und Arbeitshaus und ber
Bahnhof. Die Straßen zunächſt dem Schlofplage find breit und regelmäßig, die meiften an⸗
dern ſchmal und krumm; die beiebtefte ift die Domſiraße. Bor dem Juliushospitale ſteht eine
Statue bes Fürſibiſchofs Julius von Wiedemann (in Erz gegoffen von Miller) ; ein Denkmal
Walther's von der Vogelweide befindet ſich in einer Niſche der Reumünfterkirche.
Zu u
391 Wurzel (botanifh) Wurzel (mathematiſch)
Die Univerfität wurde 1403 vom Bifhof Johann von Eglofftein gegründet, überlebte aber
ihren Stifter nicht. Erſt 1582 erfolgte Die Gründung einer neuen Hochſchule burch den Fürft-
biſchof Julius Echter von Mespelbrunn, ber bie reiche Dotation derfelben, ſowie des gleichfalls
von ihm geftifteten Hospital® aus den Gütern und Einkünften ber im Bauernkriege und bran⸗
denburg. Kriege verwüfteten und verlaffenen öfter nahm. Schon in der Abficht des gemein-
famen Stifter hatte es gelegen, bas Hospital zum Zwecke bes mebicinifhen Stublums mit der
Univerfität in Verbindung zu fepen, und biefe Verbindung, ſowie die Wirkſamkeit tüchtiger
Lehrer, welche zugleich Hospitalärzte waren, erhielten zu allen Zeiten bie mebicinifche Facultät
in hohem Rufe, der zur fortwährenden Blüte der Univerfität Hauptfächlich beitrug. Die theolo-
giſchen und philoſophiſchen Studien waren bis zur Aufhebung des Jeſuitenordens ausſchließend
in deffen Händen. Einen befondern Aufſchwung nahm die Univerfität ımter dem vorlegten
Fürſtbiſchof, Franz Ludwig von Erthal, geft. 1795, der im Geifte ber fortfchreitenben Zeit re
gierte und helldentende und gelehrte Männer ale Profefioren berief. Auch als W. an das Kur-
haus Pfalzbaiern Fam, wurde bie Univerfität in ihrer Blüte nicht geftört, vielmehr forgfältig
gepflegt. Die Abtretung bes Fürſtenthums IB. an ben vormaligen Großherzog von Toscana,
Ferdinand, dagegen hatte den ungünftigften Einfluß auf den Zuftand ber Univerfität. Erſt als
ZB. 1814 wieder mit Baiern vereinigt wurde, hatte fich die Univerfität einer neues Leben brin-
genden Reflauration zu erfreuen. Der Sig der medicinifchen Facultät, welcher mehre Gelehrte
von europ. Rufe, wie Tertor, Marcus, Rienedder, Schmidt, Scherer, Köllider, Virchow, an⸗
gehören, ift gewiffermaßen das Juliushospital, welches, nächſt den Krantenzimmern, die
Hörfäle zum theoretifchen Unterricht, das anatomifche Theater und Präparatencabinet, den
botanifchen Garten und das chemifche Laboratorium umfaßt. In unmittelbarer Nähe ſchließen
fi an das Entbindungshaus und das Krankenhaus für Epileptifche. Die anatomifche Anftalt
erhielt eine neue zwedmäßige Drganifation und die zootomiſche Anftalt ein befonberes Local.
In der juriftifchen Faeultät wurde für die Studirenden aus dem Nheinkreife 1821 eine Profeſ⸗
fur des franz. Nechts errichtet. Auch befteht eine ſtaatswirthſchaftliche Kacultät. Die Bibliothek
enrhäft über 100000 Bände, und ihr Fonds, der jährlich 3000 Gldn. abwirft, ift von dem vor-
maligen Großherzog von Frankfurt, Karl von Dalberg, geftiftet. Das Naturafiencabinet wurde
von dem ehemaligen Minoriten Profeffor Blank, geft. 1827, geſammelt und durch Spätere Ankäufe
anfehnlich vermehrt. In dem mufitalifchen Inftitute ann Jedermann im Gefang oder auf einem
Anftrument unentgeltlich Unterricht erhalten, und es werben won demfelben wöchentlich zwei mal
große Tonftüde aufgeführt. Unter den wiffenfchaftlichen Vereinen find die mebicinifch-phyftta-
liſche Geſellſchaft und der hiſtoriſche Verein beſonders nennenswerth. Nächft der Univerfität
befigt W. ein Gymnaſium, eine lat. Schule, eine Kreislandwirthſchafts⸗ und Gewerbſchule,
ein kath. geiſtliches und ein Schulfehrerfeminar, ein adeliges Nitterftift, das orthopädifche Karo»
Iineninflitut, eine Thierarzneiſchule, eine Hebammenſchule, eine Schwimmſchule, eine Geſell⸗
haft zur Vervollkommnung der Künfte und Geiverbe und eine Frauengeſellſchaft zur Unter»
ftügung und Beförberung weiblicher Kunfifertigkeit und Geſchicklichkeit; ferner, abgefehen von
dem Juliushospital, eine Taubflummen- und eine Blindenanftalt, das Zofephshospital und an⸗
dere wohlthätige Anftalten. Auch beſtehen bafelbft zwei Eollegiatftifte, ein adeliges Damenftift
und mehre Klöfter. Die Fabriken liefern Wollenzeug und Tuch, Spiegelglas, Leder, Tabad,
Eifenbahnwagen und Schaummeine. Sehr bedeutend ift der durch bie Mainſchiffahrt wie durch
die Eiſenbahn geförderte Handel, befonders mit ein und Frucht. Außerhalb ber Stadt, auf
dem linken Ufer des Main, Tiegt auf einem 400 F. hohen Berge die Veſte Marienberg, erbaut
an der Stelle, wo Drufus ein Caſtell angelegt, und bis 1720 ber Sig der Bifchöfe. An einem
Abhange dieſes Berge, die Leiſte genannt, waächſt der Leiſtenwein und auf den ber Feſtung ge⸗
genuberliegenden Steinbergen der Steinmwein. (&. Frankenweine.) In bem benachbarten ehe⸗
maligen Giftercienferffofter Zell befindet fich die Buchdeudermafchinenfabrit von König und
Bauer. Bei W. erlitt 3. Sept. 1796 ber franz. General Jourdan eine abermalige Rieberlage
durch den Erzherzog Karl, der ihn fchon 24. Aug. bei Amberg gefchlagen hatte.
Wurzel, |. Pflanzen.
Wurzel wird in der Mathematik jede Größe genannt, infofern fie mehrmals mit ſich felbft
multiplicirt eine Potenz (f. b.) oder Dignität hervorbringt. &o ift 2 die Wurzel von 4, 8, 16
u. ſ. w, weil 2. 2— 43 2. 2. 2—8; 2.2.2.2—16. Im erflern Kaffe fagt man: 2 ifl
die Quadrat · oder zweite Wurzel von 4; im andern Falle: 2 iſt die Kubik⸗ ober dritte Wurzel
von 85 und im dritten Falle: 2 ift die Biquadrat⸗ oder vierte Wurzel von 16. Aus einer gege⸗
benen Zahl eine beſtimmte Wurzel ausziehen, heißt daher diejenige Zahl finden, die mehrmals
Wurzel (ſprachlich) Wüſte 385
mit ſich multipficirt oder auf eine beſtimmte Potenz erhoben (3 B. hei der vierten Burzel auf
die vierte Potenz) die gegebene Zahl oder Größe bernorbringe Die meiſten Wurzeln aus Zah⸗
len find irrational. In der Algebra verficht man unter den Wurzeln einer Gleichung die Werthe
der darin vorfommenden unbelannten Größe.
Wurzel heißt in der Sprachwiffenfchaft die gemeinfchaftlicge Grundform, aus welcher ver-
wandte Wörter erwachfen find. Die Wurzel ift weder Verbum nod Nomen, fondern die Ab⸗
firaction aus beiden, wern man auch gemöhnlich in ber etymologifchen Praxis bie Verba als
die eigentlichen Wurzeln zu betrachten pflegt. Verwandte Spracen befigen einen großen Theil
ihrer Wurzeln gemeinfchaftlich.
Wurzen, eine Mittelftabt bes Königreichs Sachfen im leipziger Kreisdirectionsbezirk, liegt
an ber vereinigten Mulde und at 5500 E. Sie war ehemals die Hauptftadt der meißniſchen
Stiftölande, eine Zeit lang dieRefidenz ber Bifchofe, ber Sig eines zahlreichen, 1144 vom meiß⸗
ner Bifchof Herwig errichteten Collegiatſtifts, einer befondern Stiftsregierung und eines
Stiftsconfiftoriums, eines Stiftöfuperintendenten und auf den Randtagen im weitern Ausfchuffe
nit Sig und Stimme berechtigt; jegt beftehen davon nur noch das Eollegiatftift, bas in der er»
fien Kammer ber Landſtände durch ein Mitglied aus feiner Mitte vertreten wird, ein Land⸗
gericht und eine Superintendentur; ferner hat DB. eine erfle und zweite Bürgerfchule, feit 1840
eine Sonntagsfchule, feit 1842 eine Arbeitöfchule für arme Kinder und feit 1840 einen Frauen⸗
verein. Die Hauptnahrungszweige beftehen in Brauerei, Bleicherei, Weberei und Strumpf-
wirkerei. Das vorzüglichfte Gebäude der Stadt ift die Domkirche mit zwei Thürmen, die
4434 eingeweiht, nad wiederholten Bränden erweitert und 1817 — 18 gänzlich renovirt
wurde. Eine fleinerne Brüde führt erft feit 1850 über die Mulde, neben welcher 1837 bie
Gifenbahnbrüde (für die Leipzig. Dresdener Bahn) angelegt wurde. W. war 1542 der Schau-
plag des fogenannten Fladenkriegs (f. d.). Im Dreißigjährigen Kriege wurde die Stadt durch
die Schweden in ber Charwoche 1657 niedergebrannt; hierauf 1643, als die Wiederherſtel⸗
fung erfolgt war, unter Torftenfon gänzlich ausgeplündert und im folgenden Jahre fo Hart mit»
genommen, daß die meiften Einwohner ausmwanderten.
Wüfte nennt man einen großen, gewöhnlich ebenen Lanbfirich, weicher in Folge großer Ar⸗
muth oder volligen Mangels an Waffer alles Pflangenwuchfes entbehrt und baher unbewohn-
bar iſt. Mit der Steppe (ſ. d.) theilt die Wüfte den Charakter ermübender Einförmigkeit, unter
ſcheidet fi) aber von diefer wefentlich darin, daß fie, dem Menfchen und den mächtigen Einflüffen
ber Degetation vollig unbezwingbar und in ihrer urfprünglichen Noheit verharrend, nichts ale
nackte und todte Einöden barbietet. Der Wüftenboden befteht entweder aus flarren, fleinigen
Maffen, oder er ift mir Piesartigem, nicht felten mit leicht beweglichem Flugſand bedeckt, oder
auch aus Salzbänken, kochſalz und kalireichem Sande zufammengefept. Danach unterfcheibet
man Stein» oder Felſenwüſten, Sandwüften und Salzwüften. Die Sandwüſten find bie
vorherrfchenden ; fie gleichen an Einformigkeit und Unabfehbarkeit den weiten Spiegelflächen
des Meeres ; die Volker Afrikas und Aſiens nennen fie daher auch Sandmeer, wir das Kameel,
ohne welches feine Durchwanderung großer Wüſtenſtrecken möglich wäre, von den orientalifchen
Dichtern den Namen bes Landſchiffé oder Schiffs der Wüfle (Sefynet-el-badyet) erhalten hat.
Doch ift die Eintonigkeit nur im Großen und Ganzen Charakter der Wüfte. Es finden fih in
ihr auch manche Unterfchiede in Form und Bekleidung der Oberfläche, bie freilich dem Auge ber
Fremden oft kaum bemerkbar find, während der Araber, der Sohn ber Wüſte (Bebuin), in fei-
ner reihen Sprache eine Menge Benennungen für diefelben hat. Es kommen in der Sand»
und in der Steinmwüfte Unterbrechungen, Klippen, Hügelketten, ja felbft in der norbafrifanifchen
Hüfte, die man bislang als eine völlige Ziefebene angefehen hat, fogar fürmliche Gebirge vor,
ferner wafferlofe Schluchten und Spalten, Flußthäler (f. Wadi) und Seebeden, deren Waſſer
in der heißen Jahreszeit meift wieder verfiegen, wie die Klüffe, bie bier und ba aus den unalie
genden Randgebirgen herabſtrömen, fid) im Sande verlieren und verbunften. Auch gibt es,
abgefehen von ben Flachthaͤlern, einzelne in Folge perennirender Quellen und angefammelter
Damnıerde entflandene fruchtbare, oft mit überrafchend üppiger Vegetation geſchmückte Land»
ſtriche, Dafen (f.b.) genannt, bie einzig möglichen Wohnfige für Menfchen. Wie bie Steppe,
ift auch die Wuͤſte nicht auf beſtimmte Zonen, nicht auf beftimmte Erdtheile, nicht ausſchließlich
auf Ziefebenen befchränft. Doch läßt fich im Allgemdnen fagen, daß die Alte Belt, und in ihr
wieder der Heiße Erdſtrich, die ausgedehnteften Wüftengebiete befigt, daß bie Ebenen in Afrika,
ſoweit fie befannt, dur Wüflen, in Afien und im Innern des continentalen Auftralien durh
Wüſten und Steppen zugleich, in Amerika vorherrſchend durch Steppen charakterifirt find,
398 | Wülte
während @uropa nur Haiden von Meinerm Umfang, wie bie jütlänbifche, bie lüneburger Haibe,
les Landes im ſũdweſtlichen Frankreich, eigentliche Steppen nur in Ungarn (f. Bußten) und im
üblichen Rußland bat. Durch die Alte Welt zieht, abgefehen von bem Binnenlande des fübli«
hen Hochafrika, mit einzelnen wenigen Unterbrechungen ein ungeheuerer Wüſtengürtel von dem
Atlantifchen Deean bis an ben äußerſten Oftrand Eentralafiend in einem gegen 2000 M. Ian-
gen, fübmwärts gemölbten Bogen. Diefer Gürtel beginnt mit ber nordafrit. Wüſte Saharä
(. d.), welche, 700 M. lang, 250 M. breit, die größte von allen, über ein Fünftel von Afrika
einnimmt, im Weiten auch wol Sahel, im Oſten Libyſche Wüſte genannt wird, bort vorherr-
(hend Sand», hier Steinwüſte iſt. Gegen Oſten finden fich drei Einfentungen bes Bodens, bie
in diefer Richtung an Größe und Warfferfülle zunehmen, bie Depreffion ber Dafenreihe im We⸗
ften von Agypten und Nubien, das Nilthal und das Baffın de Rothen Meeres, brei Querfur⸗
chen, welche, biefen Wüſtenſtrich unterbrechend, drei von der Natur vorgezeichnete Communi-
eationswege zwifchen dem Süden und Norden bilden und bas ägypt.nubiſche Wüftengebiet
als unmittelbare Bortfepumg ber Saharaͤ begrenzen. Jenſeit des Iſthmus von Sue; und deö
Mothen Meeres beginnt die Wüſte bes Peträiſchen oder Steinigen Arabien mit ber felfigen und
klippigen Halbinfel des Sinai, daran ſchließt fih das Wüſtenplateau Nedſchd im Innern der
großen Halbinfel Arabien und weiter nordwärts von diefem, in bem zwifchen bem Hochland
von PYalaftina, Syrien und dem Euphrat gelegenen Tieflande, die Syriſch⸗Arabiſche Wüfte.
Jenſeit des Schat⸗el⸗Arab, jenfeit des Perfifchen Meerbufens und ber weftiraniichen Bergter-
raffen fegen den Wüftengürtel die Hüften des iranifchen Plateaus fort, die als ungeheuere
Sandmeere (Bejaban) ganz Perſien von der Nähe des Kaspifchen bis zum Indifchen Meere
bin durchſchneiden, die falz- und kalireichen Wüften von Irak ⸗Adſchemi, von Kerman, Geiftan
oder Sedſcheſtan und von Mekran in Beludſchiſtan (die gedrofifhe Wüſte der Alten). Dieſe
x teanifchen Wüften trennt der Indus von der Indifchen Wuͤſte, auch Wüſte Sind und Wüſte von
Madfchaftan genannt, die 120 M. lang, 80 M. breit ift, oft 20—100 F. Hohe Flugſandhügel,
aber auch viele angebaute Dafen enthält und barum minder befchmerlich zu Ducchreifen ifl. Aber
auch im Norden von Perſien breiten fich neben Steppen und einzelnen Eufturftrichen weite Wü⸗
fiengebiete aus, die Sandwũſten von Zuran (ſ. d.) vom Kaspifchen Meere oſtwärts bis zum Ul-
penlande von Turkeflan, und jenfeit des letztern erſtreckt fich im centralen Dochafien von Turfan
(f. d.) oſtwärts durch die ganze Mongolei bie ungeheuere, theils fandige, theils fteinige Plateau⸗
wüfte Kobi (f. d.) oder Schamo, welche ben äußerften Oftflügel bes großen Wüſtengürtels der
Alten Welt bildet, deſſen Sefammtareal an 200000 QM. betragen mag und beffen Umfang eher
zu» als abzunehmen fcheint. — Das Innere des Eontinents von Auftralien hat neben Steppen
waſſerloſe Wüften von unbefannter Ausdehnung und von einer fo abfehredenden Ode und Un-
wirthlichkeit aufzumweifen mie wenige Theile der Erbe. In Amerika herrfcht allerdings die Steppe
vor, aber keineswegs fehlt es dieſem Erdtheil an wirklichen Wüften. Die Strandwüſte oder De-
fierto von Atacama zieht ſich lange bes Stillen Dcean durch die ganze bolivianifche Provinz Lito-
ral und fegt fich nordwärts bis Arica in Peru, ſüdwärts bie Copiapo in Ehile fort, als ein merk
würbdiger, nur fhmaler, aber 130 M. langer Wüſtenſtrich zwifchen dem Dean und den höchſten
Maffen der Cordilleren gelegen. Die Hochflächen oder Campos dos Parecis im Centrum Süb-
amerikas, in der brafil. Provinz Matto-Broffo gelegen ‚find große, wellenförmige, wahrſcheinlich
höchſtens nur 1000 F. über dem Meer erhabene Sandplateaus, welche mit ihrer nadten und
pflangenteeren Phyſiognomie an bie Kobi der Mongolei erinnern. Die größte Wüfle ber Neuen
Belt aber enthält Norbamerika in dem erſt vor einigen Jahren befannt gewordenen hohen
Balfin des Großen Salzſees im Lande Utah (f.b.), dem Aſyl der Mormonen.
Das Durchziehen aller folder Wüſten ift nur durch Karavanen zu ermöglichen und flet6
ein großes Wagniß, theils wegen ber verheerenden Staub- und Sandfäulen, welche, ben Waſſer⸗
hofen bed Dcean gleich, ber Wind aufmwirbelt und vor fich hertreibt, und bie ſchon gene Kara⸗
vanen verfchüttet haben, theils wegen der Alles vertrodinenden und auszehrenden Winde ſelbſt
(f. Samum) und der unglaublich verbünnten Atmofphäre, welche bie bürren Flächen bededt
und bei Europäern nicht felten Schlagflüffe herbeiführt, theild wegen des Mangels an Schat ⸗
ten, an Schug gegen die ſengende Blutbige des Sonnenſtrahls am Tage und gegen bie oft em⸗
pfindliche Kälte ber Nächte, theils wegen ber Gefahr ber Abirrung von dem Karavanenwege,
die durch Verſchüttung feiner Spuren oder durch das finnberüdende Trugbild der Luftfpiege-
kung oder Fata Morgana veranlaßt werden Tann, theild wegen der Seltenheit der Quellen und
Dofen. Zwar find Hier und da Brunnen angelegt, aber will ed das Unglück, daß biefelben an
einer Station verfiegen oder vom Sande —2 werben, fo find Menfchen und Thiere vet»
Ruth Bynauts 307
tumg6lo6 verloren. Übrigens find diefe Brunnen oft, wie z. B. in der Abyſchen Wüflte, 6—12
Tagereiſen von einander entfernt, und um fie vor dem Flugſande zu fchügen, werben fie, da e#
an Steinen fehlt, mit Knochen von Kameelen eingefaße und mit Kameelhäuten bebedit. Zwar
wird auch in Schläuchen ſtets Waſſer mitgenommen, aber bie große Hitze trocknet baffelbe bald
aus ober macht es burch Faͤulniß ungenießbar. Bon Thieren kommen nur Antilopen, von Pflan-
zen und Difteln Mimofen und dürres Strauchwert in der Wüſte fort. Nicht einmal Vogel,
ben ſchnellfüßigen Strauß ausgenommen, wagen fi in bie Wüſte hinein, weil fie dort Beine
Rahrung finden und umkommen müffen ihr Sefcheinen gilt den Karavanen als Zeichen naher
Quellen ober Dafen, wie dem Schiffer auf dem Ocean als Beiden nahen Landes. Die Wan-
derung durch die Wüſte ift eine Entbehrung der Natur umd ber Menfchheit, ein Leben des Man⸗
gels und ber Leiden, ein mühevolles Wandeln im Reiche bes Todes. Wandelbar, wie der Flug⸗
fand, ift der Aufenthalt des Wüftenbewohners und fein äußeres Leben; in ihren weiten, Sden
Räumen gibt es Beine Stätte bes Bleibens, nur Ruhepuntte bes Wanderers, nur Meifeftatio-
nen. Sein Leben ift ein bewegliches, fich ſtetb örtlich veränbernd, und doch einformig fein Da-
fein. Die Völker, welche die Wüſte ummohnen oder ihre Dafen in Befig genommen, find wie
die Küften- und Infelbevohner Handelsleute ober Räuber, je nach ber Stufe ihrer geiftigen
Ausbildung. Die See fordert ben Übergang zur Gultur, die Wüſte wirft hemmend auf bie-
felbe. Meifterhafte Schilderungen ber Steppen und Wüſten finden fich in Aler. von Hum
Boldt’ 6 „Anſichten der Natur” (3. Ausg., 2Thle. Stuttg. und Tübing. 1849) und in Kriegf’s
„Schriften zur allgemeinen Erdkunde“ (Rypz. 1840).
Buth, |. NRanie und Hunbswuth.
Wütbendes Beer, f. Wildes Heer.
WBybicki (Sozef), patriotifcher Pole, geb. 1747 auf feinem väterlichen Gute Benbomin bei
Danzig, erhielt feine erfte Bildung in der Jeſuitenſchule zu Danzig. Zuerſt erregte ex Auffehen,
da er als Landbote auf dem Reichsſstage von 1768 muthig fein feierliches Veto gegen die unter
ruſſ. Einfluffe gefaßten Befchlüffe ausrief. Er mußte vor den Ruſſen aus Warfchau nach Kra-
Tau und Ungarn flüchten, fchloß fich dann ber Eonfüberation zu Bar an und war für biefelbe in
Wien, Berlin und dem poln. Preußen thätig. Won dem ruff. Geſandten gefährdet, entfloh er
aus Preußen nah Holland und brachte im eifrigen Studium ber kameraliſtiſchen Wiſſenſchaf⸗
ten ein Jahr auf der Univerfität zu Leyden zu. —* der erſten Theilung Polens kehrte er nach
Warſchau zurück und unterflügte Andrzej Zamojſti bei der Entwerfung eines neuen Geſetz⸗
buchs. Er ſelbſt gab „Briefe an ben Exkanzler Zamofffi” (Warſch. 1777) heraus, in denen er
bie Löſung der Knechtſchaft des poln. Landvolks als erſtes Staatsbedürfniß barftellte. Wäh⸗
rend bes Aufſtands unter Koſciuſzko befand er fih an Dombrowſki's Seite in Großpolen. Die
Erflürmung von Praga nöthigte ihn abermals fein Vaterland zu’ verlaffen. Er ging nad
Frankreich, von ba nach Preußen und Iebte in Breslau, ald Napoleon nach dem Siege bei Jena
ihn und Dombrorfli zu ſich nad Berlin befchied, um Beide mit der erflen Organtfation eines
poln. Heeres und einer poln. Verwaltung, W. überdies mit ber Ausarbeitung einer Proclama-
tion an bie Polen zu beauftragen. W. entfaltete in Polen eine ſolche Tätigkeit und gewann fo
großes Anfehen, daß er nach Errichtung bes Herzogthums Warfchau vom Könige von Sachen
zum Senator « ZBoimoden ernannt wurde. Im J. 1812 gehörte er zu der poln. Deputation,
welche Napoleon in Wilna bewegen follte, Die zur Rettung Polens in Warſchau gebildete Con⸗
föderation zu unterflügen. Kaiſer Aiesander beftätigte IB. in feiner Würde und erhob ihn zum
Präſidenten des warfchauer Obertribunals. Gr ftarb 1822. Unter feinen Schriften find die vom
Strafen Raczynſki Herausgegebenen „Pamietniki” (3 Bde., Poſ. 1840) hervorzuheben, in de⸗
nen er die Zuftände feines Vaterlandes und feine Erlebniffe patriotifch, ſcharf und klar ſchildert.
By (Thomas), Daler und Radirer, 1616 zu Harlem geboren, 1686 (nad) Andern 1682)
zu London geftorben, zeichnete ſich durch genreartige Darftellungen aus dem Leben des Markts
und der öffentlichen Luftbarkeiten aus. Quackſalber, Seiltänzer, Gaukler, von einer gaffenden
Menge umftanden, wußte er mit Humor zu ſchildern. Auch Laboratorien, Städteanfichten, dar
unter eine Darftellumg Londons vor dem großen Brande von 1660 und des brennenden Lon-
bons, Stanbbilder mit mannicfaltiger Staffage findet man von ihm. Zu Iegtern hat er groß-
tencheils in Italien, wo er fich einige Jahre aufbielt, feine Studien gemacht. Später begab er
fig nach London, wo er fich niederließ umd eines großen Anfehens genoß. Es gibt auch eine
Anzahl ziemlich feltener Rabirumgen von ihm, die fehr geiftreich und leicht behandelt find. Dan
kennt bis jegt 25 Blätter.
Bynants (Joh.), ein berühmter holl. Landfchaftsmaler, wurbe zu Harlem 1600 geboten-
398 Wyſocki — Wvttenbach
Über fein Leben fehlt es ganz an Nachrichten, aber aus feinen Werken läßt ſich fein Fleiß und
feine große Kunſtgeſchicklichkeit erkennen. In feinen fhon gewählten Landſchaften, oft aus
Sartems Gegend, mit nralerifchen Sandhügeln, findet man gewöhnlich die Vorgründe mit
räutern, mit alten Weidenftämmen, mit Feldblumen u. f. w. aufs reichfte geſchmückt. Den
Merth feiner Gemälde heben fehr oft die Staffagen feiner großen Zeitgenoffen, Dh. Wouwer⸗
man’, Adr. van der Velde's, die feine Schüler waren, B. Gaal's u. A. W. ftarb 1677.
Sind ſchon feine Gemälde felten, fo find es noch weit mehr feine Zeichnungen, und wenige
Sammlungen haben deren aufzumeifen.
Wyſocki (Piotr), einer der Hauptbeförderer bes poln. Aufftands von 1830, geb. 1799 zu
Warſchau, trat 1817 in die königl. Garde und 1824 in die Fähnrichefchule zu Warfhau. Als
Unterlieutenant fliftete er 1828 eine geheime Verbindung zur Wiederherftellung Polens, die
eine fehr große Ausdehnung erhielt und der ſich nad) und nad) Offiziere faft aller Corps der
warfchauer Garniſon anfchloffen. Am 29. Nov. 1830 entflammte er bie Fähnriche zum Er
. greifen der Waffen. Er war beim Ausbruch, ber Nevolution ber Held ber Nat. Bald trat er
jeboch in den Hintergrund zurück. Nachdem er ald Hauptmann und Flügeladiutant des Fürften
Nadziwill bei Wawre und Grochow gefochten, nahm er an Dwernicki's Zuge nad Volhynien
Theil und trat mit deffen Corpb nach Galizien über. Es gelang ihn, nad Warfhau zurüd-
zufehren. Zum Oberften des zehnten Regiments erhoben, wurde er bei der Erftürmung der
Redoute von Wola 6. Sept. 1831 ſchwer verwundet von ben Ruffen gefangen genommen, vor
ein Kriegögericht-geftellt und zum Tode verurtheilt. Begnadigt und in die fibir. Bergwerke
abgeführt, ftarb er 1837.
Wyß (Joh. Rud.), ſchweiz. Idyllendichter, geb. 13. März 1781 zu Bern, bildete feine rei-
chen Talente theils auf der Hohen Schule feirter Vaterftadt, theils auf beutfchen Univerfitäten
fo erfolgreich aus, daß ihm fchon im 25. J. der philofophifche Kehrftuhl an der Akademie zu
Bern übertragen wurde. In diefem Wirkungskreiſe blieb er bis zu feinem Ende thätig. Auch
wurde er fpäter Oberbibliothefar. Keinem Zweige bes Wiſſens fremd, zogen ihn doch vater»
ländiſche Geſchichte, Afthetit, fchöne Literatur und Kunft befonderd an. Durch Sammlungen
für dieſe Fächer wurde er auch andern Forfchern vielfach nüglich, und zugleich machte er fi
um bie literarifchen Anftalten feiner Vaterſtadt verdient. Um der Philofophie Eingang in das
Leben zu verichaffen, fchrieb er die fehr beifällig aufgenommenen „Vorleſungen über das höchſte
But” (2 Bde., Tüb. 1811). Für Einführung gefchichtlicher Erinnerungen ind Leben wirkte
er theils durch Gründung von Jahresfeften, wie des Raupenfeftes und anderer, theils durch Re⸗
daction des „Schweizer. Gefchichtsforfchers” und durch Mitherausgabe der „Berner Ehroni-
ken von Juftinger, Tſchachtlan und Valerius Anshelm”. Noch jegt weitverbreitet ift feine treff-
liche, ind Englifche, Sranzöfifhe und Spanifche überſetzte Ausarbeitung des fchon von feinem
Vater entworfenen „Schweizer. Robinfon”. Nur von Wenigen übertroffen fteht er als Idyl⸗
Iendihter da. Seine „Idyllen, Volksſagen, Legenden und Erzählungen aus der Schmelz”
(3 Bde., Bern 1815 — 22) wurden durch ganz Deutfchland mit Anerkennung aufgenommen.
Die meiften Freunde gewannen ihm aber die „Alpenroſen“, deren Herausgeber und fruchtbar-
fter Mitarbeiter er während 20 J. blieb. Er ftarb 31. März 1830,
Wyttenbach (Dan.), einer der einflußreichften und gelehrteften Hol. Humdniften ber neuern
Zeit, wurde 1746 zu Bern geboren, wo fein Vater, Dan. W., ber, Durch dogmatifche und mora-
lifche Lehrbücher befannt, 1779 als Profeffor zu Marburg ftarb, Damals als Prediger angeftellt
war. Nachdem fich der Sohn zu Marburg, Göttingen und Keyden, wo er befonders an Ruhnken
einen Führer fand, mit Erfolg den phllologifchen Studien gewidmet, erhielt ee 1774 die Profef-
fur der griech. Sprache und fpäter die ber Philofophle am Athenäum zu Amfterdam und 1799
die der Beredtſamkeit zu Leyden. Seit 1816 trat er in das Privatleben zurüd und ftarb 17. Jan.
1820 zu Desgeeft. Seine Schriften zeichnen fich durch große Belefenheit, gründliche Kenntniſſe,
gefunde und geſchmackvolle Kritit und Erklärung, beſonders aber durch leichte, wenn auch bie-
weilen etwas breite Darftellung aus. Ruf erwarb er fich ſchon durch feine „Epistola critica”
(Sött. 1769), bie viele gute Verbefferungen ber Werke des Julianus, Eunapius und Arift
netus enthält und von Schäfer in der Ausgabe ber „Oratio in Constantini laudem’”’ des Ju-
lianus (Epz. 1802) wiederholt wurde. Hierauf folgten die Schrift bes Plutarch „De sera nu-
minis vindicta(2eyd.1772), die, „Eclogae seu selecta principum historicorum capita” (2eyd.
1795 5 A. Aufl., 1807), der „Phaedon“ von Plato (Leyd. 1810; neue Ausg., Lpz. 1825) und
‚die „Moralia” des Plutarch (5 Bde. Orf. 1795—1800), wozu noch befonder® die „Animad-
versiones” (5 Bbe., Orf. 1810— 21) kamen. Aus feinen Hinterlaffenen Papieren erfehien
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ein „Index Graecitalis” (2 Bde., Oxf. 1830). Ebenſo trug W. durch die „Praecepta philo-
sophiae logicae” (Amft. 1782; neuefte Ausg. von Maaß, Halle 1821) viel mit zur Crweckung
eines höhern philofophifchen Strebens in Holland bei, ſowie er überhaupt durch feine „Biblio-
theca critica” (12 Thle. in 3 Bdn., Amft. 1777—1808) unb bie „Philomathia sive miscel-
lanea doctrina” (3 Thle., Amft. 1809—17) die Alterthumswiſſenſchaft in umfaffender XBeife
buch Belanntfchaft mit der ausländifchen Literatur zu heben und zu fördern fuchte. Durch
feine meifterhafte „Vita Ruhnkenii” (Leyd. 1800; herausgeg. von Frotſcher, Freib. 1846)
fegte er feinem ehemaligen Lehrer cin herrliches Denkmal. Seine vermifchten Abhandlun⸗
gen erſchienen als „Opuscula varii argumenti” (2 Bde., Leyd. 1821; neue Ausg. von Frie⸗
demann, Braunfchw. 1825), feine Briefe unter dem Titel „Epistolarum selectarum fasciculi
tres” von Mahne (Gent 1850). Außerdem wurden viele Anmerkungen W.'s zu griech. und
röm. Schriftfiellern von fpätern Gelehrten befonnt gemacht. Vgl. Mahne, „Vita Wyltenba-
chii” (2, Aufl., Gent 1823). — Seine Gattin Johanna geb. Gallien aus Hanau, mit der er
fi erft in feinem 72.3.1817 verband, eine fehr geiftreiche Frau, lebte nach dem Tode ihres
Gatten in Paris, erhielt 1827 von ber Univerfität in Marburg die philofophifhe Dottorwürbe
und ftarb 1830 auf einem Landgute bei Leyden. Sie hat mehre anziehende Werke verfaßt, na-
mentlich „Theagöne” (Par.1815; beutfch, %p5.1816), „Das Baftmahl des Leontis“ (deutfch
Um 1821) und. „Alexis“, ein Roman (Par. 1823).
X. u
X als Schriftzeichen nimmt im griech. Alphabet die 14., im lat. bie 24. und im deutſchen, ſo⸗
bald j als ein befonderer Buchftabe betrachtet wird, die 24. Stelle ein. Es finder fich noch nicht
im femitifchen (phönizifchen) Uralphabet, aus welchem das Briechifche entlehnt ift, fondern
wurde biefem erſt [päter, nach einigen Berichten nebft S,o und x durch Palamedes zur Zeit des
Trojanifchen Kriegs, nach andern, wenigftens bei den Attikern, mit Einführung bes famifchen
Alphabets unter dem Archon Euklides, etwa 403 v. Chr. beigefügt, indem man bemfelben die
urfprüngliche Stelle des aus dem phöniz. Sameoh entflandenen Sigma einräumte. Bon den
griech. Grammatikern wird das u, curfiv £, ſtets als ein Doppelconfonant betrachtet, für wel⸗
ches bie Athener vorher xo oder ya ſchrieben, wie ed denn etymologiſch aus jeber Verbindung
eines Gutturals mit folgender Sibiland entftanden fein kann. Jedoch tritt es im Griechiſchen
häufig auch als Umgeftaltung eines urfprünglichen x ober alternirend mit oo, vr auf: Aus dem
griech. Alphabet gelangte das Schriftzeichen nach Stalien zu den Römern, wo es aufer in griech.
Fremdworten nur im Inlaut und Auslaut vorfommt und ebenfalls als Doppelconfonant für
die Lautverbindungen cs, gs gilt, und ging mit dem lat. Alphabet einerfeits zu ben deutſchen Völ⸗
Bern, anbererfeits in bie roman, Alphabete über. Die Italiener fchreiben es jedoch nur in Fremd⸗
wörtern und verwandeln es fonft in ss (3. B. Alessandria) oder s (4. B. esaudire); häufiger
gebrauchen es die Franzoſen (fowie die Engländer in den franz. Lehnworten), laffen jedoch in
ber Ausſprache meift nur die Sihilans hören, im Gegenſatz zu den Spaniern, wo es ſtets als
Kehllaut gleich dem auch in der Schrift fehr oft Dafür gefegten j ausgeiprochen wird, außer vor
a, mo es wie ss, und ver Gonfonanten, wo es wie s lautet. Dabei ift zu bemerken, das x in me-
gicanifchen (aztefifchen) Namen urfprünglich einen Zifchlaut (etwa sch) vertritt. In den ger-
man. Sprachen bedient man fich zwar des Schriftzeichens nicht blos in fremden, fondern auch
in einheimifchen Worten für die Lautverbindungen ks und chs, allein es hat ſich nicht recht
heimiſch machen konnen, fobaß bie Orthographie (3. B. Achfe und Are) meift ſchwankend
bleibt. Bekannt ift in ber Mathematil ber Gebrauch des x zur Bezeichnung einer unbefann-
ten, noch zu findenden Größe.
Xali6co ober Jaliseo, einer ber weftlichen Küſtenſtaaten Mericos, auf einer Strede von
89 M. durch den Stillen Ocean begrenzt, entfpricht der ehemaligen Intendanz Guabalarara,
welcher Name auch für den Staat noch üblich ift, und bildete einft mit Zacatecas das fogenannte
Königreich Meugaligten (Nueva Galicia). Der Stant zählt auf 3467 AM. etwa 775000 €.
Der größte Theil deſſelben liegt auf bem Wefkabhange ber Gorbillera von Anahuac und befteht
theils aus Hochebenen, theils aus Gebirgé zũgen. Die Höher gelegenen Plateaus find baumles,
- überhaupt arm an Vegetation, öde; die niedrigern da, wo kein Waſſermangel iſt, fruchtbar und
400° Zanten Zantbippe
reich; die Küfte mit Waldungen bedeckt, die fehr gutes Bauholz liefern. Die Gebirge, welche
entweber in zufanımenhängenden Zügen die Hochebenen durchfegen und fcheiden, ober als ein-
zeine Gruppen aus ihnen emporfleigen, erheben ſich 2—5000 8. über ihre Baſis. Der einzige
bedeutende, aber nicht ſchiffbare Fluß ift ber Rio de Tolotlan oder Rio Grande de Santiago.
Der See Ehapdla ift der größte von ganz Merico, indem er 57 DAR. bededt. Die Küftenfiriche
des Staats find Heiß und ungefund, das Innere hat dagegen gemäßigtes und geſundes Klima ;
boch find an den Gehängen ber Eorbilleren Regengüffe, Gewitter und Erdbeben häufig. Die
Bevölkerung iſt großentheild im Thale bes Santiago unb gegen bie Oſtgrenze bin zufammen-
gebrängt; in andern Gegenden, beſonders im Rorden und Rorboften, nur in einzelnen Dörf⸗
chen, weit auseinander gelegenen Deiereien und Weilern zerſtreut. Auch bie Küfte ift [ehr dünn
und faft nur von Mulatten und Negern bevölkert. Die indian. Urbewohner Z.6, ehemals krie⸗
gerifch und einem blutigen Eultus ergeben, gehören zu ben Stämmen der Caztanes, Guadji-
hiles und Guamanes. Gte find alle anfäffige, dem kath. Ritus zugethane Aderbauer. Der
Staat bilder die Diöcefe des Bifchofs von Buabalarara. Das Kirchen- und befonders das Schul.
wefen tft bier weniger gut beftelit als in manchen andern Theilen Mexicos. Die Producte find
die geroöhnlichen ber Hochebenen und Terras Calientes von Mexico überhaupt. Landwirth⸗
haft und, doch weniger, Bergbau, befonders auf Silber, find die Hauptnaßrungdquellen der
Bewohner. Getreide wird über den Bedarf gewonnen, Hausthiere aller Art werben, zum Theil
in ungeheuerer Menge, gezogen. Die Induftrie hatte ſich feit etwa 1765 gehoben und war vor
der großen Revolution fehr bedeutend. Seitdem aber der fpan. General Eruz 1812 den Hafen
San-Blas dem fremden Handel öffnete und fpäter die Ausländer, beſonders die Norbamerika⸗
ner, durch die öflichen Häfen Mexicos ungeheuere Uuantitäten von Kattunen und Wollenzeug
in die Republik. einführten und einfchmuggelten, haben die Baunmmollen- und Wollenmanufac⸗
turen in &. fafl gang aufgehört. Nur bie Fabrikation von Rebozos und Tapalos iſt noch an-
fehnlich ; auch Hüte, ſchöne Leder und Töpferwaaren find noch bedeutende Manufacturgegen-
ftände und werben in faft alle Staaten ber Republik verführt. In bie Nachbarſtaaten gehen
außerdem Getreide, Mehl, Vieh, andere Victualien und Baumwolle. Dagegen iſt ber auswär-
tige Handel umbebeutend. Die meiften europ. Waaren kommen über Land, von San - Luis
Potoſi oder Mexico, felbft durch die nordweſtlichen Staaten. Der Dauptbafen ift Gan-Wlas
an der Mündung des Santiago, wirb aber verhältnigmäßig wenig befucht. Die Hauptſtadt ifl
Guadalaxara (.d.). Nach ihr ift bie bedeutendſte und volkreichfte Stadt Tepie, von blühenden
Gärten umgeben, in einer heißen, aber doch gefunden Gegend, jegt einer der wichtigften Han-
belspläge bes weltlichen Mexico und von 10000 €. bemohnt. San-Iuan be los Lagos, LOM.
öftlich von Buadalapara, in einem Hochthale gelegen, ift wegen der großen Meſſe berühmt, auf
welcher 100— 150000 Menfchen zufammenftrömen.
anten oder Santen, Stadt von 5100 E. im Geldernſchen Kreife bes Regierungsbezirks
Düffeldorf der preuf. Rheinprovinz, einft unmittelbar am Rhein, jept Y M. abwärts, auf
deffen linker Seite, der Sig eines Dekanats des Bistums Münfter, hat eine fehr ſchöne alte
Gollegiatkicche, im byzantin. Stil erbaut, ein Proghmnaſium und einige Fabriten in Tuch und
Baumwolle, einige Spinnereien und Webereien in Wolle, Baummolle und Seidenband, auch
Gerbereien, Oi. und Seifenfabriken, ſowie nicht unbedeutenden Verkehr mit landwirthſchaft⸗
lichen Erzeugniſſen, namentlich mit Flachs. Insbeſondere iſt die Stadt wegen der rom. Alter-
thümer, die in der Nähe gefunden werden, merkwürdig. Bier follen Ulpia castra und nicht weit
davon Vetera castra geflanden haben. Man fieht noch bafelbft ben Grund eines Amphithes-
ters. Auch glaubt man auf dem Borftenberge die Spuren von dem Prätorium des Quinctilius
Barus und in der Nähe ber alten Burg bie der Colonia Trajana entdedt zu haben. Die Stadt
tommt im Ribelungenfiebe vor. Im J. 1614 wurde daſelbſt ein vorläufiger Theilungdvertrag
in ber jülich⸗klev. Exrbfolgeangelegenheit zwiſchen Brandenburg und Pfalz-Neuburg geſchlo ffen.
Zantbippe hieß Die launenhafte Ehehälfte des Sokrates, deren Name ſchwerlich auf die Nach⸗
welt gefommen fein dürfte, wenn fie nicht bie Battin des Sokrates geweſen. Nur einem folchen
Weifen war es möglich, die Brillen der £. zu ertragen. Als Alcibiabes ihn fragte, wie ex fid
entfchließen könne, mit einem folhen ZBeibe zu leben, antwortete Sokrates: „Beil fie meine
Geduld übt und dadurch mich fähig macht, alles Unrecht, das mir von Andern wiberfährt, zu
ertragen.” XRenophon legte in dem, ‚Symposium‘ bem Sokrates eine Vertheidigung feiner Frau
gegen die unartigen Ausfälle des Antifihenes in den Mund. Als einft Alcibiades dem Sokra⸗
tes einen vortrefflichen Kuchen überfendete, riß fie ihn aus bem Korbe, in weichem er überbracht
wurde, und trat ihn mit Füßen. „Du wirft nun nicht baven effen önnen“, war Alles, was
Te — — — —
— — — — —
ERanthippus Zaver (Prinz) 401
Sokrates lächelnd ſagte. Dagegen lich fle dem Tharakter ihres Gatten Gerechtigkeit widerfah ·
ren: fie rũhmte es öffentlich, daß fie ihn unter allen, auch ben erſchütterndſten Ereigniſſen ſteis
gleihmüthig und mit unveränberter Miene gefehen hätte. Diefer Zug läßt faft vermuthen, das
ber Charakter der X. von den Schriftfiellern abfichtlich zu fehr in Schatten geftellt worden fei,
um den Gontraft mit Sokrates deſto auffallender zu machen. .
. Zantbippus, ein kluger und tapferer [partan. Feldherr, kam während des erften Punifchen
Kriegs mit andern Freiwilligen nach Karthago und erhielt hier nach dem Willen bes Volkes ben
Oberbefehl über die Truppen. Nachdem er das Heer beffer eingeübt und beſonders auch ben
Gebrauch ber Elephanten im Kriege gelehrt hatte, fchlug er 255 v. Chr. unter den Mauern
von Tunes, dem jegigen Zunis, mit einer um bie Hälfte geringeren Macht den Regulus, der
felbft mit einem großen Theile feines Heeres gefangen murbe. Bald nach diefem Siege wurbe
er aber von den Kartbagern mit ſchnödem Undank belohnt, ba fie ihn aus Reid und Eiferfucht
entfernten und nach der Behauptung einiger alten Gefchichtfchreiber auf der Rüdkeife fogar
ind Meer werfen ließen, obwol Andere, unter biefen Polybius, erzählen, er fei ben Nachſtellun⸗
gen derfelben glüdlich entgangen. .
‚Zanthus, griech. Zanthoß, die größte und berühmtefte Stadt in Lycien (f. d.) an der wefl-
lichen Südküſte Kleinafiens, am Fluſſe Zanthus, 14 M. von deſſen Mündung, liegt in groß»
artigen und höchſt intereffanten Ruinen bei dem türf. Orte Kunik am Fluſſe Etfchen oder Effe-
nida. Sie wurde zwei mal im Kriege zerfiört, zuerft un 546 v. Chr. durch die Derfer, welche
unter bed Eyrus Feldherrn Harpagus bie Lycier in der Ebene bes Ranthus befiegten, dann im
tom. Bürgerkrieg 43 v. Chr. durch Brutus. Beide male fielen die Einwohner, nachdem fie auf
das heldenmüthigſte fich vertheibige und ben Neft ihrer Habe felbft den Flammen übergeben
hatlen, größtentheils durch ihr eigenes Schwert. Nach der legten Kataſtrophe erhofte ſich die
Stadt nie wieder; durch Erdbeben ging fie endlich ganz zu Grunde. Sie bietet, ein wahres afiat.
Herculanum und Pompeli, dem europ. Korfchungsgeift ein weites Keld bar. Die Burg, ein
maflenhaftes Monument von cyklopiſcher Bauart, flammt von den alten 2yciern und ihre
Sculpturen find für die Kunftgefchichte von größter Wichtigkeit. Die Hauptmerkwürdigkeit der
Stadt war dev Tempel bed Sarpebon; auch hatte fie einen berühmten Tempel bes Igcifchen
Apollo und 1Y,M. ſtromabwaͤrts lag ein Heiligthum der Latona. Die vom Engländer Fellows
entdeckten und 1845 dem Britifchen Mufeum zu London einverleibten Marmordenkmale von Fan
thus, Xanthian Marbles, gehören wie die Stadt felbft zwei Perioden an. Das Hauptſtück ber-
felben ift die Stele von Zanthus, ein Eoloffaler, 8O Tonnen ſchwerer Monolith. Ein anderer
Theil ber Xanihian Marbles ftellt in herrlichen Basreliefs offenbar bie Erftürmung ber Stadt
duch die Perfer dar. Aus der fpätern, rein griech. Zeit Haben fich wenige Überrefte erhalten
und diefe erinnern an den Charakter der äginetifchen Kunſt.
Zaver (Franciscus), der Heilige, der Apoftel der Inder, geb. 1506 auf dem Schloſſe Le-
viero in Navarra, am Fuße der Pyrenäen, fludirte zu Paris, wo er mit Ignatius Royola (f. b.)
den Plan zur Stiftung bed Jeſuitenordens entwarf. Nachdem er einige Zeit in Brafilien ale
Miffionar gewirkt hatte, unternahm er 1541, mit Vollmachten bes Papſtes verfehen, eine Mif-
fiondreife nach dem portug. Oftindien, befehrte und taufte in Goa, Cochin, Zravancor, Ceylon,
Malakka und felbft in Japan viele Eingeborene und ftarb auf dem Wege nach Goa 1552. X.
ift in Goa begraben umb wurde 1619 kanoniſirt. Benedict XIV. erlärte ihn 1747 zum Pro⸗
tector von Indien. Seine Briefe findet man in Dan. Bartolus’ „Historia gestorum per Je-
suitas in Asia” (5 Bde, Rom 1665). Vgl. Zurfellinus, „De vita Fr. Kaverii” (Antw. 1598).
Xaver (Franz Aug.), Abminiftrator des Kurfürftenthums Sachſen, Prinz von Sachſen
und Fönigl. Prinz von Polen und Lithauen, geb. 25. Aug. 1730, war der zweite Sohn des Kur-
fürften von Sachſen und Königs von Polen, Auguft III. (f.d.), und erhielt eine fehr forgfältige
Erziehung. Beim Ausbruche bes Gtebenjährigen Kriegs wurbe er mit feinem Bruder Karl,
dem nachmaligen Derzog von Kurland, im fühl. Lager bei Pirna von den Preußen eingeſchloſ⸗
fen, dann ging er nach Polen und nach Böhmen. Im 3. 1758 begab er ſich ald Graf von der
LZauſitz nach Frankreich und fammelte,zum franz. Generallieutenant emannt, ein Corps Sachfen,
das er mit den Franzoſen vereint gegen Preußen und beffen Werbündere führte. Rach feines
Bruders, bed Kurfürften Friedrich Chriſtian, Tode, 17. Dec. 1765, übernahm &., alt naͤchſter
Agnat, die Vormundſchaft für deſſen Sohn und Nachfolger. Seine Vorliebe für Militär unb
Krieg blieb nicht ohne Einfluß auf den Charakter feiner Landesverwaltung. Als Adminiſtra⸗
tor von Sachſen war er bemüht, den Wohiſtand des erfihöpften Landes und bie Armee wieder-
Gonv.s2er. Behnte Aufl. XV. 2. 26
403 | Kenien ERenokrates
zuſtellen. Gr verzichtete 47765, im Ramen des minderjährigen Kurfürſten, auf alle Un
Fa in Polen, wo Rußland und Preußen die Wahl des Grafen Staniſlaw Yoniateroffi zum
König unterftügten. Bei der Regierung des Kurfürftenthums zog er die Witwe des Kurfürfien
Friedrich Chriftian, die Tochter Kaifer Karl’ VIL, zu Rathe und überließ ihr die Leitung ber
„ Binanzangelegenheiten, fowie die Erziehung ihrer Kinder. Unter ihn wurde bie Unterfuchung
der Unterfchleife aus Brühl's Verwaltung fortgefegt. Er fchaffte auch unnütze Stellen ab,
ficgerte die Zahlung der Zinfen und bie allmälige Zilgung der Kammer- und ber Steuerfchul-
ben, errichtete zur Belebung des Aderbaus, ber Gewerbe und des Handels 1763 die Landes
õtonomie· Manufactur- und Commerziendeputation und ftiftete 1765 die Bergakademie zu
Freiberg. Insbeſondere wurde feit 1765 unter ihm die Schafzucht in Sachſen duch ſpan
Schafe veredelt. Da die neue Bildung der Armee große Summen foberte, fo gerieth ee 1764
mit den Ständen in arge Differenzen, fowie auch mit ben Miniftern Einfiebel und Frigfe. Im
Allgemeinen aber bezeichneten die Reformen feiner fünfjährigen Adminiftration ein befferes
ftaatswirtbfchaftliches Syſtem. Am 15. Sept. 1768 legte er die Bormundfchaft und Amin»
ftration nieder. Er lebte nun bis 1792 in Paris, dann in Rom, feit 1796 auf der ihm vom
Kurfürften Friedrich Auguſt gefchenkten Herrſchaft Zabeltig und ſtarb zu Dresben 20. Zuni
41806. Seit 1767 war er in morganatifcher Ehe mit Klara Maria Rofa, Gräfin Gpinucd
verbunden, die den Titel Gräfin von ber Laufig führte und 22. Nov. 1792 ſtarb.
Kenien, griech. Kenia, eigentlich Diejenigen Geſchenke, welche die Alten einem eingelabenen
ober zufällig einfprechenden Gaſte zu geben pflegen, gebrauchte ſchon ber röm. Dichter Martie
lis (f. d) als Überfchrift für das 13. Buch feiner Epigramme, weil baffelbe gröftentheile von
ſolchen Gegenftänden handelt, die gewöhnlich als Gaſtgaben vertheilt wurden. Einen befondern
Ruf aber erlangten in neuerer Zeit die unter dem Titel „Xenien” von Schiller zuerft in, Dur
ſenalmanach“ für 1797 bekannt gemachten, aus mehr ald 400 Diftichen beftehenden fürgern
Sinngedichte, welche auf den damaligen Zuftand ber Gelehrſamkeit in Deutfchland ſich bezie⸗
ben und namentlich das literariſche Unweſen und bie fchlechten Schriftfteller jener Zeit mit bit-
term, oft ſchneidendem Spotte geißeln, oft aber auch feine und treffende Bemerkimgen über
elt- und Menfchenleben überhaupt barbieten. Die gleich nach ihrem Erfcheinen ziemlich al-
gemein verbreitete Meinung, daß Schiller felbft und Goethe die Verfafjer feien, if ſpäter durch
den Briefwechſel beider Männer beftätigt werben. Die verlegte Eitelkeit rief natürlich ein
ganzes Heer von Gegnern hervor, über welche, ſowie über die Entfichung ber Zenien über-
haupt, Goethe's und Schiller's Antheil an benfelben, ihre Wirkung u. f. w. Alles gefammelt
iſt von Bons in „Schiller und Goethe im Zenientampf” (2 Bde. Stuttg. 1851) und Saupe
in „Die Schiller- Goethe ſchen Zenien” (Rpz. 1852). Unter dem Titel „Zahme Zenien” fügte
Goethe den neuern Ausgaben feiner Gedichte eine große Anzahl leicht Hingeworfener, aber meifl
ſchlagender epigrammatifcher Dichtungen hinzu.
Renokrätes, ein berühmter griech. Philofoph, geb. zu Chalcedon 397 v. Chr., war ein
Schüler des Plato, zugleich mit Ariſtoteles unterfchieh fich aber von diefem lebhaften und ta-
Ientvollen Mitfehüler dadurch, Daß er nur langſam und mit Mühe ben Unterricht feines Lehrers
faßte. Plato ſchätzte ihn fehr Hoch wegen feines Fleißes und feines beharrlichen Charakters,
nur rügte er ben Mangel feinerer Sitten und erinnerte daher &. oft, auch den Grazien zu opfern.
Mit Plato reife £. auch nach Sicilien. Nach beffen Tode begab er fich mit Ariſtoteles nad
Kleinafien, boch kehrte er bald zurück und wurde ber zweite Nachfolger des Plato in ber Akade
mie, welcher er 25 3. lang, bis an feinen Tod (314 v. Chr.), vorftand. In feinen Lehren, von
welchen jedoch, wie von ben meiften der unmittelbaren Nachfolger bes Plato, nur fehr unzu-
längliche Nachrichten auf uns gekommen find, neigte er fich fehr zu dem Pythagordiennes Hin.
Die Seele hielt er für eine fich felbft bewegende Zahl. Er fland wegen feiner Recrlichkeit fo in
Unfehen, daß, als er einft vor Bericht ein Zeugniß ablegen follte, die Richter ben dabei gewöhn⸗
lichen Eid von ihm nicht verlangs, ſondern fein bloßes Wort als hinlänglich angenommen ba-
ben follen. Die Athenienſer fehiten ihn mit Aufträgen an den König Philipp von Macebe-
nien. Huch gegen bie Großen behauptete er feinen Charakter als praktiſcher Philoſoph, und von
einem anfehnlichen Geſchenk, das Alerander ihm fendete, nahm er nach langem Weigern einen
ſehr unbedeusenden Theil an, nur um ben König nieht zu beleidigen. Als einen Beweis, wie
gut ex feine Leidenſchaften zu beherrſchen wußte, erzählt man, baß bie Buhlerin Lais vergebens
ihre Künfte und alle Reize ihrer Schönheit aufgeboten, ihn zu beflegen, und aus Verdruß uber
ihre fehlgeſchlagene Abficht ihn eine Statue genannt habe. Bon feinen philo ſophiſchen Schwif-
ten ift feine auf uns gekommen. — Zu unterfcheiden iſt er von Renokrates, dem Arzt, der zu
Æenophanes Zenophon 403
ben Zeiten des Tiberius oder Nero lebte und von deſſen Schriften ein Werk über bie Benutzung
der Wafferthiere als Nahrungsmittel übrig iſt, das einen vollftändigen Begriff von den Kermt-
niffen gibt, welche man damals über die Naturgefhichte der Fiſche und Schafthiere Hatte.
XRenophänes, ber Stifter der Efeatifchen Schule, war ein Zeitgenoffe des Pythagoras und
Anaximander umb foll ein Alter von 100 Jahren erreicht haben. Nachdem er aus feinem
Baterlande Kolophon vertrieben morben war, ging er nach Sicilien und dann nach Groß⸗
griechentand. Hier ließ er fich um 556 v. Ehr. zu Elea nieder, und davon hat die Schule, die
ex fiftete, den Namen erhalten. Er blieb nicht bei ben Meinungen feiner Vorgänger in ber
Philoſophie ftehen, fondern ftellte neue Unterfuchungen über die Natur der Dinge an. Er be
ſtritt in feinen „Sillen‘* die mythifchen Fabeln von den Göttern, wie Homer umb Hefiod fie dar⸗
geftellt hatten, und war einen wenn auch noch unautgebildeten Pantheismus zugethan. Seine
Bauprfäke find: Das, was wahrhaft ift, ift Eins, ewig, unveränderlih, unerzeugt. Dieſen
egriff des Seins fegte er dem ber Gottheit gleich und fuchte zu zeigen, Daß es als Gottheit das
mächtigfte und vollkommenſte Weſen, ein einiges, ſich felbft durchaus gleiches fein müffe, Indem
er alle Begenfäge bes Enblichen unb Unenblichen, des Bewegten und des Unbeivegten, des Be:
grenzten und Grenzenloſen von ber Gottheit ausfchloß. Die Kugelgeftalt legte er ihr vielleicht
nur bei, theil6 im Gegenfage bes Anthropomorphisntus ber Volksreligion, theils um dadurch
ihre in fich ſelbſt abgefchloffene Krafttharigkeit zu bezeichnen. In Beziehung auf bie Natur foll
er behauptet haben, daß Alles aus Erde und Waſſer entfianden fei. Er nahm eine Berände-
rung ber Oberfläche unferer Erde durch Waſſer an und hiele den Mond für einen bewohnten
und angebauten Weltkörper. Er leugnete bie Möglichkeit, fünftige Dinge vorherfagen zu kön⸗
nen, und behauptete, daß weit mehr Gutes als Böfes in ber Welt anzutreffen fei. Im Allge⸗
meinen Hagte er über bie Ungewißheit des menfchlichen Wiſſens. Bon feinen Gebichten, in de»
nen er philofophifche und andere Gegenftände vorgetragen hatte, finden fich nur noch Bruch⸗
ſtücke bei Achenäus, Plutarch u. A. Die Bruchftüde feines Lehrgebichts „Über die Natur” Hat
Brandis in den „Commentationes Eleaticae” (Abth. 1, Altona 1813) und Karften in den
„Philosophorum Graecorum veterum reliquiae” (Bd. 1, Brüff. 1850) gefammelt.
Zenöpbon, einer bee bebeutenbften griech. Geſchichtſchreiber, der treuefte und dankbarſte
Schüler des Sokrates, ausgezeichnet zugleich durch körperliche und geiftige Anmuth, ſowie
durch rühmliche Kriegsthaten, wurde um 450 v. Chr. zu Athen geboren, ſodaß fein Leben ge
rade in bie größte politiſche und geiſtige Aufregung dieſes Staats fällt. Schon frühzeitig zeigte
er eine befondere Anhänglichkeit und Ergebenheit gegen Sofrates, fuchte daher auch die Philo-
fophie mehr auf das praftifehe Leben anzumenden, als daß er fich eigener Speculation überließ,
und widmete feine Kraft dem Staate und feiner Vaterſtadt zunächſt. Echon im Peloponneft-
ſchen Kriege Fänıpfte er zugleich mit feinem Lehrer, verherrlichte aber feinen Ruhm noch mehr,
als er freiwillig an dem Zuge der Hülfstruppen Theil nahm, welche bie Athenienfer und Spar-
taner bem jüngern Cyrus bei beffen Unternehmen gegen ben ältern Bruber Artarerre& Mne-
mon zur Unterftügung fandten. Sehr bald gewann er hier die Liebe und Achtung des Eyruß,
wurde aber dadurch, daß biefer in ber unglücklichen Schlacht bei Kunaxa unweit Babylon 401
v. Chr. fiel und die exften Anführer ber griech. Truppen ebenfalls blieben oder auf andere
Weiſe ihren Untergang fanden, in die gefahrvollſte Lage mit feinen Landéleuten verfegt. Da
ftellte er fih an die Spige des ungefähr noch 10000 Mann ftarten griech. Heeres, flößte ihm
wieder Muth und Zuverficht eim und führte daffelbe aus Oberafien durch meift feindlich gefinnte
umb zum Theil ummwirthbare Länder auf einem gegen 500 M. langen Wege unter vielfachen
Gefahren nach Griechenland zurüd. Nachher begleitete er dem ſpartan. König Agefilaus
auf einem Zuge nach Afien gegen die Perſer. In der Folge wurde er den Athenienfern
in Hinſicht feines Patriotismus verdächtig und verbannt, worauf er an verfchiedenen Dr-
ten Griechenlands, meift auf feinem Landgute Skillus in Elis, dann auch zu Korinth, bis
an feinen Tod um 360 v. Ehr., von allen öffentlichen Geſchäften entfernt, bios den Wiſ⸗
fenfehaften lebte. In feinen Schriften herrſcht eine Tiebliche und edle Einfachheit und Rein⸗
heit der Sprache und fein Seil kann zu den beſten Muſtern gezählt werben, daher ihn auch die
Griechen ferbft Die attifche Biene oder Muſe nannten. Zu feinen vorzüglichften Werken gehören
die „Anabafis” oder „Expeditio Cyri« in fieben Büchern, worin er den welthiſtoriſchen Rüde
zug der Zehntaufend erzählt; ferner die „Dellenika” ober „HistoriaGraeca” in fieben Büchern,
die eine Fortfetzung der Geſchichte bes Thuchdides bis zur Schlacht bei Mantinea liefern ; die
„&yropäbdie” oder „De institutione Cyri“ in acht Büchern, bie jedoch mehr 2 Charakter eineb
404 Zenophon von Ephefus Reres de la Frontera
biftorifchen Romans behauptet ; die „Apomnemoneumata” oder „Memorabilia” in vier Bũ-
ern, die eine überaus anfprechende Darftellung des Lebens und ber Kehren des Sokrates ent-
halten ; fodann das „Symposium“ oder „Convivium’, vieleicht ald Gegenftüd bes Platoni-
ſchen „Gaſtmahl“ verfaßt; ber „Hiero“ und „Agefilaus”. Außerdem werden ihm noch mehre
andere Abhandlungen politifchen, kriegswiſſenſchaftlichen und ötonomifchen Inhalts zugefchrie-
ben, z. B. ‚Über die Reitkunſt“, „Uber die fpartan. Verfaſſung“ u. ſ. w. Bon legtern hat je-
doch die Kritik einige als unecht bezeichnet, und felbft von den größern Werken ift der Schluß
oder Epilog der „Eyropäbie”, ein Theil des „Ageſilaus“ und fogar die „Anabaſis“ in ihrer
dermaligen Geſtaltung von Einigen in Zweifel gezogen worben. Senen denkwürdigen Rückzug
haben Mehre in geographiſcher und gefchichtliher Dinficht erläutert, befonders Remmel in
„lustrations chiefly geographical of the history ofihe expedition of Cyrus“ (2ond. 1817;
deutfch von Lion, Bött. 1825), Ainsworth in „‚Geographical arid descriptive account of the
expedition of Cyrus” (Xond. 1844) und Koch in „Der Zug ber Zehntaufend nad) Renophon's
YAnabafıs“ (Xpz. 1850). Unter den Befammtausgaben erwähnen wir die von 3. &. Schneider
(neuefte, zum Theil von Bornemann und Sauppe beforgte Ausg., 6 Bbe., Lpz. 1825—40),
die von Bornemann begonnene, von Kühner, Breitenbach und Andern fortgefegte (Gotha
1828 fg.), die von Dindorf (Par. 1839). Bon den Bearbeitungen einzelner Schriften führen
wir al& die vorzüglichften an die der „Anabafis” von Dindorf (3. Aufl., Lpz. 1850), Kr
ger (3. Aufl., Berl. 1850) und Hertlein (2. Aufl. Lpz. 1854); von ber „Gyrepäbie” Die von
Poppo (2pz. 1821), Dindorf (2. Aufl., 2pz. 4850), Jacobit (Rpz. 1843) und Dertlein (2
Thle., %p3. 1855) ; von der „Historia Graeca” bie von Dindorf (2. Aufl., &pz. 1850; Orford
1854) ; von den „Memorabilien” die von Herbſt (Halle 1827), Dinborf (2. Aufl., &py. 1850),
Sauppe (£p5. 1834) und Breitenbach (1854); des „Baftmahl” von Bornemann (2pz. 1824)
Herbſt (Halle 1830) und Mehler (Leyd. 1850) ; des „Dkonomicuß” von Breitenbach (Gotha
1842); der Schrift „De republica Lacedaemoniorum” von Haafe (Berl. 1835) und „De
re equestri‘ von Jacobs (Gotha 1825). Eine Ausgabe von den fämmtlichen Heinern Schrif-
ten gab Dinbdorf (2. Aufl., Lpz. 1850). Unter den deutfchen Überfegungen verdienen die von
einem Verein von Gelehrten, Walz, Finckh, Zafel, Chriſtian und Oſiander (16 Böden,
Stuttg. 1827 — 31), und von Meyer (Prenzi. 1827 fg.) Erwähnung. Sturz verfaßte ein
„Lexicon Xenophonteum” (4 Bde, 2pz. 1801 —4), Dobwell eine „Chronologia Xeno-
phontea” (Drf. 1700) und Cobet eine „Prosopographia Xenophontea“” (Keyd. 1836).
Eendphon von Epheſus, ein griech. Erotiker aus unbeflimmter Zeit, deffen Name viel-
Leicht fingirt ift, wird für den Verfaſſer eines Romans unter der Auffchrift „Ephefiaca” in
fünf Büchern gehalten, worin bie Liebesabenteuer ber Anthia und bes Abrokomes in einer ziem-
Lich leichten und einfachen Sprache erzählt werben. Diefe Schrift wurbe nach ber erften Be-
kanntmachung aus einer Handſchrift des Monte-Gafino durch A. Cocchus (Lond. 1722), fpäter
von Locella (Bien 1796), Peerltamp (Harlem 1818) und Paſſow (Epz. 1833) herausgegeben,
auch ins Deutfche überfegt von Bürger (%p3.1775) und Krabinger (Münch. 1820 und 1831).
Kereö de la Frontera, Jerez de In Frontera, von ben Ausländern gewöhnlich Keres
geſchrieben, eine Stadt in ber fpan. Provinz Cadiz, auf einer Höhe, Yı M. vom rechten Ufer des
Suabdalete, anmuthig in einer weiten, hügeligen, ſchön bebauten, groͤßtentheils mit Weingärter
bedeckten Ebene gelegen, ift eine große, blühende Ciudad mit 34988 E, bat mit ihren breiten,
gut gepflafterten Straßen, modernen und zum Theil palaftähnlichen Häufern, regelmäßigen
lägen, ſchönen Promenaden, eleganten Kaufläden, Cafes und Hötels ein fehr neues Anſehen,
ſtammt aber aus dem graueften Alterthume, wo fie angeblich celtiberifch Aesta, als rom. Golo-
nie Asta Regia hieß, wie noch jept eine benachbarte Höhe Mefa be Afta genannt wird, aud) noch
Ruinen und Refte einer röm. Straße ſich finden. Geſchichtlich berühmt ift fie durch die freben-
tägige Schlacht vom 17.— 25. Juli 711, in welcher die Araber unter Tarik über die Weſtgothen
unter Roberich fiegten und welche jenen ganz Spanien in die Hände lieferte. Die Stadt war zur
Zeit der Mauren, denen fie 1265 durch Alfons X. oder Weiſen von Gaftilien, nachdem fie ſchon
42353 von Ferdinand Il. hier, am Guadalete, gefchlagen worben waren, entriffen wurde, unter
dem arab. Namen Scherifch bereits bedeutend und blieb es auch fpäter, wie ihre vielen Kirchen
and Kloftergebäude beweiſen. Sie hat mehre hohe Unterrichtsanftalten, darunter feit 1845 ein
Instituto oder Gymnaftum, viele Elementarfhulen, ein Theater, eine hölzerne Plaza de To-
ros (zu Stiergefechten) von fehr zierlicher Bauart, große königl. Geftüte. Nur eine Legua ent-
fernt liegt am Guadalete die wegen ihrer herrlichen Rage, ſchönen Architektur und geſchmackvoll
geſchmuͤckten Kirche fehenswerthe, aber jegt veröbete Karthaufe. Berühmt ift £. befonderd we-
Zerica Zimenes 405
gen feines Weinbaus und Weinhandels. Der Xereswein, eimer ber gefchägteften Weine &pa-
niens, wird Hauptfächlich nach England, wo er Sherry genannt wird, und nach Amerika ver-
fandt. Er wird in zwei Sorten gewannen, ald Moscatello und ale Pedro Zimmes oder Para-
gete, welcher legtere ber befte ift. Der gefammte Weinegport ber Stadt &. ſelbſt belief fih 1837
—1846 auf 159878 Botas (die Bota durchfchnittlich zu 20 Pf. &t.) ober 4,796340 Arre-
bas (425,74 Arrobas — 100 preuß. Eimer). Im 3. 1850 wurden überhaupt 1,482369 Ar-
robas Zeres aus Spanien ausgeführt. Der Verfchiffungsert deſſelben ift die große, regelmä-
Fig gebaute, wohlhabende und 25000 E. zählende Hafenftadt Puerto de Santa-Maria, an
dem Dauptmünbungsarm bes Buabalete, auf welchem bis dahin größere Seeſchiffe gelangen.
Sn den 3. 1844—45 Tiefen bafelbft 350 Küftenfahrer ein, 340 aus ; der Weinerport betrug
910792 Arrobas nad) dem Auslande, 15590 nad dem Inlande; der Werth der ganzen Wein⸗
und übrigen Probuctenausfuhr 2,151826, der bes Importe 4,570947 Realen. Diefe Stadt
ift ganz im Stil von Eabiz erbaut, von wo täglich drei mal Dampffchiffe einlaufen, mit fchönen
Dromenaben gefehmüdt, durch ihren Handel, durch Berbereien, Hut- und Seifenfabriken be⸗
lebt, durch ihre ungeheuern Weinlager, durch ihre großen, jährlich zur Zeit des fehr befuchten
Jahrmarkts flattfindenden Stiergefechte berühmt. In ihrer Mitte fichen die Reſte eines gro⸗
Sen maur. Schloffe.
Zerica, f. Ierica (Pablo de).
XZerre& 1., der durch den unglüdlichen Ausgang feines Eroberungszugs gegen Griechen⸗
fand befannte König von Perſien, ein Sohn des Darius Hyſtaspis, wurde feinem ältern Bru-
der Artabazanes unter Mitwirkung feiner. Mutter Htoffa, einer Tochter des Cyrus, in ber
Thronfolge 485 v.Chr. vorgezogen. Nachdem er fich zuerft Agypten .burch einen einzigen
Feldzug wieder unterworfen hatte, bot er die Kräfte des unermeßlichen Reichs auf, um die ſchon
von feinem Vater zwei mal verfuchte Eroberung Griechenlands auszuführen. Ein ungeheneres
Zandheer von mehr als anderthalb Million, freifich mit Einſchluß des Troſſes von Weibern
und Sklaven, verfammelte fich zu diefem Zwecke in Kappadocien und eine Flotte von 1200
phöniz. und kleinaſiat. Schiffen in den ionifchen Häfen. Alle Hinderniffe, welche den frühern
Unternehmungen ungünftig gewefen waren, wurden befeitigt und für die Sicherheit der Flotte
der Durchflich der Erdzunge zwifchen dem Berg Athos und dem Feſtlande angeordnet, deffen
Spuren man in ber neueften Zeit, während man die Sache früher in Zweifel zog, wieder ent»
deckt Haben will. Um das Landheer nach Europa überzufegen, ließ er anfangs zwei Brüden
über den Hellespont ſchlagen und, als biefe durch den Sturm zerflört wurden, der gewöhnli⸗
hen Erzählung nach nicht nur den Baumeifter hinrichten, fondern auch dem erzürnten Meere
dreihundert Peitfchenhiebe geben und ein Paar Fußeiſen in ben Grund deffelben verfenten.
Dierauf rourden zwei neue Schiffbrücken verfertigt ; er felbft brach mit ber Maffe von Sardes
auf, hielt zu Abydos eine große Heerfchau, ging mit dem Heere nad) Europa über und gelangte
durch Thrazien, Macebonien und Theffalien 480 v. Chr. bis zum Engpaffe bei Thermopylä
(f.d.). Nachdem hier Leonidas mit feinen Getreuen gefallen, drang er unaufhalfam nad)
Attika vor umb verbrannte Athen. Inzwiſchen hatten bie Perfer nach einer unentſchiedenen
Schlacht mit der griech. Flotte beim Vorgebirge Artemiſium 200 Schiffe um Exboa herum in
den Euripus gefendet, um bie griech. Flotte einzufchließen; allein dieſe wurden durch einen
Sturm zerfivent, worauf ein zweites unentfchiebenes Treffen bei Artemifium erfolgte und bie
griech. Flotte ſich nach Salamis (f.d.) zurückzog. Hier zwang Themiſtokes bie Griechen 23.
Sept. 480 v. Chr. durch eine Kift zur Schlacht, welche mit der gänzlichey Riederlage und Rüd-
Behr der Perfer endete. &.Tieß feinen Feldherrn Marbonius in Griedenland zurück, der aber
nicht lange nachher 479 v. Chr. bei Platäa zu Lande und bei Meale zu Waſſer gefchlagen
wurde; er ſelbſt eilte vor Sram und Unwillen über den Hellespownad) Aſien zurüd und ver-
fiel in träge Wolluft, während die gefeglofe Willkür der Gatmipen überhandnahm. Endlich
wurde er 465 v. Chr. nach 20jähriger Regierung von Artaborus, dem Anführer feiner Leib-
Wache, ermorbet, und durch deffen Hülfe gelangte der jüngfb Sohn, Artaxerxes 1.(f.d.), ba der
älteſte ein gleiches Schickſal mit dem Vater hatte, auf den Zhron. , .
Zimenes (Auguftin Louis, Marquis de), ein franz Dichter, ſtammte aus einer urfprüng-
lich fpan. Familie und wurde zu Paris 1726 geboren Er widmete ſich dem Militärſtande und
kampfte in der Schlacht bei Fontenoi, vertaufchte akt dann die Waffen mit der Feder. X. ließ
fi) in Paris nieder und wurde bald in den meiften literariſchen Kreifen heimiſch. Beſonders
war er mit Boltaire eng verbunden, der ihm ſo ſchätte, daß er Häufig Berfe von 8. in feine
Werke mit, aufnahm. &. fegrieb einige Traumfpiele, von denen fein „Don Carlos“ befondern
a6 Zimeneg Zippilinns
Anklang fand; ein Gedicht „Cesar au senat” und ein Lobgedicht auf Rubwig XIV. Zwei „Dis-
cours” von ihn, der eine zum Lobe Voltaire’, der andere über den Einfluß Boileau's auf fein
Sahrhundert, werden ſeht geſchätzt. Auch ſchtieb er „Leitres sur la Nouvelle Hieloise de Jean
Jacq. Rousseau”. Seine gefammelten Werke erſchienen 1772, an die fich ein Nachtrag unter
dem Titel „Codicille d’un viellard“ (1792) anfhloß. &. war zwar ein Anhänger der Nevolu⸗
tion, aber ohne an den Vorgängen leidenfchaftlichen Antheil.zu nehmen. Zulegt fihrieb er einen
„Discours au roi‘ und ftarb zu Paris 4. Zuni 1815. .
Zimenez (Francesco), berühnter fpan. Staatsmann und Cardinal, wurde 1437 zu Zorre
laguna in Altcaftilien, wo fein Bater Advocat war, geboren. Er fludirte zu Salamanca, reifte hier⸗
auf nach Nom und brachte eine päpftliche Bulle mit, welche ihm die erfte offene Pfründe in
Spanien zuficherte. Der Erzbifchof von Toledo weigerte fi, ihm eine folche zu geben, und ba
&. fich heftig äußerte, ließ ihn der Etzbiſchof fogar ins Gefängniß werfen. &. erhielt indeffen
bald die Freiheit und eine geiftliche Pfründe im Kirchſprengel Siguenga, beffen Bifchof, Cardi⸗
nal Gonzalez Mendoza, ihn zu feinem Grofvicar ernannte. Nachher trat er in den Francista⸗
nerorden und wurde Beichtvater der Königin Sfabella von Baftilien. Im 3. 1495 zum Gr
bifchof von Toledo ernannt, bewies er ſich fehr thätig und fuchte viele kirchliche Misbräuche ab»
zuſchaffen. Im 3.1499 gründete er bie Univerfität zu Alcala be Henares, auch veranlaßte
er die berühmte Complutenfifhe Polyglotte. Schon früher hatte er, eine Ausgabe bes
Neuen Teſtaments in ber Urfprache veranftaltet. Als Philipp von Oſtreich ‚ der Sohn
Kaiſer Maximilian's 1. und Gemahl Johanna's, der einzigen Tochter Ferdinand's des
Katholiſchen von Aragonien und der Iſabella von Caſtilien, das Königreich Caſtilien er⸗
hielt, ſuchte X. die Zwiſtigkeiten zwiſchen Philipp und dem Gemahl der verſtorbenen Kö⸗
nigin, Ferdinand dem Katholiſchen, auf feine Weiſe zu beſeitigen. Auch hatte er großen
Einfluß, als nach Philipp's frühem Tode (1506) Ferdinand Regent von Caſtilien für ſei⸗
nen minderjährigen Enkel, den nachmaligen Kaiſer Karl V., wurde. &. erhielt vom Papſte
den Cardinalshut, wurde zum Großinquifitor von Spanien ernaunt und bekam nun einem gro«
Gen Antheil an den Staatögefchäften. Da er aber Ferdinand's mistrauiſche Denkart kannte,
verließ .er den Hof und ging in fein Erzbischum zurüd. Vorzüglich beſchäftigten ihn bie Be⸗
kehrung ber Mauren und der Gedanke, diefen einige Provinzen zu entreißen. In biefer Abſicht
entwarf er den Plan, nady Afrika überzufegen umd die Feſtung Dran wegzunehmen, bie in deu
Händen ber Mauren war. Ferdinand genehniigte den Plan, und £. wendete nun die Einkünfte
feine Erzbisthums, des reichften in Europa (e6 brachte jährlich 100000 Dukaten ein), zu die
fem Zuge an. Eine Deuterei, welche unter den Truppen entftand, dämpfte er Durch Strenge.
Im Mai 1509 lanbete.er an der Küfte von Afrita. In erzbifchöflicher Kleidung, über welcher
er einen Harniſch trug, von Prieftern und Mönchen, wie bei einer geiſtlichen Proceffion, umge:
ben, führte er ſelbſt das gelandete Heer an. In der Nähe von Dran kam es zur Schlacht, in
welcher die Mauren beſiegt wurden. Die Feflung wurde erobert und die Befagung niederge
macht. &. lief Dran neu befeftigen, verwandelte die Mofcheen in Kirchen und kehrte nach Spa-
nien zurück wo ihn Ferdinand feierlich empfing. Als diefer 1516 flarb und fein Enkel Karl
noch munderjührig war, wurde X. Regent von Spanien und bewirkte während biefer nur zwei
Sabre dauernden Regentſchaft außerordentlich viel. Er brachte Ordnung in die Finanzen, be-
zahlte die Kronſthulden und erwarb ber Krone die veräußerten Domänen wieder. Die fpan.
Großen, die ihn tigen feiner ftolgen und harten Behandlung haften, demüthigte er. Er ſiellte
das Anſehen ber Gehe wieber her und fegte die fpan. Kriegsmacht auf einen anſehnlichen Fuß.
Ale feine Entwürfe und Ideen waren großartig. X. befaß viel Klugheit und Standhaftigkeit,
war langfam in feinen Eutfchliefungen, aber fchnell in der Ausführung. Das fpan. Gabinet
hatte ihm noch lange nachter das Anſehen zu danken, in welchem es in Europa ſtand. Zwar
hat man biefem in ber That goßen Manne Stolz, Härte und felbft Graufamteit vorgeworfen,
aber die Umflände machten eineolches Betragen bisweilen nothwendig. Bei verfchiedenen Ger
legenheiten zeigte er ſich auch ale Menfchenfreund, und ſelbſt ſein Religionseifer verleitete ibır
nicht zu Grauſamkeiten. 3. ftarb 8, Nov. 4517, von Karl V. mit ſchändlichem Undank ber
lohnt. Bol. Flechier, „Histoire du Tardinal X,” (2 Bbe,, Amſt. 1700; deutich von Brig,
Dd.1, Würzb. 1828); „Hiflorie von dem Staatsminifterium des Gardinald X.“ (Damb.
1791); Hefele, „Reben des Cardinals £.- (Tüb. 1847).
XRiphilinus (Johannes), ein gelehrter ieh. Mönch aus Konftantiyopel im 14. Jahrh,
verfertigte außer mehren Reden befonders unen Auszug aus dem Befcichtöwerke des Dio
Gaffius (f. d.), der vom 55. bis zum 80. Buche noch vorhandenund im Gungen jieralic) wert
Zuthod Zylander (Jof. Karl Ang, Ritter von) 407
getreu ans dem Driginal entiehnt ik, obgleich hier umb da eim eigened Urcheil und Zufüge ſich
finden. Nach der erften Bekanntmachung dur H. Stephanus (Paz. 1551 und 1592) wurde
biefer Auszug auch in die, Ausgaben des Dio von Neimarus und Sturz aufgenomuren, und
Boſſi gab eine gute ital, Überfegung mit kritifchen Roten (2 Bde., Mail. 1822). Fünf ‚Re
den“ von ihm wurben von Matthaͤi herausgegeben (Most. 1775).
RXRuthos, der Sohn des Helfen und ber Rymphe Drfeis, wurde nach dem Tode feines Be
ters von feinen Brüdern aus Theſſalien vertrieben umb ging nach Attika, we er fich mit des
Erechtheus Tochter Kreuſa vermählte, mit der er den Achäos und Ion zeugte. Als er hier nach
dem Tode feines Schwiegervaters als Schiedsrichter feinem ältefken Schwager Cekrops bie.
Herrſchaft zufprach, vertrieben ihn deswegen bie andern Söhne bes Grechtheus, ımb X. wan
berte in den Peloponnes.
XZylander (With.), verbienter Gelehrter des 16. Jahrh., geb. 20. Der. 1532 zu Auge-
burg, lehnte, nachdem er feine Studien zu Tübingen vollendet hatte, einige Zeit zu Baſel und
erhielt 3558 die Profeffur ber griedh. Sprache zu Heidelberg, wo er 10. Gebr. 1576 ſtarb. Au
er mehren auch In kritiſcher Hinficht wichtigen lat. Überfegungen, namentli des Dio Caſſſus
(Baf. 1558), der „Vitae“ des Plutarch (Baf. 1561) ſowie ber „Moralia” befjelben (Baſ. 1570),
des Strabo (Baf. 1571) umd der mathematiſchen Schriften bes Diophantus (Bat. 1575), die
er zuerft befannt machte, hat ex auch berichtigte Ausgaben ber philofophiſchen Schriften beö
Marcus Antoninus (Zür. 1559), des Stephanus von Vyzanz (Baf. 1568), bes Antoninud
Liberalis, Phlegon Trallionus und Antigonus Karyſtius (Baf. 13568) und ber „Moralia‘ bed
Plutarch (Baf. 1574) beforge ımd mit lat. Überfegung und Eritifchen Bemerkungen verfehen.
Eylander (Iof. Karl Aug. Ritter von), verdient als Militächehriftfteller und Sprach
forfcher, geb. 4. Febr. 1794 zu München, aus einer von früherer Beit her rein militäriſchen Fa⸗
milie, trat 1806 Im das Cadettencorps ein und wurbe 1812 als Rieutenagt im Ingenieurcorps
augeſtellt. Im 3. 1813 wurde er bei Ergänzung und Wiederherſtellung der Feſtungswerke
von Augsburg ımd des Brückenkopfs bei Friebberg verwendet. Bine ernſtere Theilnahme an
den Kriegsereigniffen jene6 Feldzuge wurde ihm durch die Verhältniſſe nicht geftattet, indem er
bei den profectieten Arbeiten zur Einrichtung einer Bertheibigungslinie am Lech gegen etwaige
fpätere Unternehmungen ber Franzoſen thätig war. Als fih 4815 die bair. Armee zwiſchen
Main und Rhein aufftellte und Würzburg als deren Waffenplat betrachtet und deſſen Garni⸗
fon zur activen Armee gezählt wurde, wurbe £. dahin beordert. Nach der Schlacht bei Water-
(oo kam er in bie Feſtung Landau und wurde von hier aus zur Grenzberichtigungscommiffien
mit Frankreich commanbirt. Länger dauerndes Unwohlſein veranlafte ihn, um einen längern
Urlaub nach Augsburg nachzuſuchen, wo er feine literarifchen Arbeiten begann. Zunächft er⸗
ſchien feine „Strategie und ihre Anwendung” (Münd. 1818), ein Werk, wodurch feine An-
ftellung ald Lehrer der Taktik beim Cadettencorps veranlaßt wurde. Ihr fchloffen ſich an die
Schriften: „Was ift neuere Befeftigungstunft 2” (Münd. 1819) und „Die Vertheidigung der
Feſtungen im Gleichgewicht mit dem Angriff‘, eine Überfegung des Originalwerks des ſchwed.
Generals Birgin; dann das „Lehrbuch der Taktik“ (A Bde, Münch. 1820 — 23; Bd. 1,
3. Aufl, 1844; Bd. 2, 2. Aufl, 1854—42), das in mehren Staaten Deutſchlande wie im
Auslande dem militärifchen Unterricht zu Grumde gelegt wird; „Die Heerbildung“ (Münd).
2820); „de Erdbeziehung der Staaten als Grundlage ihres politiſchen Lebens“ (Münch.
1821); „Über Kriegsentwürfe mit Rückblicken auf ältere und neuere Kriege” (Augsb. 1824);
„Beitrag zur Geſchichte des ſchwed. Kriegs von 1808 — 9” (Berl. 1825). Beide letztge⸗
narmte Werke find Überfegungen aus dem Schwediſchen. Während R. Lehrer am Gadetten-
corps mar, wohnte er, dem Generalſtabe zugetheilt, den größern Ubungslagern 1823 bei Ingol⸗
fladt und 1824 bei Nürnberg bei und wurde mit dem Triegswiffenfchaftlichen Unterricht des
jegigen Königs Marimillan und des Prinzen Auguft von Leuchtenberg betraut. In den 9.
1821, 1825 und 1829 fammelte er auf größern Reifen gründliche Kenntniffe tiber die militärt«
ſchen Einrichtungen der meiften und bebeutendften europ. Deere. Als der König Ludwig
1826 die Univerfität von Landshut nad München verfegte, beabfihtigte man unter An-
derm auch Borlefungen über Kriegsgeſchichte einzuführen. Hierzu wurde X. beflimmt und
ihm die philofophifche Doctorwürde ertheilt. Obgleich das Vorhaben nicht zur Ausführung
kam, fo hatte £. doch die nöthigen Vorftubien gemacht, unb diefe veranlaßten ihn zu mehren Ar
beiten über Kriegögefchichte und Befchichte ber Kriegskunſt, wovon Bruchſtücke in den „BRli-
tärifchen Mittheilungen” erfhienen find. Hierauf erfäftenen feine „Betrachtungen über die In⸗
fonterie” (Münd. 1827) und „Unterſuchungen über das Heerweſen unferer Bei” (Wiimch.
408 Zylographie Guchſtabe)
1831). Zugleich gaben die obigen geſchichtlichen Arbeiten ihm den erſten Anſtoß zu feinen fpa-
tern Sprachforfehungen, die er in den Schriften „Die Sprache der Hibanefen” (Bf. 1854),
„Das Sprachgefchlecht der Titanen“ (Bf. 1837) und „Zur Sprach und Geſchichtsforſchung
ber neueften Zeit” (Fif. 1838) niederlegte. Im I. 1851 zur Militärcommiffion nach Krank
furt beordert, ward er 1846 zum zweiten, 1847 zum erfien Mititärbevollmächtigten Baierns
ernannt. Währendbefien erfolgte 1841 feine Beförderung zum Major, wie 1848 zum Oberfifieu-
tenant im Generalſtab und noch vor Ende defielben Jahres zum Oberften. In Folge derMärz-
bewegung von 1848 in feiner Vaterſtadt zum Erfagmann für Frankfurt gewählt, konnte er
erft im Frühjahr 1849 in die Rationalverſammlung eintreten, aus der er jedoch im Mai mit
den meiften Baiern wieder ausſchied. Zu Ende 1848 ward &. zum Bevollmächtigten Baierns
bei ber bamaligen Proviforifchen Centralgewalt Deutfchlands, zu Ende 1849 zum General-
major und Bevollmächtigten bei der Bundescentralcommiffion, beim Sufammentritte der Ple⸗
narverſammlung im Mai 1850 und als diefelbe fpäter in den Engern Rath der Bunbebver-
fammlung überging, zum Bundestagsgefandten ernannt und mit Fuͤhrung ber Geſandtſchaften
an ben Höfen von Darmfladt, Kaſſel und Wiesbaden betraut. In diefer Eigenfchaft fungirte
&. bi6 Ende 1851 und trat dann 1852 in feine frühere Stellung ale Militärbevollmaͤchtigter
wieder ein. Er flach zu Frankfurt 2.Nov. 1854. Don feinen beiden als Stabsoffigiere in ber
Armee fiehenden Brüdern hat fi der eine in Griechenland ausgezeichnet, der andere iſt ber
Berfaffer der rühmlich bekannten Schrift „Das Heerweſen der Staaten dei Deutſchen Bun-
bed" (2. Aufl., Augeb. 1842).
Zylograpbie, f. Solzſchneidekunſt.
Eyſtos hieß bei den Griechen ein bedeckter Säulengang in den Bymnafien, wo vorzugsweiſe
die Leibesübungen zur Zeit des Winterd vorgenommen wurden, den mıan jedoch auch zum blo⸗
Pen Luſtwandeln benugte. In einigen Stäbten, wie namentlich in Elis, führte ber ganze Übungs-
plag der Athleten den Namen Xyſtos. Die Römer dagegen bezeichneten mit Zyftus eine un-
bedeckte Terraſſe vor den Säulengängen ihrer Landhäuſer, auf der man zur Erholung fi er-
ging oder unterhielt. Auch pflegte man hier über wiſſenſchaftliche Gegenſtände zu bisputiren,
wie died auf dem XRyſtus gefchah, den Cicero bei feinem Tusculanum anlegen ließ. Im Mittel-
alter gebrauchte man biefen Ausbruck von ben langen bedediten Bängen in ben Häufern, be⸗
ſonders von ben Kreuzgewölben der Klöſter.
Y.
3 im griech. Alphabet der 20, im röm. ber 22,, im deutſchen ber 25. Buchſtabe, war als
hriftzeichen bei den Griechen urfprünglich identifch mit dem Diganıma, welches aus dem
phonizifhen Vaw, Vau hervorgegangen war (deshalb auch Bau genannt) und wiederum einer» '
feitö dem lat. F, andererfeit6 V, U zur Grundlage diente. Offenbar lehnt ſich der Tat. Buchftabe
y, u feiner Form nach an bad griech. v, welches mit der ihm im Griechiſchen eigenthümlichen
Ausſprache unser der Geflalt des y unter Auguſtus auch in das röm. Alphabet Aufnahme
fand und feine Stelle nebft dem ebenfalls fremden z zu Ende deffelben nach dem x angewiefen
erhielt. Um den Buchftaben von dem urfprünglichen Zeichen des Digamma zu unterfcheiden,
nannte man ihn Y Prhov, d. i. kurzes v. Wir fprechen ihn, wo er einzeln fieht, wie ü aus und
betrachten die Vocalverbindungen au, su als Diphthonge, indem wir der fogenannten Erasmi«
[hen Ausſprache folgen. Reuchlin folgte den Neugriechen, welche au und ev nicht wie unfer
au und eu, ſondern wie av und ev ausfprechen. Im Lateinifchen findet fich der Laut, wie be-
merkt, nur in griech. Sremdiworten. Von den neuen Völkern, bie ihre Alphabete dem lateini-
ſchen entlehnt haben, beſitzen es die Italiener gar nicht, indem fie ftet6 dafür ein i eintreten laſ⸗
fen; häufiger verwenden es (lautlich jedoch dem i gang gleich) die Spanier und Franzoſen, welche
legtere es mit Rückſicht auf feinen fremden Urfprung i grec (b. i. griechifches i) nennen. Im Go»
thiſchen findet es fich nur in griech. Eigennamen, im Angelfächfifhen und Altnordiſchen aber zur
Bezeichnung des ü-Lautes ſowol ald kurzer wie ald langer Vocal. Das volle Heimatsrecht hat
es auf biefem Wege auch im Schwediſchen, Dänifchen und Englifchen erhalten. Im Holän-
diſchen wird es ſtets wie ei gefprochen, wie benn auch die neuere Orthographie für y ein ij
Y ( Meeresarm) Yang-tfe-fiang 409
fhreibt. Im Hochdeutſchen wird y bereits in ben älteften Handfchriften für deutfehes i, ſowie
auch in Fremdwörtern für i und y gebraucht. Später verliert es ſich aus-beutfchen Wörtern,
bis es im 12. Jahrh. für i und ia wieder erfcheint. Während es im 33. Jahrh. fi) faſt nur in
den Lautverbindungen ey’ und oy findet, greift ed feit Anfang bes 14. Jahrh. um fi und
dringt auch in die Diphthonge ai und ei, fowie in ie ein. Diefer Gebrauch bleibt auch im 15.
und 16. Jahrh. berrfchend; y wird fogar für j gefchrieben. Im 17. Jahrh. nimmt der über
mäßige Gebraud ab; es ſchwindet ganz im Anlaute und erhält fi) am längften in ben
Diphthongen ay und ey. Gegenwärtig wirb man felten ay, böchfiens Im Ramen Bayern,
wo diefe Schreibung officiel ift, finden, und nur Wenige halten es in einzelnen Worten,
wie 3. B. im Infinitiv des Hülfszeitworte „fein (im Gegenfag zu dem Pronomen „fein”),
fell. Doch hat man in neuerer Zeit mit Recht darauf gebrungen, daß bat y als um
nüges und ungehöriges Zeichen ganz aus der Schrift verfchwindet und nur in wirklichen
Fremdwörtern (mit dem ihm eigenthümlichen griech. Laute ü) beibehalten werbe. Noch iſt zu
erwähnen, daß man y den Pythagoraͤiſchen Buchftaben nannte, weil fich Pythagoras feiner
bedient hatte, um bie Scheibung des Lebenswegs entweber zum Guten oder zum Böfen daran
zu verfinnlichen.
Y oder da6 Ya (audgefprochen Ei oder Eia) ift ein Meeresarm, ber aus ber fübweftlichen
Spige der Zuiderfee weftwärts in die niederl. Provinz Holland tritt und bie natürliche Eren-
nung zwifchen dem nördlichen und füblichen Holland bildet. Mit ihm ſteht das ſüdwärts gele-
gene Darlemer Meer (f. d.), das größte hol. Binnengewäffer, in Verbindung. Aus dem 9
führt Amſterdam gegenüber der große norbholl. Kanal, welcher die größten Seefchiffe trägt und
zur Vermeidung ber burch Untiefen und Sandbänfe gefährlichen Schiffahrt auf ber Zuiberfee
beſtimmt ift, über Alkmaar nach dem Helder.
Yad oder Grunzochſe (Bos grunniens), eine auf ben Gebirgen Tibets und ben Hochflächen
Mittelafiens heimiſche Ochſenart mit langem, feidenartigem Haare, worunter fih die Füße bei-
nahe verfieden, und runden, rückwärts gebogenen Hörnern. Die Yacks leben heerdenweis, theils
wild, theils Halbgezähmt, find von Meiner Statur, geben jedoch treffliche Milch. Das alljaͤhrlich
abgefhnittene Haar wird zu Zeugen verwebt, die langen weißen Schweifhaare dienen zur Ber-
fertigung ſehr dauerhafter Stride, zu Fliegenwedeln, türk. Roßſchweifen u. dgl. Man bat bie
Yads in Europa, doch bisher ohne Erfolg, zu acclimatiſiren verfucht.
Jams (Dioscorea), eine Gattung tropiſcher Pflanzen aus der Familie der Diodforeen, mit
frautigem, windendem Stengel und bider, Enolliger Wurzel, bie durdy Kochen mehlig und
wohlſchmeckend wich, indem fich der in ihr enthaltene fcharfe, bittere Stoff dabei verliert. Man
aultivirt fie deshalb haufig als Nahrungsmittel, namentlich bie geflügelte Yam (D. alata),
beren Wurzel 3, — 3 F. lang und an 30 Pf. ſchwer wird, außen eine bräunliche oder ſchmarze
Rinde, innen ein faftiged, röthliches Fleifch hat und in ihrer Geſtalt die mannichfachften Ab⸗
änderungen zeigt. Den meiften Südfeeinfulanern gewährt diefe Pflanze den täglichen Unter«
halt. Ihr geflügelter Stengel rankt ſich um die höchſten Pfähle, die Blätter find pfeil ⸗herzför⸗
mig, die Blütenhülle fecherheilig und von gilblicher Farbe. In den Blattachfeln finden fich
häufig zwei bis drei Meine Wurzeln treibende Knollen. Außer den durch Cultur erzeugten
Barietäten diefer Yams werben in Afien, Afrika und Amerika auch andere Arten gebaut, z. B.
die gemeine Jam (D. sativa), mit rundem Stengel und eiförmigen Blättern, die knollige
Bam (D. bulbifera), bei der die Stengelfnollen bie Größe eines Apfels erreichen, bie ſtachlige
Bam (D. aculeata), mit büfchelig- Tnolliger Wurzel und flachligem Stengel u. f. w. Die
Fortpflanzung der Yams gefchieht Durch Knollen wie bei den Kartoffeln, denen fie weder an Ge⸗
ſchmack noch an Berbaulichkeit gleichkommen follen. In neuefter Zeit Hat man in Frankreich ben
Anbau der hinef.Yams mit Erfolg verfucht und die Ertragsfähigkeit ſowie ben Wohlgeſchmack
der Frucht fehr gerühmt. Befonders follen fich die Knollen der Yams viel leichter als bie der
Kartoffeln kochen.
Yang-tfe-fiang ober Blauer Fluß heißt bei den europ. Beographen der größte Strom von
Ghina und ganz Aſien, während im Lande felbft dieſer Name nur feiner unterften Strede zu⸗
kommt, der ganze Strom bort gewöhnlich ſchlechthin Kiang, d. h. Fluß, ober Takiang, d. h.
Großer Fluß, übrigens faft in jeder Provinz noch mit befondern Namen benannt wird. Er ent»
fpringe unter dem Namen Muru-Uffu, chineſ. Muhluſu, etwa unter 35° n. Br. und 107° 8. 2,
auf dem Hochlande Hinterafiens am Bain-Kharagebirge oder der Schneekette von Sifan, welche
weiterhin die Waſſerſcheide gegen den Hoangho bildet, durchfurcht gleich diefem mit zahlreichen
Bindungen und ZBafferfällen das wilbe Steppen- und Alpenland von Tangut (Khukhu ⸗Roor)
410 Yankee
unb Dſttibet, tritt in die chineſ. Alpenprovinz Yünnan, beginnt hier zwiſchen 27 und 26° n.Br.
nad) einem obern Laufe von etwa 260 M. mit dem Durchbruch des gletfcherreichen Siue-Ring
innerhalb eines gegen Oſt gerichteten, aber mehrfach gemundenen, 55 M. langen, furdhtbaren
Diuerfpalts, der auf ber Grenze von Yünnan und Sfetfehuan von der Stade Linking bis ımter-
halb Hoeili⸗tſcheu⸗fu reicht, feinen Mitsellauf, auf welchem er noch 160 M. nordoftwärts durch
ganz Sfetfeyuan und oſtwärts durch Hupe fließt, bis er oberhalb der Stabt King⸗tſcheu⸗fu bie
große chineſ. Tiefebene erreicht. In diefer berührt er in feinem noch 175 M. langen Unterlaufe die
Städte Kiru⸗kiang⸗fu, Ngan⸗king⸗efu, zuslegt das berühmte Nanking und bie Vefte Tſchinkiang,
worauf er feine ungeheuere Waſſermaſſe im Rorden von Shanghae (ſ. d.) und Wuſung mir
zwei Armen meilenbreit in das Oſtchineſiſche Meer oder Tong⸗Hai ergießt. Der Rieſenſtrom hat
bei einem int Allgemeinen von ZBeften gegen Oſten gerichteten Laufe eine ditecte Länge (Abſtand
ber Duelle von der Mündung) von 392 M., mit den zahlreichen Windungen aber ift er 650,
mit den Beinen Krlimmungen wol 720 M. lang. Sein Gebiet ift neuerdings auf 54175 UM.
bexechnet worden. Sehr verfchieden von dem reißenden, unbeftändigen und häufig mit feinem
ſchlammigen Waſſer weithin übertretenden Hoangho, ftrömt ber Yang-tfe-fiang in der Tiefebene
ruhig, ohne Stromhemmungen, zwifchen höhern, vor überſchwemmungen ſichernden Ufern da
bin. Nachdem der Strom feinen großen Durchbruch vollendet hat, 336— 365 M. oberhalb der
Mündung, wird er ſchiffbar und bleibt ed ohne alle Demmung oder Unterbrechung bei großer
Breite und fehr bedeutenber Tiefe bis zum Deere. Bis Tſchinkiang, 30 M. vom Deean ge-
legen, da, wo er ſich dem Hoangho auf. 20 M. nähert und vom großen Kaiſerkanal getrennt
wird, fleigen die größten Kriegefchiffe, bis Nanking, 10 M. weiter, die größten Kauffahrteiſchiffe
und wahrſcheinlich noch viel weiter aufwärts, mo man an einigen Orten 20 after tief noch
feinen Grund finden konnte. Wegen feines faft centralen Laufs und der großen Zahl der ge⸗
feguetften Provinzen, welche er burchfirömt, ift er der Gürtel Chinas genammt worden, und ver-
weöge feiner ausgedehnten fchiffbaren Strombahn, der günftigen Anordnung feiner zahlreichen
Nebenflüffe und feiner Verbindung mit dem Kaiſerkanal bildet er das wichtigfte Bewäflenmgs-
und Binnenſchiffahrts ſyſtem Chinas und eines der großartigften der Erde. Auf feiner legten
Duchbruchsftrede nimmt er von Norden her den mächtigen Yalung-kiang auf. Die wichtig
fien Nebenflüffe des untern Yang-tferfiang find links der Kialing in Sferichuan, ber Hanfiang
in Hupe, rechte der Yuankiang, Siangkiang und ber Kankiang, ber ſich durch den 77 (83)
OM. großen, ſiſch. und infelreichen Uferfee Poyang ober Fujang bei Kieu-fiang-fus in ber Pro-
vinz Kiangfi ergießt.
Jankee iſt der Name, den man in Amerika ſelbſt den Neuengländern oder den Bewohnern
der ſechs Staaten Maine, Neuhampſhire, Vermont, Maſſachuſetts, Connecticut und Rhobde⸗
Island, in Europa aber den Nordamerikanern im Allgemeinen gibt, um im Spott oder Scherz
ihre guten und übeln Eigenſchaften zugleich zu bezeichnen. Der echte Yankee befipt als das
Grbtheil feiner Väter, die im Laufe faum eines Jahrhunderts die Urwälder Norbamerifas einer
blühenden Cultur umterwarfen, in ber That einen eigenthämlichen Charakter. Ex ift ſcharf⸗
fmnig, muthig, nüchtern, thätig und liebt die Selbftänbigkeit und Unabhängigkeit ale die
GSrundbedingung des Lebens. Hingegen kennt er nicht oder verachtet er ben Idealismus, bie
Romantik, die Sentimentalität und bie abftracten Doctrinen des alten Europa. Ein natur⸗
müchfiger Humor läßt ihn das Unvermeibliche ertragen und verleiht ihm Kraft, gegen bas Une
glück anzutänpfen. Die Lage des Andern kümmert ihn wenig, benn mie bei ihm Jeder bie
Freiheit hat, fein Glück zu fchaffen, fo Hat Jeder auch bie Pflicht, fich felbft zu Helfen ober für
fih zu dulden. Diefe höchſt praktifche Richtung macht indeffen den Yankee im Berkehr mit
Andern fehr leicht zum kalten Egoiften. Im Handel und Wandel hält er Lift und Betrug nur
für zweckmäßigen Gebrauch feiner Kenntniffe und Fähigkeiten und Zutrauen für Befchräntt-
heit. Auch im politifchen Leben Tann er, wie die Gefchichte der Vereinigten Staaten beweift,
diefen Zug nicht verleugnen. Er führt ohne Umftände und Gewiffenefcrupel Das aub, was
ihm nüglic, dünkt, und weiß, wenn ihm die Verhältniffe entgegenftehen, nıit kalter Gchlauheit
und Berechnung zu warten. Das Wort Yankee ſtammt aus dem Munde der Indianer und if
ans „English“, d. i. Engländer, verborben. — WYankee-Doodle, dad Nationallied ber Ameri-
kaner, foll während bes Feldzugs gegen die Franzoſen in Canada 1755 von dem engl. Arzte
Shuckburgh compenirt worden fein, ber-fich den Spaß gemacht hatte, ed ben Offizieren der
nordamerik. Miliz als die Melodie eines berühmten Militäemarfches zu empfehlen, der von
allen europ. Heeren gefpielt werde und bei jeder mohldisciplinirten Armee eingeführt werden
möüffe. Ciner andern Werfion zufolge rührt die Melodie von einem Militärmarſche ber, den
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bie im engl. Solde fiehenden heil. TZruppen mwähzend. des amerik. Nevolutionskriegs ſpleb
ten. Als im Gefecht bei Bensington die Heften von Wafhington überrumpelt wurden, geries
then auch viele Muſikanten in amerik. Gefangenfihaft, die hei den Siegern in Dienfle traten
und diefe Melodie in Aufnahme brachten. So viel if ſicher, daß fie zu Ende bes Kriegs ſchon
allgemein bekannt war, und als Rerb Cornwallis und fein Eorp6, von ben Amerikanern einge
fchloffen, ſich dieſen 1784 in Yorktown ergeben mußten, marfchirten die Engländer unter ben
Zonen ded BYanker-Doodie durch die Reihen ihrer Beinde, um die Waffen nieberzulegen. Die
Melodie ift ebenfo trivial, wie Die Worte des Liebes geiftlos find, und es ift gewiß ein Zeichen
von zunehmendem Geſchmach, daß es in der neuern Zeit von „Hail Columbia” ziemlich in den
Hintergrund gebrängt wurde, welches allerdinge auch der Gitelkeit bes Volkes mehr ſchmei⸗
chelt und ſchon dadurch größern Beifall gewinnen mußte.
Yard beißt das englifche, auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika übliche Ellen
maß von 3 engl. F. — 0,9188 franz. Metre = 1,370 preuf. = 1,175 wiener = 1,191 leipg.
== 1,007 franff. — 1,94 hamb. = 1,5001 brem. — 1,21 braunſchw. — 1,562 hannov
== 1,0977 bair. — 1,4887 würtemb. — 1,50 bad., darmſt. und ſchweiz. Elle Das Yard
of land (Yard Landes, Hufe) ift ein engl. Feldmaß von 30 Acres ober 145200 Quadrat
Längenyards — 121,0 franz. Aren == 47,55 preuß. Morgen — 21,09 wiener Joch.
Jarmouth, eine regelmäßig gebaute und mit Baſtionen befefligte Stadt in ber engl. Graf⸗
Schaft Rorfolk, an der Nordſee, die hier durch Untiefen und Sandbaͤnke fehr gefährlich ifl, Liegt
auf einer Halbinfel zwiſchen der See und dem Fluſſe Vare, beffen Mündung (moutb) einen ge
säumigen, aber ber Berfandimg fehr ausgefepten und für ſchwere Laftfchiffe nicht geeigneten
Hafen bildet. Sie heißt auch Great⸗Yarmouth, im Begenfage von Little-Yarmouth oder Klein«
Varmouth, das gegenüber in der Grafſchaft Suffolk liegt und wohin eine Kettenbrüde führt,
deren Zerreißen 1845 .vielen Menfchen den Tod gab. Ausgezeichnete Gebäude find die Niko⸗
laikirche, das Theater, das Mufeum, das Fiſcherhospital, das benachbarte prachtuolle Irren⸗
Haus, das Zuchthaus wit einer berühmten Orgel, die Börfe, das Nach ˖ und Zollhaus. Das
Denkmal Reifon’s zu Y. beſteht in einer 78 engl. F. Hohen borifchen Säule auf 31 5. habem
Geſtelle, und der eine halbe Stunde lange Quai iſt der fehdufte in England. Die Stabt zählt
31000 E., die anſehnlichen Handel mir deu Auslande, vorzüglich mit den Dftfechäfen, weit.
Holland, Portugal und auf dem Mitteländifchen Deere treiben. Rad) Norwich werben über _
9. viele Güter eingeführt und ebenfo die eigenen Fabrikate von da ausgeführt. Jährlich gehen
einige Schiffe auf den Walfiſchfang nach Grönland, andere werben audgeſchickt, um Kabeliau
zu fangen. Ein Hauptnahrungszweig der Bewohner iſt feit den äfteften Zeiten bie Herings⸗
und Mafreienfifcherei. Außerben-find auch die Seebäber 9.6 zu erwähnen, oder vielmehr bie
Bäder, in welche das Seewaffer mitteld Dampflraft geleitet wird. .
Jatagan oder Handſchar ift eine furze, von ben Drientalen im Gürtel getragene Waffe,
länger als der Dolch, wenig gekrümmt, mit feharfgefchliffener innerer Seite, welche mehr zum
Schneiden ald zum Dauen gebraucht wirb. Der Griff ift gewöhnlich von Metall, aber auch
von Elfenbein oder Walroßzähnen, bei den ärmern Kriegern von Holz ımb hat meift einen
Bügel. Die Scheide iſt mit Leber ober Sammet überzogen, oft auch von cifelirtem Metall und,
wie ber Griff, foviel es bie Verhältniſſe geftatten, reich mit Edelfteinen verziert. Die Fran⸗
zofen haben bei ihren afrik. Jägern den Yatagan ftatt des Dirfchfängers eingeführt und pflan-
zen ihn auch zum Nahgefecht auf die Büchſe.
‚Yeoman hieß in alten Zeiten in England jeder Bemeinfreie oder dad Mitglied derjenigen
Geſellſchafts ordnung, die zwiſchen dem Ritterftande und den gänzlich Beſitzloſen, Dienfigeho-
zigen und Leibeigenen die Mitte hielt. In den alten Befegen muß der Yeoman ein väterliches
Erbtheil von ungefähr 130 Pf. &t. Haben und darf in Herrenkleidern erfcheinen, nur nicht im
Haufe eined Korb. Der Esquire oder Schildknappe gehört noch zu bem höher berechtigten
Ritterfiande. Nach Aufhebung der Horigkeitsverhältniffe, die in England zeitiger als in an⸗
bern Rändern verſchwanden, fiel eigentlich auch der politifche Stand ber Yeonıen weg, weil nım
Jeder im Volke, abgefehen von ben Privilegien bes Adele, der perfönlicyen Freiheit und Gleich⸗
beit genoß. Gegenwärtig begreift man ımter dem Namen Yeomen bie Pächter und kleinern
Brunbbefiger, überhaupt jene loyale und zuverläffige Volksclaſſe, die an der Spige des niedern
Bürgertbums fieht. Zur Zeit der Franzöſiſchen Revolution errichtete man zum Schutze ber
engl. Küften neben der Graffchaftsmiliz noch wine befonbere Jeomaury ⸗ Cavalerie, in welche
als Freiwillige die wohlhabenbern Pächter, aber auch viele Edelleute traten. Diefe Freiwil⸗
Ugenmiliz beſteht noch und if den nämlichen Befegen wie die Miliz überhaupt unterworfen.
=
412 Yermolsw Jork (Grafſchaft)
VDeomen heißen auch zu London bie alterthümlich mit Spießen und Hellebarden bewaffneten
Soldaten einer Pönigl. Leibgarde, welcher die Bewachung bes Tower obliegt. Das Bolt nennt
diefe Trabanten aus Heinrich’ VII. Zeit fpottweife bes Könige Ochfenfreffer.
ermolow (Alerei Petrowitſch), ſ. Jermolow.
onne (Icauna im Alterthum), ein linker Nebenfluß ber Seine im Innern Frankreichs ent⸗
ſtehi im Depart. Nievre aus dem Teiche Belle⸗peche am Fuße bes Mont-Beunron in ber Berg-
tetraffe von Morvan, fließt in nordnordweſtlicher Nichtung durch drei Departements über bie
Städte Chaͤteau⸗Chinon, Elamecy, Aurerre, Joigny, Villeneuve, Gens, Pont-fur-Yonne und
mündet nach einem Laufe von 39 M. bei Montereau. Sie ift von der Quelle an flößbar und
von Auxerre bis zur Mündung, 16 M. weit, ſchiffbar. Durch den Kanal von Nivernais flcht
fie mit ber Zoire, Durch den Kanal von Burgund mit bee Saöne in Verbindung. Das nad) ihr
benannte Depart. Yonne, aus dem norbweftlichen Burgund (Auxerrois), ber füdiweftlichen
Champagne (Senonais) und der füböftlichen Isle ⸗de⸗France (Gaͤtinais) zufammengefept, zählte
1851 auf 1352,, AM. 381133 E. Faſt ganz zum Becken der Seine gehörig, bildet dat Land
eine im N. flache, im S. von Hügelzügen durchſchnittene Ebene, deren höchſte Spigen ſich im
SW. auf der Waſſerſcheide gegen die Loire, ald Ausläufer der Mogrvanberge, erheben. Der
Hauptfluß nimmt bier rechts die Eure, den Armangon und die Barnes, links die Vrin auf; ber
Loing mit der Duanne bewäffert den Welten, der auch viele Sümpfe enthält; der Burgunber-
anal durchzieht den Oſten. Hügelgruppen und tief eingefchnittene Flußthaͤler bilden nicht felten
veizende Gegenden, namentlich bei Tonnerre und Avallon. Der Boden ift großentheils fteinig,
vorberrfchend aber thonig und gut bewäffert, im Ganzen gut bebaut, mit reichlichem Ertrag an
Getreide, Semüfe, Hanf, Safran (im Bätinais). Das Hauptprobuct aber bilden die rothen und
weißen ZBeine, die unter dem Namen Unterburgunder bekannt find. (&. Burgunderweine.)
Der burchfchnittliche Sahresertrag des Weinlandes wird jest auf 856225 Hectolitres, der Er»
zeugnißwerth auf 10,373703 Fres. berechnet. Gute Weiden begünftigen bie Pferde-, Rindvieh⸗
und Schafzucht. Die Waldungen nehmen ein Fünftel der Bodenfläche ein und liefern viel
Bau- und Brennholz und Kohlen nach Paris. Das Mineralreich bietet treffliche Baufteine in
Menge, auch Flintenfteine, außerdem etwas Steinkohlen und viel Eifen, das in zahlreichen
. Hoböfen, Walzwerken und Blehhämmern verarbeitet wird. Außerdem gibt es Slashütten,
. Biegelbrennereien, Runtelrübenzuderfabriten, Gerbereien, Webereien, Leimfiebereien. Dex Han-
dei mit Getreide, Holz, Kohlen und befonders mit Wein ift fehr bedeutend und wird durch bie
Waſſerwege, gute Landſtraßen umd die von Paris nach Dijon führende Gifenbahn gefördert.
Das Departement zerfällt in bie fünf Arrondiffements Auxerre, Avallon, Joigny, Gens und
Tonnerre. Die Hauptfladt ift Auxerre (f. d.); nächft ihr ift Sens (f.d.) bemerkenswerth.
orit, ſ. Sterne (Lorenz).
ort, Borkfhire, die größte Grafſchaft Englands mit bem Titel eines Herzogthums, zählte
1851 auf 281,2 AM. 1,788767 €. und repräfentirt in ihrer Oberflächenform, ihrem Boden,
ihren Raturerzeugniffen und ihrer Induftrie das gefamnıte England im Kleinen. Sie teilt ſich
in drei Difkricte oder Ridings, von denen jeder einen eigenen Charakter hat und unter einem
eigenen Lordlieutenant fteht, nämlich Eaſt⸗Riding mit dem Beinen Bezirke ber Hauptfladt
(56,TAM. mit 254181 E.), Weſt⸗Riding (125,53 AM. mit 1,339962 €.) und North⸗ Niding
(9,2OAM. mit 194624 E.). Außerdem wird das Land in Wapentakes und Liberties eingetheilt,
ſchickt 35 Mitglieder in dad Parlament und hat zur Hauptfladt York (f.d.). Die Küfte bilden
vorherrſchend, befonders im North-Riding, 50 — 400 F. hohe Klippen ; weiter fübwärts bis zum
äuferften Endpunkt, Spurn⸗Head, wird die Küfte flach. Vom Gap Flamborough, einem ſchön
geformten Kreibefelfen, ziehen durch Oſt⸗Riding bie Yorkſhire⸗Wolds in ſüdweſtlicher Richtung
bis in die Gegend zwiſchen Hull und Howden, zum Theil noch bewaldete Kreibehöhen, bie im
Birton-Beacon 759 par. F. hoch auffteigen. Das zwiſchen ihnen, dem Humber und bem Dcean
gelegene halbinfelartige Gebiet der Grafſchaft heißt Holderneß, einer der beften Aderbaubi-
ftricte Englands mit den üppigften Weiden, berühmt durch feine eigenthHümliche Race von Rin-
dern und Schafen. Norblich flehen die Wolds mit den Oftlichen Morlands oder Egton-Moort
in Verbindung, ein kahler Hügelftrich mit Torfe, Moor- und Haideflächen, zerftreuten Felt⸗
ftüden auf den Gipfeln und einigen dazwiſchen gelegenen fruchtbaren Thälern, wie dem Esk-
Bils⸗ und Ryedale. Im Weſten werden diefe Moore durch die ſchön bemalbeten Howarbian-
Hills von ber weiten Ebene von Y., in Nocdweſien durch die Cleveland⸗Hills (mit dem 959 &.
hohen Rofeberry) von dem ebenfalls weiten und fruchtbaren That von Cleveland getrennt, das
in bie Ebene von 9. ausgeht. Jenſeit dieſer centralen mellenförmigen Ebene erheben füch Die
York (Stadt) 413
Weſtlichen Moorlands, auch Vorkſhire⸗Hills genannt, eine nörbliche Kortfegung des Peakge⸗
birgs von Derbyſhire, ein breites, rauhes und kahles Hochland ber Kalkſteinformation, tief
durchfurcht von mehren Eifnbahnen und Kanälen (dem Mandhefter - Hubbersfieid-, Man-
chefter-Halifap- und Liverpool⸗Leedskanal), mit [chroffen Kämmen, wilbromantifchen, ſchluch⸗
tigen, quellen- unb höhlenreichen Thälern, verfchwindenden Flüſſen, forellenreihen Bächen, vie-
len hohen Spigen (Peaks oder Fells), umter denen bie drei bedeutendſten ziemlich nahe beifam-
menflehen, der Wharnfide oder Whernfide, 3763 8., der höchſte Berg Englands, der Penny-
gant, 3745 F., und ihnen gegenüber der 3740 F. hohe maffige Ingleborough. Auf der
Oſtſeite diefer Weſtlichen Moorlands, an welchen die Quell⸗ und vorzüglichften Zuflüffe ber
Dufe ihren Urfprung haben, ſenken ſich abwärts zur Gentralebene von ®. zahlreiche Belfenthä-
ler, unter benen dad Airethal eine. ber fehonften und anmuthigften Auen Englands enthäk.
Auch ift dies Bergland im Allgemeinen nicht fo fleril wie die Oftfichen Moorlande. Den Haupt.
reichthum aber bildet bier dad große Steinkohlenfeld von Vorkſhire, welches fich von jenfeit Leeds
13 M. weit in einer Breite von 3. —A7/. M. ſüdwärts bis Nottingham am Trent fortzieht
und Kohlen jeder Battung enthält. Außerdem zeigen ſich mehre ifolirte Koblenfelder, Hier Swil⸗
leys genannt, im nördlichen Theile der Grafichaft, in Sandfleinmulden oder Aushöhlungen
gelegen. Überdies ift Yorkſhire eins der eifenreichften Gebiete Englands und befigt auch Blei⸗
minen, Kupferadern, an der Oſtküſte ferner Alaunwerke, befonders bei Whitby, und an ver-
fhiedenen Orten Kalle und Quaderfteinbrüche.
Das Hauptgewäfler ift der Humber mit ber Dufe, dem Hauptfluß der Grafichaft, melde
mittel® der Meeresflut über 17 M. aufwärts bis gegen 9. für Seeichiffe von 120 Zons
fahrbar iſt. Sie nimmt links die Foß und den Derwent, rechts bie Ure, Nidd, ben Wharfe, bie
Aire mit bem Galder, die bis Leeds für Seefchiffe von 4170 Tons und bis Skipton hinauf für
Kähne ſchiffbar tft, den Don oder Dun und den Trent auf. An der Nordgrenze ift die Tees von
Wichtigkeit, von ben Küftenflüffen der EHE bemerkenswerth. Zum Gebiet der Iriſchen See ge
hört der Nibble. Die Grafſchaft Y. gehört zu den Diftricten Englands, in welchen Landwirth⸗
Tchaft und Manufactur gemifcht auftreten. Der Aderbau wird in Holdernef und ber Thalebene
von Y. am beften betrieben. Obſt gebeiht wegen ber kühlen Sommer nirgends. Die ausgedehn⸗
ten Hutungen begünftigen die Viehzucht außerorbentlich.. Große Heerden Pferde werben in den
meiften Gegenden, Rinder in verſchledenen Racen gezogen. Die Käfebereitung wird ſtark betrie-
ben und ihr Erzeugnif gerühmt. Die Schafe gehören ebenfalls verfchiedenen Racen an; ber
Wollertrag ift bedeutend, aber nicht von feinfter Qualität. Schweine werben über ben Bebarf
gezogen und Schinken in allen Randestheilen von ausgezeichneter Güte geliefert. Don Wichtig.
keit ift auch die Seefifcherei. Weft-Riding, von der Natur in jeder Beziehung gütiger bebacht
als die übrigen Theile der Grafſchaft, iſt einer der erſten Manufacturdiftricte Englands. Im
reichlichen Befige von Wolle und Flache, von Kohlen, Eifen u. f. w., fowie von ZBafferkräften,
bat die Induſtrie daſelbſt in den fchiffbaren Flüffen des Humberbaffind, in den Kanälen und
Eiſenbahnen zugleich die Mittel, ihre Producte dem weſtlichen und öſtlichen Meere zuguführen.
Leeds (ſ. d.), Bradford (f. d.), Hubdersfield (f. d.), Halifar (ſ. d.) und Wakefield (f. d.) ſind die
Hauptfige der Wollenmanufactur. In Leeds wirb überdies mehr Flachs geiponnen als irgendwo
in England. Die Stahlmaaren von Sheffield (f.d.) und den benachbarten Orten wetteifern mit
denen von Birmingham; zu Rotherham find altberühmte Eifenwerke; das Low⸗Moor⸗Itron⸗
Company: Work bei Leeds und Bradford liefert eine große Menge von Kanonen, Kugeln,
Ketten und Ankern. Die Baumwollenfpinnerei bat fich in Eafingmwold und einigen andern Ge⸗
genden etablirt. Außerdem werben grobe Leinwand, Seilerwaaren, Zwirn, Baummollenzeuge,
Teppiche, Leder, Papier, Glas u. ſ. w. in verfchiedenen Orten gefertigt. Hull (f.d.) und feine
junge Rivalin Goole haben bebeutenden auswärtigen Handel, auch Whitby (ſ. d.) und Scar⸗
borough anfehnlichen Handelsverkehr.
VYork, das alte Eboracum der Römer, die Hauptſtadt ber gleichnamigen Grafſchaft Eng⸗
lands, dem Range nad) die zweite City bed Königreichs, Sig ſeines zweiten Erzbiſchofs und
nächſt London die einzige, deren erſte Magiftvatsperfon (Mayor) laut eines 1389 ihr verliehenen
Rechts den Titel Lord führt, bildet mit ihrem Weichbild einen beſondern Bezirk (City and
Ainsty of York) von „AM. mit 57411 €. (1851). Sie liegt in der nach ihr benannten Ebene
an ber Mündung der Foß in die Dufe, über welche eine Brüde mit fünf Bogen führt, und an
ber großen Rordbahn, ift ein ſchöner, fliller Ort, rei) an Ruinen, Alterthümern und Kirchen
aus vergangenen Zeiten, hat zwar enge, aber reinfiche, im Ganzen hübfche Straßen, gut erhal
tene Häufer, überall Hervortretenden Wohlftand, an dem Induſtrie und Handel wenig Antheil
44 York (Herzogetiteh
baden, Mauern, deren Fundamente aus ben Tagen ber Römer, deren Hauptbefeffigumgen aus
der Regierung Eduard's 1. ſtammen und weiche 1831 in dem alten Bauſtil ernenert worden
find, umgürten die Stadt in Fotm eines unregelmäßigen Vierecks, werden aber von vier alten
en und von einlaufenden Schienenwegen unterbrochen. Unter den Gebäuden ift vor allen
ber Yorkminfter oder die Kathedrale St:-Perer zu erwähnen, Englands größte und fchonfte
Kirche, ein wahres Triumphwerk altdeutfcher Baukunſt, 524%, engl. 8. lang, 222 F. in den
Kreuzflügeln, 100 im Schiff breit, 89 Hoch, mit drei Thürmen, von denen ber über dem Kreuze
213 8. hoch ift. Der Bau wurde 1426 vollendet. Durch den wahnfinnigen Fanatismus des
Matrofen Martin, des engl. Hevoftratus, 3. Febr. 1829 und durch bie Unvorfichtigfeit eines
Arbeiters 21. Mai 1840 in Brand gefteckt, harte fie viel gelitten, doch ift ſie feitbem vollig wie
derhergeſtellt. Ihre Orgel mit 3234 Pfeifen ımd mit einem Orgelkorb, ber ald ein Meifterfiud
der Steinmepfunft bewundert witd, gehört zu den größten in Europa; das Dauptfenfter an der
Hochaltarſeite, das größte, welches nian kennt, 75 8. hoch, 32 breit, enthalt-117 biblifche Ge⸗
mälde in glühenden Farben. Mit der Kathedrale durch einen Gang verbunden iſt das Gapitel-
Baus, ein zweites Steinmeiſterwerk, ein regelmäßiges Achte von 60 F. Durchmeffer ımd 60
3. Höhe, im Innern mit zierlichen Säulen, leicht gefhwungenen Bogen, einer von einem
einzigen Pfeiler geftügten Dede und herrlichen Glasmalereien. Bon den 41 Kirchen, 17 Kar
pellen unb I Kiöftern, welche bie Stadt unter Heinrich Vill. hatte, find noch 24 Kirchen und
41 Kapellen vorhanden. Die 1088 geftiftete Benedietinerabtei &t.-:Mary Liegt vor der Stadt
in Ruinen. Das fogenannte Schloß befteht aus einzelnen, von Richard III. und in verſchiede⸗
nen andeen Epochen aufgeführten Gebäuden, die urfprünglich Seftung waren, und bilbet jegt zu
zwei Shellen das 1836 mit einem Anfwande von mehr als 200000 Pf. St. vollendete Graf:
ſchaftsgefängniß, eines der größten und beiten Englands, in deſſen Bereich die Ruinen eines
von Wilhelm I. auf rom. Fundament erbauten weiten und feften Bollwerks, des Cffordthurnrs,
Degen; den dritten Theil nimmt bie 150 F. lange, 45 F. breite, mit einem Porticus jonifcher
Bäulen geſchmückte Sraffchaftöhalle für die Aſſiſen ein. Un der Dufe liegen nebeneinander
das Manfionhoufe, die Amtswohnung des Lordmayors, im modernen Stil erbaut, und dab
flädtifche Rathhaus Guildhall, das 1446 erbaut worden iſt. 9. ift der Sig einer theologiſchen
Facultät der Unitarier, befigt ein Gymnaſiuni, eine philoſophiſche Geſellſchaft mit Mufeum und
botanifchen: Garten, ein archäologifches Inftitut, ein Mancheftercollege, eine Wiblierhet, ein
Theater, eine Muſikhalle für 2000 Zuhörer, den vielgepriefenen ftädtifayen Berfammlungsfaal
nad den Plane des Grafen Burlington, zahlreiche milde Anftalten, darunter dad außerhalb
der Stadt gelegene Irrenhaus der Quäker, Betreat (Zufluchtöflätte) genannt. Huch bat bie
Stadt Eifengiefereien, Fabriken für Leinwand, Leder, Handſchuhe und Senf. In berNähe ber
felben liegen bie höhere kath. Schulanftalt Ampleforth ˖ College, das Schloß Howard mit vie
len Kunftfchägen, einem 100 F. hohen Obelisk zu Ehren Marlborough's und einer columna
rostrata zu Ehren Nelfon’s, und die Ebene von Kuaves-muir, wo berühnte Wettrennen ge
halten werden. An Größe, Reichthum und Pracht den in ber Nähe neuentflandenen Yabrik-
und Handels ſtädten jegt nachftehend, hat die würbige City in der frühern Zeit zwei Glanzperioden
aufzumeifen. Eboracum war die rom. Gapitale von Britannia, Sig ber Regierung, yeltrocilige
Hefidenz der Kaifer Dadrian, Septimius Severus, Konftantius Chlorus, Erabflätte der beiden
Legtern, nach Einigen Geburtsort Konftantin’s d. Gr., ber hier zum Kaifer ausgerufen wurde
(Bol. Wellbeloved, „Eburacum or York under the Romans”, 1842). Dann wurde es Hauptſtadt
des angelfächf. Königreichs Northumberland unter dem Namen Eoforwic. Mit dem Einfall
der Dänen, welche Y. 867 eroberten und kurz darauf vor feinen Mauern die Angelfachfen un-
ter Osbert und Ella fchlugen, mußte es den Nuhm, Englands erſte Stabt zu fein, nach langem
Widerſtreben und obfchon noch Jahrhunderte fpäter Häufig engl.normann. Könige ihren Yufe
enthalt dafelbft nahmen, an London abtreten. Im 3. 622 oder 65% prebigte hier Paulinus
zuerft dad Ehriftenthum und wutde erfter Erzbifchof von Y. Bis zum Ende des 15. Jahrh.
hatte der Erzbiſchof die Obergerichtsbarkeit über die fchott. Kirche. Jetzt gehören zu feiner Erz⸗
diöreſe die brei Bisthümer Durham, Carlisle und Gheſter. Das Obergericht zu D. (Ihe ooun-
cil etablished in Ihe North) wurde von Heinrich VllI. die Gerkchtebank aber von Karl ii. em
geieht. Im 3. 1644 befagerten die Parlanmenistruppen und Schotten Y. und ein koͤnigliches
GEntfagheer unter bem Pfatsgrafen Rupert wurde 2. Suli auf dem benachbarten Marke
Moor vom Lord Fairfax und Grafen Mancheſter geſchlagen und die Stabt euedert. — Bork
hieß früher auch bie Hauptſtadt von Dbercamaba, ſ. Torante.
Aork, ein Herzogoticel, den bie Könige von England gewöhnlich an Glieder ihres Haufe
York von Vartenburg 4%
unb zwar an ben zweiten Sohn verleihen. Eduard IH. gab den Titel m feinen vierten Cohen,
Edmund, der der Gründer des Haufes York oder der Weißen Rofe wurde. Sein älterer Bra
ber, Johann fliftete dagegen da® Haus von Rancafler ober die Rothe Nofe. Beide Häufer führ-
ten als Zweige der königl. Plantagenet (f. d.) gegeneinander einen langen, furchtbaren Kampf,
ben Krieg der beiden Mofen, um die engl. Königskrone, bis endlich dad Haus Zudor in ber Per-
fon Heinrichs VII. den Thron ufurpirte. — Heinrich VIE. und Karl l. führten bis zum Tode
ihres äktern Bruders den Titel eines Herzogs von Y., ebenfo Jakob II, bis zu feiner Thronbe⸗
fleigung. Auch Jakob's II. Sohn, der Prätendent Jakob IIL, verlich in ber Verbannung feinem
zweiten Sohne, Henry Benebdict, ben Herzogstitel. In der Geſchichte ift derſelbe befannt unter
dem Ranıen des Cardinals von York. Mit ihm flarben 1807 die königl. Stuarts (f. d.) aus.
— Georg I., and dem Haufe Hannover, erhob 1716 feinen Bruder Era Anguft, Fürſtbiſchof
von Dbnabrüd, zum Herzoge von Y. Derfeibe ftarb 1728, worauf Ednard Auguſt, zweiter
Sohn des Prinzen Friedrich von Wales und Bruder Beorg'sU1., 3760 diefen Titel erhielt, aber
4767 gleihfalls kinderlos mit Tode abging. — Der legte Herzog von Y. mar Sreberid, zwei⸗
ser Sohn Georg's Il. Derfelbe wurde 16. Aug. 1765 geboren und erhielt 1764 das abwech⸗
feind von einem kath. und einem proteft. Bifchof regierte Furfibisthum Dsnabrüd (f. d.). Er
befaß daſſelbe bis zur Säcularifation 1802, wo es an Hannover abgetreten wurde. Nachdem
der Prinz 1780 ein Oberfipatent erhalten, ging er auf den Kontinent, um beſenders den preuß.
Militärbienft zu erlernen. Während der Abweſenheit wurde er 1784 zum Herzog von Y. und
Albany in Großbritannien und zum Grafen von Ulſter in Irland ernannt. Als er 1787 nad
England zurückkehrte, nahm er feinen ig im Oberhauſe ein und zeigte fi) im folgenden Jahre
bei Berhandlung der Regentſchaftsfrage feinem Bruder, dem nachherigen Georg IV., [ehr erg
ben. Ein Duell, das ex 1789 mit dem Oberfl Zennor, dem fpätern Herzog von Richmond, be
ftand, machte großes Auffehen. Im 3.1791 ging Y. abermals auf den Gontinent, um im
Fall eines Kriegs mit Rußland im preuß. Heere zu dienen. Zu Berlin heirathete er 39. Der.
die Prinzeſſin Friederike, ältefte Tochter Friedrich Wilhelm's II. von Preußen. Als 1795 der
Krieg mit Frankreich außbrach, gab ihm Georg III. ber diefen Sohn beſonders auszeichnete und
einen großen Feldherrn in ihm vermutbete, ben Befehl über ein brit. Corps, das im Verein mit
ben Verbündeten Holland und die Niederlande vertheidigen follte. Nach der Einnahme ven
Balenciennes fchidte ihn der Oberfeldherr, Prinz von Sachfen-Koburg, zur Belagerung von
Dünkirchen ab. Er erlitt jedoch 8. Sept. 1793 durch Houcharb bei Honscoote eine Niederinge
und mußte fich 1794 hinter bie Dans zurückziehen und endlich in Eurhaven einſchiffen. Deſ⸗
fenungeachtet machte ihn der König 1795 zum Felbmarfchall und Oberbefehlshaber des brit.
Heeres, vertraute ihm auch 1799 dad Commando über die Expedition nach Holland an, ber fich
ein ruſſ. Hülfscorp6 unter Effen beigefellte. Nachdem er auch biedmal von Brune 19. Sept.
bei Bergen und 6. Det. unwät Alkmaar gefchlagen worben, fchloß er 18. Det. die Capitulation
von Alkmaar. Einige Jahre fpäter verurfachte dem Prinzen bie Verumeinigung mit feier
Maitreffe, einer Mrs. Clarke, die dem Oberſt Wardle Mittheilungen über die Heerverwaltung
machte, einen auferorbentlihen Standal. Wardle denmeirte 27. Jan. 1809 vor bem Unter-
hauſe, deffen Mitglied er war, daß arge Verumtreuungen in der Kriegsverwaltung vorkämen.
Das Unterhaus beftelite eine Commiſſion zur Unterfuchung und ließ die Elarke wiederholt als
Zeuge gegen den Herzog erfcheinen, beren freche Antworten das Publicum beluftigten und den
Prinzen in der öffentlichen Meinung ungemein herabfegten. Wiewol das Haus mit einer Ma-
jerität von 82 Stimmen ein Nichtfehuldig ausſprach, legte doch der Derzog die Oberbefehlöhe-
berftele 20. März 1809 nieder. Im Mai 18141 jedoch wurde er von fenem Bruber, dem da⸗
maligen Prinz⸗Regenten, in die Würbe eines Oberbefehlshabers der Landmacht abermals ein-
gefegt. Ex hatte eine Menge zweckmaͤßiger Anordnungen in bem Haushalte ber Armee getroffen
umd erhielt dafür 1844 im Parlament eine öffentliche Dankfagung. In der Gigung von 1835
‚ erlärte er ſich im Oberhaufe heftig gegen die Katholitenemancipation, was um fo mehr bie öf-
fentliche Meinung berübrte, als er feit ben Tode der Prinzeffin Charlotte, ber Tochter Georg’ 61V.
bie nächften Anfprüche auf die Thronfolge hatte. Indeffen überlebte ex den König nicht; er
ſtarb ſchon 5. Jan. 1827. Bon feiner Gemahlin, die 6. Aug. 1820 mit Tode abging, hinterließ
ex feine Kinder. 9. befaß eine Apanage von 18008 und außerdem eine Jahreörente von
24000 Pf. &t. als Entfchädigung für das Bisthum Osnabrüd. Deffenungeachtet hinterließ
er bebeutenbe Schaden, die unbezahlt blieben.
York von Wartenburg (Hand Dav. Ludw., Graf), preuß. Felbmarſchall, geb. 26. Sept.
1759 wahrfcheinlich anf bem yäterlichen Gute Guſtkow in Hinterpommern, wo ſich feine aus
416 York von Wartenburg
England ſtammende Familie anſäſſig gemacht Hatte. Er trat 1772 in die Armee, wurde aber
4780 wegen Infuborbdination caffiet und ging nach abgebüßter Beftungshaft 1781 in holländ.
Dienfte. Dier wohnte er 1785 — 84 den Feldzügen in Indien bei. Von dort zurückgekehrt,
fand er in Holland die Wirren, welche die Partei ber Patrioten angeregt. Letztere bot ihm eine
Dperftlieutenantöftelle, bie er jeboch ausfchlug. Er nahm feinen Abſchied und Fehrte nach Preußen
zurück, wo es ihm erſt nach dem Tode Friedrich's II. gelang, wieder angeftellt zu werden, und
mar als Gapitän bei einem der neuformirten Füfitierbataillone. Im poln. Feldzuge von 1794
zeichnete er fich bei Szekoczyn aus. Seit 1792 ſchon Major, wurde er 1797 zum Bataillons-
commanbeur und 1799 zum Commandeur des Bußjägerregiments ernannt. Als folcher hat er
- fich große Verbienfte um die Einführung der Schützentaktik im Sinne der neuern Kriegführung
erworben. Im 3.1800 avancirte er zum Oberftlientenant, 1803 zum Oberfien. Im 3. 1806
befehligte ex erft bie Avant, fpäter die Arrieregarde des Herzogs von Weimar, beffen Etbüber-
gang er nach ben unglüdlichen Schlachten von Jena und Auerftäbt durch bad mufterhaft gelei-
tete Gefecht von Altenzaun deckte. Auf dem weitern Rüdzuge, nachdem ber Herzog das Com⸗
mando niedergelegt, führte er die Nachhut bes Blücher'fchen Corps, wurde in Lübeck verwundet
und gefangen und 1807 fo fpät ausgerwechfelt, baf er die franz. Linien erſt nach der Schlacht
von Friedland paffiren konnte. In Königsberg wurde er dann zum Generalmajor befördert;
die ihm zugedachte Stellung ald Erzieher des Kronprinzen lehnte er jeboch treffich motivirt ab.
Bei der neuen Organifation des reducirten Heeres erhielt ex die weitpreuß. Brigade, 1810 die
Beneralinfpeetion über fämmliche leichte Truppen, deren Ausbildung für den Felddienſt er mit
Erfolg leitete, und 18411 das Generalgouvernement von ganz Preußen, bad Armeecommanbo
eingefchloffen, mit ausgebehnten Vollmachten. Im Feldzuge von 1812 dem preuß. Hülfscorps
unter Grawert, das zum zehnten Corps (Macdonald) der franz. Armee gehörte, als General-
lieutenant und zweiter Befehlshaber zugerheilt, übernahm er nach Grawert's Abgange den
Oberbefehl über bie königl. Truppen. Als dev Rückzug ber Großen Armee auch den des zehnten
Corps von Riga nothwendig machte, kam Y. in eine gefährliche Lage. Außer Verbindung mit
den franz. Eolonnen, auf fich ſelbſt gewieſen, von den ruff. Heerführern, ſchon früher dur
Efien, jegt durch Paulucci, zum Abfall von der franz. Sache gedrängt, im Zwiefpalt mit feiner
Soldatenpflicht und ber Überzeugung, daß für Preußen ber entfcheidende Augenblid gekommen
fe, ohne beftimmte Weiſungen von Berlin, aber von dem Bewußtſein erfüllt, daß ihm perfon-
lich die Entſcheidung über das Schickſal feines Vaterlandes, ja Europas in die Hand gelegt ſei,
entfchloßer fich zu der Konvention vom 50. Dec. 1812 (durch Clauſewitz und Diebitfch rufftfcher-
ſeits vermittelt), Praft welcher das preuß. Corps neutrale Quartiere bezog und bie weitere Ent-
ſcheidung dem Könige anheimftellte. Zwar mußte der König, durch die VBerhältniffe und Rapo-
leon noch beengt, diefen Schritt öffentlich misbilligen; bald aber ließ ex J. volle Gerechtigkeit
widerfahren, der in der That dem großen Befreiungswerke Fühn bie erfie Bahn gebrochen. Als
Gouverneur von Preußen war er bei der erſten Errichtung der Landwehr durch die Stände,
überhaupt bei ber neuen militärifchen Organifation thätig, führte dann fein Corps auf königl.
Befehl gegen die Oder, indem auch die in Pommern mobil gemachten Truppen unter feinen
Oberbefehl geftellt wurden, und von da nad) der Mark, wo er beim Ausbruch ber Feindfeligkei-
‚tem zuerft 5. April bei Mödern und Dannigkow fiegreich gegen ben aus Magdeburg vorgerüd-
ten Bicekönig von Stalien Fämpfte. Am weitern Feldzuge nahm bad Y. ſche Armeecorps unter
feinem trefflichen Feldheren ruhmvollen Antheil. (S. Nuffifch -deutfcher Krieg.) Es beftand
19. Mai felbftändig das merkwürdige Gefecht bei Weiſſig gegen das fünfte franz. Sorps (Lau-
tifton) ; bei Baugen hatte es den linken Flügel und deckte am 21. den nöthig gewordenen Rück⸗
zug. Bei der Formation der Armee während des Waffenftiliftands wurde bas Y. ſche (erſte)
Corps dem fchlef. Heere unter Blücher zugetheilt, trug 26. Aug. bas Meifte zum Siege an ber
Kagbad) bei, erzwang, wiederum felbftändig, 3. Oct. den Elbübergang gegen das vierte franz.
Sorps (Bertrand) bei Wartenburg, errang fich 16. Det. bei Moͤckern (f. Leipzig) die Ehre
des Tags und drängte die bei Leipzig gefchlagenen Franzoſen in der Verfolgung am 20. über
die Unftrut. Zum General der Infanterie ernannt, befundete Y. im Feldzuge von 1814 fein
Feldherrntalent von neuem bei Montmirail 11. Febr., wo er Saden, ber ſich unvorfichtig
in ein Gefecht eingelaffen, vor volligem Untergange rettete, befonders aber bei Laon 4. März
durch den Angriff bei Einbruch der Dunfelheit, den er mit Kleift, durch Blücher autorifirt, un
ternahm und banıit den vollftändigften Sieg gewann. Die Schlacht von Paris 50. Mörz war
feine legte. Am 3. Juni wurde er vom Könige unter Beilegung bes Namens 9. von Warten⸗
burg In den Srafenftand erhoben, begleitete die Monarchen nach London und erhielt bann den
Young (kim) Young lkhem) u
Dberbefehl über alle Eruppen unb Feſtungen in Schlefien, wohin er im Juli, nach ergreifendem
Apfchiede von feinem Corps, abreifte. Cine reihe Dotation (Klein-Dis in Exhiefien) lohnte
feine Berbienfte. Bei Napoleon’s Rückkehr von Eiba 1815 erhielt er das Commando über bad
fünfte Gorps, das ſich ald Referve an der Eibe fammeln follte. Y. fah darin eine Zurüdfegumg
und bat um feinen Abfchied, welchen ihm ber König aber erfi nach dem Frieden und mehrmals
wieberhoftem Geſuch bewilligte. Der Feldzug von 1815 entrif ihm noch feinen älteften Sohn,
welcher bei Verſailles todtlich verwundet fiel. Geitbem lebte er zurückgezogen in Schlefien. Am
5. Mai 1821 ernannte ihn der König noch zum Feldmarſchall, welche Charaktererhöhung er
bei feiner Verabſchiedung abgelehnt hatte. Er ftarb 3. Det. 1821, dem Tage von Wartenburg,
zu Klein ⸗ Ols. Vgl. Seydlig, „Tagebuch des preuß. Armeecorps im Feldzuge 1812” (Berl.
41823), und vorzüglich Droyfen, „Das Leben des Feldmarſchalls Grafen Y. von Wartenburg”
(2. Aufl., 5 Bde. Berl. 1851; ohne Beilagen, 2 Bde. 1854).
onng (Arthur), verdienter engl landwirthſchaftlicher Schriftſteller, wurde 1744
zu London geboren und anfangs zum Kaufıkeunsftande beftimmt. Der Tod feiner Echwe-
fler, mie deren Manne er in Geſchäftsverbindung treten follte, veranlaßte ihn, fich dem
Bandbau zu widmen, ben er durd fein Beifpiel und feine Schriften raſtlos zu fordern
firebte. Er machte zu diefem Behufe auch Neifen durch alle Theile Englands, dur Ir⸗
land und auf dem Eontinent und theilte feine Beobachtungen in landwirthſchaftlicher Binficht
In Werken mit, die auch in Deutfchland Beifall fanden. Bei der 1793 geftifteten Ackerbauge⸗
ſellſchaft wurde er Secretär. Unter feinen zahlreichen Schriften find’ als die wichtigften hervor-
ubeben bie „Annals of agriculture” (40 Bde, 1784—1804), eine Beitfchrift, die ungemein
—8* gewirkt hat und an ber ſich König Georg III. perſönlich betheiligte; „The ſarmer's
guide” (2 Bde., 1770); vor allen aber feine Iandivirthfchaftlichen Reifen: „The farmer's tour
through the East of England” (4 Bde, 1771); „A six months tour through the North of
England“ (4 Bbe., 1770); „A six weeks tour through the Southern counties of England
and Wales” (1768); „Tour in Ireland” (1780) ; „A farmer’s tour through France, Spain
and Italy” (2 Bde. 1791). Biele feiner Schriften find auch ind Deutfche überfegt. In feinen
legten Lebensjahren erblinbet, ſtarb er zu London 29. April 1820.
Young (Edward), engl. Dichter, geb. 1681 zu Upham in Hampſhire, wo fein Vater Neo
tot war, erhielt feine Erziehung in ber Weſtminſterſchule und widmete ſich Tpäter zu Orford
dem Studium ber Rechte. Er trat 1712 ins öffentliche Leben ein als Hofmann und Dichter.
Mit dem Herzog von Wharton ging er 1717 nach Irland und blieb deſſen Anhänger, bis der
Herzog ftarb. Da er in feiner Laufbahn wenig Hoffnung auf Beförderung fah, trat er, bereits
über 40 3. alt, in ben geiftlihen Stand, fchrieb ein Lobgedicht auf den König und wurde dafür
Kaplan Georg’s6 IL. Im 3.1750 erhielt er die Pfarrei zu Wetwyn in Hertforbfhire, mo er
bis zu feinem Tode vergebens auf Beförderung hoffte. Er verheirathere fich hier, verlor aber
feine Frau und feine beiden Stieflinder bald nacheinander, und dies veranlaßte ihn, feine berühme
ten „Night-thoughts” (2ond. 41741 und öfter) zu ſchreiben, ein Gedicht, auf welches fein Ruf
hauptfächlich ſich gründet. Das Werk bat keinen Zufammenhang und jedes ber neun Bücher,
aus denen es befteht, ift unabhängig von den andern. Die Sprache iſt geſucht; Witz auf
ber einen Seite, Schwulft auf der andern berühren oft unangenehm. Dazu fomnıt noch der
Begenfag zwifchen den Schriften und dem Leben Y.’6, der zweifeln läßt, ob ber Dichter auch
fühlte, wie er ſchrieb. Dec if} nicht zu Teugnen, daß die „Night-thoughts” viele treffliche Stel⸗
len enthalten, in denen wahres Gefühl und Ungekünftelcheit des Ausdrucks herrſchen. Außer
dem fchrieb Y. noch einige unbedeutende Trauerfpiele und eine Satire über bie „Universal pas-
sion, the love of fame”. Er farb 12. April 1765. In Deutfchland fand Y. durch Ebert's
Überfegung (5 Bde. Braunſchw. 1769— 71; 2. Aufl., 1790—95) Eingang ımd lange Zeit
bindurch zahlreiche Verehrer. Neuere Überfegungen beforgten Benzel- Stemau (Ff. 1825),
Schmidt (Dresd. 1825) und Elife von Hohenhaufen (Kaſſ. 1844).
Young (Thom.), engl. Gelehrter, geb. 13. Juni 1773 zu Milverton in Somerfetfhire,
erbielt feine Bildung zu Briſtol, feit 1782 zu Compton, wo er außer den claffifchen Sprachen
befonders Mathematik trieb und bereits Botanik und Optik zu fludiren begann. Eine hebr. Bi⸗
bel gab ihm DVeranlaffung, fich den orient. Sprachen zu widmen. Seit 1791 trat er als Schrifte
ſteller auf, indem er für Zeitfchriften Gegenftände der Philologie und Naturwiffenfchaften bear»
beitete. Dann fludirte er Medicin zu London und feit 1794 zu Edinburg, wurte Mitglied der
Royal Seciety in Folge feiner Abhandlungen über das Sehen und bie Kryftalllinfe bes Auges
Gonn.-Ler. Zehute Aufl, XV. 2, 27
418 Ipern Ipfilantis
und ging dann 1795 nach Göttingen, wo er promovirte und ſich mit deutſcher Sprache und i-
‚ teratur bekannt machte. Hierauf lebte er als Felkow in Cambridge, ließ fich jeboch bald ale Arzt
in London nieder, übernahm auch die Profeffur der Naturwiſſenſchaften an der Royal Institu-
tion, die er jedoch 1804 wieder aufgab, um ſich ganz ber Arzneikunde zu wibmen. Zahlreiche
naturwiffenfchaftiiche und mathematifhe Schriften erfchienen von ihm, unter benen die vorzüg-
lichſten: „A syllabus of a course of a natural and experimental philosophy” (2ond. 1802),
worin er zuerft eine Erflärung der wichtigften Phänomene des Sehens gab und das Befeg von
der Interferenz des Lichts aufſtellte; ferner „A course of lectures on natural philosophy and
the mechanical arts” (2 Bde., Lond. 1807), fen Hauptwerk, und „Elementary illustration
of the celestial mechanics of Laplace” (Xond. 1821). Bon 1819—29 gab er außerdem ben
‚„Nautical almanac” heraus. Zugleich wendete er in diefer Zeit feine Aufmerkſamkeit wieder
ber Sprache und namentlich der ägypfifchen zu. Einige Papyrusrollen, die er 1814 erhielt, und
bie Rofettefche Infchrift veranlaßten ihn, 1845 feine „Remarks on Egyptian papyri and on
the inscription of Rosetta” herauszugeben. Beine wichtigften Schriften nach biefer Seite find
„Account of some recent discoveries in bierogiyphical literature” (2ond. 1823) und
„Beyptian dictionary” (Xond. 1829). Eine Reife nad Genf, die er 1828 unternahm, um
feine Kräfte wiederherzuftellen, blieb ohne Erfolg ; nach London zurückgekehrt, flard er 10. Mai
1829. gl. „Memoirs of the life of Thom. Y.” (2ond. 1831).
Ypern (Ypres), Stadt und Keftung in der belg. Provinz Meftflandern, am Yperle, mit
17975 €., hat bedeutende Spigen-, Leinwand: und Wollenfabriken, eine Hanbelöfammer und
ein Gymnaſium und ift durch einen Kanal mit Brügge, Dftende und Nieuport verbunden. Die
bemerkenswertheſten Gebäude der Stadt find die ftattlichen Tuchhallen in reichem goth. Stil,
1342 begonnen, jegt als Rathhaus und für mehre andere öffentliche Anftalten vermenbet ; bie
St.Martinskirche (ehemalige Kathedrale) aus dem 13. Jahrh. und die reich geſchmückte Saflel-
lanei. Als Bifhof von Y. ift berühmt geworben der 1683 verftorbene Janſen (f. d.), Stifter
der nach ihm benannten Sekte der Sanfeniften.
Ypey (Annäus), hol. Theolog, geb. 17. Sept. 1760 in ber Provinz Friesland, erhielt feine
wiſſenſchaftliche Bildung auf der Univerfität zu Franeker und war dann Prebiger bei mehren
ref. Gemeinden. Als Schriftfteller fchon vortheilhaft bekannt, wurde er 1799 Profeffor der
Kichengefchichte zu Harderwift und 1813 in gleicher Eigenfchaft nach Gröningen berufen.
Unter feine verdienftlichften Schriften find zu rechnen: die „Riterargefchichte ber Dogmatik
(5 Bde., Harlem 1793—98), die „Geschiedenis van de christelijke kerk in de 18. eeuw”
und die Reformationsgeſchichte: „Beknopte geschiedenis van de hervorming” (®rön. 1817);
auch hatte Y. den Hauptantheil an dem ausgezeichneten Werke „Geschiedenis van de neder-
landsche hervormede kerk” (4 Bde., Grön. 1820— 27). Zum ZJubelfefte der Augsburgi⸗
fhen Confeſſion fchrieb er den „Historisch berigt van de overgave van de augsburgsche ge-
loofsbelijdenis” (Grön. 1830). Auch verfaßte er eine, Geſchichte des Patronatsrechts“ (Grün.
1829). Übrigens war 9. einer der gründlichften Kenner der hol. Sprache, wie dies feine „Be-
knopte geschiedenis der nederlandsche taal’ (UÜtr. 1812; 2. Aufl., Grön. 1832) bemeifl.
Hofllantis ift der Name einer alten, reichen und vielfach ausgezeichneten Kanariotenfami
lie, welche ihren Urfprung bis auf das Kaiferhaus der Komnenen zutüdführt. — Athanaſtot
V., der Urgroßvater der durch die griech. Nevolution von 4821 berühmt gewordenen beiden
Brüber Alerander und Dinitrios Y., lebte zu Anfange bes 18. Jahrh. und fland bei dem da-
maligen Sultan in großem Anfehen. Sein Sohn, Alexander VY., erbte die Gunſt der Pforte,
ward zuerft Pfortenbolmetfcher und dann Hospodar ber Walachei, ber ex ein Gefegbuch gab.
Nach fieben Jahren legte er feine Stelle freiwillig nieder, warb aber kurz vor dem Autbruche
bed öffe.-ruff.-türt. Kriegs 1790 zum zweiten male zum Hobpodor der Walachei ernannt. Er
ließ fich jedoch als Gefangener nach Brünn abführen, wo er bis nach dem Frieden von Jaſſy
1792 fi) aufhielt. Nach feiner Rückkehr nach Konftantinopel arbeitete er Tängere Zeit an der
Ausführung des Plans, die Domanen mit ben Griechen zu verſchmelzen und fo ein neueh,
vollfräftige® Volk zu bilden; allein er ward dadurch ber Pforte verdächtig, bie dafür über den
mehr als 80jährigen Greis einen qualvollen Tod 1805 verhängte. Sein Sohn, Konſtantin
B., zeichnete fich durch geiflige Anlagen und eine glühende Freiheitsliebe aus. Er faßte früf-
zeitig den Entſchluß, Griechenland mit 8000 Soldaten zu befreien; allein die Sache warb ent:
deckt und er fa fich gezwungen, nad Wien zu fliehen. Nachdem fein Vater bie Berzeihung der
Pforte für ihn erlangt hatte, kehrte er nach Konftantinopel zurück, wo er ben ernftern Studien
auf eine Weiſe ſich widmete, daß er bald für einen der gelehrteften Kanarioten galt. Er wart |
Yrfllantis | 419
hierauf erſt Pfortendolmetſcher, 1799 Hospodar ber Moldau und bald darauf der Walachei.
As er 1805 diefer Stelle durch einen Machtſpruch ber Pforte entfegt worden war, ging
er nach Peteröburg, kehrte aber, da es bald nachher zum Kriege zwiſchen Rußland und der
Türkei kam, 1806 an der Spige von 20000 Ruſſen nach Bukareſcht zurück, wo er ein griech.
Freicorps bildete, die Serbier aufmwiegelte und abermals den Plan faßte, Griechenland zu ber
freien. Der Friede von Tilſit nöthigte ihn, feine Abfichten aufzugeben und fich nach Kiew zurück
zuziehen, wo er 1816 flarb. Er hinterließ fünf Schne: Alerander, Dimitrios, Georg, Nikolaos
und Gregor, von denen jedoch nur die beiden erftern in der Geſchichte ihres Vaterlandes fich be»
fonder& ausgezeichnet Haben. — Alexander 9., geb. 1792, folgte feinem Vater 1805 nach Per
teröburg und trat 1809 als Dffizier in die kaiſerl. Garde zu Pferde. Im ruff.-franz. Kriege
gen 1812 ward er in Folge eines gegen die Sranzofen in Polock mit Kühnheit ausgeführten
berfalls Major bei den grobnoer Hufaren und machte als ſolcher ben Feldzug in Deutich-
land mit, in welchem er bei Dresden 27. Aug. 1813 durch einen Kartätſchenſchuß die rechte
Hand verlor. Später ward er Oberft und Adfutant des Kaiferd Alerander und 1817 erhielt ex
den Grad als Generalmajor und dad Kommando einer Bufarenbrigade. Zu jener Zeit hatten
die Plane ber Hetärie (.d.) zur Befreiung Griechenlands bereits eine beflimmtere Ausbildung
und Erweiterung gewonnen, und nachdem Kapodiſtrias die von Seiten der Hetärie auf ihn gefal«
lene Wahl eines Anführers der Griechen abgelehnt hatte, nahm Y. das Anerbieten ber Hetä-
riften, an ihre Spige zu treten, nach einigen Schwanken an. Der Tod des Hospobdars ber Wa⸗
lachei, Alexander Sugos, im Febr. 1821, brachte in den Donaufürftenthümern den Aufftand
der Griechen zum Ausbruch (f. Griechenland); dagegen vernichtete die Schlacht bei Draga⸗
{han 19. Juni 1821 eine jede Hoffnung ber Hetäriften, und Y. mußte an feine perfönliche
Sicherheit denken, die er in Oftreich fuchte und fand. Er ward darauf theild in Munkacz in
Ungarn, theild vom Aug. 1823 an in Therefienftadt in Böhmen gefangen gehalten, und als er
im Herbſt 1827 durch Vermittelung bes Kaifers Nikolaus die Freiheit erhielt, war feine Ge-
ſundheit bereits fo angegriffen, daß er 31. San. 1828 in Wien ftarb. — Dimitrios Y., des Vo⸗
tigen Bruder, geb. 1793, offenbarte ſchon früh befondere Vorzüge des Geiſtes und Charakters.
In ruff. Kriegsdienſten that er “vorzüglich in Feldzuge von 1814 fi hervor. Von den been
feines Vaters über die Befreiung Griechenlands ergriffen und mit feinem Bruder in die Plane
der Detärie eingeweiht, übernahm er im Frühjahre 1821 die Sendung, im Namen feines Bru-
ders an die Spige des Aufftandes in Griechenland fich felbft zu flellen, der bereits im April in
Morea ausgebrochen war, und landete im Juni auf Hydra. Die von ihm der dortigen Negie-
rung vorgefchlagene Conſtitution, welche ihm den Oberbefehl über die bewaffnete Macht ver-
ſchaffen follte, ward verworfen. Überhaupt trat er von Anfang an zu fehr mit egoiftifchen An-
fprüchen auf, wobei er auf die Unterflügung Rußlands ſich bezog, und verfeindete fich frühzeitig
mit ben Primaten und mit der Partei des Maurokordatoß, fobaß er nahe daran war, Griechen»
land zu verlaffen. Er ließ ſich jedoch zur fernen Theilnahme am Kampfe beftimmen und über-
nahm das Conmando bed Belagerungscorps vor Tripolizza, welche Etadt die Griechen im
Detober mit Sturm nahmen. Bei einem Verfuche, Napoli di Romania ebenfalls zu nehmen,
ben er im December machte, ward ex mit bedeutendem Verlufte zurüdgefchlagen. Diefer Un⸗
fall und die Machinationen der Gegenpartei unter Maurokordatos ſchwaͤchten feinen politifchen
Einfluß, und er fand fich, ald er deffelben durch bie auf der Nationalverfammlung in Epibau-
808 im Jan. 1822 eingetretene Organifation, wobei er zwar zum Präfidenten bed Geſetzgeben⸗
den Körpers ernannt worden war, fich gänzlich beraubt fah, dadurch veranlaßt, der Militärpar-
tei unter Kolokotronis näher zu treten. Nachdem er gegen Ende Januar Akrokorinth in feine
Gewalt bekommen hatte, ging er im März mit einem Meinen Hülfscorps über ben Iſthmus,
um Odyſſeus zu verftärten, ber damals in den Thermopylen ftand. Allein auch hier erlangte
er in feinen Unternehmungen auf Euboa und Theffalten keine befondern Erfolge und wendete
ſich daher nach dem Peloponnes zurüd. Als im Zuli Dram- Ali mit einer bedeutenden Deered-
macht in die Halbinfel eingedrungen war und die Regierung vor ihm feig ſich zurückgezogen
hatte, befegte Y. die Eitadelle von Argos, hielt hier mit feltener Kühnheit ben Feind auf und gab
dadurch den griech. Heerführern Gelegenheit, die gänzliche Vernichtung des türk. Heeres in den
Engpäffen zwiſchen Argos und Korinth, die im Auguſt flattfand und an welcher Y. Antheil
nahm, herbeizuführen. Gleichwol mislang fein Verfuch, der Militärpartei die Oberhand zu ver-
ſchaffen, auch auf der zweiten Nationalverfammlung in Aſtros im Frühjahr 1825, weshalb er
nunmehr gänzlich von den öffentlichen Gefchäften und nach Tripolizza fi arihes. Seitdem
4% Yrlarte Ganacio) Yfel
nahm er an biefen Befchäften einen dauernden Antheil und trat nur In entfhelbenden Me⸗
menten hervor. So namentlih im Juni 1825, ale er bei den Müblen von Lerna dem
Giegeblaufe des Ibrahim⸗Paſcha mit ebenfo viel Kühnheit und Entfchiedenheit als Glück
.entgegentrat, und im Sommer 1826, als bie engl. Partei die Unterwerfung Griechenlands
ımter dad Protectorat Großbritanniens beabfichtigte und er gegen einen ſolchen Schritt
entfchieden proteftirte. Erſt nach der Ankunft des Präfidenten Kapodiftriad im Jan. 18328
trat Y. wieder dauernd auf den Schauplag ber öffentlichen Angelegenheiten. Er übernahm dem
Oberbefehl über bie Truppen in Oftgriechenfand, wurde jebody hierbei von ber Regierung zu
wenig unterftügt, und die ungeſchickte Weiſe, wie Auguftin Kapodiſtrias ald Generalinfpector
ber Truppen in die Militärangelegenheiten eingriff, verſtimmte ihn fo, daß er 1. San. 1830
feine Entlaffung einreichte. Auch nach der Ermordung des Präfidenten im Dct. 1831 blieb er
ruhiger Beobachter der Ereigniffe, und nur als nach der Flucht des Auguftin Kapodiftrias im
April 1852 eine Ausgleihung der Parteigerrvürfniffe durch die Wahl einer aus ſieben Mit-
gliedern beftehenden Negierungscommiffton verfucht ward, trat Y. auf Kolettis’ Betrieb in die
felbe ein. Er ftarb im Sommer 1832.
Yriarte (Ignacio), der berühnitefte fpan. Landſchaftsmaler, geb. 1620 in der Provinz
Guipuztoa, erlernte bie Malerei bei dem ältern Herrera zu Sevilla. Da er aber fein Talent für
Figurenzeichnung hatte, widmete er fich der Landſchaft und zwar mit fo viel Glück, dag Murillo
zu fagen pflegte, Y. male die Kanbfchaften fo fchön, daß man an eine Infpiration glauben müffe.
Die fpan. und ausländifhen Sammlungen find reich an Werken von ihm; er ift ein Maler von
Phantaſie; feine Compoſitionen find von großen und gewaltigen Formen; feine Beleuchtung
hat etwas Magifches und feine Behandlung ift mehr genial als forgfältig. Seine Landfchaften
ohne Figuren, diejenigen ausgenommen, welche Murillo ftaffirt hat, ftehen viel höher im Werthe
als die mit Figuren. Er ftarb zu Sevilla 1685.
tiarte, f. Iriarte. |
fenburg, f. Iſenburg.
op, gebräuchlicher Hyssopus offieinalis, eine Pflanze aus der Familie der Lippenblütler,
mit 1/18. hohem, halbſtrauchigem, oben vierfeitigem Stengel, Tanzettigen Blättern und blauem,
rörhlichen oder weißen Blüten, die in einer aus Trugdöldchen gebildeten Traube ſtehen. Er
wädhft auf formigen Stellen in Südeuropa und auf den öftreichifchen Alpen, wird auch Häufig
in Gärten: cultivirt, da bie getrodnete Pflanze nicht nur als Küchengewürz, ſondern auch als
Heilmittel bei Bruſtkrankheiten gebräuchlich iſt. Man fchneidet fie zu diefem Zwecke vor dem
Aufblühen ein mal im Juni, die ſpätern Triebe nochmals im Auguft ab.
Yifel oder Iiffel heißen verſchiedene Gewäſſer im Königreich der Niederlande. Die Mieumw-
fiel, ein kanaliſirter Arm des Rhein in der Provinz Geldern, der von Drufus gegrabenen
Fossa Drusiana entſprechend, führt aus dem Rhein nahe oberhalb Arnheim 3'/. M. norbofl-
wärıs nach Doesburg, mo er ſich mit der Dude ˖ UIſſel vereinigt, welche, deutfch ſchlechthin Iſſel
genannt, aus der preuß. Provinz Weftfalen kommt, daſelbſt über Iſſelburg und Anholt flieht,
dann nach Geldern übertritt und wenig fchiffbar ifl. Das vereinigte Waſſer, im Mittelalter
Sala ober Iſala genannt, wendet fih in dem urfprünglichen Beit des untern Zaufs der Alten
Uſſel unter dem Namen Dverpffel ober Sffelftrom norbwärts über Zütphen und Deventer,
bildet von da an die Grenze zwifchen Geldern und der Provinz Overyſſel und geht nach einem
Laufe von 12 M. weſtlich von Zwolle, bei Rampen, mit mehren Armen und einem fich flet6 er»
weiternden Delta in die Zuiderfee, nachdem fie rechts aus Weſtfalen die Berkel, hol. Borkel,
und die Schip⸗ Bach oder Schip-Beek aufgenommen hat. Die Yffel bildet einen der fünf Haupt
mündungsarme des Rhein, ift bei Zütphen über 300, bei Kampen über 700 F. breit und wird
von Meinen Seefchiffen und von Danıpfbooten befahren. Die Rederyſſel, auch Kleine oder
Holländifche Yſſel genannt, ift ein ſchiffbarer Arm des Led, welcher von diefem bei Vianen fich
abzmeigt, weftwärts durch die Provinz Utrecht über Aſſelſtein und Montfoort, dann durch die
Provinz Sudholland über Dudewater nach Gouda, zulegt füdwärts in die Maas, oberhalb
Notterdam und gegenüber der Infel Yſſelmonde, mündet, von Gouda an gegen Norden durch
den Goudakanal mit dem Alten Rhein, oberhalb Gouda gegen Sübdoften durch dad BTiet mit
dem Led bei Schoonhoven verbunden ift. Won der erfigenannten Yffel hat die niederl. Provinz
Overyſſel ihren Namen, welcher zur Zeit der franz. Herrfchaft da8 Depart. Yffelmündungen
entſprach. Diefe Provinz zählte (1. San. 1853) auf 60% AM. 227683 E. und if eine weite
Ebene, die nur in der Mitte von geringen Hügeln unterbrochen wird, vorwaltend, befonder® im
öftlichen Theile, aus Moor- und Daideland befteht, im Weften aber, gegen die Yffel hin, Frucht»
Iſtad Yucatän | 2 -
baren, getreibereichen Marſchboden hat. Vieh⸗ umb Bienenzucht, Torfſtich und zum Theil
Ackerbau find die Hauptbeichäftigungen der Bewohner, Fabrikthaͤtigkeit ift von untergeorbneter
Bebentung. Die Hauptftabt ift Zwolle (ſ. d.). Außerdem find bemerkenswerth die Städte De-
venter (f.d.), Rampen (f.d.), Ommen mit der benachbarten Straf- und Bettlercolonie Onimer-
ſchans oder Ommenfchanz (f. Frederiksoord); Vollenhoven an der Zuiderfer, mit 4000 E.,
Handel, Schiffahrt und Kartunfabrikation; Almelo an der Vechte, mit dem Nefidenzichloffe
des Grafen Rechtern-Rinipurg, einem Gymnaſium und 7000 E., meift Mennoniten, die Ger-
bereien, Schmieden, Kattunfabriten, befonders aber Reinwandweberei und Bleichen unterhalten
und jährlich etwa 14000 Stud Leinwand zur Ausfuhr bringen; Enfchede mir 6000 E., einem
Gymnaſium, Färberei, Bleichen, lebhaften Leinwandgewerbe, Baumwollenfpinnerei und Kate
tunfabrikation, und die zwei wohlhabenden Fabrikdörfer Hengelo und Boome.
Iſtad, eine Stapelftadt an der Südküfte Schwedens, in dem zur alten Provinz Schonen ge⸗
börigen Malmo-Län, ift unregelmäßig gebaut, hat einen neuen und einen Heinen alten Hafen,
einen fhönen Marktplag, zwei Kirchen, ein Rathhaus und Kafernen, zählt 5000 E., unterhält
Fabriken in Taback, Eichorien, Zuder, Seife, Tuch, Leder und Wagen, treibt Dandel und
Schiffahrt und ſteht vom April bi November durch regelmäßige Dampffchiffahrt in Verbin.
dung mit Stockholm, Bornholm, Lübed und Stralfund. Y. wird fchon feit dem 10. Jahrh. er»
wähnt, hatte ehemals ein feftes Schloß, erhielt 4267 die Sranciscanerfirche, warb 1368 von
König Albrecht von Schweden gegen die Dänen erobert, 1569 von ben Schweden gebranb-
ſchatzt und 1676 und 1677 von den Dänen eingenommen.
Ytrium heißt ein einfacher metallifcher Körper. Der Schwede Babolin entdedte 1794 in
einem Mineral, nad) ihm Gadolinit genannt, eine eigenthünliche Erde, bie Yttererde, aus wel
her das Yttrium in Geftalt metallglängender Schuppen abgefchieden wurde. Später ergab fich,
daß das Yttrium nicht ein einziges Metall, fondern ein Gemenge mehrer Metalle fei, nämlich
des eigentlichen Uttriums, deſſen Eigenfchaften noch nicht gehörig ſtudirt find, des Terbiums
(f. d.) und des Erbiums (f. b.).
Yucatän, eine Halbinfel, die in Geftalt eines länglichen Rechtecks auf ber Norbfeite von
Mittelamerika vorfpringt, wird im IB. von der Campechebai des Mericanifchen Golfs, im N.
auf einer Strecke von 64 M. von legterm, im D. von ber Hondurasbai des Antillenmeers,
welches durch den zwiſchen dem Gap Catoche und der Infel Cuba nur 30 M. breiten Kanal
von Yucatan mit dem Golf zufammenhängt, begrenzt, hat ein Areal von etwa 4000 QM. und
umfaßt, außer dem brit. Holzdiſtrict Honduras (ſ. d.) ober Baltze im SO., einem Theile des zu
Guatemala gehörigen Departements Berapaz im S. und heilen ber merican. Staaten Chiapa
und Tabasco im SW., die politifch gleichfalls zu Mexico gerechnete Republik Yucatan. Diefe
nimmt etwa der Halbinfel ein, indem fie ein Areal von ZEI0AM. umfaßt. Gegen Britifch-
Donduras macht ber Rio Hondo, gegen Tabasco der Rio Paicutun die Grenze. Die Ober-
fläche ift im Allgemeinen eben und flach und wird bei einer abfoluten Höhe von etwa 100 $.
nur don einer niedrigen Hügelfette, der fogenannten Sierra de Yucatarı, durchzogen, die vom
Piateau von Peten oder Verapaz ausgeht, in ihrer nordnorböftlichen Richtung immer niedriger
wird, flellenweife, wie bei Tecax, noch 300 $. hoch ift, endlich fich zu einer bloßen Waldhoͤhe
verflacht, bis fie bei dem Gap Gatoche in bie Fluten des Golfs taucht. Die Küften find niedrig,
flach, ringe von Sandbänten umgeben, im W, abgefehen von der Laguna de Terminos, und
im N. wenig eingefchnitten, im D. dagegen zerriffen, zu mehren Baien eingebuchtet, unter
denen die Baya de la Afcenfion, bei Espiritu Santo, de Bacalar die wichtigfien find. Unter
den Küfteninfeln ift Cozumel im D. die größte. Im Innern herrſcht Waflermangel; dort .
gibt es keinen Fluß, keine Süßwaſſerquellen, nur einen einzigen See, ven Chichancanab im
Diftriet Tecax, der mehre Meilen lang ift, aber bitterfalziged Waſſer enthält, das in bie
Baya be la Afcenfion abfließt. Küftenflüffe gibt es in ziemlicher Menge, aber alle find fehr un-
bedeutend. Die größten find der Ris Hondo oder Rio Grande an der Südoſtgrenze, im W.
der Champotoͤn und ber San⸗Francisco, befien Mündung den Hafen von Campeche bildet, und
der Bolina im NO. Sowol wegen feiner Lage zwiſchen 17° A8’ und 21° 35’ n. Br. ald auch
wegen feiner geringen Erhebung und feines waflerarmen, fteinigen, großentheils aus Kalk und
Korallen beftchenden Bodens iſt Y.s Klima außerordentlich heiß, doch gilt es wegen feiner
Zrodenheit im Allgemeinen für ein gefundes; nur an der Küfte kommt das Gelbe Fieber vor
und während der Regenzeit treten Wechſel⸗ und biliöfe Fieber häufig und gefährlich auf. Zwi⸗
ſchen Anfang October bis Ende Februar flürzgen Tropenregen in Strömen herab, werben aber
von dem Sanb- und Felfenboden begierig aufgenommen; in ber darauffolgenden Trockenheit
422 Yucatän
"glänzt der heiterfte Himmel, bie Hige wird durch die Seewinde und bie dichten Waͤlder einiger»
maßen gemildert, verwandelt aber das Rand oft mellenweit in eine völlig verbörrte Wüſtenei
Außer Maid und in den feuchtern Gegenden Reis gedeihen keine europ. Gerealien, auch nur
wenige europ. Gemüfe, dagegen alle Kropenfrüdhte, von Handelögewächfen namentlic, Taback,
Baunmolle, Yiment, Cacao, Indigo und Jenoquen, d. i. eine Agavenart, deren Fafern zur
Verfertigung von Seilerwaaren, Säden und Matten benugt werben. Allein bei der nur fehr be»
ſchraͤnkten Cultur des Bodens ift der Gewinn von Golonialproducten im Ganzen nur gering.
Den größten Reichtum des Landes bilden die ausgebehnten Waldungen. Diele liefern alle
Arten Hölzer für Kunfttifchlerei, Zimmermannsarbeiten und den Schiffsbau, faft alle Farb⸗
hölger des europ. Handels, namentlich Mahagoni und Campecheholz; außerdem den Gopaiva-
und Tolubaum, welche befannte Balfamarten geben, den Guafac- und Ambrabaum, Tama⸗
rinden, Saffafras u. ſ. w. Wegen fehlender Wieſen und, Weiden ift der Beftand an Haus⸗
thieren gering; nur das Schwein ift in Überfluß vorhanden. Stachelloſe Bienen liefern
koͤſtlichen Honig und Wachs in Fülle. Metalle finden fi) nirgends im Staate Y. An der Küfle
fchlemmt man Sal; und fammelt viel graue Amıbra. Die Küftenfifcherei ift unendlich ergie
big. Die Zahl der Bewohner (Yucatecos) wurde vor dem 3. 1833, in welchem die Cholera
furchtbare Verheerungen anrichtete, auf 530000, 1845 nur auf 504655 angegeben und fol
ſich jest auf 580000 belaufen. Fünf Sechstel derfelben find reine Indianer, die übrigen Weiße,
Neger und beſonders Mifchlinge. Die Indianer, die großentheils in den fühlihen Wäldern
unabhängig leben und noch Heiden find, gehören einem einzigen Stanıme an. Sie ſprechen die
Mayafprache und werben als wahre Abkömmlinge der Tolteken betrachtet. Nur in den Um-
gebungen der Städte verftehen fie die ſpan. Sprache. Von dem frühern Kunft- und Hausfleiß,
ben die fpan. Conquiſtadoren hier vorfanden, hat fich wenig auf die jegigen Bewohner vererbt.
Überhaupt befchränkt fih der Kunftfleif der Yucatecos hauptſächlich auf Gewebe von Baum-
wolle, Wolle und Pita, auf Bertigung irdener Gefäße, Flechtwerk aus Palmblärtern und
Agavefafern und auf Salzſchlemmerei. Der Handel ift ungeachtet der günftigen Lage des Lan-
des und bes Reichthums an Hanbdelöproducten ebenfalls nur unbedeutend. Aus ben vier be»
beutendern Häfen Campeche, Sifal, Carmen ımd Bacalar werden vorzüglich ausgeführt Jeno⸗
auen- oder Siſalhanf, Säcke, Stride, Hängematten aus demfelben Hanf, Palnıhüte, Blauholz,
Blauholzertract, Kopal, Maid, Reis, Bohnen, Dchfen- und Hirfehhäute, getrocknetes Fleiſch,
Fiſche (Pampanos), Salz, Honig und Wachs, auch Cocosnüffe, Eitronen und andere Süd⸗
früchte, geprägtes Silber, einige Goldarbeiten aus Campeche. Im 3.1845 liefen nach merican.
Häfen 189, nady fremden 541, zufammen 730 Schiffe von 54562 Tonnen Gehalt aus; die
Ausfuhr hatte nach erftern den Werth von 160293, nad, Iegtern von 498064, im Ganzen
von 658557 Doll. ; die Einfuhr aus ausländifchen Häfen hatte ben Geldwerth von 50000,
aus Mmländifchen von 1 DIH., im Ganzen von 1,050000 Doll. Die Totaleinfünfte des Gtaats
beliefen fid) 1847 auf 408640, die Ausgaben auf 612032 Doll. Das Land zerfiel 1845 in
die Diftricte Meriva, Yyamal, Valladolid, Tecar und Campeche. Die Hauptftadt Weride,
Sig der Regierung und bes Biſchofs von Y., 1542 gegründet und 25000 €. zählend, in einer
fteinigen Ebene, 6 M. von der Küfte gelegen, ift regelmäßig und gut gebaut und hat 15 Kirchen,
darunter die 1598 vollendete prachtvolle Kathedrale. Bei legterer befindet fich ein Collegium und
ein Seminar, wie mit der Kirche San⸗Francisco ein Hospital verbunden ift. Fabriken bat bie
Stadt gar Feine und auch ald Handelöplag ift e8 mit feinem Hafen Siſal oder Sizal von weit
geringerer Bedeutung als Campeche (f. d.), zu deſſen Diſtriet die Infel Carmen mit ihrem
Marktflecken und Eingangshafen Laguna gehört. Valladolid am Mio Bolina, mit 4000 €.,
Yyamal oder Ifamal und Tecar find die drei übrigen Städte bes Landes ; zu dem Diftrict ber
legten gehört der Flecken und Militärpoften Bacalar oder San-Belipe be Bacalar, auch Gala-
manca genannt.
Großes Intereffe Haben in neuerer Zeit Y.E zahlreihe Nuinen alter Bauwerke und Städte
erwedt, welche die Maya - Indianer Xlapakh (alte Mauern) nennen. Am berlihmteften find
die füdmweflfich von Merida, unmeit der Hacienda Urmal gelegenen. Außer diefen werden
noch viele andere Bauptgruppen von Ruinen genannt, wie bie von Chichen oder Tſchit ⸗
fhen-Iga, Tulum, Zayi, Chunjufu, Labnaͤ, Kabah, Becanchen und Iturbide, melde
ſämmtlich in Bauart und Verzierungen durchaus conftante Analogie zeigen. Es find dies echte
Denkmäler toltelifher Baukunſt, Werke der alten Macequales, von einem Alter von etwa
800 J. aus ber Zeit, wo eine bedeutende Coloniſirung Y.s durch Die aus dem merican. Hedh-
lande Anahuac ausgewanberten Tolteken Rattfand. Ihr Verfall trat erſt nach der Ankunft ber
VYverdon 8
Gpanier ein. Einf Raub B. unter einem Ronarchen, ber zu Nayqpan refikizte und dam alle
andern Kaziten und Herxen des Landes uuterthänig usb ziusbar waren. Mit der Beit lehnten
ſich diefe gegen ihn auf und zerſtörten Mayapan um 1420 (oder 1452) n. Chr. Jeder Kazike
gründete fich nun ein eigenes Reich, welches einer gegen ben andern durch unaufbörliche Kämpfe
zu behaupten fuchen mußte. Solcher Reiche follen bei der Ankunft ber Spanier fieben geweſen
fein. Diefe betzaten zuerft 1506 unter Diaz be Solis und Pinzon des Landes Küften; um
1527 begann Franeisco be Montejo die Eroberung; um 1540 wurbe als erfte größere Nieder
laffung Gampeihe gegründet, 1541 unterwarf fich der legte Nachkomme der Herrſcher vom
Mayapan, Namens Zutul-Ziu, worauf feine Hauptſtadt Mani zerfiel; 1542 entſtand Merida
auf der Stelle und aus den Trümmern von Zihoo, 1560 ließ ſich der erfte Bifchof nieher. Die
Indianer, durch die Spanier, befonder& durch deren Geiſtlichkeit unter knechtiſche Botmäßigkeit
gebracht, ſanken ſowol da, wo fie fich unterwarfen und äußerlich das Chriſtenthum annahmen,
als in dem Innern bes Landes, in beffen Einoden und Waldungen fie ihre Unabhängigkeit und
ihren Gögendienft bis auf ben heutigen Tag bewahrt haben, nach und nad) in ihre jegige Ar»
muth und Uncultur, während ihre Vorfahren, wie ihre Bauwerke und ältere Nachrichten ſchlie⸗
Ben laffen, bereits eine verhälmigmäßig hohe Stufe der Eivilifation erreicht hatten. Unter der
fpan. Herrfchaft bildete Y. die Intendan, Merida des Königreichs Neufpanien oder Mexico
und trat nach der Freiwerdung unter feinem jegigen Namen ben merican. Staatenbunbe als
felbfländiges Glied bei. Es lag aber mit ber merican. Bundesregierung in beftändigen Streit.
Die durch Santa-Anna bedrohte Selbftändigkeit des Staats vermehrte bie Unzufriedenheit und _
hatte 1841 defien Ablöſung und Unabhängigkeitserflärung zur Folge. Y. nahm als felbftän-
dige Republif eine nach ben liberalften politifch-religiöfen und conımerciellen Principien ent
worfene Sonftitution an. Doch wurde die Unabhängigkeit Y.s von der merican. Regierung
nie anerfannt und fo berrfchte denn zwiſchen ihr und ber neuen Republik einige Jahre ein
dauernder Kriegezuftand, der um fo weniger zu einen Refultate führte, da Mexico zu fehr auf
andern Seiten befchäftigt war, al& daß es feine Anſprüche auf Y. geltend machen konnte. Nur
Zugeftändniffe gewiffer Vorrechte bewogen den abtrünnigen Freiſtaat zum Nüdtritt. In
dem Kriege Mericos mit den Bereinigten Staaten von Nordamerika gab bie Regierung von
Wafhington den Befehl, Y. ald neutrales Land zu behandeln, nahm ihn aber zurück, als beffen
Bevolkerung, von neu erwachten Patriotismus getrieben, mit Mepico wieder gemeinfaftliche
Sache machte. Allein 1850 brad) ein großes Unglüd über den Staat herein. Die Indianer,
angeblich weil fie eine höhere Kirchenabgabe als die Weißen zu zahlen hätten, nach Andern auf
geheime Anftiftung der Engländer, die auf eine Losreißung und Iſolirung 9.6, damit aber auf
ihr eigenes Schugrecht über das Land hinarbeiten follen, emporten ſich gegen bie Reifen und
erfochten bei den erften Angriffen nur zu blutige Xriumphe. Die merican. Negierung bot ver»
geblich allen Denen Verzeihung an, die ſich freiwillig unterwerfen würden. Anfänglich auf bie
Defenfive befchräntt, ſchritten die Weißen im folgenden Jahre zum Angriff und zwar mit allen
Ausficgten auf Sieg. Allein die politifchen Wirren in Mexico felbft, die im Det. 1855 einen
föderaliftifchen Aufftand zur Folge hatten,gaben den Indianern neue Stärke, und noch im Derbfle
1854 wüthete ber Vernichtungskrieg mit fleigender Erbitterung fort, der indeffen weniger ein
Racenkrieg als ein Bürgerkrieg zu nennen ift, da die Indianer von Y. feit der Unabhängigfeits-
erflärung Mexicos an dem politifchen, induftriellen und gefelligen Leben der Weißen Zheil ge
nommen und auch bis jegt mit ihnen im Frieden gelebt haben. Vgl. Cogolludo, „La historia
de V.“ (Mabr. 16875 2 Bde, Campeche und Merida 1842— 45) ; Villagutierre Sotomayor,
„Historia de la conquista de la privincia de Itza” u. ſ. w. (Mabr. 1701); Waldeck „Voyage
pittoresque et arch&ologique dans les provinces d’Y.” (Yar. 1838); Nebel, „Voyage pillo-
resque et arch&ologique dans le Mexico” (Par. 1840); Norman, „Bambles in Y.” (2. Aufl.
Reuyort 1844); Stephens, „Incidents of travel ia Central- America, Chiapas and Y.*
(2 Bde., Neuyork 1841 ; neu herausgeg. von Catherwood, Lond. 1854; deutſch von Hopfner,
£p5. 1854) ; Derfelbe, „Incidents of travel in V.“ (2 Bbde., Lond. 1843; deutfch von Meiß-
ner, 2 Bde, Lpz. 1854); Heller, „Reifen in Mexico 1845 — 48” (2pı. 1853).
Yverdon (Iverdun) oder Ifferten, das rom. Ebrodunum, eine wohlgebaute, gewerbfleifige
Stadt mit 3620 E. im ſchweizer. Canton Waadt, am Ausfluffe der Orbe in den fublichen
Theil bes Neuenburger Gerd. Das 1135 dur erzog Konrad von Zähringen erbaute und
1260 von Peter von Savoyen vergrößerte Schloß, Tpäter Sig ber berneriichen Landvoigte,
wurde 1805 von der Regierung dem berühmten Pädagogen Peſtalozzi (f. d.) zu feiner Erzie
hungsanftalt überlaffen. Außerdem find bier noch ein rühmlich bekanntes Köchterinflitut, eng
494 VYvetot Zabern
Kaubfiummenanftalt, mehre Armenanftalten, ein guted Gymnaͤſium und eine Bibliothek, die
auch bie in ber Umgegend gefundenen Alterthümer bewahrt. Schon im 18. Jahrh. erlangte Die
Stadt einigen literariſchen Ruf durch ben gelehrten neapolit. Buchhändler de Felice, der hier
Die große franz. „Encyclopedie” herausgab.
Yyetot, Städtchen in der Normandie, im jegigen Depart. Nieder-Seine, bildete mit einem
Meinen Landgebiet lange Zeit ein fonveränes Fürftenthum, im Munde bes Volkes das König-
reich von V. genannt. Der Sage nach hatte der fränk. König Ehlotar 537 feinen Lehnsmann
Falter von Yvetot in der Kirche zu Soiffons ermorbet und, um den Zorn bes Papftes, ber ihn
mit dem Bann bedrohte, zu fühnen, das Zehn von frank. Oberherrichaft befreit und zum Erb⸗
Tonigreich erhoben. Als letzter König von Y. wird Camille d' Albon genannt. Im J. 1681
ſprach das Parlament dem Ländchen die Souveränetät ab, erklärte e8 aber für ein freies Gut,
beffen Herren ſich Princes d’Yvetot ſchrieben und deſſen Bewohner von Auflagen befreit wa⸗
sen, ein Zuftand, ber bis zur Revolution dauerte. Bekannt ift es befonbers durch Beranger’s
anmutbiges 2ieb „Le roi d’Yvetot“,
8.
8, im griech. Alphabet ber fechöte, tm lat, deutſchen und allen abendländ. Alphabeten der letzte
Buchſtabe, wurde von den Griechen ald Schriftzeichen aus dem phöniz. Alphabet herüberge-
nommen, in welchem, wie im Hebräifchen, Syrifchen und Arabifchen, der entfprechende Bud
flabe Sain an der fech6ten Stelle fteht. In feiner älteften Form zeigte das griech. z viele Ahn⸗
lichkeit mit dem phoniz. und hebr. Schriftzeichen des Sain, welches, wie auch bie Bedeutung
diefe& Wortes befagt, die rohe Zeichnung eines Schwerts barftellte. Im Griechiſchen jeboch
erhielt das z theilmeile einen andern Lautwerth, indem es hier nicht einen weichen s⸗Laut (mie
noch heutigen Tags im Hrabifchen, Perfifhen und Türkifchen, wo es Engländer und Franzoſen
durch ihr z umfchreiben), fondern nach ben Angaben der Grammatiker ben Laut eines ds ober
sd vertrat und auch metrifch ſtets für einen Doppelconfonanten galt. Doch mögen bier dialel-
tiſche Verfchiedenheiten gewalter haben ; ficherlich war es in vielen Fällen wie im Neugriechiſchen
ein fäufelnder Laut, viel weicher und angenehmer als unfer z, welches bie Tpätern Griechen durch
36 zu umfchreiben pflegen. Bon den Griechen gelangte der Buchftabe erft ſpät zu den Romern,
wo er jedoch nur in Fremdwörtern gebraucht und dem Alphabet mit dem y als letzter Buchſtabe
angefügt wurde. Eine bebeutendere Rolle fpielt er in den roman. Sprachen, wo er meift für
einen s-taut gilt, und in den german. Sprachen. Im Gothifchen, wo er bie fiebente Stelle im
Alphabet einnimmt, findet er fih im Anlaut nur in Srembwörtern, im SInlaut und Auslaut
klang er wie 8, mit dem er auch alternirt. Im Hochdeutfchen ift z die Aſpirata der Zungenlaute
und theilt fich Hier in einen harten und einen weichen Laut, welche gegenwärtig in der Schrift
durch z und sz unterfhieden werden. Vermöge ber Lautverfchiebungsgefege entfpricht das hoch⸗
beutfche z (sz) faft immer einem gothifchen und fomit auch ſtandinaviſchen, angelfächfifchen und
nieberdeutfchen t, 3. B. hochdeutfch Zaun, niedberdeutfch und angelfächfifch tün (englifch town);
hochdeutfch gross, niederdeutfch grot u. ſ. w. Die Verboppelung des (harten) z wurbe in frü-
herer Zeit zumellen durch zz, gegenwärtig durch tz bezeichnet. Letzteres erfcheint für biefen Zweck
Thon im 9. Jahrh., wurde aber fpäter vielfach unnöthig, im 415. Jahrh. felbft im Anlaute ge
braucht. Für das einfache harte z ſchrieb man früher öfter c oder zc, um es von dem weichern z
zu unterfcheiden, das entweder durch daſſelbe Zeichen wie das harte, oder durch ein geſchwänztes
z (maß in neuerer Zeit Grimm in feinen grammatifchen Schriften wieder eingeführt hat), oder
durch zz ausgebrüdt wurde, bis fich dafür, jedoch unter mancherlei orthographiſchen Echwan-
kungen und Misbräuchen, das sz dafür feftfegte. (Vgl. den Artikel über den Buchſtaben S.)
aar, f. Sar.
aardam, f. Saardam.
abern heißen drei Städte auf ber mweftlichen Seite des Oberrhein, zwei beutfche und eine
feanzöfifche, die beiden erftern in bem bair. Kreife Pfalz, nämlich Bergzabern (. d.) am Erl⸗
ober Erlenbach und Rheinzabern (bei den Römern Tabernae), 3 M. öftliher, an bemfelden
Bad, mit wenig mehr als 2000 E., bekannt durch die dort und hei dem 4 M. füdficher gefe
ggmen Dorfe Jokgrin oder Jockgrin 3. Mai, 29. Juni und 20. Aug. 1795 von den —*
— — — — — .- 2
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Babier Zaeatecas 435
den Franzofen gelieferten Gefechte. Im Gegenfag zu ihnen heißt Elſaß⸗Sabern die einft eben⸗
falls deutfche Stadt Zabern, franz. Baverne (bei ben Nõmern Tabernae oder Tres Tabernae),
im Depyart. Niederrhein, Hauptort eines Arrondiffements, an der in den Rhein fließenden Zorn,
an der Paris-Strasburger Eifenbahn und Heerfiraße, fowie anı Marne-Mheinkanal gelegen,
mit einem Gchloffe, einem Eommunal-Gollege und 5500 E., die Topfivaaren, Leder und grobe
QDuincailleriewaaren fabrieiren und ſtarke Holzflößerei treiben. Die Stadt war einft Hauptort
des Wasgaus, gehörte im 10. Jahrh. den Bifchöfen von Meg und dann benen von Strasburg.
Einige röm. Alterthümer befinden ſich im Colleges die noch im 16. Jahrh. vorhandene Bing-
maner mit 52 Thürmen und 365 Binnen ift Längft verſchwunden; fie hatte ben Ort im Dreißig⸗
jährigen Kriege und fpäter nicht vor wiederholten Eroberungen gefhügt; 1696 wurben die Fe
ſtungswerke gefchleift. Das ftattliche Schloß wurde 1666 aus rothen Sandfleinguadern vom
Biſchof Egon von Fürstenberg ale Sommerrefidenz erbaut, brannte 1779 ab, wurde bann von
bem durch die Halebandgefchichte bekannten Cardinalbiſchof Louis von Rohan wieder erbaut
unb zeitweife bewohnt, diente 1817 und 1818 den öſtr. Dccupationstruppen als Raferne, wurbe
in neuerer Zeit al& folhe und als Befängniß auch von franz. Soldaten benugt, vor kurzem aber
von Ludwig Napoleon zum Stiftögebäude für Witwen und Töchter von Mitgliedern der Ehrem-
Iegion beſtimmt. Liber der Stadt erhebt ſich der Thurm ber alten Veſte Breifenftein, gegen
über die anfehnliche, mit den wunderfamen Sandftein- und Songlomeratfelfen faft vermachfene
Bluine des alten Schloffes Hoh-Barr, weiterhin die beiden Burgen @erolbsed. Überhaupt
iſt Die Umgebung der Stadt reich an malerifchen Punkten. Ein ſchneckenfoͤrmig angelegter Weg,
Baberner Steige gmannt und 1% M. lang, führt in vielen Krümmungen und mit 17 verdech
ten Brüden auf den Kamm ber Dogefen, von wo fich der Elſaß wie ein Garten, ber ſtrasburger
Münfter wie eine Säule präfentirt. Oben auf der Grenzſcheide gegen das Depart. Meurthe
fteht ein Obelisk. Der Pag von Zabern, ber die Ober⸗ und Untervogefen fcheidet, ift nur 1325
8. hoch. Eifenbahn, Kanal, Zom und Landſtraße laufen in dem reizenden Thale nebeneinander
bin; Brüden, hohe Damme, Biaducte und ſechs Stollen wechfeln auf der nur 45 Minuten
dauernden Fahrt von Z. nach Saarburg unaufhörlich.
Zabier oder Sabier, f. Sabaͤlsmus.
Zacatẽcas, einer ber centralen Staaten von Mexico, bildete ehemals eine wegen ihres Me⸗
tallreichthums und ihrer Minen berühmte fpan. Intendanz und mit Zalitco (f. d.) dad König-
zeih Reu-Balicien und bat ein Areal von 747 (nach Undern von 848 oder 1256) AM. mit
356000 E. Das Plateau, welches die Mitte bes Staats einnimmt und über 6500 F. hoch ifl,
befteht aus Syenit mit übergelagertens Urthon- und Chlorirfchiefer. Der Schiefer bildet die
Baſis ber Graumaden- und Trappporphurgebirge, welche das Plateau durchziehen. Der Bo⸗
den iſt im Allgemeinen fehr dürr. Der norböftliche Landſtrich ift eine weite Ebene, mit einzel-
nen Bodenfchwellungen und einigen Berggruppen, nur mit Mimofen, Zwergpalmen, Cactus,
Mesquite und andern Domgefträuchen bemachfen, von großen Viehherben, befonders von Scha⸗
fen und Ziegen durchſchwaͤrmt, ohne Bodencultur, außer einigen zerftreuten Maisfeldern in der
Nähe der Dacienden, ohne Waſſer, außer den zum Tränken des Viehs oft mit großen Koften an⸗
gelegten Zeichen und tiefen Brunnen; nur wenn die Regenzeit ſich günftig zeigt, bedeckt fich bier
der Boden alöbald mit üppigem GBrasmwuche, gedeihen in den angebauten Gegenden Feld» und
Bartengewächfe; aber der Regen bleibt zuweilen ganz aus und heftige Nordwinde mehren bie
Dürre. Alle fünf Sabre rechnet man ein Misfahr. Noch über und trauriger als diefe Ebenen,
deren nomadifirende Bevölkerung im Huf der Ehrlichkeit und Gaſtfreiheit ſteht, find Die metall-
zeichen, nach allen Richtungen von tiefen Schluchten durchfepten Gebirge. Einige Gegenden
bes Staats find jedoch fehr fruchtbar, befonders der Diftrict von Aguas ⸗ Calientes. Die Gewäf-
fer find nur unbedeutende Bäche. Im Rorden der Hauptftadt find neun kleine Seen, deren Waſ⸗
fer ſalzſauere und Fohlenfauere Soda in Überfluß enthält. Der großen Höhe wegen, die faum
irgendwo weniger als 6000 F. beträgt, hat der Staat, obgleich er noch ganz innerhalb der Tro-
pen liegt, im Allgemeinen eher ein kaltes als ein warmes Klima. Die Gefammtproduction an
Ackerbauerzeugniſſen ift ungeachtet der Unfruchtbarkeit und der dünnen Bevölkerung mancher
Diftricte immer noch ziemlich bedeutend. Im Diftriet von Villanueva hat der Mais ſchon das
480, im Diſtrict 3. der Weizen das 21. Kom gegeben; erflerer liefert faft ein Biertel aller
Feldfrüchte. Manufacturen von Bedeutung hat der Staat nie gehabt. In ber Dauptfladt
umd zu AigunsGalientes gibt es einige Baumtwollenfpinnereien, fowie einige Wollen- und
Baumwollenweberei, zu Pinos deſtillirt man etwas Maguey-Branntwein. Alles Übrige wird
aut den andern Staaten eingeführt. Der Handel beflcht nur im Austauſch ber im Staate ge-
BB Zah
wornenen edeln Metalle gegen Kabrikate des Auslande und der Nachbarflaaten unb gegen
Aderbauerzeugnifle der leptern. Das Hauptgewerbe bes Staats und bie Hauptquelle feiner
Wohlhabenheit ift der Bergbau auf Silber. Die erften Bergwerke der Intendauz 3. wurden
fen 1555 aufgenommen. Bon 1610—1810 lieferten fie einen Silberwerth von wenigſtens
670 Mill. Peſos; von 1811— 25 wurden in der Münze ber Hauptftadt 3,569126 Mark zu
einem Werth von 50,659518 Pefos, von 1825—33 aber 4,1894102 Mark zu einem Werth
von 35,673248 Peſos ausgeprägt. Weit größer aber ift bie ganze Silberausbeute, ba aufer-
dem viel Silber in Barren ausgeführt und zu Silbergeſchirr verarbeitet worben ift. Der jähr-
liche Durchfchnittsertrag von 1610-1810 war 3,350000, der von 18141 — 25 aber 2,043968,
der von 1825— 53 wieber'4,459156 Peſos (Münzbetrag). Die Bewohner find großentheils
nur in einige wenige größere Ortichaften zufammengebrängt; große Streden im Norden und
Nordoften find faft ganz unbevölkert, die Indianerbevölkerung faſt zum großen Theil verdrängt
In kirchlicher Beziehung fteht 3. unter dem Biſchof von Xalisco. Die Geiftlichkeit übt noch
große Macht aus. Für das Schul- und Erziehungsweſen ift feit 1854 viel gefchehen und in kei⸗
nem andern mexic. Staat berrfcht vielleicht mehr allgemeine Aufflärung ; aber dennoch bedarf
des öffentliche Unterricht noch großer Verbefjerung. Die Hauptftadt Zacatecas, nah Guana⸗
zuato die berühmtefte Bergwerköftadt Mexicos, ſchon feit 1588 eine Ciudad, zähle 25000 GE,
bat einen von hübſchen Bäufern umgebenen Marktplag, fonfl enge ſchmutzige Straßen, viele
Kichen und Klöfter, eine prächtige Hauptparochialkirche mit einem 474 Mark ſchweren maſſiv
fülbernen Zaufftein und fehr reichem Silbergeräthe (1728 über 3000 Mark fchwer), einen Re
gierungspalaft, ein Zollhaus, eine Münze, einen Bazar, eine Getreibehalle, eine Eigarrenfabrif,
eine über 160 3. alte gelehrte Bildungsanftalt und ſtarken Zranfitohandel. Das berühmte
Bergwerk Veta⸗Grande liegt IM. im Norden. Die zweite Stadt ift Aguas⸗Calientes (f. d.),
die dritte Sombrerete mit den Gruben Veta⸗Negra und El⸗Pavelloͤn und 15000 €.
Zach (Kranz, Freiherr von), Mathematiker und Aſtronomi, wurde zu Presburg 4. Juni
1754 geboren. Nachdem er in öfter. Kriegsdienften geflanden und fich einige Zeit in London
aufgehalten, ward er, mit dem Charakter eines Dberftlieutenants, Oberhofmeifter derzu Eifen-
berg wohnenden verwitweten Herzogin von Sachſen⸗Gotha, bie er 1804 und 41805 auf einer
Reiſe durch Frankreich begleitete. Auch führte er mit rühmlichem Eifer bie Direction der
Sternwarte auf dem Seeberg bei Gotha von 1787 —1806 ; fpäter lebte er meift im YAuslande
und im Gefolge der Herzogin zu Paris und in Stalien. Huch hier war er für die Aftronomie
thätig, unter Anderm bei Anlegung einer Sternwarte in Neapel und dann bei Erbauung einer
andern in ber Nähe von Lucca. Unvorfüchtige Außerungen über Politik fcheinen die Beran-
laffung gegeben zu haben, daß die fardin. Regierung ihm und der Herzogin binnen 24 Stun-
ben Genua zu verlaffen befahl, ſodaß nur durch preuß. Vermittelung ber Aufenthalt Beider
verlängert wurde. Als kurze Zeit nachher die Derzogin ſtarb, kehrte Z., körperlich fehr leidend,
nach Paris zurud, wo er 2. Sept. 1852 an der Cholera flach. Im weitern Kreife find feine
"„Geographiihen Ephemeriden” und die Bortfegung derfelben: „Monatliche Eorrefpondenz zur
Beförderung ber Erd- und Himmelstunde” (28 Bde, Gotha 180013), bekannt, die er in
Stalien unter dem Titel „Correspondance astronomique” erfcheinen lief. Bon feinen übrigen
aftronomifchen Arbeiten find zu erwähnen: „L’attraotion des montagnes et ses efleis sur les
ls a plomb (2Bde,, Avignon 1814); „Tabulae motuum solis novae et correctae‘ (Gotha
1792); „Supplementa ad tabulas motuum solis etc.” (Gotha 1804); „Aſtronomiſche Za-
fein der mittlern geraben Aufſteigungen ber Sonne” (Gotha 1804); „Tabulae speciales aber-
rationis et nutationis etc.” (2 Bde, Gotha 1806) ; „Nouvelles tables d’aberration etde au-
tation pour 1404 etoiles” (Marf. 1812); „Supplement aux tables d’aberration etc.” (War.
1813). Seine Schriften vereinigen Gründlichkeit mit Faßlichkeit und Klarheit der Darſtellung
und bes Vortrag. — Zach (Ant., Freiherr von), Braber des Vorigen, geb. zu Peſth 17. Juni
1744, wohnte in öfte. Dienften als Oberlieutenant im Pionniercorps bem Feldzuge in Preußen
41778—79 bei und wurde fobann Profeffor ber Mathematik an ber Militäralabemie zu Wie
neriſch⸗Reuſtadt. Im J. 1789 war er als Trandheemajor beidem Belagerungscorps von Bd-
grad. Nachher, zum Major ernannt, trat er feine Profeffur wieber an, die er bit 1792 verfah,
wo er an bem Kriege gegen Frankreich Theil nahm. Er wurde 1794 Oberftlieutenant, 1795
Dberſt und 1796 Generalmajor und Generalquartiermeifter ber Armee in Stalien. Ruhm er-
warb er fich in bem ital. Feldzuge von 1799, den er ganz leitete; doch gerieth er bei Marenge
in Gefangenfchaft. Im 3. 1801 wurde er in den Freiherrenſtand erhoben, Keldmarfchallieute
nant und Generafquaztiermeifter der Armee von Stalien und 1806 Gouverneur von Ttieſt
Zacharia Zacharliä von Lingenthal [> ri
Im 3. 1809 commanbirte er eine Divkfion des neunten Armeecorpso, und nach dem Frieden zu
Wien wurde er erft Bicecommandant, dann wirklicher Commandant der Feſtung Dimüg.
Nachdem er 1825 außer Activität gekommen, flarb er als Generalfeldzeugmeifter zu Gräg
22. Rov. 1826.
Zacharia, einer der fogenannten zwölf Heinen Propheten, Zeitgenoffe des Haggai und bes
Darius Hyſtaspis, lebte in Chaldäa und war der Sohn des Berechia und Enkel des Iddo,
nad andern Stellen aber ein Sohn des Iddo, worin indeß noch fein Widerſpruch Liegt,
weil im hebr. Teste das Wort „Sohn“ oft mit bem Worte „Enkel“ verwechfelt wird. Er be
fand fi mir in der Babylonifchen Gefangenſchaft und kehrte aus derſelben mit Serubabel zu⸗
rück. Nach Matth. 25, 35 wurde er zmifchen dem Tempel und Altare getödtet. Sein Tod iſt
nicht zu verwechleln mit dem Tode des Zacharia, des Sohnes von Jojada (2. Ehron. 24,20 f.).
Nach der Tradition iſt er amı Fuße des Delbergs begraben worden. Das Buch feines Namens
im Alten Zeftament zerfällt in zwei Theile: 1) Kap. 1—8 bezieht ſich auf die Wiederherfich
tung des Reichs Juda und bes Tempels, enthält zugleich troftreiche Verheißungen und wird
für echt erlärt; 2) Cap. 9—14 ift ein Inbegriff von Drakeln über den Untergang heidnifcger
Stäbte und von meflianifchen Erwartungen, gilt nach Anlage, Stil und Inhalt für unecht und
wurde vor dem Babylonifchen Eile, etwa zur Zeit des Joſia verfaßt. Das Neue Teflament
erwähnt einen Priefter Zacharias aus dem Geſchlechte Abia, Gatte der Elifaberh und Vater
von Johannes dem Täufer.
Zachariä (Juſt Frieder. Wilh.), deutfcher Dichter, geb. 1. Mai 1726 zu Srankenhaufen im
Fürſtenthum Schwarzburg, fludirte von 1743 an in Leipzig bie Rechte, befchäftigte ſich aber
faft ausfchließend mit fchoner Literatur und Dichtkunft. Sein erfles größeres Wert, das Gott
ſched, zu deffen Schule er ſich anfangs hielt, in feinen „Beluftigungen des Verſtandes und
Witzes“ bekannt machte (1744), war „Der Renommiſt“ (neue Ausg. Berl. 1840), ein komi⸗
ches Heldengedicht, der erfte, wiewol unvolltommene Verſuch diefer Art in Deutfchland, wo⸗
bei er Pope zum Vorbilde hatte. Doc bald trennte fih 3., wie Andere, von Gottſched und
trat in Verbindung mit jenen jungen Männern, die damals in Reipzig einen beffern Geſchmack
in Deutfchland vorbereiteten. Der Beifall, mit welchem der „Renommiſt“ aufgenommen
worden war, ermunterte ihn, in dieſer Gattung fortzufahren, und fo entſtanden nach und nach
feine andern komiſchen Deldengedichte „Phaeton“, „Das Schnupftuch” und „Wurner in ber
Dölle”. Nachdem er fich ein Jahr in Göttingen aufgehalten hatte, wurde er 1748 Lehrer am
GSarolinum zu Braunfchweig und 1761 Profeffor der [chönen Wiſſenſchaften; aud führte er
bie Aufficht über die Buchhandlung und Buchdruckerei bes Waiſenhauſes dafelbft, die ex mehre
Sabre hindurch beforgte. Er ftarb 30. Jan. 1777. Das meifte Talent Hatte 3. für das ko⸗
mifche Deldengebicht ; minder glüdlich war er in ber befchreibenden Dichtkunſt; feine beften
Gedichte diefer Art find die „Tageszeiten“ und „Die vier Stufen des weiblichen Alters“. Auch
bat man von ihm muſikaliſche Gedichte, die er zum Theil felbft in Muſik fegte, und leichte,
gefällige Kieder. Seine Sprache war rein, obwol nicht immer correct. Seine Überfegung
von WMilton’s „Paradise lost” in Hepametern it matt, untreu und unbarmonifch. Nicht
ohne Verdienſt dagegen find feine „Kabeln und Erzählungen in Burkard Walbis' Manier”
(Braunſchw. 1771). Er hatte den glüdlichen Gedanken, da6 Andenken deutſcher Dichter zu
erneuern, und gab die nach feinem Zode von Efchenburg fortgefegte Sammlung „Auserlefene
Stüde der beften deutfchen Dichter von Opig bis auf gegenwärtige Zeiten” (2 Bde, 1766—
71) heraus. Die erſte vollftändige Sammlung feiner poetifhen Schriften erfchien in neun
Bänden (Braunfhw. 1765— 65), eine zweite verbefferte Auflage in zwei Bänden (Braunfchw.
4772). Rah feinem Tode erihien no ein Band „Hinterlaſſener Schriften” (Braunfchw.
4781), herausgegeben von Efchenburg und begleitet von 3.'8 Lebensbeſchreibung.
Zadharid von Lingentpal (Karl Salomo), ein ausgezeichneter Rechtsſchriftſteller, geb. _
14. Sept. 1769 zu Meißen, wo fein Bater als Sachwalter lebte, erbielt feine Vorbildung auf
der Fürſtenſchule dafelbft und befuchte feit 1787 die Univerfität zu Leipzig, wo er anfangs fafl
nur philologifche und philofophifche Vorlefungen hörte und erft fpäter dem Studium der Rechte
wiffenfchaften fich widmete. Er verließ Leipzig zu Oftern 1792, und von Chr. Felix Weiße em⸗
pfohlen, begleitete er ald Führer den Grafen zur Lippe auf die Univerfität zu Wittenberg, wo
er abermals zwei Jahre ſtudirte. Nachdem der Graf in Kriegsdienfte getreten, führte 3.1795
den längft gefaßten Entfchluß aus, al6 Privatdocent aufzutreten, und wurde 1797 aufßeror
dentlicher und 1802 ordentlicher Profeſſor der Rechte in Wittenberg. Schon damals war er
ein thätiger Schriftfteller, vorzüglich aber erwarb er fich durch feine Schrift „Die Einheit m
438 Zacharias Ä Zahlenfyſtem
Staats und der Kirche” (&pz. 1797), der ein „Nachtrag über bie evang. Brüdergemeine*
(Epz. 1798) folgte, und fein „Handbuch bes kurſächſ. Lehnrechts“ (2pz. 17965 2. Aufl. vom
Chr. Exrnft Weiße und F. U. von Rangenn, Lpz. 1823) einen geachteten Namen. Im J. 1807
ging er als Profeffor nach Heidelberg, weil die vielen Actenſtudien, die in Wittenberg zu feinen
Amtspflichten gehörten, feinen Studien hinderlich waren. Weber ein Ruf nad Göttingen
noch ein fpäterer nach Leipzig konnten ihn beiwegen, Heidelberg zu verlaffen. Seine Vorleſun⸗
gen umfafiten das philofophiiche Recht nach feinem ganzen Umfange, das deutfche Staatsrecht,
das kath. und proteft. Kirchenrecht und das Kehnrecht. Unter ben Schriften, die er während ſei⸗
nes Aufenthalte in Heidelberg herausgab, find befonders auszuzeichnen das „Handbuch bes
franz. Civilrechts“ (4. Aufl., 4 Bde. Heidelb. 1837), „Vierzig Bücher vom Staate” (5 Bbe.,
Gtuttg. 1820— 52; 2. Aufl., 1839— 42) und der wenig bekannt gewordene, aber fhägbare
„Sntwurf eines Strafgeſetzbuchs“ (Heidelb. 1826). Außerdem hat er mehre treffliche Bei⸗
träge zu der von ihm und Mittermaier herausgegebenen „Kritifchen Zeitfchrift für Rechtswiſ⸗
Tenfchaft und Gefepgebung bes Auslands” und zu den „Heidelberger Jahrbüchern” geliefert.
Eine Zeit lang wurde er auch in Deibelberg aus dem ftillen wiffenf&haftlidhen Leben in das of
fentliche verfegt, zuerft als Abgeordneter in der erften und fpäter in ber zweiten Kammer bes
Großherzogthums Baden. Im J. 1842 wurde er für fi und feine ehelichen männlichen
Deicendenten unter Verleihung des Namens von Ringenthal in den Adelſtand erhoben. Er
ftarb 27. Mär, 1843. Sein „Biographifcher und juriftifcher Nachlaß“ wurde von feinem
er K. E. Zachariä herausgegeben (Stuttg. 1843).
acharias, Papft von 7441— 752, wußte bie Autorität des rom. Stuhls nicht nur zu be»
feftigen, fondern auch zu erhöhen. Der König der Longobarden, Zuitprand, mußte ihm die Ero⸗
berungen im Erarchate wieder zurüdgeben und bei einer Zufammentunft das Pferd führen.
Pipin der Kleine erhielt durch ihn die Erhebung zum Könige, und durch Bonifacius (f. d.) wurde
die Macht diefes Papftes befonders im Fränkifchen Reiche erweitert. Das wichtige Kleſter
Fulda wurde von Zacharias erimirt. Bon ihm bat man eine „Vita Latino-Graeca St. Bene-
dieti” (Den. 1723). Er murde kanoniſirt; ihm ift der 15. März geweiht.
ae ſ. Saftleeven. |
ahl Heißt eine Menge von Dingen ober Einheiten einer und derſelben Art. Die dadurch
gebildete Größe felbft heißt eine benannte, unreine oder conerete Zahl, z. B. 5 Pfund,
7 Thaler; die bloße Menge ber Einheiten, ohne Rückſicht auf die Befchaffenheit der letztern,
beißt eine unbenannte, reine oder abftracte Zahl. Man unterfcheidet außerdem ganze und
gebrochene Zahlen. Eine ganze Zahl entſteht durch unnittelbare Vervielfachung oder Wie
derholung der Einheit ; eine gebrochene Zahl oder ein Bruch (f. d.) durch Theilung ber Einheit
in eine beliebige Anzahl gleicher Theile und Vervielfachung eines diefer Theile. Mit den Ei-
genfchaften der ganzen Zahlen befchäftigt fich die Zahlenlehre oder Arithmetik (f. d.) im engern
Sinne oder bie Theorie der Zahlen. Die allgemeinfte Eintheilung der ganzen Zahlen ift die in
Primzahlen (f. d.) oder einfache Zahlen und zufammengefegte Zahlen. Die erftern find folche,
bie fich durch Feine andere Zahl ohne Neft dividiren Iaffen. Eine andere fehr bekannte Einthei-
lung der ganzen Zahlen ift die in gerade und ungerade, von denen die erftern durch 2 theifbar
find, die legtern nicht. Mit Ausnahme der 2 find alle geraden Zahlen zufammengefegte Zahlen.
en f. Lotterie.
ablenfuftem Heißt eine ſolche Anordnung aller Zahlen, daf fie als Reihen von Potenzen
irgend einer beftimmten Zahl x (der Grundzahl oder Bafis des Syſtems) dargeftellt werden,
deren Cokfficienten alle Heiner als die Zahl x felbft find. Zur Bezeichnung ber Coäfficienten
find immer nur fo viele Zeichen oder Ziffern (f. d.) nöthig, als x Einheiten enthäit, nämlich für
die Null und diejenigen ganzen Zahlen, weldye Heiner als x find; für die Grundzahl felbft ift
‚ Bein Zeichen nöthig. Jede ZohIN—= a + bx + cz’ + dx’ Hex’ +... pflegt nämlich der
Kürze halber fo dargeftelle zu werben, daß man nur die Coefficienten a, b, c, d u.f.w. der Reihe
nach nebeneinander binfchreibt und dabei mit a auf der rechten Seite anfängt. Fehlt ein Glied
in jener Potenzenreihe, fo iſt als Coefficient Null anzufehen und binzufchreiben. Die erfle, zweite,
dritte u. |. w. Stelle von ber rechten nach ber linken Seite nennt man auch die nullte, erſte,
zweite u. f. w. Ordnung, mit Bezug auf diejenigen Potenzen der Grundzahl, mit denen bie
Biffeen in den genannten Stellen multiplicirt werden müffen. Hiernach muß die Grundzahl in
jedem Syſtem mit 10 bezeichnet werben, wenn O, 1 die Zeichen für Null und Eine find. Alle
gebildeten Völker der Erde bedienen ſich jegt besjenigen Zahlenſyſtems, welches 10 zur Brund-
zahl hat und daher das befadifche, auch Decimalſyſtem (f. Decimal) oder Dekadik ganannt
Zahlpfennige Zahn (der) 439.
wird. Nach dem bereits Gefagten ftellt in dieſem Syſtem z. B. 535478 die Zahl 8 + 7.10 +4.
10° + 3. 10° + 5. 10° dar; märe aber 9 die Grundzahl, fo würde daſſelbe Symbol 53478
die ganz verfchiedene Zahl 8 + 7.9 + 4.9" + 3. 92 + 5.9", alfo nach dem befadifchen
Syſtem 35387, darftellen. Auch Bruchtheile Laffen fich auf diefelbe Weile ausdrücken, wenn
man in die Reihe der Potenzen der Grundzahl auch folge aufnimmt, deren Esponenten negativ
find und die Goffficienten diefer Potenzen, durch ein Komma, einen Punkt oder ein anderes
Zeichen getrennt, auf diejenigen der nullten Potenz fo folgen läßt, daß zuerft der Coefficient ber
(—I)ten Potenz fteht, diefem zur Nechten ber Coöfficient ber (—2)ten Potenz u. f. w. Bier
nach ift alfo im dekadiſchen Zahlenfoftem 3, 45678 — 3 +4. 10-' + 5. 1072 4 6.
10-°4+7.10-748.10 ++ tt G⸗. Bon den übrigen unzä-
ligen denkbaren Zahlenſyſtemen find nur zwei Gegenſtand befonderer Beachtung geworden,
ohne jedoch jemals praftifche Anwendung zu finden: diejenigen mit den Grunbzahlen 2
und 12. Über-die Anwendung des Decimalfyftems als Maß f. Decimalmaß.
Zabrnfennige f. Rechenpfennige.
ablwörter oder Numeralia heißen in der Sprachlehre biefenigen Adjectiva und Adverbia,
welche zur Beitimmung der Anzahl oder Menge der Gegenftänbe oder auch der Ausdehnung
einer ftetigen Große bienen. Da fie nun theild eine genau beflimmte, theils eine unbeftimmte
Zahl oder Menge anzeigen, fo laſſen fie ſich in beflimmte und unbeftimmte ober allgemeine ein-
tbeilen. Zu ben erftern gehören die Haupt- oder Orundzahlen (Cardinalia), bie recht eigentlich
beim Zählen gebraucht werden, wie „ein“, „zwei“, „Drei, „Bunbert” u.f.w.; fobann die Orb-
nung8zahlen (Ordinalia), wie „Der erfte, zweite, dritte, bundertfte” u. f. w. ; zu den legtern
- rechnet man biefenigen, welche einen Zahl- oder Maßbegriff, d. i. eine unbeftimmte Anzahl von
Einheiten oder die Ausdehnung und den Umfang einer fletigen Größe überhaupt ausdrüden,
wie „alle“, „viele”, „einige” und „viel“, „etwas“, „wenig“. Bon diefen Zahlwörtern werben
aber ſowol durch Ableitung als auch buch Zuſammenſetzung noch mehre Nebenarten gebildet,
die mit dem urfprünglichen Zahlbegriff gewiſſe Nebenbeftimmungen verbinden. Dahin gehören
die Theilungszahlen (Numeralia partitiva), wie „Drittel“, „Viertel“; dann die Sahladver
Bien (Adverbia numeralia), die theild eine Ordnung, wie „erftens”, „zweitens“, theils eine
Wiederholung, wie „einmal“, „zweimal“, in fi einfchließen; ferner die Verdoppelungszah⸗
Sen (Numeralia multiplicativa), wie „zweifach“, „breifach” ; endlich die Gattungs- oder Art-
zablen (Numeralia specialia), wie „einerlei‘‘, „zmoeierlei”, „vielerlei”. Ihrer Bildung nad) find
Tämmtliche Zahlwörter entweder Stammwörter, wie „ein“, „zwei“, oder abgeleitete, wie „zweite“,
„vierzig“, oder endlich zufammengefepte, wie „dreizehn“, „einmal”. In manden Sprachen
finden fich für gewiſſe Verhältniſſe noch befondere Formen, wie in der lat. Sprache die foge-
nannten Numeralia distributiva, welche die an verfchiedenen Ortern ober auf verfchiedene Ge⸗
genftände gleich vertheilteZahl angeben, z. B. singuli, bini, d. i. jedesmal oder immer ein, zwei,
und bie Numeralia proportionalia, weldye das Verhältniß ausdrüden, wie viel mal mehr etwas
ift als ein Anderes, wie duplus, triplus.
Sahlseiden, f. Siffern.
ahn. Die Zähne (dentes) des Menfchen, 32 an der Zahl, gehören zu ben Knochen, ob»
gleich fie fi von den übrigen Knochen durch ihren Bau etwas unterfcheiben. Sie find zu einer
Hälfte in die Zahnzellen (alveoli) des Oberkiefers, zur andern in die des Unterkiefers ein-
gefenkt und werden theils Durch diefe eng anfchließenden Knochen und die noch dazwiſchen lie-
gende doppelte Schicht Knochenhaut, theils durch das Zahnfleiſch (gingiva), ein ſchwammiges,
gefäßreiches, aber nervenarmes Zellgemebe, welches, mit zarter Schleimhaut bedeckt, auf ben
Kieferrändern auffigt und die Zähne einfaßt, in ihrer Stellung feftgehalten. Jeder Zahn beſteht
aus der Krone, die aus dem Zuhnfleifche hervorragt und mit den Zahnſchmelze (substantia
dentis vitrea), einer porzellanartigen, harten, glatten, in verfchiedener Dicke aufgetragenen und
halbdurchſichtigen Maffe, bededt ift, dem Halfe, welcher noch außerhalb ber Zahnzelle vom
Zahnfleifche umgeben wird und etwas bünner als die Krone ift, und der Wurzel, welche fpigig
ausgehend in der Zahnzelle ruht und einfach oder mehrfach fein kann. Den beiden letztern Thei⸗
Ien fehlt der Zahnſchmelz und fie beftehen nur aus Zahn- und Knocenfubftang. Nach ihren
Geſtalt teilt man die Zähne in Schneidezähne (dentes incisivi), mit platter, meifelformiger._
Krone und einfacher Wurzel, von denen in jedem Kiefer vier vorn in der Mitte ftehend gefun-
ben werden, Spitzzaͤhne (angulares oder canini), mit längerer, dickerer und pyramidalifch and»
gcehender Krone ımd einfacher Wurzel, welche, im Ganzen vier an der Zahl, die vorigen einfaf
fen, und Bad;ähne (molares), mit niedrigerer, aber oben breiter und zadiger Krone und ar
40 Zahn (der)
bis vier Wurzeln, welche die fünf hinterſten Stellen jeder Seite des Ober- und Unterfiefers
einnehmen. In jedem Zahne befindet ſich eine Höhle, weiche mit ihrem blinden Ende ſich bi6 in
die Krone erſtreckt und mittels eines in der Spige der Wurzel ausmündenden Kanals einen
Nerven, eine Arterie und eine Vene aufnimmt, die in ihren Verfchlingungen den Babnfeim
oder Zahnkern (nucleus oder matrix dentis) bilden, durch welchen die Höhle ausgefüllt und
der Zahn ernährt wird. Die Zähne find ihrer Hauptverrichtung nach Verdauungswerkzeuge,
indem fie die Speifen germalmen und fo für die weitere Verdauung im Magen vorbereiten;
außerdem aber tragen fie wefentlich zur Formation der Geſichts bei, indem fie den Baden und
Lippen ihre Numdung geben, welche durch ihren Verluſt gleichfalls verloren geht. Höchſt eigen-
thümliche Erſcheinungen bietet die Entwidelung ber Zähne bar. Die erften Spuren ber Zähne
finden fid) im dritten Monat des Embryolebens als Meine mit Klüffigkeit erfüllte Säckchen in
den nur aus einer Rinne auf den Kieferrändern beftehenden Zahnzellen. Die Umgebungen det
aus ber Flüffigkeit ſich entwickelnden Zahnkeims beginnen im fünften Monat bie Verknöche⸗
rung, welche, von der Krone beginnend, im fiebenten Monat nach der Geburt bei dem Herver-
brechen der erften Zähne mit der Bildung der Wurzel endigt. Diefe erften Zähne nennt man
Milchzaͤhne (infantiles oder teınporarii oder decidui). Ihrer find, ba die zwölf hinterften feh⸗
len, nur 20 und fie kommen fo hervor, daß bie Schneidezähne beginnen und die Badjähne en-
digen und ber erfte Zahnausbruch mit Ende des zweiten Lebensjahres gefchloffen ift. Im fie:
benten oder achten Lebensjahre beginnen diefe Zähne nach und nach auszufallen und werden
durch andere nachwachſende und in ihrer Structur bedeutend feftere, welche num bleiben, erfegt.
Während diefer Periode, welche im 13. ober 44. Lebensjahre endigt, brechen auch von den drei
binterften Badzähnen jeder Reihe und Seite die zwei vorderften hervor, fobaß der Menſch zu
Ende derfelben 28 Zähne befigt, welche fich erft zwifchen dem 20. und 30. Lebensjahre duch
Hervorbruch der vier äußerften Badzähne, Weisheitszähne (deutes sapienliae oder tardivi)
genannt, zu ihrer Normalzahl vervollftändigen. Nach und nad) nugen fich die Zähne ab, ſodaß
die Krone oft auch ohne Zahnkrankheiten im höhern Alter bis über die Hälfte verloren gegangen
ift, während fich die Zahnzellen mit Knochenmaſſe füllen, welche die, Wurzeln herausdrängt
und fo das Ausfallen der Zähne veranlaßt. Unvollftändige Anzahl, Überzahl ober ein dritter
Wechſel der Zähne werden zuweilen beobachtet und gehören zu den abnormen Äußerungen des
Bilbungstriebes.
Bon den einzelnen Entwidelungsftufen der Zähne ift befonders bie erfie, das Hervortreten
der Zähne beim Säuglinge, dad Bahnen (dentitio), oft von Beſchwerden begleitet, die aber an
fich niemals lebensgefährlich werden. Bei dem Zahnwechſel kommen häufige Abnormitäten in
Hinſicht auf die Stellung der neu hervortenden Zähne zum Vorfchein, deren Heilung als das
einzelne Organ betreffend ber Zahnarzneikunſt zu überweiſen iſt; daſſelbe findet ſtatt beim Her-
vorbrechen ber Weisheitszähne, welches noch außerdem oft von mehr oder weniger bedeutenden
* Schmerzen begleitet iſt. Als Zahnkrankheiten würden eigentlich nur diejenigen Abnormitäten
anzufprechen fein, welche bie Zähne felbft betreffen, gewöhnlich jeboch rechnet man alle bieje-
nigen dazu, welche die mit ben Zähnen zufammenhängenden Theile, die die Wurzeln berfelben
umgebende Haut (periodontium), bie Zahnzellen, das Zahnfleifch u. f. w. befallen. Letztere be-
ftehen in Entzündungen niit ihren Ausgängen und Folgen, Atrophie, Verwundungen u. |. w.,
erftere find die gewöhnlichen Knochenkrankheiten, beſonders aber der Knochenfraß, welcher bei
den Zähnen nach Maßgabe ihrer Verfchiedenheit von den übrigen Knochen auch eigenthümlich
auftritt. Ex beginnt entweber von ber Zahnhöhle aus nach Entzündung derfelben, oder von
außen durch die Zahnthierchen und Zahnpilzchen, bisweilen auch nachdem durch mechaniſche
oder chemiſche Schäblichkeiten der Zahnfchmelg zerftört worden ift. Die meiften diefer Krank»
heiten find mit mehr oder weniger empfindlichen Zahnſchmerz (odontalgia) verbunden, wel«
cher feinen Sig in ben Nerven der Zähne oder den Umgebungen berfelben hat und fe nad
der Menge der unmittelbar ober durch Sympathie ergriffenen Nerven eine größere oder gerin-
gere Ausbreitung hat. Als prophylaktifche Mittel gegen alle Zahnkrankheiten gelten vor allem
Meinlichkeit, ferner Vorſicht in Hinficht auf die Temperatur der an die Zähne gebrachten Dinge,
da fowol Kälte ald Wärme in ihren höhern Graden wie auch ſchneller Wechſel derfelben auf
den Zahnſchmelz gleich verderblich einwirken; Vermeidung mechanifcher Gewalt, welde
Sprünge und fomit Abblättern des Zahnfchmelzes verurfacht, und chemiſcher Schählichkeiten,
zu benen namentlich Säuren zu rechnen find. Die Heilmittel gegen Zahnkrankheiten ergeben
ſich aus den einzelnen Symptomen und den daraus abzuleitenden Urfachen. Diefe Heilmittel
dienen zwar oft dazu, das läſtigſte Symptom, den Zahnſchmerz, bald zu entfernen, müffen je-
⁊
Zabn (Joh. Karl Witt.) 431
doch in dieſer Hinficht noch öfter einer unzähligen Menge Pakiativmittel ben Vorrang einrän-
men, welche nicht feiten wegen bet Ungeduld ber Beibenden und ber Unkenntniß der Rathgeber
der Grundurfache mur noch mehr Nahrung geben. Geheim- und Univerfalmittel für Zahn-
ſchmerz fpielen auch hier noch eine große Rolle, zumal da die eigentlichen Arzte gewöhnlich viel
zu wenig Aufmerkſamkeit auf die Beobachtung und Befeitigung biefer oft faft Verzweiflung
und momentanen Wahnſinn erzeugenden Plage wenden. Auf jeden Ball follte aber auch von
den Leidenden fchon ber Beurtheilumg wegen, ob die angerathenen Mittel Schaden verurfachen
könnten, öfter ein rationeller Arzt befragt werden. Den Verluſt ber Zähne ſucht man durch
Ginfegen theils einzelner aus verfchiebenen Stoffen verfertigter Zähne, theils ganzer Gebiffe,
welche auf mannichfaltige Urt befefligt werben, zu erfegen und iſt in nenerer Zeit darin zu einer
ziemlich hohen Stufe der Vollkommenheit gelangt.
Diefenigen Organe mancher wirbellofen Thiere, welche von den Naturforfchern Zähne ge-
nannt werben, verdienen diefen Namen ihrer Stellung, Verrichtung und Geſtalt, keineswegs
aber ihrer Structur nach, Sie find ſtets integrirende Theile der Kiefer, und dieſe beflchen theils
aus gezähnten fägeförmigen Hautfalten, weiche zum Faſſen und Feſthalten, vielleicht foger zum
Zermalmen der Nahrungsmittel biefer Thierclaffen dienen, theil® aus hornartigen Platten ähn«
licher Geſtaltung, an denen man zuweilen, 3. B. bei manchen Inſekten, die verfchiedenen Zahn« ,
formationen mie beim Menfchen wahrnimmt. In voller Deutlichkeit treten die Zähne bei den
Fiſchen hervor, wo fie die mannichfaltigften Modificationen in Geftalt und Zahl zeigen, indem
man außer den Kiefern auch die Gaumenbeine, die Zungenwurzelfnochen und andere Theile bei
manchen Fiſchen mit Zähnen befegt findet, welche entweder nur im Zahnfleifche befeftigt, oder
in Zahnzellen eingefentt, oder aus einem Stück mit den ihnen verbundenen Knochen gebildet
find. Wie bei einigen Gattungen biefer Dauptclaffe, fo fehlen auch bei einigen Amphibien bie
Zähne gänzlich ; übrigens haben fie bei legtern weniger Verfchiebenheit in Geftalt und Anzahl
md nähern ſich darin fchon mehr ben menfchlichen, während ihre Befefligungsart der der vo⸗
tigen noch ſehr ähnlich iſt. Beſonderes Intereſſe verdienen die Biftzähne der Schlangen unb
der Vipern. Bolllommen zahnlos ift bie Claſſe der Vögel und nur bei einigen ift der Rand des
Schnabels mit zahnartigen Borfprüngen verfehen. Die Eintheilung der Säugethiere ift zum
Theil auf die Seftaltung ber Zähne bafirt, indem beſonders die Verfchiedenheit der Ernährung
eine mannichfaltige Form diefer Organe erfoberte. Ganz eigenthümliche Arten von Zähnen
findet man bei dem Elefanten und dem Walroß. Bei einigen Gattungen gänzlich fehlend, ftehen
fie, wo fie vorhanden find, nur in den Kiefern, find faft überall wie beim Menfchen in Zahn-
zellen befefligt und entwickeln fi) gewöhnlich in zwei Perioden. Die ununterbrochene Reihe
ber Zähne gehört ausfchließend dem Menfchen an.
Zahn (Koh. Karl Wilh.), Architekt und Maler, Profeffor an der Kunſtakademie zu Berlin,
der Sohn eines Malers, wurde 21. Aug. 1800 zu Robenberg in der heff. Graffchaft
Schaumburg geboren. Auf der Akademie zu Kaffel gebildet, befuschte er 1822—24 Paris
und ging dann nach Stalin, wo ihn bald die Reſte altgriech. Malerei und Ornamentik
in Neapel und Gicilien vorzüglich befchäftigten. Die erfte Frucht diefes Aufenthalts wa⸗
ren die „Neuentdeckten WBandgemälde in Pompeſi“ (Stuttg. 1828). Nach feiner Rück⸗
kehr 1827 nahm er an ber Ausfhmüdung mehrer Turfürftlich heſſ. Schlöffer Theil und
wendete ſich dann nach Berlin, wo er in dem damıald noch neuen Tithographifchen Karben»
drud fein Hauptwerk „Die fhönften Ornamente und merfwürbdigften Gemälde aus Pom-
peii, Herculanum und Stabiä” (10 LXief., Berl. 1823 — 30) herausgab, welches 1829
feine Ernennung zum Profeffor bewirkte. Im 3. 1830 befuchte er wieder Italien und brachte
die nächften zehn Jahre faſt ausfchließend in Neapel, Pompeji, Calabrien und Sicilien zu, fort-
während mit Zeichnen, Ausgrabungen und zahlreichen Ankäufen von Gemälden, Zerracotten,
Bronzen, Münzen und andern Alterthümern befchäftigt. Auf Empfehlung bes Fürften Met-
ternich wurde ihm geflattet, die wichtigften Bronzen, Silbervafen u. ſ. w. des Museo borbo-
nico abzuformen; ähnliche Vergünftigung wurde ihm auch in Privatfanımlungen zu Theil,
wie 3. B. in der des Fürften Biscari zu Catania. Bei feinen Ausgrabungen in Cumä, Teg⸗
lana (1838), Torre dell’ Annunziata und in Galabrien war er ſtets vom Glück begünfligt. In
der Zmwifchenzeit fertigte er Plane von Landhäufern in ponwejanifchem Stit für reiche Englän-
der und Amerikaner. Seit 1840 nach Berlin zurückgekehrt, veröffentlichte er in einem neuen
Werke, den „Auserlefenen Verzierungen”, bie gewonnenen omamentiftifhen Schäge. Seine
Wirkfamkeit hat die Kennmiß der altgriech. Kunfl und die gegenwärtige Architektur mit einer
Menge von neuen Refultaten kereichert umd iſt ohne Zmeifel ald epochemachend in der Entwid
433 Zahnarzueitunft Bähringen
lung ber jegigen Baukunſt zu betrachten. Üsrigens iſt 8. in feinem Streben keinetwegs einfel-
tig; er umfaßt auch die mittelalterliche Ornamentik, und felbft für die Kenntniß ber ital. Renaif-
fance hat ex in feinen „Ornanıenten aller claffiichen Zeiten” (14 Hefte, Berl. 1832 fg.) Treff⸗
liches geleiftet.
Zahnarzneikunſt ift der Inbegriff aller Derjenigen Kenntniffe und Sertigkeiten, welche die
Erhaltung der gefunden Zähne, die Heilung der Zahnkrankheiten und ber Erfag verloren ge
gangener Zähne erfodert. Auf ihrer höchſten Stufe würde ihre Ausübung alfo die geſammte
Heilkunde als Baſis verlangen und damit noch die Kunft des Modellirens, die Kenntnif und
die Verarbeitung ber Metalle und der verfchiebenen Stoffe, aus welchen künſtliche Zähne ver-
fertigt werden, verbinden müffen. Selten jedoch nur wirb in der neuern ärztlichen Verfaſſung
der civilificten Staaten ein mit allen diefen Kennmiffen ausgerüfteter Arzt ich ben Namen ei⸗
nes Zahnarztes beilegen, welchen ſich nach und nach ein befonderer Stand von Arzten angeeig
net bat. Diefer Stand bat fi im Verlaufe der Zeit durch feine genauere Kenntniß der Um
ftände, welche ſich fpeciell auf bie Zahnkrankheiten, deren Verhütung und Heilung beziehen,
aus dem ber niedern Chirurgen entwidelt und fich gewiffen, in den verfchiedenen Rändern bald
mehr, bald weniger vorausfegenden Prüfungen unterworfen, welche neben ber Anatomie, Phy⸗
fiologie, Pathologie und Therapie der Zähne und ihrer Umgebungen nocheingelne in entfernserm
Bezug dazu ſtehende Gapitel der allgemeinen Heilkunde betreffen. Die Zahnarzneitunft zeigt
in ihrer Gefchichte ganz denfelben Bang, ben die Mebicin überhaupt und befonders die Chirur⸗
gie einfchlug. Im hohen Alterthum hatte der Kaftengeift der Agypter aud eine befondere
Kafte von Zahnärzten erfchaffen, von deren wiflenfchaftlichem Standpunkte wir keine Kenntniß
baben ; die griech. Arzte wendeten ihre Aufmerkſamkeit den Zahnen in eben dem Grabe zu wie
dem übrigen Körper, und Zahnoperationen mit den dazu nothigen Inftrumenten wurben in der
ber übrigen Mebicin angemefienen Vollkommenheit ausgeübt. Das Ausfüllen der hohlen, das
Ausfeilen der angefrefienen Zähne und das Zahnausziehen waren bei ben Römern befannte
Sachen, während die ihnen folgenden Araber ihrer Scheu vor operativen Eingriffen auch in
biefer Dinficht treu blieben. Die finftern Zeiten des Mittelalters ließen die Zahnarzneitunfl
manchen Rückſchritt thun, und namentlich gelangte fie in den Zeiten der Kreuzzüge gänzlich in
die Hände ber Bader, denen fie felbft die Bemühungen von Buy be Shantiac, Paré und andern
großen Arzten nicht wieber ganz zu entreißen vermochten. Jedoch fand fie nach und nad
immer mebr wiffenchaftliche Beförderer, unter denen Ryff, Foreſt, Kabricius ab Aquapendente,
Highmore, Ruyſch, Eowper, Drake und Meibom zu nennen find, welche theild durch phyfiole⸗
gifche und pathologifche, theils durch therapeutifche Entdeckungen den Zuftand berfelben ver-
. befierten. Befonders wurde zu Ende bed 17. Jahrh. das Einfegen von Zähnen, welches ſchon
Dare verfucht zu haben fcheint, mehr üblich, und Nuck, dee um diefe Zeit lebte, kannte [chen das
Einfegen ganzer Zahnreihen aus Einem Stüd. Beſonders aber mar es in der erften Hälfte det
18. Jahrh. Fauchard in Paris, welcher durch die Anwendung feiner Kenntniſſe und durch fein
Werk „Le chirurgien-dentiste” (2 Bde., Par. 1728; deutfch von Buddeus: „Abhandlung
ber Zähne”, Bert. 1733) die Zahnarzneitunft auf eine fo Hohe Stufe erhob, daß er fogar als der
eigentliche Begründer derſelben ald Wiffenfchaft zumeiten genannt wird. Ihm nebft feinen
Nachfolgern Bunon, Mouton, Lecluſe, Pfaff, Duval, Bourdet, Hunter, Jourdain, Gariot, B.
Bell, Büding, Laforgue, Serre, Bor, Blake, Maury, Heffe, Kinderer und Carabelli ift es vor
züglich zu danken, Daß die Elaffe der auf Meffen und Sahrmärkten herumziehenden Zahnärzte
nad) und nach durch wiffenfchaftlich befonders gebildete und vom Staate geprüfte Männer er-
fegt worden ift. Die angeführten Namen beweifen, daß hauptſächlich Franzoſen ſich um die
Ausbildung diefes Zweigs der Heilkunde bedeutende Derdienfte erworben haben, wie auch noch
gegenwärtig Paris derjenige Ort ift, der die meiften Zahnärzte aufzuweiſen hat. Lehrſtühle für
Zahnarzneikunſt befinden fich außer in Paris auch noch in Wien und Berlin, während übrigene
die medicinifch-chirurgifchen Lehranftalten und bie Ateliers der ausübenden Zahnärgte Gelegen-
heit zur praßtifchen Ausbildung in diefer Kunft darbieten. Vgl. Garabelli, „Syſtematiſchet
Handbuch der Zahnheilkunde” (Bd. I, Wien 1851), die Geſchichte und Literatur enthaltend.
Sahnfhners, ſ. Zabn.
ähringen, ein Dorf mit 680 E. unweit Freiburg, im ehemaligen öſtr. Breisgau, im fepk
gen Oberrheinkreife Badens und im Stadtamte Freiburg, ift wegen des zerftörten Schloſſes
gleihee Namens geſchichtlich denkwürdig, von welchem die alten Herzoge von Zäbringen, die
Ahnherren des Hauſes Baden (f. b.), fih nannten. Bon ihnen foll das Geſchlecht der Habs⸗
burger ein jüngerer Zweig fein. Gunttam der Reiche, Graf vom Sund- und Breiögau, der
Zain Ddajonczek 438
Sohn des 917 enthaupteten berühmten Exchanger, Herzogs in Schwaben und Grafen vom
Klettgau, wird nämlich als Stammvater des zähringer Hauſes angenommen. Bon feinem äl⸗
teften Sohne Gebharb follen die Zähringer, von feinem jüngern, Lanzelin, die Habsburger ab»
flammen. Nach dem Tode des Herzogt Berthold I. 1077 zerfiel das Haus in zwei Rinien, bie
herzogliche ober zähringifche Linie, die mit Berthold V., dem Gründer von Bern, 1218 im
Mannsflamme erlofch, und die markgräfliche ober badifche Linie, von welcher bad Haus Baben
abftammt. Pol. Leichtlin, „Die Zähringer” (Freib. im Breisgau 1831); Schöpflin, „Hi-
storia Zaringo-Badensis” (6 Bbe., Karldr. 1765). Der Großherzog Karl von Baden fliftete
36. Dec. 1812 den Bandorden vom Säßringer Löwen.
Zain iſt die technifche Benennung eines Jang und fchmal (reifen. oder flabformig) gegoffe-
nen, geichmiebeten ober gewalzten Metallſtücks, welches nachher durch Hammer ober Walzen
weiter außgeftredit wird. Die erfte Periode dieſer Bearbeitung ober auch ſchon das Schmieden
bes Zains an fich wird Sainen genannt und ber dazu dienliche, von Waſſer getriebene Ham⸗
mer Sainhammer. Unter Satneifen verficht man die dünnſten Sorten bes Stabeifens, welche
von Nagelſchmieden und zu andern Heinern Gegenftänden verarbeitet werben.
BZainer (Günther und Johann) aus Reutlingen, zwei berühmte Buchbruder in ber Erfl-
lingszeit der Typographie, wahrſcheinlich Brüder und in der Fufl’- und Schöffer ſchen Officin
zu Mainz gebildet. Sie fchreiben fich auch Zayner, Zeiner, Tzainer und Czeyner. — Der ältere
von ihnen, Günther 3., war der frühefte Buchdruder Augsburg, wo als fein erfter Druck
„Bonaventure meditationis vite domini nostri Jesu Christi” (1468) erſchien. Sein vorzüg-
lichſtes Werf „Joannis de Balbis de Janua summa quae vocatur Catholicon“ (1469) ift von
größerer Eleganz al& der Drud derfelben Schrift von Gutenberg, auch faſt ebenfo felten als
diefe. Nach dem Vorgange der Italiener führte er in Deutfchland, woman bisher alle Bücher
mit ber fogenannten gothifchen ober Mönchs⸗ oder Miffaltype gebrudt hatte, die rom. Type
(fogenannte Antiqua) ein und druckte mit berfelben zuerft bie Werke des Iſidorus Hispalenfis
(1472). Auch des Thomas a Kempis Werk erfchien bei ihm zuerſt um 1471. Sein „Guldin
fpiel” (1472) enthält die ältefte Nachricht von dem Urfprunge der Spielkarten, zufolge welcher
fie im 3. 1300 nach Deutſchland gekommen fein follen. — Johann 3. machte fich nicht minder
um die Typographie bes 15. Jahrh. verdient. Er druckte von 1473 an, wahrfcheinlich bis in
bie zwanziger Jahre bes 16. Jahrh., in Ulm, deffen zweiter Buchbruder er war, nachdem kurz
vor ihm Ludwig Hohenwang bafelbft zuerſt mit ber Ausübung jener Kumft oder boch wenig»
ſtens als Briefbruder und Formſchneider aufgetreten war, aber meift mit gefchnittenen Typen
gebrudt hatte. 3. führte den Drud mit gegoffenen Buchftaben in Ulm ein ; mindeftens find bie
aus feiner Preſſe hervorgegangenen Werke mit fo gleichmäßiger Schrift gedruckt, daß dieſelbe
nur gegoffen fein kann. Sein erſtes Werk war „Alberti Magni opus de misterio misse“ (1477),
wie alle feine Werke durch Eleganz ausgezeichnet. Bein „Boccaccio de claris mulieribus”
(1473) ift wol infofern das frühefte typographiſche Prachtwerk, als er diefe Schrift auf der
erften Seite mit gedruckten Randleiſten umzog und durchweg mit xylographiſchen Snitialen
verſah, durch welches Beifpiel ohne Zweifel die Illuminatoren und Rubricatoren, welche bie
AUnfangsbuchftaben in den Druckwerken malten, nach und nach verdrängt wurden. Einer feiner
vorzüglichften Gönner feheint der ulmer Stabtarzt Heine. Steinhövel gewefen zu fein, deffen
beutiche Werke („Nüczlich Regiment”, „Regimen in diefen ſchweren Läuften der Peftilenz” und
„Tütſche Cronika von Anfang der Welt auf Kaifer Friederich) er 1475 druckte. Trotz ber vie-
Ien und bedeutenden typographifchen Unternehmungen, namentlih auch in beutfcher Sprache,
ſcheint er indeß nicht glücklich geweſen zu fein; insbefonbere fcheint ihn feit bem 4483 erfolgten
Tode des erwähnten Gonners, wodurch ihm manche Unterflügung entgehen Mochte, das Unglück
verfolgt zu haben. &o wurde er 1495 nebſt Hand Dinkmuth, der wol fein Gefchäftägenoffe
war, vermuthlich Schulden halber aus Ulm verwiefen, und wenn er auch bald dahin wieder zu⸗
rũckkehrte und bort von neuem brudte, fo führen ihn doch die Urkunden dieſer Stadt immer in
Scäuldverhältnifien und Proceſſen auf, die offenbar auf eine große finanzielle Zerrüttung hin-
deuten. Er flarb um 1525. Bor. Haßler, „Buchbrudergefchichte Ums“ (Ulm 1840).
Zajonczek (Sözef, Fürſt), poln.-franz. General und ruff. Statthalter in Polen, geb. 1752
au Kaminiec, ſtammte aus einer armen abeligen Familie und trat frühzeitig in das poln. Heer. -
Schon 1784 mar ex Oberfllieutenant; auch lenkte er damals bereits als Landbote auf dem
—— die Aufmerkſamkeit auf fih. Im 3.1793 wurde er Oberſt und Chef eines Regi⸗
ments. Gr wohnte unter Koſciuſzko dem Kriege Polens gegen Rußland bei und zeichnete ſich
Gonnskez. Behnte Xufl. XV. 1 28
434 Zakynthos Zaluſti
ſo aus, daß er zum Generalmajor befördert wurde. Als das Glück die Sache der Polen nicht
* begünftigte, verließ er mit vielen ſeiner Landsleute feine Heimat, um in Frankreich ein neues
Baterland zu fuchen. Auf dem Wege dahin wurde er in Galizien nebft feinem Bruder, der
Mitglied des Hohen poln. Nationalraths gewefen war, verhaftet und in bie Feſtung Joſephſtadt
gebracht. Nachdem er feine Freiheit wiebererlangt hatte, begab er fich nach Paris und wurde
Brigadegenerat bei der franz. Armee in Italien, mo er an den Erfolgen ber franz. Waffen nicht
geringen Antheil hatte. Er folgte dann Bonaparte auf bem Zuge nad Agypten und auch hier
focht er tapfer, ſodaß feiner in den Berichten oft Erwähnung geſchieht. Im J. 1802 ernannte
ihn der Erfte Conful zum Divifionsgeneral und ertheilte ihm den Dberbefehl über eine Divi⸗
fion franz. Truppen in Italien; 1842 begleitete er Napoleon auf bem Zuge gegen Ruflanb.
An der Spige eines frang. Armeecorps riß ihm bein Übergange über die Bereszina eine Kugel
bas eine Bein weg. In Wilna gerieth er in bie Gefangenfchaft der Ruffen und wurde nad
Kiew abgeführt. Nach Errichtung des KönigreichE Polen 1815 ernannte ihn der Kaifer Ale
zander zu feinem Statthalter oder Namieſtnik dafelbft, worüber anfangs die ganze poln. Nation
erfreut war. Doch bald verlor 3. durch das genaue Eingehen in die Plane Alerander’s feine
Popularität. Der Kaifer Alerander erhob ihn 1818 in den poln. Fürftenftand und Kaiſer Ri-
kolaus beftätigte ihn 25. Dec. 1825 in allen feinen Würden und Rechten. Er flarb zu War⸗
ſchau 28. Juli 1826. Bon ihm rührt die „Histoire de la r&volution de Pologne en 1794, par
un t6moin ooulaire” (Bar. 1797) Her.
Se: f. Zante. |
aleffi (Bohdan), poln. Dichter, geb. 1802 zu Bohatyrka in der Ußraine, verlebte feine
erſte Jugend in der Ukraine und hielt fich fpäter in Warfchau auf. Nach der Revolu⸗
tion von 1834 theilte er das Exil feiner Landéleute in Frankreich, von mo er wieder
holte Reiſen nach Deutſchland, England, namentlich nah Italien untemakm. Schon
früb vertiefte er fich in bie uframifche Volkspoeſie und fchilderte in feinen Gedichten, bie
fich durch außerordentlichen Wohllaut, Natürlichkeit und glänzende Bilder aus zeichnen, vor⸗
nehmlich das Leben ber ufrainifchen Koſacken. Seine den Romanzen ähnlihen „Dumki” und
„Rusalki’ find bereits zu Volksliedern geworden. Seine „Poezye” erſchienen in zwei Ban
den (Pof. 1841 und öfter). Außer diefen find befonders au erwähnen: „Poezye religijne,
Potrzeba zbarazska” (eine Hetmansdume),, Ritterliche Rhapſoden“, „Ein Spaziergang au-
erhalt Roms”, „Sonette über bem Grabe Laura's“ u. a., die in Paris theils beſonders, theils
gefammelt feit 1840 erfchienen. Die bedeutendften und größten unter feinen Schöpfungen find:
„Duch od stepu” („Der Geiſt von den Steppen“), ein Vorfpiel zur neuern Poeſie, feinem
Freunde Mickiewicz gewidmet, und die „PrzenajswietszaRodzina” („Die heilige Familie”), eine
ber zarteften Schilderungen bed Zufammenlebens berfelben. 3. gehört zu den poln. Dichter:
in der Emigration, bie fich durch den Meffianismus Mickiewicz' und Towianſkü's nicht haben
verleiten laſſen. Er blieb ſelbſtaͤndig und dem kath. Glauben, der feinen poetifchen Standpunkt
beftimmt, treu. 8. ift Meifter in der Sprache und in der Form, worin ihn Niemand übertrof⸗
fen hat und welche Vorzüge feinen Dichtungen einen befondern Reiz verleihen.
aleukus, der berühmte Befeggeber ber epizephurifchen Lokrer in Unteritaften, um 500
v. Ehr., war ber gewöhnlichen Annahme zufolge ein Schüler oder Slave des Pythagoras, mit
dem er auch Ägypten durchreift haben fol, und orbnete durch Einführung fehr firenger Geſete
fein Baterland, von denen mir nur eine fehr mangelhafte Kenntnif haben. Nur fo viel mird
erwähnt, daß er, um dem Lupus zu fleuern, den öffentlichen Dirnen das Tragen koſtbater Ge⸗
fegmeibe anbeföhlen und den Ehebruch mit dem Berlufte beider Augen beftraft habe. Als er
legtere Strafe an feinem eigenen Sohne vollziehen laffen mußte, Tieß ex erft dieſem, dann ſich
ſelbſt ein Auge außftechen, um bie Strenge des Gefeges mit der aufopfernden AÄlternliebe zu
verbinden. Auch erzählt man, daf er zur Kuftechthaftung feiner Befege beſtimmt babe, Jeder,
der einen neuen Vorfchlag marhen wolle, folle mit einem Stricke um den Hals erſcheinen, um
im Falle der Verwerflichkeit deffelben fogleich den verdienten Lohn zu empfangen.
Zalufki, ein poln. Geſchlecht, das in der Staatd- und Riteraturgefthichte feines Vaterlandes
eine ausgezeichnete Stelle behauptet. — Zaluſti (Andrzej Chryſoſtom), geb. um 1650, geft. 2711,
ein vorzüglicher Redner, mar Biſchof von Ermeland und Großkanzler von Polen ımter Au⸗
guſt I. Seine nicht für den Druck gefchriebenen „Epistolae historico-familiares” (4 Bbe.,
Braunsberg 170961) enthalten hägbare Beiträge zur Regierungsgefchichte Johann's MI.
Sobieſti. — Balufti (Joͤzef Andrei), ber Neffe des Vorigen, Begründer einer der größten Bi
bliotheten Europas, geb. 1701, war ber Sohn eines Woiwoden von Rawa. Auf Reifen durch
Zema - Zambertati 435
Deutſchland, Holland, Frankreich und Itallen gebildet und beſonders in der vaterlänbifchen
Geſchichte mit großen Kenntniffen ausgerüftet, trat er nach ber Müdkehr ind Vaterland in den
geiftfichen Stand und wurbe Kanoniker von Plock und Broßreferendar des Reiche. Nach dem
Tode Auguſt's II. trat er anf die Seite des Staniflam Leſzezynſti, der ihn mit ber Anzeige vom
feiner Thronbefleigung an Clemens XII. nach Rom fendete, wo 3. drei Jahre blieb. Da inbef-
fen Staniflew Polen wieder hatte verlaffen müffen, fe begab ſich 3. nach Lothringen an beffen
- Hof, wo ex reiche Pfründen erhielt. Sehnfucht nach dem Vaterlande vermochte ihn jeboch bald,
Auguſt IT. um Amneſtie zu bitten, und er kehrte num nach Polen zurüd und wurde zum Bi⸗
fchof von Kiew emannt. Durch Verbindungen mit dem Auslande und aus den Kofterbibtio-
theten Polens brachte 3. mit Aufopferung feines Vermögens eine Bibliothek von 230006 Bän-
den zuſammen, die er 1748 in einem eigenen Gebäude zu Warſchau zum öffentlichen Gebrauche
aufftellen ließ. Da er auf dem Reichsſtage von 1766 gegen die von den Nuſſen beſchützten Dil-
fidenten heftig auftrat, fo wurde er auf Beranlaffung des ruff. Befandten Repnin nach Kaluga
verwiefen und Bier bis 4775 feſtgehalten. Er ſtarb 9. San. 1774. Seine Bibliothek fchenfte
er durch Teſtament dem poln. Volke; fie war in Warſchau aufgeftellt, bis fie 1795, von den
Ruſſen ald Staatseigenthum Polens in Befchlag genommen, nach Petersburg geſchafft und
der kaiſerl. Bibliothek einverleibt wurde. 3. hat die größten Berdienfte um bie Wiebererweckung
der poln. Literatur: Er war ein eifriger Freund und Beförderer der Beftrebungen Konarfli's,
welchen er auch bei ber Herausgabe der großen Sammlung „Volumina legum” unterffügfe.
3.6 Schriften bekunden außerordentliche Gelehrſamkeit, doch zugleich Mangel an Geſchmack.
In Kaluga fchrieb er aus dem Bebächtniffe ein wichtiges bibliographifches Werk in Verfen:
„Biblioteka historiköw“ (herandgegeben von Muczkowfli, Krak. 1832); außerdem hat man
mehre andere bibliographifche Werke von ihm, die zum Theil noch nicht abgedrudt find, auch
ein „Specimen historiae Poloniae criticae” (Danz. 1733). — Zaluſti (Andrzej Staniflam),
bes Borigen älterer Bruder, begleitete dieſen auf feinen Reifen, erhielt in Rom bie Doctorwürde
und widmete ſich nach feiner Rückkehr ins Vaterland dem geiftlichen Stande. Auguft II. machte
ihn zum Biſchof von Plock, dann 1735 zum Großkanzler bes Reichs, welches Amt 8. zehn 3.
lang verwaltete. Später wurde er Bifchof von Krakau und Kanzler der Akademie. Er war
mit Eifer chätig für Belebung des kirchlichen und wiffenfchaftlichen Lebens in Polen. Seine
bedeutende Bibliothek vereinigte er mit ber feines Bruders, deffen große Zwecke er, wo er nur
konnte, förderte. Er flarb 16. Dec. 1758.
Zama, eine Stadt in Numidien, fünf Tagereiſen weſtlich von Karthago, ift berühmt durch
die Schlacht, welche in ihrer Umgegend, nahe bei einem Orte, den Polybius und Livius Nara-
gara nennen, 19. Oct. 202 v. Ehr. zwifchen Publius Cornelius Scipio und Hannibal, nach
eimer erfolglofen Unterrebumg zwifchen beiden Feldherren, geliefert und durch welche ber zweite
Pumiſche Krieg entfchleden wurde. In dem Reitergeiecht, das bie Schlacht eröffnete, wurden
die Karthager bald zerftreut, und der Andrang ihrer 80 Elefanten hatte nur geringen Erfolg.
Die karthag. Göldner wurden nach hartem Widerflande von den Haftari auf das zweite Treffen,
von biefem wieder auf die Römer geworfen, ſodaß fie zwifchen beiden umfamen. Als barauf bie
Haflari ſelbſt von den Karthagern ſcharf bebrängt murben, ließ fie Scipio ſich zurüdziehen mid
die Principes und Triarii feitwärts nach den Flügeln hin rüden, um ben Feind dba anzugrei-
fen. Die Karthager leifteten verzweifelten Widerſtand. Als aber die rom. Reiterei nun auch
anf das Fußvoſt einbrach, entſtand allgemeine Flucht, auf ber das Farthag. Heer faſt ganz auf
gerieben wurde. An 20000 Bann fellen auf karthag. Seite gefallen und ebenfo viel gefangen
worden fein; bie Römer zählten gegen 2000 Zobte. Hannibal entkam mit einer Schar nach
Adrumelum und von ba nad Karthago.
Bambeccärl (Brancesco, Graf), ein berühmter Luftſchiffer, geb. 1756 zu Bologna, ſtammte
aus einer alten Familie, die zu den 40 Senatoren biefer Stadt gehörte. Er erhielt eine ſorgfäl⸗
tige Erziehung, erwarb ſich Hirte mathematliſche Kenntniffe ımd trat dann al& Seeoffizier in
fpan. Dienfte. Er gerieth in eürt. Gefangenſchaft und wurde in dem Bagno in Konftantinopel
feftgehalten, bie endlich ber ſpan. Befandte feine Freilaſſung bewirkte. Hierauf machte er eine
Meife in die Levante und nach Afrika umb beſuchte dann die Bauptftäßte Europas. Nach ber
Rückkehr in fein Vaterland befchäftigte er ſich vorzüglich mit ber Theorie der Aeronantif.
Endlich glaubte er mittels einer ſinnreichen Vorrichtung die Lenkung des Luftballs, folglich die
Kunſt der Luftſchiffahrt erfimben zu haben. Er hatte fein Berfahren auf die VerfehiedenHeit
der Luftſtrömungen in den höhern ober tieferen Ruftfehichten gegründet und geole ſich mittels
436 Bambos Bamelris
Bermehrung ober Berminberung bes Gaſes nach Belichen erheben ober nieberlaffen und dann
durch den Luftſtrom fortrudern. Als er aber ben auf ben 21. Sept. 1812 angekündigten Ver⸗
fuch bei ungünftiger Witterung unternabm, verunglüdte er, indem fein Ball an einem Baume
hängen blieb und Feuer fing.
amboß, f. Farbige.
amojfki (San), einer der größten poln. Staatömtänner und Belbherren, geb. 1542 aus
einem alten Geſchlechte, ftudirte zu Paris und Padua und ſchloß fich früh an bie größten Män-
ner feiner Zeit an. Im J. 1565 kehrte er ins Vaterland zurüd, wog er, fehr bald von Sigis⸗
mund Auguft in den Staatödienft gezogen, zwei Starofteien erhielt. on auf den Reichſtagen
nach dem Tode Sigismund Auguſt's lenkte 8. Aller Augen auf fi) und namentfich verfland er
es, busch fein vielfeitige Talent die Gemüther zu leiten. Auf des Adels Freiheiten bedacht
that er ben fpäter in feiner Ausartung für Polen fo unheilvollen Vorfchlag, daß jeder Mbelige,
ber zur Bertheidigung des Baterlandes perſoönlich ſich ſtellte, auch perfönlich zur Wahl bes Kö⸗
nig6 erfcheinen dürfte, nur mir Ausnahme Derjenigen, bie felbft als Candidaten bes Throns
aufträten. Des fpätern franz. Königs Deinrich IH. Erwählung auf den poln. Thron erfolgte
zum Theil duch 3.6 Einfluß, der im Namen bed Volkes ben Wahlvertrag auffegte. Dit meh⸗
ren Andern nach Frankreich gefendet, trug er ebenfalls nicht wenig bei, Heinrich zur Annahme
bed Throns zu bewegen. Noch gröfern Einfluß hatte er bei ber bald nothigen neuen Königs⸗
wahl, und ihm vorzüglich verbankte Stephan Bathori (ſ. d.) die Krone. Bald waren dieſe beiben
ausgezeichneten Männer burch gegenfeitige Achtung wie durch das eifrigfte Beſtreben, bie Maͤn⸗
gel in der Staatseinrichtung Polens zu heben, innig verbunden. 3. wurbe Großkanzler bei
Reichs, 1580 Großkronfeldherr und kaͤmpfte mis dem Könige fiegreich gegen Rußland. Gegen
bie Türken ficherte er die Grenzen durch ein Heer, das er auf eigene Koften ausgerüftet hatte.
Im 3. 1583 vermählte ihn der König mit feiner Nichte Griſeldis; Doch zog fich 3. dadurch ben
Haß Vieler aus dem Adel zu. Heftig entbrannte dieſer Daß, als 3. einen Edelmann, Zberommfli,
der, wegen eines Mordes zum Tode verurtheilt und verbannt, gegen den König eine Verſchwö⸗
zung eingegangen war, 1587 enthaupten ließ, um bem Gefege bem Übermuthe bes Adels gegen-
über erfeben zu verfchaffen. Bei ber Königswahl nach Stephan Bathori'd Tode gewann 3.
eine volle Übermacht. Nicht ſchwer wäre es ihm vielleicht geweſen, ſich felbft zum Könige zu er-
heben, doch zog er es vor, durch feinen Einfluß für Sigismund I. (f. d.) den Thron zu gewin⸗
nen. Aber Sigismund konnte die Kraft eines folchen Geiſtes nicht neben fich dulden: feine weifen
Rathſchläge galten nichts mehr und bald faher ſich den Höflingen nachgeftellt. 3., erhaben über
biefe Undankbarkeit des Könige, fuchte dennoch unausgefept dem Vaterlande zu nügen. Er
fiherte bei ber Unthätigfeit Sigismund's die Grenzen de Reichs faſt allein gegen bie Einfälle
ber Zürken, Zataren und Koſacken und befoldete das Heer aus eigenen Mitteln. Gegen Mi-
had, Woiwoden der Moldau, focht er fo fiegreich, daß Ihm auf dem Neichötage von 1601 bie
Stände einen Dank votirten. Ebenfo glücklich kämpfte er 1602 in Livland gegen die Schweden,
bis er aus Mangel an Sold für das Heer ben Dberbefehl nieberlegte. Er gewährte aud) ben
Wiſſenſchaften einen mädjtigen Schug, und viele Gelehrte Ichten an feinem Hofe. In Zamote
(1. d.), das er gründete, fliftete ex auch eine Akademie. Ex fchrieb mehre Werke, unter andern
„De senatu Romano” (Ben. 1563) und „Testamentum Joannis Zamori” (Mainz 1606). Auch
ſtehen intereffante Briefe von ihm in Lünig's „Literae procerum Europae”.“ Gr ſtarb 1605.
— Zamojiſti (Andrzej, Graf), ein glorreicher Vertheibiger der Unabhangigkeit Polens, war ım-
ter Staniſlaw Auguſt Krongroßkanzler. Als auf Befehl des ruff. Generals Repnin mehre &e-
natoren nach Kaluga verwiefen wurden und 8. einfah, daß er dem Vaterlande nicht mehr mit
Nugen dienen könne, legte er 1767 feine Stelle nieder. Doch untergog er fi 1776 dem
Auftrage des Reichttags, eine Gefegfammlung zu orbnen, worin er die Nechte des britten
Standes feftftellte („Zbiör praw sadowych“, 5Bbe., Warfch. 1778; deutſch von Rikiſch
Warſch. 1780). Diefe trefflihe Sammlung erhielt ben Beifall des Königs ; doch der Reicht-
tag von 1780 verwarf fie, und erft in der Gonflitution vom 3. Mai 1791 fah 3. feine
Srundfäge anerkannt. Schon vorher hatte er auf feinen Gütern die Leibeigenfchaft abgeſchaſſt.
wie er ſich auch ehr durch Humanität auszeichnete. Er flarb 12. San. 1792.
Bamolris, von Geburt ein Gete, gehört zus ben gepriefenften Weifen bed Ulterthume und
war nad) Einigen ein Sklave und Schüler des Pythagoras, mit bem er auch Agypten burd-
veifte, obgleich Herodot fein Leben in eine frühere Zeit fegt. Um bie religiöſe und ſittliche BU-
dung feiner Nation machte er ſich befender® dadurch verdient, daß er ihr die Unfterblickeit
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Zamora (Stabt) Zampieri 437
der Seele lehrte und gute @efege gab, daher man ihm auch nach feinem Tode göttliche Verch⸗
rung erwies. |
amöra, Hauptſtadt ber gleichnamigen fpan. Provinz (167% DM. mit 180008 @.),
rechts am Duero, über den eine ftattliche Brüde führt, fehr maleriſch auf ſteilem Felſen gele
und von hohen verfallenen, aber durch einige Batterien vertheibigten Mauern umringt, zählt
gegen 1 E. ift ein Waffenplatz, Sig der Provinziafregierung und eines Bifchofs, hat ein
altes Schloß, eine goth. Kathedrale mit dem Grabe bes Heil. Sidefonfo, 22 Hartkirchen, 16
Kloſtergebaͤude und brei Spitäler, ein bifchöfliches Seminar und ſeit 1845 ein königl. Inſtituto
oder Bymnaflum. In der Rähe befindet ſich die Antimonhütte zu Loſario. Merkwürdig if bie
Umgegend von Z. durch bie zwei Niederlagen, welche die Araber bafelbft 812 und 904 erlitten,
die legtere unter Alkaman, bem Feldherrn des Khalifen von Gorbova, durch König Alfons II.
von Leon, der bier 910 flarb. Im 11. Jahrh. wurde die Stadt durch den maurifchen Feldherrn
Almanzor zerflört, fpäter aber, unter Berbinand IL und Alfons VI. wieder aufgebaut, diente
fie den Königen von Leon und Gaftilien oft ald Reſidenz und als Berfammlungsort ber Eortes.
Zamdra (Antonio de), einer ber legten bramatifchen Dichter Spaniens im alten Rational
geſchmack, lebte zu Anfang des 18. Jahrh. und war Kammerherr im Dienfte Philipp's V. Ein
erfler Theil feiner Komoͤdien erſchien 1722 zu Madrid. Er beftzebte fich vorzüglich, Calde⸗
ron nachzuahmen, von bem er ſich freilich mehr die äußern Vorzüge zu eigen machte. Obwol
es ihm an natürlicher Leichtigkeit des Stils, an Iebendiger Auffaſſung ber Sitten und Eharaf-
tere nicht fehlte, fo hatte ex doch ſchon zu wenig Bulle der Begeifterung und Tiefe ber Seele
und des Gemüths, um mit feinem Vorbilbe wetteifern zu können. Sein beſtes Stüd ift „Ma-
zariegos y Monsalvos”, das im Begenftande, der Feindfchaft zweier vornehmen Familien zu
Samora, Ahnlichkeit mit „Romeo und Julie” hat. Berühmt ift auch fein Intriguenftüd „Ei
hechizado por fuerza”, boch ftreift es trog ber Luſtigkeit und des faft poffenbaften Tons ſchon
an die Brenze des Profaifchen. Auch die Gefchichte ber Jungfrau von Orleans hat er drama»
tifch bearbeitet, fowie von neuem und mit vielem Geſchmack den „Don Juan” nach Zirfo de Mo-
Iina’6 „Convidado de piedra”, und biefe feine Bearbeitung ift das nächfte Vorbild der berühm⸗
ten Oper geworben.
Zamose, ruſſ. Samose, Kreisſtadt und Feſtung in Polen, in dem Gouvernement Lublin,
ſüdoſtlich von Warſchau, am Wieprz, wurde von Jan Zamojſti (f.d.) nach deffen Siege über dem
Erzherzog Marimilian von Oftrei 1588 gegründet. Die Mehrzahl der Häufer wurde im ital.
Stile erbaut; auch errichtete Zamoſſti daſelbſt eine ange Zeit berühmte Hohe Schule mit einer be
deutenden Bibliothe, die aber gleich fänmtlichen wiffenfchaftlichen Anſtalten durch Die Ruffen
aufgehoben wurde. Die Stadt Hat 5000 E. und ein ſchoönes großes Schloß und andere anfehn-
liche Gebäude, worunter vier Kirchen, zwei Klöfter, ein Theater und ein Zeughaus. Kofaden
und Schweden belagerten die Stadt vergebens. Nach Auflöfung bed poln. Reiche fiel fie an
Oſtreich; 1809 eroberten fie die Polen wieder und 1813 die Ruffen. Im 3. 1820 erfaufte die
poln. Regierung bie Stadt nebft Umgebung von dem Grafen Staniſlaw Koſtka Zamojffi, der
dafür über fumfzig andere Staatögüter erhielt. Die weitläufigen Vorſtädte wurden niederge-
riſſen und die Stadt noch mehr befeftigt.
Zampieri (Domenico), befannt unter dem Namen Domenichino, ein berühmter Maler
der Schule zu Bologna, wurde dafelbft 1581 geboren und bildete fich auerft bei Dionys Sal _
vaert, nachher bei dem Caracei. a entwidelte fich fein Talent nur langfam, ſodaß er den
Mitſchülern zum Gefpötte war; fpäter hatte ex von der allgemeinen Malereiferfucht nicht min-
der zu leiden und behielt nur den Franc. Albani zum Freunde. Er Hatte fih, wie fo manche
Maler jener Zeit, auch mit Baukunſt befchäftigt und wurde bei einem längern Aufenthalt in
Nom vom Papfte Gregor XV. zum Auffeher der päpftlichen Gebäude ernannt. Palaft und
Särten der Billa Aldobrandini zu Frascati find nach feiner Angabe eingerichtet. In Neapel,
wo er feit 1629 wohnte, verfolgte ihn ber Neib ber Naturaliftenfchule zuerft mit ſchlimmen
Streichen, indem man ihm bie Wände verdarb, auf welchen er malen follte, endlich fogar auf
Iebensgefährliche Weiſe, denn an ihrem Gifte fol er 1641 geftorben fein. In den Werken 3.'6
offenbart ſich Beine befonders reiche Phantafie, weshalb auch feine Sompofition bei großer Regel»
richtigkeit doch oft etwas Nüchternes, in den Banden ber Garacci’fchen Kunſtregeln Befange-
nes bat und auf theatrafifche Berechnung hindeutet. Dagegen iſt das Einzelne hier und da von
einer reinen, milden Schönheit und Naivetät, wie feit Rafael kaum bei einem andern Künftler
Italiens ; befonders ber Ausdruck der Köpfe dürfte von keinem Italiener bes 17. Jahrh. über-
troffen worden fein. Bein berühmtefles Bild, die Communion des heil. Hieronymus (im Vati
.r
%
48 Zan Zanetti
can), iſt eine directe, aber im Einzelnen höchſt anmuthige Nachahmung des Gemaͤldes von Ago⸗
fiino Caracci, welches denſelben Gegenſtand darſtellt. An den Fresken zu San-Euigi in Rom
und zu Grottaferrata find auch wiebrzum weniger bie Gompofitionen als bie [hönen Einzgeihei-
ten, vorzüglich in den Nebenfiguren, beiuunbernöwerth. Die höchſte Schönheit erreichte 3. in dem
Leben der heil, Jungfrau, im Dom zu Fano, zumal in bem Bilde der Bifltation. Bon feinen
Staffeleibildern, weiche fich im Colorit nicht über das Niveau ber übrigen Bolognefer erheben,
ift der Johannes in der Begeifterung (zu Stuttgart) durch den ſchönen Müller'idyen Stich fehr
populär geworden; die Galerie Borghefe enthält feine in anderer Weiſe vartreffliche Diana mit
den Nymphen. Seine Randfchaften, meift mit mythologiſcher Staffage, find wie bie des Anni⸗
bale Caracci mehr großartige Decorationsſtücke als Charakterdarſtellungen der Ratur. Die
gefchiekteften Kupferftecher, wie Frey, Cunego, Volpato, Rouffelet, Audran, Audenaerd, Sharp,
P. del Po, haben nach ihm geſtochen.
Zan (Tomaſß), einer der Polen, bie durch Belebung des Nationalgeiſtes die Ereigniſſe des
3.1830 vielfach vorbereiteten. Aus einer edeln lithauiſchen Familie 1794 in der Woiwodſchaft
Nowogrodek geboren, ftiftete er fchon 4813 auf der Diftrictöfchule zu Molodeczno einem Verein
gleichgefinnter Jünglinge, um nationale Ausbildung au befördern. Auf ber Univerſität zu
Wilna, bie er 1815 bezog und wo er, wenig bemittelt, fich zum Theil Durch Unterricht ernaͤhren
mußte, fand er für feine patriotifchen Entwürfe einen weitern Spielraum. Er verband fich mit
ben fähigften Jünglingen aus den altpoln. Provinzen, namentlich mit Mickiewicz, mit dem er in
der intimften Freundſchaft lebte, blieb nach Vollendung feiner Studien in Wilna und fliftete
1820 mit Genehmigung bed Rectort ber Univerfität und des Biſchofs von Wilna den Berein
der Promienisci, d. i. ber Strahlenden, ber den Zweck hatte, Liebe zu ben Wiffenfhaften und
vaterlänbifche Gefinnung zu beleben. Durch die Anmuth feines Charakters gelang es ihm, dem
Verein eine große Ausdehnung zu geben ; boch gab er den anfänglichen Pan, ſich mit den deut⸗
ſchen Studenten zu verbinden, fpäter auf. Bald aber trat ein anderer Verein, die Autipromie-
nioci, ber Verbindung 3.'6 entgegen und befchuldigte die legtere, in ihren Schriften und Gefün-
gen die Religion verhöhnt zu Haben. Der milde Generalgouverneur Korſakow begnügte ſich ba
mit, ben Berein aufzulöfen. Hierauf bildete 3. aus den kraͤftigſten Mitgliedern die geheime Geſell⸗
ſchaft der Tugendfreunde oder Philareten, die einen aus 20 Mitgliedern beſtehenden Aus ſchuß, die
Hhilomaten, an ihre Spige ftellte, zu dem Zwecke, alle ariſtokratiſchen Gefinnungen zu vernich⸗
ten und Liebe und Kenntnif des Vaterlandes zu befördern. Nach zweijähriger Wirkfamkeit
wurde ber Verein durch ben Fürften Adam Czartoryiſti, den damaligen Gurator der Univer-
fität, in Unterfuchung genommen, dabei aber nichts herausgebracht. Unter 3.6 Vorfig löfte fh
. nun ber Verein auf und verbrannte alle Schriften; doch ſchon 1823 begann Nowoſilzow eine
neue Unterfuchung. 8. und faft alle Studenten in Wilna wurden verhaftet. Died veranlafte
ben Erſtern nach mehrmonatlicher Einfperrung, ſich als den Gründer und Vorſteher bes aufge:
löften Bundes in einer von ihm umterzeichneten Schrift anzugeben und Aller Strafe auf ſich zu
nehmen. Hierauf wurde er zur Verbannung nach Sibirien verurtheilt, aber auch mehre Theil
nehmer bes Vereins wurden mit ſchweren Strafen belegt. Außerdem erilirte man eine große
Zahl der Schuljugend im Knabenalter nach allen Richtungen hin. 3. lebte in der Verbannung
im Orenburg, wurde dafelbft nach einigen Jahren Bibliothelar und erhielt auch zufept die Er⸗
laubniß, in feine Heimat zurückkehren zu dürfen. .
Zanetti (Antonio Maria, Graf), ein geachteter Kunftfcpriftfteler und Sammler in Bene-
dig, geb. um 1680, ernenerte bie Erfindung bed Hugo da Earpi, Holyfehnitte und Kupferfliche
von mehren Platten abzubruden. Er war ein eifriger und unermüblicher Förberer der Kunſt,
fammelte ein koſtbares Runftcabinet und ftarb 1767. Er hatte Xheil an den unter Vottatis
Beihülfe erfchienenen „Leitere sulla pittura, scultura ed architettura“ (7 Bde., Rom 1:54),
deren Werth für die Kunſigeſchichte Längft bekannt if. eine Sammlungen von Gemmen und
Sameen wurden in Kupfer geftochen (herausgegeben mit Anmerkungen von Gorius, Ben.
1750) und feine Handzeichnungen u. f. w. zum Theil in Holz gefhnitten (2 Bde, Ben. 1743).
— Sein Neffe, Girolamo Francesco 3., geb. zu Venedig 1713, geh. 1782 als Profeffor der
Rechte zu Padua, befchäftigte fich eifrigft mit dem Studium ber Alterthümer und gab unter
Underm ba „Ragionamonto dell’ origine della moneta veneziana” (Ben. 1750), „Deil' ori-
eine di alcune arti prinoipali appresso i Veneziani libri due” (Wen. 1758) und das „Chon-
con Venstum” (Ben. 1765) heraus. — Der Bruder des Kegtern, Antonio Meria B., geb-
zu Venedig 1716, machte fi als Bibliothekar zu San-Marco in Venedig ſewie durch feine
Schriften, z. B. „Varie pitture a fresco di prinoipali maesiri veneziani” (Ben. 1760) und
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Zangenwerf Zanguebar 438
fein zuerft anonym erfchienenes Hauptwerk „Dalla pittura veneziane” (Ben. 1771; nee Huf,
1794), rũhmlichſt bekannt und farb 1778.
an ſ. Zenaille.
anguebar oder Zanzibar, eine Landſchaft an der Oſtküſte Afrikas, die ſich, im N. vom
Küftenlande Yjan, im W. in unbekannten Gegenden vom innern Afrika, im &. von Mozanı-
bique und im D. vom Indiſchen Dcean begrenzt, als ein langer Küftenflric) vom Aquator bie
zum Cap Delgado unter 10° |. Br. erfiredt. Das Land ifi noch ſehr wenig durchforſcht und
feine Befchaffenheit, befonder& weiter nach dem Innern zu, noch fehr unbelannt. Die Küfte
bildet eine fchmale, flache, meift moraftige, aber auch fandige Alluvialebene, hinter der ſich nad
dem Innern zu mehre Bergketten terraffenförmig zu der Scheitelläche des innern Hochafrika
erheben, die der Küfte parallel laufen. Bedeutende Gemäffer haben hier ihre Mündung ; doch
kennt man aufer der legtern nur wenig von ihrem Laufe, und ihre Quellen, die fänmtlich auf
dem innen Hochlande entfpringen, find ganz unbekannt. Der größte unter den Flüſſen ift der
Quilimance oder Kilinianfi. Ein früher fälſchlich Marawi oder Zambre genannter und erft
neuerdings unter feinem wahren Namen N'jaſſi etwas bekannter gewordener Binnenfer erftredt
fi von Südoſten gegen Nordweſten, hat viele Infeln und fol eine Länge von zwei Monaten
und eine Breite von drei Tagen Nuderfahrt haben. Dicht vor ber Küfte und parallel mit ihr
laufend liegt eine Reihe flacher, korallinifcher Infeln, unter denen bie größte ebenfalls Zaugue⸗
Bar heißt. Das Klima des Zieflandes der Küfte ift ganz das bes tropifchen Afrika, d. h. außer⸗
ordentlich heiß und in Folge der aus den Sümpfen und Flüſſen auffleigenden Miasmen höchſt
ungefund, während das Kiima des höhern Innern, je nach Bsrhältniß der Bodenhöhe, Fühler
und gefünder iſt. Die Jahreszeiten zerfallen in die trockene und bie naffe und ſtehen unter dem
Einfluffe der periodifchen Winde oder Mouffons, von denen der über den Indifchen Ocean
kommende Norboftmouffon, während unferer Mintermonate mehend, die Regenzeit herbeiführt,
während der über die dürren Hochebenen des innern Afrika ftreichende Südweſtmouſſon wäh-
rend unferer Sommermonate die trodene Jahreszeit verurfacht. Der Boden der Küftenebene
iſt, wo er nicht fandig ift, höchſt fruchtbar und mit dichten Tropenwäldern befegt und liefert bie
gevoöhnlichen afrik. Producte, unter Anderm Weihrauch, Myrrhen, Ambra und Ebenholz.
Die Infeln befigen ebenfalls einen fehr fruchtbaren Boden, der die ergiebigften Zuder-
ernten liefert. Elefanten gibt es in Menge, auch Gold wird im Innern gefunden; Elfenbein
und Goldſtaub waren daher ſtets zwei wichtige Handelsartikel. Die Bevölkerung beftcht aus
Negern, die unter eigenen Häuptlingen und unter arab. Fürften flehen, welche, die einen wie bie
andern, noch immer bedeutenden Handel mit Negerfllaven treiben, fobaß die Infel 3. und bie
Mündung des Lindufluffes die größten Sflavenmärkte in Oſtafrika find, von welchen biöher
alljährlich gegen 50000 diefer Unglüdlichen auf arab. Schiffen nach Agypten, Arabien, Per⸗
fien und felbft nach Java geführt wurden. Die Araber und deren Abkömmlinge nebft den
Miſchlingen derfelben mit Eingeborenen wohnen vorzüglich in den Seeſtädten und Handelsſta⸗
tionen der Küfte. Von ben einheimifchen Völkern ift das bebeutendfte das ber Suaheli (b. 5.
arab.: Tieflandbewohner), auch Sowahhel, Sowauli oder Sualli genannt, welches, etwa 3—
400000 Köpfe ſtark, den ganzen Küftenfaum bis 2—3 Stunden landeinwärts befigt und von
dem die ganze Küfte jegt auch wol Suaheliland genannt wird. Am meiften hat ber Imam von
Maskat (f. d.) feine Herrfchaft ausgebreitet, ſodaß man fagen Bann, daß er jeht der Herr dieſes
Küſtenſtrichs ift, da die meiften Häuptlinge feine Hoheit anerfennen. Bon Europäern hatten
bisher nur die Portugiefen, welche diefe wie bie übrigen oſtafrik. Küftenlänber zu Ende des 15.
und zu Anfang bed 16. Jahrh. entdedten und Factoreien und Niederlaſſungen daſelbſt anleg-
ten, bier Fuß gefaßt; jegt auch die Engländer. Am lebhafteften ift der Verkehr ber Ein-
wohner mit Arabien und Indien. Bon den Ortfchaften bes Landes find die bedeutendſten:
Mombaca oder Monbas, auf einer Infel unter A" |. Br., das, nachdem die Portugiefen 1820
vertrieben worden, feit 1824 unter Hoheit ber Engländer ficht, welche der dort herrſchende arab.
Häuptling zu feinen Schugherren erwählt hat; Lamu, mit 5000 E., die lebhaften Handel frei»
ben; Nabba Mpia, in ber Nähe von Mombaga, mit einer neuerdings von den deutſchen Miſ⸗
fionaren Krapf und Rebmann im Dienſte der engl. Miſſionsgeſellſchaft gegründeten Nieder
laffung, von wo aus fie in dad Innere Oſtafrikas vorgedrungen und mehre noch nie von Euro»
päern betretene Ränder befucht haben ; Quiloa oder Kilwa, mit einem ſchönen Hafen. Dagegen
iſt die einft anfehnfiche, reiche und mwohlgebaute Stadt Melinda jept ganz verfallen und ihre
tümmer find von ber üppigen Vegetation fo übermuchert und verhüllt, daß man fie faum bes
merkt. Don ben Infeln ift 8. die wirhtigfte. Cie iſt 9 M. lang und 3 M. breit, mit fraditbo-
140 Zannoni Zante
rem Boden, einem vortrefflichen Hafen, der einen Haupthandelsplatz bildet, ſteht unter einem
Schah, der den Imam von Makkat als Oberherrn anerkennt, und hat etwa 150000 E., die
aus Arabern, freien Negern und Negerſklaven beſtehen, von denen die leztern zwei Drittel ber
ganzen Bevölkerung bilden. Sie ift gut angebant, bringt jegt auch Gewürznelken hervor und
enthält eine einzige Stadt: R’guga, mit 5060000 E., einem prachtvoll geſchmũckten Palaft
des Sultans inmitten von Zimmt», Drangen- und Mangobäumen, einer Hafenbucht und bedeu⸗
tendem Dandel, an dem fich vorzüglich nordamerik. Schiffe betheiligen.
Zannoni (Giov. Batifta), ausgezeichneter Alterthumsforſcher, geb. zu Florenz 29. März
4774, war Lanzi's Schüler und feit 1814 deffen Nachfolger ale Antiquar der Galerie der Uffi-
zien, feit 1817 Secretär ber Akademie der Crusca und ftarb 43. Aug. 1852. Als Archäolog
trat er in Lanzi's Fußtapfen, indem er deffen Stubien über die Etrusker und ihre Sprache ſich
anfchloß; feine Schriften „Degli Etruschi” ($lor. 1840) und „Ilustrazione di due urne
etrusche” (Flor. 1826) find Früchte diefer Forfchungen. Arbeiten von fehr bebeutendem Um-
fang hat er nicht geliefert, aber feine Beiträge zur Monumententunde, Epigraphik und Rumis-
matik unter verfchiebenen Titeln &rfchienen (zufegt „Dei denarii consolari e di famiglie romane“,
Flor. 1830), find wegen ihrer Gelehrfamkeit und Zuverläffigkeit geſchäzt. Als Secretär der
Crusca ſchrieb er die Geſchichte dieſer Akademie (Flor. 1818) und eine Reihe von Lobreden,
Darunter die auf Lanzi (Blor. 1824) und ED. Visconti. Seine Ausgabe des „Tesoretto”
und „Favoletto‘ von Brunetto Latini, Dante's Lehrer (Blor. 1824), ift bie erfte genaue und
nach Handfchriften berichtigte. Indem großen Werke „La Reale Galleria di Firenze” (18 Bde.,
Flor. 1810 fg.), welches er in Gemeinfchaft mit U. Ramirez bi Montalvo, gegenmwärtigem
Saleriedirector, u. X. herausgab, ift der archänlogifche Theil faft ganz von ihm. Außerbem lie⸗
ferte er manche fcherzhafte Poeften. Auch war er Mitarbeiter an dem pifaner „Nuovo gior-
nale de’ letterati”, an ber „Antologia” und andern Zeitfhriften.
Zanotti (Brancedco Maria), ein durch Geift und Gelehrſamkeit ausgezeichneter Bann,
geb. zu Bologna 1692, wurde 1718 Profeffor der Philoſophie und Bibliothekar, 1723 &e-
cretär und 1766 Präfident der Univerfität daſelbſt. Er bichtete auch ital. und Tat. Berfe („Poe-
sie volgari e latine”, Flor. 1734) und Anderes und fchrieb fünf Abhandlungen, in denen er
Regeln für die einzelnen Dichtungsgattungen aufitellt (,‚Deil’ arte poetica”, Bologna 1768;
Neap. 1787). Seine drei Neben über bie ſchönen Künfte (Bolog. 1750), feine dDialogifche Ab-
handlung „Della forza de’ corpi che chiamano viva” (Bolog. 1752) und andere Schriften
zeichnen fich durch Gedankenreichthum und Schönheit des Stild aus. In ben Gommentarien
der Akademie lieferte ex eine Gefchichte diefer Anftalt und eine Analyfe aller berfelben vorge:
legten phyſikaliſch · mathematiſchen Arbeiten. Uberdies enthalten die Schriften der Akademie
von ihm mehre gehaltuolle Auffäge tiber geometrifche, analytifche, phyſikaliſche und muſikaliſche
Gegenftände. Er ftarb 24. Dec. 1777. — Nicht zu verwechfeln ift er mit Gtampietro Ce
vazzont 3., der, 1674 zu Paris geboren und zu Bologna erzogen, viele zur Kunftgefchichte Bo⸗
lognas gehörige Schriften, fo über Pellegrino Tibaldi, Niccold beit’ Abate, Lob. Caracd u. A.
verfaßte. Als Secretär der Elementinifhen Maleratabemie in Bologna fchrieb er bie „Storia
dell’ accademia Clementina” (2 Bde., Bolog. 1739). Er ftarb 1765. — Euſtachio 3., aus
Bologna, geb. 1709, geft. als Profeffor ber Aftronomie dafelbft 1782, machte ſich um das
Studium der Mathematik verdient, ſowie durch feine Beobachtungen über die Kometen und
über die Geſtalt der Erde, ingleichen durch feine optifchen und hybrometrifchen Verfuche.
Bante, mit denn Beinamen Spartivento, ift eine ber vorzüglichften unter den fieben Inſeln
im Jonifchen Meere an der Küfte Griechenlands, welche die Vereinigten Staaten ber Fonifchen
Infeln (f.d.) bilden. Im Alterthume hieß fie Zakynthos; nacheinander wurde fie von Griechen,
Römern, Neapolitanern und feit Ende des 14. Jahrh. von den Venetianern unterworfen. Im
3. 1797 Bam fie wie die übrigen Snfeln in die Gewalt der Srangofen, benen fie 1799 von den
Ruſſen wieder entriffen wurde. Seitdem bildete fie einen Theil der Joniſchen Republik, bie durch
ben 5. Nov. 1815 zu Paris zwifchen Rußland und England gefchloffenen Vertrag unter den
unmittelbaren und ausfchließenden Schug Großbritanniens geftelt wurde. 8. iſt ADOR.
groß und hat über 38900 E., die, mit Ausnahme von 2000 Juden, Griechen find. Sie beftebt
größtentheils aus einer außgebehnten Ebene, bie ſich von der nördlichen zur füblihen Küſte er-
ſtreckt, im Weſten von einer Hügelkette und im Often burch den Berg Scopo unb bie bergigen
Umgebungen der Stabt begrenzt wird. Sie hat feinen einzigen Fluß, nur einen Bach, und leidet
Mangel an gutem Zrinfwaffer. Überall findet man Spuren unterivdifchen Feuers, daher fie
auch den Erdbeben, wie z. B. 1820 und im Nov. 1840, fehr ausgefept If. Merkwürdig find
Zaãpfchen Zar 441
die ſchon von Herodot erwähnten Quellen von Exbpech, welche ſich bei Chieri, 2 M. von der
Hauptflabt, an brei bis vier Stellen eines Moraftes in ber Geſtalt Heiner Teiche befinden. Die
Ufer und der Grund find nämlich ſtark mit Steinöl belegt, welches die Frühlingsgewäſſer auf
die Oberfläche bringen und abfegen. Man fammelt jährlich gegen 100 Tonnen und gebraucht
es zum Kalfatern ber Schiffe. Der fehr fruchtbare Boden der Infel liefert nur auf ein Britt
theil des Jahres ausreichendes Getreide für bie Bewohner, ba zwei Drittheile der Infel mit Re
ben bepflanzt find. Jährfich werden A000 Tonnen Wein gewonnen, 7—8 Mil. Pf. Korin-
then, die größtentheils nach England gehen, etwa 55000 Tonnen Olivenöl und eine bebeutende
Menge Pomeranzen und Limonien geerntet. Die fleifigen Zantioten beſchäftigen ſich haupt.
fachlich mit Baummollenfpinnerei, Weberei, beträchtlicher Liqueurbrennerei und bedeutendem
Handel. — Die Hauptftabt Zaute liegt am Fuße eined Berge, auf welchem das von ben Vene⸗
tianern erbaute Fort mit fehr ausgebehnten Feſtungswerken fich befindet. Sie hat einen fichern
Hafen mit Leuchtthurm, ein Duarantänehaus und 20000 E. und ift gut gebaut. Sie ift ber
Sig eines griech. und eines Path. Bifchofs,, hat eine Menge Kirchen, barumter die kath. Kathe⸗
drale und die griech. Kirche des heil. Dionys, des Schugheiligen der Infel, mit defien Leichnam
und vielen fhönen Gemälden; ferner mehre Kapellen und Köfter, ein Lyceum, ein Lombard,
Arfenalu.f. w. Ein ſchönes Denkmal ift die Statue des frühern Lordobercommiſſars Maitlanb.
"Zäpfchen (uvula) wird in der Anatomie die Heine, rundlichfpigige Verlängerung de Gau⸗
menfegel® genannt, welche man hinten in der Mitte ber Mundhöhle über ber Zungenmwurzel
herabhängen fieht. Sie befteht aus zwei Schleimhautplatten, zwifchen denen fi Muskelfaſern
zum Verkürzen und Krümmen des Zäpfchen befinden. Die Schleimhaur entzündet ſich nicht
felten und dadurch wird das Zäpfchen dicker und länger, erſchwert dann das Schluden und kann,
indem es bis auf die Zunge herabreicht, Heiz zum Brechen erzeugen. Dan pflegt dann zu fa»
gen : das Zäpfchen ift gefallen.
Zapfenſtreich Heißt das mit der Trommel ober dem Flügelhorn gegebene Abendfignal, nach
welchem fi alle Soldaten in ihren Kafernen ober Quartieren unb im Lager bei ihren Hütten
(Zeiten) einfinden müffen. Man leitet das Wort davon ab, daß früher zur beſtimmten Zeit ein
Strich mit Kreide über den Zapfen ber Fäffer gemacht wurde, um ben weitern Verkauf von Bier
und Branntiwein zu unterfagen. Bei Feierlichkeiten wird der Zapfenftreich nicht blos von dem
Spielleuten ber Wachen, fondern von denen ganzer Regimenter, mit Zuziehung bes Mufikcorps,
ausgeführt. Bei der Cavalerie Heißt diefe® Signal die Retraite; in Feldlagern wird das Zei.
chen zu demfelben durch den Metraitfchuß gegeben.
Zapolya hieß eine mächtige ungar. Familie. — Stephan 3., Woimode von Siebenbür-
gen, einer der Felbherren des Könige Matthias Corvinus von Ungarn, wurbe nach der Erobe-
zung von Öffreich, die zumeift Durch ihn erfolgte, Statthalter dafelbft. Nach bes Könige Mat-
thias Tode 1490 fepte er die Wahl Wladiſlaw's VII. aus dem Haufe der Sagellonen, durch,
den er auch gegen deſſen Bruber, ben Prinzen Albert, unterftügte. Ex hatte ein Heer gegen bie
Türken gefammıelt, als er im Jan. 1499 flarb. — Sein Sohn, Johann 8., wurbe König von
Ungarn. Doch behielt fein Gegner Ferdinand von Oftreic, die Oberhand und 3. mußte ſich mit
Siebenbürgen und einigen oberungar. Eomitaten begnügen. Der Kampf aber dauerte fort und
erneuerte fi unter feinem Sohn und Nachfolger in Siebenbürgen, Johann Sigismund. —
Stephan 3.8 Tochter, Barbara 3., Gemahlin des poln. Könige Sigismund L., farb 1515.
Zappi (Giov. Batifta Felice), ital. Dichter, wurde zu Imola 1667 geboren. Nachdem er
zu Bologna fchon im 13. 3. Doctor der Rechte geworben, begab er fich nach Rom, wo er nicht
blos als Rechtögelehrter, ſondern auch als Dichter glänzte. Er war einer der Stifter ber Aka⸗
bemie der Arkadier, in welcher er den Ramen Tirfi Leucafio führte. Ein phantaftifch-gragiöfer
Charakter zeichnet alle feine Poeſien aus, befonders die Canzonen und Madrigale; nur zuweilen
dürfte ihn der Vorwurf des Gefuchten und Bekünftelten treffen. Seine Talente hatten ihm auch
bie Gunſt Clemens’ XI. erworben. Er ftarb 1719. — Seine Gattin, Fauftina 8., die Tochter
bed berühmten rom. Malers Carlo Maratti, war nicht nur durch Schönheit, fondern eben.
falls durch Dichtertalent ausgezeichnet. Sie Hatte in ber Arcadia den Namen Aglaura @i-
donia. Mehre ihrer kleinern Gedichte wurden von Derber überfegt. Beider Gedichte erſchienen
zu Benebig (2 Bbe., 1748 und öfter).
Bar, fälfchlich Baar oder Ezargefchrieben, ift ein Titel ber Beherrfcher Rußlands. Das
Wort ift aus ber alten ſlawon. Sprache entiehnt und bedeutet fo viel als König oder Kaiſer, lat.
Caesar, welchem Worte es mahrfcheinlich feinen Urſprung verdankt, obwol einige Sprachforfcher -
es mit der Endung der alten affyr. Königenamen, als Phalaffar, Nabonaffar, Nabopolaflar,
442 Zara Ä Zarate
in Verbindung bringen. Schon ſeit dem 12. Jahrh. legen die ruſſ. Annaliſten dem Großfürſten
Wladimir Monomiach (geft. 1125) und einigen feiner Nachfolger den Zarentitel bei. Im Alle
gemeinen hießen jedoch die Beherrfcher der verſchiedenen eufl- rovinzen bie zum 16. Jahrh.
Stoßfürften (Weliki Knjäs), und fo gab es Großfürften von Wladimir, Kiew, Moskwa u. ſ. w.
Der Großfürſt Waſſilij Iwanowitſch nahm zuerſt 1505 den Titel Samoderſhez an, welches
ebenfo viel als das griech. Wort Autokrator bedeutet und im Deutfchen durch Selbſtherrſcher
ausgedrüct wird. Waſſilij's Sohn, Iwan II. Waffifewitfch, der Grauſame oder Furchtbare,
ließ fich endlich 16. San. 4547 feierlich zum Zaren krönen. Bon biefer Zeit an nannten fich bie
ruff. Monarchen Zaren von Moskwa, nad) der Eroberung von Kleinrufland und Smolens?
(1654) aber Zaren von Groß-, Weiß⸗ und Kleinrußlanb (Aller Neuen). Obgleich biefes Wort
im Alttuffifchen ſtets für Kaifer gebraucht wird und zur Bezeichnung der rönı.-deutfchen fowol
ale der Eonftantinopolitanifchen Kaifer dient (woher auch Zargrad, Kaijerftabt-Konflantino-
pel), Hielt doch Peter 1. 1721 für gut, fich noch außerdem ben Kaifertitel beizulegen, für welchen
man in Rußland, da es an einem andern Ausdrud fehlte, das lat. Wort Imperator gebrauchte,
während man die Kaiferin durch Imperatriza (Imperatrix) bezeichnete. Anfangs weigerten fi
verfchiedene europ. Mächte, den ruff. Kaifertitel zu fanctioniren; von Polen, Spanien und der
Türkei ward er erft unter Katharina IL anerkannt. Die Gemahlin des Zaren wurde ehemals
Zariza, die Söhne und Töchter Zarewitſch und Zarewna, d. i. Sohn und Tochter bed Zaren,
genannt; aber mit dem Tode des unglüdlichen Alerei, des Sohns Peter's J., hörte diefer Titel
auf und die kaiferl. Prinzen wurden nun alle Großfürften genannt. Kaifer Paul. führte 1799
den Titel Eefarewitfch (nicht Zarewitfch) für feinen zweiten Sohn, den Großfürften Konftan-
tin, ein, nach deffen Tode ihn ber gegenwärtige Thronfolger Alerander von dem Kaifer Niko-
laus erhielt. Ebenfo beehrte der Letztere feine Schwiegertochter, die Gemahlin des Thronfolgers,
bei ihrer Vermählung mit dem Titel Ceſarewna. Auch die ehemaligen Fürſten der dem rufl.
Scepter nun unterivorfenen Länder Gruſien (Georgien) und Imeretien nannten ſich Zare. Im
ruff. Volke heißt der Kaifer noch immer Zar, öfter aber Goffudar (Hospodar, d. i. Herr); das
ausländifche Imperator if ihm ſtets unbekannt geblieben.
Zara, flaw. Zodar, lat. Jadera, die Hauptſtadt des der Krone Oſtreich gehörigen König⸗
reichs Dalmatien, auf einer Landzunge am Adriatiſchen Meere und am Kanal von Zara gelt⸗
gen, ift der Sig der Statthalterei, des Oberlanbesgerichts für das Kronland, eines Landesge⸗
richts erfter Claſſe, einer Präfectur, eines Bezirksgerichts zweiter Glaffe, eines kath. Erzbi-
ſchofs und feines Capitels, des Landesmilitärcommandos für Dalmatien, bes dritten Seebt⸗
zirkseommandos, einer Handeld- und Gewerbekammer und hat 7000 €. Die Stade iſt flarf
befeftigt und von der Zandfeite her noch beſonders durch einen tiefen, in ben Felfen gehauenen
Graben, über welchen eine Zugbrüde führt, geſchützt; auch hat fie einen wohlbefeftigten und ge-
räumigen Hafen, der aber dem Sirocco und Bora ausgefegt if. Außer ber Kathebrale und der
Kirche St.-Simeone, in welcher ber Leichnam des heil. Simeon in einem Kryftallfarg aufbe⸗
wahrt wird, gibt es noch vier Kirchen, mehre Klöfter, ein erzbiſchöfliches Centralſeminar, ein ky⸗
ceum, ein Gymnaſium, eine Real und nautifche Schule, eine Normalhauptichule; aud hat
3. ein Schloß, ein Land» und Seearfenal, ein Dufeum für Kunftfachen und Alterthümer (Bel
legrinifches Muſeum), zwei Hospitäler, eine Hebammenfchule mit Gebär- und Findelhaus, ein
Waiſenhaus und ein Theater. Die Einwohner, welche großtentheils italienifch fprechen, be»
ſchäftigen fich mit Fiſcherei, Küftenfchiffahrt, Handel und Nofoglio-Brennerei und liefern na⸗
mentlicy ben berühmten Maraschino. 8. hat keine Brunnen und muß das erfoderliche Trink.
waffer aus Ciſternen entnehmen, von denen die in ber Nähe des Gouvernementsgebäudes be-
findlichen, unter dem Namen der fünf Brunnen, bekannten Eifternen duch ihren großartigen
Seroötbebau ſich auszeichnen. Auch gibt es hier Überrefte einer röm. Waſſerleitung. 3., iept
Hauptort eines der vier Kreife des Königreichs Dalmatien, der auf 101,2 AM. 155000 €
zählt, und früher der gleichnamigen Graffchaft, wurde 1202 von den Venetianern mit Hülfe
der franz. Kreuzfahrer erobert, fpäter jedoch ihnen wieder entriffen. Im J. 1409 kauften fie
die Srafichaft für 100000 Goldgulden vom König Ladiflam von Neapel zurück umd behielten
diefelbe nun ununterbroden in Befig, bis fie 1797 mit Venedig an Oſtreich kam, welches die
felbe 1809 behufs der Einverleibung in die illyr. Provinzen an Frankreich abtreten mußte und
erft 1813 fie zurüderbielt.
aragoza, ſ. Saragofla.
arate (Brancico Lopez de), fpan. Dichter, geb. um 1580 zu Logroño, diente in fei-
ner Jugend als Militär und machte viele Reifen. Später trat ex in die Dienfle bes Mini
Zarizin (Schlof) Zarizin (Stadt) 443
fierd Marques de Siete Igleſias, durch beffen Verwendung und die Gunſt des Premier
minifters, bed Herzogs von Lerma, er eine Gerretärftelle im Minifterium des Auswär⸗
tigen erhielt. Obwol er ſich auf diefem Poſten auszeichnete, fo feheint er doch in den
Sturz feiner Gönner mit hineingezogen worden zu fein. Er verlebte bie legten Jahre in
Zurücdgezogenbeit und Armuth und flarb 5. März 1658. Schon fehr früh trat er ale Dich-
ter auf mit einer Sammlung Igrifcher Gedichte unter dem Titel „Silvas” (Alcala 1619;
vermehrte Aufl., 1651), worin, befonders in’ den Eflogen, auch fein Dauptverbienft befteht;
denn feine Tragödie „Hercules furente y Oeta“ iftin Anlage und Ausführung verfehlt und
hat nur einige fehöne Igrifche Stellen und Vorzüge des Stilß. Nicht viel glücklicher war er als
Epiker mit feiner „Invencion de la cruz“, (Madr. 1648), worin er bie Kreuzerfindung durch
Konftantin d. Gr. befungen, aber, wie in allen gemachten Epopoen, nicht durch einzelne fehone
Stellen für ben Mangel an frifcher Objectivität und den Überfluß an Breiten und Langweilig-
Leit entfchäbigt hat. — Nicht zu verwechleln mit ihm ift fein Zeitgenoffe, der dramatifche
Dichter Fernando de 3. Diefer fehrieb mehre Komödien, worunter einige, wie „La presumida
yla hermosa”, „Mudarse por mejorarse” und „El maestro de Alejandro”, Ruf erhielten ;
doch zeigen bie meiften feiner Stüde mehr von Verftand und Geſchicklichkeit in Verarbeitung
eines gegebenen Stoffs ald von eigentlich bramatifhem Genie und von Phantafie. Auch unter
den myſtiſch⸗ascetiſchen Dichten hat ſich biefer 3. einen Namen erworben, wiewol feine Ge⸗
dichte der Art mehr durch ihre Orthodoxie ben Doctor der Theologie als durch ihre poetifchen
BDorzäge dem Dichter Ehre machen,
Zarizin, ein Luſtſchloß der Beherrfcher Rußlands mit ſchönem Park, 20 Werft von
Moskau, der alten Hauptſtadt des Reichs, mit welcher es durch eine an Abwechfelungen
aller Art reiche Kunſtſtraße verbumben ift, wurde vom Fürften Potemfin für die Kaiferin Ka⸗
tharina II. fehr großartig angelegt, obwol der eigentliche Ban des Schloffed unvollendet blieb,
da die Kaiferin nicht mit Unrecht in diefen im gothifch-düftern Stil erbauten Schloßmauern
mit ihrer aus dunkeln Eifenplatten beftehenden Bedachung und ihren acht thurmartigen Vor⸗
fprüngen an ben Eden die Geftalt eines von Sandelabern umftellten ungeheuern Staatsfarges
zu ertennen vermeinte und annahm, Potemkin, der übermüthige und launenhafte Günſtling,
habe ihrer dadurch fpotten wollen. So fteht es noch gegenwärtig als eine wohlerhaltene Ruine
der Neuzeit da und dient flatt Gliedern einer erlauchten Familie nur Fledermäuſen und unzäh-
ligen Schwärmen von Krähen und Dohlen zum Aufenthalt. Auch meidet die kaiſerl. Familie
feit langen Jahren diefe in der That wilde und büftere. Gegend, wo fchroffe Ufergehänge, uner-
gründlich tiefe Moorfeen und dichte Waldung miteinander abwechſeln und wo im Umfange von
mehren Werſten alles Leben erftorben zu fein fcheint. Denn foviel auch der Tempel, Srotten,
Einfiebeleien und der künſtlichen Bauwerke aller Art bier ftehen, fo find fie doch alle unbe-
wohnt und nur felten erblidt ba8 Auge die wohlthuende Geftalt eines Wanderers in diefen un«
heimlichen, wie von einem Fluch belafteten Schloßgängen. Unendlich freundlicher und in grellen
Contraſt zu dem alten Ruinenſchloß ftellt ſich das am andern Ufer des großen Sees gelegene
fogenannte Meine Schloß Zarizin dar, ein neueres, von Blumenpartien umgebenes kaiſerliches
Stabliffement, welches gewöhnlich dem Sommanbanten von Moskau zum Sommeraufentbalt
dient und in feinen Sälen das gelungenfte Bildniß Katharina’6 I. in Lebensgröße aufbewahrt.
Auch das an dem untern See oder dem See von Chachlowka auf bufchiger Uferhöhe terraffen-
förmig erbaute Dörfchen Barizin nimmt ſich vom entgegengefegten Ufer fehr malerifch aus.
Zarizin oder Zarizyn, eine wichtige Kreis-Handelöfladt im ruff. Souvernement Saratow,
in einer reigenden Lage auf den Ufervorſprüngen der Wolga und an ber Zariza erbaut, die bier
in die Wolga mündet. Sie ift von üppigen Obſtgärten und Gurken» und Melonenfeldern um-
geben und im Beſize eines in neuefter Zeit [ehr fleißig befuchten Mineralbrunnens. Die Stadt
zählte 1849 bereits 4756 E. Einen großen Theil der Bevölkerung bilden Kofaden ; auch gibt
es viele Zataren und Kirgifen in der Stadt und Umgegend. Handel und Fifchfang auf ber
Wolga, ftädtifche Gewerbe und außerdem bedeutende, durch die Steppen in ber Nähe begünfligte
Viehzucht bilden die Hauptnahrungsquellen der Bewohnerſchaft. Die Stadt if 240 M. von
Petersburg und 145 M. von Moskau entfernt. Bon ihr hat die Zarizinſche Linie, von der
Wolga bis zum Don, den Namen. Sie befteht aus einem ſtarken, mit Wartthürmen verfehenen
Mal und Graben, iſt 60 Werft ang und enthält vier Heine Seftungen oder Schanzen, beren
Befagung aus Denifchen Koſacken beftcht. Sie wurde urfprünglich zum Schug gegen bie Kirgis-
Koladen angelegt und ift jegt, ſeitdem der anwohnende Theil derfelben im ruff. Unterthanen-
verbande fteht, faft gänzlich verlaffen. Im Zarizinfchen Kreife liegt außer Sarepta (f. b.) ar
444 Zarlino Zarskoͤe⸗Seld
der Flecken Dubowka, rechts an ber Wolga und der Dubowkamündung, bie einen ber beſten
Huß- und Winterhäfen des Hauptſtroms bildet, ben jährlich gegen 3000 Fahrzeuge befuchen.
Zugleich führt von hier, nachdem fchon früher nicht nur große Waarentransporte, fondern
ganze Fahrzeuge mit einer Ladung von 5000 Pub auf Rollen nach den gegen 9 M. entfernten
Don geſchafft wurden, ſeit neuerer Zeit eine Pferdeeiſenbahn nach Katſchalinskaja am Don, die
10 M. lang iſt und den Verkehr des Fleckens noch bedeutend gehoben hat. Er iſt einer ber wich⸗
tigften Stapelpläge an der untern Wolga geworben und zählte 1842 bereits 8100 E. Die
Waaren beftehen hauptfächlich in Artillerieerfoderniffen für die Klotte des Schwarzen Meeres
und in Bauholz, welches aus den Gouvernements Wiatka und Kafan angeflößt wird. Auch
der Fifchfang ift von Bedeutung. Dubowka ift der Sig der Adminiſtrationsbehörde des Wolga-
Kofadencorps, das von hier bis Antipowskoi in ſechs Stanizen vertheilt ift.
Zarlino (Siufeppe), ein bedeutender mufikalifcher Theoretiker, geb. 1520 zu Chioggia bei
Venedig, wurde von nieberländ. Meiftern, namentlich von Adr. Willart, gebildet und flarb
1590. Er beftimmte die Verhältniffe des ganzen und halben Tons genauer und legte durch
feine „Instituzione armoniche” (Ben. 1562 und 1573) den Grund zu einer gründlichen Be⸗
arbeitung dieſes Begenftandes. Seine übrigen Werke erfchienen vollftändig gefammelt in vier
Bänden (Den. 1580). Als Componift machte er fich befonders durch sine große Muſik be-
kannt, die er als Kapellmeifter an der St.-Marcuskicche in Venedig zur Feier bes Seeſiegs bei
Lepanto au ge
Zarskoͤe⸗Seld, d. i. Zarendorf, ein kaiſerl. ruff. Luſtſchloß, 3 M. füdlich von Petersburg,
unmeit ber Duberhofffchen Berge, einer auögebehnten Hügelreihe, verdankt fein Entſtehen einer
urfprünglich fehr Meinen Anlage, welche Peter d. Gr. für fih und feine Gemahlin hier begrün-
bete und zu welcher fpäter ein Luſtpark, der Thiergarten genannt, hinzukam. Seit 1716 erhielt
die Colonie ihren jegigen Namen und eine ftattliche Kirche. Katharina I. ließ in Abweſenheit
ihres Gemahls, um ihn zu überrafchen, ein fleinernes Gebäude errichten, welches in ber Folge
abgetragen wurde. An deſſen Stelle erbaute Elifabeth 1744 das gegenwärtige prächtige Schloß,
welches Katharina II. mit großen Koften ausfhmüden ließ und zu ihrem Lieblingsaufenthalt
wählte. Das Hauptgebäude ohne Seitenflügel ift 780%. lang und hat 79 Fenſter in ber Fronte.
Die Zieratben, mit denen das Yußere des Schloffes überladen ift, ließ Katharina vergolben, jegt
find fie mit gelber Farbe überftrichen, da die Vergoldung durch die Strenge des Klimas und
den Brand von 1820 fehr gelitten hatte. Das Innere ift überreich ausgeftattet. Ein Meiner
Salon ift an den Wänden ganz mit Bernftein bekleidet, den Friedrich Wilhelm I. ber Kaiferin
Anna geſchenkt hatte. Die Wände anderer Gemaͤcher find ausgelegt mit Achat, Jaspis, Perl⸗
mutter und andern foftbaren Steinen und Stoffen. Berühmt ift die bucch den Architekten Ca⸗
meron erbaute, von der Sartenfeite an das Schloß ſtoßende Balerie in zwei Etagen, von zwei
Seiten durch große Glasfenſter gefhügt. Um die obere Etage läuft eine Eolonnabe aus Mar-
mor, unter welcher Büften aufgeftellt find. Reizend ift von hier der Blick auf den Garten und
einen See in bemfelben. Ein neuer, von Alexander I. in befferm und einfacherm Stil erbauter
Palaſt dient ber kaiſerl. Familie zum Sommeraufenthalt. Unter feinen Gemälden zeichnen fich
befonder& aus bie meifterhaften ital. und ſicil. Anfichten von Phil. Hadert, bie derfelbe in der
Billa Albano ſchuf; desgleichen mehre fehr fauber ausgeführte Sepiazeichnungen ruff. und fin-
nifcher Gegenden von Kügelgen. Der auf einem Sumpfterrain angelegte Park ift durch Kunſt⸗
fleiß einer der fehönften bei Petersburg geworben. Er ift überreih an Abwechfelungen aller
Art. Dunkle Eichenwälder wechfeln mit reizenden Wiefenflächen, lichten Birkenanlagen, brei⸗
ten Gräben und Seen und Monunienten der verfchiebenften Art. Man findet hier eine altfränt.
Hermitage; eine großartige fchweiz. Meierei, Marienthal genannt, mit Kühen holl. engl,
ſchweiz. und ufrain. Race, Merinos und Lamas; eine goth. Schloßburg mit ber herrlichen
ChHriftusftatne aus Marmor von Danneder, welche die verftorbene Kaiferin Maria Feodorowna
41824 vom Künſtler für 30000 Rubel kaufte; eine berühmte Nafabe mit zerbrochenem Waſſer⸗
Trug, woraus ein fpiegelhelles Quellwaſſer ſtrömt; verfchiedene Monumente, welche Katha⸗
tina II. ihren Lieblingen gefegt hat, wie die Denkfäulen Otlow⸗Tſchesmenſtij's, Rumjanzow's,
Grigorij Orlow's u. ſ. w. Vorzüglich bemerkenswerth ift außerbem der herrliche von Alerander 1.
an der Straße nach Pawlowsẽk errichtete gußeiferne Triumphbogen mit ber ruff. und franz.
Auffchrift: „Meinen theuern Waffenbrüdern“. Das Städtchen Zarskoͤe⸗˖ Seld, welches eine
Zeit ang auch den Namen Sophia trug, hat fich durch bie Eifenbahn, welche feit 1838 die
Stadt mit der Refidenz und bem kaiſerl. Luſtſchloß Pawlowske(ſ. d.) verbindet, und durch Über-
führung mehrer Kreisbehörden außerordentlich vergrößert, ſodaß bie Zahl der Einwohner 1849
Ri En GE Sn
zz. wi mM 1%
Barter Bauntönig , 445
bereits 5290 betrug. Es gibt Hier ein eigentgümlich eingerichteteb fogenanntes yeeum und
ein Cadettencorps (dad Alexandrowſche), auch ein kaiſerl. Arſenal, weiches verſchiedene Kriegt⸗
reliquien von Franz 1., Heinrich IV., Ritter Bayard, n, ben tür. Sultanen u. ſ. w. ver-
wahrt. In ber Rähe von 3. liegen bie kaiſerl. Luftfchlöffer Tichesme, Pawlowek, Krabnoe⸗Selo
und Gatſchina, mit welchem legten Drt es ebenfalls Durch eine Eifenbahn verbunden wird.
arter, f. Sarter.
nberei, f. Magie.
auberlaterne, f. Laterna magioa. |
aum heißt derjenige Theil bes Reitzeugs ober Geſchirrs, welcher zur Führung der Pferde
dient. Er beficht aus dem Hauptgeftell, ber Trenſe oder Stange (Kandare) und ben Zügeln.
Sänmung iſt Die Art der Auflegung beſonders der für das Maul beftimmten Theile. Diefelbe
fol das Pferd veranlaffen, willig zu gehorchen, und baffelbe dazu nur im Ball der WBibderfeg-
lichkeit zwingen; daher muß fie bem Pferde paſſend und bequem fein und body die nöthige
irkung haben. Das Hauptgeftell befteht aus dem Kopf. und ben Backenſtücken, bem Stirn-
Nafen- und Kehlriemen. Legtere fallen zumellen bei neuern Zäumungen weg. Die Trenſe iſt
bie leichtefte und einfachfte Zäumung. Das Mundſtück (Sebiß) derfelben hat zwei Theile,
welche Durch ein Gelenk verbunden find und an ihren Enden Ringe zum Einfchnallen ber Zü-
gel haben. Sie dient vorzüglich zum Anreiten (Dreffur) roher und zur Arbeit verrittener
Dferbe, wird aber auch allgemein gebraucht, z. B. von den Kofaden. Die Kandare, vollkom⸗
mener unb fchärfer, befteht aus dem Mundſtück, den Bäumen (Armen, Scheren) und ber
Kinnkette. Munbflüde gibt es von fehr verfchiedener Eonftruction, in Allgemeinen aber nur
zwei Hauptarten: gefchloffene und offene (ohne und mit Zungenfreiheit). Die Bäume find
zufammengefegt aus bem Obertheil (Stuhl), an welchem Löcher (Augen) zum Einſchnallen
der Badenflüde und Einlegen ber Kinnkette mitteld Hafen und Langglied befindlich, und dem
Unterbaum mit den Zügelringen, in einem Loche oder in einem Wirbel angebracht. Sie wirken
als Hebel für das Mundſtück, befien Druck unter bem Gegendruck der Kinntette das Pferd be⸗
wegt nachzugeben. Mit der Kandare verbunden iſt eine dahinter in ihre eigenen Backenſtücke
geſchnallte und mit ebenfolchen Zügeln verfehene Unterlegtrenfe, deren Anzüge, wo es nöthig,
die der Kandare unterftügen follen. Die ZãAumung muß nad) ben Maule, ber Bauart und bem
Temperament bed Pferdes ausgewählt und genau aufgepaßt werben: von ihr hängt es ab, ob
dafſelbe gehorfam und angenehm geht und gefchent wird; fie ift alfo fehr wichtig. Sprung.
zügel, eingefchnallt in den Nafenriemen ober Martingales, gefpalten in bie beiden Zügel der
Unterlegtrenfe, werden Pferden angelegt, welche bie Nafe ſtrecken. Zur Bearbeitung roher unb
wiberfpenfliger Pferde, bie im Maule fehr empfindlich find, dient auch ber Kappzaum, welcher,
ohne Mundſtück, durch äußern Drud einer ledernen oder eifernen Verſtärkung des Nafenrie-
mens wirkt. Derfelbe wirb durch eine in Ringe geſchnallte Leine (Longe) geführt, deren Rud
das Pferd nöthigenfalls firafen Bann.
Bauner (Branz), Edler von Felpatan, Bildhauer, geb. 1746 zu Kauns auf dem Kauner-
berge im Oberinnthale, erhielt feine erſte Ausbildung in Wien, wo er ſich zuerſt durch
eine Brunnenflatue im Garten zu Schönbrunn bemerklich machte und die Aufmerkfam-
ofeit der Kaiferin Maria Therefia auf ſich zog. Er erhielt 1776 ein Reifeflipendium nad
Rom, wo er fleifig dem Studium der Antike fi bingab, bis er 1781 an bie Akademie
nach Wien berufen wurde. Als Lehrer und ausübenber Künftler wirkte er dort gegen das ma-
nieriete Weſen, weiches damals in der Plaſtik herrfchte, und fuchte ein tieferes Studium ber
Antike anzubahnen, obwol er felbft in feinen Werken fich nicht gänzlich von ber conventionellen
Richtung feiner Zeit zu befreien vermochte. Bu feinen bedeutendern Werten gehört das Grab⸗
monument des Kaiferd Leopold IL. in der Hofpfarrficche und vor allen die eherne Toloffale
Reiterflatue Kaifer Joſeph's IL, im röm. Imperatorencoftüm mit dem Siegeskranze auf dem
Banpte. In Folge ihrer 1807 bewirkten Einweihung wurde er in ben Adelſtand erhoben, nach⸗
bem ex kurz auvor Director ber Akademie der Künfte in Wien geworden war. Aud eine An⸗
zahl von Büften fertigte er, barunter die bes Kaiſers Joſeph IL. Er flarb 1822 zu Wien.
Saungerike, f. Pfaßlbauͤrger. .
aunfönig (Troglodytes), eine Gattung Peiner munterer Bogel aus ber Familie ber
Sänger, von unanſehnlicher Farbe, mit dünnen, vorn ſtark zuſammengedrücktem, bei auslän-
diſchen Arten ſchwach gebogenem Schnabel, mittelhohen bünnen Füßen, rumden Flügeln und
kurzem, aufrechtem Schwanze. Europa befigt nur eine Urt, ben gemeinen Saunkönig (T. par-
valus), nächft dem Golbhahnchen ber Meinfte entopätfche Wogelz er mift nur etwas Über vier
446 Zaunrebe Zea (Don Francisco Antonio)
Zell. Sein Geſteder iſt oben rothbraun mit gewäſſerten dunklern Querſtreifen, unten weißich.
In Deutſchland weilt er als Stand» oder Strichvogel das ganze Jahr hindurch, niſtet In dem
verwachfenen Geſtraͤuch dichter Laubwälder, zwiſchen welchem er ſchnell dahlnſchlũpft, auch
in Deden und Dächern einfamer Häufer. Er lebt von Inſekten, den Eiern und Puppen der»
felben, im Herbſte von Fliederbeeren. Sein Neft ift rundlich, von Moos und feinen Würzel⸗
chen auf einer Unterlage von bürren Blättern künſtlich erbaut und hat ben Gingang an der
Seite. Selbft im Winter läßt der Zaunkönig feinen leifen, aber angenehmen Befang hören,
wenn anders die Sonne ſcheint. In der Gefangenfchaft halt ſich dies gegen die Unbilben der
Witterung nicht fehr empfindliche Thierchen nur kurze Zeit.
Zaunrebe oder Baunrübe (Bryonia), eine Pflangengattung aus ber Familie der Kürbiöge-
wächfe, mit kletterndem Stengel, eckigen ober 5—5 lappigen Blättern und glodligen, fünftheif-
gen, meiſt gilblichen Blüten. Die ſchwarze Baunrebe (B. alba), in Heden und Büfchen Mittel
europas gemein, hat ſchmutzig⸗blaßgrüne Blüten und erbfengroße kugelige ſchwarze Beeren.
Ihre lange rübenformige Wurzel enthält einen widrig-bitteen Ertractivftoff (Sryonin), der
Drehen und Abführen erregt und daher theils äußerlich (z. B. zur Schmelsung von Berhär⸗
tungen), theils innerlich (namentlich in ber homöopathiſchen Praxis) angewendet wirb. "
wiſza, ber Schwarze, ein durch feine Tapferkeit berühmter poln. Ritter, lebte In der
erſten Hälfte des 45. Jahrh. Er diente im Heere bes beutfchen Kaiſers Sigismund und wurde
von bemfelben fehr gefhägt. Auf bie Nachricht von dem Zuge Jagello's gegen bie Kreuzritter
eilte er nach Polen und kämpfte in der Schlacht bei Tannenberg. Jagello benupte ihn zu wich⸗
tigen Sendungen an dad Eoncil zu Koftnig und die Könige von England und Frankreich. Spa⸗
ter trat 3. wieber in des Kaiſers Dienfte und fiel im Türkenkriege 1420.
Jane: ſ. Sainer (Günther und Johann).
ea, Zia oder Tzia, auch wel Een, Kea und Kia, bei den Alten Ceos oder Keoß (f. d.)
genannt, eine der chkladiſchen Infeln Griechenlands, zur Eparchie Syra ([.d.). gehörig, hat eine
ovale Geftalt und ein Areal von JZOM., if bergig, doch Im höchften Punkte, dem heil. Efiasberg,
nur 1750 8. hoch, und gehört zu ben fruchtbarſten Infeln des Archipelagus. Ste ergengt Wei⸗
zen, bem Burgunder ähnlichen Rothwein, Obſt, Mandeln, Südfrüchte, Baumwolle, Seide
und beſonders viel Valonea, b. i. Balläpfel oder Knoppern. Die jährliche Erzeugung von Felb-
früchten liefert in gewöhnlichen Jahren mehr als ben heimtfchen Bedarf; man fdhäge ihn auf
45—46000 Kilo. Die Südfrüchte, befonders bie Gitronen und Limonen, find vorzüglich gut
und werben größtentheil® nach Athen, Cuba und der Türkei ausgeführt ; bie Baumwolle mird
zu groben Stoffen verarbeitet, die Seide findet Ihren Abfag nach Athen und Syra, der Bein
groͤßerntheils nad) den Küften bes Feſtlandes. Den Hauptartikel der Ausfuhr nach Europa
und Kleinafien bilden die Knoppern, deren jährlich bis 7500 Etr. gefammelt ı=d verfenbet
werben. Die Bleierze, weiche ſich in einigen verfallenen Gruben finden, haben Su Proc. Me
tallgehalt und find filberhaltig. In neuefter Zeit murbe der Wiederanbau der Erzgruben be-
fehloffen. Die Einwohner, deren Zahl gegen A000 beträgt und Die größtenteils in der Haupt:
ftabt wohnen, find faft alle Landbauer. Die Hauptftadt Ben oder Tzia auf der Stelle der aften
Capitale Julis, bei der man einen aus dem Fels gehauenen coloffalen Löwen von 2O F. Länge
und 5 8. Höhe flieht, liegt / St. vom Hafen, theile auf dee Spitze, theils am Abhang eine®
800 J. Hohen fchroffen Sranitfelfens, ift auf der einen Geite durch AO, auf ber entgegengefepten
durch 60 Terraſſen zugängfich, Hat fteile und enge Straßen und fol 1000 Häufer zählen, von
denen der beffere Theil auf ber ehemaligen Akropolis liegt. Im Safer Tiefen 1850 395 Schiffe
von 300 Tonnen Gehalt ein. Die Stabt felbſt beftgt nur acht Küftenfahrzeuge.
Zen (Don Francisco Antonio), bekannt durch fein Wirken während ber Befrelungs-
Triege im ſpan. Amerika, geb. 1770 zu Medellin im damals fpan. Reugranabe und erzo⸗
gen zu Santa- FE be Bogote, erwedkte durch feinen Geift und feine Kalente bad Mistrauen
der fpan. Regierung und der Geiſtlichkelt und wurde deshalb nebft mehren auf gleiche Weiſe
verdächtigen Männern 1797 gefangen nad) Spanien gebracht, wo er einige Jahre in einem
Fort von Cadiz feftgehalten und, nachdem er 1799 freigelaſſen worden, nad) Frankreich gefenbet
wurde, wo er bi6 1802 blieb. Im 3. 1806 wurde er al Profeffor der Botanik und Oberauf-
ſeher bei dem königlichen botanifehen Garten in Madrid angeflellt. Sodann war er 1808 Mir-
glieb der Junta von Bayonne, unter Jofepb Rapoleon eine Zeit ang Minifter des Innern und
dann bis gu deſſen Vertreibung Gouverneur vom Malaga. Hierauf begab er ſich nach Londen
und kehrte von da in fein Vaterland nach Amerika zuruͤck mo ee fich der Sache ber Freiheit fhö-
tig annahm. Im J. 1818 ſtand er als Präſident des NReglerungsraths und der Finanzen an
Zea Bermudez Zeechine 447
ber Spige-der Verwaltung zu StThomas (ehemals Ungoflura); auch war er Generalinten⸗
dant der Armeen ber Republik. Bei Einfegung des Eongreffes der Republik Venezuela im
Febr. 1819 wurde er zum Birepräftdenten ernannt, legte aber im Aug. 1819 feiner Gefundheit
wegen diefe Stelle nieder. Im J. 1820 ging er nach Europa, wo er, nachdem er vergeblich mit
den fpan. Gortes über einen Frieden unterhandelt und die europ. Cabinete zur Anerkennung
der unter dem Namen der Republit Columbia vereinigten Republiten von Benezuela und Neu
granaba eingeladen hatte, in London ein Anlehen von zwei MIN. Pf. St. für Columbia abſchloß.
8, ftar6 bald darauf zu Bath im Rov. 1822.
Bea-Wermudez (Don Francisco), fpan. Diplomat, geb. um 1772 zu Malaga, ber Sohn
eines Krämers, lernte anfangs in bed Vaters Gefchäft, kam aber früh als Secretär mit dem
fpan. Seneralconful Colombi nach Peter&burg, wo er viele Verbindungen antnüpfte. Als er
41809 nach Madrid zurückgekehrt, trat er in die Dienfte der Gorteb, die ihn nach Petersburg
ſchickten, um den Kaifer Alexander für bie zu Cadiz verfammelten Cortes und die Eonflitution
derfelben zu gewinnen. In Petersburg blieb er bi6 1820. Befchäftsträger, dann ging er als
Geſandter Ferdinand's VII. nad Konftantinopel, von welchem Poften er im Juni 1823 abbe
rufen wurde. Da der ruff. Hof feine abermalige Ernennung zum Geſandten in Peteröburg
ablehnte, fo wurde er Geſandter am engl. Hofe, aber ſchon im Juli 1824, nach dem Sturze bed
erften fpan. Binifterd, Grafen d'Ofalia, zu deffen Nachfolger ernannt. Er traf im Sept. 1824
in Madrid ein, wo er unter fehr ſchwierigen Verhättniffen die Leitung der auswärtigen Ange
legenbeiten übernahm. Die große Aufgabe war, das Syſtem der Mäfigung gegen die über
fpannten Foderungen ber apoſtoliſchen Kaction zu behaupten. Gleich anfangs aber arbeitete
eine mächtige Partei, zu welcher auch ber Juſtizminiſter Calomarde und alle Karliften gehörten,
an ſeiner Befeitigung 5 doch Plug wußte ex fich eine Zeit ang zu behaupten. Allein die fortwäh⸗
renden Hemmungen, welche er von Seiten der Abfolutiften erfuhr, bewogen ihn endlich, das
Geſuch um feine Entlaffimg dem König zu überreichen. Der König nahm ed aber nicht an
und 8. flieg noch mehr in bem Vertrauen des Monarchen, vorzüglich in Folge ber Unterdrückung
des Aufſtands der Karliften im Hug. 1825. Um die Stimmen der einſichts vollſten Männer
im Klerus und Adel zu hören, wurde auf 3.8 Vorfchlag eine Berathungsjunta errichtet. Zu-
gleich verfuht man mit Strenge gegen die überfpannten Anhänger des Abſolutis mus. Doc
die Hinrichtung des Karliſtenchefs Beſſieres und feiner Mitfchuldigen im Aug. 1825, welche
mit mächtigen Perfonen in Verbindung flanden, erregte gegen den Minifter die beftigfte Erbit-
terung. Obgleich nun auch der tapfere Empecinado und fieben Dffiziere wegen Freimau⸗
rerei auf Befehl des Königs oder Calomarde's am 9. Sept. 1825 hingerichtet wurben, fo
nahm dennoch ber Haß ber Hofpartei gegen 3., der kurz zuvor zum Bräfidenten des Minifter-
raths ernannt worden war, fo zu, daß der König endlich 25. Det. 1825 feine Entlaffung un-
terzeichnete. Hierauf erhielt er 1826 den Befandtfchaftspoften in Dresden, welchen er 1828 mit
dem in London vertaufchte. Hier blieb er bi 1833, wo er während der Negentfchaft ber Kö⸗
nigin Chriſtine die Leitung der Geſchäfte übernahm, die er nach Ferdinand's VII. Geneſung
und fpäter erfolgtem Tode behielt, bis bie Nothwendigkeit entfchiedener Mafregeln die Königin
nöthigte, ihn im Jan. 1834 zu entlaffen. Seitdem lebte er meift in Paris, behielt aber als ein
Haupt der moberirten Partei und vertrauter Rathgeber der Königin Ehriftine immer no
Einfluß auf die fpan. Angelegenheiten und wurbe 1845 zum Senator ernannt. 8. ſtarb zu
Parib 5. Juli 1850. Ä
Zebra. Südafrika befigt eine Gruppe dem Efel verwandter Pferbearten, die ſich durch
ſchwarzbraune Streifen auf dem lichtern Brunde des Bells aubzeichnen. Sie leben heerdenweis
in unzugänglichen Gebirgen, find fcheu und wegen ihrer Küde und Widerfpenfligkeit nicht zu
sähmen. Zu dieſer Gruppe gehört auch das Zebra (Equus Zebra), ein ſchön gezeichnetes
hier, ſchwarz auf weißem Grunde gefteeift. Durch minder vollſtändige Ausbildung der Strei⸗
fen bleiben beim Bauw (BE. Burchelli) oder dem BurchellsFebra die Beine weiß. Auch ge
hört im diefe Gruppe das Quagga (f. d.). Die Größe dieſer Thiere Iommt bes eines Pleinen
Pferbes gleich.
Sen oder Buckelechs, 1. Ochs. ‘
ecchine (Zecchino) Heißt eine urfprünglich venetian., feit bem Ende bes 13. Jahrh. ge:
prägte Goldmunze, welche Ihren Namen von dem Münggebäude, Zecca, erhielt. Die Münze
ſelbſt ift von Dukatengroͤße, ’/, Loth ſchwer und ſtellt den heil. Marcus bar, wie er dem Dogen
die Kreuzesfahne überreicht. Auf dem Revers befindet fih ein Heiliger in einem Dval von
Sternen umgeben unb bie Umfärift: „Sit tibi, Christe, datus, quem tu regis, iste ducatus.“
448 Zeche Zeblig
Bon der gleichen Umfehrift der ähnlichen ficil. Golbmünze rührt der Name Dukaten-(f. d.) her.
In der älteren Zeit waren die Zecchinen von ganz feinem Golde (thatfächlih 23 Karat 10
— 41 Brän fein) und galten 22 Lire; fpäter wurben fie von Sſtreich 233 Karat 10 Gran fein
und im Gewicht von 814 wiener Rictpfennigtheiten ausgeprägt, ſodaß 67,00 Stüd auf bie
Töln. Darf rauh, 67,5575 Stück auf bie fein. Mark fein gingen. Die Zecchinen enthielten nie
eine Jahrzahl; Oſtreich prägte fie ald Handelsmünze noch bis 1822, feitdem aber nicht mehr
und fegte fie auf 13°, öftr. Kite, fowie auf 4 Gld. 31, Kreuzer im 20-Bulbenfuße; es wurde
der Name bes legten Dogen von Venedig, Lubovico Manin, in ber Umfchrift beibehalten. Die
Zeechinen find auch in halben und Viertele, ſowie in mehrfachen Stücken vorhanden und in gro-
Ber Zahl, befondere für den Tevant. Handel ausgeprägt worden. — Den Namen Seedhine gab
man in Deutfchland auch verfchiebenen ältern türk. und ägypt. Goldmünzen, welche ſchon fett
längerer Zeit nicht mehr geprägt werben und faft ſämmtlich aus dem Umlaufe verfhwunben
find. Nach dem Mufter der Zecchinen Venedigs prägten mehre ital Staaten diefe Münze, die
durd) den Handel mit der Levante eine allgemeine Verbreitung erhielt.
Zeche Heißt im Bergweſen bas einer Gewerkſchaft ([.d.) verlicehene Feld nebſt den dazu ge-
hörigen Grubengebäuben, welches aus 32 Thellen (Bechentheilen) oder 128 Kuren befteht.
Bisweilen wird audh die Gewerkſchaft felbft Zeche genannt.
Zechſtein ift urfprünglich der Name für einen Dichten, grauen, bituminöfen Kalkftein, wel-
cher in Thüringen den Kupferfchiefer bedeckt und durch welchen deshalb die Schächte der mans-
feldifchen Kupferfchiefergruben (Zechen) niebergebracht werben müffen. Nach biefem Geſtein
bat man dann eine gange Formation Zechſteinformation benannt, welche im norbwefllichen
Deutfchland zwifchen dem Rothliegenden und bunten Sanbftein Hegt. Diefe Formation iſt in
ihrer befondern Entwidelung nur auf diefen Theil von Deutfchland beſchränkt. Ihre obere Ab⸗
theilung befteht ans Stinkſtein, Dolomit (oft von Höhlen durchzogen, wie bei Liebenftein), Gyps
(ebenfalls mit Höhlen, fogenannten Gypsſchlotten), Thon und Steinſalz, welches legtere 3. B.
zu ben Salinen bei Artern und Frankenhauſen Veranlaſſung gegeben hat. Die untere Ab⸗
theilung befteht aus fehr bituminöfem Stinkſtein (dem eigentlichen Zechftein), ber nach unten
in ſchwarzen bituminöfen Mergelichiefer übergeht, deſſen unterſte Schicht oft der fogenannte
Kupferfchiefer bildet, d. i. ein Eupfererzhaltiger, ſchwarzer, bituminöſer Mergelichiefer, ber
wieder gewöhnlich auf einer oft auch noch kupfererzhaltigen grauen Sanbdfteinfchicht, dem foge-
nannten Grau» oder Weißliegenden ruht. Es find verhältnifmäßig nur wenige Arten von Ber-
fteinerungen, welche in biefer Formation auftreten, unter biefen aber find einige ungemein hänftg
und charakteriftifch, fo namentlich ein Fifch aus der Ordnung ber Glanzſchupper: Palasoniscas
Freieslebenii, und eine zweifchalige Mufchel aus der Familie ber Brachiopoden : Productus
aculeatus. Im Dolomit find gewiffe Zoophyten fehr Häufig und bilden anı Rand bes Thürin-
gerwaldes Meine Korallentiffe.
8 ſ. Folzbock.
edekĩa, Sohn bes Joſua, wurde 600 v. Chr. von Nebukadnezar, dem Königeven Babylon,
ale König von Juda eingefegt, 588 aber von diefem in die fogenannte Babylonifche Befangen-
{haft geführt. — Zebekia hieß auch ber Gegner bes Propheten Jeremias, ein falſcher Prophet.
Zedler (Joh. Heinr.), Buchhändler, geb. 1706 zu Breblau, etablirte ſich zunächſt in Frei-
berg und fiebelte dann nach Leipzig über. Er wurde zum preuß. Commerzienrath ernannt
und ftarb in Leipzig um 1760. Am befannteften ift er durch das auf feine Beranftaltımg er-
ſchienene „Große vollftändige Univerſal⸗Lexikon aller Wiſſenſchaften und Künfte” (64 Bde,
2pz. 1731— 50; Supplemente, A Bde, 1754 —54), welches in Bezug auf manche Gegen
ftände noch immer ſchätzenswerthe Materialien bietet.
Zedlitz (Sof. Ehriftian, Freiherr von), deutfcher Dichter, wurde 28. Febr. 1790 zu Sohen-
nesberg im öfte. Schlefien geboren, mo fein Vater Randeshauptmann war. Zu Bretlau durch
Gymnafialunterricht vorgebildet, trat ev 1806 in ein öftr. Hufarenregiment unb nahm ald Ober
Beutenant und Ordonnanzoffizier des Fürſten von Hohenzollern an bem Feldzuge von 1809
ehrenvollen Antheil. Durch Bamilienverhältniffe beftimmt, verließ er fpäter ben Kriegädienfl
und lebte, mit dichterifchen Arbeiten befchäftigt, auf feinem Gute in Ungarn, bis er 1837 yum
außerorbentlichen Dienfte im Minifterium des Auswärtigen berufen warb, in weicher Stellung
er ſich noch gegenmwärtig Befindet. Nachſtdem vertritt er Sachſen ⸗Weimar und Naffau als
Minifterrefident, fowie Braunfchweig als Gefchäftsträger am öfter. Hofe. Lyrifche und dramm
tifche Poeſien gründeten feinen Dichterruf. ine rege Begeifterung für Menſchenwürde und
Bolkerglück, verbumden mit einer feltenen Gewalt über die Sprache umb einer tiefen Einſicht
Zeeland Zehen 448
in die Bedeutſamkeit des Rhythmus, geben feinen „Lurifchen GBebichten” (Gtuttg. 18325
4. Aufl., 1847), unter ihnen aber vorzugsmeife den auch einzeln erfchienenen „Zobtenkränzen”
(Stuttg. 18275 neue Aufl, Wim 1841) einen hohen Werth. In ben legten, die, nicht ohne
einen Anflug von didaktiſcher Anfchauungsweife, bie Aſche großer Tobten ehren, machte er zu⸗
exft den gelungenen Verſuch, bie ital. Canzone mit Erweiterung ihrer urfprünglichen Schran⸗
fen in einer umfangreihern Dichtung anzuwenden. Seine Muſe nahm in biefem Cyklus ihren
böchften Schwung, obwol auch unter feinen übrigen Gedichten manches ebenfo finnig und
Träftig Gedachte als trefflich AUusgefprochene erfreut. Seine berühmte Ballade „Die nächtliche
Heerfchau” befindet ſich in den „Xyrifchen Gedichten”. Won feinen „Dramatifchen Werken“
(4 Bbe., Stuttg. 185036) nennen wir als die befannteften und in die Repertorien beutfcher
Bühnen aufgenommenen das Trauerfpiel „Der Stern von Sevilla” und das Schaufpiel „Ker:
ter und Krone”, deſſen Gegenftand Tafſo's legte Lebenstage bilden. Sein „Waldfräulein”
(Stuttg. 1843) trägt bei höchſt gelungener Form durchaus das Weſen ber mittelalterlichen
Romantik an fih. Glänzenden Erfolg Hatte in Oſtreich fein „Soldatenbüchlein“ (Heft 1,
4. Aufl, Wien 1849; Heft2, 2. Aufl, 1850) ; ihm folgtennoch „Altnordiſche Bilder” (2Thle,,
Stuttg. 1850), unftreitig eine feiner beften Arbeiten. Außerdem hat er in vollendeter Gewandt⸗
beit Byron’s „Childe Harold” (Stuttg. 1836) überfegt, wie denn überhaupt in feinen Ge⸗
dichten manche Anklänge des brit. Dichters fich finden. Politiſche Flugſchriften, welche er über
bie ungar. Verhältniſſe, 1840 über die orientalifche Frage, 1846 über Galizien verfaßte, wur⸗
ben ihm ein Anlaß, als eifriger, balbofficiellee Gorrefponbent der augäburger „Allgemeinen
Seitung” im Sinne des wiener Cabinets zu wirken.
Zeeland ober Seeland, die weftlichfte Provinz bes Königreichs der Niederlande, wird im
N. duch den Maas arm Krammer und Greveling von Sübholland gefchieben, im ZB. von ber
Norbfee, im D. und &. von Norbbrabant und Belgien begrenzt, hat ohne bie Ofter- und We⸗
ſterſchelde und den Grevelingfluß, die zufammen 11, AM. einnehmen, ein Areal von 31,68
(nad) Andern von 37, AM.) mit 165075 €. (1. Jan. 1853) und zerfällt in die drei Die
flricte Middelburg, Goes undSierickſee. Die ganze Provinz befteht zum größten Theil aus den
Infeln, die durch die Ausflüffe der Scheibe gebildet werden. Nach der Nordſee zu find diefelben
theilweife durch Dünen und an den übrigen Küften durch koſtbare Damme gefhügt. Sämmt⸗
liche Infeln find fehr niedrig, zum Theil umter dem Meereöniveau, haben einen feuchten, größ«
tentheild aus Marſchland beftehenden Boden, find beshalb höchſt fruchtbar, befonders an Wei⸗
zen, Gemüfe, Flachs und Färberröthe, aber auch in Holge ihrer fumpfigen Natur fehr unge⸗
fund ; vom Juli bis Oetober herrfchen regelmäßig bösartige Wechfelfieber. Die einzelnen In⸗
feln find Walcheren (f. d.) mit der Hauptſtadt Middelburg (f. d.) und der Feſtung Blieſſingen
(1. d.), Zuyb-Beveland oder Land van ter Goes, Wolferodyk, Noord⸗Beveland, Schoumen mit
der Stadt Zierickſee, Dutveland, ter Tholen und St.-Philippsland. Außerdem gehört noch Dazu
ein Theil von Flandern, bad fogenannte Stantenflandern. Letzteres hatte feit dem Anfang der
Republik der Vereinigten Niederlande zu 3. gehört, jedoch nicht als ſtimmhabende Provinz,
fondern wie Rorbbrabant ald abhängig; feit der Neftauration bes Königreich& der Niederlande
genießt es jeboch gleiche Rechte mit den übrigen Provinzen.
Zehen nennt man bie ben Fingern der Hand (f. d.) entfprechenden Endglieder der Füße.
Beim Menfchen find deren fünf, von denen jede von drei, nur die an der innern Seite bes
Fußes gelegene große Zehe (Hallux) von zwei, unter fi und mit ben Mittelfußknochen durch
bewegliches Gelenk verbundenen Knochen gebildet wird. Die Knochen find bedeutend kürzer
als die der Finger. Die fie bewegenden Muskeln fegen ſich theils an ben übrigen Knochen bes
Fußes, theild an ben Unterfchenteltnochen an, und die fie überziehende Haut ift dicker und we⸗
niger nervenreich als bie der Finger, am äußerſten Gliede aber ebenfalls mit einem Nagel (1. d.)
bebedt. Beim Stehen, Gehen, Kaufen und Springen leiften die Zehen weientliche Dienfte,
indem fie bei erfterm ſchon durch ihre Gegenwart die Fläche, auf welcher der Körper rubt, brei⸗
ter und fowol dadurch das Stehen ficherer machen als auch, wenn fie fich ſtärker auf den Boben
drüiden, noch mehr befefligen, bei Ieptern aber durch biefelbe Bewegung zur Erhebung des
Fußes und fomit des ganzen Körpers beitragen. Beharrliche, meift durch Nothwendigkeit ges
Botene Übung kann auch den Zehen eine Geſchicklichkeit geben, die benen ber Finger nahekommt,
während fie bei vielen Menſchen durch unzweckmaßige Fußbekleidung in der Ausübung ihrer
Verrichtungen gehemmt werden, verfümmern oder regelwidrige Stellungen annehmen. Da bie
große Zehe keine fo große Beweglichkeit wie ber Daumen befist, fo können die Füße niemals bie
Gonv.⸗Lex. Zehnte Aufl. XV. 2 " 29
450 Zehut
e erfegen. Mechaniſche Verletzungen ber Zehen verurſachen öfter als bie anderer Theile
tarrkrampf, weshalb bei ber Entfernung ber ſich oft an ihnen bildenden Hühneraugen (f. d.)
mit Vorſicht zu verfahren if. Außerdem find bie Zehen dem Erfrieren fehr ausgefegt, ſowie
auch ber Pott'ſche Fußbrand und der Brand ber reife bei ihnen beginnt und bie Gicht (ſ. d.)
oft in der großen Zehe ihre Gegenwart zuerft ankündigt. Während bei ben Affen, welche allein
Nägel auf den Fingern und Zehen befigen, bie Füße in Geſchicklichkeit den Händen gleichkom⸗
men, findet bei den meiften vierfüßigen Thieren das Begentheil ftatt, und die Vorderfüße haben
Beine Finger, ſondern auch Zehen. Diefe find in verfchiebener Anzahl vorhanden und bei ben
Einhufern, 3. B. dem Pferde, dem Elefanten u. f. w., von einem einzigen aus Hornſubſtanz be-
ſtehenden Hufe, welcher bie Nägel erfegt, bei andern, 3. B. den Wiederkäuern, von zwei und fo
bei verfchiedenen Claſſen von drei, vier oder fünf Hufen oder Klauen umgeben. Bei andern,
3. B. den Fleiſchfreſſern und Nagern, liegen fie frei und haben ftatt der Nägel Krallen, welche
beim Gehen eingezogen find, beim Ergreifen eines Gegenftandes aber durch einen Muskelap⸗
arat vorgeſtreckt werben. Viele Sängthiere gehen nur auf ben Zehen; ihre Anwendung ift
überhaupt nach Maßgabe ihrer Lebensart eine fehr verfchiedene. Bei den fifchartigen Säuge⸗
thieren find fie in den Floſſen verwachſen. Die Vögel befigen drei Zehen nach vom und eine
nad) hinten gerichtet und meift in Krallen ausgehend, welche fehr gefehict find; nur die ſtrauß⸗
artigen-befigen deren zwei. Die Amphibien haben nicht durchgängig Zehen und diefe find, wie
auch bei einigen Gattungen der Säugethiere und Vögel, durch Schwimmhaut untereinander
verbunden. Die niedriger ftehenden Thiere befigen eine Zehen.
Zehnt (Zehent, Zehend) oder Decem (decimae) ift eine Abgabe von irgend einem Gewinn
ober Erwerb, welche ihrem Namen nach in dem zehnten Theile befteht und ſowol in ber alten
als neuen Zeit aus den mannichfaltigften Beranlaffungen entftanden iſt und die verfchiebenften
Schickſale gehabt hat. Man hat viel barüber geftritten, ob die Zehnten durchaus ober doch we⸗
nigftend dem größten Theile nach und demzufolge in der Regel als Birchliche Steuer zu be»
trachten feien, oder ald bloße aus dem Eigenithum fließende Grundrente. Es Läßt fi nicht in
Abrede ftellen, daß es fchon im röm. Rechte eine Menge Verhäktniffe des Grundeigenthums
gab, in welchen bie Abgabe des zehnten Theils der Brüchte die Stelle des Erbpachts ober einen
Theil des Kaufgelds vertrat, und daß diefe Verträge und Abgaben in großer Ausdehnung auch
nad) der Einwanderung der german. Stämme in die röm. Provinzen fortgebauert und fidh bie
in die neuefte Zeit erhalten haben. Ein großer Theil der Zehnten ift alfo nicht als Steuer auf-
erlegt, fonbern von bem Berechtigten vertragsmäßig erworben worden. Aber ebenfo gewiß ift
es, daB die chriftfiche Geiſtlichkeit fich viel Mühe gegeben hat, die Abgabe bes zehnten Theile
von allen Arten Srüchten und perfönlichen Erwerbs, welche ſchon in den Mofaifchen Geſeten
au finden ift, als allgemeine Pflicht aller Gläubigen zur Anerkennung zu bringen. In den er-
ften Jahrhunderten wurde diefe Einrichtung blos ald moralifche Pflicht ohne rechtlichen Imang
gefodert, aber auf dem Eoncilium zu Macon 585 zuerft als ein wirkliches Recht ber Kirche auf-
geftellt und dieſes durch fpätere Soncilienfchlüffe und Sapitularien der fränt. Könige, befon-
ders von Karld. Er. 779, beftätigt. Aber nicht in allen Ländern ber fränk. Monarchie konnte
die allgemeine Zehntpflichtigfeit durchgeſetzt werden, und auch nicht in Anfehung aller Arten
ded Einkommens, indem ber perfönliche Ermerb demfelben nirgends lange unterworfen blieb.
In England wurde der Zehnt ſchon von ben fächf. Königen eingeführt, fehr früh auch in Schott-
land und Irland, in welchem legtern Rande man ihn auf alle Nugungen des Bodens und allen
Ertrag der Viehzucht ausbehnte. Auch bie kirchlichen Zehnten find theilweiſe wieder in bie
Hände weltlicher Beifiger gelommen, obgleich bie kirchlichen Befege folche Veräußerungen ftreng
unterfagten. Die geiftlichen Stiftungen, Kirchen und Klöfter des Fränkiſchen Reichs wurden
ſchon von Karl Martell eines Theile ihres Vermögens wieder beraubt, und auch fpäter ſahen
fie ſich oft genöthigt, kriegsdienſtpflichtige Vaſallen und mächtige Schirmvoigte bamit zu ge
winnen, daß fie ihnen geiftliche Güter und Einfünfte, darunter auch fehr oft Zehnten, in Lehn
gaben. Dagegen kamen die geiftlichen Stiftungen auch häufig in den Beſit weltlicher (ver
teagsmäßiger) Zehnten, indem fie theils zehntbare Güter an fich brachten, theild Grundftude
um ben Zehnten in Eultur gaben, theils bie ehntpflicht gegen Capitalien ertauften. Auf welche
Weiſe num die einzelnen Zehntrechte entftanden find, laͤßt fich In fehr vielen Fällen gar nicht mit
Gewißheit erfennen, fondern nur zu einiger Wahrfcheinfichkeit bringen. Wo die Zehntpflicht
allgemein über ganze Länder geht, fpricht die Wahrſcheinlichkeit für die urfprünglich kirchliche
Steuer; wo fie nur einzelne Grundſtücke trifft, oder mo die Einwanderung von Goloniften et»
weislich iſt, fpricht fie für einen vertragsmäßigen, privatrechtlichen Urfprung. Es iſt aber in
Zeichen Zeicheukunſt | 451
Beziehung auf bie weitern Refultate ziemlich gleichgültig, aus welcher Quelle man fie ableiten
will. Denn die kirchliche Steuer ift laͤugſt in die Ratur des Eigenthumsrechts übergegangen,
und der Zehnt, wo er noch in den Händen ber Kirche ift, gebört gu ihrer Dotation und wird von
ihr nach Privatrecht befeffen. Dem Staat kann das Hecht nicht abgeſprochen werben, die
Zehntverträge, wenn er fie bem Wohle des Ganzen ſchädlich findet, fo gut wie andere Rechis-
verhältniffe, welche er für nachtheilig erfennt, nicht blos für die Zukunft zu unterfagen,-fondern
auch die fchon beftehenden aufzuheben, nur daß im legtern Falle der Berechtigte für feinen wirt
lichen Verluſt vollftändige Entſchädigung, entweder von bem Verpflichteten ober vom Gtaate,
erhalten muß, wenn diefer fich keiner Ungerechtigkeit ſchuldig machen will.
Der Zehnt iſt gegenwärtig meift bloße Reallaſt von Feldern und wird auch ba gewöhnlich
nur von ben eigentlichen Getreidearten und von Wein gegeben (Großer Zehnt). Zehnt von
Gemüfefeldern (Schmal⸗ Kraut: ober Kleiner Zehnt), von Gärten, von jungem Vieh (Blut⸗
ober Fleiſchzehnt), von Eiern u. f. w. gehört zu ben Ausnahmen, die aber für einzelne Diftricte
und Fluren wieber die Regel bilden konnen. Forſtnutzungen find nicht Leicht bem Zehnten unter»
worfen, dagegen ift e# ber Bergbau, mo er Ausbeute gewährt, noch in der Regel. Über den
Neubruchzehnten von neu angebauten Feldern (Moval- oder Rottzehnt) wird häufig geftrit-
ten. Einer kirchlichen Steuer würden auch dergleichen neue Anlagen unterworfen fein, woge⸗
gen zur Ausdehnung der vertragemäßigen Zehnten fein Grund vorhanden wäre. Der Zehnt
muß gemohnlid vom Zehntherrn eingefammelt werben; nur wenn beflinmte, immer gleich
bleibende Abgaben verglichen find, muß ihn der Pflichtige bringen (Sackzehnt). Die große
ftaatswirthfchaftliche Schädlichkeit des Zehnten ift gegenwärtig außer Zweifel. Derfelbe macht
olle Verbefferungen ber Landwirthfchaft fafl unmöglich, weil der Gewinn der darauf gewende⸗
ten Sapitalien und Arbeit zum Theil von dem Zehntherrn weggenommen wird. Daher iſt bie
Adfofung freilich fehr wünfchenswerth; eine Verwandelung aber in eine flehende Naturalab⸗
gabe würde fchon darum unzuläffig fein, weil fie in unfrucchtbaren Jahren dem Zehntpflichtigen
noch läftiger werden konnte. Nur Ablöfung in Geld, aber eine gerechte, nach bem wahren
Werthe, kann bem Zwede entfprechen, und nur wo die Bauerngüter groß genug find, auch eine
Abfindung in Land. Die Entfchädigung in Geld hat man in den meiften Ahlofungsgefegen
fo berechnet, daß der reine Ertrag ber Zehnten als vierprocentige Zinfen eines. Capitals ange⸗
fehen und alfo mit 25 multipficirt wurde. Die neuern Gefege (feit 1848) find freilich für den
Zehntherrn viel ungünfliger. |
eichen, f. die Artikel Aſtronomiſche Zeichen, Ehemifche Zeichen, Muftlalifche Beichen.
eichenkunſt, von den Griechen Skiagraphia genannt, heißt die Kunft, fichtbare Formen
und Verhältniffe zueinander durch Licht und Schatten auf Flächen darzuftellen. Der altgriech.
Sage nach wurden Zeichnung und Plaſtik zugleich erfunden, und als die erfte Zeichnerin wird
bie Tochter des Dibutades genannt, welche ben Schatten bes Profils ihres ſcheidenden Gelieb⸗
ten an der Wand umfchrieb, den ber Vater dann ausſchnitt und in Thon mobellirte. Die Zeich⸗
nung beftimmt die Formen durch Linearumriſſe und Schatten, bie Nähe umd Ferne der darzu-
ftellenden Gegenſtände bucch Hülfe der Perſpective (ſ. d.). Ardices und Telephanes, wahrſchein⸗
lich erdichtete Namen, follen es geweſen fein, die durch Schraffirung (ſ. d.) die Runbung ber
Körper auszudrüden fuchten. Philokles und Kleanthes erfanden die Monochromen (ſ. d.) ober
einfarbigen Gemälde, bie nicht mit ben Monogrammen (f.d.), d. h. mit den durch Linien ſtizzir⸗
ten Zeichnungen, zu verwechfeln find. Bei den Monochromen wurden die Farben mit Weiß ge
mifcht, ungefähr wie bei der Manier, die man jegt Camaleu (f. d.) nennt. Dieſes bildete den
Übergang vom Zeichnen in das eigentliche Malen, welches ſich durch das volle Bedecken des
Hintergrundes von ber Zeichnung unterfcheibet. Die Griechen waren fehr fireng und genau
bei dem Unterricht im Zeichnen ; Pamphilus, der Lehrer des Apelles, verlangte, baf feine Schü⸗
ler zehn Jahre bei ihm lernten. Die Linearzeichnung wurde zur höchften Vollkommenheit ge»
bracht, und bekannt ift der Wettſtreit des Apelles und Protogenes in folchen mit ungemeiner
Zartheit und Leichtigkeit hingeworfenen Linien. Diefe Feinheit und Reinheit der Umriffe ift
auch der Hauptvorzug aller berühmten Vafengemälde; etwas Hartes und Trodenes aber er⸗
hielten felbft die auf folchen Umriffen ausgeführten Gemälde, und man fann wol behaupten,
daß diefe Art zu zeichnen durch ben Einfluß der byzantin. Schule auf das weſtliche Europa
auch den frübern trodenen und magern Stil der altital. und altdeutfchen Schule veranlafte.
In der neuern Zeit Laffen fich die Arsen zus zeichnen in drei Hauptgattungen eintheilen: 1) mit
der Feder, 2) mit Kreide und 3) mitZufche. Man zeichnet theils auf farbige6, theild auf weißek
Papier ; bei dem erftern werben bie Richter mit weißer Kreide aufgefegt, bei nn aber werde
452 Zeichenkunſt
fie ausgeſpart. Die Federzeichnungen haben ſtets etwas Hartes und Ungefälliges, doch geben
fie der Hand Sicherheit und Leichtigkeit. Sie find von zweierlei Art: entweder wird an der
Schattenfeite bie Zeichnung mit Schraffirungen verftärkt, oder e8 werben nur bie Umriffe mie
der Feder angegeben und dann ber Schatten fanft getufcht. Legtere Art wirb beſonders bei ar-
chitektoniſchen Zeichnungen und hiftorifchen Skizzen angewendet. Die Kreidezeichnungen find
die geeignetften für die Anfänger in der Kunft, weil fich hier Fehler verwifchen und verdecken
laffen. Man bedient fich dazu fowol der fchmarzen als der rothen Kreibe und böht, wenn ber
Grund farbig iſt, mit weißer Kreide die Lichter auf. Behandelt man die Kreide fo, daß man fie
mit dem Wiſcher verreibt, fo befommt eine ſolche Zeichnung ein äußerſt weiches und gefälliges
Anfehen, obgleich weniger ftrenge Beftimmtheit. Diefe Manier, bie nach dem franz. Namen
des Wiſchers auch A l’estompe heißt, eignet fich befonders, um breite Maffen von Schatten und
Hellduntel anzugeben und einen harmoniſchen Lichteffect hervorzubringen. Auch gibt es Kreide
zeichnungen, wo die Hauptfärben ber dargeftellten Gegenftände ganz leicht mit bunten Stiften
angedeutet werden; biefe eignen fich befondere zu Porträts. In diefe Gattung Zeichnungen ge⸗
hören ferner die mit Blei- und Silberftift auf Papier und Pergament, die ſich zur zarten Aus⸗
führung Pleiner Gegenftände eignen; man nennt die® Crayonzeichnungen, die man biöweilen
ganz zart mit, einer trodienen Farbe untermifcht. Das Tuſchen gefchieht mitteld des Pinfels
auf weißes Papier und mit ausgefparten Lichtern, entiweber mit hinef. Tuſche oder mit Sepia
und Bieter, gemifcht mit Indigo und Karmin. Diefe Art zu zeichnen geftattet die höchſte Voll⸗
endung und ift in allen Gattungen ber darzuftellenden Gegenftände anwendbar.
Die Seichnungen laffen fich in fünf Elaffen eintheilen: erfte Entwürfe, ausgeführte Zeich-
nungen, Stubien, Acte und Cartons. Erſte Entwürfe, Skizzen oder Croquis, auch todirte
Zeichnungen (dessins heurtss), nennt man bie Einfälle, die der Künftler aufs Papier bringt,
um ein vorhabenbes Werk danach auszuführen. Ihr Zweck ift bloß, den erften, noch rohen Ge⸗
danken feftzubalten. Ausgeführte Zeichnungen nennt man biefenigen, Die forgfam vollendet
und mit Andeutungen aller Kleinigkeiten ausgearbeitet find. Unter Studien verftcht man ein»
zelne Theile von Gegenfländen, bie entweber nach dem Leben oder nach bem Runden (d’apr&s
la bosse) gemacht find, 3. B. Köpfe, Hände, Füße, Arnie, zumeilen auch ganze Figuren. Hier»
ber gehören ebenfalls bie Zeichnungen nach Steletten und Muskeln; ferner von Bewändern,
Thieren, Bäumen, Pflanzen, Blumen und Lanbfchaften. Aete nennt man die Figuren, welche
in den Malerakademien nach bem lebenden Modell gezeichnet werben. Das Mobell wird bei
Lampenerleuchtung, die den Schatten mehr als das Tageslicht zeigt, in allerlei Stellungen ge-
bracht, wobei fünftliche Lagen ber Glieder, Verkürzungen und ſchwere Wendungen vortommen.
Um Faltenwurf und Bekleidung zu ftudiren, werben babei die Gewänder auf den Gliedermann
(f. d.) gelegt und danach gezeichnet. Cartons (f. d.) find Zeichnungen auf grauen Papier, in
der Größe des danach auszuführenden Gemäldes.
Um den Umriß eines Gemälbes auf eine andere Leinwand zu übertragen, wenn es recht treu
copirt werben foll, oder überhaupt um einen Entwurf zu wiederholen, bedient man fich verſchie⸗
dener Hülfsmittel. Soll die Wiederholung verkleinert ober vergrößert werden, fo pflegt man
Fäden in angemeffenen Quadraten über beibe Tafeln zu ziehen, wo ed bann fehr leicht ift, in
jeded Quadrat Das zu zeichnen, was im Original darin fteht. Soll es ganz in derfelben Größe
fein, fo zeichnet man oft ben Umrif durch einen aufgefpannten ſchwarzen Blor, von welchem
man ihn hernach abdrückt; dies gibt zwar keine beflimmte Form, aber es beutet genau bie Pläge
an, wo jebe Partie hinkommen muß. Will man aber die fcharf beſtimmte Form nachzeichnen,
fo muß dies mittel® einer Calque (f. b.) geichehen. Nächftbem find noch die Situations- oder
Planzeiänungen zu erwähnen, bie indeß gleich den Architektur⸗ Perfpectiv- und andern Zeich⸗
—* vorige zur Kunft gehören, fondern technifchen Zwecken dienen. (S. Sitnationb-
zeichnen.
Beſonders gefchägt find die Handzeichnungen (f.d.) großer Meifter, da fich in ihnen dad erfte
Feuer, womit fie eine Idee faffen, am deutlichften und genialften ausfpricht. Es wird baber,
weit bier Alles auf die flüchtige Leichtigkeit anktonımt, womit bie Jdee ausgefprochen ift, weit
ſchwerer, eine täufchend ähnliche Copie von einer Dandzeichnung zu machen, ald von einem aus⸗
geführten Gemälde. Die großen Malerfchufen unterfcheiden fich ebenfo fehr in der Zeichnung
als in der Malerei, und ein geübtes Auge wird die Meifter ebenfo leicht in ihren Zeichnungen
unterfcheiden Lönnen wie in ihren Gemälden. Der Stil der Zeichnung ift bei ber altital. Schule
ebenfo Hart, trocken und mager wie bei der altdeutfchen, nur daß dort eblere und fhönere For⸗
men durchblicken und richtigere Verhältniffe, bei ber altdeutfchen oft aber noch bedeutungsvolle⸗
m 39T nt un wm — wu — — —
Zeichnende Künſte Zeit 453
rer Tieffinn, der fi mehr zur Poeſie als zur bildenden Kunſt hinneigt. Später wurbe in Ita⸗
lien die rom. Schule durch Rafael's reinen Sinn für ſchöne und charaktervolle Formen und
durch fein Stubium ber Antike die echte Lehrerin und Bewahrerin fchöner Zeichnung; bie flo»
rentin. Schule wollte fie gerade Hierin übertreffen und verlor durch Übertreibumg, was fie an
Gelehrſamkeit und fireng anatomifchem Stubium wol vorausgehabt hätte. Die Meifter diefer
Schule wählen oft fühn verkürzte Stellungen, nur um ihre Muskelkenntniß zu zeigen. Bei den
Römern ift jeber Pinfelftrich zugleich gemalt und gezeichnet. Die Florentiner brauchen den Pin-
fel bisweilen, als ob er nur ein trockener Zeichenflift wäre. In der lombard. Schule ſchimmert
zart empfundene Zeichnung durch den gauberifchen Farbenſchmelz, doch ift fie mehr der Natur
und dem Gefühl abgelaufcht, als nach ſtreng wiffenfchaftlichen Regeln gebilder. Bei der venet.
Säule verſchwimmt die Zeichnung oft in der Fülle der Farbenglut, und wenn fie bei einigen
Meiftern kühn und Präftig hervortritt, fo find es mehr Formen ohne tieferen Sinn, ohne Adel
und Würde, nur imponirend burch ihre kecke Wahrheit und üppige Fülle. Die Benetianer
find die ital. Niederländer, benn an diefen und ihrer Schule bemerkt man gleiche Vorzüge, nur
Daß fie noch weniger edel erſcheinen. Die franz. Schule war zu Pouffin’s Zeiten fehr correct in
Der Zeichnung ; ſpäter wurde der Stil äußerſt manierirt; erſt David führte richtige und reine
Zeichnung und firenges Studium der Antike wieder ein, und durch letzteres, forwie durch fehr
fefte Zeichnumg unterfcheibet fich die neuere franz. Schule. Die neuern deutſchen Meifter haben
zwar einen verfchiedenen Stil; er tft aber um fo mehr aus eigenem Gemüth und eigenem
Studium der Natur und der großen Meifter entfproffen, und biefe Eigenthümlichkeit gerade fehr
anzuerfennen. Die Zeihnung in der Malerei beftimmt ſtets den Geiſt eines Kunſtwerks, wäh-
rend bie Farbengebung mehr den Körper und Ausdrud beffelden bildet und bie legte Ausfüh⸗
zung (retouche) die Seele hineinhaucht. Ein treffliches Buch über biefen Begenftand ift El⸗
fter, „Die höhere Zeichenkunft theoretifch-praktifch, hiſtoriſch und äfthetifch entwidelt u. f. w.“
(mit Holzſchnitten und colorirten Blättern, 2p;. 1853).
Zeichnende Künfte nennt man alle Künfte, bei welchen Zeichnungen von ſichtbaren For⸗
men die Grundlage abgeben, alfo auch Malerei, Bildhauerkunſt und Architektur; ferner Stahl⸗
ſtechkunſt, Kupferftechtunft, Formenſchneidekunſt, Lithographie.
eidelgäter nannte man fonft die in den Reichsforften bei Nürnberg gelegenen Güter ber
Beidler, d. h. berjenigen Perfonen, welche in den gedachten Waldungen bie Aufficht über bie
Bienenzucht und das Recht des Beidelns, d. b. des Bienenhaltens und Honigfchneidens, hat-
ten, dafür jährlich eine gewifle Abgabe zahlten und unter einem befondern Gerichte, dem Bet
delgerichte, ftanden.
Seifig heißt eine Gruppe aus der artenreichen Gattung Finke (Fringilla), mit vorn fehr zuſam⸗
mengedrudtem fpigigem Schnabel. Außer dem Diftelgeifig oder Stieglig (ſ. d.) iſt beſonders
nennens werth der Erlenzeifig (Fr. Spinus) oder Zeiſig fchlechtweg, ein Pleiner, harmloſer, ge»
felliger Strichvogel Mitteleuropas, oben olivengrün, unten gelb gefärbt, mit ſchwarzem Schei⸗
tel, Flügeln und Schwanze. Er hält fich meift in Nadelhölzern auf, von deren Samen er lebt,
und wirb wegen feines Geſangs und feiner Geſchicklichkeit im Erlernen mancher Kunſtſtückchen
häufig als Zimmervogel gehalten.
Zeit bezeichnet bie allgemeine Form, unter welcher wir überhaupt anfchauen, erfahren, wahr.
nehmen und denken. Die Beftimmung ihres Begriffs gehört zu ben ſchwierigſten Aufgaben
der Metaphyſik. Die älteften Philofophen vermwechfelten fie Häufig mit dem Weltall. Plato
hielt fie für ein Erzeugnif aus dem Seienden (den Ideen) mit dem Richtfeienden (der Materie).
Ariftoteles faßte fie auf als da6 Maß der Bewegung im Weltall. Erſt Kant gelang es, ihren
Begriff von den anklebenden unmefentlichen Merkmalen zu reinigen und ihm nebft dem des
Raums (f.d.) unter der Benennung von Anſchauungen a priori feine Stelle im Syſtem ber Er⸗
Senntniffe auf genauere Art anzumweifen. Die Zeit wird durch den fletigen Übergang von brei
relativen Beftandtheilen, ber Bergangenheit, Gegenwart und Zukunft, gebildet. Ihr Geſammt⸗
begriff heißt Ewigkeit (f. d.), unter welcher entweder eine fließende Gegenwart als eine unab-
reißliche Kette von Zeitpunkten oder eine fogenannte flehende Gegenwart (praesentia stans)
als vollendetes Dafein ohne alle Verflußpunkte verflanden wird. Zur Meffung ber Zeit dienen
vorzüglich die gleichförmigen Bewegungen der Himmelskörper in ihrer Verbindung mit ber
Erde. Weil aber das Licht, wodurch bie Himmelskörper erfcheinen, ſelbſt Zeit zur Ausbreitung
gebraucht, fo wird in Beziehung auf ihre Bewegungen zwiſchen fcheinbarer oder gemeiner und
wirklicher oder aftronomifcher Zeit umterfchieden. In Beziehung auf die Umdrehung der Erbe
trisgeder Unterfchied zwiſchen Sonnenzeit (ſ. d.) und Sternzeit (f. d.) ein.
454 Beitalter Beiktunbe
Beitalter ober Weltalter (aetates) nennt man die Bildungsperioden bed Meunſchenge-
ſchlechts, welche Dichter und Phitofophen der Borzeit in unbeflimmter Abgrenzung nad) fitte
licher und politifcher Güte ihrer Vorfahren und ber frühern Landesbewohner anmahmen. Des-
halb gibt es auch eine verfchiedene Zahl von Zeltaltern. Die Idee der Zeitalter finden wir frũh
ſchon bei den Griechen ausgefprochen 5 fie verglichen das Leben der Menſchheit mit dem bed Gin»
zelnen, und fomit mochte die frühefte Zeit bed Menſchengeſchlechts leicht, wie die Kindheit, als
die ſchönſte und Heiterfte erfcheinen. Hefiod nimmt fünf Zeitalter an: das goldene oder Sature
niniſche unter der Megierung des Kronos, einfach und patriarchalifch ; das filberne, üppig unb
gottlos; das eherne, Priegerifch, wild und gewaltfam ; das heroiſche, ein Aufſchwingen zum Beftern;
das eiferne, wo Gerechtigkeit, Heilige Sitte und Treue von der Erbe entwichen, die Zeit, in der
der Dichter ſelbſt zus leben meinte. Ovid hält in ſeinen, Metamorphoſen“ bie Borfiellung des Der
fiod feft, laͤßt aber das heroiſche Zeitalter weg und befchränft bie Zeit bis zur Deufalionifchen Flut.
Diefe Idee, zuerft vielleicht ale Vergleich nur in der Poefie gebraucht, wurde auch in bie Philofo-
phie eingeführt und wiſſenſchaftlich ausgebildet. Man ſah diefe Zeit- oder Weltalter als die Theile
bes großen Weltjahrs an, das vollendet fein werde, wenn einft die Geſtirne und Planeten am
Himmel wieder denfelben Stand einnehmen würben, worauf dann der vorige Wechſel der
Schickſale wiederkehren müffe. Die Mythologie war hier mit der Aſtronomie in die engfte Ber-
bindung gebracht; man ließ das erfie oder goldene Zeitalter von Saturn, das zweite von Ju⸗
piter, das dritte von Neptun und das legte von Pluto, nach Andern von Apollo regiert werben.
Die Zeit für den Ablauf des großen Welt⸗ oder Hinmelsjahrs wurde auf 3000 Sonnenjahre
berechnet, nach Andern auf 7777 (eine geheimnißvolle Zahl), nach Cicero auf 12954 ımd nad
Heraklit auf 18000. Die Sihyllinifchen Bücher theilten es in zehn fäcularifche Donate oder
vier Jahreszeiten, wo der Frühling das goldene, ber Sommer das filberne, der Herbft das
eherne, in welchem die Deufalionifche Flut ausgebrochen war; und ber Winter das eiferne Zeit»
alter in fich begriff, und wonach der Cyklus wieder mit bem Frühlinge oder mit bem goldenen
Zeitalter von neuem beginnen follte. Die Idee der IWeltalter ift fo aus ber Natur aufgegriffen,
baß fie ſich in bie religiöfen Überzeugungen faft aller Völker verflochten hat, wie wir fie denn
in dem taufenbjährigen Reiche der Apokalypſe und auch in den heiligen Büchern ber Inbier
wiederfinden. Huch die neuere Philoſophie hat biefen Begriff auf ihre Weiſe zu bearbeiten ge
fucht, inbem fie eine beftimmte Anzahl von Weltaltern a priori zu bemonftriren ſuchte. So
nahm z. B. Fichte fünf Weltalter an, von welchen wir und jegt im britten befinden follen, und
Hegel drei, von welchen wir ebenfalls im dritten fliehen. Indeſſen ſteht die Gefchichte ſelchen
Speculationen zu Liebe nicht fHill.
Zeiten oder Tempora nennt man in der Sprachlehre einen mwefentlichen Beftandtheil der
Medeformen bes Verbums (f.d.) und unterfcheidet hier drei Hauptzeiten, Gegenwart, Bergam
genheit und Zukunft. (&. Tempus.) Ebenſo ift es der technifche Ausdrud in der muftlalifchen
Taktlehre und in der Rhythmik, in fener zur Bezeichnung ber Theile des Takts, in dieſer, um
ben zeitlichen Gehalt des Versfußes zu beſtimmen. (&. Rhythmus und Takt.)
Zeitgeift (genius saeculi). Diefer Ausdruck bedeutet bie Summe herrſchender Ideen, bie
nach Inhalt oder Form einer Zeit eigenthümlich angehören, ihr Charakteriftifches und fie von
anbern Unterfcheidendes bilden. Es hat damit ungefähr biefelbe Bewandtniß wie mit ber cf
fentlihen Meinung, nur daß ber Zeitgeift weiter greift und auch in den Regungen des Gemücths,
nicht blos im Gebiete der Meinungen waltet. Seine Macht ift gewiß, aber bad Berufen auf
biefelbe fehr trügerifch. Denn feine Macht ift eine unfichtbare, factifche, der fich Keiner ganz
zu entziehen vermag, Die aber felbft in beftändiger Beränderung iſt, indem fie durch die Einflüffe
der bebeutendern geifligen Kräfte, welche in der Gegenwart thätig find, unaufhorlich modifictrt
wird. Wo die geiftige Kraft fo groß ifl, dem Zeitgeifte in irgend einer Beziehung eine neue
Michtung zu geben, da reden wir von Genie, während das Talent fich begnügt, in den vom Seit-
geifte bereits vorgefchriebenen Bahnen fich mit Meifterfchaft zu bewegen. Übrigent wird das
Wort Zeitgeift auch manchmal gemisbraucht, um gewiffen fubjectiven Richtungen einzelner
Perfonen oder Parteien unter dem Titel, daß dies Die Richtung des Zeitgeiftes fei, ein ungebüht ⸗
liches Gewicht zu geben. Schwierig ift es, weil Alle dem Einfluffe des Zeitgeiſtes unbewußt
unterliegen, benfelben aus der Gegenwart felbft heraus zu erfennen, unb fomwie dad Charakter
fifche eines Volkes immer beffer und ficherer von einem andern ald vom eigenen Volke aus, fo
wird auch das Sharakteriftifche einer Zeit immer beffer und ficherer von einer fpätern Zeit alt
bon der Gegenwart aus aufgefaßt und beurtheilt werben können
Beitkunde, ſ. Chronologie.
— mn — — — — — — — —
Zeitloſe Zeitungen und Zeitſchriften 455
Zeitlofe, genauer Berbſtzeitloſe (Colchicum autumnale), eine Pflanze aus der Familie
ber Melanthaceen, beren fechötheilige, blaßroſenrothe Blüten mit einer Iangen Blumenröhre
im Herbfte anf Wiefen umd Triften erfchemen. Die Blätter kommen fammt der ben Winter
über im Boden verborgenen, aus drei Balgkapfeln zufammiengewachfenen Frucht erſt im näch⸗
ſten Jahre. Dfficinell find der odergelbe Zwiebelknollen, die Blüten und Samen. Größere
Gaben bewirken heftiges Erbrechen, Diarrhöe, felbft Darmentzündung. Die gepulverten Sa⸗
men gebrauchen bie Landleute gegen Käufe, den Saft ber Blätter gegen Ungeziefer bes Rindviehs.
eitmaß, f. Tempe und Metrik.
itme er, f. Ehronometer.
eitrechnung, |. Ara.
Zeitungen und Zeitfehriften. Das Wort Zeitung, die hochdeutſche Form für das nie.
derdeutſche Theiding eder Theidung, fowie das engl. Tiding, iſt eine Ableitung von dem
Worte Zeit, das im Riederdeutſchen tid ober teid, im Angelfächfifchen tid und im Englifchen
tide lautet und urfprünglich Begebenheit ober Ereigniß bedeutet. Die Bedeutung, welche das
ort gegen Ende des 16. Jahrh. erhielt, iſt erfl eine übertragene und zumächft von dem Titel
„Zeitungen“, „Reue Zeitungen” (d.i.neue Begebenheiten), welchen meift bie über merkwürdige
Begebenheiten veröffentlichten Flugblätter führten, entlehnt. Im mobernen Sprachgebraud
unterfcheidet man Zeitungen von Zeitfchriften und verficht dann im Befondern unter Seitungen
(engl. Newspapers, franz. Gazettes) entweder im engern Sinne ſolche Blätter, die ſich blos
mit Veröffentlichung politifcher Nachrichten befchäftigen, oder in einem weitern Sinne alle bie»
jenigen literarifchen Erfcheinungen, welche die möglichft fchnelle Bekanntmachung nicht blos
von Ereigniſſen und Begebenheiten im öffentlichen Leben ber Völker, fondern auch bie neuen
Erſcheinungen, Entbedungen und Erfindungen im Gebiet ber Wiffenfchaft, Literatur und
Kunſt wie des Handels und ber Induſtrie bezwecken. Es entftehen dann neben ben eigentlicdden
politifchen Zeitungen auch Handelszeitungen, Gemwerbszeitungen, Literaturzeitungen, Kunft-
zeitungen u.. w. Unter Zeitſchriften oder Journalen (franz. und engl. Journal) faßt man Da»
gegen alle ſolche periodifche Erfcheinumgen zufammen, welche mit ihrem Inhalt den Zweck
einerfeits ber wiffenfchaftlichen Discuffton, andererfeits der Belchrung ober Unterhaltung im
Auge haben. Je nachdem fie das größere Publicum durch Mannichfaltigkeit des Inhalts an⸗
ziehen, oder für einzelne Zweige bes Wiſſens beftinnmt find, oder fich mit der Beurtheilung ber
literarifchen und artiftifchen Erfcheinungen befaffen, fpricht man von allgemeinen, von wiſſen⸗
ſchaftlichen und von kritiſchen Zeitfchriften. Die Geſammtheit der periodifchen Literatur eines
Volkes nach ihren beiden Hauptricgtungen, ber politifhen wie ber literarifchen, begreift man
auch unter dem Ramen Journalisſsmus, beffen Gefchichte als ein wichtiger Theil der Dar-
—* Entwickelungsgangs der geſammten geiſtigen Cultur einer Nation zu be
trachten ill.
Die erfien Keime bes Zeitungsweſens finden wir fchon bei den alten Römern, deren öffent.
liche Berzeichniffe von ben Berhandlungen in den Volksverfammlungen, die fogenannten
Acta diurna ober Aota publica, gewiffermaßen bie &telle unferer Staatözeitungen ver»
traten. Es waren darin vor allem die Vorgänge in der kaiſerl. Familie, wie Geburten,
Todesfälle, Leichenfelerlichleiten, Reifen, namentlich auch kaiſerl. Verordnungen, Senats⸗
beſchlüſſe und Neben, Gerichtsverhandlungen, Bauten u. dgl. enthalten. Hierzu kamen
Samiliennachrichten, namlich Geburts⸗ Heiraths⸗ Ehefcheidbungs- und Todesanzeigen. Durch
Gäfar's Anordnung erfchienen biefe Acta täglich und waren um fo zeitgemäßer, ba die Annales
maximi (f. Annalen), welche freilich nur die wichtigften Begebenheiten brachten, kurz vorher
eingegangen waren. Dagegen befchäftigten fich die Acta felbft mit den gewöhnlichften Tages⸗
neuigleiten unb brachten felbft unverbürgte Gerüchte, wie über angebliche Oppofition im Se⸗
nate u. f. w. Die nähere Beichaffenheit derfelben läßt fi; bei Dem Mangel echter Bruchftüde
faum beflimmen. Ebenſo dunkel bleibt die Redaction derfelben. Zur Zeit der Republit waren
die Genforen und Ädilen mit der Aufficht über die Tabulae publicae beauftragt und ließen
vielleicht auch jene Acta von Schreibern und andern geeigneten Perfonen nach einem beſtimm⸗
ten Schema abfaffen. In der Kaiferzeit hatten wahrfcheinlich die Oberauffeher des Staats-
ſchatzes dieſes Geſchäft über ſich, denen babei natürlich viele Unterbeamte zur Seite ftanden.
War num die ganze Schrift vollendet, fo wurde fie an einem öffentlichen Plage eine Zeit fang
aufgeftellt und bier konnte Jeder fie lefen ober auch copiren. Gigentliche Schreiber und andere
Derfonen mochten Abonnenten in und außerhalb der Stadt haben und zeichneten fi) nun Das,
was Jedem etwa von Intergge fein konnte, auf. Diefe Heta fcheinen ihre Endſchaft erreicht a
Dan
456 Zeitungen und Zeitfchriften
baben, als Konftantinopel zur Hauptfladt des Reichs erhoben wurde, ba man von jegt an bie
widhtigften Nachrichten durch eigens dazu ernannte Commiſſare in den Provinzen befannt
machen ließ. Vgl. Schloffer, „Uber bie Quellen ber ſpätern Tat. Schriftfteller, befonders über
Zeitungen” in bem von ihm und Bercht herausgegebenen „Archiv für Gefchichte und Literatur“
(Bd. 1, Fkf. 1830); Zell, „Uber die Zeitungen der Alten“ (Freiburg 1834).
Es fallen aber diefe periodifchen Veröffentlichungen ber Römer, wie auch die einiger orient.
Völker der neuern Zeit, wie ber Chinefen, Japaner und Perſer, nicht unter ben literarhiſtori⸗
ſchen Begriff des Journalismus. Das Velen des legtern befteht darin, baf er feinen Inhalt
einer allgemein zugänglichen Öffentlichkeit übergibt, einer ffentlichkeit, wie fie einerſeits das
Bebürfniß bei den Völkern und Individuen, andererſeits auch die zur Ausführung nöthigen
Mittel vorausfegen. Da nun jenes fubjective Bedürfniß erft im Gefolge der Reformation
und des eröffneten Weltverkehrs, die obfective Ausführbarkeit aber erſt durch die Buchdrucker⸗
Zunft und einen geregelten Poſtverkehr eintrat, fo liegt e8 in ber Natur ber Sache, daß
ber Journalismus erft im 16. Jahrh. mit jenen Bedingungen ins Leben treten konnte. Zu-
nächſt wandte ſich die journaliftifche Thätigfeit dem augenfälligften Stoffe, bedeutenden Ereig-
niffen des Staaten- und Völkerlebens zu, jedoch fo, daß fie eben nur tobten &toff der Offent-
lichkeit überlieferte. Hierher gehören die fogenannten „Relationen“, wie fie während bes 16. und
47. Jahrh. in Deutſchland wie anderwärts erfchienen. Sie waren bie Vorgänger ber fih all⸗
mälig herausbildenden periodifchen Blätter, mit welchen dann wiederum bie durch andere Be⸗
dürfniffe gleichzeitig hervorgerufenen Intelligeng- und Anzeigeblätter zuſammenfloſſen. Der
literarifche Journalismus zeigte feine erften Anfänge in Frankreich und verpflanzte fich von bier
aus bald nach Deutſchland und den übrigen Ländern. Im Anfang nur der unvolksthümliche
Ausdruck der kaſtenmäßig abgeſchloſſenen Gelehrſamkeit des 17. Jahrh., ward das Zeitſchrif⸗
tenweſen nicht nur bald einer der mächtigften Hebel der neuern Civiliſation überhaupt, ſondern
ed gewann auch im Befondern in feiner weitern Entwidelung und Ausbildung einen wefent-
lichen Einfluß auf die Titerarifche Kultur, gab ber modernen Literatur eine eigenthümliche Ge⸗
ftalt und führte das Wiſſen aus der Schule in das Leben hinüber.
Die erften Spuren von Zeitungen finden fich in Italien nach der Mitte bes 16. Jahrh.,
und zwar zu Venedig. Die Megierung ber Republik, damals im Kriege mit den Zur:
Ben, machte von Zeit zu Zeit gefchriebene Nachrichten (notizie scritte) über bie wichtig.
fien Kriegsereigniſſe befannt, welche an einigen öffentlichen Orten gegen ein Leſegeld vom
einer Scheidemünge, gazeta genannt, ben Neugierigen zugänglich waren. Bon biefer Münze
erhielten bie Neuigkeitöblätter in Stalien wie fpäter in Frankreich (gazette), Spanien und Eng⸗
land ihren Namen. Eine anfehnliche Sanımlung folder Blätter findet fi in der Maglia⸗
bechi’fchen Bibliochel zu Florenz. Die argwöhniſche Regierung zu Venedig aber war ber Ver
breitung politifcher Mittheilungen fo abhold, daß fie noch lange nach der Einführung der Buch⸗
druckerkunſt nur gefchriebene Zeitungen duldete. Als aber endlich gedruckte Neuigkeitsblätter
erfcheinen durften, verbreiteten fie ſich von Venedig aus fchnell Durch ganz Europa. Der Arg⸗
wohn des röm. Stuhls erwachte, als in mehren Städten Italiens Zeitungen erſchienen. Papfl
Gregor XII, 1572—85, erließ fogar eine Bulle gegen bie Zeitungsfchreiber, welche damals
menanti hießen und die er durch ein Wortfpiel als drohende (minantes) bezeichnete. In der
neuern Zeit ift, felbft mo bie Verhältniffe minder günftig waren, in der ital. Journaliftif ein
außerordentlich reges Leben entfianden. Dies erſtreckte fich freilich vielmehr auf die literariſch⸗
wiſſenſchaftlichen Journale als auf die eigentlichen Zeitungen, welche, wenig beachtet und durch
ſtrenge Genfur gehemmt, nur die nothbürftigften Nachrichten außer allem Zuſammenhange
braten. Am gelejenften waren noch die privilegirten Zeitungen von Mailand, Venedig, Turin,
Genua, Bologna, Lucca, Florenz, das „Diario di Roma” und die „Gazzetta di Napoli”. In ben
Zeiten ber Gefahr und ber Unruhe (1831) machte die mobenefer „Voce della verita‘ großes
Aufſehen durch die Übertreibung abfolutiftifch-monarchifcher Brundfäge. Im 3.1836 erfchie
nen in Italien 474 periodifche Schriften, 1845 hatte fi) die Zahl derfelben bis auf 205 ver-
mehrt. Mit einem Zauberfchlag änderte fich dies 1847 mit bem Regierungsantritt des Papftet
Yius IX,.umd ed Fam eine ganze Flut politifcher Blätter zum Borfchein, welche theilweiſe
mit Talent geſchrieben und nicht ungeſchickt rebigirt waren, aber Durch Zerfplitterung ber Kräfte,
Buch Überfülle, endlich durch Ausfchweifungen aller Art, deren viele ſich ſchuldig machten,
unendlichen Schaden anrichteten. Die revolutionären Parteiblätter in Kivorno, Florenz, Rom
fuchten, ‚wie noch 1854 in Genua, wo fich der Mazzinismus eines Theils der Tagesprefle be⸗
mächtigt hatte, an Fanatismus und Gemeinheit ihres Gleichen. Das I. 1849 mit fd-
geitungen und Zeitſchriften 457
nen Reactionsbeftrebungen machte diefen Uuswüchfen meiſt ein Ende; was aber von privile
girten Blättern geblieben ift, weift im Allgemeinen, wenn man bas „Giornale di Roma“ aus-
nimmt, einen wefentlichen Fortfchritt auf, indem man mwenigfiens eine ziemliche berficht ber
Begebenheiten gewinnt. Die beffern find bie Zeitungen von Venedig, Mailand, Turin, Genua,
Florenz, Neapel. Das meifte Intereffe bieten bie piemontefifchen Blätter (1852 erfchienen im
Königreich Sardinien 45 rein politiſche Zeitungen, darunter A in franz. Sprache) bei derfreiern
Verfaffung bes Landes; unter ihnen ift namentlich ber turiner „Parlamento‘, ber 1855 den
Zitel „Piemonte” annahm, hervorzuheben. Gonft find zu nennen bie gemäfigte „Opinione”,
der „Diritto”, das Organ ber Linken, bie Blerifale „Armonia”, Bianchi⸗Giovini's „Unione’
und die populäre „Gazzetta del popolo” (mit 7000 Abonnenten).
Italien befaß in dem „Giornale de’ letterati” (4710-33) frũhzeitig eine Britifche Zeitfehrift,
Die anfangs unter Apoſtolo Zeno's Leitung fand. Die „Novelle letterarie” wurden feit 1740
von Lami in Florenz herausgegeben. Das in Pifa 1771 entflandene, früher von Fabroni her
ausgegebene „Giornale de’ letterati” wurde bald eine ber beften ital. Zeitichriften. Seit 1815
gewann die bis 1826 von Acerbi, fpäter von Gironi u. U. geleitete „Biblioteca italiana” durch
Schärfe und Freimüthigkeit des Urtheild großen Einfluß. Die reichhaltige „Antologia di Fi-
renze‘ mußte 1835 gefchloffen werden. Die literarifchen und kritiſchen Journale bringen viel
Gutes, felbft Ausgezeichnetes zu Tage, indem manche der erften Schriftfteller ber Nation fi
dieſer Mittel zu leichterer und rafcherer Verbreitung ihrer Ideen und Unfichten bedienen. Zu
bedauern ift nur, daß zu viele biefer Unternehmungen nebeneinandet und mit berfelben Tendenz
entſtehen und fich folglich nicht halten können, befonder& ba der literariſche Verkehr im Lande
noch zahlreichen Hemmniffen unterworfen ift. Verſchiedene wiffenfchaftlich -Titerarifche Zeite
fchriften find auch mit zu wenig für die Zukunft geficherten Mitteln begonnen worden, und wäh⸗
zend fie in der erſten Zeit Tüchtiges zu leiften Schienen, fehlte es ihnen bald an ber doppelten
Unterftügung ſeitens ber Mitarbeiter und bes Yublicums. Die „Biblioteca italiana” ift, dem
eigentlichen Sournalkreife entzogen, in ein officielles „Giornale deli’ Instituto lombardo” um-
gewandelt worden. Die „Annali di stalistica” haben fich umter G. Sacchi's Leitung verfüngt,
obne indeß in ihren Arbeiten immer die nöthige Zuverläffigkeit an ben Tag zu legen, obgleich
bie Statiſtik bei mehren ital. Regierungen willfährige Beförderung findet. Die Umwälzungen ber
J. 1848 und 1849 Haben der Mehrzahl der im Lombarbifch-VBenetianifchen erfcheinenben Zeit
fhriften ein Ende gemacht. Dahin gehörten die „Revista europea”, welche an die Stelle bes
„Ricoglitore” trat und unter Battaglia's und Calvi's Leitung einige Zeit mit den beffern Jose»
nalen bes Auslands wetteiferte; der „Politecnico” und das in Padua ausgegebene „Giornale
euganeo”, melde eine anfehnliche Reihe tüchtiger und ernfler Arbeiten brachten ; ber von Orti
in Verona redigirte „Poligrafo”, der venezianiſche „Gondoliere” und andere gingen zu verſchie⸗
benen Zeiten bis 1848 ein. Neues von Belang ift nicht an die Stelle getreten, höchſtens ver⸗
Bienen in Venedig das politifch-Literarifche ‚„Crepusculo”, das einige® Butebietet, und das „„Em-
porio artistico-letterario” Erwähnung. Auch in Piemont burchlebte die Journalliteratur al»
lerlei Schickſale, was bei der großen Bewegung, bie fi in ben legten Negierungsjahren Karl
Albert's kundgab, leicht erflärlich ift. Die turiner „Antologia italiana” von Predari fchien
durch die vielen ausgezeichneten Ramen ımter den Theilnehmern zu einer ſchönen Rolle be
flimmt, ging aber in den Stürmen von 1848—49 zu Grunde. Seitdem begannen mit friſchem
Leben ber „Cimento”, von Gefari, und die „Revista contemporanea” (mit 2000 Abonnem
ten), von Chiala herausgegeben; legtere, von confervativer Haltung, ohne die gemäßigte libe-
rale Meinung auszufchließen, ift die bedeutendfte der neuern ital. Zeitfehriften. Bon geringerm
Werthe find die von Predari geleitete „Rivista enciclopedica italiana”, fowie die 1855 von
Franchi begonnene „Religione”. Die genuefer „Rivista ligure‘ erhielt fich nur wenige Jahre vor
ber Revolutionszeit. In Modena find die durchaus ernften und gelehrten „Memorie direligione,
di morale e di scienze” {yon zu ihrer dritten Serie gelangt. In Toscana ift es nicht gelungen,
feit Unterdrüdung (1833) der florentinifchen „Antologia” etwas Tüchtiges in ähnlicher umfaſſen⸗
der Weiſe zu gründen. Die Kräfte zerfplittern fich in einem Dugend von Blättern, beren befte
Seinen Halt Haben, wie ber bald unterbrüdte „Genio”, die „Arte” unb bie „Polimazia di famig-
lia“. Doch läßt bie feit 1855 von Bianchi herausgegebene Worhenfchrift „Lo Spettatore“, nach
dem Mufter des „Athenaeum frangais” eingerichtet, Bedeutendes erwarten. Die „Annali delle
Universitä toscane”, von benen bi6 Ende 1854 zu Piſa zwei Bände mit einer Reihe ausge
zeichneter Arbeiten von Bonaini, Capri, Gentofanti, Rofini u. U. erſchienen waren, und die vom
Buccagni-Orlanbini zedigirteg „Annali stalistici della Toscana” gehören nicht zu ben eigent⸗
lichen Zeitfchriften. Das „Giornale agrario”? in Verbindung mit ben „Atti dell’ Accademia
458 Zeitungen und Beitfchriften
dei Georgofili” verbreitet feit einer Reihe von Jahren agronomifche unb nationalskenomiſche
Kenntniffe in weitern Kreifen. Lambruschini's „Guida dell’ educatore”, von Geiten der ei-
gentlich klerikalen Partei heftig angegriffen, hörte 1846 auf. Die „Letture di famiglie“ fin® _
eine mit Geſchick redigiete populäre Zeitſchrift. Das feit 1842 beſtehende „Archivio storico
italiano” Bann in feiner neuen Serie mit der Zeit ein vollftänbiges Repertorium der Geſchichts⸗
literatur werden. Im Kirchenſtaat hält fi da6 „„Giornale areadico”, bie ältefte der heutigen
Beitfchriften Staliens, Ende 1854 bereits über 155 Bänbe zählend und neuerdings wieder be»
lebt durch zahlreiche ſchäzbare Beiträge über Geſchichte, Literatur und egacte Wiſſenſchaften.
Der beſonders ber Geſchichte gewidmete „Saggiatore”, aus bem „Tiberino” erwachſen und vom
Gennarelli und Mazio redigirt, hielt fi nur von 1844—46. Dielängere Zeit von Monfignore
de Luca redigirten „Annali delle scienze religiose” wurden, mas Einfluß, Verbreitung, Mit»
tel, großartige Eonfequenz betrifft, weit übertroffen durch die 1849 in Neapel begründete, dann
nad Rom verpflangte „Civiltä cattolica”, das mit großem Geſchick rebigirte Drgan ber Jeſui⸗
ten und ihrer Partei. Das römifche „Album“ ift die ältefte illuſtrirte Zeitfchrift mit manchen
guten Rocalartiteln. Der „Feisineo” zu Bologna und das „Giornale scieniifico-letterario®
zu Perugia find eingegangen. In Neapel ift Vieles verficcht, aber Weniges begründet worden.
Die von N. Santangelo begonnenen „Annali civili” bieten ſchäßenswerthes Material zur Lan-
des kunde; ber feit 1835 beflehende „Progresso‘ hörte 1848 auf. Das „Museo di scienze @
letteratura” ſchien eine Zeit lang bie beften Kräfte des Landes zu vereinigen. In Stellen waren
unter manchen Zeitfchriften, denen bie Nevolutionsgeit meift vielen Eintrag that, beſonders die
„Eifemeridi soientifiche e letterarie” von Bedeutung. Das neapol. „Bulletino archeologico“,
erft von Avellino, dam von Minervini herausgegeben, fchließt fich dem feit 1829 beſtehenden
„Bulletino dell’ Instituto di correspondenza archeologioa” zu Rom, das eine Beilage zu den
„Annali” bildet, würdig an. Eine eigentliche Literaturzeitung fehlt in Italien ebenfo fehr wie
(feit dem Erlöfchen der mailänder „Bibliografla italiana‘) ein bibliographifches Blatt.
In Spanien beſchränkten fih anfänglich die politifchen Blätter ebenfalls nur auf einzelne
von Zeit zu Zeit erfcheinende Nachrichten (relaciones) von beſonders wichtigen Ereigniffen, bie
im bem poetifchen Lande nicht felten bie Form von Nomanzen annahmen, welche von den Bl
den an den Straßenecken ausgerufen (romances de ciegos) wurden. Erſt ungefähr feit ber
Mitte des 18. Jahrh. begann das regelmäßige Erſcheinen einer Hofzeitung, des „Diariode Ma-
drid”. Uber ſchon am Ende der Regierung Karl’s IH. zählte man in Spanien 40—50 Zeit
fegriften, welche nicht blos der Politik, ſondern auch der Verbreitung nützlicher Kenntniffe, wiſ⸗
fenfchaftlicher Anficheen, moralifirender und Britifcher Auffäge gewidmet waren, wie 3. B. Fey⸗
joo’& „Teatro crilico universal”, deffen „Cartas eruditas“, ferner Glavijo y Fafarbo’6 „Pen-
sador”', das „Diario de los literatos de Espana” (173747), das „Semanario erodito” (34
Bde, Mar. 1778— 91). Noch größere Bedeutung erhielt die Journaliſtik während und nad
dem Unabhängigfeitöfriege 1808, und in den folgenden politifchen Revolutionen wurde fie na⸗
türlich zur geifligen Angriffs und Vertheidigungswaffe. Unter den Journalen der Liberalen
Partei jener Zeit zeichnen fich neben bem hochiwichtigen „Diario de las Cortes” beſonders ba#
„Semanario patriotico” (Cadiz 1808— 11) und bie „Aurora mallorquina” (Yalma 1812 —
13) aus, an benen Männer wie Quintana, Antillen, Blanco White, Tapie, Sallardo mitarbeir
teten. Unter ben Organen ber Servilen iſt der mit vielem volksthümlichen Big und Energie
tedigirte „Procurador del Rey“ zu nermen. Nach der Reftauration von 1814 führten bie zur
Auswanderung Beziwungenen ihre Sache in zum Theil auch tm Auslande erfcheinenden fpan.
Beitfchriften, wie dem zu London 1815 herauskommenden „Espafiol constitucional”, fort.
BZwar bediente fich die Partei der Abſolutiſten ebenfalls des Journalismus, doch ift unter ben
Blättern diefer Farbe, etwa außer den durch feine Leidenfchaftlicykeit berüchtigten „Atalaya de
la Mancha”, kaum eins nennenswerth. Durch bie in Folge der Revolution von 1820— 25
wieber zur Derrichaft gelangte liberale Partei und durch bie von ihr proclamirte Preßfreiheit
erhielt natürlich die periodifche Preffe bei breiterer, ſichrerer Baſis auch einen ungemein wachſen⸗
den Sinfluß. Unter den 64 Blättern politifcher Tendenz, die man 41822 zählte, gehörte ber
„Gensor”, der gelegentlich ald Organ bes Napoleon’fchen Liberalismus mit Dinneigung zu den
franz. Doctrinaires auftrat, zu ben tüchtigften Zeitſchriften; andererfeit floß in dem kecken, Zur-
riago‘' und den „Cartas del pobrecito holgazan‘ Miflano's eine reiche Duelle vorksrhämlichen
Humors. Bon neuem jeboch mußte der Liberalismus und mit ihm auch großentheild ber Jour⸗
nalismus vor der Gontrerevolution von 1823 ins Ausland flüchten, wo bie periobifche Preffe
der Spanier jener Zeit namentlich zu Paris und London ihre Cightte hatte. So erfhienen zu
— — — — — -
Zeitungen und Zeitſchriften 48
London bie auch wiſſenſchaftlich bedeutenden „Ocios de Espahaes refugiados“ (182526),
die „Miscelanea hispano-americana” (1824—28) und der „Correo literario y politioo“, ſo-
, wie zu Paris bie „Miscelanea escogida americana” (1826). Im Heimatslande ward 1824
die politifche Preffe bis auf wenige Blätter unterbrüdt. Außer der Hofzeitung, der „Gazeta de
Madrid‘, find etwa nur zu nennen der „Correo mercantil” au Sablz, der „Mercurio‘, die unter
Miñano's Leitung erfchienene „Gazeta de Bayona” (1825) und zu &.-&ebaflian bie „Esta-
feta” (im Sinne des reformirenden Abſolutismus), mit ber fpäter die „Gazela de Bayona”
vereinigt wurde. Auch kamen bereits einige rein Literarifche und wiffenfchaftliche Fachzeitungen
heraus, wie bie „Cartas literarias”, brei mebicinifche Zeitungen u. |. w.
Noch mehr aber entwidelte fich in Spanien felbft der Journalismus feit Anderung des Re
gierungs ſyſtems 1833 und feit nach bem Tode Ferdinand's VII. ftatt der Beſchränkung wenige
ſtens zeitweife Begünftigung ber pertodifchen Preffe, befonbers der ſchönwiſſenſchaftlichen, ein»
trat. &o entfland, nachdem 1854 die Prefle frei geworden war, eine große Anzahl von Zeit.
fchriften (man zählte zu Anfang des Jahres allein in Madrid 18 politifche Blätter), und Anfang
1836 beftanden außer den 49 Amtsblättern (Boletines oficiales) für die einzelnen Provinzen
des Landes gegen 30 andere theils politifchen, theild gemifchten Inhalts und gegen 16 Journale,
bie der Wiffenfchaft und Kunft gewidinet waren. Unter den in ber Reſidenz erfcheinenden Jour⸗
nalen jener Zeit verdient vor allen die „Revista espanola” genannt zu werben, bie 1831 ale
ein mehr politifches Blatt begann, feit 1837 fich unter bem Titel „Revista europea” ausfchließ-
lich mit Literatur befchäftigte, feit 1838 als „‚Revista de Madrid“ neben literarifchen auch polie
tifche Auffäge umfaßte und als Organ ber Moderabos diente. Einer Nuance diefer Partei ge⸗
hörte auch ber politifch-literarifche „„Correo nacional” unter der Rebaction Borrego's an, ber
auch einem andern Journal ähnlicher Tendenz, bem „Espamol”, vorftand. Des Dichterb Salas
y Quiroga „No me olvides” war zunächft zwar nur ber Unterhaltung beſtimmt, erörterte jeboch
auch politifche Kragen Im Sinne des Juſte⸗Milieu. Neben diefen find noch ber an ftatiflifchen
Daten reiche „Corresponsal”, forwie das officielle Organ der jeweiligen Regierung, die auch viele
Iiterarifche Artikel enthaltende „Gazeta de Madrid”, zu nennen. Unter ben illuftrirten Wochen-
ſchriften zeichnete fich vor allen der „Artista” (1835— 36) aus, am beffen Stelle feit 1356 das
gut redigirte und für die Literaturgefchichte wichtige „Semanario pintoresoo” getreten iſt. Au»
ßerdem erfehienen 6—7 Blätter, die meift nur der Mode und dem Theaterweſen gerwidmet wa⸗
ren, wie „Entreacto“, „Esperanza”, „Mariposa”, „Panorama“, ber „Anacoreta” des berühm-
ten Lithographen Villamil u. |. w. Nein literarifch waren Carnero's „Cartas espanolas” und
Gallardo's „Criticon“. Ganz fperiellen Kächern gehörten an die von Evariſta San-Miguel re-
digirte „Revista militar”‘, das „Boletin de jurisprudencia y legislacion‘, das „Boletin de me-
dicina, chirurgia y farmacia” u. f. m. Aber auch bie Provinzen fingen fchon damals an, mit
biefer journaliftifchen Thätigkeit der Refidenz zu rivalifiren; und es verdienen unter ben Provin-
zialblättern jener Zeit genannt zu werben „Eco de Aragon“, bie in Saragoſſa erfchienene „Au-
rora”, ber „Tiempo” zu Cadiz, „Guadalborze” zu Malaga, die „Alhambra” zu Granada u.f. w.
Als ein dem fpan. Nationalcharakter eigentbüumlicher Iug, der nun auch in der Entwickelu
des Journalismus hervortrat, verdient bemerkt zu werben, daß die Megierungs- und Oppoft-
tionspartei, wenn fie auf das Volk wirken wollten, ſich fatirifcher, mit den fchärfften Waffen des
Spotts Tümpfender Blätter bedienten. So gründeten bie Moberabos die Journale „Ei Toro-
bado”, „ElMundo“, „Ei Duende“, „El Nosotros”; die Eraltabo® aber übertrafen biefe noch an
Zügellofigkeit, die vorzüglich nach dem Pronunciamento vom Sept. 1840 aufs höchſte flieg. Viele
diefer Blätter find bald wieder eingegangen, aber ebenfo bald wieder burch andere erfegt worben,
und im Ganzen ift der Journalismus in den legten Jahren auch in Spanien im raſchen Zunch-
men begriffen gewefen. So zählte man 1841 allein in ber Mefidenz 42 Blätter, darunter vier
amtliche Blätter, zwei militärifche, zwei religiöfe, zwei pädagogifche, ebenfo viele juridiſche und
mebicinifche, 13 Titerarifch-belfetriftifche, ein bibliographifches (das „Boletin bibliografico”, ſpũ-
ter „Bibliografia espaüola‘‘), vier fatirifche, darunter ber „Fray Gerundio” des geiftreichen
Mobefto Lafuente (f.d.), und ber „Gobierno representativo del beilo sexo“, eine Urt Frauen-
emancipationsjournal. Die höchfte Subferibentenzahl (14000) erreichte eins ber religiöſen
Blätter („El Catolico”). In gleichem Verhältniſſe nahmen die Provinzialblätter zu, worin na⸗
mentlich Barcelona mit der Hauptfladt wetteiferte. Bon den 48 Blättern, die 1844 zu Madrid
erfehienen, wurden 19 (darımter „Eco“, „Clamor publico” und „Novelero” ben Eyaltabos ge-
hörig) täglich ausgegeben. Den flärkfien Abfag (7000) hatte der moberadiftifhe „Haraldo”.
Noch 1843, als fich die Nation gegen Espartero erhob, hatten bie nolitifchen Zeitungen in Ma⸗
460 | Zeitungen und Zeitfehriften
brid allein 65000 Abonnenten und die literarifchen waren dem Erlöfchen nahe; 1844 Hingegen,
als Spanien wieder zur Ruhe gekommen war, fegten die politifchen Blätter der Hauptſtadt nicht
mehr ald 22000 Eremplare ab, während die wiffenfchaftlichen und fiterarifchen einen täglich
fleigenden Abfag gewannen. Im J. 1848 erfchienen zu Madrid 54, zu Barcelona 35, Anfang
4850 zu Mabrid 65 periobifche Blätter. Nach manchen Wandelungen, die feit dem Sturze von
Narvaez die fpan. Preffe gleich den politifchen Verhältniſſen des Landes erfuhr, machte biefelbe
feit der Revolution vom Juli 1854 aufs neue ihren Einfluß geltend. Zu Ende des Jahres zählte
man in Madrid allein 30 politifche Blätter aller Parteifarben, zu benen Anfang 1855 noch
mehre neue hinzufamen. Am wichtigften darunter bürften ‚Espaha”unb „Clamor publico“ fein.
Die Geſchicke des Zeitungswefens in Portugal gleichen denen ber fpan. Sournaliftil. Bis
1820 ganz nichtig, nahm es bis 1823 einen kurzen Auffchwung, um während der Reaction
periode wieder in die alte Bedeutungsloſigkeit zurückzuſinken. Zu größerer Bedeutung entwickelte
ſich die politifche Preffe erft feit der Thronbefteigung der Maria da Gloria 1834, blieb aber dabei
ohne innern Gehalt und biente blos den Parteileidenfchaften. Der beftändige Wechfel zwifchen
Freiheit und Unterbrüdung der Preffe hat eine völlige Demoralifation derfelben herbeigeführt.
Das officielle Organ ift das „Diario do governo”. Außerdem erfchimen 1852 zu Liffaben
noch ſechs, zu Oporto fünf politifche Blätter. Die literariſch⸗wiſſenſchaftliche Journaliſtik in
Portugal ift unbedeutend. Bortheilhaft zeichneten ſich Die von geflüchteten Portugielen ſeit
1824 zu Paris herausgegebenen „Annals das sciencias e artes” aus. In den dreißiger Jahren
war das „Jornal de Coimbra” bie einzige allgemeine wiffenfchaftliche Zeitſchrift. Aus den leg
ten beiden Decennien find noch das von Earvalho redigirte „Panorama, da6 „Jornal de So-
ciedade dos amigos das lettras” und bie „Revista universal lisbonense” zu nennen.
Obwol die Zeitungspreffe in keinem andern Staate Europas eine fo große Bedeutung er»
langt hat wie in England, fo ift fie hier doch fpäter entflanden als in Stalien und Deurfchland.
Es ift möglich, daß gegen Ende bes 16. Jahrh. einzelne Flugfhriften in Zeitungsform entwe-
ber auf Beranftaltung der Regierung oder auch von Privatperfonen veröffentlicht wurden; in-
beffen hat fich der im Britifchen Mufeum befindliche, angeblich aus dem $. 1588 herrübrende
„English Mercurie” als untergeſchoben erwiefen. Zu Anfang der Regierung Jakob's I. kamen
die fogenannten News-letters auf, d. i. hanbfchriftliche Überfichten der neueften Erfcheinungen
auf dem Gebiete der Politik, des Handels und auch wol der Riteratur, Durch welche ſich nament-
lich ein gewiffer Nathaniel Butter auszeichnete, deffen Originalmanuferipte von feinen Schrei⸗
bern copirt und wöchentlich mit ber Poft an die Abonnenten auf dem Rande verfender wurden.
Diefer war e8 auch, unter deffen Leitung feit dem 23. Mai 1622 die erfte regelmäßige gedruckte
Wochenzeitung ımter dem Zitel „The certain newes of this present week‘ erſchien, der bald
„Ihe weekly courant” und mehre andere folgten. Die Bürgerkriege forderten das Zeitungt-
weien, indem die verfchiedenen Parteien die Preffe benugten, um ihre Meinungen zu verbreiten.
So entfiand eine zahliofe Menge Blätter, zum Theil unter feltfamen Titeln, wie „The scots
dove‘, „The parliament kite‘, „The secret owl”, „Mercurius acheronticus, or news ..from
heil”, „Mercurius democritus”, „Mercurius mastix’ u.f.w. Sie hatten meiſtens nur ein ephe⸗
meres Dafein, zumal da das Lange Parlament es bald für nöthig fand, fie einer Genfur zu um
terwerfen, die unter Karl II. eine drakoniſche Strenge entwidelte. Trogdem gewann die perio-
difche Preffe zuſehends an Kraft und Ausbehnung. Im J. 1662 wurde der „Kingdom's in-
telligencer” gegründet, ber ben mitgetheilten Nachrichten größere Mannichfaltigkeit und Selbfl-
ftändigkeit zu geben fuchte und deffen Erfolg den Eenfor L'Eſtrange 1663 zur Herausgabe des
„Intelligencer” veranlaßte, der fich 1665 in eine zu Oxford erfcheinende Hofzeitung verwan⸗
delte, welche noch jetzt unter dem Titel „London gazette” fortdauert. Auch an Oppofitionszei-
tungen gegen den Hof fehlte es nicht, unter welchen „The weekly packet of advice from Rome’
(1678— 83) fich außzeichnete; für bie Regierung nahmen unter andern ber „Observator’
(1680) und „Heraclitus ridens“ (1681 —82) Partei. Überhaupt kamen zwiſchen 1661 und
1688 im Ganzen über 70 Zeitungen heraus, von welchen einige ſchon nach den erften Num-
mern aufhörten. Während der nächften vier Jahre nach ber Revolution von 1688 entflanden
nicht weniger als 26 neue Blätter, barunter der von Wellmoob redigiete „Mercurius refor-
matus“. Die meiften Zeitungen erfchienen und erfcheinen noch in London felbft; die erſte Pro
vinzialzeitung Fam 1639 zu Nemcaftle heraus. In Schottland ward bie erſte Zeitung „Merca-
rius politicus‘‘, eine Reproduction des gleichnamigen, von Marchmont Needham, einem Freunde
Milton’s, redigirten Iondoner Blattes, 1653 im Hauptquartier Cromwell's zu Leith gedruckt.
Dis zur Regierung ber Königin Anna waren bie Zeitungen faft ausfchlieflich nur ein mal
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Zeitungen und Zeitſchriften 461
ober, wie der „Orange intelligencer”, zwei mal die Woche erfgienen. Im J. 1709, als bie
Stege Marlborough's das Bebürfni nach einer raſchern Verbreitung der Neuigkeiten erweck⸗
ten, entſtand das erfte Tageblatt „Daily courant”, dem bald andere folgten. Richt allein durch
ihr öfteres Erſcheinen fuchten jegt die Journale ihre Dorgänger zu übertreffen, fie nahmen auch
eine höhere politifche Stellung ein und begannen einen maͤchtigern Einfluß auf die öffentliche
Meinımg auszuüben. Die Preßfreiheit beftand rechtlich, umterlag aber factiſch noch manchen
willtürlichen Befchräntungen von Seiten des Parlaments fowol als der Regierung; ein harter
Schlag für das aufblühende Zeitungswefen war die 1712 eingeführte Stempeltare, die das
Gingehen vieler Blätter zur Folge hatte, zwar unter Georg I. auf kurze Zeit aufgehoben,
41725 aber von neuem eingeführt und allmälig von, einem halben Penny auf vier Pence geftei-
gert wurbe, bis man fich endlich 1836 durch das Überhandnehmen ber ungeflempelten Blätter
genoͤthigt fah, fie guf einen Penny herabzufegen. Die Veröffentlihung ber Parlamentöwer-
handlungen war lange unter harten Strafen verboten; feit 1715 erichien indeß eine kurze Skizze
der wichtigften Debatten in „Boyer’s register” ; umfaffendere, obfchon noch immer ziemlich
magere Berichte gaben fpäter das „London magazine” und das „Gentleman’s magazine‘, bei
dem Johnſon, Guthrie und Hawkesworth als Reporter angeftellt waren. Erft unter Georg III.,
wo die Preſſe durch den von Wilkes geleiteten „North Briton“ und die 1767— 71 im „Public
advertiser“ eingerüdten Juniusbriefe einen neuen mächtigen Auffchwung erhielt, wagte ein
unternehmender Berleger, Namens Almon, in feiner Zeitung „London evening post” vollftän«
dige Parlamentsberichte zu veröffentlichen. Sein Erfolg ermuthigte andere Blätter zur Nach»
ahmung; bie Herausgeber, bie das Parlament verhaften ließ, wurden auf richterlichen Befehl
wieder in Kreiheit gefegt, und dev Kampf endete bamit, baf den Zeitungen thatfächlich das Recht
blieb, die Parlamentöverhandlungen zu druden, obwol ihnen bie förmliche Erlaubniß bis auf
ben heutigen Tag nicht gewährt wurde. Mit der freudigern Entwidelung des politifchen Lebens
nahm auch die Verbreitung der Zeitungen fo rafch zu, daß fich ihre Circulation 1755 — 92 von
7,441757 auf 15,005760 Rummern jährlich fleigerte. Das großartigfte und einflußreichfte
aller Organe ber engl. Preſſe, die „Times“ (f.d.), erfchien zuerſt im Jan. 1788 als Zortfegung
bed „Daily universal register”. Um biefe Zeit grümbete Peter Stuart auch das erfle tägliche
Abendblatt, ben „Star“.
Die erften literariſchen Zeitfchriften in England waren die von den Effayiften Addiſon,
Steele, Tickell, Budgell, Hughes u. U. gefchriebenen und herausgegebenen Journale „Tatler”
(1709), „Spectator” (1711) und „Guardian“ (1743), die eine ungemeine Verbreitung und
Berühmtheit erlangten und unzählige Nachahmungen durch das ganze 18. Jahrh. („Rambler”,
„Adventurer”, „Idler‘, „World“, ‚Connoisseur”, „Lounger“, „Mirror u. f. w.) hervorrie-
fen. An diefe ſchloſſen fich zunächft die Unterhaltungsfihriften, von denen das „Gentleman's
magazine‘ (feit 1754) bie ältefte ift. Später als bie belletriftifhen Journale entflanden bie
Eritifchen ; die 1765 von Smollett gegründete „Critical review“ und die „Monthly review” flan«
den lange als Hauptwortführer der literarifchen Kritik da, die in England jebod während de6
48. Jahrh. auf ziemlich niedriger Stufe fi befand. Im J. 1802 wurde von Sidney Smith,
Seffrey und Brougham die erſte Fritifche Bierteljahrsfchrift „Edinburgh review“ gegründet,
die einen höhern wiſſenſchaftlichen Standpunkt einnahm und neue Bewegung in bie engl. Kite»
ratur brachte. Politifche Tendenzen fehlten auch hier nicht; die „Edinburgh review” verfocht
die Grundfäge der Whigs, und feit 1809 ftellte fich ihr von Seiten ber Tories die von Gifford,
fpäter von Lodhart (geft. 1854) geleitete „Quarteriy review’ entgegen, die unter ihren Mit⸗
arbeitern Walter Scott, Southey, Eoleridge und Heber zählte. Beide Journale lieferten und
liefern noch treffliche Auffäge, welche Häufig tiefer in den Begenftand eindringen als das beur-
theilte Werk felbft; in erſterm find die unübertroffenen Iiterarifchen und kritiſchen Abhandlun-
gen Maraulay’s erfchienen, bei legterm waren in neuerer Zeit Lord Mahon, Korb Afhley, ber
Biſchof von London, ber Philolog H. N. Eoleridge, Gladſtone, Head u. X. thätig. Am 3.1824
wurde ımter Bentham's Mitwirfung die „Westminster review” gegründet, welche die radica⸗
len Principien in der Politik und der Staatswirthfchaft vertreten follte und, feit 4835 mit ber
„London review” verſchmolzen, fich in den Händen I. &. Mill's zum beften ritifchen Journal
ihrer Zeit erhob. Neben Mill fchrieben hier Molesworth, Roebuck und Brote über politifche,
Carlyle, Miß Martineau, Edwin Chadwid und Mrs. Auftin über fociale, John Sterling und
Monckton Milnes über literarifche, W. Napier über militärifche Begenftände. Unter der Leis
tung Hickſon's gerieth fie feit 1840 in Verfall, wozu die Entftehung mehrer neuen literariſchen
Vierteljahröfchriften, als der „North British review” (1844), ber „New quarterly revier
462 Zeitungen und Zeitfchriften
(1852), der „Prospective” u.a, beitrug, bis fie durch bie Vereinigung mit ber ber Befprechung
der ausländifchen, namentlich deutfchen Literatur gerwibmeten „Foreign quarterly review“
ein vermehrtes Interefle erhielt.
Seit ber Franzöfifchen Revolution haben fich die Zeitungen in Großbritannien und Irland ver-
vielfältige. In England felbft erſchienen 1782 nur 58 Zeitungen, von welchen manche noch
kaum den Namen verdienten, 1821 bereits 166, zehn Jahre fpäter war ihre Zahl bis auf 300
angewachfen. Nach einer 1850 auf Befehl bes Unterhaufes veröffentlichten officiellen Überficht
betrug die Zahl der periodifchen Schriften Großbritanniens, mit Ausfchluß ber Magazines, Re-
views und Nennyblätter, im Ganzen 623, wovon 135 in London, 250 in ben andern Theilen
Englands, 417 in Wales, 113 in Schottland und 110 in Irland erſchienen. Die täglichen Zei-
tungen, die indeß Sonntags nicht herauskommen, beichränten fich faft allein auf bie Hauptftabt,
wo ihrer 1724 erſt drei, 1792 fchon 13 und 1854 16 erfehienen. In Umfang und Reichhal-
tigkeit haben fie in dem legten halben Jahrhundert ungemein zugenommen, ber numerifchen
Anzahl nad fich aber eher vermindert, indem alle ſeitdem entflandenen Tageblätter, mit Aus⸗
nahme der „Daily news” und einiger Abendzeitungen, fich neben der „Times” nicht behaupten
konnten und wieder eingehen mußten. Im 3. 1854 fegten von den ſechs wichtigern Morgen-
jeitungen die „Times“ 51041, der „Morning advertiser” 7645, die „Daily news” 4745, Der
„Morning herald‘ 5700, die „Morning chronicle‘ 2791, die „Morning post” 2660, von ben
Abendblättern die „Sun“ 2656, der „Globe” 2716 und Die „Standard“ 4322 Eremplare täg-
lich ab, was eine jährliche Eircufation von 24,809618 Nummern ergibt. Das Übergewicht
ber „Times” bat fich befonders in den legten Jahren fühlbar gemacht. Während biefelbe 1850
täglich 38019 Nummern ausgab, hatte fich diefe Zahl im zweiten Quartal bed 3. 1854 ber
reits auf 50984 Eremplare täglich erhöht, während die fünf andern Morgenzeitungen zufam-
men nur 1,665094 Eremplare oder 21347 täglich abfegten.
Das ältefle der erwähnten londoner Xageblätter ift die „Morning chronicle”, Die
1769 — 89 von dem berühmten Buchdrucker Woodfall verlegt wurde unb dann in bie
Hände Perry's überging, der fih um bie Umgeflaltung ber engl. Preſſe große Berbienfte
erwarb. Nachdem fie lange ald Hauptorgan der Whigs gegolten, wurde fie von ben Peeliten
angekauft, feit welchem Augenblid fie trog einer forgfältigen Redaction und des Siegs ihrer
Partei 1855 einen großen Theil ihres Publicums verlor. Ihre Circulation, bie fi 1838 auf
gegen 5 Mil. Eremplare belief, ift 1854 auf den vierten Theil herabgefunten. Sie vertritt in
der Politik die Grundfäge des liberalen Conſervatismus, ift in der Staatsõökonomie entſchiedene
Sreihändlerin und kämpft in der Religion mit Gladſtone und Sidney Herbert für die Yufeni-
tifche Schule. Die „Morning post” wurde 1772 gegründet und 1795 von Daniel Stuart über
nommen, unter welchem fie ihre Glanzperiode erlebte, indem fie Männer wie Madintofb, Go
leridge und Lamb zu ihren Mitarbeitern zählte. In der Folge ergab fie fich dem Ultratorysmus
und ward der Liebling der Ariſtokratie und der eleganten Welt. Einen Theil ded Raums, den
anbere Blätter der Politik vorbehalten, öffnet fie den Neuigkeiten der faſhionabeln Girkel, dem
reiben bei Hof und in den vornehmen Familien und den Bemegungen ber Diplomatie. Trot
ihrer toryſtiſchen und protectioniftifchen Grundſätze vertheidigte fie jeboch in der neueften Zeit
das auswärtige Syſtem Palmerfton’d mit großem Eifer und gilt jegt für das Privatorgan bie»
ſes Staatsmanns, wie fie denn auch daB erfte engl. Blatt war, das ſich zu Gunſten des Staatt-
flreih6 vom 2. Dec. ausſprach. Sie wird meiftene nur in den höhern Kreifen gelefen und bie
Zahl ihrer Abnehmer bleibt ſich daher ziemlich gleich. Dagegen haben die beiden andern Tora
blätter, der „Herald“ (gegründet 1780) und die „Standard’ (gegründet 1827), entſchieden an
Terrain verloren, indem erfterer von 1,925000 Eremptaren (18357) auf 1,159000 (1850) und
legtere In demfelben Zeitraum von 1,550000 auf 492000 gefallen war. Der „Morning ad-
verliser”, der feine Entftehung 1795 einer Geſellſchaft Speife- und Gaſtwirthe verbanfte, bat,
feitbem er fich zum Organ der vorgerüdtern radicalen Partei erflärt, einen bedeutenden Auf-
ſchwung erfahren, inden feine Girculation zwifhen 1850 und 1854 von 1,500000 auf
2,500000 Exemplare gefliegen ift. Die „Daily news” wurben 1845 unter Mitwirkung ber An-
ti-cornlaw-league von Dickens und Dilke gegründet, die bamit eine Speculation bezwedten,
indem das neue Blatt weit billiger als die Altern Zeitungen, jebe Rummer gu brei Pence, ver-
kauft wurde. Das Blatt machte unerhörtes Glück und ſchon im zweiten Jahre feiner Grun-
bung war feine Exiſtenz gefichert, fobaß Dickens mit einem anfehnlihen Gewinn vom ber Re
baction zurüdtreten fonnte. Auf ihre Popularität bauen, hielten die „Daily news” den Zeitpunkt
für geeignet, fi nun auch in Hinficht des Preifes den übrigen großen Blättern gleichzuſtellen,
)
I
Beltungen und Zeitfehriften 463
und erhöhten beufelben auf fünf Pence. Bon biefem Tage datirt bie Abnahme ihres Debits.
Bon 3,500638 Eremplaren, welche fie 1848 abfegten, fiel er 1849 auf 1,575000, 1850 auf
4.152000 Nummern und hat fi) auch neuerdings nur wenig gehoben. Außer ben genammten
erfcheinen in London noch als Morgenblätter der ſchon feit 1760 beftehende „Public ledger”
and die „Commercial daily list”, als Abenbblätter „TheExpress”, „Lloyd's list” und „Shipp-
ing gazette”, welche vorzugeweife für bie Handelswelt beftimmt find. ine von der Erpedition
der „Times“ ausgegebene Abendzeitung „Evening mail” erfcheint nur drei mal wöchentlich und
bat, wie ein anderes brei mal wöchentlich erfheinendes Abendblatt „St.-James’ chronicle”, ein
verhälmigmäßig Heines Publitum. Überhaupt haben die Abendzeitumgen eine weit geringere
Verbreitung ale bie Morgenblätter. Die amtliche „London gazette” wird nur zwei mal in ber
Woche ausgegeben, ebenfo die Banbelsbläkter „Prince’s price current“ und „Course ef ex-
change” und bie Kirchenzeitungen „Church of England record” und „Dissenting patriot”.
Unter den Provinzialzeitungen, die gewöhnlich nur ein ober zwei mal wöchentlich erfcheinen, find
Die äfteften der „Stamford Mercury” (feit 1695), das „Ipswich journal!” (feit 1737), ber
„Chester courant” (feit 1733), die „Birmingham gazette” (feit 1741), da6 „Bath journal”
(feit 1742) und der „Derby Mercury” (feit 1742); den größten Abfag haben der „Guardian“
und der „Examiner” in Manchefter und das „Liverpool journal”. &ie zeichnen ſich hauptſäch⸗
lich durch Marmichfaltigfeit und Intereffe ber Localnotizen aus ; bie Politik nimmt in benfelben
nur die zweite Stelle ein. Die älteften noch vorhandenen fchott. Zeitungen find bie „Edinburgh
gazette‘‘ (feit 1699) und der „Edinburgh evening courant” (feit 1705), die gelefenften ber
„Witness“ und ber „Glasgow courier”; bie äfteften irtfchen „The Belfast newsletter” (feit1757)
und die „Limerick chrenicle” (feit 1766). An politiſchem Einfluß ift bie Preſſe Irlands der
ſchott. und der engl. Provinzialpreffe überlegen; einen eigenthümlichen Charakter haben die
Drgane ber ultramontanen Partei, als die „Tablet” und „Freeman’s journal”.
Die Herausgabe ber engl. Journale ift mit ungeheuern Koften verfnüpft. Eine große lon⸗
boner Morgenzeitung befoldet zuvsrberft einen Hauptredacteur mit fürftlichem Gehalt, der bie
Eigenthümer repräfentirt, eine allgemeine Oberaufficht und genaue Controle über alle Abthei⸗
Jungen des Etabliffements ausübt und in zweifelhaften Fällen entfcheibet, namentlich aber bie
Beitartitel liefert ober vielmehr, da er felbft zu befchäftigt ift, ben Berfaffern die Themata und
die Behandlungsweife angibt, ihre Auffäge nöthigenfalls retouchirt und fie mit der politifchen
Faͤrbung des Blattes in Einklang bringt; dann einen Unterrebacteur, ber das eigentliche Re⸗
bactionsgefchäft führt, die Beiträge orbnet, die aus den Provinzialblättern zu machenden YAus-
züge bezeichnet und dem ein zweiter zur Seite ſteht; einen Redacteur für die auswärtigen Nach⸗
richten, zumeilen auch einen für die literarifchen und induftriellen Berichte; einen Verfafler der
Börſenartikel, der fein Bureau in ber City hat und jeben Abend feine Arbeit an das Journal
einfendet ; ferner die zahlreichen Meporter (f.d.), Männer von gelehrter Bildung, oft junge
Mechtögelehrte, deren hauptfächlichfte Unterabtheilung die für die beiden Yarlamentshäufer be»
flimmten 12—16 Stenographen bilden, während andere ben Auftrag haben, dem Laufe der
Gerichts verhandlungen zu folgen, und regelmäßige Berichterftatter in ben Hauptörtern der Pro»
vinzen fowol als in den Hafenftädten angeftellt find. Hierzu fommt noch eine Menge Penny-
a-liners, Xeute, welche, ohne feften Gehalt zu beziehen, dem Journal bie Localnenigkeiten, Une
glücksfälle, Feuersbrünſte, Morbthaten u. f. m. mittheilen, auch eine Überficht der Sigungen der
untergeordneten Berichtähöfe, namentlich des Polizeigerichts, liefern. Eines der wichtigften Fä⸗
cher ift das der auswärtigen Correſpondenz, in welchem neuerdings wefentliche Veränderungen
ftattgefunden haben. Vor der Februarrevolution waren Paris, Madrid, Kiffabon, Ieptere beide
mehr aus alter Gewohnheit von Napoleon's Zeit her, die Hauptfige der auswärtigen Berichter⸗
ftatter ; heutzutage iſt ein londoner Blatt gezwungen, Agenten in ganz Europa, Norbamerita,
Dftindien, felbft in Auſtralien zu befigen, die außer ben regelmäßigen Berichten über jebes eini-
germaßen bedeutende Ereigniß, refpectiv über gerade auftauchenbe Enten- und Börfengerüchte,
telegraphiſche Depeſchen einſchicken müffen. Die militärifchen Berichterftatter bilden eine ei»
gene Elaffe, bie befonders feit ben Beginn ber oriental. Wirren umgemeine Bedeutung geivon-
nen bat. Um ben maffenhaften Stoff zu bewältigen, ber fi) fo von allen Seiten zufam-
menbäuft, mußte auch das Format der engl. Zeitungen fi) bis ins Niefenhafte vergrö⸗
fern; die „Times” Haben einen Umfang von 6 Duadratellen und ber Inhalt einer einzie
gen Rummer derfelben würde einen Detavband von gegen 40 Bogen ausfüllen. So hat fi
der Aufwand, ben die Herausgabe der großen londoner Blätter nach ſich zieht, in einer Weiſe
gefteigert, die mit dem Ertrag außer Verhättnif flieht. Die glücklichſte Zeit für fie waren in pe-
464 Zeitungen und Beitfchriften _
euniärer Beziehung bie Jahre zwiſchen 1815 und 1825. Obfchon ber bamalige Abfag im Ber»
gleich mit dem gegenwärtigen als gering zu bezeichnen Ift, indem die gelefenften Blätter es höch⸗
ſtens auf 8000 Eremplare, die minder gefuchten auf faum 3000 brachten, fo war ihre Ein⸗
nahme doch größer als jegt. Der „Herald” trug feinem Eigenthümer 50000 Thir. ein, bie
„Times“ 30000, ber „Star“ 40000, ber „Courier” faft das Doppelte; 1820 zog Perry aus
der „Chronicle” 80000 Thlr. Reingewinn, zu welcher Höhe keine Zeitung ber Gegenwart, mit
Ausnahme der „Times“, es gebracht Hat. Die ergiebigfte Duelle des Gewinns find die Anzei⸗
gen, die einen großen Theil des Raums einnehmen und ohne welche Die Blätter überhaupt nicht
beſtehen könnten. Die erfte und legte Seite berfelben find gewöhnlich den Annoncen gewibnet,
beren ungeheuere Zahl bisweilen auch Supplemente nöthig macht. In ber „Times“ kann man
ſtets 5—4 Golumnen mit Verkaufsanzeigen von unbeweglichen Gütern angefüllt fehen, bie
‚Daily news” find reich an Buchhändlerangeigen, der „Globe” an Lobpreifungen untrüglicher
Arzneimittel und der „Public ledger” verbantt feine Subfiftenz nur den Schiffsberichten und
Nachweiſungen über bie im Lande flattfindenden Auctionsverfäufe, bie bie Hanbelöwelt nad
einmal angenommener Gewohnheit in feinen Spalten fucht. ,
Einen noch weit mannichfaltigern Charakter als die Tageblätter Haben die in laͤngern Zeit-
räumen erfcheinenben periodifchen Schriften. Unter ben Wochenblättern, von denen 1854 in
Kondon 60 allein am Sonnabend, 26 an andern Wochentagen und am Sonntag ausgegeben
wurben, find zuerft die politifchen oder politifcheliterarifchen zu nennen, von melden der früher
von Fonblanque, jegt von Forfter redigirte „Examiner‘, der radicale „Leader”‘, die torgftifchen
Drgane „John Bull” und „Britannia”, der „Speotator”, „Atlas“, „Bell's weekiy messenger”,
bie „Weekly dispatch”, die „Sunday Times’ und bie „Press” bie bebeutendften fein mögen.
Diefe Blätter koſten, wie bie täglich erfcheinenden Zeitungen, mit Einfchluß des Stempels fünf
Dence und find zum Theil noch umfangreicher als die „Times“. Die ftärffte Girculation haben
indeffen drei von den politifchen Wochenblättern, die ſich entfchloffen, ihren Preis auf brei Vence
berabzufegen, nämlich die „News ofthe world”, „Lioyd’s newspaper”, feit 1852 von Dou⸗
glas Serrold Herausgegeben, und bie 1847 gegründeten „Weekly Times”, von denen ba® erſte im
3.1854 wöchentli 109106, das dritte 75042 Nummern ausgab. Das einzige größere Blatt,
welches außer den genannten und ben Boloffalen „Times“ in ben legten Jahren feinen Abfag un
gewöhnlich vermehrt hat, find die, ‚London illustrated news” (4108228 Nummern wöchentlich),
wofern man das treffliche und auch außerhalb London viel gelefene fatirifche Blatt „Punch“ (8185
Nummern wöchentlich) ausnimmt, mit dem feit 1852 der „Diogenes“ mit Erfolg concurritt. Zu
ben geachtetern literarifchen Organen gehören die vom Buchhändler Golburn 4817 gegrümbete
„Literary gazelte”; das feit 1827 von Budingham und Sterling, feit 1830 von Dilke geleitete
vielfeitige und gebiegene „Athenaeum”, ber „Gritic”, gegründet 1 845, „Bell’s life in London” der
„Builder“ (für Architekten), das „Publisher's circular“ (für Buchhändler, ale 1A Tage) und die
1850 von Dickens gegründeten, Unterhaltung mit Belehrung verbindenden „Housebold words“.
Das „Court journal”, das Blatt der vornehmen Welt, halt die Mitte zwiſchen einer Moben-
und einer Literaturgeitung. Den Handels⸗, Schiffahrtd- und gewerblichen Intereffen find bad
‚Journal of commerce”,da# „Journalofindustry, der „Money market examiner”,die „Nau-
ticalStandard”, die „Pawobroker’s gazette”, ba$ „Mining journal”, der „Bconomist“” u. f.w,
bem Eifenbahnmefen vier Wodenblätter, darunter „Herapath's railway journal” und ber
„Railway record”, gewibmet. Für furiftifche Intereffen erfcheinen, außer den amtliden Be
richten über die Gerichtöfigungen, „The Jurist”, „The law Times“, „The Justice of peace‘ und
„The legal observer”. Die Angelegenheiten bes Heeres umb der Marine befprechen bie ‚„„Uni-
ted service gazetie”, bie „Naval and military gazette” und die „British army dispatch“. Bon
ben medicinifchen Wochenblättern find die „Lancet” und die „Medical Times”, von ben theolo-
giſchen die „Christian Times“, der, Watehman“ und der „Noncenformist” die gelefenften. Sehr
verbreitet find ferner die Garten und Landbaujournale, ald „Gardener's chronicle and agri-
cultural gazette”, die „Gardener’s gazette” und ba® „Gardener’s and farmer's journal”,
— kommt noch eine Legion ſtempelfreier Penny⸗ und Halbpenny-Blätter, deren Anzahl
chwer zu beſtimmen iſt, da ſie ebenſo ſchnell verſchwinden als ſie auftauchen, aber gewiß auf weit
über hunbert ſteigt. Sie beſtehen aus gemeinnützigen Familienblättern, wie das „London
journal”, mit einer auf 200000 Exemplare geihägten Auflage, das illuſtrirte Kunftblatt „Art
news”, der „Family herald“, „The working man's friend”, „Tbe Bee‘, mit Beiträgen von
D. Jerrold, aus Zeitſchriften religiöfen und kirchlichen Inhalte, die theils die Intereſſen der
Staatskirche, theils die der Diffenters, theils die des Katholicismus vertreten, ans den Publi⸗
Zeitungen und Zeitfchriften 4
cationen ber Mäfigkeitsgefellichaften, wie die „Temperance gazetie”, die „„Abstinence stand-
ard” und die „Teetotal Times”, aus Kindergeitichriften und Unterrichtöblättern, landwirth⸗
ſchafilichen Sournalen, Theaterzeitungen und Unterhaltungsblättern ohne eigentliche Kendenz,
endlich aus Zeitungen für Auswanderer, aus focialiflifhen und hartiftifchen Organen, wor
unter „Robert Owen’s journal“, der „Christian socialist” und ber „Friend of the people”,
früher unter dem Zitel „The red republican” von Julian Harney redigirt, und aus frivolen
Blättern, bie meiftene von den Winkelbuchhändlern in Holywell-&treet herausgegeben werben
und in beftändigem Conflict mit der Polizei leben.
Don Monatsfchriften wurden 1854 in „Longman’s catalogue of periodicals” 375
aufgezählt, unter welchen viele gleichfalls zu einem Benny, die beffern wiſſenſchaftlichen
und belletriſtiſchen zu 1—5 Schill. verfauft werden, und von Bierteljahrsfchriften 60,
bie größtentheils in London heraus kommen, wo auch bie wenigen außerhalb dieſer Stadt
erfcheinenden Magazine und Revüen, als „Blackwood's magazine”, „Tait's Edinburgb
magazine”, „Dublin university magazine”, bie „Edinburgh review”, „Dublin review”
und das edinburger „Philosophical journal” ihre befondern GErpebitionen haben. Su ben
Monatsichriften gehören auch das „Deutfche Athenäum“ unb „Eco di Savonarola”, Dr
gan ber ital. Kirchenreformer. Im Allgemeinen find diefe Zeitfchriften viel wichtiger alb
unfere ähnlichen deutfehen Journale; die bedeutendften Schriftſteller arbeiten dafür, unb bie
Donorare, bie fie für ihre Beiträge erhalten, find bisweilen wirklich ungeheuer zu nennen. Die
zahlreichen gelehrten Geſellſchaften laffen ihre Verhandlungen ebenfalls vierteljährlich erſchei⸗
nen; folcher Bereinsjournale gibt es 28, wovon bie „Philosophical transacolions” ber Royak
sociely, die „Memoiren der Aftronomifchen Geſellſchaft“, die Journale ber Royal society of
literature, ber Geographiſchen Befellichaft, der Aftatifchen Gefellfchaft, ber Ackerbaugeſellſchaft,
ber Royal society in Ebinburg, des Institute of British architects, der Statiftifchen Geſellſchaft,
der Geologiſchen Geſellſchaft, der Horticultural society, ber zoologiſchen, entomologifchen, mie
kroſtopiſchen und Linneiſchen Gefellichaften, bie „Professional papers of the royal engineers”
und bie „Medice-chirurgıcal transactions” bie befannteften find. (S. Englifche Literatur.)
England eigenthümlich find bie fehr beliebten Druckgeſellſchaften und Vereine (Clubs), bie fi
vorzugsweiſe mit der Alterthumsforſchung und Bibliographie befchäftigen und nur für ihre
Mitglieder beftinmte Schriften herausgeben. Man zählt deren 27, unter welchen ſich ber
„Oriental translation fund” und die „Oriental texts publication society‘', bie „Shakspeare-",
„Hakluyt-’, „Camden-“, „Arundel-”, „Cavendish-”, „English historical-” und „Celtic so-
ciety”, das „Archaeological institute”, der „Abbotsford-”, „Bannatyne-” und „Roxburghbe
club” durch den Werth und das Intereſſe ihrer Yublicationen auszeichnen. Vgl. Knight Hunt,
„The fourth estate, or contributions to the history of newspapers and of the liberty of
the press” (2 Bde., Lond. 1850).
In Frankreich wird ber Urfprung bed Journalismus auf den „Mercure frangais” (26 Bde,
Par. 1605—45) aurüdgeführt, eine Nachahmung bes „English mercury”, welche ſich zunächft
an Palma Cayet's „Chronoldkie septennaire, ou histoire de la paix entre les rois de France
et de l’Espagne de 1598 a 1604” (Par. 1605), wiederum einer Bortfegung ber „Chrona-
logie novennaire de 1589— 98” (3 Bde., Par. 1599), anfchließt, aber Beine eigentliche Zei⸗
tung, fondern nur eine hiftorifche Compilation genannt werben kann. Das erfie wirkliche Wo⸗
chenblatt wurde von Theophrafte Renaudot (geb. zu London 1584) begründet, einem Arzte,
welcher einedtheild durch das von ihm errichtete Bureau d’adresses, anberntheil6 durch bie
außgebreitete Correſpondenz des ihm befreundeten Benealogen Hozier die günfligfien Belegem-
heiten hatte, ſich in Befig von Neuigkeiten zu fegen. Anfangs theilte er dieſelben feinen Patien
ten am Krankenbette mit, bis ihn der Beifall, den diefe Art von Unterhaltung allmälig auch bei
. ben Gefunden fand, auf den Gedanken brachte, feine Neuigkeiten drucken zu laffen. Die erfte
Nummer feiner „Gazelle”, wie er das Blatt benannte, erfchien 30. Mai 1631. Der große Au⸗
Mang, den das neue Unternehmen fand, für bad ſich übrigens Richelieu intereffirte, bewogen
Renaudot, bereit bei der fech&ten Nummer ein Pönigliches Privilegium zu nehmen. Er führte
das Blatt unter mandherlei Anfechtungen und oft bedrängt durch die firenge Cenſur Lud⸗
wig's XIV, welche auch mehrfache „Gazeites a la main“, d. 1. handſchriftlich verbreitete Zeitun⸗
gen, bervorrief, bis zu feinem Tode (25. Oct. 1653) fort, worauf es fein Sohn, Iſaac Re
naubot, und nach defien Abfterben (1679) Eufebius Nenaudot (flarb 1729) in bie Hände
nahın. Neben der „Gazelte” Nenaudot's, die feit 176% wöchentlich zwei mal erichien, sum
Gonv. dex. Behate Aufl, XV. 2 ao
8 Zeitungen und Zeitfchriften
dieſe Zeit auch mit der Aufnahme von Avertiffements, 1765 mit ber Mittheilung von Börfen-
nachrichten begann und feit 1792, mo auch bie erfien Theateranzeigen fich finden, täglich heraus
kam, entftand die „Gazette burlesque”, eine-Zeitung in Berfen, welche der Dichter Jean Loret
(geft. 1665) wöchentlich, erſt Handichriftlich, feit 4. Mai 1650 gedrudt in Umlauf fepte (ſpäter
gelammelt al6 „Muse historique”, 3 Bde., Par. 1656—65) und die für die chronique scan-
daleuse des damaligen Paris von hohem Sntereffe if. Zu dieſen beiden Blättern trat als drit-
te6 der „Mercure galant“, ein polttifcg-literarifches Blatt, das 1672 von I. Donacan be Vize
(geft. 1710) begonnen wurde, dann nach einer Unterbrechung feit 1679 wieber regelmäßtg er-
ſchien, 1717 den Titel „Mercure de France” annahm, während ber Revolution eine gewiſſe
Bedeutung erhielt und bis 1815 daudrte. Das erfte tägliche Blatt Frantreiche war bas „Jour-
nal de Paris“, welches Anfang 1777. begann und bis 1819 ſich erhielt. Dieſe drei Blätter
waren bie vorzüglichfien Repräfentanten der franz. Zeitumgspreffe vor der Revolution. Außer
benfeiben dürften etwa nur Linguet's „Annales politiques et litleraires”, die Monatsfchriften
„Beprit des journaux” und‘,Böprit des gazettes”, da6 „Journal du Iyc&e de Londres” von
Briffet-Warwille, das „Journal-historique et politique”, das Maler du Pan zn Genf be-
gründete, das „Journal ecclösiastique” des Abbr Barruel, bie „Sentinelle du peuple” von
Mondeflve und Volney, das „Journal general de.!’Europe” von Lebrun und Smith, ber
„Herault de la nation” zu nennen fein.
Einen weitgreifenden Einfluß gewannen bie Zeitungen aber erft während. der Nevolu⸗
tiondzeit, mo fich die Parteien: ihrer bald als Mittel zu gegenfeitiger Bekämpfung bebien-
ten. Als der ältere Mirabeau 2. Mei 1789 feinen „Courrier de Provence” mit den
„Lettres à ses committents” begonnen hatte, wurde wie mit Einem Schläge eine ganze Flut
von Blättern hervorgerufen. Die Gefammtzahl der Zeitungen, die 1789-— 1800 entftan-
den, wird auf 750 berechnet. Mit wenigen Ausnahmen erfchienen die Revolutlonsblätter in
Detav ober Duobez ; die meiften hatten nur ein epbemeres Dafein, anbere erlagen ben Beſchlüͤſ⸗
fen des Gemeinderaths oder Directoriums. Jede Partei, die republitanifche, bie jafobinifche,
die koͤnigliche, hatte ihre Organe. Am treueften fpiegeln die blutigen Kämpfe. jener Zeit ab die
„Chronique de Paris”, herausgegeben von Eondorcet, Noel u. ſ. w. (vom 24. Aug, 1789 bit
25. Aug. 1793), der „Orateur-du peupte”, von Freron unter dem Namen Martel (1790--95)
herausgegeben, Brune's „Journal du soir”, Hebert’$ „Pere Duchesne”, Marchand's „Les Sa-
bats jacobites” (17941 — 92), vor-allen Marat'$ „L’Ami du peuple” (12. Sept. 1789 bie 21.
Sept. 1792), „Journal de la Röpubliqgue frangaise” (25. Sept. 1702 bie 9. März 1795) und
Jaeques Rour’ „Publiciste de la Republique frangaise” (14. März biß.14. Juli 1793).
Degan des Sakobinerdlubs-war-da6 „Journal de la Montagne” von Lavaux, Thomas, Rouffesu
u. 9. (1. Sumi 1798 bie’ 28: Brumaire des I. I). Girondiſtiſch mar bas „Bulletin des
amis de la veritö”; conftitutionelle Färbung nad bem Mufter der. engl. Seitungen trug unter
andern Mallet bu Pan’ „Mereure de -Prance”; dem fpäter zu London der „Mercure briten-
nique” (1798&—1608) ˖ folgte. Unter ben- royaliftifchen Blättern ift hervorzuheben ber „Ami
&u roi”, erft von Royou und Montjoye (feit 3. Sani 1790), dann von den Gebrüdern Royou
(1. Sıpt. 1790 bis A. Mai 1792); ſowie gleichzeitig von Montjoye (1. Sept. 1790 bis 10. Aug.
2792) herausgegeben. Neben: den- ——— — ernſten Inhalte, deren mehre höchſt
abentenerliche und pikante Niel führten, erfehtenen auch eine Ban unterhaltende und ſag
fe, unter denen die „Actes des apotres“ von · Veltier, Mirabeau, Ehgmpgeneg, Sulleau u. &.
(1789 92) das vorgüglichfte waren. Bas erſte Jahr der Freiheit allein tragen iho Aatter and
Lit, 140 zählte man im zweiten Jahre. Hierauf: Tank bie Zahl 1794. auf 95; 1792 auf 60,
41793 auf 50, 1704 auf 40, 1795 auf 35, 1796 auf 323 1797. flieg-fie wieder auf B, jedoch
um 1798- nur einen deflo ſchroffern Abfall bis auf 17- zu zeigen.
Unter Napsteon’s firengem Regiment warb die Freiheit ber Preffe ſehr befchränft, Einer der
erften Aete des Erften Eomfuld mar die Verordnung vom 17. San. 1800, weicht nur das Er-
füyeinen folgender 16 politiſcher Blätter geftattete: „Moniteur universel”, „Journal des De-
bats‘“, „Journal de-Paris1, ‚Bien-inform6“, „Publiciste”, „Ami des lois“, „Clef du cabinet
des souverains“‘, „Citoyen Mängais’‘, „Gazelte de France”, „Journal des hommes libres“,
„Journal du soir”‘, „Journal'des däfenseurs de la patrie‘’ und „Decade philosophique”. Bon
ben Brättern, bie mit-ber Revolution entflanden waren, erhielten fie nur „Moniteur” und „Be-
hets, ſowie unter gewiffen Wanbelungen aus noch früherer Zeit die oben befprodjene „Ga-
nette de-Franoe* und das Journal:de Paris“. Don beiden legtern Zeitungen verlor die erſte
während ber Revolution allen Einfluß, die andere hatte ihren Glanzpunkt 178083, wo fie
ü Zeitungpuund;deikihriften., 481:
22000, Abonnenten zählte, ging aber unter Villele 1827 ein. Unter der Kaiſczxhertlchoff mur⸗
den ‚die Zagsählätter ſtreng überwacht und durften höchſtens nur einen Micheshall. Deſſen
geben, was in bem,officiellen „‚Moniteur”, eigentlich der einzigen wirklichen Zeitung, in deſſen
palten, häufig _Auffäge van. bei Kaiſerse Feder ſelbſt ober yuenigfims non ihm vebigist Auf.
nahe fanden, zur Deröffentlichung pelangt war Die Gefährlichkeit, welche mit. ber Voſpre⸗
hung, politifper Kragen. verfnupft war, und der ſichtliche Mangel an erlaubten Kioffe man.
gem pie Öbrauydächer,.ber literariſchen und namentlich helletxiſtiſchen Seite beſondere Berüdfich-
tigyng zuz awenden. Eipentitand dad Feuilleton, welchas füt die Dirftigfeis ber publiciſtiſchen
Discuſſion duch Mannichſaltigkeit des Juh alts entchãdigen mußte Den Aufang damit machte
1800 dat ourpal des Debats”, bag ſeinen. Titel in.„Jourpal, de l’Empire” veränderte umd
durch das Feuilleton feine Abonnentenzahl auf 32000 brachte. (Vgl. die Artikel Moniteur
und Däbats,) Unmittelhgs, nach Rapolean’s Flucht van Eiba 1845 entſtaud dex „Constituion-
nel’, ber. aufangf unter dem Titel „Independan” erfehien,
ie,Refauration. brachte bar gefeſſelten Journaliſtik erſt 1819 mit der Aufhebung
des Geufur ‚eine .vorlibergebende .. Erleichterung. Doch chen 30. März 1820 wurbe ber
nun. etiog&. breiter fliegende Strom bes Tagehpraffe durch neue firenge Geſetze eingeengt,
auf beren unnachſichtige Beobachtung Hefnubens Willeſe hielt. Der Sturz dieſes Miniſters
ließ ‚dag Schreckbild ‚der Preßprocaſſe wiedexetwas in den Hintergrund treten, bis endlich
durch das Erſcheinen der, berühmten Oydeunatzen vom 25; Juni 1850, welche auf neue Be⸗
ſchraͤnkung ber Preßfreiheit ahzweckten, den heftige Widerſtand hernorgerufen wurde. Wenn
auch.die Behauptung, die Bourkons ſeien durch die, Preſſe geſtürzt worden, übertrieben fein
mag, ſo ſteht doch ſo viel feſt, das die Journale an der Herbeiführung der neuern Ordnung der
Dinge weſentlich mitgearbeitet haben. Im:Ganzen-war ührigens die Freiheit, die die Preſſe
unter der Reflauration genoß, wenig größen als zux, Bkt Napoleons. Dennoch vermehrten fich
nicht blos die Journale, ſondern auch ihr Ahfagı. Im I. 1824 zählten von den ſechs gouverne-
mentalen Blättern bas „Journal de Paris” 4475, „Etoile” 2749, .,‚Gazeita de France” 2370,
„Moniteur” 2250, „Drapeau blanc” 1900 und „Pilote“ 900, von den ſechs oppofitionellen
Zeitungen „Conslitutionnel” 16250, „Debats 13900, ‚Quotidienne” (Diegan ber Contreoppe-
fition.der Rechten) 5800, „Coussier frangais” 2045, „Journal de commerce” (feit 1798)
2380, „Aristarqye” 925 Abonnenten, Den arſien Reug nahm alfe der „Constilutionnel” ein,
welchem die. „Döbats”, das bedeutendſie Blast der vorigen Pariode, hatten weichen müflen. Gi«
nen neuen Zuwacht erhielt bie oppoſitioxalle Nreſſe durch „Globe, „Revue frangaise”,
„Temps“ und „Natiopal”. Im J, 1826 eufchtenen.in- Paris allein 127 periodiſche Schriften
aber Art, eine Kahl, die ſich bis A829 nuf 507" gefleigert Hatte:
Die Julirevolution rief ahermals eine. Flut; van Zeitſchriften ˖ herver, die jedoch balb wieber ur
ihr Bett zurückkehrte. Dis Charta hatterazwor Freih eit der Preſſe wie der Rede garantirt, allein
bie lebhafte Oppoſitjon, in · die ſichtnaw⸗ntüich die zepublilanifchen und legitimiſtiſchen Blätter
ſtellten, rief bald. Maßregeln heryar, durch melde minAmgehung: der Cenſur dern Andringen
ber Preſſe ein Daum emtgegengefeht werben konnte. Außer der Stemspeltase und der bereit
1831 eingeführten Caution von 2400N.8«6: fün alla mohr als gwei mal mochentlich erfcheinen-
ben Bjätter mirkten ˖dahin beſonderan Die. Septeribergeſetze von 1834. Dennoch erſchienen
1. Son. 1835 allein in Paris 347 Zeitungen und Iournala. Ae Parteien hatten ihre Organe,
ſelbſt Die Socialiſten und bie Wannpartifien. Miuferdem „Monitenr”, bem.offiiellen Blatt, ber
faß die Regierung die „De6bats” und die „Presse”; der „Constitutiennel‘ huldigte erſt ber Jul.
dynafkie, trat aber bayn au. ber von Ahlers gelaltesch Dippofition.über. Was hen verfchiedenen
Nasen. de Asgitimifler.mard; die renolutionäne burch bie „Gazette da France’ und die „Na-
tion”, die zetrageade: buxeh- „Quosidienne!‘- (fpäter. „Union,monarchiqua‘;, nad dem Fehr.
1848 ‚Union‘ genannt), bie:abfohute Dierdis. ‚Lea Eranne/’ vertreten. Die,Gezatia deFrance”,
welche 1827 aus-dewr,,Bigile” entſtandan war, ventvet noch der Iulivenalntion. ebenfalls den
Legitinisnug, verſehte ſich aber · ſpaͤter · unten Rebacston.bed, Abbe Genoude mit vabisnlen Gier
mensen. Strengkachaliſch, ohne des Julidynaſtie feindlich zu. fein, war. ber. von Montalembert
tedigirte „Universe“. Der lebhaft opponirende „Gaurrierfrangais“ ſtand früher umter Dem
Einfluffe Benjamin Gonflant’s, zog ſich abes viele Preßpraceffe su. Den Jutereſſen der Tiers-
parti huldigten „Imparsiel”, „Renommede” und der erfk von Faucher, dann von. Softe vebis
girte, aber 1842, eingegangens „Temps“. Ber. „Sieale”, das Drgan Oblion-Barrot 6, zahlte
1846 an 30000 Abauyenten, die.meiften, die zu jener Zeit irgend ein variſe Mais befaß; er
468 Zeitungen nnd Zeitfehriften
verdankte feine Verbreitung befonderd dem Feuilleton. Den Rabdicalen gehörte außer dem
„National“ noch „Etat“, „Parlement”, „Le bon sens” (begründet von Caudois-2dmaire, fpä-
ter geleitet von Louis Blanc), „Tribune” und „Reformateur”, beide begründet von Raspail.
Einige andere demokratiſche Blätter erlagen allmälig den Berfolgungen von Seiten der Re
gierung, mie auch der „Monde“, die von Zamennais unternommen worden war. Gociafiftifche
Grundfäge vertrat die „Dömocratie pacifique”, von Conſiderant geleitet; der „Moniteur ré-
publicain” und „Homme libre”, beide Organe bes Babeuvismus, erfhienen auf heimlichen
Preſſen. Bonapartiftifche Tendenzen verfolgten die „Revolution de 1830”, ber „Capitole”
und der „Commerce”. Unter ben Bleinern Blättern, die fid meift in der Sphäre bes Miges
und ber Satire beivegten, ragten ber „Corsaire” und der „Charivari“ weit aus dergroßen Menge
ber übrigen hervor.
Im J. 1835 wurde die Sefammtzahl ber Abonnenten der 20 großen Zeitungen ber Haupt-
ſtadt auf etwa 70000 berechnet. Abgefehen vom „Constitutionnel“, der es zu feiner Blütezeit
auf 23000 Abnehmer gebracht hatte, konnte eine Zeitung, Die A—5000 Abzüge verfaufte, recht
gut beftehen. Der Preis einer foldyen betrug 80 Fres., ein Umftand, welcher bie Berbrei-
tung in die niedern Schichten der Bevölkerung weſentlich Hinderte und namentlich ben bemofra-
tifchen Blättern, die nicht für die bemitteltern Claffen, den Adel und die Bourgeoifie, beſtimmt
waren, feine lange Dauer geftattete. Ungeachtet diefer verhältnismäßig befchränkten Publicität
übte bie Preffe doch den entfchiedenften Einfluß anf die öffentliche Meinung. Eine vollfländige
Ummälzung im franz. Sournalmefen bewirkte baher Emil de Birardin, indem er bei Begrümbung
(1835) der „Presse“ den Preis auf 40 Fred. ermäßigte und fomit der Schöpfer der fogenann-
ten DVierzigfranfenpreffe oder Jungen Preffe (la jeune presse) wurde. Geſchah dies zunächſt
auch nur in der Abficht, den Oppofitionsblättern durch ein billigeres minifterielles Blatt ent-
gegenzuwirken, fo hatte es Doch auch zur Folge, baf jene ihre Preife herabfegten und fomit auch
Belegenheit fanden, ihre demokratiſchen Doctrinen in die niederen Kreife zu tragen. Gleichzeitig
jeboch begann ein anderer Umftand feine Wirkung zu äußern. Während bie Achtzigfranken⸗
preffe ihre Kraft aus politiſchen Ideen ſchöpfte, fich fireng in einer beftimmten Richtung hielt
und fich auf ein gewiſſes Syſtem von Meinungen ftügte, bafirten die billigen Blätter ihre Exi⸗
ſtenz auf die Neugierde des großen Lefepublicums und orbneten das politifche Sntereffe der ein»
träglichften Nugung und Ausbeutung ded Unternehmens unter. Das Feuilleton wurde bie
Hauptſache, bie Preffe ſelbſt Begenftand blinder Speculation. Zahlreiche Blätter tauchten auf,
mußten aber bald wieder verfchwinden. Die riefenmäßige „Epoque”, ein „encyklopädiſches
Blatt, 1. Juli 1845 von Granier de Eaffagnac begonnen, konnte fi troß feines Capitals von
2 Mill. Fres. und feiner 12000 Abonnenten nur kurze Zeit erhalten. Die „Presse“ ſelbſt erhielt
durch die Neichhaltigkeit des Feullletons eine ungemeine Verbreitung; aus bentfelben Grunde
flieg die Zahl der Abonnenten des „Sidcle” auf eine noch nie dageweſene Höhe. Es lag baher
im Intereſſe ber Soumaladminiftrationen, die beliebteften Schriftfteller an fich zu ziehen und
fie durch Verträge, bie andern Romanfchriftftelleen und Zeitungen Feſſeln anlegten, womöglich
feft zu binden. Die Honorare, bie ihnen gezahlt wurden, erreichten oft eine enorme Höhe; fo
zahlte Beron Eugen Sue für den „Ewigen Juden” 100000 Fres., brachte aber durch deſſen
Mitteilung ben „Constitutionnel”, den er heruntergekommen übernommen hatte, wieber fo in
die Höhe, daf er 20 — 25000 Eremplare abfegte und dem Unternehmer einen nanıhaften Ge⸗
winn bradte. Überhaupt zählten die 26 Tagesblätter, die Ende 1845 zu Paris beftanden,
zufammen 180000 Abonnenten.
Die Februarrevolution von 1848 rief A— 500 verfchiebene Blätter ins Dafein, welche mit
wenigen Ausnahmen den extremen Parteien huldigten, aber nach Verlauf des Eturmö fafl
alle wieder eingingen. Titel wie Inhalt parodirten vielfach die Prefie von 1795. Hauptorgan
ber gemäßigten Sraction der Nepublikaner vor der Bewegung war ber „National“ unter Neo
baction Marraſt's, das der repolutionären und focialiftifchen Fraction die von Cavaignae ge-
gründete und von Flocon geleitete Roſorme“. Mit dem Sturme ſelbſt tauchten auf: die „Re-
publique”', die am 24. Febr. gegründet wurde und fich mit am längſten unter ihren Genoffin
nen, bis 1851 erhielt; die „Vraie r&publique” (feit 26. März); der „Peuple constiluant“,
das Organ von Lamennais (vom 27. Febr. bis 11. Juli); der „Ami du peuple en 1848“,
herausgegeben von Raspail (vom 27. Febr. bis 15. Mat); Proudhon's „Representant du
peuple”, feiner Zeit das einflußreichfte ſocialiſtiſche Blatt, das, in Auguſt unterdrückt,
ſich als „Peuple” im Rosember, endlich als „Voix du peuple“ (vom 1. Det. 1849 kit
16. März 1850) fortfepte; das „Feuille du peuple”, redigirt von Pyat, Durant-Savoyat
®
Zeitungen und Zeitfchriften 469
u. A.; ber „Conseiller du peuple”, rebigirt von Lamartine, u. f. w. Etwas gemäßigter
ımb gebaltener traten auf die „Assembide nalionale“, 28. Febr. 1848 von Adrien de
Lavalette begründet, feit 1851 Eigenthum eines fufioniftifhen Comité, dem Mole, Gui-
got, Berryer, Duchaͤtel, Paftoret, Salvandy, Falloux u. f. w. angehörten; bie „Ere nou-
velle”, 15. April von Lacordaire begonnen; bie legitimiftifye „Opinion publique”, be»
gründet 3. Mai von Nettement, um Mitte 1850 eingegangen; „Le Bien public”, ımter den
Aufpicien Lamartine's zu Macon 1848 angefangen, dann nach Paris übergefiedelt, wo das
Blatt unter Pelletan’s Nebaction erfchien; „L’Avenir national”, 4. Juni 1848 von Yaul Feval
begonnen. Zu den eigentlichen bemofratifchen und focialiftifchen Revolutionsblättern gehörten
„Le Père Duchene”, nebft „La Möre Duchene” und „Le petit-fis da Pöre Duchdne”, eins
der populärften Blätter, das in 60O—80000 Exemplaren abgefept wurde; „La Commune de
Paris, moniteur des clubs”, da8 Organ Sobrier's; „La Montagne“, redigirt von Beorge and,
Zamennais, Proudhon, Lerour, Esquiros, Hilbey, Tournet u. A.; „L’Organisation du travail”,
nebſt einer großen Zahl anderer Arbeiterblaͤtter der Fourieriſten, Humanitaires und anderer ſo⸗
cialiſtiſchen Richtungen; „L'aimable faubourien, journal de la canaille” u. ſ. w. Für Frauen
waren außer „Mere Duch&ne” unter andern beflimmt die „Opinion des femmes“, bie „Voix
des femmes”, die „Politique des femmes” u. f. w. Unter den Witzblättern jener Zeit ragte das
„Pampblet” durch das Beißende feines treffenden Witzes am meiften hervor; neben ihm find der
„Canard, ber „Lampion“, die „Chroniquede Paris” zunennen. Im Dienfte Cavaignac's flanden
ber „Spectateur r&publicain” und Karr's „Journal”. An der 1. März 1848 begonnenen „Li-
berte”, die an manchen Tagen an 100000 Erempfare verkaufte, war Alex. Dumas ein Haupt-
mitarbeiter, der fpäter felbft den „Musquetaire” begründete. Der Dichter Bictor Hugo gab
feit 1. Yug. 1848 das „Evönement” heraus, das fpäter den Titel „Av&nement“ annahm, aber
mit dem 2. Dec. 1851 fiel. Als Ludwig Napoleon in Paris erfchien, bemächtigte fich fofort Die
Drefie diefes Namens und viele Blätter, wie der „Napoleon“, ber „Bonapartisme”, die ‚France
napoleonienne”, der „Socialisme napol&onien“ n. ſ. w., waren ben Intereffen ber Familie Bo-
naparte gewidmet. Der officielle Moniteur ber Clubs war ‚„‚Voix des clubs”, die ſich im „Tri-
bunal revolutionnaire” fortfeßte. Xegteres hatte im „Accusateur public”, dem „‚Impitoyable*,
„Sanguinaire”, dem „Pilori“, der „Guilletline” würbige Genoffenfchaft. Eine eigene „Revue
erilique des Journaux“ gab Ballon heraus. Bgl. Sfambarb, „La presse parisienne” (Par.
1852); Petit de Baroncourt, „Physiognomie de la presse” (Par. 1850); Delombarby, „Le
croque-mort de la presso” (Par. 1853).
Die erfien Hemmungen erfuhr ber Alles überfchreitende Strom der Zeitungsliteratur nad)
dem 25. Juni 1848 durch General Cavaignac, welcher über 11 det heftigften Blätter, darunter
Girardin's „Presse”, die Damals an 7000 Abonnenten zählte, Die Suspenfion verhängte, die-
felbe aber 7. Aug. wieber aufhob, jedoch nur um fie gegen einige jener elf Blätter, 21. Aug.,
fowie 24. Aug. gegen die „Gazette de France” von neuem in Anwendung zu bringen. Der erfte
wirkliche Schritt zur Rückkehr war 9. Aug. 1848 die Wiebereinführung einer wenn auch
erniedrigten Caution, welche vielen der Fleinern Blätter den töbtlichen Schlag verfegte. Am
13. Juni 1849 wurden durch Deeret des Präfidenten ber Republik „Peuple”, Revolution
democratique et sociale”, „Vraie röpublique”, „Democratie pacifigue”, „Reforme” und
„Tribune des peuples” fuspendirt. In dem von der Nationalverfanmiung 16. Juli 1850
genehmigten Prefgefege warb unter Anderm für die Verfaffer aller politifchen, philoſophiſchen
und religiöfen Artikel in allen Sourmalen die Ramensunterzeichnung zur Pflicht gemacht. Die
Schranken, welde hierdurch der freien Discuffion gefept waren, wurden nach bem Staats⸗
ſtreiche durch das Decret organique vom 17.—23. Febr. 1852 noch enger gezogen und das
verfaffungsmäßige Recht der freien Preffe zu einem rein iluforifehen gemacht. Außerdem hatte
dieſes Gefeg zur Folge, daß noch im Laufe des 3. 1852 die parifer Preffe an 30000 Abon-
nenten verlor und 120 politiſche Blätter, alfo über ein Drittheil fämmtlicher in Frankreich er-
ſcheinenden, ihr Ende erreichten. Im 9. 1854 erfchienen in Paris une noch 14 fogenannte große
oder tägliche Blätter. Unter denfelben befinden fich außer dem „Moniteur”, bem eigentlichen
Blatte der Regierung und in Bezug auf Politik der tonangebenden Hauptquelle für alle Zei»
tungen Frankreicht, das „Journal des Döbats”, im Befige der Familie Bertin, das fehr ger
[häpte Drgan der Höhern Bonrgeoifie und unſtreitig immer noch die bedeutendfte Zeitung Srant-
reichs; die „Presse“, großentheild Eigenthum ihres Begründers Emile de Girardin und wie
ſchon früher der Ausdrudder individuellen Anfichten und Ideen diefes Publiciften; „Le Si&cle”,
Eigenthum zahlreicher Actionäre, die wie bie Adminiſtration und Redaction dieſes Blattes zu
470 Zeitungen und. Zeitfihriften
den Anhängern ber gemäßigterr Republik zätten, Ws "deren Vertreter Beneral'Eapalgnac ber
teachfet wird ; ber Constitutionnel mid der/ Pays (tehteres 1: an. $8A96En d Bou⸗
ville begruͤndet, ſeit 1650 unter derpolittſchen Seitung Laniarfine's), beibe ſeit Nov. 1862
Eigenthum des Bankhanrſes Mires und’ ine Intereſſe der —** kedigirtj die „Puitie, 1844
von Pages begründet, bis zur Februarrrvolutisn das Irbßie Abenvblaͤte, gegenwärtig ‚Eigen
thum Delamarrels und’ebehfirlis der Regierung draY6lnn;'die „Gufelle’de'Ffatice”, unter der
NReſtaur atlon don Gemvude, fhäter von Puntbötreig:gelöitet, "Wer niehr bie'tidifihe Legitimität,
während Fer von Veuillotꝰ mitviel Geiſt Tebigirte ‚Universyekdtn iR auͤf Firichen
Gebiet verfalgt 3 die ;Abserfibleetnationnie”, uns einige iuch Übrige Biatt ans’ den Februar ·
tagen, iſt dad Dogan ber Fuſtoniſten. Die uͤbrigen Yarkfer Tageblätter fürd:die „Unisn“, Die
„Estafette,"das1850 von Migne begräträrte Ickerriäfttesi Hits”: md · dai betannte Wesblatt
„Chtrivari“, »Bon'den michttãglichen . parier Wtättenm Befrpe das von den "Gehfltichen umd
Maires in deri Provinz" viklgelfene: ;sotmriat des vbillos et Ves camparits "tie aurfehnfiche
Elientel. "Die Ir den Departements erſcheinendrn Mage - aid Wochenblaͤtter, Gern "Anzahl
etwa 600 detragen · mag, findrohheialle polltiſche uber! diterarifche Bedeuninig. In Wigier find
„Algerie’” tmd „‚Mohitenralgerien“'tke nanchafteſtereitungen; ˖ auch erſcheinen daſelbſt einige
Blätter in arab. Sprache. "WEL! Ganmuftit) ‚Hikteite critique des journdax⸗ (2 Vbe., Anıfl.
1734); Gullois,Histoiredés joumateerjoufnafistes de fa revolution fränysise” (2:Bde,
Ser. 1845); Decchiens, ‚Bibflographie'des- fvutnkax publids pendant: la r&volttion” (Par.
1829); Hatin, „Astöire du jourhal en‘ France” (2. Aufl. Par. 1855); Ebmonde Lexier,
„Biographie des journlistes”‘ (Mar. 1651).
Die üttefte der in Frankreich erſchienenen gelehrten Zeitſchriften iſt das „Journal desssavants“,
weiches 5. Im. 1665 vom Patlamenterath Denis deiSallo (unter dem Nariteh wolle)
unter Mitwirkung vom de Boutvois dd Senıbevoilleund Chapelain gegründet wurde. Ber
kauf eines Vierteljahrs wutde es auf Anſinnen des Papftes fildyenbirttund durfte’ erſt lim Folgen-
ben Jahre wiedererſcheinen, wo ed der Rebaͤctron bes Abbe Gallols unter Vorbehalt einer‘ firengen
Cenſur übergeben wurde; indeffen gewann es weft fett "1675 unter Leitung des: Abbe de Laroque
eine größere Megetmäßigkeit. Bio zum Zuli 17902 wurde rs erſt ale: 14Dage, ſpäter im'monai
lichen Heften veröſſentlicht. Die ganze Sammlung bis zu dieſem geſtpinkt! unnfaßt, die vom
Abbe de Clauſtre ausgearbeiteten/ Tables“ (Par. 1753) inbegriffen, 110. Nuar tbande, denen
ſich exft 1797 ee Folge von 72 Heften anſchloß. Nach längerer Unterbrechung Begann td an.
ter Betheiligung namhafter Gelehrter, wie Sylv. de Sacy, Laugles, Napnemard, Rarul-Re.
chette, Daeier, Cubikr u.’ A., int Sept. 1816 wieder und behauptet noch jegt imfer-ben wiſſen⸗
ſchaftlichen Journalen eine achtungswerthe Stelle. Unter den ältern gelehrten Zeitföhriften be»
merken wir dad „Nouveau jourmal des savants”‘; „Journal Htteraire” (1715— 22 und 1729
—3); „Aunse tißßsraire” (1754— 76); „Journal encyclopsdigque” (1758-91); „Journal
g6neräl de talifisraturefrangaise”, felt 1798, und das „Journal general de la lItterature
strangöre”. Wer ſchon etrwühnte „‚Meroure de France”:gehört feines literariſchen Theils wegen
ebenfalls hierher. "Er hörte 7813 ’aıf, erfchten baun'ats „Mirierve frangaise” fit I818 wieder
und mutde, da die ſtrerthere · Eenſur eine neue Auderung nothig machte, 1820 zur „Minerve du
19m8.gjdote/N umgetauft. Mie gangze Sammlung umfaßt gegen 1900 Bande. Die „AMéroires
de Trévoux“, welche von 1701 80 erſchienen, ſtanden unter der Eeitieng einer Geſellſchaft von
Jeſuiten. Die „Pôcace phiidsophique, IktEratreret politique” vegann 1794 amd zhlite·zu ih⸗
ven thatigſten Miſfartbeitern Singuene. "Ste erloͤſth 8807, nachdem ſie in der lohten Keit unter
dem Titel „Revue philosophigue” erſchienen ſ rar. Durtch beſondern· Gehalt zeſchnete ſich -aud
das: von Millin geleitete „Mukazin enöyelupediqtue”, ſeit 1795, welches 1816 und 817 ımter
:dem Titel ;Annales encyelopediques”rfyin und 3819 als „Revus enoydapſuique“ 8
1855 forögefegt würrbe. Später erfhien!eine ‚Revue frangaise et iramg@re vuRsrue nou-
velte”, weiche nach einigen Jahren’ wieder einging, bis ſie unter dem; Titel Nouvele revae en-
‚tyclopsdique” von Dibot 1846‘ auf einige. Zeit‘ wieder ind Leben-geafatiisunebe, uber 3848
reinging. Die „Revue de’ biblisgraphie zualytique” yon E. Miller und UNubenas, welche
‚mit dem. J. 1845 aufhörte, war nach dem Muſler' doutſcher Ureraturgeiringen angelegt und
enthielt nur Pritifche Auffäge. Mehr auflinterhattumg'bericinerfind.die ‚,‚Rotue de Paris“, welche
ſeit 1829 erſchemi, 1846 aber mit demiKumflente ;LArtiste’sereinige wutbe, und bie treff
tihe „Revae des deux mondes”, eiR6 der vorgüigiäften .Yantnade- pas, das zul
1829 begann, feit 4831 aber regelmäßig dlle 14 Tage erſcheint. Bon 'ihr ſagten fig TB41
mehre Mitatbeiter, unter aridern George Sand los, ann ein eigenes, mehr raditales · Drgan, die
Beltungen und Zeitſcheiften mn
„Revae independante”, zu gründen. Die „Revue rötrospeetive” tb %ie „Hevue germani-
que’, welche als „Nouvelle revue germanique” unter Spazier's Leitung’ wieber entfland, Has
ben ſich nur einige Zeit gehalten, während die von Amadee Pichot geleitete „Revue britanniquef“,
weiche Auszüge ans ewgl. Zeitfchriften gibt, ſich eines Lingen Beſtandes erfteute. Die „Revas
des deuximondes‘ erfuhr 1845 — 48 in der „Revue nouvelle” auf furze Zeit eine Soncurrenz.
Unter den gelehrten Fomtnaten, welche wähtrend:der erſten Jahezehnde diefes Jahrhunderts in
Anſchen landen, heben wir noch das „Bulletin universsl“ vu Paruffac, Coſte's „Teblettes
univrerselles” feit: 1825 und: den ehemaligen ‚‚Globe” Yervor,:deivon FBDE BI6-zu ber Zeit, wo
er den St. Dimoniſten in die Hände gerieth, dem: Durchbruch Der neuern Titerarifchen Ideen
trefflichen Borfchub leiſtete. Die ‚Bibtingraphie de Pranes“, wilche ſeit 1798 Ihren Titel mehre
male umänderte, gibt eine bibliographifche Bnfanımrenftälluwg der literariſchen Neuigkeiten.
Die Gebundenheit, in ber fich feit "Napoteon!s III. Erhebung die olitiſche Preſſe befindet,
Hat:auf der andern Seite’ den literariſthen und wiſſenſchaftlichen Jouruallsmus ungemein bes
günfligt. Obgleich werte der vor: ber Februarrevolution beftehenden-größern Journale biefelde
nicht zu Überleben vermochten, fo find feit derfelben doch eine größere Anzahl von Dream und
Magazinen begründet werben, in bie ſich zum TChAI "die verſchlebenen · politifchen Parteien ge⸗
flüchtet haben. Wir nawien die „Renue contemporairie”, 1852 won een Sfioniften *
det; den „Civilisateur‘‘, von Lamartine herausgegeben; die „Revue de Paris”, 1851 wflät-
den; das 1851 begründete „‚Atlionaeum’ frangais”‘, eine teithhafectge Iierartfiguartifitfihe Ro»
cheuſchrift; den „Cotrespendatit”, Die „Revue d’Burape” (feit Jan. 18355)u. ſ. w. Unter den
ahnlichen Journalen ber Departements, veden Bahl in ſortwaͤhtendem Steigen begriffen iſt, ent»
Halten manche ſehr gediegene Arbeiten ;rbefendere'Evwähnang verdienen die ‚Revue d’Alsace”
(feit 1854), die „Revue des: ppoviness de l’Ouest”, felt:1. Sept. 1855 zu Mantts erſcheinend,
die „Revue du Nord de la Franee”, “bie „Revue/de Reims“/die ‚Revue !yonnaise”, „Revue
d’Anjon” uf. w. Die „Mode“ ftir 1838) iſt ats legleiniiſtiſches Organ nemmenewertb; der
„Voleur” hat fen Inteteffemur in der Ziſanmenſtellung paßllcher Wafiäge aus andern Blaät⸗
teen. Unter ben vielen illuſtrirten Blättern brhauptet / die Mustracion (feit?842) den erſten
Rang; fie Hat über 18000 Alnchmer. Zahlreich ſind die Vianer / webche hre Stoffe dem Thea⸗
terleben entlehnen. Sehr beliebt war vor der Februntrenäkution Der MNaguro“, welchen der
„Gourrier des spetiacies”, der „Entegacte” mb Die wog ogegenns artigice ſtheinende „Revue dt
gazeite des tlıöätres” (ſeit 1834) nicht erreichten. KRaum ig Merfehen Ab vie Schar der auf
bioße Unterhaltung beredmeten belletriſtiſchen ad Moveblatter, meer denen vielletiht das
‚Joarnal des dames et des modes”, da6 „Journal des dsmsisuttes ber ‚Petit courrier des
dames* and die „Syiphide” die angefehenftan ſein dürfen. I Neben dieſen Biitfihriften von mehr
oder weniger allgemeinem Intereffe hat noch jede ſpecielle Wiſſenſchaft Wereeigenen periodifehen
Organe, deren viele auch im Ausland die algemeinfte Achtemg /genießen. Daffelbe gift auch von
einer großen Anzahl der „Bulletins“, „Annates” ımd ‚Mönnires“ der vielen gelehrten Geſell⸗
ſchaften, die theüs in Darts, theils In den Provinzlaͤhnuptſtaͤdeen hee Thaͤtigkeit ennwideln. .
In den ſüdniederlaͤnd. Probinzen, and denen Da — erſchien bereit®
1605 zu Amwerpen, wie es ſcheint, in: zwangloſon Zuiſchenraͤuuten eine Muſtrirte Kriegb⸗
zeitung unter dem Titel „Niewe thdinghe“, als wer Nuchfolgerin / die etft 1827 untergegan⸗
gene „Gazette van Antwerpen‘ "äugefehen witrd. Iw der Peribbe der ſpan. And oͤſtr. Herrichaft
beſaß jede bedeutendere Stadtgemeinde hro privilegirte⸗ Beitunig, Jedoch 1w aller politiſchen Untet⸗
shänigkeit abgefaßt, ſowie vhne pritthiche oberngar fociale Tendenz. Zuererwähnen find unter
denſelben ber 1649 aufisauuhenbe ‚‚Gourtier veritable das Pays-ıBas‘, ber'niit''ber einzigen Un⸗
teibrechung von 1746-9 Ti bis 1791 erhfelt, was „Journal de Liöge”, bas fi noch Je⸗
genrsärtig tiner relchen Attemrentenzubl'afensit, und die ebenfalls noch beftehende, 1067 :40-
grüntete „Gazette van Gend”. Unter'der franz. Herrſchaft Hatten die beig Stäbte jede .
ſtaͤnd igkeit verloren nd Ihre Beifängen verſthwinden atiter der Uitgiijl'ber franz, vorfiärtfee-
mäßig eingerichteten Deyattementshlätter. Vonohafloriſchem Wetth Ind aus diefer Heit „De
Compitateur” (1798-1810), „Le vrai'Brabaneon” "ir fikb::öftr. Farveng (1790-99);
ba$ „Journal de ia Bocitte des auris'de ta liberbstet'de Fagita 117 M-193) nebft dem „Re-
publicsin du Nord“, in ftreng franz.repabltkauiſchem tete tebigirt. Als teferirendes Rag
blatt erhielt fi) der „Oracle“ (1800-27). Wenn auch unter ber wiederfänd. Megierung den
Journalen feine gtoßen Hinterniffe in den LBeg’gelegereunden, fo'waren doch die Beſtimmun⸗
‚gen des Preß geſthes Meef genug, "m Me Preßptoreſſe / in vinem / außerordentlichen Maße u
mehren. Aufer der Vf lclelen uaotis Vos Nays· ab vnd dem moch beſtehenden farbi⸗
472 Zeitungen und Zeitfchriften
„Journal de la Belgique” find hervorzuheben ber „Nain jaune refugie”, ein Caricaturblatt ge»
gen die bourbon. Familie, deffen Nebactoren 1818 des Bandes verwiefen wurden; ber „Liberal“,
der 1816 aus der Vereinigung des „Mercure surveillant” und bes „Nain jaune” entftanb, aus
dem ſich aber wiederum 1821 der durch feine erbitterte Oppofition berühmt getworbene „Courrier
des Pays-Bas” heraußbildete. Neben legterm Blatte, an welchen ſich bie bedeutendſten För⸗
derer ber belg. Revolution.mebr oder meniger betheiligten, galten als bie bebeutendflen Oppoſi⸗
tionsblätter vom ultramontanen Standpunkte der 1820 begründete „Courrier de la Meuse”,
der 1840 nad) Brüffel überfiedelte und zum jegigen „Journal de Bruxelles“ umgeftaltet wurde;
der geiftvoll von Devaux, Lebeau und Rogier redigirte „Matthieu Laensberg“, welcher 1824
begründet, feit 1828: „Politique”, feit 1841 „Tribune” hieß, aber 1849 unter legterer Be
nennung fi) zum Organ des Republikanismus an der Stelle des ultraliberalen „Liberal liö-
geois’‘ (1845—49) ummanbelte; der „Catholique des Pays-Bas”, das nachmalige „Journal
des Flandres” zu Gent; das kath. „Journal d’Anvers”, ba$ feit 1811 befteht und da „Journal
de l’opposition“, bag 1827 — 30 zu Maftricht erfchien. Minifterielle Blätter waren in Bruf
fel der aus ber Revolution von 1850 bekannte „National“ zu Brüffel, da® „Journal da Gand”
(feit 1831 „Messager de Gand‘), bis auf die neuefte Zeit den orangiftifchen Tendenzen treu,
und feit 1829 ber „Courrier universel” zu Lüttich, der jedoch fon vor der Revolution wieder
einging.
Bei der volligen Aufhebung eines jeden Journalzwangt im neubegründeten Königreih Bel-
gien ift einerfeitd die große Vermehrung der Tagesblätter, andererſeits die Leidenfchaftlichkeit
und Licenz, welche in ben meiften derfelben herrfcht, nicht zu verwundern. Die verbreitet»
ften Zeitungen tragen durchgehende franz. Gepräge, werden zum Theil von Franzoſen geld-
tet und fchöpfen bis auf drei oder vier, die mit England und Deutfchland in directer Ber
bindung ftehen, ihren Hauptftoff aus franz. Quellen. Die Unterbrüdung des Nachdrucks 1854
bat dem Beuilleton einen herben Schlag verfept. Während 1830 die Zahl der periodifchen Blãt⸗
ter aller Art etwa 54 betrug, belief fih Anfang 1848 ihre Zahl bereits auf 202, zufammen mit
61408 Abonnenten. Davon erfhienen nur 18 täglich: 137 waren in franz., 52 in vläm.
Sprache verfaßt; 122 Hefchäftigten fich mit Politik, 37 mit Wiffenfchaft, Literatur, Kunft und
Mode, 33 bloß mit Anzeigen. Seit der 25. Mai 1848 befchloffenen Abfchaffung des Stem-
pels, noch mehr feit Erniedrigung des Poftfages bat ſich jene Zahl noch bebeutend geſteigert.
Unter ben Blättern, die ber liberalen Richtung huldigen, ift unftreitig das bedeutenbfie die „In-
döpendance beige”, gegenwärtig bie verbreitetite der belg. Zeitungen (8— 9000 Abonnenten),
weiche 1831 ale „Independant” begründet wurbe und trog feiner bamaligen Bräftigen Dppoſition
doch auch mit als vfficielled Organ diente, dann 1832 von den Befigern des gemäßigten „Me-
morial beige“ angefauft und von Saure, einem Sranzofen, redigirt wurde, ber e6 1845 in „In-
döpendance” umtaufte, bald darauf aber die Rebaction an Perrot, ebenfalls einen Franzoſen,
überließ. Den vorgerüdtern Liberalismus vertritt ber brüffeler „Observateur” (feit 1835);
der „Pröcurseur” zu Antwerpen (feit 1835), ber namentlich bie Handelsinterefien berückfich⸗
tigt, das erwähnte „Journal de Liege“, ber „Messager de Gand” und da& „Journal de Ver-
viers” find ebenfalls liberale Blätter; daran reihen ſich in vlam. Sprache „De Schelde” in
Antwerpen und „Burgerwelzyn” inBrügge. Als Organe ber parlamentarifhen Rechten (d. i.
der fogenannten Katholiken) beftehen „Emancipation”, in Brüffel 21. Det. 1850 begründet,
mit der fi nad und nad) „Globe“, „Commerce beige” und „Courrier beige” verfehmolgen,
daß „Journal de Bruxelles”, in directer Verbindung mit bem Epiffopat; ferner bie „Gazette de
Liege”, da8 „Journal d’Anvers“, ber „Conservateur” in Bent (entflanden aus der Berbinbung
des „Journal des Flandres” und bes „Organe des Flandres”), ber „Ami de l'ordre” zu Ra-
mur und die vläm. „De Standaert” zu Gent. Demokratiſchen Tendenzen huldigen bie „Nation“
(früher „Debat social”) zu Brüffel, die „Tribune” zu Lüttich und bie „Reforme” zu Verviers;
das vläm. Blatt „Broedermin” zu Gent ging 1847 ein. Ohne politifchen Charakter erfreuen
ſich eines großen Abfages die brüffeler Blätter „Echo de Bruxelles”, da8 „Journal deBelgique”
und der bem Bonapartismus feindliche „Etoile beige”, zu bem im Herbft 1854 der „Tele-
graphe” getreten ift. Der Satire widmen ſich mit vielem Geifte ber ben Katholiten zumeigende
„Sancho“, mit fhonungslofer Derbheit feit 1851 der „Mephistopheles”, Als Staatsanzeiger
beſteht feit 1831 der „Moniteur beige”. _
In Bezug auf Zeitfchriften, welche der eigentlichen Riteratur gewidmet find, bat ſich Belgien
noch nicht der Herrſchaft der üblichen Nachbarn zu entziehen vermocht. Neben den mohlfeilen
NRachdrũcken der beften frang. Revüen hat ſich Leine belgiſche auf die Dauer erhalten Lönmen und
Zeitungen und Zeitſchriften 413
eb bat der fonft weit vorgefchrittene Staat in dieſem Punkte noch nicht die Höhe erreicht, auf
ber er ftand, als Rouſſeau und feine Nachfolger in Lüttich und [päter in Bouillen 1756— 93
dem berühmten „Journal encyclopedique” vorftanden, fowie der Abbe de Gofter zu Lüttich
4772 den bis 1818 fortgeführten „Esprit des journaux” und ber Sefuit Seller zu Lugemburg,
dann feit 1788 au Lüttich, fpäter zu Maſtricht das „Journal historique et lilteraire” heraus
gaben. Zwar hatten feit der Eonflituirumg des Königreichs mehrmals bie tüchtigften Männer
einen Anlauf genommen, aber bald ſanken Muth und Mittel. Die „Revue belge” (1855 — 43),
an welcher alle literarifchen Notabilitäten bes Landes Theil nahmen, brachte es trog öffentlicher
Subfidien faum auf 600 Abnehmer. Dan Hulft hatte mit der, „Revue de Liègo“ (feit 1844
—46) Mühe, das Ende des dritten Jahrgangs zu erreichen. Ahnliches Schickſal erfuhren ber
brüffeler „Tresor national” (1842— 45) und dit elegante „Revue de Belgique” (1846— 51);
felbft die von Adel und Geiſtlichkeit begünftigte, lange Zeit hindurch von Dechamps und be
Deder (1837 —47) geleitete „Revue de Bruxelles” ging nad) 1848 wieder ein; ebenfo 1847
bie gebiegene „Revue nationale”, unter Devaur' Leitung die Borfämpferin des politifchen Libe⸗
ralismus. Eines beffern Fortgangs erfreut ſich wegen feines mehr hiſtoriſch⸗archäologiſchen
Charakters ber „Messager des sciences historiques” (feit 1833 zu Gent), fowie die von den
Profeſſoren der Univerfität Löwen redigirte „Revue catholique“, welcher 1842 eine Fehde mit
bem von Kerfien zu Lüttich feit 1834 trefflich geleiteten ſtreng orthodoren „Journal historique
et liltsraire‘ das Entſtehen gab. In entgegengefegter Richtung wirkt feit 1854 zu Brüffel bie
„Bevue trimestrielle”. Die vläm. Intereffen wurben früher am würdigſten durch das „Bel-
gisch museum” (18357—45) unter Willems, feitbem aber nach bem Aufbören von Wolf's
„Broederhand” (1846) durch ben antwerpener „Taalverbond” vertreten. Außer den Schrif-
ten ber gelebrten Korperfchaften verdienen als vortreffliche Specialblätter noch befondere Er»
wähnung die „Annales des travaux publics” und ba® „Bulletin de l'industrie‘. Ein Kunft-
blatt iſt die „Renaissance“. Der kath. Erbauung find gewidmet feit 1852 bie „Precis histo-
riques, lilleraires et scienlifiques”; proteflant. Zweden dienen „Chretien beige” (feit 1850),
„L’Union” (feit 1850) und „Le Gianeur missionnaire” (feit 1844). Sonft find noch zu nen-
nen Houet’$ „Flore des serres”, bie „Annales de pomologie”, das „Röpertoire de la mé-
dicine vetörinaire” und das „Journal de haras” ; für Jurisprubenz „Belgique judiciaire‘ und
„Moniteur du notariat”, daneben bie „Pasinomie beige” ; für Wufil die „Gazette musicale”;
für Bücherfunde das „Bulletin du bibliophile beige”, die „Bibliographie beige” (feit 1838)
und bat „Journal de limprimerie et de la librairie” (1845 fg.); endlich für Unterrichtöwefen
der „Moniteur de l’enseignement” in Tournai.
Die Zeitungen in Holland gehörten vom Anfange an zu den beffern, weil fie die überfeeifchen
Nachrichten aus erfier Hand erhielten, auch andere Neuigkeiten ihnen leicht zugänglich waren
umb weil die Preffe unter der Republik einer größern Freiheit genoß als irgendwo. Die Zei-
tungen erfchienen anfangs alle in holl. Sprache und hießen faft alle „Courant”, unter Hinzu⸗
fügung des Namens der Stadt, no das Blatt herauskam. Sie enthielten wenig politifche Ar⸗
titel, fondern bauptfächlich Intelligenz» und Handelönachrichten. Erft fpäter erfchienen, na-
mentlich in Leyden und im Haag, holl. Zeitungen in franz. Sprache. Obfchon Holland feit
1815 wieder Preßfreiheit erhielt, fo benugte e8 diefelbe nur wenig, bis der Kampf mit ben beig.
Blättern begann. Die gelefenften Holl. Blätter find das „Allgemeene Handelsblad” in Anı-
ſterdam, ber „Staats-Courant“ im Haag, ber „Harlemsche Courant” und in franz. Sprache
das Journal de la Haye”, die Staatözeitung ; früher galt die „Gazette de Leyde“, ein Eigen«
thum der Familie Luzac, für das befte hol. Journal. Das beſte Oppofitiönsblatt war vor
1848 der „Arnhemsche Courant”. Die wiſſenſchaftliche Thätigkeit, welche feit alter Zeit in
Holland einheimifh war, brachte bafelbfi zeitig zahlreiche und bedeutende Zeitfchriften hervor.
Doch find barunter bie zu unterſcheiden, welche in franz. Sprache gefchrieben und von Fran⸗
zofen, bie meift politifcher und noch mehr religiöfer Meinungen wegen ſich nach dem bulbfamen
Holland geflüchtet hatten, herausgegeben wurden und eigentlich einen Zweig ber franz. Lite
ratur bilden, fowie fie auch gewiffermaßen bie bamalige liberale franz. Preffe, liberal nature
lich im Sinne der damaligen Zeit, repräfentiren. Dahin gehören unter andern Bayle's
1684 gegründete „„Nouvelles de la röpublique des leitres”, Basnage's „Histoire dan o-
vrages dessavanis” (1687— 1709), Zecierc'$ „Bibliotbeque universelle” (1686—95) u. ſ. w.
Don weniger univerfeller Bedeutung und ber einfeitigen Richtung und Mangelhaftigkeit der
ganzen holl. Literatur entfprechend waren die Zeitfchriften in holl. Sprache. Voran fleht ber
1692 begonnene „Boekzaal van Europe”, ber fpäter mehrmals feinen Titel änderte und
474 Beltungen ud: Zeltſcheiften
Noch jeßt unter dem Namen „Boekzeät der geleerde vereldꝰ fottbeſteht und’Eln ſiter atkſch wie
religids ſtreng conſervatives Blatt iſt. Lange FJeit galt der „Allgemtene konst-en letterbode“,
gegründet 1788, für die deſte holl. literukifche und kritiſche Beitfhrift. Allgemein geachtet find
auch die ſeit 1790 deftchende ;Vaderlandsche bibliothek” und’der „Hecensent”. Indeſſen
mangelt faft allen jegr veftehenden holl. iterariſchekritiſchen Beitfihriften ein-frifcher, teberidiger,
vrigineller Werft, ein Fehler, derijeboch german eigenem Charakter der 'gefamm-
ten Hol. Literatur zufanmenYängt. Nlır die I34 In Auiſterdam don’. Mühler gegründete
Zeitſchrift ;De’ Referant-‘ zetchnet: ſith eu dieſet Beztehung dor den übrigen aus. Sonſt find nur
die „Vaderldufdschteletterüßfentngein u Lvaͤhnen. Fulr Biwliogrephle beſteht die „List
wan meud ditgexomen bdsken“. "Wigarmkänntläh it der hoͤll. Jeitfchriftenliteratur außer den
vielen Fachzeltſchtiften, nr dene beſſndeks die Arneikunde und die damit verbundenen Wiſſen⸗
gospeereseng MR, de verhautnißnidßig groͤßee Anzahl kirchlich⸗ religiöſer Zeitſchriften und das
Arten vonlat. Uterariſchlktiriſthen and Philslogiſch⸗kritiſchen Zeitſchriften, wie Wytten⸗
vbity APAoM cea otinoa und der „Bibliolheea eritica nova” von Bake, Gell u. A; ferner
ke ‚ByYansölse Niteratfae”‘(18A0'fg.), Die „MisckHanea philologica” (Amt. 1850 fg.), die
eye" (1852 fg.) u. ſe w. Wherhaupt zaͤhlte man Ende 1852 in Holland 125 Mio
marsftriften’und 2A Wochekaſchriften.
In Schweden erſchlen als erfid'tepeimäßrge Zeitung die „Ordinarie Post-Tidende“ (1643
— 80), welcher der „Ivensk Merkurius’‘ (1675—83), die „‚Relationes euriosac” (1682 —
1701) in lat: Sprathe, der „Srensk PostMlon” und einige andere in 17. Jahrh. folgten. In den
etſten Detertwien'oes’18. Jahth. Yergrößerte'fich nicht nur die Zahl der Beitungen, fonbern et
wurben deretisleinzelne Facher und Nichtungen durch diefelben vertreten. ‘Die erfte ſchwed. Jer
“img in Tedya. Sotachewwar die ‚Gazelle frangaise de’Stoekholme” (feit 1742), der 1772 der
‚'Mereitte’ de Swöde” folgte. Obgleith „Stoekholms Posten”, die'1778 von Kellgren and Zenn-
ren begrürider vootden'wär, fich neben Ihrem belletriſtiſchem Inhalte auch an Befprechung und
Beurtheilung politiſcher Reuigkeiten des Auslandes wagte, fo blieb doch die Tagebpreſſe ohne
allen ſichtharen Einfluß, bis der Kampf zwiſchen Claſſikern und Romantitern die geiftige Bewe
gung auch auf das politifche Gebiet Hinüberführte. Beſonders wichtig wurden für die innern
gelegerrheiten des Staats der 1820 von Johannfen gegründete „Argus’ und neben diefem
iſeit 1829 die „Riksdagstidende”, welche Erufenftolpe und Sierta, der erfte namhafte Berrreter
ver ſchwoed. Preſſe, unternahmen und bald zum ausſchließlichen Organ der Oppofitton erhoben.
or Beendigung des Reichötags von 182850, wo die ſchwed. Preffe einen vorherrſchend
politifhen Charakter annahm, begann Erufenftolge im royafiftifchen Sinne das „Fäderneslan-
get", während Hierta feit Dec. 1830 das rabicale „Aftonbladet” rebigirte. Zepteres war bie in
neuere Zeit bie einflußreichfte Zeitung Schwedens, die in ihrer Blütezeit 5000 Abnehmer zahlte,
"obgleich fie feit dem Negierungsantritt bes Königs Oskar aufgehört hatte, Oppofitionsblatt zu
"fein. Ebenfalls ſehr verbreitet ift „Dagligt Allahanda”, das 1835 gegründet wurde, feit 1852 den
Titel „Svenska Tidningen” fährt und die gemäßigte Reformpartei vertritt. Die officielle Zeitung
fft „Post-och Inrikes Tidningar“, die früher unter dem Titel „Sveriges Statstidning” erſchien.
'Mintfterielle Wfätter waren vor 1848 die „SvenskaMinerva” (feit 1830) und „Svenska Biet“,
die feit 1839 an der Spitze der eonſervativen Blätter ftand. Mehre ultraradicale Blätter, die durch
die Stürme des 3. 1848 hervorgerufen wurden, gingen bald wieber ein. Unter den Provinzial-
"Blättern, deren faft in jeder Stadt erfcheinen, ift die 1832 begründete „Göteborgs Handels-och
'Sjsfarts-Tidring“ beachtendwerth. Während 1804 nur 25, 1821 etwa 48, 1829 62 Zeirungen
in Schweden erfehierien, Tanıen deren 1831 bereitö 80, 1841 fchon 112, 1850 115 Heraus. Die
Yireraeifäje Journallftik datitt in Schweden erft aus dem 19. Jahrh. Die neuen Ideen, welche
Rh don Upſtila ans, wo 1807 der Autorabund zuſammengetteten war, verbreiteten, ſuchte bie
Neglerung Buſtav's IV. dukch die von Wallmark geleitete „Allminna Journalen for Litteratur
"sch Preatern⸗yu bekanrpfen. Als jedoch 1809 bie Preſſe frei gewotden war, wurden, um der
errſcheeft Dre frunz. Geſchmacks entgegenzuwitken, von Seiten der fogenannten Phoephoriften
7809 der „Polypirem” in &töd@holm, "von Askelbf, und der „Phosphorus” (1810-14) iv
Mpſala, von Atterbom rebigitt, von'Bäiten der Gothen aber die „Iduna” begründet. Als Fort-
fegifg des „Phosphorts” erſchien bie „Svensk Literatur-Tidende” (1814— 24), an ber Gti-
fer und Hammerſtjöld thärigen Antheil nahmen; Palmblad gab 1818— 31 zu Upfala bie
„Svea’ und feit 1844 den „‚Frey” heraus. Sonſt find noch bie Itterarifchen Zeitfehriften „Stu-
dier, Notiser och Krifiker” (feit 1841), bie jüngere „Tidskrift för Literatur“ ımd die monat-
lichen „Ställingär och Forhällenden” zu nennen. Eine „Svensk Bibliographi” erſcheint feit
Beltuwgen use: Kettfchriften 475
#820. Unterhatinngöbfätter fihb ‚Folkets Niss2”,. „Friskylien”, „Stookholms Foketongs-
btad“ ; „Örwar Odd‘“f Neuerdings eingegarigen. Fuͤr Mebicin, Thevlogie, Staatswifſenfchaf⸗
ten, a Dechnik and‘ Bafidietridfchaft' beſtehen Hefondere-Beirfchriften, die zum Theu
fehr gut geleitet find.
gIn Daͤnemark war diel'potitifche Preſſe bis 1850 ohne Charakter und’ oͤhne Einfluß; das
Heituugs privilegium hatten bis bahin man zwei Blätter In NAoperhagen, die außer wenigen offi-
eitiler Artikeln faſt nuẽ Audzuge aus audlandifchen Zeitungen brachten. Eine höhere Thätigkelt
‚zeigte die Prefſe far 1830, mehr noch aber feit Errichtunge der Prodinzialſtaͤnde 1834, wo ein
tegeres politiſches Intere ſſe fin Welke’ erwarhte. Die ättefte der edeſtehendrn Zeitungen iſt bie
„Berlingſke⸗Tibende“, die” ſeit1Ta0,0zuedſt in bemufelier Sprache, erſchlen und von jeher, mit
Aubnchme der I: 1818 49, ein halbminiſttririſes: Orgun mar. ' Gert am 1831 erhielt fie im
‚‚Bäbrellindet‘” eme Dpytfitton, einem aufangs Afttyetifihen, "Dan der’ Horde Ach widmenden
Bhatte, das zuge Organ des Ju ngeni Dänentark und des Standinavismus warde, unter feine
Nedacteure Dadid und Lehmanni zäͤhtte ud‘ 188 feine Glimz beriode hatte. "Ein Organ von
-Bebtunnig tibieigleichgeitlg begtätidete und feäher benfalls fürtunelle, jegt conſervative
„Kſbbeahavnopoſten Ageblieben. In din medren Behechten ungemein verbevitet Ift Die um 1842
vegrũndete, Fiydepoſten· während das D gbtadet⸗ mehr · vvn · den Gebildetern geleſen wird.
-Die nätionnbhän.Würtei begrumbeto 1849 IF Th Organ dio MOdanevirke⸗. Die daͤn. Provin⸗
dialblatter, "unser beiten SygensSafts Adreffe og potitiſt Arie‘ Teit: 1770 zu Odenſe beſteht,
hingen nur Aubzüge aus kopenhugener Bitten. Inh Verhäleniß zur Größe und Volksmenge
beſtht Daͤnemarkeino ſehr große Anzahl don Tage⸗ md Wochenblaͤttern; 1849 erſchienen mic
Aub nahme von Schltowig und Holſtein 0Heieſchriften wotunter 36 politiſche. Doch überſchrei⸗
rten mur wenige berfälßen die Eider. Die literariſche Jouenaliffik deginnt In’ Daͤnemark mĩt ber
„Nova ſiteruria moaris Btici“, bie bi der Unlagemiedem „Acta eruditorum“ wetteiferten / waͤh⸗
rend ſich Langeheb vindẽ Harbou in dev von Roller foltgeſeiten Oniſchen Bibliothek⸗ (1738
-39) eine undere Aufgäde Tepten: Es fotgten bie Nachrichten von den: Zuftande der Wiſſerſchaf⸗
ten and Rürfte im dan!: Reiche” (1744 — 57; Agßortſetzung“, 1788 — 65), die ſich Im „Dänte
fen Journal⸗ (1767609) fortfegten. Daneben hatte bereite 1720 Joachim Wieland feine
.. Möklehrten Zeituugen⸗ begonnen, die als „Darf Stireraturribende” bis in das 19. Jahrh. reichten ;
die „ Mannedftrife foriteratur” begann 1829. Eine einfußreiche Stellung In der Gefchichte ber
"din. Biteratür bebamptefen Schlegel’8 „Der Frembe“ (1746) und Sneborf's Pattlotiſcher
-Züichauer” (1761— 63) ; ebenfalls yon Bebeutwmg mireden „Danft Minerva⸗ (1785 fg.) wie
der Danſtke Tiſſtuer, von Nahbeck geleitet ; ferner, Athene“ (1ETE.fH:), „Riöbenhauns Fly⸗
veiide Poſtꝰ/ herauogegeben von Heiberg, und „Prometheus (1822 fg.), von Öytenfchläger
redihirt; · Var ſod's „Wrage eg Jdten” (TAU fg.) verfolgte ſtandinaviſtiſche Tendenzen. Ein
eigentliches Literalurblatt erſcheint gegenmsärtig im Dänemark wicht. Eine monatliche Überficht
der neuen Erfcheinungen bietet die „Dart: Bibliographi⸗. Schaͤtzbare Materialien für Ge⸗
fchichte und nord. Alterthumsbanderbieten die „Urmäler for nordiſt Odkyndlgͤhed og Hiſtorie
(feit 1836) nebſt der ‚‚UnktiquariffZiofeeife” (feit 1843) ımd den Aemoires“ (ſeit 1836) der
Nordiſt Disfkrifefetflab," ferner dus Danſt :Muyaytn” (1839 fg.), die von Mother 'redigirte
Doris Adſtrift⸗ md die RNythiſtoriſk Didſktift“, endlich die /Airkehlſtorifke Samlinger“
189f5:). Im J. 1854 begann Rvedift Umverfiters ⸗Mdſkrift⸗, von dar Univetfitaͤten in
Kopenhagen / km nun gemeinſchaftlich herausgegeben and Inden drei Ländern ab⸗
wechſelnd evfcheinend. In isand Sprache erſchlenen 1850 thelis im Kopenhagen, theils In Js⸗
Sad ehe Blätter polſtiſchen Unð genifihten Snhafts.
Umter den. Beitingen Norwegeirs wüutde die Kitkfte, die „Ehtlfiiria -Iheelfigentöfedfer”
"1765 begründet. Hierzu taten PY6513u Beegen die Abriffecontolts Wfterretninger” und
1767 :3u OrbniheimTrondhſems dorgerlige Realſkeles vribilegirte Adteſſecontoirs Efter-
retniuger“. Doch blieben ˖ Alle Blaͤtter Abme politiſche Bedeutirng bis gegen 1833, wo der
Kampf zwiſchen zwer Purtelen, der der Beanmten and der Intelligenz mit der ber Bauern und
ihrer Imtereffen‘begann. Organ der erſtern war ſeit 1856 ‚Den Emflieutionelle”, der 1. April
4847 mit der feit 1815 dẽſtehenden Norſke Migsfidenbe” vereinigf ward. Ihm ging „Widar“
(1835-35) Sorams, ein mehr literatiſches Bart, das Schweigaard, Birch⸗Reichenwald und
Welhaven den votkethumlichen Beſtrebungen Wergeland’s gegenüber begründet hatten.
Das Digem der Belkepattei tvar das 184U begonnene ‚Morgenblad”. Außerdem iſt noch
hrſſtlauia Poſten ( ſeit Nai 1848) zu niennen. Von den Provinzialblättern geht außer den
vbereito genannten keins über das I. 1850: gut; die melſten derſelden wurden erft im voriger
476 Zeitungen und Zeitfehriften
Decennium begründet. Unter den nichtpolitifchen Zeitfchriften Rormegens nimmt die von
Zange feit.1847 trefflich redigirte literariſch⸗kritiſche, Norſk Zidftrift for Widenftab og Litera-
tur” eine vorgügliche Stelle ein. Die „Samlinger til det Norfte Folks Sprog og Hifterie” er-
fchienen von 1835— 39; die „Rorfte Samlinger” haben 1850 begonnen.
Wie anderwärts, fo beftanden auch in Deutfchland die erften Borläufer und Anfänge der
Seitungsliteratur in einzelnen fliegenden Blättern und Drudfcriften von geringem. Umfang,
welche meift den Titel „Newe Zeitung‘ führten, häufig in brieflicher Form abgefaßt und wei
auch mit Holzfchnitten verziert, felten aber mit Angabe des Dradorts und der Jahreszahl ver-
fehen waren. Entftanden mögen derartige Berichte um die Mitte des 15. Jahrh. fein; ale wir
lich vorhanden laſſen fich diefelben für Deutſchland aus den 3. 1457—60 erweifen, wen auch
das ältefte bis jegt befannte Eremplar (auf der Univerfitäröbibliothel zu Leipzig) bie Jahreszahl
41494 trägt. Außer bedeutenden Weltbegebenheiten, wie zunächft der Entdedung Amerikas,
ben Eroberungszügen der Türken, den franz.-öftr. Kriegen in Oberitalien, behandelten biefe
„Relationen“, wie fie ſich auch nannten, auch locale Angelegenheiten, mie Dinrichtungen, Waſſer⸗
fluten, Erdbeben, Herengefchichten, Kindermorde durch die Juden, Wunderzeichen u. f. w. Perio-
difche Mittheilungen diefer Art lieferten einestheils die Almanache und Kalender, die feit Aus»
gang des 15. Jahrh. faſt regelmäßig jedes Jahr erfchienen, anderntheil6 auch die fogenannıen
„Poſtreuter“ (dev ältefte bekannte batirt von 1590), welche meift in Kuittelverfen bie Begeben-
heiten des legtvergangenen Jahres zufammenfaßten. Um diefelbe Zeit entftanden auch bie erſten
eigentlich periodifchen Berichte diefer Art, als Konrad Lauterbach (geb. 1534, geft. 1597 zu
Frankfurt) mit dem frankfurter Buchhändler Paul Brachfeld (pfeudongm Jacobus Francus)
1590 die „Relationes semestrales” begann, die nach feinen Tode Sebaft. Brönner, feit 1599
Theod. Mäurer fortfegten und halbjährlich, zuerft lat. und deutfch, von Meffe zu Meſſe erfchei-
nen ließen. Ginige fchon vorher begonnene Sammelwerke find nicht als eigentliche Zeitungen
zu betrachten, fondern fallen mehr in das Gebiet ber Zeitgefhichte. Dahin gehören Michael
Eysinger'$ „Relationum historicarum pentaplus” (von 1576—97, Köln 1597; dann fort-
gefegt von 1588— 93, Köln 1589— 93 und von 1595— 99, Köln 1594— 99) ; ferner Mi⸗
chael van Iſſelt's (Jansonius Doceumensis Frisius) „Mercurius Gallobelgicus” von I588—
1600 (Bd. 1-5, Fkf. 1604), der von Gotthard Arthus aus Danzig (bis Bd. 15, Fkf. 1609
— 28), dann von Landorp, Beatus und Abelin (bit Bd. 19), weiter von Schleder (Bd. 20—
28, Sf. 1655— 535) und einem Anonymus (Bd. 29— 31) bie 1654 zu Frankfurt fortgefegt
wurde und feiner Zeit ungemein verbreitet war; bie für den Geſchichtſchreiber wichtigen „Me-
morierecondite” Vittorio Siri’8 (1601 — 40), fowie deffen „Mercurio” (1655 — 55), die Mar-
tin Mayer oder Meurer indem „Diarium Europaeum” (45 Bde, Fkf. 1659-873), fowie Abe
lin im „Thbeatrum Europaeum” von 1617—1718 (21 Bbe., Ftf. 16355— 1738) nachahmte.
Während die Zeitungen in ben genannten Schriftengattungen ihre nächften gedruckten Bor-
läufer hatten, waren für andere Zwecke und in Folge anderer Bedürfniffe bereitö in ber zwei⸗
ten Hälfte des 16. Jahrh. handfchriftliche Zeitungsberichte verbreitet. Dergleichen liefen bie
Fugger, deren Handelsverkehr fich über die bamalige ganze Welt verbreitete, von Zeit zu Zeit in
Augsburg zufammenfiellen. Eine Sammlung von 28 Bänden folcher Zeitungen, welde die
3.1568 — 1604 umfaflen, kam 1656 mit der Zuggerfhen Familienbibliothet nach Bien.
An Auswahl und Mannichfaltigkeit bes Stoffe (fie erſtrecken ſich auch auf literarifche Erſchei⸗
nungen), in Anordnung und Anlage, fowie an Ausführlichkeit ber Berichte unserfcheiden fie
ſich nur wenig von unfern gegenwärtigen Zeitungen. (Vgl. Sidel, „Zeitungen des 16. Jahrh.“
im „Weimar. Sahrbuch für deutfche Sprache, Riteratur und Kunft“, Bd. 1, Hannov. 1854.)
nlicher Art war der „Aviſo, Nelation ober Zeitung, was ſich begeben oder zugetragen hat in
Deutſch· und Welichland, Spanien und Frankreich, in Dft- und Weſtindien u. f. w.“, der feit
1612 als Neuigkeitsblatt, wenn auch nicht in regelmäßigen Swifchenräumen, fo doch wenigftens
in numerirten Blättern erfchien. Die erfte wirkliche Zeitung aber begann ber Buchhänbter
Egenolph Emmel zu Frankfurt, welcher auf eigene Koften feit 1615 wöchentlich eine numerirte
Zeitung erfcheinen ließ, durch deren Nachahmung von Eeiten bed Damaligen Neichspoſtverwal⸗
ters Joh. von der Birghden 1616 die noch gegenwärtig beftehende „Frankfurter Oberpoflamtt-
zeitung“ begründet ward. Nächſt Frankfurt fcheint Fulda die erfie Zeitung erhalten zu haben:
gewiß ift diefeß für 1619 von Hildesheim und für 1650 von Herford. Seitdem erfchienen nad
und nad) an verfchiedenen Orten unter ben Titeln „Relation“, „Riftretto”, „Correſpondent“,
„Sourier“‘, „Chronik und „Realzeitung‘ öffentliche Beitungsblätter, die gewöhnlich mit einem
landesherrlichen Privilegium verfehen waren unb von ben Regierungen einer Cenſur unterwer-
——— vr IE Dr BB A TB BE TE U U
— OT WED TE — — — — — —
Zeitungen und Zeitfepriften 477
fen wurden. So hatten bereits im 17. Jahrh. Nürnberg, Köln, Augsburg, Regensburg, Ha⸗
nau, Hamburg, Bremen, Gotha, Altenburg, Koburg, Erfurt, Wittenberg, Eiſenberg, Leipzig
(feit 1660), Berlin, Halle, Magdeburg, Stettin, Königsberg, Kleve, Weſel und einige andere
Städte ihre Zeitungen. Zu ben äfteften beutfchen Zeitungen gehört der „Bamburgifcge Corre⸗
fpondene“, der 1714 aus dem 1712 begonnenen Neuigfeitöblatte „„Dolfteinifche Zeitungscorre
fpondance” entfiand und die Grundlage ber 1731 angefangenen „Staats⸗ und gelehrten Zeitung
bes unparteiifchen Correfpondenten” war, welche aber damals nicht „Hamburgifcher”, fondern
„Holſteiniſcher Eorrefpondent” genannt wurde. Immer aber blieb in Deutfchland bis zu Anfang
der Franzofifchen Revolution ber Zeitungsverfehr unbedeutend. Der „Bamburgifche Correſpon⸗
dent” war faft die einzige Zeitung, welche ihre Nachrichten aus entfernten Rändern durch eigene
Correſpondenten einzog. Neben ihr erſchien in Hamburg noch eine „Reue Zeitung“, welche je
doch, ungeachtet fie zumeilen tüchtige Heraußgeber, wie z. B. Erſch hatte, bie Mitbewerbung
mit dem „Correſpondenten“ nicht aushalten konnte und aufhören mußte. Die beiden noch ber
ftehenden berliner Zeitungen, die Voß'ſche und Die Spener’fche, zeichneten fich durch literarifche
Nachrichten, aber politifche Nichtigkeit aus. Aus dieſen und einigen andern Blättern wurden
viele andere deutfche Zeitungen zufammengeftellt. Der Ablag des „Hamburgifchen Correſpon⸗
denten“ flieg feit der Sranzöfifchen Revolution fortwährend, ba biefes Blatt befonders zu jener Zeit
und noch geraume Zeit nachher trefflich geleitet unb vorzüglich bei Mittheilung ber Nachrichten
aus England eine ausgezeichnete Sorgfalt beobachtet wurde. Nach der Bereinigung Hamburgs
mit Frankreich mußte es feit dem Dec. 1811 neben dem beutfchen Tert auch einen franzöftfchen
al6 „Journal du döpartement des bouches de l’Eibe” liefern, erhielt aber hierdurch einen Stoß,
von welchem es fich auch nach Hamburgs Befreiung nicht wieder erholen konnte. Räfonnirende
Blätter im Charakter ber engl. und franz. Zeitungen gab es bis in die neuern Zeiten in Deutſch⸗
Iand nicht, man müßte denn die neuwieder „Geſpräche im Reiche der Todten“ und Schubart's
„Deutſche Chronik“ (feit 1774) dazu zählen wollen. Endlich entſtand 1798 eine neue Zeitung,
bie bald alle andern beutfchen Blätter überflügelte, bie „Allgemeine Zeitung“. Der Buchhänbd⸗
ler Cotta, damals in Tübingen, vereinigte ſich dazu mit Schiller und, als biefer ſich von ber
Ausführung des Plans losfagte, mit Poffelt, der aber wenig für das Unternehmen that, bis
Huber die Herausgabe übernahm. Sie hieß anfangs „Neuefte Weltkunde“, und als ein Verbot
fie unter dieſem Titel traf, wurde fie „Allgemeine Zeitung” genannt. Nach Verlauf bes erften
Jahres Fam fie von Tübingen nach Stuttgart, 1803 wegen Eenfurfchwierigkeiten nad) dem ba»
mals bair, Ulm und, als dieſes unter würtemberg. Derrfchaft gelangte, nach Augsburg, wo fie
feitbem geblieben ift. Nach Huber’s Tode 1804 übernahm Stegmann die Herausgabe, bem
früher Zebret ımb fpäter Guſt. Kolb zur Seite ftanden, welcher nach Stegmann's 3. März 1837
erfolgtem Tode zuerft mit Altenhöfer, dann mit biefem und Mebold, ſeit Mebold's Tode (1854)
mit Altenhöfer allein bie Redaction führte. Diefe Zeitung, unter allen Blättern Deutfchlands
unftreitig bie reichhaltigſte, hat faft in allen europ. Rändern Correſpondenten, und beutfche und
ausländifche Regierungen bedienen ſich berfelben nicht felten, um ihre Anfichten in derfelben aus⸗
sufprechen. Die Beilagen berfelben geben häufig anziehende literarifche Überfichten, Berichte von
berühmten Reiſenden, Charakteriſtiken auögezeichneter Männer und Nekrologe.
Während ber franz. Herrfihaft konnte ſich das deutſche Zeitungsweſen nirgends felbfländig
geftalten und bie meiften Blätter gaben nur einen Wiederhall der franz. Zeitungen. Der „WBefl-
fälifche Moniteur“ in Kaffel wurde von Murhard gut geleitet und von einigen ausgezeichneten
Mitarbeitern, 4, B. Billers, mit anziehenden Beiträgen ausgeftattet. Nach dem Sturze der
Sremdherrfhaft 1815 entflanden alsbald mehre politifche Blätter. Auf die Einlabung bes
ruff. Generals von Wittgenftein fchrieb Kohebue fein „Nuff.-deutfches Volksblatt” in Berlin,
wo auch Niebuhr eine andere Zeitung, „Der preuß. Gorrefpondent”, begann ; doch beide beſtan⸗
ben nicht lange. Später unternahm der Buchhändler Brockhaus in Altenburg ein poli⸗
tifches Blatt unter dem Zirel „Deutfche Blätter“, das die nächften Zeitintereffen beſprach und
in der erften Zeit mit außerordentlichem Beifall gelefen wurde. Ginen bedeutenden Einfluß
Hatte anfangs auch der, Rheinifche Mercur“ von Börres, von welchem das erſte Stück 23. Ian.
1814 und das Legte 19. San. 1816 erfchien, da ein Cabinetsbefehl das Blatt verboten hatte.
In Hamburg erfchien 1813 nad) ber Vertreibung der Franzofen „Der deutſche Beobachter”,
den Gotta einige Zeit fortfegte, bis fpäter Roding und Benzenberg das Blatt übernahmen, das
1819 aufhörte. In Oftreih, wo bis dahin neben der officiellen „Wiener Zeitung‘ kein politifches
Blart von Bebeutimg erſchienen war, entfland indeh ber „Dftreichifche Beobachter”, deſſen
Berauögeber, Pilat aus Hannover, in Wien zur röm. Kirche übergegangen und als Privo
418 Zeitwert Zeitſchriſter
fertär. des Aüyften Meturxſch anasstcht wwar, Diefe Zeitung, Die. bald alk halbefßcielles Blatt
„betraechtet wurde/ ervente: im Muſſchlanb ——— da, fa,ugn 4809-12 einig,
Bichtfirahlen auf Spanien unb. die politilde Stellung das euren — Die anche
wende Wirk ſamkeit des Keitunst weſent habte nachdern Kriedan dan, 1815. ohna, Zweifel Ger
fluß auf die —— — bie zugeſt von dem Prtaassrath Etog⸗e⸗
mann und eit 1821von Heun ( H⸗ Clauxen) berausgsachen musde, biq ſie I BRA eins aber.
Ginrihtumg erhielt und John ihr Harausgeher wurhe, dem ſpãter Cotel folgte⸗ in neutrer Zeit
hat die Seitung derſelhen vielfach Aewechſelt, ohne bafi.fie au bedeutender Entpyickelung arlangse.
Bas den im Guiſte ihrer Zeit apleiteten Blättexn arhösten. daß. weigrag⸗Oppoſitigrahiagt das
Vertuch und deſſen © hyuiegrfahn Serien grorondet; bar Bränfifige Mara‘, von — in
Bambers mit glücktichem. Erfolgs geleiten; Die Roeiniicheg Wtärter‘‘, anfange — * —
autgegeben; bie „Neckarzeitung ‚von Briebr, Gepbolb, geftiftet, ub;Die Sypelerer Baitung‘‘, *
Bulanſchon redigitt. Dap,,Dppofitiousbfatt”, deſſen erfigs Horousgber dar -asifizeiche
Wieland, der älteſte Koh das. Dichterxt, mar, nah eigen kraftigen Aufſchwung bis bis über
bes VFeſt auf: der Warthurg, in der Bejtung, gegabanen-Nahrichten die weimar. Regiexung info
groks Unannehmli hkeiten drachten, daß bad. Dppoſitianeblac auf einige Tagt -unserbrechen.
und der ſeicherige Herausgeber entfernt murda. Spater warde das tel des Blattes verändert,
das einen gemäßigtarn Ton annahm, aher im Nov. I aufpören.mufte. Das Schichal das.
Diefe und andere beutfche Zeitungen traf, war eine-Kolgs der Befczlüffe.des Bundebtagk oem
Un Sept. 1819, walcher die Zeitungen auf. fünf She und durch ejne ſpätere Warlängerung
auf unbaflimmuse Zeit unter die ſtreuge Aufſicht bar-Regierungen flslite; [HR in den Staaten
an —8 Weimar, und Bürtemnberg, die, Temier durch Die: Lanba werke lung Sörunlichauf«
n war⸗
Die Ereigniſfe des J. 1820 Hatten einen. wichtigen Einfluß auf daß Zeitungt waſen in Deutſch⸗
land. Während, die amtlichen und halbamtlichen Vlätter vorſichtig bay, Nelungen felgten,
welche die hoͤhere Yolitik ihnen· vorſechrieb, entſtanden ſchnell, beſonders in, Süpbuniakaud:. Der
tungen, die den kühnen Sinn, ber: ſich vor 1819 geregt haste, weit überboten. Dahin ‚arhäxen
„Rheinbalernſ und darWebboge von Siehenpfeiffer, „Der Dochmächter‘ von Lohbauer, Die
dentſche Trihune! von Wirth, bes kräftige, Bairiſche Volksblatt” venEiſenmann in Würz
burg, dasHeſſiſche Volkoblatz von E. &; Hoffmann, „Der Wänter- am Rhein! und endlich
„Der Brsifinnige‘‘ von⸗Notte und Welcker. Neben ihnen traten. anderq gemaßigter· auf, wie
z. Dr die, Deutſche Nationalzeitung“, welche von Viemtg in; Vraunſchweig aagrambes und von
Dermel. geleitet wurde, Die Gegyer ber Bewegungkpartei ahbar erhoben bald, beſonders feit
1831, auch ihre Skagen, unter⸗welchen daß von, Jarcke: harausgegebeva en politiſch⸗
Wochenblatt! durch feine Dyuekue beſtach. Die, „Manheimar Baitung‘‘ und die alte Br
farter Oberpoſtameteituva! fingen — ** neuem Muthe zu ſprecain Neon 183
wurde durch einen Hundeßtagheſchluß eine: fiuenge Aufſicht ũber bie Zaitungten Zeite und —*
ſchriften den. Regienungen empfohlen. unh: zugleich die narkıdem Preßgtſettvom 20. Gent.
1819 beſtehende Nundestagaconm iſſion ergonzh melde · ihr · Gutachten⸗ uher, Echriften geben
ſollte, die unter den -Dpuptkefiyammmadened: Geinkeh begriffen find- und, wenn diefcihen „der
Würde bes. Bundes, der Sichenheit dan einzelnen Bundeſ ſtaaten ober. ber: has det Frie
dens und ber Ruhe in Dentſchlaudizuwidarlaufen“, van.der Bunhesperiaygmlmg unerdröckt
werden ſollen. Dies traf beld:darauf. die, in EToßhnrg eufchienene, Zejtſchrift Arat. cauim
tionelle Deutſchlandt Ginige Ragierungen ſuchten durch aitungen, bie Nolks ſtimmung zu
leiten, und zu dieſem Zweckt benugterbie bairiſchedie in Marian: von Gntta gegründete Zeit
ſchrift „Das Inlande altreimhalhaffaielieh Blake wiegmüntembarailhr. die Sangann Zei
tung” und ſpäter dan Shwaͤhiſchen Reur Die baiy. Regierung gründete: ap: eine von
Dr. Andner herausgegebene. Stagtszitumg, die aber nach kurzes Dauer erleſch Unen Dem
Schutze · der Regieruug entſtand ſpaͤt ex die, Danvareriſche Aritung‘', biz anfangs Dark: beiougte,
die aber in Folge der Gzaignifienemd 837 ihren erfien Rehacieur und bamis al Bedentung ver-
lor. In Sachſan, vos ſeit alter Zeit ncben-barı„Reipsiger:Reitung‘, einem Menppol des Bis,
fein Blatt Nachrichten ũber aus waͤrtige Molitik ansehen burfta, ohne ſich ait jener über eine
Eusfchädigungsfusme zu vergligen, entamd.1831., Das Vaterland‘, ein röfonnirendes
Blatt, das anfangs: mus vaserlöndifche Iusereffen beſprach, ſeit 1813 auf alle beutfche Ver⸗
hältniffe ſich ausdahnte, 1834 aber einging, Dio meiſten der obengenannten freifinnigen Bär
ter wurden ſeit 1832 unterdrückt. und die Verfügung des Bundestags überall zu Ausführung
gebracht, daß kein Derauägeber einer unterdxũckien Zeitſchrift binnen einer Zeit von fünf Jch-
Zeitungen und Zeitſchriften 448
im ganzen Gebiete des Deutſchen Bundes. ein anderes periabiſches Mlatt leiten dürfe. Die
— iefhräntungen zeigten ſich bald. In Würtemberg ˖wurde ſeit 1832 eine beſon⸗
dexta Derginfligung: ber. Regierung zur Vedingung der Herausgabe einer politiſchen Zeitung
Awaacht; und bartırie-in ambem Ländern dem Unternehmer ˖ einer Zeitung eine Caution · abge⸗
fpdart,; Andere Sigaten, z. Bi Sachſen, machten die Erſcheinung⸗auer Zeiffcpriften, mit Aut
aha don rein wiffenſchaftlichen, gleichfalls von Euncefionen-abhängig. Rad) einem Bundes ·
befchluffe vom 5. Juli 1835 follen. auch die; im Auslande ˖ erfiheinenden- Zeitſchriften in. ben
Vundesſftaaten ohne. vergängige Erlanbniß der Hegimeungen ‚nicht - auögegeben werben. Irof
dieſer Beichräntungen hob ſich doch badı deutſche Zeitungsweſen mit dem zunehmenden Sinne
für. öſſentliches Leben und‘ eimigen .feit. 1840 eingetvetnen Eenfurerleichterungen von Jahr zu
Jahr. Während eine Anzahl älterer Zeitungen, wie ber „Nürnberger Eorreſpondent“, die
„Grankfurter Oberpoſtamts zeitung und daB. Frankfurter Journal“, ſich dadurch erhielt und
nosh.erhält, daß fie reichhaltigen Stoff in kürzeſter Zeit bringt, entſtund eine Menge neuer Zei-
tangen.mit.mehe.ober weniger beſtimmter Farbe: Während die „Manheimer Abendzeitung“
unter. Saruve, bie „Rheinifche Zeitung”, in Hötn 1844 errichtet, aber bald unterdrückt, und die
„Sãchſeſchen Baterlandeblätter”, ſeit 1841, 1845 unterdrückt, in verfchtebenen Abſtufungen und
Richtungen. dem äuferften Biperalismus angehörten, vertrat der vom Profeſſor Bercht in Köly
redigirte „Rheiniſche Beobachter”, wie es fcheint, nicht ohne Unterftügung der preuß. Regierung
feit:1843 errichtes, dasrabſolute Königthum auf-ofe ungefchtdite Weiſe. Einen umfafendern
und freiern Standyunkt nahm bie „Deutfehe Allgemeine Zeitung” ein; von der Buchhandlung
VBrockhaus im Oct. 1837-al6:, Leipziger Allgemeine Zeitung‘ gegründet, vertrat fie einen gg»
mäßigten Liberalismus und dad Freihandels ſyſtem und. war beſonders in Norddeutſchland fehr
verbreitet. Zu den.bebeutendern, entfehieben liberalen Blattern ber Zeit vpr bem Mär; 1848 ges
hörten die.„„Bremer- Zeitung“ und-die „Weſerzeitung“, besgfeichen bie „Kölnifche Zeitung‘ ; for
chatififchen Intereſſen huldigte die „Trierer Zeitung” ; Hauptwerkzeug des ultramontanen Kar
tholicismus war bie zu Koblenz erfcheinende „Rhein und Mofelzeitung”. Nicht ohne Bedeu,
tung blieb: die feit- Jali 1847- in Heidelberg unter Gervinus' Hedaction begonnene „Deutſche
itung’‘ als Bertreterin des-vwiffenfchaftlidh begründeten Conſtitutionalizmußs. Als eigenthüům/
liche Orſcheinung iſt endlich noch die Hifdburghäufer, „Dorfzeitung” zu nennen, die durch, ihre
gebrängte, witige, auf das unmittelbar Praktiſche gehende Darſtellung einen nicht, geringen
Einfiaf in weiten Kreifen übte.
Eine bedeutende Ummandelung in ber deutfchen, Journaliſtik, ſowol in.ber politiſchen mie faſt
noch mehr in der literarifchen, hat die Bewegung des I. 1848 hervorgerufen. Die. im März
allenthalben plöglich freigewordene Preſſe rief eine Unzahl theils rein politifcher Zenbenzhläg
ter hervor, theils wurden aus bloßer Speculation eine Menge politifcher, und, upterbaltenber
Yrätter begonnen; allein der größte Theil derfelhen ging theild aus, Mangel anhan zu. einem
periodifchen Unternehmen erfobprlichen geiftigen und materiellen Kräften zu, Grunde, theils
mußten fie den feit 1849 in den verfchiedenen deutſchen Stagten publicirten —— ——
andern Maßregelu ber Regierungen unterliegen, Mehr aber, noch als dieſe äugein mſtaͤnde
wirkten für ben Untergang diefer —S muͤhleriſchen Schmähhlätter. der: ſich imwa
mehr verengernde Leſerkreis und der. Uberdruß an hohlen und wüſten Dhrafen, Dervochlaͤßt
fich nicht leugnen, daß der Rolitiſche Jejtungs ſuil jet A BAR an, hanakterifiicher Beſtjmwitheit, uv
Schärfe gewonnen und ſich ſelbſt eine gewiſſe Terminolggje. für die Behandlung nalitiicher Are
gen gebildet hat. Reichen auch, die. Leitaxtikel. ber deutſchen. Zeitungen, noch nick ram die enale
sehen, fo iſt doch auch in dieſer Beziehung, hereitß, van. hen. heflgum Blättern manghrh Kürhkiee
geleiftet morden., Bon, Brdeutenhern poltifihen Bläftern, Dievar,1 BAR.befkanben, faraptem ji
nur wenige, ſobald fie. Privatunternehnungen auarın, bichauf die Gegenmart erhalten; dagtaen
ift eine bedeutende Anzahl anderer,an bie Sielle derfelhen getneten. Wenn ſchan vorher keine ir⸗
gendwie bedeutendere Stadt exiſtirte, die nicht auch Ihr, bez, Politik, feigg, Spalten uhr: oßsE
minder öffnendes Zora) --und Intelligenzblatt gehaht; hätte, ſoh iſſ die Nahl dox loptern
Bedürfniß, beſonders in ben Durch Induftrie, Handel und ſenbahn. belebtern Sheilen Qeutſch
lands, nur geſtiegen und immer noch in raſchem Warhpthum begriffen, Jack gibts z. B. in
Preugen und Sachſen, ſelbſt Dörfer, die ihr eigenes. Alan baßten. Sum 1840. erſchienca
1551. deutfche Zeitungen, Intelligenz und Bolksblägter, abgerechnet. bie vielen fizeng wife
ſchaftlichen und Titerarifchen Zeitfeeiften. Davon kamen auf Anhalt 10, Baden 5b, Baicen
127, Braunſchweig d, Bremen 18, Fraukfurt 17, Hamburg 24, Hammover 32, Heſſen⸗ Darn
Made 34, Heſſen-Hourhurg, A. Qeſſtn Kaffel 23, Hahemankleand, DolfteimniT, Zappa 4 Ei
| 4 Beitungen und Zeitſchriften
4, Zupemburg 4, Medienburg 22, Naſſau 13, Ofdenburg 8, Öftreich 74, Preußen 632,
NReuß 11, Rußland 14, Sachen 183, ſächſ. Herzogthümer 44, Schaumburg-Rippe2, Schles⸗
wig 5, Schwarzburg 12, Schweiz 77, Walde 2, Würtemberg 67. Obgleich von biefer Summe
viele noch im Laufe des 3. 1850 ihr Ende erreichten, fo ift doch biefelbe feitdem noch gefliegen,
fodaß für Anfang 1855 die Zahl ſämmtlicher in Deutfchland,, den ruff. Oftfeeprovingen und
ber Schweiz erfcheinenden beutfchen Blätter auf 1600 angefchlagen werben kann, wozu ned
etwa 860 wiffenfchaftliche und literarifche Zeitfchriften kommen.
Im gefammten Kaiferftaat Oftreich zählte man Anfang 1846 nach Abzug von 18 Anzeige
blättern u. dgl. 155 Zeitungen und Zeitfchriften, worunter 41 politiſche Blätter, die ihren Stoff
meift aus der officiellen „Wiener Zeitung” und den „DOftreichifchen Beobachter” Ihöpften. Die
Preßfreiheit, welche 15. Marz 1848 mit der Conftitution bewilligt wurbe, hatte die Sournaliften
in der That überrafcht und bie literarifchen Zuftände Oſtreichs zeigten fich in einer merfwürbigen
Naiverät. Unter der großen Anzahl von Blättern, bie im Laufe ber erften Wochen gegründet
wurden, find etwa nur die „Eonftitution“, der auf dem Rande vielverbreitete „Breimürbige“, die
„Senflitutionelle Donauzeitung“, die von Schwarzer bis zu feinem Eintritt in das Minifterlum
geleitete „Allgemeine oftreichifche Zeitung”, der „Volksfreund“ Joſeph Rank's, bie „Volkstri⸗
bune” Meffenhaufer’s, das Garicaturblatt „Wiener Charivari”, der „Radicale“ Becher’s, an
dem Jellinek lebhaften Antheil hatte, und Engländer's foctaliftifche „Reform“ zu nennen. Seit
ber Befiegung des wiener Aufſtandes im Dat. 1849 hörte die freie Bewegung der Preffe auf.
Die bedeutendften der zu Wien erfcheinenden Zeitungen find außer der officiellen „ZBiener Zei»
tung”, die feit 1700 erfcheint, die „Oſtdeutſche Poſt“, 1848 von Kuranda gegründet, feit Sept
41851 Eigenthum ber Gerold'ſchen Buchhandlung ; die „Preffe”; ber „Wanderer“, rine Fort
fegung bes ehemaligen „Oſtreichiſchen Beobachter” und ber an deſſen Stelle getretenen „Allge⸗
meinen öftreihifchen Zeitung” ; die „Donau“, 1855 von Schwarzer begonnen, und der von
Warxrens geleitete „Wiener Lloyd’, der jedoch im Spätjahr 1854 ein Verbot erfuhr, worauf
bie „DOftreichifche Zeitung” feit 1855 an feine Stelle trat. Bon Intereffe wegen der Krieg
berichte ift auch die „Militärifche Zeitung” (Teit 1848, bis 1854 „Dftreichifcher Soldatenfreumb”
genannt). In den Kronländern erfcheint Beine Zeitung von weiterer Bedeutung; bei der immer
deutlicher hervortretenden Eentralifationder Geſammtmonarchie finden die wiener Blätter überall
hin Verbreitung. Erwähnung verdient in Böhmen das „Konftitutionelle Blatt”, ſpäter „Gorre
fpondenzblatt” genannt, das aber die Concurrenz mit den wiener Blättern nicht ertragen fonnte
md einging. But redigirt ift zu Budweis ber „Anzeiger für das ſüdliche Böhmen”. Eonft find
bie „Brünner Zeitung” und ber gut geleitete „Pefther Lloyd’ zu nennen. Die „Graher Zeirung”,
die „Lemberger Zeitung”, die „Linzer Zeitung”, die „Peſth⸗Ofener Zeitung“, die „Pres burger
Zeitung“, die „Prager Zeitung”, die „Raibacher Zeitung” und die „Lriefter Zeitung‘ Haben faſt
nur ein provingielles Intereffe. Bei der aus verfchiedenen Nationalitäten zufammengefegten Be
völferung des Kaiſerſtaats kann es nicht befremden, wenn auch zahlreiche Zeitſchriften in ital,
magpyar., ſlaw. u. ſ. w. Sprache erfcheinen. Doch gewinnt die Zahl der deutfchen immer mehr das
Übergewicht. Während 1846 von 155 periodifhen Schriften nur 67 in deutfcher Sprache er-
ſchienen, gab es Anfang 1855 unter 274 periodifchen Druckſchriften bereits 148 deutfche. Yon
diefer Geſammtſumme erfchlenen an politifchen Zeitungen in deutfcher Sprache 15 in Wim, 26
in den Provinzen, zufammen 41; in czechiſcher Sprache 3; in polnifcher 2; in ferbifcher 2; im
kroatiſcher 15 in dalmatiſcher 1; in rutheniſcher 15 In italienifcher 17, barunter 2 ſũdtiroliſche
Beitungen und 4 dalmatiſche; In ungarifcher 25 in romanifcher 2; in armenifcher 15 zufanımen
in nichtdeutfchen Sprachen 32, wovon 27 in den Provinzen herauskommen ımd 5 in Wien, nam
lich 1 czechiſche, A ferbifche, 1 rutheniſche, 1 italienifche, 1 armenifche. Die Zahl der politifchen
Beitungen in ber ganzen Monarchie beträgt alfo 73; davon fallen auf Wien 19, auf Linz 1, auf
Salzburg 2, auf Grad 1, auf Klagenfurt 1, auf Laibach 1, auf Trieſt 3 (1 deutfche, 2italienifche),
auf Prag 4 (3 deutſche, 1czechiſche), auf Brünn 3 (2 deutſche, 1 czechiſche), auf Olmüg 1, auf
Troppan 1, auf Innsbruck 4 auf Perth 4 (2 deutſche, 2 magyarifche), auf Presburg 1, auf
Agram 2 (1 deutfche, 1 Proatifche), auf Temesvar 1, auf Neufag 1 (ferbifche), auf Hermann
ſtadt 2 (1 deutſche, 4 romanifche), auf Kronftadt 2 (1 deutfche, 1 romanifche), auf Lemberg 2
(A deutfche, 4 polnifche), auf Krakau 4 (polnifche), auf Mailand A (fänımtlich italieniſch), auf
Brescia 2, auf Como 1, auf Verona 1, auf Mantua 1, auf Pavia 1, auf Venedig, auf Trient
und Roveredo je 4, auf Zara 2 (1 flansifche, 1 italienifche). An nicht politifchen Zeitungen er⸗
ſchienen 1855 in deutfcher Sprache 107, darunter 45 in Wien, 62 in den Provinzen; im czechi⸗
ſcher Sprache 7, in pofnifcher 5, in ruthenifcher 1, in ſloweniſcher 3, in Eroatifcher 3, in italienie
ſcher 59, in ungarifcher 43, zuſammen In nichtbeutfchen Sprachen 91. Es gibt alfo in ſtreich
Zeitungen und Zeitfchriften 481
198 Zeitungen nicht politifchen Inhalts. Die lithographirten und autographifchen Correſpon⸗
denzen und die Landesgeſetzblätter find dabei nicht eingerechnet.
Wol nirgends mehr erhielt die Preffe 1848 ein völlig neues Leben ale in Preußen, wo fie
ſchon vorher in Folge der Verheißung der Eonftitution eine Anregung empfangen hatte. Die
bereit6 1847 von ©. Julius begründete „Zeitungshalle” (erlofchen im Nov. 1848) erhob fi
während ber eigentlichen Bewegung zu einem einflußreihen Organ. Überhaupt [hoffen in Ber-
Iin, dem Mittelpuntte des politifchen und geifligen Lebens, eine Unzahl von Blättern aller
Farben auf, nicht minder in den politiſch belebtern und erregtern Provinzen. Unter den mehr oder
minder radicalen Blättern war der „Krakehler“ (18. Mai 1848 bis Jan. 1849), redigirt von
Bettziech⸗Beta, eins der einflußreichften und aufregendften. Nächſt Berlin waren es nament-
lich in Schlefien Bretlau, in Rheinpreußen Köln, im Herzogthum Sachſen Erfurt und Dalle
und in Oftpreußen Königsberg, wo die radicale Preſſe in vollfter Blüte ftand. Doch wurde eine
folche bereit6 durch die Prefgefege von 1849 auf die Dauer unmöglich gemacht, weil unter An-
derm die gefoderten Sautionen nur das Gebeihen einzelner größerer Blätter geftatteten.
Die wichtigften find zunächft zu Berlin, außer den zwar fehr verbreiteten, aber in politifcher
Beziehung nur wenig bedeutenden „Berlinifhen Nachrichten’ oder ber „ Spener’fchen Zeitung‘
(1854 mit .7600 Abonnenten) und der „Berliner privilegirten Zeitung“ oder „Voß'ſchen Zei⸗
tung” (mit 12200 Abonnenten): die „Neue Preußiſche Zeitung‘, gewöhnlich „Kreuzzeitung“
genannt, feit 1. Juli 1848 erfcheinend (5000 Abonnenten), das wichtigfte Organ der reactionäe
ren Partei; der „Preußiſche Staatsanzeiger” oder bie fogenannte „Adlerzeitung“, 1819 von
Stägemann gegründet, früher (feit 1845) eine Zeit lang „Allgemeine Preußiſche Zeitung” be-
titelt, das Drgan ber Regierung. Die übrigen großern Zeitungen find die „Zeit“ mit 6600,
die „ Nationalgeitung” mit 5400 Abonnenten, die „Volkszeitung“ und das „Preufifche Wo⸗
Henblatt”. Bon den Provinzialgeitungen ift vor allen die fehr verbreitete „Kölniſche Zeitung” zu
nennen ; nächft derfelben zu Königsberg die „Königsberger Zeitung” und die „DOftdeutfche Zei⸗
tung”, zu Köln die kath.hierarchiſche, Deutſche Volkshalle“, zu Aachen die „Aachener Zeitung”,
zu Breslau die „Breslauer Zeitung”, die „Schleſiſche Zeitung” und die „Neue Oberzeitung”.
In Baiern lag die politifche Preffe vor der Märzrevolution vollkommen darnieder. Die ein⸗
jigen bedeutenden Blätter waren die augsburger „Allgemeine Zeitung” und bie ‚Neue Münche⸗
1er Zeitung”, deren ſich die Regierung ald Organ bediente. Die Heinern Blätter, welche fi
ur auf Rocalangelegenheiten und ben Abdrud der genannten Zeitungen befchränten mußten,
varfen fich 1848 einem rohen Demokratismus in die Arme, der jedoch in Folge des Preßgeſetzes
ron 3850 verſchwand. Obgleich im San. 1851 in ganz Baiern 58 politifhe und 420 nicht»
yolitifche Blätter (die meiften in Franken und der Rheinpfalz, weniger im eigentlichen Baiern
nd ber Oberpfalz; in München 12) gezählt wurden, fo beftehen doc, etwa nur fünf größere
Blätter, bie im Rande kaum in mehr ald 8000 Eremplaren verbreitet find. Außer den
eiden genannten dürften etwa nur zu Nürnberg der „Correfpondent” und der „Frän⸗
ifche Kurier” (eine der älteften deutfchen Zeitungen), zu Würzburg bie „Neue Würzbur-
‚er Zeitung‘ und zu Speier die „Neue Speierfche Zeitung” zu nennen fein. In Würtemberg,
»o 1852 überhaupt 149 periodifche Blätter, darunter allein 93 politifhe (in Stuttgart 10,
In 40, Reutlingen und Eßlingen je 3) erfchienen, ift der „Schwäbifche Mercur“, wie ſchon
or 1848, noch gegenmärtig das gelefenfte Blatt (9000 Abonnenten). Der noch beftehenbe
Stuttgarter Beobachter” war vor den Märztagen Organ der Kiberalen, dann des Miniftes
iums Römer und ftand der „Ulmer Chronik”, dem Blatte der Hofpartei, gegenüber. Sonft
nd noch das „Stuttgarter Journal“, der „Ulmer Landbote” und die „Ulmer Schnellpoft” ziem-
ch verbreitete Blätter. Im Königreich Sachſen war vor 1848 die „Leiziger Zeitung” wie
och gegenwärtig das amtliche Blatt; daneben wirfte als unabhängiges Blatt im Sinne des
ſonſtitutionalismus die, Deutſche Allgemeine Zeitung”, die, feit 1850 unter der Nebaction von
yeinrich Brockhaus, ihren Tendenzen treu geblieben und außerhalb Sachſen befonders auch im
nittlern und nördlichen Deutfchland verbreitet ift. Die Revolution felbft rief im ganzen Lande
ne Unzahl von Blättern und Blättchen ins Leben, die meiften derfelben jedoch in Leipzig, wo
ter Anderm Blum's „Waterlandsblätter” wieder auftauchten. Große Verbreitung erlangte
nter den radicalen Schmähblättern das „Leipziger Neibeifen”; die von Diezmann begrün«
ete, von Ottinger fortgeführte „Neue Leipziger Zeitung‘‘ hörte 1850 auf, in welchem Jahre
berhaupt die Prefbeftinmungen der demofratifhen Preffe ein Ende machten. Außer den
eiden genannten leipriger Blättern find no das „Dresdner Journal’ als Regierung
Gonv.-Ler. Behnte Aufl, XV. 2. 31
Bu u - mb
482 Zeitungen und Zeitfhriften
blatt, die „Freimüthige Sachfen-Zeitung” als Organ ber ‚äußerfien Rechten und bie „Sach
ſiſche EonftitutionelleZeitung” zu Dresden in ihren Kreifen von Einfluß. Die Zahl ſämmt⸗
fiher in Sachfen erfcheinenden periobifhen Blätter betrug 1848 245, 1849 270, 3850
204, 1851 202; bis 1855 war bie Zahl wieder auf etwa 220 gefliegen. In Sannover
kamen Anfang 1854 überhaupt 89 Blätter heraus, von denen 17 befonbers für yoliti«
ſche Neuigkeiten (davon drei in ber Hauptftadt und drei in Hübesheim) beftimmt, bie übr-
gen 72 (morunter 23 in der Hauptftadt) nichtpolitifhen Inhalts waren. Die bebeutendfien
Zeitungen find die „Hannoverſche Zeitung” und die „Rorbbeutfche Zeitung”, beibe in der ‚Haupt
ſtadt erfcheinend. In Braunſchweig ift bie im Vieweg'ſchen Verlag erfeheinende „Deurfde
Meichözeitung” hervorzuheben. In Baden waren vor 1848 außer der „Karlsruher Zeitung“
die Regierungsintereffen auch durch das „Manbeimer Abenhblatt” und ben 1847 zu Konftanz
begründeten „Tagesherold“ vertreten; confervativ war die „Kreiburger Zeitung”, reactionär bie
zu Freiburg erfcheinende „Süddeutfche Zeitung”. Bon den Blättern der Oppoſition huldigte
feit Anfang 1847 das „Manheimer Journal” dem Jufte-Milien, während die „Oberrheiniſche
Zeitung” zu Freiburg einem ftrictern Liberalismus das Wort fprach. Über legtern hinaus gingen
die „Manheimer Abendzeitung”, die 1849 den Zitel „Badifcher Mercur” annahm, und die von
Fickler redigirten, in Juli 1849 erlofchenen konſtanzer „Seeblätter”. Nicht geringen Einfluf
aufdie Märzrevolution und ihre Folgen in Baden hat die liberale Preſſe, Darunter befonders
Struve's „Deutſcher Zufchauer” (feit San. 1847) und Mathy's „Rundſchau“, geübt; nad
dem März wurde von der revolutionären Partei faft die ganze Preſſe beherrſcht. Die oben
erwähnte „Deutfche Zeitung” fiedelte im Det. 1848 nad) Frankfurt über, Wo fie 1849 erloſch
Gegenwärtig find die bedeutenbften Blätter Badens bie „Babifche Randeszeitung”, die „Karld-
ruher Zeitung”, die „Sreiburger Zeitung” und das „Manheimer Journal”. In Kurbeſſen find
unter ben zahlreichen, durch Bewilligung der Prefifreiheit 6. März 1848 bervorgerufeuen Bilät-
tern nur die conftitutionelle „Neue Heſſiſche Zeitung”, die, won Otker begründet, im Dec. 1850
einging, fowie die radicale „Horniſſe“, nächftdem ber fireng kirchliche „Heſſiſche Bellsfreund‘
Vilmar's zunennen. Ein reges Leben entiwigelte die bemofratifche Preſſe befonders zu Haneu
Bon bedeutendern Blättern hat die Reaction in Kurbeffen nur etwa bie „Kaſſeler Zeitung
übrig gelaffen. In Heffen-Barmftadt, wo fchon vor 1848 befonders in Rheinheffen die Preſſe
fich lebendiger zeigte, hatte die demokratiſche Partei in der „Mainzer Zeitung” ein entfchiedenet
Drgan, welchem das ultramontane „Mainzer Journal”, auf kurze Zeit auch die conflitutionelle
„Rheiniſche Zeitung” gegenüberfiand. Den gemäßigt Freifinnigen gehörte die „Freie Heſſiſche
Zeitung”, ſowie zu Gießen „Der jüngfte Tag”, der ſich als „Heflifcher Zufchauer” bis 1850 er-
hielt. Bon ben jegt erfcheinenden Blättern find nur bie „Darmflädter Zeitung” und das „Main
zer Journal” von einiger Bedeutung. In Holftein und Schleswig war beſonders ba& „Kieler
Correſpondenzblatt“, feit 1827 von Theod. Dishaufen redigirt, als Organ der demofratifchen
Richtung von Wichtigkeit. Während des Aufftandes wirkte es in patriotifchem Intereffe, wie auch
die „Neuen Kieler Blätter” unter Redaction von Lorengen und das „Schleswig = holſteiniſche
Wochenblatt”, herausgegeben von Falck. Bon vorübergeheuder Bedeutung waren eine Anzahl
mehr oder minder radicaler Bläster, welche die Märzrevolution befonders zu Altona bervor-
gerufen hatte. Die feit der Beſiegung bes Aufftandes fehr beengte Preffe ift gegenwärtig in
Holftein von größern Blättern nur durch den „Altonaex Mercur“, neben welchem die „Alto
naer Zeitung” befteht, durch das fehr verbreitete „Igehaer Wochenblatt” und das Fieler „Korte
ſpondenz⸗ und Wochenblatt” vertreten. In Schleswig erfcheint feit 1853 die „Flensburger Ze
tung” wieder. In den fähf. Herzogthůmern hat die Nreffe feine meitergreifende Bedeutung : feit
ber „Allgemeine Anzeiger ber Deutſchen“ zu Gotha 1851 eingegangen, gelangt nur die Hildburg-
häufer „Dorfzeitung” über die Landesgrenzen hinaus. Innerhalb derſelben bürften die „Kobur-
ger Zeitung”, die „Bothaifhe Zeitung” und „Deutfchland” nebfi der, Weimariſchen Zeitung” zu
Weimar die gelefenften fein. Das J. 1848 hatte in allen Herzogihümern, wie bem ſawar zburg,
reuß. und anhalt. Ländern, fowie in ben übrigen kleinern deutſchen Staaten eine ziewliche An-
zahl meift demokratiſcher Blätter hervorgerufen, welche jeborh ſeit IS50 Faß ohne Ausaaheıe
den Regierungsmaßregeln und den Wuıftänden erliegen mußten. Eigentliche Zeitungen find in
Reuß nur die „Geraiſche Zeitung“, in Anhalt hie Köthenſche Zeitung” und bie „Deilauer 3er
tung”. In Medlenburg ift die früher demokratiſche „Meftoder Zeitung” — 1710)
namentlich im öftlichen Theile des Landes fehr verbreitet; näͤchſt ihr hat die 1848 begründete
„Medienburger Zeitung” zu Schwerin die meißfen Yhannenten. Der, Narddeutſche Gorzeipen
dent” ward im Sinne der berliner „Rreugzeitung” redigirt. In Ofdeyburg ift die „Dibenburger
Zeitungen und Zeitfegriften 483
Seitung” das Hauptblatt. Während mehre Heinere deutſche Staaten gar Feine eigentliche Zei⸗
tung befipen, zeigt fich die politiſche Preffe inden Freien @tädten Srankfurt, Bremen und Ham-
burg in einem günftigern Licht. Das „Frankfurter Journal” (neben welchem noch die „Poſtzei⸗
tung” beftebt), die gut redigirte „LBeferzeitung” zu Bremen, die „Börfenhalle” und der „Ham-
burger Correſpondent“ gehören zu den gelefenften und verbreitetfin Blättern Deutſchlands.
Die frühern deutſchen Zeitfegriften nahmen ſich zum Theil die ättern engl. Wochenfchriften
zu Mufiern, wie die „Bremer Beiträge” von Ebert, I. U. Cramer u. U., feit 1741, in denen
Klopſtock zuerſt auftrat. Bedeutender wirkten ber „Deutfche Mercur”, 1773 von Wieland ge-
gründet und fpäter von ihm in Verbindimg mit Bertuch, Reinhold und bis 181N mit Böttiger
herausgegeben; das „Deutiche Mufeum”, 1776 von Dohm und Boje gegründet und von dem
Letztern ald „Neues deutſches Muſeum“ bis 1791 fortgefegt; Archenholz' „Länder und Völ⸗
kerkunde“, von 1782 — 91, wo fie den Zitel „Minerva” annahm, und fpäter von Bran fortge-
fept, aber immer mehr auf Politik befchränte, ſich bis heutigen Tag erhalten bat; die „Berliner
Monatsſchrift“, 1783 von Biefter umd Gedike begonnen und lange eine einflußreihe Stimme;
die „Thalia“, 1784 non Schiller begrimbet, der bald nad) dem Aufhören derfelben in Berbin-
dung mit Goethe u. A. die „Horen“, 1795— 97, herausgab. Das „Athenäum“ fuchte den
äftyetifchen Anſichten der Brüder Schlegel und ihrer Freunde Eingang zu verfchaffen und
athmete einen frifehen, lebendigen Geiſt. Diefruhern Monats ſchriften wurden nach und nach faft
ganz von den unterhaltenden Tageblättern verdrängt, die mit der 1801 von Spazier in Leipzig
gegründeten „Zeitung für die elegante Welt“ begannen, welche fpäter von Methuſalem Müller,
1835 — 34 von H. Raube, dann kurze Seit von X. von Binzer, feit 1835 von Kühne, fpäter
nochmals von Laube redigirt wurde, dann eine Zeit fang als „Mode“ erfchien, fpäter aber wieder
den alten Zitel annahm und noch 1855 fortdauerte. Diefem Blatte, das bei feiner Entftehung
zur Schule der Brüder Schlegel ſich hirmeigte, ſeßte Kogebue mit G. Merkel den „Freimüthi⸗
gen’ entgegen, ber fpäter von A. Kuhn, darauf, mit dem „Berliner Converfationsblatt” verei-
nigt, von ZB. Alexis herausgegeben wurbe, bi8 1836 bie vereinigten Blätter fich wieder trennten
und dann beide zu erfeheinen aufhorten. Die bresdener „Abendzeitung” entftand 1817, nach⸗
dem ein früheres gleihnamiges Blatt nur von 18067 fortgebauert hatte, und wurde zuerft
von 8. Kind und Winkler (Theodor Heil), fpäter von Zepterm allein, feit 1844 von R. Schmie⸗
der herausgegeben, mit einem literarifch-Britifchen Beiblatte, einem fachreichen „Artiftifchen No⸗
tizenblatt“ von Böttiger, von 1826— 28 mit einem örtlichen Blatte „Einheimiſches“, 1829 mit
einem botanischen Blatte „Blora” verbunden, bie aber meift fhon früher eingingen und feit 1836
blos durch ein „Riteraturblatt” erfegt wurden. Sie erfcheint noch jetzt unter Gleich's Redaction
zu Leipzig. Der „Gefellfchafter”, ſeit 1816 vom Profeffor Gubig in Berlin Herausgegeben, ge»
hörte eine Zeit ang zu den verbreitetften Unterhaltungsblättern. Die von Bäuerle 1808 ge
fliftete „Allgemeine Theaterzeitung” zu Wien dauert fort ; die feit 1816 von Schickh geleitete
„Zeitſchrift für Kunft, Literatur und Mode”, ebenfalls zu Wien, erhielt fich bis in die neuere
Zeit; dagegen mußte das 1821 von Kaftelli gegründete „Wiener Converfationsblatt” 1822 wie-
der aufhören. Das von Muͤllner 1826 begonnene „Mitternachts blatt“ wurde nach feinem Tode
von Niedmann unter dem Titel „Mitternachtögeitung” fortgefegt. Die von Kind und Krauf-
ling 1826 in Dresden gegründete „Morgenzeitung”, mit Beiträgen von Xied, hörte 1828 mie»
der auf, wie der ebendafelbft feit 1819 erfchienene, zulegt von Philippi redigirte „Mercur”
1831. Der von Andre feit 1R09 geleitete reichhaltige „Hesperus“ erlofch 1851. Lewald's „Eu⸗
ropa”, die erft in Stuttgart, dann in Karlsruhe erfchien, Baufte und redigirt feit 1845 Guſt.
Kühne zu Leipzig. Dauernder und gehaltvoller al alle die genannten Blätter ift das 1807 von
Gotta gegründete „Morgenblatt”, welches nacheinander L. F. Huber, Haug, Nüdert, Therefe
Huber und Hauff leiteten ; fpäter wurde es mit einem feit 1820 von Schorn, nach deffen Tode
von Kugler und Ernſt Förfter geleiteten ‚ Kunſtblatt“ und einem „Literaturblatt”, das bis 1826
Müllner, feitdem W. Menzel rebigirte, verbunden. Unabhängig bavon hat der Letztgenannte
41852 fein „Riteraturblatt” wieder begennen. Das von Hormayr 1810 in Wien gegründete
„Archiv für Befchichte, Statiſtik, Literatur und Kunſt“, fpäter von Buchholz herausgegeben,
bildete eine reichhaltige Sammlung. Eins der anziehendften Unterhaltungsblätter ber neueften
Zeit ift das von Eotta gegründete, von Widemann (geft. 1854) herausgegebene „Ausland“. Auch
das ſeit 1832 erfcheinende „Magazin für die Literatur des Auslands” unter der Nedaction Leh⸗
mann’s hat fich verdiente Auszeichnung erworben. Der von E. Duller anfangs In Verbindung
mit Gutz kow zu Frankfurt a. M. herausgegebene „Phönig” mußte aufhören und benfe der von
— u . . ar
484 Zeitungen und Zeitſchriften
Theodor Mundt geleitete „Literariſche Zodiacus“. Ungleich gehaltreicher, mit vorzugsweiſe publi-
ciſtiſcher Richtung, ſind die „Grenzboten“, 1842 von Kuranda begonnen. Die für das größere
Publicum beſtimmten wohlfeilen Zeitſchriften wurden ſeit 1833 nach Deutſchland verpflanzt
Unter den für das Volk berechneten Zeitblättern gewannen ein großes Publicum der 1791 von
Beder in Gotha gegründete „Reichsanzeiger“, der nach der Auflöſung des Deutſchen Reicht
unter dem Titel „Allgemeiner Anzeiger ber Deutſchen“ fortgefegt und 1830 mit der 1800 ge-
gründeten „Nationalzeitung der Deutfchen” vereinigt wurde. Die Reihe ber fogenannten illu⸗
ftrirten Zeitfchriften eröffnete das nach engl. Vorbilde 1833 von dem Buchhändler Boffange in
Leipzig gegründete, fpäter an die Firma F. U. Brockhaus übergegangene „Pfennig Magazin“,
dem fich eine Menge ähnlicher Zeitfchriften anfchloß, die aber zum Theil wieber eingegangen
find, während das zuerſt genannte Blatt noch 1855 erfchien. Die wdichtigfte und umfangreichfte
illuſtrirte Zeitfchrift ift die 1844 von Weber begründete „Illuſtrirte Zeitung“. Nach Urt der
franz. und engl. Neviems begann man auch in ben legten Decennien umfaffendere Abhandlun⸗
gen in vierteljährigen Heften zu vereinigen. Das bebeutendfte Journal diefer Art bildet noch
immer bie 1837 von Cotta begründete „Deutfche Vierteljahrsſchrift“, welche treffliche Arbei-
ten über die verfchiedenften Sragen bed Staats, ber Kirche, der Wiſſenſchaft und des Lebens
nach) allen feinen Richtungen enthält; ausfchliegend politiſche Stoffe behandelte vom liberalen
Standpunkte aus Biedermann's „Unfere Gegenwart und Zukunft” (1846—47); eine ähn-
liche Richtung hatten Weil's gediegene „Conftitutionelle Jahrbücher”. Mit den J. 1854 tra
ten D. Wigand's „Sahrbücher für Wiſſenſchaft und Kunft” ins Keben.
Deutfchland erwarb fich in der Kritik das höchſte Verdienft, da es bei dem Fleiße, der viel⸗
feitigen Bildung und dem unbefangenen, von Nationalvorurtheilen freien Charakter feiner Ge
lehrten zu Unternehmungen diefer Art vorzüglich geeignet war. Ein eigenthümlicher Zug ber
kritiſchen Zeitfchriften der Deutfchen ift neben einer vorwaltenden Dinneigung zu dem Zone der
Schule vorzüglih dad Umfaffen der ganzen Literatur ohne Vorliebe für eingelne Zweige ber
Wiſſenſchaften oder für die Literatur einzelner Ränder. Die Schweizer Bobmer und Breitin-
ger, Beide durch dad Studium der engl. Literatur genährt, legten zuerft in ihren feit 1721 her⸗
ansgegebenen „Discourfen ber Maler” einen neuen Maßſtab an die bisherigen Leiſtungen der
Deutfchen. Sie ſuchten die Poefie zu größerer Würde zu erheben, und weniger die Form als
ben Stoff beachtend, wurden fie in ihren Unterfuchungen bei aller Gründlichkeit vielfach ein⸗
feitig. Andern Anfichten Hulbigte ihr Gegner Gottſched, welcher, dem franz. Gefchmade fi
zuneigend, bie beutfche Riteratur durch einen gewiffen Gonverfationston dem Allverflänbfichen
zuzuführen ſtrebte; aber indem er diefes Ziel durch Sorgfalt für Sprachreinheit und leichten
Dersbau zu erreichen furchte, vernachläffigte ex über der Form den Stoff und verfannte nicht fel-
ten den Geift und die Bedürfniffe feines Volkes. Den Reibungen zwifchen den beiden Parteien
verdankte die deutfche Kiteratur ein frifches Leben und die deutfche Kritif ihre Begründung,
während durch Haller's Präftige Gedichte und Klopftod’6 „Meſſias“ (1748) eine neue Unte
gung gegeben wurde. Die ältern Britifchen Zeitfchriften, welche auf die „Acta eruditorum“ (f.b.)
folgten und mehr auf die Beurtheilung wiffenfhaftlicher Werke gerichtet waren, wollen wir nur
flüchtig berühren. Die von Chriftian Thomafius herausgegebenen „Monatsgeſpräche“ (1688—
90) verdienen wegen ihrer Freimüthigkeit und wegen des Gebrauchs der deutfchen Sprache bei
gelehrten Gegenftänden, wodurch fie das Intereffe der nicht gelehrten, aber gebildeten Claſſe zu
erregen fuchten, befondere Erwähnung. Einen ähnlichen Zweck hatten Tenzel's „Monatliche
Unterredimgen” (1689 —98), welche die „Curieufe Bibliothek“ fortfegte. Die in Leipzig her-
audgegebenen „Neue Zeitungen von gelehrten Sachen”, unter verfchiedenen Titeln von 1715 —
97 fortgefegt, waren befonders in der Zeit bis 1740 dadurch merfwürdig, daf fie Auszüge aus
allen deutfchen und ausländifchen Zeitfchriften gaben. Bald nach der Stiftung ber Univerfität
zu Göttingen entfland 1759 eine gelehrte Zeitung, die feit 1753 den Titel „Anzeigen von ge
lehrten Sachen”, fpäter „Gelehrte Anzeigen” erhielt und in ihrer fangen Laufbahn durch bie
berühmteften Lehrer der Hochfchule ausgeſtattet wurde. Vgl. Oppermann, „Die Göttinger ger
lehrten Anzeigen während einer hundertjährigen Wirkfamteit für Philoſophie, ſchöne Literatur,
Politik und Geſchichte“ (Stuttg. 1844).
Mit Leffing begann eigentlich die beutfche Kritik. Ohne Vorliebe für irgend eine Na
tion und alle richtig würdigend, durch Beine Eonveniena befangen, frei von aller Menſchenfurcht,
mit redlicher und tiefer Forſchung und Unparteilichfeit nur das Wahre fuchend, vereinigte et
vielfeitige Gelehrſamkeit, Schärfe des Urtheils, Feinheit des Geſchmacks und Bündigkeit in der
Darlegung der gewonnenen Ergebniffe in einem folhen Grade, daß er ein Mufter für die Kritik
Zeitungen und Zeitfchriften 465
wurde, indem er zugleich durch eigene Erzeugniſſe den Eindruck verſtärkte, den er als Kritiker
gemacht hatte. hund neben ihm wirkte der Buchhändler Nicolai in Berlin dınd Gründung
mehrer kritiſchen Zeitfchriften. Weder durch Genialität noch durch tiefe Kenntniffe ausgezeich«
net, verband er mit einem gefunden Verſtande ein gewiſſes Gefühl des Wahren und Richtigen
und eine unerfchrodene Freimüthigkeit, die ihn bei ber Wahl feiner Mitarbeiter leitete. Er ftif-
sete zuerſt 1757 die, Bibliothek der ſchönen Wiſſenſchaften“, welche ex aber bald feinem Freunde
Chr. Felix Weiße übergab und an beren Stelle er mit Leſſing, Mendelsfohn u. U. die „Briefe,
die neuefte Xiteratur betreffend” (1759 — 65) unternahm, die einen entfiheidenden Ein-
flug auf die Bildung Deutfchlands Hatten. Sie zeichneten fi vor der 1760 von Nicolai be»
gonnenen „Allgemeinen deutſchen Bibliothek”, die fi) mehr auf ftrenge Nüge der gangbaren
Verirrungen befchräntte ımd ein weiteres Literaturgebiet umfaßte, durch eigene Erörterungen
und weitere Ausführung der Gegenflände aus; beide Zeitfchriften aber verftärkten ihren Ein-
fluß durch ihren entfchiedenen und rückſichtslos freimüthigen Ton. Die „Allgemeine deutfche
Bibliothek”, die von 1795 — 1806 unter dem Titel „Neue Allgemeine deutfche Bibliothek“ fort.
gefegt wurde, beſtritt verfährte Vorurtheile, brachte eine Menge neuer Anfichten in Umlauf und
nur am Ende ihrer Laufbahn wurde fie einfeitig und dadurch mehr hemmend als fördernd für
die Kortfchritte der Literatur. Nach denfelben Brunbfägen wurde die „Bibliothek der ſchönen
Wiſſenſchaften“ in Leipzig fortgefegt, welche ſich durch ruhigen Ton, Klarheit und Anmuth der
Barftellung und durch befonnene Empfänglichkeit für das als tüchtig bewährte Neue auszeich⸗
nnete. Gegen bie „Allgemeine deutfche Bibliothek” trat Klog in Halle in die Schranken und gab
41768 eine eigene Zeitfchrift heraus, die aber ungeachtet der claffifchen Bildung ihres Urhebers
Beinen Einfluß gewinnen konnte. Eine befondere Eigenthümlichkeit zeigten die „Kritiichen ZBäl-
der”, die Derder 1769 herausgab. An Originalität über Nicolal's Partei ſtehend, hatte er nur
das mit ihr gemein, daß er ſich Durch feine Gonvenienz befchränfen ließ; aber feinen hellen Ber»
ftand überwältigte zuweilen feine feurige Phantafte, feiner Kritik fehlte e6 an Klarheit und
ſcharfer Begriffspefiimmung. Wieland brachte in feinem „Deutfchen Mercur” den durch bie
feitherigen kritiichden Bemühungen befämpften franz. Geſchmack wieder zurück, bach war er zu
vielfeitig und zu gründlich gebildet und mit der ältern und neuern Literatur der europ. Nationen
zu vertraut, als daß er ihn unbebingt wieder hätte einführen wollen. Seinem Ginfluß aber ift
es wenigſtens zum Theil zuzuſchreiben, daß die deutfche Kritik bei unverminderter Regſamkeit
und Tiefe einen vielfeitigern Charakter und den Ton des feinen Anftande annahm.
Eine neue Epoche für die deutfche Kritik begann mit der 1785 von Bertuch geftifteten und
von Schüg und Hufeland in Jena herausgegebenen „Allgemeinen Literaturzeitung“, welche die
ausgegeichnetften Gelehrten Deutfchlands unter ihre Mitarbeiter zählte. Kam fie an Freimü⸗
thigkeit und unbefangener Prüfung der „Allgemeinen deutfchen Bibliothek“ gleich, fo übertraf
fie diefelbe durch feinen Zon und einen geläuterten Geſchmack, und beſonders ficherte fie fich den
Vorrang bei der Bewegung, welche Kant's Philofophie in der Geiftesthätigkeit der Deutfchen
bervorrief, und durch Beachtung der ausländifchen Kiteratur. Als die „Allgemeine Literatur⸗
zeitung” durch Schütz' und feines Mitarbeiters Erich Berufung nach Halle verpflangt wurde,
entftand die „Zenaifche allgemeine Kiteraturzeitung‘‘, von Eichftädt herausgegeben, die mit vie-
ler Lebendigkeit und Wärme die wichtigften literarifhen Erfcheinungen zu würdigen begann
und durch die Verbindung mit den unter Goethe's Einfluß wirkenden meimarifchen Kunftfreun« "
ben bald ein neues Element in ſich aufnahm. Beide Literaturzeitungen hatten fich in neuerer
Zeit unter veränderten Medactionen, die legtere ald „Neue Jenaiſche Kiteraturzeitung” (Xpz.
1842 —48) aus dem Verfall, in den fie im Raufe der Zeit gerathen waren, wieder zu erhe⸗
ben gefucht, gingen aber 1848 ein. Die „Erlanger Riteraturzeitung”, die aus einer 1746
geftifteten „Gelehrten Zeitung” hervorging, von Meufel, Mehmel und Langsdorf redigirt
(1799 — 1810), zeigte feinen eigenthümlichen Charakter. Die „Leipaiger Literaturzei-
tung” behauptete fih von 1800 — 34 neben den ältern und füngern Mitbewerberinnen.
Weniger umfaffend als die genannten Zeitfhriften, aber fireng und fcharf prüfend, mehr ur⸗
theilend als referivend, traten 1808 die noch beftehenden „Heidelberger Jahrbücher” auf. Unter
günfligen Umftänden begann 1813, von Sartori herausgegeben, die „Wiener Literaturzeitung”,
welche bis 1816 mit einer nicht immer fihern und feften Haltung fortdauerte. An ihre Stelle
traten, von ber öſtr. Regierung unterflügt, 1818 die „Jahrbücher der Literatur“, welche durch
ihr confervatined Streben wie durch viele gediegene Mittheilungen an ihr Vorbild, das „Quar-
terly review”, erinnerten, aber dem 3. 1848 erlagen. In einem andern Geifte, Lebendigkeit und
Freimũthigkeit mit Tiefe und Mannichfaltigkeit verbindend, wetteiferte mit ihnen die 1819 vor
4286 Zeitungen und Zeitſchriften
FU. Brockhaus zu Leipzig gegründete Zeitfchrift „Hermes“, die, zulegt von K. E. Schmib ge⸗
leitet, bis zu ihrem Schluffe 1831 treffliche kritiſche Erörterungen lieferte. Seit 1827 erfchienen,
von Cotta gegründet, in Berlin die „Jahrbücher für wiffenfchaftliche Kritik“, weiche, ohne auf voll-
ftändige Umfaſſung der literarifchen Erfeheinungen auszugeben, fehr ausführliche Beurtheilun-
gen lieferten, bie ein vorfigender Verein, wie bei dem „Journal des savants“, vor ber Aufnahme
prüfte. Entſchieden der Hegel’fchen Schule in ihrer wiſſenſchaftlichen Reinheit angehörig, er⸗
fuhren fie allmälig die Ungunft der Zeit, bis fie mit 1846 erlofhen. Auch vom Hegel'ſchen
Standpunkte ausgehend, den: fie jedoch bald eine eigenthünliche Richtung gaben, erfchienen feit
18358 Ruge's und Echtermeyer's „Halliſche“, ſpäter „Deutſche Jahrbücher”, eins ber bedeutend⸗
ſten Journale der neuern Zeit; da daſſelbe aber je länger je mehr einem politiſchen und religiöſen
Madicalisnıus verfiel, wurde es im Anfange des J. 1843 unterdrückt. Als Fortſeßung beffeiber:
konnten gewiſſermaßen die feit 1843 von Schwegler in Tübingen herausgegebenenJahrbücher
ber Gegenwart“ betrachtet werden. Ihnen gegenüber ſtellte ſich auf ſtreng conſervativem Scand⸗
punkte der 1845—48 von Huber in Berlin herausgegebene „Janus“. Becko „Repertorium
der Literatur“, nach beffen Zode fortgefegt von Polig, folte ich urfprünglich auf kurze Suhaltt-
anzeigen der neueſten Schriften beichränten; nachdem e8 aufgehört hatte, begann 1854 Gers-
dorfs „Repertorium der gefanmten beutfchen Literatur‘, ſeit 1843 ımter dent Titel „‚Beipziger
Mepertorium für deutfche und auslänbifche Kiteratur”, das ſich hauptſächlich durch feine zahl
teichen literarifchen Notizen auszeichnet. Einen ähnlichen Zweck hatte urfprümgtich die 1854
von Büchner in Berlin gegründete, dann von Brandes bis 1849 fortgeführte „Literarifche Zei.
tung”, die jedoch mehr und nsehr zu einem einfeitigen Parteiblatt ausartete. _
Die Bewegung der legten Jahre bat gerade die Fritiihen Journale Deutſchlands am härte-
fen betroffen. Erhalten haben fi außer dem Berddorf’fhen „Repertorium” nur die „Göttin⸗
ger gelehrten Anzeigen”, die „Gelehrten Anzeigen” ber münchener Akademie und Die „Hei⸗
beiberger Jahrbücher”, die übrigen haben meift mit Ende 1848 ihren Abſchluß erreicht. Die
neubegründete „Allgemeine Monatsfchrift für Literatur“, die von Roß und Schwerichte 1850
begonnen, dann feit Julil 851 von Droyfen, Harms, Kerften, Nitſch u. X. unter bem Titel „Al-
gemeine Monatöfchrift für Wiſſenſchaft und Literatur” fortgeführt wurde, vermochte ſich nicht
länger als bis Ende 1854 zu erhalten, obgleich fie Die gediegenften und gründlichſten Mitar-
beiter zählte. Beflern Fortgang hatte das „Riterarifche Centralblatt“, feit 1850, das unter
Zarncke's Nedaction die neueften Erfcheinungen ber deutfchen Literatur möglichft ſchnell zur An-
zeige und Beurtheilung bringt. Durch die urſprünglich nur auf wiffenfchaftliche Zwecke gerih-
teten Zeitfchriften war auch unter dent größern Publicum ein Intereffe an literarifcher Kritik
geweckt worben, das zuerft Kopebue feit 1818 durch fein „Literarifches Wochenblatt“, oberfläch⸗
ich und einfeitig urtheilend, zu befriedigen fuchte. Nach feinem Tode nahm Müllner thätigen
Antheil an diefen Blatte, bis es 1820 %. U. Brockhaus durch Ankauf erwarb, der ed „Liter
riſches Converſationsblatt“ nannte und die urfprüngliche Idee in veredelterer Geftalt aus-
führte. Im 3. 1823 übernahm Heinrich Brodhaus die Rebaction, während welcher der Titel
1826 in „Blätter für literarifche Unterhaltung“ umgeflaltet wurde, und führte dieſelbe, bis
fie Anfang 1854 an H. Marggraff überging. Es hat feinen Zweck, einen Sprechſaal für Ge
bildete zu eröffnen und die Erfiheinungen auf dem Gebiet der Literatur mit Ausnahme ber
-ftreng fachwiffenfchaftlichen Werke freimüthig und frei von den Feſſeln der Schule zu be
urtheilen, feitbem bebarrlich verfolgt und ſich zugleich Dadurch, daß es wie nur wenige deutfche
Blätter an den Common seuse anzuknüpfen fuchte, eine nicht unbedeutende Stellung in der
Geſchichte des deutfchen Journalismus gefichert. Vgl. Prug, „Befchichte des deutſchen Sour
nalismus” (Bd. 1, Hannov. 1845); Lord, „Katalog ber deutfchen Zeitungen und Zeitfchrife
ten“ (&p3. 1849 ; 1851; 1855); „Allgemeiner Zeitfchriften- Katalog“ (2p3.1855).
Durch die Stürme der 3. 1848 und 1849 hat der deutfche Literarifche Journalismus eine
vollftändige Ummandelung erfahren. Faft alle die zahlreichen, der Unterhaltung und äfthetifchen
Kritik gewidmeten Blätter, die zum großen Theil fchon vor 1848 an Siechheit litten, flarben
bei dem Ausbruch der Bewegung theild eines ſchnellen Todes, theils ergriffen fie diefe Kata
ftrophe als willfommenen Vorwand, um von den Schauplage abzutreten. Übriggeblieben aus
der jungbeutfchen Periode find die „Europa“ und die „Grenzboten”, jene unter Nedaction Küh⸗
ne's, diefe unter ber Zulian Schmidt's und Freytag's. Manche lefensmwerthe Mittheilung ent
halten immer noch die wenn auch etwas in den Hintergrund getretenen „Literariſch ˖ Pritie
Then Blätter der Börfenhalle”, die unter Wienbarg's, Florencourt's und Anderer Leitung
manche Phafen durchlaufen haben umd gegenwärtig von Niebour vedigirt werden. Mehr alt
— — a DE nn ne .
Zeitungen nnd Zeitſchriften 48
bloße Unterhaltungstendenzen verfolgten auch das, Frantfurtor Converſatlons blatt unter art
ler's und die „Sabredzeiten”, Früher amter Feobor Wehl'o Leitung. Ein Journal von entſchlede⸗
ner Bedeutung iſt dad 1881 von Pruß begründete „ Dautiche Muſeum“, in welchem außer dee
portifchen Yrodintten bie politiſchen und foriaten Aufgaben der Zelt, und zwar befonders beö
deutfchen Volkes, ſowie die Wiſſenſchaft in allen Ihren Offenbarutigen, namentlich aber in ihrem
Unfchtuß an das Reben und bie Natur die imabhängigfielBefprechung finden. Eigenchũmi
Werih und reichen Inhalt bekundet bas von Doffsann von Ballessieben und Oskar Schade
begdaͤndete Weimariſche Jahrbuch für deutſche Sprache, Ateraeur und Kumft" (ſeit 1854),
Eine bebewtumgewotle Gpelle in der deutſchen Journeliſtik nehmen auch GBupfom’s „Unterhal⸗
tungen am häuslichen Gert! (feit Det. 18082) et, eine yopuläre Wochenſchrift, bie unterriche
tetrdt Unterhaltung bezweck and fidyin-beir gebilbeterm Leſerkreiſen bereite der allgemeinften Ver⸗
breitung erfteut. Bon andern Blttern verwandter Tendenz hat befonder6 das „Bremer Sonn⸗
tagsblatt, feir 1853 vdn Peeger Herausgegeben, ſehr gänftige Urtheile erfahren. Den Süben
Deutfchlande repraͤſentirt in bier Deykelsing bie von Bram und Schnelder in München here
ausgegebenr, Muͤnchener Huusiheonit", fowie burs „ Juuſtrirte Famillenbuch“ des Oftreichtſchen
Lloyd auf eine vorchuild achte Weiſe. Wirt Stolle's Gartenlaube“ hat bereits vielfagen Beifall
und großen Abſcoy erdorben: Mter den ſatlriſchen Blättern nehmen die felt 1845 von Braun
und Schneider in Münden heraus gegebenen ‚‚Bliegenden Bluͤrter und der berliner „Kladdera⸗
datfch” (feit Mai 1848) jebeshn fehner Werden erftinr Rang ein. Vieles AÄhnliche wurde begon⸗
am, vermechte ficpnreift aber nur anf Angegiefe zu lenken. In zweiter Linie find jeboch die „Düfe
feldorfer Momtdhefte zenmme, Grete ‚Doefdardlir”, Der fer 1848 in oft barocket, mitun⸗
ter etwas hautsackener tie, aber ſtero treffend mit dem ehrlichen Streben für gefunde Aufklä⸗
rung die Srelgnöffe ber Zeit‘ begleiten; hat über 18600 Abonnenten erworben. Für Popularifie
zung der Naturwiſſenſchaften wirken die Natur“, feit 1892 von Um, Müller und Refmäpßter,
und „Natur und Kanft“, von Haffenflein Herausgegeben (fer 1884) in anerfermenswerther Weiſe.
Die Schweiz bat im Verhaäliniß zu denn übrigen Binder Europas die maſſenhafteſte perio-
diſche Literatur. In Bezug auf die ernſtere und wifſenſchaſtlicht Jorrenallſtik aufs innigfle mit
Deutſchland verfnüpft, zählte man Anfang 1851. in deu geſammten Eidgenoſſenſchaft nicht
weniger als 204 Blätter politiſchen, belletreſtiſchen vetigisfen, tedintfehen u. f. w. Inhalte, von
denen 152 in deutfcher, 46 in franz., 5 in ital: und‘ 1 in roman Sprciche (in Braubündten) er»
fhienen. Die meiften (40) zählte der Ganton Bern; dann forgent Zütich (23), Bafel (16),
&t.-Gallen (15), Waadt (14), Graubändten (11), Wargau (1 ty, Echuffhauſen (10), Genf
(9), Reufchatel (9), Solsthurn (8), Luzern (7), Tyurgautt), Th (5), Wufel-Land (5), Frei-
burg (4), Schwyz (3), Zug, Wallis, Außerrhoden und Biwens (je 2), Nidwalden
(1), fobaß nur die beiden kleinen Bach. Salbeamtene Obwecden nd Mpernzell⸗Innerrhoden in
der ſchwelz. Journaliſtik nidyt vertweten waren. War t. Ian. 1855 rechne man 248 Zeitungen
und Zeitfchriften, bie an 70 Verlagtorten herauskamen. In der politiſch viel getheilten Schweiz
liegt es in ber Ratur der Sache, daß bie Zeitimgen nur in leineem Kreife eine zahlreichere Ver⸗
Sreitung finden und daß fie ſich hauptſächlich auf bie Beſprechung dee eidgenoͤſſiſchen und can»
tonalen Angelegenheiten befcgränten. Dies ift nicht ohm Eimfins auf den datin herrſchenden
Ton, der mitunter die gemeffenen Schrauken einer tuürdeuoßen Popufarttät überſchreitet. Mit
Ausnahme einiger Winkelblätter läßt fich inbeß bemerken, daß in den legten en die perio⸗
diſche Preſſe der Schwein auch der Auslande gegenüber an Haltung und de gewonnen
hat. Befonders gilt dies von den Blättern der größern Cantone, wie Bern, Züri, Baſeh,
Yargan, Genf u.f.w. Zu nennen find zu Bern „Der Bund”, zu Zürich die „Cidgenöffifche
Zeitung”, zu Aargau die „Aarganer Zeitimg“ und der früher von AIſchokke herausgegebene
„Schweizerbote“, in Baſel die, Baſelbt Zeitimg” und die „Schweizeriſche Nationalzeitung“, zu
Luzern die „Luzerner Zeitung“, die, Appenzeller Zeitung” u. ſ. w. In der franz. Schweiz find
die vorgüglichftem politiſchen Blätter bie „Gazette de Fribourg”, der „Courrier suisse‘, bie
„Gazette de Lausmris”, der Nonvelliste vaudois, der „Impartial” zu Ehaux ⸗de-Fonds“ und
bee „Neuchatstots", zu Genf das cmfervative „Journal de Genöve” neben ber rabicalen
„Revue de Gemwre”. Dit ſich heftig befehdenden ital, Blätter Teſſins, worunter der „Ro-
pubbiicano della Svizzera”, haben bios eantonales Inter
Das rufſtſche Zettangewefen verdankt feine · Sutſfiehung Peter d. Gr., der zuerſt in Motkau
und dann in Peteröburg Blätter erſcheinen ließ, um fein Volk von bem Fortgang bed Kriegs
gegen Schweben in Keumeniß zu fepem. Dire ältefle ruff. Zeitung, an deren Redaetion ſich
Herr d. Br. perſonlich beretligte, erfihlen 1705: zu Moskau (Forgfättiger Wiederabdruck,
488 Zeitungen and Zeitichriften
Petersb. 1855). Die „Moskauer Zeitung” („Moskowskija Wjsdomosti”) ging bald wie»
der ein, um erſt 1756 wieber erneuert zu werben; von der „Peterburgskija Wjedomo-
sti” eriftiren feit 1714 regelmäßige Jahrgänge. Im 3. 1755 wurde bie erſte literarifche
Zeitfchrift „Jeshemjesatschnyja Sotschinenija‘ von dem Akademiker Müller herausgegeben,
der 1759 „Trudoljubiwaja Pischela” (‚Die arbeitfame Biene‘) von Sumarokow folgte.
Große Verdienfte erwarb ſich Nowikow um die ruff. Journaliſtik durch feine Zeitfchriften
„Der Maler” (1770), „Die Morgenröthe” (1778) und „Die Abendbämmerung“ (1782),
namentlich aber Karamfin durch das „Moskauer Journal” (1791 — 92) und den „Europäifcgen
Boten’ (feit 1802), der fpäter von Shukomflfi und Katſchenowſtſi Herausgegeben wurde und
auch politifche Zeitfragen in ben Kreis ber Befprechung zog. Eine neue Epoche begann mit
Dolewoi’s „Mosfauer Telegraph” (1825 — 34), ber durch die Bekämpfung bed Pſeudoclaſſi⸗
cismus einen vollftändigen Umfchmung in der ruff. Literatur hervorbrachte und ihr eine Ric
tung gab, bie fie unter mancherlei Wandelungen bis heute verfolgt har. Eine politifche Preffe
im eigentlichen Sinne des Worts eriftirt im Rußland nicht, da die Regierung keine Veröffent-
lichungen erlaubt, die fie nicht für nüglich oder wenigfiens für unſchuldig erachtet, und ſomit
auch jeder Schein von Oppofition megfällt, Nur bei ernften politifchen Conjuncturen, wie zur
Zeit ber franz. Invafion von 1812, bes poln. Aufftandes von 1830 und ber oriental. Krife von
1853, wo fich die Regierung gedrungen fühlt, die Gemüther zu beruhigen ober fie zur Begei-
fterung anzufachen, wird ben journaliftifchen Federn ein größerer Spielraum geflattet und bie
officiöfen Publiciſten entwideln dann in der Verteidigung ber Regierungspolitik eine nicht zu
verachtende Geſchicklichkeit. In diefee Beziehung zeichnet fich befonders die „Rordifhe Biene“
(„Sjswernaja Pischela”) unter Redaction von N. Gretſch und Th. Bulgarin aus, die ſich zw
mal durch ihre Feuilletonartifel bedeutendes Anfehen und einen weiten Kreis von Lefern eriwor-
ben hat. Wegen der Bollftändigkeit ihrer Nachrichten werden die „Pelerburgskija Wj6edomosti”,
redigirt von A. Drfchlin, gerühmt, während „Der ruff. Invalide” unter Leitung des Fürſten
N. Galizyn vorzugsweife militärifchen Berichten und Erörterungen gewibmet ift. Andere wich⸗
tige Zeitungen find die ſchon feit 1726 beftehende deutiche „Peteröburger Zeitung”, beren wif-
ſenſchaftliche und belletriftifhe Beilagen für die Kenntniß Rußlande von großem Belang find;
die „Marinegeitung” („‚Morskoi Sbornik”), welche über die Bewegung der ruff. Flotte Rechen-
[haft gibt ; die „Polizeigeitung‘ und das frang. „Journal de St.-Petersbourg”, welches als das
eigentliche Doforgan zu betrachten ift, indem es alle fpeciell für das Ausland beftimniten Artikel
enthält. Außerdem verdienen ber tiflifer „Kawkas” wegen feiner vielfachen intereffanten Mit-
theilungen über bie trans kaukaſ. Länder, Perfien u. ſ. w, der „Obdeffaer Bote” (der auch franz.
unter dem Zitel „Journal d’Odessa‘ erfcheint), Die beutfche „Rigaifche Zeitung” und das dorpa-
ter „Inland“ Bemerkung. Überhaupt erfchienen 1854 in Rußland 95 Zeitungen und 66 Zeit-
ſchriften (einfchließlich der pertodifch herausgegebenen Verhandlungen gelehrter Gefellfchaften),
barunter 67 Zeitungen und 48 Journale in ruff., 15 Zeitungen und 10 Journale in deuticher,
bie übrigen in franz., engl., poln., ital., Tett. und gruſiſcher Sprache. Auf Petersburg allein to
men 26 Zeitungen (mit Einfluß der Handels⸗ und SIntelligenzblätter) und 42 Journale, auf
Moskau vier Zeitungen und neun Sournale, auf Obeffa drei Zeitungen und zwei Journale, auf
Tiflis zwei Zeitungen und zwei Journdle, auf Kafan eine Zeitung und zwei Journale, auf Kiew
eine Zeitung und ein Journal, auf Wilna zwei Zeitungen. In Riga wurden vier Zeitungen und
drei Journale herausgegeben, in Mitau drei Zeitungen und zwei Journale, in Dorpat zivei Zei⸗
tangen und zivei Sournale, in Reval eine Zeitung und ein Journal, fämmtlich in deutfcher
Sprache, mit Ausnahme der Gouvernementszeitungen, die zugleich deutſch und ruffifch erfchei»
nen, und eines lett. Blattes. Kronftadt hatte zwei deutfche Handeldzeitungen, Libau und Per»
nau je ein deutfches Wochenblatt und Lemſal eine fett. Zeitung. Endlich befaßen 41 Gouverne-
mentöftadte fogenannte Gouvernementszeitungen („Gubernskija Wjedomosti“), die meiftens
feit 1840 gegründet wurden. Da nun dad ruff. Reich, nıit Ausfchluß von Polen und Finnland,
60 Mill. €. zählt, ſo konimt auf 375000 Menfchen eine periodifhe Druckſchrift. Die fortſchrei⸗
tende Gentralifation macht fich auch dadurch bemerklich, daß Petersburg inımer mehr zum liter
rariſchen Mittelpunkt des Neichs wird, von dem bei weitem bie meiften Unternehmungen ausgehen.
Der literarifche Journalismus fteht in Rußland auf einer ungleich höhern Stufe als der yo
litiſche. Don jeher waren die talentvollften ruff. Schrififteller an den verfchiedenen belletrifti-
Then und wiffenfchaftlichen Zeitfchriften betheiligt, von denen die wichtigften ald Organe ſcharf
abgegrenzter literarifcher Sractionen dienen. Die Leidenfchaften und Parteien, bie auf politi⸗
ſchem Gebiete ſchweigen müffen, machen fich hier einigermaßen Luft und die literarifchen Kam-
Zeitungen und Zeitfchriften 489
pfe werden mit ebenfo viel Eifer als Erbitterung ausgefochten. Den größten Leſerkreis unter
allen ruſſ. Sournalen haben gegenwärtig die „Vaterländiſchen Denkwürdigkeiten“ („Otetischest-
nennyja Sapiski“), die, urfprünglich von Swinjin gegründet, 1839 von Krajewfly erneuert
wurden und längere Zeit hindurch eine fo freifinnige Tendenz verfolgten, wie nur bie damals
verhältnigmäßig noch ziemlich erträglichen Genfurverhältniffe möglich machten. Mit dem 3.
1848 trat aud) in diefer Beziehung eine verfchärfte Strenge ein, melde auf das Blatt einen
ungünftigen Einfluß ausübte, zumal da ihm zwei feiner geiftreichiten Mitarbeiter, Doftojewfty
und Herzen, ſowie durch den Tod ber geniale Kritiker Bjelinſty verloren gingen. Indeſſen
fehlt es ihm auch jegt nicht an tüchtigen Kräften, unter welchen ber Hiſtoriker Solowjew, die
Kritiler Wedenftji und Galachow, die Novelliften Brigorowitich und Eugenia Tour, die Dich-
ter Polonſty, Maikow, Sticherbina, bie Reifenden Rebolffin, Kowalewflji und Jakowlew zu
nennen find. Verwandten Beiftes, obwol minder gehaltreich, ift der von Puſchkin gegründete,
von Pletnew fortgeführte „Zeitgenoffe” (‚„Sowremennik”), der 1847 in die Hände Yanajew’s
und Nekraſſow's überging, die bis dahin bei den „Baterländifchen Denkwürdigkeiten“ thätig ge-
wefer waren. Die 1854 auf Veranftaltung des umternehmenden Buchhändlers Smirdin ins
Leben getreiene und von dem ald humoriſtiſcher Schriftſteller befannten Senkowſky geleitete
„Zefebibliothet” („‚Biblioteka dija Tschtenija‘) genoß anfangs eines großen Rufs, den fie jedoch
nicht behauptet hat; andere zu ihrer Zeit beliebte Blätter, als der, Ruſſiſche Bote”, der „Sohn
des Vaterlandes“ und der „Leuchtthurm“, find ganz eingegangen. In Moskau erfchien 1854
nur eine einzige literarifche Zeitung, der „Moskwitjanin”, unter ber Redaction Pogodin's, beffen
Mitarbeiter Chomjatow, Schewyrew, Kirejerfkfi u. A. zum Theil auf deutfchen Univerfitäten
ftudirt und den panſlawiſtiſchen Sdeen, die den Brunbton biefes Journals bilden, ein philofo-
phifch-doctrinäres Gepräge verliehen Haben. Die meiften ruff. Zeitfchriften erfcheinen nur ein
mal monatlich, dann aber in Heften oder vielmehr Bänden von 30 — 40 enggedruckten Bogen,
und enthalten außer kritiſchen und literariichen Artikeln vollftändige Werke (Romane, Reife
befhreibungen, biftorifhe Schriften, Originale ſowol als Überfegungen), wobei es denn aller
dings an literarifchem Ballaſt nicht fehlt. Unter den ſtrengwiſſenſchaftlichen Blättern nehmen
die „Meömoires” und das „Bulletin” der kaiſerl. Akademie in Petersburg nebſt den von der-
felben in ruff. Sprache veröffentlichten „Sapiski” und „Iswjestija” bie erſte Stelle ein. Für die
Naturwiffenfchaft dienen das „Bulletin“ und der „Wjestnik” der mosfauer naturforfchenden
Geſellſchaft, für die Erdkunde die „Memoiren“ und der „Anzeiger“ ber Geographifchen Geſell⸗
Schaft in Petersburg, für die Geſchichte der von der hiſtoriſchen und alterthumsforſchenden Ge⸗
ſellſchaft in Moskau herausgegebene „Wremennik”, die „Mittheilungen aus dem Gebiete der
Geſchichte Liv-, Efth- und Kurlands”, Herausgegeben von der Befellichaft für Befchichte und
Alterthumskunde der ruff. Oflfeeprovingen, und das in Meval erfcheinende, von Bunge und
Pauder redigirte „Archiv für die Gefchichte Liv⸗, Eſth- und Kurlande”. Der Landwirthfchaft
widmen ſich die „Arbeiten ber freien öfonomifchen Geſellſchaft“ und bie „Ackerbauzeitung“ in
Petersburg (ruſſiſch und deutſch), das „Journal für Landwirthfchaft” in Moskau, die „Me
moiren ber füdruff. Iandwirthfchaftlichen Gefellfhaft‘ in Odeſſa, die „Memoiren der ökonomi⸗
ſchen Gefellfchaft‘ in Kafan, die „Livländifchen Jahrbücher” in Dorpat und die „Rurländifchen
landwirthſchaftlichen Mittheilungen” in Mitau. Über verfchiebene Zweige der Technologie geben
der „Okonom“, der „Bermittler”, das „Journal gemeinnügiger Nachrichten”, das „Journal für
Fabriken und Handel“, das „Journal für Pferdezucht und Jagd“ und der „Ländliche Baumei-
ſter“ in Peteröburg, das „Journal für Gartenbau“ in Moskau Auskunft. Werthvolle ib
träge zur Geologie Rußlands enthält das „Bergjournal”, zur Numismatif das „Bulletin“ der
archäologiſchen Sefellfchaft, zur Mathematik das „Gelehrte Journal der kaſaner Univerfität”.
Medicinifche Zeitungen erfcheinen in Petersburg und Moskau, theologifche in Petersburg,
Moskau, Kiew und Riga, Kunftblätter in Petersburg und Mitau; ferner zwei mufitalifche
Journale, drei Kinderzeitichriften und fünf Modefournale. Endlich find noch die von den ver-
fhiedenen Minifterien und oberften Verwaltungsbehörden herausgegebenen periodifhen Schrif-
ten zu erwähnen, als das „Journal des Miniſteriums der Volksaufklärung“, mit bibliographis
[chen Beilagen, das „Journal ded Minifteriums bes Innern”, in welchem man namentlich fehr
ſchätzbare Materialien zur Kenntniß Rußlands in ftatiftifcher Beziehung findet, das „Journal
des Minifteriums der Reihsdomänen”, bad „Journal der Dbervermwaltumg ber Wegecommu-
nicationen und öffentlichen Bauten“, das „Militärjournal”, „Axtilleriefournal” u „Inge
nieurjournal” und die „Memoiren des hydrographifchen Comites im Marineminifteriun”.
In Finnland ift die journaliſtiſche Thätigkeit verhältmigmäßig bedeutender als im eigent
40 Zeitungen und Zeitfehriften
lichen Rußland, obwol fie auch hier durch eine ftrenge Genfur in ihrer Entwidelung gehemmt
wird. Im 3. 1852 erfchienen in Helfingfors, Abo, Waſa und Borgä fieben finn. und 10
ſchwed. Zeitungen und Journale (alfo ein Blatt auf je 90100000 Seelen). Bon den finn.
waren zwei Lirchlichen, zwei landwirthſchaftlichen, die übrigen allgemeinen Inhalts; von
den fchweb. befchäftigten ſich drei vorzugsweife mit Literatur, eins mit Technologie, eins mit
Mebicin, die übrigen fünf mit Politik, Localneuigkeiten und öffentlichen mie privaten Anzei⸗
gen, darunter die officielle „Finlands allmänna tidning” in Helfingfors. Gehiegene Kuffüge
enthält die 1842 von der Finniſchen Literaturgefellichaft gegründete und der vaterlänbifchen
Geſchichtsforſchung gewidmete Zeitichrift „Suomi“; auch die „Finska Litteratursäliskapets
‚handlingar“ und das „Litteralurblad für allmän menborgerlig bildding“ find nicht ohne Ber
bienft. Hierzu kommen noch die „Acta societalis scientiarum Fennicae” und die „Berhanb»
lungen der Geſellſchaft für finn. Sauna und Flora”, zu welchen Rordmann, Ilmoni, Shögren,
Yipping u. U. namhafte gelehrte Beiträge liefern.
Die Preffe Polens zerfällt wie die ganze Nation in vier, dem Charakter und Form nach ver-
fehledene Zweige, nämlich in bie ruff..poln. Preſſe mit ihren Hauprfigen zu Warſchau und
Bilne, die preuß.-poln. zu Poſen, die öfte.-polm. zu Lemberg und Krakau und die Preffe der
Emigration zu Paris, Brüffel und London. Im Königreich Polen erfchienen vor 1830 an 37
periodifche Blätter, 1840 mır etwa 15 und gegen Ende 1846 in Folge des abermals ausge
brochenen Aufftandes nur 19. Seitdem ift die Zahl bei der fcharfen Beauffihtigung aud
kaum gewachſen, die Blätter ſelbſt find in politifcher Beziehung ganz bebeutumgslos. Am ge-
Iefenften find „Gazeta RZadowa‘, das officielle Blatt, „Dziennik Warszawski”, „Gazeta
Codzienna‘”, „Gazeta Warszawska” und „Kuryer Warszawski”; bie übrigen Blätter find
unterhaltenden, belehrenden nnd religiofen Inhalts. In ber Smigration find 5060 Blätter
erfchienen, die den verſchiedenen ſich befämpfenden Parteien dienten, aber mit dem Aufſtande
von 1846 faft ſämmtlich eingegangen find. Bor legterm war bie „Gazeta Lwowska” nächſt
ber deutfchen „Remberger Zeitung” das einzige politifche Blatt Galiziens; 1851 erfihienen in
ber öſtr. Monardie 9, Anfang 1855 aber 7 periodifche Schriften in poln. Sprache. Das
bebeutendfte politifche Blatt unter benfelben ift der „„Czas” in Krakau. Vor 1846, als Krakau
noch Freiſtaat war, erfehienen daſelbſt 16 meift politifche Blätter, wie denn überhaupt vor bem
legten Aufftande die poln. Journaliſtik in allen Theilen des ehemaligen poln. Reichs einen
ganz eigenthümlichen Aufſchwung genommen hatte. In Poſen, dem Dauptfig des Polenchums
in Preußen, behauptete die Preffe von jeher wegen der Eenfurverhältniffe eine mehr fetbftän-
dige Stellung. Anfang 1850 kamen im Großherzogthum Poſen 14 verfchiedbene polw. Blätter
Yeraus, darunter drei große tägliche Zeitungen, bie bereitd ſeit 1817 ericjeinertde farblofe
„Gazeta Wielkiego Kiestwa Poznanskiego”, die ultramontane „Gareta Polska” und die von
Bibelt redigirte demokratiſche „Dziennik Polski” ; die meiften der übrigen Blätter
mehr ober minder vorgefchrittenen demofratifchen Tendenzen und vermochten daher meift Das
3.1850 niche zu überleben, fodaß Anfang 1855 neben der deutſchen „Poſener Zeitung” im
Umfang bed preuß. Staats von poln. politifchen Zeitungen nur die „Gazeta Wielkiego Xiestwa
Poznanskiego” fich erhielt. Außer in Pofen kamen auch in Kiffe, Breslau, Kulm u. f. w. ein⸗
geine poln. Blätter heraus. Bon den poln. Zeitichriften, deren 1847 überhaupt etwa 25 theils
wiffenfchaftliche, theils blos unterbaltende, erfchtenen, find ber „Kwartalnik Naukowy“ und
„Pamietnik amiejelnosci” zu Krakau, ba6 „Athenaeum”, 1839 von Krafzemffi au Wilna be-
endet, ſowie ebendafelbft bie „Wizerunki“, die „Biblioteka Warszawska” zu Warſchau und
der „Rok“ als die bebeutenbften zu nennen. In litthautſcher Sprache erſchien in neuerer Zeit
zu Königsberg das Volksblatt „Kaleiwis“.
Die Blätter, welche vor 1848 In boͤhm. Sprache erfchienen, gingen mit ber Märzrevolution
meift zu Grunde, wurden aber durch eine größere Anzahl neuer erfegt. Im 3. 1840 kamen in
Prag neun böhm. Blätter heraus ; 1851 beftanden im Ganzen 22, von denen 11 in Böhmen,
15 in Mähren, A in Ungarn (Slowaken) und 2 in Wien erfchienen. Bor 1846 genoß bie
„Prazske Nowiny” unter Klucak's Rebaction eines befondern Anſehens; gegenwärtig iſt die
ſelbe Regierungsblatt. Nach dem März 1848 repräfentirte „Närodni Nowiny”, redigirt von
Hawlicek, das äußerſte Maß der nationalen Beftrebungen in Böhmen, warb jedoch im Aug.
1849 verboten. Seitdem ift die Zahl ber eigentlich politifchen Blätter fehr zufammengefchmol-
ven; 1000 zählte man nur 3 politifche Zeitungen bei 7 andern Blättern. Bine höchſt achtent ⸗
werthe wiſſenſchaftliche Zeitfchrift ift der „Musejnik” ober die „Zeitfchrift des böhm. Mu«
feums”. Die Preſſe der laufiger Wenden fowie der Authenen ifl ganz bebeutungslos. Unter
Zeitungen und Beitfchziften 491
ben Südſlawen haben die Serben die bedeutenbfte periodifche Literatur. Im Fürſtenthum
ſelbſt find Belgrad, in Ungarn Neufag und Peſth bie Mittelpunfte der Preſſe. Im I. 1844
erfchienen drei Blätter für die ungar. Serben, darunter zu Peſth bie „Novine”, Damals bie
einzige politiſche Zeitung. Mehre andere politifche Blätter hielten fich rur kurze Zeit; Organ
yer Regierung find die „Serbske Novine” zu Belgrad. Eine Wiertelfahrefchrift war die ‚Ljeto-
pis Serbski“. Kür die Kroaten und Slowenen bilden Agram, Laibach und Zara die Brenn⸗
punkte bes politiſchen wie literarifchen Lebend. Wichtig als Organ des Illyricismus wur⸗
ben Gaj's „Horvatzke Novine”, bie feit 1835 zu Agram mit dem Beiblatt „Danica” er»
ſchienen und 1836 deh Titel „Ilirska Narodne novine“” annahmen. Die ſlawon. Preſſe nahm
n den I. 1848— 49 einen kräftigen Aufſchwung, ſodaß allen zu Laibach 5 flawon. Blätter
erfchienen. Doch erhielt fich von denfelben nur bie fehon 1843 begonnene „‚Novice* unter Re
baction von Bleiweis aufrecht, neben welcher das kath; Kirchenblatt „Zgoduja danica” in fei
nen Kreifen wirft. Ein bürftiges MNegierungsblatt ift der „Liubljanski casnik“. Die 1844 zu
Zara begründete „Zora Dalmatinska” ging gegen 1848 hin wieder ein; von miehren andern
Verſuchen hatte nur die politifche Zeitung „Glasnik Dalmatinski” bi6 1855 Beſtand. Bulga-
riſche Blätter ohne Bedeutung erfchienen zeitweife ımter Anberm zu Konftantinopel, Odeſſa
und Sniyrna.
Die erfte ordentliche Zeitung in Ungern begann 1721 in lat. Sprache ; die erfte in magyar.
Sprache begründete 1781 Matthias Raͤth in Presburg, weiche bald mehre Nachfolgerinnen
und Nebenbuhlerinnen erhielt. Dahin gehörten die der Politik, Literatur und Unterhaltung ge
widmeten Blätter „Mindenes Gyüjtemöny“, „Orpheus“, „Kassai Muzeum”, „Urania” u. ſ. w.,
mährend andere, wie „Nyelvmivelö Tärsasäg munkai” und das „Erdélyi Muzeum‘ eine meht
literarifche Tendenz verfolgten. Die erſte Stelle unter den allgemeinen wiffenfchaftlichen Mo—
natsfchriften nahm jedoch „Tudomänyos Gyüjtemöny”, zuerft von Feier, dann von Horvaͤth
redigirt, ein. Die rein politiſche Journaliſtik befchräntte ſich vor der Julirevolution faft allem
auf die von Kalkfar redigirten „Hazai és külföldi tudositäsok“, welche in ben „Hasznos mulat-
sägok em Beiblatt beſaßen; auch fanden ‚unter ben Geblideten bie lat. „Ephemerides Poso-
nienses” noch manche Lefer. Aufmerkfamkeit erregten namentlich bei dem jüngern Geſchlecht
die geiftreichen Auffäge des Patrioten Stephan Szechenyi im reformatorifchen „Jelenkor”,
dem der „Tärsalkod6” als wiffenfchaftliches und unterhaltendes Feuilleton beigegeben war.
Seine eigentliche Bedeutung erhielt jedoch der magyar. Journalismus, welcher in Ungarn über-
haupt zu einer weit einflußreichern und tiefer eingreifenden Rolle in der Befchichte der politifchen
wie literarifcgen Entwidelung der Nation berufen war als in irgend einem andern europ. Lande,
erft mit Beginn des vorigen Decenniums, als Ludwig Koffuth in: „Pesti hirlap”, der 1841
—44 von ihm felbfl, dann von Szalay und Cſengery rebigirt ward, dad Intereffe am neu»
erachten Ikterarifcyen Reben in alle Schichten au tragen wußte. Ihm gegenüber wirkten, außer
der deutfchen „Peſther Zeitung”, ber 1840— 43 von Aurel Deffernffo, 1843 — 48 von beffen
Bruder Emil Defjewffy redigirte „Budapesti hirad6“, als Drgan der confervativen Partei, und
ber „Nemzeti Ujsäg“, der bis zur Märzrevolution 1848 im Intereffe des Adels fchrieb. Dane
ben entftanden miehre literarifche und fchöngeiftige Wochenfchriften, wie „Eleiköpek”, „Szepiro-
Jalıni“, „Divatlap“, „Honderu“, „Szemle” u. f. w., die einen weitern Leferfreis fanden, wäh
rend mehre frühere periodifche Schriften, wie „Tudomanyos Tär” u. f. w. nur geringere Ver⸗
breitung erlangen konnten. Einen neuen Aufſchwung nahm die ungar. Zournaliftit nach den
Märztagen von 1848. Außer ben „Pesti hirlap“ erfcyien feit 1. Zuli unter Bajza's Redactiom
‚Kussuth Hirlapja‘, dab Organ Koſſuth's, das an A000 Abonnenten zählte; hierzu kommen
ver ſchon erwähnte „Nemzeti Ujsäg“, der jedoch volksthümliche Färbung angenemmen hatte,
der „Közlöny“, als Organ des ungar. Miniſteriums, ber von Karl Vida redigirte „Figyelınezö”
und an 20 andere rein politifche oder politifcheliterarifche Blätter, welche jeboch faft ale dem
Radicalismus huldigten und deshalb auch mit Befiegung der umgar. Revolution ihr Ende er-
reichten. Anfang 1855 zählte man bereits wieber 15 Blätter in magyar. Sprache. Unter der
etzten Bahl befanden fic jedoch nur zwei politifche Blätter, ber „Budapesti hirlap”, 1849 von
Szilaͤgyi gegründet, die officielle Zeitung, und „Budapesti naplo“, ebenfalls 1849 von Cſaͤſzar
yegründet, Dann von Török rebigirt, ein mehr patriotifches Tageblatt. Die einzige ſtreng vwiffen-
ſchaftliche Zeitfchrift Ungarns ift das „Uj magyar muzeum“, rebigirt von Tofdy. Deſto reicher
hat fich die belletriftifche Journaliſtik entwickelt, unter deren Nepräfentanten die Wochenſchrif⸗-
ten „Delibäab”, „Hölgyfutär“, „Divatesarnok”, „Szepirodalmi lapok“ als bie vorzüglichften zu
nennen find.
493 Zeitungen und-Zeitfchriften
Bon weit geringerer Bedeutung ift bisher die Journaliſtik der Walachen geblieben. Die er-
ften erfolgreichen Verfuche, ein Blatt in einheimifcher Sprache zu gründen, wurde gegen Ende
des dritten Decenniums biefes Jahrhunderts gemacht, wo der um die literarifche Cultur feines
Volkes Hochverbiente 3. Eliad ben „Currier romanescn“ (1828—48) und den „Currier de
ambe seke’ (184548) zu Bularefcht gründete. Neben diefen politifch-literarifchen Blättern
erfchien nur das amtliche „Bullelin“, das einzige Ende 1854 in der Walachei noch beftehente
politiiche Blatt, da die deutſche „Bukareſchter Zeitung” zu Anfang deffelben Jahres bereits er:
lofchen war. In der Moldau ift nur bie ſchlecht redigirte „Gazeta de Moldavia‘, das Organ der
Regierung, zu nennen. In Oftreich erfchienen Anfang 1855 zwei walach. Blätter, der „Teie-
graphul romanescu”, orthodor-panflamiftifcher und ruffenfreundlicher Tendenz, in der Drude
rei des Biſchofs Schaguna zu Hermannftadt, und die gut geleitete „Bukowina” zu Klaufenkurg.
Die von Barig rebigirte „Gazeta de Transilvania” nebft der „Foia pentra inima, minte si li-
teratura” (1858— 48), die zu Hermannftadt erfihien, erlag ben Stürmen bes J. 1848. Cine
werthvolle wiffenfchaftliche Zeitfchrift, da6 „Magasinul istoricu pentru Dacia”, gab der Ge⸗
ſchichts forſcher Laurianu 1845 — 47 zu Bukareſcht Heraus. .
.. Die periodifche Preffe der Griechen beginnt mit der wiffenfchaftlichen Zeitfchrift „Aoyeas
"Eepng”, der 1811 zu Wien von Anthimos Gazis gegründet und bis 1821 fortgeführt wurde.
Nur kurze Zeit erfchien ebenfalls zu Wien 1814 der „Dirokoyixög TraAsypapoc”. Diefen
folgten zu Wien 1819—21 „Koddörn“ und 1819—21 zu Paris die „Milıcca”. Im ei
gentlihen Griechenland datirt natürlich die Journaliſtik erft aus den Zeiten des Befreiung
kriegs, durch welchen die erften politifchen Zeitungen hervorgerufen wurden. Doch gleich von
vorn herein zeigte die griech. Zeitungsprefle fich weit mehr al& eine Dienerin ber Parteien und
Bolksleidenfchaften, denn als eine Leiterin derfelben, und ift auch ſeitdem vielfach das Vehikel des
beftigften Parteihaffes und unedler Selbftfucht geblieben. Das erfte politifhe Blatt in Grie⸗
enland mar die „ EdMnvurn Zurrıy&”, welcher 1824 bie „„ EAAnvixa Xpowxa‘ und der
1» Eduvuxds Trnkeypapog” in Miffolonghi, ſowie in Hydra der „Pllog Tod vonov", in Athen
die „ Epmpepldss’ Adnvaixaı und inNauplion 1825 die „I'evuen donpspis α EAAadac“,
das amtliche Blatt unter Kapodiſtrias, folgten. Letzterm gegenüber fland als Oppofitionsblart
der zu Hydra von Polyzeides redigirte „ AroöADv“, welcher feit 1832 als „ ATi” in Rau
plion erfchien. Ebenfo fam 1827 in Hydra bie „Abeille grecque” und 1830 der „‚Courrier
. d’Orient, journal politique, commercial et litt6raire” in Patras heraus. Wegen der 1853 zu
leiftenden Caution gingen um biefe Zeit alle Blätter ein, doch fchon 1834 begannen wieder einige
Zeitungen, darunter als Regierungsblatt in griech. und-franz. Ausgabe der „ISornio” oder
„Sauveur‘, dem fogleich die no 1855 erfcheinende „„ Aynvä” als Oppofitionsblatt der natio-
nalen Partei gegenübertrat. Im J. 1844 zählte man in Griechenland bereits 20 periodiſche
Blätter, von denen ſich fieben mit Politik befchäftigten. Unter legten befanden fich die „ EX-
sel”, welche engl., der „Alov“, welcher ruff., der „Obsemvateur grec” (aud) griech.), fat
1845, welcher franz. Intereffen Huldigte, fowie ald Organ der Regierung ber „ EdAwx
Tayvdpop.os“ (auch franz. als „Courrier grec”) und die „"Egpmpepis Ts xu SEX”.
Die candiot. Intereſſen vertrat, zugleich neben wiffenichaftlichen Zwecken, befonders „ Pada-
poavIug”; bie „Zpns” war eine Nahahmung von Karr'd „Guepes’. Hierzu trat im Dt.
1844 der franz. „Moniteur grec”. Viele andere Blätter erftanden, gingen aber nad) furzerer
oder längerer Dauer wieder ein. Überhaupt erfchienen 1851 in Griehenland 51 periodiide
Biätter. Die ruff.etürt. Wirren wirkten belebend auf die griech. Preſſe. Unter andern mur-
den buch diefelben in März 1852 der politifch-literarifche „Miroir grec” in franz. Sprache, im
Dct. 1855 das „DlavsAAnvıov” und im Sept. 1855 der aller 14 Tage erfcheinende „Spectateur
del’Orient”, im nationalenÄntereffe von Renieris zu Athen rebigirt, hervorgerufen. Anfang1855
entftanden zu Athen bie, Avaroan und „Eßdopas". Obgleich Athen Hauptfig der griech.
Preſſe ift, fo erſcheinen doch auch zu Nauplia und Patras, zu Syra, ferner auf den Jonifchen
Infeln, wo 1853 zu Korfu der „Doivu&” begann, mehre Blätter, ſowie ſchon früher, 4. B. die
„Meiısoa', neuerdings der „TnAeypapos Tod Boaröpov‘, zu Konftantinopel und au Smyrna
(früher die „lenorep&”, in neuerer Zeit die „ Au. orFen” und die „ Eompesplc” u. ſ. w.). Das
erste wiſſenſchaftlich⸗literariſche Blatt im eigentlichen Griechenland war die „Alyıvaia”, feit
1851 zu Agina von Muftoridis und Kokkonis herausgegeben. Hierzu kam 1854 zu Korfu die
„ Aygotoyla’Iovoen“, in griech, ital. und engl. Sprache, und 1855 zu Athen ber „Econx
orprTuwrıxög”, welchen ſich außer mehren fachwiſſenſchaftlichen Zeitfchriften 1857 die „ E9T-
pegls Apyarokoyıry‘, herausgegeben von Pittakis und Nhangabis, fowie 1840 der reichhul
Beitgngen MSeitſqhriften 493
tige „Eiouratxdg’Eoanotic", von Antoniabis geleitet, anfchloffen. Viſſenſchaftlichen
rafter tragen ber Det. 1848 von Argyriabid begründete „Diloloyuxds Zuvärdiguoc” A
1851 begonnene „Nea Havduoe’'; unter den jüriſtiſchen Zeicfchriften ift die „Bee“ (feit
1846), unser ben medicinifchen bie „ Iareuen, Mircca” (feit 1854) zu nennen. Im J. 1852
bat Ainian eine Bißeo)Ipen Tod Aaod” begonnen.
Sn der Türkei war bie erfte Zeitung ein Blatt in franz. Sprache, welches Verwighar,
außerordentlidder Geſandter der franz. Republik bei Selim III. 1795 zu Pera druden ließ.
Um 1811 erſchienen dafelbft die Bulletins ber Großen Armee. Der eigentlihe Begrün-
ber des Journalismus in der Türkei wurde Alex. Blacque, der 1825 zu Smyrna den franz.
„Spectateur de l’Orient” begann, welcher unter dem neuen Titel „Courrier de Smyrne” 1825
— 28 großen Einfluß während bes griech. Aufſtands übte. Derſelbe Blacque begründete hier⸗
auf 1834 zu Konftantinopel ben „Moniteur ottoman“, das officielle Journal der Pforte, das
feit 34. Mai 1852 auch als „Taquimi vaqâi“ in türk. Reproduction erfhien und nach feines
Begründers Tobe (1836) von Franceschi (geft. 1841) redigirt wurbe. Unterdeffen entftand zu
Smyrna aus dem „Courrier de Smyrne” das „Journal de Smyrne“, woneben 1838 das
„Echo de l’Orient” von Bargigli und der „Impartial de Smyrne‘” von Edwards begründet
wurden. Während das Iegtgemannte Blatt bis auf die neuefte Zeit herab zu Smyrna fortbes
ftand, fiedelten die beiden andern nach Konftantinopel über, wo fie ſeit 1846 vereinigt ald „Jour-
nal de Constantinople, !’Echo de l’Orient” erfcheinen. Sonft beftehen zu Konftantinopel in
tũrk. Sprache die „Djeridei havadis”, feit 3843 (von Churchill begründet), in franz. Sprache
der „Courrier de Constantinople” unb der „Commerce de Constantinople”, und einige andere
Blätter in ital, neugriech. und armen. Sprache. Rächſt Konftantinopel hat Smyrna die meiften .
Zeitungen (1854 zählte man fünf), einzelne Blätter erfchienen auch zu Belgrad, Wlerandria,
Beirut u. ſ. w. Wiffenfchaftliche Zeitfchriften find mehrfach verfucht worden, haben ſich aber
nicht halten können. Ein Blatt in neufgr. Sprache gaben bie Mifftonäre feit 1850 zu Urmia
am Wanſee heraus.
Obgleich von feiner Regierung unterflügt, zeigt die perlobifche Preffe der Armenier, welche
in diefer Beziehung allen orient. Völkern voraus find, eine weit höhere Entwidelung als die
türfifche; zugleich Haben fie diefelbe auch aus dem doppelten Geſichtspunkte der Politik und Li⸗
teratur aufgefaßt. Es gibt feine größere, von Armeniern bewohnte Stadt, in ber fie nicht bie
Gründung eines Organs verfuchten. Seit 1812 die Mechitariften zu Konftantinopel im „Py-
zantian Fidag”, der fich jedoch blos bis 1816 Hielt, dem erften Verſuch machten, waren bis An⸗
fang 1854 23 armen. Blätter erfchienen. Das erfte eigentliche, fo zu fagen officielle Journal
der Armenier zu Konftantinopel war ber „Hajasdan” (1846— 49), weldhen 1852 „Noiyan
Aghawni” und hierauf 1853 der „Massis” erfegten. Don Monatsfchriften erfchien 1851 zu
Konftantinopel der „Panasser” und der noch beftehende rein literarifhe „Purasdan”. Zu Ni-
komedien kam feit 1849 der „Hairenasser” heraus ; ein großes, fehr verbreitetes Blatt iſt der
feit 1840 zu Smyrna herausgegebene „Araradian Arschaluis”. Hierzu kam 1847 zu Wien
die „Europa” und zu Venedig der „PazmawWeb” (feit 1843), eine halbmonatliche Revue. In
Transkaukaſien beftanden der „Kawkas” (1846—47) und der „Ararat” (bi6 1851). In In-
dien befaß Kalkutta den „Azkasser” (1845-49) und Madras den „Panasser” (1848); zu
Singapore erfcheint lithograpbirt der „Ussumnasser”.
Die Vorliebe für Zeitungen bat fih auf alle engl. Eolonien übertragen. Beſonders ent-
widelt hat fich die Preffe in Oftindien. In ihrer Einrichtung ganz ähnlich dem Zeitungen des
Mutterlandes famen 1846 in Kalkutta bereits fechs tägliche Zeitungen heraus ; drei erfhienen
wöchentlich brei mal, acht wöchentlich ein mal, fämmtlid in engl. Sprache. Dazu famen in
Bombay zehn halbwöchentliche Zeitungen. Die ältefte Zeitung ift die „Calcutta gazette“, die
bereite 1784 begann; neben ihr find ber „Friend of‘ India” (feit 1835), „„Caleutta Asiatio
observer”, „Bengal recorder” u. f. w. zu nennen. Zu Bombay erfchienen unter Anderm
„Bombay Times”, „Bembay-Courier“, „Overland Bombay Times“, „The Indian news”
u.f. w., zu Madras der „Madras Spectator”, „Madras gazette”, „Madras Alhenaeum“ u. f. m.
Als die wichtigften der binnenländifchen Blätter in engl. Sprache dürften die „Delhi gazelte”,
bie „Murshedabad news“ zu Behrampore, der „Curachee advertiser” in Sindh zu nennen
fein. Dazu fommen die „Colombo Times” auf Ceylon, die „Singapore chronicle” und „Singa-
pore free press” zu Singapore, der „Malacca observer” zu Malacca, bie „Maulmain chro-
nıcle” u. f. w. In rafhem Zunehmen begriffen find die in den einheimifhen ind. Sprachen er
ſcheinenden Blätter, welche theils in wirklichen politiſchen Zeitungen nad) dem Vorbild be
a BZeitungen und Zeitſchriften
europaãiſchen beſtehen, theiis von Europäern, gebildeten „Eingäborenen und Miffionären- mit
vorherrſchend belehrender, zum Theil auch blos religiõöſer Tendenz herausgegeben werden. Im
J. 1850 erſchienen allein 26 Bläster in Hinduſtaniſprache, darunter 7 zu Agra, 8 zu Delhi,
5 zu Benares, 2 zu Merut, je 1 zu Labore, Bareilly, Simla und Indore. Im .gefawımten
eigentlichen Hindoftan konnte man 1854 bereitd an 55 60 Blatter in ind. Sprachen rechnen
Diessiteften einheimifchen Blätter find Die in bengalifcher Sprache, in welcher bereits 1818 der
„Sumatschar Durpun” vom Miffionsinftitut gu Serampore heramägegebm rmard. Das cf
von einem Eingeborenen redigirte und begründete WHatt war der „Suanakschar Tschawdrika”,
der feit 1822 Lange Zeit hindurch unter Redaction Bhabunitſchara⸗Banerdſchi's enfehlen. Eenit
gibt es Zeitungen in gugeratifcher, maharattifcher, tamuliſcher, ſinghaleſiſcher Sprache. ud
eine literarifche Journaliſtik nach Art der englifchen hat fich in Oftindien ausgebildet, amd neben
einer ziemlichen Anzahl allgemeiner Reviien und Magazine beftehen auch mehre fachwiffenfchaft
liche Zeitfchriften; jedoch find die meiften von euflern mehr der Beſprechung der orient. Berhälmifit
au Bunften der Europäer gewidmet. Das älteſte Journal diefer Urt ift da6 „Calcutta montkly
register”, das im Nov. 41790 begründet ward. Eonft gehören bahin „Calculta magazine”, „Cal-
cutta review” (feit 1844), „Indian review” (feit 1857), das ernflere „Journal of Ihe Asiatio
society of Bengal” (feit 1843), das „Journal of the Bombay branch of the Asiatic society"
(feit 1841), das „Journal of ihe Geographioal society ofBombay” u. f. w. Seit 1847 tommt
zu Singapore bie wiffenfchaftliche Monatsfchrift „Journal nf Ihe Indian Arcbipelago” heraus.
Im niederländ. Indien wird die politifche Preffe durch den „Javaasche courant“ zu Batavio
repräfentirt; fehr gefchäge ift Die „Tijdsehrift voor Neerlandsch Indie”. In Ehine erfcheint
feit 1828 das „Canton register‘, das vom altern Morrifon bis zu feinem Tode redigirt wurde;
zum Theil voiffenfchaftlich ift dad 1853 von amerif. Milfionären begrimbete „Chinese repo-
sitory”. Dazu kamen im lapten Decennium die Jeitungen „The Hongkong register”, „Tbe
friend of China” unb „China mail“, fowie der „North China herald“ zu Shanghai. Unbe⸗
beutend ift das portug. „Boletin de Governo“ zu Macao. WRiffenfchaftliche Zeitihriften find
die „‚Transactions of the China branch ofthe Asiatic Society” (Hongkong 1848 fg.) und das
„Chinese miscellany” (Shanghai 1849 fg.). Für Miſſionszwecke gaben amerik. Miffenäre
feit 1853 zu Ningpo ein Journal in chineſ. Sprache heraus; auch erfcheint feit 1855 zu Doug.
kong unter Aufſicht der Morrifon« Erziehungsgefellfchaft die Monatsfhrift „Hia-or-kuan-
tschin‘ (d. i. Perlenfchnur aus der Ferne und Nähe).
In Yuftralien hat die Zeitungsliteratur einen ungemein rafchen Aufſchwung genommen, do
baben die Blätter meift nur eine fehr enbemere Eriftenz. In den auftral. Colonien erfchienen
1845 bereits tiber 80 Zeitungen, die meiften indeffen nur wöchentlich ein mal; davon kamen auf
Sidney acht mit einer Tageszeitung, auf Melbourne drei halbwöchentliche, auf Geelong eine
wöchentliche, auf Südanftralien (Adelaide) vier, darunter eine halbwöchentliche, auf den Echwr-
nenfluß zmei, auf Dandiemensland 13 Wochenzeitungen. Die wichtigfien Blätter in Reums
les find der „Sidney herald” und ber „Sidney menitor”. Perth in Weftauftralien erhielt 1859,
Südauſtralien 4838 mit der „South Australian gazetie” feine erfte Zeitung. In ber Stadt
Adelaide allein erfchienen 1851 in 42 Druckereien nicht weniger als 13 Zeitungen, wovon II
in englifcher und zwei, die „Deutſche Zeitung” und bie „Sübdauftralifche Zeitung”, in deutſcher
Sprache; doch verminderte fich diefe Zahl nach Entdeckung der Goldminen raſch auf ſechs; unter
den eingegangenen befanden ſich auch die genannten deutfchen Blätter. Dagegen bat man ſeit
dem in den Golddiſtricten wiederum neue Blätter begonnen, wie bie „Ballarat Times” und die
„Mount Alexander maıl”, von denen.eine Rummer, teog bed kleinen Formats, einm Schilling ko⸗
ftet. Auf Bandiemensland zählte man 1835 bereits 40 Blätter zu Hobarttown und amwei zu
Launcefton; unter denfelben beftanden das Negierungsblatt, die „Hubarttown enzetie”, foreie
die „Colonial Times“ feit 1817. Bon den literarifchen und wifienfhaftlichen Zeirfehriften find
bie „Papers and proceedings of!he Royal saciety of Van-Diemen’s-Land" (1849 fg.) von
Werth. In Neufeeland wurden gleich nach Anlegung der Golonien 4859 zwei Zeitungen, die
„New Zealand gazelte” und der „New Zealand adverliser”, begründet, die ſich dis IRH1 be
veit& auf fech8 vermehrt hatten. Auf den Sandwichinſeln erfcheinen zu Honolulu unter andern
der „Polynesian“ (feit 1843) und der „Friend“; auf Tahiti ward 1844 als amtliches Blott
„L'Oce&anie frangaise” begründet.
Die erfte Zeitung in Rordawerika ward 1704 unter bem Titel „The Boston news leller”
bon dem Poftmeifter Campbell begründet, dann von Green und deſſen Nachfolgern dis aut
Mäumung Voftons durch die engl. Truppen 1776 fortgeführt. Campbell's Nachfolger im
Zeitungen ugd Zeiffchriften 485
Poſtamt gab vom 21. Dec. 1719 an bie „Boston gazette” heraus, Welle erft von J. Franklin,
Bann von Koreland gedrudt wurde. Als Lepterer den Druck des Blattes verlor, befann er auf
eigene Koften das „Journal of New England”, das nach 15 3. mit ber „Gazette” vereinigt
wurde und nun bis 1752 als „Boston gazelle and weekly journal” erfihien. Mittlerweile
hatte J. Sranktin 17. Aug. 1721 die dritte boftoner Zeitung, den „New England courant“ an-
gefangen, der biß 1727 befand und feine beften Beiträge von des Herausgebers Bruder, Beni.
Franklin, erhielt. Um 1731 begann Ser. Gridley den „Weekly rehearsal“, der nach einem
Sahre an Fleet überging, welcher das Blatt ald „Boston evening post” 13 3. hindurch er-
feinen ließ. Außerdem gab es zu Bofton außer Koreland's „Weekly advertiser” (1752 —
54) noch zwei andere Zeitungen: der „Weekly postboy” (1734—54) und „Independent ad-
vertiser” (1748—50). In fümmtlihen engl. Colonien Norbameritas erfchienenen 1750 nur
20 Blätter. Zu Philadelphia kamen ber „American weekly Mercury” (feit 22. Dec. 1719),
die 1729 von Franklin erfaufte und 30 J. lang redigirte „Pennsylvanian gazete”, fowie zwei -
andere Blätter, darunter ein dDeutfches, heraus; zu Neuyork beftanben vier Blätter, darunter
bie „New York gazeite” feit 16. Oct. 1728; zu Charleſton bie „Virginia gazeite” feit 1736,
fowie zwei andere ſeit 1731 und 1734; bie „Gazette von Annapolis hatte 1728, die von
Rhode⸗Island 1752 begonnen. Die erften diefer Zeitungen beftanden blos in einem halben
Bogen, bald in Folio, balb in Quart; erft feit 1748 gab bie „News letter” alle 14 Tage
einen ganzen Bogen; die Zahl der Abnehmer erreichte faum 300. Doch bald wuchſen die Blät-
ter an Zahl wie an Umfang. Im 3.4775 beftanden bereits 34 Zeitungen; gleich nad) ber Re-
volution vermandelten fi in Neuyork und Philadelphia die Wochenblätter in Tagesblätter.
Während man 1800 in den Vereinigten Staaten 150 Zeitungen zählte, belief fich deren Zahl
4810 bereits auf 359, eine Anzahl, die bis 18283 mie Einfchluß der Zeitichriften auf 851, 1954
bis auf 1250 Zeitungen und 140 Zeitfchriften (davon in Bofton allein 45 Zeitungen und 47
andere periodifche Schriften) angewacfen war. Am 1. Juni 1850 wurden 2717 Zeitungen
und Beitfchriften gezählt; für Anfang 1855 läßt ſich die Zahl zum mindeften auf 3000 an-
ſchlagen. In Neuyork allein erfcheinen 82 polisifche Blätter. Am lebendigfien regt ſich die
Dreffe im Norden; in den füblihen Staaten ifl die Thätigkeit geringer. Bon den ungefähr 28300
Blättern, die 1851 herausfamen, erfchienen 350 täglich, 150 drei mal wöchentlich, 125 zwei
mal wöchentlich, gegen 2000 wöchentlich ein mal; die übrigen vertheilten fich auf folche, die Halb»
monatlich, monatlich oder vierteljährlich herausgegeben werden. Sie hatten zuſammen eine Auf⸗
Tage von etwa 5 Mill. Exemplaren ımd drudten jährlich mehr ald 422,600000 Nunmern.
Wenngleich die engl. Zeitungspreffe die wichtigfte und umfangreichſte in Europa ift, fo wirb
fie nach dem Vorigen an Umfang wie an Einfluß ſchon weit von der der Vereinigten Staaten
von Nordamerika übertroffen. Nirgends in der ganzen Welt find die Zeitungen fo allgegenwärtig
und fo allmächtig bei Allem, was gefchieht; eine Stadt von 2000 E., die in England eine eigene
Zeitung gar nicht haben würbe, hat in Amerika eine tägliche Zeitung; Städte von 20000 E.,
die in England fi mit halbwöchentlichen oder wöchentlichen Blättern begnügen, haben in
Amerika drei bis vier tägliche Zeitungen. Kaum ift im fernften Weſten eine Anlage begründet,
fo entftehen mit ihr auch fchon ein oder einige Blätter. Die Erhaltung einer fo ungeheuern An⸗
zahl von Zeitungen wird in Amerika möglich außer durch das pelitifche Intereffe namentlich
Durch die Wohlfeilheit der Zeitungen (eine tägliche Zeitung erfter Claſſe koſtet höchſtens acht
Doll. die londoner täglichen Zeitungen über 30 Dol.; viele achtungswertbe amerik. Tagesblät-
ter koſten nur fech®, andere fogar nur drei Doll.), durch die Maſſe der Anfündigıragen und durch
bie Befreiung von jeglicher Abgabe. An Gediegenheit des Inhalts freilich Tann fich die ame⸗
rik. Preffe mit der europ. noch nicht meſſen, obgleich fie diefelbe an Mannichfaltigfeit erreicht.
Einem wilden und blinden Parteitreiben vollſtändig ergeben, bildet fie eben deshalb einen fehr
wirkſamen politifchen Bligableiter. Nicht feltener als die Verſtöße gegen bie Sittlichkeit find die
Sünden gegen den guten Geſchmack, indem fie oft in einen rohen und gemseinen Ton verfällt.
Doc finden fi rühmliche Ausnahmen, die fich namentlich in neueſter Zeit, f:it gründlicher ger
bildete Männer Herausgeber und Reiter van Zeitungen geworden find, Immer häufiger zeigen.
Zu den geadhtetften Blättern gehören bie „Philadelphia gazetie”‘, eine der ättefien Zeisungen,
in Pennfylvanien; „Daily adversiser” zu Albany im Staate Neuyork; der forinlifiiche, von
Greeley herausgegebene „Tribune” (Seit 1841) und der 1836 von ben unternehusenden Ben
nett gegründete „New York herald” in Reuyork; „Kveniug post” in Reugort, feit 1826 von
Bryant redigirt, eine ber einußreihiien dewobxatiſchen Zeitungen; „New Yark commercial
adverliser”, van Sande 1827— AR repigirt ; dak „Lomisnille joucnal” (Rasturfg), heraubaer
496 | . ZeitungenungSgifäriftien 3. 7%
ben von Prentice; „The North American‘ in Philadelphia; ber „Globe“ in Waſhington; ber
„Courier and Enquirer” und das „Journal of commerce” in Neuyork; ber „Enquirer‘’ in
Richmond ; der.„Courier” und „Picayune” in Neuorleans ; ber „Republican m St.-Zouis
#. a. m. In Californien erfcheinen ebenfalls bereitd mehre große und bedeutende Zeitamgen, wie
der „San-Francisco herald”, „Commercial”, dle „Pacific news” (feit 1850), die „Alta Cafi-
fornia”, die deutſche, California⸗Staats zeitung“ u. ſ. w. Als Beiſpiele des ſtarken Abſatzes, de ſſen
ſich manche Blätter zu erfreuen haben, führen wir nur an, daß zu Philadelphia 1854 der „Public
ledger” in einer Auflage von 48000 täglich, das „Dollar newspäper”, fowie „ScoW’s weekly
paper” von 40000 wechentlich, die,,Saturday evening post” von 42000, der „American cou-
rier” von 35000 wöchentlich und „Godey’slady's book“ in einer Auflage von 60000 monatlid
ausgegeben wurden. Wie alle politifchen und Eirchlichen Parteien in allen Staaten und großern
Städten ihre Vertreter in der Preffe Haben, fo auch alle Nationalitäten, die in der Bevölkerung
der Vereinigten Staaten zufammenfliefen, Die meiften Blätter natürlich erfcheinen in engl.
Sprache; die nächft größere Zahl erreichen ie deurfchen Zeitungen. Das ältefte deutfche Blatt
erichien 1729 zu Philadelphia; das ältefte noch beftehende iſt der , Deutſche Adler” zu Reading,
ber 1798 begann; als die nächft älteften folgen der Reihe nach bie „Gazette von Hanover (feit
4805), der „Republitaner” von Allentown (feit 1810), der „Demokrat“ von Lebanon (feit
1817), die „Gazette von York (feit 1824), der „Exrpreß” von Doylestown (feit 1826), ber
„Bauernfreund“ von Sunnytown (feit 1827). Die genannten Ortfchaften liegen ſämmtlich
in Pennſylvanien. In neuerer Zeit, feit die Deutfchen mehr zuſammenhielten, ift auch die Zahl
der deutfchen Blätter geftiegen, ſodaß man 4850 deren bereit6 89 zählte, von denen 65 demo-
kratiſchen Charakter trugen. In Folge der ungemein gefteigerten Einwanderung während
ber legten Jahre hatten fich bie deutſchen Blätter bis Anfang 1852 fchon auf 152 vermehrt, von
denen 47 auf Pennfolvanien, 28 auf Ohio, 23 auf Neuyork, 42 auf Miffouri, I auf Mary⸗
land, 8 auf Wisconfin famen. Bon den 19 Blättern, Die um diefe Zeit in der Stadt Neuyork
erfchienen, war die „Neuyorker Staattzeitung” (feit 1834), von den 17 Eincinnatis das „Volks-
blatt’ (feit 1835) das ältefte. Während viele beutfche Blätter, weil von Ungebildeten heraus
gegeben, in einer entfeglichen Sprache gefhrieben find, zeichnen fich beſonders einige neuyorker
und ohiofche durch Geſchmack, Sprache und geſchickte Nedaction aus. Die Mehrzahl ift poli-
tifchen Inhalts ; doch gibt es auch einige deutſche belletriftifche, Iandwirtbfchaftliche und medici⸗
nifche Zeitfchriften. Sonft erfcheinen noch Blätter in welfcher (Ende 1854 zählte man fünf re»
ligiöſe Journale), franz. (3. B. der „Courrier des Etats-Unis” feit 1828 in Neuyork; mehre
Blätter in Rouifiana), ital. (zuerft das „Eco d'Italia” feit 1850 zu Neuyork), fpan. (darunter
bie „Verdad“, 1854 zu Neuyork von cubanifchen Flüchtlingen herausgegeben), poln. und un⸗
gar. Sprache. Die in Ealifornien angeficbelten Chinefen haben im März 1854 zu San- Fran
ciſco eine Zeitung unter dem Titel „„Kin-schan-dschin-sin-Iu” (Boldminenzeitung) begrünbet,
der 1855 eine zweite chinef.-englifche „Tung-ngai-San-luk” oder „The Oriental” folgte.
Selbſt Die Indianer haben angefangen fich eigene Zeitungen zu fchaffen, mie denn ſchon 1828
zu Neuechota ber „Cherokee Phoenix” halb in engl., halb in cherofefifcher Sprache von einem
Cherokeſen herausgegeben wurde. Andere Blätter in Indianerfprahen haben die Mifftonäre
(3.8. 1852 zu St.-Yauls in Wisconfin für die Dakotas) gegründet. Die eigenthümlichfien
Selten und abfonbderlichften Richtungen fuchen fich in den Vereinigten Staaten durdy die Preffe
Geltung zu verfchaffen. Wir erwähnen nur die Mormonen, bie nicht nur in ihrer Colonie Utah
einige Zeitfchriften befigen, fondern deren auch in Europa, wie zu Kiverpool, in Wales, in Pa-
ris, Kopenhagen, fa felbft in Hamburg („Zions Panier”, Nov.1851 bis Febr. 1852), begrun-
bet haben. Als Drgane der Klopfgeiftergemeinden erfchienen ımter andern der „Spiritual te-
legraph” und der „Spirit messenger”; der Verein zur Einführung ausfchließlicher Pflanzen.
koſt fuchte durch den „Vegetarian messenger” zu wirken.
Von einer periodifchen Literatur, die mehr als politifches Tageblatt ift, finden fi vor ber
Revolution nur geringe Anfänge. Das 2. März 1745 begonnene „Boston weekly magazine”
erreichte blos die vierte Nummer ; ebenfalld nur kurzen Beftand hatten „The christian history”
(1743,45), „The American magazine” (1743 — 45), von Gridley herausgegeben, „The New
England magazine” (1758), da® „American magazine” (1774), das „New American ınaga-
zine" (Mooobzidge 1758—59), das „American magazine (zu Philadelphia 1741), Krank
lin's „General m̃agazine“, Aitken’6 „Pennsylvanian magazine“ (1775) u. ſ. w. Im Ganzen
hatten vor der Revolution zwölf Monatsblätter beſtanden; günſtiger geſtalteten ſich die Ver⸗
hältniſſe für ſolche Unternehmungen nach derſelben. Auf längere Zeit erhielten ſich „American
/
* m .-q
Zeitwert Zeig a5
museum” und „Cohimbian magazine” (1787 — 92) zu Philadelphia, Da6 „New York maga-
zine’” (1790 — 97), da6 „Massachuseits magazine” (1789 — 95), Dennin’s „Porttolio”
(1801 fg.). Als eigentlicher Begründer der nordamerik. Zeitfchriftenliteratur ift jedoch Phineat
Adams zy betrachten, der im Nov. 1805 gu Bofton die „Monthiy anthology“ begann, bie als
„Massachusetts magazine‘ und „Boston review” bit 1811 befland und welcher das viertel-
jährliche „General repertory” zu Cambridge (1812 —13) folgte. In Neuyork gaben PYaulding
umd Waſhington Irving 1807 das humoriſtiſche Journal „Salmagundi” heraus. Im Mai
1815 fliftete Tudor (geft. 1829 als Befandter zu Riode Janeiro) die „North American review”,
die von Sparks, dann von Bowen, Everett u. a. berühmten Schriftflellern redigirt wurbe und
noch gegenwärtig zu den geachtetften Journalen Amerikas gehört. Die „American quarterly
review“ begann 1827 zu Philadelphia; um diefelbe Zeit entfianden die „Western review” zu
Bincinnati (1827 — 35), die „Southern review” zu Charleſton (1828— 33), die „United Sta-
tes review” zu Philadelphia u. |. m. Andere geachtere Journale find oder waren: „New York
monthly review’ von Bryant, feit 1825 herausgegeben; „American monthly magazine”,
redigirt 1828— 31 von Willis; die „New World“, in Neuyork feit 1840 herausgegeben von’
Part Benjamin; „TheNew Yorker” ‚feit 1834 herausgegeben von Greeley; die „United States
literary gazeite’”; New York mirror‘, feit 1823; das „Honie journal” ; „The western literary
journal‘; „The southern lilerary messenger” u. f. w. Sogar in San⸗Franciseo iſt 1854 eine
wiffenfchaftlich-Literarifche Zeitfchrift der „Pioneer“ gegründet worden. Auch in Europa viel
gelefen find bie „Literary world” (feit 1847) und „Puinam's monihly“ (feit 1855). Unter
den bibliographifchen Zeitungen ift befonderd Norton’ „Literary gazelte and publishers cir-
cular” (feit 1851) zu Neuyork hervorzuheben. Kür Fachwiſſenſchaften beſtehen zahlreiche, zum
Theil fehr gut geleitete Journale. Wir nennen beifpieldweife ald auch bei deutfchen Gelehrten
in hoher Achtung fiehend die „Bibliotheca sacra” (1843 zu Neuyork von Robinfon begründet)
und „The American biblical repository”, ebenfalls von Robinfon 1831 begonnen; ferner
das „American journal of medical sciences” und bie „Medical news and library” zu Phi
ladelphia; das „Boston medical and surgical journal” ; da8 gehaftreidhe „American journal
of science and arts”, zu Newhaven von Gilliman herausgegeben; das „Journal of Ihe
American Oriental society”; die „Transactions of the Aınerican pbilosophical society’ ; das
Bulletin ofthe American geographical and stalistical society” (1852 fg.)u. ſ. w. Hierzu fom-
men die periodifchen Publicationen der zahjreichen gelehrten Geſellſchaften, der hiftorifchen Der»
eineu.f.w. Vgl. Poole, „General index to periodical literature” (Reuyort 1853).
Ziemlide Ausbildung hat die periodifche Preffe im fpan. Amerika und Brafilien erlangt,
wenn fie auch durchaus im Dienfte der Parteien fteht. Die Zahl der in Megico erſcheinenden
Zeitungen ift beträchtlich, Doch find nur die „Gaceta deMexioo” und die „Gaceta de Veracruz*
von weiterm Intereſſe. Viele werthvolle Auffäge enthält die 1849 begründete Zeitſchrift
„Museo mejicano”. Der lebhafte Verkehr über die Landenge von Panama hat bier in engl.
Sprache 1850 den „Panama Star’ und 1851 den „Pauama Herald” hervorgerufen. In Yu⸗
cutan erfchienen 1848 vier Blätter, darunter zu Merida das beletriftifche „Registro Yucaleco”.
In Centralamerika bürfte die officielle „Gazeta de Nicaragua” das bedeutendfle fein; Daffelbe
gilt von den füdamerik. Zeitungenzu Caracas, Bogota, Guayaquil, Lima, Balparaife, Santiago
und Buenos-Ayres. In Brafilien haben zwar alle größern Provinzialftäbte ihre eigenen Blät-
ter, oft deren mehr als eins, doch hat die politifche Preſſe ihren Mittelpunkt immer in Rio de
Faneiro. Unter den vier dortigen politifchen Tagesblättern ift ba6 „Journal de comereio’’ das
verbreitetfie und beſteht gieich dem „Journal de Rio“ bereits feit 1825. In Weftindien er-
fcheinen zahlreiche Blätter in engl., franz., fpan. und holl. Sprache. Bon ben europ. Colonien in
Afrika hat das Capland die meiften Blätter, deren 1845 6 englifhe und 5 Holländifche er»
ſchienen, die ſich bis 1852 auf 27 (meift in engl. Sprache) vermehrt hatten, von bentn ſedoch
etwa nurbie „Cape Town Mail” auf den Namen einer eigentlichen Zeitung Anfpruch machen
kann. In Natalia wird ein Blatt in der Kaffernfprache herausgegeben; 1854 begann auch
eine Zeitung zu Liberia. \ \
ER ſ. Berbum.
eig, Stadt im Regierungsbezirt Merfeburg der preuß. Provinz Sachen, liegt in einer
angenehmen fruchtbaren Gegend am rechten Ufer der Weißen Eifter, über welche eine fleinerne.
Brücke führt, und auf und an einem hohen Bergabhange. Die Stadt ift fehr alt und hat als
ehemalige Refidenz und ale Sig verſchiedener Behörden zum Theil gute Gebäude, vier Kirchen, '
Gonv.sEez. Zehute Aufl. XV. 2 " 32
t
8 Zell (Dre)
- ein Gymnafium (Stiftsfchule), das eine anfehnliche Bibliothek von 12000 Bänden und vieler
Handſchriften befigt, ein Waiſenhaus mit einer Armen- und Induſtrieſchule, ein evang. Colle⸗
giarflift und das Schloß Morlgburg,' das fegt zu einen Eorrectiond-, Landarmen- und Kran-
kenhaus dient. Merkwürdig ift das Denkmal, das König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
feinem ehemaligen Lehrer, dem Confiftorialrath Delbrück, bat fegen laffen. Die Zahl der Be-
wohner befäuft ſich auf 12000, die theils mit Tuch⸗ Baummollenmaaren - und Leberfabrita-
tion, theild mit Garten⸗ und Feldbau fich befchäftigen. — Das ehemalige Bisthum Zeig wurde
368 von Otto I. errichtet, um die Bekehrung der Wenden zum Chriſtenthume zu befördern.
Bei den häufigen Einfällen der Menden und Polen aber hielten es ber Biſchof und feine Geift⸗
lichen gerathener, Ihren Eig 1029 nad den zugleich mehr Annehmlichkeiten darbietenden
Naumburg (f. d.) zu verlegen, und das Stift erhielt nun die Beneimung Naumburg : Zeig.
Als der legte kath. Biſchof, der durch feine Gelehrſamkeit und Klugheit berühmte Julius Pflug,
1564 ftarb, wählte das Domcapitel dert Prinzen Ulerander aus dem Kurhauſe Sachſen zum
Adminifirator und nach deffen Tode feinen Vater, den Kurfürften. Von jegt an blieb das Stift
bei dem kurſachſ. Haufe, dem ed auch im Weftfätifchen Frieden zugefichert wurbe, bis Kurfürft
Schann Georg I. daffelbe in feinem Teftamente von 1652 nebft verfchiedenen andern Amtern
feinen: jüngften Sohne Morig vermachte, ber auf diefe Weiſe der Stifter der fadfen-zeigifdgen
Mebenlinie wurde, die jedoch bereits 1718 wieder erloſch. Der legte regierende Herzog, Morig
Wilhelm, harte nämlich theils wegen feiner Schulden, theil® wegen feiner Streitigkeiten mit
bem Kurfürften die Reichöunmittelbarkeit verloren, und als er 1715 insgeheim und 1717 zu
Leipzig auf der Pleifenburg öffentlich zur kath. Kirche übergetreten war, erflärte da8 Donıc:-
pitel daB Stift für erledigt und wollte zur Wahl eined neuen Admmiftrators fchreiten. Aber
Auguſt II. von Sachen nahm das Stift, unter dem Bormande, baffelbe gegen die Gewaltthä⸗
tigkeiten des Herzogs zu ſchühen, mit gewaffneter Hand in Beſit und brachte durch einen 1726
geichloffenen Vergleich, daffelbe wieder an das Kurhaus zurück, ſodaß ſeitdem ber Kurfürſt das
weltliche Regiment bes Stifte, die geiftliche Regierung aber fein geheimes Conſilium führte.
Diele Berfaffung wurde bis 1815 beibehalten, wo das ganze Stift Naumburg-3, mit Aut-
nahme eines Bezirks von einer Duadratmeile, an Preußen kam.
Zell heißen mehre Orte Deurfchlands. Der der Einwohnerzahl nach größte Drt darunter
iſt die Kreisftabt Zeil, im ſüdweſtlichen Theile des Regierungsbezirks Koblenz der preuß. Rhein⸗
provinz, am Einfluß des Zellerbachs in die Mofel. Sie ift fehr alt, mit Mauern und Thürmen
ungeben und bat eine kath. und eine evang. Kirche und über 2700 E., die ſich von Flachs-,
Obſt· und Weinbau, forte von Seidenzucht und etwas Handel nähren. Unmelt der Stadt auf
einer fteilen Höhe an der Mofel liegen die Nuinen de 1127 geftifteten Nonnenfloftere Marien:
Burg, das 1545 aufgehoben und in eine Feflung verwandelt wurde. — Zell ober Zell am See,
Marttfleden und Hauptort einer Bezirkshauptmannſchaft im öftr. Herzogthun Salzburg, weſt⸗
lich anı Zellerfee im Pinzgau, in überaus malerifcher Gegend gelegen, deren Dintergrund im Eü-
den die Gletſcher des Großglockners und der Tauern bilden, hat 600 E., eine kalte Mineral.
quelle und ſtarke Branntweinbrennerei. In der Naͤhe, am rechten Üferber Sulzach, liegt das Dorf
Kaprun mit der uralten Feſte Kaprun. Reizend ift die Fahrt auf ber Dammſtraße von hier
nah Fiſchhorn, deffen Schloß einer der berühmteſten Standpunkte in den Alpen ift. — Zell,
ein Marktfleden im innsbrucker Kreife Tirols, ift der * des ganz von no@gehitgen
umfchloffenen Zillerthals (f. d.), hat 1000 E. und eine Pyramide von weißem Matmor zum
Gedãächtniß der Anweſenheit des Kaiferd Kranz 1816. — Zell, Oberzell ober Zell ob berIps,
ein Marktflecken in Unteröftreic, in der Bezirfshauptmannfchaft Waidhofen, am rechten Ufer
der Ips, bat ein Schloß und 700 €,, die viele Eifenwerkftärten unterhalten und berühmte
Stahlwaaren, befonders Fiſchangeln fertigen. Gie Brüde führt nach der Stade Waidhofen
- au ber Ips, dem Daupefige der nieberöfte. Eiſenwaarenfabrikation, mit einem Schloſſe,
30600 E., zahlreichen Fabriken und Werkſtätten, worunter ach? Senfenhämmer, auch erheb-
lichem Handel mit Schleif und Wetſteinen. Wegen der hier verbreiteten Eiſenfabrikation
heißt die ganze Gegend die Eifenwurze. — In Steiermark liegt Mariazell (f.d.). — Zell
oder Oberzell, ein Pfarrdorf im bair. Kreife Unterfranken, lin!® am Rain, , M. unterhalb
Würzburg, mit einer ehemaligen Eiftercienferabtei, Eifengießerei, Mafchinenpapierfabrit und
großen Etabliſſements von König und Bauer zur Fertigung von Maſchinen, Dampffchnel-
prefien u. ſ. w. — Bel oder Liebenzell, ein Städtchen im mürtemb. Schwarzwalbkreife, im
Oberamt Neuenbürg, in dem engen Thal der Nagold, mit 1000 E., einer Burgruine, einem
Kupferhammer, mechaniſcher Wollfpinnerei, berühmten Flachsmarkt, Satz und kohlenſauerer
> — To ng
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Ze (Kar) | Zell (Atih) 499
Natronquelle, deren Badeanſtalt das Zellerbab bilden. — Zell oder Zell am Harmersbach,
Stadt im bad. Amte Gengenbach, am Harmersbach, war ehemals eine Freie Reichsſtadt mit
3000 Unterthanen, hat 1400 E., eine Wallfahrtskapelle, eine Steingut- und Porzellanfabrik,
ein großes Hammerwerk, Zeugroebereien, eine Papiermühle und in ber Nähe einen Geſund⸗
brunnen, Meebad genannt. Das 2 &t.kange Thal Harmersbad zählt 2I Mahl-, zwölf Säge-
mühlen, 18 Granatſchleifen, zwei Eifenhämmer und 4100 E. — Bell oder Zell im Wiefen-
thal, eine Stadt im Amte Schönau des bad. Dberrheinkreifes, an der Wiefen, zählt 1550 E.,
worunter viele haufirende Bürftenbinder, hat Kattunfabrikation, Bleichen, Nagelfchmieden,
einen Eifenhammer und eine Babdeanftalt. — Zell oder Radolfzell, eine Amteftadt im bad.
Seekreiſe, am Zeller- oder Unterfee, war früher öftreichifch, zählt 1200 E., die Gerberei, Wein⸗
und Opftbau, Schiffahrt und Handel mit Getreide, Vieh u. f. w. treiben. Zu ihr gehören die
Dörfer Unter: und Oberzell auf der im Unterfee gelegenen Infel Reichenau (f.d.).
Zell (Karl), verdienter Humanift und Schulmarn, geb. 8. April 1793 zu Manheim, ex-
hielt in ben Lehranſtalten feiner Vaterftadt eine tüchtige Vorbildung und bezog 1810 die Uni«
‚verfität zu Heidelberg, wo er fi befonder® unter Creuzer's Leitung den Studium der Philo-
logie widmete. Nachdem er hierauf feit 1813 daffelbe zu Göttingen und Breslau mit Eifer
fortgefegt hatte, erhielt er 1814 bei feiner Rückkehr eine Profeffur an dem Lyceum zu Raftabt,
zu deffen Glanz er durch fein ausgezeichnetes Lehrtalent nicht wenig mit beitrug. Während
diefer Zeit erivarb er fih auch durch fchriftftellerifche Thätigkeit kinen guten Namen‘ und es
wurde ihm daher 1821 die Stelle eines ordentlichen Profeſſors an der Univerfität zu Freiburg
übertragen, mo er namentlich durch Gründung eines philologifhen Seminars, das 1850 nad)
Überwindung mander Schwierigkeiten ins Leben trat, viel für Erweckung und Forderung ber
Alterthumswiſſenſchaften wirkte. Selbft auf dem ftürmifchen Landtage von 1831, wohin er als
Abgeordneter zur erften Kammer von der Univerfität gewählt wurde, mußte er, Durchdrungen
von dem Gefühle für dad Rechte und Gute, die höhern geiftigen Intereffen feines Volkes -wie-
derholt zur Sprache zu bringen und trat hier überhaupt oft vermittelnd und verföhnend auf.
Als Mitglied der 1854 zu Karlöruhe verfammelten auferordentlihen Commiffion zur Prü-
fung eines neuen Xehrplans für die Gelehrtenfchulen führte er durch feine hervorftechenden
Kenntniffe und reihen Erfahrungen die Verhandlungen zu einem günſtigen Refultat und
wurde im Sahre darauf zum Minifterialtath und Mitglied des Oberſtudienraths zu Karlsruhe
befördert. Im 3.1847 gab er indeß diefe Stellung auf und wurde nun zum Geh. Hofrath
und zum ordentlichen Profeffor an der Univerfität Heidelberg ernannt. Während der Jahre
‚1848 —53 war er Mitglied der zweiten Kammer ber bad. Stände, wo er auf dem Landtage
von 1851 ber von Hirfcher ausgegangenen Motion zur Begründung einer großern Kreiheit
und Seibftändigkeit der Kirche fi) mit Eifer anſchloß. Am 3. 1852 wurde er zum Präfidenten
der Allgemeinen Verſammlung der Path. Vereine Deutfchlands zu Münfter und 1853 zu
Wien gewählt. Unter feinen Schriften find hervorzuheben: die Ausgabe von Arifioteles”
„Ethica Nicomachen“, mit Commentar (2 Bbe., Heidelb. 1820), eine von ihm unternommene
Sammlung lat. Claſſiker (17 Bde, Stuttg. 1827— 31), worin unter Anderm von ihm bie
Ausgaben von Cicero's, „De republica” und vom Horatius beforgt wurden ; die deutfche Über⸗
fegung von Xriftotele®’ „Organon” (5 Bdochn., Stuttg. 18356--A0); mehre Lateinifch gefchrie-
bene Univerfitätsprogramme. Seine Hauptmwerke aber find das „Handbuch ber röm. Epigra-
phil” (2Bde., Heidelb. 1850—51) und feine „Kerienfchriften” (3 Bde., Freib. 1826 33),
eine Reihe trefflicher Abhandlungen, die und mit Marer und lebendiger Anfchauung das antike
Leben in feinen verfchiedenften Beziehungen vorführen und von Goethe eine claffifche Bereiche»
rung der neuern Riteratur genannt wurden.
Zell (Urich), der ältefte Buchdrucker Kölns, jedenfalls unmittelbar in der Fuſt und Schöf-
fer'ſchen Officin zu Mainz gebildet, kam, vermuthlich gleich nach der Eroberung diefer Stadt im
Det. 1462, als flüchtiger Fremdling nad) Kon, wo er ſich durch feine neue Kunft bald die Her⸗
ren von Lyskirchen geneigt machte, die ihm jenes Haus für die Ausübung berfelben einräumten,
welches, dicht bei der nach jener Familie benannten Kirche gelegen, jegt den Ramen „Zur ſchönen
Ausfiht” führe. Für die älteften datirten Drucke dieſes geſchickten Meiſters, aus deffen Werk⸗
ftatt eine fehr bedeutende Menge von Büchern hervorging, die aber zum größten Theil der Dris⸗
und Jahresangabe ermangeln und daher nur aus dem Charakter. ihrer Typen ertannt werden
können, find bis jegt „Chrysostomus super psalmo.quinquagesimo” (1466) und „Augusti-
nus de vita christiana” (1467) anzufehen. Sein Geſchaft fcheint blüpent, gewefen zu fein.
hy
500 Zellen Zelgemehe
Außer andern größern und Eoftfpieligen Werken brachte ihm namentlich auch feine ohne Ort und
Jahr (wahrſcheinlich 1470) erfchienene „Biblia Latina” (2 Bde.) Ruhm und Ehre. Mir dem
J. 1494, wo er „Gerardi Hardervici commentarii in quatuor libros nove logice Alberti
Magni” druckte, verfchwindet fein Name. .
Zellen find belebte Bläschen, welche die Urform alles organifchen Kebens und zugleich Die
lementarorgane aller Gewaͤchſe bilden. Die Zellen der legtern umfchließen in einer bünnen,
durchſichtigen Haut eine Mare Flüſſigkeit, die in der Zelle ſelbſt eine Preifende Bewegung (Circw
lation des Saftes) vollführt. Die urfprüngliche Geftalt der Zellen ift kugelig, wie fie ſich noch
an manchen Pilzen und Algen zeigt, die nur aus einzelnen Zellen beftehen. Bei andern find fie
perlſchnurförmig aneinander gereiht. In größern Mengen vereinigt bilden fie das Zellgemebe
und nehmen durch gegenfeitigen Drud edige Formen, 5. B. dic des Rhombendodekaeders an.
Plattgedrückt erfcheinen fie in der Dberhaut, zu Röhren verlängert in den Baſtfäden. Die
$unetion der Zellen befteht darin, in fich den zur Vergrößerung und Neubildung aller Pflun-
zentheile nothwendigen Saft zu bereiten und vermöge der bygroffopifhen Natur der aneinan
der liegenden Zellenwände in alle Theile der Pflanze zu führen. Sie vertreten daher zugleich
die biutbereitenden und biutführenden Organe der Thiere. Getüpfelt, d. h. an gemiffen Stellen
der Wände verdünnt, find die Zellen holziger Gewächfe, damit durch die Verdidung der andern
Stellen diefer Umlauf nicht gehemmt werde, Producte der Zellenthätigkeit, die fich durch Ab-
fagerung aus den Wänden bilden, find: Pflangenfchleim, Zuder, Harz, Salze, befonders ge
färbte Pflangenfäfte, die den farbigen Pflangentheilen ihre Farbe verleihen, wo dieſelbe nicht
durch in der Zellenmembran abgelagerte Stoffe herbeigeführt wird, ferner Pflangengrün,
Stärkmehl, verfchiedene Meine in den Milhfäften vorkommende gefärbte Körper und winzige,
meift aus Kalkerde beſtehende Kryſtalle. Die Größe der Zellen ift ſehr verſchieden, fie wechfelt
von Yo Zoll (bei Kürbiffen) bis Yıuon Zoll und fteht mit der Dichtigkeit und Glaflicität, nicht
aber mit der Große ber aus ihnen beftehenden Pflanzentheile in Zufammenhang. (S. Pflanzen.)
Zeller (Eduard), deutfcher Philofoph und Theolog, geb. 22. San. 1814 im würtemb.
Dorfe Kleinbottwar, erhielt, früh zur Theologie beftimmt, feine wiffenfchaftlihe Bildung erft
in den würtemb. Seminarien, dann auf ber Univerfität zu Tübingen, auf ber bie philofophifchen
Vorlefungen von Strauß, die theologiſchen von Baur die meifte Bedeutung für ihn hatten. Nach
Beendigung feiner Studien führte ihn in Herbft 1836 eine wiffenfchaftliche Reife Durch Nord⸗
deutfchland auf ein Semefter nad) Berlin, wo außer Marheineke, Vatke und Neander auch Guns
fein Lehrer war. In die Heimat zurückgekehrt, kam er, nachdem er einige anderweitige Anſtel
lungen beffeidet, 1839 als Repetent nach Tübingen, wo er fofort mit Vorlefungen begann und
fi) im Herbft 1840 als Privardocent der Theologie habilitirte. Zwei Jahre darauf begründete
er in Verbindung mit mehren andern Gelehrten die „Xheologifchen Jahrbücher”. So zahlreich
der Kreis der Zuhörer auch war, den um 8. feine theologifchen und philofophifchen Vorleſungen
verfammelten, fo wurbe ihm doch um feiner wiſſenſchaftlichen Richtung willen eine Anſtellung
"von Seiten ber Regierung beharrlich verweigert. Deshalb fand er fich bereit, einem Anfang 1847
an ihn ergangenen Rufe ald Profeffor der Theologie nach Bern zu folgen. Seine Berufung
erregte dort großed Auffehen und wurde von der zahlreichen confervativen Partei zu einer
Agitation wegen angeblicher Religionsgefahr benugt, welche den Canton in eine außerordente
Tiche Aufregung verfegte, eine Menge Brofhüren und Sournalartißel hervozrief und bie rad”
tale Regierung zu fprengen beſtimmt˖ war. Nachdem ſich jedoch der Große Rath mit großer
Mehrheit für Aufrechterhaltung. der Berufung erflärt hatte und 3. Telbft in fein Anıt eingetre-
ten war, legte fich die Aufregung allmalig. Weil 3. jedoch die Wirkſamkeit an einer beutfchen
Univerfität vorzog, nahm er 1849 das Unerbieten einer theologifhen Profeffur in Marburg
an ; indefjen ward er hier auf Veranlaffung feiner Gegner in die Philofophifche Facultaͤt verfegt.
Außer zahlreichen Abhandlungen in feinen „Jahrbüchern“ und andern Zeitfchriften find als
8.8 Hauptwerke zu nennen: „Platoniſche Studien’ (Züb. 1839); „Die Philofophie der Grie⸗
hen” (3 Bde., Tüb. 1844— 52); „Das theologifche Syſtem Zwingli's“ (Zub. 185%); „Die
Apoftelgefchichte nach ihrem Inhalt und Urfprung Eritifch unterfucht” (Stuttg. 1854).
Zellgewebe, Sellftoff, Bindegewebe (tela cellulosa), welches ebenfo wol al& fehr fefle,
aber auch als äußerft lockere, weißlich graue, zellige Subſtanz vorkommt, ift wegen feiner viel
fachen Verwendung durch den ganzen Korper verbreitet und finder fi in faft allen Theilen
deffelben vor. Denn es trägt zunächft zur Zufammenfegung aller Häute, fowie der Sehnen
und Bänber das Meifte bei, dient als ein nachgiebiges, die Zwiſchenräume ausfüllendes und
Bageveränderungen geſtattendes Gebilde zur Verbindung der einzelnen größern und Heinern
Zeloten Zelter (Karl Friedr.) 501
Beſtandtheile der Gewebe, Syſteme und Organe und wird als weicher Träger für die Gefäße
und Nerven, ſowie für Fett und Ernährungsflüſſigkeit benuzt. Das Bindegewebe zeigt ſich
unter denn Mitroffope aus wellenförmig verlaufenden Bündeln von fehr feinen, blaffen, glatten
Zäferhen zufammengefegt, beim Kochen gibt es Leim, Wegen feiner Armuth an Gefäßen und
Nerven unterliegt zwar dad Bindegewebe felbft fehr wenigen für fich beftehenden Erkrankun-
gen, wohl können fich aber in feinen Zwiſchenräumen fehr leicht in Folge der Theiln ahme des
Bindegewebed an Leiden benachbarter Organe Krankheitöprobucte anhäufen und weiter ver
breiten. Da die Bildung von Bindegewebe aus Zellen ziemlich leicht und rafch vor ſich geht, fo
wird diefed Gewebe auch ehr häufig als eine Reubildung in Narben, Geſchwülſten (Faſerge⸗
ſchwülſten), verbieten und verhärteten Organen u. f. w. angetroffen.
Zeldten oder Eiferer hießen bei den Juden Diejenigen, weldye für die Ehre Gottes und des -
Tempels, forwie fiir das Gefeg eiferten und gegen alle Richtjuden einen wüthenden Haß fundga-
ben. Ihr wilder Eifer veranlaßte zum Theil den Auffland gegen die Römer 66 n. Chr. und
das Blutbad, welches diefe bei der Einnahme von Serufalem anrichteten. Segt belegt man mit
diefem Namen Diejenigen, welche ohne Überlegung und mit rauber Strenge gegen Andersden⸗
kende, nanıentlich in Neligionsfachen, eifern.
Zelt Heißt ein leichtes Dbdady von Reinwand oder andern beweglichen Stoffen, über Stangen
gezogen, durch Schnüre und Pflöcke gehalten, das im Freien aufgefchlagen wird und ſowol zur
militärifchen Lagerung als aud) zu andern Zweden, als Jagd⸗, Luft-, Speiſe⸗, Gartenzelt u. ſ. w.
dient. Schon in ältefter Zeit waren Zelte in Kriegslagern üblich; fie beftanden einfach aus Fel⸗
len, die über Querhölzer, auf vier gefreuzten Stangen ruhend, gehängt waren. Später wurden
fie künſtlicher, unter verfchiedenen Formen eingerichtet, oft durch innere Bände in mehre Räume.
getheilt und für vornehme Krieger mit großem Lupus und vielen Bequemlichkeiten ausgeftattet.
Die Zelte der orient. Fürften und Heerführer zeichneten fi befonders durch verſchwenderiſche
Pracht aus. Zeltlager erhielten fi bis zum Schluffe des 18. Jahrh.; ihre Fortſchaffung ver
mehrte den Heereötroß ungemein. Sie famen im Revolutionsfriege bei den Franzoſen außer
Gebrauch und zwar anfangs aus Mangel an Zelten für ihre großen Armeen; bald aber er-
kannte man die Zweckmaßigkeit der an ihre Stelle getretenen Hütten oder Zreilager (Bivouacs)
für die Kriegführung, und fo wurden die Zelte allmälig auch von den übrigen europ. Armeen
abgefhafft. Nur ausnahmsweiſe fommen fie gegenwärtig noch vor.
Zelter nennt man ein Pferd, das mehr zum Tragen als zum Reiten beſtimmt iſt. Das
Wort kommt her von dem nicht mehr gebräuchlichen Worte „der Zelt” (franz. amhle), das den
Gang des Pferdes zwifhen Paß und Trab bedeutet. Dann verfteht man unter Belter ein ruhi⸗
ges, Meines und deshalb zum Reiten für Damen geeignetes Pferd.
Zelter (Karl $riedr.), Geſangscomponiſt, geb. zu Berlin 11. Dec. 1758, der Sohn eines Mau-
rers, befuchte das joachimsthalſche Gymnaſium umd fing im 17.5. an, feines Vaters Profeſſion
zu erlernen. Doc ſchon im folgenden Jahre erwachte in ihm eine ganz befondere Liebe zur Muſik,
die bisher geſchlummert, obfchon er Unterricht im Klavier- und Orgelfpiel erhalten hatte. Alle
feine Mußeftunden widmete er nun dem Klavier- und Violinfpiel, und da es ihm. an Mufita-
lien fehlte, fuchte er fih Partituren zum Abfchreiben zu verfehaffen. Da indeß fein Mufikeifer
feinem Handwerk immer mehr Eintrag that, fo unterfagte ihm endlich der Vater die Befchäf-
tigung mit der Muſik gänzlich. 3. verfprach zu gehorchen und trieb fleifiger fein Handwerk,
Pehrte aber immer von neuem zu ber Muſik zurüd. Nachdem er 1785 fein Meifterftüd gefer-
tigt, wurde er als Maurecmeifter aufgenommen, und erft feit diefer Zeit konnte er bei Faſch im
reinen Sag und im doppelten Contrapunkt Unterricht nehmen. Er mar feit Begründung der
Faſch'ſchen Singakademie eins der thätigften Mitglieder derfelben und wurde bald der tüdh«
tigfte Gehülfe feines Lehrers in der Leitung diefes Inftituts, das er nach Faſch's Zode 1800
mit Erfolg fortführte. Auch würdigte er feines Lehrers DVerdienfte in einer eigenen Schrift
(Berl. 1804). Im 3. 1809 ernannte ihn der König von Preußen zum Profeffor der Ton⸗
Zunft bei der berliner Akademie der Künfte und Wiffenfhaften. Bald nachher fliftete er für
fröhliche Unterhaltung durch) Liedergeſang die erſte berliner Liedertafel, für die er die originell»
ften Humoriftifchen Lieder componirte. Er ftarb 15. Mai 1852. Seine Compofitionen zeigen
durchgehends den gründlichen Bang feiner Bildung; befonders ausgezeichnet find feine Lieder»
compofttionen und Motetten. Jene find theild Lieder beim Klavier, theild vierſtimmige Ge⸗
ſellſchaftslieder, diefe männliche Singchöre voll fröhlicher Kraft und heiterer Laune. 3. zeigte
in feinen Liedern ein befonderes Talent für das Naive, volksmäßig Kräftige, Charakteriftifche
und Humoriſtiſche, welches ihm auch faft immer gelang. Für das legtere wendete er oft den
-
502 Ä Zemplin Zendaveſta
Motettenſtil und überhaupt die Formen des ſtrengern Stils parodirend an. Bon feinen Wo»
tetten find nur wenige ind größere Publicum gefommen. Unter feine Schüler gehörte auch
Mendelsfohn-Bartholdy. "Sein tüchtiger, Präftiger Charakter, der ihn zum Freunde Goethe's
machte, ging zuweilen in Schroffheit über. Nach feinen: Tode erfihien fein „Briefwechſel mit
Goethe” (6 Bde., Berl. 1835— 34), der zur Charakteriſtik 3.'8 nicht weniger als zu Der
Goethe's beiträgt und zwar um fo mehr, da hier ein Mann, der ſchon im Leben gerabe und offen
war, fich ganz unummunden ausfpridht.
Zemplin, ein Comitat im kaſchauer Difteicte Ungarns, umfaßt jegt außer feinem frühern
Gebiete noch einige am rechten Theißufer gelegene Parcellen der fzabolcfer Geſpanſchaft und
zählte 1851 auf 11 AM. 258275 €. Im S. ift großentheils die Theiß, im, ER. der Hernad
die Grenze, die andern Flüffe find der Bodrog, die Laborcza, Ondova und Topla. Der obere
Theil des Comitats ift gebirgig, der mittlere ein langes, breites Thal, bee umtere eine geräur
mige Ebene. Berühmt ift das Tokayer Weingebirge oder die Hegyalfa (f.d.). Producte
find Getreide, Flache, Hanf, Taback, Melonen, Obſt, vorzüglicher Wein, Hornviceh, Schafe,
Schweine, Honig; im Gebirge fehlt e8 nicht an Wildpret; auch finden fich dafelbft noch Bären
und Wolfe. Die Theiß und andere Flüffe liefern Fifche in Menge. Die Bewohner find theils
Ungarn, theild Stomalen ; eine ausgedehnte Sprachinfel, deren Schwerpunft der Marktflecken
Homonna ift, nehmen die Sotaken ein, welche den Übergang ziwifchen den Slowaken und Ru-
thenen machen. Das Comitat ift nach dem Schloffe Zemplin oder Zemplen in dem gleich⸗
namigen, am Bodrog gelegenen Marktfleden benannt und zerfällt in gehn Stuhlgerichtsbezirke.
Der Hauptort ift Ujhely oder Sator-Aliya-Mibely, ein Marktfleden am Bodrog und in der
Hegyalja, mit 6800 E., einem SPiariftencollegium und Gymnaſium, einem Denkmal der 1809
bei Raab gefallenen adeligen Infurgenten, einem Granitſteinbruch, Aderbau und trefflihem
einbau. Außer dem berühmten Tokay (f.d.) find noch bemerkenswerthe Marktflecken Saros-
Nagy⸗Patak, rechts am Bodrog, mit einem fehr befuchten ref. Collegium, das eine reichhaltige
Bibliothek und eine Mineralienfammlung befigt, und 5200 €., die Tuch verfertigen und Bein
bauen; Zarezal, an der weftlihen Abdachung der Hegyalja, mit 3400 E., ergiebigem Feid⸗
und Obftbau, befonders aber berühmt durch den hier gewonnenen edelften Tokayerwein und
den für den Hof hier bereiteten Ausbruch; Tallya, mit 5700 E. gutem Weinbau und Jahı-
märften, unter denen der im Herbſte abgehaltene wegen der außerordentlihen Menge der zum
Verkauf gebrachten Weinfäſſer bekannt ift. 2,
Zend Heißt die. Sprache, in welcher die heiligen Bücher der alten Perfer, der Zendaveſta, ge-
fhrieben find. Diele Sprache lebte wol urfprünglic) in Baftrien und den übrigen mehr nord-
öftlichen Theilen des Perfifchen Reichs; fie weicht in ihrer Grammatik umd ihren Lautſyſtem
von der alten perf. Sprache, foweit wir biefe aus den Keilinfchriften der Achämeniden kennen,
ab und kann faft als ein Dialekt der Sanskritſprache, wie fie in den Vedas herrfcht, betrachtet
werben. Das Wort Zend bedeutet wahrſcheinlich Wiffenfchaft, höhere Erkenntniß.
Zendavefta, zufammengefegt aus Zend (f. d.) und Aveſta (d. i. Autorität, Urkunde), ift der
jegige Collectioname der heiligen Bücher, in welchen die Kehren des Zoroaſter'ſchen Glaubens
enthalten find. (S. Boroafter.) Nachdem fchon früher engl. und franz. Reifende über die Ne
ligion der Gebern und ihre heiligen Bücher einige Nachrichten gegeben, war ed Anquetil Du«
perron (f. d.), der während feines Aufenthalts in Indien die heilige Sprache, in welcher jene
Bücher gefchrieben find, erlernte, den Zendavefta in der Urfprache 1762 nach Guropa brachte
und 1771 eine franz. Überfegung deſſelben herausgab. Kleuker ließ hierauf eine deutſche Über-
fegung (3 Bde, Riga 1776— 78) erfcheinen. Engl. und deutfche Gelehrte erhoben aber Zwei⸗
fel gegen die Echtheit und das Altertum diefer Schriften, woraus vielfache ©treitigkeiten ent-
fanden, über die Kleuker in dem „Anhang zum Zendavefta u. f. mw.” (2 Be, Riga 1781
— 85) ausführlich berichtete, Als Endrefultat biefer Streitigkeiten darf man annehmen, daß
und im Zendavefta wirklich Überrefte einer uralten Cultur Baktriens und der andern norböft«
lichen Gegenden Perfiens erhalten find, die wol, aus verfchiedenen Zeiten ftammend, in Aus-
drucksweiſe, Sprache und Inhalt mannicyfach voneinander abweichen, aber doch weſentlich in
den Grundlehren übereinftimmen. Eine genauere Beflimmung des relativen Alters der Frag-
mente ann erft die Zufunft fiher Ihren. Nachdem der Zendavefta bei der Schwierigkeit der
altperf. Keilfchrift mol nur in wenigen gefchriebenen Eremplaren zur Zeit ber Blüte des alten
Perſiſchen Reiche eriftirce und bei dem immer tiefer eindringenden Einfluß griech. Sprache und
Sitte unter den Seleuciden und Parthern die Gefahr nahe lag, daß die Geſammtheit der heili⸗
gen Literatur dem Untergange entgegengehen würde, wurden wahrfcheinfich unter den Arſaciden
Zeuge | Zens (dev Gyriäer) 308
»
bie noch ſchriftlich ober im Bebächtniß der Priefter fortlebenden Sragmıcnte der alten Zendlite⸗
ratur gefammelt, in 21 Abteilungen (nosk) zufanımengeftellt und mit einen dem Semitiſchen
entiehnten Alphabete niedergefchrieben. Allein auch diefe 21 Nosk find uns nicht vollfländig
erhalten, fondern nur einzelne Fragmente aus denfelben, Die von ben Parfen (f. d.), die vor ber
zerfiorenden Macht des Mohammedanismus nach Indien flüchteten, gerettet wieden. Diefe
find: 1) Yagna, eine Sammlung von Gebeten und Hymnen an die Gottheiten des Zoroaſter ſchen
Glaubens; 2) Vifpered, Anrufungen und Ritaneienz; 5) Yefht, ebenfalls Hymnen, oft von ber
deutendem Umfange ; 4) Vendidad, das Gefeghuch. Vollftändige Ausgaben des Originals haben.
Meftergaard (Bd. 1, Kopenh. 1852) mit englifcher und Spiegel (Bd. 1,8pz. 1855) mit deutſcher
Überfegung (Bd.1, &p} 1853) begonnen. Werden die Bücher Yazna, Vifpereb imd Vendidad
zu liturgifchen Zweden in einem Bande zufammiengefchrieben, fo neant man diefe Sammlung
Vendidadſade. Leptere iſt ebenfalls mehrfach herausgegeben worden, von Burnouf (Par.
1829 fg.), von einem Parfenpriefter (Bombay 1835) und danach von Brockhaus (Rpı. 1850,
mit Inder und Gloſſar). Die Begründer des wifenfchaftlihen Studiums der Zendfpradge
und ihrer Denkmäler find Burnouf und Bopp. Ihr Veifpiel hat unter den Parſen felbfi ein
regeres Studium ihrer heiligen Sprache angeregt, und außer einer Ausgabe, Überfegung und.
Gommentar in Bugeratifprache der Bücher Yasna, Vifpered und Vendidad, welche Asfandiarfi
(5 Bde., Bombay 1842 — AA) gab, bearbeitete der Parfe Framji ein Wörterbuch der Zendfprache.
Zengg, Senj oder Segnia, eine königl. Freiſtadt umd der wichtigfte Ort in dem otta⸗
chaner Regierungsbezirk der kroat. Militärgrenze, weicher auf 51'/, AM. gegen 70000 E.
zahlt, liegt am Morlakenkanal des Adriatifchen Meeres und am Fuße des Wellebitgebirgs,
ift der Sig eines kath. Biſchofs, hat 3100 E., eine ziemlich große und zierliche Kathedrale,
zwei andere Kirchen, drei Kapellen, ein Obergymnaſium, ein Priefterfeminar, eine Real» und
Seeſchule, ein großes Kornmagazin, grei Meſſen, einen Heinen Freihafen und einigen Handel
mit Getreide, Honig, Wachs, Bein, Salz, Taback, Holz, Fiſchen und Schlachtvieh. Etwa 5 M.
in Südoften liegt am Fluſſe Gaczka, der unter der Erde verfchwindet, der Marktflecken Dita-
chacz, der Stabsort des ottochaner Regiments, mit 500 E. und zwei Schlöffern.
Zenith (arab.) oder Scheitelpunkt heißt derjenige Punkt am Dimmel, weicher gerade über _
dem Daupte, dem Scheitel des Beobachters flieht und ald der höchfte Punkt des Himmels be
trachtet wird. Jeder Ort der Erdfläche hat fein eigenes Zenith ; man findet daffelbe mit Hilfe
des Bleiloths, deffen aufwärts verlängerte Richtung, wenn es frei aufgehangen worben, die
Fläche des Himmels im Zenich trifft. — Zenithdiftang eines Geſtirns heißt derjenige Bogen
eines größten Kreifes, welcher ziwifchen dem Zenith und jenem Geſtirn enthalten tft. Sie macht
mit ber Höhe bes Geſtirns zufammen 30° aus. — Der dem Zenith diametral entgegengefente
Punkt der Himmelsfläche heißt Nabir.
Zeno, der Eleatiker, war aus Glen, einer Colonie in Grofgriechenland, gebürtig, lebte um
500 v. Chr. und war ein Zögling der von Zenophanes geftifteren Eleatifchen Schule. Man
fhreibt ihm bie Erfindung oder wenigſtens die weitere Ausbildung der Dialektik zu, beren
er fih zur Vertheidigung ber eleatifchen Anficht der Dinge mit Scharffinn bediente. Bon feinen _ '
Schriften ift nichts auf uns gefommen; nur von einigen Schriftfiellern, befonders von Arifto- -
teles, find Bruchftüde feiner Lehrfäge aufbewahrt worden, Wie wir hieraus erſehen, fuchte er
unter Anderm eine Vielheit und Theilbarkeit der Dinge, den Raum und die Bewegung al& Be⸗
hauptungen der dem eleatifchen Syſtem gegenüberfiehenden empirischen Anficht zu widerlegen.
Berühmt find feine künftlicden Schlüffe, gegen Die Dentbarkeit der räumlichen Bewegung ger -
richtet, insbefondere der fogenannte Achilles (f. d.). Übrigens wird er und als ein edler Mann
voll Kraft und Varerlandsliebe geſchildert. Als fein Berfuch, das von dem Tyrannen Nearchus
unterdrückte Elea zu befreien, mislang, fland er alle Martern ruhig aus und bi ſich endlich
ſelbſt die Zunge ab, um nicht die Sache und bie Theilnehmer an derfelben zu verrathen. Der
‚Sage nach wurde er aulegt in einem Mörfer zerftampft.
eno, der Stifter des Stoicismus (ſ. d.), war aus Gitium auf der Infel Cypern gebürtig,
ein Zeitgenoffe Epikur's und lebte ungefähr von 340-260 v. Chr. Sein Vater, ein reicher
Kaufmann, hatte von feinen Handelsreifen nach Athen die neueflen Schriften der daſigen Phi⸗
Iofophen mitgebracht, durch welche die Wißbegierbe des jungen 3. geweckt und genäbrt wurde.
Aus Begierde, fich weiter auszubilden, ober, wie Einige erzählen, Durch den Verluft feines Der»
mögens bewogen, wibmete er ſich zu Athen der Philofophie und hörte zuerft den Cyniker Kra⸗
tes, bann die Dialeftifer und ben Akademiker Zenokrates. Da ihn keins der Syſteme, mit
denen er ſich bekannt gemacht hatte, ganz befriedigte, fo bildete er ſich ein neues Gyftem, das die
394. Zeno (Apoſtolo) Benodotus
Mängel und Fehler der andern vermeiden, das Brauchbare und Gute derfelben aber in ſich wer-
einigen follte. Von dem Drte, wo er lehrte, der Ston, erhielt fein Syſtem in der Folge den Ra-
men des floifchen Syſtems. Von den vielen Gegnern, weiche dieſes Syſtem fand, hat doch fei-
ner 3. hinſichtlich feines Charakters angegriffen. Er war Philofoph nicht blos für die Schufe,
fondern auch in feinem ganzen Leben, ſowie er auch bei Bearbeitung der Philoſophie nicht allei
ben wiffenfchaftlichen Zweck, fondern zugleich die Veredelung des Lebens beabfichtigte. Gein
Anfehen, in welchem er bei den Könige Antigonus von Macebonien ftand, brachte den Athe⸗
niienfern weientlihe Vortheile. Auch bewiefen ihm diefe ihre Dankbarkeit Dadurch, daß fie ihm
nach feinem Tode ein Denkmal fegen ließen mit der Infchrift: „Sein Leben war feinen Kehren
vollkommen glei.” Im hohen Ulter fol er fein Leben durch Selbfimord geendet und dadurch
das Beifpiel gegeben haben, dem mehre Stoiker folgten. |
Zeno (Apoſtolo), ital. Dichter und Literator, geb. 11. Dec. 1668 zu Benedig, machte ſich
zumächft durch ferne Poefien berühmt. Der-Erfolg feiner Melodranten war ebenfo glänzend
als verdient. Bon mehren Seiten wurde ihm die Stelle eine Theaterdichters angetragen, er
" aber zog es der, in feinem Vaterlande zu: bleiben, und unternahm 17710 unter dem Titel „Gior-
nale de’ letterati d'Italia“, eine Zeitfchrift, Die noch jegt ihren Werth behauptet. Im J. 1715
ging er auf Einladung Kaifer Karl's Vi. al6 Hofdichter nach Wien, wo die perfönliche Aus
zeichnung des Kaifers ihm bald einen angenehmen Aufenthalt bereitete. Der Beifall, den er
bier erntete, flieg mit jedem neuen Drama; überdies wurde er aud zum Hiftoriographen er-
nannt. Diefe Amter verwaltete er bis 1729, wo er aus Rückſicht auf ſein aunehmendes Alter
fie niederlegte und unter Beibehaltung feines Gehalts nad) Venedig zurückkehrte. In Benedig
. lebte er in fiterarifcher Muße, im Befig einer Tofibaren Bücher und Münzſammlung, und flarb
dafelbft 11. Nov. 1750. Als Dichter hat er fich um die muſikaliſche Poefie verdient gemacht;
namentlich hat er der ital. Oper durch feine Melodramen, zu weldyen er große und glänzende
- Gegenftände wählte, eine regelmäßigere Geſtalt gegeben, ein Verdienft, das ſelbſt Metaftafıo
anerfannie. Seine dramatifchen Werke, 60 an der Zahl, erſchienen zuerft in 10 Bänden
(Ben. 1744), dann in 42 (Zur. 1795). Vorzüglicher und von bleibenderm Werthe aber
ift, was er als Bibliograph und Hiftortker leiftete. Wir erwähnen feine Anmerkungen gu Fonta⸗
nini's „Biblioteca della eloquenza italiana‘ ; feine „Istorici della cose veneziane“ (10 Bde.,
Ben. 1718-— 22); die „Dissertazioni islorico-critiche e lilterarie agli Istorici italian“
(2 Bde., Ben. 1752 — 53), fein Hauptwerk, urfprünglich aus kritiſchen Journalauffägen ent-
fanden und aud jest noch von großem Werthe; feine Kebensbefchreibungen bes Sabelico,
Guarini, Davtla und der drei Manucci (Aldi), ſowie die Beiträge, womit er die Arbeiten Mu⸗
ratori’6 u. U. förderte, und endlich feine „Epistole” (6 Bde., 2. Aufl. 1785).
Zenobin (Septimia), die Gemahlin bes Odenathus, eines Syrers aus Palmyra (f.d.), das
feit Zrajan zum Römifchhen Reiche gehörte, über das Ddenathus aber, nachdem er es gegen die
Perſer gefchügt, feit 260 n. Ehr. eine unabhängige Herrfchaft, die bei der Verwirrung des Reichs
unter Gallienus von ihm erweitert und von jenem felbft anerfannt wurbe, führte, weshalb er
mit feiner Gemahlin, die er zur Mitregentin erwaͤhlte, unter den dreißig Tyrannen aufgeführt
‚wird. Nach feinen Tode 267 übernahm 3., Die durch Schönheit, Verftand, griech. Bildung,
durch Keufchheit und zugleich durch Briegerifche Tapferkeit ausgezeichnet war, die Regierung
und führte fie fo kräftig wie er. Bon Syrien aus, das fie ganz beherrfchte, hatte fie ihre Herr:
ſchaft bereitö nad) Agypten und über einen Theil Kleinafiens ausgebreitet und war im Begriff,
dieſes vollends zu erobern, als Kaifer Aurelianus (f. d,) gegen fie zog. Ihre Heere wurden
mehrmals in Kleinafien und Syrien, endlich fie felbft bei Emefa gefchlagen und hierauf in Pal-
myra belagert. Mangel an Lebensmitteln nöthigte fie zur Flucht, auf der fie gefangen wurde,
worauf die Palmprener ſich ergaben. Im 3. 275 ließ Aurelianus die Vertrauten der 3., unter
ihnen ben berühmten griech. Rhetor Konginus (f. d.), tödten und führte die Königin als Gefan-
gene mit fich fort; die Stade Palmyra fchonte er anfangs; als er aber auf dem Rückwege die
Nachricht erhielt, daß die von ihm zurüdgelaffene Befagung von den Einwohnern ermorbet
worden, kehrte er aurüd und zerftörte fie. 3. erhielt, nachdem fie 274 im Triumph aufgeführt
worden, Landgüter bei Tibur zu ihrem Sig und Unterhalt; ihre Töchter wurden mit angefehe:
nen Romern verheirathet; Vaballath, der eine ihrer drei Söhne, erhielt ein Meines Fürſtenthum
in Armmien. Die Geſchichte der 3. Hat Calderon als Stoff zır einem Drama benugt.
Zenoddtus, ein berühmter alerandrin. Grammatiker bes 3. Jahrh., aus Ephefus gebürtig,
war unter der Regierung de6 Ptolemäus Philadelphus (285—247 v. Chr.) Vorfteher der von
dieſem geftifteten Bibliothek zu Alerandria und zugleich der Erſte, ber aus dem in jener Biblio-
_
Zeutner | Zerbſt 368
thek vorhandenen ãltern Abſchriften der Homeriſchen Gedichte eine neue Necenſion beſorgte.
Ihm verdanken wir daher nächſt Ariſtophanes von Byzanz und Ariſtarchus wahrſcheinlich
großentheils die jegige Geſtaltung dieſer Gedichte. Vgl. Heffter, „De Zenodoto eiusque sludig
Homericis" (Brandenb. 1859); Dünger, „De Zenodoti stadiis Homericis” (Bott. 1848).
Zentner (Georg Friedr., Freiherr von), bair. Staatsmann, geb. zu Straßenheim in ber
Pfaiz 17. Aug. 1752 von bürgerlichen Altern, genoß den erften Unterricht bei den Jeſuiten zu
Manheim und ſtudirte auf der Univerfität zu Heidelberg. Um fich in der franz. Sprache zu ver-
vollfonnmen, verlebte er anderthalb Jahre zu Meg, befuchte dann die publiciftifchen Hörfäle
in Göttingen und die praßtifche Schule am Neichskammergericht zu Wetzlar, worauf er 1777
zum Profeffor des Staatsrechts in Heidelberg ernannt wurde ; doch erlaubte ihm der Kurfürf
Kart Theodor vorher noch eine zweijährige gelchrte Reife zu machen. 3. kehrte nach Göttingen
zurück, benugte daſelbſt die Bibliothek und ging dann nach Wien, wo er ſich mit den Verfahren
des Reichshofraths bekannt machte. Nachdem er in Ingolſtadt Doctor der Rechte geworden,
trat er 1779 in Heidelberg feine Stelle als Profeſſor des Staatsrechts an und laß mit großem
Beifall. Zum Geh. Rarh ernannt, wurde er in der Folge der pfalgbair. Geſandtſchaft auf dem
Congreſſe zu Raſtadt beigegeben und nad) dem Tode Karl Theodor's 1799 nad München be⸗
rufen. In dem neuen Wirkungskreiſe gingen von ihm 1799 und 1802 die merkwürdigen An⸗
‚ orönungen aus zur Verbefferung des Erziehungs- und Unterrichtömwefens, forwie zur Beforde-
rung der Volkscultur. Darauf wurde er 1808 Chef der Scudienfection, 1817 Staatsrath und
Generaldirector des Minifteriung des Innern, 1819 in den Kreiherrenftand erhoben, 1820 Mi-
nifter und 1823 Juftizminifter. Er feierte 1827 fein 5 Mähriges Amtsjubiläun, ſah ſich aber
in Folge von Altersfgwäche genöthigt, 1852 fein Minifterium niederzulegen, und flarb 21. Det.
1835. Unter mehren wichtigen Zeiftungen dieſes durch Geiſt, Kenntniffe, Charakter und Tha-
tigkeit gleich ausgezeichneten Staatsmanns erinnern wir nur an die bair. Eonflitution, bie faſt
ganz fein Wertifl.
eolith oder Braufeftein heißt eine Gruppe Mineralien von meifier, ind Helle, Rothe
und Braune oder Graue übergehender Karbe. Sie find meift von geringer Härte und Schwere,
thermoelektriſch, bilden mit Säuren Gallerte und ſchmelzen vor dem Löthrohre ſchäumend zu
einem biofigen weißen oder farblofen Email. Sie beſtehen aus Kiefel-, Thon- und Kalkerde,
Waſſer, um Theil noch aus Natron oder Kali und finden fi am ſchönſten in den Blafenräu-
men der Bafalte und Mandelfteine, befonders auf Island und den Faröern. Statt ber Varie⸗
täten Blätter-, Strahl-, Nadelzeolith nimmt man jegt eigene Species: Stilbit, Desmin, Ma⸗
otyp u. ſ. w. an.
Zephanja, in der Septuaginta Sophonias genannt, ein Sohn des Chuſi, Enkel des Ge-
dalja und Ururenkel des Hiskia, iſt einer der 12 Heinen Propheten, der unter bem Könige Joſia
um 632 v. Chr. auftrat. In den drei Capiteln feiner Schrift theilt er uns zwei Strafreden mit,
bie gegen den Götzendienſt, falfche Priefter und Propheten, wie gegen ungeredhte Obrigfeiten
gerichtet find, den Untergang ber Feinde Iſraels, befonders der Aſſyrer, Philiſtäer und Moabi-
ter verfündigen und auch die Hoffnung auf beffere Zeiten ausfprehen. Die Sprache ift im.
Ganzen rein und fließend, die Darftellung jedocdy ohne höhern Schwung.
Zephyr, ein kühler und angenehmer Wind, für‘ Griechenland der Südweftwint, ber im
Eonımer ſchwüles Wetter, im Frühling warme, den Pflanzen günftige Tage herbeiführt. Nach
der Mythologie der Griechen und Römer gehörte 3. unter die geringen Gottheiten; er war ein
Sohn des Holos, oder des Afträos, und der Eos. Mit der Harpyie Podarge erzeugte er die
fchnellen Roffe des Achilles, Ranthos und Balios, und mit einer andern den Arion, Ber-
ſchmäht von Dyakinthos, war er Urfache feines Todes, indem er bes Apollo Wurfſcheibe nad
deffen Kopfe fliegen ließ. Auch gibt man ihm eine der Horen zur Gemahlin. Bei ben Roͤmern
hieß er Favonius und unter feinen Schuge ftanden die Blumen und Erdfrüchte. Am Denk⸗
male des Andronikos Kyrrheſtes zu Athen iſt er eigentlich nadt dargeftellt, nur mit einem Man⸗
tel beffeider, in deffen Bauſche Blumen liegen. Bei deutfhhen Dichtern fommen nicht nur _
haufig Zephyre, fondern auch Zephyretten vor. ,
erbft, eine Stadt im Herzogthum Anhalt-Deffau-Köthen, ehemals Hauptftadt des Für⸗
ſtenthums Anhalt-Zerbft (f. Anhalt), liegt an der Nuthe, eine Meile von der Elbe in einem
ebenen Boden, hat ein [chönes, großes, dicht an der Stadt gelegenes Schloß, welches bis 1795
Nefidenz der Fürften zu Anhait-Zerbft war, vier evang. Kirchen, eine kath. Kapelle, eine Sy⸗
nagoge der ungefähr 80 Köpfe karten Sudengemeinde, vier Borftädte und 10000 &. Die
Nitolaikirche, die vom jegigen Herzog Leopold Friedrich feit 1827 wiederhergeftelle ift, ift e
HE Zerknirfhung Zertheilende Mittel
ſchönes Denkmal goth. Baukunſt. Den anfehnlihen Martisfag ſchmückt eine Rolandsſtatue,
die in einen: vom Meifter Heidloff gearbeiteten goth. Gehäuſe fieht. Die Stadt, Sig eine
Kreisgerichts, Hat am Francisceum ein von vielen ausländifhen Schülern befuchtes GSymma-
ſium; außerdem eine, höhere Bürger -, Töchter- und Gewerbſchule, ein Zuchthaus für ganz
Anhalt, Fabriken in Gold und Silber, Seide, Wachs, Stearin, Seife, Steingut, bedeutenden
Wagenbau, viele Bierbrauereien, beren Product in frühern Zeiten berühmt, in neueſter Zeit
wieder vielfach verfendet wird. Der Gemüfebau ift bedeutend, der Dopfenbau in Aufnahme.
Das alte Rathhaus verwahrt ald hohe Merkwürbigkeit eine auf Pergament gebrudte Bibel
in drei Foliobanden, deren Holzfchnitte von Lukas Eranach ausgemalt find.
Zerknirſchung (contritio) wird die auftichtige und lebhafte Reue des Menſchen über feine
Sünden’ genannt, weil er ſich durch das Bewußtſein derfelben gleihfam zermalmt und in ſei⸗
nem Innern vernichtet fühlt. Sie entfteht durch die Schredien des Gewiffene, welche die Er-
tenntniß der Sünde bewirkt, nach proteft. Anficht ohne eigenes Verdienft ded Reuigen zufolge
einer göttlichen Einwirfung, nad) katholifcher ald Handlung bes freien Willens, die ein Ver⸗
dienft haben und zur Rechtfertigung des Sünders vor Gott mitwirken fann. Sie und ber
Glaube find nad) der proteft. Kirchenlehre die wefentlichen Theile der Buße (ſ. d.).
Zerrenner (Heinf. Gottlieb), pädagogiſcher Schriftfteller, geb. 1750 zu Wernigerode,
befuchte die Schule zu Kiofterbergen, feit 1768 die Univerfitär zu Halle, wo er Theologie ſtu⸗
dirte, und wurde 4772 Lehrer zu Klofterbergen und wenige Jahre nachher Pfarrer zu Beien-
dorf bei Magdeburg. In Folge deffen, daß er 1787 dem Könige Friedrich Wilhelm U. fein
„Volksbuch“ widmete, wurde er als Infpector und Oberprediger zu Derenburg im Furften-
thum Halberſtadt angeftellt. Nachdem er 1810 Generalfuperintendent in Halberftadt gewor⸗
den, ftarb er 4814. Sein verdienftlichftes Werk ift fein „Deutfher Edulfreund” (46 Bde,
Erf. 1791 —1811) 5 außerdem find zu erwähnen fein „Chriſtliches Religionslehrbuch“ (Erf.
1799; 3. Aufl., 1814) und feine „Schulbibel” (Halle 1799; 2. Aufl. 1805). — Serrenner
(Karl Ehriftoph Gottlieb), Sohn des Vorigen, geb. 15. Mai 1780 in Beiendorf, befudhte eben-
falls die Schule zu Klofterbergen und die Univerfität zu Halle, wo er Theologie ftudirte. Er
wurbe 1802 Lehrer am Gymnafium zu Magdeburg, 1805 Prediger an der Kirche zum Heili⸗
gen Geiſt dafelbft und 1816 Confiftorial- und Schulrath. Erft ald er 1823 Director des
Schullehrerfeminariums zu Magdeburg geworben, legte er fein Predigeramt nieder. Die Ein-
richtumg bes ftädtifchen Schulweſens ift, was die innere Einrichtung betrifft, zum großen Theil
fein Werk. Im J. 1854 wurde er Propft zum Klofter Unferer Lieben Frauen in Magdeburg
und Director des Kloſtergymnaſiums und trat in Folge bavon von dem Seminar und der Lei⸗
tung des ftädtifchen Schulmefens zurud. Er ftarb 2. März 1851. Auch als Schriftfteller er-
warb fi 3. Berdienfte um das Schulwefen durch feine praktiſchen Lehr und Methodenbücher,
die fegt freilich zum Theil fchon veraltet find. Mir erwähnen feine „Denkübungen“ (2p3.
4812 und öfter), mit denen fein „Hülfsbuch für Lehrer und Erzieher bei ben Denfübungen
ber Fugend“ (A Bbe., Lpz. 1803 —23 ; A. Aufl, 1822— 35) in Verbindung ſteht; fein „Dke-
thodenbuch für Volksſchullehrer“ (Magdeb. 1814; 5. Aufl., 1839), und feinen „Neuen beut-
{hen Kinderfreund” (Theil 1, zuerft Halle 1811; Theil 2, zuerft 1830). Den „Deutfchen
‚ Schulfreund” feines Vaters fegte er fort (Bd. 47-60, Berl., dann Magdeb. 1812 — 25).
Außerdem fchrieb er „Srundfäge der Schulerziehung, Schulkunde und Unterrichtswiſſenſchaft“
(Magdeb. 1827; 2. Aufl., 1833). "
Zerfegung, chemiſche Trennung oder Scheidung heißt dad chemifche Verfahren, wo⸗
durch die zu einem gleichartigen Ganzen verbundenen ungleichartigen Beſtandtheile eines Kör⸗
pers getrennt werden. (S. Ehemie.) Die Mittel, wodurch dies gefchieht, wirken theils mittels
der hemifchen Verwandtſchaft, theild aber auch, wie bei der Zerfegung mancher Körper durch
bloße Erhipung u. ſ. w, dadurch, daß in den Beftandtheilen Beftrebungen zu mechaniſchen
Beränderungen hervorgerufen werden, welche die Vermandtfchaft überwiegen; bei Füllungen,
Gas entwickelungen u. ſ. m. wirken beide Momente zufamnıen.
Zertheilende Mittel find diejenigen, welche widernatürliche Anhäufungen von Blut
(innerhalb und außerhalb der Gefäße) oder von ausgefchwigten Blutbeſtandtheilen (Grfirda-
ten) zu heben vermögen. Infofern können ebenfo wol die entzündungswidrigen (antiphlogi-
ſtiſchen) wie die die Auffaugung und Eiterung befördernden Mittel zertheilende genannt wer⸗
den. Gewöhnlich verfteht man aber biejenigen äußerlih anzumendenden Mittel darunter,
welche Entzündungsproducte zur Reſorption bringen follen, wie feucht- warme Umfchläge,
graue Queckſilberſalbe, Jod, Pflaſter u. ſ. w.
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Zeſchau (Heinr. Ant. von) Zeſchau (Heinr. With. von) #7
Zeſchau (Heinr. Ant. von), fühf. Staatsmann, geh. A. Febr. 1789 au Jeffen in ber Nie⸗
derlauſitz, ſtudirte 1805—8 zu Leipzig und Wittenberg und nahm das Auditoriat im Hofge⸗
richte und den Acceß in Kreisanıte zu Wittenberg. Schon 4809 wurde er Hofgerichtsrath und
Acceffift bei der Kreishauptnannfchaft des wittenberger Kreifed, 1810 Supernumeraramts-
hauptmann, und im Juni 1815 erhielt er die Leitung der Marfch- und Verpflegungsge⸗
ſchäfte als Etapenconmiffar in Herzberg. Bald nachher wurde ihm auch die Organiſation der
Landwehr im wittenberger Kreife rechts der Elbe und die Vorbereitung und Ausführung ber
zur Milderung der Kolgen der Kriegsdrangfale abzwedienden Maßregeln in einem mehr als 400
Ortſchaften unfaffenden Bezirf übertragen. Auch diefe Aufträge vollzog er unter den ſchwie⸗
tigften Umftänden mit fo viel Kraft, Ausdauer und Huntanität, daß das damalige General.
gouvernement ſich hierdurch veranlaßt jah, ihn zum Gouvernementscommiffar für den mwitten«
berger Kreis zu beftcllen. Im 3.1819 ward er Director ber wittenberger Kreißdeputation.
Seine Talente waren von der preuß. Regierung, deren Unterthan er 1815 geivorden, nit une .
bemerkt geblieben: er follte zum Negierungsrath in ber Negierung zu Merfeburg ernannt wer-
den, zog es aber vor, die Stelle eines Landrath des Tchmeiniger Kreifed anzunehmen. Obgleich
er 1819 zum Regierungsrarh in Potsdam befördert wurde und eine glänzende Laufbahn in _
Preußen vor fich fah, zog er e8 doch vor, in ſächſ. Staatsdienfte aurüdzufehren. Er wurde 1822
ſächſ. Geh. Finanzrath und 1823 zugleich Mitglied der Commerzdeputation, 1829 Gefandter
am Bundestage zu Frankfurt a. M., in Nov. 1850 Wirklicher Geh. Rath, und Präfident des.
Dberconfiftoriums, im Mai 1831 Prafident des Geheimen Finanzcollegiums und noch in
demfelben Jahre Finarizminifter. Unter feiner Leitung traten in diefem Departement Umgeſtal⸗
tungen ein, die den wichtigften Einfluß auf die Hebung des Volkswohlſtandes, bie Erleichterung
des allgemeinen Verkehrs und die Vereinfachung und Abkürzung des Mechanidmus der Finanz
verwaltung ded Staats harten. Hierher gehören: die Vereinigung des getrennten Staatöhnus-
halte, die gänzlicde Reduction des Abgabenmefens, die Srundfieuerregulirung, die Zinsreduction
der Staatsſchuld und befonderd der Anfchluß an den Deutfchen Zollverein ; ferner die Einfühe
rung des 14-Thalerfußes im Münzweſen und einer auf dad Decimalfgfiem gegründeten neuen.
Münzverfaffung, die Betheiligung des Staats an den verichiedenen Eifenbahnunternehmuns.
gen bed Landes ımd der Ankauf der Sächfifch-Bairifchen Eifenbahn als Staatsbahn. Außerdem
hatte Z durch fparfame Verwaltung die Finanzen in eine fehr günftige Lage verfegt. Im J. 1835
übernahm er auch dab Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten. Im 3.1848 ward 3.
mit feinen übrigen Collegen entlaffen, fchon im folgenden Jahre aber wieder zu diplomatifchen-
Geſchäften als Bevollmächtigter bei den Verhandlungen zu Berlin über Errichtung des deut⸗
fhen Bundesftaats und fpäter ale Mitglied des Verwaltungsraths der verbündeten Regierun-
gen verwendet, 1851 aber zum Minifter des königl. Haufes ernannt, welche Stelle er noch be»
kleidet. 3. hat ſich in allen feinen Amtern durch Ordnung, Thätigkeit, gründliche und viel«
feitige Kenntniſſe, fowie durch Rechtlichkeit und Zuverläffigkeit feines Charakters ausgezeich-
net. Er ift Verfaffer des Schriftchene „Das Wirken ber Staatöregierung und Stände des
KönigreihE Sachſen, nachgewieſen aus den Ergebniffen des erſten conflitutionellen Land⸗
tag” (%p; 1854).
Zeſchau (Heinr. Wilh. von), ſächſ. Generallieutenant und Staats ſecretär, geb. 1760 zu
Garenchen in der Niederlauftg, wo fein Vater als Kandesältefter der Provinz lebte, erhielt feit
feinem achten Jahre zu Bückeburg unter Leitung des Grafen Wilhelm von Schaumburg-Lippe,
und Herder's eine vortreffliche Erziehung und in der zu Wilhelmflein errichteten Militäratade-
mie feine militärifge Ausbildung. Hier ſchloß er mit dem ebenfalls dafelbft fludirenden nach⸗
maligen preuß. General von Scharnhorft die fürs ganze Leben ausdauernde innigfte Freund-
ſchaft. Im 3.1776 beförderte der regierende Graf Beide zu Secondlieutenants der Artillerie.
feines Eontingents ; zwei Jahre fpäter trat 3. in vaterländifche Kriegsdienſte, wo er als Sous⸗
lieutenant in dem Regiment Kurfürft angeftellt wurde. Mit diefem Negiment wohnte er fämnıt-
lichen Feldzügen der fächf. Armee 1795 — 1809 bei und rüdte in diefen Zeitraum durch alle
Grade bis zum Generalmajor auf. Bei der neuen Organifation der ſächſ. Armee 1810 wurde.
ihm als Generallieutenant ba8 Commando einer Divifion übertragen, und nachdem die fähf..
Truppen durch den ruff. Feldzug fo gelitten hatten, daß aus den Reſten 1813 nur eine Divifion
formirt werden konnte, erhielt er im Monat September den Befehl über diefelbe und führte fie.
in der Schlacht beifeipgig. Begeifterr für die Sache des Baterlandes, wie alle Deutfchen injener
Zeit, wünfchte auch er mit den fächf. Truppen gegen den damaligen allgemeinen Feind zu käm⸗
pfen, jedoch blieb er, als fich Die Sachſen von der franz. Armee trennten, dem Konig treu, bem e
508 Zefen Zetterſtedt
nach der Einnahme der Stadt freiwillig in die Gefangenſchaft folgte und den er nad Berlin,
Friedrichöfelde, Presburg und Laxenburg in der Eigenfchaft eines erften Generafabiutanten be⸗
gleitete, in welcher er zu verfchiedenen Sendungen an ben öfte. Hof verwendet wurde. Nach der
Nückkehr Friedrih Auguſt's 1815 wurde 3. die neue Organifation der Armee und hierauf das
Staats ſecretariat der Militärangelegenheiten übertragen ; guch ward er 1823 zum Gouverneur
von Dresden ernannt. Im J. 1850 in Ruheſtand verfegt, ftarb er 14. Nov. 1852.
Zefen (Philipp von) oder, wie er fich ſelbſt ſchrieb, Filip Zefe (Tat. Caesius), auch Zefen von
Zürftenau, fol eigentlich den Bamiliennamen Blau gehabt haben und wurde 8, Det. 1619 zu
Priorau, einem damals kurſächſ. Dorfe unweit Deffau, geboren. Er ftudirte zu Halle, Witten⸗
berg, wo er Magifter murbe, und zu Leipzig und befchäftigte fi vorzüglich mit Philologie,
Dichtkunſt und deutſcher Sprache. Obgleich ohne öffentliches Amt, ſtand erdod in großem An⸗
fehen, wurde kaiferlicher Pfalzgraf, als Poet gekrönt, in der Folge geabelt und zum Rath er-
nennt. Nach vielen Reifen in Deutfchland und Holland ließ er fi) zu Hamburg nieder, wo er
43. Nov. 1689 ftarb. Sein Hauptbeftreben war auf die Vervolllomninung und Reinigung
der Dlutterfprache gerichtet. Zu dem Ende hatte er ſchon 1643 zu Hamburg die Deutfchge-
finnte Senoffenfchaft oder den NRofenorden geftiftet, in welchen: er den Namen des Bärtigen
(Bertigen) führte. In der Sruchtbringenden Geſellſchaft hieß er der Wohlfegende. Weber Ta⸗
Ient noch Kenntniffe find ihm abzuſprechen; aber fein übertriebener Eifer, alles Fremdartige aus
der deutfchen Sprache zu verdrängen und ftatt deffen eine Menge unnöthiger Neuerungen ohne
Geſchmack und Kritik in diefelbe einzuführen, hat ihm Zadel und Spott zugezogen. So ging
ee in der confequenten Durdführung des orthographifhen Srundfages, dag man fchreiben
müſſe, wie man ſpreche, offenbar zu weit. Ebenfo wenig war er in der Einführung neugebilde-
ter deutſcher Wörter an die Stelle der verworfenen Fremdformen glüdlich, und überall trieb
ihn fein ſchwärmeriſcher Eifer über die Grenzen des Zeitgemäßen und Erlaubten hinaus, wie
wenn er ben griech. und röm. Sottheiten beutfche Namen gab, z. B. die Minerva Klugin, die
Benus Luftin und den Vulcan Glutfang nannte. Einige von ihm eingeführte deutſche Wörter
find indeß geblieben, und er hat trog jener Übertreibungen unftreitig manches Gute für bie
Sprache gewirkt. Di: Zahl der von ihm herausgegebenen poetischen, Britifchen, fatirifchen und
moralifchen Werke berrägt über 70, und mehr ald AO hat er unvollendet hinterlaffen. Eins
ber beffern feiner Gedichte, das zugleich einen Theil feiner Lebensgefchichte erzählt, ift „Priorau,
oder das Lob des Vaterlandes” (Anıft. 1680). Außerdem hat er einige gute Rieder gedichte.
Eine Auswahl feiner Pocfien gibe Müller's „Bibliothek deutſcher Dichter bes 17. Zach.”
(Bd. 1, Lpz. 1837). Die Einführung der breiten und prunkvollen Heldenromane in der Weife
der Scudiry ift ihm keineswegs als Verbienft anzurechnen; dagegen war fein „Hochdeutſcher
Helikon“ (zuerft 1640), eine Anleitung zur Poefie und Metrik, für jene Zeit nicht ohne Werth.
Bon feinen ſprachwiſſenſchaftlichen Werken find die merfwürbdigften die Hochdeutſche Sprach⸗
übung” (Damb. 1643) und der „Roſenmond, d. i. in 31 Geſpraͤchen eröffnete Wunderſchacht
zum unerfchäglichen Steine der Weiſen“.
Zetergefchrei hieß im Mittelalter das Gefchrei, weiches man erhob, fobald ein Verbrecher
auf frifcher That ergriffen wurde, theild um zu feiner Verfolgung zu veranlaflen, theils um die
nöthigen Zeugen herbeizurufen. Das gerichtliche Zetergefchrei kam im alten Anklageverfahren
ale eine Wiederholung des Gerichts feiten des Anklägerd vor und hat fi als Formalität
noch lange bei dem fogenannten hochnothpeinlichen Gericht (f. Halsgericht) erhalten.
gettelbanfen, f. Banken.
. getterftedt (Joh. With), ſchwed. Naturforfcher, murde 20. Mai 1785 auf einem Rand-
gute in ber Provinz Oftgothland geboren, wo fein Vater Landmeſſer war. Schon früh ent-
widelte fih in ihm eine große Neigung für dad Studium der Naturwiffenfchaften und befon-
ders der Botanik, das er auf dem Gymnaſium in Linköping mit Eifer fortfegte. Im 3. 1805
bezog er die Univerfität zu Rund, 1808 wurde er Doctor der Philofophie, 1810 Docent der
Botanik und 1812 Adjunct in der Naturgefchichte. Bisher war die Botanik fein Kieblingeftu-
dium gewelen ; das freundfchaftliche Verhältniß zivifchen ihm und dem Entomologen Ballen be-
wirkte, daß er fich al8 Zoolog vorzugsmeife dem Studium der Inſekten gumendete. Im J. 1817
machte er eine Reife nach Oland und 1819 nach der in naturwiſſenſchaftlicher Beziehung fo
merkwürdigen Infel Gothland. Zwei Jahre darauftrat er mit Fries eine Reife zu Schmebens und
Norwegens nördlichften Landmarken an, diefich bis nahe ans Nordcap erfiredte und deren Re⸗
fultate er fpäter veröffentlichte. Eine andere Reife machte erim Auftrage der Geſellſchaft zur Ver-
breitung nüglicher Kenntniffe in Stodholm 1832 zu entomologifchen Zwecken durch Schwedens
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Zeugbruder ii 5 50
mittlere Lappmarken, über bie ebenfalls ein Bericht durch den Drud veröffentlicht wurde. U
derfelben begleitete ihn der Entomolog Dahlbom, mit dem er im Mai 1840 eine Reife in dı
füdlihen Theil Lapplands (Jemtland) machte. Bereits gegen Ende 1859 wurde er Profeif
der Botanik und Dfonomie zu Rund, wo er 846—AT das Rectorat befleidete. Trobdem, d
öfonomifhe Rückſichten 3. veranlaften, zu feiner Adjunctur noch die Stelle eines Secretä
der Univerfität anzunehmen, fand er doch Gelegenheit zur Herausgabe mehrer bedeutent
Schriften, wie der „Dissertatio de foecundatione plantarum” (Bd.1—3, Lund 1810—1:
der „Orthoptera Sueciae” (Zund 1821), der „Fauna insectorum Lapponica” (Bd.1, Dan
41828), der „Monographia scatophagarum Scandinaviae” (Par. 1835, mit Abbild.) , !
„nsecta Lapponica” (Heft I—6, &pı. 18358— 40) und ber „Diptera Scandinaviae” (BD.
— 11, &und 1842 —52), für welches Werk die Akademie der Biffenfchaften zu Stockhol
den Berfaffer mit ihrem höchſten Preife, der großen Linne ſchen Medaille, belohnte.
- Zeugdruderei nennt man den Induſtriezweig, welcher fig damit befchäftigt, Zeuge n
farbigen Muftern nad) dem eben zu verfehen. Man unterfcheidet Leinendruderei, von geri
gem Umfunge, Baumwolldruckerei, der bedeutendfte und Häufig allein unter dem Namen Zer
druderei verftandene Zweig. Wollendruckerei, für ganz- und halbwollene Muffeline v
großer Bedeutung, ſonſt nur für Tiſchdecken u. dgl., und Geidendruderei, befonders in Frau
reich. Die Zeugdruderei ift theils echte, theild ımechte, Togenannte Applications: oder Taf
druckerei. Die echte Druderei ſteht in nothwendiger Verbindung mit ber Färberei, auf dei
Principien fie fih gründet. (S. Färben.) Indem nıan nämlich nicht das ganze Zeug bei
fondern die Beize mit einer Form aufdrudt und dann das Zeug ausfärbt, oder indem mar r
der Form Stoffe (Nefervagen) aufdrudt, welche die Annahme des Farbeftoffe oder der Be
verhindern, und dann außfärbt, oder endlich, indem man das Zeug färbt und dann mit Subit«
zen (Atzbeizen) bedruckt, welche die Farbe wieder zerflören, erzeugt man zunächſt echtfarb
Mufter auf weißem Grunde oder weiße Mufter auf echtfarbigem Grunde. Die weißen Stel
Tonnen dann auch noch mit echten Karben verfehen ober unecht bedruckt werben. Bei mehrf
digen echtem Muftern ift e6 nicht leicht, die Dispofition fo zu treffen, daß jede nachfolgende O
ration den Erfolg der vorhergehenden nicht flört. Zwiſchen jeder Operation muß der Stoff;
getrodnet und dadurch Beize oder Farbe gehörig fixirt fein. Dadurch entfteht ein Zeitverl
und die Einrichtung ber Trodenapparate ift daher fehr wichtig für den Zeugdrud. Trock
bäufer, in denen die Zeuge der ganzen Länge nach aufgehängt und welche im Winter durch D
oder Dampf geheizt werden, genügen allein nicht und man hat daher theils gefchloffene gehei
Räume (Hotflues), durch weiche die Zeuge vielfach über Walzen hin- und hergeſchlungen ra
hindurchgeführt werden, oder man führt die Zeuge über mit Dampf geheizte hohle Walz
So gelingt es allerdings in wenig Minuten zu trocknen. Nicht alle Farben vertragen jeboch e
fotche Behandlung, wenn die Nuancen gut gerathen follen. Einfacher ift der unechte Tafeldru
hier werden die. Barben, ohne Rüdficht auf wirkliche emifche Verbindung mit der Faſer, ol
vorherige Beizung, nur mit Gummi oder ähnlichen Mitteln angemeffen verdidt, Damit fie ni
fließen, auf da8 Zeug aufgebrudt und nun durdy Trodnen, nad) Befinden auch durch Beha
lung mit Wafferdbampf (Dampffarben) firir. In der Mannichfaltigkeit der Karben ift m
dabei natürlich ganz unbefhränft. In mechanifcher Beziehung unterfcheidet man Handdrt
oder Mobelldrud und Mafchinendrud. Beim Handdrud bedient man ſich erhaben gefchni
ner Holymodelle (Blodformen), an denen wol auch einzelne Theile von Meffing eingefegt n
den. Das Zeug wird auf einer Unterlage von Wollentuch auf dem Drucktiſch ausgebreitet ı
nun die Farbe, welche man durch Auffegen auf eine Fläche (des Chaffis), weiche durch |
Streihtnaben mittels Bürften immer mit Farbe bedeckt gehalten wird, auf die Fornı übertri
durch fucceffives Auflegen der Form mit der Hand und einem Schlag auf die Rückſeite (
ſchlagen) auf den Stoff übertragen. Stifte an der Form fichern dabei das richtige Anı- und |
einanderpaſſen (Rapportiten) ber Theile des Muſters. Der Handdrud, von gefhidten Arl
tern ausgeführt, erlaubt immer noch Manches, was durch; Mafchinen weniger gut gelingt, ı
iſt daher noch nicht für alle Arten des Druds durch die mehrfeiftenden Mafchinen verdrär
Der Mafchinendrud ift theils Plattendrud, mit vertieft gravirten Matten (jegt nur wenig m
in Gebrauch), theils Walzendruck, mit gravirten Walzen, theils Berrotinendrud, mit erha
nen Blodformen. Beim Walzendrud wird das Mufter auf den Umfang fupferner oder mei]
gener Walzen gravirt, wobei man ſich für Meine wiederkehrende Theile des Muſters mecha
ſcher Hülfsmittel, bes Molettir- und Guillochirſtuhls, bedient; diefe empfangen ihre Farbe du
Sarbemalzen, welche ähnlich wie die Schmwärzapparate ber mechaniſchen Druckerpreſſen arr
510 Zeuge
girt find, werden durch Streihapparate von überflüffiger Farbe befreit und übertragen dann
die im gravirten Mufter Hängen gebliebene Farbe continuirlich auf das über Walzen fich bewe⸗
gende Zeug. Man hat jegt Walzendruckmaſchinen für zwei bis fünf Farben, mo das Zeug,
nachdem ed auf der erften Walze die erfte Farbe empfangen, durdy den Trodenapparas geht,
wieder auf eine zweite Walze zurüdtehrt, dort die zweite Farbe empfängt u. ſ. w, Alles in con
tinuirlicher Folge. Die Perrotine, nach dem Erfinder Perrot in Rouen genannt, ahmt die Wir
fung ded Danddrudd nach, indem die erhabenen Blodformen ganz in ähnlicher Weiſe wie dert
mit Farbe verfehen und auf ben Stoff, der ſchrittweiſe fich fortbewegt und der Reihe nadh auf
dieſe Art alle Farben empfängt, welche dad Mufter erheifcht, übertragen werden. Jede dieſer
Drudarten hat ihr befondere® Feld, und ed kommen Muſter vor, an denen eine Karbe mit der
Walze, eine andere mit der Dand gedruckt wird, ja zu deren Vollendung man alle drei Arten
bes Drudd nacheinander anwendet. In der richtigen Wahl des für die Erzeuguug jeder Art
von Mufter geeigneten Mittels liege ein großer Theil der Geſchicklichkeit des Dirigenten einer
Druderei. Eine Zeugdruderei bedarf zu ihrem Gedeihen erſtens tüchtiger mechanifcher Hülfs⸗
mittel, in welchem Felde jegt ſtete Kortfchritte gemacht werben, und eines guten Mechaniker? ;
zweitens eines tüchtigen Koloriften, d. bh. eines die Farbenchemie vollkommen verfichenden Che-
mikers; drittens endlich guter, geſchmackvoll erfundener und tüchtig ausgeführter Mufler, mo-
zu man künſtleriſch gebildete Zeichner und tüchtige Graveurs und Formenfchneider haben muß.
Ein Mangekin irgend einem diefer Punkte, fo Teicht Durch ungeitige Sparfanıkeit in der Bezah⸗
lung tüchtiger Zeute entftehend, führt zum Stehenbleiben und Zurüdgeben des ganzen Ge
ſchäfts. In England zeichnen fich die ſchott. Drudereien vor allen andern aus, befonder& im
Zafeldrud; in Frankreich hat Rouen für unechten, Mühlhaufen für echten Drud das Meifte
geleiftet, und in dieſer Branche der Induftrie, wo gefhmadvolle Erfindung die Hauptſache ift,
wird Frankreich no für lange Zeit der Tonangeber bleiben; in Deutfchland blüht der Zeug-
drud befonders in Sachſen, neuerdings namentlich noch in ordinaren Artikeln, in Berlin und
Eilenburg, mehr nach dem Vorbild von Rouen, und in Augsburg, befonders echter Drud nad
mühlhaufener Art, Der deutfche Drud hat fich, was die Mittel der Ausführung betrifft, keines
Vergleichs zu ſchämen; in den Muftern hängt er, mie auch England, immer noch von Frank
reich ab und unfere beften Mufter find Copien oder doc Nachahmungen franzofifcher, weshalb
auch die größten Druckereien ſtets Zeichner in Paris und im Elſaß unterhalten oder doch Zeich⸗
ner aus franz. Schule engagiren. Nur durch Verfolgung des Wege echt Tünftlerifcher, belon-
ders auf Auffaffung und Benugung aller in der Natur gegebenen Motive für Mufter bafırter
Ausbildung von Muftergeihnern in Mufterzeichenfchulen, die man an Orten anlegen muß,
nicht wo die Drudereien find, fondern wo großftädtifches Keben, reiche Kunftfchäge n. |. w. der
Phantafie ſtets Nahrung und Vorbilder geben, ann es allmälig gelingen, und in dieſer Be⸗
ziehung zu emancipiren. Vgl. Perfoz, „Trait& Iheoretique et pralique de l’impression des
tissus’ (A Bde, Par. 1846) und die fehr zahlreiche deutfche Literatur des Bachs, worunter
jeboch Fein Werk an Originalität, Gründlichkeit und Umfang dem genannten franz. gleichfommt.
Zeuge (testis) nennt man eine Perfon, welche über etwas ſchon Vergangenes Auskunft
gibt, oder einer Handlung beiwohnt, um künftig ben Hergang beurfunden zu fonnen. Ohne
Zeugen würde die Nechtöpflege kaum moglich fein ; daher ift e8 eine allgemeine Bürgerpflücht,
fi) dazu brauchen zu laffen und die abgelegte Ausfage mit einem Eide zu befräftigen. Zum
Zeugniß ift Jeder verpflichtet, nur nicht, wenn er dadurch ſich felbft ſchaden oder eine andere
Pflicht verlegen würde; daher kann da Zeugniß verweigert werden, wenn man in Griminal-
ſachen gegen Altern, Kinder, Gefchwifter, Ehegatten ausfagen fol. Geiftlihe dürfen nicht um
Das, was ihnen im Beichtſtuhle vertraut worden, Advocaten nicht um die Geheimniffe ihrer
Partei befragt werden. Solche Weigerungen machen einen Incidentfireit aud, über welchen
ber Zeuge förmliches Mechtsgehör und Erkenntniß auch in höherer Inftang verlangen kann.
Wenn die Zeugen nicht als Kunft» oder Sachverfländige vernommen werden, können fie nur
bezeugen, was fie finnlih, wahrgenommen haben, nicht urtheilen, wenn es nicht ein Ürtheil bes
gemeinen Lebens ift, weiche mit der Begrifföbegeichnung ber Sinnenwahrnehmung zufammen-
fällt. Um zu beweifen, müffen fie von eigener Wahrnehmung, nicht von Dörenfagen reden; ein
euge, welcher pofitiv fagt, Daß er etwas wahrgenommen habe, wird durch Andere, die es nicht
bemerkt haben, nicht widerlegt. Zeugen müffen unbefangen, nicht nahe Verwandte eines Theils,
nicht intereffire bei Der Sache, früher nicht als Betrüger, Meineidige u. dgl. beftraft fein. Zwei
“ıgen, gegen beven Unbefangenheit nichts einzumenden ift (elaſſiſche Beugen), machen nad
men Rechte einen vollen Beweis, wenn ihren Ausfagen Fein Gegenbeweid entgegenftcht.
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Zeughaus Zeugung 511
Zeughaus bezeichnet ein Gebäude, in welhem Waffen aller Art aufbewahrt werben, na⸗
mentlich Gefchüge in den untern, Dandfeuerwaffen und Seitengewehre in den obern Räumen,
aber ein Pulver und keine Mimition, für welche die Magazine beftimm find. Wenn
nit dem Zeughaus auch Werkftätten in Verbindung ftehen, fo erhält dad Gange den Namen
Arfenat (ſ. d.). Das Verwaltungsperfonal jener Vorräthe beftcht aus Zeugoffizieren, auch
Zeugmeifter genannt, Zeugfehreibern, Zeugwärtern und Zeugdienern.,
Zeuglodon hat Dwen eine foffile Säugethiergattung aus ber Ordnung ber Cetaceen ge-
nannt, deren Refte mehrfach in tertlären Ablagerungen aufgefunden worden find. Die fihön-
ſten und vollftändigften Sfelete wurden in Alabama und Sübdcarolina gefunden. Eines ber-
felben wurde von. Koch nad Europa herübergebracht und hier unter den Namen Hydrarchos
(f. d.) m vielen Hauptftädten für Geld gezeigt. Der amerik. Naturforſcher Harlan hat früher
diefelbe Tierart für ein Reptil gehalten und unter denn Namen Baſfiloſaurus abgebildet.
Zeugma (griech), eigentlich Verbindung, heißt eine grammatiſche Figur, nach welcher ein
einziged Prädicat, befonders ein Verbum, auf mehre Subjecte in der Eonftruction bezogen
wird, welches fireng genommen nur zu einem derfelben paßt. Der vermißte Begriff muß jedoch
inmer von der Art fein, daß er durch das eine Pradicat hinlänglich arigedeutet wird und leicht
ergänzt werden kann, wie z. B. in dem Sage: „Einige behaupten, er fei durch Schiffbruch, An⸗
bere, er fei durch feine eigenen Sklaven getödtet worden”, wo im erften Gliede ein entſprechen⸗
bes Berbum, wie „umkommen', leicht hinzugedacht wird. Ebenfo wenig auffällig ift ein ande-
red Beifpiel aus der Bibelüberfegung Luthers: „Die Augen des Deren fehen auf die Gerechten
und feine Ohren (nämlich hören) auf ihr Schreien.“
Zeusmeilien, f. Feldzeugmeifter.
eugung. Allen organifchen Körpern (Pflanzen, Thieren und Menfchen) ift eine gewiffe
Dauer ihres Dafeine gegeben ; allen find befliimmte Grenzen der Lebensdauer gefegt, engere
ober weitere, die fie nicht uberfchreiten können; die Dergänglichkeit ifFein gemeinfames Schickſal
aller. Bald drängt ſich das Leben derfelben ih den Zeitraum weniger Stunden und Zuge zur
fammen, bald dehnt es ſich über eine Reihe von Jahrzehnden, felbft über Jahrhunderte aus.
Aber ſtets erfüllt ſich das endlihe Schickſal (das Sterben, der Tod) mit gleicher Gewißheit.
Beſtehen nım auch organifche Körper felbft nur eine kurze Zeit, fo befigen die meiften doch die
Fähigkeit, ihrem eigenen Organismus ähnliche Organismen zu erzeugen (fich fortzupflanzen)
und dadurch fortwährend die Erde mit ihreögleichen zu bevölkern. Wir fehen nämlich, daß in
den einzelnen Gefchöpfen gemiffe körperliche Beftandtheife fi) abfondern und unter günſtigen
äußern Umftänden allmälig au Gefchöpfen derfelben Art fich entwideln. Diefe Fortpflanzungs⸗
fähigkeit der Drganismen ift aber an eine beftinnmte Zeit ihres Dafeins geknüpft (d. i. die Zeit
der Heife) und fehr ungleich über die einzelnen Arten vertheilt. Es gibt Gefchöpfe, die in weni:
gen Tagen und Wochen eine ungeheuere Nachkommenſchaft hervorbringen, und andere, die zur
Erzeugung eines einzigen Sprößlings eines Zeitraund von mehren Monaten und Jahren be
Dürfen. Während der Elefant in 3—4 J. nur ein einziges Junges gebiert, hat man die Nach⸗
kommenſchaft eines trächtigen Kaninchens in derfelben Zeit auf mehr als eine Million berechnet.
Die Nachkommen einer Blattlaus betragen nach einigen Wochen ſchon mehre Zaufend Millionen
und die einer Vorticelle fogar nad vier Tagen 140 Billionen. Soweit unfere Beobachtung
reicht, ift Die Neubildung der einzelnen Gefchöpfe ftets an die Eriftenz ſchon beftehender Lebens»
form gefnüpft, und von einer Urzeugung (generatio aequivoca), d. i, Erfchaffung von Or⸗
ganismen (mie Yale, Fröſche, Raupen, Läufe, Flöhe, Maden, Würmer, Infuforien) ohne müte
"terlihen Organismus, blos durch Verbindung chemifcher Subſtanzen, dürfte keine Rebe fein.
Ein jedes organifche ZBefen beginnt mit einem unſcheinbaren Keime: ohne Same entſteht feine
ange, ohne Ei fein Thier (omne vivam ex ovo). Wie aber die Keime der erſten organifchen
efen unfere Erdballs entftanden find, Läßt fich nad) unferm gegenwärtigen Wiſſen auch nicht
einmal ahnen.
Die Erzeugung neuer Geſchoͤpfe ift bald ein einfacherer, bald ein mehr verwickelter Vorgangs;
man bezeichnet den erftern als ungefchlechtliche, Tegtern als gefchlechtliche Zeugung. Die ges
ſchlechtliche Zeugung charakterifirt ſich im MWefentlihen dadurch, daß der Keinittoff, der ich in
das neue Gefchöpf verwandelt und ſtets in befondern, eigenthümlidy gebauten Gebilden, den ſo⸗
genannten Eiern, abgelagert iſt, zu feiner Entwidelung der vorhergehenden Befruchtung bedarf,
d. h. erft durch Berührung und Einwirkung eines andern, ebenfo eigenthümlichen organifchen
Stoffs, des Samens, zur Entwidelung angeregt wird. Bei der ungefchlechtlihen Zeugung ift
eine folche Einwirkung eines zweiten Stoffe, eine Befruchtung, zur Entwidelung nicht noͤth
512 Zeugung
und es beſteht hier nur ein einziger Zeugungsſtoff, der gewiſſermaßen dem befruchteten Cie
feicht. Der Keimſtoff befigt hier ſchon ohne weiteres die Fähigkeit, fich unter günftigen aufern
Berhäfmiffen in das neue Gefchöpf zu verwandeln. Bon der ungef&lechtlichen Fortpflanzung
gibt ed aber mehre Arten, nämlich die Zeugung durch Keimkörner oder Keimzellen (Sporen)
und die duch Wachsthumsproducte, wie durch Zheilung und Knospen⸗ oder Sproffenbilding,
100 das neue Geſchöpf noch längere Zeit, bis zu feiner Ausbildung oder noch länger, int ımım
terbrochenen Zufammenhange mit dem Mutterkorper bleibt. Mit der ungeſchlechtlichen Zen⸗
gung verbindet fich der Vortheil einer größern Nachkommenſchaft, fie findet deshalb aber auf
bloß bei niedern Thieren und Pflanzen ihre Anwendung. Die ungelchlechtliche Zeugung durch
Keimkörner kommt hauptfächlich bei niedern Pflanzen und Thieren vor, wie bei Algen, Pilzen
und Flechten, bei Trematoden und Infuforien. Die Keimkörner (Keinmzellen, Sporen) gleichen
den Eiern und ihre Bildung, die nad) der Zellentheorie vor ſich geht, gefchieht in der Regel frei
in der Körpermaffe oder in der Leibeshöhle des mütterlichen Körpers. In der erften Zeit dar
Bildung erfcheinen die Keimkörner ale einfache Zellen, fpätern entwieeln fich in benfelben neue
Zellen (Zochter- oder Embryonalgellen) und diefe werden allmälig zum neuen. Geſchöpfe. Die
ungeſchlechtliche Zeugung durch Theilung findet fich vorzugsweife bei niedern Thieren (Snfufe-
rien, Polypen, Würmern), doch auch bei einigen kryptogamiſchen Pflanzen. Dier ift die Maffe
für das neue Geſchöpf mit allen feinen Eigenfchaften am mütterlihen Körper fhon vorhanden
und wird nur durch Abſchnürung zu einem neuen Organismus. Bisweilen greift diefe Abſchnü⸗
rung, die fih anfangs als feichter Eindrud zeigt und allmälig immer tiefer eindringt, bi6 fie
ſchließlich zur vollftändigen Abtrennung führt, nit ganz durch und das neue Geſchöpf löſt ſich
dann nicht von der Mutter, fondern bleibt zeitlebens durch eine Art Brücke mit ihr zu einem
gemeinfhaftlichen Körper verbunden. So entftehen z. B. manche Polypenftöde. Es gibt übri⸗
gens Thiere (wie der Süßwaſſerpolyp), deren Vegetationsbedingungen fo einfach find, daß faſt
ein jedes Bruchſtück derfelben zu einen neuen Ganzen fich entwideln ann. Ungeichlechtliche
Zeugung duch Knospen- oder Sproffenbildung trifft man Hauptfächlich kei den Pflanzen, une
ter den Thieren vorzugsweiſe bei den Polypen und Blafenwürnern. Die Bildung der Knospen,
welche ald Keimkörner zu betrachten find, die fich in der Subftariz des mütterlihen Körpers
bilden und von da allmälig nach außen hervorwachſen, beruht ihrem Weſen nad darin, daß ſich
Elementartheile eines Organismus zu neuen Drganismen umbilden. Dier figen alfo dem müt⸗
terlichen Organismus nicht, wie bei der Zeugung durch Theilung, die neuen Organismen ſchon
. fertig an, fondern diefer enthält nur Theile, aus welchen fi) neue Individuen nach und nad
ohne Beeinträdgtigung ded Stammorganismus entwideln können. Bei der Anospenbildung
ift dad neue Individuum nicht ſchon vollftändig organifirt, wie bei der Theilung, fondern hat
nur bie Kraft zur Erzielung der vollftändigen Organifation in fih. Übrigens kann hierbei das
audgebildete neue Inbividuun mit dem Mutterftanıme organifh verbunden bleiben oder fid
davon trennen; ed Fönnen ſich ferner Die Knospen entweber getrennt vom Mutterflanıme oder
verbunden bleibend mit dem mütterlichen Körper zu neuen Individuen ausbilden. Die ge
ſchlechtliche Fortpflanzung, Zeugung durch Keime, biefe mehr complicirte Entftehungsweife vom
Drganismen, ift die verbreitetfte, kommt beim Menfchen und höhern Xhieren vor, tritt aber auch
bei vielen folchen thierifchen und pflanzlichen Organismen auf, die fih durch Xheilung und
Sprofienbildung vermehren können, Sie konımt dadurch zu Stande, daß durch die wechfelfer-
tige Einwirkung (Befruchtung) Iweier Zeugungsmittel (Geſchlechts producte), eines männli-
chen (Samens) und eines weiblichen (Eies), ein Keim (befruchtetes Ei) hervorgerufen wird,
welcher ſich zuni neuen Individuum entwickelt. Samen und Ei werben inımer in beſondern
Organen (Befchlechtöorganen) gebildet, doch können beide Organe zugleich in einem Indivdi⸗
buum (Dermaphrobiten, Zwitter, Monöciften) fich vorfinden (vorzugsweife bei den Pflanzen)
pder auf zwei Individuen (Mann und Weib, Diöciften) vertheilt fein (befonders bei ben Thie⸗
ren). Im erftern Falle kann fonach die geichlechtliche Zeugung fo gut wie die Knospenbildung
und Theilung von einem einzigen Individuum gefchehen. Die hermaphroditiſchen Thiere be»
fruchten fich entweder gegenfeitig oder fie befruchten fich felbft; das erftere kann zu gleicher Zeit
oder nacheinander gefchehen, beim Iegtern findet entweder nur Zutritt des Samens zu den Giern
im Innern des Thiers flatt, oder es kommt eine ſichtbare Selbſtbegattung zu Stande (bei Bant-
würmern). Dagegen kann die Befruchtung des Eies durch den Samen bei getrennten Ge
ſchlechtern entweder innerhalb des weiblichen Organismus durch Vernifchung der Geſchlechter
(Begattung) gu Stande kommen, oder auch, indem außerhalb des Organismus der Samen mit
den ifolirten Eiern in Verbindung gebracht wird (wie bei der fünftlichen Befruchtung der Fiſch⸗
Zeugung . 513
eier). Es müffen ſtets Samen und Eier in materielle Berbindumg miteinander gebracht werben,
wenn erfterer die leptern entwidelungsfähig (zum Keime) machen fol. Welche Beränderumgen
aber durch die Einwirkung des Samens auf das Ei im legtern zu Stande kommen, wiffen wir
nicht. Die geſchlechtliche Zeugung pflanzt weit weniger ſicher als die Zeugung durch Theilung
und Knospen bie Eigenfchaften des Individuums fort, nur die Gattung und Species wird durch
die gefchlechtliche Zeugung ſicher fortgepflanzt. Daher auch die Kortpflangung durch Setzlinge
und Pfropfreiſer ſtets vorzuziehen ift, wo man alle Eigenfchaften des Mutterfiamms in dem
neuen Individuum wieder erhalten will.
Bei den Pflanzen find die männlichen und weiblichen Gefchlechtsorgane bald in denſelben
Blüten vereinigt, bald in verfchiedenen Blüten auf demfelben Stamme (Monöciften) ; bald fin⸗
den fich die verfchiedenen @efchlechter auf verfchiebenen Stämmen (Diöciften); das erftere ifl
der häufigere, das legtere der feltenere Kal. Bei den Thieren zeigen Inſekten, Spinnen, Kru⸗
ftenthiere und alle Wirbeithiere Feine Spur von natürlicher Zwitterbildung (Bermaphrobitis-
mus), während bei den übrigen Thieren nicht felten bald hermaphroditiſche Ordnungen, bald
Ordnungen mit getrennten Befchlechtern, fa in einer und derfelben Ordnung Familien der einen
und andern Art nebeneinander vorfommen. Die Infuforien, Räderthiere, Stachelhäuter, Rin-
gelmürmer find mol durchgängig hermaphrobitifch ; ebenfo zum größten Theile die Polypen.
Die Individuen bei getrennten Geſchlechtern find entweber Männchen oder Weibchen oder Ge
ſchlechtsloſe (wie die Arbeitsbienen). Die Zeugungsmittel find Producte beftinnmter Organe
und Abfonderungen aus dem Blute (der Keimdbrüfen), niemals wie die Knospen integrirende
Theile bes Organismus oder eines Organs. Das männliche Zeugungsmittel ift der Samen,
welcher erſt zur Zeit der Gefchlechtsreife (bei einigen Thieren nur in der Brunftzeit) und dann
befruchtend wirkt, wenn fich in ihm die fogenannten Samenthierchen mit ihrer großen Beweg⸗
lichkeit entwideln. Dieſe mitroftopifchen Thierchen oder Spermatozoen find nun aber durchaus
keine thierifche Bildung, fondern Zellen mit Fäden unb werden deshalb richtiger Samenzellen
oder Samenfäden und Samenkörperchen (bei den Pflanzen Bollenfäden) genannt. Sie find bei
verfchiedenen Geſchöpfen von verfchiebener Größe und Form; im Allgemeinen Iaffen ſich fol-
gende Hauptformen unterfcheiden : Spermatogoiden mit länglihem Körper und langem
Schmanzfaden (bei dem Menfchen und den meiften Säugethieren) ; mit birnförmigem Korper
und Schwanzfaden (bei vielen Säugethieren); mit walzenfürmigem Körper und Schwanzfaden
(bei mehren Vögeln, Amphibien und Zifchen); mit fchraubenförmig gedrehtem Körper und
Schwanzfaden (bei Singvogeln und Haififchen) ; mir haarförmigem Körper (bei vielen Mollus-
Een, Injetten und Würmern). Das meibliche Zeugungsmittel, im Cierſtocke gebildet, ti das
@i, und biefes zeigt vor feiner Befruchtung bei allen Thieren benfelben Bau. Es ſtellt nämlich
ein rundliches Bläschen von [ehr verfchiebener Größe bei verfchiedenen Thieren dar, beffen Hülle
Dotterhaut genannt wird und beffen Höhle mit einer größern oder geringern Menge einer koͤr⸗
nerhaltigen Flüffigkeit (Dotter, Dotterkugel) angefüllt if. Im Dotter, deffen Körnchen Zellen
mit feinfornigem Inhalte und Fetttröpfchen find, befindet fich ein helles, rundes, durchſichtiges
Bläschen (das Keimbläschen) mit einem oder mehren Flecken (Keimfledien). Beim Reifen des
Eies bildet ſich um das oberflächlicher liegende Keimbläschen eine [cheibenformige Körnerſchicht
CReimfcheibe) und nun verſchwindet das Bläschen; es feheint fich aufzulöfen und mit der Scheibe
zu verfchmelzen. Die Eier der Wirbelthiere, wie fie vom Eierftod abgehen, beftehen nur aus
dem Dotter und der Dotterhaut nebft den darin enthaltenen heilen; befigen fie noch Eiweiß
und Schale, dann kommen diefe erſt fpäter, nad) Dem Abgange vom Eierftoce, im Eileiter hinzu.
Das Ablöfen der reifen Eier vom Eierftoc erfolgt auch ohne Befrnchtung, felbft bei ben Säu-
gethieren und Menfchen (zur Zeit der Brunft und Menftruation). Wienun der Same das Ei
befruchtet, iſt zur Zeit noch nicht aufgehelft und man weiß noch nicht, was aus den Spermato-
zoen, bem Keimbläschen und Keimflede wird. Die Meiften nehmen an, daß die Samenfäden
das reife Ei nur zu berühren brauchten (Eontacttheorie), während neuerlich die Behauptung
ausgefprochen wurde, daß ein oder mehre Samenfäden in das Ei hineindrängen, fich dafelbft
in Molecule auflöften und fchlieglich in ben Zellen des Keims zerftreuten. Auch hinſichtlich der
Pflanzenbefruchtung beftehen biefelben widerſprechenden Anfichten.
Der Generationswechfel, welcher bei gewiffen Thieren vorkommt, ift eine befondere Form
ber gewöhnlichen ungefchlechteten Fortpflanzung und befteht darin, daß bei manchen Thieren
die ungeſchlechtliche wie geſchlechtliche Zeugung an verſchiedene Individuen übertragen iſt, wäh⸗
rend doch bei andern Thieren beide Fortpflanzungsarten gleichzeitig oder nacheinander an dem⸗
Gonv.⸗Lex. Zehite Kufl, XV. 2, 33
514 Aynlenroba
felben Individuum auftreten. Dan unterfcheibet beim Generationswechſel befondere geſchlechts⸗
Iofe Individuen, die alles Bildungsmaterial, welches fie erübrigen, auf die Bildung von Keim-
körnern, Knospen ober Theilftüden verwenden (die fogenannten Ammen), und andere, bie
ſich ausſchließlich auf gefchlechtlichem LBege, durch befruchtete Eier, vermehren (die Ge
Schlechtsthiere). Aus ben Eiern biefer Thierformen kommt eine Brut (Ammen), die dem Mur
terthiere in mancher Beziehung unähnlich iſt und bleibt, aber auf ungeſchlechtlichem Wege
eine Generation hervorbringt, bie zur Form und ganzen Bebeutung ber Mutterthiere zurüd-
fehrt. Bisweilen zeugen aber Ammen auf ungeichlechtliche Weiſe ebenfalls wieder Ammen,
fobaß dann die Gefchlechtsthiere erft nach einer Reihe von Ammengenerationen (Zwiſchengene
zationen) zum Vorfchein kommen. Manchmal zeugen Ammen aber gleichzeitig neue Ammen
und Gelchlehtöthiere nebeneinander. Die Ammen kommen in zweierlei Form vor, nämlich
als folche, die im Weſentlichen den Bau der Geſchlechtsthiere haben, ober al6 Karben, deren
Sprößlinge aber nicht wieder larvenformige Ammen, fondern weiter entiwi@elte Individuen
find. Am Bandivurme zeigt ſich der Generationswechſel deutlich ; biefer Wurm iſt namlid
nicht, wie man früher annahm, ein einfaches Thier mit Kopf und Bliedern, fondern eine Cole
nie mit Geſchlechtsthieren (Sliedern) und einer Amme (Kopf).
Die Fähigkeit der gefchlechtlichen Vermehrung beginnt, fobald die Geſchlechtsorgane ihrer
formelle Ausbildung erreicht Haben, d. i. die Pubertät. Beim Menſchen fällt diefelbe burdy-
ſchnittlich zwiſchen das 44. und 48. Lebensjahr; natürlich haben Klima, Lebensweife unb
manche andere Umftände Einfluß darauf. Übrigens darf man nicht glauben, baß ber Eintritt
ber Geſchlechtsreife nun auch fogleich ben Culminationspunkt der gefchlechtlichen Leiſtungen be
zeichne; erſt nach und nad) entwidelt fich das Fortpflanzungsgeſchäft. Das Erlöfchen der
Zeugungsfähigkeit findet beim menfchlichen Weibe in der Negel zwifchen dem 45. und 50. J.
beim Danne un das 60. 3. ftatt. Zur Zeit der Gefchlechtöreife gefchieht felbfländig und ohne
weitere Einwirkung von außen die Reifung und Löſung der Zeugungsproducte. Bei der Frau
findet die Löſung ber Eier zur Zeit ber Menftruation, bei Thieren zur Brunftzeit flatt.
Die Erzeugung höherer Thiere und des Menfchen ift ein fortfchreitender, in einer Felge ver-
fhiedener Acte beftehender Hergang, welcher fi) in die folgenden vier Momente trennen läßt:
4) Das eigentliche Zeugen oder Befruchten, d. i. die Erweckung eines felbftändigen Lebens ⸗
triebes im weiblichen Zeugungsftoffe, welche dadurch vermittelt wird, daß Männliches und
Meibliches in Berührung tritt (WBegattung). Die Bedingung der Befruchtung ift zunächſt die
Einwirkung bes reifen (Samenfäden enthaltenden) Samens auf das reife Ei. Ob dabei blofe
Berührung (Contact) der Zeugungsftoffe ftattfindet, oder ob Samenfäden wirklich in das Ei
eindringen, ift noch unentſchieden. Die Wirkung der Befruchtung ruft ebenfo wol im Eie wie
im weiblichen Körper auffällige Veränderungen hervor. 2) Die Einfaat, d. i. die Verfegung
des befruchteten Eies an eine Stelle (Brüteftelle), wo es fich zu einem individuellen Organit-
mus entwideln kann. Beim Menfchen wird das Ei aus dem Gierftode durch ben Eileiter
(Muttertrompete) in die Gebärmutter (Uterus) gefchafft. Es fol etwa 8-14 Tage nad) ber
Befruchtung daſelbſt ankommen. 3) Die Brütung, d. i. die Entwidelung des Eie und der
Srucht in der Gebärmutter. Die Dauer derfelben ift beim Dienfchen 9 Sonnen- oder 40 Mon⸗
beömonate (40 Wochen ober 280 Tage). A) Die Geburt, d. i. die Trennung bed außgebil-
‚ beten neuen Individuums vom mütterlichen Körper. Sie gefchieht durch die Zufammenziehung
der Gebärmutter, welche mit mehr ober weniger Schmerz (Wehen) verfnüpft iſt. Während
ber Geburt findet eine Zerreifung der Eihüllen und das Beraustreten des Kindes aus dem ie
ftatt. Nach dem Kinde werden dann noch die Eihüllen nebft dem abgeflorbenen Mutterkuchen
(d. i. ein Gebilde aus zahlreichen Blutgefäßen, welches den Zuſammenhang zwiſchen Ei und
Gebärmutter, fowie zwifchen den Blutgefößen des Kindes und der Diutter vermittelte) geboren.
Zeulenroda, die zweite Stadt bes Fürſtenthums Neuß älterer Linie, Tiegt in einer bergigen,
waldigen Gegend ziemlich rauh auf einem hohen Plateau, ift nach vielen großen Bränden
(1566, 1656, 1706, 1790) wieder ſchön und in allen Theilen regelmäßig gebaut und hat
5600 E., bie außer bedeutendem Viehhandel und Färberei namentlich die Fabrikation von
baunmollenen Strumpfiwaaren und diverfen baummollenen Zeugen betreiben. Bon vorzüg
Ucher Feinheit find die hier gefertigten Strumpfiwaaren, deren Erzeugung Zaufende von Ar-
beiten befchäftigt und die nach allen Theilen der Erde verfendet werben. Das auf dem geräu-
migen Marktplage ſtehende ſchöne Rathhaus ift nach dem Mufter bes brüffeler erbaut. Die
Stadt hat zwei Kirchen, zur Heiligen Dreieinigkeit und zum Seiligen Kreuze, eine Bürger
Thule, eine Freiſchule, ein Hospital und ein eigenes fürftliches Gericht. Die bafigen Leinwand ·
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Zeune Zeuß 515
markte find renommirt. Noch 1399 war 3. ein zur Pflege Reichenfels gehöriges Dorf, erhielt
4438 von Heinrich dem Mittlern von Gera Gtabt- und Marktgerechtigkeit nebſt Stadt⸗ und
Rathöfiegel und kam 4500 an die Linie Reuß⸗Plauen zu Greiz. Das in der Rähe der Stadt
rege betriebene Alaunbergwerk iſt feit einigen Jahren eingeftellt.
Zeune (Aug.), verdient um Blindenerziehung, wie um Geographie und deutfche Sprache,
geb. 12. Mai 1778 zu Wittenberg, erhielt durch feine Altern eine treffliche Erziehung, fin-
dirte auf der Univerfität feiner Vaterſtadt und trat daſelbſt 1802 als Docent über Erd⸗
kunde auf. Sein Antrittöprogramm „De historia geographiae/ verfchaffte ihm einen Ruf
nah Berlin, wo er 1805 — 5 Lehrer am Grauen Klofter war. Biel Auffchen machte feine
Schrift „Über Bafaltpolarirät” (Berl. 1809). Durch Blumenbach wurde er damals an bie
Afrikaniſche Gefellichaft in London zu einer Sendung in das Innere Afrikas empfohlen, doch
mußte er einem andern Bewerber weichen. In Berlin fand fein wiſſenſchaftlicher Eifer reiche
Nahrung in den Umgange mit Aler. von Humboldt, Johannes von Müller und Fichte. Durch
feine „Sea, Berfuch einer wiffenfchaftlichen Erdbefchreibung” (Berl. 1808; 3. Aufl, 1830),
mit welcher er ber Öeographie zuerft einen mehr flabilen und natürlichen Gehalt gab, wurde er
ein würbdiger Vorgänger Karl Ritters. Im I. 1810 wurde er außerorbentlicher Profefſſor
ber Geographie an ber berliner Univerfität und hielt dafelbft in dem Winter von 1812—13
feine vielbefprochenen patriotifch anfeuernden Vorträge über das Nibelungenlied. Mit Jahn
fuchte er ben Samen mandyer alten beutfchen Zugend in den Herzen der Jünglinge wieber aus⸗
zuftreuen, und in diefe Periode fallen mehre feiner die Sprachkunde, die Politik und das Volks⸗
thum betreffenden Schriften. Seine fegensreichfie Wirkſamkeit aber beruht in der von ihm
43. Dct. 1806 mit einem einzigen Zöglinge eröffneten Blindenanftalt. Kaum gegründet, brohte
dieſe Anftalt beim Einbruch der franz. Deere wieder unterzugehen, indem alle Unterflügung
von Seiten des Königs ausblieb. Doch 3. rettete das Inſtitut, indem er vertrauensvoll den
Met feines Vermögens der Anftalt hinopferte. Sein Vertrauen wurde durch das friſche Auf-
blühen der Anftalt unter feiner und feiner Battin Pflege reich belohnt. In den J. 1820 und
1824 machte er Amtsreiſen durch Holland, Frankreich, England und die Schweiz, um bie dor-
tigen Zaubftummen- und Blindenanftalten Eennen zu lernen. Im 3. 1814 ftiftete er die Ge⸗
ſellſchaft für deutſche Sprache und 1828 die Gefellfchaft für Erdkunde. 3. ftarb 14. Nov. 1853.
Noch ſind von feinen Schriften zu erwähnen : „Beliſar, über den Unterricht der Blinden” (Berl.
1851; 2. Aufl., 1836), und feine Ausgabe diefed Gedichts im Originale (Berl. 1815); die
Schrift „Uber die Schäbelbildung zur feftern Begründung ber Menfchenracen” (Berl. 1846).
Auch hat 3. fehr zweckmäßige Neliefgloben erfunden. — 3.8 Vater, Joh. Karl 8., geb. 29.
Dct. 1736 zu Stolgenhayn bei Naumburg, feit 1776 ordentlicher Profeffor der griech. Sprache
zu Wittenberg, wo er 8. Nov. 1788 flarb, hat fich als Philolog Verdienſte erworben. .
zu ſ. Jupiter.
euß (Joh. Kaspar), ausgezeichneter Geſchichts- und Sprachforfcher, geb. zu Vogtendorf
im bair. Oberfranken 22. Juli 1806, der Sohn eines in der Gegend geachteten Baumeiftere,
befuchte nach Beendigung feiner Gymnaſialſtudien zu Bamberg 1825 noch die philologifchen
Borlefungen bes dortigen Lyceums und ging dann, um fich für das höhere Lehramt vorgube-
reiten, 1826 nach München, wo er fich vorzüglich von den Keiftungen ber neuen Schule ber ge
ſchichtlichen und vergleichenden Sprachforſchung angezogen fühlte, und in der Überzeugung,
daß mit Anmendung der Mittel, welche diefe neue wiflenfchaftliche Richtung bot, noch viele
dunkle Theile der alten Völkergefchichte Aufklärung erhalten könnten, benugte er bie Schäge,
welche die reiche Staatöbibliothef, und bie Muße, welche ihm ein mehrjähriger Aufenthalt im
gräflich Montgelas'fchen Haufe zur Leitung der Studien eines Sohnes des Miniſters gewährte,
zu gefchichtlich-[prachlichen Unterfuchungen über die europ. Urvölker, mit Ausfchluß der claſſi⸗
ſchen, deren Ergebniffeer in feinem erften bebsatenden Werke „Die Deutfchen und die Nach⸗
barftämme” (Münd. 1837) niederlegte, welchem die gründliche Unterfuchung über „Die Her⸗
Bunft der Baiern von den Markomannen” (Münch. 1839) folgte. Im J. 1839 als Profeflor
der Geſchichte an das Lyceum zu Speier verfegt, veröffentlichte er hier bie „„Traditiones pos-
sessionesque Wizenburgenses” (Speier 1842), die Wichtigkeit diefer bisher unbenugten hi⸗
ſtoriſchen Denkmäler richtig erkennend, und ließ denfelben eine auf forgfältigfter Duellenfor-
ſchung beruhende Arbeit über „Die Freie Reichsſtadt Speier vor ihrer Zerflörung” (Speier
4843) folgen. Obfchon 1847 als Profeffor der Gefchichte nach München berufen, zog er doch
eine Profeffur am Lyceum zu Bamberg vor, die er noch in bemfelben Jahre ana ‚Hier bear
516 Zeuris Zichy von Vaſonykeo
beitete er die „Grammatica Celica” (2'Bbe., ps. 1855), eine ſprachwiſſenſchaftliche Arbeẽe.
welche fich ben bedeutendften Leiftungen auf diefen Gebiete würdig zur Seite ftellt und zu bez
er die Materialien feir längerer Zeit großentheild aus noch ungebrudten Handfchriften zu Karl-
ruhe, St.Gallen, Würzburg, Mailand, Turin, Paris, London, Oxford u. ſ. w. gefammelt harte
Zeuriß, einer der gefeiertften griech. Maler, um 400 v. Chr., aus Heraflea in Unteritaliez
gebürtig und Schüler des athenienf. Malers Apollodorus, übertraf durch treue Nachahmung
der Natur, richtige Zeichnung und treffliches Eolorit alle feine Vorgänger in ber Kunft, ſodaß
feine Gemälde zuletzt bis zu einen außerordentlichen Preife fliegen. Ein befonderes Stubinm
verwendete er auf fchlankere Proportionen und auf die Nüancen von Licht und Schatten, worin
er die Entdeckungen des Apollodorus nicht nur geſchickt fich anzueignen, fondern auch noch mei»
ter auszubilden verftand. Vorzüglich gelangen ihm die Darftellungen einzelner Götter- und
Heroenfiguren, vor allem in den Ausdruck weiblichen Reizes und erhadener Würde, obgleich
Ariftoteles das Ethifche vermißte, und einen hohen Ruf erlangten feine Helena gu Kroten, fein
Zeus, auf bem Throne von Göttern umgeben, und noch mehr die Eentaurenfamilie, eine reizende
Zufammenftellung, in der auch die Verſchmelzung von Menſch und Roß und die Genauigkeit
der Ausführung bewundert wurde. Ebenfo zeichneten fich auch feine Fruchtſtücke dur ta
fhende Ahnlichkeit aus, und bekannt ift fein Wettſtreit mit Parrhaſius (f. d.).
Zeyſt, ein Flecken mit etwa 1300 E. und einem ſchönen Schloffe in ber niederländ. Provinz
Utrecht, eine Stunde von Utrecht, liegt in fehr angenehmer Gegend und in ber Umgebung von
vielen Gärten und ſchönen Spaziergängen. 3. gehörte früher den Grafen von Naffau, wurde
aber um die Mitte des 18. Jahrh. an einen Kaufmann in Amſterdam verkauft, der es der Brü⸗
bergemeinde zur Anlegung einer Golonie überließ, die aus 300 Mitgliedern beſtand. Di
Herrnhuter haben hier große Brüder- und Schwefternhäufer und Fabriken angelegt, wo Kunſt⸗
tifhlerwaaren, Handfchuhe, Leder, Band, Seifentugeln, Gold- und Silberarbeiten, Lackirwaa⸗
ren und Zalglichter von vorzüglicher Güte verfertigt werden. In der Nähe von 3. fteht der ale
Denkmal der hier 4579 gefchloffenen Union ber fieben vereinigten Provinzen der Nieberlande
errichtete Obelisk.
BZibeththiere(Viverrina)nennt man eine$amilie der Raubthiere. Sie haben zurüdziehbare
Krallen, hinter dem Fleiſchzahne im Oberkiefer zwei, im Unterkiefer einen Höckerzahn umd in
der Aftergegend Drüfen, bie eine ftarkriechende Zeuchtigkeit abfondern. Zu ihnen gehört die
Sibethkatze (Viverra), durch zwei Drüfentafhen am After ausgezeichnet. Die afiatiſche Si⸗
bethkatze (V. Zibetha) ift grau, fchwarzbraun gefledit, mit weißer, ſchwarzgeſtreifter Kehle und
faft ohne Maͤhne. Sie lebt auf den Hinterind. Infeln und nährt fich von kleinen Vögeln und
Säugethieren. Die afritanifche Zibethkatze (V. Civetta) unterfcheidet ſich von ihr durch eine
über den ganzen Rüden laufende bufchige Mähne und findet fich in Mittelafrita, beſonders in
Abyffinien. Der Zibeth, die Abfonderung jener Afterdrüfen, war ehemals flatt des Mofchus
und Ambra in Gebrauch, weshalb man beide Arten Ziberhfagen häufig in Käfigen hielt, um
ihn zu beflimmten Zeiten herausgunehmen. Die Genette (V. Genetta) kommt in ganz Afrika
vor, wird nur 1, F. lang, hat an den Seiten Reihen von ſchwarzen Flecken und wird zur Ber-
Fire; der Ratten und Mäufe gezähnt. Auch das Schneumon (f. d.) gehört zur Gattung ber
ibetthiere.
Zichy von Bafonyked, eine der älteften und berühmteften ungar. Familien, Die nach den
gewöhnlichen Angaben aus der Zatarei ftammt, fchon feit 1210 vielfach in der Randesgefchichte
genannt wird und 1625 in den Brafenftand erhoben wurde. Im 48. Jahrh. theilte ſich bus
Haus durch die Brüder Johann IL. und Stephan Il., Beide Söhne Johann's IL, in zwei Li»
nien, die zu Palota und die zu Karlsburg. Die inte Palota ſchied ſich durch die drei Söhne
des Stifters, Sigismund, Johann (III.) und Nikolaus (geft. 1826), in drei Zweige: 1) den
Zweig zu Adony und Szent ⸗Mikloͤs, gegenwärtig repräfentirt durch den Enkel des Stifters,
ben Grafen Sigismund von 3., geb. 6. Jan. 18005 2) den Zweig zu Nagy⸗Lany, defien Haupt
der Graf Johann von 8., geb. 19. Juni 1804, der Sohn des gleichnamigen Stifters, iſt;
5) ben Zweig zu Palota, deffen Mannsftamm im Grafen Nikolaus von 3., geb. 4. April
1800, blüht. Die Linie Karlsburg hat ben Grafen Stephan von ., geb. 1715, geft. 1760,
zum Ahnherrn, der drei Söhne hinterließ: 1) Graf Franz von 3., geb. 1751, geft. 1812, der
Dater des gegenwärtigen Hauptes dieſes Familienzweigs, des Grafen Franz Joſeph von 3.
geb. 20. Sept. 1774, von deſſen ſechs Söhnen noch vier, die Grafen Ladislaus, geb. 179,
Leopold, geb. 1805, Franz, geb. 1814, und Hippolyt, geb. 1814 (geifllichen Standes), am Xeben
find. Ciner der Brüder Franz Joſeph's, Graf Eugen von 8., geb. 25. Sept. 1809, war U
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Ziebland 317
miniſtrator bed weißenburger Comitats, ging während ber ungar. Inſurrection mit dem Erg
herzog Palatin nach Stuhlweißenburg und blieb nach deſſen Abzug in dieſer Stadt. Des Ein
yerftändniffes mit den anrüdenden öſtr. Truppen und des Verſuchs zur Vertheilung kaiſerl.
Proclamationen bezüchtigt, ward ex von ben Infurgenten gefangen genonmen, 50. Sept. 1848
auf der Inſel Efepel vor ein Standgericht geftellt, dem Görgei präfidirte, verurtheilt und hin-
. gerichtet. 2) Graf Karl von 8., ein ausgezeichneter öſtr. Staatömann, geb. A. Marz 1755 zu
Presburg, wurbe, nachdem er in wenig Jahren vom kaiſerl. Kämmerer zum Hofrath aufge»
fliegen war, 1786 Obergefpan im Gomitat Raab, Präfident der ungar. Hofkammer und 1788
Judex Curiae, in welcher Stellung er ſich große Verdienſte um die Beruhigung Ungarn er-
warb. Am $. 1802 erhielt ex das Präfidium der allgemeinen Hofkammer und damit zugleich
bie Reitung der Finanzen; hierauf wurbe er 1808 Staats - und Gonferenzmünifter und 1809
Kriegsminifter. Während der Kriegsjahre von 1815 und 1814 mar er mit ber Leitung ber
innern Staatsangelegenheiten beauftragt. Huf den ungar. Randtagen eins der außgezeichnet-
ften Mitglieder, flarb er zu Wien 28. Sept. 1826. Sein ältefter Sohn war Graf Franz
von Z.Ferraris, geb. 25. Juni 1777, geft. 6. Oct. 1839 als öfter. Feldmarfchallieutenant;
deffen jüngerer Bruder, Graf Karl von 3., geb. 20. Juni 1778, war ungar. Echagmeifter,
Hräfident der ungar. Hoflammer und Obergeſpan bed wiefelburger Comitats und ſtarb
15. Dec. 1834, mit Hinterlaffung von 1A noch lebenden Söhnen und Töchtern. Ein dritter
Bruder, Graf Ferdinand von 8., geb. 13. Mai 1783, war Feldmarfchallieutenant und
Feſtungscommandant von Venedig, capitulirte aber nebft dem Grafen Palffy 22. März 1848
mit den Infurgenten und legte die Eivil- und Militärregierung der Stadt in die Hände derfel-
ben. Deshalb vor Gericht geftellt, ward er im Juni 1849 zur Gaffation, zum Verluſt aller
Orden und zu zehnjähriger Feſtungsſtrafe verurtheilt, aber im Jan. 1851 vom Kaifer begna-
digt. 3) Graf Stephan, geb. 14. Juli 1757, geft. 30. Juni 1841, defien Sohn, Graf Stephan
von 3., geb. 13. April 1780, eine Zeit lang als öfter. Botſchafter in Petersburg lebte und
8. Juni 1855 zu Wien flarb.
Ziebland (Georg Friedr.), vorzüglicher deutfcher Baumeifter, wurde 7. Febr. 1800 zu
Megenshurg geboren. Nachdem er in Mündyen durch Joh. Maria Quaglio eine tüchtige Vorbil⸗
dung erhalten, begann er 1812 unter Fifcher’ 8 Leitung feine Studien auf der dortigen Akademie,
die er erft 1824, als die Direction ber Baufchule bereits an Gärtner lbergegangen war, ver»
ließ, um feine Studien felbftändig fortzufegen. Um biefe Zeit lieferte er mehre Programmar«
beiten, die ihn fo fehr empfahlen, daß König Ludwig ihn zu einer Reife nach Stalien unterflügte,
um bafelbft die Bauart der Baſiliken zu ſtudiren, indem er ſchon damals mit Entwerfung des
Plans zu einer folhen in Münden zu erbauenden Kirche vom König beauftragt wurde. 8.
bielt fih 1827—29 in Stalien auf; neben feinem Hauptzweck war befonbers die Decoration
von Pompeji fein Augenmerk, nad) deren Vorbild er den Entwurf zu dem Wanbfhmud für
Die dem König Ludwig gehörende Villa Malta in Rom zu fertigen hatte, welcher dann unter
Mart. Wagner’s Leitimg ausgeführt wurde. Nach feiner Nückkehr im Berbfle 1829 wurde er
der Baufection des Minifteriums zugetheilt umd zugleich, Mitglied des Baukunſtausſchuſſes in
Münden. Rahdem er hierauf 1831 das Local der Steuerkataftercommiffion in würdigem
Mundbogenftil und hierauf das in altdeutſchem Stil gehaltene Denkmal zu Yibling, an der
Stelle, wo König Dtto von feiner Mutter Abfhied genommen, erbaut hatte, wurde ihm ber
Auftrag zur Entwerfung eines Plans zu dem ehernen Baldachin in der Kürftengruft der Thea»
tinerkirche zu St.Cajetan in München, welcher die beiden Särge mit den irdiſchen Überreften
des Königs Maximilian I. und ber Königin Karoline umfchließt und der unter feiner Leitung im
zeichften Rundbogenftil 1842 —43 in der königl. Erzgießerei ausgeführt wurde. Inzwiſchen
war 12.01.1835 der Grunbftein zu der dem heil. Bonifacius geweihten Baſilika gelegt worben,
welche 3. 1848 vollendete. Das Gebäude befteßt mit Ausnahme ber Säulen aus Ziegeln und
imponirt in feinem einfachen Außern blos duthh die großen Dimenfionen und bie edeln Ver⸗
haltniſſe. Im Innern dagegen entwickelt ſich die ganze Pracht, deren dieſer Stil fähig ift. Die
fünf Schiffe find durch vier Reihen von je 26 Marmorfäulen getrennt ; alle Details find confe
quent und ſchön durchgeführt; die Oberwände des Mittelfchiffs und die Chornifche prangen
mit den Fresken von Heinz. Heß; die Balken und Sparten der von innen ſichtbaren Bedachung
find farbig geziert und vergoldet. Unmittelbar an die Chorniſche ſchließt fich das ganz einfache
Bonifaciusfiofter an, und an diefes, gegen die Glyptothek hin, das große feit 1845 vollendete
Kunftausftelungsgebäude, ebenfalls von 3., mit feinem achtfäuligen korinth. Porticus umb
prächtigen Giebelfelde. Dispofition, Beleuchtung von oben und Eonſtruction find an dieſem
518 Biegel Ziegen
Gebäude nicht minder bemerkenswerth als feine Schönheit. Rad) dem Tode Ohimüller'6 (1.d.)
, erhielt 3. den Auftrag zur Vollendung des Baus ber Mariahilfkirche in der Borftabt Yu, ſowie
pisartiftifche Beauffichtigung und Bewahrung ber dem damaligen Kronprinzen, jegigen Konige
Mapmilian gehörigen Burg Hohenſchwangau, weiche in ber neueften Zeit durch bieunter feiner
Leitung geführten und nun größtentheils vollendeten Neubauten beträchtlich erweitert wurde
Biegel nennt man künſtlich gedrannte Steine aus Lehm oder anderm Thon. Sie wurden
ſchon beim Thurmbau und zu den Mauern in Babylon, auch bei den Ägyptern gebraucht. Ned
des Plinius Bericht vervolllommneten die Kunft, Ziegel zu brennen, Bauptfächlich die Griechen
Sie hatten dreierlei Arten Ziegel, von denen bie erfte 6, die zweite 12 unb bie größte 15 Zol
lang war. Auch bie Römer müffen es fehe weit im Ziegelbrennen gebracht haben, wie dies Ira
jan’s Säule beweiſt. Im Bittelalter bediente man ſich Häufig glafirter Ziegel ober Klinker mb
wendete fie in verſchiedenen Farben zur Verzierung an; man bilbete bamit auch Infchriften,
wie an ber Marienkirche zu Eibing, in dem &chloffe zu Graudenz und mehren Gebäuden des
14. Jahrh. in England. Unter den neuen Völkern ſcheinen es bie Engländer am weiteften in
ber Kunft bes Ziegelbrennens gebracht zu haben; denn fowol ihre Häufer als auch das Pflafker
ihrer Höfe und felbft der Baffen widerftchen der meift feuchten Witterung ihres Landes aufer-
ordentlich lange. Der befte Stoff zur Bereitung der Ziegel befteht in einer Miſchung von Thon
und Sand, die man Lehm⸗ oder Ziegelerde zu nennen pflegt. In manchen Gegenden nimmt
man auch Mergel dazu, der aus Thon und Kalk befteht; doch darf nicht zu viel Kalk banmter
fein. Beim Brennen der Ziegel ift e8 ein Haupterfoberniß, daß diefelben vorher hinlänglich auß-
getrodnet find. Iſt dieſes nicht der Fall, fo bringe fie das inwendige Waſſer, das durch Die Hitze
ſich in Dämpfe verwandelt, zum Zerplagen. Das Trodenen geſchieht in ben Biegelfgeunen;
das Brennen in ben Siegelöfen, Brennöfen, die ungefähr 12 5. hoch, faft eben fo breit und
oft. bis zu 50 F. lang find. Die Wände, etwa einen Fuß dick, neigen fich nach oben fihräg ae
geneinander. Die Ziegel, bei jedem Brennen etwa 10 — 30000 an ber Zahl, werben auf ſlachen
Boden geftellt und mit alten Dachziegeln bedeckt. Dann wird zuerft Reishol, angeyundet unb
zwei his drei Tage lang ein mäßiges Feuer unterhalten, bis der anfangs ſchwarze Rauch an-
fügt durchſcheinend zu werben. Dies ift das Zeichen, daß die Ziegel hinlänglich trocken find.
8 wird die Ofenöffnung mit Ziegeln und Lehm fo weit gugefegt, daß nur noch eine kleine
nung zum Einlegen von Holz ober Meifig übrigbleibt, und das Feuer fo Tange verſtärkt, bi
dir Flamme auffchlägt, an deren weißer Karbe man erfieht, ob bie Ziegel gar gebrannt find.
Nach und nach vermindert man nun das Feuer und läßt es ungefähr nach 48 Stunden ausgehen.
Die Ziegel haben von ihrer Form und ihrem Zwecke verfchiedene Ramen. Die ägypt. Luft⸗
ſteine werden nur on ber Luft getrodnet, wie dies noch gegenwärtig mit ben Luftſteinen anber-
warte geſchieht. Brunnen · oder Keſſelziegel find bogenformig gearbeitet und bienen zum Bran-
nem und Saäulenbauz Falz ⸗ ober Mauerziegel, zum Aufführen aller Arten Mauern, haben eine
parallelepipediſche Geſtalt; Pflaſterziegel, theils vier⸗, theils ſechseckig, dienen zum Auspfla
flern ber Fußtoden; Keilziegel, von Geſtalt eines abgeflugten Keils, werden zu Gewölben ge⸗
braucht; Biberfehmänge find unten rund, oben aber durchlöchert zum Aufnageln; Kapp⸗ oder
Kaffziegel find ſehr breite Wiberfchwänze mit einer Dffnung in ber Mitte; Hohl- oder Forſtzie-
ga concane Dachziegel zum Deden der Forſte. Ochſenmäuler nennt man Dachziegel von einer
zunden, gebrisften Geſtalt. Paßziegel, Dfannenziegel oder Schlußziegel find wie ein m gebe-
gen und ſehr gut zum Dachdecken, fallen aber freilich fehr ind Gewicht. Sehr haltbar find gla⸗
furte Biegel, die mit Kalk, Gyns oder Flußſpath überfchmelzen werden. Die Minker werben
bei ſehr ſtarkem Feuer gebrannt; fie find fehr hart und dauerhaft. Daffelbe gilt von den Mund⸗
feinen ‚oder ſolchan Biegen, bie zufällig am Mundloche bes Ofens geftanden und einen ſehr flar-
ten Feuergrad ausgehalten: haben. Beuerfefte Dfenziegel befichen aus einem eifen- und fait»
freien Shen, den ran mit zerſtoßenen Porzellanfcherben ober hartgebranntem und gepochtem
Thon berfelben Art, zerfegt; fie halten die höchſten Biggrade aus, ohne zu ſchmelzen oder zu ber-
ſten. Gläferne Ziegel, die as ’/ı Boll diem Glas beftchen, werden in Ziegeldächer eingefcht,
um Licht durchzulaſſen. Merkwürdig fine wech die von Ehrenberg in Berlin aus Infuforien
—8 Biegel, die. halb ſo leicht als andere Ziegel find.
tegen (Capre), eime Gattung Bieberfäuer mit feitlich zuſammengedrückten, fichelförmit
nach hinten gebogenen Hörmern, bat Männchen meift mit einem Barte am Kinn verfehen. Die
Biegen leben truppweiſe in Gehixgögegenben, find fcheu und im Mettern unb Springen gleich
auägegeichuet durch Geſchick wie darch Rüfmbeit. . Diaher gehören nächſt bem Eteinbod (ſ. d.)
bie Wegsarziage (C. Aogagrun) Vafong aber zeiiba Dinge. Cie ift röthlichgean gefärbt, hat auf
Biegenbalg Zieger 519
dem Müden einen ſchwarzen Streif, bewohnt bie Scheibegebirge Vorder» unb Bkittelafiens unb
gleicht beſonders in den quermulftigen Hörnern ziemlich dem Steinbod. Die gemeine Siege
(C. Hireus) erfcgeint feit den älteften Zeiten als Hauothler ber Gebirgenomaden umb Tonimt
gegenwärtig in vielen durch Größe, Geſtalt ber Hörner und Beftkaffenheit des Haars unte
fchiedenen Abarten nor. Langes, ſeidenartiges Baar Haben bie inywrantege ober Rünrchtege,
in Syrien heimiſch und durch ſeitwaͤrts gegogene, gedrehte Börner ausg ezeichnet, befonders aber
die tibetaniſche Ziege und die vielleicht mit ihr identifche Kaſchmirziege. Lettere werben auf
den Bergen bes Himalaya als Hausthiere gehalten, gedeihen beffer in dien kältern Regionen
und geben das feinfte Wollhaar, bie einzelne Ziege jährlich nur wenige Unzen. Aus demſelben
werben bie berühmten Kafchmirſhawls gewebt, deren hoher Preis eine Folge der Seltenheit bes
Stoffe, der Kumflfertigfeit der Weber, bes ſchwierigen Transports und manıdfacher Zoll⸗
belaftungen während deſſelben ift. Verſuche, Die Kaſchmirziege bei und zu ziehen, find bis jegt
wenig geglüdt, doch bat man durch Kreuzung mit ber Angoraziege eine treffliche und ergicbige
Mittelrace erzielt. Unter den grobhaarigen Ziegen ift bie in Agypten und Syrien heimiſche
Mamberziege, beren Hörner ſich nach hinten ringen, durch ihren häßlichen Kopf merkwürdig,
an dem die Ohren lang berabhängen, die Nafe in der Mitte gebrochen und bie Schnauze abge»
fiugt iſt. Auch von umferer Vausziege kennt man mehre Spielarten, 3. B. die ungehürnte ſpa⸗
nifche, die walefiſche, deren Hörner erſt in einer gewiſſen Hihe nach den Seiten gedreht find, u. ſ. w.
Im Großen gefchiehe die Zucht der Ziege am vortheilhafteſten in gebirgigen und maldigen Ge⸗
genden. Sumpfige Riederumgen fagen ihnen gar nicht zu. Die Paarung gefchieht dann im
Herbſt, bamit die Jungen im Frühling geboren werden, two bie Welde offen sort. Die Stall⸗
fütterung gefchieht mit trodenem Laube, Heu, Stroh und Wurzelwerk. Saufen bedürfen die
Ziegen wenig, deſto mehr Salz und ſtets troddene Streu. In Gärten ſchaden fie den Bäumen
durch Benagen ber Rinbe. Den hauptſächlichſten Nutzen gewähren fie durch ihre Milch, deven
Genuß ald der Gefundheit zuträglich empfohlen wird; auch bereitet man aus derſelben Käfe.
Die Haare fönnen nur zur Berfertigung grober Zeuge (Teppiche), zu Pinfeln, Bürften, Hüten,
Polſtern gebraucht werden. Aus Ziegenleder macht man Beinfleider und befonbers Handfchuhe.
Biegenbalg (Bartholomäus), ein verdienſtvoller Miſſtonar, geb. zu Pırlamig in der Raufig
44. Juni 4683, folgte, nachdem er ſich in Dale dem Studium der Theologie gewidmet hatte,
1705 dem Rufe des Könige Friedrich IV. von Dänemark, der eine Mifften in Indien gründen
wollte. 3. fam 1706 in der Riederlaffung au Zrantebar am, wo er aber gegen den Wiberfiunb
der dan. Golonialbeamten heftig anzulämpfen hatte, die ihn fogar auf kurze Zeit einfperrten
umd ihm nicht erlaubten, feine angefangene Überfegung des Neuen Teſtamenté in bie tamu⸗
liſche Sprache zu vollenden. Erſt firenge Befehle aus dem Mutterlande gewährten ihm die nd»
thige Sicherheit. Er kehrte 1714 nach Europa zurüd und ging nach England, ven wo er unter
dem Schuge ber Oftindifchen Befellichaft 1716 nach Madras reifte. Später ging er wieder nach
Zranfebar, um feine Berufsarbeiten fortzufegen, wo er aber im Febr. 1719 farb. Yon feinen
Schriften find noch zu erwähnen bie „Grammatica Damulica” (Halle 1716), die „Explicatio
doctrinae christianae Damulice“ (1719), die „Biblia Damulica” (1723) und die „Ausführ-
lichen Miffionsberichte” (Dale 1710 fg.), die bis 1770 unter feinem Namen fortgefegt wurden.
BZiegenbain, eine ehemalige Sraffchaft in Deutfchland, die 1540 an Heffen fiel und hier»
auf eine Provinz Kurheffens von 10’, AM. mit 32000 meift proteft. Einwohnern wurde, bil-
det jegt einen Theil der kurheſſ. Provinz Oberheffen. Die Stadt Ziegenhain, an der Echwalm,
mit 1800 E., war früher befeftige ; fie hat ein Schloß, in welchem fich das heff. Hausarchiv be»
findet und welches zugleich als Staatögefängniß dient. Der erfte Graf von 3. war ber dritte
Sohn des Landarafen Ludwig IV., Friedrich, der die Braffchaft 1173 erhielt. Der Tegte Ber
figer, Graf Johann ber Starke von 3., ftarb 1450. Wegen der Erbſchaft entftand ein lan⸗
ger Streit zwifchen ben Grafen von Hohenlohe und den Landgrafen von Heffen, den erft Kaifer
Weyimilian I. auf dem Reichstage zu Worms 4495 zu Gunſten Heſſens entfchied. — Das
Dorf Biegenhain bei Jena im Großherzogthum Sachſen⸗Weimar erlangte durch die ſenaer
Studenten wegen feines Biers, haupiſächlich aber wegen der Siegenhainer, einer Art Stöde
aus Cornelius kirſchbaum, einen verbreiteten Auf.
legenpeter, ſ. Bauerwegel.
„Sieger iſt eine Päfenrtige Subſtanz, welche nach der Käfebereitung noch in ben Molken zu⸗
rüdgeblieben ift und nur durch eine Hige von 600 N. bis zur Sledehite daraus abgefondert
werden kann, wenn man zugleich noch eine Säure, 3.8. Effigfäure, hinzuſeßt. Als Rahrunge-
mittel iſt ex leichter zu verbauen als der Kaͤſe; es fehlt ihm aber ber angenehme, dem Käfe
520 Ziegler Bierpflanzen
ee ie Geſchmack Inder Schweiz wird nach der Bereitung des Käfe jedesmal and
eger bereitet. |
iegler (Friedr. Wilh.), Schaufpieler und dramatifcher Dichter, geb. zu Braunfchmeig
4760, wurde von Kaifer Jofeph UI. wegen feiner ausgezeichneten Talente und wegen feiner
fchönen Figur auf die vorzüglichften Deutfchen Theater gefendet, um fich für bie Hofbühne aus-
zubilben, bei welcher er auch beinahe 40 3. hindurch angeflellt blieb. Er war zugleich ein ſehr
fruchtbarer Dichter, deffen Stüde damals mit jenen Iffland's und Kotzebue's die wiener und
überhaupt bie ſüddeutſchen Bühnen vorherrfchend verforgten. Wenn man auch jegt feine ver
altete Sprache nicht mehr ertragen Bann, fo kann man doch feinen Stüden Erfindungsgeift,
theatralifche Situationen, Kenntniß des Effects und einen ziemlich gut fortfchreitenden Gang
nicht abfprechen. Seine „Barteienwuth” und einige Luftfpiele, z. B. „Die vier Zemperamente”,
haben fich bis in die neuere Zeit auf dem Mepertoire erhalten. Als 1798 Kogebue nady Wim
kam, flanden 3. und Brodmann an der Spige feiner Gegner. 3. war von Zeit zu Zeit auch für
politifche Zwecke thätig durch wohlgelungene Gelegenheitsſtücke und auf mancherlei andere
Urt. Seine äſthetiſchen Schriften: „Zergliedberung von Hamlet's Charakter nach pſychologiſchen
und phyſiologiſchen Grundfägen“ (Bien 1805), „Die bramatifche Schaufpieltunft in ihrem
ganzen Umfange” (Wien 1821) und „Der innere und äußere Menfch in Beziehung auf bie
bildenden Künfte, beſonders auf die Schaufpieltunft” (2 Bde., Wien 1825), find verworren und
wertblos. Seit 1821 penfionirt, lebte er in Presburg. Er flarb in Wien 21. Sept. 1827.
Seine „Sänmtlicden dDramatifchen Werke” erfchienen in 18 Bänden zu Wien 1824.
Biegler und Klipphaufen (Heine. Anfelm von), deutſcher Dichter, war 6. Jan. 1653
zu Rabmerig in der Oberlaufig geboren. Nachdem er fich auf der Univerfität mit der Juris⸗
prudenz und den fchönen Wiffenfchaften befchäftigt hatte, verwaltete er feine Güter; er wurde
Stiftsrath zu Wurzen und ftarb in Liebertwolkwitz bei Leipzig 8. Sept. 1697. Sein Hauptwerk
if die „Aſiatiſche Banife, oder blutiges, boch muthiges Pegu” (Rpz. 1688 und öfter bis 1766),
doch ift nur der erfte Theil berfelben von 8. ber zweite von 3. G. Hamann aus Schlefien. Die-
fer Roman, der alle Mängel feiner Zeit theilt, namentlich im allerſchwülſtigſten Stile gefchrieben
ift, in ber Erfindung dagegen etwas mehr Verbienfte bat, fand feiner Zeit einen ganz aufer-
orbentlihen Beifall, wurde vielfach nachgeahmt und hat auf die geiftige und Geſchmacksbildung
mehrer Generationen ben größten Einfluß geübt. Weniger bedeutend find feine andern theilt
geſchichtlichen, theils poetiſchen Schriften.
Zierpflanzen heißen alle diejenigen Pflanzen, welche der Menſch ohne Rückſicht auf öko
nomifchen Nugen unterhält, um feine Umgebung damit zu ſchmücken. Auf höhern Culturſtufen
wird die Zucht berartiger Pflanzen ber Begenftand eines eigenen Zweigs ber Gartencultur, ber
Siergärtnerei. In der Folge wird gewöhnlich, flatt der Schönheit, die Seltenheit, Koſt
fpieligkeit und Verkünftelung Selbſtzweck und Werthmeſſer, von denen man natürlich immer
wieder zur fhönen Natur zurückkehrt. (5. Garten und Gartenkunſt.) Das Vorberrichen
der Mobe ift in der Wahl der Sierpflangen immer fehr vorherrfchend gewefen. So wurde vor
50 Jahren die 12 Jahre früher bekannt gewordene, faft vergötterte Hortenfie durch die wun-
berlichen, unanfehnlich blühenden Mefembrianthenien, diefe burch Haidekraut und Pelargonien
verdrängt, bie feit 2Ojährigem Miscredit neuerdings wieder in Aufnahme famen. &o gin-
gen bie anfangs fehr armfeligen Georginen ber bereits verfallenden Eacteenzucht voraus. Dea-
zwiſchen lagen Perioden, wo man nur auf Varietätenerzeugung von Calceolarien, Chrofan-
tbemum, Lupinus und Phlox bedacht war. Welche Rolle die Gamellien fpielten und wie fie
fid) ausnahmsweiſe behaupten, ift ebenfo bekannt, wie daß jegt gering gefchägte Tulpen vor
150 Jahren mit Bold aufgewogen wurden. Gegenwärtig wenden bie Blumiften ihre Zunei-
gung ben Penfdes, Einerarien und Verbenen zu, während Reiche bie Loftfpielige Zucht der Or⸗
chideen und Palmen betreiben. Von allen diefen Schwankungen werben jedoch biefenigen Zier⸗
pflanzen, die fich den Beifall und die Pflege des Volkes erworben haben, minder beruhrt, und
Hyacinthen und Narciffen, die zu einer Zeit blühen, wo die Natur und im Freien noch wenig
oder nichts Erfreuliches bietet, werden auch in höhern Kreifen mit vollem Rechte fich behaupten.
Deutzutage ift die Gelegenheit, wahrhaft fchöne Zierpflangen um billigen Preis zu erlangen,
viel mehr einem Jeden geboten als ehemals, wenngleich Modepflanzen fich wie immer in hohen
Preife Halten. (&. auch Blume; Blumenansftellungen; Blumenhaudel; Blumenzucht.)
Beſonders prächtige Gartenpflanzen Haben abgebildet Otto und Lin? („Abbildungen auserle
fener Gewãchſe bes botaniſchen Gartens zu Berlin“, Berl. 1820 fg.), Need von Eſenbeck und
Sinning (‚Sammlung [hönblühender Gewãchſe“, Düffeld. 1830), Reichenbach In feiner „Ico-
ne be ” En
Biethen 521
nographia botanica exotica” (8pz. 1827 — 50, mit 250 Kpfen.) uud ber „Flora exotios”
(3 Bde., Lpz. 1827 fg., mit 560 colorirten Tafeln).
Ziethen (Hand Joachim von), nächſt Seydlig der vorzüglichfte Reitergeneral Friedrich's d.
Gr, wurde 18. Mai 1699 auf dem väterliden Gute Wuftrau in der Graffehaft Ruppin gebo-
ren, begann feine militärifche Laufbahn fhon im 14.3. beim Infanterieregiment Schwendy,
nahm aber einige Jahre nachher feine Entlaffung und zog fich auf fein väterliches Gut zurück.
Erft 1726 trat er beim Dragonerregiment von Wuthenow als Premierlieutenant wieder in
Dienfte und widmete fih bier mit unermüdlichem Eifer feiner neuen Waffe, hatte aber das
Unglüd, mit einem unwürdigen Kameraden in Händel verwidelt und in Folge deſſen mit ein-
lährigem Seftungsarreft und fpäter fogar mit Caſſation beftraft zu werden. Auf Verwendung
einiger Generale wurbe er jedod 1750 bei der Leibhufarencompagnie wieder eingeftellt, die ber
König in Berlin errichten ließ und aus welcher fein nachmals fo berühmt gewordenes Regiment
entftand. Im 3.1751 zum Rittmeifter befördert, machte ex 1735 unter dem Befehl des oflr.
Generals Baronay den erſten Feldzug gegen Frankreich mit und wurde auf defien Empfehlung
1756 zum Major ernannt. Sm Laufe des erften Schlefifhen Kriegs erhob ihn Friedrich IL. zum
Oberſtlieutenant, und ald 3. einige Tage darauf, in der Affaire bei Rothſchloß, fich beſonders
aus zeichnete und feinen vormaligen Lehrer Baronay beinahe gefangen genommen hätte, fo ver-
fügte der König feine Beförderung zum Oberften und Chef des nunmehr formirten Hufaren-
regiments. Im Feldzuge von 1742 drang 3. mit der Vorhut eines von Olmüg aus abgefende-
ten 15000 Mann ſtarken Corps bis Stoderau unfern Wien vor, bis wohin nie wieder ein preuß.
Feldherr als Feind gekommen ift. Im zweiten Schleſiſchen Kriege that 3. fich gleich anfangs bei
mehren Gelegenheiten ſo hervor, Daß er zum Generalmajor befordert wurde, und führte 1745 bes
fonders ben berühmten Meifterftreich bei Jagerndorf aus. Friedrich II., welcher bei Franken⸗
ftein fand, war nämlich durch 20000 Öftteichet vom Markgrafen Karl, deſſen Corps bei Jä⸗
gernborf campirte, fo getrennt worden, daß jede Communication zwiſchen ihn und biefer Hee⸗
reßabtheilung, deren Mitwirkung er bei feiner profectirten Unternehmung beburfte, aufgehoben
war. 8. erhielt nun den Befehl, um jeden Preis mit feinem Regimente ſich durchzuſchlagen,
um bem Markgrafen Karl die nöthigen Befehle zu überbringen. Ehe er aber zu diefem Aus⸗
wege ber Verzweiflung fhritt, verfuchte ex eine Kriegslift, ftellte die früher in öſtr. Dienften
geweſenen Soldaten, Ungarn, Böhmen u. ſ. w., an bie Spige, gebot ihnen, fich in ihrer Landes⸗
ſprache miteinander zu unterhalten und fi) anzuftellen, ald wären fie ein oft. Regiment, wobei
ihnen die neuen, den öftreichifchen ähnlichen blauen Pelze fehr zu flatten kamen, ſchloß fich als⸗
dann an einen feindlichen Trupp, der von Neuftabt abzog, an und zog am hellen Zage durch
daß feindliche Lager. Als die Oftreicher endlich Verdacht fchöpften, ſchlug ſich 3. ohne großen
Berluft vollends durch und erreichte glücklich Zägerndorf. Mit gleichem Ruhme nahm er an
ber Schlacht bei Hohenfriedberg A. Juni, wo er beſonders in Verfolgung des fliehenden Fein⸗
des ſehr thätig war, fowie an dem wichtigen Treffen bei Katholifch-Hennersborf (25. Nov.) An-
theil, wo er verwundet wurde. In der Zeit zwiſchen bem zweiten und dritten Schlefifchen Kriege
traf den Helden viel Ungemach. Er verlor feine Gattin und feinen Sohn und außerdem gelang
es feinen Neidern und Feinden, ihm die Ungnabe des Königs zuzuziehen, die fich vielfach und
höchſt unangenehm äußerte und erſt 1755 durch eine perfonlihe Zuſammenkunft mit dem Kö⸗
nige befeitigt wurde. Aber feinen Hauptheldenruhm bewährte er im Siebenjährigen Kriege.
Er wohnte fiegreich den Gefechten bei Reichenberg, im April 1757, fowie der Schlacht bei Prag
bei, vertrieb nach derfelben den General Nadasdy und nahm mehre öſtr. Magazine, befehligte in
der Schlacht bei Kollin, wo er wiederum verwundet wurbe, Die Gavalerie auf bem linken Flügel,
brach bei Zeuthen durch das Zurüchwerfen des Nadasdy'ſchen Corps die Bahn zum Siege und
verfolgte nach ber Schlacht den Feind mit großer Umficht und Thätigkeit; er hielt ferner bei Lieg⸗
nig das öftr. Dauptheer während der Schlacht vom Kampfe zurüd und brachte endlich in der
Schlacht bei Torgau daburch, daf er die Sipfiger Höhen ſtürmend eroberte, den Sieg auf bie
Seite der Preußen. Ruhmgelrönt und ald General ber Eavalerie kehrte 3. nach Beendigung
des Kriegs nad, Berlin zurüd und verheirathete fich nochmals im 65. Jahre. Es wurde ihm
zuerſt ein Sohn geboren, den Friedrich II. aud ber Taufe hob und in der Wiege zum Sornet er-
nannte. Überhaupt überfchüttete diefer von nun an feinen Feldherrn mit fortwährenden Beweilen
feiner Gnade und Zuneigung, wovon einzelne Züge, 3. B. Ziethen vor feinem Könige figend,
durch den Grabſtichel verewigt find. Neben firenger Pflichterfüllung in feinem Dienfie war es
jegt 3.6 eifrigfte Sorge, bie Bewohner feiner Güter zu beglũcken und Arme und Dürftige mit
Wohlthaten zu erfreuen, ein Ausfluß feiner auf feſte Überzeugumg gegründeten ſtreng religt”
522 Ziffern
"Sefinnung, die zulegt felbft feinem früher oft barüber ſpöttelnden Könige Achtung abnöthigte.
Unermüdlich wie er war, wollte der 79Yjährige Greis burchaus noch an dem Batrifchen Erbfolge-
kriege Theil nehmen, allein der König lehnte feine wiederholten Anträge in Rückſicht auf feine
Ihmwächlihe Sefunbheit ab. So von feinem Monarchen geehrt, von feinen Untergebenen und
Denen, die ihm näher flanden, geliebt, von der großen Menge mit enthufiaftifcher Bewunbe-
zung verehrt, burchlebte er ein heitered Greiſenalter, bis 26. Jan. 1786 zu Berlin ein ſchneller
Tod fein ruhmvolles Leben endete. Prinz Heinrich Tief ihm 1790 zu Rheinsberg ein Denk
mal fegen; bekannter ift felne von Schadom gearbeitete Bildſäule, die Friedrich Wilhelm IL
1794 auf dem Wilheimöplage in Berlin aufftellen ließ. Sein Leben hat Luiſe Joh. Leop. von
Blumenhagen (Berl. 1800) herausgegeben. Eine Biographie lieferte Hahn (Berl. 1850). —
Sein einziger Sohn, Yriedr. Emil von 3., geb. 1765, Rittmeifter bei den Hufaren, wurde {pä«
ter Landrath des ruppiner Kreifes, Iebte nachher auf dem väterlichen Gute Wuftrau bei Rup-
pin, wurbe 1840 in den Grafenſtand erhoben und flarb unvermählt 29. Juni 4854. Er war
dee Ginzige, dem Friedrich d. Gr. das Offizieröpatent in die Wiege legte. — Ziethen
(Hans Ernft Karl, Graf von), geb. 5. Maͤrz 1770, ans dem Haufe Dechtow, diente 1806 bei
dem Negimente Köntgir- Dragoner (jegt Königin» Kürafftere) und zeichnete fi) insbefondere
in dem Kriege von 1813 — 15 gegen die Franzofen als Generalmajor einer Brigade bes zwei⸗
ten preuß. Armeecorps unter Kleift auf das rühmfichfte aus. Im 3. 1815 wurde er General-
Ikeutenant und Chef des erfien preuß. Armeecorps und hatte an den Schlachten von Ligny und
Belle Alliance entfchiedenen Antheil. Nach dem zweiten Parifer Frieden blieb er als Befehls⸗
baber des preuß. Befagungsheeres in Frankreich, wo er fein Hauptquartier in Sedan hatte,
mb erwarb ſich das Zutrauen der Franzoſen durch bie firenge Mannszucht, die er Hiele. Nah
feiner Zurückkunft in den Grafenſtand erhoben, wurde er commandirender General von Schle⸗
fin, nahm aber 1855 feinen Abſchied, den er als Generalfeldmarſchall erhielt, und lebte feit-
dem zu Warmbrunn, wo ee 5. Mat 1848 ſtarb. Sein Sohn, Graf Leop. Karl von, geb.
35. März 1802, Beh. Regierungsrath, ift daB gegmmärtige Haupt ber Familie.
Ziffern find die fchriftlichen Charaktere oder Zeichen der Zahlen, deren jedes eigentliche
Zahlenſyſtem (f. d.) nur fo viel braucht, als die Grundzahl des Syſtems Einheiten hat. Die
Zahlzeichen der meiften alten Völker und die Methoden, mit benfelben alle oder möglichft viele
Zahten zu fchreiben, waren höchſt unbequem; meift bedienten fie fich dazu ber Buchſtaben ihrer
Alphabete. Aler. von Humboldt in feiner Abhandlung „Über die bei verfchlebenen Völkern
üb Syſteme von Zahlzeichen und über den Urſprung des Stellenwerths in den indiſchen
Zahlen“ theilt die bekannt gewordenen Methoden, die Zahlen mit einer geringen Anzahl einfa-
her Ziffern zu fchreiben, mit Ausſchluß der heutigen Zahlenfyfteme, in vier Claſſen: 1) Bloße
Nebeneinanderftellung, wie bei den Tuskern, Römern, Griechen, Agyptern und Mericanern.
Die Römer Hatten fieben einfache Zeichen, I für I, V für 5, X für 10, L für 50, C für 100,
D ober 19 für 500, M oder CD für 1000. Gleiche nebeneinanderftchende Zeichen bedeuten eine
Bervielfahung berjenigen Zahl, welcher das einfache Zeichen entfpricht, 3. B. XXX (30), CC
(200). Steben zwei ungleiche Zeichen nebmeinander, fo ift die kleinere Zahl abzuziehen, wenn
fie links ſteht, Dagegen zu abdiren, wenn fie recht fteht, 3.9. IV (A), IX (9), XC (90); VL(6),
XI (11), CX (110). Hiervon weichen jedoch folgende Bezeichnungen ab: 199 = 5000,
CC99 = 10000, PID == 50000, CCCMID — 108000, CCCCIII99 == 1,000000. Die
Griechen hatten 27 einfache Zeichen, nämfich außer ihren 24 Buchſtaben noch drei befondere
Zeichen, fire alle Einer, Zehner und Öimberte ; die übrigen Zahlen bildeten fie durch Nebenein-
anberfiellumg jener. 2) Bervielfahung und Verminderung des Werths durch daruber und
darunter gefegte Ziffern. Als Beifpiel dienen die griech. Zahlen von 1000 an. Die Ziffern für
die Einer bezeichnen nämlich Zaufende, fobald ein Strich darunter fteht, z. B. E = 5000;
& .
M bezeichnet eine Myriade oder 10000, M 20000, und fo gibt immer die über M ftehende Zahl
die Anzahl der Myriaden an. 3) Vervielfachung des Werth durch Gorfficienten. 4) Verviel-
fäldigung und Verminderung durch Abtheilumg von Zahlfchichten, deren Werth ſich in geome-
triſcher Progreffion vermindert. Unfere jegige Bezeichnungsart der Zahlen, wiewol mit etwas
andern Zahlzeichen, haben die Inder ſchon in urafter Zeit gehabt; von ihnen haben fie die
Araber erhalten und nach ber gemöhnfichen Annahme nach Spanien gebracht, mo der gelehrte
Gerbert, nachmals Papſt Syivefter II., fie wahrfcheintich ſchon im 10. Jahrh. von ihnen lernte.
Die dekadiſchen oder fogenannten arab. Ziffern find nur allmälig in Gebrauch gefommen : fie
finden ſich zuerſt in aftronomifchen Tafeln um da8 I. 1100, waren aber am Ende des 11. Jahrh.
—
Digenuer 528
ſelbſt unter den Kaufleuten noch nicht ſehr verbreitet. Zu öffentlichen Jacſchrifter kommeen fie
erft vom 14. Jahrh. am, in Urkunden fehr ſelten vor dem 15. Jahrh vor.
Zigeuner find ein Indien entflammenbes Wandervolk, das in Aflen, Afrika und Europa,
vielleicht noch gar über diefe Welttheile hinans zerftrent lebt oder vielmehr, felten anſäſſig,
truppweiſe umberzieht. Seit deſſen erftem ſichern Auftreten in Weſteuropa (1417, noch wäh-
rad bes Kofiniger Concils) warb bier durch fen fremdartiges Ausſehen und bie ihm eigen-
thümliche Sprache, durch die fonderbare Ungebundenheit feiner Lebensweiſe und Sitten, das
Näthſelhafte feiner Herkunft, endlich durch bie aufbringlich-breifte und unheimliche Art, wo⸗
durch es fich überall vorzüglich den Aberglauben und die Unwiſſenheit des Volkes zinsbar zu
machen verfiand, alle Welt von ihm vielleicht in eben dem Maße angezogen, als auf ber andern
Seite mit Furcht erfüllt und zurückgeſtoßen. Kein Wunder, wenn auf fo feltfame Randftreither
von früh an wenigfiens in den Weftlandern Europas die Aufmerkſamkeit nicht blos pofizeilich
vorforglicher Behörben gerichtet war. Auch Gelehrte, voran Ehroniften, befchäftigte die Frage
namentlich nach dem Urfprunge jener Abenteurer nicht wenig, doch gelang ed der Wiſſenſchaft
erſt fpät, an bie Stelle ber oft abenteuerlichen Vermuthungen die Wahrheit zu fegen. Zulegt
boten und bieten bie Zigesmer fowol durch das aller Eonvention Widerſtrebende und Geheim-
nißvolle ihrer ganzen Erſcheinung, als im Befondern durch die prophetiſchen unb magifchen
Berhörumgstünfte, womit fie im Leben die Phantaſie und die Gemüther, keineswegs immer
allein der ungebildeten Menge, aufregen und gefangen nehmen, auch der Dichtung einen ergie-
bigen romantifchen Stoff, den biefe, zuweilen mol ſchon über das Maß bes Wünſchenswerthen,
auszubeuten fich wirklich herbeitieß. Als Beifpiele find zu nennen die Novelle des Cervantes
„la Gitauilla” und die aus ihr gefloffene „Breciofa” unferer Bühne; der „Sit Blas“; Walter
Sett'd — Schilderung der Zigeuner beſonders im „Aftrologen”; Puſchkin's „Zi-
geuner“ u. |. w.
Die mannichfaltigen Namen, worunter man nicht felten Mühe hat, nur Abtheilungen beffel-
ben einen Zigeunervolks wiederzuerkennen, find ihnen theils von andern Völkern gegeben, theile
eigene, weiche fie felbft von fich gebrauchen, und oft je nach den Gegenden fehr verfchieden. Bald
aber hat 3. B. ihre dunklere ſchwarze Färbung, bald ihre Befchäftigung, wie z. B. Wahrſagen,
Schmiedehandwerk und Keſſelflickerei, Mufit u. f. w, andere male ihre wirkliche und noch öfter
bie vermeintliche Heimat den Benennungsgrund für fie hergelichen. Namen, bei ihnen felbft
von ſich in Gebrauch, find 3. B. Kale oder Mellele, d. i. Schwarze, auch Mellelitschehl, ſchwar⸗
ze6 Volk; dann Sinde ober Sinte (aller Wahrſcheinlichkeit nach fansfr. Saindhavas oder An⸗
wohner des Indus); femer auch mit allgemeinerer Bezeichnung nennen fie fich einfach „Men-
fchen”, „Zeute”, nämlich Manusch und Rom, weibl. Romni (d.i. Mann, Frau), und davon, al®
Adiectiv, romäno, zigeumerifch ; als zufammengefegt bamit: Romanitschave, buchſtäblich Men-
ſchenkinder, ſammt Romnimanusch ımd Romanitschel oder Romnitschehl, Zigeuner -, d. i.
Menſchenvolk. In der Schweiz, im Schwarzwalde, in den Niederlanden hat man fich begnügt,
fie ſchlechtweg „Heiben”, allerdings fo ziemlich die einzigen in Europa, zu heißen. In Nord»
deutſchland, ſowie bei Schweden und Dänen macht man fich rücfichtlich ihrer, wie ber bier für
fie üblihe Name „Tatern“ beweift, der Vermengung mit den Tataren, d. h. Mongolen, und
anberwärtd mit Mohammebanern (Sarazenen) Ihuldig. Weil Gelehrfamteit und Volksglaube
(hauptſãchlich auf Grund von Bibelftellen, wie Ezech. Cap. 29 und 30) dies Volk aus Agyp-
ten berleiteten, hat fich „Agypter” für fie ale Name ir vielen Sprachen feftgefegt und bis jegt,
oft in fehr verfrüppelter Geftalt, erhalten. So neugried. T'deror, engl. Gypsies, ſchott. Jip,
fpan. Gitano u. f.w. Auch beruht der auf fie bezogene Ausdrud „BYharaoniten” auf der gleichen
Dorausfegung. Für Böhmen, Bohemiens, galten fie den Sranzofen, fei e8 nun, daß nad)
Frankreich von ihnen die erfte Nachricht aus Böhmen kam, oder daß man fie mit ben in der Folge
D
uraherlaufenden Böhmifchen Brüdern in eine Claſſe fepte. Ein anderer weitverbreiteter, aber
feinem Urfprunge nady nicht mit völliger Sicherheit ermittelter Name lautet in mannichfaltiger
Form : Zigeuner, türf. Tschingareli, walach. Cigann, ungar. Cigän, lith. Cigönas, ital. Zingaro
nebft Zingano, fpan. Zincalo u. f. m. Man fnüpft ihn an einen Volksſtamm am Ausfluffe
des Indus mit angeblich ähnlich lautendem Namen.
Wieder andere Ramen führen fie in Afien dieffeit des Indus, wie z. B. Nauar (Ging. Rury)
und Kurbad in Syrien; Karatfchi ; Kauli (aus Kabul), ſowie, was gefchichtlich eine befondere
ng hat, Luri ober Luli und Zuth in Perfien. Nach emer in Firdufi'6 „Schahnameh”
wiederkehrenden Erzählung von Hamza-Ifpahant (im 10: Jahrh.) fol Behramgur (um 420
n.Chr.) Dusch eine an Schankal, König von Kanodſche, ergangene Bitte gegen 12000 Mufiter
524 Zigenner
aus Indien nach Perfien zur Grgögung feines Volkes berufen Haben, und dieſe heißen bei Fir-
dufi Luri, bei Hamza aber Zuth, was mit ben Namen ber Dſchats in Indien identiſch ſcheint.
Sind num unter ben beiden legten Namen, wie man anzımehmen Grund bat, wirkli Zigeuner
verborgen, dann fegte bie Sage beren ſchon vor 1400 93. dieſſeit bes Indus voraus: und Die an
ſich ziemlich willkürliche Anficht, als fei bie Auswanderung der Zigeuner aus Indien und bem-
nächſtige Zerſtreuung durch die verheerenden Kriegszüge 1398 dorthin veranlaßt, bewährt fich
überbem nicht an dem Umftande, daß Bataillard ihr Vorkommen ſchon vor gebachter Zeit im
Dften von Europa durch verfchiedene Data glaublich macht, wenngleich ber Termin ihres Er⸗
ſcheinens 1417 für den Welten noch unerfchürtert fteht. Seit zuerft Grellmann mit grünbli-
chem Nachdruck die Herkunft unferer Zigeuner aus Indien geltend machte, haben unter anbern
Beweifen vorzüglich die durchſchlagenden, welche bee Sprache entnommen worden, letzteres
Land als ihre allein wahre und urfprüngliche Heimat unabweislich herausgeftellt. Ihre Sprache
nämlich, die nicht mit dem Rothwälſch (f. d.) verwechfelt werden darf, behauptet, wie im Gan⸗
zen verfommmen und mit bunten Ablagerungen ber von ihnen durchzogenen Ränder burchmifcht
fie fei und trog aller DMannichfaltigkeit eben nach den Rändern, 3. B. Perfien, Syrien, Ruf-
land, Norwegen, Lithauen, Ungarn, Böhmen, Deutfchland und Spanien, woraus Sprachpro⸗
ben vorliegen, dennoch einen in Wortſchat und (mit Ausnahme des Bitano, welches faft vollig
fpan. Flexion angenommen hat) in grammatifchem Bau einander entfprechenden und gleich"
artigen Charakter. Alle diefe mundartlichen Formen aber meifen einmüthig nach dem Norben
von Oſtindien hin, wo fi) unter ben Zöchterfprachen des Sanskrit fehr analoge Idiome fin-
dem, ohne baf bisher ein ſolches nachgewieſen wäre, an welches fi) das ber Zigeuner fpeciell
anreihte. Ungeachtet aber diejes Mangels und trogbem, bag namentlich in Betreff von Zeit
und Gründen der Auswanderung aus ihrem Heimatlande noch nicht genügend gelöfle Pro⸗
bleme zurüdbfeiben, kann an ihrem ind. Urfprunge fortan Bein Zweifel mehr auflommen:
Der Weg, welchen fie von Afien (etwa zum Theil über Asupten) nach Europa nahmen,
umb die Zeit ihres Übergangs find unbefannt. Am liebften und am zahlreichften halten fie fi
noch jegt in den untern Donauländern auf, und der Nationaltypus der Zigeuner bat fi
wol nirgends reiner erhalten ald in Ungarn, wo aber auch ſchon die Alles gleichmachende Civili⸗
fation über diefen romantifchen Stamm binzufahren beginnt. Von ba erfolgte in gleichfalls
ungebannter WBeife die weitere Ausbreitung nad Deutfchland und dem übrigen Weſteuropa
vom Anfange des 15. Jahrh. an, bis 1458 vielleicht nur burch Eine, in fich getheilte Horbe.
Ermwähnt werden fie zuerft in Deutfchland 1417 an Nord» und Öftfee, 1418 in Meißen, Leip⸗
dig, Heſſen; auch (mit übertriebener Angabe von 14000 Köpfen) in der Schweiz; 1422 in
Bologna auf einem Zuge nah Rom; ſchon 1419 in ber Provence, allein erft 1427 in Paris;
noch ſpäter erfcheinen fie in Spanien, und in England wird ihrer nicht vor Heinrich VIII. ge-
dacht. Ihre erſten Züge ftanden unter fogenannten Herzogen und Grafen „von Kleinägypten”,
wie die Zeitgenoffen fe zuweilen tituliven. Durch Hiflige, auf die religiöfe Leichtgläubigkeit jener
Zeit wohlberechnete VBorfpiegelung wußten fie das Volk nicht nur mitleidig, fondern zu dem
Glauben zu flimmen, ald begehe man durch Nichtgeben an ihnen ein leicht zu eigenem Unheil
ausfchlagendes Unrecht. Sie behaupteten hriftliche Pilger zu fein, denen, bald für dieſes, bald
für jenes Vergehen, eine fiebenjährige Wallfahrt ale Buße auferlegt fein follte, ohne je wäh⸗
rend genannter Zeit in einem Bett fchlafen zu bürfen. Ja überdem fepten fie fich durch theils
wirklichen, theils vielleicht nur vorgegebenen Beſitz von Freibriefen in Anſehen, die fie von
fürftlichen Perfonen, wie 3.3. vom Kaifer Sigismund, fogar vom Papſt haben wollten und
vormiefen. Die ftatiftifchen Angaben über ihre Kopfzahl ſchwanken für unfern Welttheil
ungefähr zmifchen ,— 4, Mil. Die Frequenz ift je nach den Länbern auferordentlid ver-
ſchieden. Deutſchland und Frankreich zählen ihrer nur eine geringe Menge, etwa im
Dergleih zu den 40000 in Spanien. Für England und Schottland ſchlägt man fie, ver-
muthlich zu hoch, auf 18000 an. In dem öfter. Staate beläuft ſich ihre Zahl nad) ziemlich
fihern Ermittelungen auf 97000, wovon bei weiten ber größte Theil auf Ungarn und Gieben-
bürgen fällt. Hingegen Moldau und Walachei befigen (nad) Kogalnitfchan) von ihnen ebenfo
viel Seelen ald die Türkei und zwar hier wie dort 200000. Davon gehören aber in den Bür-
ſtenthümern 7351 Familien der Krone und 35000 Privaten, d.h. Bofaren und Klöftern, unter
eigenen Beftimmungen bes Gefegcoder noch vom 3. 1833 als Sklaven an.
Die Zigeuner haben ein orientalifches Außeres, find von mittlerer Größe, dabei ſchlank
und gewandt und zeichnen fich durch ſchwarzbraune oder olivenähnliche Hautfarbe, bienbend-
weiße Zähne, kohiſchwarze Haare und bligende Augen aus. Während Einige, namentlich
—_
Zigenner 535
Im älterer Zeit, fie nicht Häflich genug und wahrhaft abſchreckend zu ſchildern wiſſen, werben
fie von andern ihrer Wohlgeſtalt und des Ebenmaßes ihrer Glieder wegen gepriefen, und unter
dem jüngern weiblichen Geſchlechte insbefondere muß es große Schönheiten geben, indem 5. B.
mehr als ein ruff. Großer fich mit Zigeunermaͤdchen ehelich ober außerehelich verband. Hunger
und alle Unbill des Wetters erträgt der Zigeumer durch frühe Gewöhnung leicht und bringt e6
doch Dabei in Geſundheit oft zu einem fehr hohen Alter. Der freie Himmel, höchſtens ein
Baum, eine Höhle ober ſchnell aufgeworfene Erdhütte, meift jedoch in ber Nahe von Dörfern,
bilden das gewöhnliche Obdach feiner zahlreichen Familie, und die geringen Habfeligkeiten, wie
Kochgeſchirr und einiges kümmerliche Handwerkszeug, doch dazu haufig ein filberner Becher,
werben durch ein ſchlechtes Pferd, durch einen Efel oder auf dem eigenen Rüden mitgeführt.
Ausdamernde und geregelte Beichäftigung find ihm ein Gräuel: Richtsthun fein wahres Ele
ment. Darum lebt er lieber von fremder Arbeit als von eigener, legt fich auf allerhand Betrug
und Täufchereien, wie 3. B. im Noßhandel, Heilung von Vieh, das er zum Theif vorher felbft
ſcheinkrank machte, u. dgl.; auch auf Diebftahl, jeboch zumeiſt nur den Beinen, weil minder ge⸗
fahrbringenb. Indeß treibt er vielfach auch leichte Gewerbe, wenngleich biefe ihm und den Sei⸗
nigen oft nur ben Vorwand hergeben zu ungeftünem Betteln oder fonfligen Erpreffungen.
Einige find Gaſtwirthe, Biehärzte, Schmiede, Keffel- und Pfannenflider ; anbere fertigen ver»
ſchiedenes Geräthe von Holz, 3. B. Löffel, Mulden, Tröge, Siebe u. f. w. ; wieber andere ziehen
als Affen- und Bärenführer oder ald Gaukler umher. In Siebenbürgen, im Banat, in ber Mo
dau und Walachei betreiben Aurari oder Rudari geheißene Zigeuner das nicht eben für fie glän-
zende Geſchäft der Goldwäſche. Auch laſſen fie fich zu Denker und Scharfrichterdienften und
zur Abdedderei verwenden. Zur Muſik zeigen fie bie ungemöhnlichfte Anlage und fpielen oft nur
ein mal Gehörtes mit großer Präciſion nad. Ungarn und die Donaufürftenthlümer zählen (bie
legten aus der anfäffigen Claſſe, weiche Vatrassi heißt) unter den Zigeunern mehre ausge
zeichnete Virtuoſen, beſonders für Rationalmelodien und für Tanzmuſik, welche auf den Bällen
ſehr geſucht iſt und felbft in Berlin und London Anerkennung gefunden hat. Einen Maler,
Zigeuner von Geburt, Solario, il Zingaro mit Zunamen, kennt die Kunſtgeſchichte gleichfalls.
Die Weiber find in jüngern Jahren, vorzüglich in Spanien, Tänzerinnen unb in Hingabe an
Männer für Geld nicht allzu ſchwierig. Sobald fie etwas älter werben, greifen fie durchgehends
zum Wahrfagen aus der Hand, auf welche ein ſchönes Stück Geld gelegt wurbe; ein Gewerbe,
das ihnen durch die ganze Welt eigen und eine Hauptquelle ihres Erwerbes ift. Auch treiben
fie gern Kuppelei. Mit dem Eſſen find bie Zigeuner nicht allzu wählerifh. Bon Fleifch iſt
ihnen jede Urt willlommen, Hunde, Kagen, Eichhörnchen, Igel, felbft das von gefallenem (mie
fie fagen „von Gott geſchlachtetem“) Vieh. Branntwein ziehen fie allen übrigen Getränten
vor, aber noch leidenfchaftlicher find fie Hinter Taback her. Trog der meift bettelhaften Kleidung
und gröbften Unzeinlichkeit trifft man bei den Sigeunern beiderlei Geſchlechts Putzſucht an.
Ihr Mangel an religiöfem Sinn fpricht fi) am bezeichnendſten in dem Worte der Drientalen
aus: es gebe 72 Religionen umd eine-halbe, und letztere fei die der Zigeimer. Wiederholung von
Taufen an verfchiedenen Drten, um Pathengeld zu befommen, ift nichts Ungemöhnliches bei
ihnen. Ehen ziwifchen den jungen Leuten, oft ſchon im 14. oder 15. J., werden ohne große Rück⸗
fit auf Blutsverwandtfchaft und faft nur durch gegenfeitiges Übereinkommen bei wenig oder
gar feinem Geremoniel gefchloffen. Kein Zigeuner heirathet eine Andere als eine Zigeunerin.
Die Srau muß mehr den faulen Mann gnähren als umgekehrt. An Erziehung ift unter die⸗
fem rohen Volke nicht zu denken. Eine übertriebene Liebe zu ihren Kindern läßt es nie zu einer
Beſtrafung derfelben kommen, und die Alten begnügen fich, fie zu allem dem Guten und
Schlechten anzuleiten, was fie felbft wiſſen und können.
Fähigkeiten find dem Zigeuner durchaus nicht abzufprechen, wie gering auch vielleicht feine
Kenntniffe. Mit Leichtigkeit erlernt er die Sprachen Derer, mit welchen er in häufige Berührung
fommt, fodaß er oft neben feiner Volksſprache noch zwei, brei andere geläufig fpricht. Man
weiß von Liedern bei ihm, 3. B. in Ungarn in feiner und in den Donaufürftenthüimern in wa⸗
lach. Sprache, nur daß fie noch Niemand genauen Hinblicks würdigte. Bei feinen Unterneh
mungen bat er ſtets große Schlauheit bewiefen. Seinem Charakter und moralifchen Verhalten
dagegen bat man nie viel Rübmliches nachgefagt. Gleichwol thäte man gewiß auch hier Unrecht,
zu allgemein zu urtheilen und zu verurtheilen. &o 3. B. gilt der Zigeuner faft überall als ſcheu
und feig. Nichtödeftomeniger hat man Beifpiele in Ungam und Serbien, daf Zigeuner ſich
maſſenweis tapfer und brav als Soldaten fhlugen. Als Spion und zu ähnlichen mititärifchen
Zwecken ift er ohnehin vortrefflich zu gebrauchen. Sein nahezu undezähmbarer Drang, fi
. nf Zn
526 Zillerthal
nicht an bie Scholle feſſeln zu laſſen, verbunden mit Unluſt zur Urheit, gibt ben legten und faſt
allein ausreichenden Erflärungdgrund für feine Handlungeweiſe. Dem Zwange in jeglicher
Form fucht er ſich moͤglichſt zu entziehen, obichen er in bes Moldau und Walachei ber Sklaverei
verfiel, Übrigens erkannte er, folange man von ihnen im weſtlichen Europa weiß, über ſich
Obere an unter vielerlei vornehmen Titeln, wie z. B. Woiweden in Ungarn und noch heute
fogmannte Könige in England. Die Polizei von Stadt und Land hatte von Anfang Mühe, fich
diefer Lanbplage zu erwehren. Ward das Übel zu mächtig, fo mußte ben unten Behörden bie
Regierung durch oft an Härte Alles hinter fih laſſende Gefeggebung zu Hilfe fommen. Geit
Spanien hauptſaͤchlich auf Anlaß religiöfer Eiferer mitt Austreibung der Zigeuner ben Anfang
machte, folgten im 16. Jahrh. England, Frankreich, Italien, die Niederlande und Dentfehlend
mit Aandeöverweifimgsderreten nach unter Androhung der ſchwerſten Strafen in Fall ber
Wiederkehr. ge Mittel half, auch bei ſtrengſter Ausführung, ſodaß viele dem Wulde gleich
getödtet wurden, und trog häufiger Erneuerung oder Schärfung ber Verbote, wenig ımb nur
vorübergehend. Das Unkraut wuchs immer wieder. Aber auch mit den beflgemeinsen Ver⸗
ſuchen, fie an fefte Wohnfige und an geregelten Lebenserwerb zu gewöhnen, ging ed grüßten-
theild nicht befler ; fie fcheiterten, zum Theil freilich verkehrt angefangen, zwar nicht immer durch⸗
aus, aber gewöhnlich. Der Zigeuner ift, wenn nicht unverbefferlich, doch ſchwer mit der Givili-
fation in Einklang zu bringen. In Ländern, mo das allgemeine Maß ver Bildung In den nie-
bern Volksſchichten fich noch nicht allzu hoch über das feinige erhebt, ba fühlt er fich am mohl-
fien und ba wird oder erfcheint er auch der bürgerlidhen Ordnung nıinder unbequem. Maria
Thereſia faßte zuerſt ben menfchenfreundlichen Gedanken, fie zu Menſchen (im Sinne der Givi-
liſation) und Bürgern umzufchaffen. Sie follten nicht einmal mehr ihren verrufenen Namen
behalten, fondern „Neubauern” (Uj-Magyar) heißen. Da indeß die erfie Derorbnung 1768
ohne Erfolg blieb, griff man 1773 zu der Gewaltmaßregel, daf man den Altem ihre Kinder
nahm, um ihnen eine chriftliche Erziehung zu geben. Aber auch hierdurch wurde der an fich
löbliche Zweck nicht erreicht Was Jofeph I. durch weitere Verordnungen feit 1782 etwa er-
reicht haben mochte, davon blieb nach feinem Tode wol faum viel übrig. Auch Preußen hatte
mit feiner Erziehungsanftalt zu Friedrichslohra unmeit Nordhaufen Fein ſonderliches Glück,
fie ging 1837 ein. Wie weit andere Länder mit ihren Verfuchen fommen werden, fteht noch
abzuwarten. In England bildete fi) 4827 eine Geſellſchaft mit der Ubficht, die Zigeuner zu
beffern und ſeßhaft zu machen, und gründete ein Erziehungshaus für Zigeunerkinder in Farn⸗
ham. In Rußland waren 1847 über 12000 Individuen in Kronlandgemeinden untergebracht,
damit die Reform aber noch nicht zu Ende. Vgl. Grellmann, „Hiſtoriſche Berſuche über bie
Zigeuner” (2. Aufl., Gött. 1787); von Heifter, „Ethnographie und gefchichtliche Notizen über
die Zigeuner” (Königeb. 1842); Borromw,,‚The Zincali, or an acoount of the Gipsies in Spain“
(3. Aufl., 2 Bde., Lond. 1843). Das Hauptwerk bilder Pott, „Die Zigeuner in Europa
und Afien“ (2 Bde., Halle 1844— 45). Seitdem erfchtenen Bataillard, „De l’apparilion et
de la dispersion des Boh6miens en Europe” (Par. 1844 ; „Nouvelles recherches‘‘, 1849);
Sundt, „Beretning om Fante eller Landstrygerfolket i Norge” (Chriſtiania 1850); Boht-
lingk, „Die Sprache der Zigeuner in Rußland“ (Petersb. 1852).
Zillerthal, eins der Hauptthäler in Tirol, früher gu Salzburg gehörig, iſt ungefähr 12 &t.
lang und wird von ber Ziller durchſtrömt. Gegen ©. und SW. ift es son hohen Gletſchern
begrenzt, welche zur Kette der Norifchen Alpen gehören, die bier Tauern heißen, gegen N. aber,
wo es in das Innthal mündet, ziemlich fruchtbar. Der Klächeninhalt betragt 1424 AM. Unter
ben acht Nebenthälern ift das Duxerthal durch die 1200 F. hohe Wand feines Gletſchers umd
dad Zemthal durch den mineralogifch berühmten Greiner, beibe aber durch mehre große
Waſſerfälle bemerkenswerth. Die Zillerthaler, etwa 14000, find felbft in Tirol ihrer ſchönen
kräftigen Geſtalten wegen gerühmt, und ihre zahlreichen hübſchen Alpenlieder wurden durch bie
Gebrüder Leo und Stainer felbft in London und Paris befannt und beliebt. Der Hauptreich⸗
thum bes Zillerthals ift Viehzucht. Iährlich werden gegen 5000 Stü Vieh ausgeführt; bat
Thal vermag aber deshalb doch nicht die zahlreiche Bevölkerung zu ernähren. Gegen 700 Mon-
ner verdingen fich den Sommer über auswärts als Knechte und eine doppelt große Zahl gebt
baufiren, theils mit Kräutern und felbft erzeugten Eſſenzen, theils mit Handſchuhen, beren
jährlich 10000 Dugend gefertigt werden. Der Hauptort ift ber Marktflecken Zeil (f.d.). Das
Thal wird feit mehren Jahren namentlich von münchener Künftlern zu Studien befucht. In
neuerer Zeit erregten bie Zillerthaler ein allgemeineres Aufſehen baburch, daß ein Theil derſel⸗
ben fi) von der Bath. Kirche los ſagte und auswanderte. Die Zillerthaler hatten nämlich ſchon
m I EMO TE TEN
——
Zimmermann (Clemens von) | Zimmermann (Ebert. Aug.Wilh. von) 537
ſeit längerer Zeit bie Bibel und einzelne proteſt. Bücher kennen gelernt und mit der proteſt.
Kirche ſich befreundet, doch nahmen fie fortwährend am kath. Gottesdienſte Theil. Erſt als bie
Bath. Geiſtlichen ſeit 1826 eine ſtrengere Ohrenbeichte faberten, wurden mehre Zillerthaler auf
ben Gedanken gebtacht, zur proteſt. Kirche überzutreten. Balb war es nicht mehr die Ohr:
beichte allein, die fie verweigerten, audy gegen bie Verehrung ber Heiligen, den Ablaß, die See
Ienmeffen, das Fegfeuer u. f. w. erflärten fie ih. Go kam es dahin, daß feit 1830 ein
Theil der Zillerthaler fich ganz von ber kath. Kirche loßfagte, deren Zahl 1832 auf 240 geflie-
gen war. Kaifer Stanz, dem fie bei feiner Anweſenheit in Innsbrud 1832 ihre Bitten wegen
der Religion vortrugen, verfprach ihnen Duldung ; doch nach langem Darren wurben fie un-
term 2. April 1834 dahin befchieden, daß fie entweder wieder katholiſch werden, ober nad) Sie⸗
benbürgen, wo ed afatholtihe Gemeinden gebe, auswandern müßten. Dadie Biierthaler ſich
Dazu nicht verftehen wollten, faßten fie den Entfchluß, wieeinftdie evang. Salzburger, in Preußen
eine Kreiftätte zu fuchen. Un ber Spige bes Vereins flanden Heim und Fleidl, die 1837 nad
Berlin gefendet wurden, dem Könige die Bitte um Aufnahme vorzutragen. Der König wii.
fahrte ihnen, und nachdem ber Hofprebiger Strauß in Berlin die nöthigen Verhandlungen miı
ber oftr. Negierung geführt hatte, konnten die Zillerthaler, denen die öſtr. Regierumg den Ber-
Lauf ihres Cigenthums geflattete, im Aug. 1857 bereits die Auswanderung nach Preußen an
treten. Es waren in Allem 599 Männer, Frauen und Kinder, die 2. Det. zu Schmiebeberg im
Schleſien anlangten, wohin man fie einftmeilen fendete, weil in Erbmannnsborf, das zu Ihrer
Aufnahme beflimmt war, die nöthigen Einrichtungen noch nicht vollendet waren. Hier hielt
der Hofprebiger Strauß unter Zugiehung der daſigen Beiftlichkeit eine Dauptprüfung mit ihnen,
die fehr befriedigend ausfiel. Der König bewilligte zu ihrer Einrichtung 225008 Hlr. und 1859
42500 Thlr. für Zwecke der Kirche und Schule Das neue Schulhaus wurde 1838 und die
neue ſchöne Kirche 1840 eingeweiht. Die für fie eingerichtete Golonie erhielt ben Namen Siller⸗
thal und beſteht aus Hoch⸗, Mittel- und Niederzillerthal, nach der terraffenmäßigen Anlage fo
genannt. Vgl. „Befchichte der zillerthaler Proteftanten“ (Würnb. 1858); (Meinwald), „Die
Evangeliſchgeſinnten im Zillerthal” (4. Aufl, Berl. 1838).
Zimmermann (Cleniens von), Direstor der Gentralgemäldegalerie zu München, geb.
8. Nov. 1789 zu Düffeldorf, wo er neben feiner wiſſenſchaftlichen Bildung auf dem Lyceum
auch ben erfien Unterricht in ber Kunft auf der Akademie erhielt, folgte 1806 der überfiedelten
Gemäldegalerie nach München und ward dafelbft 1809 in die neu ind Reben getretene Akademie
als Schuler aufgenommen. Die Löfung der von diefer geftellten Preisaufgabe, das Opfer Noah’,
gab ihm zuerſt Gelegenheit, die Aufmerkſamkeit auf fich zu lenken Sm J. 1815 zum Profeſſor
ber Hiftorienmalerei an der Filialtunftfchule zu Augsburg ernannt, trat er biefe Stellung an,
nachdem er1816 von einer mit königl. Unterflügung unternommenen Reife nach Stalien ri
gelehrt war. Er porträtirte mit Erfolg, malte Dabei aber auch mehre größere und kleinere Olbil⸗
ber, beſonders aus der heiligen Gefchichte, die mit Beifall aufgenomnien wurden. Seit 1825 or -
Dentlicher Profeffor an ber münchener Akademie, wirkte er eifrig zur Bildung junger Zalente und
nahm an allen Schöpfungen, welche durch König Ludwig ins Reben gerufen wurden, thätigen
Antheil. Unter Anderm führte er nach Cornelius’ Entwürfen die Fresken im Gorridor ber
Pinakothek aus. Von feinen übrigen Arbeiten find befonders die nach eigener Erfindung theils
in Fresco, theils enkauftifch ausgeführten Malereien im Speifefanl des Königebaus (Darftel«
Lungen aus den Liedern Anafreon’s), fowie mehre Dlbilder in öffentlichen und Privatfamm-
Lungen zu nennen. Eine koloffale Himmelfahrt Mariä aus neuefter Zeit ift in eine Kicche zu
Glaite village in Auſtralien gelommen. Die Kartons zu zwei größern Ölgemälden, die Bekeh⸗
zung Saul’s und die Eroberung Jeruſalems durch die Kreugfahrer, hat 3. vollendet. Im
3.1846 ward er vom König Ludwig zum Director der königl. Eentrafgemäldegalerie ernannt.
Zimmermann (Eberhard Aug. Wild. von), Geograph, Naturbiftorifer und Philoſoph,
wurbe 17. Aug. 1743 zu Uelzen in Hannover, wo fein Bater, Job. Chriftian 3., ald Propfi
und Superintendent 1783 flarb, geboren. Er fludirte zu Böttingen, fpäter zu Leyden und
ſchrieb bereits an erfterm Drte über die Analyfe der Curven und eine meteorologifche Beobach⸗
tungsreiſe auf den Harz. In Leyden faßte er zuerft den Gedanken, welcher dann bie leitende
Dauptidee durch alle feine gelehrten und fehriftftellerifchen Bemühungen wurde, die thierifche
Schöpfung klimatiſch zu begrenzen und auf die Wanderungen und Verzweigungen ber Thier ⸗
zacen, vom Menfchen feibft ausgehend, fein unverwandtes Augenmerk zu richten. Ex wurde
1766 zum Profefior ber Phyſik an dem Garolinum zu Braunſchweig und fpäter zum Hofrath
ernannt. Zumachft ſchrieb er die „Geographiſche Geſchichte des Menfchen und der allgeme"
528 Simmermann (Ernſt) Zimmermann (Karl)
verbreiteten vierfüßigen Thiere“ (2 Bde. Lpz. 1778853) und „Über die Gompreffibifität und
Glafticität des Waſſers“ (Apz. 1779). Sein eigenes Vermögen und die Unterftügung des Here
zogs von Braunſchweig fegten ihn in den Stand, mehre Reifen nad England, Italien und
Frankreich zu unternehmen, welche für dad Studium feiner Wiſſenſchaft ihm großen Vortheil
gewährten. Huch befuchte er Rußland und Schweden. Nah England machte er drei Reifen
und bier gab er fein „Political survey of Ihe present. state of Europe” (1788) heraus. Die
Ergebniffe feiner Reife nach Italien legte er in feinen „Allgemeinen Blicken auf Stalien“
(Gotha 1797) nieder. In Paris, mo er fi) beim Ausbruch der Revolution befand, entwarf er
den Plan zu feinen „Beographifchen Annalen“, wovon drei Jahrgänge erfchienen. Die eigene
Anficht der revolutionären Bewegungen in Frankreichs Hauptſtadt ließ ihn die Kolgen derfelben
für ganz Europa abmen, aber aud) das Elend, welches fie über Frankreich felbft bringen wür⸗
ben. Hierauf erfchienen fein „Frankreich und die Freiftaaten von Nordamerika” (Berl. 1795)
und bie „Allgemeine Überficht Frankreichs von Franz 1. bis auf Ludwig XVI. und der Freiſtaa⸗
ten von Nordamerika“ (2Bbe., Berl. 1800), jenes mehr geographifch und ethnographiſch, dieſe
politifch-Hiftorifch. Durch den Kaifer Leopold wurbe er in den Adelftand erhoben, von Braun-
ſchweig 1801 zum Geh. Etatsrath ernannt und feiner Gefchäfte am Garolinum entbunden.
. Sein bedeutendfted Werk ift das „Geographifche Taſchenbuch oder Taſchenbuch der Reifen“ m
zwolf Jabrgängen (2pz. 1802 — 13), welches einen großen Theil der befannten Erde in einem
gefälligen und lehrreichen Vortrage behandelte und das er auch unter bem Titel „Die Erbe und
ihre Bewohner nach den neueften Entdedungen” (5 Bde. Lpz. 1810— 13) in einem Auszuge
berausgab. An den politifchen Ereigniffen nahm er fortwährend dbenlebhafteften Antheil ; feinen
* Daß gegen die franz. Herefchaft, weiche feit 1806 auf Deutfchland Laftere, ſprach ex in feinen
Schriften mit einer Freimüthigkeit aus, die ihn oft in Gefahr brachte. Er ftarb 4. Juni 1815.
Zimmermann (Emft), verdienter Theolog, geb. 18. Sept. 1786 zu Darmfladt, wo fein
Vater, Job, Georg 3., ald Director des Gymnaſiums 1829 ftarb, befuchte letzteres feit 1795
und ftudirte hierauf bis 1804 Phifologie und Theologie in Gießen, nachdem er den Plan, Bud’
händler zu werden, aufgegeben hatte. Schon 1805 wurde er als Mitprediger und Lehrer zu
Auerbach an der Bergſtraße angeftellt und begann hier feine Ausgabe des Euripides (4 Bde,
Sf. 1808— 15). Im I. 1809 kam er ald Diakonus nad) Großgerau unweit Darmftabt. Er
fuchte num feine homiletifchen Anlagen mehr auszubilden und trat auch bald, durch Neinharb's
Beifall ermuntert, mit einigen homiletifhen Arbeiten hervor. Eine Gaftpredigt, die er auf
Verlangen der Großherzogin von Heſſen in der Hoflirche zu Darmſtadt hielt, erwarb ihm 1814
die Stelle als Hofdiatonus und 1816 die Hofpredigerftelle, bie ihm, einige wenige Predigten
abgerechnet, gar keine Amtsgefchäfte auferlegte. Ex Eonnte aber feine Muße nicht fogleich auf
Titerarifche Arbeiten verwenden, ba er von 1815— 24 die Erziehung des nachmaligen Herzogs
Ludwig von Anhalt-Köthen, ber fih damals in Darmftadt aufhielt, zu leiten hatte, auch dem
Erbgroßherzog Ludwig und defien Bruder Karl Unterricht ertheilte und als Lehrer der Ge
[dichte an der neuen Militäratademie in Darmſtadt fungirte. Almälig aber drängten ſich die
literarifchen Unternehmungen, welche ihn im legten Jahrzehnd feines Lebens befchäftigten, im
den Vordergrund. Im J. 1822 begann er die „Allgemeine Kirchenzeitung” und 1824 die „Al
gemeine Schulzeitung”, zu denen dann das „Xheologifche Literaturblatt” und das „Pädago-
gifch-philologifche Literaturblatt” kamen. Als Prediger entwidelte er ſchon früh bedeutende
Gaben; feine Predigten, die theils einzeln (die erften, welche im Drude erfchienen, waren „Pe
triotifche Predigten zur Zeit der MWiederbefreiung Deutfchlande”, Darmft. 1814), theils gefam-
melt (8 Bde, Darmſt. 1815—31) erfhienen, waren trefflich entworfen, geiftvoll und kräftig
anfprehend. Mit ihm begann eine beffere Periode des Pirchlichen Kebens in Darmſtadt. Er
ftarb 24. Juni 1832, eben als er die ihm zugedachte Prälatenwürde antreten wollte. Noch ge»
denken wir feines „Domiletifchen Handbuchs für denkende Prediger” (4 Bde., Ff.1812— 22);
der „Monatsfchrift für Predigerwiſſenſchaften“ (6 Bde, Darmft. 1821— 24); der Audgabe
des Euſebius (Sf. 1822); des mit einigen Freunden (Lommler, Lucius u. X.) heraudgegebenen
Werts „Geiſt aus Luther's Schriften” (6 Bde., Darmft. 1828— 30) ; der von ihm veranftalter
ten Predigtfammlung für die Gemeinde Mühlhauſen in Baden und feiner Briefe über die Kir
chenvereinigung in Baden (1822). Sein jüngerer Bruder Karl 3. hat ihn „Nach feinem Keben,
Wirken und Charakter” (Darnıft. 1833) gefchildert.
Zimmermann (Karl), verdienter Theolog, Präfat, Oberconfiflorialrath und Oberpfarre
in Darmftadt, geb. dafelbft 1803, der jüngfte Bruder des Vorigen, wurde, nachdem er feine
urſprünglich vorzugsmweife philolegifchen Studien vollendet hatte, 1824 Mitvorficher einer
Zimmermann (Franz of.) Zimmermann (Job. Georg, Ritter von) 539
Privatiehranftalt in Darmfladt, 1827 Lehrer an der Realſchule und 1829 zugleich als Hülfe-
prediger an ber Stadtkirche angeftellt. Hierauf erhielt er 1852 das Diakonat an der che
und 1833 zugleich die Stelle als Lehrer der Geſchichte an der Militärſchule. Seit 1838 zweiter
Hofprebiger, flieg er 1842 zum erſten Hofprediger auf, womit er zugleich die Verpflichtung über
nahm, ben Prinzen Hiegander und die Prinzeffin Marie zu unterrichten. Sein Aufruf am Re
formationsfeft 1841 zur Unterflügumg hülfsbedürftiger proteft, Gemeinden veranlaßte bie
Gründung des nachmaligen Vereins ber Guſtav⸗Adolf⸗Stiftung (1.d.). Im Nov. 1847 wurbe
er zum Prälaten ernannt. Bon feinen Predigtſammlungen erwähnen wir „Die Bergpredigt
unfers Herrn und Heilandes Jeſu Chriſti in religiöfen Vorträgen behandelt” (2 Bde., Neufl.
1836— 37); „Das Gebet des Chriften” (Neuft. 1837); „Das Leben Jeſu in Predigten”
(6 Bde., Reuſt. 1837—39); „Die Gleichniſſe und Bilder der Heiligen Schrift in Predigten”
(7 Bde, Darmſt. 1840—51); „Zeftpredigten, Caſualpredigten und Gafualreden” (2 Bde.
Sondershaufen 1851). Mit Wagner gibt er die von feinem Bruder Ernft 3. begründete „Schu
zeitung” heraus; mit Bretfchneiber feit 1841 die „Allgemeine Kirchenzeitung”, die er 1847
allein übernahm, 1848 aber zum Theil in andere Hände legte, biß er 1852, wenn auch umgern,
ganz von ihr ſchied. Auch begründete er 1834 die homiletiſche Zeitfchrift „Die Sonntagsfeier”,
von der er mit Schulg in Wiesbaden eine neue Folge begann. Seit 1841 rebigirt 3. das „Theo⸗
logiſche Literaturblatt” und feit 1843 den „Boten des SuftanMbolf-Bereins”. Auch beforgte
er eine Prachtausgabe der „Reformatorifdhen Schriften” Luther's, gab eine Sammlung ber
Briefe Luthers an Frauen heraus und verfaßte eine „Belhichte des Guſtav⸗Adolf⸗Vereins“.
Zimmermann (Franz Jof.), Philofoph, geb. 21. März 1795 zu Wendlingen bei Frei-
burg im Breisgau, ber Sohn eines Landmanns, trieb bis in fein 20. 3. den Feldbau. In fel-
nen Freiſtunden von den Ortspfarrern in den höhern Wiſſenſchaften unterrichtet, brachte er es
fo weit, daß er 1814 In Freiburg die akademiſchen Studien beginnen konnte. Gr widmete fi
der Theologie, fühlte aber bald mehr von der Philoſophie fich angezogen. Das unbebingte Hin-
geben an die Autorität und Unfehlbarkeit eines Dritten, fowie mehre kath. Blaubensfäge er»
fchienen ihm ſchon damals als Irrtümer. Der nachmals nach Heidelberg verfegte Profeſſor
Erhardt führte ihn in den Kreis eines vorurtheils freien Forſchens. 3. erhielt im Mai 1820 die
philofophifche Doctorwürde umd ging fobann nach Hofwyl, wo ihn Fellenberg al6 Lehrer
anftellte. 3. blieb hier drei Fa zu Oftern 1823 habilitirte er fich als Privatbocent der Phi-
Iofophie an der Univerfität zu Freiburg und wurde 1828 auferorbentlicher Profeffor ber Phi⸗
Iofophie. Sein Charakter war bieder, offen für jede Wahrheit wie für das Recht, ber Lüge und
des Unrechts Feind ; fein Verſtand war Plar, tief und fcharf, feine Lehrgabe ausgezeichnet. Alle
von Ihm erfchienenen Schriften tragen dad Sepräge einer verftändigen und Maren Auffaffung
bes Stoffe, einer eigenthümlichen Behandlung beffefben und eines entfehiedenen philoſophiſchen
Zalents. In feiner „Unterfuhung über Raum und Zeit” (Freiburg 1824) fuchte er barzuthun
daß Raum und Zeit nicht bloß nach Kant's Anſicht Formen der fubjectiven Anfchauung, fon-
dern auch außerhalb des Subjects, alfo objectiv feien. Seine Metaphyſik erfchien unter dem
Titel „Lehre über Einheit, Vielheit und Einzelnheit” (Freiburg 1826). Seine „Denklehre“
(Freiburg 1832) gehört zu den beften Lchrbüchern ber Logik. Im J. 1832 übernahm er die
Redaction des Bolksblattes „Der echte Schwarzwälder”, worin er mehre audgezeichnete Auf
füge in Hebel's Manier lieferte. Ex flarb 23. Sept. 1833.
Zimmermann (Joh. Georg, Ritter von), phifofophifcher Schriftfteller, geb. zu Brugg im
Santon Bern 8. Dec. 1728, fludirte in Göttingen die Arzneiwiſſenſchaft und promovirte ba-
ſelbſt. Nachdem er einige Zeit Stadtphyſikus zu Brugg geweſen, Bam er 1768 als großbrit.
Leibarzt mit dem Titel eines Hofraths nach Hannover. Sein Aufenthalt in Brugg, wo er in
der Abgeſchiedenheit feine bedeutendften Schriften verfaßte, hatte den Keim zur Hypochendrie
in ihm entwickelt, welche ihn fein ganzes Leben hindurch nicht wieder verließ. Als praßtifcher
Arzt hatte er einen großen umb verdienten, Ruf; befenders wußte er mit feltenem Scharfblick die
Natur der Krankheiten zu erkennen. Als Schriftfteller genoß er eines noch ausgebreitetern
Nuhms, und feine Schriften vereinigten Scharffinn und hellen überblick mit einer anziehenden,
zuweilen jedoch gefuchtert Beredtſamkeit. Seine Werke „Über die Einſamkeit“ (Zür. 47555
gänzlich umgearbeitet, 4 Bde. Lpz. 1784—85) und „Vom Rationalftolze” (Zür. 1738; neue
Aufl, 1789) find in dieſer Hinficht, fowie von Seiten der tiefen und originellen Gedanken aus⸗
gezeichnet und wurden faft in alle Iebenden Sprachen überfegt. Nicht mindern Ruhm erwarb
ihm feine Schrift „Won der Erfahrung in der Arzrieiwiffenfehaft” (2 Bde, Zür. 1764; neue
Gonv.Lex. Zehnte Aufl. XV. 2 >
5” Zimmtbaum Zingg
Huf, 1787). Katharina II. ließ ihm einen ehrenden Auf an ihren Hof zukommen, ben er ie
doch ablehnte. Auch Friedrich d. ©r. berief ihn im feiner legten Krankheit; doch haben 3.’6 du
durch veranlaßte Schriften über diefen Monarchen, 3.3. „Aber Friedrich d. Gr. und meine
Unterredung mit ihm kurz vor feinem Tode“ (Xp. 1788), „Bragmente über Friedrich d. Gr*
(3 Bde, %pz. 1790) u. |. w., nicht zu des Verfaſſers Ruhm gedient. Am beftigfien trat da
mals Bahrdt gegen ihn auf, worauf da6 Pasquill „Dr. Bahrdt mit ber-eifernen Stirn“
erfchien, weiches 3. rächen follte, feine Ruhe aber aufs ſchmerzlichſte flörte. Dies und fer»
währenbe Kränklichkeit, in Verbindung mit einer leidenfchaftlichen Empfindlichkeit, trübten
feine Anficht von der Welt und dem Leben nach und nach fo fehr, baf er fich durch feine legten
Schriften faft um den Ruhm brachte, in welchem er früher mit Recht geftanden Hatte. Gr
ftarb 7. Det. 1795. Vgl. Wichmann, „Z.'s Krantengefchichte” (Hannov. 1786) und „Zt
Briefe an einige feiner Freunde in der Schweiz” (Aarau 1830). "
Zimmtbaum (Cinnamomum),eine Gattung aus ber Familie der Lorbergewächſe mit ziem-
ich gegenftändigen Blättern und leberartigen, fechöfpaltigen Blütenbüllen, die Blüten in mı-
oder achfelftändigen Rispen tragend. Unter den vielen ben heifen Gegenden angebörigen Artcı
find befonders bemerkenswerth ber ceylanifche Simmt (C. Ceylanicum), ein 30 F. bober, 1',
F. bider Baum mit graubrauner, innen gelbrother Rinde und grasfeibigen, innen gelbgrünen
Blüten. Die Blätter find eilänglich, mit Burger, flumpfer Spitze, bie Frucht eine einfamige,
grüne, fpäter rothe, zulegt braune Beere. Gr wird hauptſächlich und am beften auf Ceylon, aber
auch im teopifchen Amerika gebaut. Der Baſt nebft der innern Rindenſchicht der drei« bis funf-
jährigen Afte und Stämmchen gibt getrodnet umd in fußlange, papierbünne Röhren gemidel,
beren mehre ineinander gefenkt find, den feinen oder ceylanifchen Zimmt, der feinen eigenthüm-
lichen, gewürghaftaromatifchen Geruch und Geſchmack dem ätherifchen Zimmtoͤle verbant,
das aus Abfalfen der Rinde zu mebdicinifchen Zwecken deftillirt wird. Außer feiner befanntn
Verwendung ald Küchengewürz dient er auch als Arzneimittel. In den Handel kommt er meiß
in centnerſchweren Ballen. Zimmtlorber heißt die wilde Varietät derfelben Art. Der Eaf:
flenzimmt (C. Cassia), von der vorigen Art befonder6 durch elliptifch-Fpigliche, in der Jugend .
graufilzige Blätter unterfchieden, wächft in China und Cochinchina und liefert den inbifchen
oder chineſtſchen Zimmt, auch Zimmteaſſie genannt. (S. Eaffie.) Die fogenannten Bimmitblu
ten find die Beinen, unreifen, noch von der Blütenhülle umgebenen Krüchte des Saffienzimmt;
fie kommen in Geſchmack und Wirkungen mit bem Zimmt überein, find jedoch etwas fchärfer.
Zingarelli (Ricolo), ein berühmter Componift, der legte Spröfling einer alten neapol
Kunftfchule, geb. zu Rom 4. April 1752, fludirte die Muſik im Eonfervatorium zu Zorete.
Als er das Eonfervatorium verließ, erhielt er die Kapellmeifterftelle zu Torre dell!’ Annunziate.
Im 3.1784 componirte er für dad Theater San⸗Carlo in Neapel die Oper „Montezuma” und
1785 für die Scala zu Mailand die „Alzinda‘, die, in leichter, einfacher Manler gefchrieben, vir-
len Erfolg hatte. Seitdem fehrieb er für alle ital. Bühnen, befonder aber für Mailand und
Venedig. Seine beften Arbeiten find die Opern „Pirro”, „Artaserse” und „Romeo e Giulietta“,
die Buffa „Il mercato di Monfregosa“, „Il Conte di Saldagna‘‘, „La secchia rapita” und „Il
ritratto” und bie beiden trefflichen Oratorien „La Gerusalemme liberata” und „U trioufo di
Davide“. Im 3.1789 war 3. in Paris, wo er feine Oper „Antigone” aufführte, die aber ter:
gen ber bamaligen Unruhen nur zwei Vorftellungen erhielt. Nach feiner Rückkehr nach Italien
widmete er fich ganz der Kirchenmufil. Nach Guglielmi's Tode wurde er 1806 als Dire-
tor der vaticanifchen Kapelle nach Nom berufen. Beil er in Rom fich geweigert hatte, ein Te
Deum auf die Geburt des Königs von Rom aufzuführen, lief ihn Napoleon nad) Paris fodern;
doch nahm er ihn bei feiner Ankunft in Paris fehr freundlich auf, und 3. bewies nun die gröft
Ergebenheit für die Familie des Kaifers. Er componirte in Paris eine Meffe, einige Berfe dei
„Stabat mater”, worauf ihn Napoleon 1812 zum Director bed nenerrichteten Conſervato
riums in Rom und hernach zum Kapellmeifter an der Peterskirche ernannte. Doch ſchon 1813
mußte er auf Napoleon’6 Befehl Rom verlaffen und ſich als Director bed neum Gonfervate-
riums nad) Neapel begeben. Seit diefer Zeit führte er ein möndjifches Leben. Er fiarb zu Re-
pel 5. Mai 1837. Auf den Tod des Könige Murat componirte er eine Cantate, beren Erem-
plare aber nachher von ber neapol. Polizei weggenommen wurden. 3. drang tiefer alö feine
jüngern Beitgenofien in das Wefen des Gefangs ein, Daher wahre Sänger feine Werke [dayen
unb fie wegen ihres ausdrucks vollen Geſangs gern vortragen.
Zingg (Adrian), Kupferftecher, geb. zu Si⸗Gallen 24. April 1754, bildete ſich unter Wille
zu Paris zum Kupferſtecher aus und nahm jene reinliche Zeichnung an, die alle feine Hervor⸗
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Zink 531
bringungen fo gefällig macht. Im 3.1766 wurds er Lehrer an der Kunſtakademie zu Dres
ben, und eine Menge Landſchaften in allen Größen bemeift, wie fehr er in den Charakter ber
Gegenden, wo er num lebte, eingedrungen. Borzliglich gefielen feine Anfichten mit radirten Um
riffen, die, aufs ſauberſte mit Sepia fchattirt und angefärbt, burch die Beftimmtheit der For⸗
men und eine glüdfiche Unordnung der Vorgründe fich auszeichnen. Gin fehr fleißiger Mann,
trieb er mit feinen Landſchaften ein ſehr einträgliches Geſchäft. Da bei ihm Alles Par und mit
dem hellſten Sonnenfchein beleuchtet baliegt, fo werben feine Blätter in den Schulen noch im⸗
mer mit dem beften Erfolge gebraucht, obgleich von einer tiefem Bedeutung der Landſchaft bei
ihm Feine Ahnung ift. Eine vollftändige Sammlung feiner Werke erfchien in Leipzig 1804—6.
Sein „Zeichenbuch“ in drei Heften iſt in Driginalabdrüden jegt ziemlich felten. Dit feinem
Landsmann und Freunde Ant. Graff (f. d.) lebte er in ſchweizeriſcher Herzlichkeit verbunden
und flarb 26. Mai 1816.
Zink, Spiauter oder Spelter heißt ein technifch äußerſt wichtiges Metal von bläulich-
weißer $arbe und blätterig-Tryftallinifchem Bruch, das, an ber Kuft raſch anlaufend und ſich mit
einer weißlichgrauen Opydfchicht bedeckend, ein fpec. Gewicht — 7 hat und bei 360° &. fchmelz-
bar, in der Kälte und Hitze fpröde, nur bei 120 — 150° Hämmerbar und dann auch bed Walzens
zu Blech und des Ziehens zu Draht fähig, in großer Hige flüchtig und vollfländig deftillirbar iſt.
In Säuren löſt ſich das Zink Teiche auf unter Zerfegung des mit der Säure verbundenen Waf-
fer6 und Entwidelung von a erftoffgas, daher feine Anwendung in den Platinfeuerzeugen
u. ſ. w. Beim Erhigen an der Luft verbrennt es zu einem weißen, in leichten Flocken umber-
fliegenden Oxyd (Weißes Nichts, Lana philosophica), welches theils in der Mebicin, beſonders
zu Yugenfalben, teils zu Emailfarben und in der Yorzellanmalerei, theils ftatt des Bleiweißes
unter ben Namen Zintweiß als Anftrichfarbeu. ſ. w. benugt wird. Das unreine Zinforyd führt
den Ramen Tutia. Die Verbindung des Zinkoxyds mit Schwefelfäure, ber Zinkvitriol, welcher
such natürlich vorkommt und durch Röften des natürlichen Schwefelzinks (Finkblende) und Aus⸗
laugen der geröfteten Maſſe dargeftellt werden Bann, wird nur wenig in ber Medicin, Zeug-
druckerei u. |. w. angewendet ; im reinen Zuftande bildet es farblofe Kryftalle. Das Chlorzink
oder falzfauere Zinforyb, dad man durch Auflöfen von Zink in Salzſäure und Berbampfen der
Flüſſigkeit erhält, wird zum Conferviren des Holzes und anflatt der engl. Schwefelfäure in den
Bewerben häufig angewendet. Das Zink kommt in der Natur nicht gediegen, ſondern entweder
als Balmei (kohlenſaueres und Biefelfaueres Zinkoryd) oder ald Blende (Schwefelzink) vor.
Beſonders aus erſterm wird es (namentlich in Schleften und in Belgien) gewonnen, indem man
das Erz in Deftillirapparaten mit Kohle erhigt, wobei das Zink in die kalt gehaltenen Vorlagen
überdeſtillirt. Neuerdings fängt man auch an, die Blende im Großen auf Darftellung von Zin?
zu Benugen. Das Zink kommt theils in Blöcken, theils in gerwalgten Blechen, felten in Draͤh⸗
ten in den Handel. Man braucht Zinkblech zum Dachdecken, zu Dachrinnen, WBafferbehältern
u. ſ. w, ferner zum Guß von Ötatuetten, architektoniſchen Verzierungen u. f. w.; Sinkdraht
zu Metallgeflecdten, zum Anbinden von Bäumen u. f. w, in der Chemie zur Entwickelung vom
Waſſerſtoffgas mittels verdünnter Schwefelfäure. Wegen feiner elektropofitiven Eigenſchaft
iſt es endlich das gewöhnlichſte poſitive Element aller galvaniſchen Batterien, wobei es allma-
lig aufgelöft und in Zinkvitriol verwandelt wird. Auf feiner eleftropofitiven Befchaffenheit bes
ruht auch die Eigenfchaft des Zinks, andere weniger pofitive Metalle, mit denen es in Berüh⸗
rung ſteht, vor dem Angegriffenwerden durch Säure u. f. m. zu fchügen. Das fogenannte Bal-
vanifiren der Metalle ift eine Anwendung dieſes Satzes, der aber nur richtig Ift, ſolange es fich
um völlige Eintauhung bes zu fhügenden Metalle in die angreifende Flüffigkeit Handelt. So
werden allerdings Schiffsbeſchlaͤge von Eiſen durch Befeftigung mit Zinfnägeln und Verbin.
dung mit Beinen Zinkplatten confervirt. Dagegen kann die Anwendung von Zintnägeln auf
Dachbedeckungen von Eifen nicht denfelben Effect haben. Das fogenannte Balvanifiren eifer-
ner Bleche, Drähte und Beräthe, wie es jegt überall ausgeführt wird, iſt weiter nichts als ein
dunnes Verzinken und hilft auch nur, folange der Zinfüberzug ganz iſt. Jedenfalls ift aber
duch die Einführung des Zinks zum Überziehen eiferner Gegenftände ftatt des Verzinnens ein
wichtiger techniſcher Fortſchritt gefchehen, da man verzinkte Bleche, Drähte, Nägel u. |. m. von
Eifen ganz ebenfo anwenden kann, als wenn fie ganz von Zink wären. Die Ausführung des
Verzinkens ift jedoch wegen bes höhern Schmelzpunktes des Zinks ſchwieriger ald das Berzin-
nen. Sehr wichtig endfich ift das Zink Durch feine Anwendung zu Legirungen mit andern Me
tallen; am wichtigfien find die Legirungen mit Kupfer, deren Barbe und andere Cigenſchaften
532 Zinke Zinkographie
von dem Berhälniffe beider Metalle abhängen; man unterſcheidet vorzüglich Meſſing (ſ. d.)
oder Gelbguf und Tomback (f.d.) oder Rothguß. Kupfer, Zink und Zinn geben Bronze ([.d.),
Kupfer, Zink und Nickel Argentan (ſ. d.) oder Neufilber. Das befte und reinfte faufliche Zink
ift das fchlefifche; doch iſt es auch noch nicht chemiſch rein. Schlefien producirt allein nahe an
200000 Er. Zink. Nächftdem ift Belgien (Lüttich) die Hauptgegend für Zintprobuction. We⸗
niger,namentlich aber unreineres Zinkliefert England, noch weniger Kärnten, Braubündten u. ſ.w
Zinke (ital. cornetto, franz. cornet à bouquin) hieß ein früher gebräuchliches, aus Horn
oder Holz verfertigtes, zuweilen mit Leber überzogenes, mit fieben Löchern verfehenes Blasin⸗
firument, ohne Stürge mit einem Munbdftüd, der Trompete ähnlich, und nicht ganz zwei Fuß
lang. Es wurde befonders gebraucht, um bei Chören bie Partien zu dirigiren und ben Discant
der Pofaunen zu verftärken. Der Umfang bed gewöhnlichen Zinken reichte vom kleinen a bis
zum drei mal geftrichenen c. Die gekrümmte inte hatte beinahe die Figur eines großen lateini-
ſchen 8. Die Stadtpfeifer hießen davon fonft Stabtzinkeniften. Beiden Orgeln heißen Zinken die
Dfeifen, welche den Ton dieſes Blasinftruments nachahmen und zum Schnarrwerke gehören.
Zinkeiſen (Joh. Wilh.), deutfcher Gefchichtfchreiber, geb. 41. April 1803 zu Witenburg,
wo fein Vater, Karl Rud. 8., 1816 al6 Geh. Kammerrath flarb, befuchte 1818—25 das
Gymnaſium feiner Vaterftabt, wibmete ſich hierauf zu Sena erft der Theologie, neigte fich aber
bald ausſchließlich Hiftorifchen Studien zu, die er nach feiner Promotion 1826 zwei Jahre lang
in Göttingen fortfegte. Im 3. 1829 nad) Dresden übergefiebelt, befchäftigte ihn hier, wie auch
nachher in Mündyen, wo er nad) der Rückkehr von einer größern Neife feinen Aufenthalt ge
nommen hatte, beſonders die „Geſchichte Griechenlands“ (Bd. 1, Lpz. 1832). Behufs der „Ger
[chichte des osman. Reichs in Europa” (Bd. 1 und 2, Hamb. und Gotha 1840 — 54), deren
Bearbeitung ihm F. Perthes übertragen hatte, begab fih 3. 1833 nach Paris, wo er ſich lan-
gere Zeit auch mit Forſchungen über franz. Gefchichte, beſonders die Franzöſiſche Revolution
befchäftigte und dabei auch vielfach Gelegenheit fand, die politifchen Verhältniffe unter der Juli⸗
monarchie näher kennen zu lernen. Nachdem er 1834 einen Ruf ald Profeffor der Geſchichte
nach Athen abgelehnt hatte, ging er 1840 als Oberredacteur der „Preußifchen Staatszeitung“
nach Berlin. Obgleich er im März 1848 um feine Entlaffung nachfuchte, ward ihm biejelbe
doch nicht gewährt, fondern Z.im Gegentheil damit beauftragt, die „Preußiſche Staatsyeitung“
in ein ben veränderten Verhältniſſen entfprechendes Regierungsblatt umzugeftalten. Die Re
daction ded auf diefe Weiſe ins Leben getretenen „Preußiſchen Staatdanzeiger” leitete 3. noch
bis Mitte 1851, wo er aus dem preuf. Staatödienfte ausfchied. Seitdem wieder feinen früher
begonnenen hiſtoriſchen Arbeiten zugewenbet, veröffentlichte ex außer einigen Eleinern Arbeiten
(3.3. für Raumer's „Hiftorifches Taſchenbuch“) „Der Jakobinerclub. Ein Beitrag zur Ge
ſchichte der Parteien und der politifhen Sitten im Mevolutionszeitalter” (2 Bde, Berl. 1852
—55) und „Drei Denkſchriften über die oriental. Frage” (Gotha 1854). Schon früher hatte
er die „Geſchichte der griech. Revolution” (2 Bde., Lpz. 1840) herausgegeben. Nächſt ber
Bortfegung ber „Befchichte des osman. Neichs“, zu welcher ihm reiches, noch wenig ober gar
nicht benugtes Material zu Gebote fteht, ift 3. auch mit den Vorrbeitaen zu einer Geſchichte
Griechenlands feit dem 15. Jahrh. dis zur griech. Revolution befchäftigt.
Zinkgref (Zul. Wilh.), deutfcher Dichter, wurde 3. Juni 1591 zu Deibelberg geboren und
ſtudirte dafelbft die Rechte unter der Leitung feines gelehrten Vaters. Nach dem Tode beffelben
machte er feit 1611 eine fünfiährige Reiſe durch bie Schweiz, Frankreich, England und die Nie
derlande. Während des Dreißigjährigen Kriegs bekleidete er verfchiedene Amter in Heidelberg,
Kreuznach und Alzei; doch hatte er auch dad Ungemadh des Kriegs mehrfach zu empfinden. Gr
ftarb ſchon 1. Nov. 1635 zu St.-Goar an der Peft. Als Igrifcher Dichter neigte ex fich ber fräf-
tigen, volksmäßigen Weiſe G. R. Wechherlin's (f.d.) zu, doch hatte auch Opig ſchon Einfluß
auf ihn; am höchſten ſteht ſein „Soldatenlob“ (Fkf. 1632), eine Nachahmung des Tyrtäus.
Sein Hauptwerk find die „Deutfchen Apophthegmata, das iſt der Deutſchen kluge Sprüche
(2 Bde., Strasb. 1626—31 und öfter), eine Sammlung vom höchſten Werthe für deutſche
Sitten⸗ und Volksgeſchichte; eine umfaflende Auswahl aus denſelben beforgte Guttenſtein
(Manh. 1835). Eine Auswahl feiner Dichtungen befindet fich in W. Müllers „Bibliorhel
beutfcher Dichter bed 17. Jahrh.“ (Bd. 7).
Zinkographie heißt im engern Sinne die Anwendung bes Zinks ſtatt der Kupfer⸗, Stahl⸗
und Steinplatten zum Stich. Da indeß der Zink nicht allein jede Manier geftatter, melde
bisher auf Stein und andern Metallen geübt wurde, fondern noch viele gute Eigenthümliqh⸗
keiten für künſtleriſche Behandlung Hat, fo ift die Binfographie weniger al6 flellvertretenbed
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Zinn ‚588
Verfahren, fondern als eine felbfländige Vervielfältigungsart zu betrachten. Der Erfinder ber-
felben war 9. W. Eherharb, der 1804 und 1805 bie erften Verſuche in Magdeburg zeigte. Im
J. 1815 gelangen ihm bie chemiſche Feder- und Kreibegeichnung, worauf er 1822 in ber deut-
Then Ausgabe ber „Alterthümer von Athen“ von Stuart und Revett und in mehren andern
Werten das Zink antvendete. Vogl. Eberhard, „Über Zinkographie“ (Nürnb. 1831).
Zinn, ein ſchon lange bekanntes, faft filberweißes, fehr weiches, Hämmer- und firedbares,
beim Biegen Mnirfchendes, bei 230° ſchmelzendes, erft in ſehr hohen Higegraden flüchtiges, an
der Luft langſam anlaufendes Metall von 7,3 fpecifiihem Gewicht, kommt In ber Natur nie
rein, fondern ſtets in ber Form des Eruftallifirten Oryds (Binnftein oder Binngraupen) vor,
welches fich, meift in deutlichen Zwillingskryſtallen (Zmittern) im granitifchen Gefteinen ſtock⸗
formig (daher Switterftod) eingelagert, im fächf.-bohm. Erzgebirge, in Cornwallis und in
Dftindien (Malakka und Banka) vorfindet und an biefen Orten durch Röftung und Verſchmel⸗
zung ber Erze mit Kohle in Schachtöfen, wobei man gewöhnlich Arfenit als Nebenproduct in
Giftfängen fammelt, gervonnen wird. Zuweilen muß das Zinnerz, wo es fich in dem durch
Zerfegung zinnführender Gefteine erhaltenen Sande vorfindet, durch Waſchen in fogenannten
Seifenwerken erft vom Sande getrennt werden. Das reinfte Zinn ift das Banfa- und Malak⸗
- Razinnz engl. Zinn ift meift eifenhaltig, fächl. Zinn wismuthhaltig; Banka liefert jährlich
70000, England über 100000, Sachſen 2500 Str. Zinn. Da das Zinn von den ſchwächern
Säuren nur wenig angegriffen wird, fo ift es befonders für Hausgeräthe wichtig und eignet
fich dazu ganz befonder& durch die Leichtigkeit, mit der e& fich in jede Form gießen läßt, und durch
feine filberähnliche Farbe. Bis in die neuere Zeit waren aus Zinn gegoffene Teller, Schüffeln,
Krüge u. ſ. w. bas gewöhnlichfte Hausgeräth ; doch ift mit der fleigenden Billigkeit und Eleganz
ber irbenen Gefchirre der Gebrauch bes Zinns zu diefem Zwede immer feltener geworden umd
die Sinngießerei befchränkt fi noch auf wenige Gegenflände. Dagegen wird das Zinn noch
häufig benugt, um die innere Fläche kupferner ımd eiferner Geräthe, welche mit Stüffigkeiten in
Berührung kommen, zu fhügen ; auch für andere Zwecke, wo es an der Luft nicht roften foll
u. f. w., verzinne man das Eifenblech, weiches. dann Weißblech heißt. Das Verzinnen des Ei-
fenblech6, in neuefter Zeit durch das Verzinken zum Theil erfegt, gefchieht in befondern Weiß⸗
blechhütten durch Eintauchen bes durdy Säure gereinigten Blechs in geſchmolzenes Zinn. Ver⸗
zinnte Blechgefäße werden meift aus Weißblechtafeln gefertigt, doch fängt man neuerdings
auch an, wie bei upfernen Geräthen, diefelben unverzinnt zu fertigen und dann erſt inwendig
zu verzinnen. Man benugt ferner das Zinn in Geftalt ganz dünner, gewalzter und mit Häm⸗
mern fein ausgefchlagener Bleche, fogenannter Binnfolte (ſ. Stanniol), theils zu Verzierungen
aller Art, auch in gefärbtem Zuftande, theils unter gleichzeitiger Anwendung von-Quedfilber,
wodurch ein glänzendes Amalgam entfteht, zum Belegen ber Spiegel. Zinnfoliehämmer be
finden fich befonder® in der Umgebung von Nürnberg und Erlangen. Mit Blei in verſchiede⸗
nen Verhältniſſen legirt, gibt das Zinn Leichtflüffige Legierungen, welche als Schnellloth von den
Klempnern zum Löthen der Weißblechwaaren angewendet werben. Mit Kupfer und Bin? zu-
fammen gibt das Zinn Bronze (f.d.). In fehr dünnen Blättchen führt eine Legirung des
Zints mit dem Zinn den Namen Schlagfilber ober unechtes Silber. Zinn, mit geringen Quan⸗
titäten von Kupfer, Intimon und Wismuth legirt, bildet das häufig zu Löffeln u. f. w. verar-
beitete Compoſitjonsmetall. Eigenthümlich ift die kryſtalliniſche Structur, welche das Zinn
felbft in bünnen Überzügen beim Erkalten annimmt und welche beim Anbeizen ber Oberfläche
in eigenthümlichen Figuren fichtbar wirb, welche den fogenannten Metallmohr bilden, der ſeit
1814 nach Allard's Entdeckung zur Verzierung von Weißblechwaaren benugt wird. Cine
Auflöfung von Zinn in Salzfäure bildet das fogenante Sinnfalz, als Beige in ber Färberei, be-
ſonders der Gochenillefärberei auf Seide vielfach benugt. Eine Auflöfung von Zinn in Kö⸗
nigswaſſer führt den Ramen Phyſik; man wendet fie ebenfalls häufig in der Färberei an.
Eine Verbindung diefer Löſung mit Salmiak wird unter dem Namen Pintfalz in der Kattun«
druderei als Beize benugt. Verſetzt man eine Loͤſung dieſes Zinnfalzes mit Goldauflöfung, fo
entfteht ein rother Niederfehlag, der für Glas - und Porzellanmalerei nicht unmwichtige Eaf-
fius’fe Goldpurpur. Auch in der Chemie wird das Zinnfalz als Reductionsmittel benugt.
Mit Sauerftoff gibt das Zinn zwei Oxyde, von denen das höhere, Zinnoxyd oder Sinnaſche,
als Policmittel und zur Darftelung von Email, in der Glasmalerei, ald Glafur u. ſ. w. An
wendung findet. Die fünftlich bargeftellte Verbindung des Zinns mit Schwefel hat eigenthüm⸗
lichen Goldglanz und iſt als Muſivgold bekannt. Sie wird zum Bronziven von Gypsfiguren,
Papier, Holz u. ſ. w, zur Verfertigung unechten Goldpapiers u. ſ. w. benußt.
534 Zinna Zins
Zinna, eine Stadt im jüterbogker Kreiſe des preuß. Regierungsbezirks Potsdam, mit
1820 E., die Lein-⸗/ Wollen- und Baumwollenweberei treiben, hatte im Mittelalter ein reiches
Kloſter, in welchem 1449 der langjährige Streit zwifchen Kurbrandenburg und dem Erzti%
thum Magdeburg durch einen Vertrag gefchlichtet wurde und 1667 die Vereinigung zwiſchen
Kurfachfen und Kurbrandenburg wegen eines gemeinfchaftlihen Münzfußes zu Stande kam,
der nach ber Stabt der Sinnaifhe Münzfuß Heißt.
Zinne heißt im Allgemeinen ein flaches Dach oder die Einfaffung beffelben. Zinnen nennt
man dann auch im engern Sinne den oberften Theil einer Vertheidigungsmauer, bie, mit Schieß⸗
ſcharten durchbrochen ober auf Kragfteinen ruhenb, einige Fuß bervorragt und durch die Tf-
nungen ziifchen ben Kragfteinen Gelegenheit gibt, ben untern Theil der Dauer zu beſchießen
innober, die bekannte rothe Farbe, findet fi ſchon fertig gebildet im Mineralreihe m
rotben derben Maffen oder in durcchfichtigen rothen Kryftallen und kommt ald Bergzinnober
fein gemahlen in den Handel. Eine große Menge Zinnober bereitet man aber künſtlich, indem
man bie Beftandtheile beffelben, Duedfilber und Schwefel, miteinander verbindet. Man erhält
ihn entweber, indem man Duedfilber und Schwefel innig mengt und das entflanbene ſchwarze
Yulver in eifernen Gefäßen bei mäßigem Feuer bis zum Schmelzen und darauf in irdenen Ge
fäßen ſtärker erbigt; die fublimirte Maffe gibt nach dem Zerreiben ben präparirten Zinnober.
Oder man bereitet ben Zinnober auf naffem Wege, indem man eine Löfung von Schwefel⸗
kalium (Schwefelleber) auf das ſchwatze Pulver, das man durch Mifchen von Queckſilber mit
Schwefel erhält, einwirken laͤßt, wodurch es fehr bald in Zinnober übergeht. Dan verwendet
den Zinnober qals Malerfarbe zur Bereitung von rother Drudfarbe, Siegellad u. dgl. Gr
tft el felten mit bilfigern Subftanzen von ähnlicher Farbe, wie Ziegelmehl, Mennige u. f. w.,
verfälſcht.
ind (vom lat. census) iſt ein ſehr umfaſſender Name für Abgaben In Geld und Natuta-
lien mancherlei Art. Man unterfcheidet: 1) Zinfen von Geldcapitalien (usurae). Dergiei-
chen können fowol in Folge eines Verfprechens, wo fie mol geringer, aber nicht höher als der
gefegliche Zinsfuß fein Dürfen (f. Wucher), als auch Daun gefobert werden, wenn ber Schuld
ner nicht zur gehörigen Zeit gezahlt hat (Werzugszinfen). Zinfen follen nach rom. Recht auf
einmal nicht über ben Betrag ded Capitals genommen, auch nicht Zinfen von Zinfen (Unate-
eiſsmus) berechnet werden. Doch ift das legtere ben Kaufleuten erlaubt, indem fie die Summe,
welche ber Eine bei dem Rechnungsabſchluß an ben Andern gutbehält (saldo), als neuen baa⸗
ven Vorſchuß in ber nächften Rechnung vortragen und fi nun davon die üblihen Binfen be
rechnen. (S. Sinfen.) 2) Zins von einer gemietheten oder gepadhteten Sache. (S. Miethver⸗
trag.) 3) Grundzinſen oder Abgaben von Grundſtücken an einen Zinsherrn. Hier gibt eb
{ehr verfchiebene Fälle, Ein Theil der Grundzinſen iſt Durch unablößlich gegebenes Darlehn er⸗
Pauft, oder auch ein Theil des Kaufgeldes, welches beim Erwerb der Grundſtücke darauf fchen
geblieben iſt (census constitutivi und reservati), mas, wenn der Verkauf mit vollem Eiger
thums recht gefchehen ift, in der Wirkung Eins ift. Dergleichen Grundſtücke (bona censitica
ober fchlechte Zinsgüter) befinden fich im vollen freien Eigenthum bes Zinsmanns; der Zind
herr hat davon nichts als feinen Zins zu fodern, hat, wenn jener rüdftändig bleibt, beshalb nur
eine gewöhnliche Klage, nicht aber das Necht, ben Zinsmann feines Guts zu entfegen ; auch be»
barf es nicht der Einwilligung ber Zinsherren bei Veräußerungen des Grundftüds. In andern
Gallen aber behält fich der Grundherr das Eigenthum vor und gibt dem Zinsmann nur ein
erbliches Nugungsrecht gegen jährliche Abgaben, fodaß diefer nichts Eigenes hat als dieſes Co
lonatrecht und fein in Dem Gute fleddendes bewegliches Vermögen und auch dieſes Beides nur
mit bedeutenden Einfchräntungen. Verkaufen kann er dieſes Colonatrecht nicht an einen Drit-
ten, und auch unter den Kindern des Meiers bat ber Grundherr die Wahl. Was der Meier auf
dem Gute erwirbt, muß er zur Befferung beffelben anwenden ; daher darf er den aus dem Gute
weggehenden Kindern nur eine beflimmte Summe geben. Bleibt der Zinsmann Abgaben [hul-
big ober geräth er in Vermögensverfall, fo wird ihm das But genommen. (&. Abmeierungs-
recht.) Zwiſchen diefen beiden Arten von Srundzinfen liegen noch andere Erbzinsgüter mit
manderlei Namen und fehr verfchiedener Beftimmung ihrer Rechte, wobei aber beide Theile,
der Grundherr und ber Colon, ein wahres @igenthun am Gute haben. (S. Erbzins.) Ber-
ſchieden von diefen Eigenthumsverhäftmiffen find’ noch bie Mechte, welche fich nicht auf eine
Srundherrlichkeit, fondern auf die Gerichtöherrlichkeit gründen und wo auch Zinfen, 3. B. Zink
bũhner von jedem Rauchfang, ale Schuggeld, vorfommen. Für welches biefer Derhältniffe die
uthung fpreche, läßt ſich im Allgemeinen gar nicht und felbſt in einem und demſelben Be-
Zinſen Zinzendorf 625
zirke nur mit großer Unſicherheit angeben, da die verſchiedenen Entſtehungsarten und Formen
dicht nebeneinander gefunden werben. So viel iſt aber gewiß, daß die Rächtigern auch hier
ſtets Im Vortheil geweſen find, und daß weit öfter Die Rechte des Zinsherrn weiter ausgedehnt,
als umgekehrt durch die Zinsleute geſchmaͤlert wurden. Aus gewöhnlichen Gerichtsherren wur»
den Grundherren, aus Zinsherren Eigenthümer; ſchlechte Zinsgüter wurden in Erbzins ˖ und
Meiergũter verwandelt und freie Zinsleute frohnpflichtig gemacht und bis zur Leibeigenſchaft
herabgebrüdt. Der umgekehrte Bang ber Dinge ift ſehr felten geweſen.
Zinſen Heißt in ber heutigen Rationalötonomie der Preis der Gapitalnugungen, ſowol bei
den (Mietfzins) wie bei umlaufenden, zumal Gelbcapitalien (Intereffen). Der Eigen-
thümer verlangt einen Zins zum Theil als Entfchäbigung für bie Abnutzung, Gefahr u. f. w.
welche fein Gapital in fremder Hanb zu beftehen hat, dann aber auch für ben Rutzen beffelben,
welchen er inzwifchen entbehrt. Denken wir uns den Zins als Bruchtheil des Kapitals felbft, fo
heißt das Verhältniß zwiſchen beiden Größen Sinsfuß, der am liebſten in Procenten ausge
drückt wird und zwar je für ein Jahr. Imnerhalb deffelben volkswirthſ Gebiets
trachten die verfchiedenartigen Capitalverwendungen regelmäßig nach einem gleichen Zinsfuße,
wobei man freilich die Rugung eines Gapitals nicht mit beffen partieller Wiedererſtattung ver-
wechfeln darf, alfo namentlich einer höhern Afferurangprämie bei fehr gewagten Unternehmun⸗
gen. Die Höhe des Zinbfußes wird durch das Verhaältniß zwiſchen Angebot und Rachfrage
von Gapitalten bedingt. Er ift Daher am höchſten in arınen Ländern, wie denen des Mittel»
alters, Rußland, auch rechtsunfihern Ländern, wie Oſtindien, Ehina u. ſ. w.; ferner in
Ländern, die ungewöhnlich raſch emporblühen, alfo eine ſchnell machlende Nachfrage nach Ga»
pital enthalten, wie Nordamerika. Am niebrigfien flieht der Zinsfuß In reichen Rändern, die
Beine rechte Gelegenheit mehr haben, ihren Aderbau, Abfag u. f. w. zu erweitern, wie z. B.
Holland ſchon feit dem Anfange des 18. Jahrh. Solche Länder haben immer ein ſtarkes Ber-
langen, in andern Gegenden mit böherm Zinsfuße Darlehen zu geben. Im Mittelalter war
das Zinsnehmen durch die Banonifcgen Gefege verboten, hauptfächlich weil man bie wirklide
Produktivität der Gapitalien verfannte. Damals wurde jeder Zins mit dem Ramen Bucher
(f. d.) gebrandmarkt, während man heutzutage in ben meiften Ländern nur biefenigen Zins⸗
contracte fo nennt, welche das gefeglich erlaubte Marimum ber Zinfen überfchreiten. Bon fol-
hen obrigkeitlichen Zinstaren gilt Daffelbe, was von Xaren ([.d.) überhaupt. Die wirklich freie
Concurrenz wird bie rechte, für jeben einzelnen Fall billige Zinshöhe am ficherften finden.
indzahl (Römer Zinszahl), ſ. Iabietion. ' |
inzendorf (Rikot. Ludw. Graf von), der Stifter der Brübergemeine (f. d.), geb. 26. Mai
1700 zu Dresden, wurde nach dem frühen Tode feines Baters, ber kurſächſ. Eonferenzminifter
war, in ber Laufig in dem Haufe feiner frommen und gelehrten Großmutter, einer Frau von
Gersdorf, erzogen. Seine Jugend fiel in die Zeit ber Vietiften. Dies unb ber Umflanb,
dag Spener oft in das Haus ber Frau von Gersdorf Fam, ben jungen 8. ſah und einfege
nete, trug nebfl den Anbachtsübungen, bie täglich im Haufe gehalten wurben, viel bei, in dem
lebhaften Knaben eine zwar innige, aber doch auch unBlare Frömmigkeit zu begründen. Diefe
Stimmung wurde bei ihm noch erhöht, als er 1710 in das Pädagegium zu Halle umter
Francke's befondere Aufficht Fam. Schon in Halle fliftete er einen myſtiſchen Orden „vom
Senflorn”. Auch ale er nachmals 1716 die Univerfitär zu Wittenberg befichte, blieb er bei
feiner frübern Dentart. Beim Jubiläum ber Reformation 1747 ſchloß er fi ein und be
trauerte den Verfall der Kirche durch Faſten und Beinen. Er verließ 1719 Wittenberg und
machte eine Reife nach Holland, Frankreich und der Schweiz, die ex unter dem Titel Attici
Wallfahrt durch die Welt” Hefchrieb. -Nacd der Rückkehr wurde er 1721 ats Hofrat bei der
Lindesregierung in Dresden angeftellt, Iegte aber dieſe Stelle 1727 nieder, nachdem er fchom
während feiner Unftellung fich viel mit Theologie befchäftigt und Häufige Andachtsübungen
gehalten hatte. Er war feit 1722 mit einer Gräfin Reuß von Chersdorf vermählt und hatte Im
demfelben Jahre einigen der Religion wegen aus gewanderten Mährifchen Brüdern erlaubt, ſich
auf feinem Gute Berthelsberf in der Dberlaufig anzufiedein. Die neue Colonie erhielt 1724
den Namen Herrnhut ([. d.). 3. faßte nım den Borfag, durch Umformung der Brüberficdhe
eine befondere firchliche Gemeinde für Iebendiges praftifches Chriſtenthum zu fliften, fand je
doch dabei nicht nur viele Gegner, fondern wurde auch durch die Anlegung ber Colonie ſelbſt in
große Verdrießlichkeiten verwickelt. Doch ließ er ſich durch nichts von feinem Vorhaben abwen⸗
dig machen. Im I. 1734 ging er unter angenommenem Namen nach Stralfund, ließ ſich dort
als Sandidat der Tyeolonie rraminiren und dann in Tübingen in den geifllichen Stand auf-
636 Bion Zips
nehmen. Er unternahm Bleifen in die verſchledenſten Länder, um die Glieder jeiner Gemeinde,
yon welcher bereits Mifftonen ausgingen, zu vermehren; aber nicht überall fand er gümftige
Blufnapme. Aus feinem Vaterlande wurde er 1736 durch ein Iandedherrliches Refcript wegen
feiner „Neuerungen, Conventikel, gefährlichen Principien, durch welche die obrigkeitliche Aute-
sität hintangeſetzt und ber offentliche Gottesdienſt verachtet wwerbe”, verwiefen; doch wurde das
Meist 1747 zurüdgenommen. 3. hatte ſich inzwifchen in Berlin zum Bifchof der mahriſchen
Kirche einweihen lafien, wo er auch eine Zeit lang Privatandachten in feiner Wohnung hidt,
Die fer befucht wurden. Im 3. 1739 ſchrieb er eine Art Katechismus: „Das gute Wort det
Herrn”; dann machte er eine Reife nach ben Infeln &t.-Thomas und Ste.-Groir, wo bereut
von ber Brüdergeneine Miffienen errichtet waren, um biefe vollfländiger einzurichten. Sa
Hader Abſicht reifte er 1741 nach Nordamerika, wohin ihn feine 16jährige Tochter begleitetz.
Diez fuchte er auch unter den Indianern feine Gemeinde auszubreiten. Auf feinen Reifen war
er naächſt ben sffentfichen Vorträgen, die er hielt, faft unabläffig mit Gorrefpondengen und Br
cherſchreiben beſchãftigt. Er ſchrieb über 100 Bücher. Man findet in denfelben nicht felten berr-
viele verkehrte Anfichten und anftöfige Huferungen, wozu ihn feine
Phantaſie und das Streben, originell zu fcheinen, verbunden mit Mangel an Geſchmack, vericr
teren. Ramentlich find manche feiner Lieder, die noch unverändert im alten Geſangbuche bei
Brübeigememe fichen, voll fpielender, zweibeutiger Ausbrüde; nicht minder anflöfig war
feine Lehre vom fogenannten Mutteramte des Heiligen Geiſtes. Er fühlte jedoch in ſpätern
Jahren feibfi das Nachtheilige diefer Berirrungen und bot alle Kraft feines Geiſtes auf, feine
Gemeinde auf einen beſſern Weg zu leiten. Als er 1743 nach Europa zurüdigelchrt, machte er
Eine Reife nach Lislanb, wo fich bereits Blieder feiner Gemeinde befanden ; ber weitere Eingang
im Rußland wurbe ihm jedoch auf kaiſerl. Befehl unterfagt. Dann ging er nad) Holland und
England, hielt fih in legterm Lande länger als vier Jahre auf und hatte die Befriedigung, weue
in andern Welttheilen, 3. B. in Dftindien, zu Trankebar u. f. w., entfiehen zu ſehen
Rach fo viden Wanderungen vermäblte er fich zum zweiten male mit Anna Nitſchmann, die
mit iheen Altern aus Mähren gelommen und viele Jahre Hitefte der lebigen Schiweflerz
Hermmbut gewefen war. Ex ſtarb 9. Mai 1760 zu Herrnhut. Bol. Spangenberg, „Leben
von 3.” (8 Thle., Barby 1772-75), woraus Reichel (Xpz. 1790) und Duver-
eis (Barhy 1793) Auszüge geliefert haben; I. G. Müller'd Schilderung 3.8 in ben „Be
ſſen merfwürbiger Männer” (Bd. 3); Varnhagen von Enfe, „Leben bes Grafen von
8.“ in feimen „Dentmalen” (Bd. 5, Berl. 1830). Geine Geiſtlichen Bebichte” fammelte und
fihtete Alb. Knapp (Stuttg. 1845).
Bien, Berg Sion ift der Name bes Hügels, auf welchem der fübweftliche Theil Serufalemt,
Die Davidsſtadt oder Oberflabt mit ber Burg David's lag. Jetzt gehört nur bie nörbliche- Halfte
beffelben zur Stadt, fodaf die Stabtmauer quer über ben Hügel läuft. (&. Jerufelem.) Auf
ber Weſt· und noch mehr auf ber Südſeite fallt ex fchroff in das Thal Hinnom ab biß zu eine
Ziefe von 300 F. Bei den Propheten und Dichtern des Alten Teftaments ſteht Zion gewohn-
lich in weiterer Bedeutung für ganz Serufalem (auch Tochter Sion, nad) einer poetifchen Pro
fopopöie), befonders in Beziehung auf den Xempel, daher auch Gottes heiliger Berg.
Zippe ober @ingbroffel (Turdus musicus), eine Art der Droffeln (f. d.), die in Deutid-
Iond ald Bug-, in Suͤbeuropa ald Standvogel auftritt. Sie iſt auf dem Rüden olivengrün ge
färbt, am Bauche gelblichweiß mit ſchwarzbraunen Flecken. Bur Rahrung dienen ihr Bur
mer und Inſekten; wegen ihres trefflichen Geſangs mird fie nicht felten in Käftgen gehalten.
Zips, ein Comitat bes kaſchauer Diſtriets des Königreich6 Ungarn, früher eine eigene Graf-
A ein Areal von 66 AM. ift fehr gebirgig und raub, aber gut bewäffert durch ben Pe⸗
prad, Dernad, Dunajeg u. f. w. Sie erzeugt Getreide, aber nicht in ausreichender Fige, Stadt,
Hülfenfrüchte, Hopfen und in den füblichen Thälern auch Obſt har viel Hornrich, Schafe und
lagdbare Thiere, darunter felbft Steinböde, Gemſen, Wölfe und Bären, ferner etwas Gold,
fer, Gifen und andere Metalle. Die Zahl der gröfernfheils kath. Ginmwohner beiief ſich
Fr 1 auf —8 * find theils Slowalen, rheild Deutſche und —* ihres ——
tricbſamkeit ſehr bekannt und beliebt. Haupterwerbezweige find Ackerbau
dan Bergbau, — von Leinwand, Leder und Zöpferwanren, ſowie nicht unbedentende:
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ndel. Das Rand kam wahrfcheinlich ſchon im 12. Jahrh. von Polen an Ungarn; Katie
(mund verpfändete es 1412 für 37000 Schod prager Groſchen an den König von Peler.
Siadiſſaw, Jagelle. Polen blieb num im Befig ber Grafichaft, bis fie bei der erfien heilun;
Velens an ſtreich fiel. Die 16 Bipfer Kronfüdte der Kronfledien bildeten früher einen be
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Zirbeldrüfe Zirkel 537
ſondern Bezirk, find aber jegt dem Comitat völlig einverleibt. Das Comitat zerfaͤllt in ſieben
Stuhlgerichtsbezirke. Es hat feinen Namen von dem jept verfallenen, auf einem hoben Berg
gelegenen Zipſerſchloß ober Zipferhaus, ungar. Szepes-Vär. Diefem gegenüber liegt auf einem
andern Berge das Zipfer Eapitel, beftehend aus ber uralten goth. Kathedrale, ber biſchoͤflichen
Mefidenz, dem Seminar und ſchönen Wohnungen der Domberren. Die Hauptſtadt iſt Leut-
ſchau (f. d.). Erwähnenswerth find außerdem bie Städte Kesmark ober Käsmark (f. d.) und
Schmölnig (f. d.); ferner Lubld oder Alt-Lublan, am Poprad und unweit ber galiz. Grenze,
mit 2000 E, die mit Wein und leutſchauer Meth ſtarken Handel nad Schlefien treiben, wie
auch das Waſſer des „DR. entfernten, in einem tiefen Thale gelegenen Lublauer Babes oder
des befuchten Sauerbrunnens von Ren-Lublan, welches 1400 E. zählt und elegante Babe
anftalten hat, weit verfendet wird; Igloͤ ober Meuborf, die größte und vorzüglichfte ber
16 Kronftädte, am Hernab, mit 6000 E. Eifen-, Kupfer- und Antimonbergwerken, Kupfer
hammer, Blauvitriolfabrit, Spießglanzhütte, Steingutfabrit, Leinwandweberei, Bienenzucht
und Steinbrüchen; Goͤlnitz, Bergfleden an ber Bölnig, mit 5400 E., wichtigen Kupfer - und
Eifenbergwerken, die das befte Eifen der Zips liefern, Drabtzieherei und Mefierfchmieben ; das
Dorf Groß-Schlagendborf ober Nagy⸗Szaͤlok, mit 1500 €., in deffen Nähe der befuchte Sauer-
brunnen Schmerkt oder das Karpatenbad, wie auch eine Schwefelquelle und eine Kaltwafler-
badeanftalt ſich befinden; der Bergort Altwaſſer, mit kaiferl. Schmelzhütten, wo burch das
Möften der Erze monatlich 450 Pf. Quedfilber gewonnen und bie filberbaltigen Kupfererze
eingelöft werben.
irbeldrüfe (glandula pinealis ober conarium), ein ziemlich in ber Mitte des Gehirns
liegender erbfengroßer, rundlicher Körper von fefter Gehirnſubſtanz, welcher in ſeinem Innern
zuweilen eine Höhle und in feiner Subſtanz ſandige Körnchen von derſelben Zuſammenſetzung
wie Knochen enthält, beim weiblichen Geſchlecht größer iſt als beim männlichen und von eini⸗
Philoſophen, wie Descartes, für den Sig der Seele angefehen wurde. Man findet dieſes
Degan, deffen Function noch ganz unbekannt ift, auch bei den Säugethieren, Vögeln und Am⸗
phibien, während feine Gegenwart bei ben Fiſchen noch nicht vollftändig nachgeiwiefen iſt. Die
fandigen Eoncremente, der Hirnfand, werden nur bei dem Menſchen beobachtet.
Zirbeluußbaum, Sirhelkiefer (Pinus Cembra), eine Art der Battung Kiefer (f.d.), oft
70—120 F. hoch, mit wulftiger, grauer Rinde, ſcharfen, 3 F. langen, zu fünf in einer Scheibe
ftehenden Radeln und flumpfen, eiförmigen Zapfen. Er wächft auf den Gebirgen Südeuropas.
Die faft flügellofen, füpfchmedenden Samen (Sirbelnüffe), ehedem officinell, werben gegeflen,
auch geben fie ein DL. Das weiche Holz liefert unter Anderm den betriebfamen Grödenern ben
en zu ihren mannichfaltigen Schnigwaaren. '
irkel Heißt ein zur Beichreibung eines Kreifes, außerbem zur Ausmeſſung gerader Linien
u. f. w. dienendes Werkzeug. Befondere Arten von Sirkeln find: 1) Ebarnierzirkel, bei denen
beide Schenkel durch ein Gewinde oder Charnier zufammenhängen, wie bei den gewöhnlichen,
in den Reißzeugen ober geometrifchen Beftedden befindlichen Zirkeln. Dahin geboren auch bie
Bogenzirkel, bei denen mit dem einen Schenkel ein Kreisbogen verbunden iſt, der durch ein
Loch ded andern Schenkels geht und an demſelben feftgefchraubt werben kann; die Haarzirkel,
bei welchen der eine Schenkel mittels einer Heinen Schraube um eine fehr geringe Weite vor- oder
zurückgerückt werben kann, ohne baf man beshalb das Kopfgewinde bed Zirkels in Bewegung
zu fegen braucht; endlich die Doppelzirkel mit feflem oder beweglichen Gewinde. Bei denen
ber erftern Art ift in der Regel das eine Schenkelpaar boppelt fo groß als das andere, folglich
auch der Abſtand der Schenkelfpigen bei jenem doppelt fo groß als bei biefem, fobaß ein folcher
Zirkel zum Halbiren oder Verboppeln von gegebenen Linien gebraucht werben kann. 2) Yeber-
zirkel, bei denen beide Schenkel (von denen der eine mit einer Schraube verbumden ift, bie durch
ein Loch bed andern geht) durch eine bogenformige ftählerne Feber zufammenhängen. 3) Stan-
genzirkel, bei denen beide Schenkel durch eine (metallene oder hölzerne) Stange verbunden find
und fich auf derfelben verfchieben, mitteld Schrauben aber feftftellen laffen. 4) Dick, Greif-
ober Taſterzirkel, welche dazu bienen, bie Dice von Eylindern und andern Körpern zu meſſen,
und deren Schenkel ſtark auswärts gekrümmt find. 5) Die Hoblzirkel, welche dazu dienen,
ben Durchmeffer von Höhlungen zu meffen und gewöhnlich aus Schenfeln beftehen, deren En-
ben rechtwinkelig auswärts gebogen find. 6) Mikrometerzirkel, welche ein genommene: Maf
vergrößert barftellen unb von fehr verfchiedener Einrichtung fein können. Nur uneigentlich wird
zu den Birkeln gerechnet 7) der Bropsrtionalzirkel, aus zwei gleichen Linealen beftchenb, bie
wie die Schenkel eines Zirkels miteinander verbunden und um einen Punkt beweglich finds; or
636 Bion Zips
nehmen. Gr unternahm Reifen in die verſchledenſten Länder, um die Glieder ſeiner Gemeinde,
von welcher bereits Miffionen ausgingen, zu vermehren; aber nicht überall fand er gimflige
Aufnahme. Aus feinem Baterlande wurbe er 1736 durch ein Iandesherrliches Nefcript wegen
feiner „Neuerungen, Gonventitel, gefährlichen Principien, durch welche die obrigkeitliche Auto⸗
rität hintangefegt und ber öffentliche Gottesdienſt verachtet werbe”, verwiefen; doch wurde das
Reſcript 1747 gurüdgenommen. 8. hatte ſich inzwifchen in Berlin zum Bifchof der mährifchen
Kirche einmweihen laffen, wo er auch eine Zeit ang Privatandachten in feiner Wohnung hielt,
die fehr befucht wurden. Im 3. 1739 fchrieb er eine Art Katehismus: „Das gute Wort des
Herrn“; dann machte er eine Reife nach den Infeln St.-Thomas und Ste.-Croir, wo bereits
von der Brüdergemeine Miffionen errichtet waren, um dieſe vollftändiger einzurichten. In
gleicher Abſicht veifte er 1741 nach Norbamerika, wohin ihn feine 16jährige Tochter begleitete.
Hier fuchte er auch unter den Indianern feine Gemeinde auszubreiten. Auf feinen Reifen war
er nächft den öffentlichen Vorträgen, die er Hielt, faft unabläffig mit Correſpondenzen und Bi
cherſchreiben beichäftigt. Ex fchrieb über 100 Bücher. Dan findet in denfelben nicht felten hert⸗
liche Stellen, aber auch viele verkehrte Anficgten und anftößige Außerungen, wozu ihn feine
Phantafie und das Streben, originell zu fcheinen, verbunden mit Mangel an Geſchmack, verlei-
teten. Namentlich find manche jener Lieder, die noch unverändert im alten Geſangbuche der
Brübergemeine ftehen, voll fpielendber, zweideutiger Ausbrüde; nicht minder anflöfig war
feine Lehre vom fogenannten Mutteramee bes Heiligen Geiſtes. Gr fühlte jedoch in fpätern
Jahren felbft das Nachtheilige diefer Berirrungen und bot alle Kraft feines Geiſtes auf, feine
Gemeinde auf einen beffern Weg zu leiten. Ws er 1743 nach Europa zurüdgetehrt, machte er
eine Reiſe nach Livland, wo fich bereitd Glieder feiner Gemeinde befanden ; ber weitere Eingang
in Rußland wurde ihm jedoch auf kaiſerl. Befehl unterfagt. Dann ging er nach Holland und
England, hielt fich In legterm Lande Länger als vier Jahre auf und hatte die Befriedigung, neue
Miffionen in andern Welttheilen, 3. B. in Oftindien, zu Trankebar u. f. w. entſtehen zu fehen.
Nach fo vielen Wanderungen vermählte ex fich zum zweiten male mit Anna Nitſchmann, bie
4725 mit ihren Ultern aus Mähren gekommen und viele Jahre Ültefte der Iedigen Schweflern
zu Herrnhut gewefen war. Er ftarb 9. Mai 1760 zu Herrnhut. Vgl. Spangenberg, „Leben
des Grafen von 3.” (8 Thle, Barby 1772-75), woraus Reichel (2pz. 1790) und Duver
nois (Barby 1795) Auszüge geliefert haben; I. G. Müller's Schilderung 3.'6 in den „Be
Senntniffen merfwürbiger Männer” (Bd. 3); Varnhagen von Enſe, „Leben bes Grafen von
8." in feinen. „Dentmalen” (Bd. 5, Berl. 1830). Seine „Seiftlichen Gedichte” ſammelte und
ſichtete Alb. Knapp (Stuttg. 1845).
Zion, Berg Sion ift der Name bes Hügels, auf welchem der ſüdweſtliche Theil Jerufalems,
bie Davidsſtadt oder Oberflabt mit der Burg David’6 lag. Jetzt gehört nur bie nördliche Hälfte
beffelben zur Stadt, ſodaß die Stadtmauer quer über den Hügel läuft. (&. Ierufalem.) Auf
der Wefl- und noch mehr auf der Südfeite fällt er fchroff in das Thal Hinnom ab bis zu eines
Kiefe von 500 F. Beiden Propheten und Dichtern des Alten Teftaments fieht Zion gewöhn⸗
lich in weiterer Bedeutung für ganz Serufalem (auch Tochter Sion, nach einer poetifchen Pro»
fopopöie), befonders in Beziehung auf den Tempel, daher auch Gottes heiliger Berg.
Zippe oder Singdroffel (Turdus musicus), eine Art der Droffeln (f. d.), die in Deutſch⸗
land als Zug⸗, in Südeuropa als Stanbvogel auftritt. Sie iſt auf dem Rüden olivengrün ge
farbt, am Bauche gelblichweiß mit ſchwarzbraunen Flecken. Zur Nahrung dienen ihr Wür⸗
mer und Infekten ; wegen ihres trefflichen Geſangs wird fie nicht felten in Käfigen gehalten.
Zips, ein Comitat bed kaſchauer Diſtriets bed Königreich6 Ungarn, früher eine eigene Graf
ſchaft, Hat ein Areal von 66 AM. ift fehr gebirgig und taub, aber gut bewäffert durch den Po-
prab, Dernad, Dunajeg u. ſ. w. te erzeugt Getreide, aber nicht in ausreichender Menge, Stab,
Hülfenfrüchte, Hopfen und in ben füblichen Thälern auch Oft, hat viel Hornvieh, Schafe und
jagbbare Thiere, Darunter felbft Steinböde, Gemfen, Wölfe und Bären, ferner etwas Gold,
Kupfer, Eifen und andere Metalle. Die Zahl der größerntheils kath. Einwohner befief ſich
1851 auf 169547. Sie find theild Slowaken, eheild Deutfche und wegen ihres Fleißes und
ihrer Betriebfamteit fehr bekannt und beliebt. Haupterwerbszweige find Aderbau und Vieh⸗
ut, Bergbau, Fertigung von Leinwand, Leber und Töpferwaaren, fowie nicht unbebeutender
udel. Das Land kam wahrſcheinlich ſchon im 12. Jahrh. von Polen an Ungam; Kaifer
Sigismund verpfändete es 1412 für 37000 Schock prager Groſchen an den König von Polen,
Wladiſlaw, Jagello. Polen blieb nun im Befig der Graffchaft, bis fie bei der erflen Theilung
Volens an Oſtreich fiel. Die 16 Sipſer Kronftädte ober Kronflecken bildeten früher einen be
Zirbeldräüfe Zirkel 537
fondern Bezirk, find aber jegt dem Comitat vollig einverleibt. Das Komitat zerfällt in fieben
Stuhlgerichtsbezirke. Es hat feinen Namen von dem jegt verfallenen, auf einem hoben Berg
gelegenen Zipſerſchloß ober Zipferhaus, ungar. Szepes-Vär. Diefem gegenüber liegt auf einem
andern Berge das Zipfer Eapitel, beftehend aus ber uralten goth. Kathebrale, der bifchöflicyen
Mefidenz, dem Seminar und [hönen Wohnungen ber Domberren. Die Hauptftadt ift Leut⸗
ſchau (f. d.). Erwähnenswerth find außerdem die Städte Kesmark oder Käsmark (f. d.) und
Schmölnig (f. d.); ferner Lubld oder Alt-Lublau, am Poprad und unmeit ber galiz. Grenze,
mit 2000 €., die mit Wein und leutfchauer Meth ftarken Dandel nach Schlefien treiben, wie
auch das Waſſer des „M. entfernten, in einem tiefen Thale gelegenen Lublauer Babes oder
bed befuchten Sauerbrunnens von Neu⸗Lublau, welches 1400 E. zählt und elegante Bade
anftalten bat, weit verfendet wird; Igloͤ oder Meuborf, die größte und vorzüglichfte ber
46 Kronftädte, am Hernad, mit 6000 E., Eifen-, Kupfer- und Antimonbergwerfen, Kupfer
hammer, Blauvitriolfabrit, Spießglanghütte, Steingutfabrit, Leinwandweberei, Bienenzucht
und Steinbrüchen; Gölnig, Bergfleden au der Bölnig, mit 5400 E., wichtigen Kupfer - und
Eifenbergwerken, die das befte Eifen ber Zips Tiefern, Drahtzicherei und Mefferfchmieben ; das
Dorf Groß⸗Schlagendorf oder Nagy⸗Szaͤlok, mit 1500 E., in deffen Nähe ber befuchte Sauer⸗
brunnen Schmerks oder dad Karpatenbad, wie auch eine Schwefelquelle und eine Kaltwaſſer⸗
badeanftalt fich befinden; der Bergort Altwaſſer, mit kaiſerl. Schmelzhütten, wo durch das
Möften der Erze monatlich 150 Pf. Queckſilber gewonnen und die flberbaltigen Kupfererze
eingelöft werden.
irbeldrüfe (glandula pinealis oder conarium), ein ziemlich in der Mitte des Gehirns
liegender erbfengroßer, rundlicher Körper von fefter Gehirnſubſtanz , welcher in feinem Innern
zuweilen eine Höhle und in feiner Subſtanz fandige Koͤrnchen von berfelben Zufammenfegung
wie Knochen enthält, beim meiblichen Geſchlecht größer ift als beim männlichen und von eini-
gen Philoſophen, wie Descartes, für den Sig der Seele angefehen wurde. Man findet diefes
rgan, beffen Function noch ganz unbekannt ift, auch bei den Säugerhieren, Vögeln und Am⸗
phibien, während feine Gegenwart bei den Fifchen noch nicht vollftändig nachgewiefen iſt. Die
fandigen Eoncremente, der Hirnfand, werden nur bei bem Menfchen beobachtet.
Zirbelnußbaum, Zirdelkiefer (Pinus Cembra), eine Art der Gattung Kiefer (f.d.), oft
70—120 $. hoch, mit wulftiger, grauer Rinde, fcharfen, 3 F. langen, zu fünf in einer Scheibe
ftehenden Nadeln und flumpfen, eiförmigen Zapfen. Er wächft auf den Gebirgen Südeuropas.
Die faft flügellofen, füßfhmedenden Samen (Zirbelnüſſe), ehedem officinell, werben gegeflen,
auch geben fie ein OL Das weiche Holz liefert unter Anderm den betriebfamen Gröbdenern den
en zu ihren mannichfaltigen Schnigmwaaren.
irkel heißt ein zur Beichreibung eines Kreifes, außerdem zur Ausmeſſung gerader Linien
u. f. w. dienendes Werkzeug. Beſondere Arten von Zirkeln find: 1) Eharnierzirkel, bei benen
beide Schenkel durch ein Gewinde oder Charnier zufanımenhängen, wie bei den gewöhnlichen,
in ben Reißzeugen ober geometrifchen Befteden befindlichen Zirkeln. Dahin gehören aud bie
Bogenzirkel, bei denen mit dem einen Schenkel ein Kreisbogen verbunden iſt, der burch ein
Loch des andern Schenkels geht und an bemfelben feftgefchraubt werben kann; bie Haarzirkel,
bei welchen der eine Schenkel mittels einer Heinen Schraube um eine fehr geringe Weite vor⸗ ober
zurückgerückt werben kann, ohne daß man deshalb dad Kopfgewinde des Zirkel in Bewegung
zu fegen braucht ; endlich die Doppelzirkel mit feſtem oder beweglichem Gewinde. Bei denen
der erftern Art ift in der Negel das eine Schenkelpaar boppelt fo groß als das andere, folglich
auch der Abfland der Schenkelfpigen bei jenem doppelt fo groß als bei diefem, ſodaß ein folcher
Zirkel zum Halbiren oder Berboppeln von gegebenen Linien gebraucht werden kann. 2) Feder⸗
zirkel, bei denen beide Schenkel (von denen ber eine mit einer Schraube verbumben iſt, die durch
ein Zoch des andern geht) durch eine bogenfürmige flählerne Feder zufammenhängen. 3) Stan»
genzirkel, bei denen beide Schenkel durch eine (metallene oder hölzerne) Stange verbunben find
und fich auf derfelben verfchieben, mitteld Schrauben aber feftftellen lafien. 4) Did-, Greif
ober Tafterzirfel, welche bazu dienen, die Dicke von Cylindern und andern Körpern zu meflen,
umb deren Schenkel ſtark aufwärts gefrümmt find. 5) Die Hoblzirkel, welche dazu dienen,
den Durchmeffer von Höhlungen zu meffen und gewöhnlich aus Schenkeln beftchen, deren En-
den rechtwinkelig auswärts gebogen find. 6) Mikrometerzirkel, welche ein genommene: Maf
vergrößert barftellen und von fehr verfchiebener Einrichtung fein können. Nur uneigentlich wird
zu den Zirkeln gerechnet 7) der Broportionalzirkel, aus zwei gleichen Linealen beftehend, die
wie die Schenkel eines Zirkels miteinander verbunden und um einen Punkt beweglich find; aus
538 Zirknitzerſee Ziska
dieſem find auf beiden Linealen gerade Linien gezogen, welche nach verſchiedenen Verhälmiffen
eingetheilt find und ale Maßftäbe dienen. Der Gebrauch deffelben beruht auf der Lehre von ber
Ahnlichkeit der Dreiede.
Sn erfee, ſ. Czirknitzerſee.
irkonium iſt ein Metall, das mit Sauerſtoff verbunden als Zirkonerde in dem Mineral
Zirkon ſich findet. Es erſcheint als ein ſchwarzes, beim Zuſammendrücken unter bean Poli
ſtahle graphitartig ausſehendes Pulver, das ſich an ber Luft weit unter ber Glühhite entzündet
und zu Zirkonerde verbrennt. Letztere verbindet ſich mit den Säuren zu den Zirkonerdeſalzen.
Ziska (Johann), der Feldherr der Huffiten, ſtammte aus einem adeligen böhm. Be
ſchiechte ımd wurde um 1360 auf einem feinen Hltern gehörenden Meierhofe zu Trocznow,
in der fegt fürſtlich Schwarzenberg’fchen Herrfchaft Forbes (Boromany) im budweifer Kreife,
ber Sage nach im Freien unter einer Eiche geboren. Als Knabe verlor er das rechte Auge, hieß
aber nicht deshalb, wie man fälfchlich behauptet hat, Ziska (Zizka), welches fein Befchlechts-
name war und nach ihm die Bedeutung des Einäugigen erhielt. Er kam als Page an ben Hof
bes Königs von Böhmen, Wenzel’s IV., und wurde bafelbft fpäter Kämmerer. Bon Jugend
auf zeigte er viel Beiftesanlagen, aber auch einen düftern Hang zur Einſamkeit. Zuerſt trat er
als Krieger auf unter der Schar ber Freiwilligen, welche aus Böhmen und Ungarn bem
Deutfchen Orden gegen bie Polen und Lithauer zu Hülfe zogen. Dier nahm er Theil an dem
Treffen bei Tannenberg, 15. Juli 1410, in welchem der Orden, der fehon den Sieg errungen zu
haben glaubte, eine große Niederlage erlitt; dann an Kriegen der Ungarn wider bie Türken
und mit den Engländern gegen die Franzofen an ber Schlacht bei Azincourt 1445. Nach feir
ner Ruͤckkehr blieb er an dem Hofe des Königs Wenzel. Das Miövergnügen eines großen
Theils der böhm. Nation über das Schickſal des Huß (f. d.) und Hieronymus (f.d.) ergriff auch
ihn, und da Wenzel anfing, durch feinen Bruder beftürmt, die Huffiten zu verfolgen, und ſich
3. fo am Hofe nicht mehr ſicher fühlte, floh er nad feiner Geburtsgegend, erforfchte dort die
GSefinnungen des Volkes und kehrte bald darauf mit großen Planen wieder nach Prag zurũck.
Schon war Hier Niklas von Huffinecz an die Spige ber Aufrührer getreten, und vergebene
verlangte der König Wenzel von den Bürgern, bie Waffen auszuliefern. Da führte fie 3. 15.
April 1418 bewaffnet auf das Schloß ımd bat ben König, er wolle gnäbigft die Feinde des
Baterlandes nennen, gegen bie die ftet6 gehorfame und treue Bürgerfchaft ziehen folle. Dadurch
eingefchüchtert entließ Wenzel bie vor ihm Erfchienenen. Bon nun an galt 3. für das Haupt
dee Huffiten (f. d.). Bei einem Aufzuge 50. Juli 1419 traf den Prieſter der eine Proceſſion
abhaltenden Huffiten ein Steinwurf. Alsbald flürnten fie das Rathhaus und warfen 13
Rathsherren unter die Spieße des Volkes. König Wenzel ftarb vor Schred? über dieſen Bor-
fall; fein Bruder und Nachfolger, Kaifer Sigismund, hatte weder Muth noch Waffenmacht,
fogleich die Regierung in Böhmen zu übernehmen, und dadurch gewann 3. Zeit, feine Streit.
Präfte zu organifiren. Vorfichtig genug zog er fich anfangs von Prag nad) Pilfen zurüd. Als
jedoch Sigismund die Anhänger der neuen Lehre mit Feuer und Schwert zu verfolgen begann,
traten die Huffiten zu einem Landtag zufanımen, fchloffen Sigismund förmlich von der Krone
Böhmen aus und ſchwuren, ihn nie ald König anzuerfennen. Eie legten Feftungen an, und 3.
ließ auf dem Berge Tabor eine Stadt bauen, wovon bie Huffiten den Namen Taboriten erhiel-
ten. Er befeftigte bie neue Stadt auf eine Art, bie feiner Einficht in die Kriegswiſſenſchaft
Ehre machte. Auch fchreibt man ihn den vortheilhaften Gebrauch der Wagenburg zu, durch
welche er, bei gänzlihem Mangel an Reiterei, fein Fußvolk gegen die feindlichen Angriffe
ficherte, In kurzer Zeit hatte er feinen fchlecht bewaffneten und ungezügelten Haufen zu einem
Heer gebildet, dem man nicht wibderftehen zu können glaubte. Einige glückliche Gefechte, die er
Tieferte, verfchafften ihm beffere Waffen und Pferde zu einer Neiterei. Nun begann ein gere-
gelter Krieg gegen Kaifer Sigismund, der Böhmen von einem Ende zum andern vermüftete,
weil 3. gar oft dem wilden Ungeftüm feines fanatifchen Haufens nachgeben mußte. Um Prag
gegen den Kaifer Sigismund, der mit einem großen beutfchen Kreuzheer anrüdte, zu vertheidi-
gen, begab ſich 3. dahin und verfchanzte fich auf dem Berge Witkow. Mit 4000 M. fchlug er
bier 14. Juli 1420 die wiederholten Stürme von 30000 M. zurüd, und jener Ort Heißt deshalb
noch jegt der Ziskaberg. Geldmangel, ben der Kaifer nur zu oft fühlte, machte, daß der ganze
Feldzug fruchtlos blieb. Im J. 1421 eroberte 3. das Schloß zu Prag und befam dadurch bie
vier erflen Kanonen, bie feit der Erfindung des Schießpulvers nach Böhmen gekommen, in feine
Gewalt. Bon diefer Zeit an wurden Kanonen fowie das Meine Gewehrfeuer, welches legtere
jedoch anfangs nur Wdelige fich anfchaffen konnten, bei den Huffiten und bei den Heeren ihrer
— — — —
Zither Zittau 539
Gegner gewoͤhnlich. 3. fegte feine Streifzüge in Böhmen fort, eroberte mehre fefte Städte, ge»
wöhnlih durch Sturm, und behandelte bie Befiegten mit Grauſamkeit. Nach dem Tode des
Niklas von Huſſinecz 1421 erkannten ihn alle Huffiten als ihr Oberhaupt an, doch ließ ex dem
König von Feen die böhm. Krone anbieten. Durch unglaublich ſchnelle Märfche kam er überall
feinen Feinden zuvor. Bei der Belagerung des Schloffes Raby verlor er durch einen Pfeil-
ſchuß auch fein zweites Auge. Jegt ließ er fich bei den Gefechten auf einem Karren fahren, fo-
daß er von feinen Leuten gefehen werden konnte, und nach ber Beſchreibung, die man ihm von
der Gegend machte, orbnete er die Stellung bes Heeres an. Er hatte eine fogenannte unüber⸗
windliche Brüberlegion, mit welcher er gewöhnlich den Ausgang der Schlacht entfchied. Ein
beträchtliches Heer, das Kaifer Sigismund aufs neue wider ihn ſchickte, fchlug er bei Deutſch⸗
brod 18. Jan. 1422 und drang in demfelben Jahre felbft in Mähren und Dfeie ein. Als
hierauf die Prager feinem Willen nicht gehorchten, demüthigte fie der blinde Heeresfürft durch
mehre Niederlagen. Nur ein mal, bei Kremfier in Mähren, mußte er weichen; es war dies das
einzige mal, daß er im offenen Felde geſchlagen wurde. Sigismund bot ihm enblich die Statte
balterfchaft von Böhmen an mit großen Vortheilen, wenn ex fich für ihn erflären wolle. Wäh⸗
rend der Unterbandlungen aber überfiel ihn, als er Przibislaw im czaslauer Kreife belagerte,
eine peftartige Krankheit, an welcher er 12. Det. 1424 ftarb. Die über diefen Verluft rafenden
Zaboriten erftürmten die Stabt, hieben Alles nieder und verbrannten den unglüdlichen Drt.
3. hatte 135 Schlachten gewonnen und in mehr als 100 Gefechten gefiegt. Von feinem Cha⸗
after, feiner Grauſamkeit weiß bie fpätere Gefchichte nicht Schreckliches genug zu berichten;
boch geht aus allen feinen hiftorifch fihergeftellten Thaten hervor, daß ihn eine höhere Idee lei⸗
tete und nur das Werkzeug, dab er zu ihrer Verwirklichung anwendete oder vielmehr anwenden
mußte, ein beil- ımb zügellofes war. Er wurde in ber Kirche zu Czaslau begraben und fein
Lieblingegewehr, ein eiferner Streitkolben, über feinem Grabmal aufgehangen. Das Grabmal
felbft wurde 1623 auf kaiſerlichen Befehl gbgebrochen und 3.6 Gebeine fortgefchafft. Bol.
Millauer, „Dipfomatifch-hiftorifche Auffäge über Joh. 3.” (Prag 1824).
Zither Heißt ein ſchon im früheften Alterthume befanntes und weit verbreitetes Saitenin«
firument, welches mit der ebenfalls gebräuchlichen und verwandten Lyra (f.d.) nicht vermechfelt
werden barf. Bei den Griechen beftand nämlich die Kithara aus einem Griffbret; fie war
wahrfcheinlich mit fünf Saiten bezogen und wurde mit bem Plektrum (f. d.) gefpielt oder ge-
ſchlagen. Die gewöhnliche Stellung berfelben war, wie wir fie auf alten Denkmälern fo oft er-
bliden, beim Spiele fo, daß der Steg gegen das Geſicht aufrecht gekehrt war, der untere Theil
aber, wo fich die beiden gebogenen Enden oder Hörner vereinigten, auf dem Elnbogen des linken
Arms rubte. Daher konnte man fie nur entweder figend oder indem man fie auf etwas auf
ftügte, fpielen. Diefenigen, welche fie fpielten, nannte man Kithariſten, und die zugleich dazu
fangen, Kitharöden. Die Erfindung und den erſten Gebrauch derfelben fchreibt die Sage dem
. Ampbion zu, während Andere ihren Urfprung von den Hebräern ableiten, wobei vielleicht
eine Vertauſchung mit der Darfe (ſ. d.) fattfindet. Die neuere, zum Theil noch jegt in Tirol
und bei den beutfchen Bergleuten gebräuchliche Zither ift ein von Holz flach gebautes Inſtru⸗
ment mit flacher Reſonanzdecke und Schallloch, einer ungefähr zwei Zoll hohen Zarge, langem
Halt mit Briffbret und flahem Boden. Aus der Zither der Alten find das Dadebret (f. d.) und
die Guitarre (f. d.) hervorgegangen.
Zittau, ehedem die dritte unter den Sechsſtädten der Oberlaufig, jetzt die volkreichfte Stadt
ber Kreisdirection Budiffin, am linken Ufer der Mandau, die unweit der Stadt in die Neiße
fälle, zähle 11000 E., die, mit Ausnahme von 180 Katholiten, ber protefl. Kirche angehören
und fich von Handel und Gewerbe nähren. Als Hauptfächlichfte Handelsartikel find zu nennen:
Teinene und baumwollene Dofenzeuge, Leinwand, Damaft, Orleans u. f. w, welche in den Fa⸗
briten ber Stadt und von den Webern der umliegenden Dörfer gefertigt werden. Nicht unbe
deutend iſt ferner der Zranfitohandel mit Sarnen und Colonialwaaren in das nahe Bohmen.
In den Vorfläbten und der Umgegend finden ſich viele Bleichen und Färbereien und Mühlen,
darunter eine Papier, mehre DI- und Schneibemühlen umd zwei @ifengießereien. Die mädhti-
gen Braunkohlenlager in der Nähe der Stadt befchäftigen gegen 1000 Menfchen. Die Stadt,
welche in Folge eines Bombarbements durch bie Öftreicher 23. Juli 1757 faft ganz und gar
abbrannte, ift geſchmackvoll gebaut und gewährt durch ihre neun Thürme, Fabriken, freundlichen
Gebäude und herrliche Umgebung einen angenehmen Anblick. Schöne Promenaden, reich an
Baum⸗ und Blumenpflanzungen, umgeben die Stadt, und zahlreiche Gärten, deren Befiger
einen ſtarken Handel mit Gartengemächfen und Gemüfen treiben, füllen die Borftäbte. Unter
50 Zimmtbaum Bingg
Huf, 1787). Katharina IL. Tieß ihm einen ehrenden Ruf an ihren Hof zukommen, bem er fe
doch ablehnte. Auch Friedrich d. Gr. berief ihn in feiner legten Krankheit; doch haben 3.’ ba
durch veranlaßte Schriften über diefen Monarchen, z. B. „Uber Friedrich d. Gr. und mein
Unterredung mit ihm fur, vor feinem Tode” (Rpz. 1788), „Bragmente über Friedrich d. Er.
(3 Be, Lpz. 1790) u. |. w., nicht zu ded Verfaſſers Ruhm gedient. Am beftigfien trat de⸗
mals Bahrdt gegen ihn auf, worauf das Pasquill „Dr. Bahrdt mit der. eifernen Gtin“
erfchien, welches 3. rächen follte, feine Ruhe aber aufs ſchmerzlichſte flörte. Dies und ferr
wahrende Kränklichkeit, in Verbindung mit einer leidenfchaftlichen Empfindlichkeit, trübte
feine Anficht von ber Welt und bem Leben nach und nach fo fehr, daß er fich durch feine legten
Schriften faft um den Ruhm brachte, in welchem er früher mit Recht geftanden hatte. Ex
ftarb 7. Dct. 1795. Vgl. Wichmann, „Z.'6 Krankengefchichte” (Dannov. 1786) und „Zt
Briefe an einige feiner Freunde in der Schweiz” (Marau 1830).
Zimmtbaum (Cinnamomum), eine Gattung aus der Familie der Lorbergewächſe mit ziem-
fich gegenfländigen Blättern und leberartigen, fechöfpaltigen Blütenbüllen, die Blüten in end
oder achfelftändigen Rispen tragend. Unter den vielen den heißen Gegenden angebörigen Arıcı
find befonders bemerkenswerth der ceplanifche Simmt (C. Ceylanicum), ein 30 F. hoher, 1.
F. dider Baum mit graubraumer, innen gelbrotber Rinde und graufeibigen, innen gelbgrünen
Blüten. Die Blätter find eilänglih, mit kurzer, flumpfer Spige, bie Frucht eine einſamige,
grüne, fpäter rothe, zulegt braune Beere. Er wird hauptſaͤchlich und am beften auf Ceylon, aber
auch im tropifchen Amerika gebaut. Der Baft nebft der innern Rindenſchicht ber drei- bis funt-
jährigen Äfte umd Stämmchen gibt getrocknet und in fußlange, papierbünne Röhren gewicken
beren mehre ineinander gefenkt find, den feinen oder ceylanifchen Zimmt, ber feinen eigenthünm-
lichen, gewürzhaftearomatifchen Geruch und Geſchmack dem ätherifchen Zimmtöle verbaut,
das aus Abfallen der Rinde zu medicinifchen Sweden beftillirt wird. Außer feiner befannte
Verwendung ald Küchengewürz dient er auch al6 Arzneimittel. In den Handel tommt er meif
in centnerfchweren Ballen. Zimmtlorber heißt die wilde Barietät derfelben Art. Der Eaf:
flenzimmt (C. Cassia), von ber vorigen Art befonders durch elliptifch-fpigliche, in der Jugend
graufilzige Blätter unterfchieden, wächſt in China und Cochinchina und liefert den indiſcher
oder chineſtſchen Zimmt, auch Zimmteaſſie genannt. (S. Eaffie.) Die fogenannten Bimmitblu-
ten find die Beinen, unreifen, noch von der Blütenhülle umgebenen Früchte des Eaffiengimmt;
fie kommen in Geſchmack und Wirkungen mit dem Zimmt überein, find jedoch etwas fchärfer.
Zingarelli (Ricolo), ein berühmter Componiſt, der legte Spröfling einer alten neapel
Kunftfchule, geb. zu Nom 4. April 1752, fudirte die Muſik im Conſervatorium zu Lorere.
Als er das Gonfervatorium verließ, erhielt er die Kapellmeifterfielle zu Torre bel! Yunımziats.
Im J. 1781 componirte er für das Theater San ˖ Carlo in Neapel die Oper „Montezuma“ unt
1785 für die Scala zu Malland bie „Alzinda”, die, in leichter, einfacher Manier gefchrieben, vir-
len Erfolg hatte. Seitdem fehrieb er für alle ital. Bühnen, befonder aber für Mailand md
Benebig. Seine beften Arbeiten find bie Opern „‚Pirro“, „Artaserse” und „Romeo e Giulietia“,
bie Buffa „Il mercato di Monfregosa“, „Il Conte di Saldagna”, „La secchia rapita“” und „ll
ritratto” und die beiden trefflichen Oratorien „La Gerusalemme liberata” und „I irionſo dı
Davide”. Im 3.1789 war 3. in Paris, wo er feine Oper „Antigone” aufführte, die aber we:
gen der bamaligen Unruhen nur zwei Vorftellungen erhielt. Nach feiner Rückkehr nach Iraken
widmete ex ſich ganz ber Kirchenmuſik. Nach Guglielmi's Tode wurde er 1806 ale Dire
ter der vaticanifchen Kapelle nach Rom berufen. Weil er in Rom fich geweigert hatte, ein Te
Deum auf die Geburt bed Königs von Rom aufzuführen, ef ihn Napoleon nach Paris fobern:
doch nahm er ihn bei feiner Ankunft in Paris fehr freundlich auf, und 3. bewies nun Die größte
Ergebenheit für die Familie des Kaifers. Er componirte in Paris eine Meffe, einige Berfe dei
„Stabat mater”, worauf ihn Napoleon 1812 zum Director bed neuerrichteten Gonfernate
riums in Rom und hernach zum Kapellmeifter an der Peterskirche ernannte. Doc ſchon 1815
mußte er auf Napoleon's Befehl Rom verlaffen und ſich als Director des neuen Conſervato
riums nach Neapel begeben. Seit dieſer Zeit führte er ein mönchiſches Leben. Er ſtarb zu Ree
pel 5. Mai 1837. Auf den Tod des Könige Murat componirte er eine Cantate, deren Gyear
plate aber nachher von der neapol, Polizei weggenommen wurden. 3. brang tiefer als feine
lüngern Zeitgenoffen in da6 Weſen des Gefangs ein, daher wahre Sänger feine Werke jdayen
unb fie wegen ihres ausdrucks vollen Geſangs gern vortragen.
Zingg (Adrian), Kupferftecher, geb. zu &t.-Ballen 34. April 1754, bildete fich unter Wille
zu Paris zum Kupferſtecher aus und nahm jene reinliche Zeichnung an, die alle feine Hervor⸗
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Zink 531
bringungen fo gefällig macht. Im J. 1766 wurds er Lehrer an ber Kunſtakademie u Dres⸗
den, und eine Menge Landſchaften in allen Größen beweift, wie fehr er in den Charakter der
Gegenden, wo er num lebte, eingedrungen. Vorzüglich gefielen feine Anſichten mit radirten Um»
riffen, die, aufs fauberfle mit Sepia fchattirt und angefärbt, durch die Beftimmtheit ber For⸗
men und eine glüdliche Anordnung der Vorgründe fich auszeichnen. Gin fehr fleifiger Mann,
trieb er mit feinen Landfchaften ein fehr einträgliches Gelchaft. Da bei ihm Alles Far und mit
dem hellſten Sonnenfchein beleuchtet baliegt, fo werben feine Blätter in den Schulen noch im
mer mit dem beften Erfolge gebraucht, obgleich von einer tiefern Bedeutung ber Landſchaft bei
ihm feine Ahnung ift. Eine vollftändige Sammlung feiner Werke erfchien in Leipzig 1804—6.
Sein „Zeihenbuch” in drei Heften iſt in Driginalabdrüden jegt ziemlich felten. Mit feinem
Landsmann und Freunde Ant. Graff (f. d.) lebte er in ſchweizeriſcher Herzlichkeit verbunden
und ftarb 26. Mai 1816.
Zink, Spiauter oder Spelter heißt ein techniſch äußerſt wichtiges Metall von blaulich-
weißer Farbe und blätterig-Tryftallinifchem Bruch, das, an ber Zuft raſch anlaufend und fi mit
einer weißlichgrauen Oxydſchicht bededdend, ein fpec. Gewicht — 7 hat und bei 360° E. fchmelz-
bar, in der Kälte und Hige fpröde, nur bei 120 — 150° Hämmerbar und dann auch des Walzens
u Blech und des Ziehens zu Draht fähig, in großer Hige flüchtig und vollſtändig deftillirbar iſt.
Sn Säuren löft ſich das Zink leicht auf unter Zerfegung des mit der Säure verbundenen Waſ⸗
ſers und Entwidelung von Wafferftoffgas, daher feine Anwendung in den Platinfeuergeugen
u.f.w. Beim Erhigen an der Luft verbrennt es zu einem weißen, in leichten Flocken umher⸗
fliegenden Oxyd (Weißes Nichts, Lana philosophica), welches theils in der Medicin, befonderd
zu Yugenfalben, theils zu Emailfarben und in der Porzellanmalerei, theils ftatt des Bleiweißes
unter dem Namen Zinkweiß als Anftrihfarbeu. ſ. w. benugt wird. Das unreine Zinkoxyd führt
denNamen Tutia. Die Verbindung des Zinkoxyds mit Schwefelfäure, ber Zinkvitriol, welcher
such natürlich vorkommt und duch Röften des natürlichen Schwefelzinks (Jinkblende) und Aus⸗
faugen der geröfteten Maſſe dargeftellt werben Bann, wird nur wenig in ber Medicin, Zeug-
bruderei u. f. w. angewendet ; im reinen Zuftande bildet es farblofe Kryftalle. Das Eplorzin?
ober falzfauere Zinkoryd, das man durch Auflöfen von Zink in Salzfäure und Berdampfen der
Flüſſigkeit erhält, wird zum Eonferviren des Holzes und anflatt der engl. Schwefelfäure in den
Gewerben häufig angewendet. Das Zink tommt in der Ratur nicht gediegen, fondern entweder
als Galmei (kohlenfaueres und Biefelfaueres Zinkoxryd) oder ald Blende (Gchwefelzin?) vor.
Befonders aus erfterm wird es (namentlich in Schlefien und in Belgien) gewonnen, indem man
das Erz in Deſtillirapparaten mit Kohle erhigt, wobei das Zink in die kalt gehaltenen Vorlagen
überbeftillirt. Neuerdings fängt man auch an, die Blende im Großen auf Darftellung von Zint
zu benugen. Das Zink kommt theils in Blöcken, theils in gewalgten Blechen, felten in Dräh-
ten in ben Handel. Man braucht Zinkblech zum Dachbeden, zu Dachrinnen, Wafferbehältern
u. f. w., ferner zum Buß von Statuetten, architektonifchen Verzierungen u. ſ. w.; Zinkdraht
zu Metaligeflehten, zum Anbinden von Bäumen u. f. w., in der Chemie zur Entwickelung von
Waſſerſtoffgas mittels verbünnter Schwefelfäure. Wegen feiner eleftzopofitiven Eigenichaft
ift es endlich daB gewöhnlichſte pofitive Element aller galvanifchen Batterien, wobei es allmä-
lig aufgelöft und in Zinkvitriol verwandelt wird. Auf feiner eleftropofitiven Beſchaffenheit ber
ruht auch die Eigenfchaft des Zinks, andere weniger pofitive Metalle, mit denen es in Berüh⸗
rımg ſteht, vor dem Angegriffenwerden durch Säure u. f. w. zu fchügen. Das fogenannte Gal⸗
vanifiren der Metalle if eine Anwendung dieſes Satzes der aber nur richtig ift, folange es fi
um völlige Eintauchung des zu fchügenden Metalls in bie angreifende Flüffigfeit Handelt. So
werden allerdings Schiffsbefchläge von Eiſen durch Befeftigimg mit Zinknägeln und Verbin.
dung mit Beinen Zinkplatten confervirt. Dagegen kann die Anwendung von Zintnägeln auf
Dachbedeckungen von Eifen nicht denfelben Effect Haben. Das fogenannte Galvanifiren eifer-
ner Bleche, Drähte und Beräthe, wie es fegt überall ausgeführt wird, ift weiter nichts als ein
dünnes Verzinken und Hilft aud) nur, folange ber Zinküberzug ganz ifl. Jedenfalls ift aber
durch die Einführung des Zinks zum Überzichen eiferner Gegenftände ftatt des Verzinnens ein
wichtiger technischer Fortſchritt gefchehen, da man verzinkte Bleche, Drähte, Nägel u. f. w. von
Eifen ganz ebenfo anwenden kann, als wenn fie ganz von Zink wären. Die Ausführung bed
Berzintens ift jedoch wegen des höhern Schmelzpunktes des Zints ſchwieriger als das Derzin
nen. Sehr wichtig endlich ift das Zink durch feine Anwendung zu Legirungen mit andern Ne
tallen; am wichtigften find die Regirungen mit Kupfer, deren Farbe und andere Cigenſchafren
532 BZinfe Zinkographie
von bem Berhaltniſſe beider Metalle abhängen; man unterſcheidet vorzüglich Meſſing (ſ. d.)
oder Gelbguß und Tomback (f.d.) oder Rothguß. Kupfer, Zink und Zinn geben Bronze (ſ. d.),
Kupfer, Bin? und Nickel Argentan (f. d.) oder Neufilber. Das befte und reinfte käufliche Zink
ift das ſchleſiſche; doch iſt es auch noch nicht chemiſch rein. Schleſien probucirt allein nahe am
200000 Etr. Zink. Nächſtdem ift Belgien (Lüttich) die Hauptgegend für Zintprobuction. We⸗
niger,namentlich aber unreinereß Zinkliefert England, noch weniger Kärnten, Braubünbten u_f.m.
Zinke (ital. cornetto, franz. cornet a bouquin) hieß ein früher gebräuchliches, aus Dorn
oder Holz verfertigtes, zumeilen mit Zeber überzogenes, mit fieben Löchern verfehenes Blasin-
ftrument, ohne Stürge mit einem Mundftüd, ber Trompete ähnlich, und nicht ganz zwei Huf
lang. Es wurde befonders gebraucht, um bei Ehören die Partien zu dirigiren und den Discant
der Pofaunen zu verftärken. Der Umfang bed gewöhnlichen Zinken reichte vom Beinen a bis
zum drei mal geflrichenen c. Die gekrümmte Zinfe hatte beinahe die Figur eines großen lateini⸗
ſchen 8. Die Stadtpfeifer hießen davon fonft Stadtzinkeniften. Beiden Orgeln heißen SinPen die
Hfeifen, welche den Ton dieſes Blasinftruments nachahmen und zum Schnarriverke gehören.
Zinkeiſen (Joh. With.), deutfcher Gefchichtfchreiber, geb. 41. April 1803 zu Altenburg,
wo fein Vater, Karl Rud. 8., 1816 als Geh. Kammerrath flarb, befuchte 1818—25 bat
Gymnaſium feiner Vaterſtadt, widmete fich hierauf zu Jena erſt der Theologie, neigte fich aber
bald ausfchlieglich Hiftorifchen Studien zu, die er nach feiner Promotion 1826 zwei Jahre lang
in Göttingen fortfegte. Im I. 1829 nach Dresden übergefiebelt, befchäftigte ihn hier, wie auch
nachher in München, wo er nad) der Rückkehr von einer größern Reife feinen Aufenthalt ge
nommen hatte, beſonders die „Geſchichte Griechenlands” (Bd. 1, Lpz. 1852). Behufs ber „Ge⸗
fchichte des oßman. Reichs in Europa” (Bd. 1 und 2, Hamb. und Gotha 1840 — 54), deren
Bearbeitung ihm F. Perthes übertragen hatte, begab fih 3. 1833 nad) Paris, wo er ſich Ian-
gere Zeit auch mit Forſchungen über franz. Gefchichte, befonders die Franzöſiſche Revolution
beſchäftigte und dabei auch vielfach Gelegenheit fand, die politifchen Verhältniffe umter der Juli⸗
monarchie näher Pennen zu lernen. Nachdem er 1854 einen Nuf ale Profefjor der Geſchichte
nach Athen abgelehnt hatte, ging er 1840 als Oberrebacteur der „Preußiſchen Staatszeitung“
nach Berlin. Obgleich er im März 1848 um feine Entlaffung nachfuchte, warb ihm diefelbe
doch nicht gewaͤhrt, fondern Z.im Gegentheil damit beauftragt, die „Preußiſche Staatszeitung
in ein den veränderten Verhältniffen entfprechendes Regierungsblatt umzugeftalten. Die Re
baction des auf dieſe Weiſe ins Leben getretenen „Preußiſchen Staatsanzeiger” Ieitete 3. noch
bis Mitte 1851, wo er aus bem preuß. Staatsdienſte außfchied. Seitdem wieder feinen früher
begonnenen biftorifchen Arbeiten zugewendet, veröffentlichte er außer einigen kleinern Arbeiten
(3. B. für Raumer's „Hiftorifches Taſchenbuch“) „Der Iakobinerclub. Ein Beitrag zur Be
ſchichte der Parteien umd ber politifchen Sitten im Revolutionszeitalter” (2 Bde, Berl. 1852
— 55) und „Drei Denkſchriften über die oriental. Srage” (Gotha 1854). Schon früher hatte
er die „Sefchichte der griech. Mevolution” (2 Bde., Lpz. 1840) herausgegeben. Naͤchſt der
Bortfegung der „Befchichte des osman. Neichs“, zu welcher ihm reiches, noch wenig ober gar
nicht benugtes Material zu Gebote fteht, ift 3. auch mit den Vorrbeitaen zu einer Geſchichte
Griechenlands feit dem 15. Jahrh. bis zur griech. Revolution befchäftigt.
Zinkgref (Aut. Wilh.), deutfcher Dichter, wurde 3. Juni 1591 zu Heidelberg geboren und
ſtudirte dafelbft die Rechte unter ber Zeitung feines gelehrten Vaters. Nach dem Tode deffelben
machte er feit 1614 eine fünfiährige Reife durch die Schweiz, Frankreich, England und bie Rie-
derlande. Während bes Dreißigjährigen Kriegs bekleidete er ‚verfchiedene Amter in Heidelberg,
Kreuznach und Alzei; doch hatte er auch das Ungemach des Kriege mehrfach zu empfinden. Gr
ftarb fhon 1. Nov. 1635 zu St.-Goar an der Peſt. Als Igrifcher Dichter neigte er fich ber Eräf-
tigen, volksmäßigen Weiſe G. N. Wechherlin's (f.d.) zu, doch hatte auch Dpig fon Einfluß
auf ihn; am höchſten ſteht fein „Soldatentob” (Fkf. 1652), eine Nachahmung bed Tyrtaus.
Sein Hauptiverk find die „Deutfchen Apophthegmata, das ift ber Deutfchen kluge Sprüche”
(2 Bbe., Strasb. 1626— 31 und öfter), eine Sammlung vom höchften Werthe für deutſche
Bitten- und Volkögefchichte; eine umfaffende Auswahl aus denfelben beforgte Guttenftein
(Manh. 1835). Eine Auswahl feiner Dichtungen befindet fi in IB. Müllers „Bibliorhel
deutfcher Dichter des 17. Jahrh.“ (Bd. 7).
Zinkographie heißt im engern Sinne die Anwendung des Zinks fatt der Kupfer», Stahl⸗
und Steinplatten um Stich. Da indeß der Zink nicht allein jede Manier geſtattet, weit
bisher auf Stein und andern Metallen geübt wurde, fonbern noch viele gute Eigenthümfid-
keiten für künſtleriſche Behandlung bat, fo iſt die Binfographie weniger als fliellvertretendes
Zinn 638
Verfahren, ſondern als eine felbftändige Vervielfältigungsart zu betrachten. Der Erfinder ber-
felben war H. W. Eberhard, der 1804 und 1805 die erften Verſuche in Magbeburg zeigte. Im
J. 1815 gelangen ihm die chemifche Feder⸗ und Kreidezeichnung, worauf er 1822 in der deu.
{dem Ausgabe der „Alterthümer von Athen” von Stuart und Revett und in mehren andern
Werken das Zink anmendete. Vgl. Eberhard, „Uber Zinkographie” (Nürnb. 1831).
Zinn, ein ſchon lange bekanntes, faft filbermweißes, fehr weiches, hämmer- und ſtreckbares,
beim Biegen fnirfchendes, bei 230° ſchmelzendes, erft in ſehr Hohen Bigegraden flüchtiges, an
der Luft langſam anlaufendes Metall von 7,3 fpecififhem Gewicht, kommt in ber Natur nie
rein, fondern ſtets in der Form bes kryſtalliſirten Oxyds (Binnftein ober Binngraupen) vor,
welches fi, meift in deutlichen Zwillingstruftallen (Zwittern) in granitifchen Gefteinen flod-
formig (daher Switterftod) eingelagert, im ſächſ.böhm. Erzgebirge, in Cornwallis und in
Dftindien (Malakka und Banka) vorfindet und an diefen Orten durch Röftung und Verſchmel⸗
zung ber Erze mit Kohle in Schachtöfen, Wobei man gewöhnlich Arſenik als Nebenproduct in
Giftfängen fammelt, gewonnen wird. Zuweilen muß das Zinnerz, wo es ſich in dem durch
Zerfegung zinnführender Gefteine erhaltenen Sande vorfindet, durch Waſchen in fogenannten
Seifenwerken erſt vom Sande getrennt werben. Das reinfte Zinn iſt das Banfa- und Malal-
- Bazinn; engl. Zinn ift meift eifenhaltig, fächf. Zinn wismuthhaltig; Banka liefert jährlich
70000, England über 100000, Sachſen 2500 Etr. Zinn. Da das Zinn von ben ſchwächern
Säuren nur wenig angegriffen wirb, fo ift es befonberd für Hausgeräthe wichtig und eignet
fich dazu ganz beſonders durch die Leichtigkeit, mit der es fich in jede Form gießen läßt, und durch
feine filberähnliche Farbe. Bis in die neuere Zeit waren aus Zinn gegoffene Teller, Schüffeln,
Krüge u. ſ. w. das gemwöhnlichfte Hausgeräth ; doch ift mit der fleigenden Billigkeit und Eleganz
der irbenen Gefchirre der Gebrauch bes Zinne zu biefem Zwede immer feltener geworden und
die Sinngießerei beſchränkt fi) noch auf wenige Gegenftände. Dagegen wird das Zinn noch
Häufig benugt, um die Innere Fläche kupferner und eiferner Geräthe, welche mit Flüſſigkeiten in
Berührung kommen, zu ſchützen; auch für andere Zwecke, wo es an ber Luft nicht roften foll
u. f. m., verzinnt man das Eiſenblech, welches. dann Weißblech heißt. Das Verzinnen des Ei-
ſenblechs, in neuefter Zeit durch das Berzinken zum Theil erfegt, gefchieht in befondern Weiß⸗
blehhütten durch Eintauchen bes durch Säure gereinigten Blechs in geſchmolzenes Zinn. Ver⸗
zinnte Blechgefäße werben meift aus Weißblechtafeln gefertigt, boch fängt man neuerbings
auch an, wie bei kupfernen Geräthen, diefelben unverzinnt zu fertigen und dann erſt inwendig
zu verzinnen. Dan benugt ferner das Zinn in Geftalt ganz bünner, gemwalzter und mit Häm⸗
mern fein ausgefchlagener Bleche, fogenannter Zinnfolie (|. Stanniol), theild zu Verzierungen
aller Urt, auch in gefärbtem Zuſtande, theild unter gleichzeitiger Anwendung von- Quedfilber,
wodurch ein glänzendes Amalgam entfteht, zum Belegen der Spiegel. Zinnfoliehämmer be
finden fich befonber& in der Umgebung von Nürnberg und Erlangen. Mit Blei in verfchiebe-
nen Derhältniffen legirt, gibt das Zinn Teichrflüffige Legirungen, welche als Schnellloth von dem
Klempnern zum Löthen der Weißblechwaaren angewendet werden. Mit Kupfer und Zink zu-
fammen gibt das Zinn Bronze (f. d.). In fehr dünnen Blättchen führt eine Legirung des
Zinks mit dem Zinn den Namen Schlagfilber oder unechtes Silber. Zinn, mit geringen Quan⸗
titäten von Kupfer, Untimon und Wismuth legirt, bildet das häufig zu Löffeln u. f. m. verar-
beitete Compofltionswetall. Eigenthümlich ift die kryſtalliniſche Structur, welche das Zinn
felbft in dünnen Überzügen beim Erkalten annimmt und welche beim Anbeizen ber Oberfläche
in eigenthümlichen Figuren ſichtbar wird, welche den fogenannten Metallmohr bilden, der feit
1814 nach Allard's Entdedung zur Verzierung von Weißblechwaaren benugt wird. Eine
Auflöfung von Zinn in Salzfäure bildet das fogenante Zinnfalz, als Beize in ber Färberei, be-
ſonders der Gochenillefärberei auf Seide vielfach benugt. Eine Auflöfung von Zinn in Kö⸗
nigewaffer führt den Ramen Phyſik; man wendet fie ebenfalls häufig in der Kärberei an.
Eine Berbindung diefer Löfung mit Salmiak wird unter dem Namen Pinffalz in ber Kattun-
druckerei als Beize benugt. DVerfegt man eine Loͤſung dieſes Zinnfalzes mit Goldauflöfung, fo
entfteht ein rother Niederfchlag, der für Glas» und Porzellanmalerei nicht unwichtige Caſ⸗
Aus’fge Goldpurpur. Auch in der Chemie wird das Zinnfalz ald Neductionsmittel benugt.
Mit Sauerftoff gibt das Zinn zwei Oxyde, von benen das höhere, Sinnoryb ober Binnafche,
als Polirmittei und zur Darftellung von Email, in der Glas malerei, als Glaſur u. |. w. An⸗
wendung findet. Die künſtlich dargeftellte Verbindung des Zinns mit Schwefel hat eigenthüm⸗
lichen Goldglanz und iſt als Muſivgold bekannt. Sie wird zum Bronziren von Gypöfiguren,
Papier, Holz u. f. w, zur Verfertigung unechten Goldpapiers u. |. w. benußt.
534 Zinna Zins
Zinna, eine Stadt im füterbogker Kreiſe des preuß. Regierungsbezirks Potsdam, mit
1820 E., die Lein, Wollen⸗ und Baumwollenweberei treiben, hatte im Mittelalter ein reiches
Kofter, in welchem 1449 der Tangjährige Streit zwiſchen Kurbrandenburg und dem Erzbit-
thum Magdeburg durch einen Vertrag gefchlichtet wurde und 1667 die Vereinigung zwiſchen
Kurfachfen und Kurbrandenburg wegen eines gemeinfchaftlihen Münzfußes zu Stande kam,
der nach ber Stadt der Zinnaiſche Münzfuß beißt.
Zinne Heißt im Allgemeinen ein flaches Dach oder die Einfaffung deſſelben. Zinnen nennt
man dann auch im engern Sinne den oberften Theil einer Vertheidigungdmauer, die, mit Echief-
ſcharten durchbrochen oder auf Kragfteinen ruhend, einige Fuß hervorragt und hur die Tff-
nungen zwifchen ben Kragfteinen Gelegenheit gibt, den untern Theil der Mauer zu befchießen.
innober, die befannte rothe Farbe, finder fi ſchon fertig gebildet im Mineralreiche m
rothen derben Maffen oder in durchſichtigen rothen Kryftallen und kommt als Bergzinnober
fein gemahlen in den Handel. Eine große Menge Zinnober bereitet man aber künſtlich, indem
man die Beftandtheile deffelben, Duedfilber und Schwefel, miteinander verbindet. Man erhält
ihn entweder, indem man Duedfilber und Schwefel innig mengt und das entflandbene ſchwarze
Yulver in eifernen Gefäßen bei mäßigem Feuer bis zum Schmelzen und barauf in irdenen Ge
fäßen flärker erbigt; die fublimirte Maffe gibt nach dem Zerreiben den präparirten Zinnober.
Dber man bereitet ben Zinnober auf naffem Wege, indem man eine Löfung von Schwefel⸗
Kalium (Schwefelleber) auf das ſchwarze Pulver, das man durch Mifchen von QDuedfilber mit
Schwefel erhält, einwirken läßt, wodurch es fehr bald in Zinnober übergeht. Man verwendet
den Zinnober als Malerfarbe zur Bereitung von rother Drudfarbe, Siegellad u. dgl. Gr
rar felten mit billigern Subftangen von ähnlicher Farbe, wie Ziegelmehl, Mennige u. f. w.,
verfälſcht.
Zins (vom fat. census) iſt ein ſehr umfaſſender Name für Abgaben in Gelb und Natura-
lien mandherlei Art. Man unterfcheidet: 4) Zinfen von Geldcapitalien (usurae). Derglei⸗
den können fowol in Folge eines Verſprechens mo fie mol geringer, aber nicht höher als ber
gefegliche Zinsfuß fein Dürfen (f. Wucher), als auch dann gefodert werden, wenn ber Schufd-
ner nicht zur gehörigen Zeit gezahlt hat (Werzugszinfen). Zinfen follen nach rom. Recht auf
einmal nicht Über den Betrag des Capitals genommen, auch nicht Zinfen von Zinfen (Anate⸗
eismus) berechnet werben. Doch ift das legtere den Kaufleuten erlaubt, indem fie bie Summe,
welche ber Eine bei dem Rechnungsabſchluß an den Andern gutbehält (saldo), ald neuen baa-
ven Borfchuß in ber nächſten Rechnung vortragen und ſich nun davon die üblichen Zinfen be-
rechnen. (S. Binfen.) 2) Zins von einer gemietheten ober gepachteten Sache. (S. Mietbver
trag.) 5) Brundzinfen oder Abgaben von Grundſtücken an einen Zindheren. Hier gibt es
fehr verfchiedene Fälle. Ein Theil der Grundzinſen ift durch unablöslich gegebene® Darlehn ev
kauft, oder auch ein Theil des Kaufgeldes, welches beim Erwerb der Grundſtücke darauf fliehen
geblieben ift (census constitutivi und reservati), was, wenn der Verkauf mit vollem Eiger
thumsrecht geſchehen ift, in ber Wirkung Eins iſt. Dergleichen Srundftüde (bona censitica
oder fchlechte Zinsgüter) befinden fich im vollen freien Eigenthum bes Zindmanns ; der Zint⸗
herr hat davon nichts als feinen Zins zu fodern, hat, wenn jener rüdftändig bleibt, des halb nu
eine gewöhnliche Klage, nicht aber das Recht, ben Zinsmann feines Guts zu entfegen; aud ber
darf ed nicht der Einwilligung ber Zinsherren bei Veräußerumgen des Grundftüds. In andern
Fallen aber behält fich der Grundherr das Eigenthum vor und gibt dem Zinsmann nur ein
erbliches Nugungsrecht gegen jährliche Abgaben, ſodaß diefer nichts Eigenes hat als dieſes Ge
lonatrecht und fein in dem Gute ftedendes beivegliches Vermögen und auch diefes Beides nur
mit bedeutenden Ginfchränkungen. Verkaufen kann er diefes Colonatrecht nicht an einen Drit-
ten, und auch unter den Kindern des Meiers hat ber Grundherr die Wahl. Was der Meier auf
bem Gute erwirbt, muß er zur Befferung deffelben anwenden ; daher darf er ben aus dem Gute
weggehenden Kindern nur eine beftimmte Summe geben. Bleibt ber Zindmann Abgaben ſchul⸗
big oder geräth er in Vermögensverfall, fo wird ihm das But genommen. (&. Ubmeierungt-
regt.) Zwiſchen biefen beiden Arten von Srundzinfen liegen noch andere Erbzinsgüter mit
mandherlei Namen und fehr verfchiebener Beftimmung ihrer Rechte, wobei aber beide Theike,
dee Grundherr und der Colon, ein wahres Eigentum am Bute haben. (S. Erbzins.) Ber
ſchieden von dieſen Eigenthumseverhaältniffen ſind noch die Rechte, welche ſich nicht auf eine
Grundherrlichkeit, ſondern auf die erichtöperrlichkeit gründen und wo auch Zinſen, z. B. Zine
— von jedem Rauchfang, als Schutzgeid, vorkommen. Für welches dieſer Verhältniſſe die
uthung ſpreche, laͤßt ſich im Allgemeinen gar nicht und ſelbſt in einem und bemſelben Be⸗
Binfen Zinzendorf 536
zirte nur mit großer Uuficherheit angeben, da bie verſchiedenen Entfichungsarten und Formen
dicht nebeneinander gefunden werben. So viel ift aber gewiß, daß die Mächtigern auch hier
ſtets im Vortheil gewefen find, und daß weit öfter bie Rechte bes Zinsherrn weiter ausgebehmt,
als umgekehrt durch die Zinsleute geſchmälert wurden. Aus gewöhnlichen Gerichtöherren wur
den Srundherren, aus Zinsherren Eigenthümer ; fchlechte Zinsgüter wurden in Grbzind- und
Meiergüter verwandelt und freie Zindleute frohnpflichtig gemacht und bi6 zur Reibeigenfchaft
herabgebrüdt. Der umgelehrte Bang der Dinge ift fehr felten geweſen.
Binfen Heißt in der heutigen Nationalökonomie der Preis der Eapitalmugungen, ſowol bei
den (Miethzins) wie bei umlaufenden, zumal Gelbcapitalien (Intereffen). Der Eigen⸗
tHümer verlangt einen Zins zum Theil ald Entſchädigung für die Abnutzung, Gefahr u. f. w,
weiche fein Capital in fremder Hanb zu beflehen hat, dann aber auch für den Rugen beffelben,
welchen er inzwifchen entbehrt. Denken wir ums den Zins als Bruchtheil des Capitals felbft, fo
Heißt das Verhaͤltniß zwifchen beiden Größen Zindfuß, ber am liebften in Procenten ausge
drückt wird und zwar fe für ein Jahr. Innerhalb deffelben volkswirthfchaftlicden Gebiets
trachten die verfchiedenartigen Gapitalverwenbungen regelmäßig nach einem gleichen Zinsfuße,
wobei man freilich bie Rugung eines Capitals nicht mit beffen partieller Wiedererſtattung ver»
wechfeln darf, alfo namentlich einer höhern Aſſecuranzprämie bei fehr gewagten Unternehmun⸗
gen. Die Höhe des Zindfußes wird durch das Verhältniß zwiſchen Angebot und Nachfrage
von Gapitalten bedingt. Er ift daher am höchſten in armen Rändern, wie denen des Mittel-
alters, Rußland, auch rechtsunſichern Ländern, wie Oftindien, China u. f. w.; ferner in
Ländern, die ungewöhnlich rafch emporblühen, alfo eine ſchnell wachfende Nachfrage nad) Ga-
pital enthalten, wie Rordamerika. Am niedrigften fleht ber Zinsfuß in reichen Rändern, die
Beine rechte Gelegenheit mehr Haben, ihren Aderbau, Abfag u. f. w. zu erweitern, wie. B.
Holland ſchon feit bem Anfange des 18. Jahrh. Solche Länder haben immer ein ſtarkes Ver⸗
langen, in andern Begenden mit höherm Zindfuße Darlehen zu geben. Im Mittelalter war
das Zinsnehmen durch die kanoniſchen Befege verboten, hauptfächlich weil man bie wirkliche
Productivitãt der Eapitalien verfannte. Damals wurbe jeder Zins mit dem Ramen Bucher
(f. d.) gebrandmarft, während man heutzutage in den meiften Ländern nur diejenigen Zind«
contracte fo nennt, weiche das gefeglich erlaubte Marimum ber Zinfen überfchreiten. Bon fol-
hen obrigkeitlihen Sinstaren gilt Daffelbe, was von Zaren (f.d.) überhaupt. Die wirklich freie
Concurrenz wirb bie rechte, für jeben einzelnen Fall billige Zinshöhe am ficherften finden.
Er (Römer Zinszahl), f. Iubietion. |
inzendorf (Niko. Ludw., Graf von), der Stifter ber Brübergemeine (f.d.), geb. 26. Mai
1700 zu Dreöden, wurde nach dem frühen Tode feines Vaters, der urfächf. Eonferenzminifter
war, in ber Zaufig in dem Haufe feiner frommen und gelebrten Großmutter, einer Frau von
Gersdorf, erzogen. Seine Jugend fiel in die Zeit der Pietiſten. Dies mb ber Umſtand,
daß Spener oft in das Baus ber Frau von Gersborf kam, ben jungen 8. fah und einfege
nete, trug nebft den Andachtsübungen, bie täglich im Haufe gehalten wurben, viel bei, in dem
lebhaften Knaben eine zwar Innige, aber doch auch unklare Frömmigkeit zu begründen. Diefe
Stimmung mwurbe bei ihm noch erhöht, als er 1710 in das Pädagogium zu Halle umter
Francke's befondere Aufſicht kam. Schon in Halle fliftete er einen myſtiſchen Orden „vom
Senfkorn“. Auch als er nachmals 1716 die Univerfitäe zu Wittenberg befuchte, blieb er bei
feiner frübern Denkart. Beim Jubiläum der Reformation 1717 ſchloß er fi ein unb be
trauerte den Verfall ber Kirche durch Faſten und Weinen. Er verließ 1719 Wittenberg und
machte eine Reife nach Holland, Frankreich und der Schweiz, die er unter dem Titel „Attici
Wallfahrt durch die Welt” befchrieb. -Nach der Rückkehr wurde er 1724 als Hofrat bei ber
Landesregierung in Dresden angeftellt, legte aber diefe Stelle 1727 nieder, nachdem er [chem
während feiner Anftellung ſich viel mit Theologie beſchäftigt und Häufige Andachtsübungen
gehalten hatte. Er war feit 1722 mit einer Gräfin Neuß von Ebersderf vermählt und hatte im
demfelben Jahre einigen ber Religion wegen aus gewanderten Mährifchen Brüdern erlaubt, ſich
auf feinem Gute Berthelsdorf in der Oberlaufig anzufiedeln. Die neue Colonie erhielt 1724
den Namen Herrnhut (f. d.). 8. faßte num ben Borfap, durch Umformung der Brüberfirche
eine befonbere firchliche Gemeinde für Iebendiges praktiſches Chriſtenthum zu fllften, fand je
doch dabei nicht nur viele Gegner, fondern wurde auch durch die Anlegung ber Colonie ſelbſt in
große Verdrieflichkeiten verwickelt. Doch ließ er ich durch nichts von feinem Vorhaben abwen⸗
dig machen. Im I. 1734 ging er unter angenommenem Namen nad) Stralfund, ließ ſich bort
ald Candidat ber Theologie reaminiren und dann in Zübingen in den geifllichen Stand auf-
536 gion Zips
nehmen. Gr unternahm Reifen in die verſchiedenſten Länder, um die Glieder ſeiner Gemeinde,
von welcher bereits Miffionen ausgingen, zu vermehren; aber nicht überall fand er günflige
Aufnahme. Aus feinem Baterlande wurde er 1736 durch ein Iandeöherrliches Nefcript wegen
feiner „Neuerungen, Gonventitel, gefährlichen Principien, durch welche bie obrigfeitliche Auto
rität hintangefege und der öffentliche Gottesdienſt verachtet werbe”, verwiefen; doch wurbe das
Reſeript 1747 zurüdigenommen. 3. hatte fich inzwifchen in Berlin zum Bifchof der mährifchen
Kirche einweihen laffen, wo er auch eine Zeit lang Privatandachten in feiner Wohnung Biete,
bie fehr befucht wurden. Im 3. 1739 ſchrieb ex eine Art Katechismus: „Das gute ZBort bes
Herrn“; dann machte er eine Reife nach den Inſeln St.-Thomas und Ste.Croix, wo bereit#
von der Brübergemeine Miffionen errichtet waren, um biefe vollfländiger einzurichten. In
gleicher Abſicht reifte er 1741 nach Nordamerika, wohin ihn feine 16jährige Tochter begleitete.
Hier fuchte er auch unter den Indianern feine Gemeinde auszubreiten. Auf feinen Reifen war
er nächft den öffentlichen Vorträgen, bie er hielt, faft unabläffig mit Correſpondenzen und Bi»
cherſchreiben befchäftigt. Gr fehrieb über 100 Bücher. Man findet in benfelben nicht felten berr-
liche Stellen, aber auch viele verkehrte Unfichten und anftößige Außerungen, wozu ihn feine
Phantaſie und das Streben, originell zu fcheinen, verbunden mit Mangel an Geſchmack, verlei⸗
teten. Namentlich find manche feiner Xieder, bie noch unverändert im alten Geſangbuche ber
Brübergemeine ftehen, vol fpielender, zweideutiger Ausdrüde; nicht minder anflöfig war
feine Lehre vom fogenannten Mutteramte bes Heiligen Geiſtes. Er fühlte jedoch In fpätern
Jahren felbft das Nachtheilige biefer Berirrungen und bot alle Kraft feines Geiſtes auf, feine
Gemeinde auf einen beſſern Weg zu leiten. Als er 1743 nach Europa zurückgekehrt, machte er
eine Reife nach Lioland, wo ſich bereits Glieder feiner Gemeinde befanden ; der weitere Eingang
in Rußland wurde ihm jedoch auf kaiſerl. Befehl unterfagt. Dann ging er na Holland und
England, hielt fich in legterm Rande länger als vier Jahre auf und hatte die Befriedigung, neue
Miffionen in andern Welttheilen, z. B. in Oftinbien, zu Trankebar u. f. w., entflehen zu ſehen.
Nach fo vielen Wanderungen vermäplte er ſich zum zweiten male mit Anna Nitſchmann, bie
1725 mit ihren Altern aus Mähren gekommen und viele Jahre Ältefle der Iedigen Schweflern
zu Herrnhut geweſen war. Er ftarb 9. Mai 1760 gu Herenhut. Vgl. Spangenberg, „Zeben
des Grafen von 3.” (8 Thle, Barby 1772-75), woraus Reichel (Epz. 1790) und Duver
note (Barby 1795) Auszüge geliefert Haben; 3. G. Müller's Schilderung 3.6 in den „Be
Benntniffen merfwürbiger Männer” (Bb. 3); Varnhagen von Enfe, „Leben bes Grafen won
8." in feinen „Dentmalen” (Bd. 5, Berl. 1830). Seine „Seiftlihen Gedichte” fammelte und
ſichtete Alb. Knapp (Stuttg. 1845).
Zion, Berg Zion ift der Name bes Hügels, auf welchem ber ſüdweſtliche Theil Jeruſalemt,
die Davidoſtadt oder Oberfladt mit ber Burg David's Ing. Sept gehört nur die nördliche Hälfte
deſſelben zur Stadt, ſodaß bie Stadtmauer quer über den Hügel läuft. (&. Jerufalem.) Auf
ber Weſt⸗ und noch mehr auf der Gübfeite fallt er fchroff in das Thal Hinnom ab bis zu einer
Xiefe von 300 8. Beiden Propheten und Dichtern bes Alten Teflaments fteht Zion gewöhn⸗
lich In weiterer Bedeutung für gan, Serufalem (auch Tochter Sion, nach einer poetiſchen Pro
fopopöte), beſonders in Beziehung auf den Tempel, Daher auch Gottes heiliger Berg.
Zippe ober Singdroſſel (Turdus musicus), eine Art der Droffeln (f. d.), die in Deutid
land als Bug-, In Südeuropa als Standvogel auftritt. Sie ift auf dem Rüden olivengrim ge
farbt, am Bauche gelblichweiß mit ſchwarzbraunen Flecken. Sur Rabrung dienen ihr Wür
mer und Infelten ; wegen ihres trefflicden Befangs wird fie nicht felten in Käfigen gehalten.
Zips, ein Eomitat des kaſchauer Diſtricts bed Königreich Ungarn, früher eine eigene Braf-
a get ein Areal von 66M., ift fehr gebirgig und raub, aber gut bewäſſert durch ben Po⸗
prab, Hernad, Dunafep u. ſ. w. Sie erzeugt Getreide, aber nicht in ausreichender Menge, Bias,
Hülfenfrüchte, Hopfen und In den füblichen Thälern auch Obſt, Hat viel Hornvich, Schafe und
jagbbare Thiere, darunter felbft Steinböde, Bemfen, Wölfe und Bären, ferner etwas Gold,
Kupfer, Eifen und andere Metalle. Die Zahl der größerntheils kath. Einwohner belief fi
1851 auf 169547. Gie find theils Slowaken, theild Deutfche und wegen ihres Fleißes und
ihrer Betriebfamkeit fehr bekannt und beliebt. Haupterwerbs zweige find Aderbau und Bich
vb Bergbau, Fertigung von Leinwand, Leder und Töpferwaaren, fowie nicht unbedeutender
andel. Das Land kam wahrſcheinlich fon im 12. Jahrh. von Polen an Ungarn; Kaife
Sigis mund verpfändere es 1412 für 37000 Schock prager Grofchen an den König von Polen,
Wladiſlaw Jagello. Polen blieb nun im Befig ber Grafſchaft, bis fie bei der erfien Theilum
Volens an Dftreich fiel. Die 16 Sipfer Rronfäpte oder Kronfleden bildeten früher einen br
Zirbeldrüſe Zirkel 537
fondern Bezirk, find aber jegt dem Comitat vollig einverleibt. Das Komitat zerfällt in fieben
Stuhlgerichtsbezirke. Es hat feinen Namen von dem jegt verfallenen, auf einem hohen Berg
gelegenen Zipſerſchloß oder Zipferhaus, ungar. Szepes-Vär. Diefem gegenüber liegt auf einem
andern Berge das Bipfer Eapitel, beſtehend aus ber uralten goth. Kathebrale, ber biſchöflichen
Mefidenz, dem Seminar und fhonen Wohnungen der Domherren. Die Hauptſtadt iſt Leut-
ſchau (f. d.). Erwähnenswerth find außerdem bie Städte Kesmark oder Käsmark (f. d.) und
Schmölnig (f. d.); ferner Lubld oder Alt-Lublau, am Poprad und unmeit ber galiz. Grenze,
mit 2000 E. die mit Wein und leutſchauer Meth flarken Handel nach Schleſien treiben, wie
auch das Waſſer bes „M. entfernten, in einem tiefen Thale gelegenen Lublauer Babes oder
des befuchten Sauerbrunnens von Nen-Lublan, weldhes 1400 E. zählt und elegante Babe
anftalten hat, weit verfendet wird; Igloͤ oder Meuborf, bie größte und vorzüglichfte ber
46 Kronftäbte, am Hernad, mit 6000 E., Eifen-, Kupfer und Antimonbergwerken, Kupfer
hammer, Blauvitriolfabrit, Spießglanghütte, Steingutfabrit, Leinwanbweberei, Bienenzucht
und Steinbrüchen; Bölnig, Bergfleden an der Gölnig, mit 5400 E., wichtigen Kupfer - und
Eiſenbergwerken, die das befte Eifen ber Zips liefern, Drabtzieherei und Mefferfchmieden ; das
Dorf Groß ˖Schlagendorf oder Nagy⸗Szaͤlok, mit 1500 E., in deſſen Nähe der befuchte Sauer⸗
brunnen Schmerks oder das Karpatenbad, wie auch eine Schwefelquelle und eine Kaltwaſſer⸗
babdeanftalt fich befinden; der Bergort Altwaſſer, mit kaiſerl. Schmelzhütten, wo durch das
Möften der Erze monatlih 450 Pf. Queckſilber gewonnen und die filberhaltigen Kupfererze
eingelöft werben.
irbeldrüfe (glandula pinealis oder conarium), ein ziemlich in der Mitte des Gehirns
liegender erbfengroßer, runblicher Körper von fefter Gehirnfubftang, welcher in feinem Innern
zumeilen eine Höhle und in feiner Subſtanz fandige Körnchen von berfelben Zufanimenfegung
wie Knochen enthält, beim weiblichen Geſchlecht größer ift al beim männlichen und von eini⸗
gen Philofophen, wie Descartes, für ben Sig der Seele angefehen wurde. Man findet biefes
Drgan, deſſen Function noch ganz unbekannt ift, auch bei den Säugerhieren, Vögeln und Am⸗
phibien, während feine Gegenwart bei den Fiſchen noch nicht vollfländig nachgewieſen iſt. Die
fandigen Concremente, ber Hirnſand, werben nur bei dem Menfchen beobachtet.
Zirbelnußbaum, Sirbelkiefer (Pinus Cembra), eine Art der Gattung Kiefer (f.d.), oft
70—120 $. hoch, mit mulftiger, grauer Rinde, ſcharfen, 3 F. langen, zu fünf in einer Scheibe
ftehenden Nadeln und ftumpfen, eiförmigen Zapfen. Er wächft auf ben Gebirgen Südeuropas.
Die faft flügellofen, ſüßſchmeckenden Samen (Bicbelnüffe), ehedem officinell, werden gegeffen,
auch geben fie ein DL Das weiche Holz liefert unter Anderm ben betriebfamen Gröbenern dem
u zu ihren mannichfaltigen Schnigwaaren.
irkel Heißt ein zur Beſchreibung eines Kreifes, außerdem zur Ausmeſſung gerader Linien
u. f. w. dienendes Werkzeug. Befondere Arten von Zirkeln find: 1) Eharnierzirkel, bei denen
beide Schenkel durch ein Gewinde ober Charnier zufammenhängen, wie bei ben gewöhnlichen,
in den Reißzeugen oder geometrifhen Beſtecken befindlichen Birken. Dahin gehören auch bie
Bogenzirkel, bei denen mit dem einen Schenkel ein Kreisbogen verbunden iſt, ber durch ein
Loch des andern Schenkels geht und an demfelben feftgefchraubt werben kann; die Haarzirkel,
bei welchen der eine Schenkel mittels einer einen Schraube um eine fehr geringe Weite vor- ober
zurückgerückt werben Bann, ohne daß man deshalb das Kopfgewinde des Zirkels in Bewegung
zu fegen braucht; endlich die Doppelzirkel mit feftem oder beweglichen Gewinde. Bei denen
ber exftern Art ift in der Regel das eine Schenkelpaar boppelt fo groß ald das andere, folglich
auch der Abſtand der Schenkelfpigen bei jenem doppelt fo groß als bei dieſem, ſodaß ein ſolcher
Zirkel zum Halbiren oder Verdoppeln von gegebenen Linien gebraucht werden kann. 2) Feder⸗
zirkel, bei benen beide Schenkel (von denen der eine mit einer Schraube verbunden ift, die durch
ein Loch ded andern geht) burdh eine bogenförmige flählerne Seber zufammenhängen. 3) Stan⸗
genzirkel, bei benen beide Schenkel durch eine (metallene oder hölzerne) Stange verbunden find
und ſich auf derfelben verfchieben, mitteld Schrauben aber feftftellen laſſen. 4) Did, Greif:
ober Taſterzirkel, welche bazu dienen, die Dide von Eylindern und andern Körpern zu meflen,
umb deren Schenkel ftark auswärts gekrümmt find. 5) Die Hoblzirkel, welche dazu bienen,
ben Durchmeſſer von Höhlungen zu meffen und gewöhnlic, aus Schenkeln beftehen, deren En-
den rechtwinfelig auswärts gebogen find. 6) Mitrometerzirkel, welche ein genommenes Maß
vergrößert barftellen und von fehr verfchiedener Einrichtung fein können. Nur umeigentlich wirb
zu den Zirkeln gerechnet 7) der Proportionalzirkel, aus zwei gleichen Linealen beftehend, bie
wie die Schenkel eines Zirkels miteinander verbunden und um einen Punkt beweglich find; aus
538 Zirknitzerſee Ziska
dieſem find auf beiden Linealen gerade Linien gezogen, welche nach verſchiedenen Verhältnifſen
eingetheilt find und als Maßſtäbe dienen. Der Gebrauch deſſelben beruht auf der Lehre won der
Upntichkeit der Dreiecke.
HE erfee, f. Czirknitzerſee.
irfoninm ift ein Metall, das mit Sauerfloff verbunden als Sirfonerbe in den Mineral
Dirkon ſich findet. Es erfcheint als ein ſchwarzes, beim Zufammendrüden unter bem Polle-
ftahle graphitartig ausfehendes Pulver, das ſich an ber Luft weit unter der Glühhite entzündet
und zu Zirkonerde verbrennt. Letztere verbindet fich mit ben Säuren zu ben Zirfonerbefalgen.
Ziska (Johann), der Feldherr der Huffiten, ſtammte aus einem adeligen böhm. Be
ſchiechte und wurde um 1360 auf einem feinen Aitern gehörenden Meierhofe zu Trocznow,
in der jegt fürfllich Schwarzenberg’fchen Herrfchaft Korbes (Borowany) im bubweifer Kreife,
der Gage nach im Freien unter einer Eiche geboren. Als Knabe verlor er das rechte Auge, bie
aber nicht deshalb, wie man fälfchlich behauptet hat, Ziska (Zizka), welches fein Geſchlechts⸗
name war und nach ihm die Bebeutung bes Einäugigen erhielt. Er kam als Page an ben Hof
bes Königs von Böhmen, Wenzel’ IV., und wurde bafelbft fpäater Kämmerer. Bon Jugend
auf zeigte er viel Geiftesanlagen, aber auch einen büftern Hang zur Einfamteit. Zuerfl trat er
als Krieger auf unter bee Schar der Freiwilligen, welche aus Böhmen und Ungarn bem
Deutfhen Orden gegen bie Polen und Lithauer zu Hülfe zogen. Hier nahm er Thell an dem
Treffen bei Kannenberg, 15. Juli 1410, in welchem der Orden, ber fehon den Sieg errungen zu
haben glaubte, eine große Niederlage erlitt; dann an Kriegen ber Ungarn wiber bie Türken
und mit den Engländern gegen die Franzoſen an der Schlacht bei Azincourt 1415. Nach fei-
ner Rückkehr blieb er an dem Hofe bes Könige Wenzel. Das Misvergnügen eines großen
Theils ber böhm. Nation über das Schickſal des Huf (f. d.) und Hieronymus (f.d.) ergriff auch
ibn, und ba Wenzel anfing, durch feinen Bruber beſtürmt, bie Hufliten zu verfolgen, und ſich
3. fo am Hofe nicht mehr ficher fühlte, floh er nach feiner Geburtsgegend, erforfchte dort bie
Sefinnungen bes Volkes und kehrte bald darauf mit großen Planen wieder nach Prag zurück.
Schon war hier Riflas von Huffinecz an die Spige der Aufrührer getreten, und vergebens
verlangte der König Wenzel von den Bürgern, die Waffen auszuliefern. Da führte fie 3. 15.
April 41418 bewaffnet auf das Schloß und bat dem König, er wolle gnäbigft die Feinde bes
Baterlandes nennen, gegen die bie ſtets gehorfame und treue Bürgerfchaft ziehen folle. Dadurch
eingefchüchtert entließ Wenzel die vor ihm Erfchienenen. Von nun an galt 3. für bad Haupt
der Huffiten (1. d.). Bei einem Aufzuge 30. Juli 1419 traf den Priefter der eine Broceffion
abhaltenden Huffiten ein Steinwurf. Alsbald ſtürmten fie das Rathhaus und warfen 13
Rathsherren unter die Spieße des Volkes. König Wenzel flarb vor Schred über diefen Bor-
fall; fein Bruder und Nachfolger, Kaifer Sigismund, hatte weber Muth noch Waffenmacht,
fogleich die Regierung in Böhmen zu übernehmen, und dadurch gewann 3. Zeit, feine Streit-
kräfte zu organifiren. Vorſichtig genug zog er fich anfangs von Prag nach Pilfen zurüd. Als
iedoch Sigismund die Anhänger der neuen Kehre mit Feuer und Schwert zu verfolgen begann,
traten die Öuffiten zu einem Landtag zufammen, fchloffen Sigismund förmlich von ber Krone
Böhmen aus und ſchwuren, ihn nie ald König anzuerkennen. Sie legten Feftungen an, und 8.
ließ auf dem Berge Tabor eine Stadt bauen, wovon die Huffiten den Namen Zaboriten erhiel-
ten. Er befeftigte die nee Stadt auf eine Art, die feiner Einficht in die Kriegswiſſenſchaft
Ehre machte. Auch ſchreibt man ihm den vortheilhaften Gebrauch der Wagenburg zu, durch
welche er, bei gänzlihem Mangel an Reiterei, fein Fußvolk gegen die feindlichen Angriffe
ficderte. In Burger Zeit hatte er feinen fchlecht bemaffneten und ungezügelten Haufen zu einem
„ Heer gebildet, dem man nicht widerftehen zu fönnen glaubte. Einige glückliche Gefechte, die er
lieferte, verfchafften ihm beffere Waffen und Pferde zu einer Reiterei. Nun begann ein gere-
gelter Krieg gegen Kaifer Sigismund, der Böhmen von einem Ende zum andern verwüſtete,
weil 3. gar oft dem wilden Ungeftüm feines fanatifchen Haufens nachgeben mußte. Um Prag
gegen ben Kaifer Sigismund, der mit einem großen deutfchen Kreuzheer anrückte, zu vertheibte
gen, begab fich 3. dahin und verfchangte fich auf dem Berge Witkow. Mit 4000 M. ſchlug er
bier 14. Juli 1420 die wiederholten Stürme von 30000 M. zurüd, und jener Ort heißt deshalb
noch jept der Zisfaberg. Geldmangel, ben der Kaifer nur zu oft fühlte, machte, daß ber ganze
Feldzug fruchtlos blieb. Im J. 1421 eroberte 3. das Schloß zu Prag und bekam dadurch die
vier erften Kanonen, bie feit der Erfindung des Schießpulvers nach Böhmen gekommen, in feine
Gewalt. Bon diefer Zeit an wurden Kanonen fowie das Kleine Sewehrfeuer, welches legtere
jedoch anfangs nur Mdelige ſich anſchaffen konnten, bei den Huffiten und bei den Beeren ihrer
Zither Zittau 539
Gegner gewöhnlich. 3. fepte feine Streifzüge in Böhmen fort, eroberte mehre fefte Städte, ge»
wöhnlih durch Sturm, und behandelte die Beſiegten mit Grauſamkeit. Nach dem Tode des
Niklas von Reli 1421 erfannten ihn alle Huffiten als ihr Oberhaupt an, doch ließ er dem
König von Polen die böhm. Krone anbieten. Durch unglaublich fchnelle Märfche kam er überall
feinen Feinden zuvor. Bei der Belagerung des Schloſſes Raby verlor er durch einen Pfeil-
ſchuß auch fein zweites Auge. Jett ließ er ſich bei den Gefechten auf einem Karren fahren, fo»
daß er von feinen Leuten gefehen werden konnte, und nach ber Befchreisung, die man ihm von
der Gegend machte, orbnete er die Stellung des Heeres an. Er hatte eine fogmannte unüber-
windliche Brüderfegion, mit welcher er gewöhnlich ben Ausgang ber Schlacht entſchied. Ein
beträchtliches Heer, das Kaifer Sigismund aufs neue miber ihn ſchickte, fchlug er bei Deutſch⸗
brod 18. San. 1422 und drang in demfelben Jahre felbft in Mähren und Ötreih ein. Als
hierauf die Prager feinem Willen nicht gehorchten, bemüthigte fie der blinde Heeredfürft durch
mehre Nieberlagen. Rur ein mal, bei Kremfier in Mähren, mußte er weichen; es war dies das
einzige mal, daß er im offenen Felde gefchlagen wurde. Sigismund bot ihm endlich die Statt⸗
balterfchaft von Böhmen an mit großen Vortheilen, wenn er fich für ihn erflären wolle. Wäh-
rend ber Unterhandlungen aber überfiel ihn, als er Przibislaw im czaslauer Kreife belagerte,
eine peftartige Krankheit, an welcher er 12. Dct. 1424 ftarb. Die über biefen Berluft rafenden
Zaboriten erflürmten bie Stabt, Hieben Alles nieder und verbrannten den unglüdlichen Ort.
Z. hatte 13 Schlachten gewonnen und in mehr ald 100 Gefechten gefiegt. Von feinem Cha⸗
rakter, feiner Sraufamfeit weiß bie fpätere Gefchichte nicht Schreckliches genug zu berichten;
doch geht aus allen feinen hiftorifch fichergeftellten Thaten hervor, daß ihn eine höhere Idee lei⸗
tete und nur das Werkzeug, das er zu ihrer Verwirklichung anmwenbete oder vielmehr anwenden
mußte, ein heil» und zugellofes war. Er wurde in der Kirche zu Czaslau begraben und fein
Lieblingsgewehr, ein eiferner Streitfolben, über feinem Grabmal aufgehangen. Das Grabmal
fetbft wurde 16253 auf Laiferlichen Befehl abgebrochen und Z.'s Gebeine fortgefchafft. Vgl.
Millauer, „Diplomatifch-hiftorifche Auffäge über Job. 3.” (Prag 1824).
Zither Heißt ein fchon im früheften Alterthume bekanntes und weit verbreitetes Saitenin-
firument, welches mit der ebenfalls gebräuchlichen und verwandten Lyra (f. d.) nicht verwechfelt
werden darf. Bei den Griechen beftand nänılich die Kithara aus einem Griffbret; fie war
wahrſcheinlich mit fünf Saiten bezogen und wurde mit dem Plektrum (f. d.) gefpielt oder ge-
ſchlagen. Die gewöhnliche Stellung berfelben war, wie wir fie auf alten Denkmälern fo oft er-
blicken, beim Spiele fo, daß der Steg gegen bas Geſicht aufrecht gelehrt war, der untere Theil
aber, wo fich die beiden gebogenen Enden oder Hörner vereinigten, auf dem Elnbogen bes linken
Arms rubte. Daher konnte man fie nur entiweder figend oder indem man fie auf etwas auf-
ftügte, fpielen. Diejenigen, welche fie fpielten, nannte man Kithariften, und die zugleich dazu
fangen, Kitharöden. Die Erfindung und den erften Gebrauch berfelben fchreibt die Sage dem
. Amphion zu, mährend Andere ihren Urfprung von den Hebräern ableiten, wobei vielleicht
eine Vertauſchung mit der Harfe (f. d.) flattfindet. Die neuere, zum Theil noch jegt in Tirol
und bei den beutfchen Bergleuten gebräuchliche Zither ift ein von dor; flach gebautes Inſtru⸗
ment mit flacher Refonanzdede und Schallloch, einer ungefähr zwei Zoll hohen Zarge, langem
Hals mit Griffbret und flachen Boden. Aus der Zither ber Alten find das Hackebret (f. d.) und
bie Quitarre (f. d.) hervorgegangen.
Zittau, ehedem bie dritte unter den Sechsſtädten der Oberlaufig, jegt die volkreichfte Stadt
ber Kreisdirection Budiffin, am linken Ufer der Mandau, die unweit der Stadt m bie Neiße
fälle, zählt 11000 E., die, mit Ausnahme von 180 Katholiten, der proteft. Kirche angehören
und ſich von Handel und Gewerbe nähren. Als Hauptfächlichfte Handelsartitel find zu nennen:
Teinene und baumsvollene Hofenzeuge, Leinwand, Damaſt, Orleans u. ſ. w, welche in ben Fa⸗
briten der Stadt und von den Webern der umliegenden Dörfer gefertigt werden. Nicht unbe⸗
deutenb if ferner der Zranfitohandel mit Sarnen und Colonialmaaren in das nahe Böhmen.
In den Vorfläbten und der Umgegend finden fich viele Bleichen und Färbereien und Mühlen,
darunter eine Papiere, mehre Oi. und Schneidemühlen und zwei Eifengießereim. Die mächti⸗
gen Braunkohlenlager in der Nähe der Stadt befchäftigen gegen 1000 Menfchen. Die Stadt,
welche in Folge eines Bombardements durch die Öftreicher 23. Juli 1757 faſt ganz und gar
abbrannte, ift geſchmackvoll gebaut und gewährt Durch ihreneun Thürme, Fabriken, freundlichen
Gebäude und Herrliche Umgebung einen angenehmen Anblid. Schöne Eemmaben, reih an
Daun und Blumenpflangungen, umgeben bie Stadt, und zahlreiche Bärten, beren Befiger
einen flarfen Handel mit Gartengemächfen und Gemüſen treiben, füßen die Vorftäbte. Unter
540 BZitterfifche - Bittwerfamen
den öffentlichen Gebäuben zeichnen fi aus das 1844 erneuerte Rathhaus, das ſchönſte in
Sachfen; die 1837 erneuerte Johanniskirche mit trefflicher Orgel; die von 1757—1837 als
Hauptkirche benugte Kirche zu Peter und Paul mit ihrem ſchlanken Thurme; die Kreuzfirche ;
das Zollgebäube; bie Gewerbfehule. 3. hat ſechs Kirchen, bie fiebente, böhm. Kirche, neben
ber Kicche zu Peter und Paul, fteht feir 1846, in welchem Jahre fich bie feit 1625 beflehende
böhm. Erulantengemeinbde auflöfte, leer. Die Stadt hat eine ziemlich ftarke Bibliothek mit Na-
turalien- und Münzſamnilung und einigen Ulterthümern ; feit 1584 ein Gymnaſium, feit 1811
ein Schullehrerfeminar und allgemeine Bürgerfchule mit 16—1700 Schülern, eine mit ber
Breifchule verbundene Arbeits - und Induftriefchufe, feit 1819 eine Sonntags-, feit 1854 eine
königl. Gewerb » nebſt Baugewerkenſchule und feit 1854 eine von 24 Schülern befuchte kath
Schule; außerdem eine Kleinkinderbewahranftalt. Als wohlthätige Anftalten find gu nennen
mehre Hospitäler und Krantenhäufer, barımter das der Innungen und eins für Dienftmäbchen,
Sparkaſſe und Leihanftalt. Zur Stadt gehören nebft bedeutenden Waldungen 37 Dörfer mit
über 50000 E. größtentheild von Weberei lebend, darunter Ebersbach mit 6247, Seifpen-
ner&borf mit 5933, Großſchönau mit 5598, Eybau mit 5081 E. Die Gerichtsbarkeit uber
diefe und die Stadt übt feit 1852 das koönigl. Landgericht. 3. ift der Eig ber zweiten Amts-
bauptmannfchaft im Kreisdirections bezirke Budiffin, eines Hauptzollanıts, einer E k. oſtr. Zoll
legftätte, einer Staatstelegraphenflation. Durch die Löbau-Zittauer Eifenbahn ift es dem beut-
[hen Eifenbahnneg einverleibt. Unter feinen Umgebungen im Laufiger Gebirge find zu nennen
ber durch feine Geftalt und Ruinen merkwürdige Oybin, die Halb zu Sachfen und halb zu Böh⸗
men gehörende 2450 $. hohe Lauſche, welche eine weite und freie Ausficht nach Sachſen, Böh⸗
men und Schlefien bis zu ben höchſten Gipfeln des Riefen- und Eragebirgs gewährt, ber 2300 8.
hohe Hochwald, Johnsborf mit feiner Kaltwafferheilanftalt, den Mühlſteinbrüchen und den
Nonnenklünzen. Vgl. Peſcheck, „Handbuch der Geſchichte von 3.” (2 Bde., Zitt. 1854—57).
Zitterfifche oder elektriſche Fiſche heißen mehre Fifche, weil fie das Vermögen befigen,
Körpern, bie fie unmittelbar oder mittels leitender Materie berühren, eleftrifche Schläge mitzu⸗
tbeilen. Sie bedienen ſich diefer Fähigkeit ganz nach Belieben zu ihrer Vertheidigung und um
ſich ihrer Beute leichter zu bemächtigen. Die Erzeugung der Elektricität gefchieht durch befon-
dere Organe, die Honigmaben ähneln und aus mehren Schichten fechsediger, mit Gallert,
Blutgefäßen und Nerven erfüllter Zellen zufammengefegt find. Der Proceß fcheint bem in der
Volta’fhen Säule vorgehenden analog zu fein. In Burger Zeit ift ihre Kraft erſchöpft und
braucht Tage, um fich wieder zu fammeln. Schon ben Alten befannt war die elettrifche Eigen-
ſchaft des im Mittelmeere vorkommenden, faft kreis runden Sitterrochens (Torpedo), ber biß
2 8. lang und 20 Pf. fchwer wird, in fchlammigen Untiefen lebt und nur von den Armften ge
geffen wird. Schmadhafter ift der im Nil beimifche Zitterwels (Malapterurus), ber ebenfalls
2 8. lang wird und am Maule ſechs Bartfäden hat. Auch bei einem in der Straße von Maba-
gaskar gefundenen Stachelbauch (Tetrodon) hat man elektrifche Eigenfchaften bemerkt. Be
rühmter als alle biefe ift aber der amerit. Sitteraal (Gymnotus eleotricus), ber zuerft 1671
durch Rider in Sayenne beobachtet und von Adrian van Berkel befchrieben wurde. Die ge
naueften Unterfuchungen über ihn verdanken wir Aler. von Humboldt. Später bat man Bitter
aale mehrmals lebend nach Europa gebracht. Sie werben 4—5 $. lang, 5 Zoll did, haben
einen zufammengebrüdten Körper, Heinen Kopf, feine Rüdenfloffe, während die Afterfloffe bid
zur Schwanzfpige reicht, und find olivengrün ober braun gefärbt. Sie finden fi nur in den
langfamen Strömen und Rachen bes äquatorialen Amerifa, wo fie wegen des Vertreibens ber
andern Fifche, der Gefahr, die fie Menfchen und Maulthieren bereiten, für eine Landplage gel»
ten. Die elektrifchen Organe, eins auf jeder Seite, nehmen bei ihnen einen großen Theil des
Körpers ein. Man fängt fie, nachdem man fie an Maufthieren zuvor ihre Kraft hat verſchwen⸗
den laffen, mit Harpunen.
Zittern (tremor) nennt man eine unwillfürliche, geringe und in fehr kurzer Zeit ſich oft
wiederholende Bewegung des ganzen Körpers oder einzelner Theile deffelben, welche ftet ein
Zeichen abnormer Nerventhätigkeit in den betreffenden Theilen ift. Ald Vorläufer, Begleiter
und als Folge vieler Krankheiten iſt das Zittern oft von prognoflifcher Wichtigkeit, ohne eine
ſolche in diagnoſtiſcher Hinficht zu befigen, außer wo es felbftändig ohne andere Krankpeitt-
fomptome auftritt. Am Häufisften findet es fich bei Säufern.
Sikernappel, f. Espe. |
ittwerfamen oder Wurmfamen beißen die Blütenknospen mehrer orient. Beifußarten
(f. Artemifla), die Feine aromatifh-Tampherartig riechende und ſchmecende Kügelchen barfich
wo — vw wm : nu — — — — — — —
Zin Zobel 541
len und gepulvert, mit Honig oder Syrup gemifcht, ein vorzügliches Wurmmittel abgeben. Am
meiflen fchägt man im Handel den Tevantifchen ober aleppiichen Bittwerfamen, bei dem die
Biüten ſchon deutlich zu erkennen find ; er kommt vom Vahl'ſchen Beifuß (Artemisia Vahliana).
Starker ift jedoch der indifche oder barbariſche Bittwerfamen, bie noch ganz unentwidelten BI
tenfnospen des gefnäuelten Beifußes (A.glomerata). Eine britte Sorte fommt aus ber Tatarei
und dem öftlichen Rußland umd ſtammt vom tatar. Beifuß (A. santonica). Zu Berfälfchun-
gen des Zittwerfamens dienen befonders die Blüten inländiſcher Beifußarten und bie Blüten
und Früchte des Rainfarınd (Tanacetum vulgare).
in ober Bio, f. Thr.
iziãnow, eines ber berühmteften und älteften Häufer in dem früher felbfländigen Zar»
thum, jegt ruff. Provinz Georgien ober Grufien, welches mehrmals durch Heirat mit bem te
gierenden Fürftenhaufe jenes Landes in Verwandtfchaft kam. Unter den grufifchen Zaren zeich⸗
nete ſich diefe Familie Durch Reichthum, Gelehrfamkeit und Unerbittlichkeit im Kampfe mit den
Türken und Perfern aus. Der Fürſt Paata oder Paul Sacharjewitſch 3. begleitete gegen
Enbe ber Regierung Peter's d. Gr. ben von den Zürken vertriebenen Zaren Wachtang nach
Rußland, trat Hier in Kriegsbienfte und ward in der Schlacht von Wilmanftrand 1741 getöd-
tet. — Sein Enkel, Fürft Paul Dmitrijewitſch 8., geb. 1754 zu Moskau, wurde ſchon als
Kind in die Liſten bes Preobraſchensker Barberegiments eingetragen und erhielt eine forgfältige
Erziehung. Ex zeichnete ſich bald als gelehrter Offizier aus, überfegte den Folard und andere
Werke ind Ruffifche, diente in dem Türkenkriege von 1787 unter Rumjamzow und Repnin
und avancirte 1795 zum Generalmajor. Der Aufftand in Polm 1794 gab ihm Gelegen-
heit, ſich durch bie Bertheidigung von Grodno und bie Niederlage ber Generale Sapieha und
Grabowſki hervorzuthun, und 1796 ging er mit der Armee unter Subow nach dem Kaukaſus.
Nach der Bereinigung Gruſiens mit Rußland warb 3. im Sept. 1802 zum Oberbefehlöhaber
bafelbft ernannt. Er erwarb ſich Hier durch fein feftes, aber gerechted Benehmen das Zutrauen
der Gruſier, ſchlug bie Einfälle der Bergvöfker zurüd, erftürnte 9. März 1803 Belokany und
4. Jan. 1804 Ganſha, das heutige Elifabetpol. Eine Erpebition gegen Eriwan mislang, trop
mebrer Siege, bie er über die von Feth⸗Ali⸗Shah und feinem Sohn Abbas-Mirza angeführ-
ten Perſer davontrug; bagegen unterwarfen fich ihm die Fürften von Mingrelien und Imere⸗
tien. Auch der Khan von Baku erflärte fich bereit, ihm diefe Stadt zu übergeben, und lud ihn
deshalb zu einer Zuſammenkunft ein. 8. begab fi 8. Febr. 1806 mit geringer Begleitung zu
ihm; im Augenblick aber, als man ihm bie Schlüffel der Stadt darreichte, ward er von hinten
niedergefchoffen. In Tiflis wurde ihm ein Monument errichtet. Vgl. Wiskowatow, „Kojäs
Pawel Dmitrijewitsch Z.” (Tiflis 1845). — Sein Neffe, Fürft Omitry Iwanowitſch 8.,
früher ruſſ. Garbeoberft, Hierauf wirklicher Staatsrath und Kammerherr, flarb 20. Det.
1850 zu Peteröburg.
Zuayım oder Znaim, die Hauptftabt eines gleichnamigen, neuerdings wieder organifirten
Kreiſes (55, QM. mit 196939 E.) in der öſtr. Markgraffchaft Mähren, von 1849—54
Hauptort einer Bezirkshauptmannſchaft (214 QM. mit 73937 €.), in einer angenehmen,
fruchtbaren Weingegend auf einem Berge am linken Ufer der Thaya gelegen, hat dreiVorftädte,
eine ſchöne goth. Pfarrkicche des heil. Nikolaus, mehre andere Kirchen und Klöfter, ein Rath:
Haus, ein Salzamtögebäube, eine alte Tandesfürftliche Burg, einft Reſidenz einer apanagirten Li⸗
nie des böhm. Negentenhaufes, ein Militärhospital, eine Hauptfchule, ein Gymnaſium, feit
kurzem ein an bie Stelle des nach Prerau verlegten Militärfnabenerziehungshaufes errichtete®
Gabetteninflicut und in dem Gebäude des nahe gelegenen ehemaligen reichen Prämonftratenfer-
flift6 Brud oder Klofterbrud,, in dem fich früher die nach Göding verlegte kaiſerl. Zabadsfabrit
befand, die von Wienerifh-Neuftabt hierher verlegte Ingenieurakademie mit 200 Zöglingen.
Die 6500 deutſchen Einwohner von 3. befchäftigen fih vorzüglich mit Wein. und Senfbau,
Quchmeberei und Weinhandel; außerdem befigt die Stadt eine große Salpeterplantage, eine
Steingutfabrif, eine Effig- und eine Lakrizenfaftfiederei. 3., das früher an einem andern Orte
geftanden und 1145 von dem böhm. Fürften Wladiſlaw zerflört worden war, wurde an feiner
gegentwärtigen Stelle um 1222 angelegt und war lange Zeit Hauptſtadt Mährens und Nefibenz
ber mähr. Fürſten. In neuerer Zeit wurde fie durch das Gefecht zwiſchen dem Nachtrab des
Erzherzogs Karl und den Franzoſen unter Marmont 11. Juli 1809 berühmt, ſowie durch ben
bier Tagẽ darauf zwiſchen Öftreichern und Franzoſen abgefchloffenen Waffenftillftand, bem
44. Det. ber Friede zu Wien folge. .
Zobel (Mustela Zibellina), ruff. Sobol, heißt eine in den .einfamften Gegenden Gibiriens
543 Bobten Zodiakallicht
und bes polaren Amerika heimiſche Art ber Gattung Wieſel (ſ. d.). Der Zobel wird 124 8.
lang, 1 8. hoch, fein Schwanz nıift 15 Zoll. Er iſt liſtig, gewandt, hört ſcharf und iſt ſchwer
überliften. Nur des Nachts geht er auf Raub aus; bei flürmifhem Wetter verbirgt ex fich im
Feiner Höhle, in deren Nähe er feinen Vorrath aufbewahrt. Im Sommer frift er verfchiedene
Waldfrüchte, im Winter Mäufe, Ratten, felbft Hafen, Waldhühner und Fifche. Sein Pelz ift
meift dunkelbraun, hat lange, feidenglängende Grannenhaare, die fi) nach jeder Richtung fireir
Ken laffen, ohne ſtruppig zu werben, und ungemein bichtes, weiche® Grundhaar. Die Winter
felle find beſſer ald die Sommerfelle und die bes öftlichen Sibirien beffer als die des weſtlichen.
Die Jagd wird daher befonders an der Lena durch 10—12 Mann ſtarke Zägergefellichaften
betrieben, dauert vom November bid Januar und gefchieht, um Durdlöcherung des Fells zu
vermeiden, mitteld Fallen oder Armbrüften. Der Zobelfang ift übrigens Regal der Krone, die
fich von mandyen Völkern und Ortfchaften den Tribut in Zobelpelgen zahlen läßt. Der Preis
beträgt in Rußland für das Stud mittlerer Qualität 8— 10 Rubel, für die beften, ganz ſchwar-
zen, oft mit weißem Grannenhaar (Silberzobel), 60 und mehr Rubel. Da zu einem vollftän-
digen Pelze 80 Stück gehören, fo kann ein folcher leicht auf 5000 Rubel zu ftehen kommen und
wird in der Regel nur ald Laiferl. Geſchenk gegeben. Künftlich geſchwärzte Felle erfennt man,
wenn fie gefärbt find, am Abfärben und Mangel des Glanzes, geräucherte an bem gekrümmten
Haar. Die Ehinefen, gefchidter als die Ruſſen, verftehen jedoch auch in diefen Punkten die ech⸗
ten ſchwarzen Zobel völlig nachzuahmen.
Zobten oder Bobtengebirge, im weitern Sinne, nennt mıan bie im Regierungsbezirt Brei
lau der preuß. Provinz Schlefien liegende norbliche Abtheilung des Eulengebirgs, die ald ein
kleines Gebirge für fich rechts von ber Peila zwiſchen der Weiftrig und der Rohe fich erhebt und
gegen das linfe Ufer der Ober verfladht. Das Zobtengebirge fteht mit bem Siefengebirge (1. d.)
in Verbindung und feine hochften Punkte find der Geiersberg mit ber kahlen Geierskoppe, ber
Költfchnerberg mit dem Zafelftein, auf welchem ehemals eine Burg fand, ber Ruheberg, ber
Bruchberg und der Zobten, von welchem der ganze Höhenzug ben Namen führt. Der eigent-
liche Zobten, ein Berg 2M. von Schweidnig und 5 M. von Breslau, welcher feinen Namen
von bem flaiw. Gora sobotka, d. h. heiliger Berg, hat, ift Höher al& die übrigen Berge des gan-
zen Höhenzugs (2246 8.), faft durchgängig dicht bewaldet und auf drei Seiten von einer großen
Ebene umgeben. Er hat eine faft kegelformige Geftalt, läuft in zwei Spigen auß, gewaͤhrt eine
genußreiche Ausficht auf die ganze Bergkette ber Subeten und über einen großen Theil Schle
fiens, weshalb er ber Wächter Schleſiens genannt wird, und ift eine Wetterſcheide und zugleich
ein Wetterprophet für die Bewohner des untern Yandes, die, wenn er mit Gewölk bededt ift,
Regen, wenn er lichtblau und hell erfcheint, heiteres Better erwarten. Nach Büſching's Ber
muthung fol in ältefter Zeit auf demſelben die alte Asciburg oder Aſenburg (Asgard) geftan-
den haben, womit bes Ptolemäus mons Asciburgius übereinftimme; jedoch iſt mit legterm
Namen wol ber ganze Sudetenzug bezeichnet. Im 11. Jahrh. fand auf der höchſten Spige
beffelben eine Burg, die 1108 zu einem Klofter der Auguftiner eingerichtet und, als dieſe dee
rauhen Klimas wegen wegzogen, wieder zu einem Raubfchloffe umgewandelt, 1471 aber durch
bie Breslauer und Schweibniger zerflört wurde. Die 1702 vom breslauer Auguſtinerabt Je⸗
hann Sivert erbaute Marienkapelle, in welcher jährlich zum Befte ber Heimfuchung Maria
unter Zufammenfluß einer großen Volksmenge und Abhaltung einer Art Jahrmarkt kath. Got-
tes dienſt gehalten wurde, ift 1854 durch den Blig größtentheils zerſtört morben. In geogno⸗
ſtiſcher Hinſicht bildet die Brundlage des Zobten fowie des ganzen diefen Namen führenden Ge-
birgeſtrichs feinförniger Granit und hier und da Bneis, auf melden beiden Steinarten Ser⸗
pentin abwechfelnd mit Urgrünftein kagert. Den Granit bed Berge hat man erfl in neuerer
Beit angefangen häufiger zu brechen und namentlich zur Pflafterung ber Bürgerfteige in Bres⸗
lau zu benugen. Der bequemſte Weg auf ben Zobten führt von dem Städtchen Sebten, das
1950 ©. zählt, aus und zieht fi zwifchen dem Mittel- und Stollberge hinauf, bei mehren fe-
genannten Stationen ober Bildern aus dem Leben Jefu vorbei, bis man zu der großen fleiner-
nen Bildfäule einer Jungfrau ohne Kopf, die einen Fiſch im Schooße hält, und zu dem foge
nannten Pumperfledichen, einer Stelle, wo es hohl klingt, wenn man Mopft, und fomit auf
. Höhe pet Bergs gelangt. In ben Volksſagen der Umgegenb fpielt ber Zobtenberg eine
auptrolle.
Zodiakallicht oder Thierkreidlicht nennt man einen weißlichen Lichtſtreifen am Himmeh,
ben man beſonders im Frühling und Herbſt um Die Zeit der Nachtgleichen (im März und Sep
tember) kurz vor Aufgang oder nad) Untergang der Sonne, und zivar im Frühling Abends im
Zodiakus Zoega 548
Weſten, im Herbſte früh im Oſten, wahrnimmt. Das Licht dieſes Streifens hat mit dem
Schimmer der Milchſtraße einige Ahnlichkeit, iſt aber weit bläſſer. Die Form deſſelben gleicht
bei uns einer ſchief (unter einem Winkel von 64°) auf dem Horizonte ſtehenden Pyramide, deren
verbreitete Bafis ungefähr den Ort einnimmt, mo bie Sonne untergegangen ift, und deren Achſe
nach der untergegangenen Sonne felbft hingerichtet if. Während ber Streifen bei uns [chief
nad) Süben gewendet ift, flieht er unter dem Aquator faft ſenkrecht auf dem Horizonte; auf ber
füdlichen Halbkugel neigt er fich entgegengefegt nach Norden. Die erfte bekannte Beobachtung
beffelben ſcheint um 1660 in England gemacht zu fein; aber erſt Domenico Gaffini, ber ed im
Frühling 1683 beobachtete, ergrüindete alle Umftände und machte die Aſtronomen darauf auf-
merffam. In der heißen Zone iſt die Erfcheinung ungleich häufiger, auffallender und pracht⸗
voller als in höhern Breiten. Die Urfache berfelben iſt noch gegenwärtig fehr rärhfelhaft. Da
der lichte Streifen nahe mit der Ebene bes Sonnenäquators zufammenfällt, fo fucht Mairan in
feinem Werke über das Norblicht (Par. 1731) darzuthun, daß das Zodiakallicht nichts Anderes
fei als die Sonnenatmofphäre, welche durch die rafche Umdrehung ber Sonne fo ſtark abgeplat-
tet fei, baf fie nur wie ein Streifen erfcheine Aber ſchon Laplace zeigte in feiner „Möcanique
celeste”, wie unhaltbar Mairan's Hypothefe fei, da die Sonnenatmofphäre nicht abgeplatteter
als im Verhältniß von 2 au 3 und alfo nicht außgebehnter als bis der Mercurdrasite fein
Tonne, während das Verhaͤltniß der beiden Achfen bes Zodiakallichts wenigſtens wie 1 zu 5 iſt
und legteres fich erwiefenermaßen bis über die Erdbahn hinaus erſtreckt. Nach andern Hypo»
thefen befteht Diefes Licht in Dem durch die Nahe ber Sonne verbichteten Ather oder in Kometen-
materie, die bei dem Durchgange diefer Himmelskörper durch das Perihel abgefegt wurde.
Schr wahrfcheinfich ift die Urfache dieſes Lichts ein ſehr abgeplatteter Ring von dunflartiger
Materie, welche zwiſchen ber Venus- und Marsbahn frei im Weltraum ſchwebt, eine Meinung,
für welche fidh neuerdings auch Uler. von Humbolbt entfchieden hat.
Se ſ. Thierkreis.
otga (Georg), einer der bedeutendſten Alterthums forſcher, wurde 20. Dec. 1755 zu Dah⸗
ler in der jütländ. Grafſchaft Schackenborg geboren, wo fein Vater Prediger war. Seine Fa⸗
milie flammte aus der Gegend von Verona. Auf dem Gymnaſium in Altona vorgebilbet, ſtu⸗
dirte ex feit 1773 in Göttingen. Im 3. 1776 machte er eine Reife durch die Schweiz nach Ita⸗
lien und hielt fich den Winter hindurch in Leipzig auf. Sodann kehrte er 1777 nad Kopenhagen
zurüd, übernahm eine Hauslehrerftelle und reifte 17779 mit feinem Zöglinge nach Göttingen
und darauf wieder nad) Stalien. In Kopenhagen fand er bei feiner Rückkehr an dem Geh. Rath
Buldberg einen Gönner, der ihm ein Reifeftipendium verfchaffte, ſodaß ex 1782 feine dritte
Neife nach Italien antreten konnte. Er war ſchon auf den Rückwege, al er in Paris von ber
in Kopenhagen eingetretenen Minifterialveränderung Nachricht erhielt und wieder umkehrte, mit
dem Entfchluffe, in Rom feine Tage zugubringen, mo er 1785 katholiſch wurde. Unſtreitig
hatte er durch Windelmann die erfie Anregung zu einem tiefen Erforfchen ber Alterthums⸗
kunde empfangen ; aber fo ähnlich fich beide Männer in ihrem raftlofen Streben, ihrem Schön⸗
heitöfinn und ihrer Gelehrſamkeit waren, fo verfchieden war ihre innere Geiftesrichtung. Windel-
mann betrachtete die Antike mit dichterifchem Gemüth, 3. aber als Philoſophh. Im äußern Les
ben bewies 8, den freien Mann unb war entfernt von Zwang jeder Art. Kür Eunftliebende
Srenide, die Rom befuchten, war er ein trefflicher Führer, auch für junge Künſtler aus feinem
Baterlande ; namentlich hat ihm Thorwalbfen viel zu banken. Der Cardinal Borgia, ein eifriger
Berehrer und Sammler ägypt. Witerthümer, wurbe für 8. bie nächfte Veranlaſſung, fi mit
benfelben zu befchäftigen. Er ließ die „Numi Aegyptü imperatorii” (Rom 1787) erfcheinen,
und ber allgemeine Beifall, ben dieſes für Geſchichte und Chronologie fo wichtige Werk exhielt,
lenkte auf 8. auch bed Papſtes Pius VI. Aufmerkfamteit, der ihm bie fchwierige Arbeit über
trug, bie Obelisken zu erläutern. 3. unterzog fi) dem Auftrage. Gein Werk „De origine et
usu obeliscorum” (Rom 1797) erwarb ihm den Ruhm eines der fcharffinnigften und gründ⸗
lichſten a und ift noch von Bedeutung, wenngleich bie ägypt. Alterthumskunde feit jener
Zeit andere abnen eingefchlagen hat. Auch erläutgete er bie koptiſchen Schriftrollen im Mu⸗
feo Borgiano Veliterno; doch fand fich erft 1810 Gelegenheit, diefe Frucht namenlofer Anftren-
gungen zu veröffentlichen. Noch ift feiner „Li bassirilievi antichi di Roma, incisi da Tom. Pi-
roli” (2 Bbde., Rom 1808; beutfch von Welcker, 2 Bbe., Gieß. 1811—12) zu gedenken. Oft
bebauerte 3. in fpätern Fahren, nicht auf das griech. Alterthum die Arbeit verwendet zu haben,
bie er bem ägyptifchen widmete. Dies hinderte die Ausführung feines frühern Plans, bie ganze
griech. Alterthumskunde zu fichten und neu zu begründen. Überdies hatte 3. mit dem Mangel
544 Zofingen Zoll (Abgabe)
aller äußern gänftigen Verhättniffe zu Fämpfen und erlebte nicht, wie Windelnann und Bis-
conti, die Freude, ein beabfichtigtes Hauptwerk ausführen zu können. "Seit 1798 war er dän.
Generalconful im Kirchenftaate; auch war er Profeffor zu Kiel, doch hat er dieſe Stelle nie an«
getreten. Er flarb zu Rom 10. Febr. 1809. Bot. Welder, „Z.’5 Leben, Sammlung feiner
Briefe und Beurtheilung feiner Werke“ (2 Bde. Gött. 1819), der auch 3.6 zerſtreute und
zum Theil noch ungedrudte Abhandlungen (Gött. 1817) herausgab.
Zofingen (Tobinium oder Zophinga), eine Stadt im ſchweiz. Canton Aargau mit 3560 E.
in einer fruchtbaren, von ber Wigger ducchfloffenen Ebene, am Fuße Meiner, mit anmuthigen
Waldungen bewachfener Berge gelegen. Bemerkenswerthe Gebäude find das Nathhaus und
neue Schügenhaus. Die Stadtbibliothek, mit einem intereffanten Malerbuch, iſt reich an alter
Literatur. In ber Umgegend findet man viele Spuren röm. Anfiedelungen. Eine Zeit lang war
3. Reichsſtadt, dann öftreichifch und öfters ber Hof öftr. Fürſten.
Zoilus, ein griech. Rhetor im 3. Jahrh. v. Chr, aus Amphipolis in Thrazien gebürtig,
ift blos durch feine bitteren und hämiſchen Kritiken über die Werke des Plato, Iſokrates und ber
fonber& des Homer berüchtigt geworben, daher ihn fchon bie Alten vorzugsweife „Homeroma-
ſtix, d. i. Geißel des Homer, nannten. Na feinem eigenen Geſtändniß ſprach er deshalb fo
viel Böfes über Andere, weil ex felbft'nicht fo viel Böſes thun konnte, als er wünfchte. Sein
Außeres entfprach ganz feinem Innern, ba er ſtets in einem auffallend faloppen Anzug einher
ging. Wie im Alterthume, fo bezeichnet man noch jegt mit bem Namen Zoilus einen gemeinen
Zänker und heimtüdifchen Tadler.
Zolkjewſti (Staniflam), ein ausgezeichneter Feldherr der Polen, wurde 1547 aus edelm
Geſchlecht zu Turynka bei Zolkiew in Galizien geboren. In frühefter Jugend entging er bei
einem Einfalle der Zataren mit genauer Roth dem Tobe. Gebildet in den Iemberger Schulen,
biente er dann unter feinem Verwandten San Zamofffi im Heere und erwarb ſich burch feine
edle Denkungsart, feine Milde und Tapferkeit allgemeine Achtung. Später wurde er Gaftellan
von Lemberg und Woiwode von Kiew. Im J. 1596 zog er als Unterfeldherr gegen die unter
Naläwayko revoltirenden Kofaden, überwand fie und führte fie durch feine Mäfigung zum Ge
horfam zurüd, indem nur die Anführer am Leben geftraft wurden. Dann fänıpfte er mit
Glück gegen die Schweden in Livland. Nach Zamoffli’E Tode hätte ihm der Krongrogfeld-
herrnſtab gebührt; er erhielt ihn jedoch nicht und bie Neider feines Glücks bezeichneten ihn bei
dem ſchwachen Sigismund II. ald Theilnehmer des Zebrzybomfli'fchen Aufftands. Doc 3.
beſchämte diefelben, indem er offen zur Vertheibigung bes Königs auftrat. Später befehligte er
auf dem Zuge gegen Moskau; feiner Umficht und Tapferkeit gelang es, Moskau zu erobern,
den Zaren Schuifkoi gefangen zu nehmen und mit ben Boſaren den Vertrag, nad) welchem ber
Sohn Sigiemund’s, Wladiflaro, zum Zaren erhoben werben follte, zu ſchließen; doch vereitelte
Sigismund's Unentfchloffenheit alle biefe Vortheile. In feinem 70. 3. erhielt er endlich bie
oberfte Feldherrnfielle und wurde zur Abwehr der Tataren und Türken an des Vaterlandes
Grenze gefendet, wo er nach tapfern Kämpfen fich genöthigt fah, 1617 bei Bufza einen Ver-
trag zu fchließen, durch welchen in zweideutigen Ausdrüden die Moldau und Walachei an bie
Türken abgetreten wurden. Nım triumphirten 3.8 Feinde, ja man Magte ihn des Einverftänd-
niſſes mit dem Feinde an. ALS er daher 1620 wieder nach der Walachei aufbrach und ihm über
den Dnieftr zu bringen befohlen wurde, zog er es vor, mit der Übermacht der Türken wohl be»
kannt, fich lieber dem Xod zu weihen, als neuen Schmähungen fih auszufegen. Acht Tage
lang hielt ex fich bei Gecora am Dnieſtr gegen ein drei mal zahlreicheres tür. und tatar. Heer;
8. Dct. 1620 fiel der 73jährige Greis mit dem größten Theile des Heeres. Sein Haupt wurde
in Konftantinopel als Siegeszeichen umhergetragen, fpäter jedoch nebft bem Körper für große
Summen ausgelöft und in Zokkiew beerbigt, wo Johann II. Eobiefli dem 3. ein Denfmal
errichten ließ. Seine von ihm hinterlaffene wichtige Befchreibung des Zugs ber Polen zur
Unterftügung des falfchen Demetrius erfchien 1833 zu Lemberg im Druck.
ol (Map), f. Fuß.
oN oder Mauth heißt die auf die Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr gelegte Abgabe. Sie
unterfcheibet fi) von dem fogenannten Geleit (f. d.) badurch, daß fie von den Waaren, nicht
von den Transportmitteln entrichtet wird. Um ben Urfprung der Zölle zu finden, muß man
auf die griech. und röm. Zeiten zurüdgehen. Das Sollrecht wurde ein Regal. Frühzeitig
fühlte man das Bebürfnig, ben Misbrauch deffelben zu verhindern. In der Goldenen Bulle
verbot man alle unbilligen und ungewöhnlichen Zölle, und König Wenzel verfprach 1379, ohne
aus drückliche Einwilligung ber Kurfürften keine neuen Zölle im Deutfchen Reiche verleihen zu
m _ — — — —
Zollikofer 545
wollen. Dies bildete von Karl V. an eine ſtehende Glaufel in ben Wahleapitulatienen. Die na
tionalötonomifchen Zwecke, die andere Staaten in neuerer Zeit in ben Zöllen fuchten, waren in
Deutſchland wegen befien Zerftudelung nicht zu erreichen; hier mußte man fich auf die ſinan⸗
ziellen befchränten. Erſt in neuefter Zeit, nach gänglicher Umgeftaltung der Innern Lage Deutſch⸗
lands, wurde es möglich, ein eigentliches Zollſyſtem im Sinne der neuern Hanbels- und Fi
nanzpolitik zu begründen, in welcher es eine überaus große Stelle übernommen hat, inbem die
Neigung zum Mercantilfoftem (f.b.) ſich mehr oder weniger Hineinmifchte. Rur die Burd-
gangszölle blieben rein finanziell, fchaben aber nationalötonomifch ebenfo viel wie jeder andere,
weil fie den Handel veranlaffen, das Land, welches fie erhebt, möglichft zu vermeiden und ihm
dadurch den Verkehr mit den durchgehenden Transportmitteln umb den Ubfag an biefelben zu
entziehen. Sie find übrigens auch ungerecht, ba man eine günftige Lage benugt, um den Ver⸗
Behr anderer Ränder zu verfümmern. Als die Ausgaben ber Staaten größer wurben und durch
die birecten Abgaben nicht mehr beftritten werben konnten, führte man zur Beihülfe bie indirec⸗
ten Abgaben ein, und ihr Syſtem wurde immer tünftlicher und vermidelter, je mehr man auch
nationalöfonomifche Zwecke dadurch zu erreichen trachtete, d. h. wenig ober gar nichts einführen
und viel ausführen wollte. Allein wie im Privatleben, fo wirb auch im Völkerleben, dad befte
Verhältniß fich geflalten, wenn Jeder Das probucitt, wozu er am meiſten Geſchick, Beruf
und Hülfsmittel Hat, und mit dem Überfluß feiner Arbeit Das eintauſcht, was er an andern
Sachen bedarf. Die Einfuhrzölfe Dürfen nie fo hoch fein, um das Yublicum zu Gunflen einer
Kleinen Anzahl Fabrikanten zu befteuern, fondern müffen flet6 dem Ausländer geflatten, mit
bem Inlaͤnder ſich zugleich bewerben zu Fönnen, wodurch ber Iegtere veranlaßt wird, durch
gleiche Güte und Wohlfeilheit der Waaren jenen zu verbrängen, während er, geſchüht, ſorglos
fich gehen läßt. Gut ift das Zollſyſtem, welches nur folche Artikel befteuert, die, wie weitverbrei⸗
tet und gewöhnlich auch ihr Verbrauch fein möge, doch Niemand nothivendig verbrauchen muß,
bei denen es alfo zulegt in ber Willkür des Verbrauchers fteht, ob er die Abgabe bezahlen will
oder nicht. Der Käufer merkt es übrigens dann kaum, daß er im Augenblid bed Kaufens eine
Abgabe bezahlt, die er nicht eher als zu bem Zeitpuntte erlegt, wo er bei Kaffe ift. Bei keinem
andern Steuerſyſtem läßt fich daher eine fo gleiche Verteilung ber Steuerlaſt erwarten. So er-
fcheint es immer noch als das Befte, wenn mäßige directe Steuern fich an Ickht erfennbare
äußere Steuergegenftände heften, das Übrige durch niebrige Zölle und andere indirecte Abgaben
aufgebracht wird und jede Minderung ber Abgaben, die fich möglich macht, zuerft bie directen
Steuern, namentlich die Grundſteuern betrifft, da vorausgefegt wird, daf Lebensmittel ſtets
ganz frei bleiben. Freilich Herrfcht In den meiften, beſonders in den größern Staaten und auch im
Deutfhen Zollverein noch ein Zollfoftem vor, das weder hinreichend niedrige Zölle feſtſtellt,
noch ſich frei von allen Rückſichten der Schutztheorie hält, um nicht manchem Einwurf ausge
fegt zu bleiben. (&. Schutzzollſyſtem.) Die Zölle önnen theild vom Werth der Waaren, theile
vom Gewicht erhoben werben. Der erftere Weg ift allerdings ber viel gleichformigere und ver»
bient infofern den Verzug ; allein er gibt zu viel Anlaß zur Berfländigung mit ben Zollbeamten,
während der zweite ben Steuerpflichtigen eines jeden Schleifwegs überhebt. Ihm und mehr
noch al& ber allerdings guten Bezahlung if die hohe Mechtlichkeit der Zollbeamten des Zollver-
eins zuzufchreiben. Um ben directen Handel mit einem gewiffen Lande zu befördern, hat man
Differentialzölfe (ſ. d.) oder Unterſcheidungszoͤlle eingeführt. Es find ermäßigte Sätze bes
allgemeinen Zolltarifs eines Landes, wenn deſſen Erzeugniſſe im andern ebenfalls Zollbegünſti⸗
gungen genießen. Ebenſo bewilligen ſeefahrende Völker dergleichen Zölle für die unter der eige⸗
nen Blagge ober umter der ber. Erzeugungsländer eingehenden Schiffsladungen. Endlich werden
auch den Golonien Differentialzölle bei der Einfuhr ihrer Erzeugniffe im Mutterlande zu Theil.
Zollikofer (Georg Joach.) einer der vorzüglichften beutfchen Kanzelredner des 18. Jahrh,,
geb. zu St.-Gallen in der Schweiz 5. Aug. 1730, befuchte die Schule feiner Vaterftadt, die
Gymnafien zu Frankfurt a. M. und zu Bremen und zulegt die Univerfität zu Utrecht. Nach
feiner Rückkunft von der Univerfität wurde ee 1754 Prediger zu Murten in der Schweiz und
1758 Prediger bei ber ref. Gemeinde zu Leipzig, der er, obfchon ihm verfchiedene fehr vortheil⸗
hafte Anträge gemacht wurden, bis an feinen Tod, 25. San. 1788, treu blieb. Die höhere
Bildung diefer Gemeinde und der Umgang mit ausgezeichneten Gelehrten blieben nicht ohne
Ginfluß auf ihn als Kanzelredner und ſo wirkte ee 30 3. für die Gemeinde als Lehrer unb für
junge Theologen als Mufter des Redners ungemein viel. Sein Vortrag war. wie fein äußerer
Anftand ruhig und würbevoll, tief eindringend und überzeugend, ohne hinreißend zu fein, licht⸗
GonvLex. Zehnte Xufl. XV. 2, 3
546 Zollverein
U und faßlich. Ein Hauptzweck feiner Vorträge war, ben Vorurtheilen und herrſchenden
—* der Zeit entgegenzuarbeiten und richtigere moraliſche Begriffe zu befördern. Dabei be
faß er die feltene Babe, ganz fpecielle Verhaͤltniſſe, Fehler, Gewohnheiten, ſelbſt Vergnügungen
des häuslichen und geſellſchaftlichen Lebens auf ber Kanzel mit Würde zu behandeln, und wirkte
um fo ficherer, je mehr er fich durch feinen Eharafter ımd Wandel die allgemeine Achtung er-
worben hatte. Als denkender Beiftlicher ging er freimüthig von mehren Sägen des älten Ey
fiems ab. Bon feinen Predigten find ungefähr 250 im Druck erfhienen. Er ſelbſt gab 1769
— 88 vier Sammlungen „Predigten” (6 Bde.) heraus, die mehrmals aufgelegt wurden. Rad
feinem Tode erfchtenen die von ihm „Dinterlaffenen Predigten” (9 Bde.). Gfeichzeitig erſchie⸗
nen beide Sammlungen zuſammen unter dem Titel „3.6 fämmtliche Predigten” (13 Bbe.,
Lpz. 1789-1864). Ein großes Verdienſt erwarb ih 3. auch durch die Herausgabe des
„Neuen Geſangbuch“ (Byr. 1766; 8. Huf, 1786), bei defien Herausgabe ihn befonders fein
Freund Chr. F. Weiße (f. d.) unterfiügte. Gefchägt waren ebenfalls feine „Andbahtsübungen
und Gebete”. Vgl. Garve, „Uber ben Eharafter J. 8 (2pz. 1788).
Zoflverein. Nachdem die Bundesverfaſſung die Bande innerer Einheit in Deurfchland
wieberhergeftellt, Tag der Gedanke nicht fern, die Wachtheile der innern Abfperrung durd
Zollſchranken möglichft zu befeitigen. Preußen hatte alle feine Zollſtätten an bie Grenzen ver-
legt, und mehrfache Verſuche wurden gemacht, durch Vereinigung zu erfegen, mas an Größe
abging ; allein noch ſtoͤrten Verſchiedenartigkeit der Intereffen, der Geſetzgebung, befonders aber
der Mangel eines kraͤftigen Encſchluſſes. Die vieljährigen Streitigkeiten über die Enclaven
und der Wunſch, fie zu befeitigen , waren ber erfte Kein ber fpätern größern Zollvereinigun-
gen. Zuerft ſchloß ſich Schwargburg- Sonbershaufen an Preußen an. Durch den Vertrag
vom 25. Oct. 1819—28 folgten Schwarzburg-Mudolftadt, Sachſen ˖ Weimar, Anhalt:Bern-
burg, Unhalt-Deffau und Unhalt-Köthen, Zippe-Detmold und Mecklenburg⸗Schwerin nad :
fie ſchloſſen ſich theils ganz, theils für einzelne Gebtetötheile dem preuß. Syſtem an. Das
Großherzogthum Heffen-Darmftadt that Daffelbe durch den Vertrag vom 14. Febr. 1828,
wekher das Bollwefen und den Verkehr beider Staaten volllommen verſchmolz. Im übrigen
Deutſchland waren bie Beftrebungen lange Zeit mehr gegen das preuß. Zollſyſtem gerichtet ats
annähernd, teil es höhere Zollfäge hatte. Ernfte Retorfiongmaßregeln gegen Preußen ergriff
indeſſen nur Kucheffen 1819, deren Unzweckmäßigkeit jedoch bald einleuchtete. Die Fleinern
Staaten, die fich durch Preußen gedrückt fühlten, fingen nun an, Berathungen zu halten. Allen
Die Danbelöcongreffe, die Baiern, Würtemberg, Baden, Darmſtadt, das Erneftintfehe Sachfen,
Naffau, die Reuße, Kucheffen, Walde, Hohenzollern umd beide Schwarzburge zu Darmfladt
1821, zu Frankfurt und Arnſtadt 1823 und zulept zu Stuttgart 1825 hielten, führten um fo
weniger zu einem Ergebniß, als nicht einmal dieſe Staaten fi} untereinander verſtändigen fonn-
ten. Beide Heffen befümpften fih 1825 und 1826 durch firenge Belchräntungsmafiregen,
und Baiern und Würtemberg brachten es 1827 nur zu einem Handelsvertrag. Weniger dirert
feindlich gegen Preußen gerichtet ald den innern Bebürfniffen angepaßt mar der Zollvereini«
gungsvertrag vom 18. Jan. 1828 amifchen Baiern, Würtemberg und den beiden Hohenzoßern.
Allein diefe Staatenumfaßten kein hinlänglich großes Gebiet, um fid für ſich genug fein zu fon-
nen, und bie Lage der andern Staaten wurde dadurch nur noch ſchlimmer. Den legten Dppo-
fitionsverfish machten Sachfen, Hannover und Kurheſſen. Das erflere hatte unter dem Syftem
einer durch Feine Schugmaßregeln gegen das Ausland geminderten Handelsfreiheit fich fehr
lange wohlbefunden; Dannoveraber folgte dem engl. Einfluffe, und Kurheffen mar fortwährend
gereizt gegen das preuß. Syſtem. &o kam 24. Sept. 1828 zu Kaffel ber Mitteldeutſche Han-
beiäverein zu ®tande, dem Sachen, Hannover, Kurheſſen, das Emeftimifche Sachfen, Braun
ſchweig, Naffau, Oldenburg, Heffen-Homburg, die Reußiſchen Rande, Schwarzburg-Rubol-
fladt, Bremen und Frankfurt a. M. und 29. Sept. Schmarzburg-Sondershaufen beitraten.
Es war dies ein Verein gegen die Bölle, der „zur Beförderung eines möglichfl freien Verkehrẽ
und ausgebreiteten Handels ſowol im Innern unter ben Vereinsſtaaten ſelbſt als gegen außen”
geftiftet fein ſollte. Wichtiger mar der 27. März 1830 zwiſchen Kurheffen, Hannover, Didenburg
und Braunfchweig gefchloffene Eimbeder Separatvertrag, welcher einen wahren Zollverein
begründete. Diefer Verein ſollte vorläufig bis Ende 1841 dauern, wie der große Verein feibfl
bis Ende 1834 gefchloffen war. Beide Vereine erlebten indeffen diefe Termine nicht, denn dit
Bande blieben zu loder, und Kurheſſen erklärte 25. Aug. 1831 plöpfich feinen Beitritt zu dem
yreuß..barmftädt. Zollverein, der ihm größere finanzielle Vortheile bot. Dadurch wurde der Ver.
ſelbſt thatſächlich aufgelöft. Alle Befchwerden waren vergeblich, und es erfchien Mar, daß jeder
gelpfrein | u
nur fein eigenes Intereffe zır bedenken habe. Die Folgen der von Kurheſſen unternommenen
Schritte hatten Indeffen guten Erfolg. Sachfen-Weimar trat in Beziehung auf das Vorderge⸗
richt Oftheim vermöge Vertrags vom 25. Fan. 1851 dem fühdeutfchen Vereine hei, was Sad
ſen⸗Koburg wegen des Amts Königsberg durch den —— vom 44. Juni 1851 und Baden
wegen mehrer Enclaven durch Vertrag vom 12. April 1851 ebenfalls thaten. Diefer ſüd⸗
deutfche Verein hatte 27. Mai 1829 nıit dem preuß.darmſtädt. einen Handelsvertrag gefchlof-
fen. An einer fünftigen Vereinigung beider wurbe feit 1832 gearbeitet. Im Königreich Sach⸗
fen entfchied man fi, über dem Beitritt zu unterhandeln, und machte biefen fowol von den
Bedingungen als aud) von dem Anſchluß ber fübdeutfchen Staaten abhängig. Am 22. März
1858 ſchloſſen Baiern und Würteniberg, zugleich für Hohenzolfern, mit Preußen und den bei»
den Heffen den Zolivereinigungsvertrag. Am 50. März trat ihn bas Königreich Sachfen unter
gewiffen Modiftcationen bei. Am 10. Mat thaten Daffelbe die Staaten des thüring. Zof« und
Handelsvereind, nämlich das Erneftinifhe Sachſen, Schwarzburg und Reuß. Der preuß.-hefl.
Zollverein endete 31. Dec. 1833 mit 14,827418 ©. auf 5461 AM., und der neue große
Deutſche Zollverein hatte 1834 und 1835 25,478120 €. auf 7720AM. Nach längerm Zau-
dern traten Baden vermöge Vertrags vom 12. Mai 1835, Naffau vom 10. Dec. 1835 und
Kranffurt a. M. vom 2. Jan. 1836 dem Verein bei, ber 1836 auf 8089 AM. nach den Zaͤh⸗
lungen zu Ende des $. 1854 eine Bevölkerung von 25,148662 Menfchen hatte, Die aber in
Wirklichkeit fih auf 25% Mil. belaufen mochte. Mehre in die Gebiete des Steuervereins
ſowol als des Zollvereins Hinuberfpringende Landesfpigen und abgefonderte Landestheile mach⸗
ten zur Erleichterung des Verkehrs und Unterbrüdung des Schleihhandels gegenfeitige Zur
weifungen erfoderlich, die Durch die Verträge vom 1. Nov. 1837 bewirkt wurben. Der Umfang
bed Zollvereind flieg dadurch auf 3—110 QM. mit 26,048970 E. 1837, auf 26,439247 ©.
1838 und auf 26,858886 E. 1859. Am 3. Juni 1857 fchloffen Preußen und Holland einen
Vertrag wegen Gleichftellung der Schiffahrt, und der Vertrag vom 21. San. 1859 zwiſchen
dem Zollverein und Holland erleichterte befonders die Einfuhr von Lumpenzuder aus Holland
nad) Deutfchland.
Bei dem Zufammentritt des großen Deutfchen Zollvereins hatte man die Dauer ber ge
ſchloſſenen Zollvereinigungen bis zum 1. San. 1842 feftgefegt. Es wurde daher 8. Mai
1841 ein Vertrag abgeſchloſſen, welcher die bis dahin beftehenden Zollvereinsverträge mit
ſehr wenigen nnd unbedeutenden Abänderungen bis zum 51. Dec. 1853 verlängerte. Der
Bollverein ift ihnen zufolge in Bezug auf Handel und Zollwefen gegen das Ausland ein Gan⸗
zes. An den gemeinfchaftlichen Grenzen werben biefelben Zölle erhoben, welche dem vom Zoll»
verein angenommenen preuß. Tarif vom $. 1818 zufolge in ber Negel nicht mehr als 10 Proc.
vom Werth betragen follen, ſchon durch das Herabgehen der Preife der. meiften Waaren feit
jener Zeit aber größtentheild einen weit beträchtlichern Antheil vorflellen. Ein jeder Staat
bewacht feine Zollgrenzen. Diefe und die unmittelbaren Zolladminiftrationskoften werden jedem
Staate aus der Zollvereindfaffe vergütet. Die übrigbleibende Einnahme wird unter die Mit-
glieder nach der Bevölkerung wertheilt, zu welchen Ende alle drei Jahre eine Zählung derfelben
ftattfindet. Kleinere Staaten find größern zugetheilt, die ſich mit ihnen abfinden. Nur die Stadt
Frankfurt erhält wegen grogern Wohlſtandes und größerer Conſumtion ihrer faft blos ftädti-
[hen Bevölkerung einen größern Antheil, als nach der Kopfzahl ihr zufonmen würde. Die
Gefammteinnahnen des Zollvereins blieben bid mit dem 3. 1836 unbefannt. Bon 1837— 39
betrugen die Eingangszölle im Jahre ungefähr 16 Mill, die Ausgangszölle 510000 und die
Durchgangszölle AI0000 Thlr. Wegen der Vertheilung der Einnahmen von den Ausgangs⸗
und Durcigangszöllen findet eine Scheidung des Zollvereins flatt. Die Einnahme der Aus»
gangsabgaben an ben Zollftätten der öftlichen preuß. Provinzen, des Königreichs Sachfen und
bes Thüringifchen Vereins wird unter diefe und die der weftlichen preuß. Provinzen und ber
übrigen Vereinsſtaaten auf der andern Seite vertheilt. Ein ähnliches Verhältnig finder auch in
Hinfiht bes Durchgangszolls flatt. Außerdem beftchen im Zollverein noch Übergangsabgaben.
In Preußen und vielen andern Vereinsftaaten erhebt man außer obigen Zöllen noch indirecte
Abgaben von inländifchen Verzehrungsgegenftänden, insbefondere von Branntwein, Bier,
Wein, Moft und Tabad. Sowie diefe Abgaben in einigen Vereinsftaaten gar nicht beftanden,
fo waren fie in den andern von verfchiedener Höhe. Schon in den erften Verträgen wünſchte
man eine gleiche Gefeggebung in diefen Beziehungen eintreten zu laffen, was aber nicht
geſchehen ift, bis dahin aber Ausgleichungsftenern einzuführen, wenn aut, Kinem DVereind-
548 Zollverein
ſtaate mit geringerer Beſteuerung jener Gegenſtände dieſe in einen Vereinsſtaat überge-
ben, ber fie höher befteuert hat. Preußen, Sachen und Thüringen erheben vermöge eines
Separatvertrags diefe Abgaben nach gleichen Grundſätzen, daher zwiſchen biefen einerſeits und
ben übrigen Vereinsſtaaten andererfeitö eine Übereintunft zu treffen mar. Wo der Gegenſtand
verzehrt wird, muß nach bem Vertrage vom 8. Mai 1841 der volle Betrag des Steuerfages be-
zahlt werben. Wenn baher 3.3. ein Quart Bier aus Preußen, Sahfen und Thüringen nad
Baiern gefahren wird, fo wird dem preuß., fächf. oder thüring. Bierbrauer an der Grenze die
bezahlte inländifche Steuer zurüdigegeben, in Baiern aber muß der volle Betrag der dortigen
Steuer an bie bair. Staatskaſſe entrichtet werben. Endlich beſtimmt noch der Vertrag vom
8. Mai 1841 (auf zwölf weitere Jahre von 1854 ab durch Vertrag vom 4. April 1853 er»
neuert) überall bie gleiche Befteuerung bes Rübenzuders. Vermöge Vertrags vom 18. Det.
41841 trat dad Fürſtenthum Rippe-Detmold dem Zollverein bei und zu Preußen, von welchem
es nach ber Kopfzahl entfchädigt wird. Auch nahm es die innern Steuern Preußens an. Am
19. Det. 1841 ſchloß ſich Braunſchweig bem Zollverein an, mit Ausnahme derjenigen Landes⸗
theile, welche fich ihrer Lage nach zur Aufnahme nicht eigneten. Dur den Vertrag vom
13. Nov. 1841 trat Kurheffen auch mit der Graffchaft Schaumburg dem Vereine bei. Der
Bertrag vom 11. Dec. 1841 vergrößerte ben Verein durch die waldeckſche Grafſchaft Pyrmont.
Am 16. Dec. 1841 wurde ein Vertrag zwifchen Hannover und Oldenburg einerfeit6 und dem
Zollverein und Braunfchweig anbererfeitd wegen der feuerlihen Verhältniffe verfchiedener
braunſchw. Randestheile und 17. Dec. 1841 ein Vertrag zwilchen Hannover, bem Zollverein,
Didenburg und Braunſchweig wegen Erneuerung des Vertrags vom 1. Nov. 1837 auf ein
Jahr abgefchloffen. Der Vertrag vom 8. Febr. 1842 brachte dem Vereine Lusemburg, daB
von Preußen vertreten wird. Die Einwohnerzahl des Zollvereins betrug 1840 27,142116,
1841 27,436584 und 1842 28,209733 auf 8174 AM. Der Zollverein ſchloß "ar Det.
1840 einen Handelövertrag mit ber Pforte und 2. März 1841 einen Handeld- und Schif-
fahrtövertrag mit Großbritannien. Der Nettovertheilungsbetrag nach Abzug der gemein-
ſchaftlichen Berwaltungskoften und des Averfums ber Stadt Frankfurt belief fih auf
19,013640 Thlr. 1840, auf 19,642926 Thlr. 1841 und auf 20,995576 Thlr. 1842. Für
die Dauer bis Ende 1843 wurben die Verträge zwifchen Hannover und Dibenburg einerfeit
und bem Zollverein und Braunfchweig andererfeit6 vom 16. und 17. Dec. 1841 verläm
gert. Nach Abzug und mit Zurechnung der Alimentirungsentfhäbdigungen betrug ber reine
Einnahmeüberfhuß 22,918754 Thlr. und die Bevölkerung 28,498625 Menfchen. Mit
dem 1. Jan. 1844 erlofchen obige Verträge vom 16. und 17. Dec. 1841, und es wurde ber
braunfchw. Harz⸗Weſer - Diftrict in den Zollverein aufgenommen. Braunſchweig trat Pren-
Ben, Sachſen u. |. w. in Hinficht der Übergangsabgaben bei. Das Gebiet des Zollvereins
umfaßte feitdem 8307 AM. und feine Grenzen hatten eine Ränge von 1106,15 deutfchen Meilen.
Am 1. Sept. 1844 wurde ein Banbdels- und Schiffahrtsvertrag mit Belgien abgeſchloſſen.
Die reine Einnahme betrug 23,970188 Thlr. Das J. 1845 brachte den Handels und Schif⸗
fahrtsvertrag mit Sardinien vom 23. Juni und einen Vertrag zwiſchen Preußen, Braun»
ſchweig und ben übrigen Staaten des Zollverein einerfeit® und Hannover und dem übrigen
Staaten bes Steuervereins andererſeits wegen Beförderung ber gegenfeitigen Verkehrsver⸗
hältniſſe nebft ſechs Ubereinkünften vom 16. Dct. Die reine Einnahme betrug 24,910545 Tr.
Die Bevölkerung bed Zollvereind war im Dec. 1843 auf 28,498136 E. geftiegen; im Der.
1846 betrug fie zufammen 29,460816 ; im Der. 1849 29,800063.
Unterm 2. Jan. 1851 wurde der vom Zollverein für biefe Zeit aufgefündigte Danbels- und
Schiffahrtövertrag mit Belgien für die Dauer des 3.1851 verlängert, fpäter derfelbe bie Ende
Febr. 1852 prolongirt und 18. Febr. 1852 ein Additionalvertrag mit Belgien eingegangen ;
am 20. Mai 1851 wurde ein Abbditionalvertrag mit Sardinien über gegenfeitige Zollermäßi-
gungen abgefchloffen. In demfelben Jahre wurde ein neuer Zolltarif, fomwie Ermäßigungen des
Rheinzolls vereinbart, welche mit 1. Det. 1851 in Kraft traten. Am 51. Der. 1851 wurde
ein Handels. und Schiffahrtövertrag mit ben Niederlanden gefchloffen. Durch Vertrag vom
7. Sept. 1851 wurde der Beitritt des Steuervereind (f.b.) zum Zollverein feftgeftellt, melde
mit 1. Jan. 1854 zur That wurde. Der vorher zum Steuerverein gehörige braunfchweig.
Harz-keinediftrict trat fchon mit dem 15. Aug. 1853 in den Zollverein ein. Der Zollverein
wurde 1851 von Preußen für Ende 1853 gekündigt, um in der Zwiſchenzeit mit den Stasten
deſſelben rückfichtlich feiner erweiterten Reconftruction zu verhandeln, welche langdauernden
Berhandblungen zwar die gänzliche Auflöfung des bisherigen Vereins brohten, endlich aber mit
Zombor 549
bem allgemeinen Bertrage vom 4. April 1855 vollfländig zum Ziele führten, während gleich
zeitig einige Separatverträge über innere Beſteuerung abgefchloffen wurden. Mittlerweile bat-
ten auch Schaummburg-Lippe durch Vertrag vom 25. Sept. 1851 und Oldenburg (ohne fein
Fürſtenthum Lübeck) durch Vertrag vom 1. März 1852 ihren Beitritt zum Zollverein mit dem
3. 1854 erflärt, von melcher Zeit an ein neuer Zarif in Kraft trat. Seit 1. Jan. 1854 find
demnach unter ben beutfchen Staaten nur die beiden Medienburg, die freien Städte Bremen,
Hamburg und Lübeck, Schletwig-Holftein, Liechtenftein und Oftreich vom Zollvereine ausge
ſchloſſen. Den Staaten Hannover, Schaumburg-Bippe und Dibenburg wurbe vertrags maͤßig
zur Andgleichung des bei ihnen bedeutend flärfern Verbrauchs hochbefteuerter Gegenftände und
ihre vorherigen höbern Zolleinkommens ein Präcdpuum bewilligt, indem nach Ermittelung der
auf diefe Staaten im Berhältniß ihrer Bevölkerung zu der des ganzen Zollvereind treffenbe
Antheil am Zollertrage noch um drei Viertel erhöht wird, jedoch rüdfichtlich der Eingangsab-
gaben und der Rübenzuderfteuer um höchſtens 20 Sitbergrofchen jährlich für jeden Einwohner.
Auch von ber Einführung bes Salzmonopols in ben genannten Staaten wurde abgefehen, wo⸗
gegen biefelben fich zur Beobachtumg geeigneter Mittel behufs Verhinderung der Einſchwärzung
von Salz in die übrigen Theile des Zollvereins verpflichteten. Kür Enden und Harburg wurde
das Freihafenrecht oder bezüglich das Recht freier Niederlage gewährt, ſowie der Kreihafen
Geeftemünde (fo lange ald Bremerhaven nicht etwa beitritt) ganz vom Zollgebiete ausgefchloflen.
Später ift Hannover auch dem obenerwähnten Handeld- und Schiffahrtövertrage mit den Nie»
berlanden vom 31. Dec. 1851 beigetreten. Nach der neueften Zählung vom 3. Dec. 1852 betrug
die Bevölkerung der jetzt (feit 1854) den Zollverein bildenden Staaten zufammen 32,562971
Seelen. Der Reinertrag der Zolleinnahme des Zollvereind, welcher im erſten Jahre, 1834,
auf 12,178761 Thlr. fich belief, hob fi) 1852 auf 21,844057 Thlr.; er belief fih während
ber 19 3. bis einfchließlich 1852 auf zufammen 379,903880 Thlr. Bon hervorragender Wich⸗
tigkeit ift der Dandels- und Zollvertrag zwiſchen Preußen und Oftreih vom 19. Febr. 1855, -
welchem fich bei der gedachten Erneuerung des Zollvereins diefer vollftändig anfchloß. Die be»
beutfamften Beftinnmungen biefes Vertrags find: Aufhebung aller Handelöverbote im gegen-
feitigen Berfehr, ausgenommen für Tabad, Salz, Schießpulver, Spiellarten und Kalender
und foldye Verbote, welche aus Geſundheitsrückſichten oder unter auferorbdentlichen Umftänden
bezüglich der Kriegsbebürfnifie flattfinden ; gegenfeitige Verpflichtung, keinen dritten Staat gün-
fliger als die Bertragsgenefien zu behandeln ; gegenfeitige Zollfreiheit für rohe Naturerzeugniffe
beider Gebiete und Zollermäßigung auf bie gewerblichen Erzeugnifle berfelben nach einen: ver»
einbarten Tarif (Zwifchenzolkterif); Ausgangsabgaben find im wechfelfeitigen Verkehr nur auf
bie im Vertrage bezeichneten wenigen Artikel zulälfig; die im Zwiſchenverkehr zollfreien Waa⸗
zen, welche aus bem Gebiete des einen Theild ohne Berührung zwifchenliegenden Auslandes
nach dem Auslande durchgeführt werben, find zollfrei und ebenfo folche Waaren vom Aus⸗
Lande nach einem der beiden Gebiete; auch follen im Zwiſchenverkehr zollpflichtige Artikel nicht
mehr als 3'/ Sur. oder 10 Kr. für den Zollcentner an Durchgangszoll bezahlen; Zollgemwicht
iſt dasjenige des Zollvereins. Der Bertrag ift um fo wichtiger, ald er nach feinem eigenen Wort⸗
Laute ein Schritt zur Anbahnung ber allgemeinen deutſchen Zolleinigung, d. h. zug Bereinigung
des Zollvereins mit Oſtreich zu Einem Zollgebiete iſt. Noch 1853 traten die mit Oſtreich neuere
Lich zollvereinten ital. Herzogthümer Modena und Parma auch dem obigen Bertrage bei. Im
3. 1855 betrugen die gefammten Brutto-Zolleinnahmen des Zollvereins (ohne Abzug des Prä-
cipuums von 500000 Thlm. für Preußen) 22,016154 Thlr., und zwar die Eingangsabgaben
21,221454, bie Ausgangsabgaben 295281, die Durchgangsabgaben 499439 Zhlr.; von den
Einnahmen kamen ale Antheil auf Preußen 15,444738 Thlr. Während des erſten Halbjahrs
von 1854 betrugen, abgefehen von Hannover und Didenburg, bie Bruttoeinnahmen (ohne Ab-
aug des Aquivalents von Preußen für Waſſerzoͤlle u. dgl.) 9,620382 Thlr., und zwar die Ein-
gangsabgaben 9,387390, die Ausgangsabgaben 1410593, die Durchgangsabgaben 122399
Thlr. Auf Hannover kamen in jmem Halbjahr an Eingangsabgaben 680590 Thlr., an
Ausgangsabgaben 8992 Thlr. an Durchgangsabgaben 2323 Thlr, auf Oldenburg bezüglich
70254 Zhlt., 636 Thlr. und 26 Thlr. Vgl. die jährlich in Berlin erfcheinenden „Statiſtiſchen
Überfichten über Waarenverkehr und Zollertrag im Deutſchen Zollvereine” ; Dieterici, „Sta⸗
tiftifcge Überficht der wichtigften Begenflände des Verkehrs und Verbrauchs im deutſchen Zoll⸗
verbande” (Berl. 18538), der ſeitdem mehre Fortfegungen folgten. .
Zombor oder Sombor, die Hauptſtadt des gleichnamigen Diſtricts in der öſtr. Woiwod⸗
{haft Serbien, früher des ungar. Comitats Baͤcs (f.d.), auf einer weiten Ebene, unweit d
550 Zonaras Zoologie
die Theiß mit der Donau verbindenden Franzenkanals gelegen, zählt Über 22000 E. die, größ
tentheils Serben, ſtarken Getreide» und Viehhandel treiben. Die Stadt iſt wegen Mangel an
Material nicht gepflaftert, beſitzt aber mehre anfehnliche Gebäube, wie das große ſchöne Comi⸗
tatshaus, die kath. Pfarrkirche der Heil. Dreifaltigkeit, die beiden griech. Kirchen, daB ſchöne
Stadthaus, das große Viereck der Kameraladminiftration, die Kaferne u. ſ. w. Auch befinden
fich daſelbſt eine kath. Hauptſchule und ein griech. -nichtuntetes Schulfehrerfeminar. Der Di.
ftrict 3. umfaßt den bei meitem größten Theil bes früheren Comitats Baͤcs und zählte 1854 auf
1352; QAM. in feinen ſechs Bezirken 349456 E.
Zonäras (Johannes), einer der bekannteften byzantin. Schriftfteller, Tebte gegen das Ende
des 12. Jahrh. und befleibete in feiner, Vaterſtadt Konftantinopel am Hofe des Alerius und
Johannes Komnenus mehre wichtige Unter, befonders auch das eines Taiferl. Geheimfchrei-
berd. Er 309 fich aber fpäter in Folge häuslichen Ungemachs in den Mönchkſtand auf den Berz
Athos zurück, wo er im hohen Greifenalter ftarb. In diefer Abgefchiedenheit verfaßte er eine
allgemeine Gefchichte in 18 Büchern, gewöhnlich „Chronicon” oder „Annales” genannt, welch
die Ereigniffe von der früheften bis auf feine Zeit Darftelle und in den Partien bes Alterthums
Auszüge aus den frühern Diftorikern, befonders aus Div Caſſius enthalt. Eine Fortfepung
lieferte Nicetad Acominatus. Die beften Ausgaben befrgen wir von Hieron. Wolf (3 Be,
Baf. 1557), von Dufresne (2 Bde, Par. 168687) ımd von Pinder (2 Bbe., Bonn 1841
—44). Außer andern kirchenhiſtoriſchen Schriften wird Ihm mit großer Wahrſcheinlichkeit
auch ein griech. Lexikon zugefchrieben, herausgegeben von Tittmann (2 Bde, Zpz. 1808).
Zone heißt in der Stereometrie jeder Theil der Kurgeloberfläche, welcher zwiſchen zwei pa-
rallelen Kreifen der Kugel eingefchloffen ift oder durch einen folchen abgeſchnitten wird; allge
meiner jedeö von zwei parallelen Kreifen eingefchloffene Stück ber Oberfläche eines durch Um⸗
Drehung einer krummen Kinie entflandenen Körpers. — Bonen, Erbgürtel oder Erdſtriche
heißen diefenigen Streifen der Erdoberfläche, welche zwifchen zwei denn Aquator parallelen
Kreifen eingefchloffen find. Man unterfcheidet vorziiglich dreierlei Zonen: die heiße Zone, bie
falten und die gemäßigten Zonen. Die heiße Zone ift der zwiſchen den beiden Mendekreifen
eingeichloffene Theil der Erdoberfläche; alle Drte biefer Zone haben die Sonne zwei mal
des Jahres, im Zenith. Zieht man in einer Entfernung von 23° 28° von den beiden Polen
zwei bem Aquator parallele Kreife, welche Polarkreife genannt werben, fo ſchließt jeder derſeb
ben einen Theil der Oberfläche der Erde ein, in deren Dlitte ber Por ift. Man nennt fie die
beiden falten Zonen. Der übrige Thell ber Erdoberfläche beſteht aus zwei Zonen, bie zwiſchen
einem Wendekreiſe und dem ihm nächften Molarkreife eingefchloffen find und die man bie beiden
gemäßigten Zonen nennt. Die gemäßigten Zonen find die glücklichſten; fie entbehren zwar ber
üppigen Degetation des heißen Südens, haben aber bafür auch die ewigen Eisfelder des Ror-
dens nicht und erfreuen ſich ſoſeines mäßigen unb angenehmen Wechfeld von nicht zu großer
Hige zur erträglichen Kälte. Bon der ganzen Erdoberfläche kommt übrigens die größere Hälfte
(etiva '/as) auf die gemäßigten, ''/as auf die heiße und nur wenig Über %%, auf bie falten Ionen.
oochemie, fo viel als Thierchemie (f. d.).
Holafrie, ber griech. Name für Thierdienft (ſ. d).
Zoolithen heißen verfteinerte Nefte vorweltlicher There. Ste beftehen, foweit fie von Wir⸗
beithieren herrühren, aus Knochen (Maſtozoolithen von Säugethieren, den feltenen D:rnifbe-
lithen von Vögeln, Herpetolitben von Reptilien und Ichthyolithen von Fifchen), wol auch
aus Abdrücken ganzer Skelete, 3. B. gewiſſer Saurier oder Eiderhfen und zumal der Fiſche in
ber Subapenninenfornation, dem Jura und Kupferfchiefer. Bon den Wirbelloſen gibt es eine
unüberfehbare Dienge in Form mehr oder minder verfteinerter Schalen von Mollusfen, 3. B.
Schnecken und Mufcheln, von den faft ganz erfofchenen Crinoiden (Seefitien) nnd den noch
jegt, wenn auch weniger häufigen Seeigeln oder Echiniten und Seefternen oder Afteriten. Bei
weiten weniger zahlreich find die Nefte der Gelenkthiere, unter welchen die ben Krabben ver-
wandten Trilobiten vorwalten, während eigentliche Inſekten in geringer Menge und nur in den
neueften Schichten ald Abdrücke oder in Bernftein eingefchloffen vortommen.
‚Zoologie oder Thierkunde heißt die Miffenfchaft, deren Aufgabe eine möglichft voll
ſtändige ımd allfeitige Kenntniß der Thiere in allen ihren Beziehungen bildet. Grundlagen ber:
felben find: die Unterfuchung des individuellen Baus im Außern wie im Innern (Anatomie,
hier fpeciell Zootomie), die Erforfhung ber Lebenserfheinungen (Phyſiologie), der Rebent-
weife, die man ehemals in Form von abgeriffenen, anekdotiſchen Dlittheilungen in ber vorzugt-
weife fogenannten Naturgefchichte befchrieb, die Feftftelung ber den Gruppen fowol als ben
— — — — ——
— | — — —
Qoophyten 5
einzelnen Arten eigenthũmlichen Senmpeichen (Charalteriſtik), endlich die Bimreifieng bez im
diefen Beziehungen erkannten Thiere in das Fachwerk ber Eipfiematil. Zu einer voll
Kenntniß der Thiere genügt dies ſedoch nach wid. Eine ſolche würde vor allem begreifen: bie
Angabe ber gesgraphifchen Werbseitung, des Cintritte, begiehentlich des Austritie ber ein
Thiergattung aus ber lebenden Schöpfung, der Verwendung derſelben durch den Menſchen im
Dienfte der Land⸗ und Forſtwirthſchaft, des Handels und Gewerbes, bes Nugens und Vergnü⸗
gens, endlich aller ber Beziehungen, die zwiicgen-bee Tierwelt im Bangen wie in ihren heilen
umd in ben andern Gebieten ber Natur Ratrfinden: ein Ideal, das zwar nie erreicht werben
wird, .deffen Verfolgung jedoch, geſtützt auf zahlreiche Dülfswiffenfchaften, unter den andern
Zweigen der Naturkunde befonders auf Chemie uud Phuft begründet, ber einzig richtige und
wiſſenſchaftliche Weg des Fortſchritts if. Nicht immer jeboch faßte man die Aufgabe der Zoo-
fogie fo Hoch umd noch vielmehr blieb die Ausführung felbft im Vergleich mit den von uns Er-
reichten, woch ſehr Mangelhaften dahinter zurüd. Was die alten Culturvölker des Orients, na-
mentlich Inder, Babylonier und Aghpter, von Zoologie gewußt haben, ift und unbelannt oder
doch auf unfere Bildung ohne Einfluß geblieben. Diefe gründet fish außer ber directen An⸗
ſchauung ber Natur auf die Worarbeiten des claſſiſchen Alterthums, umter denen die der Grie⸗
chen, ber höhern Geiſtes richtung des Volkes entfprecgend, den Vorraug behaupten. Weit über
alle Andern vagt aber Arifloteles hervor, nicht minder durch den Umfang feiner pofitiven Kent»
niſſe als durch die Tiefe feiner erſt jept zecht gewürbigten philoſophiſchen Anſchauung der Xhier-
weit. Die nüchternen praftiihen Römer richteten ihr Augenmerk mehr auf die ökonomiſche
Bedeutung der Natur; Doch verdanken wir ihrem Plinius die bekannte, ebenfo großartige als
für Alterthumskunde unentbehrlihe Gompilation. Im Mittelalter vermochten weber bie For⸗
ſchungen ber Araber noch die Entdedungen einzelner großer Männer des Abendlandes in bie
&riftlich-germanifche Bildung einzubringen, bie fie als geheime Künſte verabfcheute. Erſt die
unermeßlichen Fortſchritte, weiche die Europäer im Anfang der Neuzeit in Aſien wie in der
Neuen Belt machten, reisten zu naturwiſſenſchaftlichen Studien; daber Die zahlreichen, auch
zoologiſchen Naturforſcher bed 16. und 17. Zahrh., an ikrer-Spige Balonius, Rondalet und
Konz. Geßner, ferner der Sachle Georg Marcgraf, Begleiter des Morig von Naſſau in Brafl-
lim, und der Spanier Hernandez in Mexico. Den durch fie mafmbaft aufgehäuften Stoff
ſuchte das 18. Jahrh. zu fichten und zu ordnen. Währena Buffen durch intereſſante, glänzenbe,
aber oberflächliche Darfiellung der Zoologie viele Freunbe gewann, unternahm der vergebens
von ihm befämpfte Linne 1735, obwol vorgüuglich betanifehen Otudien zugewandt, das ſchwere
Merk einer Neugeftaltung ber zoologifchen Syſtematik, weiches er mehr, als man gewöhnlich
glaubt, auf die damals freilich noch in ihrer Kindheit liegende Vnatonste begründete. Die von
ihm vorgeahnte, aber nicht erlebte Durcharbeitung der niebern Thierclaffen vollendete, geftitgt
auf trefflicde Vorarbeiter, erft Cuvier im Anfanze des 19. Jahrh. Auf dem von ihm ge
legten Grunde haben ſeitdem Franzoſen, Engländer and Deustfche mit gleicher Tüchtigkeit bes
tichtigend und ergängend fortgearbeitet. Seit in Folge der ungemeinen Fälle und Manntchfal-
tigkeit der Thierwelt, wie fie uns bis jept befannt ifl, die Bearbeitung des Gefammtgebiets ber
Zoolegie mehr noch, als dies bei der Botanik der Fall ifl, die Kräfte eines Einzelnen überfleigt,
ibt es auch Bein alle befannten Thierarten befchreibendes oder auch nur aufzählendes Fer.
Ugemeinere Kenntniſſe konnen neben ber Benugung der In feiner großen Stadt fehlenden
zoologifhen Sammlungen und der zoologiſchen Gärten in einzelnen Neſidenzen (in denen
fremde Thiere lebend unterhalten werden), gefchöpft werben aus: Troſchel und Ruthe (ehemals
Wirgmann), „Handbuch der Zoologie” (4. Auf., Berl. 1853); Gwvier, „Das Thierreich,
geordnet nad) feiner Drgamifation” (deutfch von Boigt, 6 Bbe., Lpz. 1851 — 43). Umfaſſender
find: Ofen, „Allgemeine NRaturgefchichte” (Bd.A— 7, enthaltend das Thierreich, Stuttg, 1835
— 38); Reichenbach, „Vollftändigfte Maturgefchichte u. ſ. w.“ (Dresd. 1845 fg.).
Zoophyten (Zoophyta) oder Pflanzenthiere, auch Polypen genaunt, eine Gtaffe der
wirbellofen Thiere, find felten freifchwimmende, gewöhnlich feft figende, entweder einſame
ober zu Geſammitkörpern (Polypenftöde) verbundene Schleinthiere, welche eine nad, oben ge
wendete centzale und meiſtens von fehr smpfindlichen Fangarmen umgebene Mundöffnung be»
figen und gewiffermaßen das Thierreich und das Pflanzenzotih miteinander verkinden. Denn
ſowol die einfanıen als auch die zuſammengewachſenen Volypen haben oft große Ahnlichkeit mit
Blumen, und bie Polypenfiöcke gleichen häufig Sträuchern, ſodaß mir in der Tiefe des Meeres
durch bie Polypen alle Pflangenformen wiederholt ſehen, wie Pilze, Moofe. Flechten, Farven und
Sträucher, welche mit herrlichen Blütm geſchnicit find md nur der grünen Velaubung at
563 Boophyten
behren. Dies gilt beſonders von der Sternkoralle, ber Badrepore, bem Glockenpolyp, dem Fe⸗
derpolyp und der Sertularia. Viele Polypen kommen nur gefellig oder richtiger als zufammen-
geſetztes Thier vor und ſondern an der Oberfläche ober im Innern Kalb ober Hornmaffe (Ko-
rallenſtamm) ab. Aber auch das urfprünglich vereinzelte Individuum wird Bier, weil es feine
Jungen knospen · oder fproffenartig aus dem Körper herbortreibt, eine Colonie oder einen le⸗
benden Stammbaum bilden, in welchem ſich nach Bildungsgeſetzen, welche in berfelben Gattung
und Art unveränberlich find, unorganifher Kalk oder Hornmaſſe abfondert und zulegt zum
äfligen Gebilde, zur blätterigen Scheibe, zum durchbrochenen Fächer u. f. w. und fomit zur
eigentlichen Koralle wird. Andere Polypen find natürlich iſolirt, werben nicht zu äſtigen Stäm⸗
men und dergleichen und fondern keinen Kalk ab, wie bie Seeanemonen. Einige bilden auch ei-
nen Iofen, nicht befeftigten Polypenftod, wie die Seefeber, welche mit ben Zellen treibt oder
höchſtens mit dem untern Ende des fleifchigen Stiels fi) in ben Schlamm ſenkt. Der einzelne
Yolyp ift von gallertartiger oder auch fleifchiger und zuweilen felbft leberiger Befchaffenheit, oft
fehr Mein, meift A— 5 Linien im Durchmeffer, doch bei den Seeanemonen auch 4— 5 Zeil
umb bei den Pilzfternen fogar bis 14 F. groß. Jeder Polyp hat einen ungeglieberten, fafi wal-
enrunden Körper, ben oben eine vom Munde durchbohrte, mit einer oder mehren Reihen von
angarmen ober Fühlern verfehene Scheibe fehließt und ber entweder mittels feines hohlen In-
nern einen ganz einfachen Verdbauungsfad (Magen) ohne After ober auch noch einen Purzen
Darmkanal befigt. Bon Blutgefäßen, Blut und Sinnesorganen find keine Spuren vorhanden,
nur ein fehr entwickelter Taft- und Fühlfinn zeigt fich, ſodaß von Polypen felbft atmofphärifche
Veränderungen frühzeitig und flark empfunden werden. Seeanemonen, welche in einem Glaſe
mit Seewaſſer gehalten werden, ziehen fich bei einem bevorftehenden Sturme ohne weitere Ur-
fache zufammen. Die Fortpflanzung gefchieht theile durch Eier, welche in äußerlich Trauben
bildenden ober an ben Magenwandungen regelmäßig geftellten Eierftöden gereift und im fegtern
alle durch die Mundöffnung ausgeftoßen werben, theils durch Spaltung des Mutterkörvers
in zwei ober mehr Individuen, theils durch Knospen, welche nach erlangter Reife abfallen und
zu felbftändigen Thieren (Ammen) erwachfen, die ein quallenartiges Anfehen haben, fpäter
Geſchlechtsorgane erhalten und dann Eier legen, aus denen Thiere von gewöhnlicher Polypen-
geftalt hervorgehen. Die Ernährung findet ftatt theils durch Exgreifung fehr Meiner Thiere
mitteld ber Fangarme, theils durch Erregung eines Wirbeis im umgebenden Waffer, welches,
in die Magenhöhle gefpült, bie darin befindlichen Infuforien und aufgelöft vorhandenen thieri-
ſchen Stoffe abfegt. Manche Polypen befigen an Kleinen hervorſchnellbaren Faͤdchen bie foge-
nannten Neffelorgane, welche auf ber Hand ein Brennen erzeugen und ein für kleine Seethiere
lähimendes Gift enthalten. &o Hein, unvolltommen und machtlos diefe angewachfenen, oft nur
allertlümpchen ähnlichen Thiere, die nur im Waſſer und vorzugsweiſe im Meere vorkommen,
auch [einen mögen, fo üben fie dennoch einen überrafchenden Einfluß auf die Bildung unferer
Erde aus und bedingen ſelbſt die Entftehung von Riffen, Sanbbänfen und zulegt von Inſein
Die Millionen von Polypen, bie, auf einem einzigen? — 3 F. hohen vieläftigen Korallenftamme
figend, unabläffig Kalk abfondern und abfterbend von andern eben fo thätigen Generationen ge-
folgt werben, ftellen Riffe her, welche vom Meere zerbrochen und auf Untiefen geführt oder, mit
Sergräfern burchflochten, den Muſcheltrümmern, dem Sande u. ſ. w. Stügpuntte gewähren.
IR auch die Entſtehung großer Landſtrecken durch Korallenthiere ehedem zu unbedingt ange
nommen worden, fo lehren bach die neueſten Forfchungen von Darvin, Gaimard u. U., daf
mindeſtens aus Untiefen tropifcher Meere durch Thätigkeit dieſer Geſchöpfe Infeln werben fon-
nen. Vorzüglich find es die Arten der Gattungen Sterntoralle und Mäanderkoralle, welche zur
Bildung von Korallenriffen beitragen. Noch bedeutender war ihre Einwirkung auf die Geflal-
tung ber Erdrinde in frühern Perioden, wie die Schichten bes Korallenkalks beiveifen. In ben
Süßwaſſern lebt nı eine Heine Zahl von Polypen. Unter den in Deutfchland vorkommenden
find der grüne Armpolyp (Hydra viridis) und der braune Armpolyp (Hydra fusca) die befanm-
teften, die ſchon im 18. Jahrh. viel unterfucht und den mannichfachften Berfuchen unterworfen
worben find. Sie Hängen an Wafferlinfen und andern Wafferpflanzen, erſcheinen zufammen-
gezogen wie Schleimfugeln von einer Linie Durchmeffer, breiten fich, wenn man fie in einem
Glaſe ruhig ſtehen Läßt, zu einer Größe von fünf Linten und von einem Zoll aus und entwideln
dann die fabenförmigen Fangarme. Sie können kriechend ihren Standort verändern, ſchwim⸗
men aber nicht, pflanzen ſich durch Sproffung oder auch durch Eier fort und befigen, wie ale fehr
niebern Thiere, viele Lebenszaͤhigkeit und die Fähigkeit, aus abgefehnittenen Theilen zu felbflän-
bigen Individuen zu erwachſen. Man hat Armpolppen in vier bis ſecht Stücke zerſchnitten,
Zootomie Zöpfl 553
bie nachher zu befondern Thieren ſich ausbilbeten, Verſuche, die befonders Tremblay um 1744
machte und die damals großes Auffehen erregten. Auch treibt an jeder verwundeten Stelle ein
neuer Polyp hervor, ſodaß ein viellöpfiger Leib entſteht, Daher die Benennung Hydra. Die
Glaffe ber Polypen zählt viele Gattungen und über 5500 Arten, bie großentheils freilich nur
in ihren Reften als Kalkkorallen bekannt, indeffen barum nicht unintereffant find und Zierden
goologifcher Sammlungen abgeben. Sie dienen zum Theil zu Kalkbrennen, zu Mörtel, auch zum
Häuferbaue, mande zu Schmuckſachen, wie die Edelkoralle, und endlich auch zum Verpacken,
wie bie Sertularien. Einige größere Arten von Seeanemonen follen gegefien werben. Die neue
fen und vorzüglichften Unterſuchungen über Anatomie und fonftiges Verhalten der Polypen
verdankt man Schweigger, Ehrenberg, Gaimard, Milne Edwards und Beneden.
Zootomie ift der griech. Name für die Anatomie ober Zergliederungstunft in Bezug auf bie
Thlere. Sie gilt als eine Hülfswiffenfchaft der Zoologie (f. d.).
Zopf (niederdeutſch top), ein Wort, welches durch bie german., roman. und celtifchen Spra⸗
chen geht, bebeutet, gleich feinen Verwandten zapf-e und zipf-et, eigentlich das fpigzulaufende
Ende eines Dinges. Daher heißt noch heute im Forſtweſen der Baumgipfel, beſonders des Ra-
beiholzes, Zopf (und Top die Spige des Mafl). Vorzugsweiſe aber ift das Wort auf das Haupt»
Baar angemwenbet worben und bedeutet dann lange, flrangartig zufamniengeflochtene oder um⸗
wundene Haupthaare, während ber Schopf das freie oder gebüfchelte Haupthaar bezeichnet.
Nach dem Blauben bes Mittelalter verwidelte eine Art von Wichteln oder elbifchen Geiſtern,
der Nachtalb oder Nachtmar, durch Kauen oder Knotenknüpfen das menfchliche Haupthaar in
verfilgte Zöpfe und erzeugte fo eine Krankheit, den Wichtelzopf, heute Weichfelzopf (f. d.) ge⸗
nannt. Das lange Haar in Zöpfe zufammenzufaffen ift ein fo natürlicher Gedanke, daß dieſe
Tracht befonders von ben Frauen in den verfchiebenften Zeiten und Gegenden angenommen
wurde. Die Frauen bes deutſchen Mittelalters trugen bie Zöpfe gern über die Schultern nach
vorn gelegt und burchflochten fie auch wol mit Goldfäden, Perlenſchnuren und Borten. Bon
der Werthſchätzung dieſer Zöpfe zeugt ihre Verwendung als Rechtöfymbol, fofern namentlich
in Baiern und Schwaben die Frauen bei Ableiftung gewiſſer Eide die Hand auf die Bruſt Ie-
gen und damit zugleich ben Zopf berühren müffen, woher dee Ausdrud entfprang: „ſchwören
mit Hand und Mund, mit Bopf und Brufl.” Die durch das ganze 18. Jahrh. herrfchende
Sitte, daß auch die Männer einen (natürlichen oder künſtlichen) Zopf trugen, ift 1713 von bem
preuß. Könige Friedrich Wilhelm I. ausgegangen, ber mit allerlei anderm theuern Prunke auch
bie Perücke verwarf und zu einfacher militärifcher Unifoem fein eigenes Haar ganz ſchlicht in
einem hinten herabhängenden, mit ſchwarzem Bande bewundenen Zopfe trug. In diefer Geftalt,
welche damals das größte Aufſehen erregte, ward fein Bild auch auf ben feit 1718 geprägten
Dukaten bargeftellt, die Davon den Namen Schwanzdukaten erhielten. Ratürlichführte er ben
Zopf auch zugleich bei ſeinem Heere ein, und dieſe Sitte ging nicht nur auf alle übrigen europ.
Heere über, ſondern es ward der Zopf auch überhaupt zur herrſchenden Tracht, bis er in Folge
der Sranzöftihen Revolution zu Anfange bes laufenden Jahrhunderts wieber verſchwand. Am
längften, bis in ben Anfang der zwanziger Jahre, erhielt ſich der Zopf beim hefſ. Militär.
pfl (Heinz. Matthäus), ausgezeichneter Rechtölehrer, geb. 6. April 1807 zu Bamberg,
wo fein Vater Oberappellationsgerichtsrath war, wibmete filh, auf dem Gymnaſium unb 2y-
ceum feiner Vaterſtadt vorgebilbet, feit 1824 auf der Univerfität zu Würzburg ber Rechtswiſ⸗
ſenſchaft. Nachdem er fich bereits 1827 die juriftifche Doctorwürde erworben hatte, habilitirte
er ſich 1828 zu Heidelberg als Privatbocent und warb hier 1839 zum aufßerorbentlichen, 1842
zum ordentlichen Profeffor des Staatsrechts ernannt. Waͤhrend der ftürmifchen Bewegungen
von 1849 verwaltete 3. das Prorectorat der Univerfität mit Umficht und Feſtigkeit; Anfang
1850 ward er von berfelben zum Abgeordneten für die erfte bad. Kammer gewählt. Beine
Hauptwerke find bie „„ Grundfäge des allgemeinen und deutſchen Staatsrechts“ (Heidelb.
1839; 4. Aufl., 1855) und die „Deutfche Mechts- und Staategefchichte” (2 Bde., Heidelb.
41854— 36; 3. Aufl, 1844—47). Hierzu tommen „Das alte bamberger Recht” (Heidelb.
1859) und „Die peinliche Handelsgerichtsordnung Kaiſer Karl's V. nebft der bamberger und
Brandenburger Hanbelögerichtsorbnung” (Heibelb. 1842). Außerdem hat 3. noch mehre publi⸗
eiſtiſche Belegenbeitsfchriften veröffentlicht. Beſonderes Auffchen erregte ihrer Belt unter ben-
felben „Die fpan. Succeffionsfrage” (Heidelb. 1839). Sonſt find noch zu nennen: „
hohen Übel und Ebenbürtigkeit nach dem beutfehen Reichsftantsrecht” (Stuttg. 1855); „Die
Dauptmannſchaft des Gög von Berlichingen (Heidelb. 41850); „Die Demokratie in Deutſqh⸗
land“ (1. und 2. Aufi. Stuttg. 1853). 3
554 Zoppot Zorndorf
Zoppot, Dorf im Negierangsbegirk und 1. IR. nordnordweſtlich von ber Stadt Dan-
zig in Wefipreußen, mit 600 E., Papiermühle, Ziegelei und Bernſteinſiſcherci, ift als Seebad
benierfengwertb, welches jährlich von 6— 800 Güften beſucht wird. Auch das M. fübehitich
gelegene Dorf Bröfen hat ein Seebad.
orge, Dorf am Harz im braunſchw. Diſtrict Blankenburg, mit 13008., genannt nach dem
gleichnantigen Harzfluſſe, ift beſonders feiner Eiſenwerke (fünf Ofen und zwei Hämmter) wegen
berühmt. Außerdem gibt es bafelbft eine Maſchinenfabrik, Ragelſchmiede und Drahtzieherei
Zorn heißt der Verdruß als Affect in feiner maͤnnlichen, energifchen Außerung, melde ng
außen geht und in gewaltfame Handlungen außbricht. Im Bem wird dad arterielle Befaf
foftem aufgeregt; der Puls ift im Paroxyemus des Borns groß, voll und hart, das Geſicht roth
und aufgetrieben, die Stirn runzelt fich, Die Augen treten hervor, ber Körper geräth in Bewe
gung. Dabei ift bie Abfonderung der Galle beſonders reichlich, die eine krankhafte Beſchaffen
heit anzumehmen ſcheint. In den höchſten Graben aber und bei nervöfen Individuen ſpringen
diefe Aufregungen vieler Organe und Yunctionen fehr Halb in ben entgegengefegten Zuſtaud
von Unterdrückung über; in der Regel gefchicht dies exft, wenn bie Leidenfchaft ausgetobt bat,
worauf noch längere Zeit einige Abfpannung zurädhleibt. Die Geneigtheit zum Zorn ift hei
den einzelnen Menſchen, namentlich nach den Zemperamienten fehr verfehieben. Bei of
texer Veranlaffung ımb Mangel an Beſchränkung und Selbſtbeherrſchung entfücht Iuhzsen ;
doch nennt man oft auch fo jeden ſchnell hervorbrechenden Zorn. Es Hlegt in ver Ratur bes
Zorns, daß derfelbe der Geſundheit oft nachtheilig werben muß. Die gemahnlichfien Krank.
beiten, die er erregt, ſind hitzige, namentlich Ballenfieber, Entzündungen der Leber, des. Derzens,
Gehirns u. |. w., galliges Erbrechen und Cholera, ja ſelbſt Manien können entftehen. Solche
Bufälle treten unmittelbar nach den Zorn ein; andere folgen nach längerer Dauer und öfterer
Wiederkehr, z. B. Krämpfe, Lähmungen, Gelbfucht, Waſſerſucht, Aus zehrung und nervöfe
Sieber. Die Mil von Zorn ergriffener Mütter und Ammen veranlaft Convulſtonen bes
Säuglings; es ift fogar vorgefommen, daß fie glei) ſtarkem Gift augenblidiich den Ted des
Säuglings herbeiführte. Die Bekämpfung deö Zorns wird immer von der Stärke und Bil
dung deö eigenen Geiſtes ausgehen müflen, dern alle Veranlaſſungen dazu dürften fich wel
ſchwerlich immer entfernen laffen. Die übeln phyſiſchen Wirkungen des Zorns laſſen fich oft
durch beruhigende und kühlende Mittel verhüten oder mindern.
Zorudorf, ein Dorf im Megierungsbezivt Frankfurt ber preuß. Provinz Brandenburg, if
in der Gefchichte berühmt durch die Schlacht vom 25. Aug. 1758, welche die bintigfte bes Sie
benjährigen Kriegs (f. d.) war. Die Ruffen, weiche Unfeng 1758 unter General Fermor bes
unbefchügte Königreich Preußen befegt harten, rückten im Auguft gegen Pommern und die Rem
mar? vor ımd begannen 15. Aug. die Belagerung von Küſtrin. Durch ein 24flündiges Bom-
barbement wurde die Stadt in Afche gelegt; Die Feſtung aber widerflarid, da der preuß. Geweral
von Dohna ftch jenfeit der Dder aufgeftellt Hatte und von da aus die Befagung unter ſtützte. Auf
die Nachricht von dem durch Mord und Verwüſtung bezeichneten Vorrücken der Ruffen brad
der König, nachdem er den Befehl über die in Schlefien zurücbleibende Armee dem Markgrafen
Karl und dem Feldmarſchall Keith anvertraut hatte, mit 14 Bataillonen und 38 Schwadronen,
ungefähr 15000 Bann, in Eilmärfchen nach der Neumark auf, langte 20. Aug. in Fraukfurt
an und vereinigte fich bei Kuftrin mit Dohna’s Truppen, ſodaß er fi nunmehr an der Spihe
von 50000 Dann fah. Die Erbitterung der Preußen, als fie dei ihrer Annäherung darch das
verödete Land zogen, fteigerte fich zum heftigſten Nachedurſt, und Friedrich H. felbft, über das
Unglüd ber fo unmenfchlich behandelten Einwohner tief empört, befahl, den Ruffen keinen Par-
bon zu geben, unb lief fogar die Brücken, die ihnen zur Flucht dienen konnten, abbrechen. Am
25. ging der König bei Güftebiefe über die Oder. Auf Die Nachricht hiervon hob Fermot bie
Belagerung von Küftrin auf und nahm zwifchen den Dörfern Quartſchen ind Zicher eine
Stellung, in der er die Schlacht erwartete. Der König zog fih am 24. Nachmittags dit an bie
Miepel, einen zwar nicht breiten, aber tiefen Bach, hiriter dem er die Nacht Über ſichen biich,
rüdte, nachdem er am folgenden Morgen 374 Uhr denfeiben paſſirt hatte, in drei CTolonnen durch
einen vor feiner Sronte liegenden Wald und flelite ſich Hinter Wilkersdorf längs der Archöhen
vor den Dorfe 3. gleichfalls in Schlachtorbnumg. Die Muffen hatten bie in ihren Wärchutrie
gen gebräuchliche Stellung, ein ungeheneres Viereck mit ein- und ausgehenden Winkein, die
Cavalerie und Reſerve in ber Mitte deffelben, angenonmen und waren vom Nücken umb ber
sechten Flanke her Durch ben morafligen Quartſchener Grund gedeckt, während ber linke Flüge!
ih an da6 Dorf Zither lehnte; die Preußen follten nach dem Plane bei Königs in der bei Leu
Zorvaſter 555
then fo herrlich Dewährten Schlachtordnung vorrürten. Er ließ denmächſt bie Avautgarde nebſt
noei Battetien zuerſi verräden; an dieſe lehnte füh era 500 Schritt zurlil® der linke ,
welchem bie fämmtlidje Cavalerie zugeiheift war, wahrend der rechte Flügel Befehl erhielt, ſich
vor ber Hand unbeweglich zurückzuhalten. Um 8 Ahr Morgens begann die Schlacht mit einer
heftigen Kanonade. Die preuß. Artillerie, äußerft vorrheilhaft auf den zorndorfer Höhen poflktt,
that im Quarre fo heftige Witkung, daß Fermor ſich genöthigt ſah, die Meiterei und das Bepäd
aus dem Quatrẽ heraus gehen zu laffen. Jeht ging der General Manteuffel mit der Avantgarde
auf die Nuſſen los; weil jedoch ber linke Flügel bes erften Treffens, weicher zur Unterfitigung
derfelben nur langſam nachrüden follte, von Kampfluft verleitet, zu raſch vordrang, gerieth er
mit der Avantgarde in gleiche Linie und gab dem Feinde ſeine linke Flanke blos. Dieſen gebo-
tenen Vortheil zu benugen, flürmte auch in der That alsvald die ruff. Reiterel aus ber Mitte
des fich öffnenden Quarrés hervor, warf fich auf acht preuß. Bataillone und trieb fie bis 3. zu⸗
rück. Zugleich bewegte ſich auch die Infanterie der rechten feindfichen Sronte vorwärts, um bie
gewonnenen Erfolge zu vermehren. Da ftürzte ſich Seydliß mit der noch hinter 3. ſtehenden
Cavalerie auf die ruſſiſche, brachte fie, die eines fo nachbrüdtichen Angriffs nicht gewärtig war,
zum Weichen und warf fie auf die vorrüdtende Linie ihres Fußvolks zurück, ſodaß dieſes, zu⸗
gleich im Rüden von einigen Hufarentegimentern angegriffen, nach einem kurzen, aber biutigem
Kampfe völlig gefprengt und auseinandergejagt wurde. Als hierauf um 4 Uhr Mittags die Rei⸗
terei, des Niedermetzelns müde, fich gegen 3. zurückzog, um fih neu zu formiren, ließ ber König
den bisher nicht befhäftigten rechten Flügel gegen den noch unberührten linken ruflifchen ins
Treffen rücken. Es befanden fich Hei Denrfelben die bewährteſien Kerntruppen, die Regimenter
Forcade, Prinz von Preufien, Krenz ımb Affeburg, die trog des entfeglicäften Kartärfchenfeuers
muthig vordrangen. Als aber bie indeß wieder geſammelte ruff. Cavalerie fich ihnen entgegen-
warf und 15 preuß. Infanterieregimenter, von Furcht und Schred ergriffen, in Unordnung
zum Weichen brachte, ſchienen auch fie, auf ihren Flanken entblößt, dem übermächtig andringen-
ben Reinde gegenüber verloren. Da flog Seydlitz zum zweiten male mit feinen Reitern herbei,
warf fich in die entſtandene Lücke und trieb den Feind bis weit tiber das Schlachtfeld in den
Moraft bei Quartſchen. Zugleich ſtürzten fih fene Veteranenregimenter Prinz von Preußen,
Affeburg u. |. w., bie trog der ihnen drohenden Gefahr keinen Schritt zurückgewichen waren, auf
das ruff. Fußvolk und drängten es ber von der Verfolgung zurückkehrenden Seydlitz'ſchen Rei⸗
terei entgegen. Nunmehr entftand ein wildes Handgemenge, wo Freund und Feind ohne Ord- .
nung mit Säbel, Bayonnet und Flintenkolben untereinander gemifcht ſich ſchlug, bis eine Sei⸗
tenbewegung der Preußen, die den Ruſſen die Gefahr einer völigen Umzingelung drohte, den
Rückzug derfelben in verwirrte Flucht verwandelte. Die abgebrochenen Brücken hatten den
Rückzug ber Ruffen außerordentlich erfchwert, die verzweifelte Gegenwehr derfelben hervorge⸗
zufen und eine noch größere Auflöfung ihres Heeres gehindert. Beide Theile bfieben bie Nacht
über auf dem Schlachrfelde fiehen, gefchieden durch den "Balgengrund, die Preußen mit dem
rechten, bie Nuſſen mit dem linken Flügel gegen Quartfchen. Am folgenden Tage begann zwar
die Kanonade von neuem, allein ber Mangel an Munition bei der Infanterie und die große Ab⸗
mattung der Eavalerie hinderten die Erneuerung ber Schlacht. Die Nuffen zogen ſich ſchon um
11 Uhr Morgens gegen bie in ihrem Rüden liegende Drewiger Haide, wo fie während ber fol-
genden Nacht ihre Metirade nach Landsberg bewerkftelligten. ‘Der König verfolgte fie noch eine
Zeit lang den Warthabruch entlang umd ließ zu ihrer Beobachtung ben General Dohna zurüd.,
Der Berluft auf beiden Seiten war bedeutend. Die Ruffen hatteninder zmwölfftündigen Schlacht
939 Offiziere und 19000 Todte und Verwundete nebft 105 Sefhügen, 27 Fahnen und emem
Theil der Kriegskaſſe, die Preußen 11300 Marin und 26 Kanonen nebfl einigen Bahnen verlo-
zen, welche die Ruſſen bei dem Zurüdigehen bes rechten Flügels in ihre Gewalt befommen hat⸗
ten. Unter den gefangenen Ruffen befanden fi die Generale Tfchernyſchew, Soltitow, Fürſt
Sulkowſti u. A., denen der König, als fie ihm nach der Schlacht vorgeftellt wurden, über die
ummenfchliche Urt, wie fie in feinen Lande gehauft, ernſte Vorwürfe machte. Freimüthig ge»
fland Friedrich, daß nicht er, fondern Seydlitz den Sieg errungen habe.
Zorvafter, in ben heiligen Büchern, die feinen Namen führen, Zarathuſtra, d. i. Golb-
ftern, bei den jegigen Perfern Zerduſcht genannt, der Reformator der Volksreligion im nord-
öfttichen Perfien ımd, zufolge Ihrer fortfihreitenden Entwickelung, auch im füdlichen Perfien, ift
hin ſichtlich feiner Geſchichte in ein Dunkel gehuͤllt, das ſelbſt die ſtrengſte Kritik nicht zu Fichten
vermocht hat. Am wahrfcheintichften ift es daß er geraume Zeit vor Cyrus gelebt habe. Die
ihm beigelegte Religlonsveränderung darf nicht als eine durchgängige Neuerung angeſehe
556 Borrilay Moral
ben; er ging vielmehr fehr beflimmt von einem vorgefundenen volksmäßigen Grunde aus unb
baute darauf zweckmäßig weiter. 3. war es wol vorzüglich, der dem finnlichen Naturcultus
der alten Sranier eine tiefere fittlicde Grundlage gab. Denn bei ihm ift das Licht ber Sonne
nicht blos eine heilbringende, wohlthätig wirkende, die Finſterniß verfcheuchende Macht, bie
durch das Keuer in fichtbarer Gegenwart repräfentirt wird, ſondern er entroidelte den Gegenfag
von Licht und Finfterniß zu dem Begriffe der guten, Heilbringenden und ber bofen, unheilvollen
Gewalten und fomit ferner zum Begriff des fittlich Guten und des Bofen. Durch bildliche
Berfinnlihung, Symbolifirung und Perfonification diefes Gegenfages entftand die mytbole-
giſche Vorſtellung eines doppelten Grundwefens, eines guten unb böfen, beren Kämpfe ben
ganzen Lebensproceß der Natur und Menfchheit darftellen. Es ift nicht ausgemacht, ob anfangs
blos die Magier diefe verbefferte Glaubensordnung annahmen, oder ob diefelbe fogleich im AU-
gemeinen unter ben Medern Wurzel faßte und fpäter von ihnen auf bie Perfer, ihre fiegreichen
Beberrfcher, überging. Kurz nach ber Zeit bes Sokrates war fie ſchon tief in Perſien eingedrim:
gen und blühte bis zum Sturze bes Perfifchen Reichs unter Alexander d. Gr., von mo an griech.
Cultur in Perſien anfing berrfchend zu werden. Unter der fpätern Dynaſtie der Saffaniden,
von 229— 636 n. Chr., wurde die Lehre des 3. Lünftfich wieder zur Staatsreligion erhoben,
bis der fiegreiche Mohammedanismus die alte Kehre gänzlich flürzte. (S. Parſen und Par⸗
ſiomus.) Nur einzelne Trümmer ihrer Anhänger erhielten fich in der ſüdöſtlichen Gegend bes
Perſiſchen Reichs, namentlich in Yezd; andere wanderten nad) ber Halbinfel Guzurate in In⸗
dien, wo fie bem Glauben ihrer Vorfahren treu geblieben find. Die weſentlichen Glaubensbeſtim⸗
mungen bed 3. find nach dem Zendavefta die folgenden: Von Anfang der Welt an berrfchen
gleichmäßig nebeneinander Ormuzd (f. d.), der Herrſcher des Lichts und bes Guten, und Ahri⸗
man (f. d.), bee Herrfcher der Kinfterniß und des Bofen. Allem Guten und Beinen, was
Drmuzd ſchuf, ftellte Ahriman eine Schöpfung ber Finfternif entgegen, wie bie fehädlichen
Srüchte der Natur, die giftigen Pflanzen, die reißenden Thiere. Die höhern Schöpfungen des
Drmuzd erfcheinen perfonificirt als Richtgeifter, bie in beftimmter Rangorbnung ımter Drmmpb,
ihrem Herrn und Fürften, ftehen. Die höchften Lichtgeiſter find die fieben Amſchaspands, ihnen
felgen die 28 Izeds und dann bie Ferwers, die reinen Urbilder aller gefchaffenen Weſen, die
zum Lichtreiche gehören. Mit diefen reinen Beiftern thront Ormuzd über dem Berge Albordſch
im Himmel Gorotman. Ebenſo ift ber Beifterftaat des Ahriman geordnet. Neben ihm berr-
ſchen fieben mächtige Deivs oder Dämonen, nebft unzähligen niedern Dews, von benen jeder
ber beftimmte Widerfacher einer Lichtſchöpfung bes Ormuzd ift. Ihr Aufenthalt iſt tief unter
der Erde in der Holle Duzakh. Zwiſchen diefen beiden feindlichen Geiſterwelten dauern bie
Kämpfe mit wechfelndem Glücke, bis zulegt der Engel Sofiofch den Ahriman mit feinen dämo⸗
nifhen Schaaren vernichtet und das Meich des Guten ungeflört bis in die fernfle Ewigkeit
fortdauert. Der Tod des Keibes fegt dem Dafein des Menfchen kein Ziel. Lebte der Menſch
tugendhaft; jo geht er über die Brücke Tichinewad zu Ormuzd's Himmel ein und kehrt in feinen
Ferwer, fein ideales Urbild, zurück. Die Seele des fchlechten Menfchen aber wird von den Dews
in die Hölle geftoßen zur Erduldung ewiger Qualen. Der einzige Gegenfland des Cultus iſt
das Feuer, als fichtbare Macht des Lichts und fomit wieder des Reinen ımb Guten. Ihm wur⸗
ben Tempel und Altäre errichtet. Eine befondere Priefterkafte, bie Magier (ſ. d.), hat die au-
Bere Beforgung des Gottesdienſtes zu leiten. Der Kern der Ethik des 3. liegt in ben Worten:
rein denken, rein fprechen, rein handeln. Erſt in fpäterer Zeit, als fich die metaphyſiſche Spe⸗
eulation der Z.fchen Lehre bemächtigte und den unvermittelten Dualismus unter eine höhere
Einheit zu bringen ftrebte, wurde bie Lehre von der Obergöttlichkeit der Zeit, Zervane Akerent,
zum Dogma ausgebildet. Zwiſchen den Lehren des 3. und denen der älteften ind. Religions-
urkunden der Vedas findet große Übereinftimmung ftatt. Auf der andern Seite har die Z.ſche
Lehre weientlihen Einfluß gehabt auf die Geftaltung der fpätern jüd. Theologie und fomit in-
direct felbft auf das Chriftenthum. Da der Zenbavefta (ſ. d.), auf dem die Darftellung ber
Z. ſchen Lehre beruht, bis jegt nur theilweiſe genügend erforfcht ward, fo ift noch Wiele® im ber
Auffaffung ſchwankend und unficher. Die befte Darftellung der garen Lehre, nach ben neueflen
Sorfgungen begrtindet, gibt M. Dunder in feiner „Geſchichte des Alterthums (Bd. 1 und 2,
Zorrilla y Moral (Don Zofe), der beliebtefte fpan. Dichter ber Gegenwart, wurde 21.
Gebr. 1817 zu Valladolid geboren. Im 3. 1827 überfiedelte ex mit feiner Familie nach Mo-
drid und befuchte bie Gollegien in dem Semanario de los nobles. Frübzeitig entwickelten ſich
feine poetiſchen Anlagen und befonders feine Worliche für das Theater. Nachdem er einige
Zoſimus Zrinyi 557
Beit im Uuslanbe gelebt, kehrte er nach Spanien zurüd, konnte ſich aber mit feinem Vater
nicht einigen, da biefer von Ihm verlangte, daß ex fich dem verhaßten Nechtsſtudium unb
der furibifchen Laufbahn widme. 3. mußte num nach bes Vaters Willen fi nach Toledo be»
geben, wo er aber flatt der Gollegien bie Alterthümer jener Stadt befuchte und Verſe machte,
Start juribiſcher Abhandlungen. Daher fand er nad, feiner Rückkehr ins väterliche Haus,
nunmehr zu Zerma, eine fhlechte Aufnahme; er tröftete ſich indeß mit ber Lectüre von Chateau⸗
briand's Schriften und dem Studium der Bibel. Im folgenden Jahre mußte er fich nach Bal-
ladolid begeben, um die vom Vater ihm beflimmte Laufbahn zu verfolgen; aber auch bier wib-
mete er ſich faft ausſchließend poetifchen Studien und Arbeiten und trat zuerft ald Dichter auf
mit einigen Verfuchen in der Zeitfchrift „El Artista”. Um ſich bem argen Zwange im väterlichen
Haufe zu entziehen, entfloh er endlich mit einigen Realen in der Talche nach Madrid. E6 war
15. Febr. 1837 bei dem Begräbniß bes unglüdlichen Dichters Zarra (f. d.), daß 3. durch ein
Zrauergebicht, das er an deſſen Grabe vortrug und das große Senfation machte, die Aufmerk-
ſamkeit der Reſidenz auf ſich zog, Indem man fogleich in diefem begabten Jünglinge einen Er-
fag für den Dabingefchiedenen erblickte. Schon wenige Monate danach gab er den erften Band
feiner Poefien heraus. und von da an war Z.'s literarifcher Ruhm begründet. Seine erfien Ar-
beiten find zwar noch mehr ober minder Nachahmungen ber neuromantifchen franz. Schule oder
der altfpanifchen, befonders Calderon's; in den fpätern aber, vorzüglich in ben „Cantos deltro-
vador”, einer Sammlung von Igrifch-epifchen Gedichten, Volksſagen und Legenden, wußte er
das Altnationale mit bem Modernen glücklich zu verbinden. Er ift auch fehr fruchtbar; denn
außer der bedeutenden Anzahl Iyrifcher und epifcher Gedichte, die er bereits erfcheinen ließ, hat
er faft jährlich die Bühne auch mit ein paar Stücken bereichert, worımter feine Komöbie „El
zapalero y el rey” im alten Nationalſtil ein Lieblingsftüd geworben und feine Bearbeitung des
„Don Juan Tenario” auch ins Deutfche von be Wilde übertragen mworben ift (Xypz. 1850). Im
Dramatifchen ift er jedoch weniger glücklich und Hafcht zu viel nach melodramenartigem Effect.
Dagegen find unter feinen Igriich-epifchen Gedichten einige Meifterftüde in Sprache und Stil,
wie bie „Introduccion de los cantos del trovador”, worin er fi) am meiften charakterifirt hat;
bie darin enthaltene poetifche Erzählung „A buen juez mejor testigo” u. f. w. Außerdem ver-
öffentlichte er „Cantos del trovador. Coleccion de leyendas y tradiciones historicas”
(3 Bde., Mabr. 1840-41); „Floras perdidas. Poema” (Madr. 1843); „Obras com-
pletes, precedidas de su biografia por Ildefonso Oveias” (2 Bbde., Par. 1847; 2. Aufl,
3 Bbe., Par. 1853). In ben legten Jahren ging er nach Frankreich und lebt theils in Paris,
theils in Brüffel, wo er ein größeres romantifches Bebicht begann: „Granada, poema oriental
con la leyenda de Al-Hamar” (Bd. 1, Yar. 1853), das an Glanz Alles übertrifft, was er bis
jegt geſchrieben bat.
BZofimus, ein fpäterer griech. Befchichtfchreiber, der in der Mitte des 5. Jahrh. n. Chr. zu
Konftantinopel unter Xheodofius II. als Staatsbeamter Iebte, fchrieb eine Befchichte bes rom.
Kaiferreichs in ſechs Blichern, welche bie Zeiten von Auguſtus bis 410 n. Chr. umfaßt und
burch Reinheit und Klarheit ber Sprache, durch Schärfe des Urtheils, ſowie burch firenge Un»
parteilichkeit, befonders in Rückſicht auf die Chriften, fich auszeichnet. Die beften Ausgaben
befosgten Cellarius (Zeig 1679; 3. Aufl, Jena 1729), Reitemeier (Epz. 1784) und Bekker
(Bonn 1837). Eine deutſche Überfegung lieferten Seybold und Heyler (2 Bbde., Sf. 1804—5).
Zrinyi ober Srini (Niklas, Graf von), Feldherr Kaifer Ferdinand's I., Ban von Kroatien,
Dalmatien und Slawonien, Tavernicus in Ungarn, wurbe 1518 geboren und flanımte aus
bem alten ſlaw. Gefchlechte der Grafen von Brebir. Den Namen Hatte feine Familie 1347 von
dem Schloffe Zrin angenommen. Schon als zimölfjähriger Knabe verdiente fich 3. bei ber Be⸗
lagerung Wiens bie Gunſt Kaifer Karl's V., der ihn mit einem Streitroß und einer goldenen
Kette befchenkte. In der Folge zeichnete er fich in den Beldzügen gegen Johann von Zapolya
aus, der das Königreich Ungarn dem Erzherzog Ferdinand von Oſtreich ftreitig machen wollte,
und gegen ben Sultan Soliman, Zapolya's Bunbesgenoffen. 3. führte faft immer bie Vor⸗
ober Nachhut. Beſonders vervolltommmete er den Dienft ber leichten Reiterei. Seine Helben«
geftalt, feine Lebhaftigkeit, feine Freigebigkeit im Belohnen, fein parteilofer Ernſt Im Strafen
unterwarfen ihm unbedingt bie Bemüther feiner tapfern Scharen felbft zu bem ſchwierigſten
Unternehmen. Daher fam es auch, daf 1542 feine Ankunft in dem lange ſchwankenden Treffen
bei Pefth wie ein Blig unter die Feinde fuhr und den Ausſchlag des Siegs gab. Mit ähnlichem
Erfolge und durch gleiche Überlegenheit vertheibigte er zwölf Jahre lang Kroatien, dem er alt
Ban vorftand, wider die Osmanen, die er 1562 bei Szigeth ſchlug. Ungarn hingegen war gro
558 Zſchokke
hentheils ſchon türk Pafhak und her Äbeyretz ausı Fribut genötigt: Da molle Beliman
1566 von Belgrad aud auch noch Szigeth erobern. Ging Niederlage, die der türk. Vortrab bei
Sziklos durch 3.8 Scharen erlitt, reizte des Sultans Zorn zum ſchnellen Mugriff. Der beruht
Sroßvezier Mehemed-Eofolowich, ein kroat. Nenegat, zag mit 65000 Maunn dem Großherrn
voraus. Uber die angefhwollene Drau wußte unter ungsheuern Schwierigkeiten eine Brücke
gefchlagen werden; der firenge Befehl des Sultans erzwang nach mehren verunglüdten Ber:
fuchen das Unmögliche, und das Deer ging vom 1.—5. Aug. über den Strom. ept verjaw-
melte 3. feine Krieger, 2500 an der Zahl. Nach feinen Vorgange ſchworen Ale, für ihren
Glauben, für den Kaifer und das Vaterland zu flerben. Die Lage Szigeths zwiſchen zmei Flüſ⸗
fen, in moraftiger Umgebung, die Eintheilung der Stadt in bie alte und neue und der Befis eini⸗
ger Caſtelle mit doppelten Gräben und Bollwerken unterftügte die kaum 3000 Mann ſtarke
Garnifon. Die Türken warfen an drei vortheilhaften Poften Batterien auf, verfahen fie mic
ewaltigen Stücken und beichoffen Tag und Nacht die alte Stadt, die einfache und ſchwacht
Ringniauern hatte. Die Belagerten abeg wehrten fi) durch tapfere Ausfälle; als fir mit Ge-
[hüg und dem Degen in der Bauft dad Außerſte gethan, etliche Stürme zurüdgeihlagen, ein
heftige anhaltendes Gefecht rühmlich beftanden und unser bedeutendem Berluft an Mannfchaft
die alte Stadt Fuß für Fuß vertheidigt hatten, ſteckten fie diefelbe an und zögen ſich in die neue
Stadt zurüd, die einen zwar tiefen und wafferreichen, aber nicht breiten Graben hatte. Die
Türken warfen jedoch Erdwälle auf, non denen auß fie mit dem Geſchütz die ganze Stadt beherr-
[hen und in Ruinen verwandeln fonnten. 3., überall der Exfte auf den Punkten der Gefahr,
wollte durch alle nur erfinnlihen Mittel den Feind an der Ausfülung des Graben hindern ;
allein die zahlreichen Feinde erfegten bei Napıt, was ihnen der Tag zerftört hatte. In Ermwa-
gung ihrer furchtbaren Übermacht, ihrer reihen Vorräthe und der Gegenwart des Saltans
ſelbſt wollte 3. fein Volk nicht unnüg opfern. Er gab daher auch bie neue Stadt den Flammen
preis und warf fich in das Schloß, den einzigen und ſtärkſten Rettungspunkt. Dat Feuer der
Belagerer dauerte unımterbrachen fort, zugleich fegten fie ber Feſtung, ber es an Minenrt fehlte,
dur) Minen zu. Als der Zunitfcharenaga Ali-Baffa das Waffer abgraben wollte, um deſto
eher zu ben Bafteien zu kommen, machten die Belagerten mit ADO Mana einen fehr glüdfichen
Ausfall, der aber das Leben vieler Zapfern koſtete. Vom 26. Aug. bis 1. Sept. gefchahen täg-
lich ſieben und mehre Stürme auf das Schlofi, Doch alle wurden zurüdgefchlagen. Stanbhaft
wies 3. alle Anerbietimgen des Feindes von fich ; felbft die Drohung des Großveziers, daß der
Sultan feinen vorgeblich in türk. Befangenfchaft gerathenen Sohn ermorden laſſen würde, wem
er die Feſtung nicht übergäbe, konnte feinen Entfchluß nicht erfchüttern. Vor Zorn und Ber-
druß daruber außer fich, —* Soliman, der zulegt 1000 Goldgülden auf 8.'s Kopf geſetzt hatte,
4. Sept. Der Großvezier verbarg feinen Tod den Truppen, und 5. Sept. gelang es den Türken,
das äußere Schloß in Brand zu fieden. 3. flüchtete mit ben Seinigen in bie innere Burg. In
diefer war aber weder Mund- noch Kriegsvorrath und der längere Beſttz berfelben ganz abhän-
gig von dem äußern Schloffe. Da unsernahmen die Türken am 7. Men allgemeinen Sturm.
Schon brannte die Burg; da verfangmelte. bie Seinigen. Ohne Panzer, nur mit. Helm, Schild
und Säbel trat er unter ſie. „Gedenkt“, rief er, „eures Eides / Wir müffen hinaus. Oder mot
ihr bier verbrennen, wollt iHt verhungern 2 So laßt uns fterben ald Männer. Ich gehe voran;
thut, was ich.” Damit ſtürzte er die Schloßbrüde hinaus, witten in ben Haufen der Feinde,
feine Schöhundert mit ihm und hinein unter die Öunderttaufende der Türken. Bald traf ihn
der erſte, dann ein zweiter Schuß; er fiel und kämpfte bis aum Tode. Alle die Seinigen famen
um, zun Theil zurückgedrängt in das brennende Schloß. Hier flogen plötzlich (3. Hatte Rumten
gelegt) die verjshiedenen Pulverkammern in die Luft und eine große Zahl Türken wurde zer-
ſchmettert. Diefe Belagerung hatte den Sultan über 20000 Mann gefoftet und ihm ſelbſt da®
Leben. Der Janitſcharenaga ließ 3.6 Kopf auf einer Stange vor des Sultans Zelt aufitellen ;
bann wurde das furchtbare Haupt, aus Achtung gegen 3.6 Heldentod, dem kalſerl. Feldheren,
Grafen von Salm, nad) Raab geſchickt. Das Geſchlecht der 3. erlofch 1703. Von ber yerftor-
ten Veſte find nur noch bie mit Neben bepflanzten Wälle zu ſehen. Die erzählte Kataftropke
wurde mehrfach, unter Andern von Theodor Körner, drantatifch bearbeitet.
Zſchokke (Zoh. Heinr. Dan.), einer der vorzüglichſten deutfchen Schriftfteller der neuern
Zeit, geb. 22. März 1771 zu Magdeburg, erhielt feine Bildung auf der bafigen Kloſterſchale
und dem Gymnaſium der Altftadt. Won hier entfernte er fich 1788, trieb fich eine Zeit lang
mit wandernden Schaufpielern ald Schaufpieldichter umher und bezog ſodann, mit den Geini-
gen audgefohnt, die Univerfität zu Brankfurt a. d. O., wo er ohne feſten Plan Philofophie,
helle 559
Theologie, Geſchichte und ſchine Miſſenſchaften, quch Kameralwiffinfchutten ftudirte. Im 3.
179. tzat er in Jranffurt als Privasdesent auf. Ech on dawals ließ er einige dramatiſche Ver⸗
ſuche erſcheinen, unter denen fein Abällino, ber große Bandit” (Berl. 1795) und „Sulius von
Saffen‘ (Züx. 1796) mehr Glüch aid Berdienfi hatten ; auch fehrieb er gegen das Religiont-
edict. Ws er 1795.mdit einem Geſuch um eine orbendliche Profeſſur einkam, wurde ihm baffelbe
abgeschlagen. Hierauf machte er eine Bleife Dusch Deutſchland, die Schweiz und Frankreich und
lieh Ah in Grauhündeten nieber, wo er bie Beitung einer Styichungsanftalt in Meichenau über-
nahm, die ſich durch Ihm und den Altbürgermeiſter charner ſchnell und Präftig hob. Näthe
und Gemeinden bes drei Bünde banften ihm durch ebeilung des Bürgerrecht, und 3. er-
widerte dieſe Auszeichnung ſpäter durch bie Derausgabe der „Geſchichte bes Freiſtaats der drei
Bünde in Rhätien“ (Qür. 1798; 2. Auf, 1817). Seine glüdtihen Verhältniſſe flörte das
%.1798. Es fragte ſich, ob die Bündner für fich allein ſtehen oder mit ben Schweizern zuſam⸗
menbalten follten. Die Vernunft empfahl das legtere, die Leidenſchaft verlangte das erflere
und drang auch damit durch, txog des entfchloffenen Wider ſtands, den 3. und Tſcharner gelei-
flet hatten. Die Überfpannung machte ſich bald barauf Luft in Beſchuldigungen und Ansbrü-
chen des Berfolgungsgeiftes, und bas Seminar wurbe dern Opfer. 3. und Tſcharner gingen
als Deputirte nach Yarau, dem bamaligen pohtifchen Mittelpuntte der Echweiz. Tfſcharner
zog fi indeß bald zurück uud erſchwerte Dadurch bie Laſt auf 3.6 Schultern, der als Deputire
tex ohnedies ſchen feit dem Einzuge ber Oſtreicher in Bündten allein auf fi und feine Kraft
geftellt war. Nachdem er kurze Zeit ale Chef für das Departement bed Echulwefens thätig ge-
weſen war, murde er in der Eigenſchaft eines bevellmächtigten Regierungscommifjare von dem
helpet. Vollziehungsbirecterium nach Unterwalden geſchickt, wo zu den Berwüflungen des
Kriegs auch nach die Parteiwuth ſich geſellte. 3. wirkte Hier unabläffig ale Wohlthärer und
Sriedensflifter. Ein Schlüſſel über diefe merkwürdige Reit follten feine „Hiſtoriſchen Denk
würbigteiten ber ſchweizer. Staateumwälzung“ fein. Die ihm ertheilte Vollmacht fir Unter
walden murde ſpaͤter auch über die Gantone Uri, Schrayz und Zug nusgedehnt, und feine herz»
ergreifende Auffoderung zur Abhülfe bes Glendé in jenen Gegenden bleibt ein ſchönes Denk⸗
mal veollsmäßiger Veredsfamteit. Unter den fchriftftelerifchen Producten jener Zeit erregte
feine Geſchichte vom Kampfe und Untergange dberfchweizer. Berg- und Waldeantone“ (Zur.
1801) eine vorzügliche Aufmerkſamkeit. Im 3.1800 ernannte ihn die Centralregierung in
Bern zum Regierungscommiffar. Hierauf.organifirte er, zufolge der ihm gewordenen Beftim-
mung, die ital. Schweiz (Santon Rugane und Bellinzona) mit dem möglichft beften Erfolg.
Bei feiner Rückkehr nach Bern erhob 3. wit Offenheit bie Dringendften Klagen bei dem franz.
Geſandten Reinhard und dem General Matth. Dumas wegen der vielfachen Erpreffungen und
Willkürlichkeiten, die damals auf Maſſena's Befehl verübt wurden ; doch feine Vorftelungen
blieben im Ganzen erfolglos. Die helvet. Regierung ernannte ihn hierauf zum Regierungs⸗
fkatthalter des Cantans Bafel, mo die Bewegungen wegen des Bodenzinfes und Zehnten einen
aufrührerifchen Charaktr angenommen hatten. Bei einer Zufammenrottung des bewaffneten
Landpolks flürzte er mitten unter die gefeglofen Haufen, die fofort feiner befchwichtigenden Rede
fi fügten. Als die Centralregierung in Bern, mit bem Landamman Aloys von Reding an
der Spitze, ſich bereitete, den abgefchafften Fäüderalismus wieberherzuftellen, legte 3. feine Stelle
nieder, Damit 26 nicht ſcheine, als heiße er durch feine Mitwirkung die Wiederherftellung eines
Syſtems gut, gegen das er ſich unzweideutig erklärt Hatte. Streng zurückgezogen von ben öf-
fentlichen Angelegenheiten, lebte er yon nun an auf dem Schloffe Biberflein im Aargau ler
diglich feinen Rieblingsmwiffenfchaften, bis endlid Bonaparte der Schweiz einen Zuftand ber
Dermittelung gewährte, der unter den bamaligen Umftänden als Glück gelten konnte. Der
abermalige Umſchwung der Verhältniſſe fegte auch 3. wieder in Öffentliche Thätigkeit; er wurde
durch die Megierung des Cautons Aargau 1804 Mitglied des Dberforft- und Bergamts und
mit dem aargauiſchen Staatsbürgerrecht beſchenkt. Zugleich wirkte er mit feinem wielgelefenen
„Aufricgtigen und wohlerfahrenen Schweizerboten” feit 1804 überaus mohlthätig. Die von
ihn 1807—13 ununterbrochen herausgegebenen „Miscellen für die neuefte Weltkunde zeich⸗
neten ſich aus durch Reichthum des Inhalts, glückliche Wahl, angenehme Darſtellung, gewiſ⸗
ſenhaften Freimuth und ein größtentheils treffendes Urtheil. Ihnen gingen von 1811 an bie
„Srheiterungen”, eine Monatöfchrift, zur Seite. 3.’6 Überfiebelung von Biberftein nach Aarau
1808 führte zu der Errichtung eirier Maurerloge und der Geſellſchaft für vaterländifche Cul⸗
tur. In den verhängnifvellen 3. 1813 und 1814 beſchwor er das Feuer der Zwietracht, fonie'
an ihm war, mit Worten der Mäfigung und Vernunft, indem er von ber agdern Seit⸗
50 Zuaven
Nechte und Freiheiten feines Cantons Aargau mit glänzender Überlegenheit vertheidigte. Im
Folge einer unbilligen Jumuthung, bie ihm als Herausgeber bes „Schweizerboten” gemadt
worden war, legte ex 1829 feine Stellen als aargauifcher Forſt⸗ und Kircheninſpector nieder.
Er blieb jeboch Mitglied des Großen Raths ſowie der Schufdirection, auch Vorſtand ber Be
werbfchulendirection, und 1830 wählte ihn ber Kleine Rath; wieder In den evangelifchen Kir
chenrath. Seine Befähigung für das Forftfach Hat er durch feinen „Gebirgsförſter“ (2 Bde,
Aarau 1804) und „Die Alpenwälber” (Stuttg. 1804) bewielen. Unter feinen bebeutenberu
Werken nennen wir feine „Geſchichte des bair. Volks und feiner Fürſten“ (4 Bde, Haren
1815—18; 3. Aufl., 8 Bde, 1826), zu ber Johannes von Müller ihn aufgemuntert hatte.
Lichtvolle Anordnung, flete Rückſicht auf die Bebürfniffe unferer Zeit, eine natürliche, dem
jedbesmaligen Segenftande angemefjene Sprache, durchdrungen von Klarheit, Wärme umb
Stärke, erheben diefes Geſchichtswerk weit über die Flut der gewöhnlichen Erſcheinungen.
Seine „Überlieferungen zur Gefchichte unferer Zeit” (Aarau 1817—23) traten an die Stelle
der „Miscellen für die neuefte Weltkunde“. Sein vielleicht befles Werk ift „Des Schweizer⸗
landes Gefchichte für das Schweizervolk“ (Zür. 1822 und öfter). Seine „Bilder aus der
Schweiz” (5 Bde. Yarau 1824—25), enthaltend „Der Flüchtling“, „Der Freihof in Aarau“
und „Addrich im Moos”, find treue Gemälde von Zeit-und Ort. Unter andern Gaben bei
fruchtbaren Schriftftellers Haben fich vorzüglich die Erzählungen „Der Ereole”, „Wlamontabe”,
„Jonathan Frock“, „Glementine”, „Dswald ober das Boldmacherborf” und „Meifter Jordan“
(Aarau 1845) den Beifall ber größern Kefewelt erworben. Ex felbft veranftaltete eine Samm-
lung feiner „Ausgewählten hiſtoriſchen Schriften” (16 Bbe., Yarau 1830) und verfchiedene
Sammlungen feiner „Ausgewählten Rovellen und Dichtungen” (8. Aufl., 10 Bde, Harau
1847); eine Fortſetzung berfelben, zum Theil betrachtenden Inhalts, iſt feine „Ahrenleſe“
(4 Bbe., Yarau 1844— 47). Eine Ausgabe „Sefammelter Bolksfchriften”, enthaltend „Das
Soldmacherdorf”, „Meifter Jordan”, „Spruch und Schwank” und „Die Branntmeinpeft”,
‚ließ ex 1846, erfcheinen. Die Sammlung feiner „Sämmtlichen Schriften” (Aarau 1825) um-
faßt 40 Bänbe. Das verbreitetfte und wirffamfte aller feiner Werke aber, als deſſen Berfafter
ex fich exft fpat bekannte, find ohne Zweifel feine „Stunden ber Andacht” (26. Aufl., 8 Bde.
Str. 1847), der volltommenfte Ausdrud des modernen Ratienalismus. Eine Urt Selbſtbie⸗
graphie gab 3. in feiner „Selbſtſchau“ (3. Aufl, 2 Bde., Aarau 1844). Auch hat er ih an
ben neuern Beftrebungen für das Volksſchriftenweſen lebhaft betheiligt. Als Schriftſteller
gehört er zu Denen, bie nicht ſowol eine neue Bahn brechen als das Vorgefundene zweckmaͤßig
nach verfchiebenen Richtungen verbreiten; was ihnen etwa an theoretifcher Ziefe abgeht, durch
prattifchen Werth erfegen und ftatt der kühnern Züge bes Genies eine fefte Geſundheit des
Geiſtes darbieten. 3. ftarb 27. Juni 1848. Bgl. Münch, „Heinr. 3., gefihlidert nach feinen
vorzüglichen Lebensmomenten und feinen Schriffen” (Haag 1831).
naven, eigentlich Zuauas, heißen urfprünglich die Bewohner des Diſtricts Zuavia am
Dſchurdſchuragebirge in der algier. Provinz Konftantine, bie beſonders im Rufe Ertegerifcher
Tapferkeit und Geſchicklichkeit ftehen und deshalb feit undenklichen Zeiten im nörblichen Afrika
als Mierhfoldaten dienten. Daher kam es, baß ihr Name überhaupt in den norbafrif. Raub⸗
flaaten zur Bezeichnung von Miethtruppen gebraucht wurde, welche die Leibwache ber Deis
und Beis von Tripolis, Tunis und Algier zu bilden pflegten. ‘Die franz. Verwaltung behielt
fie nach der Befignahme Algiers bei und glaubte durch fie, indem fte ihnen eine neue Organi⸗
fation gab, eine Annäherung zwifchen ben Siegern und ben Eingeborenen herbeiführen zu kön⸗
nen. Zu biefem Behufe wurde von General Clauzel, ber 1830 zwei Bataillone Zuaven errich⸗
tete, feftgefegt, daß algier. Eingeborene und Branzofen in ben Zuavencompagnien in einem ge⸗
wiffen Verhältniß ſowol in den Offiziers⸗ als Unteroffiziersftellen umb als Gemeine gemiſcht
fein follten. Übrigens war die Truppe europäifch bewaffnet und epercirt, doch Hatte fie zur Be⸗
kleidung das mauriſche Coſtüm; ſämmtliche Mannſchaft, Sranzofen wie Einheimifche, beftand
aus freiwillig Eintretenden und Angeworbenen, nicht aus Conſcribirten. Später, ba man ſah,
daß durch die Vermifhung des franz. mit dem einheimifchen Element ber beabfichtigte Zwes
nicht erreicht wurbe, trennte man fie fo, daß die Einheimifchen und die Franzoſen in befonbere
Compagnien vereinigt. wurden. Noch fpäter, 1837, erhielt das Corps wieder eine andere Drga-
nifation: es wurde auf drei Bataillone gebracht und unter den Befehl eines Oberften geflellt,
eine Stelle, bie damals ber jegige General Ramoriciere bekleidete, der fich um bie Organifation
und Die Hebung des ganzen Corps große Verdienfte erwarb und fich gleich dem fpätern Befehls⸗
haber, Generaf Cavaignac, bei allen Gelegenheiten mit bemfelben auszeichnete. Durch diefe
m 0m || dr u N |, GE Cr ep ur EEE — — — — —
Zucearo Zũchtigung —*
mehrfachen Organiſationen und in Folge ber Unverträglichkeit des Franz. mit dem einheimifchen
Element verſchwand dieſes legtere Immer mehr aus der Truppe, die jept, brei Megimenter ſtark,
faſt ganz als ein franz. Freiwilligencorps angufehen ift, das jebocd fortwährend die beſten
Dienſte geleiftet und durch Tapferkeit und Unermüdlichkeit ſich ausgezeichnet hat. Seit 1854
ift Die Truppe bei der Expeditionsarmee im Drient mit Auszeichnung thätig. (S. auch Syahis.)
Buccaro (Federigo), Maler, geb. um die Mitte des 16. Jahrh., geft. 1609 zu Ancona, folgte
ber manieriflifchen Richtung der nachrafaeliſchen Schule, welche ihn trog eines nicht umbeber»
tenden Talentes, das oft aus feinen Bildniffen berworleuchtet, zu äußerſter Berflachung und
Zrivialität brachte. Unter feinen Werken ift die Darftellung des Jüngſten Berichts in der Kup
pel des Doms zu Florenz, 300 Figuren von zum Theil 50 F. Größe, ein Hauptbeifpiel dieſes
flüchtigen, gelesiten, in Manier verfuntenen Stils. In Rom trug ihm Papft Gregor XII. die
Vollendung ber Malereien in der Paulinifchen Kapelle, die Michel Angelo gefchaffen hatte, auf;
er geriech indeß in Ungnade, weil er auf feine Neider ein Spottbild, welches diefelben mit Eſels⸗
ohren darſtellte, öffentlich bekannt gemacht hatte, und ging deshalb auf mehre Jahre nach Flane
bern, Holland und England, in welchem legtern Rande er fich Tängere Zeit aufbielt und befon-
ders viele Porträts, darunter das mehrmals wieberhofte der Königin Elifabeth und ber Maria
Stuart, malte. Im J. 1532 nach Venedig berufen, verzierte ex bort ben Dogenpalaſt mit Ge
mälden und vollendete dann im Auftrage des verfehnten Papftes in Rom die Malereien in der
Kapelle, fowie im Palazzo Eaprarola Darftellungen aus der Befchichte des Hauſes Farneſe.
Er gründete auch die Akademie von &.- Luca und war mit Aufdedumg antiker Überrefte bes
[häftige. Im J. 1588 wurde er durch Philipp II. nach Spanien berufen, um das Escurial
auszumalen, gefiel aber dort mit feinen Werken nicht und Lehrte dann nach Italien zurüd, wo
ex überall umberreifend Maffen von großen Bildern malte, die bei großer Bravour und oft be-
ſtechendem Scheine doch Hohl und nüchtern find. — Zuecero (Zadden), Maler, Bruder bes
Borigen, geb. 1529, geft. 1566 zu Rom, Bam als fehr junger Menſch nach Rom, wo er fi
unter großen Bedrängniffen der Kunft widmete und an Rafael's Vorbild anſchloß. Allein ex
theilt die manierirte, unerquidliche Weiſe feiner Schulgenoffen, obwol er vieleicht minder aub⸗
fchiveifend darin war als fein Bruder. Mit diefem führte er Die Gemälde im Palazzo Capra⸗
rola aus, deren Vollendung er jedoch nicht erlebte. Außerdem findet man in vielen Städten
Italiens große Frescgmalereien von ihn, dagegen wenig Tafelgemälde, da er nicht gern in A
malte. Bei großer Außerlichkeit Haben auch feine Arbeiten einen obenhin anfprecgenden, all
gemein verftändlichen Stil.
Zuchthaus ift ein ſolches Gefängniß, in welchem verurtheitte Verbrecher ihre Freiheits⸗
firafen abbüßen, während fie babei zur Arbeit angehalten und einer firengen, im Allgemeinen
auf Befferung gerichteten Zucht unterworfen werden. Zuchthausſtrafe, die man rückfichtlich
der größern oder geringern Strenge In ber Behandlung in mehre Grade einzutheilen pflegt,
wird nur bei gemeinen Verbrechen zuerkannt und iſt daher entehrend. (&. Gefaͤngnißweſen
und Befferungsanftalten.)
Züchtigung, körperliche, eine früher überall übliche Strafart, die jedoch In neueſter
Zeit als ſolche in ben meiften deutſchen Staaten abgefchafft und nur als Disciplinarmittel in
Birafanfkatten u. f. w. beibehalten wurde, gany neuerlich aber In einigen Ländern, namentlich
ftreich und Würtemberg, wieder für gewiffe Verbrechens und Perfonenkategorien eingeführt
ward. Aus dem Gefihtöpuntte der Humanität find der körperlichen Züchtigung bie Vorwürfe
zu machen, daß fie nachtheilige Wirkung auf bie Befundheit und das Ehrgefühl ber fo Beſtraf⸗
ten äußere. Die erfiere Gefahr will man zwar dadurch befeitigen, daß die Application der
Strafe ärztlicher Begutachtung und Beauflihtigung unterworfen wird; allein unter Um⸗
ftänden kann fi das ärztliche Gutachten auch irren ober läfftg ausgeführt werben, und ber
Betroffene ift dann einem möglicherweife unheilbaren Schaden ausgefept. Was das Ehr⸗
gefühl betrifft, fo will man nur Diejenigen dee Prügelflrafe ımterwerfen, die alles Ehrgefühl
bereits verloren; aber es läßt ſich hiergegen freilich einmenden, daß es im concreten Falle (ehr
ſchwer fein wirb,-einen folchen moralifchen Mafftab an den Menfchen, auch wenn er ein Deo
brecher ift, mit Beftimmtheit anzulegen. Als Disciplinarmittel, als Zwangs · und Bezah⸗
mungs maßregel in Befängniffen, wo ſich Roheit und Verborbenheit Häuft und oft ganz un⸗
bändig zeigt, wird Dagegen Börperliche Züchtigung, richtig und maßvoll angewendet, allerbing®
immer ihre Anwendung finden müffen, will man nicht zu andern noch grauſamern Mitteln
fhreiten. Als Befferungsmitsei find Prügel gewiß gänzlich verwerflich und Fönnen nur das
Gonn-er. Zehate Auf. XV.a 86
662 Zuchtpolizeigericht Zucker
Gegentheil bewirken. Selbſt in ber Jugenderziehung muß eine auf vernänftige Grunbfäge ba-
firte Pädagogik die körperliche Züchtigung im Allgemeinen verwerfen.
Zuchtpolizeigericht heißt in Frankreich und mehren Ländern, welche ber franzöfifchen ihre
Sriminalgerichtöverfaffung nachgebildet haben, dasjenige, ftetd aus mehren Richtern collegis-
liſch zuſammengeſetzte Gericht, welches in allen Fällen ber fogenannten Sudtpolizei (police
correctionnelle), d. 5. wegen aller delits (Vergehen von mittlerer Schwere im befondern Sinne
bes franz. Recht) zu erkennen hat. Es bezieht fich biefe Bezeichnung auf bie Art, wie bie franz.
Strafgefeggebung alle unerlaubten Handlungen in brei Elaffen nach ber Abſtufung ihre
Schwere in crimes, delits und contraventions unterfcheibet; bie ber mittelften Stufe, welche unit
fogenannten peines correctionnelles (cortectionellen Strafen) bedroht find, gehören vor bie
Buchtpolizeigerichte, während bie ſchweren Verbrechen der erften Elaffe vor den Affıfen, die Teid-
tern Übertretungen ber dritten Claſſe vor den einfachen Polizeigerichten (tribunaux de simple
police) abgeurtheilt werben. Mit Dem, mas man fonft Polizei nennt, haben die Zuchtpolizer
gerichte nichts gemein.
BZuden nennt man eine fehnell vorübergehende unwillkürliche und krampfhafte Zufammen-
ziehung der Muskeln, die von fehr verfchiedener Heftigkeit und bald allgemein über ben ganzen
Körper verbreitet, bald nur örtlich, auf ein einzelnes Glied oder einen einzigen Muskel befchräntt
fein kann. Die Urfache des Zudens kann in ben Nerven, die zu ben zudenden Muskeln treten,
oder im Gehirn und Rüdenmarke ihren Sig haben und bie verfehiebenartigfte Affertion, des
halb in fehr vielen Fällen mit Sicherheit gar nicht zu erfennen fein. Häufige unb fchnell
* folgende Zuckungen bilden die Convulſionen, die kloniſchen oder Zuckkrämpfe.
Krampf.)
Zucker heißt jebe ſüßſchmeckende, in Waſſer auflösliche, aus Kohlenſtoff, Sauerſtoff und
Waſſerſtoff beſtehende, der geiſtigen Gaͤhrung fähige Subſtanz. Sie iſt ziemlich verbreitet, befon-
ders im Pflanzenreiche, zerfällt aber nach gewiſſen Verſchiedenheiten der Eigenſchaften, denen
auch einige Verfchiedenheit im Waſſergehalt entfpricht, in mehre verfchiedene Arten, und zwar:
4) Rohrzucker, befonders im Safte des Zuckerrohrs, der Zuderrübe, des Mais, des Zuder
ahorns, des Kürbis u. f. w. vorkommend, leicht in großen, farblofen, fechsfeitigen Prismen (als
Candiszuder) oder, wenn er während der Kruftallifation gerührt, d. h. geftört wird, in weißen
Eryſtalliniſchen Maffen kryſtalliſirend, ziemlich hart, beim Reiben elektriſch werdend, in einem
Drittheil kalten Waſſers feines Gewichts auflöslich, in der Wärme ſchmelzend und fidh in eine
braune Subſtanz (Caramel) verwandelnd. Er verliert durch Kochen mit verbünnten Säuren
feine Kruftallifirbarkeit fehr leicht und geht durch Exrhigen mit Schwefelfäure in Trauben - oder
Krümelzuder über ; Dagegen wirb er von Kalt und Alkalien nicht leicht gerfegt. Künſtlich fan
er nicht gebildet werben. 2) Zraubenzuder findet fich fertig in dem Safte aller füßen Früchte
und des Donigs, auch im Harn der Harnruhrkranken, und kann künſtlich durch Kochen ver.
Stärkemehl und Holz, von Rohrzuder und Milchzucker mit Schwefelfäure, auch von Etärke
mehl mit Gerftenmalz gebildet werden. Er kryſtalliſirt nur ſchwierig in Meinen Körnern, if
ſchwer auflöslich und weniger ſüß als Rohrzucker, verwandelt ſich ſchon bei 440° in Carameh,
verträgt die Einwirkung von Säuren ohne Veränderung, wird dagegen von Kalk und Alkalien
raſch zerfegt. 5) Mildzuder kommt nur in der Milch der Säugethiere vor und ryflallifirt bei
Berdunftung ber Molken in weißen vierfeitigen Prismen, ift fchmer Löslich in Waſſer und wenig
füß, gibt in der Hige Bein Caramel und wird durch Säuren in Traubenzucker verwanbelt.
4) Schleimzucker pflege man den im Syrup und zum Theil fchon in Folge eingetretener Ber-
Anderungen im Honig und fügen Säften enthaltenen unkryſtalliſirbaren Zucker zu nennen, der
jedenfalls ſchon ein theilweiſe zerfegtes Product ifl. Bon biefen Zuckerarten tft jedenfall ber
Traubenzuder aus Honig und Früchten ſchon im graueften Alterthume bekannt gewefen. Pli-
nius erwähnt ſchon des Rohrzuders aus Arabien, und Indien und bie Araber haben unſtreitig
Schon früh das Zuckerrohr (f. d.) auf Zuder benugt. Die Kreugzüge verpflanzten das Zuder-
rohr nach Agypten, Cypern, Candia, Griechenland und Sicilien ; von da fam es nad) Mabeirs
und den Sanarifchen Infeln und 1506 erft nach San-Domingoe. Nach Einführung des Six
venhandels nahm ber Zuckerrohrbau in Weſtindien fo zu, daf der europ. und oflind. Zuderbau
verdrängt wurde. Nordamerika nahm erft im 18. Jahrh. ven Zuderrohrbau auf, body ver
drängte derfelbe für ben inländifchen Conſum den bort ſchon bekannten Ahornzuder nicht gamı
Seitdem ift Lange Zeit ber Rohrzucker im engſten Sinne bie einzige im Großen benugte Zuder
art gervefen, obgleich in Europa ſchon früh Glauber anf den Traubenzucker, Marggraf 174°
auf den Runkelrübenzucker und Parmentier auf Zuder aus Mais und Kaftanien aufmerkſam
Inder 563
gemacht hatten. Die Sontinentalfperre brachte bie von Achard 1796 zuerft im Großen verfuchte
Nunkelrůbenzuckerfabrikation in Frankreich in Aufnahme, und von da aus hat fich diefelbe über
einige Theile Deutfchlands, Ungarn und Rußland verbreitet. Wenn ſpäter bie Sperre wieder auf-
hörte,ja die neuere Zeit fogar zu einer Befteuerung der Runfelrübenzuderfabrifation im Inter
effe des Colonialzuckers führte, fo ift doch die Methode, aus Runkelrüben einen bem Rohrzucker
in jeder Beziehung gleichen Zuder berzuftellen, befonder& durch die Beftrebungen einiger Fran⸗
zofen und Deutfchen fo vervollkommnet, daß nur die unter ungünftigen Bedingungen für ben
Rübenbau errichteten Fabriken wieber eingegangen find, eine große Zahl aber in Frankreich, in
der Provinz Sachfen, in Böhmen, Ungarn und Rußland noch in großem, ja vergrößertem Maß ⸗
ftabe mit Vortheil fortarbeitet und einen nicht unbeträchtlichen Theil ber ganzen Zuderconfum-
tion det. Zu gleicher Zeit hat man die Beobachtungen von Fourcroy und fpäter von Kirch-
hof über Darfiellung von Traubenzuder oder Krümelzuder in körniger oder Sprupsform
durch Behandlung von Stärke mit Schwefelfäure (daher Stärkezuder) technifch ausgebildet,
und für ale Zwede, wo bie kryſtalliſirte, ſeſte Form und ein fchönes Anſehen des Zuders, auch
eine fo intenfive Süßigkeit nicht nothig iſt, verwendet mangegenwärtig ben in großen Maffen in
befondern Fabriken oder als Nebenprobuct der ftarten Kartoffelbau treibenden Landwirthſchaf⸗
ten erzeugten Stärkeſyrup und Stärkeguder. Alle andern Formen des Zuckers werben nur fel-
ten angemwenbet, der Honig als ſolcher, der Milchzucker befonders in der Mebicin, namentlich alt
Vehikel homöopathifcher Arzneimittel. Daher mögen ſich folgende fpeciellere Bemerkungen
nur auf Rohrzuder im engern Sinne, Rübenzuder, Ahornzuder, Mais- und Kürbiszucker und
Stärkezucker beſchraͤnken.
Der Rohrzucker wird, wie erwähnt, jept faſt ausſchließlich von Weſtindien, Süd⸗ und Norb-
amerifa nad) Europa gebracht. Dan baut das Zuderrohr bafelbft, früher mit Hülfe von wohl⸗
feiler Sflavenarbeit äußerſt billig, feit der Sklavenemancipation beträchtlich theurer, was bie
Pflanzer zu vielen Klagen veranlaft, in großen Pflanzungen. Das reife Rohr wird abgeſchnit⸗
ten und der Saft ausgepreft, indem man das Rohr durch Walzwerke gehen läßt. Diele Wal⸗
zenpreſſen waren früher fo unvolltommen conftruirt, daß faft ein Drittheil des Saftes in dem
Rohrſtroh (bagasse), welches dann nur noch zum Verbrennen biente, zurüdgelaffen wurbe.
Die Concurrenz bed Rübenzuckers und die ungünftigern Umftände haben die Pflanzer hierin
zum Theil fchon zu bedeutenden mechanifchen Verbefferungen genöthigt. Der ausgeprefte Saft
(vesou) wird fo raſch ald möglich mit etwas Kalk gekocht, um dad Sauerwerden zu verhüten
und die Unreinigkeiten abzufcheiden (Räuterung), Ducchgefeiht, weiter eingelocht und dann in
Bortichen mit Zöchern am Boden zur Kroftallifation hingeftellt. Dabei Eryftallifirt ein gelbge⸗
färbter Rohzucker oder Puderzucker (Moscovade), während die unkryſtalliſirbare Melaffe ab-
tropft. Zegtere benugt man zur Fabrikation des Rums (f.d.). Die Moscovade kommt theild fo
in den Handel, theild bringt man fie noch warm in Begelförmige Formen von Thon (Bafterfor-
men), mit einer leicht verftopften Dffnung in der Spige, ftellt diefe Formen umgelehrt auf und
bededt die Bafıs mit feuchtem Thon. Das Waſſer des Thons ſickert durch den Zuder, treibt
die gefärbte Melaſſe, welche noch beigemifcht ift, vor fich her und macht ihn fo weißer; diefer
Zuder heißt Saffonade. Somol Moscovade ald Caſſonade find indeffen noch keineswegs fo rein
und fo ſchön von Anfehen, als der Gebrauch in ber Regel fodert (fie enthalten erdige und ſan⸗
dige Beftandtheile, Melaffe, färbende Subflangen, freie Säure u. ſ. w.), und werden daher nad)
der Ankunft in Europa in ben Suderraffinerien bes Continents gereinigt. Died gefhieht, in-
bem man ben Rohzucker in Waſſer löſt und zu der Löfung Eiweiß und Knochenkohle fegt.
Diefe Löfung wird nun entweder über freiem Zeuer oder beffer noch in mit Dampf geheizten
Dfannen bis zum Gerinnen des Eiweißes erhigt und dann filtrirt. Die filtrirte Flüſſigkeit wird
hinlaänglich verkocht, abgekühlt und in die Formen gebracht, in denen das eigentliche Kryſtalli⸗
firen vor fi geht. Diefe Formen beftehen aus unglafirtem Thon oder aus glafirtem Eiſenblech,
haben eine koniſche Beftalt und in der nach unten gerichteten Spige eine Offnung, durch welche
die Melaffe abläuft. Die Kruftallifation iſt nach 14 Tagen beenbigt. Sodann ſcheidet man den
zwiſchen den Kryftallen befindlichen Syrup durch das Decken ab. Died gefchieht, indem man
auf die Oberfläche des Huts eine Schicht feuchten Thonbreis bringt, deſſen Waſſer mit etwas
Zuder eine reine Zuderlöfung bildet, welche die Melaffe verbrängt und nach unten treibt. An-
ftatt des Thonbreis wendet man auch häufig fogleich eine reine Zuderlöfung an. Zur Beſchleu⸗
nigung des Deckens hat man neuerdings bie Gentrifugalmafchine in ben Zuckerfabriken einge-
führt, in welcher vermöge der Gentrifugalkraft die Melaſſe aus ber Sudermaffe entfernt wird.
564 Zuler
Man erzeugt fo durch verſchiebene Grade ber Sorgfalt, wel au wiederholte Behandlung Wie
verfchiedenen im Handel vorkommenden, durch mehr oder minder feines Korn, Härte ımd Weiße
fich unterſcheidenden Sorten: Eanavienzuder, Maffinad, Melis, Lumpenzucker u. T. w. Die
beim Raffiniren burch theilweiſe Zerfegung entflehenden gefärbten, fügen, aber unfryflalkifir-
baren Flüffigkeiten nennt man Syrup. Candis wird erhalten, indem man concentrirten Zudkr-
faft, gelben ober ſchon entfärbten, langſam Eryftafifiven und an Fäden ale Mittelpunkte anſchi⸗
Gen läßt, ſodaß fich große und wohlausgebildete Kryſtalle erzeugen. Das oben dargeftellte Ver⸗
fahren zur Darftellung des Rohrzuckers in den Colonien wurde lange fo roh ausgeführt, def,
namentlich im dortigen, bie Zerſehung ber Zuderfäfte fehr befchleunigenden Klima, ein aufer
ordentlicher Verluft an kryſtalliſirbarem Zuder ſtattfand. Indeſſen Hat die durch die Eontinen-
talfperre großgezogene Eoncurrenz ber Rumkelrübenzu@erfabrilation, bie Soucurrenz ber &
fonien untereinander und bie in Folge der Sklavenemancipationen und der Maßregeln gegen
Sklavenhandel ungünftiger gewordene stonomifche Stellung der Pflanzer diefelben auf die
Nothwendigkeit aufmerkfam gemacht, dem Schaden durch verbefierte Bewinnungdmethobe bei-
zukommen, und die Hohe Stufe, melde beſonders in Folge der Bemühungen der Rübenzuder:
fabrikanten die Technik ber Zuderfabritation erreicht hat, kommt ihnen bei diefen freilich nur
langfam Plag gerwinnenden Verbefferungsbeftrebungen zu Hülfe. Dagegen hat das Berfahren
bes Naffinirens in ben meift durch Zölle ftark gefchügten Naffinerien bes Kontinents eine hohe
Stufe der Vollkommenheit erreicht, befonders durch Benutzung der durch die Anwendung von
Knochenkohle zum Filtriren des Syrups und der die öftere Wiederbenugung ber gebrauchten
Kohle ermöglichenden Methoden, durch Anwendung verbefferter Abdampfapparate in luftver⸗
binntem Raume (Bacuumpfannen) ober mit fehr ausgedehnter Berbampfungeflähe u. f. w.
gewährten Bortheile. Won den Surrogaten bed Rohrzuders, wern man fe fagen darf, da in
reinem Zuſtande Hüben-, Mais» und Ahornzucker mit dem Rohrzucker identiſch find, tft der
‚Runtelrübenzuder gegenwärtig ber wichtigfte. (&. Aunkelräbenzuderfabritation.)
Viel einfacher laſſen ſich die meit reinern Säfte des Zuckerahorns (f. Ahorn), den man in
Nordamerika im Frühjahr auf ähnliche Weiſe anzapft, mie bei uns die Birken, und deſſen
regelmäßige Cultur auch in Deutſchland verfischt worden ift, und des Mais, deſſen Stengel
man wie Zuckerrohr ausquetſcht, behandeln. Der Saft gibt fhon ohne Läuterung mit Kal
einen recht leiblichen Zucker. Indeſſen Haben beide Arten der Zuckergewinnung, von denen bie
erſtere felt ange ſchon in Nordamerika von den Einwohnern zur Darſtellung eines untenern
Zuckers für Haushaltungsẽ zwecke benupt wird, bie zweite erft in neuerer Zeit empfohlen worden
iſt, bis jegt ebenfo wenig einen verdrängenden Einfluß auf Rohrzuder und Rübenzuder geübt
ald die vor etwa zehn Fahren von Ungarn aus empfohlene Gewinnung von Zuder aus Kür
biffen. Xeptere iſt ganz wieder verfchollen, fcheint ſich alfo nicht bewährt zu haben. Die
Cultur des Zuckerahorns fcheint für Deutſchland theild weniger ficher, theils in Betracht der
hohen Holgpreife zu theuer zu fein, indem ſchwerlich die Benugung auf Buder ohne allen Rad
theil für den Holzzuwachs auszuführen iſt. Mais endlich ift für uns als Körnerfrucht und Zar
tergewaͤchs zu wichtig, als daß man vor ber Hand baran denken follte, feine Benugimg auf
Zuder an die Spige zu ſtellen.
Bon bedeutenberm Einfluffe ift die techniſche Ausbeutung der Kirchhoffchen Entbeckung ge
wefen, daß Stärke durch Kochen mit Schwefelfäure in Krümelzuder ober Traubenzucker über
geht. Es iſt zwar nicht leicht, aus Stärke einen feften, weißen und kryſtalliſirten Zucker zu ge
winnen, der jedoch wegen feiner geringern Sußigkeit nie den Rohr- und Rübenzuder verdrängen
würde; aber wenn man Stärke, gleichviel welchen Urfprimgs, in der Praxis ſtets Kartoffel
ftärke, mit Schmwefelfäure kocht, bis eine Probe die vollftändige Verwandelung in Zucker anzeigt,
dann bie Schmefelfäure mit Kalk neutralifirt, fltrirt und etwas abdanıpft, fo erhält man leicht
einen mehr oder minder gefärbten Syrup, der ſeines Geſchmacks wegen ſich zwar wenig zu un
nıittelbarem Genuß eignet, aber als Zufag zu Firniffen, zu Stiefelmichfe, als Material, um
durch Bährung Branntwein u. f. w. zu erzeugen, vollkommen biefelben Dienfte thut wie die
Melaffen und Syrupe von Rohrzucker. Bei der Billigkeit, mit welcher fich in Gegenden, die
großen Kartoffelbau treiben, diefer Staͤrkeſyrup darftellen Täßt, hat ſich feine Fabrikation ziem
lich ausgebreitet. Dan bat in ber neuern Zeit durch genaueres Stubium des Stärkemehle und
des Dorgangs bei ber Brot-, Bier- und Branntweinbereitung gefunden, daß alle biefe tedm>
Then Proceffe darauf beruhen, daß die Stärke vorerſt ganz oder zum Theil in Krümelzuda
übergeht (beim Einmaifchen) und diefer dann in Gaͤhrung. Diefer Übergang wird bemirkt
durch eine Subſtanz, welche fich befonders beim Keimen in den Römern ber Getreibearten, n»
Zuckerrohr Zufriedenheit 565
mentlich der Gerfte, entwickelt und mit dem Namen Diaftafe bezeichnet werden iſt. Daher die
Nothwendigkeit des Malzene und die Unmöglichkeit, aus bloßen Kartoffeln ohne Zuſatz von
Gerftenmalz Bier oder Branntwein zu erhalten. Man kann nun durch Behandiımg der Kar
toffelſtärke bei etwa 70° mit Waſſer und Gerfienmalz unter gänglicher Vernieidung von Schwe⸗
felfäure'und Kalt auch einen Stärkeigrup erhaften, der weniger gefärbt ift und reiner ſchmeckt.
Auch diefe Methode wird jetzt, befonders in Frankteich, häufig angewendet. Sie ift nur dad ab-
geſonderte erfte Stadium der Kurtoffelbvenuerei, und es ergibt ſich daher von feibft, daß der
Starkeſhruy burch Gaͤhrung ganz denfelben Branntwein und baffelbe Bier liefern muß, als
wenn man Sartoffein unmittelbar angermenbet hätte.
Zuderrohr (Saccharum officinarum) heißt eine urfprünglich m Oſtindien heimiſche Pflanze
aus der Familie der Gräfer, weiche durch die Kreuzzüge ind ſüdliche Europa und im 15. und
16. Jahrh. in alle europ. Colonien der Tropenzone verpflanzt worben il. In Europa reicht die
im Kleinen betriebene Cultur des Zuckerrohrs niche uber Sieilien und Andaluſien hinaus, in
China bis zu 30’, in Nordamerika bis zu 32° n. Br., auf der füblichen Halbkugel bis zu
22° f. Br. Aus dem ausdauernden, weit umberkriehenden Wurzelftede ſchießen mehre viel-
knotige, verfchieden gefärbte Halme 8—12 %. bach auf, bie 1—2 Zoll did und zu zwei Drit-
theilen ihrer Länge mit einem lodern, füßen, faftigen Marke erfüllt find. Die 4—5 F. langen
bandförmigen Blätter haben einen ſtarken weißlichen Mittelnern. Die Blüten fliehen in ge
wealtigen, ellenlaugen, pyramibalen Rispen. Nach einigen Jahren wird bie Wurzel ausgehoben,
zertheilt und wieder gepflanzt, fonft geſchieht die Vermehrung durch Stedlinge. Das wielette
Zuckerrohr (S. violaceum) wird in WBeftindien befonders Häufig angebaut. Brößtentheild mit
Blattfcheiden bededt ift der Stengel des in China gebauten chineſiſchen Suderroßrs (S. Chi-
nense). Ben allen diefen Arten gibt es wieder mehre durch Eultur erzeugte Spielarten.
nderwurzel (Siam Sisarum), eine aus Hinteraſien flammende, bei uns feit uralten Zei⸗
ten cultivirte Pflanze aus der Familie der Doldengewächfe mit weißen Blüten und gefteberten
Blättern. Ihre Wurzeln, aus mehren ſechs Zoll Langen, fingerdiden, weißen Knollen beftehend,
find von angenehmem, füßem und gewürzhaftem Gefhmad. Sie geben eine leicht verbauliche
Speife, dienen zu Zuder und Branntweinbereitung und werben vor dem Hervorkommen ber
Stengel ausgegraben. Das Kraut gibt ein gutes Viehfutter.
Zufall (casus) heißt jedes Geſchehen, welches als unabhängig von Urſachen, die daffelbe
hervorrufen und beflimmen, gedacht wird, bei welchem alfo kein Grund vorhanden iſt, warum
es vielmehr fo als anders ausgefallen ifl. Der Begriff des Zufalls und des urfachlichen Zus
fammenhangs ber Ereigniffe fchließen ſich alfo gegenfeitig aus. Steht demnach der Sag feft,
daß jede Beränderung und jebes Befchehen auf Urfachen berube, fo kann auch der Begriff des
Zufalls auf keine abfolute und objective, fondern nur auf eine fubjective Bedeutung Anſpruch
machen, d. b. wenn wir ein Ereigniß zufällig nennen, fo bedeutet das nur, daß ber Zufammen-
bang der Urfachen uns in Beziehung auf daffelbe unbefannt ift. Es ift daher auch thoricht, den
blinden Zufall (oasus purus), affo ein grund- und regellofed Werden, zum legten Princip der
GStfcheinungswelt machen zu wollen. Eine relative Bedeutung des Worts findet dann ftatt,
wermn ein Beichehen Beflimmungen unterliegt, bie nicht in der Reihe der Eaufalität liegen, von
welcher eo felbft abhängt, wie 3. B. wenn zwei Körper, von denen jeder feinen eigenen Bene
gungsgeſetzen folgt, fi) begegnen und wir diefe Begegnung eine zufällige nennen. In diefer
Beziehung wird dad Zufällige dem Wefenslichen, ebenfo dem Abſichtlichen entgegengefegt, als
Dasjenige, was nicht in der eigenen Ratur der Sache oder nicht in unferm Willen liegt. Ab⸗
ſichtliche Handlungen fönnen daher, indem ihre Wirkungen in ein Syſtem von Urfachen gera-
then, die nicht in ber Gewalt des Wollenden liegen, Folgen haben, die wir als weder vorherge-
fehen noch gewollt zufällige nennen. — In furiftifcher Bedeutung nennt man Zufall ebenfalls
ein Ereigniß, das nicht in dem Willen und der Abſicht des Dandelnden liegt. Die Entfcheidung
Darüber iſt wichtig, wo bie zechtlichen Folgen eines Greigniffes (Nugen oder Schaden) und die
Zurechnung (f. d.) in Frage fomınen.
Zufriedenheit Heift ber dauernde Gemüthszuftand, vermöge deffen der Menſch feine
Schidfale und Berhättniffe feinen Wünfchen angemeffen findet. Unter Selbſtzufriedendeit
inöbefondere verfteht man bie Zufriedenheit des Denfchen mit feinen Handlungen. Ift dieſe
Zufriedenheit wahrhaft begründet, fo entfpringe fie aus ber Übereinflimmung umferer Hand⸗
lungen und Geflanungen mit den ſittlichen Boberungen bed Gewiſſens und den befondern Ber»
hälmiffen, in welchen wir bie fittliche Aufgabe zu verwirklichen Haben; iſt fie wahrhar: ſittlich
566 Zug Zuiderfee
ihrer Form nach, fo artet fie nicht in Stolz und eitle Selbftgefälligteit aus, welche das fittfiche
Fortfchreiten hemmen und ımterbrüden. So iſt die wahre Zufriedenheit des Geiſtes die auf fein
inneres Eigenthum gegründete Einigkeit mit ſich felbft, womit zugleich bie Einigkeit mie der
Felt und feine Zufriedenheit mit dem Außen verbunden ift, infofern fein äußeres Übel ihm
jene Einigkeit rauben, kein noch fo großes Glück fie zu vermehren im Stande ifl. Sie nimmt
ben höchften Charakter an, wo fie religiös wird und Glück und Unglüd ale Mittel, feine ſittliche
Sefinnung daran zu beweifen, angefehen wird. Ein heitered Temperament und Bemöhnung,
die guten Seiten der Dinge aufzufuchen, mögen die Zufriedenheit unterflügen; bie Hauptſache
aber ift, feine Wünfche zu befchränfen, fein Streben auf unvergängliche Güter zu richten umb
der Vorfehung unbedingt zu vertrauen. ‘
Zug, einer ber innen Cantone der Schweiz, hat auf 4,15 —4sDM. 17461 beutfchrebende
kath. Einwohner, die dem Bisthum Baſel einverleibt find. Der nordweſtliche Theil iſt eben,
bat Getreidebau und eine fehr reiche Obſteultur; der füboftliche befteht aus Gebirgsland, und
bie Bewohner befchäftigen fi hier vorzugsweife mit Alpenwirthſchaft. Die Verfaffung bes
Gantons, bie früher in ber Mitte zwifchen abfoluter und repräfentativer Demokratie ftand, iR
feit dem 17. Jan. 1848 repräfentativ-demofratifch. Die gefeggebende Gewalt hat ein Großer
Rath von 67 Mitgliedern, wovon fünf vom Großen Rathe felbft, alle übrigen ummittelbar vom
Volke gewählt werben. Die Vollgiehung beforgt ein Regierungsrath von elf Mitgliedern, dar»
unter ein Landamman und Statthalter. Das Obergericht befteht aus neun Mitgliedern und
acht Erfagmännern. Der Hauptort Sug, mit 33502 E., Tiegt in einer lieblichen Gegend am Zu⸗
gerfee. Der legtere, der jegt mit einem Dampffchiffe befahren wird, ift 27, Stunben lang und
%/ Stunden breit und hat einen Flächenraum von AM. ; feine größte Tiefe beträgt 1200 8.
Am reizenden Ügerifee ift der berühmte Morgarten (f. d.), wo bie Schweizer 1315 den erften
Sieg zur Behauptung ihrer Unabhängigkeit und 1798 einen neuen über die Srangofen erfochten.
ügel, |. Baum.
uglinie, f. Tractorie.
ugvoͤgel heißen alle diejenigen Vögel, welche alljährlich zum Winteraufenthalt wärmere
Gegenden auffuchen als die, welche fie im Sommer bewohnten. Meift ift das kältere Land
auch das Land ihrer Geburt und als das eigentliche Heimatland anzufehen, das nur megen ſei⸗
ner Kälte und Nahrungslofigkeit periobifch verlaffen wird. Wenige Vögel brüten, wie z. D.
bie Störche, auch während des Winters. Der Abzug gefchicht gemeiniglich in Folge eines un-
erflärlichen Naturtriebs (der fich felbft bei gefangenen Individuen zeigt) vor Eintritt des wirt.
lichen Mangels in größern Gefellfchaften. Auf der Wanderung wird häufig eine beftimmte
Ordnung des Flugs beobachtet: fo bilden Störche und Kraniche einen Keil, Regenpfeifer und
Kiebige eine fchiefe Linie. Mitunter werden Raſttage gehalten. Schwächere Vögel erwarten,
ehe fie größere Waſſerſtrecken überfchreiten, Häufig günftigen Wind; fo die Wachteln zum Krew-
zen des Mittelmeerb. Nächtliche Züge gefchehen oft mit großem Geräuſch, 3. DB. bei Wild
gänfen und Kranichen, und Haben dadurch zu mancherlei Märchen Anlaß gegeben. Das Zid,
auf welches die Richtung des Zugs ohne Abweichung hingeht, ift bald näher, bald weiter ent-
fernt. Die meiften deutfchen Zugvögel gehen nur bis nach Italien oder Nordafrika, während
bie Bewohner noch höherer Breiten, 3. B. bie isländ. Schneeammern, bei und überwintern. Die
Rückkehr gefchieht zu einer beftimmten Zeit, wenn fie auch durch winbige Witterung einige
Wochen bingehalten wird, ift jedoch nicht immer ein ficheres Zeichen des anbrechenden Früb-
lings. Unerflärlich ift babei die Art und Weife, wie mandye Vögel nach Monaten nicht nur die
Gegend ihres urfprünglihen Wohnorts, fondern auch das alte Neft mit Sicherheit auffenden.
(S. Wanderungen der Thiere.)
Buiderfee (d. i. Sühfee), ein Meerbufen der Nordfee, 57 IM. groß, von ben niederfänd.
Provinzen Nordholland, Utrecht, Gelberland, Overpffel und Friesland umgeben und im Rorb-
meften, wo er mit ber Nordfee in Verbindung ftebt, durch die Infeln Texel und Blieland be
grenzt, war früher ein gefchloffener ee, bei den Römern Fievo, fpäter Middeffee genannt,
beffen nordweſtliches Ufer zu Unfange des 13. Jahrh. von ben Bellen verſchlungen wurbe, wie
man aus ber Lage ber Infeln Terel und Vlieland und ber Sandbanke fchließt, welche an feinem
Eingange die Schiffahrt fehr unficher machen. Unter ben fich In den Zuiderſee ergießenden Flüſ⸗
fen ift die Yſſel (f.d.) der größte. Die vielen Untiefen machen bei Stürmen bie Fahrt auf dem-
felben fehr gefährlich. Große Schiffe können feewärts nur durch das Scäulpegat beim Helder
und den Vlieſtrom hineingelangen. Der Eingang hat nur 10 F. der Meerbufen ſelbſt 3—%
Zulihan " Zumpt 567
8. Tiefe. Die Fiſcherei war In frühern Zeiten bedeutender als fie jegt iſt. Das Y und der Pam⸗
pus find Theile bed Zuiderſees, wovon da erfiere ein Meerbufen ift, zu welchem der legtere ala
Meerenge führt. Das Y macht die Verbindung mit dem Harlemer Meer (ſ. d.).
Züllichau, Kreisftadt Im Regierungsbezirk Srankfurt der preuß. Provinz Brandenburg,
in einer niedrigen, fruchtbaren Ebene, eine Stunde von ber Ober und anderthalb Meilen von ber
ſchleſ. Grenze gelegen, bat 5400 E., ein Schloß und ein mit einer Erziehungsanflalt und feit
1766 mit einem Pädagogium verbundenes Waifenbaus, welches von dem Rablermeifler Stein
bart 1719 geftiftet wurde. Die Hauptnahrungszweige der Stabt find Obft:, ZBein- und Ho⸗
pfenbau und Zuchfabrikation, die aber forwie der Handel gegen früher bedeutend an Wichtig⸗
Zeit verloren hat, außerdem Gerberei und Holzdrechslerei. Huch werben daſelbſt Vieh⸗ und
Pferbemärkte gehalten. Die Stabt gehörte fonft gu dem Herzogthum Kroffen, das 1538 an
Brandenburg fam und ber Neumarkt einverleibt wurbe. Im Giebenjährigen Kriege kam es bei
3.23. Juli 1759 zu einem Treffen zwifchen ben Ruffen und Preußen, nad) den nahen Dörfern
auch das Treffen bei Kay oder Balzig genannt, in welchem bie Ruffen unter Soltikow über bie
Preußen unter bem General Wedel ben Steg davontrugen.
Zülpich, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Köln, mit 1400 G., ift das alte Tolbiacum im
Lande der Übier. Hier brad) ber Frankenkönig Chlodwig 496 die Macht der Alemannen (f. d.),
die num meift unter fraͤnk Oberherrfchaft kamen. Auch 612 kam es hier wieder zur Schlacht zwi⸗
ſchen Theoderich und feinem Bruder Theodebert von Auſtraſien, in der Kegterer gefchlagen wurde,
Zumala-Earreguy (Don Toͤmas), der ausgezeichnetfte Feldherr des Prätendenten Don
Carlos, wurde 1789 in Drmaiftdguy in Guipuztoa unweit Cegama in einer fehr angefchenen
Familie geboren. Zur Zeit des franz. Einfalls in Spanien flubirte er in Pampelona die Rechtes
doch verließ er fofort die Univerfität, um fich den Baterlandevertheidigern anzureihen. Im J.
1813 diente er als Kapitän unter Dina; 1822 fol er zu der Glaubensarmee unter Queſada
übergegangen fein. Nach der Wieberherftellung der unumfchränften Monarchie 1823 wurde er
Dberftlietenant, nachher Oberft eines Linienregiments in Eſtremadura und Gouverneur von
Ferrol. Er galt bei dem Offiziercorps Ferdinand's VIL. für einen guten Verwaltungschef; mi»
litärifche Talente traute man ihm aber nicht zu. Bei feiner royaliflifchen Gefinnung machten
ihm die Anhänger des Infanten Don Carlos den Antrag, denfelben noch bei Lebzeiten Fer⸗
dinand's VII. zum König zu erflären. 3. weigerte ſich, erklärte aber ebenfo beftimmt, daß er
nach Ferdinand's Tode Niemand ale Karl V. auf dem Throne anertennen werde. Die Sache
wurbe ruchbar und 3. vor ein Kriegsgericht geftellt, aber freigefprocden. Als man 1852 bie
Armee von ben des Karlismus verdächtigen Offizieren reinigte, erhielt auch 3. feine Entlaſ⸗
fung und lebte nım in der Zurüdlgegogenheit zu Pampelona. Nach Ferdinand's VII. Tode, im
Sept. 1833, als die Basken für ihre Vorrechte und für Don Carlos die Waffen ergriffen,
folgte auch 3. dem Rufe 11. Det. 1833 und organifirte ein Corps royaliftifcher Freiwilliger.
Da er bereits ein Regiment commandirt hatte, fo wählte man ihn zum Anführer in den bas⸗
tifhen Provinzen und in Navarra. Faſt ohne alle Hülfsmittel, wußte er doch fehr bald ein
Heer zufammenzubringen, ibm Waffen zu erfämpfen und nun die beften Generale der Königin
Shriftine im endlofen Bebirgskriege abzunugen. Er befiegte 1. Aug. 1834 Rodil im Thale
von Amescoas, zerftreute 7. Sept. das chriflinifche Corps bei Biana, errang über Valdez im
Frühjahre 1835 wieder im Thale von Amescoas nach viertägigen Kämpfen einen enticheiben-
den Sieg und befiegte bann auch Sriarte bei Guernica. Im Vertrauen auf 3.6 Feldherrntalent
Hatte fih Don Carlos entfchloffen, England zu verlaffen, und war 10. Juli 1834 bei feiner
Armee eingetroffen. 3.6 Hauptplan ging dahin, bie franz. Grenze in feinem Rüden zu be
haupten und feſte Pläge im Innern und Häfen zu erobern. So kämpfte er, an Irun und
Zuentarabia gelehnt, im Beſiß der Mitte des Landes zwifchen Pampelona, Vittoria und Bil
bao, größtentheils fiegreich, bis er bei der Belagerung von Bilbao 15. uni eine Schußwunde
erhielt, an welcher er 25. Juni 1855 ftarb.
Zumpt (Karl Gottlob), verdienter Yhilolog, geb. 20. März 1792 zu Berlin, mibmete fich,
auf den dortigen Gymnaſien vorgebildet, feit 1809 zu Deibelberg, vorzüglich unter Creuzer, den
philologifhen Studien, ging jeboch 1810 nach Berlin zurück, wo feine entfchiedene Neigung gu
tiefen Sprachforfchungen in Be Vorträgen Wolf's, Heindorf’8 und Böckh's auf der Damals
neuerrichteten Univerfität Nahrung und Befeftigung fand. Schon 1812 erhielt er eine orbent-
liche Kehrerftelle an dem Werberfihen Symnafium und entwidelte hier fehr bald eine ausge
zeichnete, eigenthümliche Wirkfamleit. Diefe Stelle vertaufchte er 1824 mit einer Profeffur an
dem Joachimsthalſchen Bymnafium, nahm aber 1826 freiwillig feine Entlaffung, worauf er
568 Bumfteeg
eine Profeffur der Geſchichte an der Kriegäfchule annahm und 1827 eine außerordentliche,
4838 aber eine ordentliche Profeffer der röm. Literatur an ber Untverfität erbielt. Im J.1835
befuchte er Italien und Griechenland 3. bat fich um Hebung und Berbefferung bes Tat. Sprach⸗
unterrichts die unbeftrittenften Verdienſte erworben, beſonders durch feine „Lat. Grammatik
(Berl. 1818; 10. Aufl, 1850), aus welcher für Anfänger und die untern Gymnaftalelafien
ein „Auszug“ (Bert. 1824; 7. Aufl. 1854) veranflaltet wurde. Damit in Verbindung fichen
die „Aufgaben zum lÜberfegen in das Rateinifche” (Berl. 1824; 5. Aufl, 1846). Huf das
Lob Pritifcher Schärfe, verbunden mit Gründlichkeit der Erklärung, machen feine Ausgaben
mehrer lat. Schriftfteller Anfpruch, beſonders die der „Institutiones oratoriae” bed Quimcti-
lianus, wovon er zuerſt den fünften Band der Spalbing’fchen Ausgabe (2p;. 1829), daun eine
eigene kritiſch vielfach berichtigte Tertrecenfion (Epz. 1834) lieferte; ferner bie des Gurtins
(Berl. 1826), von dem er am Ende feines Lebens noch eine vollfländige größere Ausgabe mit
Angabe feiner reichen kritiſchen Hülfsmittel (Braunfchw. 1849) und gleichzeitig eine Schulaus⸗
gabe verfaßte; fodann die mit einemganz vorgüglichen Commentar außgeftattete Bearbeitung von
Cicero's „Orationes in Verrem‘' (2 Bde., Berl. 1831), von denen fihon vorher eine Tegtaus-
gabe (Berl.1830) erſchienen war ; endlich ber mit Zufägen bereicherte Abdrud ber Heufinger'-
ſchen Ausgaben von Cicero's „De offciis“, und zwar der größern ſowol (Braunſchw. 1838)
als ber kleinern (Braunfchw. 1849). Außerdem verdanken wir ihm noch eine Reihe trefflicher
Unterfuchungen, die vorzugsweiſe das röm. Alterthum in antiquarifcher, hiſtoriſcher und flat"
flifcher Hinficht zum Gegenftande Haben, namentlich die „Annales velerum regnorum et po-
pulorum, inprimis Romanorum“ (Berl. 1819; 2. Aufl., 1858); das „Decretum municipale
Tergestinum” (Berl. 1837); „Uber Urfprung, Form und Bedeutung des Centumviralgerichts
in Rom” (Bert. 1838); „Über ben röm. Ritterſtand“ (Berl. 1839); „Über den Stand ber
Bevölkerung und die Volksvermehrung im Altertyum” (Berl. 1841); „Uber den Beſtand der
philofophifchen Schulen in Athen und die Succeffion der Scholarchen” (Berl. 1845); „Uber
bie bauliche Einrichtung bes röm. Weohnhaufes” (2. Aufl., Berl. 1851); „Die Religion ber
Römer” (Berl. 1845). Andere kleinere Schriften ähnlichen Inhalts finden fich von ihm in dem
„Abhandlungen“ ber Akademie ber Wiffenfchaften zu Berlin, der er feit 1835 als Miglied an-
ar Seine Thätigfeit au ber Univerfität war hauptſächlich darauf gerichtet, die hiſtoriſche
rſchung mit Kritik und Sprachkunde zu vereinen, und er ſchuf fi darin eine ausgebehnte
umd fegensreiche Wirkſamkeit. Er ſtarb zu Karlsbad 25. Juni 1849. Vgl. A. W.Zumpt, „De
Car. Tim. Z. vita et studiis narratio” (Berl. 1851). — Bumpt (Aug. Wilh.), der Neffe des
Borigen, geb. 4. Dec. 1815 zu Königsberg, bildete fih auf dem Gymnaſtum zu Srant:
furt a. d. D. und widmete ſich feit Oftern 1855 auf der Univerfität in Berlin der claſſiſchen
Philologie. Er wurde Neufahr 1837 am Joachimsthalſchen Gymnafium in Berlin ange
ftellt, ging Michaelis deſſelben Jahres an das Friedrichs ⸗Werderſche über und vertaufchte
Dftern 1851 diefe Stellung mit einer Profeffur am Friedrich⸗ Wilhelms Gynmaflum. Bon
feinen wiffenfchaftlichen Arbeiten find außer der Ausgabe des „Rutilius Numatiamus” (Berl.
1840) vor allem die über lat. Epigraphit von Bedeutung. Früher felbft mit ber Sammlung
von Materialien für ein „Corpus inscriptionum Latinarum“ befchäftigt, wandte er: fein Exre
ben beſonders darauf, die lat. Epigraphil mit den röm. Antiquitäten zu verbinden und amd
berfelben die Einrigtungen des ron. Staats und Lebens zu erläutern. Daher entſtand nick
blos der Gommentar zum „Monumentum Anoyranum“, das er (Bert. 1845) in Bemeinfchaft
mit Job. Franz herausgab, fondern auch eine Reihe von Abhandlungen, bie theils in Zeit
ſchriften, theils einzeln erfchienen, z. B. „DeCaji Cassaris colonis“ (Berl. 1840); „De Lavinio
et Laurentibus Lavinatibus” (Bert. 1845) ; „De Augustalibus et Seviris Augustalibus” (Bert.
1846) ; „De fastorum Campanorum fragmento defensio” (Berl. 1853) ; „De fastorum Cam-
panorum fragmento ad C. B. de Rossium epistola critica” (Berl. 1854). Befonders ſprach
fi Died aus in dem größern Werke „Commentationes epigraphicae ad anliquitstes Roma-
Das pertinenles”, von dem ber erfte Band (Berl. 1850) das rom. Municipalweſen, ber zweite
Band (Berl. 1854) die röm. Provinzen behandelt.
Zumſteeg (Joh. Rud.), deutſcher Liedercomponift, wurde 1760 zu &achfenflur im Dben-
wald geboren und auf Bitten feines Waters, der würtemb. Kammmerlakel war, fpäter in bie mil⸗
tariiche Pflanzſchule auf ber Solitude bei Stuttgart aufgenommen. Ex follte Bildhauer wer:
den ; al& aber fein Talent zur Mufit ſich entfchieden ausfprach, erhielt er nun den Unterricht der
beſten Meifter. Schon während feiner akademiſchen Laufbahn componirte er mehre Singfpiele,
Cantaten und Befänge zu Schiller'o „Räubern“, befien Jugendgefährte und vertrauter Breumd
Zündhölzchen Zündte und Inuungen 568
er war. Nachdem er ald Violoncelliſt bei der herzegl Kapelle angeftellt werben war, eampe=
nirte er Klopftod’6 „Brühlingkfeier”, eine Meffe und mehre Balladen und Lieber, wedurch er
fich den Beifall bes Hofs und bes Yublkcunss in dem Grabe erwarb, baf er 1792 zum hergegl
Goncertmeifter und Director der Oper ernammt wurbe. Dach ſchon 27. Jan. 1802 endete cin
Schlagfluß fein thätiges Leben. Er war ber erfie beweiche Gommonift, der Ballaben mit Beglei⸗
tung des Pianoforte componirte und darin eine Zeit Lang das entfchiebenfle Glück machte. Beine
Sompofitionen „Des Pfarrer Tochter von Zuubenheim”, „Ritter Karl von Eichenhorſt“,
„Die Büßende”, „Benore”, „Ritter Toggenburg” und mehre andere werden flet ihren Werth
behalten. Auch feine Lieber und Romanzen gehören zu ben audgezeichnetfien und gefälligften
Liedercompofitionen der Deutſchen, beſonders ift ſein Kolma“ ein tueffliches Produet. Unter
feinen Opern find die „Geiſterinſel“, „Elbondokani und „Das Pfauenfeſt“ die gelungenfien.
Auch hat er einige Kirchencantaten compenirt. Seine Melodien find leichtſaßlich und vornchm⸗
lich im Sentimentalen treffend. Dagegen fehlt e& ihm an Charaktermannichfaltigkeit und tiefer
Driginalität, befonders zu Präftigern Schilderungen. Seine Begleitung kommt uns jegt erwa&
leer und einförmig und feine Bäffe geswohnlich wor. Auch in Dinficht der Modulation beſchäß⸗
tigt er die Einbildungsfraft nicht genug, - Seine hinterlaffene Tochter machte ſich ebenfalls
durch Liedercompofitionen bekannt.
a den ſ. Chemiſches Feuerzeug.
ündhütchen find kleine von dͤnnem Kupfer angefertigte Kapſfeln, weiche im Allgemeinen
die Geſtalt eines an einem Ende offenen Cylinders haben und innerlich auf bee Boden eine ſehr
geringe Menge Knallquedfilber enthalten. Sie dienen ald Zündkraut bei ben nach neuerer Urt
conftrnirten Feuergewehren, ben fogenannten Percuffionsgeiwehren, werben bier auf einem ge
härteten Stahlkegel (Piften) geſteckt und durch den Schlag bed Hahns abgebrannt, mobei ber
aus dem Knallqueckſilber entwidelte Feuerſtrahl durch eine Bohrung bed Piſtons ine Innere
bes Laufs zur Pulverladung fortgeleitet wird. Die Fabrikation der Zündhütchen darf wegen
der höchſt gefährlichen Leichtentzündlichkeit ihrer Füllung nur unter großen Berfichtäömaßregein
betrieben werden, ift aber ein bedeutender Induſtriezweig, da der Artikel in ungeheuerer Menge
Fee wird. In Deutfchland find Zündhütchenfabriken in Prag, Semmerba, Ronsdorf
bei Remſcheid.
Zündnadelgeiwehr nennt man ein Schießgemehr, wo man die Entzündung des Pulvers
weder mitteld eines Feuer⸗ nach eines Percuſſions ſchloſſes bewirkt, fondern durch eine Nabel,
die zufolge befonderer Verrichtung in die an der Patrone befindliche Zündmaſſe geftoßen wird.
Schon früher erfunden, verbanft das Zündnadelgewehr feine Ginrichtung zur Kriegswaffe bem
Mechanikus Dreyfe zu Sömmerda in Thüringen 1835. Es fchieft auf weite Entfernungen,
zugleich ſchnell, weil von hinten zu laden, und auf angemeflene Diſtanzen fiher. Nur die Mu⸗
nitions verſchwendung muß verhindert werben.
Zündung heißt in der Artillerie ein feuerfangendes Material, Durch weiches bie Ladung im
Geſchüt oder Geſchoß oder irgend ein Gegenſtand in Brand gefegt wird. Dierher gehört:
Anfeunerung, eine breiartige Miſchung von Mebtpuiver und Spiritus; Bünbfehnur, von
baummollenem Barn, mit Anfeuerung getränft und mit Mehlpulver beſtreut, Beitfeuer, aus
Zündſchnur, mit mehren darüber gezogenen, angereibten Sapierhülfen; Yünbpapter, auf bei-
den Seiten mis Anfeuerung befirichen. Diefe Arten Henen fämmtlich zur fihern Fortpflanzung
bes Feuers, wo eine unmittelbare Zündung nicht möglich oder gefährlich if. Zündungen der
Geſchütz ladungen find: Quntenfchlagröhren, von Blech mit feſt eingeſchlagenem Kornpulver,
zum fchnellen und ſichern Feuern in Feldes Stoppinen, Papierhülſen mit eingegogener Zünd⸗
ſchnur, befonders im Feſtungskriege angeivendet, und Yrietionsfchlagrößren. Die beiden er⸗
flern werden entzündet durch Bunte von Hanfwerg, mit einer Auflsfung von Beeizucker oder
chromſauerm Kali getränkt, oder Zünblichten, Papierhälſen mit einem Gag, ber von Wind und
Megen nicht verlöfcht. Die Frictionsfchlagröhren haben, in ber Zündmaffe befeftigt, einen
Meiber, Biechfireifen mit Oſe, welcher, herausgerifien, diefelbe entzündet. Hohlgeſchoſſe find
mit einer Füllung von fogenannten Geſchmolzenzeng verfehen, welche durch einen Zünbder,
eine hölzerne Röhre mit — Zündſat, in Brand geſetzt wird, um die erſtern zur
richtigen Zeit zu fprengen. Haubitzen und Bombenkanonen gibt es eine neue Art von
Zündern mit genau beredjneter Brennzeit. (Bol. Tempiren.) Des Sag in Brand- und Zeuge
en wird bu Seprößrchen, Papierhälfen mit Zehrungsfad aus Schwefelfalpeter mb
eblpulver, entzündet.
BZünfte und Innungen. Schen bei den Bämern kam «0 unter den freien Handwerkern,
| 570 Zünfte und Innungen
alfo namentlich in fpäterer Zeit, wo ber Handwerksbetrieb unter ben freien Bürgern häufiger
wurde, nicht felten vor, daß fich gewiffe Glaffen von Handwerkern zu Collegien (collegia) ver-
einigten. Soviel wir aber barüber wiffen, haben diefe Zünfte nur den Charakter politifcher und
religiöfer Genoſſenſchaften gehabt, ohne fich auf den Gewerbebetrieb und deſſen Erlernung zu
erſtrecken. Auch die unter ben Kaifern beftchenden Zünfte ber Arbeiter in ben Arſenalen umb
Zeughäufern waren nicht Zünfte im eigentlichen Sinne, fondern förmlich erbliche Kaften mit
gewiſſen Vorrechten und Verpflichtungen. Die eigentlichen Zünfte find ein germanifches, dem
Mittelalter angehöriges Inſtitut, zufanımenhängend mit der Bildung eines Bürgerftanbes und
der Entwidelung des Städtewefens überhaupt. Schon früh beförberte man auf alle Weiſe bie
Anfiedelung freier Handwerker in den unter befonderm Schuge befeftigter Pläge, Bifchoffige
und Klöfter fich bildenden Städten, und ſchon Heinrich I. gewährte diefen ftädtifchen Handwer⸗
teen bucch das Verbot jedes Handwerksbetriebs auf dem Lande ein Vorrecht, welches bis in bie
neuefte Zeit fortbeftanden hat. Zange Zeit galt ber Betrieh ber Handwerke für ein natürliches
Alleinrecht der Städte. Die Nothwendigkeit, ſich gegen Übergriffe ber in den Städten berr-
chenden Familien zu fichern, gab eine wichtige Veranlaffung zu Vereinigungen ber Handwer⸗
Per unter ſich zu Gorporationen, welche alfo urfprünglich mehr eine politifche und zwar demo
kratiſche Richtung hatten, wenngleich der Natur der Sache nach In größern Städten, welche
Raum für verfchiedene Zünfte boten, von vornherein bie verwandten Gewerbe fich vereinigten.
Trog bes Widerſtands der Patricier, felbft der Kaiſer, errangen biefe Eorporationen, welche un
tereinanber in Verbindung traten und durch bie ab- und zuwandernden Befellen in fteter Ver⸗
bindung blieben, eine immer größere politifche Bedeutung, ſodaß man ſich genöthige fah, fie
förmlich anzuerkennen, die Sagungen ber einzelnen Innungen zu beftätigen und denſelben mehr
oder minder großen Einfluß auf bie ftädtifche Verwaltung durch Wahl von Magiftratsgliedern
oder Deputirten u. f. m. einzuräumen. &o trugen bie Zünfte nicht wenig zur Erſtarkung der
Städte im Gegenſaß zum bel bei. Sie maren fich dieſes Gewichts aber auch bewußt, umd bie
alten Zunftartifel enthalten viele die Erhaltung von Zucht und Ehrbarfeit unter den Inmumgb-
gliedern, als einzigen bauernden Stügen ihrer politifchen Bebeutung, bezweckende, zum Theil
allerdings, wie die Ausſchließung aller unehelich Seborenen, ben damaligen Anfichten von Ehre
entfprechende Beflimmungen, welche durch eine firenge innere Polizei gehandhabt wurden. Auch
das fühlte man, daß Tüchtigkeit im eigenen Gewerbe weientliches Erfoderniß ber Erhaltung
bed Anſehens fei, und fo enthielten denn die Zunftartikel Beftimmungen über die regelmäßige
Bildung der Handwerker als Lehrlinge, über dad Wandern der Gefellen, über die Erfoderniſſe
des Meifterwerbens und bie Befugniffe und Verpflichtungen jeder biefer drei Stufen. Man
kann es nur ganz natürlich finden, daß Corporationen von folder Macht diefelbe auch infofern
im eigenen Intereffe aus zubeuten ſtrebten, als fie fich einen geficherten Nahrungsſtand durch
Aus ſchließung jebes Fremden zu fihern fuchten, und fo entftanden nicht allein, mit Zuſtimmung
des Staats, bie Verbietungsrechte gegen alle Bfufcher und fogenannte Bönhafen, gegen jeden
Handwerksbetrieb auf dem Rande, fondern auch die Abſchließung der einzelnen Städte durch
Verbot der Einführung frember Arbeiten, bie Befchränkung ber Innungen auf eine gefchloffene
Zahl von Meiftern oder wenigftens die äußerfte Erſchwerung jeder Vermehrung der Meifter-
zahl durch Läflige Bedingungen beim Meifterwerden, und endlich ber eigentliche Bunftzwang
im engften Sinne, nämlich eine folche Abgrenzung Ber Gebiete einzelner Handwerke durch
die Zunftartikel, daß auch Meifter ganz verwandter Handwerke gehindert wurden, mit ihren
abrifaten das fo abgegrenzte Gebiet zu überfchreiten. Es konnte nicht fehlen, da hierbei eine
bertreibung bis zum Misbrauch, fa felbft zum Lächerlichen nicht felten eintrat. Indeffen wa⸗
ren es nicht die Hemmungen des Verkehrs und die Vertheuerung aller Hanbwerfsprobucte
durch ſolche Monopole, welche die erfien Reactionen gegen die Zünfte hervorriefen, denn noch
immer bielt man den Sag, daß ohne ſolche Sicherheit bie Städte nicht beftehen könnten, für un-
umftößlich, fondern ihre politifche Unbequemlichkeit. Geit Anfang bes 18. Jahr. waren Kal-
fer und Reich beftrebt, Die Macht der Zünfte Durch Befege zu befchränten, und durch die neuern
Verfaſſungen find die politifchen Vorrechte ber Zünfte als folcher völlig verſchwunden. Dage
en beftehen in vielen Ländern die gewerblichen Vorrechte des Zunftzwangs, die Vorfchriften
uber Lehrzeit, Gefellenzeit, Wandern und Meifterwerben werigifens in den Zunftartiteln, de
nen allerdings faft nirgends mehr der Vorbehalt der Regierung fehlt, nach Erfoderniß Abande
zungen treffen zu Lönnen, factifch fort, wenngleich die gänzlich veränderte Geſtalt bes technifchen
Betriebs, die Entſtehung ganz neuer Arten von Gewerben, welche demnach unzünftig blieben,
bie Husbildung des Fabrikprincips und bie Berührung ber Handwerker mit Handel und Fabri⸗
Zunge 571
fen in der Praxis mannichfache Milderungen ber alten Strenge, zum Theil im eigenen Inter»
effe und mit eigener Zuftimmung der Handwerker, erzeugt Haben. So beſteht 3. B. in Sachſen
factifch das ganze Zunftwefen noch und nur in Bezug auf den Gewerbebetrieb auf dem Lande
ift feit 1840 Einiges nachgegeben worden, ohne die Entfaltung des Fabrikweſens gehindert zu
haben, da Fabriken ſtets außerhalb der Zünfte fiehen. In andern Staaten, z. B. in Baiern umb
in Hannover, hat man ſich beftrebt, unter Beibehaltung ber Zünfte als Eorporationen zu beffe-
rer Ausbildung der Sewerbtreibenden, Aufficht und Unterſtützung, doch die Befchloffenheit ber
Innungen abzufchaffen, das Meifterwerben zu erleichtern und zu vereinfachen, da6 Wandern
zu beſchraͤnken u. ſ. w. uch im Oſtreich iſt viel in bieſer Richtung gefchehen. Frankreich hat
feit der Revolution, Preußen feit 1810 keine Zünfte mehr, fondern die Gewerbfreiheit (f. d.) al$
Srunbfag fefigeftellt, ſodaß ein Jeder, ber feine Gewerbfteuer zahlt, jedes an fich erlaubte Ge⸗
werbe überall treiben unb bamit beliebig wechfeln Tann. Rur Bäder und Fleiſcher find in Frank»
reich an befondere Eonceffionen gebumben. Über Lehre, Gefellenzeit, Wandern und Meiſterwer⸗
den beſtehen keine Vorſchriften mehr. Inbeſſen fühlte man ſpäter in Frankreich wohl, wie man
mit Aufgabe der allerdings ſchaͤdlichen wirthſchaftlichen Hemmungen auch jeben corporativen
Halt mit ſeinen mannichfachen ſittlichen und politiſchen Vortheilen weggeworfen habe, und
war deshalb beſtrebt, auf dem Wege freier Bereinigung einigen Erfag zu erlangen. Ebenſo hat
man auch in Preußen die Nachtheile ber durch das Ediet vom 2. Rov. 1810 gewährten gänzlichen
Ungebundenheit ſchmerzlich empfunden und fich durch bie Gewerbeorbnung von 1835 und bie
neuefte von 1849 beftzebt, Durch Wieberaufftellung von freien Innungen ohne Zwang, von
Sewerberäthen, Meifterprüfungen u. f. w. wieder einige Orbnung in das Chaos zu bringen.
Die bei Beurtheilung der Sache feftzuhaltenden Geſichtspunkte find folgende:
Nachdem die rein politifche Seite der Zünfte und ihre Nothwendigkeit in biefer Hinſicht weg⸗
gefallen, bleibt Iebiglich die wirthſchaftliche und die fittliche Seite übrig. Ir erfterer Beziehung
find die durch den Zunftzwang gegebenen Beichränkungen der Eoncurrenz und bes freien Ber»
kehrs von fo erheblichen Nachtheil für die Geſammtheit, daß fie durch ben angeblichen, factifch,
wie bie tägliche Erfahrung zeigt, nicht einmal erreichten Vortheil, wenigſtens einer Anzahl von
Familien ihren Verdienſt zu fichern, keineswegs aufgehoben werben; auch bürfte Fein durch⸗
ſchlagender Grund für die Feſſelung alles Gemerböbetriebs an die Städte mehr aufzufinden
fein. Dagegen bieten die regelmäßige Aufficht auf die Bildung der künftigen Handwerker, auf
das in technifcher Hinficht nicht unmwichtige Wandern (f.d.), auf die gehörige Befähigung der
Meifter, ferner die Sittenpolizei durch die Zünfte und die Unterftüügungen durch biefelben manche
Bortheile. Diefe find allerdings durch die ganz verkehrte Anficht von ber Beſtimmung ber
Lehrlinge zu Dienſtboten, durch die vielfachen fittlichen Nachtheile des Wanderns, durch Die ben
Zweck ganz verfehlenden und verrückenden Misbräuche beim Meifterwerben, durch Handwerks⸗
unfitten fo vielfach in Schatten geftellt, daß eine gründliche Zurückführung diefer Einrichtungen
auf das wahrhaft nügliche Maß dringend nöthig ift. Alfo einerfeits zwar gänzlicher Wegfall
des Zunftzwangs, ſoweit er eine Beſchränkung der Meiſierzahl enthält, möglichfle Verminde-
rung beffelben durch Vereinigung verwandter Handwerker zu größern Gebieten, andererfeits
aber Beibehaltung einer gewiffen Aufficht auf bie Bildung der Lehrlinge und auf das Gefellen-
weſen, Zurüdführumg des Wanderns auf das richtige Maß, Abhängigmachung bes Meifter-
werbens von Erfüllung gewiffer objectiver Bedingungen, aber aud) nur davon, mit Ausfchlie-
Fung jedes Zurüdweifungsrechts der Innungen, Einrichtung einer Art von Gewerbspolizei
bucch Bemerberäthe und Beibehaltung ber wohlthätigen Zwede ber Innungen. Dies würden
bie leitenden Brundfäge einer Gewerbeordnung fein, welche ber Concurrenz möglichfte Freiheit
und darin dem Yublicum bie befte Garantie gibt, aber auch bie corporative Verfaffung ber Ge»
werbtreibenden, als brauchbare Grundlage für eine künftige beffere Organifation ber Arbeit in
diefen Gebieten und als fittlichen Haltpunkt, nicht gänzlich wegmwirft. Die Erfahrung hat ge
lehrt, daß nach einmaliger gänzlicher Auflöfung aller Innungen eine zweckmäßige Wiederher⸗
ſtellung folcher Gorporationen fehr ſchwer hält. .
Zunge (lingua oder glossa) nennt man das längliche Muskelorgan, welches auf dem Bo⸗
den ber Mundhöhle (f. Mund) Liegt und diefe bei gefchloffenen Kiefern faſt ganz ausfüllt. Nach
vorn in eine flumpfe Spige (apex linguae) auslaufend, ift fie mit ihrem hintern, breitern Theile,
der Zungenwurzel (radix oder basis linguae), an das bereits im ebern Theile des Halſes lie
gende Zungenbein (os hyoideum ober linguale) befeftigt. Letzteres ift ein hufeiſenförmiger
Knochen, der einzige im Körper, welcher mit feinem andern in ummittelbarer Berührung fleht,
und wird durch verfchiebene Muskeln, welche ihn mit dem Schläfenbein, dem Unterkiefer, der
DE EEE
573 Zurbano
Kehlkopfe, dem Schulterblatte und dem Bruſtbeine verbinden, in horizentaler Lage erhalten.
Wäahrend bie obere Fläche der Zunge vollkommen frei llegt, iſt die untere mit ihrem mittlern
Theile mit den ben Boden ber Mundhöhle bildenden Drganen verwachfen, ſodaß nur bie Spitze
und die Geitenränder frei find, und vorn noch durch eine Falte der bie ganze Mundhöhle aus-
kleidenden und die Zunge überziebenden Schleimhaut, das Bungenbänbien (frenulum lin-
gune), welches jedoch im Normalzuftande der Beweglichfeit der Zunge wenig Eintrag thut, be»
ſonders angeheftet. Sie beſteht aus verfchiebenen Schichten von Mudkelfaſern und iſt an ihrer
Dperfläche mit vielen Schleimdrüfen umb den fogenaunten Geſchmackswärzchen (papitlae lin-
guae oder gustus) verfehen, weiche legtere die Endigungen der Geſchmackonerven enthalten.
Zahlreiche Blutgefäße und Nerven, welche zur Zunge treten, vermitteln bie Ernährung und Ber-
richtungen berfelben. Letztere find ſehr mannichfaltig und laffen die Zunge ald Organ der Ber-
dauung, ber Empfindung und ber Stimme erfiheinen. Bei der Verbauung kommt ber von dem
Scleimdeüfen der Zunge abgeſonderte Schleim in Betracht, fowie die Kertigkeit dieſes Organs,
die mit ben Zähnen zu zermalmenden Speiſen von einem Orte der Mundhöhle zum andern zu
bewegen und endlich dem Bilfen die Form zu geben, in welcher er am beften üben ben Kehldeckel
in die Speiferöhre dringen kann. Iſt hierbei fchon die Verrihtung der Zunge als eines Tafl-
organd, weiches nicht leicht einen auf die Berbauungswerkzeuge mechanifch ſchädlich einwirken
ben Korper ungefühlt weiter gehen läßt, von Wichtigkeit, fo wirb biefe noch durch den hier be
findlichen Hauptfig des Geſchmackſsſinns bedeutend gefteigert. Wenn auch bei Erzeugung ber
Stimme nicht unmittelbar beteiligt, fo ift bach die Zunge bei ber Articulirung und Fortbildung
derfelben zur Sprache ein unbedingt nothiwendiges Drgan, deffen Feblerhaftigkeit ober ganz-
licher Mangel auch fogleich die Sprachfähigkeit beeinträchtigt oder vollig aufhebt (ſ. Stammeln),
ſowie auch die andern Verrichtungen Dadurch mehr oder weniger geftört werben. Won ſolchen
Fehlern und Krankheiten find befonders zu nennen: Entzündung, Krebs, Vorfall ober krankhafte,
entweder angaborene oder ermorbene Verlängerung, Lähmung und Bermundungen der Junge,
welche theils vorübergehend und heilbar, theild unheilbar und bleibend ober fortfchreitend find.
Zuweilen erſtrockt ſich das Zungenbändchen zu weit nach vorn und hindert fo die Zunge an ihrer
freien Bewegung, ein Fehler, welcher gewöhnlich burch einen Schnitt in daffelbe, Sungenlöfung
(sectio frenuli linguae), verbeffert wird. Das Verfchluden der Zunge, welches nicht felten als
eine Art des Selbfimords erwähnt wird, halten neuere Ärzte für gänzlich unmöglich und ma⸗
chen babei Denen, bie davon [prechen, den mol nicht ganz unverdienten Vorwurf der ungenauen
Beobachtung. Als ein nicht fo beſonders wichtiges Symptom in Krankheiten, beſonders ber
Berdauung, ift ber Jungenbeleg anzufehen. — Beiden höhern Thierclaffen findet fich Die Zunge
allgemein, bei manchen Säugethieren jedoch Thon weniger beweglich und bei allen als Geſchmackt⸗
organ weniger ausgebildet als beim Menſchen; bei ben Vögeln hört biefe Bedeutung ziemlid
auf, indem fie meift mit einem bornartigen Überzug bebedit ift; bei den Amphibien findet fie ſich
oft gefpalten, bei einigen mehr, bei andern weniger beweglich ; bei den Fifchen ift fie fehr wenig
ausgebildet, oft mit Zähnen befegt, manchmal fehlt fie gänzlich; noch findet fie ſich faſt durch⸗
gängig bei den Inſekten und bei einigen Gattungen der niedriger ftehenden Thierclaffen, bei de
nen jedoch ihre Verrichtung noch nicht ganz genau erfannt ifl. Vgl. Schröter, „Die menſchliche
Zunge” (2pz. 1813).
Zurbäns (Martin), fpan. General, geb. um 1780, führte in fpan. Befreiungsfriege von
41808—14 eine Guerrilla und machte dann den Schleihhänbler. Beim Ausbruche des karlifti⸗
[hen Kriege nach dem Tode Ferdinand’s VII. bot er der Königin⸗Regentin Gärifline feine
Dienfle an und war 1836 Major und Führer eines Freicorps in den basfifchen Provinzen. Sein
wenig disciplinirtes Korps wußte er durch graufame Strenge in Ordnung zu halten, und wie
ee fofort auf feine Mannſchaft, wenn fie nicht pünktlich gehorchte, ſchießen ließ, fo wurden auch
faft alle Gefangene erfhoffen. Er war ein Mann von vielen Sonderbarfeiten, wie er denn z. B.
niemals eine Uniform trug. Seine Hauptunternehmungen, in denen er viel Gtüd hatte, waren
Hinterhalte, Überfälle und Streifzüge. Sehr ſchnell wurde er zum Öberften befördert und nad
Beendigung des Parliftifchen Kriege 1841 General. Nachdem die Königin-Regentin 1841
Spanien hatte verlaffen müffen, fchloß er ſich auf6 engfte an Espartero (f. b.) an. Mehre der
Volksaufflände gegen Espartere, die 1842 ausbraden, unterdrückte er mit blutiger Strenge.
Hierauf wurbe er nach Barcelona gefendet, um den dort ausgebrochenen Auffland der vereinig-
ten Republitaner und Chriſtinos zu umterdrüden, was ihm aber nicht gelang, worauf er nur
zunächſt Batalonien im Zaume zu halten fuchte. Als im Juni 1843 Narvaez, der Herzog von
Balencia, nebft andern angefehenen Männern fi, förmlich gegen Eipartero erhob, ging .
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Zurbaran Zurechnung 5%
8. mit dem General Seoane nach Barcelona, um ſich dem Beptern gu nähern, und alt der Se⸗
(dere gegen Madrid fich wendete, eilte er, die ſed zu eutfegen. Allein fein Gorps trat zu Narvach
über, ſedaß er fich ind Gebirge flüchten mußte. Ir Movember fammelte er wieder ein Guerril-
IascorpE in der Prorinz Rioja gegen bie beftehenbe Regierung, das aber bald zerfprengt wurde.
eine Söhne geriechen dabei in Befangenfhaft und wurden erfchoffen; 3. hatte bei einem
Schwager feine Zauflucht geſucht, ber ihn verſteckt hielt, fpäser aber verzieth, worauf auch er im
Jan. 4845 erſchoſſen wurbe,
Zurbavan (Erancioco), ſpan. Maler, geb. 1598, geft. 1662 zu Mubrid, siner der aubge⸗
zeichnetſten Meiſter der Säule von Sevilla, yeigee fehen als Mabe eine fo gtühende Leiben⸗
ſchaft zur Kımft, daß feine Aitern ihn dem Juan de las Roelas in die Lehre gaben. Er ſtudirte
mit großem Eifer, bildete fi) aber bald eine eigenthümliche Darftelungsmweife, die vorzüglich
anf einem energifchen Erfaffen der Ratur beruht. Man findet bei ihm daher genaue Detailause
führung, treue Naturnachahmung, verbunden meit einem tiefen, Eräftigen Colorit und flarfer
Schattenbehandlung, ſedaß er den Beinamen bes ſpan. Garavaggio erhielt. Unter feinen Ge⸗
mälden zu Sevilla ift das des Heil. Thomas von Aquino durch feierliche Haltung und vorzüg-
liches Helldunkel, worin er alle andern ſpan. Meifler übertraf, hervorragend. Eine große An⸗
zahl von Bildern, in welchen am häufigſten und am liebſten mönchiſche Asceſe und Devetion
mit ergreifender Wahrheit und Xiefe geſchilbert find, finden fich von feiner Hand im Louvre zu
Parid. Seine Madennen und meiblichen Heiligen kommen dagegen meiftens über den Aus⸗
dvuck Feuriger ſpan. Sinnlichkeit nicht Hinaus und laſſen namentlich den Charakter idealer Ver⸗
Märung vermifien. In bar Pinakothek zu München ift ein ſehr ergreifenbes Bild 3.6: Marta
und Ichamnes, vom Grabe Ghrifti heimfehrend. Andere Werke von Ihm findet man in Ber⸗
iin, Dresden, Wien und in mehren engl. Galerien.
Zurechnung (imputatio) heißt das Lntheil über die Verbindung einer äußern Erſcheinung
mit ihrem Urheber, oder dar Ausfpruch, daß irgend eine Perfen als Urfache einer That betrach⸗
tet werben anüffe. Diefes Urtheil hat einen zweifachen Inhalt: nämlich die blos faetiſche Iu-
rechnung (imputatio faoti), daß Jemand der Thaͤter fei, 3. B. ben Tob eines Andern bewirkt
babe, Surechnumg zur That; und bie dechtliche Burzedgunng (imputatio juris), daß ber Thäter
auch für feine Handlung verantwortlich fei, Zurechnung zur . Wenm es ſich ergibt, baf
ein Wahnſinniger Einen umgebracht hat, daß ein Soldat auf Beſehl feines Vorgeſeßzten Einen
erſchoſſen hat, fo muß Beiden ber Erfoig als ihre That zugeſchrieben werben; aber eine Schuld
kann ihnen nieht beigemeffen werben. Sowol die Zurechnung zur That als zur Schuld haben
geroiffe Abflufumgen. Die Zurechmung zur Chat iſt eine unmittelbare, wenn Jemand die
Handlung felbft vornahen, aus welther ein gewiſſer Erfolg hervorging (phyſiſche Urheberſchaft);
fie iſt eine mittelbare, in neuerer Zeit intelertnelle Urheberfchaft genannt, wenn der An⸗
flifter die Handlung durch einen Andern verrichten ließ. Die Zurechnung zur That ift vollſtän⸗
dig, wenn die Handlung als die für fich allein hinreichende Urfache bed eingetretenen Erfolge
betrachtet werden muß, z. B. der Tod durch eine Dazu hinreichende Dos Gift, durch eine für
ſich allein tödtliche, wenngleich zuweilen Heilbare Verlegung; fie ift umwollftändig, wenn bie
Handlung für fich allein den Erfolg nicht Haben konnte oder gehabt haben würde, fondern ent»
weber eine andere mitwirkende Urfache, 3. B. eine Erkältung oder ſchlechte ärztliche Behand-
Iung eined Verwundeten, eine zweite Verlegung u. dgl., binzutrat. Bei ber volkommenen Zu⸗
rechnung zur That unterfcheidet ſich noch die gerabesu nothwendige Wirkung einer Handlung,
3. B. die Tödtung durch völlige Erdroſſelung eines Menfchen, von der, welche zwar einer Mit-
wirtung anderer Urſachen nicht bedarf, aber doch zuweilen noch hätte abgewendet werben kön⸗
nen. Diefe Unterfcheidung ift für bie Zurechnung zur Schuld von Wichtigkeit. Denn der Un-
terfchteb, welcher fich bei dem objectiven Gaufalzufammenhange machen läßt, tritt auch ſubjec⸗
tiv ein ziwifchen dem Urheber ber That, befien Handlungen, feien es eigene ober durch Andere
in feinem Auftrage verrichtete (autor und coautor), den Erfolg vollſtaͤndig bewirkt Haben, und
zwifchen dem Gehülfen, ber nur mitwirtend und ohne fi zum Ganzen mit verabredet zu ha⸗
ben (sooius principalis und minus principalis, je nachbem er einen ‚gröfern ober geringern
Antheil am Erfolge, an der That felbft oder nur ben Nebenhanblumgen nahm), mb dem Be
günftiger, welcher nur zu ben mitwirkenden Urfachen etwas beitrug und dem Thater nad) der
That noch behülftich war. Die Zurechnung zur Schuld geht vor allem daven aus, daß die That,
d. h. die Handlung mit ihrem Erfolg, aus dem Willen eines Menſchen Gervorgegangen fein
muß. Sie fällt alfo ganz hinweg, wo biefer Wille nicht zu einem menſchlich⸗ vernünftigen ent»
widels ober gaͤnzlich unterdrüũckt ifl, bei Kudern, Wuhıifinnigen und Unbern, die ſich ihres
574 Züri
Thunse gar nicht bewußt find. Sie umfaßt aber nicht bloß ben Fall des Vorſatzes, fonbern auch
ben ber unterlaffenen fchuldigen Aufmerkſamkeit, das forglofe Begehen folder Handlungen,
welche leicht Andern gefährlich werben Tonnen. Diele Fahrläffigkeit (culpa) begründet in ber
Negel eine Verbindlichkeit zum Schadenerſatze, aber auch bürgerliche Strafen, vorzüglich wenn
die Handlung fchon an fich gefegwidrig war. Die Zurechnung im eigentlichen Sinne trifft den
vorfäglichen Urheber oder den Vorfag, welcher aber wieder die Abftufungen bes beflimmmten
und feften Vorfages bei altem Blute (animus praemeditatus); des beflimmten, aber in ber
erften Anreizung zum Handeln gefaßten und ausgeführten Worfages ; bes unbeflimmten, eines
eigentlichen Zwecks fich gar nicht bemußten Borfaged, wenn 3. B. ber Zornige nur blind auf
feinen Gegner zufchlägt (dolusindeterminatus), und eines gleichfalls unbeflimmten, aber [don
zunächft auf etwas Geſetzwidriges gerichteten Vorſatzes hat (nach Feuerbach culpa dolo deter-
minata und ber dolus indirectus ber Altern). Die volle Zurechnung zur Schuld trifft meift
nur ben beftimmten und feften Borfag, den muthwilligen, durch Feine fremde Schufb gereigten,
sefüffenen, mit feſtem Vorfage und gefährlichen, d. 5. mit Bewußtfein des Unrechts Hanbeln-
ben Thäter.
Zürich, einer ber größten Cantone der Schweiz, nach ber Rangorbnung von 1815 ber erfle
und früher einer ber drei Vororte, liegt im Norben ber Schweiz und hat auf 32 AM. 250700
E., welche deutfch reden und bis auf zmei kath. Grenzgemeinden umd eine andere in ber Stabt
Zürich der vef. Kirche zugethan find. Der Boden erhebt fich fanft vom Rheingeſtade aufmartt
und bildet mehre Reihen Hügel und niedrige Berge, bie mit ben in den Rhein ausmündenden
Flüffen Thur, Töß, Statt, Limmat und Sihl parallel laufen und befonder6 um ben Züricher-
fee (ſ. d.) die Herrlichften Ausfichten barbieten. Erft auf ber äuferfien Oſtgrenze bes Gantons,
gegen Toggenburg zu, fteigt das Gebirge biß zur Höhe von 4000 F. über dem Meere ober
23800 $. über dem Züricherfee. Hier allein find einige unfruchtbare und meniger wohlhabende
Landftriche, bie in ber Volksſprache das Kellenland und Spinnenland beißen. Im Übrigen fl
ber Canton einer ber fruchtbarften und beftbebauteften dev Schweiz. Der Fleiß der Bewohner
in Land», Wein» und Obſtbau, vereint mit ber Inbuftrie in Baummollen- und Seidenwaaren,
bie etwa 50000 Menſchen befchäftige, bewirkt, daß im Durchfchnitt 7854 auf einer Dluabdrat-
meile und in manchen Gegenden wol die boppelte Zahl ihre Nahrung finden können. Befonberi
zeichnen fich darin die Umgebungen bes Züricherfeed aus, die einer einzigen fortlaufenden Strafe
zu vergleichen find. Die Einkünfte des Cantond belaufen fich auf etwas über 2'/. Mill. Fres.
Die Berfaffung ift feit 1831 und in Folge fpäterer Revifionen bis 1850 eine repräfentativ-be
mokratiſche in confequenter Durchführung, auf der Grundlage ber ausgebehnteften activen und
paffiven Wahlfähigkeit. Das ftaatsbürgerliche Stimmrecht wird vom Antritt bes 20. 3. an
in Kreisverfammlungen ausgeübt, die im Durchſchnitt auf je 1200 E. ein Mitglied zum Gre-
Ben Rath oder im Ganzen 208 Abgeordnete ernennen. Außerdem werden noch vom Großen
Rathe felbft 13 Abgeordnete gewählt. Kür bie Wählbarkeit in diefe höchſte, mit der gefeggeben-
ben und oberauffehenden Gewalt ausgerüftete Behörbe ift ein Alter von 30 3. erfoderlich. Die
oberfte Verwaltungsbehörde des Cantons ift ein vom Großen Rathe gewählter Negierungsrath
von elf Mitgliedern. An der Spige der Juſtiz fteht ein Obergericht und Gaffationsgerihe. Cri⸗
minalfälle werben buch Schmwurgerichte entichieden. Ein neues bürgerliched Geſetzbuch iſt der
Vollendung nahe. — Die Stadt Zürich, zu ber Römer Zeiten Thuricum genannt, fiegt am
Ausfluſſe der Limmat aus bem Züricherfee in einer überaus angenehmen und fruchtbaren Ge⸗
gend. Die eigentliche Stadt hat 17040 E.; rechnet man bie damit verbundenen unb bis 1859
nad) 3. gehörenden kirchgenöſſiſchen Gemeinden hinzu, fo beträgt bie Bevölkerung etre« 30000.
3. war bis zur legten Ummaälzung befeftigt; in neuerer Zeit find bie Feſtungswerke abgetragen
und bie Stadt beträchtlich erweitert worben. Unter den öffentlichen Bauwerken zeichnen ſich
aus das im 11. Jahrh. gebaute Großmünſter, das 1250 erbaute Frauenmünfter, das anfehn-
liche Rathhaus, die Zeughäufer, das Zunfthaus zur Meife, das große Cantons hotvital, das
Gantonsfchulgebäube, die 1838 eingeweihte und eröffnete Münfterbrüde u. ſ. w. Bon ben
nächften Spaziergängen find zu bemerken der botanifche Garten (Kage), ber Lindenhof und vor
ber Stadt der Schügenplag mit dem Dentmale Geßner's und mit dem Bahnhofe für bie erfle
in der Schweiz gebaute und 1847 bis nach Baben eröffnete Eifenbahn. Die Umgebungen ge
währen die angenehmften Ausflüge und Ausfichten, hauptſächlich auf den nahegelegenen Urtli-
berg und den Albis. Die Stadt, feit 1855 auch der Siz ber eidgenöffiihen Polytechni-
ſchen Anftalt, hat außer ber 29. April 1832 eröffneten Univerfität, die etwa 200 Stubirende
zählt, mehre Höhere Unterrichtsanftalten und Privatunterrichtsanſtalten, ein Blinden- und
- ee Euer” mm TV TV — ⏑⏑⏑.. — ⏑,. 5— 555 ——7
Büricherfee Burla 5%
Zaubfiunmeninflitut, eine wohlausgeftattete Stadtbibliothek, verfchiebene Titerarifhe Lunſt⸗
md andere Sammlungen, auch eine Menge Vereine zu befondern wiſſenſchaftlichen, gemein-
nügigen und wohlthätigen Zwecken. &o hat namentlich die 1835 gefliftete Antiquarifche Gefell⸗
ſchaft in 3. ſich um die ältere Gefchichte ber Stadt und bes Landes fehr verdient gemacht. Die
bafigen Buchhandlungen gehören zu den bedeutendften der Schweiz. Die Wiſſenſchaften ge-
noſſen in 3. von jeher befonderer Pflege und viele Gelehrte von europ. Rufe find aus fenien
Mauern hervorgegangen. Rüdiger von Maneffe, der Sammler ber Minnefänger im 14. Felir
Hämmerlin im 15., Konr. Geßner, Zmingli und Bullinger im 16. Jahrh., Hottinger, Heibeg-
ger, Bodmer, Breitinger, Ravater, Sal. Geßner, Heß, Hirzel, Orelli und viele Andere werben
fortbauernd ihren Ruf fihern. Bei. wurden 179) mehre zum Theil fehr entfiheidende Ge⸗
fechte geliefert. Am 4. und 5. Juni ſchlug hier der Erzherzog Karl die Franzoſen und 24. Sept.
Maſſena bie ruff.-öftr. Truppen umd veranlaßte dadurch ihren Rückzug aus der Schweiz. Dal.
Meyer von Knonau, „Der Canton 3.” (2 Bde, St.-Ballen und Bern 1844—46) ; Vogel,
„Die alten Chroniken oder Denkwürdigkeiten der Stadt und Landſchaft 3.” (Zür. 1845).
Züricherfee, einer der größern Seen der Schweiz, zieht ſich nordweſtlich in einer Länge von
8’, Stunden hin; feine größte Breite beträgt 42 Minuten, feine Tiefe erreicht 600 F. Lang und
ſchmal, gleicht er mehreinem großen Fluffe als einem See und wird in den obern und untern See
unterfchieden. Der obere, nicht mehr zum Canton Zürich, fondern zu St.Gallen und Schwyz
gehörige See fängt in der Gegend von Unznach vom Einfluffe der Linth an und geht in einer
Länge von faft drei Stunden bie Rapperswyl. Der untere See reicht von Rapperswyl bis Zü-
rich, das am Ende deffelben liegt. Da, mo er an Zürich flößt, geht bie Linth, die hier ben Namen
Zimmat erhält, baraus hervor. Die Ufer find, beſonders in der Nähe von Zürich, überaud rei-
m mit ZBeinbergen und vielen großen und gutgebauten Manufacturbörfern befegt. Über ben
einbergen erheben fich nach und nach andere Berge, die immer höher anfteigen, und zulegt er
blickt man bie Schneeberge von Glarus, Schwyz, Bündten und Uri. Großen Genuß durch bie
fi) nad und nad eröffnenden mannichfaltigen Ausfichten gewährt die Fahrt auf dem See
felbft, die von Dichtern oft ſchon befungen worden if. Auf der Heinen, unweit Rapperswyl
gelegenen Infellifenau, von der aus man eine vortreffliche Ausficht hat, befand ſich in einer Ka⸗
pelle das nun zerflörte Grab Ulrich's von Hutten, der, aus ben Stürmen ber Welt zurückgezo⸗
gen, 1523 hier ſtarb. Die Schiffahrt auf dieſem See war von jeher bedeutend ; feit 1835 wird
berfelbe in feiner ganzen Ränge auch von mehren Dampffchiffen befahren, wodurch der ohnehin
lebhafte Verkehr noch mehr geforbert worden iſt. Unter ben 50 Fifcharten, welche ber See er-
nährt, find vorzüglich die Rachfe, Korellen, Aale und Brarfifche gefchägt.
Zurita (Geronimo), fpan. Gefchichtfehreiber, geb. 1512 zu Saragoffa, erhielt in Alcala
eine gründliche Bildung. Während er in öffentlichen Anıtern ſich auszeichnete, benutzte er zu⸗
gleich jede ſich ihm darbietende Gelegenheit, die alten ſpan. Chroniken und die ihm zugänglichen
Archive zu durchmuſtern, und fichtete mit tritifcher Sorgfalt Die gewonnene Ausbeute. Im J.
4545 wurde er in den Angelegenheiten des Magiſtrats zu Mabrid zu Karl V. nach Deutfchland
geſchickt. Ale 1547 bie aragon. Stände befchlofien, einen Befchichtfchreiber des Landes anzu-
ftellen, fiel auf ihn einflimmig bie Wahl. Er durchforſchte feitbem nicht nur das ihm geöffnete
Reichsarchiv zu Simancas, fondern bereifte auch ganz Aragonien und felbft Stalien und Sici-
lien, um überall bie auf bie Gefchichte Aragoniens fich beziehenden Dentmale zu unterfuchen.
Nach langen Vorbereitungen erfchienen endlich feine trefflichen „Anales de la corona de Ara-
gon” (6 Bde., Sarag. 1562— 79), die von den älteften Zeiten bis auf Ferbinand geben. 8.
ſtarb 1580. Bei entfchiedenem Talent, ald pragmatifcher Befchichtfchreiber aufzutreten, hemm⸗
ten ihn die Umftände und die nicht zu umgegende Nüdficht auf den Tyrannen Philipp II. —
Sein Sohn, Beronimo 3. de Dlivan, beforgte von den erften Bänben ber „Anales” 1585 eine
neue Ausgabe; das ganze Werk erfchien 1610 in ſechs Foliobänden zu Saragoffa und in fieben
Zoliebänden 1669; ein Auszug von 3. felbft unter dem Titel „Indices rerum ab Aragoniae
regibus gestarum ab initiis regni ad annum 1440” (&arag. 1578), wieberabgebrudt in
Schott’; „Hispania illustrata” (Bd. 3).
Burla (Placido), Cardinal und Generalvicar des Papftes Leo XIT., geb. im Venetianiſchen
zu Zegnago 2. April 1769 aus altem adeligen Geſchlechte, trat früh in den Benebictinerorben
mb wurde von Pius VII. 1823 zum Garbinal und von eo XI. zu feinem Generalvicar er-
nannt. Seine Forſchungen über die Nachrichten von ben Entdeckungen der venet. Reifenden im
43. und 14. Jahrh. veröffentlichte er in der Schrift „Di Marco Polo e degli altri viaggiatori
veneziani” (2 Bbde., Ben. 181819; herausgeg. von Roffi, Ben. 1823). rüber fihon hatte
576 Zurlo Zuſammenſetzung |
er bie „Dissertazione intorno di viaggi e sooperts seitentrionali de’ ralelli Zen‘ V
und „Dei viaggi © delle scoperte alricane di Gadsmosto” (Ben. 1814) afkrca
Mehre Jahre mit ber oberſten Leitung ber Propaganda beauftragt, legte er feine aut In!
berfelben geichöpften Bemerkungen nieder in einer „Rede tiber Die Bortheile, welche Kı%%y
ſchaften, insbefondere die Geographie, der chriſtlichen Religion verdanken“ (Ham 18%:
feinem Amte war er ein firenger Richter der Sitten, weshalb ihn die Römer nicht kehtn
3.1834 begab er fih nach Palermo, um die Klöſter zu inſpiciren, welche in Ekiin mar:
ner Aufſicht ftanden. Hier flarb er 20. Det. 1834.
Zurlo (Giufeppe, Graf), ital. Staatsmann, geb. 1759 zu Neapel, genoß bei ſcht gadlıcı
Anlagen eine treffliche wiffenichaftlihe Bildung und wibmete ſich dem Staatidierſ eilt
then feines Freundes Filangieri. Als die Regierung bemüht war, Männer m artan
ten Berbienften an die Spige ber durch das Erbbeben von 1783 verheerten Previmu 4
Ien, wurde 3. dem Bicar des Könige als Rathgeber zugeorbnet. Die großen Zalent: mad ihm
Gigenfehaften, die er bier entwidelte, grüũndeten feinen Ruf. Er erhielt nun nacheinander s
wichtige Richterfiellen und wurde 1798 zum Sinanzminifter berufen. Aus Rache: für .
Borgänger lehnte er zwar diefe Ernennung ab, ohne jedoch feinen Rath zur Verbeſſerung
Finanzzuſtandes dem Vaterlande zu entziehen. Als indef bald darauf der Hef nu Cal
flüchten mußte, ließ der König Ferdinand ihn zur Verwaltung der Finanzen zurüd; doh ſt
Thätigkeit war nur von fehr kurzer Dauer. Das Boll, das die Schuld feiner Borgangtı i
aufbürdete, bemächtigte ſich feiner Perfon, verwüftete fein Haus, und nur mit Mühe vettrtr
das Leben. Als nad einigen Monaten der König Kerdinand 1799 nach Neapel zurückge
war, wurbe auch 3. wieder Finanzminifter. Das Land war mis Papiergeld überfchwemuk
ber Gredit vernichtet und die Bebürfniffe ebenfo groß als dringend; doch er flellte in kum
Zeit die Finanzen wieder her, indem er dem Papiergeld hypothekariſche Sicherheit gab. Ge
Minifterium emdigte 1803, wo er durch den Minifter Acton gefirt und gefangen gehab
ten wurde, bi6 feine Freiſprechung erfolgte. Seitdem lebte er, vom den sffentlichen Seldäfte
entfernt,.in Neapel, als ihn der König Murat 1809 zum Juſtizminiſter emannte. In der fr
zen Zeit, wo er dieſes Minifterium beffeidete, wurbe von ihm nicht nur dat ganze Juflizode
wieberhergeftellt, fondern auch von ihm eine Proceßordnung und ein Gtrafgefegbuc entworſa
Hierauf übertrug ihm der König Murat das Minifterium des Innern und bed Cultus, melde
nicht blos wieder eingerichtet, fondem ganz don neuem gefchaffen werben mußte. 3. tr
zweckmäßigſten und wohlthätigften Maßregeln für die Staatswirthſchaft, für Kimfte md R:
nufacturen, für den öffentlicgen Unterricht wie für ſchöne Künfte. Geine rühmliche Thängk
enbigte mit ber Auflöfung ber franz. Regierung in Neapel. Er lebte num in Benedig, dam:
Rom in der Zurüdgegogenheit, bi er 1818 durch den König Ferdinand die Erlaubniß zur”
kehr in fein Vaterland erhielt, der ihm nach der Revolution im Juli 1820 wieder bad Niet
rium bed Innern übertrug, welches er aber nach einigen Monaten wieder verlor. Hierauf
er ald Privatmann in Neapel, wo er 10. Nov. 1828 farb.
Zurzach ein Marktflecken am Rhein und Hauptort eines der Bezirke des Tantons Ya
in der Schweiz, hat 950 meift ref. Ginwohner. In ber kath. Kirche, womit ein bedeuterd
Cofegiatftift verbunden ift, bewahrt man die Reliquien der heil. Verena, bie chemalt tı
Wallfahrer berbeizogen. Die Römer hatten in ber Nähe eine Riederlaffung unter dem %ıs
Forum Tiberii, und in der ganzen Umgegend merben noch filberne und fupferne Rünze ı
den drei erften Jahrhunderten n. Chr. gefunden. Zwei früher fehr ſtark, auch von polr. s
zufl. Kaufleuten befuchte Dieffen, bie größten in der Schweiz, gaben fonft diefem Orte, ber mei
Induſtrie Hat, einigen Berbienft; fie Haben aber in neuerer Zeit abgenommen.
Iufammenfeßung oder Eompofition. In allen german. Sprachen gefchieht de 3
bildung eutweber durch eine innere Anderung ober durch eine äußere Bermehrung da Bun
im erflern alle durch Laut und Ablaut, im legtern durch Ableitung und Zufammenittt
Beide, Ableitung (f. d.) wie Zufammenfegumg, haben das Gemeinfchaftliche, daß fie auf
heilen beftehen, doch unterfcheiden fie ſich weſentlich dadurch, daß bei der Ableitung bri
flere Theil des Wortes ber hauptſächlichere, deutlichere and betont, ber zutretenbe zweite
dunkel und nur ſchwach ober vollig tonlos ift, 3. B. heilig. Hingegen bei ber Zufanmenitt
bleibt das zweite Wort die Hauptſache, dem das erfte blos zu näherer Beflimmung gerti
auch erfcheinen beide Theile in ihrer Bedeutung deutlich und haben den vollen Ton, z. B. B
mann, Gaftfreund, Apfelbaum. Die Compofitionsfähigkeit der verſchiedenen Sprachen
Sprachſtämme ift eine fehr verfehiedene. Die femit. Sprachen entbebren ber Compoſition
* Bütphen Zuylen van Nyevelt 577
n inzlich ; bie indogerman. Sprachen find in hohem Grade dazu befähigt. So das Sanskrit,
er
ie Altern perf. Mundarten, weniger das Lateinifche, in hohem Grade das Griechifche, in ganz
.Sorzüglicher Weiſe aber ale Munbarten ber german. Familie. Legtere find dadurch im Befig
Anes unfchägbaren Vortheils, indem fie dadurch eine große Anzahl Iebensvoller, Dichterifcher
, Ausdrüde bieten, die ſich oft gar nicht in andere Sprachen überfegen laſſen. In der Regel
' *
53
"egen ſich nur verſchiedene Wörter zuſammen; Verſchiedenheit des Begriffe iſt nicht gerade
xoderlich, es können vielmehr nahverwandte verbunden werden, z. B. Diebſtahl. Es konn
„infache Worte mit einfachen, einfache mit abgeleiteten und abgeleitete mit abgeleiteten compo⸗
2 nirt werben; ebenfo laffen fih Nomen mit Nomen, Nomen mit VBerbum, Partikel mit Nomen
"rapie mit Verbum, Partikel mit Partikel verbinden; ein Berbum Tann nie mit einem Derbums
zaufammentreten. Grammatifch ift die eigentliche Gompofttion von ber uneigentlichen zu unter
Tzfcheiden. Kormelles Kennzeichen der erſtern war in fpäterer Zeit ein Binbevocal, burch ben beide
2.2 Glieder aneinander geheftet wurben, wie z. B. das a im goth. veina-basi, dem neuhochbeutfchen
2: Weinbeere; gegenwärtig rüden beide Worte ohne einen ſolchen unmittelbar aneinander. Die
‚uneigentliche Compoſition, häufiger in jüngerer Zeit als in früherer, verbindet mit dem zweiten
> Worte unmittelbar anſtoßende Caſus und Partikeln, wie fie der alten freien Gonftruction ge
z.mäß waren, 3. B. Tageslicht, d. i. Licht ded Tages. Solche Compoſita gelten dann auch für
- den beftinnmten Begriff, den bie Gonftruction mit fich brachte, während die eigentlichen Compo⸗
.
e
ww.
-- Ableitung ausgedrückt oder durch Adjective, Präpofitionen und andere Partifeln umfcrieben
fita Begriffe bezeichnen, die ſonſt durch ein einziges (dev Sprache aber fehlendes) Wort, eine
- , werben müßten. So foll unter Donnergott nicht ber Gott bes Donners, fonbern ein donnernder
„ Bott bezeichnet werben; feuerroth bedeutet roth wie Feuer, Weinſtock einen Stod, ber Wein
trägt. Uneigentlich konnen ganze Redensarten componirt werden, wie z. B. Springinsfelb,
Zuginsland, Vergißmeinnicht, Gottſeibeiuns. Werben mehr als zwei Worte miteinander com⸗
ponirt, fo entfiehen Deeompofite, meiſt aus drei, feltener aus vier, noch feltener aus mehr
Gliedern beftehend. Kaum erfolgt die Decompofition, mit etwaiger Ausnahme von Fällen
wie ſchwarz⸗roth⸗ golden u. bgl. zu gleicher Zeit, ſondern faft fletö tritt zu einem bereits
componirten Worte ein anderes entweber einfaches ober auch ſchon zuſammengeſetztes hinzu, ja
es kann fich felbft ein Decompofitum nıit Gompofitum ober Decompofitum mit Decompofitum
verbinden. So trat in Goldbergwerk das erfie Wort an das bereitö componirte Bergwerk, wie
u fih in Erdbeerkaltſchale zwei Compoſita, in Generalfeldzeugmeifter und Rheindampfichlepp-
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Tchiffahrtögefellfchaft einfache Worte (General und Rhein) mit einem Decompofitum verbin«
den. Compoſita wie legtere find geſchmackloſe Unformen, die meift der Kanzleifprache ange
hören, deren aber die Poeſie und reine Profa enträth. Überhaupt find Compofita nur dann
Thon zu nennen, wenn fie zwei Begriffe in ein Bild zufammenfaffen, weniger, wenn fie Einen
Begriff zwiſchen zwei Wörter vertheilen. Unfere Profa enthält ber Compoſita vielleicht zu viel,
-” während bie Poeſte mehrer neuerer Sprachen Mangel baran bekundet. Die Lichtfeite der deut⸗
Then Sompofition befteht in ihrem urfprünglicden Reichthum und ihrer vielfachen Abftufung.
Zütphen, eine fefte und gut gebaute Stabt in ber niederländ. Provinz Geldern, am Einfluß
ber Barkel in die Yffel, über welche eine fteinerne Brücke führt, ift ber Hauptort eines Arron⸗
diffements, beflcht aus der Alt- und Neuſtadt, wonach eine weitläufige Vorftadt kommt, hat ein
Gymnaſium und zählt 13000 E., deren Hauptnahrungszweige Haar-, Leder⸗, Ol⸗, Papierfa
britation, Weberei, Wachsbleichen, Schiffahrt und Productenhandel bilden. 3. kommt [don _
im 10. Jahrh. ald Stadt vor und war bamald Sig eigener Grafen, bie 1107 ausſtarben, wor⸗
auf es an Geldern fiel. Die Stabt gehörte zur Hanfa, in Firchlicher Beziehung zu Münfter,
wurde aber 1560 ben Bifchöfen von Deventer übergeben. Im J. 1572 wurde fie von Alba
erobert, ber ihre füämmtlihen Bürger hinrichten ließ, bald darauf von den Geuſen, jedocd 1583
wieder von den Spaniern eingenommen; 1584 unb 1586 vergeblidh von den Zruppen bed
Stasthalterd belagert und erft 1591 durch Kriegslift von Morig von Dranien gewonnen, blieb
jie den Generalftaaten. Im 3.1672 wurde fie von ben Franzoſen erobert und ihre Befefligungen
geſchleift. Die Werke wurden nachmals wiederhergeftellt und beflchen jegt aus neun Baſtio⸗
nen. Im 3.1795 fiel 3. ohne Widerftand in die Hände der Franzofen und auch 1815 wurde
es bei der geringen Befagung von 300 Mann bei dem erften Erfcheinen ber Preußen unter
Oppen 24. Nov. eingenommen.
guyperiee ſ. Zuiderſee.
uylen van Nyevelt (Hugo, Baron von) nieberländ. Staatsmann, geb. 1. Juli 1781
Sonv.s&ez. Behnte Aufl. XV. 2 87
578 Zwang
zu Rotterdam, ſtudirte in Utrecht und widmete ſich frühzeitig der diplomatiſchen Laufbahn, und
zwar zuerft 1805 als Privatfecretär Gerard Brantfen’s, bes niederländ. Sefandten in Paris,
von mo aus er 1807 zum Regationsfecretär und 1810 zum Befchäftäträger am fpan. Hofe be-
ne wurde. Die Tinverleibung Hollands ind franz. Kaiferreich unterbrach eine Zeit Lang
eine diplomatifche Laufbahn, und 1811 wurde er Maire-Adjeint in feiner Geburtsſtadt
Motterdam, welche Stelle er ein Jahr lang bekleidete. Nachdem er fich bei der Befreiung vom
franz. Joche beſonders thätig gezeigt hatte, erhielt er 14. Jan. 1814 eine Sendung als Ge
neraleommiffar bei den Generafen ber Alliirten in Belgien und folgte in diefen Eigenfchaften
bem Hauptquartier des preuß. Generals von Bülow. Die Verbächtigung, daß er daſelbſt eine
Partei zu bilden bemüht fei, die fich von den Mächten zu Gunften Wilhelm's I. mehr unabhaän-
gig zu machen fuche, veranlaßte, auf die Klage Englands, feine Nüdberufung. Dafür wurde
er (Juli 1814) zum außerorbentlichen Gefandten und bevollmächtigten Minifter in Stockholm
ernannt und zwei Jahre darauf in gleicher Eigenfchaft nach Madrid gefandt. Hier ſchloß er
ben befannten Zractat von Alcala und that fich beſonders durch die Regelung der holländ.
Handelöverhäftniffe hervor. Die Ereigniffe des J. 1822 veranlaften feine Abreiſe. Nachdem
er fi) 1823 verheiratet, erhielt er 1825 den Gefandtfchaftspoften in Konſtantinopel. Dier
war er es allein, der, als die Gefandten Frankreich, Englands und Rußlands nach der Schlacht
bei Navarin Konftantinopel verlaffen hatten, die freundfchaftlichen Beziehungen, in denen er
zur Pforte blieb, benugte, um die zurückgebliebenen Unterthanen jener Mächte in Schu zu
nehmen und die Wieberherftellung ber unterbrochenen Verbindungen derſelben mit der Pforte
zu vermitten. Im Dec. 1829 nad) dem Haag zurüdgefehrt, gab ihm der Abfall Beigiens
1850 Gelegenheit zur Entwidelung ber ausgezeichnetften diplomatifchen Thätigkeit. Er und
Bertolt van Soelen (f. d.) waren die leitenden Organe der niederländ. Pohtif bis zum Ab⸗
fchluſſe des Definitivvertrags mit Belgien. Mit Falf war er Tängere Zeit niederland. Geſand⸗
ter bei der Londoner Conferenz, und bie trefflichen, mit höchftem diplomatiſchen Geſchick abge
faßten Noten und Staatöfchriften an die Eonferenz rührten bis zum Febr. 1833 größtentheits
von ihm her. Die Schärfe und Vitterkeit in einer diefer Noten veranlaßte 1833 feine Zurüd
berufung, für welche ihn ber König mit der Emennung zum Staatsminifter entfehädigte. Seine
‚wiederholte interimiftifche Übernahme des Portefenille des Auswärtigen und feine Wirkſamkei
dei dem Abſchluß ber Übereinkunft wegen der Rechte der naffauifchen Agnaten, ſowie feine
Sendung nad) Brüffel und Paris, um die Thronbefteigung Wiihelm's II. anzukündigen, liefen
vermuthen, daß er der Nachfolger des 1841 abgetretenen Minifterd Verſtolk werden würde,
allein er beffeidete dieſen Poften eine Zeit Tang nur ftellvertretend und wurde (März 1842)
"Euftusminifter für die proteft. Eonfeffionen, aus weicher Stellung ihn die Ereigniffe von 1848
verdrängten. Ind Privatleben zurückgekehrt, farb er den 19. März 1853.
Zwang nennt man bie Überwindung des Willens Anderer ober die Beftimmung zu einem
Thun oder Laſſen gegen ben Willen des handelnden Subjects. Der Iwan iſt ein phyſiſchet,
wenn Außere Porperliche Mittel dazu gebraucht werden; ein moralifcher oder pſychiſcher, wenn
Jemand In bie age verfegt wirb, aus mehren Übeln das geringfle wählen zu müffen. Zwang
hebt die Freiheit des Willens auf und macht daher alle Verpflichtungen, welche durch ihn Je
mandem abgenöthigt werden, Infoweit ungültig, als er ungerecht war, alfo ein mit ber Piſtele
auf der Bruft abgenöthigtes Verfprechen, nicht aber, ald Das, womit gedroht wurbe, ſelbſt ein
gerechtes war, 3. B. die Drohung mit einer an ſich gegründeten Klage. Die Verantwortung
wegen unerlaubter Handlungen hebt ber Zwang nicht immer auf, da genau genommen Nie:
mand zum Handeln gezwungen werden kann. Aber er kann entfihuldigen, wenn das Berge
FE zu welchem Jemand genöthigt worden, in einem Unterlaffen befteht, oder die Drohung foge-
ährlich und ernftlich war, daß fie den Bedrohten wol ber Freiheit bes Handelns berauben konnte.
Dies wird natuͤrlich nach der Perfönlichkeit und den Umftänden verfchteben beurteilt werden
müffen, anders bei einer Frau oder einem jungen Dienfchen, anders bei einem reifen umb im
vollen Genuß feiner Kräfte ftehenden Manne. Zwang ift nur erlaubt zur Vertheidigung bei
Rechts, eine Folge, aber kein Merkmal des Rechtsbegriffs, denn die Rechtspflicht bleibt immer
biefelbe, werm auch der Zwang gegen den Verpflichteten unmöglich if. Gegen den Souverän
iſt er rechtlich unmöglich ; aber doch Hat auch der Souverän Rechtöpflichten zu erfüllen. In
Staate geht das Recht zu zwingen, nämlich ſoweit e8 nicht im Rechte der Erziehung begriffe
ift, auf den Staat über, und die öffentliche Gewalt ift wefentlich eine zwingende und zwar dem
Rechte nach eine unwiderſtehlich zwingende. Selbſt der Zwang zur Vertheidigung Bann im
Zwanzigguldenfuß Zweibrüden 579
Staate nur zur unmittelbaren Abwehr eines Angriffs, als Nothwehr, Hausrecht und Behaup-
tumg im Beſitz, geftattet werben, zur Wiebererlangung ift die Selbfthülfe unerlaubt.
gwanzi uldenfuß, ſ. Muͤnzfuß.
wanzigkreuzer ober Zwanziger iſt der Name einer Silbermünze von 20 Kreuzern des
20-Buldenfußes, welche jept nur noch in Dſtreich geprägt wird, früher aber auch in den meiſten
ber den ehemaligen 24-Bulbenfuß als Landeswährung beobachtenden ſüddeutſchen Staaten ge»
münzt wurde, in welchem legtern Buße jenes Stück 24 Kreuzer galt (ed enthielt jeboch auch
bier die Infchrift 20). Die ältern Zwanziger find 9Y, Roth fein, und es wiegen 35 derfelben
eine öln. Mark. Seit 1854 prägt aber Oſireich diefe Münze. oder 14 Koch 7Y Grän fein,
und demgemäß wiegen 54 ſolche neue Zwanzigkreuzer (biöiveilen auch „Heine Zwanziger” ges
nannt, weil fie Heiner und leichter al& die frühern) eine köln. Mark. Jetzt, wie früher, betragen
60 Zwanzigkreuger eine ton. Mark fein Silber, und der Werth des Stücks ift daher 7 Silber«
grofchen preuß. Courant (im 14-Thalerfuße) oder 24, Kreuzer fübbeutihe Währung (im
24 Buldenfuße). Von dem nämlichen Feingehalt, Gewicht und Werth wie der neue öfter. Zwan⸗
ziger ift Die auch im Gepräge nur fehr wenig von ihnen verfchiebene öſtr. Lira (ſ. Lira), welche
als Münzeinheit des Lombardiſch ˖ Venetianiſchen Koönigreichs geprägt wird. Man nennt die
Zwanzigkreuzer auch wol Kopfftüde, weil fie nach dem 20-Guldenfuße die erften Münzen wa⸗
ren, welche mit dem Bruftbilde des Landesherrn geprägt wurden. Die feltenften Zwanzigkreu⸗
zerftüde find die, welche während der Erhebung Tirols unter Hofer 1809 gefchlagen wurden.
Es werben auch halbe Zwanzigkreuzer, fogenannte Zehnkreuzer oder halbe Kopfſtücke, geprägt.
Zwed (finis) ift der Begriff von einem Objecte, fofern er zugleich den Grund ber Wirk
lichkeit dDiefes Objects enthaͤlt. Diefer Beftimmungsgrund, ber auf die Wirkung eines beflimm-
ten Handelns geht, ift die Abſicht. Man unterfcheidet demnach bie mirfende Urfache (causa
efficiens) von ber Zwmed- oder Endurfache (causa finalis). Zegtere ift der Zweck felbft, indem
er ben Beftimmungsgrund ber wirkenden Urfache bildet. Er heißt Endzweck, wenn er der
höchſte Zweck ift, welchen ein Object hat und welchem als Hauptamed dann verfchiedene Reben⸗
zwecke (fnes secundarii) untergeorbnet fein tonnen. Ein Ding hat einen äußern Zwed, wenn
es Mittel ift für die Erreichung eines von ihm verfchiedenen Zweckes. Auf dieſer äußern oder
relativen Zweckmaͤßigkeit beruht Das, was wir Nugen und Brauchbarkeit nennen, und e6
kann eine äußere Zweckmäßigkeit auch ohne eine innere ftattfinden ; aber fie fept doch etwas
voraus, was einen innern Zweck hat und für welches fie Mittel ift. Die innere Zweckmäßigkeit
ift aber bie Ubereinflimmung eines Dinges mit bem in feinem Begriffe liegenden Zwecke. Diele
innere (immanente) Zwedinäßigkeit, wie fie 3. B. in der organifchen Natur als Thatfache vor⸗
liegt, kann jedoch nicht als eine bewußtlos entftandene angefehen werben, wenn babei ber Be
griff der Zweckmaͤßigkeit nicht verloren gehen fol; denn diefer hat burchaus nur eine Bedeu⸗
tung unter Vorausfegung einer den Zweck als folchen denfenden und wollenden Intelligenz.
(S. Zeleologte.)
Zweibrüden, franz. Deux-Ponts, in der jegigen bair. Pfalz, war früher eine reichſsun⸗
mittelbare Graffchaft, die zum Oberrheinifchen Kreife gehörte. Nach dem Ausfterben der Gra⸗
fen von 3. fiel die Grafſchaft 1390 an die Pfalz (f. d.). In der Folge wurde fie zum Fürſten⸗
thum und bei der Theilung dee Burpfälz. Rande nach dem Tode des Kaiferd und Kurfürften
Ruprecht I. 1410 unter feine vier Söhne zum felbfländigen Herzogthum erhoben. Ruprecht's
dritter Sohn, Stephan, ftiftete die Linie Bfalz-Zweibrüden. Durch den aus biefer Linie ent
jproffenen Herzog Karl Guſtav, der 1654, als die Königin Chriftine von Schweden die Krone
niederlegte, auf den ſchwed. Thron berufen wurde, kam das Herzogthum 3. an Schweden,
Nach König Karl's XII. Tode 1718 fiel es an deffen nächften Verwandten und nach unbeerb-
tem Abfterben beffelben an die Nebenlinie des Haufes Pfalz-Zweibrüden, welches legtere 1751
im Mannsſtamm erlofch, worauf die Linie Birkenfeld Pfalz⸗Zweibrücken ererbte, aus der das
jegt regierende königl. Haus in Baiern (f.d.) herftammt. Während des Revolutionskriegs
wurde das Fürſtenthum 3. von den Franzoſen befegt und im Luneviller Frieden mit ben übti⸗
gen linken Rheinufer an Frankreich abgetreten. Nachher bildete es einen Theil des Departe⸗
ments des Donneröbergs. Durch den Frieden zu Paris von 1814 fam es an Deutfchland zu
rück und zum größten Theil an Baiern, während der übrige Theil an Oldenburg, Sadjen-
Koburg und Heſſen⸗Homburg fiel. — Die Stadt Zweibrücken, im fogenannten Weſtrich am
Erlbach in angenehmer Gegend gelegen und von fruchtbaren Anhöhen umgeben, ift gut und rer
gelmäßig gebaut, befteht aus der Altſtadt, der Neuſtadt und der ſchönen Untern Vorſtade und
580 Zweideutigkeit Zweites Geſicht
zählt 8000 E., worunter 2000 Katholiken. Sie iſt der Sig eines Appellationsgerichts, hat
ein Bezirkögefängniß, eine A400 Bände ftarke Bibliothek und ein Gymnafium. Das große
herzogl. Reſidenzſchloß, font eines der prachtvollſten Kürftenfchlöffer Deutfchlands, wurde vor
- den Franzoſen zerftört und iſt jegt zum Theil zur Bath. Kirche umgerwandelt. Zu den ausgezeich
neten öffentlichen Gebäuden gehören bie Aleranderstirche mit der fürftlichen Gruft und bie
Karlskirche, die der König Karl XI. von Schweben bauen ließ. Die Bewohner nähren fid
hauptſächlich durch Tuch⸗, Leder⸗ und Seidenplüfchfabrikation, Baummwollfpinnerei, Weberei,
Gerberei u. |. w. In ben fogenannten Kleinen Schloffe befindet fich jet dad heute noch wid.
tige Landgeftüt, das der König Maximilian Joſeph von Baiern wieder einrichten ließ. Kitera
rifch ift Die Stadt merkwürdig durch die feit 1779 von einer Sefellfchaft Gelehrter in ber herzogl
Druderei herausgegebene Reihe correcter und eleganter griech., röm. und franz. Glaffifer.
Eine halbe Stunde von der Stadt liegt bie Ruine des Schlößchens, das der vertriebene Polen
konig Stanislaus Leſzezynſti im zweiten Jahrzehnd des vorigen Jahrhunderts erbaute umd eine
Zeit lang mit feiner Familie bewohnte.
—— ſ. Amphibolie.
weifel iſt der Gemüthszuſtand, in welchem entgegenſtehende Gründe ein entfchiedened
Fürwahrhalten unmöglich machen. Das Gegentheil deſſelben iſt die Gewißheit und Überzen
gung, d. h. die feſte Entſcheidung über etwas, was zweifelhaft fein könnte. Der Zweifel iſt
daher ein nothwendiger Durchgangspunkt für Den, ber redlich nach Wahrheit firebt; ein abfe-
Iuter Zweifel an jeber möglichen Erkenntniß und Gewißheit (f. Stepfis und Stepticismus)
würde nicht nur alles Intereffe an wiffenfchaftlicher Forfchung vernichten, fondern hebt fireng
genommen fich felbft auf, denn er ſchließt zugleich den Zweifel an fich felbft ein. Je großer und
wichtiger entiweber an fich oder in Beziehung auf das Individuum die Intereffen find, die fich an
* bie Entfcheidung über eine Thatſache, eine Anficht, eine Überzeugung fnüpfen, befto drückender und
quälender kann ber Zweifel werben ; Daher im Falle einer ungünftigen Enefcheidung der Menſch
verzweifelt. Zu unterfcheiden ift übrigens der Zweifel im fubjectiven und im objedtiven Sinne;
es kann etwas an fich höchſt zweifelhaft fein und doch das Subject darüber vollkommen ent-
ſchieden fein. Ein ſolches Fürwahrhalten aus fubjectiven Gründen, welches die entgegenftehen
den objectiven entweder nicht kennt, oder nicht begreift, oder Beine Notiz von ihnen nehmen nid,
nennt man gewöhnlich Blauben, es ift aber häufig auch ein bloßes Meinen.
Zweihänder heißt die erſte Ordnung der Säugethiere. Ihre Kennzeichen find: Hände an
den Vorber-, Füße an den Hintergliedmaßen, gleiche Ränge ber Zähne, faft unbehaarter Korper
und aufrechter Gang. Sie hat nur eine Gattung und diefe nur eine, wenngleich durch Klima
und Cultur mannichfach veränderte Art, den Menfchen.
Zweihufer oder Spalthufer heißen die Wiederfäuer (ſ.d.) wegen ber Bildung ihrer Füße,
an denen nur bie zwei mittelften Zehen ausgebildet erfcheinen, während zwei Außenzehen, zu
Afterzehen verfümmert, den Boden gar nicht berühren.
—8 ſ. Duell.
weiſchattige nennt man die Bewohner ber heißen Zone, deren Schatten, weil bie Sonnt
durch ihren Scheitelpuntt geht, bald nord⸗, bald ſüdwärts fallt.
Stweifkimmig heipt ber mufitalifche Sag, bei welchem die Harmonie eines Tonſtücks we
fentlich aus zwei Stinmen beficht. Dies ift ber Fall bei dem einfachen Duett für zwei Inftr«
mente oder Singftimmen, aber auch in vollftändigen Mufitftüden, aus welchen zwei Partien
ſich concertirend hervorheben. Der zweiftimmige Sag bat feine befondern Schwierigkeiten,
wenn er rein und mohlklingend fein fol, und kann nur von Demjenigen bearbeitet werben, bet
ſchon ben vollftimmigen Sag verfteht, weil bei jenem immer die wefentlichften Intervalle anzu
wenden find, da der Componift nicht alle Töne des Accords gebrauchen kann.
Zweites Geſicht, auch Deuterofkopie genannt, bedeutet ein Hervortreten von ahnungt-
vollen oder wirklich feherhaften Traumbildern (Wifionen) mitten im wachenden Zuſtande
Diefe Erfcheinung wurde namentlich durch Das, was Sam. Johnſon in feiner „Reife nach der
weftlichen Infeln bei Schottland” darüber gefammelt hatte, befannt. Derfelbe fagt: das andere
Geſicht (second sight) fei ein Eindrudt, ber entweder durch Die Seele aufs Auge, oder durcht
Auge auf die Seele gemacht werde und vermöge deſſen entfernte oder zukünftige Dinge erkannt
und gefehen würden, als ob fie gegenwärtig wären. ©. C. Horft in feiner „Deuteroſtopit
(SE. 1830) und Walter Scott in feinen „Letters on demonology and witoheraft” habe
eine Menge von Fällen folder Vifionen zufammengeftellt, und in Carus’ „Borlefungen übe
Pſychologie“ (Kpz. 1851) findet man die Theorie diefer Exfcheinungen ausführlicher erlän
Zwerchfell Zwerg 581
tert. Die Thatſachen dieſer Art ſind an ſo verſchiedenen Orten, zu ſo verſchiedenen Zeiten
und zum Theil von fo unparteiiſchen und wiſſenſchaftlich gebilbeten Beobachtern aufgeſam⸗
melt worden, daß es unmöglich ift, fie nicht als großentheils begründet und in Wahrheit
beftchend anzuerkennen: fie finden auch an manchen Erfcheinungen, welche das Feld der magne-
tifchen Zuftände und der Traummelt felbft darbietet, fo viele Analogien, daß jeder Grund zum
abfoluten Bezweifeln durchaus ſchwinden muß. Was der gegenwärtige Zuftand pfychologifcher
Wiſſenſchaft darüber ausfagen kann, iſt in der Kürze zufanımengefaßt Folgendes: Die Seele
als erfter Urgrund menfchlichen Dafeins und menſchlicher Organifation (nach Ariftoteles’ Wort:
„Die Seele ift die erſte Wirklichkeit eines natürlichen geglieberten Körpers”) if ihrem primi⸗
tiven Weſen nach ein Unbewußtes und ben in fich unbewußten Ideen alles fonfligen Nature
lebens durchaus verwandt. Erft in ihrer Bethätigung durch Entwidelung bes fo wunderbar
vollendeten Organismus des Menſchen gelangt fie unter Wechſelwirkung mit Andern zum
Selbſtbewußtſein und zur Freiheit, wird aber zugleich dur Vollendung ihrer Subjectivität
bem engen Berbande allgemeinen Naturlebens großentheild entzogen. Jenes ahnungsvolle,
dunkle und doch fo gewiſſe Wiffen von äußern Verbältniffen, welches der Thierfeele noch in fo
hohem Grade einwohnt, hört baher in der felbftbemußten menfchlichen Seele auf, und das Er⸗
fhliefen klarer Erkenntniß macht das Ahnen in dunkeln Gefühlen unmöglich. Dabei kann
jedoch auch die vollfommenfte Seele nicht unausgefegt in diejee Helligkeit verweilen, fie finkt
periodifch regelmäßig In einen relativ unbemußten Zuftand (Schlaf) zurück und fnüpft dadurch
ihr fih Darleben an das ber niedern Irdifchen Geſchöpfe. In biefer Beftimmung num liegt ber
Schlüffel zum Verſtändniß Deffen, was auch fonfl von traumähnlichen Wahrnehmungen, von
magnetifchen und bellfehenden Zuftänden (f. Thieriſcher Magnetismus) unter den Erſchei⸗
nungen menfchliden Lebens vorkommt. Wie dann, wenn viele Menſchen eine Kette bilden,
alle zugleich die elektrifche Wirkung zuckend empfinden, welche durch die Kette geht, fo empfindet
der Menfch, deffen Subfectivität wieber mehr, dem Unbewußten hingegeben, im dunkeln Traum⸗
zuftande ruht, taufend Regungen, welche bie Welt um ihn ber beivegen, mit großer Deutlich
keit, von welchen er nichts mehr weiß, fobald er zum hellen Selbftbewußtfein erwacht. Dies bie
Urfache, warum Menfchen mit von Haus aus vorwaltendem unbewußten Geelenleben, Men-
ſchen in trüben, nebeligen Klimaten dee Einſamkeit mehr Hingegeben und namentlich Denfchen,
in welchen durch irgend eine geheime Krankheitsſtimmung das Gentrum ihres Nervenlebens
gleichſam umdüftert oder verfchoben ift, Teicht periobifch in fonberbare Zuflände verfallen, wo,
auch ohne eigentlichen Schlaf, ihr Mares Selbſtbewußtſein aufgehoben, dagegen ihre magne-
tifche unmittelbare Fühlung nach gewiſſen uns fonft verfchloffenen Seiten hin merkwürdig er
weitert ift, bergeftalt, daß ihnen plöglich, fie wiffen nicht woher und warum, Bilder von ent»
fernten wirklichen Dingen, gleich einer Fata Morgana (f. d.), vor bie Seele kommen, deren Be
deutung und Wahrhaftigkeit ihnen dann gewöhnlich erft viel fpäter Mar wird. Zuſtände diefer
Art find es, von welchen man als „Verzuckungen“, „Bifionen” unb „Zweites Beficht” in jenen
Schriften viele Fälle aufgezeichnet findet. Es kann zu ſolchen Zuftänden eine erbliche Anlage
geben ; gewöhnlicher hängen fie indeß mehr von vorübergehenden Verhältniffen ab.
Zwerchfell (diaphragma) nennt man die ſcheibenförmige Mustelplatte, welche das Innere
bes Rumpfs in bie Brufl« und Unterleibshohle fcheibet. Nach oben conver, nach unten concav,
iſt daffelbe mit feinem Rande vorn an das untere Ende des Bruftbeins befefligt, von wo aus
diefer nach beiden Seiten an ben Knorpeln der ſechs unterſten Rippen verläuft und hinten fich
mit fech6 Muskelbündeln, den fogenannten Schenkeln (crura diaphragmatis), an die Lenden-
wirbel anfegt, fobaß der Hinterfte Befeſtigungspunkt bedeutend tiefer Tiegt als ber vorberfte.
Der Eentraftheil dieſes Muskels wird von einer Sehnenplatte (speoulum Helmontii) gebifbet,
in welcher fich eine für Die aus bem Unterleibe zum Herzen emporfleigende untere Hohlvene ber
flimmte Dffnung findet. Weiter nach links durchbohrt die Speiferöhre das Zwerchfell, wäh.
rend ganz hinten zwifchen den Schenkeln längs ber Wirbelfäule die Aorta, dergroße Bruſtgang
und die den obern und untern Theil des Ganglienſyſtems verbindenden Nervenfäden in die
Unterleibshöhle und zwei Venen aus biefer in bie Brufthöhle treten. Das Zwerchfell unterftügt
als Boden der Brufthöhle das Herz und die Lungen, welche theilweife auf ihm ruhen, unb
dient als Dach der Unterleibshöhle, an welchem die Xeber, der Magen und die Milz aufgehan«
gen find. Bei feiner Zuſammenziehung yplattet es fich ab, die Brufthöhle wird weiter, die
—5——— enger, was beſonders beim Einathmen und Ausleeren der Unterleibseinge⸗
weide geſchieht.
Zwerg heißt ein Menſch von ſehr kleinem Wuchſe. Zwergvölker, von denen die Alten fabel⸗
———
52 Zwerg
ten (f. Pygmaͤen), gibt es in Wirklichkeit ebenfo wenig als Rieſenvölker; aber vereinzelte Säle
eined unter drei, ja fogar unter zwei Fuß zurückbleibenden Wuchſes kommen ald Ausnahmen und
Naturfpiele zumeilen vor. Mit der Kleinheit pflegt fi) dann bisweilen noch Misbildung, dicke
Köpfe, Heine Beine u. dgl., zu verbinden, ſowie auch bie geiftige Ausbildung in der Megel ge
ring bleibt, während gewiffe moralifche Fehler ftärker hervortreten ; auch erreichen Zwerge ſel⸗
ten ein hohes Alter. Den beutfchen Mittelalter galten Zwerge wie Rrüppel weder für Ichne
noch für erbfähig, mußten aber von ihren nächften Verwandten, die flatt ihrer erbten, ernädrt
und verpflegt werden. Später, in den Zeiten ber Hofnarren, wurden auch Zwerge zur Ergogung
an den Höfen gehalten. — Eine fehr wichtige Stelle behaupten die Zwerge in der Mythologie,
vorab in der deutfchen. Schon die ältefte indifche Mythologie kannte ihnen entſprechende We⸗
fen unter verfchiedenen Namen, ald Maruts, Ribhus u. f. w, und gewährt zugleich einen tie
fern Einblid in ihre urfprüngliche Bebeutung. Der Name ber indiſchen Maruts leiter fi <t
von der Wurzel mri (fat. mori), fterben, und bezeichnet mithin die Beifter der Verſtorbenen, bie
Yitaras (lat. patres), Väter, Stammväter, benen bie rom. manes (f. Manen) ſich vergleichen:
und fo werben auch in ber noch lebendigen deutſchen Volksſage die Zwerge häufig üllerken, ul-
leken, ölken, aulhen, alkens, Ölkers, d. i. bie Alten, die Altern, genannt. Diefe Auffaffurg
gründet ſich auf den Glauben der älteften Zeit, daß die Götter des Lichts fi gegen Die Dam
nen ber Finſterniß nicht ohne die Hülfe der Menfchen zu behaupten vermochten, wie auch ante:
rerſeits Die Menſchen dem Beiftande ber Götter ihren Reichtum an Heerben und Früchten ver-
danken, und daß diejenigen Menſchen, welche zuerft mit den Göttern gegen jene Dämonen gr-
tämpft, ihnen Stärkung und Nahrung durch Opfer gebracht und dadurch zur Befefligung ihrer
Herrſchaft geholfen hätten, zum Dante dafür in die Gefellihaft der Götter aufgenommen und
der Unſterblichkeit theithaftig gervorben feien. Die Ribhus aber, deren Benennung grammatifch
dem beutfchen Alb (ſ. Elfen) entfpricht, find nach ber Grundbebeutung ihres Namens Die
Leuchtenden und Nährenden. Und wie endlich durchgehend in den indogermanifhen Sprachen
der Geiſt als ein Hauch aufgefaßt ift, fo erfcheinen die Geiſter der Vorväter, die Maruts, yunial
als Windgötter, welche den Indra,den Bott des blauen Himmels, unterflügen in feinem Kampfe
gegen die finftern, verhüllenden Wolken; fo find auch in der germanifchen Mythologie, aufer
andern ebenbahin gehörenden Benennungen, gerade die Namen der vier Hauptwinde, CA,
Left, Norb und Süd, Zwergnamen, oder, wie die jüngere Edda erzählt: die Götter fegten
unter die vier Eden des aus ber Hirnfchale des Niefen Ymir gebildeten Himmels vier Zwerge,
Austri, Vestri, Nordhri, Sudhri. In deutfcher Mythologie und zwar ſowol in den älteften Quel⸗
len als in ber noch lebenden Volksſage werben zwar Elbe und Zwerge unterſchieden, allan
wegen der urfprünglichen Verwandtſchaft ihres Weſens ift Diefe Unterfcheidung ebenfo werig
eine durchgreifende und feſte al6 jene der Rudras, Maruts, Ribhus u. |. w. in ber indifchen
Mothologie. Im Allgemeinen gelten die Eibe als Licht- und Zuftgeifter (in der Edda Lichtelbe
genannt), welche gewöhnlich heil und ſchön, die Zwerge dagegen ald Erbgeifter (in der Edda
auch Schwarzelbe oder Dunkelelbe genannt), welche meift ſchwarz und häßlich gedacht werden;
doch gibt es auch Mittelftufen in her Farbe, und die Zwerge find weder ſänimtlich häßlich, ned
durchaus an den Erdboden gebannt. Die Bedeutung diefer Weſen hat ſich in der germanifcher
Mythologie entfchiebener dahin ausgebildet, daß fie die in der Stille wirkenden elemıentarez
Kräfte vorftellen, während die Riefen Berförperungen der gewaltigen und tofenden Naturfräft
find. Nach ber Kosmogonie der Edda werben deshalb die Zwerge aus Blur und Gebein dei
Meerriefen gefchaffen; oder entftchen wie Maden in Ymir's Kleifche, während die Schöpfung
des Menfchen erſt fpäter erfolgt, d. h. die aus dem Leibe des Urriefen hervorgegangene Welt
war ungesrdnet, bie Erde unfruchtbar und für Menfchen noch unbewohnbar, bevor die ſtil
wirfenden Naturkräfte ihre Thätigkeit begannen und ben Bötrern ihren Beiftand zur Bändi ⸗
gung und Ordnung ber Welt lichen. Diefe phyfifche, elementare Thätigkeit der Zwerge wird
vom Mythus aufgefaßt als ein Schmieden; fie ſchmieden ben Böttern dasjenige Beräth, deſſer
biefe zu ihrer weltorbnenden und erhaltenden Thätigkeit bedürfen: dem Ddhinn den fiegverlei-
henden Speer Bungnir,dem Donnergotte Thor, zu dem fie überhaupt in engerer Beziehung fie
ber, ben Hammer Miölnir (ber Donnerkeil), dem Freir das Luft- und Wolkenſchiff Skidhbladhnir,
welches fich mie ein Tuch zufammenfalten läßt, ber Erdgöttin Sif, die ihr Haupthaar verloren
hat, neues goldene® Haar (Gras, Blätter und Blumen bes Lenzes). In friedficher Befchäftig
keit führen die „Wichter” oder „Wichtel“ (vom althochbeutfchen wihan, machen, ſchaffen, wibı
Geſchöpf, Ding), die „guten Holden“, das „ftille Volt“ ein glüdliches, durch Spiel und Tan;
erheitertes Leben, auögerüftet mit der überlegenen Erfahrung, Weisheit und Kunflfertigken
oe
-
Zwetſchen Zwickau 83
- der Vorväter, mit geheimer Kunde von ben verborgenen Kräften der Steine und Pflanzen und
den Menſchen freundlich gefinnt, denen fie bei ſchwierigem Werke gern mit Rath und That zur
Band geben, auch Werkzeug und Geräth um billigen Kohn leihen, Schmiedearbeit für geringes
ntgelt fertigen und mancherlei andere Handreichung in den Gefchäften des täglichen Lebens
gewähren. Sie fiehen unter eigenen Königen und wohnen im Innern der Erde, in Höhlen und
Klüften, wo fie prachtige, mit metalliiden Schägen und Kunſtwerken ausgeflattete Gemächer
anlegen, wunderfame Waffen ſchmieden u. dgl.; und noch mancher Sterbliche wird zu ihnen
entruͤckt, mancher auch kehrt reichbegabt aus ihren Königsbauen wieder auf die Oberwelt zu-
rück. Auch in Feld und Wald, im Gebeihen der Heerden und Gewächſe iſt ihre Walten bemerk⸗
bar, und ba6 Echo heißt dvergmäl, Zivergenfprache. Deutlicher noch ſpricht der Mythus biefe
Beziehung auf den Fruchtfegen aus, wenn er bie Zwerge im Gefolge der großen Goͤttin, der
Gemahlin Woban’s, darſtellt, als huldrefolk oder huldufolk die Holda (f. d.) durch Wald und
Selb begleitend, oder als „Heimchen“ auf Berchta's (f.d.) Geheiß die Felder und Fluren der
Dienfchen bewäffernd, während Berchta felbft unter ber Erde mit ihrem Pfluge adert. Diefe
ftille und geheime Thätigkeit ift ber innere Grund, weshalb fie Hein und unfichtbar gebacht wer
den; der Mythus aber nüpft natürlich die Unfichtbarkeit wiederum an ein Außerliches Geräth,
an die Tarnkappe, einen unfichtbar machenden Mantel oder Hut. Wer einem Zwerge die Tarn⸗
fappe abgewinnt, erwirbt damit die Herrichaft über benfelben und durch Anlegung der Tarn⸗
kappe Unfichtbarkeit und erhöhte Stärke, wie Siegfried in der deutſchen Heldenfage. Haben aber
die Zwerge Macht zu nügen, fo befigen fie auch die entfprechende Macht zu fehaden, und fchon
alte Mythen, noch mehr aber bie Volksſagen wiffen Mancherlei zu erzählen, wie fie durch Be
rührung, Anhauchen oder Blid Krankheiten, z. B. den Weichfelzopf, ja felbft Tod bringen fon-
nen, Wechſelbaͤlge ſtatt der Kinder einlegen u. dgl. Doc find fie im Allgemeinen weber diebiſch
noch bösartig, fondern wohlthätig in ihrem Verkehr mit den Menfchen, deren Hülfe auch fie zu⸗
weilen in Anfpruch nehmen, namentlich bei Geburten, bei Erbtheilungen und bei großen Beften,
zu denen fie fich die Benugung von Sälen erbitten, und lohnen geleiftete Dienſte nicht felten
durch Kleinode, welche den Häufern und Familien befonderes Heil bringen. IBährend bie Volks⸗
füge von den Wohnungen der Lichtelbe faft nichts mehr zu berichten weiß, während fie vom den
Rieſen nur magere einformige Befchichten erzählt, hat fie mit voller Xiebe fi) den Zwergen zu⸗
gewendet, baburch aber freilich ihnen das Dämoniſche ſchon ſehr abgeftreift, fie faſt zu menschlich
ausgebildet und vielfach mit verwandten Welen, mit Kobolden, Hausgeiftern, Waſſernixen
u. dgl. vermengt; doch leuchten noch überall bie mythiſchen Züge vernehmlich durch und er-
gänzen willtommen die Dürftigfeit ber gefcehriebenen Quellen. Vgl. Grimm, „Deutfche My
thologie“ (3. Aufl, 2 Thle. Götting. 1854); Kuhn, „Die Spracgvergleihung und die Urge
fhichte der indogermanifchen Volker” in der Zeitfchrift für vergleichende Sprachforichung”
(Bd. 4, Berl. 1854).
wetichen, f. Pflaumen.
widan, Hauptſtadt des gleichnamigen Kreisdirections bezirks (84,5 AM. mit 360457 €.
am 1. Dec. 1852), am linken Ufer der weftlichen ober Zwickauer Mulde in einem anmuthigen
Thale gelegen, unregelmäßig gebaut und von altertHümlichem Unfehen, das feboch immer mehr
verfchmwindet, ift der Sig einer Kreisdirection, eines Appellationsgerichts, einer Amtshaupf⸗
mannfchaft und anderer Behörden. Unter ben fünf Kirchen zeichnet fich bie im fpätern goth.
Stil (feit 1455) erbaute Marienkirche aus, von deren über 300 F. hohem Thurme man eine
weite Ausficht genießt. Indem 1840 zweckmäßig renovirten Innern ift unter mehren Gemälden
eine Segnung ber Kinder vom jüngern Cranach, ſowie der Ultarauffag von Michael Wohl-
gemuth (1479) bemerkenswerth. Die Katharinenkirche befigt ein Altargemälde vom ältern
Lukas Cranach. Sonft find außer dem 1838 errichteten Megierungsgebäube das Rathhaut,
das aus dem 3.1522 herrührende Gewandhaus, das Kreisfrankenhaus, das Bahuboft-
gebäude, fowie dad Gebäude bes Bezirkögerichts zu nennen. Das Gynnafium befigt eine
Bibliothek von 20000 Bänden; auferbem befiehen in 3. eine Bürgerfchule, eine katholiſche,
eine Handels», eine Sonntagd» und eine Nähfchule. Seit 1853 wird die Stadt mit Gab er
leuchtet. Das Schloß Ofterftein, von 1587— 90 neu erbaut, ift feit 1770 in eine Landesar⸗
beitsanftalt umgewandelt worden, in der fih Ende 1854 etwa 770 männliche Detinirte be
fanden. Vor dem Dreifigjährigen Kriege zählte 3. 12000 E., nach demfelben nur noch A009.
Uber legtere Zahl erhob fich die Stadt bis zu Anfang bes 19. Jahrh. nicht; 1850 zahlte man
erft 5000. Doch in Folge des Unfchluffes Sachfens an den Zollverein, der Dierherverlegung der
Wegierungsbehörben, vor allem aber in Folge des Aufblühens des Kohlenbaus war feitdem bie
534 Zwiebel Zwillich
Bevölkerung in raſchem Zunehmen begriffen, ſodaß die Stabt 1846 bereits 10800, 1849 an
41700, Ende 4852 (ohne die Detinirten) 13485 und Anfang 1855 etwa 15000 €. zählte,
bie von dem Betriebe der gewöhnlichen ftädtifchen Gewerbe und Landwirtbfchaft leben. rüber
ftanden Tuchmacherei und Brauerei in hoher Blüte. Außer einigen chemiſchen Fabriken be
ſtehen auch folche für Orleans und Glas. Die Hauptquelle des Reichthums ber Stadt, ſowie
der benachbarten Dörfer Neubörfel, Planig, Rieder-Eainsdorf und Schebewig auf bem linken,
fowie Bockwa und Oberhohndorf auf dem rechten Ufer der Mulde bilden bie reichen Layer
guter Steinkohlen, deren Benugung zwar ſchon 1348 gedacht, deren Abbau aber erft feit 1823
lebhafter betrieben wird. Im 3. 1850 betrug die Ausbeute 840000 Karren (zu 5 bresbne
Scheffel) ; die 200 Eoatsöfen lieferten 425000 Etr. Maſchinencoaks und 75000 Er. Zünber.
Eine im Herbſt 1854 vollendete Eifenbahn fegt bie Gruben in unmittelbare Berbindung mit be
Zwickau⸗Werdauer Zweigbahn, forte überhaupt mit der Sachftfch-Bairifchen Staatseifenbabn.
An Nieder⸗Cainsdorf befindet fich die Königin-Marienhütte, bad größte ſächſ. Eifenwerk. Bei
Planig (einen Dorfe mit 2500 €.) iſt ein fihon feit Jahrhunderten bekannter Kohlenbrand,
der zur Treibgärtnerei benugt wird, bemerkenswerth. Zu Schebewig befteht eine großartige
Kammgarnfpinnerei. 3. wird zuerft 1118 erwähnt, erhielt 1212 Stadtrechte und blieb bis
zum 16. Jahrh. eine der wichtigften Handels - und Gewerbfläbte Sachlens, durch welche fi
ber Hauptverkehr zwifchen Süd- und Norbdeutfchland zog. Die Reichsunmittelbarfeit, welche
die Stadt 4290 erhalten hatte, verlor fie 1348 mieder, worauf fie nach wiederholter Berpfän-
dung an Böhmen und Meißen in ben völligen Erbbefig der meißnifhen Markgrafen fam. Die
Meformation fiegte zu 3. fchon 1521 5 Thomas Münzer übte als Prediger einen kurzen, aber
tiefeingreifenden Einfluß. Vgl. Herzog, „Chronik der Kreisfladt 3.” (2 Bde., Zwick 1834
—45); Derſelbe, „Geſchichte des Zwickauer Steinfohlenbaus” (Dresd. 1852).
Zwiebel Heißt in der botanifchen Kunftfprache eine Knospe, die auf einem zur bloßen
Scheibe verfürzten, nach unten Wurzelfafern treibenden Stamme (Bwiebelftode) fteht. Unı-
geben ift fie von fleiſchigen Blättern, die bei Scheibenpflangen als dicke Schalhäute, bei andern
als Schuppen auftreten und deren äußerfte Schicht, während von innen junge Blätter nad-
wachen, zu einer braunen , lederigen, faferigen oder negförmigen Dede vertrodnet. Zwiebel⸗
knollen nennt man folche Zwiebeln, die mit dem Zwiebelſtocke eine einzige, fefte, fleifchige, ven
wenig Häuten umgebene Maffe ausmachen. Der in den fleifchigen Blättern der Zwiebel ange
häufte Nahrungsſtoff dient zur Ernährung ber über die Exde Hervortretenden Pflanze, bis diefe
ihren Bildungsfaft ſelbſt bereiten kann, weshalb inzwifchen die äußern Zmwiebelblätter dur
höpfung austrodnen, er erhält aber auch den Zwiebeln, wenn fie, vor dem völligen Ber:
trocknen geihügt, außerhalb bed Bodens aufbewahrt werben, ihre Lebenskraft viele Jahre lang.
Neben ber Vermehrung durch Samen pflanzen ſich Zwiebeln auch durch Knospen fort, die ber
einlibrige oder augdauernde Ziwiebelftoc neben ber Hauptzwiebel treibt. Ebenfo erzeugen fid
n den
thum von der Mutterzwiebel trennen und häufig durch fadenförmige Stiele eine Zeit lang mit
Abt verbunden bleiben. Ahnliche Gebilde (Zwiebelfnospen) finden ſich auch in ben Blattwin-
Yeln der Oberftöcke von Pflanzen, die nicht zu den Zwiebelgemächfen gehören, z. B. bes zwiebel⸗
knospigen Steinbrech, erfegen mitunter die Befruchtungsorgane der Blüten, wie beim Alpen:
rispengrafe, und erfcheinen an ber Stelle der Samen bei der aftatifchen Hafenlilie und felbft bei
Kryptogamen, 3. B. manchen Bärlappen und Farrn. — Im gemeinen Leben nennt man Zwie
Bel ſchlechtweg Die des feit den älteften Zeiten allgemein ale Küchengewürz angebauten Swiebel:
Porrey (Allium Cepa), der einen 2—3%. hoben aufgeblafenen Schaft, grundſtändige, hobl-
walaige Blätter und eine vielblütige Straußdolde weißgrünlicher Bluten trägt. Sie komme in
mannichfadden, in Größe, Beftalt und Farbe verfchiedenen Abänderungen vor (runde, faſt
weiße ägyptifche ; plattrunde, weiße und rothe fpanifche; blaßrothe und gelbe ovale ſtrasburger;
holländiſche; braunfchweigifche ; bamberger ; erfurter ; Teeländer ; Heine weiße florentimer Zwie
bei), wird ald Gewürz wie als eignes Zugemüfe gegeffen und gibt unter Anderm in den äußern
Schalen das Pigment zum Gelbfärben der Eier. Diefer, ber Sommerzwiebel, wirb als Win
terzwwiebel der röhrige Lauch (f. d.) entgegengefegt.
Zwillich (auch Orillich oder Drelſ) ift die gemeinfchaftliche Benennung der geföperten oder
einfach und Hein gemufterten Keinenftoffe, welche aber in ganz gleicher Befchaffenheit auch halt
ober ganz aus Baumwolle dargeftellt werben. Seiner verfcgiedenen Beſtimmung nach ift der
Zwillich gröber oder feiner, ungebleicht oder gebleicht oder bunt geſtreift u.f. w. Man unter
ſcheidet Sackzwillich, Bett«, Handtuche, Tifch-, Beinkleiderzwillich.
inkeln der Zwiebelblätter Heine Brutzwiebeln, die fich erft nach hinlänglicdem Wache⸗
Zwillinge Zwingli 385
Zwillinge (Gemelli oder Didymi) nennt man zwei zu gleicher Zeit in berfelben Butter rei»
fende Früchte. Ob biefe in einem und demfelben Geſchlechts acte oder in zwei kurz aufeinander
folgenden erzeugt werden, ift noch nicht ausgemittelt. Gewöhnlich befigt jede Zwillingsfrucht
ihre eigenen Eihäute, felten find beide in ein gemeinfchaftliches Ei eingefchloffen. Da Zwillinge
bes befchränkten Raums wegen nicht gut zur gewöhnlichen Größe bes Fötus gelangen können,
fo erfolgt die Geburt, bei welcher bie eine Frucht der andern meift um einige Stunden, zuweilen
um einige Tage und in feltenern Fällen durch Abortus um einige Monate vorangeht, gewähn-
lich leicht. In manchen Fällen nur, nicht aber in den meiften, find Zwillinge einander zum
wechfeln ähnlich und bleiben fo bis in ihre reifen Jahre. Die Sterblichkeit der Zwillinge ift
bedeutender als die anderer Kinder. Zwillingsſchwangerſchaften, welche am Häufigften in den
gemäßigten Zonen vorkommen, laſſen ſich wol aus gewiffen Anzeichen vermuthen, haben aber
Beine andern beflimmten Merkmale ald das Wahrnehmen der Derztöne beider Kinder an ver-
ſchiedenen Stellen des ſchwangern Leibes. Während von Zwillingsgeburten eine auf ungefähr
80 Geburten gerechnet werben kann, ftellt fi das Verhältniß der andern mehrfachen Beburten
fo, daß eine Drillingsgeburt auf 6— 7000, eine Bierlingsgeburt auf 20—50000 und eine Fünf
lingegeburt auf mehre Millionen anderer Geburten kommt. Häufiger ale gewöhnlich will man
Zwillingsgeburten nach großen Epidemien, 3. B. nach bem Schwarzen Tod, beobachtet haben.
Zwingli (Hulbreih), einer der bebeutendften unter den Reformatoren, wurde zu Wild⸗
haus in der ſchweizer. Sraffchaft Toggenburg 1. Jan. 1884 geboren und war der dritte ım-
tee den acht Söhnen bes dafigen Amtmanns. Beine Studien machte er in Bern, bann auf
der Univerficät zu Wien, wo er fich der Philofophie, und in Bafel, wo er ſich unter Wyttenbach
der Theologie widmete. Er wurde 1506 Pfarrer m Glarus und fludirte anfangs mit großem
Eifer die Tat. Claſſiker und die Kirchenväter, fpäter aber, ald er 1513 Griechiſch zu lernen be
gonnen hatte, das Neue Teſtament. Die Briefe des Paulus ſchrieb ex in ber Grundſprache ab
und lernte fie auswendig, was ibm nachher bei feinen Disputationen gute Dienfte that. Den
Feldzügen dee Glarner für den Papft gegen die Branzofen in ber Lombardei wohnte er 1512,
1513 und 1515 als Feldpriefter bei, für welchen Dienft er bis 1517 vom Bapfte eine Penfion
von 50 Stdn. jährlich bezog. Im 3. 1516 rief ihn ber freier denkende Adminiſttator Beroldsel
als Prediger in das durch Wallfahrten berühmte Klofter Daria-Einfiedeln. Hier fing 3. an,
wider manche in der Kirche eingeriffene Misbräuche zu predigen; auch foberte er die Bifchöfe
zu Sitten und Konflanz auf, zur Verbefferung der Kirche nach Anleitung des göttlichen Worts
thätig zu wirken. Doc war er bamald noch fo wenig verbächtig, daß ihm der päpftliche Legat
Antonio Yuld 1518 das Diplom als Akoluthenkaplan des Heiligen Stuhls gab. Bald darauf
wurde er nach Zürich berufen; er trat fein Amt ale Pfarrer am großen Münfter daſelbſt
41. Jan. 1519 mit einer Predigt an, worin er ſich für.das reine Evangelium und gegen ben
Deritopenzwang erflärte. In diefem Amte, zu dem er 1521 noch eine Stelle als Chorherr er-
hielt, legte er den Grund zu feinem nachmaligen Reformationswerk. Er fand dazu biefelbe
Deranlaffung wie Luther. Im 3.1518 war nämlich Bernardin Samfon, ein Franciscaner
aus Mailand, in die Schweiz gekommen, in ber Abſicht, für den päpftlichen Hof Ablaf zu ver-
kaufen. Z, der bei Samfon’s erſtem Erfcheinen noch in Einfiedeln wer, wiberfegte ſich ihm fo
wol hier als in Zürich mit der ganzen Gewalt feiner Kanzelberedtfamfeie und erlangte fo viel,
daß er in Zürich nicht in die Stadt gelaffen wurde. Bon nun an ging 3., obfihon von ben
Mönchen und von manchen Chorherren feines Stift6 angefeindet, immer weiter; denn die
Obrigkeit in Zürich unterflügte ferne Verbefferungen dergeftalt, daß fie ſchon 1520 einen Be⸗
fehl durch ihr Gebiet ergehen Tief, vermöge deſſen das Wort Gottes ohne menfchliche Zufäge
gelehrt werben follte. Im J. 1522 wurde in Zurich die Reformation auch in äußerlihen Sa⸗
den vorgenommen. Gleichzeitig fchrieb 3. fein erſtes Buch gegen die Faften ber rom. Kirche;
auch fing er an mit ber hebr. Sprache fich zu befchäftigen. Die von Hadrian VL ihm gemachten
Anerbietungen zu hoben geifllihen Ehrenftellen machten ihn niche wantend. Im San. 1523
Iud der Stand Zürich alle Theologen, die 3. eined Beffern überführen könnten, zu einer Unter-
redung nach Zürich ein, und es wohnten derfelben gegen 600 geiftliche und weltliche Perfonen
bei. 3. Hatte feine Glaubensartikel, weiche ber Begenftand der Unterredung fein follten, an der
Zahl 67, aufgefegt und vertheidigte fie gegen die Einwendungen des berühmten Joh. Faber,
nachmaligen Biſchofs zu Wien, fo glücklich, daß der Hath'zu Zürich 3.8 Lehrart als richtig an⸗
erkannte und benfelben nebft feinen Gehülfen bei derſelben beftätigte. Die zweite Disputation,
im Det. 1523, bei welcher 3. vor mehr als 900 Perſonen gegen ben Bilderdienſt und die Meffe
ſprach, Hatte die Entfernung aller Werke ber bildenden Kunft aus ben Kirchen ber Stadt Zürich
586 wien Bwirner
und ihres Gebiets, fowie 1524 die Abfchaffung der Meffe zur Folge. Noch in bemfelben Jahre
trat 3. in den Ehefland mit der ſchon Ajährigen Anna Reinhard, der Witwe des Junkert
Meyer von Knonow. Im folgenden Jahre gab er fein Glaubensbekenntniß „Von ber wahren
und falfchen Religion“ heraus. Er hatte fomit in wenig Jahren das Neformationswerk in fe
nem Baterlande auf einen ziemlich feflen Fuß gebracht. Mit Eifer wirkte er nun für Daffelt«
fort, während die Obrigkeit zu Zürich, die ihn fortwährend fehr thätig unterflügte, die Bettel-
mänche abfehaffte, die Ehefachen vor die weltlichen Berichte zog und eine beffere Verwaltung
der Kirchengüter anorbnete. 3. war mit Luther und den andern beutfchen Reformatoren in
vielen Punkten einig, nur verfuhr er in liturgifher Beziehung mehr, wie Karlftadt (f. b.),
biblifch radical und verwarf dad Dogma von der Gegenwart Chrifti im Abendmahle. Um ben
wegen der legten Verſchiedenheit ſchon 1524 ausgebrochenen Zwift ber beiden neuen Reli»
gionsparteien zu heben, wurde vom Landgrafen zu Heflen, Philipp denn Großmüthigen, 1. Det
1529 eine Zuſammenkunft awifchen den fächl. und fchweizer. Neformatoren zu Marburg ver
anftaltet, die drei Tage währte. Indeß einigten fich Luther und 3. bafelbft doch nur inſoweit,
daß man fich gegenfeltig mit chriſtlicher Liebe begegnen wolle. Als 1531 ber offene Krieg por
fen Zürich auf der einen und den kath. Cantonen Luzern, Schwyz, Uri, Unterwalden und Zug
auf der andern Seite ausbrach, mußte 3. auf Befehl bes züricher Rath mit Dem Banner dei
Gantons, beffen Führer jederzeit ein Beiftlicher war, zu Felde ziehen. Am 11. Oct. kam es zum
Angriff. Da aber die Gegner den Zürichern mehr ald doppelt überlegen und auch befier ange:
führt waren, fo wurden die Legtern gefchlagen, und 3. war unter Denen, die für das Vaterland
fielen. Einen Auszug aus-feinen „Sämmtlihen Werken” (Zür. 1545; 4 Bde, Zür. 1581)
beforgten Ufteri und Vögelin (2 Bde, 1819— 21) ; feinen gefammten ſchriftlichen Nachlaß ga-
ben Schuler und Schultheß heraus (Zür. 1828). Vgl. Notermund, „Z.'8 Leben” (Brem.
1818); Dottinger, „Huldr. 3. und feine Zeit” (Zür. 1842).
Zwirn beißt allgemein jeder Faden, welcher Durch das Zufammendrehen (Swirnen) zweier
oder mehrer Garnfäden gebildet ifl. Dem Material nach unterfcheidet man Leinen«, Baum
wollen», Wollenzwirn; nad ber Anzahl darin vereinigter Garnfäden heißt er zwei⸗, dreie,
vier-, ſechsdrähtiger Zwirn u, ſ. w.; die Gebrauchszwecke werben durch die Namen Nähzwirn,
Strid-, Stid«, Litzenzwirn u. f. w. ausgebrüdt. Auch die Weberei bedient fich in einzelnen
Fällen gezwirnter Garne, namentlich zur Kette gewifler Zeuge. Ein gezwirnter Faden über
haupt bietet Vorzüge in Anfehung der Blätte und Gleichförmigkeit, Rundung und Feſtigkeit
dar, wenn er mit einem gleich dicken einfachen Garnfaden verglichen wird. Zur Zwirnfabrika-
tion bebient man fich eigener Zwirnmaſchinen, auf welchen viele Fäden gleichzeitig gezwirn
werden. Vorzüglich gefchägt find die engl. Hanf⸗, Leinen- und Baummollenzwirne; Leinen
zwirne feiner Art in mancherlei Farben liefert auch Belgien von ausgezeichneter Schönheit; in
Deutfchland eifert man biefen beiden Vorbildern mit Erfolg nach.
Zwirner (Ernft Zriedr.), Dombaumeifter zu Köln, preuf. Geh. Regierungs- und Bau-
rath, geb. 28. Febr. 1802 zu Jakobswalde in Schlefien, follte fiy nach dem Wunſche feine
Vaters, der bort Hütteninfpector war, ebenfalls diefem Sache widmen, für das er ſchon alt
Knabe Anlage zeigte, bezog aber bei feiner vorzüglichen Neigung zur Baukunft, nachbem er
feine Gymnaftalftudien gu Brieg vollendet, die Baufchule zu Breslau, die er bereits 1821 ver-
laſſen konnte. Er ſah fich genöthigt, in die praftifche Wirkfamkeit zu treten, um ſich Mittel zu
feinen weitern architeftonifchen Studien zu verfchaffen, benen er vier Jahre hindurch bie Aug
1828 auf der königl. Bauakademie und der Univerfität zu Berlin oblag. Gleich darauf ale
Hülfsarbeiter in die Oberbaudeputation eingetreten, ward er im Frühjahr 1829 nad Kolberg
gefandt, wo ihm ber ſchwierige Wieberaufbau des goth, Rathhauſes nach Schinkel Plane
übertragen wurde. Nach Erledigung dieſes Auftrags zur Oberbaudeputation zurückberufen,
fand er günftige Gelegenheit, in Den verfchiedenen Zweigen der Baukunſt thätig zu wirken und
namentlich auch unter Schinkel's Reitung viele größere Bauprojecte zu bearbeiten. Na dem
Tode Ahlert's ward ihm 14. Aug. 1833 der Dombau zu Köln überwielen, der umter feiner
Zeitung in eine neue Ara trat. Neben gewiffenhafter Berüdfichtigung der Reſtauration war
fein Hauptbeftreben auf ben gänzlichen Ausbau gerichtet. Ein forgfältiges Studium des be
reits Vorhandenen fepte ihn in den Stand, vollftändige Plane für die Vollendung des Doms
im Geifte des alten, fowie richtigere Koftenanfchläge aufzuftellen. Die glüdlihen Grfolge bei
Weflaurationsbaus erwedten Vertrauen und Theilnahme; vor Allen aber widmete König
Friedrich Wilhelm IV. dem Ausbauprojecte feine Aufmerkfanteit, deffen Ausführung er 1842
befahl, zu dieſem Behufe 50000 Thlr. jährlich bewilligend. Mit diefer Summe fowie den reich
-.— — — — J — ⸗ — —
Bu su
Zwiſchenact Zwiſchenherrſcher 587
lichen Beiträgen, die von verfchiebenen Seiten her zufloffen, hatte 3. feitbem Ende 1854 ben
großartigen Kunftbau auf ber Nord- und Sübfeite in feinen Ringmauern vollendet, ſodaß nur
die noch fehlenden Gewölbe mit ihren zugehörigen Strebebogen hinzuzufügen find. Die Ziew
lichkeit und ſtilgemäße feine Durchbildung der Ornamente und Blätterwerke, die reine Ent
widelung der fchönen architeftonifchen Profilirungen, das hohe Verfländnif in der überaus
zwedmäßigen Gonftruction und die Genauigkeit in den ſchwierigen Steinfchnitten haben den
ungetbeilteften Beifall der Sachlenner gefunden. Obgleich der Dombau 3.6 Thätigkeit faft
gänzlich in Anfprucd nimmt, fo find Doch mehre andere feiner Plane zur Ausführung gelangt.
Bor allem iſt Die Apollinariskicche zu Remagen zu nennen ; von feinem Plane zur Schloßkapelle
in Schwerin wurde nur ber Chor ausgeführt. Mehre nach feinen Planen erbaute Heinere Kite
chen zeichnen fich durch zierliche Verhältniſſe aus. Bon feinen Wohngebäuden ift beſonders das
1844—52 neu erbaute Schloß des Grafen von Fürſtenberg zu Derdringen, im thein. Bur«
genftil, hervorzuheben. Nach 3.5 Planen in Reftauration begriffen find die Schlöffer Arenfels
und Moyland am Rhein. Seit 1848 iſt 3. Vorfland der Bauverwaltung für den gefammten
Regierungsbezirk Köln.
Zwiſchenact, f. Set.
wifchenfelder, f. Metopen.
wifchenbandel, f. Handel.
wifchenherrfcher ift nicht zu verwechfeln mit Zwiſchenreich oder Interregnum (f. b.).
Wenn in einem monarchiſchen Staate bie Iegitime Regierungsfolge durch eine äußere oder in.
nere Gewalt (Eroberung ober Revolution) unterbrochen, fpäter jedoch wieberhergeftellt wird,
fo nennt man Denjenigen, welcher in biefer Zmwifchenzeit bie Regierungsgewalt befaf und aus⸗
übte, im Berbältniß zu ber legitimen Dynaſtie, beren Reihefolge er unterbrach, einen Zwiſchen⸗
herrſcher. Solche Zwiſchenherrſcher waren Napoleon I. und die von ihm in Spanien, Reapel,
Weſtfalen und anderwärts eingefegten Fürſten. Inwiefern eine ſolche Zwiſchenherrſchaft als
eine berechtigte, Iegitime anzufehen fel, und welche Rechtöfolgen ihre Acte für bie Staatsange⸗
hörigen des betreffenden Landes, fowie für den Staat felbft in feinen Berhältnifien zu andern
Staaten haben, ift eine in der Wiſſenſchaft wie in der Praxis noch vielbeftrittene Frage. Dat
der alte Herrſcher für fich und die Seinen auf fein Herrſcherrecht fürmlich verzichtet, fo fleht na⸗
türlich diefer Dynaftie, gegenüber der neuerrichteten Drbnung ber Dinge, Feinerlei Einſpruch
oder Anfpruch mehr zu. Anders ift es, wo diefer Verzicht fehlt. Hier fragt es fich, ob die Un⸗
terthanen berechtigt und verpflichtet find, bie neue Herrſchaft anzuerkennen und ihr zu gebors
chen, folange der alte Herrfcher oder deſſen rechtmaßige Erben leben und ihre Rechte auf die
ihnen entriffene Gewalt fortwährend, wenn auch nur etwa in ber Form von Proteflationen,
behaupten. Folgende Srundfäge find für ſolche Fälle die zumeift, wenn auch nicht allgemein
als gültig anerkannten: Wenn der alte Herrfcher nichts thut, beziebentlich nichts thun kann, um
fein Recht thatſächlich wieberherzuftellen und feine Unterthanen gegen die ihnen angemuthete
Unterwerfung unter den Eroberer ober Ufurpator zu ſchützen, fo tritt für den einzelnen Unter⸗
than zulegt ein Zuftand des Nothrechts ein, Praft deffen ex nicht nur berechtigt, fondern ſelbſt
verpflichtet ift, der neuen Ordnung ber Dinge fi zu fügen, damit nur überhaupt ein fefler
Rechts zuſtand zurückkehre. Unficher bleibt freilich, von wenn an biefer Zuftand zu rechnen fe
Dabei ift jedenfalls zu unterfeheiden zwifchen den Fällen, wo es fh um Megierungsarte han⸗
delt, denen jeder Staatsangehörige fich fügen muß, wann er nicht ber Gewalt Gewalt entgegen»
fegen will, und folcgen, wo nur ein freiwillige Vertragsverhältniß zwifchen Herrſcher und Pri⸗
vaten ſtattfindet. Wenn die Unsterthanen die von dem Zwiſchenherrſcher ausgefchriebenen
Steuern bezahlen, fo wird man fie deshalb auch nach Wiederbefeitigung bes Letztern nicht ver⸗
antwortlich machen können. Wenn dagegen Jemand ein freimilliges Gontractöverhältnig mit
einem folchen eingeht (3. B. einen Kauf von Staatögütern oder bie Betbeiligung an einer frei»
willigen Staatsanleihe), fo kann allerdings zweifelhaft fein, inwiefern bie wiebereingefegte legi⸗
time Herrſchaft verpflichtet fei, folche von dem Zwiſchenherrſcher eingegangene Verbindlichkei⸗
ten anzuerkennen. In vielen Fällen werden theild Nechtögründe (3. B. mern das abgeſchloſſene
Geſchaͤft dem Lande oder gar dem wiedereingefegten Herrfcher Nugen bringt), theils Billig»
feitögründe diefe Anerkennung empfehlen. Nicht zu verweigern ift diefelbe, wo ein Zwiſchen⸗
herrſcher die völferrechtliche Anerkennung ber europ. Staatenfamilie oder wenigſtens der eurag,
Großmãchte erlangt bat. Denn nach dem beftehenden europ. Völkerrecht ifl man berechtigt am
zunehmen, daß dadurch nicht blos ber neue Zuſtand der Dinge eine auch für das innere Staats⸗
recht wegen feiner nothwendigen Wechſelwirkung mit dem äußern nicht wohl abzuweiſende
588 Zwifchenreich Zwölfnädte
Sanction erlangt habe, fondern, was hier. faft noch entfcheibender, ber vertriebene Herrſcher ver-
fiert Damit die legte Ausficht auf Wiedergeminnung feines Throne, und der vorher nur precäre
Zuſtand der Smifchenherrfchaft wirb zu einem befeftigten. Von einer Zmifchenherrichaft im obi-
gen Sinne und von Zweifeln an der Rechtögültigkeit ber neueingefegten Regierung kann felbfl-
verftändlich da nicht die Nede fein, wo biefe Einfegungundbie Entfegung der frühern Regierung
durch eine dazu berechtigte Gewalt gefchab, dergleichen etwa in England, nach den dort geltenden
Staatsrechtsprincipien, in gewiffen Fällen (3. B. beim Katholiſchwerden des Herrſchers ober
Thronfolgers) das Parlament fein würde. Auch wo dies nicht der Fall iſt, mo aber doch bie
neue, wenn ſchon Durch Gewalt, Ufurpation oder Empörung an die Stelle ber alten gefegte
Herrſchaft von ber verfaffungsmäßigen Vertretung ded Landes anerkannt wird, da erhält ber
neue Rechtszuſtand ebenfalls eine folche Weihe innerer Berechtigung und eine ſolche Bürg⸗
Schaft äußern Beſtandes, daß für den einzelnen StaatSangehörigen bann gleichermaßen die Be
denken wegen Anerkennung beffelben fich erledigen. Unter dem alten feubalftändifchen Syſteme
pflegte man auf folche Weiſe durch Zuftimmung ber fländifchen Gorporationen eine neueinzu-
führende Herrſchaftsordnung legitimiren zu laffen, und e6 kann nicht zweifelhaft fein (mie Dies
auch feitens der europ. Großmächte, 3. B. bei der Einfegung der Orleans an die Stelle ber
Bourbons in Frankreich durch die Repräfentanten des Landes, thatfächlich anerkannt worben),
- daß der durch die verfaffungsmäßige Landesvertretung gefeglich ausgeſprochene Volkswille
mindeftens die gleiche Kraft befigen müſſe.
Zwifchenreich, f. Interregnum.
Zwiſchenſpiel oder Interludium heißt ein kürzerer Sag, mit welchem der Organiſt bie ein-
zeinen Zeilen ber Choralgefänge ausfüllt. Dft find diefelden in bem Choralbuche vorgefchrieben,
häufiger werben fie jedoch bem Organiften ſelbſt zu erfinden überlaffen. Anleitungen, fie zweck-
mäßig einzurichten, finden fich in den Schriften über Drgelfpiel von Türk, Bierling, Beder,
Schneider, Ritter u. _
witter, Zwitterbildung, f. Hermaphroditismus.
wölffingerbarm (duodenum) heißt das oberfte hufeifenförmige Stück des Darm-
kanals und zwar bed Dünndarm, welches mit dem Magen im Zuſammenhange fleht, etwa
zwölf Finger breit fang und infofern für die Verbauung (ſ. d.) von Wichtigkeit ift, als ſich im
baffelbe Galle und Bauchfpeichel zum Speifebreie ergießen.
Zwölfnächte oder die Zwoͤlften, auch Raubnächte, Loßtage Heißt in Deutfchland die durch
mancherlei noch jegt daran haftende abergläubifche Vorftellungen und Bräuche ausgezeichnete
Zeit von Weihnachten bis Dreikönigstag, ober vom 25. Dec. bis zum 6. San. Auf ben Mit
winter, auf die winterliche Sonnenmende fiel unfern heibnifchen Vorfahren, deren Götter haupt ⸗
fächlich Perfonificationen von Naturkräften waren, eines ber drei großen Opfer und Berichte,
welche nach den Jahreszeiten fich fo vertheilten, daß bie beiden andern auf Lenz und Dochfom-
mer trafen. Deshalb herrfchte in diefen Tagen Gerichtöfriebe, Alles ergab fich der Feſtfreude,
und die Götter machten über die Heilighaltung ihrer geweihten Zeit. Noch jegt erzählt das
Landvolk in den meiften Gegenden, bald noch gläubig, bald fcherzend, daß in biefer Zeit alle oder
doch manche Arbeit gänzlich ruhen, Fein Rab fich drehen, kein Miſt ausgetragen unb befonders
nicht gefponnen werden folle. Bötter, deren Namen fogar noch Häufig genannt werben, fizafen
ben ihre Macht verachtenden Übertreter, beſonders Mägde, bie ihren Roden nicht abgefponnen
haben. Auch das Haus muß fauber fein, und feine Ruhe und Ordnung darf nicht geftört wer»
den. Als Symbol des nach der Wende wieder auffleigenden Sonnenrades leuchten in Schwe⸗
ben und theilweife in Norwegen noch bie Julfeuer, wird in England der Julblod im Kamine
verbrannt, werden in Nordbeutfchland angezündete Räber von Abhängen Hinabgerolit, in Güb-
beutichland Räder und Scheiben getrieben. Hauptſächlich galt das Feft in Deutſchland dem
Wodan (f.d.), dem in Auft und Wetter waltenden Botte, der mit der fteigenden Sonne neuet
Leben der Natur herbeiführt und fo ber Förderer aller Güter und Gaben wird. Er brauft in
den Zwölften dahin mit feinem Wilden Heere (f. b.), und auch zahlreiche Nefte mimifcher Dar
flellung von feinem Kampfe mit dem Winter haben fich erhalten. Spärlicher find bie Spuren
von einem Eulte des Freir. Dagegen tritt um fo deutlicher hervor die Geftalt der Gemah⸗
lin Wodan's, der fegenfpendenden Erdgöttin Fricke, Holle, Bode, Herke oder Perchta, welche
adleichfalls mit dem Wilden Deere zieht, aber auch die Däufer und zumal die Spinnfluben durch
muftert, da Flachs, Spinnen und Weben unter ihrer befondern Obhut fliehen. Sie erfchei
aber in ber noch lebendigen Volksüberlieferung in doppelter Geſtalt, bald mild und freundlich,
bald rauh und grauslich. Gin Überreft der heidnifchen Feſtfeier ift dab über bie ganzen deu
Zwölftafelgefeg 589
ſchen Alpen verbreitete Perchtenlaufen ober Perchtenfgeingen, ein lärmender Umzug vermunmt«
ter Burfchen. Vermummuug, zumal aud in Ihierlarven, muß um Neujahr im heidniſchen
Brauch fehr beliebt geweſen fein, da Goncilien, Beichtbücher und Prediger fo haufig und ernſt⸗
lich dagegen geeifert haben. In denfelben Kreis gehört der um Weihnachten unmandernde
Knecht Ruprecht (d. i. Hruodperaht, der Ruhmglänzende), oder die an feine Stelle getretenen
kirchlichen Heiligen Joſeph, Nikolaus u. A., mit Maria, welche die Stelle der Berchta vertritt.
Andere Refte der heidniſchen Zeftfeier, Erinnerungen an die Opfenmähler, find die beflimmten
Speifen und Gerichte, als Knödel, Mehlbrei, gelbe Rüben, Heringsfalat, Karpfen, Mohnklöſe
nu. bgl., welche ſich je nach den verfchiebenen Landſchaften verfchieden für Weihnachten, Sylve⸗
fter und Dreitönigstag mit dem daran haftenden Glauben fortpflanzen, daf ihre Genuß Heil,
ihre VBernachläffigung irgend welchen Unfegen bringe. Auch wird hier und ba noch ber Gottheit
ihr zugeboriges Theil des Opfers gefpendet, 3. B. ber Berta Brot und Nudeln auf den Kü-
chentifch geftellt, oder ber Tifch die Chriſtnacht über für die Engel gededt gelaffen. Ja fogar be»
fondere Kormen des Gehäcks erben fich noch fort, wie einfl im heidnifchen Alterthume Bilder
von den Göttern und ben ihnen heiligen Thieren aus Teig in ben Tempeln gebaden wurden.
So heiliger Zeit muß aber auch heilige Kraft inwohnen. Daher ber Glaube, da die Thiere in
ber Chriſtnacht miteinander oder mit Beiftern reden, und mandherlei an die Zmölften gefnüpfe
ter Aberglaube und abergläubifcher Brauch in Beziehung auf die Förderung bes Gebeihens
und der Fruchtbarkeit von Thieren und Pflanzen. So auch wird aus Wetterbeobachtungen in
ben Zwölften bie Witterung des kommenden Jahres gefchloffen, und Träume in diefer Zeit gel-
ten für befonder® vorbebeutend. Endlich thun auch in diefen Nächten bie Schäge ſich auf und
find für den Kundigen, doch freilich nicht ohne Gefahren, zu gewinnen; ja fogar bie Babe der
Unſichtbarkeit Läßt füch in ben Zwölften erlangen. Im proteft. Norbbeutichland hat ſich von al
Ien dieſen heidniſchen Erinnerungen mehr und Beflimmteres erhalten als in Süddeutſchland,
weil dort bie Belehrung fpäter und gewaltfamer erfolgte und dann bie Reformation über ber
Sorge für Die Befefligung und Reinerhaltung ihres evangel. Lehrbegriffs jene großentheild harm⸗
Iofen Reſte eines laͤngſt überwundenen Heidenthums mit gleichgültigern Blicken überſah, bis end⸗
lich in neuerer Zeit theils Polizei, theils der Kortfchriet der Aufklärung und nüchterner Verftäne
digkeit felbft auch ihnen befchleunigten Untergang bereiten. Vgl. Jak. Grimm, „Deutſche Mytho⸗
logie” (3.Aufl.,2Bde., Gott. 1854); Weinhold, „Weihnachtsfpieleund »Lieder” (Grät 1853).
Zwölftafelgefeg (Lex duodecim tabularum). Die Willtürlichkeit, mit der in den erſten
Zeiten ber rom. Republik die Confuln in der Ausübung ihres Amts gegen die Plebejer ver-
fuhren, veranlaßte 465 v. Chr. den Tribun Cajus Terentillus Arſa zu dem Geſetzvorſchlag,
es follten fünf Männer zur Abfaffung von Gefegen, durch welche die Grenzen der confular«
chen Amtögewalt beftimmt würden, gewählt werden. Der Vorfchlag ging wegen bed Wider⸗
ſtands der Patricter nicht durch; die folgenden Zribunen nahmen ihn wieder auf und erwei⸗
terten ihn bahin, daß durch zehn Männer Geſetze zur Zeftftelung der rechtlichen Verhältnifſe
überhaupt abgefaßt werben follten. Erft 454 ging ber Senat darauf ein, und es wurden zunächſt
drei Männer nach Athen gefenbet, um die dortigen Befege kennen zu lernen ; doch Ift diefe Ge⸗
fandefchaft und wenigſtens, daß fie nach Achen gegangen, von Mebren bezweifelt worden, dage⸗
gen aber fo viel gewiß, daß die Geſetze, die jpäter zu Stande kamen, nichts von den Griechen
Entlehntes enthielten, fondern eigenthümlich und echt römifch waren. Nach der Rückkehr ber
Sefandten 451 und nachdem den Plebejern die Erhaltung ihrer Freiheiten zugefichert worben,
welche die Leges sacratae ihnen zugeftanben, trat nach dem Vorſchlag bes Senats an die Stelle
der biöherigen Magiftrate ein Collegium von gehn Männern, die mit der höchſten Gewalt ohne
Provscation den Auftrag erhielten, die Gefege zu entwerfen. (&. Deeemviri.) Bei biefer Ar⸗
. beit, die wenigſtens zum Theil in der Confolidation bes früheren Herkommens und einzelner
früherer Geſetze beftanden zu haben fcheint, foll den Decemvirn ein vertriebener Ephefiner,
Hermobdorus, bebülflich gewefen fein. Noch in bemfelben Jahre wurben die Gefege, auf zehn
Zafeln aufgezeichnet, von dem Volke in Genturiatcsmitien beftätigt. Das Vorgeben, es feien
noch Ergänzungen hinzuzufügen, führte die Verlängerung des Decemvirats herbei; an ber
Spige der neuen Decemvirn fland der wiedergewählte Appius Claudius (f.d.). Sie herrfchten
tyrannifch ; auch die Gefege der zwei Tafeln, die fie zu den alten binzufügten, werben als un«
gerechte bezeichnet. Nach dem Sturz der Decemvirn 449. wurden die Gefege, aufammen auf
zwölf eberne Tafeln eingegraben, öffentlich ausgeftellt, unter den Conſuln Lucius Valerius und
Marcus Horatiuk Sie blieben bis in die Kaiferzeit die Grundlage des Rechts, wenn auch buch
neu hinzukommende Rechtsquellen und durch Umgeftaltung der Verhältniſſe ihr praktiſcher
7
590 Zwoͤlften Zwolle
Werth in den Hintergrund geſtellt wurde; auch über bie öffentlichen Staatsverhäftnifie ent⸗
hielten fie Beftimmungen, von benen mwenigftens die, welche auf den Tafeln der erften Decem-
virn enthalten waren, die Vereinigung der Patricter und Plebejer zu einem Volke bezweckten
wie fie in der That auch darauf in mehren Stüden zu Stande kam. Die Bruchftüde aus
ben Gefegen ber zwölf Tafeln, die durch Anführungen bei den_alten Schriftftellern noch auf
uns gefommen find, hat Dirkfen am beften zufammengeftellt („Überficht der bisherigen Ber
ſuche zur Kritik und Herftellimg des Tertes ber Zwölftafelfragmente”, Lpz. 1821).
Zwölften, ſ. Swölfnädte.
Zwolle, Hauptftabt der nieberländ. Provinz Overyffel, unmeit der Yſſel und Vechte, die
durch den Kanal Willemsvaart feit 1819 in Verbindung gefegt find, iſt durch elf Baftionen und
drei ſtarke Forts gut befeftigt und im Ganzen regelmäßig gebaut. Sie har einen Seehafen und
19000 E., die fi hauptſächlich mit Färberei, Hut-, Strumpf-, Baumtmollen- und Radelfa-
britation, Gerberei, Seilerei, Wachsbleichen, Salzſiederei, Schiffsbau, Schiffahrt und Handel
befchäftigen, ein Gymnaſium, eine Kunftfchufe, ein Theater und ein Zuchthaus. Auf dem na-
ben, jegt mit Anlagen gezierten Agnetenberge, einem ehemaligen Klofter, lebte Thomas a Kem-
pis. 3. war fchon frühzeitig eine bedeutende Handelsftadt und wurde durch Wilbrand von DI.
benburg als Bifchof von Utrecht 1223 befeftigt. Später wurde es Freie Reichsſtadt und Mit-
glied der Hanfa. Nach ber Vertteibung ber Katholiken 1580 ſchloß fich die Stadt den General
ftaaten an. Im 3. 1672 übergab fie ſich dem Bifchof von Münfter, Bernd. von Galen, durch
Capitulation. Die Feſtungswerke wurden 1674 gefchleift, aber bald wiederbergeftellt.
Nachtrag.
Diefer Nachtr aͤlt Artikel, welche in bem Werke verwieſen iſt, die aber
Sieſer Reqhtrae en Plat Fan ben lm Stellen nicht erhafen jaben.) uns Derfihen
Abd ⸗ ol · latif ‚ arab. Geſchichtſchreiber, war 1161 zu Bagdad geboren, erhielt eine gute
Erziehung und widmete ſich wohlvorbereitet den medicinifhen Studien. Um 1185 verließ er
feine Vaterſtadt und wandte jih zunächſt nad Moful, dann nah Damascus und fpäter nad
Serufalem, von wo er fi zu Saladdin begab. Bald yatte er bie Gunſt bes Legtern ſowie die
Sreundfchaft feines Veziers, des Bohaeddin, erworben. Bon einer Reife nach Agypten zurüd-
gefehrt, lebte ex zu Damascus, wo ihm Saladbin eine Penfion angeriefen hatte, und ftarb, eben
im Begriff, die Wallfahrt nach Mekka anzutreten, 9. Nov. 1231. Unter feinen zahlreichen
Schriften find e6 beſonders zmei, die ihm eine Stelle unterden bebeutendften Geſchichtſchreibern
der Araber fihern. In ber erften berfelben berichtet er in 15 Büchern Alles, was er in Agyp⸗
ten theils ſelbſt gefehen, theild was er über baffelbe gefammelt hatte; in der zweiten madht er
fehr exacte Mittheilungen über Lage und Klima, die Probucte, die alten Denkmäler, die Nah⸗
rungsmittel u. f. w. Agyptens, ſowie über den Nil und bie große Hungersnoth, die das Land
1200—1 verwüftete. Mit vortreffliher Erläuterung warb legtere Schrift des U. von Silo
de Sacy (Par. 1820) ins Franzöoſiſche überfegt.
AHetes war der Sohn bes Helius und der Perſeis oder der Antiope, Bruder ber Circe und
Paſiphat und der Gemahl der Ibyia, mit ber er die Medea (f. d.) zeugte. Als Phrixus das
Goldene Bließ nach Kolchis brachte, war er: bafelbft König. Ex wurde von feinem Bruder
Derfes der Herrſchaft beraubt, von der Tochter Medea aber wieder eingefegt. Eine wichtige
Mole ſpielt W. nebſt feiner Tochter in der Geſchichte des Argonautenzugs. (S. Argonauien.)
Altbän, eine Tochter des ätolifchen Könige Theſtius und ber Eurgthemis, war die Ge
mahlin des Oneus (ſ. d.), Königs von Kalydon, dem fie unter andern Kindern ben Meleager
gebar. Nach Apollodor galt indeffen Regterer auch für einen Sohn der U. aus dem Umgange
mit Mars und ihre Tochter Dejanira (f. b.) für eine Frucht ihres Umgangs mit Bachus. Be⸗
fonders befannt wurde A. durch ihr Schickſal. Im Zorn veranlafte nämlich die Mutter den
Tod ihres Sohnes Meleager, ber ihre drei Brüber erfchlagen hatte, und gerieth dann über ihre
That in folche Verzweiflung, daß fie fich felbft umbrachte. Näheres darüber f. unter Meleager.
Begleitfcheine Heißen im Deutfchen Zollvereine zollamtliche Ausfertigungen, welche ben
Zweck haben : entweder 1) den richtigen Eingang im inlaͤndiſchen Beflimmungsorte oder bie
wirflich erfolgte Aus⸗ und Durchfuhr folder Waaren zu fichern, die ſich nicht im freien Ver⸗
kehr befinden, auf welchen alſo noch ein Zollanfpruch haftete („Begleitſchein Nr. J.); oder
2) lediglich die Erhebung des durch vollftändige Revifion ermittelten und feftgeflellten Ein-
gangszolle für ſolche Waaren einem andern dazu befugten Amte gegen Sicherheitsleiftung zu
überweifen („Begleitfchein Nr. 11.).
Browne (Bir Thomas), engl. Philoſoph, wurde 19. Det. 1605 in London geboren, ſtu⸗
biete auf den Univerfieäten Oxford und Leyden und ließ fi 1636 als Arzt in Norwich nieber.
Hier ſchrieb er feine „Religio medici”, eine Art von philoſophiſchem Glaubensbekenntniß,
weldhe 1642 erfihien und fich durch Kühnheit und Originalität der Gedanken, tiefe Gelehr⸗
ſamkeit und eine poetifche, bilberreiche, werm auch gefchraubte und überladene Sprache aus⸗
zeichnet, dem Werfaffer aber, trog feiner aufrichtigen Neligiofität, den Borwurf des Unglau-
bens und fogar des Atheismus zugog. Allgemeinere Verbreitung und Popularität erlangte
feine „Pseudodoxia epidemica, or treatise on vulgar errors (Lond. 1646 ; deutfh, Nürnb.
1680), worin er die im Volke und auch unter den gebildeten Ständen feiner Zeit gangbaren
Iersgümer zufammenftellt und wiberlegt. Die Auffindung einiger alten Graburnen in ZBal-
8
592 Nachtrag. 7 .
fingham gab zu feiner „Hydriolaphia, or urn burial” (Xonbd. 1658; 4. Aufl., 1756) Beran-
laffung. Bon Karl IL. 1671 zum Ritter gefchlagen, ſtarb er an feinem Geburtötage 19. Det
1681. Eine Folioausgabe feiner ſämmtlichen Werke erfchien 1686. Außerdem hat man nod
von ihm „Miscellany tracts” (Xond. 1684), „Posthumous works” (fLond. 1712) und eine
Sammlung von Aphorismen unter dem Titel „Christian morals” (Cambridge 1716). Sein
Leben befchrieb Sam. Johnſon. Eine neue Auflage feiner „Vulgar errors” wurde 1852 von
dem Iondoner Verleger Bohn veranftaltet. — — Browne (Edward), Sohn des Vorigen, geb.
1642, war Leibarzt Karl’ I. und Präfident des Royal college of physicians und made fid
durch feine Reifen in Deutfchland und Ungarn bekannt. Er ftarb 27. Aug. 1708.
Buol-Schauenftein, ein uraltes, aus Graubündten ſtammendes Adelsgeſchlecht, das in
neuerer Zeit bem öſtr. Kaiſerſtaate mehre ausgezeichnete Staatsmänner gegeben. Joh. Ant
Buol erhielt 1649 den Reichsadel, deffen Sohn Paul 1690 die Reichs freiherrenwürde. Bor
des Letztern beiden Enkeln war der ältere, Rudolf Anton, geb. 13. Juli 1705, öftr. Sefandter
in ber Schweiz und flarb im 3. 1763. Der andere Enkel, Johann Anton, wurbe von feinem
Dbheim, dem öſtr. Feldmarſchall Grafen Franz Thomas von Schauenftein, ber 1759 von
Karl VL in den Reichögrafenftand erhoben worden, aboptirt und erbte 1742 deffen Titel und
Güter. — Nach dem Ausfterben diefes jüngern Zweigs ber Familie Buol übertrug Kaiſer
Franz I. 1805 bie reichsgräfliche Würde auf bes genannten Breiheren Rubolf Anton Sohn:
Johann Rudolf, geb. 21. Nov. 1765. Derfelbe widmete fi, der diplomatifcgen Laufbahn,
war 1790 öfte. Geſandter im Haag, 1792 zu Bafel, dann 1794 kaiſerl. Directorialminifter
zu Regensburg, Tpäter Gefandter in Dresden. Nach Herftellung des Deutfchen Bundes wurde
er Präfidialgefandter bed Bundestags, in welcher Stellung er erfolgreich wirkte, bis ihn 1822
Münd - Bellinghaufen ablöfte. Er flarb im Febr. 1834 als Laiferl. wirklicher Geb. Rath,
Staatsminifter und Präftbent ber Hofcommiffion zu Wien. — Sein Sohn Karl Ferbinanb,
Graf zu Buol⸗Schauenſtein, öfte. Staatsmann, wurde 17. Mai 1797 geborm. Roc
im jugendlichen Witer betrat er ebenfalls die biplomatifche Laufbahn. Nachdem er als Le
gationscommis in Hannover, Kaffel und Frankfurt a. M., als Legationsfecretär im Haag,
als Borfchaftscavalier in Paris und als Botfchaftsferretär in London die Dienftflufen
burdglaufen, warb er 1828 zum Gefandten in Karlsruhe ernannt, in welcher Stellung
er auch feit 4834 gleichzeitig das öſtr. Intereffe am großherzogl. heil. Hofe vertrat. Ben
diefem Poften 1837 abgerufen, mar er ſodann feit 1838 Gefandter in Stuttgart, und
1844 ging er, indem er von feinem Monarchen die Würbe eines Geh. Raths erhielt, als oft.
Gefandter nach Turin, von wo aus er zugleich bie öftr. Gefchäfte am Hofe zu Parına verfah
Obſchon ihn nach dem Ausbruche ber ital. Bewegung ber turiner Hof mit Sriedendverficherun-
gen hinzuhalten fuchte, entging feinem Scharffinn keineswegs ber Zielpuntt ber farbin. Politik;
doch verließ er Turin erſt nach ber Kriegserklärung vom 22. März 1848. Gegen Ende bei
I. 1848 wurde der Graf als öfte. Geſandter nach Petersburg geſchickt, welche Stellung Ende
1850 eine Unterbrechung erlitt, indem ihn fein Monarch zum zweiten öſtr. Bevollmächtigten bei
ben deutlichen Gonferenzen zu Dresden ernannte. Die Wirkſamkeit B.s am nordiſchen Hefe
fiel in die Zeit, mo Rußland feine Hülfe gegen die ungar. Revolution leiftete, und Graf B. er
hielt unter dieſen Umftänben Gelegenheit, fein ganzes biplomatifches Talent zu entfalten; um
bie Würde und bad Intereffe feines Staats aufrecht zu erhalten. Eine nicht minder ſchwierige
Miffion fiel ihm zu, ald er gegen die Mitte bes 3. 1851 als öfter. Gefandter nad) London ging,
wo fein Fluges und verföhnliches Auftreten nicht wenig zu einem freunblichern Berhälmifke
zwiſchen Oftreich und Großbritannien beitrug. Nach Schwarzenberg's Tobe warb er nad
Wien zurückberufen und ihm im April 1852 das Miniſterium des Auswärtigen und des keiſerl.
Hauſes übertragen. In diefer Stellung führte er die neue Politik Oſtreichs zwar mafveller
und ruhiger als fein Vorgänger, doch nicht minder beflimmt und erfolgreich fort, wie ſchon bie
Handels einigung zwifchen Oftreih und dem Deutfchen Zollverein bewies. Eine welthiſtoriſche
Wirkſamkeit fiel dem Grafen B. mit Eintritt ber oriental. Krifis zu, in welcher ex fich den Ruf
eines ebenfo gewandten wie tiefblidenden Staatömanns erworben hat. Der Graf ift fait 1834
mit Karoline, geb. Prinzeffin zu Iſenburg - Birftein, vermählt, aus welcher Ehe zwei Töchter
entfprangen. Bon feinen drei Schweſtern ift die jüngfle, Sophie, mit dem ruſſ. Geh. Rack
und frühen Gefandten zu Bien Freiherrn Peter von Meyendorff vermaͤhlt
Conegliano (Giovanni Battifte), berühmter ital. Maler, nach feinem in der lombard
Delegation Trevifo gelegenen Geburtsort fo genannt, hieß mit feinem Familiennamen Eime.
Gr wurde um 1480 geboren, war noch 1517 künſtleriſch thätig und flarb im jugendlichen
Alter. Sein Lehrer war Giovanni Bellini (f. d.), dem er auch an Grazie, Kraft md Leb⸗
haftigkeit des Colorits, aber weniger an feiner Behandlung gleiht. Die Werte C.’s find
leicht erfennbar an den Fernfichten auf die Gebirge feiner vaterſtädtiſchen Gegend, Die er
fo oft als möglich anzubringen fuche. Eins feiner berühmteften Bilder ift Maria mit dem
Kinde, von Johannes dem Täufer, der heil. Katharine und andern Heiligen umgeben, auf einem
Throne figend, an beffen Fuße ein Engel die Beige fpielt. Es befindet ſich im kaiſerl. Muſeum
zu Paris. Ein ähnliches Gemälde von dem Meiſter befindet ſich auch in der Kirche Santa-
Maria del’ Drto zu Venedig, dad Kenner dem erſtern wegen trefflicher Perfpective und Her:
vortreten der Figuren noch vorziehen. ©. hatte einen Sohn Earlo, beffen Werke von denen det
Vater ſchwer zu unterfheiden find.
Conjunctiv, eigentlich die verbindende Form, ift der von den röm. Grammatikern einge-
führte Name für denjenigen Modus des Zeitworts, durch welchen bad Verhältniß ber logiſchen
Moglichkeit einer Handlung bezeichnet wird, im Gegenfag zu dem Indicativ (f.d.), welcher eine
Handfung als wirklich barftellt. In vielen Sprachen des indogerman. Stamms bient der Eon-
junctiv überhaupt ale Form für das Mögliche, Unbeflimmte und Indirecte, während andere
Sprachen für einzelne verwandte Begriffsverhälmifle befondere Diobi ausgebildet haben, wie
3. DB. das Griechiſche den Optativ, das Franzöfiiche den Gonbitionnel u. f. w.
Diverfion heißt in der Kriegführung eine flrategifche Unternehmung, weiche den Feind in
anderer Richtung, als wo bie Hauptoperationen bewirkt werden follen, befhäftigt und biefe
legtern dadurch, daß fie eimen Theil der feindlichen Streitkräfte ablenkt, erleichtert. Was tak⸗
tifch, d. 5. in Bezug auf den unmittelbaren Waffenerfolg im Gefecht, durch Scheinangriff oder
bloße Bedrohung eines Punktes erreicht wird, geſchieht ftrategifch, d. b. in Bezug auf die ganze
Kriegslage, durch Diverfion. Diefe kann entweder durch einen Theil der eigenen oder einer
verbündeten Kriegsmacht, welche zu abigem Zwecke verwendet wird, gefehehen und ift dann Di»
verfion im eigentlichen und engern Sinne; oder fie wird felbftändig auf einem ganz andern
Kriegstheater durch einen neuen Gegner des Feindes hervorgebracht, welcher ihn dort in An⸗
fprud nimmt, was vielleicht durch eine Obfervationsarmee bewirkt wird; oder endlich, fie
wird auch ſchon durch politifche Nerwidelungen umd Begebenheiten erzeugt, melde ben Feind
bindern, feine volle Streitkraft auf dem Schauplage, wo der Schwerpunft des Kriegs liegt, zu
entfalten. &o war Bonaparte's Armee 1796 in Stalien eigentlich nur zu einer Diverfion,
welche die Operationen in Deutfchland begünftigen follte, beſtimmt: fie entfchieb freilich dann
den Krieg. Beim legten Entfagverfuche von Mantua machten bie Oſtreicher an der untern Etſch
eine Diverfion, um den Hauptſchlag von Zirol aus zu erleichtern. Der Einfall der Schweden
1674 in die Mark zog den Großen Kurfürften von den Sranzofen ab ; die Erhebung der Vendée
hätte, gehörig gewürdigt und unterftügt, eine mächtige Diverfion für die Eonlirten werben '
Ponnen. In neuefter Zeit wirkte als folche Oſtreichs Haltung in der oriental. Frage.
Donnerlegion (Legio fulminatrix) findet fich fhon in Infchriften aus Nero's Zeit ale
Beiname der zwölften röm. Legion. Die hriftliche Sage aber leitet den Namen berfelben von
folgender Begebenheit her. Als der Kaifer Marc Aurel (f. Antoninus) 174 im Kriege gegen
bie Markomannen und Quaden von ben 2egtern bei Gran in Ungarn eingefchloffen und fein
Heer durch die Hige erfchöpft war, fiel plöglich ein Regen, der die Römer erquidkte, während ein
Hagel» und Donnermetter die Feinde traf, bie nun befiegt wurden. Die heidnifchen wie die
chriſtlichen Schriftfieller erzählen diefe Begebenheit ben Hauptumftänden nad übereinflint«
nıend. Nach den erflern aber foll entweder ein ägypt. Zauberer im Gefolge des Kaifers oder
das Gebet des Kaiſers felbft, nach den chriſtlichen Schriftftellern allein das Gebet der Chriſten,
aus welchen die zwölfte Legion beftanden, die Rettung des Heeres bewirkt haben. Doc, das
gewöhnfich der erſten „Apologie“ des Märtyrers Juftinus beigebrudkte griech. Schreiben des
Kaiferd Marc Aurel, welches die Begebenheit im Sinne der chriſtlichen Schriftfleller erzählt,
ift unecht. Auf der zu Rom noch vorhandenen Marmorfäule zu Ehren des Marc Aurel ift jene
Rettung des rom. Heeres abgebildet. Dan findet neben röm. Soldaten, die ben Regen auffan-
gen, auch einen betenden Krieger bargeftellt, was indeß noch nicht als ein zuverläſſiges Zeugniß
einer öffentlichen Anerkennung des Antheils ber Ehriften an diefer Begebenheit gelten ann.
Duumvirl, d. 9. Sweimänner, war bie Benennung mehrer Beamten im röm. Staate, deren
Beflimmung durch einen erläuternden Zufag angegeben wurde. &o die Duumviri perduel-
lionis, weldye über perduellio, d. i. Bruch des gemeinen Friedens, richteten und, wie es Icheint,
nur eine außerordentliche Behörde waren. — Duumviri navales werben ald eine außerordent»
Gonv.⸗Serx. Bebnte Aufl. XV. 2 38
[0 u Machtwag.
Ache Behörde zur Erbauung and Ausrüſtung einer Flotte 311v. Chr. und im 2. Jahrh. v. Er.
als Flottenführer zur Sicherumg ber Küften erwätnt. — Duwmvirl sacroram ober sacr
ſlaciandis hieß die prieflertiche Behörde, ber die Bewahrung und Auslegung der Sipylfinifgen
Bücher anvertraut war, bis zu der Beit, wo ſtatt zwei zehn Männer dazu ernannt wurden.
(&. DesemvirL) — Endlich Seifen Duumvirt ſchlechtweg, oft auch nach ihrer Hauptfet-
lichen Bekimmung zur Handhabung der Hechtöpflege mit dem Zuſahe jari dieundo, die Geden
höchſten Magifiratöperfonen in den Bunieipien wrıd Gslonien, an deren Stelle an manchen
Drten auch Triumviri (f. d.) u. [. w. vorfommen. Sie wurden von dem Senate diefer Staͤdte
den Decurionen, gewählt und baten neben ber Rechtspflege auch die Dberaufficht Aber Die
ſtädtiſche Verwaltung. Den Titel Consules führten fie nie, wenn er ihnen auch mandymal aut
Schmeichelei beigelegt warb.
Dazierzon (Job.), einer ber vorgüglichfien Kenner der Biene und ihrer Zucht, geb. 16. Jan
1814 m —** in Dberfchlefion, wo feine Üttern ein kleines Gut beroirehfchafteten, kam rn
feinem 32.3. nach Breslau, wo er dab Bymnaftum beſuchte und fich feit 1830 auf der Uniner-
fität den theologiſchen Studien widmete. Rad, Beendigung berfelben ward er 1854 ats Hufft
geiftlicher angeftellt, jedoch ſchon 1855 vom Farfibiichöflichen Amt als Wfarrer nach Karlsmartt
berufen. In diefer Stellung, obgleich nur ſchwach botirt, iſt D. bis jegt verbiteben, weil fic itm
hinreichende Muße zu der son früher Jagend an mit befonderer Vorliebe verfolgten Beobachtung
und Pflege der Bienen gemähet. Nachdem er bereies fett 1845 den weitverbreiteten „, em
dorfer Blättern” fowie in der, Deutſchen Bimmenzeitung“, dem Degane der bentfihen Wiener:
wirthe, verfehiehene Begenflände der Bienenpflege im einzelnen Artikeln befprochen hatte, tief
er, von dee preuß. Regierung, die auf bie Erfolge feiner Rethode aufmerkfam geworden mar,
aufgefodert, die „Shroxie und Yragis des neuen Bimmmfreundes“ (Bresl. 18ER) erſcheinen
welche großen Beifall und bald auch allgemeine Berbreitung fand. Nachdem er feine fpätern
Entdeckungen in einem „Nachtrag (Rörbl. 1852) verbffentlicht hatte, legte ex feine gefarnmte
Theorie und Prapis der Bienenzucht in dem feit Anfang 1854 menatlich erfheinenden „Bie-
nenfreumd aus Schleſſen“ dar. Um bie Bucht der Bienen hat ſich D., der zugleich für einen
der gründlichien Kemmer der Raturgeſchichte dieſes Inſekts gilt, beſonders Durch feine neven
hoöͤchſt vortheifhaften Einrichtungen der Stöcke, ſowie durch Einführung der ital. Bienenart, Ir
mit groͤßerm Fleiße eine ungewöhnliche Gutartigkeit verbindet, ungemeine Berdienſte erwor⸗
den. (S. Bienen.) Von feinen Benbuchtimgen über das Beben der Biene iſt beſonders die
hervorgubeben, def bie Königin, als das einzige eterlegende Welbchen im Mienenflodke, dir F3-
higkeit, beiderlei Eier, fowo! zu den Arbeitsbienen wie zu den Drohnen, zu legen, burdy bie m
ihrer Tugend in der Buft ein mal für ihre ganze, vier viß Fünf Fahre dauernde Lebenszeit erfor
gende Begattung mit eiwer Drohne erkangt. Wenn auch feine Beebachtungen und Anſichten
anfangs von manchen Seiten, wie unser Andern von BVüſch in Elſenach, heftige Angriffe erfut:
ren, fo haben diefesben Dach gegenwärtig mehrfach Anerkennung gefunden.
Yenerlinte heißt allgemein die Rinie, welche ducch die Fronte einer Uuffiellung zum Fer
kampf (SFeuergefecht), ſowol in der Offenſive als in ber Defenfive, in Feld wie im Feſtungt
Stiege, gebißbet wind. Sie kommt bei ber Infanterie in gefthloffener Ordnung (dann am beiten
in Linie) und beim Schügengefecht vor und bezeichnet Hier bie Linie ber Wiraillenrrotten eder
der neuerbing6 angeordneten GFeuergrippen. Bei ber Cavalerie, obſchon fie auch mit der Fener-
waffe plänkert, ift der Auodruck Fenerlinie weniger üblich, well auf Ihr Feuergefecht nur ein ge
tinger Werth zulegen ; wol aber wird der Nusbrud auch für die Fronte einer Gefchugauffichlung
gebraugt. In allen Zocalgefechten ift noch auf bie Anerdnung einer zwelten Feuerlinie hinter
ber erſten Bedacht zu mehmen, welche Diofe, wenn fie zurückweichen muß, womöglich an einem
Zerrainabfehnitte aufnimmt. — Im der Befrfligungsroiffenfchaft nenut man gemähafid die
innere Ceote (f. d.) der Gruſtwehr auch Fenerbinie, weil fie mit biefer (im eigenffichen Sinne)
zufammenföllts doch ik die erftere Benennung begeicgwenber.
Finnischer Krieg heißt der Krieg zwiſchen Schweden und Rußland im I. 1808, der gam
Zinnland und de finn. Völker an Rußland brachte. Rırfland ging längft mit ber Ereberumg
von Fianland um, von dem es dem füdoſilichen Thell (feit 1724 md 1743) ſchon befaß, umb der
Zar Wezander hatte im Frieden zu Tilſit in einem geheimen Urtitel die Zuſtimmung Ray
leon’& für Diefe Eroberung erlangt. Als nach dem Frichen Guſtav IV. (ſ. d.) von Schweden dem
engl. Bündniffe treu blieb, ben Englänbern die Oſtſee nicht verſchloß und ſeine Emvilligumg
in den Angriff derſelben auf Kopenhagen (f. d.) gab, bemupte "Wlerander die Beegenheit jur
Ausführung feines Plans und ließ 20. Febr. 1808 ein ruſf. Heer unter Burhswden ia Bimn-
Nachtrag. 595
land einrlicden, ehe nad, die Kriegserklärung Dänemarls und Nußlande gegen Schweden er⸗
folgt war. Die ruf. Truppen überwältigten Die Schweden unter Afingfpoer, verbreiteten ſich
über die Proving, nahmen 25. März Abe, und ſchon 1. April erklärte Alexander die Eimverid-
bung Finntarbs ins ruf]. Reich. Der Sieg wurde 7. Uprü vollendet, indem das Karke Swea⸗
borg mit der Scheerenflotte durch Verrath des Admirals Eronfiebt an die Ruffen ausgeliefert
ward. Ende Februar war auch ein ſchwed. Beer unter Armfelt in Norwegen eingebrungen,
das fich jedoch bald von den Dänen zurüdgetrieben ſah. Dennod fegte Guſtav IV. den Krieg
zur Wiederercberung Finnlands fort, ſchlug die ruff. Flotte 26. Ang. bei Baltiſchport, erlitt
aber zu Zande 44. Sept. Die Nieberfage bei Orwais. Völlig erſchöpft ſchloß nun Guſtav mit
Nußland 29. Det. den Waffenftillſtand zu Lochto, dem 19. Nov. 1808 ein Vertrag zu Olkioki
folgte, wonach Finnland den Ruffen verblieb. Nah Guſtav's IV. Entchronung ſchloß endlich
defien Rachfolger Karl XItt, 17. Sept. 1809 den Frieden zu Frederikshamn, in welchem Pie
ſchwed. Provinzen Kymenegaͤrd, Nylandt, Tawaftehus, Abe, Bisrneburg mit den Alandsiw
fein, Savolaks, Kardien, Warn, Uleaborg und ein Theil von Wefkerbotten bis zum Lornek
(5472 AM. mit 898000 E.) an Rußland definitiv abgetreten sonıden. Dit Dünemart kam
10. Dee. 1809 der Friebe zu Sanfoping gu Stande.
Fitzherbert (Marin Anne), die heimliche Gemahlin des Prinzen von Wales, nachherigen
Konigd Georg FW. von England, wurde 26. Juli 1756 geboren. Ihr Bater, Walter Emothe
auf Dambrtbge in Hanıpflyire, aus einer alten dach. Familie entiproffen, verheirathere fie 1776
an Edward Weld auf Luimorth-Eaftte, Dheim bes. Cardinals Weldb, nach deffen Tode fie ben
reichen Thomas Figherbert ehefichte, der 1781 zu Nizza ftarb. Mit einem fürftlichen Witthum
aus geſtattet, Lehrte die ſunge Witwe nach England zurück, machte in London ein glängendeb
Haus und lernte ben Prinzen von Wales kennen, der, von ihren Reizen gefeſſelt, fi durch
einen kach. Seifttichen mit ihr trauen ließ. Da diefe Berbindung der kbnigl. Sanction entbehrte,
fo galt fie m England für ungeſetzlich, und ber Brinz Heß fie fogar von feinem Fremde For
1787 tm Parlament öffentlich ableugnen, wodurch F. fich tief gefränft fühlte. Die Vermäh⸗
Iung Georg's mit ber Prinzeffin Karoline von Braunſchweig, 1795, Töfte das Berhältniß, wel⸗
ches die Untreue des Prinzen ſchon längft geſchwächt Hatte. Ohne iyre Stellung in der ariſtokra⸗
tiſchen Belt verforen zu haben, geachtet in ihrer Umgebung und fetbft von der königl. Familie,
die ihr ein Jahrgehalt von 8000 Pfd. St. ausfegte, ſtarb F. 27. Mär; 1837 zu Brighton.
Kormation Heißt In der Beognofie ein im Streichen mb Fallen übercinſtimmendes Ganzes
gerwiffer Gebirgemaffen. Die Formation ift eine einfache, ‘wenn diefe Gebirgsmaſſen einerlei
Art angehören, zufannmengefegt, wenn fie ans verfchiebenen Arten beftchen. Formationsglie⸗
der nemit man bie direct eimander verbindenden Schichten. Über einzeine Formationen |. Flotz⸗
gedirge.
J God), der zehnte Birhſtabe unfers deutſchen Alphabets, ein Halbconſonant, war ale
Schriftzeichen yon den Römern bekannt, weiche jedoch durch ihr i longum nicht unfern Conſo⸗
nanten Jod, fondern ein doppeltes i bezeichneten, obgleich ihnen die confonantifche Ausſprache
des i, 3.8. zwiſchen zwei Bocalen, wie in cuius, nicht fremd blieb, Eine regelmäfige Unterfchei-
dung des confonantifchen und des vocafifhen Lauts des i, ſowie die Bezeichnung des erftern
durch das Schriftzeichen j ward erft im 16. und 17. Jahrh. durch Die holl, Philologen einge-
führt. Aus den fat. Büchern jener Zeit gelangte das j als befonderes Schriftzeichen neben dem i
auch in das deutſche Alphabet, weichem es vorher frenrb gewefen. Rur das Gothifche befaß
unter allen german. Sprachen em ſelbſtändiges Zeichen für das j. Im 16. und 17. Jahrh.
ward in deutfchen Schriften das j noch fehr unregelmäßig verwendet, namentlich öfter im An⸗
laut für ein organifches i gefchrieben. Diefer Nisbrauch fegte fi in einzelnen Fällen feldft
feft und murde durch ſpätere Sranmatiker noch fanctiorirt, wie dies 3.3. in dem Worte jegt
gefchehen tft, welches noch fm 17. Jahrh. mie faft in allen Mundarten, igt lautete, aber durch
die Grammatiker des 18. Jahrh. feine gegenmärtige Form und Ausfpracde erhielt. Unter den
roman. Sprachen hat affein das Italieniſche das j nicht entwidelt und gibt es durch gi oder ggi
(3. B. Giovanni aus Johannes, maggiore aus fat. maior) wieder. Im Franzöſiſchen und Por-
tugiefifchen wird es wie ein fanftes sch, im Englifchen wie dsch autgefprochen, während es
im Spantfhen orthographifh mit x wechſelt. In Abkürzungen findet fi 3. Häufig für
Jahr gebraucht. Bol. den Artikel über den Bocal J.
Kallimächns, ein athenienfifcher Künſtler, der das Lorinthifche Säufencapitäl erfand und
außerdem mehre ausgezeichnete Kunſtwerke, namentlich im Erzguß lieferte. Ex fol um die
92. Olympiade geblüht Haben. Befonders erwähnt werben von ihm: eine ganpende Sparta⸗
596 Nachtrag.
nerin; eine Juno im Tempel zu Platää; eine goldene Lampe im Tempel ber Athene Polias auf
der Akropolis, die inımerwährend brannte und über welcher ſich ein kunſtvoller Palmbaum be
fan, deffen hohles Innere den Didampf zur Dede hinaus leitete. Wegen feiner ängflfiden
Ausführung, die oft feinen Werken geſchadet haben fol, erhielt er von den Zeitgenoffert mehr⸗
fache Zunamen. Im capitolinifchen Mufeun: zu Rom befindet fih ein Relief, einen Satyr mu
drei Horen barftellend, mit dem Namen Kdiluayog, das barum biefem Künftler, aber ws
fälfchlich, zugefchrieben wird.
Kang-hi (d. h. der unmwandelbare Friede) ift der bedeutendfte Hertſcher aus ber noch jer:
. in China herrfchenden Dynaftie der Mandſchu. Kaum neun- Jahr alt, beftieg K. 1662 der
Thron von China, aber ſchon in feinem 13. 3. ergriff er felbft die Zügel der Regierung. Zuerkt
dämpfte er eine drohende Empörung der einheimifchen chineſ. Kronprätendenten und beſiegte
dann in mehren glüdlichen Feldzügen die Mongolen und andere tätar. Völker, bie mit einer un-
. geheuern Kriegemacht die alten Zeiten eines Dſchingis⸗Khan zurüdzurufen fchienen. Sein
anze Regierung war nad außen glücklich und im Innern heilvoll und bildend. Er flarb 1722.
orzügliche Verbienfte erwarb ſich K. um bie literarifche Bildung feines Volkes, und befor-
ders ift in diefer Beziehung das große Wörterbuch der chineſ. Sprache-zu erwähnen, das bis jeg
die Richtſchnur der Orthographie n. |. w. bed weiten Reichs geblieben iſt. Ebenfo eifrig de⸗
mühte er fih, Bildung unter den Mandſchu zu verbreiten, und eine Menge der claſſiſchen Bu-
cher ber Chineſen wurde auf feinen Auftrag in die Manbfchufprache überfegt. Die Jefuiten
fhägte er wegen ihrer Kenntniffe in Aftronomie und Mathematik fehr hoch und ernannte den
P. Verbieft fogar zum officiellen Vorſteher des Tribunals der Mathematiker. Von K's eigenen
literariſchen Arbeiten, die im Ehinefifchen mehr als 100 Bänbe betragen, find auch einige über:
fegt worden, 3. B. feine moralifhen Untermweifungen, feine phyfitalifchen und naturbiftorifchen
Beobachtungen in ben „Memoires concernant la Chine“. Sein politifched Teflament, „Der
heilige Befehl" genannt, wurde von Milne ins Englifche überfegt (Malakka 1818).
Kirche, eine im Alterthume berühmte Stabt der Landfchaft Phocis, am jegigen Meer-
bufen von Salona, füdlic von Kriſſa (f.d.), bildete den Hafen von Delphi und war dem Apollo
geweiht. Sie wurde frühzeitig zerftort, dann aber wieder aufgebaut, und noch jegt finden fich be⸗
deutende Überrefte des ehemaligen Hafens aus der Römerzeit. Vgl. Ulrichs, „Uber Krifa ur)
K.“ (Münd. 1840)... -
Kiſtien oder Kiffetien, eine Landfchaft im Gebiete ber Kaukaſiſchen Bergvölker (1. d.), iñ
nach den Kiften oder Kiftingen benannt, einer Völkerſchaft, die einen Zweig bed mitteltau-
kaſiſchen Stammes der Mizdfchegier oder Tſchetſchenzen (ſ. d.) bildet, beren Name aber auch
auf diefen felbft übertragen worden ift, ſodaß Kiftien gleichbedeutend mit Tſchetſchna erfcen:.
Krümmungskreis oder Osculationskreis (circulus curvaturae oder osculator) beit
ein Kreis, welcher gleiche Krümmung mit einer frummen Linie an einem gegebenen Punkte te:
—*— * Sein Mittelpunkt heißt Krümmungsmittelpunkt, fein Halbrneſſer Krummungs-
albmeſſer.
Libelli pacis nannte man in den erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Kirche die Schreiber
in denen Märtyrer und Confeſſoren fid für die Wiederaufnahme ber Gefallenen in die Ge
meinden verwendeten. .
Louisville, eine City und bie bedeutendfte Stadt bed norbamerik. Freiftants Kentucky, am
Dbio, ift auf einer geräumigen, gegen ben Fluß geneigten Ebene angelegt und ganz regelmäf::
erbaut. Nachdem der Plan zu der Stadt ſchon 1772 abgeſteckt morben, warb daſelbſt erft 1778
das erſte Blockhaus erbaut und 1780 dem Drte duxch bie Legislatur ber Name beigelegt. ::
Ehren Ludwig's XVI. von Frankreich, des erfien Verbündeten ber neuen Republik. Im J. 1800
hatte 2. erft600,1830: 10352, 1850: 43196, 1852: 51726 E., unter denen 18000 Deutiche.
Die Stabt ift Sig eines kath. Biſchofs. Sie hat in dem Gerichtshaus der Jefferſon⸗County, alt
deren Hauptort fie gilt, und der Cityhalle fehr anfehnliche Gebäude und befigt 46 Kirchen, bar-
unter [yon gebaute, ein Marinehospital, mehre Banken, verſchiedene Affecuranzcompagnier:
und verhältnipmäßig viele wiffenfchaftliche und Mohlthätigkeitsanftalten. Unter den eriter
find zu nennen die Univerfität, beftchend aus einer medicinifchen Schule (1850 mit fieben Pro
fefforen und 376 Studenten) und einer Rechts ſchule (mit drei Profefforen und 50 Studenter. .
und das 1851 gegründete kath. St.-Aloyfinscollege. Auch befindet ſich hier eine Hiſtoriſche Ge
ſellſchaft von Kentucky und eine Aderbau- und Gartenbaugeiellfchaft. Die Lage L.s an den
obern Ende der Steomfchnellen des Ohio, welche mit Auoͤnahme der Flutzeit die Schiffah::
unterbrechen, hat zur Herftellurig des 2 engl, M. langen Louisville-Vortlandfanals geführt
Radıtrag. 597
weicher die Schnellen umgeht. Die Stadt, deren befleuertes Privateigenrhum 1852 ſich auf
46,350052 Doll. belief, ift die bedeutendfte Handeld- und Fabrikfladt von Kentudy umd das
Hauptemporium der Probucte diefed Staats. Sein Flußhandel fieht nur dem von Pittsburg
und Cincinnati nad), und gegenwärtig wirb der jährliche Werth feiner Ein- und Ausfuhr auf
70 Mi. Doll. gefhägt. Die Hauptausfuhrgegenflände find Taback, Tauwerk, Hanf und
Flache, Vieh und Schweinefleifch, außerdem Weizen, Talg, Bauboly, etwas Reis und Baum
wolle.’ Bon den Fabriten der Stadt find die Eifengießereien, Wollen» und Baunmollenma-
ſchinen und Tabadbfabrifen fehr bedeutend. Überdies befigt 2. viele Mehldampfmühlen, und
auch) der Schiffsbau ift anfehnlich. Mit Covington und Frankfort ift 2. durch Eifenbahnen ver-
bunden. Es wird durch bie jegt im Bau begriffenen Bahnen auch bald mit den Hauptbahn-
Iinien des Meftens in Verbindung ſtehen, was dem Dandel der Stadt einen noch viel bedeu⸗
tendern Aufſchwung verfprigt. |
Lünemann (Georg Deinr.), verdient als Tat. Leritograph und Schulmann, geb. 3. Sept.
1780 zu Göttingen, ward nad) Beendigung feiner Studien erft als Collabsrator am Gymna⸗
fium feiner Vaterſtadt angeftellt, rüdte aber allmälig weiter auf und erhielt fpäter das Directo-
rat deffelben, das er bis an feinen Tod, der 8. San. 1850 erfolgte, bekleidete. Ein großes Ver⸗
dienft um ben Unterricht im Lateiniſchen wie auch um die lat. Reritographie felbft erwarb er
ſich ducch feine wiederholte Bearbeitung des von Scheller (f. d.) begründeten „Rateinifch-deute
fchen und deutfch-lateinifchen Handleriton” (3 Bde, Hannov. 1807; 7. Aufl., Tat.-deutfcher
Theil, 2 Bde., Hannov. 1831 ; beutfch-Iat. Theil, von Georges, 2 Bde., 1831 — 33), das nach
feinem Tode von Georges (f. d.) übernommen wurde. Außer, einer Reihe Zertausgaben rom.
Schriftſteller für die Schule gab £. unter Anderm auch den „Alian“ (Gott. 1811) heraus. Bon
feinen fonftigen Schriften ift noch bie „Descriptio Caucasi” (2pz. 3805) zunennen. — Sein
Bruder Joh. Chriſt. Heinz. £., geb. 14. Dec. 1787 zu Göttingen, wirkte feit 1807 als Haus⸗
lehrer erſt zu Nörten, dann in Livland, dann als Kreislehrer zu Wolmar und Fellin, bis er
1813 einem Rufe an das Gymnafium zu Gumbinmen folgte. Hier flarb er 25. Juni 1827.
Bon feinen Schriften haben befonders das „Wörterbuch ju Homer's Ilias“ (Königsb. 1824 ;
2. Aufl., beforgt von Ebert, 1830) und das „Wörterbuch zu Homer’s Odyſſee“ (5. Aufl., ber
forgt von Horn, Königsb. 1840) Beifall gefunden. '
Mantulis oder Muntw ift der Name einer ägypt. Gottheit, welche im mythologifihen Sy-
ftem der zweiten Bötterordnung angehört, gemohnlich ein Sohn des Ra genannt und mit einem
Sperberkopf dargeftellt wird, auf weichen fich die Sonnenfcheibe mit den Ammonsfedern be⸗
findet. Der griech. Name Manbulis oder Mantulis ging aus dem ägypt. muntu-ra hervor.
Zu Zalmis (Kalebſchl) in Nubien war Mantulis die Ortsgottheit, und in der nach ihm benann⸗
ten Stadt Hermonthis ward er als Hauptgottheit zufammen mit ber Göttin Ratet verehrt.
Marie Antoinette (Joſevhe Johanna), Königin von Frankreich, Gemahlin Ludwig's XVI.
(1. d.), Tochter der Kaiferin Maria Thereſia und des Kaifers Franz I., wurde 2. Nov. 1755 zu
Wien geboren. Wohlumterrichtet, mit Geift und Anmuth begabt, vermählte man fie, kaum
15 3. alt, in Folge der Politik des Herzogs von Ehoifeul (ſ. d.), 16. Mai 1770 mit dem Her⸗
zoge von Berri, bem Enkel Ludwig's XV., ber durch ben Tod feines Vaters Dauphin geworben
war. Große Unglücksfälle, bie ihre Vermählungsfeierlichkeiten begleiteten, die verborbene At⸗
moſphäre und die Intriguen des Hofe, bie fie fogleich umfpannen, verbitterten die Lage der jun-
gen, unbefangenen Prinzeffin und führten fie mit ihrem Gemahl, deffen ehrlicher, aber unbehol⸗
fener Charakter dem Hofleben nicht minder miderftrebte, einer Abfonderung zu, die ihre Gegner
zu mancherlei Verläfterung bemugten. Als Ludwig XVI. 10. Mai 1774 den Thron beftieg,
gab fich die Königin der gewonnenen Freiheit hin, vernachläffigte die ſtrenge Etikette und zog
fich den durch misvergnügte Höflinge unterflügten Vorwurf zu, daß fie ſich maßlos ben Ver⸗
gnügungen und ihren Günſtlingen, darunter fpäter die Familie Polignac (f. d.), überlaife.
Nach achtjähriger Unfruchtbarkeit ward die Königin 1778 zum erften mal Mutter, und bies
gab den Anhange des Herzogs von Provence (Ludwig XVIH.), der auf die Thronfolge fpecu-
lirte, aufs neue Gelegenheit, die Sitten Marie Antoinette's zu verbächtigen. Die berüchtigte
Halsbandgeſchichte (f. Lamothe) machte endlich, bie zwar unvorfichtige, aber Doch gänzlich
ſchuldloſe Königin vollends zum Gegenflande übler Nachreden. Als die erften revolutionären
Regungen begannen, war darum Marie Antoinette, troß ihre Edelmuths und ihrer Derzene-
güte, ſchon fehr unpopulär, und bald knüpfte fi an den Namen „l’Autrichienne‘, wie man fie
bezeichnete, ber blinde Haß fanatifirter Volksmaſſen. Man behauptete, ihre Verſchwendung und
Günſtlingwirthſchaft Habe den finanziellen Ruin den Landes herbeigeführt, und ihr Einfluß auf
398 Nachtrag.
Hof und Wegierung verhinbere jebe friebliche Neforn:. Allerdings trieb die Künigin Iren ee»
gielofen Gemahl an, fi) der Bewegung mit Gntfchloffenheit entgegenguimerfert, und weraulafte
dadurch das gefahrvolle Schwanken des ſchwachen Monarden. Schon in den Bergangen bei
3. und 6. Oct. (1789) gu Berfailles ſchwebte ihr Leben in Gefahr. Nach diefem Ereigniß Berog
fie mit ihrem Gemahl, ihren beiben Kindern und ihrer Schwägerin, ber Prinzeffin Giifaben
(f. d.), die Zuilerien, wo fie fich, von ihren Freunden verlaſſen und ven der argwöhniſchen Be
volkerung der Hauptfladt gleichſam bewacht, gänzlich ihrer Familie —8 und namentiid
den in Apathie derſenkten König aufzurichten ſuchte. Während fie jede Rettung für ihae Perfen
verſchmaͤhte, berbeiligte fie ſich doch, als Me Mevolutien eine immer drohendere Geſtalt anmcakem,
an dem unglücklichen Fluchtverfuch, den Ludwig XVI. in ber Racht vom 20. zum 21. J 1794
mit feiner Familie unternaßen, und entwickelte dann geefe Faffung gegenüber ben baren De
mütbigungen, die mit ihrer Zurüdführung verbunden waren. Ehewfo natürlich war es in ümrer
Loge, daß fie zu den Schritten mitwirkte, welche Die oflr.-prenß. *25 Ar 7 des
Throns und der königl. Familie einleiteten, die aber freilich getade das
Bei dem Aufltande vom 28. Juni (1792) fland die Kontgin ihrem Gentahl alten bed Des in
das Schloß eindringenden Volles muchig zur Seite, auch Begleitete fie ihre Familie während
des Auffimdes vom 10. Aug. (1792) in die Rasionalserfeumlung, obſchon fie ſeibſt Dicke
Maßregel mit Recht für die verderblichfle hielt. Sie theilte hierauf die Gefangenſchaft ber Fa-
milie im Temple, wo fie ſich der zärtlichſien Sorge für Rinder ind Gatten Hingab und nur
ein mal die Faſſung verlor, als nıan unter ihrem Fenſter nt dem aufgefpießten Kvpfe ihret
treueſten Freundin, der Prinzeſſin von Lamballe (ſ. d.), erſchien, die in den Septanbermege
leien ermordet worden war. Beim Begiun des Proceſſes gegen den König, im Jan. 1793,
trennte man fie von dieſem, den fie nur noch ein mal kurz vor feiner
Im Juni nahm man ihr auch, angeblich aus Furcht vor Verſchwoörung, die Kinder, and 2. Aug.
verfegte man fie in einfames und übles Befängniß der Gomstergerie Dee Gefüngnifanficher
Michenis, deffen Frau und der Marquis Rougeville fuchten fie bier zu retten, beyaliten aber bu
Unternehmen mit dem Leben. Nachdem fie 4. Det. zuerſt indgeheim verhört worben, warb fie
15. Ott. vor das Revolutionstribunal geſtelle, wo man fle als Feindin und Berräsgerin Frank:
reichs anklagte und auch befchufdigte, daß fie ihren Sohn verführt habe. „Ich appelire”, wer
ihre Auntwort auf biefe ſchwarze Beichuldigung, „au alle Mütter, bie bier anweſend, ob eim fol-
ches Verbrechen möglich iſt!“ Auch außerdem .vertheidigte fie fich mit geofer Würde und Srei-
muth und Gleiches thaten ihre beiden vom Gericht beſtellten Bertgeibiger, Trenron-Ducoubrag
und Chauveau⸗Lagarde. Dennoch wurde fie 16. Det. Morgens 4 Uhr zum Jode verurtheilt.
Jus Gefängniß zurückgeführt, fehrieb fie einen durch Cinfachheit und Adel der Gefinnuung aus
gezeichneten Brief an ihre Schwägerin Euiſabech, den man 227. fpüter bei dem Gonventsde
putirten Courtois auffand. Wiewol erfgopft und Lörperlich Fingft gebrochen, teaf fie danm ſelbſt
Die Vorbereitungen zu ihrem legten Gange, wies ben Beifland eines conflitmtionellen Priefters
zurück und bewahrte auch auf dem peinlichen, zwei Stunden langen Wege zum Nichtplage ben
Muth und die GSeiſtesgegenwart, womit fie Mittags 1 Uhr ie Haupt unter bie Guillociee
legte. Ihr Körper wurde anf dem Kirchhofe Madelaine in das Grab gelegt, in dat nenn Die
nate vorher ihr Gemahl beflattet worden war; nad} der Reſtauration erhob man aber bie Ge
beine Beider und fepte fie in der königl. Gruft zu St.- Denis bei. Marie Antoinette befaß zwar
kein segelmäßiges Geficht, bezauberte jedoch durch ſeltene Anmuth ımd Wurde. Unter ihrer
zahlreichen Porträts zeichnet fi) das von dem Franzoſen Bigienmdebrun, bung Naturwahrhen
noch mehr das des Schweden Roßline aus. Bekannt ift auch das Gemälde von P. Delareche,
welches die Königin vor ihren Nichtern barfiellt. Ihr Sohn, der Dauphin, von den Royalifien
als Zudivig XVII. (f.d.) proclamirt, ftarb 1795 durch ſchmachvolle Behandiung, während ihre
Tochter, die fpätere Herzogin von Angoulöme (f. d.), geft. 49. Dct. 1851, an Of au6ge
mechfelt wurde. Zwei andere ihrer Kinder, ein Priny und eine Prinzeffin, flarben im frühefien
Alter. Vgl. „Eloge historique de Marie-Antoinette” (3 Bde., Reufchatel 4797 und öfter:
deutſch, Lpz. 1798); (Babie de Bercenay) „Vie de Marie-Anloinelte, ou causes et tableau de
la revolution‘ (Wien und £p3. 41794; dentfch ebenbafelbit); (Sxhubart) „Leben der Konigin
Marie Antoinette” (2Bde., Köln 1789 — 90 und öfter) ; Prudhonmie, „Les crımes de Marie-
Antoinetle etc.” (Par. 1793) ), eine republikaniſche Parteifchrift; Madame de Campan,
‚„Memoires sur la vie priv&e de la reine Marie-Antoinette” (4 Bde., 5. Auft, Par. 1824
und öfter). Auch 2. Blanc in feiner „Histoire de la r&volulion frangaise“ gibt bemerfems-
werthe Aufſchlüſſe, wenn auch fein Urtheil oft fehr parteiifch iſt.
— — — — — — — .-
-. — — — —
J Bade: ‘008
Marie Auife (Jefenhine), Sönigin von Erzurien (ſ. d.), die Zochter Karl'E IV. von @ipanien
und demmach Die Schwellen Ferdinand's VH. und bed Don Carlos, wurde 6. Juli 1782 zu Me
drid geboren und im Alter von 433. mit dem Infanten Ludwig von Beurben, älteſtem Sohne
des Herzogs Ferdinand von Parma, vermählt. (S. Bourbon, Gefchlecht.) Unter dem Namen
einer Prinzeſſin von Parma blieb fie jedoch in Spanien und gebar bier 22. Dec. 1799 den In-
fonten Ludwig Ferdinand Karl son Bourbon, der fpäter als Fürſt von Lucca den Namen
Kari U. (f. d.) führte und 1849 als Herzog von Parma gu Gunften feined Sohnes abbicirte.
Bufolge eines Bertragd zwiſchen Epanien und Frankreich vom 3.1801 wurde befchloffen, daß
der Gemahl der Prinzeſſin, der Infamt Ludwig von Boutdon, unter bem Titel eines Königs
von Etrutien (f. d.) Toscana für fich und feine Erben in Befig nehmen, dagegen aber Parma
nebſt Zubehör nach dem Zode bes Herzogs Ferdinand an Frankreich fallen: follte (was aud)
4802 geſchah). Das neu creirte Königspaar teifte nun über Paris in fein Königreich
Strurien und hielt 12. Aug. 1801 zu Florenz den Einzug Da bez König ſchwach und Frufb
trank, widmete fich Die Konigin ber Einrichtung des neuen Neicht, verntochte aber imgeachtet
ihrer Klugheit und Thätigkeit wenig zu them, da franz. Stappen das Land beherrſchten mb
ausfogen, während die Bevölkerung dem vertriebenen Daufe Oftvsich anhing. Noch im 3.1802
ward die Königin, obfihon Hodfihmanger, zur Bermählung ihres Beuders Ferdinand, aber
mals nach Spanien gerufen, ımbd fie gebas während ber Secreiſe, an ber Küfte von Barcelona,
eine Tochter, die Infantin Marie Luiſe Charloue (geb. 4. Dit. 3802), gegenwärtig Witwe des
Prinzen Maximilian von Sachſen. Inzwiſchen ſtarb aber ihr Oemahl 27. Mai 1805 zu Fie⸗
renz, und die Königin kehrte nun eiligft zurück umd übernahm fire ihren jungen Sohn, Lubreig
Ferdinand Karl, ber als König von Etrurien proclamirt und anerfannt wurbe, bie Zügel ber
Regierung. Marie Luiſe hielt ihre Rechte für wohlbegründet und hatte bie Fremde, ihre Unter
tbanen durch ein Huges und mildes Negiment wenigſtens beruhigt zu ſehen, al6 ihr plaglich
25. Nev. 1807 der franz. Geſandte anzeigte, daß der fpan. Hof Eirxrien an Frankreich eedirt
babe und fis mit ihren Kindern Das Land ohne weiteres verlaffen wrlffe. Rachdem fie vergeblich
geltend gemacht, daß igrer Familie Etrurien als Tauſch für Parma verliehen worden, ging fit
nach Spanien zutück, wo man fie im Mai 1808 mit dem gefammten fpan. Negentenhauſe nach
Bayonne beſchied. Hier erfuhr ſie alsbald aus dem Munde ihres Baserb, daß ihr Haus zu ro
gieren aufgehört, und bie Königin mußte nun mit ihren Kindern ihrer übrigen Fomilie nad)
Eontainebleau folgen. Sie fonnte von Napoleon, der ihr son ben ſpan. Beurbens allem Une
gie zum Widerſtande zutraute, nur ein Jahrgeid von 400000 Fred. erlangen, das man Ihe
aber nicht auszahlte, und. fie ſah fi darum aufs äuferfto beſchränkt, überdies firmg bewacht
und von ben Ihrigen übel behandelt. Im Juni wurde fie mit ihren Altern nad Gompidgste
verfegt. Sie bat von bier aus Napoleon noch ein mal, ſie mit iyren Kindern von den Altern zu
trennen und ihrem Sohne das parmefiiche Erbe wiederzuverleihen, und erhlelt darauf in ber
That die Erlaubniß, nad) Parma abzugeben, wo fie.ein Jahrgeld ausgezahlt erhalten follte
Doch ſchon zu Nizza, wo fie 18. Aprit 1809 eintraf, wurde idee Reife unterbrodden und ie
diefe Stadt als Aufenthalt angewieſen. Franzöſiſche Spione verleiteten fie jegt zu dem Plane,
mit ihren Kindern nach England zu entfliehen, ſodaß Napoleon hierdurch Gelegenheit erhielt,
die unglüdlicge Fürftin vollends unſchädüch zu maden. Während man ihr den Sohn nahm
und diefen zu feinen Grofältern nad Frankreich brachte, führte man fie mit der Tochter nad)
Rom und fperrte fie in ein Nonnenkloſter ein. In diefer Lage blieb fie bie 1314, wo ſich ihrer
aus Politik der König Murat während feines Bruchs mit Napokeon annahm, fie aber alsbalb
nöthigte, mit ihren Altern, die ebenfalls in Rom eingetroffen waren, in Gmem Haufe zu woh⸗
nen. Doc, erhielt fie nun ihren Sohn zurück. Nach dem Sturze Napolton's machte bie Ko-
nigin alle möglichen Anftrengungen, um für ihren Sohn Parma wiederzuerlangen. Auf Tat:
leyrand's Betrieb wurde dieſes Herzogthum indefien der. Gemahlin Napoleon's auf Lebenszeit
zugeſprochen, während ber ehemalige König von Etrurien als Entſchädigung Lucca (ſ. d.) mit
der Anmartfchaft auf Parma erhielt. Die Königin willigte nur In diefe Ordnung, weil man
ihr drehte, daß ihr Sohn dann leer ausgehen würde, und führte num einige Jahre die Regie
zung des Fürſtenthums Lucca, bis ihr Sohn münbig geworben war umd feine Herrſchaft ſelbſt
antrat. Die ſchwer geprüfte und Durch Charakter wie Gefinnung ausgezeichnete Fürſtin farb
nad) langer Krankheit zu Lucca 15. März 1824. Sie hinterließ fehr intereffante Memoiren,
die italienifch, engliſch und von Lemierre d'Argy franzöfifch: „Memoires de la reine d’Etrurie,
&crits par elle-m&me” (Par, 41814), erſchienen.
Maſſicot, eine gelbe Farbe, ift nichts weiter als Bleioxyd, das durch Erhigen von Blei anf
‘
068 Nachtrag.
dem Herde eines Flammenofens dargeſtellt wird. Früher, ehe das Chromgelb bekannt wur,
wurde es häufig als Farbenmaterial angewandt. Bon der Bleiglätte (f. d.) unterſcheidet es
ſich Durch feine hellere und gelbe Farbe; durch ſtarkes Exrhigen und Schmelzen geht das Maſſi⸗
cot in Bleiglätte über.
Meſched, die Hauptſtadt der per. Provinz Khoraffan und Bouvernementöfig eines Mirzz
oder königl. Prinzen, an der Bereinigung der Karavanenftraßt von Derat und Bokhara umd
an einem Zufluß des Tedſchen, hieß urfprünglich als ein zum Diſtriete Tuͤs gehöriges Dorf
Sinabad oder Sanabadz. M. erwarb feinen ruhmvollen Namen erſt, als im 16. Jahrh. unter
den Safiden dad Grab bes ſchiitiſchen Imam Rifa,oder All-Ben-Mufarıl-Redhas, ber als
Schuppatron Perſiens angefehen wird, aus dervon Dſchingis⸗Khan zerflörten ältern Hauptſtadt
Tuͤs oder Thuͤs, dem Sterbeort bes Khalifen Harumal⸗Naſchid, dem Geburtsort des Dichters
Firduft (f. d.), des großen Aſtronomen Nafir-Ebdin u. m. a. berühmten Drientalen, hierher
verlegt und durch Prachtbauten ausgezeichnet wurde. Sie ift der gefeiertfte und beſuchteſte
Wallfahrtsort der Schüten (ſ. d.), ſowie einer der bebeutendften Handelöpläge Perfiens, in mel
‚chem die Karavanen von Herat, Ispahan, Yezd, Khiwa und Bokhara aufammentreffen. Zugleich
aber gilt M. als der Tummelplatz habgieriger Korandortoren oder Mullahs, zelotiſcher Pilger
und Sektirer, der unmwiftendften Priefterfchaft, Frömmelnder Heuchelei und Gaunerei jeder Art.
Einſt war die Stadt, wie noch zu Nadir⸗Schah's Zeit, ein Ort der Pracht und des Glanzes; Längfl
aber ift fie in Folge wieberhofter Verheerungen und Plünderungen durch bie raubfüchrigen Dor-
den Khoraffans, durch die Usbeken und Zurfmanen Turans, die Afghanen u. ſ. w. fehr herabge⸗
tommen. Die feftgefiedelte Bevölkerung beläuft fidy nur noch-auf 40— 45000 E., weiche die
zahlreiche Menge der zu- und abiwogenden Fremdlinge möglichſt auszubeuten ſucht. Man
fertigt jeboch audy den beften perf. Samımet, ausgezeichnete Gold- und Sumelierarbeiten, ge»
rühmte Stablölingen u. f. w. und verarbeitet beſonders Türkiſe, die bei den Pilgern guten
Abſatz finden. Der merkwürdigſte Theil der Stadt ift das heilige Quartier, Sahn genannt,
das vorzüglichfte Gebäude darin das Mauſoleum des heil. Imam Rifa, eine prachtvolle, durch
feomme Gaben reich ausgeftattete Gruppe von Donen und Minarets, mit einer Kapelle,
worin ber Heiligenfchrein bes Imam hinter einem goldenen Gitter und neben ihm der Sarte-
phag des Harun⸗al⸗Raſchid ſich befindet. Die Stadt befigt 16 Medreſſen⸗ oder Gelchrten-
ſchulen, darunter einige mit reichen Bibliotheken, an zwölf öffentliche Bäder, über 24 Kara-
vanſerais, einem großen Bazar; der alte Reſidenzpalaſt liegt in Ruinen, ber neue ift ein
unanfehnlihes Gebäude. — Mefhed- Ali oder Imam⸗Ali, eine Stadt im türk. Paſchalik
Bagdad, etwa I M. ſüdweſtlich von Hillah und den Ruinen von Babylon, an einem
Zufluß des Euphrat und am Rande der Wüſte, zähle 6000 E. und ift berühmt als Ra
fahrtöort der Schiiten oder Anhänger des Khalifen Ali⸗Ben⸗Abu⸗Taleb (f. d.), dem auch kie,
im Felde Nedſchif, eine Grabſtätte oder Mofchee geweiht wurde. Diefelbe ift groß, im Innern
prachtvoll und war einft fehr reich an Koftbarkeiten, die man aber nad; Imam⸗Muſa bei Bagdad
gebracht hat, um fie vor den Wahabiten zu retten, welche 1804 die Stabt belagerten, aber ron
den Türken zurüdgefchlagen wurden. — Mefched-Bofain-oder Mefched-Buffein, auch Jıram-
Hofain genannt, eine Stabt von 7000 €. in demfelben Pafchalit, ebenfalls an einem Zufluf
des Euphrat, aber in reicherer Gegend, hieß urfprünglic, Kerbela und erhielt feinen fegizer
Namen als Grabftätte von Ali's älteftem Sohne Hofain oder Haffan, der bier 9. Der. 680
im Gefechte gegen die Dmahjaden erfchlagen wurde. Auch feine Mofchee ift ein Wallfahrrs-
ort der Schüten und enthielt große Reichthümer bis zum 20. April 1801, mo fie und die ganıe
Stadt von den Wahabiten ausgeplündert wurde.
Mina (Don Zavier), fpan. Guerrillasführer und Freiheits kämpfer im ſüdamerik. Unab-
hängigfeitökriege, der Neffe des fpan. Generals Don Francisco Espoz y Mina (f. d.), wurde
41789 zu Idozin geboren and widmete ſich zu Tograno geifflichen Studien. Als er 1808 zur
Herftellung feiner Gefundheit in feinen Geburtsort zurückkehrte, empörten die Erceffe der franz.
Soldates ka fein jugendliches Gemüth fo, daß er die nationale Sache auf eigene Hand gegen die
Eindringlinge zu rächen befchloß. Er fammelte eine Bande Gefinnungsgenoffen um ſich und
begann gegen die Franzoſen den Heinen Krieg, der fi) damals noch nicht im Rande allgemein
entwidelt hatte. Im Anfange des I. 1810 mar er den Franzoſen bereits fo gefährlich gewor⸗
den, daß General Sucher, damals Gouverneur von Navarra, mit M. in Unterhandlung zu tre-
ten fuchte und endlich, als Died nichts half, eine ftarfe Colonne unter Harißpe gegen den jungen
Bandenchef abſchickte. M. löfte feine Bande auf, trieb ſich, verkleidet, mir außerordentlicher
Kühnheit unter den gegen ihn abgeſchickten Truppen herum, vief aber doc) die Seinen alsbald
Nachtrag. 601
wieder zuſammen, um neue Schläge gegen den Feind zu führen. Zufällig fiel er aber 31. März
4810 in die Hände eines franz. Poftene und wurbe, während fi) fein erwähnter Oheim an die
Spige der Bande ftellte, nad) Bincennes in Frankreich gefchafft, wo er bie zum Sturze bes
franz. Kaiſerreichs eingefchloffen blieb. Bon politifchen Freiheitsideen begeiftert, kehrte er jegt
nah Spanien zurüd und wandte fich mit feinem Dheim der conflitutionellen Sache zu. Als
fi) der ältere Mina 1825 den Franzoſen ergeben mußte, felgte dieſem auch Don Zavier ind
Exil nach England. Bald jedoch ging Zavier mit andern Schieffalsgenoffen nach Merico, wo
er als Vorkãmpfer der Unabhängigkeit vom Mutterlande auftrat und fich an ber Spitze einer:
Freiwilligenſchar den Royaliften fuechtbar machte. Indeffen marb er endlich durch‘ Verrath
mit 25 der Seinen in einer Schlucht von den Royaliften überrafcht umd 13. Nov. 1817 durch
ein. Kriegegericht zum Tode verustheilt und erfchoflen. Dies gefchah namentlich auf Beran-
laffung des Vicekönigs, ber diefen geringen Vortheil als großen Steg auszubeuten fuchte. M.
befaß eine glühende, heldenmüthige Seele, war aber ohne militärifche Bildung und Erfahrung.
Rabonaffar wird in dem Regentenverzeichniß des Ptolomäus als der erfte der affyrifch-
medifchen oder vielmehr babylon. Könige genannt. Derfelbe ift befonders von Bebeutung, weil
vom 14. 3. vor feinem Tode, dad wahrſcheinlich das erfte feiner Regierung war, ſich die Ara
des Nabonaffar (f. Ara), eine der erften fichern Jahresrechnungen, batirt. Diefe Ara beginnt
mit dem 5.Nov. 7479. Chr. Nach den Berichten einiger Scheiftfteller [OU N. füämmtliche Denk»
mäler der Thaten feiner Vorgänger vernichtet haben, damit künftig die chald. Könige von ihnt
an gezählt werden müßten. Die wahre Beranlaffung zur Einführung der neuen Ara, ob eine
wichtige politifche Ummälzung ober das bloße Bebürfniß der fortfchreitenden Aftronomie nach
einer feften Zeitrechnung, ift wenigſtens bis jegt noch nicht ermittelt; Doch läßt das Gelingen der
vollftändigen Entzifferumg der babylon. Keilinfchriften eine einftige Röfung diefer Frage hoffen.
Palenque, eine Ortfchaft im merican. Staate Ehiapas, unweit der Grenze von Yucatan,
nordöftlich von Ciudad⸗Real am Fluſſe Micol gelegen, ift in neuerer Zeit oft genannt wegen
der berühmten Ruinen von P., die unftreitig zu den wichtigfien und großartigften Denfmälern
voreurop. Civiliſation in Amerika zählen. Yon den Ummohnern Bafas be Piedras, d. i. ſtei⸗
nerne Häufer, genannt, haben biefelben einen Umfang von drei bis vierMeilen und beftehen aus
einer Anzahl mehr oder minder wohlerhaftener Gebäude, in denen man Tempel, Feſtungswerke,
Gräber, Byramiden, Brüden, WBafferleitungen und Wohnhäufer erfennen will. Am merk⸗
würbigften ift ein regelmäßiger vierediger P las von 300 F. Breite und 1350 F. Länge, in
deffen Mitte fi) daB etwa 3008. lange und 30 F. breite Hauptgebäude erhebt. Den Hauptein-
gang in daſſelbe bildet ein nur 9%. hoher, aber 108 F. langer Bang, der von platten rechtwinke⸗
° Ligen Pfeilern getragen wird. Das Innere zerfällt in zahlreiche Gemächer; bie Flüge des Ger
bäudes find durch Höfe voneinander gefondert. Der Thurm, der fi aus der Mitte deffelben
bis zu etwa 75%. erhebt, beſteht aus vier Stockwerken und ift von einfacher, aber zierlicher
Bauart. Die unterirbifhen Gänge und Gemölbt find noch nicht genauer unterfucht worden.
Die Senfteröffnungen, allenthalben angebracht, find Mein und nicht gleihförmig. Die Wände
find meift mit Basreliefs und Malereien gefhmüdt und mit Stud überzogen. Daffelbe gilt
auch von einigen andern größern Bauwerken ber Auinenflätte, weiche ohne Zweifel zu. öffent-
lichen Zweden beftimmt waren. Über die Erbauer und bie Zeit ber Erbauung herricht noch
Dunkel; jedenfalld war die Stadt, deren Ruinen fih bei P. finden, der Mittelpunkt eines wohl»
organifirten mächtigen Reichs. Bereits zur Zeit der Eroberung bed Landes durch die Spanier
muß diefer Herrfcherfig längft verödet gemwefen fein. Bis 1787 kannte man die großartigen
Nefte nur von Dörenfagen, und als damals auf Befehl der fpan. Regierung Antonio dei Rio
zur Unterfuchung derfelben abgefendet wurde, fand er fie Dicht mit Gehölz übermachfen. Nach
dem Bericht des Letztern bearbeitete Cabrera in Guatemala eine Schrift, welche unter dem
Zitel „Duehuetlapallan, Amerikas große Urſtadt im Königreich Guatemala” (Meining. 1823)
ind Deutfche überfegt wurde. Seitdem haben mehre Meifende, darunter Walde und Stephens,
die Ruinen von P. beſucht und befchrieben. ,
Fe der Heilige, der erfte Eremit, war 229 in Unterthebais in Agypten geboren und -
flüchtete als Jüngling bei einer Chriftenverfolgung in die Wüſte, in der er aus Neigung zu
frommer Ascefe zu bleiben befchloß, auch als Die Gefahr vorüber war. In einer Höhle lebte er
fange Jahre von der Frucht eines einzigen Palnıbaums, dann foll ihm täglich ein Rabe Brot zu⸗
getragen haben, von dem er fich fortan nährte. Er hatte 90 3. in der Wuͤſte zugebracht, als ihn
ber heil. Antonius (f. d.), der Vater des Mönchthums, auffuchte, bei welcher Gelegenheit P.
unter mancherlei Wundern im Alter von 1153. farb. Sein Gebädhtnißtag ift ber 15. Januar.
608 Nachtrag.
Percuſſonsmaſchine oder Stoßmeſchice wenns mau die mechauiſche Vorrichtung zur
egperimentellen Nachweiſung ber Gejege, welchen bie Bewegung ber Körper durch Stoß (ſ. d.)
mterliegt. Sie beftcht im Weſentlichen aus zwei oder mehren an Fäden aufgehangenen Kugeln
und wurde von Edme Mariotte (f.d.) zuerſt angewendet (baber auch Mariotte ſche Mafchine),
von Nollet aber verbeffert. _
Pictenwall neunt man vorzugsweiſe die zufammenhängende Reihe von Mauern, Wales
und Befeftigungswerken, die von ben Römern zu verſchledenen Zeiten, namentlich unser Wbrien
und Severus, im Norden Englawds, zwiſchen bean Buſen yon Solway umb den Tynemünbun-
gen, errichtet wurden, um ben füblich derfelben belegenen zum. Theil des Landes gegen Die ſich
fiets erneuernden Einfälle der nörblichen Völker zu [hügen. Diefelben erſtreckten ſich in einez
Länge von etwa 80 rom. Milliarien (16 deutſchen Meilen) im Allgemeinen in ziemlich gerader
Nichtung vom Gaftell TZunnerelum beim heutigen Bowneß im Weſten bis nad) Segedunum,
dem jegigen Wallsend in Ofen, und beſtanden aus einex Meike von gut beisgten Kafielen, die
durch Heerſtraßen ſowie Mauern und Wälle miteinander verbunden waren, Die vielen Rıfte
dieſer großartigen Nömerwerke find von jcher Gegenſtand der Forſchungen engl. Archäologen
geweſen, aber erft in neuster Zeit durch Gollinginsed Bruce, einen Geiftliden zu New⸗
Caſtle am Iyne, einer gründlichen wiffenfehaftlichen Unterſuchimg unterwerfen worden, beren
Grgebniffe er in „The Roması Wall” (Xond. 1854) nitgetheilt hat. Vgl. ZBright, „The Celis,
the Romans and iho Saxons“ (Lond. 1853).
Provocatio ad populum hieß DIS zum Untergange deu rom. Republik die Berufung gegen
eine Entſcheidung der Conſuln an das Volk al die höchſte Iuflany Diefe Peovocation, als
ein Mittel zum Schutz gegen confularifche Willkür, war von der appellain infofern unterſchie
den, als bei legterer nur das Anrufen gewiſſer Magißtrate ſiattfand. In deu Kaiſerzeit verwan-
beite fi} die provocatio ad populum fowie die appellatio in die Berufung an den Kaifer.
Setzwage, auch Loth und Bleiloth, heißt ein Juſtrument, deffen juch die Baulente zur
richtigen Stellung borizentales Flächen bedienen. Das Inftrument beſteht aus eimem dreiecki⸗
gen Bret oder bat die Geſtalt eines umgekehrten T, an beffen mittierm ſenkrechten Arme oben
ein Bleiloth aufgehangen ift, deſſen Schnur bei genau horizontaler Stellung ded Ganzen eine
auf dem ſenkrechten Arme von oben-nach unten gesogeme Linie decken und befien Gewicht dann
gleichzeitig in einen am untern horizontalen Doppelarm genau in ber Mitte angebrachten Aus⸗
ſchnitt einfpielen nwf. -
Süs, eine Landſchaft an ber Außerfien Güdwefigeenge des Sultanato Marokko (ſ. d.), cheils
von Berzweigungen bes Atlas, theild von Ebenen erfüllt, im W. au ben Atlantiſchen Dccen,
im S. an die Wüfte Sahara, im D. an ben zum merelfan. Bilebulgerid gehörigen Diſtrict
Dria grenzenb, bietet binfichtlich bes Klimas, der Production umd Bevallerung im Ganzen dir
felben Verhältniſſe bar wie das Küftengebiet des übrigen Marokko. Nur gehört die Bevöllt
rung vorwaltend zum Berberfiamm, und das Band erweiſt fich vorzüglich reich an Minerafun.
Die Gifenlager und Gruben von Antimonkupfer find weit verbreitet umd wurben von ben
im Bergbau und Verſchmelzen der Erze erfahrenen Berbern ſchon feit dem Mittelalter, viel
leicht ſchhon im Alterthum ausgebeuter. Außerdem finden fi auch Silber und Bold, Ser
peter und Schwefel vor. Der fchöne Fluß Sud, der im Atlas entſteht und ſchon nach fur
zem Laufe in das Meer fällt, aber wegen der Bewäfferung feiner Uferftriche, von großer Wich
tigkeit iſt, fcheibet das Land in dad Nörbliche und Sudliche Sus. Das Roͤrdliche GnB, cin
ben Sultan von Marokko untermorfener Diſtrict, enthält folgende nicht unwichtige Städte:
Tarudant, Hauptort bes Bandes und ehemals eines eigenen Reichs, in einer parabiefifchen,
früher wegen ihrer ftarfen Zuderprobuction berühmten Gegend, mit 23000 G. die eime Urt
Bleinen Freiſtaats bilden, ſehr geſchickt in der Beberbereitung und im Färben von Federn find,
au Baumwollenzeuge (Haiks), viel Kupfermaaren, für welche die Stadt ber Hauptmarft der
weiten Umgebung ift, und Salpeter liefern ; Eagawoft, vielleicht Die ältefte Stadt des Landes
Sub, befeftigt, mit überaus reicher Umgebung und fehr induftriöfer Bevölkerung, die arten
Handel mit felbft verfertigten wollenen Tüchern nach den Dafen der Sahara und den Negerlän-
dern treibt; Tedſi, ein anfehnliher Ort an einen Arme des Sus in fruchtbarer Gegend, mit
angeblih 14— 15000 E.; Agadir oder Santa⸗Cruz, ein fefter Drt, nahe der Mündung dei
Sus, auf dem Gipfel eines hohen und fteilen Bergs, mit einem guten Hafen ımd 500 E.
Das Südlige Sus oder Ous-el-Alfa (d. h. das ferne Sit), auch Teffet genannt, reidyt vom
Susfluffe bis zwei Zagereifen nördlich von dem großen Sakia-el-Damta (d. h. Rother Fluß)
ser früher vom Beherrfcher Marokkos felbft als Suͤdweſtgrenze feines Reichs angefehen wurde.
Nachtrag. 003
Es iſt ein Küftenland, das aber theilweife durch Ausläufer des Atlas fehr gebirgig ift und von
dem untern Laufe des Draͤa, des größten Fluſſes von ganz Marokko, durchzogen wird, ber an
dem völlig Hafenlofen Geſtade üblich vom Cap Nun mit einer 180%. breiten, durch Sandhänte
verflopften Mündung in den Deean fich ergießt. In diefem Lande haben ſich in neuerer Zeit
mehre Heine Staaten mit induftrieller Bevölkerung vom Berberflamm gebildet. &o ber feit
etwa 1810 von Marokko unabhängig gewordene Staat des Sibdl⸗Hedſchaͤm, gegründet von
einem Marabut dieſes Namens und noch jept von deffen Nachkommen beherrfcht. Als Ort⸗
fehaften find bier hervorzuheben : bie Stadt Talent oder Tellent und das Y,M: davon liegende
volfreiche und als Wallfahrtsort berühmte Dorf Ilir, Ilirgh ober Ilekh, beide Refidenzpläge
des Herrſchers; dann der große Handelsplatz EI- Sig, mit einem mehre Monate fang
dauernden Markte, und der Drt Dfrän mit halbfüdifcher Bevölkerung. Weiter füdlich liege der
Peine Staat des Wad ⸗Nun oder Ued⸗Nun, in der Nähe des Caps Rum, mit dem Haupterte
Wad⸗Nun oder Run, am gleihnamigen Bluffe: ein volkreicher Markt» und Hauptftapelplag
für die in jeden Brübjahe aut Tanbuktu gerüdtchrenben Roranınan.
ut
— —
Verzeichniß
der in der zweiten Abtheilung des funfzehnten Bandes
enthaltenen Artikel.
W.
1. Bernie 12, . "Bahnfinn. 28.
Waadt. 1. Waffen. 12. Wahrheit. 29.
Maag. 2. Waffenplatz. 13. Dadrfagung. [. Weiflagung. 30.
Maagen (Guſtav Friedrich). 2 . Baifenreht, 13. a ahrfieinlichfeit. 30.
Waal. 3. Waffenſtillſtand. 13. Währung. 3
Waarenkunde. ir nat. er Waͤhrwolf, f. Werwolf. 31.
Ware (Mobeni). 3 . Wage Wahrzeichen. 31.
Wach Ri.). 3 —B (Ian). 15. - Baiblingen. 31.
Wachau, 3. MWagenburg. 16. \ Waiblinger (Wil. Friedr.). SI.
Mache. 4. Wagenwinde. 16. Waid. 31.
Wachholder. 4. Wagerecht, ſ. Horizontal. 16. Walter, f . 3a 29 31.
Zogler Hob. Friedr. Ludw.). 4. Waghorn (Thomas). 16. —ã—
Wachs. Wagner (Gottlob ‚pen. Adolf neit (Georg). 32.
33 o. — Molphine). 1 ai (Theodor), 33.
Wacheſiguren. 5 m agner (Emf — Karl). Waißtzen. 33.
Wachsmalerei. 6. Bagner (Georg Phil. Ge, IB Wafchelb (Stadt). 33
Wachsmuth (Eruft Wild. Gotte Wagner (Joh. Jak.). —— (Gilbert). 33
lieb). 7. Wagner (Ioh. Dar von). 19. Wafuf. 34.
Wachsthum. 7. Wagner (Morik). 20 Walachei. 34.
gern. 8, Wagner (Rudolf). 20. Walachen. 40.
Machtel. 8 “ Wagner (Nihard — Sofanna). Balafeied. 4.
Wachter (Ferdinand). 9 21. Bald (Joh. Georg — Jh.
Waͤchter (Georg Phil, Ludw. Wagram. 22. Ernſt Immanuel — Ghrie
Leonh.). 9 Wagrien. 24. fion Wilh. Fran — Karl
Wächter —— Georg von). 9. anahäbiten.. 24. Frieder. — Georg Ludw.). Al.
htm. 1 0. Wahl; Zehlrecht; Wahlverfah⸗ Walcheren. 41.
Wachtſchiff. 1 ten. 25 . Waldenaer (Charles Atbanaitr,
Wackenroder Bits, Heinr.). 10. Wahl (Thriſtian Albr.). 27. Baron). 42
Wackerbarth (Aug. eh BVahlcapitulation. 27. Waldai. 42.
Graf von — gJus. Joſ. Ludw., Wahlenberg (Georg). 27. Waldaigebirge. 42.
Graf ven). Wahlreich. 28. Waldarfer (Chriſtoph). 42.
Wackernagel a Heine. Wild. Wahlfprud, ſ. Symbol. 28. Maldau (Mar). 42.
— K. &. Philipp). 11. Wahlftay (die). 28. Waldbau. 42.
Wade. 12. Wahlſtatt (Dorf). 29. Waldbrand. 43.
Wadi. 12 Wahlrerwandtſchaft. 28. Waldburg (Fürftentfum u. Ge⸗
Berzeichniß dex in der zweiten Abth. des funfzehuten Baudes enth. Artikel. 606
ſchlecht — Johann. Graf von
Truchſeß⸗ — Briedr. von — Wan
Konſtantin von — Leopold
von).
Be (Beier Ludw., Graf
Truchſeß⸗
Veldeg BücRenigum und Haus
Georg Friedr. on), 44.
Waldemar ber fa alkge). #7
Dabemar (Briebr Wilh., Brinz).
Wanenburg. 4.
Waldenſer. 48.
Baldgötter, f. Faunus, Ban und
Satyr. 49.
Baldhorn, f. Horn. 49.
Waldmeiſter. 49.
Walbdſtein⸗Wartenberg( Geſchlecht
— Chriſtian Vincenz Ernf —
Georg — Joſeph Friebrich
— Franz Adam von). 49.
Waldungen. 50.
Waldwolle, ſ. Kiefer. 52.
Wales. 52.
Walfiſch. 53.
Walhalla (Mytholo gi, 54
Walhalla (Baumer
Walken. 55.
Malfererde. 55.
Walkyren. 55.
Wall. 56
au. .
Wallace (Will). 56. °
Wallbüchſen. 57.
Mallenflein Ab. Wenzel Eur
ſebius von). 5
Waller (man). 60.
Wallfahrt. 60.
Mali (Nathanael). 61.
Mallin (Johan Dlef). 61.
Balis (Fürftenthum), f. Wales.
ale (Ganton). 62.
Wallis (Jo in): 63.
Waliſer (Chriſtoph Thomas).
Balltnoen (Gefhleht — Hans
Ludw. von — Ludw. Georg
Thebel, Graf von — ser
Aug. Sub. Graf von). 63
Mallnußbaum. 64.
Wallonen; — Barde;
Walloniſche Kirche. 64
Wallraf (Ferd. Franz). 65
Malpole (Sir Nob.), Graf von
Oxford. 69.
Malpole (Horace). 67
Walpole (Spencer Gerati) 67.
anatpurge, 2 ß88.
Walrath. 68
Walroß. 68.
Walfingham Bir Francis). 69.
Malter (Ferb.). 69
Walther von ber Bogelweide. 70.
Malther Ehil. Franz von). 71.
Walthiere, f. f. Getaceen. 11.
Walze, f. Eyl inder. 71.
Talgende Brundflüde. 71.
Walzer. 71.
Walywerf. 72.
. 72.
Wanda. 73.
Wandelndes Blatt. 73.
Wandern der Handwerker. 73.
Banberungen der Thiere. 74.
Wandsb 74.
Bange.
are heim (Karl Aug., Frei⸗
betr von).
Bangeroge. 75,
zen. 75
Bappen. 75.
Wappenkunde. 76.
Wappers auf. «+, Baron). 76.
Baräger. 7
Barasdin. 77.
Barbeit (Berlin). 78.
Barburg. 79.
Barburlon (Bill.). 78.
Marböchuus. SO.
Barbein. 80.
Marendorf. 80.
Warmbluͤtige are. 80.
Warmbrunn.
Waͤrme —5 — 81.
Bärme (t bierifäe). 83.
PBärmemefler. 85
Warnemünde. 85.
Barnfönig (Leop. Aug.). 8.
Warren (Samuel).
Barrington. 87.
Barfdau. 87.
Wartburg. en
Wartburgfeſt. 90
Bartburgfrieg. gl.
Warte. 92.
Wartenberg. 93.
Martenburg. 92.
Warthe. 92.
Barton (Thom. — Sofepb). 03.
Warwick (Grafihaft). 93.
Warwick (Brafentitel — Bill.
Beauchamp, Graf von — Rir
qard Beauchamp, Graf von
— Henry, Herzog von — Ri⸗
chard Neville, Graf von —
John Dudiey, Graf von —
Robert, Lord Rich, Graf von
— Francis, Graf Broofe,
Graf von — George Gun
Greville, Graf won). m.
Barze. 95. .
Bafa (Ritterfik). 96.
Waſa (Stadt). 96.
Wasgau, |. Vogeſen. 96
Bafhington (George). 96
. Bafhington (Städte); Bafking-
tonsTerritory; Waſhingtons⸗
infeln.
Mafler.
—2 ĩ Folybdan. 101.
Waſſerdicht. 1
Waſſerfall. 0
" Baflerfarben; Wafferfarbenma⸗
lerei. 101
Waflerfenhel. 101.
Waſſergeſchwulft. f. Odem. 102.
Baflerbeilauftalten, ſ. Kaltweſ⸗
ſercur. 102
Waſſerhoſe. 102.
Waſſerhuhn. 102.
Waſſerjungfern, ſ. Libellen. 1082,
Wafferfopt ſ. gy ſerſocht. 102.
Bafferfünfte.:
—— (. Rhuaduct. 102.
Wäſſern, ſ. Bewäflerung und
Voiriten 102.
Waſſerprobe, Ordalien. 102.
Baflerregal. 102.
Beflerfiöeu und Hunbdséwuth.
— 104.
Waſſerſtoff. 104.
Waſſerſucht. 104.
Waflerwage. 109.
Waſſerweihe. 105.
Waſſerzeichen. 105.
Waflerziehen der Sonne. 105.
Wateau (Antoine). 106.
Waterford. 106.
Waterloo (Schlacht bei).
Waterloo (Antonj). 100.
Matt. (James). 109.
Matte. 109
Matten. 109.
WatsTyler. 108.
Wau. 111.
Wavre. 111.
Wawre. 112.
Barholm. 112.
Weben und Weberei. 119.
Weber (Beba). 114.
Weber (Bernd. Anfelm). 115.
Weber (Bottfr.). 115.
Weber (Karl Jul.). 116.
Weber (Karl Marla Friedrich
Erneft, Freiherr von — Phil.
Shriftian Mar Maria von).
Beben (Mi). 118.
Meber (Ernft Heinr. — Eduarb
Friedr.). 119.
Weber (Wilh. Ehuav). a1.
Weber (Wild. Ernft). 1
Weber (Beit), |. Wächter —2
Phil. Ludw. Leonh.). 120.
Weberdiſtel. ſ. Karde. 1W.
Webſter (Dan.). 120
ee f. Mahabiten. 131.
Wedel (Familie — Eheifian —
Andr. — Joh.). 1
Wechſel. 121.
Befelbearife, [ f. Eorrelat. 123.
Wechſelfie
Wechſelnoten. 194.
Wechſelrecht. 124.
Beöfewinfel. 124.
echfelwirfung. 124.
elwirthf aft. 135.
2 erlin (Aug. von). 125.
Weckherlin (Georg Rud.). 125.
Weckherlin (Wild. Ludw.). 126.
Bebelind (Ant. Chriſtian). 126.
Webekind (Georg Chriſtian Gott⸗
lieb, Freiherr von). 127.
107.
606 Berzelntß der in ber zweiten Adth. des faufzehuten Bandes entf. Arttec.
Wedekind (Georg Wilh., Frei⸗
wereleJarlaberg (Ich, Ra
del-Jarle ’ 6».
Gem, —E 128.
Mebgwand. 199,
— Sohn).
Bent (Joh. Bapt. —
Wegmeller, f. Hodometer, 128.
Wegieeiber Jul. Aug. Zubw.).
wc eb, di —— Wehr⸗
, £ Berwoli. 128.
* ſ. Frauen und Geſchlecht.
— * 129.
Weichert Gonatt Ang.). 128.
Weichſel. 1
— 130
FH f. -Mofusten. 131.
eiden; Weidewirthſchaft; Wei⸗
derecht. ſ. Hutungsrecht. 132.
Weidig (Friebt. Ludw.). 132.
Meile, f. Haspel. 132.
Weiße Frau. 150.
Weißenburg. 151.
—— Linden. 151.
Meißenfels. 152.
Weißenjer. I
rg ——* Franul
Veronika von). 152.
Weißer Fluß, ſ. Leulorrhöe. 15%.
Meibes Meer. 152.
Weißfiſch. 153,
Weißgerberei, ſ. Gerberei. 153,
Weiß⸗Kunig. 153.
Beibpfennig, * Albus. 14.
Weigrußland
Weitling N 184.
Weitfichtigkeit. 154,
annes). WMa.
Welder (drier. Bottlieb). 155.
Melder (Karl Theod.). 156.
Beben (Ludw., Freiherr von).
Belfe Buelten. 1
Bella (Io. Seat), 158,
Weigel (Karl Swwinien Leber. Well
Sch. ug. Gettlob —
Le. Dewald — Rudolf.)
Deigel (Valentin). 133.
Weigl Se. 4
Deriſchef
Weihe, —2 Weihleſſel,
—E 134.
Weihnachten. 134.
Beibmashleland. f. Natal. 13%.
Weihrauch. 1
Weihwaſſer. 135.
Bel (Bullen). 136.
Weiller (Rajetan von). 136.
Weimar.
Mein, od. 137.
Meinbrenner (Briedr.). 142.
Beinen, f. Thraͤnen. 142.
Weingarten. 142,
Weingeift, ſ. Allohol. 143.
Weinheiun. 143.
Weinli in (Ehriftien Theod.
Ehriftian Albert). 143.
Beinprobe. 143.
Meinsberg. 143.
Meinftein. 144.
Weinſtock, ſ. Wein, 144.
Deinttaubeneut, ſ. Traubeneur.
44
Weisbach (Julius). 144.
Weile (Chriſtian). 144.
Weisflog (Karl). 145.
Deithaust (Adam — Karl non).
Weisheit 142.
Beiffagung. 145,
Weisthum. 147.
Weis (farbe). 147.
eis (Gheißian Sam.). 148.
En
eiße (Ghri tan Felir). 148.
Bis (Shridian Eruf). 149.
Weise (Chriſtian Herm.). 149.
Wellen und Wellenlehre. 150.
Meller (Iaf.). 159.
Wellesley (Familie — Richard
Golley — Garret Colley, Biss
count — Richard Colley, Mar⸗
quis — William W. ————
William Bole « Tylney⸗ Long⸗
— Gerald Valerian — Hm
ty). 159.
Bellington (Arthur Wellesley.
Herzog von), Fuͤrſt von Das
terloo— Arthur Richard,
og von — &harles We 7
ey). 160.
Wels (Ki). 183.
Wels (Stabi). 163
MWeischkorn, Mais, 163.
Weller (Familie — Octavian —
Bartholomaͤus — Philippine
— Andr. Markgraf von Burs
au — Karl, Markgraf yon
urgeu — Marcus). 183.
Welt. 184.
Weltachſe. 164.
Weltall. 164.
Weltgeiſtliche. 164.
Beltgericht, ſ. Jüngfter Tag. 164.
Weltgeſchi ie Geſchichte. 164.
Weltumſegler.
Wendekreiſe. 168.
MWendelireppe, |. Treppe, 165.
Wenden. 1
Wendt 306. Amadeus). 166.
Wenersborg. 166.
Wenerfee. 166.
| Bentwarih, (Thom.), f. Straf
ford. 167
nit. (Herzog non Böhmen).
I
Beh, bug. I00. Kaiter). 167.
168.
te (der). 169.
Werber (Karl). 368.
Ber (Adrian von der — Pe
ter van ber). 169.
. 189.
Bernia (0 (Seurif Arneir). 108.
Beh naufer, by Arbrüshäufe.
Bei (it Ghrifian). 178
rmeland. 171.
Bermutd, f. Msynihium nes
Artemifie. 171.
Burarı (Ahr. Sottlob). 171.
ee (Friedr. Ludw. Zacher.).
1
Bernigerode. 173.
Meute 106 (Ghufian). 1236.
—* — 174.
ſt. 375
Werth Beh. von). 175.
Vertheim. 175.
Werwolf. 176.
Weſal. 176.
Weſen. 177.
Beier AMu, Depert.). 177.
Weſergebirge. 10
Wesley (Sohn — Charles). 138.
Meöpen. 180.
Beil (Joh.). 181.
Beelkun (Nikolaus, Baros).
1831.
Weſſeling (Bet). 181.
Weſſenbeng (Ignaz Deint. Kal
Freiherr von — Joh.
Breißere von ®. Karin
Se 182.
MWeflobrunn. 183.
Welt, f. Abend und Hımze®
gegenden. 183.
Wer (Benjamiz). 483.
Wei (Thomas und Karl Er
u), I. Shemyogel 18.
Raul in. 183.
Weſtenxieder (Lor, von). IH
Weſteraͤs. ISA.
Meflerbotten. 185,
Weßergaard (Niels . . 1
Weſtermanu (Ant.).
Weſterwald. 186.
Detfalen; VWeſtfäliſcher Kıra.
Wenfaten (Kömigreih). 187.
Weſtfalen (Burns). 136.
Meffälifche Drm&sen. 191.
Weſtfaͤliſcher Friede. IN.
Meftgothen, ſ. Gothes. 194.
Weftgothland, ſ. Wotbland. 19.
Meftindien. 194.
Deſt⸗Lothian, f. Einlitigomw. 197
Peftmarstt (Sir Mi. — Ri
— Saurss Eheweed). 197.
MWefnieath. 198.
Weftnminfter. |. London. 198.
Weſtminſter⸗Abtei. 198.
Weſtminſter⸗Hall. 188.
Derzeichaiß der in der zweiten BIBIG. des funfgehmten Bandes enth. Arcikel. BOT
Weſtmoreland. 198.
Miderfland. 217.
Weitmerland (John Kane, Ebaf Wivdufind. 217.
von). MW.
Weſtphalen, f. Weſtfalen. 208
Beftpreuben. 300
.Weſtreenen van Tiellandt (BH- Wi
lem Hendrik Jacob, Baten.
van). 201.
Weſtromiſches oder Deeidentali⸗
ſches Reich, ſ. Rom und Nö» Wi
mifches Neid. :
Meftwind. 202.
Wetflein (Familie — Sch. Jal.
— Joh. Ru. — Joh. Mud.
— Ra Hein. — Jeh. Zal.).
Pre 202.
Weiter, f. Bit ; Better
(bergmaͤnniſch), ſ. zubenban
und Grubengas.
Wetterau. 208,
Wetterleuchten. M
Wetterſcheide. 203.
Wetterſee. 203
Wettin. 903.
Wettrennen. Ma.
MWepel (Beiehr. Gottlob). 204.
Weplar. 205
Werford. =05.
Weris, ſ. Smäland. 206.
Weyde Fen var der), ſ. Ro»
ger.
Meyer Wibein van de). 206,
Weymoutheficfer, ſ. Kiefer. 206.
Weyſe (Chr. Evnfi Kir). m.
Wezel (Joh. Karl) 301
Wheaton (Henry). 207
Whewell (Willem). 908
wi. ſ. Tory und a.
ai, © 200.
Mhif. 208
Whiſton (Di. 209. -
MWhitbread (Sam.). 208.
Whitby. 210.
White (Gharles). 310.
White (Henry Kirke). 210.
Whiteboys. 211.
Whitefleld (George). 211.
ayitehaven. 212.
Whitelocke (Sir Buffizode). 812.
Whitſtable. 212.
Miarda (Kilemann Dothias).
Miasma. 213.
Wiatka. 213.
Wiborg, ſ. Viborg. 913.
3 ern (Joh. —58 213.
mann (Kal 8
Sad. Di). er aa
Wick. 214.
Wide. 313,
Wicklow. 215.
Micliffe Dein). 215.
Widdin. 216.
Widerruf, f. Abbitte und Bali
nobie. 217.
Widerfprucd,. 217,
Biebeling (Karl Friedr. von —
Karl Guſt. von) u
Wied (Graffchaft).
ied (Geſchlecht — geien
Sub. — Wilhelm Serm.).
Wiedehopf. 218.
ederbringung after Dinge, ſ.
——— 219.
Birdereinfepung tu den vorigen
Stand, f. Reilituien. 219.
Wierererzeugung., ſ. Reproduc⸗
tion. 219.
Birbergeburt, ſ. Palingeneſie.
MWieberfäuer. 289.
Wiedertäufer. 319.
Birgmann (rend Friedr. Aug. ).
Wieland (der Schmied). 333
Wieland (Chriſtoph Mart.). zu.
Bielicite. 3277.
Wien. 238
Biener —A 233.
Wiener Friede. 40
Wienbarg (Lubolf). 41.
Bier (Johann). 241.
Wiesbaden. 342.
g. 243.
Wieſelgren (Peter). 243,
MAieſen und Wirfenbau. 243.
Dietersheim (Eduard von). 244.
Wigalois. 244,
Bigan. 245.
Migand (Bau). 35.
zight. 246.
3 ton. 246.
MWilberforce (Bl. — Bil. —
Henry — Rob. — Samuel, W
246.
aD —8* Yan ;
% * ein k —*
* gefe 8 ung u agd⸗
Wild —54. añq.
Pilda ( . Ebuard). MB,
Wildenfels. 2350.
ihn Rhein» und Aaugrafen.
Wildſchwein, f. Schweine. 251.
ungen ( städte). 351.
Wildungen (Karl Ludw. Gerh.
Heint. Friebr. von). 251.
Wilhelm von Holland. 231.
Wilhelm der Eroberer. 252.
Wilhelm II. (König von Groß
britannien). 253,
Bilgelm IV. (Heinrich, gung
von Großbritaunien). 255
Wiſhelm I. (Brinz von Dra-
nien). 256.
Wilhelm I. (Friedrich, König
der Niederlande). 359.
Bhlhelm 11. (Wriedri Georg
Ludw. Königder Niederlande).
260.
Wilhelm Il. (Aler. Banl Friecdt.
— „Konig der Riederiande).
— lJ. (König von Wür⸗
when. (€ Reitgcf von Heſ⸗
fen-Raflel). 263
— (Kurfürft von Hefr
—** H. (KRurfärft von Heſ⸗
). 265.
fen)
Bilpeln (Aug. Ludw. Ber.
‚Kriebr., je: og von Braun
wei 9). 2
wine (Briedr. — Karl,
Brinz von Preußen). 267
—* (Friedr. gab, Prinz
von Breußen). 267
Wilhelm (Eudw. Aug. ‚ Bart
taf von Baden).
Bilbelmebad. 20.
Dilhelmshohe. 369
Wilhelmsthal. 269
a 70 Heris, f. daring (BU
eim). 37
Wilten gar. 710.
Bytes (John). 270.
Wilkie (Dav.). 271.
Willamov (Zeh. Gottlieb). 772.
VWille (ver); Willensvermögen,
ni. ehrungevermbgen. 2.
e (So Georg — Bet.
Aler.).
Silent a Bransoie). 373 773.
Billenlofigkeit, |. Abulie.
Biliams (Hefena Maria). 773
Willie (Nathaniel Barker). 71.
Bilfisen (With. von). 274
re. 775.
Bitmanftrand. 775.
wind (John), f. Rocheſter.
Bilmfen rien. Bhil.). 775.
Wilſon (Aler.). 277.
Wilſon (Qorare Haymıan). 377.
Bilfon (Sohn). 2378.
Willen (Bi: Bob. Thom.). 778.
ihre. ©
Wilzen. 280
Wimpern. 380.
Wimpfen. 281.
Bimpffen (Geflecht — Karl
Aug. — Frieder. Ferd. Kran
yon — Stanislaus — Franz
Ludw. — Georg — Felir —
Franz Karl Eduard von —
Franz Emil Lorenz Hermann
von — Franz Ludw., ir
von W.⸗Bernebur 835
Fy berr von W. ——*
Binhiter. 292 .
Winckell — Franz Dietr.
aus dem)
605 Berzeihuiß der in der zweiten Abth. bes funfzehuten Bandes enth. Artikel.
Winckelmann (Job. Joach.). 283.
Winckler (Joh. Heinr.). 286
Wind. 286.
Windau. 288.
Windbruch. 288.
MWindbüchfen. 288.
Winde. 289.
Winden, f. Slowen en. 239.
Windham (Will.).
Windharfe, ſ. , Kolsharfe. 290 2390.
Binbifhgrät ( — — ls
fred, Fürſt zu). 290
Windifämenn (Karl Sof. Sie
ron. — Friedr.). .
Sindkeſſel. 201.
Windkolik, f. lhunoen. WI.
Minbmeffer. 29 1.
Windmühlen, ſ. Mühlen. 292
Windpocken, |. Varicellen. 292.
Diner (rar Benedict). 293
Wingolf. 29
Wintel. 293
Mine ( (Arnold Struth von).
Winkler (Karl Gottfr. Theob.).
294.
Winland, f. Binland. 294.
Winter (der); Winterpunft. 394.
Winter (Georg ie 2305.
Winter (Bet. von). 239%.
Winterfeld (Karl Georg Auguft
Virigens). 206.
Diner (Sans Karl von).
Winterſchlaf. 307.
Winterthur. 297.
Winther (Rasmus Willabe Chri⸗
flian Ferd.). 298.
Binpingerobe (Georg Graf Le⸗
pin, Reichsgraf von — Hein.
Karl Frieder. Levin, Graf
von). 298.
Mingingerode (Ferd., Freiherr
ven). 299.
MWipper, f. Kipper und Wipper.
299
Wiprecht der. Hltere, Graf von
GSroitzſch — Wiprecht ber Jun⸗
ere. 299.
Wirbelfäule ; Wirbelſaͤulenver⸗
rümmungen.
Wirklich und Wirfligfeit. 300
Birkung, f. Saujalität. 301.
Wirth ( (308. Georg Ing). 301.
Wirth (Sob. Ulrih). 30
—I 302.
isby. 302.
Wiſchehrab. 302.
Wiſchni⸗Wolotſchok. 302.
ai nu, f. Indiſche Religion,
en. 303.
aitfeline (Sam. Iperuszoon).
Pieman (Nicolas). 305.
MWislicenus (Guſt. Wolf). 305.
Wismar. 306.
Wismuth. 306
Wispel. 307.
Willen. 307.
Wiſſenſchaft. 307
Wiſzniewſti (Michael). 307
Wit (Ferd. Johannes). 308
Mitebef. 308.
Witold. 309.
Witt (Jan de — zaataeliut). 309.
Witte (Karl). 309
Mittefind (Heetführer); ; Bitte
findsberg. 310
Wiitelind (Sören) ſ. Dis
bufinb. 3
—ã* io.
Wittenberg. 310.
Wittenberge. 311.
Witterung. 312.
Wittgenflein, f, Sayn und Witt
enſtein. 313.
Witthum. 313.
Wittſtock. 313.
Witwe. 314.
Witwenkaſſen. 314.
Wis. 314.
MWisleben (Job Wild. Karl Einf
von). 315.
Witzleben (Karl Aug. Friedr.
von). 315.
Wladimir (Gouvernement). 316.
Vigdiwir d. Gr. (Großfürſt).
—22 (Herzoge und Koͤnige).
Dil. 318.
Woche. 318.
Moban. 319.
Mogulen. 320.
Wohlau. 320.
Möhler (Friedr.). 320.
—— 331.
me rtöpalizei, f. Del ei. 322.
Mohlgemuth ( 22.
Wohlthaͤtigkeit johihatig⸗
feitsanflalten. 323.
Wohlverlei, ſ. Arnica. 323.
Wojwoda. 333.
Wojwodſchaft Serbien und Te⸗
meſer Banat.
Woldonffiwalb, ſ. Walbaige⸗
birge. 326.
Wolchow. 336.
. Bolcot (John). 326.
Wolf (der). 326.
De (Chriſtian, breihert von).
Pr (Berb.). 3233.
Wolf (Friedr. Au.) 3238,
Wolfe (Jam.). 330
Wolfenbüttel. 330.
Bot (Emil). 331.
ur (Bius Alex. — Amalie).
we (Oskar Ludw. Bern.)
Pe (30f.). 332.
Wolfgang (Füuͤrſt zu Anhalt). 333.
Wolfram. 333.
Wolfram von Gichenbech '.
Eſchenbach. 3 5
Wolfs gruben. 333.
—2 8 Bellabonna. 35;
MWolfsmilh. 333
MWolfsradgen. 334.
Wolga. 334.
Wolgaſt. 336.
Bolte (Ghriflian Heinr.). 358.
Wolken. 336.
Wollaſton (Bill). 337.
Wollaſton (Wil. Hyde). 337.
Volle; Bollbandel. 338.
Wollenmanufactur. 340.
Wellin. 340.
Mollmefler. 341.
Wöllner (Soh. Chriſtian ver.
Wolluſt. 341.
Wologda. 342.
Wolſey (Them.). 342.
Wolsk. 344.
Woltmann (Karl Ludw. von —
Karoline von). 344.
Wölufpd. 345.
Wolverhampton. 365.
Wolzogen (Karoline yon). 345.
Wolzogen (Zuflus Eubw., Frei⸗
herr von — Joh. Sudın. ven
— Ludw. von — Dans Ihn:
ſtoph von). 346.
Woodſtock. 346.
Woollett (Will.). 347.
Woolſton (Thom.). 347.
Woolwich. 347.
Worceſter. 348.
Wordéworth (Will.). 348.
Mörlik. 349. |
Wormius (Dlaf). 349.
Worms (Infel). 349.
Borns (Stadt). 350.
Dorner Jod, r Stifter Jes
Berufe, 351.
Woronicz (Joh. Baul). 351
Boronyon (Kamilie — Ga:
ihael — Glifeberh x
manowna — Katharina '%.
manowne — Alerander —
Sfemen — Michgel — Ei
men Diihailowitig — Szur ,
W.⸗Daſchkow). 332.
Worſaae (Jens Jacob Asmr::
fen). 353.
Wort. 353.
Wörterbud. 354:
Wortſpiel. 356.
Wostrefenst. 356.
Wotjaͤken. 357.
Wotton (Henry). 357.
Bouwermann (Philipp). 357.
Mrad. 358.
Wrangel (Karl Guſtav, Er:
von). 358.
Wrangel (Friedr. agent. Graz.
Freiherr von). 3
Wrangell (Ferd., — von —
u — —
Karl Karlewitſch — Karl gr
rowitſch — Karl Alex. von),
359.
Branisfi (Paul — Karoline —
Katharina). 360.
Brarit (Eir Nathaniel Will.).
Erbna und Freudenthal (Rud,,
@raf). 361.
Wrede (Karl Phil., Fürſt —
pen— Karl Theod + Fuͤrſt).
Wren (Sir ieiBonben). 362.
Bright (Thomas). 363
Wroniecki rtenij. 363
Wucher. 364.
Wuühlmaus. 364.
Wuk Stephanowiiſch Karad⸗
ſchitſch — Fithe mine Ka⸗
radſchitſch. 3
Wullenweber oder Jür⸗
gen). 365.
&. 39.
&alisco. 399,
Kanten. 400.
Kanthippe. 400.
Kantbivpus. 401.
Zanthus. 401.
Xaver (Kranciscus). OL,
&Kaver (Kranz Aug.). AOL.
Kenien. 402.
9 (Buchſtabe). 408,
(Meeresarm). 400.
ad. 409.
Danıs. 409.
Dangstfesfiang. 409.
Danfee; PenleeDoedle. 410.
Dard. 4
Darmouth. Au.
Datagan. 411.
Deoman. All.
Dermolow (Alerei Petrowitſch),
ſ. Jermolow. 412.
Done (Elug; Departement).
8. 434.
Baar, f. Ser: 434.
Baarbam, f. Saardam. E24.
Babern. 44.
Sabier, f. Sabaͤlsmus. 425.
Baratecas. 425.
Bad (Franz, Freiherr von —
Ant., Breiherr von). 426,
GonoCex. Zehate Aufl, XV. 2
m 5
Bunde. 366.
Bunder (das); “Wunderbar,
366.
Wunder (Eduard). 367.
Wunderlich (Karl Aug.). 367.
Bünfdelrutbe. 367.
Wunſiedel. 368,
Wuotan, f. Wodan. 368,
Bupperthal. 368,
Ward wein (Steph. Alexand.). ®
Zireß Kubus. 360.
Würger. 3
Burm (3b. Friedr. — Jul.
Beiehr. — Chriſtian Friedr.).
—* 370.
Wurmkrankheit. 370.
Wurmſer (Dagobert Sigmund,
Graf von). 370.
Burfigift. 371.
Wurfiwagen. 372,
X.
Zenokrates( Bhilefoph; Arıt). 402.
Xenophanes. 4
&enopbon. os
&enophon von Epheſus. 404.
&Keres de la Frontera. 404.
&erica, f. Jerica (Pablo de). 405.
&erres I. 405.
&Zimenes (Auguitin Louis, Mar»
quis de). 405
d.
Dorit, ſ. Sterne (Lorenz). 412.
Dort (Grafſchaft). 412.
Dorf (Stadt). 413.
Dork(Herzogstitel — Ernſt Aug,
Herzog von — Eduard Aus
aut Herzog von — Frederick,
erzog von). 414.
Dosk von Wartendburg (Hans
Day. Ludw., Graf). 415.
Doung (Arthur). 417.
Doung (Ebward). 417.
Moung (diem. ). 417.
Dyern. 4
Dyey (Kanine). 418,
8.
Zacharia.
— 32 — (Sup Friede. WBil.).
Saar von neenthel (Kal
Salomo).
Badyariae. 4
Zachtleeven, |. Saftleeven. 428.
Sah . 428.
Berzeiäuiß der in ber zwelcen a. des funfgehnten Bandes entf. Ariel, 608
Mürtemberg. 3732.
Bürtemberg (Ghriftian Friede.
NAlerander, Braf von). 398,
Bürzburg (Bisthum). 392,
——— 393.
— taniſch), ſ. Bilanzen,
—8* (matbematifiä). 30.
Wurzel (fprachlich). 395
urden. 3 350.
Wüfte. 39
Wuth, f. ante unb Yunbss
wuth. 397.
—— Heer, ſ. Wildes
Wybichi (Jozef). 397.
Wyck (Thomas). 397.
Wynants (Joh.). 397.
Wyſocki (Piotr). 398.
Wyß (Johann Rudolf). 398.
Buttenbag (Dan. — Johanna)
Zimene, (Brancesco). 406.
Ziphilinus obannee). 406.
Xuthos. 407
Xylander Wich.). 407.
Zylander (Joſ. Karl Aug., Kit⸗
ter von). 407.
Eylegraphie f Holjfäneibelunf,
zufee. 408,
Dpfilantis (Familie — Athana⸗
ſios — Nlerander — Konitaus
tin — Nlerander — Dimi⸗
trios). 413.
Mriarte (Ignacio). 420.
Mriarte, |. Iriarte. 420.
Mienburg, f. Ifenburg. 420,
Diop. 420.
Diiel. 40.
Ditad. 421.
Hitrium. 421.
Yucatön. 421.
Dverbon. 423.
Vvetot. 424.
Bahlenlotterie, f. Lotterie. 428,
Zahlenfykem. 438.
Bahtpfennige, f. Rechenpfennige
Bahfwörter. 429.
Sahlzeiden, |. Ziffern. 4239,
Zahn (der). 4
Bahn (Joh. Berl Wilh.). 431
2
DR ARE
u
| 610 Besgeiäniß demin der wellnun, des funfgeinten Bandes enth. Sictttel.
nee und San. 439
we nt, 432
en. 438,
8
ain. 433,
einer (Binder — Joh.). 433.
f. Ode. 447.
. 447.
he “un. .
Sch
iv Fr io. 448
Ef
eugbruderel,
Zeuge. 5
Beu a6. "sm.
Zeuglodon. 511.
Beugmeißen, f. Gelbgengmeißter.
Zen Sengung. 5 SL
erfiebt (ob, .). WB.
Seune (Aug. 2. Se .Rarl). 315.
Seus, f. Jupiter. 515.
Zeuß 3 Kaspar). 515.
Beuris
Zeyſt. 516.
Safo —— Bü), 13. —*— 3 'a von Sala; Bros Zeugma. 511.
Sehne. 1 an rg PR * 6 nr.). 448,
Saleufus. 434. Selig 335 rien, Freiherr
Baluffi —— — Andrej von). 4
Chryſoſtom — Iözef Yalızel Seeland. u.
Fer Gtaniflow). 434, a
ama
beccari e6c0, © j 4 f
Sambercari (Yrancesco, Graf). 3 Pr —* ae
Sambos, f. Sarbige. ſikaliſche Zeichen. 45
Samofffi (Jan — Andrzel, a.
436.
Samolris. 436.
Bamora (Stadt). 437.
Zamora (Antonio be). 437.
Bamose. 437
Sampler! (Domenico). 437.
Ban (Tomafı). 438
Zanetti (Antonio
Girolamo Francesco —
Antonio Maria). 438.
Bangenterh, |; Zenaille. 439.
Sanguebar. 430.
Sannoni (@lov. Batiſta). 440.
Sanotti ( Francesco Maria —
Giampietro Cavazzoni — Bus
ſtachio). 440.
Bante. MO.
Zäpfchen 441.
Bapfenflrei. 441,
Zapolya (Bamilie — Stephan
— Johann — — Si⸗
giemund — Barbara). 441.
Bappi (Giov. Batiſta —* —
Fauſtina). 441.
Bar. 441
Sara. 449.
Baragoza, f. Saragoſſa. 442.
Sarate (Francisco ara de —
Fernando de). 449
Serıin (Schloß; Do. 43.
rizin (Stadt). 443
Et o (Biufeppe). 444
Bars Gchd. 444.
Barter, ſ. Sarter. 443.
Banberei, |. Magie. 445.
Sauberlaterne, f. Laterna ma-
gica.
Baum. 445,
Zauner (Franz). 445
Sanngeri te, f. Pfahlkürger,
Zaunkoͤnig. 15.
Sau rebe.
Zayner, L einst (Günther und
Soßann). 446,
Sea (Infel; Stadt). 446.
Sta 0 (Don Francisco Antonio).
SearBermabe, (Don Francisco).
Biken, 441.
Seichenkunft. 451.
Zeichnende Künfte. 453.
Selbeigüker, 453
Zeiſig. 453.
Seit. 453.
Settalter: 1.
—*
Maria, Graf * A Wronelogie. 454.
Beitlofe.
Seimaf, f. Tempo und Metrik.
Beitmefier, ſ. Ehrononteter. 455.
Zeitrechnung, f. Ara. 455.
Zeitungen unb Seitfäpriften. 455.
Sei twort, „* Verbum.
SE on (Otte). 498,
Zell (Karl). 409.
Zell (Uri). 499.
Bellen. .
Zeller (Cduard). 500
Zellgewebe. 500.
Zeloten. 501.
Zelt. 501.
Zelter (Pferd). 501.
Selter (Karl Friebr.). 501.
Zemplin. 502.
Send. 502.
Be 00.
Sell, Sr Senithbiftang, 503,
Zeno (@lentiler). 503.
Zeno (Stoiker). *
Zeno (Apoſtolo). 504.
Zenobia (Septimia). 504.
Benobotus. 504.
Zentner (Georg Friedr., Frei⸗
herr von). ). 505.
Zeolith. 505..
Sen. 508.
Zephyr. 505.
Zerbſt. 505.
Zerknirſchung.
Zerrenner( We Gottlieb —
Karl Chriſtoph Gottlieb). 506.
Zerſetzung. 506.
Zertheilende Mittel. 506.
Zeſchau (Hefnt. Ant. von). 507.
Seſchau (Heine. Wild. von). 507.
I ——— 508.
——e ſ. Banken, 5068,
—— 516.
Zichy von Vaͤſonykes (Familie
— Sigiomund won — Iohauz
von — Rilolaus von — Franz
von — Stanz Jofeph von —
Eugen von — Karl von —
Franz von 3.⸗Ferraris — Karl
von — Ferdinand von — Ste⸗
yhan von). 516.
Hiebland (Georg Friebr.). 517.
tegel. 518.
Ziegen. 518.
Biegenbalg (Bartholomäus). 518.
u (Graffchaft; Gtabi;
Biene, H Bauervthel. 519.
Sieger. 519.
eger
Biegler (Friebe. Bilg.). 530.
Siegler und ã (Keint.
Anfelm von). 520
Sierpflanzgen. 520.
Ziethen (Hans Joachim von —
Friedr. Emil von — Haus
Ernfl Karl, Graf von — Leop.
Karl, Feef von). 521.
Ziffern. 5
Zigeuner. "is.
Zillerthal. 526.
Zimmermann (&lemens von). 53°.
Zimmermann (Bberharb Aus.
Wilh. von). 5
Zimmermanz ac). 528.
Zimmermann (Rarl). 528.
Sinmermann (Franz Sofepb).
Zimmermann „208. Georg, Ru:
ter von). 5
Zimmtb
. 50.
Zingar sole), >30.
sat. Ofbrian). 530
Zimt 533.
Zinfeifen (Job. Wilh.). 532
Zinfgref (Sul. ith.. 532
Zinfographig. 5
Sinn. 533.
Zinna. 534.
inne. 54.
Binnober, 584.
Zins. 534.
Zinfen. 535.
Zinszahl, ſ. Indiction, 335.
—— (Rifol, Lubwm., Graf
von
—ñ—nN— —
—
Berzeichuiß ber in det zweiten Abth. des funfgeßnten Bandes enth. Artikel. 611
Kon. 336.
Sippe. 536.
Ziye. M
Zirbeldrũſe. 337.
ahbeinubbaum, 537.
Birkel. °
—2* ſ. Giirkniterſee.
Bu
a (Johann
3 539.
Stinfide | 540.
e
. 540.
— ſ. Eope. 540.
Zittwerſamen. 540.
Ziu oder Sio, ſ. Thr. 341.
Zizianow (Haus — Baul Sa⸗
en — Raul Dimitri
tfch Dmitry Jwanowitſch).
Saum. 541.
Zobel. 541.
Seen eg
obiafallicht.
Zodiafus, |. —* 343.
Zoega (Georg). 543.
Sof agen 544.
Zoilus. 544.
—— *
Zoll (Naß), ſ. Fu gap. D44
Zoll (Abgabe). 544
Zollitofer (Georg Joach.). 545.
Zollverein. 546.
Zombor. 349.
Zonaras (Johannes). 550.
Zone; Zonen. 550.
Zoochemie, |. Thierchemie. 550
Senn Gs fe Thierdienſt. 550,"
oplit
Zoologie. Fr
Boophpten, 551.
Jootomie.
Zopf. 353.
Zopfl (Heine. Matthäus). 553.
Zoppot. 554.
Zorge. 554
Zorn. 554.
Zorndorf. 554.
Boroafter. 55
Sorrilla y oral (Don Zofl).
556.
Boflmus. 557.
Zrinyi (Riflas, Graf von). 557.
Ziofte 334 ‚Heine. Dan.). 558.
Zuaven,
Suscavı (Federigo — Taddeo).
Zuchthaus. 561.
Züchtigung. 561.
Zuch wolizeigericht. 562.
Zucken. 56%
Zucker. 568.
Zuckerrohr. 565
Zuckerwurzel. 565.
Zufall. 565.
Zufriebenheit. 565.
Zug (Ganton; Stadt). 568.
Bügel, |. Zaum.
Snglinie f. Tractorie, 566.
Zugvo ögel.
Bun , 566,
Sitigen. 567.
Am mel. 66 ⸗ ‚Geretgup (Don Ze
umpt *8 Gottlob — *
Siſh.). 567.
(h.).
—8 (Joh. Kud
en, sn Gpentfäre
Züubung,
Bünfte und Innungen. 569.
Bunge. 571.
Zurbano (Martin). 572.
Buraran (Srandeco). 573.
Surednung. 373.
Züri Stabt). 574.
Zuricherſee.
Zurita —* — Geronimo
8. de Olivan). 375.
Zurla (Blacido). 375.
Zurlo (Giufeppe, Graſ). 576.
Zurzach. 576.
— fehung. 576.
——ã Zuiderſee. 577.
Zuylen van Nyevelt (Hugo, Bas
ton von). 577.
Zwang. 578.
Iwan Hiagulbenfuß, f. Ränsfuß.
Swanzigfreuger. 579.
—
—ã——
K
Zweideutigkeit, Ki Amphibolie.
580.
Zweifel. —8
Zwei er. „580.
Zwei ufer 580
Sweilampf, f Duell. 580.
Sweifgaht . 580.
Zweiſti . 580.
Zieites Bräät. 580.
a 581.
—— Pflaumen. 583.
Zwickau.
Zwiebel. ss.
Zwillich. 584
Zwillinge. 585.
Swing! (Quldrei). 585
Zwirn; Zwirnmaſchinen. 36.
Zwirner (Ernſt Friebr.). 586.
Zwiſchenact, |. Act. 587.
Zwiſchenfelder, ſ. Metopen. 587.
Zwiſchenhandel, f. Handel. 587.
Selle "P Reterregnum.
—
Zwiſchen el. 588,
Switter, Mitterbildung, ſ. de
maphrobitismus, 588,
Swölfingerdarn. 588,
Swölfnä In 8
Bwölftafe aefep. 500
Eee twölfnächte. 590.
Zwolle "ah.
Nachtrag.
— 591.
tes, 591.
Althaͤa. 591.
Begleitfägelne, 591.
Browne (Eir Thomas — Ed
ward). 591.
Buols murnfeiu ( Gefchlecht
— Rudolf Anton — Johann
Anton — Johann Rudolf —
Karl Ferdinand, Graf zu).
Gonegliano (Giovanni Battiſta
——
n v. U}
Diverfion. 503.
Donnerle ion. 593.
Duumviri; Duumviri perduel-
Honis 3 "Duumviri navales;
Duumviri sacrorum. 593.
‚Dilergen (Joh.). 594.
euerlinie.
nnifcher Krieg g. 4.
Fitzherbert (Marie Anne). 595.
Louisville. 596.
Lünemann (aeere Heine. — Joh.
Chriſt. Heinr.). 597.
Mantulis. 597.
Marie Antoinette (Königin von
Frankreich). 597.
Marie Luife (Königin von Etru⸗
en). 3
Maſſicot
Me be; Bft Mefched-
ofain. 600
Dina (Don Zavier). 600.
Nabonaffar. 601.
Balenque. 601.
-Baulus (Heiliger).
Dercuffionsmaiet ne. on.
Bictenwall
Provocatio ad populum, 602.
gebmenı: 602.
Eüs. 602.
Drud von J. U. Drockhaue in Leipzig
Univerfal-Begifter
zehnten Auflage
bes
Sonverfations Lexikon.
Borbemerkungen.
1. Allen Artikeln von mehrfacher Bebeutung find bie zur Unterſcheidung nöfhle
gen Angaben beigefügt.
Alle mit einem Sternden (*) verfehenen Wörter haben felbfländige Artikel,
Die größere (fette) Zahl zeigt den Band, vie Fleinere die Seitenzahl des
betreffenden Bandes an. Die bei ber Bantzahl 15 rechts oben ſtehenden klei⸗
nen Ziffern (152, 15°) weiſen auf die erſte und zweite Abtheilung des
15. Bandes hin.
A. Die im „Nachtrag“ (Band 15, Abth. 2, S. 591—603) enthaltenen Artikel
And in das Yiniverfal:Regifter alphabetifch eingeorhnet.
5. Ginige im Texte des Hauptwerks felbft vorkommende ungenaue Verwei⸗
fungen (vgl. „Nachwort“, ©. XX) find im Univerfal- Megifter berückſichtigt
und werben fi -fofort heben , ſobald man lehteres zu Mathe zieht,
up
A (Buhkabe) br
[1
— * 2
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Fr Din 3.
Bon Memmsbahın 12. ‘
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— Fi 419. = erde ken 1 14, Al.
u 4 9 erde
er eine 181,419 Berdedte Batterie 181,450.
3 mp 189
= 18', 420
— %. R. van der 151,492. {hen Infeln 8, 290.
Ver — Ber
‘Bernier, P. 18%, 519,
— Onrument) 18', 519.
*"Bernunft 16°, 720.
Bernumitreiglon 1a 12, 683.
eron, 2
„Berone 188, nl,
n ech vois!, 522
Veron ea, „oießeltige 18,923.
— von Mall —&
Ber -Vi⸗ 118,
—— er 108660.
Berwelung 8,76
*Berwidelnng 181, 536
Berwirtbeit 6, 575.
*Bermwitterung ‚181,536.
Berng
Pe
ö
— 16°, 537; ws.
492. |"Bereinigte Gtaaten „(gen . “Bekalinnen 18!,538.
Beibete ; wor 181,122. phiſch⸗ — 18! Befallfche Sung — 15'538,
_Beld — (Gefichte) je. im Bere 18, 24. Br 398 1,539,
eBeleha — 181,433. | — (Literatur) 18 *Berfalließ 18!, 925 Beſuv 1
“Beliten 15 — ee Ra» ara eono ⸗Verſalbuchftaben 18°, 526 ie m „(Semitat 18%, 540.
Beliträ 18%, a. Berfallen 18',:96, — (&tad J 97 6.
"Bella, G. 18',423. Bereakgroihen T, In. Berfammlung 151,503. “Beteranen 18
Belelus 1. Balcanlı 104, 024. |"Bereindweien 183 506 Berigamie Lager 9, 321. Beirenitäe 'öbte u
“Belletri Berengerung 1 a Berihladung 33, 142. Graben 18
“Belpel 18',4%. Bererzungen 8, 614. “Berfhlagen 38\, 2/26.
Belten, 3. 181,42. *Berfabren 18 309. "Serfhleimung 181, 926. —— les .
"Beltheim. Braf v. 181,425. |Berfä “ung 8, Berfchnetdung 3, 715. “Beto 18%, Al.
‚ Ioh. 18°, 425. Berfi Nie en 14,583. |*Berfchollen I6:, 526. "Better 18,:
SBeltbem, 3. 81,42. ’Berfa ng 18 Berihwägerung 18, 678 Bettort, B. 15', 80.
"Beltlin 181,425. Ba ung? Ichre 14 391. SBerſchwendung 181,3N Benillot/ 2. 18,542
Belutirte Tapeten 1 14, 683. 8 8, *Berfi wärung 18°, 927 E. 18,547.
"Benalifin 28', 42. Berfa —— 9 BVerſecz 16%, Bevay 18, 542.
Bendte 161,426. Bergantung 6,509. ‚Be erieben der Schwangern 18°, | Beren 9, 212.
Bendemiaire 16, 228. "Bergelfung 131,406. "Begier 16°, 542.
Bendidadfade 18*,503 "Bergenneb, Graf 18, 507 egungszeihhen 151,527. |Viadrus 11.350.
Bendome (Graffd. u. Belhl.) "Bergiftung 18!, 507. erungemefen. | 161,908. Bia-Mala 7,N.
181,429, "Bergilius, B. 151, 508. iegelnng 18°, 5% *Biana 18,
.—, 2.9, ee” 18:40. | *Bergipmeinnit 18°, 508 een Bi, PP Blardot-Barcia, Yanltneß,507
Bendutena 1 gerolafımg M 1,508, Versi libe , Siaſſolo. ©. 8. 8,
Beneder 181, 6 Vergleich Berfion 8, 697. »Viati 18, 543
“Benedey, 3. 15} Sergleichung 6. 761. "Versi sciolti 18°, 530. Biborg (Stift Bi
“Benedl Kain 181, 431. Bergleihungsgrad 6, 334. Beröhunfkt 161, 524. — ae) u
— (Gtadn) 181,43. Bergleie ungörunft 0,761. | Bersmas 151, 524. — (Städte) 181,543.
"Benen id 435. "Bergniaud, — “Berföbrung 18°, 530 ipratton 18°,543; 18,
Benenpuls 12,458. "Bergoldung Fi :Berföbmungsfeh is:, 530 Biprationstheorte 9, 592.
eiBenerabile 18:, 436. °Ber — —* 510. Beriorgungsanfalten 1° 18), ‚520. "Bicar
Beneriihe Krankheit 14,686. |°B aflung g 183, Sio. Berforgung en ibn. 18° Bicaretpfränden 12, 61.
*Beneter ae 06. "Berbältnig 18°, 510, "Berfpreh *Bicarello 18', 544.
Benetia Berbältnißb begrift 15, >10. “Beriaund 1 “Bicart, 8. von 18°, 54R.
23334 . 14,52. | Berbältn t 18,3 —— 8 Bicarius 7,72.
Benetianiihe rüerpentin 8,304. ‚Ber lung 18! 5 Bertandesihläffe * 5%. vice 181,346.
"Benequela 18. 456 Berhandiungdmarime 18',511 Berfandedä 4,97. _ |Vicecomes 7, T2.
"Benlo 18!, 438. Ber 2 181, 511. erfärtungeflafte 8, 430; 9, | Bicecontuln 7, 426.
Benioo 151, 438 »Berhaue soil. De. anzier 8,610.
Bentabour, 2. de 181,270. |*Ber ‚> “Beritauden 18,532. Bicente, ©._®, 731.
“Bentil 18%, 49 el, @. ru "rat 18',512. | Berftetgerung 2, 16. Bicentiner 8,466.
Bentilation 18', 439 Berhungenm 8,145. Serfeiderung en 12,9. "Bicenza 18', 545.
*Bentilator I8', 49 Eu} Su). |*Berfährung 18',512. Berfteinerungeferne 182, 2776. I-—, og von 8,733.
Sentilhorn 8, Berfüngter Mabitab 10,266. |"Berfiolf yan Gselen, 3. ©.,|*Bi
Bentrilogquiften 2, 58. Yerrän Onroceh 10,%9. Baron 18', 532. 3 1,546,
Benus (Göttin) 18", 440 Berlauföpreis 18,345. Derflovfung 11, Bidhhurg 10,531.
— ben 1 172. Berflarung 14.4. BerkümmelndeStrafenißt,333.|*°Bien, ©. B. 18°,
Benusber *5 "Berflärung Chrifti 38°,513. |"Berfiimmelung 181, 533. Vicomtes T, TR.
Senudſtrabl . —— der Maria 181,518. Berfud, der 5, T0L. *Bietor @manuel 1., König von
Benuswagen ji 1 10, Berfieldungstild 13,650. ° — einesBerbregensiß!,553.1 Gardinten IB",
Beracrug erh I IS”, Ml. erfoafung 18°,513. Berſuchbaue 7, 365. — — ü. König von
— (Stadt) “Berfoblung 18° 513. “Bertagen 151,533. 18:, 547.
Beranda A Berlrümmun ish, 913. “Bertebralfuftem 28%, 533, —o — 61. 181,
——* ber Ninißer 8 ung 381,514. Bertheidiger (fur.) 18%, 539. | Bictorla (Möttin) BE, 242.
0,510. Berlagsbuhbändler 3,391. | *Bertbeidtgung (fur.) 18%, 5355.] — (Gtabt) 1 6 H
nn u. Mi rn "Berlagsfatalog 181, 514. — (aitttärtt) 4,650. — golonie) I
„Beräuferung IB. Berlagt se und — “Vertical id. 534. 1) 18 2.
Berbalcone augen, am. BR Berticalebene 18°, 534. —} nd) att.) 18°,580.
Berbaibornen 2. ertes Serticalfeuer 13, 669. *onis n v. England
Berband 36!, * Bela dere) Fo. Berticalbämmer 7,412.
Berbandichre 18,442. ‘Berl Berticalfseis 16°, 534. BE 14, 575.
"Berbanzung 18',443. Berlöbnig 0353. Berticallinte 18!, 534. Victoria regia 18", 550.
Berbiutu .4. Bermdchtniß 9,46”, Serticalpuntt 18°, 54. etorinus, J * PX 50.
"Berboedhonen, E. J. 181,448. |"Bermandois IB, 515. Bertlealube u "Bietorius, B.
— . Bermefien 10, 414. eriot, @. 9. de 181,534, —— ra 8.
2. 181,445 °Bermeyen, 3. von 181,515. |"Berträge 15", 334. Bicufia 9 .
"Beitranhkenern 18°, 443. |*Bermindert (MRuf.) 184,516. | Bertumnalien — 595. ida, ®. 6. 18,
"Berbrehen 151.444. Bermifdungsrehnung 1,390. |*Bertumnue 18%, 585 ; 18, 260. | Bibal, Beire 18,1.
gersrehersolonien I 14,612. |Bermitiier . Benmtr vi 726; imtrung 18', SSL.
Berbrennen der Tobten 9, ermögen 18°, 51 “Berus, * Al. is, 535 "Biden * 8. ist, 551.
“Berbreunung 181,444. enößeuer 31,516. I—, 8. Hl. 18,535. tebverfiherung 19°, 928.
Berbum 181,445. *Bermont 18%, 516. "Berniere 18%, 585. Biehweiden 18%, 191
*Berceli (Beneralintend.) 151, |*® n 18°, 517. Berwaltung ], 148. — ‚Sl.
46. Bernehmen duriflf) 8,512. | Berwaitungsreiht 14.289 39. ieled 181
—— (Stadt) 181, 446 Becnet, EL. 3. 181,517. — aft Bt eledsjahlen 2208,
Berelaufulicen 4, 234 — 1 B: al 3 — — 1,160; —X ae! 18%, 552.
18!,446. — 6. 8, Bielgötterei IR, 26
Conv.⸗ex. Bebnte Aufl. Megifker
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Biellänneret 12. 272.
— — — mifianzen 12.
"Bielftimmig 18', 552.
Bieltbeitige @räße 12. 255.
Bielweiberet 12,
Bien IM. Or 15, 5.
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“Bienue 6) 18
— (D nen) a, 653.
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°Diere 151,554; 12,
Bieredfrucht 14,341.
Bierlande 2a.
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Bi immiger Eap 181,588.
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Bierunbzwanglgguldeniap 10,
® aufbentup 1 gunpelnbalb-
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erwal ätterfee 181,555.
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18', 538.
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"Wieufleug, . 181,555, !
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‚Bi ine, 6. 3. 86.
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81,559.
——
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— Be a is‘ 1,589,
— 800 1 1,550,
— FA de Zabadco 14,
— de San-Iuan Bautika
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—.Beal de ©. -Antoniolß!,
5.
— Rica (Städte) 151, 559
560 ;
— ‚Biciofa (Orth. 184, 560.
Villach —B 181, 560,
Sinaher ai p * 560.
Villae regiae 181, 559,
— ⸗Vicoſa 181,
.Bilaflor, Graf von 14, 7
"Bilafranc (REf.) 18
t) 184, a
Villanella 8,561.
"Billani, G. 181,561.
—
S. 161,561.
"Bilanueva, J. ꝑ. 181,561.
Don J. 181, 562.
Bilars, Mob? deM. de 181,562.
—, 38 vita ‚181,562.
, 5% v.181,563,
——— J. RX —
eVillegas E. M. de —
“gilt A * wre 18%, —*
Billema na 8. 181, 564.
‘Dillena, po de ist, 565,
*Billerot (Bamilie) I8', 566,
“Billers, Ch. 8. D. de 181,567.
"Bidoifon, I.8. ©. Düne de
Bien, 8. 18: ’ 67.
"Bilmar, 4. $. Chr. 18°, 568
Yinalgre des quatre —8
Bin— Bit
»Wincennes 1B:, 569.
"Bincent, &t. (Gap) 18’, 59.
— St. (Qufeh) 18° 550.
— von Beauvals 1 0 SU,
— de Baula 18',5
Bincentiusverein 1a. 18
Binct, Leg, da 9,
Br .W. Ph. Vrhr. v.
— 4.8.8. Frhr.v.I8,571.
2.3.0. Br 181, ILe
— D . 381, 572.
+3 indellcla 183, 59,
2 adhuagebfrge | el 500
Bi —5 — A 572.
enindie
Bine 9. 181, 573.
"Bineta 181,573.
Winland 18: 573.
Bino-Ganto 3, 408,
Vino tinto 18°, 91.
Viola da gamba 8,500,
— d’amore Bi, 374.
— di braccio g, 20.
—— di spalla Bf, Sm.
Biole 1 1804 Ari
— (Infrument) 18:, 574.
"Biole 15:, 576,
Biolin 18:,418.
Violine 9,567.
Violino piccolo 18!
Bleltinfhtif el 6,567;
"Biofon Is. —8
974.
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Bogelwide 18%, 215.
"Bogefen „Beste 9 IX SM.
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‘Boltaire, J. M. Mrcze
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Bellen (Stadt IXI
"Bioloncello 181,574, HR ®. 3. 181,59. Borlaufsrcht WB, 5.
— if, ®. 8. 181,574. "Bogt, & 181,599, Borl. %2
Fe 181,546, "Bolgt, der 184, L
Virement des arıles 13, 763.1°——, Chr. ®. v. 151,600. |*Borleier I! 03.
Birgilius, 8. —, Er. &. v. 181,600. |Borlefung Wa.
-—— Maro, ®, —48 575, — IR. 18: Bormart M, #6.
ſ — 18\, ‚5. — 8 : 31.601, Sormärs Ba Lo
‘Birginia auenname) 28", , 3. 18°, 601. *"Bormundihaft IB!,
ar. nd) 183, 877, ® 3 Ant —A *
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—— nten 184 577. Volaterrae 151,623, "Börösmarty, M. Be
"Birtathus 187, Bolcano 9,626. Boryarlament 4 1
*Biruftimmen 18!, 580. olet 181,683, »Boryoken 181, 02:
Birtejöorte 11,462. "Bolger, ®@. $. 10 602. “Borräden ber
Birtuofen 18!, 580, *Bolbunten 131,602. 181,627.
"Birue®, 7 * 181,581. “Bolt 181,608. "VBorihlag (Diuf.) ER
Blrumım Böllerfunde 8, 654 Bert a8,
„Btfäer, 8 ©. 18, 581. Bölferredht 14,388; 181,608. |”Bo 1, C@B.
1, 582. fterwanderung 18', 604. | Borfpinnke ia 9 191.
Silgnu 8, a. "Bolfmann, g W. 18°, 606. orfte ‚0.
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—, 3. J se .®. idraar. “Boru 2, 629.
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— #158, Boltebiptiotheten 9,489; 181, | Borwerfe 2,88. |
2. &. 3. 181,585. 618. Borwort
Bifiondr 18, 585, Bolfebifdung 16:, 608. „Boreiduung 381,029.
ginn 13!, 588. "Boitsbücder 18! Be . 3. 381,03.
“Bilir 181588, Boltsepos 6,556. — Gerd. 18',68.
Biietunf, 25°, ses. oftöfefte 181,611. —, Rath. WC.
‚ |Bifielinie 161, 505, Boltsfalender ÄB!, 618. —, Diem. IB, 60.
Sf us 318 23 18%, 613. — Heat 38,6%.
"Bir d 18%, Fr Bol muflt 2 —— 3,8. BB 6%.
Bifnwintl 184, 588, "Bo riften I —, Her. WI OR.
Yistula 18, 129, Boltsf a SL 181,618.| —. Ubrab. 35'.,632
ertum 161,505. |Boftöfouveränetät I, 263. "mn, Zul. u. 381,68.
Visurgis 18°, 177. Bollatbum 181,608, Bofius, &. 3. 18:.62.
Bitalempflndum 14,156 Bolfötribumen 16:, 186. *Botintafel B.6ꝝ.
Siallaner (6 (&: ee het — 181, a0 ee 1 =
— uber olläyerfammliungen 18° outenayg
Are 18', 586 "| Vox bibrida 9,718
Bitalfinn ©, 390
"Bitelius (Reifen) ists 597,
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*Bitrtol 18, 588,
Bitrioldt 13) 722; 181,588.
“Bitruvius ofio, M. ‚181,588,
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— er). v.
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Wachs Ruh Bährwoll 18%. 176. Wallbuchſen 16%, 57. Wäringer 18%, 77.
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Wachſenburg © 18.51 Ball ‘ N lei 183 Gärmebeförberungemitiet 30,
Bahefguren U re b, Boipbefen 13 8. wall 5,6. 417.
&malerel 18% Baidwert 8 Bin, ‚6l. Bärmeand 18%, 171.
Mahemotte one Baterland ‘ 2. Dali — ur, 2.| Bärmeleiter P,82.
oahemuth, E. VB. G. 18,7. 2 auſtraße ü, 619. — 18°, 62 ——— “Aal 15',%.
Wachsopal IL, 402. 2. - Barmbäufer 0 , A
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"Mige 18%, 14, ed 18°, 44. "Bau (@falet) 18°, 72. Basgau 18:, 597.
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