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Full text of "Das Dodekapropheton; erklärt"

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IJürHl-Commentar  zinn  Alten  Testament 


Mari  1 ,  Dodekapropheton 


j.CJiMoJir   (P(^i.iil Sijrbeck)  in  Tiibingfen 


Ipresenteb  to 

^be  Xibrari^ 

ottbe 

^niversit^  of  Toronto 

b^ 
The  Department  of  Oriental 

Languages 
for  use  in  the 

Oriental  Seminar. 


KURZER  HAND-COMMENTAR 


ZUM 


ALTEN  TESTAMENT 


IN  VERBINDUNG 


MIT 


I.  BENZINGER,  A.  BERTHOLET, 
K.  BUDDE,  B.  DUHM,  E  HOLZINGER,  G.  WILDEBOER 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


D.  KARL  MARTI 

OED.    PROFESSOR   DER   THEOLOGIE   AN   DER   UNIYERBITÄT   BERN. 


ABTEILUNG  XIII: 

DAS    DODEKAPROPHETON. 


TUBINGEN 

VERLAG  VON  J.  C.  B.  MOHR  (PAUL  SIEBECK) 

1904. 


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L5BRARY 


DAS 


DODEKAPROPHETON 


ERKLÄRT 


VON 


D.  KARL  MARTI 

ORD.    PROFESSOR    DER    THEOLOGIE    IN   BERN. 


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TUBINGEN 

VERLAG  VON  J.  C.  B.  MOHR  (PAUL  SIEBEOK) 

1904. 


Ic     . 


Das  Recht  der  Übersetzung  in  fremde  Sprachen 
behält  sich  die  Verlagsbuchhandlung  vor. 


Druck  von  W.  Drugulin  in  Leipzig. 


■ 


Inhalt  V  Inhalt 


INHALT. 

Seite 

Sigla XII 

Allgemeine  Einleitung. 

I.  Stellung  des  Zwölfprophetenbuchs  im  Kanon  und  Reihenfolge  der  einzelnen 

Prophetenschriften  innerhalb  der  Sammlung XIII 

II.  Alte  Kachrichten  über  das  Vorhandensein  der  Sammlung  und  die  Ergebnisse 

der  Exegese  über  ihren  Abschluss XIV 

III.  Bedeutung  des  Zwölfprophetenbuchs   für  die  Geschichte  der  israelitischen 
Religion XV 

IV.  Allgemeine  Litteratur XVI 

< 

Hosea. 

Einleitung. 

I.  Allgemeines  über  das  Buch  Hosea 1 

II.  Das  ursprüngliche  Hoseabuch 2 

1)  Das  Leben  Hoseas 2 

2)  Die  Zeit  Hoseas 3 

3)  Die  prophetische  Thätigkeit  Hoseas 4 

III.  Die  sekundären  Elemente  des  Hoseabuches 8 

1)  Vorbemerkung 8 

2)  Die  von  Juda  handelnden  Stellen 8 

3)  Die  Heilsverkündigungen 9 

IV.  Die  Entstehung  des  Hoseabuches 10 

V.  Litteratur 11 

Erklärung. 

Die  Überschrift  des  ganzen  Buches  ll 13 

1.  Einleitender  erzählender  Abschnitt:  Die  traurigen  häuslichen  Erlebnisse  Hoseas, 

ein  Abbild  der  Untreue  Israels  1  2 — 2  3 14 

a)  Die  neue  Überschrift  1  2^ 16 

b)  Die  Gattin  und  die  Kinder  des  Propheten 16 

c)  Ein  späterer  Anhang:  Die  Verheissung  einer  herrlichen  Zeit  mit  neuen 
Namen  an  Stelle  der  von  Hosea  gegebenen  Unglücksnamen  2  1-3     ...  20 

2.  Die  Strafe  Israels  für  seine  Untreue  und  Ausblicke  auf  die  herrliche  Zeit  seiner 
Wiederbegnadigung  2  4-25 * .     .     .     .  22 

a)  2  4-15^  Die  Bestrafung  Israels  für  seine  Sünde 22 

b)  2  15*^-25  Die  Anbahnung  und  Herstellung  einer  neuen  glücklichen  und  un- 
verbrüchlichen Verbindung  zwischen  Jahwe  und  Israel 27 

3.  Eine  zweite  Heirat  des  Propheten,    um  Israels  Verhältnis  zu  Jahwe  darzu- 
stellen Cap.  3 33 


Inhalt  VI  Inhalt 

Seite 

4.  Das  Fehlen  der  Gotteserkenntnis  ist  das  Unglück  der  Israeliten  4  1-18       ...  38 

a)  Die  Sittenlosigkeit  im  Leben  der  Israeliten  4  1-10 38 

b)  Die  Unsittlichkeit  im  Kultus  der  Israeliten  4  11-19 42 

5.  Die  Priester  und  der  Hof  bringen  Israel  ins  Verderben  5  1—6  3 46 

a)  Das  Gericht  über  die  Obrigkeit   wegen   des  Kultus,    zu  dem  sie  das  Volk 
verführt  5  1-9 46 

b)  Die  Rechtlosigkeit  und  innere  Auflösung  sind   soweit  vorgeschritten,  dass 

eine  Heilung  unmöglich  ist  5  10-14 49 

c)  Ein    tröstlicher    späterer  Anhang,    der    einen   Ausblick    auf   die   glückliche 
Zukunft  der  Wiedervereinigung  mit  Jahwe  thut  5  15—6  3 52 

6.  Die  Unverbesserlichkeit  der  Israeliten  6  4 — 7  7 55 

7.  Die  Einfalt  der  Israeliten,  die  nicht  merken,   dass  es  mit  ihnen  zu  Ende  gekt, 

und  dem  Verderben  noch  entgegen  rennen  7  8 — 8  3 61 

8.  Die  widerrechtliche  Regierung  und  der  verkehrte  Gottesdienst  von  Samarien 

8  4-14 65 

9.  An  Stelle  des  heidnischen  Festjubels  auf  den  Höhen  tritt  für  Israel  die  Trauer 

im  heidnischen  Lande  9  1-9 70 

10.  Der  heidnische  Kultus  bringt  Israel  das  Verderben  9  10-17 75 

11.  Die  Vernichtung  des  Kultus  mit  seinem  ganzen  Apparate  10  1-8  ......  78 

12.  Das  Unheil,  das  Israel  säte,  wird  es  ernten  10  9-15 81 

13.  Israels  Undank   gegen   alle  Liebe  und  Wohlthaten  Jahwes  zwingt  Jahwe  zur 
Vernichtung  seines  Volkes  11  1-11 85 

14.  Israels  Charakter  ist  von  Anfang  an  nur  List  und  Treulosigkeit  12  1-15    .     .     .  91 

15.  Israel  und  Jahwe  einst,  jetzt  und  in  Zukunft  13  1 — 14  ] 99 

16.  Ein   späterer  Anhang:  Aufforderung  zur  bussfertigen  Umkehr  zu  Jahwe  und 
Verheissung  der  Vergebung  und  herrlichen  Glückes  14  2-10 104 

Joel. 

Einleitung. 

I.  Autor  und  Inhalt  des  Buches 109 

II.  Einheitlichkeit  und  Entstehungszeit  des  Buches 111 

III.  Charakter  und  Bedeutung  des  Buches 113 

IV.  Litteratur 115 

Erklärung. 

Erster  Teil  1  2 — 2  17:  Beschreibung  der  durch  eine  Heuschreckenplage  verursachten 

Not  und  Aufforderung  zur  Abhaltung  eines  allgemeinen  Buss-  und  Fasttages      .  116 

Zweiter  Teil  2  18 — 4  21:  Die  gnädige,  Hettung  aus  der  Not,  reichen  Schadenersatz 
und  die  herrlichste  Zukunft  verheissende  Antwort  Jahwes   auf  das  Bussgebet 

seines  Volkes 131 

Arnos. 

Einleitung. 

I.  Allgemeines  über  das  Buch  Arnos 144 

n.  Der  Prophet  Amos  und  seine  Bedeutung 145 

1)  Herkunft  und  Zeit  des  Propheten 145 

2)  Die  prophetische  Thätigkeit  und  die  religionsgeschichtliche  Bedeutung  Arnos'  147 

III.  Die  Entstehung  des  Amosbuches 150 

1)  Der  Grundstock  des  Buches 150 

2)  Die  sekundären  Elemente  des  Buches 151 

3)  Der  AVerdeprozess  und  der  Abschluss  des  Buches 152 

IV.  Litteratur 153 


Inhalt  VII  Inhalt 

Seite 

Erklärung. 

Überschrift  und  Einführunf^  l  1  2 155 

Erster  'I\)il:   Die  Ankündigung  d(;s  (üerichts    über  die  Nacht)arn  Israels   und  über 

Israel  selber  1  3— 2  16 158 

A.  Gegen  die  Nachbarn  Israels  1  3 — 2  5 158 

1)  Clegen  Damaskus  1  3-5 158 

a)  Gegen  die  Philister  1  6-8 160 

b)  Gegen  Tyrus  1  9f IGl 

c)  Gegen  Edom  1  11  f.       162 

2)  Gegen  die  Ammoniter  1  13-15 163 

3)  Gegen  Moab  2  1-3 164 

d)  Gegen  Juda  2  4f. 165 

B.  Gegen  Israel  2  6-16 166 

1)  Die  Sünde  der  Israeliten  :  gewissenlose  Justiz,  Bedrückung  der  Armen,  Scham- 

und  Sittenlosigkeit  2  6-8 166 

2)  Die  Grösse  der  Schuld:  ihre  Sünden  stehen  im  geraden  Gegensatz  zu  Jahwes 
Thaten  und  Willen  2  9—12       168 

3)  Die  Strafe:  völlige  Zerstörung  des  Reiches,   der  niemand  entrinnen   wird 

2  13-16 169 

Zweiter  Teil:  Eingehendere  Begründung  und  Darlegung  des  Gerichts  3  1 — 6  14       .  172 

1)  Die  religiöse  Illusion  der  Israeliten  3  1-3 172 

2)  Die  feste  innere  Gewissheit  des  Propheten,  von  Jahwe  zu  seinem  Sprecher 
berufen  zu  sein  3  4-8 173 

3)  Aufruf  der  heidnischen  Städte  als  Zeugen  gegen  das  tolle  Treiben  und  die 
Rechtlosigkeit  in  Samarien  3  9-11 175 

4)  Die  winzigen  Überbleibsel  beim  Gericht  312 176 

5)  Die  Zertrümmerung  der  israelitischen  Heiligtümer  und  Paläste  3  13-15    .     .  177 

6)  Das  Gericht  über  die  üppigen  Frauen  Samariens  4  1-3 179 

7)  Das  Missfallen  Jahwes  an  dem  „Gottesdienst"  der  Israeliten  4  4-13  ....  180 

8)  Wehklage  über  den  nahen  Untergang  Israels  5  1-3       186 

9)  Nicht  Kultus,  sondern  Religion  und  Moral  führen  zum  Leben  5  4-6  14  15     .  187 

10)  Gegen    die    ungerechte    Justiz    und   Bereicherung    der    Grossen    in   Israel 

5  7-13  16  17 190 

11)  Der  Tag  Jahwes,  ein  Tag  des  Unglücks  für  die  Israeliten  trotz  ihrem  eifrigen 
Kultus  5  18-27 194 

12)  Wehe  den  sorglosen  Schlemmern !  Der  böse  Tag  ist  nahe  6  1-7 198 

13)  Decimierung  der  Bevölkerung  durch  Krieg  und  Pest  6  8-10 203 

14)  Nochmals  Ankündigung  des  Gerichts  über  die  tolle  Wirtschaft  in  Israel,  die  alle 
rechtlichen  Ordnungen  verkehrt  und  sich  über  die  Schäden  im  Staate  durch 
kleine  Erfolge  hinwegtäuscht  6  11-14 205 

Dritter  Teil :  Eine  Reihe  von  Visionen  unterbrochen  durch  die  Erzählung  von  dem 
Erlebnis  Amos'  in  Bethel  und  ausgestattet  mit  einem  Anhang  über  das  blei- 
bende Glück  der  einst  kommenden  Tage  7  1 — 9  15 207 

1)  Die  erste  Vision :  die  Heuschrecken  7  1-3 207 

2)  Die  zweite  Vision :  das  verzehrende  Feuer  7  4-6 209 

3)  Die  dritte  Vision :  das  Blei  7  7-9 210 

4)  Die  Erzählung  von  dem  Auftritt  in  Bethel  7  10-17 211 

5)  Das  vierte  Gesicht:  der  Korb  mit  reifem  Obst  8  1-3     .....*....  214 

6)  Ein  Konglomerat  von  Stücken  verschiedener  Herkunft  8  4-14       .....  215 

7)  Das  letzte  Gesicht :  Jahwe  zerstört  selbst  sein  Heiligtum  und  vernichtet  die 
Israeliten,  seine  Verehrer  9  1-7 220 

8)  Ein  fremder  Anhang:  Ein  Ausblick  in  die  messianische  Zeit  9  8-15      .     .     .  224 


Inhalt  VIII  Inhalt 

Seite 

Obadja. 

Einleitung. 

I.  Die  Zusammensetzung  des  Buches 228 

II.  Die  Zeit  der  Entstehung  des  altern  Teiles 229 

III.  Die  Zeit  der  Entstehung  des  Anhangs 230 

IV.  Die  Entstehung  des  Ganzen 230 

V.  Litteratur 231 

Erklärung. 

I.  Der  ältere  Teil  der  Prophetie  v.  i  '*ß--14  15*^ 231 

a)  Der  Untergang  Edoms  V.  l'^P -9 231 

b)  Die  Schuld  Edoms,  die  ihm  den  Untergang  brachte  v.  10-14  15*^       ....  235 

II.  Der  spätere  Anhang:  Der  Trost,   den  die  Zukunft  den  Judäern  bringen  wird 

V.  15^  16-21 237 

Jona. 

Einleitung. 

I.  Inhalt  und  Zusammensetzung  des  Buches 241 

II.  Charakter  und  Materie  der  Erzählung 244 

III.  Entstehungszeit  und  Bedeutung  des  Buches 247 

IV.  Litteratur 248 

Erklärung. 

I.  Jonas  Ungehorsam  gegen  den  göttlichen  Befehl,  seine  Flucht  und  Zurückbringung 

Cap.  1  und  2 248 

II.  Jonas  Sendung  nach  Ninive  und  sein  Unwille  über  die  Verschonung  der  Stadt 

Cap.  3  und  4 254 

Micha. 

Einleitung. 

I.  Allgemeines  über  das  Buch  Micha 258 

II.  Der  Prophet  Micha  und  seine  Bedeutung 259 

1)  Herkunft  und  Zeit  des  Propheten 259 

2)  Die  prophetische  Thätigkeit  und  die  Bedeutung  Michas 261 

III.  Die  Entstehung  des  Michabuches 262 

1)  Der  Grundstock  des  Buches 262 

2)  Die  sekundären  Elemente  des  Buches 262 

3)  Der  Werdeprozess  und  der  Abschluss  des  Buches 262 

IV.  Litteratur 264 

Erklärung. 

Die  Überschrift 265 

Erster  Teil:  Das  kommende  Gericht  1  2— 3  12 265 

1.  Jahwes  Erscheinen  zum  Weltgericht  1  2-4 ...  265 

2.  Das  Gericht  über  Samarien  und  Jerusalem  1  5-16 .     .  266 

3.  Die  Habgier  der  Grossen  und  die  Strafe  für  dieselbe  2  1-5 272 

4.  Die  Scheinheiligkeit  der  Grossen,  die  im  eigenen  Lande  wie  Feinde  schalten 

2  6-11 274 

5.  Die  Gottlosigkeit  der  Richter  und  Führer  des  Volks  3  1-4 277 

6.  Die  Selbstsucht  der  falschen  Propheten  3  5-8 278 


Inhalt  JX  ^"^^^^ 

Seite 

7.  Die  Strafe   für  die  Gottlosigkeit  und  Verblendung  der  Führer  des  Volks  ist 

der  Untergang  .lerusalems  B  9-12 ^'^ 

Zweiter  Teil:   Das  Heil  der  messianischen  Zeit  Cap.  4f 280 

1.  Die  universale  Bedeutung  Zions  am  Ende  der  Tage  4  1-5 281 

2.  Die  Sammlung  der  Zerstreuten  und  die  \Vied(^raufrichtung  der  früheren  Herr- 
schaft auf  Zioii  4  6-8 283 

3.  Das  Exil  ist  der  Weg  zur  Jlettung  Zions  4  9  10 284 

4.  Die  Versammlung  und  Vernichtung  der  Völker  vor  Jerusalem  4  11-13    .     .     .  285 

5.  Aufforderung  an  Zion,  über  die  bevorstehende  Eroberung  Jerusalems  zu  trauern 

4 14 •  :  •  •  -^"^ 

6   Die  Weissagung  von  dem  künftigen  messianischen  Herrscher  aus  Davids  Stamm 

5  1-5 ;•..••  ^'^^ 

7.  Der  von  Jahwe  wunderbar  gesegnete  Eest  Jakobs,  der  Sieger  über  die  Völker 
56-8 289 

8.  Die  Vernichtung  des  Kriegsmaterials  und  des  heidnischen  Kultusapparates  im 
Endgericht  5  9-14 290 

Dritter  Teil:   Das  Ausbleiben  des  Heils  wegen  der  Verderbtheit  Israels  und  das  Ge- 
bet der  Gemeinde  um  Gottes  Gnade  Cap.  6f 291 

1.  Die  Forderungen,  die  Jahwe  an  seine  Bekenner  stellt,  6  1-8 291 

2.  Jerusalems  Ungerechtigkeit  und  Bestrafung  6  9-16 294 

3.  Zions  Klage  über  die  Verderbtheit  ihrer  Kinder  7  1-6 296 

4.  Das  der  Erhörung  gewisse  Gebet  der  Gemeinde  um  Gottes  Gnade  7  7-20     .    .  298 

a)  Der  Psalm  7  7-13  IS'^  19^:  Die  Erhöhung  Zions  über  die  Heidenwelt    .     .  298 

b)  Der  Psalm  7  14-18^  19^  20:  Ein  Gebet  Israels  um  Gottes  Gnade   ....  300 

Nahum. 

Einleitung. 

I.  Die  Zusammensetzung  des  Buches ^^^ 

II.  Die  Prophetie  jSTahums  über  den  Untergang  Ninives  und  ihre  Bedeutung     .     .  304 

III.  Die   sekundären  Elemente  im  Buche  Nahum  und  die  Entstehung  des  ganzen 
Buches 306 

IV.  Litteratur • 307 

Erklärung. 

Die  Überschrift  1  1 307 

I.  Die  Eache  Jahwes  an  seinen  Feinden,  das  Bruchstück  eines  alphabetischen  Psalms 

12-10 308 

II.  Die  Verkündigung  des  Heils,  das  für  Zion  anbricht  11213213 314 

III.  Das  Orakel  von  Nineves  Untergang  1  11  14  2  2  4—3  19 315 

a)  Das  Thema  des  Orakels :  Jahwe  hat   über  Nineve  den  Untergang  verhängt, 

weil  es  Böses  gegen  Jerusalem  im  Schilde  führte  11114 31o 

b)  Eroberung  und  Plünderung  Nineves  2  2  4-14 316 

c)  Nineve  fällt  zur  Strafe  für  seine  Sünden  3  1-7      ,     ,     .     , 319 

d)  Nineve  ist  kein  besseres  Los  beschieden  als  No-Amon  in  Ägypten  3  8-11      .  321 

e)  Kein  Mittel  giebt  es,  Nineves  Fall  zu  verhindern  3  12-19 322 

Habakkuk. 

Einleitung. 

-    I.  Die  Zusammensetzung  des  Buches 326 

II.  Entstehung  der  einzelnen  Bestandteile 326 

III.  Die  Entstehung  des  ganzen  Buches 327 

IV.  Litteratur 331 


Inhalt  X  Inhalt 

Seite 

Erklärung. 

Erster  Teil:   Die  Ankündigung  der  Chaldäer  und  ihres  Untergangs  Cap.  1  und  2    .  331 

1.  Den  Ausgleich  der  dem  Frommen  unverständlichen   gegenwärtigen  Zustände 
bringt  die  Zukunft  1  2-4  12^  13  2  1-4 333 

2.  Die  Ankündigung  des  Erscheinens  der  Chaldäer  auf  dem  Schauplatz  der  Ge- 
schichte 1  5-10  (11  12'0  14-16  (17)      337 

3.  Eine  Reihe  von  Weherufen  gegen  die  Gottlosen  2  5-20 342 

Zweiter  Teil:  Das  Erscheinen  Jahwes  zum  Weltgericht  Cap.  3 348 

Zephanja. 

Einleitung. 

I.  Inhalt  und  Zusammensetzung  des  Buches 357 

II.  Die  Entstehung  und  der  Autor  der  Gerichtsdrohung  Cap.  If. 358 

III.  Die  Entstehung  der  Heilsverkündigung  Cap.  3  und  des  ganzen  Buches     .     .  360 

IV.  Litteratur ". 360 

Erklärung. 

Überschrift  ll 361 

A.  Die  Gerichtsdrohung  1  2 — 2  15 361 

1.  Der  Tag  Jahwes,  der  Juda  bevorsteht  12-18 361 

2.  Das  Gericht,  das  über  alle  Völker  ergeht,  Cap.  2 366 

B.  Die  Heilsverheissung  Cap.  3 372 

a)  3  1-7 :  Jerusalems  Verdorbenheit 372 

b)  3  8-13:  Die  Rettung  Jerusalems  am  Tage  des  Völkergerichts 374 

c)  3  14-20:  Die  Herrlichkeit  des  geretteten  Jerusalems 376 

Haggai. 

Einleitung. 

I.  Das  Buch,  sein  Inhalt  und  seine  Entstehung 378 

IL  Der  Prophet,  seine  Zeit  und  seine  Bedeutung 379 

III.  Litteratur 381 

Erklärung. 

1.  Die  erste  Prophetie  Haggais:  die  Aufforderung  zum  Bau  des  Tempels,  und  ihre 
Folgen  Cap.  1 381 

2.  Die  zweite  Prophetie :  Die  Herrlichkeit  des  neuen  Tempels  2  1-9 385 

3.  Die  dritte  Prophetie:  Der  mit  dem  Tempelbau  beginnende  Segen  2  10-19   .     ,     .  386 

4.  Die  vierte  Prophetie:  Untergang  der  heidnischen  Reiche  und  Serubbabels  Er- 
höhung 2  20-23 390 

Sacharja. 

Einleitung. 

I.  Allgemeines  über  das  Buch  Sacharja 391 

IL  Das  Buch  und  die  Bedeutung  Sacharjas,  des  Zeitgenossen  Serubbabels     .     .     .  393 

1.  Das  Buch  Sach  1 — 8  und  seine  Entstehung  .     .          393 

2.  Der  Prophet  Sacharja  und  seine  Bedeutung 394 

III.  Das  Buch  und  die  Bedeutung  Deuterosacharjas 396 

1.  Entstehung  und  Einheit  von  Sach  9 — 14 396 

2.  Die  Bedeutung  Dtsach's        397 

IV.  Litteratur 398 


Inhalt  XI  Inhalt 

Erklärung.  ^^^^^ 

A.  Der  erste  Teil  des  Buches  Cap.  1—8 399 

1.  Die  Einleitung:  Aufforderung  zur  Umk(;hr  zu  Jahwe,  dessen  Worte  unver- 
gänglich sind,  1  1-6 399 

2.  Ein  Cyclus  von  acht  Visionen,  ahgeschlosscn  durch  eine  sinnbildliche  Hand- 
lung 1  7—6  15       400 

Die  erste  Vision:  Jahwes  Liebeseit'er  für  Zion  1  8-17 401 

Die  zweite  und  die  dritte  Vision:  Die  V(;rnichtung  der  heidnischen  Mächte 

und  die  Herrlichkeit  Jerusalems  2  1-17 401 

Die  vierte   und   die  fünfte  Vision:  Die  Vorbereitung   des   Heiles   in  Juda 

durch  Gottes  Gnade  und  Fürsorge  3  1 — 4  14 408 

Die  sechste  und  die  siebente  Vision:  Die  Heinigung  des  Landes  von  Sündern 

und  Sünde  51-11 416 

Die  achte  Vision:  Die  Ausfahrt  der  "Wagen  zur  Ausrichtung  des  Zorn- 
gerichts Jahwes  an  den  Heiden  6  1-8 418 

Die  Herstellung  einer  Krone  für  Serubbabel  6  9-15 420 

3.  Jahwes  Forderungen  und  Verheissungen  dargelegt  im  Anschluss  an  eine  An- 
frage über  die  Fasttaore  7  1—8  23       421 

B.  Der  zweite  Teil  des  Buches  Cap.  9 — 14 426 

I.  Sturz  der  Weltmacht  und  Aufrichtung  des  Reiches  Gottes  9  1 — 11  3     .     ,     .     .       426 

1.  Die  Herstellung  des   messianischen  Reichs  mit  dem  Friedenskönig  in  Zion 

9  1-10 426 

2.  Die  Heimkehr  der  Diaspora  in  die  herrlich  gesegnete  Heimat  nach  der  Be- 

<  siegung  der  griechischen  Weltmacht  9  11-17 430 

3.  Von  Jahwe,  nicht  von  Teraphim  und  Wahrsagern  kommt  der  Segen  10  1  2  .  433 

4.  Der  Sturz  der  gottlosen  Fremdherrschaft  10  3 — 11  3 434 

II.  Darstellung  des  Treibens  der  Regenten  und  Bedrohung  des  ruchlosen  Hirten 

114-17  13  7-9 437 

III.  Jerusalems  Rettung  und  herrliche  Zukunft  121—13  6  141-21 443 

1.  Jerusalems  Rettung  vor  dem  Ansturm  der  Heiden,  seine  reuevolle  Erkenntnis 
einer  schweren  Schuld  und  seine  Befreiung  von  aller  Sünde  und  Unreinheit 
121—13  6 443 

2.  Jerusalems  Rettung  aus  den  Händen  der  Heiden  und  seine  Erhebung  zum 
heiligen  Zentrum  der  Welt  14  1-21 450 

Maleachi. 

Einleitung. 

I.  Das  Buch,  sein  Inhalt  und  seine  Entstehung 456 

II.  Der  Prophet,  seine  Zeit  und  seine  Bedeutung 457 

III.  Litteratur 460 

Erklärung. 

1.  Jahwes  Liebe  zu  Jakob  1  2-5 460 

2.  Die  Unehrerbietigkeit  der  Priester  gegen  Jahwe  1  6 — 2  9 462 

3.  Gegen  Treulosigkeit  und  Ehescheidung  und  gegen  die  Mischehen  2  10-16      .  468 

4.  Die  Nähe  von  Gottes  Kommen  zum  Gericht  2  17 — 3  5 472 

5.  Gegen  den  Betrug  Jahwes  in  Unterschlagung  oder  mangelhafter  Ablieferung 

des  Zehnten  3  6-12 474 

6.  Der  Unterschied  der  Gottlosen  und  der  Gottesfürchtigen  im  kommenden  Ge- 
richt 3  13-21 .  476 

Ein  Anhang:   Die  Sendung  Elias  3  22-24 478 

Alphabetisches  Register 480 


Sigla 


XU 


Sigla 


VERZEICHNIS  DER  SIGLA. 


Act    = 

-'  Acta,    Apostelge- 

Jak  —  Jakob 

usbrief. 

Na      —  Nahum. 

schichte. 

Jdc          Judices. 

Neh    —  Nehemia. 

Am    = 

:  Arnos. 

Jdt    —  Judith. 

IS'um  —  Numeri. 

Apk  - 

:  Apokalypse. 

Jer    —  Jeremia. 

Ob     —  Obadja. 

Bar    = 

:  Baruch. 

Jes    —  Jesaja. 

Phl    —  Philipperbrief. 

Chr   — 

Chronik. 

Jo      —  Joel. 

Phm  —  Philemonbrief. 

Cnt    = 

:  Canticum. 

Joh    —  Johannes. 

Prv    —  Proverbia. 

Dan  = 

--  Daniel. 

Jon   =  Jona. 

Ps      —  Psalmen. 

Dtn   — 

Deuteronomium. 

Jos    —  Josua. 

Pt      =  Petrusbriefe. 

Eph  — 

Epheserbrief. 

JSir  =  Jesus  Sirach. 

Keg    =  Beges. 

Esr    — 

Esra. 

Jud   —  Judasbrief. 

Bm    —  Bömerbrief. 

Est    — 

Esther. 

Koh  —  Kohelet. 

Et      =  Ruth.     . 

Ex     — 

Exodus. 

Kol    =  Kolosserbrief. 

Sach  —  Sacharja. 

Gal    — 

Gal  at  erbrief. 

Kor  —  Korintherbriefe. 

Sam  =  Samuel. 

Gen  — 

Genesis. 

Lev   —  Leviticus. 

Sap    =  SapientiaSalomonis. 

Hab  — 

Habakuk. 

Lk     —  Lukas. 

Th     —  Thessalonicherbriefe. 

Hag  - 

Haggai. 

Mak  —  Makkabäer. 

Thr    -— Threni. 

Hbr  — 

Hebräerbrief. 

Mal   —  Maleachi. 

Tim   —  Timotheusbriefe. 

Hes   — 

Hesekiel. 

Mch  —  Micha. 

Tit     —  Titusbrief. 

Hi     — 

Hiob. 

Mk    —  Markus. 

Tob    —Tobias. 

Hos  — 

Hosea. 

Mt     =-  Matthäus. 

Zph   ==  Zephanja. 

BL 

==  Schenkel's  Bibel-Lexikon. 

ZSchw 

—  Meili's   Theol.  Zeitschrift   aus 

HbA 

—  Riehm's   Handwörterbuch   des 

der  Schweiz. 

bibl.  Altertums. 

ZhTh     = 

=  Zeitschr.    für   historische  Theo- 

JdTh 

—  Jahrb.  f.  deutsche  Theologie. 

logie. 

JpTh 

=  Jahrbücher  f.  pro test.Theologie. 

ZlTh      = 

=  Zeitschr.   für  lutherische  Theo- 

KBW 

—  Guthe's    Kurzes    Bibelwörter- 

logie und  Kirche. 

buch. 

ZPK      = 

=  Zeitschr.  für  Prot.  u.  Kirche. 

MNDPy  —  Mittheil.  u.  Nachr.  des  Deutsch. 

ZTh       = 

=  Tübinger  Zeitschr.  f.  Theologie. 

Palästina-Vereins. 

ZThK    = 

=  Zeitschr.  für  Theol.  u.  Kirche. 

RE 

—  Herzog's  Real-Encyklop. 

ZWL     = 

=  Luthardt's  Zeitschr.  für   kirchl. 

SBOT 

—  Haupt's  Sacred  Books   of  the 

Wissenschaft  u.  kirchl.  Leben. 

Old  Testament. 

ZwTh    = 

=  Hilgenfeld's  Zeitschrift  f.  wissen- 

StK 

—  Theol.  Studien  u.  Kritiken. 

schaftl.  Theologie. 

stw 

—  Theol.   Studien   aus   Württem- 

ZATW = 

=  Stade's  Zeitschr.  f.  alttestamentl. 

berg. 

Wissenschaft. 

ThJ 

—  Tübinger  Theol.  Jahrb. 

ZDMG  = 

=  Zeitschr.  der  Deutsch.  Morgenl. 

ThLZ 

—  Theol.  Litteraturzeitung. 

Gesellschaft. 

ThT 

—  Theol.  Tijdschrift. 

ZDPV  = 

=  Zeitschr.  des  Deutsch.  Palästina- 

Vereins. 

1 


Allgemeine  Einleitung  I  XUI  Allgemeine  Einleitung  I 


Allgemeine  Einleitung. 


I.  Stellung  des  Zwölfprophetenbuchs  im  Kanon  und  Reihenfolge  der  ein- 
zelnen Prophetenschriften  innerhalb  der  Sammlung.  Dass  die  Sanamlung  der 
Prophetenschriften,  welche  im  Zwölfprophetenbuch  vereinigt  sind,  schon  in  relativ 
alter  Zeit  als  eine  zusammengehörige  Einheit  betrachtet  wurde ,  lässt  sich  aus  ver- 
schiedenen Anzeichen  erschliessen.  Neben  anderem,  das  unter  II  Erwähnung  finden 
soll,  ^spricht  dafür  das  stete  Zusammenbleiben  der  „Zwölfe",  trotzdem  weder  ihre 
Stellung  im  Kanon  des  AT's  noch  ihre  Reihenfolge  im  Innern  der  Sammlung  selbst 
eine  feste  war.  Jetzt  steht  das  Buch  im  hebr.  AT  unter  den  sog.  prophetae  poste- 
riores hinter  Hesekiel,  aber  der  Talmud  (Barajtha  Baba  Bathra  fol.  14'^ j  weiss  von 
einer  Anordnung,  die  das  Dodekapropheton  wohl  an  vierter  Stelle  liess,  aber  ihm 
Jesaja  unmittelbar  voraufschickte ,  und  in  der  griechischen  Übersetzung  der  LXX 
findet  es  sich  an  der  Spitze  der  Prophetenschriften  vor  Jesaja,  Jeremia  und  Hesekiel. 
Welche  Grründe  diese  Verschiebungen  herbeiführten,  ist  nicht  bekannt;  höchstens 
lässt  sich  vermuten ,  dass  ein  chronologisches  Interesse  bei  der  Voranstellung  des 
Zwölfprophetenbuches  in  der  alexandrinischen  Sammlung  mitwirkte,  weil  man  sich 
sagen  mochte,  Hosea  und  Amos  reichen  ihrer  Zeit  nach  über  Jesaja  zurück.  Auch 
das  Schwanken  der  Peihenfolge  im  Innern  des  Dodekaprophetons  hat  die  „Zwölfe" 
nicht  auseinander  gerissen  und  verzettelt.  In  LXX  sind  nämlich  die  sechs  ersten 
folgendermassen  geordnet:  Hosea,  Amos,  Micha,  Joel,  Obadja,  Jona,  während  die 
sechs  letzten  keine  Abweichung  von  dem  hebr.  AT  aufweisen.  Das  Prinzip  der  An- 
ordnung wird  bei  beiden  das  historische  gewesen  sein,  obschon  noch  andre  Momente 
mitgewirkt  haben  müssen.  Historische  Gründe  sind  es  doch  wohl  gewesen,  dass  Hosea, 
Amos  und  Micha,  die  Propheten  des  8.  Jahrhunderts,  in  der  ersten  Hälfte,  Haggai, 
Sacharja  und  Maleachi,  die  nachexilischen  Propheten,  am  Ende  und  die  auch  chrono- 
logisch zwischen  diese  beiden  Gruppen  gehörigen  Nahum,  Habakkuk  und  Zephanja 
in  der  Mitte  der  Reihe  erscheinen.  Hat  die  Anordnung  nur  bei  den  drei  letzten  genau 
die  wirkliche  historische  Beihenfolge  getroffen,  so  mag  die  Ursache-für  die  Beihe: 
Nahum,  Habakkuk,  Zephanja  statt:  Zephanja,  Nahum,  Habakkuk  in  ungenauer 
Kenntnis  oder  eigenartiger  Auffassung  liegen.  Dagegen  haben  für  die  Disposition 
der  sechs  ersten  im  hebr.  AT  neben  dem  historischen  Prinzip  offenbar  die  Bücksicht 
auf  den  Umfang  und  das  Bestreben,  israelitische  und  jüdische  Propheten  abwechseln 


Allgemeine  Einleitung  I  XIV  Allgemeine  Einleitung  II 

zu  lassen,  mit  gewirkt,  so  dass  der  umfangreichere  Hosea,  und  nicht  der  ältere  Amos, 
an  die  Spitze  gestellt  wurde  und  die  Judäer  Joel,  Obadja,  Micha  jeweilen  neben  die 
Israeliten  Hosea,  Amos  (der,  obwohl  Judäer,  wenigstens  ausschliesslich  in  Israel 
wirkte),  Jona  traten.  Ob  Hos  1  2^  als  Ursaclie  zur  Voranstellung  Hoseas  mitgewirkt 
hat  oder  am  Ende  erst  eine  Folge  derselben  ist,  muss  unentschieden  bleiben,  da  die 
Angabe  auch  eine  näher  liegende  Beziehung  haben  kann  (s.  zu  Hos  1  2').  In  der 
Griechischen  Sammlung  der  LXX  sind  diese  sechs  der  ältesten  Periode  zugerechneten 
Propheten  mit  Konsequenz  nach  dem  Umfang  geordnet  worden,  nur  dass  man  die 
erzählende  Schrift  Jona  an  das  Ende  setzte.    Vgl.  CORNILL,  Einleitung  §  39. 

IL  Alte  Nachrichten  über  das  Vorhandensein  der  Sammlung  und  die  Ergeb- 
nisse der  Exegese  über  ihren  Abschluss.  Der  erste,  der  für  das  Vorhanden- 
sein des  Zwölfprophetenbuches  Zeugnis  ablegt,  ist  Jesus  Sirach,  der  49  10,  nachdem 
er  in  seinem  „Preis  der  Väter  der  Vorzeit"  Jesaja,  Jeremia,  Hesekiel,  (Hiob)  ge- 
nannt hat,  auch  die  zwölf  Propheten,  D^^^*'D5^  I^JJ  D"^^^,  erwähnt.  Die  Echtheit  der 
Stelle  ist  mit  Unrecht  von  BÖHME  (Z  ATW  1887,  280)  bezweifelt  worden,  s.  NÖLDEKE 
(ZATW  1888,  156)  und  den  seither  aufgefundenen  hebr.  Grundtext.  Also  existierte 
zu  Anfang  des  zweiten  vorchristlichen  Jahrhunderts,  um  200  v.  Chr.,  eine  Sammlung 
prophetischer  Schriften,  die  man  „die  zwölf  Propheten"  nannte.  Dieser  Titel  ist  lange 
der  übliche  geblieben :  aramäisch  sagte  man  *1^J^  *'']n,  das  später  zu  "ID***]]?  zusammen- 
gezogen wurde;  griechisch  oi  öwöexa  Tipocp^Tat  oderxo  owoexaTrpocpYjTOV.  Erst  die  Lateiner 
reden  von  den  Prophetae  minores,  „Kleinen  Propheten",  quia  sermones  eorum  sunt 
breves  in  eorum  comparatione ,  qui  majores  ideo  vocantur,  quia  prolixa  volumina 
condiderunt  (AUGUSTINUS  De  civ.  Dei  18  29).  Auf  eine  noch  frühere  Zeit  würde  der 
von  Jesus  Sirach  bereits  gekannte  Anhang  des  Buches  Mal  3  22-24  führen  (vgl.  JSir 
48  lO),  wenn  diese  Verse  nicht  nur  als  Auslegung  zu  Mal  3  1,  sondern  zugleich  als 
Schluss  des  Zwölfprophetenbuchs  gedacht  sind.  Letzteres  ist  nicht  unmöglich ;  denn 
die  Verweisung  auf  das  mosaische  Gesetz  und  die  Ankündigung  des  wiederkommen- 
den Elias  als  des  einzigen  Propheten,  der  noch  dem  jüngsten  Tag  vorausgehen  werde, 
scheinen  vorauszusetzen,  dass  die  Peihe  der  geschichtlichen  Propheten  ihr  Ende  er- 
reicht habe  und  Maleachi  ihr  letzter  gewesen  sei.  Wie  lang  oder  kurz  vor  200  v.  Chr. 
aber  dieser  Zusatz  entstanden  ist,  lässt  sich  nicht  feststellen.  Übrigens  hängt  auch 
nicht  viel  daran ,  ob  wir  noch  ein  paar  Jahrzehnte  weiter  ins  dritte  Jahrhundert  zu- 
rück das  Vorhandensein  einer  Sammlung  der  zwölf  Propheten  nachweisen  können 
oder  nicht.  Es  genügt  zu  konstatieren ,  dass  um  200  v.  Chr.  ein  Zwölfprophetenbuch 
existierte.  Dass  dieses  Buch  auch  später  als  eines  gefasst  wurde ,  ersieht  man  aus 
den  dem  1.  christl.  Jahrh.  entstammenden  Angaben  der  Gesammtsumme  der  kanonischen 
Bücher  auf  24  in  Apk  Esr  14  44,  resp.  auf  22  bei  JoSEPHUS  contra  Ap.  1  8,  welche 
Zahlen  die  Einzelzählung  der  Zwölfe  durchaus  ausschliessen. 

Mit  diesem  Zeugnis  Jesus  Sirachs  ist  aber  keineswegs  bewiesen,  dass  das  Zwölf- 
prophetenbuch bereits  um  200  v.  Chr.  in  der  gegenwärtigen  Gestalt  und  im  gegen- 
wärtigen Umfang  vorlag.  Der  Text  der  einzelnen  Bücher  und  die  Grenzen  ihres  TJm- 
fangs  waren  noch  lange  nicht  festbestimmt.  Man  muss  überhaupt  den  Gedanken  fern- 
halten ,  als  ob  damals  schon  irgend  welche  Autorität  den  Wortlaut  für  heilig  erklärt 
und  über  die  genaue  unveränderte  Überlieferung  gewacht  hätte.  Im  Gegenteil  war 
man  damals  vielmehr  bemüht,  die  Proplietien  der  vergangenen  Jahrhunderte  so  heraus- 


Allgemeine  Einleitung  II  XV  Allgemeine  Einleitung  III 

zugeben,  dass  sie  der  Gegenwart  dienten,  und  vor  liereicherung  durch  neues  Material 
schreckte  man  keineswegs  zurück.    Was  um  200  v.  Chr.  feststand,  war  die  Zwölfzahl 
der  vereinigten  Prophetenschriften,  die  den  Grundstock  der  Sammlung  bildeten.   Aber 
ausser  diesem  Grundstock,   der  zu  einer  relativen  Festigkeit  gelangt  war,   war  alles 
andre  noch  mehr  oder  weniger  im  Fluss  und  an  die  Känder  seiner  zwölf  Abteilungen 
konnten  sich  immer  noch  kleinere  und  grössere  neue  Elemente  ansetzen.   Den  direkten 
Beweis,  dass  sich  diese  Möglichkeit  verwirklichte,  liefert  der  Befund  der  Exegese. 
Macht  diese  für  viele  Teile  des  Textes  es  höchstwahrscheinlich,  dass  sie  erst  aus  dem 
zweiten  Jahrli.  v.  Chr.,  also  einer  späteren  Periode  als  Jesus  Sirach,  herstammen,  so 
zeigt  sie  mit  Sicherheit  einzelne  Stücke  auf,  die  nur  als  Erzeugnisse  des  2.  Jahrh. 
verstanden  werden  können.   Es  sei  hier  nur  einerseits  auf  Sach  9 — 14  verwiesen,  eine 
Prophetenschrift,   deren  Entstehung  nach  allen  Anzeichen   in   das  Jahr  160  v,  Chr. 
fallen  muss   (s.  Exegese  und  Sach  Einl.  111),   und  andrerseits  sei  an  Meli  5  4  f.  er- 
innert, an  Verse,  die  mit  ihrer  Zählung  von  acht  Makkabäern  bereits  Johannes  Hyr- 
kanus  (135 — 104  v.  Chr.)  kennen,  also  um  135  v.  Chr.  entstanden  sein  müssen  (vgl.  zu 
Mch  5  4f.).    Dass  die  Anonymität  die  Einreihung  der  Prophetenschrift  Sach  9—14  in 
das  Zwölfprophetenbuch  erleichterte,  sei  ausdrücklich  hervorgehoben,  und  dass  man 
sie  gerade  Sach  1 — 8  beigesellte,  mag  darin  den  Grund  haben,  dass  beide  von  einzelnen 
Führern  und  Leitern  des  Volkes  handeln.  Sach  1 — 8  von  Josua  und  Serubbabel,  Sach 
9 — 14:  von  den  bösen  und  dem  guten  Hirten,  also  Sach  9 — 14  als  ein  passendes  Seiten- 
stück ,  ja  als  eine  gute  Fortsetzung  zu  Sach  1 — 8  erscheinen  konnte.    Wie  im  Buche 
Jesaja  haben  somit  nach  den   Ergebnissen   der  Exegese  auch   im  Dodekapropheton 
Stücke  noch  Aufnahme  gefunden,  deren  sicheres  Datum  bis  nahe  zum  Ende  des  zweiten 
Jahrhunderts  hinabführt.   Als  frühestes  Datum  für  das  Vorhandensein  unseres  jetzigen 
Zwölfprophetenbuchs  kann   darum   die  Wende  des  2.  und  des  1.  Jahrh.  v.  Chr.  an- 
genommen werden.    Aber   es  ist  dieser  Zeitpunkt  nur  als  rundes  Datum  zu  fassen, 
so  dass  auch  noch  später  kleinere  Änderungen  und  Einfügungen  nicht  ausgeschlossen 
sind  (s.  z.  B.  zu  Sach  12  7  f.). 

III.  Bedeutung  des  Zwölfprophetenbuchs  für  die  Geschichte  der  israelitischen 
Religion«  Wie  das  Buch  Jesaja  ist  das  Zwölfprophetenbuch  eine  Bibliothek 

prophetischer  Schriften,  die  durch  die  verschiedenartigen  Beigaben  und  Einschie- 
bungen,  welche  zur  Betonung  und  Hervorhebung  der  besondren  Theologumena  der 
späteren  Zeit,  namentlich  des  zweiten  Jahrhunderts,  und  zum  richtigen  Verständnis 
der  alten  Bestandteile  dienen,  zu  einem  umfassenden  prophetischen  Beligionsbuch  ge- 
worden ist.  Die  Bedeutung  dieser  Sammlung  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  uns  hier 
wertvolle  prophetische  Dokumente  aus  sieben  Jahrhunderten  aufbewahrt  sind,  die, 
weil  sie  meist  sicher  datierbar  sind,  unsere  Kenntnis  von  der  Geschichte  des  isra- 
elitischen Prophetentums  aufs  mächtigste  fördern  und  vertiefen,  die  uns  mit  den 
verschiedenartigen  Charakteren  und  grossen  Persönlichkeiten  unter  den  israelitischen 
Propheten  vertraut  machen  und  uns  einen'lEinblick  in  die  bei  Männern  gleichen  Standes 
mögliche  Mannigfaltigkeit  gewähren.  Vor  allem  verdanken  wir  dieser  Sammlung 
die  Kunde  von  den  beiden  ältesten  Propheten:  Arnos  (c.  750)  und  Hosea  (c.  740), 
sowie  dann  wieder  von  den  zwei  letzten  (um  nur  die  sicher  datierbaren  zu  erwähnen), 
Maleachi  (c.  460)  und  Deuterosacharja  (c.  160) ,  die  beide  in  ihrer  Eigenart  hoch  be- 
deutsam  sind.    Aber  keinen  von   allen  möchte  man  missen,  jeder  wäre  ein  schmerz- 


Allgemeine  Einleitung  III  XVI  Allgemeine  Einleitung  IV 

lieber  Verlust  für  die  Geschichte  des  Prophetentums,  ja  für  die  Religion  selbst.  Jedes 
Jahrhundert  vom  8.  bis  zum  2.  wird  durch  einen  oder  mehrere  Vertreter  belebt:  das 
8.  ausser  durch  die  bereits  genannten  Arnos  und  Hosea  durch  Micha,  den  jungem 
Zeitgenossen  Jesajas  (c.  705),  das  7.  durch  Zephanja  (627/6),  Nahum  (c.  610)  und  Ha- 
bakkuk  (605),  das  6.  durch  die  beiden  Zeitgenossen  Haggai  und  Sacharja  (c.  520),  das 
5.  durch  Obadja  und  Maleachi  (1.  Hälfte  des  5.  Jahrb.),  das  4.  durch  Joel,  das  3.  durch 
Jona  und  das  2.  durch  Deuterosacharja  (c.  160).  Dabei  ist  zu  beachten,  dass  für  die 
letzten  Jahrhunderte  die  mannigfachen  sekundären  Beigaben  besonders  in  Betracht 
fallen  und  eine  reiche  Illustration  für  sie  bilden.  Das  Zwölfprophetenbuch  übertrijßft 
an  Mannigfaltigkeit  alle  andern  Prophetenschriften  des  AT's  und  darf  ihnen  auch  in 
Bezug  auf  Tiefe  und  Gehalt  unbedingt  gleichgesetzt  werden. 

IV.  Allgemeine  Litteratur.  Commentare:  F.  Hitzig  Die  zwölf  kleinen 

Propheten  1838,  4.  Auflage  von  H.  Steiner  1881;  H.  EwALD  Die  Propheten  des 
Alten  Bundes  2  I  1867,  II  und  III  1868;  C.  F.  Keil  Bibl.  Comm.  über  die  zwölf 
kleinen  Propheten  1866,  ^1888;  C.  VON  ÜRELLI  Das  Buch  Ezechiel  und  die  zwölf 
kleinen  Propheten  1888,  2  1896;  EdüARD  Beuss  Das  Alte  Testament,  II.  Band:  Die 
Propheten  1892;  J.  Wellhausen  Skizzen  und  Vorarbeiten,  fünftes  Heft:  Die  kleinen 
Propheten  1892,  3  1898;  AV.  NOWACK  Die  kleinen  Propheten  1897,  21904  (diese  neue 
Auflage  konnte  erst  von  Hab  an  berücksichtigt  werden);  G.  A.  Smith  The  Book 
of  the  Twelve  Prophets  I.   Band    ^1900,   II.  Band  4  1900.  Übersetzungen 

undMonographien  zuText,  Auslegung undTheologie:  FeiedeiCH BÜCKERT 
Hebräische  Propheten  1831;  Feed.  Hitzig  Die  prophetischen  Bücher  des  AT's  1854; 
K.  A.  Völlers  Das  Dodekapropheton  der  Alexandriner  1880  und  ZATW  1883, 
219—272,  1884,  1 — 20;  J.  Z.  SchüUEMANS-StekhOYEN  De  Alexandrijnsche  Vertaling 
van  het  Dodekapropheton  1887;  P.  VOLZ  Die  vorexilische  Jahweprophetie  1897;  H. 
OoET  Textus  hebraici  emendationes  1900,  136—150;  Kael  J.  Geimm  Euphemistic 
Liturgical  Appendixes  in  The  Old  Testament,  Baltimore,  1901;  Ed.  SiEVEES  Studien 
zur  hebr.  Metrik,  II:  Textproben  1901 ;  T.  K.  Cheyne  Critica  Biblica,  Part  II  (1903), 
119—198. 


Hos  Einleitung  I  1  Hos  Einleitung  I 


HOSEA. 

Einleitung. 


I.  Allgemeines  über  das  Buch  Hosea. 

Das  Buch  Hosea,  das  auch  in  der  LXX  an  der  Spitze  des  Zwölfprophetenbuches 
steht  (s.  die  allgemeine  Einleitung  zu  dem  Zwölfprophetenbuch),  enthält  in  Cap.  1 
und  3  erzählende  Stücke,  während  die  übrigen  Capitel  aus  Reden  bestehen.  Man 
unterscheidet  daher  gewöhnlich  im  Buche  Hosea  die  beiden  Teile:  Cap.  1 — 3  und 
Cap.  4 — 14,  und  hält  dafür,  dass  sie  auch  aus  verschiedenen  Perioden  der  prophetischen 
Thätigkeit  Hoseas  herstammen. 

Diese  Zweiteilung  empfiehlt  sich  aber  nicht.  Erstens  lässt  sich  nämlich  die 
Annahme  nicht  halten,  dass  Cap.  1 — 3  in  einer  früheren  Periode  als  Cap.  4 — 14  aufge- 
zeichnet seien  (vgl.  Vorbemerkung  zu  1  2 — 2  3).  Zweitens  gehört  das  eigentümliche 
Cap.  3  nicht  zum  ursprünglichen  Bestände  des  Buches  und  ist  daher  nicht  dazu  ge- 
eignet, einen  Einschnitt  in  demselben  zu  markieren  (vgl.  Vorbemerkung  zu  Cap.  3). 
Drittens  endlich  kann  Cap.  2  seiner  Form  und  seinem  Inhalt  nach  nicht  von  den 
Capp.  4 — 14  getrennt  werden,  mit  denen  es  viel  mehr  gemein  hat,  als  mit  Cap.  1  und  3. 
Es  ist  daher  von  einer  Zerteilung  des  Buches  abzusehen  und  das  Buch  als  ein  Ganzes 
zu  betrachten :  Cap.  1  giebt  einen  erzählenden  Vorbericht  über  die  häuslichen  Er- 
lebnisse des  Propheten  und  die  folgenden  Capitel  eine  Übersicht  und  Zusammen- 
stellung der  Beden  Hoseas.  Ein  Ganzes  nennen  wir  das  Buch,  aber  nicht  in  dem 
Sinne,  als  ob  ein  genauer  und  bestimmter  Gedankenfortschritt  die  Reihenfolge  der 
einzelnen  Stücke  veranlasst  hätte,  wenn  schon  der  ersten  Bede,  2  4-15^,  eine  grund- 
legende Bedeutung  zukommt  und  der  letzte  Abschnitt,  131 — 141,  einen  guten  zu- 
sammenfassenden Abschluss  bildet. 

Ist  somit  die  übliche  Zweiteilung  abzulehnen,  so  sind  dagegen  deutlich  von  der 
als  Ganzes  sich  darstellenden  Grundschicht  eine  Anzahl  Abschnitte  abzulösen,  die 
nur  als  spätere  Zusätze  des  Buches  verstanden  werden  können.  Auch  die  Sammlung 
der  Beden  Hoseas  ist  nämlich  nicht  intakt  und  unvermehrt  geblieben,  sondern  es  sind 
an  dieselbe  da  und  dort  fremde  Elemente  geringeren  und  grösseren  Umfangs  angefügt 
worden,  und  viel  wichtiger  als  die  Zerteilung  des  Buches  ist  die  genaue  Ausscheidung 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  1 


Hos  Einleitung  I  2  Hos  Einleitung  II 1 

der  ursprünglichen  und  der  sekundären  Elemente.  Zur  vorläufigen  Orientierung  seien 
hier  bloss  die  grösseren  sekundären  Elemente  aufgeführt:  21-3  15^-25  3  1-5  5  15 — 6  3 
11  lof.  14  2-10,  und  zugleich  sei  erwähnt,  dass  diese  nicht  alle  von  derselben  Hand 
herrühren.  Über  den  Charakter  und  die  Klassifizierung  dieser  Zusätze  s.  Ein- 
leitung III,  und  für  das  Einzelne  und  die  Ausscheidung  auch  der  kleinsten  fremden 
Bestandteile  vgl.  die  Erklärung. 

II.  Das  ursprüngliche  Hoseabuch. 

1)  Das  Leben  Iloseas.  Über  den  Propheten  Hosea  sind  wir  lediglich  durch 
das  Buch  Hosea  unterrichtet,  da  in  keinem  andern  Buche  des  AT  von  ihm  die  Bede 
ist.  Den  Namen  HöSea  (JJ^IH,  LXX:  'Öar^l)  hat  er  mit  mehreren  anderen  alttesta- 
mentlichen  Männern  gemein,  unter  denen  die  bekanntesten  sind:  Hosea  bin  Nun,  der 
Diener  und  Nachfolger  Moses,  =  Josua,  vgl.  Num  13  16  (in  LXX  hier  Aocrj)  Dtn  32  44, 
und  Hosea  ben  Ela,  der  letzte  König  des  nördlichen  Beiches  vgl.  II  Beg  15  30.  Von 
ihnen  ist  er  dadurch  unterschieden,  dass  er  nach  seinem  Vater  ^"1S2  (vgl.  diesen 
Namen  auch  Gen  26  34)  als  •''IJf?^"]^,  Sohn  Be'eri^s,  näher  bestimmt  wird.  Hosea 

war  Bürger  des  Nordreichs,  das  geht  mit  vollständiger  Sicherheit  aus  dem  Inhalt 
seines  Buches  hervor.  Er  ist  aufs  beste  unterrichtet  über  die  politischen  Zustände 
und  Verhältnisse  dieses  Beiches,  er  kennt  das  Thun  und  Lassen  der  Grossen  und  die 
Intriguen  der  Parteien,  die  sich  befehden  und  im  Bündnisse  mit  Ägypten  oder  mit 
Assur  sich  einen  kräftigen  Bückhalt  zu  verschaffen  suchen.  Auch  greift  er  in  seinen 
Schilderungen  niemals  über  die  Grenzen  des  Nordreichs  hinaus;  so  manche  Ortlich- 
keiten  in  seinen  Worten  genannt  werden,  niemals  erscheint  eine  solche,  die  in  Juda 
gelegen  ist.  Endlich  heisst  bei  ihm  Nordisrael  einfach  das  Land  (vgl.  1  2)  und 
der  König  von  Nordisrael  unser  König  (vgl.  7  5).  Gegen  diese  Gründe  könnten 
die  Stellen,  in  denen  Juda  erwähnt  wird,  nicht  aufkommen,  selbst  w^enn  sie 
dem  ursprünglichen  Hoseabuche  angehörten.  Dass  dies  aber  nicht  der  Fall  ist, 
ergiebt  sich  aus  der  sonderbaren  Art  aller  dieser  Anspielungen  auf  Juda,  s.  die 
Einleitung  III,  2  und  die  Erklärung  zu  den  dort  aufgezählten  Stellen;  darum 
ist  auch  die  Annahme  von  Umbeeit  und  EwALD  ohne  Grund,  dass  Hosea  sein  Buch 
in  Juda  niedergeschrieben  habe,  wohin  er  sich  infolge  der  Feindschaft  seiner  Mit- 
bürger habe  flüchten  müssen.  Über  die  Stellung,  die  Hosea  im  bürgerlichen 
Leben  eingenommen  hat,  lässt  sich  nichts  Sicheres  sagen.  Doch  ist  es  wahrscheinlich, 
wie  DuHM  (Theolog.  der  Propheten  130 f.)  vermutet,  dass  Hosea  den  vornehmeren 
Ständen  angehört  habe;  dafür  spricht  seine  Vertrautheit  mit  den  Intriguen  der  Macht- 
haber und  dem  Treiben  der  Priester,  sowie  seine  Kenntnis  der  alten  Geschichte. 
Dass  er  dagegen  speziell  dem  Priesterstande  angehört  habe,  wie  DuHM  weiter  an- 
nehmen möchte,  lässt  sich  nicht  sicher  erschliessen ;  aber  es  ist  zuzugeben,  dass  sich 
gerade  die  Polemik  gegen  die  Priester  und  deren  unwürdige  und  gottvergessene  Art 
bei  dieser  Annahme  aufs  beste  erklärte.  Jedenfalls  spricht  es  nicht  gegen  seine  Zu- 
gehörigkeit zum  Priesterstande,  dass  er,  wie  man  an  seinen  originell  und  fein  ange- 
v/andten  Bildern  sieht,  das  Leben  der  Natur  wohl  kannte  und  einen  Einblick  in  die 
alltäglichen  Verhältnisse  und  Arbeiten  des  Landmanns  und  der  Kleinbürger  besass. 

Über  seine  privaten  Erlebnisse  wissen  wir  nur,  dass  er  mit  Gomer  bat  Diblaim 
verheiratet  war,  einer  Frau,  die  sich  in  der  Ehe  als  treulose  Gattin  erwies,  und  dass 


Hos  Einleitung  II 1  3  Hos  Einleitung  II  2 

er  den  drei  Kindern,  die  von  ihr  geLoreu  wurden,  symbolische  Namen  gab:  der  erste 
Sohn  hiess  Jizre'd,  die  Tochter  Lo-Ruchama  und  der  zweite  Sohn  Lo-Ammi  (vgl. 
Cap.  1).  Gewöhnlich  erzählt  mau  nun  weiter,  die  ungetreue  Gattin  habe  schliesslich 
Hosea  verlassen  oder  sei  von  ihm  Verstössen  und  im  Besitz  eines  fremden  Mannes  in 
grosses  Elend  versunken,  aber  in  seiner  erbarmenden  Liebe  habe  Hosea  sie  wieder 
losgekauft,  in  sein  Haus  zurückgebracht  und  dort  durch  strenge  Absonderung  von 
jedem  Verkehr  zu  bessern  gesucht.  Jedoch  diese  ganze  Geschichte  mit  Ausnahme 
der  Heirat  von  Gomer  bat  Diblaini  und  der  Geburt  der  drei  Kinder  beruht  auf  un- 
richtiger iluffassung  von  Cap.  3.  Einmal  ist  zu  bemerken,  dass  von  einem  Verlassen 
des  Gatten  durch  Gomer  so  wenig  erzählt  ist  wie  von  ihrem  Versinken  in  eine  elende 
Lage  bei  einem  anderen  Manne;  über  eine  vermeintliche  Spur  einer  solchen  Nachricht 
s.  zu  2  3.  Dann  ist  weiter  zu  sagen,  dass  Cap.  3  nicht  von  Gomer  bat  Diblaim  redet, 
sondern  von  einer  zweiten  Frau,  die  Hosea  geheiratet  haben  soll,  dass  aber  Cap.  3 
nur  eine  Allegorie  und  daher  nicht  als  Geschichte  zu  nehmen  ist  und  dass  endlich 
Cap.  3  gar  nicht  zum  ursprünglichen  Hoseabuch  gehört  (vgl.  Vorbemerkung  zu 
Cap.  3). 

2)  Die  Zeit  Hoseas.  Trotzdem  die  Überschrift  des  Buches  zur  Bestimmung 
der  Zeit  Hoseas  ungeeignet  ist  (s.  zu  1  1) ,  lässt  sich  genau  feststellen ,  wann  Hosea 
gelebt  und  als  Prophet  gewirkt  hat. 

,    Aus  der  Angabe  1  4,  dass  Hosea  seinen  erstgebornen  Sohn  Jezreel  genannt 
hat,  um  damit  zu  sagen,  das  Haus  Jehus  werde  für  die  Blutschuld  von  Jezreel,  d.  h. 
die  Ausrottung  des  Hauses  Omris,  zu  büssen  haben,  geht  mit  aller  Sicherheit  hervor, 
dass  zur  Zeit  der  Geburt  Jezreels  die  Dynastie  Jehus  noch  am  Huder  w^ar.    Also  ist 
Hosea  Vater  geworden  und  Prophet  gewesen  schon  vor  dem  Jahre  743,  in  welchem 
der  letzte  König  aus  der  Dynastie  Jehus,  Sacharja,   der  Sohn  Jerobeams  IL,   ent- 
thront wurde.    Es  kann  sich  nur  fragen,  wie  weit  wir  über  dieses  Datum  zurückgehen 
müssen.     Sacharja  hat  nur  sechs  Monate  regiert,   sein  Vater  Jerobeam  IL  dagegen 
von  782-— 743.    Nach  dem  Inhalt  der  Worte  Hoseas  sind  wir  gezwungen,  möglichst 
nahe  bei  dem  Datum  des  Sturzes  der  Dynastie  Jehus  zu  bleiben  und  also  die  Geburt 
Jezreels  möglichst  nahe  an  das  Ende  der  Begierung  Jerobeams  IL  zu  rücken.    Denn 
im  ganzen  Buche  Hosea  findet  sich  kein  Abschnitt,  dessen  Entstehung  noch  in  die 
Begierungszeit  Jerobeams  IL  verlegt  werden  müsste;  auch  Cap.  1  und  2  4-15^  stammen 
nicht,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  mit  Sicherheit  aus  der  Zeit  vor  743,  da  das  hie- 
für vorgebrachte  Argument  der  Zweiteilung  des  Buches  Hosea  mit  dieser  dahinfällt 
(s.  oben  unter  I)  und  da  Cap.  1   die  dem  Propheten  erst  später  aufgegangene  Be- 
deutung seiner  Ehe  mit  Gomer  wiedergiebt,  also  w^ohl  die  Geburt  Jezreels,  aber  nicht 
die  Aufzeichnung  von  Cap.  1  vor  743  angesetzt  werden  muss  (vgl.  Vorbemerkung  zu 
1  2—2  3). 

Von  den  Abschnitten  Cap.  4 — 14  wird  gewöhnlich  angenommen,  dass  sie  alle 
in  die  Zeit  nach  743  weisen;  und  es  ist  auch  sicher,  dass  sich  in  Cap.  4 — 14  die  Zu- 
stände und  Verhältnisse  wiederspiegeln,  welche  dem  Sturze  der  Dynastie  Jehus  in 
Israel  folgten.  Nach  IIBeg  15  hat  Sallum  ben  Jabes  sich  gegen  Sacharja  ver- 
schworen und  ihn  ermordet.  Sallum  selber  wurde  aber  nach  bloss  einmonatlicher 
Begierung  von  Menahem  ben  Gadi  ermordet.  Menahem  vermochte  sich  bis  zu  seinem 
Tode  auf  dem  Throne  zu  behaupten  (743—737)  und  vererbte  auch  auf  seinen  Sohn 


Hos  Einleitung  II  2  4  Hos  Einleitung  II  3 

Pekachja  die  Herrschaft,  aber  er  war  gezwungen,  sich  die  Hilfe  des  Assyrerkönigs 
Tiglat-Pileser  III.  (745 — 727)  durch  eine  Gabe  von  Tausend  Talenten  Silber  zu  er- 
kaufen, um  gegen  die  offenbar  mächtige  Partei,  die  sich  wohl  an  Ägypten  anlehnen 
mochte,  sich  halten  zu  können.  Diese  Tributzahlung  erfolgte  nach  den  keilinschrift- 
lichen  Berichten  im  Jahre  738.  Menahems  Sohn  Pekachja  wurde  dagegen  nach  kaum 
zweijcähriger  Hegierung  (735)  gestürzt  und  sein  Mörder  Pekach  ben  Hemalja,  offenbar 
das  Haupt  der  antiassyrischen  Partei,  trat  an  seine  Stelle  als  König.  Pekach  ist 
wohlbekannt  durch  sein  gegen  Assyrien  gerichtetes  Bündnis  mit  Besin  von  Damaskus 
und  den  erfolglosen  syrisch-ephraimitischen  Krieg  gegen  Juda  vom  Jahre  734.  Von 
diesen  letzteren  Ereignissen  finden  sich  in  Hosea  keine  Andeutungen;  seine  Thätig- 
keit  hat  sich  demnach,  soweit  wir  Kunde  haben,  nicht  bis  735  erstreckt.  Dagegen 
aber  spiegeln  sich  in  seinen  Worten  die  zwischen  743  und  735  liegenden  Ereignisse 
wieder.  Hosea  spricht  wiederholt  von  den  Verschwörungen  und  Bevolutionen,  durch 
die  neue  Könige  und  Fürsten  zur  Herrschaft  gelangten,  vgl.  7  3-7  8  4  10  3  13  10  11, 
von  dem  Bündnis  mit  Assur  und  Ägypten,  vgl.  nur  5  13  7  11  10  6  12  2;  insbesondere 
ist  auch  von  dem  Tribut  an  den  Grosskönig  (Tiglat-Pileser)  die  Bede  5  13  10  5  6  und 
von  der  Ohnmacht  des  regierenden  Königs,  der  wohl  infolge  der  Abhängigkeit  vom 
Ausland  und  der  Befehdung  von  der  Gegenpartei  nichts  zu  thun  im  Stande  ist  10  3. 
Nach  diesen  beiden  letzten  Anspielungen  wirkte  Hosea  noch  nach  der  Tributsendung 
vom  Jahre  738;  aber  ob  wir  noch  über  den  Tod  Menahems  (737)  hinabgehen  müssen, 
bleibt  fraglich. 

Somit  ergeben  sich  uns  mit  Sicherheit  für  die  prophetische  Thätigkeit  Hoseas 
die  beiden  Daten:  1)  Hosea  ist  schon  Prophet  gewesen  vor  dem  Sturze  des  Hauses 
Jehus  im  Jahre  743;  das  wird  bewiesen  durch  die  Benennung  seines  erstgebornen 
Sohnes  mit  dem  bedeutsamen  Namen  Jezreel.  2)  Hosea  ist  noch  prophetisch  thätig 
gewesen  nach  der  Tributsendung  Menahems  an  Tiglat-Pileser  III.  im  Jahre  738,  aber 
nicht  mehr  unter  der  Begierung  Pekachs,  der  735  sich  auf  den  Thron  schwang;  das 
ergiebt  sich  aus  dem  Inhalt  der  Beden  Hoseas.  Damit  stimmt  es  vortrefflich,  dass 
Hosea  Gilead  und  Galiläa,  die  Tiglat-Pileser  erst  infolge  des  syrisch-ephraimitischen 
Krieges  erobert  hat  (II  Beg  15  29),  noch  als  integrierende  Bestandteile  des  israelitischen 
Beiches  kennt  (6  8  12  12).  Ist  demnach  Hosea  von  vor  743  bis  vor  735  Prophet 

gewesen,  so  ist  es  immerhin  möglich,  dass  nicht  alle  Prophetien,  die  das  Hoseabuch 
umfasst,  erst  nach  743  entstanden  sind.  Hosea  ist  schon  bei  der  Geburt  Jezreels 
Prophet  gewesen,  daher  können  einzelne  Stücke,  die  nicht  direkt  auf  die  Anarchie 
nach  dem  Tode  Jerob^ms  IL  hinweisen,  aus  dieser  früheren  Zeit  datieren.  Eine 
sichere  Scheidung  ist  schwer  zu  treffen,  trägt  auch  nichts  ein,  da  sich  Hoseas  Thätig- 
keit nur  auf  so  kurze  Zeit  erstreckt  hat.  Aber  es  ist  doch  auch  nicht  nötig,  den  Spiel- 
raum noch  mehr  einzuengen  und  anzunehmen,  dass  uns  nur  Worte  aus  der  Zeit  nach 
der  Geburt  der  Kinder  Hoseas  aufbehalten  seien. 

3)  Die  prophetische  Thäüglieit  Hoseas.  Wenn  wir  unter  einem  Propheten 
nur  einen  Mann  zu  verstehen  hätten,  der  mit  Thaten  und  Beden  vor  dem  Volke  auf- 
tritt, der  in  öffentlicher  Versammlung  mündlich  den  Hörern  Gottes  Auftrag  aus- 
richtet, so  dürften  wir  wohl  Hosea  keinen  Propheten  nennen.  Von  grossen  Thaten 
Hoseas  ist  nicht  die  Bede  und  auch  davon,  dass  er  selber  seine  Worte  seinen  Zeit- 
genossen vortrug,  wissen  wir  nichts.     Gleichwohl  ist  er  Prophet  d.  h.  ein  Sprecher 


Hos  Einleitung  II  3  5  Hos  Einleitung  II  3 

Jahwes  unter  Israel,  dem  er  den  Willen  Gottes  kundthut.  Das  ist  er  schon  bei  der 
Geburt  Jezreels,  der  diesen  Namen  erhält,  damit  dadurch  Gottes  Gericht  über  das 
Haus  Jehus  angekündigt  werde,  und  das  ist  er  aucli  in  seinen  Worten  von  2  4 — 14  1, 
selbst  wenn  sie  niemals  von  Hosea  zum  Volke  gesprochen,  sondern  nur  zur  Lektüre 
aufgeschrieben  sind.  Das  letztere  ist  nilmlich  höchst  wahrscheinlich ;  denn  seine 
Worte  bestehen  (abgesehen  von  dem  Bericht  über  die  Erlebnisse  des  Propheten)  feamt 
und  sonders  aus  Dichtungen,  die  nicht  den  Eindruck  von  Volksreden  machen,  aber 
vortrefflich  geeignet  erscheinen,  zur  Lektüre  unter  das  Volk  gebracht  zu  werden. 
Daher  darf  man  wohl  auch  annehmen,  dass  Hosea  selber  seine  Dichtungen  zusammen- 
gestellt, mit  der  erzählenden  Einleitung  Cap.  1  zum  Verständnis  der  Dichtungen  und 
zur  Orientierung  der  Leser  versehen  und  das  Ganze  den  Zeitgenossen  vorgelegt  habe. 
Eine  chronologische  Anordnung  der  einzelnen  Dichtungen  lässt  sich  nicht  nachweisen; 
alle  passen  in  ihrer'  ganzen  Haltung  am  besten  in  die  Jahre  nach  dem  Sturze  der 
Dynastie  Jehus  bis  vor  den  syrisch-ephraimitischen  Krieg,  wenn  auch  nicht  ausge- 
schlossen ist,  dass  einzelne  schon  vorher  entstanden  sind.  Ebensowenig  ist  ein  plan- 
voller Gedankengang  in  der  Anordnung  der  Dichtungen  zu  verfolgen,  sodass  man 
gezwungen  ist,  von  einzelnen  Dichtungen  und  nicht  von  einer  einzigen  Dichtung  zu 
reden.  Immerhin  kann  aber,  wie  schon  (s.  Einleitung  I)  bemerkt  worden  ist,  nicht 
verkannt  werden,  dass  mit  Absicht  nicht  nur  der  erzählende  Vorbericht  Cap.  1, 
sondern  auch  die  Dichtung  2  4-15%  die  auf  alle  folgenden  ein  starkes  Schlaglicht  wirft, 
vorangestellt  und  dass  ferner  die  abschliessende  Dichtung  13  i — 14  1,  die  noch  einmal 
das  Einst  und  Jetzt  in  Israel  vergleicht  und  auf  das  unabänderlich  feststehende  Ende 
hinweist,  mit  Überlegung  an  den  Schluss  gesetzt  ist.  Die  einzelnen  Dichtungen,  die 
zwischen  diesen  Endpunkten  stehen,  haben  eben  nicht  nur  einen  einzelnen  Gedanken 
zur  Darstellung  gebracht,  sondern  sind  lebendige  und  originelle  Aussprachen,  die  in 
immer  neuen,  oft  sehr  kühnen,  aber  treffenden  Bildern  die  ganze  Lage  beleuchten, 
bald  mehr  diese,  bald  mehr  jene  Seite  erhellend.  Es  sind  nicht  mühsam  gemachte 
Gedichte,  sondern  unmittelbar  dem  Propheten  erwachsene  Darstellungen  der  ihm  klar 
aufgegangenen  Wahrheit. 

Der  Grundton,  der  durch  alle  Dichtungen  Hoseas  hindurchklingt,  ist  Klage 
und  Schmerz  darüber,  dass  die  Israeliten  es  an  Liebe  und  Treue  gegen  Jahwe 
fehlen  lassen  und  dass  sie  bei  alledem  nicht  einsehen,  wie  sie  sich  an  den  ßand  des 
Verderbens  gebracht  haben.  Dass  aber  die  Israeliten  keine  Liebe  zu  Jahwe  haben 
und  ihm  die  Treue  nicht  bewahren,  beruht  darauf,  dass  sie  keine  Gotteskenntnis 
besitzen.  Gotteskenntnis  ist  nach  Hosea  nicht  Kenntnis  von  geschriebenem  Gesetz, 
sondern  eine  innere  Empfindung  des  Wesens  und  Willens  Gottes.  Wer  die  sittlichen 
Forderungen  ausser  Acht  lässt,  übertritt  nicht  nur  Gebote,  die  ihm  mehr  oder  weniger 
als  fremde  gegenüberstehen,  sondern  verrät  auch  einen  schweren  Mangel  an  Pflicht- 
gefühl, der  deutlich  zeigt,  dass  die  rechte  Stellung  und  das  innige  Verhältnis  zu  Gott 
nicht  vorhanden  sind.  Dies  ist  der  Grundgedanke  Hoseas  und  man  kann  daher  den 
Propheten,  wie  es  schon  geschehen  ist,  einen  „Mystiker-  und  eine  „Johannes- 
Erscheinung"  nennen  (ValetON,  Arnos  und  Hosea  202f.),  immerhin  darf  nicht  mehr 
in  diesen  Ausdrücken  gefunden  werden,  als  dass  damit  der  Art  eines  Amos  gegen- 
über, dem  die  absolute  Macht  des  Guten  aufgegangen  ist  und  der  das  Sittliche  in  der 
Keligion  besonders  betont,   hervorgehoben  werden  soll,  Hosea  lege  den  Nachdruck 


Hos  Einleitung  II  3  6  Hos  Einleitung  II  3 


auf  das  lleligiöse,  auf  die  (Quelle,  aus  der  die  Kraft  zur  Sittlichkeit,  zum  Thun  des 
Willens  Gottes  strömt.  Hosea  will  nichts  anderes  als  Amos,  aber  in  dem  Zurück- 
gehen auf  die  AVurzeln  des  religiös-sittlichen  Verhaltens  bedeutet  seine  Auffassung 
eine  Vertiefung  in  der  Erkenntnis  des  AVesens  der  wahren  Eeligion.  Wenn  dagegen 
NOWACK  (Die  Zukunftshoffnungen  Israels  in  der  assyr.  Zeit  S.  41)  die  Idee  der  die 
Macht  der  Sünde  überwindenden  Liebe  im  Mittelpunkt  des  Gottesbegriffs  des  Hosea 
stehend  findet,  so  ist  zu  sagen,  dass  dies  ein  neutestamentlicher  Gedanke  ist,  der  sich 
nur  mit  Zwang  in  den  Text  des  Buches  Hosea  hineininterpretieren  lässt.  Hosea  selber 
verfährt  nicht  darnach  und  auch  wenn  man  alle  die  späteren  Zusätze  für  ursprünglich 
hält,  so  bleibt  trotzdem  nur  der  Gedanke,  dass  Gott  nach  strenge  verhängter  und 
lange  vollzogener  Strafe  und  dadurch  bewirkter  Besserung  das  Volk  wieder 
zurückführe. 

Wie  tief  Hosea  das  Wesen  der  Religion  versteht,  beweist  er  dadurch,  dass  er 
zur  Veranschaulichung  der  Verbindung,  die  zwischen  Jahwe  und  Israel  bestehen 
sollte,  die  Gemeinschaft  der  Ehe  verwendet  und  durch  diese  Vergleichung  ein  Mittel 
gewinnt^  um  dem  Volke  die  ganze  Schwere  seiner  Sünde  vorzuhalten.  Hosea  sieht 
aber  in  der  Ehe  nicht  nur  ein  Rechtsverhältnis,  nach  welchem  die  Gattin  bloss  als 
ein  Eigentum  des  Gatten  in  Betracht  käme,  sondern  eine  innige  sittliche  Liebes- 
gemeinschaft. Ehebruch  ist  deshalb  nicht  nur  Nichtbeachtung  und  IJbertretung  eines 
Eigentumsrechtes,  sondern  Verletzung  der  sittlichen  Pflicht  der  Liebe  und  Hin- 
gebung, und  deshalb  fällt  der  Abfall  des  Volkes  von  Jahwe  viel  schwerer  ins  Gewicht 
und  ist  auch  in  ganz  anderen  Thaten  schon  begangen,  als  das  Volk  denkt.  Durch  die 
Erkenntnis  dieser  Analogie,  die  zwischen  seinem  traurigen  häuslichen  Erlebnisse  und 
dem  Verhalten  Israels  gegen  Jahwe  besteht,  hat  Hosea  die  alte  semitische  An- 
schauung, dass  das  Verhältnis  von  Gottheit  und  Land  nur  ein  naturhaftes  sei,  völlig 
überwunden  und  durch  die  viel  tiefere  Auffassung  abgelöst,  dass  ein  ethisch-religiöses 
Verhältnis  Israel  mit  seinem  Gotte  Jahwe  verknüpfe.  Vgl.  dazu  auch  Vorbemerkung 
zu  1  2—2  3. 

Das  Bewusstsein,  zu  Liebe  und  Treue  gegen  Jahwe  verpflichtet  zu  sein,  fehlt 
dem  Volke;  besässe  es  diese  Erkenntnis,  so  würde  es  Gottes  Willen  erfüllen,  den  es 
ohne  geschriebene  Gesetze  verstände.  Die  gänzliche  Entfremdung  des  Volkes  von 
Jahwe  zeigt  sich  in  seinem  Kultus,  der  seiner  Art  und  seinem  Ursprung  nach  nicht 
Jahwe,  sondern  Baal  entspricht,  nicht  israelitisch,  sondern  kanaanitisch  ist.  Der  Ur- 
sprung der  Entfremdung  datiert  daher  von  dem  Übergang  Israels  in  das  Kulturland 
Kanaan.  Das  ist  im  Munde  Hoseas  nicht  ein  historisches  Urteil,  das  er  auf  Grund 
geschichtlicher  Studien  fällt,  sondern  eine  These,  die  aus  der  Beobachtung  der  that- 
sächlichen  Verhältnisse  und  der  Erfahrung  des  tagtäglichen  Lebens  stammt.  Sein 
prophetischer  Blick  hat  auch  historisch  richtig  gesehen:  der  Opferdienst  hat  die  von 
Jahwe  geforderte  Verehrung  durch  Rechtthun  und  Liebeüben  verdrängt,  der  Kultus 
ist  kein  Zeichen  der  Liebe  und  Treue  zu  Jahwe,  er  ist  vielmehr  kanaanitischen  Ur- 
sprungs und  Baaldienst.  Im  Einzelnen  darf  natürlich  die  Geschichtsbetrachtung 
Hoseas  nicht  gepresst  werden;  wo  er  an  besondere  Züge  aus  der  Geschichte  der  Ver- 
gangenheit erinnert,  haben  ihm  schwerlich  schriftliche  Aufzeichnungen  vorgelegen, 
sondern  er  hat  seinen  Stoff  aus  der  mündlichen  Erzählung  des  Volkes  bekommen. 
AVenn  dabei  manches  an  die  Form,  welche  uns  im  Elohisten  entgegentritt,  gemahnt. 


Hos  Einleitung  II  3  7  Hos  Einleitung  II  3 

so   ist  doch  nicht  zu   vergessen,   dass   auch   eigentümliche  Züge  nicht  fehlen,   s.  zu 
118  12  4. 

Der  Kultus  mit  allem,  was  damit  zusammenhiingt,  mit  den  Greueln,  die  dabei 
geübt  werden,  mit  der  Yerl)lendung  über  die  wahren  Forderungen  Gottes  und  mit 
dem  Wahn,  in  den  er  die  Israeliten  in  l^ezug  auf  ihre  Stellung  zu  Jahwe  einwiegt, 
ist  die  Hauptsünde  Israels.  Nur  mit  Unrecht  nimmt  man  an,  dass  llosea  auch  im 
Königtum  eine  Quelle  des  Verderbens  sehe  und  dass  er  der  Vater  der  deutero- 
nomistischen  Verwerfung  des  Königtums  sei.  Denn  Hosea  hat  nur  das  Treiben  der 
Könige  und  Beamten,  die  Revolutionen  und  Usurpationen,  verurteilt,  aber  nicht  die 
Institution  des  Königtums  selber.  Mit  den  „Tagen  Gibeas"  9  9  10  9  meint  er  nicht 
die  Entstehung  des  Königtums  unter  Saul,  s.  Vorbem.  zu  10  9-15,  und  auch  sonst 
führt  er  nicht,  wie  die  spätere  deuteronomistische  Anschauung,  das  Königtum  auf 
einen  Abfall  von  Jahwe  zurück,  vgl.  die  Erklärung  zu  8  4  10  und  bes.  zu  13  10  f. 

Hosea  selber  hat  das  Bild  von  der  Ehe  nur  verwendet,  um  dem  A^olke  die 
Schwere  der  Sünde,  die  es  durch  seinen  kanaanitischen  Kultus  verübt,  vorzuhalten 
und  um  ihm  die  Folgen  eines  solchen  „ehebrecherischen"  Treibens  klar  vor  Augen 
zu  stellen  (vgl.  2  4-15).  Übrigens  wussten  die  Israeliten  wohl,  welche  Strafe  auf  ehe- 
liche Untreue  des  Weibes  gesetzt  war,  s.  Gen  38  24  Dtn  22  22  Lev  20  10  und  vgl.  zu 
Hos  2  5.  Dies  im  Bilde  weiter  auszuführen  und  etwa  die  eigene  Stimmung  gegen  die 
ungetreue  Gomer  in  genaue  Parallele  zu  dem  Verhalten  Jahwes  gegen  sein  unge- 
treues Volk  zu  setzen,  hat  der  Prophet  unterlassen;  zu  einer  solchen  ausdrücklichen 
Vergleichung  steht  ihm  Gott  viel  zu  hoch  und  seine  Art  ist  nicht  an  der  Art  der 
Menschen  zu  messen  (11  9).  Dass  aber  auf  die  fortgesetzte  Untreue  gegen  Gott  nur 
Untergang  folgen  kann,  ist  für  den  Propheten  keine  Frage;  darum  kündet  er  in  immer 
neuen  Wendungen  dieses  Ende  des  Volkes  an.  Dass  Jahwe  sich  einst  Israels  wieder 
erbarmen  und  einen  neuen  Bund  mit  ihm  schliessen  werde,  hat  Hosea  nicht  in  Aus- 
sicht gestellt.  Steht  im  ursprünglichen  Hoseabuche  nichts  davon,  dass  Hosea  gegen 
seine  ungetreue  Gattin  Gomer  noch  Liebe  empfunden  und  ihr  durch  Wiederannahme 
bewiesen  habe  (s.  II 1),  so  auch  nichts  davon,  dass  Jahwe  ebenso  mit  Israel  verfahren 
werde.  Damit  hätte  der  Prophet  sein  Urteil  über  die  Sünde  des  Volkes  geradezu 
zurückgenommen.  Aber  so  sind  die  Propheten  des  8.  Jahrhunderts  nicht  gewesen, 
dass  sie  mit  einem  Worte  dem  Volke  den  Untergang  drohten  und  mit  dem  folgenden 
ihm  doch  eine  herrliche  Zukunft  verhiessen.  Auch  die  Unterscheidung  von  zwei 
Perioden  in  Hoseas  Thätigkeit,  eine  frühere,  in  der  nur  von  Gericht,  und  eine  spätere, 
in  der  er  von  einer  künftigen  Zurückführung  aus  der  Verbannung  gesprochen  habe 
(so  Meinhold),  ist  unbegründet;  denn  sie  beruht  auf  der  unrichtigen  Fassung  von 
Cap.  3,  dass  darin  von  der  neuerwachten  und  auch  thatsächlich  erwiesenen  Liebe 
Hoseas  zu  der  treulosen  Gomer  erzählt  sei,  s.  zu  Cap.  3.  Für  Hosea  war  das 

Heil  nicht  an  das  Volk  Israel  gebunden,  sondern  an  Jahwe;  das  Volk  mag  unter- 
gehen (ja  es  muss  untergehen,  weil  es  so  untreu  ist),  wenn  nur  Jahwe  bleibt,  dem 
kann  man  getrost  die  Wege  der  Zukunft  überlassen.  Gerade  bei  Hosea,  der  so  tief 
in  das  Wesen  Gottes  eingedrungen  und  dem  die  Sünde  des  Volkes  in  ihrer  ganzen 
Schwere  klar  geworden  ist,  darf  es  doch  nicht  als  ein  Mangel,  sondern  als  ein  Zeichen 
der  Grösse  beurteilt  werden,  dass  ihm  an  Jahwes  Bleiben  genügte.  Überdies  reisst 
man  Hosea  aus  seiner  Umgebung  und  den  wirklichen  Verhältnissen,  unter  denen  er 


Hos  Einleitung  II  3  8  Hos  Einleitung  III  2 

lebte,  heraus,  wenn  man  ihn  nicht  nur  seinen  Zeitgenossen  das  Gericht  verkünden, 
sondern  ihnen  auch  noch  von  Gottes  fernen  Zielen  berichten  lässt.  Und  schliesslich 
hat  doch  der  Prophet  mit  seinem  klaren  "Worte  Hecht  behalten:  Israel  hat  die  Strafe 
getrofien,  nicht  von  ihm  ist  das  Heil  gekommen,  sondern  von  Jahwe;  Gott  hat  unter 
andern  Völkern  die  hohe  sittliche  E-eligion  aufgerichtet,  deren  Vorläufer  die  Pro- 
pheten waren. 

Ili.  Die  sekundären  Elemente  des  Hoseabuches. 

1)  Yorbemerkung".  Die  spätere  Zeit  hat  in  den  Propheten  nicht  nur  die 
Sprecher  Jahwes  an  ihre  Zeitgenossen  gesehen,  sondern  dafür  gehalten,  dass  ihr 
Blick  auch  über  die  Grenzen  ihres  Landes  und  über  die  Spanne  der  kurzen  Gegen- 
wart weit  hinausreiche.  Nicht  nur  Israel  allein  sollte  Hosea  ins  Auge  fassen,  er 
rausste  auch  Juda  in  den  Kreis  seiner  Betrachtung  ziehen ;  nicht  nur  von  der  Sünde 
und  dem  Unglück  der  Gegenwart  sollte  er  wissen,  er  musste  auch  die  herrliche  Be- 
gnadigung und  das  Heil  der  fernen  Endzeit  kennen.  Man  wollte  später  nicht  nur  aus 
der  Geschichte  der  vergangenen  Tage  Lehren  ziehen,  sondern  aus  den  Worten  der 
Propheten  Belehrung  über  die  Zukunft  empfangen.  So  konnte  es  nicht  anders  sein, 
als  dass  dem  düsteren  Bilde  von  der  Strafe  Israels  die  lichte  Kehrseite  der  neuen 
erwarteten  Glückszeit  gegenübergestellt  wurde;  erst  so  waren  die  Prophetenschriften 
vollständig  und  konnten  in  der  Synagoge  als  die  Träger  des  spätjüdischen  Glaubens 
vorgelesen  werden.  Vgl.  über  diese  Vermehrung  und  Bereicherung  der  prophetischen 
Litteratur  meinen  Komm,  zu  Jesaja  Einleit.  III 1. 

2)  Die  von  Juda  handelnden  Stellen.  Hosea  ist  ein  Angehöriger  des  Nord- 
reiches und  seine  Worte  beziehen  sich  auf  die  Verhältnisse  und  Ereignisse  in  Ephraim. 
Nun  aber  wird  an  einer  Anzahl  von  Stellen  auch  Juda  genannt  und  zwar  überall  in 
einer  so  nebensächlichen  Weise,  dass  es  recht  fraglich  ist,  ob  Hosea  überhaupt  jemals 
Bücksicht  auf  Juda  genommen  habe.  Durchgeht  man  der  Beihe  nach  die  einzelnen 
Stellen,  so  erkennt  man,  dass  auch  nicht  ein  einziges  Mal  Juda  einen  gesicherten 
Platz  im  ursprünglichen  Hoseabuch  hat.  Indem  ich  auf  den  Kommentar  selber  ver- 
weise, begnüge  ich  mich,  hier  die  Stellen  einzeln  mit  ganz  kurzen  Bemerkungen  zu 
erwähnen : 

1 1  werden  die  judäischen  Könige  in  der  Überschrift  genannt,  aber  die  ganze 
Überschrift  ist  spätere  Zuthat. 

1  7  wird  auf  die  Bettung,  die  Juda  durch  Gott  von  den  Assyrern  zu  teil  wird, 
hingewiesen;  aber  der  ganze  Vers  stört  den  Zusammenhang  und  stammt  nicht  von 
Hosea. 

2  2  erscheinen  die  Judäer  neben  den  Israeliten,  von  beiden  ist  gesagt,  dass  sie 
gemeinsam  aus  dem  Exil  nach  Palästina  zurückkehren  werden ;  aber  der  ganze  Ab- 
schnitt 2  1-3  ist  ein  späterer  Zusatz. 

4  15,  wo  Juda  vor  Versündigung  gewarnt  wird,  ist  ebenfalls  längst  als  sekundär 
erkannt  (vgl.  Stade  Gesch.  Isr.  I,  577).  ' 

5  5  verrät  sich  das  Sätzchen  über  Juda  schon  durch  das  vorgesetzte  D?  als 
später  eingefügt,  vgl.  6  11. 

5  10  12  13  14  ist  viermal  HH^iT  für  ursprüngliches  ^i??*lti^^  gesetzt;  s.  Vorbemerkung 
zu  5  10-14. 


Hos  Einleitung  III  2  9  Hos  Einleitung  III  3 

6  4  ist  Juda  wieder  an  Stelle  von  Israel  getreten. 

6  11  ist  ganz  wie  5  5  zu  beurteilen. 

8  14  steht  Juda  wieder  in  einem  Zusatz. 

10  11  ist  Juda  zwischen  Ephraim  und  Jakob  sicher  sekundär. 

12  1^  und  3*  endlich  sind  ebenfalls  Glossen. 

Nach  dieser  Übersicht  ergiebt  sich,  dass  die  Rücksichtnahme  auf  Juda  erst 
durch  eine  spätere  Bearbeitung  in  das  Buch  Hosea  eingeführt  ist. 

3)  Die  Ileilsverkündigungen  stehen  nicht  im  Einklang  mit  dem  Inhalt  des 
ursprünglichen  Hoseabuches  (s.  il  3;  beachte  dort  auch  die  Abweisung  der  von 
Meinhold  angenommenen  späteren  Periode  Hoseas,  in  die  manche  der  Heilsweis- 
sagungen gehören  sollten!).  Hosea  droht  den  Israeliten  ein  unbarmherziges  Gericht: 
Gott  ruft  Tod  und  Scheol  mit  allen  ihren  Qualen  und  Seuchen  herbei,  um  seinem 
Volke  ein  Ende  zu  bereiten  (13  14);  Jahwe  ist  der  Heilige,  den  kein  menschliches 
Pathos  schwach  macht,  er  wird  Israel  vernichten  (11  9  13  9).  Nicht  nur  inhaltlich 
passen  die  Abschnitte  mit  Heilsweissagungen  nicht  in  den  Gedankenkreis  Hoseas, 
sondern  sie  unterbrechen  auch  in  störender  Weise  die  Unheilsdrohungen  oder 
schwächen  ihre  Bedeutung  ab ;  ferner  haben  dieselben  mehr  oder  weniger  deutlich 
das  Exil  zur  Voraussetzung  und  zeigen  sich  in  ihren  Gedanken  von  späteren  Pro- 
pheten z.  B.  besonders  von  Hes  abhängig.  Von  kleineren  Hinzufügungen  abgesehen, 
sind<  folgende  Stücke  als  Heils  Verkündigungen  in  Hosea  später  eingesetzt: 

a)  2  1-3  die  Verheissung  einer  neuen  herrlichen  Zeit:  Israel  und  Juda  kehren 
zurück  aus  dem  Exil  und  erhalten  an  Stelle  der  Unglücksnamen,  die  Hosea  Cap.  1 
für  Israel  geprägt  hat,  neue  glückverkündende  Namen.  Der  Abschnitt  2  1-3  ist  somit 
eine  Ergänzung  und  Korrektur  von  Cap.  1,  beigefügt  vom  Standpunkt  der  eschato- 
logischen  Hoffnung  der  nachexilischen  Gemeinde ;  vgl.  Kommentar  zu  2  1-3. 

b)  2  15*^-25  die  selige  AViedervereinigung  Israels  mit  Jahwe  und  die  herrliche 
Fruchtbarkeit  des  Landes.  Der  Abschnitt  setzt  das  Exil  voraus  und  spricht  in  An- 
lehnung an  Hes  20  34-38  von  der  Heimkehr  Israels  durch  die  syrisch-arabische  Wüste 
und  dem  wunderbaren  Segen  im  Lande  Kanaan;  er  ist  ganz  deutlich  das  in  ver- 
änderter Situation  und  späterer  Zeit  entworfene  helle  Gegenbild  zu  der  Drohung, 
welche  2  4-15'^  vom  Propheten  über  die  Israeliten  gesprochen  ist.  Vgl.  Vorbemerkung 
zu  2l5'^-25,  sowie  die  Erklärung  des  Abschnittes. 

c)  3  1-5,  die  Erzählung  von  einer  zweiten  Heirat  Hoseas,  ist  offenbar  als  ein 
Pendant  zu  Cap.  1  gedacht,  aber  führt  schon  viel  weiter  als  dieses  Kapitel.  Denn 
während  Cap.  1  nur  die  Strafe,  und  zwar  als  noch  zukünftig,  ins  Auge  fasst,  über- 
schaut Cap.  3  schon  die  ganze  Geschichte  Israels :  sein  langjähriges  Exil  und  die 
darauffolgende  Rückkehr  nach  Palästina  zur  AYiedervereinigung  mit  Juda  unter  einem 
Herrscher  aus  Davids  Haus  und  zu  einem  herrlichen  durch  die  Güte  Jahwes  reich- 
lich gesegneten  Leben.  Der  Verfasser  von  Cap.  3  hat  offenbar  Israel  nicht  gekannt, 
als  es  noch  im  Lande  war;  es  ist  schon  längst  im  Exil  und  nur  seine  einstige  Bück- 
kehr steht  noch  bevor.  Der  Verfasser  verstand  Cap.  1  als  eine  Allegorie  auf  die  Ge- 
schichte Judas  und  stellte  in  Cap.  3  ihr  nach  dem  Muster  von  Hes  23  eine  solche  auf 
die  Geschichte  Nordisraels  zur  Seite.    Vgl.  Vorbemerkung  zu  Cap.  3. 

d)  5  15 — 6  3  5*^,  ein  hoffnungsvoller  Ausblick  auf  die  Umkehr  Israels  zu  Jahwe 
und  die  herrliche  Aufnahme  bei  ihm,  verrät  sich  durch  den  Widerspruch,  in  dem  sein 


Hos  Einleitung  III  3  10  Hos  Einleitung  lY 

Inhalt  zu  dem  Vorhergehenden  steht,  als  später  hinzugefügt,  um  der  trostlosen  Ver- 
kündigung: b^'^'O  Y^]  5  14,  von  dem  späteren  Glauben  aus  die  nötige  Korrektur  bei- 
zugeben.   Vgl.  Vorbemerkung  zu  5  15 — 6  3. 

e)  11  10  11,  die  Heimkehr  aus  dem  Exil,  wenn  Jahwe  das  Zeichen  giebt,  soll 
gerade  wie  5  15—6  3  5^  dem  gedrohten  Verderben  die  einstige  Wiederherstellung 
gegenüberstellen;  vgl.  zu  11  10  11. 

f)  14  2-10,  ein  glückverheissender  Abschnitt,  beschliesst  das  Buch,  um  auch 
hier  die  düsteren  Drohungen  Hoseas  zu  mildern  und  an  die  herrliche  Zukunft  zu  er- 
innern, auf  welche  Israel  in  der  nachexilischen  Zeit  wartete.  In  diesem  Stücke  ist 
wieder  ganz  deutlich  eine  andere  Situation  vorausgesetzt  als  bei  Hosea:  die  Strafe, 
die  für  Hosea  noch  zu  erwarten  ist,  ist  bereits  vollzogen ;  schon  damit  ist  die  spätere 
Entstehungszeit  dieses  Anhangs  deutlich  erwiesen.  Vgl.  im  Übrigen  Vorbemerkung 
und  Kommentar  zu  14  2-10. 

4)  Endlich  fehlt  es  auch  im  Buche  Hosea  nicht  an  kleineren  Beifügungen,  die 
ursprünglich  als  Glossen  oder  sonstige  Bemerkungen  an  den  Hand  gesetzt  wurden, 
nachher  aber  in  den  Text  selbst  hineingerieten.  Dieselben  können  hier  nicht  aufge- 
zählt werden,  es  sei  vielmehr  für  dieselben  auf  den  Kommentar  selbst  hingewiesen. 

IV.   Die  Entstehung  des  Hoseabuches. 

Durch  die  genaue  Unterscheidung  des  ursprünglichen  Hoseabuches  von  den 
späteren  Zusätzen  ist  bereits  die  Hauptsache  über  die  Entstehung  des  Buches  Hosea, 
wie  es  uns  heute  vorliegt,  gesagt.  Wahrscheinlich  hat  der  Prophet  selber  seine  pro- 
phetischen Worte  zusammengestellt  und  mit  dem  erzählenden  Vorbericht  Cap.  1  ver- 
sehen (s.  II  3).  Dieser  Grundstock  hat  dann  im  Laufe  der  Zeit  die  verschiedenen 
Vermehrungen  (s.III)  erfahren  und  namentlich  sind  diese  nicht  der  alten  Zeit,  sondern 
erst  der  Periode  nach  dem  Exil  zuzuschreiben.  Gerade  die  spätere  Zeit  liebte  solche 
Bereicherung  des  Textes;  so  beweist  der  LXX-text  zu  Hos  13  4  (s.  zu  der  Stelle), 
dass  noch  zur  Zeit  der  Herstellung  der  griechischen  Übersetzung  Zusätze  in  die 
Manuskripte  Aufnahme  finden  konnten. 

Das  ursprüngliche  Hoseabuch  ist  nicht  nur  in  Nodrisrael,  sondern  auch  im 
Südreiche  bekannt  geworden  und  zwar  nicht  erst  durch  Flüchtlinge,  die  sich  nach 
Juda  wandten,  als  Hoseas  Drohungen  sich  verwirklichten  und  die  Katastrophe  mit 
dem  Falle  Samariens  722/1  hereinbrach.  Es  ist  nämlich  kaum  zu  bezweifeln,  dass  der 
Prophet  Jesaja  bereits  vorher  die  Dichtungen  Hoseas  kannte;  denn  er  schliesst  eine 
seiner  ältesten  Prophetieen  mit  dem  trostlosen  Worte  Hoseas  ^''•^D  ]'^iS!l,  vgl.  Hos  5  11 
mit  Jes  5  29,  und  ebenso  mag  ihm  für  seinen  Pefrain  in  der  Schilderung  des  drohenden 
Gerichtstages  Jahwes  (Jes  2  6-22)  Hos  10  8  das  allerdings  hier  unerreichte  Vorbild 
gewesen  sein,  vgl.  zu  Jes  2  10  21.  Dagegen  kann  die  Jes  1  23  wiederkehrende  Parono- 
masie  D^*1^1D  '^^'y^  nicht  nur  Peminiscenz  von  Hos  9  15,  sondern  Verwendung  der  auch 
Hosea  zu  Grunde  liegenden  sprichwörtlichen  Eedensart  sein. 

Es  läge  nun  die  Annahme  nahe,  die  Beziehungen  auf  Juda  seien  schon  in  früher 
Zeit  in  das  Hoseabuch  eingetragen  worden.  Doch  dem  widerspricht  die  Art  der 
Mehrzahl  dieser  Stellen;  so  kann  1  7  doch  erst  geraume  Zeit  nach  der  Belagerung 
Jerusalems  durch  Sanherib  eingesetzt  sein,  zudem  beruht  dieser  Einschub  auf  einer 
Vorstellung  der  Prophetie,  wie  sie  erst  dann  aufkam,  als  man  die  praktische  Wirk- 


I 
I 


Hos  Einleitung  IV  11  Hos  Einleitung  V 

sarakeit  der  Propheten  an  ihren  Zeitgenossen  mehr  oder  weniger  vergessen  hatte  und 
in  ihnen  die  Verkündiger  verborgener  Dinge  der  Zukunft  sah.  Ebenso  weist  sicher 
in  eine  nachexilische  Zeit  der  Juda  erwähnende  Zusatz  8  14,  der  die  Anschauung  des 
späteren  Judentums  deutlich  ausspricht  (s.  die  Erklärung  zu  8  14).  Es  kann  also  nicht 
von  einer  judäischen  vorexilisclien  lledaktion  (etwa  unter  Josia,  wie  OOKT  ange- 
nommen hat)  resp.  einer  für  Juda  präparierten  Ausgabe  von  Hosea  die  llede  sein. 
Die  von  Juda  handelnden  Stellen  gehen  vielmehr  auf  ein  späteres  gelehrtes  Interesse 
zurück,  das  sich  den  Propheten  nicht  anders  denken  konnte,  als  dass  er  auch  Judas 
Schicksal  kennen  und  berücksichtigen  musste. 

Auch  die  übrigen  Zusätze  stammen  nicht  aus  vorexilischer  Zeit;   denn  sie  alle 
beruhen  auf  dem  Glauben  der  nachexilischen  Gemeinde.    Ein  bestimmtes  Datum  lässt 
sich  schwerlich  für  die  Entstehung  derselben  angeben;  aber  jedenfalls  muss  man  über 
Hesekiel,  Deutero-  und  Tritojesaja  hinabgehen.   Man  wird  sogar  gut  thun,  wenn  man 
den  Abschluss  dieser  redaktionellen  Vermehrung  erst  in  die  griechische  Zeit  verlegt; 
denn  der  letzte  Vers  des  Hoseabuches  14  10  hat  seine  besten  Parallelen  in  den  Psalmen 
und  in  den  Proverbien.    IJbrigens  rühren  die  verschiedenen  Zusätze  nicht  von  einer 
Hand  her:  so  setzt  Cap.  3  voraus,  dass  sich  an  Cap.  1  nicht  bloss  2  4-15^,  sondern  auch 
der  heilverkündende  Abschnitt  2  15^-25  anschloss;  denn  Cap.  3  bildet  das  Seitenstück 
zu  Cap.  1  2  4-15*  +  2  15^-25.     Ferner  ist  der  Abschnitt  2  1-3  offenbar  zu  Ende  von 
Cap.'l  erst  nötig  geworden,  als  Cap.  3  eingefügt  war,  denn  es  sollte  nun  auch  der  Er- 
zählung Cap.  1   der  kurze  verheissende  Abschluss  nicht  fehlen,   den   das  parallele 
Cap.  3  aufwies;  übrigens  zeigt  auch  die  deutliche  Anspielung  auf  die  in  2  25  gegebene 
Umdeutung  der  symbolischen  Namen,   dass  2  1-3  später  als  2  15^-25  entstanden  ist. 
Ob  die  übrigen  Zusätze  tröstenden  Inhalts  einer  Hand  angehören  oder  nicht,  ist  schwer 
zu  sagen;  jedenfalls  sind  sie  von  Anfang  an  für  die  betreffenden  Stellen  bestimmt, 
und  stammen  sie  nicht  von  einer  Hand,  so  verbindet  sie  doch  derselbe  Zweck,  nämlich 
die  Prophetieen  Hoseas  für  die  Lektüre  in  der  Synagoge  so  zuzubereiten,   dass  der 
Glaube  der  jüdischen  Gemeinde  in  ihnen  seinen  Ausdruck  finde.     Auch  am  Buche 
Hosea  ist  somit  die  Diaskeuase  der  Schriftgelehrten  nicht  unthätig  vorübergegangen, 
runter  all  diesen  Änderungen  und  Erweiterungen  hat  der  alte  Text,  der  aus  dem 
achten  Jahrhundert  stammt,  natürlich  sehr  gelitten.  Man  darf  sich  daher  nicht  wundern, 
dass  er  an  vielen  Stellen  kaum  mehr  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  aus  den  späteren 
Zufügungen  herauszuschälen  und  durch  Ausschaltung  der  nachträglichen  Umände- 
rungen herzustellen  ist;  man  hat  im  Gegenteil  sich  darüber  zu  freuen,  dass  doch  noch 
so  vieles  von  den  Prophetieen  Hoseas  heute  verständlich  ist,  die  lange  Jahrhunderte 
bis  zur  definitiven  Zubereitung  für  die  Vorlesung  in  der  Synagoge  der  freien  Be- 
handlung der  Besitzer  der  Texte  ausgesetzt  waren.     Auch  für  Hosea,   der  vielleicht 
den  verdorbensten  Text  im  ganzen  AT  aufweist,  ist  es  höchst  wichtig,  dass  uns  in  der 
LXX  das  Zeugnis  einer  Textgestalt  vorliegt,   die  weit  über  die  Fixierung  des  maso- 
retischen  hebräischen  Textes  zurückreicht. 

V.  Litteratur. 

Kommentare:  AuGr.  Simon  Der  Prophet  Hosea  erklärt  und  übersetzt  1851; 
Aug.  Wünsche  Der  Prophet  Hosea  übersetzt  und  erklärt  mit  Benutzung  der  Tar- 
gumim  und  der  jüdischen  Ausleger  Haschi,    Aben  Esra  und  David  Kimchi  1868; 


Hos  EinleituDg  V  12  Hos  Einleitung  V 


W,  NOWACK  Der  Prophet  Hosea  erklärt  1880;  AntoN  Scholz  Comm.  zum  Buche  des 
Proph.  Hos  1882;  J.  J.  P.  YaLETON  jr.,  Arnos  und  Hosea,  übersetzt  von  Fe.  Karl 
Echternacht  1898;  T.  K.  Cheyne  Hosea,  with  Notes  and  Introduction  (stereotyped 
edition)  Cambridge  1899. 

Monographieen  und  Abhandlungen:  P.  LnsTDER  (nicht  LiNDEN,  wie  der 
Name  überall  durch  Druckfehler  lautet)  Bemerkungen  über  einige  Stellen  im  Pro- 
pheten Hosea  StK  1860,  739—749;  K.  A.  P.  TÖTTERMAN  Varianten  zum  Profeten 
Hosea  (vorgetragen  den  12.  April  1875);  OoRT  ThT  1890,  345 £f.  480 ff.;  Billeb  Die 
wichtigsten  Sätze  der  alttestl.  Kritik  vom  Standpunkt  der  Proph.  Amos  und  Hosea 
aus  betrachtet  1893;  J.  Bachmann  Alttest.  Untersuchungen  1894  S.  1—37;  Paul 
Buben  Critical  Pemarks  upon  some  passages  of  the  O,  T.  London,  1896;  PäUlVolz 
Die  vorexil.  Jahweprophetie  und  der  Messias  1897  S.  24 — 40;  D.  H.  MÜLLER  Strophen- 
bau und  Besponsion  1898  S.  24 — 35 ;  Otto  SeesEMANN  Israel  und  Juda  bei  Amos  und 
Hosea  1898;  Paul  VOLZ  Die  Ehegeschichte  Hosea's  in  ZwTh  1898,  321—335;  T.  K. 
Cheyne  TheExpositorJanuary  1897,41— 51,  November  1897,  361—371;  Karl  J.Grimm 
Euphemistic  Liturgical  Appendixes  in  The  Old  Test.  Baltimore  1901 ;  W.  B.  Smith 
und  K.  Marti  Artikel  Hosea  in  Encycl.  Biblica  II  (1901),  2119—2126;  S.  Oettli  Amos 
und  Hosea  1901;  E.  SiEVERS  Studien  zur  Hebr.  Metrik.  Zweiter  Teil:  Textproben 
1901,  466—471 ;  J.  A.  Bewer  Text-critical  Suggestions  on  Hosea  12  1  4  4  4  8  Isaiah  14  12^^ 
Psalm  11 1  in  Journal  of  Biblic.  Lit.  1902,  108—114;  A.  CONDAMIN  Interpolations  ou 
Transpositions  accidentelles?  in  Bevue  Biblique  1902,  379—397;  W.  BlEDEL  Alttest. 
Untersuchungen  I,  1902,  1 — 18 ;  W.  NowACK  Die  Zukunftshoffn.  Israels  in  der  assyr. 
Zeit  in  „Theol.  x4.bhandL"  Festgabe  für  H.  J.  Holtzmann  1902,  33—59;  0.  Procksch 
Geschichtsbetrachtung  bei  den  vorexil,  Proph.  1902,  bes.  S.  14 — 28  und  118 — 134; 
Böhmer  Die  Grundgedanken  der  Predigt  Hosea's  in  ZwTh  1902,  1—24;  JoH.  Mein- 
HOLD  Studien  zur  israel.  Beligionsgesch.  Band  1 :  Der  heilige  Best.  Teil  1 :  Elias 
Amos  Hosea  Jesaja  1903. 


Hos  1  1  13  Hos  1  1 


Erklärung. 

Die  Überschrift  des  ganzen  Buches  1 1. 

Es  braucht  keine  grosse  Überlegung,  um  einzusehen,  dass  die  Über- 
schrift 1,  jedenfalls  so  wie  sie  dasteht,  nicht  vom  Propheten  selber  herrührt. 
Einmal  ist  der  Synchronismus,  der  hier  für  Jerobeam  II.  von  Israel  und  die 
judäischen  Könige  Usia,  Jotham,  Ahas  und  Hiskia  behauptet  wird,  ein  irriger. 
Denn  Jerobeam  IL  (etwa  782—743)  ist  höchstens  ein  Zeitgenosse  Usias 
(=  Asarja  vgl.  zu  Jes  6  i-is  Vorbem.),  der  von  789—740  regierte,  gewesen, 
während  die  folgenden  judäischen  Könige  lange  nach  Jerobeam  IL  gestorben 
sind  (Jotham  734,  Ahas  721  und  Hiskia  693).  Dann  aber  ist  es  einem  Nord- 
israeliten, wie  Hosea  doch  war,  kaum  jemals  eingefallen,  nach  judäischen 
Königen  zu  datieren.  Endlich  ist  die  Angabe,  dass  Hosea  unter  Jerobeam  IL 
Prophet  gewesen  sei,  im  besten  Falle  nur  halb  richtig;  denn  seine  Reden  führen 
deutlich  in  die  Zeiten  nach  dem  Tode  Jerobeams  hinab,  speziell  in  die  Zeit 
der  inneren  Wirren  unter  Sallum  und  Menahem  (s.  z.  B.  zu  7  3  7  8  4  10  3),  und 
wenn  auch  Cap.  1  von  früheren  häuslichen  Ereignissen  berichtet,  so  giebt  es 
das  Verständnis  derselben  wieder,  das  der  Prophet  erst  später  gewonnen  hat. 
So  könnte  am  Ende  doch  der  Anfang  nsü'p  j;ti^in-^«  n\'l  ^üi^  n^n^'^2'^  ur- 
sprünglich  sein.  Aber  die  Bezeichnung:  Bas  Wort  Jahwes^  das  an  Hosea, 
den  Sohn  Beeris,  erging,  passt  nur  schwier  zu  der  Erzählung  Cap.  1  (vgl.  auch 
Cap.  3)  und  ist  auch  für  die  übrigen  Kapitel  erst  zu  einer  Zeit  möglich,  wo 
das  geschriebene  Prophetenwort  mit  dem  Worte  Jahwes  identifiziert  wird. 
In  früherer  Zeit  galten  die  einzelnen  Worte  der  Propheten  als  Gottes  Wort, 
wie  die  Entscheidungen  und  Weisungen  der  Priester  am  Heiligtum,  weil  ihre 
Wahrheit  sich  unmittelbar  den  Hörern  bezeugte.  Den  Propheten  war  die 
Wahrheit  offenbar,  darum  konnten  sie  Boten  Jahwes  sein  und  Worte  reden, 
die  Worte  Jahwes  waren.  Eine  spätere  Zeit,  die  Jahwes  Willen  in  schrift- 
licher Form  zu  fixieren  versucht  hatte,  nannte  dann,  was  von  den  Propheten 
schriftlich  vorhanden  war,  geradezu  Wort  Jahwes,  und  schliesslich  wurde  gar 
alles,  was  die  Propheten  hinterlassen  hatten,  in  den  Augen  der  Apokalyptiker 
und  Eschatologen  ein  Gesicht  (]1tn)  der  betreffenden  Propheten.  So  hält  unsere 
Überschrift  Wort  Jahwes  etc.  die  Mitte  ein  zwischen  der  älteren  Bezeichnung 
(vgl.  Am  1  1  Jer  1  i),  welche,  was  die  Propheten  sagten,  auch  wenn  sie  dabei 


Hos  1  1  14  Hos  1  2 

Gottes  Willen  verkündigten,  noch  als  Worte  der  Propheten  gelten  Hess,  und 
der  Jüngern,  welche  die  Vision  als  das  einzige,  jedenfalls  als  das  vornehmste 
Mittel  der  Offenbarung  betrachtete  (s.  zu  Jes  1  i  und  vgl.  Ob  v.  i).  Die 

Überschrift  ist  jedenfalls  nachdeuteronomisch,  da  erst  das  Deuteronomium 
den  Versuch  machte,  das  AVort  Jahwes,  wie  es  die  Propheten  verkündigten, 
zusammenzufassen  und  schriftlich  zu  fixieren.  Der  Autor  derselben  hat  die 
mit  Jes  1  1  übereinstimmende  Datierung  nach  judäischen  Königen  hinzugefügt 
und  vielleicht  die  Angabe  %ur  Zeit  des  israelitischen  Königs  Jerobeam  ben 
Joas  aus  1  4  erschlossen,  nach  welcher  Stelle  das  Haus  Jehus  die  Herrschaft 
über  Israel  noch  ausübte,  als  Jesreel,  der  erste  Sohn  Hoseas,  geboren  wurde 
(vgh  zu  Y.  4).  Wahrscheinlich  lautete  die  alte,  später  vom  Redaktor  er- 

weiterte Überschrift  nach  Analogie  von  Am  1  i  (s.  dort)  und  Jer  1  i  einfach 
n«S"]|  j;^'in  nni  Worte  (resp.  Geschichte)  Hoseas  ben  Beert  Der  Name  des 
Vaters  Hoseas,  Beeri^  ist  doch  schwerlich  erfunden.  Über  den  Namen 

und  die  Person  Hoseas  s.  Einleitung  II 1. 

I.  Einleitender  erzäiilender  Abschnitt:   Die  traurigen  häuslichen  Erlebnisse 
Hoseas,  ein  Abbild  der  Untreue  Israels  I  2-2  3. 

Gewöhnlich  nimmt  man  Cap.  1 — 3  als  besonderen  ersten  Teil  des  Buches  Hosea 
zusammen,  weil  man  Cap.  3  in  gleicher  Weise  beurteilt,  wie  Cap.  1.  Schon  die  längere 
Rede  Cap.  2,  die  dazwischen  liegt,  widerrät  die  gleiche  Behandlung  beider  erzählenden 
Capitel;  manches  andere  kommt  noch  hinzu,  sodass  man  gezwungen  wird,  Cap.  3  anders 
zu  verstehen  als  Cap.  1,  s.  unten  zu  Cap.  3  und  vgl.  auch  Einl.  1. 

Dass  es  sich  in  Cap.  1  um  ein  wirkliches  Erlebnis  und  nicht  um  eine 
blosse  Allegorie  handelt,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Der  Protest,  der  seit  Hierony- 
Mus  bis  in  unsere  Tage  oftmals  hiergegen  erhoben  worden  ist,  verfängt  nicht;  denn  wenn 
die  geschichtliche  Fassung  für  der  Moral  und  dem  Respekt  gegen  die  Gottheit  ins  Ge- 
sicht schlagend  erklärt  wird,  so  ist  es  noch  viel  weniger  einzusehen,  wie  man  dann  an- 
nehmen dürfte,  der  Prophet  habe  sich  nicht  gescheut,  eine  Allegorie  mit  solchem  Inhalt 
zu  entwerfen.  Das  Kapitel  erzählt,  wie  man  ein  wirkliches  Erlebnis  erzählt.  Dabei  ist 
der  Name  der  Gattin  des  Propheten  genannt,  und  zwar  ein  Name,  der  ganz  wie  der  Name 
einer  leibhaftigen  Israelitin  klingt  und  noch  keine  plausible  allegorische  Deutung  ge- 
funden hat  (vgl.  zu  V.  4).  Ebenso  ist  der  für  die  Allegorie  ganz  wertlose,  nur  bei  wirk- 
licher Geschichte  begreifliche  Nebenumstand  erwähnt,  dass  Lo-'Ammi  erst  geboren  wurde, 
als  seine  Schwester  Lo-Ruchama  entwöhnt  war  (1  8).  Die  symbolischen  Namen  der 
Kinder:  Jesreel,  Lo-Ruchama  und  Lo-'Ammi,  stören  diese  Auffassung  nicht.  Jesajas 
Kinder  Schear-jaschub  (Jes  7  3)  und  Maher-schalal-chasch-baz  (Jes  8  3)  lebten  doch  wirk- 
lich, trotz  ihren  ungewöhnlichen  Namen.  Es  war  offenbar  nicht  nur  das  Recht  der  Eltern, 
sondern  auch  eine  vielgeübte  Gewohnheit  unter  den  Israeliten,  den  Kindern  bedeutungs- 
volle Namen  zu  geben  (vgl.  Benzinger  Archäol.  S.  150 f.);  dann  aber  braucht  man  sich 
nicht  zu  wundern,  dass  auch  die  Propheten  sich  dieses  Mittels  bedienten,  um  ihren  Ge- 
danken Ausdruck  zu  verleihen.  Der  Anstoss  an  der  historischen  Fassung  beruht 
eigentlich  nur  darauf,  dass  man  sich  in  die  Darstellungsform  des  Propheten  nicht  zu 
finden  wusste.  Es  widerstrebte  dem  Gefühl  anzunehmen,  wie  man  nach  dem  Wortlaut 
gezwungen  zu  sein  vermeinte,  Hosea  habe  rein  zu  dem  didaktischen  Zwecke,  um  den 
Israeliten  ihr  schändliches  Benehmen  gegen  Jahwe  klar  zu  machen,  Gomer  bat  Diblaim 
heiraten  und  sich  damit  in  namenloses  häusliches  Elend  stürzen  müssen.  Aber  man  darf 
nicht  vergessen,  dass  die  Darstellung  die  Auffassung  wiedergiebt,  welche  Hosea  schliess- 
lich von  seinem  ehelichen  Missgeschick  gewann.  Daher  hat  man  die  Thatsachen  und 
die  nachträgliche  Betrachtungsweise  derselben  auseinander  zu  halten.     Hosea  hat  Gomer 


Hos  12  15  Hos  1  2 

bat  Diblaim  geliebt  und  geheiratet,  ohne  zu  wissen,  wie  es  um  sie  stehe  und  welches  Herze- 
leid sie  ihm  bereiten  werde.  Erst  nachher  ist  ihm  das  Verständnis  seines  Erlebnisses  auf- 
gegangen und  ist  ihm  dieses  in  die  Beleuchtung  getreten,  unter  welcher  er  es  erzählt. 
Nicht  nur  in  der  Auszeichnung  seiner  Kinder  mit  bedeutungsvollen  Namen  und  in  seinen 
prophetischen  Reden  erfüllte  er  Jahwes  Befehl,  sondern,  so  ging  es  ihm  später  auf,  auch 
schon  in  der  Heirat  Gomers  hatte  er,  ohne  dass  er  es  damals  wusste,  Gottes  AVillen  ge- 
mäss gehandelt.  Jahwe  halte  es  so  gewollt:  Das,  was  Hosea  erlebte,  sollte  das  Abbild 
dessen  sein,  was  Jahwe  an  Israel  erlebte,  das  Herzeleid,  das  ihm  Gomer  l)ereitete,  sollte 
ihm  den  tiefen  Schmerz  verständlich  machen,  den  Jahwe  über  die  Untreue  Israels  empfand 
und  ihn  so  befähigen,  in  ergreifender  AVeise  die  Schwere  der  Sünde  seinen  Volksgenossen 
vorzustellen. 

Man  darf  gegen  diese  Auffassung  des  Kapitels  als  Darlegung  der  späteren  Be- 
trachtungsweise nicht  einwenden,  dass  es  die  Art  der  Propheten  sei,  hinter  die  Ereignisse 
zu  sehen  und  Gottes  Plan  und  Absichten  zu  verstehen.  Gewiss  wussten  sie  viele  Ereig- 
nisse und  die  AVeltlage  viel  besser  zu  deuten,  als  ihre  Zeitgenossen,  eben  weil  sie  den 
AVillen  Jahwes  kannten;  aber  nicht  zum  Voraus  konnten  sie  jedes  einzelne  kleine  Ereignis 
mit  diesem  A\^illen  in  Verbindung  und  Einklang  bringen  und  ihm  unterordnen,  noch  viel 
w^eniger  alle  einzelnen  Begebenheiten  vorauswissen.  Erst  eine  spätere  Zeit  hat  die  Pro- 
pheten zu  Vorherwissern  aller  künftigen  Ereignisse  gemacht;  daher  finden  sich  so  manche 
Einschübe  in  den  Schriften  der  Propheten  und  auch  in  der  Tora  (vgl.  z.  B.  Hos  1  7  und 
Ex  12  2). 

Damit  ist  zugleich  die  Frage  entschieden,  ob  Hosea  erst  dann  ein  Bewusstsein  von 
seinem  prophetischen  Berufe  erlangte,  als  er  die  Bedeutung  seiner  Lebensschicksale  ver- 
stand.' Das  Verhältnis  ist  vielmehr  umgekehrt.  Nicht  sein  Unglück  bat  ihn  zum  Prophe- 
ten gemacht;  sondern  weil  er  Prophet  war,  hat  er  dasselbe  verstehen  lernen  und  den 
Israeliten  als  Spiegel  vorhalten  können.  Er  ist  schon  Prophet,  als  sein  erster  Sohn  ihm 
geboren  wurde,  den  er  Jesreel  nennt,  um  auf  das  bevorstehende  Gericht  hinzuweisen ;  aber 
erst  später  ist  ihm  klar  geworden,  wie  auch  seine  häuslichen  Erlebnisse  von  Bedeutung 
sind  und  wie  es  schon  die  Fügung  Jahwes  war,  dass  er  Gomer  heiraten  musste.  AA^ann  er 
dieses  Verständnis  für  den  Zusammenhang  seiner  häuslichen  Erlebnisse  mit  seinem  pro- 
phetischen Berufe  gewonnen  hat,  ob  bald  nach  der  Geburt  Jesreels  oder  erst  nachdem  ihm 
alle  drei  Kinder  geboren  waren,  ist  nicht  sicher  auszumachen.  Da  aber  die  Namen  Lo- 
Ruchama  und  Lo-'Ammi  nur  denselben  Gedanken  wie  Jesreel  ausdrücken  können,  so  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  ihm  dieses  Verständnis  erst  nach  der  Gebuit  der  drei  Kinder  auf- 
gegangen ist;  es  ist  doch  kaum  anzunehmen,  wie  Meinhold  mit  Hecht  hervorhebt,  dass 
Hosea,  nachdem  er  einmal  Gomer  als  Ehebrecherin  erkannt  hatte,  noch  länger  mit  ihr 
Gemeinschaft  gepflegt  und  die  Kinder,  „die  er  nicht  für  seine  eigenen  zu  halten  Anlass 
hatte",  mit  bedeutungsvollen  Namen  ausgezeichnet  hätte. 

Seit  Hosea  ist  es  üblich  geworden,  das  Verhältnis  zwischen  Gott  und  seinem  Volke 
unter  dem  Bilde  der  Ehe  darzustellen  und  für  die  Untreue  gegen  Gott  njt  als  terminus 
technicus  zu  gebrauchen,  der  auch  um  so  bezeichnender  ist,  als  bei  den  heidnischen  Kulten 
vielfach  ein  "ij  im  eigentlichen  Sinne  mitspielte.  Hoseas  trauriges  Erlebnis  hat  demnach 
nicht  nur  für  den  Propheten  selber,  sondern  auch  für  die  Folgezeit  eine  grosse  Bedeutung 
gewonnen,  Hesekiel  und  Deuterojesaja  haben  das  Bild  der  Ehe  in  mannigfacher  AVeise 
und  Anwendung  ausgeführt  (vgl.  z.  B.  Hes  16  und  Jes  50  1-3  54  1-6),  das  Hohelied  hat 
ihm  wohl  die  Aufnahme  in  den  Kanon  zu  danken,  und  auch  die  neutestamentliche  Dar- 
stellung Christi  und  der  Gemeinde  als  des  Bräutigams  und  der  Braut  geht  auf  dasselbe 
zurück  (vgl.  II  Kor  11  2  Eph  5  27  Apk  19  7 ff.;  siehe  auch  Mt  25  1  &.  und  Job  3  29).  Zu 
beachten  ist  dabei  aber,  dass  der  Prophet  diese  Vorstellung  von  der  Ehegemeinschaft 
nicht  erfunden,  sondern  aus  der  Volksanschauung  übernommen  hat,  welcher  die  Gottheit 
als  der  Gatte  (ba  al)  des  Landes,  das  er  fruchtbar  machte,  und  das  Land  als  das  AVeib  (die 
be'ülä)  der  Gottheit  galt  (vgl.  Smith-Stübe  die  Bei.  der  Semiten  S.  77).  Neu  jedoch  ist, 
dass  Hosea  „mittelst  dieser  Vorstellung  dem  Land  die  ganze  Schwere  seines  Vergehens 
gegen  Jahwe  vorhielt",  dass  er  also  an  Stelle  des  naturhaften  Verständnisses  jener  Volks- 


Hos  12  16  Hos  1  2 

anschaiiung  die  Vorstellung  von  dem  sittlich-religiösen  Bande  zwischen  Gott  und  seinem 
Volke  gesetzt  hat. 

Die  von  Umbreit  aufgebrachte,  jüngst  von  Riedel  wieder  verteidigte  Auffassung, 
dass  das  Weib  Hoseas  keine  Hure  und  keine  Ehebrecherin,  sondern  nur  eine  Baalsver- 
ehrerin gewesen  sei  und  dass  sie  als  solche  ihre  verschiedenen  Qualifikationen  :D"'iUt  n^^is:, 
D^^l"!  na  (s.  zu  1  3)  etc.  erhalten  habe,  scheitert  schon  einfach  daran,  dass  es  dann  rein 
unverständlich  bliebe,  wie  Hosea  seine  Kinder  D"'i1it  ^ib"*  hätte  nennen  können;  denn  dass 
sie  eine  Baalsverehrerin  zur  Mutter  hatten,  machte  sie  doch  noch  lange  nicht  zu  Huren- 
kindern weder  im  buchstäblichen  noch  im  bildlichen  Sinne.  Auch  wie  man  bei  dieser 
Auffassung  2  4  verstehen  soll,  ist  unerfindlich. 

Vgl.  bes.  P.  VoLz,  Die  Ehegeschichte  Hosea's  in  ZwTh  1898,  321—335;  ferner  s. 
W.  Riedel,  Alttest.  Untersuchungen  1902,  1 — 15:  Die  Ehe  des  Propheten  Hosea. 

a)  Die  neue  Überschrift  2^  lässt  sich  trotz  den  Übersetzungen  von  Guthe 
(bei  Kautzsch),  Wellh.  und  Nowack  nicht  mit  dem  Folgenden  zu  einem  Satz 
verbinden.  Schon  die  Konstruktion  (absolut  vorausgesetztes  Substantiv,  ohne 
dass  irgend  ein  Nachdruck  daraufliegt,  mit  folgendem  1,  vgl.  Ges.-Kautzsch^' 
§  143  d)  ist  hart,  dann  aber  beweist  die  Wiederholung  von  Hin;;  und  J?C^in,  dass 
y.  2^  nicht  auf  das  Vorausgehen  von  v.  2^  gerechnet  hat;  mit  Oettli  aber  Hin^ 
j;tyin-^«  zu  streichen,  ist  gewaltsam.  Die  Worte  K^inn  nin^-l?'^  n^nn  sind  für 
sich  zu  nehmen  und  bilden  eine  nachträglich  eingefügte  Überschrift  für  v.  2^-9, 
welcher  Abschnitt  als  Anfang  der  Offenbarung  Gottes  an  Hosea  3  i-5  als  einer 
w^eiteren  Offenbarung  (vgl.  1iy  3  i)  gegenübergestellt  werden  sollte.  Dabei  fällt 
auch  die  Verbindung  von  l^"!  mit  ^  im  Vergleich  mit  "^ij  in  v.  i  (n%"I  "Wi^  "'"*l?'^ 
TI'^^)  und  in  v.  2^  ("^ij  ^DJSI)  auf;  doch  bedeutet  es  schwerlich  nur  mit  Hosea 
reden,  aber  es  ist  auch  kaum  als  durch  =  ^^?  (s.  Hag  1  i)  zu  fassen,  sondern 
will  andeuten,  dass  die  Stimme  Jahwes  sich  im  Innern  der  Propheten  kundgab, 
(vgl.  II  Sam  23  2  I  Reg  22  28  und  auch  Sach  1  9  13  14).  1ä"1  ist  verbum  finitum, 
für  den  Gebrauch  des  stat.  constr,  vor  einem  angelehnten  selbständigen  Satz 
vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  130  d.  Ap/y]  Xoyou  (LXX)  fasst  11"!  als  15"^,  was  die 
Erklärung  von  1^  erschwert;  dagegen  würde  die  Lesung  des  Infinitivs  1|"l  die 
Konstruktion  erleichtern. 

b)  Die  Gattin  und  die  Rinder  des  Propheten  1  2^-9. 

2''— 5  Die  Heirat  Gomers  und  die  Geburt  Jesreels.  2'^  Fallen 
die  Worte  y.  2^  als  Überschrift  weg,  so  kann  doch  die  Schrift  nicht  gut  ein- 
fach mit  ^^i<'*l  begonnen  haben.  Wie  der  Anfang  ursprünglich  gelautet  hat, 
etwa  1??JSl  nä  (vgl.  Am  1  3),  oder  ob  etwas  vorausgegangen  sei,  lässt  sich  nicht 
mehr  feststellen.  Die  Vermutung  von  Hitzig,  dass  zur  Zeit  des  israelitischen 
Königs  Jerobeam  ben  Joas  aus  y.  i  als  alter  Text  zu  IDS'^l  zu  nehmen  sei,  be- 
friedigt nicht,  da  für  die  späteren  Heden,  die  nach  dem  Tode  Jerobeams  ge- 
sprochen sind,  die  entsprechende  Datierung  fehlt.  Proleptisch  wird  die  Gattin 
Hoseas  als  D'^^ilit  ^!^^?,  als  welche  sie  sich  nachher  in  der  Ehe  auswies,  be- 
zeichnet; eine  Hilt  war  sie  zur  Zeit  der  Heirat  nicht,  die  schlimmen  Anlagen 
kamen  erst  nachher  zum  Vorschein,  s.  die  Vorbemerkungen  zu  1  2—2  3  S.  14f. 
Ebenso  proleptisch  ist  die  Erwähnung  der  doch  erst  später  gebornen  Kinder. 
n^i^  nj^b  ist  der  gewöhnliche  Ausdruck  für  heiraten^  hier  erhält  das  Verb  zeug- 
matisch  als  paralleles  Obj.  D^^^l^i^^  ""ibM,  =  heirate  dir  ein  Hurenweib  und  (be- 


Hos  1  2  17  Hos  14 

komme]  Unrenkinder.  Das  '^3  denn  ist  von  der  späteren  Erkenntnis  des 

Propheten  aus  gesagt:  Der  rro])liet  musste  eine  0*^;^!  T\^)^  zur  J^'rau  haben, 
weil  das  Land  hurt  von  Jahwe  weg  d.  li.  die  ]>ewohner  des  Landes  ebenso  un- 
treu an  Jahwe  handelten,  dem  sie  hätten  nachfolgen  sollen.  Mit  diesem 
Worte  hat  der  Prophet  grundlegend  lür  alles  Spätere  sein  Urteil  über  Israel 
gesprochen.  3  Der  Name  der  Gattin  des  Propheten  D';'2?1"ri?  Itti  ver- 

langte, wenn  das  Ganze  eine  Allegorie  sein  sollte,  eine  leicht  erkennbare  J^e- 
deutung,  die  ihre  Art  und  ihren  Charakter  kennzeichnete.  Aber  die  dahin- 
gehenden Erklärungsversuche  (z.  Y>,  =  consummala  in  fornicalione  aüjue 
perfecta  filia  voluptatis  bei  Hiekonymus  u.  A.)  sind  nicht  geglückt  und 
viel  zu  weit  hergeholt.  Darum  ist  Gomer  bat  Diblajim  als  der  wirkliche  Name 
der  wirklichen  Gattin  Hoseas  anzusehen;  jedenfalls  gilt  dies  von  ^Dä  und  wahr- 
scheinlich auch  von  D^bn*!"]!?,  welches  den  Namen  des  Vaters  Diblajim  nennt 
und  schwerlich  nur  die  Umschreibung  einer  Eigenschaft  Gomers  ist  wie  z.  B. 
^yilb^'n?  (s.  Ges.-Kaützsch27  §  128 v).  Auf  alle  Fälle  darf  man  nicht  wie 
EiEDEL  D";^nTn?,  auch  wenn  man  in  lyhyi  an  Feigenkuchen  denken  wollte,  aus 
der  „Gomer  mit  den  Feigenkuchen"  eine  solche  „mit  den  Opferkuchen 'S 
„die  Kollyridianerin",  also  die  Baalsverehrerin  machen.  Die  D'^^?'^  sind  nicht 
ohne  weiteres  mit  den  D'^^^'^tJ  3  i  zusammenzustellen;  vgl.  auch  zu  I  Sam  25  18. 
Vielleicht  weist  der  Umstand,  dass  beide  Namen  nicht  theophor  sind,  wie 
Wellh.  bemerkt,  daraufhin,  dass  Gomer  dem  niederen  Volke  entstammte; 
doch  kann  "\ö^  ein  Hypokoristicon  von  ^n^löil,  vgl.  ''n^J  resp.  ^0^5,  das  II  Reg 
18  2  II  Chr  29  i  als  Frauenname  erscheint  (so  Biedel).  4  Zu  der  Kon- 

struktion 'Ö^  tO??D  11J^  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  143  d  und  zu  der  Bedeutung  des 
Plurals  von  0*1  Blut,  =  Blutvergiessen,  Mord,  vgl.  §  124n.  Für  no^D)?, 

das  nirgends  im  stat.  absol.  nachweisbar  ist,  liest  man  besser  HD^D)?,  stat.  constr. 
von  n^^DI?  =:  Reich:  Mit  der  Dynastie  Jehus  soll  das  israelitische  Beich  ein 
Ende  nehmen.  Der  erstgeborne  Sohn  Hoseas  wird  Ji%reel  genannt. 

Israel  ist  ein  Jizre  el  (Jesreel).  Diesen  Namen  verdient  es  in  doppelter  Hin- 
sicht: einmal  kennzeichnet  das  Blutvergiessen  von  Jesreel  den  Charakter  der 
Israeliten  und  dann  erinnert  die  Ebene  von  Jesreel  an  das  Gericht,  das  ihnen 
dort  bevorsteht  v.  5.  Jesreel  ist  der  Name  der  bekannten  Stadt  in  der  nach 
ihr  benannten  Ebene,  welche  der  Kison  durchfliesst,  griechisch  'EaSpr^Xciv, 
jetzt  Zerin,  vgl.  Baedekee  Palast.^  S.  270.  Der  dort  begangene  Mord  ist  die 
blutige  Ausrottung  des  Hauses  Ahabs  im  Jahre  842  durch  Jehu,  den  Feld- 
hauptmann, der  sich  zum  König  aufwarf  und  dessen  Familie  bis  auf  die  Zeit 
Hoseas  den  israelitischen  Thron  inne  hatte  (II  Reg  9  10).  Noch  ist  jene  Blut- 
that  ungerächt,  die  Schuld,  die  der  Dynastie  Jehus  von  ihrem  Ursprung  an  an- 
haftet, und  durch  die  Israel  eben  ein  Jesreel  geworden  ist,  nicht  gestraft.  Es 
sind  demnach,  als  Hosea  seinen  Sohn  Jesreel  nannte,  die  Nimsiden,  die 
Dynastie  Jehus,  noch  am  Buder  gewesen.  Daraus  ist  aber  nicht  zu  folgern, 
dass  dieser  Teil  von  Hoseas  Schrift  noch  zur  Zeit  Jerobeams  IL  nieder- 
geschrieben sei.  Hosea  mochte  später  keine  Veranlassung  sehen,  die  damalige 
Begründung  der  Benennung  seines  Erstgebornen  zu  verschweigen;  denn  die 
auf  den  Fall  der  Dynastie  Jehus   (Jerobeam  IL  und  sein  Sohn  Sacharja 

Kurzer  HC  zum  AT  Xin  2 


Hos  14  18  Hos  1  6 

starben  743  v.  Chr.)  folgeuden  Wirren  konnten  dem  Propheten  nicht  anders 
erscheinen  denn  als  die  letzten  Zuckungen  des  mit  dem  Sturze  der  Nimsiden 
zum  Tode  getroffenen  israelitischen  Reiches.  Dass  er  wirklich  die  Jahre  743  ff. 
so  auffasste,  zeigen  seine  Reden  Cap.  4—14  deutlich,  und  der  Untergang 
Israels  im  Jahre  721  bewies,  dass  er  recht  sah,  als  er  im  Sturz  der  Nimsiden 
den  Anfang  vom  Ende  erblickte.  5  In  Jesreel  aber  ist  das  Gericht  zu 

erwarten.  Denn  Jesreel  ist  die  alte  Schlachtenebene  (Jdc4  6ff.  I  Sam  31), 
dort  musste  am  Entscheidungstage  der  Schlag  gegen  die  Israeliten  geführt 
werden.  Wer  die  Feinde  sind,  die  den  Bogen  d.  h.  die  Streitmacht  Israels 
zerschmettern  werden^  braucht  Hosea  nicht  zu  sagen;  es  können  wie  bei  Arnos 
nur  die  Assyrer  sein.  Wahrscheinlich  ist  aber  v.  5  eingefügt  in  Rücksicht 
darauf,  dass  Sacharja  der  Sohn  Jerobeams  in  Jibleam,  also  in  der  Ebene 
Jesreel,  ermordet  und  damit  die  Dynastie  Jehus  gestürzt  wurde  (s.  zu  II  Reg 
15  10  vgl.  LXX).  Die  Blutschuld  von  Jesreel  y.  4  begründet  den  Namen 
Jesreel  viel  besser  als  der  Ort  (Ebene  Jesreel)  der  Strafe  und  ^^TXn  D1*5  T\^T\\ 
ist  eine  Einleitung,  die  wenig  Vertrauen  erweckt  (so  Seesemann  und 
Meinhold). 

Die  Aussage  von  v.  4  ist  für  die  Kenntnis  der  Auffassung  des  Propheten 
ausserordentlich  wichtig.  Die  Sünde,  welche  das  Gericht  über  Israel  fordert, 
ist  nicht  die  Verehrung  fremder  Götter,  sondern  die  Missachtung  einer  sitt- 
lichen Forderung.  Zudem  wird  das  Blutvergiessen  von  Jesreel  für  Hosea  da- 
durch um  nichts  besser,  dass  es  im  Namen  Jahwes  und  zur  Verteidigung 
seiner  Verehrung  geschehen  ist.  Welch  einen  Wandel  bekundet  diese  Beur- 
teilung in  der  Auffassung  der  Forderungen  Jahwes!  Nach  den  Königsbüchern 
ist  die  Ausrottung  der  Dynastie  Ahabs  auf  Anstiften  und  unter  dem  Beifall 
der  eifrigsten  Verehrer  Jahwes  erfolgt.  Kein  Geringerer  als  Elisa  hat  Jehu 
zum  Nachfolger  Jorams  ben  Achab  designiert  (II  Reg  9),  und  der  Rechabite 
Jonadab  hat  der  That  Jehus  seine  Anerkennung  nicht  versagt  (II  Reg  10  15). 
In  den  Augen  Hoseas  ist  aber  diese  von  Propheten  und  Rechabiten  gebilligte 
That  ein  unerhörter  Frevel,  der  noch  nach  hundert  Jahren  Ahndung  erheischt. 
Man  sieht,  wie  die  ethischen  Forderungen  die  treibende  Macht  der  Religion 
werden  und  wie  die  Ethik  der  Mittelpunkt  in  dem  Wesen  Jahwes  geworden 
ist.  Hosea  ist  kein  Fanatiker,  der  im  Namen  der  Kirche  die  Stimme  des  Ge- 
wissens erstickt  und  den  mit  ungerechten  Mitteln  erreichten  Zweck  gutheissen 
kann.  Das  Gute  hat  eine  unbedingte  Bedeutung,  und  nichts  anderes  als  das 
Gute  will  auch  die  wahre  Religion  Jahwes.  Vgl.  Maeti  Gesch.  der  Israel. 
Rel.4S.  133f.  und  170f. 

6  7  Die  Geburt  Lo-Ruchamas.  6  Der  Name  nDnr^<^  bildet 

einen  vollständigen  Satz,  HDn^^  ist  verbum  finitum,  nicht  verkürztes  Partizip. 
Die  Tochter  heisst  demnach:  sie  ist  nicht  geliebt,  erfährt  keine  Liebe,  wie  sie 
sonst  zwischen  Verwandten,  hier  zwischen  Vater  und  Kindern,  besteht,  vgl.  zu 
"l^^n*!  T\XW  Am  1 11.  Sie  wird  Nichtgeliebt  geheissen,  weil  auch  Jahwe  kein  Ge- 
fühl der  Verwandtschaft  mit  Israel  mehr  empfindet  und  das  Band  der  Liebe 
zwischen  Jahwe  und  den  Israeliten  zerschnitten  ist.  Zu  der  asyndetischen 
Zusammenstellung  zweier  Verba  finita  ^"»pl^  ^b  und  DHIJ^  vgl.  Ges.-Kautzsch27 


Hos  16  19  .  Hos  1  e 

8  120  ff.  Die  letzten  Worte  ünb  «l^«  «b^r^3  bieten  für  den  Zusammen- 

ij  CD  V    T  T      V  i         • 

hang  grosse  Schwierigkeiten.  JJie  von  G  uthe,  Wellh.  und  Nowack  empfohlene 
direkte  Verbindung  mit  DH^S  "Tiy  ^''piS  ^b,  so  dass  ••?  den  Sinn  eines  b  mit 
folgendem  Iniin.  erliält,  ist  nur  ein  Notbehelf,  der  an  dem  empliatischen  i<\^^ 
i<i^ij,  7H)lle  Vei'zellmruj  gewähren^  scheitert.  Denn  so  käme  der  Sinn  heraus, 
dass  Jahwe  nur  nicht  mehr  volle,  aber  doch  halbe  Vergebung  gewähre,  und 
zudem  würden  die  Liebeserweise  eines  Vaters  gegen  sein  Kind  nur  auf  das 
Sündenvergeben  eingeschränkt.  Man  muss  mit  den  alten  Versionen  "'S  adversativ 
fassen,  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  163a  und  Stellen  wie  Gen  45  8  Ex  16  8  Rt  1  lo. 
LXXund  Vulgata  haben  aber  dann  eingesetzt,  was  man  nach  dem  Zusammen- 
hang erwartet,  LXX:  hX)C  r\  dvTiTaoa6|X£vo;  av-ciTdt$o[xai  aüiotg,  sondern  ich 
werde  ihnen  feindselig  entgegentreten,  und  Vulgata,  indem  sie  fc^t^i  =  ntf^J 
nimmt:  sed  oblivione  obliviscar  eorum.  Beides  kann  jedoch  ^)^)  nicht  bedeuten, 
es  ist  absolut  =  ^7^rÄ^^7^^/^  zu  fassen,  vgl.  Ps  99  8  t^b^^  ^S,  ein  verzeihender  Gott. 
Die  Worte  sind  daher  zu  übersetzen:  nein^  sondern  ich  werde  ihnen  volle 
Verzeihung  gewähren,  gehören  ursprünglich  nicht  zu  der  Stelle,  sondern  w^oUen 
wohl  die  ebenfalls  später  eingeschobenen  Verse  2  i-3  vorbereiten.  Sie  sind 
von  jemand  eingefügt,  der  es  nicht  verstehen  konnte,  wie  Jahwe  hier  ein  nicht- 
verzeihender  Gott  heissen  und  Hosea  nichts  davon  wissen  sollte,  dass  Jahwe 
die  Exilierten  einst  zurückführen  werde;  sie  korrigieren  y.  6,  wie  2  i-3  das 
ganze  vorangehende  Cap.  1. 

7  ist  gleichfalls,  wie  v.  e'^!^,  ein  Einschub.  An  dem  Inhalt  ist  mit 
Händen  zu  greifen,  dass  er  sich  auf  die  Rettung  Jerusalems  im  Jahre  701  be- 
zieht, die  nicht  durch  eine  von  Hiskia  gewonnene  Schlacht,  sondern  durch  eine 
im  assyrischen  Heere  ausgebrochene  Pest  oder  durch  Ereignisse  im  Osten  des 
assyrischen  Reiches  herbeigeführt  wurde,  welche  Sanherib  zum  raschen  Heim- 
zug bewogen  (vgl.  Jes  37  36).  Diese  Rücksicht  des  Propheten  auf  Juda,  um 
das  er  sonst  sich  gar  nicht  kümmert,  w^äre  gerade  so  verwunderlich,  wie  die 
genaue  Vorhersagung  dieses  speziellen  nach  mehr  denn  30  Jahren  erst  ein- 
tretenden Ereignisses.  Ein  Späterer  aber  konnte  finden,  dass  ein  Prophet  dies 
habe  wissen  müssen.  Auch  in  der  Form  ist  der  Vers  kein  Meisterwerk:  Ich 
werdedurchJ  ahw  e  Rettung  schaffen  ist  doch  sehr  auffallend,  Jahwe  ist  ja  selber 
der  Redende,  und  HDn^DS  zwischen  Bogen  und  Schwiert  einerseits  und  Rossen 
und  Reitern  anderseits  nimmt  sich  nicht  besonders  gut  aus;  denn  schwerlich 
ist  es  mit  M.  Th.  Houtsma  (ZATW  1902,  329—331)  als  Bezeichnung  einer 
Waffe,  ähnlich  der  Waffe  des  Gewittergottes,  aufzufassen,  sondern  viel  eher 
wie  2  20  als  Glosse  im  Einschub  zu  betrachten  (so  auch  Sievees).  Nach 
LXX  utoo?  'loüSa  wird  man  rn^iT  "^iSl  für  '^  il'^Ü  lesen.  Der  Glossator  hat  an 
den  Parallelismus  mit  v.  6  b^'y^\  n*»?  nicht  gedacht,  dem  der  MT  aufhilft. 
Über  die  von  Juda  handelnden  Einschübe  vgl.  Einleitung  III  2. 

8  9  Die  Geburt  Lo-Ammis.  8  Das  dritte  Kind,  ein  Sohn,  wurde 
nach  der  Entwöhnung  Lo-Ruchamas,  also  als  diese  2—3  Jahre  alt  war  (vgl. 
Benzinger  Archäol.  S.  149),  geboren.  9  Der  Knabe  wird  Lo-Ammi  = 
Nichtmeinvolk  genannt.  Israel  ist  Lo-'Ammi.  Damit  ist  die  höchste  Stufe  der 
Entfremdung   zwischen  Jahwe   und    den  Israeliten   ausgesprochen:    Jesreel 


Hos  19  20  Hos  2  1 

deutet  das  Gericht  für  die  Blutschuld  des  Hauses  »Tehu  an,  Lo-Ruchama  be- 
sagt, dass  Jahwe  von  Verwandtschaft  mit  ihnen  nichts  mehr  empfindet,  und  Lo- 
'Ammi,  dass  er  sie  auch  nicht  mehr  als  sein  Volk,  dem  er  wenn  am  Ende  auch 
nicht  Liebe,  so  doch  noch  Sorge  und  Schutz  schuldig  wäre,  ansehen  kann,  dass 
er  sich  gänzlich  von  ihnen  geschieden  weiss.  Demgemäss  wird  diese  Namen- 
gebung  dahin  erklärt,  dass  die  Israeliten  in  Zukunft  nicht  mehr  Jahwes  Volk 
sind  und  Jahwe  nicht  mehr  ihr  Gott  ist.  Das  Band  zwischen  Jahwe  und  den 
Israeliten  ist  ganz  zerschnitten,  er  ist  nicht  mehr  für  sie  da,  nicht  mehr  ihr 
Helfer  und  Beschützer.  Man  w4rd  doch  mit  Wellh.  Q5^'!^^iJ  ^^  ^^^^\i  ^^d 
ich  bin  nicht  euer  Gott^  für  DD^  njH«  ^b  '^\  zu  lesen  haben,  trotzdem  ausser 
einigen  Codd.  der  LXX  die  Versionen  dem  MT  entsprechen  und  b  7VT\  =  für 
jemand  sein  Gen  31  42  bei  E  vorkommt;  denn  2  25  zeugt  dafür  (vgl.  auch  Sach 
8  8)  und  der  Gegensatz  in  v.  9^  wird  dadurch  viel  genauer  (so  auch  Nowack). 
Mit  Y.  9^  wird  die  letzte  Konsequenz  gezogen  aus  der  v.  2^t  genannten 
Sachlage. 

c)  Ein  späterer  Anhang:  Die  Verheissung  einer  herrlichen  Zeit  mit  neuen 
Namen  an  Stelle  der  von  Hosea  gegebenen  Ilnglücksnamen  2 1-3. 

Der  Abschnitt  2  1-3  ist  deutlich  in  Rücksicht  auf  1  9  und  das  ganze  erste  Capitel 
geschrieben ;  denn  die  Yerheissung  v.  1^  bezieht  sich  ausdrücklich  auf  den  Namen  "'teS?"«!? 
(1  9),  die  den  Israeliten  gilt,  und  v.  2  und  3  haben  alle  drei  Namen  von  Cap.  1,  Jesreel, 
Lo-Ruchama  und  Lo-^Ammi,  vor  Augen.  Gleichwohl  bereiten  diese  Yerse  für  den  Zu- 
sammenhang grosse  Schwierigkeiten.  Das  „aber"  oder  „doch",  mit  dem  die  Übersetzungen 
den  Abschnitt  einleiten,  hat  im  Hebräischen  keinen  Grund,  und  ebenso  stimmt  der  Inhalt 
sehr  wenig  zu  dem,  was  vorhergeht  und  was  nachfolgt.  Die  Verse  1-3  reden  nämlich 
davon,  dass  einst  die  Israeliten  in  ungeheurer  Menge  vorhanden  sein  werden,  dass  sie 
dann  Kinder  des  lebendigen  Gottes  heissen,  sich  mit  den  Judäern  vereinigen,  unter  einem 
gemeinsamen  Anführer  aus  dem  Lande  (s.  Erklärung  zu  v.  2)  wegziehen  und  von  ihren 
Brüdern  freudig  begrüsst  und  aufgenommen  werden.  Vorher  und  nachher  ist  aber  nur 
die  schwerste  Bedrohung  der  Israeliten  zu  lesen.  Man  hat  darum  daran  gedacht,  die 
Verse  seien  von  ihrem  anderswo  zu  suchenden  ursprünglichen  Standort  hierher  ver- 
schlagen, und  sich  auf  die  Heihenfolge  in  Em  9  25  26  berufen,  um  zu  beweisen,  dass  sie 
ursprünglich  hinter  2  25  standen.  Aber  Paulus  kann  die  Verse  gruppieren,  wie  er  will, 
und  giebt  überdies  E-m  9  25  26  nur  Bruchstücke  von  Hos  2  25  und  2  1  wieder.  Nimmt 
man  die  Verse  von  ihrer  jetzigen  Stelle  weg,  so  setzt  man  sich  in  "Widerspruch  gegen  die 
unverkennbar  beabsichtigte  Anlehnung  an  1  9  und  fährt  mit  ihnen  am  Ende  von  Cap.  2 
erst  nicht  besser,  da  der  Schluss  von  2  25  mit  2  1  tautologisch  lautet.  Es  bleibt  nichts 
anderes  übrig,  als  in  den  Versen  einen  Anhang  zu  sehen,  der  in  gleichem  Interesse  ge- 
macht ist,  wie  der  Einschub  des  Schlusses  von  1  6  Dn^  N'^S  «b^J""^3.  Es  sollte  sich  schon 
in  Hosea  zur  Kompletierung  und  Korrektur  der  Unglücksverkündigung  die  Weissagung 
des  Heiles  finden,  welches  einst  nach  den  Worten  Hesekiels  (Cap.  37)  durch  die  wunder- 
bare Auferstehung  des  untergegangenen  Volkes  und  die  Vereinigung  von  Juda  und  Israel 
herbeigeführt  werden  soll  (ganz  ebenso  tritt  Jes  2  1-4  zu  Jes  1,  Am  9  8-15  zu  den  Worten 
des  Propheten  Amos).  Eür  die  Entstehungszeit  dieses  Anhangs,  der  an  Gedanken  Hese- 
kiels erinnert,  darf  nicht  mit  Oort  die  Zeit  Josias  in  Anspruch  genommen  werden,  mit 
mehr  Recht  hat  Giesebrecht  (Beiträge  zur  Jesajakritik  S.  214 — 216)  denselben  an  das 
Ende  des  Exils  verlegt.  Jedenfalls  ist  er  nachhesekielisch,  vielleicht  sogar  recht  lange 
nach  Hesekiel  entstanden,  vgl.  zu  v.  25.  Warum  Oettli  die  Scheidung  der  Judäer  und 
Israeliten  schon  für  die  Exilszeit  unwahrscheinlich  nennt,  sieht  man  angesichts  Hes 
37  19-22  nicht  ein. 

Metrisch  lassen  sich  v.  1-3  als  zwei  Tetrastiche  und  ein  Distichon  auffassen. 


1 


Hos  2  1  21  Hos  2  2 

1,  das  erste  Tetrastich:  die  ungeraden  Zeilen  (t<b  *il^«  und  '1D«;;2  be- 
ginnend) sind  kürzer  als  die  geraden.  bsito^""^;?^  wird  hier,  da  es  v.  2  neben 
den  nn^iT"'^^!!  erscheint,  die  AngelwrifjcH  des  lYordrelchs  meinen;  die  Ver- 
heissung,  dass  sie  an  YmIiI  dem  Sande  am  Mee?'  gleichkommen  sollen,  gilt  zwar 
Gesamtisrael,  vgl.  Gen  22  17  (eine  deuteronomistische  Stelle),  1  lieg  4  20  (nicht 
älter  als  Gen  22  n)  und  Jes  48  19.  ^Vi)^  Dipon,  von  LXX  und  Paulus  Jim 
9  26  mit  Iv  T(T>  t6t:(o  oü  wiedergegeben,  ist  vielmehr  in  der  Bedeutung  von  an- 
stall  dass  zu  verstehen.  '^H"'?«  "'iB  Kinder  des  lebendigen  Gottes  d.  h.  seine 
Angehörigen,  seine  Schützlinge  und  Lieblinge.  Der  lebendige  Gott  bildet  den 
Gegensatz  zu  den  toten  Götzen;. er  ist  der  allein  wahre  Gott.  Die  Bezeichnung 
des  Gottes  Israel  mit  "'n  b^  ist  nicht  alt;  sie  erscheint  von  der  Zeit  desDeutero- 
nomiums  an,  in  welcher  die  Erkenntnis  der  Propheten  von  der  Nichtigkeit  der 
fremden  Götter  und  der  alleinigen  Wahrheit  Jahwes  fixiert  wurde,  vgl.  Dtn 
5  23  Jos  3  10  II  Reg  19  4  I6  Jes  37  4  Ps  42  3  84  3.  Die  viel  ältere  Schwurformel 
niHÜ  ''H  oder  D\'l"b«n  ^T\  negiert  die  Lebendigkeit  der  fremden  Götter  nicht. 
2,  das  zweite  Tetrastich.  ^HiJ  ^^\  ein  gemeinsames  Oberhaupt  (ob  aus 
davidischem  Geschlechte,  wird  nicht  gesagt),  wählen  sich  die  vereinigten  Juden 
und  Israeliten  (vgl.  Hes  37  2if.)  |>"^«n"]p  ^i^J^I  und%iehen  herauf  aus  dem  Lande. 
Diese  Angabe  wäre  sofort  verständlich,  wenn  man  wüsste,  was  mit  f  "i^H  ge- 
meint sei.  Ist  es  das  heilige  Land,  dann  könnte  man  an  Eroberungen  denken, 
zu  denen  das  geeinte  Volk  aus  seinem  Lande  auszieht,  oder  an  sein  Ausrücken 
aus  allen  Teilen  des  Landes  zum  Kampfe  bei  Jesreel.  Aber  für  beides  wäre 
nSj;  nicht  der  erwartete  Ausdruck.  Nach  Jer  3  18,  einer  jungen  Stelle,  die 
offenbar  denselben  Gedanken  ausspricht,  ist  vielmehr  n'jj;  in  dem  gewöhnlichen 
Sinne  zu  fassen,  in  dem  es  der  terminus  technicus  geworden  ist  für  den  Zug 
nach  dem  heiligen  Lande  und  nach  Jerusalem  (vgl.  Sach  14  16-18),  und  mit 
l^isn  die  Fremde  gemeint,  in  der  sich  Juden  und  Israeliten  vereinigen  und  von 
der  sie  unter  einem  gemeinsamen  Anführer  in  die  Heimat  ziehen.  An  ein 
einzelnes  Land  ist  bei  \^)^T\  nicht  zu  denken,  auch  in  Hes  37  21,  der  Grund- 
stelle für  die  hier  und  Jer  3  I8  vertretene  Ansicht,  sammelt  Gott  die  Israeliten 
D^inn  l*^?)?,  mitten  heraus  aus  den  Völkern^  und  nimmt  sie  ^*'?D)?,  von  allen 
Seiten^  zusammen,  vgl.  die  ähnliche  Erwartung  Am  9  9  Jes  27  12.  }^")Sn  kann 
nun  wohl,  wo  es  im  Gegensatz  zu  T\iy[\  steht,  geradezu  die  nichtjüdische  Welt 
bedeuten,  vgl.  '^y^T\  Dj;  Esr  4  4  und  die  noch  spätere  Bedeutung  des  "[^ISn  Dj; 
als  des  Profanen,  der  dann  als  der  Idiot,  der  Ungelehrte  verstanden  wurde, 
in  der  Mischna  z.  B.  Pirke  'Aböt  2  5.  Doch  wird  es  geratener  sein,  hier  mit 
DuHM  (s.  zu  Jer  3  I8)  eben  unter  Vergleichung  dieser  Stelle  Jer  3  I8,  die 
]1ö^  Y"^^  als  den  Ort  der  Herkunft  der  Heimkehrenden  nennt,  den  Plural 
m^'l^ri"])?,  aus  den  Ländern,  zu  lesen.  Denn  gross  ist  der  Tag  von  Jesreel 
kann  in  diesem  Zusammenhang  nicht  auf  den  Gerichtstag  über  Israel  (1  4 f.) 
gehen,  sondern  muss  eine  Heilsbedeutung  enthalten.  Jesreel  muss  hier,  wie 
2  24  25,  =  Gott  sät  gefasst  werden,  und  Der  Tag ,  da  Gott  sät^  ist  die  herr- 
liche erwartete  Zeit  des  wunderbaren  Wachstums  der  Israeliten,  vgl.  v.  1  und 
V.  24  f.^  sowie  auch  Jer  31  27  f.,  s.  ferner  Jes  49  16-21  54  1-3  60  1-9.  Der  Ge- 
danke, dass  der  Tag  von  Jesreel  den  Tag  einer  grossen  siegreichen  Schlacht 


Hos  2  3  22  Hos  2  4 

zur  Aufrichtung  eines  jüdischen  Reiches  bedeute  und  also  „für  die  Juden  das- 
selbe wäre,  was  der  Tag  von  Gaza  oder  von  Ipsos  für  die  übrige  Welt"  (so 
1)UHM  zu  Jer  3  18),  liegt  doch  wohl  ferner.  3,  ein  Distichon,  das  die  Auf- 

forderung enthält,  die  heimkehrenden  Juden  und  Israeliten  zu  begrüssen.  Die 
Aufforderung  ist  an  die  bereits  im  Lande  wohnenden  Angehörigen  des  Volkes 
gerichtet.  Sie  sollen  ihre  heimkehrenden  Brüder  und  Schwestern,  d.  h.  ihre 
Volksgenossen  auch  als  vollberechtigte  Glieder  des  Volkes  und  als  der  gleichen 
göttlichen  Liebe  teilhaftig  anerkennen.  Der  Singular,  den  die  LXX  liest:  xo} 
döeXcpto  ü[jLa)v xal  xifj  aSeXcp^j  ufxdiv,  ist  nicht  übel  und  bringt  den  ansprechen- 
den Gedanken  zum  Ausdruck,  dass  die  aus  der  Fremde  Heimkehrenden  die 
früher  Lo-'Ammi  und  Lo-ßuchama  Geheissenen  sind.  Auf  diese  Weise  ist  der 
Anschluss  an  Cap.  1,  dessen  Unglücksweissagung  der  Anhang  2  i-3  in  eine 
Heilsverheissung  ausmünden  lassen  will,  viel  enger  und  sind  alle  drei  Unglücks- 
namen, Jesreel,  Lo-'Ammi  und  Lo-Ruchama  in  glückbedeutende  verwandelt. 
Man  lese  daher  DD'^n«^  und  DDn1^^5^.  Neuestens  vermutet  Meinhold  in 

V.  3  den  verdorbenen  Rest  einer  von  Cap.  1  zu  2  4  überleitenden  erzählenden 
Notiz,  die  von  der  Verstossung  Gomers  berichtet  habe  und  an  die  sich  dann 
die  Rede  2  4ff.  anschliessen  könnte.  Ursprünglich  soll  v.  3  etwa  gelautet  haben: 
niDni  N^  ^nnb^i  ^^y  ^b)  b^V^V  ••in^  IDi^l  da  sagte  ich  meinen  Sölmen  Jesreel  und 
Lo-  Ammi  und  meiner-  Tochter  Lo-Ruchama.  Aber  abgesehen  davon,  dass  es 
reine  Vermutung  ist,  Hosea  habe  einst  von  Gomers  Schicksal  weiteres  erzählt, 
beachtet  Meinhold  nicht,  dass  2  4  ff.  Jahwe  redet,  also  sein  v.  3  keine  gute 
Einleitung  wäre. 

2.  Die  Strafe  Israels  für  seine  Untreue  und  Ausblicke  auf  die  herrliche 

Zeit  seiner  Wiederbegnadigung  2  4—25. 

Ausser  geringen  Beifügungen  gehört  v.  4 — 15^  Hosea  an;  viel  fraglicher  ist  die 
Herkunft  von  v.  15^-25,  da  hier  ganz  andre  Gedanken  und  Gefühle  Ausdruck  finden  als 
V.  4-15%  vgl.  unten  zu  v.  15^-25. 

a)  4—15^  Die  Bestrafung  Israels  für  seine  Sünde.  Jahwe  redet;  die 

Kinder,  zu  denen  er  spricht,  sind  die  Israeliten,  und  ihre  Mutter  ist  das  Land, 
die  Gesamtheit.  Die  ganze  Rede,  die  ebenso  wie  Cap.  1  für  die  Darstellung 
der  Gedanken  des  Propheten  grundlegenden  Charakter  hat,  verläuft  in  zwölf 
Tetrastichen  von  kurzen  Zeilen. 

4—7^  Die  Sünde.  4,  die  erste  Strophe:  Hadert  mit  eurer  Mutter, 

hadert,  Denn  sie  ist  nicht  mein  Weib,  Sie  soll  ihre  freche  Hurerei  einstelle?! 
Und  ihre  schamlos  geübte  Ehebrecherei.  Mit  ^3  ist  nicht  einfach  in  parenthe- 
tischer Weise  die  Benennung  Israels  als  Mutter  der  Israeliten  und  nicht  als 
Gattin  Jahwes  begründet,  sondern  der  Grund  angegeben,  weshalb  Israel  die 
ernsthaftesten  Vorstellungen  verdient,  eben  weil  sie  Jahwes  Gattin  nicht  mehr 
ist.  Dazu  passt  aber  die  Fortsetzung  7W^^  i^b  ^i^^\  in  keiner  Weise;  denn  sie 
würde  ja  einen  Vorwurf  auf  Jahwe  selber  legen,  weil  sie  dem  weil  sie  mit 
andern  es  hält  parallel  gefasst  werden  müsste.  TW""^  ^h  ^^ilSlI  ist  daher  eine 
gutgemeinte,  aber  übelangebrachte  Glosse  zur  Erklärung  von  ^P^"^^  ^"7  ^'^Tr% 
Den  Zweck  der  Vorstellungen  geben  die  beiden  letzten  Stichen  an,  die  wört- 


Hos  2  4  23  Hos  2  7 

lieh  lauten:  Sie  soll  we^thun  ihr  hurerisches  Gebaren  aus  ihrem  Angesicht 
Und  ihre  Ehebrecherei  von  zwischen  ihren  Brüsten.  Da  von  öchmuck  im  Ge- 
sicht und  zwischen  den  Brüsten  als  besonderes  Kennzeichen  für  derartige  Per- 
sonen nichts  bekannt  ist  (v.  15  kann  dafür  nicht  zum  Beweise  genügen),  da- 
gegen eine  freche  Stirn  und  ein  Gesicht,  das  keine  Schamröte  kennt,  sowie 
eine  schamlos  unverhülltc  Brust  wohl  verständlich  erscheint  (vgl.  Jer  3  3),  so 
wird  die  oben  gegebene  freiere  Übersetzung  dem  Sinne  genau  entsprechen. 
Die  schamlos  geübte  Ifurercl  und  Khcbrecherei  Israels  ist  sein  Kultus,  der 
Hosea  niclit  als  Jahwedienst,  sondern  als  Verehrung  der  Baalim,  als  Götzen- 
dienst, gilt,  so  sehr  die  Israeliten  dabei  Jahwe  zu  dienen  vermeinen.  Der 
Kultus  ist  die  Sünde  Israels,  er  steht  auf  einer  Linie  mit  der  Untreue  Gomers 
gegen  Hosea,  s.  zu  v.  7'*. 

5^*>«ß,  die  zweite  Strophe:  Sonst  werde  ich  sie  nackt  ausziehen  Und  sie 
so  hinstellen^  wie  sie  am  Tag  ihrer  Geburt  war.  Und  werde  ich  sie  der  Steppe 
gleich  werden  lassen  Und  sie  einem  dürren  Boden  gleich  machen.  Was  Israel 
war,  ist  es  durch  Jahwe  geworden;  kehrt  es  ihm  den  Rücken,  so  soll  es  in  den 
Zustand  der  Verlassenheit  zurücksinken,  in  dem  es  am  Anfang  war.  Nach 
der  Ausführung  des  Bildes,  die  Hes  16  giebt,  scheint  es  ein  Teil  der  Strafe 
der  Ehebrecherinnen  gewesen  zu  sein,  dass  sie  nackt  und  bloss  ausgezogen  und 
an  dßn  Pranger  gestellt  wurden,  vgl.  Hes  16  38 f.  In  den  zwei  letzten 

Stichen,  wie  in  1  2bT,  erscheint  Israel  als  Land;  die  Strafe  der  ehebrecherischen 
Mutter  wird  als  gänzliche  Verödung  des  Landes  zu  einer  regenlosen  Steppe 
geschildert.  Die  beiden  Bilder  für  die  Gesamtheit:  Mutter  und  Land,  gehen 
neben  einander  her.  Auch  wir  reden  von  der  Mutter  Helvetia  und  können 
sowohl  Helvetias,  als  auch  Helvetiens  Söhne  sagen. 

5'^T— 7%  die  dritte  Strophe,  kehrt  wieder  zu  dem  Bilde  von  y.  4  5^  zurück: 
Und  werde  ich  sie  sterben  lassen  vor  Durst  Und  ihren  Kindern  keine  Liebe 
erzeigen,  Denn  ihre  Mutter  hat  Unzucht  getrieben,  Die  sie  unter  dem  Herzen 
trug,  sich  der  Schande  ergeben.  Die  letzte  Strafe  der  Ehebrecherin  ist  der 
Tod,  vgl.  Dtn  22  22  Lev  20  10  Hes  16  40,  der  hier  bei  dem  zwischen  Land  und 
Mutter  schwankenden  Bilde  durch  Durst  ^  durch  Regenlosigkeit,  angedroht 
wird.  6  Zu  DPin«  N^  vgl.  nDHI  t^'W  6 ;  zu  der  Lesart  nnii<  in  einigen  Codd. 

Vgl.  Ges.-Kaützsch2  7  §  52  n.  Mit  Unrecht  beanstandet  Nowack  y.  6^; 

worauf  sollen  sich  denn  die  Suffixe  in  y.  7^  beziehen?  Dagegen  ist  y.  6'^  eine 
Glosse,  die  prosaisch  mit  aus  1  2  entlehntem  Ausdruck  die  viel  stärkere  und 
bessere  Begründung  y.  7^  vorwegnimmt.  Dadurch  wird  man  auch  die  beiden 
auf  einer  Linie  stehenden,  nebeneinander  unverträglichen  "'S  y.  6^  und  y.  7^  los. 
7^  Zu  ni^^nin  dem  metaplastischen  Perf.  Hiph.  von  ti^lS,  in  der  Bedeutung 
Schande  treiben,  sich  schandbar  betragen.,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  72x  und 
78  b.  DHIin,  das  Part.  Kai  von  Hin  mit  Suff.,  heisst :  die  mit  ihnen 

TT'  •  TT  ' 

schwanger  war,  die  sie  unter  dem  Herzen  trug, 

.     1^ — 15^  Die  Strafe.  Die  Darlegung  derselben  verläuft  in  zwei  Absätzen 

V.  7^^-9  und  V.  10-15.  Jeder  beginnt  mit  einer  Präcisierung  der  Sünde  und  scbliesst 
daran  die  entsprechende  Strafe.  Die  Lust  an  den  Liebhabern  wird  durch  die  Verunmög- 
lichung  jedes  Verkehrs  mit  ihnen  (v.  7^-9)  und  die  Herleitung  der  Gaben  des  Landes  von 


Hos  2  7  24  Hos  2  8 

ihnen  durch  den  Entzug  derselben  und  die  völlige  Verwüstung  des  Landes  (v.  10-15)  be- 
straft.   Der  zweite  Absatz  giebt  die  Exposition  des  ersten. 

7^  die  vierte  Strophe:  [Off en]  erklärte  sie  ja:  ich  will  gehen  Hinter 
meinen  Buhlen  her^  Die  Brot  und  Wasser  mir  geben,  Wolle  und  Flachs,  Öl 
und  Getränke.  Hier  wird  nun  deutlich  gesagt,  was  der  Prophet  das  ehe- 
brecherische Treiben  nennt,  zu  dem  sich  Israel  offen  bekennt  und  von  dem  es 
nicht  lassen  zu  wollen  bestimmt  erklärt.  Israel  will  (beachte  HD^^jl,  nicht  ein- 
faches "JJ^iSl)  den  Buhlen  nachlaufen,  um  durch  sie  Nahrung  und  Kleidung  und 
was  es  sonst  für  die  Genüsse  des  Lebens  darüber  hinaus  noch  braucht,  zu  er- 
werben. Die  Buhlen,  die  Liebhaber,  Israels,  sind  die  Baale,  wie  früher  die  von 
den  Kanaanitern  im  Lande  verehrten  Gottheiten  hiessen,  wie  aber  Hosea  die 
an  den  verschiedenen  Kultstätten  lokalisierten  Jahwes  nennt  (v.  15).  Hosea 
bezeichnet  damit  den  Kultus  der  Israeliten  als  einen  heidnischen.  Er  konnte 
das,  weil  die  Israeliten  die  Heiligtümer  und  Feste  der  Landesgötter,  der 
Baale,  von  den  Kanaanitern  übernommen  hatten;  zuerst  werden  sie  wirklich 
neben  Jahwe  diese  Landesgötter  verehrt  haben,  weil  sie  die  Segnungen  des 
Landes  von  diesen  abhängig  glaubten;  nach  und  nach,  als  sich  Jahwe  durch 
die  völlige  Überwindung  der  Kanaaniter  immer  mehr  auch  als  den  Herrn  des 
Landes  ausgewiesen  hatte,  wurden  zwar  an  den  alten  kanaanitischen  Heilig- 
tümern Kultus  und  Feste  zu  Ehren  Jahwes  gefeiert.  Aber  die  Art  des  Kultus 
blieb  kanaanitisch,  und  leicht  konnte  Jahwe  an  den  verschiedenen  Heilig- 
tümern, die  obendrein  die  alten  Bilder,  wenn  schon  jetzt  als  Jahwebilder  ge- 
fasst,  behalten  hatten,  auf  die  Stufe  der  alten  Landesgötter  herabgezogen 
werden.  So  lag  gerade  im  Kultus,  so  sehr  er  Jahwe  dargebracht  galt,  die 
Gefahr  des  Heidentums  nahe.  Nach  Ursprung  und  Art  des  Kultus  urteilen 
die  Propheten  daher  richtig,  wenn  sie  ihn  fort  und  fort  als  Heidentum  be- 
trachtet haben,  und  Hosea  kann  mit  Recht  den  Jahwedienst  einen  „Baals''- 
dienst  und  das  Laufen  nach  den  Jahweheiligtümern  ein  „Baal  nachlaufen" 
nennen.  Das  Deuteronomium  suchte  später  der  immer  wieder  drohenden  Ge- 
fahr abzuhelfen,  aber  so,  dass  es  den  Kultus  nach  Jerusalem  konzentrierte, 
ihn  also  doch  als  legitimes  Element  anerkannte.  Der  Priesterkodex  hat  dasselbe 
dann  so  betont,  dass  es  den  ersten  Platz  beanspruchte  und  der  fremde  Gast 
schliesslich  als  der  Herr  im  Hause  schaltete  und  den  wahren  Herrn  beinahe 
ganz  zum  Tempel  hinauswarf. 

8,  die  fünfte  Strophe,  mit  dem  bei  Strafankündigungen  üblichen  ]2\  be- 
ginnend: Darum  siehe  ich  will  verzäunen  Ihren  Weg  mit  Dornen  Und  will  ihre 
Mauer  mauern,  Dass  sie  ihre  Pfade  nicht  findet.  Zu  lf^  verzäunen  vgl.  Hi 
1 10  und  TJ-ID  Hi  38  8.  Für  "^W^  ist  mit  LXX,  Pesch.  dem  ganzen  Kontext  ge- 
mäss T\y\y\y  ihren  Weg,  zu  lesen ;  ferner  ist  niHIl  mit  Mappik  zu  punktieren,  vgl. 
Baee.  Zu  dem  Bilde  vgl.  Hi  3  23  19  8  Thr  3  7  9;  es  ist  hergenommen  von  der 
Einhegung  eines  wilden  oder  brünstigen  Tieres,  dem  der  Ausbruch  dadurch 
unmöglich  gemacht  wird,  dass  die  Stellen,  wo  es  in  einem  Zaune  durchzu- 
brechen pflegte,  mit  Dornen  verzäunt  und  die  Risse  in  der  Mauer,  in  die  es 
eingeschlossen  war,  vermauert  werden  (vgl.  zu  1^5  II5  Hes  13  5  22  so),  so  dass 
es  den  gewohnten  Ausgang  nicht  mehr  finden  kann. 


Hos  2  9  25  Hos  2  11 

9%  die  sechste  Strophe.  Jahwe  bringt  so  das  Volk  in  die  Lage,  dass  es 
seinen  Kultus  einstellen  muss:  Und  wird  sie  ihren  Buhlen  nachlaufen^  Sie  wird 
sie  nicht  erreichen^  Und  wird  sie  sie  suchen^  Sie  wird  sie  nicht  finden.  HD'^l'j 
knüpft  die  neue  Aussage  als  Folge  an  das  Vorhergehende  an,  aber  ist  selber 
wieder  enge  mit  dem  imperfektischen  Sätzchen  zu  verbinden,  auf  dem  der  Nach- 
druck liegt:  Dann  mag  sie  lange  noch  so  eifrig  (beachte  das  Pi  el  ^y)  ihren 
Liebhabern  nachlaufen^  sie  wird  sie  nicht  finden;  ganz  parallel  damit  sind  die 
beiden  letzten  kurzen  Stichen  der  Strophe,  wo  mit  Oettli  nach  LXX  mindestens 
DS^DH  für  ^^5D^  zu  lesen  ist.  Auf  welche  Weise  dem  Volke  der  Kultus  unmög- 
lich gemacht  wird,  zeigt  das  Folgende  (y.  io-15):  Jahwe  entzieht  ihnen,  was  es  zu 
den  Feiern  und  Festen  gebraucht.  9'^  unterbricht  den  Zusammenhang  und 
redet  von  Busse  und  Bekehrung,  von  denen  v.  loff.  nichts  zu  verspüren  ist. 
Wellh.  sagt  zwar:  „In  der  äussersten  Not  regt  sich  das  Bewusstsein  des  Unter- 
schiedes zwischen  dem  alten  Jahwedienst  und  dem  mit  der  Einwanderung  über- 
nommenen dionysischen  Kultus";  aber  dieses  Bewusstsein  bleibt  nur  einen 
Augenblick  wach.  Auch  stimmt  der  Ausdruck  nicht  zu  der  Fassung  Hoseas: 
Die  Ehebrecherin  hat  noch  ihren  Mann,  nur  läuft  sie  Liebhabern  nach,  hier 
aber  hat  sie  bereits  einen  zweiten  Mann;  bei  Hosea  ist  sie  von  ihrem  Manne 
eingehegt  und  kann  nicht  von  Ort  und  Stelle,  wie  soll  sie  da  erst  noch  zurück- 
kehren müssen  und  können?  Daher  ist  v.  9^  ein  Einschub,  der  das  Volk  im 
Exil  zur  Einsicht  kommen  lässt,  dass  es  in  der  Heimat  besser  daran  gewesen 
sei.  Damit  verliert  auch  die  von  Ooet  und  Condamin  vorgeschlagene  Ver- 
setzung von  Y.  8  und  9  an  das  Ende  hinter  y.  15  jeden  Grund;  denn  ohne  y.  9^ 
wird  man  keine  Lust  haben,  die  vorbereitenden  Verse  y.  8  9  hinter  ihre  Expo- 
sition V.  11-15,  am  wenigsten  hinter  den  abschliessenden  y.  15  zu  setzen,  und 
ohnehin  gehört  die  Drohung  der  Einhegung  hinter  die  Aussage  vom  Hang  den 
Liebhabern  nachzulaufen,  während  sie  nach  y.  15  zu  spät  kommt. 

10,  die  siebente  Strophe,  nimmt  die  bereits  y.  7  angedeutete  falsche 
Meinung  von  dem  Ursprung  der  Gaben  der  Natur  auf  und  bereitet  den  Boden 
für  die  v.  11-15  exponierte  Strafe,  s.  Vorbemerk,  zu  y.  7^-15\  Und  sie^  sie  weiss 
nichts  Dass  ich  es  bin,  der  ihr  gegeben  Das  Getreide,  den  Most  und  das  Öl  Und 
ihr  Silber  in  Menge  geschenkt  hat.  TaVl  Korn^  Most  und  Öl^  den  drei  hauptsäch- 
lichsten Naturprodukten  Kanaans,  vgl.  z.  B.  Dtn  7  13  11  u  12  17.  Mit  den 
drei  letzten  Worten  'pj;?^  ^li^j;  ^HJI  ist  im  Kontext  nichts  Rechtes  anzufangen. 
Wellh.  und  Nowack  beanstanden  nur  die  zwei  letzten  Worte;  ihre  Gründe 
sind  entscheidend:  der  Plural  ^t^j;  hat  kein  Subj.,  es  müsste  fem.  sing.  Hilb^j; 
gelesen  werden,  und  ^J^5^,  dem  Baaf  ist  für  Hosea,  der  den  Plural  D^^pj;!!  ge- 
braucht (s.  Y.  15),  ungewöhnlich.  Aber  auch  nnn  gehört  zum  Zusatz,  denn  es 
klappt  sehr  unpassend  nach,  es  müsste,  wenn  acht,  neben  ^03  stehen.  Der  Glos- 
sator wollte,  was  hier  gar  nicht  passt,  als  neue  Sünde  Israels  hervorheben,  dass 
das  von  Jahwe  geschenkte  Silber  und  Gold  zur  Herstellung  von*  Baalsbildern 
verwendet  wui'de  (vgl.  8  4  Jes  44  17),  fügte  also  hinzu  und  Gold,  ivoraus  sie  den 
Baal  seil.  Bilder  desselben  anfertigten. 

11,  die  achte  Strophe:  Darum  will  ich  mein  Getreide  %u  seiner  Zeit 
wieder  nehmen  Und  meinen  Most  %u  seiner  Frist  Und  ihr  entziehen  ineine  Wolle 


Hos  2  11  26  Hos  2  14 

und  meinen  Flachs,  Womit  sie  ihre  Blosse  bedecken  sollte.  ^V\T\^^\  y\^)^  be- 
deutet wiederkommen,  zurückkommen,  um  zu  nehmen  s.  Ges.-Kautzsch^? 
§  120 e,  also:  wieder  nelwien.  Die  Suff,  in  inj?!^  und  HX^IDS  beziehen  sich  je 
auf  das  vorangehende  Nomen:  wenn  es  die  Zeit  des  Getreides,  wenn  es  die 
Jahreszeit  des  Mostes  ist.  nnilj^'nt^  niDD/  ist  nicht  vom  Verbum  ^ThtVi 

abhängig,  sondern  gehört  als  Qualifikation,  als  eine  Art  Relativsatz  zu  den 
beiden  Substantiven  '^"lö^  und  ^V\^^  =  Wolle  und  Flachs  zur  Bedeckung  ihrer 
Blosse,  d.  i.  womit  sie  ihre  Blosse  bedecken  sollte, 

12  13,  die  neunte  Strophe:  Und  so  will  ich  ihre  Scham  aufdecken 
Und  keiner  wird  sie  meiner  Gewalt  entreissen  Und  ich  will  all  ihrer 
Wonne  ein  Ende  bereiten^  Ihrem  Fest,  ihrem  Neumond  und  ihrem  Sabbat. 
nnj^l,  und  auf  solche  Weise  (vgl.  auch  5?  10  3),  leitet  die  Folgen  des  Ent- 
zugs der  Mittel  zu  Nahrung  und  Kleidung  (v.  ii)  ein:  Fehlen  Wolle  und 
Flachs,  so  bleibt  ihre  Blosse  (il^^Di  Stt.  Xsy.  =  weibliche  Scham)  ungedeckt. 
0''?0^?  ""Tübi  ^^or  den  Augen  ihrer  Liebhaber,  ist  eine  sehr  ungeschickte  Ein- 
fügung; die  Liebhaber  sind  ja  im  Grunde  in  den  Augen  des  Propheten 
nichts,  und  wie  sie  nicht  helfen  können  (v.  12^),  so  sehen  sie  auch  nicht. 
Zudem  ist  die  Frau  auch  eingehegt  und  vom  Verkehr  mit  ihren  Buhlen 
abgeschnitten.  13  Fehlen  weiter  Korn,  Most  und  Ol,  so  hat  es  mit 

den  fröhlichen  Feiertagen  ein  Ende,  ^n  ist  das  Fest  mit  Festzug  und  Reigen 
am  Heiligtum,  besonders  das  Herbstfest,  das  fröhlichste  und  wichtigste  der 
jährlichen  Hauptfeste.  Vom  Neumond  und  Sabbat  spricht  auch  Am  8  5  (s.  dort). 
Man  ersieht  aus  unserer  Stelle,  wie  der  alte  Kultus  einen  fröhlichen  Charakter 
hatte  und  wie  Sabbat  und  Neumond  Tage  ungezwungener  Fröhlichkeit  waren; 
von  der  späteren  Kasteiung  (ti^Di  '^^^V  ^^^  Zwang,  den  man  sich  anthun  musste) 
wusste  man  nichts.  Diese  Feste  gelten  Hosea  nicht  als  notwendiger  Bestand- 
teil der  Jahwereligion;  gewiss  hat  er  soweit  recht,  als  die  mit  dem  Ackerbau 
zusammenhangenden  Feste  kanaanitischen  Ursprungs  sind,  ob  aber  alle  Feste 
überhaupt,  bleibt  die  Frage.  nn??1D  bbl,  und  all  ihren  Festzeiten^  ist  Glosse; 
soll  es  die  vorangehenden  Festtage  zusammenfassen,  was  an  sich  unnötig 
erscheint,  so  ist  das  einleitende  1,  und  zwar,  prosaisch;  soll  es  dagegen  die  Auf- 
zählung vermehren,  so  verrät  es  den  späteren  Standpunkt,  dem  alle  in  Lev  23 
genannten  D'^IJJID  bekannt  sind. 

14%  die  zehnte  Strophe:  Und  ich  will  ihren  Weinstock  und  ihren  Feigen- 
baum verwüsten^  Von  denen  sie  gesagt  hat:  Hurenlohn  sind  sie  mir,  Den  mir 
meine  Buhlen  gegeben.  Weinstock  und  Feigenbaum  werden  noch  besonders 
genannt,  weil  sie  gerade  als  die  eigentlichen  Gaben  des  Kulturlandes  Kanaan 
und  das  Geschenk  der  Baale  galten.  Wie  alle  andere  Vegetation  veröden  auch 
diese  Pflanzungen,  und  nun  hört  von  selber  der  fröhliche  Kultus  auf.  Was  die 
Verödung  herbeiführt,  Dürre  oder  Krieg,  oder  beides  zusammen,  wird  nicht 
gesagt;  genug,  dass  völlige  Verwüstung  kommt.  Für  HiHiS:,  das  sich  nur 

hier  findet,  wird  man  am  besten  die  gewöhnliche  Form  ]5n^  lesen.  An  Stelle 
der  Gärten  tritt  die  Wildnis;  das  besagt 

14^,  der  Anfang  der  elften  Strophe:  Und  ich  will  sie  ^Qi\,  die  Wein-  und 
Feigenbaumgärten  in  Wildnis  verwandeln ,  Dass  die  wilden  Tiere  darin  ihre 


Hos  2  U  27  Hos  2  15 

Nahrung  finden.  Der  Rest  der  Strophe  felilt;  LXX  bietet  noch:  Lnd  die 
Vögel  des  Himmels  Und  das  Gewürm  der  Erde.  Unmöglich  ist  es  nicht,  dass 
wir  darin  den  Rest  der  Strophe  liaben;  sie  würde  der  folgenden  parallel  gebaut 
sein,  in  den  letzten  drei  Stichen  eine  Erklärung  des  ersten  geben.  Doch  kann 
LXX  diese  Worte  aus  v.  20  hier  eingetragen  haben,  um  die  zwei  verloren  ge- 
gangenen oder  unleserlich  gewordenen  Stichen  zu  ersetzen. 

15'S  die  zwölfte  Strophe,  schliesst  zusammenfassend  die  Strafankündigung 
ab :  Und  ich  icerde  so  an  ihr  die  Tage  der  Baale  strafen^  Wo  sie  ihnen  opferte 
Und  sich  dazu  mit  King  und  Geschmeide  schmückte  Und  ihren  Buhlen  nach- 
lief. Unter  den  Tagen  der  Baale  ist  nicht  die  Zeit,  da  man  den  Baalen  diente, 
zu  verstehen,  sondern  bestimmter:  die  Festtage,  die  man  den  Baalen  feierte, 
die  Fest-  und  Feiertage  von  v.  13.  Hosea  nennt  sie  Feste  der  „Baale",  obschon 
sie  das  Volk  als  Jahwefeste  beging,  weil  sie  ihm  durch  ihr  heidnisches  Gepräge 
zu  Baalstagen  geworden  waren  und  er  so  Jahwe  auf  die  Stufe  der  Baalim,  der 
verschiedenen  Lokalgottheiten,  des  Baal  von  dieser  oder  jener  heiligen  Stätte 
degradiert  sah;  vgl.  zu  y.  7'\  Für  ippri,  den  späteren  term.  teclm.  für  das 

Darbringen  des  Räucheropfers,  liest  man  besser  mit  Xowack  das  in  der  alten 
Zeit  gebräuchliche  Pi.  "l^J^H,  opfern  =  das  Opfer  verbrennen,  vgl.  4  13  11  2 
Am  4  5.  In  njjni  leitet  das  1  consec.  nicht  die  wirkliche  zeitliche  Folge  des 

*l^j5r>,  sondern  vielmehr  die  logisch  aus  der  Absicht  des  Opferns  sich  ergeben- 
den Veranstaltungen  ein,  also:  sie  opferte  und  schmückte  sich  dazu  mit  Ring 
und  Geschmeide.  Dass  man  zum  Feste  sich  schmückte,  ist  alte  Sitte,  s.  Marti 
Gesch.  der  Israel.  Rel.4  S.  32;  dass  auch  die  Weiber  am  Fest  sich  beteiligten, 
versteht  sich  von  selbst,  vgl.  Ex  3  18  21  f.,  kann  aber  aus  unserer  Stelle  nicht 
besonders  abgeleitet  werden,  da  die  Ehebrecherin,  um  die  es  sich  hier  handelt, 
das  gesamte  Volk  darstellt.  Zu  dem  aTi.  Xsy.  H^^H,  Geschmeide^  vgl.  "hVs 

Prv  25  12,  wo  auch  daneben  DU  genannt  ist. 

b)  15^—25  Die  Anbahnung  und  Herstellung*  einer  neuen  glücklichen  und  un- 
verbrüchlichen Verbindung  zwischen  Jahwe  und  Israel. 

Diese  Yerse  gehen  aus  einem  ganz  anderen  Ton  als  v.  4-1 5^  Dort  spricht  der  Zorn 
über  die  erlebte  Untreue,  hier  der  Schmerz  der  Liebe  und  die  Hoffnung  auf  die  Zukunft; 
dort  wird  nur  an  Strafe  gedacht,  hier  wird  Besserung  versucht  und  verheissen;  dort  ist 
der  Tod  der  ehebrecherischen  Gattin  und  gänzliche  Verödung  des  Landes  das  Ende, 
hier  selige  AViedervereinigung  und  herrlichste  Fruchtbarkeit.  Dieser  Wechsel  könnte  den 
entgegengesetzten  in  der  Seele  des  Propheten  ringenden  Gefühlen  entspringen  und  der 
verschiedenen  Stimmung  Ausdruck  geben.  Aber  diese  Annahme  ist  schon  schwer,  da  die 
Darlegungen  nicht  wie  schwankende  Erwägungen  eines  entweder  —  oder  lauten,  sondern 
beide  Gedankenreihen  mit  derselben  Bestimmtheit  als  Jahwes  Wort  gegeben  sind.  Der 
Prophet  ist  doch  nicht  blos  ein  Lyriker,  der  sich  von  seinen  Stimmungen  hinreissen  lässt. 
Und  an  Stelle  des  entweder  —  oder  ein  sowohl  —  als  auch  zu  setzen,  so  dass  beides  vom 
Propheten  verkündet  wäre,  sowohl  dass  zunächst  schwere  Strafe  erfolge,  als  auch  dass 
nachher  aber  die  Uebermacht  der  Liebe  hervorbreche,  wird  durch  sachliche  Widersprüche 
verboten.  Denn  v.  4-15^  ist  von  Verwüstung  des  Landes,  wo  Israel  wohnte,  und  vom 
Untergang  in  demselben  die  Kede,  v.  16 f.  dagegen  spricht  von  Wegführung  in  die 
Wüste  und  von  neuem  Einzug  in  Kanaan.  Dieser  Widerspruch  ist  so  offenkundig,  dass 
Wellh.  sogar  es  für  möglich  halten  will,  „die  Versetzung  in  die  AVüste  sei  nur  ein  Aus- 
druck für  die  gänzliche  Desolation  des  heiligen  Landes."    Diese  Möglichkeit  ist  aber  doch 


Hos  2  15  28  Hos  2  16 

durch  n"'ri?^i'l  V.  16  und  den  verheissenen  Einzug  in  die  alte  Heimat  v.  17  ausgeschlossen 
(vgl.  zu  V.  16 f.),  und  die  Lösung  der  Schwierigkeiten  bringt  allein  die  Annahme,  dass 
V.  15^-25  eine  spätere  Hinzufügung  sei,  die  die  von  Hosea  gedrohte  Verwüstung  auf  das 
Exil  deutet  und  die  alte  hoseanische  Prophetie  so  vervollständigt,  dass  die  als  Exil  gedeu- 
tete Verödung  nicht  das  Ende  ist,  wie  Hosea  verkündigte,  sondern  als  der  Durchgangs- 
punkt zu  einer  herrlichen  neuen  Periode  erscheint.  So  ergänzen  und  verbessern  v.  1 5^^-25 
die  später  als  einseitig  und  unvollständig  empfundene  Weissagung  Hoseas.  Diese 

Ergänzung  weist  die  besonders  seit  Hesekiel  in  der  Schilderung  des  eschatologischen  Ge- 
mäldes üblichen  Züge  auf:  die  Rückkehr  ins  heilige  Land,  Glück  und  Frieden  in  demselben, 
ungetrübte  Verbindung  mit  Jahwe  und  wunderbare  Fruchtbarkeit  des  Landes;  einige  Züge 
sind  als  Gegenbild  zu  der  Drohung  v.  4-15^  eigenartig  formuliert  v.  18  f.  v.  20-25,  s.  die 
Erklärung.  Der  Text  hat  mannigfach  gelitten,  besonders  in  den  auf  Israel  gehenden 

Suffixen;  es  wird  statt  der  2.  pers.  fem.  sing,  und  der  3.  masc.  plur.  überall  die  3.  pers. 
fem.  sing,  herzustellen  sein,  vgl.  unten  die  Auslegung. 

Zu  der  hier  behandelten  Frage  der  Achtheit  von  2  15*^-25  vgl.  bes.  P.  Volz  (Die 
vorexil.  Jahweprophetie  und  der  Messias  S.  25 — 29),  der  allerdings  zu  weit  geht,  wenn  er 
im  ganzen  Capitel  nur  v.  7  lOf.  14  13  15  (19)  Hosea  belässt;  ferner  s.  K.  J.  Grimm,  Liturgical 
Appendixes  in  The  0.  T.  S.  63 — 67.  Nowack,  der  in  seinem  Kommentar  fast  ganz  P.  Volz 
zugestimmt  hat,  nimmt  jetzt  (Die  Zukunftshoffnungen  Israels  in  der  assyr.  Zeit  S.  43)  seine 
Bedenken  gegen  2  16  f.  20 ff.  als  nicht  durchschlagende  zurück. 

Metrisch  sind  in  v.  15*^-25  sieben  Vierzeiler  zu  unterscheiden. 

15''— 17  Die  Heimführung  durch  die  Wüste  nach  Kanaan. 
15^  16,  die  erste  Strophe:  Und  mich  hat  sie  vergessen^  ist  Jahwes  Spruch; 
Darum  siehe  ich  will  sie  locken  Und  sie  in  die  Wüste  führen  Und  ihr  %u 
Herzen  reden.  TiVö'ü  ^Tli^l  fasst  kurz  das  Resultat,  zu  dem  es  mit  Israel 

gekommen  ist,  zusammen  und  kennzeichnet  seine  Situation.  Der  Ausdruck,  der 
viel  milder  als  das  Urteil  Hoseas  lautet,  vgl.  y.  4  7  (8  14  13  6,  wo  er  wieder  vor- 
kommt, stammt  er  nicht  Yon  Hosea,  s.  zu  diesen  Stellen),  ist  vom  Dtn  an  beliebt. 
Gott  haben  sie  vergessen  im  Exil,  gemeint  ist  vor  allem:  seine  Macht  zu  helfen, 
wie  in  den  Stellen  Dtn  612811  14  isf.  32  I8,  s.  zu  Jes  17  10.  Auch  r\)Tfi  D^^ 

gebraucht  Hosea  nicht;  vgl.  zu  11  11,  wo  es  allein  ausser  Cap.  2  vorkommt. 
16  Bei  der  soeben  gegebenen  Fassung  von  Gott  vergessen  versteht  man  die 
Fortsetzung  mit  ]5^;  aber  ist  es  denkbar,  dass  Hosea,  der  ganz  andre  ]2^  v.  8  11 
kennt,  so  fortfahre?  Das  kann  nur  ein  Späterer,  vgl.  die  verwandte  späte  Stelle 
mit  p^l  Jes  30  18;  für  die  Propheten  des  8.  Jahrh.  ist  das  „Gott  vergessen 
haben"  ein  Grund  für  Bestrafung  und  Gericht,  aber  nicht  für  die  suchende 
Gnade  Gottes,  vgl.  zu  Jes  30  18-26.  H'^riDD  von  nriö,  Pi.  bereden^  verlocken^ 

locken^  ist  hier  im  guten  Sinne  gebraucht,  vgl.  Jer  20  7,  aber  auch  Ex  22  I6; 
ein  solches  „Bereden"  ist  nötig,  da  Israel  vergessen  hat,  dass  Gott  helfen 
kann;  die  von  Buhl  vorgeschlagene  Änderung  in  nnPÖD,  ich  werde  ihre  Fesseln 
lösen,  ist  keine  Verbesserung.  "l^löH,  die  Wüste,  in  welche  Jahwe  sie  führt, 
ist  „die  Wüste  der  Völker"  Ü^^VT}  "\yTtp  Hes  20  35  d.  i.  die  syrisch-arabische 
Wüste,  welche  die  Heimziehenden  aus  dem  Exil  passieren  müssen,  wie  einst  die 
aus  Ägypten  Befreiten.  Die  Geschichte  Israels  wiederholt  sich:  Gott  kann 
noch  retten,  wie  einst  aus  Ägypten,  so  jetzt  aus  dem  Exil;  wie  in  der  Wüste 
einst  Gott  sich  Israel  kundgab,  so  wird  er  jetzt  wieder  es  thun  und  ih?n  %u 
Herzen  reden,  und  nachher  folgt  der  Einzug  in  Kanaan,  s.  v.  17.  Den  besten 
Kommentar  zu  den  beiden  letzten  Stichen  bildet  Hes  20  34-38.   Die  Wüste  ist 


Hos  2  16  29  Hos  2  18 

also  nicht  das  Exil,  auch  nicht  das  verwüstete  Kanaan,  aber  es  ist  auch  nicht, 
wie  BuDDE  erklärt,  die  Zurückversetzung  in  das  Leben  der  Wüste  als  in  die 
einfachen  und  der  ursprünglichen  »lahwcTeligion  mehr  ents])reclienden  Verhält- 
nisse der  Nomaden  damit  gemeint,  und  die  Führung  in  die  Wüste  hat  nicht 
den  Zweck  der  Strafe,  sondern  der  Aufrichtung,  des  %u  Herzen  liedens^  hv  1?'^ 
1^  d.  h.  wie  Jes  40  2  Rt  2  13  des  Tröstens,  des  Mut  und  Hoffnung  auf  die  Zu- 
kunft Zusprechens. 

17,  die  zweite  Strophe:  Und  ich  will  ihr  ihre  Weinberge  geben  Und  das 
Thal  Akor  %ur  Pforte  der  llo/fnung  machen  Und  sie  tvird  dorlhin  hinaufziehen 
wie  in  den  Tagen  ihrer  Jugend  Und  wie  damals,  als  sie  aus  Ägypten  herauf- 
zog. Statt  des  unverständlichen  \  D^tt,  das  von  dort,  nicht  rfor^  heisst  und  selt- 
sam genug  als  =  von  der  Wüste  aus  (schon  die  Weinberge  in  Kanaan  zu- 
erteilen) erklärt  wird,  lies  mit  Oettli  ''riD^I,  wodurch  auch  die  Konstruktion 
gut  verbessert  wird,  die  jetzt  ''^051  in  den  beiden  ersten  Stichen  in  verschiedener 
Bedeutung  {geben  und  zu  etwas  machen)  und  mit  verschiedenem  b  {==  Dativ 
und  =  zu)  voraussetzt;  ferner  ist  mit  Buhl  nn^j;  in  nn^j;  zu  verbessern,  w^ie  das 
nm^J?  nahelegt  und  HÄ^  fordert,  dem  ein  Verb  der  Bewegung  vorausgehen 
muss.  übrigens  zeigt  auch  die  Unsicherheit,  mit  der  die  Übersetzer  Hllijj; 
gegenüberstehen,  abgesehen  von  der  unmöglichen  Konstruktion  mit  HlSti^,  dass 
hier 'ein  Fehler  steckt:  nach  den  einen  soll  HH^J^  fügsam  sein^  nach  den  andern 
demütig  sein  und  wieder  nach  andern  singen  bedeuten,  letzteres  wegen  des 
einst  beim  Auszug  am  Meer  gesungenen  Liedes  Ex  15.  Der  Sinn  ist  also 

der:  Israel  soll  seine  Weinberge  im  gelobten  Lande  wiedererhalten;  das  Thal 
Akor  (vgl.  Jos  7  24  26  15  7  Jes  65  lo),  durch  welches  einst  das  Volk  von  Jericho 
aus  ins  Gebirgsland  einzog,  soll  ihm  neuerdings  zur  Pforte  der  Hoffnung^  zu 
einem  Thore,  durch  das  es  zu  herrlichem  Glücke  gelangt,  werden,  und  dorthin 
d.  h.  in  das  zur  Pforte  der  guten  Hoffnung  gewordene  Thal  Akor  zieht  Israel 
w^ieder  hinauf.  Der  erste  Stichos  wird  durch  die  drei  folgenden  erklärt.  Mit 
BuDDE  njipn  T\T\^  nach  2  14  und  Hab  3  i7  in  X\yi^T\  n*)S,  Feigengarten,  zu  ändern 
empfiehlt  sich  nicht,  weil  dies  für  Thal  Akor  eine  allgemeinere  Bedeutung  „un- 
fruchtbare Schluchten"  voraussetzt  und  so  das  Verständnis  von  Höti^'  erschwert, 

TT  ' 

ausserdem  auch  bereits  den  erst  v.  23-25  ausgeführten  Gedanken  von  der  Frucht- 
barkeit des  Landes  in  der  Zukunft  vorwegnimmt.  Zu  dem  Bilde  vgl.  das  Thor 
der  Strafe  im  Koran  Sure  23  79  und  das  Thor  der  Weisheit  Ps  90  12  (nach 
Wellh.'s  Korrektur  HöDH  nn'?  «nil). 

T     t     T  T    t  T    :/ 

Vgl.  zu  v.  16f.  Fr.  Bühl  in  ZATW  1885,  179—181  und  K.  Büdde  The  Nomadic 
Ideal  in  the  0.  T.  in  The  New  World  Dec.  1895. 

18  19  Das  völlige  Vergessen  der  Baale;  die  dritte  Strophe.  18 
bietet  im  jetzigen  Wortlaut  nach  allen  Seiten  hin  Bedenken:  die  Form  der 
Anrede  geht  nicht  an  vor  v.  19,  wo  wieder  die  übliche  3.  pers.  fem.  erscheint; 
der  Inhalt  ist  so  sonderbar,  dass  er  gar  kein  Vertrauen  erweckt.  Man  hat 
wirklich  mit  Wellh.  zu  fragen,  ob  Jahwe  jemals  von  den  Israeliten  mit  "h^^^ 
mein  Gemahl,  angeredet  wurde,  und  ob  sie  in  der  That  zu  ihm  ''^"'fc<,  mein  Mann, 
sagen  sollten.  „Baal"  haben  die  Israeliten  allerdings  einst  Jahwe  genannt, 
aber  es  sollte  ihn  nicht  als  „Gemahl",  was  es  allerdings  heissen  kann,  sondern 


Hos  2  18  30  Hos  2  20 

als  „Herr",  wohl  als  „Besitzer  des  Landes"  bezeichnen;  vgl.  die  Namen  Isch- 
ba'al,  Meribaal.  Dieser  Gebrauch  des  in  seinem  Ursprung  auf  die  bei  den 
Kanaanitern  übliche  Bezeichnung  zurückgehenden  Namens  war  später  bei  den 
Israeliten  verpönt,  weshalb  auch  die  oben  angeführten  Namen  in  Ischboschet, 
Mephiboschet  umgeändert  wurden.  Nicht  nur  die  kleinliche  Korrektur  des 
Sprachgebrauchs  für  „Gemahl"  muss  daher  intendiert  sein,  wenn  der  Vers  nicht 
als  Glosse  mit  Wellh.  u.  a.  ausgeschieden  sein  will,  sondern  es  muss  irgend  ein 
wichtigerer  Gedanke  sich  darin  verbergen,  der  nicht  nur  den  nominellen,  sondern 
den  reellen  Gegensatz  zwischen  Jahwe  und  Baal  berührt.  Diesem  Desiderat 
kommt  LXX  ein  Stück  weit  entgegen,  da  sie  für  '^bv^  BaaXstji  und  beidemal 
für  die  2.  pers.  *'i5"!pn  die  3.  xaXsoct  bietet,  also  den  Plural  D^'VJJ?  und  zweimal 
S'jjpn  gelesen  hat;  verfolgt  man  diesen  Weg  weiter,  so  liegt  es  in  seiner  Konse- 
quenz, mit  DuHM  noch  ^P'^^  in  n^^J^^  (das  b  ist  zu  ^[Slpn]  geworden,  was  dann 
alle  andern  Verderbnisse  im  MT  nach  sich  zog)  und  "hv^  Hy  "^b  in  D^'pj^in'?  11J^  zu 
verbessern.  Jetzt  erhält  man  die  gehaltvolle  Verheissung:  Und  an  jenem 
Tage^  ist  Jahwes  Spruch,  ruft  sie  %u  ihrem  Mann  Und  ruft  sie  nicht  mehr  %u 
den  Baalen;  in  solcher  Aussage  ist  n^'^i^  nicht  anstössig  (vgl.  y.  4),  und  der 
Sinn  ist  verständlich:  Israel  ist  jetzt  ein  andres  geworden,  es  kennt  Jahwe  und 
hat  kein  Verlangen  mehr  nach  den  Baalen  (vgl.  y.  7  14).  19  gibt  zu  y.  i8 

nach  Form  und  Inhalt  eine  gute  Fortsetzung:  man  wird  die  Namen  der  Baale 
nicht  mehr  in  den  Mund  nehmen.  Und  ich  entferne  die  Namen  der  Baale  aus 
ihrem  Munde  Und  sie  sollen  nicht  mehr  mit  ihrem  Namen  erwähnt  werden. 
Für  DDtS^Ü,  das  auf  der  Linie  des  MT  von  y.  18  steht,  also  nur  den  Namen  b^^ 
nicht  mehr  erwähnt  sehen  will,  ist  DHb^S  zu  lesen  vgl.  LXX  und  Sach  13  2. 
D'^byinn  ist  soviel  dem  Sinne  nach  wie  D^'S^X^H  Sach  13  2:  Von  Götzendienst  soll 
in  der  messianischen  Zeit  (^^TIT]  DV5  v.  18)  keine  Rede  mehr  sein. 

20  Die  Sicherheit  und  der  Frieden  des  Landes;  die  vierte 
Strophe,  das  Gegenbild  von  y.  14^  ^  Und  ich  schliesse  für  sie  einen  Bund 
Mit  dem  Wilde  des  Feldes^  Und  Bogen  und  Schwert  %erbreche  ich  Und  lasse 
sie  in  Sicherheit  wohnen.  Für  Dn'7,  das  die  Erinnerung  an  andre  Stellen  z.  B. 
Hes  34  25  verschuldet  hat,  lies  rh,  ebenso  /Tfinsc^n  für  D^nns^n  (LXX  ^"^n— , 
mit  Angleichung  an  y.  21),  s.  die  Vorbem.  zu  y.  15^-25.  ^\T\T\  DI"?  trifft  sicher 
den  Sinn  des  Autors,  möglicherweise  aber  ist  es  hier  nachträglich  eingefügt 
nach  Y.  18,  wo  es  allerdings  samt  HIJlll'DfcJ^i  auch  entbehrlich  ist.  Für  ein- 

gefügt betrachte  ich  ferner  die  Vögel  des  Himmels  und  das  Gewürm  des  Erd- 
bodens^ deren  Schaden  ein  Späterer  ausdrücklich  auch  ausgeschlossen  haben 
wollte;  vielleicht  gehört  dieser  Zusatz  zu  y.  i4^  (s.  dort).  Endlich  passt  zu 
in^is;  weder  das  Obj.  nDH^D^  noch  die  Näherbestimmung  l^njJiTJÖ,  beides  sind 
Glossen  zur  Verdeutlichung  der  ohnehin  verständlichen  Aussage,  vielleicht 
hervorgerufen  durch  Lev  26  6  Hes  34  25  Ps  76  4;  sonst  müsste  man  auch  hier, 
wie  Hes  34  25  Ps  76  4,  T\'%^)^  lesen.  Die  Grundstelle  zu  y.  20  ist  Lev  26  6,  wo 
alle  Gedanken  sich  eben  so  wie  hier  neben  einander  finden;  im  Einzelnen  vgl. 
für  die  Sicherheit  vor  den  wilden  Tieren  Hes  34  25  28  Jes  11  6-9  35  9,  für  das 
Aufhören  des  Kriegs  Jes  9  4  2  4  Sach  9  10  Ps  46  10  76  4,  alles  keine  vor  exi- 
lischen Stellen. 


Hos  2  21  31  Hos  2  23 

21  22  Die  feierliche  Verlobung  Jahwes  mit  Israel  zu  einem 
ewigen  Bunde;  die  fünfte  Strophe.  Dass  wieder  wie  in  v.  18  Israel 

angeredet  ist,  kann  auch  hier  nur  auf  Textverderbnis  beruhen,  und  die  Ursache 
derselben  lässt  sich  hier  noch  erkennen.  Am  Schluss  von  v.  22  ist  zunächst 
durch  Versehen  aus  niiTTl«  r\)n'2^  geworden  "^"HN  n^HM  (s.  zu  v.  22j  und  diese 
unrichtig  eingedrungene  2.  pers.  hat  die  Änderung  der  vorangehenden  Suff,  der 
3.  pers.  fem.  sing,  in  die  2.  pers.  fem.  sing,  nach  sich  gezogen  (in  J  jXX  selbst  in 
V.  2o'>);  es  ist  also  überall  in  y.  21  f.  n^^nb^n^l  für  "JJ^n —  zu  lesen  und  dasselbe 
samt  *h  mit  Duhm  ein  viertes  Mal  statt  des  blossen  1  vor  "TOHS  zu  wieder- 
holen.  Und  ick  verlobe  sie  mir  au/'  ewige  Zeiten  Und  ich  verlobe  sie  mir 

mit  Recht  und  Gerechtigkeit  Und  ich  verlobe  sie  mir  mit  Liebe  und  Erbarmen 
Und  ich  verlobe  sie  mir  mit  Treue  und  Erkenntnis  Jahwes.  Dass  diesmal  die 
Verlobung  auf  ewige  Zeiten  D^IJ^'p  erfolgen  soll,  zeigt,  dass  die  erste  Verbin- 
dung gelöst  worden  ist,  seil,  durch  das  Exil,  das  also  auch  hier  vorausgesetzt 
ist.  Zu  der  Verheissung  der  neuen  unverbrüchlichen  Verbindung  vgl.  Hes  16  60, 
bes.  aber  Jes  54  8-10  Jer  31  35-37.  tOötÄ^pn^i  pn^2  u.  s.  w.  geschieht  die  Ver- 

lobung, d.  h.  Recht  und  Gerechtigkeit,  Liebe  und  Erbarmen,  Treue  und  Jahwe- 
erkenntnis bilden  das  Band,  welches  Jahwe  und  Israel  vereinigt;  dass  damit 
nicht  nur  einseitig  Leistungen  Gottes  gemeint  sind,  zeigt  die  Jahweerkenntnis , 
die  doch  Israels  Eigentum  sein  wird.  Aber  man  hat  zu  bedenken,  dass  auch 
da,  wo  es  sich  um  Israels  Leistungen  handelt,  alles  Gottes  Schenkung  ist,  und 
dass  besonders  die  Gotteserkenntnis  hiervon  keine  Ausnahme  macht,  da  sie 
auf  Gottes  Kundgebung  beruht  vgl.  zu  y.  i6  und  s.  Jer  31  33f.  Hin^'D«  nj^'H  hat 
hier  einen  etwas  andern  Sinn  als  bei  Hosea,  s.  zu  4  1;  hier  meint  es  die  Er- 
kenntnis, die  Israel  gewinnt  infolge  der  Thaten  Gottes,  all  der  Fürsorge,  die 
Jahwe  ihm  zu  teil  werden  lässt,  vgl.  Ex  6  7  u.  öfters.  So  läuft  am  Ende  alles 
auf  Gottes  Gabe  und  Thun  hinaus:  er  verlobt  sich  Israel  nach  Recht  und  Ge- 
rechtigkeit, welche  befolgt  werden,  da  Israel  eine  solche  Stellung  zukommt  vgl. 
Jes  1  27  61  8,  in  der  Liebe  und  dem  Erbarmen,  die  er  zu  Israel  besitzt  Ygl. 
zu  Jes  42  14  und  43  1-7,  in  der  Treue,  die  er  ihm  in  der  Erfüllung  der  Ver- 
heissungen  bezeigt  vgl.  Dtn  32  4  Ps  33  4f.  89  34,  und  in  Gottes  er  kenntnis ,  die 
er  eben  durch  solche  treue  Fürsorge  für  Israel  bewirkt.  Da  Jahwe  spricht, 
ist  nin;;-n«  für  "^n«  (vgl.  Jer  9  5)  nicht  sehr  gut,  aber  gleichwohl  zu  behalten, 
wie  njn;:!!  in  1  7.  Dagegen  erfordert  der  Parallelismus  statt  des  Verbums  nj;T1 
ein  Substantivum,  also  ÜJ^inv,  das  Verbum  ist  auch  inhaltlich  nicht  passend, 
denn  nicht  dann  erst  soll  Israel  Jahwe  kennen  lernen,  es  kennt  ihn  ja  jetzt 
schon  von  der  Führung  in  die  Wüste  her  y.  16  und  macht  von  da  bis  in  alle 
Ewigkeit  die  Erfahrung  seiner  Güte  und  Liebe.  Auch  in  dieser  Ver- 

heissung einer  ewigen  herrlichen  Vereinigung  zeigt  sich  der  späte  Ursprung 
von  Y.  1 5^^-25,  die  oben  angeführten  Parallelstellen  stammen  nicht  aus  vor- 
exilischer  Zeit. 

23—25    Die   grosse  Fruchtbarkeit  und   der   reiche  Segen  im 
Lande.  23f.,  die  sechste  Strophe,  schildert  die  völlige  Harmonie,  die 

dann  zwischen  den  physischen  und  geistigen  Sphären  herrschen  wird;  die 
Natur  entspricht  den  Wünschen  Jizre  eis,  weil  Jahwe  in  seiner  Liebe  zu  seinem 


Hos  2  23  32  Hos  2  25 

Volk  mit  diesen  übereinstimmt;  alle  erfüllt  der  eine  AVunsch,  Jizre'el  zu  segnen. 
Dann  tcerde  ich  dem  Himmel  willfahren  Und  er  wird  der  Erde  willfahren  Ind. 
die  Erde  wird  dem  Korn,  Most  und  Öl  willfahren  Und  sie  (d.  h.  diese)  werden 
Jizre'el  willfahren!  Jahwe  entscheidet  in  oberster  Instanz;  er  hat  die  Natur- 
ordnung durch  sein  Veto  stille  gestellt  (v.  n-u),  gibt  er  sein  Placet,  so  können 
Himmel  und  Erde  ihre  Segnungen  entfalten,  vgl.  die  ähnliche  Vorstellung  Jes 
45  8.  In  LXX  fehlt  das  erste  HiX^S;  wahrscheinlich  ist,  wie  in  v.  18,  auch 

N^nn  DI'^J  und  nin;;"Di<^  oder  doch  das  letztere  spätere  Zuthat.  Das  Verb 

nij^  bedeutet  hier  erhör en,  dem  Wunsche  jemands  willfahren  mit  dem  direkten 
Obj.  der  Person,  vgl.  Koh  10  i9  mit  dem  Obj.  der  Sache  =  gewähren.  Die  von 
DuHM  (s.  zu  Jer  14  22)  vorgeschlagene  Bedeutung  besprechen  (incantare)  lässt 
sich  nicht  belegen  und  passt  zum  vierten  Stichos  (v.  24^)  nicht  mehr.  Denn 
Jizreel  ist  wie  1  4  der  Repräsentant  Israels,  wenn  es  auch  hier  in  anderer  Be- 
deutung als  dort  gefasst  wird,  nämlich  ==  der  den  Gott  sät^  das  neue  Israel  der 
messianischen  Zeit,  vgl.  v.  2  und  bes.  H^'^J^It  v.  25.  Die  neue  Fassung  spricht 
nur  für  verschiedenen  Ursprung  der  beiden  Stellen.  Zu  der  Fruchtbarkeit 
der  messianischen  Zeit  vgl.  Jo  4  18  Am  9  13. 

25,  die  siebente  Strophe:  Und  ich  werde  sie  mir  fruchtbar  werden 
lassen  im  Lande  Und  werde  Lo-Ruchama  Liebe  erweisen,  Und  ich  werde  %u 
Lo-Ammi  sagen:  mein  Volk  bist  du,  Und  er  wird  sagen:  mein  Gott.  Es  handelt 
sich  hier  nicht  um  ein  „Einsäen  im  Lande",  aus  dem  Exil  und  der  Wüste  ist 
„sie"  längst  nach  Kanaan  heimgekehrt  vgl.  v.  ißf.;  y.  25  redet  von  der  Mehrung 
ihrer  Angehörigen,  ihrer  Kinder  in  Palästina  d.  h.  des  im  Lande  angesiedelten 
neuen  Volkes.  Wenn  Palästina  fruchtbar  ist  (y.  28 f.),  kann  es  eine  Fülle  von 
Bewohnern  ernähren;  daran  soll  es  nicht  fehlen:  Jahwe  lässt  sie  fruchtbar 
werden  im  Lande;  das  Bild  von  der  Frau  für  das  Volk  in  seiner  Gresamtheit 
ist  bis  zu  Ende  festgehalten,  die  Änderung  in  ^JT'nj^'lt  für  7\^V\ —  mit  Beziehung 
des  ^n —  auf  ^NJ^ir.  (so  Wellh.,  Güthe  u.  a.)  ist  durchaus  verfehlt.  Die  Nation 
wird  fruchtbar  sein  im  Lande,  vgl.  die  genaue  Parallele  Jer  31  27;  "h  mir,  nicht 
den  Baalim,  den  Götzen,  werden  ihre  Glieder  gedeihen,  als  D^^'^^5  y\\,  Gottes- 
kinder  vgl.  Mal  2  i5,  nicht  als  D'^i^it  ^iT_  1  2  (2  6)  vgl.  Jes  57  4.  So  werden  die 
Israeliten  rechte  Jizrdeliten,  d.  h.  von  Gott  gesät,  Gotteskinder;  sie,  die  vorher 
„Ungeliebt",  Lo-Euchama,  oder  „Nicht-mein-Volk",  Lo-'Ammi,  hiessen,  werden 
nun  Gottes  Liebe  reichlich  erfahren  und  sein  Volk  heissen,  aber  nun  auch 
Jahwe  als  ihren  Gott  anerkennen.  Mit  diesem  Ausblick  auf  die  Mehrung  der 
Volksmenge,  welche  den  Späteren  so  wichtig  ist  vgl  2  i  Jer  31  27  33  22,  und 
der  ümdeutung  der  Namen,  die  Israel  in  Cap.  1  gegeben  sind,  in  glückver- 
heissende  Benennungen  schliesst  das  trostreiche  Gegenbild  zu  der  Gerichts- 
verkündigung Hoseas  v.  4~i5^  ab.  2  1-3  ist  nicht,  wie  man  schon  wollte,  eine 
Fortsetzung,  sondern  eine  kürzere  Parallele  dazu,  s.  oben  zu  y.  1-3,  aber  ohne 
Zweifel  später  als  2  15^-25  entstanden,  da  sein  ^^i^Vir.  Dl''  das  ^^^p^.  und  H'^nj^nn 
Y.  24f.,  sein  riDm  und  •'föj^  die  Verheissung  y.  25  deutlich  voraussetzt  und  auch 
die  Gedanken  von  y.  1  auf  y.  25  beruhen.  Mit  solch  einem  Schlüsse,  wie  ihn 
Y.  15^-25  bietet,  konnte  sich  das  spätere  Judentum  über  Hoseas  Unheilspredigt 
trösten. 


Hos  3  1  33  Hos  3  1 


3.  Eine  zweite  Heirat  des  Propheten,  um  Israels  Verhältnis  zu  Jahwe 

darzustellen.   Cap.  3. 

Dieser  neue  erzälilonde  Absclmitt  (Jap.  3  berichtet,  wie  Hosea  auf  Befehl  Jahwes 
eine  zweite  Heirat  eingeht;  wir  Lassen  vor  der  Hand  die  Frage  unentschieden,  ob  mit  der 
ihm  untreu  gewordenen  Gomer  bat  Diblajim  oder  mit  einer  andern  J/erson  ähnlichen 
Charakters.  Für  geraume  Zeit  hält  der  Prophet  die  Geheiratete  in  strenger  Klausur,  weil 
Israel  lange  Zeit  im  Exil  verweilen  muss,  bis  es  endlich  heimkehren  und  Jahwes  Güte 
erfahren  darf. 

Der  Inhalt  dieser  Erzählung  schliesst  die  Möglichkeit  aus,  Cap.  3  als  gerade  Fort- 
setzung von  Cap.  2  zu  betrachten.  Cap.  3  ist  ja  vielmehr  zum  grossen  Teile  nur  eine 
knappe  Wiederholung  der  Gedanken  von  Cap.  2.  Daher  hat  man  schon  vermutet,  Cap.  3 
solle  in  der  Erzählung  das  nachbringen,  was  in  den  Erlebnissen  des  Propheten  den  in 
Cap.  2  bereits  zu  weit  verfolgten  Schicksalen  Israels  entspreche,  oder  man  hat  angenommen, 
Cap.  3  habe  seinen  richtigen  Platz  hinter  Cap.  1  und  sei  von  da  durch  die  Einschiebung 
von  Cap.  2  weggedrängt  worden.  Jedoch  auch  als  Fortsetzung  von  Cap.  1  lässt  sich  Cap.  3 
nicht  verstehen.  Meint  Cap.  3  dieselbe  Frau  des  Propheten,  wie  Cap.  1,  so  müsste  doch 
gesagt  sein,  dass  mittlerweile  Gomer  den  Propheten  verlassen  habe  oder  von  ihm  Verstössen 
und  die  Frau  eines  anderen  Mannes  geworden  sei,  von  welcher  Zwischengeschichte  aber 
nichts  zu  lesen  steht  (über  den  missglückten  Versuch,  einen  Rest  davon  in  2  3  zu  finden  s. 
zu  2  3).  Meint  Cap.  3  eine  andere  Frau,  so  wird  man  hier  nun  fragen  dürfen,  warum  der 
unglückliche  Prophet  noch  einmal  die  gleiche  schlimme  Erfahrung  machen  musste  und 
zwar  zu  keinem  andern  Zweck  als  beim  ersten  Mal,  nämlich  damit  Israels  Untreue  gegen 
Jahwe  dargestellt  werde.  Auch  wenn  man,  wofür  aber  hier  der  Wortlaut  nicht  spricht, 
wieder  in  der  Darstellung  das  nachträgliche  Verständnis  eines  unglücklichen  Erlebnisses 
sehen  wollte  (s.  oben  zu  Cap.  1  S.  14f.),  so  wäre  doch  irgendwie  die  Andeutung  eines 
Grundes  für  die  Wiederholung  zu  erwarten. 

Die  Isoliertheit  von  Cap.  3  bekundet  sich  bei  näherem  Zusehen  noch  in  manchen 
Eigentümlichkeiten  desselben,  auf  die  Volz  (ZwTh  1898,  328 — 332)  hingewiesen  hat. 
1)  Von  Hosea  ist  nicht,  wie  in  Cap.  1,  in  der  3.,  sondern  in  der  1.  Person  geredet,  vgl. 
"^S  V.  1,  niss;  V.  2,  nöLsj  und  •'i«  v.  S.  2)  In  Cap.  1  ist  das  Erlebnis  das  Wichtige,  Gomer 
und  die  Kinder  sind  Omina  zum  Verständnis  von  Gegenwart  und  Zukunft;  in  Cap.  3  liegt 
der  Nachdruck  auf  der  Darstellung  der  Geschicke  Israels  und  die  Erzählung  erscheint  diesen 
erst  nachgebildet,  vgl.  das  3  in  ni.T.  nnn«3  nns  v.  1  und  das  doppelte  D'^ni  D^ö;  v.  3 f.,  das 
im  Grunde  doch  nur  für  Israel  passt.  Damit  hängt  es  zusammen,  dass  hier  kein  Name  für 
die  n^«,  sei  es  nun  Gomer  oder  eine  andre,  erscheint.  Zu  der  Detailmalerei  v.  2  s.  die 
Erklärung.  3)  Die  Darstellung  ist  nicht  sorgfältig,  wie  dies  öfters  in  sekundären  Stücken 
der  Fall  ist  s.  zu  1  7  2  22.  So  steht  in  der  Rede  Jahwes  v.  1  n)n^  nnn«  statt  'rinn«  und 
sieht  V.  4  im  Zusammenhang  mit  v.  3  aus  wie  Rede  des  Propheten  an  sein  Weib.  4)  Die 
Aussage  3  l,  dass  die  Israeliten  sich  den  D^in«  Q^'^"^^!  zuwandten,  steht  mit  dem  Urteil 
Hoseas  im  Widerspruch,  für  den  die  Ba'alim  keine  anderen  Götter,  sondern  kanaanistische 
Jahwebilder,  ferner  nur  Holz  oder  Stein,  also  auch  keine  Götter  sind.  Übrigens  ist  der 
ausserordentlich  häufig  gebrauchte  Ausdruck  mit  Ausnahme  ganz  weniger  Stellen  (vgl. 
Ex  20  3  23  13)  nur  in  Dtn  und  Jer  und  in  deuteronomistischen  oder  sonst  von  Dtn  ab- 
hängigen Stücken  zu  finden;  vgl.  bes.  Jer  7  18  und  s.  unten  zu  3  1.  5)  Wenn  3  1  das  Ob- 
jekt der  Liebe  Jahwes  ^«1^^.  "»iS,  die  einzelnen  Israeliten,  sind,  so  erscheint  das  Bild  völlig 
verblasst,  das  in  Cap.  1  und  2  festgehalten  ist  und  Jahwe  dasj^and  resp.  das  gesamte  Volk 
gegenüberstellt.    Vgl.  zu  b^^^)  'in  noch  unten  S.  34. 

Somit  ergiebt  sich,  dass  Cap.  3  nicht  nur  isoliert  dasteht,  sondern  auch  nicht  von 
Hosea  herrührt.  Die  Frage,  ob  Cap.  3  von  einer  zweiten  Frau  des  Propheten  rede  oder 
nicht,  ist  daher  ganz  allein  nach  den  Daten  des  Capitels  zu  lösen,  ohne  dass  man  sich 
durch  Rücksichten  auf  Cap.  1  und  2  leiten  lässt.  Und  diese  Daten  sprechen  unzweifelhaft 
dafür,    dass   Jahwe  dem   Propheten   aufgetragen  hat,    nicht  die   schon   früher  von  ihm 

Kurzer  HC  zum  AT   XTII  3 


Hos  3  1  34  Hos  3  1 

o-eheiratete  Frau  noch  einmal  zu  heiraten,  sondern  eine  zweite  Heirat  mit  einer  anderen 
einzugehen,  sei  es  dass  die  früher  Geheiratete  gestorben  oder  noch  am  Leben,  vielleicht 
noch  seine  Frau  ist.  Nur  dieses  Verständnis  wird  der  Artikellosigkeit  von  n^«,  eine  Frau, 
o-erecht  und  thut  dem  ni3Nl  v.  2,  das  doch  natürlicher  von  dem  Brautkauf,  als  von  dem 
Loskauf  aus  fremder  Gewalt  oder  gar  aus  Sklaverei  steht,  keine  Gewalt  an.  Handelt  es 
sich  bei  der  Heirat  von  Cap.  3  um  die  Heirat  einer  andern  Frau  als  Gomer,  so  wird  sich 
nun  auch  der  Sinn  des  ganzen  Capitels  feststellen  lassen.  Volz  hat  sich  begnügt,  Cap.  3 
als  allegorische  Erzählung  zu  fassen,  die  der  Geschichte  von  Cap.  1  beigegeben  sei,  und 
zwar  in  einer  Zeit,  ,,da  in  Israel  der  Wunsch  oder  die  Überzeugung  von  Jahwes  neu- 
erwachter Liebe  rege  geworden  war".  Aber  so  spielt  doch  wieder  der  dem  Wortlaut  wider- 
sprechende Gedanke  herein,  als  ob  es  sich  um  eine  Wiederverheiratung  mit  Gomer  handle. 
Die  Erzählung,  die  in  der  That  Allegorie  und  nicht  Geschichte  sein  will,  wurde  vielmehr 
eingefügt  zum  Zwecke,  das  Schicksal  Nordisraels  darzustellen;  denn  der,  welcher  Cap.  3 
einfügte,  fasste,  ohne  sich  an  1  4 f.  zu  stossen,  Cap.  1  und  2  als  Darstellung  der  Geschichte 
Judas,  und  zu  dieser  Beigabe  von  Cap.  3  veranlasste  ihn  die  Allegorie  Hesekiels  von  den 
beiden  Frauen  Ohola  =  Samarien  und  Oholiba=  Jerusalem  (Hes  23).  ht<y^]  "'in  v.  1  ist 
im  engern  Sinn  von  Nordisrael  zu  verstehen  (wie  2  2),  und  jetzt  bekommt  auch  das  ^Up^^ 
D3^0  n^n  ns  v.  5  einen  prägnanten  Sinn.  Nach  dem  Interpolator  von  Cap.  3  hatte  somit 
der  Prophet  zwei  Frauen  nebeneinander  (vgl.  Dtn  21  15):  Gomer — Juda  und  n^« —  Israel. 
Cap.  1  (vom  Interpolator  als  Allegorie  aufgefasst)  und  Cap.  2  stellen  das  Geschick  Judas, 
Cap.  3  dasjenige  Israels  dar.  Cap.  3  steht  am  richtigen  Orte,  denn  es  will  die  Israel  be- 
treffende Parallele  zu  Cap.  1  und  2  geben;  es  ist  weder  Fortsetzung  von  Cap.  1  noch  von 
Cap.  2,  sondern  das  Seitenstück  zu  1  2-9  2  4-25  (wohl  zu  merken:  2  15*^-25  inbegriffen), 
also  später  als  der  unter  allen  Umständen  schon  nach  exilische  Anhang  2  15^^-25.  Viel- 
leicht geht  auf  den  Interpolator  von  Cap.  3  auch  die  Überschrift  1  2^  zurück.  Inter- 
essant ist,  dass  bereits  Hieronymüs  ähnlich  die  beiden  Frauen  deutet,  nur  ist  ihm  um- 
gekehrt Gomer  das  Nordreich  und  das  andere  Weib  das  Südreich  (s.  Riedel  Alttest. 
Untersuchungen  S.  1 — 4). 

1  Zu  der  1.  Person  "^b^,  in  der  hier,  wie  im  ganzen  Capitel,  vom  Propheten 
gesprochen  wird,  vgl.  in  den  Vorbemerkungen.  11J^  darf  nicht  mit  1D^''5 

verbunden  werden,  sondern  gehört  zum  folgenden  Imperativ  "^h  vgl.  Sach  1  17 
11  15;  besonders  die  letztere  Stelle  ist  instruktiv,  sie  zeigt,  dass  wir  zu  über- 
setzen haben:  Geh  noch  ein  Weib  lieben!  In  der  asyndetischen  Zusammen- 
stellung der  beiden  Imperative  ^H^J  "=1^  giebt  der  zweite  den  Zweck  des  ersten 
an,  vgl.  1  2  nj5  "TJ^.  Lieben^  nicht  heiraten  ist  hier  gesagt  mit  Rücksicht 

auf  Jahwe,  dessen  Liebe  der  Prophet  in  seinem  Thun  darstellen  soll,  vgl.  iinnt^S 
T\)r\\  y.  1^  n^S  ist  unbestimmt  =  ein  Weib;  wäre  ein  schon  genanntes 

und  bekanntes,  also  Gomer,  gemeint,  so  müsste  H^'J^n,  das  Weib,  stehen.  Die 
Determination  kann  nicht  durch  die  folgende  Qualifikation  ersetzt  werden; 
diese  besagt  nur,  was  für  ein  Weib  er  noch  heiraten  soll.  Es  soll  J^"]  ^^r}^,  und 
HDiiJJD  sein;  das  zweite  bedeutet  ehebrecherisch^  dsiS  erste  geliebt  von  einem 
andeim,  LXX  bietet  dafür:  dYaTcÄaav  iiovT|pa,  liest  also  yi  ri^ni^,  was  soweit 
es  riDH^^  betrifft,  zu  billigen  ist;  also  lese  man  jn  ri^H^^  =  liebend  einen  andern^ 
was  allein  den  parallelen  aktiven  Partie.  D^ys  und  •'DHi^  (^- 1^)  entspricht;  „rinriS 
ist  Korrektur,  um  Israel  zu  schonen"  (Volz).  Zu  X\)T^_  in  Jahwes  Rede, 

zu  ^S'lti^';  ""i^,  =  die  Israeliten  im  engern  Sinn,  und  zu  dem  deuteronomistischen 
Ausdruck  ^^^T/^^  ÖNH^«  vgl.  Vorbemerkungen.  ^^XS)^.  ist  dem  Parallelismus 

entsprechend  Fortsetzung  zu  D"^;iö,  nicht  zu  D"'"ini^;  die  Israeliten,  nicht  „die 
andern  Götter",  sind  hier  die  Liebhaber  von  Traubenkuchen  geheissen  (vgl. 


Hos  3  1  35  Hos  3  2 

zu  dieser  Charakterisierung^  auch  noch  zu  v.  2  am  Ende).  Die  Traubenhnchen 
d.  h.  Weinbeerkuclien  spielten  offenbar  im  Kult  der  „andern  (iötter"  eine 
wiclitige  Rolle;  am  Feste  und  beim  Opfer  mochte  man  sie  den  Göttern  dar- 
bringen, vor  allem  aber  selbst  geniessen.  Zu  den  zu  »J(;s  IG  7  (s.  dort)  ange- 
führten Beispielen  für  die  weite  in  Heidentum,  Judentum  und  Christentum 
nachweisbare  Verbreitung  dieser  kultischen  Festspeise,  die  in  ihrem  Ursprung 
auf  den  Kultus  eines  Weinbau  treibenden  Volkes  zurückgehen  wird,  sei  hier 
noch  hinzugefügt,  dass  auch  Jer  7  18  Kuchen  im  Kult  der  anderen  Götter  er- 
wähnt sind  und  dass  die  Kollyridianerinnen  den  Brauch,  den  sie  als  heidnische 
Araberinnen  zu  Ehren  der  Göttin  Üzza  übten,  als  Christinnen  auf  Maria  über- 
trugen und  ihr  die  xoXXupLos^,  Kuchen,  opferten,  s.  Wellh.  Arab.  Heident.^ 
S.  38.  Vgl.  auch  den  Früchtenbrei  nDlIH,  eine  Mischung  von  Kosinen,  Zimmt 
und  Nüssen,  beim  heutigen  Passa.  Zu  der  Etymologie  von  H^'^^S  =-  etwas 
Kompaktes,  Festes  (von  'ü'ü^  „feststampfen"  =  assyr.  ussusu)  vgl.  Riedel 
Alttest.  Untersuch.  15 f.  2  Die  Ausführung  des  Auftra2;s.    mssi,  von  n"i3, 

C  O  TVJVt'  TT' 

kaufen  (vgl.  Dtn  2  6),  mit  einem  Dagesch  in  ^  zum  Schutze  des  ^  vor  *1  (vgl. 
Ges.-Kautzsch27  §  20  h  und  König  Lehrgeb.  I  S.  545),  besagt,  dass  der 
Prophet  den  üblichen  IJlb,  Kaufpreis,  erlegte  und  damit  die  Frau  erwarb,  s. 
Benzinger  Archäol.  S.  142.  Das  Suff.  H  geht  auf  die  in  y.  i  näher  qualifizierte 
XW\^.  kann  aber  nicht  beweisen,  dass  HLS^'S  in  y.  i  bereits  von  einem  bestimmten 

T       •    '  '  T        • 

Weibe  verstanden  werden  müsse,  n^?^!  i^^  2;u  übersetzen:  Da  kaufte  ich  eine 
resp.  eine  solche \  das  Suffix  hätte  doch  auch  in  y.  i  die  7W^  nicht  bestimmt 
wenn  dort  ausführlicher  gesagt  wäre:  liebe  eine  ehebrecherische  n^S  und 
heirate  sie!  vgl.  das  auf  ein  indeterminiertes  Nomen  bezügliche  Suff.  Jes  5  if. 
Gegen  die  Fassung  der  unbestimmten  TW^  als  der  früheren  Gattin  des  Prophe- 
ten, ist  noch  nebenbei  zu  erwähnen,  dass  das  Gesetz  (Dtn  24  1-4  Jer  3  i)  die 
Wiederverheiratung  mit  der  eigenen  entlassenen  Frau,  w^enn  sie  inzwischen 
einen  andern  geheiratet  hat,  geradezu  verbietet;  dass  dies  Verbot  eine  Neue- 
rung gegen  die  alte  Sitte  sei,  ist  aus  II  Sam  3  u  nicht  zu  beweisen,  da  David 
dort  einfach  auf  seinem  durch  gesetzlichen  Brautkauf  erworbenen  Rechte  be- 
steht (s.  dort).  Zudem  ist  von  Entlassung  der  Gomer  durch  Hosea  nichts  be- 
richtet, dann  aber  weiss  man  nicht,  was  der  Kauf  bedeuten  soll;  denn  der  an- 
genommene Loskauf  aus  Sklaverei,  von  der  nichts  bekannt  ist,  hängt  geradeso 
in  der  Luft,  wie  die  Meinung  Riedels,  es  handle  sich  um  die  Miete  (das  soll 
n"33  heissen) ,  d.  h.  um  die  Aussetzung  eines  reichlichen  Jahresunterhaltes 
für  die  aus  dem  Hause  entwichene,  aber  wieder  zurückgeholte  Gomer.  Allen 
diesen  Schwierigkeiten  entgeht  man,  wenn  man  dem  einfachen  Wortlaut  nach- 
giebt,  der  von  der  Heirat  einer  andern,  einer  zweiten  Frau  spricht.  Der 

Kaufpreis  besteht  in  fünfzehn  Silberschekel,  d.  i.  ungefähr  45  frs.  oder  36  Mark, 
und  einem  Chomer  Gerste  und  einem  Letek  Gerste^  d.  i.  546,  6 1,  also  beinahe 
5  ^2  Hektoliter  Gerste.  Das  Chomer  ist  nämlich  dasselbe  Mass  wie  Kor  =  364,  4 1 
(vgl.  Hes  45  11  14)  und  Letek,  das  nur  hier  im  AT  vorkommt,  wird  von  der 
jüdischen  Tradition  als  1/2  Chomer  bestimmt.  Der  Geldwert  dieses  Quantums 
Gerste  lässt  sich  nach  II  Reg  7  1  16  18  annähernd  bestimmen.   Elisa  sagt  dort, 

nach  der  Aufhebung  der  Belagerung  von  Samarien  solle  man  für  einen  Schekel 

3* 


Hos  3  2 


36  Hos  3  3 


(c.  3  frs.)  2  Sea  Gerste  bekommen.  Da  1^2  Chomer  =  45  Sea  sind  (vgl.  Ben- 
zinger Archäol.  184),  besassen  sie  also  den  Wert  von  ungefähr  6772  frs.  oder 
54  Mark.  Doch  scheint  Elisa  keinen  übermässig  billigen,  sondern  einen  über 
der  normalen  Höhe  stehenden  Preis  zu  nennen  (s.  zu  II  Reg  7  1),  so  dass  man 
in  gewöhnlichen  Zeiten  für  einen  Schekel  wohl  3  Sea  Gerste  bekommen 
mochte  und  die  1 V2  Chomer  somit  nur  einen  Wert  von  45  frs.  resp.  36  Mark 
repräsentieren  mochten.  Die  eine  Hälfte  wäre  dann  in  Geld  und  die  andre  in 
Naturalien  erlegt  worden,  und  der  ganze  Kaufpreis  beliefe  sich  dann  auf  die 
Summe  von  30  Schekel  =  90  frs.,  resp.  72  Mark,  was  nach  Ex  21  32  genau  dem 
Werte  eines  Sklaven  entspricht,  aber  bei  der  Heirat  einer  solchen  Person 
nicht  auffallen  kann.  Wenn  LXX  an  Stelle  des  D^yi^  ^nb  veßsX  otvoü, 

einen  Schlauch  Wein,  bietet,  so  ist  anzunehmen,  dass  sie  das  sonst  erst  in  der 
Mischna  vorkommende  Mass  '^rb  nicht  kannte  und  eine  andere  Naturalgabe 
einsetzte,  die  vielleicht  nach  der  ihr  bekannten  Sitte  beim  Brautkauf  üblich 
war.  Die  „Detailmalerei"  in  diesem  Vers  kann  nicht  für  die  Auffassung 

der  Erzählung  als  Geschichte  ins  Feld  geführt  werden,  da  es  sich  dabei  nicht 
um  die  Schilderung  eines  einzig-artigen  Ereignisses,  sondern  der  sich  öfters 
wiederholenden  Gebräuche  beim  Brautkauf  handelt.  Ebenso  verhält  es  sich 
mit  der  Angabe  y.  1,  dass  die  Israeliten  Weinbeerkuchen  lieben.  3  zeigt, 

wie  wenig  dem  Erzähler  auf  die  Geschichte  dieser  zweiten  Ehe  ankommt;  denn 
hier  giebt  er  die  letzte  Nachricht  über  dieselbe,  um  dann  zu  der  ihm  allein 
wichtigen  Bedeutung  überzugehen  y.  4f.  So  wenig  liegt  ihm  die  Erzählung  am 
Herzen,  dass  er  sie  nicht  zu  Ende  führt  und  uns  nicht  sagt,  was  der  Gatte  mit 
der  Gattin  nach  der  langen  Klausur,  in  die  er  sie  versetzt,  angefangen  hat, 
und  dass  er  in  der  Eile,  die  er  hat,  auf  die  Geschicke  Israels  überzugehen, 
jede  Angabe  vergisst,  an  wen  Y.  4 f.  gesprochen  sind,  die  eben  deshalb  noch  an 
die  neue  Gattin  gerichtet  erscheinen.  Die  Erzählung  ist  der  Geschichte  Israels 
nachgebildet,  also  Allegorie.  Der  Nachbildung  von  v.  4  gehört  auch  das  ü^ü] 
Ü^^'^  an,  sowie  die  ganze  Massregelung,  welche  die  Gattin  erfährt.  "^b  "^^lüi^, 

du  sollst  mir  d.  h.  als  mir  gehörend,  als  mein  Eigentum  bleiben;  D^^/hat  wie 
Y.  4  die  allgemeine  Bedeutung  bleiben,  das  „Wie?"  erklärt  das  Folgende,  das 
„Wo?"  versteht  sich  von  selbst.  Da  wo  sie  ist  oder  wo  der  Gatte  sie  hinführt, 
soll  die  Gattin  ihm  bleiben  ohne  jeden  (sowohl  illegitimen  als  auch  legitimen) 
Verkehr  mit  Männern.  '^''b^  ''^^"ö?!  kann  nur  das  vorangehende  ''inn  ^b] 

W^t^b  erklären  wollen:  (^und  ohne  legitimen  Verkehr  mit  einem  Manne  zu  haben J 

da  auch  ich  zu  dir ,  ist  aber  nicht  vollständig  erhalten.    Denn  es  kann 

nicht  heissen:  „so  will  auch  ich  mich  gegen  dich  verhalten"  (G.  A.  Smith), 
noch:  „gleichwohl  bleibe  ich  dir  gut"  (Ewald).  Die  Konjektur,  ^b^  für  "^^ibs 
(LiNDEE  StK  1860,  739 f.),  genügt  nicht,  da  dies  nicht:  „ich  ziehe  weg"  heissen 
kann,  wenn  nicht  "^Jöö  dabei  steht;  die  Vermutung  von  Oettli,  ^'i^  sei  als 
Impera.  zu  fassen  und  '^J^  ''^S  üy\  =  „und  auch  seufze  einmal!"  oder  ^b^  =  „und 
auch  seufze  nach  mir!"  zu  lesen,  ist  höchst  unwahrscheinlich.  Eine  direkte 
Aussage  wird  erwartet,  dass  auch  der  Prophet  mit  seiner  Gattin  keinen  Ver- 
kehr haben  werde.  Dieser  Erwartung  wird  die  Ergänzung  von  i^D«  ^b  (da 
auch  ich  zu  dir)  nicht  eingehen  werde  gerecht,  welche  Aben  Esea  und  Kimchi 


Hos  3  3  37  Hos  3  4 

für  den  Sinn  empfehlen,  Wj^^llh.  und  Staue  (ZATW  1903,  1  Gl— 163)  einfach 
vor  ^^'^h^  in  den  Text  aufnehmen.  Aber  der  Ausfall  der  beiden  Worte  erklärt 
sich  nicht  leicht,  auch  wenn  man  mit  Meinhold  '^bt<  i<b  für  «U«  i<b  einsetzt, 
und  ihre  Aufnahme  in  den  Text  präjudiziert  für  die  Zeit  nach  der  Klausur  in 
unangenehmer  Weise  ein  Kommen  des  Gatten  zur  Gattin,  während  die 
Deutung  v.  5  umgekehrt  von  einem  Suchen  Jahwes  von  Seiten  der  Israeliten 
und  einem  Kommen  dieser  zu  ihm  spricht.  Darum  wird  die  Konjektur  von 
Steiner,  gegen  die  sich  diese  beiden  Bedenken  nicht  erheben,  dass  ^^yt<  nach 
''ifc?  ausgefallen  sei,  auf  dem  richtigeren  Wege  sein,  nur  dass  man  dieses  ^^y^ 
nicht  nach,  sondern  statt  ''li^^  und  wohl  auch  "^b  für  '^^b^  zu  lesen  hat:  da  auch 
ich  nicht  existiere  für  dich.  Dass  nach  diesen  „ehe"losen  D"^^*!  D'^ö''  der  Gattin 
eine  glücklichere  neue  Zeit  beschieden  ist,  ist  aus  der  Deutung  v.  4f.  zu  er- 
schliessen.  4  Die  Gattin,  die  einen  andern  liebt  (y.  i),  wird  mit  strenger 

Klausur  bestraft,  die  Israeliten,  die  andern  Göttern  nachhängen  (v.  i),  werden 
ebenso  damit  bestraft,  dass  ihnen  der  Verkehr  mit  diesen  unmöglich  gemacht 
wird.  Die  Israeliten  haben  sich  in  ihrer  Abneigung  von  Jahwe,  das  ist  der 
Gedanke,  von  Juda  getrennt,  eigene  Könige  und  Fürsten  gesetzt  und  andern 
Göttern  gedient.  Der  mit  dem  Fall  Samariens  und  der  Exilierung  721  v.  Chr. 
beginnende  Entzug  dieser  nichtdavidischen  Könige  und  dieses  Dienstes  der 
anderen  Götter,  die  sie  lieben,  ist  die  Strafe.  Hosea  urteilt  über  die  israeli- 
tischen Könige  anders,  als  dieses  3.  Cap.,  s.  zu  7  3-7  8  4.  Ohne  König  und 
ohne  Fürst  ist  nicht  auszuscheiden,  auch  y.  5  erwartet  mit  der  Rückkehr  zu 
Jahwe  zugleich  die  Restauration  des  davidischen  Reiches,  und  dem  Yerf.  von 
Cap.  3  wie  allen  Späteren  gilt  die  Errichtung  des  nordisraelitischen  König- 
reichs als  religiöse  Sünde.  Die  Aufzählung  ohne  Opfer  und  ohne  Mal- 
stein  und  ohne  Ephod  und  Teraphim  nennt  einige  Specimina  des  israelitischen 
Kultus,  die  dem  Verf.  als  zum  Kultus  der  andern  Götter  gehörend  gelten  und 
auch  ihm  als  einem  Späteren  noch  sehr  gut  bekannt  sein  konnten,  vgl.  für 
D^'Din  Hes  21  21  Sach  10  2.  Der  Malstein,  die  Massebe^  ist  das  wichtige  Kenn- 
zeichen der  heiligen  Stätte,  darum  hier  sachgemäss  mit  Opfer  kombiniert  (vgl. 
Marti  Gesch.  der  isr.  Rel.^  S.  27 f.).  Ephod  und  Teraphim  sind  nach  der  ge- 
Avöhnlichen  Ansicht  aus  wertvollerem  und  weniger  wertvollem  Stoff  (Metall 
oder  Holz)  hergestellte  Gottesbilder  (vgl.  ebendort  S.  28—30);  aber  nach  der 
gründlichen  Untersuchung  von  Theodoee  C.  Foote  (The  Ephod:  its  Form 
and  Use,  Baltimore  1902)  ist  "Tlö«  eher  eine  Tasche,  d.  h.  ein  Instrument  zur 
Wahrsagung,  eine  xXYjpwxpi?,  und  die  D^^DIi^  sind  die  dazu  notwendigen  Lose, 
vielleicht  Gottesbildchen  (?).  Ihr  Ursprung  reicht  in  die  älteste  Zeit  zurück; 
im  Kult  auf  den  „Höhen"  fehlten  sie  nicht  und  dienten  zum  Wahrsagen  und 
Orakelspenden.  Nach  dem  Dtn  und  Hesekiel  galten  aber  diese  Höhenheilig- 
tümer als  Kultstätten  „anderer  Götter";  ebenso  denkt  unser  Verfasser,  er 
kündigt  also  in  y.  4  nicht  das  Aufhören  des  Verkehrs  zwischen  Jahwe  und 
Israel  an.  Das  wäre  den  Israeliten,  die  sich  der  Autor  gar  nicht  mehr  als 
Jahwediener  vorstellt,  keine  Strafe  und  nicht  unerwünscht  gewesen.  Was  sie 
als  Strafe  empfanden,  war  die  Unmöglichkeit  des  Verkehrs  mit  den  „andern 
Göttern*'-,  denen  sie  in  Kanaan  dienten,  war,  dass  sie  im  Exil  diesen  Göttern 


Hos  3  4  38  Hos  4  1 

nicht  opfern  noch  von  ihnen  Orakel  erhalten  konnten.  Erst  nach  und  nach 
erwacht  in  ihnen  das  Verlangen,  zu  Jahwe  zurückzukehren;  die  Strafe  hilft 
ihnen  zur  Selbstbesinnung.  5  Die  einstige  Heimkehr  der  Israeliten  aus 

dem  Exil  zu  ihrem  Gott  und  dem  legitimen  „davidischen"  Herrscherhause. 
Wie  Jahwe  ihr  Gott  ist,  den  sie  im  Götzendienst  verliessen,  so  ist  David  ihr 
König,  von  dem  sie  einst  abfielen.  Mit  der  Rückkehr  zu  Jahwe  zugleich  er- 
folgt Rückkehr  zu  David,  denn  sie  vereinigen  sich  mit  den  Judäern  (vgl.  2  2 
und  s.  auch  Am  9  ii).  „David"  ist  der  ideale  König  der  Zukunft,  der  Messias 
aus  davidischem  Geschlecht,  vgl.  Jer  30  9  Hes  34  23f.  37  24f.  Zu  'bi^  nnsi, 

=  mit  107'  freudiger  Aufregung  bebendem  Herzen  %u  Jahwe  eilen,  vgl.  Jer 
33  9  Jes  60  5,  ferner  T\r\  in  der  ebenfalls  späten  Stelle  Hos  11  ii.  Zu 

in^lD'^iJ  vgl.  Jer  31  11-13  und  alle  die  Stellen,  welche  von  der  künftigen  Segnung 
Palästinas  sprechen,  s.  z.  B.  2  23  f.  Am  9  13.  D^p^^  nnHi^S,  am  Ende  der 

Tage,  d.  h.  wenn  einst  die  messianische  Endzeit  anbricht  (s.  zu  Jes  2  2),  gehört 
zu  in^ito:  dem  Glück,  womit  Jahwe  in  der  herrlichen  End%eit  Palästina  segnet; 
mittelbar  wird  natürlich  dadurch  auch  die  Zeit  der  Heimkehr  bestimmt.  Bei 
dieser  herrlichen  Güte  Jahwes  ist  es  mit  der  Neigung  der  Israeliten  zu  andern 
Göttern  und  ihrer  Liebhaberei  für  Weinbeerkuchen  vorbei,  jetzt  suchen  sie 
Jahwe  und  eilen  vor  Freude  bebend  ihm  und  ihrem  Glücke  zu. 

4.  Das  Fehlen  der  Gotteserkenntnis  ist  das  Unglück  der  Israeliten  4  i-ig. 

Eine  Eigentümlichkeit  dieses  Kapitels,  dessen  Text  namentlich  am  Ende  in  ausser- 
ordentlich Versehrtem  Zustande  überliefert  ist,  besteht  in  dem  Personenwechsel :  v.  1 
werden  die  Israeliten  zum  Hören  des  Jahwewortes  -aufgefordert,  das  zunächst  in  der 
dritten  Person  von  den  Israeliten  redet.  Plötzlich  aber  setzt  v.  5,  ohne  dass  eine  andre 
Person  deutlich  als  angeredet  eingeführt  wird,  die  zweite  Person  Singularis  ein  in  einem 
Abschnitt,  der  das  Gebaren  der  Priester  schildert;  die  Fortsetzung  dieser  Schilderung  geht 
jedoch  V.  7  wieder  zur  dritten  Person  über,  die  dann  mit  Ausnahme  von  v.  13^  14^^  und 
V.  15,  wo  sogar  Sing,  und  Plur.  der  zweiten  Person  wechseln,  (s.  auch  v.  17)  festgehalten 
wird.  Ein  solcher  Personenwechsel  ist  unerträglich  in  einer  doch  einigermassen  zu- 
sammenhangenden Hede,  als  welche  sich  das  Capitel  giebt,  in  dem  höchstens  bei  v.  12  ein 
neuer  Absatz  zu  machen  ist.  Da  sich  die  Quelle  dieser  Verwirrung  noch  in  der  falschen 
Lesung  v.  6  rmy^  nri«  ^^  statt  ns;in-n«  "^S  aufdecken  lässt,  ist  der  Versuch  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen,  überall  ausser  in  der  Anrede  v.  1  die  dritte  Person  herzustellen ;  weiteres 
s.  in  der  Erklärung.  Dagegen  ist  der  Wechsel  der  dritten  Person  Sing,  und  Plur.,  wo  es 
sich  um  ein  DJ?  handelt,  nicht  auffällig. 

Die  Prophetenrede  verläuft,  wie  2  4-15%  in  vierzeiligen  Strophen.  Allerdings  haben 
sich  auch  hier  fremde  Bestandteile  eingenistet.  Dass  sich  nicht  überall  ein  sicheres 
Resultat  erzielen  lässt,  ist  bei  dem  schlimmen  Zustande  des  Textes  nicht  zu  verwundern. 

a)  Die  Sittenlosigkeit  im  Leben  der  Israeliten  4  1-10. 

1—3  Die  Gottlosigkeit  und  Ruchlosigkeit  des  Volkes.  1,  die 
erste  Strophe:  Hört  das  Wort  Jahwes,  ihr  Israeliten!  Denn  einen  Hader  hat 
Jahwe  mit  den  Bewohnern  des  Landes;  Denn  es  ist  keine  Treue  und  keine 
Liebe  Und  keine  Gotteserkenntnis  im  Lande,  Zu  1''1  vgl.  das  Verb  U^*l  2  4; 
Jahwe  hat  eine  Anklage  zu  erheben,  einen  Process  zu  führen  mit  den  Be- 
wohnern des  Landes,  vgl.  ferner  Mch  6  2  Jer  2  9.  Denn  was  im  Lande  ge- 
trieben wird,  ist  in  völligem  Widerspruch  mit  den  Forderungen  Jahwes.   r.DN, 


j 


Hos  4  1  39  Hos  4  4 

TreuCy  und  IDH,  Liehc^  fehlen,  die  socialen  humanen  Pflichten  der  Wahrhaftig- 
keit und  Treue  in  Handel  und  Wandel  und  der  Barmherzigkeit  und  Liebe 
gegen  die  Hilfsbedürftigen  und  Notleidenden  bleiben  unerfüllt.  Das  ist  auch 
ein  Beweis,  dass  die  Gottcserkcrmtnis  fehlt;  denn  wer  diese  besitzt,  kennt 
Gottes  Willen  und  befolgt  denselben  in  ethischem  und  humanem  Verhalten 
gegen  seine  Mitbürger.  Die  Gotteserkenntnis  ist  nicht  einseitig  intellektu- 
alistisch  gefasst;  wer  die  Ethik  in  seinem  Leben  vermissen  lässt,  zeigt,  dass  er 
nicht  kennt,  was  Jiehgion  ist,  deren  Wesen  eben  nicht  in  Intellektualismus, 
sondern  in  dem  Bewusstsein  unbedingter  Verpflichtung  zur  Erfüllung  der 
ethischen  Forderungen  Gottes  besteht.  In  dieser  tiefen  Erfassung  dessen, 
was  Religion  ist,  liegen  die  Wurzeln  des  prophetischen  Universalismus;  darum 
kann  Hosea  auch  Gottes erkenntnis  sagen,  meint  aber  übrigens  durchaus 
nichts  anderes,  wenn  er  von  Jahwe  erkenntnis  spricht,  vgl.  46  54  6  [3]  6  und 
s.  Marti  Gesch.  der  Israel.  Rel.^  S.  170  f. 

2,  die  zweite  Strophe:  Man  schwört  und  lügt^  Man  mordet  und  stiehlt^ 
Man  bricht  die  Ehe  und  übt  Gewalt  Und  Blutthat  reiht  sich  an  Blulthat.  Für 
•i:}'1ö,  das  kein  Subj.  hat,  lies  ^1D"l,  den  Inf.  abs.,  wie  ihn  die  lebhafte  Schilde- 
rung auch  im  Vorangehenden  im  Sinne  eines  lateinischen  Inf.  historicus  ver- 
wendet, vgh  Ges.-Kautzsch2  7  §  113£f.  Dann  bietet  auch  ^Vl)  keine  Schwierig- 
keit mehr,  sein  Subj.  ist  DW,  vgl.  hierzu  in  1  4.  rht^  schwören  z.  B.  bei 
dem  Abschluss  eines  Vertrages,  und  ti^'n?,  lügen^  gehören  zusammen:  man 
schwort  falsch\  das  ist  das  Gegenteil  von  ni^^J,  gerade  wie  alles  folgende  zeigt, 
dass  keine  "IDH  im  Lande  wohnt,  und  das  Ganze,  dass  es  an  Gotteserkenntnis 
mangelt.  Aus  unserer  Stelle  ist  nicht  zu  schliessen,  dass  Hosea  den 
Dekalog  kennt,  sondern  vielmehr  zu  ersehen,  dass  der  Dekalog  die  prophe- 
tischen Forderungen  zusammenfasst. 

3  ist  ein  Einscliub,  weil  er  den  Zusammenhang  von  v.  4  mit  v.  2  stört  (s.  zu  v.  4), 
weil  er  ferner  ganz  ähnlichen  Zusätzen  zu  alten  Stellen  entspricht  z.  B.  Am  8  8  Jer  4  28 
23  10  und  inhaltlich  späten  Gedanken  über  die  Mitleidenschaft  der  Natur  an  der  Gottlosig- 
keit der  Menschen  Ausdruck  verleiht,  ohne  dass  doch  von  einer  Dürre  als  Strafe  die 
Rede  wäre,  vgl.  ausser  den  eben  genannten  Stellen  Jer  12  4  (viell.  die  Grundstelle)  Jo 
1  10-12  18-20  Jes  33  9  24  3-6,  endlich  weil  auch  eine  gewisse  Übertreibung  vorliegt,  da 
die  ganze  Erde  samt  dem  Meere  als  leidend  unter  der  Gottlosigkeit  der  Israeliten  vor- 
gestellt wird.  Der  Interpolator  dachte  offenbar,  in  v.  1  f.  sei  die  Gottlosigkeit  der  Be- 
wohner der  Erde  geschildert,  und  wollte  in  v.  3  das  Gericht  über  dieselbe  verkünden. 
Der  Vers  bietet  übrigens  ebenfalls  einen  Vierzeiler:  Darum  ivird  die  Erde  trauern  Und 
wird  schmachten  alles^  ivas  darauf  ivohnt,  An  Wild  des  Feldes  und  Vögeln  des  Himmels 
Und  selbst  die  Fische  des  Meeres  werden  dahingerafft.  Die  Erde  wird  trauern  d.  h.  ihren 
bunten  Blumenflor  verlieren,  und  in  einfarbige  Trauer  sich  hüllen;  ebenso  sollen  wie  die 
Vegetation  alle  Tiere  verschwinden,  a  in  n*nn  und  ^'\)^^,  =  bestehend  in  vgl.  Ges-Kautzsch27 
§  119i,  spezifiziert  das  nn  n^r-'?^  s.  Gen  7  21  8  17  9  10  (PC).  Die  Bedeutung  bis  mit, 
sogar  für  !i  ist  nicht  erwiesen;  der  Interpolator  denkt  nicht  an  die  Menschen.1  Djn  ^^"^ 

ist  nicht  dahin  abzuschwächen,  dass  man  darunter  Fische  in  versiegenden  Bächen  ver- 
stehen kann ;  vgl.  dazu  auch  Num  11  22,  wo  ?)D«n  in  etwas  andrem  Sinne  gebraucht  ist. 

4—8   Die  Hauptschuld  an  der  Sünde    des  Volks    tragen    die 
Priester.  4,  die  dritte  Strophe:  Doch  niemand  soll  hadern  Und 

rügen  nur  niemand,  Ist  doch  das  Volk  wie  der  Pfaffe  Und  der  Prophet  wie 


Hos  4  4  40  Hos  4  5 

de?'  Priester.  Mit  Dühm  ist  v.  4^  zu  lesen:  ]nä5  ^^''5^1  IDä?  Dj;i;  die  Änderungen 
am  überlieferten  Texte,  die  diese  Konjektur  vornimmt,  sind  leicht;  für  den 
Anfang  ist  nur  andre  Wortabteilung  nötig,  im  zweiten  Teil  ist  von  dem  ver- 
wischten ^^''^i  wenigstens  '^:2  noch  sichtbar  geblieben.  Nach  dem  Sprichwort 
qualis  rex  talis  grex  liegt  auch  in  Israel  die  Schuld  bei  den  Führern,  den 
Priestern,  darum  ist  eigentlich  das  Volk  nicht  zu  tadeln.  Dieser  Gedanke 
schHesst  sich  gut  nur  an  v.  2,  die  Schilderung  der  Ruchlosigkeit  Israels,  an, 
nicht  aber  an  v.  3,  welcher  von  den  verderblichen  Folgen  der  Sünde  Israels  in 
der  ganzen  Welt  spricht.  Darum  ist  v.  3  interpoliert  (s.  oben  zu  v.  3).  Als 
die  offiziellen  verantwortlichen  Führer  gelten  Hosea  die  Priester,  vgl.  auch 
V.  6;  von  ihnen  schon  einigermassen  beeinflusst  und  abhängig,  und  daher  viel 
milder  zu  beurteilen,  sind  die  Propheten,  wie  sie  noch  Hosea  kennt,  der  natür- 
lich Arnos  nicht  zu  ihnen  rechnet  (vgl.  übrigens  zu  6  5),  noch  mehr  gilt  dies 
von  dem  Volke,  das  auf  die  Leitung  der  Priester  angewiesen  ist.  *1D'S  ist 

alte  kanaanitisch-aramäische  Bezeichnung  des  Priesters,  vgl.  kämira  in  den 
Tell-el-Amarna-Briefen,  sowie  ^^IDiD  in  aramäischen  Inschriften  (z.  B.  auf  einer 
Inschrift  aus  Teima  des  6.  oder  5.  Jahrh.  v.  Chr.)  und  das  Syr.  kumra.  Sie 
braucht  hier  noch  nicht  in  üblem  Sinne  gemeint  zu  sein;  im  AT  kommt  sie 
noch  vor  10  5  Zph  1  4  II  E.eg  23  5.  Der  masoretische  Text,  den  auch 

LXX  schon  voraussetzt,  der  also  eine  alte  Verderbnis  aufweist:  „und  dein 
Volk  ist  wie  die,  welche  mit  dem  Priester  hadern",  ist  unhaltbar;  es  ist  in  den 
Augen  Hoseas  doch  kein  Unglück  und  kein  Verbrechen,  mit  den  Priestern  zu 
hadern,  er  thut  es  ja  nachher  selber  in  ausgiebigster  Weise.  Und  dass  das 
Volk  gerade  nicht  sich  gegen  die  Priester  auflehnte,  war  sein  Schaden.  Die 
oben  vorgeschlagene  Korrektur  wird  dem  ursprünglichen  Texte  näher  kommen 
als  die  mannigfach  sonst  gemachten  Konjekturen:  \T}2T\  l^'^ö??  *'^J^1  =  "^^  mein 
Volk  ist  wie  seine  Pfaffen,  o  Priester!"  (Beck,  Wellh.i),  ]nän  ^JID^  "^rsyi  =  „da 
mein  Volk  ist,  wie  du,  o  Priester!"  (P.  Rüben,  Nowack,  Wellh.^),  "'n''*!  ^tsyi 
jnlsn  ==  „da  mit  dir,  o  Priester,  mein  Hader  ist"  (Ooet,  Guthe),  ]nD  ''^  ^*^?  ^^J?l 
=  „da  dein  Volk,  o  Priester,  gegen  mich  sich  auflehnte"  (W.  R.  Smith,  The 
Prophets2  S.  408),  ]?  n^D  ?jt2j;i  =  „dein  Volk  ist  nämlich  so  hadernd",  als 
Glosse  zu  Y.  4^  betrachtet  (J.  A.  Bewer  Journal  of  Bibl.  Literat.  1902,  110  f.). 
Alle  diese  Konjekturen  sind  von  der  unrichtigen  Voraussetzung  beherrscht, 
als  ob  die  Priester  angeredet  wären  (s.  Vorbemerbung);  die  beiden  ersten 
entsprechen  aber  inhaltlich  dem  Gedanken,  den  die  oben  vorgezogene  Kon- 
jektur besser  wiedergiebt:  Volk  und  Propheten  sind  wie  die  Priester,  folgen 
nur  ihren  Priestern.  Einen  ähnlichen  Sinn  nimmt  auch  die  Konjektur  von 
MosAPP  (ZATW  1885,  184f.)  an:  ]r}T  V10D?  Dyi,  „das  Volk  priestert  nur  wie 
seine  Pfaffen",  während  John  Tayloe  (ZATW  1885,  300f.)  mit  dem  MT  aus- 
zukommen glaubt. 

5  6^  nehme  ich  zusammen  als  dem  ursprünglichen  Kontext  fremden  Bestandteil. 
Schon  die  Anrede  Ph'ä^)  spricht  für  nachträgliche  Einfügung,  dann  aber  auch,  dass  sehr 
schwer  mit  diesen  Worten  sonst  was  anzufangen  ist.  Ich  fasse  sie  als  eine  Glosse  zu  v.  4 
und  6^:  Du  wirst  straucheln  hei  Tage  (1.  UW  nnb^ri  Wellh.  vgl.  LXX)  und  straucheln 
wird  auch  der  Prophet  mit  dir  bei  Nacht  und  ich  werde  schweigen  (1.  '•nb']],  vgl.  zu  dem 
Schweigen  die  Aufforderung  v.  4^  und  die  Glosse  Am  5  13,    oder  wenn   es  auf  Gott  zu 


Hos  4  5  41  Hos  4  8 

beziehen  ist,  Jes  42  14  63  14  64  11),  wenn  so  mein  Volk  vernichtet  wird  (1.  ^öli  13  D«  für 
das  unmögliche  'i  ^ös),  weil  es  keine  Erkenntnis  hat.  Zu  dem  Straucheln  der  Priester 
und  Propheten  vgl.  Jes  28  7f. ;  Tag  und  Nacht  sind  vielleicht  genannt,  weil  bei  dem  Pro- 
pheten vornehmlich  an  Nachtgesichte  gedacht  ist,  vgl.  Sach  1  8  Jo  .'3  1.  Tjrj«,  deine 
Mutter^  als  deine  (der  Priester)  Genossenschaft  zu  fassen,  ist  nicht  möglich  (s.  2  4);  die 
Änderung  in  ?j"'iii,  deine  Söhne  (Nowack)  hilft  wenig,  wie  auch  die  Konjekturen  von  Bach- 
mann ("Jj^j;  Ti"»»"!  rn^^'^PS  =  ,,alle  seine  (des  Propheten)  Kinder  will  ich  austilgen  mit  dir'') 
und  von  Winckler  (T]ör  'n'^öT  T^Y^)  =  „in  Nacht  verkehre  ich  deinen  Tag",  vgl.  LXX), 
letztere  als  unhebräisch,  sich  nicht  empfehlen. 

6^  die  vierte  Strophe,  setzt  mit  ''?,  denn^  nämlich,  v.  4  fort,  indem  sie 
zur  Begründung  der  Aufforderung  von  v.  4^  und  in  Exposition  der  Aussage 
von  V.  4^  erklärt,  wie  es  zu  der  Ruchlosigkeit  des  Volkes,  das  den  Priestern 
folgt,  kommen  konnte:  Denn  die  Erkenntnis  haben  sie  verschmäht^  So  ver- 
schmähe ich  sie^  mir  Priester  %u  sein.  Und  sie  vergassen  die  Weisung  ihres 
Gottes^  So  vergesse  ihre  Kinder  auch  ich.  Für  iJpfc^J?  rij/'in  nns  "»3  (Oettli 
stellt  mit  Recht  die  Möglichkeit  dieser  Wortfolge  in  Frage)  lese  man  "H«  ''3 
^DJjJö  riJ^'^H;  die  Dittographie  des  H  hat  hier  und  dann  auch  in  der  Glosse  y.  5 
die  Einführung  der  zweiten  Person  verschuldet,  die  nach  v.  7  deutlich  in  die 
dritte  plur.  wiederherzustellen  ist;  also  1.  DD^^JSSI  für  das  fehlerhafte  ^^DSÖSI 
(und  zwar  mit  1,  das  die  besten  Zeugen  bieten,  s.  Baee-Delitzsch),  ferner  ^n2^*1. 
Dn*n"^^,  n3ti^*«1  und  Dn^i3.  Dass  es  sich  um  die  Priester  handelt,  ist  mit  Unrecht 
bezweifelt,  da  "h  ]n5lp,  wie  v.  8,  nur  auf  die  Priester  gehen  kann.  An  üTV^'l 

ist  kein  Anstoss  zu  nehmen;  D^^^nb  "^y^  sind  gerade  so  die  Angehörigen  der 
Priesterzunft,  wie  die  Q'fc^''?^  ''^^  die  der  Prophetenzunft,  wenn  schon  der  Pegel 
nach  die  Söhne  ihrem  Vater  im  Berufe  folgten.  Ein  Doppeltes  ist  wichtig, 

das  aus  diesem  Verse  zu  entnehmen  ist:  einmal  gelten  Hosea  die  Priester  des 
Nordreichs  als  legitime  Jahw^epriester,  ihr  Priesterrecht  verlieren  sie  erst  in- 
folge der  Versäumnis  ihrer  Pflichten;  dann  aber  sieht  Hosea  den  Beruf  der 
Priester  nicht  im  Opfern,  sondern  darin,  dass  sie  (jrotteserkenntnis  (zu  rij^'in  s. 
V.  1)  und  die  Weisung  Gottes  besitzen  und  verbreiten,  sie  haben  nicht  eine 
kultische,  sondern  eine  religiös-sittliche  Aufgabe. 

7  8,  die  fünfte  Strophe:  Je  mehr  sie  wurden,  umsomehr  sündigten  sie 
an  mir,  Ihre  Ehre  vertauschten  sie  gegen  Schande,  Von  der  Sünde  meines 
Volkes  leben  sie  Und  nach  seiner  Verschuldung  haben  sie  Hunger.  Keiner 
unter  den  Priestern  machte  eine  Ausnahme,  so  sehr  die  Priesterzunft  auch  sich 
mehrte;  im  Gegenteil  sie  thaten  alles,  um  ihre  hohe  Stellung  zu  verlieren:  sie 
vertauschten  ihre  Ehre  d,  h.  Jahwes  Priester  zu  sein  und  als  solche  viel  höhere 
Aufgaben  zu  haben,  als  die  heidnischen  Priester,  vgl.  v.  6,  gegen  Schande  d.  i. 
gegen  den  kanaanitischen  Kultus,  vgl.  Jer  2  ii.  Statt  TDS  ich  vertausche,  das 
auch  hier,  wie  v.  6  gleich  die  Strafe  androhte,  aber  dem  Parallelismus  dieser 
Strophe  zuwiderläuft  (vgl.  v.  8),  ist  mit  Targ.  und  Pesch.  ITpn,  sie  vertauschten, 
zu  lesen.  Auch  die  Masora  führt  ^TDH  als  die  ursprüngliche  Les'art  an  unter 
den  Tikkune  soferim,  empfiehlt  aber  zugleich  "^nl^S  für  DHI^?,  was  weniger  ein- 
leuchtend ist,  obschon  es  den  ebenfalls  annehmbaren  Gedanken  ausspricht: 
das,  was  meine  Ehre  ist,  eben  eine  höhere  Religiosität  zu  fordern,  vertauschen 
-sie  gegen  kanaanitischen  Opferdienst.  8  erklärt  v.  7  und  sagt  deutlich. 


Hos  4  8  42  Hos  4  11 

dass  der  Kultus  die  Sünde  und  Verschuldung  Israels  ist.  Die  Priester  leben 
von  den  Opfern  des  Volks,  weil  sie  Anteil  an  den  Opfergaben  haben,  und 
darum  befördern  sie  den  Kultuseifer  der  Menge;  sie  sind  gierig,  haben  Hunger 
darnach,  1.  ti^Di  ^^^1»  ^^s  1  ist  als  Dittographie  des  folgenden  zu  tilgen;  es  ist 
unnötig,  mit  Ookt  DC^DJ  zu  lesen,  man  müsste  sonst  mit  Oettli  auch  noch  I^^J? 
herstellen.  Mit  unserer  leichten  Änderung  ist  der  Text  völlig  klar,  sodass  man 
auf  keinen  Fall  zu  den  schon  grammatisch  unmöglichen  Konjekturen  von  Bewer 
greifen  darf:  iLi^Di  «^1  U)\Vy  fo«"'  ^'öj;  n«^n,  was  heissen  soll:  „meines  Volkes 
Sünde  soll  es  verzehren  (müsste  ^n^p^^il  stehen!)  und  ihre  Schuld  soll  ihr  Leben 
wegnehmen."  Von  Sund-  und  Schuldopfern,  die  man  in  nwtsn  und  ]i3;  hat 

finden  wollen,  ist  hier  nicht  die  Rede;  Amos  und  Hosea  sehen  im  Kultus,  der 
das  Volk  in  der  Illusion  festhält,  dass  damit  Jahwe  gedient  sei,  die  Sünde,  vgl. 
Am  4  4  Hos  8  11. 

9  10  Die  allen  gemeinsame  Strafe,  von  der  auch  die  Priester  nicht 
ausgenommen  sind.  Der  Text  ist  verstümmelt  und  vermehrt.  Ursprünglich 
werden  zwei  Strophen  die  Strafe  angekündigt  haben.  9,  die  sechste 

Strophe:  Es  soll  ergehen  wie  dem  Volk  (so  dem  Propheten  Und  wie  dem  Pro- 
pheten) so  dem  Priester:  Ich  suche  an  jedem  heim  seine  Wege  Und  vergelte  ihm 
seine  Thaten.  Da  die  Strophe  das  Gegenstück  zu  v.  4  bildet,  darf  man  vor 
]?i!d5  den  Ausfall  oder  die  (zur  Schonung  der  Propheten  vorgenommene)  Aus- 
lassung von  ^''?§51  iS^?$3  vermuten,  hbvi!^  und  ^y\  sind  einander  parallel,  wie 
unser  Thun  und  Treiben.  10%  der  ßest  der  siebenten  Strophe:  Sie 

werden  essen  und  nicht  satt  werden,  Huren  und  sich  nicht  mehren^  d.  h. 
Mangel  an  Nahrungsmitteln  soll  die  Strafe  sein  für  ihre  unersättliche  Gier 
(vgl.  Lev  26  26  Mch  6  u)  und  Kinderlosigkeit  für  ihre  Hurerei.  Es  handelt 
sich  hier  nicht  speziell  um  kultische  Unzucht,  sondern  es  ist  von  ihr  ganz  all- 
gemein die  Eede;  für  das  Hiph.  ^itn,  das  nach  Ex  34  1 6  zur  Hurerei  ver^leiten 
bedeuten  müsste,  ist  das  Imperf.  Kai  ^ÜP.  zu  lesen,  zu  den  gleichfalls  fraglichen 
Hiph.-Pormen  y.  18  u.  5  3  s.  zu  den  betreffenden  Stellen.  ^^^'^\  ist  durch 

Ex  1  12  in  der  Bedeutung  sich  ausbreiten,  sich  vermehren,  erwiesen  (vgl.  auch 
Syjvoiachus  und  Theodotion:  7rXYj9üv9y]aovTat)  und  im  Zusammenhang  treffend, 
sodass  die  Änderung  in  vr\T\\  (Wellh.,  Nowack,  Ooet)  durchaus  nicht  am 
Platze  ist,  die  obendrein  für  das  Hithp.  von  T\T\  die  unbelegbare  Bedeutung 
„ein  Vergnügen  daran  haben"  annimmt,  vgl.  dagegen  I  Sam  29  4.  Die 

beiden  letzten  Zeilen  der  Strophe  sind  verloren,  an  ihrer  Stelle  bietet  10^  noch 
eine  Begründung  der  Strafe,  die  aber  nichts  Neues  beibringt  (vgl.  y.  if.  6)  und 
ihren  sekundären  Ursprung  auch  dadurch  verrät,  dass  in  der  Rede  Jahwes 
Jahwe  in  dritter  Person  erscheint.  Der  Zusatz  ist  übrigens  nicht  einmal 
vollständig;  denn  es  fehlt  das  Objekt  zu  'ib^'?,  da  man  nicht  T\)T\1  dafür  halten 
und  übersetzen  darf:  „denn  sie  haben  abgelassen  (=  ^ntj;,  sehr  fraglich),  auf 
Jahwe  zu  achten."  Eher  ginge  es  an,  Ibt^^  mit  dem  folgenden  nU|  zu  verbin- 
den (so  Oettli)  ;  „um  an  der  Hurerei  festzuhalten" ;  aber  bei  der  Härte  der  Ver- 
bindung bleibt  auch  diese  Auskunft  fraglich,  vgl.  ferner  zu  y.  ii. 

b)  Die  Vnsittlichkeit  im  Kultus  der  Israeliten  4  ii-iJ). 

11  sieht  aus  wie  ein  Sprichwort;  nach  den  besten  Zeugen  fehlt  \  vor  y^_,  s. 


Hos  4  11  43  Hos  4  13 

Baer-Delitzsch,  demgeraäss  wird  HUT,  wofür  Hosea  sonst  D^^Ut  gebraucht  (vgl. 
zu  6  10),  hinzugefügt  und  nur  der  liest  ursprünglich  sein.  Deshalb  darf  man 
aber  nt^|  nicht  mit  dem  Vorangehenden  verbinden;  denn  der  Satz:  Wein  und 
Most  benelnncn  den  Yerntand  gehört  wahrsclieinlich  an  das  Ende  von  v.  u,  wo 
er  auch  einen  weniger  allgemeinen  Sinn  bekommt,  (s.  zu  v.  u)  und  nu»  ist  ihm 
offenbar  im  Blick  auf  v.  12-14  vorangestellt. 

Der  neue  Absclmitt  v.  ii-i9  begann  ursprünglich  mit  12,  der  ersten 
Strophe:  Mein  Volk  he  fragt  seinen  Baum  Und  sein  Zweig  giebl  ihm  Bescheid^ 
Denn  der  Geist  der  Hurerei  hat  es  verfuhrt ^  Dass  sie  iceghuren  von  ihrem 
Gott.  Zu  lesen  ist  ^nj^nn  mit  suff.,  das  vor  1  leicht  ausfallen  konnte;  der  folgende 
Plural  entscheidet  nicht  für  DJ^nn,  wie  gewöhnlich  verbessert  wird.  "'Dy  mein 
Volk,  klingt  wehmütig  und  strafend  zugleich;  in  Jahwes  Volk  ist  ein  hurerischer 
Geist  gefahren,  es  wurde  seinem  Gott  untreu,  dem  es  gehorchen  und  dienen 
sollte  (=  nnP.p  njj,  vgl.  l  2:  ^yi^l^  njj),  und  mit  dieser  Untreue  ist,  wie  dann 
das  Folgende  zeigt ,  auch  Hurerei  im  eigentlichen  Sinne  verbunden.  Hier  zu- 
nächst handelt  es  sich  noch  um  das  Verlassen  des  wahren  Jahwedienstes:  statt 
Jahwe  um  Orakel  und  Weisung  zu  fragen  (Hjn;;:^  b^ü  II  Sam  2  1),  wendet  man 
sich  an  Y)l,  Kaum  ist  damit  an  hölzerne  Gottesbilder,  die  es  allerdings  in  Israel 
gab,  gedacht,  sondern  der  in  Altisrael  unter  den  heiligen  Bäumen  geübte  Kultus 
gemeint,  von  dem  auch  y.  13^  spricht.  In  und  bei  den  heiligen  Bäumen  hatte 
die  Gottheit  ihre  Behausung,  vgL  noch  Jer  2  27,  und  dort  spendete  die  Gottheit 
ihre  Orakel,  vgl.  die  Orakel-Terebinthe  Gen  12  6  Dtn  11  30,  die  Wahrsager- 
Terebinthe  Jdc  9  37  und  die  Debora-Palme  Jdc  4  5.  Hosea  sieht  in  diesem  alt- 
israelitischen Gottesdienst,  der  im  Sinne  der  Israeliten  Jahwe  galt,  nur  Heiden- 
tum, und  ebenso  erscheint  ihm  auch  der  Gebrauch  eines  b'p^'O  zur  Ermittelung 
eines  Orakels  als  heidnisch.  Wahrscheinlich  ist  in  Parallelismus  zu  dem  Baum 
I^Jt  bei  b\^ü  Staöy  Bute^  an  einen  heiligen  Baum  in  kleinerem  Massstabe,  resp.  an 
einen  Zweig  von  demselben  zu  denken,  der  ins  Erdreich  oder  in  Wasser  gesetzt 
durch  Grünen  oder  Verdorren  wahrsagte,  vgl.  den  Aaronstab  Num  17  und  zu 
Jes  17  :!of.  und  s.  Smith-Stübe  S.  150.  Ferner  liegt  es,  hier  an  die  nicht  nur 
den  Semiten  (s.  zu  Hes  21  26 f.),  sondern  auch  den  Skythen  (Heeodot  4  67)  und 
den  Germanen  (Tacitus  Germania  10)  wohlbekannte  ßhabdomantie  und  Belo- 
mantie  zu  denken. 

13%  die  zweite  Strophe,  schildert  den  israelitischen  Gottesdienst  unter 
den  heiligen  Bäumen:  Auf  den  Berggipfeln  schlachten  sie  Und  auf  den  Hügeln 
räuchern  sie  Unter  den  Eichen  und  unter  den  Pappeln^  Unter  den  Terebinthen, 
weil  ihre  Schatten  so  lustig.  Die  Bergeshöhen  und  die  immergrünen  Bäume 
sind  öfters  zusammen  erwähnt  als  die  Stätten  des  volkstümlichen  Kultus  vgl. 
Jer  2  20  3  10  I  Reg  14  23  II  17  10.  Hier  werden  nun  einzelne  dieser  heiligen 
Bäume  genannt:  ]1V^?  und  n^«,  Eiche  und  Terebinthe,  sind  als  heilige  Gottes- 
bäume wohlbekannt;  Hill'?,  das  sich  nur  noch  Gen  30  37  findel,  ist  dagegen 
w-eniger  sicher,  wahrscheinlich  aber  ist  es  nach  den  alten  Versionen  unseres 
Verses  die  Weisspappel^  populus  alba  vgl.  Tkisteaim  The  Natural  History  of 
the  Bible'^  389 f.  An  diesen  heiligen  Stätten  halten  sie  gerne  Gottesdienst 

mit  Schlachten  (n?^,  Pi.,  =  iterativ:  oft  schlachten)  und  Bäuchern,  ItDJ^  d.  h. 


Hos  4  13  44  Hos  4  15 

Opfern  s.  zu  Am  4  5;  ihr  Schatten  ist  ja  so  lustig  wegen  der  heiligen  Orgien, 
die  sie  dort  feiern,  und  der  Kedeschen,  mit  denen  sie  dort  zu  thun  haben, 
vgl.  V.  14. 

IS*"  14^%  die  dritte  Strophe:  Darum  mögen  ihre  Töchter  huren  Und  ihre 
Weiber  die  Ehe  brechen^  Nicht  strafe  ich  es  an  ihren  Töchtern^  dass  sie  huren. 
Und  an  ihren  Weibern,  dass  sie  die  Ehe  brechen,  überall  ist  das  Suff.  DH"  statt 
DD"  zu  lesen,  da  sonst  der  G  egensatz  im  folgenden  oriJ^"*'?  statt  Dn"**?  erforderte, 
s.  auch  die  Vorbemerkung  zum  ganzen  Capitel.  Schon  der  letzte  Stichos  in 
V.  13^  hatte  ahnen  lassen,  was  beim  israelitischen  Gottesdienste  getrieben 
wurde;  wenn  infolge  davon  auch  die  Töchter  und  Weiber  (n^5  i^i  junges  Weib, 
braucht  nicht  Schwiegertochter  zu  sein)  der  Unzucht  und  Sinnlichkeit  beim 
Kultus  und  sonst  verfallen,  so  ahndet  Jahwe  solches  an  ihnen  nicht;  sie  sind 
die  Verführten,  da  die  Väter  und  die  Männer  ihnen  das  Beispiel  geben  und  in 
solchem  Treiben  erst  noch  ein  Stück  Kultus  erblicken  wollen. 

Diese  Begründung  der  Straf losigkeit  giebt  M^^^  +  U,  die  vierte  Strophe: 
Denn  sie  selber  schleichen  sich  beiseite  mit  den  Huren  Und  opfern  mit  den 
Kedeschen  zusammen^  Und  das  einsichtslose  Volk  kommt  %u  Fall,  Wein  und 
Most  benimmt  den  Verstand.  Sie  selber,  DH,  sind  die  Väter  und  Männer; 

für  das  ungebräuchliche  Pi.  HIS*;  ist  mit  Oettli  nach  Prv  18  i  das  Niph.  ^T^B^ 
zu  punktieren,  sie  sondern  sich  ab,  gehen  beiseite  d.  h.  sie  begeben  sich  IJo) 
To5  tspoü  Heeodot  I,  199,  verlassen  den  Bereich  des  Heiligtums,  s.  S^vnTH- 
Stübe  122.  Vgl.  auch  Duhm  zu  Jer  3  23.  Die  Kedeschen,  in  deren  Gresell- 
schaft  sie  die  Opferfeste  begehen  (vgl.  Ex  32  6),  sind  die  geweihten  Lustdirnen, 
die  sich  im  Dienste  der  Gottheit  prostituieren,  s.  zu  Dtn  23  isf.  Wenn  so 

die  Väter  und  Männer  es  treiben,  kommt  das  einsichtslose  Volk  d.  h.  das  junge 
Volk  und  besonders  die  jungen  Weiber  zu  Fall,  zumal  wenn  Wein  und  Most, 
die  ja,  wie  bekannt,  an  den  festlichen  Tagen  nicht  fehlen  vgl.  Jes  28  i  I  Sam 
1  14,  den  Alten  wie  den  Jungen  den  Verstand  benehmen.  Durch  den  Zu- 
sammenhang erhalten  die  beiden  maschalartigen  Stichen  v.  14^  und  v.  ii  einen 
spezielleren  Sinn  und  sind  daher  nicht  als  Glossen  mit  Nowackzu  beanstanden. 

Von  15  an  bis  zu  Ende  des  Capitels  ist  der  Text  so  verdorben  überliefert,  dass  es 
schwer  gelingt,  nur  einigermassen  sich  hindurch  zu  finden.  Jedenfalls  ist  mit  v.  15  nichts 
Rechtes  anzufangen.  Auf  einmal  soll  Israel,  von  dem  sonst  in  der  dritten  Person  ge- 
sprochen wird  (v.  12  13),  angeredet  sein  und  doch  Juda  gewarnt  werden;  ebenso  ist  das 
D«,  wenn,  für  Hosea  fraglich,  für  den  doch  Israels  Hurerei  feststeht.  Man  ist  versucht, 
"*  ['^?^'7]  '"^?^  ^^)  ^^^^  hurerische  Gesellschaft  ist  Israel  [geivorden],  zu  lesen;  aber  der  Ge- 
brauch von  Dt<  in  dieser  Bedeutung  ist  nicht  gesichert.  Darum  ist  vielleicht  eher  v.  15^ 
als  Glosse  eines  Späteren  anzusehen ,  der  in  den  Mund  Hoseas  eine  Beziehung  auf  Juda, 
ähnlich  wie  1  7,  legte:  Wenn  du,  Israel,  hurst,  so  möge  doch  Juda  sich  nicht  versündigen, 
und  der  den  Gottesdienst  Nordisraels  als  Hurerei  d.  h.  als  Abfall  von  dem  in  Juda  treu 
verehrten  Jahwe  beurteilte.  Dieselbe  Hand  oder  die  eines  noch  Späteren  hat  dann  auch 
nach  Am  5  5  die  "Warnung  vor  dem  Besuche  der  israelitischen  Heiligtümer  hinzugefügt. 
Über  b^b^n  vgl.  zu  Am  4  4,  über  ]')^  r\^^  =  h^'r\^2  s.  zu  Am  5  5^.  Das  letzte  Glied  warnt 
deutlich  vor  dem  Besuche  Beer-Scheba's,  sei  es,  dass  die  Anspielung  auf  Beer-Scheba*"  in 
dem  Verb  ^J^nis^ri"^«,  etwa  =  schwört  nicht  den  Siebenschivur,  zu  sehen,  sei  es,  dass  5?nc^  "i«!in 
ausgefallen  ist;  jedenfalls  geht  es  nicht  an,  dieses  letzte  Sätzchen  so  mit  den  vorigen  zu 
koordinieren,  dass  nur  das  mit  dem  Besuche  von  Gilgal  und  Bethel  gleichzeitige  Schwören 
beim  Leben  Jahwes  verpönt  sein  sollte. 


Hos  4  16  45  Hos  4  19 

16  Der  Anfang  scheint  alter  Text  zu  sein;  ich  wage,  16^17  (ausgenommen 
die  zwei  letzten  Wörter)  18''  als  fünfte  hoseanische  Strophe  zu  fassen:  Demi 
wie  eine  sVorrige  Kuh  Ist  Israel  st\)rri(j.  Mit  den  (jl)l%en  im  Bunde  ist  Ephraim, 
Eine  Gesellschaft  von  Yxchern  (1.  mit  Houtsma  D"^SDb  HD).  Das  "^3  schliesst  an 
die  vierte  Strophe  v.  14  an,  um  die  iin])ändige  Art  Israels  zu  zeichnen.  Es 
gleicht  der  störrigen  Kuh,  die  das  Joch  abschüttelt,  vgl  auch  Dtn  21  18  20  und 
bes.  Prv  7  11,  wo  rri^b  von  einem  zügellosen  Weibe  gebraucht  ist,  und  will  von 
Jahwe  nichts  wissen;  dagegen  ist  es  D''?^?^  "^on  d.  h.  liiert,  im  Bunde  mit  den 
Götzen,  den  Idolen,  die,  wenn  es  auch  Jahwebilder  sein  sollen,  für  Hosea  als 
heidnisch  gelten.  Die  Korrektur  in  15O'  s^^^*  constr.  von  "150?  ^^^  Genosse  der 
Idole  (Wellh.,  Nowack),  ist  unnötig.  Damit  hängt  zusammen,  dass  Israel 
auch  ei7ie  Gesellschaft  von  Zechern  ist,  vgl.  bei  y.  u  zu  y.  11,  da  es  an  den 
kultischen  Feiern  des  Volkes  hoch  herging.  Ohne  die  oben  angenommene 
Änderung  ist  D5J^?  1D  unverständlich,  denn  es  kann  weder  ausgeartet  ist  ihr 
Saufen  (Ewald),  noch  ihr  Saufen  hat  ein  Ende  (Orelli),  bedeuten,  und  auch 
es  weicht  ihr  Wein  seil.  Rausch  (Hitzig)  passt  nicht  in  den  Zusammenhang. 

Was  übrig  bleibt  von  v.  16  und  17,  ist  Glosse.  16*^  wird  gewöhnlich,  um  einen 
möglichen  Zusammenhang  herauszubringen,  fragend  gefasst;  aber  ursprüngliche  Zu- 
sammengehörigkeit wird  schon  durch  nin^_  in  der  Jahwerede  ausgeschlossen.  Ich  sehe 
daher  y.  16^  als  spätere  Einfügung  an,  die  eine  Weissagung  für  die  glückliche  Endzeit,  wo 
der  Charakter  und  damit  auch  das  Geschick  Israels  sich  geändert  hat,  enthält,  wie  2  1-3 
(vgl.  auch  3  0):  nunmehr  wird  Jahwe  sie  iveiden  wie  ein  Lamm  auf  iveiter  Flur,  sodass  ez 
an  Schutz  und  Nahrung  ihm  nicht  fehlt;  das  T\nv  entspricht  dem  i<^m  üV^  in  der  Parallel- 
stelle Jes  30  23.  In  17  ist  ebenso  l'^Tlin,  lass  es!,  eine  Glosse;  es  ist  eine  Aufforderung 
an  Juda  resp.  den  Leser,  das  mit  den  Idolen  liierte  Ephraim  doch  gehen  zu  lassen,  wenn 
es  denn  nicht  anders  will,  vgl.  II  Sam  16  11.  Die  Übersetzung  der  LXX  I9r^xsv  sauTw 
GxavoaXa  las  l'p'n^in,  wozu  sie  vielleicht  in  Ergänzung  eines  ursprünglichen  D^p  (siehe  zu 
V.  18^  19)  □"•yis^pö  vermutete,  da  sie  den  Text  dahin  verstand,  dass  er  sagte:  mit  den  Götzen 
im  Bunde  ist  Ephraim,  die  es  sich  zu  Gegenständen  des  Anstosses  legte.  Auch  für 
den  Anfang  von  18  hilft  LXX  nicht:  r^psTtas  Xavavaioü^  scheint,  wenn  es  nicht  einfach 
geraten  ist,  D''iS?ipii  inn  vorauszusetzen,  was  aber  nicht  weiter  führt.  Vgl.  oben  die  als  Not- 
behelf acceptierte  Konjektur  Houtsma's. 

18 *"  19  bilden  vermutlich  die  sechste  Strophe,  aber  fast  kein  einziges 
Wort  ist  ohne  Bedenken,  obschon  LXX  bereits  im  Allgemeinen  den  gleichen 
Konsonantentext  vor  sich  gehabt  hat.  Das  Hiph.  ^litri  H^in,  das  man  etwa  zu 
übersetzen  hat:  sie  verayistalten  Un%uchtor gierig  ist  auch  v.  10  und  5  3  in  Kai 
zu  verbessern,  darum  bleibt  es  hier  ebenfalls  unwahrscheinlich;  ^^n  übersetzt 
LXX  nicht,  es  ist  schwerlich  mit  dem  vorangehenden  Worte  als  Pealal  = 
unnns  zu  lesen,  sondern  entweder  als  fehlerhafte  Wiederholung  zu  entfernen 
oder  mit  IIHS  zusammen  in  OHS  ^IHS,  über  alles  lieben  sie,  zu  verbessern,  vgl. 
Ges.-Kautzsch27  §  55  e.  rr^iliD,  mit  unverständlichem  Femininsuffix  =  ihre 
Schilde,  ist  schwerlich  ein  Tropus  für  „ihre  Fürsten";  LXX  ex  cppoaY[xaTo; 
aurrj;  scheint  niS^lp  gelesen  zu  haben,  vgl.  cppüay[ia  =  psj  in  Sach  11  3.  Dies 
verbessert  man  dann  in  Di^^:i):D  und  übersetzt:  Schande  ziehen  sie  ihrem  Ruhme 
vor  d.  h.  Jahwe,  der  ihr  Ruhm  ist;  aber  der  Gegensatz  zu  f>p^  wäre  1U3,  nicht 
]1«5.  In  V.  19  versteht  man  nni^^  (LXX  las  nriiS!  ao  sl)  nicht;  wer  ist  „sie" 

und  was  soll  die  Objektspartikel?   Für  *l*]^,  einbinden,  erwartet  man  zu  dem 


Hos  4  19  46  Hos  5  l 

femininen  Subjekt  nn  das  Femininum.  Am  Schluss  ist  für  DHin^^p,  das  einen 
nicht  vorkommenden  femininen  Plural  von  n^J  voraussetzt,  nach  LXX  Dnin^JtSlp, 
V07'  ihren  Altären^  zu  lesen.  Übersetzt  man  nun  nach  diesen  zunächst  unerläss- 
lichen  Verbesserungen,  so  gewinnt  man  trotzdem  keinen  annehmbaren  Sinn: 
sie  huren  drauf  los^  ziehen  Schande  vor  dem,  der  ihr  Ruhm  ist,  Ein  Sturm- 
wind wickelt  sie  (?)  ein  in  seine  Flügel  und  sie  werden  ob  ihren  Altären  zu 
Schanden.    Nicht  besser  sind  die  weiteren  Konjekturen:  Bachiviann  schlägt 

vor:  nninintrs?:)  w^t^  n^DiiDin  Dn«iy:i  nn  nh^ö  Dn^'^pö  ^^p  ^nn  un«  =-  „sie  lieben 

Hauch  (=  Götzen),  leichter  sind  ihre  Stäbchen  (vgl.  ^pD  y.  12)  als  ein  Körnlein 
(vgl.  Am  9  9);  der  Wind  führt  sie  hinweg  auf  seinen  Fittigen  und  ob  ihren 
Altären  werden  sie  zu  Schanden" ;  Winckler  zieht  DJIi^^  zum  folgenden  Vers 
und  übersetzt:  „ihren  Übermut  —  hinwegführt  (?)  ihn  (1.  Hhl«  =  ini«)  der  Wind 
auf  seinen  Fittigen  und  sie  werden  zu  Schanden  werden  von  ihren  Altären 
weg";  Oettli  liest  V.  19^:  H'^öiD?  ön^'^^l  nn  DHI?  =  „es  packt  sie  zusammen 
der  Wind,  hebt  sie  empor  auf  seinen  Flügeln."  Vielleicht  darf  man  mit 
grösserem  Eingriff  in  den  offenbar  seit  Anfang  verdorbenen  Text  unter  Nicht- 
berücksichtigung von  ni^,  das  mir  nach  Jes  51  19  (vgl.  nn  1?)  hier  vor  nn 
eingesetzt  scheint,  etwa  folgendes  als  dem  ursprünglichen  Wortlaut  näher 
kommend  vermuten :  0^3  (auch  von  Oort  hineingesetzt,  vgl.  das  von  LXX  ge- 
botene axav^ocXa  =  D^^^i^Dp)  ^'äi^^  \  Dn^iö  nsn^  Dn^niii?)?  I  )i^p  nns  nin«  |  uj  nij 

II  DninstöD  =  Sie  alle  hurten  drauf  los,  Liebten  über  alles  Schande;  Vor 
ihren  Gärten  (vgl.  die  Bäume  v.  13)  werden  ihre  Gesichter  erröten,  Und  sie 
werden  sich  schämen  wegen  ihrer  Altäre.  Jes  1  29  w^äre  dann  nur  Nachbildung 
unserer  Stelle,  vgl.  dort. 

5.  Die  Priester  und  der  Hof  bringen  Israel  ins  Verderben  5  1—6  3. 

Auch  dieser  Abschnitt  verläuft  wie  Cap.  4  in  zwei  Absätzen:  5  1-9  und  5  10-14,  die 
aber  durch  den  gemeinsamen  Gedanken,  dass  die  Obrigkeit  das  Unglück  Israels  ist,  zu- 
sammengehalten und  durch  einige  freundlicher  klingende,  später  beigefügte  Yerse  5  15 — 6  3 
abgeschlossen  werden.  Der  späteren  Bearbeitung  gehört  auch  die  Einführung  von  Juda  in 
diesem  Abschnitte  an;  besonders  deutlich  liegt  dies  v.  5  zu  Tage,  ist  aber  auch  für  die 
übrigen  Stellen  nicht  zu  bezweifeln,  s.  die  Auslegung. 

a)  Das  Gericht  über  die  Obrigkeit  wegen  des  Kultus,  zu  dem  sie  das  Volk 
verführt  5  1-9* 

Die  erste  Strophe  1^:  Hört  dies,  ihr  Priester^  Und  merkt  auf,  Israeliten! 
Und  ihr  königlichen  Beamten  gebt  acht!  Denn  euch  gilt  der  Urteilsspruch! 

^^)sn  n^5  ist  der  königliche  Hof,  die  obersten  Beamten ;  diese  samt  den  Priestern 
sollen  aufmerken,  denn  tOSl^>sn  Ulh,  euch  besonders  gilt  das  Urteil.  Wenn  da- 
neben die  Israeliten  insgesamt  noch  zum  Aufhorchen  aufgerufen  werden,  so 
kann  das  die  besondere  Beziehung  auf  die  Priester  und  den  Hof  nicht  stören, 
jedenfalls  ist  ^  h^^^\  n*"?  nicht  mit  Oettli  zu  entfernen;  denn  die  Israeliten 
sollen  hören,  wie  Jahwe  mit  ihren  Autoritäten  ins  Gericht  geht. 

Die  zweite  Strophe  1^  2:  Denn  eine  Schlinge  seid  ihr  geworden  für 
Mispa  Und  ein  ausgespanntes  Fangnetz  auf  dem  Tabor  Und  die  Fallgrube  zu 
Sittim  macht  ihr  tief  Und  keine  Besserung  giebts  für  euch  alle.  *•?  ist,  wie  in 
4  1  das  zweite  ''3,  nicht  einfach  recitativ,  sondern  den  vorangehenden  Stichos 


4 


Hos  5  1  47  Hos  5  5 

erklärend  und  be^a^ündend:  Das  Urteil  ergeht  über  Priester  und  Hof,  denn  an 
ihnen  liegt  die  Schuld.  Sie  besteht  in  den  kultischen  Orgien,  die  sie  besonders 
an  den  drei  genannten  heiligen  Stätten  eingerichtet  haben  und  mit  denen  sie 
das  Volk  zu  Fall  bringen  (vgl.  4  u).  Mit  Mlspa  ist  wohl  Mispa  in  Gilead  ge- 
meint, vgl.  Jdc  10  17;  es  wird  mit  es-Salt  zu  identifizieren  sein,  in  dessen  Nähe 
der  Dschebel  Osche  liegt  (vgl.  Baedeker  Palast.^  162),  welcher  zum  Tahor, 
heute  Dschebel  et-^ör,  östlich  von  Nazareth,  ein  passendes  Gegenstück  bihlet. 
2  Für  das  unverständliche  5|p'^Dj;n  D^toli^  Htont^^l  hat  man  zu  lesen  D'^lSt^n  nntr^l 
^"'prn  oder  mit  Umbreit,  Wellh.  u.  a.  ^p'^PJ^n  D"^t2^n  nnm  =  und  die  Grube 
von  Sittlin  machlen  sie  lief,  resp.  nplö^  ^n  rin^l  und  eine  tiefe  Grube  in 
Sitlim.  Aus  Num  25  i  ist  has-Sittim  als  der  Lagerort  bekannt,  wo  die  Israe- 
liten sich  zu  Ba  al  Pe  or  verführen  liessen;  es  liegt  Jericho  gegenüber  auf  der 
linken  Seite  des  Jordans  und  war  damals  im  Besitze  Nordisraels  vgl.  zu  Am 
6  14.  Schon  die  Vergangenheit  legte  es  nahe,  an  diesem  Platz  die  verführeri- 
schen Kulte  wieder  aufleben  zu  lassen.  Die  Grube  ist  so  gut  ein  Mittel  zum 
Fang  der  Tiere  wie  Falle  und  Net%  vgl.  Am  3  5  Jer  5  26  (corrig.  Text).  Für 
"ID^'I:^,  Zz/rA^  =  Vollstrecker  der  Züchtigung,  liest  LXX  1d;;P  TraiocDT-/;;,  was  den 
Gedanken  abschwächt,  eher  hat  sie  wohl  recht  mit  oulcüv,  D^^^b  für  D^Db.  Jeden- 
falls  aber  empfiehlt  sich  durch  den  Sinn,  für  ''iSI  mit  Chetne  \)^\  zu  lesen:  Und 
keine  Besserung  giebt's  für  euch  alle^  jede  Besserung  ist  ausgeschlossen. 
Daran  knüpft  sehr  gut  an 

die  dritte  Strophe  3^  4*:  Ich^  ich  kenne  die  Ephraimiten  Und  die  Israe- 
liten sind  mir  nicht  verborgen;  Ihre  Thaten  machen  es  ihnen  unmöglich^  Um- 
%ukehren  %u  ihrem  Gotte.  Abgewendet  von  den  vorher  angeredeten  Israeliten 
schildert  Jahwe  jetzt  ihre  gänzlich  verderbte  Art.  Zu  lesen  ist  v.  4^  D^iH^  ^^, 
vgl.  das  folgende  D  (so  jetzt  auch  Oettli);  zu  der  Konstruktion  und  dem  Sinn 
von  ]T\^  mit  folg.  persönl.  Obj.  und  b  cum  inJfin.  vgl.  z.  B.  Gen  20  6  Ex  3  19: 
jemandem  ettvas  %u  thun  erlauben;  das  Thun  und  Treiben  der  Israeliten  ist, 
wie  Jahwe  wohl  weiss,  derart,  dass  jede  Umkehr  unmöglich  ist.  Zu  dem  Ge- 
danken vgl.  Jer  13  23  Bm  6  16  Joh  8  34.  3''  ist  „eine  matte,  abschwächende 
und  völlig  überflüssige  Explikation,  vielleicht  aus  6  lo"  (Wellh.),  also  Glosse 
(so  auch  Nowack);  Änderung  von  nny  in  nn^  (Wellh.,  Nowack,  Oettli) 
verlohnt  sich  nicht,  was  soll  die  Hervorhebung  des  du?  Das  j^/s^  will  vielmehr 
die  böse  Schilderung  Israels  auf  die  Gegenwart  limitieren.  Dagegen  ist  mit 
Oettli  H'^iJ  für  n^'^tn  zu  lesen,  das  H  von  nnj;  ist  doppelt  geschrieben.  4^^  ist 
eine  ebenso  überflüssige  Explikation,  wie  v.  3^;  es  ist  eine  Glosse,  die  aus  4  12 
stammt. 

Die  vierte  Strophe  5  6:  Der  Stolz  der  Israeliten  zeugt  klar  tcider  sie 
Und  die  Ephraimiten  straucheln  durch  ihre  Schuld.  Mit  ihren  Schafen  und 
Rindern  ziehn  sie  daher ^  Um  mich  zu  suchen ,  ohne  zu  finden.  Das  klarste 
Zeugnis  gegen  die  Israeliten  und  den  sichersten  Beweis  für  ihre  Unverbesser- 
lichkeit legt  ihr  Hochmut  ab,  in  dem  sie  ihr  Thun  und  Treiben,  ihren  Kultus 
und  Gottesdienst,  für  Jahwe  wohlgefällig  ansehen  und  darum  nicht  von  Ferne 
an  eine  Umkehr  denken  (vgl.  v.  4).  n^j;"]  mit  folgendem  V^M  kann  nur  bedeuten: 
offenes^  klares  Zeugnis  loider  jemand  ablegen;  für  HiJ^I  ist  wohl,  da  es  sich  nicht 


Hos  5  5  48  Hos  5  7 

um  die  Zukunft,  sondern  um  gegenwärtige  Beweise  handelt,  Tii)^]  zu  lesen.  Was 
im  ersten  Stichos  der  Is?'aelzten  Stolz  heisst,  nennt  Hosea  im  zweiten  sar- 
kastisch ihre  Yei^fehlungy  ihre  Schuld.,  an  der  sie  zu  Falle  kommen.  ^i?$1li^^'! 
vor  D1"!)?iJl  ist  als  stehengebliebenes  Versehen  eines  Schreibers  zu  streichen. 
Ebenso  ist,  wie  auch  Valeton  erkannt  hat,  es  strauchelte  auch  Juda  wie  sie 
sekundär;  die  Glosse  soll  die  Notiz  bringen,  dass  auch  Juda  durch  den 
Dienst  an  den  Höhen  seinen  Untergang  verschuldet  hat.  Als  Glosse  verrät 
sich  das  Sätzchen  schon  durch  die  Verbindungslosigkeit,  dann  durch  das 
nackte  Perfectum  ^^3  und  endlich  durch  das  DJ,  das  überall  zeigt,  wie 
diese  Juda  betreffenden  Aussagen  nachgetragen  sind,  vgl.  auch  6  ii.  6^ 

schildert  das  Treiben,  das  der  Stolz  der  Israeliten  ist:  Sie  kommen  daher- 
gezogen  mit  ihren  Schafen  und  Rindern  zum  Opfer,  um  mich  zu  suchen.  Hier 
ist  Jahwe  auch  im  Munde  Jahwes  vielleicht  haltbar;  sie  meinen  „Jahwe",  wie 
sie  sagen,  zu  opfern,  doch  liest  man  besser  ''^'^i^?^  statt  n5n;^"njj  ^'i?.?'?.  Mit 

•l^^^p*;  i^b\  ist  kurz,  aber  kräftig  das  Vergebliche  ihres  Thuns  gezeichnet.  6^ 
DHD  *fyr\  bietet  grosse  Schwierigkeiten,  da  das  Verbum  nirgends  sonst  intransitiv 
=  sich  entziehen^  sondern  nur  transitiv  =  ausziehen  z.  B.  den  Schuh  Jes  20  2 
Dtn  25  9,  vorkommt.  Auch  wenn  man  gleichwohl  übersetzt:  er  hat  sich  ihnen 
entzogen^  so  ist  der  Gedanke  Hosea  nicht  entsprechend;  denn  nicht  weil  Jahwe 
sich  den  Israeliten  entzogen  hat,  ist  er  bei  den  Opfern  nicht  zu  finden;  dort  ist 
er  überhaupt  nicht  zu  suchen,  Jahwe  fordert  andres  als  Opfer  vgl.  6  6.  Es  wird 
daher  das  Wort  als  Glosse  zu  betrachten  sein,  die  auf  v.  15  hinweisen  soll,  v>'0 
von  einer  Entfernung  Jahwes  von  Israel  die  Hede  ist;  y.  15  ist  aber  selber 
sekundär,  s.  dort.   Die  Konjektur  ^bn,  vorübergleiten^  (Oort)  hilft  nicht  viel. 

Die  fünfte  Strophe  7  setzt  in  der  ersten  Hälfte  noch  die  Schilderung 
der  Natur  der  Israeliten  fort,  begründet  einerseits,  warum  jede  Hoffnung  auf 
Besserung  unmöglich  und  ein  Jahwefinden  ausgeschlossen  ist,  motiviert  aber 
damit  andrerseits  auch  die  in  der  zweiten  Hälfte  angedrohte  Strafe.  Zu  lesen 
ist  "^^  statt  mn^l  und  davor  ein  nach  DHn  leicht  zu  übersehendes  oder  am  Ende 
geradezu  in  dieses  DHD  verdorbenes  DH"''?,  vgl.  auch  otl  zu  Anfang  in  LXX, 
ferner  ^^\  vor  D'^^S,  das  \  ist  in  dem  i  von  H^^  untergegangen;  zu  dem  Gebrauche 

von  ^^\  •••••'?  im  Sinne  von  denn  nicht  nur sondern  sogar  oder  denn 

,  ...  ja  sogar  vgl.  Jes  65  16.  Demnach  lauten  die  beiden  ersten  Stichen:  Denn 
sie  selber  sind  mir  treulos  geworden  Und  haben  auch  ein  abtrünniges  Ge- 
schlecht in  die  Welt  gesetzt  d.  h.  es  handelt  sich  nicht  um  einen  einmaligen 
Abfall,  um  eine  einzelne  abtrünnige  Generation,  sondern,  da  die  zweite  Genera- 
tion ebenfalls  D^'IJ  abtrünnige  sind,  die  ganz  der  Art  der  Eltern  nachschlagen, 
um  eine  völlig  verseuchte  Nation.  D^lt  D'^iS  sind  nicht  uneheliche  Kinder,  son- 
dem  Kinder,  die  Jahwe  fremd  gegenüberstehen  (vgl.  8 12);  die  Israeliten  sollten 
seine  Kinder  und  Diener  sein,  aber  der  Abfall  sitzt  so  tief,  dass  die  neue 
Generation  von  ihm  schon  nichts  mehr  weiss,  seine  richtige  Verehrung  nicht 
kennt;  für  ihn  sind  sie  ein  ganz  entartetes  Bastardgeschlecht.  Die  Seuche  ist 
der  von  den  Israeliten  geübte  Kultus;  was  Jahwe  dagegen  forderte,  ist  Liebe 
und  Treue  vgl.  6  6  und  s.  Maeti  Gesch.  der  isr.  Rel.^  178.  1^  schliesst  sich 
gut  die  Ankündigung  von  Strafe  an,  leider  sind  aber  die  beiden  Stichen 


Hos  5  7  49  Hos  5  10 

vorstümmelt.  ti^lh,  Neumond,  Neumond  frier,  ist  doch  kein  passendes  Subjekt 
zu  D^?^^'';  vermutet  man  nach  ipocjtfj-rj  der  LXX,  das  man  als  vermehrtes  Ep'ja 
=  tyin  betrachten  wollte,  1  für  "I,  so  ist  es  ebenso  unbefriedigend,  wenn  man 
li^inr?  DSb^l,  =  er  wird  sie  hindern  ihre  Felder  zu  pflügen,  annimmt,  als  wenn 
man  blos  ti^lh  liest  und  dies  als  Objekt  fasst:  er  wird  sie  verzehren,  den  Pflüger 
samt  ihren  Ackern.  Dagegen  spricht  das  Pluralsuffix  in  üT['^\hT\,  und  nach  dem 
Folgenden  erwartet  man  schon  eine  deutlichere  Hinweisung  auf  den  Krieg. 
Wellh.  denkt  an  l''in^  für  ti^lh,  dann  bliebe  Jahwe  Subjekt:  er  wird  sie  ver- 
zehren, er  wird  ihre  Acker  verwüsten.  Besser  scheint  mir  der  Vorschlag  von 
OoET,  IT^nti^D  für  ü^h  zu  lesen;  dann  aber  wird  hinter  demselben  noch  ein  Verb 
ausgefallen  sein,  etwa  ^''IH^'j  oder  Uinj.'j  (ohne  "ilij),  so  dass  die  Drohung  lautete: 
Nun  so  soll  sie  ver%ehren  ein  Vertilger  Und  sollen  verwüstet  werden  ihre 
Felder. 

Die  sechste  Strophe  8  zeigt,  wie  das  y.  7^  angekündigte  Gericht  sich 
vollzieht.  Selbst  im  Süden  des  israelitischen  Reiches,  in  Benjamin,  wird  Alarm 
geblasen;  denn  bis  dahin  dringt  das  von  Norden  hereinbrechende  Verderben: 
Stosst  in  die  Posaune  %u  Gibea,  In  die  Trompete  %u  Rama^  Schlagt  Lärm  in 
Bethel,  Es  bebe  Benjamin  vor  Schrecken!  Gibea  (vgl.  auch  9  9  10  9)  ist 

Gibea-Benjamin,  das  heutige  Teil-  oder  Tulel-el-fül  (vgl.  Jdc  19  13)  am  AVege 
von  Jerusalem  nach  Näbulus,  an  dem  etwas  nördlicher  auch  Rama^  das  heutige 
er-Räm,  und  Bethel^  das  heutige  Betin^  liegen,  vgl.  Bädeker  Palast.^  242 f. 
]1«  n^?  ist  schwerlich  eine  besondere  Ortschaft,  wie  Sellin  MNDPV  1899,  99f. 
1900, 1—4  zu  erweisen  sucht,  sondern  nur  eine  auf  Grund  von  Am  5  5  auch 
hier  eingedrungene  Entstellung  von  ^S  il'^S,  vgl.  auch  4  15;  hier  ist  ^S  n**?  her- 
zustellen, vielleicht  sogar  ^S  H*^??,  da  doch  bei  einem  Eigennamen  die  eupho- 
nischen Gründe  zur  Weglassung  des  erforderlichen  21  kaum  genügen,  vgl. 
übrigens  Ges.-Kautzsch^'  §  118g.  Zu  nsiti^  ^Vj?^  vgl.  Am  3  6  Jo  2  i,  zu 

5|V^in  ebenfalls  Jo  2  i.  Für  ^^^Hi??,  das  aus  Reminiscenz  an  Jdc  5  u  ver- 

schrieben erscheint,  ist  mit  Wellh.  u.  a.  n'^inn,  set%t  in  Schrecken,  oder  nach 
LXX  l^oTY]  (vgl.  11  11)  noch  einfacher  ^^n;;,  es  %ittere  vor  Schrecken^  zu  lesen; 
vgl.  Am  3  6. 

Die  siebente  Strophe  9:  Das  Resultat  ist  die  Verwüstung  Nordisraels 
und  sicher  trifft  das  gedrohte  Gericht  ein.  Ephraim  wird  zur  Wüste  werden 
Am  Tage  der  Züchtigung,  Über  die  Stämme  Israels  Verkünde  ich  Zuver- 
lässiges, Ü1^?^f  zeigt  deutlich,  dass  nur  die  nordisraelitischen  Stämme 
gemeint  sind,  wie  denn  auch  vorher  Jerusalem  nicht  erwähnt  ist.  Um  Juda 
kümmert  sich  erst  die  spätere  Bearbeitung  s.  zu  v.  5.  ?  hat  hier  nicht 
den  Sinn  von  in^  unter ^  sondern  von  in  Betreffe  was  angeht,  in  Sachen.  Das 
Perf.  ''HJ^Iin  =  hiermit  habe  ich  verkündet  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  106  i. 

b)  Die  Rechtlosigkeit  und  innere  Auflösung  sind  soweit  vorgesehritten, 
dass  eine  Heilung  unmöglich  ist  5  io-i4. 

Dass  hier  nun  mehrmals  Juda  erscheint,  muss  auffallen;  bis  hierher  ergab  sich, 
dass  dasselbe  überall,  wo  es  im  Texte  anzutreffen  war,  einer  späteren  Hand  sein  Dasein 
verdankte,  vgl.  1  7  22  4  15  5  5.  Auch  hier  ist  es  nicht  anders;  denn  5  13  müsste  'prm\ 
auch  hinter  n^K^*l   stehen,    wenn  wirklich   hier  Juda  und  Ephraim  schon  ursprünglich   in 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  4 


Hos  5  10  50  Hos  5  13 

Parallele  gesetzt  wären.  Es  ist  demnacli  auch  hier,  wie  es  nach  allem,  was  wir  bis  dahin 
von  Hosea  gelesen  haben,  nur  natürlich  ist,  allein  von  Nordisrael  die  Rede  gewesen  und 
für  ni^in^  ist  das  ursprüngliche  hi<']\i^)  wieder  herzustellen.  Zu  der  Gerichtsankündiguug 
für  Ephraim  in  5  1-9  tritt  hier  nicht  die  für  Juda,  sondern  zu  dem  dort  verurteilten  kul- 
tischen Schaden  Israels  wird  hier  das  Urteil  gefügt,  das  dasselbe  Israel  infolge  seiner 
moralischen  und  rechtlichen  Verwahrlosung  verdient.  Ygl.  Marti  Gesch.  der  isr.  Rel.* 
119  und  jetzt  auch  Nowack. 

Die  erste  Strophe  10:  Ute  Machthaber  Israels  sind  geworden  Wie  die^ 
die  Marksteine  verrücken;  Die  will  ich  überschütten^  Wie  mit  Wasser,  mit 
meinem  Grimm.   Lies  ^^'^\  für  TT]\T\\^  s.  Vorbemerkung.  Marksteinver- 

Setzern  gleich  sind  die  israelitischen  Fürsten  geworden,  nicht  weil  sie  die 
Grenzen  des  ganzen  Reiches  etwa  verändert  hätten,  sondern  weiV  sie  durch 
Unrecht  und  Bedrückung  ihre  Untergebenen  um  ihr  Eigentum  bringen  und 
ihren  eigenen  Besitz  erweitern.  Vgl.  Jes  5  8:  das  Wehe  und  Dtn  27  17:  den 
Fluch  über  derartiges  Treiben,  ferner  Mch  2  2  Dtn  19  14.  Diese  ungerechten 
Machthaber  will  Jahwe  mit  dem  ganzen  Schwall  seines  Zornes  überschütten. 

Die  zweite  Strophe  11,  die  weitere  Darlegung  der  in  Ephraim  herrschen- 
den ßechtlosigkeit:  Bedrückung  üben  die  Ephraimiten,  Brechen  das  Becht; 
Denn  es  hat  Israel  beliebt  Nach%uwandeln  dem  Nichtigen.  Für  die  Passiva 
p^t^^j;  und  'p^^^i  (letzteres  mit  tOÖ^D  =  einer,  dessen  Recht  gebrochen  ist,  vgl. 
)ij;  IM  Jes  1  4)  lies,  da  Ephraim  „nicht  beklagt,  sondern  gescholten"  wird 
(Wellh.),  nach  LXX  die  Activa  p^j;  und  l^^h.  Der  zweite  Teil  ist  nicht 

sicher.  Vermutlich  ist  ^«*1^^  nach  'p^'^IH  absichtlich  ausgelassen,  weil  hier 
Israel  nirgends  erscheinen  sollte,  das  ja  sonst  durch  1V!\7\\  ersetzt  ist,  oder 
durch  Versehen  ausgefallen  (vgl.  die  Ähnlichkeit  mit  ^'^^^IH).  Zu  der  Konstruk- 
tion von  '?''«in  mit  folg.  Perf.  ohne  \  vgl.  Dtn  1  5:  1«?  n^D  ^^«IH.  Mit  1?, 
das  sich  noch  Jes  28  lo  i3  in  der  Verbindunor  "s^  \^  findet,  ist  hier  nichts  an- 

Ott-  ' 

zufangen;  als  HJ^)?  ist  es  nach  Form  und  Inhalt  nicht  zu  fassen;  LXX  über- 
setzt oTcioco  Ttüv  [xaxaiajv,  scheint  also  \^  (s.  Hi  15  3i)  =  \^W  vorauszusetzen. 
Damit  ist  vielleicht  wenigstens  der  Sinn  nicht  übel  getroffen,  da  wohl  irgend 
eine  Bezeichnung  der  Bealim,  die  nichts  wert  sind  und  besonders  für  Recht 
und  Sitte  keine  Bedeutung  haben,  zu  erwarten  ist. 

Die  dritte  Strophe  12  13^^  schildert,  wie  in  Israel  die  von  Jahwe  als 
Strafe  für  die  Rechtsverachtung  herbeigeführte  innere  Fäulnis  fühlbar  wurde: 
Doch  ich  bin  wie  die  Motte  für  Ephraim  Und  wie  der  Wurmfrass  für  das 
Haus  Israel  Und  Ephraim  wurde  seine  Krankheit  gewahr  Und  Israel  seine 
Eiterung.   Beidemal  ist  ^^'y^\  für  7XViT\\  zu  lesen,  s.  Vorbemerkung.  Wie 

:2p1,  Wurmfrass,  Knochenfrass^  den  menschlichen  Organismus  zerstört  und 
Eiterungen  (*11tD)  verursacht,  so  bereitet  Jahwe  dem  staatlichen  Organismus 
die  Auflösung  und  Zersetzung;  gemeint  sind  die  inneren  Wirren  in  Nordisrael, 
durch  die  die  Ordnung  im  Staate  zerstört  wurde  und  die  mit  den  Entthronun- 
gen und  Usurpationen  die  Grossen  in  verschiedene  Parteiungen  trennten;  man 
denke  an  die  Entthronung  und  Ermordung  Sacharjas  durch  Sallum  und  Sallums 
durch  Menahem!  Die  Krankheit  ist  oft  als  Bild  gebraucht  für  die  Verdorben- 
heit und  Gebrechlichkeit  eines  Staatswesens  vgl.  Jes  1  5f,  17  4  ii  Jer  30  12  13. 

Die  vierte  Strophe  13^P'\  das  verkehrte  Mittel,  durch  Anlehnung  an 


Hos  5  13  51  Hos  5  U 

fremde  Stützen  die  innere  Krankheit  zu  heilen:  Und  es  ging  Ephraim  %u  Assur 
Und  Israel  %wn  Grosslwnig;  Ah  er  der  wird  nicht  im  Stande  sein,  es  zu  heilen, 
Und  wird  ihm  die  Eiterung  nicht  vertreif)en.  Es  ist  die  alte  und  immer  neue 
Geschichte,  durcli  äussere  Stützen  ein  inneres  Übel  zu  beseitigten,  statt  dem 
kranken  Gebilde  im  Innern  gesunde  und  neue  Kräfte  zuzuführen:  Kultus  und 
Politik  statt  Religion  und  Ethik.  Wäre  in  unserm  Abschnitt  ursprüng- 

lich auch  von  Juda  die  Rede  gewesen,  so  müsste  es  hier  als  Subj.  zu  nb^^  da- 
stehen, wie  auch  AVellh.  und  Oettli  es  geradezu  nach  H^l^^l  in  den  Text  ein- 
setzen wollen.   Aber  dann  muss  man  auf  unbekannte  Vorgänge  rekurrieren, 
da  Juda  schon  vor  Ahaz,  der  wegen  äusserer  Feinde  Verbindung  mit  Assur 
suchte,  wegen  innerer  Schäden  die  Assyrer  zu  Hilfe  gerufen  hätte.     Auch 
würde  man  im  Munde  des  Propheten  die  Anrede  mit  DD^  an  Juda  und  Israel 
zusammen  doch  schwerlich  verstehen,  und  endlich  würde  die  Einsetzung  von 
nn^iT  den  Stiches  ungehörig  verlängern.     Es  ergiebt  sich   somit  auch  hier 
wieder,  dass  von  Juda  nicht  die  Rede  ist;  Subj.  zu  Th^'')_  ist  D*;iDiJ,  wenn  man 
nicht  lieber  für  nb^^5  geradezu  ^i^l^l*!  einsetzen  will,  wie  der  genaue  Parallelis- 
mus zu  V.  is^^'  zu  erfordern  scheint.  Für  nny,  zu  dem  nicht  IltD,  sondern 
fc^^n  Subj.  ist,  lese  man  das  transitive  Hiph.  7^T\y  (Wellh.,  i!sowACK,  Oettli), 
ferner  für  Ülh  und  DSD  die  hier  überall  vorher  und  nachher  gebrauchte  3.  pers. 
sing,  f^  und  ^^^D;  die  2.  plur.  stammt  vom  Bearbeiter,  der  Juda  eingesetzt  und 
überall  Israel  und  Juda  vor  Augen  hat.  n*]J  T[|pD  kann  nach  10  6  (s.  dort) 
nur  der  assyrische  König  sein,  der  Vermutung  von  Win cklee  (Musri,  Meluhha, 
Main  I,  31  f,  II,  5,  vgl.  jedoch  jetzt  auch  KAT^  150f.),  dass  nn[ri]^  ^^D  b^,  zum 
König  von  Jathrib-Medina,  also  zum  König  des  nordarabischen  Reiches  zu 
lesen  sei,  ist  daher  ebenso  wenig  zu  folgen,  wie  der  von  Hgivimel  (Aufsätze  u. 
Abhandl.  S.  313)  und  0.  Weber  (in  Mitteilungen  der  Vorderasiat.  Gesellsch. 
1901,  32),  dass  2T  das  im  Norden  Arabiens  zu  suchende  Reich  Aribi  sei. 
Warum  der  Assyrerkönig  DT  'Jj'^D  heisst,  ist  nicht  sicher;  man  denkt  gewöhn- 
lich an  ein  von  D'1  abgeleitetes  Nomen  Streitbar,  und  in  der  That  wäre  König 
Raufbold  oder  Kampfhahn  keine  so  unpassende  Bezeichnung  für  die  assyrischen 
Könige  dieser  Periode.    Wahrscheinlich  ist  aber  besser  mit  Cheyne  (The  Ex- 
positor  1897  Nov.  S.  364,  1898  April  S.  320),  W.  Max  Müllee  (ZAT  W  1897 
S.  334—336)  und  W.  Riedel  (Alttest.  Untersuchung.  17  f.)  ni  "^J^D  resp.  unter 
Beibehaltung  der  in  einem  halben  Nomen  proprium    leicht    verständlichen 
alten  Nominalendung  ^1  "^S^D  =  Grosskönig  oder,  wenn  man  der  LXX  lapsitx 
folgt,  D'J  "^^D  resp.  tr\  "»sbl?  =  Hochkönig  zu  lesen.     Das  erste  entspricht  am 
besten  dem  bekannten  Titel  sarru  rabü  des  Assyrerkönigs,  vgl.  die  hebr.  Wieder- 
gabe ^n^D  "^I^^O  Jes  36  4.               Es  leidet  keinen  Zweifel,  dass  Hosea  hier  an 
den  Tribut  anspielt,  den  Menahem  im  Jahre  738  an  den  assyrischen  Gross- 
könig  Tiglat-Pileser  III.   entrichtet  hat,  um  seine  Herrschaft  in  Israel  zu 
festigen  (vgl.  II  Reg  15  I9f.).   Damit  ist  aber  auch  die  Zeit  Hoseas  genau  be- 
stimmt: seine  Rede  5  io-i4  fällt  nach  738,  aber  vor  735/4,  wo  Nordisrael  mit 
Syrien  im  Bunde  gegen  Assyrien  auch  Juda  zum  Eintritt  in  dieses  antiassy- 
rische Bündnis  zwingen  wollte. 

Die  fünfte  Strophe  14  giebt  den  Grund,  warum  der  assyrische  Arzt  nicht 

4* 


Hos  5  14  52  Hos  5  15 

helfen  kann:  Denn  ich  bin  tcie  der  Lowe  für  Ephraim  Und  wie  der  Leu  für 
das  Jlaus  Israel;  Ich  ich  raube  und  gehe  davon.  Ich  schleppe  fort  und  niemand 
rettet.  „Wenn  die  Schuld  bleibt,  ist  gegen  das  Verderben  kein  Kraut  ge- 
wachsen; Jahwe  lässt  sich  nicht  spotten.  Die  Motte  wird  nun  ein  Löwe,  die 
schleichende  Gefahr  wird  acut,  w4e  es  scheint,  unter  den  Händen  des  herbei- 
gerufenen assyrischen  Arztes  selber"  (Wellh.).  Für  7VV\T\\  ist  auch  hier  ^i^'j'^l 
zu  lesen.  Der  Löwe  heisst  bxw  wegen  seines  Gebrülls,  l'^D^,  sobald  seine  Mähne 
gew^achsen  ist.  Zu  dem  Fortschleppen  der  Beute  durch  den  Löwen  vgl.  1  Sam 
17  34.  Jahwe  ist  es,  der  raubt,  mag  auch  der  Vollstrecker  des  Gerichts  der 
Assyrer  sein;  vgl.  Jes  5  29,  wo  ebenso  wie  hier  der  Prophet  mit  ^''•iD  X'i^\ 
abschliesst. 

c)  Ein  tröstlicher  späterer  Anhang*,  der  einen  Ausblick  auf  die  glückliche 
Zukunft  der  AViedervereinigung  mit  Jahwe  thut  5  15—6  3. 

Der  Abschnitt  5  15 — 6  3  deutet  die  trostlose  Verkündigung  von  5  14,  dass  Jahwe 
davonzieht  und  für  Israel  keine  Rettung  mehr  ist,  um,  indem,  er  die  gedrohte  Vernichtung 
und  die  Verlassenheit  von  Jahwe  nur  als  vorübergehend  fasst  und  auf  einen  ])estimmten 
Zeitraum  einschränkt:  Der  verstorbene  Kranke  lebt  wieder  auf  nach  wenig  Tagen,  wenn 
er  Jahwe  ernstlich  sucht.  Das  aber  kann  nicht  als  genuine  Fortsetzung  der  nur  zu  be- 
stimmt lautenden  Worte  Hoseas,  sondern  nur  als  späterer  Zusatz  von  fremder  Hand  ge- 
fasst  werden^  der  wie  so  mancher  andere  derartige  Anhang  (vgl.  2  1-3  15^-25)  von  dem 
späteren  Glauben  aus  die  Korrektur  der  alten  prophetischen  Verkündigung  geben  und 
der  Unheilsdrohung  die  Glücksverheissung  entgegenstellen  soll,  vgl.  meinen  Commentar 
zu  Jesaja  Einleitung  III  13  4  IV  5,  ferner  zu  Am  9  8-15.  Hosea  hätte  mit  diesen  "Worten 
seiner  Drohung  geradezu  die  Spitze  abgebrochen  und  in  den  Mund  Jahwes  eine  sonder- 
bare Selbstkorrektur  gelegt.  Dass  es  sich  um  Korrektur,  nicht  um  ursprüngliche  Weiter- 
führung handelt,  zeigt  sich  deutlich  auch  an  vielen  Einzelheiten:  ij^s  v.  15  nimmt  "^^XT 
von  V.  14  wieder  auf  und  schwächt  seine  Tragweite  ab,  wie  f)"i^  6  1  mit  f)^p^<  5  14  ver- 
fährt. Die  V.  13f.  als  unmöglich  hingestellte  Heilung  wird  6  if.  in  Aussicht  genommen. 
Hosea  schloss  mit  ^'••iJö  T'«,  der  Zusatz  verkündet  das  Gegenteil.  Auf  eine  spätere  Her- 
kunft weisen  auch  sprachliche  Indicien;  denn  DH^  n^n  und  das  Verb  nn^  kommen  nur  in 
späteren  Schriften  vor,  s.  die  Auslegung.  So  innig  und  ergreifend  die  Worte  dieses 
Sündenbekenntnisses  lauten,  sie  können  deshalb  nicht  Hosea  zugeschrieben  werden;  der 
spätere  Verfasser  hat  sich  wohl  Jer  3  22 ff.  zum  Vorbild  genommen.  Vgl.  noch  Schluss- 
bemerkung zu  6  3. 

Der  ganze  Zusatz,  zu  dem  noch  6  5^  hinzuzunehmen  ist,  besteht  aus  fünf  Strophen, 
die  sämtlich  Tristiche  sind,  wenn  wir  die  ersten  Worte  in  5  15  (vor  n^«  15?)  als  Einleitung 
für  sich  rechnen  dürfen;  andernfalls  ist  die  erste  Strophe  ein  Tetrastich. 

Vgl.  Marti  Gesch.  der  isr.  Rel.2  164  3  4  170 ;  Cheyne  in  W.  H.  Smith's  The  Pro- 
phets  of  Israel  (New  edition)  XX  f. ;  Volz  Die  vorexil.  Jahweprophetie  33 ;  Grimm  Euphem. 
Liturg.  Appendixes  69 — 72;  ausserdem  Giesebrecht  Beiträge  zur  Jesajakritik  207—209. 

15,  die  Einführung  des  Zusatzes  und  das  erste  Tristichon,  giebt  die 

Korrektur  zu  v.  14'^  spec.  zu  dem  wiederaufgenommenen  "JJ^iSl:  Ich  gehe  fort^ 

will  zurückkehren  an  meinen  Ort,  (nun  folgt  das  Tristichon :)  Bis  dass  sie 

stut%ig  werden  Und  aufsuchen  mein  Angesicht,  In  ihrer  Not  nach  mir  suchen. 

Handelt  es  sich  v.  14  um  ein  Weggehen  als  solches,  so  wird  hier  nun  limitierend 

angegeben  wohin:  Jahwe  geht  ayi  seinen  Ort,  worunter  weder  Jerusalem,  noch 

der  Sinai,  sondern  nur  der  Himmel  verstanden  werden  kann,  vgl.  Mch  1  3,  Die 

Vorstellung  von  dem  "Wegzug  Jahwes  von  seinem  Volke  während  der  Zeit  des 

Exils  s.  bei  Hes  8  12  10  19  11  23  Sach  8  3.  Die  Gottveiiassenheit  im  Exil 


Hos  5  15  53  Hos  6  3 

bringt  die  Weggeführten  da/u,  dass  sie  stut^Uj  werden^  ].  löb^^  oder  löt?^';  von 
Dö!J^  nach  TjXX  (Wellie.  u.  a.)  für  ^öti^«^  das  weder  in  der  J^cideutung  von 
sldi  versclnddcn^  noch  von  die  Schuld  hiissen  hier  passt,  die  Bedeutung  die 
Schuld  fühlen  (Guthe)  aber  nirgends  (auch  niclit  Ia»v  54  5  Sach  11  5j  hat. 
Die  Folge  des  Stutzigwerdens  wird  das  Sucdien  Jahwes  sein,  daher  Vwi^p2^,  Perf. 
mit  1  convers.  urh  "1?5  ist  ein  in  den  Psalmen  beliebter  Ausdruck  vgl. 

Ps  18  7  (=  II  Sani  22  7)  66  u  106  44  107  6  9  27,  ausserdem  Dtn  4  30  II  dir  15  4 
Jes  25  4  (späte  Stelle);  ebenso  ist  das  Verb  in^  nui*  spät  nachweisbar,  im  Kai 
Prvll27,imPi.  Hi7  2i8  5  245Prvl  28  7  15  817  1127  13  24  Ps632  78  34  Jes  26  9. 
Zu  der  Form  •'i:j"in^'^,,  Imperf.  auf  ]r  mit  Suflf.,  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  60  e. 

6  1,  das  zweite  Tristichon,  beginnt  das  Sündenbekenntnis  der  einst  im 
Exil  Jahwe  suchenden  Exulanten  (das  von  LXX  gebotene  Xs^ovis;  ist  jedoch 
nicht  als  IbN^  in  den  hebr.  Text  aufzunehmen,  wie  man  auch  nicht  nötig  hat, 
nach  ihr  ^^h  in  riD^i  zu  ändern):  Wohlan,  lasst  uns  umkehren  %ii  Jahwe!  Denn 
er  hat  zerrissen  und  tcird  uns  heilen.  Er  hat  geschlagen  und  wird  uns  ver- 
binden. Lies  mit  Wellh.  u.  a.  "^J^  mit  \  (vgl.  das  vorangehende  1)  entsprechend 
dem  Perf.  ^"itD,  das  hier  durchaus  im  Sinne  von  zerreissen^  %er fleischen  zu 
nehmen  ist,  während  ^^'^  5  14  in  Parallele  zu  N'ü^iSl  rauben  bedeutet.  Über 
das  Bild  von  der  Krankheit  s.  zu  5  12  13^=^,  zu  SSI  und  tS^^n  vgl.  bes.  Jes  3  7. 
Unserm  Tristichon  liegt  der  tiefe  Gedanke  zu  Grunde:  Vor  Gott  giebt  es 
keine  Flucht  ausser  zu  ihm. 

2,  das  dritte  Tristichon,  führt  im  Anschluss  an  den  Gedanken  von  y.  1 
aus,  dass  die  Hilfe  Jah^vesdem  Bussfertigen  in  kurzer  Frist  zu  teil  werden  soll: 
Er  wird  uns  beleben  nach  %wei  Tagen,  Am  dritten  Tage  uns  aufstehen  lassen 
Und  wir  werden  leben  vor  ihm,  Zwei^  drei  Tage  dient  hier  zur  Bezeichnung 
einer  nicht  genau  bestimmbaren,  aber  kurzen  Frist,  vgl.  auch  zu  Amis. 
iTn  und  D^pn  können  sowohl  vom  Genesen-  und  Aufstehen-lassen  von  einer 
Krankheit  (vgl.  das  Kai  7\T\  genesen  Jos  5  8),  als  auch  Wiederaufleben-  und 
Auferstehen-lassen  vom  Tode  (vgl.  Jes  26  19)  gebraucht  werden.  Ist  nach  y.  1 
eher  an  blosse  Krankheit  zu  denken,  so  spielt  hier  doch  der  Gedanke  an  den 
Tod  herein;  denn  der  Verf.  hebt  am  Schlüsse  eigens  das  Leben  vor  Jahwe  d.  h. 
unter  seinen  Augen,  in  seiner  Hut  (vgl.  Gen  17  18),  hervor.  Der  Sinn  ist  also: 
Aus  dem  Exil,  da  das  Volk  dem  Tode  verfallen,  so  gut  wie  tot  war,  lebt  Israel 
wieder  auf,  und  der  Vers  verbindet  mit  dem  Inhalt  von  Hes  37  1-10  und  Jes 
53  den  häufig  ausgesprochenen  Gedanken,  dass  sich  Jahwe  von  denen  finden 
lässt,  die  ihn  suchen,  vgl.  y.  3  Jes  55  6  f.  Jer  29  13  f.  Dtn  4  29  II  Chr  15  2  15, 
ferner  auch  Jahw^es  Ungeduld  und  Drang  zu  helfen  nach  Jes  30  1 8  42  14.  Die 
Hilfe  ist  daher  in  nächster  Zukunft  zu  erwarten.  Zu  der  kirchlichen  Be- 

ziehung von  Y.  2  auf  die  Auferstehung  Jesu  sagt  Calyin  mit  Recht:  sensus 
nie  videtur  mihi  nimium  argutus. 

3%  das  vierte  Tristichon:  So  lasst  uns  erkennen,  darnach  jagen  Nach 
der  Erkenntnis  Jahwes!  Sobald  wir  suchen,  finden  wir  ihn.  Zuerst  die  Auf- 
forderung, die  Bedingung  zu  erfüllen,  die  zu  einem  neuen  Leben  vor  Jahw^e 
führt,  d.  i.  in  ernstlichstem  Eifer  nach  Jahweerkenntnis  trachten;  dann  noch 
einmal  die  Versicherung,  dass  Jahwe  sofort  sich  wird  finden  lassen.       Gottes- 


Hos  6  3.  54  Hos  6  3 

erkennlnis  ist  auch  für  Hosea  das  Fundament  und  die  Grundforderung  der 
wahren  Religiosität  vgl.  4  i  6  6;  aber  hier  klingen  die  Worte  so,  als  ob  man 
dieselbe  durch  eifriges  Studium  von  Tliora  und  Prophetenschriften  erringen 
sollte,  wenn  das  nj;ni  durch  das  folgende  'h  nD^ll?  erklärt  und  gesteigert  wird. 
Übrigens  findet  sich  h  ^"1*3  nur  hier  in  übertragenem  Sinn;  ähnlich  ist  p*!^  '^D'l'l 
Jes  51  1  und  das  neutestamentliche  oicixsiv  Phl  3  12  Rm  9  30 f.  ]1:d}  "inc^3 

IN^ID  „wie  Morgenrot  so  sicher  ist  sein  Aufgang"  ist  im  Zusammenhang  nicht 
verständlich,  besonders  da  nachher  im  Bilde  für  Jahwe  an  Stelle  des  Morgen- 
rotes ein  erquickender  Regen  tritt.  LXX  übersetzt  den  Schluss  £i)py]ao|A£v  ao-ov, 
also  ist  ^ns^D^  oder  ^iS^??4  zu  lesen;  entsprechend  ist  dann  der  Anfang  mit 
GiESEBRECHT  ZU  verbessern  in  ]5  U'irjl^'3:  Wenn  tvir  suchen  (5  15),  finden  wir 
ihn  sofort',  vgl.  zum  Gedanken  v.  2,  ferner  Prv  8  17  1  28  und  zu  ]?♦♦♦♦  2  =  so- 
fort I  Sam  9  13. 

3''^-5^  das  fünfte  Tristichon,  die  Verheissung  herrlichster  Erquickung 
und  schönsten  Glücks:  Und  er  kommt  uns  wie  der  liegen^  Wie  der  Spätregen^ 
der  die  Erde  erquickt^  Und  unser  Recht  geht  wie  das  Licht  hervor.  Für  nni^ 
das  man  schwerlich  als  Verbum  (=-  befeuchten)  zu  ti^lp^D  nehmen  darf,  da 
niV  das  Nomen  für  den  dem  ti^lp^??  gegenüberstehenden  Erühregen  ist,  das 
man  aber  wegen  des  sonst  nicht  mehr  passenden  ]>")JS;  auch  wieder  nicht  als 
Nomen  fassen  kann,  ist  mit  Perles  (Analekten  S.  90)  nach  Jes  55  10  njT,  = 
tränken^  erquicken^  zu  lesen.  Wie  der  befruchtende  Spätregen  die  Erde  tränkt 
und  eine  reiche  Ernte  verschafft,  so  wird  Jahwe  kommen  als  eine  herrliche 
Erquickung  für  das  schmachtende  Volk  und  ihm  reichen  Segen  bringen;  denn 
jetzt  bricht  die  Zeit  an,  da  der  njH^  HD^,  das,  was  Jahwe  wunderbar  sprossen 
lässt,  zum  Ruhme  und  zur  Ehre  Israels  gereichen  wird,  vgl.  Jes  4  2-6,  die 
Erntezeit,  da  Israel  einheimst,  was  sein  durch  die  Leiden  des  Exils  verdienter 
Lohn  ist  und  was  ihm  mit  Fug  und  Recht  gehört.  Diesen  letzten  die 

Schilderung  trefflich  abschliessenden  Gedanken  drückt  der  Stichos  5^'  aus, 
den  wir  hierherzunehmen  umsomehr  Grund  haben,  als  er  v.  5  dem  Zusammen- 
hang fremd  ist,  hier  aber  ausgezeichnet  passt.  Die  Wortabteilung  des  MT  ist 
nach  der  LXX  dahin  zu  verbessern,  dass  das  T  von  ?T^Döti^D  als  3  vor  *11S  zu 
setzen  ist.  Ferner  aber  ist  anzunehmen,  dass,  ehe  der  Halbvers  nach  y.  5  ver- 
schlagen wurde,  UDÖ^D  statt  ''tDöti^ö  zu  lesen  war.  Unser  Recht  sagen  die  be- 
kehrten Israeliten,  das  ist  das  Recht  auf  Erbarmen,  auf  Erhöhung  und  Glück, 
von  dem  die  Späteren  gerne  sprechen  vgl.  die  späten  Stellen  Jes  1  27  und  bes. 
Jes  30  18-26.  Gerade  was  Jes  30  18-26  exponiert,  ist  hier  kurz  zusammengefasst ; 
fast  zu  jedem  Gedanken  von  Hos  5  15—6  35^  findet  sich  dort  eine  Parallele, 
vgl.  z.  B.  zu  ty?n  und  i^DI  Jes  30  26,  zu  Hos  6  s^ß  Jes  30  19  und  zu  Hos  6  5*^  Jes 
30  is"^  26».  Jedenfalls  erhellt  aus  diesem  Vergleiche,  dass  die  Gedanken  von 
Hos  5  15—6  35^  der  späteren  Zeit  geläufig  waren.  Dass  dagegen  Hosea  den 
Israeliten  ein  Recht  auf  eine  herrliche  Zukunft  zuerkannt  hätte,  ist  völlig  aus- 
geschlossen. ^^:^;;  "nl^^l  Israels  Recht  geht  auf  wie  die  Sonne  in  herrlich- 
strahlendem Glänze  nach  einem  befruchtenden  Regen. 

Aus  der  Auslegung  ergiebt  sich,  dass  der  Abschnitt  5  15—6  3  5'^  nach  Form  und 
Inhalt  der  späten  nachexilischen  Zeit  angehört;  denn  überall  treten  uns, darin  Gedanken 


Hos  6  3  55  Hos  6  3 

entgegen,  die  den  Späteren  eigentümlich  sind:  das  AufJe])en  Israels  aus  dem  Tode  des 
Exils  0  2,  die  sofortige  Erhörung  des  Jahwe  suchenden  Israels  6  3**,  die  Aussicht  und  das 
Recht  Israels  auf  eine  Zukunft  liöchslen  (ilückes  fl  3*'  5'*,  und  die  nächsten  Parallelen  für 
den  Ausdruck  bietet  die  spätere  Litteratur  vgl.  ausser  den  angeführten  Stellen  bes.  noch 
Prv  8  17.  Dieses  Resultat  wird  schliesslich  noch  bestätigt  durch  die  gezwungene  und 
künstliche  Erklärung,  welche  die  Verteidiger  der  hoaeanischen  Herkunft  von  diesem 
Stücke  geben.  Nach  Gieseiirecht  soll  die  Aufforderung  G  1-3  „nur  als  (;in  Wunsch  des 
Propheten  aufzufassen"  sein;  dieser  möchte  nämlich  „sein  Volk  immer  wieder  auf  den 
rechten  Weg  zurückführen,  welcher  ihm  neue  göttliche  Huld  und  Heilung  bringen  wird." 
Dass  dieser  Wunsch  jedoch  unerfüllbar  sei,  werde  der  Prophet  durch  „die  höhere  gött- 
liche Stimme"  belehrt,  die  ihm  in  6  4  sage,  dass  „ja  doch  alles  vergeblich  ist".  Nach 
Wellh.  dagegen,  dessen  Auffassung  Nowack  teilt,  sind  die  Worte  6  1-3  zwar  Rede  des 
X^olkes,  aber  vom  Propheten  nur  „als  eine  Eventualität,  die  vermutlicli  eintreten  wird, 
wenn  Jahwe  sich  zurückzieht",  hingestellt,  und  ebenso  „eventuell  und  zukünftig"  soll  die 
Antwort  Jahwes  6  4  zu  fassen  sein.  Mit  ihrer  eventuellen  Rede  sollen  ferner  die  Israeliten 
in  ihrer  Oberflächlichkeit  „der  falschen  Hoffnung"  Ausdruck  verleihen,  „dass  nun  auch 
gleich  alles  wieder  gut  sein  werde",  und  darauf  soll  dann  in  6  4  die  abweisende  Antwort 
Jahwes  vorliegen.  Wo  aber  nur  mit  solcher  Künstlichkeit  dem  Text  ein  in  den  Zusammen- 
hang zur  Not  einzugliedernder  Sinn  abgewonnen  und  eine  notdürftige  Verbindung  mit 
6  4  hergestellt  werden  kann,   ist  es  denn  doch  geratener,   6  4  wenn  auch  nicht  direkt  an 

5  14  anzuschliessen,  so  doch  als  Fortsetzung  im  weiteren  Sinne  d.  h.  als  auf  der  gleichen 
Höhenlage  mit  5  14  liegend  zu  betrachten  und  5  15 — 6  3 -{- 5*^  als  fremdes  Gut  auszu- 
scheiden. Diese  Lösung  empfiehlt  sich  nicht  nur  durch  ihre  Einfachheit  und  die  Analogie 
so  mancher  ähnlicher  si)äteren  Einfügungen,  sondern  auch  dadurch,  dass  sie  davor  be- 
wahrt, dem  Abschnitt  Gewalt  anzuthun,  und  ihm  seinen  klaren  und  tiefen  Inhalt  belässt. 

6.  Die  Unverbesserlichkeit  der  Israeliten  6  4—7  7. 

Unmöglich  ist  die  Verbindung  von  6  4  mit  5  14  nicht :  Was  könnte  ich  anders  mit 
dir  anfangen  als  wie  ein  Löwe  dich  wegzutragen  und  zu  verderben?  Aber  die  Fort- 
setzung, die  sich  zu  dieser  Verbindung  nicht  gut  schickt,  rät,  mit  6  4  einen  neuen  Ab- 
schnitt beginnen  zu  lassen.  An  die  bedeutungsvoll  an  den  Anfang  gesetzten  zwei  Tetra- 
sticha  v.  4-6  über  das  Fehlschlagen  jedes  Versuches,  Israel  zu  der  wirklichen  Erfüllung 
der  Forderungen  Jahwes  zu  bringen,  schliesst  sich  nicht  übel  die  Schilderung  der  entsetz- 
lichen Zustände  in  Israel  an.  Es  ist  nicht  nötig,  dieses  Stück  in  einzelne  Fragmente  auf- 
zulösen; vgl.  auch  zu  7  7.  Die  Beobachtung  von  Büdde  (ZATW  1882,  32  f.),  dass 

6  7 — 7  4  die  Form  des  Klageliedes  an  sich  tragen,  ist  dahin  zu  modifizieren,  dass  auch  hier 
wieder  von  6  4 — 7  7  die  üblichen  Tetrasticha  Hoseas  (und  zwar  im  Ganzen  zehn)  vor- 
liegen. 

4,  das  erste  Tetrastich,  beginnt  das  Redestück  mit  der  schmerzlichen 
Frage,  welche  Mittel  denn  noch  angewendet  werden  könnten,  um  Israel  auf 
den  rechten  Weg  zu  bringen,  da  bisher  jede  bessere  Regung  bei  ihm  sich  nur 
als  vorübergehend  erwiesen  habe:  Was  kann  ich  dir  denn  noch,  thun^  Ephraim! 
Was  kann  ich  dir  denn  noch  thun^  Israel!  Ist  doch  deine  Liebe  wie  Morgen- 
gewölk Und  wie  der  Tau,  der  früh  verschwindet.  Zu  lesen  ist  auch  hier  'PSI'^^ 
für  TV^7\\,  dessen  Einsetzung  gerade  so  wie  5  13  das  Pluralsuffix  DD"  nach  sich 
gezogen  hat;  1.  also  ebenfalls  ^"IDH  und  vgl.  zu  5  io-i4.  IDH,  Liebe,  ist  auch 

hier  wie  v.  6  nicht  anders  als  4  i,  also  von  der  Liebe  zum  Nächsten  zu  ver- 
stehen, vgl.  WiNTEE  ZATW  1889,  215—218;  diese  Auffassung  wird  durch  die 
nachherige  Schilderung  des  Verhaltens  der  Israeliten  gegen  die  Mitmenschen 
bewiesen.    Dass  man  hier  HOn  als  Liebe  zu  Gott  deuten  wollte,  rührt  davon 


Hos  6  4  56  Hos  6  7 

her,  dass  man  eine  Verbindung  mit  dem  nicht  als  Einschub  erkannten  Ab- 
schnitt 5  15-6  3  herzustellen  suchte.  Zu  dem  schönen  Bilde  von  den  Morgen- 
wolken, die  in  Palästina  rasch  vor  der  aufgehenden  Sonne  verschwinden,  und 
dem  Tau,  der  ebenso  schnell  vergeht,  vgl  ZDPV  1891,  110-112. 

5*  6,  das  zweite  Tetrastich,  schliesst  gut  an  v.  4  an:  Darum  weil  die 
bisherige  Besserung  je  nur  eine  flüchtige  war,  habe  ich  bereits  die  schärfsten 
Mittel  angewandt  (vgl.  die  Perfecta);  denn  nicht  Opfer  will  ich,  sondern  eben 
Liebe  und  Gotteserkenntnis.  Das  Tetrastich  schaut  wie  v.  4  auf  die  Ver- 
gangenheit zurück,  die  Jahwe  die  schmerzliche  Gewissheit  giebt,  dass  von 
Israel  nichts  mehr  für  die  Erfüllung  seiner  Forderungen  zu  hoffen  ist.  Darum 
habe  ich  dich  behauen  durch  die  Propheten^  Dich  erschlagen  durch  die  Worte 
meines  Mundes;  Denn  Liebe  begehre  ich^  nicht  Opfer,  Und  Gotteserkenntnis , 
nicht  Brandopfer.  Fälschlich  macht  Hitzig  mit  LXX  D^i^^DiS  zum  Objekt 
von  ''ri^^n,  während  das  parallele  ''D""'ip{55  zeigt,  dass  sie  vielmehr  das  Werk- 
zeug sind,  mit  dem  Jahwe  dreingeschlagen  hat.  Wie  in  v,  4  (s.  dazu)  das 
Pluralsuff,  in  Q?*!?^  nicht  ursprünglich  ist,  so  hat  man  wohl  auch  ^"^r^?*!!!  für 
Q'^^^^0  zu  lesen,  vielleicht  ist  sogar  durch  Haplographie  das  Suff.  ^"  bei  *'n??n 
verloren  gegangen,  vgl.  das  folgende  !n  und  lies  ^^r^!l?n.  Wie  durch  ^^H  in  die 
kompakte  Masse  von  Gestein  und  Fels  Höhlen  und  Stollen  gelegt  werden,  so 
hat  Jahwe  in  dem  Volke  Risse  und  Lücken  geschlagen.  Immerhin  entspräche 
dem  JJin  besser  das  von  Oettli  zur  Wahl  gestellte  'f^riD,  %er schmettern. 
Propheten  und  Wort  Gottes  stehen  durchaus  parallel:  das  göttliche  oder  pro- 
phetische Wort  ist  5üva[jLi(;,  eine  reale  Kraft,  die  eine  zerstörende  Wirkung 
hat;  vgL  zu  Jes  9  7.  Da  von  der  Vergangenheit  die  ßede  ist,  so  ist  an 

Propheten  wie  Elia  und  Elisa  zu  denken,  durch  welche  in  der  That  eine  grosse 
Krisis  eingeleitet  wurde.  Zu  5''  vgl.  oben  nach  v.  3.   Dass  hier  v.  5^  nicht 

passt,  zeigt  schon  das  Imperf.  ^^?^  Liest  man  aber  auch  das  Perfectum,  so 
unterbricht  er  den  Zusammenhang  von  v.  6  mit  y.  5^,  da  y.  6  eben  begründet, 
warum  so  scharf  gegen  Israel  Yorgegangen  wurde.  6  bringt  den  klas- 

sischen, einfachen  und  durchsichtigen  Ausdruck  für  die  Stellung  der  alten 
Propheten  zum  Opferdienst,  vgl.  zu  Am  5  21-27  Jes  1  10-17.  Es  ist  daran  nicht 
herumzudeuten;  denn  ]p  wird  durch  das  unzweifelhafte  )^b\  sicher  als  negativ 
=  weg  von  und  nicht  nur  komparativ  =  mehr  als  erwiesen.  Liebesübung  (s. 
zu  Y.  4)  und  Gotteserkenntnis  fordert  Jahwe,  Moral  und  Religion  innig  ver- 
bunden, ja  eins  ohne  das  andere  weder  in  rechter  Weise  vorhanden,  noch  über- 
haupt als  vollkommen  zu  denken  (s.  auch  4  1),  aber  nicht  Opferkultus.  Vgl. 
Marti,  Gesch.  der  isr.  Rel.^  4  §  36:  Die  Stellung  der  Propheten  zum  Kultus 
S.  160—164.  „Der  Spruch  erinnert  an  I  Sam  15  22,  ist  aber  doch  sehr  charak- 
teristisch verschieden.  Denn  Samuel  predigt  dem  Saul  nichts  weniger  als  IDH" 
(Wellh.). 

Mit  7  8,  dem  dritten  Tetrastich,  beginnt  ein  Sündenregister,  das  den 
Kontrast  zwischen  dem  Verhalten  Israels  und  den  Forderungen  Jahwes  in 
seiner  ganzen  Grellheit  zeigt  und  damit  die  Unverbesserlichkeit  des  Volkes 
ausser  jeden  Zw^eifel  setzt.  Es  wird  dabei  auf  Thatsachen  angespielt,  die  uns 
nicht  bekannt  sind,  weshalb  uns  auch  diese  Strophe  nicht  vollständig  verstand- 


Hos  6  7  57  .  Hos  6  9 

lieh  ist.  In  0*1^5?  muss  wegen  des  folgenden  ÜU)  ein  Ortsname  stecken;  es  kann 
daher  weder  wie  Adam,  noch  wie  Menschen,  nocli  als  oh  sie  Helden  wären 
übersetzt  werden,  was  übrigens,  auch  wenn  kein  DC^  folgte,  unhaltt)ar  wäre. 
Aber  w^elcher  Name  ist  darin  zu  suchen:  D'l«^  ^^^  Edom,  was  gra})hisch,  aber 
nicht  geogra|)hisch  nalieliegt,  D1^5?  In  Ar  am,  was  dem  folgenden  Hj;'/^  näher 
kommt,  oder  HDlW^l  In  Adma^  das  aber  untergegangen  ist  (vgl  11  8;?  Bleibt 
man  einfach  bei  ü^^??,  In  Adam,  so  kann  man  an  das  heutige  Teil  ed-l)änuje 
am  Einiluss  des  Jabbok  in  den  Jordan  denken,  ZDPV  1893, 14;  aber  Sicheres 
gewinnt  man  auch  so  nicht  für  die  Übersetzung  und  Erklärung:  Sie  aber  haben 

In den    Vertrag  nicht  gehalten,  Haben  dort  mir  die  Treue  gebrochen. 

Gllead  Ist  eine  Burg  von  Ubelthatern,  Voll  von  Blutspuren,  Mit  dem  un- 
sicheren Orte,  der  in  DIS  steckt,  und  mit  Gilead  sind  offenbar  kultische  Stätten 
gemeint,  es  handelt  sich  demnach  um  dem  Jahweglauben  durchaus  wider- 
sprechende kultische  Gebräuche,  die  dort  geübt  wurden,  vielleicht  selbst  um 
Menschenopfer,  vgl.  12  12  und  13  2.  8  Eine  Stadt  Gllead  ist  vielleicht 

noch  Jdc  10  17  (vgh  auch  12  7  LXX  AI.)  erwähnt;  mindestens  genügt  12  12 
nicht  zum  Beweise,  um  hier  b'hl  dafür  einzusetzen,  so  Chetne  (Encycl.  bibl. 
vgl.  Gilead  2),  der  auch  ]1S"iT52  für  D*]JJ?  gelesen  haben  möchte  (vgh  aber  zu  4  lo). 
Hält  man  den  Text  hier  fest,  so  hat  man  die  Stadt  vielleicht  wiederzufinden 
in  dem.  heutigen  GaViid  südlich  vom  Jabbok  (s.  zu  Jdc  10  17),  was  zu  D"!«  = 
Teil  ed-Dämlje  nicht  übel  passt.  Andre  denken  an  Mispe  Gilad  (Ewald), 
Kamot  resp.  Ramat  Gilad  (Buhl)  oder  Jabesch  Gilad  (Hitzig).  D^D  HB^JJ, 
bespurt  (denom.  von  Ilj^j;  Ferse^  Fuss,  Spur)  von  Blut,  vielleicht  ü^P^t?  von  ver- 
gossenem Blut  zu  lesen  (vgl.  auch  Oettli:  D}?"n  riSJ^J^),  spricht  wie  die  Übel- 
th'dter  für  blutige,  in  Gilead  verübte  kultische  Greuel.  Es  kann  leicht  sein, 
dass  solche  Opfer  im  Zusammenhang  mit  Ereignissen  dargebracht  wurden,  die 
dazu  führten,  dass  nachher  Gileaditen  unter  den  Helfershelfern  Pekachs  bei 
der  Ermordung  Pekachjas  waren  (II  Reg  15  25).  Ist  die  gegebene  Erklärung 
nicht  sicher,  so  sind  es  noch  w^eniger  die  Vorschläge  von  Bachmann  0"^  DH'^^pJ^, 
Ihre  Fussstapfen  sind  Blut,  von  Rqben:  ^^'^  r\'^'ni!l^  D^^s  riDJ^y  etwa  =  Menschen 
betrügend  und  (für  den  Anfang  von  v.  9)  Männer  belauernd,  und  von  Cheyne: 
□•»J^ID  n^^-},  eine  Feste  von  Bösewichten. 

9,  das  vierte  Tetrastich,  ist  in  ungutem  Text  überliefert:  "'Sn  =  nl3n  ist 
fraglich,  die  Trennung  des  TXtiyä  von  "^"l"!,  zu  dem  es  doch  wohl  gehört,  ohne 
Beispiel  und  "\y\  '»sns  als  Prädikat  zu  I^H  sehr  hart.  LXX  hat  ziemlich  den- 
selben Konsonantenbestand  vor  sich  gehabt,  nur  scheint  sie  ti^'^S  ^Tp\  (xal  rj 
W/ßc,  aoo  dv5p6;),  ferner  ^i^^n  (Ixpo^av  für  "IDn)  und  endlich  im  Cod.  Alex. 
inti"!  '^  "^I"!"!  (6o6v  xupLoo,  "•  als  Abkürzung  von  niH''  gefasst)  gelesen  zu  haben. 
Vielleicht  darf  man  darnach  etwa  vermuten:  D*'inH3  oder)  D'^in^  ^ti^iS  ^^^nns 
^'^)l  HöT  O  HDD^  ^1^  Jin^Tl  D^;nb  ^is^^m  (tr^«  •'??  Und  tele  sich  Bäuber  verbergen 
(oder  Wie  Banditen^  die  jeden  erschlagen),  Verbargen  sich  Priester  Und  mor- 
deten am  Wege  nach  Sichern^  Ja  verübten  Frevel.  Auch  hier  ist  dann  von 
Hosea  auf  bestimmte  Ereignisse  angespielt;  Sichem  kommt  aber  nicht  als 
Asylstadt  in  Betracht,  sondern  weil  an  ihr  die  Strasse  vorbeiführte,  die  den 
Verkehr  zwischen  Norden  und  Süden  und  der  Meeresküste  vermittelte,  oder 


Hos  6  9  58  Hos  7  1 

weil  dort  Priester  als  Parteigänger  eines  Königs  oder  Usurpators  politische 
Gegner  überfielen.  Ähnlich  versteht  und  emendiert  auch  Oettli  den  Text, 
nur  dass  er  ^^HDI  für  "^^riD^,  ferner  ^*lDn  für  das  von  LXX  an  Stelle  von  inn 
empfohlene  ^^^!l^  und  endlich  in^iJTI  erst  nach  HDDti^  liest,  sodass  bei  ihm  v.  9 
besagt:  „und  wie  eine  Bande  von  Freibeutern  rotteten  sich  Priester  zusammen 
am  Wege  nach  Sichem  und  mordeten,  ja  verübten  Schandthat".  Weiter  ent- 
fernen sich  vom  überlieferten  Texte  die  Vorschläge  von  P.  Rüben:  ^^1iT\  ü^yni 
WV  n»t  ^ö''3ti^n  mtil^  inT  nn''  nnnn=  „Räuberbanden  waren  versteckt  in  seinen 
(d.i.  Gileads)  Bergen;  wer  nach  Jericho  hinabzog,  mordeten  sie.  Früh  machten 
sie  sich  auf,  verübten  Frevel"  (zu  dem  Anfang  des  Verses  s.  zu  v.  8),  und  von 
Cheyne:  ^b^V  ntst  JlD'^Strn  ^i^t^Il  '^  ^11  n'':in3  Dny:n  nnni  =-  „Und  eine  Gesellschaft 
von  Verrätern  sind  seine  (d.  i.  Gileads)  Priester,  den  Weg  Jahwes  verschmähen 
sie.   Früh  sind  sie  auf  um  Frevel  zu  üben". 

10,  das  fünfteTetrastich,  spricht  nun  ganz  deutlich  ebenfalls  von  kultischen 
Greueln:  In  Bethel  sah  ich  Schauderhaftes ;  Dort  hat  Ephraim  gehurt,  Israel 
sich  befleckt.  Wegen  des  folgenden  ü^  ist,  da  Hosea  doch  nicht  ausser  Landes 
wohnt,  ^^^"^•':1S  für  ^^^1ti^'^  T\'^'l'^  zu  lesen;  für  h  H^^t,  das  schwerlich  ffutes  He- 
bräisch  ist,  ist  einfach  HJJ  herzustellen.  iTI^I?^^  (so  mit  Recht  Kere)  sind  haar- 
sträubende, horrende  Dinge^  vgl.  auch  Jer  18  13;  es  sind  die  schauderhaften 
Orgien  in  Bethel,  vgl.  4  14. 

11  scheint  aus  zwei  verschiedenen  Elementen  zusammengesetzt,  die  aber  beide 
schwerlich  dem  ursprünglichen  Kontexte  angehören.  nn!in^^"D^  ist  eine  Glosse,  gerade  wie 
das  Sätzchen  5  5*^^,  das  ebenfalls  ein  nn^in^'D-i  enthält.  Sie  stammt  ohne  Zweifel  von  der 
Hand  dessen,  der  überall  in  die  Reden  Hoseas  die  Bezugnahme  auch  auf  Juda  eintrug, 
bisweilen  blos  Israel  in  Juda  verwandelnd  wie  z.  B.  5  10-14,  anderswo  sich  mit  Einschüben 
behelfend.  Hier  knüpft  XXVu\\  D|  an  den  Schluss  von  v.  10  an,  um  auch  Juda  als  in  gleiche 
Sünde  wie  Israel  gefallen  hinzustellen.  Der  Best  von  v.  11  hat  einen  andern  Ursprung: 

Juda  wird  angeredet  und  nicht  seine  Gegenwart,  sondern  seine  Zukunft  ins  Auge  gefasst. 
Dieses  Element  hält  die  Linie  von  5  15 — 6  3  5^  von  jenem  Ausblick  in  das  herrliche 
Wiederfinden  Jahwes,  ein.  Das  ist  deutlich  aus  ""öV  nntJ^  "»n^tfi^n  =  nnenn  ich  im  Geschick 
meines  Volkes  die  Wendung  eintreten  lasse  (s.  zu  Am  9  14)  zu  ersehen  und  erhellt  auch 
aus  den  beiden  ersten  Wörtern  von  7  1,  die  zu  v.  11  hinübergehören  als  b«l^^.^  '^^ö^S  (lies 
nach  £V  tco  der  LXX  n  für  3)  =  ivenn  ich  Israel  Seihing  verschaffe,  vgl.  bes.  6  1.  In  diesem 
Zusammenhang  wird  man  am  ehesten  *^^  1''iJ{^  n^  als  einen  Hinweis  darauf  zu  fassen  haben, 
dass  einst  auch  Nordisraeliten  sich  Juda  anschliessen  werden,  vgl.  zu  2  2  sowie  Jes  9  23 
49  6.  Da  die  Glosse  Jahwe  sprechen  lässt  (vgl.  ^3=itJ^2,  ^i<ö^Si),  so  kann  n^  nicht  als  er  hat 
bestellt  gehalten  werden,  sondern  wird  n^^  als  partic.  pass.  oder  n^  (=  ^nf^)  1.  pers.  sing, 
perf.  zu  lesen  sein:  (Auch,  Juda,)  bestellt  ist  oder:  bestellt  habe  ich  Ernte  dir,  ivenn  ich  etc. 

7i  (von  rh^)  an;  zu  dem  Anfang  s.  zu  6  ii),  das  sechste  Tetrastich: 
Offenkundig  ist  die  Schuld  Ephraims  Und  (sichtbar]  die  Bosheit  Samariens, 
Denn  Diebe  brechen  ein  in  die  Häuser^  Räuberbanden  plündern  auf  den 
Strassen.  Das  1  vor  n^ii  rührt  von  der  nachträglichen  Eingliederung  der 
Glosse  (s.  zu  6  ii)  in  den  Zusammenhang  her,  ebenso  auch  der  Einschub  -I^^S 
\  Ij^l^,  sie  übten  Trug^  um  zu  sagen,  was  einst  an  den  Tag  kommen  soll,  während 
Y.i^  deutlich  schildert,  was  schon  am  Tage  liegt,  vgl.  das  Imperf.^^in^^  mit  dem  Perf. 
\ht^  und  1.  mit  LXX  toti^ö.  Das  T7ug  üben  schliesst  ja  gerade  das  Offenkundig- 
sein aus.    Zwischen  n^5  und  i^in^  ist  n*;55  oder  nn*;?  ausgefallen  (beachte  die 


Hos  7  1  69  Hos  7  4 

Ähnlichkeit  der  Buchstal)en  ♦  •  ♦  1^  H  ♦  ♦  ♦  ♦ ),  das  LXX  noch  gelesen  hat,  deren 
TTpoc  auTov  eine  Verschreibung  für  upo;  ol/ov  zu  sein  sclieint,  und  das  für  den 
Sinn  und  den  Parallelismus  zu  Y^r\^  nicht  fehlen  kann,  v^d.  Jo  2  9,  wo  das  not- 
wendige D'^nin?  vorangeht  (so  auch  Oettli).  Schliosslicli  hat  man  wohl  dem  ]\V 
entsprechend  mit  der  LXX  den  Singular  ny"l  zu  lesen  und  davor  vielleicht  den 
Ausfall  von  n^|l1!l,  partic.  fem.  Niph.,  zu  vermuten  (dann  ist  auch  TÖ^^  zu  punk- 
tieren). Meiniiold  kommt  von  derselben  Empfindung  aus,  dass  ein  Verbum 
fehle,  zu  der  Annahme,  dass  't^  niV"^  ^^V,X]  ^^  lesen  sei.  Sarnarien  wird 

hier  genannt  als  die  Hauptstadt  Ephraims  (vgl  Jes  7  9)  und  Hauptsitz  des 
nachher  geschilderten  Treibens  der  Grossen,  vgl.  dazu  auch  Am  3  9  f. 

2,  das  siebente  Tetrastich:  Und  keiner  sagt  sich  in  seinem  Herzen, 
Dass  ich  Jeder  ihrer  Bosheiten  gedenke.  Sie  sind  schon  so  im  Bann  ihrer 
Thaten,  Dass  diese  offen  vor  meinen  Augen  geschehen.  Der  Sinn  für  Recht 
und  Gerechtigkeit  ist  ihnen  gänzlich  abhanden  gekommen,  sodass  sie  sich  aus 
ihren  bösen  Thaten  gar  kein  Gewissen  mehr  machen:  sie  sagen  sich  nicht 
einmal  mehr,  Jahwe  werde  sie  strafen.  Ihr  böses  Treiben  lässt  sie  nicht  mehr 
los  und  sie  verüben  daher  ohne  jedes  Bedenken  ihre  gottlosen  Thaten  am  hellen 
Tage.   Die  ganze  Strophe  exponiert  den  Anfang  von  y.  i.  nny  bedeutet 

bereits,  schon,  wie  8  8  10  3,  und  ^5?  ist  ==  umringen,  einen  Bannkreis  um  jmd. 
ziehen^  jmd.  in  seinem  Banne  haben^  dass  er  nicht  loskommt.  Zur  Ein- 

leitung von  ''n"|5J  DHJ^T^S  ist  das  recitative  *•?  gerade  so  unnötig,  wie  vor  HJ^ 
vn  ^y^  das  kausale  oder  eine  sonstige  Bindepartikel. 

Mit  3,  der  ersten  Hälfte  der  achten  Strophe,  beginnt  die  Schilderung 
der  politischen  Leidenschaften,  die  zum  Sturze  eines  Königs  nach  dem  andern 
und  zur  völligen  Anarchie  führen.  In  ihrer  Bosheit  salben  sie  Könige 

Und  in  ihrer  Falschheit  Fürsten.  Die  Erklärung  hierfür  giebt  8  4 :  In  böser 
Treulosigkeit  gegen  Jahwe  setzen  sie  sich  eigene  Fürsten  ein  und  stürzen  die 
rechtmässige  Obrigkeit.  Die  Worte  sind  die  Einleitung  zu  der  Darstellung 
eines  einzelnen  Beispieles  davon,  wie  sie  mit  ihren  Königen  verfahren,  s.  y.  5  f. 
Mit  Weilh.,  Nowack,  Ooet  ist  ^TW1^\.,  sie  salben,  für  ^^^*^^  sie  erfreuen,  zu 
lesen,  trotzdem  letzteres  auch  schon  die  alten  Versionen  hier  vorfanden;  denn 
ohne  den  Worten  einen  Zwang  anzuthun,  etwa  damit,  dass  man  übersetzt: 
Voll  Arglist  halten  sie  den  König  und  voll  Heuchelei  die  Fürsten  in  guter 
Laune  (so  Guthe),  erhält  man  keine  Verbindung  mit  dem  Folgenden.  Auch 
verstände  man  nicht,  warum  dann  y.  5,  wenn  es  derselbe  König  wäre,  ^i?^l?  ge- 
sagt würde. 

4  ist  zusammengesetzt  aus  zwei  Glossen,  da  auch  D^DSiö  0^)3,  sie  alle  sind  Ehe- 
brecher, nicht  als  ursprünglicher  Text  zu  halten  ist,  weil  D^B«Jö  nicht  politische  Treu- 
brecher bedeutet  und  was  eigentliche  Ehebrecher  in  diesem  Zusammenhang  sollen,  unver- 
ständlich ist.  Die  erste  Glosse :  DH  n^n  l^an  löS,  sie  gleichen  einem  glühenden  Ofen  (so  ist 
mit  OoRT  zu  lesen,  da  *i^3ri  überall  sonst  mascul.  ist),  gehört  zu  dem  Anfang  von  v.  7. 
Die  zweite  Glosse  ist  zu  lesen:  in^ön-"i:?  piin  ti^^^ö  T^O  ni3t5^^  nö^«  D''ö«  ]tt  D^3,  sie  alle  ge- 
hören  zu  der  Bäckerzunft:  ein  Bäcker  stellt  das  Feueranfachen  ein  vom  Kneten  des  Teiges 
bis  zu  der  Durchsäuerung  desselben.  Zu  der  Konstruktion  "i'^;;»  ^l'^?^!,  Ergänzung  des  Ver- 
bums durch  das  Partie,  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  120b.  Die  Glosse  gehört  zu  v.  6,  spec.  zu 
derfalsc}ienLesungDnE5«(s.zuv.6),sie  erklärtiwie  der  Bäckermachen  es  die  Grossen;  wie  jener 


Hos  7  4  60  Hos  7  6 

erst  am  Morgen,  wenn  der  Teig  durchsäuert  ist,  das  Feuer  im  Ofen  anfacht,  so  wissen  auch 
diese  ihren  Hass  zu  verheimlichen  bis  zum  geeigneten  Momente.  Die  zweite  Glosse  ist 
später  als  die  erste;  Inhalt  und  Stellung  verraten  den  glossatorischen  Charakter  von  v.  4. 

5  setzt  Y.  3  fort;  daran  ist  nicht  zu  zweifeln,  wenn  schon  y.  5^  ganz  un- 
verständlich ist.  Denn  y.  5^  zeigt  das  Benehmen  gegen  unsern  König  d.  h.  den 
rechtmässigen  König  und  seine  Fürsten  bei  irgend  einem  Feste.  Hält  man 
UV"  fest,  so  kann  man  an  Krönungstag  oder  Geburtstag  denken;  doch  ist  ver- 
mutlich DH  dafür  zu  lesen  und  für  D*'1*^,  die  Obj.,  nicht  Subj.  sind,  deutlicher 
auch  ^y^\  zu  setzen.  Dann  lauten  die  zwei  letzten  Zeilen  der  achten  Strophe: 
Sie  machten  unsern  König  krank  Und  unsere  Fürsten  an  Glut  von  Wein.  Zu 
dem  stat.  constr.  vor  einer  Präpos.  in  y^ttp  HDn  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  130  a; 
Oettli  liest  dafür  ohne  Not  ]V.  riDnD.  Es  handelt  sich  also  um  irgend  eine 
Festlichkeit,  w^elche  benutzt  wurde,  um  den  König  zu  stürzen,  und  der  Vers 
versetzt  uns  in  eine  Zeit,  wo  an  Stelle  des  rechtmässigen  Königs  (1^?^^)  noch 
kein  andrer  zur  unbestrittenen  Herrschaft  gelangt  war,  also  wahrscheinlich  in 
die  erste  Zeit  Menahems,  der  Sallum,  den  Mörder  Sacharjas,  des  Sohnes 
Jerobeams,  nach  einmonatlicher  Regierung  besiegte,  aber  offenbar  selbst  noch 
nicht  überall  sich  Anerkennung  verschafft  hatte  (vgl,  II  Reg  15  isff.).  Sacharja 
ist  es,  den  Hosea  ^i?^??  nennt,  und  die  Worte  stammen  etwa  aus  dem  Jahre 
742.  Jedenfalls  darf  man  D*»^*^  nicht  zum  Subj.  nehmen  und  ^bnT\  schwerlich 
innerlich  ksrnsaitiv  =  krank  werden  isissen;  Subj.  müssen  auch  y,  5^  dieselben 
sie  sein,  wie  y.  3  und  y.  6.  Wie  gesagt,  ist  y.  5*^  nicht  zu  verstehen.    Die 

gewöhnliche  Fassung:  Er  %ieht  seine  Hand  =  pflegt  Gemeinschaft  mit  Ge- 
wissenlosen ist  zu  unsicher  und  setzt  den  König  als  Subjekt  voraus;  auch  die 
Vermutung  von  Ooet  (s.  Beilagen  bei  Kautzsch)  befriedigt  nicht.  Eher  liesse 
sich,  wenn  y.  5^  die  D*'*!*^  Subj.  wären,  der  Vorschlag  von  Oettli  hören:  V^*ß^ 
D^i^^^n  *'n"^.  sie  stärkten  die  Hände  der  Spötter\  aber  "fl^  Spötter^  passt  nicht  gut 
für  Attentäter  und  ist  überhaupt  nur  in  späteren  Stücken  nachweisbar,  auch 
müsste  man  dann  mit  Oettli  noch  ^T\^^  lesen  und  verlöre  den  Anschluss  an 
Y.  6.   Es  wird  daher  y.  5^  eine  verdorbene  Glosse  sein. 

6,  die  neunte  Strophe:  Denn  es  brennt  wie  ein  Ofen  ihr  Her%;  Die  gan%e 
Nacht  schläft  ihr  Zorn^  Arn  Morgen  flammt  er  auf  Wie  loderndes  Feuer.  Zu 
lesen  ist  für  das  unhaltbare  U^IJ?,  sie  brachten  ?iahe,  nach  LXX  dv£xau&r|aav 
nicht  mit  Nowack  IJ;*!:,  obschon  sie  nachher  IJ^'H  mit  demselben  Verb  wieder- 
giebt,  sondern  nnjj,  es  ist  entzündet,  angefacht,  vgl.  Dtn  32  22;  DlSISlp,  durch 
ihre  Arglist^  ist  eine  erklärende  Glosse  und  für  DHSi^,  ihr  Bäcker,  das  die 
zweite  Glosse  in  y.  4  verschuldet  hat,  ist  mit  Targ.,  Pesch.  DSt?,  ihr  Zorn,  her- 
zustellen, denn  nur  dieser,  nicht  aber  der  Bäcker,  kann  am  Morgen  aufflammen 
wie  loderndes  Feuer.  So  gewannt  man  einen  trefflichen  Sinn:  Wie  in  der 
Nacht  das  Feuer  im  Ofen  unter  der  Asche  glimmt,  am  Morgen  aber  angefacht 
wird,  so  verstehen  die  Verschwörer  in  der  Nacht  beim  Feste  ihre  Zornglut  zu 
dämpfen,  um  sie  am  Morgen  a^uflodern  zu  lassen,  „w^enn  alles  seinen  Rausch 
ausschläft"  (Wellh.).  Wie  sich  )t^;;;;,  es  raucht,  (W.  R.  SmTH)  für  ]tr; 

nicht  empfiehlt,  wo  von  Nacht  und  Morgen  die  Rede  ist,  so  befriedigen  auch 
andere  Vorschläge  nicht,  die  für  den  Anfang  gemacht  sind,  weder  der  von 


Hos  7  6  61  Hos  7  9 

ScHOKR  (bei  Perles  Analekteu  32  37)  und  Wei.i.ii.:  ü^  lyi  ü:ih  l^^ns  Dnip  ^3, 
ihr  Jnnej^es  ist  wie  ein  Ofen,  ihr  Herz  brennt  in  ihnen,  was  im  besten  I^'all  eine 
sehr  unschöne  Tautoloi^ie  wäre,  noch  der  von  Oettli:  nünSD  Dnb  "l^^ns  Dnip  ^3, 
ihr  Inneres  ist  wie  ein  Ofen,  ihr  ller%  wie  ein  Jiauchfam/  (vgl.  13  3),  was  eine 
recht  sonderbare  und  selir  wenig  ansprechende  Ausführung  des  sonst  treffen- 
den Bildes  bedeutete. 

7,  die  zehnte  Strophe:  Sie  alle  glühen  vne  ein  Ofen  Und  verzehren  ihre 
Rieht  er:  AH  ihre  Könige  fielen;  Keiner  unter  ihnen  sucht  Hilfe  hei  mir.  D^? 
erweitert  den  Kreis  derer,  die  von  politischer  Leidenschaft  durchglüht  sind ; 
nicht  nur  die  Verschwörer,  die  Sacharja  gestürzt  haben  (v.  5),  das  ganze  Volk 
ist  in  Aufregung  und  an  den  Revolutionen  beteiligt,  durch  welche  jedesmal  die 
Obrigkeit  weggefegt  wird.  Das  Suff,  in  DHIl  bezieht  sich  auf  D^3;  im  ganzen 
Volk  ist  keiner,  der  sich  darauf  besänne,  wo  die  wahre  Heilung  zu  suchen 
wäre,  sie  meinen  im  fortwährenden  Wechsel  der  Könige  schliesslich  den  rech- 
ten König  zu  bekommen,  in  der  Politik  das  Glück  zu  finden,  statt  in  der  Reli- 
gion. So  lenkt  Hosea  am  Schlüsse  dieses  Stückes  wieder  zu  dem  Gedanken 
zurück,  den  er  am  Anfang  kräftig  hervorgehoben  hat  6  4-6,  und  klingt  noch 
einmal  der  schmerzliche  Ton  von  der  Unverbesserlichkeit  des  Volkes  durch. 

7.  Die  Einfalt  der  Israeliten,  die  nicht  merken,  dass  es  mit  ihnen  zu  Ende 
geht,  und  dem  Verderben  noch  entgegen  rennen  7  8—8  3. 

8,  die  erste  Strophe:  Ephraim^  unter  den  Völke?m  Welkt  es  ab ^  Ephraim 
wurde  ein  Aschenkuchen^  Ein  nie  umgewendeter.  Im  Vergleich  zu  den  andern 
Völkern,  die  jugendkräftig  bleiben,  erweist  sich  Ephraim  als  ein  welkes  ab- 
sterbendes Volk,  oder  in  anderm  Bilde,  es  gleicht,  da  es  von  seiner  verkehrten 
Richtung  nicht  loskam,  einem  Aschenkuchen,  der,  weil  er  nicht  umgewandt  und 
weggenommen  wurde,  verkohlt  und  unbrauchbar  ist;  vgl.  den  Kinderspielreim: 
your  bannocks  are  burning  and  ready  for  turning  (Singer  Deutsche  Kinder- 
spiele in  Z.  des  Vereins  für  Volkskunde  in  Berlin  1903,  57)  und  zum  Backen 
der  ni:ij;  Benzin  GER  Archäol.  85  f.  ^'J'^^O^  versteht  man  gewöhnlich,  wie 
LXX:  oovsjjLiYVüxo,  als  er  vermischt  sich,  vermengt  sich,  =  Ephraim  nimmt 
heidnisches  Wesen  an  im  Verkehr  mit  den  Völkern;  aber  dazu  passt  das 
Folgende  nicht.  Darum  ist  mit  Ewald  an  eine  Ableitung  von  ^5  =  b^\  welk 
und  alt,  zu  denken,  am  Ende  sogar  mit  Oettli  ^U";,  es  wird  welk,  zu  lesen. 
Zum  Sinne  vgl.  8  8. 

9,  die  zweite  Strophe:  Fremde  haben  seine  Kraft  verzehrt  Und  es  weiss 
es  nicht,  Auch  sein  Haar  ist  schon  grau  geworden  Und  es  weiss  es  nicht,  Israel 
merkt  selber  seine  Schwäche  nicht,  hat  keine  Ahnung  davon,  dass  es  dem  Ende 
nahe  ist.  D'^IJ,  Fremde,  sind  die  Nichtisraeliten,  Syrer  und  Assyrer,  die 
durch  den  schweren  Tribut,  den  sie  von  Israel  bezogen,  und  durch  vierheerende 
Einfälle  die  Kraft  Israels  schwächten.  Man  denke  an  Hazael  II  Reg  8  12 
10  32  33  und  Benhadad  II  Reg  13  a  7,  und  an  Phul-Tiglatpilesar  II  Reg  15  19  f. 
29.  Für  Hj^lJ,  das  sonst  nicht  intransitiv  vorkommt,  1.  Pu.  Hj^lt  es  ist  gestreut, 
gesprengt  worden  Grauheit  auf  Israel  d.  h.  bereits  zeigt  sich  das  Grauwerden 


Hos  7  10  62  Hos  7  12 

seiner  Haare.  Zu  der  Anwendung  der  verschiedenen  Altersstufen  des  mensch- 
lichen Lebens  auf  die  Entwicklung  eines  Staates  vgl.  11  i  Jes  46  4. 

10  ist  eine  Glosse;  das  zeigt  schon  das  Dri\'i'b«  T\)n\  in  der  Rede  Jahwes,  dann  die 
Entlehnung  des  Anfangs  aus  5  5,  endlich  auch  Inhalt  und  Form.  Soll  man  nämlich  über- 
setzen: es  wird  zeugen  (njj?l),  so  passt  die  Fortsetzung  mit  ihren  Perfekten  nicht  dazu,  für 
die  ^nilfi^^  «bl  und  ints^pn"]  ^b)  stehen  müsste,  und  es  käme  in  die  Schilderung  der  Gegenwart 
(V.  8  f.)  ein  unerwarteter  Ausspruch  über  die  Zukunft,  unerwartet,  weil  bei  dem  Volke,  das 
ist,  wie  V.  8  f.  gesagt  wird,  nichts  mehr  zu  hoffen  ist.  Fasst  man  aber  die  Perfecta  als 
Perfecta,  wie  sie  offenbar  gemeint  sind  (so  mit  Recht  Guthe),  so  tragen  sie  einen  Gedanken 
nach,  der  doch  viel  besser  schon  mit  dem  VI',  ^b  i<m  (v.  9)  ausgesprochen  ist  und  darum 
mehr  nach  einem  Glossator,  als  nach  Hosea  aussieht.  Wie  schwer  sich  auch  unser  Vers 
in  den  Kontext  einreihen  lässt,  zeigt  die  gezwungene,  sprachlich  kaum  haltbare  Fassung 
voD  "IM  in^  tih)  als  „Erweiterung  und  Erklärung  des  Subjektes"  ('rfcjinli^^'ll^i)  zu  njy),  die 
"Wellh.  und  NowACK  befürworten;  v.  10  sollte  dann  besagen:  „So  zeugt  denn  der  Stolz 
Israels  ihm  ins  Angesicht,  dass  (Nowack:  und  dass)  sie  nicht  umgekehrt  sind  etc."  Oettlt, 
hier  der  dritte  im  Bunde,  erklärt  lieber  v.  10^  als  „Begründung"  von  v.  10^  und  entfernt 
darum  die  „störende"  Copula  "i  von  U^'^^b}  als  dittographischen  Fehler.  Worauf  hierbei 
nsr'psi  zu  beziehen  wäre,  wird  von  keinem  gesagt,  doch  kaum  darauf,  dass  sie  grau  werden 
und  nichts  davon  merkten;  vgl.  übrigens  das  ebenso  unbestimmte  n^r'rjS  in  Jer  3  10. 

11,  die  dritte  Strophe:   Und  es  wurde  Ephraim  wie  eine  Taube,  Eine 
einfältige,  unverständige;  Den  Ägyptern  riefen  sie,  Nach  Assyrien  gingen  sie. 

Ein  originelles  und  treffliches  Bild!  Wie  es  einer  einfältigen  Taube  bei  ihrem 
Besitzer  nicht  gefällt  und  sie  nicht  wieder  in  ihren  Schlag  will,  wo  sie  geborgen 
wäre,  sondern  ziellos  bald  dahin  bald  dorthin  fliegt  und  draussen  herumirrt,  so 
hat  es  Ephraim  gemacht,  bald  die  Hilfe  Ägyptens  angerufen,  bald  nach  Assyrien 
sich  gewendet.  Jahwe  verlassend  schwankt  es  kopflos  zwischen  Ägypten  und 
Assur.  Es  brauchen  nicht  zwei  ausgesprochene  Parteien  zu  sein;  bald  hat  die 
Neigung  nach  Ägypten,  bald  die  nach  Assur  die  Oberhand,  beidemal  aber  ist 
es  die  Einfalt  und  Thorheit,  die  die  rechte  Hilfe  nicht  will. 

12,  die  vierte  Strophe:  So  oft  sie  ausfliegen,  Werfe  ich  über  sie  mein 
Net%,  Wie  Vögel  des  Himmels  ziehe  ich  sie  nieder.  Binde  sie  an  wegen  ihrer 
Bösartigkeit,  Das  Schicksal,  das  die  Israeliten  bei  diesen  Versuchen  trifft:  sie 
laufen  Jahwe,  dem  mächtigen  und  geschickten  Vogelsteller,  ins  Gi-arn;  denn  er 
wirft  über  sie,  so  oft  (="lli^^?)  sie  aus  dem  Schlage  ausfliegen,  das  Netz,  zieht  sie 
wie  gefangene  Vögel  mit  dem  Netze  zu  Boden  und  setzt  sie  gefangen,  weil  er 
ihre  Bösartigkeit  kennt.  Statt  DTP'l^?  das  man  als  Hiph.  von  1D''  mit  unkontra- 
hiertem  "^  erklärt  (Ges.-Kautzsch^'  §  70b),  gewöhnlich  aber,  weil  sonst  kein 
Hiph.  dieses  Verbums  belegbar  ist,  in  das  Pi.  D^lDIliJ»  =  ^^^  züchtige  sie,  ver- 
bessert, ist  zu  lesen  D"iDJ?il  =  D*!ps^^,  ich  binde ^  ich  fessle  sie;  die  alte  Schrift 
kannte  keine  Vokalbuchstaben,  die  beiden  "^  sind  falsch  eingesetzt,  die  Schrei- 
bung mit  einem  ^^  statt  mit  zweien  kommt  bei  Verben  ^"b  in  der  l.pers.  sing, 
imperf.  auch  sonst  vor,  vgl.  z.  B.  1Di<,  ich  sage,  und  Ges.-Kautzsch^"  §  68  d  f. 
QH*]?^  y?^??  gemäss  der  Predigt  an  ihre  Gemeinde,  wie  man  gewöhnlich 
übersetzt,  ist  nach  Inhalt  und  Form  unhaltbar.  LXX  scheint  mit  öXl^J^sw;  ao- 
TÄv  nicht  auf  DHI^,  sondern  auf  ein  ursprüngliches  DilJJ"J  schliessen  zu  lassen, 
s.  VoLLEES  (ZATW  1883,  250),  der  auf  eine  ähnliche  Verwechslung  von  inp 
mit  ^r\'iV  Ob  13  hinweist.    Danach  ist  mit  Oettli  üriJJI  ^J?,  wegen  ihrer  Bös- 


Hos  7  12  63  Hos  7  16 

artiiikeit,  zu  lesen,  was  einen  sehr  guten  Sinn  ^!;iel)t:  die  bösartigen  Tiere  sperrt 
Jahwe  ein.  Das  übrig  bleibende  Dti^3  möclite  ich  am  ehesten  als  eine  erklärende 
Glosse  zu  ^y  fassen:  weijen  -=  gemäss  dem  Ihifron  ihrer  Bösartigkeit.  Das 
Bild  vom  Netze  Jahwes  vgl.  noch  Hes  12  13  1 7  20  32  3  Hi  19  6;  Hosea  hat  aber 
bei  der  Anwendung  desselben  kaum  eine  Ahnung  von  dem  Netz,  das  die  Götter 
nach  dem  babylonischen  Öchöpfungsepos  Marduk  schenkten,  „das  Lngetüm 
Tiämat  zu  fangen". 

13,  die  fünfte  Strophe:  Weh  ihnen,  dass  sie  mir  entwichen!  Fluch  ihnen, 
dass  sie  mir  untren  wurden!  Und  ich,  ich  sollte  sie  freilassen,  Und  sie  redeten 
über  mich  Lügen,  Die  Strafe  muss  sie  treffen,  das  Verderben  über  sie  kommen, 
weil  sie  Jahwe  die  Treue  gebrochen.  Er  hält  sie  in  sicherm  Gewahrsam,  er 
kann  sich  nicht  so  wegwerfen,  sie  freizulassen  (=  D'lö«  ^^^^\^  das  als  Frage  der 
Verwunderung  zu  fassen  ist  vgl.  Ges.-Kautzsch^"  §  150  a),  da  sie  Lügen  über 
ihn  redeten  d.  h.  da  sie  seine  Macht  und  seinen  Willen  ihnen  zu  helfen  in  Ab- 
rede stellten,  vgl.  auch  y.  i5^. 

14,  die  sechste  Strophe:  Und  sie  riefen  nach  mir  nicht  ton  Her%en: 
Denn  sie  heulen  wegen  .  .  .  .,  Wegen  Getreide  und  Most  rnt%en  sie  sich,  Ganz 
und  gar  abtrünnig  sind  sie  von  mir.  Für  ^^*''?^^';  1.  'b'h^^,  s.  Ges.-Kaützsch^' 
§  70d  und  zu  Jes  15  2.  Der  Sinn  im  Allgemeinen  ist  klar:  Aufrichtig  haben 
sie  niemals  mich  angerufen,  denn  so  jämmerlich  sie  auch  thaten,  nicht  um  mich, 
sondern  um  Getreide  und  Most  war  es  ihnen  zu  thun,  also  ein  Grund  mehr,  sie 
nicht  zu  befreien  vgL  y.  is^  Im  Einzelnen  aber  ist  manches  fraglich:  "^y 
DHIDS^ö,  „auf  ihren  Lagern",  ist  nicht  verständlich,  es  kann  sich  schwerlich  um 
die  Polster  bei  der  Opfermahlzeit  handeln,  dann  erwartet  man  für  ^J^  vor  dem 
folgenden  ^y  wegen  dieselbe  Bedeutung  und  für  Dnin?^*p  etwas,  das  dem  fol- 
genden Getreide  und  Most  entspräche;  aber  weder  DHIIi^^p  ihre  Backschüsseln 
(Smend),  noch  DH^^nsi^p  ihre  Viehhürden  (Oettli)  leuchtet  ein.  Für  ^^i'Jliin^ 
das  man  durch  Zusammenstellung  mit  dem  Verbum  7V]^  =  sich  aufregen 
erklären  will,  wird  wohl  mit  LXX  •mi2in*'  zu  lesen  sein,  das  dann  bedeutet:  sie 
machen  sich  Einschnitte  ^  ritzen  sich  die  Haut^  vgl.  I  Reg  18  28,  nämlich  um 
dadurch  Gott  sich  günstig  zu  stimmen,  dass  er  ihre  Bitte  erhöre,  s.  zu  Dtn  14  1 
und  Makti  Gesch.  der  isr.  Rel.4  36.  '^^  T\\^"'  ist  schwer  zu  halten,  da  I^D  mit 
]P,  nicht  mit  !!  verbunden  wird.  LXX  siratScu&TQaav  sv  sfxoi  hat  ^?  lltp^  gelesen, 
was  sich  ebenfalls  wegen  "»la  nicht  empfiehlt.  Man  wird  daher  mit  Nowack  etwa 
••?  \iO\  von  *l*!D  abti'ünnig  sein,  lesen  können  und  vielleicht,  da  der  Stichos  sehr 
kurz  ist,  in  dem  von  LXX  nicht  gebotenen,  also  irgendwie  durch  ein  Versehen 
eingedrungenen  '^HID',  ich  habe  gezüchtigt,  von  y.  15  den  Best  des  vierten  Stichos 
sehen  dürfen:  '^niD''  ''n  no^  könnte  auf  ursprüngliches  ''n  Tto\  IIID  zurückgehen, 
wie  oben  in  der  Übersetzung  vermutet  ist. 

15  16^"^  (bis  nw),  die  siebente  Strophe,  zeigt,  dass  die  Güte  Jahwes 
gerade  so  wenig  ausrichtete,  wie  die  Not  y.  u:  Jahwe  anerkennen  sie  nie,  sie 
sind  immer  gegen  ihn.  Habe  ich  aber  ihre  Arme  gestärkt.  So  sinnen  sie  gegen 
mich  Böses;  Sie  wenden  sich  ab  zu  den  Bealim,  Sind  geworden  wie  ein  Bogen, 
der  trügt.   Zu  ^n"iD%  das  LXX  nicht  liest,  s.  zu  y.  h.  Unter  dev  Stärkung 

der  Arme  können  politische  und  kriegerische  Erfolge  gemeint  sein,  wie  sie 


Hos  7  16  64  Hos  8  1 

Jerobeam  ben  Joas  davongetragen  hat  (vgl.  II  Reg  14  27),  aber  es  kann  sich 
auch  um  Gewährung  grosser  Fruchtbarkeit  handeln  im  Gegensatz  zu  dem 
Mangel,  auf  den  v.  u  hinweist.  Die  Hoffnung,  dass  solche  Güte  die  Israeliten 
zur  Einsicht  bringe,  erwies  sich  als  unrichtig;  denn  diese  wussten  diese  För- 
derung, die  sie  erfuhren,  so  zu  deuten,  dass  sie  nicht  für  Jahwe  sprach,  vgl. 
auch  V.  i3'\  Sie  leiteten  offenbar  den  Segen  von  den  Bealim  ab,  wie  16^''  zu  ver- 
stehen sein  wird.  Mit  'pjj  tih  ist  nichts  anzufangen,  denn  es  kann  nicht  bedeuten: 
fsie  machen  eine  Wendung,  aherj  nicht  aufwärts.  ^J^  =  Höhe  ist  nirgends 
sicher,  jedenfalls  auch  11  7  nicht;  ebenso  darf  man  sich  nicht  auf  II  Sam  23  i 
berufen  s.  LXX.  Zu  Jes  59  1 8  63  7  s.  in  diesem  Comm.  und  zu  den  übrigen 
Stellen  beachte  Ges.-Bühl  ^^  unter  ^J^  A.  Die  Konjekturen:  'p'^yin^  ^  =  nicht 
%nm  Nut%en  (Oort),  ^^^yi''  ^  =  sie  haben  keinen  Nutzen  davon  (Valeton), 
h^'^V'  >^  '\'^V1\  oder  '^'"^ynb  \^\^\  ^h  =  sie  werden  zu  Schanden  werden^  keinen 
Nutzen  haben  oder  sie  kehren  nicht  um,  um  Nutzen  zu  haben  (Oettli),  befrie- 
digen alle  mit  ihrem  Gedanken  an  den  Nutzen  nicht;  dem  Gedankenkreis 
Hoseas  näher  liegt  die  Vermutung,  b))  ^b  sei  eine  absichtliche  oder  unabsicht- 
liche Verderbnis  für  ^Vliri"^«  oder  D^^V^H'^i^  =  sie  wenden  sich  ab  zu  Baal 
(vgl.  13  1)  oder  zu  den  Bealim  (2  15).  Sie  sind  geworden  iT)?*!  ri^f^S  wie  ein 
Bogen y  der  triigt,  vgl.  auch  Ps  78  57;  d.  h.  wie  ein  Bogen,  der  dem  Schützen 
versagt  oder  den  Pfeil  in  nicht  gewollter  Richtung  abgiebt,  so  dass  das  Ziel 
stets  verfehlt  wird,  ist  Israel,  es  macht  alle  Anstrengungen  Jahw^es,  mit  ihm 
zum  Ziele  zu  gelangen,  illusorisch  und  vergeblich.  So  bleibt  für  Jahwe  nichts 
übrig,  als  das  treulose  und  widerspenstige  Volk  der  Strafe  zu  überliefern 
V.  16^P  8  3. 

16^^  der  Anfang  der  achten  Strophe.  Nur  der  erste  Stichos  ist  sicher: 
Es  sollen  daher  ihre  Fürsten  fallen  durchs  Schwert  d.  h.  entweder  im  Kriege, 
der  sich  gegen  Israel  erhebt  (8  3^),  oder  durch  Hinrichtung,  die  der  siegreiche 
Feind  an  den  Machthabern  der  Besiegten  vollzieht;  möglich  ist  es  auch,  dass 
Hosea  an  die  inneren  Wirren  denkt,  in  denen  die  Obrigkeit  gestürzt  wird  (vgl. 
V.  7)  und  die  schliesslich  zur  Intervention  des  fremden  Feindes  führen.  Die 
Fortsetzung  DJItS^'p  Dj;?p  infolge  des  Ingrimms  ihrer  Zunge  ist  unwahrschein- 
lich, weil  DJ^t  sonst  immer  nur  vom  Zorne  Gottes  gebraucht  wird  und  auch 
ohnehin  schwer  zu  verstehen  ist,  was  diese  Beifügung  besagen  sollte.  Vermut- 
lich stand  ursprünglich  dafür  etwa  zu  lesen:  DH^'tpDti^'  ^pj/^D  Wegen  meines  Zorns 

ihre  Bichter  (s.  v.  7)  oder  DH'^tpDtri  D|bl?  Ihr  König  und  ihre  Vorgesetzten. 

16'^  ist  schwerlich  mehr  als  eine  Glosse.  U^'^h  1t,  das  ist  ihr  Hohn,  wahrscheinlich 
ihr  Höhnen,  ihr  Prahlen,  soll  wohl  ihre  ingrimmigen  Reden  v.  16^  erklären.  Oder  ist  ge- 
meint der  Hohn  über  sie?  Nach  Oort  sind  die  beiden  Wörter  als  Dittographie  der  vorher- 
gehenden einfach  zu  streichen.  Alles  ist  unsicher.  Im  Lande  Äg7/pten  ist  ebenso  wenig  zu 
verstehen:  Im  ersten  Falle  könnte  man  an  die  prahlerischen  Reden  der  israelitischen  Ge- 
sandten in  Ägypten  denken;  im  zweiten  besagte  dann  v.  16*^,  wie  man  in  Ägypten  über 
den  Untergang  Israels  spottet.  Aber  warum  ist  hier  nur  von  Ägypten  die  Rede,  da  sonst 
bei  Hosea  Assur  auf  gleicher  Linie  mit  Ägypten  steht?  LXX  hatte  schon  denselben  Text 
vor  sich.  Vielleicht  dachte  der  Glossator  an  die  Wertlosigkeit  des  Bündnisses  mit  Ägypten 
gegen  Assur,  von  der  Jesaja  später  gesprochen  hat.  Zu  1t,  verkürztes  n«t,  ausser  hier 

nur  noch  Ps  132  12,  vgl.  Ges.-Kautzsch  2  7  §  34b.  8  1  2  betrachte  ich  ebenfalls  als 

spätere  Zusätze,  die  in  ungutem  Zustande  vom  Rande  in  den  Text  gekommen  sind.       1^  An 


Hos  8  1  65  ,  Hos  8  4 

deinen  Gaumen (\)  die  Posdime!  Wie  ein  Adler  auf  das  Haus  Jahnen !  ist  sclion  an  sich  un- 
glaublich; denn  die  Posanne  setzt  man  an  den  Mund  und  steckt  sie  nicht  in  den  Gaumen, 
und  die  Posaune  im  Gaumen  schadet  man  schwerlich  dem  i Jause  Jahwes.  Aber  auch  der 
Text  ist  nicht  sicher,  LXX  übersetzt  sl;  xoAttov  otuTÖiv  on  77),  scheint  somit  "ißy3  gelesen 
zu  haben.  Dieser  Spur  folgt  Ooiit,  wenn  er  mit  Herübernahme  der  zwei  letzten  Worte 
von  7  16  als  ursprünglich  vermutet:  nj.T.  rr^n-^rö  i^itl^sn  ncy  onb";  D^^p  p«!i  =  „In  Ägypten- 
land werden  sie  Staub  lecken  (vgl.  zu  Jes  49  23),  in  Assnr  weg  vom  Hause  Jahwes."  Aber 
man  erwartet  doch  solches  nicht  mehr  von  denen,  die  durch  das  Schwert  gefallen  sind. 
Anders  und  wohl  besser  liest  CHEYNE^(The  Expositor  1897  Nov.  S.  304):  "icb^D  nän  b>ip  üin 
njiT  n^n"^y  =  „Erhebe  die  Stimme  mit  Macht,  wie  eine  Posaune  gegen  das  Haus  Jahwes!" 
D"in  konnte  nach  vorano^ehendem  D^liJö  ausfallen,  nöU^  und  "itS^iD  sind  auch  nach  Grätz  ver- 
schiedene  Lesarten  des  ursprüngliclien  "lötS^S  und  b«  ist  =  'pip,  vgl.  Jes  58  1,  welche  Stelle 
jedenfalls  Anlass  zu  dem  Einschub  hier  gegeben  hat,  wenn  sie  nicht  einfach  als  Rominiscenz 
hierher  versetzt  war,  also  v.  P  in  ursprünglicher  Gestalt  wie  dort  lautete:  "^BltS^D  'ij^nii''?« 
"1  "2rbv  Tj^lp  Din.  7\)r\\  n'^a  spricht  nicht  für  ursprünglichen  Text;  denn  einmal  redet 

Jahwe  selbst  (vgl.  auch  v.  l'^),  und  andererseits  kann  der  Glossator  den  Ausdruck  „Haus 
Jahwes"  für  Kanaan  9  15  entlehnt  haben,  wo  Jahwe  das  israelitische  Land  mein  Haus 
nennt.    Zu  9  3  7\\7\\  px  und  9  4  n)iT  n"'S  s.  die  Auslegung.  1^  ist  umsomehr  Glosse, 

als  es  ohne  die  Interpolation  v.  P,  die  es  begründet,  keinen  Halt  hat.  Auch  ohnehin  weist 
NowACK  mit  Recht  darauf  hin,  dass  Hosea  den  Ausdruck  iT'in  für  das  religiöse  Verhältnis 
Jahwes  zu  Israel  nicht  kennt.    JT^IS  ist  hier  identisch  mit  nilD,  beide  sind  als  termini  tech- 

•    I  T  ' 

nici  im  späteren  Sinne  gebraucht:  T\^y^  ist  soviel  wie  der  Inbegriff  der  von  Jahwe  gefor- 
derten religiösen  Pflichten  und  niin  ist  gleich  dem  im  Buche  aufgezeichneten  Gesetz. 
2  schildert  weiter  das  Benehmen  der  Israeliten,  gerade  wie  in  Jes  58  2 :  Und  (1.  ^  vor  "h, 
vgl.  1  zu  Ende  von  v.  1)  mich  rufen  sie  an:  0  Gott  (1.  mit  LXX  D\"i''?«,  eventuell  U\i^« 
unser  Gott) !  wir  kennen  dich.  '^«•J^^  fehlt  in  LXX  und  ist  deshalb  wohl  fälschlich  aus  v.  3 
von  einem  Schreiber  vorweggenommen.  Der  Sinn  ist:  Trotz  allem  Übertreten  (v.  l'^)  wollen 
sie  doch  meine  Verehrer  sein,  als  solche  gelten,  die  mich  kennen;  die  Interpolation  denkt 
an  7  14:  C3^n  ^^X  ^pvrs'?.  Das  Imperfektum  ^pyp.  beschreibt  einen  immer  sich  wieder- 
holenden Umstand,  der  zu  dem  im  Perfektum  ausgedrückten  bereits  vollendeten  Abfall 
hinzukommt.  Der  ganze  Einschub  v.  1  f.  fordert  in  für  Hosea  ganz  ungewohnter  Weise 

den  Propheten  aus  Nachahmung  von  Jes  58  If.  auf,  gegen  Israel  laut  die  Stimme  zu  er- 
heben, während  doch  sonst  Jahwe  es  ist,  der  direkt  durch  den  Propheten  zum  Volke  spricht. 

3,  die  zwei  letzten  Stichen  der  achten  Strophe  und  zugleich  der  kräftige, 
Schuld  und  Strafe  in  kurzem  Wort  zusammenfassende  Abschluss  des  ganzen 
Redestückes:  Verschmäht  hat  Israel,  was  gut  ist;  So  soll  der  Feind  es  ver- 
folgen. n^J  ist  ein  starker  Ausdruck  für  verwerfen^  mit  Indignation,  Ver- 
Schmähung  von  sich  weisen,  vgl.  y.  5.  Hlto  =  das  Gute,  das  was  ihm  Heil 
brächte.  Zu  dem  seltsamen  Suff.  1  am  Imperf.  in  IS'IT  vgl.  Ges.-Kautzsch^? 
§  60  d,  doch  ist  wohl  ^nD"11^  zu  lesen,  wenn  nicht  gar  D?"!"]*;  herzustellen  ist,  vgl. 
das  folgende  DH.  Ist  mit  Ooet  und  Nowack  wirklich  nach  LXX  zu  Anfang 
des  Verses  ein  "^3  einzusetzen,  so  ist  es  =  fürwahr^  also  noch  einmal  auf  die 
ganze  Darlegung  der  einfältigen  V^idersetzlichkeit  Israels  7  8-I6  zurückweisend. 

8.  Die  widerrechtliche  Regierung  und  der  verkehrte  Gottesdienst  von 

Samarien  8  4—14. 

4,  die  erste  Strophe:  Sie  haben  Könige  eingesetzt,  ohne  meinen  Auftrag, 
Fürsten  sich  erwählt,  ohne  mein  Wissen;  Aus  ihrem  Silber  und  Gold  haben  sie 
sich  verfertigt  Göt%en  —  zu  ihrem  Verderben.  Auf  dem  Dri,  das  bei  Hosea  gerne 
zu  Anfang  steht,  liegt  kein  grosser  Nachdruck,  hier  soll  vielmehr  betont  werden? 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  5 


Hos  8  4  66  Hos  8  5 

dass  die  Israeliten  sich  eine  Obrigkeit  gegen  Willen  und  Wissen  Jahwes  ein- 
setzten, also  die  rechtmässige  Obrigkeit  eigenmächtig  stürzten.  Damit  weist 
Hosea  auf  die  inneren  Wirren  nach  dem  Tode  Jerobeams  IL  hin,  vgl.  zu  7  3  7, 
und  nicht  etwa  auf  die  Reichsspaltung  nach  dem  Tode  Salomos.  König  und 
Fürsten  sind  die  staatliche  Obrigkeit  vgl.  7  3  i6  8  lo  13  lo.  Zu  ^iT'^H  von 

11b^,  gebildet,  wie  wenn  das  Verbum  yi^  lautete,  vgl.  Ges.-Kaützsch^?  §  67 v. 
Das  zweite  Hauptvergehen,  das  im  Kultus  besteht,  konzentriert  sich  in  den 
U^yiV  Götzen  =  den  goldenen  und  silbernen  Jahwebildern  Nordisraels,  vgl.  zu 
V.  5''^  6^  Dass  es  Stierbilder  waren,  ersieht  man  aus  v.  5  f.,  wo  Hosea  dafür  die 
verächtliche  Bezeichnung  ^^J^  Kalb  gebraucht,  vgl.  „das  goldene  Kalb"  in  der 
Wüste  Ex  32  4  8  und  die  beiden  „Kälber"  in  Bethel  und  Dan  I  Reg  12  28  f. 
Hosea  ist  der  erste,  der  gegen  die  Bilder  opponiert,  und  zwar  wie  das  Gesetz 
Ex  20  23  34  17,  gegen  die  goldenen  und  silbernen  Gussbilder;  aber  seine  Oppo- 
sition geht  tiefer,  denn  er  sieht  darin  das  ganze  heidnische  Wesen  des  israeli- 
tischen Kultus  repräsentiert.  Die  damit  angekündigte  Abneigung  gegen  die 
Bilder  hat  nachmals  im  Dekalog  und  Dtn  ihren  klassischen  Ausdruck  und  ihre 
offiziell-theologischeBegründung  gefunden  vgl.  Dtn4i2i5-i8  58  Ex204.  D'^lp^S? 
ist  das  zweite  Objekt  zu  H'^j;,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  117  ii.  Für  tT\T^  das 

auf  Silbe?'  und  Gold  zu  beziehen  wäre,  ist  mit  LXX  der  Plural  ^ini^^  zu  lesen: 
Götzen  zu  nichts  anderm  gut,  zu  keinem  andern  Zweck,  als  dass  sie  ausgerottet 
werden. 

5^  6^  die  zweite  Strophe:  Ich  verschmähe  dein  Kalb ^  Samarien,  Ent- 
brannt ist  mein  Zorn  über  es;  Ja,  in  Splitter  soll  es  zerfahren,  Das  Kalb  von 
Samarien.  In  zorniger  direkter  Anrede  an  Samarien  d.  i.  an  Nordisrael  (vgl. 
7  1  8  6  10  5  7  14  i)  spricht  Jahwe  das  Urteil  über  das  Kalb  von  Samarien^  das 
Jahwebild  in  Stiergestalt  im  Hauptheiligtum  des  Reiches  zu  Bethel  vgl.  10  5 
Am  7  13.  Für  Hit,  dem  man  nicht  die  Bedeutung  des  Hiph.  H'^Mn  ==  es  stinkt 
geben  darf,  1.  mit  Wellh.  u.  a.  nitij  oder  wohl  besser  in  gutem  Kontrast  zu 
dem  lltD  h^'^'0^  Hit  v.  3  mit  Wincklee  auch  hier  das  Perf.  Tin^t;  ebenso  ist  12  für 
DS  zu  lesen,  da  letzteres  erst  infolge  des  Einschubs  v.  5^  zur  Überleitung  ent- 
standen ist.  Q'^??ti^  Stt.  Xsy.,  bedeutet  wahrscheinlich  Splitter^  Span,  nach 
dem  talmud.  ^^|^,  Holzsplitter,  und  dem  aram.  ^^^^^  Span  (s.  Dalman  Aram.- 
neuhebr.  Wb.).  Das  Kalb  der  Samarier  bestand  somit  nicht  aus  massivem 
Metall,  sondern  aus  einem  Holzkern  mit  Metallüberzug,  wie  das  goldene  Kalb, 
das  nach  Ex  32  20  verbrannt  wurde.  Wenn  das  Kalb  zu  Samarien  zersplittert 
war,  konnten  immerhin  seine  Späne  auch  dem  Feuer  überliefert  werden;  aber 
direkt  ist  hier  von  einem  „Zerpulvertwerden",  wie  Luthee  übersetzt,  nichts 
gesagt. 

5^  ist  eine  Frage,  die  nicht  in  den  Mund  Jahwes  passt  und  darum  nicht  in  den  ur- 
sprünglichen Text  gehört,  ob  man  nun  ]''j?i  als  Schuldlosigkeit  oder  als  Freiheit  von  der  Strafe^ 
TJngestraftheitj  fasse,  also  ob  man  übersetze:  wann  endlich  (das  bedeutet  ^b  ^riö"lX^,  wörtlich: 
wie  lange  nicht . . .  .)  können  sie  Schuldlosigkeit  erlangen,  von  der  Schuld  loskommen?  oder: 
wann  endlich  können  sie  TJn gestraf theit  erhalten,  von  der  Strafe  loskommen  ?  So  fragt  nicht 
der  über  das  Kalb  von  Samarien  in  Zorn  geratene  Jahwe,  sondern  ein  Späterer,  dessen 
Herz  von  "Wehmut  über  den  Götzendienst  und  von  Schmerz  über  die  Gedankenlosigkeit 
der  Götzendiener,  zu  welchen  er  die  Samarier  von  Anfang  an  rechnet  und  als  welche  er  sie 


Hos  8  5  67  Hos  8  8 

auch  in  später  Zeit  noch  sieht,  erfüllt  ist.  Man  vergleiche  ganz  ähnliche  Einschübe  in 
Dtjesaja  Jes  44  9-20  4<)  G-8  und  zu  Samariens  illegitimem  Gottesdienst  .les  27  <jf.  L)ie 
späteren  Juden  betrachteten  die  Samaritaner  als  völlige  Ifeiden.  Dassf  v.  5*'  eingeschoben 
ist,  hat  auch  Nowack  erkannt.  Dagegen  sucht  Ooht  durch  P]mendation  zu  helfen;  aber 
'rsnti^*»  «Ipi  b^v  «b  "'O?""'?^  =  wann  endlich  tvird  es  (seil,  das  Kalb)  ausgespieen  tverden 
können  aus  Israel  ist  schwerlich  ein  annehmbarer  Text,  abgesehen  dass  «IpJ  Inf.  Niph. 
von  «""p,  speien,  ein  unerweisliches  Niph.  voraussetzt.  6""  gehurt  zu  v.  5'',  ist  also 

ebenfalls  noch  Einschub.  Hosea  hat  schon  v.  4  gesagt,  was  das  Bild  ist  und  wer  es  ge- 
macht hat;  hier  würde  er  nicht  noch  einmal  darauf  zurückkommen,  und  solche  Gründe 
anzugeben  und  solche  Polemik  zu  treiben,  ist  nicht  die  Art  Jahwes,  sondern  der  Späteren, 
die  sich  gerne,  um  die  Thorheit  der  Bilderanbetung  zu  beweisen,  auf  die  Entstellung  der 
Bilder  durch  Menschenhand  berufen,  vgl.  Jes  44  9-20  46  6-8.  Im  Texte  ist  das  vor 

«in  stehende  unverständliche  }  vor  tS^nn  zu  setzen  oder  besser  mit  Wellii.  u.  a.  ganz  zu 
streichen.  Mit  Meinhold  '^«"iti^»»  in  tJ^^X  n^^  aus  Menschenhand  zu  verändern,  verlohnt  sich 
kaum.  Dass  v.  5^  6^  eingeschoben  sind,  beweist  auch  der  gute  Zusammenhang,  der 

zwischen  v.  5^  und  v.  6^  besteht,  und  die  Schwierigkeit,  die  ein  Übergang  von  v.  5^  auf 
v.  5'^  und  von  v.  6^  auf  v.  6^  bereitet. 

7abaß^  die  dritte  Strophe:  Denn  Wind  säen  sie,  Und  Sturm  ernten  sie, 
Eine  Saat,  der  kein  Fruchthalm  sprosst,  Die  keine  Halmfrucht  trägt.  Gegen 
die  Masora,  welche  zu  übersetzen  wäre:  Saat  hat  es  nicht,  Spross  giebt  nicht 
Mehl  (oder  etwa  nachRüCKEET:  Halm  giebt  nicht  Malm),  also  das  Bild  eigent- 
lich verstanden  haben  wollte,  ist  mit  Wellh.  u.  a.  HD^  mit  dem  Vorhergehen- 
den zu  verbinden,  so  dass  die  Reime  H??^  und  n)??^.  am  Ende  der  Stichen  stehen. 
Ferner  ist  für  das  infolge  der  falschen  Auffassung  eingesetzte  1^  das  richtige 
n^  herzustellen  und  für  XtäT  "h^,  das  falsch  auf  HDiJ  bezogen  wurde,  n^?n  ^b:i 
oder  einfacher  nt^'j;  "hli  (vgl  zu  dem  Partie,  mit  "hll  7  8)  zu  lesen.  Zu  nnD^D, 
der  verlängerten  Form  für  HD^D,  Sturm,  vgl  Ges.-Kautzsch^'  §90f  und  g. 
Zu  dem  sprichwörtlich  gewordenen  Bilde  von  „Windsäen"  und  „Sturmernten" 
vgl.  10  13  Mch  2  11;  der  Sinn  ist:  Nichtiges  und  eitles  Treiben  führt  Vernich- 
tung und  Zerstörung  herbei.  Damit  ist  die  Drohung  der  zweiten  Strophe  (v.  6^') 
begründet,  aber  zugleich  auch  hinübergeleitet  auf  das  Bild  von  der  nöfj,  dem 
in  Halmen  stehenden  Getreide  ohne  riD^  Spross  und  ohne  HDj^.,  eig.  Mehl,  ohne 
Fruchthalm  und  Halmfrucht.  So  steht  das  windige  Israel  da,  wie  eine  im 
Wachstum  stillegestellte  Saat,  ein  durch  Vergilben  oder  Dürre  abgestandenes 
Getreidefeld;  ein  trauriger  Anblick!   Israel  ist  dem  Absterben  nahe  vgl.  7  9. 

7*^^  Der  Schluss  von  v.  7:  Würde  es  etivas  tragen  (wörtlich:  vielleicht  wird  es  etwas 
tragen),  Ausländer  ivürden  es  verschlingen,  erweist  sich  als  Glosse;  denn  er  nimmt  das 
Bild  im  eigentlichen  Sinne  und  fügt  zu  der  bestimmten  Aussage  die  Möglichkeit  einer 
Ausnahme.  Hoseas  Anklage  ist  es,  dass  Israel  infolge  seines  nichtigen  Treibens  einem 
abgestandenen  Kornfelde  gleicht;  aber  dass  er  jemals  geklagt  hätte,  dass  Ausländer  Israel 
berauben,  ist  sehr  die  Frage,  vgl.  5  7. 

8  bietet  drei  Stichen  der  vierten  Strophe;  die  Parallelzeile  zum  ersten 
Stiches  ist  wahrscheinlich  in  9^^  zu  finden:  Vernichtet  ist  Israel,  Ephraim  ver- 
einsamt; Bereits  ist  es  unter  den  Völkern  geworden  Zu  einem  wertlosen  Ge- 
schirr, Die  Strophe  zeigt,  was  für  Folgen  das  Treiben  Israels  für  seine  Stellung 
unter  den  Völkern  hatte.  In  der  Politik  zählt  es  nicht  mehr  mit:  es  ist  y^n;, 
verschlungen,  so  viel  wie  nicht  mehr  vorhanden,  oder  "Sh  I^IS,  vereinsamt ,  d.  h. 
ganz  auf  sich  gestellt,  von  allen  verlassen.   Für  «ns,  Wildesel  v.  9,  wozu  man 


Hos  8  8  68  Hos  8  11 

gewöhnlich  1^  "IHIS  als  „eigensinnig"  erklärt,  lese  ich,  da  zwar  das  Bild  eines 
eigensinnig  sich  vom  Rudel  abtrennenden  Wildesels  für  Hosea  wohl  annehmbar, 
aber  im  Zusammenhang  sowohl  hier,  wie  v.  9,  unpassend  wäre,  die  zu  b^y^\ 
erforderliche  Parallele  D^IDiJ.  Auch  LXX  hat  ^^1ö  nicht  als  Wildesel  gedeutet, 
vgl.  dazu  VoLLEKS,  ZATW  1883,  252.  Für  ^INT  ist  der  Singular  n;n  zu 

lesen;  Israel  und  Ephraim  sind  ein  Volk.  In  diese  verachtete  Stellung 

ist  Israel  durch  die  unaufhörlichen  Revolutionen  gekommen.  Bald  wird  das 
unbrauchbare,  wertlose  Gefäss  zerschlagen  werden.  Zu  12  y^T}  ^^  "h^  vgl. 
Jer  22  28  48  38. 

9  10^  die  fünfte  Strophe:  Schon  macht  sich  die  Dekadenz  in  Israel 
selber  recht  fühlbar,  sie  suchen  schon  selber  fremde  Hilfe^  sodass  bald  das 
Revolutionieren  ein  Ende  haben  wird.  Über  v.  9^!^  s.  oben  zu  y.  8,  über  y.  lo^ 
unten  nach  y.  lo^  Mit  diesen  Ausscheidungen  lautet  die  Strophe:  Denn  sie 
sind  nach  Assur  gezogen^  Nach  Ägypten^  um  Liebesgeschenke  zu  geben ^  Und 
sie  werden  bald  aufhören  %u  salben  \  Könige  und  Fürsten.  Mit  Wellh.  ist 
für  D^.^IDiJ  zu  lesen  D^^^^D,  wie  das  parallele  ^\^)^  abhängig  von  ?i^J^,  =-  nach 
Ägypten;  dann  ist  ferner  für  ^iJlH,  das  man  als  „dingen"  erklärt,  ^iH";,  sie  geben 
zu  setzen.  Möglich  ist  auch  zu  lesen:  ^linj  nö^i:^p=yVÄCÄ  Ägypten  gaben  sie  D '^n^ 
d.  i.  Buhlschaften,  Liebesgeschenke,  Damit  wird  angespielt  auf  die  Gesandt- 
schaften und  Gaben,  womit  Israel  ein  Bündnis  mit  Assur  oder  Ägypten  zu 
erlangen  suchte  vgl.  12  2.  10^  Dem  masoretischen  Texte,  der,  auch  wenn 

man  mit  Guthc  statt  ^^HJ,  sie  werden  anfangen^  "bxy^  liest  und  übersetzt:  sie 
sollen  gar  bald  sich  winden  unter  dem  Tribut  an  den  König  der  Fürsten,  d.  h. 
an  den  Grosskönig  von  Assur,  sehr  unwahrscheinlich  klingt,  ist  der  Text  der 
LXX  weit  vorzuziehen,  der  hebräisch  gelautet  hat:  Dn'^l  ^^D  n'^rsD  tOVD  ^l^'^riM, 
s.  oben  die  Übersetzung  und  vgl.  D'^lb^l  *5j^)D  13  lo,  ferner  zum  Salben  auch  der 
Fürsten  7  3.     DJ;d  ist  temporal  =  in  wenig  Zeit^  gar  bald.  Die  Lust  zum 

Revoluzionieren  werden  ihnen  Assur  und  Ägypten  bald  austreiben. 

10^  kann  man  nur  mit  Zwang  in  den  Kontext  einordnen,  das  zeigt  sich  an  der 
verschiedenen  Auffassung,  die  man  dem  D^inj^s  hat  geben  wollen.  Man  verstand:  ich 
sammle  sie  seil,  die  Völker  gegen  Israel ,  aber  davon  fehlt  das  Wichtigste  im  Text ;  oder : 
ich  enge  sie  ein  sei  es  durch  Wegführung  ins  Exil,  sei  es  durch  Bedrängung  im  eignen 
Lande,  aber  diesen  Sinn  hat  das  Verb  um  nicht;  oder  man  verändert  den  Text  in  D>*^5^ 
oder  D>'öi«  =  ich  ivercle  sie  zersprengen  (so  Oettli).  Bleibt  man  bei  dem  Sinne,  den  \>Sp 
wirklich  hat,  so  heisst  es:  ich  loerde  sie  jetzt  sammeln,  und  vorausgesetzt  ist,  dass  die  zu 
sammelnden  zerstreut  sind.  Dieser  Voraussetzung  entspricht  das  vorangehende  Sätzchen, 
ob  man  es  übersetzt:  selbst  wenn  sie  unter  den  Völkern  (gemeint  sind  dann  alle)  Liebes- 
gaben geben  (1.  liri^?  oder  besser  nach  LXX:  selbst  wenn  sie  unter  die  Völker  dahingegeben 
iverden  (1.  Hoph.  ^^Pi^).  Darnach  liegt  hier  eine  Verheissung  vor,  die  dem  ursprünglichen 
Zusammenhang  fremd  ist,  eine  Glosse,  die  das  sie  zogen  nach  Assur  vom  Exil  verstand 
und  verheisst,  dass  Jahwe  die  Diaspora  aus  allen  Völkern  sammeln  wird.  Mit  dieser 
Zwischenbemerkung  richtet  sich  der  Glossator  an  seine  Zeitgenossen. 

11  12,  die  sechste  Strophe:  Denn  so  viel  Altäre  sich  auch  Ephraim  er- 
richtet haty  Es  waren  ihm  Altäre  zum  Sündigest.  Mag  ich  ihm  noch  so  viel 
Weisungen  vorschreiben,  Sie  sind  geachtet  wie  die  eines ^  der  sie  nichts  an- 
geht. Der  Kultus  und  die  Missachtung  der  wahren  göttlichen  Forderungen 
sind  der  Grund  des  Verfalls  Israels.  Das  erste  ^^tb  ist  als  ein  Versehen 


Hos  8  11  69  Hos  8  13 

eines  Schreibers,  der  auf  das  Ende  des  zweiten  Stichos  sah,  zu  entfernen  (  Wellh. 

u.  a.);  die  dafür  von  Orelli  und  Oettli  vorgeschlagene  Lesung  t^tsn'p,  =  „zur 

Entsündigung",  setzt  bei  dem  Volke  ein  Bewusstsein  der  Verschuldung  voi'aus, 

von  dem  wir  bei  Hosea  das  gerade  Gegenteil  lesen.         Nicht  die  Vielheit  der 

Altäre  im  Gegensatz  zu  einem  einzigen  Altar  wird  missbilligt,  sondern  die 

durch  die  Vervielfältigung  bewirkte  Verschlimmerung  der  an  sich  üblen  Sache; 

aller  kultische  Eifer  ist  vergeblich.  12  Für  12*i  =  zehntausend  im  späteren 

Hebräisch,  Kere  ''?1,  plur.  von  ^1  Menge,  1.  mit  Wellh.  Dh  und  für  ^n"Jin  den 

plur.  "'HhlP.;  w^eniger  gut  Geätz:  ^T\'^T\  •'"ini.  die  Worte  meines  Gesetzes,  was  wie 

der  MT  die  Thora   als  Ganzes  voraussetzt,  während   es   sich  hier  um  das 

Schreiben  einer  Menge  von  Weisungen  Jahwes  handelt.  Es  gab  also  zur 

Zeit  Hoseas  bereits  geschriebene  Thoroth;  aber  wie  der  Zusammenhang  mit 

V.  11  unzweifelhaft  zeigt,  es  waren  nicht  Weisungen,  die  den  Kultus  betrafen, 

sondern  die  rechte  Gotteserkenntnis  im  Sinne  Hoseas,  sittliche  und  sociale 

Vorschriften  vermittelten.  Zum  Bew^eis  für  das  Vorhandensein  von  Sammlungen 

kultischer  Gebote  zu  Hoseas  Zeit  ist  der  Vers  nicht  zu  verwenden;  am  ehesten 

ist  an  Aufzeichnungen  zu  denken,  welche  Bestimmungen  enthielten,  wie  sie  im 

sog.  Bundesbuch  sich  finden.  iriö3  ist  kurzer  Ausdruck  für  1t  nilin  1D3 

und  1J  ist  ein  Fremder,  der  einem  nichts  zu  befehlen  hat,  einen  nichts  angeht. 

^13  (mit  Ausnahme  von  y.  is^t^^t),  die  siebente  Strophe:  Opfern  ist  ihnen 

lieb  und  sie  opferten.  Fleisch  und  sie  assen;  Jetzt  werde  ich  an  ihre  Schuld 

denken  Und  sie  für  ihre  Sünde  bestrafen,  ''^O?'??  d^s  man  als  Ableitung 

von  in;,  geben^  als  Geschenke,   Opfergaben  oder  vom  späteren  jüdischen  IHIH, 

sengen,  rösten,  als  Brandopfer  erklärt  hat,  ohne  damit  einen  guten  oder  auch 

nur  halb  wahrscheinlichen  Sinn  zu  bekommen,  ist  Textverderbnis;  der  erste 

Stichos  mit  Hinzunahme  von  V\"l\  und  ^nst**  ist  zu  lesen:  ^nmt^l  DH^  Vil\,  V2fl. 

schon  DüHM  (Theol.  der  Proph.  S.  132),  der  allerdings  Cn?ns  als  Pe'aral  von 

ins  lesen  wollte.  Opfer  und  Feste  sind  den  Israeliten  lieb  mit  allem, 

was  damit  zusammenhängt,  aber  nicht  Jahwes  Gebote  (y.  12).   Zum  Fortfahren 

in  der  gleichen  Sünde  fordert  Amos  die  Israeliten  (Am  4  4)  und  unserer  Stelle 

ähnlich  Jeremia  die  Judäer  auf  Jer  7  21.    Für  solch  eine  verkehrte  Art  wird 

die  Strafe  nicht  ausbleiben,  Jahw^e  vergisst  diese  Sünde  nicht,  1.  die  1.  pers. 

lätS  und  IpSSI  für  *12r,  und  ^^^^\    Die  3.  pers.  ist  eine  Folge  der  Einfügung 

von  Y.  13^^. 

13^1^  D^")  S^  v:\j\\  verrät  sich  als  Glosse  nicht  nur  durch  r\')j\\  in  der  Rede  Jahwes, 
sondern  auch  durch  den  Inhalt:  denn  dass  Jahwe  an  den  Opfern  kein  Gefallen  hat,  ist 
doch  deutlich  genug  und  besser  schon  v.  II  gesagt  (vgl.  i^'ton^)  und  die  Wiederholung 
macht  sich  nur  matt.  Mit  der  Ankündigung,  dass  Jahwe  jetzt  strafen  werde,  schliesst 

die  Rede  gut  ab;  wie  er  strafen  wolle,  ist  hier  nicht  mehr  nötig  zu  sagen.  Ein  Späterer 
hat  aber  mit  der  Beifügung  von  13^^,  sie  iverden  nach  Ägypten  zurückkehren,  daran  er- 
innert, dass  darüber  Hosea  anderswo  Auskunft  giebt,  vgl.  9  3.  LXX  hat  dieses  Randzitat 
verstanden  und  es  aus  9  3  noch  weiter  vermehrt.  Jedenfalls  läge  es  Hosea,  wenn  ihm 
V.  13^T  gehören  sollte,  fem  sagen  zu  wollen,  dass  wie  einst  am  Anfang  so  jetzt  wieder  zur 
Einleitung  einer  neuen  Phase  der  israelitischen  Geschichte  das  Volk  in  das  Land  der 
Knechtschaft  Ägypten  verpflanzt  werde.  Hosea  setzt  ja  neben  Ägypten  immer  Assur  (s. 
z.  B.  93);  Ägypten  hat  somit  für  ihn  keine  andere  Bedeutung  als  Assur,  beide  sind  in 
gleicher  Weise  die  Strafwerkzeuge  Jahwes. 


Hos  8  14  70  Hos  9  3 

14  ist  in  mehr  als  einer  Beziehung  auffallend:  Einmal  erscheint  hier  Juda  wieder, 
das  im  ganzen  Abschnitt  8  4-13  nie  genannt  war,  dann  werden  ganz  neue  Sünden  erwähnt, 
nämlich  für  die  Israeliten  die  Erbauung  von  ni^3\n,  heidnischen  Tempeln  (s.  weiter  unten) 
und  für  die  Judäer  die  Anlage  von  festen  Plätzen,  und  endlich  ist  die  Strafe  der  Ver- 
brennung dieser  Bauten  den  Worten  Amos'  (z.  B.  Am  1  4)  entlehnt.  Der  Vers  ist  offen- 
bar eine  Glosse  und  zwar  eine  sehr  späte;  denn  der  Autor  derselben  betrachtet  die  Er- 
bauung von  Burgen  als  einen  Beweis  des  Mangels  an  rechtem  Glauben  und  sieht  die 
Religion  des  Nordreichs  als  pures  Heidentum  an  (vgl.  auch  zu  v.  o'^),  ganz  wie  die  nach- 
exilische  Judenschaft  urteilte.  Israel  hat  ja  seinen  Schöpfer  (auch  eine  spätere  von 
Deuterojesaja  an  geläufige  Bezeichnung  für  Jahwe,  vgl.  zu  Jes  17  7  f.)  verlassen,  wenn  es 
also  rilbjNT  errichtete,  so  waren  es  heidnische  Tempel  wie  Jo  4  5.  Für  n^nitol«  ist 

vniöl«  zu  lesen.  Der  Vers  ist  auch  von  Oort,  Wellh.  und  Nowack  als  Glosse  er- 

T         :      :   -  ' 

kannt,  ist  aber  entschieden  später  als  die  Zeit  Josias,  an  welche  Oort  gedacht  hat. 

9.  An  Stelle  des  heidnischen  Festjubels  auf  den  Höhen  tritt  für  Israel  die 

Trauer  im  heidnischen  Lande  9  i— 9. 

1,  die  erste  Strophe:  Freue  dich  nicht,  Israel,  Juble  nicht  wie  die 
Heiden,  Dass  du  Buhllohn  geliebt  hast  Auf  allen  Getreidetennen.  Für  ^'^r^S, 
das  sich  durch  die  unsichere  Stelle  Hi  3  22  (s.  dort)  nicht  schützen  lässt,  ist 
nach  fxir]5£  sücppaivoi)  der  LXX  ^?^"^iS!  zu  lesen.  D''öj;|,  wie  die  Völker^  ist  hier 
so  viel  wie  heidnisch.  Der  Kultus  „ist  durchaus  dionysisch,  wie  die  Griechen 
sagen  würden,  heidnisch,  wie  Hosea  sagt"  (Wellh.).  Die  überlaute  ausge- 
lassene Freude,  in  welcher  die  Israeliten  die  religiösen  Feste  feiern,  wider- 
spricht der  sittlichen  Tiefe  der  prophetischen  Auffassung  der  Religion.  Was 
die  Israeliten  von  der  Religion  wünschten,  waren  nur  die  materiellen  Segnungen 
der  Natur;  diese  nennt  Hosea  ])T\^  Buhllohn  vgl.  2  u,  d.  h.  Gaben,  welche  die 
Israeliten  für  ihren  eifrigen  Kultus,  der  Hosea  als  ein  kanaanitischer  gilt,  zu 
empfangen  meinen.  Die  Israeliten  haben  von  Jahwe  eine  heidnische  Vor- 
stellung, ihr  Kultus  ist  daher  eine  Untreue  gegen  ihren  Gott,  wie  die  Glosse 
^''O^^J  ^Vy^  0**^!  richtig  erklärt.  Auf  allen  Getreidetennen  d.  h.  auf  den 

Bamoth,  da  man  die  Getreidetennen  auf  den  Höhen  anlegte,  vgl.  Jdc  611,  wo 
gleich  auch  wie  hier  v.  2  die  Kelter  neben  der  Tenne  sich  findet,  und  II  Sam 
24  18.  Dort  erhalten  sie  den  Buhllohn,  dort  freuen  sie  sich  über  diese  diony- 
sischen Gaben.  Mit  '1^1  ^'S  ist  nicht  der  Grund  der  Abmahnung,  sondern 
der  Gegenstand  und  die  Ursache  der  Freude  eingeleitet,  vgl.  Jes  14  29.  Warum 
alle  ihre  Freude  über  ihre  geliebten  Baalsgaben  unbegründet  ist,  besagt  erst 

2  3,  die  zweite  Strophe:  Tenneund  Kelter  wer  dennichts  von  ihfienwisseti 
Und  der  Most  soll  sie  im  Stiche  lassen.  Ephraim  wird  wieder  nach  Ägypten 
müssen  Und  in  Assyrien  werden  sie  Unreines  zu  essen  haben.  Nach  LXX 
oux  l^vo)  für  D'iT,  das  man  gleich  sättigen  zu  fassen  hätte,  wofür  aber  Prv  10  21 
(s.  dort)  nicht  angeführt  werden  kann,  ist  DJ^"];;  (Wellh.  u.  a.)  oder  D3;t  (Ooet) 
zu  lesen,  was  zu  dem  parallelen  ti^n?  ver^leugnen,  im  Stiche  lassen  vortrefflich 
passt.  Ebenso  ist  nach  LXX  D^  für  n|  herzustellen.  Zum  Inhalt  vgl.  Am  5  11. 
Wie  es  dazu  kommt,  dass  der  Segen  des  Landes  von  ihnen  nichts  mehr  weiss, 
erklärt  3,  und  zwar  zunächst  mit  einer  Glosse  v.  3%  die  sich  wiederum  durch 
den  Gebrauch  von  TV\7yi,  aber  ohnedies  auch  durch  die  Vorwegnahme  des  in 
V.  3^  ausgeführten  Gedankens  ankündigt.  Ägypten  und  Assur  stehen  auch 


Hos  9  3  71  Hos  9  6 

hier  nel)eneinander  vgl.  7  ii  8  9  13.  Die  Freiride  ist  unrein,  daher 

auch  alle  Speise  dort  unrein  ist.  Der  Grund  liegt  darin,  dass  im  fremden 
Lande  es  ihnen  unmöglich  sein  wird,  Jahwe  zu  opfern,  s.  v.  4  und  Am  7  17. 

4^,  die  dritte  Strophe:  Sic  icerdim  keinen  Wein  mir  spenden  Und  kein 
Opfer  mir  aufschichten^  Wie  Trauerhrot  ist  ihr  Hrot^  Alle,  die  davon  essen, 
werden  unrein.  L.  mit  Kuenen  (Volks-  und  Weltrelig.  310—312),  Wellh. 
u.  a.  O*])?^  für  Uir  und  ebenso  UHlvh  für  UTh,  Die  Berechtigung  zur  Ände- 

rung von  T\)pi'^h  und  l'?  in  "h  aber  ergiebt  sich  aus  der  Erkenntnis,  dass  v.  3-^ 
Glosse  ist;  denn  das  dortige  njn;;  hat  die  Einsetzung  desselben  auch  hier  zur 
Folge  gehabt.   Zu  HW  in  v.  4''  u.  v.  5  vgl.  unten.  Für  DH^nnt  1.  n;t,  das 

Suffix  ist  eine  Folge  der  Verderbnis  von  n"]V|;  sie  werden  angenehm  sein,  (je- 
f allen,  das  ein  Subjekt  nötig  hatte  und  zwar  ein  solches  im  Plural  und  mit 
Suffix,  weil  es  den  Späteren  bedenklich  erschienen  wäre  zu  sagen,  dass  alle 
Opfer  Jahwe  nicht  gefallen.  Zu  dem  mildernden  Suffix  vgl.  zu  Jes  1  14  und 
überhaupt  die  Schlussbem.  zu  Jes  1  io-i7.  Der  Sinn  der  Strophe  ist: 

Aller  Kultus,  der  jetzt  unter  heidnischem  Jubel  mit  fröhlichen  Festschmause- 
reien  gefeiert  wird,  hat  bald  ein  Ende;  denn  es  folgt  eine  Zeit,  da  ihre  Speise 
der  Trauerspeise  gleicht,  die  unrein  macht,  und  alle  Jahwefeste  ihnen  unmög- 
lich sind.  Trauerbrot  ist  die  Speise,  die  während  der  Trauer  um  einen  Toten 
genossen  wird,  von  der  ursprünglich  zur  Zeit  der  Totenverehrung  wohl  auch 
dem  Toten  gespendet  wurde.  Der  Protest  des  Jahweglaubens  gegen  die  Toten- 
verehrung drückt  sich  darin  aus,  dass  das  Trauerbrot  für  unrein  gilt  vgl.  Dtn 
26  14.  Zu  'JJ^ij;  =  geordnet  hinlegen^  aufschichten  nämlich  Opferstücke, 

vgl.  Lev  18  12. 

4'^  scheint  mir  eine  Glosse  zu  sein,  die  die  beiden  letzten  Stichen  der  dritten 
Strophe  noch  besonders  begründen  soll  mit  dem  Hinweis  darauf,  dass  im  Exil  die  Nahrung 
nicht  durch  Darbringung  der  Erstlinge  und  Zehnten  etc.  im  Tempel  geweiht  werden  kann. 
Ihre  Speise  dient  D?^?i^  für  ihre  Gier  d.  h.  zur  Stillung  ihres  Hungers,  nur  für  dies,  und 
nichts  kommt  in  das  Haus  Jahwes,  was  doch  nicht  „in  irgend  ein  beliebiges  Gotteshaus", 
sondern  nur  „in  den  Tempel  zu  Jerusalem"  heissen  kann.  Der  Glossator  kennt  also  die 
Centralisation  des  Kultus  in  Jerusalem,  denkt  an  das  Exil  der  Judäer,  und  klagt  wie  Joel 
hauptsächlich  darüber,  dass  der  Kultus  unmöglich  ist,  vgl.  Jo  1  13.  5  ist  gleichfalls 

schwerlich  alt.  Die  direkte  Anrede  unterbricht  ungut  die  Schilderung  von  dem  Ergehen 
der  Israeliten  v.  4^  und  v.  6.     Der  Unterschied  von  "IS?1Ö  und  :in  ist  auch  nicht  deutlich : 

T 

1S?1D  ist  eigentlich  die  bestimmte  Festzeit,  sodass  statt  DI"«  man  lieber  mit  LXX  den  Plural 
davor  sähe,  und  in  bezeichnet  das  Wallfahrtsfest,  die  drei  jährlichen  Hauptfeste,  gerne 
auch  das  Hauptfest  y.ax'  lEoyrjv:  das  Laubhüttenfest.  Zu  nPID  2  13  12  10  s.  den  Comm. 
Gerade,  wenn  v.  4'^  die  Klage  über  die  Unmöglichkeit  des  Kultus  das  Hauptanliegen  des 
Glossators  ist,  wird  auch  die  weitere  Beifügung  desselben  oder  eines  andern  verständlich  : 
was  wollt  ihr  erst  an  den  Festtagen  Jahwes  anfangen? 

6,  die  vierte  Strophe:  Denn  siehe  bald  %iehen  sie  nach  Assur,  Wird 
Memphis  sie  begraben,  Ihre  Kostbarkeiten  —  Disteln  treten  an  ihre  Stelle, 
Dornen  wachsen  in  ihren  Hütten.  Noch  einmal  wird  mit  diesem  Verse,  deut- 
licher als  es  V.  3  schon  geschah,  auf  die  bevorstehende  Exilierung  der  Israe- 
liten und  Verödung  ihres  Landes  hingewiesen.  Ägypten  hat  für  Hosea  nicht 
nur  typische  Bedeutung,  er  erwartet  bei  dem  Zerfall  Israels  ein  Eingreifen  der 
Grossmächte  Assyrien  und  Ägypten,  die  beide  ihren  Vorteil  aus  der  Vernich- 


Hos  96  7^ Hqs9  7 

tung  des  israelitischen  Reiches  zu  ziehen  suchen  werden.  Auch  hier  ist  l^tS^J?? 
neben  DI^^P,  event.  der  Name  einer  assyrischen  Stadt  neben  ^b,  im  Texte  zu 
erwarten;  dies  für  "l^ü  einzusetzen  hat  man  um  so  mehr  das  Recht,  als  obn 
Tt^'p  unverständlich  bleibt,  ob  man  siezogen  infolge  der  Katastrophe  oder  sie  siiid 
der  Katastrophe  entgangen  übersetzt.  Am  besten  liest  man  daher  nach  HIT 
auch  hier  ein  Partie,  also  entw.  It^S  ''?bh  oder  D'^D^n  =  siehe  bald  ziehen  sie 
nach  Assur^  Wellh.  u.  a.  ziehen  das  Imperf.  O^;;  vor.  ^V^V-^  Q'll^P  und 

D^Bj^n  ^b  sind  nur  zwei  verschiedene  Lesarten;  D"^n^D  ist  die  Auflösung  des  als 
Städtename  unverstandenen  und  als  Verderbnis  aus  der  Abkürzung  ':JD  be- 
trachteten ^b.  Der  Städtename  ^b  konnte  um  so  eher  verkannt  werden,  als 
sonst  überall  im  AT  (vgl.  z.  B.  Jes  19  13  Jer  2  16)  diese  Stadt  ^i  zu  heissen 
scheint;  aber  gerade,  dass  hier  der  richtige  Name  erhalten  ist,  spricht  für  die 
Originalität  des  Stichos  mit  ^b.  Nach  dem  Urteil  der  Agyptologen  W.  M. 
Müller  (Encycl.  Bibl.  Art.  NOPH)  und  J.  Hess  (brieflich)  kann  nämlich  nur 
die  Form  ^b  erklärt  werden;  sie  allein  entspricht  dem  ägypt.  Mn-nfr,  sprich: 
Men-nüfer^  resp.  mit  später  verschliffenem  r  Men-nüfe.  wie  denn  auch  die 
Assyrer  Me-im-pi  d.  i.  Mempi,  die  Griechen  Mejxcpi;,  die  Kopten  Menbe,  Mempe, 
die  Araber  Manp  und  später  Mäphe  sagen.  Danach  ist  es  fraglich,  ob  die  Form 
^i,  wo  sie  vorkommt,  wirklich  richtige  Überlieferung  sei  und  ob  nicht  vielleicht 
doch  eine  andre  Stadt  gemeint  sei  oder  eine  Verwechslung  vorliege.  Zu  Mm- 
nüfe,  wenn  der  Prophet  dessen  Bedeutung  „Gute  Ruh"  kannte,  passt  vortreff- 
lich die  Lesart  D^lSj^ri,  das  auch  sonst  dem  farblosen,  wohl  blos  bei  der  Über- 
nahme in  den  Text  zur  Differenzierung  entstandenen  D^inj^n  vorzuziehen  ist. 
Ebenso  passt  die  Fortsetzung,  wo  von  den  Erben  der  Israeliten  die  Rede  ist, 
aufs  beste  zu  der  Aussage:  Memphis  wird  sie  begraben^  ihr  Grab  sein.  löriD 
DÖP5^,  wofür  seltsamer  Weise  LXX  M.ayy.a.c,'  to  dpyupiov  auiaiv,  also  einen 
zweiten  Eigennamen,  und  zwar  den  der  palästinensischen  Stadt  DDDI?  z.  B.  Jes 
10  28,  und  „ihr  Silber"  ohne  h  bietet,  ist  unhaltbar,  weil  ein  Plural  erforderlich  ist, 
vgl.  das  Suff,  in  D!^T^,  und  weil  b  sehr  eigentümlich  prosaisch  klingt.  Wellh., 
NowACK,  OoET,  Oettli  Icsen  DSD2  "''^Dnts,  ihre  silbernen  Kostbarkeiten  oder 

7  7  ^._..    __._7 

Lieblinge  9  16,  und  verstehen  darunter  die  silbernen  Hausgötter;  aber  man 
sieht  nicht  ein,  warum  sie  nur  „silbern"  sind.  Eher  möchte  DSD?^  eine  nach 
Jo  4  5  zu  dem  ursprünglichen  DH'^'llDn)?,  ihre  Kleinodien^  eingesetzte  Glosse  sein. 
Der  Sinn  wäre  nicht  schlecht:  da,  wo  sie  jetzt  ihre  Kleinodien  haben,  werden 
bald  Disteln  gewachsen  sein,  Disteln  statt  Kleinodien  werden  ihre  Häuser 
zieren.  Zu  lesen  ist  ti^löp,  nicht  ti^lD'^p  s.  Baee-Delitzsch;  ti^lDp  und  Hin 

stehen  auch  Jes  34  13  nebeneinander.  Unter  ihren  D"'bni<  sind  nicht  heilige 
Zelte  auf  den  Höhen,  sondern  einfach  ihre  eigenen  Hütten  und  Wohnungen 
(vgl.  II  Sam  20  i)  zu  verstehen.  Es  handelt  sich  um  gründlichste  Verwüstung 
und  Verödung  des  Landes,  vgl.  auch  Jes  34  13. 

In  7—9  ist  der  Text  in  solcher  Unordnung,  dass  zu  einer  einigermassen 
sicheren  Auffassung  schwerlich  zu  gelangen  ist.  Übersetzt  man  den  vorliegen- 
den Text,  so  kommt  man  mit  Grammatik  und  Sinn  in  böses  Gedränge;  von 
Israel  ist  bald  in  der  3.  pers.  plur.  JiJ;t^  v.  7,  bald  in  der  3.  sing.  HDllJ  y.  8,  oder 
auch  in  der  2.  pers.  sing.  ^Ji^g  v.  7  die  Rede,  und  der  Prophet  selber  erscheint 


Hos  9  7  73  Hos  9  7 

bald  in  der  3.  pers.,  bald  in  der  1.  pers.  sing.  ^'H'?«  v.  ö.  Was  den  Sinn  betrifft, 
so  weiss  man  nicht,  ob  von  falschen  Propheten  d.  h.  von  Gegnern  Hoseas  oder 
von  Hosea  selber  gesprochen  ist  und  ob  man  J^T  vom  Erfahren  der  Strafe  oder 
vom  Gelangen  zu  richtiger  Einsicht  verstehen  soll.  Man  kommt  über  Ver- 
mutungen nicht  hinaus.  Da  X*'?^  ^'l"bs  v.  8  nur  als  die  grapliische  Wiederliolung 
von  fc^^^Il-in  h^)^  V.  7  erscheint,  also  aucli  anzunehmen  ist,  dass  in  dem  voraus- 
gehenden  Dj;  D";nD«  HDIIJ  v.  8  mit  dem  zu  ^«"Ijfc^l  v.  7  parallelen  D1*]ö«  die  Fort- 
setzung von  V.  7^  steckt,  wage  ich  als  fünfte  Strophe  zu  vermuten  T-^  S'"": 
Die  Zeit  de?'  Heimsuchung  ist  da.  Die  Zeit  der  Vergeltung  ist  da,  Es  erfährt 
Israel  meinen  Z.orn,  Es  erfährt  Ephraim  meinen  Groll.  Man  lese  also:  J^i;; 
["^]pj;[l]  DIID«  [j;t]  ^b:^[P]  ^^^\\  J^T  (vor  D^^D«  in  Analogie  zu  dem  doppelten 
^^5  wiederholt)  für  ^^i;;  wird  in  v.  7  von  LXX  bezeugt,  die  ein  J^T  mit  ihrem 
xaxaj&y]0£Tai  wiedergiebt.  Eventuell  ist  für  ''Dljp  auch  ''öS  herzustellen,  wobei 
keine  Verwischung  von  p  anzunehmen  wäre.  Diese  Vermutung  hat  den 
grossen  Vorteil,  dass  sie  einen  guten  Zusammenhang  für  sich  und  mit  v.  6 
bietet  und  dass  sie  von  der  unmöglichen  Verbindung  Dj;  HD^  in  v.  8  befreit,  wo 
man  schwerlich  übersetzen  kann:  Ephraim  liegt  auf  der  Lauer  gegenüber 
meinem  Gott.  Mit  Cheyne  aber  zu  lesen:  \n'^«"DVD  D^"lDS  Höl^  =  der  Wächter 
Ephraims^  der  von  meinem  Gott  bestellt  ist^  empfiehlt  sich  doch  auch  nicht; 
DJ;d  kann  nicht  „von  jmd.  bestellt"  heissen.  In  D^^,  Vergeltung,  kann  eine 
Anspielung  an  den  Usurpator  Schallum,  den  Mörder  Sacharjas,  liegen 
(Wellh.).  Es  ist  unverkennbar,  dass  das  v.  i  beginnende  Stück  mit  dieser 
fünften  Strophe  gut  abschliessen  könnte;  wahrscheinlich  hat  man  aber  doch 
V.  7^  8^  9  hinzuzunehmen,  wenn  man  nicht  lieber  darin  ein  besonderes  kleines 
Fragment  sehen  will,  das  die  Entrüstung  Hoseas  über  das  entsetzliche  Ver- 
derben des  Volkes  darstellt.  Ziehen  wir  die  Verse  zu  v.  iff.,  so  erhalten  wir 
etwa  folgendes  nach  7^  als 

sechste  Strophe:  Von  Sinnen  ist  der  Prophet,  Rasend  der  Inspirierte 
Wegen  der  Grösse  ihrer  Verschuldung  Und  weil  gross  ist  ihre  Sünde.  Da 
HD^'^D,  auch  wenn  man  es  als  Anfeindung  fasst,  keine  gute  Parallele  zu  jij; 
bildet  und  es  sehr  leicht  aus  y.  8  an  Stelle  eines  ähnlichen  Wortes  eingedrungen 
sein  kann,  ist  Drifc^tsn  dafür  zu  vermuten;  davor  ist  HST  als  3-  pers.  fem.  sing, 
perf.  mit  dem  Ton  auf  der  vorletzten  Silbe  zu  lesen  und  für  die  Konstruktion 
ist  darauf  zu  verweisen,  dass  öfters  ein  Infinitiv  in  einem  Perfectum  sich  fort- 
setzt, das  unter  der  Rection  der  Einleitung  des  Infin.,  also  hier  des  ^J?=1!^8"^J^, 
steht,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  114r.  Hält  man  die  Anrede  an  Israel  fest, 

wie  sie  in  ^J^'iV  vorliegt,  so  ist  auch^^l^^t^^  zu  lesen;  besser  wird  aber  die  3.  pers. 
plur.  hergestellt,  vgl.  den  Plural  y.  9^  Durch  niin  \ä^^,  Mann  des  Geistes, 

wird  es  ausser  Frage  gestellt,  dass  nicht  von  den  „falschen"  Propheten  die 
Rede  ist;  der  Mann  des  Geistes  ist  der  Inspirierte,  LXX  avöpwuo;  6  Tivsüixaxo- 
cpopoc;,  wohl  vor  allem  in  dem  Sinne,  wie  Jes  31  3  ni1  dem  1^21  gegenüberstellt, 
=  der  Mann,  der  höhere,  geistige,  göttliche  Einsicht  hat  und  der  durch  die 
höhere  göttliche  Macht  in  seinem  Urteil  sich  erleuchten  und  leiten  lässt.  Ge- 
meint ist  Hosea  selber;  aber  es  kann  dabei  auch  an  Amos  gedacht  sein.  Aus 
den  Prädikaten  der  Propheten:  J^J^?,  das  man  als  verrückt  wie  II  Reg  9  ii 


Hos  9  7  74  Hos  9  9 

verstehen  wollte,  und  ^''IN,  thoricht,  hat  man  geschlossen,  dass  in  diesen  beiden 
Stichen  das  Urteil  des  Volkes  über  Hosea  zitiert  werde  und  dass  er  selber 
dann  mit  1^1  l'l  ^y  fortfahre:  Ja  wohl  verrückt!  aber  —  wegen  der  Menge 
u.  s.  w.  (so  Wellh..  Nowack).  Doch  hat  die  Annahme  einer  solchen  liede  und 
G-egenrede  etwas  sehr  Gezwungenes,  sie  geht  auch  davon  aus,  dass  von  An- 
feindungen, die  der  Prophet  erfahren  habe,  die  Hede  sei;  aber  dies  ist  nicht 
mit  Sicherheit  v.  8  (s.  dort)  zu  entnehmen.  Darum  liegt  es  doch  näher,  VJ^p 
als  rasend^  entsetzt  über  das,  was  der  Prophet  zu  sehen  bekommt,  über  das 
schreckliche  Verderben  des  Volkes,  vgh  Dtn  28  34,  und  dem  entsprechend  auch 
b^\)^  als  %'on  Sinnen  zu  fassen.  Die  Raserei  des  Propheten  ist  nicht  Zeichen 
der  Verrücktheit,  sondern  seiner  sittlichen  Entrüstung;  das  entsetzliche  Treiben 
bringt  den  „Mann  des  Geistes"  zum  Rasendwerden,  kann  ihm  fast  den  Ver- 
stand benehmen,  soweit  ist  es  mit  dem  Volke  gekommen.  Zu  8^  mit  t^'^llj 
von  V.  8'^  s.  oben  zu  v.  7-9  und  bei  v.  7=^. 

8''  (ausser  S^^J)  enthält  zwei  Stichen  einer  siebenten  Strophe:  Fallen 
des  Yogelstellers  sind  gelegt  anf  allen  Wegen^  Und  Schlingen  im  Golteshause. 
Zu  lesen  ist  ^  "^y}^  und  DN^l^tJ;  erst  das  durch  Verderbnis  an  die  Spitze  dieser 
beiden  Stichen  verschlagene  N^inj  (s.  zu  v.  8*)  hat  die  Einführung  der  Suffixe  in 
V^T^  und  Vn^^  nach  sich  gezogen,  ist  auch  der  Anlass  geworden  zu  der  Meinung, 
dass  es  sich  um  Nachstellungen  gegen  den  Propheten  handle,  während  in  guter 
Fortsetzung  von  v.  7^  vielmehr  Exempel  der  Sündhaftigkeit  des  Volkes  hier 
beigebracht  werden.  Nicht  über  persönliche  Anfeindung,  sondern  über  die 
entsetzlichen  Verhältnisse  im  Volke  ist  der  Prophet  rasend.  Zu  den  Nach- 
stellungen auf  allen  Strassen  vgl.  6  9.  Dass  auch  in  einem  Grotteshause  Fallen 
gelegt  werden  konnten,  beweist  II  Reg  10  18-28,  und  dass  Ahnliches  in  den 
Wirren  des  Nordreichs  zur  Zeit  Hoseas  vorgekommen  sei,  ist  doch  leicht  zu 
glauben.  Zu  n?  vgl.  Am  3  5;  HD^ti^D,  das  in  Parallele  dazu  steht,  ist  am 

wahrscheinlichsten  ebenfalls  irgend  ein  Fanginstrument,  nach  dem  Syrischen 
am  ehesten  Fessel ^  Strick^  Schlinge  ^  vielleicht  Fuss eisen ^  vgl.  syr.  ^Dtp^D, 
Fessel,  DDD  Ethpe.  gefesselt  sein.  Möglicherweise  ist  es  aber  auch  verdorben 
aus  niDt^D  Hi  38  3i  =  Seile  oder  einem  ihm  ähnlichen  Worte,  weil  man  wegen 
des  S*'?5  ^i^^  Beziehung  auf  den  Propheten  darin  finden  und  ein  Nomen  riDDti^)? 
von  Dtpto,  befeinden^  darin  sehen  wollte.  9^  ist  kein  übler  Abschluss  der 

Strophe:  Schwere  Schandthaten  haben  sie  verübt ,  Wie  einst  %u  Gibea  ge- 
schahen. Zu  der  Verbindung  von  ^p'^DJ^H  mit  einem  anderen  Verbum,  dem  es 
dann  adverbiell  untergeordnet  ist,  vgl.  Ges.-Kaützsch27  §  120h;  mit  ^HH^  zu- 
sammen bedeutet  es  demnach:  sie  haben  tief  gemacht,  schlecht  gehandelt  d.h. 
aufs  gründlichste  schlecht  gehandelt'.,  zu  Wfü  vgl.  Ex  32  7.  Da  der  adverbielle 
und  übertragene  Gebrauch  von  p'^Jpi?)!  nicht  selten  (vgl.  Jes  29  15  31  6)  und  ein 
kräftig  abschliessendes  Wort  nach  v.  8^'  am  Platze  ist,  braucht  man  nicht,  um 
die  Bilder  von  y.  8^  fortzusetzen,  mit  Wellh.,  Nowack  inTO,  seine  Grube 
(haben  sie  tief  gemacht),  zu  lesen  (gegen  das  Suff.  1  s.  zu  v.  8'^),  noch  hat  man 
^p'^pyn  wegen  5  2  zu  verdächtigen.  Über  die  Anspielung,  die  in  wie  in  den 

Tagen  Gibeas  liegt,  vgl.  Vorbemerkung  zu  10  9-i5.  Der  Schluss  ist  etwas 
abrupt;  doch  wenn  die  beiden  letzten  Strophen  zu  v.  i-7^  genommen  werden. 


Hos  9  9  75  Hos  9  10 

SO  zeichnen  sie  die  Stimmung  des  Propheten  dem  Treiben  des  Volkes  gegenüber 
und  bilden  eine  trellliche  Ergänzung  und  Begründung  zu  der  düsteren  Ankün- 
digung von  V.  7'S  die  nicht  noch  einmal  wiederholt  zu  werden  braucht.  Nimmt 
man  aber  die  beiden  Strophen  als  besonderes  Stück,  so  wird  man  am  Ende  in  der 
That  die  Drohung  der  Strafe  erwarten.  Aber  9^'  kann  dafür  niciit  aufkommen,  da 
er  offenbar  aus  8  13  hierher  versetzt  ist  und  zwar  schon  in  der  auch  hier  nicht 
in  den  Zusammenhang  passenden  3.  pers.;  v.  9*'  ist  Glosse,  eingesetzt  um  den 

abrupten  Schluss  v.  9^^  durch  eine  beigefügte  Drohung  zu  mildern. 

Durch  die  Worte:  Die  Zeit  der  Heimsuchung  ist  da^  Israel  soll  meinen  Zorn  zu 
spüren  beJwmnien,  v.  7,  und  die  Darstellung  der  Stimmung  des  Propheten  inmitten  des 
gründlich  verdorbenen  Volkes  ist  ein  Einschnitt  im  Buche  Hosea  markiert.  Es  folgt  nun 
eine  Reihe  von  Stücken,  die  darin  einander  ähnlich  sind,  dass  sie  von  einem  historischen 
Thema  ausgehen,  wenn  sie  sich  auch  meist  von  der  Vergangenheit  bald  wieder  der  Gegen- 
wart zuwenden. 

10.  Der  heidnische  Kultus  bringt  Israel  das  Verderben  9  lo— 17. 

10%  die  erste  Strophe:  Wie  Trauben  in  der  Wüste  Fand  ich  einst  Israel^ 
Wie  eine  Frühfeige  am  Feigenbaum  Sah  ich  eure  Väter.  T\T\'^^^y^^  dessen  Suff. 
nur  auf  nii??n  zu  beziehen  ist,  müsste  also  besagen  entw.  in  seinem  ersten  Triebe^ 
was  aber  eine  Tautologie  zu  ni^^^  einschlösse,  oder  in  seinem  Anfang  d.  h.  da 
er  no^ch  jung  war,  wobei  sich  aber  die  Frage  erhöbe,  ob  denn  die  Feigen  eines 
ganz  jungen  Baumes  wirklich  besser  seien,  als  die  eines  ausgewachsenen;  da 
auch  die  beiden  2  sich  unangenehm  stossen,  sehe  ich  in  ^^*'ti^^^"l2  eine  dem  Zu- 
sammenhang  leidlich  adaptierte  Glosse,  die  erklären  wollte,  dass  Jahwe  die 
Ahnen  Israels  so  am  Anfang  gefunden  habe.  1^103  ist  nicht  zu  Tl^^SD, 

sondern  zu  ü**55?  ^^  ziehen,  vgl.  das  paralL  njSHS;  wie  erquickende  Trauben  in 
der  Wüste,  wie  eine  wohlschmeckende  Frühfeige  als  Leckerbissen  geschätzt 
Jes  28  4  Mch  7  i  und  darum  ein  Gegenstand  des  Wohlgefallens  sind  für  den 
Wanderer,  der  sie  unvermutet  trifft,  so  war  auch  Israel  in  der  ersten  Zeit  an- 
genehm und  wert,  vgl.  auch  Am  5  25.  Wie  diese  glückliche  Zeit  ein  rasches 
Ende  gefunden,  zeigt 

10^  die  zweite  Strophe:  Sie  kamen  nach  Baal  Pcor,  Da  weihten  sie  sich 
Baaly  Und  wurden  so  abscheulich  Wie  ihr  Liebling.  Iips  ^J/?  ist  hier  (s. 

auch  Dtn  4  3)  Ortsname  =  liy^'n"^?  resp.  "liys  by_'^  n"^5  d.  h.  Haus  des  auf  dem 
Berge  Peor  (Peor  ist  nicht  Eigenname  eines  Gottes)  verehrten  Baal;  die  genaue 
Lage  ist  unbekannt,  aber  sicher  ist,  dass  sie  im  Osten  des  Jordan  gegenüber 
Yon  Jericho  zu  suchen  ist.  Die  Geschichte,  an  welche  erinnert  wird,  findet  sich 
Num  25  1-4  vgl.  auch  Dtn  4  3.  Dort  zeigen  sich  die  ersten  Anfänge  der  Folge, 
die  der  Übertritt  Israels  aus  der  Wüste  in  das  Kulturland  mit  sich  brachte; 
dort  beginnt  der  Baal-Kult,  den  Israel  von  Kanaan  übernahm.  Zu  dem 

Verbum  ^Ijri,  sie  weihten  sich^  vgl.  ""Pt},  der  Na%iräer.  -Hl^^j  Schande, 

scheint  zu  dem  später  üblichen  Ersatz  von  ^J??  durch  nt^!!  (vgl.  n^2"ti^'"'J^  für 
^j;?^«,  s.  zu  II  Sam  2  8  u.  meine  Gesch.  der  Israel.  Rel.^  S.  80)  den  Anlass  ge- 
geben zu  haben,  wenn  nicht  auch  hier  vielmehr,  was  wegen  des  Verbums  IIU^I 
wahrscheinlich  ist,  erst  eine  spätere  Hand  H^^b  für  b'^jh.  eingesetzt  hat.  D'^^^pti^, 
Gegenstände  des  Absehens^  adjektivisch:  abscheulich,  muss  deshalb  aber  nicht 


Hos  9  10  76  Hos  9  13 

auch  Ersatz  eines  andern  Wortes  sein,  wie  Wellh.  yermutet.  ö?«!^?  setzt 

ein  Nomen  ^n^<  voraus,  das  sonst  Buhlschaft  bedeutet  Prv  7  18,  wahrscheinlich 
ist  anders  zu  vokalisieren  (s.  Ges.-Buhl  Lex.  und  W.  M.  Müller  Asien  u. 
Europa  S.  300f.);  der  Sinn  jedoch  kann  nicht  fraglich  sein:  wie  ihr  Liebling 
d.  i.  Baal,  vgl.  auch  ^ni?D  2  7. 

11,  die  dritte  Strophe:  Ephraim  gleicht  den  Vögeln^  Es  verfliegt  seine 
Menge;  Aus  ist's  mit  Gebären  und  Schwangersein  Und  aus  mit  Empfängnis. 
Dieses  neue  Bild,  das  Ephraim  mit  einem  nach  und  nach  verfliegenden  Vogel- 
schwarm  vergleicht,  ist  vielleicht  Hosea  durch  den  Anklang  von  DllöiJ  an 
D'^1^^^,  Schwingen  eines  Vogels,  nahegelegt  worden  (Wellh.);  es  kündigt  die 
Strafe  an,  das  allmählige  Verschwinden  Ephraims,  dessen  Anzeichen  bereits  in 
der  Unfruchtbarkeit  ersichtlich  sind.  Zu  dem  prägnanten  Gebrauch  von  p 
=  weg  von,  sodass  nicht  mehr  ist^  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  g  119y;  hier  beginnt 
damit  sozusagen  ein  neuer  Satz:  aus  ist's  mit,  nicht  mehr  giebt's.  Für  ]D|i 

ist  vielleicht  mit  Ges.-Buhl  der  Infin.  ]b!l  zu  lesen,  was  n^^  besser  entspricht. 

16^  12%  die  vierte  Strophe:  Auch  wenn  sie  noch  Kinder  bekommen ,  So 
werde  ich  die  Lieblinge  von  ihrem  Fleisch  und  Blut  toten;  Ja  wenn  sie  ihre 
Kinder  gross%iehen,  Ich  werde  sie  kinderlos^  menschenarm  machen.  Der 

Übergang  von  v.  ii  zu  v.  12  wird  aufs  beste  vermittelt,  wenn  v.  16^  (nicht  auch 
V.  16%  den  Wellh.  und  Nowack  mit  heraufnehmen,  trotzdem  er  ein  andres 
Bild,  nämlich  das  von  einem  Baume  enthält,)  vor  v.  12  eingereiht  wird;  dann 
ist  zwischen  der  Drohung  der  Kinderlosigkeit  v.  11  und  dem  Auf  erziehen  von 
Kindern  noch  die  Möglichkeit  des  Kinderbekommens  für  die  Gegenwart  offen 
gelassen.  Aber  Kindersterben  wird  die  Neugeborenen  dahinraffen  und  wenn 
sie  auch  welche  durchbringen,  so  werden  dieselben  dennoch  nicht  das  Mannes- 
alter erreichen. 

Das  "'^  zu  Anfang  von  v.  12^  ist  steigernd  =  ja,  seihst;  dagegen  leitet  das  "»3  12'^  eine 
Glosse  ein,  die  deutlich  hervorheben  will,  dass  wirklich  auch  über  die  Kinder  das  Unheil 
kommt,  eine  Betonung,  die  einem  Späteren  wichtig  war,  weil  ihm  sonst  feststand,  dass  die 
Kinder  nicht  für  die  Eltern  zu  büssen  haben.  Das  Suffix  in  Dn^  ist  auf  Dn^^3  zu  beziehen 
und  Dil  gehört  dem  Sinne  nach  zu  DH^:  denn  wehe  auch  ihnen!  In  Dnö  nVu^n,  ivenn  ich 

-       <~'  VT  V     -  •  I     ' 

von  ihnen  d.  h.  hier  den  Ephraimiten  tveiche,  fasst  man  wohl  besser  n^tJ?  =  "i^iD,  als  dass  man 
^^}^  liest  und  entw.  tvenn  ich  von  ihnen  ausziehe  oder  von  ihnen  iceghliche  übersetzt.  Zu 
dem  Gedanken,  dass  Jahwe  von  Ephraim  weicht,  vgl.  ebenfalls  in  einer  Glosse  5  15. 

In  13  steckt  die  fünfte  Strophe.    Was  der  MT  bietet,  ist  aber  in  der 

ersten  Hälfte  nicht  zu  übersetzen,  ob  man  11^  als  Tgj^us  (zwar  sonst  immer  liJ 

ohne  1  geschrieben)  fasst  und  es  zu  ^Ty^^^  11^'i^3  oder  zu  dem  Hauptsatz  zieht 

(s.  GuTHE  bei  Kautzsch  in  der  Anmerk.  und  in  den  Beilagen)  oder  ob  man  ihm 

mit  HiTzia  nach  dem  arabischen  sawr  die  Bedeutung  Palme  giebt.  Anders  hat 

LXX  gelesen,  nämlich  sicher  ^r^  oder  "I^^J  für  11^  und  ViS  für  ni:n,  und  wohl 

i  •-  TT  VT    :     7 

auch  njin?  oder  'Trb^  für  :inin"7«.  Da  danach  die  Vergleichung  mit  einem 
Baume,  „gepflanzt  in  einer  Aue",  im  ursprünglichen  Texte  keinen  Halt  hat, 
also  auch  Vermutungen  wie  1^«3,  „wie  Lusthaine  von  Tyriern"  (Ewald)  oder 
^1^«3,  „wie  eine  Tamariske",  ausser  Betracht  fallen,  schlage  ich  vor  zu  lesen: 

v:n  n^  tw  ^^^b     ^n^«n  ^^^^^  ons« 

TT  T  .--  ..T  •:  •-!* 

nn  r^yyrb      N^:5in  h^^^^  ^^^ini 

TT  T«*-;—  •  »Ti«  : 


Hos  9  13  77  Hos  9  16 

d.  li.  Eifhraiin  sehe  ich  gleich  einem  Mann,  Der  sich  zum  JagdwUd  gesetzt  hat 
seine  Kinder;  Denn  Israel  seiher  führt  hinaus  Yjir  Schlachtimg  seine  Kinder, 

Mit  der  leichten  Konjektur  ^^'^  für  1^fc<?  (1  ist  falsche  Dittographie)  sind  wir 
nicht  nur  das  unerträgliche,  prosaische  „wie  ich  gesehen  habe"  los,  sondern 
gewinnen  auch  einen  ganz  vortreffliclien  Sinn:  Ephraim  gleicht  einem  Jägers- 
mann, der  auf  seine  eigenen  Kinder  Jagd  macht,  sie  selber  der  Schlachtbank 
ül)erliefert.  Das  ist  ein  Bihl  in  der  Art  Hoseas,  das  aufs  beste  das  wüste 
Treiben  (vgl.  zu  v.  15)  und  die  inneren  Wirren  charakterisiert  und  beurteilt,  m 
denen  die  Ephraimiten  sich  selber  dezimieren  und  ausrotten. 

14  wird  auf  einmal  Jahwe  angeredet:  Gieb  ihnen,  Jahwe,  was  du  gehen  willst!  Gieb 
ihnen  tln fruchtbaren  Mutterschoss  und  trockene  Brüste!  Diese  Aufforderung  verstehen  die 
einen  (Simson,  Keil  u.  a.)  als  eine  Steigerung  der  Drohung  und  als  eine  Äusserung  der 
„heiligen  Entrüstung"  des  Propheten,  während  andere  (Ewald,  Nowack,  Cheyne  u.  a.)  darin 
eine  Bitte  um  Milderung  der  Strafe  sehen  wollen,  eine  Bitte,  die  der  Proj)het  „in  einem 
Anfalle  von  Verzweiflung  und  mit  widerstrebender  fast  krampfhafter  Sprache  dennoch  zu 
äussern  nicht  umhin  könne"  und  die  seiner  „tief  gemütvollen  Weise"  entspreche.  Die  letz- 
tere Auffassung  ist  offenbar  die  richtigere,  nur  ist  es  nicht  Hosea  selber,  der  um  die  Mil- 
derung fleht,  doch  lieber  durch  Unfruchtbarkeit  das  Volk  untergehen  zu  lassen,  als  dadurch, 
dass  es  sich  selber  hinschlachtet,  sondern  ein  späterer  Glossator,  dem  vor  der  grässlichen 
Schilderung  des  sich  selbst  verzehrenden  Volkes  schaudert.  Hosea  kann  nicht  so  bitten, 
er  hat  Unfruchtbarkeit  bereits  v.  11  in  Aussicht  gestellt  und  v.  13  spricht  er  von  denen, 
die  SQlion  leben.  So  ergreifend  die  Bitte  wirkt,  die  verdiente  Strafe  zu  vollziehen,  aber 
doch  nicht  in  der  grässlichsten  Form,  sie  ist  ein  Fremdkörper  im  Text  und  unterbricht  den 
Zusammenhang.    Vgl.  zu  dem  Inhalt  Hi  3  11  f.  16. 

15%  die  sechste  Strophe:  All  Ihre  Bosheit  Ist  In  Gllgal  beisammen^  Ja 
dort  habe  Ich  sie  hassen  gelernt!  Wegen  Ihrer  schändlichen  Thaten  Werde  Ich 
sie  aus  meinem  Hause  vertreiben.  Warum  Gilgal  hier  als  das  Zentrum  und 
der  Kulminationspunkt  der  Sünde  Ephraims  genannt  ist,  lässt  sich  nicht  sagen. 
An  ein  politisches  Ereignis  könnte  man  im  Zusammenhang  mit  y.  13  denken,  aber 
es  liegt  doch  näher,  an  den  Kultus  in  Gilgal  zu  denken  vgl.  4 15  12  12.  Dabei  ist 
es  aber  nicht  ausgeschlossen,  dass  dort  gerade  entsetzliche  Szenen  vonMenschen- 
opfer  vorgekommen  wären,  auf  welche  auch  v.  13  angespielt  sein  könnte,  vgl. 
noch  13  2.  Solche  Vorkommnisse  würden  aufs  beste  erklären,  dass  dort  Jahwe 
seinen  Hass  auf  Ephraim  geworfen  hat.  Aus  meinem  Hause  d.  h.  aus  dem 

Lande  Kanaan,  das  sein  Haus  ist,  in  dem  er  solche  Greuel  nicht  dulden  kann. 

15'' 16^%  die  siebente  Strophe:  Ich  werde  nicht  ferner  sie  lieben^  All 

Ihre  Führer  sind  Auf  rühr  er.    Getroffen  Ist  Ephraim ,  Ihre  Wurzel  verdorrt. 

Für  ^pi«  1.  ^piS  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  109  d;  zu  der  Konstruktion  des  Hiph. 

^"^pln  mit  folgendem  Inf.  (das  ist  Dn^Hi;?)  ohne  b  vgl.  Gen  412.         Die  Parono- 

masie  särim-sorerim  ist  auch  Jes  1  23  verwendet.  16^°'  T\^T\  geschlagen^ 

getroffen  ist  Ephraim,  wie  ein  vom  Blitz  oder  von  der  Sonnenglut  (Ps  121  6) 

zerschlagener  Baum  oder  eine  von  einem  Wurm  (Jon  4  7)  zum  Dorren  gebrachte 

Pflanze.   Das  Bild  erinnert  an  das  von  der  abgestandenen  Saat  8  7.  So 

sehr  ist  Ephraim  getroffen,  dass  es  bis  in  die  Wurzel  dürr,  wir  sagen  faul  ist, 

also  sicher  absterben  wird,  wie  v.  ii-i3  verkündigt  hat;  ein  kurzer  kräftiger 

Abschluss  des  Abschnittes  v.  loff. 

IG'Ap  Frucht  tragen  sie  keine  halte  ich  für  eine  unüberlegte  Beigabe,  ih  Nachahmung 
von  8  7;  denn  wo  die  Wurzel  dürr,  ist  es  selbstverständlich,   dass  keine  Frucht  zu  finden 


Hos  9  16  78 Hos  10  2 

ist.  Zu  16^  s.  oben  nach  v.  11.  17  Wahrscheinlich  ist  v.  16^^^  mit  v.  17  zusammen- 

zunehmen d.  h.  stammt  v.  17  von  derselben  Hand  wie  v.  16^!^.  Glosse  ist  aber  v.  17,  weil 
hier  Jahwe  nicht  mehr  redet,  sondern  ein  anderer  von  ihm  spricht,  vgl.  ^^^^5,  wofür  nach 
LXX  D'n'^i<  zu  lesen  sein  wird,  und  lb,  und  weil  hier  nicht  mehr  von  der  Ausrottung  als 
der  Strafe  Ephraims,  sondern  von  seiner  Zerstreuung  unter  die  Völker  die  Rede  ist.  Auch 
ist  das  Nichthören  auf  Jahwe  als  Grund  der  Verwerfung  zu  milde  und  zu  blass  nach  allem, 
was  vorhergeht  (vgl.  bes.  v.  15);  fast  scheint  es,  als  sollte  mit  v.  17  die  Antwort  auf  die 
Bitte  V.  14  gegeben  werden:  Jahwe  wird  die  Ausrottung  in  Zerstreuung  unter  die  Völker 
ermässigen. 

II.  Die  Vernichtung  des  Kultus  mit  seinem  ganzen  Apparate  10  i-8. 

1^^°^,  die  erste  Strophe:  Ein  üppiger  Weinstock  war  Israel^  Schöne 
Frucht  trug  er:  Je  mehr  Früchte  er  trug.  Desto  mehr  Altäre  errichtete  es. 

Das  sonst  feminine  ]^t  ist  hier  entschieden  als  mascul.  gebraucht,  „wohl  nur  in 
Analogie  an  die  sonstige  Behandlung  der  Bäume  und  grösseren  Gewächse" 
(Albrecht  ZATW,  1896,  106 f.).  Zu  pj?i  weithin  sich  ausbreitend^  vgl. 

arabische  Parallelen  bei  J.  Barth  Wurzeluntersuchungen  1902,  7.  Für 

n5^%  das  wohl  „hinstellen",  aber  nicht  „ansetzen"  bedeutet,  1.  HJSi,  lieblich^ 
schöti,  vgl.  die  ähnliche  Verderbnis  ^n"^^;^  für  •'n^^j«  Ps  119  30  (LXX  sü&y]- 
va)v).  h  vor  1^"]ö  kann  nicht  gut  nur  als  Auflösung  der  Status-constructus- 

Verbindung  V^Ö'-lh  betrachtet  werden;  am  besten  liest  man  1^,  ihrn^  dafür; 
dagegen  ist  7  vor  niHlEltp  als  Fehler  zu  entfernen.  "Wiederum  ist  der  Über- 

gang in  das  fruchtbare  Kanaan  mit  dem  dort  angenommenen  Kultus  gerade 
wie  9  10  der  Punkt,  an  dem  der  Niedergang  Israels  beginnt;  die  Kultur  und 
der  Kultus  Kanaans  haben  Israel  verdorben,  Glück  und  Reichtum,  Übermut 
und  Abfall  gebracht. 

Ibß  2*^,  die  zweite  Strophe:  Je  besser  es  seinem  Lande  erging ^  Desto 
schönere  Malsteine  stellte  es  her.  Es  selber  soll  seinen  Altären  den  Hals 
brechen^  Seine  Malsteine  %ertrümmern.  Die  beiden  ersten  Stichen  führen 
noch  den  Gedanken  der  ersten  Strophe  weiter;  man  ersieht  aus  denselben,  dass 
die  Masseben,  Malsteine ^  neben  Äschere  und  Altar  die  Wahrzeichen  der  heiligen 
Stätte,  nicht  mehr  die  alten  unbehauenen  Steine  waren,  sondern  künstlerisch 
bearbeitet  wurden;  vgl.  Marti,  Gesch.  der  isr.  Rel.^  27f.  100.  Mit  den 

zwei  letzten  Stichen  geht  Hosea  über  zur  Ankündigung  der  Strafe.  ^^^H  kann 
nicht  Jahwe,  der  auch  hier  spricht,  noch  ein  ungenannter  Feind,  sondern  nur 
Israel  sein,  das  selber  noch  zu  der  Einsicht  von  der  Nutzlosigkeit  seines  Kultus 
kommen  soll,  wenn  die  Strafe  hereinbricht  und  es  über  seine  Götzen  zu  Schanden 
wird  vgl.  Y.  6  8.  Dass  N^H  wirklich  Israel  ist,  wird  nur  verdunkelt  durch  den 
Wechsel  des  Numerus,  der  aber  erst  infolge  der  eingedrungenen  Glosse  v.  2^ 
sich  eingestellt  hat ;  man  lese  daher  n^'pn,  Vnin^lip  und  Vnil^D.  ^1J^,  eigent- 

lich: das  Genick  brechen^  ist  hier  auf  das  Zertrümmern  der  Altäre  übertragen, 
vielleicht  durch  die  gehörnten  Stierköpfe  an  den  Ecken  der  Altäre  veranlasst 

(Wellh.),  vgl.  auch  die  Hörner  des  Altars  Am  3  14. 

2^  Ihr  Serz  icar  falsch,  nun  büssen  sie;  übrigens  liest  LXX  auch  hier  wie  5  15  ^Itets^j 
für  ^ö^«;^,  also:  nun  werden  sie  vernichtet.  Diese  Aussage  unterbricht  den  Zusammen- 
hang, denn  die  Altäre  und  Masseben  v.  2  können  nicht  durch  den  ganz  andersartigen  Ein- 
schub  V.  2^  von  denen  in  v.  1  getrennt  sein;  sie  spricht  aber  auch  ein  Urteil  aus,  das  nicht 


Hos  10  2  79  Hos  10  5 

Hoseas  Meinung  wiedorgiebt,  denn  Hosea  hat  nie  daran  gedaclii,  den  Israeliten  ein 
Sehwanken  zwisehen  Jahwe  und  Baal  oder  Heuchelei  gegen  Jahwe  vorzuwerfen,  für  ihn 
liefen  sie  I>aal  nach  und  sie  thaten  dies  mit  aller  Offenheit,  ohne  sich  einen  andern  An- 
schein geben  zu  wollen,  wenn  sie  schon  selber  der  Überzeugung  waren,  Jahwe  zu  verehren. 
Das  Urteil  ist  das  eines  Späteren,  der  in  dem  iföhendienst  Nordisraels  eine  Heuchelei 
sieht,  da  für  ihn  mit  dem  Abfall  von  Jerusalem  aufrichtige  .Jahweverehrung  unvereinbar 
erscheint. 

3,  die  dritte  Stroplie:  Bercils  sprechen  sie  ja  schon:  Wir  haben  keinen 

Konig ;  Denn  der  Könuj,  den  wir  haben,  Was  thut  er  für  uns'f  Damit  nennt 
Hosea  ein  deutliches  Symptom  des  Zerfalls  und  der  Wertlosigkeit  des  von  den 
Israeliten  geübten  Kultus.  Einen  rechtmässigen  König  haben  sie  nicht  mehr, 
der  ist  gestürzt,  und  der  Usurpator,  ^^T\  (beachte  den  Artikel!,  es  scheint  aber 
allerdings  etwas  ausgefallen  zu  sein,  etwa  ein  U^  I^S  oder  eine  andere  Näher- 
bestimmung oder  gar  der  Name),  thut  nichts  für  sie,  kann  vielleicht  nichts  für 
sie  thun,  sei  es,  dass  er  noch  um  seine  Herrschaft  kämpfen  muss,  sei  es,  dass 
er  durch  seine  Abhängigkeit  vom  Ausland  noch  geradezu  zu  Erpressungen  und 

Erhebung  von  Steuern  im  eigenen  Volke  gezwungen  ist,  vgl.  v.  5. 

3^^  Denn  wir  haben  Jaliive  nicht  gefürchtet  ist  eine  spätere  Glosse;  so  sprachen 
Hoseas  Zeitgenossen  nicht,  die  ja  meinten,  in  eifrigster  Weise  Jahwe  zu  dienen  (vgl.  v.  if. 
5  6),  so  erklärten  sich  die  Juden  nach  dem  Exil  die  königslose  Zeit  der  jüdischen  Gemeinde, 
vgl.  Esr  9  6 f.  4  scheint  ebenfalls  Glosse  zu  sein  (so  Nowack);  denn  die  selbstverständ- 

liche, darum  nicht  eigens  zu  gebende  Antwort  auf  die  rhetorische  Frage  v.  s'^P  ist:  „Nichts !", 
nicht  aber  eine  Ausführung  der  Thätigkeit  des  Königs.  Zudem  ist  v.  5  die  richtige  Fortführung 
von  V.  3,  s.  dort.  Ein  Glossator  aber  wollte  auch  die  rhetorische  Frage  nicht  unbeant- 
wortet lassen,  sagt  uns  daher,  was  die  israelitischen  Könige  thaten:  Nur  Worte  machen^ 
denen  keine  Thaten  folgen,  1.  isi  für  ilS"!  (s.  LXX,  diein'l  liest)  und  vgl.  Jes  58  13;  falsche 
Eide  schwören  vgl.  4  2,  nibx  statt  n^bx,  inf.  constr.  statt  absoL,  steht  wegen  des  Gleichklangs 
mit  n"l2  wie  nin^  Jes  22  13,  s.  Ges.-Kautzsch2  7  §  75n;  Verträge  ahschliessen  vgl.  5  13  7  11 
8  9.  Und  die  Folge  von  all  ihrem  Thun  ist  (vgl.  niöl  perf.  consec):  es  blüht  wie  Giftblwnen 
das  Recht;  wenn  der  Text  richtig  ist,  so  muss  eine  prägnante  Ausdrucksweise  angenommen 
werden,  die  die  Verwandlung  des  Rechtes  in  Gift  einschliesst.  Möglich  ist,  dass  aber  doch, 
da  diese  Konstruktion  des  3  sehr  seltsam  ist,  ein  anderes  Wort  für  DSti^D  zu  lesen  ist,  viel- 
leicht  nsti^ö,  Blutvergiessen  (so  eventuell  Oettli),  das  der  Glossator  sich  aus  Jes  5  7  an- 
geeignet haben  kann  und  mit  dem  er  auf  das  dortige  Wortspiel  nstS^D  statt  JOöU^ö  hinweisen 
will.  Oder  man  hat  einfach  als  Fortsetzung  in  der  Schilderung  des  Thuns  der  Könige  mit 
NowACK  nach  Am  5  7  6  12  '0  t5^S"i^  '^bn],  und  in  Gift  das  Recht  verkehren,  als  ursprüng- 
lichen Text  zu  vermuten.  ^n'y  'ö^n  bv  ist  12  12  entnommen,  es  gehört  zu  tJ^i<l  und  kann 
schon  vom  Glossator  herrühren,  wenn  er  wirklich  '3  niD^i  geschrieben  hat;  andernfalls  ist 
es  erst  eingesetzt,  als  die  jetzige  Lesart  aus  dem  ursprünglichen  Texte  entstanden  war. 

5aba  (^]3ig  viip^!!),  die  vierte  Strophe,  zeigt,  wie  die  Fortsetzung  bis  v.  6% 

wieviel  der  König  für  sein  Volk  thut,  soviel  —  dass  es  bereits  in  Ängsten  uni 
sein  kostbarstes  Heiligtuni  ist:  Um  das  Kalb  von  Bethel  sind  In  Angst  Die  Ein- 
wohner von  Samarien^  Ja  es  sind  darum  In  Trauer  Seine  Anhänger  und  seine 
Pfaffen,  Die  masoret.  Abteilung  der  Verse  ist  hier  nicht  gut;  nach  ^^y^^\  (s.  zu 
diesem  Worte  zu  4  4)  sollte  ein  Einschnitt  gemacht  w^erden.  Ferner  ist  statt 
ni^^j;^  der  Singular  ^5V.^  zu  lesen,  wie  die  darauf  bezüglichen  Fronomina  im 
Folgenden  beweisen  und  auch  LXX  zeigt;  für  ^^?"^l•'?  ist  auch  hier  wie  4  15  5  8 
der  verächtliche  Name  ]1«  H"^?  eingedrungen  und  ]5^  ist  nach  LXX  aus  dem 
Plural  ^)d^  verdorben.  Endlich  ist  auch  wohl  ^^N"^  für  h^'^  zu  lesen,  vgl.  das 
vorausgehende  "^  in  ''?.   Vgl.  zu  diesen  Verbesserungen  auch  Wellh.,  Nowack, 


Hos  10  5  BO  Hos  10  7 

OoRT,  Oettli.  Die  ganze  Aussage  aber  steht  noch  unter  der  Direktion  von 
nr\)l  V.  3:  Bereits  schon  sind  sie  in  Angst  etc.;  warum  sie  trauern,  erklärt  das 
Folgende,  das  nach  v.  6  sich  noch  lange  nicht  als  den  Höhepunkt  des  Unglücks 
darstellt. 

5^P  6%  die  fünfte  Strophe:  Sie  wehklagen  um  seinen  Schatz^  Dass  er 
ihm  weggenommen  ist.  Aber  auch  es  selber  werden  sie  nach  Assyrien  bringen 
Als  Geschenk  für  den  Grosskönig.  Für  ^^^^^  das  nur  vor  Freude  jubeln  bedeutet, 
ist  mit  Wellh.,  Oort  u.  a.  ^b'^^l,  wehklagen  vgl.  7  u,  zu  lesen;  das  V^J^  davor  ist 
zu  entfernen,  v^eil  erst  eingesetzt,  als  man  das  die  neue  Strophe  beginnende 
Verb  als  Prädikat  zu  V1l:SD1  nahm  und  folc^endermassen  verband:  es  ist  darum 
in  Trauer  sein  Volk,  während  seine  Pfaffen  darüber  jubeln.  Warum  sich 

mit  einem  Mal  das  Suffix  in  IIID^  und  ^2)30  auf  löj;  beziehen  und  daher  IIDS'^X 
0^1  ein  Zusatz  sein  soll,  wie  Wellh,,  Xowack  und  Oettli  behaupten,  ist  nicht 
einzusehen;  die  Ähnlichkeit  von  ISam4  22  kann  das  doch  nicht  beweisen.  111^3, 
seine  Herrlichkeit^  sein  Reichtum^  bezeichnet  hier  am  besten  den  Tempelschatz 
zu  Bethel,  der  zum  Teil  ja  auch  in  allerlei  Kostbarkeiten  etc.  bestehen  mochte, 
die  dem  Bilde  umgehängt  waren.  Diese  Herrlichkeit  ist  dem  Bilde  entzogen 
worden,  als  Menahem  mit  1000  Talenten  Silbers  den  Abzug  des  Assyrerkönigs 
und  das  Bündnis  mit  ihm  erkaufte  vgl.  II  Reg  15  19.  6^  Aber,  sagt  der 

Prophet,  es  kommt  noch  besser:  schliesslich  werden  sie  das  Kalb  selbst  als 
Geschenk  nach  Assyrien  bringen,  es  ist  ja  von  Gold,  wenigstens  vergoldet,  und 
bald  wird  es  an  anderen  Wertgegenständen  fehlen.  Für  b'lV'  inii^,  was  eine 
mögliche  Konstruktion  immerhin  wäre  (das  Verb  im  Passiv  mit  dem  Obj.  der 
aktivischen  Konstruktion,  vgl.  Ges.-Kautzsch27  g  121a),  liest  man  besser  /'?1'' 
=  •1^ni\  vgl,  LXX,  Wellh.  u.  a.         Zu  yr  ^^D  vgl  5  i3. 

6''  7,  die  sechste  Strophe.  6^  Schmach  trägt  Ephraim  davon  Und 

%u  Schanden  wird  Israel  an  seinem  Götzen.   Für  niti^3  wird  man  nti^2  zu  lesen 

T     :       T  V 

haben,  aber  darf  dann  nicht  mit  Guthe  bei  Kautzsch  ü'llöS  davon  abhängig 
denken,  die  „Schande  Ephraims"  als  Bezeichnung  des  goldenen  Stierbildes 
nehmen  und  zu  nj?";  den  Grosskönig  als  Subjekt  setzen.  Der  König  braucht 
das  Bild  gar  nicht  zu  holen,  die  Israeliten  bringen  es  ihm  selber  y.  6^  in!J?D, 
an  seinem  Plan^  ist  mit  Wellh.  und  Nowack  in  IS^J^ö  oder  V|?5^D  an  seinem 
Götzen  oder  an  seinen  Götzen  zu  verbessern  vgl.  4  17;  nicht  von  der  falschen 
Politik,  sondern  von  dem  bösen  Kultus  ist  hier  das  Verderben  hergeleitet. 
7  Bei  der  gegenwärtigen  Wortfolge  wäre  der  Einschnitt  mit  Athnach  bei  ]11Db^ 
zu  machen;  dann  würden  aber  die  Stichen  ganz  ungleich.  Da  aber  H?^^  ]11Dti^' 
nicht  der  König  von  Samarien  heissen  kann,  stellt  man  am  besten  um  HD*!^ 
]11D'^  "^I^D;  das  vergessene  "^^  wurde  von  dem  Abschreiber  nachgebracht  und 
mit  Suffix  versehen.  Also:  Vernichtet  ist  der  König  von  Samarien.,  Er  gleicht 
einem  Splitter.,  der  auf  der  Wasserfläche  dahlntrelbt.  ^^J^,  das  man  mit 

LXX  (cppüYavov)  als  Reisig,  Reisholz,  fasst,  ist  nicht  sicher;  Wellh.  denkt  an 
ein  Derivat  von  DiJp,  abschneiden,  Geätz  an  ein  solches  von  ^top,  abrelssen,  ab- 
pflücken; s.  noch  zu  Jo  1  7.  Immer  bliebe  der  Sinn,  dass  der  König  von  der 
Flut  des  Verderbens,  die  ihn  zu  Grunde  richtet,  willenlos  fortgetrieben  wird. 
Anders  denkt  sich  Cheyne  (Encycl.  Bibl.  II,  2125  Anm.)  den  ursprünglichen 


Hos  10  7  81  .  Hos  10,9 

Text;  nach  ihm  sind  ]nDty  und  ^^pID  beides  Verderbnisse  für  ^^\>ü  und  •'iö  ^j; 
D^D  für  D''1S^^  ]1S.*I,  also:  7.erHÜ)rt  ist  das  lleUUjlum  seines  KlYnujs  (vgl.  Am  7  13), 
Der  Sfol^  von  Kithraint.  Aber  mit  solcher  Konjektur  weicht  man  doch  wohl 
nicht  nur  zu  weit  von  dem  schon  von  LXX  bezeugten  Texte  ab,  sondern  ge- 
winnt auch  blos  einen  Gedanken,  der  in  v.  8^  schon  eingeschlossen  ist. 

8,  die  siebente  Strophe:  Und  verwiislet  werden  die  Heilig lürner  Israels, 
Dornen  luid  Disteln  wuchern  auf  ihren  Altären,  Und  %u  den  Bergen  wird  man 
sagen:  Bedeckt  uns!  Und  zu  den  Hügeln:  Fallet  über  uns!  nt^^n  ])«  ist  ein 
späterer  Zusatz,  der  die  Höhen  kennzeichnen  soll:  sie  sind  Frevelhohen  und  die 
Sünde  Israels.  Dieser  Zusatz  liegt  auf  der  gleichen  Höhe,  wie  die  ständige 
Umänderung  von  Beth-el  in  Beth-awen  vgl.  4  15  5  8  10  5.  Die  Späteren,  welche 
nur  das  eine  Heiligtum  in  Jerusalem  anerkannten,  sahen  die  nordisraelitischen 
Höhen  für  nichts  als  Frevel  und  Sünde  an.  Mcht  die  modernen  Kritiker,  son- 
dern diese  alten  Glossatoren  und  Redaktoren  und  ihre  Gesinnungsgenossen 
behandeln  die  vorexilische  Geschichte  nach  einer  „feststehenden  Theorie". 
Ebenso  ist  ThT'_  zugesetzt,  um  den  zweiten  Stichos  dem  vermehrten  ersten  an 
Länge  gleichmässiger  zu  machen;  vgh  zur  Sache  9  6.  Ergreifend  und  gross- 
artig wird  in  den  letzten  zwei  Stichen  die  Verzweiflung  der  Israeliten  geschil- 
dert. Im  Schrecken  vor  dem  furchtbaren  Gericht,  das  sie  trifft,  sehen  sie  zu 
spät < ein,  dass  ihre  Altäre  und  Heiligtümer  nicht  helfen,  und  in  der  Verzweif- 
lung rufen  sie  die  Hügel  und  Berge,  gerade  die  Stätten,  die  ihre  Heiligtümer 
tragen,  nun  auf,  über  ihnen  zusammenzufallen  und  sie  zu  bedecken.  Das  ist  das 
Ende  ihres  Kultus,  unter  den  Trümmern  der  Heiligtümer  die,  die  ihn  übten,  zu 
begraben.   Vgl.  die  Anwendung  dieser  Worte  Lk  23  so  Apk  Joh  6  18. 

12.  Das  Unheil,  das  Israel  säte,  wird  es  ernten  10  9— 15. 

Der  Text  des  Abschnittes  gehört  zu  den  am  schlimmsten  erhaltenen  des  Buches 
Hosea.  Überall  hat  die  spätere  Zeit  eingegriffen  und  mit  ermahnenden  und  erklärenden 
Worten  dem  Verständnis  nachhelfen  wollen.  Aus  diesen  Zufügungen  gilt  es  den  alten  Be- 
stand herauszulösen;  wenn  dies  nicht  mit  voller  Sicherheit  gelingt,  so  liegt  das  mit  daran, 
dass  das  später  hinzugefügte  Material  den  alten  Bestand  beschädigt  hat.  Die  erste  Strophe, 
die  in  v.  9  f.  steckt,  vergleicht  die  Gegenwart  Israels  mit  der  Situation  von  Gibea,  und  die 
folgenden  Yerse  zeigen,  wie  Israel  sich  selbst  in  diese  schlimme  Lage  gebracht  hat. 

In  V.  9  ist  wieder  wie  9  9  die  Hede  von  den  Tagen  Giheas,  Wellh.,  Smend  und  Nowack 
sehen  darin  die  Tage  Sauls,  der  in  Gibea  wohnte,  also  des  ersten  Königs  in  Israel,  und  nehmen 
an,  dass  Hosea  die  Stiftung  des  Königtums  als  Sünde  betrachte  und  das  Königtum  als 
solches  verwerfe.  Dem  gegenüber  ist  aber  hervorzuheben,  dass  gerade  in  unserem  Abschnitt 
nicht  mehr  vom  Königtum  gesprochen  wird,  als  z.  B.  im  vorausgehenden  10  1-8,  wo  der 
Kultus  das  Hauptthema  ist,  vgl.  v.  3  7.  Dann  aber  ist  aus  anderen  Stellen  Hoseas  nicht  zu 
entnehmen,  dass  er  das  Königtum  als  solches  verwirft,  auch  aus  13  10  nicht  (s.  dort);  im 
Gegenteil  ergiebt  sich,  dass  er  nur  die  Revolutionen  und  Usurpationen  mit  dem  Sturz  des 
legitimen  Königs  verwirft,  vgl.  7  3  5  8  4  10  10  3.  Auch  datiert  Hosea  den  Anfang  der  Sünde 
Israels  nicht  erst  von  dem  Beginn  der  Königszeit,  sondern  bereits  von  dem  Eintritt  in  das 
Kulturland  vgl.  9  10  10  1.  Es  wird  also  doch  dabei  bleiben  müssen,  dass  Hosea  mit  den 
Tagen  Gibeas  an  das  Ereignis  anspielt,  von  dem  uns  in  Jdc  19 — 21,  wenn  auch  zum  grossen 
Teil  in  späterer  Aufzeichnung  (vgl.  hierüber  in  diesem  Kommentar  Budde  zu  Jdc  19 — -21 
S.  125 — 127),  erzählt  ist,  an  die  Tage,  da  Benjamin  wegen  einer  in  Gibea  vorgefallenen 
Schandthat  beinahe  ausgerottet  wurde.    Wenn  in  9  9  7\V'l-^r\  *ö''3   in  den  Zusammenhang 

Kurier  HC  zum  AT   XIII  6 


Hos  10  9  82  Hos  10  10 

gehört,  so  ist  auch  dort  viel  eher  auf  eine  schwere  Schandthat  als  auf  die  blosse  Stiftung 
des  Königtums  hingewiesen.  Der  Sinn  kann  daher  kaum  ein  andrer  sein,  als  der,  dass 
jetzt  die  Tage  Gibeas  sich  an  Israel  wiederholen,  d.  h.  dass,  wie  dort  einst  die  von  allen 
Seiten  befehdeten  Benjaminiten  dem  Untergang  nahe  waren,  so  jetzt  die  Israeliten.  Über 
die  dadurch  notwendig  gewordenen  Textänderungen  s.  Erklärung  zu  v.  9  f. 

9  10  enthalten  die  erste  Strophe,  dazu  aber  manche  Beigaben,  s.  die 
Erklärung.  9  Als  die  beiden  ersten  Stichen  sah  ich  früher  (s.  meine 

Gesch.  der  isr.  Re\.^  *  S.  168)  an:  Wie  einst  Gibea  ergeht  es  jet%t  Israel:  Krieg 
ist  gegen  die  Frevler-,  ich  las  also  'i:il  HDn^p  ^^i^\  nj;n?n  '^D^?.  Da  die  Er- 
gänzung von  ^1^\  vor  ^i^l^l  für  den  Sinn  gewagt  erscheint,  so  ist  einfacher  blos 
zu  lesen  rhyp_  ^y:r^^_  niDn'pp  nj;n^n  ^»^3  =  Wie  in  den  Tagen  Gibeas  ist  Krieg 
Gegen  die  Frevler,  Alles  Übrige  im  Verse  ist  fremde  Beigabe:  n^^tO^,  das  statt 
riN^n  falsch  als  2.  pers.  perf.  gelesen  wurde,  samt  dem  folgenden  ^i^^t?^';,  ist  aus 
V.  8  auch  hier  eingedrungen  und  hat  zu  der  Änderung  von  '')?''?  (s.  9  9)  in  *'D^p 
geführt.  Mit  den  Worten  HDj;  bis  HJ/n^H  weiss  niemand  was  Rechtes  anzu- 
fangen,  vgl.  die  Anmerkung  bei  Gtuthe-Kautzsch.  Auch  die  Vermutung  von 
ßuBEN  und  NowACK,  dass  nJpn^D  nj;niin  D5^'^n-^l;^  fragend  zu  nehmen  und  ans 
Ende  zu  setzen  sei,  sodass  dastünde:  „Dort  traten  wider  mich  (1.  ^^j;)  die  Söhne 
des  Frevels  auf,  wird  sie  nicht  in  Gibea  Krieg  erreichen?"  d.  h.  wird  nicht  bis 
so  weit  in  den  Süden  der  Feind  vordringen?,  befriedigt  keineswegs  und  geht 
wieder  von  der  unerweislichen,  ja  unrichtigen  (s.  Vorbemerkung  zu  v.  9-15) 
Voraussetzung  aus,  dass  schon  Hosea  das  Königtum  als  solches  verworfen 
habe.  Wenn  dieser  Gedanke  irgend  hier  hereinspielen  sollte,  etwa  auch  ^tt^p 
für  ^D^?  demselben  seinen  Ursprung  verdankte,  so  ist  dies  eine  Folge  der  Über- 
arbeitung und  ein  Zeichen,  dass  die  mit  dem  Kontext  nicht  in  Verbindung  zu 
bringenden  AVorte  eben  als  fremder  Bestandteil  auszuscheiden  sind,  vgl.  auch 
ZU  13  10.  "über  die  Tage  Gibeas  s.  die  Vorbemerkung  zu  y.  9-i5.  Für 

ni^j;  1.  n'jlj;,  vde  auch  einige  Codd.  bieten;  s.  auch  y.  13.  10^''",  der  Schluss 

der  Strophe,  setzt  gut  den  vermuteten  Anfang  fort,  indem  er  zeigt,  wie  der  an- 
gekündigte Krieg  gegen  die  Frevler  vorbereitet  ist:  Schon  bin  ich  gekommen, 
um  sie  zu  straf en.  Und  sammle  gegen  sie  Völker^  d.  h.  schon  ziehe  ich  Völker 
zusammen  gegen  Israel,  wie  einst  die  Israeliten  zur  Bestrafung  der  Benjami- 
niten sich  vereinigten.  Zu  lesen  ist  mit  Ooet:  D^'rsj;  U'n'hv  ^^^^\  ^^^l^).  ^n«|, 
vgL  LXX  cod.  Alex.  ^X&£v  =  -^X&ov.  Dass  Hosea  nicht  von  einer  Samm- 

lung der  Völker  sprechen  könne  (Wellh.,  Nowack),  ist  angesichts  der  Ver- 
gleichung  der  Israeliten  seiner  Zeit  mit  den  Benjaminiten  in  den  Tagen  Gibeas 
nicht  abzusehen;  auch  redet  Hosea  nicht  von  den  Völkern,  noch  weniger  Yon 
allen  Völkern,  und  welche  Völker  er  im  Auge  hat,  ist  doch  auch  keine  Frage. 
Vgl.  auch  Ü'I^V-^  9  1. 

10^1^,  durch  ihre  Exilierung  ivegen  ihrer  zwei  Sünde)!,  ist  eine  erklärende  Glosse  zu 
V.  10^,  wo  der  Glossator  ü^ü^^),  =  und  ich  setze  sie  gefangen  (von  npx,  vgl.  zu  7  12'^),  las. 
Er  sah  darin  eine  Ankündigung  der  Exilierung,  vgl.  ^^ü^  — exiliert  Jes  49  9,  und  bezeich- 
net als  den  Grund  derselben  ihre  zwei  Sünden  (1.  Dniir  i^iit  LXX,  Pesch.,  A^ulg.  für  nn^V, 
das  als  sonst  nicht  gebräuchlicher  Plural  von  ]]'^,  Auge,  gefasst  oder  mit  Kere  DPilj;,  ihre 
Furchen  [?],  gelesen  keinen  Sinn  giebt).  Unter  den  beiden  Sünden  sind  nicht  Kultus  und 
Königtum,  sondern  die  beiden  Kälber  von  Dan  und  Bethel  gemeint,  vgl.  I  Reg  12  28-30, 


Hos  10  10  83  Hos  10  11 

bes.  V.  30%  und  Am  8  14.  Was  Hosea  als  Sünde  Israels  bezeichnet,  ist  etwas  ganz  andres, 
s.  z.  B.  4  if. ;  der  Autor  von  v.  lo''!^  ist  ein  Schüler  der  Deuteronomisten,  so  verrät  aucli 
der  Inhalt  die  späte  Herkunft  der  Glosse.  Daran  wird  nichts  geändert,  wenn  man 

lieber,  da  ü^Ot<  in  der  vermuteten  Bedeutung  unsicher  ist,  nach  LXX  D'iDjna,  als  sie  gestraft 
wurden,  liest;  nur  las  dann  auch  der  Glossator  dieses  Verbum  in  v.  10*. 

11%  die  zweite  Strophe,  beginnt  die  bis  v.  kj  reichende  Reclitfertigung 

der  Bezeiclinung  der  Israeliten  als  Thr^_  ^^^,  worauf  dann  v.  uf.  die  Schilderung 
des  V.  of.  in  Aussicht  gestellten  Gerichtes  folgt.  Ephraim  war  ein  vuM- 

ge'^ähmtes  Hlnd,  Das  zu  dreschen  Hehle,  Und  Ich  legte  ein  Joch  Auf  seinen 
schonen  Nacken.  Für  hv_  "'^l^JJ,  das  schwerlich  heissen  kann:  „ich  ging  als 
Führer  an  seinem  schönen  Hals  einher",  aber  auch  keinen  guten  Sinn  giebt, 
wenn  man  versteht:  „ich  bin  bisher  an  seinem  schönen  Hals  vorübergegangen, 
habe  ihn  verschont"  (Guthe),  oder  mit  Wellh.  u.  a.  übersetzt:  „ich  komme 
ihm  über  seinen  schönen  Nacken",  wobei  Hitzig  sogar  den  Gedanken:  „ich 
will  es  besteigen"  nicht  ausschliesst,  ist  zu  vermuten:  ^^  h')^  "^pr\^V7}  =  Ich  habe 
ein  Joch  geführt  d.  h.  gelegt  auf  seinen  seh.  N.;  h))  ist  vor  ^j;  verloren  und  in- 
folge davon  Kai  statt  Hiph.  gelesen.  Wem  dabei  die  Hervorhebung  des  11D 
des  Nackens,  das  man  zwar  nicht  nur  im  Sinne  von  ästhetisch  schön,  sondern 
auch  von  gutgebaut,  fest,  verstehen  darf,  Schwierigkeiten  bereitet,  kann  sich 
mit  der  Annahme  helfen,  dass  :}^ID  Verderbnis  aus  tolD,  Jochhaken  (vgl.  zu  Jes 
9  3  und  ZDPV  1889,  160),  sei  und  vor  ^y  gehöre:  ich  legte  den  Jochhaken  Auf 
seinen  Nacken.  Der  Sinn  der  Strophe  ist:  Israel  glich  einem  wohlgezähmten 
Rinde,  das  zu  dreschen  wünschte;  nun  sollte  ihm  auch  die  dem  Dreschen  voran- 
gehende schwerere  Arbeit  des  Pflügens  und  Ackerns  auferlegt  werden.  Offen- 
bar ist  hier  wieder  an  den  Eintritt  in  das  Ackerland  gedacht,  Israel  trug  Ver- 
langen nach  einem  festen  Wohnsitz  im  Kulturlande  und  Jahwe  erfüllte  ihm 
den  Wunsch.  Zu  dem  sog.  "^  compaginis  in  ""Mni^  s.  Ges.-Kautzsch^^  g  901. 
11''  13aa^  (jig  dritte  Strophe:  Ich  spanne  Ephraim  ein,  dass  es  pflüg e, 
Jakob  soll  sich  eggen;  Sie  aber  haben  Bosheit  gepßügt,  Frevel  geerntet,  n^?"]^? 
nimmt  ^y  ''^l??^  von  y.  iP  auf:  ich  spanne  ein  natürlich  in  den  Pflug  oder  die 
Egge;  das  Imperfektum  erklärt  sich  als  die  sich  wiederholende  Ausführung 
des  Perf.  in  v.  iP.  Jedenfalls  kann  ^''S^l^?  hier  nicht  reiten  bedeuten,  sondern 
nur  als  Zugtier  benutzen,  einspannen  (so  Ges.-Buhl  Lex.  unter  nD*l  Hiph.  3j. 
Im  folgenden  ist  TTm\  wie  überall  in  Hosea  nachträglich  erst  eingesetzt,  hier  muss 
es  noch  besonders  zwischen  Ephraim  und  Jakob  auffallen;  denn  dass  ohne 
7T\^T\\  Ephraim  gleichzeitig  pflügen  und  eggen  müsste  (Oettli),  ist  nicht  richtig. 
Zu  l'?"^^^^  s.  Jes  28  24;  1^  ist  =  für  sich,  d.  h.  zu  seinem  Nutzen,  um  nachher 
etwas  zu  dreschen  zu  haben,  also  um  in  Glück  und  Wohlbefinden  zu  leben. 
13^  lese  ich  die  3.  pers.  plur.;  die  2.  pers.  ist  die  Folge  des  Einschubs  v.  12. 
Ebenso  wird  an  den  Anfang  vor  W^T\  ein  Vi^T[\,  sie  aber,  zu  setzen  sein;  vgl. 
LXX  iva  Tt  =  Hob,  das  nicht  notwendig  Dublette  von  tdl  y.  12  (am  Ende)  zu 
sein  braucht,  sondern  die  unrichtige  Lesung  eines  verblassten  Wortes  sein 
kann.  Der  Sinn  ist:  Der  Aufenthalt  im  Kulturland  hatte  die  schlimmsten 
Folgen;  denn  Bosheit  war  es,  die  sie  säten,  und  Frevel,  was  sie  davon  zu 
ernten  hatten,  also  Schlechtigkeit  und  Ungerechtigkeit  war  ihr  Thun  und 

Treiben.  Das  wohlgezähmte  Rind  (y.  1 1)  entartete  ganz  und  gar ;  es  zeigte  sich  die 

6* 


Hos  10  11  84  Hos  10  14 

ganze  Falschheit  Israels  gegen  Jahwe,  den  sie  verliessen,  um  Baal  anzuhangen, 
vgl.  tyn?  Y.  13^!^.  Von  der  Strafe  ist  hier  noch  nicht  die  Rede.  Zu  dem  Bilde 
vgl.  8  7  Hi  4  8  15  35  Prv  22  8.         Zu  nn'jlj;  =  nb)y_  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  90  g. 

12  stammt  nicht  von  Hosea,  sondern  von  einem  nachexilischen  Redaktor,  resp. 
Inter^^olator,  der  Jer  4  3  gelesen  hatte  und  hier  meinte,  den  Lesern  und  Hörern  die  aus 
dem  Zusammenhang  resultierende  Mahnung  ausdrücklich  darlegen  zu  müssen;  aber  eine 
ausgeführte  Mahnung  hat  hier  mitten  in  der  Schilderung  keinen  Platz.  Vgl.  dazu  auch 
wieder  n;in^_  in  der  Rede  Jahwes!  b  in  Hj^liJ^  könnte  bei  einem  Späteren  leichter  als 

bei  Hosea  das  direkte  Objekt  einleiten;  aber  besser  fasst  man  es  dem  parallelen  ^ph  ent- 
sprechend als  nach^  gemäss,  also:  Lasst  eure  Aussaat  der  Gerechtigkeit  gemäss  sein,  d.  h. 
lebt,  wie  ihr  sein  sollt,  gerecht  und  fromm.  Der  zweite  Imperativ  ^"i5ip  giebt  die  Folge  an: 
so  iverdet  ihr  eine  der  Frömmigkeit  entsprechende  Ernte  bekommen^  vgl.  Ges.-Kautzsch^' 
§  110 f.  ■T'i  DDb  n'^i  ist  Reminiscenz  aus  Jer  4  3;  wahrscheinlich  ist  aber  kein  Ein- 

schnitt nach  "i^i  zu  machen  u.  nach  LXX  nV"!  für  T\V],  das  man  etwas  gezwungen  als  „da 
es  Zeit  ist"  erklärt,  zu  lesen,  also:  brecht  euch  einen  Neubruch  der  Erkenntnis  (so  auch 
Oettli),  indem  ihr  Jahive  sucht,  auf  dasser  komme  und  euch  Heil  regnen  lasse,  IV,  =  bis 
dass,  hat  öfters  wie  hier  den  Sinn:  danfi  endlich;  für  niVl  liest  LXX  ^"15,  was  möglich,  aber 

nicht  sicher  ist,  da  nil'' Nlü"'  o^anz  ähnlich  in  dem  Einschub  6  3  sich  wiederfindet  und 

V.  12  von  derselben  Hand  wie  6  3  herstammen  oder  in  Erinnerung  an  6  3  hinzugefügt  sein 
kann.    Ygl.  auch  Volz  a.  a.  0.  S.  33  f.,  der  aber  mit  Unrecht  auch  v.  13^  verdächtigt. 

In  13  (von  Df)^?«  an)  14  steckt  die  vierte  Strophe;  als  fremde  Bestand- 
teile sind  leicht  zu  erkennen  y.  13^  (s.  unten)  und  die  Vergleichung  mit  der  Zer- 
störung von  Bet-Arbel  in  y.  u,  nur  bleibt  es  fraglich,  ob  der  ganze  Rest  yon 
y.  14  hinzugesetzt  ist.  Hält  man  y.  u^  als  alten  Text  fest,  so  bekommt  man  den 
Vierzeiler:  Nun  sollen  sie  die  Frucht  der  Falschheit  essen ^  Und  Krieg slärm 
erhebt  sich  in  ihren  Städten^  Alle  ihre  Festungen  werden  zerstört^  Die  Mutter 
über  den  Kindern  zerschmettert.  Der  Parallelismus  ist  allerdings  nicht  ganz 
gut;  daher  kann  y.  u^  ebenfalls  eingefügt  sein,  dann  ist  der  Parallelstichos  zur 
1.  Zeile,  y.  i3=^ß,  ausgefallen.  Zu  Anfang  ist,  wie  in  y.  13^°^  (s.  dort),  die  3. 

pers.  plur.  zu  lesen;  vielleicht  ist  sogar  das  vorangehende  DH  nicht  nur  eine 
Folge  des  Einschubs  von  y.  12,  sondern  darf  man  als  ursprünglich  vermuten 
^^Dt^'*'  nnj?,  nun  sollen  sie  essen  d.  h.  zu  kosten  bekommen  die  Folgen  ihrer 
Falschheit,  ihrer  trügerischen  Treulosigkeit  gegen  Jahwe,  ihres  Baaldienstes, 
vgl.  12  1.  M''^;  Für  D^iJl,  das  einem  späten  Abschreiber  als  aramäisches  Partizip 
in  die  Feder  kam,  ist  DiJ]  herzustellen,  s.  Ges.-Kautzsch^^  §  9b  23g  72'p.  Zu 
]1«^  vgl.  Am  2  2.  Für  Dj;  in  ^''ISJ^^,  das  zu  den  folgenden  Festungen  nicht  gut 
passt,  ist  mit  Wellh.  u.  a.  "T^J?  für  erforderlich  zu  halten,  aber  nicht  mit  Suffix 
der  nach  y.  13^  eingesetzten  2.  pers.  sing.,  sondern  mit  Suffix  der  3.  pers.  plur., 
also  1.  DTj;,  ihre  Stadt ^  oder  DH^IJ^,  ihre  Städte^  und  dem  entsprechend  auch 
Dn*'*l^n^D,  sowie  natürlich  ^W-V  für  Iti^^i".  14^  schildert,  wie  die  fremden 

Krieger  gegen  die  wehrlosen  Frauen  und  Kinder  handeln:  die  Mutter,  die  sich 
schützend  über  ihre  Kinder  beugt,  wird  samt  diesen  zerschmettert;  vgl.  zu  DiS; 
D^'^S'^Pj;  Gen  32  12,  zu  dem  Zerschmettern  14  1  Jes  13  16  Na  3  10. 

Der  Einschub  13*^  verrät  sich  sowohl  dadurch,  dass  er  mitten  in  die  Schilderung 
der  Strafe  noch  einmal  eine  recht  überflüssige  Begründung  bringt,  als  auch  dadurch,  dass 
hier  ein  Grund  genannt  wird,  der  wohl  in  den  Mund  Jesajas  Jes  27  22  8  9^11^30  15  16 
passt,  aber  nicht  in  den  Hoseas,  der  nicht  vom  y ertrauen  Israels  auf  die  eigenen  Mittel, 
sondern  auf  die  Hilfsgenossen- Assur  und  Ägypten  spricht.    Übrigens  ist  nach  LXX  ^331S, 


Hos  10  14  85  Hos  11  1 

auf  deine  Wagen,  statt  ^3"!13,  (iiif  deinen  Weg,  zu  lesen.  14''^  die  geschichtliche  An- 

spielung auf  eine  Zerstörung  Beth-Arbels  durch  Schalman,  ist  schwerlich  als  ursprünglich 
zu  halten.  Sie  ist  viel  zu  lang  für  die  in  äusserst  kna[)pen  und  prägnanten  Sätzen  gegebene 
Darstellung  Hoseas.  Auch  trägt  sie  zur  Veranschaulichung  im  Grunde  nicht  viel  bei, 
V.  14^*  ist  schon  deutlich  genug.  Auf  welches  Ereignis  anges|)ielt  wird,  ist  unsicher.  Bei 
Schalman  können  in  Frage  kommen  die  assyrischen  Könige  Salmanassar  III.  782 — 77'5 
und  Salmanassar  IV.  72() — 722,  sowie  der  moabitische  König  Salamanu,  der  als  Zeitgenosse 
Tiglat-rilesers  und  somit  auch  Hoseas  bekannt  ist  (s.  KAT2  441);  bei  Beth-Arbel  wird 
man  schwerlich  an  das  viel  zu  weit  abgelegene  Arbela  am  Tigris  denken  dürfen,  sondern 
nur  entweder  an  das  heutige  Irbid  im  Ostjordanlande  oder  an  Irbid  in  Galiläa  an  der 
Westseite  des  Sees  Genezareth  (vgl.  Buhl  Geogr.  219  256).  Aber  jede  Kombination  eines 
Salman  mit  einem  dieser  beiden  Beth-Arbel  ist  schwierig;  selbst  wenn  mau  mit  Schrader 
KAT-  440 — 442  nach  II  Reg  13  20  annehmen  wollte,  dass  auch  später,  als  in  den  Tagen 
Joaz',  worauf  II  Reg  13  20  geht,  die  Moabiter  Raubzüge  nach  Israel  unternommen  haben, 
bliebe  die  Zerstörung  von  Beth-Arbel  in  Galiläa  durch  den  Moabiter  Salamanu  ein  zu 
geringfügiges  Ereignis  ,  um  mit  dem  Untergang  Israels  verglichen  zu  werden.  Aus  der 
Unsicherheit  hilft  auch  nicht  die  Vermutung  von  Hitzig  und  Steiner,  dass  Schalman- 
beth-Arbel  zusammen  als  Ortsname  zu  fassen  sei;  denn  ein  Ort  dieses  Namens  ist  nicht 
nachgewiesen.  An  bekannte  Ereignisse  denkt  Cheyne  (Encycl.  Bibl.  I  o49f.),  wenn  er  nach 
LXX  (cod.  Vatic.)  Dyi^;  ri^n  für  'psn")«  n^a  liest  und  für  ]1^)^  vielmehr  D^^^  vermutet; 
er  sieht  also  eine  Anspielung  an  die  Ermordung  Sacharjas,  des  Sohnes  Jerobeams  U., 
durch  Schallum  (für  lli^  vgl.  nn^  Jdc  5  27)  und  hält  dafür,  dass  der  Interpolator  damit 
nach  V.  14*^  die  grausame  Behandlung  der  Frauen  von  Tappuah  durch  Menahem  kombi- 
niert habe,  s.  II  Reg  15  16  (vgl.  dort).  Jedenfalls  entspricht  auch  so  die  historische  An- 
spielung nicht  ganz  v.  14^*  und  bleibt  daher  Interpolation. 

15,  die  fünfte  Strophe,  verbindet  sich  gut  unter  Ausschluss  der  Glossen 
mit  der  vierten  Strophe  und  giebt  den  kräftigen  Abschluss,  in^dem  sich  nun 
JahAve  direkt  an  die  Israeliten  wendet:  So  werde  ich  mit  euch  verfahren,  Ihr 
Israeliten,  Im  Sturm  ist  verschwunden  Der  König  von  Israel.  Tim  lesen  ist 
nach  LXX  T\^V^  und  b^^'0^  n^n  für  r\^V  und  b^Ti'^l,  ebenso  mit  V^^ellh.  wahr- 
scheinlich  iy.P5,  im  Sturm  (vgl.  Ij;'^  Jes  28  2),  für  ^n^*?,  in  der  Morgenröte,  das 
schwerlich  bedeuten  kann:  im  Anfang  des  neu  aufdämmernden  Glückes,  da 
Hosea  seine  Zeit  nicht  als  die  Zeit  des  Morgenrotes,  sondern  des  Abends  und 
Greisenalters  Israels  betrachtet,  das  aber  auch  mit  der  Verbesserung  Ooet's 
in^?,  tcie  das  Morgenrot,  nicht  zu  halten  ist,  da  der  Vergleich  des  Königs  mit 
dem  Morgenrot  doch,  wo  es  sich  um  seinen  Untergang  handelt,  wenig  am  Platze 
ist.  Auch  hier  hat  ein  Glossator  eingegriffen;  er  musste  zu  dem  strengen 

Urteil  über  Israel,  damit  niemand  zu  sehr  erschreckt  werde,  gleich  wieder  wie 
V.  13'^  den  Grund  beifügen:  D?riJ^1  nj;"^  ^5?P?  worin  man  gewöhnlich  einen  super- 
lativischen Ausdruck  erblickt,  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §  133i,  während  wohl  nur 
eine  Dittographie  vorliegt. 

13.  Israels  Undank  gegen  alle  Liebe  und  Wohlthaten  Jahwes  zwingt  Jahwe 

zur  Vernichtung  seines  Volkes  II  I— ii. 

1  2^^'*,  die  erste  Strophe:  Als  Israel  jung  war,  gewann  ich  es  lieb  Und 
seit  Ägypten  rief  ich  seinen  Kindern;  Aber  Je  mehr  ich  ihnen  rief.  Desto  mehr 
wandten  sie  sich  von  mir  ab.  Damit  ist  die  ganze  Geschichte  Israels  vom 
Auszug  aus  Ägypten  bis  auf  die  Gegenwart  Hoseas  gekennzeichnet:  einerseits 
die  von  Ägypten  an  bewiesene  Liebe  Jahwes,  andrerseits  die  immer  grössere 


Hos  n  1  86  Hos  11  3 

Entfremdung  Israels  von  Jalnve.  Die  Ausführung  von  beidem  geben  die  fol- 
genden Strophen,  zuletzt  aber  verkündet  Jahwe  das  Gericht  der  Vernichtung. 
Für  "'iD^,  meinem  Sohn,  das  unhaltbar  ist,  weil  Israel  erst  durch  die  Befreiung 
aus  Ägypten  Jahwes  Sohn  wurde,  also  vorher  es  noch  nicht  war,  setzen  LXX 
und  Targum  VJ?^,  seinen  (Israels)  Kindern,  den  ^N"!'^^  ^^:n,  Israeliten,  voraus, 
das  mit  Guthe  und  Nowack  als  ursprünglicli  anzusehen  ist;  jedoch  ist  dabei 
D';"i:iöp  nicht  lokal  sondern  temporal  zu  fassen:  seit  der  Befreiung  aus  Ägypten 
rief  ich  den  Israeliten  d.  h.  ich  suchte  sie  mir  nahe  zu  bringen  und  anhänglich 
zu  machen.  Die  Lesart  "'i^'?,  die  sich  von  Ex  4  22  leiten  lässt,  ist  schon  Mt  2  15 
vorausgesetzt;  aber  den  Singular  zu  lesen  verbietet  schon  der  folgende  Plural, 
darum  ist  weder  mit  Winckler  (Alttest.  Untersuch.  182)  in  ^l^  lb,  (rief  ich) 
ihm  ^^mein  Sohn^^ ,  noch  mit  Wellh.  in  H?  "^^  (=  ^l^^^-  ^^  ^A  ^^^0  zu  verbessern. 
2  Nach  LXX  ist  ''i^li??  für  ^S*]j5  zu  lesen;  vielleicht  ist  auch  durch  Haplographie 
^  davor  verloren,  also  ursprünglich  ''i^ll??^  da  gewesen.  Für  Dll'^^BI?  bietet 

wiederum  LXX  richtig  DH  ''5???  also  zwei  Wörter,  wovon  CH  zum  folgenden, 
Satze  gehört. 

2^'^  3%  die  zweite  Strophe:  Sie  opfern  den  Baalen  Und  räuchern  den 
Bildern  Und  ich  gängelte  doch  Ephraim  Und  nahm  sie  auf  meine  Arme. 
DH  und  •'piS  entsprechen  einander;  DH  leitet  die  Aussage  ein  über  die  Ent- 
fremdung von  Jahwe,  die  so  gross  geworden  ist,  dass  die  Israeliten  Baalsopfer 
bringen  und  Bilderdienst  üben,  und  mit  ''piijl  3  beginnt  der  Satz,  der  dem  Thun 
der  Israeliten  gegenüberstellt,  was  Jahwe  gethan  hat:  er  hat  sie  doch  gehen 
gelehrt,  gegängelt,  zu  dem  Tiph'el  ^nb^^in  vgk  Ges.-Kautzsch27  g  55h,  doch 
liest  man  vielleicht  besser  das  Hiph.  ^^nb^^H,  als  denominativ  von  ^51?  ^^  hat  sie 
in  seine  Arme  genommen,  1.  mit  LXX  DnjPiJ  (zu  dem  Wegfall  des  ^  vgl.  10  15 
und  zu  dem  Imperf.,  wenn  nicht  QHJPSJ  vorzuziehen  ist,  nach  Perf.  vgl.  l''?'^S 
10  11)  und  ^T\))T\\  (1  ist  aus  Dittographie  des  folg.  entstanden).  Also:  alle  Sorgfalt 
und  Mühe  hat  Jahwe  in  seiner  Liebe  den  Israeliten  zu  teil  werden  lassen,  vgl. 
Dtn  1  31  (32  11)  Jes  63  9;  ihr  Dank  ist  Baalsdienst.  Bemerkenswert  ist,  dass 
Hosea  die  Baale  den  Bildern  gleichsetzt,  die  doch  Jahwebilder  sein  sollten 
(Wellh.). 

3b  4aa^  (jjg  jj^  Anfang  offenbar  verstümmelte  dritte  Strophe,  die  ver- 
mutungsweise etwa  so  ergänzt  werden  kann,  dass  vor  D^H^^DI  "^^  der  Ausfall  von 
D'^riS'^^  ''S  und  dahinter  der  von  "hT\0  oder  dem  folgenden  "^^2n!|l  noch  entsprechen- 
der "hVi^  (vielleicht  in  (Dn)*'n'?  am  Ende  von  v.  4^  erhalten)  angenommen  wird: 
Und  nicht  anerkannten  sie,  dass  ich  sie  trug,  Dass  ich  sie  heilte  voti  Krankheit 
(oder  in  Krankheit)^  Mit  menschliche?!  Banden  sie  %og ,  Mit  Seilen  der  Liebe. 
Die  Strophe  schildert  den  Undank  der  Israeliten  gegen  alle  Fürsorge  und  Hu- 
manität, die  sie  von  Jahwe  zu  erfahren  hatten.  Jahwe  war  ihr  Arzt  (vgl.  Ex  15  26), 
der  sie  vor  Schaden  bewahrte;  zugleich  aber  hielt  er  sie  dabei  nicht  streng,  er 
hat  sie  nicht  als  harter  Herr  mit  Gewalt  in  seinen  Dienst  gezwungen,  sondern 
durch  humane  und  liebevolle  Behandlung  sich  zugethan  machen  wollen.  Das 
Bild  4  von  den  Menschenseilen  und  Liebesbanden  ist  doch,  ohne  dass  man  an 
10  11  denken  müsste,  verständlich,  besonders  da  der  zweite  Ausdruck:  Bande, 
welche  die  Liebe  knüpft,  den  ersten:  Bande,  die  Menschen  zusammenhalten, 


Hos  11  3  87  Hos  11  4 

erklärt;  immerhin  wäre  der  Parallelismus  besser,  wenn  man  für  D"l«  mit 
Gkätz,  Cheyne  non  ///////,  Frrun(/l/(/i/crit]ii^eu  (liirfte.  Mit  Winckler  (Alton 
Forsch.  III,  230 f.)  an  „Jjeder"seilo  zu  denken,  weil  □"[«  Leder  })edeute,  und  TlZTi^ 
in  D?ps,  =  „ich  will  sie  herunischlepjjen",  zu  verwandeln,  so  das8  hier  bereits 
von  der  Strafe  die  Rede  wäre,  ist  doch  schwerlich  eine  Verbesserung.  Von  der 
Anwendung  anderer  Mittel  als  Liebe  redet  erst  das  Folgende. 

4''^''  5s  die  vierte  Strophe:  Dn  umrde  ich  ihm  zum  Menschcnloier  Imd 
wandte  mich  i/e(jen  ihn  und  überwiUtUjte  ihn.  Er  soll  nach  Agyplenland  zurück 
Und  Assur  ist  sein  Könifj.  ^^ns)  setzt  das  ^j;t  ^h\  v.  3*'  fort;  im  übrigen  ist  der 
masoretische  Text  unhaltbar,  auch  wenn  man  D*»*!??  für  •'»^"!)D  liest;  denn  das  Joch 
sitzt  doch  nicht  auf  den  Kinnbacken,  sondern  auf  dem  Nacken.  In  der  Über- 
setzung ist  teilweise  nach  LXX  als  Text  vermutet:  rh^  D«)  DH«  n???D  n^  ^^7M 
1^  ^5^NJ,  vgl.  LXX:  (b;  p7.Trt(^(ov  avSpüD-iTo;  =  DHS  n?^^  und  o'jvr^aojxai  auxoj  == 
1^  b:^^^.  Das  bildet  einen  guten  Gegensatz  zu  v.  3^\*  An  Stelle  der  Bewahrung 
vor  Krankheit  treten  Massregeln,  durch  die  die  undankbaren  Israeliten  dezi- 
niiert  und  gestraft  werden,  aus  dem  Vater,  der  die  Seinen  beschützt,  ist  ein 
Raufbold  geworden,  der  unter  den  eigenen  Leuten  aufräumt;  vgl.  einen  ähn- 
lichen Gedanken  9  iif.  13  16.  Schwierigkeiten  bereitet  bei  dieser  Vermutung 
die  Erklärung  von  UTVTb  ^J^;  es  muss  als  fremder  Bestandteil  ausgeschaltet 
werden:  vielleicht  ist  es  das  zu  y.  3''  vermutete,  hierher  verschlagene  "»briD  oder 
die  verdorbene  Korrektur  U'n'hv  zu  V^S  im  folgenden  Stichos,  oder  dachte  am 
Ende  ein  Interpolator  bei  dem  D'^^Jl  Ti'2'Oj  dass  es  sich  nur  um  Backenstreiche 
handle?  ^j;,  das  LXX  nicht  kennt,  ist  falsche  Dittographie  des  folgenden  ^j;, 
wie  es  umgekehrt  10  ii  vor  ^J*  ausgefallen  ist  (s.  dort);  übrigens  erwartet  man 
die  Punktation  DH'^nS  oder  ^TVrh  (Oettli).  Auch  das  vermutete  vbiS:  tOJ^l  ist 
in  dem  angenommenen  bösen  Sinne:  ich  wandte  mich  gegen  ihn  (vielleicht  V7j; 
zu  lesen)  nicht  sicher,  während  die  Herübernahme  von  S^  als  1^,  sowie  die 
Lesung  'tDI^^J  (vgl.  vorangehendes  1)  sich  leicht  erklärt.  Dürfte  man  vns  Ü^^\ 
^^5^^'^  U7id  einer  verzehrte  den  andern^  lesen,  so  hätte  man  eine  gute  Fort- 
führung und  Erklärung  von  Dltj;  HJD?:  Jahwe  räumte  unter  ihnen  auf,  indem  er 
bewirkte,  dass  sie  einander  selber  aufrieben;  vgl.  die  Parallele  Jes  9  19. 
WiNCKLEE  (s.  zu  V.  4^^)  sieht  ebenfalls  in  unserem  Verse  eine  Darlegung  der 
Strafe,  gewinnt  aber,  indem  er  auch  den  Text  der  LXX  noch  erheblich  ändert, 
folgende  Aussage:  D^^'S^  (yh)^)  ton«l  DH^n'?  ^^  n[D]:D»D  onb  n^^«^  und  übersetzt: 
„und  ich  werde  sein  wie  ein  Maulkorb  für  ihre  Kinnbacken  und  in  Fesseln 
will  ich  sie  werfen  (oder  Fesseln  will  ich  über  sie  —  DiT'pi^  —  werfen)."  Man 
sieht:  Das  aus  n?D  der  LXX  erschlossene  HDDD,  Bedeckung ^  soll  Netzwerk^ 
also  Maulkorb.,  bedeuten  und  das  aus  x7.l  sTiij^Asf^ojxai  der  LXX  (für  tONI)  auf- 
genommene to^^^l  soll  dem  assyrischen  abuttu,  Fessel,  von  einem  Stamme  abätu 
(primae  ^)  entsprechen.  Auch  diese  Zurechtlegung  des  Textes  klingt  mir 
nicht  wahrscheinlich;  zudem  kommen  die  Fesseln  zu  spät,  wenn  AVincklee 
bereits  v.  4^*  von  „in  Fesseln  heranschleppen"  gesprochen  sein  lässt.  Die 

-gewöhnliche  Auffassung  nimmt  dagegen  an,  dass  hier  die  Schilderung  der 
Gütigkeit  Jahwes  sich  fortsetze:  zuerst  soll  von  einer  Erleichterung  des  Joches 
die  Rede  sein,  doch  s.  dagegen  schon  oben;  dann  versteht  man  das  Folgende 


Hos  11  4  88  Hos  11  7 

von  der  Darbietung  reichlicher  Nahrung  durch  Jahwe,  indem  Dt?  als  adverbiell 
gebrauchtes  Substantiv  gefasst  wird  =  „und  still  zu  ihm  hingewandt  gab  ich 
zu  essen",  oder  indem  man  DSJ  (resp.  tDJSiJ)  liest  und  S^  als  1^  zu  b^'D^t^  herüber- 
nimmt, also  übersetzt:  „ich  neigte  mich  zu  ihm",  (resp.  „ich  reichte  ihm  dar,) 
gab  ihm  zu  essen."  Aber  'p^DIS  (Hii)h.  von  b^^  s.  Ges.-Kautzsch2  7  §  68 i)  ist 
jedenfalls  mit  1^  statt  mit  direktem  Objekt  sehr  zweifelhaft;  viel  einfacher  läse 
man  doch  dafür  I^DS  V'?«  ^^],  ==--  „und  ich  reichte  ihm  hin  seine  IS^ahrung." 
5^'^  schliesst  sich  auf  alle  Fälle  besser  an,  wenn  in  y.  4  nicht  mehr  nur  von  der 
Güte  Jahwes  die  Rede  war.  eJahwe  fällt  über  das  unfolgsame  Volk  her,  das 
er  aus  Ägypten  befreit  hat,  das  aber  nichts  von  ihm  wissen  will,  und  wird 
es  nun  den  Völkern  preisgeben:  Es  soll  wieder  nach  Ägypten  zurück  und  Assur 
soll  sein  König  sein;  das  sind  die  beiden  Mächte,  die  überall  bei  Hosea  neben- 
einander stehen  als  diejenigen,  denen  Israel  anheimfällt,  i^b  könnte  daher  nicht 
nur  bei  dem  einen  von  beiden  stehen;  es  gehört  als  1^  zu  v.  4.  Hat  LXX  mit 
D'l'lD«  für  f  "jS"^JS;  recht,  so  würde  das  neue  Subj.  den  Singular  2^^]  rechtfertigen 
und  man  hätte  dann  vorher  ür\b  zu  belassen  und  für  vb^  und  lb  vielmehr  Dn*"^? 
und  üTlb  zu  vermuten.  5^  ist  nach  dem  Vorhergehenden  eine  so  matte  und 

unnötige  Begründung,  dass  sie  nur  von  einem  Glossator  herrühren  kann;  vgl. 

das  D^nj;-;  nj;-)  •»isi?  10  15. 

6  7,  die  fünfte  Strophe:  Es  soll  wüten  das  Schwert  in  seinen  Städten 
Und  morden  in  seinen  Festungen^  Da  sich  mein  Volk  an  die  Götzen  gehängt 
hat  Und  sie  bei  Baal  alle  eintreffen,  V"1?  ist  keine  gute  Parellele  zu  V"3J^?  und 
giebt  keinen  guten  Sinn,  ob  man  darunter  „Glieder  des  menschlichen  Körpers", 
„Aste  eines  Baumes",  „Riegel"  im  eigentlichen  Sinn  oder  im  übertragenen  = 
„Fürsten"  verstehe.  Die  Korrekturen  von  Oettli:  Vn^"l!l,  „seine  Riegel",  oder 
vnn?,  „seine  junge  Mannschaft",  befriedigen  auch  nicht.  Der  Schaden  im 
Texte  sitzt  tiefer.  Die  Ähnlichkeit  der  drei  Verba  T\br\\  nn^:D*l  und  H^^Sl,  sowie 
der  beiden  Wörter  Vlj;^  und  ^"^21  lee^t  die  Annahme  nahe,  dass  V^n  nn^DI  dem 

t't:  t-O  "  t-t:-: 

V'IJ^D  ThT\\  entspricht  und  wir  also  zwischen  beiden  zu  wählen  haben.  Vi?  ist 
offenbar  nichts  als  verdorbenes  VIJ^?,  also  letzteres  alter  Text;  dagegen  ist 
nn^?'!  dem  n^ni  vorzuziehen,  da  H^ni  (Perf.  consec.  von  ^^n),  losstürzen^  in  die 
Konstruktion  und  den  Zusammenhang  nicht  passt  und  daher  als  alte,  schon  von 
der  LXX  rja&£VY]a£v  bezeugte,  aber  durch  die  Beifügung  von  T[Tb2\  verbesserte 
Verderbnis  anzusehen  ist;  vgl.  auch  Wellh.  und  Nowack.  Zu  nn^pl,  aufreiben^ 
vertilgen,  ist  dann  Tb'^^]  eine  treffliche  Parallele.  Für  DH^nnj^löD,  wegen 

ihrer  Anschläge ,  das  wieder  den  Grund  der  Vernichtung  hineinbringen  sollte 
(vgl.  zu  V.  5^),  ist  dem  V^VJ^  parallel  VJ^???!!,  in  seinen  Festungen,  und  zwar 
nicht  durch  Atnach  von  H^DiJI  getrennt,  zu  lesen,  vgl.  10  14;  das  von  Ooet  vor- 
geschlagene Vrins??  liegt  graphisch  nicht  näher.  7  •'nn^it:^'»'?  n^S^bjri,  fasst 
man  gewöhnlich  =  aufgehängt  an  den  Abfall  von  mir  d.  h.  es  hat  den  Hang 
von  mir  abzufallen;  diese  Übersetzung  unterliegt  aber  schweren  Bedenken,  weil 
die  Orthographie  von  D'^^^^ri  mit  t^  sehr  auffallend,  seine  Bedeutung  sehr  frag- 
lich, die  Fassung  des  Suff,  in  ''nn-.ti^p  als  sog.  genitivus  object.  =  „Abfall  von 
mir"  sehr  zweifelhaft  und  überhaupt  die  Verwendung  von  H^^ti^'D  (sonst  erst  bei 
Jeremia,  zu  Hos  14  5  s.  den  Komm.)  hier  kaum  glaubhaft  ist.  Ich  schlage  daher 


Hos  11  7  89  Hos  11  9 

vor:  D''!i!?5?"^iJ  D'^l^^,  mujesrhlossette  an  die  Götzen^  (i'otzenmitiärujcr  (sind  mein 
Volk);  für  den  Sinn  vgl.  4i7:  D*^?^?^  mn.  Die  Verdeibnis  von  "^W  D^l^i  in 
h  D'^Sl'^n  crklilrt  sicli  von  selbst;  dagegen  ist  "^n^ll^^ö,  vielleicht  ursprünglich 
inD^ti^ö  (s.  LXX),  nicht  Textverder))nis,  sondern  al)sichtli(dier  Ersatz  für  D"^2?V, 
durch  den  gleich  das  Urteil  über  den  G()tzendienst  ausgesprochen  werden  sollte, 
vgl.  zu  10  io''P.  Dieses  Verständnis  des  Textes  stimmt  jedenfalls  besser  zum 
Gedankenkreis  Hoseas  als  die  Vermutungen  Oettli's:  vnn^it^^'öp  nsbi  "^öj;  „mein 
Volk  ist  ermattet  von  wegen  seiner  Abtrünnigkeiten",  oder  ö?  ''^s'pn  ^öj;  „hat 
mich  ermüdet  mit  s.  A."  Wie  man  v.  ?''  übersetzen  kann:  „und  mag  man 

ihnen  ein  aufwärts!  zurufen,  es  strebt  keiner  empor",  ist  schwer  verständlich; 
aber  ebensowenig  ist  es  hebräisch,  wenn  man  mit  Oettli  h'^  für  ^J?  und  "IHS  für 
^V\\  liest  und  dann  übersetzt:  „zu  einem  Joch  wird  man  es  rufen,  das  niemand 
nachher  abhebt."  LXX  hat  llp''  für  ins^lp''  und  in*'  für  "TH''  gelesen;  ersteres 
ward  anzunehmen  und  D^'bjJ^n  für  ^j;  (s.  zu  7  16  11  2)  zu  lesen  sein,  sodass  der 
letzte  Stichos  etwa  lautete  "in;;  ^Ip^  D*'^j;!?n"^S'S  =  und  bei  den  Baalim  treffen 
sie  alle  ein^  d.  h.  bei  Baal  und  seinen  Festen  fehlen  sie  nicht,  den  wissen  sie 
immer  und  regelmässig  zu  treffen;  vgl.  zu  Hlp^  II  Sam  1  6,  für  die  Konstruktion 
mit  ~b^  Num  23  4  16.  Etwas  Ahnliches  muss  hier  gestanden  haben,  auch  wenn 
die  Vermutung  unsicher  bleibt;  es  könnte  z.  B.  in  in;;  auch  das  zu  D'^l'pi  parallele 
Verb  nn^,  sich  vereinen^  zu  sehen  sein.  Am  wenigsten  weiss  ich  mit  DD1T  ^b 
anzufangen;  das  erforderliche  Objekt  fehlt  und  die  absolute  Fassung  =  empor- 
streben hilft  auch  nicht.  Es  ist  erst  eine  Folge  der  Textverderbnis  ^3^"^JS;  und 
kaum  wird  etwas  anderes  als  eine  Randbemerkung,  vielleicht  auf  das  ^j^,  Joch^ 
gelesene  ^J^  bezüglich  und  in  Erinnerung  an  v.  4  (vgl.  oben  Oettli),  darin- 
stecken. 

8%  die  sechste  Strophe:  Wie  werde  ich  dich  dahingeben^  Ephraim ,  Dich 
ins  Verderben  stürzen ,  Israel!  Wie  werde  ich  dich  Adma  gleichsetzen ,  Ein 
Zeboim  aus  dir  machen!  Diese  Worte  als  Verheissung  zu  fassen  („Wie  könnte 
ich  dich  dahingehen"  etc.)  widerspricht  dem  Zusammenhang,  der  nach  den 
scharfen  Drohungen  (vgL  nur  v.  6)  unmöglich  die  Zusicherung  der  Straflosig- 
keit zulässt,  steht  aber  auch  im  Gegensatz  zu  Hos  13  12—14  i,  wo  mitleidslose 
Bestrafung  in  Aussicht  gestellt  ist.  Zu  "^''^jt,  wie  sehr!^  ist  Jer  3  19  9  6,  nicht 
Gen  39  9  44  8  zu  vergleichen.  ]?p  ist  =  preisgeben  durch  die  parallelen 

Verba  \T\^  und  D^'^  gesichert,  vgL  auch  Gen  14  20  und  zu  Jes  64  6.  Adma 

und  Zeboim  sind  das  Paradigma  gründlicher  Zerstörung  bei  Hosea,  wie  Sodom 
und  Gomorrha  bei  Amos  und  Jesaja,  vgl.  Am  4  11  Jes  1  7-10.  Hosea  hat  die 
Kenntnis  von  dem  Untergang  dieser  Städte  durch  eine  von  Gen  19  unabhängige 
Tradition  erlangt;  ja  es  muss  unsicher  bleiben,  ob  diese  Städte  wirklich  auch 
als  mit  Sodom  und  Gomorrha  untergegangen  hier  erwähnt  sind.  Sie  sind  wohl 
erst  aus  unserer  Stelle  in  deren  Gesellschaft  versetzt  worden,  vgl.  Gen  10  19 
14  2  8  Dtn  29  22. 

8^  9%  die  siebente  Strophe:  Mein  Herz  drückt  es  mir  fast  ab^  Zugleich 
ist  mein  Mitgefühl  entbrannt.  Sollte  ich  nun  meinen  heissen  Zorn  nicht  in 
That  U7nsetzen,  Nicht  den  Schritt  wagen,  Ephraim  zu  vernichten  ?  Die  Strophe 
zeigt  den  tiefen  Schmerz,  der  Jahwe  erfüllt,  dass  er  Israel,  das  ihm  lieb  war 


Hos  11  8  90  Hos  11  9 

(v.  1  4),  jetzt  vernichten  rauss.  Auch  liier  gilt  das  zu  v.  8^  Bemerkte:  Es  kann 
hier  niclit  auf  einmal  Hosea  die  Nichtausführung  des  Gerichtes  in  Aussicht 
stellen.  Wellh.  hat  darum  v.  s''  9  als  fremde  Zuthat  entfernen  wollen,  weil  er 
eben  diesen  Sinn  darin  fand;  aber  dieser  Auffassung  ist  v.  9'^,  der  ebenfalls  als 
sekundär  behandelt  wird,  nicht  günstig,  vgl.  dort.  ^^b  "^h_)l  "^Jönj  bedeutet 

wörtlich:  Mem  Jlerz  hat  sich  in  mir  umgedreht^  wir  sagen  dafür:  mir  hat  es 
das  Herz  fast  abgedrückt'^  zu  ^JJ  vgl.  I  Sam  25  36  Jer  8  18.  Zu  ^IDD?  vgl. 

Gen  43  30  I  Reg  3  26;  nach  diesen  beiden  Stellen  ist  für  ^)?^ni,  Tröstungen,  mit 
Wellh.  u.  a.  ^Dni,  mein  Mitgefühl^  zu  lesen,  was  auch  dem  ^"^  besser  parallel 
ist,  vgl.  auch  Lk  24  32.  Aber  dieses  IVlitgefühl  kann  Jahwe  nicht  Herr 

über  sich  werden  lassen;  das  besagt  9\  n^?^J  ^b  ist  eine  Frage,  gerade  wie 
13  14^^,  =  sollte  ich  nicht  u.  s.  w.,  und  n^ti^ij  steht  hier,  wie  2  ii,  zur  Einleitung 
einer  dem  früheren  Verfahren  entgegengesetzten  Handlung  an  dem  nämlichen 
Objekte;  sollte  ich  Ephraim  nicht  vernichten,  wie  ich  es  früher  ins  Leben  rief 
(v.  i)?  Doch  ist  zuzugeben,  dass  b  "IWt^  möglicherweise  eingesetzt  ist,  also  ur- 
sprünglich nur  TiTW^  zu  lesen  war;  die  Zufügung  geschah,  weil  man  den  ganzen 
Passus,  wie  noch  jetzt  manche,  im  Widerspruch  mit  Hosea  und  insbes.  mit 
V.  9"^  als  Verheissung  fasste  unter  Verkennung  der  mit  ^^y  eingeleiteten  Fragen. 
Allerdings  wäre  man  aber  bei  solcher  Fassung,  wenn  eine  abermalige  Ver- 
tilgung ausgeschlossen  würde,  gezwungen,  überhaupt  v.  s^  und  v.  9  mit  Wellh. 
Hosea  abzusprechen. 

9'\  die  achte  Strophe,  bringt  in  kurzen  Stichen,  in  denen  jedes  Wort 
wichtig  und  betont  ist,  den  Grund,  warum  Jahwe  nicht  vom  Mitgefühl  sich  be- 
herrschen lassen  kann  und  die  Vernichtung  Ephraims  vollstrecken  muss:  Denn 
Gott  bin  ich  Und  nicht  [Mensch,  Heilig  in  deiner  Mitte,  Und  sollte  nicht  ver- 
tilgen? Da  "T'J^^  «ins  ^b\  schwerlich  „und  ich  komme  nicht  in  eine  Stadt" 
übersetzt  werden  kann  und  ^l^'J^n,  =  (und  ich  sollte  nicht  kommen)  in  Glut 
(Zorngliit)  trotz  Jer  15  8  doch  sehr  fraglich  bleibt,  hängt  die  Emendation 
dieses  Schlusses,  so  wie  die  ganze  Auffassung  der  Strophe  von  dem  Sinn,  den 
t^^'njj  hat,  ab.  Heisst  Jahwe  heilig  inmitten  Ephraims^  weil  er  darüber  erhaben 
wäre,  dass  er  seinen  Zorn  in  That  umsetzte  und  an  Ephraim  die  verdiente 
Strafe  vollziehen  müsste?  Ist  es  ein  Zug  der  Heiligkeit  Jahwes  in  Israel,  dass 
er  nicht  vertilgt?  Das  wäre  eine  durchaus  eigenartige  Auffassung  von  heilig 
und  ohne  ethische  Färbung;  denn  die  Propheten  haben  Jahwes  Zorn  nie  als 
etwas  Unethisches  betrachtet.  Das  Ethische  im  prophetischen  Begriff  der 
Heiligkeit  liegt  vielmehr  darin,  dass  der  Heilige  nicht  nur  kultische  Verstösse 
bestraft  und  durch  Kultus  geehrt  sein  will,  sondern  dass  er  gegen  die  Sünde 
reagiert  und  die  Sünde  wegschafft;  vgl.  zum  Beweise  Jes  6.  Seine  Verschieden- 
heit von  den  Menschen  beruht  also  darauf,  dass  er  nicht,  wie  diese,  der  Sünde 
gegenüber  gleichgiltig  ist  und  nicht  etwa,  wie  ein  schwacher  Vater  seinem  un- 
verbesserlichen Sohne  gegenüber,  von  der  Liebe  übermannt  wird,  so  dass  er 
seinen  Ernst  nie  zeigen  kann.  Dieses  menschliche  Pathos,  diese  menschliche 
Schwäche,  ist  dem  Heiligen  fern,  so  sehr  es  schmerzt,  dass  er  strafen  muss. 
VgL  ferner  Maeti  Gesch.  der  isr.  Eel.^  S.  133.  Nur  so  bekommt  auch  das 
^Ijllpin  einen  besondern  kräftigen  Sinn  =  gerade  in  deiner  Mitte  bin  ich  heilig, 


Hos  11  9  91  Hos  12  1 

was  kurz  ausgedrückt  dasselbe  ])esa^t,  wie  Am  3  2:  JJas  Vorrecht,  den  Heiligen 
in  seiner  Mitte  zu  haben,  verleiht  keinen  Freibrief  gegen  die  Sünde,  sondern 
involviert  gerade  die  schärfste  Bestrafung  derselben.  JJarnach  lässt  sich  nun 
auch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  der  Schluss  emendieren:  es  ist  entweder 
mit  Steiner  undÜETTLi  ^)l^^  für  l'^y^  oder  besser  mit  AVellh.  unter  Annahme 
fehlerhafter  l)ittogra])hie  einfach  ^V.^^,  für  Tj;^«US  zu  lesen.  1j;?i  ist  der  wohl- 
bekannte und  si)äter  im  Dtn  häuiig  gebrauchte  Ausdruck  für  wejj schal]' (tu,  rer- 
tilijcn.  Das  IJ/'?^  ^\  ^^^  ^^^  Frage  zu  fassen  wie  v.  9*':  lind  sollte  iiicltl  rer- 
lllijen?  Die  Herübernahme  von  '''inS  (v.  lo)  als  ^^"jnt?  zu  v.  9  ((Joja',  Wellh.; 
ist  verfehlt,  gerade  der  absolute  Gebrauch  von  Ij;?  giebt  einen  wirksamen 
Schluss. 

10  11  sind  auf  alle  Fälle  eine  späte  Beifügung;  sie  schildert  den  Heimzug  aus  dem  Exil 
unter  Anführung  Jahwes,  der  laut  zum  Aufbruch  und  zur  Sammlung  aufruft,  nach  Stellen 
wie  Jes  60  8  ff.  49  17  f.  Es  soll  mit  dieser  Beifügung  auch  hier  gesagt  sein,  dass  die  von 
Hosea  gedrohte  Vertilgung  nicht  das  Ende  sei,  sondern  dass  einst  eine  Wiederherstellung 
erfolgen  werde.  Das  musste  nach  der  Meinung  der  Späteren  der  Prophet  eigentlich  schon 
wissen,  und  es  war  nötig,  dies  hier  anzumerken,  damit  bei  der  Vorlesung  die  jüdische  Ge- 
meinde nicht  nur  die  Hälfte  der  prophetischen  Verkündigung  vernehme.  Man  hat  auch 
hier  grössere  Emendationen  vornehmen  wollen,  weil  die  Wiederholung  derselben  Aus- 
drücke störend  erschien.  So  will  z.  B.  Oettli  '^)^'^\  ^<'l^  ''3  als  reine  Wiederholung  und 
D;p  D"^:!  *1in'T  als  Zusammensetzung  aus  Trümmern  der  ersten  drei  Worte  von  v.  11  aus- 
scheiden; aber  mit  Unrecht,  da  an  einen  Interpolator  nicht  so  strenge  Anforderungen  zu 
stellen  sind.  10  Vl^^  T^^Ty^^  ""ins*,  hinter  Jaliive  werden  sie  einherziehen,  seil,  bei  der 

Heimkehr  aus  dem  Exil  (der  spätere  Glossator  kann  sich  die  von  Hosea  angedrohte  Ver- 
tilgung nur  als  Exilierung  vorstellen);  denn  Jahwe  ist  an  ihrer  Spitze.  Wellh.,  der  "»"^nisi 
zu  V.  9  zieht  (s.  dort),  liest  '^b\  für  12^;;,  oder  noch  lieber  D=ip^^;  Volz  dagegen  zieht  TJ.'2  zu 
"'ins;  und  liest  '"1S3  ns^r  =  Jahive  ivird  wie  ein  Löwe  schreien  (vgl.  zu  "iJ?^  Jer  51  38);  beides 
ist  unnötig  und  entfernt  den  wichtigen  einleitenden  Gedanken,  der  Jahwe  als  den  Führer 
der  Heimkehr  nennt,  dessen  Ruf  sie  von  allen  Seiten  folgen,  das  letztere  vermehrt  über- 
dies noch  die  Wiederholung  des  Schreiens.  Wie  ein  Löwe  icird  er  brüllen  (nicht: 
wie  hinter  einem  Löwen,  der  brüllt)  wird  nicht  sagen  wollen:  wie  die  jungen  Löwen  dem 
alten,  der  sie  durch  sein  Gebrüll  ruft,  folgen,  so  folgen  die  Israeliten  Jahwe,  sondern  nur, 
dass  Jahwe  laut  das  Zeichen  giebt,  worauf  die  Israeliten  sich  sammeln,  vgl.  Jes  27  13, 
wo  mit  der  grossen  Posaune  zur  Sammlung  geblasen  wird,  und  zu  dem  Brüllen  Jahwes  s. 
Am  12  3  8  Jer  25  30  Jo  4  16.  Demi  er  brüllt,  so  etc.  erklärt  v.  10^:  Giebt  Jahwe 
das  Zeichen,  so  gerät  alles  in  Bewegung  und  Erregung  sie  zitterii,  eilen  herbei.  D^i^ 
D*ö  ist  schwerlich  =  Söhne  vom  Meere  d.  i.  Westen,  aber  noch  wenio^er  mit  LXX  =  D"'D  ^i2 
i^Ä^rj,  üoaxcDv,  sondern  wohl  am  ehesten  =  DJO  ein,  Bauleute  von  Westen^  zu  fassen,  vgl. 
Jes  60  10.  Jahwe  giebt  das  Zeichen:  da  eilen  sie  herbei  nach  Palästina,  auch  an  solchen 
fehlt  es  nicht,  die  die  in  Trümmer  gefallenen  Bauten  wieder  aufrichten.  11  In  hellen 
Scharen  und  in  grösster  Eile  kommen  sie  daher  aus  Ägypten  und  Assur  (Syrien),  wie 
Vögel  und  Tauben  in  ihre  Schläge,  vgl.  Jes  60  8.  Für  bv  D^nn^in,  ich  bereite  ihnen 
Wohnung  in  (=bv'i),  liest  man  besser  b^  □"nn^^n  ich  bringe  sie  u'ieder  in  ihre  Heimat,  so 
auch  XowACK  und  Oettli.  Auch  ni.T  Di<i,  das  wir  bei  Hosea  im  echten  Text  nicht 
finden  (s.  zu  2  lö'O?  spricht  für  den  Zusatz  von  v.  10  f.,  gerade  wie  das  nirT»  in  der  dritten 
Person  im  Gegensatz  zu  dem  redenden  Jahwe  v.  1-9. 

14.  Israels  Charakter  ist  von  Anfang  an  nur  List  und  Treulosigkeit  12  i— 15. 

Cap.  12  gehört  zu  den  schwierigsten  Abschnitten  des  Buches  Hosea.  Dasselbe  ent- 
hält nämlich  eine  Beihe  von  Anspielungen   auf  die  Patriarchenzeit,  die  uns   zwar  wohl 


Hos  12  1  92  Hos  12  1 

aus  den  Erzählungen  der  Genesis  verständlich  sind,  aber  doch  im  Zusammenhang  recht 
eigentümlich  lauten.  Man  hat  daher  an  eine  selbständige,  von  der  in  der  Genesis  ver- 
zeichneten Relation  verschiedene  Tradition  gedacht,  die  nicht  nur  in  Einzelheiten,  sondern 
auch  in  der  Reihenfolge  der  Ereignisse  ganz  von  der  Genesis  abweiche.  Aber  ehe  man 
zu  diesem  Auskunftsmittel  greift,  hat  man  doch  darauf  zu  achten,  ob  sich  auch  wirklich 
der  ganze  Abschnitt  als  einheitlich  fassen  lasse.  Dies  wird  von  E.  Beer  (Zu  Hosea  XII 
in  ZATW  1893,  281 — 293)  angenommen,  der  am  Schluss  seiner  Untersuchung  erklärt,  „das 
12.  Capitel  enthalte  eine  w^ohlgegliederte  Rede  des  Propheten".  Es  soll  nämlich  in  dem 
Capitel  gezeigt  sein,  wie  verschieden  die  Israeliten  von  ihrem  Vater  Jakob  seien;  dieser 
habe  nämlich  um  Verzeihung  für  seinen  Betrug  gefleht  (v.  5),  während  jene  sich  ganz 
anders  benehmen,  und  darum  werde  es  auch  den  Israeliten  ganz  anders  ergehen,  als  ihrem 
Vater  Jakob,  nämlich  letzterer  sei  in  seinen  Nachkommen  aus  dem  Exil  befreit  worden 
(vgl.  V.  7  13  14,  w^elche  Verse  so  kombiniert  werden,  dass  die  Befreiung  der  Nachkommen 
aus  Ägypten  als  die  Rettung  Jakobs  aus  Aram  erscheinen  soll),  die  Israeliten  dagegen 
müssen  in  das  Exil  zurück.  Man  wird  mit  Recht  gegen  diese  Auffassung  einwenden,  dass 
Hosea,  wenn  er  diese  Gegenüberstellung  des  Vaters  Jakob  und  der  Israeliten  seiner  Zeit 
beabsichtigt  hätte,  dies  schärfer  und  klarer  hervorgehoben  hätte,  und  die  Annahme,  die 
Erfüllung  der  Zusage  an  Jakob  in  v.  5,  dass  er  heimkehren  werde,  sei  in  der  Befreiung  seiner 
Nachkommen  aus  Ägypten  zu  sehen,  ist  doch  so  gesucht,  dass  man  zu  Bedenken  gegen 
die  ursprüngliche  Einheitlichkeit  von  Gap.  12  sehr  berechtigt  ist.  Diese  Bedenken  sind 
auch  von  Procksch  (Geschichtsbetrachtung  u.  geschichtl.  Überlieferung  bei  den  vorexil. 
Proph.  1902,  19 — 23)  nicht  beseitigt,  der  die  beiden  Episoden  aus  dem  Leben  Jakobs  nicht 
so  straff  zusammenfasst,  sondern  als  einzelne  geschichtliche  Beispiele  für  sich  ansieht. 
Die  erste  Episode  12  4  5  soll  zeigen,  wie  „mit  dem  äusseren  Sieg  Jakobs  eine  innere 
Niederlage  verbunden  sei,  der  Kampf  mit  der  Gottheit  bedeute  nach  der  klaren  Meinung 
Hoseas  die  sittliche  Umw^andlung  Jakobs".  In  der  zweiten  Episode  12  13  f.  soll  der  Ge- 
danke ausgedrückt  sein,  „dass  der  tiefste  Sinn  der  Heilsgeschichte  nicht  bei  dem  natür- 
lichen Menschen  Jakob,  wo  ihn  das  Volk  suche,  sondern  bei  Gott  liege,  der  die  Ge- 
schichte Israels  seit  Ägypten  im  Geiste  der  Prophetie  geleitet  habe."  Auch  so  einzeln 
genommen  passen  die  Gedanken  nicht  in  den  ursprünglichen  Gedankengang,  vgl.  das 
Folgende  und  die  Erklärung.  Wellh.  hegt  Verdacht  gegen  v.  5-7  und  Nowack  erklärt  als 
fremde  Bestandteile  v.  1^  4*^-7  13  14;  vgl.  auch  "W'i:nckler  (Gesch.  Isr.  I,  59),  der  v.  4-6 
von  „einem  frommen  Bearbeiter"  herleitet.  Stärk  (Studien  II,  8),  der  v.  4*^-7,  und  Luther 
(ZATW  1901,  67),  der  v.  5-7  für  eingeschoben  erklärt.  Die  Abgrenzung  dieser  Zuthaten 
wird  noch  genauer  geschehen  müssen,  so  ist  wohl  v.  4^  als  hoseanisch  festzuhalten,  aber 
es  werden  noch  andere  auch  von  Nowack  nicht  beanstandete  Teile  auszuscheiden  sein.  Als 
wichtiges  formales  Indicium  sekundären  Ursprungs  erweist  sich  auch  hier  wieder  die 
Rede  von  Jahwe  in  der  3.  Pers.,  vgl.  v.  3^  5  6  14.  Im  Übrigen  erklärt  sich  die  Ver- 
mehrung sehr  leicht:  Die  Anspielung  auf  den  Vater  Jakob  gab  einem  Späteren  Anlass, 
diese  Anspielung  weiter  zu  führen  und  dabei  einerseits  das  Urteil  über  Jakob  zu  mildern 
und  andrerseits  die  Hoffnung  auf  eine  Restitution  in  der  Zukunft  zu  erwecken. 

1,  der  Anfang  der  ersten  Strophe  y.  i^  und  ein  Zusatz  über  Juda.  1^ 
Mit  Lug  hat  mich  Ephraim  Hingeben  Und  mit  Trug  das  Haus  Israel.   Man  hat 

t:^n?  und  n)p*ip  nicht  auf  ein  spezielles  Gebiet  zu  beziehen;  die  Treulosigkeit 
der  Israeliten  gegen  Jahwe  äussert  sich  in  Verlogenheit  in  Handel  und 
Wandel  y.  2^  9,  in  der  Politik  y.  2^  und  im  Kultus  y.  12.  Israels  Charakterzug, 
so  stellt  Hosea  fest,  ist  Treulosigkeit.    Vgl.  zu  t:^n?  auch  10  13. 

\h  verrät  sich  als  Zusatz  sowohl  dadurch,  dass  von  Juda  gehandelt  wird,  als  auch 
durch  die  Nennung  Gottes  in  der  3.  Person;  in  ursprünglichem  Zusammenhang  mit  v.  1^ 
müsste  man  auch  v.  l'^  die  erste  Person  erwarten,  z.  B.  '•öj;  für  ^«'D^;.  Wie  man  sieht,  ist 
es  weder  „pures  Vorurteil"  noch  blosse  Theorie,  wenn  auch  hier  der  Satz  über  l^y^T^^  aus- 
geschieden wird.     Der  Satz  ist  im  ersten  Teile  schwerlich  intakt  erhalten;  T^,  von  Tin  = 


Hos  12  1  93  Hos  12  2 

frei  umher  schweifen  Jer  2  31,  giebt  koinen  Sinn,  insbes.  auch  fiele  die  Präposition  Dj;  auf, 
ob  man  übersetze:  „Juda  ist  zügellos  gegen  Gott"  oder  „sperrt  sich  gegen  die  Gemein- 
schaft mit  Gott"  (so  CoRNiLL  ZATW  1887,  288).  LXX  setzt  voraus  ^7«  oyT  ny;  darnach 
vermute  ich  unter  Annahme  unrichtiger  Ifai)lographie  von  V  als  ursprünglichen  Text: 
'^S'Qj;  Vl^^  "iV  =  woc/i  ein  Bekannter  hei  Gott,  ihm  noch  nicht  fremd,  noch  vertraut  mit  ihm. 
NowACK  stimmt  bei;  Oiottm  dagegen  erklärt  D^  vy^  =  vertraut  mit  für  „nicht  hebräisch", 
aber  schwerlich  mit  Recht,  vgl.  den  Gebraucii  von  cy  mit  ]0«i  v.  l'-*,  mit  n^T  =  auf  freund- 
schaftlichem Fusse  stehen  mit  jmd.  Ps  50  18  Hi  34  9,  und  vermutet  *?«"üj;  Tita,  „ist  wider- 
spenstig im  Verkehr  mit  Gott",  was  jedoch  auf  der  Voraussetzung  berulit,  dass  auch  der 
Schluss  von  V.  1  zu  ändern  sei.  Dort  soll  nämlich  mit  Cornim.  (ZATW  1887,  285 — 289j 
gelesen  werden:  "iJpiii  Q""^"]!?  ^5^]  '^'^(^  ^^^  Hurern  ziisammengejocht,  oder  nach  Oettli  viel- 
leicht eher:  «Dt3i  heflecld  sich  in  Gesellschaft  von  H.,  „da  bei  ID^  Ni.  b  erwartet  wird." 
Aber  der  ganze  Anstoss  an  dem  Gebrauche  von  D^^llp  als  Gottesname  verschwindet,  wenn 
wir  eine  späte  Stelle  vor  uns  haben,  vgl.  Prv  9  10  30  3;  der  gute  Parallelismus  von  ]9«i 
zu  VI)  und  von  D^ti^np  zu  bs  spricht  für  die  Richtigkeit  des  Textes:  Juda  noch  vertraut  mit 
Gott  U7id  dem  Heiligen  treu,  und  das  günstige  Urteil  über  Juda  für  die  Zeit,  da  Israel 
Jahwe  schon  untreu  war,  stimmt  zu  der  Einfügung  1  7.  Der  Halbvers  l'^  ist  also  der 
Einschub  eines  späteren,  der  durch  eine  historische  Notiz  das  scharfe  Urteil  v.  1^  auf 
Nordisrael  limitierte.  Auch  die  neueste  Zurechtlegung  des  Textes  von  J.  A.  Bewer  kann 
V.  1^  nicht  als  ursprünglichen  Bestandteil  retten,  weil  sie  b^  und  D^li^lip  in  der  Rede 
Jahwes  festzuhalten  zwingt.  Bewer  giebt  nämlich  ni^n'^l  preis,  liest  dann  h^  Dyi";  1'V  und 
am  Schlüsse  *i)?i^i  nach  LXX  und  punktiert  'p'üV,  =  „Aber  Gott  kennt  sie  (die  Israeliten) 
noch  Und  Volk  des  Heiligen  ist  es  genannt".  Auch  inhaltlich  passt  so  v.  l'^  nicht  zwischen 
V.  1^  und  v.  2. 

2^'',  der  Schluss  der  ersten  Strophe:  Ephraim  liebt  Wind  Und  läuft  dem 

Sturme  nach,  d.  h.  die  Ephraimiten  trachten  dem  nach,  was  nichtig,  unfassbar 
und  unerreichbar  ist;  ihr  Treiben  ist  ein  nichtiges  und  eitles,  n^l  nj;i  ist 
schwerlich  =  den  Wind  weiden  zu  fassen,  aber  es  wird  auch  nicht  in  y*]  zu  ver- 
bessern sein:  Genosse,  Freund  des  Windes  (so  Oort),  sondern  am  ehesten  ist 
darin  wohl  die  dem  späteren  Kopisten  vertrautere  aramäische  Schreibweise 
für  althebräisches  H^h,  Gefallen  habend^  zu  sehen,  vgl.  zu  Jes  44  20;  möglich  ist 
immerhin,  dass  beide  Formen  nj;i  und  Tvr\  schon  zur  Zeit  Hoseas  neben  ein- 
ander  lebten,  vgl.  j;"]  Genosse  und  Schulthess  Gott.  gel.  Anz.  1902,  672.  Da- 
gegen wollen  J.  Barth  (Wurzeluntersuch.  46  48)  und  Kautzsch  (Die  Ara- 
maismen  1902,  I,  81 — 83)  für  HJ^I,  gern  haben  ^  und  nj^n,  weiden,  eine  gemein- 
same Grundbedeutung  beobachten,  sich  kümmern  um  annehmen.  D^'^Tj^,  Ost- 
wind, vgl.  13  15  Hi  15  2  27  21;  Hosea  denkt  bei  nn  an  Ägypten,  bei  D"^1iJ,  Ost- 
wind, an  Assur,  also  an  die  nichtsnutzige  Allianzpolitik,  von  der  er  v.  2'^  deut- 
lich spricht. 

2aP'j,  die  zweite  Strophe,  ist  vorn  versehrt,  das  zu  Dl'rc'?^  gehörende 

Verb  fehlt :  Die  gan%e  Zeit ,  Lüge  und  Trug  mehren  sie,  Mit  Assur 

schliessen  sie  einen  Vertrag  Und  nach  Ägypten  führen  sie  Öl.  Für  "iü)  2T3, 
Lüge  und  Gewalt,  1.  nach  LXX  mit  Ooet,  Wellh.  u.  a.  ^W)  ^J|,  Lüge  und 
Nichtigkeit,  was  dem  Zusammenhang  besser  entspricht.  Ebenso  liest  man 
wohl  besser  n^in  ^ii"]^_  für  ri^'^ini  n|1^_,  da  v.  2^  die  Erklärung  von  y.  2^  ist,  und 
endlich  n'^n  Ji'pnV  für  n'^ni  ^n^^  (Wellh.,  Nowack).  Zu  der  Allianzpolitik  s.  5  13 
7  11.  ]D^,  Öl,  war  eines  der  wertvollsten  Produkte  des  Landes,  vgl.  Dtn  8  8 
Hes  16  19  27  17,  und  eignete  sich  daher  sehr  wohl  zur  Verwendung  als  Ge- 
schenk, vgl.  dazu  Jes  30  6. 


Hos  12  3  94  Hos  12  4 

3^  ist  eine  Glosse.  Die  Änderung  von  nn^n^  in  h^^"^]  genügt  nicht,  um  die  "Worte 
für  Hosea,  der  sonst  nur  von  Nordisrael  spricht,  zu  retten;  denn  r{)p\h  ist  in  der  Rede 
Jahwes  unmöglich.  Die  Glosse  stammt  von  andrer  Pfand  als  v.  l'',  von  einem  Inter- 
polator,  der  nicht  nur  eine  historische  Notiz  Hosea  in  den  Mund  legen,  sondern  beifügen 
wollte,  dass  Juda  nicht  vollkommen  war,  sondern  auch  ihm  der  Prozess  gemacht  wurde. 
Die  Glosse  hat  im  Folgenden  einige  Textänderungen  nach  sich  gezogen.  Ursprünglich 
lautete 

3''  4,  die  dritte  Strophe,  am  Anfang  ^ppi<]  für  ^p^h]  und  am  Ende  von 
V.  3  'r^S'^to^'^j;  für  1^  2^p] :  So  werde  ich  bestrafen  Jakob  für  seine  Handlungs- 
weise, Für  seine  Tliaten  Israel.  Im  Mntterschoss  überlistete  er  seinen  Bruder 
Und  in  seiner  Manneskraft  stritt  er  mit  Gott.  ^«"jt^"l"^J?  ist  hier  notwendig  für 
1^  y^\  wegen  der  deutlichen  Anspielung  auf  die  Namen  Jakob  und  Israel,  die 
in  den  Verben  1]>)l  und  niC^  von  v.  4  vorliegt;  die  Verderbnis  lag  nach  4  9  nahe. 
4  fasst  nochmals  die  Art  und  Weise  des  Treibens  der  Israeliten  zusammen, 
indem  gezeigt  wird,  wie  bereits  die  Natur  ihres  Stammvaters,  dem  sie  getreu 
geblieben  sind  und  der  als  ihr  Typus  gelten  kann,  Lug  und  Trug  war.  Diese 
Natur  war  ihm  schon  eigen  von  Geburt  an;  denn  im  Mntterschoss  überlistete 
er  seinen  Binder.  nj^J^  kann  man  nicht  mit  die  Ferse  halten  übersetzen,  da 
diese  Bedeutung  dem  Verbum  nirgends  zukommt  und  auch  das  blosse  Halten 
der  Ferse  seines  Bruders  Esau  in  Gen  25  26  nicht  ein  Betrügen  desselben, 
sondern  nur  den  Neid  über  dessen  Erstgeburt  ausdrückt.  Wie  in  Jer  9  3,  wo 
ebenfalls  auf  die  Erzählungen  über  Jakob  angespielt  wird,  hat  nj^J^  den  Sinn 
von  betrügen,  überlisten.  Zu  der  Aussage,  dass  Jakob  seinen  Bruder  Esau  schon 
im  Mutterschosse  betrogen  habe,  findet  sich  aber  in  der  schriftlich  erhaltenen 
Überlieferung  kein  Anlass.  Denn  das  Persenhalten  bei  der  Geburt  Gen  25  26 
ist,  wie  gesagt,  kein  Betrug  und  die  beiden  Anlässe,  bei  denen  von  Betrug 
Esaus  durch  Jakob  gesprochen  wird  (vgl.  Gen  27  36),  fallen  nicht  in  die  Zeit 
der  Geburt,  nicht  einmal  in  die  der  frühesten  Jugend.  Um  nun  aber  zwischen 
den  Erzählungen  der  Genesis  und  der  Anspielung  in  v.  4^  Einklang  herzustellen, 
darf  man  nicht  wohl  in  lt?55,  das  zu  1i1^5  eine  gute  Parallele  bildet,  eine  Text- 
verderbnis vermuten,  sondern  man  wird  eher  anzunehmen  haben,  dass  Hosea 
eine  Tradition  kannte  und  an  dieselbe  anspielt,  welche  in  gröberer  Weise  die 
Geburt  der  Zwillinge  erzählte,  vielleicht  eine  Tradition,  die  Gen  25  26  mit 
Gen  38  27-30  kombinierte  (so  auch  Gunkel  Genesis'^  262,  vgl.  ferner  Stäek 
Studien  II,  7—13  und  Luther  ZATW  1901,  67).  Nur  als  ein  zweites 

Beispiel  für  die  Natur  Jakobs  kann  v.  4'^:  in  seiner  Manneskraft  stritt  er  mit 
Gott  im  Zusammenhang  gefasst  werden;  wer  darin  ein  Lob  Jakobs  sieht,  muss 
mit  NowACK  und  Stäek  y.  4^  als  Zuthat  abtrennen.  Jedoch  ist  diese  Abschei- 
dung resp.  ursprüngliche  Verbindung  mit  dem  Folgenden,  wo  dasselbe  noch 
einmal  zu  lesen  ist,  sehr  unwahrscheinlich  und  der  genaue  ParpJlelismus  zu 
y.  4*  fordert  gebieterisch,  dass  y.  4*^  als  ursprünglicher  Text  gefasst  wird;  D^^^^f 
ist  hier  auch  im  Munde  JahAves  als  Parallele  zu  Vn«  durchaus  am  Platze:  noch 
nicht  geboren  betrog  er  seinen  Bruder,  als  erwachsener  kräftiger  Mann  nahm 
er  den  Kampf  sogar  auf  mit  Gott.  Es  kann  bei  diesem  Kampf  mit  Gott  nur 
auf  eine  Tradition  angespielt  sein,  von  der  auch  Gen  32  23-33  Kunde  giebt; 
aber  die  Version  der  Tradition,  die  Hosea  im  Sinne  hat,  liess  offenbar  Jakob 


Hos  12  4  95  Hos  12  7 

auch  im  Kampfe  mit  Gott  ein  Mittel  der  List  anwenden,  vgl.  Holzingek  zu 
Gen  32  26  und  Luthek  ZATW  1901,  GG.  Hosea  hat  wahrscheinlich  den 
Kampf  Jakobs  mit  Gott  wie  Gen  32  23-33  nach  Penu  el  verlegt,  v.  5  kann  da- 
gegen nicht  angerufen  werden,  vgl.  die  Erklärung.  Aus  v.  4  ergieht  sich,  dass 
Hosea  die  alten  Jakol)er/illilungen  kennt,  aber  in  anderer  Version  als  wie  sie 
vom  Jahwisten,  resp.  Elohisten  in  der  Genesis  ül)erliefert  sind. 

5^°^  ist,  wie  auch  Luther  a.  a.  O.  S.  67  vermutet  (vgl.  schon  AVinckler  Gesch.  Jsr. 
I,  59,  der  allerdings  die  Glosse  unrichtig  auf  v.  4''-6  begrenzt),  eine  mildernde  Glosse,  nicht 
Fortführung,  zu  v.  4'*,  vgl.  das  abschwächende  '^^<^ö  für  U^Tlh^  und  die  Wiederaufnahme 
des  Verbums  n*i^  in  "iti^jl  Imperf.  Kai  von  der  Nebenform  "ilt^,  vgl.  Gks.-Kautzsch^"  §  72t. 
Die  Glosse  lehnt  sich  ziemlich  genau  an  den  Wortlaut  von  Gen  32  29  (=.J)  an;  übrigens 
ist  dem  DJ^  von  Gen  32  29  und  dem  "nx  v.  4^^  entsprechend  mit  Wellh.  "n«,  mit,  für  'h^ 
zu  lesen.  5^^  bis  v.  7  hängt  zusammen  und  wird  durch  v.  6,  wo  n)ri\  in  der  3.  Per- 

son erscheint,  als  nicht  zur  Rede  Jahwes  v.  1  ff.  gehörend  erwiesen.  Es  ist  demnach  eine 
Interpolation,  die  an  ein  anderes  Ereignis  aus  dem  Leben  Jakobs  erinnert,  an  die  Theo- 
jDhanie  in  Bethel,  welche  ein  besseres  Licht  auf  den  Stammvater  wirft.  Grammatisch 
hängt  dieselbe  nicht  mit  der  Glosse  v.  5^*  zusammen,  wird  daher  auch  schwerlich  von 
derselben  Hand  wie  v.  5^^-  herstammen,  obschon  beide  Stellen  das  harte  Urteil  v.  4  über 
Jakob  mildern  wollen;  jedenfalls  darf  sie  aber  in  keiner  Weise  dahin  gedeutet  werden, 
als  ob  der  Interpolator  für  die  Reihenfolge :  Ringkampf  (in  Penu  el)  und  Theophanie  in 
Bethel  eintrete.  Letzteres  hat  von  Gall  (xiltisrael.  Kultstätten  S.  97)  unter  der  unhalt- 
baren Voraussetzung,  dass  in  v.  4 f.  eine  intakte  Einheit  vorliege,  angenommen  und  in 
Gen  3Ö  14  auch  bei  E  dieselbe  Anschauung  einer  Gotteserscheinung  zu  Bethel  nach  dem 
Ringkampf  in  Penu  el  sehen  wollen;  vgl.  jedoch  die  Commentare  zu  Gen  35  14  von  Hol- 
ziNGER  und  GuNKEL.  Letzterer  hat  wohl  ebenfalls  Recht,  wenn  er  vermutet,  dass  selbst 
auch  bei  P  die  Betheioffenbarung  ursprünglich  beim  Zuge  Jakobs  nach  Aram,  nicht  bei 
der  Rückkehr  geschehen  ist  (Gen.  2  342  f.).  Über  die  Betheioffenbarung  besagt  nun 

die  Interpolation,  dass  Jakob  iveinte  wid  Gott  um  Erbarmen  flehte-,  denn  nur  Jakob-Israel 
kann  Subjekt  sein  und  das  "1^  geht  auf  U^Tih^  v.  4,  nicht  auf  '^^hip,  da  die  Interpolation 
V.  5^P-7  den  Gotteskampf  v.  4^  auf  den  Gebetskampf  in  Bethel  deutet.  Und  in 

Bethel  (LXX  hat  auch  hier  aus  Bethel  wieder  Bethawen  gemacht:  h  tco  or/co  Qv)  traf  er 
ihn;  Subjekt  ist  hier  noch  Jakob.    Zur  Sache  vgl.  Gen  28  16.  Dort  redete  mit  ihm, 

1.  1)SJ^  für  ^i^J^,  das  aus  falscher  Auffassung  des  Suffixes  in  =i3t<^l?^.  als  Suff,  der  1.  pers.  plur. 
=  ^3—  entstanden  sein  wird;  ferner  lasse  man  mit  Oort  das  dittographische  )  vor  D^  weg 
und  verbinde  die  drei  Worte  mit  v.  6!  Dadurch  erhält  man  als  Subj.  zu  "in"]^^  das  in  v.  6 
explizierte  T])jr\\  (s.  dort).  Die  Imperfekta  fallen  zwar  auf,  müssen  jedoch  von  der  Ver- 
gangenheit verstanden  werden.  6  wird  selbst  auch  von  Procksch  als  Einschub  er- 
klärt. Lies  n^n^  ohne  ),  das  Dittographie  des  vorangehenden  1  ist.  "lDt  =  Dtr  s.  Ex 
3  15;  besonders  in  späteren  Stücken  und  in  Psalmen  ist  "iDt  beliebt  vgl.  Jes  26  8.  Mit 
Nachdruck  ist  hier  gegenüber  ü^rf7^_  v.  4  (resp.  ^^^^  v.  5)  der  Gottesname :  Jahive  der  Gott 
der  Heere,  Jahwe  ist  sein  Name  gebraucht.  7  Wahrscheinlich  ist  auch  hier  noch 
einmal  das  ]  vor  nniS!  aus  Dittographie  entstanden.  Endlich  giebt  v.  7  die  Rede  Jahwes, 
die  Jakob  die  Rückkehr  verheisst.  Die  Verbindung  1\^T\  ^'n^«S  =  durch  deinen  Gott  d.  h. 
mit  Hilfe  deines  Gottes  icirst  du  zurückkehren  ist  sehr  fraglich.  Wahrscheinlich  ist  ?]^^riS2 
=  in  deine  Zelte  wirst  du  zurückkehren  zu  lesen,  vgl.  zu  Vi  10.  Auf  nriJ|<  liegt  ein  Nach- 
druck: du  wirst  heimkehren,  während  andre  im  Exil  sich  verlieren;  der  Interpolator  denkt 
nicht  sowohl  an  den  Erzvater  Jakob,  als  an  seine  seit  586  im  Exil  lebenden  Nachkommen  : 
die  sollen  noch  einmal  alle  in  ihr  Land  zurückkehren  und  daselbst  wohnen.  Die  Be- 
dingung dafür  ist,  dass  sie  Ipn  d.  h.  Fr'öynmigkeit  (vgl.  ipn  ^^i.S  Jes  57  1  und  den  Plural 
Dnbn  Neil  13  14)  und  toß^O  d.  h.  göttliches  Recht,  die  religiösen  Ordnungen  und  Forde- 
rungen (vgl.  Jes  42  1  3  4  51  4),  bewahren,  also  der  jüdischen  Religion  treu  bleiben,  und 
heständig  auf  ihren  Gott  hoffen,  d.  h.  den  Glauben  an  die  Verheissungen  einer  herrlichen 
Zeit  im  heiligen  Lande  nicht  aufgeben. 


Hos  12  8  96  Hos  12  10 

8  9%  die  vierte  Strophe:  Kenaan:  in  seiner  Hand  ist  falsche  Wage,  Er 
liebt  %u  betrügen.  Da  spricht  Ephraim:  Ich  bin  doch  reich  geworden,  Habe 
mir  ein  Vej'mögen  gemacht.  Die  Strophe  führt  die  Schilderung  Ephraims 
fort,  fügt  an  v.  4^  ein  neues  Beispiel  für  seine  trügerische  Art  an.  Die  Israe- 
liten sind  im  Grunde  Kanaanäer,  die  sich  kein  Gewissen  daraus  machten,  beim 
Handel,  den  sie  wohl  lange  als  die  Bewohner  der  Städte,  wie  auch  später  noch 
die  Phönizier,  in  Händen  hatten,  den  Käufer  zu  übervorteilen  und  sich  auf 
ungerechte  Weise  zu  bereichern.  Die  Art  Kanaans  spricht  die  Israeliten 
ausserordentlich  an;  sie  finden  in  den  Kanaanäern  ihr  Ebenbild  und  beglück- 
wünschen sich  noch,  dass  sie  sich  auf  kanaanitische  Art  Reichtum  erworben 
haben,  vgl.  Sach  11  5.  Eür  den  bösen  Ruf,  den  die  phönizischen  Händler  in 
der  alten  Welt  genossen,  vgl.  Homee  Odyssee  XIV,  288  f.  nDlö  '^;t«ö 

vgl.  auch  Am  8  5.  Da  p^Vh  bedrücken  bedeutet  und  dieser  Sinn  auch  vor- 

liegt, wo  es  mit  übervorteilen,  betrügen,  nämlich  durch  Bedrückung,  durch  ge- 
waltthätige  Abdrückung  des  Lohnes,  übersetzt  werden  kann,  so  ist  vielleicht 
mit  Buhl  ^^yh  =  verdreht,  verkehrt  handeln  oder  am  besten  mit  Wellh.  ^^i^. 
=  %ii  betrügen  zu  lesen. 

9^  fasst  man  als  weitere  Rede  der  Ephraimiten,  in  der  sie  nun  im  Gegensatz  zu 
v.  9^,  wo  ihnen  die  kanaanitiscben  Mittel  des  Betruges  ganz  recht  erscheinen,  behaupten, 
dass  man  ihnen  in  ihrem  Handel  kein  strafwürdiges  Vergehen  nachweisen  könne,  und  in 
der  sie  eine  Distinktion  zwischen  ]iy,  Yer  schul  düng  ^  und  «bn,  Sünde^  strafwürdiges  Ver- 
gehen^ machen  sollen.  Diese  überfeine  Distinktion  klingt  doch  im  Munde  der  Israeliten, 
denen  es  nur  um  das  Reichwerden  zu  thun  ist  und  die  sich  in  den  Mitteln  durchaus  nicht 
wählerisch  zeigen  (v.  9^),  höchst  auffallend.  Darum  wird  der  Text  der  LXX  ursprünglich 
sein,  der  VV^y  für  ^T^\,  liy^  1^  oder  vielleicht  nur  ]iy^  für  ]iy  ^b,  «^n  für  «pn  voraussetzt: 
all  sein  Eriverh  reicht  für  die  Sünde  nicht  aus,  die  er  begangen,  nämlich  für  die  Sühnung 
derselben.  Zu  syo  mit  h  vgl.  Num  11  22.  Dieser  Sinn,  dass  all  ihr  Besitz  nicht  ausreicht 
ihre  Seele  zu  lösen,  erinnert  an  den  ähnlichen  Gedanken  Henoch  63  10  Mk  8  36f.;  zugleich 
liegt  aber  auf  der  Hand,  dass  v.  9^  nicht  die  Rede  der  Ephraimiten  fortsetzt,  sondern  eine 
Zwischenbemerkung  ist,  die  nicht  Hosea  selber,  sondern  ein  frommer  Leser  gemacht  hat, 
Hosea  nicht,  weil  er  den  ungerechten  Mammon  schon  aus  ganz  andern  Gründen  als  nur 
wegen  seiner  Nutzlosigkeit  verurteilt.  10  ist  ebenfalls  Einschub:  v.  10^  ist  aus  13  4 

entlehnt,  wo  er  seine  feste  Stelle  hat,  und  v.  10*^  soll  zwar  nach  den  meisten  Auslegern 
von  der  Strafe  sprechen,  kann  aber  so  unmittelbar  nach  der  feierlichen  Konstatierung. 
dass  Jahwe  seit  Agyptenland  Israels  Gott  sei,  nur  eine  abermalige  Rettung  verheissen. 
Ich  sehe  daher  in  v.  10  eine  Ausführung  und  Erklärung  von  v.  6  7 :  Jahwe  giebt  den 
Israeliten  einst  wieder  Wohnung  in  ihrer  Heimat,  wohin  sie  aus  dem  Exil  geführt  werden 
sollen.  Q''S'iN2  bedeutet  also  hier  so  wenig,  wie  v.  7:  in  Nomadenzelten,  sondern:  iji  Woh- 
7mngen,  vgl.  „Israel  zu  deinen  Zelten!"  II  Sam  20  1  I  Reg  12  16,  s.  auch  Hos  9  6.  Not- 
wendig ist  bei  dieser  Auffassung  die  leichte  Änderung  von  D''^^!^<S  in  ?j^^n»S!S  =  fw  deijien 
Zelten.  ns^lD  ''D"'3  bietet  für  jede  Fassung  Schwierigkeiten,  wenn  man  es  versteht 

als  wie  in  den  Tagen  eines  Festes.  Sieht  man  nämlich  darin  einen  Hinweis  auf  die 
Wüstenzeit,  so  kann  das  Fest  nicht  das  Laubhüttenfest  sein,  denn  dies  ist  das  erst 
im  Kulturland  mögliche  Fest  der  Weinlese,  bei  dem  man  im  Weinberg  sich  wohnlich  ein- 
richtete ;  aber  es  kann  auch  das  Passah  nicht  sein,  denn,  trotzdem  die  Israeliten  in  Ägypten 
Urlaub  verlangten,  um  in  der  Wüste  Jahwe  ein  Fest  zu  feiern,  weiss  man  nichts  davon, 
dass  sie  das  Passah  erst  in  der  Wüste  begingen,  und  von  besondern  Hütten  ist  dabei  erst 
gar  keine  Rede.  Wenn  endlich  an  die  Festversammlung  am  Horeb  gedacht  werden  sollte 
(so  GuTHE  und  Procksch),  so  müsste  das  durch  irgend  eine  Näherbestimmung  angedeutet 
sein.    Man  hat  sich  darum  auch  bei  dem  vorliegenden  Texte  nicht  beruhigt:  Perles  schlägt 


Hos  12  10  97  Hos  12  12 

dafür  IV  ^»""S  vor,  indem  (;r  Itt  als  falsche  Dittographie  von  ""O  betrachtet,  und  übersetzt: 
lüie  in  den  Tagen  der  Vorzeit \  aber  IV  steht  niomaLs  von  der  Vergangenheit,  sondern  nur 
von  der  Zukunft.  Budde  (New  World  18{)5  December)  und  jetzt  auch  Wellh.  lesen  "ö^s 
Tj^n^iyi,  lüie  in  den  Tagen  deiner  Jugend^  vgl.  2  17,  und  Nowack  zieht  oblj;  ''D"'3  vor.  Dieser 
letzte  Vorschlag  passt  auch  zu  unserer  Auffassung  der  Stelle,  doch  dürfte  nach  Targum 
und  einer  pseudosaadjanis('hen  Übersetzung  (s.  bei  Peklks)  vielmehr  DlJ^  ^0''3  zu  lesen  sein 
=  lüie  i7i  den  Tagen  der  Vorzeit,  vgl.  Jes  51  9  .Ter  4f>  26  d.  h.  in  den  Tagen  der  Königszeit 
und  vorher  s.  Meli  5  1.  Allenfalls  kommt  man  aber  bei  unserem  Verständnis  der  Stelle 
von  der  Rückführung  in  die  Heimat  selbst  ohne  Textänd(.'rung  aus,  wenn  man  in  den  fest- 
gesetzten  Tagen,  zu  der  von  Gott  für  die  Wiederherstellung  bestimmten  Zeit  übersetzt.  Zu 
dem  Sinn  von  v.  10  vgl.  2  16 f.,  wo  auch  die  Heimkehr  aus  dem  Exil  in  dem  Zusatz  ver- 
heissen  ist.  11  begründet  v.  10  mit  dem  Hinweis,  dass  Jahwe  oft  und  viel  durch 

Propheten  die  Rettung  aus  dem  Exil  vorausverkündet  habe;  durch  diesen  Zusammenhang 
mit  V.  10  ist  auch  v.  11  als  spätere  Zufügung  erwiesen,  vgl.  übrigens  auch  den  schwerlich 
alten  Ausdruck  ^H'^Sin  ]1tn  für  prophetische  Inspirierung  (s.  zu  Jes  1  1  und  Jo  3  1)  und 
das  späte  '^\'l  für  "bx  (s.  Hag  1  1  3  und  zu  Jes  20  2).  Bei  den  Weissagungen  von  der  Heim- 
kehr aus  dem  Exil  denkt  der  Interpolator  wohl  an  Hesekiel  und  Deuterojesaja.  bv 
ist  =  "^N,  wie  öfters  in  späteren  Stücken,  wenn  man  nicht  geradezu  ""^IJ  lesen  will,  s.  LXX. 
n?3nx  bedeutet  schwerlich:  in  Gleichnissen  reden  oder  in  Gl.  reden  lassen,  was  doch  nicht 
=^  vergleichen  (Jes  40  18  25)  ist.  Eine  andre  Lesung  z.  B.  nt2'n«  =  ü)[xoioji}r|V  (LXX,  vgl. 
Jes  14  14)  oder  unter  Hinzunahme  von  DX  in  v.  12  ?]?2S  Hol«  =  „vernichte  ich  deine  Mutter" 
(Oettli)  giebt  keinen  annehmbaren  Sinn.  Vermutlich  liegt  ein  alter  Fehler  vor,  vielleicht 
ist  rriöK  als  neues  Obj.  zu  ^n^^l«?  möglich:  ich  gab  viele  Gesichte  und  durch  Propheten  viele 
Sprüche.    Dem  Sinne  nach  würde  dies  oder  ähnliches  passen. 

12,  die  fünfte  Strophe,  erinnert  an  neue  Vergehen  Israels  in  Gilead  und 
Gilgal  und  verbindet  damit  die  Ankündigung  der  Strafe.  I?i  Gilead  haben  sie 
Greuel,  ja  Schande  verübt,  In  Gilgal  den  Dämonen  geopfert;  So  sollen  auch  ihre 
Altäre  %u  Steinhaufen  werden  An  den  Gren%en  der  Felder,  Das  D«,  wenn,  ist 
nicht  zu  halten,  es  ist  nachträglich  in  den  Text  gekommen  entweder  als  Ditto- 
graphie  von  ]1^  (Geätz)  oder  um  die  Aussage  zu  mildern  d.h.  sie  nur  hypothetisch 
zu  geben  und  zugleich  eine  Satzverbindung  mit  dem  durch  D?  eingeleiteten  Nach- 
satz herzustellen.  Wahrscheinlich  hat  seine  Einfügung  ursprüngliches  !a  vor 
"Ij;^^  verdrängt  und  ferner  die  Änderung  ^H  für  ^b^j;  nach  sich  gezogen  (vgl. 
auch  Wellh.).  Hosea  spielt  hier  auf  dasselbe  Vergehen  an,  wie  6  8;  die  Ver- 
bindunof  mit  h^^  macht  es  wahrscheinlich,  dass  es  sich  doch  um  kultische 
Greuel  handelt.  Zu  nj;'pil  vgl.  6  8;  auch  hier  hat  man  ^)}h^  zu  behalten  und 
nicht  mit  Cheyne  ]1«  ^V^l^  in  ]11S;  n'^n^l  ^^h}  zu  ändern.  Da  das  Opfern  von 

Stieren  keine  abscheuliche  Sünde  ist  und  die  LXX-Übersetzung  von  U^'^W  mit 
ap)(ovTs;  (-=  D'^I'^)  in  dem  Worte  kein  1  voraussetzt,  so  darf  man  nicht,  was  am 
nächsten  läge,  D'"']!^'?,  =  den  Stieren,  vermuten^  sondern  hat  mit  Hitzig  u.  a. 
nn^^,  den  Dämonen,  zu  lesen.  Zu  Dnti^  vgl.  Dtn  32  17  Ps  106  37.  Zu  ^J^? 
müssen  scheussliche  Opfer  geübt  worden  sein,  vgl.  auch  9  15.  Die  Korrek- 

tur D'^ntS^^  empfiehlt  sich  auch  durch  y.  12^:  wie  dort  D^^5  ein  Wortspiel  zu  h^J^ 
bildet,  so  n'^  zu  Dni^,  also:  wie  sie  in  Gilgal  den  Sedim  opfern,  so  sollen  ihre 
Altäre  auch  Gallim  'al  sadaj  werden.  D?  leitet  die  Strafankündigung  ein, 

es  hat  den  Sinn  von:  zur  Straf e\  vielleicht  ist  dahinter  vrjl  ausgefallen.  byi 

n'^  ^D^n  bedeutet  an  den  Grenzen  der  Felder,  da  offenbar  durch  Einschnitte 
in  das  Terrain,  durch  Furchen  =  D^n,  die  Grenze  eines  Ackers  bezeichnet 

Kurzer  HC  zum  AT  XIH  7 


Hos  12  12  98  Hos  13  1 

wurde  und  dort  auch  der  sorgfältige  Bauer  die  im  Grundstück  gefundenen 
Steine  aufhäufte,  vgl  Jes  5  2  Mch  1  6  und  die  „Steiraerten"  d.  h.  Steinhaufen, 
die  in  einigen  Gegenden  der  Schweiz  die  Grenzen  zwischen  zwei  Weinbergen 
bilden. 

13  und  14  gehören  zusammen,  da  v.  14  das  Gegenstück  zu  v.  13  ist.  Erscheint  nun 
in  V.  14  Jahwe  in  3.  Person,  so  sind  beide  Verse  als  Einschub  erwiesen.  Auch  der  Inhalt 
stempelt  die  Verse  zur  Glosse;  denn  in  Zusammenhang  mit  v.  12  ist  die  Nachricht  von 
der  Flucht  Jakobs  und  der  Rettung  Israels  aus  Ägypten  nicht  zu  bringen.  Auch  die  von 
Oettli  vorgeschlagene  Verpflanzung  der  beiden  Verse  hinter  v.  5,  worauf  dann  v.  7  6  zu 
folgen  hätten,  kann  die  Verse  nicht  für  Hosea  retten,  umsoweniger  als  auch  v.  5-7  nicht 
Hosea  gehören.  Diese  Verbindung  mit  v.  5-7  beruht  aber  auf  der  richtigen  Empfindung, 
dass  V.  13  f.  mit  jenen  Glossen  in  eine  Kategorie  gehöre.  Es  ist  in  der  That  möglich,  dass 
der  Glossator  „dem  Volk  zur  Beschämung  das  Verhalten  und  Schicksal  von  Stammvater 
und  Volk  in  Kontrast  zu  einander  stellen"  wollte.  Glücklich  kann  man  aber  die  Eorm 
nicht  nennen,  denn  „Weib"  und  „Prophet"  bilden  einen  „höchst  eigentümlichen"  Gegen- 
satz; es  scheint  fast,  als  ob  dem  bösen  Prinzip  das  gute  gegenübergestellt  werden  sollte 
(Wellh.,  Nowack):  Um  ein  AVeib  diente  der  Stammvater,  durch  einen  Propheten  rettete 
Jahwe  sein  Volk.  Noch  unglücklicher  erscheint  die  Eorm,  wenn  nach  Procksch  Jakob 
und  Prophet  kontrastieren  sollen:  Jakob,  der  natürliche  Mensch,  führt  zur  Knechtschaft, 
der  Prophet  zur  Hettung  und  Ereiheit.  Diesen  Gedanken  könnte  so  gewunden  nur 
ein  Späterer,  nicht  Hosea  selbst  ausdrücken.  D*J«  nitr,  das  Gefilde  von  Äram,  findet 

sich  in  den  alten  Quellen  nicht;  welchen  geographischen  Begriff  der  Glossator  damit  ver- 
band, lässt  sich  nicht  sagen.  "^ip^  für  hüten,  scheint  um  des  "lOtf^l  v.  14  willen  ge- 
wählt zu  sein  und  nicht  an  Nachtwachen  erinnern  zu  wollen.  Zu  v.  13^  vgl.  Gen 
29  15-30.  14  Der  Prophet  ist  natürlich  Mose,  diese  Bezeichnung  Moses  spricht  für 
junge  Herkunft  der  Stelle,  vgl.  Dtn  18  15  34  10.  ^^^'^]  ist  v.  14  =  die  Israeliten,  v.  13 
=  der  Patriarch  Israel- Jakob ;  es  ist  auch  sehr  die  Erage,  ob  Hosea  Israel  als  Namen  des 
Stammvaters  gebraucht  hätte.  *ito^i,  behütet  ivurde  es,  seil,  auf  der  Wanderung  von 
Ägypten  nach  Kenaan. 

15  setzt  V.  12  fort  und  giebt  in  scharfer  Zusammenfassung  der  Schuld 
und  der  Strafe  die  abschliessende  sechste  Strophe.  Der  Text  ist  offenbar 
verderbt;  denn  die  Fassung  von  D'^^.^IDß  als  adverbielles  Obj.  ist  nicht  ein- 
leuchtend, vgl.  auchLXX:  xal  irapwpYiosv,  das  nachhinkende  VJ'^^?,  wie  die  auf 
Jahwe  bezogene  3.  Pers.  von  \^^\  und  ^^P]  fällt  auf  und  die  Verbindung  von 
ti^^J  mit  Vip^  als  Obj,  ist  unwahrscheinlich.  Die  Strophe  ist  verstümmelt  und 
infolge  der  Verbindung  mit  v.  14  die  1.  Pers.  der  beiden  letzten  Verba  in  die 
3.  verwandelt,  das  Subj.  V^'lt?  am  Ende  hinzugesetzt  und  vielleicht  das  Suff. 
der  1.  Pers.  in  v.  15^  verloren.   Vermutungsweise  möchte  ich  vorschlagen:  •'^D''3;?n 

1^  n^'ti^«  insiini  "rrbii^t^  Ybv  v»ni  bt^^'^^  •'inn^^  d^ds  (zu  '^^nnD^i  vgl.  LXX  xal  Tiapoip- 

•     T  T:v:liv  t't  tti  ••    t  i     •        '    \  —  -•  '  ~  :    r     \  >    \  ".  -  O  i         i 

yiasv  und  Oettli,  ebenso  zu  ^'^p^  statt  des  unverständlichen  ts^lts*;,  er  schleudert^ 
s.  LXX  £x)(ü&y]a£Tai)  =  Jn  Widerwillen  hat  mich  Ephraim  versetzt^  Erbitte- 
rung mir  Israel  erregt,  So  schütte  ich  seine  Blutschuld  über  es  aus  Und  zahle 
seine  Schmach  ihm  heim.   Die  Zurückbeziehune  von  VD'l  und  ins^n  auf  y.  12^ 

O  TT  t        ',  V 

liegt  auf  der  Hand.  Der  Unmut  Jahwes  über  das  schmähliche  Treiben  und 
Verhalten  Israels  lässt  nichts  andres  übrig  als  die  schärfste  Bestrafung. 

15.  Israel  und  Jahwe  einst,  jetzt  und  in  Zukunft  13  1— 14  1. 

1—3  Die  Änderung,  die  sich  mit  Ephraim  vollzogen  hat,  führt 
zum  Untergang.  1,  die  erste  Strophe.   Der  Text  ist  nicht  völlig  sicher, 


Hos  13  1  99  Hos  13  2 

LXX  scheint  für  nm  vielmehr  IT]  resp.  DW  oixauitxaxa  und  Dt^fc<M  ohne  fc< 
(Djp^b^"^^  =.  xal  sjIcto  atixa)  gelesen  zu  haben;  doch  hilft  beides  nicht  weiter  und 
die  Übersetzungen  von  Aquila:  cppfxr)  und  Symmachüs:  Tfj6}io;  sprechen  für 
nni,  das  allerdings  Stt.  Xsy.  ist,  aber  nach  dem  Aramäischen  nur  Schrecken 
bedeuten  kann,  vgl.  auch  DD*)  Jer  49  24.  Fraglich  bleibt  es,  ob  man  nn"l  als 
Objekt  zu  1?"n  (=  als  Ephraim  Schrecken  redete)  oder  als  Prädikat  zu  fassen 
habe.  Letzteres  ist  mit  Hitzig,  Reuss  u.  a.  vorzuziehen,  und  wir  erhalten  da- 
durch folgende  Übersetzung:  Wenn  Ephraim  redete,  war  es  d.  h.  verbreitete 
sich  Schrecken,  Es  ragte  hervor  in  Israel;  Da  verschuldete  es  sich  durch  Baal 
Und  starb  ab.  Dabei  ist  angenommen,  dass  für  «^^  mit  Ooet,  Wellh.  u.  a. 
S*"^^,  ein  Filrst^  oder  das  Partie.  Niph.  ^^^i,  hervorragend^  zu  lesen  sei.  Der 
Sinn  der  zweiten  Hälfte  scheint  auch  hier,  wie  so  oft  bei  Hosea:  der  Baalskult 
hat  die  Kraft  Israels  gebrochen,  so  dass  es  jetzt  eigentlich  tot  ist  und  nur 
noch  dahinsiecht  vgl.  7  9  9  lo  ii.  Worauf  aber  v.  i^  anspielt,  was  mit  der 
Führerstellung  Ephraims  in  Israel  gemeint  ist,  bleibt  fraglich;  Wellh.  und 
NowACK  denken  daran,  Hosea  könnte  der  Meinung  gewesen  sein,  dass  der 
Baalsdienst  die  Ursache  von  dem  Untergang  der  Macht  und  Herrlichkeit 
Ephraims  durch  die  Philister  in  den  Tagen  Elis  war.  Bei  der  Unsicherheit 
des  Textes  von  y.  i^  lässt  sich  Gewissheit  nicht  erreichen,  fällt  doch  auch  die. 
Unterscheidung  von  D^ISS  und  ^JSl'lb^l,  die  Hosea  sonst  als  gleichbedeutend  ge- 
braucht, sehr  auf;  auch  ist  r\'Ci'^^  als  vierter  Stichos  sehr  kurz. 

2%  die  zweite  Strophe:  Das  gegenwärtige  Geschlecht  ist  nicht  besser; 
es  setzt  die  alte  Sünde  immer  noch  fort.  Der  Bilderdienst  gilt  Hosea  für  nichts 
andres  als  Baalsdienst  vgl.  11  2.  Die  beiden  ersten  Zeilen  erwecken  keine  Be- 
denken :  Und  jet%t  noch  sündigen  sie  in  einem  fort:  Sie  verfertigten  sich  ge- 
gossene Bilder]  vgl.  das  Verbot  der  Gussbilder,  die  als  eine  sträfliche  Neue- 
rung der  von  den  Kanaanäern  übernommenen  Kultur  verpönt  sind.  Ex  34  17 
20  23.  Dagegen  ist  der  Rest  der  Strophe  zweifelhaft;  denn  DiUr\3  für  DJijnn?, 
=  nach  ihrer  Einsicht^  ist  sprachlich  schwerlich  zu  verteidigen,  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27  §  91  e,  und  sachlich,  auch  wenn  man  nach  eigener  Erfindung  inter- 
pretiert, nicht  zu  verstehen,  da  doch  kaum  der  Gegensatz  von  Bildern,  welche 
Gott  selber  gegeben  habe,  in  den  Gedankengang  passt.  Wellh.  und  Nowack 
lesen  Dn^^DHS,  nach  ihrem  Bilde,  Beyan  (brieflich)  und  Oettli  nach  Jes  44  1 3 
□H'^iinns,  in  ihrer  Gestalt\  aber  dass  die  Israeliten  Gottesbilder  in  Menschen- 
gestalt verfertigt  haben,  hören  wir  nirgends  und  auch  die  LXX  (xax'  slxova 
slSciXwv)  hat  kein  Suffix  gelesen,  sondern  nur|  <n''^?ri?  oder  nj^DH?  =  in  der 
Gestalt  (oder  nach  dem  Bilde)  von  Götzen,  so  Guthe  und  Ooet.  Nimmt  man 
nun  die  drei  Wörter  in  Verbindung  mit  dem  Vorangehenden:  „Gussbilder 
aus  ihrem  Silber  nach  dem  Muster  der  Götzen",  so  versteht  man  wieder  nicht, 
welchen  Unterschied  Hosea  hier  statuiert  zwischen  „Gussbildern"  und  „Götzen", 
die  ihm  doch  naturgemäss  sonst  zusammenfallen  vgl.  4  17.  Auch  die  drei 
letzten  Worte:  Handwerker  arbeit  ist  es  alles  mit  ihrem  Singular  stossen  sich 
mit  der  Fortsetzung,  vgl.  den  Plural  UTh,  und  heben  nur  einen  im  Vorher- 
gehenden bereits  ausgesprochenen  Gedanken  in  schärferer  Weise  hervor,  in- 
dem sie  daraus  zugleich  einen  neuen  Grund  gegen  den  Götzendienst  ableiten, 

7* 


Hos  13  2  100  Hos  13  4 

der  später  in  der  Polemik  üblich  war  (Jes  40  17-20  44  9-20  46  6-8)  und  auch 
Hos  8  6  eingefügt  ist  (vgl.  dort).  Nach  alledem  ist  zu  vermuten,  dass  die  Worte 
DDp5P  bis  n^3  ein  späterer  Ersatz  für  zwei  Stichen  sind,  welche  etwa  von  der 
Herstellung  der  Stierbilder  für  Jahwe  handelten. 

2''  3,  die  dritte  Strophe.  Bei  dem  gegenwärtigen  Texte  ist  v.  2'^  unver- 
ständlich; denn  niemand  kann  sagen,  was  es  bedeuten  soll:  zu  ihnen  sind  sie 
sagende^  und  trotz  Wellh.  ist  schwer  zu  glauben,  dass  DH«  ^Xyi\  heissen  soll: 
„Opferer  aus  dem  Genus  Mensch".  Giebt  es  denn  noch  Opferer  aus  einem 
andern  Genus?    DHS  ^D^d:  Mch  5  4,  sowie  die  übric^en  Ges.-Kautzsch^?  §  1281 

TT"«:  '  O  O 

angeführten  Stellen  können  diese  Bedeutung  hier  nicht  erweisen.  Überhaupt 
passt  schwerlich  vor  den  ernsten  Schluss  v.  3  der  Spott  über  das  Wider- 
sinnige und  Lächerliche,  dass  Menschen  Kälber  küssen.  Somit  ist  D^S  TOT 
seine  Bedeutung  Menschenopfer  er  zu  lassen  und  mit  dem  Vorausgehenden  zu 
verbinden.  Die  von  Stade  (ZATW  1883,  12)  vorgeschlagene,  von  Nowack 
gebilligte  Ergänzung  von  D^^^^^;  vor  DH^  („Gott  sagen  sie  zu  ihnen")  stellt  nicht 
den  ursprüngKchen,  sondern  den  in  Rücksicht  auf  14  4  (vgl.  ^^N'l"'?«  1iy  1??fc^ri^^ 
'v)  zurecht  gemachten  Text  her;  scheiden  wir  aber  die  sekundäre  Beigabe 
D"^1lpS  DH^  [G^^"^^^]  aus,  so  gelangen  wir  zum  genuinen  Bestand,  der  lautete  DH 
D"!«  (oder  \T\^\)  ^Tyi\=^sie  sind  Menschenopfer  er  (oder  opfern  Menschen),  Dies 
wird  richtiger  sein,  als  w^enn  wir  annehmen,  DH^  sei  aus  vorausgehendem  vh  und 
folgendem  DH  fälschlich  entstanden,  weil  man  unrichtig  D^'ip«  punktierte,  und 
es  sei  als  erste  Zeile  zu  lesen:    DI.S  'Tinr  D^b«  DH  =  Sie  sind  Emoriter, 

TT":  •'.•;••  J 

Menschenopfer  er  \  die  Emoriter  sind  zwar  auch  Jes  17  9  von  der  Masora  ver- 
kannt (s.  dort),  ohne  Artikel  stände  hier  das  Wort,  wie  Hes  16  45,  im  Prädikat 
und  der  Plural  wäre  so  gut  möglich  wie  D^:S^i3,  D^'^ti^^D  Am  9  7  DOSID  Dtn  2  11. 

CJ  O  .  —  -»7..  ,X 

Vgl.  zu  den  Emoritern  auch  Am  2  9.  So  oder  anders  ist  hier  in  schärfster 
Weise  das  Urteil  über  die  Israeliten  gefällt:  sie  sind  Emoriter,  vgl.  12  8,  jeden- 
falls treiben  sie  Menschenopfer;  dass  solche  vorkamen,  ist  nach  9  13  15  6  10 
zu  erwarten,  hier  haben  wir  die  direkte  Aussage.  Auch  sonst  ist  ihr  Kultus 
durchaus  emoritisch-kanaanitisch:  Kälber  küssen  sie  vgl.  I  ßeg  19  1 8,  ferner 
Hi  31  27;  Kälber  heissen  die  kleinen  Stierbilder,  das  kostbarste,  wohl  nicht 
das  einzige,  war  das  von  Samarien  8  6.  3  Solche  Degeneration,  da  man 

Menschen  opfert  und  Kälber  küsst,  verdient  völlige  Vernichtung:  Da? um 
werden  sie  sein  wie  Spreu  von  der  Tenne  Und  wie  Rauch  aus  dem  Gitter. 
Zu  dem  Bilde  von  der  Spreu  vgl.  Jes  17  13  und  bes.  Dan  2  35;  nach  letzterer 
Stelle,  wie  nach  Ps  35  5:  nn  ^^^b  }^to,  ist  ^yip\,  das  jedenfalls  besser  als  Pu. 
^VP^^.  verweht  werden^  gelesen  wird,  nicht  nötig,  in  dem  prägnanten  ]p  liegt 
bereits  bei  diesem  sprichwörtlichen  Ausdruck  der  Begriff  des  Davonfliegens. 
Jedenfalls  ist  aber  zu  Unrecht  aus  6  4  der  viel  zu  gute  Vergleich  der  Israeliten 
mit  einer  Morgenwolke  oder  mit  Tau  hier  eingedrungen.  Unter  nnn«  ist  hier 
nicht  ein  Fenster  in  der  Seitenwand,  sondern  ein  Loch  im  Dache  zu  verstehen, 
durch  das  der  Rauch  abzieht. 

4—11  Die  Änderung  im  Verhältnis  Jahwes  zu  Israel.  4,  die 

erste  Strophe:  Uiid  ich  bin  Jahwe ,  dein  Gott  Seit  der  ägyptischen  Zeit,  Einen 
Gott  ausser  mir  kennst  du  nicht  Und  einen  Helfer  ausser  mir  giebt  es  nicht. 


Hos  13  4  101  Hos  13.8 

Die  Worte  erinnern  an  die  Rettung  aus  Ägypten,  wo  Jahwe  ßich  als  Helfer  der 
Israeliten  erwiesen  hat  und  diese  ihn  als  solchen  kennen  gelernt  haben.  Die 
LXX  hat  hier  als  IMus  gegenüber  dem  niasoretisclien  Text  eine  Verherrlichung 
Jahwes  aus  den  Wundern  der  Natur,  schon  die  hebräische  Vorlage  der  fjXX 
wird  den  Passus  autgewiesen  haben;  dass  er  hier  ina  masoretischen  l^ext  nicht 
steht,  kann  uns  zeigen,  dass  derartige  Beifügungen  nachträglich  in  die  Texte 
zu  setzen  beliebt  war,  wie  wir  auch  aus  den  ähnlichen  Stellen  Am  4  i.i  5  8  9 
9  5  6  wissen. 

5  G%  die  zweite  Strophe:  Ich  habe  dichijeweidet  in  der  Wüste  Im  Lande 
der  versengenden  Glut.  >  Wie  sie  weideten,  wurden  sie  satt;  Waren  sie  satt,  so 
erhob  sich  ihr  Uer%.  Für  ^'•r^yi';  ist  nach  LXX  und  Dn*'5;lü3  v.  6  zu  lesen:  ^'^nj?"! 
ich  habe  dich  geweidet  d.  h.  mit  Nahrung  versorgt;  das  "^  zu  Anfang  stammt  aus 
falscher  Dittographie  des  "^  von  '•iS.  Gedacht  ist  natürlich  an  die  Versorgung 
der  Israeliten  auf  ihrem  Zuge  durch  die  Wüste  nach  Kanaan.  6^  Für 

D]l*'j;']??D,  gemäss  ihrer  Weide,  liest  man  besser  mit  Wellh.  DHIJ;*]?  =  wie  sie 
weideten.  Übermut  und  Hochmut  waren  die  Folgen  der  Sättigung  und  des 
Überflusses,  ein  Gredanke,  der  nachmals  vom  Dtn  öfters  ausgeführt  ist  vgl.  Dtn 
8  11-15  31  20  32  15  18.  Es  ist  auch  hier  kaum  blos  an  die  Wüstenwanderung, 
sondern  an  das  Wohnen  im  Lande  Kanaan  gedacht.  6''  ist  eine  nach  diesen 
deuteronomischen  Stellen  eingefügte  Glosse  Dtn  8  14  32  is,  vgl.  auch  Hos  2  15; 
mit  )3"^J?,  darum,  würde  Hosea  die  Strafe  einleiten,  nur  ein  Späterer  sucht 
nach  einer  Erklärung  des  einem  Hosea  völlig  unbegreiflichen  Abfalles  der  Is- 
raeliten von  Jahwe.  Für  Hosea  bedeutet  auch  DS':>  DT1  schon  weit  mehr,  als 
ein  Vergessen  Jahwes. 

7  8%  die  dritte  Strophe,  beginnt  die  Schilderung,  wie  Jahwe  aus  einem 
Versorger  der  Israeliten  ihr  V^erderber,  aus  einem  Hirten  ein  Löwe,  geworden 
ist:  So  werde  ich  für  sie  wie  ein  Leu,  Wie  ein  Panther  am  Wege  laure  ich  auf, 
Lch  überfalle  sie,  wie  eine  der  Jungen  beraubte  Bärin  Und  %erreisse  das 
Schloss  ihres  Hertens.  Trotzdem  der  offenbare  Niedergang  der  israelitischen 
Macht  bereits  den  Beginn  der  Strafe  zeigt  (s.  7  sf.),  wird  doch  für  NH^I,  so  wurde 
ich,  besser  ^^^N'j,  so  werde  ich,  zu  lesen  sein  (Wellh.  u.  a.),  weil  doch  das 
Folgende  nicht  von  Vergangenem,  sondern  von  der  zukünftigen  Strafe 
redet.  Für  "W}^  von  1-iti^,  das  überall  blicken  und  nirgends  sicher  auflauern 
bedeutet,  ist  mit  Meinhold  nach  Jer  5  6  npti^S  =  ich  laure  auf  zu  lesen.  Die 
alte  Verderbnis  in  ^Iti^i^  fassen  LXX,  Pesch.,  Vulg.  mit  Hückeet  u.  a.  =  "\W^, 
(am  Wege  nach)  Assur.  Zu  den  Bildern,  die  hier  trefflich  zu  v.  4  5  kontrastieren, 
wo  Jahwe  als  Hirte  und  Israel  als  Herde  erscheint,  vgl.  5  12  i4.  8  Die 

ihrer  Ju?igen  beraubte  Bärin  galt  als  besonders  gefährlich  II  Sam  17  8,  vgl. 
auch  Thr  3  10.  'll^lD  bedeutet  den  Verschluss,  hier  also  die  Kammer,  in 

welcher  sich  das  Herz  befindet;  DS^  1i:iD  ist  demnach  soviel  wie  ihr  Brustkasten. 

8'' 9,  die  vierte  Strophe:  Und  Löwen  des  Waldes  werden  sie  fressen, 
Wilde  Tiere  sie  %erßeischen.  Ich  richte  dich  zu  Grunde,  Israel;  Denn  iver 
könnte  dir  helfen?  Der  erste  Stiches  ist  in  der  masoretischen  Fassung:  und 
ich  werde  sie  dort  wie  eine  Löwin  fressen,  dem  zweiten  nicht  parallel;  darum 
lese  man  mit  LXX:  Ij;^  n^'ps  D^  J^^DS^,  vgl.  Oort,  Nowack,  Oettli,  aber  lasse 


Hos  13  8  102  Hos  13  13 

mit  Meinhold  das  beziehungslose  ü^  weg,  das  auch,  wenn  man  v.  7  "Vi^^i^  läse, 
nicht  verständlicher  würde.  Die  Raubtiere  treten  hier  selbständig  und  nicht 
mehr  als  Bilder  Jahwes  auf;  der  Hirte  schützt  eben  seine  Herde  nicht  mehr. 
9  Die  gewöhnliche  Übersetzung:  Bern  Verderben^  o  Israel,  ist  es,  dass  du 
gegen  mich,  gegen  deine  Hilfe,  bist,  ist  unmöglich,  enthält  auch  einen  Gedanken, 
der  viel  zu  spät  kommt  (v.  6).  Man  lese  einmal  ^Pn^  als  perf.  proph.  =  „ich 
habe  dich  bereits  soviel  als  zu  Grunde  gerichtet"  d.  h.  ich  richte  dich  sicher 
zu  Grimde,  und  dann  für  ^^}^.!^  ''?"'^?  am  besten  im  Anschluss  an  Pesch.  **)?  "^S 
TjntJ^n  =  Denn  icer  konnte  dir  helfen?  wörtlich:  wer  wäre  unter  deinen  Hel- 
fern? vgl.  Ps  118  7;  ähnlich  Oettli,  nur  mit  unnötiger  Weglassung  von  ''?. 
Jedenfalls  vermögen  König  und  Fürsten  nicht  zu  helfen,  wie 

10  11  die  fünfte  Strophe  besagt:  Wo  ist  denn  dein  König,  dass  er  dir 
helfe,  Und  all  deine  Fürsten,  dass  sie  dir  Recht  schaffen?  Ich  gebe  dir  Konige 
in  meinem  Zorn  Und  raffe  sie  himveg  hi  meinem  Grimm,  Für  ^'^tjöb^l  ?I*'*1JJ"^5?» 
=  „in  allen  deinen  Städten  und  deine  Beamten",  ist  mit  Houtsma  zu  lesen: 
tjJitoB^^'j  ?jnto"^5y,  denn  die  Städte  sind  hier  wenig  am  Platze  und  „König  und 
Fürsten",  nicht:  „König  und  Richter"  stellt  Hosea  in  der  Regel  nebeneinander, 
vgl.  7  3  8  10.  Den  Rest  von  v.  lo  halte  ich  für  Glosse,  schon  wegen  der  pro- 
saischen Anknüpfung  mit  Iti^t?,  die  erst  nur  eine  gewundene  Verbindung  her- 
stellt, dann  aber  auch,  weil  die  Worte  aus  I  Sam  8  6  entlehnt  sind  und  das 
ganze  Königtum  als  eine  Gott  widerstreitende  Institution  verwerfen;  s.  dagegen 
zu  V.  11.  %1X,  nur  noch  v.  14,  ist  =  n^fc^  wo?  und  ^^IDS  dient  der  Verstärkung 
der  Frage.  ^?T'^*^1  schlägt  auf  ^yä'\ö\  v.  4  zurück;  Jahwe  ist  der  einzige 

Helfer,  König  und  Fürsten  sind  es  nicht;  denn  durch  Gewalt  allein  sind  sie 
zur  Macht  gelangt  und  nur  durch  Gewaltüben  und  Unterdrückung  können  sie 
eine  Zeitlang  am  Ruder  sich  halten.  Recht  und  Gerechtigkeit  ist  von  ihnen 
nicht  zu  erwarten.  11  denkt  nicht  an  die  ganze  Geschichte  der  Königsherr- 
schaft von  ihrem  Anfang  an  mit  Samuel  und  Saul  oder  mit  Jerobeam,  sondern 
an  die  Ereignisse  der  Gegenwart  (beachte  die  Imperfekte!);  die  Revolutionen, 
die  den  Israeliten  Könige  auf  Könige  bringen,  sind  nicht  die  Folge  der  Insti- 
tution des  Königtums,  sondern  des  ganzen  verdorbenen  Wesens  Israels,  und  in 
diesem  beständigen  Wechsel  manifestiert  sich  zugleich  der  Zorn  Jahwes,  der 
zur  Strafe  ihnen  einen  neuen  König  giebt  und  diesen  wieder  wegrafft.  In  dieser 
Aussage  liegt  kein  Widerspruch  gegen  7  3-6  und  8  4;  denn  die  Usurpationen  und 
Revolutionen  sind  nicht  nach  Jahwes  Willen,  aber  in  seinem  Zorn  gebraucht 
er  sie  als  Mittel  zur  Vernichtung  Israels.   Vgl.  ferner  8  lo  10  7  15. 

12— 14 1  Israels  Ende  ist  unabweislich,  weil  es  seine  Sünde 
nicht  los  werden  kann.  Die  fünf  letzten  Strophen  schildern  in  ergreifender 
Weise  die  Krisis,  die  infolge  der  unverbesserlichen  Art  Israels  zum  Tode  statt 
zum  Leben  führt,  und  die  Jahwe  noch  befördert,  weil  alles  Mitleid  einem  solchen 
Volke  gegenüber  verschwinden  muss. 

J2  13aba^  die  erste  Strophe:  Wohl  verwahrt  ist  die  Schuld  Ephraims, 
Gut  verschlossen  seine  Sünde,  Geburtswehen  stellen  sich  wohl  bei  ihm  ein, 
Aber  es  ist  ein  unverständiges  Kind.  Die  Schuld  und  Sünde  Ephraims  wird 
mit  einem   im  Beutel  wohlverwahrten  und   unangetastet  liegen   bleibenden 


Hos  13  13  103  Hos  13  15 


Schatze  verglichen;  vgl.  zu  111^,  Itu  Beutel  elngeschitürt,  Hi  14  17.  Als  ob  sie 
etwas  wertvolles  wäre,  wird  die  Sünde  gehütet:  alles  bleibt  beim  Alten,  keine 
Besserung  ist  eingetreten.  Wohl  stellt  sich  nach  13  bei  diesem  Zustand, 

da  die  Sünde  so  ängstlich  gehütet  wird,  eine  Ki'isis  ein,  um  ein  ^[eues,  eine 
bessere  Zeit,  lieraufzubringen;  es  sind  (lebnrls weiten  für  Ephi-aim  (vgl.  1^), 
„aber  es  wird  doch  nichts  daraus,  eine  neue  Kreatur  kommt  nicht  zur  Welt'' 
(Wellh.),  weil  es  (1.  t<^n"l,  vgl.  1  in  vorangehendem  l'?)  ein  unverständiges  Kind 
ist.  Die  Erklärung  und  Folgen  dieses  Unverstandes  und  dieser  Unver- 

besserlichkeit  zeigt  Hosea  im  Folgenden. 

j[3i.ß  j[4a^  (jig  zweite  Strophe:  Wenn  es  Zeit  wäre ^  tritt  es  nicht  In  die 
Geburtsscheide  der  Kinder,  Sollte  ich  sie  aus  der  Gewalt  Scheols  befreien,  Sie 
vom  Tode  loskaufen!  Lies  mit  Ooet  nj^3,  %ur  rechten  Zeit,  für  nj;**'?;  dagegen 
ist  D'^^5  gegen  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.^  S.  181  als  durch  das  Versmass  ge- 
fordert zu  halten,  zu  *1?^)?  vgl.  Jes  37  3.  14^  Soll  in  diesem  kritischen  Mo- 
ment, wo  Ephraim  infolge  seiner  Unverbesserlichkeit  die  Kraft  zur  Neugeburt 
fehlt  und  der  Tod  ihm  bevorsteht,  Jahwe  helfend  und  rettend  eingreifen!  Das 
ist  unmöglich,  wo  man  so  als  teuren  Schatz  die  Sünde  gehegt  hat  (v.  12)  und 
so  unverständig  ist,  die  Zeichen  der  kritischen  Zeit  nicht  zu  beachten  (y.  13, 
vgl.  7  9).  Im  Gegenteil,  er  lässt  der  Krisis  ihren  Lauf  und  beschleunigt  durch 
Hevbeirufung  von  Tod  und  Hölle  ihren  tödlichen  Ausgang,  ohne  darüber  Reue 
zu  empfinden.   Das  besagt 

14'\  die  dritte  Strophe:  Her  mit  deinen  Seuchen,  Tod!  Her  mit  deiner 

Pestilenz^  Scheoll  Reue  ist  vor  meinen  Augen  verschwunden Der 

vierte  Stichos,  der  zum  dritten  parallel  gesagt  haben  wird,  dass  alles  Mitleid 
aus  seinem  Herzen  entfernt  sei,  ist  verloren.  Die  Anwendung,  die  Paulus  1  Kor 
15  55  von  diesen  Worten  macht,  kann  nicht  für  die  Fassung  in  Hosea  ent- 
scheiden. Die  Seuchen  des  Todes  sind  die  mille  viae  leti,  vgl.  den  Erstgebornen 
des  Todes  Hi  18  13.  nt?}:),  Pest,  ist  bei  den  späteren  Juden  der  Name  eines 
Dämons,  vgl.  Ps  91  6,  sowie  M.  Schwab,  Vocabulaire  de  FAngelologie  S.  236 
s.  V.  3tDp  und  ^^^^ntop;  zu  der  Form  ^^tjjj,  die  das  emphatische  to  wie  eine  Guttu- 
ralis  behandelt,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  93  q.  DHi,  Reue,  seil,  über  diesen 

Verlauf  der  Krisis,  empfindet  Jahwe  keine,  vgl.  Am  7  3  6. 

15,  die  vierte  Strophe:  Würde  es  mitten  im  Riedgras  grünen.  Es  kommt 
doch  ein  Ostwind  von  der  Wüste,  Er  zieht  heran  und  vertrocknet  seinen  Born 
Und  bewirkt,  dass  seine  Quellen  versiegen.  Das  ^^in  ist  Ephraim,  wie  das 
Wortspiel  \^'^'^t^\  zeigt.  Für  D'^n«  "^^  =  „zwischen  Brüdern",  „unter  Bruder- 
stämmen", das  unmöglich  ist,  weil  Ephraim  nicht  nur  einen  Stamm,  sondern 
das  ganze  Nordreich  bezeichnet,  hat  man  mit  Oort  zu  lesen  -inS  'pS,  zwischen 
Riedgras  (^ns  ist  ägypt.  Lehnwort  vgl.  Gen  41  2  Jes  19  7),  das  freiwerdende  D 
ist  mit  dem  folgenden  Wort  zu  verbinden:  i^"^1SD  =  grünend,  fruchttragend. 
Ob  Hosea  bei  dem  Bilde  von  der  zwischen  ägyptischem  Nilgras  gedeihenden 
Pflanze  an  ägyptische  Hilfe,  aufweiche  Ephraim  hofft,  denkt,  mag  dahingestellt 
bleiben.  Jedenfalls  soll  alles  nichts  helfen:  ein  Ostwind  kommt  von  der  Wüste 
d.  h.  die  Assyrer  brechen  ein  ins  Land.  7\\7\\  V\V\  ist  Glosse  zu  D'^ljJ ;  auch 

hier  spricht  doch  noch  wie  V.  14  Jahwe  selber.         Tb^  beginnt  die  dritte  Zeile: 


Hos  13  15  104  Hos  14  2 

Zieht  er  seil,  der  Wind  heran,  so  .  .  .  .;  n^j;  kann  so  gut  vom  Wind,  wie  vom 
Gewitter  gebraucht  werden.  Für  ti^'n;;,  das  jedenfalls  unrichtig  vokalisiert 

ist,  da  nur  das  Verbum  ti^5J  zu  Grunde  liegen  kann,  und  für  ^in;;  liest  man 
besser  mit  LXX  die  Hiph'ile :  C^'^^l*'  und  n*'in\  Der  Rest  von  v.  1 5  (von  t^^in  an) 
verlässt  das  Bild,  der  Wind  kann  doch  nicht  Kleinodien  rauben;  es  ist  viel- 
mehr eine  Erklärung  desselben  und  darum  unzweifelhaft  auch  Glosse.  S^in  ist 
der  durch  den  Ostwind  dargestellte  Assyrer  (nicht  der  König  Israels,  so  Guthe 
bei  Kautzsch),  und  nach  der  Erklärung  des  Glossators  bedeutet  das  Vertrock- 
nen aller  Quellen  eine  Plünderung  aller  Kostbarkeiten  im  Lande:  Er  wird  den 
Schatz  aller  kostbaren  Kleinode  rauben. 

14  1,  die  fünfte  Strophe:  Verwüstet  wird  Samarien,  Durch  das  Schwert 
tverden  sie  fallen ,  Ihre  Kinder  werden  zerschmettert  Und  ihre  schwanger eii 
Weiber  aufgeschlitzt,  Subjekt  zu  ^i^SI  sind  die  Männer,  auf  sie  geht  das  fol- 
gende Suff.  DH";  im  letzten  Stichos  ist  das  masculine  Singularsuffix  unmöglich 
und  die  masculine  Verbalform  nur  haltbar,  wenn  das  aktive  Pi.  gelesen  würde. 
Besser  wird  man  also  lesen:  H^J^j^^n  DH'^nliri  (event.  DH^ni'^in,  vgl.  H^^pin  Jes  22  2 
und  s.  Ges.-Kautzsch2  7  §  75  v).  Für  D^SP,  sie  soll  es  büssen,  1.  nach  LXX 
(acpaviaÖTjasTai)  Dl^ri,  sie  soll  verwüstet  werden,  von  Dö^  vgl.  5  15.  '"^01?  **? 

^^^'^^?5  ist  nach  Inhalt  und  Form  ein  Einschub  zur  Erklärung,  warum  Samarien 
büssen  muss:  nach  dem  Inhalt,  denn  viel  deutlicher  hat  Hosea  in  13  12  diesem 
Stücke  die  Zusammenfassung  der  Schuld  vorangestellt,  und  nach  der  Form, 
denn  auch  hier  spricht  Jahwe  selber,  also  müsste  *'!?  statt  ^^7^^<?  erwartet 
werden,  und  das  Perfekt  nniD  schaut  auf  die  Rebellion  gegen  Jahwe  als  eine 
vollendete  Thatsache  zurück,  während  der  Prophet  dieselbe  noch  im  Vollzuge 
sieht.  Zum  Zerschmettern  der  zarten  Kinder  vgl.  10  14  Nah  3  10  Ps  137  9, 

zu  der  scheusslichen  Behandlung  der  Frauen  Am  1  13  II  Reg  15  I6.  Die 

Verwüstung  Samariens  und  das  barbarische  Hausen  der  siegreichen  Feinde 
unter  Weibern  und  Kindern  ist  das  Ende  des  Trauerspiels,  dessen  Anfang 
Hosea  erlebt  und  das  er  sich  abwickeln  sieht. 

16.  Ein  späterer  Anhang:  Aufforderung  zur  bussfertigen  Umkehr  zu  Jahwe 
und  Verheissung  der  Vergebung  und  herrlichen  Glückes  14  2— 10. 

Mit  dem  düsteren  Ausblick  13  12 — 14  1  konnte  man  in  späterer  Zeit  den  Propheten 
nicht  schliessen  lassen;  es  mussten  die  Yerheissungen  der  späteren  Propheten,  wie  ab  und 
zu  schon  im  Innern  des  Buches  vgl.  z.  B.  2  If.  15^-25  3  1-5  5  15—6  3  11  10 f.,  besonders 
hier  am  Ende  noch  einmal  ihre  Stelle  finden.  Diesem  Bedürfnis  ist  durch  die  Hinzufügung 
von  14  2-9  Rechnung  getragen.  In  v.  2-4  wird  Israel  zur  Umkehr  aufgerufen  und  ihm  das 
Bussgebet,  das  es  an  Gott  zu  richten  hat,  vorgesprochen;  ohne  jede  Einführung  folgt  v.  5-9 
die  gnädige  Antwort  Gottes  mit  der  Verheissung  einer  neuen  glücklichen  Zeit.  Den 
Schluss  bildet  v.  10,  der  "Wunsch,  die  Lehre  des  Buches  möchte  Beherzigung  finden. 

Der  Anhang  lautet  ganz  anders  als  die  Worte  des  Propheten:  Hosea  sagt  9  15:  ich 
werde  Israel  nicht  mehr  liehen,  und  13  14:  jede  Reue  über  den  Israel  bereiteten  Untergang 
ist  ausgeschlossen-,  der  Anhang  sagt  14  5:  Ich  heile  ihren  Abfall,  ich  liehe  sie  aus  freien 
Stücken.  Hosea  hat  nicht  Worte,  sondern  Thaten  von  den  Israeliten  verlangt  (vgl.  bes. 
4  If.);  der  Anhang  fordert  als  Zeichen  der  Busse  Worte  (14  3).  Hosea  betont  in  seinen 
Beden  als  die  wichtigsten  Güter  die  Gotteserkenntnis  und  das  sittliche  Verhalten  gegenüber 
dem  Nächsten;  der  Anhang  lässt  in  seinem  Zukunftsbild  das  ethische  Moment  gänzlich 


Hos  14  2  105  Hos  14  3 

fehlen  (14  5-9).  Die  Situation,  von  w(!lclier  aus  im  Anlian^  das  Gescliick  Israels  betrachtet 
wird,  ist  eine  andre  als  die,  welche  ilosea  einninnnt:  Für  den  Anhang  ist  die  Strafe  voll- 
zogen (vgl.  V.  2:  P\h^j>),  für  Ilosea  beginnt  sie  erst  und  ist  sie  in  d<r  Jfauptsache  noch  zu- 
künftig (vgl.  5  5).  In  manchen  Ausdrücken  erinnert  der  Anhang  an  einzelne  Stellen  Ho- 
seas  (vgl.  V.  4  U^^^l"*  tih  '«  mit  18  4,  ferner  vgl.  da^  Werk  unserer  Hände  v.  4  mit  8  5  13  2), 
aber  besonders  an  die  eingeschobene  vStelle  5  15 — 0  :J,  und  an  spatere  Propheten,  an  Jesaja 
(vgl.  Jes  30  10  31  1  zu  v.  4:  n3")i  «*?  DlD"'?Vj  und  vornehmlich  an  Jeremia  (vgl.  .Ter  3  22  zu 
V.  5:  Dnü^ti^to  ^<5"^S,  ferner  die  (ranz  ähnliche  Kombination  von  Verheissung  Jahwes  und 
Bussgebet  Ephraims  Jer  31  9-2 1).  So  bilderreich  Hoseas  Sprache  ist,  so  dispaiate  ]>ilder 
häuft  er  nirjrends,  wie  sie  v.  6-9  sich  finden.  Aus  allen  diesen  Gründen  kann  der 

Anhang  nicht  von  Hosea  herstammen,  auch  nicht  einmal,  wie  Volz  und  Nowack  anzu- 
nehmen geneigt  sind,  in  seiner  Grundlage,  da  keine  Analyse  von  v.  2-9  gelingen  will.  Er 
ist  eine  von  s])äterem  Standpunkt  aus  nötig  befundene  Ergänzung,  um  nicht  zu  sagen 
Korrektur  Hoseas,  ähnlich  derjenigen  Arnos'  Am  9  8-15.  Die  genaue  Zeit  ihrer  Entstehung 
lässt  sich  nicht  feststellen;  aber  an  die  Zeit  vor  Jeremia  und  dem  Exil  ist  nicht  zu  denken, 
vielleicht  hat  man  noch  weit  hinter  das  Exil  hinabzugeben.  Der  Autor  des  Anhanges 

hat  sich  hauptsächlich  an  Gedanken  Jeremias  gehalten  (vgl.  ausser  den  oben  erwähnten 
Stellen  noch  Jer  3  12  zu  v.  2,  Jer  12  2  11  16  zu  v.  7)  und  in  Bezug  auf  die  strophische 
Form  den  Vierzeiler  Hoseas  nachgeahmt.  Der  Eünfzeiler  v.  10  (s.  die  Erklärung)  stammt 
von  einer  andern,  noch  späteren  Hand. 

Vgl.  bes.  Cheyne  in  "W.  H.  Smith  The  Prophets^  p.  XIX  und  in  Expositor  Xov. 
1897,  363;  P.  Volz  Messias  S.  35—37;  K.  J.  Grimm,  Liturgie.  Appendixes  S.  91—93. 

2—4  Aufforderung  zur  Busse.  2  3%  die  erste  Strophe:   Kehre 

um^  Israel y  %u  Jahwe ^  deinem  Gott,  Denn  durch  deine  Sünde  bist  du  %u  Fall 
gekommen.  Nehmet  Worte  mit  euch  Und  kehret  um  %u  Jahwe.  Das  Perf. 
r\b^*3,  du  bist  %u  Fall  gekommen,  ist  zu  beachten;  die  Strafe  für  die  Sünde  ist 
bereits  eingetreten,  steht  nicht  mehr  bevor,  vgl.  5  5  und  s.  Vorbemerkung. 
Die  Sünde,  die  Abkehr  von  Jahwe,  hat  den  Fall  verursacht,  die  Umkehr  zu 
Jahwe  ist  die  notwendige  Vorbedingung  der  Aufrichtung.  Zu  dieser  Auffor- 
derung nn^ti^  vgl.  Jer  3  12  (14)  4  1.  3^  Eigentümlich  spiritualistisch  ist  es, 
dass  bei  der  Umkehr  nur  Worte  gefordert  werden.  Es  sind  wohl  Worte  der 
Reue,  des  Sündenbekenntnisses,  aber  mit  Worten  allein  hätte  Hosea  sich  nicht 
begnügt  vgl.  4  if.;  vielleicht  liegt  dem  Autor  auch  ein  Gegensatz  zu  den  Opfern, 
mit  denen  allein  nach  Hosea  die  Israeliten  Jahwe  gedient  zu  haben  meinten 
(5  6),  im  Sinne.  Auch  der  Ausdruck:  nehmet  Worte  mit  euch!  ist  sonderbar; 
man  versteht  ihn  nur,  wenn  es  sich  bei  der  Umkehr  um  eine  Rückkehr  zum 
Jahwedienst  aus  dem  Exile  handelt. 

3^  die  zweite  Strophe:  Saget  zu  ihm:  Gan%  verzeih  die  Schuld!  Lass 
uns  Gutes  erfahren  und  entrichten  Die  Frucht  unserer  Lippen!  Das  Buss- 
gebet, das  sie  vor  Jahwe  sprechen  sollen,  enthält  zunächst  die  Bitte  um  gänz- 
liche Vergebung  der  Schuld;  ]^j;  ^^^n"^3;  die  Vorausstellung  von  "'PS  in  adver- 
bieller  Bedeutung,  sowie  das  Imperf.  statt  des  Impera.  fällt  auf,  doch  wird  "^3 
auch  II  Sam  1  9  Hi  27  3  so  vorangestellt,  s.  Ges.-Kaützsch27  §  128  e.  Dann 
folgen  die  Bitte  um  Gewährung  von  Güte  und  das  Gelübde  von  Danksagung 
und  Preis.  :2lt0  T\p\  versteht  man  gewöhnlich  =  nimm  Gutes  resp.  nimm  Güte 
an  im  Sinne  von:  „lass  dich  begütigen";  da  dies  nicht  sehr  hebräisch  klingt, 
liest  man  besser  mit  Oort  und  Oettli:  niD  nnpil  =  lass  uns  Gutes  nehmen 
d.  h.  von  dir  erfahren.         Ganz  unhaltbar  ist  U'^O??^  ^^'I?;  denn  es  ist  doch  ein 


Hos  14  3  106  Hos  14  6 

ZU  kühnes  Bild,  die  Lippen  als  Farren,  die  man  G  ott  darbringt,  zu  fassen.  Man 
lese  mit  LXX  und  Vulg.  "'IS  statt  D^IB;  dass  die  Frucht  der  Lippen  Preis, 
Danksagung  und  Gelübde  des  Gehorsams  sind,  lässt  sich  wohl  verstehen,  vgl. 
übrigens  den  ähnlichen  Ausdruck  D'^HD'^  2*^^  Jes  57  1 9. 

4%  die  dritte  Strophe:  Assur  soll  uns  nicht  helfen ^  Auf  Rossen  wollen 
wir  nicht  reiten  Und  nicht  mehr  sagen  wir  ,^unser  Gott^^  Zu  dem  Machwerk 
unserer  Hände.  Dieser  letzte  Teil  des  Bussgebetes  enthält  den  förmlichen 
Verzicht  auf  die  verkehrte  Politik  und  den  verkehrten  Kultus.  Dabei  ist  Rück- 
sicht genommen  auf  die  Vorwürfe^  die  Hosea  gegen  die  Israeliten  erhoben  hat, 
vgL  z.  B.  7  11  einerseits  und  13  2  andrerseits;  aber  die  Form  beweist  auch  hier, 
dass  sie  ein  Späterer  geschrieben  hat,  denn  dass  mit  dem  Reiten  auf  Rossen 
das  Bündnis  mit  Ägypten  gemeint  ist,  kann  nur  verstehen,  wer  Jes  30  16  gelesen 
hat,  vgl.  ferner  I  Reg  10  28  Hes  17  18.  4^  halte  ich  für  Glosse  im  Anhang, 

weil  ^ll^'ij  auch  hier,  wie  13  lO,  keine  gute  Verbindung  ist  und  der  ganze  Satz 
von  der  Liebe  Jahwes  zu  den  von  menschlicher  Hilfe  Entblössten,  zu  den 
Waisen,  eine  sonderbare  Begründung  für  die  Bitte  um  Gnade  Jahwes  gegen 
das  einst  verschuldete  Volk  darstellt. 

5—9  Jahwes  huldvolle  Antwort  mit  der  Verheissung  seiner 
reichen  Segnungen  für  die  Zukunft.  5^  6%  die  erste  Strophe:  Ich 

heile  ihre  Abkehr,  Liebe  sie  aus  freien  Stücken;  Ich  werde  wie  Tau  sein  für 
Israel,  Es  soll  blühen  wie  eine  Lilie.  Der  Anfang  ist  =  Jer  3  22;  die  Abkehr 
ist  als  Krankheit  gefasst,  von  dieser  Krankheit  mit  ihren  Folgen  (vgl.  ^^3  y.  2) 
heilt  Jahwe  Israel:  die  Sucht  zum  Abfall  schwindet  und  an  Stelle  der  Schäden 
tritt  reiches  Glück.  n^H^  steht  hier  adverbiell  =  aus  freien  Stücken  vgl. 

Dtn  23  24;  die  Liebe  Jahwes  zu  Israel  hat  ihren  Grund  nur  in  Jahwes  freiem 
Willen,  nicht  in  irgend  welchen  Leistungen  Israels.  Übrigens  steht  diese  Aus- 
sage von  V.  5^  im  strikten  Gegensatz  zu  9  5  13  14.  5^  gehört  schwerlich 
ursprünglich  in  den  Kontext  des  Anhangs:  der  Sing.  ^3)?p  stösst  sich  mit  dem 
Pluralsuffix  in  v.  5^  und  der  Grund,  dass  sein  Zorn  jetzt  verflogen  sei,  passt 
nicht  gut  im  Munde  Jahwes  zur  Erklärung  seiner  freiwilligen  Liebe,  besser  in 
den  eines  Glossators,  der  sagen  vv^ollte,  warum  diese  freiwillige  Liebe  Jahwes 
nicht  früher  wirksam  geworden.  Der  Interpolator  hatte  wohl  Jer  4  8  im  Auge, 
wo  der  Zorn  Jahwes  als  Ursache  der  Verwüstung  des  Landes  und  der  Trauer 
der  Bewohner  erwähnt  ist.  6^  Zu  dem  Vergleich  mit  der  belebenden  und 
erfrischenden  Wirkung  des  Taus  vgl.  Prv  19  12  Jes  26  19,  s.  auch  Dtn  32  2. 
Zu  dem  Rlühen  wie  die  Lilien  vgl.  JSir  39  14. 

In  6*^  7,  der  zweiten  Strophe,  ist  der  Anfang  zweifelhaft,  da  es  sich  fragt, 
ob  das  Hebräische  wirklich  D^'^'l^  7^'^T\  im  Sinne  unseres  Wur%el  schlagen 
gebraucht  hat.  Doch  hat  offenbar  LXX  so  verstanden  (vgl.  ßaXsT)  und  von 
„Wurzeln  der  Lilie"  ist  auch  in  Pesch.  JSir  39  14  die  Bede.  Am  Jussiv  ist 
auch  kein  Anstoss  zu  nehmen,  wenn  man  nachher  ^7T\  unbeanstandet  lässt. 
Darum  ist  weder  Wellh.  zu  folgen,  der  \^^\\  für  "^'^^  vermutet  und  nun  das  fol- 
gende vrilp^l*"  ob;i  als  Glosse  entfernen  muss,  noch  Oettli  beizustimmen,  der 
für  '^^'i  nach  Hi  8  17  0|iD*'1  =-  „es  verflechten  sich"  lesen  will.  Dagegen  ist  mit 
Wellh.  u.  a.  ]1^?^3  als  vom  Schlüsse  von  v.  7  eingedrungen  zu  betrachten.  Die 


Hos  14  7  107  Ho8  14  9 

Strophe  lautet  somit:  Und  es  (Israel)  soll  seine  Wurzeln  sefdafjen,  Es  sollen 
seine  Schösslinf/e  sich  attsbi'eilen,  Und  seine  Pracht  sei  (jleich  der  des  Ölbaums 
Und  sein  Duft  wie  der  des  Libanon,  Zu  7  ob^l,  sich  ausbreiten,  vgl.  Jer 

12  2.  '^R?'^\  Schoss,  und  1in,  Pracht,  kommen  nur  bei  späteren  Autoren  vor, 
für  ersteres  vgl.  Hes  17  22  Jes  53  2  Hi  8  16  14  7  15  30  Ps  80  12,  für  letzteres  Jes 
30  30  Jer  22  18  Sacli  10  3  Dan  11  21  u.  0.  Der  Ölbaum,  der  Sommer  und 

Winter  grünt,  ist  auch  Jer  11  16  ein  Bild  Israels,  vgl.  ferner  Ps  52  10  128  3. 
Der  Duft  (ri'»*!  vgl.  Jer  48  11)  des  Libanon,  auch  Cnt  4  11  erwähnt,  rührt  hoT  von 
seinen  Cedern  vgl  JSir  39  14  (Posch.);  die  Korrektur  in  HiD'?  (s.  4  is)  ist  daher 
unnötig. 

8,  die  dritte  Strophe:  Sie  werden  heimkehren  und  wohnen  in  meinem 
Schatten^  Werden  sich  laben  an  meinen  Wonnen  Und  werden  sprossen  wie 
ein  Weinstock  Und  gerühmt  wie  der  Libanonwein.  Für  "^l^"'  lese  man  nach 
LXX:  Uti^'^1,  für  l^iJ  mit  Wellh.  u.  a.  "h"^:  denn  die  Israeliten  können  nicht  im 
Schatten  des  Baumes  wohnen,  mit  dem  sie  selber  verglichen  sind  v.  6  f.,  sondern 
nur  im  Schatten  des  Sprechers  d.  i.  Jahwes,  übrigens  ist  hier  deutlich  von 
einer  Rückkehr  aus  dem  Exile  die  Rede.  Für  ]n  ^'^n*;,  das  man,  auch  für 
unsern  Autor  zu  prosaisch,  =  sie  werden  Getreide  erziehen,  fassen  muss,  liest 
Oettli:  155  ^^7^  ^^^  tverden  sein  wie  ein  Garten;  besser  aber  ist  es,  mit  Peeles 
das  von  der  LXX  neben  ^■i]QO'^x(ii  gebotene  [le&üo&Yjaovxai  zu  beachten,  nur 
darf  man  dann  zu  ^"»IT,  nicht  jj"!  als  Obj.  behalten,  sondern  muss  dafür  ]li^^  oder 
]^'ip,  wenn  nicht  gar  ""^IV  lesen.  Diese  Korrekturen:  sie  werden  sich  laben  an 
Fett  oder:  an  meinen  Wonnen,  sind  durch  Ps  36  9  an  die  Hand  gegeben,  wo 
V.8  wie  hier  ein  Satz  vomWohnen  im  Schatten  Jahwes  vorangeht.  Wie  der  Psalm 
denkt  der  Autor  an  das  Wohnen  der  Israeliten  als  Gäste  Jahwes  im  Schutze 
des  Tempels  und  an  den  Genuss  all  seiner  Segnungen  in  der  messianischen 
Zeit.  Vgl.  zu  Ps  36  9 f.  Das  Singularsuffix  in  IIDt  =  sein  Ruhm  oder  sein 
Duft  (ist  tcie  der  des  Libanonweines)  hat  keine  Beziehung;  rein  vermutungs- 
weise ist  oben  in  der  Übersetzung  ^13^1  angenommen.  Anders,  aber  schwerhch 
gut;  hat  OoRT  die  Schwierigkeiten  zu  heben  gesucht,  indem  er  teilweise  im 
Anschluss  an  LXX,  deren  Text  aber  schwankt,  vorschlägt:  ]T\:i  V^1^\  l^^^i  Ct^*!; 
]D55  miD*;  \'^_^  nsti^'l  =  „sie  werden  wohnen  in  seinem  Schatten,  sich  nähren  vom 
Getreide,  trunken  werden  vom  Weine,  sprossen  wie  ein  Weinstock." 

9,  die  vierte  Strophe:  Was  hat  Ephraim  noch  mit  den  Götzen  zu 
schaffen?  Ich  habe  ihn  erhört  und  gebe  ihm  festen  Wohnsitz,  Ich  bin  wie  eine 
grüne  Cy presse.  Bei  mir  findet  sich  seine  Frucht.  Für  h,  das  nur  auf  Jahwe 
zu  beziehen  wäre,  der  doch  nie  mit  den  Götzen  was  gemein  hatte,  ist  nach  LXX 
aüTcL  zu  lesen:  1^ ;  die  Einsetzung  eines  \  vor  W'y^vh  (Guthe)  ist  unnötig.  '^n'^^j; 
^lin^iti^'«!  kann  schwerlich  anders  übersetzt  werden  als:  ich  habe  erhört  und  will 
es  im  Auge  behalten;  aber  diese  Fassung  befriedigt  nicht,  bes.  da  dem  ersten 
Verb  ein  Suffix  fehlt  und  die  Bedeutung  des  zweiten  =  fürsorgend  es  ansehen 
fraglich  ist.  Am  besten  liest  man  wohl:  ^^n^^SI,  VH"^;?  ich  habe  ihn  erhört  und 
gebe  ihm  Wohnung  d.  h.  bleibende  Wohnung  in  seinem  Lande;  vgl.  die  fast 
gleiche  Textverderbnis  Hi  33  u  (s.  Duhm  z.  d.  Stelle).  Diese  Verbesserung 
liegt  graphisch  näher  und  ist  sprachlich  und  sachlich  besser  als  die  von  Oettli: 


Hos  14  9  108  Hos  14  10 

JliSntysl  VPi^^V.  „ich  habe  ihn  gedemütigt  und  werde  ihn  erquicken."  Volz  ver- 
mutet eine  Anspielung  auf  2  2;^ f.:  ]yr\  I^ITH  vn''^?  „ich  habe  ihm  Most  und  Ge- 
treide gewährt",  was  aber  die  unwahrscheinliche  Konstruktion  von  Hij;  mit 
doppeltem  Obj.  voraussetzt;  deshalb  verbessert  Cheyne  (Exposit.  Times,  April 
1898):  ^^^yn]  )^y]  "^n"^;;;  '^:i^  „ich  habe  seinen  Most  und  sein  Getreide  gewährt", 
wobei  immer  noch  das  Perfektum  auffällt,  und  AVellh.  schlägt  vor:  in^P  ^^S 
initi^S';  „ich  bin  seine  Anath  und  seine  Äschere",  was  zwar  zu  den  Götzen  v.  9^ 
nicht  übel  passt,  aber  doch  gesucht  und  darum  fraglich  erscheint.  ^^tj  steht 
nachdrücklich:  Ich,  Jahwe,  bin  es,  der  alles  Israel  spendet.  Erhörung, 
bleibende  AVohnung  im  Lande,  reiche  Erquickung,  wie  der  Schatten  einer 
grünen  Cypresse,  und  reichliche  Nahrung.  Zu  lesen  ist  V1D  für  ^^1S;  man 
beachte  das  Wortspiel  mit  DI*!?«:  durch  Jahw^es  Segen  wird  Ephraim  ein 
wahres  Ephraim;  die  Baale  dagegen,  von  denen  Israel  die  Früchte  des  Feldes 
herleitete,  führten  ins  Unglück  des  Exiles.  Damit  ist  gut  der  Anhang  zu  Hosea 
abgeschlossen. 

10,  die  Mahnung,  die  Lehren  des  Buches  Hosea  zu  beherzigen,  ist  ein 
noch  späterer  Zusatz,  der  ausser  engem  Zusammenhang  mit  y.  2-9  steht,  sich 
an  die  Leser  richtet  und  die  Gerechtigkeit  Jahwes  hervorhebt,  während  der 
Anhang  y.  2-9  auf  Gottes  freiwillige  Liebe  Gewicht  legt.  Der  Fünfzeiler  lautet: 
Wer  weise  ist,  de?'  merke  dies!  Wer  verständig  ist,  der  sehe  es  ein!  Gerade 
sind  die  Wege  Jahwes  Und  Gerechte  gehen  sicher  darauf ,  Aber  Frevler  kommen 
auf  ihnen  %u  Fall.  Der  Inhalt  von  y.  10  mit  der  Betonung  der  "Weisheit  und 
des  Wissens  und  mit  der  Scheidung  der  Menschen  in  die  beiden  Kategorien 
von  Gerechten  und  Ungerechten  erinnert  lebhaft  an  die  Proverbien,  vgl.  Prv 
11  5  15  19.  Die  Quintessenz,  die  der  Autor  unseres  Verses  aus  dem  Buche 
Hosea  gezogen  hat,  ist  die  Gerechtigkeit  der  göttlichen  Leitung  der  mensch- 
lichen Geschicke:  Gerecht  sind  Jahwes  Wege  d.  h.  was  Jahwe  den  Menschen 
schickt,  vgl.  Dtn  32  4;  für  den  Gerechten  sind  sie  eine  ebene  Bahn  (Jes  26  4), 
dem  Ungerechten  stellen  sie  Hindernisse  und  Schwierigkeiten  entgegen,  dass 
er  fällt,  vgl.  Ps  36  5  13. 


Jo  Einleitung  1  109  Jo  Einleitung  J 


JOEL. 

Einleitung. 


I.   Autor  und  Inhalt  des  Buches. 

Der  Autor  des  Buches,  das  im  hebräischen  Kanon  unter  den  Zwölf  Propheten 
die  zweite,  in  der  LXX  dagegen  die  vierte  Stelle  einnimmt,  ist  nur  in  der  Überschrift 
1  1  genannt.  Näheres  lernen  wir  daraus  nicht  kennen,  als  dass  er  Joel,  der  Sohn 
Petu'els  (LXX :  toü  BaöouYjX),  war.  Die  Beigabe  des  Yaternamens  bürgt  dafür,  dass 
Joel  der  wirkliche  Name  des  Autors  ist  und  nicht  nur  Umstellung  von  n^7^,  um  an- 
zudeuten, wie  einige  Ausleger  meinten,  dass  der  Autor  sich  selbst  für  den  von  Maleachi 
(3  1  23)  angekündigten  „Boten"  resp.  Elia  gehalten  habe  oder  von  anderen  dafür  ge- 
halten worden  sei  (vgl.  auch  zu  Jo  2  23).  Der  Name  Jö^el,  den  der  Autor  mit 
verschiedenen  in  den  nachexilischen  Schriften  (zu  I  Sam  8  2  vgl.  diesen  Comm.)  ge- 
nannten Personen  gemein  hat,  ist  in  neuester  Zeit  zu  einer  gewissen  Berühmtheit  ge- 
langt, weil  man  auf  drei  kleinen  Tontäfelchen  aus  der  Zeit  Hammurabis  das  assyrische 
Äquivalent  Ja-a^-ve-  (resp.  Ja-ve-  und  Ja-ü'U7n-)üu  gefunden  hat  (vgl.  Fe.  Delitzsch, 
Babel  und  Bibel^  S.  46f.  76 — 79).  Die  Sache  mag  noch  nicht  völlig  abgeklärt  sein 
(vgl.  H-  Gei]MME,  „Unbewiesenes"  S,  25—32);  jedenfalls  aber  braucht  niemand  durch 
das  Vorkommen  des  Namens  auf  einem  Tontäfelchen  des  dritten  Jahrtausends  be- 
unruhigt zu  werden,  der  Name  allein  thut's  nicht:  ob  der  Name  Jahwe  in  ein  hohes 
Altertum  zurückreicht  und  ob  er  wirklich  von  einem  fremden  Volke  (und  von  welchem 
auch  immer)  entlehnt  ist  oder  nicht,  Joel,  =  Jahwe  ist  Gott,  hat  in  Israel  zur  Zeit 
Joels  eine  ganz  andere  Bedeutung  besessen,  als  in  Babylonien  zur  Zeit  Hammurabis. 

Einigermassen  wird  uns  der  Autor  bekannt  aus  seinem  Buche.  Denn  wir  er- 
sehen daraus,  dass  er  eine  schwere  Heuschreckenverwüstung  des  Landes  erlebte,  dass 
er  mit  seinen  Mitbürgern  über  die  durch  dieselbe  verursachte  Einstellung  des  Opfer- 
kultus jammerte  und  mit  ihnen  die  Angst  teilte,  die  Heuschrecken*  möchten  die  Vor- 
boten des  jüngsten  Tages  sein,  ferner  dass  er  die  Einberufung  eines  allgemeinen 
Fast-  und  Busstages  in  den  Tempel  empfahl,  und  endlich,  dass  er,  nachdem  Jahwe 
das  Gebet  erhört  und  die  Plage  aufgehoben  hatte,  die  Segnungen  schilderte,  die  Gott 
seinem  Volke  in  Zukunft  und  besonders  am  jüngsten  Tage,   da  vor  Jerusalem  über 


Jo  Einleitung  I  110  Jo  Einleitung  I 

die  Heiden  Gericht  gehalten  wird,  in  mannigfaltigster  Weise  wird  zu  teil  werden 
lassen.  Man  hat  nicht  den  Eindruck,  dass  Joel  seinen  Mitbürgern  gegenübersteht, 
wie  ein  Arnos,  Hosea,  Jesaja  oder  Jeremia,  als  ein  Prophet,  der  für  eine  andere  An- 
schauung kämpft,  als  sie  die  Menge  besitzt.  Speziell  hat  er  kein  Wort  des  Tadels 
über  irgend  eine  Sünde  auszusprechen.  Er  erscheint  mehr  als  der  Wortführer  der 
Menge,  der  ihre  Gedanken  ausspricht  und  zu  dem  Mittel  rät,  das  im  Grunde  allen 
auf  der  Zunge  liegt,  und  dann  als  der  Redner  und  Dichter^  der  in  seinen  Worten  den 
Trost  zusammenfasst,  den  der  Glaube  der  Gesamtheit  enthält.  Wenn  die  spätere 
christliche  Legende  erzählt:  ^v  ix  t^^  77);  tou  Toüßrjv  iv  aYpo)  BsOcüjjiopcov.  h  elpT^vr) 
(XTreOave  xai  IxacpT]  iy.E.1  (PSEUDO-EpiPHANIUS  Yitae  Prophetarum,  s.  bei  Nestle  Ma- 
teralien I,  24),  so  weiss  man  nicht,  wie  sie  zu  dieser  unrichtigen  Nachricht  kommt, 
da  Joel  ohne  Frage  ein  Judäer  war.    Über  seine  Lebenszeit  s.  unten  II. 

Der  Inhalt  des  Buches  ist  die  Schilderung  einer  schweren  Heuschreckenplage, 
die  als  der  Vorbote  des  jüngsten  Tages  empfunden  wurde ^  in  ihren  verschiedenen 
Etappen  und  mit  ihrer  zunehmenden  Not  (1  2 — 2  17),  sowie  der  Bericht  über  die  von 
Jahwe  auf  die  Veranstaltung  eines  allgemeinen  Buss-  und  Fasttages  geschenkte  Er- 
rettung, über  die  sich  Land  und  Leute,  Menschen  und  Tiere  freuen  dürfen  (2  18 — 2  24). 
An  diese  Schilderung  der  schweren  Vergangenheit  und  diesen  Bericht  über  die  be- 
reits eingetretene  Wendung  zum  Guten  schliesst  sich  die  Verheissung  einer  glück- 
lichen Zukunft,  in  der  die  Israeliten  nie  mehr  zu  schänden  werden:  der  Geist  Jahwes 
wird  über  sie  ausgegossen  und  am  Tage  Jahwes  werden  sie  in  Jerusalem  gerettet 
sein,  während  an  den  Heiden  im  Thale  Josaphat  das  Gericht  vollzogen  wird;  mit  der 
herrlichsten  Fruchtbarkeit  wird  das  Land  Israels  in  der  Endzeit  gesegnet  sein, 
während  Ägypten  und  Edom  veröden  (2  25 — 4  21).  Mit  dieser  Skizze  des  In- 

halts ist  einerseits  der  Standpunkt  des  Autors  im  Verlauf  der  Ereignisse,  von  denen 
im  Buche  die  Bede  ist,  festgestellt:  In  dem  Zeitpunkte,  da  Joel  das  Wort  ergreift, 
gehört  die  Heuschreckenplage  bereits  der  Vergangenheit  an  und  vom  ersten  Worte 
an  (vgl.  bes.  1  2-4)  überschaut  Joel  die  ganze  Grösse  der  Kalamität,  die  er  im  folgenden 
schildert;  dagegen  ist  für  ihn  zukünftig  der  reiche,  die  Gegenwart  weit  hinter  sich 
lassende  Segen  an  Gaben  der  Natur  und  des  Geistes  und  die  Bettung  Jerusalems  im 
Endgericht,  d.  h.  von  2  25  an  bis  zu  Ende  des  Cap.  4  ist  alles  Weissagung.  An- 

dererseits ist  mit  der  obigen  Inhaltsangabe  angedeutet,  dass  die  Auffassungen  zu 
verwerfen  sind,  welche  die  Heuschrecken  nur  als  Bilder  für  Kriegsheere  betrachten 
oder  in  Cap.  1  und  2  die  Schilderung  einer  erst  zukünftigen  Kalamität  sehen  wollen. 
So  hat  mit  Unrecht  HiLGENEELD  (ZwTh  1866,  398—448:  Das  Judenthum  im  per- 
sischen Zeitalter),  indem  er  nach  den  vier  Heuschreckennamen  1  4  auf  vier  Feldzüge 
schliesst,  an  die  persischen  Expeditionen  nach  dem  Westen^  die  das  Land  ihrer 
eigenen  Unterthanen  verwüstet  haben  sollten,  in  den  Jahren  526  unter  Kambyses, 
484  unter  Xerxes,  460  und  458  unter  Artaxerxes  I.  Longimanus  gedacht ;  aber  bei 
Joel  handelt  es  sich  um  wirkliche  Heuschrecken,  wie  sich  deutlich  aus  2  2  ff.  ergiebt, 
wo  die  Heuschrecken  mit  Kriegern  verglichen  werden  und  nicht  umgekehrt  (vgl. 
Vorbem.  zu  2  2-11).  Ebenso  verfehlt  wie  diese  Deutung  auf  Kriegerheere  der  Ver- 
gangenheit ist  die  Beziehung  der  Schilderung  1  2 — 2  17  auf  die  Zukunft,  sei  es,  dass 
man  mit  HengSTENBERG  (Christologie  III,  137 — 166)  in  den  Heuschrecken  Bilder  für 
die  Weltmächte  (Assur-Babylon,  Medoj)ersien,  Griechenland  undBom)  sehen  möchte, 


Jo  Einleitung  I  1 1 1  -J^o  Einleitung  II 

welche  gegen  Israel  auftreüjii  worden,  sei  es,  dasB  man  mit  Merx  in  Cap.  1  die  Heu- 
schrecken Heuschrecken  sein  lässt,  aber  in  ihnen  zukünftige,  „apokalyptische"  Tiere 
nach  Art  von  Apk  Joh  9  3-11  sieht  und  in  der  IJarstellung  des  Jleuschrecken- 
schwarmes  von  Cap.  2  eine  Alh^gorie  für  die  am  Ende  der  Tage  von  Norden  herein- 
brechenden Heidenvölker  entdc!cken  will.  Diesen  Deutungen  auf  die  Zukunft  gegen- 
über ist  zu  betonen,  dasn  Joel  1  2—2  17  Erlebtes,  Vergangenes  schildert,  wieNowACK 
mit  liecht  hervorhebt;  in  1  2  mitMEllX  an  eine  Anrede  an  die  zukünftige  Generation 
des  jüngsten  '^Fages  zu  denken,  ist  doch  an  sich  eine  sonderbare  Idee  und  angesichts 
der  ganzen  folgenden  Schilderung  unhaltbar,  speziell  müsste  Joel  nach  116,  wo  er 
sich  mit  den  Angeredeten  zusammenfasst  (vgl.  vor  unseren  Augen) ,  sich  selber  am 
jüngsten  Tage  noch  am  Leben  vorstellen.  Der  Schein  einer  Allegorie  beruht  nur 
auf  der  Vorstellung  Joels  und  seiner  Mitbürger,  dass  die  ins  Land  gefallenen  Heu- 
schrecken die  Vorboten  des  jüngsten  Tages  seien.  Diese  Vorstellung  ist  es  auch,  die 
Joel  dazu  geführt  hat,  die  Schilderung  der  grossen  erlebten  Plage  wirklicher  Heu- 
schrecken und  der  gnädigen  Errettung  aus  derselben,  als  die  Not  aufs  höchste  ge- 
stiegen war,  zum  Ausgangspunkt  für  seine  Weissagung  der  herrlichen  Kettung 
Israels  aus  der  letzten  Not  am  jüngsten  Tage  zu  nehmen.  Nicht  die  Heuschrecken 
allein,  sondern  das  ganze  Erlebnis  wird  ihm  zum  Bilde  des  grossen  Tages  der  Zukunft. 

II.   Einheitlichkeit  und  Entstehungszeit  des  Buches. 

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Nachdem  M.  Veknes  seine  frühere  Behauptung,  dass  Cap.  If.  und  Cap.  3  f..  von 
verschiedenen  Verfassern  herrühren,  wieder  soweit  zurückgenommen  hat,  dass  er  zur 
Not  die  einheitliche  Herkunft  der  vier  Capitel  zugiebt  (s.  bei  Nowack),  ist  diese 
These  neuerdings  von  EOTHSTEIN  (in  seiner  Übersetzung  von  Deiyer's  Einleitung  in 
die  Litteratur  des  alten  Testaments  S.  333  f.  Anm.)  wieder  aufgestellt  worden,  offenbar 
ohne  dass  er  von  seinem  Vorgänger  wusste.  Nach  HOTHSTEIN  soll  der  ältere,  aus  der 
Zeit  der  Minderjährigkeit  Joas'  stammende  Teil  Cap.  If.,  der  Volk  und  Staat  in  un- 
geschädigter  politischer  Integrität  voraussetze,  der  als  die  Not  der  Zeit  nur  die  furcht- 
bare Heuschreckenplage  samt  der  alles  verzehrenden  Dürre  kenne  und  vielfach  äusserst 
lebendig  und  wirkungsvoll  schildere  oder  geradezu  schwungvoll  tröste,  nach  dem  Exil 
vermehrt  worden  sein  durch  die  Beifügung  von  Cap.  3f.,  welcher  viel  jüngere  Teil 
einen  rein  politischen  Hintergrund,  nämlich  Zerrissenheit  des  Volkes  und  Verweilen 
mindestens  eines  Teiles  in  der  Fremde,  erkennen  lasse,  ferner  aber  auch  der  Origi- 
nalität entbehre  und  hauptsächlich  von  Beminiscenzen  lebe.  Vom  Bedaktor,  der 
diese  beiden  aus  so  verschiedenen  Zeiten  stammenden  Teile  verbunden  habe,  soll  Y.  20 
in  Cap.  2  eingefügt  sein,  der  andeute,  dass  die  Heuschreckenschwärme  in  Cap.  If. 
symbolisch  als  Hinweis  auf  den  Einbruch  feindlicher  Scharen  zu  betrachten  seien. 
Diese  These  hat  mit  Becht  keinen  Anklang  gefunden  und  ist  schon  von  NowACK  mit 
zutreffenden  Gründen  widerlegt  worden.  Dass  der  erste  Teil  mit  seiner  Schilderung 
der  Heuschreckenplage  die  politischen  Verhältnisse  nicht  berücksichtigt,  der  zweite 
Teil  dagegen,  der  die  grossen  Weltereignisse  der  Zukunft  ins  Augö  fasst,  sich  mit 
den  Beziehungen  Israels  zu  den  Völkern  beschäftigt,  kann  keine  verschiedene 
Situation  des  Autors  beweisen.  Ebenso  ist  es  natürlich,  dass  der  Autor,  wo  er  das 
eschatologische  Gemälde  der  Zukunft  entwirft,  sich  an  die  im  Glauben  der  Israeliten 
gegebenen  Elemente  hält,  also  weniger  original  erscheint,  als  wo  er  die  eben  erlebte 


Jo  Einleitung  II  112  Jo  Einleitung  II 

Heuschreckenplage  schildert,  dass  dort  die  graue  Theorie,  hier  das  mannigfaltige 
Leben  sich  kundgiebt.  Übrigens  sind  die  Unterschiede  von  ROTHSTEIN  übertrieben: 
in  beiden  Teilen  steht  der  T\^7^l  ÜV  dem  Autor  vor  Augen,  von  einer  wirklich  anderen 
Situation  oder  staatlichen  Einrichtung  lässt  der  erste  Teil  nichts  erkennen,  auch  er 
redet  nirgends  von  einem  König  und  er  bleibt  unverständlich  und  unvollständig,  wenn 
er  nicht  als  Folie  zu  dem  zweiten  Teile  gefasst  werden  kann,  der  von  einer  noch  viel 
herrlicheren  E-ettung  Jerusalems  handelt. 

Ist  das  Buch  einheitlich,  gehört  also  der  zweite  von  HOTHSTEIN  in  die  nach- 
exilische  Zeit  verlegte  Teil  zum  Ganzen,  so  wird  sich  seine  Abfassungszeit  leicht 
bestimmen  lassen.  Es  ist  nämlich  schwerlich  ein  anderes  Ereignis  in  der  Gleschichte 
Israels  zu  finden,  das  den  Aussagen  von  4  2  f.  17  gerecht  wird,  als  die  Eroberung  und 
Zerstörung  Jerusalems  vom  Jahre  586.  Damals  haben  die  Heiden  das  Volk  Jahwes 
unter  die  Nationen  zerstreut  und  sein  Land  zerstückt,  damals  haben  die  Fremden  das 
heilige  Jerusalem  betreten.  Ungenügend  ist  für  solche  Aussagen  die  Berufung  auf 
die  Nachricht  von  der  Plünderung  Jerusalems  durch  Philister  und  Araber  IlChr  21 16  f. 
Ohnehin  weist  noch  so  vieles  mit  aller  Deutlichkeit  auf  die  nachexilische  Zeit.  Juda 
und  Jerusalem  bilden  das  ganze  Israel;  von  Nordisrael  ist  nirgends  die  B^ede;  ja  der 
Name  Israel  ist  bereits  auf  Juda  übertragen,  so  sehr  ist  der  Gedanke  an  das  einstige 
Israel  schon  entschwunden,  s.  2  27  4  2  16.  Nur  von  einem  einzigen  Heiligtum  ist  die 
Bede,  von  dem  Tempel  in  Jerusalem,  in  dem  sich  das  ganze  Volk  auf  das  durch  die 
Posaunen  gegebene  Signal  versammelt  1 14  2  1  16.  Das  sind  die  Verhältnisse  der 
nachexilischen  Gemeinde,  die  in  Jerusalem  und  der  nächsten  Umgebung  wohnt;  der 
Tempel  ist  wieder  gebaut,  die  Stadt  mit  Mauern  versehen  (2  9)  und  der  Kultus  ein- 
gerichtet. Damit  kommen  wir  schon  an  das  Ende  des  5.  Jahrhunderts,  in  die  Zeit 
nach  dem  Mauerbau  und  der  Einführung  des  Gesetzes  in  Jerusalem  durch  Nehemia 
und  Esra;  denn  der  Kultus  ist  für  Joel  die  hauptsächlichste  Angelegenheit  des 
Gemeinwesens,  die  Heuschreckenplage  ist  deshalb  vor  allem  so  schrecklich,  weil  sie 
die  Mittel  zum  Kultus  und  damit  die  Verbindung  mit  Jahwe,  welche  der  Kultus  mit 
dem  täglichen  Opfer,  Thamid  =  "^JpllJ  nn^D,  aufrecht  erhält,  zerstört  1  9  13  16  2  14. 
Das  ist  eine  Wertung  des  Kultus,  die  in  der  nachexilischen  Gemeinde  erst  nach  Esra- 
Nehemia  (für  die  Zeiten  vorher  vgl.  Jes  56  10-12  Mal  1  6-14)  durchdrang,  aber  von  da 
an,  solange  der  Tempel  bestand,  lebendig  blieb,  vgl.  z.  B.  Dan  8  11.  Wie  weit  noch 
über  das  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  hinabzugehen  ist,  lässt  sich  schwerer  be- 
stimmen ;  feste  historische  Ereignisse  werden  nicht  erwähnt :  Die  Phönizier  und 
Philister  sind  auch  noch  von  Deuterosacharja  mit  dem  Gerichte  bedroht  Sach  9  2-7, 
das  zur  Zeit  Maleachis  verwüstete  (Mal  1  3) ,  aber  später  wieder  erstarkte  Edom 
(Idumäa)  ist  noch  im  zweiten  Jahrhundert  der  Gegenstand  des  Hasses  Israels  (s.  zu 
Jes  34),  und  Ägypten  wird  auch  in  der  wohl  aus  dem  4.  Jahrh.  stammenden  Weis- 
sagung Jes  19  1-15  mit  Verödung  bedroht.  Vielleicht  ist  aus  dem  Umstand,  dass  in 
Jo  4  19  Ägypten  noch  bedroht  wird,  während  später  eine  freundlichere  Stimmung 
gegen  Ägypten  Platz  griff  (vgl.  Jes  19  16-25),  zu  schliessen,  dass  Joel  noch  vor  der 
Eroberung  Ägyptens  durch  Artaxerxes  III.  Ochus  im  Jahre  343  v.  Chr.  und  vor  der 
Unterwerfung  durch  Alexander  den  Grossen  lebte,  nämlich  vor  der  Zeit,  in  der  auch 
die  alte  ägyptische  Macht  zusammenbrach,  wie  die  anderen  Israel  feindlichen  Beiche 
Assyrien  und  Babylonien  schon  lange  vorher,  und  endlich  die  gerechte  Vergeltung 


Jo  Einleitung  II  1 13  Jo  Einleitung  III 

erfuhr  für  die  Grausamkeit,  womit  sie  am  Anfang  der  israelitisclien  Geschichte  die 
Israeliten  bedrückte,  vgl.  zu  4  19.  Damit  stimmt  gut  aucli  die  Erwähnung  der  Jonier 
«=  Griechen  (D'^^VH  ^^IH  4  G),  die  erst  in  jüngeren  Schriften  auftauchen.  Auch  die 

ganze  Art  und  Gedankenwelt  des  Buches  spricht  für  seine  Entstehung  um  oder  nach 
400  V.  Chr.  Von  der  Beurteilung  des  Kultus,  die  ganz  anders  lautet  als  bei  Arnos, 
Hosea,  Jesaja  und  Jeremia,  ist  bereits  gesprochen.  Ferner  ist  schon  daran  erinnert 
(s.  Einl.  I),  wie  Joel  auch  darin  von  diesen  Propheten  verschieden  ist,  dass  er  seinen 
Mitbürgern  keine  Rüge  zu  erteilen,  keine  sittlichen  Schäden,  keine  J^Fängel  an  ilirer 
Gottesverehrung  zu  strafen  hat.  Wohl  ruft  er  seine  Zeitgenossen  zur  Busse,  auch 
weiss  er  von  den  alten  Propheten,  dass  dieselbe  nicht  mit  dem  Zerreissen  der  Kleider 
abgemacht  ist,  sondern  das  Zerreissen  der  Herzen  dazu  gehört  (2  13);  aber  schliesslich 
läuft  nach  ihm  doch  die  Busse  auf  nichts  anderes  hinaus  als  Fasten,  Weinen  und 
Klagen  (2  12).  Und  dann  gehören  alle  die  Züge  seines  eschatologischen  Gemäldes 
(Cap.  3f.)  wie  Geistesausgiessung,  Bettung  in  Jerusalem,  Völkergericht  vor  Jerusalem, 
herrliche  Fruchtbarkeit  und  bleibendes  Wohnen  Jahwes  auf  Zion  zu  den  festesten 
Bestandteilen  der  Hoffnung  der  nachexilischen  jüdischen  Gemeinde  (vgl.  die  Aus- 
legung). Ganz  mit  Unrecht  hat  man  die  glatte  und  fliessende  Sprache  Joels  als 
Zeichen  seines  Alters  betrachten  wollen;  denn  gerade  diese  Eigenschaften  besitzen 
die  Worte  der  alten  Propheten  nicht  und  man  hat  sicher  um  400  und  auch  später  ein 
fliessendes  Hebräisch  zu  schreiben  verstanden,  in  einer  Zeit,  wo  die  Chronik  entstand 
und  so  manche  Prophetieen,  welche  wir  jetzt  als  Zusätze  in  den  alten  Propheten- 
schriften finden.  Übrigens  aber  hat  die  gründliche  Untersuchung  des  Sprach- 
charakters Joels  durch  HOLZINGEE,  den  Beweis  erbracht,  dass  im  Buche  Joel  sichere 
Kennzeichen  des  spätesten  hebräischen  Schrifttums  nicht  fehlen.  Dazu  sind  die  vielen 
Beminiscenzen  nicht  zu  vergessen,  die  namentlich  den  zweiten  Teil  des  Buches  aus- 
zeichnen, aber  auch  im  ersten  nicht  fehlen,  und  uns  zeigen,  dass  wir  das  Werk  eines 
„Gelehrten,  der  in  der  alten  Litteratur  bewandert  ist",  vor  uns  haben. 

Angesichts  all  dieser  Argumente,  die  für  eine  Entstehung  des  Buches  Jo  um 
400  V.  Chr.  sprechen,  ist  die  von  Ceedner  aufgebrachte  Annahme,  dass  Joel  der 
älteste  unter  den  Propheten  sei,  deren  Worte  uns  schriftlich  erhalten  sind,  und  dass 
er  ins  neunte  Jahrhundert  und  zwar  in  die  Zeit  der  Minderjährigkeit  des  judaischen 
Königs  Joas  gehöre,  fallen  zu  lassen ;  die  Stellung  Joels  zwischen  Hosea  und  Amos 
ist  kein  Indicium  für  frühe  Entstehung  und  wenn  Juda  zu  Joels  Zeit  einen  König, 
auch  nur  einen  minderjährigen,  hatte  und  alle  Bewohner  des  Landes,  selbst  Säuglinge 
und  Kinder,  zur  Feier  des  Busstages  im  Tempel  zu  erscheinen  hatten,  so  konnte  der 
Köniff  samt  den  Ü'^'y^  nicht  unerwähnt  bleiben  und  ihre  Pflicht  war  es,  vor  allem  Volk 
zur  Bettung  aus  der  allgemeinen  Kalamität  beizutragen.  Nicht  einmal  die  Möglich- 
keit einer  vorexilischen  Entstehungszeit  bleibt  übrig,  wie  denn  auch  in  der  That  die 
meisten  Kritiker  sich  für  nachexilische  Herkunft  ausgesprochen  haben,  so  Vatke, 
Merx,  Stade,  Kuenen,  Cornill,  Drivee,  Wellh.,  Wildeboer,  Nowack  u.  a. 

III.  Charakter  und  Bedeutung  des  Buches! 

Der  Charakter  des  Buches  Joel  ist  sehr  verschieden  von  dem  einer  gewöhn- 
lichen Prophetenschrift.  Wir  haben  in  Jo  nicht  die  Bede  eines  Propheten  vor  uns, 
die   er  an  seine  Mitbürger  gehalten  und  in  der  er  sie  zu  irgend  welchem  ThuD  an- 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  8 


Jo  Einleitung  III  114  Jo  Einleitung  III 

getrieben  hat,  sondern  die  Schilderung  eines  Dichters,  der  ein  wichtiges  Erlebnis  der 
Gemeinde  als  das  Abbild  eines  noch  weit  wichtigeren  Ereignisses  der  Zukunft  auf- 
fasst  und  zugleich  mit  der  Schilderung  des  Vergangenen  die  Gewissheit  der  Hoffnung 
auf  die  Zukunft  stärken  und  festigen  will.  So  ist  das  Buch  nicht  Dichtung  allein,  es 
hat  noch  etwas  von  prophetischer  Art  an  sich;  aber  diese  besteht  nicht  mehr  in  der 
Absicht  einer  Änderung  der  praktischen  Lebensweise,  auch  nicht  einmal  wie  bei  der 
Trostschrift  Deuterojesajas  in  der  Absicht,  den  Volksgenossen  den  verlorenen  Mut  zu 
erwecken  und  sie  aus  der  Kleingläubigkeit  und  Verzweiflung  aufzurütteln,  sondern 
sie  besteht  mehr  in  der  Absicht  zu  belehren  und  in  einer  soeben  gemachten  Erfahrung 
ein  Beispiel  für  den  von  der  Gemeinde  geteilten  Glauben  aufzuzeigen.  Es  ist  nicht 
mehr  die  alte  Art  der  Propheten,  die  das  Volk  auf  eine  höhere  sittliche  und  religiöse 
Stufe  zu  heben  trachteten,  sondern  die  Art  eines  Lehrers,  der  eine  anerkannte  Wahr- 
heit den  Gemeindegenossen  klar  und  anschaulich  zu  machen  sucht.  Darum  be- 
schäftigen Joel  auch  die  Verhältnisse  der  Gegenwart  wenig  und  wir  hören  von  den- 
selben nur  soviel,  als  mit  der  Bettung  aus  der  Heuschreckenplage  in  Verbindung 
steht,  während  die  grossen  Ereignisse  der  Zukunft  seine  Gedanken  beherrschen. 
Immerhin  hat  er  offenbar  unter  seinen  Zeitgenossen  eine  angesehene  Stellung  ein- 
genommen, denn  er  war  unter  denen,  die  die  Berufung  des  Buss-  und  Fasttages  als 
Mittel  der  Bettung  von  der  äussersten  Kalamität  empfahlen  und  die  Heuschrecken 
als  Vorboten  des  jüngsten  Gerichtes  und  Abbilder  der  „nördlichen"  Völkerscharen 
deuteten  (vgl.  ''MÖl^n  zu  2  20).  Trotzdem  er  mehr  Lehrer  und  Dichter  ist,  so  fühlt  er 
sich  dennoch  als  Prophet,  weil  er  weiss  (aus  Kenntnis  des  Gesetzes  und  der  Pro- 
pheten), dass  er  Jahwes  Wort  verkündet.  Die  Unsicherheit  dieser  Stellung  verrät 
sich  wohl  auch  in  der  unpräzisen  Art  seiner  Darlegung,  da  er  bald  ganz  im  Namen 
Jahwes  spricht,  dann  aber  daneben  doch  wieder  Jahwe  in  der  dritten  Person  einführt, 
vgl.  zu  1  6  u.  öfters. 

Der  eigentümliche  Charakter  verleiht  dem  Buche  gerade  seine  grosse  Bedeu- 
tung für  die  Geschichte  der  israelitischen  Beligion.  Wir  sehen,  wie  aus  den  Pro- 
pheten nach  und  nach  Lehrer  der  Eschatologie  und  Dichter  eschatologischer 
Schilderungen  geworden  sind,  und  weil  wir  im  Buche  Jo  nicht  die  originale  Schöpfung 
eines  prophetischen  Genies,  sondern  die  Zusammenfassung  des  Glaubens  der  israeli- 
tischen Gemeinde  vor  uns  haben,  so  erfahren  wir,  welche  Gedanken  damals  im 
Vordergrunde  standen  und  die  Gemüter  beschäftigten.  Die  Gemeinde  stellt  sich  dar 
als  fest  gegründet:  von  Götzendienst  und  Verehrung  fremder  Götter  ist  nichts  zu 
spüren,  das  Gesetz  ist  anerkannt  und  die  Hauptsorge  dreht  sich  um  den  Kultus,  die 
Gemeinde  erwartet  den  Anbruch  der  herrlichen  Zukunft  in  unmittelbarer  Nähe  und 
die  Gedanken  an  diese  messianische  Heilszeit  schweben  allen  vor  der  Seele.  Die 
Bedeutung  des  Buches  für  die  Gestalt  und  den  Inhalt,  welche  die  eschatologische 
Hoffnung  im  Glauben  der  Gemeinde  damals  besass,  wird  noch  dadurch  erhöht,  dass 
es  nicht  nur  eine  Seite  des  Gemäldes  darstellt,  sondern  alle  Hauptzüge  der  eschato- 
logischen  Erwartung  in  einem  instruktiven  Kompendium  zusammenfasst.  So  ist  das 
Buch  Joel  ein  wichtiges  Dokument  für  den  Glauben  der  jüdischen  Gemeinde  nach 
deren  Konsolidierung  durch  Nehemia-Esra ;  es  zeigt  uns,  was  die  religiöse  Gedanken- 
welt nach  der  Einführung  des  Gesetzes  bewegte,  wie  in  derselben  die  Sorge  für  den 
Kultus   innig  mit   der   Richtung    auf   die   Eschatologie   verbunden   war.     Zugleich 


Jo  Einleitung  III  116  Jo  Einleitung  lY 

erkennen  wir,   wie  in  der  Gemeinde,   deren  Gedanken  an  der  Zukunft  hangen,   der 
Boden  für  die  spätere  apokalyptische  Litteratur  sich  bereitet. 

IV.   Litteratur. 

Kommentare:  K.  A.  Credner  Der  Prophet  Joel  übersetzt  und  erklärt  1831 ; 
Aug.  Wünsche  Die  Weissagung  des  Proph.  .loci  übersetzt  und  erklärt  1872;  ,J.  A. 
Karle  Joel  ben  Pethuel  propheta  1877;  A.  Merx  Die  Prophetie  des  Joel  und  ihre 
Ausleger  1879;  A.  SCHOLZ  Commentar  zum  Buche  des  Propheten  Joel  1885;  G.  PreusS 
Die  Profetie  Joels  unter  besonderer  Rücksicht  der  Zeitfrage  1889;  S.  R.  Driver 
The  Books  of  Joel  and  Amos  (The  Cambridge  Bible)  1898. 

Monographieen  und  Abhandlungen:  E.  W.  Hengstenberg  Christo- 
logie  des  AT  III,  137—193;  HiLGENFELD  ZwTh  1866,  398—448:  Das  Judentum  im 
persischen  Zeitalter;  Ed.  Montet  Etüde  literaire  et  critique  sur  le  livre  du  proph. 
Joel  1877  und  De  recentt.  disputt.  de  Joelis  aetate  1880;  Matthes  ThT  1885,  34—66 
129—160;  1887,  357-381;  HOLZINGER  ZATW  1889,  89—131:  Sprachcharakter  und 
Abfassungszeit  des  Buches  Joel ;  Chetne's  Encycl.  Biblica  Art.  Joel. 


8* 


Jo  1  1  116  Jo  1  2 


Erklärung, 

Die  Überschrift  1 1:  Das  Wort  Jahwes ,  welches  an  Joel,  den  Sohn  Petuels, 
erging,  nennt  nur  den  Empfänger  des  göttlichen  Wortes,  ohne  anzugeben, 
wem  dasselbe  galt  und  wann  dasselbe  an  den  Propheten  erging.  Die  Formel 
'h^  iTH  ^]ä^  ">  in'l  findet  sich  ebenso  Hos  1  i  Mch  1  i  Zph  1  i  und  auch  sonst 
wird  diese  einfache  Verbindung  gerne  gebraucht  vgl.  z.  B.  I  Sam  15  lo  II  Sam 
7  4  Jer  12  4  11.  An  der  Ursprünglichkeit  der  Überschrift  zu  zweifeln  hat  man 
hier  keinen  Grund;  die  Namen  des  Propheten  und  seines  Vaters  werden 
doch  kaum  erfunden  sein.    S.  über  dieselben  Einl.  I. 


Erster  Teil 

l3~2ir: 

Beschreibung  der  durch  eine  Heuschreckenplage  verursachten 
Not  und  Aufforderung  zur  Abhaltung  eines  allgemeinen  Buss- 
und Fasttages. 

Die  Einleitung'  las  führt  sofort  in  mediam  rem,  ja  versetzt  in  die  Situation,  in 
der  das  beispiellose  und  immer  denkwürdige  Ereignis,  von  welchem  der  Prophet  reden 
will,  bereits  seinen  Höhepunkt  erreicht  hat:  niemand  im  Lande  hat  schon  früher  einmal 
erlebt,  was  er  jetzt  durchmachen  musste,  noch  davon  gehört,  dass  dergleichen  in  den  Tagen 
der  Väter  geschehen  sei;  darum  soll  man  noch  in  den  fernsten  Zeiten  von  dieser  Begeben- 
heit erzählen. 

2  Joel  beginnt  mit  der  auch  sonst  als  Anfang  beliebten  Aufforderung 
zum  Hören,  vgl.  Am  3  i  Hos  5  i.  Nach  dem  vorliegenden  Texte  werden  dabei 
D''ij?^n  und  alle  Bewohner  des  Landes  angeredet.  Mit  dem  Land  ist  Juda 
gemeint,  um  das  allein  es  sich  bei  Jo  überall  handelt  vgl.  1  14  2  i  3  5  4  i  6  is 
19  20;  dagegen  fragt  es  sich,  ob  D'';p|n  hier  die  Greise,  oder  die  Gemeindeältesten 
bedeute.  Dass  die  D^:ij?|  2  16  3  i,  wo  sie  Kindern  und  Jünglingen  gegenüber- 
stehen, sicher  Greise  sind,  ist  kein  Beweis,  dass  sie  es  auch  hier  v.  2  und  v.  i4 
sein  müssen;  denn  hier,  wo  sie  allen  Landesbewohnern  gegenüberstehen,  ist  es 
viel  natürlicher,  sie  als  die  Ältesten,  die  Vorsteher,  zu  fassen,  vgl.  das  schon 
von  Merx  verglichene  senalus  populusque  Romanus.  Zudem  liegt  auch  im 
Inhalt  der  Frage,  die  nachher  an  die  D**^!?!,  aber  wohl  zu  merken,  nicht  an  sie 
allein,  gestellt  wird,  durchaus  keine  Nötigung,  in  ihnen  Greise  zu  sehen;  denn 


Jol2  117  Jol4 

wenn  es  Jo  wirklich  auf  lange  Erfahrung  der  Angeredeten  ankäme,  hätte  er 
nicht  noch  an  die  Gesamtheit  appellieren  dürfen.  Überhaupt  ist  es  ihm  aber 
nicht  um  eine  eigentliche  Anfrage,  damit  er  Auskunft  erhalte,  sondern  um  eine 
rhetorische  Wendung  zu  thun,  damit  er  sich  Geliör  und  Aufmerksamkeit  ver- 
schalfe.  Helässt  man  also  D'^^iiJ^n  im  Texte,  so  kann  trotz  2  16  3  i  hier  niclit  mit 
Wellh.,  Seesemann  (Die  Altesten  im  AT  1895  43 f.)  u.  a.  (i reise  übersetzt 
werden;  aber  höchst  wahrscheinlich  ist  das  Wort  nicht  ursprünglich,  sondern 
nach  dem  Vorgang  von  v.  u,  wo  man  ^^^\>\  wegen  der  x\hnlichkeit  der  Stellen 
aus  2  16  herübergenommen  hat  (s.  zu  v.  u),  erst  nachträglich  auch  hier  ein- 
gedrungen. Für  diese  Annahme  spricht  ferner,  dass  f"Jijn  ""^^^  h'2  in  2  i  ohne 
U^^T>\  steht  und  dass  sonst  überall  die  D'^^pt  fehlen,  trotzdem  sie,  falls  sie  hier 
als  die  Gemeindevorsteher  genannt  wären,  auch  später  erwähnt  zu  werden 
verdienten.  Nach  Jo  sind  eben  offenbar  die  Priester  die  Leiter  der  Gemeinde; 
ob  aus  diesem  richtigen  Gefühl  oder  blos  aus  einer  Reminiscenz  an  Hos  5  i 
die  von  de  Rossi  verzeichnete  Lesart  D^'^niDH  für  D^'^j^t  stammt,  ist  nicht  aus- 
zumachen. Endlich  sei  aber  noch  hervorgehoben,  dass  es  nicht  metrische 
Gründe  sind,  welche  mich  zur  Ausstossung  von  D'i^J^^n  bewegen.  Die  beiden 
Vershälften  resp.  Verszeilen  werden  allerdings  dadurch  einander  völlig  gleich 
and  Sievees  behält  in  diesem  Falle  Eecht,  wenn  er  die  Cäsur  in  y.  2^  hinter 
^^""Hjrül  setzt,  gegen  Gunkel,  der  sie  vor  dieses  Wort  verlegt  (vgl.  bei  Sievers, 
Metrische  Studien  1 470 f.  581);  aber  bei  Jo  darf  man  nicht  mit  einem  genauen, 
überall  gleichmässig  durchgeführten  Metrum  rechnen,  seine  Zeilen  sind  \^on 
verschiedener  Länge  und  gruppieren  sich  auch  nicht  in  regelmässige  Strophen, 
nst,  dies,  in  v.  -2^  geht  auf  die  folgende  Frage,  y.  2^,  die  sollen  die  Angeredeten 
vernehmen.  Die  Antwort  ist  selbstverständlich  und  braucht  nicht  gegeben  zu 
werden:  „Solches  ist  niemals  geschehen".  ilN't,  das  v.  2^  im  Sinne  von  n8t|  = 
dergleichen  steht,  wird  durch  das  Suff,  in  Tvhy^  v.  3  weitergeführt  und  endlich 
durch  Y.  4ff.  erklärt.  Bei  disjunktiven  Fragen  steht  in  derEegel  nurD«— n, 
nicht  wie  hier  und  4  4  DSl— H,  doch  vgl.  Hi  21  4  und  s.  Ges.-Kautzsch^' 
§  150g.  Väter,  nl^JJ,  sind  die  Vorfahren,  wie  Hos  9  lo.  3  T^'h)^  steht 

mit  Nachdruck  voran,  um  anzudeuten,  dass  dies  vor  andern  Dingen  in  der 
Erinnerung  fortzuleben  verdient,  und  die  Konstruktion  des  löD  mit  ^j;  statt 
mit  dem  gewöhnlichen  direkten  Objekt  weist  darauf  hin,  dass  es  sich  nicht 
nur  um  die  Weitererzählung  der  nackten  Thatsache,  sondern  auch  um  die 
Folgerungen  und  Nutzanwendungen  handelt,  die  sich  aus  dem  Vorfall  ergeben. 
4  Die  Thatsache,  die  „die  eigentliche  Grundlage  der  ganzen  Weissagung" 
bildet  (Ceedner),  ist  die  totale  Verwüstung  des  ganzen  Pflanzen- 
wuchses durch  Heuschreckenschwärme,  die  nach  einander  im  Laufe 
nicht  nur  eines  Jahres  (s.  2  25)  ins  Land  eingefallen  sind.  Dieser  allgemeine 
Sinn  von  v.  4  ist  klar,  auch  das  ist  ersichtlich,  dass  die  vier  verschiedenen 
Heuschreckennamen  keinen  anderen  als  den  rhetorischen  Zweck  haben,  die 
Aufeinanderfolge  mehrerer  Heuschreckenschwärme  zu  schildern  und  die  von 
diesen  angerichtete  Zerstörung  und  Verwüstung  als  eine  vollständige  hinzu- 
stellen: was  der  erste  Schwärm  noch  verschont  hat,  ist  vom  zweiten  vernichtet 
worden  und  so  fort,  bis  alles  kahl  und  leer  war.   Weniger  bestimmt  lassen  sich 


Jo  14  118  Jo  1  5 

die  einzelnen  Namen  erklären;  allerdings  ist  zwar  sicher,  dass  damit  nicht  die 
Entwicklungsstadien,  welche  die  Heuschrecke  durchmacht,  bezeichnet  werden 
sollen.   Dies  weist  besonders  gründlich  Dkiver  in  seinem  Commentar  zu  Joel 
(1  4  und  S.  82—91:  Excursus  on  Locusts)  nach;  seine  wichtigsten  Argumente 
sind:  1.  der  gewöhnliche  Beobachter  unterscheidet  bei  der  Heuschrecke,  wenn 
er  die  Farben  aus  dem  Spiele  lässt,  nur  drei  Stadien;  2.  der  gewöhnlichste  Name 
für  Heuschrecke,  n|"lN,  müsste  bei  der  Annahme,  dass  es  sich  um  die  Stadien 
der  Heuschrecke  handle,  das  noch  unreife  Insekt  bezeichnen;  3.  die  Reihen- 
folge der  vier  Namen  ist  2  25  eine  andere,  und  4.  da  die  Heuschrecken  auch 
während  ihrer  Entwicklung,  sobald  sie  den  Eiern  entschlüpft  sind,  sich  immer 
vorwärts  bewegen,  könnte  nicht  gesagt  werden,  dass  sie  im  folgenden  Stadium 
das  aufzehren,  was  sie  im  früheren  Stadium  verschont  haben;  durch  die  Vor- 
wärtsbewegung sind  sie  ja  ganz  anderswohin  geraten.   Es  bleibt  nichts  anderes 
übrig:  die  vier  Namen  kommen  hier  nur  als  Synonyma  für  Heuschrecke  in 
Betracht,  mögen  sie  auch  ihrem  Ursprung  nach  die  Bezeichnungen  besonderer 
Heuschreckenarten  und  der  eine  unter  ihnen  (s.  u.  zu  ph";)  vielleicht  die  Be- 
zeichnung der  noch  nicht  ganz  ausgewachsenen  Heuschrecke  sein:  DJJ  ist  ausser 
hier  und  2  25  nur  noch  Am  4  9  und  zwar  als  ein  den  Feigen-  und  Ölbäumen  schäd- 
liches Insekt  erwähnt;  vielleicht  dachte  man  bei  seinem  Namen  an  Ableitung 
von  D55,  dessen  Bedeutung  abschneiden  man  etwa  auf  kahlfressen  der  Bäume 
bezog.         n|iy,  das  gewöhnliche  Wort  für  Heuschrecke,  entspricht  assyr.  aribu; 
die  Ableitung  von  n^l  viel  sein^  wimmeln  ist  daher  sehr  unwahrscheinlich. 
PIp;;,  ausserin  Jo(l4  2  25)nochAm7  1  (korrig.  Text,  s.  dort)  Na  3  15  I6  JerSl  1427 
und  Ps  105  34  genannt,  ist,  wenn  Hieeonymüs  zu  Na  3  i5f.  richtig  attelabus 
erklärt  und  LXX  Jo  1  4  mit  ßpou)(o?  richtig  übersetzt,  die  Heuschrecke  im 
letzten  Stadium  vor  dem  Abstreifen  der  Flügelscheiden,  wo  sie  also  noch  nicht 
völlig  ausgewachsen  ist  und  noch  mehr  hüpft  als  fliegt.     Ob  das  Wort  mit 
pj^'j  lecken  {verschlingen?)  zusammenhängt,  ist  sehr  die  Frage.  ^''pn,  noch 

I  Reg  8  37  (=  II  Chr  6  28)  Ps  78  46  Jes  33  4  erwähnt  und  zwar  überall  in  Ver- 
bindung oder  in  Parallele  mit  einem  anderen  Heuschreckennamen,  wird  mit 
dem  Verb  ^DH  zusammenhangen,  das  Dtn  28  38  von  der  Thätigkeit  der  Heu- 
schrecken gebraucht  ist  =  vertilgen,  und  demnach  eigentlich  Vertilger  be- 
deuten. Vgl.  die  Lexx.,  sowie  die  Encycl.  Biblica  Art.  Locusts  und  Guthe 
KBW;  ferner  s.  noch  zu  2  20. 

5—12  Die  allgemeine  Klage  über  die  schreckliche  Kalamität.  Das  ganze 
Land  traf  die  Not  und  alle  Klassen  der  Bevölkerung  hatten  Grund  zu  klagen  über  das 
Unglück.  Der  Prophet  fordert  selber  in  lebendiger  Vergegenwärtigung  der  durch  die 
Verwüstung  der  Vegetation  herbeigeführten  Lage  zu  dieser  gerechten  Klage  auf. 

5—7  Zuerst  haben  allen  Grund  zu  klagen  die  Weinliebhaber,  denen 
durch  die  Verwüstung  des  Weinstockes  ihr  geschätztes  Genussmittel  ent- 
zogen ist.  5  ^^"'[>T\,  wacht  auf,  seil,  aus  dem  Taumel  der  Trunkenheit  vgl. 
Gen  9  24  Pro  23  35.  Weder  ein  Tadel,  noch  ein  Lob  ist  hier  über  den 
Weintrinker  ausgesprochen,  in  dem  Worte  IISÜ^  liegt  für  den  Hebräer  noch 
kein  Vorwurf  (vgL  auch  Joh  2  10);  dass  aber  das  Laster  der  Trunkenheit  ge- 
billigt worden  wäre,  ist  durchaus  unrichtig,  vgl.  nur  Jes  5  22  28  7  f.  Prv  23  29-35. 


Jol5  119  Jol7 

Hier  tritt  in  treireiidc^i  Gegc^nsatz  zu  der  Fi'ölilicdikeit  der  Weintrinker  ihr 
Klugen  und  Jiimmern;  jetzt  müssen  sie  nüclitern  sein  und  hat  ihre  Freude  ein 
Ende.  D'^ll^ti^  stellt  gegen  die  Regel  ohne  Artikel  in  der  Anrede,  vgl.  auch 

Hos  13  14  etc.  und  Ges.-Kautzscii-^  §  ]26e.  D^Dj;  ist  offenbar  ein  Süss- 

wein,  entweder  in  dem  Stadium  unmittelbar  nach  der  Kelterung  ==  olvo;  veo; 
LXX  Jes  49  26  oder  durch  irgend  eine  Weise  der  Zubereitung  süss  erhalten  = 
^Xuxu;  olvo;,  vgl.  LXX  ^Xüxaatxo;  Jo  4  18  (vgl.  Driver  zu  Am  9  13).  niDi 

D5^??p,  er  ist  eurem  Munde  entzogen,  vgl.  das  fast  gleichbedeutende  J^irp;  v.  i3. 
Man  darf  daraus  nicht  schliessen,  dass  die  Verwüstung  unmittelbar  vor  der 
Weinlese  begonnen  habe;  der  Wein  kommt  nicht  in  den  Mund  der  Trinker, 
w^enn  der  Weinstock  schon  im  Frühling  beim  ersten  Triebe  zerstört  wird,  s. 
V.  12.  Wie  die  Zerstörung  der  Erntehoffnung  sich  vollzog,  schildern  6 f.: 

Eine  feindliche  Armee  ist  ins  Land  gefallen,  ihre  Zahl  ist  unermesslich  und 
ihre  Ausrüstung  vorti'efflich,  Weinstock  und  Feigenbaum  haben  sie  kahl 
zurückgelassen.  Es  sind  die  Heuschrecken  gemeint,  sie  heissen  ein  ''l-i  Volk, 
ein  Heidenvolk^  wie  Prv  30  25 f.  die  Ameisen  und  die  Klippdachse  ein  Dj;,  vgl. 
auch  2  2  und  bei  Homer  II.  II  87  469  die  iOvsa  [icXiaadcDv  oder  [xuiawv.  Was 
die  Zahllosigkeit  ihrer  Menge  betrifft,  so  vgl.  Jer  46  23  und  die  Berechnungen 
moderner  Reisender  bei  Driver  (zur  Stelle).  ^?"!JS"^y  in  mein  Land  sind 

sie  eingefallen^  so  spricht  der  Prophet,  aber  nicht  im  eigenen  Namen,  so  dass  es 
etwa  so  viel  hiesse  wie  „in  mein  Vaterland",  da  diese  Auskunft  zu  v.  7  (mein 
Weinstock  und  mein  Feigenbaum)  nicht  Stich  hält,  auch  nicht  im  Namen  der 
Gemeinde  (y.  19  steht  die  Sache  anders,  s.  dort),  sondern  im  Namen  Jahwes; 
denn  des  Propheten  Wort  ist  njn^  11^  y.  i.  Mit  Recht  weist  aber  Merx  auf 
den  unpräcisen  Charakter  in  unserm  Buche  hin,  in  dem  materiell  Jahwe  redet 
und  trotzdem  Jahwe  öfters  in  der  dritten  Person  auch  in  der  Rede  erscheint, 
ja  selbst  als  andrer  Sprecher  eingeführt  wird  z.  B.  2  12.  Zu  ^Tih^  y.  13  s.  die 
Erklärung.  Für   die  zerstörende  Kraft  der  Zähne  der  Heuschrecken 

beweist  der  gewaltige  Schaden,  den  sie  anrichten;  die  Vergleichung  mit  Löwen- 
zähnen ist  darum  nicht  verwunderlich.  HIJ^VnD,  LXX  p-uXai  =  Backzähne, 
steht  immer  parallel  mit  U\W  s.  Prv  30  u  Hi  29  17  Ps  58  7  (hier  transponiert 
nij;n^??).  Vielleicht  ist  mit  Sie^/ers  nach  LXX  bezw.  Symiviachus  Vniy^nDI 
^^'^n'j?,  und  seine  Backzähne  sind  wie  die  eines  Leuen,  zu  lesen.  7  Zu  dem 

Suffix  in  •^iDn  und  ^ni^n  vd.  zu  ^^i^l«  y.  6.  nmh  Db^  ist  stärker  als  blosses 

D^n,  vgl,  dazu  und  überhaupt  zu  y.  7^  Hos  2  14.  ^D^fp'?  ist  unsicher;  wahr- 

scheinlich bedeutet  es  Zerknickung ,  vgl.  LXX  sU  aoYxXaa[x6v  und  s.  ^^J^.  Hos 
10  7.  Trotz  dem  Singularsuffix  und  trotzdem  Xl'^^^!^  sonst  nur  von  den 

Ranken  des  Weinstocks  vorkommt  (Gen  40  10  12),  wird  man  das  Abschälen  und 
Niederlegen  {Hinwerfen),  sowie  das  Weisswerden  der  Zweige  auf  Weinstock 
und  Feigenbaum  zugleich  beziehen  müssen.  Liest  man  mit  Wellh.  und 
NowACK  ^^hyir\\  ^W  ns'^n,  so  ist  der  Suffixlosigkeit  von  'T^'p^ni  abgeholfen  und 
der  Gedanke  noch  besser  ausgedrückt,  dass  die  Heuschrecken  Weinstock  und 
Feigenbaum  kahl  abschälen  und  hinwerfen,  nämlich  die  unessbaren  Fragmente 
von  Rinde  und  Holz,  sowie  auch  kleinere  Zweige  und  junge  i^ste.  Zu  U*'?/'^  = 
weiss  yyerden  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  53  d.  Verwüstungen  durch  Heuschrecken, 


Jo  1  7  120  Jo  1  9 

wie  die  hier  beschriebene,  schildern  ähnlich  Beobachter  aus  alter  Zeit  (z.  B. 
Tacitus  Annal.  15  5)  und  neuere  Reisende. 

8—12  Die  Klage  des  Landes  d.  h.  der  ganzen  Bevölkerung,  weil  infolge 
der  Verwüstung  Speis-  und  Trankopfer  nicht  mehr  dargebracht  werden 
können.  8  *h^  ist  Impera.  fem.  von  T^b^,  wehklagen^  zu  der  Form  vgl. 

Ges.-Kautzsch27  §  631.  Das  Verb  kommt  nur  hier  vor  im  AT  und  ist  ein 
entschiedener  Aramaismus  =  sb^^,  dem  aram.  Äquivalent  für  hebr.  ^''b^^  (vgl. 
Kautzsch  Die  Aramaismen  im  AT  121),  daher  ein  Zeichen  der  späten  Her- 
kunft des  Buches  Jo.  Die  Variante  "^'pDS,  traure^  in  einem  Codex  (nach 
DE  Rossi)  verrät  offenbar  ein  Gefühl  von  dem  Unhebräischen  des  Yerbums 
"^^N.  Es  kann  nur  das  Land  angeredet  sein;  aber  man  vermisst  doch  ungern 
seine  ausdrückliche  Nennung.  Vielleicht  ist  ''^^li^,  mein  Land,  hinter  "h"^  aus- 
gefallen ;  eine  Spur  davon  könnte  in  der  Übersetzung  der  LXX  Opr^vTjOov  irpo;  jxs 
stecken,  wenn  upo;  [xs  auf  ein  zu  "h^  verwischtes  ^!^1i??  zurückzuführen  wäre. 
An  dem  Begriff  nb^il!!,  Jungfr^au,  ist  nicht  herumzudeuten,  dass  daraus  eine 
Junge  Fi' au  wird.  Sobald  eine  Jungfrau  verlobt  ist,  gehört  sie  nach  dem 
israelitischen  Rechte  (vgl.  die  Gesetzesbestimmung  Dtn  22  23-27  mit  Dtn  22  22 
einer-  und  mit  Dtn  22  28  f.  andrerseits)  dem  Verlobten,  der  darum  ihr  bj^?  schon 
vor  der  Hochzeit  ist  und  im  Falle,  dass  sie  sich  jung  verlobte,  T^'^y^V)  ^J?3  ge- 
nannt werden  kann;  vgl.  das  ähnliche  D'^l'iJ^i  i]'h^  Jer  3  4  Prv  2  17.  Dass  aber 
das  AT  von  der  bräutlichen  Liebe  nichts  wisse  und  darum  der  Schmerz  einer 
jugendlichen  Braut  um  den  verlorenen  Bräutigam  als  Ausdruck  des  höchsten 
Schmerzes  kaum  begreiflich  sei  (so  auch  Nowack),  ist  doch  schon  angesichts 
Cnt  8  1  unrichtig.  Also  klagen  soll  das  Land,  wie  eine  junge  Braut  klagt  über 
den  Tod  ihres  geliebten  Bräutigams.  Das  tertium  comparationis  ist  die  Klage 
über  enttäuschte  Hoffnungen:  wie  der  Braut  das  erhoffte  Glück  entschwunden 
ist,  so  sind  die  Erwartungen  des  Landes  auf  einen  reichen  Ertrag  zu  Schanden 
geworden.  Zum  Anlegen  des  p'^  als  Trauerzeichen  vgl.  Am  8  10.  ^J? 

i  ^5^5  ist  besser  nicht  mit  p'^"ni^n,  sondern  mit  einem  virtuell  in  2  von  nV^iiin? 
steckenden  Infin.  ni^^  zu  verbinden:  klage  wie  eine  Jungfrau  klagt  um  den 
Verlobten  ihrer  Jugend,  Als  ein  Landesunglück  ist  der  Ausfall  der 

gesamten  Ernte  zu  beklagen,  besonders  weil  9  nun  das  Material  zu  Speis-  und 
Trankopfer  fehlt;  da  diese  nämlich  eine  regelmässige  und  notwendige  Be- 
gleitung des  Thamid  d.  h.  des  täglichen  Morgen-  und  Abendbrandopfers  sind 
(Ex  29  38-42  Num  28  4-8),  kann  auch  dies  nicht  in  Ordnung  dargebracht  werden 
und  ist  darum  der  ganze  Kultus  in  Frage  gestellt.  Man  sieht,  wie  diese 
Wertung  des  Opfers,  über  das  die  Propheten  vor  dem  Exil  ganz  anders  urteilen 
Am  5  21  ff.  Hos  6  6  8  13  Jes  1  10-17  Jer  7,  uns  in  die  durch  den  PC  geordnete 
nachexilische  Gemeinde  führt,  für  die  der  Kultus  im  Tempel  zu  Jerusalem  die 
wichtigste  Angelegenheit  ist;  man  sieht  aber  auch,  dass  Joel  nicht  in  die  Reihe 
der  vorexilischen  Propheten  gehört.  nn^p  hat  hier  neben  "^JD^,  Trankopfer, 
sicher  nicht  mehr  den  alten  Sinn  von  Gabe  und  Opfer  überhaupt,  sondern  ist 
term.  techn.  für  Speisopfer.  Zur  Mincha  war  Getreide,  zum  Nesek  Wein, 
und  Ol  erforderlich,  vgl.  v.  10  und  s.  Lev  2.  T\)i]\  n"»?  ist  der  Tempel  in 

Jerusalem:  dass  auch  anderswo  Opfer  Jahwe  dargebracht  werden  könnten, 


Jo  1  9  121  Jo  110 

ist  keine  Frage  melir;  die  Zeiten  vor  dem  Exil,  in  denen  man  im  ganzen  Lande 
opfern  durfte,  gehören  einer  weit  zurückliegenden  Periode  an.  I^'ür  '^H^ti^O 

nin*'  ist  durcliLXX  nstö  TiII^^ID  bezeugt  und  hier  herzustellen  (Mebx.Holzinger, 
Nowack),  vgl.  auch  v.  13;  hier  ])asst  es  besonders  gut,  da  von  dem  Dienst  am 
Altar  beim  Darbringen  der  Opfer  die  Kede  ist.  Das  Verb  ni!^  kommt  schon 
in  älterer  Zeit  vor  von  den  Dienstleistungen  eines  Untergebenen  gegen  seinen 
Vorgesetzten  vgl.  Gen  39  4  40  4,  später  von  Dtn  und  Hes  an  ist  es  besonders 
gerne  vom  Bedienen  im  kultischen  Sinne,  von  dem  Verrichten  der  priester- 
lichen Funktionen  gebraucht,  wie  hier.  Es  hat  also  eine  engere  und  speziellere 
Bedeutung  als  T^j;  und  bezeichnet  das  Administrieren  beim  Kultus  (vgl. 
HoLziNGER  ZATW  1889,  101—104).  Für  welch  ein  Unglück  man  in  der 

spätjüdischen  Zeit  das  Aufhören  des  Thamid  ansah,  lernt  man  auch  aus  Dan 
8  n  11  31  12  11  und  Josephtjs  bell.  jud.  VI  2  i.  10  Der  Grund  der  Ein- 

stellung des  Opfers  ist  eben  die  Verwüstung  des  Feldes.  Die  Paronomasieen 
zwischen  llti^  und  Hlti^,  nb^S  und  HD^t^,  ti^'^'^IH  und  ti^lTH  sind  nicht  zu  verkennen. 
n"l\^  bedeutet  das  freie  Feld  im  Gegensatz  zu  der  Stadt,  HDI«  den  zum  Acker- 

VT  O  'TT-: 

bau  verwendeten  kultivierten  Teil  desselben.  Das  Land  ist  personifiziert,  es 
trauert  vgl.  Am  1  2,  wie  es  jauchzt  und  jubelt,  wenn  es  voll  Früchte  steht  Ps 
65  12-14.  Unter  der  Verwüstung  haben  vor  allem  gelitten  die  drei  Haupt- 

pro'dukte  des  Landes  Korn^  Most  und  Öl^  die  gerade  auch  zum  Opfer  nötig 
waren;  vgl.  über  diese  Produkte  zu  Hos  2  lo.  ti^'''5in  wird  hier,  wie  im 

folgenden  überall,  nicht  von  ti^5^  sondern  als  metaplastisches  Hiph.  von  ti'D, 
sich  schämen y  abzuleiten  sein,  also  Beschämung  erleiden  bedeuten,  was  bei 
Personen  den  Sinn  von  bestürzt  dastehen^  bei  Dingen  den  von  fehlschlagen^ 
missraten  y  hat.  Also  lautet  v.  lo'^:  Denn  das  Korn  ist  vericüstet^  der  Most 
missraten ^  das  Öl  verwelkt.  llf.  ist  nicht  ein  neuer  Absatz  mit  neuer 

Aufforderung  zur  Klage,  sondern  besser  Fortsetzung  der  Schilderung  der 
traurigen  Lage;  man  fasse  also  W'^'y^^  und  ^h'h^T]  als  Perf.,  nicht  als  Impera. 
Die  Lieferanten  des  auch  für  den  Kultus  notwendigen  Korns ,  Weins  und  Öls 
sind  bestürzt,  weil  die  Gewächse,  aus  denen  sie  diese  Produkte  ziehen,  ver- 
nichtet sind.  Für  D^'piä,  Win%er^  genauer  Wein-  und  Oliv  eng  artenpflan%er  ^  hat 
man  nicht  mit  Nowack  D*""!?):»,  Schnitter^  zu  lesen.  Vor  Ht^H'^j;  ist  eine  Pause 
zu  machen  und  von  da  bis  zu  Ende  von  y.  ii  wird  die  Bestürzung  der  D''1^^^, 
Ackersleute ,  begründet,  s.  die  ähnliche  Konstruktion  von  y.  5'\  Den  Grund 
der  Klage  der  D^piä  bringt  in  andrer  Konstruktion  (statt  'i:i1  r^''?in  '^?  ]D5n"'?j;) 
erst  12.  In  der  Aufzählung  der  Bäume  vermisst  man  den  Ölbaum,  dafür 

werden  neben  dem  y.  7  schon  erwähnten  Feigenbaum  noch  ]1)21,  Granatapfel- 
baumy  IDH,  Palme y  und  n^Dri,  Apfelbaum^  aufgeführt,  von  denen  der  letztere 
nur  in  späteren  Büchern  des  AT  erscheint  (ausser  hier  noch  Prv  25  ii  und 
Cnt  2  3  5  7  9  8  5).  D?  steht  hier  nicht  steigernd  =  sogar,   sondern  als 

Ersatz  für  das  gewöhnliche  1  =  auch,  dazu,  TVl^Ti  "^^V'b'Ii^  das,  weil  es 

ohne  ]  steht,  nicht  „alle  übrigen  Bäume  des  Feldes"  übersetzt  werden  darf, 
greift  über  die  vorhergehende  Aufzählung  hinaus  und  scheint  daher  aus  Y.  20 
eingedrungen  zu  sein.  ''?,  zusammenfassend  und  weiterführend,  entspricht 

unserem  ja  oder  mit  einem   Wort  und  leitet  das  abschliessende  Sätzchen  ein, 


Jo  1  12  122  Jo  114 

das  die  Summe  zieht  aus  der  vorangehenden  Darlegung:  Allgemeine  Freud- 
losigkeit ist  die  Folge  der  Landesverwüstung.  li^^aljl  mit  folg.  ]p  ist 
jjrägnante  Konstruktion:  beschämt  ist  die  Freude  (hier  personificiert  gedacht) 
und  gewichen  weg  von  den  Menschen,  zu  Schanden  geworden  meidet  sie  die 
Menschen.  Wo  die  Ernte  fehlt,  ist  es  mit  der  Freude  aus  (vgl.  Jes  9  2  16  lo) 
und  was  die  Trauer  für  Joel  so  bitter  macht,  kein  rechter  Kultus  mehr  möglich, 
s.  auch  V.  16. 

13—20  Die  Aufforderung  zur  Abhaltung  eines  allgemeinen  Fast-  und  Bet- 
tages, um  Jahwe  um  Erbarmen  anzuflehen.  Die  genaueste  und  beste  Parallele  zum 
Verständnis  der  Veranstaltung  eines  solchen  Busstages  bietet  Jon  3  5-9.  Wie  dort  von 
dem  ninivitiscben  Könige  wird  der  Eusstag  auch  hier  von  der  Obrigkeit  d.  h.  von  den 
Priestern  angeordnet.  Das  ist  überhaupt  die  Regel  bei  ausserordentlichen  öffentlichen 
Busstagen  vgl.  I  Eeg  21  9  12  Jer  36  9.  Dass  das  Fasten  an  solch  einem  Busstage  nicht 
fehlen  durfte,  versteht  sich  von  selbst,  auch  am  grossen  Versöhnungstag  ist  es  officiell 
(Lev  16  29),  darum  er  ja  auch  Act  27  9  if]  vrj'dTsia  heisst.  Das  Fasten,  ursprünglich  eine 
Vorbereitung  auf  den  sacramentaien  Genuss  von  heiligem  Fleisch,  ist  mit  der  Zeit  als 
wirksames  Mittel  zur  Unterstützung  des  Gebetes,  besonders  wenn  Gottes  Milde  und  Er- 
barmen angefleht  wird,  üblich  geworden,  vgl.  z.  B.  Neh  9  1  Dan  9  3,  ferner  s.  2  13f.  und 
zu  Jes  1  13. 

13  Die  Priester  als  die  Leiter  des  Volkes  und  die  durch  die  Einstellung 
des  Kultus  zunächst  Betroffenen  haben  an  der  Spitze  des  ganzen  Volkes  um 
Erbarmen  zu  flehen.  n^H,  legt  an,  steht  hier  absolut,  das  nach  dem  Zu- 

sammenhang selbstverständliche  Objekt  ist  p"^  vgl.  v.  8  und  Jes  32  ii;  denn  es 
handelt  sich  um  Trauer  und  Klasre.  XSZ\^  Tilti^»  vel.  zu  y.  9.  Auch 

während  der  Nacht  sollen  sie  im  Trauergewande  bleiben  zum  Zeichen  ernst- 
lichster Busse,  vgl.  I  Reg  21  27.  Statt  ^^^«  'D  ist  mit  Meex  nach  LXX 
D%n'bi<  ö  zu  lesen;  der  Gegensatz  zwischen  ^'^'^^^  und  D5^'^^^5  ist  hier  in  jeder 
Hinsicht  falsch,  ob  der  Prophet  nun  im  eigenen  Namen  oder  in  dem  der  Ge- 
meinde reden  sollte,  und  erst  recht  unmöglich,  wenn  er  hier  wie  sonst  im 
Namen  Gottes  spricht,  vgl.  zu  ''^IN  y.  6.  \"l'^«  ist  unrichtige  Lesung  der  Ab- 
kürzung '\n^«  oder  'n^«.  Zu  j;;?^;  vgl.  das  gleichbedeutende  mip;  y.  5  und 
zum  ganzen  y.  is^  die  Aussage  y.  9^  14  Di:?  ^tT'lp,  heiliget  ein  Fasten,  ist 
soYiel  wie  veranstaltet  ein  heiliges  Fasten,  vgl.  das  ähnliche  Hönbl?  ty^.p  =  die  zum 
Anfang  des  Krieges  nötigen  kultischen  Ceremonien  vornehmen.  BeimFasten  be- 
durfte es  aber  schwerlich  noch  besondrer  ceremonieller  Weihen,  um  es  zu  be- 
ginnen, es  sollte  ja  gerade  dem  Gebete  die  rechte  Weihe  und  Kraft  verleihen,  vgl. 
die  Vorbem.  zu  y.  13-20;  der  Sinn  Yon  ti^^l|5  ist  hier  also  abgeschw^ächt.  Hl?? 
steht  hier  im  Sinne  Yon  t^lp  ^^Ijpp,  woran  auch  das  Verb  ^^<*]p  erinnert ;  anders 
ist  es  gebraucht  Am  5  21  und  Jes  1  13  (s.  dazu).  D^^^pt  ist  hier  auf  keine 
Weise,  weder  als  Anrede,  noch  als  Objekt  gefasst,  zu  halten;  sie  sind  nicht  die 
Anordner  des  Busstages,  sondern  die  Priester,  aber  auch  nicht  die  besonders 
Einberufenen,  da  sie  in  dem  unvermittelt  folgenden  pSH  ^"^^V^  ^2  schon  in- 
begriffen sind.  D'^^p]  ist  ein  Einschub,  für  den  man  2  I6  zum  Vorbild  nahm,  s. 
noch  zu  Y.  2  und  vgl.  auch  Wellh.,  Nowack.  Dagegen  ist  nun  nicht  mit 
Wellh.  ^öD«n,  versammelt  euch,  für  ^DD«  zu  lesen.  Die  Priester  sind  die  An- 
geredeten, sie  sind  es,  die  das  Volk  einberufen,  und  sie  sprechen  ganz  wie  2  17, 
im  Namen  des  versammelten  Volkes  das   folgende  Gebet  (so  auch  Meex). 


Jo  1  14  123  Job  1  17 

Am  Scliluss  von  v.  u  ist  1b«'?  für  den  Sinn  zu  supplieron;  Pesch.  liat  das 
richtig  aufgeiasst  und  zum  leichteren  Verständnis  o^iolo  hinzugefügt. 

15—20  Das  (iebel,  gesi)rochen  im  Namen  des  Volkes  von  den  Priestern; 
V.  15  ist  nicht  ein  Angstschrei  des  Propheten  und  v.  lefl'.  sind  nicht  eine  neue 
Schilderung  der  Not,  die  der  Prophet  giebt.  Die  l^-iester  sind  die  Redenden; 
aber  allerdings  der  Prophet  sagt  ihnen,  was  sie  beten  sollen.  Wir  vernehmen 
daraus  das  wichtige  Neue,  dass  die  von  den  Heuschrecken  herbeigeführte 
Kalamität  als  der  unmittelbare  Vorbote  einer  noch  viel  grösseren  Kalamität, 
nämlich  des  grossen  „Tages  Jahwes",  angesehen  wurde.  15  ist  ganz  aus 

Eeminiscenzen  zusammengesetzt:  v.  15^  =  Hes  30  2'^P,  da  das  dortige  nn  nichts 
anderes  ist  als  unser  nn«  ach,  wehe;  v.  15^^  =  Jes  13  6  (s.  zu  der  Stelle).  Der  Tag, 
über  den  v.  i5^  Klage  und  Entsetzen  ausdrückt,  wird  v.  15*'  als  Tag  Jahwes 
bezeichnet  und  als  gewaltiger  Gerichtstag  bestimmt.  Über  die  alte  Bedeutung 
des  Tages  Jahwes  s.  Am  5  18,  ebendort  s.  auch,  wie  Amos  seine  Bedeutung 
umprägt;  für  Jo  ist  er  ein  längst  fester  Begriff,  so  dass  er  auch  in  der  Anrede 
an  Jahwe  nicht  auffallen  kann,  er  bezeichnet  auch  nicht  mehr  wie  bei  Amos 
den  Tag,  da  Jahw^e  die  Israeliten  durch  die  Assyrer  straft,  sondern  den  Tag 
des  Weltgerichts  über  Israel  und  die  Heiden,  vgl.  noch  2  ii  3  4.  '•'n^p  "It!^3 

Nin;,  er  ist  wie  Gewalt,  die  vom  Gewaltigen  kommt  (vgl.  Jes  13  6)  ist  eine  sprich- 
wörtliche Redensart,  die  wahrscheinlich  weniger  specifisch  israelitisch  ist  als 
n\'l'^«  n^sniDS,  s.  zu  Am4ii.  Die  Paronomasie  von  1t^  und  "«T^  leitet  beide 
Wörter  von  demselben  Etymon  TW  ab:  eine  Überwältigung,  wde  sie  dem 
Übergewaltigen  entspricht;  das  kann  für  die  Herkunft  von  ^"1^  nicht  entscheiden. 
Es  wird  dem  ''"1^  ein  alter  semitischer  Grottesname  zu  Grunde  liegen.  ^Nöldeke 
(ZDMG  1886  735f.)  und  Hoefmann  (Phöniz.  Inschr.  53)  dachten  an  Verwandt- 
schaft mit  lü  (=  Dämon),  Zij^oiern  (KAT^  358)  hält  dagegen  einen  Zusammen- 
hang mit  assyr.  sadit^  das  als  Bezeichnung  babylonischer  Götter  vorkommt, 
für  mödich.  Die  iinderuno^  von  ^"ti^ö  in  ^«Vöti^'^  wie  ein  verheerender  Über- 
fall  durch  „Ismaeliten"  (so  Cheyne  Grit.  Bibl.  I  22  und  Encycl.  Bibl.  Art. 
Shaddai)  ist  unnötig  und  nicht  glücklich.  Die  Befürchtung,  dass  der 

Tag  Jahwes  bereits  angebrochen  sei  oder  doch  unmittelbar  bevorstehe,  wird 
durch  die  schreckliche  Not  erweckt,  die  16 ff.  von  neuem  beschrieben 

wird.  Ohne  etwas  dagegen  thun  zu  können,  mussten  sie  zusehen,  wie  ihnen  die 
Nahrung  entzogen  wurde.  Die  Ernte  ist  verloren  und  so  hat  es  ein  Ende  mit 
dem  Kultus,  ganz  besonders  mit  dem  Freudenjubel  beim  frohen  Erntefest,  vgh 
V.  12.  17  Alle  Hilfsmittel  zum  eigenen  Unterhalt,  wie  zum  Unterhalt  des 

Kultus  fehlen;  das  wird  der  Sinn  sein,  den  v.  17  im  allgemeinen  hat.  Ausser- 
ordentlich schwierig  ist  aber  der  Anfang;  denn  unter  den  vier  ersten  Wörtern 
finden  sich  drei  aTra;  XsYojxsva.  Gewöhnlich  erklärt  man  ^t^^nj;  nach  einem  ent- 
sprechenden arab.  Verb,  äbisa  =  einschrumpfen,  T\Vr\B  nach  dem  ,syr.  1?;^, 
U'^  =  Korn,  Saatkorn,  und  schliesslich  nimmt  man  mit  Ibn  Ezra  und  David 
KiMCHi  ohne  eine  einleuchtende  Ableitung  von  ^IJ,  fegen,  kehren,^üv  nD"J5D 
die  Bedeutung  Erdscholle  an,  sodass  übersetzt  wird:  Eingeschrumpft  sind  die 
Saatkörner  unter  ihren  Schollen.  Es  wäre  dann  hier  auf  die  regelmässig  ein- 
tretende  Begleiterscheinung    einer    gewaltigen  Heuschreckenplage,  nämlich 


Jo  1  17  124  Jo  1  18 

auf  die  Dürre,  hingewiesen,  wie  dies  auch  nachher  v.  19  geschieht;  vgl.  Am  7  i  4. 
Allenfalls  kann  dies  der  Sinn  sein,  obschon  die  a-na^  \o^Q\izvaL  Bedenken  er- 
wecken und  es  einem  nicht  recht  wohl  ist  bei  dem  „Verschrumpfen  der  Saat- 
körner unter  den  Schollen''.  Man  hat  darum  auch  schon  anders  sich  zu  helfen 
versucht,  so  will  Riedel  (StK  1903)  übersetzen:  Staubig  geworden  sind  die 
Körner  unter  ihren  Besen;  nD^iiJD  =  Besen  hat  allerdings  mehr  für  sich  als 
nD"i:iö=  Scholle,  vd.  neuhebr.  ^i:r:5,  "n^^yCi,  n^DlI^D  bei  Dalman  Aram.-neuhebr. 
Wörterbuch;  ob  aber  das  „Verstaubt  werden  unter  den  Besen"  annehmbarer 
ist  als  das  „Verschrumpfen  unter  den  Schollen",  ist  sehr  zu  bezweifeln.  Sieht 
man  sich  somit  genötigt^  den  Text  für  beschädigt  zu  halten,  so  ist  der  einzig 
rationelle  Weg  der,  den  Merx  eingeschlagen  hat,  nämlich  auf  LXX  zurück- 
zugehen. Dort  steht  nun  eaxipxYjaav  oaaaXsi;  kizi  zaXc,  cpaivaig  auTwv,  was  nach 
Merx  hebräischem  DiTrtlt^ ...?..  .illlD  W^  entspricht  und  zu  übersetzen  ist: 

•!         '•  i     \  TT  J.  ,  , 

„es  stampfen  die  Rinder  über  ihren  Krippen".  Die  Ähnlichkeit  der  beiden 
Texte  ist  abgesehen  von  D  nnn  deutlich;  aber  eine  Bemerkung  über  die  Rinder 
ist  hier  nicht  am  Platze^  da  von  ihnen  v.  is  nochmals  die  Rede  ist.  Es  genügt 
also  nicht,  einfach  den  LXX-Text  aufzunehmen;  der  hebr.  Text,  den  LXX 
vor  Augen  hatte,  war  offenbar  schon  verwischt  und  entstellt,  auch  war  das 
Sätzchen  wohl  in  einer  Abschrift  vergessen  gewesen,  dann  am  Rande  nach- 
getragen und  schliesslich  bei  neuer  Abschrift  an  falscher  Stelle  in  den  Text 
geraten;  vgl.  noch  bei  y.  18.  Der  Rest  von  y.  17  ist  verständlicher,  nur 

darf  man  nicht  mit  Meex  aus  dem  Xr^voi  der  LXX  schliessen,  dass  Hin^  für 
nii;i[)?l?]  zu  setzen  und  nachher  eine  Aussage  über  das  Missraten  von  Wein 
und  Ol  ausgefallen  sei;  denn  Xyjvo;  bedeutet  nicht  nur  Kelter,  sondern  Trog 
überhaupt  vgl.  Gen  30  38  4i  (selbst  Backtrog).  Da  zu  ^Din^  Backtröge  nicht 
besonders  passen,  wird  man  nicht  nillj^p  vermuten,  sondern  sich  bei  nil^ö 
(ohne  ein  zweites  t3,  das  falsche  Dittographie  ist)  beruhigen  können,  zumal  HI^IlD 
=  Yorratskammer ,  Behälter ,  wenn  nicht  durch  Hg  2  19,  so  doch  durch  das 
Neuhebr.  sicher  gestellt  ist  und  zu  dem  parallelen  illl^l^^  vortrefflich  passt. 
Unter  beiden  darf  man  sich  nicht  grosse  Scheunen  und  Kornspeicher  vorstellen, 
sondern  viel  bescheidenere  Vorratskammern  und  Behälter;  diese  stehen  leer  und 
sind  zerfallen,  weil  das  Getreide  missraten  ist  und  kein  Grund,  sie  in  Ordnung 
zu  bringen,  Yorgelegen  hat.  18  Die  drei  ersten  Wörter  sind  mit  Meex  u.  a. 
nach  LXX  zu  verbessern,  da  die  Aussage  „wie  seufzt  das  Vieh?"  den  Tieren 
ein  sonderbares  Prädikat  beilegte  und  auch  unklar  bliebe,  was  unter  njpnis  zu 
verstehen  wäre,  ob  alle  Tiere  oder  blos  die  Rinder,  Schafe  und  Ziegen  gemeint 
seien.  LXX  bietet:  xt  diroÖTjaojisv  eaüiotc;  (lies:  sv  auxol;);  also  las  sie:  nn?5  HD 
nisn^j  y^cLS  sollen  wir  in  sie  legen?  Diese  Frage  kann  sich  an  die  Aussage 
über  die  zerfallenen  leeren  Speicher  anschliessen;  das  Suffix  in  HISH^  bezieht  sich 
dann  auf  ni1^«  und  nli:iD  y.  17.    Da  aber  immerhin  das  Zwischensätzchen 

T  ■•.    I 

\T\  t^'^nil  ^2  unangenehm  Suffix  und  Nomen  trennt  und  nach  demselben  die 
Frage  sehr  schwach  klingt,  so  ist  zu  vermuten,  dass  an  die  Spitze  Yon  y.  i8  der 
Anfang  von  y.  i7  in  der  von  Meex  verbesserten  Gestalt  oder  in  der  noch 
weitergehenden  Änderung  DH^rtns-^j;  [PnniD]  nn"lD  W^y\r\  gehört;  denn  dann 
handelt  es  sich  bei  njsn^  um  die  Krippen  und  der  Sinn  ist:  enttäuscht  stehen 


Jo  1  18  125  Jo  2  1 

die  MimUicre  hei  Ihren  Kripium;  vhih  HoUen  wir  in  sie  legend  \ViZ\\  (für  W"^  ^[S''?] 
der  LXX  und  ^C^3j;  des  MT)  stösst  sich  hier  so  weni^'  mit  vorangehendem  t^'^nin 
wie  in  v.  lof.  Statt  ni"lD  (TjXX)  dürfte  sich  nach  M'J'  die  Lesung  nillD  oder 
D^niD,  Mmdtiere,  empfehlen,  da  sonst  die  Rinder  zweimal  erscheinen  (vgl.  fol- 
gendes IJJin)  und  bei  Maultieren  Stallfütterung  nicht  auffällt  (I  Reg  18  5,  vgl. 
auch  Jes  1  3).  ^jij  (Niph.  von  ^Uj  ist  durch  Est  3  15  in  der  guten  Bedeu- 

tung verwirrt,  hesli'trzt  sein  gesichert  (vgl.  auch  Ex  14  3);  das  von  Mekx  nach 
dem  sxXaoaav  der  LXX  (OS  iür  Oi^)  adoptierte  Weinen  der  Rinder  wird  doch 
gerade  so  verwerflich  sein  wie  das  Seufzen  des  Viehs  des  MT  v.  18'*.  Der 

Grund  der  Bestürzung  der  Rinderherden:  Dnb  nj;ip  \)^  ^^  ist  nicht  mit  Sieveks 
als  prosaisches  Einschiebsel  zu  verdächtigen;  Joel  liebt  es,  immer  und  immer 
wieder  die  Verwüstung  des  Landes  ausdrücklich  hervorzuheben,  vgl.  die  Sätz- 
chen mit ''?  V.  17  19  20.  Ganz  anders  steht  es  bei  einem  Dichter  wie  Jeremia, 
vgl.  zu  Jer  14  5  6.  Für  ^ö^^J?  Missen,  das  sehr  wenig  hierher  passt,  ist  nach 
LXX  (rjcpavto&Tiaav)  mit  Merx,  Wellh.  u.  a.  ^Äli^J,  sie  sind  verwüstet,  in  trost- 
losem Zustande,  zu  lesen;  vgl.  auch  das  unrichtige  S  in  HHiSj  und  s.  ebenso  D^« 
für  DDti^  z.  B.  Hos  14  1  etc.  Auch  die  Schafherden,  die  mit  der  dürfti^^sten 
Nahrung  auskommen,  können  nicht  mehr  durchgebracht  werden.  19  Die 

Priester  reden  im  Namen  des  Volkes  (s.  Vorbem.  zu  v.  15-20)  in  der  1.  Pers. 
Sijig.  „wie  der  Chor  der  griechischen  Tragödie"  (Mebx),  wenn  nicht  am  Ende 
besser  entsprechend  U'^yj;  und  ^i\'l'^S*  y.  16  und  nn^5  v.  I8  gerade7u  Nljp;  herzu- 
stellen ist.  ti^{5  ^11  d.  T\yrb^,  Feuer  und  Flamme,  bezeichnen  bildlich  die  Kitze 
und  Dürre,  welche  die  Heuschreckenplage  begleiten  (vgl.  y.  12).  20  Die 

Not  ist  so  gross,  dass  selbst  die  wilden  Tiere  (nicht  nur  die  zahmen  y.  17  f.)  zu 
Jahwe  schreien;  vgl.  zu  H'li^n,  sich  empor  strecken,  sich  sehnen,  LXX:  av£j3A£']>a  ^ 
Ps  42  2.  Der  Sing.  fem.  T^"^^  nach  dem  plural.  Subj.  ist  möglich,  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27  §  145k,  doch  kann  mit  Nowack  der  Singul.  riJ^nn  gelesen  werden. 
D'.D  •'i^'^DIS  vgl.  ebenfalls  Ps  42  2.  Ob  nicht  das  mit  y.  19^^°^  identische  Schluss- 
sätzchen  zu  streichen  sei,  lässt  sich  jedenfalls  fragen,  bes.  da  wenigstens  nicht 
alle  walden  Raubtiere  das  Verdorren  der  Weide,  sondern  das  Versiegen  der 
Bäche  plagt. 

2  i-ir  Dringende  Aufforderung  zur  Beschleunigung  der  Einberufung  der  ge- 
samten Bevölkerung  in  den  Tempel:  Jetzt  ist  es  noch  Zeit,  aber  Gefahr  ist  im 
Verzug;  denn  die  Vorboten  des  Tages  Jahwes  sind  schon  da,  aber  immerhin  ist  es 
möglich,  dass  sich  Jahwe  durch  Busse  und  Fasten  erweichen  lässt  und  das  End- 
gericht aufschiebt. 

1  2^°^  (bis  ^S'JX^l)  Aufforderung,  die  Bevölkerung  zu  alarmieren, 
da  der  Tag  Jahwes  unmittelbar  bevorsteht.  Die  Worte  y.  1  2^  ge- 
hören nicht  mehr  zum  Gebet  1 15-20,  wie  Merx  annimmt,  sondern  es  spricht 
der  Prophet  und  zwar,  wie  •»^'"jjj  nn  mit  dem  Suff,  der  1.  Pers.  zeigt,  im  Namen 
Jahwes  (vgl.  1  6  zu  ^^"|if?).  Bei  der  unpräcisen  Art  Joels  kann*  die  Verwendung 
Jahwes  statt  des  Suff,  der  1.  Pers.  in  dem  zum  festen  term.  techn.  gewordenen 
njiT  DV  hiergegen  nicht  ins  Feld  geführt  werden,  vgl.  auch  1  15.  Angeredet 
sind  die,  welche  das  Amt  des  Posaunenblasens  hatten,  es  sind  die  Priester,  die 
Leiter  des  Volkes,  die  die  Gemeinde  zusammenberufen.    Sie  sollen  jetzt  zu  un- 


Jo  2  1  126  Jo  2  2 

gewohnter  Zeit  das  Zeichen  geben.  Posaunenblasen  und  Lärmschlagen  OV^'in) 
sind  militärische  Signale  (vgl.  Am  3  6  und  Hos  5  8  Num  10  9),  wenn  sie  w^ohl 
auch  im  Kultus  Verwendung  gefunden  haben,  vgl.  Lev  23  24  25  9  Ex  19  16 
Num  10  1-10;  hier  schimmert  der  militärische  Anstrich  noch  durch,  denn  es 
handelt  sich  um  schwere  Gefahr  und  die  Vorboten  derselben,  die  Heuschrecken, 
werden  im  folgenden  als  ein  grosses  ins  Land  eingefallenes  Kriegsheer  ge- 
schildert. ^t^T,  es  sollen  erbittern,  zusammenfahren  alle  Bewohner  des 
Landes:  das  Gebiet  kann  nicht  gross  sein,  wenn  das  Signal  von  Zion  im  ganzen 
Lande  gehört  wird,  offenbar  wird  es  von  Station  zu  Station  weitergegeben. 
Das  Zittern  ist  die  Folge  des  Alarms,  vgl.  auch  Am  3  6  Ex  19  16  (beidemal 
nnn  =  01).  2^°'  ist  das  Subj.  zu  ^IIJJ  *>?,  die  Trennung  der  Verse  also  ver- 
fehlt. Das  Original  zu  v.  i''  2^^*  liegt  Zph  1  I4f.  vor,  vgl.  auch  Hes  34  12;  in  letzter 
Linie  geht  die  Schilderung  des  Tages  Jahwes  als  eines  Tages  der  Dunkelheit 
und  Finsternis  auf  Am  5  18  zurück,  s.  auch  oben  zu  1  15. 

2^!^(von  in^'?  an)— 11  Erneute  Schilderung  der  eingetretenen  Not. 
Es  ist  nicht  nur  eine  Parallele  der  bereits  in  Cap.  1  gegebenen  Beschreibung,  sondern  eine 
dem  Fortschritt  der  inzwischen  gewachsenen  Not  entsprechende  Steigerung.  So  führen 
uns  V.  2^S^-il  im  Verlauf  der  vom  Dichter  lebendig  vergegenwärtigten  Not  eine  Etappe 
weiter  als  Cap.  1.  Schon  1  15  äussert  die  Gemeinde  im  Gebet  die  Besorgnis,  die  Heu- 
schrecken könnten  die  Vorboten  des  Tages  Jahwes  sein,  hier  werden  sie  nun  vom  Pro- 
pheten als  solche  bestimmt  gezeichnet  (vgl.  bes.  2  11).  Die  Not  ist  aufs  höchste  gestiegen 
und  die  Kraft  und  Macht  der  Yerwüster  unwiderstehlich,  schon  sind  sie  nicht  mehr  bloss 
im  freien  Felde,  sondern  auch  in  die  Stadt  eingedrungen.  Die  Schilderung  beruht  auf 
richtiger  Beobachtung,  immerhin  mischen  sich  in  dieselbe  auch  der  Phantasie  entnommene 
Züge,  weil  der  Prophet  in  den  Heuschrecken  eben  mehr  als  blosse  Heuschrecken,  nämlich 
auch  die  von  Jahwe  gesandten  Vorboten  des  Gerichts  und  die  Vollstrecker  des  göttUchen 
Willens  sieht.  „Apokalyptische"  Heuschrecken  sind  sie  aber  weder  im  Sinne  von  Apk 
Joh  9  3-11,  noch  in  dem  von  Merx,  der  in  der  Schilderung  eine  Allegorie  und  in  den  Heu- 
schrecken nur  Bilder  für  Kriegsheere,  nämlich  für  die  apokalyptischen  Nordvölker  Hes  38 f. 
sieht.  Joel  redet  von  wirklichen  Heuschrecken  und  einer  wirklichen  Heuschreckenplage. 
Es  wäre  doch  ganz  ungereimt,  wenn  Joel  mit  den  Heuschrecken  Krieger  und  Reiter 
meinte  und  dann  als  Bild  für  das  Bild  (die  Heuschrecken)  die  Abgebildeten  (Rosse  und 
Reiter)  brauchte  v.  4  7.  Das  Hesse  sich  auch  nicht  mit  der  unpräcisen  Art  Joels  verteidigen. 
Umgekehrt  ist  es  vielmehr  ein  treffliches  Bild,  wenn  er  die  wirklichen  Heuschrecken  mit 
einem  unwiderstehlich  vordringenden  Kriegsheer  vergleicht. 

2aßb  ^i^  Morgenrot  ist  ausgebreitet  über  den  Bergen  ein  gross  und  zahl- 
reich Volk  U.S.W,  schildert,  wie  ein  herankommender  Heuschreckenschwarm 
zuerst  sichtbar  wird.  Der  helle  Schein  der  von  den  Flügeln  der  Heuschrecken 
zurückprallenden  Sonnenstrahlen  ist  schon  oft  beobachtet  worden  (s.  Belege 
bei  Ckedner  274),  der  Vergleich  mit  dem  Morgenrot  darf  nicht  dahin  aus- 
gedeutet werden,  dass  auch  die  Heuschrecken  nur  von  Osten  kommen  konnten. 
b^lD  ist  nicht  Attribut  zu  in^,  sondern  Prädikat  zu  Dj;;  Athnach  steht  daher 
unrichtig  bei  nnnn.  Über  Dj;  vgl.  zu  M-l  1  6;  rir:i)l\  ^*1  °5?  s.  auch  Ex  1  9 

Dtn  7  1.  Zu  der  Hervorhebung   seiner  Einzigartigkeit   'IJll   ^nbS  vgl. 

Ex  10  14^,  welche  Stelle  schon  zeigt,  dass  man  den  Verf.  nicht  beim  Wort 
nehmen  darf  und  dass  er  nur  die  von  ihm  erlebte  Heuschreckenverheerung  als 
eine  ganz  ausserordentliche  bezeichnen  will.  Für  ^DV  1.  ^pi\  die  Schrei- 

bung als  Jussiv,  der  unmöglich  ist,  beruht  wohl  nur  auf  Verkennung  der 


Jo  2  2  127  Jo  2  7 

Defektiv-Sclneibung,  s.  Ges.-Kautzscu'^^  5^109(1;  zu  (^r^^ilnzen  ist  natürlich 
r\Vr\b.  3  Die  Verheerung",  die  die  Heuschrecken  anrichten.    Zu  Feuer  und 

Flamme  als  Begleiterscheinung  der  Heuschreckenplage  s.  1  i9.  Der  Garten 
Eden  nur  noch  Hes  36  35,  vgl.  \)V^  ]?  Gen  2  8;  ähnlich  ist  der  Garten  Jahwes 
Gen  13  lo  Jes  51  w  (in  Parallele  dazu  ]1I?),  vgl.  noch  die  Bäume  Edens  Hes  31  9 
16  18.  ni:)öl2^  "linntt  vgl.  4  19  Jer  12  10.  '\b  kann  sich  nur  auf  nn  üj;  be- 

ziehen,  gerade  wie  V^D^  und  V"ins,  es  bedeutet  aber  nicht  für  ihn^  sondern  hei 
ihm.  P>ei  diesem  Dj;  und  seiner  Vollstreckung  des  Gerichts  gab  es  keine  nü*bD; 
vgl.  zu  dem  term.  techn.  nrj^^D  =  die  dem  Gericht  Entronnenen  3  5  Ob  v.  17 
Jes  4  2.  Auch  die  Schilderung  von  v.  3  ist  naturgetreu:  wo  ein  Heuschrecken- 
schwarm  sich  niederlässb,  da  verschwindet  die  ganze  Vegetation;  vgl.  ferner 
Ex  10  15.  4—9  Die  unaufhaltsame  Vorwärtsbewegung  der  Heuschrecken, 

die  der  eines  mächtigen  Heeres  gleicht.  4  An  Gestalt  und  Schnelligkeit 

gleichen  sie  flössen  und  Keitern,  vgl.  auch  unsern  Ausdruck  „Heupferd*'  und 
Hi  39  20  die  umgekehrte  Vergleichung  des  Pferdes  mit  der  Heuschrecke. 
Warum  D'^ti^lD  hier  nur  Ross  und  nicht  Reiter  bedeuten  könne,  ist  nicht  einzu- 

•        TT  ' 

sehen;  LXX  hat  schon  ittttci?  verstanden,  und  es  handelt  sich  ja  v.  4=^  nicht  um 
die  Gestalt,  sondern  um  den  schnellen  Lauf  der  Reiterei.  Die  Imperfekt- 

formen auf  ]r  (y.  4-9)  finden  sich  nicht  nur  in  der  älteren  Litteratur;  hier  geben 
sie  der  Schilderung  durch  ihre  Wiederholung  ein  gewisses  feierliches  Ge- 
präge. 5  Das  beim  Herankommen  der  Heuschrecken  gehörte  Geräusch 
vergleicht  y.  5^  zunächst  mit  dem  dumpfen  Wagengerassel,  das  man  in  der 
Ferne  vernimmt,  wenn  die  Heuschrecken  über  die  Berge  daherschwirren,  dann, 
wenn  sie  näher  kommen,  mit  dem  Geknister  der  Flamme  in  den  Stoppeln  (vgl. 
Jes  5  24  Na  1  lo),  bis  sie  schliesslich  y.  5^  wie  ein  gerüstetes  Kriegsvolk  er- 
scheinen.   Der  Vers  schildert  lebendig  die  einzelnen  Momente  des  Dramas 
beim  Heranzug  der  Heuschrecken:  Horch!  ein  Wagengerassel,  sie  hüpfen  über 
die  Spitzen  der  Berge,  horch!  ein  Knistern  der  Feuerflamme  in  den  Stoppeln, 
sieh!  ein  gewaltig  schlachtbereites  Volk!    Ahnliche  Vergleiche  für  diese  Er- 
scheinung geben  neuere  Reisende,  s.  bei  Crednee.  Für  das  erste  ^1p3  ist 
nicht  mit  Merx  bloss  2  zu  lesen;  ^1p?  bedeutet  horch!  wie^  gerade  wie  blosses  3 
=  es  ist  wie,  sieh!  wie,  ist.         Zu  ^^1V  statt  des  erwarteten  "^V\V  vgl.  ^^V  „singt" 
Num  21  17  neben  ^^y  „antwortet"  ISam  12  3  und  König  Lehrgebäude  11  §  130, 
3  a  (S.  503).           6  Der  Eindruck,  den  die  Erscheinung  der  Heuschrecken  auf 
das  Volk  macht,  ist  Angst  und  Schrecken.    Zu  ^^n  sich  vor  Angst  winden  vgl. 
Jes  13  8  Mch  4  9  f.           nn.SB  (vom  Verb  l^^ö  arab.  fära  =  überwallen,  kochen) 
bedeutet  Glan%^  Röte]  Y^\)  ist  =  %usammennehmen,  während  ^DS  =  eingehen ^ 
wegziehen  bedeutet;  daher  ist  hier  nicht  vom  Erblassen,  Erbleichen  vor  Angst 
wie  Jer  30  6,  sondern  vom  Botwerden  vor  Entsetzen  die  Bede,  vgl.  Jes  13  8  „das 
Flammengesicht"  und  unser:  Die  Angst  treibt  ihm  das  Blut  ins  Gesicht,  und 
man  übersetze:  alle  Gesichter  erglühen  bei  der  drohenden  Gefahr.  -  VgL  übrigens 
die  gleichlautende  Aussage  Na  2  ii^,    die  neben  Jes  13  s  Joel  Yorschwebt. 
7 ff.  Der  Angriff  der  Heuschrecken  gleicht  dem  eines  wohlgeordneten  Heeres, 
s.  auch  Prv  30  27.  |^n,  laufen,  ist  hier  =  angreifen  Hi  15  26  Ps  18  30.         Durch 
Teder  zieht  seinen  Weg,   vgl  Jos  6  5,    wird   auch   der  allgemeine  Sinn   des 


Jo2  7  128  Jo  2 10 

parallelen  letzten  Gliedes  von  v.  7  festgestellt:  Keine  Verwirrung  richten  sie  auf 
ihrem  Marsch  in  ihren  Reihen  an.  Nur  ist  es  die  Frage,  ob  ]^D?j;';  den  für  die 
Stelle  notwendigen  Sinn  von  verflechten  hat;  wo  das  Verb  lonjj  sonst  vorkommt, 
hängt  es  mit  tOlD^,  Pfands  zusammen  und  die  Annahme  einer  Grundbedeutung 
verflechten  ist  nur  Vermutung.  Das  Mch  7  3  vorkommende  n^n^J^";,  verdrehen , 
ist  selber  nicht  sicher;  besser  wird  man  entweder  mit  Geätz  nach  LXX  (IxxXi- 
vojot)  ]1t3^  etwa  =  sie  schlagen  eine  abweichende  Richtung  ein  (doch  s.  zu 
Am  2  7),  oder  a<m  ehesten  mit  Wellh.  ]^ri^5?%  sie  kri'nnmen,  verwirren  (ihre 
Wege  nicht),  lesen,  vgl.  Ps  146  9.  Dnln"]S  ist  unter  dem  Einfluss  des  Gegen- 
tones aus  dem  zu  erwartenden  DHln^liJ  entstanden,  ebenso  Prv  9  15,  vgL  Stade 
Gr.  §  109.  8  Für  ppHT.,  sie  drängen,  ist  das  von  einigen  Codd.  gebotene 

l^'POT.'  ^^^  entfernen  sich,  das  auch  LXX  liest,  keine  Verbesserung;  vgl.  pn^ 
auch  Jdc  2  i8.  Vergeblich  ist  es,  die  Heuschrecken  mit  Waffen  am  Vor- 

rücken zu  hindern  (v.  8*^).  h^)  bedeutet  nicht  nur  das  unabsichtliche,  sondern 
auch  das  absichtliche  „Fallen",  vgl.  z.  B.  Gen  24  64;  also:  sie  werfen  sich, 
stürzen.  lyis  ist  =  durch,  vgl.  )lVnn  nj;^  Gen  26  8,  sowie  unten  v.  9,  und  wie 
hier  bei  dem  Verb  h^)  (aber  vom  unabsichtlichen  Fallen)  II  Reg  1  2.  vb^ 

kommt  nur  in  späteren  Schriften  vor  Neh  4  ii  17  II  Ohr  23  lo  32  5  Hi  33 18  36  12, 
es  bedeutet  Geschoss  und  ist  das  Äquivalent  von  D^^?,  vgl.  II Reg  11 11,  die 
Parallelstelle  zu  II  Chr  23  10.  ^V^^\  ^^  bedeutet  nicht:  „sie  machen  keine 

Beute",  sondern:  sie  brechen  nicht  ab,  und  zwar  ist  dazu  nicht  etwa  „ihren 
Weg"  zu  ergänzen,  sodass  etwa  von  dem  Einschlagen  einer  neuen  Richtung  die 
Rede  wäre,  sondern  das  Wort  ist  absolut  zu  fassen:  sie  lassen  keinen  Bruch  in 
ihren  Reihen  entstehen;  sie  stürzen  sich  durch  die  Zw^ischenräume  der  ihnen 
entgegengehaltenen  Waffen  hindurch,  schliessen  aber  nachher  sofort  ihre 
Reihen.  Die  Lesung  des  Niph.  ^V??^  ^  mit  dem  Sinne:  sie  werden  nicht  ver- 
wundet, ist  auch  deshalb  unnötig,  weil  ja  doch  in  Wirklichkeit  Verwundungen 
nicht  ausgeschlossen  sind.  Auch  hier  v.  s^^  schildert  Joel  genau  nach  der  Natur 
wde  9,  wo  er  vom  Eindringen  der  Heuschrecken  in  die  Häuser  spricht,  vgl. 
HbA  Art.  Heuschrecken!  611,  2  625.  Zu  ^ptr;  vgl.  Jes  33  4  Na  2  5,  zum  Ein- 
steigen in  die  Häuser  vgl.  Ex  10  6.  10  f.  Die  dem  Eintreffen  der  Heu- 
schrecken in  der  Hauptstadt  vorangegangenen  Zeichen:  Erdbeben,  Finsternis 
und  Donnerschläge,  verleihen  der  hereingebrochenen  Heuschreckenplage  eine 
erhöhte  Bedeutung:  die  Heuschrecken  sind  zwar  nur  wirkliche  Heuschrecken, 
aber  zugleich  die  unmittelbaren  Vorboten  des  Tages  Jahwes;  vgh  Vorbem.  zu 
V.  2-11.  Dass  das  Gewitter  in  einem  Regen  sich  entladen  habe,  ist  nicht  gesagt, 
darum  nicht  wahrscheinlich,  aber  auch  nicht  nötig;  es  brachte  Vorboten  und 
Zeichen  genug.  Jedenfalls  kann  man  die  Schilderung  nicht  so  verstehen,  dass 
sie  bloss  von  der  Verdunkelung  des  Himmels  durch  die  Heuschrecken  spreche; 
dann  wäre  das  Donnern  unverständlich  und  das  Erdbeben  eine  starke  Über- 
treibung. Für  die  den  Tag  Jahwes  begleitenden  kosmischen  Erscheinungen 
vgl.  Jes  13  10  13  Hes  32  7f.,  nach  dem  jetzigen  Text  auch  Am  8  9f.  (vgl.  dort), 
und  im  NT  Mk  13  24  Mt  24  29,  ferner  s.  die  Parallelen  in  der  babylonischen 
Litteratur  KATs  393.             Das  Suff,  in  V^dS  kann  sich  nur  auf  das  Heu- 

T    T     J 

schreckenheer  beziehen,  wie  es  denn  in  y.  11  seine  deutliche  Erklärung  findet, 


Jo2l0  129  Jo2l5 

die  auch  die  Ursache  des  Erdhebens  etc.  nachbringt:  vor  iiim  liat  die  Erde 
gebebt  etc.,  weil  Jahwe  donnern  Hess.  ^ü^  vgl.  den  Cegensatz  yij)  v.  6. 

11  "^^Ip  inj,  vgl.  unser  „laut  geben",  bezeichnet  von  Jaliwe  ausgesagt:  donnern, 
donnern  lassen,  s.  Ps  18  u  46  7  Am  1  2.  l^^n  sein  (seil.  Jahwes;  Jleer  sind 

die  V.  2-9  beschriebenen  Heuschrecken,  vgl.  v.  2r>.  Die  drei  mit  "^3  einge- 

leiteten Schlusssätzchen  sind  koordiniert,  sie  begründen,  warum  Jahwe  auf  so 
ausserordentliche  Weise  mit  Donner  etc.  sein  Heer  ankündigte.  Diese  Vor- 
kehrungen sind  angemessen  der  Grösse  seines  Heeres,  der  gewaltigen  Menge 
der  Vollstrecker  seines  Vt'illens  und  den  furchtbaren  Ereignissen,  die  mit  dem 
Tage  Jahwes  eintreten.  Zu  ^^^^^\  und  dem  ganzen  letzten  Sätzchen  vgl. 

Mal  3  2  23  Jer  10  lo. 

12—17  Aufforderung,  die  letzte  Frist  noch  zur  Umkehr  zu  be- 
nutzen, ehe  es  zu  spät  ist.  12  Ausdrücklich  wird  hervorgehoben  durch 
nin^  D«:},  dass  Jahwe  selber  dazu  auffordert,  nr\J^"D51  auch  jet%t  noch,  wo  die 
Gefahr  aufs  höchste  gestiegen  ist,  umzukehren.  Zu  Ij;  "2^^  vgl.  Am  4  6  und 
Hos  14  2.  Von  gan%em  Herzen  sollen  sie  umkehren  vgL  Dtn  4  29  6  5;  aber 
die  Zufügung  mit  Fasten  und  Weinen  und  Klagen  zeigt,  wie  ferne  Joel  den 
vorexilischen  Propheten  steht.  So  kennzeichnet  auch  Est  4  3  den  Busstag,  die 
alten  Propheten  haben  auf  solche  Zeichen  wenig  oder  nichts  gegeben  und 
anderes  gefordert.  Übrigens  nennt  Joel  auch  keine  Sünden  des  Volks;  seine 
Mahnung  läuft  nur  darauf  hinaus:  „haltet  einen  Busstag!'-',  vgl.  Wellh., 
NowACK.  Zum  Fasten  vgl.  1  u,  zu  dem  dasselbe  begleitenden  Weinen  und 
Klagen  s.  Sach  7  3,  zu  allen  dreien  nebeneinander  Est  4  3.  13  setzt  der 
Prophet  die  Eede  Jahwes  fort,  sie  erklärend.  Er  weiss,  dass  das  äussere 
Zeichen  der  Trauer:  das  Zerreissen  der  Kleider,  nicht  genügt,  sondern  dass 
eine  innere  Umkehr,  ein  Zerreissen  des  steinharten  Herzens,  nötig  ist,  vgl. 
Hes  36  26  Sach  7  12,  ferner  s.  Jer  4  4  Ps  51  19.  Die  Busse  hat  auch  jetzt 
noch  Aussicht  auf  Erfolg,  denn  Jahwe  ist  barmherzig  v.  13^  Fast  wörtlich 
gleich  lautet  Ex  34  6,  nur  dass  für  das  dort  zu  IDIl  hinzugefügte  HD«!  hier  ganz 
wie  auch  Jon  4  2  nj;"in-^j;  Un)\  steht.  Dn:i  ist  den  vorangehenden  Adjektiven 
entsprechend  Part.  (Niph.)  =  einer,  der  Mitleid  empfindet  T^yy^V.  wegen  des 
Unglücks;  warum  statt  des  Part.  dasPerf.  DH?  zu  lesen  wäre  (soHitzig,  Nowack), 
ist  nicht  einzusehen.  Wenn  Jahwe,  wie  er  gnädig,  barmherzig  ist,  auch  Mitleid 
im  Unglück  empfindet,  so  ist  nicht  gesagt,  dass  dies  Mitleid  in  jedem  Falle 
wirksam  werde.  Das  Part,  stimmt  ganz  dazu,  dass  das  göttliche  Erbarmen  14 
bloss  als  Eventualität  ins  Auge  gefasst  wird.  V.IS^  "•?  wer  weiss  =  viel- 
leicht findet  sich  auch  II  Sam  12  22,  der  ganze  v.  14^  in  Jon  3  9^  Qn?!  ist 
hier  perf.  consec.  in  Pausa:  vielleicht  hat  er  doch  noch  {1W\  =  er  kehrt  um  vom 
mit  der  Sendung  der  Heuschrecken  betretenen  Wege  zum  Gericht)  Er- 
barmen. ^y\  l'^S^ni  und  lässt  einen  Segen  hinter  sich,  wenn  er  nämlich 
umkehrt.  Speis-  und  Trankopfer  für  Jahwe  euren  Gott,  Das  Unpräzise  im 
Ausdruck  zeigt  sich  auch  hier  bei  TVWch  für  ^h.  Die  HDin  besteht  darin,  dass 
Gott  wieder  das  Land  seine  Früchte  zeitigen  und  so  das  Material  zu  den 
Opfern  bringen  lässt,  vgl.  Dtn  7  13  16  10  15  17.  In  der  nochmaligen  Auf- 
forderung einen  Buss-  und  Bettag  abzuhalten  15—17  gipfelt  die  ganze  vorher- 

Kurzer  HC  zum  AT   XIII  9 


Jo  2  15  130  Jo  2  17 

gehende  Darlegung  der  Not  und  der  auch  jetzt  noch  bestehenden  Möglichkeit 
einer  Abwendung  des  Unglücks.  15  ist  zusammengesetzt  aus  2  i^""  und  1  u^% 
16  ist  eine  Ausführung  der  übrigen  Worte  von  1 14\  Dj;,  Volk^  Bürgerschaft,  und 
Sljj,  kultische  Gemeinderersmnmlung,  nennt  die  1  u  genannten  \y^T\  ^^ti^'V  b^b 
als  Bürger  des  politischen  Gemeinwesens  und  als  Glieder  der  religiösen  Ge- 
meinde. Zu  dem  Gebrauche  von  Slj^  vgl.  bes.  Holzinger  ZATW  1889, 
105f.  An  der  Feier  des  sofort  von  den  Priestern  zu  veranstaltenden  ßuss- 

und  Bettages  darf  niemand  fehlen,  weder  Greise,  noch  Kinder  und  Säuglinge, 
selbst  die  Neuvermählten  nicht,  denen  doch  das  Gesetz  Dtn  24  5  sogar  im  Falle 
eines  Krieges  eine  Ausnahmestellung  einräumte.  Iin  bedeutet  hier  in  Parallele 
zu  HDn,  Brautgemach,  gerade  wie  Jdc  15  i,  Brautkammer;  HDn  vgl.  auch 
Ps  19  6.  Noch  allgemeiner  ist  die  Beteiligung  am  Busstag  zu  Ninive,  da  auch 
die  Tiere  mitfasten  und  mittrauern  Jon  3  7  f.,  aber  auch  bei  dem  in  der  lehr- 
reichen Parallele  Jdt  4  9-i5  geschilderten  Fasten  im  Tempel.  17  ist  nicht 
Erzählung,  sondern  Fortsetzung  der  Anweisung  des  Propheten;  der  Übergang 
von  der  Anrede  an  die  Priester  y.  16  zu  ihrer  Anführung  in  der  3.  Pers.  ist 
durch  die  Jussive  in  v.  16^  erleichtert.  Wie  1 15-20  sollen  auch  hier  die  Priester 
im  Namen  der  ganzen  Gemeinde  Jahwe  um  Erbarmen  und  Verschonung  an- 
flehen. Die  Priester  sollen  den  Platz  einnehmen  zwischen  der  Vorhalle  des 
Tempels,  die  entsprechend  dem  salomonischen  Bau  auch  in  dem  Serubbabels 
am  Eingang  des  Tempelgebäudes  sich  befand  (vgl.  IReg  6  3),  und  dem  grossen 
Brandopfer-.4tor  und  zwar  mit  gegen  das  Heiligtum  gerichtetem  Angesicht. 
Das  Gebet  ist  kürzer,  aber  eindringlicher  als  1  15-20.  Als  Motiv  für  die 
Verschonung  (D^in  mit  folg.  ^j;  vgl.  z.  B.  Neh  13  22  Jo  4  11)  wird  vor  Jahwe 
geltend  gemacht,  dass  er  doch  sein  Volk,  das  ja  sein  Erbteil  (nbnj)  ist  vgl.  z.  B. 
Dtn  4  20  9  26  29,  und  sich  selber  nicht  dem  Spotte  der  Heiden  preisgeben 
möge.  Gottes  Ehre  (bei  Hes  der  Beweggrund,  die  Israeliten  zu  retten)  wird 
ja  angetastet,  wenn  die  Heiden  sagen  können:  Wo  ist  ihr  Gott?  vgl.  Ps  42  4  11 
79  10  115  2.  Auch  versteht  man  sehr  wohl  die  Empfindlichkeit  der  späteren 
Juden  dem  Spott  der  Heiden  gegenüber  vgl.  v.  27 '\  D5  b^V'öb  kann  nach 
dem  ganzen  Zusammenhang  nicht  mit  über  sie  herrschen  übersetzt  werden, 
sondern  nur  mit  über  sie  spotten.  Von  Fremdherrschaft  ist  nirgends  die  Rede, 
sondern  von  Verspottung,  s.  v.  19  27^  Durch  Hes  18  3  ist  die  Konstruktion  von 
^^D  mit  in  (statt  mit  dem  gewöhnlichen  ^j;)  auch  für  die  Bedeutung  spotten  ge- 
sichert (vgl.  auch  die  Zusammenstellung  von  ^^lO^^  '^^lO'?  J^^  ^^  ^»  ^^^  hier), 
sodass  es  unnötig  ist,  statt  DM:i  DSi  zu  lesen  DMH?  (Ges.-Buhl^^^  =  %um  Spott 
unter  den  Heiden;  vgl.  auch  Jdt  4  12. 

Dass  der  Aufforderung  des  Propheten  Folge  gegeben  und  ein  Busstag  abgehalten 
wurde,  wird  nicht  erzählt,  aber  als  selbstverständlich  im  Folgenden  vorausgesetzt.  Die 
grosse  allgemeine  Bussfeier  bewirkte  den  Umschwung  in  Jahwes  Gesinnung,  von  dem 
2  18  ff.  erzählt  und  mit  dem  alle  die  herrlichen  Yerheissungen  zusammenhangen,  welche 
nun  dem  Volke  Jahwes  gegeben  werden. 


4 


Jo  2  18  131  Jo  2  20 


Zweiter  Teil 

2  18     4  21: 

Die  gnädige,  Rettung  aus  der  Not,  reichen  Schadenersatz  und 
die  herrlichste  Zukunft  verheissende  Antwort  Jahwes  auf  das 

Bussgebet  seines  Volkes. 

18  Die  Erzählung  von  dem  Linschwuiif^  in  Jahwes  Gesinnung.     Bei  dem 

Bussgebet  des  Volkes  kommt  Jahwes  Liebe  zum  Durchbruch,  sein  Eifer  wird 
wach  für  sein  Land  (vgl.  ''I^IS  1  6)  und  er  übt  Schonung  an  seinem  Volke,  vgl. 
Jdt  4 13.  s'p  ^^p.]],  und  er  eiferte  für  sein  Land,  erinnert  uns  daran,  dass  wir 
mit  Joel  in  der  Zeit  nach  dem  Exil  stehen,  wo  Jahwes  Eifer  nicht  mehr  wie 
früher  ein  Grund  der  Furcht  (Ex  20  5  34  14),  sondern  der  Hoffnung  war,  vgl. 
z.  B.  Hes  36  5f.  Jes  42  13  Sach  1  u  8  2  Jes  63  15  und  in  meinem  Jesaja-Com- 
mentar  KH-C  X  zu  Jes  9  6  S.  94f.  Der  unglückliche  Vorschlag  von 

Meex,  statt  der  Imperff.  consecc.  v.  isf.  Jussive  zu  lesen  und  demgemäss  alles 
von  V.  18  bis  zum  Ende  des  Buches  noch  mit  dem  Gebete  y.  i?'^  zu  verbinden, 
hat  mit  Recht  keinen  Anklang  gefunden;  das  Buch  hätte  bei  dieser  Fassung 
keinen  Schluss,  es  fehlte  ja  die  Antwort  auf  die  im  Gebete  2  17— 4  2i  ausge- 
sprochenen Wünsche  und  der  Leser  bliebe  in  seinem  Zweifel  zwischen  Himmel 
und  Erde  hangen  (Steiner,  Nowack).  Ausserdem  ist  es  doch  auch  eine  harte 
Zumutung  annehmen  zu  sollen,  das  vor  Busse  und  Trauer  zerknirschte  Volk 
habe  gewagt,  Jahwe  die  Antwort,  die  man  von  ihm  wünschte,  zu  diktieren. 
19  Jahwes  Antwort  beginnt  mit  der  Versicherung  vollständiger  Er- 
hörung:  an  Stelle  der  gegenwärtigen  Not  tritt  reicher  Uberfluss  v.  19^  (vgl. 
dazu  1  10-12)  und  die  Heiden  sollen  keinen  Grund  haben,  über  sein  Volk  zu 
spotten  Y.  19^  (vgl.  Y.  17).  Diese  gemessene  und  bestimmte  allgemeine  Aussage 
wird  im  folgenden  bis  zu  Ende  des  Buches  noch  im  Einzelnen  exponiert.  Dass 
dabei  hie  und  da  der  Prophet  das  Wort  nimmt  d.  h.  im  Namen  Jahwes  redet, 
sodass  Jahwe  auch  in  seiner  eigenen  Rede  in  der  3.  Pers.  erscheint  (z.  B.  y.  21 
23  26  etc.),  fällt  bei  dem  unpräcisen  Charakter  des  Buches  nicht  auf  (vgl.  zu  1  6) 
und  zeigt  nur,  wie  die  spätere  Zeit  zwischen  Wort  Jahwes  und  Wort  der  Pro- 
pheten nicht  unterschied. 

20  Die  Entfernung  der  Heuschrecken  ist  das  erste,  was  zur  Herbeiführung 
fruchtbarer  Zeiten  geschehen  muss  und  soll.  ^^I^^H  kann  nichts  anderes 

als  die  Heuschrecken  bezeichnen,  wie  alles  Folgende  in  y.  20  zeigt;  wie  sie  aber 
zu  diesem  Namen  kamen,  ist  fraglich.  Schwerlich  darf  man  daraus  entnehmen, 
dass  die  Heuschrecken  aus  Norden  ins  Land  eingefallen  seien;  ist  das  nicht 
rein  unmöglich,  so  kommen  die  Heuschreckenschwärme  in  Judäa  doch  in  der 
Regel  von  Süden  und  Südosten.  Ebenso  ist  unwahrscheinlich,  dass  "^^IS^n  mit 
6  Tücpojvixo;  Act  27  u  in  Verbindung  stehe,  wie  Hitzig  u.  a.  annehmen;  denn  die 
Zusammenstellung  von  ]1ö:i  [^j;?]  mit  Tocpciv  ist  durchaus  nicht  gesichert  (vgl. 
Ex  14  2  9).    Am  natürlichsten  ist  es,  in  dem  Nordischen  eine  Anspielung  auf 

den  von  Jeremia  und  Hesekiel  gedrohten  und  von  da  an  erwarteten  Feind  aus 

9* 


Jo2  20  132  Jo2  21 

dem  Norden  zu  sehen,  vgl.  Jer  1  u  Hes  38  6  i5  39  2;  Joel  nennt  die  Heu- 
schrecken so,  weil  er  in  ihnen  die  Vorboten  des  Tages  Jahwes  sieht,  den  nach 
Hesekiel  auch  der  Feind  aus  dem  Norden  einleitet.  Die  etymologische  Her- 
kunft hat  ihre  Bedeutung  verloren,  es  ist  ein  apokalyptischer  Begriff  geworden, 
der  soviel  sagt  wie  der  Yorhote  des  jüngsten  Gerichts  (vgl.  auch  Einl.  III).  Zu 
dem  interessanten  ßpoüjjo;  sT«;  Fcüy  in  LXX  Am  7  i  s.  die  Bemerkung  zu 
dieser  Stelle.  Die  Ansicht  Cheyne's,  dass  für  ''ilD-in  zu  lesen  sei  ViD"n«l  1£b"n«1 

'  •  :     -  T   T  V     t  7    t 

(vgl.  V.  20^P)  und  dass  v.  25  vor  v.  20  gehöre  (so  Encycl.  Bibl.  Sp.  2496  Anm.  1) 
oder  dass  "'jI^^iI  nordarabische  Völkerschaften  meine,  wie  auch  „Gog^'  die- 
selben repräsentiere,  und  dass  in  den  Heuschreckennamen  Anspielungen  auf 
diese  dem  Negeb  benachbarten  Völker  liegen,  z.  B.  in  nni^<  und  ]>h^  auf  1"J? 
und  ^htlV  (so  Grit.  Bibl.  II,  129  f.),  kann  ich  nicht  teilen.  Wohin  die  Heu- 

schrecken entfernt  werden,  besagt  v.  2o»ß:  sie  werden  in  ein  dürres  und  ödes 
Land  d.  i.  in  die  Wüste  jenseits  der  Südgrenzen  Judas  verjagt,  sodass  sein  Vor- 
trab (das  bedeutet  V^D  und  nicht:  „die  zuerst  ins  Land  gefallenen  Heu- 
schrecken") in  das  Ostmeer  d.  i.  das  Tote  Meer  Hes  47  18  Sach  14  8  und  sein 
Nachtrab  (nicht:  „die  Brut  der  ersten  Heuschrecken")  ins  Westmeer  d.  i.  das 
Mittelländische  Meer  Dtn  11  24  34  2  Sach  14  8  stürzen.  ^1D,  =  hebr.  |^j5, 

ist  eigentlich  aramäisch,  es  findet  sich  nur  in  späten  Schriften  II  Ohr  20  1 6 
Koh  3  11  7  2  12  13,  s.  Kautzsch  Aramaismen  68.  Die  tautologischen  Sätz- 

chen 1ti^«5  n^J^I  und  injn?  ^j;]!')  können  (vgl.  noch  besonders  den  nach  dem  Perf. 
n^j;*!  unmöglichen  Jussiv  ^VJTi)  nebeneinander  nicht  bestehen;  man  wird  aber 
nicht  mit  Wellh.  und  Nowack  das  zweite  zu  verwerfen  haben,  da  nicht  einzu- 
sehen wäre,  was  dazu  hätte  veranlassen  können,  das  bekannte  Wort  mit  dem 
ungebräuchlichen  Hin?  zu  erklären.  Umgekehrt  hat  man  mit  Meex  und  Deivee 
das  erste  als  auf  Jes  34  3  Am  4  10  beruhende  Glosse  auszuscheiden.  Auch 

ob  das  letzte  Sätzchen  T\]VVh  b^^yp^  ''S  ursprünglich  ist,  bezweifle  ich;  eine  Be- 
gründung erwartet  niemand  und  dass  v.  21  dasselbe  von  Jahwe  aussagt,  ist  ihm 
nicht  günstig,  da  dort  es  nicht,  wie  man  doch  v.  20  zu  verstehen  gezwungen  ist, 
vom  Handeln  im  Übermut  gefasst  werden  kann.  Ist  es  y.  20  nicht  rein  aus 
Versehen  aus  y.  24  herübergenommen,  so  hat  es  jemand  eingesetzt,  der  ganz 
vergessen  hat,  dass  von  Heuschrecken  die  Bede  ist,  denen  man  keinen  Übermut 
vorwerfen  kann,  besonders  da  sie  erst  noch  Jahwes  Heer  sind  (y.  11  25),  und  der 
in  denselben  die  übermütigen  Feinde  Israels  sieht,  sei  es  die  Chaldäer  vgl. 
Thr  1  9,  oder  den  Judenfeind  Dan  8  11  25.  Zu  der  Schilderung  der  Ent- 

fernung der  Heuschrecken  vgl.  Ex  10  19. 

21—24  Der  neue  Segen  der  Natur.  Der  Prophet  unterbricht  nur  scheinbar  die 
Rede  Jahwes,  denn  des  Propheten  Wort  ist  nichts  anderes  als  Jahwes  "Wort,  s.  zu  v.  19. 
Er  fordert  das  Land,  die  Tiere  und  die  Menschen  auf  zur  Freude  über  die  reichen  Gaben 
der  Natur,  die  Jahwe  bereits  wieder  gespendet  hat.  Die  Perff.  v.  21  22  23  sind  nicht  als 
sog.  perff.  prophetica  zu  verstehen,  sie  zeigen  vielmehr  den  Zeitpunkt  an,  den  der  Prophet 
hier  einnimmt.  Wie  in  der  Beschreibung  der  Not  1  2 — 2  17  der  Prophet  von  Etappe  zu 
Etappe  weiterschritt,  so  auch  in  der  Erzählung  von  der  Antwort  Jahwes:  Gott  redete 
nicht  nur  im  Moment  der  höchsten  Not  v.  18-20,  er  redete  auch  später  noch  durch  die 
That  und  zugleich  durch  den  Mund  des  Propheten.  So  blicken  die  Worte  v.  21-23  schon 
auf  den  in  der  Natur  von  Gott  wiedergeschenkten  Segen  zurück.  Das  ist  die  wirkliche 
Gegenwart  des  Propheten  und  erst  was  von  v.  24  an  folgt,  ganz  besonders  Gap.  3 f.  reden 


Jo2  2l  133  .To2  23 

von  Zukünftigem,  sind  wirkliclie  Weissaf^ung.  Man  liat  darum  auch  nicht  mit  Nowack 
Bedenken  gegen  die  Ursprünglichkeil  von  v.  21-23  zu  hegen;  sie  sind  das  notwendige  licht- 
volle Gegenhild  zu  der  Aufforderung  zur  Klage  in  (^ap.  1. 

21  ist  das  Get^enbild  zu  1  lo.  llber  y,2\^:  denn  Jahwe  hat  (irosses  (je- 
Ihan,  vgl.  zu  v.  2ü  am  Ende  und  s.  Ps  126  2  3;  nach  dieser  Psalmstelle  sagt  das 
Sätzchen:  freue  dich,  denn  die  sozusagen  messianische  Wendung  hat  bereits 
begonnen.  22  vgl.  1  18-20;  '^nb^  ist  =  XTi^  1  20  und  1«C^'n,  grünen^  wahr- 

scheinlich denominativ  von  t<^"l,  wie  das  Hiph.  Gen  1  11,  sonst  kommt  das 
Verb  nicht  vor.  Zu  v.  22'^  vgh  1  7  12;  vom  Grünen  der  Wiesen  ist  der  Prophet 
von  selbst  zu  den  Bäumen  des  Feldes  geführt  und  man  hat  nicht  darüber  zu 
spintisieren,  wie  deren  Früchte  den  Tieren  zu  Gute  kommen.  d'^^H,  ihre 

Kraft,  d.  h.  soviel  sie  tragen  können.  23  Die  JV?  ^5?  sind  wohl  nicht  nur 

die  Bewohner  Jerusalems,  sondern  alle,  die  Jahwe  im  Tempel  auf  dem  Zion 
verehren;  zu  Zion  als  dem  heiligen  Berge  vgl.  2  1  und  zu  Zion  als  der  Mutter 
aller  Juden  Ps  87.  '^i^l^*?  '"^I^^l^  wird  von  Targum  (IDtn  j'^D^fj^tt;,  Vulg. 

{pastor  justUlae)  und  auch  noch  von  Keil  und  Merx  als  „der  Lehrer  zur  Ge- 
rechtigkeit" erklärt;  Meex  sieht  darin  den  von  Dtn  18  ]5  18  verheissenen  ^^^:;5, 
sowie  den  Jes  30  19  genannten  Lehrer  (JT^I):^),  und  erkennt  eine  Parallele  in  dem 
von  Maleachi  erst  „einige  Zeit  nach  Joel"  angekündigten  Boten  resp.  Elia 
MaP3  1  23.  Die  Berufung  auf  Jes  30  19  ist  jedenfalls  unrichtig,  denn  dort  ist 
von  keiner  erst  in  Zukunft  auftretenden  Persönlichkeit  die  Bede,  der  n"llD  ist 
Jahwe  selber,  s.  zu  Jes  30  19.  Aber  überhaupt  passt  diese  Erklärung  nicht; 
denn  erstlich  ist  ^^^^,  H^^lisn  für  „Lehrer  der  Gerechtigkeit"  kein  gutes 
Hebräisch  und  dann  bleibt  diese  Ankündigung  im  näheren  und  weiteren  Zu- 
sammenhang ganz  vereinzelt;  man  denke  bes.  an  die  Nachbarschaft  von  Früh- 
und  Spätregen  in  v.  23^  Verbessert  wird  diese  Erklärung  nicht,  wenn  man  in 
dem  „Lehrer  der  G-erechtigkeit"  mit  De  Hoop  Scheeeer  (ThT  XIX,  578f.) 
gar  die  Heuschreckenplage,  die  das  Volk  zur  Gerechtigkeit  geführt  habe, 
sehen,  noch  wenn  man  mit  yon  Orelli  Joel  selbst  darin  erkennen  will,  weil 
nach  IBeg  8  36  IlChr  6  27  „der  Erhörung  des  Gebets  um  Begen  erst  eine 
göttliche  Belehrung  über  den  guten  Weg  vorausgehen"  müsse.  Bei  diesen 
Erklärungen  wird  die  Beziehung  zu  den  Gedanken  Joels  wohl  enger;  aber  sie 
ist  auf  zu  künstliche  Weise  angeknüpft.  Ganz  erhebliche  Bedenken  sprechen 
auch  gegen  die  gewöhnliche  x\uffassung,  welche  in  Hllisn  den  Frühregen  findet 
(so  auch  Wellh.,  Nowack  u.  a.).  Denn  einmal  heisst  sonst  der  Frühregen 
immer  n'11\  nicht  Vr\yCi\  auch  an  der  einzigen  Stelle,  w^o  sonst  noch  nilD  als 
Frühregen  vorkommen  soll  (Ps  84?),  ist  diese  Bedeutung  sehr  fraglich  (vgl. 
dieLXX)  und  überhaupt  der  Text  sehr  zweifelhaft,  s.  DüHjM  KH-C  zu  Ps  84?. 
Dann  ist  man  bei  dieser  Erklärung  gezwungen,  den  Text  von  v.  23''  zu  ändern, 
nämlich  das  dortige  n*)lD  zu  entfernen  und  ausserdem  noch  U'äl,  dem  allge- 
meinen Ausdruck  für  Regen,  die  spezielle  Bedeutung  von  Winterregen  zu  geben, 
welche  sich  auch  durch  Esr  10  13  nicht  belegen  lässt,  da  es  dort  nur  auf  die 
Regengüsse  ankommt  und  nicht  darauf,  dass  es  Winterregengüsse  sind.  Endlich 
ist  es  einigermassen  gesucht,  wie  man  die  Hervorhebung  des  Frühregens  vor 
dem  nachher  noch  einmal  genannten  Regen  zu  rechtfertigen  sucht.    Es  soll 


Jo  2  23  134  Jo  2  26 

nämlich  diesem  Frühregen  die  Bedeutung  beigelegt  werden,  dass  er  als  der 
erste  Regen,  der  nach  der  Heuschreckenplage  gefallen  sei,  die  Empfindung  ge- 
weckt habe,  es  sei  jetzt  wieder  das  richtige  Verhältnis  zwischen  Jahwe  und 
seinem  Volke  hergestellt.  Liesse  sich  dies  Letztere  am  Ende  noch  hören,  so 
heisst  eben  n"j1)3n  nicht  der  Regen  und  auch  keine  einzige  alte  Version  hat  es 
hier  so  übersetzt.  Die  älteste  Version  LXX  mit  ihren  Tochterversionen  und 
mit  Pesch.  giebt  das  hier  gelesene  Wort  mit  Speise  wieder  (LXX:  xa  j3pa)[X7.Ta, 
Pesch:  !Jb.x.QjJLso) ;  darnach  ist  zu  vermuten,  dass  statt  rcilDH  das  diesem  graphisch 
sehr  nahekommende  ]1töri  =  Nahrung,  Speise  (s.  IlChr  1123  Gen  45  23,  auch 
aram.  Dan  4  9  is)  zu  lesen  ist  (soOoet,  vgl.  auchMEEx;  weniger  gut  Wünsche- 
ts^^^  Fettes,  Völlers:  nnsn  IlSamlSs).  Das  stiebt  einen  trefflichen  Sinn 
und  ein  gutes  Gegenbild  zu  1  I6;  denn  gerade  dass  Jahwe  ihnen  wieder  die 
Nahrung  spendete,  ist  das  Wichtige,  worüber  sie  sich  freuen  dürfen  (s.  auch 
1 12  am  Ende),  und  das  diente  li^^'rii  %ur  Rechtfertigung ,  d.h.  zum  Zeichen, 
dass  das  richtige  Verhältnis  zwischen  Jahwe  und  seinem  Volke  wieder  her- 
gestellt sei.  Diesen  Sinn  von  Rechtfertigung,  Genug thuung  hat  TX\>yi  Jes  54  17 
Dan  9  7,  ja  es  ist  geradezu  =  Heil  Jes  46  12;  man  wird  daher  nicht,  wie  ich  bei 
Kautzsch  übersetzte,  die  weniger  gut  erklärbare  Bedeutung  in  rechtem  Mass 
annehmen  dürfen.  Dass  bei  der  Lesung  )1t)2n  und  der  entsprechenden 

Fassung  von  y.  23^  die  Portsetzung  nicht  gut  sei,  ist  mit  Unrecht  von  Nowack 
behauptet;  im  Gegenteil:  nicht  nur  schon  jetzt  hat  Jahwe  die  nötige  Nahrung 
gespendet,  sondern  auch  für  die  Zukunft  durch  regelrechten  Regen  vortrefflich 
gesorgt,  sodass  wieder  Kufen  und  Keltern  sich  füllen  werden,  vgl.  Lev  26  4 
Dtn  11 14.  Dass  n"!lD  auch  y.  23^^  nicht  Prühregen  bedeuten  kann,  versteht  sich 
von  selbst;  aber  die  Verderbnis  aus  ursprünglichem  niV  erklärt  sich  hier  bei 
vorausgehendem  D  und  nach  in  y.  23^  eingedrungenem  n*llD  leicht.  LXX  las 
noch  das  richtige  ni1\  Das  allgemeine  Wort  D^J,  Regen,  wird  durch  die  in 
Apposition  dazu  tretenden  wichtigsten  Regen  erklärt:  durch  den  Frühregen 
ni1\  der  im  Herbst  die  Erde  für  die  Aussaat  erweicht,  und  den  Spätregen 
ti^lp^l?,  der  vor  der  Ernte  zur  Ausreifung  des  Getreides  nötig  ist  Für 

]1t^S15,  das  wohl  in  Zeitbestimmungen  „im  ersten  Monat'*  bedeuten  kann,  aber 
hier  unverständlich  und  befremdlich  ist,  hat  man  nach  LXX,  Pesch.  ]1ti^^^13 
resp.  ni1ti^i^"1|,  wenn  nicht  geradezu  njlti^t^l^?  J^^  1  26  =  wie  ehedem,  wie  früher 
zu  lesen.  24  schliesst  sich  vortrefflich  an  y.  23  an;  er  besagt,  was  die 

Folgen  der  regelmässigen  Regen  sein  w^erden:  das  Gegenbild  von  1 10-12.  Zu 
^^'^'^T]^  überströmen,  vgl.  auch  4  13,  sonst  kommt  das  Verb  nur  noch  Ps  65  10 
vor.  Das  Ol  wurde  in  alter  Zeit  wie  die  Trauben  in  Keltern  getreten,  vgl. 

Mch  6  15  und  Gethsemane  =  „Ülkelter"  (s.  Dalman  Gr.  S.  152);  übrigens  s. 
Art.  Ölbaum  in  Guthe's  KBW. 

25—27  Der  reiche  Überfluss  wird  allen  Spott  für  immer  verstummen  lassen. 
25  Zu  dem  „Ich''  des  Sprechers  s.  zu  y.  19,  vgl.  auch  zu  1  6.  Voller  Ersatz  für 
den  von  den  Heuschrecken  angerichteten  Schaden  wird  verheissen;  damit 
schlägt  V.  25  auf  1 4  zurück.  Über  die  Heuschreckennamen  und  ihre  Reihen- 
folge s.  zu  1  4.  Der  Plural  D^;t|^'n,  die  Jahre,  zeigt,  dass  sich  die  Heu- 
schreckenplage über  mehr  als  ein  einziges  Jahr  erstreckte.  26  Die 


Jo  2  26  135  Jo  3  1 

reichen  Gaben  Jahwes  werden  bei  den  .Juden  grossen  Jubel  und  Preis  ihres 
Gottes  hervorrufen;  ^^H,  ein  altes  Wort  vgl.  ü^b^^r\  Jdc  9  27,  ist  auch  für  den  Lob- 
preis Gottes  im  Kultus  des  zweiten  Tempels  gebräucblich  geblieben.  fc^'''??^'? 
dient  zur  Näherbestimmung  von  Hk^JJ,  vgl.  Ges.-KautzscU'^^  g  ll4o.  Mit 

Recht  wird  v.  20'^  als  unglückliche  und  hier  störende  Vorwegnahme  des  gleicli- 
lautendeu  Siitzchens  in  v.  27,  das  dort  am  rechten  Platze  ist,  von  Wellh.  und 
NowACK  gestrichen.  27  Die  wunderbare  Hilfe  Jahwes  bringt  Israel  zur 

Erkenntnis,  dass  ihm  Jahwe  als  der  Helfer,  ausser  dem  es  keinen  andern  giebt, 
immer  gegenwärtig  ist,  und  verleiht  ihm  die  Gewissheit,  dass  es  nimmermehr  zu 
Schanden  wird.  Das  Gebet  v.  17  ist  in  herrlichster  Weise  erhört  (vgl.  auch 
V.  19'').  Es  ist  die  Verheissung  Dtjes's,  die  Joel  hier  reproduziert,  vgl.  Jes  45  5 
6  17;  aber  auch  sonst  finden  sich  einzelne  Elemente  dieses  Verses  öfters:  Ich 
bin  Jahwe,  euer  Gott,  beginnt  den  Dekalog  Ex  20  2  Dtn  5  6,  ist  in  Hes  der 
ständige  Refrain  und  kehrt  auch  im  PC  häufig  wieder;  11^  \'^\  vgl.  ausser 
Jes  45  5  6  18  auch  Dtn  4  35  39  IReg  8  60.  ^i5?^i?^%  wie  hier  das  Volk  genannt 
wird,  ist  der  Ehrenname,  der  nach  dem  Verschwinden  des  Nordreichs  und 
namentlich  nach  dem  Exil  auf  Juda  übertragen  wurde. 

3  1-5  Die  Ausgiessung  des  Geistes  und  die  Rettung  der  Israeliten  in  Jeru- 
salem am  Tage  Jahwes.  Dass  hier  nun,  wie  schon  2  25-27,  wirkliche  Weissagung  gegeben 
wird,  ist  schon  in  der  Vorbemerkung  zu  2  21-24  hervorgehoben.  Hernach  einmal  (s.zu  ]2"*inx 
V.  1)  folgt  die  Geistesausgiessung  über  die  Israeliten,  dadurch  werden  sie  zu  treuen  Jüngern 
und  wahren  Kindern  Jahwes  und  erfahren  als  solche  die  Rettung,  wenn  die  Welt  am  Tage 
Jahwes  gerichtet  wird.  Die  Heuschrecken  sah  man  als  Vorboten  des  Weltuntergangs  an; 
jetzt  sind  die  Heuschrecken  verschwunden,  aber  der  Gedanke  an  den  Tag  Jahwes  ist  ge- 
blieben. Man  ersieht  daraus,  dass  nicht  erst  die  Heuschreckenplage  die  Vorstellung  von 
dem  Weltgerichte  erweckt  hat,  sondern  dass  diese  Vorstellung  in  dem  Gedankenkreise  des 
Propheten  und  seiner  Zeitgenossen  schon  vorher  einen  festen  Platz  einnahm;  der  Tag 
Jahwes  gehört  als  wichtiger  Bestandteil  zu  den  Anschauungen  der  nachexilischen  Ge- 
meinde, er  ist  ein  Stück  ihres  Glaubens.  Man  fürchtet  sich  vor  ihm,  weil  er  eine  gewaltige 
Krisis  heraufführt,  man  hofft  und  freut  sich  auf  ihn,  weil  er  die  endgiltige  Verherrlichung 
Israels  bringt;  darum  hielt  man  den  Busstag,  als  er  nahe  schien,  und  sehnt  sich  dann, 
wenn  die  Gefahr  vorüber  ist,  doch  wieder  nach  ihm.  Wie  diese  Vorstellung  vom  Tage 
Jahwes  hat  Joel  auch  die  übrigen  Züge  in  seiner  Schilderung  der  eschatologischen  Zu- 
kunft der  nachexilischen  Dogmatik  entnommen;  seine  Darstellung  ist  aber  darum  be- 
sonders wichtig,  weil  sie  uns  ein  Kompendium  der  Eschatologie  giebt,  in  dem  die  seit 
Hesekiel  aufgekommenen  Zukunftserwartungen  zusammengefasst  sind. 

1  über  n^ni  mit  folgendem  Verbum  finitum,  =  dann,  vgl.  zu  Jes  2  2. 
1?"*'"!0^  bedeutet  hernach,  hierauf,  und  zwar  ist  die  Meinung  hier  nicht:  un- 
mittelbar hernach,  sondern:  hernach  einmal.  Das  Ereignis,  welchem  einmal 
die  Geistesausgiessung  folgen  wird,  ist  die  Verwirklichung  des  in  2  24-27  ver- 
heissenen  materiellen  Wohlergehens.  Die  Geistesausgiessung  im  Sinne 

von  bleibender  Ausrüstung  mit  dem  Geiste  Gottes  kennt  erst  die  spätere  Zeit; 
diese  Erwartung  geht  zurück  auf  Jeremias  Verheissung  eines  Herzens,  das 
Gott  kennt,  vgl.  Jer  24  7  31  33  32  29,  und  auf  Hesekiels  Ausführung  dieser  Ver- 
heissung Hes  11  19,  wo  von  einem  neuen  Geist  die  Rede  ist;  weitere  Beleg- 
stellen für  die  mit  dem  Exil  aufgekommene  Erwartung  der  Geistesausgiessung 
sind  Hes  36  26  27  39  29  Jes  44  3  32  15  Sach  12  10;  vgl.  meinen  Jes-Commentar 
zu  Jes  11  2  und  S.  113.  Die  Geistesausgiessung  erstreckt  sich  1^5"^?"^J^» 


Jo  3  1  136  Jo3  5 

über  alles  Fleisch^  ein  Ausdruck,  der  hier  weder  die  Tierwelt,  wie  z.  B.  Gen  6  17, 
noch  die  Heidenwelt,  wie  Jes  49  26  Ps  56  5  vgl.  mit  v.  12,  einschliessen  kann, 
sondern  notwendigerweise  auf  Israel  einzuschränken  ist,  da  in  der  folgenden 
Spezifizierung  von  "lt!^Ii"^3  nur  von  Israeliten  die  Rede  ist  (vgl.  das  Erstaunen 
darüber,  dass  der  heilige  Geist  auch  Heiden  gegeben  wird,  Act  10  45).  Der 
Ausdruck  hat  übrigens  später  ganz  die  Bedeutung  von  jedermann  erhalten, 
vgl.  JSir  8  19,  sodass  man  nicht  mehr  auf  den  Sinn  von  1*^2  reflektierte;  es  ist 
daher  jedenfalls  unnötig,  mit  Cheyne  "W2  als  eine  Abkürzung  für  'rsib^^  n^5 
anzusehen.  Aus  Jes  31  3  (s.  dort)  ersieht  man,  welche  hohe  Verheissung  in  der 
Ausgiessung  des  Geistes  auf  das  Fleisch  liegt.  Hier  wird  ihr  die  Wirkung  zu- 
geschrieben, den  Menschen  zum  Weissagen  zu  befähigen,  ihn  zum  Propheten, 
zum  Kenner  des  Willens  Jahwes  Jer  31  30-33,  zu  machen,  vgl.  auch  zu  Jes  11  2 
44  3.  Prophezeien^  Träume  haben  und  Gesichte  sehen  sind  hier  als  Synonyma 
zu  verstehen  (für  die  Träume  des  Propheten  vgl.  Num  12  6,  für  die  Gesichte 
vgl.  die  Überschriften  Jes  1 1  Ob  y.  1)  und  w^oUen  auch  nicht  als  besondere  Art 
der  prophetischen  Erleuchtung  für  die  verschiedenen  Altersstufen  genannt 
sein.  2  D^l,  und  auch,  hebt  noch  ausdrücklich  hervor,  dass  selbst  die  in 

untergeordnetster  Stellung  befindlichen  Israeliten  von  der  Geistesausgiessung 
nicht  ausgeschlossen  sein  werden.  Die  Knechte  und  Mägde  sind  nämlich  in 
Sklaverei  geratene  Israeliten,  vgl.  Neh  5  2.  "^n^iTriS  übersetzt  LXX  in  v.  1 

und  y.  2  mit  «tto  toü  Tivcuixaio;  {xoo  (ebenso  Act  2  17  I8),  aus  dogmatischem  Inter- 
esse, um  deutlich  zu  sagen,  dass  Gott  nicht  allen  seinen  Geist  ausgegossen 
habe.  3f.  die  Zeichen  am  Himmel  und  auf  Erden,  die  dann  als  Vorboten 

des  Tages  Jahwes  erscheinen.  Wie  die  antike  Welt  in  ausserordentlichen 
Naturerscheinungen  die  Ankündigung  grosser  Ereignisse  erblickte  (vgl.  nur 
LiYius),  so  gehen  auch  dem  grössten  Ereignisse  der  Zukunft  Wunder  zeichen  y 
D'^riDID,  voran,  vgl.  zu  2  10  und  s.  die  Zusammenstellung  der  in  der  spätjüdischen 
Litteratur  genannten  Vorzeichen  bei  Maeti  Gesch.  der  isr.  Bel.^  297.  Blut 
und  Feuer  und  Rauchsäulen  weisen  auf  Krieg,  vgl.  Hes  38  22  und  s.  Mt  24  6 
Mc  13  7 f.;  es  sind  die  Zeichen  auf  Erden.  Zu  ]^j;  niirp^n  vgl  zu  Cnt  3  6.  4 
nennt  die  Zeichen  am  Himmel,  vgl.  Am  89  Jes  13  10  34  4  Hes  32  7f.,  sowie 
Mt  24  29.  Zu  Y.  4^  vgl.  den  genau  entsprechenden  Halbvers  Mal  3  23^  s.  auch 
2  11.  5  Die  Jahwebekenner  werden  gerettet  am  Tage  des  Gerichts,  dies 

ist  deutlich  der  Sinn  von  y.  5^;  wer  '^  ü^2  ^"\]>\  Jahwe  anruft,  eigentlich:  Jahwes 
Namen  beim  Kultus  ausruft  s.  zu  Jes  12  4,  ist  ein  ßekenner  der  jüdischen  Re- 
ligion. Somit  ist  die  Rettung  den  Israeliten  verheissen;  was  folgt  (y.  5^^),  be- 
gründet und  exponiert  diese  Verheissung.  Einmal  wird  gesagt,  dass  auf  dem 
Berge  Zion  und  in  Jerusalem  T\'^'h^  d.  h.  Rettung  ist,  also  die  dort  Wohnenden 
vom  Gericht  nicht  betroffen  werden.  Zu  nto'^b'ö,  das  auch  hier  durchaus  term. 
techn.  für  die  dem  Endgericht  entronnenen  Israeliten  ist,  s.  zu  Jes  4  2.  Mit 
'^  ^t?JJ  "\ä^^  braucht  Joel  nicht  auf  Ob  y.  17  hinzuweisen,  Jerusalem  ist  häufig 
Rettung  verheissen.  Dann  wird  im  letzten  Sätzchen  hinzugefügt,  dass  auch 
noch  andere  als  die  in  Jerusalem  Wohnenden  gerettet  werden;  schwerlich 
kann  ein  anderer  Gedanke  in  Ul  D^n''1^5^  liegen.  Aber  wie  ist  die  Konstruktion 
dieses  Sätzchens  zu  verstehen?    Steiner,  Wellh.,  Nowack  fassen  D''1^*li^5 


Jo3  5  137  Jo4  2 

parallel  mit  Dbl^^iT?,  sodass  die  D^'T^ili^  als  „die  einzelnen  an  verschiedenen  Orten 
Entrinnenden"  der  geschlossenen  Schar  der  in  Jerusalem  Geretteten  gegenül)er- 
stehen  sollen,  und  ei'i'änzen  dann  aus  v.  5*'^  dazu:  ntO'''?D  n\"in  =  „in  .Jerusalem 
und  bei  den  Entronnenen  ist  Rettung."  Doch  diese  Krgäiizung  über  den 
Zwischensatz  "^  >5  "^^t??  hinweg  ist  jedenfalls  hart,  die  Parallelisierung  von 
„in  Jerusalem"  und  „bei  den  Entronnenen"  gezwungen  und  die  Aussage 
„bei  den  Entronnenen  ist  ßettung"  enthält  eine  'J^autologie.  Darum  ist  viel- 
mehr D^'T'^llö^^  als  Parallele  zu  T\^'h^  n\in  zu  nehmen;  der  T'lti^  ist  ia  auch 
der  dem  Gericht  Entronnene  und  wesentlich  gleichbedeutend  mit  lO'bö  (vgl. 
beide  Worte  nebeneinander  Jer  42  17  44  u  Ob  v.  u),  er  braucht  daher 
keine  T\'^'^b^  mehr.  Weiter  folgt  nun  daraus,  dass  in  1^1  l^fc?  das  Subj.  zu 
D''T"!^5  zu  sehen  ist  und  dass  man  zu  übersetzen  hat:  Und  %u  den  Entronnenen 
gehört^  wen  Jahwe  ruft.  Dass  es  sich  um  die  Diasporajuden  handelt,  ist  nicht 
zu  bezweifeln,  und  die  Vorstellung  ist  dann  ähnlich,  wie  Jes  66  I9f.  oder  wie 
Jes  27  i2f.  (s.  zu  beiden  Stellen),  wo  Jahwe  nach  dem  Gericht  die  Israeliten 
aus  der  Diaspora  sammelt,  vgl.  auch  Jo  4  7.  LXX  scheint  nach  ihrem  xal 
£üaYysXLC6fjL£vot  D"'1i*^5?^  für  D^TI^D'  gelesen  zu  haben,  vielleicht  hat  sie  aber 
nur  so  „zu  lesen  geglaubt"  (Merx);  jedenfalls  wird  unsere  Stelle  nicht  ver- 
ständlicher, wenn  man  mit  Oort  D''*1^5^5  dafür  einsetzt.  Act  2  17-21 
schliesst  die  Wiedergabe  von  Gap.  3  mit  v.  5^  ab;  Act  2  39  nimmt  aber  offenbar 
Rücksicht  auf  Jo  3  5^^  In  Em  10  13  wird  Jo  3  5^  allgemein  gefasst  und  zum 
Beweise  verwendet,  dass  auch  den  Heiden  das  Heil  bestimmt  sei. 

Cap.  3  hat  kurz  die  Hauptsache:  die  Rettung  der  Israeliten  beim  Weltgericht,  vor- 
weggenommen; Cap.  4  exponiert  diese  Weissagung,  indem  genauer  dargelegt  wird,  wie 
sich  das  Weltgericht  an  den  Nachbarn  und  an  den  ferneren  Heidenvölkern  vollzieht. 

4 1-8  Die  Sammlung  aller  Yölker  im  Thal  Josaphat  und  das  Gericht  an  den 
Phöniziern  und  Philistern.  1  ^'2  schliesst  das  ganze  Capitel  an  3  5  an:  die 

Israeliten  werden  gerettet  werden;  denn  das  Gericht  über  die  Heiden  steht 
bevor.  Man  sieht  an  dieser  Verbindung,  wie  es  für  den  Grlauben  feststeht,  dass 
die  Kehrseite  des  Gerichts  über  die  Heiden  das  Heil  Israels  ist.  In  jenen 

Tagen  und  in  jener  Zeit  findet  sich  gerade  so  Jer  33  15  50  4  20.  Zu  HUti^  2^ti^S 
(das  Hiph.  des  Kere  ist  unnötig)  vgl.  Am  9  14.  Die  entscheidende  Wendung  im 
Geschicke  Judas  und  Jerusalems  ist  noch  immer  nicht  eingetreten,  die  ärm- 
lichen und  gedrückten  Verhältnisse  der  nachexilischen  Gemeinde  können  nicht 
als  Anfang  derselben  betrachtet  werden;  die  wahre  „messianische"  Wendung 
bringt  das  Weltgericht.  2  Das  Thal  Josaphat^  in  welches  Jahwe  alle 

Völker  zum  Gerichte  versammelt,  ist  nicht  das  Thal,  wo  König  Josaphat  einen 
grossen  Sieg  über  Moabiter,  Ammoniter  und  Meunäer  davongetragen  haben  solL 
da  dasselbe  vielmehr  den  Namen  H^n^n  pDj;  (=  Wädi  Bereiküt  bei  Thekoa) 
trägt.  Die  spätere  Tradition  identifiziert  es  mit  dem  Kidronthal,  für  das  seit 
dem  4.  Jahrh.  nach  Chr.  auch  die  Benennung  Josaphatthal  nachweisbar  ist 
(s.  Buhl  Geogr.  Paläst.  93,  vgl.  auch  Baedeker  Paläst. ^  92).  Aber  die  Un- 
richtigkeit dieser  Tradition  ergiebt  sich  schon  aus  der  Bezeichnung  pDj;,  da 
im  ]1"inp  'pn;  kein  Raum  für  ein  pDj;  ist.  Insoweit  hat  jedoch  die  Tradition  recht^ 
als  sie  das  Thal  in  der  Nähe  Jerusalems  sucht;  denn  seit  Hesekiel  erwartet 


Jo4  2  138  Jo4  4 

man  das  Weltgericht  vor  Jerusalem,  vgl.  Hes  38f.  Sach  9  14-16  12  i-9  Dan  11  45, 
s.  auch  zu  Jes  10  12  12  24-27  66  6.  Nur  ist  Thal  Josaphat  nicht  der  wirkliche 
Eigenname  des  Orts  des  Weltgerichtes,  sondern^  wie  die  Wortspiele  (v.  2''  und 
V.  12)  und  der  zweite  Name  'p^"inn  pDj;  (v.  u)  zeigen,  eine  um  der  Bedeutung  von 
Josaphat  (=  Jahwe  richtet)  willen  freigewählte  Bezeichnung.  Man  hat  also 
kein  Thal  Josaphat  auf  der  Karte  zu  suchen ;  wo  es  in  der  Nähe  von  Jerusalem 
zu  suchen  wäre,  hätte  auch  Joel  selber  kaum  gewusst.  ''O^O?  bedeutet  wie 

2  17  das  Volk;  h)^'^\^^  ist  sein  Ehrenname,  s.  zu  2  27.  Der  Relativsatz  ^^\^ 

DM-15  ^*l^D  wird  durch  den  Hauptsatz  \\hy\  "^:^1«"n«l  fortgeführt.  Diese  Worte 
gehen  deutlich  nicht  auf  eine  blosse  Brandschatzung  Judas  durch  den  Raubzug 
von  ins  Land  einfallenden  Feinden,  wie  eine  solche  unter  Joram  durch  Philister 
und  Araber  stattgefunden  haben  soll  (II  Ohr  21  lef.),  sondern  auf  die  gänzliche 
Eroberung  und  totale  Besitznahme  des  Landes  durch  die  Chaldäer.  Für  Joel 
ist  der  Untergang  Judas  und  die  Wegführung  ins  Exil  ein  Ereignis  der  Ver- 
gangenheit und  zugleich  der  grösste  Frevel,  den  die  Heiden  begingen.  Wie 
frevelhaft  die  Feinde  mit  dem  Volke  Jahwes  umsprangen,  führt  3  näher  aus. 
Nach  der  antiken  Kriegssitte  wurde  die  Beute  verteilt,  indem  man  um  die  Ge- 
fangenen das  Los  warf;  zu  ^1l:i  V\\  von  11^  (hier  mit  'h)^  =  ^JJ  konstruiert),  vgl. 
Nah  3  10  Ob  V.  11.  Die  einem  jeden  zugefallene  Beute  wurde  um  den  schnö- 
desten Preis  weggegeben,  wenn  nur  die  Lust  und  Genusssucht  befriedigt  werden 
konnte.  Einen  Knaben  gab  man  her  n^1^5  um  eine  Hure,  nicht  um  sie  zu  be- 
halten, sondern  um  sie  zu  gebrauchen;  Pesch.  und  Targum  erklären  doch  wohl 
ni1^5  richtig  mit  H^l^n  •^Jti^?  =  „als  Lohn  für  eine  Hilt",  auch  LXX  versteht  die 
Stelle  so.  Bei  dem  unpräcisen  Charakter  Joels  ist  man  nicht  gezwungen,  die 
beiden  IS  in  den  parallelen  Sätzchen  von  v.  3^  ganz  gleich  zu  fassen  und  darum 
mit  OoET  und  Nowack  ]1t?S5,  um  Speise,  für  n^l^?  zu  vermuten.  Zu  der  Ver- 
bindung von  nut  und  ]"iyvgl.  Hos  4  11.  ^n^;l  wird  beigefügt  sein,  um  zu 
sagen,  dass  sie  ein  Mädchen  hergaben  zur  Bezahlung  für  Wein,  den  sie  sofort 
verzechten.  Vgl.  die  hübsche  Geschichte  zu  diesem  Verse  in  Midrasch  Echa  I 
46  bei  Dalman  Aram.  Textproben  21  f.  4  beginnt  die  Apostrophierung 
der  Phönizier  und  Philister,  denen  genaue  Vergeltung  ihrer  an  den  Judäern 
verübten  Ungerechtigkeiten  in  Aussicht  gestellt  wird  (y.  4-8).  D5"!  gehört 
nicht  zu  DPS  allein,  sondern  zum  ganzen  Satz;  es  fügt  nicht  zu  anderen  Völkern 
neue  hinzu,  sondern  steigert  den  Gedanken:  Und  auch  giebts  bei  dem  Gericht 
keine  Ausnahme  und  keine  Möglichkeit  zu  entrinnen  für  einzelne  Völker,  spe- 
ziell nicht  für  Phönizier  und  Philister.  Dass  die  Fracke  "h  Dnt^TTD  =  was 
wollt  ihr  mir  (thun)?  zu  erklären  ist,  ergiebt  sich  aus  ihrer  Wiederaufnahme 
und  Exposition  in  den  beiden  disjunktiven  Gliedern  v.  4^.  'ö  T\'h'h^  'pä,  alle 
Kreise  (oder  Bezirke)  Philistäas,  bedeutet  das  ganze  Philistergebiet,  das  in 
alter  Zeit  in  fünf  Fürstentümer  zerfiel  Jdc  3  3  I  Sam  6  4  Jos  13  2  f.,  später  nach 
der  Zerstörung  von  Gat  wohl  nur  noch  vier  umfasste,  s.  zu  Am  1  6-8;  zum  Aus- 
druck vgl.  uaaa  TakikaXa  dXXocpüXwv  IMak  5  15,  wo  gleichfalls  Tyrus  und  Sidon 
vorhergeht.  Die  Doppelfrage  y.  4^  ist  rhetorisch:  Wie  ihr  denkt,  ob  ihr 
meint,  erfahrenes  Unrecht  zu  vergelten,  oder  ob  ihr  ohne  Grund  einen  Angriff 
machen  wollt,  thut  nichts  zur  Sache  und  die  Strafe  für  das,  was  ihr  gethan 


Jo4  4  139  Jo4  9 

habt  (DD^D^,  vgl.  auch  v.  5 f.),  schreitet  schnell.  Zu  niHD  bp_  vgl.  Jes  6  26  und 
zu  ^^^^  2^\^r\  vgl.  Ob  V.  15  Ps  7  17  Jdc  9  57  I  Sam  25  39.  5  Plünderung 

Judas  ist  der  erste  Vorwurf.  Zwar  wird  nicht  notwendig  mit  mein  Silber  etc. 
auf  eine  Plünderung  des  Tenii)elschatzes  hingewiesen,  es  kann  sich  allgemeiner 
um  den  wertvollsten  ]iesitz  der  .J  udäer  in  iliren  Häusern  handeln.  Auch  □D'*':'D^n 
bezeichnet  nicht  notw^endig  die  TernjHd,  sondern  el)ensogut  die  PaUisle^  vgl. 
Am  8  6  Jes  13  22  Dan  1  4.  Aber  es  ist  immerhin  wahrscheinlich,  dass  an  die 
Wegführung  der  Lade  Jahwes  und  ihre  Unterbringung  im  Tempel  fvgl. 
Hos  8  14)  Dagons  gedacht  ist  I  Sam  4f.  Diese  alte  Sünde  werden  die  Philister 
noch  büssen  müssen,  vgl.  auch  v.  19.  6  Ein  zweiter  Vorwurf  ist  der  Ver- 

kauf von  Juden  und  Jerusalemern  in  die  Sklaverei.  Die  D'^^vn  ^^2,  Jawanier, 
sind  die  Jonier,  die  Griechen,  s.  Gen  10  2  4  Hes  27  13  Jes  66  19  Sach  9  13;  hier 
kommen  sie  als  Sklavenhändler  in  Betracht,  die  die  gekauften  Judäer  weitweg 
von  ihrer  Heimat  bringen.  Auf  was  für  ein  Ereignis  v.  5f.  sich  bezieht,  ist 
nicht  zu  sagen;  jedenfalls  darf  man  auch  hier,  wie  v.  2  (s.  dort),  nicht  an  die 
Plünderung  Jerusalems  durch  Philister  und  Araber  IlChr  21  lef.  denken,  da 
dort  die  Phönizier  nicht  dabei  waren.  Wahrscheinlich  hat  Joel  überhaupt 
nicht  ein  einzelnes  Ereignis  im  Sinn,  sondern  denkt  an  das  ganze  Verhalten 
der  Philister  und  Phönizier  gegen  die  Judäer,  wobei  v.  5  auf  die  ersteren  und 
ihre  Raubzüge  in  der  alten  Zeit  (man  denke  an  die  Wegnahme  der  Lade 
Jahwes!)  und  y.  6  auf  die  letzteren  zu  beziehen  ist.  Als  Sklavenhändler  sind  die 
Phönizier  bekannt  Hes  27  13,  vgl.  auch  Am  1  9  I  Mak  3  4i  II  8  11.  7f.  Die 

Strafe  erfolgt  genau  nach  dem  Vergeltungsrecht;  auch  dies  scheint  dafür  zu 
sprechen,  dass  Joel  kein  einzelnes  historisches  Ereignis,  für  das  er  Strafe 
drohte,  im  Auge  hat,  sondern  dass  er  die  Abrechnung  für  die  ganze  Ver- 
gangenheit in  Aussicht  stellt.  Die  in  die  weite  Ferne  verkauften  judäischen 
Sklaven  stört  Jahwe  auf  (vgl.  zu  D"^i''J?D  Jes  13  17)  und  verleiht  ihnen  so  die 
Kraft,  die  Sklaverei  abzuschütteln  und  in  die  Heimat  zu  ziehen.  8  Die 

Phönizier  haben  die  Juden  nach  Nordwesten  verkauft,  jetzt  sollen  sie  selbst 
dafür  nach  Südosten  in  Sklaverei  kommen;  denn  die  Juden,  in  deren  Besitz  sie 
fallen  (T^  15»  Jdc  2  14),  werden  sie  den  D';i^5^,  den  Sabäern,  an  ein  weit  ent- 
legenes Volk,  verkaufen.  Die  Sabäer  sind  als  ein  wichtiges  Handelsvolk  im  AT 
wohlbekannt,  vgL  Hes  27  22 f  38  13  Hi  6  19  Ps  72  10,  und  ihre  Heimat  Arabia 
felix  gilt  auch  Jer  6  20  als  ein  fernes  Land  (vgl.  auch  KAT^  149);  man  wird 
daher  nicht  nach  LXX  mit  Merx,  Ooet,  JSTowack  ^2^^  sU  aly^fxaXcüaiav,  in  Ge- 
fangenschaft, zu  lesen  haben.  Die  Indetermination  von  ''lü  spricht  nicht  gegen 
die  vorhergehende  Nennung  eines  bestimmten  Volkes.  Auffallender  ist  der 
Wechsel  von  /  und  "'?«,  aber  es  kann  damit  gesagt  sein  wollen,  dass  die  Sabäer 
nur  die  Zwischenhändler  sind,  die  ihre  Ware  an  ein  weit  entferntes  Volk  ab- 
setzen, also:  sie  verkaufen  sie  den  Sabäern  %u  Händen  eines  weit  entfernten 
Volkes;  pim  '•ir'?«  entspricht  genau  v.  6^  151  ^7}\  '?  eine  feierliche  Be- 

stätigungsformel wie  Jes  1  2  Ob  y.  i8;  hier  leitet  Joel  das  Recht  dazu  wohl  ab 
aus  dem  Gesetz  der  göttlichen  Vergeltung,  das  ihm  nicht  zweifelhaft  ist. 

4  9-17  Die  Vollstreckung  des  Gerichts  an  den  Heiden  im  Tliale  Josapliat. 
Nach  der  Digression  zu  den  Phöniziern  und  Philistern  (v.  4-8)  wird  der  Ge- 


Jo  4  9  140  Jo  4  13 

danke  von  v.  i-3  wieder  aufgenommen.  9  Herolde  werden  unter  die  Völker 
gesandt,  um  diese  zum  Kriege  mit  Israel  aufzufordern;  solche  Herolde  stehen 
Gott  immer  zur  Verfügung.  nst,  dies,  bezieht  sich  auf  das  Folgende,  das 

aber  nicht  genau  den  Wortlaut  des  Aufrufs,  welchen  die  Herolde  ergehen 
lassen  sollen,  wiedergiebt.  Wohl  gehören  dazu  die  Worte  nipnbö  •ity*'nj5,  weihet 
einen  Krieg  d.  h.  trefft  die  zum  Kriege  nötigen  kultischen  Vorbereitungen 
(Mch  3  5  Jer  6  4  vgl.  zu  Jes  13  3  und  s.  Schwallt  Sem.  Kriegsaltertümer  1, 47), 
wie  auch  v.  lo;  dagegen  ist  v.  9^  direkt  an  die  Herolde  gerichtet.  Es  zeigt  sich 
darin  wieder  die  unpräcise  Art  Joels,  die  ohne  Bedenken  Worte  an  die  Herolde 
mit  solchen  an  die  Völker  und  mit  Aussagen  über  diese  (so  v.  9^P)  mischt.  ^"l'^J/«!, 
weckt  auf  (aus  der  Ruhe  des  Friedens  die  Helden)^  ist  transitiv  wie  v.  7  Hag  1  u 
Jer  51  11.  10  Es  gilt  einen  Entscheidungskampf,  darum  sollen  die  Heiden 

aufs  beste  sich  waffnen  und  selbst  die  Werkzeuge  des  Friedens  in  Kriegswaffen 
umschmieden.  In  der  messianischen  Zeit  wird  das  Gegenteil  geschehen,  s.  zu 
Jes  2  4  Mch  4  3.  ti^^nn,  nach  der  Bildung  (s.  Stade  Gr.  §  217a)  =  der  in- 

tensiv Schwache,  der  Schwächling,  ermanne  sich  und  spreche:  ein  Held  bin 
ich,  11  W'\^^  welches  Verb  nur  hier  vorkommt,  wird  von  LXX,  Targ.  und 

Posch,  mit  „versammelt  euch"  übersetzt;  aber  diese  Übersetzung  beruht  auf 
blosser  Vermutung.  Die  Vergleichung  des  arab.  ^ü,  „zu  Hilfe  kommen",  führt 
zu  keinem  im  Zusammenhang  passenden  Sinn;  es  ist  daher  entweder  mit  Grätz, 
Driver  Vki^'^n,  eilt,  oder  noch  besser  mit  Wellh.,  Nowack  ^n^y,  wacht  auf,  auf 
(vgl.  mj;;;  v.  12  und  ^1^3;n  v.  9),  zu  lesen.  Für  ^iJSjP^T,  dessen  dritte  Person 

nicht  verständlich  ist,  lese  man  ^i^^j^ni,  und  sammelt  euch.  In  v.  11^'  unter- 

bricht der  Prophet  Jahwes  Rede  v.  9 ff.  mit  einer  an  Jahwe  gerichteten  Bitte: 
Dorthin  seil,  in  das  Thal  Josaphat,  wo  die  Völker  sich  sammeln,  führe,  Jahwe, 
deine  Helden  d.  h.  die  Engel,  die  himmlischen  Heere,  vgl.  Sach  14  5  Ps  103  20, 
hinab;  nn^n  ist  Impera.  Hiph.  (s.  Ges.-Kautzsch-^  §  64h)  von  dem  aram.  nni 
=  T]\  Aber  auch  für  Joel  scheint  mir  eine  derartige  Unterbrechung  zu  hart, 
zumal  ni2^  erst  im  folgenden  v.  12  seine  Erklärung  findet  und  rinin  nicht  hebr., 
sondern  aramäisch  ist.  Lieber  sehe  ich  daher  in  den  Worten  die  zu  dem  fälsch- 
lich von  T1J  abgeleiteten  n"|  v.  13  an  den  Rand  gesetzte  Glosse  oder  Bitte  eines 
späteren  Lesers,  wenn  nicht  etwa  eine  Textverderbnis  vorliegt,  da  LXX  ähn- 
lich wie  zu  Ende  von  v.  10  hier  gelesen  hat:  6  Tipau;  ioxo)  [i-aj^TiiTj;,  dessen  letzte 
Worte  hebr.  11211  H^Jl';  entsprechen,  übrigens  ist  es  die  Vorstellung  der  späteren 
Zeit,  dass  Jahwe  zur  Besiegung  der  Feinde  seine  Helden  herabführt,  vgl. 
Sach  14  5  und  zu  Jes  30  so,  sowie  zu  Jo  4  is.  Jedenfalls  ist  aus  v.  11^  nicht  zu 
schliessen,  wie  Meex  will,  dass  alles  von  2  17— 4  21  als  Gebet  der  Gemeinde  ge- 
dacht sei.  12  schliesst  sich  gut  an  v.  11^  an.  T\^T^^  Niph.  von  1^^,  wie  Jer  6  22, 
und  6?^_  wie  Hos  2  2.  Mit  v.  12*^  wird  auch  der  JSTame  des  Thaies  erklärt 

vgl.  V.  2.  13  Die  mit  der  Vollziehung  des  Gerichts  Beauftragten  sind 

nicht  die  Juden,  sondern  Jahwes  himmlische  Diener,  die  ihm  jederzeit  zu  Ge- 
bote stehen,  gerade  wie  die  Herolde  v.  9.  Hier  sind  diese  himmlischen  Helden 
als  Schnitter  und  Keltertreter  dargestellt,  beides  Bilder,  die  für  Besiegung 
feindlicher  Heere  auch  sonst  gebräuchlich  sind;  für  das  Bild  von  der  Ernte 
vgl.  Jes  17  5,  für  das  vom  Keltern  der  Trauben  Jes  63  1-3,  für  beide  Apk 


Jo  4  13  141  Jo  4  lö 

Joli  14  14-20.  Die  Siehe/,  '^JD,  (im  AT  nur  noch  .ler  50  i6j  lieisst  heute 

noch  bei  den  Arabern  manijal,  v^^l.  ZDI^V  18BG,  39.  n"i  (s.  oben  zu  v.  ii'^j, 
stantpfl,  ist  von  Hl"!,  treten  (hier:  die  Kelterj,  iiiclit  von  IT,  länatjsteujeUy  ab- 
zuleiten. ^*'?i?'«]  '^'p^'^T}  wird  aus  2  24  hier  fälschlich  einj^etragen  sein,  da  das 
Überströmen  der  Kufen  zum  Kin halten  im  Keltern  und  nicht,  wie  das  HS^D  "^3 
ri5,  zum  raschen  IJeginn  des  Keltern  einladet.  Erst  wenn  man  das  Sätzchen 
ausschaltet,  lässt  sich  in  dem  folgenden  DOJ^l  '^?"5  **?  ^^^^  Suffix  auf  die  Volker 
ringsum  (v.  12)  und  nicht  auf  D'^^fj^'n  die  Kufen  beziehen.  Die  Völker  verdienen 
den  Untergang  im  Weltgericht,  wie  die  erste  Menschheit  in  der  Sintflut,  durch 
ihre  Bosheit,  vgl.  Gen  6  5.  14—16  schildert  der  Prophet  das  Völker- 
gedränge im  Thale  Josaphat  und  das  Gericht,  das  unter  Verfinsterung  des 
Himmels  durch  Jahwes  Einschreiten  (natürlich  mit  seinen  Heerscharen)  an 
den  Heiden  vollstreckt  wird.  Der  Plural  und  die  Wiederholung  von  0*^^1011 
zeigen  die  grosse  Menge  der  sich  versammelndenVölker  an,  vgl.GES.-KAUXZscH^^ 
§  123  e,  und  der  Ausruf  malt  das  Entsetzen  des  Propheten  über  diese  Masse, 
vgl.  §  147  c.  Das  Thal  Josaphat  (v.  2  12)  heisst  hier  f^inn  pöj;  d.  i.  Thal  der 
Entscheidung  (vgl.  LXX  xt]^  olxyj;)  und  keineswegs  mit  zu  v.  13  durchaus  nicht 
passendem  Bilde  „Thal  des  Dreschschlittens";  zu  dem  Gedanken  vgl.  Jes  10  22. 
15  nennt  wieder  die  Zeichen,  die  den  bevorstehenden  Tag  Jahwes  einleiten, 
wLe  2  10  3  4,  s.  dort.  16  Jahwes  Erscheinen  mit  seiner  Heerschar  ward 
unter  dem  Bilde  eines  Gewitters  dargestellt,  vgl.  Jes  28  2  29  6-8  30  3of.  Mit 
NowACK  Y.  16^*  als  Glosse  aus  Am  1  2  zu  verdächtigen,  liegt  kein  Grund  vor 
(s.  zu  Am  1  2).  Dass  Joel  übrigens  auch  hier,  wie  anderswo,  seine  Vorbilder 
eifrig  benützt,  ist  wohl  zuzugeben;  aber  für  Ursprünglichkeit  von  v.  16^'='  spricht 
deutlich  2  ii^  Zu  v.  le^ß  vgl.  2  io\  Ausdrücklich  hebt  y.  le"^  hervor,  dass 
Israel  von  Jahwe  geschützt  wird,  vgl.  Jes  4  6  30  29-33 ;  non??  und  t1j;D  sind  in 
der  Psalmensprache  beliebte  Termini,  vgl.  Ps  14  6  46  2  27  2  31  5  43  2.  17 
Die  Folgerung,  die  Israel  aus  solcher  Rettung  ziehen  wird,  nennt  Jahwe  selber; 
Israel  wird  erkennen,  dass  Jahwe  sein  Gott  ist  (vgl.  2  27)  und  dass  Jerusalem 
heilig  d.  h.  unantastbar  für  alle  Feinde  und  unnahbar  für  die  profanen  Heiden 
bleibt  (vgl.  Hes  39  7  28f.  Jes  52  1  Ob  y.  17  Sach  9  8  14  21).  Zu  |1^^!i  JDtr  vgl. 
2  27:  ^«"ity"^  nnpü  und  Jes  8  I8. 

4 18— .^l  Der  herrliche  Segen  des  Landes  Israels  in  der  Endzeit  und  die  Ver- 
ödung von  Ägypten  und  Edom.  Die  Schilderung  der  wunderbaren  Fruchtbar- 
keit Palästinas  an  jenem  Tage^  d.  h.  in  der  messianischen  Zeit,  ist  ein  beliebtes 
Thema  der  Eschatologiker,  vgl.  zu  Hos  2  23-25  14  6-8  Am  9  13.  18^  (bis 

^^n)  lautet  fast  gleich  wie  Am  9  13^  Die  Bäche  Judas  werden  dann  nicht 

mehr  vertrocknen  wie  1  20,  sondern  jederzeit  reichlich  Wasser  bieten.  Zu 

der  Quelle y  die  vom  Hause  Jahwes  ausgeht,  vgl.  die  Grundstelle  Hes  47  1-12 
und  dann  Sach  14  8;  an  ersterer  Stelle  fliesst  sie  nach  Osten,  an  letzterer  teilt 
sie  sich  nach  Osten  und  nach  Westen.  Hier  y.  i8^  bewässert  sie  D^^^n  ^nj'HJS, 
das  Akazienthal.  Ein  Thal  dieses  JN^amens  ist  in  alter  Zeit  unbekannt;  die 
Akazienaue  im  Osten  des  Jordans  (Num  33  49)  kann  nicht  in  Frage  kommen. 
Das  heutige  wädi  es-sant,  das  dem  Namen  durchaus  entspricht,  liegt  doch  zu 
fern  von  Jerusalem,  es  beginnt  erst  westlich  von  Betlilehem  und  führt  nach 


Jo  4  18  142  Jo  4  21 

Askalon  hinab.  Wahrscheinlich  soll  der  Name  nicht  der  gebräuchliche  geo- 
graphische Eigenname,  sondern,  wie  Ebene  Josaphat  und  }*^in  v.  12  14,  eine 
poetische  Bezeichnung  sein  für  ein  dürres  wasserarmes  Thal,  in  dem  bloss 
Akazien  wachsen.  Dann  empfiehlt  es  sich,  darin  die  Bezeichnung  der  Fort- 
setzung des  Kidronthales  zu  sehen,  das  sich  durch  die  Wüste  Juda  hindurch 
südostwärts  in  das  Tote  Meer  hinabzieht.  Offenbar  meint  auch  Hes  47,  auf 
dessen  Verheissung  v.  18*'  beruht,  dieses  Thal,  und  der  Sinn  ist  an  beiden  Orten 
derselbe:  In  der  messianischenZeit  wird  durch  die  Segensquelle,  die  vom  Tempel 
ausgeht,  selbst  die  unfruchtbare  Wüste  Juda  in  herrliches  fruchtbares  Land 
umgewandelt.   Vgl.  auch  Apk  Joh  22  if.  19  Zu  dem  Glücke  Judas  bildet 

die  Verödung  von  Edom  und  Ägypten  die  Folie.  Dass  Edom  grell  mit  Juda 
kontrastieren  soll,  ist  nicht  zu  verwundern;  kein  Volk  war  nach  dem  Exil  den 
Juden  so  verhasst,  wie  die  Edomiter,  vgl.  zu  Am  1  11  f.  Ob  y.  1-21  Mal  1  2-5. 
Zu  der  Schuld:  HH^iT  ''^S  DDH??  wegen  der  Frevelthaten  an  den  Judäern,  giebt 
Ob  V.  10-14  den  besten  Kommentar,  vgl.  ÜpT^  ^^HiJ  DI?nD  Ob  v.  10.  Warum  aber 
Ägypten  hier  neben  Edom  erscheint,  liegt  nicht  so  offen  zu  Tage.  Schwerlich 
hat  man  nur  daran  zu  denken,  dass  Joel,  wie  er  von  der  Tempelquelle  als  dem 
Grunde  der  Fruchtbarkeit  Judas  sprach,  das  vom  Nil  fruchtbar  gemachte 
Ägypten  in  den  Sinn  kam  und  er  nun,  um  den  Gedanken  an  die  Gleichwertig- 
keit von  Ägypten  mit  Juda  fernzuhalten,  die  Drohungen  wiederholte,  die 
Hes  29  9  12  32  15  über  Ägypten  ausgesprochen  sind,  vgl.  auch  Sach  14  isf.  Viel- 
mehr hat  Joel  bei  dem  "^  "2  D??n)?,  das  auch  auf  die  Ägypter  geht,  die  einstige 
Bedrückung  im  Auge,  die  Israel  im  Diensthause  Ägypten  erlebte;  alle  anderen 
Völker,  die  Israel  bedrückten,  hat  die  Strafe  erreicht,  das  assyrische  und  das 
chaldäische  Reich  sind  zerstört,  nur  Ägypten  hat  niemals  dafür  büssen  müssen 
und  besteht  immer  noch  ungebrochen  weiter,  darum  ward  mit  ihm  endlich  in 
der  Endzeit  Abrechnung  gehalten.  Dass  hier  Misraim  nicht  Ägypten,  sondern 
nordarabisches  Musri  (und  erst  noch  „altertümlich  für  Edom  gebraucht*')  sei 
(KAT^  147),  ist  schwer  zu  glauben.  Das  letzte  Scätzchen  mit  1^«  betrachte 
ich  als  Glosse;  OSl^,  zu  dem  natürlich  Edomiter  und  Ägypter  Subj.  sein  müssen, 
ist  grammatisch  hart,  da  vorher  die  Länder  genannt  sind  und  nachher  erst 
noch  in  ihrem  (seil,  der  Edomiter  und  Ägypter)  Land  folgt,  und  die  lose  Ver- 
bindung mit  1^'IS  spricht  auch  eher  für  eine  Glosse,  als  für  einen  ursprünglichen 
Bestandteil.  Die  Glosse  denkt  mit  dem  Vergiessen  unschuldigen  Blutes^  soweit 
dies  Ägypten  angeht,  an  die  Massregeln  des  Pharaos  gegen  die  hebräischen 
Knäblein  Ex  1  15-22.  20  21^  hebt  noch  einmal  im  Kontrast  zu  v.  19  das 

herrliche  Los  von  Juda  und  Jerusalem  hervor:  Juda  aber  wird  immerdar  be- 
wohnt sein  Und  Jerusalem  auf  Geschlecht  und  Geschlecht  Und  Jahwe  bleibt 
wohnen  auf  dem  Zion;  das  letzte  Sätzchen  begründet  y.  20 :  Jahwes  Wohnen- 
bleiben auf  dem  Zion  ist  die  Bürgschaft  für  das  unaufhörliche  Glück  Judas 
und  Jerusalems.   Zu  Üi^n,  bewohnt  sein^  vgl.  Jes  13  20  Sach  9  5.  21^  ist 

ebenfalls  Glosse,  wie  y.  i9^P,  und  schliesst  an  die  dort  genannte  Schuld  die  Ver- 
sicherung der  Bestrafung  an.  Als  Glosse  hebt  sich  y.  21^  deutlich  von  der  Um- 
gebung dadurch  ab,  dass  hier  Jahwe  selber  redet,  während  vorher  und  nachher 
der  Prophet  spricht  und  dort  daher  Jahwe  in  der  3.  Person  erscheint  (y.  18  21^). 


Jo  4  21  143  Jo  4  21 

Um  einen  solchen  Wechsel,  wie  ihn  gerade  v.  21  aufweist,  l)ei  einem  und  dem- 
selben Autor  für  möglich  zu  halten,  genügt  die  Erinnerung  an  den  unpräcisen 
Charakter  von  »loel  nicht.  Mit  DD'1  wird  auf  fc^'^pj  D"!  in  v.  19  liingewiesen, 

das  Suff,  bezieht  sich  auf  die  Judäer:  ihr  unschuldig  vergossenes  lUut.  Für 
''H'^iPi,  das  den  Sinn  von  rein  sprevken  (z.  E.  Hi  9  28)  oder  ungestruft  lassen 
(z.  B.  Ex  20  7)  hat,  aber  nur  mit  persönlichem  Obj.  vorkommt,  ist  beidemal 
''nöj^^  (so  LXX  und  Pesch.  wenigstens  das  erstemal)  =--  rächen  zu  lesen  (so 
auch  Wellh.).  Das  allein  giebt  einen  verständlichen  Sinn:  ich  werde  rächen 
ihr  Bluty  das  ich  bisher  nicht  gerächt  habe^  während  die  Übersetzung:  „ich  er- 
kläre i.  B.  für  unantastbar,  das  ich  zuvor  nicht  für  unantastbar  erklärt  habe'' 
(Merx),  für  •'n'^jPi  einen  nicht  nachweisbaren  Sinn  postuliert,  die  Fassung  von 
Steiner:  „und  ich  sollte  ungestraft  lassen  ihr  Blut?  ich  lasse  es  nicht  unge- 
straft" eine  sehr  unglückliche  Frage  voraussetzt  und  das  Perf.  wie  ein  Imperf. 
wiedergiebt,  und  die  blosse  Änderung  des  ersten  ^n'^JP^  (NowackJ:  „und  ich  will 
ihr  Blut  rächen,  nicht  werde  ich  ungestraft  lassen"  ebenfalls  das  zweite  Perf. 
so  zu  fassen  genötigt  ist,  als  wenn  das  Imperf.  ^(P51S"^^^  dastände.  Alle  diese 
gezwungenen  Erklärungen  ist  man  los  mit  der  genannten  doppeltenVerbesserung 
in  '^n^j?^  und  dann  giebt  die  Glosse  die  klare  Begründung  zu  dem  verschiedenen 
Lose  von  Juda  und  von  Edom-Agypten  in  der  messianischen  Zeit. 


Am  Einleitung  I  144  Am  Einleitung  I 


AMOS. 

Einleitung. 


I.   Allgemeines  über  das  Buch  Arnos. 

Das  Buch  Arnos,  das  im  hebräischen  Kanon  an  dritter,  in  der  LXX  an  zweiter 
Stelle  dem  Zwölfprophetenbuche  eingereiht  ist,  wird  zum  ersten  Male  im  Buche 
Tobit  2  6  genannt,  wo  die  wahrscheinlich  sekundäre  Stelle:  Am  8  10^°^  zitiert  wird. 
Aber  dass  es  nicht  erst  im  ersten  Jahrhundert  vor  Chr.,  in  dem  wahrscheinlich  Tobit 
verfasst  ist,  sondern  schon  um  200  v.  Chr.  ein  Buch  Amos  gab,  bezeugt  JSir  49  10, 
wo  von  D'^i^'^Ilin  "ii^^l  Q"^^^  (o^  otüoexa  irpocp^xai)  gesprochen  wird.  Wie  das  Buch 
Amos  damals  beschaffen  war,  speziell  ob  es  bereits  die  jetzige  Gestalt  besass,  lässt 
sich  aus  JSir  49  10  natürlich  nicht  erschliessen.  Sind  demnach  die  direkten  Zeug- 
nisse für  das  Buch  Amos  sehr  spät,  so  lässt  sich  andererseits  schon  früh  eine  Be- 
kanntschaft mit  den  Eeden  und  dadurch  mit  der  Thätigkeit  des  Propheten  Amos 
nachweisen.  Höchst  wahrscheinlich  ist  Hosea  zu  seiner  Beurteilung  der  Lage  in 
Israel  durch  das  Auftreten  Amos'  in  Bethel  mit  angeregt  worden  ;  mit  Sicherheit  aber 
lässt  sich  vermuten,  dass  Jesaja  die  Rede  Arnos'  4  4-13  kannte,  da  Jes  9  7—10  4  + 
5  25-30  in  mehrfacher  Hinsicht  an  dieselbe  erinnert,  vgl.  nur  den  Befrain  bei  Amos: 
n)ni  n«;  nj;  Dnn^  t^b)  mit  dem  bei  Jesaia:  iT^tDi  IT  TOI  IS«  ntT  t^b  mrb^^l:  ausser- 
dem  s.  die  Vorbem.  zu  5  4—6  14  15  am  Ende  und  zu  6  3.  Immerhin  wird  man  sagen 
können,  dass  zwischen  diesen  Endpunkten:  dem  8.  Jahrh.  (Jesaja)  und  dem  1.  Jahrh. 
(Tobit)  das  Buch  Amos  so  geworden  ist,  wie  es  jetzt  uns  vorliegt.  Da  aus  der 
Zwischenzeit  keine  Zeugnisse  uns  vorliegen,  sind  wir  auf  die  Betrachtung  des  Buches 
selbst  angewiesen. 

Von  selbst  gliedert  sich  das  Buch  in  die  drei  Teile:  1)  Gap.  If.:  Die  Ankün- 
digung des  Gerichts  über  die  Nachbarn  Israels  und  über  Israel  selber;  2)  Gap.  3—6: 
eine  Eeihe  von  Reden  und  Redestücken,  die  äusserlich  in  zwei  Gruppen  zerfallen, 
deren  erste  durch  dreimaliges  H^H  nn'in'n«  ilj;^^  3  1  4  1  5  1,  deren  zweite  durch  drei- 
maliges Mn  5  7  (s.  die  Auslegung)  5  18  6  1  zusammengehalten  ist;  und  3)  Gap.  7—9: 
eine  Reihe  von  fünf  Visionen,  unterbrochen  durch  die  Erzählung  von  dem  Erlebnis 
des  Propheten  in  Bethel  und  ausgestattet  mit   einem  Ausblick  auf  das  Glück   der 


Am  Einleitung  I  145  Am  Einleitung  II 1 

kommenden  Tage.  „Das  ist  eine  scbematische  Disposition"  (lllEDEL),  wie  man  sofort 
bemerkt;  sie  geht  also  wohl  sowenig  auf  den  Propheten  zurück,  wie  Jes  1—39  oder 
auch  nur  Jes  1—12  auf  Jesaja.  Dieser  Schluss  wird  durchaus  bestätigt,  wenn  man 
auf  die  Elemente,  aus  denen  das  Buch  zusammengesetzt  ist,  achtet.  Denn  auch  hier 
finden  sich  manche  Stücke,  die  einer  späteren  Zeit  als  der  Lebenszeit  Amos'  an- 
gehören. Es  seien  hier  vorläufig  nur  erwähnt  aus  dem  ersten  Teile  die  Bedrohungen 
von  Gaza,  Tyrus,  Edom  und  Juda  1  6-12  2  4-6,  aus  dem  zweiten  (Cap.  3— G)  4  12^^  13 
5  8 f.  13  26  6  2  und  aus  dem  dritten  (Cap.  7—9)  8  8  9  5f.  9  8-15.  Weiteres  s.  Einl.  III 
und  in  der  Auslegung. 

K       II.   Der  Prophet  Arnos  und  seine  Bedeutung. 

1)  Herkunft  und  Zeit  des  Propheten.    Ausser  dem  Propheten  ist  keine  Person 
des  Alten  Testaments  bekannt,  die  den  Namen  'Arnos  (DIDJ^,  nicht  zu  verwechseln  mit 
^1D«,  'Ämö§j  dem  Vater  Jesajas)  getragen  hätte.    Aus  7  10-17  ist  zu  entnehmen,  dass 
Amos  Schafhirt  und  Sykomorenpflanzer  war  (s.  zu  7  14)  und  dass  er  aus  Juda  stammte 
(7  12).    Die  Bedenken,  die  man  gegen  diesen  letzteren  Schluss  erhoben  hat,  sind  hin- 
fällig; denn  wenn  Amasja  (712)  zu  Amos  auch  nicht  sagt:  „kehre  heim  in  das  Land 
Juda",  sondern:   „mach'  dich  davon  in  das  Land  Juda",  so  ist  einerseits  zu  be- 
merken, dass  dies  deutlich  ein  Heimschicken  ist,   andererseits  aber  zu  beachten,  dass 
es  völlig  unverständlich  und  sonderbar  bliebe,  wenn  Amasja  einen  ihm  widerwärtigen 
israelitischen  Propheten  den  Judäern  auf  den  Hals  hetzte.   Es  liegt  darum  auch  kein 
Grund  vor,  an  der  Angabe  der  Überschrift  1  1  zu  zweifeln,  dass  Amos  aus  Thekoa  in 
Juda  stammte.    Wenn  in  Thekoa  Sykomoren  nicht  gediehen ,   so  gab  es  in  der  Nähe 
im  Osten  und  Westen  (am  Toten  Meer  oder  in  der  Schephela)  zur  Sykomorenzucht  ge- 
eignete Gegenden,   die  die  nomadisierenden  Schafhirten  leicht  erreichen  konnten,  s. 
zu  7  14  und  vgl.  für  Sykomoren  in  der  Schephela  IBeg  10  27.    Wenn  aber  neuerdings 
Cheyne  (Encycl.  Bibl.  Art.  Prophetic  Literature  §  35  und  Critica  Bibl.  II,  133 f.) 
den  Heimatort  des  Propheten,  Thekoa,  nach  dem  Süden  Palästinas  verlegt  und  damit 
Amos  zu  einem  Kind  des  Negeb  macht,  so  hängt  dies  mit  seiner  Theorie  zusammen, 
dass  an  ausserordentlich  vielen  Stellen  des  alttestamentlichen  Textes  Verderbnisse  für 
Namen  aus  der  Gegend  und  aus  der  Nachbarschaft  von  Südpalästina  vorliegen,  unter 
denen  neben  Kusch,  Ismael,  Missur  namentlich  Jerachmeel  eine  Eolle  spiele.    Diese 
Theorie  erscheint  weder  im  Allgemeinen  noch  speziell  für  Amos  begründet.    Es  ist 
doch  viel  verlangt,  wenn  selbst  Bethel  und  ]nöti^  6  1  (]1"löl^  gelesen)  im  Süden  von 
Juda  wieder  gesucht  werden  sollen,  wenn  D^'Tpi^  1  1  aus  D'TIT]!  =  „Sohn  ßachims" 
d.  h.  „Jerachmeels"   entstanden  sein,  wenn  njIDinn  4  3  in  n^SDnT  verbessert  und 
B  25-27   als  dem  Original  nahekommender  Text  gelesen  werden  soll :   nn^Öl  D^^n^in 

''n^büim  :  hi^v^^'"^  VP"^  bt^^m^^)  üd^d  ddh«  ^«li^:ii  t  hi^'p^  n^?  D-^nnj;  ^nrbn  ^^-Dn^jn 

:  "i:i1  nin*'  ID«  ribSOnn*»  DDH«  =  „Brachtet  ihr  mir  Schlacht opfer  und  Speisopfer  an 
den  Festen  von  Arabien,  Israeliten?  So  sollen  euch  Maakat  und  Jerachmeel  und 
Kain  und  Ismael  forttragen,  und  ich  werde  euch  nach  Jerachmeel  ins  Exil  weg- 
führen." Es  ist  wohl  Cheyne  zuzugeben,  dass  der  Text  des  ATs  vielfach  verdorben 
ist;  aber  ein  Universalheilmittel  bilden  Jerachmeel  und  Genossen  nicht,  und  so  sehr 
Ciieyne's  Verdienste  um  das  Verständnis  des  ATs  anerkannt  werden  müssen,  auf 
diesem  neuesten  Wege  kann  man  ihm  nicht  folgen  und  die  Heimat  Amos'  wird  das 

Kurzor  HC  zum  AT  Xlil  10 


Am  Einleitung  11 1  146  Am  Einleitung  11 1 

ci/wa   2    Stunden    südlich    von    Bethlehem    gelegene    judäische    Städtchen    Thekoa 
bleiben. 

Gegen  die  judäische  Herkunft  des  Propheten  kann  kein  Argument  darin  ge- 
funden werden,  dass  in  den  alten  Bestandteilen  des  Buches  jede  Bücksicht  auf  Juda 
fehlt,  vgl.  die  Exegese  zu  2  4f.  3  1  6  1  11  14.  Diese  Eigentümlichkeit  in  den  Beden 
des  Propheten  hängt  mit  der  besonderen  Mission  zusammen,  die  er  zu  erfüllen  hatte; 
vgl.  unten  Einl.  II  2.  Ebensowenig  aber  wäre  es  berechtigt,  wenn  die  wunderbare 
Originalität  der  Gedanken,  die  Klarheit  und  Frische  der  Darstellung  und  ihre 
poetische  Form  dafür  wollten  geltend  gemacht  werden,  dass  ihr  Autor  nicht  aus  den 
einfachen  Verhältnissen  eines  Schafhirten  und  Sykomorenzüchters  hervorgegangen 
sein  könne.  Wer  so  urteilt,  kennt  das  Landleben  und  das  Landvolk  nicht  und  ver- 
gisst,  dass  Geist  und  Bildung  nicht  nur  innerhalb  der  Mauern  einer  Stadt  und  in  den 
Kreisen  der  Vornehmen  sich  finden,  dass  sie  auch  nicht  nur  auf  der  Schulbank  oder 
im  Studierzimmer  gewonnen  werden.  Übrigens  ist  mit  Becht  schon  oft  darauf 'hin- 
gewiesen worden,  dass  in  manchem  seiner  Bilder  die  Vertrautheit  mit  dem  Leben  und 
den  Erlebnissen  eines  Hirten  und  Landmannes  deutlich  sich  kundgiebt,  vgl.  2  13 
3  4f.  12  4  1-3  5  17  19  6  12  7  1  f.  4  8  if. 

Dass  die  Wirksamkeit  des  Propheten  Amos  in  die  Zeit  Jerobeams  IL  (782 — 
743)  fällt,  ergiebt  sich  aus  7  10-17,  nach  welchem  Berichte  der  Oberpriester  von  Bethel 
an  den  König  Jerobeam  Meldung  macht  von  dem  Auftreten  des  Propheten  in  Bethel. 
Es  ist  demnach  auch  die  sekundäre  Notiz  in  der  Überschrift,   dass  Amos  „zur  Zeit 
des  judäischen  Königs  Uzzia  und  des  israelitischen  Königs  Jerobeam  ben  Joas  seine 
Offenbarung  über  Israel  empfangen  habe",  diesmal  richtig;  diese  Angabe  war  eben 
leicht  aus  7  10-17  zu  entnehmen  und  dass  Ilzzia  von  Juda  (789—740  v.  Chr.)  und  Je- 
robeam IL  (782 — 743  v.  Chr.)  Zeitgenossen  w^aren,  Hess  sich  unschwer  aus  der  histo- 
rischen Überlieferung  des  ATs  erschliessen.    Da  die  weitere  Datierung:  zwei  Jahre 
vor  dem  Erdbeben  (1 1)  ebenfalls  keine  selbständige  Überlieferung  ist  (s.  zu  1  l),  kann 
sie  zur  genaueren  Fixierung  der  prophetischen  Thätigkeit  Amos^  innerhalb  der  langen 
Begierungsdauer  Jerobeams  IL  nicht  dienen.    Wir  sind,   um  zu  diesem  Ziele  zu  ge- 
langen, auf  andere  Erwägungen  angewiesen.    Aus  den  Beden  des  Propheten  ergiebt 
sich,  dass  man  zu  seiner  Zeit  in  Israel  auf  grosse  Erfolge  zurückblicken  konnte  und 
man  sich  in  sicherer  und  ungefährdeter  Lage  fühlte,  vgl.  5  14.   Das  Beich  hatte  wieder 
beinahe  seine  alten  Grenzen  gewonnen ,  denn  es  dehnte  sich  aus  von  der  Strasse  nach 
Hamath  bis  zum  Bache  der,  Äraba  s.  6  14.    Infolge  des  politischen  Aufschwungs  hatte 
der  Beichtum  im  Lande  zugenommen,   aber  damit  waren  auch  Verschwendung  und 
Üppigkeit  bei  den  Vornehmen  und  Beichen  eingekehrt  und  die  Armen  hatten  unter 
dem  Hochmut  und  Drucke,  der  Vergewaltigung  und  Bücksichtslosigkeit  derselben  zu 
leiden.    Diese  Verhältnisse  lassen  uns  erkennen,  dass  Amos  nicht  am  Anfang  der  Be- 
gierung  Jerobeams  II.  gewirkt  hat.   Denn  obschon  bereits  Joas,  der  Vater  Jerobeams, 
über  die  Syrer  gesiegt  hat  (II  Beg  13  25),  ist  es  doch  erst  Jerobeam  IL  gelungen,  den 
Krieg  mit  den  Aramäern  siegreich  zu  beendigen.    Dieser  für  Israel  glückliche  Aus- 
gang des  langen  Kampfes  war  neben  der  Thatkraft  Jerobeams  IL  hauptsächlich  den 
Assyrern  zu  danken,  die  nun  wieder  ihre  Feldzüge  nach  dem  "Westen  aufnahmen  und 
besonders  die  Aramäer  bedrängten.    Solche  Züge  sind  schon  von  Bamman-nirari  IlL 
(812—783)   und   Salmanassar  III.   (783—773)   bezeugt;    aber    auch   ihre   Nachfolger 


Am  Einleitung  II  1  147  Am  Einleitung  II  2 

Assurdan  (773—755)  und  Assur-iurari  (755—745)  ha])en  Züge  nach  Westen  nach  Cha- 
tarika  (==  Hadrach)  in  den  Jahren  772,  765,  755  und  nacli  Arpad  im  Jahre  751  aus- 
geführt (s.  WiNCKLER  in  KHC  zum  AT:  Buch  der  Könige  S.  202).  Es  wird  daher 
erst  von  Jerobeam  II.  i)erichtet,  dass  er  die  Grenzen  Israels  in  vollem  Umfange 
wieder  herstellte  (II  Jleg  14  23-29).  Wir  können  deshalb  sicher  annehmen,  dass  Amos 
erst  in  der  zweiten  Ilillfte  der  Hegierung  Jerobeams  II.  als  Prophet  auftrat,  also  nach 
760,  und  wir  dürfen  rund  750  als  seine  Zahl  nennen.  Auf  Grund  dieser  grossen  welt- 
historischen Ereignisse  liisst  es  sich  wohl  verstehen,  wie  Amos  allen  Nachbarn  Israels 
mit  dem  Vernichtungsgerichte  droht  und  den  Israeliten  selber  deutlich  die  Assyrer 
als  die  Feinde  bezeichnet,  welche  ihrem  Staate  ein  Ende  bereiten  und  die  Bevölkerung 
wegschleppen  werden.  Von  diesen  Vorstössen  der  assyrischen  Macht  hat  man  natür- 
lich auch  unter  den  Schafhirten  von  Thekoa  gehört  und  wenn  dem  Propheten  klar 
geworden  war,  dass  Jahwe  das  Treiben  der  Israeliten  nicht  länger  dulden  könne,  so 
boten  sich  die  Assyrer  als  das  AVerkzeug  Jahwes  von  selber  dar.  Gegen  diese 

Fixierung  hat  allein  ElhoKST  Einsprache  erhoben  und  das  Buch  Amos  aus  dem  An- 
fang der  Begierungszeit  Josias  (638—621)  hergeleitet.  Damals  soll  im  Anschluss  an 
die  Legende,  dass  ein  Prophet  Amos  von  Thekoa  unter  Jerobeam  II.  als  Bussprediger 
gewirkt  habe,  ein  frommer  Schriftsteller  im  Geiste  jenes  Amos  die  Beden  des  Buches 
geschrieben  haben,  um  durch  diese  Einkleidung  in  den  an  die  Ephraimiten  gerichteten 
Prophetenworten  um  so  besser  seine  jadäischen  Mitbürger  mahnen  zu  können.  Diese 
Annahme  hat  mit  Recht  keinen  Anklang  gefunden;  an  sich  ist  es  doch  eine  sehr  ge- 
zwungene Vorstellung,  die  hier  von  der  Entstehung  des  Buches  gegeben  wird,  und 
dann  fusst  Elhorst  hauptsächlich  noch  für  seine  Annahme  auf  sekundären  Stellen, 
wie  1  2  2  4  5  26  (vgl.  auch  dagegen  VOLZ  in  ThLZ  1900,  289—292). 

2)  Die  prophetische  Thätigkeit  und  die  religionsgeschichUiche  Bedeutung 
AniOS\  Amos  will  nicht  mit  denen,  die  man  in  Israel  Propheten  nannte,  und  mit 
Angehörigen  der  Prophetenzunft  in  eine  Linie  gestellt  sein  und  lehnt  darum  von  sich 
auch  den  Titel  eines  N^HJ  ab  (7  14),  er  ist  von  der  Ausübung  seines  Berufes  als  Schaf- 
hirte  weggenommen  und  mit  einem  bestimmten  Auftrag  Jahwes  nach  Bethel  gesandt 
worden,  den  er  an  Israel  auszurichten  hatte  (7  15).  Er  lautete:  Weissagung  der  Zer- 
störung des  israelitischen  Reiches  und  der  Wegführung  des  Volkes  in  die  Fremde, 
wo  es  seinen  Untergang  finden  soll.  Amos  hat  diesem  Bufe  Jahwes  Folge  geleistet 
und  wie  es  ihm  dabei  ergangen  ist,  wird  7  10-17  erzählt.  Dass  er  nachher  nochmals 
öffentlich  aufgetreten  ist,  erfahren  wir  nicht;  dagegen  sind  seine  Worte,  die  uns  im 
Buche  Amos  aufbehalten  sind,  ein  Zeugnis  dafür,  dass  er  nicht  nur  damals  am  Feste 
mündlich  sich  seines  Auftrags  entledigt  hat.  Es  ist  doch  schwerlich  anzunehmen, 
dass  die  Beden  des  Propheten  nur  von  einem  Fremden,  der  sie  in  Bethel  angehört 
hatte,  aus  dem  Gedächtnis  aufgezeichnet  seien.  Es  ist  nur  natürlich,  dass  Amos 
selber  sie  nachträglich  niedergeschrieben  hat,  und  dann  hat  er  dabei  keinen  anderen 
Zweck  verfolgt,  als  den,  welchen  er  bei  seinem  Auftreten  in  Bethel  hatte:  er  wollte 
auch  bei  der  Aufzeichnung  seiner  Worte  den  Auftrag  Jahwes  an  Israel  erfüllen. 
Dass  er  dabei  nicht  genau  die  Bede  verbotenus  niedergeschrieben  hat,  wie  er  sie  in 
Bethel  gehalten  hat,  versteht  sich  von  selber;  es  war  ihm  um  die  Sache  zu  thun, 
nicht  um  eine  diplomatisch  genaue  Wiedergabe  seiner  Worte.     Darum  werden  wir 

auch  nicht  zu  der  Annahme  gezwungen  sein,   dass  alle  seine  im  Buche  Amos  auf- 

10* 


Am  Einleitung  II  2  148  Am  Einleitung  11  2 

gezeichneten  Reden  wirklich  in  Bethel  gehalten  worden  seien.  Wenigstens  kommt  es 
mir  vor,  dass  die  in  ihrer  Einfachheit  so  grossartige  und  doch  wieder  so  tiefe  „Rede" 
3  4-8  nicht  in  den  Festlärm  des  Volkes  zu  Bethel  passt,  selbst  dann  nicht,  wenn  man 
sie  als  Rechtfertigung  des  Propheten  gegen  die  Abweisung  durch  den  Oberpriester 
ansieht.  Aber  eine  Scheidung  in  wirklich  gehaltene  Reden  und  in  nachträglich  hinzu- 
gekommene Stücke  wird  schwerlich  durchführbar  sein.  Andererseits  machen  manche 
Abschnitte  durchaus  den  Eindruck,  dass  sie  bloss  das  Thema  oder  die  Quintessenz 
einer  längeren  Ausführung  wiedergeben  sollen,  vgl.  z.  B.  3  2.  Aus  diesem  praktischen 
Zwecke  der  Aufzeichnung  erklärt  es  sich  auch  vollständig,  dass,  trotzdem  sie  in  Juda 
erfolgte,  doch  keine  Rücksicht  auf  Juda  genommen  wird. 

Amos  wird  wahrscheinlich  seine  Worte  in  Flugblättern  haben  ausgehen  lassen ; 
eins  wird  die  alten  Bestandteile  von  Cap.  If.  (die  sechs  zehnzeiligen  Strophen),  ein 
anderes  die  fünf  Visionen  aus  Cap.  7 — 9  enthalten  haben,  und  das  alte  Gut  von 
Cap.  3-— 6  mag  ursprünglich  auf  vier  oder  fünf  oder  noch  mehr  Blättern  unter  die 
Menge  gebracht  worden  sein.  Die  Frage,  ob  Amos  habe  schreiben  können,  ist 
durchaus  müssig;  jedenfalls  hat  es  in  Thekoa  Schreiber  gegeben,  die  imstande  waren, 
Amos'  Weissagungen  aufzuzeichnen,  wie  es  in  jeder  Ortschaft  auch  nicht  an  solchen 
gefehlt  haben  wird,  die  derartige  Flugblätter  dem  Volke  vorzulesen  verstanden. 

Gehört  bei  Amos  die  schriftliche  Aufzeichnung  zur  Erfüllung  seiner  prophe- 
tischen Aufgabe,  so  begreift  man,  wie  er  der  erste  Prophet  geworden  ist,  dessen 
Worte  uns  schriftlich  erhalten  sind.  Aber  auch  in  anderer  Hinsicht  ist  Amos  der 
Anfänger  einer  neuen  Periode.  Es  mag  ja  Männer  vor  ihm  gegeben  haben,  die  in 
ähnlicher  Weise  die  ächte  israelitische  Sitte  und  Religion  gegen  das  kanaanäische 
Wesen  mit  seinem  unsittlichen  Kultus  und  Luxus  verteidigten,  Amos  weist  selber  auf 
Propheten  und  Nasiräer  hin  (2  11);  er  ist  der  erste  in  der  Reihe  dieser  grossen 
Männer  des  israelitischen  Altertums,  den  wir  genauer  kennen  und  von  dessen  Ge- 
danken wir  bestimmtes  wissen,  und  er  ist  nicht  der  kleinste  unter  ihnen.  Man  weiss 
nicht,  was  man  mehr  an  diesem  Hirten  von  Thekoa  bewundern  muss,  die  wunderbare 
Klarheit  und  Frische  oder  die  grossartige  Einfachheit  und  Tiefe  seiner  Gedanken 
oder  am  Ende  die  Weite  des  Gesichtskreises,  den  ihm  die  klare  Gewissheit  über  das 
wahre  Wesen  der  israelitischen  Religion  eröffnet  hat.  In  ein  paar  einfachen  Sätzen 
lässt  sich  Amos'  Grundanschauung  charakterisieren:  Religion  und  Sittlichkeit,  Jahwe 
und  Gut  fallen  nicht  auseinander;  wer  Jahwe  dient  und  verehrt,  übt  das  Recht  und 
thut  das  Gute,  und  erst  da  ist  wahre  Religion,  wo  die  Sittlichkeit  ihr  Bestand  ver- 
leiht und  ihr  Wesen  ausmacht.  Jahwe  aber  ist  die  lebendige  Kraft  und  die  per- 
sönliche Macht,  die  diese  sittliche  Ordnung  vertritt  und  nach  derselben  über  das 
Leben  und  das  Geschick  der  Völker  entscheidet  (s.  bes.  zu  5  4-6  14  15).  Man  sieht, 
welche  Konsequenzen  diese  energische  Hervorhebung  der  unbedingten  Geltung  des 
Sittlichen  und  Guten  in  der  Jahwereligion  haben  muss ;  Amos  sind  sie  aufgegangen : 
Jahwe  ist  nicht  der  Gott  Israels  allein,  weder  an  Israels  Macht  noch  an  seine  Grenzen 
gebunden;  er  ist  der  Herr  aller  Mächte  (Hlfc^lJ^  Hin^  5  15),  die  Assyrer  können  sein 
Werkzeug  sein ;  er  ist  der  Richter  auch  über  Aram,  Ammon  und  Moab,  nicht  etwa, 
weil  sie  den  Kultus  Jahwes,  sondern  weil  sie  humane  sittliche  Pflichten  ausser 
Acht  Hessen ;  er  hat  nicht  nur  Israel  aus  Ägypten  geführt,  sondern  auch  den  andern 
Völkern  ihre  Wohnsitze  gegeben  9  7.    Man  versteht  von  da  aus  das  Urteil,  das  Amos 


Am  Einleitung  TT  2  149  Am  Einleitung  11  2 

über  Tsrael  spricht:  Jahwe  hasst  den  kultischen  Lärm  und  das  Gepränge  der  Opferfeste 
und  vernichtet  eine  Gesellschaft,  die  so  versunken  ist,  dass  sie  Sitte  und  Hecht  nicht 
mehr  kennt.  Es  kann  aber  auch  niemand  verborgen  bleiben,  wie  in  diesem  Glauben 
des  Amos  der  Monotheismus  seiner  Kraft,  wenn  auch  nicht  seinem  Namen  nach  vor- 
handen ist,  und  welch  ganz  anderer  Monotheismus  als  der,  zu  dem  die  Priester  in 
Babylonien  und  Ägypten  gelangt  sein  sollen!  Dort  in  Babylonien  und  Ägypten  eine 
monotheistische  Spekulation,  die  keine  Kraft  besitzt  und  vollständig  gleichgiltig  ist 
gegen  den  Polytheismus  der  Menge,  deren  Götter  diese  Theorie  allegorisiert  und  in 
einen  allgemeinen  Begriff  auflöst,  hier  bei  den  Propheten  in  Israel  ein  kräftiger  und 
lebendiger  Glaube  an  Jahwe,  der  neben  sich  keine  Götter  duldet,  der  eifersüchtig 
über  seine  alleinige  Verehrung  wacht  und  als  Alleinherr  die  Geschicke  der  Menschen 
leitet.  Eine  Verwandtschaft  und  Abhängigkeit  zwischen  dem  Monotheismus  in  Babel 
und  in  der  Bibel  giebt  es  nicht ;  der  radikal  verschiedene  Ursprung  ist  der  Grund 
der  Verschiedenheit.  Dort  in  Ägypten  und  Babel  ist  der  Monotheismus  Theorie, 
hier  in  Israel  Kraft  und  Leben;  dort  das  Ergebnis  einer  spekulierenden  Abstraktion, 
gewonnen  durch  eine  Fusion  der  Götter,  hier  die  Empfindung  eines  höheren  Wesens, 
das  Innewerden  seiner  sittlichen  und  geistigen  Macht,  erwachsen  aus  einer  sittlichen 
und  religiösen  Vertiefung,  aus  einer  innigeren  Vereinigung  mit  einem  besonderen 
Gott,  der  eben  nicht  verschwindet  und  sich  auflöst,  sondern  der  lebendige  bleibt  und 
als  den  einzig  lebendigen  sich  erweist.  Dort  der  leere  Begriff  des  Monotheismus,  hier 
schon,  ohne  dass  das  AYort  geprägt  ist,  die  Fülle  von  Kraft  und  von  Leben,  die  diesem 
Glauben,  wo  er  wahrer  Glauben  ist,  innewohnen  muss.  Wie  lebendig  aber  Jahwe 
als  Kraft  von  Amos  erfahren  wurde,  zeigt  der  trotz  seiner  Einfachheit  vielleicht 
grossartigste  Abschnitt  3  4-8 :  Gott  ist  nicht  nur  eine  Hypothese  des  Verstandes, 
sondern  seine  Erkenntnis  eine  Wirkung  der  Kundgebung  Gottes  selber.  Amos 

ist  einer  der  wichtigsten  Marksteine  in  der  Geschichte  der  Beligion.  Er  hat  mit  der 
energischen  Betonung  der  einfachen,  ihm  wunderbar  klar  aufgegangenen  Wahrheit 
von  der  engen  und  notwendigen  Zusammengehörigkeit  von  Beligion  und  Sittlichkeit 
den  sittlich-religiösen  Monotheismus  begründet  und  damit  die  geistige  und  sittliche 
Art  der  wahren  Eeligion  sichergestellt;  die  Volksreligion  ist  im  Prinzip  überwunden, 
er  hat  sie  als  der  erste  auf  eine  höhere  Stufe  gehoben,  indem  er  die  sittlichen  Ele- 
mente derselben  heraushob  und  deren  Alleingiltigkeit  entdeckte. 

Dass  bei  dieser  Vertiefung  der  israelitischen  Beligion  alte  Namen  einen  neuen 
Inhalt  und  eine  andere  Bedeutung  erhielten,  versteht  sich  von  selber.  An  die  neue 
Bedeutung  von  nii<5^  ^jn^,  das  man  früher  wohl  als  den  Gott  der  israelitischen  Heere 
verstand,  das  jetzt  aber  Jahwe  als  den  Herrn  aller  Mächte  bezeichnete,  ist  schon  er- 
innert (s.  auch  zu  5  15).  Ebenso  hat  21tD,  gut,  eine  absolute  Bedeutung  bekommen,  es 
ist  nicht  mehr  bloss  das  Erspriessliche,  das  Angenehme,  das  Zweckmässige  oder  das 
einem  geschriebenen  Gesetze  Entsprechende,  sondern  das,  was  dem  unbedingten 
Willen  Gottes  entspricht,  der  das  Sittliche  überall  fordert.  Der  Tag  Jahwes  (UV 
nin^)  endlich  ist  nicht  mehr  der  Tag,  wo  der  partikularistische  Gott  Israels  gegen 
die  Feinde  seines  Volkes  siegt,  sondern  der  Tag,  an  dem  Jahwe,  der  Gott  der  sitt- 
lichen Macht  und  der  Gerechtigkeit,  triumphiert  auch  gegen  Israel.  Für  Amos  ist 
die  Vernichtung,  die  er  Israel  drohen  und  prophezeien  muss,  nicht  der  Zusammen- 
bruch, sondern  die  Bestätigung  der  Wahrheit  seines  Glaubens.    Damit  sind  wir  vor 


Am  Einleitung  II  2  150  Am  Einleitung  III 1 

die  Frage  gestellt,   wie  sich  Amos  die  Zukunft  der  Eeligion  Jahwes  gedacht  habe, 
wenn  Israel  vernichtet  sei.    Auskunft  erhalten  wir  nicht  in  9  8-15,   denn  diese  Verse 
stammen  nicht  von  Amos  (s.  die  Erklärung) ;   aber  auch  nirgends  sonst  vernehmen 
wir  die  Gedanken  des  Propheten  hierüber.     Wir  sind  auf  Vermutung  angewiesen : 
"Wahrscheinlich  existierte  diese  Frage  für  Amos  gar  nicht;  er  hat  vertrauensvoll  die 
Zukunft  der  Macht  Jahwes  überlassen,    die  ja  nicht  auf  Israel  beschränkt  ist  (9  7), 
welches  die  Bedeutung  und  die  Aufgabe  seiner  Prärogative  so  schmählich  verkannt 
hat  (s.  zu  3  2).    Oder  spielt,  wie  MeinhOLD  anzunehmen  geneigt  ist,   mit  herein  der 
Hintergedanke,  dass  Juda  doch  bestehen  bleibe,  und  hat  der  Gedanke  an  diesen  Rest 
dem  Propheten  es  erleichtert,   seine   schonungslosen  Konsequenzen  über.  Israel  zu 
ziehen?     Amos  nennt  Juda  nicht;   es  mag  sein,  dass  es  in  Juda,  zumal  in  der  von 
der  Hauptstadt  entfernt  liegenden  Provinz,  wirklich  noch  besser  stand  als  in  Israel, 
das  ja  bald  Hosea,  der  Bürger  des  Nordreichs,  in  viel  schwärzeren  Farben  schildert 
als  Amos,   und  dass  Amos  daher  seine  Heimat  und  ganz  Juda  günstiger  beurteilen 
durfte  als  Israel.  Trotzdem  ist  schwerlich  dieser  Hintergedanke  bei  Amos  lebendig  ge- 
wesen.   Nicht  die  vermeintlich  oder  vermutlich  besseren  Verhältnisse  Judas  können 
erst  einem  Amos  den  Mut  geben,  schonungslos  den  Auftrag  seines  Gottes  an  Israel 
auszurichten ;   dieser  Mut  ist  die  Frucht  seines  Glaubens  an  Jahwe  und  an  seine 
Macht,  ein  Mut,   der  auch  nicht  zurückgeschreckt  wäre,   denselben  Auftrag  an  seine 
eigenen  Mitbürger  auszurichten,  vielleicht  wohl  mit  grösserem  Schmerze,  aber  nicht 
mit  Verzweiflung  an  der  Sache  Jahwes. 

111.  Die  Entstehung  des  Amosbuches. 

1)  Der  Grundstock  des  Buches  sind  die  vom  Propheten  Amos  selber  her- 
rührenden Bestandteile.  Und  zwar  sind  dieselben  von  ihm  in  schriftlicher  Auf- 
zeichnung wohl  als  eine  Reihe  einzelner  Flugblätter  (s.  Eiul.  II  2)  auf  die  Nachwelt 
gekommen;  die  Annahme  bloss  mündlicher  Überlieferung,  welche  ElEDEL  und  Bau- 
MANN  bevorzugen,  kann  nicht  damit  begründet  werden,  dass  sie  die  spätere  Verwir- 
rung des  Buches  einfacher  und  leichter  erkläre;  denn  die  Verwirrung  ist  lange  nicht 
in  dem  Masse  vorhanden,  wie  Baumank  (und  auch  vor  ihm  Löhk)  annimmt,  und 
Elhoest,  der  für  sein  aus  der  Zeit  Josias  abgeleitetes  Amosbuch  eine  kaum  ge- 
ringere Unordnung  vermutet  hat,  glaubt  dieselbe  ohne  Zuhilfenahme  mündlicher 
Überlieferung  erklären  zu  können.  Zu  diesem  Grundstock  gehören  die  von  allen 
Erweiterungen,  Interpolationen  und  Änderungen  infolge  weiterer  Eingriffe  ge- 
reinigten Beden  des  Propheten,  wie  sie  die  folgende  Auslegung  herauszuschälen 
versucht. 

Fraglich  ist  es,  ob  der  erzählende  Abschnitt  710-17  zu  diesem  Grund- 
stock zu  rechnen  ist.  Auf  alle  Fälle  liegt  in  demselben  glaubwürdige  Überlieferung 
vor;  denn  die  ganze  Begebenheit  ist  so  eigenartig  und  die  Worte  von  Amasja  und 
Amos  so  charakteristisch,  dass  an  eine  Erfindung  gar  nicht  zu  denken  ist.  Ge- 
wöhnlich führt  man  als  Grund,  der  gegen  die  Autorschaft  von  i^mos  sprechen  soll, 
an,  dass  7  10-17  von  Amos  in  der  dritten  Person  gehandelt  wird,  während  er  vorher 
und  nachher  in  der  ersten  erscheine  7  1-9  8  1  ff.  Dieser  Grund  ist  aber  keineswegs 
durchschlagend;  denn  7  1  ff.  8  1  ff.  erzählt  Amos  nicht,  sondern  er  giebt  die  Bede 
wieder,  in  der  er  allerdings  von  seinen  Gesichten  berichtet  hat.   Also  in  7  10-17  haben 


Am  Einleitung  III 1  151  .  Am  Einleitung  III 2 

wir  die  Erzählung  von  den  Ereignissen,  die  sich  an  das  Auftreten  Arnos'  in  Bethel, 
wohl  speziell  an  die  Rede,  in  der  er  dort  über  seine  Visionen  referierte,  angeschlossen 
haben,  und  diese  Erzälilung  wird  ganz  naturgcmäss  in  dritter  Person  gegeben,  wie 
die  Erzählung  Iloseas  Cap.  1  (zu  Hos  Cap.  3,  das  eben  auch  nicht  als  einfache  Er- 
zählung, sondern  als  prophetische  Ilede  gedacht  ist,  vgl.  den  Comm.),  während  der 
Auszug,  resp.  die  nachträgliche  Niederschrift  der  in  Eethel  gehaltenen  Rede  die  Form 
der  Rede  beibehält.  Ob  von  Anfang  an  7  10-17  seine  jetzige  Stellung  einnahm  oder 
an  eine  andere  Stelle  gehörte,  ist  nicht  sicher  zu  entscheiden;  mir  will  es  vorkommen, 
dass  sie  am  besten  an  den  Schluss  nach  9  7  passte  (nicht  vor  7  1,  wie  Baumann  ver- 
mutet), von  wo  sie  natürlich  wegrücken  musste,  als  der  Anhang  9  8-15  angebracht 
werden  sollte.    Vgl.  noch  die  Vorbem.  zu  7  10-17. 

Hervorzuheben  ist  an  dieser  Stelle  noch,  dass  die  Rücksichtnahme  auf  Juda 
auch  da,  wo  sie  in  kleinen  Bemerkungen  wie  3  l  6  l  jetzt  vorliegt,  dem  Grundstock 
ursprünglich  fremd  ist,  und  dass  sich  in  demselben  keine  Anklänge  an  litterarische 
Quellen  finden.  Die  Anspielungen  auf  Ereignisse  des  Altertums  (manche  sind  erst 
später  hinzugefügt,  so  z.  B.  2  10)  gehen  nicht  auf  Lektüre,  sondern  auf  mündliche 
Überlieferung  zurück,  vgl.  zu  2  9  4  11  5  25. 

Der  Grundstock  der  Buches  umfasste  somit: 

,  a)  Die  Ankündigung  des  Gerichtes  über  Damaskus,  Ammon,  Moab,  die  Nach- 
barn Israels,  und  über  Israel  selber,  die  in  sechs  zehnzeiligen  Strophen  verläuft  1  3-5 
13-15  2  1-3  6-8  9-11  (excl.  V.  10)  13-16. 

b)  Eine  Reihe  von  „Reden"  des  Propheten  Arnos  in  vierzeiligen  Strophen 
mit  Ausnahme  von  3  12,  wo  ein  siebenzeiliges  Fragment  vorzuliegen  scheint,  und  von 
4  1-3,  wo  zwei  Sechszeiler  die  Apostrophe  an  die  Frauen  von  Samarien  ausmachen, 
in  Cap.  3 — 6  (über  die  sekundären  Elemente  s.  im  folgenden  Abschnitt  2). 

c)  Die  Visionen  Arnos  und  die  historische  Bemerkung  über  den  Eindruck, 
den  die  Erzählung  dieser  Visionen  auf  den  Oberpriester  von  Bethel  machte.  Die 
Reihenfolge  des  Textes  war  ursprünglich:  7  1-9  8  1-3  9  1-4  7  7  10-17.  Wie  die  histo- 
rische Notiz  ist  auch  die  Erzählung  über  die  Visionen  in  Prosa  gegeben,  nur  die 
letzte  Vision  mündet  aus  in  fünf  Tetrastichen  9  1-4  7. 

Einiges  alte  Gut  mag  auch  in  dem  Geröll  von  8  4-14  enthalten  sein,  das  sich 
hier  zwischen  die  vierte  und  fünfte  Vision  eingeschoben  hat,  wohl  aber  besser  seiner 
Art  nach  zu  Cap.  3—6  gehörte. 

2)  Die  sekundären  Elemente  des  Buches.  Alsbald  nach  der  Niederschrift 
wird  der  Text  durch  spätere  Abschreiber  Verderbnisse  erfahren  und  kleinere  Bei- 
fügungen bekommen  haben.  Aber  es  waren  dies  unabsichtliche  Änderungen  oder 
kurze  Bemerkungen,  die  dem  Verständnis  dienen  sollten.  Denn  auch  bei  Arnos  tritt 
uns  wieder  dieselbe  Thatsache,  wie  bei  Jesaja  und  Hosea,  entgegen,  dass  alle 
grösseren  Zuthaten  deutlich  nachexilischen  Charakter  haben  (vgl.  Jes  Einl.  III 3 
S.  XVIII  und  Hos  Einl.  IV  S.  lOf.).  Das  kann  eine  Übersicht  der  hauptsächlichsten 
sekundären  Elemente  am  besten  beweisen. 

a)  Die  auf  Juda  Rücksicht  nehmenden  Stellen :  2  4f.  3  1^  6  1  (z.T.,  s.  die 
Auslegung),  gehen  nicht  etwa  auf  eine  imaginäre  Ausgabe  Amos^  für  das  Süd- 
reich  zurück,   sondern    setzen    deutlich   das   Deuteronomium   und   die  infolge   der 


Am  Einleitung  III  2  152  Am  Einleitung  III  3 

Verachtung  der  Thora  eingetretene  Zerstörung  Jerusalems  voraus  (2  4  f.  und  6  1  vgl. 
mit  6  2). 

b)  Die  historischen  Einfügungen  zeigen  samt  und  sonders  das  gelehrte  Inter- 
esse, das  man  nach  dem  Exil  an  den  Schriften  der  Propheten  nahm:  Unter  den 
Nachbarn,  die  mit  dem  Gericht  bedroht  wurden,  durften  Gaza  (die  Philister),  Tyrus 
(die  Phönizier)  und  die  Edomiter  nicht  fehlen  1  6-12;  es  sind  dies  gerade  die  Völker, 
die  in  dem  späten  Buche  Joels  4  4  19  als  dem  Gerichte  verfallen  erwähnt  werden, 
und  was  1  11  über  Edom  gesagt  wird,  ist  erst  nach  dem  Exile  verständlich.  Zudem 
erreichte  man  durch  die  Einfügung  dieser  drei  Nachbarn,  wenn  man  Juda  und  Israel, 
wie  billig,  zusammennahm,  die  beliebte  Siebenzahl  der  Völker.  Wenn  von  der  Besitz- 
nahme Kanaans  die  Bede  ist,  so  darf  die  Bettung  aus  Ägypten  mit  der  vierzig- 
jährigen Wüstenreise  nicht  fehlen,  darum  trat  2  10  als  Zusatz  zu  2  9,  mussten  5  25  die 
vierzig  Jahre  ausdrücklich  erwähnt  sein;  w^ar  von  Propheten  die  Bede,  so  konnte 
die  Widerspenstigkeit  des  Volkes  gegen  dieselben  nicht  unterdrückt  werden,  s.  den 
Zusatz  2  12  zu  2  11.  Gelehrt  ist  auch  die  Einfügung  von  6  2,  vgl.  Jes  10  9-11,  und 
von  5  26. 

c)  Das  spezifisch  nachexilische  theologische  Interesse  verraten  Glossen,  wie 
die  Doxologieen  Gottes  aus  der  Natur  und  Geschichte  413  5  8f.  9  5  6,  die  Theorie 
über  das  Vorauswissen  aller  Ereignisse  durch  die  Propheten  3  7,  die  IJmdeutung  der 
Hungersnot  ins  Geistige  8  11-14.  Nachexilische  Herkunft  bekundet  auch  die  Glosse 
5  13  vom  Schweigen  des  Weisen  in  böser  Zeit  (s.  die  Auslegung),  die  Zwischen- 
bemerkung 8  8  von  dem  Beben  der  Erde  über  die  Sünde  der  Israeliten  (s.  zu  8  8)  und 
die  Vorbemerkung,  die  zur  Einleitung  des  ganzen  Buches  dient  1  2  (s.  dazu). 

d)  Endlich  ist  die  Heils  Verkündigung  9  8-15  ohne  Erage  ein  Produkt  der 
nachexilischen  Zeit,  sie  setzt  ja  den  Sturz  der  davidischen  Dynastie  und  das  Exil 
voraus,  vgl.  die  Vorbemerkung  zu  9  8-15. 

Über  weitere  Zuthaten,  wie  die  Auslegung  in  4  7  oder  die  Überleitung  3  3, 
siehe  den  Commentar,  wo  auch  die  kleinsten  sekundären  Elemente  kenntlich  ge- 
macht sind. 

3)  Der  Werdeprozess  und  der  Abschluss  des  Buches.  Über  die  Geschichte 
des  Buches  von  dem  Dasein  des  Grundstockes  bis  zur  Entstehung  der  jetzigen  Ge- 
stalt ist  nur  soviel  zu  sagen,  dass  die  Hauptzugaben  erst  nach  dem  Exil  zu  dem 
Grundstock  hinzugekommen  sind.  Jesaja  hat  sicher  Kenntnis  von  Amos'  Prophetieen 
besessen  (s.  Einl.  I) ,  aber  damit  ist  nicht  gesagt,  dass  schon  damals  die  den  Grund- 
stock des  Buches  bildenden  Abschnitte  zu  einem  Ganzen  zusammengestellt  waren. 
Die  Vermutung,  dass  bereits  Amos  selber  die  Vereinigung  und  Disposition  vor- 
genommen habe,  ist  zwar  nicht  durchaus  fernzuhalten.  Immerhin  erklärt  sich  leichter, 
wie  8  4-14  nach  8  3  verschlagen  werden  konnte,  wenn  das  Ganze  nicht  von  Anfang 
fest  disponiert  war,  sondern  die  einzelnen  Stücke  für  sich  existierten.  "Wann  dann 
zum  erstenmal  die  verschiedenen  Stücke  gesammelt  wurden,  lässt  sich  schwerlich 
ausmachen;  man  darf  vielleicht  an  die  Zeit  Jesajas  denken,  als  das  Nordreich  ge- 
fallen war  und  man  ein  grosses  Interesse  haben  musste,  die  Prophetieen  Amos'  zu 
besitzen,  welche  sich  so  genau  bewahrheitet  hatten.  Mag  sich  die  Disposition  des 
zweiten  Teiles  Cap.  3—6  schon  damals  an  die  Stichworte  H^H  ^llJ'nn'niSI  ^J^D^  3  1  4  1 
5  1  und  Mn  5  7  18  61  gehalten  haben,   oder  mag  diese  Markierung  der  vier  Capitel 


Am  Einleitung  III  3  153  Am  Einleitung  TV 

erst  nachträglich   erfolgt  sein,   man  versteht  sehr  wohl,   warum  3  1-8  an  den  Anfang 
gestellt  wurde,  und  hegreift,  wie  G  8-14  den  Schluss  bil  len  konnte  (vgl.  noch  Vorbem. 
zu  3  1—6  U).     Natürlich   war  mit  dieser   Sammlung  der  Werde[)roce88  nicht  abge- 
schlossen;   besonders  erklärt  sich  die  Verwirrung,   in  der  Cap.  5  auf  uns  gekommen 
ist,  erst  von  einem  Zeitpunkt  aus,  da  die  dort  vereinigten  liedestücke  nicht  mehr  ge- 
sondert,  sondern  nach-  oder  nebeneinander  aufgeschrieben  waren   (v^l.  Vorbem.  zu 
5  4-6  U  15).     Bemerkenswert  ist,   dass  im  Buche  Amos   die  heilverkundenden  Zu- 
thaten  mit  Ausnahme  des  Schlusses  eigentlich  ganz  fehlen,  höchstens  ist  etwa  wie 
4  12  eine  allzuscharf  klingende  Drohung  durch  eine  mildere  ersetzt;  das  mag  damit 
zusammenhangen,  dass  die  Prophetie  Amos'  sich  nur  auf  Nordisrael  bezieht.    Später 
als  dann  auch  für  Israel  eine  Zukunft  in  der  Vereinigung  mit  Juda  erwart^^t  wurde, 
als  man  die  Propheten  sozusagen  als  allwissend  betrachtete  und  ihre  Schriften  haupt- 
sächlich zur  Belehrung  über  die  Endzeit  las,  sind  offenbar  die  grösseren  Einschübe 
in  Cap.  If.,   die  dem  Verständnis  des  Ganzen  zur  Wegleitung  dienende  Einführung 
1  2  und  besonders  der  versöhnende  Schluss  9  8-15  hinzugefügt  worden.   Für  diese  ab- 
schliessende Eedaktion  lässt  sich  wieder  kein  engbegrenztes  festes  Datum  angeben; 
doch  führt  die  Parallele  der  Einschübe  in  Cap.  1  (Philister,  Phönizier,  Edom)  mit 
Joel  schon  in  das  vierte  Jahrhundert  und  die  Aussage  9  9  von  dem  Sammeln  der 
Israeliten  im  Exil  hat  ihre  nächste  Parallele  in  dem  noch  späteren  Jes  27  12.    Wenn 
wir'  darum  rund  das  vierte  Jahrhundert  als  die  Zeit  des  Abschlusses  der  Redaktion 
annehmen,  so  ist  Amos  eines  der  ersten  Prophetenbücher  gewesen,   die  ihren  Ab- 
sehluss  gefunden  haben.    Es  kann  daher  Amos  in  jetziger  Gestalt  (abgesehen  von 
späteren  Textverderbnissen)   sehr  wohl  schon  Jesus  Sirach  bekannt  gewesen  sein, 
der  von   dem  Zwölfprophetenbuch   spricht  (JSir49l0),  und  nicht  erst  Tobit,   der 
übrigens  mit  seinem  Zitat  von  8  10  dafür  Zeugnis  ablegt,  dass  der  unsichere  Abschnitt 
8  4-14  in  seinem  Amosbuche  nicht  fehlte  (vgl.  Tob  2  6). 

IV.  Litteratur. 

Kommentare:  G.  Baue  Der  Prophet  Amos  erklärt  1847;  J.  J.  P.  Vale- 
TON  jr.  Amos  und  Hosea  (deutsch)  1898;  S.  E.  Dbiver  Joel  and  Amos,  with  Intro- 
duction  and  Notes  (stereotyped  edition)  Cambridge  1898. 

Monographieen  und  Abhandlungen:  H.  GoRT  De  profet  Amos  ThT 
1880, 114—159;  G.  HoFEMANN  Versuche  zu  Amos  ZATW  1883,  87—126;  H.  WiNCKLER 
Alttest.  Untersuchungen  1892,  183—185 ;  H.  BiLLEB  Die  wichtigsten  Sätze  der  neueren 
alttest.  Kritik  vom  Standpunkte  der  Proph.  Amos  und  Hosea  aus  betrachtet  1893; 
W.  E.  Smith  The  Prophets  of  Israel  (new  edition)  1895,  90—143 ;  S.  ÜETTLI  Der 
Kultus  bei  Amos  und  Hosea  in  Greifswalder  Studien  1895,  1—34;  Albert  Tesch 
Setzt  der  Prophet  Amos  autoritatives  Gesetz  voraus?  1895;  K.  BuDDE  Die  Über- 
schrift des  Buches  Amos  und  des  Propheten  Heimat  in  Semitic  Studies  in  Memory 
of  Alex.  Kohut  1897,  106—110;  ebenda  auch  S.  133—137:  Zur  Erklärung  von  Amos  6  10 
von  B.  Felsenthal;  P.  Volz  Die  vorexil.  Jahweprophetie  1897,  17—24;  0.  Seese- 
MANN  Israel  und  Juda  bei  Amos  und  Hosea  1898;  T.  K.  Cheyne  Amos  in  Encycl. 
Bibl.  I  (1899),  147—158;  H.  J.  ElhoRST  De  profetie  van  Amos  1900;  x4lbert  Con- 
DAMIN  Le  pretendu  „fil  a  plomb"  de  la  vision  d'Amos  in  Revue  Biblique  Oct.  1900 
(8  Seiten);   S.  Oettli  Amos  und  Hosea  1901;   K.  J.  Grimm  Euphem.  Lit.  Append. 


Am  Einleitung  IV  154  Am  Einleitung:  IV 


in  The  0.  T.  (Baltimore)  1901,  77  fF.  88—91;  Max  Löhr  Untersuchungen  zum  Buch 
Amos  1901;  Ed.  Sievers  Studien  zur  hebr.  Metrik,  zweiter  Teil:  Textproben  1901, 
472—479;  A.  CONDAMIN  Les  Chants  lyriques  des  Prophetes  in  Hevue  Biblique  Juillet 
1901,  I.  Amos  (13  Seiten);  W.  NowACK  Die  ZukunftshofFnungen  Israels  in  „Theol. 
Abhandl.«  Festgabe  für  H.  J.  Holtzmann  1902,  33—59;  W.  EiEDEL  Alttest.  Unter- 
suchungen I,  1902,  19—36:  Bemerkungen  zum  Buche  Amos;  0.  Procksch  Geschichts- 
betrachtung etc.  bei  den  vorexil.  Proph.  1902,  bes.  S.  7—13  und  104—118;  J.  A. 
Bewer  Critical  Notes  on  Amos  2  7  and  8  4  in  AJSL  Jan.  1903;  BÖHMER  Die  Eigen- 
art der  proph.  Heilspredigt  des  Amos  in  StK  1903,  35—47;  T.  K.  Cheyne  Critica 
Biblica  II  (1903),  133—145;  J.  Meinhold  Studien  zur  Israel.  Religionsgesch.  I  1 
(1903),  33—63;  Er.  Baumann  Der  Aufbau  der  Amosreden  1903. 


Am  1  1  1  55  Am  1  i 


Erklärung. 

Überschrift  und  Einführung 

Die  Überschrift  1  bestimmt  den  Autor,  seine  Herkunft  und  seine  Zeit. 
Dass  sie  jedoch  nicht  aus  einem  Gusse  ist,  ergiebt  sich  schon  aus  der  „Doppelt- 
heit der  mit  "l^t<  beginnenden  Sätze",  von  denen  der  zweite  über  den  ersten 
hinweg  auf  nn"!  zurückgreift  (König  Einl.  S.  307).  Zu  diesem  grammati- 
kalischen Grunde  tritt  der  sachliche,  dass  die  der  Verbindung  Worte  schauen 
zu  Grunde  liegende  Vorstellung  von  der  Aufgabe  des  Propheten  und  der  Art 
seiner  Inspiration  eine  späte  ist,  s.  zu  Jes  1  i  und  Hos  1 1.  Demnach  ist  zu- 
nächst die  doppelte  chronologische  Fixierung  des  Auftretens  'Amos'  nach  der 
Regierungszeit  sowohl  des  judäischen  Königs  XJzzia  (789—740  v.  Chr.),  als 
auch  des  israelitischen  Königs  Jarobam,  der  durch  die  Beifügung  ben  Joasch 
zum  Unterschiede  von  Jarobam  I.  ben  Nabat  als  der  zweite  (782—743  v.  Chr.) 
gekennzeichnet  wird,  trotz  ihrer  Richtigkeit  (s.  Einl.  II 1)  gerade  so  eine  nach- 
trägliche Beifügung,  wie  die  entsprechenden  Angaben  Hos  1  i  Jes  1  i  etc. 
Aber  auch  nicht  einmal  der  Rest  von  v.  i^,  zwei  Jahre  vor  dem  Erdbeben,  lässt 
sich  als  ursprünglich  halten:  die  Datierung  nach  einem  zukünftigen  Ereignis 
ist  ein  untrügliches  Zeichen  späterer  Herkunft,  es  müsste  denn  Amos  erst 
Jahre  hernach  seine  Prophezeiungen  aufgezeichnet  haben;  dann  müsste  aber 
auch  das  Erdbeben,  da  dergleichen  Naturereignisse  in  Palästina  keine  Selten- 
heit sind  (vgl.  4  ii),  ein  ganz  ausserordentlich  heftiges  gewesen  sein,  sodass  es 
einfach  als  das  Erdbeben  bezeichnet  und  zum  Ausgangspunkt  einer  Ära  ge- 
macht werden  konnte.  Von  einem  solchen  Erdbeben  aus  der  Zeit  Uzzias  ver- 
nimmt man  jedoch  erst  Sach  14  5  und  zwar  in  einer  Notiz,  die  auf  alle  Fälle 
um  manche  Jahrhunderte  jünger  ist  als  Uzzia,  und  die  zudem  höchst  wahr- 
scheinlich entweder  direkt  aus  unserer  Stelle  (Am  1  i'^)  erschlossen  oder  aus 
demselben  schriftgelehrten  Triebe,  wie  die  Bemerkung  in  v:  l^  entsprungen 
(s.  zu  Sach  14  5),  also  als  Tochter  oder  Schwester  von  v.  i^  zu  einer  unab- 
hängigen Zeugnisabgabe  ebenso  ungeeignet  ist,  wie  die  wunderbare  Erzählung 
von  diesem  Erdbeben  bei  Josephus  Ant.  IX  10,  4,  die  vielmehr  ein  prächtiges 
Beispiel  von  dem  Interesse  ist,  welches  die  letzten  vorchristlichen  Jahrhunderte 
an  der  ausschmückenden  Exegese  der  heiligen  Schriften  nahmen.   Ein  unab- 


Am  1  1  156  Am  1  1 

hängiges  Zeugnis  für  ein  heftiges  historisches  Erdbeben  zur  Zeit  Uzzias 
giebt  es  somit  niclit,  mit  dem  epochemachenden  Erdbeben  in  v.  i^  ist  vielmehr 
das  im  Buche  Amos  8  8  9  5  geweissagte  gemeint.  Nach  seiner  eigenen 
Weissagung  hat  aber  der  Prophet  Amos  selber  auch  nicht  einmal  nachträglich 
noch  datiert,  da  er  weit  Grösseres  in  Aussicht  stellte  und  die  Wahrheit  seiner 
Verkündigung  nicht  an  das  Eintreffen  eines  Erdbebens  knüpfte  (s.  übrigens  zu 
8  8  9  6);  diese  Datierung  rührt  von  einem  Schriftgelehrten  her,  der  in  8  8  9  5 
die  Weissagung  eines  Erdbebens  sah  und  die  zwei  Jahre,  die  bis  zu  demselben 
noch  verfliessen  sollten,  durch  irgendwelche  exegetische  Künstelei  aus  dem 
zweimaligen:  ich  werde  es  ihm  nicht  länger  mehr  übersehen  in  7  8  8  2,  vielleicht 
durch  Berechnung  der  von  8  2  angegebenen  Frist  auf  höchstens  ein  Jahr  (von 
f  p  zu  I^V)'  ableitete.  So  GT.  Hoffmann  ZATW  1883,  123  und  Cheyne  Encycl. 
Bibl.  Art.  Amos  §  4.  Der  Sinn  der  schriftgelehrten  Glosse  ist  daher:  %wei 
Jahre  vor  dem  8  8  9  5  geweissagten  Erdbeben. 

Zu  den  sekundären  Elementen  von  Y.  i  gehört  endlich  auch  der  erste 
Relativsatz  D'^ljP^?  7VT\  ^"ä^^  der  „auf  Amos  als  auf  einen  Gewesenen  zurück- 
sieht" (Wellh.),  aber  dann  nicht  „von  einem  Zeitgenossen  herrührt",  sondern 
von  einem  Schriftgelehrten  aus  7  uf.  gewonnen  ist,  also  nicht  von  einem  spä- 
teren Stadium  im  Leben  Amos',  da  er  Prophet  war,  auf  sein  früheres,  da  er 
Schafzüchter  war,  sondern  von  einer  Periode,  die  nach  Amos  fällt,  auf  das 
Zeitalter  des  Propheten  zurückblickt,  demnach  auch  nichts  davon  sagt,  dass 
Amos  je  seinen  Beruf  definitiv  aufgegeben  habe.  Ausser  dem  ^^'^  nötigt  zu 
dieser  Auffassung  die  eigentümliche  Stellung  von  J^lpHD,  das  allein  verständlich 
ist,  wenn  es  unmittelbar  an  DIDj;  angeschlossen  wird,  so  dass  wir  J^lpriJ?  D1DJJ 
haben  wie  Jdc  12  8  DH^  n^Sö  |^D{;^,  w^ährend  die  Verbindung  von  J^IpPtp  mit  dem 
Relativsatz  eine  eigentlich  verschrobene  Konstruktion  voraussetzt,  für  deren 
Wahl  anstatt  des  einfachen  und  natürlichen  j;ipn  ^np'ilD  n^^  'j;  oder  y.lpnp  ^p'ün  'j; 
oder  J^lpn?  "y^^  D'^lp^n  IP  'V  auch  nicht  der  leiseste  Grund  ersichtlich  ist.  Vgl. 
für  diese  Zurechtlegung  von  v.  i^  die  ausführliche  Begründung  bei  Budde  Die 
Überschrift  des  Buches  Amos  und  des  Propheten  Heimat  in  Semitic  Studies 
in  Memory  of  A.  Kohut  1897,  106—110. 

Die  Überschrift  lautete  somit  ursprünglich  nur  J^'^'pH)?  DIDJ^  "»in^  Worte 
Amos  aus  Tekoa.  Damit  ist  auch  die  judäische  Herkunft  gegenüber  der  An- 
nahme Ooet's,  dass  Amos  von  Hause  aus  Nordisraelit  gewesen  sei,  sicher- 
gestellt; denn  ein  nordisraelitisches  Tekoa  ist  unbekannt  und  die  gegen  die 
judäische  Herkunft  erhobenen  Gründe  sind  nicht  stichhaltig,  s.  zu  7  12  u.  Auch 
vermag  ich  der  Annahme  Cheyne's,  dass  es  ein  Tekoa  im  Negeb  gab,  so  wenig 
zu  folgen,  wie  seiner  Konjektur,  dass  D'^Tpi^  aus  D'TlTp,  „Sohn  ßachims"  = 
Jerachmeels,  verdorben  und  Amos  also  ein  Kind  des  Negeb  sei  (Critica  bibl. 
II,  133 f).  Es  handelt  sich  hier  um  das  bekannte  Tekoa,  einige  Meilen  südlich 
von  Bethlehem,  noch  heute  trägt  die  ßuinenstätte  chirbet  Tekua  den  alten 
Namen  (vgl.  Bädeker  Pal.^  S.  130);  es  ist  dieselbe  Stadt,  aus  welcher  Joab 
die  „weise  Frau"  beschickte,  damit  sie  bei  David  zu  Gunsten  Absaloms  Für- 
sprache einlege  II  Sam  14  1-20.  Die  Glosse  D'^np'in  iTH  "l!^^  besagt  nach 
7  14,  dass  Amos  unter  den  Schaf%üchtern  d.  h.  selbst  ein  Schafzüchter  war. 


Am  1  1  167  Am  1  2 

An  der  Lesart  ist  nicht  zu  zweifeln;  denn  einmal  spriclit  die  "Übersetzung  der 
LXX,  die  ü^lpl  als  Ortsnamen  fasste,  mit  ihrem  aus  h  Nofxx7.p£i|x  verdorbenen 
£v  'Axxo(p£i}x  für  die  Richtigkeit  des  Textes  und  dann  liegt  es  in  dem  Zu- 
sammenhange von  7  14  f.  näher,  an  einen  Schafzüchter,  als  an  einen  Rinder- 
hirten zu  denken,  also  eher  das  dortige  "lj?121  zu  beanstanden  (s.  zu  d.  St.).  Das 
Wort  nj?i,  nur  noch  II  Reg  3  4  von  dem  moabitischen  König  Mescha  gebraucht, 
erklärt  sich  aufs  beste  nach  dem  arabischen  nakad,  welches  eine  wegen  der 
Hässlichkeit  sprichwörtliche,  aber  wegen  der  Feinheit  der  Wolle  geschätzte 
Art  Schafe  bezeichnet,  es  ist  das  Denominativum  von  einem  entsprechenden 
im  AT  nicht  vorkommenden,  aber  wahrscheinlich  in  Z.  30  der  Mescha -Inschrift 
zu  lesenden  Ipi,  wie  Ij^lB  von  IJJZij  und  bedeutet  demnach  den  Schafhirten  oder 
Schafzüchter. 

Die  Einführung  2,  ein  regelmässig  gebauter  dreihebiger  Vierzeiler,  dem 
zur  Anknüpfung  an  die  Überschrift  löN'l  vorgesetzt  ist,  dient  der  Wegleitung 
zum  richtigen  Verständnis  des  ganzen  Buches.  Der  Leser  soll  nämlich  nicht 
seine  Kenntnisse  über  die  Zustände  zur  Zeit  Arnos'  und  über  die  hohe  und 
kraftvolle  Gestalt  dieses  Propheten  mehren  und  dadurch  im  Innersten  ergriffen 
werden,  sondern  Belehrung  über  die  Ereignisse  der  letzten  Zeit  empfangen, 
also  die  Gerichtsverkündigung  als  eschatologische  auffassen.  Zu  diesem  Zwecke 
ist  Yon  der  Redaktion  hier  zu  Anfang  v.  2  hinzugefügt,  wie  am  Schlüsse  des 
Buches  das  Komplement  dazu,  die  Schilderung  des  Glückes  der  Endzeit,  nicht 
vergessen  wird.  Den  sekundären  Ursprung  von  v.  2  haben  ebenso  Cheyne  in 
der  Introduction  p.  XVI  zu  der  neuen  Ausgabe  von  W.  R.  Smith  The  Prophets 
of  Israel  1895,  vgl.  auch  seinen  Art.  Amos  §  8  in  Encycl.  BibL,  und  Volz  Die 
vorexilische  Jahweprophetie  und  der  Messias  S.  19  f.  erkannt.  Die  Gründe  sind 
mannigfaltig:  Das  Auffallende,  dass  das  Gericht,  welches  Nordisrael  trifft,  von 
Zion  ausgeht,  während  von  Amos  sonst  nirgends  Zion  und  Juda  ein  Vorzug 
zuerkannt  wird  und  dem  Propheten  Jahwe  doch  zu  Bethel  erscheint  (9  i),  hebt 
sich  nur,  wenn  die  nachexilische  Vorstellung  von  der  hervorragenden  Be- 
deutung Zions  als  der  einzigen  Kultusstätte  Jahwes  zu  Grunde  liegt.  Die 
Vorstellung  Baüäiann's  von  Zion  als  „dem  ehrwürdigen  Sitz  der  einstigen  na- 
tionalen Herrlichkeit,  also  nicht  als  dem  kultischen  sondern  staatlichen  idealen 
Mittelpunkt"  ist  Amos  unbekannt.  Auf  eine  späte  Zeit  weist  auch  die  Art,  wie 
das  Bild  vom  Gewitter  für  das  Gericht  ausgeführt  wird:  „die  paradoxe  Wir- 
kung" des  Gewitters,  „dass  Kraut  und  Bäume  welken  und  verdorren",  zeigt 
die  Vertrautheit  der  Theologie  mit  diesem  Bilde  und  die  Festigkeit  des  Be- 
griffes, den  man  bereits  von  dem  Gericht  hat.  Endlich  ist  aber  v.  2^  identisch 
mit  Jo  4  16,  wo  die  Worte  durchaus  in  den  Zusammenhang  passen,  und  die 
elegischen  Töne  von  v.  2^  stimmen  nicht  besonders  gut  zu  den  nachfolgenden 
strengen  Schilderungen  des  Gerichts,  sondern  erinnern  vielmehl*  im  Ausdruck 
an  spätere  Schriftstellen,  vgl.  Na  1  4  Jo  1  lo  12  19  f.  Jer  23  lo^ß  (Einschub). 

Die  beiden  ersten  Zeilen  der  Einführungsstrophe  zeigen  den  Standpunkt 
der  nachexilischen  Gemeinde,  die  Jahwe  nicht  mehr,  wie  das  Volk  vor  dem 
Exil,  an  den  verschiedenen  heiligen  Stätten  des  Landes  fand,  seinen  wahren 
Wohnort  aber  auch  nicht,  wie  Jer  25  30,  in  der  Höhe  sah,  sondern  ihn  enge  an 


Am  1  2  158  Am  1^3 

den  Zion  knüpfte;  vgl.  zu  Jo  4  16.  Die  Wirkung  des  Gericlitsdonners 

Jahwes  zeigt  sich  in  der  Trauer  der  Auen  der  Hirten  und  dem  Verdorren  des 
Gipfels  des  Karmels  d.  h.  in  der  völligen  Verwüstung  des  Landes;  die  Blüten 
und  Früchte  sind  gleichsam  der  Freudenjubel  des  Landes,  die  Verödung  bietet 
den  Anblick  der  Trauer.  Die  Verwüstung  ist  so  vollständig,  dass  selbst  die 
berühmten  Prachtwaldungen  des  Karmels  (Jes  35  2)  verdorren. 


Erster  Teil: 

Die  Ankündigung  des  Gerichts  über  die  Nachbarn  Israels  und 

über  Israel  selber 

1  3—2  16. 

Dieser  erste  Teil,  der  die  Einleitung  zu  den  folgenden  Capiteln,  welche  die  Sünde 
Israels  darlegen  (Cap.  3 — 6),  bildet,  hat  mehrfache  Erweiterungen  erfahren.  Zu  den  ur- 
sprünglich allein  genannten  drei  Nachbarn:  Damaskus,  Ammon  und  Moab,  sind  spater 
hinzugefügt:  Gaza,  Tyrus,  Edom  und  Juda  (16-12  2  4-6).  Den  ausführlichen  Nachweis 
für  diese  Auffassung  s.  unten;  aber  schon  hier  darf  erwähnt  werden,  dass  erst  mit  Aus- 
scheidung von  Gaza,  Tyrus,  Edom  und  Juda  die  Reihenfolge  eine  natürliche  wird  und 
dass  sich  dann  diese  ganze  Einleitung  in  zwei  Hälften  zerlegt,  von  denen  die  eine  die  drei 
Nachbarn  Damaskus,  Ammon  und  Moab,  die  andere,  dem  Hauptgewicht,  das  Israel  zu- 
kommt, entsprechend,  dieses  Nordreich  allein,  und  zwar  viel  genauer,  behandelt.  Der 
ursprüngliche  Bestand  umfasst  sechs  zehnzeilige  Strophen,  je  eine  ist  den  Nachbarn,  drei 
den  Israeliten  gewidmet. 

A.  Gegen  die  Nachbarn  Israels  13—2  5. 

1)  Geg^en  Damaskus  1  3-5.  Das  um  950  vor  Chr.  von  Rezon  gegründete 

(s.  I  Reg  11  23-25)  damaskenische  Reich  war  im  9.  Jahrh.  unter  Benhadad  I.  (Bir-'idri) 
885 — 844  die  Hauptmacht  in  Syrien  geworden  und  blieb  sie  unter  dem  Nachfolger  Rezons, 
Hasael  (844 — etwa  804),  ziemlich  bis  ans  Ende  des  Jahrhunderts.  Damals  erwehrte  sich 
Damaskus  nicht  nur  erfolgreich  der  assyrischen  Angriffe,  sondern  hat  es  auch  Israel  das 
ostjordanische  Gebiet  entrissen  und  selbst  im  "Westen  so  übel  gehaust  (vgl.  II  Reg  8  12 
10  32  f.  13  3  7),  dass  die  Erinnerung  daran  noch  zu  den  Zeiten  Amos'  überaus  lebendig 
war,  obschon  es  inzwischen  den  israelitischen  Königen  Joas  ben  Joahas  (797 — 783)  und 
Jerobeam  II.  (782 — 743)  geglückt  war,  die  Damaskener  zu  besiegen  und  das  von  ihnen  be- 
setzte Gebiet  zurückzuerobern  (II  Reg  14  25  f.).  Die  Macht  des  damaskenischen  Reiches 
war  einigermassen  um  die  Wende  des  9.  und  8.  Jahrhunderts  gesunken.  Der  Sohn  Hasaels, 
Benhadad  II.  (nach  den  Inschriften  Mari'),  der  bis  774  regierte,  war  schon  803  dem  Assyrer- 
könig  Ramman-nirari  III.  (812 — 783)  tributpflichtig  geworden;  so  hatte  der  assj^ische 
Druck  die  israelitischen  Erfolge  begünstigt.  Nach  dem  Tode  Benhadads  II.  kam  in  Da- 
maskus der  Vater  des  letzten  syrischen,  aus  Jes  7  18  bekannten  Königs  Resin  (=  Rezon) 
auf  den  Thron.    Vgl.  "Winckler  im  Anhang  Kurzer  HC  zum  AT  IX,  201-^209. 

3  Die  Einleitungsformel  T\\T\\  IDS  nä,  die  sich  regelmässig  zu  Anfang 
einer  ein  neues  Volk  bedrohenden  Rede  v.  69iii3  2i46  wiederholt,  steht  wie 
die  abschliessende  Formel  T\\7\\  [''^^^5]  '^öij,  die  im  Text  nicht  mit  derselben 
Eegelmässigkeit  geboten  wird  v.  5  8  i5  2  3,  ausserhalb  des  strophischen  Schemas. 
Bis  2  9  beginnt  jeder  Zehnzeiler  mit  den  stereotypen  Worten:  Wegen  dreier 
Frevel  der  Damaskener  lind  wegen  vierer  wende  ich  es  nicht  zurück.  Was  das 
1i— ,  eSy  bedeutet,  wird  aus  dem  folgenden,  v.  4f.,  klar;  in  unheimlicher  Un- 


Amis  159  Amis 

bestimmtheit  niniint  es  voraus,  was  „den  Propheten  so  beschäftigt,  dass  er  an 
nichts  anderes  denkt"  (Wellii.).  Sclion  längst  ist  es  beschh)ssen,  schon  längst 
hätte  es  hereinbrechen  sollen;  aber  aufgeschoben  ist  nicht  aufgehoben,  Jahwe 
nimmt  sein  Gericht  gewiss  (beachte  das  energische  Imperfekt!)  nicht  zurück, 
vgl.  zu  n"^tj^n  Jes  43  13  14  27  Num  23  20.  Der  Grund  des  Gerichts  sind  die 

Frevel,  deren  sich  die  Damaskener  schuldig  gemacht  haben,  drei,  vier  also 
eine  unbegrenzte  und  deshalb  umsomehr  erschreckende  Anzahl  (vgl.  zu  Jes  17  6 
und  Ges.-Kautzsch27  §  134s,  König  Stilistik  etc.  S.  163),  als  schon  ein  einziger 
Frevel  zur  Verdammnis  genügte.  Ein  typisches  Beispiel  dieser  Frevel 

geben  die  zwei  folgenden  Zeilen,  v.  3^  wo  um  des  Metrums  willen  njj'piri'n«  un- 
mittelbar hinter  DtJ^H  zu  stellen  ist:  Weil  sie  Gilead  gedroschen  halfen  Mit 
Dreschwagen  von  Eisen,  LXX  scheint  das  Mangelhafte  des  jetzigen  Textes 
gefühlt  zu  haben,  ihre  Verbesserung  durch  Einsetzung  von  illin  vor  IJ^'p^H  be- 
ruht aber  auf  falscher  Uniformierung  mit  v.  13  und  kann  daher  auch  die  nahe- 
liegende Konjektur  nj^^^H  nn  von  Zenner  und  Condamin  der  einfachen  Um- 
stellung gegenüber  nicht  empfehlen.  Gilead,  im  Osten  des  Jordans,  hatte  am 
meisten  von  den  syrischen  Angriifen  gelitten;  die  Damaskener  hatten  es  un- 
menschlich behandelt  (vgh  Vorbemerkung),  was  hier  unter  dem  Bilde  des 
Dreschens  mit  eisernen  Dreschwagen  dargestellt  ist;  s.  Jes  21 10  41 15  und  über 
Dreschmaschinen  s.  zu  Jes  28  27.  Nicht  die  Eroberung  Gileads  als  solche, 
sondern  die  dabei  verübten  Grausamkeiten  fordern  Jahwes  Gericht  v.  4 f. 
heraus :  4  So  schleudere  ich  Feuer  in  Hasaels  Haus,  Dass  es  fresse  die 

Frunkgebäude  Benhadads.  \  mit  Perf.  consec.  knüpft  eng  an  ^^5''^«  s'?  an:  ich 
werde  es  riicht  rückgängig  machen,  so  dass  ich  vielmehr  etc.,  und  exponiert 
somit  das  unbestimmte  es  von  v.  3.  Das  Feuer  bedeutet  die  Kriegesfackel  (vgl. 
Num  21  28),  die  verwüstend  und  verbrennend  das  damaskenische  Reich  samt 
seiner  Dynastie  und  seinen  Palästen  zerstört.  Hasael  und  Benhadad  als  die 
Namen  der  schlimmsten  Bedrücker  Israels  (s.  Vorbemerkung  zu  y.  3-5)  re- 
präsentieren das  damaskenische  Königshaus.  5  Die  vier  letzten  Zeilen 
der  Strophe  sind  verstellt:  der  Parallelismus  der  jetzigen  zweiten  und  dritten 
Zeile  (aus  xal  xaiaxo^w  in  LXX  darf  man  nicht  auf  ein  Verb  ^Tk^'^TS^  für  "^IDini 
schliessen,  da  dieses  Wort  von  LXX  auch  in  v.  8  verkannt  wird)  und  die 
sachgemässe  Klimax,  nach  welcher  der  Fall  der  wichtigsten  Stadt  unmittelbar 
vor  die  Deportation  des  Volkes  gehört,  fordern,  dass  man  die  erste  Zeile  an 
dritte  Stelle  rückt  (so  auch  Lohe  und  Baumann):  Und  rotte  aus  den  Bürger 
aus  Bikat'Awen  Und  den  Scepterträger  aus  Bet-Eden  Und  breche  den  Bieget 
von  Damaskus  Und  fort  wandert  das  Volk  Arams  nach  Kir.  Die  Ortlichkeiten 
Bitiat'Awen  und  Bet-Eden  sind  nicht  sicher:  die  Identifikation  von  Bik'ai- 
Awen  mit  dem  in  der  sog.  Bekä'a,  dem  Thale  zwischen  Libanon  und  Anti- 
libanos,  gelegenen  Baalbek  beruht  auf  dem  kaum  stringenten  Schlüsse,  dass 
Ba  albek  gleich  Bik  at-Awen  sei,  weil  Ba'albek  bei  den  griechisch-römischen 
Autoren  Heliopolis  heisse  und  die  LXX  an  unserer  Stelle 'ßv  lese,  welches 
auch  dem  Namen  des  ägyptischen  Heliopolis,  An,  Anu,  entspreche  (vgh 
Jer  43  13).  Für  Bet-Eden  hat  man  zwar  ein  assyrisches  Äquivalent;  aber  das 
bekannte  (vgl.  zu  Jes  37  12)  Bit-Adini,  eine  aramäische  Landschaft  an  den 


Am  1  5  160  Am  1  6 

Ufern  des  oberen  Euphrat  in  der  Nähe  von  Charan  (wie  LXX  auch  hier  mit 
ihrem  avopwv  Xappav  voraussetzt)  lag  viel  zu  weit  von  Damaskus  entfernt  und 
war  zu  Arnos'  Zeit  längst  in  den  Händen  der  Assyrer,  vgl.  Winckler  Alttest. 
Untersuch.  S.  183.  Dagegen  könnte  ein  anderes  nähergelegenes  Blt-Adini  in 
Betracht  kommen,  auf  das  Winckler  (Altorient.  Forsch.  I,  104)  hinweist, 
während  Hoffmann  und  Steiner  an  das  bei  Ma'lüla  auf  der  Ostseite  des 
Antilibanos  gelegene  Dschubb  'Adin  denken  (vgl.  Bädeker  Paläst.  ^  S.  392). 
Alles  ist  unsicher,  es  ist  selbst  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  dass  ]1S  „irgend 
einen  Gottesnamen  verdeckt"  (Wellh.)  und  man  Hi^'ri''^  trotz  der  Punktation 
]iy.  statt  ]l)l  als  TiapaSsiao«;,  ^Lusthausen",  zu  fassen  hat.  Schwerlich  aber  ist 
15«  nj;jp:;i  eine  absichtliche  Entstellung  aus  ]1V  nj;jp?  „Paradiesesthal"  und 
dieses,  wie  py  TT'?,  eine  poetische  Bezeichnung  von  Damaskus  (so  Wetzstein 
in  Delitzsch  Jes^  S.  702).  Es  werden  besondere,  und  zwar  zum  aramäischen 
Reiche  gehörige,  Ortschaften  gewesen  sein;  denn  aus  to^^  ijöin  ist  nicht  zu 
schliessen,  dass  Bet-Eden  unabhängig  war,  weil  v.  8  für  Amos  nichts  beweisen 
kann  und  der  Parallelismus  von  Bürger  und  Scepter träger^  sowie  auch  der 
Ausdruck  selber  nicht  notwendig  auf  den  oxyjtttoöj^o;  ßaatXsü;,  sondern  nur  auf 
einen  hohen  Beamten,  den  Stabhalter  =  Statthalter,  führt.  Tbl  ist  der 

stehende  Terminus  für  die  gezwungene  Auswanderung  =  deportiert  werden. 
Die  Deportation  soll  die  Aramäer  dahin  zurückbringen,  woher  sie  gekommen 
sind;  denn  Tp  ist  nach  9  5  ihre  Heimat,  deren  Lage  nur  im  allgemeinen  zu  be- 
stimmen ist:  im  fernen  Osten  neben  Elam,  s.  zu  Jes  22  6.  In  jenen  Gegenden  kennt 
Arrian  III  8,  5  Kaps;,  Karer,  die  vielleicht  mit  Winckler  (Altor.  Forsch.  II, 
254 — 256)  unserem  l'^p  resp.  ^1p  gleichzusetzen  sind.  Die  Nachricht  II  Heg  16  9, 
dass  Damaskus  wirklich  nach  Kir  deportiert  worden  sei,  ist  keine  historische 
Angabe,  sondern  eine  späte,  der  LXX  noch  unbekannte  Folgerung  der 
Schriftgelehrsamkeit  aus  unserer  Stelle. 

a)  Gegen  die  Philister  1  6-8.  Von  der  philistäischen  Pentapolis,   als 

deren  wichtigste  Stadt  Gaza  vorangestellt  ist,  wird  nur  Gat  nicht  erwähnt;  das  hat  man 
aus  der  historischen  Lage  zur  Zeit  des  Propheten  erklären  und  sich  besonders  auf  die 
Einnahme  Gats  durch  den  Syrerkönig  Hasael  II  Heg  12  18  berufen  wollen.  Aber  Er- 
oberung ist  noch  nicht  identisch  mit  Zerstörung.  Dies  ist  bei  Gat  wohl  zu  beachten ;  denn 
es  könnte  sonst  nicht  711  noch  einmal  von  Sargon  zerstört  werden  (s.  zu  6  2).  Die  As- 
syrer scheinen  damals  nun  gründlich  verfahren  zu  sein;  denn  von  da  an  verschwindet  Gat 
aus  der  Geschichte:  es  fehlt  in  allen  späteren  Aufzählungen  der  philistäischen  Städte 
Zph  2  4  Jer  47  5  Sach  9  5 f.,  und  wo  es  noch  erwähnt  wird,  wie  z.  B.  IChr  18  1  II 11  8 
26  6,  handelt  es  sich  um  die  alte  Zeit  vor  711.  Die  „historische  Situation"  von  v.  6-8  ist 
somit  jedenfalls  die  nach  711,  also  nach  Amos;  aber  wir  haben  weit  hinunterzugehen, 
dazu  führen  nicht  nur  die  genannten  Parallelen  aus  den  Propheten,  sondern  vor  allem 
auch  die  Übereinstimmung  mit  Jo  4  4-6,  einer  Stelle,  die  offenbar  dem  Interpolator  die 
Gedanken  zu  v.  6-10  geliehen  hat.  Das  Einzige,  was  v.  6-10  Eigentümliches  an  sich 
haben,  nämlich  die  Deportation,  ist  Jo  4  6  entnommen;  das  Übrige  ist  sämtlich,  die 
Namen  und  einige  allgemeine  Ausdrücke,  wie  ^y  IJ  ^''^Ü  ausgenommen,  aus  Amos  ent- 
lehnt. Das  "Wort  gegen  die  Philister  ist  daher  ein  Produkt  der  Schriftgelehrsamkeit, 
ganz  wie  Jer  47,  aus  einem  spätem  Jahrh.  Amos  sollte  als  ein  rechter  Prophet,  wie 
Hesekiel  (Hes  25  15-17),  das  Schicksal  der  Philister  vorausgeschaut  haben,  dessen  Ver- 
wirklichung man  damals  als  die  Vorstufe  des  Anbruchs  der  Heilszeit  erwartete  (vgl.  auch 
Jes  11  12-16). 


Am  1  6  161  Am  1  9 

6  Die  Scliriftgelehrsamkeit  des  Interpolators  zeigt  sich  schon  hier :  Den 
Vorwurf,  den  er  gegen  die  Philister  erhebt,  hat  er  aus  Jer  13  19  entnommen; 
die  dort  genannten  Städte  des  Negeb  haben  auf  die  Philister  als  die  (Jbelthäter 
und  die  Edomiter  als  ihre  Helfershelfer  geführt,  die  als  die  immerwährenden 
Feinde  der  Israeliten  gerne  die  aus  deren  Dörfern  Weggeführten  in  Empfang 
nahmen  und  der  Sklaverei  überlieferten.  Sind  die  Ortschaften  im  Negeb  men- 
schenleer (Jer  13  19),  so  war  es  eine  T]ük^  ril'pj,  eine  vollsländuje  Deporlalton, 
eine  Wegführung  ganzer  Dörfer  (Ewald).  "^'•^ipH^  d.  h.  um  sie  auszuliefern 

als  Sklaven  und  Sklavinnen  in  die  Hände  der  Edomiter,  die  sie  behalten  oder 
weiter  verkaufen  mochten.  7  ist  nach  y.  4  u  2  2  gebildet,  wie  8^  nach  v.  5. 

Asdod  hat  sich  nach  der  assyrischen  Zerstörung  im  Jahre  711  im  Gegensatz 
zu  Gat  wieder  erholt,  vgl.  Neh  4  i,  und  entspricht  dem  heutigen  Esdüd,  nahe 
der  Küste  etwa  in  der  Mitte  zwischen  Gaza  und  Joppe  (Bädeker  Palast.^ 
145).  Askalon  ist  das  heutige '  Askalän  am  Meere  auf  dem  halben  Wege  von 
Gaza  nach  Esdüd  (Bädeker  Palast.^  143 f.).  Über  die  drei  Städte  Gaza,  As- 
kalon und  Asdod  vgl.  auch  L.  Gautier  Souvenirs  de  Terre  Sainte  S.  97— 
138.  Zu  '^j;  T  n^^n  v.  s'^  ist  zu  vergleichen  Jes  1  25  Sach  13  7  Ps  81  15  und 

^j;  T  niDj  in  Hes  25  16,  wo  auch  unser  n"'1«!^  sich  findet.  Ekron^  heute 

'Akir,  die  nördlichste  der  vier  genannten  Philisterstädte,  liegt  nordöstlich  von 
Esdüd  etwas  mehr  vom  Meere  entfernt.  D^nii^'?ö  n^'ISti^  bezeichnet  nicht 

die  übrigen  ausser  den  genannten  Philistern,  sondern  den  überhaupt  noch 
existierenden  Rest  von  ihnen  (wofür  Arnos  iT^inif?  sagt  9  i),  sodass  man  mit 
Ewald  zu  übersetzen  hat:  dass  die  letzten  Philistäer  d.h.  auch  der  letzte 
Mann  derselben  verschwinden:  vgl.  auch  zu  Hes  25  16.  ^'^'^  steht  nur  hier 

in  der  Unterschrift  neben  T\)7V^  es  fehlt  in  der  LXX  und  wird  daher  nicht  auf 
Rechnung  des  Interpolators,  sondern  eines  Abschreibers  zu  setzen  sein. 

Diese  Worte  gegen  Philistäa  haben  eschatologischen  Sinn  (vgl.  den  Schluss  der 
Yorbem.  zu  v.  6-8).  Man  kann  in  keiner  Weise  die  assyrischen  Expeditionen  gegen  die 
Philister  zwischen  734  u.  701  als  Erfüllung  dieser  Weissagung  betrachten,  da  die  Könige 
von  Gaza,  Askalon,  Asdod  und  Ekron  als  tributpflichtig  in  den  Inschriften  Asarhaddons 
und  Asurbanipals  erscheinen  (s.  Schrader  KAT^  356)  und  ihre  Städte  als  wichtige  öfters 
auch  in  den  Makkabäerbüchern  erwähnt  sind  (vgl.  z.  B.  FaCa  I  Mak  11  61  f.,  'AjxaXcov 

1  Mak  10  86,  "ACwto;  I  Mak  10  77  f.,  'Axxapwv  I  Mak  10  89). 

b)   (jregenTyrusl9f.  Schon  der  fragmentarische  Charakter  dieses  Droh- 

wortes gegen  Tyrus,  sowie  der  fast  vollständige  Parallelismus  mit  v.  6-8  (zu  v.  9^P  vgl. 
Auslegung)  weist  nicht  auf  den  originalen  Propheten  Arnos,  der  auch,  wo  er  dieselben 
Drohungen  auszusprechen  hat,  kraftvoll  zu  variieren  versteht  (vgl.  1  3-5  mit  1  13-15  und 

2  1-3),  sondern  auf  den  gedankenarmen  Interpolator  hin,  dem  es  beinahe  genügt,  wenn  er 
den  neuen  Namen  in  die  Liste  der  vom  Endgericht  getroffenen  Völker  eingesetzt  hat. 
Dazu  kommt,  dass  der  gegen  Tyrus  erhobene  Vorwurf  gerade  so  wie  der  gegen  Philistäa 
auf  Jo  4  4-6  zurückgeht.  Darum  haben  Wellh.  und  Nowack  einigermassen  an  der  Ur- 
sprünglichkeit gezweifelt,  Cheyne  (Encycl.  Bibl.  Art.  Amos  §8),  Dühm  (zu  Jer  17  27)^ 
LöHR  und  Baümann  dieselbe  mit  Recht  nicht  angenommen. 

9  Aus  der  kleinen  Variation  D"l''-iDn  für  "V^ürh  ÜV^^yn  darf  man  kaum  für 

T      •    I      -  •     t     -     I  T  l    " 

den  Verf.  die  Meinung  ableiten,  als  wolle  er  Tyrus  im  Gegensatz  zu  den  Phi^ 

listern  nur  den  Sklavenhandel  und  nicht  auch  den  Menschenraub  vorwerfen» 

Da  die  Variation  auch  das  Metrum  stört,  das  der  Interpolator  doch  sonst 

Kurzer  HG  zum  AT  XIII  11 


Am  1  9  162  Amin 

richtig  zu  handhaben  versteht,  ist  eher  an  ein  Versehen  zu  denken  und  v.  9 
ganz  wie  v.  6^  zu  lesen.  Ebenfalls  für  das  Metrum,  aber  auch  für  den  Sinn 

bietet  D"^n«  nnn  nDJ  N^I  Schwierigkeiten;  denn  es  fehlt  ihm  der  parallele  Stichos 
und  dann  weiss  man  nicht,  wie  man  den  Bruderbund  zu  erklären  hat.  Nach 
dem  Zusammenhang  hat  man  ihn  doch  auf  Tyrus  und  Israel  zu  beziehen;  aber 
man  kann  ihn  weder  von  der  Freundschaft  zwischen  Hiram  und  David  resp. 
Salomo,  noch  von  der  Verschwägerung  der  beiden  Königshäuser  durch  die 
Heirat  von  Ahab  und  Isebel  verstehen.  Denn  auch  wenn  die  Fürsten  sich 
Brüder  nennen  (IReg  9  13  20  32)  und  die  Dynastieen  einander  verwandt  sind, 
ist  es  noch  lange  nicht  gesagt,  dass  die  Unterthanen  Bruderpflichten  haben. 
Und  gerade  jene  Verschwägerung  war  in  ihren  Folgen  am  wenigsten  geeignet, 
zwischen  Tyrus  und  Israel  ein  brüderliches  Gefühl  auf  das  folgende  Jahr- 
hundert zu  vererben.  Man  denke  an  Elia  und  Elisa!  Kommt  man  mit  dem 
Bund  zwischen  Tyrus  und  Israel  nicht  durch,  so  darf  man  dem  Zusammenhang 
nicht  dadurch  Gewalt  anthun,  dass  man  den  Bruderbund  auf  das  brüderliche 
Verhältnis  zwischen  den  Tyriern  und  andern  Phöniziern  bezieht  (so  Nowack, 
G.  A.  SjsnTH),  sondern  man  hat  den  Zusammenhang  nicht  für  ursprünglich  an- 
zusehen, also  V.  9^ß  aus  demselben  zu  lösen.  Als  Glosse  in  v.  9  f.  lässt  sich  nun 
D'^ni:?  n^'ll  mpj  ^b\  auf  die  Edomiter  beziehen,  die  der  Pflichten  (H^'ISl  bedeutet 
auch  hier  die  von  Religions  wegen  auferlegte  Verpflichtung,  die  religiöse  Pflicht) 
gegen  die  Brüder  d.  h.  gegen  die  Israeliten  nicht  gedachten;  es  ist  derselbe 
Gedanke,  der  auch  v.  ii  ausgesprochen  ist,  und  die  Glosse  gehört  entweder 
als  Erklärung  zu  v.  ii  oder  um  schon  bei  y.  9  das  Verhalten  Edoms  zu  zeichnen, 
zu  Dll«^  V.  9.  Zu  10  vgl.  V.  7. 

Zu  der  Gerichtsdrohung  über  Tyrus  vgl.  ausser  Je  4  4-6  noch  Hes  26  i— 
28  19  29  17-21  Jer  47  4  und  bes.  Sach  9  3f. 

C)   Gegen  E dorn  1  11  f.  Zu  der  Unvollständigkeit  der  Strophe  (acht  statt 

zehn  Zeilen,  in  v.  9  f.  sechs  statt  zehn)  gesellt  sich  hier  als  durchschlagender  Grund  für 
die  Nichtursprüngliclikeit  der  Umstand,  dass  der  den  Edomitern  gemachte  Vorwurf  der 
grausamen  und  erbarmungslosen  Verfolgung  der  Israeliten  den  Thatsachen  der  alten  Ge- 
schichte widerspricht,  dagegen  nach  dem  Exil  durchaus  verständlich  ist  (s.  zu  v.  11). 
Darum  sind  diese  Verse  bestimmt  als  Einschub  erklärt  von  "Wellh.,  Nowack,  Cheyne  u.  a.; 
auch  G.  A.  Smith  muss  hier  das  Gewicht  der  Gründe  anerkennen. 

11  Edom  wird  das  Gericht  gedroht,  weil  es  mit  dem  Schwert  in  der  Hand 

seinen  Bruder  verfolgte  Und  sein  Verwandtschaftsgefühl  erstickte,  Weil  es 

seinen  Zorn  auf  immer  bewahrte  Und  an  seinem  Grimm  immerfort  festhielt. 

Für  ^"l^^l,  „und  es  raubte"  seil,  sein  Zorn,  was  einen  auffallenden  Subjekts - 
Wechsel  in  nn^,  ^ItD^  und  niJJIf^  einschlösse,  ist  trotz  Hi  16  9  {^^  1B«)  nach  dem 
Parallelismus  von  1DJ  und  1)?^  Jer  3  5  und  nach  Pesch. ,  Vulg.  mit  Olshausen 
(zu  Ps  103  9)  u.  a.  1b^5  und  er  bewahrte,  ferner  für  die  seltsame  Wiederauf- 
nahme von  ininj;  in  dem  Suff,  n—  (ohne  Mappik  s.  Ges.-Kautzsch27  §  58  g) 
von  Tr\^]!i  vielmehr  nach  Jer  3  5  H^J^  1D^  zu  lesen  (Wellh.,  Nowack:,  Oettli). 
VJpnn,  der  Form  nach  eine  einsilbige  Nominalbildung  mit  dem  einen  kurzen 
Vokal  auch  im  Plural  wie  D^J^nc^  vgl  Stade  Gr.  §  327b  1,  geht  auf  Dnn  Mutter- 
leib zurück  und  bedeutet  doch  wohl  (s.  aber  Nöldeke  ZDMG  1886,  151  f.,  der 
bei  der  gewöhnlichen  Bedeutung  Erbarmen  stehen  bleiben  will,)  das  Verwandt- 


Amin  163  Am  115 

Schaftsgefühl;  zu  Vljni  nn^  ist  das  parallele  tvyii  nn^  die  religiösen  Gefühle 
ersticken  Mal  2  8  zu  vergleichen,  s.  W.  R.  Smith  Kinsli.  and  Marriage  S.  28 f. 
Zu  den  hier  den  Edoniitern  gemachten  Vorwürfen  eines  unauslöschlichen 
Zornes  und  einer  unaufhörlichen  herzlosen  Verfolgung  der  Israeliten  lag  zur 
Zeit  Arnos',  wie  überhaupt  vor  dem  Exil  kein  Grund  vor.  Zu  Anklagen  hatten 
viel  eher  die  Edomiter  Anlass,  sie  waren  ja  den  Judäern  unterworfen  und 
weder  die  Befreiung  unter  Joram  (II  Reg  8  20-22),  noch  die  späteren  Kämpfe 
unter  Amazja  und  Asarja  (II  Reg  14  7  22)  lassen  eine  solche  Sprache  ver- 
stehen, zumal  in  der  älteren  Litteratur  sich  nirgends  eine  solche  feindselige 
Stimmung  gegen  Edom  kundgiebt,  wenn  es  auch  an  Zeugnissen  für  die  Rivalität 
beider  Völker  nicht  fehlt,  vgl.  Gen25  22f.  27  4of.  32  7—33  17.  Ganz  anders 
wurde  es  seit  der  chaldäischen  Zeit.  „Damals  befanden  sich  die  Judäer  wirk- 
lich in  einer  bemitleidenswerten  Lage,  aber  die  Edomiter  erstickten  ihr  Mit- 
leid und  benutzten  die  Gelegenheit,  um  alte  und  längst  verjährte  Schuld  grausam 
an  ihren  wehrlosen  Brüdern  zu  rächen.  Damals  entstand  jene  nachhaltige 
Entrüstung  gegen  sie,  welche  sich  in  sovielen  späteren  Drohweissagungen  Luft 
macht"  (Wellh.).  Vgl.  Hes  25  12-14  35  Ob  v.  lo-u  Thr  4  21  f.  Ps  137  7  Mal  1  4 
Jo  4  19  Jer  49  7-22  Jes  34  5-17.  Auch  das  Bewusstsein,  dass  Edom  ein  Bruder 
Jakobs  sei,  war  nach  dem  Exile  lebendig,  s.  Ob  y.  10  12  Mal  1  2.  12  Die 

Namen  Ternan  und  Bosra  weisen  gleichfalls  auf  die  spätere  Zeit  Zur  Zeit 
Amos'  wäre  Sela  zu  nennen  gewesen;  Teman  und  Bosra  erscheinen  abgesehen 
von  Gen  36,  dessen  vorexilische  Herkunft  fraglich  ist,  nur  in  späteren  Schriften: 
Teman,  entweder  eine  Landschaft  oder  Stadt  im  nordwestlichen  Edom,  noch 
Hes  25  13  Ob  v.  9  Jer  49  7  20,  und  Bosra,  das  jetzige  Busera  (=  Klein-Bosra) 
südlich  von  et-Tafile  im  SO.  des  Toten  Meeres  (Bädekee  Palast.^  S.  208), 
I  Chr  1  44  Jer  49  13  22  Jes  34  6. 

2)  Gegen  die  Ammoniter  1  13-15.  Diese  Drohweissagung  schliesst  über 

die  ganze  Interpolation  v.  6-12  hinweg  gut  an  die  Gerichtsverkündigung  v.  3-5  an:  nach 
Damaskus  kommt  Ammon  an  die  Eeihe,  nicht  Gaza,  Tyrus  oder  Edom;  der  Vorwurf  ist 
wie  V.  3  ein  konkreter:  die  scheusslichste  Behandlung  desselben  Gileads,  das  von  den  Ara- 
mäern  heimgesucht  war,  und  diese  erst  noch  ohne  einen  wirklichen  Grund,  nur  um  ihr 
Gebiet  zu  vergrössern. 

13  Da  ]1ISj;  •'^n  die  ständige  Bezeichnung  (ausser  Ps  83  8  und  ISam  11  11) 

ist,  hat  man  der  Versuchung  zu  widerstehen,  in  Analogie  zu  2  1  6  bloss  ]1ÄJJ  zu 

lesen.  Weil  sie  die  Schwangeren  Gileads  aufschlitzten  ^  Nur  um  ihre 

Grenzen  %u  erweitern.   Zu  dieser  barbarischen,  auch  von  arabischen  Stämmen 

in  ihren  Fehden  geübten  Kriegsführung  vgL  II  Reg  8  12  15  16  Hos  14  1.         14 

So  lege  ich  Feuer  an  die  Ringmauer  von  Rabba^  Dass  es  fresse  seine  Pracht- 

gebäude  Beim  Kriegsgeschrei  am  Tage  der  Schlacht^  Beim  Wetter  am  Tage 

des  Wirbelwinds,  Zu  v.  14^  vgl.  y.  4;  zu  ""H^n,  Hiph.  von  T\T  mit  assimiliertem  % 

s.  Ges.-Kautzsch27  §  71.         nzn,  vollständig  ]1)Sj;  ^^^  n?n,  die  Hauptstadt  der 

Ammoniter,  die  später  nach  Ptolemäus  IL  Philadelphus  (283—247  v.  Chr.), 

der  sie  neu  hatte  bauen  lassen,  eine  Zeitlang  Philadelphia  hiess,  ist  das  heutige 

'Amman  (Bädekee  Paläst.  ^  169).  n;;nn  ist  das  Kriegsgeschrei,  und  die 

letzte  Zeile  vergleicht  den  feindlichen  Angriff  und  Sturm  mit  dem  Toben  eines 

gewaltigen  Gewitters  (s.  auch  Jes  28  2).  15  Dann  zieht  ihr  König  mit 

11* 


Am  1 15  164  Am  2  2 

den  Gefangenen  davon.  Er  mit  seinen  Fürsten  zusammen,  nblH?  ?j^n  bedeutet: 
er  zieht  unter  den  Deportierten  (das  ist  n^l5),  als  einer  der  Deportierten  weg. 
Man  darf  sich  nicht  mit  Guthe  bei  Kautzsch,  Nowack,  Oort  (Emendationes 
S.  141),  CoNDAMiN  von  den  Versionen,  die  nach  dem  von  unserer  Stelle  ab- 
hängigen Verse  Jer  49  3  (s.  zu  d.  St.)  auch  hier  Dä^)p  gelesen  und  für  S^n  ein 
Vinä  eingesetzt  haben,  zur  Emendation  von  Am  1 15  verleiten  lassen;  denn  Y"^ 
passt  viel  besser  zu  einem  König,  als  zu  einem  Gotte,  auch  wenn  Spätere  von 
(D\n^«n)  b^  nb^  sprechen  I  Chr  24  5  Jer  48  7. 

3)  Gegen  Moab  2  l-3.  Der  Frevel,  weswegen  die  Moabiter  bedroht  werden, 

ist  von  ilinen  nicht  an  den  Israeliten,  sondern  an  den  Edomitern  verübt;  deutlich  ergiebt 
sich  hieraus,  dass  für  Arnos  die  Macht  Jahwes  über  die  Grenzen  Israels  hinausreicht,  und 
aus  der  Art  des  vorgeworfenen  Frevels  ersieht  man,  dass  Jahwe  über  die  Erfüllung  der 
humanen  sittlichen  Pflichten  wacht,  vgl.  meine  Gesch.  der  israel.  Rel.-»  S.  170.  Denn  es 
ist  eine  Verletzung  dieser  humanen  Pflichten,  dass  die  Moabiter  die  Gebeine  des  edomi- 
tischen  Königs  zu  Kalk  verbrannten,  ihn  also  eines  Grabes  beraubten  (s.  zu  v.  1).  Die 

Strophe  ist  vollständig  und  regelmässig  gebaut,  nur  hat  man  eine  ähnliche  Umstellung, 
wie  in  1  3,  vorzunehmen,  nämlich,  wie  dort  IS^i'SrTn»,  hier  l^l^b  an  das  Ende  der  dritten 
Zeile  hinter  IDIl!^  zu  versetzen. 

IT* 

1  Nach  dem  stereotypen  Eingang  folgt  auch  hier  sofort  ein  typisches  Bei- 
spiel des  Frevels  der  Moabiter:  Weil  sie  verbrannten  zu  Kalk  Die  Gebeine  des 
Königs  von  Edom.  Die  Voraufnahme  von  y')^^  empfiehlt  sich  von  selber  viel 
mehr  als  die  Lesung  von  Zenker  "V)^h  D^S:  „Weil  er  Königsgebeine  ver- 
brannte, Menschen  (verbrannte)  zu  Kalk''  und  als  die  von  Condamin  HI^^JJ 
1^^  DH«  "^^bb:  „Weil  sie  verbrannten  Gebeine  dem  Moloch,  Menschen  einem 
Dämon".  Die  Schwere  des  Frevels  versteht  man,  wenn  man  daran  denkt, 
dass  nach  der  alten  Vorstellung  die  Seele  eines  Unbegrabenen  oder  des 
Grabes  Beraubten  keine  Ruhe  findet  und  als  Gespenst  umgehen  muss.  Dass 
das  Verbrennen  der  Leichen  Sauls  und  der  Sauliden  (es  war  auch  kein 
Verbrennen  zu  Kalk)  ganz  anderen  Gefühlen  entsprang,  zeigt  die  darauf- 
folgende Sammlung  und  Bestattung  der  Gebeine  derselben  I  Sam  31  ii-i3. 
Welches  Königs  Grab  so  unmenschlich  zerstört  wurde,  ist  nicht  bekannt;  dass 
es  jener  König  war,  der  den  Feldzug  Jorams  und  Josaphats  gegen  Moab  mit- 
machte (vgl.  II  Reg  3  26),  ist  nicht  durchaus  ausgeschlossen,  wenn  schon  jenes 
Ereignis  weit  hinter  Amos  liegt.  2  So  schleudere  ich  Feuer  gegen  Kir- 

Moab,  Dass  es  fresse  ihre  Burgen;  wenn  vor  DiJlD  nicht  irgend  ein  Städtename 
ausgefallen  ist,  so  ist  ri1*1j>>n ,  das  heutige  Kurejät  nordwestlich  vom  alten  Dibon 
(s.  Bädeker  Paläst.  5 176),  als  damalige  Hauptstadt  zu  betrachten,  vgl.  Jer  48  24  4i 
und  Mesa'-Inschrift  Z.  13.  Am  besten  setzt  man  aber  mit  Meinhold  HVIp  als 
l^p  (oder  als  ^yi)  vor  n«lD  (vgl.  zu  Kir-  resp.  'Ar-Moab  Jes  15  i)  und  liest 
iTniiDI«  für  pn  niiDI«,  vgl.  l  u.  Und  es  stirbt  Moab  im  Getümmel,  Beim 

Kriegsgeschrei,  beim  Posaunenschall  d.  h.  Moab  erliegt  dem  Angriff  des 
Feindes  (vgl.  die  viel  spätere  Darstellung  von  Moabs  Untergang  Jes  25  ii), 
wie  Ammon  1  u.  Jl«!^^  ist  nicht  mit  Hoeemann  als  „alter  J^ame  etwa  der 

Akropolis  von  n«1ö  ly"  zu  verstehen  (zu  \^^'ä  ^^1^  s.  zu  Jer  48  45),  aber  ebenso- 
wenig ist  mit  WiNCKLER  (Alttest.  Untersuch.  184)  )C^|  für  ]1«C^3  zu  lesen  und 
dasselbe  zu  ninp  (dann  ohne  Artikel)  zu  ziehen,  sodass  man  bei  Kerijjot  an 


Am  2  2  165  Am  2  4 

das  im  Hauran  zwischen  ßosra  und  Salchad  gelegene  el-Kureje  (Bädeker 
Palast.^  S.  190)  denken  müsste;  JlSli^  bedeutet  das  Kiiegsgetümmely  Kampf- 
getöse  (vgl.  Hos  10  u  Jer  25  3i),  das  sich  erhebt,  wenn  das  Kriegsgeschrei  er- 
schallt und  die  Posaunen  zum  Angriff  blasen.  IDIt:^  ist  das  gekrümmte  Signal- 
horn, ursprünglich  Widderhorn,  im  Unterschied  von  der  geraden  Trompete 
(ni^il^n),  deren  Form  man  auf  dem  Titusbogen  sieht,  s.  die  Abbild,  in  Kurzer 
H-C  Exoduj  S.  124  und  vgl.  Benzinger  Archäol.  S.  276 f.  3  Und  ich 

rotte  aus  den  Regenten  aus  seiner  Mitte  Und  all  seine  Fürsten  erschlage  ich 
mit  ihm.  Die  femininen  Suffixe  fassen  ItJID  als  Land,  während  es  v.  2  mit  dem 
maskulinen  HD  als  Volk  behandelt;  für  T\^^\^  wird  man  aber  mit  Nowack  ^"ity 
ZU  lesen  haben,  dessen  Suffix  sich  wie  das  von  löj?  auf  tODIL^^  beziehen  muss. 
lODIti^  bedeutet  den  Regenten^  den  Herrscher^  wobei  es  unausgemacht  bleibt,  ob 
er  selbständig  (vgl.  die  D'^DllJ^  in  Israel  vor  der  Königszeit  Jdc  16  3i,  ferner 
Mch  4  14)  oder  abhängig  ist;  deshalb  kann  aus  dem  Ausdruck  nicht  geschlossen 
werden,  dass  Moab  damals  von  Israel  abhängig  war;  auch  aus  II  Reg  14  25  ist 
es  nicht  zu  folgern. 

d)   Gegen  Juda  24 f.  Auch  diese  unvollständige,  bloss  achtzeilige  (resp. 

sechszeilige  s.  zu  v.  4)  Strophe  gehört  nicht  dem  Propheten  Arnos.  Es  wird  dem  Leser 
dieser  Verse  bei  Inhalt  und  Form  ganz  deuteronomisch  zu  Mute:  nicht  eine  einzelne  fla- 
grante Sünde,  die  als  typisches  Beispiel  für  einen  der  drei,  vier  Frevel  gelten  könnte,  wird 
Juda  zum  Vorwurf  gemacht,  sondern  ganz  allgemein,  wie  die  Deuteronomiker  und  die 
Späteren  urteilen,  von  Verachtung  der  Thora  Jahwes  und  von  Götzendienst  gesprochen; 
n"jin  und  D^i^n  sind  dem  Dtn  beliebt  (vgl.  Dtn  4  44  45  17  19),  wie  das  ^in«  "^j^n  im  religiösen 
Sinne  (vgl.  Dtn  43  614  819  etc.)  und  für  1ö^  braucht  es  keine  Belege.  Übrigens  wäre, 
wenn  überhaupt  Juda  bedroht  werden  sollte,  eine  weniger  gleichgiltige  Behandlung  zu 
erwarten  und  wird  durch  diese  Verse  nur  „die  Überraschung  abgeschwächt,  dass  das  Ge- 
witter schliesslich  in  Israel  selber  einschlägt,  nachdem  vorher  die  ihm  verfeindeten  Nachbar- 
völker betroffen  sind".  Zudem  kommt,  dass  auf  Juda  auch  sonst  nirgends  vom  Propheten 
Amos  besondere  Rücksicht  genommen  ist  (s.  Einl.  III  2)  und  dass  njiT  in  der  Rede  Jahwes 
gegen  einen  Autor  wie  Amos  spricht  (vgl.  Vj^n]  7^)7}^  niin  v.  4'^).  Den  späteren  Ursprung 
von  V.  4f.  erkannte  zuerst  Dühm  (Theol.  der  Proph.  S.  119),  ihm  stimmen  bei  Wellh., 
Cheyne,  P.  Volz,  Nowack,  G.  A.  Smith  u.  a.,  während  Driver  in  seiner  Ablehnung  sich  an 
der  Annahme  festklammert,  es  müssten  dergleichen  deuteronomische  Wendungen  schon 
vor  dem  Dtn  in  Umlauf  gewesen  sein.  / 

Die  Zeit  der  Hinzufügung  dieser  Verse  wird  keine  andere  sein,  als  die  für  die  be- 
reits erkannten  Interpolationen  in  Cap.  1;  s.  zu  1  6-8.  Auch  der  Grund  ist  kein  anderer: 
Wollte  man  in  dieser  nach  der  Absicht  des  Interpolators  resp.  Redaktors  eschatologischen 
Übersicht  einerseits  keinen  Nachbarn  ausgeschlossen,  andererseits  aber  eine  Siebenzahl  von 
Völkern:  Damaskus,  Philistäa,  Tyrus,  Edom,  Ammon,  Moab  und  schliesslich  als  siebentes 
Israel,  aufgeführt  haben,  so  sollte  bei  dem  siebenten  auch  Juda,  das  mit  Israel  zusammen- 
gehörte und  doch  zur  Zeit  Amos'  neben  Israel  existierte,  ausdrücklich  genannt  sein,  wie 
bei  Hos  1  und  3,  Hes  23  etc.    Vgl.  zu  Hos  Cap.  1—3. 

4  niiT'  nnin-n«  D«D  vgl.  in  der  ebenfalls  redaktionellen  Stelle  Jes  5  24^; 

zum  ganzen  Vers  vgl.  II  Reg  17  15.   Die  Thora  und  die  Satzungen  sind  für  den 

Interpolator  jedenfalls  nicht  mehr  bloss  mündliche.  "1^1  U^V^W  und  es 

führten  sie  vielmehr  irre  etc.  ist  formell  mit  seinem  ^^^  prosaisch,  inhaltlich 

erklärende  Auslegung  zu  dem  Vorangehenden  und  passt  auch  metrisch  nicht 

in  das  sonst  vom  Interpolator  festgehaltene  Schema,  sodass  man  diesen  Satz, 

wie  das  ähnliche  Schlusssätzchen  1  9,  als  Glosse  in  dem  Einschub  wird  be- 


Am  2  4  166  Am  2  6 

trachten  müssen;  ein  ähnliches  Gefühl  hinsichtlich  dieser  "Worte  hat  Deiver 
(Joel  und  Arnos  S.  118  Anm.).  Der  angebliche  Götzendienst  der  Väter 

ist  bei  den  Deuteronomikern  und  ihren  Nachfolgern  ein  ständiges  Thema,  vgl. 
nur  Hes  16  und  in  den  Ergänzungen  zu  den  Schriften  Jeremias  und  Baruchs 
Jer  2  5  14  20  17  23  32  22  f.  !}J5,  Lüge,  ist  hier  im  Plural  von  den  Götzen  ge- 
braucht, die  nur  Truggötter,  Götter  in  der  Einbildung,  Wahngebilde  sind; 
eine  gute  Parallele  bietet  dazu  D'^^5'3  ==  Hauch,  Nichtigkeiten,  Scheingötter. 
Beide  Ausdrücke  gehören  der  Erkenntnis  eines  späteren  Zeitalters  an,  zu  der 
Amos  den  festen  Grund  gelegt  hat,  vgL  meine  Gesch.  der  Israel.  Rel.^  §  34. 
5  Ausser  1  4  7  10  12  14  2  2  vgl.  auch  Jer  17  27^ 

B.   Gegen  Israel  2  6—16. 

1)  Die  Sünde  der  Israeliten:  gewissenlose  Justiz,  Bedrückung  der  Armen, 
Scham-  und  Sittenlosigkeit  2  6-8.  Erste  zehnzeilige  Strophe  mit  der  üb- 
lichen Einleitung  TV\T\l  lötjl  Hä,  aber  ohne  abschliessende  Formel,  vgl.  zu  1  3. 

6  Mit  dem  stereotypen  Anfang  (s.  1  3)  beginnt  Amos  auch  hier.  Um  so 
grösser  ist  die  Überraschung,  dass  es  sich  nicht  um  das  Gericht  über  ein  neues 
Nachbarvolk,  sondern  über  Israel  selber  handelt.  Der  Unterschied  wird  auch 
sofort  klar:  nicht  in  wenigen  Worten,  wie  bei  den  Nachbarn,  werden  Sünde, 
Schuld  und  Strafe  geschildert,  über  Israel  bleibt  das  Gewitter  stehen  und  fährt 
es  mit  seiner  ganzen  Wucht,  mit  gewaltigem  Schwall  und  heftigem  Gekrache 
nieder.  Weil  sie  den  Gerechten  um  Geld  verkaufen  Und  den  Armen  um 

ein  Paar  Schuhe^  tadelt  die  schlimme  Rechtspflege,  ein  von  den  Propheten  oft 
erhobener  Vorwurf,  vgl.  z.  B.  Jes  1  23  3  uf.  5  23.    Die  Richter  sind  der  Be- 
stechung zugänglich:  um  Geld,  das  sie  als  1T\)^  empfangen,  verkaufen  sie  den 
p'^'l?  (ohne  Artikel  =  jeden,  der  ein  p^'l?  ist,  also  wesentlich  in  gleichem  Sinne, 
wie  der  Plural  D'^^'U,  D^'UJ^  in  y.  7),  den  der  Recht  hat  (vgl.  zu  diesem  alten  Sinne 
von  p'^'l^  zu  Jes  5  23),  d.  h.  das  Urteil  über  ihn,  sie  verurteilen  ihn.  Im  parallelen 
Stichos  entspricht  dem  p^^^  der  ]'i^?^J,  der  Bedürftige,  dem  ^  das  ^i:n?^5  (vgl. 
JSir  7  18  LXX  £v  und  Ivsxsv)  und  dem  ^D|  das  D^bj^i,  ein  Paar  Sandalen; 
demnach  bildet  dieser  zweite  Stichos  die  steigernde  Erklärung  des  ersten:  zwei 
ganze  Sandalen  genügen  zur  Bestechung  des  Richters,  dass  er  einen  unschul- 
digen Armen  verurteilt.    D'l^S??  scheint  also  sprichwörtliche  Redensart  für  eine 
Bagatellsache  zu  sein;  so  lässt  es  sich  wohl  auch  mit  Wellh.  ISam  12  3  ver- 
stehen, wo  mit  LXX  '^n  ^^  D^bs^il  für  12  "^^''j;  ühv^\  zu  lesen  ist,  vgl.  das  Citat  im 
hebr.  JSir  46  19.    Eine  etwas  andere  Vorstellung  läge  zu  Grunde,  wenn  mit 
HoPEMANN  (ZAT  W  1883,  97-99)  und  G.  H.  Box  (Expository  Times  1901  Mai 
p.  377 f.)  die  Schuhe  als  Symbol  des  Besitzrechtes  nach  Rt  4  7  Ps  60  10  zu  ver- 
stehen wären;  dann  sagte  Amos,  dass  sich  die  Richter  nicht  nur  mit  barem 
Geld,  sondern  auch  schon  mit  dem  indirekten,  vielleicht  noch  verführerischeren 
Wert  einer  Art  Anwartschaft  oder  Hypothek  auf  das  Gut  des  armen  Ange- 
klagten resp.  (wenn  man  noch  mit  Hoeemann  "\0,V  als  Landertrag  fassen  wollte 
Jos  5  11  f.)  mit  dem  vom  Gläubiger  dem  Richter  cedierten  Ernteertrag  des 
Schuldnerackers  bestechen  Hessen.    Auf  alle  Fälle  scheint  es  sich  um  die  Be- 


Am  2  6  167  Am  2  7 

stechlichkeit  zu  handeln;  denn  die  Fassung,  dass  die  Richter  in  striktem  Fest- 
halten am  gestrengen  Recht  einen  bloss  die  Bagatelle  eines  Paars  Sandalen 
schuldenden  Armen  in  die  Sklaverei  verkauften  (II  Reg  4  i  Mt  18  25),  muss 
*13D  zeugmatisch,  zuerst  mehr  bildlich,  dann  buchstäblich,  nehmen,  was  Schwierig- 
keiten bereitet,  obschon  der  Gedanke,  dass  das  Sittliche  und  Humane  höher 
stehen  als  das  Gesetzliche,  gewiss  der  Anschauung  Amos'  entspräche.  7' 

charakterisiert  in  engem  Anschluss  an  v.  6  die  rücksichtslose  Härte,  die  unter 
den  Israeliten  (es  sind  nicht  nur  die  Richter,  sondern  allgemein  sie  gemeint) 
gegen  die  Armen  geübt  wird:  Sie  zertreten  das  Haupt  der  Niedrigen  Und 
unterdrücken  die  Elenden.  Mit  dem  MT  ist  nicht  auszukommen:  Für  ^j;  müsste 
mindestens  "^«  gelesen  werden,  wenn  man  ^«^  mit  lechzen^  gieren  übersetzen 
wollte  (vgl.  Koh  1  5),  dann  wäre  „ein  Gieren  nach  den  Erdkrümchen  auf  dem 
Haupte  der  Niedrigen"  immer  noch  eine  unnatürliche  Übertreibung;  und  „den 
Weg  der  Elenden  ablenken"  heisst  doch  auch  nicht:  ihr  Recht  beugen,  noch: 
sie  in  den  Abgrund  stossen.  LXX  giebt  eine  doppelte  Übersetzung  der  ersten 
Zeile:  1)  xot  Traiouvia  stiI  tov  )(oüv  t^;  y^j^  ^-  2)  xal  lxovo6XiCov  zXo,  xscpaXa? 
TTTCDj^aiv;  die  beiden  Verba  entsprechen  ^^5^,  das  danach  entschieden  als  zer- 
treten (vgl.  ^^  Gen  3  15)  zu  fassen  ist,  und  LXX  lässt  somit  die  Wahl  zwischen 
den  beiden  Ergänzungen  des  MT.  Nach  8  4  wird  man  nicht  schwanken,  dass 
]>*lJS!"1?5?"'?y  eine  spätere  Hinzufügung  ist  und  das  einzige  ursprüngliche  Objekt 
des  Partizips  nur  D'^^^  trsiS  sein  kann.  Die  Einführung  des  Objekts  mit  ^ 
(Gen  3  15  dagegen  direkt  t^MI  ^^)  ist  nach  Analogie  der  Verba  j;?^  und  "äy^ 
zu  erklären,  deren  Objekt  auch  bald  mit  ^  eingeleitet,  bald  direkt  steht; 
übrigens  wird  darin  der  übertragene  Gebrauch  angedeutet  und  das  Haupt 
zertreten  ganz  den  Sinn  von  das  Angesicht  zermalmen  C^iD  ]ni^,  s.  zu  Jes  3  lo), 
d.  h.  die  Rechte  der  Armen  zertreten,  haben.  Ahnlicher  Sinn  muss  dem 

parallelen  Stiches  zukommen;  darum  ist  für  das  unverständliche  "riTl,  da  es 
nicht  l^'l,  Rechte  (so  Steiner)  bedeutet  und  bei  Festhalten  an  \)^\  erst  pD  zu  lesen 
wäre,  vgl.  Jes  10  2,  vielmehr  mit  Oort  das  Verb  ^T\y\  zu  lesen  und  mit  Weg- 
lassung des  aus  v.  8  5  12  hier  eingedrungenen  \^\  zu  übersetzen:  Und  sie  zer- 
stampfen die  Elenden  (vgl.  Jes  63  3);  vielleicht  ist  ein  dem  ti^«1  paralleles  ^^D 
(vgl.  Jes  3  15)  vor  D^IJV  ausgefallen;  das  Gesicht  {dii^  Persönlichkeit)  der  Elenden. 
Anders  vermutet  J.  A.  Bewer  für  v.  7**  den  Ausfall  von  ^^11  hinter  "^l^^  und  liest: 
D^h  ^1  ^^11  l^^«""^?r'^?  D"'D«fc^n  =  „sie  zerstampfen  zu  Erdenstaub  und  zertreten 
den  Ärmsten  der  Armen".  7^  8  Als  die  Sünde  erschwerendes  Moment 

kommt  hinzu,  dass  das  gewissenlos  erworbene  Gut  auf  schäm-  und  sittenlose 
Weise  verjubelt  wird.  Einmal  wird  damit  der  Lohn  für  den  Besuch  der  Ke- 
deschen  bestritten,  die  sich  im  Dienste  der  Gottheit  und  ihr  zu  Ehren  prosti- 
tuieren s.  zu  Dtn  23  isf.,  eine  von  den  Kanaanäern  übernommene  Institution 
an  den  israelitischen  Heiligtümern  s.  zu  Hos  4  14.  Dass  es  sieh  nicht  um  ge- 
wöhnliche Unsittlichkeit  handelt,  beweist  der  Schlusssatz;  was  aber  dieses 
Jahwe  ins  Gesicht  schlagende  Treiben  noch  besonders  in  seiner  Verwerflich- 
keit zeigt,  ist  nicht  die  unnatürliche  Sittenlosigkeit  (I  Kor  5  1),  denn  es  braucht 
nicht  dieselbe  n^JJJi  zu  sein  (der  Artikel  ist  generell),  sondern  die  Öffentlichkeit 
und  Schamlosigkeit,  mit  welcher  sich  Vater  und  Sohn  demselben  ohne  Scheu 


Am  2  7  168  Am  2  9 

ergeben:  Und  ein  Mann  und  sein  Vater  gehen  %ur  Dirne,  Um  meinen  heiligen 
Namen  %u  entweihen.     ]V.^h  stellt  als  Zweck  hin,  was  die  notwendige  Folge 
ihres  Treibens  ist:  ganz  ungeniert  treiben  es  Vater  und  Sohn,  ohne  ein  Be- 
wusstsein  davon  zu  haben,  wie  sie  dem  innersten  Wesen  Jahwes  widersprechen. 
8  Überhaupt  kümmern  sich  die  Israeliten  nicht  um  die  sittlichen  Forderungen, 
die  Jahwe  stellt:  Und  auf  gepfändeten  Gewändern  strecken  sie  sich  Und  Wein 
der  Gestraften  zechen  sie.    Die  an  sich  nicht  gerade  unrichtigen,  aber  kaum 
vollständig  richtigen  (es  handelt  sich  schwerlich  nur  um  Gelage  an  heiliger 
Stätte,  vgl.  4  2)  über  das  Metrum  hinausschiessenden  Beifügungen  ri5|tt"'?3  ^^« 
und  D^^'^^S  n*^?,  wofür  in  der  Eede  Jahwes,  da  doch  nicht  Götzentempel  ge- 
meint sind,  erst  noch  ''H^?  stehen  sollte,  schwächen  den  Sinn  nur  ab;  denn  wider- 
rechtlicher Gebrauch  fremden  Eigentums  und  Zechen  von  geraubtem  Wein 
sind  doch  nicht  nur  im  Heiligtum,  sondern  auch  anderswo  von  Jahwe  verboten, 
und  nach  Amos  wacht  Jahwe  ebensosehr  über  das  bürgerliche  Leben,  wie  über 
das  Verhalten  beim  „Gottesdienst".    Die  letzten  Worte  beider  Zeilen  sind 
daher  sekundäre  Erklärungen,  vielleicht  veranlasst  durch  Hos4u;  zu  dem 
Fehlen  des  !l  vor  "^  n*"?  s.  zu  Jes  3  6  und  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  118g.   Was 
die  Sünde  konstituiert,  ist  nicht  der  Ort,  sondern  die  Art  ihres  Treibens:  Ge- 
pfändete Gewänder  sind  nicht  Eigentum  des  Gläubigers,  musste  doch  ein  als 
Pfand  gegebenes  Obergewand  dem  Schuldner  vor  Einbruch  der  Nacht  zurück- 
erstattet werden,  vgl.  Ex  22  25f.  Dtn  24  ii-is;  sie  aber  gebrauchen  solche 
Pfänder  als  Eigentum,  auf  denselben  lagern  sie  sich  zum  Mahle.   ^'^\  ist  in- 
transitiv =  sich  ausstrecken,  sich  eine  H^D,  ein  Lager  bereiten,  sich  betten,  so 
haben  schon  Targum,  Aquila,  Stmmachus,  Theodotion,  Hiebonymus,  wie  die 
Rabbinen  übersetzt;  eventuell  kann  man  mit  Oettli  ^ts";  (intransitives  Kai) 
lesen  oder  mit  Ooet  und  Nowack   ^j;   streichen,   dagegen   sind  die  Text- 
änderungen von  Ewald:  V^l  =  sie  warfen  das  Los,  Siegekied-Stade:  ^)}V  s. 
Jer  2  20,  unnötig  und  unwahrscheinlich.    Das  sich  Lagern  zum  Mahle  passt 
vortrefflich  zum  Weinzechen  der  letzten  Zeile.    Die  Decken  liefern  die  Ge- 
pfändeten und  den  Wein  rf?^  ungerecht  Gestraften]  so  dient  die  Ausbeutung 
der  Niedrigen  und  Armen  den  Richtern  und  Grossen  zu  ihren  Gelagen. 

2)  Die  Grösse  der  Schuld:  ihre  Sünden  stehen  im  geraden  Gegensatz  zu 
Jahwes  Thaten  und  Willen  2  9-13.  Zweite  Strophe,  die  mit  Hjn;;  Diji  abge- 
schlossen wird;  v.  lo  12  sind  Interpolationen,  s.  die  Erklärung. 

9  Welch  ein  Undank  und  Ungehorsam:  Die  Israeliten  lieben  kanaanäisches 
Wesen,  Jahwe  aber  hat  die  Kanaanäer  ausgerottet!  Und  ich  habe  doch  ver- 
nichtet  Die  Amoriter  vor  euch  her^  Die  so  hochgewachsen  wie  Cedern  Und  so 
stark  waren  wie  Eichen^  Ja  ich  vernichtete  ihre  Frucht  in  der  Höhe  Und  ihre 
Wurzel  in  der  Tiefe.  Für  DH'^^öp,  aus  ihrer  Gegenwart  d.  h.  so  dass  sie  ihnen 
Platz  machten,  lesen  einige  MSS  DD'iiöp;  hier  erschiene  zwar  bei  der  steigenden 
Lebendigkeit  der  Rede  erst  der  nachherige  Übergang  von  der  objektiven  Kon- 
statierung zur  direkten  Rüge  ganz  motiviert  (Baue),  besser  wird  man  jedoch 
von  Anfang  der  Strophe  an  die  Anrede  lesen.  Amoriter  ist  auch  im  Elohisten, 
wie  hier  die  Bezeichnung  der  gesamten  vorisraelitischen  Bevölkerung  zu  beiden 
Seiten  des  Jordans,  vgl.  auch  zu  Jes  17  9.    Die  Schilderung  ist  hyperbolisch 


Am  2  9  169  Am  2  13 

(v^l.  König  Stilistik  R.  70).  es  glichen  nicht  alle  Arnoriter  den  Enakitorn 
(Num  13  32)  oder  Og  dem  Köni^]^  von  Basan  (Dtn  3  ii),  doch  vojl.  Dtn  1  28. 
Ausrottung  von  Frucht  nnd  Wurzel  ist  eine  sprichwörtliche  Redensart  für 
radikale  Ausrottung,  für  Ausrottung  mit  Stumpf  und  Stiel,  man  hat  nicht  mit 
Zenner  nach  Stamm,  Asten  und  Zweigen  zu  fragen  und  den  Ausfall  eines 
Gliedes  anzunehmen;  vgl  Hos  9  ig  Jes  37  31  Hi  18  16  Eschmuriazar-Inschr. 
Z.  11  f.  ]l?  in  bv.'Oip  und  nnnp  ist  partitiv  =  an  jedem  Teil  des  Ohen 

oder  Unten.  10  verrät  sich  nicht  nur  durch  seine  prosaische  Form  Tvgl. 

bes.  das  dreimalige  "HS),  sondern  auch  durch  seine  hinter  v.  9  auffallende  Stel- 
lung als  Nachtrag  eines  späteren,  dem  der  Hinweis  auf  den  Auszug  aus  Ägypten 
hier  nicht  fehlen  durfte,  der  aber  in  der  Eile  vergass,  dass  es  Amos  auf  den 
"Widerspruch  zwischen  der  Ausrottung  der  Amoriter  durch  Jahwe  und  der 
Annahme  amoritischer  Art  durch  die  Israeliten  ankam.  Zu  den  vierzig  Jahren 
s.  5  25.  11  Und  ich  erweckte  aus  euren  Söhnen  Propheten  Und  aus  euren 

Jünglingen  Nasiräer,  Ist  dem  etwa  nicht  so,  Ihr  Israeliten?  Die  Verbindung 
von  V.  11  mit  v.  9  erleichtert  das  Verständnis:  Die  Propheten  und  Nasiräer 
sind  die  von  Gott  erweckten  Männer,  die  für  die  ächte  israelitische  Sitte  und 
Eeligion  eintraten  und  gegen  das  amoritisch-kanaanäische  Wesen  mit  seinem 
unsittlichen  Kultus  und  Luxus  protestierten.  Amos  denkt  wohl  an  Propheten 
wie  Elia  und  Elisa  und  an  Nasiräer  nach  der  Art  der  Rekabiten.  Die  Nasiräer 
sind  von  Jahwe  erweckt  wie  die  Propheten,  sie  sind  nicht  von  Geburt  an  dazu 
bestimmt,  haben  auch  nicht  nur  auf  bestimmte  Zeit  das  Nasiräat  übernommen, 
wie  man  es  später  zur  asketischen  Übung  sich  selber  auferlegte;  vgl.  die  Archäo- 
logieen  von  Benzingee  S.  429—431  und  Nowack  II  S.  133—138,  sowie  meine 
Gesch.  der  israel.  Rel.^  S.  81  122.  Beachtenswert  ist  es  ferner,  dass  Amos  die 
Priester  nicht  nennt;  aber  sie  verdienten  wohl  in  seinen  Augen  keine  besondere 
Ehrenerwähnung,  jedenfalls  wäre  eine  solche  für  Amazia,  den  Oberpriester  zu 
Bethel,  übel  angebracht  gewesen,  vgl.  7  10-17.  12  kommt  nach  der  kräf- 

tigen abschliessenden  Frage  v.  11^  ganz  verspätet,  passt  aber  auch  nach  v.  11* 
nicht  in  den  Zusammenhang;  denn  die  Frage  v.  11^  will  von  den  Israeliten  nicht 
ein  Geständnis  ihrer  offenbaren  Sünden,  sondern  eine  Anerkennung  dessen, 
was  Jahwe  an  ihnen  gethan  hat.  Der  Vers  ist  ausserdem  für  das  Metrum  über- 
schüssig, also  aus  allen  diesen  Gründen  die  Bemerkung  eines  Späteren,  der 
den  Tadel  über  die  Widerspenstigkeit  des  Volkes  gegen  das  prophetische 
Wort  hier  nicht  vermissen  wollte.  Zu  dem  Inhalt  vgl.  7  13  I6  Jes  30  10  f.  Mch  2  6 
Jerll2i. 

3)  Die  Strafe:  YÖllig^e  Zerstörung  des  Reiches,  der  niemand  entrinnen  wird 
2  13-16.     Die  dritte  Strophe,  wieder  mit  HJiT  DfcJ^J  abgeschlossen. 

Die  Hauptschwierigkeit  für  das  Verständnis  von  13  liegt  in  dem  Verbum 
V^V.'Q,  P'J?n,  das  im  AT  sonst  nicht  vorkommt,  njjj;  Ps  55  4  und  hfJJ^^D  Ps  66  11, 
wofür  LXX  beidemal  öXi^i;  hat,  darf  man  nicht  vergleichen,  weil  der  Text 
dort  schwerlich  intakt  (s.  zu  den  beiden  Stellen)  und  eine  in  den  Psalmen 
schliesslich  nicht  unmögliche  aramäische  Form  p^ij;  =  hebr.  p^iiJ  enge  sein^  Hiph. 
bedrängen  für  Amos  doch  unannehmbar  ist.  Darum  sind  diejenigen  Fassungen 
unwahrscheinlich,  welche  dieses  Verbum  mit  niederdrücken  (Ewald),  quetschen 


Am  2  13  170  Am  2  13 

(Güthe)  und  dergl.  übersetzen.  Nun  bietet  sich  zur  Erklärung  von  p\y  ein 
arab.  Verbum  'dka,  II.  Form  'ajjaka^  in  der  Bedeutung  von  vociferari^  und 
schon  Aquila  übersetzt  hier  TpiCY)Oü)  und  xpfCst,  vgl.  auch  Hieronymus'  stridere. 
Nimmt  man  diese  Bedeutung  mit  J.  D.Michaelis,  Jüsti  undHoppMANN  (ZATW 
1883,  100 f.)  hier  an,  so  bekommt  man  einen  passenden  Sinn:  Siehe  ich  mache 
es  krachen  unter  euch.  Wie  der  Wagen,  überladen  mit  Garben,  zusammen- 
kracht\  weniger  gut  ist  es,  wenn  man  mit  Hofemann  n^JJJ  als  Dreschwagen  fasst 
und  nsbipn  von  der  Tenne  versteht:  „Da  wo  ihr  grade  steht,  werd  ich  euch 
aufkreischen  machen,  wie  der  Dreschwagen  die  schwadenerfüllte  (Tenne) 
ächzen  macht".  Von  letzterer  Fassung  wäre  es  nur  wenig  verschieden,  wenn 
man  lieber  das  von  Ges.-Bühl^^  erwähnte  arab.  'akka,  zerschneiden,  vergliche: 
„Ich  will  euch  an  Ort  und  Stelle  zerschneiden,  wie  der  Dreschwagen zer- 
schneidet"; aber  hiezu  fehlt  in  den  Versionen  jeder  Anhalt.  Ebenso  verhält  es 
sich,  wenn  man  von  der  Variante  xa)Xua>  im  Cod.  Alex,  der  LXX  für  das  ge- 
wöhnliche xuXiü)  absehen  darf,  mit  der  Erklärung  von  Wetzstein  (ZATW 
1883,  278f.),  der  unter  Vergleichung  des  arab.  'äka  (med.  1),  hemmen,  übersetzt: 
„Ich  werde  es  unter  euch  zum  Stocken  bringen,  wie  das  Dreschrad  stockt 
(d.  h.  sich  nicht  mehr  umdreht),  das  sich  mit  Halmen  verstopft  hat".  Schliess- 
lich ist  auch,  der  Fassung  von  p^ij;  =  TpiCstv  die  von  Hitzig  vorgeschlagene,  von 
Steiner,  Reuss,  Wellh.,  Nowack  acceptierte  Korrektur  von  p*»}?)?  in  p^'Bö  und 
von  p^'J^ri  in  p^öH  nicht  vorzuziehen:  „Siehe  ich  lasse  den  Boden  unter  euch 
schwanken,  wie  der  Wagen  schwankt,  der  voll  ist  von  Garben" ;  es  sollte  doch 
bei  Schiller  trotz  allem  eigentlich  heissen:  „schwer  herein  schwankt  der 
Wagen  sohle  cht  geladen".  Der  Sinn  des  Verses  ist  also  vermutlich  der: 
Beim  angekündigten  Gericht  brechen  alle  Stützen  des  Reiches  mit  Gekrach 
zusammen  (vgl.  Jes  3  i),  wie  ein  zu  schwer  beladener  Wagen;  wo  immer  die 
Israeliten  stehen,  stürzt  der  Boden  ein  und  sind  sie  verloren,  können  also  der 
Katastrophe  nicht  entrinnen,  wie  v.  i4f.  ausgeführt  wird.  Zu  DD'^rinn  =  an  Ort 
und  Stelle,  wo  ihr  euch  befindet  vgl.  Ex  16  29  Hi  40  12;  zu  der  eigentümlichen 
Anwendung  des  sog.  Dativus  ethicus  in  n^  nt|l^ön,  der  sich  voll  ist,  hier  wohl 
mit  dem  Sinne:  der  überfüllt  ist,  s.  Ewald  Lehrb.s  §  315a.  Der  Einwand 
gegen  die  Deutung  von  Thy^,  als  Erntewagen  (Jes  28  28  bedeutet  Th^^  Dresch- 
wagen)^  dass  es  in  Palästina  dergleichen  in  alter  Zeit  gerade  so  wenig  gegeben 
habe,  wie  jetzt,  ist  nicht  berechtigt;  denn  mag  man  auch  das  geschnittene  Ge- 
treide in  bergiger  Gegend  stets  durch  Menschen,  oder  bei  weiten  Entfernungen 
auf  Maultieren,  Eseln,  Kamelen  heimgeschafft  haben,  so  ist  es  schwer  zu 
glauben,  dass  ein  Volk,  das  Wagen  für  den  Umzug  ganzer  Familien  (Gen  46  5) 
und  solche  zu  landwirtschaftlichen  Zwecken  (ISam  67-u)  kannte,  dieselben 
wenigstens  in  ebener  Landschaft  (wie  heute  in  den  ebengelegenen  deutschen 
Kolonien  ZDPV  1886,  40)  nicht  auch  zur  Einführung  der  Garben  sollte  ge- 
braucht haben  (G.  A.  Smith).  In  solcher  Gegend  kann  sie  Amos  gesehen  haben; 
übrigens  vergleicht  ein  Dichter  in  den  Hudhailitenliedern  (165  7)  das  Rollen 
des  Gewitters  mit  dem  Gerassel  schwerbeladener  Wagen  des  Nordlandes,  ob- 
schon  die  Araber  keine  Wagen  kannten  (Wellh.).  Bei  dem  plötzlichen 
Zusammenbruch  bringen  weder  Schnelligkeit,  noch  Stärke,  noch  Heldenmut 


Am  2  13  171  Am  2  16 

—  —       I  ■   -  I        ■  ■  ■  —  -  ■       ■  ■  ■-  i-^.  ■ -- ■■  ■  .^ ■   ■  -  ,  ^_,^ 

Rettung:  14^  Da  geht  verloren  die  Zußucht  dem  Schnellen,  er  weiss  nicht  wohin, 
da  sich  ihm  nirgends  Schutz  bietet,  vgl.  die  Nachahmung  Jer  25  35,  Und  der 
Starke  kann  seine  Kraft  nicht  brauchen  eigentlich:  festigen,  wofür  wir  sagen: 
zusammennehmen  d.  h.  hier  entfalten,  anwenden,  brauchen,  vgh  Na  2  2.  14''  15 
=  vier  Zeilen:  Und  der  Held  rettet  sein  Leben  nicht  Und  der  Bogenschütz  halt 
nicht  Stand y  Und  der  Schnellfüssige  kann  nicht  entrinnen,  1.  to^D';  mit  LXX, 
Targ.,  Vulg.  für  tO^D';,  zu  dem  die  Masora  hier  offenbar  von  der  folgenden  Zeile 
ItS^DJ  herüberzieht,  anderswo  aber  auch  bloss  in  Gedanken  ergänzt,  s.  Hi  20  20 
Ps  33  17.  Und  der  Berittene  sein  Leben  nicht  retten.  Das  Auffallende  der 
dreimaligen  Wiederholung  des  gleichen  Ausdrucks  Iti^D^  to^)?';  hat  man  nicht 
mit  Zeijdner,  Nowack  durch  Weglassung  von  v.  u^-ie^  fern  zu  halten;  die 
Wiederholung  kennzeichnet  vielleicht  mit  Absicht  das  gleiche  Schicksal,  das 
alle  trifft,  und  das  Fehlen  von  v.  15  in  einzelnen  griechischen  Codices  beruht 
wohl  auf  dem  Abirren  des  Schreibers  von  dem  Ende  des  v.  14  auf  das  gleich- 
lautende Ende  von  v.  15.  Übrigens  ist  v.  u^  allgemeiner  zu  fassen,  während 
V.  14*^  15  von  einzelnen  „Waffengattungen"  spricht:  von  der  Garde,  den  Schützen, 
den  Schnellläufern  und  den  Berittenen.  16  Und  auch  der  Mutigste,  nicht 

etwa  bloss  die  Zaghaften,  unter  den  Helden,  d.  i.  den  Streitern,  Ergreift  nackt 
die.Flucht  an  jenem  Tag  d.  i.  sucht  das  Heil  in  der  Flucht.  Zu  I^S  ^^^if?,  eigent- 
lich: fest  seines  Herzens  d.  h.  der  Unverzagteste,  Mutigste,  vgl.  Ges.-Kautzsch^? 
§  128x  und  s.  zu  l^ij^  "15?  J^^  1  4.  Wahrscheinlich  ist  jedoch  Wincklek's  An- 
stoss  am  Texte  (Alttest.  Untersuch.  184f.)  berechtigt,  aber  deswegen  ist  nicht 
mehr  als  das  von  LXX  gebotene  ou  jjly]  supyjasi  (resp.  eops&rj)  in  den  Text  auf- 
zunehmen (vielleicht  ohne  Dn.in??):  ^"^^\  ^b  \^h  f^l?«]  =  Und  der  Mutigste  wird 
nicht  (unter  den  Helden)  gefunden  (sondern  auf  der  Flucht  v.  i6^).  Wegen  der 
Ähnlichkeit  mit  den  beiden  ersten  Worten  wurde  fc^^ö";  «^  von  einem  Schreiber 
übersehen.  DIIJ^  bedeutet  nicht:  splitternackt,  sondern:  ohne  Waffen,  die 

er  wegwirft,  und  ohne  die  die  Flucht  hindernden  Kleider;  im  Satze  ist  es  sog. 
Zustandsadjektiv,  eine  Näherbestimmung  der  Handlung  vgl.  Ges.-Kautzsch27 
§  118  n.  An  jenem  Tag  d.  h.  am  Tage  des  von  Amos  als  demnächst  herein- 

brechend verkündigten  Gerichts,  am  Tage  Jahwes,  der  nicht,  wie  die  Israeliten 
erwarteten,  den  Nachbarn  Verderben  und  Israel  Rettung,  sondern  auch  diesem 
den  Untergang  bringen  wird.  Hier  haben  wir  die  Grundstelle  der  Schilderung 
des  in  der  israelitischen  Religion  bei  den  Propheten  und  nachher  bei  den 
Theologen  der  jüdischen  Gemeinde  und  Diaskeuasten  der  prophetischen 
Schriften  so  ausserordentlich  wichtigen  Tages  Jahwes,  vgl.  meine  Gesch.  des 
israeh  Rel.^  §  40.  „Das  Wetter*',  das  am  Tage  Jahwes  losbricht,  „ist  ein 
Kriegswetter"  (Wellh.),  vgl.  1  4  5  14  15  2  2  3  bes.  1 14^  2  2^;  als  die  Vollstrecker 
des  Gerichts  hat  Amos  die  Assyrer  im  Auge,  ohne  sie  zu  nennen.  S.  zu  5  18 
und  vgl.  Jes  2  6-22. 


Am  3  1  172  Am  3  2 


Zweiter  Teil: 

Eingehendere  Begründung  und  Darlegung  des  Gerichts 

3 1-6 14. 

Durch  die  dreifache  "Wiederholung  einerseits  von  mn  nn'iH'n«  lytttt^  3  1  4  1  5  1, 
andererseits  von  '•in  5  7  (s.  die  Ausleg^ung)  5  18  6  1  scheint  dieser  Abschnitt  in  sechs  Reden 
zerlegt  zu  werden;  aber  bei  genauerer  Prüfung  ergiebt  sich,  dass  eine  viel  grössere  Zahl 
von  Redestücken  zu  unterscheiden  ist.  Auch  nicht  einmal  den  Beginn  einer  neuen  Rede- 
gruppe zeichnet  diese  Einleitung  an;  denn  wenn  man  überhaupt  solche  Gruppen  unter- 
scheiden will,  so  gehört  4  1-3  zu  dem  Vorhergehenden  3  9-15,  wo  gleichfalls  die  Bedrückung 
der  Niedrigen  und  das  luxuriöse  Treiben  in  Samarien  mit  dem  Gerichte  bedroht  werden, 
während  das  folgende  Stück,  4  4-12,  an  das  ganze  Volk  gerichtet  ist  und  den  israelitischen' 
Kultus  verurteilt.  Im  Ganzen  sind  folgende  Stücke  zu  unterscheiden:  1)  3  1-3;  2)  3  4-8; 
3)  3  9-11;  4)  312:  5)  3  13-15;  6)  4  1-3;  7)  4  4-12(13);  8)  5  1-3;  9)  5  4-6  14f.;  10)  5  7-12 
(exe.  8 f.)  16f.;  11)  5  18-27;  12)  6  1-7;  13)  6  8-10  und  14)  6  11-14. 

Die  einzelnen  Stücke,  z.  T.  nur  fragmentarisch  erhalten,  sind  selbständig,  wenn 
natürlich  auch  das  gleiche  Thema  in  verschiedenen  Reden  behandelt  werden  kann.  Ein 
genauer  Plan  ist  bei  der  Zusammenstellung  nicht  durchgeführt;  doch  versteht  man,  warum 
1)  und  2)  voranstehen,  warum  3),  4),  5)  und  6)  zusammengehören  und  von  7)  gefolgt  sind, 
ebenso  warum  die  beiden  "Wehe  11)  und  12)  nebeneinander  erscheinen,  und  warum  13)  und 
14)  den  Schluss  bilden.    S.  die  Erklärung. 

1)  Die  religiöse  Illusion  der  Israeliten  3  i-3.  Die  Meinung  der  Israeliten 

ist,  als  Volk  Jahwes  vor  dem  Verderben  gesichert  zu  sein;  aber  sie  ziehen  aus  ihrer 
Prärogative  einen  falschen  Schluss,  denn  im  Gegenteil:  sind  sie  Jahwe  besser  bekannt,  als 
andere  Völker,  so  kennt  er  auch  ihre  Sünden  besser  und  trifft  sie  um  so  schwerere  Strafe. 
Sekundär  sind  v.  1^  u.  v.  3,  s.  die  Auslegung. 

1  Die  erste  Person  im  zweiten  Halbvers  vor  Ibsb  stimmt  nicht  zu  der 

dritten  im  ersten;  ebenso  zeigt  die  Wiederholung  des  bv.  vor  nriDl^ön,  dass  v.  i*^ 

eine  erklärende  Glosse  zu  üybvi  ist.    Der  Glossator  wollte  dafür  sorgen,  dass 

nicht  etwa  Nordisrael  aus  y.  2  gegenüber  Juda  das  Recht  ableite,  sich  allein 

für  von  Gott  auserwählt  zu  halten;  vgl.  die  ähnliche  Glosse  2  lo.    Was  übrig 

bleibt,  ist  die  prosaische  (wenn  man  nicht  vorzieht,  nur  ''5!l  T\\ni  I^THIS;  ^)fü^ 

b^^"^),  Höret  dasWort  Jahwes,  Ihr  Israeliten,  [LXX  vielleicht  richtig  ^«Ib^l  H''?] 

für  ursprünglich  zu  halten)  Einleitung  zu  dem  Tetrastich  2:  Nur  euch  kenne 

ich  Vor  allen  Geschlechtern  auf  Erden  d.  h.  niemand  kenne  ich  so  gut  wie  euch 

von  allen  Völkern  (nnsiÄ^p  wie  Gen  12  3  28  u  Mch  2  s  Jer  8  3),  Darum  —  strafe 

ich  an  euch  Alle  eure  Missethaten,    Damit  hat  Amos  mit  einem  Schlage  seine 

Auffassung  von  dem  Verhältnis  zwischen  Jahwe  und  Israel  beleuchtet  und  sein 

Verständnis   desselben  als  eines   sittlichen  klar  gemacht.    Die  Prärogative 

Israels  ist  kein  Ruhekissen  zur  Einschläferung  des  Gewissens,  sondern,  richtig 

verstanden,  eine  treibende  Kraft  zur  Erfüllung  der  einfachsten  wie  der  höchsten 

Pflichten;  daraus  erwächst,  wie  dann  Dtjes  darstellt,  für  Israel  selbst  das 

Privileg,  zum  Heile  der  Welt  zu  leiden  (s.  meinen  Comm.  zu  Jes  XXI).    Man 

sieht,  wie  gut  dieses  Wort,  das  eine  neue  Religionsphase  inauguriert,  und  das 

daher  nicht  bloss  dem  Buche  Amos,  sondern  der  ganzen  israelitischen  Prophetie 

bis  zu  Deuterojesaja  als  Motto  dienen  könnte,  an  die  Spitze  der  Redesammlung 


Am  3  2  173  Am  3  5 

Cap.  3—6  passt.    Vgl.  ferner  über  Bedeutung  und  Tragweite  dieses  Wortes 

meine  Gesch.  der  israel.  ßel.^  S.  151. 

3  Der  Inhalt  von  v.  3  fällt  sehr  gegen  v.  2  ab;  denn  es  ist  doch  eine  zu  platte 
Wahrheit,  dass  zwei,  die  desselben  Weges  gehen,  zusammengeir offen  sein  müssen.  Versieht 
man  aber  nyirüS  ^Ph'i  als  ohne  sich  verabredet  zu  haben,  so  leidet  der  Vers  darunter,  dass 
doch  zwei  auch  zufallig  ohne  Verabredung  desselben  Weges  gehen  können.  Nun  bietet 
LXX:  iav  |xt]  Yvwc^ijojatv  iaüio-j;,  hat  also  ^yni^  gelesen;  das  ist  offenbar  die  ursprüng- 
liche Lesart,  denn  das  lässt  sich  hören:  Gehen  zwei  zusammen,  ohne  dass  sie  einander 
kennen?,  einander  wohlbekannt  sind;  im  Orient  wird  man  wohl  noch  weniger  als  bei  uns 
auf  einsamer  Reise  sich  einen  wildfremden  Menschen  als  ungewuchten  Begleiter  gefallen 
lassen.  Bei  dieser  Fassung  ergiebt  sich  die  Möglichkeit  eines  Zusammenhangs  mit  v.  2, 
V.  3  soll  V.  2*  (vgl.  =iVl1i  und  '•r^JfT)  erklären:  wie  nur  zwei,  die  sich  wohl  kennen,  zusammen- 
gehen, so  verhält  es  sich  auch  bei  Jahwe  und  Israel,  Jahwe  kennt  also  Israel  ganz  genau. 
Doch  auch  so  kann  v.  3  nur  als  Glosse  betrachtet  werden,  weil  die  vom  Propheten  in  v.  2^ 
konstatierte  Thatsache  nicht  von  Ferne  durch  die  Israeliten  bezweifelt  wird,  darum  auch 
die  Begründung  von  v.  3,  die  an  sich  seltsam  ist,  nicht  nötig  hat.  Ausserdem  scheint  den 
Glossator  noch  der  Wunsch  geleitet  zu  haben,  durch  v.  3  eine  Verbindung  zwischen  v.  2 
und  V.  4-8  herzustellen.  Formell  ist  dies  gelungen,  aber  inhaltlich  ist  v.  3  so  matt,  dass 
er  vor  v.  4  den  Eindruck  von  v.  4-8  nur  abschwächen  kann. 

2)   Die  feste  innere  Gewisslieit  des  Propheten,   von  Jahwe  zu   seinem 

Sprecher  berufen  zu  sein  3  4—8.  Die  in  ihrer  Einfachheit  unscheinbare,  aber  in 

ihrem  Gehalt  grossartige  (s.  zu  v.  8)  Darlegung,  v.  4-8,  ersetzt,  was  bei  anderen  Propheten 
die  '„Inaugural Vision"  bietet:  sie  giebt  die  Berufung  Arnos'  zum  Propheten  (vgl.  die  ebenso 
einfache  Darstellung  7  15)  und  rechtfertigt  sein  Auftreten  als  Sprecher  Jahwes.  Es  ist  ein 
innerer  Drang,  den  Arnos  verspürt:  Jahwe  hat  zu  ihm  geredet,  darum  muss  er  sein  Sprecher 
sein.  Das  ist  für  Amos  eine  so  natürliche  Folge,  wie  für  die  Leute  z.  B.  dass  sie  zu- 
sammenfahren, wenn  Sturm  geläutet  wird,  dass  sie  erschrecken,  wenn  der  Löwe  brüllt. 
Durch  die  Fülle  der  Beispiele  will  Amos  den  Zusammenhang  von  Ursache  und  Wirkung 
recht  deutlich  machen,  damit  man  um  so  besser  verstehe,  wie  eine  innere  Nötigung  ihn 
treibt,  als  Sprecher  Jahwes  aufzutreten;  vgl.  dazu  die  ergreifende  Darstellung  bei  Jer  20  7-12. 
Einen  weiteren  Zweck  sollen  die  Worte  nicht  haben;  genug,  dass  man  weiss:  Amos  ist  von 
Jahwe  berufen,  verkündet  also  Jahwes  Botschaft.  Nach  dem  Motto  v.  2  haben  v.  4-8  hier 
am  Anfang  einer  Redesammlung  eine  gute  Stelle. 

Der  Abschnitt  enthält  vier  kurzzeilige  Tetrasticha;  v.  7  ist  sekundär,  vgl.  unten. 

4,  die  erste  Strophe:  Brüllt  ein  Löwe  im  Walde,  Ohne  dass  Beute  für 
ihn  da  ist?  Giebt  ein  Jungleu  laut  aus  seiner  Höhle,  Ausser  dass  er  einen 
Fang gethan  hat?  Beide  Fragen  sind  nicht  identisch:  die  zweite  spricht  sicher 
Yon  dem  „behaglichen  Brüllen,  mit  welchem  der  Löwe  in  seiner  Höhle  den  Raub 
verzehrt"  (Bacte),  die  erste  von  dem  Gebrüll,  mit  welchem  er  auf  die  sichere 
Beute  losstürzt,  vgl.Jes  5  29^  Hes  22  25  IPt  5  8;  aber  in  beiden  Fragen  ist  die 
Beute,  die  sicher  erhoffte  oder  die  schon  weggeschleppte,  die  Ursache  und  das 
Brüllen  die  Wirkung.  Amos  will  sagen:  Das  Brüllen  des  Löwen  hat  immer 
seinen  Grund,  mehr  aber  nicht;  denn  jede  AUegorisierung,  etwa  dass  dem 
Löwen  Jahwe  und  der  Beute  Israel  entspreche,  ist  falsch. 

5,  die  zweite  Strophe:  Fällt  ein  Vogel  zur  Erde,  Ohne  dass  ein  Wurf  holz 
für  ihn  da  ist  d.  h.  ihn  trifft?  Springt  die  Falle  auf  vom  Boden,  Ohne  dass 
sie  wir/dich  was  fängt?  n?i  fehlt  in  LXX,  es  ist  unverständlich  in  der  ersten 
Zeile,  also  offenbar  durch  Versehen  eines  Schreibers  hereingekommen,  dessen 
Au^en  von  hv  auf  HD  nhv'T]  v.  5'^  abirrten.   Darum  ist  auch  die  Verbesserung  in 


Am  3  5  174  Am  3  7 

''Jö  (Perles)  unnötig.  ^0^  ist  jedenfalls  ein  Instrument,  das  bei  der 

Vogeljagd  verwendet  wurde,  und  zwar  wurde  bei  seinem  Gebrauch  der  Vogel 
getroffen,  dass  er  zur  Erde  fiel.  Deshalb  hat  es  alle  Wahrscheinlichkeit  für 
sich,  dass  es  das  Wurfholz,  der  Bumerang  ist,  dessen  Bild  man  auf  ägyptischen 
Darstellungen  der  Vogeljagd  findet,  s.  Erman  Agypt.  322  f.  und  W.  Max  Müller 
Asien  u.  Europa  123f.  und  vgl.  Ges.-Buhl^3.  n?,  das  Klappnetz,  die  Falle, 
ist  eine  andere  Vorrichtung  zum  Vogelfang,  deren  Abbildung  sich  gleichfalls 
auf  ägyptischen  Denkmälern  findet,  s.  Erman  a.  a.  0.  S.  325;  es  ist  eine  Vogel- 
falle, zwei  mit  bauschigem  Netz  bespannte  Rahmen,  die,  wie  Buchdeckel  ver- 
bunden, an  der  Axe  irgend  einen  Mechanismus  tragen,  der  bei  Berührung  durch 
einen  Vogel  die  beiden  Rahmen  aufspringen  (vgl.  ThT:)  und  zusammenklappen 
macht,  sodass  der  Vogel  im  Netze  gefangen  ist.  Hier  zu  allegorisieren : 

der  gefangene  Vogel  ==  Israel,  das  Klappnetz  =  das  Verderben,  das  Wurf- 
holz =  die  Sündhaftigkeit  (so  Hitzig),  ist  geradezu  geschmacklos;  aber  ebenso 
ist  es  gründlich  falsch,  wenn  Lohe  verkennt,  dass  es  sich  v.  4  und  v.  5  je  um 
zwei  verschiedene  Fälle  handelt,  und  wenn  er  daher  v.  4^  und  v.  5^  für  nicht 
ursprünglich  ansieht. 

6,  die  dritte  Strophe:  Oder  wird  das  Hörn  geblasen  in  einer  Stadt, 
Ohne  dass  die  Leute  zusammenfahren?  Oder  geschieht  ein  Unglück  in  einer 
Stadt,  Und  Jahwe  hätte  es  nicht  gewirkt?  Zwei  Beispiele  aus  dem  Menschen- 
leben nach  den  vier  aus  der  Tierwelt.  DS  führt  hier  die  Pragenreihe  fort, 
ohne  dass  ein  Gegensatz  zu  den  vorhergehenden  Fragen  darin  liegt,  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27  §150h.  über  IDIti^,  Alarmhorn,  s.  zu  2  2;  übrigens  wurde  der 
Schofar  später  auch  als  „geistliches  und  friedliches  Instrument"  (Wellh.)  ge- 
braucht, z.  B.  zur  Bekanntmachung  des  Beginns  des  Jobeljahrs  Lev  25  9,  vgl. 
auch  Jo  2  15  Ps  81  4.  Auch  v.  6^  gehört  zu  den  Beispielen  für  den  Zu- 
sammenhang von  Ursache  und  Wirkung:  Wenn  ein  öffentliches  Unglück  ge- 
schieht, so  ist  es  von  Jahwe  gewirkt;  das  soll  keine  Belehrung  sein,  es  ist  die 
Überzeugung  des  Volkes,  wie  des  Propheten  (vgl.  II  Sam  21  i),  mag  auch  das 
Volk  diesem  Zusammenhang  nicht  die  richtige  Beachtung  leihen  und  bloss  mit 
Opfern,  statt  mit  Gehorsam  dem  Unglück  zu  begegnen  suchen,  vgl.  4  6-12.  Man 
darf  darum  auch  nicht  in  v.  6^  eine  Nebenpointe  der  ganzen  Darlegung  sehen, 
alles  ist  vielmehr  auf  v.  8^  zugespitzt. 

7  stört  auf  unerträgliche  Weise  die  Gedankenfolge  und  erweist  sich  auch  durch 
seine  von  v.  4-6  und  8  abweichende  Struktur,  wie  durch  seine  theologische  Haltung  als 
sekundär.  Schon  das  ^3  zeigt  an,  dass  eine  Erklärung  zu  v.  6*^  und  8^  gegeben  werden  soll. 
Diese  geht  aber  aus  von  dem  Gedanken,  dass  Gott  den  Propheten  alles  und  jedes  zum 
Voraus  ofienbart  habe,  ruht  also  auf  der  späten  Ansicht,  dass  man  aus  den  Worten  der 
Propheten  die  Ereignisse  der  Zukunft  er^chliessen  könne.  Wie  HD  ausser  Gen  49  6  erst 
von  Jeremia  ab  (Jer  6  11  15  17,  vgl.  ferner  bes.  die  sekundäre  Stelle  Jer  23  18  22)  gebrauch* 
lieh  ist  und  speziell  niD  nbj,  ein  Geheimnis  enthüllen,  nur  noch  Prv  11  13  20  19  25  9  vor- 
kommt, so  ist  auch  seine  Knechte  die  Propheten  ein  von  den  Deuteronomikern  an  beliebter 
Ausdruck,  vgl.  II  Reg  17  Vö  23  21  10  24  2  Hes  38  17  Sach  1  6  Jer  7  25  25  4  26  5  29  19  35  15 
(sämtlich  sekundär)  Dan  9  10  (auch  hier  in  sekundärem  Abschnitt),  Nach  allen  Anzeichen 
ist  daher  v.  7  eine  Glosse  (so  auch  Löhr,  Baümann).  Die  Änderung  von  ^31  in  ]3  (Oort) 
vermag  dieses  Urteil  nicht  umzustossen.  Auch  die  Umstellung  von  v.  7  und  8  (Oettli) 
hilft  nicht. 


Am  3  8  175  .  Am  3  9 

8,  die  vierte  Strophe:  Der  Löwe  brüllt,  Wer  sollte  sich  nicht  fürchten? 
Der  Herr  Jahwe  redete  Wer  sollte  nicht  weissagen?  Mit  diesen  kurzen,  schla- 
genden Worten  schliesst  der  Prophet  ab:  in  v.  8^  konstatiert  er,  gleichsam  das 
Facit  aus  den  sechs  „rhetorischen"  Fragen  v.  4-6  in  eine  Aussage  zusammen- 
fassend, dasselbe  zwingende  Gesetz  von  Ursache  und  Wirkung  auch  für  die 
Beziehungen  zwischen  der  Tier-  und  Menschenwelt,  um  dann  sofort  in  v.  8^  zum 
Höchsten  aufzusteigen  und  die  Anwendung,  auf  die  die  ganze  Gedankenreihe 
hinzielt  und  von  der  aus  dieselbe  mit  einem  Schlage  helles  Licht  bekommt, 
daran  anzuknüpfen:  Innere  Nötigung  treibt  zum  Sprechen,  wenn  Jahwe  zu 
einem  geredet.  Dass  er  sich  selber  meint  als  den,  der  Jahwes  Rede  vernommen 
hat,  braucht  er  nicht  hinzuzufügen.  Damit  hat  Amos  sein  Recht,  als  Prophet 
aufzutreten,  begründet.  Es  ist  eine  schlimme  Verkennung  des  ganzen  Ab- 
schnitts, wenn  man  mit  Wellh.  und  Nowack  «nr.  in  lin;,  „wer  sollte  nicht 
erschrecken?",  ändert.  Dadurch  wird  dem  Abschnitt  die  Spitze  abgebrochen, 
ihm  der  tiefe  Gehalt  geraubt  und  die  grossartige  Parallele  von  dem  gleich  un- 
widerstehlichen Zwang,  den  das  Gebrüll  des  Löwen,  wie  Jahwes  Wort  auf 
den  Hörer  ausübt,  auf  eine  matte  Wortparallele  herabgedrückt,  als  ob  man 
einfach  immer  niH''  an  Stelle  von  TV'^^^  setzen  könnte. 

3)  Aufruf  der  heidnischen  Städte  als  Zeugen  gegen  das  tolle  Treiben  und 

die  RechtlosigliClt  in  Samarien  3  9-ll.  Wellh.  fasst  den  Sinn  treffend  zu- 

sammen: „sogar  die  Grossstädter  der  Philister  (s.  jedoch  zu  v.  9)  und  Ägypter,  die  doch 
auch  nicht  blöde  sind  und  schon  etwas  vertragen  können,  würden  staunen,  wenn  sie  „die 
tolle  Wirtschaft  und  die  Rechtlosigkeit"  in  Samarien  sähen."  Der  Abschnitt,  der 

mit  dem  vorhergehenden  in  keinem  direkten  Zusammenhang  steht,  zerfällt  in  drei 
Vierzeiler. 

9^^%  die  erste  Strophe,  ruft  die  heidnischen  Grossstädter  auf  den  Berg 
Samariens  zusammen:  Ruft's  aus  auf  den  Palästen  in  Assur  Und  auf  den  Pa- 
lästen im  Lande  Ägypten  Und  sagt:  Kommet  zusammen  Auf  dem  Berge  von 
Samarien,  Aufgefordert  ist  zum  Herbeirufen  der  Heiden,  wer  irgendwie  rufen 
kann;  die  zweite  Person  Plur.  ersetzt  hier  unser  unbestimmtes  „man",  vgl. 
Jes  40  1.  ^j;  fasst  man  am  besten  im  nächstliegenden  Sinn  von  auf  vgl. 

Mt  10  27:  xYjpü^axs  kvX  xtov  ScDjiaxwv,  oder  =  wö^r  die  Paläste  hin\  öffentlich 
sollen  die  Bewohner  der  heidnischen  Grossstädte  aufgerufen  werden.  Zu 

"2  niiDI«,  stat.  constr.  mit  einem  durch  Präposition  eingeleiteten  Nomen,  vgl. 
GES.-kAUTZSCH27  §  130  a.  Für  IH^NS  ist  nach  LXX  y^m^  zu  lesen 

(WiNCKLEE,  OoET,  Oettli);  die  Stadt  Asdod  entspricht  nicht  dem  Lande 
Ägypten,  und  wenn  Amos  sonst  nirgends  Assur  nennt,  so  ist  das  kein  Grund, 
dass  er  es  auch  hier  nicht  erwähnt.  nöSI  leitet  den  Inhalt  des  Rufes  ein; 

natürlich  ist  es  der  Prophet,  der  zum  Aufruf  auffordert.  Für  '^  "^y^'^V.  ist 

nach  LXX  mit  Ooet,  Wellh.,  Nowack,  Lohe,  Oettli  '^  1iT^52  zu  lesen,  vgl. 
4  1  6  1,  da  die  Herbeigerufenen  nicht  von  den  Samarien  umgebenden  Bergen 
aus,  sondern  in  dem  auf  einer  Anhöhe  gelegenen  Samarien  selbst  (vgl.  Jes  28  i) 
das  Treiben  der  Samarier  kennen  lernen  sollen. 

9'*^  10,  die  zweite  Strophe:  Herbeigekommen  sollen  sich  die  Heiden  von 
der  Recht-  und  Sittenlosigkeit  in  Samarien  überzeugen:  Und  seht  das  wilde 
Treiben  daselbst  an  Und  die  Bedrückung  in  seiner  Mitte,    Und  sie  wissen  gar 


Am  3  Ö  176  Am  3  12 

nicht  mehr  zu  thun,  was  recht  ist,  Sie,  die  sich  aufhäufen  Gewaltthat  und 
Frevel.  niD^riD,  die  Getümmel,  das  Getöse,  bezeichnet  hier  nicht  bloss, 

wie  Prv  15  16  das  Leben  in  Saus  und  Braus,  sondern  auch  die  Wirren,  die  in- 
folge der  Q'p^^JJ,  Gewaltthaten,  in  der  Stadt  herrschen,  vgl.  4i;  die  beiden 
Plurale  sind  intensiv  zu  fassen  und  heben  hervor,  dass  solch  tolles  Treiben 
immer  an  der  Tagesordnung  ist,  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  124e.  10  ist  von 

denen,  die  den  Aufruf  an  die  Heiden  ausrichten,  an  diese  gesprochen:  und  so- 
weit ist  es  mit  der  Heillosigkeit  der  Samarier  schon  gekommen,  dass  ihnen  die 
sittlichen  Begriife  gänzlich  abhanden  gekommen  sind,  ein  Zustand,  über  den 
selbst  die  Heiden  sich  entsetzen  müssen^  welchen  also,  was  wohl  zu  beachten 
ist,  Amos  sittliche  Einsicht  nicht  abspricht,  vgl.  auch  die  Damaskus,  Ammon, 
Moab  zum  Vorwurf  gemachten  Verbrechen  1  3  13  2  i.  TWT)^^  DSi  trennt  das  Subj., 
V.  10^,  von  dem  Prädikat,  v.  io%  und  stösst  sich  auch  mit  der  erst  v.  ii  folgenden 
Einführung  Jahwes  als  des  Redenden ^  darum  ist  es  als  Glosse  auszuscheiden, 
ebenso  wie  das  den  letzten  Stichos  überfüllende,  ohnehin  in  v.  9-ii  schon  oft 
genug  vorkommende  Wort  DiTnl^DISS,  das  meint  sagen  zu  müssen,  dass  die 
Samarier  die  durch  Gewaltthat  und  Frevel  erlangten  Schätze  in  ihren  Palästen 
aufhäufen.  ^J^T  ^  steht  prägnant:  alle  Einsicht  fehlt  ihnen,  sie  haben 

gar  kein  Bewusstsein  mehr  von  ihrer  Schlechtigkeit,  machen  sich  kein  Gewissen 
mehr  aus  ihren  schlechten  Handlungen,  die  ihnen  ganz  zur  anderen  Natur  ge- 
worden sind.  Zu  r\Xp\  vgl.  II  Sam  15  3  Jes  26  lo  59  u. 

11,  die  dritte  Strophe:  die  Ankündigung  der  Strafe:  Darum  so  spricht 
der  Herr  Jahwe:  Not  geht  rings  durch  das  Land,  Und  heruntergerissen  wird 
dir  deine  Wehr,  Und  ausgeplilndert  werden  deine  Paläste,  Für  ^^^D^i,  mit 
dem  man  keinen  Sinn  herausbringt  („Bedrängnis  und  ringsum  das  Land''),  ist 
mit  Steiner  u.  a.  zu  lesen:  inb";  durchstreifen,  durchkreisen  vgl.  Ps  59  15,  also: 
Not  geht  rings  durch  das  Land,  vielleicht  ist  nach  LXX  "^^l«  dein  Land  herzu- 
stellen. Die  Not  rührt  vom  Feinde  her,  gleichwohl  wird  man  besser  "^  nicht 
als  Feind  fassen;  Samarias  ty  Wehr,  d.  i.  seine  feste  Schutzmauer,  w^ird  vom 
Hügel,  auf  dem  die  Stadt  liegt,  heruntergerissen,  1.  Il^n  für  "in.in  mit  Wellh.  u.  a. 
und  vgl.  zur  ganzen  Aussage  Jes  28  i.  Endlich  werden  seine  Schätze  (v.  lo)  in 
seinen  Palästen  geraubt;  zu  ^lüi  für  ^inj  vgl.  Ges.-Kaützsch^^  §  67t. 

4)  Die  winzigen  Überbleibsel  beim  Gericht  3  12.  Dass  v.  12  nicht  mehr 

zum  vorhergehenden  Stücke  v.  9-11  gehört,  zeigt  ausser  der  neuen  Einleitung  "lö«  nä 
Ti)T\\  der  Umstand,  dass  die  direkte  Anrede  an  Samarien  aufgegeben  und  dafür  die  dritte 
Person  gebraucht  ist.  Auch  ist  nicht  sowohl  auf  die  Rechtlosigkeit,  als  auf  die  Luxuriosität 
der  Israeliten  hingewiesen.  Doch  kann  hierauf  kein  grosses  Gewicht  gelegt  werden,  da  wir 
es  mit  einem  Fragment  zu  thun  haben,  das,  wie  v.  11,  den  Abschluss  einer  kleinen  Rede 
des  Propheten  bildete  und  gerade  wegen  seiner  Ähnlichkeit  mit  v.  11  hier  eingereiht  wurde. 
Übrigens  war  diese  Rede  auch  gegen  die  Grossen  der  Hauptstadt  gerichtet;  warum  man 
nämlich  'U^  D^nti^*n  nicht  mit  dem  Vorangehenden  verbinden  dürfte  (so  Hoffmann,  Welle., 
Löhr),  ist  nicht  einzusehen.  Das  Fragment  umfasst,  von  der  Einleitung  abgesehen, 

sieben  kurze  Zeilen. 

12  Wie  der  Hirt  rettet  Aus  des  Löwen  Bachen  zwei  Beinchen  Oder  ein 
Läppchen  vom  Ohr,  So  werden  gerettet  die  Israeliten,  Sie,  die  weich  sitzen  in 
Samarien  Auf  dem  Kissen  des  Buhbettes  Und  auf  dem  Höcker  des  Diwans* 
Die  Hoffnung  auf  Rettung,  die  die  üppigen  Grossen  in  Samarien  haben  5  14 


Am  3  12  177  Am  3  13 

6  1  3,  ist  eitler  Wahn.  Ihre  „Rettung"  gleicht  derjenigen  eines  vom  Löwen  zer- 
rissenen und  aufgezehrten  Tieres,  von  dem  der  Hirt  etwa  noch  0^5^*13  ^r\^  zwei 
LJnlerschmkel,  Wddcnheine  oder  ]tS"'?n3  ein  Ohrlilppvlum^  also  die  winzigsten  und 
elendesten  Teile  „rettet"  (z.  B.  um  sie  seinem  Herrn  zum  Zeugnis  vorlegen  zu 
können,  dass  ein  wildes  Tier  das  vermisste  Stück  zeirissen  habe,  vgl.  Gen  31  39 
Ex  22  12).  Geradeso  wird  man  von  den  Grossen  in  Samarien,  die  sich  so  weich 
gebettet  haben  und  so  sicher  füJilen,  bald  nur  noch  die  geringsten  Überreste 
finden.  Mit  n{S5D!l  ist  so  wenig  anzufangen,  wie  mit  pC^^H?.    Zwar  erklärt 

man  nSö  gewöhnlich  als  die  Ecke^  den  Ehrenplatz  des  Polsters,  das  an  der 
der  Thüre  gegenüberliegenden  Wand  ausgebreitet  war;  dort  durfte  aber  doch 
der  Hausherr  gelegentlich  sitzen.  Und  p^^'^  soll  „seidener  Damast,  wie  er  in 
Damaskus  verfertigt  wurde",  bedeuten;  aber  pl^JJ'n  ist  nicht  pb^lj"!  (mit  t^!),  wie 
auch  arab.  dlmaks  mit  Damaskus  nichts  zu  thun  hat.  Daher  ist  man  zur  Kon- 
jektur gezw^ungen  und  wird  für  nSD  mit  Encycl.  Bibl.  Art.  Bed  §  5  H'^DIJ  Kissen 
(s.  zu  Jes  21  5)  und  für  pt??^'!  mit  Duhm  ill^^l  Hocker  (vgl.  Jes  30  6)  zu  lesen 
haben;  letzteres  kommt  graphisch  dem  masor.  Texte  so  nahe  wie  möglich  und 
ist  ein  trefflicher  Ausdruck  für  die  dicken  schwellenden  Polster  eines  Diwans, 
so  dass  man  es  allen  anderen  Verbesserungsvorschlägen  (Cheyne:  ^^C^'p 
=  KissenS^^,  Grätz,  Nowack:  n^^Dti^  />^^ä^  Jdc  4  is)  vorzuziehen  hat.  Der 
üppige  städtische  Luxus  war  dem  an  die  einfache  ländliche  Sitte  jgewöhnten 
Propheten  von  Tekö'^  aufs  höchste  zuwider. 

5)  Die  Zertrümmerung  der  israelitischen  Heiligtümer  und  Paläste  3  13-15. 

Auch  V.  13-15  stehen  wieder  nicht  in  direktem  Zusammenhang  mit  dem  Vorausgehenden. 
Die  Verbindung,  die  Hoffmann  durch  die  Fassung  des  Schlusses  von  v.  12  (von  D^n^*n  an) 
als  Anrede  an  die  Grossen  von  Samarien  versucht,  scheitert  an  der  Unmöglichkeit,  dass 
die  Samarier  gegen  sich  selber  zeugen  sollen;  und  wenn  Löhr  unsern  Versen  „sicher"  als 
ursprüngliche  Stellung  den  Platz  nach  v.  11  und  vor  v.  12  glaubt  zuweisen  zu  können,  so 
übersieht  er,  dass  nach  der  Anrede  an  Samarien  in  v.  11  das  ij;o^  nicht  über  diesen  Vers 
hinweg  an  die  heidnischen  Grossstädter  gerichtet  sein  könnte.  Auch  wenn  man  mit  Bau- 
mann nur  v.  13  vor  v.  11  setzt,  heben  sich  die  Schwierigkeiten  nicht,  s.  u.  die  Erklärung 
zu  V..  13.  Wir  haben  vielmehr  in  v.  13-15  wieder  ein  selbständiges  Fragment  aus  einer 
Gerichtsdrohung  des  Propheten  und  zwar  ist  dasselbe  eingebettet  in  fremdes  Gut,  das  dem 
Fragment  eine  festere  Stellung  geben,  sollte.  Zu  dem  ursprünglichen  Bestände  gehört 
jedenfalls  das  Tetrastich  v.  15;  fraglicher  ist,  was  von  v.  13  14  ursprünglich  ist.  Wellh. 
und  NowACii  beanstanden  v.  14*^,  Löhr  auch  v.  13'^;  v.  14^  soll  nämlich  dem  Zusammen- 
hange völlig  fremd  sein,  da  dieser  von  Samarien  und  nicht  von  Bethel  handle.  Aber  das 
geht  von  der  irrtümlichen  Voraussetzung  aus,  dass  v.  13-15  ursprünglich  mit  v.  9-11  zu- 
sammengehören. Zudem  ist  die  Konstruktion  von  v.  14^^  so  sonderbar  gewunden,  dass  von 
V.  14  viel  eher  der  zweite  Teil  zu  halten  ist.  Dann  handelte  es  sich  in  der  Hede,  von  der 
hier  ein  Fragment  vorliegt,  um  die  Verwüstung,  mit  der  das  Gericht  unter  den  Heilig- 
tümern V.  14^  und  unter  den  Prachtbauten  in  Israel  v.  15  aufräumt:  Das  Wertvollste  im 
Lande  wird  vernichtet.  Zu  den  vier  Zeilen  von  v.  15  bleiben  also  Amos  namentlich  noch 
die  drei  weiteren  Zeilen  in  v.  14^  Das  Übrige,  nicht  nur  v.  13*^,  sondern  auch  v.  13^  14% 
ist  sekundär;  s.  die  Erklärung. 

13  Wer  die  Angeredeten  sind,  die  hören  und  gegen  das  Haus  Jakob  als 
T^eugen  auftreten  sollen,  bleibt  unklar;  vermutlich  denkt  der  Redaktor,  wie 
viele  Exegeten  (so  auch  Baumann  s.  o.  Vorbemerkung),  an  die  v.  9 f.  herbei- 
gerufenen heidnischen  Grossstädter.    Dabei  verrät  sich  dann  der  sekundäre 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  12 


Am  3  13  178  Am  3  15 

Ursprung  schon  dadurch,  dass  sie  ja  nach  v.  9  sehen  sollten,  wie  die  Samarier 
ärger  als  Heiden  sind,  also  auch  keine  Belehrung  mehr  brauchten,  um  als 
Zeugen  aufzutreten.  Vielleicht  aber  hat  der  Redaktor  die  v.  9  vom  Propheten 
Aufgerufenen  im  Sinne,  die  nun  weiter  noch  gegen  das  Haus  Jakob  als  Zeugen 
der  V.  14  f.  ausgesprochenen  Droliung  dienen  sollen.  Sei  dem,  wie  ihm  wolle,  so 
kann  Amos  nicht  über  v.  iif.  auf  v.  9  f.  zurückgreifen,  das  ist  nur  einem  Re- 
daktor zuzutrauen,  der  sein  ^y^^  nach  3  i  4  i  5  i  gebildet  hat.  Dazu  kommt, 
dass  ^"pT.  ^^  für  das  gewöhnliche  ^^^\  H"'?  sich  bei  Amos  nur  noch  in  der 
ebenfalls  sekundären  Stelle  9  8^  findet.  Zu  y.  13'^  bemerkt  Löhr  mit  Recht 

die  Hypertrophie  in  der  Bezeichnung  Jahwes;  übrigens  ist  diese  einzigartige 
Fülle  gerade  hier  nicht  am  Platze,  wo  es  sich  nur  um  eine  Aufforderung  zum 
Zeugnisablegen  handelt,  und  nimmt  v.  13^  eine  eigenartige  Doppelstellung  ein, 
da  er  zu  v.  13^  gehört,  aber  auch  wieder  v.  i4f.  einzuleiten  hat,  obschon  v.  15 
noch  einmal  ein  nin;;"D^'^  folgt.  Das  Epitheton  Jahwes  niwnt^n  \n"^«  findet 

sich  noch  6  14,  ohne  Artikel  4  13  5  14  15  16  27  6  8,  ohne  \'l'^S  (aber  mit  Artikel; 
9  5.  Auf  Amos  geht  der  Gebrauch  dieses  Gottesnamens  zurück  in  5  15  i6  27 
6  8;  über  die  Bedeutung  vgl.  zu  5  15.  14  Die  Konstruktion:  die  Sünden 

Israels  an  ihm  heimsuchen  statt  an  Israel  seine  Sünden  heimsuchen  ist  sehr 
gezwungen,  zumal  wenn  dann  nochmals  TpD  folgt;  y.  14^  ist  Redaktorenarbeit, 
vgl.  zu  npD  D1^2  Ex  32  34  und  zu  '?«"it^'^"^i?ti^Ö  Am  2  6.  Mit  v.  i4^^  scheint  ur- 

sprünglicher  Text  einzusetzen:  Dann  suche  ich  die  Massebe  von  Bethel  heim, 

^   Und  abgeschlagen  werden  die  Homer  des  Altars,  Dass  sie  zu  Boden 

fallen.  Zu  Bethel,  dem  heutigen  Betin,  einem  elenden  Dorfe  am  Wege  von 
Jerusalem  nach  Näbulus  (Bädeker  Pal.^  243),  befand  sich  zu  Amos'  Zeit  das 
angesehenste  und  populärste  Heiligtum,  das  unter  specieller  königlicher  Pro- 
tektion stand  (7101344  f.  55  vgl.  auch  Hos  4  15  10  1 5).  Da  von  mehreren  Al- 
tären an  einem  Heiligtum  nichts  bekannt  ist,  auch  nachher  nur  von  nitisn  die 
Rede  ist,  so  hat  man  wohl  mit  Stade  und  von  Gall  (altisr.  Kultst.  100  f.)  nn^n 
die  Massebe  für  niHap  zu  lesen«  Die  zweite  Zeile,  die  etwa  gelautet  haben  mag: 
„dass  sie  völlig  zertrümmere",  ist  verloren.  Die  Hörner,  diese  wichtigen 

Bestandteile  eines  Altars  (vgl.  I  Reg  1  5of.  2  28  Jer  17  i  Hes  43  1 5  20  Lev  4  7 
18  25  30  34  und  s.  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.*  S.  35 f.),  sollen  abgeschlagen 
werden.  15  Neben  den  Heiligtümern  sollen  aber  auch  die  privaten 

Prachtbauten  zerstört  werden:  Und  ich  zerschlage  die  Winterhäuser  Mitsamt 
den  Sommerhäusern,  Und  es  gehen  zu  Grunde  die  Elfenbeinhäuser  Und  ver- 
schwinden die  Ebenholzhäuser.  Zu  den  Winterhäusern  vgl.  Jer  36  22  und  zu 
den  Sommerhäusern  den  ganz  entsprechenden  Ausdruck  ^^''^J  n^H  auf  der  mit 
Amos  gleichzeitigen  aramäischen  Zendschirli-Inschrift  des  Bar-Rekub  Z.  19. 
Der  Singular  ist  kollektiv,  wie  aus  y.  15"^  erhellt.  j^n  ^n?  sind  Häuser,  in 

deren  Wände  zur  Verzierung  Elfenbein  eingelegt  ist,  vgl.  IReg  22  39  Ps  45  9 
Odyssee  4  72f.  Diesen  können  nicht  D^^'l  D^'ri^  „viele  Häuser"  entsprechen,  so 
matt  hat  ein  Amos  nicht  geschlossen;  es  ist  zu  lesen:  D'':?nn  ^n^  Ebenholzhäuser 
d.  h.  solche,  die  mit  D^;nn  Ebenholz  (s.  Hes  27  15)  verziert  waren.  Die  Kunst 
des  Einlegens  von  Ebenholz  und  Elfenbein  wird  wie  der  Name  für  Ebenholz 
(ägypt.  hbnl  ZDMG  1892,  114)  von  den  Ägyptern  entlehnt  sein,  vgl.  Eeman 


Am  3  15  17<)  Am  4  3 

Ägypten  G05.  n)r\l  DS^J  ist  itussertialb  des  Metrums  stehender  Abschluss, 

wie  2  16  4  3  u.  öfters. 

())   Das  Gericht  ül)er  <lie  üppigen   rraiicn  Samariciis  4  \-:i.  Zwei 

Strophen  zu  je  sechs  Zeilen.    Vgl.  (his  Pendant  hierzu  Jes  3  i6— 4  i. 

1,  die  erste  Strophe:  Die  Mitschuhl  der  Frauen  an  der  Bedrückung  der 
Niedrigen.  J/ört  dies  Wort,  ihr  lUisariHkühe,  Die  ihr  auf  dem  llarij  von  Samaria 
haust ,  Die  ihr  die  Nledrujen  bedrückt,  Die  ihr  die  Armen  %u  Grunde  richtet, 
Die  ihr  %u  euren  Eheherren  sagt:  Schaff  herf)eiy  dass  wir  Gelage  hatten!  Da 
Basan,  die  fruchtbare  Landschaft  im  Osten  des  galiläischen  Meeres,  nicht  nur 
wegen  seiner  Eichenwälder  (Jes  2  i3  Hes  27  6  Sach  11  2),  sondern  auch  wegen 
seines  Mastviehs  (Hes  39  is)  berühmt  war,  so  ist  die  derbe  Bezeichnung  Hasans- 
kühe,  die  sich  auf  dem  Berg  von  Samarien  mästen,  ausserordentlich  treffend 
für  die  Frauen  zu  Samaria,  die  an  nichts  als  an  Essen  und  Vergnügen  denken 
und  mit  ihrer  Genusssucht  und  Schwelgerei,  zu  deren  Befriedigung  die  Männer 
auf  alle  Wege  die  Mittel  beschaffen  müssen,  die  Armen  ruinieren.  Zu 

dem  Maskulinum  ^j;p^  in  Beziehung  auf  Feminina,  für  n:j;??^,  s.  Ges.-Kautzsch^^ 
§  144a;  dagegen  ist  Dn*'^!«^  in  ]n —  zu  verbessern.  Zu  dem  Imperat.  ener- 

gicus  T^''':^r\  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  48  i.  Wie  nni^p  das  Gelage,  Gastmahl 

überhaupt  bezeichnet,  so  ist  hier  HJ?^*?  auch  allgemeiner  zu  fassen:  damit  wir 
Gelage^  Gastereien  halten. 

2  3,  die  zweite  Strophe:  Die  Strafe.  2  Geschworen  hat  Jahwe 

('^J'lS  ist  nachLXX  zu  entfernen)  bei  seiner  Heiligkeit:  Siehe,  es  kommen  Tage 
über  euch  (1.  l?''^^),  Da  hebt  man  eure  Nase  empor  mit  Haken  Und  euer  Hinter- 
teil mit  Harpunen.  Jahw  e  schwört,  vgl.  6  8  8  7,  bei  seiner  Heiligkeit  d.  h.  so 
wahr  er  heilig  ist;  das  bedeutet,  dass  seine  Majestät,  die  für  Arnos  in  der  For- 
derung der  Sittlichkeit  und  in  der  Leitung  der  Völker  nach  der  Erfüllung  dieser 
Forderung  besteht,  für  die  Wahrheit  seiner  Drohung  bürgt.  Die  Worte 

Siehe,  es  kommen  Tage  sind  eine  beliebte  Formel  geworden,  vgl.  8  ii  9  13 
ISam  2  31  II  Reg  20  17  und  öfters  in  sekundären  Abschnitten  des  Buches  Jer 
z.  B.  Jer  7  32  9  24  16  u  etc.  Die  Konstruktion  D^ns  ^^;  lässt  sich  als 

unpersönliches  Passiv  mit  Unterordnung  des  Subjekts  grammatisch  erklären 
=  „ihr  werdet  gehoben"  (vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §  121a),  aber  schwerlich  hier  in 
prophetischer  Rede  rechtfertigen;  weit  vorzuziehen  ist  die  von  Duhm  vorge- 
schlagene Änderung  des  DDn«  in  ]DÖ«,  eure  Nase,  dem  dann  auch  pnnn«,  euer 
Hinterteil,  aufs  beste  entspricht.  nii^  und  niTD  bezeichnen  zum  Unter- 

schied von  den  maskulinen  Pluralen  D^i^  Prv  22  5  und  Dn;p  (z.  B.  Jes  34  13), 
=  Dornen,  die  künstlich  bereiteten  Dornen,  also  die  Haken,  Harpunen  (vgl. 
Ges.-Kautzsch2  7  §  87  0).  Das  sind  aber  nicht  Instrumente,  die  nur  beim  Fisch- 
fang Verwendung  finden.  Es  wäre  doch  ein  zu  seltsamer  Übergang  in  ein 
anderes  Bild,  wenn  die  Frauen,  die  erst  als  fette  Basanskühe  auf  dem  Berg 
Samariens  dargestellt  waren,  nun  auf  einmal  als  Fische  im  Wasser  erschienen; 
über  n:in  s.  bei  y.  3.    Auch  die  LXX  hat  hier  nichts  von  der  Fischerei  ge- 

T 

funden.    Man  bleibt  dagegen  im  Bilde,  wenn  man  an  die  Wegschaffung  der 

Kadaver  der  gemästeten  „Basanskühe"  denkt,  denen  in  Nase  und  Hinterteil 

Haken  eingesetzt  werden,  um  sie  hinauszuschleppen.  Zu  3  ist  aus  v.  2 

12* 


Am  4  3  180  Am  4  4 

njn  Innüberzunelimen,  dafür  aber  ]^'1  Dünger  und  dementsprechend  dann  für 
D"':^^D=l,  rmd  Risse ^  dem  kein  passender  Sinn  abzugewinnen  ist,  li^lD^  und  Mist  zu 
lesen.  Also  lauten  die  zwei  letzten  Zeilen:  Als  Dünge?*  und  Mist  werdet  ihr 
hinausgeschleppt  (für  njS^jrn  wird  das  Hoph.  njS'J^n  zu  lesen  sein,  vgl.  LXX 
und  6  10)  Und  nackt  hingeworfen  werden.  Das  ist  der  richtige  Schluss  zu  dem 
derben  Anfang:  Es  kommt  die  Zeit,  da  euch  üppigen  „Basanskühe"  die 
äusserste  Schmach  und  Schande  trifft,  das  letzte  ist,  dass  ihr  wie  die  Kadaver 
von  verendeten  Tieren  als  Dünger  auf  die  Felder  hinausgeschafft  werdet,  vgl. 
hiezu  Jer  9  19-21.  Man  erkennt  an  diesen  Worten,  wie  tief  Amos  das  Treiben 
der  Frauen  zu  Samarien  verabscheut.  Bei  dieser  Fassung  ist  nicht  nur 
das  der  Durchführung  des  Bildes  widersprechende  H^H,  das  zudem  Stt.  Xsy.  ist, 
vermieden,  sondern  auch  D'^^'JÖ^  durch  die  leichte  Änderung  in  ti^lD^  (vgl. 
Mal  2  3)  verständlich  geworden.  Denn  Breschen  und  Lücken  in  der  Stadt- 
mauer passen  weder  zu  „geangelten  Fischen",  noch  dienen  sie  in  erster  Linie 
als  Thore  für  Fliehende,  so  sucht  sie  in  Umkehrung  von  Jos  6  5  20  nur  die 
spätere  Glosse  n^?5  n^S  zu  erklären.  Am  schwierigsten  sind  die  letzten 

Worte,  V.  3^:  für  njriD'^^n  ist  zwar  die  passivische  Aussprache  jriD^t^n  das  ge- 
gebene, vgl.  LXX  und  textkrit.  Anm.  bei  Kautzsch,  dann  liegt  aber  bei  einem 
„Hingeworfen  werden"  der  Gedanke  an  Exilierung  ferne  (für  unsere  Fassung 
dagegen  vgl.  Jes  34  3  Jer  36  30)  und  ist  daher  bei  njIDinn  nicht  nach  einem 
Länder-  oder  Ortsnamen  (Armenien,  Hadad  Rimmon  oder  dergleichen)  als 
Ort  des  Exils  zu  suchen;  es  könnte  höchstens  der  Name  eines  Feldes  bei 
Samaria  sein,  aber  vermutlich  ist  dieses  unverständliche  Wort  in  rilD"^^,  nackt^ 
zu  verbessern,  wofür  in  yopivai  (v.  3^  LXX,  wohl  kaum  eine  blosse  Verderbnis 
aus  Y^vr])  noch  ein  Zeuge  vorliegt.  Lohe  dagegen  vermutet,  was  einen  andern 
Anfang  voraussetzte,  ]1"10C^  niiD"iS"ns  ^^bt^n^  „man  stürzt  die  Paläste  von 
Samaria". 

7)  Das  Missfallen  Jahwes  an  dem  „Gottesdienst"  der  Israeliten  4  4-i3. 

Die  Rede  ist  an  das  ganze  Volk,  nicht  bloss,  wie  die  unmittelbar  vorangehenden  an  eine 
Klasse  desselben  gerichtet  und  vielleicht  bei  dem  Opferfeste  in  Bethel  an  die  Israeliten  ge- 
halten (vgl.  das  kommt  nach  Bethel  v.  4).  Die  Israeliten  sind  in  einer  grossen  Illusion 
befangen:  die  Religion  geht  ihnen  ganz  und  gar  im  Kultus  auf;  Jahwe  und  seinem  Sprecher 
Amos  ist  diese  Art,  die  sich  durch  Opfer  und  Feste  der  religiösen  Pflichten  entledigt  er- 
achtet, aber  um  Gerechtigkeit  und  Sittlichkeit  sich  nicht  kümmert,  ein  Frevel.  Wie  in 
dem  Motto  3  2  tritt  hier  deutlich  der  durchaus  sittliche  Charakter  der  Prophetenreligion 
hervor;  Recht  und  Sitte  sind  der  Kern  und  das  Wesen  der  Religion,  der  Kultus  ist  nur 
die  Schale  und  seine  Wertschätzung,  wenn  der  Kern  fehlt,  ein  Frevel.  Darum  fordert  der 
Prophet  die  Israeliten  in  bitterer  Ironie  zu  immer  eifrigerem  Kultus  und  Freveln  auf;  ihr 
habt  ja  allen  Grund,  sagt  er  ihnen,  diesen  Kultus  zu  lieben,  Jahwe  hat  euch  ja  sein  Wohl- 
gefallen und  seine  Zufriedenheit  kundgethan  mit  allerlei  —  Heimsuchungen  und  Plagen. 
Alles  hat  euch  die  Augen  über  Jahwe  und  seinen  Willen  nicht  geöffnet,  ihr  seid  nicht  zu 

ihm   umgekehrt.     Darum Leider  fehlt  der  Schluss  der  Rede,   der   offenbar  eine 

völlige  Vernichtung  drohte.  Im  zweiten  Teile  v.  6-11  schliesst  jede  Strophe  ab  mit  dem 
immer  schwerer  anklagenden  Refrain:    Und  doch  kehrtet  ihr  nicht  zu  mir  um.  Vgl. 

als  Seitenstück  zu  dieser  Rede  Jes  1  2-17  und  zu  dem  mittleren  Teile  die  grossartige,  viel- 
leicht durch  unsern  Refrain  mit  angeregte  Prophetie  Jesajas  von  den  Stufen  des  göttlichen 
Gerichts  Jes  9  7 — 10  4  5  25-30.  Man  darf  aber  nicht  mit  Meinhold  nach  Jes  9  7  ff.  auch 
die  Worte  Am  4  6-1 1  als  Weissagung  für  die  Zukunft  verstehen. 


Am  4  4  181  Am  4  4 

Ganz  erhalten  sind  von' der  Kede  des  Arnos  sieben  Vierzeiler:  v.  4-11  (zu  v.  7  s. 
die  Erklärunj^),  von  dem  achten  ist  bloss  die  erste  Zeile  v.  12^  noch  vorhanden;  denn  an 
Stelle  des  Schlusses  ist  ein  fremder  Zusatz  v.  12''  n  getreten,  s.  zu  v.  12 f. 

4,  die  erste  Strophe:  Koinint  nach  Heikel  und  frevelt,  Nach  (ilUfal  und 
frei^elt  viel,  Und  hrlmjt  am  Morgen  eure  Opfer  Und  am  dritten  Tay  eure 
Zehnten!  Zu  ^f)iy\  ist  aus  der  ersten  Zeile  ^«:i  /u  ergänzen  und  dem  Pa- 
rallelismus gemäss  mit  Oettli  \  vor  ^isin  einzusetzen.  Während  Beihel  als  das 
heutige  Beiln  sicher  identifiziert  ist  (s.  zu  3  u),  schwanken  die  Ausleger,  wo 
sie  ^J^iin  suchen  sollen.  Der  Artikel  zeigt,  dass  das  Wort  ursprünglich  appel- 
lative  Bedeutung  hatte:  bjS?  ist  ein  Steinkreis,  eine  mit  Steinen  umfriedigte 
heilige  Stätte,  ein  sog.  Kromlech  (vgh  meine  Gesch.  der  Israel.  Rel. '  S.  28  30); 
daraus  erklärt  sich  auch,  dass  verschiedene  Ortschaften  nach  dem  in  ihrer 
Nähe  befindlichen  Steinkreis  den  Namen  Gilgal  erhalten  konnten.  Das  hier, 
wie  auch  5  5  Hos  4  i5  neben  ßethel  genannte  Gilgal  (vgl.  noch  Hos  9  15  12  i2j 
muss  im  8.  Jahrh.  eine  wichtige  heilige  nordisraelitische  Stätte  gewesen  sein. 
Nun  ergiebt  sich  aus  der  Erzählung  von  Elias  letzter  Reise  II  Reg  2  i-8,  dass 
man  auf  dem  Wege  von  Gilgal  an  den  Jordan  die  Ortschaften  ßethel  und 
Jericho  berührte,  dass  es  also  neben  dem  bekannten  Gilgal  bei  Jericho,  wo 
Josua  nach  dem  Übergang  über  den  Jordan  sein  Hauptquartier  aufgeschlagen 
hatte  (Jos  4  i9f.  9  6  etc.),  ein  anderes  Gilgal  bei  Bethel  gab,  und  nach  II  Reg  4  38 
war  dieses  Gilgal  nicht  nur  der  Wohnort  Elisas,  sondern  es  befand  sich  dort 
gerade  wie  in  Bethel  eine  Ansiedlung  der  D^'S'^D^H  ^y^.  Danach  ist  anzunehmen, 
dass  es  eine  wichtige  und  heilige  Stätte  war,  und  da  sich  nun  auf  einer  Anhöhe 
nördlich  von  Bethel  und  südwestlich  von  Silo  eine  nicht  unbedeutende  Ortschaft 
Dschildschiljä  findet,  hat  man  hier  das  alte  Gilgal  zu  suchen  und  nicht  an  das 
Gilgal  bei  Jericho  zu  denken,  für  welches  neuerdings  von  Gall  Altisr.  Kultst. 
S.  78 — 83  eintritt;  vgl.  Art.  Gilgal  in  Encycl.  Bibl.  Bei  dem  fragwürdigen 
Texte  von  Dtn  11  30  hat  es  keinen  Wert,  mit  Schlatter  (Zur  Topogr.  und 
Gesch.  Pal.  246 — 264)  und  Bühl  (Geogr.  202  f.)  unser  Gilgal  nach  den  Ruinen 
von  Dschuledschil  bei  Sichem  zu  verlegen,  vgl.  Bertholet  zu  Dtn  11  so.  Der 
Frevel  besteht  nicht  etwa  darin,  dass  zu  Bethel  und  Gilgal  anderen  Göttern 
Verehrung  erwiesen  worden  wäre,  sondern  darin,  dass  den  Israeliten  im  Opfer 
die  ganze  Religion  aufgeht,  s.  die  Vorbem.  zu  v.  4-i3.  Fahrt  nur  fort  in 

eurem  gewohnten  Treiben,  so  ruft  der  Prophet  den  Israeliten  v.  4^  zu:  bringt 
am  Morgen  nach  eurer  Ankunft  eure  Opfer  dar  und  am  dritten  Tag  (s.  Ex 
19  15)  eure  Zehnten!  (so  auch  Wellh.,  Nowack).  Das  Fest  dauerte  somit 
mindestens  drei  Tage,  den  Tag,  an  dessen  Abend  man  eintraf,  mitgerechnet. 
Man  darf  nicht  Ij^lnb  und  D'^p;  ^^^^^  =  „jeden  Morgen''  und  „alle  drei  Tage'' 
fassen;  für  die  distributive  Bedeutung  wäre  der  Plural  oder  die  Wiederholung 
des  Ausdrucks  nötig,  s.  Ges.-Kautzsch^^  §  123 cd.  Ferner,  läge  dann  in  der 
Forderung  des  Propheten  eine  unmögliche  Übertreibung,  und  dass  in  der  alten 
Zeit  nur  alle  drei  Jahre  gezehntet  wurde,  ist  nicht  wahrscheinlich;  aus  Dtn  14  28 
folgt  dies  nicht  im  mindesten.  Über  den  Zehnten,  der  in  alter  Zeit  ein  Brauch, 
später  eine  geregelte  Institution  war,  s.  zu  Dtn  14  22-29  Lev  27  30-33,  ferner  vgl. 
W.  R.  Smith-Stübe  Rel.  der  Sem.  190 — 196,  Benzinger  ArchäoL  460  f. 


Am  4  5  182  Am  4  8 

5,  die  zweite  Stroplie:  Und  verbrennt  vom  Gesäuerten  Lobopfer  Und 
ruft  Freigaben  aus  mit  lauter  Stimme!  Denn  so  liebt  ihr  es  ja,  ihr  Israeliten, 
Ist  der  Sprach  des  Herrn  Jahwe.  Für  den  Inf.  1t?p,  der  allerdings  das 
Verbum  finitum  fortsetzen  kann  (vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  113z),  sich  hier  aber 
in  der  Reihe  von  Imperativen  wenig  empfiehlt,  liest  man  am  besten  mit  Ookt, 
NowACK  den  Impera.  11tSj5.  Auch  hier  schildert  Arnos  wie  v.  4'^  die  den 
Israeliten  beliebte  Praxis,  nicht  etwas  Gesetzwidriges  (Wellh.:  „der  Begrijft' 
ist  ihm  unbekannt").  Zum  HD);,  also  zu  den  Opferstücken  von  einem  geschlach- 
teten Tier  v.  4,  pflegten  die  Israeliten  als  n"]in,  Lobopfer ,  Kuchen  von  ge- 
säuer tejn  Brot,  }^pn,  in  die  Flamme  zu  werfen,  als  Duft  und  Rauch  aufsteigen 
%u  lassen,  "itsj^.  Das  Gesäuerte  war  somit  nicht  zu  aller  Zeit  beim  Opfer 
verpönt,  vgl.  ISam  10  i3  Lev  7i3  23  17  und  s.  zu  Lev  2ii  und  7  12-15.  Neben 
den  Opfern,  zu  denen  man  durch  Gelübde  oder  durch  heiligen  Brauch,  wie  den 
des  Zehnten  verpflichtet  ist,  bringt  man  Hinn^i,  freiwillige  Opfer,  Freigaben 
dar,  die  man  laut  ausruft,  damit  die  Leute  herbeikommen,  denen  man  Anteil 
am  Opferschmause  gewähren  will,  gerade  wie  die  Pharisäer  beim  Almosen- 
geben vor  sich  posaunen  lassen  Mt  6  2.  Das  ist  ein  Gottesdienst,  wie  ihn  die 
Israeliten  lieben,  wie  sie  ihn  selbst  erwählt  haben,  aber  nicht,  wie  ihn  Jahwe 
liebt  und  fordert,  vgl.  ni?^':'»  D^tr:«  D^l^D  Jes  29  13  f. 

6,  die  dritte  Strophe:  Und  dabei  habe  ich  euch  gegeben  Leere  Zähne  in 
allen  euren  Städten  Und  Brotmangel  in  allen  euren  Ortschaften ,  Und  doch 
kehrtet  ihr  nicht  %u  mir  um,  spricht  Jahwe.  Damit  beginnt  Amos  zu  zeigen,  was 
Jahwe  bei  dem  Kultuseifer  der  Israeliten  that.  D51  gehört  zum  ganzen  Satz  = 
„und  dazu  kommt",  also:  und  dabei  habe  ich  euch  deutlich  zu  erkennen  gegeben, 
wieviel  mir  euer  Kultus  wert  ist,  ich  habe  euch  dafür  eine  Plage  nach  der 
andern  geschickt,  zuerst  eine  im  ganzen  Lande,  in  Städten  und  Dörfern,  ge- 
fühlte Hungersnot,  die  Amos  durch  Reinheit  der  Zähne  d.  h.  leere  Zähne, 
Zähne,  die  nichts  zu  beissen  haben,  und  Mangel  an  Brot  nachdrücklich  genug 
kennzeichnet;  vgl.  auch  Vorbem.  zu  v.  4-13.  ^^^1  und  trotz  alledem  kehrtet 
ihr  doch  nicht  zu  mir  um.  Bei  allem  Kultuseifer  hatten  sie  Gott  verlassen, 
waren  sie  abgefallen,  vgl.  V^B  y.  4,  ein  Gefühl  von  der  Verpflichtung  zur  Übung 
von  Recht  und  Gerechtigkeit  und  eine  ernste  Erfüllung  dieser  Pflichten  wären 
eine  Umkehr  zu  Jahwe;  njj  ^\^  ist  mehr  als  ^«  ^"^^^  da  nj;  besagt,  dass  das  ^W 
bis  %u  Jahwe,  nicht  nur  ^^,  in  der  Richtung  auf  ihn  zu,  erfolgt. 

7^°^  (bis  zu  D^^n)  8,  die  vierte  Strophe:  Und  dabei  habe  ich  euch  den 
Regen  verweigert.  Und  es  schwankten  %wei,  drei  Städte  %u  einer  Stadt,  Um 
Wasser  zu  trinken,  und  wurden  nicht  satt.  Und  doch  kehrtet  ihr  nicht  zu  mir 
um,  spricht  Jahwe.  Die  zweite  Plage  war  Begenlosigkeit,  die  zu  dem 
Hunger  den  nicht  minder  fühlbaren  Durst  gesellte.  Über  Üü^^  vgl.  zu  Jo  2  23 ; 
sein  Ausbleiben,  seine  Verweigerung  (V^^,  zurückhalten,  verweigeiii)  durch 
Jahwe,  ist  eine  grosse  Kalamität,  vgl.  was  über  den  Winter  1894/5  von  Jeru- 
salem berichtet  wird  MNDPV  1895,  44.  Infolge  der  Regenlosigkeit  zur  Zeit 
Amos'  geschah  es  (v.  8).  dass  die  Einwohner  von  zwei,  drei  Städten  (zu  der 
Zahlenklimax  vgl.  zu  1  3)  zu  einer  anderen  glücklicher  situierten  d.  h.  mit 
besseren  Cisternen  versehenen  Stadt  lyj  d.  h.  vor  Durst  ermattet  und  erschöpft 


Am  4  8  183  Am  4  lo 

unsicheren  Ganges  lunsvhwankUm^  aber  auch  dort  ihren  Durst  nicht  stillen 
konnten,  da  auch  die  tiefsten  und  besten  Cisternen  wasserlos  und  alle  Quellen 
versiegt  waren. 

Zu  dieser  Strophe  bildet  7^^^''  (von  "iiyn  an)  eine  Randglosse,  die  der  Erklärunj^  von 
V.  8  dienen  soll.  Der  Glossator  erklärt  sich  nämlich  den  J^esuch  der  einen  Stadt  durch  ein 
l)aar  andere  nicht  aus  der  günstigem  Lage  und  den  besseren  Cisternen,  sondern  aus  der 
Bevorzugung  dieser  Stadt  durch  Jahwe,  indem  er,  v.  7^^  limitierend,  annimmt,  es  sei  doch 
strichweise  und  dabei  gerade  über  die  betreffende  Stadt  Regen  gefallen.  Femer  aber  denkt 
er  beim  Entzug  des  Regens  nicht  an  die  Regengüsse  überhaupt,  sondern  speziell  an  den 
sog.  Spätregen  ti^lp^ö,  der  innerholh  der  drei  Monate  vor  der  Ernte,  in  den  Monaten  März 
und  April  vor  der  im  Mai  und  Juni  eingeheimsten  Ernte,  zu  fallen  pflegt  und  von  dem 
das  Gedeihen  und  die  Reife  des  Getreides  abhängt.  Übrigens  hat  der  Glossator  melir  die 
Unfruchtbarkeit  des  Feldes  (vgl.  v.  7^'),  als  das  Verschmachten  der  Menschen  vor  iJurst  im 
Auge,  wie  er  auch  nicht  eine  vergangene,  sondern  eine  noch  zukünftige  Plage  scliildern 
will;  denn  "»rTi^öni  kann  angesichts  der  folgenden  Imperfekta  nicht  als  frequentatives  Per- 
fekt (Ges.-Kaützsch27  §  112h  Anm. ,  Driver  Hebrew  Tenses^  §  114)  genommen  werden. 
Für  n^pön  ist  mit  LXX  "T'pöuS;  zu  lesen,  vgl.  Ges.'Kaützsch27  §  144c. 

9,  die  fünfte  Strophe:  Ich  schickte  euch  die  Plage  des  Kornbrandes  und 
der  Gilbe^  Ich  verwüstete  eure  Gärten  und  Weinberge,  Eure  Feigen-  und  Öl- 
bäume frassen  die  Heuschrecken,  Und  doch  kehrtet  ihr  yiicht  zu  mir  um, 
spricht  Jahwe,  jl^"^^  und  ]1p"3!l,  wie  hier,  noch  Dtn  28  22  Ißeg  8  57  Hag  2  17 
irChr  6  28  nebeneinander,  bezeichnen  das  Schwarzwerden,  den  Brand  des  Gre- 
treides  infolge  von  ungünstiger  Witterung  und  das  Gelbwerden  der  Gewächse, 
die  Gilbe,  den  Mehltau;  für  niB"in,  das  unverständlich  bleibt,  ist  mit  Wellh.  u.  a. 
■ri:2"inn,  ich  verwüstete,  zu  lesen.  Zu  DT^in  s.  Jo  1  4. 

10,  die  sechste  Strophe:  Ich  schickte  unter  euch  eine  Pest  Zugleich  mit 
der  Gefangennahme  eurer  Rosse  Und  Hess  aufsteigen  den  Gestank  eures 
Lagers,  Und  doch  kehrtet  ihr  nicht  %u  mir  um,  spricht  Jahwe,  Zu  Hungersnot 
und  Dürre  mit  all  ihrem  Gefolge  trat  noch  ein  unglücklicher  Krieg,  der  den 
Verlust  der  Pferde,  dieses  wertvollen  und  schwer  zu  beschaffenden  Kriegs- 
materials, brachte  und  in  dem  die  Mannschaft  durch  die  Pest  heimgesucht 
wurde.  Nach  den  assyrischen  Eponymenlisten  hat  die  Pest  (niutanu  =  das 
Sterben)  in  den  Jahren  803,  765  und  759  v.  Chr.  grassiert,  s.  Scheadee  KAT^ 
481 — 485;  vermutlich  hat  die  Pest  in  einem  der  beiden  letzten  Jahre  auf  Syrien 
und  Palästina  übergegriffen,  gerade  als  Israel  mit  Aram  im  Kriege  lag. 
D"'."5^p  Tjnns  ist  eine  Glosse,  die  an  die  heilige  Geschichte  von  den  ägyptischen 
Plagen  erinnert,  aber  nicht  eine  medizinische  Belehrung  über  die  Heimat  der 
Pest  oder  das  besonders  heftige  Auftreten  derselben  in  Ägypten  geben  will. 
Solche  historische  Erinnerungen  sind  den  Späteren  beliebt,  vgl.  Jes  10  24-27. 
Aber  auch  ich  tötete  eure  Jungmannschaft  mit  dem  Schwert  ist  nicht  ur- 
sprünglich;  denn  einmal  wäre  D  ^ZVi  Dj;  als  Fortsetzung  ausserordentlich  hart, 
man  müsste  denn  annehmen,  dass  es  sich  auch  um  ein  Töten. der  gefangenen 
Rosse  handle,  und  dann  braucht  das  Schwert  nicht  zu  töten,  wo  die  Pest  wütet. 
Der  Zusatz  erklärt  sich  als  ein  Komplement  zu  der  Gefangennahme  der  Rosse, 
die  einem  Späteren  nur  verständlich  schien,  wenn  die  Mannschaft  im  Kampfe 
gefallen  war.  Anderes  besagt  aber  Amos:  Jahwe  sandte  gegen  euch  eine  Pest 
zugleich  mit  der  (Dj;  ist  soviel  wie  "nsi  und  gleichzeitig  die)  Gefangennahme 


Am  4  10  184  Am  4  12 

eurer  ßosse.  Von  in  der  Schlacht  Gefallenen  redet  er  nicht,  sie  kamen  neben 
den  von  der  Pest  Dahingerafften  nicht  in  Betracht,  ging  doch  von  dem  Lager 
infolge  der  vielen  noch  unbegrabenen  Leichen  ein  Geruch  der  Verwesung  aus. 
Das  ^  vor  DDDSSS  venät  diese  jedenfalls  unnötige  Beifügung  als  Glosse;  sie 
konnten  den  Gestank  doch  nur  mit  der  J^ase  riechen. 

11,  die  siebente  Strophe:  Ich  richtete  unter  euch  eine  Zerstörung  aUy 
Wie  die  Zerstörung  von  Sodom  und  Gomorrha^  Und  ihr  wäret,  wie  ein  aus 
dem  Feuer  gerissenes  Brandscheit,  Und  doch  kehrtet  ihr  nicht  zu  mir  um, 
spricht  Jahwe.  Gewöhnlich  versteht  man  diese  Schilderung  von  einem  Erd- 
beben^ auf  das  Arnos  als  auf  die  schwerste  Heimsuchung  und  Züchtigung 
zurückblicke.  Aber  das  passt  doch  weder  zu  der  Zerstörung  von  Sodom  und 
Gomorrha,  noch  zu  dem  Bilde  von  einem  aus  dem  Feuer  gerissenen  Brand- 
scheit; auch  könnte  es  nicht  das  1  i  erwähnte  Erdbeben  sein,  denn  hier  ist  es 
ein  bereits  erlebtes,  dort  ein  erst  in  zwei  Jahren  zu  erwartendes,  vgl.  übrigens 
zu  1  1.  Die  Zerstörung  ist  vielmehr  deutlich  eine  Zerstörung  durch  Krieg,  vgl. 
zu  D'no  npöHD::  Jes  l  7  und  zu  l^iN  Jes  7  4.  Der  Krieg  hat  Israel  so  verheert, 
wie  Feuer  und  Schw^efel  etc.  Sodom  und  Gomorrha.  Nur  mit  knapper  Not  ist 
Israel  dem  völligen  Untergang  entronnen;  Amos  spielt  auf  eine  Situation  an, 
wie  sie  Jes  1  7  schildert,  Amos  denkt  an  die  Syrerkriege,  Jesaja  an  die  Ver- 
heerung Judas  durch  die  Assyrer,  s.  meine  Erklärung  zu  Jes  1  7.  Da  hier 
Amos  das  einzige  Mal  D\n'b«  statt  r\)r\l  gebrauchte,  dazu  noch  in  einer  Rede 
Jahwes,  so  ist  DNI'^S  als  sekundär  anzusehen,  es  dürfte  wie  die  beiden  "n^^  nach 
der  ganz  gleichlautenden  Formel  in  dem  exilischen  Jes  13  19  (vgl.  auch 
Jer  50  40)  hier  eingesetzt  und  daher  als  ursprünglich  '?5  'D  n^BnDS  herzustellen 
sein,  vgl.  ausser  Jes  1  7  noch  Dtn  29  22  Jer  49  is.  Daher  dürfte  es  auch  zu  ge- 
fährlich sein,  mit  Wellh.  auf  dieses  D\n^^  die  Vermutung  zu  stützen,  „dass 
eine  alte  und  nicht  specifisch  israelitische  Redensart  (in  D%n^«  ^???1??)  vor- 
liege"; dass  die  Israeliten  die  Grundzüge  ihrer  Erzählung  Gen  18  19  von  den 
Bew^ohnern  des  Landes  übernommen  haben,  kann  ja  gleichwohl  richtig  sein. 
?I?n,  umkehren,  ist  nicht  mit  direktem  Objekt  konstruiert,  sondern  mit  ?,  um 
zu  sagen,  dass  an,  unter  den  Israeliten  eine  Umkehrung  vollzogen  wurde, 
vgl.  n  T\^T[  z.  B.  IlSam  23  10:  D'^n^bö?  '^!:]  „er  richtete  unter  den  Philistern 
eine  Niederlage  an".  Der  erste  Stichos  ist  sehr  kurz,  es  scheint  nach  DDS  etwas 
ausgefallen  zu  sein.  Zu  dem  aus  dem  Kriegsbrande  geretteten  I^N  vgl. 
neben  Jes  7  4  auch  bes.  Sach  3  2. 

12  beginnt,  wie  man  erwartet,  mit  ]5^,  darum,  der  üblichen  Einleitung 
der  Ankündigung  des  Gerichts  vgl.  3  11;  denn  nachdem  alle  Mittel  nichts  ge- 
fruchtet haben,  um  die  Israeliten  zur  Besinnung  zu  bringen,  bleibt  nichts 
übrig  als  der  verdammende  Urteilsspruch  und  die  Ankündigung  der  Exekution, 
wie  2  13-16  3  11.  Dazu  ist  aber  nur  noch  die  Einleitung,  y.  12%  die  erste  Zeile 
der  achten  Strophe,  erhalten:  Dai^um  werde  ich  so  mit  dir  verfahren,  Israel. 
Was  folgt,  kann  nicht  die  Fortsetzung  sein;  denn  ehe  man  fortfahren  kann: 
weil  ich  dir  solches  thun  will,  so  mache  dich  bereit  etc.,  muss  gesagt  sein,  was 
dieses  solches,  nst,  ist;  aber  auch  sonst  passt  y.  12^  nicht  zu  y.  4-12^,  da  man 
hier  nicht  erst  noch  eine  Aufforderung,  sich  zur  Begegnung  mit  Jahwe  bereit 


Am  4  12  185  Am  4  13 

ZU  maclien,  f^jebrauchen  kann,  als  ol)  die  Frevler  sich  zur  Exekution  noch  be- 
sonders vorbereiten  niüssten.  Somit  bricht  der  ursprüngliche  Zusammenhang 
mit  V.  12=^  ab;  der  Zusatz  v.  12''  1.)  scheint  zwar  (s.  aber  unten  zu  v.  12''  13)  mit 
seinem  nst  noch  auf  den  urs})rünglichen  Schliiss  Rücksicht  zu  nehmen,  ist  aber 
doch  an  die  Stelle  desselben  getreten.  L(")hr  hat  nun  vermutet,  dass  von  dem 
Fragment  3  u^'  15  wenigstens  v.  u^  zu  dem  verlorenen  Stücke  unserer  Rede  ge- 
höre. Mit  den  drei  Zeilen  von  3  14''  (für  ''H'li??^  wäre  dann  ^p^^  zu  lesen)  er- 
hielte man  dann  das  ganze  achte  Tetrastich  und  die  Ankündigung  der  Zer- 
störung der  Heiligtümer  zu  Bethel  würde  nicht  übel  auf  den  Anfang  der  Rede 
(4  4f.)  zurückblicken  und  auch  dem  Tenor  der  Gedanken  entsprechen:  Weil 
euer  Kultus  nur  Frevel  ist  und  ihr  mit  nichts  davon  abzubringen  seid,  so  wird 
auch  der  ganze  kultische  Apparat  vernichtet.  Aber  trotzdem,  um  als  Abschluss 
der  ganzen  Rede  zu  dienen,  wären  diese  Worte  selbst  mit  Hinzunahme  von 
3  15,  die  zwar  mit  ihrer  Rücksicht  auf  den  Luxus  einen  neuen,  in  4  4-12  nicht 
berührten  Gedanken  hereinbrächten,  zu  schwach;  nach  all  den  vorangegangenen 
Plagen  muss  ein  viel  härterer  Schlag  erfolgen,  der  nicht  nur  die  Vernichtung 
der  Kultusstätten  und  eventuell  der  privaten  Prachtbauten,  sondern  des 
ganzen  Staatsgebäudes  herbeiführt  (vgl.  5  2).  Somit  wäre  3  14'^  höchstens  ein 
Stück  des  leider  verlorenen  Schlusses  von  4  4-i2^  Auch  der  Vorschlag 

von 'Baumann  ,   521-27  auf  4  12-''  folgen  zulassen,  scheint  .mir  nicht  richtig, 's. 

zu  5  21  ff. 

Der  Zusatz  12^  13  hat  nicht  die  Situation  der  Hörer  des  Arnos,  sondern  die  der 
späteren  Leser  der  prophetischen  "Weissagungen  im  i^uge.  Es  handelt  sich  für  den  Autor 
desselben  nicht  mehr  um  das  Gericht  über  die  Israeliten,  sondern  um  das  letzte  Gericht, 
in  dem  zwar  auch  Israel  zu  leiden  hat,  aber  doch  vornehmlich  die  Heiden,  und  aus  dem 
Israel  herrlich  hervorgehen  soll.  Vielleicht  sind  von  ihm  daher  die  Schilderungen  v.  6-11 
auch  als  Weissagungen  für  die  Endzeit  gefasst  worden  und  sein  nst  bezieht  sich  auf  die 
dort  genannten  Heimsuchungen;  übrigens  war  den  Späteren  der  Begriff  des  Endgerichts 
so  geläufig,  dass  man  ihnen  das  nst  gar  nicht  genauer  zu  exponieren  hatte:  Es  umfasste 
alles,  was  Gott  in  Zukunft  an  Israel  thun  w^ill,  Gericht  und  Heil,  Leiden  und  Rettung, 
und  um  daran  zu  erinnern,  genügte  die  Schilderung  der  Plagen  v.  6-1 1  vollständig.  Um 

in  dem  letzten  Gericht  Gott  zu  begegnen,  y^sly  Bereitmachung,  ]13n,  nötig,  wie  einst  zur 
ersten  Begegnung  am  Sinai,  vgl.  Ex  19  15;  interessant  ist,  dass  im  Hebr.  der  Mischna  ]]'2 
12^  die  Bedeutung  hat:  „sich  in  andächtige  Stimmung  versetzen"  und  dass  später  njJ3 
geradezu  =  „Andacht"  ist.  Auch  in  dein  Gott,  Israel,  erkennt  man,  wenn  man  v.  13 

beachtet,  den  späteren  Autor:  Jahwe  ist  Israels  Gott,  wenn  auch  der  Schöpfer  und  Herr 
des  Alls.  So  verbindet  die  spätere  jüdische  Lehre  Universalismus  und  Partikularismus 
miteinander;  ganz  anders  hat  der  Prophet  Amos  3  2  gesprochen  und  die  Prärogative  Israels 
gedeutet,  bei  Amos  spürt  man  die  Innigkeit  und  den  Ernst  der  Religion,  bei  den  Spätem 
die  Kälte  von  Logik  und  Theorie.  13  gehört  derselben  Zeit,  wenn  auch  vielleicht 

nicht  derselben  Hand  wie  v.  1 2^  an.  Doch  ist  bei  den  späteren  Redaktoren  und  Diaskeuasten, 
die  die  prophetischen  Stoffe  zur  Erbauung  der  Gemeinde  redigierten,  der  Übergang  von 
der  ersten  Person  (v.  12^)  zu  der  dritten  (v.  13)  eher  möglich,  als  bei  einem  originalen 
Autor.  Jedenfalls  soll  v.  7  3  die  Forderung  der  Vorbereitung  auf  die  Begegnung  mit  Gott 
(in  V.  12'^)  begründen,  vgl.  "'S.  Charakteristisch  ist,  wie  dies  geschieht:  kein  Wort  ver- 
nimmt man  von  sittlichen  Pflichten,  nur  nebenbei  ist  von  Gottes  Allwissenheit,  die  auch 
der  Menschen  Gedanken  kenne,  die  Rede,  die  Hauptsache  ist  die  Hervorhebung  von 
Gottes  Erhabenheit  und  Allmacht  auf  dem  Gebiete  der  Natur;  die  Nebeneinanderstellun 
von  Allwissenheit  und  Allmacht  mutet  einen  an,  wie  die  Aufzählung  der  Eigenschaften 
Ciottes  in  christlichen  Katechismen  und  älteren  Dogmatiken.    Doxologieen  aus  den  Werken 


Am  4  13  186  Am  5  3 

der  Natur  sind  in  der  israelitischen  E-eligion  erst  seit  Deuterojesaja  aufgekommen,  vgl. 
meine  Gesch.  der  isr.  Rel.'*  S.  142f.,  wurden  aber  dann  als  Zugaben  zu  alten  Texten  be- 
liebt, vgl.  5  8  9  9  5  6  Hos  13  4  (LXX).  Abgesehen  von  dem  wie  eine  Unterschrift 
sich  ausnehmenden  v.  13^  macht  die  Doxologie  ein  Tetra  stich  aus:  Denn  siehe,  er  ist 
der  Bildner  der  Berge  (vgl.  Jos  45  18  Jer  10  16)  und  der  Schöpfer  des  Windes  (zu  «in  neben 
'1^''  vgl.  Jes  43  1  7  45  18)  Und  kann  dem  Menschen  Jamdthmi,  was  er  sinnt  (vgl.  n't2^  I  Sam  116 
Ps  104  34  zu  dem  aTi.  Xey.  n^,  wofür  übrigens  Hjeronymüs  auch  noch  n^b'  gelesen  hat, 
und  zu  der  ganzen  Aussage  Jer  11  20:  „Jahwe» prüft  Nieren  und  Herz";  vielleicht  ist  jedoch 
nach  Targ.  mit  Grätz  und  Cheyne  ^n'^3;o,  sein  Thun,  zu  lesen) ,  Er  schafft  Morgenrot  und 
Finsternis  (1.  nach  LXX  mit  Nowack  riS"'V^;  denn  weder  die  Übersetzung:  „er  macht 
das  Morgenrot  zum  Dunkel"  durch  finstere  aufsteigende  AVolken,  noch:  „er  macht  die 
Finsternis  zum  Morgenrot"  ist  zu  empfehlen,  ein  b  wäre  doch  hiezu  nötig,  vgl.  auch  Ges.- 
Kautzsch^?  §  116g  N  2),  Und  schreitet  über  die  Höhen  der  Erde  dahin,  was  seine  Allmacht 
und  Erhabenheit  hervorheben  soll,  vgl.  Mch  1  3  Hi  9  8,  ferner  Dtn  32  13  Jes  58  14. 
Zu  V.  13'^  der  Marke  eines  solchen  Zusatzes,  s.  5  8  9  6  und  vgl.  zu  Jes  48  2  51  15  54  5. 

8)  Wehklage  über  den  nahen  Untergang  Israels  5  1-3.  Mit  v.  4 ff.  haben 

diese  Verse  so  wenig  direkten  Zusammenhang,  wie  mit  4  4-12;  sie  stehen  für  sich,  der 
Prophet  stimmt  in  ihnen  die  Totenklage  über  Israel  an,  dessen  Untergang  ihm  gewiss  ist. 
Wahrscheinlich  ist  trotz  der  eigenen  Einleitung  (v.  3^*)  auch  v.  3^'^^  zur  Totenklage  zu 
rechnen;  dann  haben  wir,  da  v.  1  als  Einführung  ausser  Betracht  fällt,  zwei  Vierzeiler, 
die  so  gebaut  sind,  dass  je  die  zweite  und  vierte  Zeile  nur  zweihebig,  die  übrigen  drei- 
hebig  sind,  oder,  wenn  wir  wollen,  vier  durch  Cäsur  in  einen  längeren  und  einen  kürzeren 
Hemistich  getrennte  Langzeilen.  Zu  diesem  sog.  Klna-Metrum  vgl.  in  meinem  Commentar 
zu  Jes  S.  17. 

Ob  die  Einführung  1:  Höret  dies  Wort^  das  ich  über  euch  erhebe  als 
eine  Totenklage,  Haus  Israel!  von  Arnos  oder  von  der  Redaktion  herrührt,  ist 
schwer  auszumachen,  aber  auch  ziemlich  gieichgiltig;  jedenfalls  fällt  sie  ausser- 
halb des  Metrums  und  die  Ankündigung  des  folgenden  Wortes  als  einer  nyp, 
wie  sie  der  Relativsatz  giebt,  kann  den  Eindruck  nur  abschwächen. 

2,  das  erste  Tetrastich:  Gefallen  ist,  steht  nicht  mehr  auf  Die  Jungfrau 
Israel,  Ist  hingestreckt  auf  die  eigne  Flur^  Keiner  richtet  sie  auf.  Durch 
die  asyndetisch  angefügten  Zustandssätze  D^.p  ^^pin"^?^  und  H^'^pp  ptjl  werden 
die  Hauptverba  nböi  und  TW'^'l  erklärt,  es  ist  ein  Fall,  ein  Hingeworfensein, 
von  dem  sie  sich  nicht  mehr  erheben  kann,  von  dem  es  auch  überhaupt  kein 
Aufrichten  mehr  giebt;  tot  liegt  sie  auf  der  eignen  Flur,  d.  h.  im  eigenen 
Lande  ist  sie  von  dem  übermächtigen  Feinde  erschlagen  —  die  Jungfrau 
Israel,  ^^?"1b^'l  7b\T\^  (zu  dieser  im  Hebräischen  üblichen  Annexion  statt  Appo- 
sition  s.  Ges.-Kaützsch2'  §  128k  und  vgl.  zu  Jes  1  8).  übrigens  haben  wir  hier 
das  älteste  erhaltene  Beispiel  von  der  Personifikation  eines  Volkes  oder  einer 
Stadt  als  weibliches  Wesen  (Driver)  ;  aus  der  Darstellung  als  Jungfrau,  H^IHin, 
darf  aber  hier  wohl  nicht  geschlossen  werden,  dass  Israel  bis  dahin  unbesiegt 
gewesen  sei,  dieselbe  giebt  vielmehr  der  Trauer  über  ihren  frühen  Tod 
Ausdruck. 

3,  das  zweite  Tetrastich:  Die  Stadt,  die  mit  tausend  ins  Feld  %ieht. 
Behält  hundert  übrng.  Und  die  Stadt,  die  mit  hundert  ins  Feld  %ieht^  Behält 
%ehn  übrig,  zeigt  deutlich,  dass  der  Krieg  den  Tod  Israels  herbeiführt.  Die 
Fähnlein,  die  die  einzelnen  Ortschaften,  nicht  mehr,  wie  in  der  alten  Zeit,  die 
Geschlechter  und  Stämme,  stellen,  werden  im  Kampf  bis  auf  den  zehnten  Mann 
aufgerieben.  Wie  die  besondere  Einführung  (v.  3^*)  dieser  Strophe  schon  wegen 


Am  5  3  1B7  Arn  5  4 

des  unverständlichen  ^3  unbrauchbar  ist,  so  ist  auch  mit  ^t<lb^^  r\^2h  am  Schlüsse 
nichts  anzufangen.  Nimmt  man  diese  Worte  mit  der  Kinrührung,  wozu  sie  am 
ehesten  passen  (so  Lcmii),  zusammen,  so  ersieht  man  sofort,  wie  ^^"l^  "I??ij5  HD  ''3 
b^^'^^  r\^2b  nin''  eine  bei  der  Einluguiig  in  den  laufenden  Text  zerrissene  Rand- 
bemerkung  von  der  Hand  dessen  ist,  der  alle  neuen  Anfänge  mit  dieser  Formel 
auszeichnen  zu  müssen  meinte  und  der  auch  in  v.  3  einen  solchen  Neuanfang 
sehen  wollte,  vgl.  die  r^lT}]  *1DS  Hb  in  Ca]).  1  und  2  vor  fast  jeder  Strophe,  ferner 
in  3  12  und  bes.  5  4.  Darum  darf  man  nicht  mit  Nowack  ""  n'^^b  hinter  das 
zweite  HS??  in  die  Strophe  einsetzen;  man  hat  vielmehr  den  Anfang  der  dritten 
Zeile  wie  den  Anfang  der  ersten  zu  lesen:  '^7}  "^^J^HI,  das  Auge  des  Abschreibers 
irrte  leicht  von  dem  ersten  Wort  auf  das  zweite  mit  dem  gleichen  Buchstaben 
beginnende  hinüber.  ^h^  und  HiJD  sind  als  von  nS^I'H  abhängiger  Kasus 

der  Art  und  Weise  =  zu  tausend^  zu  hundert  zu  fassen,  vgl.  Ewald  Ijehrb.  d. 
hebr.  Spr.  §  279  I  2a  und  König  Syntax  §  332k;  wahrscheinlich  ist  diese  Ver- 
bindung nach  ihrer  Entstehung  zum  Verständnis  in  die  ursprüngliche  ßeihen- 
folge  n^JJ^''  ^^iSi  Tj;n  „die  Stadt,  deren  Auszüger  tausend  sind"  aufzulösen,  vgl. 
das  ähnliche  13^?  f  n^«  2  i6. 

9)  Nicht  liultus,  sondern  Religion  und  Moral  führen  zum  Leben  5  4-^6  14  15. 

Der  Text  von  v.  4-17  bietet  ein  schlimmes  Durcheinander  von  verschiedenen  Ele- 
menten. Am  leichtesten  sind  die  fremden  Bestandteile  auszuscheiden,  nämlich  ausser 
kleineren  Zusätzen  1)  die  Doxologie  Gottes  aus  den  "Werken  der  Schöpfung  v.  8  f.  und 
2)  die  weise  Bemerkung  vom  Schweigen  in  böser  Zeit  v.  13,  welche  den  Propheten,  wenn 
er  dieselbe  geschrieben  hätte,  mit  sich  selber  in  Widerspruch  setzte,  da  er  gerade  in  der 
schlimmsten  Situation  zu  Bethel  als  Sprecher  Jahwes  auftrat;  s.  zu  diesen  Versen.  Aber 
auch  was  übrig  bleibt,  zeigt  keinen  geordneten  Gedankengang.  Ein  Bruch  desselben  liegt 
zwischen  v.  6  und  v.  7,  ohnehin  scheint  er  angedeutet  durch  bi|!"n''n^,  LXX:  h'^^y^\  ^^5?'»  das 
vermutlich  der  Rest  der  bekannten  Eingangsformel  eines  neuen  Abschnittes  ist  (s.  zu  v.  3). 
Ebenso  erwartet  niemand  auf  v.  12  die  Mahnung  von  v.  14,  sondern  die  Ankündigung  der 
Strafe,  auch  hier  wird  ein  Zusatz  (v.  13)  den  Bruch  markieren.  Endlich  passt  v.  16  mit 
seinem  ]pb  in  keiner  Weise  als  Fortsetzung  von  v.  15,  der  den  Israeliten  bei  rechtlichem 
und  sittlichem  Verhalten  die  Gnade  Jahwes  in  Aussicht  stellt.  Es  sind  somit  vier  Stücke 
zu  unterscheiden:  1)  v.  4-6,  2)  v.  7-13  (excl.  v.  8f.  13),  3)  v.  14f.  und  4)  v.  16f.  Vergleicht 
man  dieselben,  so  kann  es  einem  nicht  entgehen,  dass  1)  und  3j  nach  Inhalt  und  Form 
sicher  zusammengehören  und  dass  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auch  2)  und  4)  Stücke 
einer  Bede  sind,  die  sich  v.  16  mit  seinem  ]?^  vortrefflich  an  v.  Vi  anschliesst.  Somit 
haben  wir  zwei  verschiedene  Beden  zu  unterscheiden:  1)  v.  4-6  14  15  und  2)  v.  7  10-12 
16  17,  von  denen  die  zweite  aber  nicht  vollständig  ist  (s.  bes.  zu  v.  11). 

Die  Unordnung  im  Texte  ist  daraus  zu  erklären,  dass  ein  Abschreiber,  nachdem 
er  die  beiden  Strophen  mit  ^lU^I"!  v.  4^  und  v.  6  geschrieben  hatte,  den  ebenfalls  mit  ^115^")'^ 
beginnenden  Abschnitt  v.  14f.  übersah  resp.  meinte,  bereits  kopiert  zu  haben,  nachher  aber 
seinen  Fehler  bemerkte  und  die  vergessenen  Verse  in  den  leeren  Baum  zwischen  oder 
unter  den  vertikalen  Kolumnen,  von  denen  die  eine  etwa  v.  1-6,  die  andere  v.  7-12  resp.  13 
enthalten  mochte,  nachtrug,  und  dass  dann  ein  folgender  Abschreiber  diesen  Nachtrag  in 
den  Text  der  zweiten  Kolumne  hinter  v.  13  einschob. 

Diese  Zurechtlegung  des  Textes,  die  v.  14f.  als  ursprünglichen  Bestandteil  anerkennt 
und  sowohl  den  richtigen  Standort  dieser  Verse  nachweisen,  als  auch  die  Versetzung  an 
die  gegenwärtige  Stelle  erklären  kann,  verdient  den  Vorzug  vor  dem  Vorschlage,  v.  14 f. 
entweder  ganz  (Valeton  Amos  und  Hosea  S.  35  113,  Volz,  Nowack,  Cheyn^,  Löhr)  oder 
teilweise  (v.  15  Oort)  als  Einschub  zu  betrachten.  S.  weiter  die  Erklärung  dieser 
Verse. 


Am  5  4  188  Am  5  5 

Der  Abschnitt  5  4-6  14f.  ist,  so  einfadi  er  lautet,  von  der  grössten  AVichtigkeit; 
denn  gerade  in  seiner  Einfachheit  Hegt  zum  Teil  seine  Grösse.  Ausserordentlich  wichtig 
ist  es  zunächst,  dass  Arnos  hier  einmal  nicht  Anklagen  gegen  die  Israeliten  vorbringt, 
sondern  direkte  Forderungen  stellt.  Wer  nun  aber  eine  Menge  von  Vorschriften  erwartet, 
sieht  sich  enttäuscht;  denn  was  Arnos  fordert,  ist  allein:  suchet  Jahwe  und  snchet  das 
Gute,  und  zwar  gelten  diese  beiden  Sätze  gemäss  der  Folge,  die  an  ihre  Erfüllung  ge- 
knüpft ist,  dem  Propheten  erst  noch  als  im  Grunde  nur  einer.  Jahwe  und  Gut,  Religion 
und  Sittlichkeit,  fallen  Amos  nicht  als  zwei  von  einander  unabhängige  Grössen  auseinander; 
er  anerkennt  so  wenig  eine  unabhängige  Religion,  wie  sie  seine  Zeitgenossen  mit  ihrem 
Kultus  allein  übten,  als  eine  unabhängige  Moral,  wie  sie  unsere  Modernen  für  möglich 
halten.  Für  ihn  giebt  es  wahre  Religiosität  nicht,  wo  sie  nicht  Sittlichkeit  wirkt,  und 
wird  das  Gute  erst  da  wirklich  und  wahrhaft  geübt,  wo  das  Gefühl  der  religiösen  Ver- 
pflichtung, ein  innerer  Drang  zum  Gutesthun  treibt,  ähnlich  dem  Zwang,  der  ihn  zum 
Sprecher  Jahwes  macht,  s.  3  8.  Wem  diese  einfache  Forderung  als  zu  allgemein  und  un- 
bestimmt vorkommt,  dem  ist  noch  nicht  die  Hoheit  der  mit  Amos  so  kräftig  und  rein 
einsetzenden  Religion  der  Propheten  gegenüber  der  israelitischen  Yolksreligion  mit  ihrem 
„heidnischen"  Kultus  und  der  späteren  Gesetzesreligion  mit  ihrer  gelehrten  Weisheit  recht 
klar  aufgegangen  und  der  denkt  nicht  daran,  dass  die  schönsten  Vorschriften  nichts 
fruchten,  wo  nicht  ein  Funke  göttlicher  Kraft  das  sittliche  Leben  erweckt  und  immer  neu 
stärkt.  Gerade  diese  Einfachheit  der  Forderung  neben  der  Identifikation  von  Religion  und 
Sittlichkeit,  ohne  dass  eins  in  das  andere  aufgeht,  ist  das  Grossartige  an  Amos;  zu  ver- 
gleichen ist  die  Einfachheit  des  Evangeliums  bei  Jesus. 

An  den  Besitz  der  wahren  Religion  knüpft  Amos  das  Lebest  d.  h.  das  Verschont- 
werden vom  Gericht,  die  Rettung,  das  Heil.  Hier  liegt  im  Keime  vor  die  ganze  Ent- 
wicklung von  dem  jesajanischen:  ^^tp^T\  ^?^  ^3  U''p^^n  i^b  DX  (Jes  7  9)  zu  dem  johanneischen 
6  TTiateucüv  £i;  auTov  ou  xpivsxai  (Joh  3  18).  Wsls  Jessijsi  glauben  heisst,  nennt  Amos 
Jahwe  oder  das  Gute  suchen-,  überhaupt  erscheint  Jesaja  auf  Schritt  und  Tritt  von  dem 
Propheten  Amos  angeregt  und  darum  dient  er  vortrefflich  zum  Verständnis  der  Reden 
seines  Vorgängers.  Vgl.  meinen  Commentar  zu  Jes  S.  65  70  (zu  Jes  6  3)  und  S.  74  78  (zu 
Jes  7  9^),  sowie  meine  Gesch.  der  israel.  Rel.*  S.  169f. 

Der  Abschnitt  5  4-6  14f.  umfasst  nach  Abzug  der  sekundären  Bereicherungen  (s.  die 
Erklärung)  vier  Tetrastiche. 

4^  bringt  die  übliche  Einleitung  eines  neuen  Stückes,  das  nicht  schon  an 
seiner  Spitze  ein  ^V^p  trägt,  s.  zu  v.  3.  Wahrscheinlich  hat  diese  Beifügung  die 
Änderung  des  ursprünglichen  nin;i"ns  W'^^,  in  '^i^ti^'1'1  (y.  4*^)  nach  sich  gezogen; 
es  ist  doch  der  Wechsel  auffallend,  man  müsste  denn  annehmen,  dass  der 
Prophet  in  v.  6  die  Aufforderung  Jahwes  in  v.  4'^  bestätigen  wollte.  Die 

erste  Strophe  umfasst  4''  5^:  Suchet  Jahwe  (s.  zu  y.  4^)  und  lebt!  Und  suchet 
nicht  Bethel!  Und  nach  Gilgal  kommt  nicht  Und  nach  Beerseba  zieht  nicht 
hinüber  l  Der  erste  Imperativ  •lti^'"l"l  nennt  die  Bedingung,  der  zweite  \^X\\  die 
Folge  ihrer  Erfüllung,  s.  Ges.-Kautzsch^"  §  110  f.  Zu  dem  Sinn  von  t^h^ 

vgL  13?  "IW  in  dem  Refrain  4e-ii  und  zu  iTH,  leben^  die  Vorbemerkung.  Be- 
achtenswert ist,  wie  Jahwe  zu  den  Heiligtümern  in  Bethel  etc.,  die  zwar  auch 
Jahwe  geweiht  sind  und  an  denen  die  Israeliten  nur  Jahwe  opfern  wollen,  in 
Gegensatz  gestellt  wird:  Jahwe  verlangt  eben  ganz  anderes  als  Opfer;  ihn  soll 
man  suchen,  sein  Wort  zu  vernehmen,  seinen  Willen  zu  hören  und  sein  Wesen 
kennen  zu  lernen  verlangen.  Die  Opfer  an  den  heiligsten  Stätten  bringen  nicht 
näher  zu  Jahwe  5^    über  Bethel  und  Gilgal  s.  zu  4  4.  Beerseba,  nach 

dem  man  selbst  zu  wallfahrten  pflegte,  lag  im  äussersten  Süden  von  Juda,  man 
musste  also  die  Grenzen  von  Israel  überschreiten  (155^);  es  war  daselbst  nicht 


Am  5  5  189  Am  5  lö 

nur  ein  besonderer  Kultus  (8  4),  sondern  die  Wallfahrt  dorthin  und  das  Opfer 
daselbst  erschienen  offenbar  besonders  wirksam.  Noch  heute  findet  man  dort 
einige  (nach  Gautiek,  Souvenir  de  Terre-Sainte  S.  151  f.,  drei)  wohlerhaltene 
Cisternen.  Über  Wallfahrten  an  ferne  Heiligtümer  vgl.  zu  Jes  2  3  57  9'';  über 
Beerseba  überhaupt  s.  von  Gall  Altisrael.  Kultstätten  44  —  51. 

5'*  ist  ein  späterer  Zusatz:  das  "'S  giebt  keinen  Sinn  im  Zusammenhang,  man  kann 
doch  nach  Gilgal  wallfahrten,  auch  wenn  es  einst  der  Deportation  verfällt;  die  Wortspiele 
passen  noch  dazu  wenig  zu  der  ernsten  Rede  des  Propheten,  der  auch  andere  Gründe  hat, 
um  vom  Besuche  Gilgals  und  Bethels  abzumahnen,  und  dann  sollte  ja  ein  ähnlicher  Grund 
für  Beerseba  genannt  sein.  Über  solche  Wortspiele  vgl.  zu  Jes  10  27''-32.  In  v.  5^^'^  wird 
mit  dem  Gleichklang  zwischen  nh^  rh^  und  '^J^in  und  in  v.  o'^3  mit  dem  doppelten  Gegen- 
satz, in  dem  ]jx  als  „Götzentum"  und  als  „Unheil"  zu  b^  stehen  kann,  gespielt.  Wellii. 
hat  beides  gut  nachgeahmt,  wenn  er  übersetzt:  „denn  Gilgal  wird  zum  Galgen  gehen  und 
Bethel  wird  des  Teufels  werden." 

6  (mit  Ausnahme  von  ^«"n^'n'p  am  Schluss)  die  zweite  Strophe:  Suchet 
Jahwe  —  und  lebt!  Dass  nicht  ausbreche  eine  Flamme  Ein  Feuer  im  Hause 
Josephs  Und  fresse,  ohne  dass  einer  löscht.  Für  t^^^?^  vh^,  wozu  man  Jahwe 
als  Subjekt  suppliert,  ihn  also  mit  Feuer  verglichen  sein,  aber  nachher  das 
Feuer  selber  fressen  lässt  („dass  er  nicht  das  Haus  Josephs  überfalle  wie 
Feuer  und  dieses  um  sich  fresse")  ist  weder  mit  Geätz,  Gunning:  ^^^  n^^', 
noch  mit  Wellh.:  2  ti^S  vh^^,  noch  mit  Nowack:  ti^'^^2  n''^\  sondern  mit  Duhm 
(Encycl.  Bibl.  III,  3799):  t^^S  ^nb  thr^  zu  lesen,  das  nicht  nur  graphisch  dem 
masor.  Texte  am  nächsten  kommt,  sondern  auch  dem  Metrum  trefflich  auf- 
hilft. *"ipl''  n''5  ist  Bezeichnung  des  ganzen  ßeiches  Ephraim  geworden,  da 
Joseph  der  Hauptstamm  desselben  war,  s.  noch  5  15  6  6.  Zu  ^^"n''^^  s.  die 
Vorbemerkung  S.  187;  es  ist  der  Rest  der  Einführungsformel  für  den  mit  v.  7 
beginnenden  neuen  Abschnitt. 

Über  7—13  s.  unten  nach  v.  15. 

14,  die  dritte  Strophe:  Suchet  das  Gute  und  nicht  das  Böse,  Damit  ihr 
am  Leben  bleibt,  Und  Jahwe  wird  dann  mit  euch  sein,  Wie  ihr  jet%t  wähnt. 
Des  Metrums  wegen  ist  das  den  Späteren  so  beliebte  (vgl.  nur  4  13)  T^^Z't  'h'?« 
als  Einschub  zu  betrachten,  ti^l"!  steht  hier  nun  mit  einem  abstrakten  Objekt 
wie  Jes  1  i7:  tDöti^)^  W^^\  aus  der  strikten  Parallele  mit  den  Anfäno;en  der 
vorigen  Strophen  ersieht  man,  wie  für  Amos  Jahwe  und  HltS  zusammengehören 
(s.  die  Vorbemerkung  S.  188).  Ebenso  ergiebt  sich  daraus,  wie  aus  der  zweiten 
Zeile  V.  i5,  dass  für  Amos  gut  mehr  heisst  als  „zweckmässig,"  „erspriesslich", 
dass  er  einen  viel  höheren  Begriff  von  demselben  hat,  ja  wir  dürfen,  wenn  wir 
uns  seiner  Vorwürfe  gegen  die  Nachbarn  Israels  erinnern  Cap.  If.,  sagen,  dass 
sich  ihm  mit  dem  Begriff  „gut"  etwas  Unbedingtes,  Absolutes  verbindet. 
Zu  bs  kann  der  für  den  Sinn  aus  dem  Vorhergehenden  leicht  zu  erschliessende 
Jussiv  fehlen,  s.  Ges.-Kautzsch27  §  152  g;  der  Jussiv  ^T1  steht  im  Nachsatz  zu 
dem  Imperativ,  wie  v.  4  und  6  der  Impera.  Vill.  üri"]DS  1l^V*3,  ihre  Be- 
hauptung, dass  Jahwe  mit  ihnen  sei,  ist  jetzt  nur  ein  Wahn,  vgl.  zu  3  2  5  18, 
wahr  würde  sie  erst,  wenn  sie  Jahwe  und  dem  Guten  nachjagten. 

15,  die  vierte  Strophe:  Hasst  das  Böse  und  liebt  das  Gute  Und  schafft 
dem  Recht  Geltung  im  Thor,  Vielleicht  wird  Jahwe  gnädig  sein.  Der  Gott  der 


Am  5  15  190  Am  5  7 

Heere  dem  Reste  Josephs,  bringt  noch  einmal  mit  anderer,  durch  v.  I5^ß  noch 
zur  Verdeutlichung  erweiterter  Wendung  die  eine  Forderung  und  zugleich 
auch  die  Exposition  des  an  die  Erfüllung  der  Forderung  gebundenen  Lebens. 
Jjeben  bedeutet  Gnade  Jahwes  für  den  liest  d.  h.  für  das,  was  nach  all  den 
Kalamitäten  (4  6-ii  7  3  6)  von  Joseph  noch  übrig  geblieben  ist.  Der  Ausdruck 
Rest  Josephs  steht  nicht  im  Widerspruch  mit  dem  Luxus  der  Grossen,  die  sich 
auf  Kosten  der  Armen  bereichern,  und  mit  der  Vertrauensseligkeit  der  Politiker, 
die  bereits  den  Anbruch  einer  neuen  Zeit  zu  sehen  meinen.  "h}^  zieht 

nicht  die  Folge  des  dem  Guten  Nachjagens  in  Zweifel,  sondern  ist  vom  Pro- 
pheten gesetzt,  weil  ihm  die  Erfüllung  seiner  Forderung  hypothetisch  ist. 
Zu  y^T},  Hiph.  von  ^?;,  aufstellen,  Geltung  schaffen  (einer  Sache)  vgl.  das 
Gegenteil  T\^IT\  in  v.  7.  illS^^i  \n'?S  gehört  wie  v.  16  in  einen  anderen  Stichos 

als  niiT.  Der  Beiname  der  Gott  der  Heere,  abgekürzt  bloss  ni«5^  ('^J.'T)'  ist  in 
seiner  ursprünglichen  Bedeutung  nicht  sicher  erklärt;  Schwallt  (semit.  Kriegs- 
altertümer S.  5)  denkt  an:  „Herr  der  Kriegsdämonen".  Soviel  empfiehlt  sich 
mindestens,  darin  ein  kriegerisches  Prädikat  zu  sehen.  Zunächst  dachte  man 
an  die  Heere  Israels;  Amos  giebt  dem  Begriff  einen  andern  Inhalt  =  Gott 
aller  Mächte,  auch  z.  B.  der  assyrischen  Heere,  vgl.  Maeti  Gesch.  der  isr.  Rel.4 
139  f.  Auf  einen  Zusammenhang  mit  dem  in  Jerusalem  von  David  unter- 
gebrachten niiT  ]11«  reflektiert  Amos  nicht,  wie  Meinhold  (a.  a.  0.  58 — 61) 
vermutet. 

Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  die  vier  Strophen  eine  Klimax  bilden,  die  eine 
immer  genauere  Exposition  des  7\\7]\  ti^l'^  und  des  T\\U.  d.  h.  der  beiden  Seiten  des  Grund- 
gedankens: ^^ni  n;i,n^"niS!  =iti^1^,  giebt.  Darum  ist  der  Anstoss,  den  Yolz  und  Nowack  an  ]?to^ 
v.  14  nehmen,  nicht  berechtigt,  es  exponiert  das  einfache  )  von  vni.  Ebenso  ist  die  Ent- 
fernung von  V.  6*^  durch  Löhr  (v.  14  f.  betrachtet  er  ebenfalls  ganz  mit  Unrecht  als  Inter- 
polation) nicht  zu  billigen;  denn,  wenn  „der  Gedanke  an  eine  Abwendung  der  Katastrophe 
völlig  ausserhalb  der  Erwartung  des  Amos  gelegen  ist",  so  kann  Amos  nicht  nur  niemals 
das  Thema  VT\)  n)rt^_"nx  ^t^ii  behandelt  haben,   sondern  es  muss  ihm  auch  die  ganze  Rede 

4  4-12  mit  dem  Refrain:  und  doch  kehrtet  ihr  nicht  zu  mir  um  abgesprochen  werden.  Es 
ist  eben  ganz  was  anderes,  jemand  zu  sagen,  was  zu  seinem  Frieden  diente,  als  ihm,  wo 
man  immer  mehr  die  Erfahrung  von  seiner  radikalen  Verderbnis  macht,  eine  herrliche 
Zukunft  in  den  prächtigsten  Farben  zu  schildern  und  bestimmt  in  Aussicht  zu  stellen. 
Letzteres  hat  Amos  nie  gethan. 

10)  Gegen  die  ungerechte  Justiz  und  Bereicherung  der  Grossen  in  Israel 

5  V-13  16  17. 

Als  fremde  Bestandteile  sind  auszuscheiden  v.  8  f.  und  v.  13  (s.  die  Erklärung);  was 
übrig  bleibt,  ist  keine  vollständige  Rede,  denn  in  v.  11  (s.  dort)  klafft  eine  Lücke.  Auch 
sonst  kann  man  zweifeln,  ob  nicht  vielleicht  noch  anderes  fehlt.  Nimmt  man  den  Verlust 
in  V.  11  auf  zwei  Stichen  an,  so  erhält  man  sechs  Vierzeiler:  v.  7  und  10;  v.  IP;  v.  ll'^; 
V.  12;  V.  16^;  v.  16^  17. 

7,  die  zwei  Anfangszeilen  der  ersten  Strophe:  Sie  verkehren  das  Recht 
in  Wej'mut  Und  werfen  die  Gerechtigkeit  %u  Roden,  Das  determinierte  Partizip 
D^iDDiin  hat  die  Kraft  eines  Ausrufs  und  wird  wie  oft  (z.  B.  2  7)  mit  dem  Verbum 
finitum  fortgesetzt,  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §126b;  wegen  der  Fortsetzung  mit 
der  2.  Pers.  in  v.  ii  hat  der  Ausruf  die  Bedeutung  eines  Anrufs,  vielleicht  ist 
sogar  mit  G.  A.  Smith  ein  ^IH  einzufügen  wie  v.  is  6  i:  Weh  euch,  die  ihr  das 
Recht  in  Wermut  verkehret  etc.   Die  Justiz  sollte  wohlthuende  Arznei  für  alle 


Am  5  7  191  Am  5  10 

Scliäden  bringen  wie  einst  im  letzten  Gericht  (Mal  y)  20),  hier  bietet  sie  Gift, 
verkehrt  das  Recht  in  bitteres  Unrecht  ///  \V(trmut  mv'?,  nach  Tkistkam  (The 
Natural  History  of  the  Hil)h3  493)  eine  der  verschiedenen  Species  von  Arteniisia, 
die  alle  wegen  ihres  bitteren  Geschmackes  wohlbekitnnt  sind.  Wie  hier  steht 
Werrnul  häutig  als  Bild  für  Bitteres  und  Hchädliches,  vgl.  G  vi  Dtn  29  ih  Thr 
3  15  19  Jer  9  1 6  23  15  rrv5  4  Apk  JohB  11  (a'j;tvi'>o;);  an  der  Richtigkeit  des  Textes 
ist  daher  nicht  zu  zweifeln,  LXX  sucht  durch  gewaltsame  x^ndei'ungen  v.  7  in 
notdürftigen  Einklang  mit  v.  6  und  v.  8  zu  bringen.  Zu  |^")«b  H'^in  zu  Boden 

werben  vgl.  das  Gegenteil  :i"'?n  v.  15. 

Dass  8 f.  den  Zusammenhang  stören,  ist  allgemein  anerkannt,  fast  ebenso  allgemein, 
dass  sie  eine  Glosse  zu  Jahwe  in  v.  6  sind,  die  eine  Reihe  von  Epitheta  zu  einer  Doxo- 
losie  zusammenstellt.  Ähnlich  wie  4  13  fehlt  auch  hier  nicht  die  übliche  Marke  solcher 
Interpolationen:  1ö^  n]in^.,  s.  zu  4  13  und  vgl.  K.  J.  Grimm  Liturg.  Appendixes  in  the  O.T. 
(1901)   S.  77f.  8  preist  die  Wundermacht  Gottes   in   der  Natur:   Er  ist's,   der  die 

Plejaden  (nach  Stern  und  Hoffmann  ZATW  1883,  107:  den  Sirius)  und  den  Orio7i  schuf, 
vgl.  diese  beiden  Namen  auch  nebeneinander  Hi  9  9  38  31 ;  Und  die  Finsternis  in  den 
Morgen  vericandelt.  nio^^  ist  wohl  nicht,  wie  Jes  9  1  nach  Nöldeke  angenommen  ist,  ein 
Compositum,  sondern  wie  ni?DDn  (s.  zu  Prv  1  20)  und  ni'p^in  (s.  zu  Koh  1  17)  eine  Abstrakt- 
form (1.  niö^^)  mit  der  Plural-Endung  ni,  entspricht  also  dem  arab.  zulamät  und  bedeutet 
wie  das  lat.  tenebrae  einfach  Finsternis.  Und  den  Tag  ivieder  zur  Nacht  verfinstert. 
Der  die  Wasser  des  Meeres  herbeiruft,  die  also  seiner  Stimme  gehorchen,  vgl.  Jes  48  13 
Hi  38^4,  Und  sie  ausschüttet  auf  die  Oberfläche  der  Erde;  es  handelt  sich  hier  nicht  um 
verheerende  Überschwemmungen,  auch  nicht  um  das  Steigen  des  Nils,  den  man  nach 
Jes  19  5  in  D^^  hat  sehen  wollen;  sondern,  wie  v.  S^  Gott  den  Urheber  des  regelmässigen 
Wechsels  von  Tag  und  Nacht  nennt,  ist  hier  an  den  Wechsel  der  Jahreszeiten  gedacht: 
Gott  spendet  der  Erde  zur  rechten  Zeit  den  fruchtbringenden  Regen.  Zu  den  Vorstellungen 
über  die  Entstehung  des  Regens  vgl.  Jes  55  10  Hi  38  34-38  36  27-30.  Das  Imperf.  mit  1 
consec.  D?öti^*l  setzt  gerade  wie  das  Perf.  X^m  das  vorangehende  Partie,  fort;  letzteres  be- 
herrscht die  ihm  angelehnten  Verba  finita,  die  daher  den  Sinn  eines  griechischen  Aoristus 
erhalten:  er  hat  es  bis  jetzt  gethan,  woraus  zu  folgern  ist:  er  thut  es  immer;  vgl.  auch 
Ges.-Kautzsch27  §  111  u.  Zu  1ö^'  nj,T_  s.  Vorbem.  zu  v.  8f.;   vgl.  noch  die  Wieder- 

holung von  V.  8^  in  9  6.  9   erinnert  an  das  Walten  Gottes  in  der  Geschichte,  vgl. 

Gott  in  Natur  und  Geschichte  Jes  40  20-24.  Der  hebräische  Text  ist  verderbt;  nach  LXX 
&  öiaipü)V  auvxpifJLixöv  ItzX  loyß^ ,  xal  TaXaiTTwptav  eiri  6^upoj[xa  lizä.^fst^  hat  man  für  das 
eine  1t2^  vielmehr  nn^  und  für  «in;  das  Hiph.  «"»n;  zu  lesen,  weiter  deutet  ihr  öiatpÄv  =  :i>>5ö 
darauf,  dass  sie  noch  ein  ö  und  nicht  n  als  dritten  Buchstaben  der  Zeile  las.  Darnach  ist 
etwa  als  ursprünglicher  Text  zu  vermuten:  «^n;  n^nD-'py  11^1  ])l'bv  ItJ^  b^£^n  Er  isfs,  der 
Zerstörung  über  Bürgert  hereinbrechen  lässt  Und  Ruin  über  feste  Flätze  herbeiführt.  Zu 
hv  'p^ön  vgl.  Jer  15  8;  eventuell  ist  mit  Ookt  zu  lesen:  «^bööH  =  der  wunderbare  Zerstörung 
bringt  über  die  Burgen,  vgl.  Dtn  28  59.  Zu  nli^  neben  nn^  vgl.  Jes  51  19  59  7  60  18  Jer  48  3 
und  zu  der  Pausalform  ty  von  \'V  vgl.  Gen  49  3  und  Ges.-Kautszch27  §  29 u.  Grössere 

Änderungen  erfordert  die  Emendation  von  Elhorst:  )V'bv  n^  'j'^^ön  der  den  Niedrigen  er- 
höht über  den  Starken,  und  n^  und  tj?^  sind  keine  guten  Gegensätze.  Noch  weniger  empfiehlt 
sich  der  Vorschlag  vonHoFFMANN:  „Der  da  aufgehen  lässt  (=  J'^!lön  in  der  unerweislichen 
Bedeutung:  aufblitzen  lassen)  den  Taurus  (1.  ntJ^)  nach  der  Capella  (1.  tr)  und  den  Taurus 
nach  dem  Vindemiator  (1.  "i^^^)  untergehen  lässt"  («"^n;),  da,  wie  Wellh.  hervorhebt,  diese 
Aussage  doch  nach  v.  8  nicht  paradox  genug,  auch  an  dem  Aufgang  und  Untergang  dieser 
Sterne  in  verschiedenen  Monaten  nichts  Merkwürdiges  ist  und  die  griechischen  Übersetzer 
sowenig  wie  die  Punktatoren  hier  Sternnamen  erkannt  haben. 

10,  Fortsetzung  von  v.  7,  Schluss  der  ersten  Strophe:  Sie  hassen  im  Thor 
(1.  i.  im  Gericht,  weil  dasselbe  auf  dem  Thorplatz  gehalten  wird,    den,   der 


Am  5  10  192  Am  5  12 

Beweise  erbringt.  Und  verabscheuen  den  Fürsprech  des  Schuldlosen,   n^'DlD  ist 

einer,  der  seine  Anklage  mit  Beweisen  rechtfertigt  und  dem  Gegner  das  Un- 
recht aufdeckt;  D^pri  in'l  ist  der  Sprecher,  der  Anwalt  des  Unschuldigen.  Die 
beiden  Zeilen  sind  die  beste  i^'ortsetzung  und  Exposition  von  v.  7 :  Das  Recht 
ist  diesen  Richtern  Nebensache,  darum  sind  ihnen  klare  Beweise  des  Anklägers 
oder  des  Verteidigers  verhasst. 

ir^*  (bis  ^il2p),  der  Rest  (zwei  Zeilen)  der  zweiten  Strophe:  Darum  weil 
ihr  den  Geringen  mit  Füssen  tretet  Und  Kornabgaben  von  ihm  erhebl.  Was 
folgt,  ist  nicht  unmittelbare  Portsetzung:  Bau  von  Quadersteinhäusern  und 
Vertreibung  aus  denselben  schliessen  nach  Inhalt  und  Form  sehr  hart  an  y.  ii^* 
an;  darum  ist  der  Ausfall  von  zwei  Zeilen  zu  vermuten,  die  den  Übergang  zu 
Y.  w"^^  herstellten.  Wie  die  Zusammenfassung  in  y.  ii^*  zeigt,  ist  die  Sünde  der 
Israeliten  die  Bedrückung  und  Ausbeutung  der  armen  Fellachen,  die  der  vor- 
nehmen Herrschaft  grosse  Teile  des  geernteten  Kornes  (15)  als  Abgabe  (n«'^??, 
stat.  constr.  von  HJSli^D)  abzuliefern  hatten;  ein  Symptom  davon  ist  die  unge- 
rechte Rechtspflege,  die  y.  7  und  y.  lo  hervorhoben.  Für  D?p^'D  lies  mit  Wellh. 
DDp12  (nicht:  D^DIS),  s.  Ges.-Kautzsch2  7  §  61e;  ähnliche  Fälle  der  Beibehal- 
tung des  zu  korrigierenden  ^  neben  der  Korrektur  D  sind  D'^D^^Di  Neh  7  52  und 
^DÜ^Dj;  Neh  11  13,  s.  zu  Esr  2  oo  (zum  Text). 

Il^i^^,  die  dritte  Strophe:  Häuser  aus  Quadersteinen  habt  ihr  gebaut, 
Aber  ihr  werdet  nicht  darin  wohnen;  Reizende  Weinberge  habt  ihr  angelegt. 
Aber  den  Wein  daraus  bekommt  ihr  nicht  zu  trinken.  Die  Erpressung  gab 
den  Grossen  die  Mittel,  an  Stelle  der  gewöhnlichen  Lehmhäuser  schöne  feste 
Häuser  aus  Quadersteinen  zu  bauen  (vgl.  auch  Jes  9  9) ;  Steinbauten  scheinen 
eine  Neuerung  jener  Zeit  gewesen  zu  sein,  doch  soll  ihnen  der  Luxus  der  neuen 
Kultur  nichts  nützen,  sowenig  als  die  Anlage  von  reizenden  Weinbergen  (s.  zu 
Jes  27  2).  Ahnliche  Drohungen  s.  Dtn  28  30  Mch  6  15  Zph  1  13  und  vgl.  dazu 
Am  9  14  Jes  65  21. 

12,  die  vierte  Strophe,  giebt  nochmals  die  Rechtfertigung  des  eben  ge- 
fällten Urteils:  Denn  ich  weiss,  wie  viel  eure  Frevel  Und  wie  zahlreich  eure 
Sünden  sind  (1.  mit  Wellh.  D5^Stpn  wegen  des  maskulinen  D'^DI^i^,  vgl.  Jes  1 18), 
Ihr  vergewaltigt  den  Gerechten,  nehmt  Bestechung  an.  Und  weist  die  A?ynen 
ab  im  Gericht.  Die  beiden  Sätze:  ü^W^  Q'?*l  und  DD"^«!^!!  ü^r^TJ  sind  das  Ob- 
jekt von  "'nyn^^;  freier  schliessen  sich  daran  die  Partizipien  in  y.  12^  mit  ihrer 
Fortsetzung  im  Verbum  finitum:  sie  bilden  einen  Ausruf  wie  v.  7  (s.  dort),  ob 
wir  ihn  als  direkte  Anrede  fassen  oder  nicht.  ^IDä  ist  das  Lösegeld,  das 

unter  Umständen  an  Stelle  der  Todesstrafe  auferlegt  werden  kann,  s.  Ex  21  30. 
Es  giebt  aber  Fälle,  wo  ein  "IDä  nicht  angenommen  werden  darf  Num  35  31; 
das  hindert  jedoch  die  käuflichen  Richter  nicht,  von  einem  reichen  Mörder 
„Lösegeld"  anzunehmen,  also  durch  Geld  sich  zur  Umgehung  der  gesetz- 
lichen Strafe  bestechen  zu  lassen.  Mit  diesem  gefälligen  Verfahren  gegen  die 
Reichen  stimmt  das  Verhalten  dem  Armen  gegenüber,  der  mit  seiner  Klage 
abgewiesen  wird  (Htsn  =  abweisen,  wegstossen,  sodass  er  nicht  Recht  erhält, 
vgl.  Jes  10  2  Ps  27  9);  das  leitende  Motiv  ist  immer  dasselbe:  die  Habsucht. 
Vgl.  zur  Sache  auch  2  6  f.  3  9  f. 


Am  5  13  193  Am  5  17 

13  Darum  wer  m  jener  Zeit  Jdur/  ist,  vnrd  schweigen;  denn  es  wird  böse  Zeit  sein. 
Dieser  Vers  trägt  alle  Zeichen  einer  Interpolation  an  sich.  Mit  jD^  beginnt  sonst  Amos 
die  Ankündigung  der  Strafe  (vgl.  z.  B.  v.  11  16  )5  11  6  7),  hier  dagegen  leitet  es  eine  sehr 
beiläufige  Bemerkung  ein,  die  sich  noch  dazu  im  Munde  des  l*ropheten  Amos  sehr  wenig 
empfehlen  dürfte,  abgesehen  davon,  dass  die  nachträgliche  Begründung:  „es  ist  böse  Zeit" 
nach  den  vorausgegangenen  Schilderungen  ausserordentlich  matt  und  überflüssig  ist.  l^enn 
Amos  selber  hat  sich  ja  nicht  weise  gezeigt,  er  ist  nicht  bei  seiner  Herde  geblieben,  sondern 
hat  laut  in  Bethel  seine  Stimme  erhoben.  Er  ist  mit  nichten  ein  Befürworter  der  neuer- 
dings aufgekommenen  Variation:  „Wer  die  Wahrheit  kennet  und  saget  sie  kühn,  der  ist 
fürwahr  doch  noch  fürchterlich  grün."  Aber  der  ganze  Vers  fasst  nicht  die  Gegenwart  ins 
Auge,  die  Arnos  v.  12  schildert,  sondern  jene  Zeit  d.  h.  die  Zeit  des  Gerichts,  auf  welche 
derinterpolator  nicht  nur  die  Drohungen  des  Propheten,  sondern  auch  seine  Schilderungen 
der  Gegenwart  deutete,  weshalb  auch  «\"i  nyn  nv  "'S  futurisch  zu  fassen  ist,  vgl.  Mch  2  3. 
Die  beliebte  Übersetzung  „in  solcher  Zeit"  ist  eine  unberechtigte  Abschwächung,  die 
Sach  8  6  9  10  (s.  dort)  in  keiner  Weise  befürworten.  Die  Bemerkung  passt  daher  viel- 
mehr in  den  Mund  eines  späteren  Lesers,  der  Zeiten  erlebte,  wo  die  Abtrünnigen  das 
grosse  Wort  führten  und  die  Frommen  schweigen  mussten,  und  der  in  diesen  Nöten  die 
Wehen  der  messianischen  Zeit  erblickte.  Man  denke  an  die  Zeiten  Maleachis  (vgl.  z.  B. 
Mal  3  13-21)  und  Tritojesajas  (z.  B.  Jes  57  1  63  18)  oder  der  syrischen  Verfolgung.  In 
alter  Zeit  war  man  überhaupt  noch  nicht  so  klug,  wie  denn  das  Verbum  ^^3^n  erst  in 
späterer  Zeit  ein  Lieblingswort  der  Juden  geworden  ist.  Der  Vers  ist  somit  nicht  „nur 
eine  beiläufige  Bemerkung"  (Wellh.),  sondern  eine  offenbare  Glosse. 

<    Über  14  15  s.  oben  nach  v.  6. 

16%  die  fünfte  Strophe,  schliesst  mit  ]?b,  das  nicht  das  ]2h  von  v.  13, 
sondern  von  v.  ii  wieder  aufnimmt,  gut  an  y.  12  an;  der  Grösse  der  Sünde  ent- 
spricht die  Gewalt  des  Gerichtes:  Damm  so  spricht  Jahwe  Der  Gott  der  Heere, 
der  Herr:  Auf  allen  Plät%en  [ertönt)  Klage  Und  auf  allen  Gassen  ruft  man: 
weh,  iveh!  Es  ist  ein  nationales  Unglück,  das  Israel  betrifft,  darum  auch  eine 
nationale  Trauer  auf  allen  Strassen  und  öffentlichen  Plätzen,  vgl.  Jes  15  3. 
irrin  ist  offenbar  der  übliche  Laut  der  Klage,  vgl.  das  ?/  hü,  ü  hü  im  modernen 
syrischen  Dialekt  von  Urmia  (Socin)  und  unser  oh,  oh!  Im  Hebräischen  ist 
sonst  Mn  das  gewöhnliche,  vgl.  Jer  22  18. 

16'^  17,  die  sechste  Strophe:  Man  ruft  den  Feldarb  euer  zur  Trauer 
herbei  Und  %ur  Klage  die  Totenliedkundigen.  Und  in  allen  Weinbergen  (er- 
tönt) Klage,  Wenn  ich  durch  deine  Mitte  ziehe.  Für  'h^  n?Dp^  ist  zu  lesen  'b^\ 
nöpö.  Bei  dem  allgemeinen  Unglück  werden  alle  zur  Klage  gerufen:  der 
Ackersmann,  der  draussen  das  Feld  bestellt,  wie  der,  der  ein  Totenkläger  von 
Profession  ist,  also  solche,  die  der  Totenklage  kundig,  wie  die,  die  derselben 
unkundig  sind.  Sonst  sind  es  Klageweiber,  von  denen  wir  hören,  ni^ripD  und 
niD^n  Jer  9  16;  aber  auch  die  Höllenfahrt  der  Istar  spricht  von  Klagemännern 
neben  den  Klageweibern  und  Mt  9  23,  wie  Josephus  bell.  jud.  III  9,  5  kennt 
aoXTjxai  bei  der  Totenklage.  17  Selbst  da,  wo  sonst  Jubel  und  Freude 

herrschen,  ist  dann  Trauer  eingekehrt  und  kann  die  Totenklage  nicht  ver- 
stummen. Die  Weinlese  war  sonst  die  fröhlichste  Zeit  des  Jahres,  vgl.  Jdc  9  27, 
aber  dann  kann  auch  dort  keine  Freude  mehr  aufkommen,  vgl.  Jes  16  10. 
Kurz  und  schlagend  giebt  die  letzte  Zeile  an,  wer  das  schreckliche  Unglück 
über  Israel  bringt:  Jahwe  ist  es,  der  wie  einst  unter  die  Ägypter,  jetzt  unter 
das  eigene  Volk  fährt  und  als  ein  Zerstörer  mitten  durch  dasselbe  zieht,  vgl. 

Kurzer  HC  zum  AT  XIIT  l-^ 


Am  5  17  194  Am  5  18 

zu  S  "\2V  Ex  12  12.  Die  abschliessende  Formel  nin*^  "löS  steht  ausserhalb 

des  strophischen  Schemas,  s.  zu  1  3. 

11)  Der  Tag  Jahwes,  ein  Tag  des  Unglücks  für  die  Israeliten  trotz  ihrem 

eifrigen  Kultns  5  i8-^y. 

Die  Rede  beginnt  mit  einem  Wehe  Oin),  wie  die  folgende  6  1  und  vielleiclit  auch 
die  vorhergehende  (s.  zu  5  7).  Sie  richtet  sich  gegen  die  Illusion,  die  im  Vertrauen  auf 
die  Jahwe  mit  Eifer  gefeierten  Feste  nur  eine  licht-  und  glanzvolle  Zukunft  vor  sich  sieht. 
Man  erkennt  aus  der  wiederholten  Behandlung  dieses  Themas  (s.  3  1  2  5  4  ff.),  wie  tief  dieser 
Wahn  bei  den  Israeliten  sass,  aber  auch,  wie  fest  der  Prophet  von  Jahwes  Forderung 
überzeugt  war:  Nicht  Kultus,  sondern  Recht  und  Gerechtigkeit.  Dies  verdient  besonders 
hervorgehoben  zu  werden,  w^eil  unser  Abschnitt  die  erste  jener  Prophetenstellen  ist,  welche 
den  Kultus  verwerfen,  vgl.  Hos  6  6  Jes  1  10-17  Mch  6  6-8  Jer  7  21  f.  Der  Text  ist 

auch  in  diesem  Stücke  nicht  ganz  intakt  überliefert,  doch  lassen  sich  die  vier  ersten  Tetra- 
sticha  mit  Sicherheit  noch  feststellen;  dagegen  erscheint  die  fünfte  Strophe  (v.  25)  un- 
vollständig und  der  Schluss  überhaupt  durch  Zusätze  erweitert,  s.  die  Erklärung. 

Die  erste  Strophe  18  4-  20'^*  Weh  deiien^  die  sich  den  Tag  Jahwes  herbei- 
wünschen! Wozu  denn  (hilft)  euch  der  Tag  Jahwes?  Er  ist  Finsteimis  und 
nicht  Licht  Und  Dunkel  und  ohne  Glan%.  Die  Heraufnahme  von  v.  20^  empfiehlt 
sich  von  selbst:  sie  vervollständigt  aufs  beste  die  Strophe  v.  18  und  entfernt  die 
Störung  des  Zusammenhangs,  der  doch  v.  20  unmittelbar  nach  v.  I8  verlangt. 
Natürlich  ist  v.  20^  nichts  anderes  als  eine  Glosse  mit  einer  Variante  zu  v.  3  8''^, 
die  bei  ihrer  Versetzung  in  den  laufenden  Text  auch  die  vierte  Zeile  v.  20^  an 
den  unrichtigen  Platz  mitgezogen  hat.  Die  kategorische  Fassung  '^"7^  "^I^n'S'in 
IIS  Y.  18  ist  kräftiger  und  daher  der  rhetorischen  Frage  U1  ^^'St  v.  20  vorzuziehen. 
MH  ist  auch  bei  Jesaja  beliebt  als  Einführung  einer  Gerichtsandrohung,  vgl. 
Jes  5  8  11  18  20  21  22.  Der  Tag  Jahives^  der  hier  zum  erstenmal  erscheint, 

ist  ein  Ausdruck,  den  nicht  erst  der  Prophet  Amos  geprägt  hat.  Er  ist  dem 
Volke  wohlbekannt,  hat  aber  durch  Amos  einen  anderen  Inhalt  bekommen  und 
von  da  an  in  der  Religionsgeschichte  eine  wichtige  Bedeutung  behalten.  Nach 
der  Auffassung  des  Volkes  war  der  Tag  Jahwes  ein  Sieges-  und  Freudentag 
Israels,  ein  Tag,  da  Jahwe  zu  Gunsten  seines  Volkes  einschreitet,  etwa  wie 
einst  in  Ägypten  (vgl.  die  Anspielung  in  v.  17)  oder  wie  bei  den  Siegen  über  die 
Kanaaniter  oder  den  grossen  Schlachttagen,  da  David  die  Feinde  zer- 
schmetterte. Einen  solchen  Tag  des  Heils  erwarten  die  Israeliten  von  der  Zu- 
kunft; diese  Hoffnung  beruht  bei  ihnen  auf  dem  Glauben,  dass  Jahwes  Macht 
siegt  und  Jahwe  nur  auf  ihrer  Seite  stehen  kann,  weil  sie  es  ja  an  seinem  Kultus 
nicht  fehlen  lassen.  Auch  für  den  Propheten  ist  der  Tag  Jahwes  ein  Sieg 
Jahwes;  aber  Jahwe,  den  der  Prophet  weit  besser  kennt,  siegt,  wenn  er  das 
Gericht  vollstreckt  an  seinem  Volke,  das  sich  gegen  seine  Grundforderungen 
von  Recht  und  Sittlichkeit  vergangen  hat  und  von  diesen  nichts  wissen  will. 
Weil  das  Wesen  der  Religion  bei  den  Propheten  Übung  der  Sittlichkeit  ist, 
hat  der  Tag  Jahwes  bei  ihnen  einen  ganz  anderen  Inhalt  als  in  der  Auffassung 
des  Volkes,  das  im  Kultus  seine  religiösen  Pflichten  erfüllt  glaubt.  Vgl.  hiezu 
weiter  meine  Gesch.  der  Israelit.  Rel.^  S  40  S.  180—186.  Zu  DD^  nrnöb 

O  VT  ••■  T     T 

7V\7\\  DV  =  warum  denn  liegt  euch  so  sehr  am  Tage  Jahtves?  vgl.  Gen  27  46. 
Licht  und  Finsternis  sind  sehr  häufig  gebrauchte  Bilder  für  Glück  und  Un- 
glück; vgl.  auch  Jo  2  2  4  14. 


Am  5  19  195  Am  5  23 

Die  zweite  Stroplie  19  hobt  liervor,  wie  unmöglich  es  ist,  dem  Unglück 
am  Tage  Jahwes  zu  entrinnen:  Wie  v)enn  einer  vor  einem  Löwen  sich  ßücfUel 
Und  es  fällt  ihn  ein  Bär  an  Oder  er  Iritt  ins  Haus  und  lehnt  seine  Hand  an 
die  Wand  Und  es  beisst  ihn  eine  Schlange.  ^^^^  leitet  einen  Nominalsatz  ein 
und  hat  den  Sinn:  Es  geht  euch  gerade  wie  wenn  etc.  Zu  der  Determination 
von  ''INH,  y^T\  und  tt^niH  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  126 r.  Nach  sprichwörtlichen 
Redensarten  (vgl.  A.  Socin,  Arab.  Sprichw.  u.  Redensarten.  Progr.  der  Uni- 
versität Tübingen  1878.  No.  148:  Er  floh  vor  dem  Bären,  da  fiel  er  in  die  Oi- 
sterne)  schildert  der  Prophet,  wie  das  Verderben  am  Tage  Jahwes  jeden  ereilt, 
auch  den,  der  der  ersten,  ja  selbst  der  zweiten  Gefahr  entronnen  und  in  seinem 
Hause  sicher  geborgen  zu  sein  meint.  Der  Vers  ist  nicht  als  eine  Reihe 
zu  fassen,  sondern  besagt,  dass  wer  auch  der  ersten  Gefahr  entrinnt,  in  der 
zweiten  umkommt  oder  falls  er  auch  aus  dieser  sich  retten  kann,  sicher  in  der 
dritten  fällt. 

20  a  ist  Glosse  zu  v.  is^P;  s.  hierüber  wie  über  y.  20^  zu  v.  18. 

In  der  dritten  Strophe  21  22  spricht  Jahwe  selber  das  Urteil  über  den 
Kultus,  auf  den  die  Israeliten  sich  verlassen,  und  zeigt  so  die  ganze  Haltlosig- 
keit ihres  Wahnes  in  eindrücklichster  Weise:  Ich  hasse ^  ja  verabscheue  eure 
Feste  Und  mag  an  eure  Feiertage  nicht  riechen  Und  eure  Opfergaben  begehre 
ich' nicht  Und  das  Opfermahl  von  euren  Mastkälbern  sehe  ich  nicht  an.  ''S 

m^V  "^^"^'^JlP'Öi:^  V.  22**  sticht  sehr  von  seiner  Umgebung  ab:  ni'pj;  hat  kein  Suffix 
und  der  ganze  Vordersatz  keinen  Nachsatz;  auch  versteht  sich  das  Darbringen 
von  selber.  Am  besten  schaltet  man  dieses  Sätzchen  mit  Dühm  aus;  es  wird 
die  Glosse  eines  weisen  Lesers  sein,  dem  in  einer  Aufzählung  von  Opfern  die 
r!\h)i  nicht  fehlen  durften.  Zu  dieser  Verwerfung  der  Opfer  vgl.  den  ähn- 

lich lautenden  Abschnitt  Jes  1  11-u.  Die  Klimax  ich  hasse ,  ja  verabscheue 
zeigt  den  erregten  Ernst  des  Propheten.  HH  nennt  man  das  Fest,  weil  es  mit 
Umzügen  und  Tanz  gefeiert  wird;  T\y^t  hat  hier  noch  den  allgemeineren  Sinn 
von  Festversammlung,  Festfeier  überhaupt,  wie  Jes  1  13  (s.  dort).  Zu 

?  D'^^n  vgl.  Lev  26  31  Jes  11  3.  22  HHi)?,  später  term.  techn.  für  vege- 

tabilisches Opfer,  ist  der  allgemeinste  Ausdruck  für  jedes  Opfer  =  Gabe,  s. 
Jes  1  13.  D^l^,  das  nur  hier  im  Sing,  gebraucht  ist,  bedeutet  das  mit  einem 

Opfermahl  verbundene  Schlachtopfer,  vgl.  zu  Ex  20  24 ;  die  D'^i;^*'"!»  Mastkälber 
sind  auch  Jes  1  11  beim  Opfer  erwähnt. 

Die  vierte  Strophe  23  24:  Ebenso  verhasst  ist  Jahwe  der  die  Opferfeste 
begleitende  Lärm  der  Musik  und  Gesänge;  was  er  fordert,  ist  Recht  und  Ge- 
rechtigkeit. 23  Fort  von  mir  mit  dem  Lärm  eurer  Lieder  Und  das  Spiel 
eurer  Harfen  mag  ich  nicht  hören.  Nach  y.  21  f.  1.  DD'^T^  und  Q^^^l?!  Es  fehlte 
also  ganz  natürlich  beim  Opferfeste  nicht  an  Sang  und  Klang,  an  Lied  und 
Spiel,  vgl.  auch  8  10  Ex  32  6  17-19.  Dass  diese  Musik  ganz  anderer  Art  war  als 
die  spätere  Tempelmusik  und  keine  geistlichen  Lieder  wie  die  Psalmen  ge- 
sungen wurden,  ist  von  selbst  klar  und  ergiebt  sich  auch  aus  unserer  Stelle; 
die  antike  Religion  hatte  einen  heiteren  Charakter,  einen  anderen,  als  den,  den 
wir  aus  der  Chronik  für  die  Gemeinde  des  zweiten  Tempels  kennen  lernen,  vgl. 

Smtth-Stübe  Rel.  der  Sem.  200 — 202  und  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.^  105  231. 

ja*    , 


Am  6  23  196  Am  5  26 

'>'?;;p  wörtlich:  von  auf  mir  =  weil  es  mir  lästig  ist,  vgl.  Jes  l  u.  'piji,  viell. 

das  ägypt.  nefer  Erman  Ägypten  343,  ist  ein  Saiteninstrument,  wahrscheinlich 
die  Ilarfe^  vgl.  Benzinger  Archäol.  275 f.  24  Es  ßute  vielmehr  wie  Wasser 
das  Recht  daher  Und  Gerechtigkeit  wie  ein  nie  versiegender  Bach!  Das  \  bindet 
diese  Forderung  (^^l  ist  als  Jussiv  Niph.  von  ^bj  zu  fassen)  an  die  von  v.  23, 
nach  dem  Inhalt  hat  es  den  Sinn  des  Gegensatzes  =  vielmehr^  aber.  Damit 
ist  auch  die  Fassung  abgewiesen,  die  gegen  den  sonstigen  G  ebrauch  von  tDöC^I? 
und  nj^n^i  in  der  Bedeutung  von  Recht  und  Gerechtigkeit,  die  die  Israeliten 
üben  sollen  (vgl.  5  7  15  6  12),  darunter  das  Gericht  und  die  strafende  Gerechtig- 
keit, die  Jahwe  vollstrecken  werde,  verstehen  will.  Der  Sinn  ist  offenbar  der: 
Ununterbrochen,  wie  sich  die  Fluten  eines  ]iT^  ^HJ  d.  h.  eines  niemals,  auch 
im  Sommer  nicht  versiegenden  Baches  mit  derselben  Stetigkeit  daherwälzen, 
soll  in  Israel  Recht  und  Gerechtigkeit  geübt  werden;  ganz  ebenso  schliesst 
auch  Jes  1  lef.  seine  parallele  Rede  gegen  den  Opferkult  ab,  vgl.  auch  noch 
Jes  48  18. 

In  25  ist  noch  der  Anfang  einer  fünften  Strophe  erhalten:  Habt  ihr 
mir  denn  Schlachtopfer  gebracht  In  der  Wüste,  ihr  Israeliten?  Durch  den 
Singular  verrät  sich  nn^jp^i  als  eingeschoben  und  zwar  zu  dem  gleichen  Zwecke, 
wie  V.  22^='  in  den  Text  geraten  ist  (s.  zu  v.  22).  Für  den  Interpolator  durfte 
neben  dem  Schlachtopfer  das  Speisopfer,  was  für  ihn  nnil?  bedeutet,  nicht 
fehlen.  Ebenso  scheint  das  gelehrte,  hier  unnötige  HJ^  Q^^y^l^  ^^st  nachträg- 
lich w^ie  der  ganze  Vers  2  10  in  den  Text  geraten,  obwohl  Amos  die  Tradition 
von  dem  vierzigjährigen  Aufenthalt  in  der  Wüste  schon  gekannt  haben  mag; 
denn  es  kann  hier  nur  stören,  wenn  die  opferlose  Verehrung  Jahwes  genau 
auf  vierzig  Jahre  eingeschränkt  wird.  Die  rhetorische  Frage  hebt  es  stark  als 
allgemein  zugestandene  Thatsache  hervor,  dass  die  Israeliten  vor  dem  Eintritt 
in  das  Kulturland  Kanaan  Jahwe  nicht  zu  opfern  pflegten;  denn  die  Antwort 
kann  nur  lauten :  Nein!  Opfer  (darauf  liegt  der  Nachdruck,  nicht  etwa  auf 
"h'^  darum  steht  auch  Q'^H^I  mit  der  Fragepartikel  voran)  habt  ihr  mir  nicht  ge- 
bracht. Dazu  ist  nach  dem  ganzen  Tenor  der  Rede  zu  ergänzen:  und  doch  war 
jene  Zeit  des  Aufenthalts  in  der  Wüste  die  goldene  Zeit  eines  ungetrübten 
Verhältnisses  zwischen  Jahwe  und  seinem  Volke.  Vgl.  zu  diesem  Urteil  der 
Propheten  Jer  2  2,  sowie  auch  Jes  2  7.  Der  Vers,  der  die  alte  Beduinenreligion 
Israels  durch  die  Bauernreligion  des  Kulturlandes  verdorben  erklärt,  ist  von 
grösster  Wichtigkeit  für  die  Geschichte  der  israelitischen  Religion,  aber  auch 
für  die  Frage  nach  der  Entstehungszeit  des  Priesterkodex,-  der  gerade  die 
Kultusgesetzgebung  auf  Mose  und  den  Sinai  zurückführt;  von  einem  solchen 
Gesetzbuch  kann  Amos  keine  Ahnung  gehabt  haben,  wie  auch  Jeremia  noch 
nichts  davon  weiss,  vgl.  Jer  7  21  f. 

Über  26  gehen  die  Ansichten  weit  auseinander.  Die  Schwierigkeit  liegt  haupt- 
sächlich in  der  Fassung  von  ont^b^il;  denn  es  fragt  sich,  ob  es  als  Fortsetzung  von  Dri^^T 
v.  25  präterital  oder  wie  ''H^'^f^T  v.  27  futurisch  zu  verstehen  ist.  Die  Befürworter  der 
präteritalen  Bedeutung  bleiben  nun  aber  nicht  bei  der  geraden  Fortsetzung  als  Weiter- 
führung der  Frage  von  v.  25  stehen:  Und  habt  ihr  getragen  etc.,  was  besagen  würde,  dass 
die  Israeliten  in  vorkanaan'äischer  Zeit  nicht  wie  jetzt  Götzendienst  getrieben  hätten; 
sondern  sie  nehmen  eine  Fortsetzung  gegensätzlicher  Art  an:  vielmehr  habt  ihr  getragen  etc. 


Am  5  26  197 


.m  o  2i 


und  finden  darin  die  Aussap^e,  dass  die  Israeliten  in  der  Wüste  dem  Götzendienst  gehuldigt 
haben  (so  Hrrzia  u.  a.).  Eine  solche  Konstruktion  ist  höchst  fraglich,  es  wäre  dann  doch 
ratsamer,  mit  Buddk  (Rel.  des  V.  Isr.  bis  zur  Verbannung  (52  7J)  für  Dn^ti'i^  gerade  'i  t^hr\ 
habt  ihr  nicht  getragen  zu  lesen.  Aber  in  unseren  Zusammenhang  passt  eine  solche  Aus- 
sage in  keiner  Weise.  Denn  wenn  man  am  Ende  noch  mit  falscher  Betonung  des  ^b  statt 
D'nnj  in  v.  25  eine  Verbindung  von  v.  26  mit  v.  25  konstruieren  könnte:  Die  Opfer  in  der 
Wüste  galten  nicht  mir,  sondern  andern  Göttern,  wie  sollte  ein  solcher  Gedanke  einen 
Platz  in  der  Rede  finden,  die  die  Nutzlosigkeit  des  Jahwe  dargebrachten  Kultus  beweist? 
Übrigens  tragen  die  genannten  Gottheiten  babylonisch-assyrische  Namen;  wie  sollten  in 
alter  Zeit  diese  Götter  bei  einem  Nomadenvolk  Aufnahme  gefunden  haben?  Wenn  die 
Tell-el-Amarnabriefe  ein  Bit-Ninib  (Ninib  =  Saturn  =  Kewan)  im  Gebiete  von  Jerusalem 
nennen,  so  ist  das  im  Kulturlande  Kanaan  viel  eher  verständlich.  Ebensowenig  be- 

friedigt die  von  Ewald,  Schrader,  Orelli,  Driver,  Oettli  u.  a.  vertretene  futurische  Fas- 
sung: So  werdet  ihr  denn  davontragen  etc.  Gemeint  soll  damit  sein,  dass  die  Israeliten  die 
von  ihnen  jetzt  verehrten  Götter  bald  mit  sich  ins  Exil  nehmen  werden.  Aber  sonst 
werden  die  Götter  der  Besiegten  von  den  Siegern  selber  als  Trophäen  weggeführt  Hos  10  5 
Jes  46  2  Jer  48  7  49  3  (s.  Hitzig,  Wellh.),  sonderbarer  Weise  hätten  hier  noch  die  Be- 
siegten und  die  Sieger  (Assyrer  s.  zu  v.  27)  dieselben  Götter,  und  endlich  wirft  Amos  seinen 
Zeitgenossen  niemals  Götzendienst,  sondern  nur  übertriebenen  Jahwekultus  vor;  wenn  sie 
jedoch  wirklich  auch  Götzendiener  gewesen  wären,  dann  wäre  doch  dies  das  schlagendste 
Argument  gegen  ihre  Hoffnung  auf  den  Tag  Jahwes  gewesen  und  hätte  nicht  nur  so 
nebenbei  Erwähnung  gefunden  (s.  Steiner,  Wellh.,  Nowack).  Da  also  v.  26  nach 

keifier  Deutung  in  den  ursprünglichen  Zusammenhang  passt,  ist  er  mit  Wellh.,  Cheyne, 
Nowack,  Löhr,  Meinhold  als  Einschub  zu  betrachten,  und  zwar  wird  darin  eine  Anspielung 
auf  die  späteren  Bewohner  Nordisraels  zu  sehen  sein,  die  nach  der  Deportation  der  Israeliten 
und  der  Ansiedlung  fremder  Völkerschaften  Jahwe  und  assyrisch-babylonische  Gottheiten 
(darunter  einen  ni3D)  verehrten,  vgl.  II  Reg  17  28-34.  Der  Interpolator  wollte  mit  v.  26 
wirklich  die  gerade  Fortsetzung  von  v.  25  als  Frage  geben:  Haben  die  Israeliten  in  der 
Wüste  auch  gleichzeitig  Jahwe  und  den  Götzen  geopfert?  «'^i  ist  vom  ümhertragen  in 
der  Prozession  zu  verstehen,  s.  Jer  10  5;  vgl.  die  assyr.  Abbildung  einer  solchen  Prozession 
bei  Friedr.  Delitzsch  Babel  und  Bibel  S.  20.  ni3D  und  l^D  sind  nicht  Appellativa 

=  Schrein  und  Gestell,  sondern  wirkliche  Götternamen;  auch  die  Masora  fasst  sie  als  solche, 
denn  sie  vokalisiert  sie  mit  den  Vokalen  von  yip^  =  Götze ,  wie  sie  andere  Namen  durch 
die  Vokale  von  n^2  Schande  verunstaltete  (z.  B.  "^j^ta  s.  zu  Jes  30  33).  n^Sp  und  ]y^  (so  wird 
zu  punktieren  sein)  sind  assyrisch-babylonische  Götternamen,  das  erste :  Sakkut  (vgl.  auch 
II  Reg  17  30  min  niDD)  ist  Beiname  des  Gottes  Ninib(?)- Saturn,  das  zweite:  Kevan  ist 
Kaivänu  (LXX  hat  Taicpav,  aus  Katcpav  verdorben),  der  Gott  Saturn ;  Sakkut  und  Kaivänu 
erscheinen  nebeneinander  wie  hier  in  assyrischem  Texte,  vgl.  Zimmern  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  Babyl.  Relig.  S.  10,  s.  auch  Encycl.  Bibl.  Artikel  Chiun.  Auf  eine  Gestirngottheit  weist 
auch  DD\n^x  n?13  der  Stern  eures  Gottes  hin ,  das  in  LXX  richtiger  bei  ]]''^  steht.  Wahr- 
scheinlich ist  aber  mit  Wellh.  D^N^'b«  unmittelbar  nach  1^5,  entsprechend  D?3^ö  nach  n^2p, 
zu  setzen  und  3312  als  Glosse  zu  ];^3,  vielleicht  auch  Dp*"»^^*  als  Glosse  zu  D?'n'^i<  (doch 
kommt  nach  Zimmern  Sahnu  als  Name  des  Kewän  vor,  KAT3  475),  zu  entfernen,  also  ur- 
sprünglich zu  lesen:  und  habt  ihr  zugleich  euren  König  Sakkut  (euren  Sakkut-jnelek,  vgl. 
Adar-melek  II  Reg  17  31)  U7id  euren  Gott  Keivan,  die  ihr  euch  gemacht  habt,  in  Prozession 
umhergetragen?  Vgl.  zu  v.  26  Schrader  StK  1874,  324—332;  KAT2  442;  KATs  409f.; 

Cheyne  Expositor,  Jan.  1897,  42—44;  Winckler  Mitteil,  der  Vorderasiat.  Gesellsch. 
1901,  316. 

27  enthält  wahrscheinlich  ein  echtes  Stück  des  Propheten,  zwei  Zeilen: 

Und  ich  werde  euch  ve?  bannen  weit  hinter  Damaskus^  Sagt  Jahwe  der  Gott 

der  Heere.    1^^  ist  eine  gedankenlose  Beifügung  eines  Schreibers,  der  die 

Formel  von  4  13  5  8  9  6  vor  sich  zu  haben  meinte.    Die  beiden  Zeilen  bilden 

kaum  die  unmittelbare  Fortsetzung  von  v.  25,  jedenfalls  müsste  man  mindestens 


Am  5  27  198  Am  6  1 

Ausfall  eines  ]2b  nach  Ü^h  (falls  man  nicht  dieses  aus  ]5b  verschrieben  ansehen 
will)  und  Änderung  der  Konstruktion  nach  Einfügung  der  Glosse  v.  26  an- 
nehmen und  als  ursprünglichen  Text  vermuten:  D?'??^  15^  Darum  verbanne  ich 
euch  etc.  Zur  Not  könnte  Arnos  mit  diesem  kurzen  schlagenden  Worte  seine 
Rede  abgeschlossen  haben:  Ganz  anders  war's  früher,  darum  weg  mit  euch  ins 
Exil!  Aber  daneben  bleibt  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  etwa  vier  Zeilen 
(Schluss  der  Strophe  v.  25  und  Anfang  der  Strophe  v.  26)  ausgefallen  seien  und 
dass  die  sechste  Strophe  mit  ]Db  l)egann,  woran  sich  dann  "'n^jn'j  ohne  Schwierig- 
keit anfüo;te.  p)^1Tb  T[^h7\'Ci  weit  hinter  Damaskus ,  wörtlich:  „in  eine 
Gegend  (]P  partitiv)  weiterhin  als  Damaskus,  über  Damaskus  hinaus",  ist  trotz 
der  für  eine  Weissagung  natürlichen  Unbestimmtheit  bestimmt  genug,  um  die 
Hörer  verstehen  zu  lassen,  dass  die  Assyrer  die  Vollstrecker  des  Gerichts  sein 
werden.  Genaueres  über  den  Ort,  wo  die  deportierten  Israeliten  nachher  von 
den  Assyrern  w^irklich  angesiedelt  würden,  kann  man  der  Stelle  nicht  ent- 
nehmen. Vgl.  über  „den  Verbleib  der  zehn  Stämme  Israels"  H.  Winckler 
alttest.  Untersuch.  108—110. 

12)  Wehe  den  sorglosen  Schlemmern!   Der  böse  Tag  ist  nahe  6  i-r. 

Der  Abschnitt  bildet  das  genaue  Seitenstück  zu  dem  vorigen,  es  beginnt  wie  5  18-27 
mit  '•in  und  schliesst  mit  der  Drohung  der  Deportation.  Dort  wünschen  die  Israeliten  den 
Tag  Jahwes  herbei,  den  sie  sich  in  ihrem  blinden  Wahne  in  den  glänzendsten  Farben  aus- 
malen; hier  leben  sie  herrlich  und  in  Freuden  und  merken  in  ihrem  Leichtsinne  den  Ernst 
der  Zeiten  nicht,  hören  nicht,  welche  Stunde  geschlagen  hat,  der  böse  Tag  ist  ja  nach 
ihrem  Wähnen  in  weitester  Ferne.  Auch  in  diesem  Abschnitt  hat  der  Text  gelitten 

durch  das  Eindringen  fremder  Bestandteile,  s.  zu  v.  1  2  6  und  die  Verderbnis  am  Ende  s. 
zu  V.  7;  als  ursprünglicher  Bestand  sind  vier  Tetrastiche  zu  erkennen. 

Die  erste  Strophe  1  (teilweise)  3:  Wehe  den  Sorglosen  auf  dem  Berge 
Samariens^  Den  Ausgezeichnetsten  des  ersten  der  Völker,  Die  den  bösen  Tag 
in  weiter  Ferne  wähnen.  Und  ihr  schafft  doch  Frevel  und  Gewaltthat  herbei. 

Die  Erwähnung  von  ]1*^  ist  hier  ganz  ungehörig;  es  ist  weder  eine  beiläufige 
Bemerkung,  mit  der  Arnos  in  seiner  Strafrede  gegen  die  Grossen  von  Samarien 
auch  seine  Heimat  streifen  will,  noch  eine  Korrektur,  sondern  samt  dem  voran- 
gehenden D*>i5«^n  und  dem  folgenden  \  eine  spätere  Hinzufügung,  aber  nicht 
von  Amos  selber,  aus  Anlass  eines  ganz  und  gar  imaginären  Besuches  in  Je- 
rusalem, in  seine  Rede  eingeflickt,  sondern  von  der  Hand  dessen,  der  von  Amos 
auch  Juda  berücksichtigt  sehen  wollte,  s.  zu  2  4  f.  und  zu  3  1.  Amos  hat  keine 
Ausgabe  seiner  Keden  für  die  nachexilische  Gemeinde  besorgt,  das  verstanden 
die  Späteren  besser.  Die  Herren  von  Samarien  nennt  Amos  weiter  die  Aus- 
gezeichnetsten des  ersten  der  Völker  d.h.  die  Creme  des  Volkes,  das  an  der  Spitze 
der  Nationen  steht;  •'^J^^  sind  „die  durch  Stiche,  Punkte  kenntlich  gemachten", 
wahrscheinlich  ursprünglich  „die  durch  die  Tätowierung  von  den  Übrigen 
Unterschiedenen"  (vgl.  St.  A.  Cook  Israel  and  Totemism  in  the  Jewish  Quar- 
terly  Review  April  1902,  421),  also  die  Prämierten,  distincti  (vgl.  arab.  nakib  = 
Führ  er y  Häuptling),  die  Leute  von  Namen  im  Gegensatz  zu  dem  namenlosenVolke, 
vgl.  IChr  1231;  und  zwar  sind  sie  erst  noch  die  Auslese,  der  Adel  des  vornehmsten, 
des  ersten  der  Völker,  vgL  Num  24  20.  Man  kann  nicht  verkennen,  dass  diese 
Bezeichnung  ironisch  gemeint  ist,  vgl.  3  2.  Mit  'fc^^  r\'^^  UT\b  ^isn^l  ist  nichts 


Am  6  1  199  Am  6  3 

Rechtes  anzufangen,  am  wenigsten  im  Zusaninienhang  mit  v.  i^'^;  denn  zu  der 
Übersetzung  „und  denen  das  Reich  Israel  zuströmt",  die  sprachlich  einen 
harten  Anschluss  und  eine  merkwürdige  Unterscheithing  der  Herren  in  Sa- 
marien  von  dem  Reiche  Israel  voraussetzt,  müsste  das  Wichtigste  ergänzt 
werden:  „um  sich  richten  zu  lassen"  (Nowack)  oder  „um  ihnen  nach  den  Augen 
zu  sehen"  (Valeton).  Verständiger  wäre  die  Konjektur  Oettli's:  '\^\  r\^2  "hV2^ 
(vgl.  Jdc  9  7)  „und  Herren  des  Reiches  Israel"  oder  'toi  n'^an  (nt^r\)  üribt<2]  (vgl 
Sach  12  8)  „und  den  Halbgöttern  im  Hause  Israel".  Näher  aber  liegt  es,  darin 
eine  Glosse  zu  ]lnnto  in:|l  äni,  das  man  fasste  =  die  sich  auf  den  Berg  Samariens 
verlassen,  zu  sehen  und,  "^  für  das  in  alter  Schrift  ihm  ähnliche  D  einsetzend,  zu 
lesen  =  '^Nltol  n'^n  ^'^^«?^  und  f%ivar)  auf  die  Götter  des  Hauses  Israel,  Eine 
gute  Parallele  bietet  liiezu  Jes  10  9-ii  bes.  die  Glosse  v.  lo,  und  von  den 
„Göttern"  Israels  sprach  auch  die  Glosse  in  Am  5  26.  2  wird  nicht  nur 

von  BiCKELL,  ScHEADEE,  Wellh.  u.  a.,  sondcm  auch  von  Oettli  als  Glosse 
anerkannt.  Anders  zu  urteilen  ist  in  der  That  nicht  geraten,  da  die  assyrische 
Eroberung  der  hier  erwähnten  Städte  erst  nach  Amos  stattfand:  n:ib3  (=  1i^3 
Jes  10  9)  =  KuUani  in  Nordsyrien  (dessen  Lage  noch  nicht  näher  bestimmt 
ist,  s.  RoGEES  History  of  Babyh  and  Assyria  II  1900,  121)  ist  738  von  Tiglat- 
pilesar  erobert;  riDH,  hier  die  grosse  genannt,  am  Orontes  fiel  720  in  die  Hände 
Sstrgons  (s.  Rogees  a.  a.  0.  S.  154)  und  ebenso  ist  das  philistäische  n?,  das 
schon  die  Tell-el-Amarnabriefe  kennen,  jedoch  seiner  genaueren  Lage  nach 
noch  nicht  bestimmt  ist,  711  von  Sargon  bezwungen  worden.  Vgl.  KAT2  S.  444f. 
Wie  Jer  7  12  die  Judäer  nach  Silo  geschickt  werden,  um  an  dem  Schicksal 
des  Gotteshauses,  das  einst  daselbst  stand,  das  des  Tempels  von  Jerusalem  zu 
ersehen,  so  sollen  hier  (was  nur  ein  Späterer  verlangen  konnte)  die  Israeliten 
an  den  Ruinen  von  Kalne,  Hamat  und  Gat  ihr  eigenes  Ergehen  lernen.  Dieser 
Sinn  zwingt  vom  Schluss  des  Verses  den  Gedanken  zu  fordern,  dass  das  Reich 
Israel  nicht  besser  sei  als  die  genannten  Städte  resp.  Reiche  =  Tb^T\  nioSpisn, 
welche  Bezeichnung  sich  schon  für  sich  nicht  etwa  auf  Israel  und  Juda  be- 
ziehen könnte.  Man  hat  daher  mit  Geigee  u.  a.  hinter  D"'nltori  das  Subj.  DP« 
einzusetzen  und  in  den  letzten  zwei  Wörtern  die  Suffixe  zu  vertauschen 
(1.  D^nii)?  D?^^^) :  seid  ihr  Israeliten  etwa  besser  als  diese  Reiche  oder  ist  euer 
Gebiet  grösser  als  ihr  Gebiet?  Der  masoret.  Text  beruht  auf  dogmatischer 
Korrektur,  die  den  Anstoss  der  Spätem  an  der  Herabsetzung  Israels  unter 
die  Heiden  beseitigt,  s.  Guthe  bei  Kautzsch.  Diese  Gründe,  welche  v.  2  als 
Glosse  auszuscheiden  empfehlen,  vermehrt  noch  der  weit  bessere  Anschluss, 
den  3  an  v.  1,  als  an  v.  2  besitzt,  s.  die  Übersetzung  von  v.  3  oben  zu  y.  1. 

An  dem  Texte  y^  ÜVb  D^'n??  wird  man  festhalten  können,  wörtlich :  die  in  Bezug 
auf  den  Unglückstag  Wegstosser  sind  d.  h.  die  ihn  recht  ferne  glauben,  ja  sein 
Kommen  für  unmöglich  halten.  Zu  D^^iD  vgl.  Jes  66  5,  wo  allein  im  AT  dies 
Verb  noch  vorkommt;  Oettli  will  an  beiden  Stellen*,  ohne  dass  der  Sinn  ge- 
ändert würde,  ü^^.^ü,  Hiph.  von  inj  entweichen,  lesen.  In  diesem  Wahne, 
dass  der  böse  Tag  ferne  sei,  sind  sie  befangen,  trotzdem  sie  [alles  thun,  ihn 
herbeizuziehen,  vgh  ganz  dieselbe  Gedankenverbindung  Jes  5i8f.;  gewöhnlich 
übersetzt  man:   Und  ihr  rückt  doch  nahe  das  Sitzen  (seil,  zum  Gericht)  die 


Am  6  3  200  Am  6  4 

'  II  -—1^  ■  ■  -  - .,  — —  ■ -   . 

Herrschaft  der  Gewalt.  Aber  die  Gewaltherrschaft  ist  nicht  erst  nahe,  sondern 
bereits  an  der  Tagesordnung  (vgl.  z.  B.  3  lo  5  7  10-12);  daher  wird  in  HDC^  ein 
alter  Fehler  (LXX  liest  schon  diese  Konsonanten)  vorliegen  und  dafür  etwa 
das  graphisch  w^enig  verschiedene  \  It^  zu  lesen  sein,  vgl.  für  die  Verbindung 
von  "iä  und  DDH  3  10  Hab  1  3  Jer  67  =  Frevel  und  Gewaltlhat  schafft  ihr 
herbei;  für  den  Sinn  s.  3  10.  Der  erforderliche  Gegensatz  zu  W^,yö  wird  durch 
diese  Passung  nicht  gestört:  Das  Unglück  halten  sie  fern,  aber  Unrecht  und 
Gewalt  üben  sie  gern,  die  das  Gericht  herausfordern;  sollte  da  der  böse 
Tag  auf  sich  warten  lassen?  Der  Vorschlag  Oettlls,  tOH^  statt  n^l^  =  „das 
Scepter  der  Gewalt"  (vgl.  das  Gegenteil  Ps  45  7)  zu  lesen,  leidet  unter  dem- 
selben inhaltlichen  Bedenken,  wie  r\'l'ü\  auch  das  Verbum  ]^^iin  passt  wenig  zu 
dem  Objekt  D^n  tODC^.  Letzteres  gilt  doch  wohl  ebenso  von  Meinhold's  Vor- 
schlag: DDH  tD5^  =  „das  Scepter  des  Frondiensts".  Ganz  anderes  findet 
Siegfried-Stabe  in  diesem  Verse,  nämlich  einen  neuen  Hinweis  auf  die  Opfer, 
und  zwar  nicht  auf  die  Opfer  als  solche,  sondern  auf  das  Material  derselben, 
das  aus  unrechtem  Gut  besteht.  Nach  5  25  empfiehlt  sich  dieser  Gedanke 
nicht  besonders.  Um  zu  ihm  zu  gelangen,  muss  erst  noch  nach  LXX  n^t^  für 
r\'2'^  und  ebenso  nach  ihrem  £0)(6[X£vol  (in  Cod.  Alex,  erhalten,  sonst  zu  spy^ojisvoi 
verdorben)  D^'^jp  für  D'^'IJD  gelesen,  ferner  mit  Hoeemann  Dl^b  =  täglich  und 
nsi^  =-  sabbatlich  gefasst  und  endlich  ]^li^*"'5ri  =-=  ihr  opfert^  bringt  dar  ver- 
standen werden.  Somit  wäre  etwa  zu  übersetzen:  „Die  täglich  unrecht  Gut  ge- 
loben Und  am  Sabbat  Gewaltthat  d.  h.  durch  Gewaltthat  Erpresstes  opfern". 
Dass  damit  ein  guter  Sinn  für  v.  3  gewonnen  sei,  wird  man  kaum  behaupten 
wollen.  Etwas  besser  steht  es,  wenn  man  mit  Dl"^^  und  ri|^  nicht  künstelt  und 
für  n^!^  die  oben  vorgeschlagene  Korrektur  annimmt;  denn  dann  besagt  die 
Stelle:  Die  Gelübde  thun  für  den  bösen  Tag  d.  h.  für  ihn,  weil  sie  ihn  für  ferne 
halten,  alles  Mögliche  geloben,  gleichsam  die  grössten  Wetten  eingehen.  Und 
ihr  opfert  doch  Frevel  und  Gewaltthat^  die  Jahwe  mit  dem  Gerichtstag  sobald 
wie  möglich  bestrafen  muss.  Doch  scheint  die  Anspielung  auf  die  Opfer  nach 
der  gründlichen  Behandlung  in  5  I8-27  sich  hier  weniger  zu  empfehlen,  sodass 
die  übliche  Fassung  von  ]W^-^t!\  und  die  Beibehaltung  von  ü^'l^ön  (s.  oben)  vor- 
zuziehen sein  wird.  Ganz  unglücklich  kommt  auch  mir  wie  Meinhold  die 
Emendation  vor,  die  Riedel  vorschlägt:  DDH  ilin^b  Vti^^ni  yi  D1^^  D'^liDH,  was 
heissen  soll:  „die  ihr  täglich  böse  (unrechtmässige)  Abgabe  fordert  und  jeden 
Sabbat  gewaltthätige  Erpressungen  einfordert". 

Die  zweite  Strophe  4  beginnt  die  Schilderung  des  Luxus  und  der 
Schwelgerei  dieser  Herren  von  Samarien:  Sie  liegen  auf  Elfenbeinlagern  Und 
sind  ausgestreckt  auf  ihre  Diwane,  Sie  essen  die  Lämmer  aus  der  Herde  weg 
Und  die  Kälber  aus  dem  Stalle.  TaVl  den  Elfenbeinlagern  d.  h.  mit  eingelegtem 
Elfenbein  verzierten  Lagern  vgl.  die  Elfenbeinhäuser  3  15,  sowie  die  elfen- 
beinernen Buhebetten  und  Prachtsessel  von  Elfenbein,  die  Sanherib  vonHiskia 
erhält  KAT^  293.  Für  D'^nitp  nimmt  Wellh.  nach  dem  arab.  und  syr. 

Sprachgebrauch  die  Bedeutung:  losgelassen  =  ausgelassen,  an;  aber  nach  dem 
Gebrauch  des  Verbums  im  Hebräischen  (vgl.  Hes  17  6  23  15)  und  dem  parallelen 
D*'?Dtyn  ist  die  gewöhnliche  Fassung:  ausgestreckt  vorzuziehen.  Die  Vornehmen 


Am  6  4  201  Arn  ♦)  T) 

von  Samarien  vermögen  sich  nicht  inelir  nacli  alter  Sitte  beim  Essen  auf  ihrem 
Sitze  aufrecht  zu  erlialten  (vgl.  Gciii  27  19  Jdc  19  6  1  öam  20  o  I  Jteg  1.'5  20),  nach 
neuer  Mode,  die  vom  Ausland  hereingekommen  ist,  üe(jon  sie  zu  Tisch,  ein 
Zeichen  der  Verweichlichung  und  Schwelgerei  für  den  Propheten,  der  darum 
das  Wort  D'^n'ltp  hlngeschüUet  gebraucht.  Später  ist  das  zu  Tische  liegen  all- 
gemeine Sitte  geworden,  vgl.  Mt  10  9.  „Dem  Amos  thut  sein  Vieh  leid, 
wie  dem  Eumaios  Od.  14  81  92"  Hoitmann;  ja,  aber  noch  mehr  ist  er  entrüstet 
über  die  Üppigkeit  und  Schwelgerei  der  Vornehmen,  die  kein  Mass  kennen, 
so  dass  bald  kein  Lamm  mehr  bei  der  Herde  und  kein  Kalb  melir  im  Maststall 
zu  finden  ist.  'PDiJ  mit  folg.  ]p  resp.  "^Jlnp  bedeutet  hier:  ausessen,  auch  das  letzte 
Lamm  etc.  wegessen. 

Die  dritte  Strophe  5  6^:  An  ihren  Banketten  dürfen  Musik  und  Wein 
nicht  fehlen,  vgl.  Jes  5  11  f.  22  24  9.  Sie  phantasieren  zum  Klange  der  Harfe, 
Meinen  wie  David  sich  aufs  Singen  %u  verstehen,  Sie  trinken  den  Wein  aus 
den  Krügen  Und  ver salben  die  feinsten  Öle.  Der  Sinn  des  nur  hier  vor- 

kommenden Verbums  tDlö  ist  nicht  sicher;  wahrscheinlich  bedeutet  es  ur- 
sprünglich %erreissen,  abreissen  und  wird  übertragen  gebraucht  vom  ab- 
gerissen reden,  hier  wäre  es  dann  verächtlicher  Ausdruck  für  improvisieren, 
phantasieren  (so  Bühl  im  Lex.),  etwa  =  unserem  leiern^  faseln,  fohlen,  vgl. 
dazu  das  arab.  färit  =  Improvisator  und  'afrata  filkauli  =  übermässig  schnell 
sprechen,  s.  Deiver  Joel  and  Amos  236.  Sie  begleiten  also  mit  extemporiertem 
Geleier  den  Klang  der  Harfe.  Andere  lassen  weniger  gut  die  Schmausenden 
selbst  in  die  Harfen  greifen,  wenn  sie  DID  als  die  Saiten  reissen  (über  der 
Mündung  des  Nablium),  mit  dem  Plektron  schrammen  oder  kratzen  fassen,  so 
HoFFMANN,  Völlers  (ZATW  1883,  267),  Siegeried- Stade.  Zu  %\  s.  zu 

5  23,  wo  auch  in  Parallele  dazu  l'^l^  steht.  Schwerlich  kann  auch  Amos  in 

V.  5^  sagen  wollen,  dass  die  samarischen  Adeligen  bei  ihren  Gelagen  Instru- 
mentenerfinder waren,  und  doch  kann  der  Text  kaum  etwas  anderes  heissen 
als:  sie  erfinden  sich  wie  David  Musikinstrumente.  Giebt  man  dagegen  1^^'  "^^S 
die  Bedeutung  von  Melodieen,  so  widerspricht  diese  Annahme  allen  Stellen, 
wo  dieses  Wort  vorkommt;  denn  "V^  "^Ss  bedeutet  überall  Musikinstrumente. 
Offenbar  steckt  daher  im  Text  (ganz  besonders  in  ''^3)  ein  Fehler;  die  LXX 
mit  ihrem  unbegreiflichen  Texte  (s.  ZATW  1883,  267)  hilft  hier  zur  Emen- 
dation  wenig,  und  die  Korrektur  Nowack's  (:"^3  für  ''5?|,  also  allerlei  Lieder) 
befriedigt  nicht.  In  Ermangelung  eines  Bessern  lese  ich  zögernd  mit  der 
leichten  Änderung  des  D  von  on'?  in  b^  und  mit  ebenso  leichter  Konjektur  für 
"h^  folgenden  Text:  1^t^!l  h^^'^rh  ^l^^n^  n'^HB  =  wie  David  meinen  sie  sich  auf 
das  Singen  %u  verstehen,  wörtlich:  sie  halten  sich  David  gleich  im  Verständnis 
des  Gesanges;  zu  h^^^^X]  mit  folg.  n  vgl.  Dan  1  4  17,  ferner  s.  II  Chr  30  22.  Das 
giebt  einen  guten  Sinn:  Obschon  sie  in  ihrem  Gejohle  nicht  einmal  Takt  zu 
halten  verstehen,  bilden  sie  sich  ein,  grosse  Sänger,  am  Ende  gar  Komponisten 
zu-  sein  wie  David.  Der  Vergleich  mit  David  ist  nicht  mit  J.  P.  Peters, 
WiNCKLER,  Cheyne,  Löhr  ZU  Streichen;  trotz  der  Ironie,  die  darin  liegt  (s.  auch 
V.  1^«),  ersieht  man  daraus,  dass  die  alte  Tradition  David  nicht  als  Dichter  oder 
Komponisten  geisthcher,  sondern  weltlicher  Lieder  betrachtete.  Vgl.  II  Sam  23 1 


Am  6  5  202  Am  6  7 

und  W.  R.  Smith-Rothstein  Das  alte  Test.  208 f.  Jedenfalls  bleibt  mein  Vor- 
schlag dem  überlieferten  Texte  näher  als  der  von  Cheyne  (Exposit.  Times 
April  1898):  T^  h)p)  ^m)^\]  ^ni^j  ^n-^j;  Dn.tSlDH  =  Die  da  spielen  auf  Pauke 
und  Harfe  Und  sich  freuen  beim  Schall  der  Lieder.  6^  Zu  D  nnt!^  trinken 

t  T     T 

^i?/^  Vgl.  Gen  44  5  und  s.  GtES.-Kautzsch^^  §119m  Anm.  pitp  ist  der  Mischkrug,  er 
braucht  nicht  aus  edelm  Metall  zu  sein;  es  kommt  den  Magnaten  von  Samarien 
beim  Wein  vor  allem  auf  die  Quantität  an,  darum  lassen  sie  ihn  sich  nicht  erst 
in  die  Trinkbecher  giessen.  Die  Lesart  der  LXX  (lov  5iüXio[i£vov  olvov  =  pj^tö 
s.  Jes  25  6)  geläuterten  Wein  ist  so  wenig  dem  MT  vorzuziehen,  wie  die  Kon- 
jektur von  Ooet:  ]*;;i  'PT^?  abgegossene,  abge%apfte  Weine  (vgl.  Jer  48  ii),  da 
die  Bedeutung  von  D  nn^  von  etwas  trinken  zwar  möglich,  vgl.  Prv  9  5,  da- 
gegen die  Verbindung  ]i;;  "^p^^ö  sehr  unwahrscheinlich  ist;  mit  ßecht  fordert 
Oettli  dafür  pl^iD  ]^^p  und  findet  den  massoretischen  Text  unbedenklich. 
Bei  den  Ölen,  mit  denen  sie  sich  zu  den  Schmausereien  salben  (vgl.  zu  dieser 
Sitte  Jes  61  3  Ps  23  5  Koh  9  7 f.  Lk  7  38  46),  ist  ihnen  die  Qualität  natürlich 
von  grösserer  Wichtigkeit;  dass  sie  dabei  auch  mit  der  Quantität  nicht  kargten, 
zeigt  der  Ausdruck:  H^D  mit  direktem  Obj.  d.  h.  sie  versalben  das  feinste  Ol, 
sie  brauchen  es  auf.  Diese  feine  Gesellschaft  braucht  die  feinsten  Ole.  Löhk 
will  V.  6^  vor  V.  5  stellen,  weil  dann  v.  6^  besser  sich  anschliesse.  Aber  v.  6^  ge- 
hört gar  nicht  hierher:  die  Schlemmer  und  Leichtsinnigen  sind  y.  i-6^  so  ge- 
schildert, dass  ihnen  zu  viel  Ehre  geschähe,  wenn  man  für  nötig  hielte  noch 
eigens  zu  sagen,  dass  sie  sich  über  den  Schaden  Josephs  nicht  härmen.  6^  ge- 
hört zu  V.  13  (s.  dort);  er  ist  von  einem  Abschreiber  in  die  falsche  Kolumne 
gerechnet  worden.   Nun  schliesst  sich  auch 

die  vierte  Strophe  7  mit  der  Strafandrohung  vortrefflich  an:  Die  nobeln 
Samarier,  die  an  der  Spitze  der  Völker  (D'llil  n'^l^'^^l  y.  i)  marschieren,  sich  in 
allem  für  Ausbünde  halten  (y.  5)  und  für  die  nur  das  Beste  gut  genug  ist  (il"^^«*! 
D'^iDC^  Y.  6),  sollen  den  ersten  Platz  behalten  —  an  der  Spitze  der  Deportierten 
(vgl.  D'^bil  "ä^ky^  mit  dem  Jl'^l^'^l  y.  i  und  y.  6).    Darum  werden  sie  jet%t  in  die 

Verbannung  wandern  An  der  Spitze  der  Verbannten Und  ein  Ende 

wird  es  haben  mit  dem  Gekreisch  der  Ausgestreckten,  Am  Ende  der  zweiten 
Zeile  ist  ein  Wort,  wahrscheinlich  ein  Verb,  verloren  gegangen  (Duhm).  In 
der  dritten  Zeile  ist  die  Paronomasie  deutlich,  die  gleichen  Laute  kehren  in 
neuer  Kombination  wieder.  npD  ist  stat.  constr.  von  nni?  lautes  Geschrei  des 
Jubels  wie  hier,  oder  des  Jammers  wie  Jer  16  5;  gemeint  ist  das  Gejohle  und 
Gesänge  von  y.  5,  und  D'^nntp  sind  dieselben  wie  y.  4.  An  „unflätige"  Ausge- 
lassenheit (Guthe)  in  einem  spezielleren  Sinne  ist  hier  nicht  gedacht;  es  ist 
genug,  wenn  sie  zechen  und  schmausen,  schreien  und  johlen  ausgestreckt  auf 
ihren  Sophas.  Das  wird  jetzt  mit  einem  Mal  anders,  wenn  sie  ins  Exil  wandern. 
Zu  der  Übersetzung  der  LXX  vgl.  Vollees  ZATW  1883,  268.  Als  vierte 
Zeile  ist  mit  Wellh.  in  seiner  Übersetzung  aus  y.  8  heraufzunehmen:  njn^"Dtj:i 
n'i^y^  Nn'?«  =  Spricht  Jahive  der  Gott  der  Heere,  vgl.  5  27.  Diese  Worte  über- 
laden Y.  8  und  fehlen  deshalb  wohl  in  LXX,  die  ihre  richtige  Stelle  am  Ende 
von  Y.  7  nicht  erkannte. 


Am  6  8  20:5  Am  6  10 

13)  Dccimieriing  der  Bevölkerung  diirch  Krieg  und  Pesl  0  h-io. 

Der  Abschnitt  ist  teilweise  in  sehr  verdorbenem  Text  auf  uns  gekommen,  s.  v.  10^; 
es  ist  darum  nicht  wunderbar,  dass  die  drei  Tetrastiche,  die  er  enthält,  der  Exegese  manche 
Schwierigkeiten  bereiten.  LJbrigens  wird  man  aber  nicht  mit  Wei^mi.  v.  9 f.  abtrennen 
dürfen;  denn  die  Verbindung  mit  5  3  wäre  nicht  besser  als  mit  (i  8:  dort  wie  hier  liandelt 
es  sich  um  Krieg,  in  dessen  Gefolge  erst  nach  v.  9 f.  die  Test  die  übriggelassene  Bevölkerung 
auf  ein  Minimum  herabsetzt.  Oettli's  Umstellung  der  Verse  in  die  Reihenfolge  v.  7  11  8 
9  10  hilft  nichts;  dass  aber  v.  9 f.  „allgemein  als  Einschub  erkannt"  sei,  wie  Louk  behauptet, 
ißt  mir  nicht  bekannt. 

8  bildet  mit  Ausscheidung  der  für  den  Abschluss  von  v.  7  in  Anspruch 
genommenen  Worte  (s.  zu  y.  7)  die  erste  Strophe,  in  der  Jahwe  seinem  Al)- 
scheu  über  den  Stolz  der  Samarier  Ausdruck  verleiht  und  ihre  Stadt  mit  Er- 
oberung bedroht:  Geschworen  hat  Jahwe  OJ'l^J,  das  in  LXX  fehlt,  ist  in  den, 
Text  geratenes  Kere  zu  TV\JV_)  bei  seiner  Seele:  Ich  verabscheue  den  Stolz 
Jakobs  Und  seine  Paläste  hasse  ich  Und  darum  gehe  ich  preis  die  Stadt  und 
was  sich  drinn  findet.  Zu  dem  Schwur  Jahwes  vgl.  4  2;  für  ^fcjriD  lies  nj^.ri^, 
8.  5  10,  die  Änderung  in  ^^jn^  könnte  eine  Milderung  beabsichtigen  (s.  auch  zu 
V.  2),  weil  den  späteren  Juden,  die  ja  ihren  eigenen  Stolz  hatten,  ^Jf^HD  zu  stark 
vorkommen  mochte  (so  Geiger  Urschrift  etc.  349).  Für  Amos  selber  ist  kein 
Ausdruck  zu  stark;  er  hat  ja  v.  1-7  den  Stolz  Jakobs  sarkastisch  genug  ge- 
schildert und  bereits  kein  Hehl  daraus  gemacht,  wie  er  ihre  Paläste  beurteilt, 
vgl.  3  15  5  11  und  s.  überhaupt  3  2.  TJ?  die  Stadt  seil.  Samarien  (vgl.  v.  1) 
fällt  mit  allem,  was  sie  birgt,  allen  Bewohnern  und  allem  Reichtum  und  Luxus 
dem  Eroberer  in  die  Hände,  sodass  er  darüber  nach  Gutdünken  verfügen  kann; 
das  besagt  l'^ilDH.  Die  Bürgerschaft  mit  den  Nobeln  an  der  Spitze  wird  depor- 
tiert, das  ist  nach  5  27  6  7  selbstverständlich;  unter  den  Zurückgelassenen  wird 
die  Pest  aufräumen,  s.  das  Folgende. 

9  10*'=^  (bis  n^5n"]p),  die  zweite  Strophe:  Und  sollten  dann  zehn  Männer 
übrig  sein  In  einem  Hause ^  so  werden  sie  sterben^  [Und  nur  wenige  bleiben 
vorhanden]  Um  die  Toten  aus  dem  Hause  zu  schaffen.  Absichtlich  ist  des 
Beispiels  wegen  eine  grosse  Zahl  gewählt,  =  sollten  es  selbst  zehn  in  einem 
Hause  sein;  aber  es  ist  nicht  daraus  zu  schliessen,  dass  für  gewöhnlich  zehn 
Männer  in  einem  Hause  sich  fanden.  Der  Anfang  von  10  ist  nicht  zu  ver- 
stehen:  Und  hebt  ihn  auf  sein  Vetter  und  sein  Verbrenner.  über  die  jüdische 
Auffassung  von  ^"IDD  =  Mutterbruder  vgl.  B.  Felsenthal  Sem.  Studies  in 
Memory  of  Kohut  S.  133 — 137.  Wen  bezeichnen  die  Singularsuffixe  und  wer 
ist  der  Verbrenner,  wenn  ^^DD  wirklich  =  ^"l'^D  ist?  Da  die  Kremation  der 
Leichen  nicht  die  Regel  war  (nur  bei  Verbrechern  wird  sie  angewendet,  vgl. 
Lev  20  14  21  9  Jos  7  15  25  und  s.  auch  Gen  38  24;  ausserdem  ist  sie  noch  er- 
wähnt bei  Saul  und  seinen  Söhnen  I  Sam  31  12),  so.  wird  es  auch  keinen  Ver- 
brennungsbeamten gegeben  haben;  ebenso  wird  man  schwerlich  einen  besondern 
^"iDö  gebraucht  haben,  um  zu  Ehren  der  Toten  „den  Leichenbrand"  anzuzünden, 
s.  zu  Jer  34  5  und  vgl.  II  Chr  16  14  21  19.  Man  erwartet  am  ehesten  eine  Aus- 
sage, dass  nur  noch  ganz  wenige  übrig  bleiben,  um  die  vielen  Toten  hinaus- 
zuschaffen. Darf  man  vielleicht  vermuten:  IBpt?  "\V\  1t?!Ä^?1  Und  übrig  wird 
bleiben  ein  Geschlecht  von  geringer  Zahl  oder  1DDD  T\V,  ^)^'^^  Und  der  Rest 


Am  6  10  204  Am  6  10 

seines  (d.  i.  Jakobs)  Geschlechls  sind  wenige  d.  h.  nur  ein  kleiner  Rest  bleibt 
am  Leben?    Man  vgl.  hiezu  Jes  10  19.  0''^??^,  Gebeine,  zur  Bezeichnung 

der  Leichen  ist  auffallend,  LXX  scheint  Drib:^5?  ilu^e  Gebeine  gelesen  zu  haben, 
das  dürfte  auf  ein  ursprüngliches  DH^  =  ö^'HO,  die  Toten,  zurückweisen;  denn 
ijy  ist  leicht  aus  dem  vorausgehenden  S^^  entstanden.  Eine  andere  Ver- 

mutung hat  Riedel  (a.  a.  0.  25—27),  der  liest:  nDi:!)?^  in  '^^^)\  =  dann  bringt 
man  Korb  (II  Reg  10  7)  und  Besen  (vgl.  bei  Jo  1  17),  um  die  Gebeine  aus  dem 
Hause  zu  schaffen.  Aber  dass  nicht  die  Toten  von  v.  9  Subj.  zu  ^^)^)  sind,  sollte 
doch  angedeutet  sein. 

lO^P'',  die  dritte  Strophe,  schildert  die  superstitiöse  Angst  und  Furcht, 
die  auch  die  Verschonten  in  der  schrecklichen  Zeit  des  allgemeinen  Sterbens 
durchzittert,  und  malt  ergreifend  die  düstere  Stimmung,  die  auf  dem  Lande 
bei  diesem  Gottesgericht  liegt:  Und  er  spricht %u  dem,  der  im  innersten  Räume 
des  Hauses  ist:  \  Ist  noch  jemand  bei  dir  am  Leben?  Und  der  spricht:  Nein! 
I  Dann  spricht  er:  Still!  Ja  nicht  \  Den  Namen  Jahwes  aussprechen!  TaVl  dem 
ersten  und  dritten  1)?S*l  ist  einer  der  wenigen  Übriggebliebenen,  denen  die  Auf- 
gabe zufällt  die  Toten  zu  begraben  (s.  v.  lo^«),  Subjekt,  eben  der  Betreffende, 
der  bei  der  Ausübung  seiner  traurigen  Thätigkeit  im  innersten  Hause  noch 
einen  am  Leben  trifft,  vgl.  Ges.-Kautzsch^'  §144d,  zu  dem  zweiten  dagegen 
der  Gefundene  (nach  Riedel  soll  der  im  Innern  des  Hauses  auch  einer  von 
denen  sein,  die  gegangen  sind,  um  das  Haus  zu  reinigen,  während  der  andere 
Redende  draussen  bleibt,  um  dann  den  im  Korb  ihm  übergebenen  Unrat  fort- 
zutragen). In  den  innersten  Raum  des  Hauses  (vgl.  zu  Ö'JWT  auch  I  Sam  24  4 
und  Jes  14  15,  wo  von  dem  entlegensten  Teile  einer  Höhle  und  Scheols  die 
Rede  ist)  hat  sich  der  letzte  am  Leben  gelassene  Bewohner  geflüchtet,  weil  er 
dort  am  ersten  glaubte,  vor  dem  zürnenden  Gott,  der  durch  sein  Volk  zieht  5  17, 
verborgen  zu  bleiben;  aber  auch  dort  hat  der  ihn  Findende  noch  Angst,  das 
blosse  Aussprechen  des  Namens  Jahwes  könnte  schon  die  Aufmerksamkeit 
Gottes  erregen  und  so  seinen  Zorn  auf  den  bisher  Verschonten  herbeirufen. 
In  dieser  Angst  lebt  der  alte  Glaube  fort,  dass  der  Name  eine  Macht  hat  über 
den  Träger  desselben  z.  B.  ihn  zu  „zitieren",  vgl.  auch  Jes  19  17;  daher  ist  es 
nicht  erlaubt  (nefas  est  =  b  ^^^,  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  1141),  den  Gottesnamen 
auf  seine  Lippen  zu  nehmen,  in  Zeiten,  wo  man  den  Zorn  Gottes  zu  fühlen  hat, 
und  darum  gebietet  eben  der  Fragende  sofort  Schweigen  (DH  still!  wie  8  3 
Zph  1  7  Hab  2  20  Sach  2  17,  vgl.  auch  Jdc  3  19  Neh  811),  wie  der  Gefragte 
Miene  macht,  seinem  Dö«  (=  nein!  es  lebt  keiner  mehr  ausser  mir  im  Hause!) 
eine  Formel  beizufügen,  in  der  der  Gottesname  vorkommt.  Unsere  Stelle 

ist  vielfach  misverstanden;  aber  es  ist  ebenso  unrichtig,  wenn  OoßT  das  ^b  "^3 
r[)r>  Dty^l  TStn^  hier  nicht  am  Platze  findet,  wie  wenn  Giesebkecht  (die  alttest. 
Schätzung  des  Gottesnamens  S.  128)  DD^  1)?«1  für  „gänzlich  überflüssig,  ja  un- 
möglich" hält,  und  die  umfassenden  Textänderungen,  welche  Ooet  und  Zeijdner 
vornehmen,  zerstören  nur  den  tiefen  Eindruck,  den  diese  kurze,  aber  höchst 
lebendige  und  anschauliche  Schilderung  des  Gottesgerichtes,  das  ganze  Familien 
aussterben  lässt  und  über  die  einsamen  Überlebenden  eine  unheimliche  Angst 
ausbreitet,  in  jedem  Gemüte  hinterlässt. 


Am  6  U  205  Am  6  13 

14)  Nochmals  Aiiküiulif^iin^  des  Berichts  über  die  tolle  Wiitschari  in  Israel, 

die  alle  recliUicIien  Ordiiiiii^eii  verkehrt  und  sich  über  die  Schad<'ii  im  Staate 

durch  kleine  l]rrol{^c  hinwej^tauscht  0  ii-l4.    V^i^l.  3  9-ii. 

Der  Abschnitt  ist  selbständig,  auch  wenn  er  nur  ein  Jiruchstück  sein  sollte.  Das 
Letztere  ist  nicht  aus  dem  ^3  am  Anfang  zu  schliessen,  das  bloss  redaktionell  sein  kann 
und  einen  notdürftigen  Zusammenhang  mit  v.  8-10  herstellen  will;  eher  erwartete  man 
am  Schluss  noch  eine  weitere  Ausführung  des  gedrohten  Gerichts,  doch  kann  das  Ergebnis 
dieses  AngrilTs  von  Osten  nach  v.  11  auch  so  nicht  zweifelhaft  sein.  Das  Stück  besteht 
aus  vier  Tetrastichen,  von  denen  das  erste  und  dritte  einen  Stichos  zu  wonig,  das  vierte 
dagegen  eine  Überfüllung  zeigt;  der  Mangel  der  dritten  Strophe  hebt  sich  aufs  beste  durch 
Herübernahme  von  v.  6^^.    S.  übrigens  die  Erklärung.  Die  Umstellungen,  die  Baumann 

in  V.  11-14  vornimmt  (v.  13  v.  12^  v.  8,  dann  v.  14  v.  11  v.  12'^  v.  9  f.),  bringen  keine  bessere 
Anordnung  zu  stände. 

11,  die  erste  Strophe:  Siehe  schon  gebielet  Jahwe Und  er 

schlägt  das  grosse  Haus  in  Trümmer  Und  das  kleine  Haus  in  Splitter,    Zu  ^? 

vgl.  die  Vorbemerkung.  Der  genaue  Parallelismus  der  beiden  letzten  Stichen 
zeigt,  dass  der  zweite  Stichos  ausgefallen  ist;  er  wird  etwa  besagt  haben,  dass 
Jahwe  einen  furchtbaren  Feind  (gemeint  sind  die  Assyrer,  s.  zu  5  27)  herbei- 
ruft, vgl.  V.  14.  Eben  dieser  Herbeigerufene,  dem  Jahwe  Befehl  erteilt,  ist  das 
Subjekt  von  nSH.  Das  grosse  und  das  kleine  Haus  sind  nicht  mit  den  älteren 
Erklärern  und  Wellh.  von  den  beiden  Reichen  Israel  und  Juda,  sondern 
im  eigentlichen  Sinne  zu  verstehen,  vgl.  3  15;  gross  und  klein  ist  der  Ausdruck 
für  „alle",  weder  die  Paläste  der  Vornehmen,  noch  die  bescheideneren  Häuser 
der  einfachen  Bürger  sollen  der  Zerstörung  entgehen,  ü'^p'^pi,  Trümmer ^  und 
D'^yp!!  eig.  Risse ^  sind  zweites  Objekt  zu  nSH. 

12,  die  zweite  Strophe:  Laufen  etwa  auf  dem  Felsen  Rosse  Oder  wird 
mit  Rindern  das  Meer  gepflügte  Dass  ihr  das  Recht  %u  Gift  verkehrt  Und  die 
Frucht  der  Gerechtigkeit  %u  Wermut?  So  ist  alles  in  Israel  auf  den  Kopf  ge- 
stellt, alle  natürliche  Ordnung  der  Dinge  verkehrt,  wie  wenn  man  die  Rosse  an 
Stelle  der  Gemsen  auf  die  Felsen  verpflanzen  oder  mit  Kühen  das  Meer  statt 
das  Land  pflügen  wollte.  Diese  unvernünftige  verkehrte  Welt  begründet  das 
in  V.  11  angekündigte  Gericht.  Für  das  sinnlose  Pflügt  man  mit  Rindern?  mit 
dem  anstössigen  Plural  D'»1p^  ist  mit  J.  D.  Michaelis  D^  *ip22  ti^"in^"D«  zu  lesen 
(s.  oben  die  Übersetzung).  Zu  t^^i^l  Gift  vgl.  Hos  10  4  und  zu  HJJ^^,  wie  zu 
V.  12*^  überhaupt  vgl.  5  7.  Die  Frucht  der  Gerechtigkeit  sollte  Arznei  und 
Heilung  bringen,  statt  dessen  erleidet  der  Unschuldige  Unrecht  und  Gewalt, 

S.  5  7. 

13^  6''  13^,  die  dritte  Strophe:  Ihr^  die  ihr  euch  freut  wegen  Lodebar 
Und  euch  um  den  Schaden  Josephs  nicht  künunert^  Die  ihr  sprecht:  Haben  wir 
nicht  durch  unsere  Kraft  Uns  Karnajim  wieder  gewonnen?  Die  Hereinnahme 
von  V.  6^  und  gerade  unmittelbar  nach  v.  la^  rechtfertigt  sich  von  selbst.  Jetzt 
setzt  diese  Strophe  auf  das  Vortrefflichste  die  Schilderung  der  verkehrten 
Welt  in  Israel  fort:  Kleine,  nicht  der  Rede  werte  äussere  Erfolge  lassen  sie 
den  inneren  Schaden,  den  Ruin  Josephs,  nicht  achten.  Jetzt  sehen  wir  aus  dem 
Zusammenhang  deutlich,  was  Amos  unter  dem  Schaden  Josephs  verstellt,  eben 
die  völlige  Vorkehrung  aller  rechtlichen  Ordnung  im  Innern.    Dafür  hat  man 


Am  6  13  206  Am  6  14 

in  Israel  kein  Auge,  darum  kümmert  man  sich  nicht;  dergleichen  Sorgen  und 
Kummer  vertreibt  der  Jubel  über  den  Gewinn  von  „Wertenlos"  (inT  ^b)  und 
,,Hornussen"  (ü151i2)j  zwei  Ortschaften  in  Gilead,  deren  Namen  gerade  bei  ihrer 
appellativen  Fassung  drastisch  wirken,  weil  l^"!  i^b  (s.  II  Sam  17  27,  =  I^T  ^b 
II  Sam  19  4f.  und  =  ^:ilb  Jos  13  26),  im  Osten  von  Mahanaim  gelegen,  die  Ort- 
schaft als  „wertlos"  bezeichnet  und  D";51(2  (=  Kapvaiv  I  Mak  5  26  43  vgh  Gen  14  5) 
wohl  schon  durch  den  Gegensatz  zwischen  dem  Namen  „Hörner"  und  seiner 
bedeutungslosen  Wirklichkeit  sarkastisch  klingt.  Die  gewöhnliche,  auch  von 
GuTHE  festgehaltene  rein  appellativische  Fassung  =  „Trugbild"  und  „Hörner" 
setzt  eine  höchst  seltsame  Phrase  voraus:  durch  eigene  Kraft  Hörner  nehmen, 
da  ja  Hörner  nur  Metapher  für  Kraft  sind  (vgl.  Wellh.),  und  fällt  sehr  gegen 
das  zuerst  von  Geätz  empfohlene  Verständnis  dieser  Namen  als  nomina  propria 
ab.  Dass  wir  sonst  keine  Nachricht  über  die  Eroberung  von  Lodebar  und 
Karnaim  haben,  ist  nicht  entscheidend ;  beide  liegen  in  Gilead  und  Gilead  war 
immer  der  Schauplatz  und  Gegenstand  des  Krieges  zwischen  Aram  und  Israel. 
Grössere  Erfolge  hatte  Israel  aber  schon  vor  diesen  kleineren  neuen  Erfolgen 
davongetragen,  vgl.  v.  14,  auch  5  14  und  s.  II  Reg  14  25. 

14,  die  vierte  Strophe:  Denn  stehe  ich  stelle  auf  gegen  euch^  Ihr  Is- 
raeliten, ein  Volky  Das  wird  euch  bedräiigen  von  der  Strasse  nach  Hamat  Bis 
%um  Bache  der  Araba.  Unter  den  Israeliten  herrscht  auch  in  der  Be- 

urteilung der  politischen  Lage  verkehrte  Welt,  sie  freuen  sich,  wo  kein  Grund 
zur  Freude  ist  y.  13,  das  begründet  y.  14,  der  darum  mit  ^^  denn  beginnt.  Die 
Stellung  von  ni«5!ä  N'l'^^J  n]n;;"Dij!i  ist  auffallend,  ja  unmöglich;  so  lässt  sich  denn 
doch  das  allerdings  mit  Absicht  ans  Ende  gesetzte  •'in  nicht  von  seinem  Verb 
trennen.  Das  Sätzchen,  das  übrigens  auch  noch  in  der  ächten  LXX  fehlt,  ist 
als  Fremdkörper  aus  unserer  Strophe  auszuscheiden.  Das  Volk,  das 

Jahwe  gegen  die  Israeliten  auf  die  Beine  stellt,  ist  ohne  Namen  bekannt  genug, 
es  sind  die  Assyrer  (s.  zu  5  27);  die  w^erden  Israel  von  der  Nordgrenze  bis  in 
den  äussersten  Süden  seines  Reiches  bedrängen,  also  nirgends  wird  sich  Israel 
in  seinem  ganzen  Gebiete  gegen  die  Assyrer  halten  können.  Die  Nordgrenze 
ist  oft  wie  hier  mit  riDH  «U^ö  bezeichnet,  vgl.  IReg  8  65  II  14  25,  d.  h.  von  da, 
wo  man  nach  Hamat  (s.  zu  y.  2)  geht.  Im  Süden  wird  nicht  die  Grenze  gegen 
Juda,  sondern  die  im  Ostjordanland  genannt,  weil  sie  dort  weiter  nach  Süden 
führt.  Der  Hlil^n  ^Hi  ist  allerdings  nicht  sicher  bestimmbar.  Vergleicht  man 
die  Nachricht  II  Reg  14  25,  dass  Jerobeam  IL  das  Gebiet  Israels  wieder  her- 
gestellt habe  von  der  Strasse  nach  Hamat  bis  zum  Meer  der  Araba  d.  h.  dem 
Toten  Meer,  so  könnte  man  geneigt  sein,  einen  Wädi  an  der  Nordostseite  dieses 
Meeres  als  den  Nachal  der  Araba  anzusehen.  Abei  da  nach  Jes  15  7  (s.  dort) 
im  Süden  des  Toten  Meeres  ein  D'<ni5?n  bT\\,  wahrscheinlich  der  heutige  Wädi 
el-Achsa,  sich  findet,  so  hat  es  viel  für  sich,  die  beiden  fast  gleichnamigen 
Wädi  zu  identifizieren;  möglicherweise  liegt  sogar  in  dem  SüofXüiv  der  LXX 
ein  Fingerzeig,  dass  man  hier  auch  ö^ni?jn  i  zu  lesen,  also  sicher  den  Weiden- 
bach von  Jes  15  7  wiederzufinden  hat.  Jedenfalls  macht  die  allgemeine  Angabe 
II  Reg  14  25  diese  Deutung  nicht  unmöglich,  und  wenn  Wellh.  erklärt:  Den 
D*»:;!"!?^?!  bx\\  „kann  Amos  nicht  meinen,  er  muss  durchaus  Juda  (y.  1  11)  ein- 


Am6U  207  Am  7  1 

begreifeu'S  und  daher  verniiitet,ursprün)^'licli  sei  hier  die. Judii  mit  eiiischlicsseude 
allgemeine  ideale  Südgrenze  D^'i:ip  bn^  (IReg  8  65  IlChr  7  8)  genannt  gewesen, 
so  ist  einfach  zu  sagen,  dass  dieses  Urteil  auf  falschen  Prämissen  beruht;  denn 
V.  1  (im  ursprünglichen  Text)  und  v.  ii  ist  nichts  von  Juda  zu  lesen  und  der 
Befund  von  v.  14  bestätigt  diese  Fassung,  es  harmoniert  also  die  Grenz- 
bestimmung in  V.  14  vortrefflich  mit  der  sonstigen  Haltung  des  Propheten 
Amos:  er  hat  überall  auch  in  6  ii-i4  nur  Israel  im  Auge. 


Dritter  Teil: 

Eine  Reihe  von  Visionen  unterbrochen  durch  die  Erzählung 
von  dem  Erlebnis  Arnos'  in  Bethel  und  ausgestattet  mit  einem 
Anhang  über  das  bleibende  Glück  der  einst  kommenden  Tage 

7 1-9 15. 

Das  unterscheidende  Merkmal  dieses  dritten  Teiles  ist,  dass  er  in  der  Hauptsache 
erzählende  Abschnitte  und  dem  entsprechend  Prosa  bietet.  Schon  der  Versuch  einer 
den  Inhalt  zusammenfassenden  Überschrift  zeigt,  wie  merkwürdig  ungleichartig  die  hier 
vereinigten  Stücke  sind.  Aber  nicht  nur  wird  die  Erzählung  von  den  Visionen  durch  den 
Bericht  über  das  Auftreten  Arnos'  in  Bethel  unterbrochen  und  am  Schluss  durch  einen 
prophetischen  Anhang  bereichert,  sondern  auch  die  erzählenden  Stücke  selber  tragen  ver- 
schiedenen Charakter;  über  die  Visionen  berichtet  Amos  selber  in  der  ersten  Person,  in 
der  Erzählung  von  seinem  Auftreten  in  Bethel  aber  erscheint  er  in  der  dritten  Person. 
Deswegen  aber  sofort  anzunehmen,  7  10-17  sei  ein  fremdes  Element,  und  an  der  Geschicht- 
lichkeit desselben  zu  zweifeln,  liegt  kein  Grund  vor,  s.  Einleitung  III  1.  Dagegen  ist  der 
Anhang  seiner  Herkunft  und  seinem  Inhalt  nach  dem  Propheten  Amos  fremd,  s.  zu  9  8-15. 
Ausserdem  hat  sich  an  die  Erzählung  der  einzelnen  Visionen  mancherlei  Geröll  ange- 
schlossen, das  z.  T.  Bruchstücke  von  Reden  des  Propheten  Amos,  z.  T.  aber  auch  Orna- 
mentstücke späterer  Zeit  enthält,  vgl.  zu  8  4-14-  und  9  5  f. 

Es  sind  fünf  Visionen,  von  denen  die  fünfte  9  1  ff.  in  etwas  anderer AVeise  als  die 
vier  ersten  eingeleitet  ist.  Die  Vision  ist  ein  psychologisches  Ereignis;  das  lässt  sich  nicht 
mit  dem  Hinweis  auf  ''iSin  7  14  7  8  1  und  Ti^Si  9  1  und  der  Behauptung  in  Abrede  stellen, 
dass  mit  solcher  Erklärung  n«*i  umgedeutet  werde.  Dieses  psychologische  Ereignis  kann 
durch  äussere  Wahrnehmungen  ausgelöst,  aber  auch  nur  durch  die  mächtige  Vergegen- 
wärtigung der  bereits  im  Innern  schlummernden  Überzeugung  veranlasst  sein.  In  beiden 
Fällen  ist  die  im  Innern  des  Propheten  vorhandene  Wahrheit  das  Primäre,  die  sich,  wie 
z.  B.  bei  Jesaja  in  der  Inauguralvision,  mit  überwältigender  Kraft  und  nun  in  völliger 
Klarheit  Durchbruch  verschafft  oder  wie  bei  Amos  (bes.  in  7  1  4  8  l)  überall  in  den  Er- 
lebnissen, z.  T.  auch  in  scheinbar  geringfügigen,  den  verborgenen  Sinn  und  Willen  Jahwes 
zu  verstehen  und  zu  deuten  lehrt  oder  endlich  in  lebhafter  anschaulicher  Darstellung  wie 
bei  Amos  9  l£f.  und  in  Sacharja  zum  Ausdruck  kommt.  Nicht  die  Visionen,  am  wenigsten 
die  Gap.  7  erzählten,  haben  Amos  zum  Propheten  gemacht;  weil  er  Prophet  war,  hatte  er 
solche  „Visionen".  Vgl.  über  Amos'  Berufung  zu  3  4-8  und  ferner  über  den  psychologischen 
Charakter  der  Vision  meine  Bemerkungen  zu  Jes  6  im  Gommentar  S.  69 f.  und  meine 
Studien  zu  Sacharja  StK  1892  bes.  S.  233— 242,  ausserdem  W.  R.  Smith  Pröphets  of  Israel2 
S.  219—224. 

1)  Die  erste  Vision:  die  Heuschrecken  7 1-3.  1  Dass  es  sich  nicht  um 
visionäre,  sondern  um  leibhaftige  Heuschrecken  handelt,  zeigt  sich  hier  be- 
sonders deutlich  an  den  Zeitbestimmungen  von  v.  i.  Die  einleitende  Formel 
''iSin  n*2  so  Hess  mich  schauen,  die  v.  4  7  8  i  wiederkehrt  (vgl.  noch  Sach  3  i 


Am  7  1  208  Am  7  2 

Jer  24  i),  hat  hier  den  Sinn:  Jahwe  Hess  mich  in  folgenden^  etwas  Bedeutungs- 
volles schauen.  ^i'lfcj  wird  auch  hier  wie  z.  ß.  in  6  8  als  das  Kere  zu  dem 
folgenden  HliT  sekundär  sein;  es  ist  überall  in  dieser  Einleitungsformel  von 
LXX  nicht  sicher  bezeugt.  Statt  1?1%  wozu  man  das  gewöhnlich  ergänzte 
Subj.  njiT  auch  wirklich  im  Texte  sehen  möchte,  ist  1^^^  =  sTrtYovY),  Brut  zu  lesen 
und  das  zweite  ti^J^^  in  p^^  =  [:ipou;(oi,  ausgeschlüpfte  Heuschrecken  (s.  Jo  1  4) 
zu  verbessern,  beides  nach  LXX  mit  Hoefmann,  Guthe,  Wellh.  Kl.  Proph.^. 
Also  ist  zu  übersetzen:  Es  zeigte  sich  Heuschreckenhrut^  als  das  Frühlingsgras 
aufzugehen  begann  (oder  vielleicht:  als  das  Frühlingsgras  aufwuchs^  da  wahr- 
scheinlich T\"b^  und  TbT\T\  Dubletten  sind  und  ni^^5  zu  lesen  ist,  so  Baumann), 
und  ausgeschlüpfte  Heuschrecken  nach  dem  Grasschnitt  des  Königs.  7j\}l  "'ni-i 
(auch  Na  3  17),  viell.  mit  dem  denominativen  •»-:-  gebildetes  Collectivum  =  Heu- 
schreckenschwarm y  s.  Ges.-Kautzsch^^  §86i,  König  Lehrgebäude  II  S.  119 
und  vgl.  targ.  fc^DI-l.  trj:^  ist  das  durch  den  ti^lp^)?,  Spätregen,  d.  h.  den  in 
den  Monaten  März  und  April  vor  der  Ernte  fallenden  Hegen,  hervorgerufene 
Frühlingsgras,  also  der  neue,  aber  auch  der  letzte  Wuchs.  Auf  diesen  hatte 
nach  dem  Ausdruck  '^^T\  ""y  der  König  ein  erstes  Anrecht;  denn  "^J^^sn  nj  be- 
zeichnet den  Grasschnitt  des  Königs  und  nicht  die  Schafschur,  da  die  Schafe 
der  Könige  zu  keiner  besonderen  Zeit  Wolle  zu  tragen  pflegen  und  „die  Heu- 
schrecken keine  Wolle  fressen"  (Wellh.),  und  der  König  bezog  demnach  eine 
Abgabe  von  diesem  Frühlingswuchs,  die  sog.  Königsmahd,  wohl  zum  Unter- 
halt der  Kriegsrosse  (I  Reg  18  5).  Ahnliche  Abgaben  vom  Weideland  forderten 
später  auch  die  römischen  Herrscher  Syriens  im  Monat  Nisan,  vgl.  Smith- 
StIjbe  Rel.  der  Semiten  S.  191.  Dass  Gras  geschnitten  wurde,  bezeugt  doch 
auch  Ps  72  6,  und  dass  Stallfütterung  im  Allgemeinen  im  Orient  nicht  üblich 
ist,  schliesst  sie  für  die  königlichen  Marställe  nicht  aus.  Es  war  somit  ein 
kritischer  Moment,  in  w^elchem  die  Heuschreckennot  drohte ;  gerade  in  dem 
Zeitpunkt  waren  die  Larven  ausgeschlüpft,  um  nun  das  Zerstörungswerk  zu 
beginnen,  wo  das  letzte  Gras  sprosst  vor  dem  „langen  traurigen  Fasten- 
Semester",  das  dem  Vieh  bes.  in  einem  trockenen  Sommer  bevorsteht,  s.  ZDPV 
1881,  83.  Immerhin  ist  es  aber  nicht  unwahrscheinlich,  dass  y.  i^  eine  Glosse 
ist  zur  Erklärung  von  t^Jj^:  siehe  ^iph  ist  (das  Gras)  nach  der  Zeit  des  t^lp^ö; 
man  lese  t^^lpbisn  T\)l  in«  für  IT^DH  n^i  in«,  vgl.  Volz  ThLZ  1900,  292.  Die 
interessante  Übersetzung  der  LXX  von  v.  i'^:  xal  l§ou  ßpoü/o?  si;  F^y  (:n:i  "in« 
für  Mil  lesend)  6  ßaaiXsu^,  zeigt,  welche  Gedanken  ihrer  Zeit  geläufig  waren. 
2  Für  das  sowohl  in  der  Berichterstattung  unmögliche,  als  auch  zum  Vorder- 
satz, insbes.  zum  temporalen,  für  ^t^)  untaugliche  n^?"D«  7\^T\\  (=  und  es  wird, 
wenn  vollendet  hat)  ist  entweder  mit  Toeeey  (Journ.  of  Bibl.  Lit.  1894,  63), 
Deiver  und  Wellh.  unter  minimer  Änderung  des  Konsonantentextes  C*  ist 
nach  \  weggefallen)  zu  lesen:  n^5D  «n  Nn'jT  =  als  sie  («n  =  «in  d.  h.  [h  y.  i,  die 
ausgeschlüpften  Heuschrecken)  nun  daran  waren^  das  Kraut  im  Lande  weg- 
zufressen,  oder  es  ist  nV?"D«  als  Verschreibung  des  folgenden  Wortes  zu  ent- 
fernen und  kurz  und  gut  zu  vermuten:  ^DS^  ^T^*l  und  als  sie  das  Kraut  im  Lande 
fressen  wollten  (vgl.  Baumann).  Da  tritt  Amos  als  Fürbitter  für  sein  Volk  ein 
bei  Jahwe,  wie  Mose  bei  den  Plagen  in  Ägypten  für  Pharao  nach  der  Erzählung 


Am  7  3  209  Am  7  6 

von  Exodus,  vgl.  ferner  Abraham  Gen  18  22-33,  Mose  Ex  17  8-13,  Samuel 
ISam  7,  Jeremia  Jer  15  1  (s.  dort):  «^Tl'^p  vergieb  doch!  Wie  (eigentlich:  als 
welches;  ''D  ist  Zustandskasus  wie  Dllj;  2  I6)  soll  Jakob  beslehen,  da  es  doch  so 
gering  ist!  ]1tDjj,  kleln^  gering  d.  h.  an  Hilfsmitteln  und  Hilfsquellen  arm,  sodass 
es  eine  solche  Plage,  eine  solche  Kalamität  nicht  aushalten  könnte.  3  Gott 
nimmt  diese  Fürbitte  an:  Jahwe  Hess  es  sich  reuen;  ,^es  soll  nlchl  ge- 
schehen'-', sprach  Jahwe.  Die  Konstruktion  '^j;  Dn;  ganz  wie  Ex  32  u;  n«t  dies 
bezieht  sich  auf  die  mit  den  Heuschrecken  intendierte  Kalamität,  die  auch  zu 
n\in  Subi.  ist:  sie  soll  sich  nicht  verwirklichen. 

2)  Die  zweite  Vision:  das  verzehrende  Feuer  7  4-6.  4  Über  das  erste 
^:h^  s.  zu  V.  1,  auch  das  zweite  ist  von  LXX  nicht  sicher  bezeugt,  also  wohl  wie 
das  erste  als  in  den  Text  geratenes  Kere  zu  beurteilen.  Da  !l  n"^"!  mit  je- 

mand einen  Prozess  führen  bedeutet,  so  ist  ^^^  mit  «"ijj  zu  verbinden,  wie  denn 
auch  die  Konstruktion  mit  der  S  entsprechenden  Präposition  im  Arabischen 
bei  den  Verben  des  ßufens  zur  Einleitung  des  Objekts  gewöhnlich  ist  (vgl. 
^lo)und  imHebräischen  D^n  «"ijj  (s.  darüber  zu  Jesl2  4)  häufig  genug  vorkommt. 
Es  ist  statt  der  direkten  Konstruktion  die  Konstruktion  mit  2  angewandt,  vgl. 
21  '?jDn  4  11.  D  t^'ijj  heisst  somit  eigentl.:  rufen  mit  dem  und  dem  Ruf,  also  hier 
mit  C^S:  Feuer  herbeirufen.  Dagegen  ist  nn  absolut,  wie  Jes  3  13,  =  Prozess 
führen,  hier,  da  Jahwe,  der  ihn  führt,  Ankläger,  Richter  und  Vollstrecker  in 
einer  Person  ist,  =  richten,  Gericht  halten,  strafen.  Der  Sinn  von  y.  4^?  ist 
daher:  Siehe,  es  rief  gerade  Jahwe  %um  Strafen  Feuer  herbei.  Es  ist  deshalb 
unnötig,  mit  Ewald,  Hitzig,  Wellh.,  Nowack,  «njp  von  «IjJ  =  7r\\>  abzuleiten 
und  zu  übersetzen:  Jahwe  nahte  zu  strafen  mit  Feuer.  Einfacher  aber  ist  es, 
da  das  Subj.  niH^  unleidlich  nachhinkt,  als  ursprünglichen  Text  zu  vermuten: 
^^  nn.'j  rrp  nin,  siehe,  es  kam  gerade  Feuer  heran  um  zu  strafen  d.  h.  es  trat 
gerade  eine  Hitze  (denn  das  bedeutet  ^^)  ein;  die  falsche  Dittographie  des  n 
von  nn^  hat  die  Lesung  ^^^  und  die  Beifügung  von  r\)J\l  verschuldet.  Der 
Lesung  tr«  y^'yvh  Nnp  =  rufend  der  Feuerflamme  Hi  18  5  (oder  tr«  :i^l?^?  cf. 
Gen  3  24  =  dem  Feuerkerub?),  wie  Riedel  konjiziert,  ist  das  femin.  Geschlecht 
des  folgenden  ^5«r\5  nicht  günstig.  Zu  der  Hitze  neben  der  Heuschreckenplage 
vgl.  4  7  neben  4  9.  Die  Folge  dieser  Hitze  war  das  Versiegen  der  Quellen, 

die  aus  der  n^n  Dlnn,  dem  grossen  Ocean  kommen  (Gen  7  11),  auf  welchem  wie 
eine  verankerte  Insel  die  Erde  ruht;  bereits  auch  Hessen  sich  w^eitere  Folgen 
voraussehen,  auf  welche  n^D^I,  Perf.  mit  1  convers.  hinweist:  das  Feuer  wollte 
verzehren  p^nn'n«,  doch  wohl  am  besten:  das  angebaute  Grundstück,  das  be- 
baute Ackerfeld.  Schon  flössen  die  Quellen  nicht  mehr,  jetzt  sollte  auch  alles 
Getreide  und  alles  Angepflanzte  von  der  Hitze  versengt  werden.  Die  Fassung 
von  p^n  ist  nicht  ganz  klar;  LXX  bietet  xr^  |j.£pi5a  xoptoü,  doch  hilft  diese  Bei- 
fügung von  7\Yj:\  sowenig  wie  Hoeemann's  Lesung  p^nn  =  Kiesel.  Man  wird 
bei  p^n  =  Ackerfeld  stehen  bleiben  müssen  und  daran  zu  denken  haben,  wie 
bei  anhaltender  Dürre  leicht  im  Felde  Feuer  aufgehen  und  alle  Vegetation 
versengen  konnte,  vgl.  Jo  1  I9f.  Dass  die  Reihenfolge  eine  umgekehrte  sein 
müsste,  erst  das  Verdorren  der  Vegetation  und  dann  das  Versiegen  der  Quellen, 
ist  nicht  einzusehen.        Zu  5  6  vgl.  v.  2f.,  sr^in  halt  ein!  steht  für  )^yTbx^  v.  2; 

KuiÄüi  UU  zum  AT  :iLlll  14 


Am  7  6  210  Am  7  8 

auch  jetzt  ändert  Jahwe  auf  die  Fürbitte  Arnos'  seinen  Entschluss:  die  Hitze 
liess  nach  und  das  Ausserste  wurde  abgewendet. 

3)  Die  dritte  Vision:  das  l]lei  7  7-9. 

Im  Unterschied  von  den  zwei  ersten  Visionen,  in  denen  Amos  die  hereinbrechende 
Kalamität  selber  sieht,  schaut  er  hier  nur  ein  Symbol.  Das  ist  verständlich,  wenn  man 
bedenkt,  dass  er  dort  die  Gegenwart  sah  und  durch  seine  Fürbitte  die  Gefahr  noch  ab- 
wandte, dass  ihm  hier  dagegen  Zukünftiges  offenbar  wird.  Während  der  Sinn  des  Symbols 
mannigfache  Deutung  erfahren  hat,  besteht  über  das,  was  damit  geweissagt  wird,  kein 
Zweifel :  es  ist  die  Zerstörung  der  heiligen  Stätten  Israels  und  der  Sturz  seines  Königs- 
hauses. Vgl.  bes.  A.  CoNDAMiN,  le  pretendu  "fil  ä  plomb"  de  la  vision  d'Amos  (Revue 
biblique  Oct.  1900),  ferner  W.  Riedel  Alttest.  Untersuchungen  (1902)  S.  27—33. 

7  Die  Auslassung  des  ersten  "^JS  und  die  Änderung  von  HDin  in  HDln 
(Wellh.,  Nowack,  Oettli)  ist  notwendig,  wenn  "^^i$  als  Senkblei  verstanden 
wird,  da  eine  Mauer  des  Bleis  eben  noch  nicht  eine  lotrechte  Mauer  ist. 
Sicherer  ist  die  von  der  LXX  empfohlene  Textänderung;  es  ist  nämlich,  y.  i 
und  4  konform,  ''J^S  (resp.  Hin;;,  s.  zu  v.  i)  vor  n^T}]  zu  setzen,  vielleicht  sogar 
auch  an  seiner  jetzigen  Stelle  ein  ursprüngliches  W^t^i  zu  vermuten,  vgl.  dvrjp 
eoTYixo);  im  Cod.  Alex,  (weitere  Zeugen  s.  ZATW  1883,  269).  Danach  ergiebt 
sich:  So  liess  Jahwe  mich  sehen:  siehe  es  stand  einer  auf  einer  Mauer  von 
'Anäk  (eventuell  bloss:  auf  einer  Mauer)  und  in  seiner  Hand  hielt  er  'Anäk. 
Doch  soll  kein  Gewicht  auf  ^^t^  gelegt  sein;  nach  dem  MT  ist  es  Jahwe  selber, 
der  dort  steht.  Aber  was  ist  "^JJ«?  Jedenfalls  ein  Metall:  LXX  fasst  es  als 
dSdcfia?  Stahly  nach  den  übrigen  semitischen  Sprachen,  welche  sämtlich  dieses 
Wort  aufweisen,  zieht  man  gewöhnlich  Blei  not ^  obschon  in  diesen  Sprachen 
auch  anderes  Metall  z.  B.  Zinn  so  bezeichnet  wird.  Von  den  alten  Versionen 
ist  keine  auf  die  Bedeutung  Bleilot  gekommen,  von  der  die  modernen  Erklärer 
sagen,  dass  der  Zusammenhang  sie  lehre.  Diese  Nötigung  ist  mit  Recht  von 
CoNDAMiN,  neuerdings  auch  von  Riedel,  bestritten.  Einmal  passt  die  Bei- 
fügung von  "^J«  mit  dieser  Bedeutung  nicht  zu  n)?in,  weshalb  eben  einige  (s. 
oben)  ij^S  dort  streichen.  Dann  aber  braucht  man  das  Bleilot  bei  der  Errich- 
tung, nicht  bei  der  Zerstörung  der  Gebäude,  wie  man  nach  v.  8  f.  behaupten 
will^  und  endlich,  wenn  die  Anwendung  des  Bleilots  als  ein  Bild  für  die  Unter- 
suchung, ob  in  Israel  nichts  Krummes  sich  finde,  angesehen  wird,  bringt  man 
den  in  diesen  Visionen  des  Gerichts  fremden  Gedanken  herein,  als  ob  die 
Schuld  Israels  noch  erst  zu  konstatieren  sei.  Es  ist  also  mit  Condamin  fest- 
zuhalten, dass  "q^S  nicht  Bleilot  sondern  irgend  ein  Metall,  ein  besonders  hartes 
(nach  LXX  Stahl)  oder  ein  besonders  schweres  (nach  den  verwandten  Sprachen 
Blei)  bedeute.  Baumann  geht  wohl  zu  weit,  wenn  er  ^JfcJ  nttin"'?j;  y^t^  entfernt 
und  V.  7  nur  liest:  "HiS  IT^n  n^HI  Hin^  ^:h^  ^^«nn  Hä.  8  deutet  dem  Propheten 
das  Gesehene  mit  den  Worten:  Siehe ^  ich  lege  Blei  (eventuell  Stahl  oder  ein 
anderes  Metall)  mitten  in  mein  Volk  Israel^  ich  werde  ihm  nicht  weiter  ver- 
zeihen. Nach  den  Parallelen  v.  2  thü  und  v.  5  ^"in  kann  inj?  hier  nichts  Anderes 
als  verzeihen^  Schonung  gewähren  bedeuten.  Dieses  Versagen  weiterer  Scho- 
nung fordert,  dass  'j^S  "qi«  U'p  irgendwie  den  Anfang  des  Gerichts  oder  dieses 
Gericht  selber  ankündige.  Vielleicht  ist  es  doch  nicht  nur  ein  Wortspiel,  wenn 
die  Talmudisten  darin  von  H^JI^  „Bedrückung"  gesprochen  finden;  es  könnte 


Am  7  8  211  Am  7  10 

dann  mit  Blei  der  schwere  Druck,  dei*  auf  das  Volk  von  Feindeshand  gelegt 
wird,  gemeint  sein.  Doch  wird  man  noch  besser  mit  Condamin  zur  Vergleichung 
die  Stellen  herbeizielien,  in  denen  von  einer  eisernen  Säule,  einer  ehernen 
Mauer  die  Rede  ist,  vgl.  Jer  1  18  15  20  Hes  4  3,  und  in  *^J«  das  Symbol  der  un- 
widerstehlichen Macht  erblicken,  mit  der  sich  ein  Feind  (natürlich  Assur  s.  zu 
5  27)  inmitten  des  Landes  unvertrei])lich  festsetzt  (als  eine  Mauer  von  hartem 
Metall)  und  Eisen  und  Stahl,  unbesiegbare  Waffen,  in  seiner  Hand  führend 
Zerstörung  und  Verwüstung  verbreitet.  Bei  dieser  Erklärung  hat  man  bei 
"^)^  nur  eher  nach  LXX  an  Stahl,  doa[xac,  als  an  Blei  zu  denken  und  erhält 
damit  auch  eine  Möglichkeit,  den  Text  '^JJl^  ^^*^n  y.  7  festzuhalten.  Also  einen 
unbesieglichenMann  mit  Eisen  und  Schwert  (vgl.  ^^n  v.  9)  sieht  Amos  v.  7,  und 
V.  8  erklärt  ihm,  dass  dieser  Mann  sein  Schwert  gegen  Israel  kehrt,  da  Jahwe 
nicht  weiter  Schonung  gewährt.  Den  gleichen  Sinn  hat  es,  aber  ein 

reines  Wortspiel  ist  es,  wenn  Riedel  daran  denkt,  ^JiS  „Zinn"  sei  nur  deshalb 
gewählt,  weil  es  an  '^JJ^J  (==  J^??^?  Pi-  "^on  HD^,  von  dem  wenigstens  das  Pu.  sicher 
zu  belegen  ist)  „ich  will  zerschlagen"  erinnere.  9  zeigt,  wie  diese  un- 

widerstehliche Macht  in  Israel  schaltet:  die  höchsten  und  heiligsten  Güter,  die 
Israel  kennt,  werden  vernichtet,  die  Heiligtümer  zerstört  und  das  Königshaus 
gestürzt.  niD|  gebraucht  Amos  ohne  jede  schlimme  Nebenbedeutung;  an  eine 
Unterscheidung  von  legitimen  und  illegitimen  Heiligtümern  Jahwes,  wie  sie 
später  das  Dtn  vornimmt,  denkt  er  nicht,  der  ganze  Kultus  hat  ein  Ende  und 
damit  die  Illusion,  die  sich  an  ihn  anklammert.  P0^^  auch  y.  16,  soll  nicht 

auch  Juda  einschliessen,  sondern  ist  als  Name  des  nächsten  Ahnen  Jakobs 
nichts  als  eine  andere  Bezeichnung  für  das  parallele  ^i??"3ij^%  über  das  die  Fa- 
milie Jerobeams  regiert,  gerade  wie  bei  Hosea  D'^'lDIS!  und  h^"\^\  in  Parallele 
stehen  (s.  auch  Meinhold  Studien  zur  isr.  Religionsgesch.  I,  1  S.  49  f.). 

4)  Die  Erzählung  von  dem  Auftritt  in  Bethel  7 10-iy. 

S.  über  diesen  Einschub  oben  die  Vorbemerkung  zu  7  1 — 9  15  und  Einl.  III  1. 
Den  Grund,  warum  die  Erzählung  an  dieser  Stelle  eingeschoben  wurde,  hat  Wellh.  darin 
gesehen,  dass  „die  Äusserung  7  9,  eine  Lästerung  gegen  Gott  und  den  König,  dem  Priester 
zu  seinem  Vorgehen  Anlass  gab".  Möglich  sei  auch,  dass  „der  Priester  eben  an  diesem 
Punkte  die  Rede  des  Sehers  unterbrach".  Ursprünglich  gehörte  jedoch  der  Abschnitt  an 
das  Ende,  also  nach  9  7,  vgl.  Einl.  III  1. 

Im  übrigen  ist  dieser  erzählende  Abschnitt  von  der  grössten  "Wichtigkeit;  denn  er 
giebt  uns  Kunde  davon,  dass  Amos  in  Bethel  aufgetreten  ist  und  in  den  Jubel  der  dort 
zum  Feste  versammelten  Menge  die  Botschaft  Jahwes  vom  Untergang  Israels  hineingerufen 
hat.  Dann  aber  lernen  wir  auch  aus  diesem  Konflikt  zwischen  Priester  und  Prophet,  wie 
damals  die  Priester  das  Prophetentum  beurteilten  und  wie  wenig  Verständnis  die  offizielle 
Religion  der  in  Amos  sich  ankündenden  neuen  Phase  der  prophetischen  Religion  ent- 
gegenbrachte. 

10  11  Der  Rapport  an  den  König.  10  Amasja  ist  der  Priester  von 
Bethel  d.  h.  der  Oberpriester;  die  andern  Priester,  die  neben  ihm  am  Heiligtum 
fungierten,  waren  seine  Untergebenen.  "über  Bethel  s.  zu  3  u.  Die 

Meldung  an  den  Herrscher  des  Landes  lautet:  "IUI  '^l'hv^  l^jj  eine  Verschwörung 
hat  Amos  gegen  dich  angezettelt  mitten  in  Israel.  Aufforderung  zum  Aufruhr 
sieht  Amasja  in  den  Worten  des  Propheten,  die  Erinnerung  an  die  Sendung 

Elisas  an  den  Nimsiden  Jehu  II  Reg  9  1  ff.  konnte  ihm  diese  Deutung  em- 

11* 


Am  7  10  212  A.m  7  U 

pfehlen.  Das  Land  kann  alle  seine  Worte  nicht  fassen,  dieses  Bild  ist 

hergenommen  von  dem  Füllen  eines  Gefässes,  in  das  man  zu  viel  hineinstopfen 
will.  AVie  solches  das  Gefäss  zum  Bersten  bringt,  so  geht  der  Staat  aus  den 
Fugen,  wenn  alle  diese  aufrührerischen  Reden  weiter  geduldet  werden.  11^ 
enthält  keine  falsche  Interpretation  der  Worte  des  Propheten.  Was  beim 
Sturze  der  Dynastie  dem  Träger  der  Krone  bevorstand,  konnte  nicht  zweifel- 
haft sein,  vgl.  die  Angst  Alias' Jes  7  2;  dagegen  hat  Amos  die  Deportation, 
V.  ll^  nicht  unmittelbar  vorher  gedroht,  s.  jedoch  5  27  6  7  und  vgl.  die  Vor- 
bemerkung zu  7  10-17. 

12  13  Die  Ausweisung  des  Propheten.  12  Amasja  wartet  die 

königlichen  Weisungen  nicht  ab  —  jedenfalls  ist  von  solchen  nichts  be- 
richtet — ,  sondern  schreitet  als  getreuer  Diener  des  Staates  in  heiligem  Eifer 
selber  ein  und  sucht  durch  Ausweisung  den  fremden  Seher  zum  Schweigen  in 
Israel  zu  bringen.  Er  nennt  Amos  r\p,  Seher  (eine  Bezeichnung,  die  wie  das 
parallele  n«h  in  vorexilischer  Litteratur  selten  ist,  vgl.  Jes  30  lo  Mch  3  7 
IISam24ii),  offenbar  mit  Rücksicht  auf  die  Visionen  und  gewiss  auch  mit 
einem  leichten  Anflug  von  Ironie  =  Hellseher,  der  du  allein  von  allen  Menschen 
zu  sehen  vermeinst.  Mache,  dass  du  fortkommst  ins  Land  Juda,  und  suche 

dort  dein  Brot  und  prophezeie  dort!  Zu  dem  sog.  Dativus  ethicus  in  ^^TIIS  s. 
Ges.-Kautzsch27  §  119  s.  Amasja  sieht  in  Amos  nichts  anderes  als  den  Ange- 
hörigen einer  Prophetengilde,  der  das  Prophezeien  als  seine  Profession  übe, 
um  von  den  milden  Gaben,  die  man  solchen  Propheten  für  ihre  Dienste  zu 
spenden  pflegte,  zu  leben  (Mch  3  5  ii).  Darum  weist  er  ihn  in  seine  Heimat, 
nach  Juda,  zurück,  dort  mag  er  seinetwegen  am  Ende  auch  gegen  Jerobeam 
predigen,  jedenfalls  solle  er  dort  seine  Wirksamkeit  entfalten,  denn  er  werde 
dort  vor  der  eigenen  Thür  noch  genug  zu  wischen  finden  und,  wenn  er  denn  so 
gut  sehe,  doch  zuerst  den  Balken  in  seinem  Auge  und  bei  seinen  Leuten  sehen. 
S.  noch  zu  V.  14.  13  zeigt  das  hohe  Amtsbewusstsein  des  am  Staatstempel 

angestellten  Priesters.  In  Bethel  (zu  'p^Tl^?  =  "ns  s.  zu  2  8)  aber  darfst  du 
nicht  länger  prophezeien;  denn  das  ist  ein  Königsheiligtum  und  ein  Reichs- 
tempel.    Wir  würden  für  HD^Dö  n^n  Staatskirche  sagen.    Es  war  demnach  in 

T    T    I      -  -  O 

Bethel  ein  auf  Staatskosten  errichteter  und  unterhaltener  Tempel,  nicht  ein 
Privatheiligtum,  noch  ein  Tempel  einer  einzelnen  Stadt.  Allerdings  gehörte  in 
die  Hof-  und  officielle  Staatskirche  Amos  nicht,  der  weder  das  „aus  Rück- 
sicht auf  den  König"  noch  das  „5ia  tov  cpoßov  toü  Xaoü"  (Mt  26  5  Joh  7  13) 
kannte. 

14—17  Die  Antwort  des  Propheten.  Zuerst  14  stellt  Amos 

fest,  dass  er  nicht,  wie  Amasja  meint,  zur  Prophetenzunft  gehört,  sondern  einen 
anderen  Beruf  treibt  und  von  diesem,  nicht  von  milden  Gaben  lebt.  Ich 

bin  kein  Prophet,  nicht  das,  was  Amasja  und  was  man  damals  allgemein  unter 
einem  ^^"^nj  sich  vorstellte,  auch  kein  Angehöriger  der  Prophetenzunft,  dieser 
Prophetengenossenschaften,  die  als  Familien  beisammen  wohnten,  deren  An- 
gehöriger daher  „Prophetensohn"  i^"*??')!  hiess.  Dass  Amos  von  den  Propheten 
nicht  gering  denkt,  ersieht  man  aus  2  ii;  aber  allerdings  er  gehört  nicht  in 
ihre  Reihe  und  wenn  später  er  und  Männer  seiner  Art  „Propheten"  genannt 


Am  7 14  213  Am7j6 

werden,  so  geschieht  das  oline  seinen  Willen.  Über  die  Prophetengilden  und 
die  neue  Phase  des  Prophetentunis,  die  mit  Arnos  auf  den  Plan  tritt,  s.  meine 
Gesch.  der  israel.  Rel.^  §  31  S.  121  ff.  Sondern  Sckafhirt  hin  ich  und 

Sykomorenzüchter.  Statt  1j?12,  das  als  denominativura  von  Ijj^  Amos  im 
Widerspruch  mit  v.  15,  wo  nur  von  )«:J  Schmalvieh  die  Rede  ist,  und  mit  1  i 
(s.  dort  zu  D'^npi?)  zu  einem  Hinderhirten  macht,  ist  nj?i:  =  Schafhirt  (s.  zu  1  i  j 
zu  lesen,  vgl.  LXX  aluoXo;,  Ziegenhirt;  die  Verderbnis  von  i  in  n  und  von  *T 
in  1  ist  leicht  verständlich.  dS13,  Stt.  Xe^.,  hat  nach  dem  Äthiop.  und 

Arab.,  wo  öalas  eine  Feigen-  resp.  Maulbeerfeigenart  bezeichnet,  die  Bedeu- 
tung von  mit  Feigen  zu  thun  haben,  Feigen  ziehen,  und  nöp^  (griech.  dasselbe 
Wort  oüxajxivo;)  ist  der  Maulbeerfeigenbaum,  die  Sykomore.  Die  LXX  giebt 
mit  ihrer  Übersetzung:  xvi^cov  auxdtjxiva,  Maulbeeren  kneif end,  ritzend,  die  wich- 
tigste Thätigkeit  des  Sykomorenpflanzers  an;  denn  um  die  Maulbeeren  geniess- 
bar  zu  machen,  müssen  sie  vor  der  Reife  am  Baume  mit  einem  Nagel  oder 
Eisen  punktiert,  geritzt  werden,  dann  fliesst  ein  Teil  des  herben  Saftes  ab  und 
der  zurückbleibende  kommt  in  Zuckergährung.  Jedenfalls  sind  Maulbeeren 
keine  vornehme  Speise,  vgl.  Tkisteam  Natural  History  of  the  Bible^  (1889) 
S.  397—400,  RiEHM  HbA  und  Guthe  Kurzes  Bibelwörterbuch  sub  Maulbeere, 
EncycL  bibl.  sub  Figtree. 

Wenn  Grätz  und  Oort  hauptsächlich  auch  aus  der  Angabe,  dass  Amos  Sykomoren- 
züchter  gewesen  sei,  schliessen  wollen,  Amos  sei  kein  Judäer  gewesen,  so  mag  es  richtig 
sein,  dass  Klima  und  Boden  von  Thekoa  auch  damals  für  Sykomoren  ungeeignet  waren, 
aber  gleichwohl  nötigt  die  Stelle  uns  nicht  zu  diesem  Schlüsse;  denn  die  Schafhirten  von 
Thekoa  nomadisierten  mit  ihren  Herden,  und  so  weit  ist  es  von  Thekoa  nicht  bis  zum 
Toten  Meere  oder  zur  Schephela  (vgl.  IReg  10  27),  dass  sie  nicht  dort  Landstücke  ihr 
eigen  nennen  konnten,  welche  zur  Maulbeerfeigenzucht  warm  genug  waren.  Noch  viel 
weniger  Gewicht  zur  Bestätigung  der  Annahme  nichtjudäischer  Herkunft  des  Propheten 
kann  dem  beigemessen  werden,  dass  Amasja  v.  12  nicht  sagt:  kehre  zurück  in  das  Land 
Juda.  So  hätte  er  gew^iss  sagen  können,  aber  nicht  sagen  müssen;  dass  er  Amos  heim- 
schickt, klingt  deutlich  genug  aus  seinen  Worten,  vgl.  zu  v.  12,  ferner  zu  1  1. 

Weiter  betont  Amos  15,  |dass  auch  jetzt  der  Grund  zur  „Unterbrechung 

seines  ordentlichen  Berufes"  die  aussergewöhnliche  Aufgabe  ist,  mit  der  ihn 
Jahwe  betraut  hat.  Nicht  irgend  ein  willkürlicher  Entschluss  oder  gar  das 
Verlangen  nach  milden  Gaben,  sondern  Jahwe  (zur  Hervorhebung  bei  beiden 
Verben  gesetzt)  führte  ihn  nach  Bethel  und  gab  ihm  auch  den  Auftrag  zu 
sprechen,  vgl.  3  8.  Amos  wäre  noch  jetzt  bei  seiner  Herde,  hinter  derselben  als 
Hirte,  wenn  ihn  nicht  Jahwe  von  dort  i^'^T\)^y^)  weggenommen  hätte.  "!?S  ist 
schwerlich  hier  =  an  die  Adresse  zu  fassen,  sondern  =  ^j;  über,  wie  v.  16;  die 
Abschreiber  haben  "^{J  und  ^y  vielfach  promiscue  gebraucht.  Endlich 

16 f.  wiederholt  Amos  seine  Weissagung,  aber  so,  dass  er  Amasja  zeigt,  welches 
Geschick  ihm  beim  Untergang  des  Staates  widerfahre.  nrij^"!  Und  nun 

seih  da  ich  dir  nicht  zu  gehorchen  habe,  sondern  Jahwes  Wort  zu  verkünden 
geschickt  bin.  Eine  denkwürdige  Begegnung!  Der  Schafhirt  von  Thekoa  ist 
der  Bote  Jahwes  an  den  Oberpriester  von  Bethel!  Der  Priester  will  dem 
Hirten  das  Wort  verbieten,  weil  er  darin  eine  Lästerung  Gottes  und  des 
Königs  sieht,  und  muss  doch  von  ihm  sein  Urteil,  das  Jahwe  gesprochen  hat, 
vernehmen.  ^^^n  wird  doch,  wenn  es  auch  kein  verächtlicher  Ausdruck 


Am  7  16  214  Am  8  2 

ist,  besagen  sollen:  (Du  sagst,)  ich  solle  nicht  Worte  verschwenden  über  das 
Haus  Isaaks.   Winckler's  niDS  (nach  v.  9)  für  n**?  ist  unnötig.  17  Dem 

Wort  des  Priesters  setzt  der  Prophet  das  Wort  Jahwes  entgegen,  das  ein  rich- 
tiges dreihebiges  Tetrastich  umfasst:  Deine  Frau  wird  %ur  Ilure  in  der  Stadt, 
Deine  Söhne  und  Töchter  fallen  durch  das  Schwert,  Dein  Grund  und  Boden 
wird  mit  der  Messschnur  verteilt  werden.  Du  selber  aber  wirst  auf  unreinem 
Boden  sterben.  Bei  der  Eroberung  wird  die  Frau  des  Oberpriesters  in  der 
Stadt,  da  sie  die  vornehmste  war,  der  Schändung  durch  die  Feinde  anheim- 
fallen, vgl.  Jesl3i6  Sachl4  2;  dafür  ist  Hit  „ein  beleidigender  Ausdruck" 
(Wellh.).  Die  Kinder  trifft  der  Tod;  Amasja  selber  wird  deportiert:  sein 
Grund  und  Boden,  der  offenbar  weit  und  gross  war,  und  auf  dem  er  wohl  sich 
ein  schönes  Grab  in  Aussicht  genommen  hatte,  wird  mit  der  Messschnur  aus- 
gemessen, um  an  neue  Ansiedler  verteilt  zu  werden,  vgl.  Mch  2  4  Jer  6  12 
II  Reg  17  24;  er  selber  wird  im  Exil  sterben  und  in  unreinem  Boden  begraben. 
Die  Fremde  heisst  unrein,  weil  man  dort  von  Jahwes  Angesicht  fern  ist,  dort 
Jahwe  keine  Opfer  und  Feste  feiert  und  darum  auch  keine  reine,  durch  die 
Weihe  auf  Jahwes  Altar  geheiligte  Speise  zu  essen  bekommt,  vgl.  Hos  9  3-5 
Gen  4  14  16  I  Sam  26  19.  Die  letzten  Worte  'IUI  ^^l^l^M  sind  störend,  denn 

sie  bringen  nichts  Neues,  was  nicht  schon  in  y.  17  gesagt  wäre;  ausserdem  be- 
ziehen sie  sich  nicht  speziell  auf  Amasja  und  endlich  sind  sie  identisch  mit 
V.  11^  Sie  werden  deshalb  späterer  Zusatz  sein,  damit  Amasjas  Meldung  an 
den  König  v.  11  wirklich  in  diesem  Punkte  genau  die  Worte  des  Propheten 
wiedergebe.  „Merkwürdig,  was  ein  Prophet  im  alten  Israel  alles  sagen 

durfte;  dem  Amos  geschah  offenbar  nichts"  (Wellh.).  Anders  war  es  schon 
zur  Zeit  Jeremias  und  Urias,  s.  Jer  26,  bes.  v.  22-24. 

5)  Das  vierte  Gesicht:  der  Korb  mit  reifem  Obst  8 1-3. 

Wie  in  der  dritten  Vision  7  7-9  sieht  Arnos  auch  hier  ein  Symbol.  Aber  es  besteht 
zwischen  dem  Symbol  und  dem,  was  es  bedeutet,  kein  blosser  Gleichklang,  sondern  ein 
sachlicher  Zusammenhang.  Der  Korb  mit  dem  reifen  Obst  erinnert  an  das  Ende  des 
Jahres,  vgl.  Ex  34  22,  so  ist  auch  für  Israel  der  Herbst,  das  Ende  herbeigekommen,  vgl. 
die  von  Wellh.  zitierte  instruktive  Parallele  Mt  13  29:  6  OepKjfxöc  auvTsXsta  alüjvo;  laxtv, 
ferner  kann  man  an  das  Gleichnis  vom  unfruchtbaren  Feigenbaum  erinnern  Lk  13  6-9 ; 
Jahwe  lässt  sich  durch  Amos  nicht  mehr  zur  Geduld  bitten  v.  2  (vgl.  mit  7  2  5),  der  de- 
finitive Untergang  Israels  steht  unmittelbar  bevor.  Vgl.  die  Nachbildung  dieser 
Vision  in  Jer  24. 

1  leitet  die  Vision  ein  wie  7  1  4  7,  s.  dort.  ^1(5  hat  etymologisch  mit 

}^j5  nichts  zu  thun,  es  bedeutet  eigentlich  Hitze,  Sommer,  vgl.  Gen  8  22,  dann 
auch,  wie  hier  II  Sam  16  1  2  u.  sonst  häufig,  Sommerobst,  Sommer  fruchte, 
2  ist  gebildet  wie  7  8;  deshalb  muss  aber  nicht  mit  Gr.  Hoffmann  und  Guthe 
"p'lj^n  für  >^^T\  gelesen  werden,  "(^^j^n  ist  nur  das  Symbol  für  ^jpn,  das  Ende;  das 
Wortspiel  unterstützt  die  Symbolik,  vgl.  auch  Jer  1 11  f.  Der  Portschritt  in 
den  Visionen  ist  deutlich:  die  dritte  Vision  kündigte  die  Überwältigung  durch 
unwiderstehliche  Feinde,  die  Zerstörung  der  Heiligtümer  und  den  Sturz  der 
Dynastie  an,  die  vierte  definiert  die  Katastrophe  als  das  definitive  Ende  des 
Volkes:  das  Ende  ist  gekommen  über  (zu  'h^  für  ^J^  s.  zu  7  15)  mein  Volk  Israel. 
Später  hat  dieser  Begriff  ^j;  in  der  Eschatologie  eine  wichtige  Rolle  gespielt, 


Am  8  3  215  Am  8  4 

Vgl.  Dan  8  17  19  9  26  11  27  35  40  12  4  6  13.  3  beschreibt  näher  die  Art  und 

Weise  des  „Endes'':  Statt  des  Freudenjubels  erliebt  sich  trauriges  Wimmern 
und  allerorten  liegen  die  Leichen  der  Erschlagenen.  Das  wird  im  Allgemeinen 
der  Sinn  sein,  im  Einzelnen  bleibt  jedoch  manches  unsicher.  Für  niT^,  welcher 
Plural  sonst  nicht  vorkommt  und  nur  die  einzelnen  lAeder  bedeuten  könnte, 
ist  mit  HoFEMANN,  Wellh.  und  den  Neueren,  auch  Oettli,  T\T\^  Sängerinnen 
zu  lesen;  denn  „Lieder  können  nicht  heulen".  Riedel  will  nach  LXX  cpaxvfi- 
fiaxa  nillp,  Balken,  herstellen;  aber  Hab  2  ii  reicht  nicht  hin,  das  Bild  von  den 
„heulenden  Balken"  glaubhaft  zu  machen.  ^;p'n  ist  hier  der  Palast,  nicht 

der  Tempel;  es  handelt  sich  hier  nicht  um  Tempelsängerinnen,  sondern  um 
Palastsängerinnen,  die  sich  wie  in  Ägypten  (Eeman  Ägypten  S.  340—346; 
auch  in  Samarien  beim  Gelage  der  vornehmen  Reichen  vor  den  Gästen  pro- 
duzierten, vgl.  6  5.  Da  Jahwe  schon  v.  2'^  als  Sprecher  eingeführt  ist  und 
spricht,  ist  die  neue  Angabe  T\)TV\  •^i'^^^  ^^)  überflüssig;  auch  das  i^^T\7]  D1'5  ist 
schwerlich  ursprünglich,  da  durch  v.  2^  der  Zeitpunkt  bereits  bestimmt  und  als 
nahe  bevorstehend  bezeichnet  ist,  also  der  Nachdruck,  der  durch  die  Stellung 
am  Ende  auf  t^^HH  W^  gelegt  ist,  nur  einen  Grund  hat,  wenn  Sinje?ien  Tag  des 
Gerichts,  den  die  spätere  Eschatologie  am  Ende  der  Tage  erwartete,  gedacht 
werden  soll.  Um  v.  3^*  auf  die  Endzeit  zu  deuten,  ist  somit  '^^T\':\  DI'?  mit  D«:j 
njiT  •'^'IS  hinzugefügt,  vielleicht  auch  bloss,  um  zu  markieren,  dass  die  ebenso 
beginnenden  Verse  9 f.  die  Erklärung  zu  y.  3^*  bieten,  vgl.  zu  v.  9 f.  Für 
DH  '5]''^^n  fehlt  eine  befriedigende  Deutung.  Die  Übersetzung  Güthe's:  man 
tcirft  sie  schweigend  hin^  ist  in  keiner  Weise  zu  rechtfertigen;  denn  nicht  nur 
ist  die  unbestimmte  Fassung  des  Subjektes  unsicher  und  das  Objekt  einge- 
tragen, sondern  auch  DH  sonst  überall  ein  Imperativ  (==  still!  vgl.  6  10),  niemals 
ein  Adverb.  Sollte  Jahwe  Subjekt  sein,  so  wäre  die  I.Person,  die  von  der 
LXX  geboten  wird,  erforderlich;  aber  dann  passt  wieder  DH  gar  nicht.  Liest 
man  mit  Oettli  den  Impera.  DH  "JJ^li^n:  Zahlreich  sind  die  Leichen  allenthalben: 
wirf  hin!  pst!  und  erklärt:  „So  wird  man  sprechen,  weil  man  an  ordentliche 
Bestattung  nicht  mehr  denken  kann",  so  ist  der  Beziehungslosigkeit  der  beiden 
Wörter  nur  wenig  abgeholfen  und  trotz  6  10  die  Kürze  des  Ausdrucks  so  gross, 
dass  er  ohne  Kommentar  unverständlich  bleibt.  Zieht  man  mit  Oort  ^^T\  vor: 
allenthalhen  sind  in  Metige  Leichen  hingestreckt,  so  gewinnt  man  nur  ein 
ziemlich  bedeutungsloses  Prädikat  zu  dem  bereits  vollständigen  Satz  und  muss 
obendrein  noch  mit  Oobt  DH  entfernen,  da  es  auch  an  den  Anfang  von  v.  4 
nicht  passt.  So  bleibt  DH  "^^^ViT\  denn  unverständlich;  der  Text  ist  offenbar  sehr 
verdorben,  vgl.  noch  zu  v.  11.  Aber  auch  ohne  diese  beiden  Wörter  schliesst 
die  Schilderung  des  Untergangs  Israels  mit  zwei  kurzen,  aber  inhaltsreichen, 
Grauen  erweckenden  Zügen  ab:  Es  wimmern  die  Sängerinnen  des  Palastes, 
Viel  sind  der  Leichen  allerorten.   Gewimmer  und  Tod  ist  das  Ende. 

6)  Ein  Konglomerat  von  Stücken  verschiedener  Herliunft  8  4-14. 

4—8  ein  Drohwort  an  die  reichen  Kornwucherer,  ein  selb- 
ständiges Stück,  das  in  seiner  Grundlage  v.  45  7  auf  Amos  zurückgehen  wird. 
Es  ist  ähnlich  aufgebaut,  wie  41-3;  nur  bricht  es,  wenn  es  ganz  erhalten  ist, 
mit  dem  kräftigen  Schwüre  Jahwes,  dergleichen  Thaten  nimmer  zu  vergessen 


Am  8  4  216  Am  8  6 

(v.  7),  ab,  ohne  eigens  die  Art  und  Weise  der  Strafe  zu  nennen.  Den  ersten 
Vierzeiler  bilden  v.  4  und  v.  5%  den  zweiten  y.  5''  und  v.  7;  die  ungeraden  Zeilen 
sind  vier-,  die  geraden  dreihebig.  Eventuell  lassen  sich  die  Worte  auch  in  vier 
Distichen  (v.  4;  v.  5^;  v.  5'^;  v.  7)  zerlegen.  4  Hört  dies^  die  ihr  den  Be- 

dürftigen zertretet  Und  die  Armen  im  Lande  vergewaltigt,  nst  bezieht  sich, 
wie  T[\T\  l^'inTl«  3  1  4  1  5  1,  auf  das  Folgende,  speziell  auf  den  folgenden  Schwur 
V.  7,  wie  4  1  auf  4  2.  Zu  D'^DStS^'n  vgl.  2  7;  für  H^inti^^'j,  das  man  als  synkopierten 
Inf.  Hiph.  =  n^lStÄ^n^^,  um  aufhören  zu  machen,  erklärt,  vgl.  Ges.-Kautzsch^^ 
§  53  q,  das  aber  mit  seinem  "J  sehr  lose  sich  anschliesst,  ist  nicht  mit  Hoffmann 
nsu^b^,  und  gar  am  Sabbat,  sondern  nach  LXX  (xal  xaTaSuvotaxeüovxs;  vgl.  4  1) 
mit  NowACK  D^(?^J^n  zu  lesen.  Durch  diese  Herstellung  werden  Form  und  In- 
halt verbessert.  J.  A.  Bewee  zieht  auch  hier  wie  2  7  (s.  dort)  vor,  ^i^ihj  nach  pS 
einzusetzen  (:  sie  bedrücken  die  Armen  des  Landes)^  und  rechnet  H'^iatÄ^^  (ohne  b), 
dem  er  den  Sinn  von  „gänzlich"  giebt,  zum  Vorhergehenden.  Kein  Grund 

liegt  vor,  mit  Kere  "'D^  für  ''UJJ  zu  lesen,  vgl.  2  7  und  Rahlfs  ''^j;  und  IJj;  in  den 
Psalmen.  5^  Die  ihr  sagt:  Wann  ist  doch  der  Neumond  vorüber,  dass 

wir  Getreide  verkaufen,  Und  der  Sabbat,  dass  wir  Korn  aufthun!  Bei  dem 
denominativen  Hiph.  HT^K^J  ist  das  Nomen  15^  nicht  am  Platze;  es  fehlt  mit 
Recht  in  LXX.  Das  Korn  aufthun  ist  prägnanter  Ausdruck  für  die  Kornsäcke 
öffnen  und  das  Korn  zum  Verkaufe  bereithalten.  Neumond  und  Sabbat 

sind  im  alten  Israel  Feiertage,  da  ruhen  die  Geschäfte  und  sind  die  Speicher 
und  Buden  geschlossen;  deswegen  waren  es  noch  nicht,  wie  später,  Tage  ab- 
soluter Ruhe,  vgl.  II  Reg  4  23,  aber  die  Kornwucherer  mit  ihren  Krämerseelen, 
denen  an  nichts  als  am  Geschäft  und  am  Gewinn  gelegen  war,  befiel  am  Neu- 
mond und  Sabbat  die  blasierte  Sonntagnachmittagslangeweile.  5^  setzt 
der  Prophet  ein,  um  mit  seinen  Worten  in  ihrer  Rede  fortfahrend  die  wahre 
Art  dieser  Kornjuden  zu  kennzeichnen,  die  sich  nicht  nach  ehrlichen  Ge- 
schäften und  redlicher  Arbeit,  sondern  nach  dem  unrechtmässigen  Gewinne 
sehnen,  welchen  sie  aus  ihrem  Handel  durch  Übervorteilung  der  Armen  er- 
zielen:  Um  das  Mass  zu  verkleinern  und  den  Preis  zu  steig om  Und  die  trü- 
gerische Wage  zu  fälschen.  Das  Epha,  das  übliche  Getreidemass,  machen  sie 
klein,  dagegen  vergrössern  sie  das  Schekel,  das  Gewicht,  womit  das  Geld  ge- 
wogen wird,  das  der  Käufer  als  Preis  des  Getreides  bezahlt;  ausserdem  be- 
trügen sie  die  Käufer  dabei  noch  durch  Verwendung  falscher  Wage  beim 
Abwägen  des  Geldes.  Proleptisch  heisst  die  Wage  HD'ip  ''^]^^,  eine  trügerische 
Wage,  sie  wird  das  durch  die  Fälschung,  welche  die  Kornverkäufer  damit  vor- 
nehmen.   Für  T\)'s!T\  von  n^J^,  einem  sekundären  von  HJJ?  abgeleiteten  Verbum, 
wdrd  man  besser  mit  Wellh.  rtj^^^,  Inf.  Pi.  von  njJJ,  punktieren.    Zur  Sache 
vgl.  die  Verurteilung  der  Unehrlichkeit  im  Handel  Dtn  25  13-I6  Lev  19  35  36 
Hes  45  10-12  Prv  20  10.                6  Der  Anschluss  von  v.  6^  an  y.  4 f.  ist  unver- 
ständlich: nicht  um  den  Ankauf  von  Armen  und  Bedürftigen  ist  es  den  Korn- 
wucherern zu  thun,  sondern  um  den  Verkauf  ihrer  Vorräte  und  das  Heraus- 
schlagen eines  möglichst  hohen  Preises  (Wellh.,  Nowack,  Oettli).    Wegen 
der  Ähnlichkeit  mit  2  6  ist  daher  anzunehmen,  dass  die  Worte  als  Glosse  zu 
n^D^l^n,  das  sich  v.  4  und  2  7  findet,  aus  jener  Stelle  hierher  an  den  Rand  ver- 


Arno  6  217  Am  8  8 

setzt  und  nacliträjrlich  bei  der  Aufnalime  in  den  Kontext  zur  Angleichung  durch 
nii|p^,  um  zu  kavfeUy  eingeleitet  Avurden.   Zu  dem  Sinne  v^l.  2  6.  6^  Und 

den  Abfall  vom  Korn  wollen  wir  verkaufen,  könnte  nach  Form  (1.  Pers.  plur.) 
und  Inhalt  zur  Rede  der  Kornvvuclierer  gehören;  da  jedoch  das  Sätzchen 
weder  in  noch  nach  ¥.5**,  wo  es  allenfalls  hingehören  könnte,  eine  passende 
Stelle  findet  und  die  Annalime,  dass  es  der  Rest  eines  grösseren  verlorenen 
neuen  Teiles  der  Rede  der  Kornwucherer  sei,  durch  den  jetzigen  Fundort 
hinter  den  Worten  des  Propheten  v.  5*'  und  hinter  der  Glosse  v.  6*  niclit  em- 
pfohlen wird,  sieht  man  darin  am  besten  eine  Randglosse  zu  v.  6^,  die  besagen 
wollte,  dass  die  Wucherer  nicht  nur  schlechtes  Mass  und  Gewicht  führten, 
sondern  auch  schlechte  Ware,  selbst  Getreideabfall,  verkauften,  und  die  dann 
im  Gefolge  der  Glosse  v.  6%  die  zu  v.  4  gehört,  in  den  Text  kam.  7  schliesst 
gut  an  V.  5  an:  Der  Prophet  kennt  das  Treiben  und  den  Sinn  der  Korn- 
wucherer, Jahwe  natürlich  auch;  darum  kann  die  Strafe  nicht  ausbleiben: 
Jahwe  hat  geschworen  bei  dem  Stol%e  Jakobs:  Nie  und  nimmer  icerde  ich  all 
eure  Thalen  vergessen.  Zu  lesen  ist,  der  Anrede  v.  4  entsprechend,  mit  LXX 
das  Suff,  der  2.  Person  Plur.  DD'^'^J?)?.  Jahwe,  wie  4  2  und  6  8  durch  himmel- 
schreiende Ungerechtigkeit  zum  Schwüre  veranlasst,  schwört  hier  bei  dem 
Stolze  Jakobs y  6  8  bedeutet  dies  den  von  Jahwe  verabscheuten  Hochmut 
Jakobs;  ist  Ipt^  ]1S^  hier  ebenso  zufassen,  so  schwört  Jahwe  „höhnisch  bei  der 
unabänderlichen  Thatsache"  dieses  israelitischen  Hochmuts  (Wellh.  u.  a.). 
Doch  scheint  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  hier  der  Ausdruck  eine  etwas  kon- 
kretere Bedeutung  hat  und  Jahwe  selber  als  den  Stolz  Jakobs  bezeichnen  soll, 
wie  er  das  auch  thatsächlich  war,  vgl.  5  u  18.  Jahwe  schwört  dann  auch  hier, 
wie  4  2  und  6  8,  bei  sich  selber,  der  Sarkasmus  ist  bei  dieser  Fassung  noch 
schärfer,  wenn  Jahwe  schwört:  so  wahr  ich  der  Stolz  Jakobs  bin^  vergesse  ich 
nie  eure  Thaten,  und  der  Kontrast  zwischen  Jahwe,  auf  den  die  Israeliten  so 
stolz  sind,  und  Jahwe,  der  ihre  Ungerechtigkeit  nicht  ungestraft  lässt,  erinnert 
mächtig  an  den  ähnlichen  Ausspruch  3  2. 

8  Mit  der  wohlverständlichen  Ankündigung  v.  7  kann  das  Stück  v.  4-7  abschliessen ; 
jedenfalls  aber  gehört  v.  8  niclit  mehr  dazu.  In  den  Mund  Jahwes  passte  hier  wohl  die 
Weissagung,  dass  er  durch  ein  Erdbeben  die  entsetzliche  Ungerechtigkeit  ahnden  werde, 
nicht  aber  die  Rechtfertigung  über  dessen  Eintreten.  Auch  sprachlich  ist  die  Verbindung 
nicht  einfach;  denn  T\^\'bv  bezieht  sich  sachlich  natürlich  auf  das  v.  4 f.  geschilderte  Treiben 
der  Kornwucherer,  müsste  aber  in  engem  Anschluss  an  v.  7,  wo  dieses  Treiben  mit  DD^fe^Jö 
zusammengefasst  ist,  n^«-^S?  lauten.  Die  Frage:  Soll  daroh  nicht  die  Erde  erheben  Und 
alle  ihre  Bewohner  in  Trauer  geraten?  ist  darum  von  einem  Späteren  hinzugefügt,  der  in 
der  Trauer  über  das  Treiben  der  Gottlosen  dem  Gedanken  Ausdruck  verleihen  will,  dass 
über  solche  Bosheit  und  Sünde  die  Erde  selber  in  Beben  und  alle  Menschen  in  Wehklagen 
geraten  müssen;  vgl.  das  Erdbeben  bei  der  Kreuzigung  Jesu  Mt  27  51,  und  überhaupt  zu 
der  Anschauung,  dass  die  Erde  Anteil  nimmt  an  dem  Treiben  ihrer  Bewohner,  wg\,  zu 
Jes  1  2^  und  bes.  Jes  24  19  f.    Über  psn  tiiin  als  Ausdruck  des  Erdbebens  s.  zu  I  Sam  14  15. 

I       V   T     T  -     I     • 

Erst  nachträglich  ist  zu  dem  sekundären  Element,  v.  8%  aus  9  5  der  Rest  unseres  Verses 
herübergenommen ;  aber  die  Ausmalung  des  Erdbebens  passt  nicht  zu  der  Frage  v.  8^, 
während  sie  in  9  5  am  Platze  ist.  Der  Text  ist  verdorben,  nach  9  5  ist  ni<"'3  für  "lio  zu 
lesen;  mit  nif^l^i^  wissen  die  Ausleger  nichts  Rechtes  anzufangen,  s.  die  Anmerkungen  bei 
Kautzsch;  Hoffmann  wollte  n^'iii^,  =  sich  auftürmen,  lesen  und  Riedel  will  nti^"]^i1  im 
Sinne  von  „herausgetrieben  werden",    „über  die  Ufer  treten"  nehmen  (vgl.  ferner  zu  9  5). 


Am  8  8  218  Am  8  11 

Alles  befriedigt  nicht,  das  Wort  gehört,  wie  9  5  und  LXX,  wo  es  fehlt,  zeigen,  nicht  in 
den  Text,   npiril  ist  Schreibfehler  für  nyj^^il,  wie  das  Kere  liest.   Für  den  Sinn  vgl.  zu  9  5. 

9  1()  Die  Schilderung  des  grossen  Gerichtstages  als  eines 
Tages  der  Finsternis  und  der  Trauer.  Ausser  der  Einleitungsformel, 

V.  9*^,  bieten  diese  Verse  zwei  regelmässig  gebaute  Vierzeiler.  Sie  scheinen  einem  Ge- 
dicht, welches  den  kommenden  ünglückstag  schilderte,  entnommen  und  beigefügt  zu  sein, 
um  als  Erklärung  von  v.  3^  ('??^'!}  nil'^  ^^''r'^'ü'l)  zu  dienen,  was  denn  auch  die  dort  v.  3^  so- 
fort folgende  gleichlautende  Einleitungsformel  noch  andeutet.  Von  Arnos  stammt  die 
Schilderung  wohl  nicht:  der  Gerichtstag,  den  er  verkündet,  bringt  nicht  nur  Trauer  wie 
um  den  einzigen  Sohn  und  ist  nicht  nur  wie  ein  bitterer  Tag.  Man  hat  sich  daher  nicht 
den  Kopf  zu  zerbrechen,  ob  die  Sonnenfinsternis  vom  9.  Februar  784  oder  die  vom  15.  Juni 
763  V.  Chr.  die  Anregung  zu  dieser  Schilderung  gegeben  habe. 

9  Mit  der  Einleitungsformel:  Und  es  geschieht  an  jenem  Tage,  ist  der 

Spruch  des  Herrn  Jahwe,  schafft  der  Interpolator  die  Möglichkeit,  das  Zitat 
mit  '^n^^nni  im  Perf.  consec.  besrinnen  zu  lassen.  Dass  Zeichen  am  Himmel 

den  Tag  Jahwes,  vor  allem  auch  den  jüngsten  Tag,  begleiten,  ist  eine  dem  alten 
und  neuen  Testament  geläufige  Vorstellung,  vgl.  Jes  13  lo  Jo  2  lo  4  15  und 
Maeti  Gesch.  der  Israel.  Rel.*  §  69  S.  297;  so  heisst  es  hier:  Ich  lasse  die  Sonne 
am  Mittag  untergehen  Und  über  die  Erde  Finsternis  eintreten  am  hellen  Tage. 
Für  11«  DV2  liest  Cheyne  nach  J  er  15  9  das  verständlichere  DV  11^?.  10 

Mit  Angst  und  Trauer  erfüllte  eine  Sonnenfinsternis  die  unkundigen  Leute  des 
Altertums,  dieselbe  Wirkung  wird  der  ünglückstag  auf  alle  ausüben:  Eure 
Feste  wandle  ich  um  in  Trauer  Und  all  eure  Lieder  in  Totenklage,  Ich  lege 
an  alle  Hüfte  das  Trauergewand  Und  auf  jegliches  Haupt  eine  Glatze,  Ich 
mache,  dass  es  ist  wie  Trauer  um  den  einzigen  Sohn  Und  das  Ende  davon  wie  ein 
bitterer  Tag.  Mit  den  Festen,  die  fröhliche  Tage  sind,  ist  es  aus,  statt  der 
Jubelgesänge  ertönen  Trauerklänge.  Das  Anlegen  des  p'^,  des  rauhen  Haar- 
tuches, und  das  Scheren  einer  Glatze  (vom  Gesetze  Dtn  14  i  verboten)  sind 
Zeichen  der  Trauer,  vgl.  z.  B.  Hes  7  18  Jes  15  2  f.  Jer  48  37.  Als  bitterste 

Trauer  gilt  die  Trauer  um  den  einzigen  Sohn,  vgl.  Jer  6  26  Sach  12  lo;  in  ähn- 
licher Lage  wird  man  sich,  wenn  das  Unglück  hereinbricht,  befinden.  Das 
femin.  Suff,  in  H'^riD^  und  nn'iini??  entspricht  unserem  es  (Ges.-Kautzsch27 
§  135  p),  =  die  durch  das  Unglück  herbeigeführte  Lage.  Das  Ende  davon 
(„das  Ende  vom  Lied"  Wellh.)  ist  keine  Aufhebung  des  Unglücks.  Wo  die 
Sonne  des  Glücks  am  hellsten  scheint,  bricht  die  Nacht  des  Unglücks  herein 
und  es  folgt  darauf  kein  Morgen  eines  glücklichen  Tages. 

11—14  Der  Hunger  nach  dem  Worte  Jahwes  und  das  Ver- 
schmachten der  blühenden  Jugend.  NachdenEinleitungsformelnv.il 
und  V.  13  scheint  der  Abschnitt  in  zwei  selbsländige  Stücke  zu  zerfallen,  die,  wie  unsere 
Überschrift  zeigt,  zwei  besondere  Themata  behandeln.  Aber  diese  von  Wellh.  und  Nowack 
befolgte  reinliche  Scheidung  zwischen  v.  11  f.  als  späterer  Zuthat  und  v.  13f.  als  ursprüng- 
lichem Texte  beraubt  das  zweite  Stück  des  nötigen  Anfangs,  der  vielleicht  in  Elementen 
von  V.  11  f.  wenigstens  zum  Teil  noch  zu  finden  ist.  Gewiss  aber  kann  einem  Amos  nicht 
ein  Spielen  mit  dem  Durst  zugetraut  werden,  dass  dieser  zuerst  vom  figürlichen  und  dann 
vom  eigentlichen  zu  verstehen  wäre.  Es  wird  daher,  da  v.  13  f.  den  ursprünglicheren  Cha- 
rakter tragen,  geraten  sein,  die  Elemente  für  sekundär  zu  halten,  welche  vom  figürlichen 
Durste  handeln,  also  v.  11^  und  v.  12^.  Was  übrig  bleibt,  kann  mit  Abzug  der  Ein- 
leitungsformeln zu  Anfang  von  v.  13  Fragment  eines  von  Amos  herrührenden  Kedestückes 
sein.    Vielleicht  ist  dieses  hier  eingefügt  zur  Erklärung  von  v.  3^',  wie  v.  9 f.  zur  Erklärung 


Am  8  11  219  Am  8  14 

von  V.  3*  (s.  oben  zu  v.  9f.),  und  ist  selbst  das  unverständliclie  DH  "^'^ti^n  v.  3  noch 
eine  Spur,  dass  dorthin  vom  Sammler  das  Stück  mit  Ul  np,  ^nnblf^n^,  v.  11-14,  gestellt 
sein  wollte. 

Die  Umdeutnng  auf  den  figürlichen  Hunger  weist  auf  eine  tiefe  Erkenntnis  von  dem 
Werte  des  Wortes  Gottes  und  dem  Bedürfnis  der  Memschcnscele  hin,  vgl.  Dtn  8  3  Joh  4  34; 
sie  könnte  auf  denselben  zurückgelicn,  der  in  v.  8'^  seinen  Schmerz  über  die  Bosheit  und 
Sünde  bekundet.  Wenn  man  die  Verse  ganz  auf  Amos  zurückführen  dürfte,  wäre  darin 
eine  Antwort  auf  die  Abweisung  seines  prophetischen  AVortes  durch  Amasja  in  Bethel 
7  10-17  zu  sehen.  Die  Israeliten  werden  einst  noch  die  Not,  ohne  Gottes  Wort  zu  sein^ 
erleben  müssen,  vgl.  Sauls  Lage  I  Sam  28  6. 

11*  wird  alter  Text  sein,  die  gleiche  Einleitungsformel  kommt  auch  4  2 
vor  und  an  dem  Hiph.  Tii'ht^T^  ist  kein  Anstoss  zu  nehmen,  da  es  auch  Ex  8  17 
bezeugt  ist.  Den  Gebrauch  mit  2JJ1  als  Obj.  vgl.  auch  Hes  14 13.  Dagegen 
fehlt  der  parallele  Stichos  zu  p«!i  ^j;i  "^rin^ti^n'i,  der  etwa  gelautet  haben 
mochte:  Und  einen  Durst  unter  all  seine  Bewohner.  11^  ist  umdeutende 

Glosse,  s.  die  Vorbemerkung  zu  v.  11-14  und  beachte  n)T\]  in  der  Rede  Jahwes; 
nach  LXX,  Pesch.,  Vulg.  ist  15"!  für  ^'ll^  zu  lesen,  wie  auch  einige  MSS.  u. 
V.  12  bieten.  12%  Da  werden  sie  von  einem  Meere  %um  andern  wanken 

Und  vom  Norden  zum  Osten  umherschweifen  (^t^^lti^^  ist  zum  zweiten  Stichos  zu 
ziehen),  gehört  zum  ursprünglichen  Texte;  zu  ^)))  vgl.  4  8.  D^"*iy  D'^p  meint  vom 
Toten  Meer  zum  Mittelmeer,  das  Tote  Meer  ist  auch  II  Reg  14  25  die  Grenze 
des  Nordreichs;  dass  dem  Norden  gegenüber  der  Osten  erscheint,  erklärt  sich 
daraus,  dass  mit  dem  Toten  Meer  bereits  der  Süden  genannt  ist.  Von 

ti^j55^  an  gehört  12^^  wieder  zu  der  in  der  Vorbemerkung  gekennzeichneten  üm- 
deutung,  die  dem  DJ'IJ^  D^^lp  auch  den  weiteren  Sinn:  „von  einem  Ende  der  Erde 
zum  andern"  beilegen  mochte;  zu  dem  Senden  und  Reisen  nach  Orakeln  vgl. 
Dtn  30  11-14  Jes  57  9  10.  Übrigens  scheint  dieser  Zusatz  einige  zum  alten  Be- 
stand gehörige  Stichen  verdrängt  zu  haben,  die  etwa  von  dem  Verhungern  der 
Bewohner  des  Landes  gesprochen  haben  mögen.  Der  durch  Einschub  und 
Ausfall  unterbrochene  Zusammenhang  wird  notdürftig  hergestellt  durch  Ein- 
fügung von  ^^'nT^  D1*5  zu  Anfang  von  13,  was  allerdings  zu  dem  D*»!?^^  v.  11  wenig 
passt.  Gesagt  wird,  dass  der  von  Jahwe  geschickten  Hungersnot  auch  die  im 
blühendsten  und  kräftigsten  Alter  Stehenden  erliegen:  Es  werden  ohnmächtig 
die  schönen  Mädchen  Und  die  jungen  Männer  vor  Durst.  Das  Hitpa.  T\)t\'^T\7\ 
von  ^bj;,  bedecken,  verhüllen,  bedeutet  sich  verhüllen  =  es  wird  ihnen  schwarz 
vor  den  Augen,  sie  fallen  in  Ohnmacht,  vgl.  das  Pu.  Jes  51  20  und  das  Arabische 

^^S'  i^^'  In  14  ist  wahrscheinlich  der  letzte  Stichos  an  die  Spitze  zu 

stellen,  wodurch  wenigstens  der  deutliche  Parallelismus  zwischen  Dan  und 
Beerseba  zu  seinem  Rechte  kommt:  Und  sie  fallen  und  stehen  nicht  wieder 
auf,  Sie,  die  bei  dem,  Gott  von  Bethel  schwören,  Und  die  da  sagen:  so  wahr 
dein  Gott  lebt,  Dan!  Und  so  wahr  dein  Patron  lebt^  Beersebai  Die  Beschrei- 
bung der  Israeliten  mit  dem  Partie.  D'^J^^l^^H  und  dem  dasselbe  fortsetzenden 
Verbum  fin.  ^^DJJ  zeigt  die  Verblendung,  in  welcher  sie  leben,  und  bringt  nach- 
träglich den  Grund,  warum  sie  dem  Untergang  anheimfallen.  Der  Kultus  ist 
ihre  Illusion,  er  wiegt  sie  in  frohe  Hoffnungen  auf  die  Zukunft  ein  und  ver- 
schliesst  ihnen  den  Blick  für  die  wahren  Forderungen  Jahwes.    Das  ist  das 


Am  8  14  220  Am  9  1 

Ceterum  censeo  des  Propheten,  vgl.  z.  B.  5  21-27.  Es  handelt  sich  so  wenig,  wie 
sonst  bei  Arnos,  um  Götzendienst,  sondern  nm  den  Kultuseifer  für  Jahwe. 
Auch  spricht  der  Propliet  nicht  nur  gegen  diesen  Kultus,  weil  man  Jahwe  in 
einem  Bilde  verehrte;  in  Dan  und  Beerseba  hatte  man  ebenfalls  Bilder  von 
Jahwe,  ohne  dass  der  Prophet  ein  missbilligendes  Wort  gebraucht.  Der  Aus- 
druck: „die  Schuld  von  Samarien"  verurteilt  dagegen  von  späterem  Standpunkt 
aus  die  in  Nordisrael  geübte  bildliche  Darstellung  Jahwes,  die  von  Jerobeam 
eingeführt  galt.  ]11)^y  meint  nicht  wie  bei  Amos  4261  die  Stadt  Samarien, 
sondern  das  ganze  Nordreich;  als  dessen  Schuld  gilt  den  Späteren  das  Gottes- 
bild von  Bethel,  vgl.  zu  Hos  10  10  „die  beiden  Sünden"  seil,  von  Bethel  und 
Dan.  Amos  hatte  offenbar  einen  unverfänglichen  Ausdruck  gebraucht,  ver- 
mutlich '?i5?"n"'?  ^«,  vgl.  Gen  31  13  (so  Wellh.,  Cheyne  Art.  Amos  in  Encycl. 
Bibl.).  Diese  Annahme  wird  besser  sein,  als  die  von  W.  B.  Smith,  Stade  u.  a. 
vorgeschlagene  Lesung  ni^'i^  für  riDl^S,  wobei  man  an  die  von  Ahab  in  Sa- 
marien errichtete  Äschere  zu  denken  hätte  I  Reg  16  33  II  13  6.  Das 
Schwören  bei  einem  Gott  kennzeichnet  die  Verehrung,  die  man  ihm  zollt,  die 
Zugehörigkeit  zur  Gemeinschaft  seiner  Verehrer  vgl.  Dtn  6  13  10  20  Jer  4  2 
5  7  12  16  Zph  1  5  Jes  48  1.  Dan  nennt  das  altberühmte  (s.  Jdc  18  30) 
Heiligtum  im  Norden  des  Landes,  in  der  Nähe  von  Caesarea  Philippi,  heute 
Tell-el-Kädi.  Zuletzt  wird  noch  Beerseba  als  wichtige  heilige  Stätte  ge- 
nannt, vgl.  5  5;  der  Schwur  'rj'i']  ''ri  ist  unverständlich,  denn  man  kann  weder 
beim  Leben  der  Reise  =  Wallfahrt  nach  Beerseba,  noch  bei  dem  der  Weise 
=  des  Rituals  von  Beerseba  schwören.  Das  ^  von  "jlT  ist  offenbar  Suff,  der 
2.  pers.,  und  11  ist  in  11  Liebling^  besonderer  Schutzgott  (vgl.  HJ^I  Hi  17  21)  zu 
verbessern,  so  Hoefmann,  Winckler  (Altorient.  Forsch.  I,  194f.),  Cheyne, 
VON  Gall  (Altisr.  Kultstätten  49),  Oettli;  weniger  gut  vermutet  Wellh.  ^I^f? 
=  beim  Leben  deines  Quells.  111  als  Epitheton  Gottes  findet  sich  in  Eigen- 
namen wie  '^lll  und  ^njlll  (etwa  =  Jahwe  ist  mein  Patron)  und  so  versteht 
Winckler  Hin  ^«1«  in  Z.  12  der  Mesa'-inschrift  =  den  Altar  ihres  (seil,  der 
Stadt)  Schutzpatrons.  Jahwe  ist  sowohl  der  Gott  von  Bethel,  wie  der  Gott 
von  Dan  und  der  Patron  von  Beerseba,  aber  er  offenbarte  sich  an  den  be- 
sonderen von  den  Kanaanäern  übernommenen  Kultstätten  in  einer  besonderen 
Weise,  s.  Marti  Gesch.  der  Israel.  ReL^  §  25  S.  87  f.  Jahwe  ist  der  Stolz 
der  Israeliten,  und  dieser  Hochmut  bringt  sie  zu  Fall. 

7)  Das  letzte  Gesicht:  Jahwe  zerstört  selbst  sein  Heiligtum  und  vernichtet 
die  Israeliten,  seine  Verehrer  9  1-7. 

Die  beiden  ersten  Gesichte  zeigten,  wie  Jahwe  auf  des  Propheten  Fürsprache  hin 
noch  Schonung  übte,  das  dritte  kündigte  die  Zerstörung  an  und  das  vierte  meldete,  dass 
die  Zeit  des  Endes  gekommen  sei,  das  fünfte  schildert  das  abschliessende  Gericht:  Die 
Israeliten  sind  zu  Bethel  beim  Heiligtum  zum  Feste  versammelt;  Jahwe  selber  zerstört 
das  heilige  Gebäude  und  erklärt,  dass  er  sein  Volk  vollständig  zu  vernichten  im 
Sinne  habe. 

1—4  Die  Erzählung  über  das  Gesicht  und  die  Erklärung 
Jahwes.  1  Der  Prophet  sieht  Jahwe  nstöiT^j;  :i?i  d.  h.  stehend  bei 

(nicht:  auf,  vgl.  IReg  13  1  Gen  24  13)  dem  Altar  des  Tempels  zu  Bethel,  diesem 
wichtigsten  Heiligtum  des  Nordreichs,  vgl.  7  13;  Jahwe  ist  natürlich  von  über- 


Am  Ol  221  Am  9  2 

menschlicher  Grösse,  er  überragt  den  Altar  weit.  Die  Fortsetzung  bietet 
mancherlei  Schwierigkeiten:  Man  weiss  nicht,  an  wen  Jahwe  den  I^efehl 
richtet,  doch  kaum  an  den  Propheten,  der  ja  nicht  an  den  Knauf  des  Tempels 
hinaufreicht,  aber  wohl  auch  nicht  an  einen  Engel,  von  dessen  JJasein  der 
Prophet  nichts  bemerkt,  und  dann  sieht  man  nicht  ein,  warum  nachher  von 
Hhn«  an  Jahwe  alles  selber  ausrichtet.    Es  hat  daher  vieles  für  sich,  dass  mit 

VI    V  ' 

VoLz  ThLZ  1900,  Sp.  291  "Jjn  für  Tjn  zu  lesen  und  1D«*5  vor  D^^^ni,  das  selber 
aus  einer  Verbalform  in  der  1.  Person  verdorben  ist,  zu  stellen  sei;  demnach 
fährt  die  Erzählung  von  der  Vision  fort:  Und  er  seil.  Jahwe  schlug  den  Knauf 
und  es  erbebten  (1.  Tl)  die  Schwellen  und  er  sprach,  1ir\ö?,  in  Ex  25  3i  etc. 
eine  kugelförmige  Verzierung  am  Schaft  und  an  den  Armen  des  goldenen 
Leuchters,  bedeutet  wie  Zph  2  u  (s.  dort)  die  Säulenknäufe,  die  Kapitale,  auf 
denen  die  Balken  des  Daches  ruhen.  Werden  diese  Kapitale  mit  gewaltiger 
Wucht  zerschlagen,  so  gerät  das  ganze  Gebäude  ins  Wanken,  bis  in  die  Funda- 
mente erbebt  es  und  stürzt  schliesslich  ein,  wie  das  Heiligtum  Dagons,  dessen 
Säulen  Simson  brach  (Jdc  16  29f.).  Unter  den  D^'öp  hat  man  daher,  wie  überall, 
die  Unterschwellen  und  nicht  die  Oberschwellen  zu  verstehen.  Schon  sieht 
der  Prophet  das  Heiligtum  unter  den  Schlägen  Jahwes  wanken;  was  Jahwe  im 
Sinn  hat,  erklärt  er  dem  Propheten,  der  Vision  geht  auch  hier  die  Audition  zur 
Seite.  Es  sind  vier  Tetrasticha,  die  die  göttliche  Erklärung,  dass  die  Is- 
raeliten dem  definitiven  Untergang  geweiht  sind,  geben:  v.  i  (von  Dj;^:i^  an)  -4. 
Das  erste  Tetrastich  ist  in  der  ersten  Zeile  nur  in  beschädigtem  Texte  er- 
halten: D^3  ty«15  QJZ??^  (so  ist  die  am  besten  bezeugte  Lesart,  nicht  W^^y) 
übersetzt  man  gewöhnlich:  %er schmettere  sie  (wen?  die  Schwellen?  oder  die 
bereits  zerschlagenen  Kapitale?)  auf  ihrer  aller  (wessen?  der  Kapitale?  der 
Israeliten?)  Haupt!  die  Form  Dj;^?  ist  zwar  Impera.  c.  suff.,  aber  nicht  durch 
Zurückziehung  des  Tones  aus  Dy^!l  abzuleiten  (so  Ges.-Kaützsch^^  §  61g), 
sondern  auf  1Dj;!J!l  zurückzuführen,  wie  Dn:iini  9  4  auf  1Dn:inni,  vgl.  iDnpi??  Ps  73  6, 
d.  h.  das  Suffix  ist  an  den  konsonantisch  auslautenden  Imperativ  getreten  und 
das  Pathach  bei  dem  jetzigen  Suffix  hat  sich  parasitisch  eingeschlichen  nach 
dem  Wegfall  von  1,  wie  in  Dn^ini,  s.  M.  L.  Maegolis  AJSL  1902,  October  45— 

t^  '  -ATT-;-'  ' 

48.  Auf  richtiger  Fährte  zur  Emendation  dürfte  Volz  sein,  der  ^J?11|l  DJ???^ 
D^3  =  ich  werde  im  Erdbeben  sie  alle  %er schmettern  vorschlägt,  wobei  aller- 
dings, da  V??  niemals  zerschmettern  heisst,  sein  weiterer  Vorschlag  D^S^l^J 
besser  diesem  Sinne  entspricht.  Vielleicht  ist  aber  dem  ^IHiJ  im  zweiten 
Stiches  parallel  das  Pi.  j;^?«  =  ich  töte  eigentl.  ist  schneide  ab  (den  Lebens- 
faden), vgl.  Jes  38  12  Hi  6  9,  ohne  Suffix,  das  die  LXX  nicht  kennt,  zu  lesen, 
sodass  der  ganze  Vierzeiler  lautet:  Ich  töte  im  Gedröhne  (von  dem  zusammen- 
stürzenden Heiligtum,  vgl.  Jes  29  6,  oder  im  Erdbeben)  sie  alle,  die  zum  Feste 
hier  versammelt  sind,  Und  was  übrig  bleibt  von  ihnen^  bringe  ich  um  mit  dem 
Schwert^  Kein  einziger  unter  ihnen  soll  entrinnen  Und  auch  nicht  ein  Flücht- 
ling sich  retten.  Den  Vers  mit  Löhr  und  Stäek  (StK  1903, 157  ff.)  auseinander 
zu  reissen,  liegt  somit  kein  Grund  vor.  2—4  Wohin  sie  auch  fliehen,  sie 

werden  dem  göttlichen  Zorne  nicht  entrinnen;  Jahwes  Macht  reicht  überall 
hin,  vgl.  hiezu  bes.  die  berühmte  Stelle  von  Gottes  Allgegenwart  Ps  139  7-12. 


Am  9  2  222  Am  9  5 

2,  die  zweite  Strophe:  Wenn  sie  in  Scheol  durchbrechen^  So  langt  sie  meine 
Hand  von  dort  heraus,  Und  wenn  sie  in  den  Himmel  hinaufsteigen,  So  hole 
ich  sie  von  dort  herunter,  inn  sq.  3,  durchbrechen,  sich  durchzwängen  z.  B. 
durch  ein  Loch  in  einer  Wand  Hes  8  8  12  5  7  12,  vgl.  auch  Jon  1  13,  ist  hier 
passend  vom  „durch  die  Öffnung,  die  durch  die  Erde  in  die  Unterwelt  führt, 
sich  durcharbeiten"  gebraucht;  Scheol,  der  äusserste  Gegensatz  zum  Himmel, 
Avie  Jes  7  11.  3,  die  dritte  Strophe,  nennt  zwei  andere,  einander  in 

gleicher  Weise  gegenübergestellte  entfernte  und  unzugängliche  Verstecke,  den 
Karmel  mit  seinen  Höhlen  und  seinem  dichtbewaldeten  Gipfel,  wo  schliesslich 
ein  Flüchtling  noch  zuletzt  im  Lande  sich  zu  bergen  hoffen  konnte,  und  die 
Tiefe  des  Meeresgrundes:  Und  wenn  sie  auf  dem  Gipfel  des  Karmel  sich  ver- 
stecken, So  spüre  ich  dort  sie  auf  und  hole  sie  her.  Und  wenn  sie  sich  vor 
meinen  Blicken  auf  dem  Meeresgrund  verbergen.  So  befehle  ich  der  Meer- 
schlänge  dort,  sie  zu  beissen.  ])?  in  D^p  kann  nicht  nur  den  Ausgangspunkt 
angeben,  sondern  ebensogut,  wie  in  nnnp,  partitiven  Sinn  haben:  an  jedem 
Teile  dort,  überall  dort.  ti^nin,  die  Schlange,  ist  das  mythologische  Meer- 

ungeheuer, das  im  Grunde  des  Meeres  schlummert,  aber  immer  wieder,  trotz- 
dem es  einst  besiegt  worden  ist,  zu  neuem  Toben  erwacht  und  von  Jahwe 
erweckt  werden  kann.  Diese  Anspielung  zeigt,  wie  seit  alter  Zeit  die  Vor- 
stellung von  dem  Meeresdrachen,  diesem  personifizierten  Meer,  in  Israel  be- 
kannt war,  vgl.  ferner  zu  Jes  51  9f.  Hi  9  13  26  12,  und  s.  Günkel  Schöpf,  und 
Chaos  S.  81  f.;  zugleich  ersieht  man  aber  auch,  wie  früh  die  babylonische  Mytho- 
logie durch  die  prophetische  Erkenntnis  von  der  Allmacht  Jahwes  überwunden 
ist.  4,  die  vierte  Strophe:  Vom  Schwert  der  Feinde  mögen  sie  verschont 

werden,  da  man  sie  in  Gefangenschaft  führen  will,  aber  dem  Schwerte  Gottes 
werden  sie  nicht  entrinnen:  Und  wenn  sie  vor  ihren  Feinden  her  in  die  Ge- 
fangenschaft ziehen,  So  befehle  ich  dort  dem  Schwerte,  sie  totzuschlagen.  Ich 
richte  mein  Auge  auf  sie  Zum  Bösen  und  nicht  zum  Guten.  nn^n*"«  ''^D^ 

vor  ihren  Feinden  d.  h.  von  ihnen  getrieben,  wie  eine  Herde  vgl.  Thr  1  5.  Ein 
menschlicher  Eeind  macht  am  Ende  noch  Gefangene,  Gottes  Zorn  ruht  nicht, 
bis  sie  alle  vernichtet  sind;  die  Israeliten  haben  von  der  Illusion  zu  lassen,  dass 
sie  meinen,  Jahwe  sei  mit  ihnen,  er  ist  ihr  Feind  geworden  und  nicht  ihr  Heil, 
sondern  ihr  Untergang  ist  jetzt  sein  Ziel,  das  er  nicht  aus  den  Augen  verliert. 

5  6,  eine  spätere  Interpolation,  die  ähnlich  wie  die  Doxologien  4  13  5  8f.  eine 
Reihe  von  Epitheta  Gottes  zusammenstellt,  um  seine  Allmacht  aus  den  Wundern  der  Natur 
zu  illustrieren.  Der  sekundäre  Ursprung  giebt  sich  auch  hier  deutlich  zu  erkennen;  der 
Anechluss  an  v.  4  fehlt:  in  v.  4  redet  Jahwe,  in  v.  5 f.  wird  er  beschrieben;  ebenso  ist  keine 
Verbindung  mit  v.  7  vorhanden,  der  auf  die  Gedanken  von  v.  4  zurückgreift;  endlich  fehlt 
auch  hier  die  Marke  solcher  Einschübe  iDtt^  7]\t}\  nicht,  vgl.  zu  4  13  5  8f.  und  siehe  auch 
K.  J.  Grimm  a.  a.  0.  S.  77 f.  Metrisch  sind  die  beiden  Verse  zwei  gutgebaute  drei- 

hebige  Tetrasticha;  zu  v.  5^T  s.  die  Erklärung.  5    Und  der  Herr  Jahwe  der  Heere, 

Der  die  Erde  anrührt,  sodass  sie  wogt  Und  sich  überall  hebt  wie  der  Strom  Und  loieder 
sinkt  wie  der  Strom  Ägyptens.  Das  Sätzchen  nn  ''nt5^1''"Vr  ^^nsi  scheint  mir  nicht  wetren 
des  Metrums,  obwohl  dies  meinen  Eindruck  bestätigt,  sondern  deshalb,  weil  hier  in  der 
Naturschilderung  der  Gedanke  an  die  Trauer  der  Menschen  fernliegt  und  die  Verbindung 
von  nn^y;  mit  iloril  eine  Zwischenbemerkung  nicht  gut  verträgt,  erst  nachträglich  einge- 
schoben; es  ist  aus  8  8,  wo  es  am  Platze  ist,  herübergenommen,  nachdem  dort  die  Glosse 


Am  0  5  223  Am  9  7 

8  S'^  aus  9  5'^  eingedrimgen  war.  Dct  Vers  scliildert  das  Erdbeben,  das  unter  Begleitung 
von  Sturm  und  Gewitter  infolge  der  Berührung  der  Erde  durch  Jahwe  eintritt.  Es  ist 
ganz  übel  angebracht,  wenn  Riedel  an  dem  einfachen  nfc<';3  Anstoss  nimmt,  das  ja  gerade 
durch  die  Beifügung  des  parallelen  Stichos  deutlich  genug  als  „der  Strom",  der  Nil, 
Ägyptens  erklärt  wird;  die  Änderung  in  1«2  und  die  gelehrten  Zeugnisse  dafür,  dass  bei 
Erdbeben  die  Q,uellen  auszutreten  ])flegon,  sind  hier  gänzlich  unnötig.  0   Der  im 

Himmel  seine  Söller  (1.  rn^by  oder  in;^_y,  das  o  ist  Dittographie  des  vorangehenden  t)  er- 
baut  Und  seinem  Geivölbe  auf  Erden  einen  festen  Grund  ge<jehen  hat^  Der  die  Wasser  des 
Meeres  herbeiruft  Und  sie  ausschüttet  auf  die  Oberfläche  der  Erde,  ni^«  kann  hier  nur  das 
Himmelsgewölbe  bedeuten,  das  sonst  T^)")  genannt  wird;  das  iiraYYsXtav  der  LXX  ist  offen- 
bar aus  (TTpaYYOtXiav  verdorben  (ThLZ  1888,  Sp.  417)  und  der  hebr.  Text  daher  nicht  zu 
verbessern,  vgl.  LXX  zu  Jes  58  6.  Das  Weltbild  ist  das  bes.  aus  Gen  1  wohlbekannte,  vgl. 
Gen  1  6  20,  ferner  Ps  104  3  und  s.  die  Abbildung  bei  Holztnger  Gen  S.  18.  (>^  ist 

identisch  mit  5  8;  siehe  dort.  Die  Partizipien  sind  indifferent  in  Bezug  auf  die  An- 

gabe, ob  eine  Handlung  abgeschlossen  sei  oder  nicht;  sie  können  daher  perfektisch  oder 
präsentiscli  (z.  B.  «Ilpn  =  der  Rufer,  der  bis  dahin  rief  und  ferner  rufen  kann)  gefasst  und 
mit  einem  Perf.  sowohl,  wie  mit  einem  Imperf.  mit  Vav  consec.  fortgesetzt  werden. 

7,  das  letzte  Wort  Jahwes  und  seines  Propheten  an  die  Is- 
raeliten, führt  den  Gedanken  von  y.  i-4  weiter  und  begründet  ihn:  y.  i-4  zer- 
störte die  Illusion  der  Israeliten,  Yon  Jahwe  nur  Heil  erwarten  zu  dürfen,  y.  7 
spricht  ihnen  auch  jegliche  Prärogative  Yor  andern  Völkern  ab:  die  verachteten 
Kuschiten  sind  am  Ende  Jahwe  soviel  wert  wie  die  Israeliten  und  wie  die  Ge- 
schichte der  Israeliten  hat  er  auch  die  Geschichte  der  andern  Völker  geleitet. 
Die  Berufung  auf  die  Errettung  aus  Ägypten  ist  hinfällig.  Der  Ausspruch  ist 
die  Spitze  der  Gedanken  des  Arnos,  die  scharf  formulierte  Konsequenz  der- 
selben; weder  hat  sich  der  Prophet  vom  Affekt  zu  dieser  Erklärung  fortreissen 
lassen,  noch  stellt  er  sich  in  Widerspruch  gegen  früher  Gesagtes.  Auch  3  2 
liegt  der  Gedanke  ganz  fern,  dass  Jahwe  an  Israel  gebunden  sei;  die  Wirklich- 
keit einer  Prärogative  Israels  müsste  sich  in  ganz  anderem  Verhalten  gegen 
Jahwe  erweisen,  s.  zu  3  2.  Und  wenn  Israel  bisweilen  Jahwes  Volk  heisst  (7  15 
8  2),  so  gebraucht  der  Prophet  den  üblichen  Ausdruck  und  seine  wahre  Er- 
kenntnis tritt  in  y.  7  zu  Tage.  Nicht  ein  Widerspruch  in  den  Gedanken  des 
Propheten  tritt  hier  hervor,  sondern  der  Gegensatz  seiner  tief  sittlich-religiösen 
Auffassung  zu  der  des  israelitischen  Volkes  hat  sich  ihm  immer  klarer  heraus- 
gestellt. Die  Prärogative  Israels  ist  eine  vermeintliche;  mit  einem  anderen 
Volk  kann  Jahwe  seinen  Plan  verwirklichen.  So  traurig  für  Israel  das  Wort 
Y.  7  klingt,  so  lautet  es  nicht  trostlos  für  die  Sache  Jahwes,  welche  der  Prophet 
vertritt.  Es  ermöglicht  eine  Hoffnung  für  die  Zukunft;  mit  diesem  Ausblick, 
der  nur  angedeutet,  nicht  ausgeführt  ist,  schliesst  Amos.  Den  Israeliten,  die 
dem  Untergang  geweiht  sind,  die  weiteren  Wege  Gottes  zu  offenbaren,  war  für 
ihn  nicht  der  mindeste  Anlass.  Seid  ihr  mi?*  nicht  wie  die  Kuschiten,  Ihr 

Israeliten  ?  ist  Jahwes  Spruch;  Habe  ich  nicht  Israel  aus  Ägyptenland  heraus- 
geführt Und  die  Philister  aus  Kaphtor  und  die  Aramäer  aus  Kir  ?  Die  Ku- 
schiten oder  Äthiopier  (s.  zu  Gen  10  6)  werden  hier  den  Israeliten  gegenüber- 
gestellt wohl  einerseits  als  ein  weitentferntes  und  andererseits  als  ein  verachtetes 
schwarzfarbiges  Sklavenvolk  (vgl.  Jer  13  23),  das  trotzdem  Jahwe  so  nahe  und 
so  wertvoll  ist,  wie  die  Israeliten.  1inD3  ist  wahrscheinlich  Kreta,  LXX 

bietet  dafür  Kappadocien;  über  die  Heimat  der  Philister  =  Purasati  s.  zu 


Am  9  7  224  Am  9  8 

Jdc  3  3.  Über  y^^  die  Heimat  der  Aramäer,  d.  h.  wohl  der  damascenisclien, 
vgl.  zu  Vb,  Dieses  letzte  gewichtige  Wort  des  Propheten  bildet  ein  vier- 

hebiges  Tetrastich. 

8)  Ein  fremder  Anhang:  Ein  Ausblick  in  die  messianisciie  Zeit  9  8-i5. 

Der  Anhang  ist  hinzugefügt,  um  die  schweren  Drohungen  und  Verkündigungen 
des  Gerichts,  die  gerade  am  Schlüsse  so  scharf  lauten,  zu  mildern  und  zu  korrigieren. 
Nicht  anders  denn  als  Korrektur  kann  es  verstanden  werden,  wenn  v.  8-12  die  v.  1-4  mit 
Deutlichkeit  hervorgehobene  Vernichtung  aller  Israeliten  darauf  einschränkt,  dass  die 
Drohung  nur  das  sündige  E,eich  und  nur  die  Sünder  treffe,  vgl.  speziell,  was  von  den 
Augen  Jahwes  v.  8  und  v.  4  und  was  von  dem  Schwerte  v.  10  und  v.  1  gesagt  ist.  Eine 
Korrektur  ist  es  auch,  wenn  v.  13-15  eine  Zukunft  herrlicher  Fruchtbarkeit  des  Landes 
schildert,  mit  der  gleichen  Formel  wie  8  11-14  eingeleitet,  wo  die  Hungersnot  und  auch 
das  Verschmachten  der  blühendsten  Jugend  in  Aussicht  gestellt  ist.  Ebenso  soll  die 
Wiederaufrichtung  des  davidischen  Reiches  v.  1 1  f.  dem  scharfen  Urteil  v.  7  entgegentreten. 
So  schliesst  schon  der  Inhalt  die  Möglichkeit  aus,  diesen  Anhang  auf  den  Propheten 
Amos  zurückzuführen.  Arnos  müsste  „sich  selbst  völlig  vergessen"  haben,  um  auf  einmal 
„Rosen  und  Lavendel  statt  Blut  und  Eisen"  auszuteilen  (Wellh.).  Hier  hilft  es  nicht,  mit 
dem  angenommenen  hypothetischen  Charakter  diese  so  bestimmt  lautenden  einander  ent- 
gegengesetzten Verkündigungen  für  den  einen  Amos  zu  retten,  und  ob  viele  in  der  Para- 
doxie  der  hier  ausgesprochenen  Hoffnung  einen  Beweis  für  den  göttlichen  Ursprung  der 
Prophetie  sehen  werden,  ist  doch  zu  bezweifeln.  Auch  im  Einzelnen  tritt  deutlich  ein 
anderer  Standpunkt  hervor,  als  der  ist,  den  Amos  einnimmt,  vgl.  nur  die  Bezeichnung  des 
Nordreichs  als  „des  sündigen  Reiches"  (s.  zu  v.  8),  die  zerfallene  Hütte  Davids,  die  uns  ins 
Exil  weist  (s.  zu  v.  11),  und  den  Ausdruck  nnif^  Siu^,  der  ebenfalls  die  Zeit  des  Exils  voraus- 
setzt (s.  zu  V.  14).  Weiteres  s.  in  der  Erklärung.  Eine  solche  Korrektur  konnte  ein 
Späterer  hier  anbringen,  weil  die  spätere  Theologie  von  der  Zukunft  ganz  anders  als  Amos 
dachte;  dieser  Theologie  ist  der  Stoff  entnommen,  ihr  konform  musste  ja  auch  Amos  ge- 
w^eissagt  haben,  wenn  man  seine  Worte  in  der  jüdischen  Synagoge  vorlesen  wollte. 

Vgl.  bes.  G.  A.  Smith  The  Twelve  Prophets  I?,  189—195;  Cheyne  The  Expositor 
1897,  44—47;  K.  J.  Grimm  a.  a.  0.  88—91. 

8—10  Nur  die  Sünder  werden  ausgerottet,  die  Guten  aber  be- 
wahrt; die  Korrektur  zu  y.  i-4.  Von  einem  Parallelismus  der  Stichen,  wie 
überhaupt  von  poetischer  Form  ist  hier  wenig  zu  merken;  doch  wird  man  jeden 
der  drei  Verse  als  ein  Tetrastich  fassen  dürfen,  allerdings  das  dritte  mit  recht 
kurzen  Zeilen.  8  Siehe  die  Augen  des  Herrn  Jahwe  richten  sich  gegen 

das  sündige  Reich ^  Dass  ich  es  von  der  Erdoberfläche  vertilge.  Jedoch  ist's 
nicht  so,  dass  ich  ganz  vertilge  Das  Haus  Jakobs,  ist  der  Spruch  Jahwes,  Da 
Jahwe  spricht,  sollte  man  '>;"';;,  meine  Augen,  ohne  HliT  ''J'llJ^  erwarten  (Ooet 
liest  nin^  DiJ^  ''y^);  aber  so  genau  darf  man  bei  den  Späteren  nicht  sein,  be- 
sonders da  vielleicht  ein  gewisser  Nachdruck  auf  TWn^  ''^'T«  liegen  soll.  Mit 
dem  sündigen  Reich  (vgl.  JSir  47  21:  DDH  Hd'pdD),  auf  das  die  Augen  Jahwes 
gerichtet  sind  (vgl.  dazu  v.  4^) ,  ist  das  Nordreich  im  Unterschied  von  Juda 
gemeint,  das  also  „das  fromme  Reich"  ist.  Aber  auf  Juda  nimmt  Amos  keine 
Rücksicht  (s.  zu  2  4  f.  3  1  6  1),  jedenfalls  passt  solche  Wertung  der  beiden  Reiche 
viel  eher  zum  Chronisten,  der  von  „dem  sündigen  Reiche"  nur  noch  spricht, 
wenn  es  absolut  nötig  ist,  als  zu  Amos.  npr  n"«?,  wie  b^^Ü\  n^?  in  v.  9,  ist 

nicht  Nordisrael  wie  bei  Amos  5  1  4  7  2  5  und  Jesaja  9  7,  sondern  nach  späterem 
Sprachgebrauch  das  Reich  Juda,  zu  dem  de  jure  auch  der  Norden  gehörte, 
vgl.  Jes  14  1  Jer  5  20  Ob  v.  nf.  ^h  ''?  DD«,  jedoch  durchaus  nicht,  leitet 


Am  0  8  225  Am  9  11 

die  eigentliche  Korrektur  ein,  die  liier  eine  direkte  Negation  von  v.  i-4  be- 
deutet, wo  ausdrücklich  gesagt  ist,  dass  kein  Einziger  mit  dem  Leben  davon 
kommt,  auch  der  nicht,  der  von  dem  Feinde  in  die  Gefangenschaft  geführt 
werden  sollte.  Das  Gegenteil  führt  der  v.  8^  begründende  Vers  9  aus:  Denn 
siehe,  ich  gebe  Befehl  Und  schüttle  die  Israeliten  unter  allen  Völkern, 
Gleichwie  Getreide  im  Siebe  geschüttelt  wird  Und  dabei  kein  gutes  Korn  zur 
Erde  fällt.  Hier  ist  doch  die  Rettung  der  Guten  aus  dem  Exil  verheissen, 
wo  sie  nach  v.  4  das  Schwert  erschlagen  soll;  hier  ist  das  Exil  und  zwar,  was 
zu  beachten  ist  im  Gegensatz  zu  5  27  und  als  Zeichen  der  späten  Herkunft,  das 
Exil  unter  allen  Völkern  nicht  das  Ende,  auch  nicht  der  Durchgangspunkt 
zum  Tode,  sondern  zum  Leben.  Nur  Staub  und  Spreu  fallen  zur  Erde,  das 
Korn  wird  im  Siebe  bewahrt.   Mit  rrjDS  ist  das  heute  ghirbäl  (J^ji)  genannte 

Sieb  gemeint,  dessen  „Augen  so  eng  sind,  dass  es  nur  Staub,  Erde,  Spreu, 
flache  oder  beim  Dreschen  zerrissene  Körner,  aber  keine  guten,  normal  ge- 

•  • 

bildeten  durchfallen  lässt"  (vgl.  Wetzstein  über  die  Siebe  in  ZDPV  1891, 
1—7,  bes.  S.  3  und  7  Anm.  2).  Die  Voraussetzung  bei  dieser  Erklärung,  dass 
1TO,  das  gute  Korn,  den  Kern,  bedeutet,  ist  doch  nicht  unmöglich;  11"1^  ist 
eigentlich  der  Knoten,  woraus  jedenfalls  ebensogut,  wenn  nicht  besser  die  Be- 
deutung Fruchtknoten,  Getreidekern,  als  die  eines  kleinen  kompakten  Steines 
(?  II  Sam  17  13)  sich  ableiten  lässt.  Einen  fremden  Gedanken  bringt  man 
herein,  wenn  man  11"l^  hier  als  Stein  und  Hins  als  das  Grosssieb  fasst,  welches 
die  guten  Körner  durchlässt,  aber  Stroh  und  Steine  zurückbehält,  die  man 
dann  mit  der  Hand  zusammennimmt  und  nochmals  auf  die  Tenne  wirft,  damit 
sie  noch  einmal  unter  die  Dreschmaschine  kommen  (so  Peeuschen  ZATW 
1895,  24f.,  ähnlich  schon  Hoeemann  ZATW  1883, 125).  Denn  der  Zusammen- 
hang fordert  nicht  die  Darlegung  der  Durchführung  der  Strafe  im  Gericht, 
sondern  der  Bewahrung  in  demselben.  Kein  gutes  Korn  geht  im  Exil  unter 
allen  Völkern  verloren,  das  besagt  v.  9;  ganz  parallel  ist  Jes  27  12  die  Aussage, 
dass  einst  vom  Euphrat  bis  nach  Ägypten  das  Getreide  ausgeklopft  und  die 
guten  Körner,  die  Juden,  einzeln  gesammelt  werden.  Die  Konstruktion 

ist  auch  hier,  wie  y.  s,  nicht  glatt:  auf  ich  befehle  erwartet  man  Ausführung 
durch  andere,  aber  Jahwe  thut  es  selber:  ich  schüttle,  10  Die  Sünder 

dagegen  sollen  umkommen:  Durch  das  Schwert  sollen  sterben  Alle  Sünder 
ineines  Volkes,  Die  da  sagen :  es  naht  und  sehreitet  nicht  vor  Bis  zu  uns  das 
Unglück.  Zu  lesen  ist  mit  Ookt  u.  a.  ^^nj;  D^j^n^i  mPi,  denn  das  Hiph.  ^^^7)  be* 
deutet  immer  herzuführen,  ebenso  ist  D'^*lipn  in  der  Bedeutung  entgegentreten 
fraglich,  und  statt  I^IJ^n  bezeugt  LXX  nur  das  bessere  ^l^lj;.  Die  Sünder  sind 
die  Gottlosen,  die  an  eine  Strafe  nicht  glauben  und  vor  jedem  Unglück  sich 
sicher  fühlen;  solche  gab  es  zu  allen  Zeiten,  vgl.  nur  Jes  5  19  Jer  23  17  und 
8.  auch  Mal  2  17. 

11  12  Die  Wiederaufrichtung  des    davidischen   Reiches;    die 
Korrektur  zu  v.  7 :  Dass  Israel  eine  Prärogative  vor  allen  Völkern  zukommt^  , 
wird  sich  an  jenem  Tag  d.  i.  in  der  messianischen  Endzeit  erweisen.    In  v.  11 
mag  man  ein  Tetrastich,  in  v.  12  ein  Tristichon  sehen.  11  An  jenem  Tag 

richte  ich  die  verfallene  Hütte  Davids  wieder  auf  Und  bessere  ihre  Mauerrisse 

Kurzer  HC  zum  AT  XiU  15 


Am  9  11  226  Am  9  14 

aus  Und  richte  ihre  Trümmer  wieder  auf  Und  baue  sie  auf,  wie  sie  in  der  Vor- 
%eit  war.   Die  Suff,  sind  in  Unordnung;  nach  LXX,  wie  nach  der  Grammatik 
ist  zu  lesen  n^'ribnni  n'^^lB  (Wellh.).    Wegen  des  Pluralsuff.  \ry  den  Plural 
th^liX]  "1  näD  zu  lesen  (so  Hofpmann,  Guthe  bei  Kautzsch),  ist  ein  Missgriff. 
Die  Hütte  Davids  ist  das  davidische  Reich  und  nicht  die  einzelnen  davidischen 
Gebäulichkeiten;  dieses  Reich  ist  im  Verfall,  liegt  in  Ruinen  und  Trümmern, 
die  Zeit  seines  Bestandes  gehört  den  Tagen  der  Vorzeit.   So  kann  nicht  Amos 
sprechen,  sondern  nur  ein  Späterer,  für  den  das  Exil  und  der  Fall  des  da- 
vidischen Reiches  historische  Thatsachen  der  Vergangenheit  sind.  12 
Wiederum  ist  die  Konstruktion  nicht  ganz  concinn,  denn,  wer  die  sie  sind,  ist 
nicht  gesagt;  gemeint  sind  aber  ohne  Zweifel  die  Herrscher  des  davidischen 
Hauses,  die  dann  die  Regierung  führen,  Dass  sie  den  Rest  Edoms  in  Besitz 
bekommen  Und  alle  die  Völker ,  über  die  mein  Name  genannt  war^  Ist  der 
Spruch  Jahwes^  der  solches  thut.    Das  davidische  Reich  soll  in  seiner  ganzen 
früheren  Ausdehnung  hergestellt  werden,  vgl.  Ps  60  8-12.    Edom  ist  nicht  das 
Edom  zu  Amos'  Zeit,  sondern  das  durch  schwere  Heimsuchungen  reduzierte 
Edom,  von  dem  z.  B.  auch  Mal  1  3  4  spricht;  darauf  weist  der  Ausdruck  Rest 
Edoms  und  damit  zugleich  auf  die  späte  Herkunft  unserer  Stelle.            Alle 
die  Völker y  über  die  mein  Name  genannt  war^  sind  die  einst  von  David  unter- 
worfenen; durch  ihn  ist  Jahwes  Name  über  sie  genannt ,  d.  h.  sie  sind  in  seinen 
Besitz,  unter  seine  Herrschaft  gekommen  (vgl.  z.  B.  Jer  7  10  Jes  63  19  Dan 
9  18  19).   Schon  in  den  Tell-el-Amarna-briefen  bedeutet:  „seinen  Namen  nieder- 
legen auf  ein  Land"  nichts  anderes  als  „es  für  sich  in  Besitz  nehmen"  s.  ZDP  V 
1890,  140.            Interessant  ist  der  Wortlaut  der  LXX  (cod.  B):  ottü);  IxCititt)- 
ocüaiv  Ol  xaiaXotTToi  xwv  dv&pwTicüv,  was  die  hebr.  Lesart  D*]«  n-*lfc^^  ^^IT  ]^^^ 
voraussetzt.  Act  15  17,  wo  diese  Verse  zitiert  werden,  fehlt  auch  das  notwendige 
Obj.  Tov  xupiov  nicht,  das  nun  aus  dem  NT  auch  in  den  cod.  A  der  LXX  ein- 
gedrungen ist.    Über  einen  ähnlichen  Fall  s.  zu  Ps  14  3.    Jedenfalls  hat  man 
aber  den  hebr.  Text  nicht  darnach  zu  ändern.   Vgl.  hiezu  Drivee. 

13—15  Die  herrliche  Fruchtbarkeit  des  Landes  in  der  mes- 
sianischen  Zeit;  die  Korrektur  zu  8  ii-u  (s.  Vorbem.  zu  9  8-15).  13  be- 

ginnt wie  811:  Siehe  Tage  kommen^  ist  Jahwes  Spruch ^  hierauf  folgt  das 
Tetrastich:  Da  drängt  sich  der  Pflüg  er  (1.  tS^linn  LXX)  mit  dem  Schnitter  Und 
der  Keltertreter  mit  dem,  der  den  Samen  streut^  Und  es  triefen  die  Berge 
von  Most  Und  alle  Hügel  zerfliessen.  Wie  Lev  26  5  schildert  v.  13^  die  SchnelKg- 
keit  des  Wachstums  und  die  E-eichlichkeit  des  kaum  zu  bewältigenden  Ertrags 
und  V.  13^  wie  die  fast  gleichlautende  Verheissung  Jo  4  18  die  Fülle  an  Milch 
und  Wein.  In  der  messianischen  Zeit  ist  alles  gesteigert:  das  Tempo  des 
Wachstums  und  das  Quantum  der  Ernte;  Verschmachten  infolge  von  Durst  ist 
dann  nicht  mehr  möglich,  vgl.  8  13.  14,  ein  zweites  Tetrastich:  Und  ich 

führe  im  Geschick  meines  Volkes  Israel  die  Wendung  herbei^  das  bedeutet  "iW 
T\\l)ä  trotz  Pkeuschen  ZATW  1895,  1—74,  vgl.  zu  Hi  42  10  (auch  wenn  diese 
Stelle  nicht  vorexilisch  ist)  und  Hes  16  53;  dass  aber  hier  damit  die  Restitution 
aus  dem  Exil  eingeschlossen  ist,  leidet  keinen  Zweifel.  Also  erweist  auch  v.  14 
die  Anhänge  v.  8-15  als  nachexilisch.    Und  sie  werden  in  Trümmer  liegende 


Am  9  14  227  Am  9  15 

Städte  außauen  und  darin  wohnen^  Sie  werden  Weinberge  pßanzen  und  den 
Wein  daraus  trinken.  Und  Gärten  antegen  und  deren  Frucht  gemessen.  Vgl. 
die  entgegengesetzte  Ankündigung  4  9  5  n  JJtn  28  30  33  30,  aber  auch  die  gleich- 
lautende Verheissung  Jes  65  21.  15,  vielleicht  auch  ein  Tetrastich:  Und 
ich  pflanze  sie  in  ihr  Land  ein  Und  nicht  mehr  sollen  sie  ausgerissen  werden 
Aus  ihrem  Lande,  das  ich  ihnen  gab,  Hat  Jahwe  dein  Gott  gesprochen.  Auch 
dieser  letzte  Vers  zeigt,  dass  wir  das  Produkt  eines  späten  Autors  vor  uns 
haben,  der  mit  der  Exilierung  als  einer  vollendeten  Thatsache  rechnen  muss; 
die  von  ihm  verheissene  Wiederansiedlung  im  von  Gott  für  immer  gegebenen 
Lande  annulliert  in  kräftiger  Weise  die  trostlose  Ankündigung  des  Unter- 
gangs Israels,  selbst  des  ins  Exil  gelangenden  Teiles  desselben  v.  4.  Vgl.  die 
ähnlichen  Verheissungen  Jer  32  4i  Hes  34  28  Jes  60  21  Jo  3  20.  T'7^^  '^'''^^ 
dein  Gott,  wie  auch  4  12  in  einem  späteren  Zusatz  (s.  dort),  ist  von  LXX  der 
gewöhnlichen  Formel  gleichgemacht:  xupio;  6  Oco?  uavtoxpaKDp. 

Auf  Schritt  und  Tritt  zeigt  sich  die  sekundäre  Herkunft  von  v.  8-15.  Wir  mögen  es 
beklagen,  dass  die  Worte  der  alten  Propheten  nur  in  solcher  Umkleidung  auf  uns  ge- 
kommen sind;  aber  vielleicht  haben  wir  es  gerade  diesen  fremden  Zuthaten  zu  danken, 
dass  wir  von  diesen  Propheten  überhaupt  wissen  und  dass  uns  die  so  gewaltigen  Worte 
eines  Amos  nicht  verloren  sind. 


1 


r^* 


Ob  Einleitung  I  228  Ob  Einleitung  I 


OBADJA. 


Einleitung, 


I.  Die  Zusammensetzung  des  Buches«  So  klein  das  Buch  Obadja  (das 

vierte  in  der  Sammlung  der  Zwölf  Propheten  des  hebr.  AT's,  das  fünfte  nach  der 
Reihenfolge  der  LXX)  ist,  so  ist  es  doch  nicht  aus  einem  Gusse.  Aufs  klarste  lassen 
sich  ein  älterer  Teil  und  ein  späterer  Anhang  unterscheiden.  Der  ältere  Teil  um- 
fasst  V.  1-5  (s.  zu  V.  1  und  v.  5  die  Exegese)  7^^*  10-14  (zu  v.  12  s.  Exegese)  15^;  sein 
Inhalt  giebt  die  prophetische  Beurteilung  einer  soeben  über  Edom  hereingebrochenen 
Katastrophe:  die  Nachbarn,  mit  denen  Edom  bisher  in  Frieden  lebte,  haben  es  plötz- 
lich überfallen  und  aus  seiner  Heimat  vertrieben;  dieses  Unglück  hat  Edom  durch 
sein  Verhalten  gegen  Juda  verdient,  als  es  gemeinsame  Sache  machte  mit  den  Bar- 
baren, die  Jerusalem  eroberten  und  Juda  den  Untergang  brachten.  Der  spätere 
Anhang  besteht  aus  den  Versen  16-21.  Dieser  Anhang  tröstet  Israel  über  das  herbe 
Geschick,  welches  es  einst  betroffen  hat  und  noch  immer  in  seinen  Folgen  schmerzt, 
mit  der  Verkündigung  des  Gerichts  über  alle  Völker  und  besonders  über  Edom, 
sowie  mit  der  Weissagung  von  der  herrlichen  Wiederherstellung  Juda-Israels  in 
seinem  alten  Umfang.  Endlich  sind  noch  einer  dritten  Hand  zuzuweisen  die  Verse 
8  9  und  15^,  die  zusammengehalten  sind  durch  den  Begriff  des  Tages  Jahwes,  die 
keine  sichere  Stellung  im  ursprünglichen  Zusammenhang  haben  (s.  zu  v.  8  f.  und  v.  15^) 
und  die,  wie  weder  der  Verf.  von  v.  1-14,  noch  der  von  v.  16-21  es  thut,  die  Verse  1-7 
als  Schilderung  einer  zukünftigen  Katastrophe  Edoms  fassen.  Von  kleineren 
Glossen  und  von  Varianten  ist  auch  unser  Text  nicht  verschont  geblieben,  vgl.  in 
dieser  Hinsicht  die  Exegese  z.  B.  zu  v.  5  6  7^?  v.  12  v.  19-21.  Wo  so  deutlich  wie 

bei  Ob  die  verschiedenen  Bestandteile  sich  von  einander  durch  Form  und  Inhalt 
unterscheiden  (s.  Nachweis  in  der  Auslegung,  bes.  Vorbem.  zu  v.  15*  16-21),  kann 
weder  gelegentliche  Wiederholung  derselben  Ausdrücke  (sog.  responsio  und  inclusio) 
die  Einheitlichkeit  beweisen,  noch  der  Umstand,  dass  es  gelingt,  den  Text  in  dem 
Schema  von  Strophen  und  Antistrophen  unterzubringen  (vgl.  die  Disposition  des 
Textes  bei  CoNDAMDSf). 


Ob  Einleitung  II  220  Ob  Einleitung  II 

II.  Die  Zeit  der  Entstehung  des  älteren  Teiles  (v.  1-5  7^^^'  lo-u  15';.       Die 

beiden  Ereignisse,  von  welcben  die  Rode  ist:  Jerusalems  Eroberung  durch  Barbaren 
unter  Edoms  Teilnahme  und  die  Vertreibung  Edoms  aus  seinem  Lande  durch  die 
arabischen   Nachbarn,   müssen   die    Bestimmung   der   Entstehungszeit   ermöglichen. 
Das  erste  Ereignis  führt  uns  mit  aller  Sicherheit  auf  das  Jahr  586,  da  Jerusalem  von  den 
Chaldiiern  erobert  wurde;  dass  damals  die  Edomiter  beteiligt  waren,  erhellt  klar  aus 
Hes  35,  vgl.  auch  Ps  137  7  Thr  4  21  f.    Wenn  man  dagegen  noch  die  von  der  Chronik 
II  21  16  f.  erzählte  Eroberung  Jerusalems  durch  Philister  und  Araber  zur  Zeit  des 
Königs  Joram  vorzieht,  so  giebt  man  ohne  Grund  ein  durchaus  sicheres  historisches 
Ereignis  auf  und  stützt  sich  auf  eine  nur  in  einer  späten  und  als  Geschichtsquelle 
nicht  sehr  zuverlässigen  Schrift  überlieferte  zweifelhafte  Notiz,  die  erst  nicht  einmal 
allen  Requisiten  entspricht,  da  darin  von  einer  Beteiligung  der  Edomiter  nichts  ver- 
lautet.    Ebenso  werden  wenige  geneigt  sein,  WiNCKLEE  (Altorient.  Forsch.  II,  455 
und  KAT3  294 f.)  beizustimmen,  der  an  die  Neh  1  3  erwähnte  Zerstörung  Jerusalems 
denkt,  von  der  er  annimmt,  dass  sie  unter  Darius  etwa  um  500  erfolgte  zur  Strafe  für 
die  Mitbeteiligung   an  dem  jonischen  Aufstande  und  dass  die  Edomiter,  Moabiter 
und  Ammoniter  im  Auftrage  des  persischen  Königs  die  Exekution  vollzogen.    Denn 
Neh  1  3  ist  schwerlich  ein  Zeugnis  für  eine  um  500  erfolgte  Zerstörung,  die  Annahme, 
dass  das  20.  Jahr  Neh  1  1  auf  Darius'  zwanzigstes  ßegierungsjahr  gehe,   ist  zu  un- 
sicher  und  so  bleibt  die  Zerstörung  unter  Darius  und  erst  recht  die  Exekution  durch 
die  Edomiter  etc.  einstweilen  blosse  Vermutung.     Es  wird  sein  Bewenden  dabei 
haben  müssen,   dass  Ob  v.  10-14  auf  die  Eroberung  Jerusalems  im  Jahre  586  geht. 
Nicht  so  bestimmt  ist  das  Datum  der  Katastrophe  zu  fixieren,   die  Edom  traf.     Aus 
DiODOE  XIX,  94  ist  allerdings  bekannt,  dass  im  Jahre  312  v.  Chr.  Petra  von  Arabern 
besessen  war;   aber  wir  werden  um  eine  geraume  Zeit  über  dieses  Datum  zurück- 
gehen dürfen.    Einen  Fingerzeig  kann  uns  Mal  1  1-5  geben,  der  Edom  als  ödes  und 
verwüstetes  Gebiet  hinstellt.    Es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass  Ob  v.  1-14  15^  unge- 
fähr in  dieselbe  Zeit  mit  Maleachi  zu  verlegen  ist,  also  wohl  in  die  erste  Hälfte  des 
5.  Jahrhunderts  (so  auch  "Wellh.  und  NowacK).    Da  Ob  v.  1-14  15^  gleichzeitig  mit 
der  Katastrophe  Edoms  ist  (vgl.  Vorbem.  zu  v.  1^^-14  15^)  und  Mal  1  1-5  auf  eine 
vollendete  Thatsache  hinweist,  so  wird  Obadja  etwas  früher  als  Maleachi  sein  und 
wir  haben  somit  den  kräftigen  Verstoss  der  arabischen  Völkerschaften,   die  diesmal 
nicht  bloss  eine  Razzia  in  edomitisches  Gebiet  unternahmen,   sondern  die  Edomiter 
über  ihre  Grenzen  hinaus  verdrängten,  in  den  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  zu 
verlegen. 

Diese  Datierung  wird  in  keiner  Weise  umgestossen  dadurch,  dass  in  Jer  49  sich 
einige  Verse  aus  Obadja  wiederfinden.  Das  Verhältnis  zwischen  Jer  49  7-22  und 
Ob  V.  1-14  15^  ist  scheinbar  ein  kompliziertes;  denn  einerseits  ergiebt  sich  bei  einer 
Vergleichung,  dass  die  Verse  bei  Ob  „einen  durchaus  logischen  und  guten  Zusammen- 
hang und  ursprüngliches  Gefüge  zeigen,  während  wir  bei  Jer  disjectä  membra  poetae 
mosaikartig  in  Eigenes  eingesetzt  finden"  (Coenill),  vgl.  Ob  v.  1-4= Jer  49 14-16,  Ob  v.  5 
=  Jer  49  9,  und  dass  sich  Jer  49 1 6^  deutlich  nur  als  eine  Zusammenziehung  von  Ob  v.  4  ver- 
stehen lässt  (vgl.  das  bei  Jer  „in  der  Luft  schwebende"  D^D);  andererseits  lässt  sich 
nicht  in  Abrede  stellen,  dass  Jer  49  15  gegenüber  Ob  v.  2  den  besseren  Text  aufweist. 
Letzterem  Umstände  darf  aber  kein  entscheidendes  Gewicht  beigelegt  werden,  weil 


Ob  Einleitung  IT  230  Ob  Einleitung  TV 

der  Text  in  Obadja  erst  nach  der  Benutzung  durch  den  Verf.  von  Jer  49  verdorben 
sein  kann  (vgl.  zu  v.  2).  Man  hat  also  auch  nicht  den  Schluss  zu  ziehen,  dass  beide 
Prophetieen  auf  eine  dritte,  auf  einen  vermutlichen  Urobadja,  zurückgehen,  den  Ob 
genau  und  treu,  Jer  aber  mit  grosser  Freiheit  wiedergebe.  Sondern  man  hat  sich 
dabei  zu  beruhigen,  dass  Ob  v.  1-14  15'^  das  Original  ist  und  der  Verf.  von  Jer  49  7-22 
es  benutzt  hat.  Jer  49  7-22  ist  nun  keineswegs  ein  Produkt  des  Propheten  Jeremia, 
sondern  gehört  seinem  Ursprung  nach  in  eine  viel  spätere  Zeit,  etwa  ins  3.  oder 
2.  Jahrb.,  s.  DuHM  Jer  S.  XX.  Folglich  ergiebt  sich  von  Seiten  der  Prophetie  über 
Edom  in  Jer  49  nicht  die  geringste  Schwierigkeit  für  die  Ansetzung  von  Ob  v.  1-14  15'^ 
in  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts. 

III.  Die  Zeit  der  Entstehung  des  Anhangs  (v.  I6-21)  ist  viel  schwerer  genau 
zu  bestimmen,    da    er  einesteils    auf  den   in  der  jüdischen  Gemeinde  des  zweiten 
Tempels  gehegten   eschatologischen  Erwartungen  beruht,   also  allgemeinen  Inhalts 
ist,    andernteils   aber   Anspielungen  bietet,    die   wegen   des   unsicheren   Textes   in 
V.  18-21  schwer  zu  fassen  sind.    HiTZia  wird  allerdings  dem  richtigen  Datum  nahe 
kommen,   wenn   er  an  das  Jahr  312  denkt,   obschon  seine  Gründe  hiefür  sich  nicht 
halten  lassen.     Er  deutet  nämlich  n^^H'^nn  H^J  auf  die  von  Ptolemaeus  Lagi  in  die 
Kastelle  Ägyptens  weggeführten  palästinensischen  Juden  (JOSEPHUS  Archäol.  XII 
1,  1,  contra  Apion.  II,  4),   bringt  Ob  v.  1   (HiTZIG  scheidet  nicht  zwischen  Grund- 
stock und  Anhang)  in  Verbindung  mit  dem  Befehl  zum  Feldzug  wider  Petra,   den 
Antigonus  unmittelbar  nach  der  Verheerung  des  palästinensischen  Küstenstriches 
durch  Ptolemäus  erliess,  und  vermutet,   dass  der  Verf.  einer  der  Deportierten  vom 
Jahre  312  war   und    in  einem  Kastell  (H^H   7)111)  Ägyptens    seine  Prophetie  über 
Edom  schrieb.     NowACK  macht  mit  Recht  gegen  diese  Annahme  geltend,   dass  in 
Petra  um  312  keine  Edomiter  mehr,   sondern  Araber  sassen  und  dass  auch  sonst 
bei  richtiger  Auslegung  von  v.  1-7  diese  Hypothese  dahinfalle.    Ist  somit  das  spe- 
zielle Datum  312  aufzugeben,   so  wird  doch  der  Anhang  erst  um  diese  Zeit,  resp. 
etwas  später  im  dritten  oder  zweiten  Jahrhundert  entstanden  sein.     Ist  auf  1*1DD 
=  Kleinasien  (s.  zu  v.  20)  ein  Verlass,  so  gab  es  zur  Zeit  der  Abfassung  eine  be- 
deutende jüdische   Diaspora    in  Kleinasien ,    was   in    diese   späteren   Jahrhunderte 
hinabweist.      Genauer    ins    zweite   Jahrhundert    werden    wir    geführt,     wenn    die 
Hoffnungen  auf  Ausdehnung  des  Gebietes  durch   die  Erfolge   der  Makkabäer  er- 
weckt sind:   165  hat  Judas  Makkabäus  Hebron   als  Mittelpunkt   der  Edomiter  be- 
kriegt (I  Mak  5  3  65)  und  126  hat  sie  Johannes  Hyrkanus  vollständig  besiegt.    Vgl. 
auch  Jes  34. 

IV.  Die  Entstehung  des  Ganzen  verlief,  wie  sich  aus  dem  Gesagten  ergiebt, 
in  sehr  einfacher  Weise:  In  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  ist  die  Prophetie 
über  die  Katastrophe  Edoms  entstanden,  wahrscheinlich  verfasst  von  einem  pro- 
phetischen Manne  Namens  Obadja;  denn  die  Überschrift  „Gesicht  Obadjas"  wird 
wohl  zu  dem  Grundstock  gehören.  Im  2.  Jahrh.  fügte  ein  Autor  die  tröstliche  Ver- 
heissung  an,  dass  nun  Edom  wirklich  zu  büssen  habe  für  seinen  an  Juda  verübten 
Frevel  und  dass  für  Juda  die  Zeit  bleibender  Blüte  beginne.  Kurz  nachher  wird  ein 
Dritter  die  Verse  8 f.  und  15*  eingeschoben  haben,  der  andeuten  wollte,  dass  sowohl 
V.  1-7,  wie  auch  v.  16-21  als  Weissagung  auf  den  Tag  Jahwes  verstanden  werden 
sollen.     Zu  v.  8 f.  mag  er   die   Anregung  von  Jer  49  7   bekommen  haben,  wie   es 


Ob  Einleitung  IV  231  Ob  v.  1 

möglieb  ist,  dass  der  Autor  des  Anhangs  bereits  Jer  49  7-22  kannte,  vgl.  v.  16  mit 
Jer  49  12. 

V.  Liltcratiir:  P.  C.  CasPAKI  Der  Prophet  Obadja  ausgelegt  1842;  T.  T.  Pe- 
ROWNE  Obadjah  and  Jonah,  Cambridge  189H  (Stereotyped  Kdition) ;  Fkanz  DELITZSCH 
Wann  weissagte  Obadja?  in  ZlTh  1851,  91(1.;  H.  WiNCKLEK  Altorient.  Forschungen 
II  8  (1900),  425—432:  Obadja;  A.  CONDAMIN  Menüs  problömes  de  critique  et  d'exeg^se 
I  L'unite  d'Abdias  in  llevue  biblique  Avril  1900  (8  Seiten);  Ed.  Sievers  Stud.  zur 
hebr.  Metrik  II  (1901),  478—483;  T.  K.  Cheyne  Artikel  Obadjah  (Book)  in  Encycl. 
Biblica  III,  3455—3462  und  ferner  in  Critica  Biblica  II  (1903),  146—149. 


Erklärung. 

Die  Überschrift!^^'*  (bis  DIIS^)  nennt  zunächst  den  Namen  des  uns 
sonst  völlig  unbekannten  Autors  Obadja  und  bezeichnet  sein  Werk  als  ]1tn, 
Gesicht,  Vision,  =  die  von  Obadja  geschaute  Offenbarung  (Gottes),  s.  zu 
Jes  1  1  und  vgl.  auch  Nah  1  i.  Dann  folgt,  wenn  man  h  ^D^|I  wie  Gen  20  1 3  im 
Sinne  von  sprechen  in  Bezug  auf  fasst,  ein  Sätzchen,  das  besonders  hervor- 
hebt, dass  Jahwe  das  Folgende  über  Edom  gesprochen  habe.  Wahrscheinlich 
ist  aber  DH^J^  als  für  sich  stehende  Angabe  des  Objektes  der  Weissagung  an- 
zusehen =  Über  Edom,  wie  in  den  Überschriften  Jer  46  2  48  i  49  i  7  23  28,  und 
die  Worte  nirr»  '^^'IS  1DS  nä  sind  sekundär;  sie  können  nach  den  eben  ange- 
führten  Stellen  hier  an  den  Rand  gesetzt  sein,  mit  der  Bestimmung  den  Platz 
hinter  Dll«^  einzunehmen  (vgl.  auch  Sieveks).  Auf  alle  Fälle  sind  sie  über- 
flüssig, denn  sie  sagen  nicht  mehr,  als  was  bereits  in  ]1tn  liegt,  und  gerade 
nachher  redet  Jahwe  erst  nicht. 

I.  Der  ältere  Teil  der  Prophetie  v.  i^^-i4  I5^ 

Der  Inhalt  von  v.  1-14  15^  ist  nicht  Weissagung  eines  zukünftigen  Ereignisses,  aber 
auch  nicht  reine  Darstellung  der  Vergangenheit,  sondern  prophetische  Beurteilung  der 
gerade  in  der  Gegenwart  sich  abspielenden  Überwältigung  Edoms.  Der  Autor  will  die 
Bedeutung  klarlegen,  welche  diese  Vernichtung  Edoms  hat:  sie  ist  durch  Edoms  Hochmut 
und  Übermut,  welch  letztern  es  besonders  gegen  die  Judäer  bewiesen  hat,  verschuldet  und 
ist  nicht  bloss  eine  vorübergehende,  sondere  eine  definitive.  Diese  Auffassung  wird  allein 
den  in  diesem  Stücke  gebrauchten  Tempora  gerecht;  denn  es  stehen  den  Perfecta,  auf  die 
man  sich  für  die  Fassung  als  Erzählung  beruft,  sichere  Imperfecta  gegenüber  v.  10  15^. 

a)  Der  Untergang  Edoms  v.  1^3-9. 
1^3—2  Die  Kunde  vom  Aufgebot  der  Völker  zum  Entschei- 
dungskampfe gegen  Edom:  Von  Jahwe  hörten  wir  Kunde  Und  ein  Bote 
wurde  herumgeschickt  bei  den  Völkern:  Auf!  wir  wollen  uns  erheben  es  %u  be- 
kriegen! Klein  mache  ich  dich  jetzt  unter  den  Völkern,  Verachtet  seist  du 
unter  den  Menschen!  Der  Paralleltext  Jer  49  u  hat  wie  die  LXX  ''HJ^?^  für 
Uj;i?;j^;  der  Plural,  der  als  die  schwierigere  Lesart  zu  halten  sein  wird,  zeigt, 
dass  sich  der  Verfasser  mit  seinen  Volksgenossen  zusammenfasst,  zeigt  aber 
auch,  dass  HJ^IDIJ^  hier  nicht  eine  prophetische  Audition,  sondern  wie  Jes  53  1 
Kunde^  Nachricht^  bedeutet.    Diese  Kunde  begleitete  die  Ereignisse,  die  sich 


Ob  V.  1  232  Ob  V.  4 

zutrugen;  zu  diesen  gehörte  besonders  auch  die  Sendung  eines  Boten,  T!^  (s.  zu 
Jes  18  2),  unter  die  Völker.  Die  beiden  Sätzchen  sind  einander  parallel  und 
berichten  von  gleichzeitigen  Ereignissen,  das  zweite  ist  also  selbständig  und 
auch  nicht  logisch  von  oyi?C^  abhängig  zu  fassen;  obgleich  die  Herumsendung 
eines  Boten  bei  den  Völkern  mit  dem  Hören  der  nj;^D^  von  Jahwe  nicht  nur 
gleichzeitig  ist,  sondern  auch  in  Zusammenhang  steht,  so  enthielt  diese  Kunde 
doch  weit  mehr  als  die  blosse  Meldung  vom  Botenschicken,  s.  v.  2.  vhli 

ist  Pu.  und  braucht  weder  mit  Jer  49  14  in  n6u^  geändert  noch  als  abgekürztes 
Partie,  für  M^^D  erklärt  zu  werden.  Der  Bote,  der  sich  mit  den  Völkern  gegen 
Edom  erheben  will  (vgl.  HD^pJ),  ist  nicht  ein  Engel;  wenn  die  Engel  gegen 
Edom  ziehen,  brauchen  sie  die  Hilfe  der  Menschen  nicht.  Für  H^^j;,  so 

auch  in  dem  sonst  verschiedenen  Halbvers  Jer  49  14^,  1,  mit  Wellh.,  Nowack, 
DuHM  Yby^,  da  nachher  Edom  stets  als  Mascul.  behandelt  ist.  Den  Inhalt 

der  njJ^Dta^  giebt  2  in  Worten,  die  Jahwe  an  Edom  richtet.  Das  Perfektum  be- 
weist nicht,  dass  bei  dem  Vernehmen  der  Kunde  das  Resultat  schon  vorlag, 
sondern  drückt  aus,  dass  die  Ausführung  der  Aussage  zweifellos  bevorsteht, 
vgl.  Hin  resp.  \T\  mit  dem  Perf.  ^um  17  27  und  s.  Ges.-Kautzsch^^  §  106  n. 
Für  "li^D  bietet  Jer  49  15  DHij»?»  ^^s  dem  parallelen  DMIi?  aufs  beste  entspricht 
und  darum  vorzuziehen  ist;  dagegen  ist  das  Jer  49  15  fehlende  nrijjj  zu  halten. 
Die  Textverderbnis  von  Dlt^l  in  I^^D  erklärt  sich  leicht,  sie  erfolgte  erst  nach 
der  Benutzung  durch  den  Verf.  von  Jer  49  7-22  oder  aber  dieser  hatte  ein  noch 
unverdorbenes  Exemplar  zur  Verfügung. 

3  4  Das  stolze  Vertrauen  Edoms  auf  seine  uneinnehmbaren 
Wohnsitze  erweist  sich  als  Täuschung.  3  Dein  stolzer  Sinn  be- 

trog dich,  Der  du  in  Felsklüften  wohnst.  Deinen  Wohnsitz  hoch  machst,  bei  dir 
denkst:  Wer  stürzt  mich  herab  zur  Erde?  Der  Text  ist  besser  als  in  Jer  49  16, 
wo  er  zudem  gekürzt  ist:  Mit  Recht  steht  zum  Nachdruck  "^ih  ]T\\  voran,  ^«"'^H 
ist  durch  ^^^^•'!^^  v.  7  als  ursprünglich  erwiesen  gegenüber  der  Auflösung  ^^''^^ 
•^n«  und  inn^  D^D  (so  ist  nach  LXX  mit  Duhm,  Condamin  für  '^  D11D  zu  lesen) 
ist  weit  besser  als  das  umständliche  nj;nj  DTO  "^ii^sJ^  in  Jer.  Zu  dem  sog. 

''^-  compaginis,  dem  Rest  einer  alten  Nominalendung  vgl.  Ges.-Kautzsch^? 
§  901;  zu  dem  Plur.  constr.  '^l^n  (auch  Cnt  2  u)  von  einem  Nomen  ^:in  vgl.  eben- 
daselbst §  93 X.  Mit  J^^D"'^55n  ist  wohl  an  die  edomitische  Hauptstadt  V^DH, 
das  spätere  Petra,  angespielt,  vgl.  zu  II  Reg  14  7  und  Baedekee  Paläst. ^ 
202—206.  Die  Suffixe  der  dritten  Person  in  IMti^  und  12^2  sind  in  der 
Anrede  nicht  selten,  vgl.  Mch  7  18^  und  König  Stilistik  S.  247.  4  Wenn 
du  so  hoch  horstest  wie  ein  Adler  Und  wenn  du  dein  Nest  zwischen  den  Sternen 
aufschlägst,  Ich  stürze  von  dort  dich  herab,  ist  Jahwes  Spruch,  Zu  n^?jri  ist 
aus  der  zweiten  Zeile  ?J§j?  als  Obj.  zu  ergänzen,  darum  auch  mit  LXX  D^'i^ri  für 
D^,  das  als  partic.  pass.  zu  erklären  ist,  zu  lesen.  Mit  y.  3  hat  offenbar 
der  Prophet  auf  die  von  Jahwe  vernommene  Kunde  hin  das  Wort  genommen 
und  Edom  angeredet:  Deine  vermeintliche  IJneinnehmbarkeit  ist  Trug,  Jahwe 
hat  ganz  anders  gesprochen  (v.  4),  dass  du  in  allen  Fällen  gestürzt  wirst. 
Dieses  Wort  Jahwes  v.  4  ist  nicht  identisch  mit  der  nj;^!^^'  von  v.  if.,  sondern 
Obadja  denkt  an  ein  älteres  Prophetenwort  gegen  Edom,  vgl.  Hes  35.    Die 


Ob  V.  4  233  Oh  V.  7 

Verse  3  und  4  bilden  den  Übergang  von  der  Grundlage  der  ganzen  Prophetie, 
V.  if.,  zu  V.  5-7,  worin  dann  der  Prophet,  wiederum  in  der  Anrede  an  Edom, 
schildert,  was  sich  vollzieht  und  eben  zum  Abschluss  gelangt.  Die  Ver- 

setzung des  in  v.  5  (s.  dort)  nicht  passenden  nn''öi;i  in  der  Form  n**©"!?,  «=-  wie 
würdest  du  hcrabijeitorfen! ,  nach  v.  4  hinter  IC^i?  (so  Winckler)  empfiehlt 
sich  nicht,  da  dieser  Einschub  ^^1?  ^^^  zu  weit  von  iT??^  trennen  würde;  nach 
dem  parallelen  ^TIIN  müsste  man  ausserdem  ein  Imperf.  erwarten  und  das 
Niph.  von  Hol  ist  im  AT  nicht  belegbar. 

5_7ba   jjjq  Katastrophe  Edoms   besteht  in  der   Austreibung 
ausderHeimat.  5   Wenn' s  Diebe  gewesen  wären,  die  bei  dir  ein- 

drangen, Hätten  sie  nicht  nur  gestohlen,  so  viel  sie  brauchen?  Wenn  Winzer, 
die  über  dich  kamen.  Hätten  sie  nicht  eine  Nachlese  übrig  gelassen?  Nach 
Jer  49  9,  wo  unser  Vers  in  anderer  Wendung  wiederholt  ist,  gehört  die  den 
Sinn  und  den  Parallelismus  störende  Frage  nn^Dl^  '^J'^S  sicher  nicht  zum  ur- 
sprünglichen Text,  wahrscheinlich  aber  auch  nicht  Tfyh  nnti^"Di<,  das  nachträg- 
lich in  Ob  eingesetzt  sein  wird,  um  das  in  Jer  49  9  wegen  des  Metrums  ge- 
brauchte Th^h  auch  hier  unterzubringen.  Auch  Cheyne  betrachtet  diese  fünf 
Worte  als  sekundär,  sieht  in  ihnen  aber  eine  Grlosse  zu  ^^"JISli  v.  9,  die  ursprüng- 
lich die  Namen  „Asshur,  Ishmael,  Jerahmeel"  aufgewiesen  haben  soll  (vgl. 
Am  Einl.  II  i).  Der  Sinn  des  Verses  wird  erst  vollständig  klar,  wenn  die 

Ergänzung,  das  Komplement,  das  v.  7  dazu  bildet,  dazutritt;  aber  schon  hier 
ist  deutlich,  dass  Edom  von  Feinden  heimgesucht  wurde,  die  so  fürchterlich 
hausten,  dass  eine  Razzia  von  räuberischen  Beduinen  in  das  edomitische  Gebiet 
lange  nicht  so  schlimm  gewesen  wäre,  auch  wenn  sie  Edom  wie  Diebe  ein  Haus 
oder  wie  Winzer  einen  Weinberg  geplündert  hätten.  Erstere  eignen  sich  nur 
D^"n  d.  i.  ihren  Bedarf,  was  für  ihren  Bedarf  hinreicht,  an,  letztere,  wenn  sie 
auch  alles  wollen,  lassen  doch  noch  eine  Nachlese  übrig,  vgl.  Dtn  24  21.  Die 
Änderung  des  ersten  fc^lSn  in  ^\h  (Winckler)  ist  unnötig;  sie  geht  von  dem 
Gedanken  aus,  dass  v.  6  „die  Worte  der  enttäuschten  Diebe  enthält",  also  der 
Verf.  sagen  wolle,  nach  der  Ausplünderung,  die  über  Edom  ergangen  sei, 
könnten  Diebe  nicht  einmal  mehr  finden,  was  sie  brauchen,  und  würden  bei 
solcher  Verwüstung  die  Nachlese  wahrhaftig  anderen  überlassen.  Aber  der 
Verf.  will  vielmehr  sagen,  wenn  es  nur  Diebe  und  Winzer  gewesen  wären,  die 
im  Lande  gehaust  hatten,  so  wäre  es  so  schlimm  nicht  gekommen.  6  er- 

weist sich  als  Glosse  schon  durch  den  Gebrauch  der  dritten  Person  für  Edom, 
das  vorher  und  nachher  immer  angeredet  wird  (so  auch  Wellh.,  Nowack), 
versteht  übrigens  auch  die  Katastrophe  Edoms  als  eine  Ausplünderung, 
während  sie  nach  v.  7  (s.  dort)  in  einer  Vertreibung  Edoms  aus  seinem  Lande 
besteht.  Übrigens  ist  der  Text  nicht  zu  beanstanden:  Ifc^sm  und  ^^24  bedeuten 
durchsucht  und  durchstöbert  werden,  und  D'^^^SIJD  entspricht  völlig  den  D'^ibtpD 
Prv  2  4  und  den  D'^*)rip)?  ''^IDtpD  Jes  45  3  (s.  dort).  Die  Verbesserung  Cheyne's 
in  ?I^ninn  n?n;  ^«^i  ^^nin^n»  "tj''«  =  „wie  sind  deine  Pläne  getäuscht  (s. 
Jes  19  13),  deine  klugen  Gedanken  zu  Thorheit  geworden!^'  ist  unnötig;  denn 
V.  6  will  Erklärung  zu  v.  5,  nicht  Vorwegnahme  des  Gedankens  von  v.  8  f.  sein. 
7aba  2wr  Grenze  haben  sie  vielmehr  dich  getrieben,  Deine  Verbündeten  alle 


Ob  V.  7  234  Ob  V.  7 

haben  dich  betrogen,  Es  haben  dich  überwältigt  deine  guten  Freunde,  Sie 
nehmen  Wohnung  an  deiner  Stätte.  Von  dieser  positiven  Aussage  fällt  helles 
Licht  auf  V.  5:  nicht  um  Plünderung,  sondern  um  Austreibung  Edoms  handelt 
es  sich.  ^^DilH'^y,  an  die  Grenze,  wird  Edom  getrieben,  aus  seinem  bisherigen 
Wohnsitz  vertrieben,  vgl.  zu  vbyi,  fortjagen,  ausweisen,  II  Sam  13  16.  Die 

Feinde,  die  Edom  vertreiben,  sind  seine  bisherigen  Verbündeten,  seine  guten 
Freunde,  mit  denen  es  bis  dahin  in  Frieden  lebte;  es  sind  die  Völker  von  v.  i, 
die  nun  durch  v.  7  als  die  arabischen  Beduinenstämme  der  Nachbarschaft 
Edoms  bestimmt  werden.  Das  so  signifikante  und  unentbehrliche  ^Cüri'IJ^ 

ist  weder  mit  Cheyne  ^^öHI'^  TV  zu  lesen  und  als  eine  Glosse  zu  '")!  "^^ä^^  ^ä  zu 
verdächtigen,  noch  mit  Wincklee  in  der  Form  ^?ij"n5?  =  „bis  zum  Gebal" 
(Ps  83  8)  hinter  l^j;  in  v.  6  zu  versetzen.  Der  Text  von  v.  7^  bietet  grosse 

Schwierigkeiten.  ^ÖH^,  das  LXX  nicht  gelesen  hat,  wird  aus  Dittographie  des 
vorangehenden  ^^'^  entstanden  sein  (Wellh.,  Nowack).  IltD,  meist  nach  den 
alten  Versionen  (LXX :  svsSpa)  als  Schlinge,  Fallstrick,  verstanden,  giebt  keinen 
guten  Sinn:  sie  legen  unter  dir  Fallen;  aber  Edom  ist  ja  bereits  über  die 
Grenze  getrieben;  die  Konjektur  von  Geätz:  TMD,  bleibt  bei  demselben  hier 
nicht  passenden  Bild;  Wincklee  greift  kräftiger  ein,  er  liest  mit  Umstellung 
der  Worte  ^'^rinn  TOD  \^'^^\  ^JÖH^  ^^  !i!?DS"'  "^rhä  "»^i«  ^l^i^'^^n  und  übersetzt:  be- 
trogen haben  dich  alle  deine  Helfer.  Dein  Fleisch  werden  sie  fressen,  Dir  weg- 
nehmen die  Nahrung"  (II^JD  =  Beköstigung,  vgl.  T;^).  Cheyne  sieht  auch  hier 
in  einer  Glosse  edomitische  Alliierte  aufgezählt:  ninhl  n^^D  ^N^tttS^'^  ^«Dm\ 
Einfacher  und  dem  Gedanken  entsprechender  scheint  mir,  IIIID  oder,  da  dieses 
IIIID  Hi  18  19  Thr  2  22  doch  nicht  sicher  Wohnung  bedeutet,  besser  ^HD,  das  im 
nachbibl.  Hebr.  und  schon  im  bibl.  Aram.  (Dan  4  22  29  5  21)  vorkommt,  für  *11tD 
zu  lesen.  ^IHD  ^""^  =  Wohnung  nehmen,  die  Wohnstätte  aufschlagen  =  sich 
niederlassen  ist  so  gut  möglich  wie  ](?  D"^^  v.  4,  und  das  Imperf.  ^D'^b^^  bleibt  in 
seinem  Recht:  Nach  der  Vertreibung  der  Edomiter  siedeln  die  Araber  sich 
im  Lande  an. 

7bß — 9,  ein  Einschub;  denn  die  v.  1-7  als  eben  sich  abspielend  dargestellte  Kata- 
strophe Edoms  wird  hier  für  die  Zukunft  geweissagt  und  von  Edom  ist  wie  in  der  Glosse 
V.  6  in  der  dritten  Person  die  Eede  (zu  ^^'yyil  s.  zu  v.  9).  Die  Verse  scheinen  eingesetzt 
von  einem,  der  nicht  nur  v.  16-21,  sondern  die  ganze  Prophetie  als  eine  Weissagung  fasste 
und  auf  den  Tag  Jahwes  gedeutet  wissen  wollte ;  von  ihm  rührt  auch  v.  1 5^  her. 

7^^  gehört  zu  dem  Einschub;  eine  Verbindung  mit  v.  7^**  ist  unmöglich, 

denn  man  darf  nicht  übersetzen,  indem  man  in  1^  eine  Beziehung  auf  die  in 
11TD  gesuchten  „Fallen"  annimmt:  „die  nicht  zu  merken  sind";  eine  Versetzung 
an  das  Ende  von  v.  6  unter  der  Annahme,  dass  7\^\^P^  statt  niun  und  wohl  auch 
DS  statt  D  zu  lesen  sei  und  dass  dann  eine  Beziehung  auf  das  als  „Bergwerke" 
gedeutete  VJ1ö:iD  darin  liege,  also  übersetzt  werden  dürfe:  „(wie  sind  durch- 
forscht seine  Bergwerke,)  dass  sie  keinen  Ertrag  bringen"  (so  Wincklee),  er- 
scheint wenig  befriedigend.  Die  Übersetzung  kann  nur  lauten:  Keine  Einsicht 
ist  in  ihm  und  die  Beziehung  in  IIa  nur  auf  Edom  gehen.  Seinem  Inhalt  nach 
gehört  also  v.  7^ß  zu  v.  sf.,  wie  Condamin  richtig  gesehen  hat,  der  allerdings 
das  Sätzchen  an  der  wenig  passenden  Stelle  hinter  nin;;"DtJi  eingereiht  hat. 
Wahrscheinlich  ist  es  nur  ein  Randzitat  zu  v.  8 f.  aus  dem  Anfang  der  ausführ- 


Ob  V.  8  235  Obv.  12 

licheren  Prophetie  gegen  Edom  Jer  49  7.  8  Sowenig  wie  aus  Jer  49  7 

kann  raan  aus  Ob  v,  7^P  8  folgern,  dass  Edom  wegen  seiner  Weisen  berühmt 
war.  Nur  soviel  wird  gesagt,  dass  man  in  Edom  an  jenem  Tage,  da  Jahwe  das 
Gericht  vollziehen  wird,  sich  nicht  zu  raten  und  helfen  weiss,  vgl.  Jes  19  3  ii 
29  14.  9  Die  Anrede  an  Theman,  eine  edomitische  Landschaft,  zwischen 

V.  8  und  9^  ist  durchaus  unpassend;  raan  lese  ''^IS?  für  ^''"112?,  das  ein  Abschreiber 
hier,  gemäss  der  Anrede  im  ursprünglichen  Teil  des  Abschnitts,  in  Gedanken 
einsetzte.  ^?I?P  heisst  nicht  „im  Gemetzel",  gehört  auch  nicht  zu  v.  9, 

sondern  zu  dem  Anfang  von  v.  lo,  s.  dort. 

b)  Die  Schuld  Edoms,  die  ihm  den  Unterj^ang  brachte  v.  10-14  15''. 

Der  Abschnitt  setzt  v.  1-7^*  (excl.  v.  6)  fort,  nicht  v.  8f.;  das  zeigt  sich  formell  daran, 
dass  wieder  die  Anrede  an  Edom  vorliegt,  sachlich  empfiehlt  es  sich  dadurch,  dass  die  Ge- 
dankenverbindung nichts  zu  wünschen  übrig  lässt,  wenn  zur  Begründung  der  soeben  über 
Edom  hereingebrochenen  Katastrophe  an  die  Schuld,  die  sie  herbeiführte,  nachdrücklich 
erinnert  wird.  In  v.  10-14  15'^  erhalt  v.  1-7  die  erwartete  Ergänzung;  so  auch  Wellh., 
NowACK,  Cheyne. 

10  11  Der  Frevel  an  seinem  Bruder  Israel  ist  die  Schuld 
Edoms.  10  Wegen  des  Frevels  an  deinem  Bruder  Jakob  Bedeckt  dich 

Schmach  und  bist  du  für  immer  vernichtet.  Das  von  den  alten  Versionen  zu 
V.  10  herübergenommene  ^^J^ö  ist  mit  Nowack  als  Glosse  zu  betrachten,  die 
schon  am  Anfang  in  aller  Schärfe  den  Frevel  kennzeichnen  sollte,  '^aber  mit 
dieser  Definition  und  Exposition  zu  früh  kommt,  vgl.  v.  14;  auch  nimmt  sich 
DttHtt  nach  ^tDJpD  zu  matt  aus,  endlich  sollte,  wenn  ^^J^D  ursprünglich  wäre,  die 
Determination  "IpV^  ^''HS  unmittelbar  darauf  folgen.  Zu  dem  sog.  Genet. 

objectivus  ^'^rifcjl  DttH  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  128h.  Zu  Jakob,  dem  Bruder 

Edoms  vgl.  Am  1 11  und  bes.  auch  Mal  1  2;  zu  der  definitiven  Vernichtung 
(D^iy^  ^*1??1)  s.  die  ähnliche  Beurteilung  Mal  1  4.  11  Als  du  zugegen 

warst.  Als  Barbaren  sein  Gut  wegschleppten  Und  Fremde  in  sein  Thor  ein- 
drangen Und  über  Jerusalem  das  Los  warfen,  Warst  auch  du  wie  einer  von 
ihnen.  Es  kann  sich  nur  um  die  Eroberung  Jerusalems  durch  die  Chaldäer 
handeln,  s.  die  Einl.  II  S.  229.  Zu  n^^ö  löj;,  =  mit  dabei  sein,  vgl. 

II  Sam  18  13;  zu  n^!^,  hier  vom  Fortschleppen  von  Hab  und  Gut  (==  l^'^H,  vgl. 
V.  13),  sonst  gewöhnlich  von  der  Wegführung  von  Gefangenen,  vgl.  II  Ohr  21 17. 
Der  Sing.  "I5^!i^!l  y.  13  macht  es  wahrscheinlich,  dass  auch  hier  mit  Wellh., 
Nowack  TO^  zu  lesen  ist.  Die  Fortsetzung  eines  Infinitivs  durch  Verba 

finita  (vgl.  die  Perfecta  ^^^  und  H^  nach  nil!^)  kommt  oft  vor,  s.  Ges.-Kautzsch27 
§  114r;  für  ^^^,  Perf.  Kai  von  "XV  ist  vielleicht  ^l^n^  Perf.  Pi.  von  HT,  zu  lesen,  s. 
ebenda  §  69  u.  Zum  Los  werfen  ==  unserm  Würfeln  vgl.  noch  Jo  4  3  Na  3  10; 
die  Eroberer  würfeln  um  die  Verteilung  der  in  Jerusalem  gemachten  Beute, 
die  nach  Jo  4  3  wohl  auch  in  Gefangenen  bestand.  HPS"^?,  auch  du,  der 

Bruder,  machtest  gemeinsame  Sache  mit  den  Barbaren  und  Fremden,  han- 
deltest wie  ein  Barbar  an  deinem  Bruder. 

12—14  Die  Explikation  des  Frevels  Edoms.  In  lebendiger  Yer- 
gegenwärtigung  der  Unthaten  Edoms  fühlt  sich  der  Autor  in  die  Zeit  derselben  versetzt 
und  mahnt  von  der  Ausführung  derselben  ab,  obschon  sie  in  Wirklichkeit  der  Vergangen- 
heit angehören.    Seine  Warnungen  vor  dem  Prevel  haben  daher  den  Sinn :  Du  hättest  ihn 


Ob  V.  12  236  Ob  V.  14 

nicJit  begehen  sollen.  Die  Verse  12  und  13  sind  einander  zum  Teil  fast  gleich;  T^ellh.  be- 
merkt, dass  V.  13  mit  '^1pV"^V^2  SinJi"^«  sich  als  direkte  Fortsetzung  von  v.  11  mit  seinem 
nj?tt^  !|«3  Dn^il  viel  besser  eie:net  als  v.  12,  der  mit  ^«1  einen  andern  Imperativ  bereits 
voraussetzt  und  also  erst  nach  v.  13  stehen  sollte,  und  hält  wegen  der  grossen  Ähnlichkeit 
der  beiden  Verse  v.  12  überhaupt  für  sekundär.  Winckler  fasst  die  beiden  Verse  als 
Varianten  desselben  Textes.  Auch  LXX  mit  seiner  dreifachen  Übersetzung  des  gleichen 
IT'«  resp.  DT«  in  v.  13  scheint  dafür  zu  sprechen,  dass  nicht  einfach  v.  13  als  ursprüng- 
licher Text  hinzunehmen  ist.  Man  wird  die  beiden  Auffassungen  von  Wellh.  und  von 
Winckler  so  zu  kombinieren  haben,  dass  man  v.  13  zu  Grunde  legt  und  ihn  nach  v.  12  zu 
verbessern  sucht. 

12^*  ist  Variante  zu  y.  13^P  und  enthält  wahrsctieinlich  am  Schluss  die 
bessere  Lesart  (s.  zu  v.  13);  dagegen  ist  offenbar  das  erste  ÜV  unrichtig,  wie  die 
Parallele  von  v.  12^I^  vermuten  lässt  (so  Winckler).  Dieser  Stichos  v.  12*^  ist 
selber  wieder  Variante  zu  v.  13^,  vd.  nti^n  mit  n^n^ti^n  und  mn«  DVSl  mit  ÜV^ 
n''«.  Dagegen  scheint  mir  v.  12^  wo  allein  das  Objekt  des  Verbums  fehlt,  ein 
freier  Zuwachs  zu  sein,  dazu  bestimmt,  das  Verbura  H  HiJ'J  seine  Lust  sehen 
an  .  , .  .,  durch  einen  stärkeren  Ausdruck  zu  erklären  und  zu  vervollständigen. 
Zu  HD  ^"""niin,  das  Maul  aufreissen^  aus  Schadenfreude  und  mit  Spott  und  Hohn- 
gelächter, vgl.  Hes  35  13  und  s.  auch  Jes  57  4  Ps  35  21,  wo  !i^nin  für  ^^^)^T\  steht. 
Zum  ganzen  Vers  vgl.  die  Vorbem.  zu  v.  12-14.  13  Dringe  nicht  ein  in  das 

Thor  meines  Volkes  Am  Tage  seines  Unglücks^  Weide  nicht  auch  du  dich  an 
deinem  Bruder  Am  Tage  seines  Missgeschicks  Und  strecke  nicht  die  Hand  aus 
nach  seinem  Gute  Am  Tage  seines  Verderbens.  Die  drei  im  sog.  Kinametrum 
erscheinenden,  also  nach  der  Mitte  durch  eine  Cäsur  geteilten  Langzeilen 
bilden  eine  Klimax  (:  kommen,  seine  Lust  daran  sehen,  sich  selber  daran  ver- 
greifen), die  gut  in  die  Spitze  v.  14  ausläuft.  In  der  zweiten  Langzeile  setze 
ich  aus  Y.  12^<=^  ^''D??  statt  des  mit  l^'^JS:  DI'^S  gleichbedeutenden  iriJJ*l!n  ein  und 
lese  ebenfalls  nach  v.  12*«  IIDJ,  Missgeschick ,  Unglück,  für  ll'^«.  Mit  Ewald, 
Olshausen  u.  a.  ist  ^'^  n^ti^n  für  das  unverständliche  Hinbli^n  v.  13^  zu  lesen,  s. 
Ges.-Kautzsch27  §  47k;  zu  2  TJ  nbti^,  sich  an  etwas  vergreifen,  vgl.  Dan  11  42. 
Für  W)^  wird  nach  der  Variante  v.  12=*^  llDiJ  zu  lesen  sein,  vgl.  LXX  aTcwXsiac 
aüTÄv  an  beiden  Stellen  y.  I2^ß  und  v.  13^  Zu  H'^iSI  DVn  vgl.  DT«  nj;!l  bei 
Hes  35  5.  14  Zwei  weitere  Langzeilen  (s.  v.  13):  Stelle  dich  nicht  auf  am 

Scheideweg  Um  seine  Flüchtlinge  nieder%umachen  Und  liefere  seine  Ent- 
ronnenen  nicht  aus  Am  Tage  der  Not!  Der  Gipfel  des  Frevels  Edoms!  Die 
flüchtigen  Judäer  haben  sie  niedergemacht  und  die,  die  auf  edomitisches  Ge- 
biet übergetreten  sind  oder  sich  den  Edomitern  ergeben  haben,  den  Feinden 
ausgeliefert.  Die  Bedeutung  von  p"jö,  Scheideweg,  ist  nicht  sicher;  LXX  über- 
setzt £m  rag  5i£xßoXa?,  darnach  fasst  Winckler  p*jS  als  Ausschlupf,  Fluchtloch, 
was  sich  sachlich  sehr  wohl  empfiehlt  und  auch  sprachlich  von  plB,  spalten, 
nicht  schwer  herleiten  lässt,  man  denke  an  einen  Einschnitt  in  einem  Bergzug 
zwischen  den  Höhen,  an  einen  sog.  Sattel  resp.  Bergpass.  Die  Konjektur:  •[^'ID, 
Bresche,  (Gbätz)  ist  unnötig  und  nicht  besser.  "^^^V^  bedeutet,  auch  ab- 

solut gebraucht,  wie  mit  folgender  Präposition  'h^  oder  T2i  nichts  anderes  als 
ausliefern,  preisgeben,  vgl.  Am  6  s  Dtn  32  30  und  zur  Sache  bes.  Hes  35  5, 
welche  Stelle  dem  Verf.  wohl  im  Sinne  lag. 


Obv.  15  237  Ob  V.  Id 

15^  JJas  Urteil  über  den  Frevel  Edoms,  der  wirkungsvolle  Ab- 
schluss  der  Darlegung  der  Schuld  Edoms  und  des  ganzen  älteren  Orakels  über 
Edom:  Die  Katastrophe  ist  die  gerechte  Strafe  für  den  Erevel  Edoms.  Die 
gute  Verbindung  von  v.  15^  mit  v.  14  und  die  offenbare  Zugehörigkeit  von  v.  15» 
zu  V.  16  fF.  setzen  die  Richtigkeit  des  Vorschlags  Wellh.'s  ausser  Zweifel,  dass 
die  beiden  Halbverse  umzustellen  sind.  Die  alte  Prophetie  schloss  also :  Wie 
du  gethan  hasty  wird  dir  gellian;  Dein  TItun  fällt  auf  dein  Haupt  zurück.  Die 
Imperfecta  zeigen,  dass  gerade  in  der  Gegenwart  Edom  die  Vergeltung  erfährt, 
vgl.  die  Vorbem.  zu  v.  1-14  15^   Zu  b\0^  und  dem  ganzen  v.  15^'^  vgl.  Jo  4  4  7. 

IL  Der  spätere  Anhang:  Der  Trost,  den  die  Zukunft  den  Judäern  bringen 

wird  V.  15^  16-21. 

Dass  hier  nicht  mehr  der  Autor  von  v.  1-14  15^^  das  Wort  hat,  ergiebt  sich  deutlich 
aus  formellen  und  sachlichen  Unterschieden.  In  v.  1-14  15^  ist  Edom  in  der  2.  pers.  sing, 
angeredet  und  niemals  zu  den  Judäern  gesprochen;  dagegen  sind  sofort  in  v.  16  die  Ju- 
däer  die  Angeredeten  und  zwar  in  der  2.  pers.  plur.,  und  von  Edom  wird  nur  in  der 
3.  pers.  gehandelt.  Dieser  Wechsel  ist  mit  keinem  Worte  angedeutet  oder  eingeführt ;  ein 
solch  unvermittelter  Übergang  wäre  bei  einem  und  demselben  Autor  nicht  möglich.  In 
v.  1-14  15^  vollzieht  sich  das  Gericht  an  Edom  in  der  Gegenwart  des  Autors,  dagegen  in 
V.  16-21  wird  es  für  die  Zukunft  ge weissagt.  Im  ersten  Teil  ist  Edom,  abgesehen  von  Juda, 
allein  der  leidende  Teil  und  die  Völker  vollstrecken  an  ihm  die  Strafe,  im  Anhang  werden 
alle  Völker  gerichtet  und  in  diesem  Völkergericht  bildet  die  Exekution  an  Edom  einen 
Ausschnitt.  Man  sieht,  die  ältere  Prophetie  über  Edom,  die  an  schwere  Tage  Zions  er- 
innert, ist  durch  einen  Anhang  erträglich  gemacht,  der  für  die  Israeliten  Trost  abzuleiten 
weiss  aus  den  allgemeinen  nachexiiischen  eschatologischen  Erwartungen,  insbesondere  aus 
denen  von  dem  vor  Jerusalem  zerschellenden  Völkersturm,  den  zuerst  Hes  38 f.  geweissagt 
hat,  und  von  der  Wiederherstellung  der  alten  Grenzen  Israels.  Zu  der  Vorstellung,  dass 
die  Israeliten  selber  bei  dem  Gericht  über  die  Völker  Hand  anlegen  und  nicht  nur  ruhig 
zusehen,  wie  Gott  das  Gericht  vollzieht,  vgl.  Jes  11  14  41  11-16  Mch  4  11-13  Sach  12  3-7 
bes.  V.  6,  alles  Abschnitte,  die  einer  späten  Zeit  angehören.  Der  Abschnitt  v.  16-21  ist  ein 
schönes  Beispiel  dafür,  wie  man  düsteren  Prophetieen  lichte  Heils  Verkündigungen  beigab, 
damit  ja  kein  Zweifel  über  Gottes  letzte  Absichten  in  Israel  aufkomme,  vgl.  auch  den  An- 
hang Am  9  8-15. 

15^  Denn  nahe  ist  der  Tag  Jahwes  über  alle  Völker  passt  nicht  vor  y.  15^ 
und  gehört  inhaltlich  zu  v.  16,  s.  oben  hinter  v.  14.  Aber  seine  unrichtige  Stel- 
lung zwischen  y.  14  und  v.  ib"^  und  seine  Tautologie  mit  v.  leff.  scheinen  anzu- 
deuten, dass  er  mehr  eine  Parallele  zu  y.  I6-21  als  ein  ursprünglich  integrierender 
Bestandteil  dieses  Anhangs  ist.  Vgl.  auch  das  parallele  ''?  zu  Anfang  von  y.  15* 
und  Y.  16  und  beachte,  dass  der  Übergang  von  y.  15^  zu  Y.  le  sich  leichter  ohne 
Dazwischentreten  von  y.  15^  ergiebt,  s.  zu  Y.  I6.  Ferner  s.  Einl.  S.  228. 

16f.  Kurze  Charakterisierung  der  neuen  Situation,  die  die 
Zukunft  herbeiführt:  die  Völker  gehen  unter,  aber  Zion  ist  gerettet. 
16  Denn  wie  ihr  getrunken  habt  auf  meinem  heiligen  Berge ^  So  werden  alle 
Heiden  Wein  trinken^  Sie  werden  trinken  und  taumeln  und  sein,  als  ob  sie  nie 
gewesen.  Die  Angeredeten  sind  nicht  die  Edomiter  (s.  auch  Vorbem.),  denn 
nicht  von  einem  Gelage  der  Sieger  auf  dem  heiligen  Berge  ist  die  Rede;  die 
ihr  im  Gegensatz  zu  dem  du  von  y.  1-14  15^  sind  die  Judäer  resp.  die  Juden, 
denen  man  die  ältere  Prophetie  vorgelesen  hat  und  die  nun  direkt  apostrophiert 


Obv.  16  238  Obv.  18 

werden.  Der  verbindende  Gedanke  ist  nicht:  denn  der  Tag  Jahwes  ist  nahe, 
sondern:  ja,  das  Thun  fällt  auf  das  Haupt  des  Thäters  zurück;  es  existiert  eine 
gerechte  Vergeltung.  Das  Trinken  des  Taumelweines  ist  das  Bild  für  das 
Grericht,  für  das  Erfahren  des  göttlichen  Zornes,  vgl.  bes.  Jer  25  15-29  49  12 
Thr  4  21  f.  Juda  hat  den  Becher  des  Zornes  getrunken,  die  Reihe  kommt  jetzt 
an  alle  Völker.  "^^9^,  =  in  einem  fort,  passt  nicht  in  den  Zusammenhang, 

man  kann  doch  nicht  mehr  trinken,  wenn  man  nicht  mehr  ist.  LXX  hat  dafür 
olvov;  fraglich  bleibt,  ob  sie  "IDH  (Dtn  32  14)  gelesen  oder  das  im  späteren 
Hebräisch  nachweisbare  löri  vorgefunden  hat,  das  von  Dalman  als  Tr esterwein, 
von  anderen  als  besonders  guter  und  scharfer  Wein  erklärt  wird,  vgl.  Nestle 
ZATW  1903,  345.  Für  ^yb,  das  man  entweder  nach  dem  Syrischen 

=  schlürfen  oder  nach  dem  Arabischen  vgl.  Hi  6  3  Prv  20  25  =  irre  reden  fasst, 
dürfte  mit  Wellh.,  Nowack,  Condamin  dem  Kontexte  viel  entsprechender  ^yi, 
==  wanken,  taumeln,  zu  lesen  sein,  vgl.  Jes  24  20  29  9  Ps  107  27.  Zu  dem 

elliptischen  Gebrauche  von  ?  in  \^7\  «1^3  für  1^«3  vgl.  in  Jes  65  1  b  für  n^«b 
und  s.  Ges.-Kautzsch27  §  155n ;  der  Sinn  dieser  Aussage  ist:  sie  werden  spurlos 
verschwinden.  Die  Eliminierung  des  „Trinkens"  aus  v.  16,  die  Wincklee 

durch  den  Ersatz  des  T\  in  OHT^ti^  etc.  durch  ^^  vollzieht,  führt  keinen  klaren 
Gedanken  herbei  und  macht  erst  die  von  ihm  angenommene  Zusammengehörig- 
keit von  V.  16-18  mit  y.  i-i5  nicht  wahrscheinlicher;  nach  ihm  hätte  der  Text 
gelautet:  „denn  so  wie  ihr  (aber  vorher  sind  die  Edomiter  im  Sing,  angeredet) 
zerstört  habt  (Dil^'i^^n)  meinen  heiligen  Berg,  so  sollen  zerstört  werden  i^'^^^') 
alle  Heiden  (mit  den  Edomitern  oder  ohne  sie?)  und  sollen  zerstört  dastehen 
(1«^1)  etc.''  17  Aber  auf  dem  Berge  Zion  wird  eine  Rettung  sein  (und  er 

wird  heilig  sein)  Und  die  vom  Hause  Jakobs  werden  ihre  Besitztümer  wieder 
einnehmen.  Der  erste  Teil  von  v.  17^  ist  identisch  mit  Jo  3  5  (s.  dort),  der 
zweite,  der  sich  grammatisch  hart  anschliesst,  scheint  aus  Jo  4  17  hier  nach- 
träglich eingefügt;  der  Gedanke  an  die  künftige  Unverletzlichkeit  Zions  liegt 
ja  nicht  fern,  aber  v.  i?^  zeigt,  dass  zunächst  an  anderes  gedacht  ist,  nämlich 
an  die  Wiedereinnahme  der  früheren  Besitztümer,  oder  wenn  man  mit  den 
alten  Versionen  Dn''^"ito  für  Di'T'ti^niD  liest,  an  die  Vertreibung  ihrer  Yertreiber, 
unter  denen  nach  v.  I8  in  erster  Linie  die  Edomiter  gemeint  sind.  Dj:)JJl"n"'5 
ist  hier  Juda,  vgl.  v.  is  und  Na  2  3. 

18—21  Die  Wiederherstellung  Israels  in  seinem  ganzen  Um- 
fang. 18  Und  das  Haus  Jakobs  wird  Feuer  sein  Und  das  Haus  Josephs 
Flamme,  Aber  das  Haus  Es  aus  Stroh,  Und  sie  werden  es  entzünden  und  ver- 
zehren Und  vom  Hause  Esaus  wird  keiner  entrinnen,  denn  Jahwe  hat  es  ge- 
sprochen. Das  Haus  Josephs  bezeichnet  die  Angehörigen  des  ehemaligen 
Nordreichs;  die  Rückkehr  derselben  erwartet  die  nachexilische  Gemeinde  auf 
Grund  von  Jer  31  18  Hes  37  15-22,  wie  sie  auch  die  Wiedervereinigung  Judas 
und  Israels  erhoffte  vgl.  Hos  2  2  Jes  11  13-I6  Sach  10  6.  Die  Bilder  von 
Feuer  und  Flamme  für  den  Krieg  sind  beliebt,  vgl.  Jes  10  17  42  25  47  14,  und 
dass  man  dann  die  Feinde,  die  ausgerottet  wurden,  mit  Stoppeln  und  Stroh 
verglich,  ist  verständlich,  vgl.  Jes  5  24  Sach  12  6.  Dass  es  Gottes  ßat- 
schluss  ist,  Edom  müsse  vertilgt  werden,  ist  den  Spätem  keine  Frage;  als  ein 


Oh  V.  18  239  Ob  T.  21 

Wort  Jahwes,  das  diese  (Jberzeugung  bestätigte,  konnte  auch  v.  i-u  15^  gelten, 
übrigens  s.  Hes  35.  19  Und  sie  (natürlich  sind  nach  v.  18  Subj.  die  Is- 

raeliten, die  vereinigten  Jakob  und  Jose))h)  weicüm  den  Negeb  und  die  Sehe- 
phela  einnehmen  Und  werden  das  (iefllde  Ephraims  und  Gilead  in  Besitz 
nehmen.  Alles  Übrige  scheint  sekundäre  Vermehrung  des  Textes  zu  sein. 
Negeb  und  Schephela  können  nicht  Subjekt  sein,  sie  sind  das  Gebiet,  das  erst 
wieder  von  Israel  besetzt  werden  soll.  Sind  sie  also  Objekt,  so  kennzeichnet 
die  Einführung  durch  "HS  die  unmittelbar  folgenden  Wörter  als  erklärende 
Glossen:  Der  J^egeb  ist  von  den  Edomitern  besetzt  und  gehört  zum  l^j;  "in, 
vgl.  Hebron  als  Mittelpunkt  der  Idumäer  im  2.  Jahrh.  I  Mak  4  29  6i  5  65,  s. 
schon  Hes  35  io-i5  36  5;  die  Schephela  war  im  Besitz  der  Philister,  vgl.  Sach 
9  6  und  die  Kämpfe  der  Makkabäer  mit  den  Philistern,  die  sich  in  die  Sche- 
phela, den  Westabhang  des  judäischen  Gebirges,  vorgedrängt  hatten.  Da  ]1ipli^ 
in  Ephraim  bereits  inbegriffen  ist  und  ebenso  |P^^?  neben  '2pV^_  H"'?  und  n**? 
^D1^  keine  Sonderexistenz  hat,  werden  die  Worte  ]p;i?^  Xr\m  mv^  n«1  mit  No- 
WACK  zu  entfernen  sein.    Wie  zu  dem  ersten  \'ä"\'^"\  der  Süden  und  Westen,  so 

IT  I  ' 

sind  zum  zweiten  Ephraim  und  Gilead,  der  Norden  und  Osten,  Objekt.  20 
ist  noch  unsicherer  als  v.  19.  Soviel  scheint  klar,  dass  „die  nordisraelitischen 
und  die  jerusalemischen  Exulanten  unterschieden  werden  und  je  ihr  besonderes 
Teil  an  den  neuen  Provinzen  des  messianischen  Reiches  zugewiesen  erhalten" 
(Wellh.).  Was  n^n"^nn  meint,  weiss  man  nicht:  dieses  Heer  und  diese  Festung 
(vgl.  hiezu  Einl.  III)  sind  gleich  unverständlich;  vielleicht  steckt  darin  eine 
verdorbene  Angabe  über  den  Ort,  wo  sich  der  Verf.  die  nordisraelitischen 
Exulanten  denkt,  vgl.  das  entsprechende  I^Dp?  "W^,  Für  1^Si°  wird  man  ^K^T, 
ev.  wenn  yr]  der  LXX  als  alter  Text  gilt,  l^"!«  ^ti^T  (so  auch  Ookt)  setzen  dürfen, 
sodass  der  Sinn  ist:  die  nordisraelitischen  Exulanten  werden  die  Kanaaniter 
bis  Sar^phat  (keilinschriftlich  Sariptu^  griech.  ^apsTiia  Lk  4  26,  heute  ^arafand 
Bädeker  Pal.ö  303,  25  km  nördlich  von  Tyrus  an  der  Strasse  nach  Sidon  ge- 
legen) vertreiben,  also  bis  weit  in  den  Norden  die  Gebiete  der  Phönizier  ein- 
nehmen. Dem  entspricht,  dass  die  jerusalemischen  Exulanten  im  Süden  die 
Städte  des  Negeb  besetzen.  .  In  "I")DD,  der  Bezeichnung  der  Gegend,  wo 

die  jerusalemischen  Exulanten  sind,  wird  man  jetzt  nach  den  Angaben  der 
Assyriologen  (s.  Wincklee  Altoriental.  Forschungen  II,  430  und  KAT^  301) 
den  seit  der  persischen  Zeit  belegbaren  Namen  für  Kleinasien  sehen  dürfen; 
an  eine  zwangsweise  ausgeführte  Exilierung  von  Jerusalemern  nach  Kleinasien 
ist  deshalb  nicht  zu  denken,  die  zahlreiche  jüdische  Diaspora  daselbst  kann 
die  Folge  freiwilliger  Auswanderung  sein.  21  kann  nicht  unversehrter 

Text  sein:  man  steigt  nicht  auf  den  Berg  Zion,  wenn  man  Es  au  richten  will; 
liest  man  aber  mit  LXX,  Hitzig,  Gbätz  IHö,  so  stimmt  das  wieder  nicht,  da 
man  vom  Berg  Zion  nur  hinab,  nicht  hinauf  geht.  Man  wird  kaum  anders 
auskommen,  als  dass  man  entweder  ]1^^  inn  oder  Ito^j;  in"ri«  tDöti^'?  als  Glosse 
betrachtet.  Das  erste  könnte  beigefügt  sein,  um  den  Ort  zu  bestimmen,  wo 
die  Geretteten  sein  sollen;  dabei  müsste  man  voraussetzen,  dass  mit  den  alten 
Versionen  D''j;iJ^^D  oder  D'^yc^li  für  D'^j;''^lD  zu  lesen  sei.  Immerhin  passte  auch 
dann  die  Aussage  nicht  gut;  denn  man  müsste  doch  erwarten,  dass  gesagt 


Ob  V.  21  240  Ob  T.  21 

werde:  Die  auf  Zion  Geretteten  werden  hinab  (nicht:  hinauf)  steigen,  um 
das  Gebirge  Esaus  zu  richten.  Darum  ist  es  vorzuziehen,  die  Bemerkung: 
„um  Esau  zu  richten"  zu  beanstanden;  man  sieht  ja  doch  nicht  ein,  wie  Esau 
noch  gerichtet  werden  soll,  wenn  es  spurlos  verschwunden  v.  16  und  wie  Stroh 
verbrannt  ist  v.  18,  und  der  Ausdruck  l^j;  in  ist  auch  v.  19  Glosse  und  findet 
sich  nur  noch  in  den  ebenfalls  sekundären  Versen  8  f.  Also  lautete  wohl  ur- 
sprünglich der  Text:  Und  es  %iehen  Helfer  hinauf  auf  den  Berg  Zion  Und 
Jahwe  gehört  die  Herrschaft.  Bei  den  D''j;*'^1D  ist  an  die  Bezeichnung  J^'^^ID 
Jdc  3  9  für  die  Retter  der  Richterzeit  zu  erinnern  und  bei  n'jj;  wird  man  daran 
denken  dürfen,  dass  die  Retter  aus  der  Landschaft  nach  Zion  hinaufziehen 
(etwa  wie  die  Makkabäer  aus  Modein)  oder  dass  sie  aus  der  Diaspora  heim- 
kehren, vgl.  für  diesen  Gebrauch  von  7hy^  Hos  2  2.  Zu  Jahwes  Herrschaft  auf 
Zion  vgl.  Jes  24  23  Jo  4  21. 


Jon  Einleitung  I  241  Jon  Einleitung  I 


JONA. 

Einleitung. 


I.  Inhalt  und  Zusammensetzung  des  Buches. 

Das  Buch  Jona,  das  fünfte  unter  den  Büchern  der  Zwölf  Propheten  des 
hebräischen  AT's,  das  sechste  in  ihrer  Reihe  bei  LXX,  enthält  nicht  Weissagung, 
sondern  Erzählung.  Es  trägt  den  Namen  Jona  nicht  nach  seinem  Autor,  sondern 
nach  seinem  Helden.  Dieser  ist  Jona  hen  Amittaj,  der  uns  als  Prophet  aus  dem 
Königsbuche  II  14  25  bekannt  ist;  an  der  Identität  der  beiden  Jona  ist  nicht  zu 
zweifeln,  da  die  Bedenken  gegen  die  Integrität  von  Jon  1  1  und  II  Eeg  14  25  unbe- 
gründet sind,  s.  Erklärung  zu  Jon  1  1.  Nach  den  Angaben  des  Königsbuches  stammte 
Jona  ben  Amittaj  aus  Gath  ha-Chepher  und  weissagte  Jerobeam  II.  die  Wieder- 
herstellung der  alten  Grenzen  Israels  von  der  Strasse  nach  Hamat  bis  an  das  Meer 
der  Araba.  Aus  dem  Buche  Jona  vernehmen  wir,  dass  derselbe  von  Jahwe  den  Auf- 
trag erhielt,  nach  Ninive  zu  gehen  und  ihr  den  Untergang  zu  verkünden,  dass  er  aber 
zuerst  sich  der  Mission  durch  die  Flucht  entzog  und  erst,  nachdem  er  von  Jahwe 
zurückgebracht  war,  den  Befehl  ausführte,  endlich  dass  er  von  dem  ünmute,  der  ihn 
über  das  Nichteintreffen  seiner  Weissagung  erfüllte,  von  Jahwe  geheilt  wurde.  Dies 
ist  kurz  der  Inhalt  des  Buches;  wie  derselbe  zu  beurteilen  ist,  darüber  s.  unten 
Einleit.  II.  Im  AT  hören  wir  sonst  nichts  von  Jona ;  die  nachbiblischen  Le- 

genden (vgl.  Vitae  Prophetarum  bei  NesTLE  Materialien  24  f.  55  f.)  haben  selbstver- 
ständlich keinen  historischen  Wert  für  Jona  ben  Amittaj.  Unter  den  Stätten,  die  nach 
Jona  genannt  sind,  wie  sepulcrum  Jone  prophete  in  trihu  Qahulon  (s.  die  erste  der  von 
Röhricht  veröffentlichten  Karten  und  Pläne  ZDPV  1891),  makäm  en-nehi  junis  und 
zijärit  esch'Schech  jünis  im  Begierungsbezirk  von  el-Lädkije  (ZDPV  1891,  175  179), 
neU  Jünus  bei  Ilalhül  nördlich  von  Hebron  (Bädeker  Pal.^  133),  hat  wenigstens  der 
nehi  Jünus  genannte  Hügel  auf  dem  Buinenfelde  von  Ninive  den  Vorzug,  dass  er  an 
einem  Orte  liegt,  zu  dem  nach  der  biblischen  Erzählung  Jona  Beziehungen  hatte. 

Das  Buch  ist  nicht  ganz  einheitlich  und  auch  nicht  in  vollständig  guter  Ord- 
nung auf  uns  gekommen.  Einen  grösseren  fremden  Bestandteil  bildet  das  Gebet 
Jonas  im  Bauche  des  Fisches  2  2-10,  ein  Dankpsalm  für  wunderbare  Rettung   aus 

Kurzer  HC  zum  AT  XIJl  16 


Jon  Einleitung  I  242  Jon  Einleitung  I 

grosser  Gefahr,  der  in  die  Situation  nicht  passt,  aber  ähnlichen  Einfügungen,  z.  B. 
dem  Hannaliede  I  Sam  2  1-10,  vergleichbar  ist.  Da  die  Gefahr,  welche  der  Dichter 
dieses  Dankpsalms  durchgemacht  hat,  eine  ganz  andere  ist,  als  die,  in  welcher  Jona 
schwebte,  so  ist  auch  nicht  daran  zu  denken,  dass  in  ihm  der  Kern  der  Jonaerzählung 
zu  sehen  sei,  um  den  sich  später  die  übrigen  Teile  als  Kahmen  gelegt  haben.  Der 
Psalm  ist  vielmehr  die  Einfügung  eines  Späteren,  der  mit  ungenauer  Deutung  des- 
selben eine  Beziehung  auf  Jona  herausbringen  und  es  für  angemessen  erachten  mochte, 
dass  Jona  den  Dank  für  seine  Bettung  auszusprechen  nicht  unterlasse.  Der  Inter- 
polator  hat  den  Psalm  nicht  etwa  selber  gedichtet  —  die  Harmonie  mit  der  Erzäh- 
lung würde  dann  grösser  sein  — ,  sondern  ihn  vorgefunden.  Trotz  den  vielen  An- 
klängen an  Lieder  des  Psalters  und  Beminiscenzen  aus  andern  biblischen  Büchern  und 
trotz  dem  oft  lockeren  Zusammenhang  (s.  Exegese)  ist  der  Psalm  doch  nicht  einfach 
eine  Kompilation,  er  kann  sehr  gut  als  „Psalm  unter  den  Psalmen"  gelten.  Vgl. 
ferner  Vorbem.  zu  2  2-10  und  über  die  Entstehungszeit  s.  unten  Einl.  III. 

Kleine  fremde  Elemente  sind:  1)  1  8^P:  ^:h  nS^T  nj;iiT^»b  Iti^^^n,  Glosse 
zu  1  7^P;  2)  1 10^'T:  ÜTf7  TllH  *'?;  3)  4  4,  Variante  zu  4  9%  entstanden  durch  Versehen 
eines  Abschreibers ;  und  4)  4  6^  die  vorlauten  Worte  :  IHJ^ID  1  /  /'^l^n^ ;  s.  die  Erklärung 
zu  allen  diesen  Stellen. 

Die  Ordnung  des  Buches  hat  insofern  gelitten,  als  4  5  sich  an  unrichtiger 
Stelle  befindet;  denn  Jona  konnte  den  Ausgang  der  Dinge  nicht  in  Ninive  selber  ab- 
warten, das  ja  zerstört  werden  sollte,  sondern  er  musste  sich  vor  Ablauf  der  Frist 
von  vierzig  Tagen,  nachdem  er  seinen  Auftrag  vollendet  hatte,  wegbegeben,  somit 
gehört  4  5  hinter  3  4.  Ob  etwa  zwischen  3  4  und  4  5  ein  Vers  verloren  gegangen  ist, 
der  gelautet  hat:  D'^J?|1«  ^Ij;  1J?N^1  nij;  «IjpM.  "in«  D1^  ^^HD  Tj;n  «in^  niV  ^D1*l 
DDÖH?  •^Ü^*'^!  ÖV ,  muss  fraglich  bleiben.  Dagegen  sind  die  anderen  von  WlNCKLEE  vor- 
geschlagenen Umstellungen  nicht  zu  empfehlen:  1  10  hat  an  seinem  Platze  eine  viel 
bessere  Stelle,  als  wenn  er  hinter  1  7  verpflanzt  wird,  und  ebenso  ist  1  13  da,  wo  er 
steht,  am  rechten  Orte,  nicht  zwischen  y.  4  und  y.  5;  vgl.  die  Exegese.  Auch 

im  Kleinen  ist  nicht  überall  strikte  Ordnunec  zu  bemerken.  Der  Wechsel  von  Hin^ 
und  D^^78  und  daneben  sogar  einmal  der  Gebrauch  beider  Namen  nebeneinander 
(4  6)  kann  nicht  unbeachtet  bleiben.  Man  kommt  zur  Erklärung  dieser  auffallenden 
Thatsache  nicht  aus  mit  der  Annahme,  dass  überall,  wo  es  sich  um  Heiden  handle, 
D\'17S  verwendet  sei;  denn  das  ist  gerade  nicht  der  Fall:  3  5  steht  allerdings  D%n7t5, 
aber  in  der  analogen  Stelle  1  16  findet  sich  niH^,  und  ebenso  sieht  man  den  Grund 
nicht  ein,  warum  in  fast  gleichlautenden  Versen  njH^  und  DN^/S  wechseln,  vgl.  21 
(4  6)  mit  4  7  8  und  4  4  mit  4  9.  Mit  BÖHME  in  dem  AVechsel  der  Namen  eine  Be- 
stätigung der  Hypothese  von  der  Zusammensetzung  des  Buches  aus  verschiedenen 
Quellen  zu  sehen,  geht  nicht  an,  wenn  die  Gründe,  auf  welche  die  Annahme  der  Zu- 
sammensetzung fusst,  dahinfallen  (s.  sofort  weiter  unten).  Am  einfachsten  wird  man 
sich  den  eigentümlichen  Befund  so  erklären,  dass  ein  Späterer  an  dem  Gebrauche 
von  nin^  im  Buche  Jona  Anstoss  nahm  und  wenigstens  an  den  für  sein  Gefühl  ver- 
fänglichsten  Stellen  den  Namen  njil^  durch  DN^^g  ersetzte,  wobei  er  in  4  6  vergass, 
daneben  mn^  zu  entfernen. 

Zusammensetzung  des  Buches  aus  verschiedenen  Quellen  hat  neuerdings 
Böhme  zu  erweisen  gesucht.    Schon  vor  ihm  hatte  J.  C.  C.  NaCHTIGAL  das  Buch  in 


Jon  Einleitung  I  243  Jon  Einleitunjif  I 

drei  Quellen  zerlegt:  1)  das  Gebet  Jonas  ])en  Amittaj.s,  „nachdem  ihn  Gott  aus  der 
Hand  des  Königs  von  Assyrien  befreit  hatte"  2  3-10;  2)  der  Apolog  Cap.  3f.,  der  als 
historische  Poesie  zu  charakterisieren  sei  und  von  einem  in  den  l)abyloni8chen  Ländern 
lebenden  israelitischen  Exulanten  herstammen  soll;  und  3)  die  poetisch-prosaische 
Einleitung  11-16  2  12  11  3  l  von  einem  Zeitgenossen  Esras  und  Nehemias.  Dieser 
mehr  auf  spekulativen  Gründen  ruhenden  Zurechtlegung,  die  von  der  Authenticität 
des  Dankpsalms  2  3-10  ausgeht,  gegenüber  ist  BÖHME  auf  induktivem  Wege  vom  Be- 
funde des  Textes  aus  zu  seiner  Ansicht  gelangt.  Neben  kleineren  Unebenheiten,  die 
er  zu  entdecken  weiss,  oder  unbedeutenden  Unterschieden,  denen  er  grosses  Gewicht 
beilegt  (z,  B.  dass  1  6  der  /^hH  1*1  genannt  ist,  nachher  aber  nur  D^^Jfc<n  erscheinen, 
dass  neben  iT^^  einmal  auch  HJ^DD  gebraucht  wird  1  5),  sind  es  hauptsächlich 
die  beiden  sachlichen  Widersprüche  zwischen  4  5  und  4  1  einerseits  und  zwischen 
4  5  und  4  6  andererseits,  die  ihn  zu  der  Annahme  verschiedener  Quellen  bewegen, 
eine  Annahme,  die  er,  wie  bereits  gesagt,  im  Wechsel  der  Gottesnamen  be- 
stätigt findet.  So  gelangt  er  zu  folgender  Vorstellung  von  der  Zusammensetzung 
des  Buches : 

1)  Den  Kern  des  Buches  bildet  die  (jahwistische)  Quelle  A:  1  1  2  3*  4^*  4^  5^ 
7  8*  9  10^«  11-13  15  2  1  11  3  1-3^  4^  5  4  1  5^  (inhaltlich)  6  (excl.  ß^T)  7  8^^  9  10^  (grössten- 
teils) 11^. 

2)  Stücke  einer  mit  dem  zweiten  Teil  von  A  parallelen,  mehrfach  diflferierenden 
Erzählung  B  (elohistisch)  sind:  3  6-10  (excl.  einige  Zusätze)  4  5^  11^,  vielleicht  noch 
einige  andere  Bestandteile  aus  Cap.  4. 

Diese  beiden  Quellen  hat  ein  (vermutlich  elohistischer)  Redaktor  E,  zu  einem 
Ganzen  verbunden,  in  dasselbe  sind  von  einem  (jahwistischen)  Ergänzer  C  eingefügt 
1  5^  6  10^^  14  16  4  2  f.  und  das  nicht  von  ihm  herrührende  Lied  2  2-10.  Endlich  sind 
noch  kleinere  Einsätze  von  verschiedenen  Glossatoren  hinzugekommen,  am  spätesten 
erst  nach  der  LXX  die  Glosse  in  1  8^. 

Gegen  diese  Vorstellung  von  einer  so  komplizierten  Zusammensetzung  des 
Buches  ist  geltend  zu  machen,  dass  sich  die  wirklichen  Anstösse,  die  das  Buch  bietet, 
viel  einfacher  lösen  lassen,  und  dass  den  übrigen  Erscheinungen,  die  BÖHME  hervor- 
hebt, nicht  die  grosse  Bedeutung  zukommt,  die  er  ihnen  beimisst.  Die  sachlichen 
Widersprüche  fallen  dahin,  wenn  4  5  hinter  3  4  gesetzt  und  das  auch  von  LXX  nicht 
durchaus  bezeugte  75??  ^^  4  5^  als  Zusatz  ausser  Spiel  gelassen  wird;  denn  dann  war 
Jona  nicht  bis  nach  Ablauf  der  Frist  in  Ninive  geblieben  und  spendet  der  göttliche 
Wunderbaum  und  nicht  die  menschliche  Nothütte  Jona  den  kühlenden  Schatten, 
s.  zu  4  5 f.  Was  den  Gebrauch  der  verschiedenen  Gottesnamen  betrifft,  so  ist  oben 
schon  davon  gesprochen ;  beigefügt  sei  hier  noch,  dass  sie  in  so  später  Zeit  kaum  zum 
Kriterium  für  die  Unterscheidung  verschiedener  Quellen  geeignet  sind,  übrigens 
gelten  sie  auch  BÖHME  nicht  überall  für  entscheidend,  denn  er  rechnet  zu  seinem 
jahwistischen  Kerne  Stücke,  die  jetzt  im  Texte  D\'1^S  aufweisen,  z*.  B.  4  7  9.  Die 
kleinen  sprachlichen  Unterschiede  endlich,  die  sich  leicht  aus  der  Freiheit  des  Autors 
erklären,  genügen  aber  schwerlich,  um  eine  so  komplizierte  Zusammensetzung  wahr- 
scheinlich zu  machen,  bes.  bei  einem  Buche,  dessen  eigenartige  Anschauung  eher  auf 
eine  bestimmt  ausgeprägte,  originale  einzelne  Persönlichkeit,  als  auf  eine  E-eihe  von 

Gesinnungsgenossen  schliessen  lässt.    Es  wird  darum  dabei  bleiben,  dass  das  Buch 

16* 


Jon  Einleitung  I  244  Jon  Einleitung  II 

Jona  abgesehen  von  2  2-10  und  den  oben  aufgeführten  Glossen  als  eine  einheitliche 
Schrift  anzusehen  ist. 

II.   Charakter  und  Materie  der  Erzählung. 

Dass  das  Buch  Jona  nicht  reine  Geschichte  bietet,  ist  heute  ziemlich  allgemein 
anerkannt.  Und  wirklich,  wollte  der  Verf.  der  geschichtlichen  Kenntnis  der  Ver- 
gangenheit dienen,  so  müsste  er  doch  einerseits  mehr  erzählen,  als  er  erzählte,  und 
über  manche  Dinge  genauere  Nachricht  erteilen  :  er  dürfte  uns  nicht  so  im  Un- 
gewissen lassen  über  die  Herkunft  und  Zeit  des  Helden  und  seine  weiteren  Schicksale 
nach  der  Vollendung  seiner  Mission  in  Ninive,  er  müsste  uns  doch  auch  wissen  lassen, 
wer  der  König  von  Ninive  war,  der  eine  so  folgenreiche  Bekehrung  seiner  Unter- 
thanen  befahl,  und  uns  sagen,  was  nachher  mit  diesen  bekehrten  Niniviten  geschah. 
Andererseits  trägt  das,  was  er  erzählt,  unverkennbar  einen  ungeschichtlichen, 
märchenhaften  Charakter.  „Alles  ist  hier  wunderbar.  Den  ungehorsamen  Propheten 
verfolgt  ein  Sturm ;  das  Los  trifft  sogleich  den  Richtigen  und  der  Sturm  verstummt. 
Den  Propheten  zu  erhalten,  ist  sofort  ein  grosser  Fisch  zugegen;  Jona  bleibt  in 
seinem  Bauche  lebendig,  und  der  Fisch  speit  ihn  wieder  aus.  Ein  Wunderbaum  er- 
sprosst  an  einem  Tage;  ein  Wurm  und  ein  Wind  sind  wieder  unmittelbar  zur  Stelle, 
um  durch  ihre  Verrichtungen  eine  Belehrung  für  Jona  zu  demonstrieren"  (BaudiSSIN 
Einleitung  594). 

Der  Verf.  des  Jonabuches  hatte  vielmehr  einen  didaktischen  Zweck;  seine  Er- 
zählung ist  „eine  märchenhaft  gehaltene  Novelle  mit  lehrhafter  Tendenz"  (BaudissIN 
a.  a.  0.  593).  Welches  die  Lehre  ist,  die  der  Verf.  mit  seiner  Erzählung  recht  ein- 
dringlich machen  will,  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Er  hat  sie  selber  an  hervor- 
ragender Stelle  am  Ende  seiner  Schrift  4  10  11  hervorgehoben  und  auch  schon  vorher 
4  2  deutlich  ausgesprochen.  Sie  lautet:  Die  Barmherzigkeit  Gottes  erstreckt  sich 
auch  auf  die  Heiden ;  dass  Gott  gnädig  und  barmherzig  ist,  langsam  zum  Zorn  und 
reich  an  Huld,  und  sich  das  Unheil  gereuen  lässt,  gilt  für  alle  Menschen,  auch  für  die 
Heiden,  die  dem  allmächtigen  und  universalen  Gott  nicht  gleichgiltig  sind.  Dem 
Hochmut  der  Juden,  das  einzig  auserwählte  Volk  zu  sein,  und  ihrer  kalten  und  eng- 
herzigen IJberhebung  über  die  anderen  Völker  tritt  somit  das  Buch  entgegen.  Diesem 
einen  Zwecke  ist  alles  untergeordnet.  Der  erste  Teil,  Cap.  1  2,  zeigt  zur  Vorbereitung 
des  Hauptgedankens  dem  vor  Jahwe  fliehenden  Propheten  gegenüber^  dem  es  wider- 
steht, sich  um  die  fernen  Heiden  in  Ninive  zu  bemühen,  neben  der  über  Palästina 
hinausreichenden  Macht  Gottes  die  Peligiosität  der  Heiden  (vgl.  die  Erzählung  vom 
barmherzigen  Samariter  Lk  10  25-37) ,  die  dann  vollends  durch  die  Bettung  zur  An- 
erkennung Jahwes  gelangen.  Im  zweiten  Teil,  Cap.  3  4,  kommt  der  eigentliche  Haupt- 
gedanke aufs  deutlichste  zum  Ausdruck,  dass  die  Heiden  Gott  nicht  gleichgiltig  sind 
und  dass  sie  ihm  auch  nicht  gleichgiltig  sein  können.  In  feiner  Weise  wird  Jona  von 
dem  Unrecht  seiner  gegenteiligen  Meinung  überzeugt.  Die  Sendung  Jonas  nach 
Ninive  ist  völlig  gerechtfertigt:  die  Niniviten  sind  für  Gott  weit  mehr  als  der  Wunder- 
baum für  den  Propheten,  die  Barmherzigkeit  gegen  sie  ist  darum  auch  unendlich 
vielmal  berechtigter  als  der  Schmerz  Jonas  über  das  Verdorren  des  Ricinus.  Dass 
mit  diesem  Hauptgedanken  manche  andere  wichtige  Gedanken  zusammenhangen,  die 
bloss  zum  Teil  angedeutet  sind,   versteht  sich  von  selbst.     Interessant  ist  in  dieser 


Jon  Einleitung  II  246  Jon  Einleitung  f. 

Hinsicht  jed(3nfalls  das,  dass  der  Verf.  an  der  göttlichen  Herkunft  der  Propheten- 
worte nicht  zweifelt,  auch  wenn  sie  sich  nicht  erfüllt  haben.  Dann  aber  kann  man 
sagen,  dass  die  »Schrift  eine  energische  liekiimpfung  des  jüdischen  Tartikularismus 
und  ein  schönes  Zeugnis  des  konsequenten  Universalismus  ist.  Man  darf  sogar  das 
Buch  „eine  Tendenzschrift  für  das  Kecht  der  Heidenmission'*  nennen  (BOUSHET  Relig. 
des  .Tudentunis  83),  auch  wenn  es  dem  Verf.  weniger  auf  praktische  Ausübung  einer 
eigentlichen  Missionsthätigkeit  unter  den  Heiden,  als  auf  die  Beurteilung  des  Heiden- 
tums in  den  jüdischen  Kreisen  ankam. 

Gegen  diese  Auffassung,  die  in  dem  Buche  eine  wichtige  didaktische  Tendenz 
findet  und  die  ganze  Erzählung  als  eine  geschlossene,  von  dem  am  Ende  nachdrücklich 
betonten  Gedanken  beherrschte  Einheit  zu  erklären  vermag,  können  die  allegorischen 
Deutungen  nicht   aufkommen,    die   gezwungen   sind,    den   Schwerpunkt   auf  unter- 
geordnete Teile  zu  verlegen.     So  wird  die  Deutung,   welche  nach  Mt  12  40  in  Jona 
einen  Typus  Christi  sehen  will,  doch  keineswegs  dem  ganzen  Buche  gerecht,  und  die 
spätere  Anwendung  eines   einzelnen  Teiles  des  Jonabuches  im  NT  giebt  noch  kein 
E,echt,  dem  Verf.  des  Buches  die  gleiche  Fassung  zuzuschreiben.    Aber  ebenso  ist  die 
von  Kleinert  und  besonders  von  Cheyne  verteidigte  allegorische  Deutung  zu  ver- 
werfen.  Auch  sie  löst  die  geschlossene  Einheit  auf  und  verleiht  obendrein  dem  Fisch 
eine  übergrosse  Bedeutung,    Jona  soll  nämlich  der  Typus  für  Israel  sein,  der  grosse 
Fiöch  das  babylonische  Beich,  das  Israel  verschlang,  um  es  zu  erhalten  und  ihm  Zeit 
zur  Beue  zu  geben ;  Ninive  ist  dann  der  Repräsentant  der  Heidenwelt,  für  die  Israel 
zum  Propheten  berufen  ist.     Cheyne  hat  sich  besondere  Mühe  gegeben,    diese  Auf- 
fassung zu  begründen.    Er  sieht  in  dem  Fisch  den  Meerdrachen,  der  das  Symbol  des 
babylonischen  Beiches  sei,  und  findet  eine  wichtige  Stelle  für  die  Symbolik,  dass  der 
Drache  Babel  Israel  verschlungen  und  wieder  herausgegeben  hat,  in  Jer  51  34  44  (s. 
dort).     Ferner  erblickt  er  in  dem  Namen  des  Helden  eine  Bezeichnung  Israels,   das 
symbolisch  eine  Taube,  nM\  genannt  worden  sei,  unter  Berufung  auf  Ps  68  14  (doch 
s.  zu  der  Stelle)  55  7-9  56  1  (wo  LXX  für  DJI*^  Xao;  bietet),  den  Midrasch  zu  Cnt  2  14 
4  1  etc.     Jona  aber  sei  ein  Prophet  geheissen,   weil  nach  Dtjes  Israel  einen  prophe- 
tischen Beruf  an  den  Völkern  habe,   und  verschlungen  werde  Israel  vom  Meer  nach 
einem  gewöhnlichen  poetischen  Ausdruck  für  die  Gefahr  der  Zerstörung  (vgl.  Jes  43  2 
Ps  18  16  u.  0.).     Bei  dieser  Deutung  des  Buches  kommt  der  Schluss  4  10  11,   sowie 
auch  4  2  nicht  zu  seinem  Becht,  die  beiden  Teile  sind  nur  durch  die  Supposition  ver- 
bunden, dass  der  Verf.  schon  dem  vorexilischen  Israel  die  Aufgabe  einer  Mission  an 
den  Völkern  zuschreibe,   weiter  ist  von  einer  Bekehrung  Israels  im  ursprünglichen 
Texte  keine  Bede  und  das  Ganze  sinkt  zu  einer  Geschichtsallegorie  ohne  deutliche 
oder  doch  nur  notdürftig  angehängte  praktische  Spitze  zusammen.     Überhaupt  wird 
man  auch  die  eigentliche  Fassung  einer  gekünstelten  allegorischen  Deutung  vorziehen, 
besonders  hier,    wo  jene  eine  in    allen  Teilen  ansprechende   und   einheitliche  Er- 
klärung bietet. 

Der  Charakter  des  Buches  Jona  ist  also  der  eines  historischen  Midraschs,  einer 
erbaulichen  didaktisch-religiösen  Erzählung,  wie  Buth,  Tobit  und  ähnliche  Schriften. 
BüDDE  hat  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  das  Buch  Jona  ein  Stück  aus  dem  in 
der  Chronik  II  24  27  zitierten  Midrasch  des  Buches  der  Könige  sei,  das  allerdings, 
um  selbständig  auftreten  zu  können,  einige  Zubereitung  erfahren  habe,  und  zwar  habe 


Jon  Einleitung  II  246  Jon  Einleitung  II 

dasselbe  ursprünglich  seinen  Platz  hinter  II  Heg  14  27  gehabt,  wo  von  dem  Propheten 
Jona  ben  Amittaj  die  Hede  sei.  Die  Berufung  auf  den  Anfang  des  Buches  mit  \T1 
wiegt  aber  nicht  schwer  (s.  zu  1  l)  und  direkt  gegen  die  Vermutung  spricht  doch  die 
eigenartige  Tendenz  des  Buches,  die  wenig  mit  dem  Charakter  gemein  hat,  welchen 
die  den  Midrasch  benützende  Chronik  an  sich  trägt. 

Ist  das  Buch  Jona  keine  Geschichte,  sondern  Dichtung,  so  ist  es  doch  nicht 
reine  Dichtung.  Historischer  Stoff  liegt  ihr  zwar  kaum  zu  Grunde,  denn  als  solchen 
kann  man  den  der  Tradition  entnommenen  Namen  Jona  ben  Amittaj  nicht  taxieren, 
sowenig  wie  den  Umstand,  dass  der  Zeit  Jonas  gemäss  die  Grossstadt  Ninive  heisst. 
Aber  allerdings  hat  der  Verf.  viele  Elemente  der  Tradition  in  seiner  didaktischen 
Dichtung  verwendet,  Elemente,  die  für  ihn  der  Hauptsache  nach  oder  wohl  voll- 
ständig nur  der  mündlichen  Tradition  angehörten.  Er  hat  sie  frei  gestaltet  und 
seinem  Zwecke  untergeordnet,  sodass  sie  die  Einheit  des  ganzen  Buches  nicht  be- 
einträchtigen. Wir  können  diese  Elemente  nur  in  allerlei  Parallelen  bei  den  ver- 
schiedensten Völkern  nachweisen;  aber  gerade  die  weite  Verbreitung  derselben  be- 
weist, dass  ähnliche  Erzählungen  auch  dem  Verf.  des  Jonabuches  bekannt  waren. 
Früher  hat  man  auf  Parallelen  aus  der  griechischen  Mythologie  hingewiesen,  so 
einmal  auf  die  Erzählung  von  der  Bettung  der  trojanischen  Königstochter  Hesione 
durch  Herakles,  der  dem  Meerungeheuer  in  den  Bachen  gesprungen  sei,  in  dem 
Bauche  desselben  drei  Tage  herumgekämpft  habe  und  am  dritten  Tage  wieder 
hervorgekommen  sei,  nur  mit  Verlust  seines  Haares,  dann  auf  die  andere  Erzählung 
von  der  Befreiung  der  an  die  Felsen  bei  Joppe  angeschmiedeten  Andromeda  durch 
Perseus,  der  das  aufsteigende  Seeungeheuer  getötet  haben  soll.  Es  sind  das  offenbar 
zwei  verschiedene  Formen,  die  eine  alte  Volkserzählung  in  verschiedenen  Gegenden 
angenommen  hat.  Nachdem  man  später  erkannt  hat,  wieviel  Israel  dem  babylonischen 
Orient  verdankt,  hat  man  auch  an  babylonische  Parallelen  erinnert,  vor  allem  den 
Fisch,  wie  Cheyne  (s.  oben),  mit  dem  Drachen  in  Parallele  gesetzt  (vgl.  GuNKEL 
Schöpf,  und  Chaos  322)  und  in  den  drei  Tagen  und  drei  Nächten  einen  Zusammen- 
hang mit  einem  Mythus  gesehen,  der  an  das  dreitägige  Verschwinden  des  Frühjahrs- 
mondes anknüpft,  KAT3  366  388 f.  508.  Sind  diese  babylonischen  Notizen  nur  für 
einzelne  Punkte  belangreich,  so  bringt  uns  eine  noch  östlichere  (buddhistische)  Er- 
zählung eine  auffallende  Parallele  zu  Jon  1:  Mittavindaka ,  ein  Kaufmannssohn  aus 
Benares,  hatte  sich  dem  Verbote  seiner  Mutter  zum  Trotz  auf  das  gefahrvolle  Meer 
begeben;  mitten  auf  hoher  See  wurde  nun  das  Schiff  durch  eine  unbekannte  Gewalt 
am  Weiterfahren  gehindert.  Um  den  Urheber  des  Unglückes  zu  entdecken,  werden 
von  den  Seefahrern  Lose  in  Gestalt  von  Brettchen  oder  Blättchen  geworfen.  Dreimal 
kommt  das  Unglückslos  in  die  Hand  Mittavindakas.  Darauf  setzen  die  Schiffer  ihn 
aus,  aber  auf  einem  Flosse,  indes  das  Schiff  unbehindert  seine  Fahrt  fortsetzt,  vgl. 
E.  Hakdy  in  ZDMG  1896,  153.  Auch  ein  altes  ägyptisches  Märchen,  das  nach 
WiEDEMANN  (Die  Unterhaltungslitteratur  der  alten  Ägypter  18)  aus  der  Mitte  des 
dritten  Jahrtausends  v.  Chr.  stammt,  kann  herbeigezogen  werden,  bes.  wenn  HOMMEL 
(Die  Insel  der  Seligen  1901,  18 f.)  genau  den  Inhalt  wiedergiebt.  Es  wird  nämlich 
darin  erzählt,  dass  ein  ägyptischer  Beamter,  der  sich  zu  Schiff  nach  den  Bergwerken 
des  Pharaos  begeben  wollte,  Schiffbruch  erlitt  und  einzig  gerettet  wurde,  da  er  ein 
Stück  Holz   erfassen  konnte  und  von  einer  Woge  auf  eine  Insel  geworfen  wurde. 


Jon  Einleitung  II  247  Jon  Einleitung  ITI 

nachdem  er  „drei  Tage  (im  Meere)  allein  verbracht  hatte".  Dort  kam  dann  nach 
einiger  Zeit  eine  grosse  Schlange,  die  ihn  „ins  Maul  nahm"  und  auf  ihr  Lager 
schleppte,  ohne  ihm  etwas  zu  leide  zu  thun,  und  die  ihm  ankündigte,  dass  er  nach 
vier  Monaten  durch  ein  ScIiifF  in  die  Heimat  gel)racht  werde.  Endlicli  sei  noch  er- 
wähnt, dass  auch  L.  FkobeniüS  (Die  Weltanschauung  der  Naturvölker  S.  187  19a  f.) 
verschiedene  „Jonasmythen"  verzeichnet  (nach  Archiv  für  Religionswissenschaft 
1900,  378). 

Diese  Parallelen,  namentlich  die  indische  und  die  altiigyptische,  zeigen  doch 
deutlich,  dass  der  Verf.  seine  Geschichte  nicht  ganz  erdichtet  hat,  aber  auf  der  an- 
deren Seite  tritt  auch  das  Geschick  in  helles  Licht,  mit  dem  er  den  alten  Erzählungs- 
stofif  seiner  Tendenz  dienstbar  zu  machen  verstanden  hat. 

III.   Entstehungszeit  und  Bedeutung  des  Buches. 

Das  älteste  Zeugnis  einer  Bekanntschaft  mit  der  Erzählung  von  Jona  ist 
Tob  14  4  8,  wenn  der  gewöhnliche  Text  richtig  und  nicht  Naoujx  für  'Iwva;  zu  lesen 
ist.  Doch  führt  uns  JSir  49  10  mit  seiner  Erwähnung  der  „zwölf  Propheten"  noch  in 
frühere  Zeit,  sodass  wir  sagen  können,  dass  um  200  v.  Chr.  das  Jonabuch  vorhanden 
war.  Wie  weit  wir  über  dieses  Datum  zurückgehen  dürfen,  ist  schwerer  zu  be- 
stimmen. Sicher  ist  die  Grossstadt  Ninive  für  den  Verf.  eine  gewesene  Grösse  (3  3), 
sodass  an  die  Zeit  vor  606  resp.  vor  dem  Exil  nicht  zu  denken  ist.  Dann  scheint  der 
Verf.  Joel  gekannt  zu  haben,  vgl.  3  9  =  Jo  2  14,  4  2  =  Jo  2  13,  wie  er  denn  auch  sonst 
an  andere  Litteratur  erinnert,  so  4  3  und  4  6  (mit  der  Ricinusstaude)  an  I  Reg  19  4 
und  19  5  (Elia  unter  dem  Eotemstrauche) ,  4  2  an  Ex  34  6,  ja  selbst  an  die  Genesis, 
wenn  die  Verbindung  D\n7S  n]ol  4  6  aus  Gen  2  4 ff.  stammt.  Schon  durch  die  Be- 
kanntschaft mit  Joel  werden  wir  für  Jona  ins  vierte  Jahrh.  gewiesen,  und  es  bleibt 
uns  somit  ein  Spielraum  von  ca.  350 — 200  für  die  Entstehungszeit  des  Jonabuches. 
Wir  dürfen  dabei  sehr  wohl  ca.  300  oder  geradezu  das  3.  Jahrh.  ansetzen,  da  für  eine 
späte  Zeit  auch  die  Sprache  spricht,  die  an  Kohelet  und  manchmal  an  das  Aramäische 
erinnert,  vgl.  ^p^^2l  1  7,  "»^^n  1  12,  ']'^f  4  10,  b  2m  1  4,  Dj;i?  3  7,  Hiö  2  1  4  6  8,  m^Öp 

1 5,  n^ynn  1 6.  ' 

Der  in  den  Text  eingefügte  Psalm  2  2-10  ist  noch  jüngeren  Datums ;  er  kann 
sehr  w^ohl  auch  erst  dem  Buche  Jona  einverleibt  sein ,  als  die  Zwölf  Propheten  schon 
zusammengestellt  waren,  also  erst  im  2.  Jahrh.  (s.  auch  Vorbem.  zu  2  2-10). 

Die  richtige  Beurteilung  des  Jonabuches  als  didaktische  Dichtung  macht  den 
Spott  über  seine  Wunder  verstummen,  mit  dem  seit  alter  Zeit  nicht  gekargt  wurde, 
hat  doch  der  alte  Spötter  LuCIAN  VON  Samosata  schon  im  zweiten  christlichen  Jahr- 
hundert erzählt,  dass  er  selbst  samt  einem  ganzen  bemannten  Schiffe  von  einem  grossen 
Fische  verschluckt  worden  und  wieder  herausgekommen  sei  (s.  Baudissin).  Die 
richtige  Ansetzung  der  Entstehungszeit  hebt  die  Bedeutung  des  Buches.  Es  ist  ent- 
standen zu  einer  Zeit,  da  das  Gesetz  in  der  jüdischen  Gemeinde  herrschte  und  diese 
sich  ausschied  von  den  Heiden.  Mitten  in  dieser  engherzigen  Zeit  erhebt  es  laut  die 
Stimme  für  die  Allmacht  der  Barmherzigkeit  und  für  die  Gleichberechtigung  der 
Heiden.  Es  hat  also  doch  das  Gesetz  das  Herz  nicht  in  jeder  Brust  erkalten  lassen 
und  der  stolze  Partikularismus  nicht  im  ganzen  jüdischen  Geschlecht  die  prophe- 
tischen Gedanken  und  die  humanen  Gefühle  erstickt.    Der  Verf.  von  Jona  muss  neben 


Jon  Einleitung  III  248  Jon  1 2 

den  Verfassern  von  Hiob  und  Ruth  als  selbständige  Persönlichkeit  gerühmt  und  an- 
erkannt werden.  Sein  Buch  ist  ein  wertvolles  Denkmal  für  die  Geschichte  der  Zeit 
seiner  Entstehung  und  es  hat  es  verdient  durch  seine  ganze  Haltung,  insbesondere  durch 
seine  zwei  letzten  Verse,  dass  es  unter  die  Propheten  aufgenommen  ist,  mit  denen  in 
der  That  sein  Verf.  geistesverwandt  ist  (s.  ferner  Einl.  II  S.  244 — 245).  Es  wird  auch 
nicht  Zufall  sein,  dass  Jesus  Lk  11  29-32  (Mt  12  40  ist  spätere  Eintragung)  an  das 
Buch  Jona  erinnert. 

IV.  Litteratur, 

J.  C.  C.  NacHTIGAL  Über  das  Buch  des  AT  mit  der  Aufschrift:  Jonas  in 
EichhOEN's  Allg.  Bibl.  der  bibl.  Lit.  9,  221  fF.;  Paul  Kleinekt  Obadja,  Jona,  Micha, 
Nahum,  Habakuk,  Zephanja  1868,  2  1893;  T.  K.  Cheyne  Jonah,  A  Study  in  Jewish 
Folklore  and  Eeligion  in  Theol.  Review  1877,  211—219;  W.  BÖHME  Die  Composition 
des  Buches  Jona  in  ZATW  1887,  224—284;  -Kael  Budde  Vermutungen  zum  „Midrasch 
des  Buches  der  Könige«  in  ZATW  1892,  37—51  bes.  40-43;  T.  T.  PeeOWNE  Obadjah 
and  Jonah  1898;  HuGO  WiNCKLEE  Altorientalische  Forschungen  II  1898—1900,  260— 
265:  „Zum  Buche  Jona";  EduaED  Sievees  Studien  zur  hebräischen  Metrik  II  1901, 
482—485:  Text  von  Jona  Cap.  1  und  2;  T.  K.  Cheyne  Encycl.  Biblica  1901,  2565— 
2571:  Art.  Jonah  und  Critica  Biblica  II  1903,  150—152. 


Erklärung. 

L  Jonas  Ungehorsam  gegen  den  göttlichen  Befehl,  seine  Flucht 

und  Zurückbringung 

Cap.  I  und  2. 

Cap.  1.         1—3  Jona,  von  Gott  beauftragt,  Ninive  im  Osten  zu  predigen, 
begiebt  sich  auf  ein  Schiff,  das  nach  Tartessus  im  Westen  fährt.  1  Aus 

dem  Anfang  mit  ^^'11,  also  mit  Waw  consecutivum,  darf  man  nicht  auf  den  Ver- 
lust von  Stücken  schliessen,  die  einst  Cap.  1  vorangegangen  seien;  auch  nicht 
einmal  das  ist  sicher  daraus  zu  entnehmen,  dass  die  Erzählung  einst  in  einen 
grösseren  litterarischen  Zusammenhang  gehörte,  vgl.  Hes  1  i  und  die  vielen 
Bücheranfänge  mit  Imperf.  consecutivum,  z.  B.  Rt,  Est,  Neh.  Budde  könnte 
trotzdem  Recht  haben  mit  seiner  Ansicht,  dass  Jona  ein  Stück  aus  dem  Mi- 
drasch des  Buches  der  Könige  sei,  doch  s.  darüber  Einleit.  IL  ''i?)?^5"l|  hält 
Sievers  für  genealogische  Glosse  aus  II  Reg  14  25,  während  Winckler  um- 
gekehrt diese  beiden  Worte  im  Königsbuch  als  Zusatz  eines  Glossators  aus 
dem  Jonabuche  ansieht.  Wie  metrische  Gründe  im  prosaischen  Jonabuche 
entscheiden  sollen,  ist  kaum  zu  verstehen  (gegen  Sievers),  und  dass  Vater- 
und  Heimatsname  einander  nicht  ausschliessen,  beweist  I  Reg  19  16  (gegen 
Winckler).    Über  Jona  ben  Amittaj  s.  die  Einleitung  L  2  Die  Gross- 

stadt Ninive  ist  für  den  Erzähler  eine  gewesene  Grösse,  vgl.  3  3;  zu  n^Hiin  TJ?n 


Jon  1  2  249  Jon  1  5 

Vgl.  Gen  10  12  und  über  Nitiive^  von  8anherib  zur  eigentlichen  Hauptstadt  des 
assyrischen  Reiches  erhoben  und  606  durch  die  Meder  zerstört,  s.  zu  Gen  10  12 
und  GuTHE  KliW  473 f.  Tvh))  hat  nicht  den  Sinn  wider  sie,  sondern 

ist==iT^S  3  2;  die  beiden  Träpositionon  sind  im  späteren  Hebr.  beinahe  zu- 
saramengefiossen  oder  werden  doch  von  den  Abschreibern  als  gleichbedeutend 
gebraucht.  Zu  v.  2^  vgl  Gen  18  21  [  Sarn  6  12;  die  Bosheit  der  Leute 

von  Ninive  ist  himmelschreiend,  bis  zu  Jahwe,  der  im  Himmel  seine  Wohnung 
hat,  ist  die  Klage  über  dieselbe  gedrungen.  3  "d^^^P^  ist  wahrscheinlich 

eine  alte  phönizische  Kolonie,  das  spätere  griechische  Tartessus  im  südwest- 
hchen  Spanien,  s.  zu  Gen  10  4  und  Güthe  KBW  C67f.  Die  Vorstellung, 

dass  man  Hin;;  '^^?^P  vor  Jahwe  sich  in  Sicherheit  bringen,  sich  von  seinem 
Angesicht  weg  begeben  könne,  stammt  aus  der  alten  Zeit,  wo  man  sich  von  Jahwe 
fern  glaubte,  wenn  man  sich  ausserhalb  des  Bereichs  der  heiligen  Stätte  oder 
der  Grenzen  Palästinas,  des  Landes  Jahwes,  befand,  vgl.  Gen  4  u  I  Sam  26  19 
II  Reg  5  17  17  20  23.  Der  Ausdruck  ist  zu  einer  Zeit  geblieben,  w^o  man,  wie 
der  Verfasser  des  Jonabuches,  überzeugt  war,  dass  Gottes  Macht  über  die 
Grenzen  Israels  weit  hinausreiche;  man  hat  ja  auch  in  spätester  Zeit  beim 
Gebet  im  Ausland  sich  nach  Jerusalem  gerichtet,  vgL  zu  Dan  611.  Jona 

flieht,  wie  sich  aus  4  2  ergiebt,  nicht  etwa,  weil  er  die  weite  Reise  scheut  oder 
vof  den  Gefahren,  die  die  Erfüllung  des  Auftrags  mit  sich  bringen  könnte, 
zurückschreckt,  sondern  weil  ihm  an  den  Niniviten  nichts  liegt  und  er  oben- 
drein fürchtet,  Gott  könnte  in  seiner  Gnade  Ninive  verzeihen  und  die  An- 
kündigung des  Gerichts  sich  als  unwahr  erweisen.  1ö^,  schon  im  15.  Jahrh. 
V.  Chr.  erwähnt:  in  ägypt.  Inschrift  Yepu,  in  den  Tell-el-Amarna-Briefen  Japu, 
hat  weder  Namen  noch  Lage  jemals  gewechselt,  es  ist  das  bekannte  griech. 
'loTT^TY],  die  heutige  Hafenstadt  Jäfä,  vgl.  Bädeker  Palast.^  S.  9—12,  Guthe 
KBW  287  f.  n«|,  das  Partie,  bedeutet:  das  im  Begriff  war  zurück-, 

heimzufahren,  vgh  Ges.-Kaützsch^^  §  116  d;  das  Verbum  SIS  hat  auch  nach- 
her in  Sin'j  nicht  einfach  den  Sinn  von  ?I^n,  sondern  von  hineingehen.  Das 
Femininsuffix  in  TTd^  bezieht  sich  auf  iTi«  =  das  Geld  für  die  Fahrt  auf  dem 

TT.  T  •  t: 

Schiff;  das  Pluralsuffix  in  DHDj;  „geht  auf  die  dem  Sinne  nach  unter  H^^^S  mit- 
befassten  Schiffer  zurück"  (Ges.-Kautzsch^^  §  135p). 

4—6  Ein  gewaltiger  Sturm  bricht  los,  die  Schiffer  suchen  Rettung  durch 
Gebet  und  durch  Erleichterung  des  Schiffes;  auch  Jona  wird  vom  Kapitän 
aufgefordert  seinen  Gott  um  Hilfe  anzurufen.  4  ^  ^^'n,  etwas  zu  thun  ge- 

denken^ kommt  von  leblosen  Dingen  ausgesagt  nur  hier  vor  =  das  Schiff  drohte, 
war  nahe  daran,  war  in  Gefahr  [zu  scheitern)  \  die  Übersetzung  des  Targum 
«•jnns'p  ^^V2  t^öb«!  zeigt  eine  ähnliche  Anwendung  des  aram.  «j;^,  suchen,  vgl. 
unser:  das  Schiff  wollte  scheitern  und  s.  zu  Dan  2  13.  5  In  der  v.  4  ge- 

schilderten Situation  (vgl.  die  Perfecta),  da  der  Sturm  in  einem  fort  wütete 
und  das  Schiff  jeden  Augenblick  scheitern  konnte,  beteten  die  heidnischen 
Matrosen,  jeder  zu  seinem  Gott\  es  wird  wenig  jüdische  Matrosen  gegeben 
haben,  erst  die  Makkabäer  haben  Jaffa  erobert,  und  das  Schiff  war  ja  nS!J 
C^^^in  (s.  V.  3),  also  das  Schiff  einer  phönizischen  Kolonie  mit  Matrosen  ver- 
schiedener Herkunft.  Das  andere  Mittel,  durch  das  Auswerfen  der  Ge- 


Jon  1  5  250  Jon  1  9 

rate  des  Schiffes  sich  Erleichterung  von  der  sie  drückenden  (vgl.  h]l  in  DiTbxjD) 
Not  und  Angst  zu  schaffen,  wurde  auch  bei  der  Fahrt  des  Paulus  nach  Rom 
versucht  Act  27  isf.  Jona  schlief  fest  (vgl.  zu  üT]'l  vom  tiefen  Schlafe 

vgl.  Gen  2  21  Jdc  4  21,  zu  der  Pausalform  D^yj  mit  Pathach  Ges.-Kautzsch2  7 
§  51  m),  und  zwar  in  den  untersten  liäumen  des  Schiffes^  sodass  auch  der 
Sturm  ihn  nicht  weckte.  Er  war  dort  hinabgestiegen,  noch  bevor  der  Sturm 
losbrach,  beachte  den  Nominalsatz  mit  dem  Perfect  11^;  er  hatte  also  keine 
Ahnung  von  der  Gefahr,  in  der  er  schwebte,  in  dem  sichern  Gefühl,  Jahwes 
Hand  entronnen  zu  sein,  hatte  er  sich  schlafen  gelegt,  —  ein  ganz  anderes 
Gefühl,  als  es  Jesus  im  Sturm  auf  dem  See  Genezareth  besass  (Mk  4  35-41): 
Jona  ruhig,  weil  er  meinte,  fern  von  Gottes  Hand  zu  sein,  Jesus  getrost,  weil 
er  sich  in  Gottes  Hand  geborgen  wusste.  Zu  'riS*!!  vgl.  Am  6  10  und  bes.  Hes 
32  23;  nj^iDp,  im  Aram.  und  Arab.  gebräuchlich,  kommt  im  AT  nur  hier  vor 
für  das  gewöhnliche  iT^W.  6  ^?n  ist  denomin.  von  byr\  Schiffstau,  wie  D^ji, 

Win%er,  von  uy^  Weinberg,  vgl.  auch  Hes  27  27;  ^Dhn  D*]  ist  der  Schiffskapitän, 
zu  dem  Sing.  ^Dh  vgl.  Dno  nn,  Obereunuch,  II  Reg  18  17.  Zu  UT\^  ^jV-HD 

vgl.  Ges.-Kaützsch27  §  120^  das  Partie.  UT\^  ist  Ergänzung  (nicht  Vocativ) 
zu  ^^"Hö:  was  kommt  dir  bel^  %u  schlafen?  Zu  T\^'^T\\  sich  besinnen^  sich 

ettvas  überlegen,  vgl.  aram.  JT'^l?  Dan  6  4;  Cheyne  schlägt  dafür  l^HH";  oder 
^W*|  vor.  ^ib  =  für  uns,  %u  unseren  Gunsten',  zum  ganzen  Ausdruck  vgl.  "h  ^^n^ 
Ps  40  18.  Dass  Jona  der  Aufforderung  Folge  leistet,  versteht  sich  von  selbst. 
7—10  Trotz  dem  Gebete  hält  der  Sturm  an;  die  Matrosen  suchen  daher 
den  Schuldigen  zu  ermitteln.  Jona  wird  vom  Los  getroffen  und  nach  seiner 
Herkunft  befragt.  7  Wo  menschliches  Wissen  nicht  zum  Ziele  kommt, 

giebt  nach  antiker  Anschauung  Gott  den  Befragern  durch  das  Los  die  Ent- 
scheidung vgl.  I  Sam  10  20-23.  ""P^^??  um  wessen  Sache  (seil.  Schuld) 
willen,  eigenti.:  um  dessen,  was  wen  betinfft,  willen  (•>)?  macht  die  ganze  Ver- 
bindung zur  Frage)  ist  eine  Ausdrucksweise  der  spätesten  Zeit,  die  an  ara- 
mäische Verbindungen  erinnert,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  150  k  und  Kautzsch 
Aramaismen  87.  8  Das  Sätzchen  ^"^^  nwn  n3;in-')?^  I^K?  ist  Glosse  zu 
dem  Sätzchen  gleicher  Bedeutung  in  v.  7,  um  das  dortige  "^p^I^!l  durch  ll^tj? 
•ip^  {*)^  =  ^1^155)  zu  erklären.  Es  fehlt  mit  Recht  nicht  nur  in  LXX,  sondern 
auch  in  verschiedenen  hebräischen  Codd.  9  '^^l^J^,  Hebräer,  ist  der  Name, 
womit  die  Israeliten  sich  den  Ausländern  gegenüber  bezeichnen  z.  B.  Gen  40  15 
Ex  2  7  3  18,  vgl.  auch  Phl  3  5.  Mit  «1''  ''iS  ♦  ♦  ♦  nin^-n«1 ,  und  Jahwe  .  .  . 
fürchtend  bin  Ich,  bekennt  sich  Jona  als  Verehrer  Jahwes,  er  bezeichnet  da- 
mit seine  Religion,  nicht  etwa  eine  besondere  Stellung  in  derselben  oder  seine 
besondere  Frömmigkeit.  Dass  Jona  Jahwe  den  Gott  des  Himmels  (s.  zu 
Dan  2  I8  und  J^Jeh  1  4)  und  den  Schöpfer  von  Meer  und  Festland  nennt,  ist 
besonders  interessant,  da  er  sich  ja  durch  seine  Flucht  dem  Arme  Jahwes  hat 
entziehen  wollen.  Für  den  Verf.  ist  eben  die  Transcendenz  und  Allmacht 
Jahwes  keine  Frage  und  auch  der  Held  der  Erzähhmg  muss  sie  bekennen. 
Auf  die  Frage  nach  seinem  Gewerbe  (v.  s)  antwortet  Jona  nicht;  dass  er  da- 
gegen seine  Religion,  nach  der  er  nicht  gefragt  ist,  bekennt,  deutet  den  Fragen- 
den an,  worin  seine  Schuld  liegt,  und  macht  ihnen  klar,  wer  den  Sturm  gesandt 


Jon  1  10  251  Jon  1  16 

hat.  Der  grosse  Sc'hrecken  der  Matrosen  10  ist  daher  wohl  motiviert;  eine 
Versetzung  von  v.  lo  liinter  v.  7  hat  keinen  genügenden  Grund  (gegen 
WiNCKLER).  n''b^J)  n«rnD  fragt  nicht  nach  dem  „wasV'S  sondern  dem 

„warum?"  und  ist  überhaupt  mehr  Ausruf  des  Entsetzens  und  der  Indignation, 
als  Frage,  vgL  Gen  3  13.  Was  er  gethan  hat,  erkannten  die  Männer  yd,  näm- 
lich, dass  er  auf  der  Flucht  vor  Jahwe  war.  Dieses  Erkennen  erwuchs  ihnen, 
aus  der  Entscheidung  des  Loses,  dem  Bekenntnis  Jonas  zu  .Jahwe  und  dem 
Wüten  des  Hturmes,  den  sie  nunmehr  nur  noch  auf  den  Zorn  Jahwes  zurück- 
führen konnten.  Urh  T-in  "'S  stösst  sich  in  der  That,  wie  Nowack  hervor- 

V     T  •     •  •  ' 

hebt,  mit  dem  vorausgehenden  Satze  "\y\  I^T/''?'  gehört  somit  nicht  zum  ur- 
sprünglichen Texte,  sondern  ist  Zuthat  eines  Glossators,  der  das  ^J^T  sich  ohne 
Aussprache  Jonas  nicht  zu  erklären  wusste. 

11—16  Der  immer  mächtiger  werdende  Sturm  wird  endlich  dadurch  ge- 
stillt, dass  man  Jona  über  Bord  wirft.  11  Zur  Anreihung  eines  Final- 
satzes mit  \  und  Imperf.  an  einen  Fragesatz  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  165a  und 
zu  dem  Gebrauch  von  "^T\  im  Sinne  von  fortdauern^  zunehmen,  vor  einem 
andern  mit  1  verbundenen  Verb  vgh  ebendaselbst  §  113u.  12  Jona  giebt 
den  Rat,  ihn  als  den  Schuldigen  über  Bord  zu  werfen;  zu  diesem  Seemanns- 
brauch vgl.  Einl.  II  S.  246.  Zu  "^^^l,  um  meiner  Sache  seil.  Schuld  willen,  vgl. 
''D^'ty:!  V.  7.  13  Die  Matrosen  versuchen  vergeblich  noch  einen  letzten  Aus- 
weg,  ob  sie  nicht  durch  rudern  ans  Land  gelangen  können;  vgl.  zu  inn,  hier 
absol.  =  rudern,  eigentl.  (die  wogenden  Fluten)  durchbrechen.  Am  9  2  Hes 
8  8.  WiNCKLEß  versetzt  auch  diesen  Vers,  er  soll  eine  viel  bessere  Stelle  hinter 
V.  4  finden;  aber  gerade  y.  i4  zeigt,  dass  diese  Matrosen  das  Uberbordwerfen 
eines  Passagiers  nicht  so  leicht  nahmen,  auch  konnten  sie  hoffen,  wenn  sie 
Jona  zurückzubringen,  also  seineAbsicht  zu  fliehen  zu  vereiteln  suchten,  würde 
Jahwes  Zorn  sich  vermindern.  14  Die  Männer  haben  eine  religiöse  Scheu, 
einen  Unschuldigen  zu  töten;  um  der  Seele  eines  solchen  willen  {■=  ti^ö^?)  ^-  ^* 
wenn  er  ein  solcher  wäre,  würden  sie  fürchten  umzukommen;  darum  beten  sie 
zu  Jahwe,  er  möge  ihnen  die  Tötung  Jonas  nicht  als  Vergiessung  unschuldigen 
Blutes  anrechnen.  Sie  legen  ihre  Hand  an  Jona  nur,  weil  sie  ihn  nach  dem, 
wie  es  Jahwe  %u  thun  gefallen  hat  (v.  u*^),  nämlich  nach  seiner  Erregung  des 
Sturmes  und  der  Verhinderung  der  Rückfahrt  ans  Land,  für  schuldig  erachten 
müssen.  Jahwe  selber  zwingt  sie  dazu,  vgl.  die  Hervorhebung  durch  7\T\'^, 
«•^pi  statt  ''pj  wie  Jo  4  19.  15  ^\  steht  nur  hier  im  AT  vom  Toben  des 
Meeres,  sonst  von  der  Erregtheit  der  Gemüter,  von  Zorn  und  übler  Laune. 
Zu  ^Dj;  mit  folgendem  |p  =  aufhören^  nachlassen,  vgl.  Gen  29  35  30  9.  16 
Das  plötzliche  Aulhören  des  Sturmes  macht  einen  gev/altigen  Eindruck  auf 
die  Matrosen;  sie  anerkennen  Jahwe  als  machtvollen  Gott  und  empfinden  vor 
ihm  grosse  Furcht.  Darum  bringen  sie  ihm  sofort  auf  dem  Schiffe  ein  Opfer 
dar  und  geloben,  ihm  auch  nach  glücklich  vollendeter  Fahrt  zu  opfern;  zu 
solchen  Gelübden  vgl.  Gen  28  20  Jdc  11  30  I  Sam  1  11  II  15  7  f.  Die  Ent- 
fernung von  njn^"n«  und  Ti^Tih  (Sievers)  nimmt  der  Aussage  gerade  das 
Charakteristische.  Das  Ganze  ist  eine  interessante,  anschauliche  und 
gewiss  lebenswahre  Schilderung  antiker  Keligiosität. 


Jon  2  1  252  Jon  2  l 

Cap.  2  Jona  wird  gerettet:  ein  grosser  Fisch  verschlingt  ihn  und  speit 
ihn  nach  drei  Tagen  ans  Land  v.  i  und  ii;  über  das  Gebet  Jonas  im  Bauche 
des  Fisches  s.  Vorbem.  zu  v.  2-10.  1  Den  von  Jahwe  beorderten  grossen 

Fisch  näher  zu  bestimmen,  ist  verlorene  Liebesmüh;  der  Verf.  hat  dies  auch 
nicht  für  nötig  erachtet,  trotzdem  er  nicht,  wie  die  Juden  später,  an  einen  am 
ersten  Schöpfungstage  von  Gott  geschaffenen  und  für  Jona  bereitgehaltenen 
Haifisch  gedacht  hat,  vgl.  J.  Bergel  Mythologie  der  alten  Hebräer  I  114f. 
Ohne  die  Annahme  eines  ausserordentlichen  Wunders  kommt  man,  wie 
NowACK  mit  Recht  hervorhebt,  nicht  aus,  selbst  wenn  man  in  dem  Fisch  einen 
grossen  Haifisch  (canis  oder  squalus  carcharias)  w^iederfinden  will;  denn  der 
Beweis,  dass  ein  Mensch  drei  Tage  und  drei  Nächte  im  Bauche  eines  Fisches 
am  Leben  bleiben  könne,  ist  nicht  erbracht  und  es  erleichtert  denselben  auch 
nicht,  wenn  man  mit  von  Orelli  die  drei  Tage  gegen  den  Wortlaut:  drei  Tage 
und  drei  Nächte  auf  einen  einzigen  vollen  Tag  und  geringe  Bruchteile  des 
vorangehenden  und  des  nachfolgenden  reduciert.  Der  ganze  Charakter  des 
Jona-Buches  schliesst  aber  schon  die  Nötigung  aus,  in  der  Erzählung  desselben 
wirkliche  Geschichte  zu  sehen;  vgl.  Einleitung  IL 

2 — 10  Das  Gebet  Jonas  ist  ein  Gebet  des  Dankes  für  erfahrene  Rettung.  Es  passt 
also  nicht  in  die  Situation,  in  der  sich  Jona  im  Bauche  des  Fisches  befindet;  denn  der 
Verf.  des  Buches  hat  jedenfalls  diese  Situation  nicht  für  die  eines  Geretteten  angesehen. 
Somit  ist  dieses  Dankgebet  hier  nicht  am  rechten  Platze,  es  müsste  doch  mindestens  erst 
nach  V.  11  folgen.  Aber  es  stammt  ferner  auch  nicht  vom  Verf.  der  Erzählung;  dieser 
hätte  doch  kaum  in  v.  5  Jona  es  bedauern  lassen,  dass  er  den  heiligen  Tempel 
nicht  mehr  sehen  werde;  ferner  kommt  für  diesen  die  Bewahrung  Jonas  nicht  als 
Rettung  aus  der  Not,  sondern  als  Zurückführung  zum  Gehorsam  in  Betracht,  und 
endlich  gilt  ihm  auch  nachher  Jona  nicht  als  der  Mann,  der  für  Gottes  Fügungen  Dank 
zu  sagen  weiss. 

Ein  Späterer  hat  das  Danklied  hier  eingeschoben.  Es  ist  ein  Psalm  und  der  Dichter 
dankt  darin  Gott  für  die  wunderbare  Rettung  aus  der  Gefahr  des  Ertrinkens,  die  er  durch- 
gemacht hat.  Höchst  wahrscheinlich  ist  dies  bildlich  zu  verstehen,  gerade  wie  Ps  69  if. 
15;  aber  immerhin  ist  die  Darstellung  so,  dass  sie  auch  eigentlich  gefasst  und  auf  die 
Rettung  z.  B.  eines  Schiffbrüchigen  oder  eines  ähnlichen  Unglücklichen  aus  den  Fluten 
des  Meeres  bezogen  werden  konnte.  Dieser  Inhalt  machte  nach  der  Meinung  des  Glossa- 
tors den  Psalm  für  den  Einschub  an  dieser  Stelle  geeignet.  Der  Glossator  dachte  eben 
nicht  an  den  Zusammenhang  der  ganzen  Erzählung,  ihm  erschien  der  grosse  Fisch  nur  als 
das  Mittel  der  Rettung  aus  der  Gefahr  des  Ertrinkens  und  die  Schilderung  des  Psalms 
schien  ihm  ganz  gut  auf  die  verzweifelte  Lage  zu  passen,  in  der  sich  Jona  im  Meere  be- 
fand, bevor  er  im  Bauche  des  Fisches  geborgen  war.  Der  so  wunderbar  Gerettete  hatte 
aber  auch  allen  Grund,  sofort  noch  im  Bauche  des  Fisches  Jahwe  zu  danken;  darum  hat 
der  Glossator  dem  Psalme  eben  diese  Stelle  angewiesen,  und  die  Einleitung  v.  2,  die  er  an 
seine  Spitze  setzt,  lässt  keinen  Zweifel  darüber,  dass  er  ihn  eben  hier  haben  will.  Solche 
Einfügungen  lieben  die  Späteren,  vgl.  das  Hannalied  I  Sam  2  1-10,  das  Lied  Hiskias  Jes 
38  9-20,  das  Gebet  fAsarjas  und  den  Hymnus  der  drei  Männer  im  feurigen  Ofen  zu 
Dan  3  23. 

Der  Psalm  selbst  ist  zumeist  aus  Reminiscenzen  zusammengesetzt,  darum  der  Zu- 
sammenhang bisweilen  sehr  locker;  die  Darstellung  verläuft  in  regelmässigen  Vierzeilern, 
deren  gerade  Stichen  drei,  deren  ungerade  aber  nur  zwei  Hebungen  enthalten.  Schon  die 
Reminiscenzen  aus  allen  möglichen  Psalmen  zeugen  für  einen  sehr  jungen  Ursprung  dieses 
Liedes. 

Der  sekundäre  Charakter  des   Psalmes   v.  3-10   ist  schon   lange  erkannt,   so  von 


Jon  2  2  253  Jon  2  9 

DB  "Wette-Schrader  (Einleitung  ^  4G4j,  Knobel  (Prophetißmus  11  377),  und  kann  heute 
als  von  den  meisten  Exegeten  des  AT'b  angenommen  gelten. 

2  stammt  von  der  Hand  des  Interpolators,  der  den  folgenden  Psalm  v.  3-10  ein- 
gesetzt hat;  der  Autor  der  Erzählung  von  .lona  würde  weder  das  Subjekt  njV  noch  die 
Ortsbestimmung  nj'nn  '»Vöö  aus  v.  1  wiederholt  haben.  Natürlich  gehört  zu  dieser  Ein- 
leitung auch  noch  *iü«*1  von  3.  Im  Übrigen  enthält  v.  3  das  erste  Tetrastich:  Ich  rief 
aus  der  Not,  die  mich  betroffen,  Zu  Jahwe  und  er  erhörte  mich;  Aus  dem  Schosse  Scheols 
schrie  ich  um  Hilfe,  Du  hörtest  mehie  Stimme.  Der  Vierzeiler  giebt  das  Thema  des 
Psalmes;  die  erfahrene  Rettung  ist  der  Grund  des  Danklieds.  Zu  v.  3^  vgl.  Ps  18  7  120  l, 
zu  V.  3^  vgl.  Ps  18  6  30  4.  Scheol  hat  natürlich  einen  ]t35,  wenn  sie  verschlingen  kann 

und  ein  Maul  hat  vgl.  Jcs  5  14.  4,  das  zweite  Tetrastich:  Du  warfst  mich  in  das 

Herz  des  Meeres  Und  Strömung  umgab  mich',  All  deine  Wogen  und  Wellen  Giengen  über 
mich,  beginnt  die  Schilderung  der  v.  3  genannten  Not.  Trotz  der  grammatischen  An- 
knüpfung mit  1  consec.  und  Imperf.  ist  v.  4  ein  Neuanfang,  der  das  Thema  v.  3  exponiert 
und  in  dieser  Hinsicht  allerdings  mit  v.  3  verbunden  ist.  Wellh.  vermutet,  dass  etwas 
vor  V.  4  ausgefallen  ist,  aber  kaum  mit  vollem  Rechte.  »"ibl^ö,   Tiefe^  ist,  wie  das 

Fehlen  der  Präpos.  2  anzeigt,  erklärende  Glosse  zu  '"^  y^h,  dem  Herzen  des  Meeres  (Hes 
27  4  25),  nach  Mch  7  9  Ps  68  23;  Sievers  beanstandet  umgekehrt  U^\b\  nn^3.  Zu  inj 

=  Meeresströmung,  vgl.  Ps  24  2.  Direktes  Citiit  aus  Ps  42  8  ist  v.  4^  5,  das 

dritte  Tetrastich,  zeigt  die  Verzweiflung  des  Betenden  in  der  überstandenen  Gefahr:  Schon 
dachte  ich:  ich  bin  Verstössen  Aus  der  Gegenwart  deiner  Augen;  Wie  könnte  ich  je  (=  Nie- 
mals werde  ich)  ivieder  erblicken  Deinen  heiligen  Tempel?  v.  5^  ist  fast  genau  aus  Ps  31  23 
entnommen.  Für  i]«,  das  mitten  in  die  Schilderung  der  Not  und  Verzweiflung  die 

sichere  Hoffnung  auf  Rettung  hereinbrächte  (=  doch  ich  werde  nochmals  erblicken  etc.)^  ist 
nach  Theodotion  mit  Hitzig-Steiner,  Wellh.  u.  a.  "^^^  = '^''JSt,  loie?,  zu  lesen,  das  den  da- 
mit eingeleiteten  Gedanken  als  unmöglich  verwirft,  vgl.  Gen  39  9  44  8  Jes  20  6  Ps  137  4. 
6  setzt  die  Schilderung  der  Not  fort,  aber  enthält  nur  drei  Zeilen  der  vierten  Strophe: 
Die  Wasser  umringten  mich  (es  gieng)  bis  ans  Leben,  Die  Flut  umfing  mich]  Meertang 
ivar  mir  ums  Haupt  gewunden.   Zu  v.  6^  vgl.  Ps  18  5  69  2.  «^^ID,  Ex  2  3  5  Jes  19  6 

Süssw  asser  Schilf,  bedeutet  hier  das  Meer  gras,  den  Seetang,  in  der  Tiefe  des  Meeres.  Die 
vierte  Zeile  bilden  die  beiden  ersten  AVörter  von  7,  wo  für  b,  das  infolge  der  Hinüber- 
ziehung zu  ^P^'X^\  entstanden  ist,  3  zu  lesen  sein  wird:  In  den  Gründen  der  Berge;  ^^Vl?» 
eigentl.  Abschnitt^  kann  zu  der  Bedeutung  von  Ende  kommen,  wie  ^J?,  das  sich  von  }*Vi^? 
abschneiden,  herleitet.  Hier  sind  dann  damit  die  untersten  Enden,  die  tiefsten  Gründe  der 
Berge  im  Meere  gemeint;  vielleicht  ist  aber  doch  dafür  einfach  mit  Böhme,  Nowack  ^l^p 
zu  lesen,  da  n>'j^,  wo  es  sonst  vorkommt.  Schnitt,  Gestalt,  bedeutet,  vgl.  I  Reg  6  25  7  37. 
7^^'',  die  fünfte  Strophe,  fasst  zuerst  noch  einmal  in  kurzem  Wort  die  Grösse  der  Gefahr 
zusammen,  stellt  ihr  aber  dann  ebenso  kurz  die  wunderbare  Rettung  durch  Jahwe  gegen- 
über: Ich  war  hinabgestiegen  in  die  tief  unterste  Erde  Zu  dem  Totenvolk  der  Urzeit,  Da 
holtest  du  mein  Leben  aus  der  Grube,  Jahwe  mein  Gott,  Für  X*^!i<T\  bis  Q^15?^,  das  man  ge- 
wöhnlich erklärt:  ,,die  Erde,  ihre  Riegel  waren  hinter  mir  abgeschlossen  auf  ewig",  wobei 
aber  die  merkwürdige  Stellung  von  n^n'^13  hinter  p.Jjn  auffällt,  auch  die  Vorstellung  von 
Riegeln  der  Erde  einzigartig  ist  und  das  Metrum  in  die  Brüche  geht,  lese  ich:  ni^rinri  \^^S^ 
D^iy  D^-^S;  die  Übersetzung  s.  oben,  zu  ni*nnri  f1«  vgl.  Hes  26  20  32  18  24  und  zu  UV^b^ 
D^IJ?  vgl.  ebenfalls  Hes  26  20 :  das  Volk  der  Urzeit  sind  die  seit  uralter  Zeit  Gestorbenen. 
Diese  Änderung  ward  besser  sein  als  die  blosse  Entfernung  von  n  und  die  Punktierung: 
n^ly^  '1?  =  ^i-5  in  alle  Ewigkeit.  Wie  v.  7^  auf  Hes  26  20,  so  fusst  v..  7^  auf  Ps  30  4. 
8,  die  sechste  Strophe,  greift  über  v.  7^  zurück,  ähnlich  wie  v.  4,  s.  dort.  Als  meine  Seele 
mir  verschmachtete,  Gedachte  ich  an  Jahwe;  Und  es  drang  zu  dir  mein  Gebet  In  deine 
heilige  Halle.    Zu  v.  8'^  vgl.  Ps  142  4  143  4  107  5  und  zu  v.  8^  Ps  5  8  18  7.  9  enthält 

zwei  Zeilen,  die  einen  Seitenblick  auf  die  Freunde  der  eiteln  Götzen  (vielleicht  die 
Griechenfreunde  des  2.  Jahrhunderts)  werfen ;  wahrscheinlich  ist  nach  der  Parallelstelle 
Ps  31  7  mit  De  Wette  Dntots^n  statt  des  sin<?ulären  Pi.  Dnisii^ö  zu  lesen,  also :  Die  Freunde 

•    1  -  O  ■    I     -       I  ' 

der  nichtigen  Götzen  (vgl.  Dtn  32  21)  Verlassen  ihre  Zuflucht  1.  Dnonö  für  Dion,  ihre  Huld, 


Jon  2  9  254  Jon  3  5 

das  keinen  guten  Sinn  giebt  und  mit  dem  selbst  unsichern  ^IDH  in  Ps  144  2  nicht  zu  stützen 
ist  (s.  zu  Ps  144  2).  Wahrscheinlich  sind  die  zwei   letzten  Zeilen  der  siebenten 

Strophe  verloren,  weil  sie  wie  die  folgende  Strophe  mit  "'i«!  begonnen  hat;  sie  mögen 
etwa  gelautet  haben:  Aber  ich  vertraue  auf  dich,  Jahioe  mein  Retter!  vgl.  Ps  31  7.  10, 

die  achte  abschliessende  Strophe:  Ich  will  auch  mit  lautem  Lobpreis  Opfer  dir  bringen, 
Was  ich  gelobte,  will  ich  bezahlen.  Die  Hilfe  ist  bei  Jahwe!  Vgl.  Ps  42  5  50  14  23;  zu 
den  Gelübden  s.  auch  116.  Zu  der  von  Dichtern  häufig  verwendeten  Feminin- 

endung nn-;-  in  nny^ti^^,  vgl.  Ges.-Kautzsch^'  §  90g. 

11  ist  die  Portsetzung  von   v.  i.     Bei  T\^'^IT\,  Festland,  hat  man  an 
Palästina  zu  denken. 

II.  Jonas  Sendung  nach  Ninive  und  sein  Unwille  über  die 

Verschonung  der  Stadt. 

Cap.  3  und  4. 

Cap.  3.  1—4   Den   erneuerten  Auftrag  Jahwes,  nach  Ninive  zu 

gehen  und  den  Untergang  der  Stadt  zu  predigen,  führt  Jona  aus.  2  nij'^ljp 
bedeutet  im  AT,  wo  es  nur  hier  vorkommt,  Predigt^  Verkündigung^  xYjpuYjia, 
später  ist  es  häufig  gebraucht  im  Sinne  von  Lesen,  Rezitieren,  3  Aus 

nn*;!!  ersieht  man,  dass  für  den  Przähler  Ninive  der  Vergangenheit  angehört. 
Darauf  weisen  auch  die  Grössenangaben:  sie  heisst  eine  Stadt  U^Tib^b  n^n| 
d.  i.  gross  für  Gott,  nach  seinem  Urteil  und  Massstab,  h  hat  den  Sinn  von  ''5?^ 
in  Gen  10  9,  vgl.  die  Übersetzung  von  Kautzsch:  unmenschlich  gross.  Perner 
hat  sie  die  Ausdehnung  einer  dreitägigen  Reise,  das  kann  aber  nach  v.  4,  wo 
von  einer  Tagereise  in  die  Stadt  hinein  die  Rede  ist,  nicht  auf  den  Umfang 
gehen,  sondern  muss  sich  auf  den  Durchmesser  resp.  die  Länge  der  Stadt  be- 
ziehen; denn  einem  Umfang  von  drei  Tagereisen  entspräche  ein  Durchmesser 
von  einer  Tagereise  und  Jona  hätte  somit  nach  v.  4  erst  gepredigt,  als  er  die 
Stadt  gänzlich  durchschritten  hatte.  "^  '^  "^ibni?  besagt  darum:  drei  Tagereisen 
lang,  Dass  Heeodot  5  53  für  den  Durchmesser  nur  eine  Tagereise  angiebt, 
ist  kein  Grund,  auch  in  Jona  das  gleiche  Mass  zu  finden.  Über  Ninive  s.  ferner 
zu  1  2.  4  sagt,  dass  Jona  die  erste  Tagereise  weit  in  die  Stadt  hineingieng 
und  dann  mit  seiner  Predigt  begann.  Man  darf  in«  D^  ^^20??  nicht  von  ^H'^l 
trennen,  sodass  der  Sinn  herauskommt,  Jona  habe  schon,  als  er  die  Stadt  zu 
betreten  begann,  noch  während  der  ersten  Tagereise  mit  seiner  Predigt  an- 
gefangen. Die  ni!|»^1p  (s.  y.  2)  lautet:  noch  vierzig  Tage  und  Ninive  ist 
zerstört',  bei  LXX  sind  durch  irgend  ein  Versehen  oder  aus  irgend  einer  Ab- 
sicht aus  den  vierzig  Tagen  drei  geworden.  Wie  übrigens  die  Niniviten  Jona 
haben  verstehen  können,  darf  man  so  wenig  fragen  als  das  andere,  wie  ein 
Mensch  drei  Tage  im  Bauche  eines  Pisches  am  Leben  bleiben  könne.  Mit 
WiNCKLER  ist  hier  4  5  folgen  zu  lassen:  Nachdem  Jona  sich  seines  Auftrags 
entledigt  hat,  verlässt  er  die  Stadt  und  nimmt  östlich  derselben  seinen  Auf- 
enthalt, um  die  weitere  Entwicklung  der  Dinge  abzuwarten.  S.  zu  4  5  und 
Binl.  I. 

5—10  Die  Niniviten  thun  Busse  und  Gott  lässt  sich  erweichen,  seinen 
Entschluss  nicht  auszuführen.  5  ^  l'^D^H  hat  keine  wesentlich  andere 


Jon  3  5  255  Jon  4  4 

Bedeutung  als  h  ]'^P^J^,  vgl.  Ex  19  9  einerseits  und  Jes  43  lo  andrerseits.  Zu 
Dl:Jund  pfe^  vgl.  Jo  1  i3f.  und  zu  D^^fpnj;]  üb^p  s.  GES.-KAüTZscn2  7  §  133  g. 
6  schildert  „in  der  naiven  Form  der  Legende"  (Nowack),  wie  die  Predigt  des 
fremden  Mannes  bis  zum  König  dringt  und  dieser  nun  auch  Busse  thut. 
Zum  Sitzen  in  Asche  als  Zeichen  der  Trauer  vgl.  Hi  2  8.  7  ff.  sind  vor 

„einem  gewissen  humorvollen  Hauch  durchweht"  (Duiim  zu  »Ter  14  1 2),  der 
König  und  seine  Grossen  erlassen  ja  ein  Edikt,  und  auch  die  Tiere,  Rind  und 
Schaf,  müssen  nun  mit  den  Menschen  fasten,  in  Säcken  Busse  thun  und  mit 
aller  Macht  zu  Gott  schreien;  dass  aber  ein  tiefer  Ernst  trotz  dem  humor- 
vollen Hauch  der  Schilderung  zu  Grunde  liegt,  zeigt  die  Parallele  Jdt  4  9-i5. 
Dj;^!?  bis  ^b^h  ist  die  Einleitung  des  Edikts;  Dj;^  kommt  nur  hier  im  hebr.  AT 
mit  dem  Sinne  von  Gutflnden^  Gutachten  vor,  das  entsprechende  aram.  Dj;tp 
findet  sich  dagegen  oft  in  Esr  und  Dan.  ^^T-"''^  ist  nicht  mit  Gbimme 

(„Unbewiesenes"  65f.)  als  Glosse  zu  ^Di^D";"^«  zu  verdächtigen;  dagegen  kann 
nipriBni  D'lijn  in  8  sekundäres  Subjektsexplicitum  (Wellh.,  Nowack, 
Geimme)  sein,  aber  kein  unrichtiges,  denn  die  Verteilung  der  Subjekte  auf  die 
Verba  in  y.  7'^  (Tiere  und  Menschen)  und  in  y.  8^  (die  Menschen  allein)  geht 
nicht  an  und  die  Berufung  auf  4  11,  wo  das  Vieh  neben  den  unzurechnungs- 
fähigen Kindern  erscheint,  ist  unberechtigt,  da  auch  diese  an  dem  vom  König 
befohlenen  Bussfasten  hatten  teilnehmen  müssen,  vgL  auch  y.  5'\  Zudem  ist 
auch  von  Persern  berichtet,  dass  sie  Pferde  und  Lasttiere  an  den  Bräuchen 
der  Trauer  um  Masistius  teilnehmen  Hessen  vgl.  Hekodot  9  24.  Die  Zeichen 
der  Busse  sollen  aber  auch  die  Zeugen  wirklicher  Besserung  sein  y.  s^\  vgl. 
1  2^  Zu  9  Ygl.  Jo  2  14.  Böhme  hat  in  y.  6-9  einen  Widerspruch  mit 

Y.  5  entdecken  wollen  und  die  Verse  einer  zweiten  Hand  zugewiesen;  aber  das 
Edikt  des  Königs  stellt  zu  der  Bussbereitwilligkeit  der  Leute  von  Ninive  nicht 
einen  Gegensatz,  sondern  eine  Klimax  dar  (vgl.  Einl.  I).  10  Durch  die 

Umkehr  der  Niniviten  lässt  Gott  sich  erweichen  und  der  y.  4  angedrohte  Unter- 
gang trifft  nicht  ein,  vgl.  zu  y.  10^  Am  7  3  und  bes.  Ex  32  14. 

Cap.  4:  Jonas  Unmut  und  Zurechtweisung.  1  Die  gleiche  Konstruk- 

tion von  J^^M  mit  dem  einen  Adverbialbegriff  umschreibenden  inneren  Objekt 
n^TO  nj;^  vgl.  Neh  2  10  und  s.  dazu  Ges.-Kautzsch27  §  117  q.  2  T\r^bn 

"^151  entspricht  unserem  „hab'  ich  mir  doch  gleich  gesagt  resp*  gedacht!" 
•'HD'lp  ist  nicht  als  Hauptbegriff  zu  verstehen  und  zu  fassen  =  ^ich  suchte 
durch  die  Flucht  zuvorzukommen",  sondern  dient  der  Umschreibung  des  Ad- 
verbialbegriffs „zuvor",  „früher",  also:  darum  floh  ich  das  vorige  mal  nach 
Tarschisch\  D'lj?  mit  folg.  Infin.  ist  hier  gebraucht,  wie  hV\T\  3  4,  vgl.  ferner  die 
Verba  n^itr,  ^]p;,  ^^•'pin,  n^inn  und  s.  Ges.-Kautzsch27  §  lUn  Anm.  Zu  y.  2^ 

s.  Jo  2  13.  3  Wie  Elia  I  Beg  19  4  zu  sterben  wünscht,  weil  sein  Wirken 

umsonst  ist  und  Isebel  triumphiert,  so  hier  Jona,  weil  Jahwe  seine  Gerichts- 
drohung  nicht  wahr  macht,  sondern  Verzeihung  übt.  Dass  Prophetenwort  sich 
nicht  erfüllt  und  dafür  Heiden  verschont  werden,  erregt  den  Unmut  Jonas ; 
da  braucht  ein  Prophet  nicht  länger  zu  leben.  Vgl.  aucli  Gen  27  46.  4  Dt?\'l 
ist  adverbieller  Infin.  absol.  und  hat  hier  den  Sinn  von  mit  Rechte  5ixaia); 
(SxMMACHus),  vgl.  hierzu  Ges.-Kautzsch27  §  113k.    Die  erwartete  Antwort 


Jon  4  5  256  Jon  4  8 

Jonas  bleibt  aus ;  das  fällt  um  so  mehr  auf,  als  auch  der  folgende  Vers  5  nicht 
am  richtigen  Platze  steht.  Nach  3  lo  hat  Jahwe  sich  durch  die  Busse  Ninives 
erweichen  lassen  und  seine  Drohung,  am  vierzigsten  Tage  die  Stadt  zu  zer- 
stören, nicht  ausgeführt,  nach  4  i  ist  Jona  darüber  missmutig  geworden.  Ohne 
Frage  hat  Jona  den  vierzigsten  Tag  nicht  in  der  Stadt  erwartet,  sondern  sie 
vorher  verlassen.  Also  gehört  v.  5  an  eine  frühere  Stelle  und  zwar,  wie 
WiNCKLER  gesehen  hat,  hinter  3  4:  Nach  der  Ankündigung,  dass  Ninive  in 
vierzig  Tagen  untergehen  werde,  hat  Jona  die  Stadt  verlassen  und  im  Osten 
derselben  seinen  Aufenthalt  genommen,  um  abzuwarten,  was  mit  der  Stadt  ge- 
schehen würde.  Das  "IJJ,  welches  das  letzte  Sätzchen  einleitet,  zeigt,  dass  der 
Termin  von  vierzig  Tagen  für  den  Standpunkt  von  y.  5  noch  nicht  abgelaufen 
ist.  Diese  Versetzung  von  v.  5  hinter  3  4  enthebt  uns  auch  der  Nötigung,  mit 
KiMCHi,  IbnEsra,  Hitzig  u.  a.  die  Verba  plusquamperfectisch  zu  fassen  oder  mit 
Böhme  v.  5  einer  andern  Hand  als  das  unmittelbar  Vorhergehende  zuzuweisen. 
^^5,  das  übrigens,  da  es  nicht  nVl^S  lautet,  schon  an  den  Schatten  von  v.  6 
denkt,  wird  von  der  LXX  nicht  sicher  bezeugt  und  ist  daher  mit  Wellh.  für 
sekundär  zu  betrachten.  Ist  nun  aber  v.  5  von  anderswoher  hierher- 

verschlagen, so  begünstigt  dies  auch  die  Vermutung,  dass  v.  4,  der  ohne  Fort- 
setzung bleibt,  hier  mit  Unrecht  eingedrungen  sei.  Er  ist  nichts  anderes  als 
eine  aus  Versehen  eines  Abschreibers,  dessen  Auge  vom  Ende  von  v.  3  auf 
den  gleichlautenden  Schluss  von  v.  8  abirrte,  entstandene  Vorwegnahme  des 
Anfangs  von  v.  9.  6  ist  gute  Fortsetzung  von  v.  3.   Jona  soll  von  seinem 

Unmut  geheilt  und  das  ßecht  der  Barmherzigkeit  Jahwes  ihm  bewiesen 
werden.  Zu  dem  Zwecke  beordert  (])?"|1  s.  1  2)  Jahwe  einen  ]1''[;'^p,  nach  LXX  = 
xoXoxüvÖYj,  aber  nach  ägypt.  kiki  und  talmud.  kik  besser  ==  Ricinus,  eine  Pflanze, 
die  zu  beträchtlicher  Höhe  aufwächst  und  breite  Blätter  trägt,  s.  Guthe  KBW 
381.  An  dem  schnellen  Wachstum  des  "Wunderricinus  braucht  niemand  An- 
stoss  zu  nehmen.  DN'l'^S'njn^  ist  vielleicht  Gen  2  4—3  24  entnommen,  aber 

schwerlich  wie  dort  entstanden,  um  zwei  Quellen  (dort  P  und  J)  zu  verbinden, 
von  denen  eine  njn^  die  andere  D\n^«  an  dieser  Stelle  bot  (vgl.  auch  v.  4  mit 
V.  9);  s.  vielmehr  Einl.  I.  Die  beiden  Zweckbestimmungen  ^1^'^^  und  ^^^Tb 

sind  schwerlich  ursprünglich.  Unrichtig  aber  ist  es,  wenn  Winckxer  die  An- 
gabe des  näheren  Zweckes  beanstandet;  denn  nur  T\VTh  passt  im  Grunde  zu 
b'^j^  und  h^'^rh  könnte  höchstens  als  Jahwes  Absicht  hinter  dem  ersten  Sätz- 
chen: ])?*11  bis  ]VjJ'^i?  noch  erträglich  befunden  werden.  Richtiger  wird  es  jedoch 
sein,  in  inj;i»  1^  ^^^öb  mit  Wellh.  und  Nowack  eine  Glosse  zu  sehen,  die  vor- 
laut den  Endzweck  Jahwes  bei  der  Beorderung  des  Ricinus  anmerkt.  1^  ^"'^nb 
scheint  übrigens  alte  Verderbnis  für  l^^'^nb  zu  sein,  da  die  Einführung  des 
Objekts  mit  b  bei  h'^^T}  abnorm  ist.  LXX  hat  daher  auch  h^rh  gelesen  und  an 
Ableitung  von  bb^  gedacht:  xou  oxtaCstv  aui«).  Die  Freude  Jonas  über 

den  Ricinus  hatte  ihren  Grund  im  Schatten,  den  er  spendete,  nicht  in  der 
Unterhaltung  (so  Winckler),  die  er  Jona  bereitete.  .  7  Schon  am  folgen- 
den Tage  verdorrt  der  Ricinus  beim  Aufgang  der  Morgenröte  infolge  des 
Wurmstichs.  8  Ein  von  Jahwe  beorderter  Ostwind  lässt  Jona  gänzlich 

ermatten  und  bringt  ihm  recht  empfindlich  den  Wert  des  Ricinus  zum  Bewusst- 


I 


Jon  4  8  257  Jon  4  il 

sein,  sodass  er  im  Unwillen  über  den  Verlust  den  Tod  lierheiwünscht.  Die 
Ableitung  von  n'^^'^in  ist  unsiclier,  die  Jiedeutun^^  (jiuhend  Itelss,  schwül  (vgl. 
LXX  ooYxaiwv),  kann  kaum  fraglich  sein,  vgl.  auch  xaiiamv  .Jak  1  ii.  Cheyne 
schlägt  dafür  T^^,  (iff^  Morien,  vor,  was  sich  aber  mit  dem  Anfang  von  v.  8 
stösst.  Zu  dem  HDn  schlagen,  siechen,  der  Sonne  vgl.  Jes  49  lo  Ps  121  6; 

zu  ^^ynn  s.  Am  8  13.  n'M:h  lir^Drn«  ^^^^),  er  wünschte  sich  den  Tod  (vgl. 

auch  I  Reg  19  4),  ist  wahrscheinlich  eine  alte  Redensart,  deren  ursprünglicher 
Sinn  (etwa:  sich  verfluchen,  sich  verwünschen,  vgl.  Hi  31  30)  sich  im  Gebrauche 
abgeschwächt  hat.  Wenn  Winckler  meint,  der  Ostwind  sei  geschickt, 

um  die  Hütte  umzureissen,  und  diese  Angabe  sei  im  Texte  ausgefallen,  erst  dann 
könne  Jona  vom  Sonnenstich  befallen  werden,  so  macht  er  sich  wohl  eine 
falsche  Vorstellung  von  der  Hütte  Jonas  und  vergisst,  welche  Kühlung  das 
Blätterdach  eines  Baumes  gewährt.  9  s.  v.  4   Zu  njIDnj;  vgl.  Mt  26  38; 

die  starke  Bejahung,  dass  er  sich  zu  seinem  Zorne  berechtigt  fühle,  bietet 
Jahwe  eine  gute  Grundlage,  um  von  ihr  aus  in  10 f.  Jona  klar  zu  machen,  dass 
die  Nichtausführung  der  Ninive  angedrohten  Zerstörung  durchaus  gerecht- 
fertigt sei:  An  dem  Verhalten  Jonas  bei  dem  Verluste  des  Ricinus  gemessen, 
ist  die  Verzeihung,  die  Jahwe  Ninive  gewährte,  vollauf  begründet.  10  Du 

hast  es  dir  leid  sein  lassen  um  den  Ricinus^  der  dir  doch  eigentlich  ganz  fremd 
war;  da  du  ihn  nicht  selbst  gezogen  hast,  und  der  dir  nicht  ans  Herz  gewachsen 
sein  konnte,  da  er  dir  nur  erst  so  kurze  Zeit  bekannt  war.  Zu  der  Um- 

schreibung von  Eigenschaftsbegriffen  durch  Zusammensetzungen  mit  ")|  vgl. 
Ges.-B1autzsch27  §  128  V  und  zu  der  Form  "]?  §  96;  die  beiden  H^'^^lia  korre- 
spondieren mit  einander:  in  der  einen  Nacht  entstand  er,  in  der  andern  Nacht 
verschwand  er.  11  Und  ich  sollte  nicht  Mitleid  haben  mit  Ninive  ?  ist 

Fragesatz  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  150a.  Die  Grossstadt  Ninive  verdient 

Jahwes  Mitleid;  denn  einmal  ist  sie,  wie  sich  aus  dem  Gegensatz  zu  v.  lo  er- 
giebt,  Jahwe  nicht  fremd,  die  Menschen  und  Tiere  darin  sind  nicht  ohne  ihn 
entstanden,  zudem  hat  er  sich  um  dieselbe  bemüht,  die  Klage  über  ihre  Bos- 
heit hat  ihn  nicht  kalt  gelassen,  er  hat  ihr  sogar  einen  Propheten  gesandt  (1  2 
3  if,),  dann  aber  ist  sie  auch  unverhältnismässig  weit  wertvoller  als  die  Ein- 
tagspflanze eines  Ricinus  und  enthält  unter  den  Einwohnern  eine  grosse  Zahl 
von  Unschuldigen  und  Schuldlosen,  die  von  vornherein  Anspruch  auf  Berück- 
sichtigung haben,  sodass  Jahwe  deren  Untergang  nicht  leichten  Herzens  her- 
beiführen kann.  Die  Zahl  von  120000  Kindern  im  zartesten  Alter  steht  wohl 
im  Verhältnis  zu  der  3  3  angegebenen  Grösse.  Zu  D^n^^P  ohne  Ver- 

schärfung des  "ä  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  20  m.  Es  ist  beachtenswert,  dass 

hier  die  Barmherzigkeit  Gottes  als  die  oberste  Instanz  hingestellt  wird;  das 
Herz,  das  Liebe  und  Erbarmen  spürt,  nicht  der  Kopf,  der  kalte  Linien  zieht, 
führt  den  Primat. 


Kurzer  HC  zum  AT  XIII  17 


Mch  Einleitung  I  258  Mch  Einleitung  I 


MICHA. 

Einleitung. 


I.    Allgemeines  über  das  Buch  Micha. 

Von  dem  Propheten  Micha  dem  Moraschtiten  giebt  uns  abgesehen  von  seinem 
Buche,  das  im  hebräischen  Kanon  an  sechster,  in  der  LXX  an  dritter  Stelle  dem 
Zwölfprophetenbuch  eingereiht  ist,  eine  Notiz  in  der  von  Baruch  verfassten  Bio- 
graphie Jeremias  Kunde.  Nach  Jer  26  18  haben  sich  nämlich  die  Verteidiger  Jeremias 
darauf  berufen ,  dass  Micha  der  Moraschtite  in  den  Tagen  des  Königs  Hiskia  unbe- 
helligt blieb,  trotzdem  er,  wie  Jeremia,  die  Zerstörung  Jerusalems  weissagte ;  dabei 
wird  von  ihnen  Mch  3  12  zitiert.  Demnach  war  man  zu  Anfang  der  Regierung  Joja- 
kims  (608  v.  Chr.)  der  Ansicht,  dass  Micha  unter  Hiskia  prophetisch  thätig  war, 
wusste  aber  noch  nichts  von  den  Weissagungen  einer  herrlichen  Zukunft  Jerusalems, 
die  jetzt  im  Buche  Mch  unmittelbar  auf  jene  Stelle  folgen.  Der  notwendige  Schluss, 
der  sich  hieraus  ergiebt,  lautet:  Wenn  es,  was  wahrscheinlich  ist,  am  Ende  des 
siebenten  Jahrhunderts  bereits  ein  Buch  Mch  gab,  so  kann  es  nicht  ausgesehen  haben, 
wie  jetzt;  es  konnte  nur  Drohungen,  keine  Heilsverkündigangen  enthalten. 

Im  Lichte  dieser  Notiz  Jer  26  18  verdient  der  Umstand  besondere  Beachtung, 
dass  in  den  drei  ersten  Capiteln  die  Heilsverkündigung  fast  völlig  fehlt  und  das 
Jer  26  18  zitierte  Wort  den  Schluss  von  Cap.  3  bildet.  Die  Cap.  1—3  sind  somit  nicht 
nur  der  erste,  sondern  auch  der  älteste  Teil  des  Baches.  Zu  diesem  ersten  Teile  ist 
der  Best  erst  nachträglich  hinzugekommen ;  er  zerfällt  nach  Inhalt  und  Art  in  zwei 
Teile:  Cap.  4f.  enthält  die  Weissagungen  des  Heils  und  Cap.  6 f.  zuerst  eine  Belehrung 
über  den  wahren  Gottesdienst,  dann  Klagen  über  die  Verkommenheit  der  Bewohner 
Jerusalems  und  endlich  zwei  Gebetspsalmen  mit  dem  frohen  Ausblick  auf  die  schliess- 
lich sicher  kommende  Verherrlichung  Israels. 

Jeder  der  drei  Teile  besteht  wieder  aus  kleineren  Stücken,  die  nicht  alle  die 
gleiche  Anschauung  vertreten.  Am  straffsten  ist  der  Gedankengang  im  ersten  Teile, 
obwohl  auch  hier  sekundäre  Stücke  auszuscheiden  sind,  so  1  2-5^  7  10-15  2  4(?)  5  12 f. 
3  3^  Von  einem  Gedankengang  kann  im  zweiten  Teile  nicht  die  Bede  sein,  sondern 
nur  von  einem  Grundgedanken,  der  in  den  verschiedensten  Variationen  durchgeführt 


Mch  Einleitung  I  259  Mch  Einleitung  II  1 

wird.  Es  ist  das  Heil  der  Zukunft,  das  unter  verschiedenen  (leBichtspunkten  und 
nach  seinen  verschiedenen  Seiten  beleuchtet  erscheint.  ])ie  Entstehung  der  sämt- 
lichen Stücke  füllt  in  die  Zeit  nach  der  Kxilierung  Judas,  von  dem  Zitate  4  U,  das 
vielleicht  einer  vorexilischen  Dichtung  entnommen  ist,  darf  abgesehen  werden. 
Die  Verschiedenheit  der  Autoren  dieser  Stücke  ergiebt  sich  aber  daraus,  dass  z.  ß. 
über  das  schliessliche  Schicksal  der  Heiden  und  die  Bedeutung  Israels  in  der  Heiden- 
welt ganz  entgegengesetzte  Anschauungen  vertreten  sind,  vgl.  4  1-4,  wo  der  religiöse 
Universalismus  das  Wort  führt,  einerseits  mit  4  11-13  und  5  4f. ,  wo  der  Hass  gegen 
die  Heiden  spricht,  und  andererseits  mit  5  1  3,  wo  die  Hoffnung  auf  einen  Messias  zum 
Ausdruck  kommt.  Angesichts  dieser  Unterschiede  wird  davon  abzusehen  sein, 
einzelne  dieser  Stücke  zusammenzunehmen  und  sie  von  einem  und  demselben  Autor 
abzuleiten.  Richtiger  wird  man  in  Cap.  4f.  ein  Konglomerat  verschiedener  Weis- 
sagungen über  dasselbe  Thema  und  im  Ganzen  das  Werk  eines  Sammlers  erblicken. 
Der  dritte  Teil  Cap.  6 f.  ist  ebenfalls  ein  Konglomerat,  zusammengehalten  durch  den 
Gedanken,  dass  das  Heil  doch  schliesslich  kommen  muss,  wenn  auch  die  Übertretungen 
der  Gegenwart  immer  noch  die  Fortdauer  des  Zornes  Gottes  fordern.  Keines  der 
vier  resp.  fünf  Stücke,  aus  denen  Cap.  6 f.  zusammengesetzt  ist,  kann  auf  vorexilische 
Entstehung  Anspruch  erheben. 

Die  Dreiteilung  des  Buches  Micha  gleicht  im  Grossen  dem  Inhalt  nach  der  Ein- 
teilung des  Buches  Jesaja,  das  auch  nur  im  ersten  Teile  Cap.  1 — 39  mit  dem  Gerichte 
droht,  im  zweiten,  Cap.  40 — 55,  auf  das  bevorstehende  Heil  hinweist  und  im  dritten, 
Cap.  56—66,  Klagen  über  die  schlimmen  Zustände  in  der  Gemeinde,  aber  daneben 
ebenfalls  Gebet  um  göttliche  Hilfe  und  die  Aussprache  der  Hoffnung  auf  das  kom- 
mende Heil  enthält.  Die  Ähnlichkeit  besteht  ferner  darin,  dass,  wie  sich  aus  der  ge- 
nauen Betrachtung  der  einzelnen  Stücke  ergiebt  (s.  die  jeweiligen  Vorbemerkungen 
im  Comm.),  allein  der  erste  Teil  vorexilisches  Gut,  also  Worte  des  Propheten,  nach 
dem  das  Buch  genannt  ist,  aufweist.  Wie  diese  auffallende  Übereinstimmung  in  der 
Anordnung  der  Bücher  der  beiden  Zeitgenossen  Jes  und  Mch  zu  erklären  ist,  s.  unten 
III  3  S.  264. 

II.   Der  Prophet  Micha  und  seine  Bedeutung. 

1)  Herkunft  und  Zelt  des  Propheten.  Unter  den  verschiedenen  Personen, 
die  im  AT  den  Namen  Micha  tragen,  ist  neben  unserem  Propheten  ein  zweiter  Prophet 
bekannt:  Micha  (genauer:  Michajehu)  ben  Jimla,  der  nach  I  Peg  22  8-28  zur  Zeit  der 
Könige  Ahab  von  Israel  und  Josaphat  von  Juda,  also  um  die  Mitte  des  9.  Jahrb., 
lebte.  Der  Unterschied  der  Namen  Micha  und  Michajehu  kann  nicht  ins  Gewicht 
fallen,  da  Micha  lediglich  eine  Abkürzung  der  längeren  Formen  (H^^^'D,  ^H^^*^^  und 
^nOp)  ist,  welche  die  Bedeutung:  wer  ist  wie  Jahwe?  besser  erkennen  lassen  (vgl. 
LXX  Mtyaia^  auch  für  unseren  Propheten);  aber  deshalb  dürfen  die  beiden  Pro- 
pheten Micha  nicht  zusammengeworfen  werden,  wie  dies  sicher  von  der  späten  Inter- 
polation IPeg  22  28^  (vgl.  Mch  1  2),  vielleicht  auch  vom  Autor  von  Mch  6  9-16  (s.  zu  6  16) 
geschieht.  Zur  Unterscheidung  von  seinem  älteren  Namensvetter  heisst  unser  Micha 
der  MoraUite  1  l  und  Jer  26  18.  Die  Nennung  von  Moreset  Gat  1  14  kann  insofern 
als  weitere  Bestätigung  der  Herkunft  Michas  aus  Moreschet  gelten,    als  der  Autor 

der  Interpolation  1  10-15  in  der  Näherbestimmung  Michas  als  des  Moraschtiten  den 

17* 


Mch  Einleitung  II 1  260  Mch  Einleitung  II 1 

Anlass  gefunden  hat,  zu  seinen  Wortspielen  Moreschet  und  in  der  Nähe  desselben 
gelegene  Ortschaften  zu  wühlen.  Ist  seine  Deutung  richtig,  so  muss  die  Heimat 
Michas  in  der  Nähe  von  Gat  gesucht  werden.  Auf  alle  Fälle  bleibt  soviel  sicher, 
dass  Micha  kein  Jerusaleraer,  sondern  wie  Arnos  ein  Prophet  aus  der  Provinz  war. 

Die  Zeit  Michas  kann  im  Allgemeinen  nicht  zweifelhaft  sein;  Jer  26  18  nennt 
ihn  einen  Zeitgenossen  des  Königs  Hiskia  und  die  Überschrift  1  1  führt  vor  Hiskia 
noch  Jotham  und  Ahas  an.  Der  Inhalt  der  auf  Micha  zurückgehenden  Worte  be- 
stätigt wenigstens  teilweise  diese  späteren  Angaben ;  denn  er  handelt  von  der  Zer- 
störung Samarias  und  Jerusalems  und  bringt  beide  Ereignisse  in  engen  Zusammen- 
hang als  zwei  Akte  ein  und  desselben  Dramas.  Es  kann  daher  nicht  fraglich  sein, 
dass  Micha  in  die  Zeit,  da  das  Nordreich  fiel,  gehört;  aber  die  genauere  Datierung 
hängt  namentlich  von  der  Auffassung  und  Beurteilung  der  ersten  Worte  1  5^  6  8  9  16 
ab,  wo  im  Anschluss  an  die  Drohung  der  Zerstörung  Samariens  auch  Jerusalem  das 
gleiche  Geschick  in  Aussicht  gestellt  ist  und  der  Accent  besonders  auf  diesen  zweiten 
Akt  verlegt  w^ird.  Es  ist  nun  nicht  wahrscheinlich ,  dass  bereits  vor  721  ein  Judäer 
den  Fall  Samariens  als  Vorspiel  des  kommenden  Unterganges  Jerusalems  angesehen 
habe,  da  damals  bei  der  Feindschaft,  die  zwischen  Israel  und  Juda  herrschte  (vgl. 
den  syrisch-ephraimitischen  Krieg  von  735/4),  und  bei  der  Freundschaft  zwischen 
Assur  und  Juda  (vgl.  die  Huldigung  des  Ahas  vor  Tiglatpileser  in  Damaskus  im 
Jahre  732)  nicht  zu  denken  war,  dass  Jerusalem  in  den  Fall  Samariens  mit  verflochten 
sein  werde.  Dagegen  konnte  nachträglich,  als  die  Gefahr  an  Juda  herantrat,  die 
Zerstörung  des  israelitischen  Peiches  als  der  erste  Akt  des  ganzen  Trauerspiels  er- 
scheinen. Wir  werden  darum  die  Entstehung  schon  der  ersten  Prophetie  Michas  in 
die  Nähe  des  Ereignisses  zu  rücken  haben ,  das  Jerusalem  das  Schicksal  Samariens 
zu  bereiten  schien,  in  die  Nähe  von  701,  da  Sanherib  gegen  Juda  und  Jerusalem  zog. 
Dabei  haben  wir  in  der  Drohung  an  Samarien  nicht  eine  Peminiscenz  aus  den  Jahren 
vor  721  zu  sehen;  denn,  wie  CoENILL  geltend  macht,  ist  721  Samarien  wohl  erobert, 
aber  nicht  zerstört  worden,  sodass  die  Drohung  der  Zerstörung  umsoweniger  auf- 
fallen kann,  als  Samarien  sich  alsbald  nach  der  Eroberung  wieder  an  den  Aufständen 
gegen  die  Assyrer  beteiligte.  Inzwischen  hat  auch  Juda  seine  Politik  geändert;  es 
machte  jetzt  mit  bei  den  Aufständen  des  Westens,  es  trieb  jetzt  die  Politik  der 
Samarier  im  Bunde  mit  den  kleinen  Weststaaten  von  Sidon  und  Tyrus  bis  nach  Gaza 
und  die  Peste  Samariens  halfen  mit,  so  wird  das  Schicksal  Jerusalems  auch  das  sa- 
marische  sein :  Samarien  wird  dem  Erdboden  gleichgemacht  und  mit  ihm  kommt 
Jerusalem  an  die  E-eihe.  Am  wahrscheinlichsten  fällt  demnach  Michas  Prophetie  in 
die  Anfangszeit  der  Pegierung  Sanheribs  (705—681) ,  da  Palästina  einen  neuen  Auf- 
stand machte,  zu  dessen  Niederwerfung  Sanherib  701  in  Palästina  erschien.  Aus 
diesen  Jahren  705 — 701  lassen  sich  sämtliche  Worte  Michas  wohl  verstehen;  nament- 
lich hat  man  nicht  mit  VOLZ  Cap.  2 f.  in  die  Zeit  nach  Jerusalems  Bewahrung  vor 
Sanherib  zu  setzen.  Der  „dünkelhafte  Wahn"  auf  Jahwes  Hilfe,  von  dem  3  11  Zeugnis 
giebt,  ist  nicht  erst  eine  Frucht  des  Ereignisses  von  701,  sondern  die  Ursache  der 
Politik,  die  die  Assyrer  als  Feinde  ins  Land  rief  (s.  zu  3  ll).  Michas  Prophetieen 
stammen  daher  aus  den  letzten  Jahren  des  8.  Jahrhunderts,  sie  fallen  in  die  B,e- 
gierungszeit  Hiskias  (so  mit  Becht  Jer  26  18),  nicht  auch  in  die  Zeit  der  Könige 
Jotham  und  Ahas,  wie  der  Bedaktor  von  1  1  annimmt,  aber  ebenso  nicht  in  die  Tage 


Mch  Einleitung  IT  1  261  Meli  Einleitung  II  2 

Manaases,  an  den   man  gerne   mit  gedacht   hat,   weil  man  so   einzelne   Stücke  von 
Cap.  6  f.  für  ÄLicha  zu  retten  hoffte. 

2)  Die  prophetische  Thäliglieit  und  die  Bedeiitiiiig  Michas.  Von  der  pro- 
phetischen Thiitigkeit  Michas  lässt  sich  nichts  Bestimmtes  sagen.  Man  weiss  nicht, 
ob  er  seine  Prophetieen  mündlich  unter  die  Leute  gebracht  hat.  Es  ist  dies  sehr 
wahrscheinlich  und  man  darf  wohl  annehmen,  dass  er  in  seiner  Heimat  Moreschet  bei 
einem  grösseren  Jahwefeste  und  vielleicht  auch  gelegentlich  eines  Besuches  in  Je- 
rusalem, bei  einem  i^^este,  wie  Amos  in  Bethel,  seine  Worte  zu  den  Versammelten  ge- 
sprochen hat.  Jedenfalls  kennt  er  das  Treiben  der  Hauptstadt  und  der  führenden 
Stände,  ^nid  wohl  nicht  bloss  vom  Hörensagen,  sondern  aus  eigener  Anschauung. 
Über  die  Wirkungdieser  Prophezeiung  hören  wir  nichts;  sie  hat  wohl  noch  weniger  Be- 
achtung gefunden  als  die  gleichlautenden  Worte  Jesajas.  Man  setzte  sich  über  diese 
Meinung  des  Propheten  aus  der  Provinz  mit  leichtem  Sinn  hinweg;  er  verstand  doch 
nichts  von  Politik  und  „man  hatte  ja  die  Macht  in  den  Händen"  (2  l).  Möglich,  dass 
in  der  Landschaft  seine  Worte  bessere  Aufnahme  fanden ;  wir  wissen  es  nicht. 

Die  schriftliche  Aufzeichnung  der  Worte  darf  man  auf  den  Propheten  selbst 
zurückführen.  Denn  erstlich  ist  der  Gedankengang  in  Cap.  1 — 3,  wenn  die  fremden 
Bestandteile  ausgeschieden  werden,  tadellos  und  die  Abrundung  des  Ganzen  mit  3  12, 
der  auf  1  5^  zurückgreift,  ist  unverkennbar,  sodass  man  die  Anordnung  lieber  dem 
Autor,  als  einem  späteren  Sammler  zuschreibt.  Dann  aber  konnte  Micha  ebensogut 
wie  Jesaja  sich  gedrungen  fühlen,  seine  Worte  aufzuzeichnen  zu  einem  Zeugnis  für 
die  Zukunft,  da  ihm  gerade  wie  Jesaja  die  Bettung  Jerusalems  vor  Sanherib  nicht 
als  Aufhebung,  sondern  nur  als  Aufschiebung  der  Erfüllung  seiner  Weissagung  er- 
scheinen mochte.  Übrigens  mussten  damals  die  prophetischen  Worte  eines  Amos  und 
Hosea  auch  schon  schriftlich  vorhanden  sein,  sodass  sich  die  Niederschrift  für  Micha, 
besonders  bei  dem  geringen  Umfang  seiner  Prophetenrede,  fast  von  selber  ergab. 

Die  Bedeutung  der  Prophetie  Michas  liegt  hauptsächlich  darin,  dass  sie  uns 
zeigt,  wie  ein  einfacher  Mann  aus  der  Landschaft  von  seinem  Sinn  für  Sitte  und  Recht 
aus  dazu  gelangt,  die  unheilvollen  Folgen  des  Treibens  der  leitenden  Kreise  zu  er- 
kennen and  sich  mit  Kraft  und  Energie  gegen  das  erkannte  Übel  zu  erheben.  Er 
gleicht  am  meisten  Amos,  zumal  in  seinem  Ausgangspunkt  von  der  unbedingten  Gel- 
tung des  Bechts  und  der  Sitte,  in  seiner  kräftigen  Überzeugung  von  dem  ethischen 
Wesen  der  Beligion,  und  mit  Jesaja  hat  er  gemein,  dass  er  die  Konsequenzen  dieser 
Anschauung  auch  für  Juda  zieht,  diesem  das  gleiche  Schicksal  ankündigend,  wie  es 
das  Nordreich  ereilte.  In  der  Schilderung  der  Zustände  in  den  führenden  Ständen 
trifft  er  mit  Jesaja  vielfach  zusammen,  in  Einzelnem  sind  seine  Bilder  sogar  schärfer, 
sodass  wir  noch  besser  als  in  Jesaja  die  Verkommenheit  der  Beamten  selbst  unter  der 
Regierung  eines  Hiskia  kennen  lernen,  man  vgl.  3  1-4  über  die  Richter  und  3  5-7  über 
die  Propheten,  ferner  2  6-11  bes.  v.  8  f.  über  das  Hausen  der  Grossen  wie  Feinde  im 
eigenen  Lande.  Auch  das  Schlussurteil  über  Jerusalem  3  12  ist  in  'einer  Weise  for- 
muliert, dass  man  begreift,  wie  es  den  Zeitgenossen  Jeremias  eher  geläufig  sein 
konnte,  als  ein  dasselbe  besagender  Ausspruch  Jesajas.  Micha  macht  den  Eindruck 
eines  unbeugsamen  Charakters  von  einem  tiefen  Sinn  für  das,  was  recht  ist,  und  von 
einer  mächtigen  Energie,  die  gegen  alle  Schäden  ankämpft.  Es  ist  von  grosser  Wich- 
tigkeit, dass  wir  durch  ihn  erfahren,  wie  es  neben  Jesaja  Männer,  die  als  seine  Ge- 


Mch  Einleitung  II  2  262  Mch  Einleitung  III  3 

sinnungsgenossen  gelten  können,  in  der  Landschaft  gab.  Micha  war  nicht  so  vielseitig 
wie  Jesaja,  er  spricht  nicht  vom  Glauben  an  Jahwes  Macht,  aber  er  besitzt  ihn,  er 
redet  nicht  von  Gottes  Herrlichkeit,  aber  er  ist  von  derselben  erfüllt.  Micha  ist  der 
letzte  in  der  Reihe  der  vier  grossen  Propheten  des  achten  Jahrhunderts,  die  jenen 
kräftigen  Vorstoss  gegen  die  von  kanaanäischem  Wesen  durchsetzte  Religion  des 
Volkes  führten,  und  es  ist  bezeichnend,  dass  gerade  bei  ihm  wieder,  wie  bei  dem 
ersten,  das  Sittliche  als  die  Kraft  und  (Quelle  dieser  neuen  geistigen  Bewegung  hervor- 
tritt und  als  das  AVesen  und  der  Mittelpunkt  der  wahren  Religion  erscheint.  Micha 
ist  eine  ernste  und  sittenstrenge  Natur,  von  einem  bewundernswerten  feinen  Gefühl 
für  das  Sittliche  und  einer  merkwürdig  reinen  Erkenntnis  und  Auffassung  flesselben 
inmitten  einer  verwilderten  und  entsittlichten  Umgebung.  Man  ersieht  daraus,  dass 
nicht  Formeln  und  Gesetze,  die  ihm  die  Pflichten  des  Menschen  ausdrückten,  der 
Hintergrund  seiner  Persönlichkeit  sind,  sondern  der  lebendige  Gott,  der  ihm  Klar- 
heit und  Kraft  verleiht,  und  das  tiefe  Gefühl,  dieser  höchsten  Macht  unbedingt  ver- 
pflichtet zu  sein. 

III.  Die  Entstehung  des  Michabuches. 

1)  Der  Grundstock  des  Buches  lässt  sich  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  fest- 
stellen. Er  wird  gebildet  von  den  auf  Micha  zurückgehenden  Stücken,  die  sich  inner- 
halb der  drei  ersten  Capitel  finden  und  einen  geschlossenen  und  abgerundeten 
Gedankengang  aufweisen:  1)  1  5^  6  8  9  16;  2)  2  1-3  4(?);  3)  2  6-11 ;  4)  3  1  2^  3^  4;  5)  3  5» 
2*^  5^  und  6)  3  9-12.  Nimmt  man  die  Überschrift  •'^ti^lfen  nD'^D"^«  nin''""ini  dazu,  so 
darf  man  darin  das  Michabuch,  wie  es  zur  Zeit  Jeremias  vorhanden  war  (vgl. 
Jer  26  18),  wiedererkennen.  Dass  es  wahrscheinlich  seine  Gestalt  durch  Micha  selber 
erhalten  hat,  ist  oben  Einl.  II  2  bemerkt  worden. 

2)  Die  sekundären  Elemente  des  Buches  weisen  einen  sehr  verschiedenen 
Charakter  auf  und  stammen  aus  den  verschiedensten  Jahrhunderten.  In  grosser  An- 
zahl sind  Heilsverheissungen  vorhanden  und  sie  verteilen  sich  auf  alle  drei  Teile 
des  Buches:  im  ersten  Teile  gehört  dazu  2  12f. ;  der  zweite  Teil  Cap.  4f.  ist  nur  aus 
Heilsverheissungen  zusammengesetzt  (abgesehen  von  dem  Zitat  4  14),  da  auch  5  9-14 
die  Ausrottung  des  heidnischen  Kultusapparats  und  des  Kriegsmaterials  als  die  Ein- 
leitung des  messianischen  Friedensreiches  gemeint  ist;  im  dritten  Teile  kommt  die 
Hoffnung  auf  Heil  zum  Wort  in  den  zwei  Psalmen  7  7-20.  Achten  wir  auf  die  Zeit 
dieser  Heilsverheissungen,  so  ergiebt  sich,  dass  mit  einiger  Sicherheit  als  um  500, 
vielleicht  schon  am  Ausgang  des  6.  Jahrhunderts  entstanden  4  1-4  und  5  1  3  be- 
trachtet werden  können,  dass  dagegen  ebenso  sicher  5  4f.  5  6-8  9-14  und  7  7-20  in  das 
zweite  Jahrhundert  weisen  und  dass  alle  übrigen  Stücke  dieses  Inhalts  nach- 
hesekielischen  Ursprungs  sind.  Unter  den  Elementen  mahnenden  und  stra- 
fenden Inhalts  ist  als  relativ  alt  6  6-8  hervorzuheben,  ein  Stück,  das  dem  6.  resp. 
noch  wahrscheinlicher  dem  5.  Jahrh.  entstammt ;  dagegen  können  6  9-16  und  7  1-6 
auch  erst  dem  zweiten  Jahrh.  angehören.  Redaktioneller  Art  sind:  12-5^  6  1-5; 
schriftgelehrten  und  glossatorischen  Charakter  tragen  1  10-15  2  5  3  3^,  s. 
weiter  die  Erklärung. 

3)  Der  Werdeprozess  und  der  Abschluss  des  Buches.     Einen  einheitlichen 
Zusammenhang  innerhalb  der  Heilsweissagungen  oder  auch  der  Mahnworte  aufzuweisen 


Mch  Einleitung  III  3  263  Meli  Einleitung  III  3 

gelingt  nicht  (s.  Einl.  I),  sodass  man  den  Gedanken  aufzugeben  hat,  es  seien  ur- 
sprünglich für  sich  bestehende  Sammlungen  nachtriiglich  an  das  alte  Buch  Mch 
angefügt  worden.  Man  wird  versuchen  müssen,  die  Entstehung  des  jetzigen  Buches 
aus  einem  allmählichen  Anwachsen  verschiedener  fremder  Bestandteile  zu  erklären. 
Da  uns  nur  das  Resultat  dieses  bis  ins  zweite  Jahrhundert  dauernden  Prozesses  vor- 
liegt und  für  die  Zwischenstadien  von  Jeremia  an  die  Zeugnisse  fehlen,  ist  man  auf 
Vermutungen  angewiesen,  die  sich  auf  den  Bestand  des  gewordenen  Buches  gründen 
müssen.  Auch  die  Annahme  ElhoRST's,  dass  einst  Cap.  4 f.  hinter  Cap.  6 f.  gestanden 
habe,  erleichtert  die  Erklärung  der  Entstehung  des  Buches  nicht. 

In   dem  Konglomerat,   das  die  Capp.  4 — 7  fraglos   aufweisen,   sind  zwei  feste 
Krystallisationspunkte  nicht  zu  verkennen,  die  in  ihrer  Art  wieder  einander  gleichen 
und  auch  durch  ihren  Gehalt  als  Zugaben  zu  dem  alten  Michabuche  sich  vortrefflich 
eignen.     Es  sind  dies  die  Weissagung  von  der  universalen  Bedeutung  Zions  4  1-4 
und  die  Zusammenfassung  der  Verpflichtungen  des  Jahwebekenners,  der  Forderungen 
des  wahren  Gottesdienstes  6  6-8.    Beide  Stellen  haben  nichts  von  dem  engen  partiku- 
laristischen  Judentum  an  sich  und  beide  sind  durchhaucht  von  einem  ächten  humanen 
und  ethischen  Geiste.    Wie  vortrefflich  diese  beiden  tiefen  und  hohen  Worte  als  An- 
hang zu  dem  Buche  des  Propheten  passen,  der  ein  so  reines  und  feines  Gefühl  für  die 
ethischen  Pflichten  hatte,  braucht  nicht  gesagt  zu  werden.    Mir  scheinen  diese  beiden 
Worte  so  sehr  von  ihrer  Umgebung  abzustechen  und  mit  Micha  im  Geiste,   d.  h.   in 
der  Erkenntnis  dessen,  was  die  wahre  Religion  ist,  zu  harmonieren,  dass  ich  sie  als 
die   ältesten  Zusätze  zu  dem  Buche  Mch  erklären  möchte.     Wohl  mögen  sie  nicht 
gleichzeitig  hinzugefügt  sein.     Zuerst  ist  4  1-4  als  Gegenbild  zu  der  alten  Droh- 
weissagung hinzugefügt,   um  zu  sagen:  die  Drohung  ist  erfüllt,   aber  eine  herrliche 
Zukunft  steht  bevor,  da  die  tiefsten  Forderungen  des  Propheten  auch  bei  den  Heiden 
zur  Geltung  kommen  werden.    Jedenfalls  hat  diesen  Sinn  derjenige  der  Weissagung 
beigelegt,  der  6  6-8  anschloss.    Es  ist  nicht  nötig  anzunehmen,   dass  er  diese  Worte 
einem  Fremden  entlehnte,  sie  können  sehr  wohl  sein  eigenes  Werk  sein.     Für  das 
zweite  Stadium  in  dem  Werdeprozess  des  Buches  Micha  werden  somit  in  Anspruch 
zu  nehmen  sein  neben  dem  alten  Michabuch  die  Zuthaten  von  4  1-4  und  6  6-8,  wobei 
4  5  von  der  Hand  dessen,  der  6  6-8  beigefügt  resp.  auch  verfasst  hat,  herrühren  wird, 
da  dieser  Vers  die  beste  Überleitung  von  4  4  zu  6  6  bildet  und  in  6  6-8  gerade  erklärt 
wird,  was  es  heisst  „im  Namen  Jahwes  wandeln".   Ein  Mehrer  es  braucht  das  Micha- 
buch im  5.  Jahrb.,  in  dem  6  6-8  entstanden  ist,  nicht  enthalten  zu  haben  und  wenn, 
wie  ich  annehme,   nicht  durch  reinen  Zufall  6  6-8  hinzugekommen  ist,  so  konnte  es 
auch  nicht  mehr  enthalten,  da  alle  andern  Stücke,  die  jetzt  sich  in  dem  Buche  finden, 
anderen  Geistes  sind. 

Die  einzelnen  Etappen  auf  dem  Wege  vom  Michabuch  des  5.  Jahrh.  bis  zu  dem 
des  2.  Jahrh.,  das  uns  vorliegt,  zu  verfolgen  ist  unmöglich.  Aber  verständlich  ist  es, 
wie  sich  in  der  Folgezeit,  namentlich  noch  im  2.  Jahrhundert  Stücke*  einfügten,  die 
eine  andere  Ansicht  von  der  Heidenwelt  und  der  Zukunft  Jerusalems  hatten,  als 
4i-4,  und  ganz  natürlich  ist  es,  dass  sie  unmittelbar  an  41-4  zur  Vervollständigung 
des  Bildes  der  eschatologischen  Erwartungen  angeschlossen  wurden.  Ebenso  muss  es 
als  selbstverständlich  gelten,  dass  nach  den  Einschüben  4  6 — 5  14  die  Verse  6  6-8  nicht 
für  sich  gelassen  werden  konnten.     Durch  die  Einschübe  hatten  sie  die  Verbindung 


Mch  Einleitung  III  3  264  Mch  Einleitung  IV 

verloren;  darum  erhielten  sie  die  Einführung  6  1-4*  und  dieser  konnten,  da  6  6-8  nicht 
genügte,  nur  neue  Bedrohungen  Jerusalems  entsprechen,  welche  deshalb  auch  6  9 — 7  6 
nach  6  6-8  nicht  fehlen.  Den  Schluss  durfte  aber  die  Drohung  nicht  bilden,  so 
mussten  die  beiden  Psalmen  7  7-20,  die  den  Glauben  an  das  Heil  der  Zukunft  fest- 
halten, noch  hinzukommen.  So  hat  in  den  letzten  zwei  Capiteln  eins  das  andere  nach 
sich  gezogen.  Die  Einführung  ist  Dtjes  nachgebildet,  wo  so  oftmals  die  Verhand- 
lungen Jahwes  mit  Israel  oder  mit  den  Heiden  als  ein  Rechtsstreit  dargestellt 
werden,  die  beiden  Stücke  6  9-16  und  7  1-4  (resp.  6)  scheinen,  bes.  wenn  die  Ver- 
mutung zu  V.  16  richtig  ist,  dass  eine  Verwechslung  resp.  ein  Zusammenwerfen  von 
Micha  ben  Jimla  mit  unserem  Propheten  zu  Grunde  liege,  auf  schriftgelehrtem 
Studium  zu  beruhen  und  eigens  für  diese  Stelle  verfasst  zu  sein;  dass  Thora  und 
Propheten  dem  Verf.  bekannt  sind,  erkennt  man  deutlich  an  manchen  Wendungen 
und  auch  an  die  Art  der  Psalmen  wird  man  mehrfach  erinnert.  Eigentliche  Psalmen 
sind  dann  ohne  Frage  7  7-20  und  an  ihrer  Entstehung  im  2.  Jahrh.  kann  man  nicht 
zweifeln.    Vgl.  hiezu  den  Commentar. 

So  beruht  die  Dreiteilung  des  Buches  wohl  auf  den  successive  erfolgten  Zu- 
sätzen 4  1-4  und  6  6-8  zum  Grundstock,  aber  höchst  wahrscheinlich  hat  die  Ähnlich- 
keit des  Buches  Jesajas,  des  Zeitgenossen  Michas,  mitgeholfen,  den  dritten  Teil  in 
der  oben  angegebenen  Weise  auszugestalten. 

Bei  der  Anordnung  und  Ausgestaltung  von  Cap.  6 f.  hat  offenbar  bereits  der 
Pedaktor  die  Hand  im  Spiele ;  denn  der  Abschnitt  Cap.  1  2-4,  der  ihm  gehören  wird, 
schaut  hinüber  auf  6  1-4^,  wenn  er  schon  noch  allgemeiner  das  Ganze  in  den  Pahmen 
des  Weltgerichtes  einfügt,  in  dem  die  Gerichtsverhandlung  mit  Israel  aber  die  wich- 
tigste Episode  bildet.  Wir  können  darum  die  Pedaktion  des  Buches,  da  die  von  ihr 
beigefügten  Psalmen  in  7  7-20  ins  zweite  Jahih.  gehören,  nicht  früher  als  in  das  zweite 
Jahrh.  verlegen,  müssen  aber  auch  dann  noch  die  Möglichkeit  offen  lassen,  dass 
einzelne  Verse  später  hinzugekommen  sind.  Andererseits  lässt  sich  ebenfalls  nicht 
entscheiden,  ob  die  Einfügung  von  2  12f,  gleichzeitig  mit  der  Einschiebung  der  Heils- 
verheissungen,  die  wieder  nicht  an  einem  Tage  geschehen  sein  muss,  erfolgte  oder 
nicht,  ob,  was  sehr  möglich  ist,  die  Redaktion  1  10-16  2  5  und  ähnliches  einfügte  oder 
ob  diese  Zusätze  früheren  oder  späteren  Datums  sind.  Genug,  dass  folgende  drei 
Etappen  in  der  Entstehung  des  eigenartigen  Buches  zu  unterscheiden  sind: 

1)  das  Michabuch  zur  Zeit  Jeremias,  vgl.  oben  unter  III 1. 

2)  das  Michabuch  des  fünften  Jahrhunderts,  bestehend  aus  dem  Grundstock  1) 
und  4  1-4  5  6  6-8. 

3)  das  Michabuch  des  zweiten  Jahrhunderts,  abgesehen  von  späteren  kleineren 
Einfügungen  und  Glossen  das  gegenwärtige  kanonische  Buch  Mch. 

IV,  Litteratur. 

C.  P.  CasPARI  Über  Micha  den  Morashtiten  und  seine  prophetische  Schrift 
1851  1852;  T.  POORDA  Commentarius  in  Vaticinium  Michae  1869;  STADE  Bemerkungen 
über  das  Buch  Micha  ZATW  1881,  161—172,  Weitere  Bemerkungen  zu  Micha  4  5 
ZATW  1883,  1—16;  NoWACK  Bemerkungen  über  das  Buch  Micha  ZATW  1884,  277— 
291  und  Stade  Bemerkungen  dazu  ebendaselbst  1884,  291—297;  PysSEL  Die  arabische 
Übersetzung  des  Micha  in  der  Pariser  und  Londoner  Polyglotte  ZATW  1885, 102—138; 


Jon  Einleitung  I  V  265  Mch  1  2 

Stade  Midi.  2  4  ZATW  1886,  122f.;  RysSEL  Die  Textgestalt  und  die  Echtheit  des 
Buches  Micha  1887;  H.  J.  Elhorst  De  Piofetie  van  Micha  1891;  T.  K.  Cheyne 
Micah,  with  Notes  and  Introduction  1895;  W.  EOB.  Smith  The  Prophets  of  Israel, 
New  Edition  1895  XXIll— XXVII  (von  Cheyne)  287—293  429-431;  Paul  Volz  Die 
vorexil.  Jahweprophet ie  1897,  63—67;  K.  J.  Grimm  Euphem.  Liturg.  Appendixes  in 
The  OT  1901,  78—81  94f.;  Ed.  Sievers  Metrische  Studien.  I.  Textproben  1901,  484— 
487;  Art.  Micah  (Book)  in  Encycl.  Bibl.  III  (1902),  3068—74;  T.  K.  Cheyne  Critica 
Biblioa  II  (1903),  153—163;  Stade  Mch  1  2-4  und  Mch  7  7-20  ein  Psalm  ZATW  1903, 
163-171. 


Erklärung. 

Die  Überschrift  1 1  ist,  wie  die  ähnlich  lautende  zu  Hosea,  aus  alten  und 
jungen  Elementen  zusammengesetzt.  Altes  Gut  ist:  Das  Wort  Jahwes ,  das  an 
Micha  aus  Moreseth  erging,  vgl.  Hos  1  i;  denn  die  Heimat  ist  schwerlich  erst 
aus*  1  14  erschlossen  und  auch  Jer  26  18  nennt  Micha  den  Moraschtiten.  Über 
Namen  und  Herkunft  des  Propheten  vgl.  ferner  Einleit.  II  1.  Junges 

Gut  liegt  dagegen  vor  in  den  Angaben  über  die  Zeit  und  das  Objekt  der  Weis- 
sagung Michas.  Dass  er  über  Samarien  und  Jerusalem  prophezeite,  ergiebt 
sich  zwar  aus  ^seinen  Worten  und  ebenso  hat  er  nach  dem  Inhalt  derselben 
unter  Ahas  oder  Hiskia  oder  unter  beiden  gewirkt,  vgl.  auch  Jer  26  18  und 
Einleit.  II  1;  aber  in  die  Zeit  Jothams  führt  keines  seiner  Worte  zurück,  die 
Datierung  ist  darum  den  ähnlichen  sekundären  Angaben  von  Jes  1  i  Hos  1  i 
nachgebildet.  Zum  Beweise  ferner,  dass  v.  i*^  späteren  Ursprungs  ist,  genügt 
die  Verbindung  von  njn,  schauen,  mit  dem  Objekte  "^  151,  ^ort  Jahwes,  s.  zu 
Jes  1 1  Am  1  1. 

Erster  Teil: 

Das  kommende  Gericht 
1  2 — 3  x%. 

Cap.  1—3  bilden  den  Grundstock  des  Buches  Micha  und  ihr  Inhalt  ist  Drohung  des 
Gerichts.  Doch  soll  damit  weder  gesagt  sein,  dass  alle  hier  vereinigten  Stücke  auf  den 
Propheten  Micha  zurückgehen,  noch  dass  nur  von  dem  Gerichte  die  Rede  sei.  Unter  den 
sekundären  Teilen,  die  auch  in  diesen  Capiteln  nicht  fehlen  (s.  zu  1  2-5^  7  10-15  2  12 f.), 
befindet  sich  nämlich  einer  (2  12 f.),  der  deutlich  die  Heimkehr  aus  dem  Exile  weissagt; 
vgl.  die  Auslegung. 

I.  Jahwes  Erscheinen  zum  Weltgericht  I  2-4. 

Die  Schilderung  v.  2-4  bildet  die  Einleitung  zu  den  Capp.  1—3,  sie  stellt  das  in 
diesen  Capiteln  Samarien  und  Jerusalem  gedrohte  Gericht  in  den  Rahmen  des  Welt- 
gerichtes. Dieses  lag  jedoch  nicht  Micha,  sondern  erst  den  Späteren  im  Sinn,  die  sich 
nicht  darein  schicken  konnten,  dass  Israel  und  Juda  allein  von  allen  Völkern  das  Gericht 


Mch  1  2  266  Mch  1  4 

voD  den  Propheten  hätte  gedroht  sein  sollen,  während  doch  die  Heiden  es  weit  mehr  ver- 
dienten. Die  Verse  blicken  darum  auch  schon  hinüber  auf  Cap.  4,  wo  die  Schilderung  der 
glücklichen  Zukunft  Zions  beginnt.  Damit  ist  aber,  wie  Stade  (ZATW  1903,  163)  erkannt 
hat,  zugleich  gesagt,  dass  die  Verse  2-4  nicht  von  Micha  herrühren,  der  sich  allein  mit 
Israel  und  Juda  beschäftigt  und  diesen  nur  den  Untergang,  nicht  auch  die  Rettung  ge- 
weissagt hat,  wie  sich  zum  Überflüsse  deutlich  aus  Jer  26  18  ergiebt.  Eine  Verbindung 
zwischen  dem  AVeltgericht  und  der  nachfolgenden  Drohung  des  Gerichtes  über  Samarien 
und  Jerusalem  lässt  sich  nur  auf  Grund  der  späteren  Vorstellung  vom  allgemeinen  Welt- 
gerichte gewinnen.  Eine  nähere  Beziehung  aber  fehlt  zwischen  v.  2-4  und  v.  5*^ ff.;  zu  v.  5^ 
vgl.  unten ;  auch  ist  die  Unebenheit  zwischen  beiden  Stücken  nicht  zu  verkennen,  dass  v.  2 
Jahwe  als  Ankläger  aufsteht  gegen  die  Heidenwelt,  während  er  v.  5^ ff.  nur  der  Richter 
von  Israel  und  Juda  ist.  Auch  metrisch  unterscheiden  sich  v.  2-4  von  v.  5^ ff.:  v.  5^ ff. 
herrscht  der  „Kinarhythmus"  (Stade),  v.  2-4  haben  wir  drei  gleichschwebende  Vierzeiler, 
der  erste  und  dritte  mit  drei-,  der  zweite  mit  zweihebigen  Zeilen. 

2  Höret,  ihr  Volker  alle,  Horche,  Erde  und  was  sie  anfüllt,  Dass  Jahwe 
gegen  euch  Zeuge  sei,  Der  Herr  aus  seinem  heiligen  Tempel.     Die  „ihr"  in 

DD2  auf  die  Israeliten  zu  beschränken,  ist  bei  der  direkten  Anrede  aller  Völker, 

VT  '  -7 

nicht  nur  der  Stämme  Israels  (vgl.  das  parallele  n^^'^):p^  Kl?)?  ^^  ^'  2*  reine 
*. 

Willkür,  die  den  fehlenden  Übergang  von  v.  2-4  zu  v.  5^ff.  herstellen  möchte. 
Im  Grunde  sind  unter  den  Völkern  die  Israeliten  geradezu  ausgeschlossen, 
gegen  sie  tritt  Jahwe  im  Weltgericht  nicht  als  Zeuge,  d.  h.  Ankläger,  auf, 
sondern  gegen  die  Heiden,  vgl.  Zph  3  8  (s.  Stade  ZATW  1903,  163  und  die 
Erklärung  dieser  Stelle).  dV^  (durch  die  späte  Interpolation  im  Text  des 

Königsbuches  IReg  22  28  bezeugt,  vgL  LXX,  wo  der  Zusatz  noch  fehlt)  statt 
DD^S  und  ns^D  statt  ^^h^  ist  bei  solchen  Erweiterungen  der  Anrede  häufig,  vgl. 
Jes  22  16  47  8  54 1  und  s.  zu  Ob  v.  3,  ausserdem  auch  König  Syntax  §  3441. 
"'J'l«  ist  wie  oft  in  den  Text  geratenes  Kere  für  das  folgende  T]\n\  Der 

heilige  Tempel  Gottes  ist  hier  wie  z.  B.  Jes  63  1 5  im  Himmel  gedacht,  vgl.  iy_^ 
V.  3;  ob  das  auch  Michas  Vorstellung  war,  ist  die  Frage.  3 f.  Jahwes 

Anklage  zeigt  sich  im  Gericht,  das  er  über  die  Welt  halten  wird;  von  diesem 
selber  ist  zwar  in  v.  3 f.  nicht  die  Rede,  sondern  nur  von  Jahwes  Erscheinen  zu 
demselben.  Denn  siehe  Jahwe  Zieht  aus  von  seiner  Stätte  seil,  seinem  himm- 
lischen Tempel,  vgl.  v.  2  und  s.  Hos  5  i5,  Kommt  herab  und  schreitet  Über  die 
Höhen  der  Erde;  zu  flS'^niDin-^j;  r^y\  vgl.  Dtn  33  29  Am  4  i3,  beides  späte 
Stellen.  4  Die  gewaltigen  Veränderungen,  die  Jahwes  Erscheinen  zum 

Weltgericht  auf  Erden  herbeiführt,  werden  mit  den  Bildern  der  Verheerung 
eines  fürchterlichen  Gewitters  geschildert:  Und  es  %erschmel%en  die  Berge 
unter  seinem  Schritt  Und  die  Thäler,  sie  spalten  sich.  Wie  Wachs  vor  dem 
Feuer,  Wie  Wasser,  ausgeschüttet  an  einem  Abhang.  Eine  Umstellung  der 
beiden  mittleren  Zeilen  (Nowack)  ist  unnötig;  es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
die  dritte  zur  ersten  und  die  vierte  zur  zweiten  gehört.  VgL  zum  Inhalt  Jdc  5  5 
Jes  63  19  Hab  3  6,  zu  dem  Hoph.  D^^IJD  das  Hiph.  v.  6. 

2.  Das  Gericht  über  Samarien  und  Jerusalem  I  5—16. 

Obschon  Micha  von  dem  Gericht  über  Samarien  ausgeht,  liegt  ihm  hauptsächlich 
an  der  Weissagung  des  Gerichts  über  Jerusalem.  Beide  sind  ihm  „nur  zwei  Akte  desselben 
Gerichts"  (Kowack).    Die  Frage  aber  ist,  ob  Samarien  noch  nicht  zerstört  war,  als  Micha 


\ 


Mch  1  5  2(;7  Mch  1  6 

mit  seiner  W(!issagung  über  Jerusalem  hervortrat,  alßo  ob  der  Zusammenhang  des  Schick- 
sals Jerusalems  mit  dem  Samariens  Micha  schon  aufging,  als  Samariens  Ende  hervorstand, 
oder  erst  unter  Sanherib,  als  die  Gefahr  an  Jerusalem  herantrat.  Das  letztere  wird  an- 
zunehmen sein,  da  Micha  sonst  überall  nur  .luda  vor  Augen  hat;  da  aber  doch  sich  die 
Prophetie  an  Samarien  nicht  als  Schilderung  der  Vergangenheit  verstehen  lässt  (vgl. 
^nttl^],  'ri"]in],  n^^x  v.  6),  ho  wird  man  mit  Cornill  daran  zu  denken  haben,  dass  721  Sama- 
rien  wohl  erobert,  aber  nicht  zerstört  wurde,  also  dass  gar  wohl  Micha  um  701,  wie  San- 
herib heranrückte,  mit  der  völligen  Zerstörung  Samariens  drohen  und  Jerusalem  die 
Deportation  seiner  Einwohner  ankündigen  konnte.  Dann  ist  das  Datum  der  Wirksamkeit 
Michas  olme  Frage  die  Kegierungszeit  Hiskias  und  nicht  nur  Jotham,  sondern  auch  Alias 
in  der  Überschrift  v.  1  unrichtig.    S.  ferner  Einl.  II  1. 

Die  Worte  Michas  sind  nicht  intakt  auf  uns  gekommen;  denn  in  v.  5-16  sind 
mancherlei  Vermehrungen  des  ursprünglichen  Textes  zu  erkennen.  Stade  nennt  v.  b^  „eine 
ziemlich  ungeschickte  redaktionelle  Naht",  Wellh.  bezeichnet  v.  9-16  (wohl  einzuschrän- 
ken auf  V.  10-15)  als  eine  „Kapuzinade",  allerdings  ohne  die  Verse  Micha  abzusprechen. 
Zu  diesen  beiden  sekundären  Stücken  ist  als  drittes  v.  7.  die  Bedrohung  der  Götzenbilder 
Samariens,  zu  gesellen.  Lässt  man  diese  Stücke  weg,  so  bleibt  in  v.  5*^  6  8  9  16  ein  an- 
nehmbarer Zusammenhang,  der  sich  auch  formell  als  Klage  des  Propheten  über  das  Un- 
glück seines  Volkes  durch  die  Anwendung  des  Kinarhythmus  zu  erkennen  giebt. 

5^  giebt  sich  als  „redaktionelle  Naht"  zwischen  v.  2-4  und  v.  5^ff. 
schon  durch  das  allgemeine  ^^^'t■^^,  das  ganz  unbestimmt  bleibt,  da  ja  in  v.  2-4 
nur  von  dem  Erscheinen  Jahwes,  noch  nicht  vom  eigentlichen  Gericht  ge- 
sprochen ist,  zu  erkennen.  Die  ganze  Naht  ist  aber  auch  abgesehen  von  n^^'r^^ 
nur  aus  Wörtern  und  Begriffen  von  y.  5*^  zusammengesetzt.  Über  die  sachliche 
Verschiedenheit,  die  die  Einschränkung  auf  Israel  und  Juda  gegenüber  v.  2-4 
bedeutet,  vgl.  die  Vorbemerkung  zu  v.  2-4.  Für  niNtsnn^  1.  mit  LXX, 

Targ.  ns^nn^i. 

5^  die  Einleitung  der  Klage:  Wer  ist  die  Missethat  Jakobs?  Ist's  nicht 
Sarnarien?   We?'  ist  die  Sünde  Judas?    Ist's  nicht  Jerusalem?    Für  ni^S  ist 

T 

mit  den  alten  Versionen,  nstSH  zu  lesen,  das  auch  der  Redaktor  von  v.  5^  hier 
noch  vorgefunden  hat,  s.  auch  Textkrit.  Erläuterungen  bei  Kaützsch;  aber  mit 
der  Sünde  Samariens  und  Judas  ist'  nicht  der  Götzendienst  oremeint,  wie  bei 
Kaützsch  (Übersetzung)  falsch  expliziert  wird.  Es  sind  ganz  andre  Sünden, 
die  Micha  Cap.  2  f.  Jerusalem  vorwirft,  und  v.  7  ist  spätere  Interpolation  (s.  zu 
V.  7).  Unrichtig  ist  die  Änderung  von  ''p  in  Hlp ;  Micha  fragt  hier  nicht  nach 
den  einzelnen  sündigen  Thaten,  sondern  nach  dem  Herde  der  Sünde.  Die 
Hauptstädte  sind  das  Verderben,  von  ihnen  geht  die  Missethat  aus.  Gerade 
im  Munde  Michas,  der  aus  der  Provinz  stammt,  ist  ein  solches  Urteil  verständ- 
lich; vgl.  auch  Jeremias  Beurteilung  der  Hauptstadt  Jer  5 f.  6,  die  Strafe 
Samariens:  So  mach'  ich  denn  Samarien  %um  Felde,  Zu  Anlagen  für  Wein- 
berge Und  stür%e  seine  Steine  ins  Thal  Und  seine  Grundmauern  leg'  ich  bloss. 
Statt  nn'^n  ^j;^,  =  zu  Trümmern  des  Feldes,  das  nicht  verständlich  ist  und  zu 
dem  Schlüsse  der  Zeile  wenig  passt,  lese  ich  Tr\^\,  zum  Felde;  Samarien  soll 
wie  Jerusalem  zum  Ackerfelde  werden  vgl.  3  l2^  "«j;^  sehe  ich  für  in  den  Text 
geratene  Glosse  aus  3  12  an,  die  Samarien  keinen  Vorzug  vor  Jerusalem  lassen 
wollte.  Den  sollte  es  auch  für  Micha  nicht  haben;  was  er  Samarien  droht,  ist 
so  schlimm,  wie  was  Jerusalem  erfahren  soll:  beide  sollen  als  Städte  ver- 
schwinden.  Mit  dem  iTrojpocpoXaxiov,  der  Obstwachhütte  (specula,  quam  custodes 


Mch  1  6  268  Mch  1  9 

satorum  et  pomorum  habere  consueverunt  s.  bei  Rtssel)  der  LXX  für  '^J^^  ist 
kein  sicherer  Text  und  kein  guter  Sinn  zu  gewinnen  und  71  IJj;;^  (so  Wellh. 
und  Nowack)  schwerlich  besser  als  Tl  ^]fh,  da  der  Gegensatz  zu  einem  Stadt- 
wald unverständlich  bleibt.  DID  '^J^tSt?'?,  %u  Anlagen  für  Weinberge^  mochte 
sich  der  fruchtbare  Hügel,  auf  dem  Samarien  lag,  nach  dem  Verschwinden 
der  Stadt  sehr  wohl  eignen,  vgl.  Jes  28  i-4;  zugleich  liegt  in  dieser  Aussage 
die  Ankündigung  definitiver  Zerstörung.  Zu  v.  6^  vgl.  Ps  137  7  und 
JosEPHUS  Antiqu.  XIII  10  3. 

7,  eine  Interpolation;  sie  verrät  sich  schon  dadurch,  dass  sie  die  Zer- 
störung der  Götzen  erst  der  Zerstörung  der  Stadt  folgen  lässt.  Dann  wussten 
die  Späteren  überhaupt  weit  mehr  von  den  Götzen  Samariens  zu  berichten  als 
die  frühere  Zeit,  vgl.  Jes  10  lof.  (sekundäre  Stelle)  und  zu  Jes  27  9f.;  Samarien 
galt  ja  den  Juden  nach  dem  Exil  als  von  Jahwe  abgefallen.  Endlich  wird  der 
Prophet  doch  nicht  über  die  Vernichtung  der  Götzen  weinen;  y.  8  schliesst 
sich  also  nur  an  y.  6  an.  Zu  dem  Verbrennen  der  Götzen  im  Feuer,  wie 
es  das  Gesetz  Dtn  7  5  25  verlangt,  vgl.  bes.  I  Chr  14  12  neben  der  Parallelstelle 
II  Sam  5  21.  Zwischen  n*'^*'??,  ihre  Schnitzbilder,  und  n^'I^X^,  ihre  Götzen- 
bilder, passt  n''5?0?  nicht  gut,  man  erwartet  statt  Buhlerlohn  ein  drittes  Wort 
für  Götzen  oder  etwas  Ahnliches;  Wellh.  hat  wohl  mit  dem  Vorschlage, 
n'i'l^'tj,  ihre  Ascheren,  zu  lesen^  recht,  vgl.  Jes  17  7f.  (späte  Stelle)  27  9  II  Chr 
14  2  4  34  4  7.  Zu  dem  aramaisierenden  Hoph.  ^T\'T  von  r\T\2  vgl.  Ges.- 
Kaützsch27  §  67g.  Für  H^Sj?,  dem  das  Objekt  fehlt,  liest  man  besser  nach 
Targ.,  Pesch.,  Vulg.  mit  Wellh.,  Nowack  ^^^p  sie  sind  zusammengebracht. 
Übrigens  ist  der  Schlusssatz  nicht  leicht  zu  verstehen,  wenn  die  Götzen  alle 
zerschlagen,  verbrannt  und  zerstört  sind,  die  vom  Ertrag  des  Gewerbes  der 
Kedeschen  (s.  zu  Dtn  23  isf.)  angeschafft  sind.  Das  Zerstören  ist  doch  nicht 
ein  n^lt  ]5n^"lj;  lltS^.  Soll  der  Gedanke  von  y.  7^  vergessen  und  bloss  gesagt 
werden:  die  kostbaren  Bilder  fallen  den  Feinden  anheim  und  werden  von 
diesen  wieder  zu  der  Unzucht  verwendet,  der  sie  den  Ursprung  verdanken? 
Oder  steckt  etwa  der  Sinn  darin,  dass  sie,  wie  sie  aus  Schande  entstanden, 
eben  durch  die  Vernichtung  zu  Schanden  werden  sollen  ?  Vgl.  einen  ähnlichen 
Gedanken  Jes  30  22. 

8,  die  tiefe  Klage  des  Propheten  über  das  Verderben,  das  Samarien  er- 
leidet: Darüber  will  ich  klagen  und  heulen  Und  barfuss  und  nackt  einher- 
gehen.  Will  ein  Klagen  anstimmen  wie  die  Schakale  Und  ein  Jammern  wie 
die  Strausse.  Dass  nsr^J?,  darüber,  sich  nicht  auf  y.  7,  sondern  nur  auf  y.  6 
beziehen  kann,  ist  schon  zu  y.  7  bemerkt.  Ein  Absatz  ist  vor  v.  8  nicht  ange- 
bracht, Y.  8  schliesst  sich  eng  an  y.  6  an.  Zu  der  ungewöhnlichen  Plene- 
skription  in  nD^"^«  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  69b  Note  1;  für  bb"^^  1.  mit  Kere 
^^Iti^  ==  ausgezogen,  barfuss  \  das  ßarfussgehen  wie  das  blosse  Tragen  der 
nihS  ist  Zeichen  der  Trauer,  vgl.  Jes  20  2  und  II  Sam  15  30.  Das  Ge- 
heul der  Schakale  und  Strausse  dient  auch  Hi  30  28 f.  als  Bild  für  das  Schreien 
der  Trauernden.  9  Der  Grund,  warum  ihn  Samariens  Geschick  so  tief 
traurig  macht,  liegt  darin,  dass  damit  auch  Jerusalems  Verderben  zusammen- 
hängt :  Denn  unheilbar  ist  sein  Schlag;]  Ja,  er  reicht  bis  Juda,  Er  trifft  bis 


Mch  1  9  269  Mch  1  10 

i7is  Thor  meines  Volkes,  Bis  nach  Jerusalem.  Nach  LXX  und  Pescli.  ist  mit 
Wellh.  und  JNowACK,  nnsö,  Ihr  Schlaf/,  der  Schlag,  der  sie  trifft,  für  den  Plur. 
n*'ril2D  zu  lesen,  weil  vorher  und  nachher  der  Singular  steht;  zu  ntf^^itj,  unheil- 
bar,  lölllch^  vgl.  Jer  15  18.  Statt  des  gewöhnlich  unpersönlich  gefassten 
5^5}  liest  man  am  besten  nach  Pesch.  Targ.  mit  Wellh.  und  Nowack  auch  hier 
das  Femininum  HJJ^J.  Die  Perfecta  drücken  die  lebhafte  Gewissheit  des  Pro- 
pheten aus:  Die  Zukunft  ist  vor  seinem  Auge  schon  Wirklichkeit.  Bei  Thor 
ist  hier  nicht  an  die  Thüren,  die  zum  Schutze  der  Leute  dienen,  gedacht, 
sondern  an  den  Marktplatz,  wo  sich  die  öffentlichen  Angelegenheiten  ab- 
spielen; dieses  Gentrum,  diesen  Mittelpunkt  alles  Lebens  Judas  bildet  Jerusa- 
lem; wir  würden  also  sagen:  der  Schlag  trifft  ins  Herz  meines  Volkes,  ""j; 
D'^^n'^  ist  in  keiner  Weise  mit  Wellh.,  Nowack  und  Sievers  als  Glosse  zu 
verdächtigen;  vielleicht  ist  sogar  zur  Überleitung  auf  die  Fortsetzung  v.  16 
^\  "?jn3i>  ^^^  ^^  dir  Jerus.^  zu  lesen. 

10 — 15  bereitet  der  Erklärung  die  grössten  Schwierigkeiten.  Nur  soviel  ist  deut- 
lich, dass  in  dem  Abschnitt  eine  Keihe  von  Wortspielen  vorliegt,  zu  denen  eine  Anzahl 
von  Ortsnamen  verwendet  wird.  In  Rücksicht  auf  diese  Eigentümlichkeit  der  Form  kann 
man  die  Bezeichnung  „Kapuzinade"  (Wellh.)  für  den  Abschnitt  verstehen,  aber  man 
darf  damit  nicht  den  Begriff  des  Lächerlichen  verbinden;  denn  den  ganzen  Passus  be- 
herrscht die  Absicht,  die  Schwere  des  Unglücks  und  die  Grösse  der  Trauer  Judas  zu 
schildern.  Immerhin  hat  man  das  Gefühl,  dass  nicht  aus  dem  unmittelbaren  Schmerz 
diese  Spielerei  mit  den  Namen  geboren  sei,  sondern  dass  sich  ein  Späterer  bemüht  habe, 
die  Übereinstimmung  von  Namen  und  Schicksal  zur  Ausmalung  der  vom  Propheten  ge- 
weissagten unglücklichen  Lage  hervorzuheben.  Im  Namen  steckt  ein  Omen,  diese  An- 
schauung liegt  der  Ausführung  zu  Grunde.  Trotz  allem  Ernst  lässt  sich  jedoch  die  Künst- 
lichkeit dieser  Namenspielerei  nicht  verkennen.  Darum  wird  der  Passus  sowenig  Micha 
zuzuschreiben  sein,  wie  die  ähnlichen  in  Jes  10  27*^-32  und  Am  5  5*^  den  Propheten  Jesaja 
und  Arnos  (vgl.  zu  Jes  10  27*^-32  und  zu  Am  5  5^).  Dieses  Urteil  sekundärer  Herkunft 
von  V.  10-15  wird  auch  sonst  bestätigt,  so  durch  den  Gebrauch  von  ^^^}^\  als  Bezeichnung 
für  Juda  in  v.  13-15,  sowie  durch  den  Widerspruch  von  v.  13  gegen  v.  5*^  (s.  zu  v.  13). 
Im  Einzelnen  bleibt  manches  unklar;  die  Anspielungen  sind  oft  nicht  mehr  recht  zu 
durchschauen,  sie  waren  es  wohl  auch  nicht  immer  für  die  alten  Abschreiber  und  deshalb 
ist  der  Text  vielfach  unheilbar  verdorben.  Wenn  bisweilen  auch  in  v.  10-15  der  Kina- 

rhythmus  durchscheint  (s.  v.  13  14  15),  so  -ist  das  nur  der  Beweis,  dass  sich  der  Interpolator 
an  das  Metrum  des  Abschnitts  gehalten  hat,  dem  er  seine  Worte  einzuverleiben  wünschte. 

10  beginnt  der  Interpolator  mit  einem  Citat  aus  II  Sam  1  20,  wohl  um 
die  von  Micha  prophezeite  Katastrophe  mit  der  Katastrophe  am  Gilboa  zu 
vergleichen.  Übrigens  passt  21?  wenig  zu  den  judäischen  Städten,  die  nachher 
genannt  sind.  Wellh.  und  Nowack  trennen  daher  das  Sätzchen  von  der  Aus- 
führung V.  10-15  als  fremden  Bestandteil  ab.  Andre,  Elhoest  und  Wincklee, 
suchen  unter  Vergleichung  von  LXX  resp.  Pesch.,  die  ^b^^^^P^  resp.  ^i^'^^ri  ge- 
lesen zu  haben  scheinen,  durch  Konjektur  zu  helfen:  ^l^'^^H'^J??  '^J'???  =  5?in  Grilgal 
jubelt  nicht";  dann  müsste  man  annehmen,  dass  Gilgal  als  Stätte  des  Jubels, 
etwa  eines  dort  geübten  Freudenkultes,  hier  in  Betracht  käme.  Cheyne  liest 
mit  ebenso  viel  Recht  H^IIS,  in  Giloh,iiiY  b^h^::i.  ^^2r\'bt^  1D2,  weinet,  weinet 

nicht!,  ist  ebenfalls  unklar;  die  gewöhnliche  Änderung  von  13^  in  13H121,  in 
AIcko,  nimmt  eine  zweite  Philisterstadt  an,  was  ebenso  unwahrscheinlich  ist, 
wie  nj  in  v.  10**.   Die  Vermutung  ü'^DiiB,  in  Bokim  oder  in  Bekaim  (s.  Jdc  2  1  5), 


Mehl  10  270.  Mch  1  11 

für  1:d|  wird  von  Winckler  und  Wellh.  empfohlen:  ersterer  lässt  im  übrigen 
den  Text  unverändert  und  findet  in  dem  Sätzchen  die  Aufforderung,  in  Bokim 
den  Kult  mit  Klagegesängen  (vgl.  Gen  35  8)  einzustellen,  wie  in  Gilgal  den 
mit  Freudenjubel;  letzterer  hält  h^  für  fälschlich  aus  dem  ersten  Gliede  herein- 
gekommen und  liest  natürlich  den  Impera.  O^  für  ^^DH,  sodass  er  übersetzen 
kann:  Weint  in  Bekaim!  Alles  bleibt  ungewiss,  selbst  die  Berufung  auf  die 
LXX  für  diese  Emendation  ist  gefährlich,  denn  die  LA  sv  Baxsifx  in  einem 
Codex  am  Rande  und  in  Syrohex.  kann  bloss  auf  eine  durch  Vergleichung 
des  hebr.  Textes  hervorgerufene  Änderung  des  gewöhnlichen  Evaxsijx  =  sv 
Axsi([x)  zurückgehen  (Nowack).  Besser  lässt  sich  y.  lo^  verstehen,  wenn 

man  mit  LXX  etc.  den  Impera.  Plur.  w\^T\T\  (Kere:  Sing,  fem.;  Ketib:  1.  pers. 
Sing,  mit  Anspielung  auf  die  Philister)  liest.  Das  Sich  wälzen  im  Staube  ist 
Zeichen  der  Trauer,  vgl.  Jer  25  34,  ferner  Jer  6  26  Hes  27  30  und  II  Sam  13  19. 
Beth  le-Aphra^  d.  h.  Staubhausen^  ist  sonst  nicht  bekannt,  gewöhnlich  identi- 
ficiert  man  es  mit  HIDj;  in  Benjamin  Jos  18  23,  Buhl  denkt  zweifelnd  an  Beto- 
gabra  (Eleutheropolis) ,  das  aber  aram.  «in?  n^?  (ZDPV  1878,  224f.)  lautet, 
Gr.  A.  Smith  findet  einen  Anklang  an  den  Namen  in  Wadi  el-Ghufr  südlich 
von  Eleutheropolis.  Die  beiden  letzten  Lagen  passten  besser  zu  den  nachher 
genannten  Ortschaften.  Ob  b  vor  Hlöj;  nicht  ein  Schreibfehler  ist,  darf  man 
jedenfalls  fragen,  so  Encycl.  Bibl.  Art.  Aphrah.  Ookt  vermutet  nicht  übel 
1Dj;n  niDy  für  153;  nisj;/.  Grössere  Textverderbnis  nimmt  Wincklee  (Alt- 
orient. Forsch.  I  103)  auch  hier  an:  n*]Dj;  gilt  ihm  als  Dittographie  des  folgen- 
den nsj;  und  h  als  der  Rest  von  ^«,  so  liest  er  wS^T\r\  IDj;  ^«-n^n!l=  „inBethel 
wälzt  euch  im  Staube",  verliert  dabei  das  Wortspiel,  aber  gewinnt  zu  seinem 
Gilgal  und  Bokim  (Bekaim)  als  drittes  das  nahe  gelegene  Bethel.  11  ist 

nicht  verständlicher  als  v.  10.  Das  grammatisch  unmögliche  DD^  ^i^rij?  (2.  pers. 
fem.  Sing,  mit  2.  pers.  masc.  Plur.!)  giebt  LXX  mit  xaxa  ysXwia  ujxaiv  wieder, 
wie  n"JDj;b  V.  10,  und  zieht  es  zu  y.  10.  Damit  ist  jedoch  nichts  geholfen,  nur 
aufs  neue  bewiesen,  wie  unsicher  der  Text  ist.  Die  vorgeschlagenen  Konjek- 
turen befriedigen  nicht;  Elhoest  liest:  n^SH  ^^^  'ti^  "^  DDb  Hinj;  N^,  aber  w^as 
soll  es  heissen:  „nicht  ist  an  euch,  ihr  Städte  der  Schande,  die  Bevölkerung 
von  Schaphir  vorübergegangen"?  Nicht  viel  besser  wäre  es,  wenn  etwa  gelesen 
würde:  Hti^l'iTpJ;  TDtJ^  ^^^l**  ^^  ''"!?5?  =  j^g^he  doch  vorüber,  Bevölkerung  von 
Seh.,  gehüllt  in  Schande".  Zudem  bietet  LXX  n^2  nicht  und  liest  nnx^  viel- 
mehr n'^nj;  Ta?  TToXeic;  auxYjc.  Soviel  bleibt  sicher,  dass  ni2^n"<T1j;  schwerlich  „in 
schmachvoller  Blosse"  übersetzt  werden  darf,  wobei  man  den  Ausdruck  aus- 
legt =  Entblössung,  welche  Schande  ist.  Vielleicht  ist  mit  Sieyers  n^*2  als 
Dittographie  des  vorausgehenden  HDti^V  zu  erklären  und  H'^lj;  zum  folgenden 
Sätzchen  zu  ziehen.  Zur  Konstruktion  wäre  Gen  44  4  etc.  zu  vergleichen, 
wenn  man  dann  nicht  lieber  HTJ^D  lesen  wollte.  "i**?^?  LXX  xaX(j5;,  also 

etwa:  Schönstadt ^  identificiert  man  mit  Sawäfr^  östlich  von  Askalon. 
Das  "Wortspiel  in  v.  11^  zwischen  T\)^V  und  ]i«^  ist  deutlich;  der  Sinn  ist  wohl: 
aus  Furcht  vor  dem  Feinde  wagt  Sdanan  sich  nicht  aus  der  Stadt  hinaus, 
p«?,  etwa:  Marschstadt^  ist  vielleicht  identisch  mit  )}:^,  das  nach  Jos  15  37  in 
der  Schephela  lag.  Die  Lage  von  ^!^^?n  n'^5  (zu  dem  fraglichen  Nomen 


I 


Mch  1  11  271  Meli  1  14 

loci  ^^«  Sacli  14  5  s.  dort)  ist  j^^anz  unl)ekaiint,  die  Richtigkeit  des  Textes  der 
zwei  letzten  Worte  sehr  fraglich  (vgl.  LXX  e$  ujküv  nXriY/^v  6ouvy|;,  viell.  = 
nilD  n???,  sodass  äS  ufxüiv  eine  Dublette  zu  TrXrjYriv  wäre,  so  Wellh.)  und  der 
Sinn  des  ganzen  Sätzchens  nicht  zu  erraten.  Ooht  liest  mit  leichter  Ände- 
rung nmöl^D  00i?^  also:  die  Klage  von  Beth  ha-Esel  nimmt  sie  (seil,  wohl: 
Beth  ha-Esel)  weg  von  ihrer  Stelle.  12  ^^^b  rhu  bedeutet  nicht  beben  um 

sein  Ueil\  man  lese  mit  Wellh.,  Nowack  Dlto^  n'jn";  ^^  (n^H"*?  ist  entstanden 
aus  falscher  Haplographie  von  "«j,  so  gewinnt  man  doch  einen  Sinn:  Auf  Gutes 
harren  die  Beirohner  von  Marot,  dieses  Harren  ist  ja  schon  an  sich  wider- 
sinnig: wie  (vielleicht  ist  HD  ==  wie!  für  ''?  zu  lesen)  kann  Marot  (d.  i.  =  BiUer- 
lingen)  auf  Gutes  hoffen!,  aber  noch  weit  Schlimmeres  als  das  für  Marot  sich 
geziemende  Bittere  ist  gekommen:  Unheil  fährt  herab  von  Jahwe  sogar  auf 
die  Thore  (1.  mit  LXX  ''']?ti^)  Jerusalems.  Zu  den  korrespondierenden  "^3  ♦  ♦  ♦  "^2 
vgl.  "^p^  ♦  ♦  ♦  ♦  "»s  Hos  5  7  Jes  65  16.  nl1?p  ist  eine  völlig  unbekannte  Ortschaft. 
In  13  ist  die  Paronomasie  zwischen  ti^'''?'j,  dem  heutigen  Teil  el-  last  (s.  zu  Jes 
36  2),  und  ti^D"!  deutlich:  vielleicht  hat  der  Autor  den  Namen  Lachisch  auch 
etymologisch  mit  ^y]  zusammengebracht  und  aus  diesem  Zusammenhang  er- 
schlossen, dass  Lachisch  eine  der  königlichen  Wagenstädte  war  vgl.  I  Reg 
10  26.  Weiter  war  ihm  dann  aus  der  Lektüre  der  Propheten  (z.  B.  Jes  30  16) 
bekannt,  dass  das  Vertrauen  auf  Wagen  und  Rosse  eine  Hauptsünde  Israels 
war,  vgl.  dazu  auch  im  Anhang  zu  Hosea  Hos  14  4.  Aus  Kombination  der 
Etymologie  mit  dieser  Beurteilung  der  alten  Zeit  konnte  er  zu  der  Aufforde- 
rung von  V.  13  an  Lachisch  kommen:  Bespanne  (Dn*|  Stt.  Xsy.  ist  allerdings  un- 
sicher, viell.  als  infin.  absol.  =  Impera.  zu  punktieren,  wenn  nicht  in  "»Dni  zu 
verbessern;  LXX  66cpo?  scheint  ]1Dn  gelesen  zu  haben)  die  Wagen  mit  Rossen, 
natürlich  zur  Flucht,  zum  Kampf  ist  es  zu  spät;  das  ist  der  Anfang  der  Sünde 
für  Zion  =  damit  hat  die  Sünde  Zions  ihren  Anfang  genommen  vgl.  Hos 
144;  ja  i?2  dir  fanden  sich  die  Sünden  Israels,  eben  die  Wagen  und  Rosse. 
An  Lachisch  als  den  Sitz  eines  besonders  unzüchtigen  Kultus  ist  nicht  zu 
denken;  ^«lli^l  ist  schon  hier,  wie  y.  i4f.  nach  dem  späteren  Sprachgebrauch  = 
Juda,  s.  die  Vorbemerkung  zu  v.  io-i5.  Auch  dass  das  Centrum  oder  doch 
der  Ausgangspunkt  der  Sünde  Zions  nach  Lachisch  verlegt  wird,  spricht 
gegen  die  Herkunft  dieser  Verse  von  Micha,  der  y.5^  andre  Centren  der  Sünde 
kennt.  14  Die  Bestimmung  der  hier  angeredeten  Person  bereitet 

Schwierigkeiten.  Lachisch  kann  nicht  mehr  angeredet  sein,  wie  y.  13,  ihm  ge- 
hörte Moreset  nicht;  es  kann  beim  gegenwärtigen  Text  nur  an  Zion  gedacht 
werden,  besser  aber  wäre  die  Anrede  an  Moreset  selbst  (so  Wellh.),  dann  wird 
man  ^i^n^^  und  T^V  zu  lesen  haben.  Moreset  Gath  erhält  den  Abschied,  ü^r\^bp, 
bes.  das  Entlassungsgeschenk  für  die  heiratende  Tochter  I  Reg  9  16.  Das 
Wortspiel  steckt  in  n^lID,  das  mit  ni^n«D,  =  Verlobte  Dtn  22  23,* sehr  ähnlich 
klingt,  und  der  Sinn  ist:  Moreset  geht  für  Israel  verloren.  Die  Lage  von 

Moreset  Gat,  offenbar  Geburtsstadt  des  Propheten  Micha  s.  zu  1  i,  zu  be- 
stimmen, ist  noch  nicht  gelungen,  nach  der  Beifügung  Gat  lag  es  in  der  Nähe 
von  Gat,  nach  Eusebius  östlich  von  Eleutheropolis.  ^"^l?^?  nach  Jos  15  44 

eine  Stadt  im  Stamme  Juda  in  der  Gegend  von  Eleutheropolis,  täuscht  die 


Mch  1  14  272  Mch  2  l 

Hoffnungen  der  Könige  Israels  (vgl.  v.  i3),  wie  ein  ^]^^,  Lügenbach,  der  im 
Sommer  kein  Wasser  führt,  den  dürstenden  Wanderer  vgl.  Jer  15  18.  15 

Der  Anfang  ist  ganz  unsicher;  die  erste  Person  "^5«  (=  ^^U«)  ist  auffallend,  da 
in  der  Interpolation  v.  10-15  Jahwe  in  der  3.  Pers.  erscheint  vgl.  v.  12,  wenn 
dort  nicht  ''HJ^ö  zu  lesen  ist.  In  ti^"l^n  muss  das  Wortspiel  zu  Hti^^llJ  liegen,  daher 
ist  es  kaum  nom.  propr.;  gut  klingt  %u?n  Erobere?'  an  ti^lSD'lj;,  zu  einem^  der 
sich  mit  dir  verlobt  an  (so  liest  Cheyne  geradezu  den  Text).  Liest  man  1J^^ 
so  darf  man  nicht  "^^  als  direktes  Obj.  fassen:  „bis  ....  bringe  ich  dich" 
(NowACK);  für  diesen  Sinn  hat  man  "^""2^  „ich  geleite  dich"  herzustellen,  das 
zur  „Verlobung"  resp.  „Heirat"  aufs  beste  passt.  Behält  man  ^))  bei  (trotz 
"ly  in  V.  15''),  so  kann  man  viell.  übersetzen:  noch  bringe  ich  euch,  ihr  Bewohner 
von  Mare^ciy  den  Eroberer.  HC^*]?  =  n^^SID  Jos  15  44,  ist  das  heutige 

chirbet  Merosch  1  72  km  sw.  von  Eleutheropolis.  Bis  Adullam  kommt 

Israels  Herrlichkeit  bleibt  unverständlich;  darf  man  viell.  lesen:  D^'^IX^'^iy,  an 
die  Unbeschnittenen  geht  über  die  H.  Israels  seil,  der  reiche  Besitz  Israels. 
Andre  haben  sich  anders  geholfen:  Elhoest:  D^lg  rinc^V  fc^in;  dVj;""])?  =  „Die 
Bewohner  von  Adullam  kommen  zu  ihrem  Joch",  aber  der  mascul.  Sing.  ^^1I}J 
zwischen  dem  masc.  Plur.  und  dem  femin.  Sing,  geht  doch  nicht  an;  Cheyne 
liest  jetzt  bloss  D''^iS!DnT  für  D^IJ^.,  früher  vermutete  er  besser:  ^n«''  D^1j;""lj; 
^^^\  1D3  auf  immer  geht  %u  Grunde  die  H,  L 

16,  Fortsetzung  von  v.  9  und  Schluss  der  Wehklage  des  Propheten:  Auf- 
forderung an  Jerusalem  zu  trauern  über  den  Verlust  seiner  Bewohner.  Schere 
dich  glatt  und  kahl  ob  deiner  Kinder  Ob  deiner  Lieblinge,  Mach'  dir  eine 
Glatze  so  gross,  wie  die  eines  Geiers,  Denn  sie  ziehen  weg  von  dir.  Zum 
Scheren  des  Haares  als  Zeichen  der  Trauer  vgl.  Am  8  10.  Vor  *'^!J"^J/  scheint 
'JJ'ji?"^!^  ausgefallen  zu  sein.  Zu  l^'J,  dem  kahlköpfigen  (reier  (Gyps  fulvus) 

s.  GuTHE  KBW  20I.  Das  Perfectum  ^\  (vgl.  die  Perfecta  v.  9)  steht,  um 

die  Gewissheit  der  Wegführung,  selbst  der  Lieblingskinder,  der  Bewohner 
der  Hauptstadt,  auszudrücken;  Jerusalem  ist  ja  der  Herd  der  Sünde  v.  5^ 

3.  Die  Habgier  der  Grossen  und  die  Strafe  für  dieselbe  2  1-5. 

Mit  Cap.  2  beginnt  die  Begründung  der  Wehklage  des  Propheten  über  den  drohen- 
den Untergang  Jerusalems  in  15^  6  8  915.  Nacheinander  werden  die  verschiedenen 
Sünden  der  Führer  und  Leiter  des  Volkes  beschrieben  und  dafür  die  entsiDrechenden 
Strafen  angekündigt,  bis  schliesslich  das  letzte  Prophetenwort  (3  9-12)  die  völlige  Zer- 
störung Jerusalems  als  unausweichliche  Folge  des  schlimmen  Treibens  hinstellt. 

Das  erste  Prophetenwort  2  1-5  wendet  sich  gegen  die  Habgier  der  Grossen  und 
droht  ihnen  mit  dem  Verlust  ihrer  sämtlichen  Güter.  Sekundär  ist  in  diesem  Abschnitt 
ausser  kleineren  Glossen  sicher  v.  5,  wahrscheinlich  auch  v.  4  (s.  unten).  Der  alte  Be- 
stand umfasst  drei,  eventuell  vier  Strophen,  die  man  als  Vierzeiler  mit  ungleich  vielen 
Hebungen  (drei  in  den  ungeraden,  zwei  in  den  geraden  Zeilen)  oder  als  Distichen  im 
5inarhythmus  bezeichnen  kann. 

1  Weh  denen,  die  Arges  sinnen  Auf  ihren  Lagern,  Die  im  Licht  des 
Morgens  d.  h.  natürlich:  sobald  es  Tag  ist,  es  ausführen.  Da  sie  die  Macht 
dazu  haben,  J^l  ^^^p^  ist  eine  unbedachte  Glosse  (so  auch  Wellh.  u.  a.);  denn 
auf  ihren  Lagern  fassen  sie  nur  den  Plan  für  Übelthaten  des  folgenden  Tages. 


Mch2  2  273  Mch2  4 

Die  Stille  der  Naclit  ist  die  beste  Zeit  für  das  Nachdenken  im  Guten  und  im 
Bösen,  vgl.  Ps  G3  7  und  36  5.  n^üT  setzt  das  Partie.  '2^n  fort,  vgl.  Am  5  7. 
Über  DT^  ^t?^'ti^J  vgl.  zu  Gen  31  29;  ausser  dort  kommt  diese  Verbindung  noch 
vorDtn  2932Prv  327  Neh  55.  2  Die  Beschreibung  ihres  Sinnens  und  Treibens: 
Die  Felder  begehren  und  sie  rauben,  Häuser  und  sie  nehmen,  Die  den  Herrn  und 
sein  Haus  vergewaltig en.  Den  Mann  und  sein  Erbe,  Vgl.  die  gleichen  Vorwürfe 
Am  3  10  4  1  und  Jcs  5  8.  Diese  Grossen  übertreten  die  Forderung  des  Dekalogs, 
vgl.  zu  n)?n  Ex20i7  Dtn5i8.  Zur  Illustration  dientIReg21,  die  Erzählung  von 
der  Behandlung  Naboths  durch  Ahab  und  Izebel.  Die  Vergewaltigung  trifft 
auch  das  Eigentum,  wenn  es  durch  Unrecht  in  andren  Besitz  kommt  vgl.  Halj  2 1 1. 
3  Die  Strafe,  die  sich  Jahwe  seinerseits  nun  auch  aussinnt,  ist  ein  Unheil,  dem 
sie  nicht  entrinnen  werden:  Darum  so  spricht  Jahioe:  Siehe  ich  sinne  ein  Un- 
heil, Daraus  icerdet  ihr  eure  Hälse  nicht  ziehen,  Noch  darin  aufrecht  einher- 
gehen. T\^^T[  nnö^Dn"'?J^  ist  mildernde  Glosse,  die  das  Unheil  limitiert,  damit 
sich  nicht  Israel  zum  Unheil  für  immer  bestimmt  halte;  vgl.  auch  den  gleichen 
Ausdruck  in  der  ähnlichen  Glosse  Am  3  i  und  in  Jer  8  3.  Ebenso  ist  das  pro- 
saische und  namentlich  nach  indeterminiertem  Nomen  unnötige  ^^^  sekundär 
und  nicht  minder  das  letzte,  doch  nach  dem  übrigen  Inhalt  von  y.  3  völlig 
nichtssagende  Sätzchen  t^^T\  nj;"!  njt  "•?,  das  ganz  gleichlautend  auch  Am  5  13  in 
einer  Glosse  steht.  Über  den  adverbialen  Gebrauch  des  Substantivs 

n^n  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  118q.  4  ist  in  so  verdorbenem  Text  über- 

liefert, dass  man  an  einer  sicheren  Erklärung  verzweifelt.  Mit  der  ersten  Ein- 
leitung: man  wird  über  euch  einen  Spruch  erheben  (vgl.  Jes  14  4  Hab  2  6) 
harmoniert  der  Inhalt  des  Spruches  nicht;  denn  er  bietet  nicht  Worte  dessen, 
der  den  Spruch  erhebt,  sondern  dessen,  über  den  er  erhoben  wird.  Begnügt 
man  sich  mit  der  zweiten  Einleitung:  ein  Klagelied  wird  man  singen  (mit  Ent- 
fernung von  iTHi,  das  aus  Dittographie  des  vorangehenden  Nl^  entstanden  sein 
wdrd),  so  bleibt  immer  noch  der  Wechsel  von  Plural  und  Singular  auffallend: 
einmal  klagen  die  wir  d.  i.  nach  y.  i-3  die  habgierigen  Grossen,  dann  wieder 
in  mein  Volk  und  "h  Jahwe.  Ist  ^^J^.  richtig,  so  kommt  man  auf  die  Vermutung, 
beide  Einleitungen  seien  sekundär  und  der  ursprüngliche  Wortlaut  habe  ein 
Jahwewort  gegeben,  das  in  Fortsetzung  von  y.  3  die  von  Jahwe  ausgesonnene 
7\yr\  beschreibe.  Dann  müsste  allerdings  die  1.  pers.  Pluralis  in  die  2.  ver- 
wandelt, also  n^n  oder  DH^^*:}  für  ^i^^^i  und  D^^^t?^  (vgl.  LXX  oi  aYpol  ojxoiv, 
vielleicht  aber  nur  verschrieben  aus  tj}xd)v)  für  ^lin'^  gelesen  werden;  folgt  man 
dabei  weiter  den  von  LXX  gegebenen  Andeutungen  und  der  von  Stade  u.  a. 
angenommenen  Umstellung  der  beiden  Wörter  ^^Wi  IHl^  an  das  Ende,  so  er- 
hält man  die  metrisch  pas-sende  Strophe:  Der  Besitz  meines  Volkes  wird  ver- 
messen werden,  Niemand  giebt  ihn  zurück;  Den  Wegführ ern^  d.  h.  denen  die 
euch  ins  Exil  führen,  wird  euer  Feld  verteilt,  Völlig  ruiniert  seid  ihr.  Doch 
ist  Y.  3  schon  für  sich  verständlich  und  eine  Ausführung  des  Unheils  ist  nicht 
unbedingt  nötig.  Darum  ist  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  dass  '^öj;  hier 
ebenso  wie  Jes  53  8  (s.  dort)  aus  dem  Suff.  ^^^^  i'esp.  ^^-^^  verdorben  ist.  Dann 
ergiebt  sich  mit  leichten  Änderungen  von  1)?lf  in  ^)^^  von  TD;  in  nD";  (nach  LXX: 
x7.x£jxeTpY)»>y]),  von  Dnii:^^  "h  ^^r^\  in  U^DIti^  '^^'^^  folgende  Strophe: 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  18 


Mch2  4  274  Meli  2  6 

I      rr    \  :  -  T         1  ••  t       :    .        I      - 

Ach/  wie  sind  wir  gänzlich  vernichtet^  Unser  Land  wird  vermessen!  Ach!  wie 
spotten  unsere  i'^ünger,  Unser  Feld  wird  verteilt!  Oder  man  kann  Stade 
(ZATW  1886,  122  f.)  folgen,  der  nach  LXX  'PDn?  hinter  dem  aus  irs:  ver- 
dorbenen TD''  einsetzt  und  Il'^t^D  r«1  für  "h  t^'^'D'^  'V^  liest,  sodass  mit  der  bereits 
erwähnten  Umstellung  (auch  ohne  Beibehaltung  von  "'Dj;,  s.  oben)  ebenfalls 
eine  Kinastrophe  herauskommt: 

•        -        I       -    I       I  V    V     -  -    •  l~    t     V 

\   -    :  T       I     I     -    V  ;  "  T  -  t 

Unser  Land  wird  mit  der  Messschnur  verteilt^  Keiner  glebt  es  zurücky  Unsern 
Fängern  wird  unser  Feld  verteilt,  Wir  sind  gänzlich  vernichtet.   Zu  dem  MT 

vgl.  Übersetzung  und  Bemerkung  bei  Kautzsch.  Auch  wenn  man  so  oder 
anders  eine  Klage  der  jüdischen  Kapitalisten  über  den  Krach,  der  ihnen  den 
Hals  bricht,  in  v.  4  findet,  so  macht  doch  die  doppelte  Einleitung,  selbst  wenn 
man  sie  zusammenfasst  in  den  Sinn:  „dann  wird  man  für  euch  ein  Klagelied 
dichten",  es  höchst  zweifelhaft,  ob  v.  4  irgend  ein  Element  aufweise,  das  auf 
Micha  zurückgehe.  Da  v.  3  sehr  wohl  der  Schluss  sein  kann,  so  darf  man  v.  4 
als  spätere  Zuthat  betrachten,  die  in  einer  Klage  über  die  Art  und  "Weise  des 
Unheils  (HJ^in  v.  3)  Auskunft  geben  wollte.  5  hat  schon  Nowack  als 

Glosse  erkannt.  Auch  wenn  man  ^b  als  Fehler  für  DD^  betrachtet  (vgl.  das 
folgende  D),  so  geht  die  Aussage:  Ihr  werdet  keinen  haben,  der  die  Messschnur 
an  ein  Los  In  der  Gemeinde  Jahwes  anlegt,  auf  die  Neuverteilung  des  Landes 
in  der  Zeit  der  messianischen  Restauration,  an  die  Micha  nicht  dachte,  und 
von  der  er  insbesondre  [nach  der  Ankündigung  von  v.  3  die  Nachkommen  der 
habgierigen  Grossen  nicht  noch  eigens  auszuschliessen  brauchte,  auch  wenn 
er  an  eine  bessere  Zukunft  wirklich  gedacht  hätte.  ]^h  stösst  sich  ausserdem 
mit  ]lh  V.  3,  T\)T\\  'pnp,  Jahwegemeinde,  ist  ein  später  Ausdruck,  der  einen  ganz 
spezifischen  Sinn  von  ^njj  voraussetzt  und  dem  der  Gedanke  an  die  Theokratie 
näher  liegt,  als  der  an  ein  politisches  Gemeinwesen  vgl.  Dtn  232349  Num  16  3 
20  4  Neh  13  1  I  Chr  28  8;  zudem  ist  der  ganze  Vers  prosaisch.  Zu  ^115;  dem 
einst  jedem  Juden  zu  teilwerdenden  Los,  Losanteil  am  heiligen  Lande  vgl. 
Dan  12  13. 

4.   Die  Scheinheiligkeit  der  Grossen,  die  im  eigenen  Lande  wie  Feinde 

schalten  2  6— ii. 

Dieses  Proplietenwort  schliesst  sich  an  das  vorige  an,  ist  aber  doch  für  sich  selber 
zu  nehmen,  da  es  wieder  nach  der  Schilderung  des  Treibens  der  Grossen  die  Strafe  an- 
kündigt. Zudem  ist  der  Abschnitt  abgeschlossen  durch  v.  11,  der  auf  v.  6  zurückblickt, 
aber  deshalb  nicht  mit  Dathe  hinter  v.  6  zu  setzen  ist,  weil  v.  6  und  v.  7  zusammen- 
gehören. Der  Text  hat  auch  in  diesem  Abschnitt  vielfach  gelitten,  ausserdem  in 
V.  12  f.  einen  späten  Anhang  erhalten,  der  der  Unheilsweissagung  v.  10  die  Glücksver- 
heissung  gegenüberstellt.  Abgesehen  von  diesem  Anhang  weist  der  Abschnitt  sechs  Tetra- 
sticha,  resp.  kinametrisch  gebaute  Disticha  auf. 

6  7*  (bis  ^p5^;i)  .^Predigt  nicht !^^  predigen  sie;  ^^ Solches  predigt  man 
nicht!  Nicht  wird  Schande  erfahren  Das  Haus  Jakob.    Der  Anfang  ist  aller- 


Mch  2fi  '275  Mch  20 

dings  unsicher;  auch  ist  schwerlich  '^"'pn  eine  spöttische  Jiczeichnung  des 
Prophezeiens  (ZATW  1883,119),  sondern  elier  ein  Ausdruck  für  erregtes  und 
darum  sprudelndes  Reden  vgl.  v.  ii  Ära  7  16  Ues  21  2  7.  Subjekt  zu  l^Ö'D^  sind 
die  (i rossen,  die  im  ersten  Abschnitt  v.  i -3  angeredet  sind.  Mit  ^£:tpn"'?« 
wenden  sie  sich  an  Micha  und  die,  welche  seine  Ansicht  teilen;  nachhei* 
sprechen  sie,  wenn  wir  nicht  wieder  ^Spn  für  tp;;  lesen,  objektiver  ihre  Meinung 
aus.  n^^?'^?  f'Off  solchen  Dingen^  wird  durch  das  Folgende  klar;  es  bezieht 

sich  auf  das  von  Micha  prophezeite  Unheil  v.  3.  Für  IlD";,  das  man  gewölin- 
lich  als  Imperf.  Niph.  von  :iD  erklärt  (s.  Ges.-Kautzsch'-^'  §  72  dd)  und  dann 
ohne  einen  passenden  Sinn  zu  gewinnen,  mit  zurückweichen,  aufhören^  über- 
setzt, lese  ich  mit  Buhl  (im  Lex.  s.  v.  :i^D)  :i''i^;;,  es  wird  einholen,  erreichen, 
wozu  "^  n*»?  Subj.  und  niÄ'pS  Obj.  ist;  zu  gleicher  Verwechslung  von  )l^  und  D  s. 
il^te^n  Hi  24  2.  Jakob  und  Schmach  kommen  nie  zusammen,  das  ist  die  Meinung 
dieser  Verblendeten.  7  Mit  "IIDSH  ist  nichts  anzufangen,  ob  man  1^?:)S 

als  Vokativ  =  nu,  genannt  Haus  Jakobs?  oder  IIDijn,  Ist  es  ein  Gesagtes?,  = 
Welches  Gerede!  oder  sonstwie  fassen  will;  zu  der  Fragepartikel  vgl.  Ges.- 
Kautzsch^^  §  lOOn.  Es  wird  sein  Dasein  einem  unerklärlichen  Umstand  ver- 
danken. 7^  (von  l^i^n  an)  ^  setzt  die  llede  der  Gegner  Michas  fort,  wie 
sich,  aus  Tb^  ergiebt,  das  auf  Th^h  v.  6  resp.  auf  v.  3  zurückbezogen  w^erden 
muss:  Wäre  Jahwe  ungeduldig  geworden?  Oder  wären  solches  seine  Thaten? 
Sind  seine  Worte  nicht  gütig  Gegen  Israel  sein  Volk?''  Für  •'ID'l  1.  mit  LXX 
V"l5"n;  der  Text  des  Schlusses  ist  unverständlich:  Gegen  den  redlich  Wandeln- 
den darf  man  nach  der  Grammatik  nicht  übersetzen;  auch  wäre  es,  gerade  wie 
wenn  man  nur  1^'^n  DJ?,  gegen  den  Redlichen^  festhält,  doch  ein  zu  starkes  Stück 
von  Verblendung,  w^enn  sich  diese  Grossen  noch  für  Redliche  hielten.  Erträg- 
lich ist  %y^\  Dj;  (so  Nowack)  oder  iDj;  bt^y^\  DJ?  gegen  Israel  sein  Volk]  die 
fehlenden  Buchstaben  IDj;  h^  sind  als  "'DJ^  ^1  nach  v.  8  geraten  (s.  dort)  und  der 
Verlust  ist  nachträglich  durch  Einfügung  von  H  und  *]St  ersetzt.  Es  ist  die 
alte  Verblendung,  mit  der  Am,  Hos  und  Jes  zu  kämpfen  haben,  die  da  meinte: 
Jahwe  ist  mit  uns;  uns  trifft  kein  Unheil.   Israel  kann  treiben,  was  es  will. 

8  beginnt  die  Antwort  des  Propheten  auf  solche  verblendete  Rede. 
Diesem  sicheren  „Jahwevolke"  weiss  der  Prophet  eine  Frevelthat  vorzuhalten, 
die  auch  dem  „gütigsten"  Gott  die  Geduld  rauben  müsste,  nämlich  den  Überfall 
friedlicher  Wanderer :  Und  ihr,  ihr  stehet  auf  als  Feind  Gegen  Befreundete, 
Zieht  aus  friedlichen  Wanderern  Beute  des  Krieges,  Zuerst  lese  man  UT\^\ 
Ygl.  Jes  3  14^^;  dann  aber  ist  "'^j;  ^1  nicht  als  ''öj;  ^j;  folgen  zu  lassen,  sondern 
als  hierher  verschlagener  Schluss  von  v.  7  zu  betrachten  (s.  dort).  Ferner  ist 
Dri«  und  den  folgenden  Verben  entsprechend  ^D^pn  für  DDlp";  und  ti^di^  resp. 
D'^p'^^  statt  r\di^  nötig  (AVellh.,  Nowack).  Zu  HdV^  ist  in«  eine  in  den  Text 
geratene,  abgekürzt  geschriebene  Glosse:  "llfc^  =  -^1^.^?  Mantel.  Zu  b'M^'O 

vgl  Num  22  5,  zu  D^)?^^  vgl.  Gen  34  21,  s.  auch  Hi  22  21  und  Ps  7  5.  Für 

'D  ^2>:ä,  „dem  Krieg  Abgeneigte",  1.  mit  Wellh.  und  Nowack  'tt  "^^^  =  Kriegs- 
heute^  d.  h.  an  friedlichen  Wanderern  machen  sie  Kriegsbeute,  indem  sie  sie 
berauben  und  fortführen,  was  ihnen  beliebt.    ]-itO'ti^Dn  vgl.  3  3.  9  üie 

Weiber  meines  Volkes  treibt  ihr  fort  Von  ihren  zärtlich  geliebten  Kindern, 

18* 


Mch  2  9  276  Mcb  2  12 

Ihren  Kleinen  nehml  Ihr  weg  Meine  Ehre  für  wimer.  Für  n^5^  das  auf  eine 
Vertreibung  der  Weiber  von  Haus  und  Hof  gedeutet  werden  müsste,  ist  mit 
Wellh.  und  NowACK  nach  1  le  ^yi  zu  lesen,  da  es  sich,  wie  y.  9^  zeigt,  um  ein 
Auseinanderreissen  von  Müttern  und  Kindern  beim  Verkauf  der  Erbeuteten 
handelt.  Für  das  ungrammatische  Suff.  H"  stelle  man  beidemal  das  richtige 
]n"  her,  vgl.  LXX  auxcLv.  Durch  den  Verkauf  in  die  Sklaverei  verlieren 

die  Kinder  auf  immer  den  I^H,  den  Schmuck,  die  Ehre  der  Zugehörigkeit  zum 
Volke  Jahwes.  So  sind  die  Grossen  für  das  Volk  Jahwes  besorgt  und  so 
denken  sie  von  dem  Werte  der  Zugehörigkeit  zu  demselben  vgl.  v.  7.  10 

Das  Urteil  über  solche  Frevler;  die  erste  Verszeile  ist  sehr  kurz,  wahrschein- 
lich ist  vorn  pb  weggefallen:  Darum  auf  und  fort  mit  euch!  Hier  Ist  kein 
Bleiben,  ''?  ist  vielleicht  nur  falsche  Dittographie  des  vorangehenden  0[b]. 
Wegen  Unreinheit  werdet  Ihr  vernichtet  In  unabänderlicher  Vernichtung. 
Für  HfcJDD  punktiere  das  gewöhnliche  n«DtO,  für  den  Schluss  1.  teilw.  nach 
LXX  mit  Grätz  }^*ini  ^^n  ^^HP,  da  p)??,  gewöhnl.  =  unheilbar  verstanden, 
unsicher  ist.  Der  Sinn  wird  sein:  Solche  moralische  Unreinheit  (vgl.  Sach 
13  2)  muss  gründlich  weggeschafft  und  ausgerottet  werden;  jede  Berührung 
steckt  an  und  das  Übel  frisst  weiter.  11  schliesst,  auf  v.  6  zurückgreifend, 

das  Prophetenwort  ab  mit  einer  Charakterisierung  des  Propheten,  der  solchen 
Leuten  recht  wäre,  charakterisiert  damit  diese  selbst  und  macht  das  Urteil 
von  V.  10  vollends  verständlich.  X\X\\  Dj;n  will  nicht  den  Kreis  erweitern  und 
uns  sagen,  dass  derv.  ii  genannte  Schaden  das  ganze  Volk  ergriffen  habe;  die 
Grossen  als  die  Führer  repräsentieren  das  Volk;  zu  ihrer  Schilderung  vgl. 
Am  4  1  6  6  Hos  4  ii  7  5  Jes  5  ii  22.  Ja  wenn  einer  gekommen  w'dre^ 

Wind  und  Lüge  vormachte:  Ich  will  dir  von  Wein  und  Rauschtrank  predig en. 
Das  wäre  der  Prediger  für  solche  Leute,  ^^  setzt  einen  als  unerfüllbar  erach- 
teten Fall  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  1591;  einen  solchen  Propheten  kann  sich 
Micha  in  Wirklichkeit  nicht  denken,  n^l  gehört  zu  IJ^^  =  Wind  und  Lüge^ 
aber  nicht  zu  "rj^h,  wofür  man  besser  das  Perf.  "^^H  liest,  vgl.  I  Sam  14  30  Jes 
63  19.  ^''^n  mit  folgendem  h  {]^^h  etc.)  wie  v.  6. 

12  13,  ein  sekundäres  Element.  Die  Verse  sind  weder  ein  Stück  der  Hede 
der  falschen  Propheten,  noch  ein  dislocierter  Passus,  der  auf  Micha  zurückgeht.  Denn 
es  wird  fraglos  das  Exil,  und  zwar  nicht  nur  in  Gedanken,  sondern  als  geschichtliche 
Thatsache  vorausgesetzt  und  die  Heimkehr  aus  demselben  verkündet.  Somit  liegt  auch 
hier  wieder  ein  Beispiel  jener  Erweiterung  vor,  die  man  durch  Einschiebung  späterer 
und  besonders  tröstlicher  Abschnitte  an  alten  Texten  vornahm.  Die  Verse  12  f.  gehören 
in  die  gleiche  Kategorie  mit  Am  9  8-15  Hos  2  1-3  15^^-25  11  lOf.  Jes  11  11-16  u.  a.;  sie 
sollen  dem  Gericht,  das  Micha  drohte,  das  Heil,  das  man  nach  dem  Exil  erwartete,  gegen- 
überstellen. S.  schon  Stade  ZATW  1881,  162  f.  und  vgl.  jetzt  bes.  K.  J.  Grimm  a.  a.  0. 
78 — 81.  Das  Ganze  ist  eine  Strophe  von  zehn,  zum  Anfang  längeren,  nachher 

kürzeren  Zeilen. 

12  (bis  11)?'in)j  vier  Zeilen:  Jahwe  sammelt  die  gesamte  jüdische  Dias- 
pora wie  eine  Herde  in  den  Pferch.  Für  ^^3  1.  mit  LXX,  entsprechend  den 
folgenden  Zeilen,  1^.  Unter  h^^^\  H''"!«!^  ist  gewiss  speziell  auch  an  die 

Angehörigen  des  Nordreichs  gedacht,  die  in  der  Heidenwelt  übriggeblieben 
sind,  vgl.  Hos  2  if.;  an  die  einstige  Wiedervereinigung  Israels  mit  Juda  er- 


Mch'^2  12  277  Mch  3 

innert  wohl  ebenso  ^^D'^ti^l^  nn\  Für  rri^S,  das  man  gewöhnlich  als  Pferch 

erklärt,  ohne  eine  richtige  Etymologie  zu  wissen,  wird  mit  Wetzstein  (s. 
Delitzsch  Jes^  705)  und  Nowack  7\yi^  zu  lesen  sein,  wobei  rr<%  als  eine  von 
der  Masora  verkannte,  aber  dem  arab.  stra  i^y^)  entsprechende  Nebenform 
des  gewöhnlichen  HTp  (vgl.  Ps  69  26)  anzusehen  ist.  Heutigentags  bedeutet 
fira  bei  der  sesshaften  Bevölkerung  und  bei  den  Nomaden  den  gegen  1  ^\i 
Klafter  hohen  Steinring,  in  welchem  die  Herde  nachts  gegen  wilde  Tiere  ge- 
sichert wird.  n")?3,  in  der  Ilürde^  giebt  einen  guten  Sinn  und  ist  aufs  beste 
dem  n  '^ins  parallel.  Die  unmögliche  doppelte  Determination  durch 

Artikel  und  Suff,  in  llü'nn  ist  zu  verbessern  durch  Hinübernahme  von  1  zu  dem 

I       T    - 

folgenden  Wort  als  \  Zu  1^*^?  Trift,  vgl.  Jes  5  1 7.  Zum  Inhalt  vgl.  Hes 

34  13  14  36  24  37  21  39  27.  12'^  (von  HJDNnn  an)  13%  vier  Zeilen:  In  ihrer 

grossen  Menge  beisammen  haben  die  Israeliten  Kraft,  die  Thore  des  Landes 
ihrer  Gefangenschaft  (vgl.  Nah  3  13)  zu  sprengen  und  abzuziehen  (T^^^Vj  in  ihre 
Heimat.  Für  ^5)5^^^,  auch  Ps  55  3  ein  unsicheres  Hiph.  von  Din^  liest 

man  besser  nyöHn  von  nDH  =  sie  tosen ^  rauschen  vor  Menschenmenge^  vgl. 
Hes  36  10  Hos  2  1.  Das  Subjekt  dazu  liegt  in  Hl^  und  "ll'^;  am  Sammelplatz 
Jakob-Israels  wird's  rauschen  von  Menschen.  13^  fl^n,  derjenige,  der 

die  Thüre  sprengt,  der  Ausbrecher,  ist  im  Bilde  der  Leithammel,  in  Wirklich- 
keit^ Jahwe,  s.  V.  13^;  vgl.  ähnlich  unbestimmt  h^^l  Jes  59  20.  1V^,  seil, 
das  nun  zum  Wegzug  aufgesprengte  Thor  des  Exils,  die  „Grenzfeste"  (Wellh.), 
ist  das  Objekt  der  vorangehenden  Verba,  beginnt  aber  die  vierte  Zeile.  13'', 
zwei  Zeilen:  Jahw^e  zieht  an  der  Spitze  ihnen  voran;  er  ist  ihr  König  Jes  40 10 f. 
52  12  Jer  31  9f. 

5.  Die  Gottlosigkeit  der  Ricliter  und  Führer  des  Volks  3  i~4. 

Der  Abschnitt  ist  nicht  direkte  Fortsetzung  von  2  11;  er  behandelt  eine  neue  Seite 
des  Treibens  in  Juda  und  zwar  befasst  er  sich  mit  den  Richtern,  mit  der  Obrigkeit,  während 
2  6-11  nicht  an  Beamte,  jedenfalls  nicht  allein  an  Beamte  gedacht  ist.  *iöWj  ist  redaktio- 
nelle Verbindung  mit  dem  Vorangehenden,  vielleicht  noch  eingefügt  vor  der  Interpolation 
2  12  f.  Das  Prophetenwort  beginnt  mit  ^V'?^  und  umfasst  nur  drei  Tetrasticha,  aber  sie 
sind  wichtig  genug,  sie  geben  uns  ein  Bild  von  dem  Treiben  der  Beamten  und  lassen  uns 
erkennen,  was  selbst  unter  der  Regierung  Hiskias  in  Beamtenkreisen  zu  Jerusalem  mög- 
lich war. 

1,  die  Einleitung :  Hört  doch,  ihr  Häupter  Jakobs  Und  ihr  Richter  des 
Hauses  Israel:  Ist's  nicht  an  euch^  euch  %u  kümmern  Um  das  Recht?  Die  letzte 
Zeile  tDDti^Jsn'n«  ist  kurz,  aber  um  so  gewichtiger.  Jakob  und  Israel  sind  iden- 
tisch und  können  hier,  wie  v.  9,  nur  Juda  bezeichnen.  Zu  ''^•':i[p  s.  Jes  1  lo. 
2  3,  die  Schilderung  der  Verkommenheit  der  Obrigkeit;  y.  2^  ist  fast  völlig 
identisch  mit  v.  s^ßT  und  wegen  der  Beziehungslosigkeit  seiner  Suffixe  hier 
nicht  am  Platze,  s.  zu  v.  5.  Auch  v.  3^  gehört  nicht  hierher,  er-ist  sekundär, 
„eine  plumpe  und  schiefe  Ausführung  der  vorangegangenen  bildlichen  Redens- 
arten" (Wellh.).  Den  alten  Bestand  bilden  2^  3^:  Sie  hassen  das  Gute  und 
lieben  das  Böse,  1.  mit  Kere  yi,  vgl.  Am  5  u,  Sie  fressen  das  Fleisch  meines 
Volkes,  Sie  ziehen  ihm  die  Haut  vom  Leibe  Und  legen  bloss  seine  Knochen. 
Das  Subj.  sind  die  in  v.  i  angeredeten  D5"  in  DD^;  die  dritte  Person,  zuerst 


Mch3  2  278  Mch3  5 

Partie,  dann  Verb,  finit.,  löst  bei  dergleichen  Schilderungen  oft  die  zweite 
Person  ab,  vgl.  v.  9  Am  2  7.  Die  Bilder  sind  von  selbst  verständlich;  es  handelt 
sich  um  Aussaugung  und  Bedrückung  der  Bürger  bis  aufs  Blut  und  um  Ver- 
gewaltigung und  Vernichtung  ihrer  Person,  vgl.  Am  2  7  Jes  3  15.  Zu  ^n?D, 
Stt.  Xsy.,  vgl.  mit  Bevan  (briefl.j  im  Arab.  nicht  ^>^3,  %erbrechen^  '&on(\Q\n  das 
passendere  ^-^,  biossiegen.  In  der  Glosse  v.  a^  ist  mit  LXX  und  Pesch.  für 
1^«?  zu  lesen  1«^3,  wie  Fleisch,  (vgl.  das  parallele  l'C^^ipt)  und  li^lS  =  D^B,  %er- 
legen^  verleilen  (vgl.  Brot  brechen  Jes  58  7)  zu  fassen;  Obj.  zu  ^b^lD'i  sind  nicht 
die  Knochen  v.  3^1^,  sondern  allgemein:  ihre  Mitbürger.  Auch  dies  zeigt,  dass 
V.  3^  Glosse  ist.  4  Die  Vergeltung  für  solchen  Frevel  ist  Gottverlassenheit, 
die  sie  dann  (tS,  wie  nrij;  Am  6  i  Hos  2  12)  seil,  im  bevorstehenden  Gericht 
erfahren  werden:  Dann  werden  sie  %u  Jahwe  schreien  Und  er  wird  sie  nicht 
erhören^  Und  er  tvird  vor  ihnen  sein  Gesicht  verbergen^  Dieweil  sie  es  so 
schlimm  getrieben.  «\'in  nj;|  ist,  wie  das  Metrum  zeigt,  Glosse,  die  unnötiger- 
weise t«  näher  bestimmen  will,  s.  auch  2  3^T.  Zu  dem  Jussiv  nnOM  vgl. 
Ges.-Kautzsch2'  §  109k,  doch  liest  man  besser  einfach  IHD^';  zum  Ausdruck 
vgl.  Dtn  31  17  f.  Jes  1  15. 

6.  Die  Selbstsucht  der  falschen  Propheten  3  5-8. 

Von  den  Grossen  ist  Micha  zu  den  Beamten  übergegangen,  nun  kommt  er  von 
diesen  zu  den  Propheten,  die  auch  zu  den  Leitern  des  Volkes  gehören.  Die  Priester  nennt 
Micha  nur  nebenbei  v.  11.  Er  ist,  abgesehen  von  Micha  ben  Jimla  I  Eeg  22,  der  erste 
Prophet,  der  gegen  unwürdige  Berufsgenossen  auftritt;  bei  Jesaja  erscheinen  Propheten 
Jes  3  2  12.  Genauer  lernen  wir  sie  dann  bei  Jeremia  kennen;  doch  sieht  man  schon  bei 
Micha  ihre  demagogische  Art  und  ihr  blindes  unbegründetes  Vertrauen  auf  Jahwes  Hilfe 
(vgl.  V.  11).  Das  Wort  an  die  Propheten  umfasst,  wenn  wir  die  Einleitung  v.  5^  zu 

einer  Strophe  ergänzen,  fünf  Tetrasticha,  die  wie  die  drei  v.  1-4  gleichschwebende  Zeilen 
haben,  zu  denen  2  11  überleitete. 

5^  giebt  nur  eine  halbe  Strophe,  da  v.  5^  eine  Strophe  für  sich  ausmacht. 
Die  fehlende  zweite  Hälfte  ersetzt  aufs  beste  v.  2^  der  in  v.  1-4  überflüssig, 
hier  aber  zum  Verständnis  wertvoll  ist.  Auch  die  Propheten  beuten,  wie  die 
Richter,  das  Volk  aus;  geht  v.  2'^  der  Strophe  v.  5^  voran,  so  ist  diese  die  ver- 
ständliche Ausführung  von  v.  2^.  Ich  stehe  daher  nicht  an,  v.  2^  zu  v.  5^  hinzu- 
nehmen: So  spricht  Jahwe  wider  die  Propheten,  Die  mein  Volk  irreführen, 
Die  ihm  die  Haut  vom  Leibe  reissen  Und  das  Fleisch  von  den  Knochen.  Zu 
^VJ^V^  vgl  Jes  3  12  9  14  f.  Die  Propheten  sind  Volks  verführ  er,  sie  predigen 
„Wind  und  Lüge"  (2  11)  und  „nach  der  Befriedigung  oder  Nichtbefriedigung 
ihres  Magens  richtet  sich  ihre  Weissagung,  sie  suchen  damit  ihr  Brot  (Am 
7  12  Hes  13  19)"  (Wellh.),  vgl.  auch  was  Hos  4  s  von  den  Priestern  gesagt  ist. 
Das  wird  5^  drastisch  dargelegt:  Wenn  sie  was  zu  beissen  haben,  So  verkün- 
den sie  Heil,  Wer  aber  ihnen  nichts  in  den  Mund  giebt.  Gegen  den  eröffnen 
sie  den  heiligen  Krieg.  D'^D^üH  ist  die  Bedingung  zu  dem  folgenden  Perf.  mit  1 
consec.  0«1(J1)  vgl.  Ges.-Kaützsch2  7  §  hgw  und  hat  hier  nicht  die  bildliche 
Bedeutung  von  „wehe  thun,  Schaden  zufügen",  sondern  die  eigentliche,  wie 
der  folgende  Parallelsatz  zeigt.  HDn^p  t^^^^J?,  den  Krieg  mit  den  üblichen 

heiligen  Ceremonien  beginnen  (vgl.  zu  Jo  4  9),  ist  hier  auf  die^Privatrache 


Mch3  5  279  Mch3  9 

angewendet,  welche  die  Propheten  gegen  ihre  Gegner,  die  sie  nicht  mit  Gaben 
unterstützen,  in  scheinheiliger  Entrüstung  üben.  Von  den  falschen  Propheten 
als  vom  Ausland  bezahlten  Agenten  (Kleinert)  ist  hier  keine  Rede,  so  wenig 
als  jemals  ein  Jesaja  der  im  Solde  der  Assyrer  stehende  Sprecher  (Winckler 
KAT3  172  f.)  gewesen  ist.  Of.,  das  Gericht,  das  die  Propheten  trifft^   er- 

folgt in  einer  Katastrophe,  die  ihrem  Prophezeien  ein  Ziel  setzt.  Darum  wird 
es  Nacht  über  euch  werden,  dass  ihr  nicht  schauen,  Vnd  Finsternis,  dass  ihr 
nicht  wahrsagen  könnt,  Die  Sonne  geht  Viher  den  Propheten  unter  t  nd  der 
Tag  wird  über  ihnen  finster.  In  erregtem  Ausruf  und  direkter  Anrede,  die 
nachher  sofort  wieder  verlassen  wird,  kündet  Micha  den  Propheten  die  Strafe 
an:  Darum  Nacht  euch!)  ein  n\'l"l  nach  ]D^  ist  nicht  in  den  Text  einzufügen; 
dagegen  liest  man  am  besten,  parallel  zu  T&h,  mit  WELLir.,  Nowack  nach 
LXX  r\yär\\  und  Finsternis,  für  das  Verb  r\yär\\  Es  ist  kein  Gedanke  an 
Nachtgesichte  in  diesem  Ausdruck;  sondern  Nacht  und  Finsternis  sind  Bilder 
für  das  Unglück,  das  hereinbricht,  vgl.  bes.  Am  5  18,  dann  wird  es  den  Pro- 
pheten, die  eine  lichtvolle  Zukunft  weissagen,  schwarz  vor  den  Augen  und  geht 
ihnen  das  Prophezeien  aus.  Über  DpjJ  vgl.  zu  Jes  2  6  3  2;  dem  Substantiv 

]1tn  entsprechend,  wird  man  mit  Bühl  hier  DDJ^,  Wahrsagung,  punktieren.  Was 
die  Propheten  verkünden,  ist  ]1tn  und  DDj^,  nicht  das  klare  Wort  Jahwes,  von 
dem'  Micha  erfüllt  ist  (v.  8).  7  Die  Seher  werden  sich  schämen  Und  die 

Wahrsager  erblassen  Und  allesamt  den  Bart  verhüllen.  Denn  Gottesbescheid 
giebts  nicht  mehr.  Zum  Verhüllen  des  Lippenbartes  als  Zeichen  der  Be- 
schämung und  Trauer  vgl.  zu  Lev  13  45  Hes  24  17  22  und  s.  auch  meine  Gesch. 
der  israel.  Rel.^  42.  Das  D^^'^^5  (statt  njn;;)  macht  es  wahrscheinlich,  dass 

D\n'^«  n:5^D,  Gottesbescheid.^em  spezifisch  israelitischer  Ausdruck  ist  (Wellh.), 
vgl.  Am  4  11  Jo  1  15.  8  Micha  im  Gregensatz  zu  den  Propheten:  sie  sind 

inspiriert  von  den  Gaben,  die  sie  empfangen,  ihn  erfüllt  der  kräftige  Sinn  für 
das,  was  recht  ist,  sie  abhängig  von  der  Befriedigung  ihrer  Gier,  er  der  kraft- 
volle Sprecher  für  Sittlichkeit  und  Recht.  Dagegen  aber  ich  bin  voll  Kraft 
Und  voll  Recht  und  Stärke,  Jakob  seinen  Frevel  an%u%eigen  Und  Israel  seine 
Sünde.  7V\rri  nn"n«,  mit  dem  der  Analogie  widersprechenden  prosaischen  Tl«, 
ist  eine  die  Objekte  auseinanderreissende  Glosse  (Wellh.,  Nowack),  von 
einem  Späteren  eingesetzt,  um  die  Quelle  der  Kraft  des  Propheten  zu  nennen, 
nä,  Kraft,  erfüllt  den  Propheten,  er  ist  kein  schwankendes  Rohr;  tOSC^D,  das 
Richtige,  d.  h.  einen  Sinnjfür  Recht  und  Sittlichkeit,  besitzt  er  und  H^U^l, 
Stärke,  d.  h.  Energie,  um  im  Kampf  für  das  Recht  gegen  die  Gegner  fest  zu 
bleiben,  fehlt  ihm  nicht;  vgl.  die  Schilderung  des  messianischen  Königs  Jes 
11  2-4,  die  vielleicht 'den  Glossator  zur  Einsetzung  von  njn:  nn"ns  veranlasst 
hat,  s.  meinen  Comm.  zu  Jes  11  1-9,  bes.  S.  113  unter  Anmerkung  2. 

7.  Die  Strafe  für;die  Gottlosigkeit  und  Verblendung  der  Führer  des  Volles 

ist  der  Untergang  Jerusalems  3  9    12. 

Zusammenfassend  schliesst  dieses  Prophetenwort  die  Verkündigung  des  Gerichts 
ab.  Noch  einmal  erinnert  es  nach  der  aus  3  1  wiederaufgenommenen  Anrede  an  die  ver- 
schiedenen  Anklagen   gegen   die   Grossen   und    Propheten,   neben   denen  jetzt   auch   die 


Mch  3  4  280  Mch  4  1 

Priester  erwähnt  sind,  und  hebt  besonders  die  Verblendung  hervor,  in  der  sie  sich  in 
Jahwes  Schutze  und  geborgen  wähnen;  um  so  schwerer  muss  die  bestimmte  Ankündigung 
der  Zerstörung  Jerusalems  die  Verblendeten  treffen.  Das  Wort  ist  fast  in  ganz 

gutem  Text  überliefert  und  umfasst  vier  Tetrasticha. 

9  Hört  dies^  ihr  Häupter  Jakobs  Und  ihr  Richter  des  Hauses  Israel^  Die 
das  Recht  verabscheuen  Und  alles  Grade  krumm  machen.  Zu  v.  9^  vgl.  v.  i 
und  zu  tODti^*)^  V.  8;  n*"^  vor  DbV"  wird  man  nach  v.  i  entfernen  dürfen.  Zu 

der  Verkehrung  aller  sittlichen  Begriffe  vgl.  zu  Jes  5  20.  10  ll^**^  Die  7Aon 
mit  Rlut  bauen  Und  Jerusalem  mit  Frevel^  Deren  Häupter  für  Geschenke 
Recht  sprechen^  Deren  Priester  für  J^ohn  Entscheid  geben.  L.  ^i^  für  HiS  mit 
den  alten  Versionen;  •'ib  setzt  die  Charakterisierung  der  jerusalemischen 
Grossen  fort.  D"^)?"l  nennt  Micha  die  Vergewaltigung  der  Untergebenen, 

die  bis  zum  Justizmord  führen  kann,  s.  I  ßeg  21  Am  5  11  Jer  22  13  und  vgl. 
Jes  1  15;  der  Zwang  zum  Frohndienst  und  die  Konfiskation  der  Güter  geben 
die  Arbeitskräfte  und  die  Mittel  zum  Bau  von  Prachtpalästen.  ll^'P  Die 

Bestechlichkeit  der  Richter  Jerusalems  (vgl.  die  Suffixe  H — )  tadelt  auch  Jes 
s.  Jes  1  23  5  23;  die  Priester,  die  Entscheide  und  Weisungen  zu  geben  haben 
und  von  denen  man  Gottes  Spruch  erwartet  (s.  Mal  2  7),  sind  nicht  besser,  vgl. 
Jes  28  7  f.  11«Y'^  Deren  Propheten  für  Geld  wahrsagen  Und  dabei  sich 

auf  Jahwe  stützen  und  meinen:  Jahwe  ist  ja  in  unserer  Mitte;  Uns  kann  kein 
Unglück  treffen.   Über  die  Propheten  s.  v.  5.  Bei  all  ihrem  Frevel  leben 

diese  Führer  des  Volkes  noch  in  dem  Wahne,  dass  Jahwe  sie  vor  Schaden 
und  Unglück  bewahre;  sie  haben  kein  Verständnis  für  die  Forderung  von 
Recht  und  Sittlichkeit,  ihre  Religion  ist  eine  ganz  andre  als  die  eines  Micha 
und  der  wahren  Propheten.  Vgl.  zu  dieser  Illusion  bes.  Am  3  2  9  7  5  14  Jer 
5  12  7  4  8  8.  12  Darum  um  euretwillen  Wird  Zion  als  Feld  gepflügt  Und 

Jerusalem  wird  ein  Trümmerhaufe  sein  Und  der  Tempelberg  %u  einer  be- 
waldeten Höhe.  L.  nach  Jer  26  I8,  wo  unser  Vers  citiert  wird,  D*^^;;  für  das 
aram.  r^>;  und  an  beiden  Orten  ist  für  HIDS  mit  der  LXX  niDS  zu  lesen:  Der 
Tempelberg  soll  zu  einer  ödliegenden  Waldbama  in  verwilderter  Umgebung 
werden,  wie  so  manche  heilige  Stätte  durch  die  Zerstörung  des  nördlichen 
Reiches  es  geworden  ist  (Wellh.),  vgl.  auch  Duhm  zu  Jer  26  1 8.  So  trifft 
Jerusalem^  das  Centrum  der  Sünde  Judas,  die  verdiente  Strafe  und  das  letzte 
Wort  Michas  greift  auf  sein  erstes  (1  5)  zurück. 


Zweiter  Teil; 

Das  Heil  der  messianischen  Zeit 

Cap.  4f. 

Die  Kehrseite  zu  dem  in  1  2—3  12  angekündigten  Gericht  bilden  die  hohen  Ver- 
heissungen  einer  herrlichen  Zukunft  in  Cap.  4f.  Ein  Kranz  der  schönsten  Prophezeiungen 
ist  in  Cap.  4f.  vereinigt,  um  den  schweren  Anklagen  und  den  düsteren  Drohungen  das 
tröstliche  Bild  des  einstigen  Jerusalems  recht  hell  gegenüberzustellen.  Da  auch  nicht 
eines  der  prophetischen  Worte  von  Cap.  4f.  vor  dem  Exile  entstanden  ist^  so  können  wir 
diese  Capitel  auch  das  nachexilische  Complement   zu  der  vorexilischen  Unheilsdrohung 


Mch  4  1  281  Mch  4  1 

(Jap  1—3  nennen.     Ähnliche  Vervollständigung  s.  Am  OS-lTj  Kos  2  15''-25  14  2-10  und 
sehr  häufig  im  Buche  Jes. 

I.   Die  universale  Bedeutung  Zions  am  Ende  der  Tage  4  i— 5. 

In  absichtlichem  (Jegensatz  zu  3  12  ist  die  Prophetie  4  1-5  vorangestellt.  Nicht 
eine  verlassene  alte,  in  Trümmer  gesunkene  heilige  Stätte  in  öder  Wildnis,  bloss  etwa 
noch  aufgesucht  von  einem  Jäger,  der  die  Gegend  durchstreift,  sondern  das  Zentrum  der 
ganzen  Welt,  wo  alle  Völker  Jahwe  ihre  Verehrung  bezeugen,  zu  sein,  ist  die  Bestimmung 
des  Tempels  auf  Zion.  Diese  Weissagung  hat  im  AT  noch  einmal  Aufnahme  gefunden, 
denn  v.  1-3  stimmen  ziemlich  genau  mit  Jes  2  2-4  überein,  wo  sie  ebenfalls  das  Gegenbild 
zu  der  Drohung  über  Jerusalem  in  Jes  1  biete^;i  sollen ;  Mch  4  4  ist  aber  ohne  Frage  als 
ursprünglicher  Bestandteil  dieser  Prophezeiung  zu  betrachten,  der  nur  aus  Zufall  im  Buche 
Jes  fehlt  (s.  meinen  Comm.  zu  Jes  S.  26  unten).  Dagegen  ist  v.  5  eine  Zuthat  wohl  des 
Sammlers  oder  Bedaktors,  der  4  1-4  an  Cap.  1 — 3  anfügte,   s.  unten  die  Erklärung  zu  4  5. 

Die  Prophetie  4  1-4  ist  weder  ein  Wort  Michas  noch  Jesajas  noch  eines  älteren 
Propheten  als  diese  beiden.  Dass  Micha  Jerusalem  eine  herrliche  Zukunft  geweissagt 
habe,  ist  durch  Jer  26  18  gänzlich  ausgeschlossen;  dass  Jesaja  jemals  eine  solche  Bedeutung 
Jerusalems  für  alle  Welt  verkündigt  habe,  lassen  seine  echten  Worte  nicht  vermuten,  die 
noch  beim  Abzug  Sanheribs  die  Zerstörung  der  Stadt  in  Aussicht  stellen,  s.  Jes  22  1-14. 
Dass  aber  auch  kein  Früherer  die  Worte  gesprochen,  ergiebt  sich  aus  ihrem  Gedanken- 
inhalt, der  an  Hesekiel,  Deuterojesaja  und  die  späteren  Jahrhunderte  erinnert;  so  die  Ge- 
danken, dass  Zion  und  dem  Tempel  eine  Bedeutung  für  alle  Völker  zukomme,  dass  die 
Thoi*a  als  Belehrung  der  gesamten  Menschheit  dienen  werde  und  dass  die  ganze  Völker- 
welt, von  dem  als  Lehrer  gefassten  Jahwe  unterrichtet,  zu  einem  Friedensreiche  werden 
solle,  vgl,  die  Parallelen  Sach  8  20-23  14  16-21  Jes  60  5-12  66  23,  ferner  Jes  28  26  30  20f. 
Ps  25  8  94  10  (alles  spätere  Stellen  aus  der  Zeit  nach  dem  Exil).  In  die  nachexilische 
Periode  weisen  auch  Einzelheiten,  z.  B.  die  Bedeutung  von  ü^ip^T}  n'»ini?<i3  =  die  messianische 
Endzeit,  die  physische  Erhöhung  Jerusalems,  vgl.  Hes  40  2  47  Jo  4  18  Sach  14  8  10,  der 
Gebrauch  von  "?|1'n  in  religiösem  Sinn  =  von  Gott  befohlene  Lebensweise,  vgl.  Ps  25  4 
Prv  2  8.  Wie  alle  diese  Gründe  als  nur  auf  allgemeinen  Sätzen  beruhend  abgewiesen 
werden  sollen,  sehe  ich  nicht  ein.  Nach  alledem  darf,  da  sich  der  Inhalt  an  Hes 

und  Dtjes  anlehnt  und  gute  Parallelen  an  Sach  und  Tritojes  hat,  als  Entstehungszeit  dieser 
wichtigen  und  inhaltsreichen  Prophetie  rund  500  oder  das  5.  Jahrh.  angenommen  werden. 

Die  Prophetie  umfasst  fünf  Vierzeiler,  die  sich  als  gute  Sinneseinheiten  von  einander 
abheben. 

Zu  dem  ganzen  Abschnitt  vgl.  im  Comm.  zu  Jes  S.  24 — 28,  aus  dem  in  der  folgenden 
Erklärung  nur  das  Notwendigste  wiederholt  wird. 

1%  die  Erhöhung  des  Tempelbergs  und  seines  Tempels:  Geschehen  wird's 
am  Ende  der  Tage^  Festgegründet  wird  sein  der  Berg  Jahwes  Und  das  Haus 
unsres  Gottes  auf  dem  höchsten  der  Berge  Und  hinausragt  es  über  die  Hügel. 
Nach  Jes  wird  ]1Di  vor  Ti'y\^^  gehören  und  beides  zusammen  ist  als  Prädikat  zu 
dem  aus  LXX  Jes  zu  erschliessenden  zweiten  Subj.  ^rn'^fcj  n*^?  zu  nehmen.  Der 
Verf.  denkt  an  physische  Erhöhung  des  Tempelberges  (s.  oben  Vorbem.)  und 
an  die  von  keiner  Zerstörung  mehr  heimgesuchte  ewige  Dauer  des  Tempels. 
Die  beiden  Subjekte  sind  durch  Versehen  in  nin;;"n*'5  "in  zusammengeflossen. 
Der  ursprüngHche  Text  lautete:  D^nn  t^Sin  U\nb«  n^n^l  mH"'  nn  n\n''  pl 
Dass  n'i'n]  nicht  genuine  Fortsetzung  von  3  12  sein  kann,  ist  anerkannt;  es  ist 
zur  starren  Formel  geworden,  die  ohne  Anknüpfung  an  Vorangehendes  am  An- 
fang eines  selbständigen  Abschnittes  stehen  kann.  1^  2^  (bis  ^p?]),  das 
Herzuströmen  der  Völker  zum  Tempel  Jahwes:   Und  Völker  strömen  zu  ihm 


Mch  4  1  282  Mch  4  5 

lau  (1.  v'ji?!»  Jes)  Und  viele  Nationen  sind  auf  demWege :  ^^Au/\,  lasst  uns  hinauf - 
ziehen  zum  Berge  Jahwes  Und  zum  Hause  des  Gottes  Jakobs}''  ^^t^^\  ist  un- 
nötige und  prosaisch  klingende  Glosse.  2^  (von  ^^"]1*'1  an)  2^,  das  Ver- 
langen nach  Jahwes  Lehre:  „7iJ;*  soll  uns  lehren  seine  Wege  Und  wir  wollen 
ivandebi  in  seinen  Pfaden;  Denn  von  Zion  geht  T^ehre  aus  Und  das  Wort  Jahwes 
von  Jerusalem.'^  Hiermit  nimmt  die  Rede  der  Völker  ein  Ende.  Das  ]p  in 
VD'JTO  ist  partitiv  =  „das  jeweils  Nötige  und  Gefragte"  (Wellh.).  Bei  Micha 
ist  Jerusalem  das  Zentrum  der  Sünde  (1  5),  am  Ende  der  Tage  das  Zentrum 
der  Lehre  und  Weisung.  In  der  Mitte  zwischen  diesen  beiden  Endpunkten 
liegt  eine  reiche  Geschichte:  die  Konzentration  des  Kultus  in  Jerusalem  unter 
Josia  und  die  von  Hes  verheissene  Erwählung  Zions  durch  Jahwe  zum  blei- 
benden Wohnsitz.  3^''  (bis  ni1)?|)5^),  Jahwe  der  Schiedsrichter  der  Völker: 
Ujid  richten  tvird  er  zwischen  vielen  Völkerii  Und  Entscheid  geben  zahlreichen 
Nationen  Und  sie  werden  umschmieden  ihre  Schwerter  zu  Pflugeisen  Und  ihre 
lAinzenspitzen  zu  Winzermessern.  D*'^!*!  und  D*^)?^?^  werden  als  guter  Text  zu 
halten  sein,  dagegen  ist  pinv^lj?  für  den  Sinn  überflüssig  und  für  das  Metrum 
störend.  3*^  (von  \?h  an)  4^,  Friede  und  Glück  auf  Erden:  Kein  Volk  er- 
hebt mehr  das  Schwert  gegen  das  andere  Und  nicht  mehr  erlernen  sie  den 
Krieg.  Sie  sitzen  ein  jeder  unter  seinem  Weinstock  Und  unter  seinem  Feigen- 
bäum,  von  niemand  gestört.  Vom  Friedensreich  unter  der  Völker-  und  Tier- 
welt sprechen  auch  die  späten  Stellen  Jes  11  6-io  Jo  2  20.  4^  fehlt  in  Jes 
(s.  oben),  aber  gehört  zu  dem  ursprünglichen  Bestände  der  Prophetie  als  posi- 
tiver Abschluss  zu  der  negativen  Aussage  von  v.  3^'.  Einen  Bruch  bedeutet  es 
nicht,  dass  ^^^  nicht  auf  das  einzelne  Volk,  sondern  den  einzelnen  Menschen 
zu  beziehen  ist.  Die  Anwendung  des  sprichwörtlichen  Ausdrucks  auf  die 
gesamte  Menschheit  erklärt  die  Beibehaltung  des  'ä^^  vollständig,  gerade 
wie  I  Reg  5  5,  wo  es  sich  um  Juda  und  Israel  handelt,  vgl.  ferner  II  18  31 
Sach  3  10. 

4^  steht  ausser  dem  Metrum  und  hebt  hervor,  dass  die  Weissagung  v.  1-4 
auf  göttliche  Offenbarung  zurückgeht;  es  ist  der  Zusatz  des  Sammlers  oder 
Redaktors  wie  Jes  1  20,  vgl.  auch  die  sekundären  Stellen  Jes  40  5  58  i3f. 

5,  ebenfalls  ein  Zusatz,  wie  y.  4^,  doch  schwerlich  von  derselben  Hand 
(s.  Einl.  III  3).  Inhaltlich  entspricht  er  dem  Zusatz  zu  unserer  Prophetie  in 
Jes  2  5,  formell  lautet  er  dort  als  Aufforderung,  hier  als  bestimmte  Ver- 
sicherung; man  könnte  in  dieser  Versicherung  eine  Antwort  auf  die  dortige 
Mahnung  erblicken,  aber  die  Kürze  von  Jes  2  5  macht  es  wahrscheinlich,  dass 
umgekehrt  Mch  4  5  älter  ist  und  in  Jes  2  5  zur  Erfüllung  dieser  Versicherung 
gemahnt  wird.  nin;;"ati^'3,  im  Namen  Jahwes ^  wandeln  heisst  soviel  als:  von  ihm 
bevollmächtigt,  durch  seine  Autorität  gedeckt,  seiner  Autorität  folgend  sein 
Leben  führen,  der  Jahwereligion  gemäss  die  Lebensweise  gestalten.  Sachlich 
ist  es  dasselbe  wie  T\)TV  "^1«^  '?]bn  Jes  2  5.  Wir,  sagt  der  Glossator,  bleiben  bei 
der  Religion  Jahwes,  mögen  die  Heiden  noch  so  lange  ihren  Göttern  folgen; 
unser  ist  doch  nach  dieser  Weissagung  4  1-4  der  endliche  Sieg. 


Mch  4  6  283  Mch  4  8 


2,  Die  Sammlung  der  Zerstreuten  und  die  Wiederaufrichtung  der  früheren 

Herrschaft  auf  Zion  4  6-8. 

Niclit  sicher  ist,  ob  man  v.  8  mit  v.  6f.  zusammuii/.ujK-hmen  hat;  denn  ]1»^  "inn  in 
V.  7  macht  im  Grunde  die  Ausführung  von  v.  8  überflüssig,  aber  es  könnte  sehr  wohl  diese 
Ortsbestimmung  in  v.  7  verfrühte  (ilosse  sein,  zumal  bei  ihrer  Entfernung  die  Gleichmässig- 
keit  der  Zeilen  gewinnt.  Sicher  ist  auf  alle  Fülle,  dass  sowohl  v.  6 f.,  als  auch  v.  8  das 
Exil,  die  Zerstörung  Jerusalems  und  das  Ende  des  judäischen  Reiches  vorausgesetzt  sind. 
In  letzterer  Hinsicht  gehören  die  drei  Verse  fraglos  zusammen.  Zum  Inhalt  vgl.  2  12  13 
7  12  Zph  3  19  Hes  34  11-16.  Jeder  der  drei  Verse  enthält  ein  Tetrastich  von  kurzen 

Zeilen. 

6  An  Jenem  Tage,  ist  Jahwes  Spruch,  Will  ich  das  Ermallele  sammeln 
Und  aufnehmen  das  Verstossene  Und  das,  was  ich  schädigte.  In  der  Parallel- 
stelle Zph  3  19  fehlt  "'nj^'in  "^)^y,  was  aber  noch  kein  Beweis  ist,  dass  es  auch 
hier  nicht  zu  stehen  hat.  Es  bringt  im  Gegenteil  den  Gedanken  zum  Ausdruck, 
dass  die  Verstossung  Israels  ins  Exil  von  Jahwe  verhängt  war.  Zu  n|Di< 

von  ^ps  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  68h.  nj^V-iSn  hat  die  Form  eines  Sub- 

stantivs, nicht  eines  Partizips,  vgl.  ebenda  §84as,  das  feminine  Geschlecht 
steht  häufig  bei  Collectiva  §  122  s;  mit  diesem  Femininum,  wie  mit  den  folgen- 
den wird  das  exilierte  Israel  beschrieben.  nj^V^*!!  erklärt  man  gewöhnlich,  aber 
ohn6  dass  es  einen  guten  Sinn  giebt,  als  „das  Verirrte";  besser  ist  der  Vor- 
schlag von  ScHULTHESS  (Gött.  gel.  Anz.  1902,  No.  9,  670),  man  habe  arab.  ^^i:> 
zu  vergleichen  und  demgemäss  ,.das  Erschlaffte,  Ermattete",  zu  übersetzen. 
7  Das  zum  Tode  ermattete  und  kranke  Israel  des  Exils  wird  zum  Kern  eines 
zahlreichen  Volkes  Jahwes :  Und  ich  mache  das  Ermattete  %um  Reste  Und  das 
Ermüdete  %um  zahlreichen  Volke,  Und  Jahwe  wird  König  über  sie  Vo?i  da  an 
bis  in  Ewigkeit,  H'^IN*^  ist  deutlicher  term.  techn.  der  ausgebildeten  Eschato- 
logie,  hier  in  Parallele  gesetzt  mit  D^üJj;  ^M^  das  aus  ihm  erwächst,  vgL  Hos  2  i. 
Für  ns^Jn^Ll?  das  man  als  denom.  von  HsSt  =  das  weit  Entfernte  zu  erklären 
sucht,  ist  entweder  mit  Geätz  HsSlI,  das  Errnüdete,  oder  mit  Wellh.  nbn^n, 
das  Kranke,  Erschöpfte,  zu  lesen;  beides  passt  zu  H^V^ü.  Zu  jl''^  in^  vgl. 

die  Vorbemerkung;  die  Herrschaft  Jahwes  beginnt  schon  bei  der  Sammlung 
der  Exilierten  und  ihrem  Heimzug  nach  Zion,  vgl.  2  13.  nnj^D,  ton  da  an, 

d.  h.  von  .jenem  Tage"  (v.  6)  an;  es  ist  der  Zeitpunkt,  da  die  grosse  Wendung 
im  Geschicke  Israels  beginnt  und  die  Herrschaft  Jahwes  keine  Unterbrechung 
mehr  erfährt. 

8  Zion  wird  wieder  wie  früher  der  Sitz  des  Königtums:  Und  du,  Herden- 
turm, Hügel  der  Tochter  Zion,  Zu  dir  wird  kommen  Die  frühere  Herrschaft. 
Ich  halte  die  nicht  übersetzten  Worte,  die  ich  zusammennehme:  H^^^D  HiJ^^ 
p'j^n'^^  nn'p  =  es  wird  das  Königtum  an  die  Tochter  Jerusalem  kommen,  für 
erklärende  Randglosse,  die  ganz  bestimmt  den  Sinn  von  v.  8  angeben  wollte 
und  zerteilt  in  den  Text  geraten  ist.  Für  il^^öD,  das  sonst  nicht  als  stat.  abs. 
vorkommt,  kann  man  HD^Dön  herstellen,  der  Artikel  ist  leicht  nach  nSD^  schon 

'  T     T    I       -     -  /  TT 

am  Rande  verloren  gegangen.  Wellh.  vermutet  dagegen  ^iSlIli^y  n^^b  für  die 
beiden  letzten  Worte  und  Nowack  stellt  ausserdem  nsn^l  vor  nD^TDö ;  aber  es 

T     T  V    V    :      -     ' 

besagt  doch  nichts  neues  zu  der  früheren  Herrschaft,  wenn  noch  dasteht:  und 


Mch  4  8  284  Mch  4  9 

es  kommt  an  dich  das  Königtum  über  das  Haus  Israel.  Richtig  interpretiert 
LXX,  wenn  sie  statt  ri^'^öD  ^x  ßaßoXwvo;  bietet.  Es  ist  möglich,  dass  ur- 
sprünglich die  Glosse  so  zu  lesen  war.  "inj^'^^^p,  Ilerdenturm^  ist  Bezeich- 
nung Jerusalems;  da  wo  einst  Jerusalem  lag,  erhebt  sich  jetzt  ein  Turm,  wie 
ihn  Herdenbesitzer  in  der  Wüste  errichten,  vgl.  II  Chr  26  lo  und  ZDPV  1893, 
238  f.  Dass  Jerusalem  noch  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  zerstört  war,  setzt 
diese  Anrede  nicht  voraus;  nach  dem  parallelen  ]1^?"ri3  'pDj;,  „der  Höhe  der 
salomonischen  Residenz  in  Jerusalem"  (Guthe  KBW  488),  ist  der  „Herden- 
turm" auf  dem  Zion  zu  suchen. 

3.  Das  Exil  ist  der  Weg  zur  Rettung  Zions  4  9  lo. 

Die  beiden  Verse  bieten  der  Erklärung  grosse  Schwierigkeiten.  Sie  versetzen  uns 
im  Gegensatz  zu  v.  8  in  die  Zeit,  da  Jerusalem  noch  nicht  gefallen  ist,  aber  die  Exilierung 
seiner  Bewohner  nach  Babel  nahe  bevorsteht.  Zugleich  aber  trösten  sie  die  demnächst  ins 
Exil  AVandernden,  dass  dort  Jahwe  sie  von  ihren  Feinden  retten  werde.  Nach  diesem  In- 
halt sollte  man  denken,  dass  die  Verse  zur  Zeit  Jeremias  entstanden  seien.  Man  hat  sich 
bei  dieser  Annahme  nicht  beruhigt,  sondern  selbst  gemeint,  die  Autorschaft  Michas  für 
diese  Verse  festhalten  zu  können.  Da  aber  hiegegen  ^IS'IV  ri«nv,  und  du  wirst  nach  Babel 
kommen,  Einsprache  erhebt,  weil  Micha  nicht  die  Chaldäer,  sondern  die  Assyrer  als  die 
Vollstrecker  des  Gerichtes  kannte,  so  meinten  Küenen  und  Nowack  dieses  Sätzchen  als 
Glosse  entfernen  zu  dürfen.  Doch  diese  gewaltsame  Auskunft  hebt  erst  nicht  alle 
Schwierigkeiten;  denn  dann  muss  man  sich  fragen,  was  sich  der  Autor  unter  der  Kettung 
vor  den  Feinden  im  Felde,  worauf  sich  dann  D^  bezieht,  gedacht  hat.  Auf  Hos  2  16  f.  kann 
man  sich  nicht  berufen ,  da  dort  ganz  andere  Gedanken  zum  Ausdruck  kommen  und  die 
Verse  erst  noch  recht  späte  sind  (s.  zu  Hos  2  16  f.).  Kommt  man  bei  der  Annahme 
michanischer  Herkunft  für  v.  9 f.  in  schlimmes  Gedränge,  so  hilft  in  Wirklichkeit  auch 
das  Festhalten  an  der  Entstehungszeit  unmittelbar  vor  dem  Exil  nicht  aus  der  Not.  Es 
spricht  sich  in  den  Versen  doch  nicht  die  Stimmung  eines  Judäers  aus,  der  mitten  in  den 
Ereignissen  lebte  und  die  Wegführung  der  Jerusalemer  samt  der  Zerstörung  der  Haupt- 
stadt voraussah,  möchte  er  auch  die  Überzeugung  gehabt  haben,  dass  dies  der  Weg  zum 
Heile  Zions  sei  (man  vgl.  nur  Jeremia),  sondern  die  Stimmung  eines  Spätem,  der  von  der 
erfolgten  Rettung  aus  ruhiger  auf  jene  Unglückstage  zurückblickt,  auch  wenn  er  wohl  be- 
greift, warum  man  damals  jammern  konnte.  Dass  die  Verse  wirklich  ein  solcher  Rück- 
blick sind,  mit  dem  sich  ein  Späterer  mit  seinen  namentlich  auch  von  Dtjes  gewonnenen 
Gedanken  in  die  Tage  der  Deportation  der  Jerusalemer  versetzt,  zeigt  sich  auch  an 
manchem  Einzelnen:  So  weiss  er  genau,  dass  in  Babel  Jahwe  Zion  erlöst  aus  der  Hand 
der  Feinde,  d.  h.  dass  die  Eroberung  Babels  durch  die  Perser  den  Exilierten  die  Freiheit 
bringt;  dann  ist  v.  9^  offenbar  Nachahmung  von  Jer  8  19  und  endlich  versteht  er  unter 
dem  "^^ö  und  fV'^'^  Zions  Jahwe,  was  kaum  möglich  wäre,  wenn  noch  ein  israelitischer 
König  über  Jerusalem  regiert  hätte.  Die  Verse  zeigen  also,  wie  tief  sich  ihr  Verf.  in  die 
Gedanken  Dtjes's  eingelebt  hat,  dass  das  Exil  als  der  Durchgangspunkt  zum  Heile  zu  be- 
trachten sei;  sie  sind  darum  auch  erst  nach  Dtjes  entstanden. 

Metrisch  bilden  v.  9  f.  drei  kurzzeilige  Tetrasticha. 

9  Warum  schreist  du  so  laut?  Hast  du  keinen  König?  Oder  ist  dein 
Ratgeber  verschwunden^  Dass  dich  Zittern  ergriffen  hat?  nrij?,  nun  der  Fol- 
gerung, wird  von  dem  herrühren,  der  v.  9  f.  hier  angereiht  hat.  Hl^l^S  ist 
Glosse  aus  v.  lo.  Die  JFrage  'Ul  "^J^öH  (vgl.  Jer  8  19)  ist  in  keiner  Weise 
ironisch  zu  verstehen;  sondern  sie  will  die  ganze  Schwere  des  Schicksals  zeigen, 
das  über  Zion  verhängt  ist :  es  ist  so  schwer,  dass  es  scheint,  als  ob  Jahwe  nicht 
mehr  der  Leiter  seiner  Geschicke,  sein  König  und  sein  Ratgeber ,  Versorger ^ 


Mch  4  9  285  Mp).  4  1 2 

wäre.  So  scheint  es,  aber  es  ist  nicht  so;  er  ist  ein  „wunderbarer  Rat",  der 
König  will,  dass  Zion  durch  diese  Not  hindurch  muss,  die  allerdings  so  gross 
ist,  dass  das  Jammern  ganz  natürlich  erscheint,  darum  der  Zuruf  lO'^''  (bis 
n"l^?) :  Zittere  und  seiil'ze,  Tochter  /Jon,  wie  eine  (iebärende;  Denn  nun  musst 
du  ausziehen  aus  der  Stadt  Und  auf  freiem  Felde  lagern.  Für  '^ni,  das,  von 
n^-l,  herrorbrechen,  resp.  hervortreiben ^  abgeleitet,  keinen  guten  Sinn  giebt, 
liest  man  am  besten  unter  der  Annahme,  dass  einige  Buchstaben  verwischt 
seien,  mit  Grätz  '^nifcjn,  seufze!  (Elhoest,  Cheyne:  ''^n,  vgl.  Jer  48  3i;  Bühl: 
''J^D,  stöhne,  vgl.  Jes  42  14).  ni'^l^?  ist  hier  nicht  zu  beanstanden,  vgl. 

Jer  6  24  22  23;  es  malt  den  schweren  Schmerz  und  die  Krisis,  durch  die  Zion 
nny,  eben  jetzt  (von  dem  in  v.  9  f.  eingenommenen  Standpunkt  ausgesagt)  hin- 
durch muss.  np^p  und  H*]*^  sind  Gegensätze,  das  erste  ==  die  Stadt,  in  der 
man  geborgen,  das  zweite  =  das  freie  Feld,  auf  dem  man  aller  Unbill  der  Wit- 
terung, sowie  den  Angriffen  der  Tiere  und  Räuber  ausgesetzt  ist.  10'' 
(von  Hfc^D^  a,uch  Hi^ni  punktiert,  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  lOk  76g,  an)  Du  musst 
bis  Babel  gelangen,  Dort  wirst  du  gerettet,  Dort  erlöst  dich  Jahwe  Aus  der 
Hand  deiner  Feinde,  In  Babel  wendet  sich  die  Krisis  zum  Guten,  so  ist  es  der 
Wille  deines  Königs  und  Versorgers. 

4.  Die  Versammlung  und  Vernichtung  der  Völker  vor  Jerusalem  4  ii-is. 

Die  Verse  11-13  sind  das  Gegenbild  von  v.  9  f.  Die  Belagerung  Jerusalems  in  der 
Endzeit  bringt  Zion  nicht  das  Exil,  sondern  den  vollständigen  endgiltigen  Sieg  und  die 
gänzliche  Vernichtung  der  Feinde.  Micha  hat  3  12  ganz  anderes  geweissagt;  unsere  Verse 
gehen  aber  auch  nicht  auf  ein  historisches  Ereignis  im  Verlauf  der  Geschichte,  sondern 
auf  das  Ereignis  am  Ende  der  Tage,  da  die  Völker  gegen  Zion  sich  erheben  und  dorthin 
sich  sammeln  —  um  dem  Vernichtungsgericht  anheimzufallen.  Seit  Hesekiel  gehört  diese 
Erwartung  zu  den  festen  Elementen  der  jüdischen  Eschatologie,  vgl.  Hes  38 f.  Jo  4  Sach 
9  14-16  12  1-9  Dan  11  45,  sowie  auch  Jes  10  12  12  24-27  17  12-14  41  11-16  66  6.  Der  Ab- 
schnitt stammt  somit  aus  der  nachhesekielischen  Zeit.  Metrisch  lassen  sich  drei 
Tetrasticha  und  ein  Distichon  unterscheiden,  wobei  es  fraglich  bleibt,  ob  ein  zweites 
Distichon  am  Ende  verloren  ist,  das  auch  die  vierte  Strophe  zum  Vierzeiler  auffüllte. 

11  Die  Sammlung  der  Heiden  vor  Jerusalem:  Und  nun  sind  versammelt 
wider  dich  Viele  Völker,  Die  da  sprechen:  sie  werde  entweiht,  dass  sich  weiden 
Unsere  Augen  an  Zion.  Mit  nriJJ  versetzt  sich  der  Autor  in  den  Zeitpunkt  der 
Ereignisse,  die  er  schildert;  es  geht  auf  die  Zukunft  =  einst.  Für  ^5nri, 

das  „durch  Gottlosigkeit  entweiht  werden"  bedeutet,  also  hier  aus  dem  Sinne 
des  Autors  gesprochen  zu  denken  ist,  liest  Wellh.  das  sehr  unsichere  ^HD^^, 
das  er  als  „geschleift  werden"  versteht,  s.  zu  Jer  46  15.  Zu  njn  mit  3, 

=  Schadenfreude  haben,  vgl.  Ob  y.  12 f.;  das  Femin.  Sing,  (statt  des  gewöhn- 
lichen Plur.)  des  Prädikats  bei  dem  Dual  des  Subjekts  ist  bemerkenswert,  s. 
Ges.-Kaützsch27  §  145 n.  12  Der  den  Heiden  unbekannte  Plan  Jahwes: 

Aber  sie  haben  keine  Kenntnis  Von  den  Gedanken  Jahwes,  Verstehen  seinen 
Plan  nicht,  Dass  er  sie  wie  Garben  zur  Tenne  gesammelt.  Vgl.  Jes  55  8  f. 
13  Aufforderung  an  Zion,  die  Heiden  zu  vernichten  (sechs  Zeilen  s.  Vorbem.): 
Auf  und  drisch,  Tochter  Zion;  Denn  ich  mache  dein  Hörn  eisern  Und  mache 
deine  Hufe  ehern,  Dass  du  viele  Völker  zermalmst  Und  dass  du  ihren  Raub 


Meli  4  12  286  Mcb  5  l 

Jahwe  iveihst  Und  ihr  Gut  dem  Herrn  der  (jan%en  Erde.  Zu  dem  Dreschen  als 
Bild  der  Besiegung  und  Vernichtung  der  Feinde  vgl.  Ana  1  3,  bes.  aber  die 
parallele  Stelle  Jes  41 15;  zu  der  Imperativform  "^^V\  mit  ö  vgl.  Ges.-Kautzsch^^ 
§  72  q,  zu  der  Schreibung  '•r^D'inni  statt  ''rin —  (2.  pers.  fem.  sing.)  §  44h.  Die 
Beute,  die  die  Sieger  an  dem  von  den  Völkern  zusammengerafften  Raub  DJ^^? 
und  an  ihrem  sonstigen  Gute  Db'^H  machen,  sollen  sie  Jahwe  bannen,  d.  h.  weihen 
durch  Verbrennung  der  verbrennbaren  Stoffe  und  durch  Verbringung  der  Me- 
talle in  den  Tempelschatz,  vgh  Dtn  7  25 f.  Jos  6  i8  24.  Herr  der  ganzen 
Well  heisst  Jahwe  nicht  vor  dem  Exil,  vgl  Jos  3  ii  13  Sach  4  14  6  5  Ps  97  5. 

5.  Aufforderung  an  Zion,   über  die  bevorstehende  Eroberung  Jerusalems 

zu  trauern  4  i4, 

AVieder  mit  T\p:^  eingeleitet,  ist  der  Vierzeiler,  v.  14,  eine  genaue  Parallele  zu  v.  10, 
ohne  dass  hier  wie  dort  an  die  schliessliche  Erlösung  erinnert  wäre.  Man  könnte  daran 
denken  v.  14  zwischen  v.  9  und  v.  10  einzuschieben;  aber  v.  14  ist  dort  nicht  nötig  und 
sieht  mehr  wie  eine  Parallele  als  wie  eine  Ergänzung  von  v.  10  aus.  Daher  wird  v.  14  als 
ein  Fragment  aus  einer  Dichtung  zu  betrachten  sein,  die,  wie  v.  9f.,  eine  Belagerung  Je- 
rusalems zum  Gegenstand  hatte.  Welche  Belagerung  gemeint  ist,  lässt  sich  nicht  sagen; 
es  könnte  am  Ende  die  Sanheribs  zur  Zeit  Michas,  aber  ebensogut  die  Nebukadnezars  sein, 
wie  V.  9 f.,  oder  irgend  eine  noch  spätere,  jedoch  nicht  die  am  Ende  der  Tage,  die  einen 
ganz  anderen  Ausgang  nimmt,  vgl.  v.  11-13.  Der  Vers  wird  am  einfachsten  als  Randzitat 
zu  V.  10  aus  einem  Gedicht  über  die  Belagerung  Zions  durch  die  Chaldäer  angesehen. 

14  Nun  %erkrat%e  dich  schmerzlich,  Einen  Belagerungswall  haben  sie 
gegen  uns  errichtet,  Mit  dem  Stock  werden  sie  auf  die  Wange  schlagen  Den 
Richter  Israels,  Das  unverständliche  l^irn?,  das  man  als  „Tochter  des  An- 
griffs =  belagert"  zu  erklären  sucht,  hat  Wellh.  glücklich  emendiert,  indem 
er  mit  dem  vorangehenden  Verb  zusammen  "^l^änn  ^länn  oder  umgekehrt  liest, 
also:  zerkratze  dich  in  schmerzlichster  Trauer,  vgl.  Dtn  14  i  Lev  19  28  21  5 
Jer  16  6  41  5  47  5.  Für  D'^  liest  man  am  besten  mit  Nowack,  entsprechend 
^T,  den  Plural  -iD^.  Backenstreiche  sind  eine  grobe  Insulte  s.  I  Reg  22  24 

Hi  16  10  Mt  26  67.  DSfe^  =-  König,  wie  Am  2  3,  hier  gebraucht  wegen  der 

Paronomasie  mit  tODti^. 

6.  Die  Weissagung  von  dem  künftigen  messianischen  Herrscher  aus  Davids 

Stamm  5  i— 5. 

Die  Prophezeiung  von  dem  messianischen  König  der  Zukunft  ist  so  wenig  im 
8.  Jahrh.  entstanden,  wie  die  messianischen  Weissagungen  Jes  9  1-6  und  11  1-9  (vgl.  zu 
diesen  Stellen  meinen  Comm.).  Hier  sieht  man  so  deutlich  wie  möglich,  dass  für  den 
Autor  der  Prophetie  das  Haus  Davids  nicht  mehr  regiert;  sonst  könnte  er  nicht  sagen, 
dass  aus  Bethlehem  der  Herrscher  hervorgehen  soll,  wie  schon  einmal  in  den  Tagen  der 
Urzeit.  Nur  für  die  nachexilische  Gemeinde  sind  Davids  Tage  Tage  der  Urzeit  und  erst 
als  der  Thron  Davids  in  Jerusalem  nicht  mehr  existierte,  konnte  man  den  neuen  Davididen 
aus  Bethlehem  erwarten.    Vgl.  schon  Stade  ZATW  1881,  168. 

Die  Prophetie  v.  1-5  ist  aber  nicht  einheitlich.     Der  Zusammenhang  zwischen  v.  1  ^ 
und  V.  3  ist  durch  das  Einschiebsel  von  v.  2  unterbrochen  (s.  zu  v.  2),   und  die  Verse  4f. 
sind  eine  späte  Ergänzung,  die  als  die  Feinde  Israels  die  Syrer  des  3.  und  2.  Jahrh.  kennt 
(s.  zu  V.  4 f.).     Der  ältere  Teil  v.  1  3  kann  ungefähr  zur  selben  Zeit  entstanden  sein,   wie 
seine  Parallelen  Jes  9  1-6  11  1-9,  also  um  500  v.  Chr.  ^^B 


Mch  5  1  2R7  Mol,  5  2 

Metrisch  bilden  v.  J  und  v.  3  zusarninen  einen  Zehnzeiler  und  eljenso  machen  v.  4  und 
V.  5  zehn  Zeilen  aus,  die  sich  aber  in  zwei  fÜnfzeilige  Strophen  gruppien^n  lassen.  Dagegen 
ist  der  eingeschobene  v.  2  prosaisch. 

1  DieHerkunft  des  messiauisclien  Königs  ausBcthlehoTn  (6  Zeilen):  Und 
du,  Bctli  Ephratha,  Du  kleinster  unter  Judas  Gauen^  Aus  dir  sott  mir  her  vor- 
ijehen.  Der  Herrscher  i'dter  Israel  wird.  Dessen  Herkunft  ist  aus  der  Vorzeit,  Aus 
den  Tagen  der  Vergangenheit.  Zu  lesen  ist  der  Anfang  ^^V.^T]  nn";D«  n"^n  nnsi 
m^TV  ^^b\^^.  Nach  LXX  x7.l  at)  HtiiIXssul  oIxo;  Avs^fjOiUa  zu  schlicssen,  ist  näm- 
lieh  ByjöXs£|x  erst  später  eingefügt  als  Erklärung  zu  dem  ursprünglicheren 
olxo;  'Ecppocöa,  die  dann  verstümmelt  auch  in  den  hebr.  Text  Aufnahme  fand 
(so  RooRDA,  Wellh.  u.  a.).  Dann  ist  ferner  mit  HiTzia  u.  a.  TJ^^n  mit  Artikel 
zu  lesen,  da  es  noch  zur  Anrede  gehört  und  nicht  Prädikat  ist,  und  rwrh  als 
durch  Versehen  aus  dem  Folgenden  eingedrungen  zu  betrachten,  also  zu  ent- 
fernen. Das  n  von  I^V^H  kann  man  vom  Schluss  von  ^n'^D^^  herübernehmen 
oder,  da  nniDS  auch  Gen  48  7  statt  ^1D^|:  zu  lesen  sein  wird  (s.  das  dort  folgende 
n),  also  auch  hier  notwendig  ist,  als  durch  Haplographie  verloren  ansehen. 
Die  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Identifikation  von  ßeth  Ephrata  mit 
Bethlehem  sind  unbegründet,  man  vgl.  die  Parallele  von  nrilö«,  der  Landschaft, 
und  Unh  n*^?,  der  darin  gelegenen  Ortschaft,  Et  4  ii,  ferner  I  Sam  17  12  Rt  1  2, 
sowie  den  jetzigen  Text  Gen  48  7:  ünh  n^n  ^^\n  rilDlS?,  der,  auch  wenn  eine 
Glosse  darin  steckt,  gerade  so  für  die  Gleichung  von  Beth  Ephrata  =  Beth- 
lehem zeugt,  wie  der  Zusatz  in  LXX  zu  Jos  15  59:  'Ecppa&a,  ovjzr^  sail  BaiÖAssjx. 
Darum  sind  auch  die  Schlüsse  gänzlich  hinfällig,  die  man  daraus  hat  ziehen 
w^ollen,  z.  B.  dass  der  Prophet  die  Verdrängung  der  davidischen  Dynastie 
durch  eine  von  Saul  (aus  Ephrat  in  Benjamin)  sich  herleitende  weissage 
(Oort);  übrigens  spricht  dagegen  schon  deutlich  genug  das  Juda  in  TJ?^n 
rn^irr^  •'Sb^^S.  "h,  mir,  kann  sich  nur  auf  Jahwe  beziehen,  trotzdem  nachher 

in  Y.  3  T^^JT  in  3.  pers.  erscheint;  es  hebt  hervor,  dass  das  Kommen  des  Herr- 
schers der  Erfüllung  von  Gottes  Willen  dienen  wird.  Das  Subj.  zu  i^?^  ist  der 
Sache  nach  ^^*1D  T\^'^Th  (Nowack).  Zu  v.  1^  vgl.  die  Vorbemerkung;  zu  der 

Verheissung  eines  neuen  David  vgl.  Hes  34  23f.  37  24  Hos  3  5. 

2,  ein  prosaisches  Einschiebsel  (Duioi  zu  Jes  7  i4,  Wellh.,  Nowack),  als 
sekundär  erwiesen  durch  den  W^echsel  des  Subjekts  (DiPl  gegen  ^h  v.  1)  und 
durch  seinen  Inhalt,  der  sich  an  den  allgemeinen  Gedanken  von  v.  1  und  von 
V.  3,  an  die  Weissagung  vom  Kommen  des  Messias,  hält,  aber  auf  die  besondere 
Form,  in  welcher  sie  v.  1  auftritt,  keine  Rücksicht  nimmt.  Kommt  der  mäch- 
tige Herrscher  erst  in  der  Zukunft,  dann  also  (JD^,  darum)  sind  die  Israeliten 
bis  zu  seinem  Kommen  dahingegeben  seil,  in  die  Macht  der  Fremden.  Den 
Zeitpunkt  des  Kommens  des  Messias  bezeichnet  der  Interpolatpr  mit  dem 
Moment,  da  eine  Gebärerin  geboren  hat;  damit  spielt  er  auf  Jes  7  u  an  und 
zeigt,  dass  er  die  Stelle  von  Immanuel  messianisch  verstanden  hat  (vgl.  zu 
Jes  7  14).  Auch  in  v.  2''  werden  „geheimnisvolle  Andeutungen,  mit  lite- 

rarischen Beziehungen-'  liegen  (Wellh.);  ]^:iW\  YT\^  in;  wird  dem  n^tr;  1«^ 
Jes's  entsprechen,  ist  hier  aber  in  physischem  Sinne  gemeint  von  der  Wieder- 
Vereinigung  aller  Israeliten,  der  Judäer  und  der  Überbleibsel  des  Nordreichs, 


Mch  5  2  288  Mch  5  4 

Vgl.  Hos  2  2  3  5.  b)l  ist  bt}  zu  schreiben,  oder  doch  so  zu  verstehen;  das 

Subj.  zu  D^n^  kann  nur  Jahwe  sein  und  das  Suffix  D-^-  geht  auf  die  Israeliten, 
mit  dem  Suffix  in  VH«  dagegen  muss  der  Messias  gemeint  sein.  Auch  diese 
Sorglosigkeit  in  Hinsicht  auf  die  Bestimmtheit  ist  ein  Zeichen  des  Epitomators, 
der  mit  seinem  Einschub  an  bekannte  Vorstellungen  erinnern  will. 

3  setzt  V.  1  fort  mit  der  Schilderung  der  kraftvollen  und  glücklichen 
Herrschaft  des  Messias  (vier  Zeilen):  Und  er  tritt  auf  und  weidet  in  der  Kraft 
Jahives,  In  dem  hohen  Namen  Jahwes,  seines  Gottes,  Und  sie  wohnen  sicher; 
denn  nun  ist  er  gross  Bis  an  die  Enden  der  Erde,  Der  hohe  majestätische 
Name  ist  parallel  und  synonym  mit  der  Kraft  Jahwes;  der  neue  David  regiert 
in  Jahwes  Namen  als  sein  mit  Kraft  ausgerüsteter  Stellvertreter.  niJJ^,  nun, 
reicht  seine  Macht  bis  ans  Ende  der  Erde  (vgl.  Ps  2  8  72  8),  seine  Unterthanen 
können  daher  wohnen  d.  h.  sicher  und  ungestört  wohnen;  D^J  hat  hier  den  Sinn 
von  vm  1^\  Vgl.  Jes  9  6  11  6-9. 

4  5,  ein  späterer  Anhang:  die  Abwehr  und  Besiegung  der  „Assyrer". 
Die  Verse  stammen  nicht  von  dem  Autor  der  "Weissagung  des  neuen  David;  denn  dieser 
ist  in  V.  4 f.  gänzlich  vergessen.  Nach  v.  3  reicht  seine  Macht  bis  ans  Ende  der  AVeit,  in 
V.  4  f.  sind  Einfälle  der  „Assyrer"  vorausgesetzt  und  nicht  der  Messias  ist  es,  der  das  Land 
vor  denselben  rettet,  sondern  sieben,  acht  Fürsten  und  diese  sind  erst  nicht  vom  Messias 
dem  Eeinde  entgegengestellt,  sondern  von  der  Gesamtheit  („wir"  vgl.  ^ibj^ni  v.  4).  Die  Er- 
gänzung, welche  diese  Verse  zu  v.  1  3  bilden,  denkt  nicht  zurück  an  die  „vielen  Völker" 
von  4  11,  sondern  wohl  an  die  Kämpfe  der  Makkabäer  gegen  die  Syrer  und  sagt:  Sollte 
dann  in  der  Zeit  des  Messias  den  „Assyrern"  es  einfallen,  den  Frieden  stören  zu  wollen, 
so  werden,  wie  in  der  Makkabäerzeit,  Führer  vorhanden  sein,  den  Frieden  sicher  zu  stellen 
durch  Besiegung  der  Feinde.  „Assur"  ist  hier  =  Syrien,  wie  Jes  19  23  27  13  30  31  etc., 
vgl.  m.  Bemerkung  im  Comm.  zu  Jes  10  20-23  S.  106 f.,  s.  auch  Stade  ZATW  1882,  291  f. 
Nach  dieser  Auffassung  fallt  die  Entstehung  von  v.  4 f.  in  die  zweite  Hälfte  des  2.  Jahrh, 
V.  Chr.,  etwa  in  die  Zeit  Simons,  des  sechsten  in  der  Reihe  der  makkabäischen  Fürsten, 
unter  dessen  Regierung  eine  Periode  des  Friedens  und  Glückes  einkehrte  (I  Mak  14  4-15), 
deren  Störung  durch  die  Syrer  unter  der  Führung  Judas  und  Johannes,  zweier  Söhne 
Simons,  des  siebenten  und  des  achten  Hirten,  kräftig  abgewiesen  wurde  (IMak  16  1-10), 
vgl.  zu  V.  4.    Ein  Seitenstück  zu  diesem  Anhang  bildet  Ps  110. 

4,  die  Aufstellung  von  sieben,  acht  Führern  gegen  die  „Assyrer''  (der 
erste  Fünfzeiler):  Und  es  wird  solcher  Art  Friede  sein:  Fällt  Assur  in  unser 
Land  Und  betritt  es  unsern  Boden  1.  nach  LXX  ^inD^^^S  für  ^liTHiD'iS^,  So 
Stellen  wir  ihm  sieben  Hirten  entgegen  Und  acht  Fürsten  unter  den  Menschen, 
Dl^ti^  nt  iTHI  ist  nicht  mit  dem  Vorhergehenden  zu  verbinden  und  zu  übersetzen: 
und  dieser  wird  Friede  sein.  Da  der  Messias  vorher  Subjekt  ist,  brauchte  er, 
wenn  er  es  bleiben  sollte,  nicht  neu  eingeführt  zu  werden,  und  nt,  ein  solcher, 
wäre  erst  noch  eine  sehr  sonderbare  Wiederaufnahme  des  vorher  nach  Her- 
kunft und  Thätigkeit  genau  bestimmten  Messias.  HJ  ist  vielmehr  prädikativ 
und  auf  das  Folgende  hinweisend  zu  verstehen:  und  auf  folgende  Art  wird 
Friede  werden,  nämlich  dadurch,  dass  „Assur"  überwunden  wird.  Zu 

5i:ib|?ni,  wofür  bei  Entstehung  von  v.  i-5  aus  einem  Gusse  D^'pni,  =  und  er  (der 
Messias)  wird  aufstellen,  stehen  müsste,  s.  die  Vorbemerkung.  Hirt  ist 

s.  V.  a.  Führer,  Begent,  wie  nj^l  =  regieren,  vgl.  homerisches  ttoiijlsvsc  Xad)v 
und  bes.  Hes  34  und  Sach  11;  zu  Dl«  ''?''P4,  etwa  =  exemplarische  Fürsten, 
vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  1281.  Die  heilige  Zahl  sieben  wird  im  folgenden  Stichos 


Mch  5  4  289  Meli  5  8 

durch  acht  üborhoteii,  v^l.  /u  Am  Iß;  es  soll  nicht  an  den  nötigen  Führern 
fehlen,  miin  denke  au  Mattathias,  seine  fünf  Sohne  und  seine  Enkel,  an  Judas 
und  Johannes  (Hyrkanus).  5,  die  Besiegung  ,,Ässurs"  (der  zweite  Fünf- 

zeiler):  Die  werden  das  Land  Assnr  toeiden  mit  dem  Schwert  Und  das  Land 
Nimrods  mit  f/ezlicktent  Degen  Und  sie  werden  uns  retten  vor  Assur,  Wenn  es 
ein/'ällt  in  unser  Land  Und  unser  Gebiet  betritt.  Für  h^^T\  ist  dem  ^lyi  ent- 
sprechend der  Plural  l^'^^n,  wahrscheinlich  mit  Suff.  ^:i^^^2Jn,  zu  lesen.  rr^nriD 
ist  unsicher;  das  Suff,  scheint  sich  auf  ^"IH  zu  beziehen,  aber  nriD,  =  Klinge, 
Schneide,  ist  nicht  erwiesen.  Vielleicht  ist  ninns  oder  iTriinnD  =  gezückte 
Schwerter  oder  seine  (des  Schwertes)  Klingen  zu  lesen,  vgl.  Ps  55  22.  Das 

Land  Nimrods  soll  nur  andere  Bezeichnung  für  Assur  sein,  vgl.  Gen  10  8-11. 
Jedenfalls  spricht  sich  auch  in  dieser  Bezeichnung,  wie  im  ganzen  Inhalt  von 
V.  4f.  ein  kriegerisches  Selbstgefühl  aus,  das  sehr  wohl  in  die  Zeit  nach  den 
grossen  Erfolgen  der  Makkabäer  gegen  die  Syrer  passt. 

7.  Der  von  Jahwe  wunderbar  gesegnete  Rest  Jakobs,  der  Sieger  über  die 

Völker  5  6—8. 

Die  Verse  6-8  sind  eine  Parallele,  darum  nicht  die  Fortsetzung  zu  v.  4  f.  Sie  atmen 
dasselbe  Hochgefülil  und  Selbstbewusstsein,  wie  v.  4 f.,  und  sind  deshalb  auch  am  besten 
als  in  derselben  Periode  entstanden  zu  betrachten.  Dieses  Selbstbewusstsein  ist  belebt 
durch  die  Erfolge  und  Siege  der  Makkabäer,  die  mit  aller  Macht  die  Hoffnung  auf  die  Er- 
füllung der  Weissagungen  der  Propheten  den  Erommen  nahelegen  mussten,  vgl.  z.  B. 
Jes  49  25  f.  60  22.  Die  beiden  ersten  Verse  sind  einander  ähnlich  gebaute  Sechszeiler  und 
V.  8  schliesst  die  Prophetie  ab  mit  einem  triumphierenden  Distichon. 

6,  die  wunderbare  Vermehrung  des  Restes  Jakobs:  Uiid  es  wird  sein  der 
Rest  Jakobs  Inmitten  der  Völkermenge  Wie  Tau  von  Jahwe,  Wie  Regen  auf 
das  Gras,  Der  nicht  wallten  muss  auf  Menschen  Noch  harren  auf  Menschen- 
kinder.  Vielleicht  ist  mit  LXX,  Pesch.  nach  y.  7  am  Ende  der  ersten  Zeile  ein- 
zusetzen: DMH?,  unter  den  Nationen.  Der  Anfang  lässt  vermuten,  dass  der 
Rest  (s.  4  7)  Jakobs  als  Segen  unter  den  Völkern  mit  dem  erquickenden  Tau 
und  Regen  verglichen  werde,  etwa  wie  Jes  19  24f.;  aber  v.  6^  zeigt,  dass  die 
Vergleichung  auf  anderes  in  der  Erscheinung  des  Taus  und  Regens  reflektiert, 
auf  seine  Entstehung  ohne  Zuthun  von  Menschenhand.  So  gleicht  der  Rest 
den  Millionen  von  Tau-  und  Regentropfen  am  Grase;  er  entsteht  unter  den 
Völkern  in  wunderbarer  Menge  durch  Gottes  That,  vgl.  4  i  Hos  2  i.  Die  Ein- 
fügung von  'pj;  vor  nnsti^  (Encycl.  Bibl.  I,  1095f.)  ist  unnötig;  das  Pasek  deutet 
eher  auf  das  Fehlen  von  DM:15  in  dem  Stiches  hin.  7,  die  siegreiche  Macht 

des  Restes  unter  den  Völkern.    Der  Anfang  lautet  wie  v.  6;  die  Vergleichung 
ist  hier  ohne  weiteres  verständlich:  Wie  ein  Löwe  unter  den  Tieren  der  Wildnis, 
Wie  ein  Leu  unter  den  Schafherden,  Der,  wenn  er  darüber  kommt,  nieder- 
schlägt  Und  %erreisst,  ohne  dass  jemand  retten  kann.  8  Der  jubelnde 

Triumph  über  die  Überwindung  der  Feinde  in  direkter  Anrede  an  Israel,  nicht 
als  Wunsch  (D'iri),  sondern  als  feste  Überzeugung  (onP)  zu  lesen:  Hoch  ist 
deine  Hand  über  deine  Widersacher  Und  all  deine  Feinde  iverden  vertilgt. 
"1\  DHP,  hoch  ist  die  Hand,  bedeutet:  sie  triumphiert,  vgl.  Dtn  32  27  Jes  26  11 

Kurzer  HC  zum  AT  XIIJ  19 


Mch  5  8  290  Mch  5  \S 

und  HDn  T2  Ex  14  8.    Zum  Inhalt  vd.  Jes  60  12  Sacli  14  17-19  und  die  ver- 

T     T  T  :  o 

wandte  Stimmung  Ps  149  6. 

8.  Die  Vernichtung  des  Kriegsmaterials  und  des  heidnisclien  Kultusapparates 

im  Endgericht  5  9-14. 

Wellh.  und  NowACK  halten  dafür,  „dieses  Stück,  welches  die  Baraoth  selber  unan- 
getastet lässt  und  sich  nur  gegen  ihren  Zubehör  wendet,  könnte,  mit  Ausnahme  allerdings 
von  V.  14,  sehr  gut  dem  Micha  zugesprochen  werden."  Aber  diese  Ansicht  ist  unrichtig. 
Denn  einmal  sind  Äschere  und  Masseba  noch  nicht  von  Hosea  und  Jesaja,  sondern  erst 
vom  Dtn  direkt  bekämpft  und  deshalb  auch  nicht  durch  die  Reform  Hiskias  beseitigt 
worden  (so  schon  Stade  ZATW  1883,  8 — 16).  Dann  aber  hat  das  argumentum  e  silentio, 
dass  nämlich  die  Bamoth  nicht  erwähnt  werden,  hier  keine  Bedeutung;  denn  wenn  der 
ganze  heidnische  Kultusapparat  zerstört  ist,  verlieren  die  Höhen  ihren  Wert  und  ausserdem 
können  sie  deshalb  nicht  genannt  sein,  weil  sie  durch  die  Reform  Josias  und  das  Exil  als  end- 
gültig verwüstet  und  abgeschafft  galten.  Endlich  führt  in  eine  späte  Zeit  die  Kombination  von 
Kriegsmaterial  und  Götzenapparat  in  dieser  reichhaltigen  Aufzählung  und  darunter  haupt- 
sächlich die  Erwähnung  der  Burgen,  deren  es  besonders  in  der  Makkabäerzeit  viele  im  Lande 
gab  (man  denke  an  Bethzura  und  Akra  und  vgl.  Ps  18  46  31  3  Mch  7  17),  sowie  die  Zusammen- 
stellung von  Pesilim  und  Masseben.  Auch  Jesaja  hat  Ross  und  Wagen  mit  den  Gottesbildern 
verbunden  (Jes  2  7  f.),  beide  als  Zeichen  des  Reichtums  fassend ;  hier  sind  sie  Zeichen  des  Ab- 
falls von  Gott  und  müssen  darum  vernichtet  werden.  Im  letzten  Grund  geht  zwar  auch  diese 
Deutung  auf  Jesaja  zurück,  denn  das  Vertrauen  auf  Rosse  und  Kriegsmaterial  bekundet  Un- 
glauben (vgl.  Jes  30  16  31  1);  aber  deshalb  die  Ausrottung  der  Rosse  zu  verlangen,  ist  ihm 
nicht  eingefallen.  An  Götzenbildern  und  dergleichen  darf  man  keinen  Anstoss  nehmen, 
die  kamen  in  später  Zeit  in  Israel  immer  noch  vor,  vgl.  zu  Jes  30  22,  gerade  wie  Ascheren 
und  Masseben,  vgl.  Jes  27  9  (s.  auch  unten  die  Erklärung).  Der  Schluss  auf  späte  Her- 
kunft des  Abschnitts  wird  bestätigt  sowohl  durch  Parallelen,  die  gleicherweise  einer  späten 
Zeit  angehören  (vgl.  bes.  Hos  14  4,  wo  Rosse  und  Götzendienst  wie  hier  neben  einander 
als  Sünde  verworfen  werden,  ferner  Hos  2  20  8  14),  als  auch  durch  die  ganze  Art  der  Verse 
9-14,  die  durchaus  den  Eindruck  einer  schriftgelehrten  Arbeit,  nicht  den  einer  originalen 
Prophetie  machen.  Sieht  man  von  der  Einleitungsformel  ab,  so  folgen  v.  9^»^-13  fünf 
Disticha,  von  denen  zwei  die  Ausrottung  des  Kriegsmaterials,  drei  die  Vernichtung  des 
Götzenapparates  betreffen,  und  den  Schluss  macht  in  v.  14,  den  man  als  sechstes  Distichon 
betrachten  kann,  die  Ankündigung  der  Rache  an  den  Heiden. 

9  Zu  den  Bossen  und  Wagen  als  Kriegsmaterial  vgl.  Jes  2  ?  30  16  31  i 

Dtn  17  16  20  1  Sach  9  lo  Hos  14  4.  10  Zu  den  festen  Städten  des  Landes 

und  den  Burgen  vgl.  Mch  7  17  Hos  8  14  Ps  18  46  31  3.  11  D'D^*3,  Zauber- 

mittel y  ist  ein  allgemeiner  Ausdruck  für  verschiedene  Manipulationen  der 
Zauberei,  vgl.  II  Reg  9  22  Na  3  4  Jes  47  9  12.  über  die  D'^i^l^D  vgl.  zu 

Jes  2  6.  12  ^^pö,  Schnit%bildy  Gottesbild ^  wird  erwähnt  Hos  11  2,  dann 

vom  Dtn  verboten  Dtn  7  25,  kommt  aber  auch  nachher  noch  vor,  vgl.  Jes  30  22. 
Die  Zusammenstellung  der  Masseben  mit  den  Bildern^  sowie  die  Paralleli- 
sierung  mit  Weik  von  Menschenhand^  was  die  alten  Masseben  in  keiner  Weise 
waren,  zeigt,  dass  der  Autor  von  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung  keine  Vor- 
stellung mehr  hat,  vgl.  zu  Hos  3  5  Dtn  7  5  12  3,  sondern  sie  auch  als  Abbil- 
dungen der  Gottheit  fasst.  Ahnlich  scheint  er  über  die  Ascheren  (s.  ebenfalls 
zu  Dtn  12  3,  ferner  die  späten  Stellen  Jes  17  8  27  9)  13  zu  urteilen,  da  er  v.  13^ 
mit  ihnen  die  Göt%e7i  in  Parallele  setzt;  für  die  hier  gänzlich  unpassenden 
Städte y  ^"'^JJ^,  ist  nämlich  mit  Steiner  u.  a.  ^'^?!??^,  deine  Götzen^  zu  lesen,  vgl. 
IlChr  24i8,  wo  ebenso  unpassend  Ascheren  und  Götzen  in  einer  Linie  er- 


Mch  5  14  291  Mch  G  i 

scheinen.  14  Wird  aus  Tsrjicl  idler  (JcHzcnapparat  ausgerottet,  so  ver- 

dienen erst  recht  den  Zorn  und  die  Rache  Gottes  die  Menden,  die  nicht  hören, 
nämlich  im  Ungehorsam  gegen  Jahwe  Götzendiener  hliehen.  Die;  Heiden 
sollten  an  der  Verherrlichung  Israels  und  an  dem  Weltgericht  Jahwe  als  den 
wahren  Gott  anerkennen;  thun  sie  das  nicht,  so  trifft  sie  Vernichtung,  vgl. 
Jes  60  12  Sach  14  17-19.  Das  ist  das  ceterum  censeo  des  späteren  fanatischen 
Judentums  über  das  Heidentum,  s.  auch  v.  8. 


Dritter  Teil ; 

Das  Ausbleiben  des  Heils  wegen  der  Verderbtheit  Israels  und 
das  Gebet  der  Gemeinde  um  Gottes  Gnade 

Cap.  6  f. 

Vier  besondere  Stücke  sind  es,  die  diesen  letzten  Teil  des  Buches  Mch  ausmachen. 
Das  erste  Stück  6  1-8,  das  in  prägnanter  Form  der  Religionsauffassung  des  Volkes  die 
humanen  sittlichen  Forderungen  der  Religion  der  Propheten  entgegenstellt,  bildet  den 
Kern  der  beiden  Capitel.  Daran  reihen  sich  das  zweite  und  dritte  Stück,  6  9-16  und  7  1-6, 
mit  ihrer  Klage  über  die  Ungerechtigkeit  und  die  Verderbnis  des  Volkes  und  den  Schluss 
bildet  das  vierte,  aus  zwei  Psalmen  zusammengesetzte  Stück,  7  7-20:  das  Gebet  der  Ge- 
meinde, die  ihre  Schuld  erkennt  und  die  Gerechtigkeit  der  Strafe,  die  sie  erduldet,  einsieht, 
darum  auch  um  Gnade  fleht  und  voll  Vertrauen  ist,  dass  Gott  seine  "Weissagungen  er- 
füllen werde. 

f.  Die  Forderungen,  die  Jahwe  an  seine  Bekenner  stellt,  6  i— 8. 

Wie  6  1-8  den  Grundstock  und  Ausgangspunkt  für  Cap.  6 f.  bildet,  so  sind  wiederum 
die  Verse  6-8  der  Kern  dieses  Stückes;  denn  v.  1-8  ist  nicht  aus  einem  Gusse  entstanden. 
Der  Anfang  lautet  so,  dass  man  einen  Rechtsstreit  zwischen  Jahwe  und  seinem  Volke  er- 
w^artet,  das  Volk  wird  direkt  angeredet,  Jahwe  hält  ihm  seine  AVohlthaten  vor  und  fordert 
es  auf,  ihm  zu  sagen,  wodurch  er  ihm  überdrüssig  geworden  sei.  Statt  der  Antwort  folgt 
V.  6-8  eine  Frage  an  den  Propheten  und  dessen  Antwort  auf  dieselbe  und  zwar  ist  diese 
nicht  ar  das  Volk,  sondern  an  den  Mensch  gerichtet.  Dieser  Bruch  zwischen  v.  1-5  und 
V.  6-8  ist  so  auffallend,  dass  man  annehmen  muss,  v.  1-5  sei  erst  nachträglich  als  Ein- 
führung den  Versen  6-8  vorgesetzt  worden.  Diese  Einführung  erscheint  auch  abgesehen 
davon,  dass  sie  das  Zwiegespräch  in  den  Rahmen  eines  Rechtsstreites  einspannt,  eher  nach- 
lässig, wenn  man  v.  5  als  ursprünglichen  Bestandteil  derselben  ansieht;  denn  sie  Hesse 
Jahwe  in  eigener  Rede  von  sich  in  dritter  Person  sprechen,  vgl.  ^t^V  zu  Anfang  und  7\)7}l 
zu  Ende  von  v.  5.  Doch  ist  wohl  diese  geschichtliche  Notiz  v.  5,  wie  die  gleichartige  v.  4^, 
eine  Einfügung  von  dritter  Hand,  sodass  in  v.  1-8  folgende  Bestandteile  zu  unter- 
scheiden sind: 

1)  V.  6-8,  der  Kern:  die  Pflichten  des  rechten  Jahwebekenners ; 

2)  V.  1-4%  die  Einleitung  zu  dem  Kern,  beigegeben  von  dem  Redaktor  des  ganzen 
Buches,  vgl.  Einl.  III  3  S.  264;  und 

3)  V.  4^^  5,  der  Hinweis  auf  die  Sendung  Moses,  Aarons  und  Mirjams  und  auf  die 
Geschichte  Bileams,  eingefügt  von  einem,  dem  der  Übergang  von  v.  4^  auf  v.  6  zu  unver- 
mittelt und  die  Wohlthat  Gottes  in  der  Erlösung  aus  Ägypten  zu  wenig  exponiert  vorkam. 

Die  Einleitung,  wie  der  Kern  ist  in  je  drei  Vierzeilern  abgefasst;  dagegen  ist  in  der 
Einfügung  v.  4^  5  schwerlich  ein  rhythmisches  Metrum  zu  finden. 

Wichtig  ist  die  Frage  der  Herkunft  von  v.  6-8.  Man  denkt  seit  Ewald  wegen  der 
Erwähnung  des  Opfers  der  menschlichen  Erstgeburt  an  die  Zeit  der  Regierung  Manasses, 

19* 


Meli  6  1  ^92  Mch  6  4 

da  dieser  einen  seiner  Sölme  opferte  11  Reg  21  6  und  erst  die  Propheten  Jeremia  und 
Hesekiel  deutlich  gegen  die  Sitte  des  Kinderopfers  auftraten,  vgl.  Jer  7  31  19  5  lies  20  26. 
doch  s.  schon  Hos  13  2  (6  10  9  13  16).  So  hat  man  die  Möglichkeit  gewonnen,  die  Verse 
auf  Micha  selber  zurückzuführen.  Aber  diese  Annahme  lässt  sich  schwerlich  halten.  Nicht 
juir  sind  „Ton  und  Darstellung  andere  als  in  Cap.  1-3"  und  „ist  namentlich  die  weiche 
gemütvolle  Art,  die  hier  zum  Durchbruch  kommt,  jenen  Capiteln  ganz  fremd"  (Nowack), 
sondern  es  sprechen  gewichtige  Anzeichen  auch  gegen  die  Herkunft  der  Verse  aus  der  Re- 
gierungszeit Manasses  und  aus  der  vorexilischen  Periode  überhaupt.  Die  Bezeichnung 
Jahwes  als  des  Gottes  der  Höhe,  D"t"itt  ^^^^,  ist  ein  Äquivalent  von  D";toU^n  ^^'b^f,  das  eben- 
falls ein  später  Ausdruck  ist,  vgl.  Jon  1  9,  und  hebt  die  Transcendenz  Gottes  hervor,  von 
welcher  gerade  die  Späteren  sprechen,  vgl.  Jes  33  5  57  15.  So  ist  auch  in  den  Psalmen 
z.  B.  92  9  93  4  102  20  148  1  nnö  für  D^tt^  beliebt,  vgl.  ferner  Jes  58  4  und  Jer  25  30,  die 
älteste  Stelle  für  diesen  Gebrauch.  Ebenso  ist  beachtenswert,  dass  die  Antwort  v.  8  sich 
nicht  an  das  Volk,  sondern  an  den  Menschen,  D"i«,  richtet;  darin  darf  doch  wohl  eine  An- 
deutung gefunden  werden,  dass  nicht  mehr  das  Volk  als  Subjekt  der  Religion  betrachtet 
wurd,  sondern  das  Individuum  und  zugleich  nicht  das  jüdische  Individuum  allein.  Somit 
weist  auch  dieser  Ausdruck  in  eine  Periode  nach  Jeremia.  Endlich  ist  es  wichtig,  dass 
das  Verb  5?i^  in  der  älteren  Litteratur  sich  nicht  findet,  sondern  ausser  hier  nur  im  Partie. 
pass.  S?U^  Prv  11  2  vorkommt,  während  es  in  den  Fragmenten  des  hebr.  JSir  ein  paarmal 
auftritt,  so  in  derselben  Form  und  fast  derselben  Bedeutung  wie  hier  z.  B.  JSir  16  25  yi^ni 
=  in  Bescheidenheit.  Gegeninstanzen  liegen  in  den  Versen  keine  vor.  Das  Kindesopfer 
ist  wie  die  Ströme  von  Ol  als  höchste  Gabe,  die  schon  dargebracht  worden  ist  und  eventuell 
an  die  Gottheit  auch  jetzt  zu  leisten  wäre,  aber  nicht  als  in  der  Gegenwart  übliche  ge- 
nannt, eine  Steigerung  ins  Unerhörte  und  Ungemessene,  wie  bei  Dtjes  40  16.  Dann  be- 
kundet auch  ein  Maleachi,  wenn  schon  in  anderer  Weise,  eine  ähnliche  Weitherzigkeit,  vgl. 
Mal  1  10  f.,  und  ebenso  fehlen  in  den  Psalmen  Stimmen  nicht,  die  das  Urteil  von  Mch  6  6-8 
über  den  Kultus  teilen,  vgl.  Ps  40  7  9  50  8-14.  Darum  wird  die  Entstehung  dieser  Verse 
in  die  Zeit  nach  dem  Exil  fallen,  vielleicht  ins  fünfte  Jahrhundert,  als  ein  herrliches 
Denkmal  dafür,  dass  auch  der  durch  das  Gesetz  disziplinierten  Religionsauffassung  des 
Volkes  gegenüber  die  geistige  und  sittliche  Auffassung  der  Propheten  ihre  Fürsprecher 
hatte.  Wir  werden  den  Autor  dieser  drei  Verse  mit  allem  Rechte  nicht  nur  neben  die 
Verfasser  von  Ruth  und  Jona,  sondern  auch  neben  den  Dichter  des  Hiob  stellen. 

1—4%  die  sekundäre  Einleitung  zu  v.  6-8,  s.  die  Vorbemerkung.  1  Mit 
LXX  hat  man  D^inn"'?i5  statt  'H'ri«  zu  lesen  (vgl.  die  umgekehrte  Verwechslung 
in  LXX  Hos  12  5),  vielleicht  auch  "l^'^H  vor  1!|^><  einzusetzen  und  IDtJ  zu  punk- 
tieren: Hört  doch  das  Wort,  Das  Jahwe  gesprocheyi:  Auf,  führe  den  Streit  vor 
den  Bergen^  Und  die  Hügel  sollen  deine  Stimme  hören.  TaVl  dem  Aufruf  einer 
solchen  Corona  vgl.  Jes  1  2.  2  Hört,  Berge^  den  Bechtsstreit  Jahwes  Und 

merket  auf^  Grundfesten  der  Erde!  Denn  einen  Bechtsstreit  hat  Jahwe  mit 
seinem  Volk  Und  mit  Israel  geht  er  ins  Gericht,  Für  D^'iritiin,  das  als  Adjektiv 
hinter  ]>*l«  ''"[Db  stehen  sollte  und  als  Substantiv  sonst  nur  von  perennierenden 
Bächen  gebraucht  wird,  ist  mit  Wellh.  '^l'^\)^T\  zu  lesen;  ö  stammt  aus  falscher 
Dittographie  des  folgenden.  Die  p«  H?^  müssen  auch  die  Berge  sein,  die 
mit  ihren  Wurzeln  die  Erde  im  Meere  festigen  und  stützen.  Zu  v.  2^ 

vgl.  Jes  3  isf.  3  4^  Mein  Volk,  was  habe  ich  dir  gethan  Und  womit 

dich  verdrossen?  steh  mir  Bede!  Habe  ich  dich  doch  aus  Ägypten  her- 
geführt Und  dich  aus  der  Sklaverei  befreit!  Zu  v.  3  vgl.  Jer  2  3i  und 
Jes  43  23.  4^  ^''l??  ^''?>  ^Is  Bezeichnung  Ägyptens,  ist  ein  deutero- 

nomischer  Ausdruck,  häufig  im  Dtn  und  in  vom  Dtn  beeinfiussten  Stellen, 
vgl.  Ex  13  3  14  20  2  Jer  34  13.     Die  Befreiung  aus  Ägypten  ist  allezeit  als 


Mch  6  4  293  Mch  0  8 

die  grüsste  Wohlthat  (iottes  an  Israel  in  Erinnerung  geblieben,  vgl.  z.  13. 
Jes  63  11-14. 

4'*  5,  die  Einfügung  zur  Explikation  der  Gnade,  die  Jahwe  bei  der  Ret- 
tung aus  Ägypten  Israel  erwiesen  hat,  s.  Vorbemerkung.  4''  Die  Späteren 
lieben  solche  historische  Anspielungen.  Auch  Ps  77  21  ist  Aaron  als  Führer 
des  ausziehenden  Volkes  neben  Mose  genannt;  noch  genauer  vergisst  unsei- 
interpolator  auch  Mirjam  nicht,  vgl.  Ex  15  2of.  5  erinnert  an  Balaks 
Plan  (Y)l])y  Israel  durch  Verfluchung  zu  vernichten,  und  an  die  Vereitelung 
desselben  durch  Umkehrung  des  Fluches  in  Segen,  vgl.  Num  22—24.  Von 
Sclütfliriy  der  letzten  Station  im  Ostjordanland,  bis  Gllijal^  der  ersten  im 
Westen,  scheint  ein  Einschub  im  Einschub  zu  sein,  der  die  wunderbare  Durch- 
schreitung des  Jordans  ins  Gedächtnis  rufen  wnll.  Die  HIH^  ^"^Pl?,  die  das 
Volk  erkennen  soll,  sind  die  vorher  erwähnten  Thaten  Jahwes,  worin  sich  seine 
Güte  und  Gnade,  sein  rechtes  Verhalten  gegen  sein  Volk  erweist,  vgl.  Jdc  5  11 
und  Ps  103  6.   Zu  XW7\\  in  der  ßede  Jahwes  s.  Vorbemerkung. 

6—8,  der  Kern  des  Abschnitts:  die  wahre  Religiosität  besteht  nicht  in 
übergrossen  Leistungen  und  Opfern,  sondern  in  Rechtthun,  Liebeserweisung 
und  Demut,  nicht  in  Ceremonien  und  Kultus,  sondern  in  sittlichem  und  vor 
Gott  ehrfürchtigem  Wandel.  6  Womit  soll  ich  vor  Jahwe  kommen,  Mich 

beugen  vor  dem  Gott  der  Höhe  ?  Soll  ich  mit  Brandopfern  vor  ihn  kommen, 
Mit  jährigen  Kälbern  ?  Das  Verb  DIJ^  ist  in  der  vordeuteronomischen  Litteratur 
nicht  gebraucht  ausser  I  Sam  20  25,  wenn  dort  in  der  üblichen  Weise  nach 
LXX  korrigiert  wird  (s.  z.  Stelle);  mit  21  der  Sache  bedeutet  es:  mit  etwas 
entgegenkommen  =  etwas  darbringen,  vgl.  Dtn  23  5  Jes  21  u  Neh  13  2  Ps  95  2. 
Zu  Dl1)p  \n^«  vgl.  Vorbemerkung.  Mit  den  Opfern  y.  6^^  wollen  weder 

Sund-  noch  Sühnopfer  genannt  sein,  es  handelt  sich  um  den  Opferdienst  über- 
haupt; zu  TS^Vi  •'^la  vgl.  Lev  9  3,  die  Kälber  im  Alter  von  einem  Jahr  zu  opfern, 
scheint  üblich  gewesen  zu  sein,  doch  konnten  sie  schon  vom  achten  Tage  an 
dargebracht  werden,  vgl.  Lev  22  27.  7  Hat  Jahwe  Gefallen  an  Tausenden 

von  Widdern,  An  Myriaden  Strömen  Öls?  Soll  ich  meinen  Erstgebornen  geben 
für  meine  Sünde,  Meines  Leibes  Frucht  für  die  Schuld  meiner  Seele?  Die 
Frage  ist  die,  ob  eventuell  die  Steigerung  der  gewöhnlichen  ceremoniellen 
Leistungen,  ja  die  Hingabe  des  Teuersten  Gott  angenehm  wäre  und  die  Ver- 
gebung von  Sünde  und  Schuld  bewirken  könnte,  also  nach  dem  Wert  des 
Kultus  überhaupt,  auch  wenn  er  bis  aufs  höchste  gesteigert  würde,  wird  ge- 
fragt.    Vgl.  die  Vorbemerkung.  über  den  Gebrauch  von  Ol  beim  Opfer 

s.  Lev  2  14  16.  j;t?^Ö  und  nstsn  haben  hier  die  prägnante  Bedeutung  von 

Frevelsühne  und  Sündenstrafe,  vgl.  Dan  9  24  Jes  5  I8.  8  ^^  ist  dir  gesagt 
(1.  mitLXX  1?n  für  n^?n,  zu  dem  weder  Jahwe  noch  das  unbestimmte  „man"  Subj. 
sein  kann),  Mensch,  was  frommt  Und  was  Jahwe  von  dir  fordert:  Nichts  als 
Recht  thun  und  Gütigsein  lieben  Und  demütig  wandeln  vor  deinem  Gott.  Hier 
ist  in  anderer  überaus  glücklicher  Form  zusammengefasst ,  was  Jesus  mit  den 
Forderungen  der  Liebe  zu  Gott  und  dem  Nächsten  ausdrückt.  Hat  Jesus 
Worte  des  Gesetzes  verwendet,  so  hat  unser  Autor  an  prophetische  Worte  ge- 
dacht: zu  toDti^i:)  rrim  vgl.  Am  5  24,  zu  lon  nnn«  Hos  6  e  und  zu  1:11  V^^r\  (zu  dem 


Meli  n  8  294  Mch  6  12 

Gebrauche  des  Wortes  s.  Vorbemerkung)  hat  man  an  Worte  Jesajas  zu  denken, 
wie  die  von  Glauben  und  Siillesein  Jes  7  9  30  i5,  sowie  an  die  Ehrfurcht  vor 
Gott,  welche  die  Propheten  alle  erfüllte,  vgl.  z.  B.  Am  3  4-8  Jes  6.  Der  zweite 
Teil  deutet  die  religiöse  Wurzel  des  rechtlichen  und  barmherzigen  Verhaltens 
gegen  den  Nächsten  an.  Wie  in  dieser  vortrefflichen  Zusammenfassung  der 
Forderungen  der  geistigen  Prophetenreligion  zeigt  sich  auch  in  der  Anrede 
D1S  (s.  die  Vorbemerkung;  die  Änderung  von  Dl«  in  Ü^Tib^^  durch  Chetne  passt 
nicht  zum  Folgenden,  vgl.  Hjn;;)  die  Spitze,  in  welche  die  Religion  der  Propheten 
ausmündet:  die  Schranken  des  Partikularismus  sind  hinweggeräumt,  ganz  wie 
die  Formen  des  Ceremonialismus  gefallen  sind;  das  Tiefinnerliche  und  das 
Human-Sittliche  ist  der  Boden  und  das  Gebiet  der  Religion. 

2.  Jerusalems  Ungerechtigkeit  und  Bestrafung  6  9-I6. 

Das  Stück  steht  nicht  im  Zusammenhang  mit  dem  vorangehenden;  v.  9  setzt  ein 
neuer  Anfang  ein.  Als  Grund,  warum  das  Stück  hierher  gekommen  ist,  kann  man  ver- 
muten, dass  darin  gezeigt  wird,  wie  wenig  Jerusalem  für  die  Wohlthaten  Jahwes  (vgl.  v.  4) 
erkenntlich  war  und  den  Forderungen  des  Kechtthuns  etc.  (v.  8)  entsprach.  Der  In- 

halt giebt  keine  Mittel  an  die  Hand,  um  die  Herkunft  der  Verse  zu  datieren.  Denn  dass 
es  auch  nach  dem  Exil  in  Jerusalem  oft  recht  schlimm  aussah,  beweisen  die  Psalmen  zur 
Genüge;  auch  fehlte  es  nicht  an  Kriegs-  und  Raubzügen  aller  Art,  die  die  Bewohner  des 
Landes  schwer  schädigten.  Nach  der  Sprache  hat  man  aber  sicher  an  diese  spätere  Zeit 
zu  denken,  vgl.  bes.  n2t  (s.  zu  v.  11),  wofür  auch  die  historische  Erinnerung  v.  16  spricht 
(vgl.  V.  4^^  5).  Der  Text  ist  vielfach  verdorben  und  in  Unordnung  auf  uns  gekommen. 

Bei  Ausscheidung  der  Glossen  in  v.  9  12  und  16  und  bei  Umstellung  von  v.  12'^  vor  v.  10 
und  von  v.  14^^  an  den  Anfang  von  v.  15  erhält  man  fünf  gutgebaute  Tetrasticha. 

gaab  J2a  Hoicli!  Jahwß  ruft  der  Stadt  %u:  Hört  Stamm  und  Versammlung 
der  Stadt^  Deren  Reiche  voll  sind  von  Frevel  Und  deren  Einwohner  Lüge 
reden!  Die  Verbindung  von  v.  12^'^  mit  v.  9  empfiehlt  sich  einesteils  durch  die 
direkte  Beziehung,  die  sich  dann  für  die  Femininsuffixe  in  v.  12  auf  die  Stadt 
von  V.  9  ergiebt,  andernteils  durch  die  Zusammengehörigkeit  von  y.  10  und  v.  n, 
die  besser  nicht  auf  zwei  Strophen  zu  verteilen  sind.  Dass  mit  der  Stadt 

Jerusalem  gemeint  ist,  wird  nicht  zu  bezweifeln  sein,  vgl.  urhs  von  Rom  etc. 
Unter  n^D,  Stamm^  ist  die  Landschaft  Juda  zu  verstehen  und  für  das  unver- 
ständliche nnj;"!  ••pi  (etwa  ==  „wer  hat  sie  verordnet?")  unter  Herübernahme 
des  nij;  von  y.  10  teils  nach  LXX,  teils  nach  Targum  (s.  Ryssel)  mit  Wellh., 
NowACK  zu  lesen:  T;?n  n;^1D1  die  Versammlung  der  Bürger-  resp.  Wählerschaft 
der  Stadt,  vgl,  für  diesen  Gebrauch  von  'IV^ID  Num  16  2  nj;iD  ''«Ip.  9^^  ist 

nicht  nur  Parenthese ,  sondern  Glosse  (so  schon  A.  Th.  Haetmann  Micha  neu 
übersetzt  und  erläutert  1800,  und  auch  K.  J.  Geimm  in  Journ.  of  the  American 
Or.  Soc.  XXII,  Erste  Hälfte  1901,  36:  The  Word  rv^^r\  in  the  Old-Testament), 
wie  der  Wechsel  der  Person  (^^ti^,  Anrede  an  Jahwe)  zeigt;  LXX  hat  zur  Aus- 
gleichung IDti^  gelesen  und  auch  sonst  sich  den  Text  willkürlich  zurecht  gelegt. 
Man  punktiere  einfach  nST,  wozu  ^tt!^  Obj,  ist  wie  Ps  86  11,  sodass  die  Glosse 
sagt:  Weisheit  ist  es,  deinen  Namen  %u  fürchten,  eine  gewiss  richtige  Be- 
merkung eines  frommen  Lesers.  12  DDH,  Gewaltthat,  Frevel,  bedeutet 
hier  Gedanken  des  Frevels,  frevelhafte  Gesinnung,  vgl.  2  1  und  den  Gegensatz 


Mch  6  12  295  Mch  0  Iß 

3  ö.  12'^  ist  (uiinöti*^  erkläi'endes)  Zitat  aus  Ps  120  2  f.   n*0"i  ist  wie  iTC^^n 

ein  in  der  späteren  Litteratur  gebräuchliches  Wort. 

10  11  Katm  tili  die  Schäfte  im  Hause  des  Frevlers  verff essen  Und  das 
rerßuchle,  svhwlndsüchticje  Mass?  kann  ich  Hin  unbestraft  lassen  trat'::»  an- 
richtujer  Wa(je  Und  Irotz- falschem  Gewicht  Im  /Teufel?  Für  üt<r[,  das  man  ge- 
wöhnlich im  Sinne  von  ÜIT\  fasst,  ist  dem  Anfang  von  v.  ii  entsprechend  mit 
Wellii.  und  Nowack  Ht^^sn  von  n^^,  verr/essen,  unbeachtet  lassen,  vgl.  Thr  3  17, 
zu  lesen;  yiÄ^"!  ist  zu  entfernen  und  niTJIiS  zu  punktieren,  im  Hause  des  Frevlers 
sind  die  Reichtümer  nichts  als  J^^'1,  das  Wort  ist  vom  Ende  der  dritten  Zeile 
auch  an  das  Ende  der  ersten  geraten.  Zu  dem  falschen  Mass  und  Gewicht 
vgl.  das  Verbot  Lev  19  36  Dtn  25  is-iß,  spec.  v.  16  zu  rDJ^J^t,  ferner  s.  Am  8  5. 
Über  y^l  n*^?  =  'n  nn?  s.  Ges.-Kautzsch27  §  Ii8g.  11  nstsn,  werde  Ich 

rein  seln^  kann  Jahwe  nicht  fragen;  Änderung  in  'Pi2\^T\^  tvlrd  er  (seil,  der 
Frevler  v.  lo)  rein  sein,  ist  unnötig,  man  lese  einfach  mit  Rogeda,  Wellh.  und 
Nowack  das  Fiel  mit  auf  den  Frevler  bezüglichem  Suffix:  T^'SV^}}  =  kami  ich 
Ihn  rein  sprechen,  ungestraft  lassen?  vgl.  schon  Hieeonymus:  num  quid  justi- 
ficabo?  „Für  n|t  würde  echt  hebräisch  p^'^l^H  oder  Hj^^  gesagt  sein''  (AVellh.); 
nst  ist  ein  Zeichen  später  Herkunft.  Zu  12  s.  bei  9. 

<  13  14^P''  Drum  fange  auch  Ich  schon  an  dich  zu  schlagen,  Zu  verwüsten 
wegen  deiner  Sünden.  Was  in  dir  Ist,  magst  du  bei  Seite  schaffen,  du  wirst 
es  nicht  retten,  Und  was  du  rettest,  gebe  Ich  dem  Schwerte,  Für  das  un- 
brauchbare "^n^^nn,  „ich  habe  krank  gemacht",  1.  nach  LXX  "^nlVnn,  Ich  habe 
angefangen,  Perf.  =  ich  beginne  eben  jetzt.  Der  Inf.  abs.  DDti^n  beschreibt 
die  Thätigkeit,  welche  v.  13^  nennt,  näher  als  verivüstende,  vgl.  v.  16^:  n?S^^. 
Angeredet  ist  T5;n  1j;to5i  n^D  y.  9.  14  Zu  v.  u»^  s.  v.  15.  ^|1P?  ^n^^,1 

zieht  man  gewöhnlich  zum  Vorangehenden  und  findet  in  ^Ht^;;  ein  sonst  völlig 
unbekanntes  Wort  n^J.  =-  Hunger  oder  =  Dysenterie  (Posch.);  aber  was  soll 
denn  das  Suffix?  Besser  ist  schon  das  von  LXX  gelesene  *?J^n;;  es  wird  finster, 
Nacht  =  es  kommt  Unglück;  aber  auch  so  kommt  man  nicht  aus,  doch  hat 
LXX  Recht,  wenn  sie  die  Worte  zum  Folgenden  zieht.  Vermutungsweise  ist 
oben  entsprechend  dem  vierten  Stiches  als  Text  angenommen:  ^Bn  ^^y\>^  1ti^\s 
=  das  Gut  In  deiner  Mitte  schaffst  du  bei  Seite  etc.;  parallel  damit  handelte  es 
sich  dann  im  letzten  Stiches  w^ohl  nicht  nur  um  Gut,  sondern  auch  um  Ange- 
hörige, die  man  in  Sicherheit  gebracht  hat,  die  aber  dennoch  dem  Feinde  an- 
heimfallen sollen. 

14^^  15  Du  wirst  essen  und  nicht  satt  werden.  Du  wirst  säen  und  nicht 
ernten.  Du  wirst  Oliven  keltern  und  dich  nicht  salben  mit  Öl,  Und  Most,  aber 
keinen  Wein  davon  trinken.  Die  Hinübernahme  von  v.  u^^«  zu  v.  i5  empfiehlt 
sich  von  selber;  an  seiner  jetzigen  Stelle  stört  er,  vor  v.  i5  füllt  er  eine  Lücke 
aus.  Zu  dem  Inhalt,  der  wie  v.  u  mit  der  Strafe  der  Beraubung  durch  Feinde 
droht,  vgL  Am  5  ii,  ferner  Dtn  28  38-40  Lev  26  25 f. 

16  Die  beiden  ersten  Strophen  beschrieben  die  Sünde,  die  beiden  fol- 
genden die  Strafe,  v.  16  rekapituliert  zum  Abschluss  beides:  Du  hast  die 
Satzungen  Omrls  befolgt  Und  alles  Treiben  des  Hauses  Ahab,  Damit  Ich  dich 
zur  Wüste  mache  Und  deren  Bewohner  %um  Gespött.    Über  Omri  fällt  der 


Mch  6  16  296  Mch  7  1 

ilahmen  der  Königsbücher  1  Jleg  16  25  f.  ein  sehr  ungünstiges  Urteil  und  kein 
besseres  erfährt  Ahab  I  Reg  16  30-33;  wahrscheinlich  ist  aber  hier  nicht  an 
die  Stellung  zum  Baalkultus  oder  zu  den  Propheten,  sondern  an  die  Vergewal- 
tigung Nabots  in  Jezreel  gedacht  I  Reg  21.  Diese  Satzungen  und  dieses 
Treiben  des  Hauses  Ahab,  mit  dem  der  von  den  Deuteronomisten  so  schlecht 
censurierte  Omri  ohne  weiteres  zusammengenommen  ist,  befolgten  die  Reichen 
der  Stadt.  Vielleicht  ist  der  Verf.  vonv.  9-i6  gerade  auf  die  Nennung  von 
Omri  und  Ahab  gekommen,  Aveil  er,  wie  I  Reg  22  28'\  den  Zeitgenossen  Ahabs 
Micha  ben  Jimla  mit  Micha  dem  Moraschtiten  identificierte,  vgl.  Einl.  II  1. 
Für  1??n^;;1,  das  keinen  Sinn  giebt,  L  nach  LXX  und  Pesch.  nbC^ni  =  du  be- 
folgtest. Das  Suff.  H"  in  iTH^''  geht  auf  das  vorangehende  n?3^,  Wüstenei; 
die  Feinde  rauben  das  Land  aus,  lassen  hinter  sich  ein  verwüstetes  Land, 
dessen  Bewohner  zum  Schaden  noch  den  Spott  haben  werden,  vgL  Jer  25  18 
51  37.  Änderung  in  ein  Suff,  der  zweiten  Person  bereitet  nur  Schwierigkeiten, 
wie  die  von  Nowack  vorgeschlagene  Lesung  T\T\^  für  ^ni«^.  16^v  und  ^t  sind 
erklärende  Glossen,  die  der  Plural  des  Verbums  verrät;  sie  gehören  zusammen: 
ilij^  verfahrt  nach  ihren  Gru7idsät%en  und  sollt  den  Spott  der  Völker  tragen^ 
1.  nach  LXX  D'^rsy  für  ''^j;. 

3.  Zions  Klage  über  die  Verderbtheit  ihrer  Kinder  7  i-6. 

Ein  direkter  Zusammenhang  mit  Cap.  6  fehlt;  aber  wie  6  9-12  16^  wird  auch  hier 
die  Schlechtigkeit  und  Sittenlosigkeit  der  Bewohner  Jerusalems  geschildert  und  wie 
6  13-15  16^  mit  der  Strafe  gedroht.  Insofern  gehören  6  9-16  und  7  1-6  zusammen.  Sie 
können  auch  derselben  Zeit  angehören.  Dass  der  Tag  der  Strafe  noch  droht,  ist  so  wenig 
wie  6  9-16  ein  Beweis  vorexilischer  Herkunft.  Die  geistige  Zerrissenheit,  auf  welche  diese 
Verse  hinweisen,  erinnert  an  Zustände,  wie  wir  sie  für  die  Gemeinde  in  Jerusalem  aus 
Maleachi  und  Tritojesaja  kennen  vgl.  bes.  Jes  56  10-12  57  1  f .  59  1-8.  Freilich  haben  sich 
diese  Zustände  auch  später  wiederholt,  so  bes.  im  Anfang  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.,  als  der  Helle- 
nismus mächtig  wurde,  von  dem  dann  die  Makkabäer  das  palästinische  Judentum  reinigten. 
Vgl.  auch  Ps  12  14.  Wenn  v.  5  f.  die  ursprüngliche  Fortsetzung  von  v.  1-4  bildet, 

so  ist  der  Schluss  abgebrochen.  AVahrscheinlich  ist  aber,  weil  die  Anrede  in  v.  5 f.  wenig 
zu  der  Klage  v.  1-4  passt,  in  v.  5  f.  nur  eine  Parallele  zu  der  Schilderung  von  v.  1-4^  zu 
sehen  und  die  Klage  mit  v.  4^^  als  abgeschlossen  zu  betrachten.  Die  Klage  v.  1-4 

umfasst  vier,  die  Parallele  v.  5  f.  zwei  Tetrasticha. 

1  Weh  mir^  ich  bin  geworden  Wie  beim  Sammeln  des  Obstes,  wie  bei 
der  Nachlese  der  Weinernte:  Keine  Traube  ist  mehr  da  %um  Essen^  Keine 
FeigCy  nach  der  es  jemand  gelüstete.  Zu  dem  Bilde  vgl.  bes.  Jer  8  13  20  und 
Jes  24  13,  zu  der  Frühfeige  s.  Jes  28  4.  Da  ri^^J^,  das  sonst  ein  Concretum  ist, 
Jes  24  13  abstrakt  gebraucht  vorkommt,  wird  es  auch  hier  so  gefasst  werden 
dürfen.  Dann  entspricht  '[^';(5"*'5tp83  mit  seinem  Plural  von  ^DN  dem  Plural  tW)}\ 
allerdings  muss  dann  ^Di^  auch  den  Sinn  von  „die  letzte  Lese,  die  Nachlese 
halten"  besitzen,  so  dass  v.  1^  besagt:  ich  bin  geworden  zu  einem  Ol-  und 
Weingarten,  wie  er  nach  der  Ernte  dasteht.  Übrigens  würde  im  Zusammen- 
hang nichts  fehlen,  wenn  "[^^.(^'^pp^l  nicht  dastände;  die  Feigenbäume  können 
ja  im  Weinberge  stehen  Lk  13  6.  Zu  der  Vergleichung  Judas  und  Jerusalems 
mit  einem  Weinberge  vgl.  Jes  5  1-7  27  2-5;  Nowack's  Änderung  in  Y^jp_  ^pi^? 


Meli  7  1  297  Mch  7  6 

'T'^3  rbb)^],  -  wie  ein  Einsannnlcr  von  Obst  und  \\  einnarhlese^  '^\a\)i  kein  gutes 
liild.  Für  •'C^d;  ist  t^D^  zu  lesen,  vgl.  LXX;  das  wird  auch  durcli  die 

Sache  gefordert,  denn  den  Weinberg  gelüstet  es  niclit  nach  Trauben,  sondern 
den  Besitzer  oder  den  V^orübergehenden.  2  Verscliwunden  sind  die 

Frommen  aus  dem  Lande,  Und  Hedliclte  giebVs  keine  mehr  iinler  den  Leuten, 
Sie  lauern  alle  auf  Blut,  Sie  stellen  einander  naelt  ohne  Grund.  Nach  dem 
Bilde  V.  1  beginnt  mit  v.  2  die  Darlegung  der  Sache  selbst;  vgl.  Jes  57  i. 
Durch  p.^;^»  das  hier  das  Land  bedeutet,  sind  auch  die  Menschen^  ^l^'"?)  ^^f 
die  Bewohner  des  Landes  limitiert.  Zu  dem  Obj.  D"jri  bei  n^:J'  vgl.  Ges.- 

Kautzsch27  §  117ff;  man  übersetzt  dann:  sie  fangen  einander  im  Netz^  besser 
liest  man  aber  statt  der  nicht  nachweislichen  Verbindung  Din  I^IJ  mit  Perles 
(Anal.  69)  D^n  1^^,  vgl.  Thr  3  52.  3  Böses  %u  verrichten  verstehen  ihre 

Hiinde,  1.  n''p\n  DH'^??  yin^  vgl.  LXX  und  \lt>  n^ip^l?  I  Sam  16  i7,  Der  Beamte 
fordert  Bezahlung  Und  der  Mcichtige  entscheidet,  wie  es  ihm  beliebt  Und  das 
Becht  verdrehen  sie,  ?  tDSt^'ni  ist  zu  entfernen,  tODb^n  ist  eine  verfrühte  Schrei- 
bung des  im  vierten  Stichos  zu  lesenden  tüB^^H  (s.  unten)  oder  Glosse  zur  Er- 
klärung von  ^T\  und,  nachdem  es  am  unrichtigen  Orte  in  den  Text  geraten 
war,  durch  die  Beigabe  von  1  und  5  in  den  Zusammenhang  eingefügt  worden. 
Für  n^n  1.  injn,  vgl.  Prv  10  3;  ^in"!,  Sprecherin  bedeutet  hier  nach  dem  Zusammen- 
hang entscheiden,  ^^n  IC^Di  ist  offenbar  verlesen  aus  Dö^rsHl  und  für 
n^niai?';]  mit  Wellh.  das  Pi.  von  n^j;  vgl.  Am  8  5  zu  schreiben,  also  (ohne  Suff.): 
\T\\y_\  oder  (mit  Waw  apodosis  und  Suff.):  -inn^y^l.  4  Ihr  Bester  gleicht 
dem  Stechdorn,  Ihr  Bedlichster  der  Dornhecke;  Weh!  ihre  Heimsuchung  kommt, 
Nun  wird  ihre  Bestürzung  angehn.  Dem  D^llO  entsprechend  ist  mit  Herüber- 
nahme des  folgenden  D  auch  D"!^^  zu  lesen;  zu  dieser  Umschreibung  des  Super- 
lativs vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  133  g.  Ebenso  ist  n^-IDM  mit  ?  wie  Ipxy^  zu 
schreiben  vgl.  w?  bei  Symmachüs:  (b;  l\  sjxcppayfxou.  Zu  p"in,  nach  dem  Arab. 
Solanum  cordatum,  vgl.  zu  p"in  Prv  15  19.  Die  Vergleichung  mit  Dornen,  die 
stechen  und  zu  nichts  taugen,  als  zum  Verbranntwerden  (vgl.  II  Sam  23  5 f.), 
leitet  gut  über  auf  v.  4^  wo  kurz  die  Strafe  angekündigt  wird.  Der  Text  ist 
hier  offenbar  durcli  den  Einschub  von  ^"'ö?Ö,  vielleicht  von  D  DV,  vermehrt,  der 
sagen  sollte,  dass  die  Heimsuchung  der  von  den  Spähern  d.  h.  Propheten  (vgl. 
Hab  2  1  Jes  21  6)  vorausgesehene  „Tag"  sei;  die  Anrede,  in  der  der  Glossator 
dabei  zu  dem  Volke  spricht,  hat  die  Änderung  des  Suffixes  im  folgenden  Wort 
nach  sich  gezogen.  Also  ist  wieder  herzustellen:  ori'lj^Ö;  davor  ist  aber  nach 
LXX  (ouat)  ein  ^ln  vermutet,  da  die  Beibehaltung  von  DI''  an  dem  parallelen 
DriD^no  keine  Stütze  hat.   HDUö  kommt  nur  noch  Jes  22  5  vor. 

5  6,  eine  Parallele  zu  v.  1-4%  s.  Vorbemerkung.  5  Traut  nicht  dem 

Genossen,  Verlasst  euch  nicht  auf  den  Freund,  Vor  dem  Weibe  deines  Busens 
Hüte  die  Pforte  deines  Mundes!  Beachte  die  Klimax:  j;i,  ^^l^«  und  ^Jj^'^n  n^Dtr 
(NowACK)!  6  begründet  die  Warnung  von  v.  5:  De?in  der  Sohn  verachtet 

den  Vater,  Die  Tochter  lehnt  sich  auf  gegen  ihre  Mutter,  Die  Schwiegertochter 
gegen  ihre  Schwiegermutter,  Des  Menschen  Feinde  sind  seine  Hausgenossen, 
Zu  b'^yq  vgl.  Dtn  32  i5  Jer  14  21  und  zu  in^n  ''^:«  Hausgenossen,  aber  nicht  = 
Familienangehörige,   sondern  =  Dienerschaft,  s.  Gen  39  u  17  23  27  und  vgl. 


Mch  7  6  298  Mch  7  7 

II  Sam  12  I7f.  Hi  19  15.  Die  Anwendung,  die  Jesus  von  dieser  Schilderung 
der  Auflösung  aller  Bande  des  Bluts  und  der  Pietät  macht,  s.  Mt  10  35  36 
Lk  12  53. 

4.  Das  der  Erhörung  gewisse  Gebet  der  Gemeinde  um  Gottes  Gnade  7  7—20. 

Inhalt  und  Stimmung  in  v.  7-20  sind  ganz  anders  als  in  v.  1-6.  Dort  klagt  Zion 
über  die  Verdorbenheit  seiner  Bewohner  und  die  Auflösung  aller  Pietät  und  Zucht;  hier 
ist  die  Gemeinde  des  Sieges  über  die  Heidenwelt  gewiss,  weil  an  der  Herbeiführung  des 
Heiles  nicht  zu  zweifeln  ist.  Dort  schaut  Zion  die  Strafe  als  nahebevorstehend,  hier  hofft 
die  Gemeinde  sicher  auf  Erhebung  aus  der  gegenwärtigen  dürftigen  Lage.  Die  gesamte 
jüdische  Diaspora  wird  aus  den  seleucidischen  und  ägyptischen  Ländern  heimkehren 
und  die  Heidenwelt  staunen  über  die  neuen  Wunder,  die  Jahwe  thut. 

Obschon  in  den  Versen  7-20  überall  dieselbe  hoffnungsvolle  Stimmung  herrscht, 
sind  sie  doch  nicht  ein  einheitliches  Ganzes.  Stade  weist  in  ZATW  1903,  168  auf  die 
Möglichkeit  hin,  dass  v.  14-18^  19^  20  als  zusammengehörend  von  dem  übrigen  Stücke  zu 
trennen  seien,  das  sich  aus  v.  7-13  18^^  19^  zusammensetze,  ist  aber  doch  bei  der  Annahme 
stehen  geblieben,  v.  14-18^  19*^-20  sei  als  Fortsetzung  von  v.  13  zu  betracbten.  Die  Zer- 
legung von  V.  7-20  in  zwei  von  einander  ursprünglich  verschiedene  Stücke  empfiehlt  sich 
jedoch  in  jeder  Hinsicht:  erstlich  ist,  wie  schon  Stade  bemerkt  hat,  in  v.  7-13  18^^  19^ 
von  Jahwe  in  der  dritten,  dagegen  in  v.  14-18^  19'^  20  in  der  zweiten  Person  gesprochen, 
und  sprengen  v.  is'^  19^  den  Zusammenhang  von  v.  18^  und  v.  19^;  dann  ist,  wie  ebenfalls 
Stade  hervorhebt,  der  Rhythmus  in  beiden  Teilen  ein  verschiedener,  dazu  ist  nun  noch 
zu  beachten,  dass  v.  7-13  18^  19^  fünf  Strophen  von  je  sechs  Zeilen  mit  gleichschweben- 
dem Rhythmus,  dagegen  v.  14-18^  19^  20  drei  Strophen  von  je  vier  Langzeilen  mit  Kina- 
rhythmus  bilden ;  endlich  ist  noch  der  sachliche  Unterschied  nicht  zu  übersehen:  nach  v.  13 
wird  die  Erde,  soweit  die  Heiden  wohnen,  wenn  das  Heil  kommt,  verwüstet  werden,  nach 
V.  16  f.  werden  dagegen  die  Heiden  die  Macht  Jahw^es  anerkennen  und  sich  ihm  unter- 
werfen; überhaupt  ist  der  Gegensatz  zur  Heidenwelt  in  v.  7-13  18^  19*  ein  viel  schrofferer 
als  in  V.  14-18^  19^  20,  vgl.  bes.  v.  8  und  v.  10,  wo  die  Heidenwelt  die  Feindin  Zions 
heisst.  Demnach  sind  zwei  psalmartige  Stücke  zu  unterscheiden:  v.  7-13  Is'-*  19^  und 
V.  14-18^  19^  20. 

Die  Entstehungszeit  von  v.  7-13  18^  19*  kann  nicht  fraglich  sein.  Die  Erwähnung 
der  Länder  Assur-Syrien  und  Ägypten  als  der  einzigen  mit  Namen  zu  nennenden  Gebiete 
weist  in  die  Zeit  der  Ptolemäer  und  Seleuciden  und  der  Heidenhass  ist  am  besten  aus  dem 
Widerspruch  gegen  das  hellenistische  "Wesen,  das  Antiochus  Epiphanes  so  mächtig  unter- 
stützte, zu  verstehen.  Also  werden  diese  Verse  im  zweiten  Jahrhundert  entstanden  sein. 
Weniger  bestimmt  ist  die  Herkunft  von  v.  14-18*  19^  20  zu  fixieren.  Doch  scheint  auch 
hiefür  sich  das  zweite  Jahrhundert  am  besten  zu  empfehlen;  da  waren  die  Wünsche  be- 
sonders rege,  dass  das  Gebiet  sich  ausdehne,  und  die  Makkabäer  haben  zum  Teil  diese 
AVünsche  auch  verwirklicht. 

Beide  Psalmen,  die  dem  Glauben  an  die  Verwirklichung  der  messianischen  Hoff- 
nung Ausdruck  verleihen,  dienen  vortrefflich  als  Gegenstücke  zu  6  1 — 7  6  und  bilden  einen 
guten  tröstlichen  Abschluss  des  dritten  Teiles  Cap.  6f.,  sov:ie  des  ganzen  michanischen 
Buches. 

a)  Der  Psalm  7  r-13  18^  19*:  Die  Erhöhung;  Zions  über  die  Heidenwelt. 

7  8,  der  erste  Sechszeiler:  Zions  Hoffnung.  7  Ich  aber  will  aus- 

schauen  nach  Jahwe^  Will  harren  auf  den  Gott  meines  Heils,  Mein  Gott  ivird 
mich  hören.  ^l^)_  kann  der  Anfang  eines  Psalrcies  sein;  er  schliesst  ideell 

an  Verhältnisse  an,  wie  sie  7  1-4  (resp.  -6)  schildert:  so  traurig  die  Gegenwart 
ist  und  so  zerrissen  die  Verhältnisse,  ich  halte  fest  an  dem  Vertrauen  auf 
Jahwe,  dass  er  endlich  mein  Heil  heraufführen  wird.    Diese  Gedankenverbin- 


Mch7  7  299  Mch7i2 

düng  hat  auch  zur  Anfügung  von  v.  7  11*.  an  v.  i-ß  geführt.  Die  Ausdrücke 

des  ganzen  Stückes  haben  ihre  nächsten  Parallelen  in  den  Psahnen  und  zu- 
meist nur  in  den  Psalmen,  wie  Stade  umfassend  nachgewiesen  hat  ZATW 
1903,  164-171.  Zu  nS)^«  vgl  Ps  5  4,  zu  b  b'r\]n  =  auf  die  Erfüllung  der  gött- 
lichen Weissagungen  und  Jahwes  Hilfe  im  Weltgericht  hoffen  vgl.  Ps  38  ig 
42  6  12  43  5  130  5  und  zu  'V^'  N^^S  Ps  18  47  25  r>  29  9  Hab  3  18  Jes  17  lo  (s.  zu 
d.  Stelle).  8  Freue  dich  nicht  über  rnich^  meine  Feindin!    Wenn  ich  (je- 

fallen  bin,  sieh  ich  wieder  auf;  Wenn  ich  in  Finslernis  sit%e,  so  ist  Jahive 
mein  Licht.  Der  Glaube  an  das  einstige  Durchbrechen  des  Lichtes  d.  h.  des 
messianischen  Heiles  ist  der  Gemeinde  auch  in  der  Finsternis  d.  h.  im  Elend 
unverlierbar,  so  sehr  es  sie  schmerzt  und  stört,  dass  die  Heidenvölker  sich  über 
ihre  Überwindung  Israels  freuen.  Vgl.  zur  Sache  bes.  Jes  9  i,  dann  auch  Jes 
42  16  50  10  60  1-3.  nn"^«  ist  Kollektivum  wie  nnii^V  vgl.  Ges.-Kautzsch'^7 

§  122  s.  Zu  der  Schadenfreude  vgl.  Ps  25  2  30  2  35  19  24  Ob  v.  12  f. 

9,  der  zweite  Sechszeiler:  Die  Erklärung  des  Elends  der  Gegenwart  ist 
der  Zorn  Gottes,  den  Zion  für  seine  Sünde  jetzt  trägt,  bis  die  messianische 
Wendung  von  Jahwe  heraufgeführt  wird  und  Israel  die  göttliche  Gerechtig- 
keit sieht,  die  in  seiner  Verherrlichung  zu  Tage  tritt.  Den  Zorn  Jahwes  trage 
ich,  J)enn  ich  habe  an  ihm  gesündigt.  Bis  dass  er  meine  Sache  führt  Und  mein 
Recht  mir  verschafft,  Mich  an  das  Licht  hinausführt.  Ich  froh  seine  Gerech- 
tigkeit schaue.  Der  Zorn  Gottes,  der  von  den  Tagen  Manasses  und  des  Exils 
an  immer  noch  auf  Israel  lastet  vgl.  Jes  42  24 f.  Sach  1  I5f ,  ist  doch  kein  defini- 
tiver, Israel  hat  ein  Recht  DS^p  auf  Rettung,  denn  die  Heiden  haben  es  nie 
zur  Ruhe  kommen  lassen  und  ausserdem  für  die  Bedeutung  Israels  kein  Ver- 
ständnis gezeigt  und  also  auch  für  Jahwe  doch  noch  weniger  Verständnis  be- 
sessen als  Israel  (vgl.  Hes  25  s  28  24  26  Jes  40  27  49  4,  ferner  Jes  1  27  Ps  9  5 
17  2  35  23  37  6  43  1  119  154);  in  der  Rettung  erweist  sich  darum  auch  Gottes 
nijn:^  Gerechtigkeit,  vgl.  Ps  22  32  36  11  40  11  51  1 6  etc.  Zu  1^  ^n«Dn  ^?  vgl. 
Ps  41  5  51  6  106  6;  zu  **]j;i,  einem  nur  in  später  Litteratur  vorkommenden  Wort, 
=-  ngt  vgl.  Jon  1 15  Prv  19  12  II  Chr  16  10  26  19  28  9  Jes  30  30  (nicht  jesajanisch, 
s.  zur  Stelle). 

10,  der  dritte  Sechszeiler:  Die  Heiden  werden  zu  Schanden  werden: 
Meine  Feindin  soll  es  sehen  Und  Schande  wird  sie  bedecken,  Sie,  die  %u  mir 
sagt:  Wo  ist  Jahwe,  dein  Gott?  Meine  Augen  werden  sich  an  ihr  weiden.  Nun 
wird  sie  der  Zertretung  anheimfallen.  Das  Suff,  in  l'*«  ist  überflüssig  wie 
II  Reg  19  13  Jes  19  12;  ob  man  aber  deshalb  überall  T\l^  zu  lesen  hat  (Wellh., 
Nowack),  ist  doch  fraglich.  nilJ^n  tD^tp3  ist  unnötige  Glosse  nach  Ps  18  43 
Jes  10  6,  vgl  das  blosse  DDnrsb  iTH  Jes  5  5  28  1 8.  In  den  Psalmen  wird  oft 
darum  gebeten  oder  die  Erwartung  und  der  Wunsch  ausgesprochen,  dass  die 
Gegner  zu  Schanden  werden,  vgl.  z.  B.  5  11  6  11  109  29  129  5,  s.  auch  Ob  v.  10. 
„Die  Frage  der  Heiden:  '1:1  nntt^n,  konstatiert  die  Ohnmacht  des  Gottes  der 
Gemeinde"  (Stade),  sie  ist  ein  Hohn  über  Israel,  vgl.  II  Reg  18  34  (Jes  36  19) 
Jo  2  17  Ps  79  10  115  2. 

11  12,  der  vierte  Sechszeiler:  Die  Wiederherstellung  Jerusalems  in  alter 
Pracht  und  die  Heimkehr  der  Diaspora.   Die  Anrede  an  Zion  lässt  sich  nicht 


Mch  7  11  300  Mch  7  14 

als  ursprünglich  festhalten,  vorher  und  nachher  spricht  nicht  Jahwe,  sondern 
Zion;  darum  sind  die  Suff,  der  ersten  Person  für  die  der  zweiten  einzusetzen: 
''^l.h  ^^5^»  vielleicht  ist  auch  •'j?n  zu  lesen.  Wem  diese  Änderung  für  zu  gewalt- 
sam vorkommt,  muss  v.  iif.  als  fremden  Bestandteil  ausscheiden;  v.  13  liesse 
sich  gut  als  Fortsetzung  von  v.  lo  verstehen.  11  Eines  Tags  werden  her- 

gestellt meine  Mauern^  Jenes  Tags  werden  meine  Gren%en  fern  sein.  Wört- 
lich wäre  zu  übersetzen:  Ein  Tag  kommt,  um  zu  bauen  ....  Ein  Tag  ist's,  wo 
fern  sein  werden  ....   Man  lese,  wie  zu  Anfang  von  v.  12,  \  «^n  D1\  Das 

Bauen  Zions  beschäftigt  auch  nach  der  Wiederherstellung  der  Mauern  Jeru- 
salems durch  Nehemia  die  Psalmdichter  vgl.  Ps  102  u-i8  147  2.  ''jPn  (vgl. 
das  •'  zu  Anfang  des  folgenden  D1^)  bedeutet  hier  schwerlich  Zeittermin,  um  die 
Ferne  des  Tages  auszudrücken,  sondern  die  Grenzen  des  von  Israel  besessenen 
Gebietes,  vgl.  für  ph  =  Grenze  Jer.6  22  und  zu  der  Vorstellung  der  Erweite- 
rung des  Gebiets  in  der  messianischen  Zeit  vgl.  Ob  v.  i9f.  Am  9  12  Mch  7  u 
Sach  10  10  s.  auch  Sach  1  17.  12  Jenes  Tags  werden  sie  zu  mir  kommen, 
1.  5i«in^  nj;*!  (s.  Vorbemerkung  zu  v.  11  f.;  Cheyne  vermutet  weniger  gut  Tl^^^ 
=  deine  Übriggebliebenen)  Von  Assur  bis  Äggpten,  für  '^nvi  1-  n??5»  Und  von 
Ägypten  bis  zum  Euphrat,  Von  Meer  zu  Meer  und  von  Berg  zu  Berg,  Zu 
^^^wr  ==  Syrien  vgl.  Vorbem.  zu  5  4  f.,  zu  i¥<<?6'ör  =  Ägypten  s.  zu  Jes  19  6. 
Für  nnn  1.  iriD;  Ü\  und  in  sind  =  D^^  "Ij;  und  "in  "ij;  zu  fassen  und  am  besten  ge- 
radezu hinter  D^p^  und  IH?^  in  den  Text  zu  setzen;  bei  dieser  sprichwörtlichen 
Redensart  hat  man  nicht  an  bestimmte  Meere  und  Berge  zu  denken.  Zu 
der  Erwartung  der  Heimkehr  der  Diaspora  aus  aller  Welt  vgL  schon  Hes 
34  13,  dann  später  Sach  10  8  10  Mch  2  i2f.  4  ef.  Am  9  9  Jes  27  12,  sowie  die 
Stellen  in  Ps  68  7  23  106  47  107  3 ff.  147  2. 

13  18^  19%  der  fünfte  Sechszeiler:  Die  Heidenwelt  wird  verwüstet,  aber 
über  Zion  leuchtet  Gottes  Gnade.  Die  Hoffnung  wird  erfüllt;  der  Zorn  über 
Israel  hat  ein  Ende  und  die  Heiden  erfahren  das  Unrecht  ihres  Spottes  über 
Zion.  13  Die  Erde  aber  wird  vervmstet  werden  Wegen  ihrer  Bewohner 
zur  Strafe  ihrer  Thaten,  Xl^^  ist  die  Erde  mit  Ausschluss  des  heiligen  Landes, 
wie  sich  aus  dem  Zusammenhang  im  Gegensatz  zu  dem  wiederhergestellten 
Zion  (v.  11  f.)  von  selbst  ergiebt;  vgl.  zum  Inhalt  Sach  14  I6-19  Ps  107  34. 
'I?  •'isp  erklärt  das  vorangehende  H^nti^''"^;;;  n.öD,  wörtlich:  wegen  der  Frucht, 
ist  soviel  als:  zum  Lohn,  zur  Strafe  vgl.  Jes  3  10.  18^  Nicht  für  immer 
hält  er  fest  an  seinem  Zoim,  Sondern  er  freut  sich  Gnade  zu  üben.  Die  Ver- 
bindung von  V.  13  mit  v.  18^  stimmt  zu  der  Logik  der  spätesten  Zeit,  die  in  der 
Strafe  der  Heiden  und  in  der  Verwüstung  der  Heidenwelt  das  Nachlassen  des 
Zornes  über  Israel  und  den  Anfang  der  Gnade  sah,  vgl.  die  charakteristischen 
Verse  Mal  1  2 f.  Zu  v.  18^«  vgl.  Ps  30  6  103  9,  zu  v.  is^P  vgl.  Ps  25  10  33  5 
130  7.  19=^  Er  wird  sich  unserer  wieder  er^barmen,  Unsere  Missethaten 
unter  die  Fasse  treten  d.  h.  sie  vernichten;  die  Sünden  sind  als  Feinde  personi- 
fiziert vgl.  Gen  4  7  Ps.  65  4.  Damit  ist  dann  die  Erhörung  gegeben,  auf  die 
V.  7  hofft ;  der  Schluss  schaut  auf  den  Anfang  zurück. 

b)  Der  Psalm  7  14-18^  19*^  20:  Ein  Gebet  Israels  um  Gottes  Gnade. 

14  15,  der  erste  Vierzeiler:  Bitte  um  neue  gnädige  Führung  und  Ver- 


Mch  7  14  301  Mol,  7  17 

herrlicliuiig  Israels.  J4  Weide  dein  Volk  mit  deinem  Slnhe,  Die  Sehafe 

deines  Erben,  Die  einsam  die  Wildnis  hewolmen  InmUten  des  FrvehlUuids^ 
Dass  sie  loeiden  in  Hasan  und  (Ulead,  Wie  in  den  Ta(/en  de?'  Vorzeil !       Das 

Bild  von  Jahwe  als  dein  Hirten  und  von  Israel  als  seiner  Herde  ist  beliebt, 
vgl.  bes.  Ps  23,  wo  auch  v.  4  tODC^  den  Hirtenstab  bedeutet,  ferner  s.  Gen  49  24 
Fs  80  '2.  Israel  ist  der  Erbbesitz  (n'jni)  Jahwes,  vgl.  z.  E.  Dtn  4  20  9  20  29, 

sowie  Ps  28  9  74  2  78  62  71.  ''iDb^  kann  sich  nur  auf  Dj;  und  ]«:J,  also  auf 

Israel  beziehen,  somit  ist  mit  Stade  ''^:^\ä  zu  lesen.  Die  Beziehung  auf  Jahwe 
würde  die  seltsame  Vorstellung  ergeben,  dass  Jahwe  auf  dem  Karmel  einsam 
im  Walde  wohne;  Wald  kann  doch  nicht  Äquivalent  für  Waldheiligtum  sein 
(s.  zu  3  12)  und  was  der  heilige  Berg  Karmel  in  so  später  Zeit  zu  thun  hätte, 
Hesse  sich  auch  nicht  denken.  Auf  Israel  bezogen  spricht  es  aber  nicht  einen 
Wunsch  aus,  dass  Israel  von  den  Völkern  getrennt  wohnen  möchte  (statt  des 
Particips  müsste  der  Jussiv  USC^'l  gelesen  werden),  sondern  begründet  es  die 
Bitte  der  ersten  Langzeile  und  bereitet  auch  die  folgende  Bitte  vor.  Wie  Jes 
29  17  32  15  ^015  neben  ly;;  das  Friichtland  n^h^n  dem  Wald^  bezeichnet,  so  hier. 
Die  Israeliten  haben  nur  ein  w^aldiges  Gebiet,  das  judäische  Gebirge,  den 
„Busch",  in  Besitz,  ringsherum  ist  schönes  Fruchtgefild  und  fette  Weide. 
Diese  Beschreibung  der  Lage  passt  auf  die  Zeit  nach  dem  Exil  bis  in  das 
zweite  Jahrb.,  avo  dann  die  Makkabäer  und  Hasmonäer  die  Züge  ins  Frucht- 
gebiet unternahmen.  Der  Wunsch  der  dritten  Zeile  nach  den  guten  Weide- 
plätzen Gilead  und  Basan  hängt  mit  diesem  Wunsche  nach  Expansion  des 
Gebietes  aufs  beste  zusammen;  vgl.  zu  dieser  Vorstellung  von  der  Ausdehnung 
des  Besitzes  in  der  messianischen  Zeit  ausser  den  zu  v.  11^  genannten  Paral- 
lelen bes.  Jer  50  19,  w^o  Basan  und  Gilead  nicht  fehlen.  15  Wie  zur  Zeit 
da  du  aus  Ägypten  zogest^  Lass  uns  Wunder  schauen!  Die  Anrede  an  Jahwe 
geht  weiter  {als  du  zogest  etc.),  darum  ist  ^i^?"1^  (nicht  das  unmögliche  ^^^"in, 
s.  beiKAUTzscH)  für  ^iSIt?  zu'lesen;  die  unrichtige  Beziehung  des  Suff.  ^—  auf 
das  Volk  hat  die  Änderung  in  ^^«1«  veranlasst.  Ferner  ist  nach  LXX  nn^JrsD 
statt  ö  |^*jlSlö  zu  schreiben.  Die  Erinnerung  an  die  Tage  des  Auszugs  aus 
Ägypten  tritt  in  den  Psalmen  und  auch  sonst  häufig  auf,  vgl.  6  4^ 

16  17,  der  zweite  Vierzeiler :  Die  Wunderthaten  Jahwes  an  Israel  sollen 
die  Heiden  dazu  bringen,  dass  sie  sich  Gott  unterwerfen.  16  Die  Heiden 

werden  es  sehen  und  verzweifeln  An  all  ihrer  Macht,  Sie  werden  die  Hand 
auf  den  Mund  legen,  Ihre  Ohren  taub  werden.  Zu  ^^'^V.  "IJ  ^D'''^;,  dem  Zeichen 
des  staunenden  Verstummens,  vgl.  unser:  „den  Mund  halten"  und  Hi  21  5  Jes 
52  15;  parallel  zu  dem  „die  Sprache  verlieren"  ist  das  „taubwerden".  Die 
Wunder  Gottes  bringen  sie  so  in  Verwirrung,  dass  sie  Sprache  und  Gehör 
verlieren.  17  Sie  werden  Staub  lecken  wie  die  Schlange,  Wie  die  Tiere, 

die  am  Boden  kriechen^  d.  h.  sich  vor  Jahwe  in  den  Staub  werfen,  also  sich 
als  seine  ünterthanen  erklären,  vgl.  Jes  49  23,  Sie  werden  zitternd  und  bebend 
aus  ihren  Verliessen  kommen  Und  sich  fürchten  vor  dir.  U^'^'?^5  HiH;;"^«  ist 
Glosse  von  der  Hand  dessen,  der  das  Suff,  in  ^rii<?  v.  15  auf  das  Volk  bezog 
und  dort  aucli  USI«  statt  i:«in  schrieb;  neben  ^öl?  ist  «  "'"^«  unerträglich, 


Meli  7  18  302  Mch  7  20 

erst  die  Ausscheidung  stellt  den  Rhythmus  her.  Zu  DfTrih^p)3?p  ^^y,  vgL 

Ps  18  43,  zu  nnp:  vgl  Hos  3  5  und  zu  ^isp  ^NTJ,  vgl.  Ps  33  8. 

18^^  19'^  20,  der  dritte  Vierzeiler:  Der  Preis  Jahwes,  der  Israel  die  Sün- 
den vergiebt.  18^  Wer  ist  ein  Gott  wie  du,  der  die  Schuld  erlässt  Und 
die  Sünde  vergiebt!  lilSn^  n'^IJ??^^  ist  ein  Zusatz,  wie  das  auf  den  Angeredeten 
(vgl.  ^1^5)  bezügliche  Suffix  der  dritten  Person  zeigt,  ein  Zusatz,  der  den  Ge- 
danken ausdrücklich  fern  halten  sollte,  als  ob  Jahwe  auch  den  Heiden  ver- 
gebe. Vgl.  zu  ^IJ^i?  ^«-"^p  Ex  15  11  Ps  71  19,  zu  ]\)l  «b^i  Ex  34  7  und  yi?^D  'pj;  inj; 
Prv  19  11.  Zu  18'^  19^  s.  oben  nach  v.  13.  19*^  Du  wirfst  in  die  Tiefen 
des  Meeres  All  unsere  Sünden.  L.  mit  LXX,  Pesch.,  Vulg.  dem  ^^«in 
V.  15^'  entsprechend:  ^i^nstSH;  das  Suff,  in  Dnstsn  scheint  auf  die  Glosse  rint?^'p 
in^ni  zurückzugehen,  also  noch  ein  Beweis  zu  sein,  dass  einst  v.  is'^  i9^  nicht 
dazwischenstand.  Zu  Ü^  ni^iJD  vd.  Jon  2  4  Ps  68  23.  Das  1  vor  Th^r^ 
ist  ^vohl  aus  Dittographie  des  vorangehenden  1  entstanden.  20  Du  er- 
iveisest  an  Jakob  Treue,  An  Abraham  Gnade,  Wie  du  geschworen  hast  unsern 
Yiitern  In  den  Tagen  der  Vor%eit.  TaVl  Treue  und  Gnade  vgl.  Ex  34  6.  Jakob 
und  Abraham  leben  in  den  Nachkommen  fort,  darum  können  diese  nach  dem 
Namen  jener  genannt  werden,  ja  der  gleichen  Liebe  Gottes,  wie  jene,  ver- 
sichert sein,  vgl.  Gen  32  ii  und  bes.  Abraham  den  Freund  Gottes  Jes  41  8. 
Die  Verheissungen,  auf  welche  hier  angespielt  wird,  sind  in  Gen  22  le-is  28  la 
14  zu  finden.  Auf  den  Bund  mit  den  Erzvätern  beruft  sich  auch  der  Psalmist 
Ps  105  8-11  42;  an  der  Erfüllung  haben  „Abrahams  Kinder"  nicht  zu  zweifeln. 


Na  Einleitunjr  T  303  Na  Einleitung  I 


NAHUM. 

Einleitung. 


I.  Die  Zusammensetzung  des  Buches.  Das  Buch  Na,  das  siebente  in 

der  Reihe  der  „Zwölf  Propheten'-  nach  der  Ordnung  des  hebräischen,  wie  des  alexan- 
drinischen  Kanons,  enthält  in  der  Hauptsache  eine  schwungvolle,  in  bilderreicher 
Sprache  abgefasste  Prophetie  von  dem  Untergang  Nineves,  die  von  dem 
Propheten  Nahum  von  Elkosch  herrührt.  Zu  derselben  sind  zu  rechnen  1  11  14  2  2 
4-14  3  1-19.  Abgesehen  von  kleineren  Glossen  ist  innerhalb  dieser  Verse  kein  grösserer 
Abschnitt  dem  Propheten  Nahum  abzusprechen.  BuDDE  hat  zwar  einige  Differenzen 
in  Bezug  auf  Metrum,  Gebrauch  des  Gottesnamens  und  Begründung  des  Falles  Nineves 
zwischen  2  14 — 3  7  und  dem  übrigen  Bestände  bemerken  wollen,  aber  den  Schluss 
auf  fremde  Herkunft  von  2  14—3  7  mit  Becht  nicht  gezogen.  Denn  das  Metrum  ist 
doch  in  2  14 — 3  7  kein  anderes  als  vorher  und  nachher,  wenn  schon  einige  Strophen 
nicht  so  leicht  in  das  Schema  der  regelmässiger  gebauten  Teile  der  Prophetie  sich 
fügen,  und  da  1  ll  14  zu  dem  Orakel  über  Nineve  gehören,  so  kommt  der  Name  Hin^ 
nicht  nur  in  diesem  Stücke  vor  (s.  1  11  14)  und  wird  auch  1  11  an  die  Schuld,  die 
Nineves  Fall  begründet,  erinnert,  wie  3  14,  sodass  von  einem  wirklichen  Unterschiede 
nicht  mehr  zu  reden  ist. 

Von  dieser  Prophetie  zu  unterscheiden  ist  der  Eingang  des  Buches  1  2-10  12 f. 
2  13,  der  wieder  nicht  eine  ursprüngliche  Einheit  aufweist.  Denn  1  2-10  ist  das  Frag- 
ment eines  alphabetischen  Psalmes,  der  Gottes  Rache  an  seinen 
Feinden  schildert  und  so  den  allgemeinen  Hintergrund  oder  den  grossen  Bahmen 
des  Weltgerichts  für  die  nachher  folgende  Prophetie  von  dem  Gerichte  Nineves  hinzu- 
fügt. Dieser  Psalm  ist  in  gleichschwebenden,  dreihebigen  Distichen  abgefasst,  von 
denen  jedes  mit  einem  neuen  Buchstaben  des  Alphabetes  (t<  bis  D)  beginnt.  Die 
übrigen  Verse  des  Eingangs  des  Buches,  1 1 2  f.  213,  sind  wohl  sachlich  ein  Komplement 
zu  t  2-10,  da  sie  Zion  das  Heil  verkünden,  das  die  Kehrseite  des  Gerichts  an 
den  Heiden  ist;  aber  formell  lassen  sie  sich  nicht  mit  1  2-10  verbinden,  weil  sie  nicht 
nur  in  anderem  Metrum  (dem  sog.  Kina-Metrum)  erscheinen,  sondern  auch  in  direkter 
Beziehung   und    unter  deutlicher   Bücksichtnahme  auf  die  Prophetie  über  Nineve 


Na  Einleitung  I  304  Na  Einleitung  11 

gedichtet  sind,  mit  der  sie  selber  aber  nicht  zusammengenommen  werden  können,  da 
in  ihnen  die  Anrede  an  Zion  und  nicht  an  Nineve  ergeht.  S.  dazu  die  Auslegung, 
bes.  die  Vorbemerkungen  zu  1  2-10  und  zu  1  12  f.  2  l  3. 

Das  Buch  Na  unterscheidet  sich  somit  von  den  Büchern  der  Propheten  Amos, 
Hosea  und  Micha  dadurch,  dass  es  die  sekundären  Elemente  am  Anfange,  nicht  am 
Ende  zeigt  (doch  vgl.  auch  zu  Mch  1  2-4).  Das  Orakel  über  Nineve  sollte  auf  diese 
Weise  von  vornherein  in  den  Rahmen  des  Weltgerichts  gestellt  werden,  das  den 
Heiden  den  Untergang,  den  Juden  aber  das  Heil  bringt. 

IL  Die  Prophetie  IVahiims  über  den  Untergang  Nineves  und  ihre  Be- 
deutung. Dass  der  Verfasser  der  Prophetie  nur  ein  Judäer  gewesen  sein  kann, 
ergiebt  sich  mit  Sicherheit  aus  seinen  ersten  Worten  1  11,  wo  er  in  keiner  Weise  an 
das  Schicksal  denkt,  das  die  Assyrer  dem  Reiche  Israel  bereitet  haben,  sondern  nur 
darum  Nineve  bedroht,  weil  aus  ihm  der  Bösewicht  hervorgegangen  ist,  der  Böses 
wider  Jahwe  plante,  also  nur  Juda  berücksichtigt,  dessen  Hauptstadt  von  Sanherib 
belagert  worden  war.  Darum  darf  auch  der  Heimatsort  Nahums,  Elkosch,  nirgend 
anders  gesucht  werden  als  in  Juda,  s.  zu  1  l. 

Für  die  Zeit,  da  Nahum  gelebt  hat,  also  auch  die  Prophetie  über  Nineve  ent- 
standen ist,  ergeben  sich  aus  dem  Inhalt  feste  und  genaue  Grenzen.  Der  Vergangen- 
heit gehört  die  Eroberung  und  Plünderung  No-Amons  in  Ägypten  und  der  Zukunft 
der  Fall  Nineves  an.  Das  sind  die  beiden  festen  Termini,  innerhalb  deren  das  Orakel 
über  Nineve  entstanden  ist.  Nach  der  Schilderung  der  Katastrophe,  die  No-Amon 
getroffen  hat,  handelt  es  sich  nur  um  einen  Schlag,  von  dem  sich  No-Amon,  so  lange 
der  Prophet  lebte,  nicht  wieder  erholt  hat  und  den  man  als  einen  definitiven  anzu- 
sehen berechtigt  war.  Darum  kann  Nahum  nur  die  Einnahme  No-Amons  durch 
Assurbanipal  im  Jahre  663  im  Auge  haben,  welche  die  Macht  der  Grossstadt  für 
immer  gebrochen  hat,  sodass  sie  sich  nie  mehr  zu  der  früheren  Bedeutung  erheben 
konnte.  S.  Vorbemerkung  zu  3  8-11.  Als  Termin,  vor  welchem  das  Orakel  ent- 
standen sein  muss,  ist  zweifellos  der  Zeitpunkt  der  Zerstörung  Nineves  gegeben; 
denn  Nahum  beschreibt  nicht,  sondern  er  weissagt.  Nun  ist  Nineve  im  Jahre  606  von 
den  Modern  erobert  und  zerstört  worden,  die  im  Einverständnis  mit  Nabopolassar 
von  Babylon  handelten.  Also  fällt  die  Entstehung  der  Prophetie  Nahums  zwischen 
663  und  606.  Nicht  mit  derselben  Sicherheit  lässt  sich  der  Zeitpunkt  zwischen  diesen 
Endterminen  fixieren,  der  als  Datum  der  Entstehung  des  Orakels  anzusehen  ist. 
Geht  man  von  der  Einnahme  No-Amons  aus  und  hält  man  dafür,  dass  dieses  Ereignis 
noch  in  frischer  Einnerung  sein  musste,  so  wird  man  die  Entstehung  möglichst  nahe 
an  663  heranrücken,  also  sie  etwa  auf  650  ansetzen.  Diese  Annahme  ist  jedoch  un- 
wahrscheinlich ;  denn  wenn  auch  aus  dieser  Zeit  der  grosse  Aufstand  Samassumukins 
von  Babel  gegen  Asurbanipal  bekannt  ist,  so  war  es  damals  weder  auf  eine  Zer- 
störung Nineves  abgesehen,  noch  waren  die  Verhältnisse  im  assyrischen  Heiche  so 
verworren  und  die  Macht  so  heruntergekommen,  wie  Nahum  für  seine  Zeit  sie  schil- 
dert, vgl.  3  12 f.  Zudem  ist  es  nicht  die  Art  der  Propheten,  aus  reiner  Analogie  mit 
einem  eben  erlebten  Ereignis  ein  zweites  ihm.  ähnliches  zu  weissagen,  wenn  in  der 
Wirklichkeit  für  dasselbe  noch  keine  Anzeichen  und  Andeutungen  vorhanden  sind. 
Gerade  das  Gegenteil  ist  der  Fall ;  darum  konnte,  als  wirklich  der  Untergang  Nineves 
sich  ankündigte,  dies  die  Erinnerung  an  den  Fall  der  anderen  gewaltigen  und  ebenso 


Na  Einleitung  IT  305  Na  Einleitung  IT 

am  Wasser  gelegenen  Grossstadt  No-Amon  wieder  wachrufen,  und  man  wird  umso- 
mehr  von  dem  zweiten  Datum  ausgehen  resp.  in  seine  Nähe  gehen  mü8S(3n,  als  in  der 
Schilderung  der  Eroberung  No-Amons  docii  nur  Züge  sich  linden,  die  bei  jeder 
Eroberung  sich  raelir  oder  weniger  wiederholten  (h.  3  ö-lO),  während  über  die  Lage 
im  assyrischen  lleiche  nicht  nur  allgemeine  Andeutungen,  sondern  bestimmte  Nach- 
richten gegeben  werden,  vgl.  3  12  f.  Auch  legt  die  Beschreibung  der  Feinde  Nineves 
den  Gedanken  nahe,  dass  es  sich  nicht  nur  um  die  den  Assyrern  wohlbekannten 
ßabylonier,  sondern  um  ein  fremdes  und  fernstehendes  Volk  handle.  Wie  nahe  an 
das  Jahr  606  heranzutreten  ist,  wird  nach  diesen  Kriterien  zu  entscheiden  sein. 
Schwerlich  kann  man  noch  an  eine  Abfassung  während  der  Regierungszeit  des  Königs 
Asurbanipal  denken,  da  er  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  626  mit  kräftiger  Hand  sein 
ganzes  Keich  beisammenbehielt,  auch  wenn  die  Skythen  den  Westen  in  Unordnung 
gebracht  hatten.  Zudem  ist  von  einer  Belagerung  Nineves  in  dieser  Zeit  nichts  be- 
kannt; denn  Phraortes  von  Medien  (655 — 633)  ist  auf  seinem  Zuge  gegen  Assur  ge- 
schlagen und  getötet  worden,  bevor  er  vor  Nineve  gelangt  war.  Ebenso  ist  wohl  der 
Anfang  der  Begierung  der  Söhne  Asurbanipals:  Asur-etil-ilani  (626 — 622)  und  Sin- 
sar-iskun  =  Saracus  der  klassischen  Autoren  (622 — 606)  ausgeschlossen.  Denn  die 
Annahme  einer  sog.  ersten  Belagerung  Nineves  durch  den  Meder  Kyaxares  um  625 
beruht  allein  auf  dem  Zeugnis  HekODOTS,  das  durch  keinen  andern  Schriftsteller 
nocb  durch  irgend  eine  Inschrift  bestätigt  wird,  und  erst  von  dem  Jahre  611  an  lässt 
sich  aus  Inschriften  konstatieren,  dass  sich  innerhalb  des  Zeitraumes  615 — 611  die 
Situation  zu  Ungunsten  Assurs  geändert  haben  muss,  vgl.  CheistoPHER  JohnstoN 
(der  zwar  HerODOTS  Bericht  mit  diesen  Inschriften  zu  kombinieren  sucht)  The  Fall 
of  Nineveh  in  Johns  Hopkins  Semitic  Papers  1901,  14 — 16.  Es  hat  nämlich  in  diesen 
Jahren  der  chaldäische  König  von  Babylon  Nabopolassar  seine  Herrschaft  rasch  ver- 
grössert  und  sich  assyrische  Gebiete  erobert.  Dass  die  Meder  die  durch  die  Erfolge 
Nabopolassars  bewiesene  Schwäche  Assurs  sich  auch  zu  Nutze  machten ,  war  selbst- 
verständlich und  ihnen  gelang  es  schliesslich  im  Jahre  606  unter  Kyaxares,  Nineve  zu 
erobern  und  zu  zerstören.  So  ist  etwa  das  Jahr  610  als  Zeitpunkt  für  die  Entstehung 
der  Prophetie  Nahums  gegen  Nineve  anzunehmen;  denn  da  zeigt  sich  die  Situation, 
w*elche  der  Prophet  voraussetzt:  Der  Feind  ist  bereits  ins  Innere  des  Reiches  vor- 
gedrungen, die  Grenzfesten  sind  gefallen  und  überall  zeigt  sich  die  Schwäche  des 
assyrischen  Heeres.  Die  Schilderung  des  Feindes  weist  wohl  auf  die  Meder  hin,  in 
deren  Heeren,  wie  in  denen  der  Chaldäer,  es  an  Beiterei  nicht  fehlte. 

Gerade  wenn  man  bedenkt,  dass  Nahum  ein  direkter  Zeitgenosse  Jeremias  war, 
tritt  die  Bedeutung  seiner  Prophetie  gegenNineve  in  einhellesLicht.  Im  Mittelpunkt 
aller  Worte  Jeremias  stehen  seine  Volksgenossen  und  ihre  Sünden,  Nahum  redet 
ausschliesslich  von  Nineve  und  dem  Untergang  des  assyrischen  Beiches.  Dass  hinter 
den  Assyrern  Jahwe  selber  stand,  wie  Jeremia  und  seine  Vorgänger  es  auffassten, 
kommt  Nahum  in  keiner  Weise  in  den  Sinn ;  im  Gegenteil  begründet  er  mit  dem 
Unheil,  das  die  Assyrer  gegen  Jerusalem  im  Schilde  führten,  den  Untergang  Nineves. 
Dass  die  Assyrer  die  Vollstrecker  der  Strafe  Jahwes  über  das  gottlose  Volk  Judas 
sein  sollten,  ist  gänzlich  vergessen,  wie  auch  mit  keinem  Worte  auf  Sünden  der 
Judäer  hingewiesen  wird.  Nicht  nur  das  Objekt  der  Prophetie  Nahums  ist  ein  völlig 
neues  und  anderes,  sondern  seine  ganze  Denkweise  unterscheidet  sich  von  der  eines 

Kurzer  HC  zum  AT   XIII  20 


Na  Einleitung  II  306  Na  Einleitung  III 

Jeremia  und  seiner  Vorgänger.  Am  deutlichsten  tritt  das  hervor  in  der  Beurteilung 
des  AVertes  Jerusalems.  Nach  Jeremia  verdient  Jerusalem  den  Untergang,  nach 
Nahum  ist  der  gegen  Zion  geplante  Frevel  eine  Schuld,  die  Nineves  Fall  nach  sich 
zieht.  Man  ersieht  daraus,  dass  Nahum  die  Ansichten  der  deuteronomischen  Kreise 
teilt,  welche  dem  Tempel  auf  Zion,  als  der  einzigen  Wohnung  des  wahren  Gottes, 
eine  alles  überragende  Bedeutung  zumassen  und  daher  an  seine  Unverletzlichkeit 
glaubten.  Nahum  ist  ein  Prophet  der  herrschenden  Kreise  unter  Josia;  da  treten 
die  AVurzeln  der  Anschauung  hervor,  die  nachher  mit  Verachtung  auf  alle  Heiden 
hinabblickte,  die  dafür  hielt,  dass,  wer  Israel  antastete,  sich  an  dem  Augapfel  Gottes 
vergriff  und  die  darum  einerseits  sich  von  allem  Heidnischen  zu  scheiden  für  religiöse 
Pflicht  ansah,  andererseits  von  dem  Gericht  über  die  Heiden  den  definitiven  Anbruch 
des  Heiles  für  Israel  erwartete.  Noch  wirkt  bei  Nahum  allerdings  die  Ansicht  nach, 
dass  auch  die  Vergewaltigung  anderer  Völker  als  Israels  eine  Sünde  war  und  den 
Untergang  Nineves  verursachte  (vgl.  3  14);  aber  man  ist  auf  dem  Wege,  sich  stolz 
unter  der  Völkerwelt  zu  isolieren  und  sich  hochmütig  über  alles  Fremde  erhaben  zu 
dünken.  Nahum  ist  ein  Vorläufer  jener  „falschen"  patriotischen  Propheten,  die 
Jeremia  nachher  so  heftig  bekämpfte,  auch  darin  mit  ihnen  verwandt,  dass  er  von 
sittlichen  Schäden  im  Volke  nichts  zu  sagen  weiss.  Seine  Ideen  lassen  sich  somit 
sehr  wohl  aus  der  Zeit  nach  der  Heform  Josias  verstehen. 

Auf  den  hohen  poetischen  Schwung  dieser  ersten  uns  erhaltenen,  allein  auf  ein 
fremdes  Volk  sich  beziehenden  Prophetie  sei  hier  noch  ausdrücklich  hingewiesen. 
Die  Freude  über  den  Untergang  des  feindlichen  Reiches  hat  dem  Dichter  die  Flügel 
geschwellt. 

III.  Die  sekundären  Elemente  im  Buche  Nahum  und  die  Entstehung  des 
ganzen  Buches.  Mit  weniger  Sicherheit  lässt  sich  die  Entstehungszeit  der 

späteren  Zugaben  im  Buche  Na  feststellen.  Nur  das  eine  ist  über  allen  Zweifel  er- 
haben, dass  sie  der  nachexilischen  Periode  angehören.  Wahrscheinlich  hat  man  aber 
weit  über  das  Exil  hinunterzugehen.  Es  ist  nicht  einmal  ausgeschlossen,  dass 
0.  Happel,  der  das  ganze  Buch  Na  in  die  Seleucidenzeit  verlegt,  wenigstens  für  die 
sekundären  Stücke  Recht  hat.  Der  fragmentarisch  angefügte  alphabetische  Psalm 
kann  sehr  wohl  in  der  Zeit  der  makkabäischen  Erhebung  entstanden  sein,  damals 
hoffte  man,  dass  endlich  die  Zeit  der  endgiltigen  Eache  an  den  Feinden  Israels  ge- 
kommen sei.  Ebenso  passt  in  diese  Periode  die  Heilsverheissung  1  l2f.  2  13  mit 
ihren  Eeminiscenzen  aus  früheren  Schriften,  s.  Yorbem.  zu  1  12 f.  2  13  und  vgl. 
Dan  9  2.  Zu  den  beiden  sekundären  Elementen,  dem  Psalm,  der  das  Gericht  an  den 
Feinden  verkündet,  und  der  Weissagung ,  die  Israel  nahes  Heil  in  Aussicht  stellt, 
ist  das  Buch  Daniel  eine  gute  Parallele.  Gegen  die  Entstehung  dieser  Zuthaten  im 
zweiten  Jahrhundert  spricht  es  in  keiner  Weise,  dass  die  „zwölf  Propheten"  in 
JSir  49  10,  also  schon  um  200  v.  Chr. ,  erwähnt  werden.  Das  Orakel  gegen  Nineve 
ist  ja  viel  älter  und  die  Möglichkeit  später  noch  Stücke  beizufügen  in  keiner  Weise 
ausgeschlossen.  Mit  Namen  ist  auf  Nahums  Orakel  gegen  Nineve  erstmals  hin- 
gewiesen in  Tob  14  4  8,  wenn  dort  wirklich  NaoojjL  die  ursprüngliche  Lesart  für  'Iwva; 
sein  sollte,  vgl.  Jon  Einl.  III. 

Die  Entstehungsgeschichte  des  Buches  Na  ist  demnach  sehr  einfach. 
Aus  dem  Ende  des  siebenten  Jahrhunderts  besass  man  die  Prophetie  Nahums  über 


Na  Einleitung  III  307  Na  1  l 

Nineves  Fall,  die  im  Zwölff)rophet(;nbucli  «JSir^e  Aufnahme  gefunden  liatte^  und  im 
zweiten  Jahrh.  kamen  dazu  die  sekundären  Klemenle,  welche  zur  P]inleitung  dieses 
Orakels  für  nötig  erachtet  wurden,  um  einerseits  festzustellen,  dass  Gott  ein  Gott  der 
Gerechtigkeit  sei,  der  seine  Feinde  nicht  ungestraft  lasse,  und  um  andererseits  daran 
zu  erinnern,  dass  mit  dem  Gericht  an  den  Feinden,  das  nicht  ausbleiben  könne,  un- 
zertrennbar das  Heil  Israels  verbunden  sei. 

IV,  Litleraliir.  G.  Bickell  Die  hebräische  Metrik  in  ZDMG  1880, 

559 f.;  K.  BuDDE  Das  hebräische  Klagelied  in  ZATW  1882,  35;  Fr.  Buhl  Einige 
textkritische  Bemerkungen  zu  den  kleinen  Propheten  in  ZATW  1885,  181  f.; 
H.  GüNKEL  Nahum  1  in  ZATW  1893,  223—244;  G.  BiCKELL  über  Nahum  1  1—2  3 
in  Abhandlung  Y  der  Sitzungsber.  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissensch.,  Phil.- 
hist.  Classe,  Wien  1894;  H.  GuNKEL  Schöpf,  und  Chaos  1895,  102 f.;  A.  Billek- 
BECK  und  A.  Jeremias  Der  Untergang  Ninives  und  die  AVeissagungsschrift  des 
Nahum  in  Beiträge  zur  Assyriologie  1895  III,  87ff. ;  SalOMON  PlesSNER  Das  Buch 
Nahum  übersetzt  und  commentiert,  hrsgeg.  von  EliaS  PlessNER  1897;  A.  B.  DA- 
VIDSON The  Books  of  Nahum,  Habakkuk  and  Zephaniah,  Cambridge  1899;  0.  Happel 
Der  Psalm  Kahum  (Na  1)  kritisch  untersucht  1900;  WiLLlAiM  B.  Arnold  The  Com- 
position  of  Nahum  1—2  3  in  ZATW  1901,  225—265;  G.  WiLDEBOER  Nahum  3  7  in 
ZATW  1902,  318f.;  0.  Happel  Das  Buch  des  Propheten  Nahum  erklärt  1902; 
K.  Btjdde  Art.  Nahum  in  Encycl.  Biblica  1902,  Sp.  3259—3263;  T.  K.  Cheyne  Crit. 
Bibl.  II,  1903,  164—169. 


Erklärung. 

DielJberschrift  li  leidet  an  Hypertrophie.  Spruch  überNineve  ist  sekundäre 
Beifügung,  die  das  Objekt  der  prophetischen  Rede  nennt  und  nach  Analogie  der 
Einleitung  von  Jes  13  i  etc.  gebildet  ist,  s.  dort  auch  über  dieBedeutung  von  i^'^D. 
Wahrscheinlich  hat  der  Redaktor,  der  den  folgenden  Psalm  an  die  Spitze  des 
Textes  stellte,  die  "Worte  eingefügt,  damit  der  Leser  nicht  erst  2  9  erfahre,  von 
wem  dieProphetie  handle  (soW.R.  Aenold).  Von  derselbenHand  wird  alsÜber- 

•  •  •  • 

arbeitung  zur  alten  Überschrift  IDp  eingesetzt  sein.  Die  alte  Überschrift, 

für  deren  ürsprünglichkeit  die  Angabe  der  Heimat  des  sonst  unbekannten 

Propheten  spricht,  lautete  •'tÄ^p^fcjn  D^inj  ]1tn;  zu  ]1tn  s.  Ob  v.  i.         Die  Lage  von 

V}[h\^  ist  nicht  sicher  nachgewiesen;  da  Nahum  aber  ein  Judäer  gewesen  sein 

wird,  sind  die  Vermutungen  unhaltbar,  welche  Elkosch  ausserhalb  Judas 

suchen:  so  die  seit  dem  16.  Jahrh.  auftretende   Tradition,  dass  es  mit   der 

nördlich  vom  alten  Nineve  liegenden,  heute  noch  blühenden  Ortschaft  Alkusch 

zu  identifizieren  sei,  dann  die  Annahme  von  Knobel  und  Hitzig,  dass  Elkosch 

der  alte  Name  des  neutestamentlichenKapernaum  (=  D^iHi  1?3,  „Dorf  Nahums") 

sei,  endlich  die  von  Hierontmus  aufgestellte  Identifikation  mit  Elcese  (Euse- 

Bius:  'EXxcae),  dem  heutigen  El-Kauze,  westlich  von  Tibnin,  im  nördlichen 

Galiläa.    Möglich  ist  dagegen  die  Ansicht  von  Pseudg-Epiphanius  in  de  vitis 

20* 


Na  11  308  Na  1 2 

proplietarum,  dass  Elkosch  in  einem  jenseits  (wohl  =  südlich)  von  Eleuthero- 
polis  gelegenen  'EXxsat  ('EXxeotv)  zu  suchen  sei    (s.  Nestle   ZDPV   1878, 

222—225). 

I.  Die  Rache  Jahwes  an  seinen  Feinden,  das  Bruchstück  eines  alphabetischen 

Psalms  I  2-10. 

Das  Psalmfragment  v.  2-10  ist  vom  Redaktor  vorangestellt,  um  die  Prophetie 
Nahums  über  das  Gericht  Nineves  mit  der  Schilderung  Jahwes,  der  an  seinen  Feinden 
Rache  nimmt,  einzuleiten.  Ein  Fragment  ist  der  Abschnitt;  denn  das  Alphabet  ist  nicht 
ganz  durchgeführt,  also  der  Schluss,  ungefähr  die  zweite  Hälfte,  verloren. 

Auf  den  alphabetischen  Charakter  des  Stückes  hat  zuerst  Franz  Delitzsch  in  seinem 
PsalmencommentarS  1873,  117  aufmerksam  gemacht,  wo  er  die  Beobachtung  des  württem- 
bergischen Pfarrers  G.  Frohnmeyer  mitteilt,  dass  Na  1  3-7  alphabetisch  angelegt  sei.  Der 
Versuch  einer  Rekonstruktion  ist  dann  von  G.  Bickell  in  ZDMG  1880,  559 f.  unter- 
nommen, und  zwar  sollen  innerhalb  v.  2-10  alle  Buchstaben  des  Alphabets  zur  Ver- 
wendung kommen,  nämlich  so,  dass  die  ersten  Buchstaben  der  Zeilen  (resp.  zu  Anfang  und 
am  Schluss  ausnahmsweise  die  ersten  Buchstaben  der  Strophen)  das  Alphabet  bis  zu  D 
verfolgen,  die  fehlenden  Buchstaben  1  bis  n  in  den  ersten  Versen  des  Psalms  einzeln  oder 
zu  zweien  an  zweiter,  resp.  zweiter  und  dritter  Stelle  der  Zeile  stehen.  So  finde  sich  z.  B. 
D  und  ö  (letzteres  hier  wie  auch  sonst  bisweilen  in  alphabetischen  Stücken  vor  y)  in  nsön 
hinter  dem  n  der  Beth-Zeile  v.  3^  wie  V  hinter  :i  in  n^i,  dem  Anfang  der  Gimel-Zeile  v.  4. 
Dieselbe  Anschauung  mit  geringen  Modifikationen  vertritt  Bickell  noch  1882  in  seinen 
Carmina  Veteris  Testamenti  Metrice  S.  212  f.  Dieser  sehr  komplizierten  Erklärung  gegen- 
über trat  GuNKEL  in  ZATW  1893,  223 — 244  mit  der  Darlegung  auf,  dass  die  fehlenden 
Zeilen  mit  den  Buchstaben  i  bis  n  in  den  folgenden  Versen  1  11 — 2  3  noch  zu  entdecken 
seien.  Bickell  stimmt  dieser  Entdeckung  bei  (Sitzungsberichte  der  kaiserl.  Akad.  der 
Wissenschaften,  Phil.-hist.  Classe,  "Wien  1894,  Abhandl.  V),  nur  dass  er  in  der  Verteilung 
des  Materials  seine  eigenen  Wege  geht  und  daher  in  der  Wiederherstellung  des  Schlusses 
des  Psalms  erheblich  von  Günkel  abweicht.  Letzterer  hat  daraufhin  in  Einzelnem  seine 
Ansicht  modifiziert  und  verbessert,  aber  die  neue  Rekonstruktion  Bickell's  als  ganze  ab- 
gelehnt (s.  Schöpfung  und  Chaos  1895,  102f.).  Während  Nowack  der  Nachweis  eines 
ganzen  alphabetischen  Psalraes  für  erbracht  erscheint,  hält  Wellh.  mit  Recht  den  Versuch 
für  den  zweiten  Teil  für  gänzlich  misslungen,  und  ebenso  urteilt  W.  R.  Arnold  in  The 
Composition  of  Nahum  1 — 2  :  3  ZATW  1901,  225—265.  Dagegen  stimmen  alle  überein, 
dass  „die  lange  theologische  Einleitung^',  auch  wenn  sie  deren  Ende  nicht  am  gleichen 
Punkte  gekommen  sehen,  ein  sekundärer  Bestandteil  ist  und  mit  Nahum  nichts  zu 
thun  hat. 

Dass  der  Psalm  nur  halb  überliefert  ist,  will  Arnold  mit  dem  mangelhaften  Ge- 
dächtnis des  Redaktors  erklären,  indem  er  Beweise  hiefür  auch  in  der  analphabetischen 
Form  einzelner  noch  vorhandener  Zeilen  zu  finden  meint.  Besser  wird  man  an  einen 
durch  Verderbnis  des  Exemplars  verursachten  Verlust  des  Restes  denken;  dafür  spricht, 
dass  sich  innerhalb  1  12 — 2  3  sekundäre  Elemente  finden,  die  zwar  nicht  als  Stücke  des 
alphabetischen  Psalmes,  aber  als  Ersatz  derselben  und  als  Auffüllung  der  durch  den  Ver- 
lust derselben  entstandenen  Lücke  betrachtet  werden  können. 

Der  Text  von  v.  2-10  ist  nicht  in  bester  Ordnung  überliefert;  soviel  aber  ergiebt 
sich  deutlich,  dass  jeder  Buchstabe  nur  ein  einziges  Distichon  mit  in  der  Regel  dreihebigen 
Zeilen  einführte. 

2^  i<:  Ein  ei fe?*  süchtig  er  Gott  ist  Jahwe,  Ein  Rächer  und  voller  Zorn. 
Das  doppelte  njH!  ÖJ^i  ist  schwerlich  richtig,  zumal  da  die  LXX  es  nur  einmal 
liest;  aber  der  Text  ist  noch  nicht  in  Ordnung,  wenn  man  mit  Günkel  blosse 
Dittographie  annimmt,  sondern  man  hat  Dj^i^  und  das  zweite  T\)JV  zu  entfernen. 


Na  12  309  Na  1 5 

sodass  Hin''  am  Ende  des  ersten  Stichos  und  Dpi  am  Anfanj^  des  zweiten  zu 
lesen  ist.  FAf ersucht  ist  die  Reaktion  (jottes  ^(igen  jedes  Jk'nelirnen,  das 

ihm  die  ihm  gebührende  Ehre  vorenthillt,  vgl.  Kx  20  f)  34  14  Dtn  4  24  etc.;  die 
Form  ^^1ip  statt  der  gew()hn liehen  t^^p  findet  sich  noch  Jos  24  19.  Zu  der 

Umschreibung  von  Eigenschaftsbegriflfen  durch  Verblendung  von  'pj;?  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27  §  128u,  s.  auch  Prv  29  22,  und  zu  der  Hache  Gottes  s.  Jes  34  8 
63  4.  2^  3^  sehen  aus  wie  Limitationen  der  Aussage  von  v.  2%  könnten 

daher  Glossen  sein;  wahrscheinlich  sind  es  aber  in  der  Hauptsache  nur  von 
ihrem  Platze  gerückte  Bestandteile  des  Psalms,  s.  zu  v.  2*'  hinter  v.  9'^  und  zu 
Y.3*ä^  bei  V.  9^«,  während  v.  3^^  in  derThat  eine  solche  milderndeGlosse  zu  v.2*  sein 
wird.  Was  für  Schwierigkeiten  die  Aussage  von  v.  2%  dass  Gott  ein  Rächer 
sei,  den  Juden  bereiten  konnte,  ersieht  man  noch  aus  den  gezwungenen  Er- 
klärungen bei  Plessner. 

3^  ^:  In  Sturm  und  Wetter  ist  sein  Weg,  Und  Gewölk  ist  der  Staub  seiner 
Füsse.  Das  überschüssige  Hin;;,  das  LXX  zu  v.  3^  zieht,  ist  gerade  wie  das 
zweite  in  v.  2^  zu  entfernen,  wie  das  Alphabet  hier  verlangt.  Die  von  Gunkel 
und  NowACK  vorgenommene  Änderung  in  "l'p  p^^l  \V)^  -=  „Gewölk  und  Staub 
(Gunkel:  Rauch)  ist  zu  einen  Füssen"  verunreinigt  das  Bild  von  dem  Er- 
scheinen Jahwes  im  Gewdtter.  ^^^  ist  ausser  hier  und  Hi  9  17  immer 
n^lJJD  geschrieben,  vgl.  z.  B.  ebenfalls  in  der  Schilderung  der  Theophanie 
Jes  29  6. 

4''  ^:  Er  bedroht  das  Meer  und  legt  es  trocken,  Und  alle  Ströme  lässt  er 
versiegen.  Für  ^n!i^2;i5?  für  dessen  Erklärung  man  Synkope  des  ersten  Stamm- 
konsonanten mit  "^  des  Präformativs  annimmt  (s.  Ges.-Kaützsch^?  §  69  u),  liest 
man  besser  die  richtige  Form:  in^:n^*^^5;  Änderung  in  ^^il,  =  und  es  vertrocknet 
(so  Gunkel,  Nowack),  ist  unnötig,  da  auch  nachher  (vgl.  u'^inn),  was  auf 
Gottes  Schelten  geschieht,  direkt  als  Gottes  That  dargestellt  wird.  Zur  Sache 
vgl.  Ps  106  9  18  16.  Das  Partizip  1?1il  und  die  folgenden  Verba  finita 

schildern  Gottes  Thun,  das  sich  jederzeit  wiederholen  kann.  Ob  gerade  hier 
noch  Erinnerungen  an  einen  alten  Mythus  von  der  Überwindung  des  Meeres 
durchschimmern,  ist  fraglich;  der  Verf.  denkt  vielleicht  eher  an  die  Erzäh- 
lungen der  Geschichte  vom  Durchzug  durch  das  Schilfmeer  und  den  Jordan, 
vgl.  Ps  114  3-5. 

4^  T:  Es  verschmachtet  Basan  und  Karmel  Und  die  Blüte  des  Libanon 
wird  welk.  Das  doppelte  h'Q'ü^  kann  nicht  richtig  sein,  auch  LXX  bietet  ver- 
schiedene Verba.  Für  das  erste  erwartet  man  ein  Wort,  das  mit  1  beginnt; 
demgemäss  schlägt  Gunkel  das  dem  hb^^  parallele  DS'H,  verschmachten,  vor 
(vgl.  Jer  31  12  25),  während  Aenold  1S?'l,  niedergeschlagen  sind  {Basan  und 
Karmel)^  nach  Jes  19  10  vorzieht  und  Gray  an  ^^1,  schwach  sein,  schmachten 
(vgl.  Jes  38  14)  denkt.  Basan,  Karmel  und  Libanon  sind  die  mit  dem 

kräftigsten  Walde  und  der  reichsten  Vegetation  ausgestatteten  Gegenden 
Palästinas;  aber  auch  sie  leiden.  Zu  dieser  Wirkung  des  Gewitters  vgl.  zu 
Am  1  2. 

5^  H:  Die  Berge  erbeben  vor  ihm,  Und  die  Hügel  geraten  ins  Schwanken. 
Um  Gleichmässigkeit  in  der  Determination  herzustellen,  lese  man  mit  LXX 


Na  1  5  310  Na  1  8 

(xa  opYj)  D^'inn,  auch  Tlir  4  5  steht  der  Artikel  als  Anfang  der  H-Strophe  in 
alphab.  Gedicht;  hier  ist  ja  zudem  auch  der  zweite  Konsonant  ein  n.  Die  Ein- 
setzung von  "^3  vor  riiyril'l  wird  dagegen  weder  von  der  LXX  empfohlen,  noch 
vom  Metrum  gefordert.  Zu  den  hier  beschriebenen  Wirkungen  derTheo- 

phanie  vgl.  Mch  1  3  4  Hab  3  8. 

5^  1:  Die  Welt  erbraust  vor  ihm,  Der  Erdkreis  und  die  auf  ihm  wohnen. 
Da  ^'^l  nicht  intransitiv  ist,  wird  nicht  an  ein  Sich  heben  der  Erde,  etwa  wie 

TT'  ' 

Am  9  5,  zu  denken  sein,  man  hat  vielmehr  nach  Targum  eine  Ableitung  von 
ntj^  zu  lesen  und  zwar  am  einfachsten  mit  Günkel  das  Niph.  ^"^P^  =  rauschen, 
tosen,  lärmen,  vgl.  Jes  17  12  13,  und  nicht  mit  Bickell  und  Nowack  das  Kai 
«C^n^  =  verwüstet  werden,  vgl.  Jes  611,  da  das  in  Aufruhr  und  lärmige  Be- 
wegung geraten  besser  zu  dem  VJBp  passt.  Das  \  vor  ^5^1  ist  aus  falscher 
Dittographie  entstanden;  das  letzte. Sätzchen  ist  eine  nicht  ungebräuchliche 
Formel,  vgl.  Ps  24  1  98  7.  . ;      . 

6^  T:  Wer  hält  Stand  vor  seinem  Grimm,  Wer  besteht  bei  der  Glut  seines 
Zorns?  Wie  die  Reihenfolge  des  Alphabetes  zeigt,  muss  ^y&>  den  Platz  an 
der  Spitze  IDJ^I  einräumen  und  hinter  1b^^  zurückweichen,  wo  es  mit  dem  fol- 
genden 1  zusammen  als  l^'iD^  den  Stichos  vortrefflich  abschliesst»    Die  Ab- 

O  T    T    t 

trennung  des  1,  sodass  nur  ''5?^  übrig  blieb,  führte  die  falsche  Versetzung  an 
den  Anfang  herbei  (so  Bickell,  Gunkel  u.  a.).  Der  Anstoss,  den  Aenold  an 
der  Verbindung  "^^ö^  IDj;  nimmt  und  der  ihn  zum  Vorschlag  von  ^•'?^  ^^  IDJ^l 
(vgl.  Jer  10  10)  bewegt,  ist] unbegründet.  Zur  Sache  vgl.  Mal  3  2,  ferner  s.  zu 
DJip;  ^)?  Am  7  2. 

6''  n:  Seine  Glut  strömt  aus  wie  Feuer  Und  die  Felsen  werden  von  ihm 
entzündet.  Zu  der  Vergleichung  der  Zornesglut  mit  einem  Peuerstrom  s. 
Jer  7  20  42  18  44  6  Dan  9  1127  und  bes.  Jer  4  26,  wo  vielleicht  wie  hier  für  ^i5r\^, 
niedergerissen  werden,  auch  ^n^^  (Niph.  von  n?^),  in  Brand  gesetzt  werden,  zu 
lesen  ist.  Über  die  Feuerwirkungen  des  Zornes  Gottes  vgl.  Jes  30  33  Mch  1  4 
Mal  3  2.  Die  Änderung  von  ^l^Dp  in  HilSD  (Gunkel)  ist  unnötig ;  die  Glut 

geht  ja  von  Jahwe  aus,  vgl.  Dtn  32  22.  Im  folgenden  wird  gezeigt,  dass 

sich  der  Zorn  Jahwes  gegen  seine  Feinde  richtet,  während  die,  'die  auf  ihn 
trauen,  geborgen  sind. 

7^  D:  Gut  ist  Jahwe  denen,  die  auf  ihn  hoffen.  Ein  Schutz  zur  Zeit  der 
Gefahr,  Nach  LXX  ist  vermutlich  für  t1j;Db>  zu  lesen:  nj;D  Ypb,  ,vgl.  Ps  25  3 
37  9  69  7,  so  GuNKEL  u.  a.  Zu  dem  ersten  Stichos  jvgl.  die  wörtliche  Parallele 
Thr  3  25  und  zu  dem  mit  tl^^  beginnenden  zweiten  vgl.  Jer  16ji9  Ps  37  39 
Jes  25  3,  welche  Stellen  für  die  Richtigkeit  dieser  Vermutung  und  gegen  die 
Entfernung  von  ni^  DI*»!  und  die  Herübernahme  von  v.  7^  zur  tD-Strophe  (so 
Arnold)  sprechen. 

7b  gaa  1 .  Jahwe  kennt,  die  bei  ihm  Zuflucht  suchen.  Und  rettet  sie  bei 
überströmender  Flut.  VI''  ist  ohne  1  zu  lesen,  nachher  aber  mit  Gune:el  Hin;; 
einzusetzen.  Auch  die  zweite  Zeile  ist  zu  kurz,  da  mit  nbs  die  D-Strophe  be- 
ginnen muss;  zur  Ausfüllung  der  Lücke  ist  Jder  Verlust  eines  ursprünglichen 
^^T,  oder  Ü0^1^\  oder  DlD^^  anzunehmen.  Zu  VT,  =  sorgen  für  jmd.,  vgl. 

Ps  1  6.  8^^  Zu  nnj;  ^to^  vgl.  Jes  8  8  28  15  Ps  124  4,  sowie  Dan  11  10  40. 


Na  18  311  Na  19 

Arnold,  der  v.  7^  zur  tO-Strophe  rechnet  (s.  obeiij,  gewinnt  die  ^-Strophe  durch 
Verpflanzung  von  v.  3^  au  unsere  Stelle;  doch  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  sich 
V.  3»  als  lnter[)olation  an  richtiger  Stelle  findet  und  die  Aussage  von  v.  2=*  er- 
gänzen soll,  s.  dort. 

I^aßb  ^.  ij^yji  dar  aus  macht  er  seinen  Gegnern  Und  seine  Feinde  slosst  er 
in  Finsternis.  Für  nijipp  mit  beziehungslosem  Suffix  ist  nach  den  alten  Ver- 
sionen mit  Buhl  u.  a.  VöfJ?  zu  lesen,  vgl.  Ps  18  49.  Zur  Konstruktion  2  H^D  Htoj; 
s.  Jer  30  11  46  28.  Für  "^"^T  ist  mit  Gunkel,  Nowack,  Wellh.  zu  lesen 

^T\\,  vgl.  Dtn  6  19  9  4  Jer  46  15.  Zum  llinausstossen  in  die  Finsternis  vgl. 
Hi  18  18  Mt  8  12  22  i3  25  30. 

gbaß  ^.  js^IqIii  %weimal  nimmt  er  Rache  an  seinen  Widersachern^  Denn 
iwllstlindig  vollführt  er  sein  Werk,  Der  Text  ist  hier  in  grosser  Verwirrung; 
denn  wie  v.  9*P  sich  nicht  zur  Fortsetzung  von  v.  9^*  eignet,  so  kann  auch  v.  9^^ 
mit  seinem  Anfangs-Ö  nicht  auf  v.  8  folgen.  Man  wird  daher  die  drei  Glieder 
von  V.  9  in  umgekehrter  Reihenfolge  zu  lesen  haben  (Bickell  u.  a.),  aber  so 
dass  man  auch  die  beiden  ersten  Wörtchen  (1J^  "^3)  von  v.  lo  hinübernimmt  und 
unmittelbar  nach  y.  9^  also  als  Anfang  des  zweiten  Stichos  liest.  Dann  hat 
man  n^S'IJ?  "'S,  nicht  Th^  zu  punktieren  und  zu  übersetzen:  denn  er  vollführt 
sein  Werk  bis  zum  Ende^  %ur  Vertilgung ,  vgl.  II  Reg  13  17  19  JSir  10  is;  zu 
dem  absol.  Gebrauch  von  n^j;  s.  Ps  22  32  37  5  52  ii  Mal  3  17.  Das  bildet  einen 
guten  Gegensatz  zu  D^D??ö  und  die  beiden  Stichen  korrespondieren  einander 
vortrefflich:  nicht  zweimal  nimmt  Gott  Rache,  weil  er  gleich  das  erste  Mal 
völlig  vernichtet,  vgl.  I  Sam  3  12  26  8  II  20  10  und  s.  auch  in  II  Reg  13  19  die 
Gegenüberstellung  von  D^'PJ^B  und  n^3"*Ij;.  Dieser  tadellose  Sinn  beweist  die 
Richtigkeit  der  Lesart  der  LXX,  nach  welcher  mit  Gunkel  u.  a.  Dp'J'Nb  statt 
Dlpri"«^  und  1''1^!l  statt  H"!^  zu  lesen  ist,  zeigt  aber  auch,  wie  unnötig  es  ist, 
wenn  jetzt  Gunkel  DJ??)?,  in  der  sehr  zweifelhaften  Bedeutung  von  vor  der  Zeit, 
statt  DIÖSJÖ  vorschlägt  und  an  das  Ende  der  zweiten  Zeile,  wo  er  früher  nach 
dem  Anfang  von  y.  10  Hj;^,  auf  ewig,  lesen  wollte,  mit  Bickell  nj?1ö3,  %ur 
rechten  Zeit,  setzt.  Der  gegenwärtige  hebr.  Text  Hl^  ♦  ♦  ♦  D^pn"^<^,  an  sich 

eine  fragwürdige  Verbindung,  wird  gewöhnlich  auf  die  Eroberung  Nineves  be- 
zogen, von  der  gesagt  sei,  dass  sie  die  endgiltige  Vernichtung  bringe;  aber 
„der  ganz  allgemein  gehaltene  Ausdruck  legt  diese  Anwendung  durchaus  nicht 
nahe"  (Gunkel).  n'^y  «^in  n^?"1j;  ist  viel  bestimmter  als  Ti^V  «^H  n^D,  vgl. 

zu  letzterem  Hes  11  13. 

gaa  ^.  \y^g  denkt  ihr  V07i  Jahwe?  Der  zweite  Stichos  ist  verloren. 
Bickell  und  Nowack  vermuten,  dass  v.  3^°^  mit  TDn  an  Stelle  von  nä  hierher 
gehöre :  Jahwe  (nach  Bickell  bloss  T\\  zu  lesen)  ist  langmütig  und  von  grosser 
Huld.  Besser  eignet  sich  als  Fortsetzung  der  Frage  von  v.  9^*,  die  den  Sinn 
haben  kann:  „Denkt  doch  nicht,  dass  Jahwe  etwas  vergesse  und  ungestraft 
hingehen  lasse!"  v.  3^'^  samt  dem  v.  4  folgenden  Hin^.  Ungestraft  lässt  Jahwe 
nichts;  vgl.  Ex  20  7  34  7  Jer  25  29.  Daran  lässt  sich  dann  auch  leicht  die  1- 
Strophe  (s.  nachher)  anknüpfen.  Dagegen  ist  die  Zurechtlegung  der  ):2-Strophe 
durch  Gunkel  ausserordentlich  kompliziert;  zudem  nimmt  er  an,  dass  nun  auf 
einmal  die  Anwendung  auf  den  Einzelfall  erfolge  und  „der  Frevler",  der 


Na  1  9  312  Na  1  10 

Tyrann,  angeredet  werde.  Gunkel  betrachtet  nämlich  v.  9^  als  verdorbene 
Variante  von  v.  ii»  und  erklärt  darum  v.  ii  als  Ö-Strophe  in  folgender  Rekon- 
struktion: bvjh^  y]t  Vin  njnr'pj;  :im  ^T  tj^D,  das  soll  bedeuten  können:  ,,Deine 
Zeit  (nach  ]ü  Ps  68  24  =  Portion,  bestimmte  Zeit,  s.  aber  zur  Stelle)  ist  um, 
der  du  gegen  Jahwe  Pläne  sannst,  Du  Bösewicht,  der  Unheil  plante!"  Vgl. 
jedoch  unten  zu  v.  ii. 

2^  i:  Jahwe  ist  ein  Rächet^  an  seinen  Widersachern^  Und  trägt  seinen 
Feinden  nach.  Dass  der  von  Bickell,  Nowack  und  Aknold  hierher  versetzte 
V.  2*^  eine  in  den  Zusammenhang  passende  i-Strophe  bildet,  lässt  sich  nicht 
leugnen.  Dagegen  erheben  sich  dieselben  Bedenken  gegen  die  aus.v.  12^  kon- 
struierte ^-Strophe  Gunkel's,  wie  gegen  seine  tD-Strophe.  Er  liest  nämlich: 
nnj;!  ti:!^  ]2\  •'nn.  "^J?^  ^^'p^^,  und  übersetzt  dies:  „Aus  sind  die  Tage,  da  ich  (Israel) 
schalt,  Die  Stunde  (]?  das  Festgesetzte)  ist  verflogen  (vgl.  Ps  90  10),  ist  vorbei!" 
In  der  Ö-Strophe  ist  von  T\)T\)_  in  dritter  Person  die  Rede,  hier  soll  nun  Jahwe 
selber  „den  Frevler"  apostrophieren.   Vgl.  ferner  unten  zu  v.  11. 

10  D:  Abgeschnittene  Dornen  sind  sie  alle^  Verzehrt  wie  Stroh  vom  Feuer. 
So  möchte  ich  vermutungsweise  die  D-Strophe  herstellen.  Dabei  sehe  ich  in 
dem  bisher  unberücksichtigten  Beste  von  v.  10  ("Ij;  •»?  ist  zu  v.  9  verwendet)  die 
ersten  vier  Wörter  als  verdorbene  Dittographie  von  D^'H^D^  D^iTD  an  (vgl. 
Jes  33  12:  D^niD3  D'^l^lp)  und  halte  dafür,  dass  hinter  demselben  das  Subj.  C^3 
(vgl.  das  folgende  ^^?i<)  verdrängt  worden  sei.  In  dem  zweiten  Stichos  ist  wohl 
ti^«5  für  tyn^  zu  lesen  und  ^bj^  scheint  zu  v.  11  zu  gehören  (s.  dort).  So  gefasst 
beschreibt  die  Strophe  das  Schicksal  der  Feinde  Jahwes:  Wie  dürre  Dornen 
vom  Feuer  werden  sie  rasch  vom  Zorne  Gottes  verzehrt.  Inhaltlich  sind 

die  Vermutungen  Anderer  von  dieser  Zurechtlegung  nicht  gross  verschieden, 
wenn»  sie  auch  einen  andern  Text  annehmen.  So  liest  Bickell:  Q"*?^D  D''*l''p 
!l^jS^  t^n;  C^pS  \2\  D'^i^^OD  =  „Dorngestrüpp  ist  kraftstrotzend.  Doch  bald  wird  es 
wie  dürres  Stroh  welken",  Gunkel  und  Nowack  ziehen  von  ^br^\  n^niD3  Dn;p 
JlVn';  ^yi  ti^j^?  ==  „Wie  ausgerissene  Dornen  werden  sie  abgemäht,  Wie  dürres 
Gras  werden  sie  verwelken",  aber  wie  man  „ausgerissene  Dornen"  noch 
„abmähen"  soll,  ist  so  unverständlich,  wie  das  „Verwelken  von  dürrem  Gras" 
und  Arnold  vermutet:  ^T  trj^D  ^b^^  D^'K^no  \2\  U^':^':^'0  =  „Dorngestrüpp,  noch 
so  durchnässt,  werden  sie  verzehrt  wie  trockenes  Stroh",  aber  blosses  b'D^ 
ist  nicht  einfach  =  ti^iS!|  ^5iJ.  Zu  dem  Bilde  vgl.  die  genaue  Parallele 

IISam23  6f. 

Im  Folgenden  lässt  sich  mit  Sicherheit  keine  Fortsetzung  des  alphabetischen  Psalmes 
entdecken.  Wohl  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  das  Material  1  11 — 2  3  auf  die  noch 
fehlenden  Buchstaben  zu  verteilen,  aber  mit  einem  so  verschiedenen  Resultat,  dass  man 
schon  daran  sieht,  wie  das  scheinbare  Gelingen  mehr  der  Kunst  des  Auslegers,  als  dem 
Bestände  des  Textes  zuzuschreiben  ist.  Das  zufällige  Vorkommen  von  Wörtern  mit  den 
nötigen  Anfangsbuchstaben  gab  den  Versuchen  eine  gewisse  Handhabe,  aber  das  Fehlen 
des  n,  das  nur  durch  Konjektur  zu  gewinnen  war,  ist  ein  deutlicher  Fingerzeig,  dass  diese 
Wörter  auf  falsche  Fährte  verleiteten.  Die  Resultate  sind  auch  ohnehin  so,  dass  sie  grosse 
Zumutungen  an  den  Leser  stellen,  der  sie  als  Abschluss  des  Psalms  von  v.  2-10  betrachten 
soll.  Gunkel  konstruiert  in  richtiger  alphabetischer  Reihenfolge  den  Rest  folgendermassen: 
V  (=  V.  18)  „Jetzt  will  ich  deine  Jochstangen  (1.  ?j^niDb  für  -^'hvip  ^n^b)  zerbrechen  Und 
deine  Bande  (1.  Tj^nnoö)  zerreissen"  (die  von  ihm  seit  der  0-Strophe  angenommene  Anrede 


Na  110  313  Na  1  10 

an  „den  Frevler"  p^eht  weiter  bis  zur  p-Stroplie,  worauf  ein  neuer  Wechsel  eintritt,  und 
die  Joclistangen  und  Hände  sind  nicht  die  vom  Frevler  getraj^enen,  scuidern  von  ihm 
Israel  und  anderen  Völkern  auferlegten);  B  (=  v.  14*'*  in  Umst(;lhing)  „Schnitz-  und  (iuss- 
bild  will  ich  vertilgen  (1.  l'JpC^«,  ausgefallen  vor  0"*^^),  Ausrotten  aus  dem  Hause  deines 
Gottes";  ^  (=  V.  14'',  ohne  1  zu  Anfang)  „.Jahwe  hat  über  dich  Befehl  gethan :  Nicht  werde 
fortan  deines  Namens  gedacht"  (1.  ^ö^!i  "i?r  für  ^l^^ip  yijl;  man  beachte  aber  auch,  dass 
hier  mit  einem  Mal  Jahwe,  der  vorher  spricht,  in  dritter  Person  auftritt);  p  (=  v.  14*^^  von 
?]"]!lf?  an  und  v.  12^)  „Dein  Grab  mach  ich  zu  Misthaufen  (1.  ril':'j:3''p,  nach  dem  aram.  «n^p'p, 
für  ni^p  "'S),  Ich  schände  dich  so,  dass  ich  dich  nicht  nochmals  zu  schänden  }>rauche"  (vgl. 
die  sonderbare  Anwendung  von  nij;,  die  merkwürdige  B(;handlung  des  Perfekts  samt  dem 
folgenden  Imperf.  mit  llj?  und  die  sachlich  verkehrte  lieihenfolge  der  beiden  Stichen); 
n  (=  2  P"  mit  Platzwechsel  von  Hin  und  "i^3to  ''by'])  „Schon  kommt  der  Bote  über  die 
Berge.  Hört  ihr?  er  verkündet  Heil"  (man  beachte,  dass  hier  nicht  mehr  „der  Frevler" 
angeredet  sein  kann,  sondern  nur  Israel);  ty  (=  2  pP,  mit  Umstellung  der  beiden  Glieder 
und  Einsetzung  von  p^^n^  nach  ''ipb^)  „„Bezahle,  Jerusalem,  deine  Gelübde;  Feire,  Juda, 
deine  Feste,  n  (=  v.  2^,  mit  "^Jn  für  "'S  als  Anfangswort)  Bedrückung  wird  dich  nimmer- 
mehr durchziehen,  Mit  dem  Heillosen  ist's  aus,  vorbei!""  Dazu  soll  noch  als  Zusatz  eine 
zweite  li^-Strophe  (=  2  3)  kommen:  „So  stellt  Jahwe  den  Weinstock  Jakob  her  ("'S  am  An- 
fang und  ^t?*]^^  ]1iS^!>  am  Schluss  ist  zu  tilgen,  für  ]1«ii  aber  ]B^  zu  lesen).  Dessen  Reben 
Plünderer  verwüstet  haben"    (1.  n"'lbt  [ohne  )]  und  entferne  D'ippS).  Bickell,  dem 

NowACK  in  der  Hauptsache  folgt,  lässt  die  ö-Strophe  vor  der  j;-Strophe  stehen,  wie  in  ver- 
schiedenen alphabetischen  Liedern  des  AT's,  und  legt  sich  folgenden  Text  zurecht:  ö 
(=  V.  J2%  von  D«  an,  wofür  aber  gelesen  wird:  niy)  nu".  ]P)  U^2^_  n^ü[7i]bm  THö)  „Tyrannen- 
übermut ist  wie  Hochwasser,  Bald  aber  verschwindet  es  und  verläuft"  (man  beachte  die 
Einsetzung  von  tns  nach  Gen  49  4);  j;  (=  v.  12^  13^)  „Ich  demütige  dich  und  werde  dich 
nicht  noch  einmal  demütigen.  Nun  will  ich  deinen  Stab  zerbrechen"  (1.  "rjtoö  für  iniDb;  hier 
soll  mit  einem  Mal  die  Anrede  an  „die  feindliche  Macht"  beginnen,  "^^ri^j;,  auch  ohne  ),  von 
der  Zukunft  verstanden  werden  und  die  Bestrafung  der  „feindlichen  Macht"  nur  ein  njj;, 
„Demütigen",  genannt  werden.  Ferner  soll  der  ganze  Rest  von  v.  13  Glosse  sein);  IJ  (=  v.  14^) 
wie  bei  Gunkel,  s.  oben,  p  (=  v.  14^,  aber  in  Umstellung  und  mit  Auswerfung  von  n^Sö 
?;\n'^«)  „Deine  Gräber  (Krypten)  mache  ich  zu  Misthaufen  (nl'?p"'p  D'b^«  "^^'iSp,  so  Bickell; 
dagegen  Nowack:  ]1^p''p  D'^^|t  "^inp  =  „Dein  Grab  will  ich  zum  Gegenstand  der  Schmach 
machen"),  Schnitzbild  und  Gussbild  will  ich  ausrotten";  n  (=  2  1  in  folgender  Auswahl: 
rilDi  n^3  b'^'''  b^  "Jj^^n  ^2in  "'t^il)  „Lärme  nur,  tanze  deine  Festtänze!  Es  hilft  nichts,  du  wirst 
gänzlich,  vertilgt"  (,  während  Nowack  die  "^-Strophe  wie  Günkel  bildet,  aber  den  ganzen 
Rest  von  2  1  als  Glosse  betrachtet);  ts^  (=  2  3^)  „Jahwe  stellt  den  Wein  stock  Jakobs  wieder 
her"  (1.  "[ö|  für  ]'\^^^),  Er  nimmt  sich  der  Zier  Israels  an"  (1.  "jixrn«  "Ipö  resp.  mit  Nowack 
"lil  npö  "«S,  =  ja,  er  nimmt  sich  etc.,  für  ]1i<;i3);  n  (=  2  3^  mit  vorgesetztem  nnn)  „Zum  Ersatz 
dafür,  dass  Plünderer  es  geplündert  Und  seine  Ranken  zerstört  haben".  Auch  diese  Kon- 
struktion, wenn  sie  schon  nicht  zuletzt  noch  geradezu  Israel  angeredet  sein  lässt  (doch 
vgl.  bei  Nowack  die  n-Strophe),  leidet  an  dem  Ubelstande,  dass  die  Gegner  Jahwes  zuerst 
in  3.  Person  geschildert  und  nachher  apostrophiert  werden  in  der  2.  Person  Sing.  (vgl. 
auch  die  2.  Pers.  Plur.  v.  9^,  an  die  Feinde  oder  an  Israel  gerichtet?)  und  dass  Jahwe,  von 
dem  im  ganzen  ersten  Teile  (v.  2-10)  in  der  3.  Pers.  die  Rede,  nachher  bald  selbst  das 
Wort  hat  (v.  12^  13  14^),  bald  noch  in  3.  Pers.  erscheint  (v.  14^  2  3).  Das  weist  darauf 
hin,  dass  hier  Stücke  dem  Psalme  angegliedert  werden,  die  ihm  nicht  gehören  und  die 
auch  nicht  einmal  auf  eine  Hand  zurückgehen.  Dass  sich  die  eine  oder  die  andere  dieser 
Rekonstruktionen  „durch  den  guten  Zusammenhang,  den  sie  giebt,  empfehle",  dürften 
nur  wenige  finden  und  es  wird  darum  dabei  bleiben,  dass  der  alphabetische  Psalm  nur  als 
Torso  im  masoretischen  Texte  steckt.    Wie  1  1 1 — 2  3"  zu  verstehen  ist,  s.  im  Folgenden. 


Na  1  11  314  Na  1  13 


II.   Die  Verkündigung  des  Heils,  das  für  Zion  anbricht  I  12  I3  2  i  3. 

Es  ist  schon  laoge  bemerkt,  dass  in  1  11 — 2  3  bald  Nineve,  bald  wieder  Zion  ange- 
redet wird,  ohne  dass  der  Übergang  im  Texte  selber  angedeutet  wäre.  Der  Inhalt  der 
Verse  lässt  es  nicht  zu,  an  ein  einziges  Objekt  der  Anrede  zu  denken;  denn  in  1  11  14  2  2 
wird  gestraft  und  mit  Vernichtung  und  Eroberung  gedroht,  dagegen  inll213  2l3  Heil 
und  Wiederherstellung  verkündet.  Es  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  die  Rettung  und 
Heil  verheissenden  AVorte,  die  sich  nach  2  1  (s.  aber  auch  zu  1  12)  an  Juda-Zion  richten, 
als  sekundäres  Element  herauszunehmen,  das  sich  als  Fremdkörper  in  die  ersten  Teile  des 
Orakels  gegen  Nineve  eingeschoben  hat.  Wie  das  Psalmfragment  1  2-10  dem  theologischen 
Bedürfnis  entsprach,  den  Untergang  Nineves  in  die  Beleuchtung  der  göttlichen  Gerechtig- 
keit, die  an  den  Feinden  Vergeltung  und  Rache  üben  muss,  zu  stellen,  so  sollten  die  Worte 
•an  Zion  mehr  dem  seelsorgerlichen  Bedürfnis  entgegenkommen  und  die  trostreichen  Folgen 
nennen,  die  sich  für  Juda  aus  dem  Fall  der  feindlichen  Hauptstadt  ergeben.  Ein  inte- 
grierender Bestandteil  des  Orakels  sind  ab.er  diese  Trostworte  nicht:  einmal  lehnen  sie  sich 
an  Worte  der  späteren  Litteratur  an,  indem  sie  dieselben  fast  als  Zitate  aufnehmen,  vgl. 
IReg  11  39  zu  1  12,  Jer  30  8  zu  1  13  und  bes.  Jes  52  7  zu  2  1 ;  dann  setzen  sie  auch  im 
Inhalt  sicher  die  babylonische  Exilierung  voraus,  vgl.  zu  2  1  3  und  1  12 f.;  und  endlich 
zeigt  sowohl  das  Suffix  in  iniOD  (v.  13),  das  sich  auf  die  Worte  Nahums  in  v.  11  bezieht 
(s.  zu  V.  13),  als  auch  die  zerstückte  Aufnahme  in  den  laufenden  Text,  dass  die  Verse  erst 
nachträglich  dem  Orakel  Nahums  beigegeben  sind.  Sie  gaben  zuerst  am  Rande  das  Votum 
eines  Späteren  ab  und  kamen  dann  in  den  Text,  damit  auch  in  Nahum  die  direkte  Heils- 
verheissung  nicht  fehle. 

Um  nachher  die  Worte  Nahums  im  Zusammenhang  betrachten  zu  können,  nehmen 
wir  die  Erklärung  der  Heilsverkündigung  an  Zion  vorweg.  Lässt  man  die  Ein- 

leitungsformel n)7^\  löiS;  ni  ausser  Betracht,  so  umfasst  die  Heilsverkündigung  eine  Strophe 
von  sieben  Zeilen,  die  im  Kina-Metrum  abgefasst  sind. 

12  Zu  Ende  sind  die  Tage  meines  Streits^  vergangen  und  vorüber,  Ge- 

demütigt  habe  ich  dich,  werde  dich  nicht  wieder  demütigen.   Der  Text  ist  recht 

unsicher;  vermutet  ist  bei  dieser  Übersetzung,  dass  D«  sowohl,  als  auch  die 

beiden  ]51  spätere  Eindringlinge  sind,  da  sie  wenigstens  zum  Teil  von  der  LXX 

nicht  bezeugt  werden.    Ich  lese  demnach  'i:i1  ^n^j;  n^j;!  ^tj  ''nn ''D^  Id'?^;  der 

Anfang  entspricht  den  überlieferten  Buchstaben  *'!lTDrD^ti^,  die  Gunkel  ähnlich 

gelesen  hat  (s.  oben  die  2-Strophe  S.  312),  und  erinnert  an  Jes  60  20:  ^r^\  ^thyi 

"^^^JS!.    Das  i  von  1^i:ii  ist  aus  falscher  Dittographie  entstanden,  nachdem  IDI 

eingedrungen  war,  und  hat  die  Behandlung  des  Verbums  als  Niph.  und  die 

Einsetzung  von  1  nach  sich  gezogen:  zu  lesen  ist  ^I^J^T  \\\  mit  Herübernahme 

des  1  zu  l^yi,  und  zu  \\l  von  t^-l,  vorübergehen,  ist  Ps  90  10  zu  vergleichen. 

Zu  V.  12^  vgl.  I  Reg  11  39.  Der  Sinn  der  Langzeile  ist:  Jetzt  ist  die  Zeit 

der  Demütigung  Israels,  des  Haders  Gottes  mit  Israel  vorüber,  mit  dem  Fall 

der  heidnischen  Macht  beginnt   das  Heil  Israels,   vgl.   bes.  auch  Jes  40  2. 

Andere,  viel  gesuchtere  Auffassungen  von  v.  12  s.  oben  Schlussbemerkung  zu 

Y.  2-10.  13  Nun  zerbreche  ich  sein  Joch,  das  dich  drückt.  Und  %erreisse 

deine  Fesseln.    Obschon  ^ntsn,  seinen  Stab  der  Züchtigung,  nicht  unmöglich 

ist  (vgl.  Jes  10  5  24),  hat  hier  das  richtige  Gefühl  die  Masora  geleitet,  dass  sie 

in  Parallele  zu  Tj'^nhDID  an  das  Joch,  tob,  gedacht  hat;  jedoch  kann  man  sich  bei 

der  Form  intDb  nicht  beruhigen,  da  das  Suff,  ^n —  nicht  angeht,  sondern  man 

muss  ^nijb  oder  besser  inbb,  seine  Jochstangen  (vgl.  zu  Jes  9  3) ,  lesen.    Die 

nnoi^  sind  dann  die  Stricke,  welche  das  Joch  am  Halse  befestigen,  vgl.  ZDPV 


Na  1  13  315  Na  1  11 

1889,  160.  Der  Vers  stimmt  fast  wörtlicli  mit  Jer  30  8  überein  und  erinnert 
an  Jes  10  27  14  25  Ps  2  3.  JJas  SuiT.  ^in  „     kann  nur  auf  den  Bedrücker 

Israels  gehen,  bezieht  sicli  somit  auf  den  h)l^h2  yy^  v.  11  und  zeigt,  dass  die 
Trostworte  Rücksicht  auf  v.  11  nehmen,  also  späteren  Datums  sind,  als  die 
Weissagung  Naliums  über  Nineve.  2  1  (drei  Zeilen;  Sieh  auf  dm  liergen 

die  Fasse  des  Siegesboten,  Der  Hell  verkündet!  Feiere,  Juda,  deine  Feste, 
Bezahle  deine  Gelübde!  Denn  ferner  wird  dich  nicht  wehr  durchzlehn  der 
Heillose^  Er  ist  vernichtet,  ausgerottet.  Zu  v.  1^*  vgl.  Jes  52  7;  bald  ist  Juda 
ungestört,  es  kann  seine  Feste  feiern  und  die  Gelübde,  die  es  für  die  Rettung 
gelobt  hat  (vgl.  Jon  1  I6),  bezahlen.  Mit  ^J^ü'?!  in  v.  1'^  wird  an  1  11  und  mit 
niD^  nb3  (so  ist  mit  LXX  für  ri^S  zu  lesen)  an  1  u  erinnert.  Zu  der  Ver- 

heissung,  dass  Jerusalem  von  Feinden  nicht  mehr  betreten  werden  soll,  vgl. 
Jo  3  17.  3  (zwei  Zeilen)  Denn  Jahwe  stellt  den  Weinstock  Jakob  wieder 

her  Wie  den  Weinstock  Israel;  Denn  Verwüster  haben  sie  verwüstet  Und  ihre 
Ranken  zerstört,  ^tr  hat  den  Sinn  von  nuti^  'l'^'ä,  ==  wiederherstellen,  und  ist 
hier  transitiv  gebraucht;  wahrscheinlich  hat  man  für  ]^^^,  Herrlichkeit,  beide- 
mal 155,  Weinstock,  zu  lesen,  die  Banken  passen  dazu  vortrefflich  und  die  Ver- 
gleichung  Israels  mit  einem  Weinstock  resp.  Weinberg  ist  beliebt,  vgl.  Jes  5  1-7 
27  2-5  Jer  12  10.  Jakob  bedeutet  hier  Juda  und  Israel  bezieht  sich  auf 

den  Norden,  vgl.  Jes  46  3  Ob  v.  I8.  Es  handelt  sich  um  die  Wiederherstellung 
Israels  im  ganzen  Umfang,  vgl.  zu  Hos  2  2.  pp'^,  ist  nicht  =  plündern, 

sondern  =  verwüsten,  s.  Schülthess  Gott.  gel.  Anz.  1902  No.  9,  668;  zur  Sache 
vgl.  Jer  5  10.  Die  beiden  Sätzchen  mit  ''3  sind  nicht  parallel,  das  zweite 

begründet  die  Aussage  des  ersten. 

III.   Das  Orakel  von  Nineves  Untergang  I  ii  I4  2  2  4—3  19. 

Die  Prophetie  gegen  ISTineve  ist  in  vierzeiligen  Strophen  abgefasst,  die  allerdings 
nicht  immer  ganz  regelmässig  gebaut  erscheinen,  aber  in  der  Regel  in  den  ungeraden 
Zeilen  drei,  in  den  geraden  zwei  Hebungen  aufweisen.  Der  Text  hat  besonders  im  Anfang 
von  Cap.  2  sehr  stark  gelitten. 

a)  Das  Thema  des  Orakels:  Jahwe  hat  über  Nineve  den  intergang  ver- 
hängt, weil  es  Böses  gegen  Jerusalem  im  Schilde  führte  1 11 14.  Zwei 
Vierzeiler. 

11  \^^^  Ist  nicht  aus  dir  hervorgegangen.  Der  Heilloses  im  Sinne  hatte. 
Der  Schlimmes  gegen  Jahwe  plante  ?  So  dass  Jahwe  über  dich  befahl:  An- 
geredet ist  Mneve,  das  nachher  2  9  mit  Namen  genannt  ist;  man  hat  darum 
auch  V.  14  die  Suffixe  der  2.  Pers.  [fem in.  zu  lesen:  ^*;bj;  etc.  Vor  '^jr?»  ist  ^^r\ 
zu  lesen,  das,  in  «'PD  verdorben,  ans  Ende  von  v.  10  geraten  ist  (Wellh., 
Arnold).  Die  Umstellung  von  v.  11^  vor  y.  ii^3  hilft  dem  Metrum  auf  und 
ist  auch  dem  Sinne  eher  förderlich.  Nineve  ist  die  Haupts'tadt  des  as- 

syrischen Reiches,  dessen  Könige  gegen  Juda  und  Jerusalem  zogen.  Ins- 
besondere ist  hier  an  Sanherib  gedacht  bei  dem  nj;"l  n^H  und  ^J^ü^Il  X^}\  mit 
dieser  Kennzeichnung  ist  gleich  auch  der  Grund  genannt,  warum  Nineve 
dem  Untergang  verfallen  ist,  den  Jahwe  verhängt  hat.  ^hT\  lässt  man  wohl 
besser  bei  n^^l  nicht  direkt  nachwirken,  sondern  fasst  H^^l  als  perf.  consec. 


Na  in  316  Na  2  4 

_^____^.^— _— __^^. — . '  

ZU  N^T  i*^sp-  zu  der  ganzen  vorhergehenden  Frage.  Was  Jahwe  inbetreff 

Nineves  befohlen  hat  (^j;  rm  =  "h^  r\]^  vgl.  Jes  23  ii),  besagt 

|4apb  /^^  bereite  dir  ein  schmähliches  Grab,  Deines  Namens  soll  nicht 
mehr  gedacht  werden.  Aus  deinem  Gotteshause  rotte  ich  aus  Schnitzbild  und 
Gussbild.  Der  Sache  und  des  Metrunis  wegen  ist  das  letzte  Sätzchen  an  den 
Anfang  gesetzt.  Für  das  sehr  gezwungene  ^^t^P  y^•^"^5'^,  das  man  übersetzt: 
„es  soll  kein  Same  mehr  aus  deinem  Namen  kommen",  1.  TIDti^  ^Df"^^;  ferner 
punktiere  das  fem.  Suffix  '^^'^^^5  und  "^l^p,  s.  zu  v.  14^^  Vermutlich  ist  ''riiap 

für  n''5P  zu  lesen:  aus  den  1  läusern  deiner  Gotter  etc.;  wie  der  Name  Nineves 
so  verschwinden  auch  seine  Götter  vom  Erdboden.  Nineve  sinkt  in  ein  schmäh- 
liches Grab,  1,  jl^j^  für  ril^J^  ^^^  dessen  ^^  aus  Dittographie  von  "[  entstanden 
ist  und  dann  die  Änderung  in  ni^j2  nach  sich  gezogen  hat.  ]1^jJ  (Wellh.)  ist 
jedenfalls  besser  als  das  von  Bickell  vorgeschlagene  aram.  ni^j^'^p  =  Mist- 
haufen. 

b)  Eroberung  und  Plünderung  Nineves  2  3  4-i4.  Die  Verse  enthalten 
eine  lebhafte  Schilderung  des  Angriffs  und  der  Einnahme  Nineves,  die  beide 
noch  bevorstehen. 

Cap.  2.   1  s.  oben  S.  315.  2  Ein  Zerschmetterer  zieht  gegen  dich 

heran;  Halte  gute  Wacht,  Späh  aus  nach  der  Strasse,  gürte  die  Lenden,  Nimm 
zusammen  alle  Kraft!  Statt  "[^"^D^,  „Zertreuer",  1.  J.D.Michaelis  u.  a.  'pö» 
Zerschmetterer,  Hammer,  vgl.  Jer  51  20  und  s.  Prv  25  I8.  Die  Punktation 

ist  nicht  mit  Nowack  zu  ändern:  mit  T[';5ö"bj;  ist  Nineve  angeredet,  wie  1  11  14, 
und  die  Inff.  absoU.  ^V^),  HS?,  p^H  und  |^)?^  stehen  für  den  nachdrücklichen 
Impera.,  s.  Ges.-Kautzsch^'  §  113bb.  Da  LXX  mit  sx  öXi^eoj;  auf  die 

Lesung  ni:>D  zurückgebt,  wird  man  HTii}!?,  Wall,  Feste,  nicht  halten  können, 
sondern  ni^lD  als  Nomen  von  l^i  =  Wacht  zu  fassen  haben  (Wellh.  u.  a.), 
was  sich  zu  den  folgenden  Aufforderungen  aufs  beste  schickt.  3  s.  oben 

S.  315. 

4  5  Beschreibung  des  feindlichen  Heeres  und  des  rasenden  Eahrens 

seiner  Visagen.         4  Der  Schild  seiner  Streiter  ist  gerötet,  Die  Krieger 

Alles  "Weitere  in  dieser  Strophe  ist  unsicher.  Das  Suff,  ^n —  in  ^iH^IS? 

(==  in— ,  jgl.  Ges.-Kautzsch27  §  911)  bezieht  sich  auf  |>ö)?  y.  2;  D'H«»  (Partie. 
Pu.  mit  ä  statt  //,  s.  §  52 q),  rotgefärbt,  heisst  der  Schild,  nicht  etwa  vom 
Blut,  sondern  wohl,  weil  er  mit  Kupfer  beschlagen  oder  dann  rot  bemalt 
ist.  D*'j;^rj)^  bringt  man  gewöhnlich  in  Verbindung  mit  J^'jiri,  =  mit  Karmesin 
gefärbter  Stoff,  sodass  die  Krieger  als  in  rote  wertvolle  Stoffe  gekleidet  be- 
schrieben wären.  Die  rote  Farbe  war  für  die  Bekleidung  der  Krieger  bei  den 
alten  Völkern  beliebt;  aber  die  Kostbarkeit  des  hier  genannten  Stoffes  macht 
doch  diese  Auffassung  bedenklich.  LXX,  die  an  Ableitung  von  T[yh  denkt, 
hilft  auch  nicht  weiter.  Wenn  nicht  vorher  vom  Schilde  die  Bede  wäre,  könnte 
man  auf  den  Gedanken  kommen,  es  handle  sich  um  die  barbarische  Sprache 
der  feindlichen  Krieger  und  man  habe  D^'ij;^^  Jes  33  19  zu  lesen.  Für  t^^?^ 

ist  vielleicht  mit  Wellh.  u.  a.  C^t^3,  wie  Feuer,  zu  vermuten,  mit  dem  die  nrts 
der  Wagen  verglichen  werden;  aber  nn^B  ist  nicht  verständlich,  da  für  die 
Zeit  Nahums  die  Ableitung  aus  dem  Persischen  =  Stahl  Schwierigkeiten  und 


Na  2  4  317  Na  2  8 

die  Annalime  eines  Verbuiris  ihB,  =--  zerteilen,  sodass  r\Vh^  \i^  -  Feuer  der 
Zerteiluiig  =  Feuer/unken  oder  sphikendes  Feuer  ^^elasst  werden  könnte, 
nirgends  einen  Anhalt  liat.  Oheyne  vermutet,  dass  nach  dem  assyr.  halluptu, 
Bedeckimg ,  ilD^n  für  n'l'jö  zu  lesen  sei,  und  gewinnt  auf  diese  Weise  den  brauch- 
baren Sinn :  Die  I  Metall IplaUen  der  Wafjen  funkeln  wie  Feuer.  S.  Encycl. 
Bibl.  il,  2174.  lion  D1"'2,    -  wenn  er  aufstellt,  bleibt  auch  fraglich  in- 

mitten dieser  unsichern  Umgebuni!;;  es  könnte  selbst  eine  Glosse  sein.  In 

der  vierten  Verszeile  wird  mit  LXX  D'^^IBH,  die  Kasse,  für  D^^ll^n,  die  Cy- 
pressen,  zu  lesen  sein;  man  will  zwar  die  letzteren  im  Sinne  von  „aus  Cypressen- 
holz  verfertigten  Speeren"  verstehen  und  ^^V,^J}  =  geschwungen  werden  fassen, 
während  wohl  vielmehr  in  diesem  Verb  ein  Ausdruck  für  die  Unruhe  der  un- 
geduldigen Rosse  steckt. 

5  Auf  den  Strassen  rasen  die  Wagen,  Fahren  im  Galopp  über  die  Plätze; 
Anzusehen  sind  sie  wie  Fackeln,  Wie  Blitze  fahren  sie  hin  und  her.  Der  Plural 
der  Verba  richtet  sich  nach  dem  Sinn:  ^yyj\  ist  ein  Kollektivum;  da  es  aber 
mascul.  ist,  so  hat  man  mit  Wellh.  und  Nowack  auch  Dn"'y"lö  mit  mascul.  Suff, 
zu  lesen.  Zu  dem  Basen  der  Wagen  vgl.  Jer  46  9,  zu  dem  Hithpalp.  von 

pp^  s.  Ges.-Kautzsch27  §  55  g  und  das  Pol.  f?11  malt  wohl  „das  Zickzack  der 
Blitze"  (Hitzig,  Nowack).  Wie  Fackeln  bald  da,  bald  dort  aufleuchten  und 
Blitzt  einherfahren,  so  funkelt  es,  wenn  die  Kriegswagen  der  Feinde  Nineves 
in  Bewegung  sind. 

6—11  Der  Angriff  und  die  Eroberung.  6  7  Seine  Edeln  eilen  zur 

Mauer  Und  das  Schutzdach  wird  hergerichtet;  Die  Wassertore  werden  ein- 
genommen Und  der  Palast  vergeht  vor  Angst.  Ich  halte  v.  6^  für  einen  Ein- 
schub  (vielleicht  mit  Ausnahme  von  VT*};?,  in  dem  vielleicht  das  Subj.  von  T^J^\ 
in  verdorbener  Gestalt  steckt),  da  eine  Aussage  über  das  „Straucheln  auf  den 
Wegen"  in  diese  Schilderung  der  Angreifer  nicht  passt  und  auch  die  Aus- 
sage: „er  gedenkt  seiner  Edeln^'  in  dem  Zusammenhang  auf  den  fDö  bezogen 
werden  müsste,  aber  so  nicht  verständlich  ist.  Es  scheint  v.  6^  ein  Sätzchen  zu 
sein,  das  von  der  Verteidigung  spricht  und  zu  dem  auch  l^pri  Dl*"?  v.  4,  bezogen 
auf  Y.  6^P,  gehören  wird:  Wenn  der  Feind  das  Schutzdach  herrichtet,  so  ge- 
denkt er,  seil,  der  König  von  Nineve,  an  seine  Edeln,  aber  sie  straucheln  auf 
ihren  Wegen;  die  Verteidigung  richtet  nichts  aus.  Der  alte  Text  spricht 

von  dem  Sturm  auf  die  Stadt,  bei  dem  die  Sturmbocke,  D"^*!?,  (vielleicht  ist  so 
etwas  als  Subj.  oder  als  Obj.  zu  lesen,  vgl.  Hes  4  2)  der  Mauer  und  den  Toren 
sich  nähern  und  der  durch  die  Herrichtung  des  "JJDD,  das  doch  wohl  das  Schirm- 
dach  resp.  den  Wagenkasten  für  die  die  Sturmböcke  leitenden  Krieger  be- 
deutet, vorbereitet  wird,  vgl.  Billerbeck  Der  Festungsbau  im  alten  Orient, 
bes.  S.  28f.  7  Die  Strom-  oder  Wassertore  sind  die  am  Tigris  oder  am 

Choser  gelegenen  Tore;  nach  deren  Einnahme  ist  dem  Feind  das 'Eindringen 
in  die  Stadt  ermöglicht  und  darum  beginnt  die  Königsburg  zu  verzagen. 
^nns^i,  geöffnet,  erstürmt  sind  die  Tore  natürlich  durch  den  Feind,  nicht  durch 
die  Fluten  des  anwachsenden  Stromes. 

8  Das  Schicksal  der  Königin  bei  der  Einnahme  der  Stadt:  Und  die 
Königin  wird  entblösst,  wird  weggeführt  Und  ihre  Mägde  schluchzen,  Sie 


Na  2  8  318  Na  2  10 

girren  wie  die  Tauben^  Schlagen  auf  ihre  Brust.  Dass  das  Hauptsubjekt  nur 
die  Königin  sein  kann,  ergiebt  sich  aus  dem  ganzen  Inhalt  der  Strophe.  Wie 
aber  D?n  (als  Hoph.  von  D^^  punktiert)  dies  bedeuten  kann,  ist  noch  nicht  er- 
klärt; denn  Hussab  ist  schwerlich  Eigenname,  und  wenn  man  ^^H  liest,  so 
bleibt  es  unverständlich,  wie  die  Königin  die  Eidechse ^  s.  Lev  11  29  (doch  kaum 
weil  sie  wie  eine  solche  aus  ihrer  Höhle  herausgeführt  wird!),  oder  die  Sänfte, 
s.  Jes  66  20  (kaum  nach  arab.  Analogie  =  „die  in  der  Sänfte  getragene  Dame"!) 
genannt  werden  könnte.  Chetne  schlug  früher  (Journ.  of  Bibl.  Lit.  1896,  198) 
vor:  n?'?)?  HD^n*!  =  und  entbVösst  wird  die  Königin,  jetzt  neigt  er  zu  P.  Ruben's 
Vermutung,  dass  nach  dem  assyr.  etellu,  femin.  etellitu  =  gross,  erhaben,  statt 
nn'^J^n  zu  lesen  sei :  n^rij;n  =  die  Dame,  die  Herrin  (vgl.  den  Namen  H'^n^), 
sodass  zu  übersetzen  wäre:  Hussab  ist  entblösst,  die  Herrin.  Ansprechender 
ist  Budde's  Vermutung,  dass  ^5^,  Königin  (s.  Neh  2  6  Ps  45  lo)  vor  TXb\  aus- 
gefallen sein  könnte;  nur  ist  wohl  dazu  noch  anzunehmen,  dass  D^HI  der  ver- 
dorbene Rest  des  ursprünglichen  ^^T\\  sei.  ^'^\  heisst:  sie  ist  entblösst, 
vgl.  3  5  Hos  2  12,  nicht:  sie  ist  deportiert,  was  mit  Hoph.  ausgedrückt  werden 
müsste;  von  der  Wegführung  wird  erst  in  nn^PJl  gesprochen,  zu  der  Schreibung 
^5?h  statt  '^^T\  s.  Ges.-Kautzsch^'  §  63p.  -^inj,  das  im  AT  nur  hier  im 
Sinne  von  stöhnen,  schluchzen,  vorkommt,  ist  durch  die  verwandten  Dialekte 
gesichert.  Aber  hinter  demselben  ist  wahrscheinlich  als  Anfang  der  dritten 
Zeile  miin  |zu  wiederholen,  vgl.  zu  dem  njn,  girren  wie  die  Tauben,  als  Aus- 
druck für  klagen,  seufzen,  Jes  38  14  59  ii,  ferner  vgl.  in  einem  Hymnus  (Z,  64) 
an  Istar  bei  Zimmeen  Keilinschriften  und  Bibel  S.  37.  Für  10512^  von 
dem  ungebräuchlichen  Plural  D**??^  liest  man  besser  mit  Stade  Gramm.  §  353  a 
]nn5^.  An  niDSinD,  dessen  Kai  Ps  68  26  vom  Schlagen  der  Handpauke 
vorkommt,  ist  kein  Anstoss  zu  nehmen;  das  von  der  LXX  kaum  bewiesene 
nl£):jp?p  (vgl.  Jes  10  14  38  14)  wäre  nicht  besser  und  xoirxsoÖai  ist  doch  als 
Gestus  der  Klage  nicht  fraglich,  vgl.  nur  Jer  31  19  Mt  11  17  24  so  Lk  18  is. 

9  Die  Flucht  der  Einwohner  Nineves :  Nineve  ist  wie  ein  Wasserteich, 
Dessen  Wasser  entfliehen;  ,^Halt,  halt!^'  ruft  man;  Aber  keiner  wendet  sich 
um.  Der  Anfang  ist  zu  lesen:  D^^pi  iTD'^D  |  D*;»  ri5inD  'i.  Zuerst  meinte  man 
n'^Ä'^D  nach  0*^0  von  Dl''  ableiten  zu  müssen,  dann  sah  man  im  Suff.  H  eine  Ab- 
kürzung für  ^^T\  und  musste  noch  ein  Subj.  für  D'^pJ  mit  T\^T\\  einsetzen.  Ahnlich 
verbessert  Budde  den  Text,  nur  dass  er  ^^NT  "'D'^p  als  aus  Dittographie  von  D^D 
entstanden  und  Hon'!,  auf  D^D  bezogen,  als  altes  Gut  ansieht.  D^i^,  fliehen, 
ist  auch  Ps  104  7  vom  Wasser  gebraucht;  wie  die  Wasser  eines  Teiches,  dessen 
Dämme  geöffnet  sind,  sich  unaufhaltsam  verlaufen,  so  geht  Nineve  nach  allen 
Richtungen  auseinander.  Zu  H^ÖD  ist  für  den  Sinn  ^^  zu  ergänzen,  vgl. 
Jer  46  5  48  39,  und  nach  dem  zweiten  HDy  hat  man  mit  Budde  ein  ^ID^^*»  ein- 
zusetzen. 

10  Die  Plünderung  Nineves  durch  die  Eroberer:  Raubt  Silber,  raubt 
Gold!  Unermesslich  ist  der  Vorrat;  Und  nehmt  euch  eine  Last  Von  allerlei 
Kleinodien!  Bei  der  allgemeinen  Flucht,  auf  der  die  Bewohner  nur  das  Leben 
zu  retten  suchen,  stellt  sich  der  Plünderung  der  reichen  Stadt  kein  Hindernis 
mehr  entgegen.     Hi^rDP  ist  die  Ausstattung,  der  Reichtum,  den  sich  Nineve 


1 


I 


Na  2  10  319  Na  3  1 

aufgeschichtet  hat,  vgl.  Hi  27  16.  Vor  ')})  "IH?,  das  ohne  grammatische 

Verbindung  ganz  verloren  dastelit,  ist  jedenfalls  ein  Verbum  ausgefallen. 
Vermutungsweise  darf  man  (ansetzen:  WDh  ^njp^,  =-  und  nchnil  euch!,  oder  etwas 
ähnliches.  11M  bedeutet  nach  dem  ursprünglichen  Sinn  von  123  die  Last, 

die  Schwere:  vgl.  zu  3  i5. 

11  Schilderung  der  Verödung  der  Stadt  und  des  Entsetzens  der  Zurück- 
bleibenden: Öde  und  Verödung  und  Verheerung,  Verzagte  Herzen  und  schlot- 
ternde Kniee  Und  Zittern  in  allen  Hüften  Und  aller  Angesicht  glühend  rot! 
Das  femin.  Partie.  HjJ^DD  hat  abstrakte  Bedeutung  wie  die  vorangehenden 
femin.  Nomina  njj-i^  und  HiJDD,  vgl.  dazu  zu  D''p(?3  y.  3,  sowie  Jes  24  i;  zu  Dnj  n'? 
vgl.  Jes  13  7,  zum  Schlottern  (p**?)  der  Kniee  vgl.  Dan  5  6,  zu  '1:j1  nbn'pn  vgl. 
Jes  21  3  und  zu  111SD  ^^2p,  =  „vor  Entsetzen  rot  werden",  vgl.  Jo  2  6. 

12—14  Der  Jubel  des  Propheten  über  den  Untergang  Nineves.  12 

Wo  ist  die  Lagerstatt  der  Löwen  Und  die  Höhle  der  Leuen,  Wohin  der  Löwe 
sich  zurückzog,  Der  Jungleu,  von  niemand  aufgeschreckt?  Mit  Wellh.  ist 
für  das  unpassende  nj^lP,  W^eideplatz,  zu  lesen  H^lj;??,  Höhle,  ebenso  nach  den 
alten  Versionen  Sin^  für  ^<''?^;  ^<D^  ^T\  bedeutet  sich  zurückziehen.  Auch  das 
N^n  nach  njj"ip  ist  unnötig.  Nineve  ist  mit  einer  Löwenhöhle  verglichen,  wo  die 
Löwen  ungestört  und  sicher  waren  und  wohin  sie  den  Raub  zusammenbrachten; 
jetzt  wird  dieses  Räubernest  verschwinden. 

13  Der  Löwe,  der  raubte,  soviel  seine  Jungen  brauchten.  Und  würgte 
für  seine  Löwinnen,  Der  mit  Raub  seine  Löcher  füllte  Und  seine  Lagerstätten 
mit  Zerrissenem,  Die  ganze  Strophe  ist  Beschreibung  des  Subjekts  von  v.  12^ 
'''IS  =  nach  dem  Bedarf,  vgl.  Hab  2  13.  '^''0'^^?  ^^^^  ^it  Cholem  punktiert 
wie  Jer  51  38,  ist  =  I^H,  vgl.  v.  12. 

14  Fürwahr,  ich  will  an  dich,  ist  der  Spruch  Jahwes  der  Heere,  Ich 
lasse  deine  Wohnstatt  in  Rauch  aufgehen  Und  mache  deinem  Raub  auf  Erden 
ein  Ende  Und  man  wird  die  Stimme  deiner  Roten  nicht  mehr  hören.  Wie 
schon  1  11,  so  ist  auch  hier  Nineve  angeredet,  die  2.  Pers.  femin.  in  den  Suf- 
fixen ist  daher  am  Platze.  Das  Bild  von  y.  i2f.  ist  hier  verlassen,  wie  die  Boten, 
die  Nineve  sendet,  zeigen.  Darum  ist  das  Sätzchen:  n"in  ^5^n  IJ'^TDD^,  Glosse 
eines  Lesers,  dem  die  V^ernichtung  der  Löwen  fehlte,  weil  er  das  Bild  fort- 
geführt meinte.  Für  n|?"l  genügt  es  nicht,  "^JSD"!  zu  lesen,  da  die  im  Vorher- 
gehenden erwähnten  Streitwagen  dem  angreifenden  Feinde  gehören;  man  darf 
Ti:s:2"l,  deine  Wohnung,  vermuten,  vgl.  Prv  24  15  Jes  65  10,  so  auch  Davidson, 
während  Buhl  u.  a.  an  ?[5*5,  deine  Menge,  Budde  auch  an  "^J^l'^,  deine  Grube, 
denkt.  Zu  ]ti^3;|i  Tj;nn  vgl.  Ps  37  20:  ]l^j;n  Th2\  besser  wäre  t^SS  als  ]C^j;|i, 
vielleicht  ist  so  mit  Chetne  nach  Jes  9  17  zu  lesen.  Für  das  ganz  ab- 
norme n5?«b)?  1.  'JJ'JDJS;^)?,  s.  Ges.-Kautzsch2"  §  911;  das  H,  das  von  Dittographie 
des  folgenden  H  (in  ''in  3  1)  herrühren  kann,  ist  kein  Beweis  für  mascul.  Anrede. 
Nachdem  Nineve  gefallen  ist,  sind  die  Zeiten  vorüber,  da  seine  Boten  allen 
Völkern  befahlen. 

c)  Nineve  fällt  zur  Strafe  für  seine  Sünden  3  1-7.  Zuerst  wird  noch 

einmal  kurz  der  Anmarsch  des  Feindes  und  die  Überwindung  des  mörderischen 
und  räuberischen  Nineve  geschildert  und  dann  die  Vergeltung  dargestellt. 


Na  3  1  320  Na  3  5 

welche  die  Buhlerin  dafür  trifft,  dass  sie  alle  Völker  mit  ihren  Künsten 
verführte. 

1  Wehe  de?'  Stadt  des  Mordes,  die  ganz  Von  Lug  und  Gewalt  erfüllt  ist, 

Bei  der  des  Rauhens  kein  Ende Der  vierte  Stichos  ist  offenbar 

verloren;  er  wird  besagt  haben:  Und  kein  Ende  des  Würgens,  etwa  =  n^j?"]''SS;'i 
HD'lia^.  tS^^p^  ist  intransitiv,  wie  öfters,  vgl.  Ex  13  22  Jer  17  8;  die  unver- 

bundenen  li^n?  und  p"lB  sind  das  Objekt  von  HS^O.  Lug  und  Gewalt  übte  Nineve, 
der  Repräsentant  und  das  Zentrum  der  assyrischen  Macht,  in  der  Behandlung 
der  Völker  und  Fürsten  auf  Erden. 

2  S^*^  (bis  n^?J)?),  Beschreibung  des  Heranzugs  des  feindlichen  Heeres: 
Horch  Peitsche,  horch  Rasseln  der  Räder,  Jagende  Rosse,  Und  hochauf- 
hüpfende Wagen,  Bäumende  Reiter.  Zu  dem  als  Interjektion  gebrauchten 
b'Sp  vgl.  Gtes.-Kautzsch^"  §  146b,  zu  IH'l  s.  Jdc  5  22  und  zu  IjPI,  auf  unebenen 
holprigen  Wegen  aufspringen,  vgl.  Jo  2  5.  3  Zu  H^X^H,  absolut  ==  (das 
Pferd)  bäumen  lassen,  vgl.  Jer  46  9:  nbj;  =  sich  bäumen,  steigen,  beim  Aus- 
greifen der  Pferde  zum  Galopp,  s.  die  Abbildung  bei  Guthe  KBW  S.  705. 

3^ß^,  Beschreibung  der  Schlacht  und  ihres  Ausgangs:  Schwert  er  funkeln 
und  Lan%enblit%,  Viel  Erschlagene  und  Tote  in  Menge,  Und  kein  Ende  ist 
der  Leichen,  Man  strauchelt  über  die  Leichen.  "152  und  m  sind  synonym, 
gerade  wie  die  Adjektiva  I55  und  1"]  IReg  10  2.  Für  DH^^U?,  dessen  Suffix 

unverständlich  ist,  da  es  sich  hier  um  Nineve  handelt,  also  nur  das  Suff'.  H— 
allenfalls  möglich  wäre,  1.  ill'^lll?,  das  D  ist  aus  Dittographie  des  folgenden  ent- 
standen. Für  ^"äy^  hat  man  nicht  mit  Kere  'b'äy\  zu  lesen;  der  vierte 
Stichos  setzt  die  Beschreibung  fort:  die  Sieger  straucheln  über  der  Menge 
der  Toten. 

4,  der  Grund  des  Falles  Nineves :  Wegen  der  vielen  Buhlerei  der  Buhlerin, 
Der  anmutigen,  zauberkundigen ,  Die  durch  ihre  Buhlerei  Völker  berauschte 
Und  Nationen  mit  ihrer  Zauberkunst.  Mneve  heisst  hier  eine  Buhlerin,  nicht, 
weil  es  Götzendienst  treibt,  auch  nicht,  weil  es  in  regem  Handelsverkehr  mit 
anderen  Nationen  steht  (vgl.  Jes  23  15-18),  sondern  wegen  der  assyrischen 
Politik,  die  die  Völker  zu  gewinnen  und  in  ihr  Garn  zu  ziehen  wusste,  wie  eine 
Buhlerin  ihre  Liebhaber  berückt.  Die  Verbindung  mit  Nineve  schien  den 
Kleinstaaten  Glück  zu  bringen,  w^ar  aber  ihr  Verderben,  da  sie  Lug  und  Ge- 
walt herbeiführte.  Zu  der  Umschreibung  des  Adjektivs  mit  ^J^?,  n^5?5  s. 
zu  n^n  'pj;?  l  2.  Statt  n"l5bn,  das  weder  als  verkaufen,  noch  in  der  Zu- 
sammenstellung mit  dem  arab.  makara  als  betrügen  einen  guten  Sinn  giebt,  ist 
mit  BuDDE  (s.  zu  Cnt  1  4)  il'l3C^'ön  =  berauschen,  betören,  berücken,  zu  lesen, 
vgl.  Prv  7  18  Apk  Joh  17  2.  niHS^D  steht  hier  in  altem  Text  mit  D^.15 
parallel,  vgl.  Am  3  1  Mch  2  3. 

5—7,  die  Strafe  der  Buhlerin  Nineve.  5  Fürwahr,  ich  will  an  dich, 

ist  der  Spruch  Jahwes  der  Heere,  Und  decke  dir  ins  Gesicht  deine  Schleppe 
auf  Und  zeige  Völkern  deine  Scham  Und  Beichen  deine  Schande.  Tauv  Sache 
vgl.  Hos  2  12  Jer  13  26  Jes  47  3,  bes.  Hes  16  37-41;  das  scheint  die  Strafe  der 
Ehebrecherinnen  gewesen  zu  sein.  T.5I"^J?  heisst  wohl  nicht:  dir  über  das 

Gesicht,  sondern:  dir  ins  Gesicht  d.h.  dir  zur  öffentlichen  Schande. 


Na  3  6  321  Na  3  9 

6  7"^  Ich  werde  (lieh  mit  Unrat  (tewerfini.  Dich  verunohren  und  an  den 
Pranger  stellen;  Und  es  wird  jeder,  der  dich  sieht,  Scheu  von  dir  weg  sich 
tuenden.  D^:i1pl^  bedeutet  hier:  abscheuliche  Dinge,  man  hat  an  Unrat  u.  dergl. 
zu  denken,  vgl.  Mal  2  3.  Einen  ähnlichen  Sinn  hat  "JJ^n^?^,  vgl.  Jer  14  21.  Zu 
^i^h  =  TT'zpGtBsiYiJLot  vgl.  0£LY[iaTtC£tv  Mt  1  19,  sowie  Hes  28  17. 

7*P^'  Sagen  wird  er:  Y.er stört  ist  Ninevel  Wer  tcird  unt  sie  klagen? 
Woher  könnte  ich  au/treiben  Solche,  die  Leid  um  sie  tragen?  ni'ltf^,  ähnlich 
punktiert  wie  D'^ijtp  2  4,  s.  dort.  Nineve  fällt  ohne  V' erwandte  oder  Freunde, 
die  die  übliclie  Klage  um  den  Toten  abhalten  (l  1U)  und  die  übrigen  Trauer- 
zeremonien verrichten;  DH^  hat  hier  noch  diesen  speziellen  älteren  Sinn,  etwa 
„das  Totenopfer  darbringen  und  das  Leichenmahl  Veranstalten",  so  Wildeboer 
ZATW  1902,  318f.,  trösten  kann  man  hier  nicht  übersetzen,  da  Nineve  ja  tot 
ist  und  die  Toten  nicht  getröstet  werden.  Für  "^J^  ist  nach  LXX  mit  Oort  Tb 
zu  lesen;  v.  7^'  gehört  zur  Rede  dessen,  der  scheu  sich  wegwendet  und  von  Nineve 
in  der  3.  Pers.  spricht. 

d)  Nineve  ist  kein  besseres  Los  beschieden  als  No-Amon  in  Ägypten  3  8-11. 

Nahum  weist  in  v.  8-1 1  auf  die  Zerstörung  No-Amons  hin.  Bekannt  ist  aus  assyrischen 
Quellen  (s.  KAT^  93f.),  dass  Assurbanipal  (668 — 626)  am  Anfang  seiner  Regierung  mit 
seinem  Heere  zweimal  (667  und  663)  vor  No-Amon  erschien.  Besonders  die  zweite  Be- 
setzurig  vom  Jahre  663  entspricht  den  Angaben  unseres  Propheten,  da  nach  derselben  No- 
Amon  sich  nie  mehr  recht  erholte.  Damals  hatte  sich  Tanut-Amon,  der  äthiopische 
Beherrscher  Ägyptens,  in  die  Stadt  zurückgezogen.  No-Amon  wurde  erobert  und  der 
Plünderung  der  Sieger  preisgegeben.  Zu  dem  assyrischen  Heer  hatten  die  palästinensischen 
Vasallen,  also  auch  Manasse,  Kontingente  stellen  müssen.  Eine  spätere  Zerstörung  ist 
nicht  bekannt.  Vgl.  Winckler  Altorient.  Forsch.  I,  480  und  s.  hiezu  ferner  die  Ein- 
leitung II.  No-Amon,  ägyptisch  nii-t,  nu-t-amen  d.  i.  die  Stadt,  die  Stadt  Amons, 
assyrisch  ni\  griech.  AioaroXi;,  ist  Theben  in  Oberägypten,  eine  der  grössten  Städte  des 
Altertums,  vgl.  Homer  II.  9,  381 — 383:  ixaTOfjiTroXoi  örjpat.  Dass  ihr  Fall  grosses  Auf- 
sehen erregte,  ist  daher  nicht  zu  wundern. 

8  Bist  du  besser  als  No-Amon,  Die  an  den  Strömen  lag,  Deren  Wall  die 
Flut  war y  Deren  Mauer  Wasser?  Das  verfrühte  und  überflüssige  Tb  ^''^D  D"^?? 
ist  als  Glosse  zu  v.  8^^  mit  Budde  zu  entfernen,  für  ^''n  mit  Wellh.,  dem  fol- 
genden nn^in  entsprechend,  Tb^T\  zu  schreiben  und  D"'»  für  U\^  zu  lesen.  ^'y^'^T\  = 
Kai  statt  ^?tp"^n,  s.  Ges.-Kautzsch27  §  70 e.  Zu  dem  Namen  No-Amon  s.  Vor- 
bemerkung; LXX  giebt  hier  dafür  jxspU  'A[jL|xa)v,  indem  sie  Sil?  =  T^'^'O^  Teil, 
fasst.  Zu  Xl\  als  Bezeichnung  des  Nils  vgl.  Jes  18  2  19  5.  Theben  lag 
am  Nil,  aber  dass  auf  allen  Seiten  Wasser  es  schützte,  ist  wohl  zu  viel  gesagt, 
s.  Encycl.  Biblica  Art.  No-Amon. 

9  10^*  Kusch  war  ihre  Stärke  und  Put  ohne  Zahl,  Und  Libyer  waren 
ihr  %u  Hilfe;  Auch  sie  ßel  der  Wegführti7ig  anheim,  Wanderte  in  die  Gefangen- 
schaft. Für  n»:ij;  ist  niD^Jj;  und  ebenso  nnntj?  für  "^nntj;  zu  schreiben,  beides 
notwendig,  da  Theben  nicht  angeredet  ist,  und  von  LXX  bezeugt.  Ferner  ist 
nach  LXX  7V^'\>^  y^]  mit  dem  Folgenden  zu  verbinden,  also  wohl  nach  Analogie 
von- 2  10  3  3  to^S)'?  n?j?  I'^t?")  zu  lesen.  Dann  steht  aber  D1"i^ö^  noch  verlorener  da; 
es  fällt  schon  an  sich  auf,  dass  die  Ägypter  unter  den  Hilfsvölkern  aufgezählt 
werden,  weil  ja  No-Amon  die  ägyptische  Hauptstadt  ist,  darum  ist  es  als  Glosse, 
die  auch  die  Ägypter  als  Verteidiger  No-Amons  genannt  sehen  wollte,  zu  be- 

KiiTTier  HC  /um  AT  XIII  21 


Na  3  9  322  Na  3^13 

trachten.  ti^'13  sind  die  Äthiopier  (s.  Jes  18  i),  die  damals  in  der  That  No- 

Amon  besetzt  hatten,  da  Tanut-Amon  äthiopischer  Herrscher  war,  und  U^2\b 
sind  die  Libyer;  auch  tD^B  betrachtet  man  gewöhnlich  als  ein  libysches  Volk, 
s.  zu  Gen  10  7,  doch  ist  es  wahrscheinlich  mit  dem  ägypt.  Punt  weit  im  Süden 
an  beiden  Ufern  des  Roten  Meeres  zu  identifizieren.  10  Die  Verteilung 

in  zwei  Stichen  erklärt  den  Gebrauch  der  parallelen  Ausdrücke  nb-l  und  "^^C^, 
die  die  gewichtige  Aussage  verstärken.   Vgl.  auch  Winckler  AOF  I,  513. 

jQa3b  jiiic/i  ihre  Kinder  wurden  zerschmetlert  An  den  Ecken  aller  Gassen; 
Über  ihre  Edeln  warf  man  das  Los  Und  ihre  Grossen  wurden  in  Kelten  ge- 
legt.  Da  hier  Vergangenes  geschildert  wird,  ist  das  Perf.  überall  notwendig, 
also  ^ti^'tai  ohne  *;  zu  lesen.  Zu  der  Behandlung  der  Bewohner  einer  eroberten 
Stadt  vgl.  Hos  14  1  Jo  4  3  und  Jer  40  i  4.  LXX  liest  auch  vor  n*'12Di  ein 

-73,  besser  entfernt  man  im  Hebr.  das  "^3  vor  n^'^n-l. 

11  Auch  du  wirst  trunken  werden,  Wirst  umnachtet  sein.  Auch  du  tvirst 
suchen  \  Schutz  vor  dem  Feinde.  Trunken  sein  ist  Bild  für  das  von  einem 
Unglück  verursachte  Entsetzen,  vgl.  Hab  2  i5f.  Jer  25  15-27  Jes  51  17-23,  und 
verhüllt  sein  ein  ebenso  häufiges  Bild  für  „umnachtet,  ohnmächtig,  schwindlig 
sein";  das  gewöhnlichere  Wort  dafür  ist  jedoch  ^^JJ,  s.  Am  8  13  Jes  51  20 
Jon  4  8.  Die  Zeiten  werden  sich  ändern:  Nineve,  das  bis  dahin  nur  andere 
zu  besiegen  gewohnt  war,  wird  in  die  Lage  kommen,  da  es  sich  nicht  zu  helfen 
weiss  und  vergeblich  Schutz  und  Hilfe  suchen  wird. 

e)  Rein  Mittel  giebt  es  Nineves  Fall  zu  verliindern  3  12-19,  Die 

Feinde  sind  bereits  in  das  assyrische  Reich  eingebrochen  und  Nineves  Be- 
festigungen und  Truppen  werden  die  Stadt  nicht  retten. 

12  All  deine  Burgen  sind  Feigenbäume,  Deine  Krieger  Frühfeigen, 
Wenn  sie  geschüttelt  werden^  fallen  sie  Dem  Esser  in  den  Mund.     Nineve 

ist  angeredet;  die  Burgen  sind  die  Befestigungen  der  Stadt.  Für  Dy 
ist  mit  BuDDE  (s.  zu  Cnt  4  13)  zu  lesen  DISj;,  =  ihre  seil,  der  Befestigungen 
Besatzung,  oder  wohl  besser  mit  Berücksichtigung  der  nach  v.  13  ver- 
schlagenen Korrektur  ^rsj;,  =  dein  Volk.  Diese  festen  Bollwerke  der  Stadt 
mit  ihrer  Besatzung  fallen  so  leicht,  wie  Frühfeigen,  wenn  der  Baum  ge- 
schüttelt wird. 

13  Siehe  Weiber  sind  in  deiner  Mitte,  Das  Feuer  hat  deine  Hiegel  ge- 
fressen, Deinen  Feinden  haben  sich  geöffnet  Die  Tore  deines  Landes,    "^öj; 

und  '^?")p!l  schliessen  sich  aus,  eins  macht  das  andre  überflüssig;  da  Tjöj;  nach 
V.  12  gehört,  so  ist  es  hier  zu  entfernen.  Der  Ausdruck  wird  ohne  dasselbe 
lebendiger:  Siehe  nichts  als  Weiber,  feige  Memmen,  (vgl.  Jes  19  I6  Jer  50  37 
51  30)  sind  in  deiner  Mitte  d.  h.  allen  ist  der  Mut  entfallen,  um  die  Hauptstadt 
zu  verteidigen  und  dem  Feind  sich  entgegenzustellen,  nachdem  dieser  bereits 
ins  Land  eingedrungen  ist.  Die  Riegel  Nineves  sind  wie  die  Tore  seines 

Landes  die  Grenzfesten  und  die  Pässe  oder  Defiles,  die  das  Land  abschliessen, 
s.  Meli  2  13.  Die  Versetzung  von  v.  13'^  verbessert  das  Metrum  und  die 

Gedankenfolge,  denn  wenn  die  Tore  geöffnet  sind,  ist  ein  Verbrennen  der 
Riegel  unnötig. 


I 


I 


Na  3  14  323  Na  3  16 

14  Sc/iöp/'r  dir  Wifssrr  für  ilie  Hohujendui,  Hesse rv  aus  deine  lUirijen! 
Geh  in  den  Lehm  und  stampfe  Ton,  (helfe  zur  Zief/elfonn!  Der  Sinn  ist: 
Setze  Nineve  in  den  besten  Verteidigungszustand!  "^lilD  ••)?  sind  nicht 
Wasser,  die  kochend  über  die  Belagerer  ausgeschüttet  werden  sollen  (BjLriEii- 
heck),  sondern  ein  Wasservorrat  für  die  Zeit  der  Belagerung,  der  den  Ver- 
teidigei'ii  dienen  kann,  wenn  der  Keind  die  gew()linliche  Wasserversorgung 
unmöglich  gemacht  hat.  p^tn,  =  die  Schäden  eines  Mauerwerkes  aus- 
bessern, vgl.  n  Reg  12  sf.  ]5S??  ist  die  YJef/elprrm,  das  Instrument,  mit 
dem  die  Backsteine  aus  dem  T^ehme  ausgestochen  werden,  vgl.  ITSam  12  31. 
Kür  "»Hil  schlägt  JN[o\vA(!iv  ohne  Nötigung  nach  Sach  10  :>  (aber  s.  zur  Stelle) 
^'DIS  vor;  1  S12  ist  wohl  verständlich. 

15  Dort  wird  das  Feuer  dich  fressen,  Das  Schwert  dich  vertilgen,  Magst 
du  dich  auch  mehren  wie  Grashüpfer,  Dich  mehren  wie  Heuschrecken.  Da 
D^  nirgends  sicher  in  temporeller  Bedeutung  vorkommt,  muss  es  auch  hier 
local  =  dort,  allda  verstanden  werden;  zu  beziehen  ist  es  auf  '^^'l?!???  v.  u  und 
V.  12:  dort  inmitten  ihrer  Befestigungen  wird  die  Stadt  vom  Feuer  verzehrt 
und  die  Bevölkerung  vom  Schwerte  vertilgt,  mag  Nineve  noch  so  stark  be- 
völkert sein  als  es  will.  Die  Imperative,  die  beidemal  als  femin.  ''IMnn  zu 
lesen  sind,  stehen  concessiv,  s.  Ges.-Kautzsch27  §  110a.  Zu  \>hl  s.  Jo  1  5; 
zu  "Tisnn,  in  schiverer  Menge  sich  darstellen,  zahlreich  sein,  in  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung  des  Stammes  vgl.  2  lo  3  3  und  v.  Gall  Die  Herrlichkeit 
Gottes  13  f.  Mit  p^*5  *^^?^^^  ist  nichts  anzufangen,  da  die  Heuschrecken 
hier  weder  die  Fresser,  noch  die  Gefressenen  sind;  die  Worte  sind  eine  un- 
passende Glosse,  wie  v.  16^  die  gegen  den  Zusammenhang  die  Feinde  als 
Heuschrecken  fasst,  s.  zu  v.  16^ 

IG'*  17^  Magst  du  mehr  Krämer  haben,  Als  Sterne  am  Himmel  sind. 
Deiner  Mln%arlm  soviel  wie  Heuschrecken  Und  deiner  Tapsarlm  wie  Käfer. 
Für  ri''5in  ist  auch  hier  der  concessive  Impera.  ''^IH  zu  lesen,  s.  v.  lo;  auch  in 
V.  17^  wirkt  dieses  '^^*]n  noch  nach  =  7nach  deine  Mln%arlm  soviel  wie  Heu- 
schrecken! "^^.IJ^P  und  "^IIDÖ^  sind  darum  auch  den  Krämern  verwandte  Kate- 
gorien der  Einwohnerschaft  Nineves,  die  dort  ihre  Niederlagen  haben,  auf  die 
aber  am  Tage  der  Gefahr  nicht  zu  rechnen  ist.  Vgl.  die  weitere  Ausführung 
in  V.  17^  Über  inp  und  ^DSD  s.  zu  Jes  33  18,  ferner  vgl.  KAT^  400  und 

651,  wo  ZiMMEBN  ^IIUp  mit  assyr.  massaru  (manzaruj  „Wächter"  und  ^llpDD 
mit  assyr.  tupsarru  „Schreiber"  zusammenstellt.  Statt  "^nill  y^^  1.  "^51:3, 

ni:i  ist  aus  Dittographie  entstanden;  zu  ^niil  vgl.  Am  7  i.  16''  versteht 

man  gewöhnlich  so,  dass  tDt^D  =  sich  häuten,  entpuppen,  genommen  wird  und 
das  ganze  Sätzchen  sagt:  Der  Grashüpfer  häutet  sich  und  fliegt  davon.  Der 
Gedanke  könnte  allenfalls  in  Parallele  zu  v.  17^  verstanden  werden,  käme  aber 
hier  zu  früh.  Zudem  hat  to^D  sonst  nirgends  diesen  Sinn;  bleib t'man  bei  der 
gewöhnlichen  Bedeutung  plündern,  ausziehen,  so  tritt  v.  \i^  in  Zusammenhang 
mit  der  Glosse  in  v.  15«I^  und  sagt  aus:  der  Grashüpfer  plündert  und  fliegt 
davon.  Das  Bild  von  den  Heuschrecken  ist  dann  in  anderer  AVeise  ange- 
wendet als  im  übrigen  Teil  von  v.  15  und  v.  17:  ihre  Gefrässigkeit,  die  Ver- 
wüstungen   anrichtet,    nicht  ihre   zahllose  Menge  und  ihr  plötzliches  Ver- 

21* 


Na  3  16  324  Na  3  19 

schwinden  ist  dann  das  tertium  comparationis.  Nach  alledem  wird  v.  16^ 
Glosse  sein. 

17''  führt  aus,  warum  diese  Unzahl  von  Krämern,  minzarim  und  tapsarim 
den  Nineviten  nichts  nützt:  Die  sich  lagern  an  den  YMunen  In  der  7.eit  der 
Kulte;  Geht  aber  die  Sonne  auf,  so  fliegen  sie  davon,  Unbekannt  ist  ihr  Ort. 
Der  Wechsel  von  Singular  und  Plural  ist  unmöglich,  man  lese  daher  HHIi 
(unter  Herübernahme  des  folgenden  1)  und  Dlplp^;  Ü'^i;?  gehört  zum  folgenden 
Vers  (s.  dort).  Das  Particip  D'^^hn  setzt  die  Beschreibung  fort,  es  handelt 

sich  aber  jetzt  um  die  Schilderung  der  Nutzlosigkeit  dieser  „Heuschrecken". 
Nicht  nur  an  Zahl,  sondern  auch  an  Art  sind  sie  Heuschrecken.  In  der 
kalten  Zeit  werden  die  Heuschrecken  starr  und  bleiben  regungslos;  aber  unter 
der  Wärme  der  Sonne  beleben  sie  sich  wieder  und  fliegen  auf  und  davon.  So 
die  vielen,  jetzt  so  bewegungslos  und  fest  eingesessenen  Einwohner  Nineves: 
sie  werden  zerstieben,  wenn  Gefahr  sich  zeigt  und  die  Hitze  der  Not  sich 
einstellt.  ^^'^p?  ist  der  Ort,  wohin  sie  fliegen;  anders  ist  Ps  103  16  zu 

verstehen. 

18  Weh  dir,  entschlummert  sind  deine  Hirten,  Entschlafen  deine  Edeln, 
Z^erstreut  ist  dein  Volk  auf  den  Bergen  Und  wird  von  niemand  gesammelt. 
Die  Anrede  an  den  König  von  Assur  halte  ich  für  unmöglich,  nachdem  vorher 
überall  nur  Nineve  in  Betracht  kam;  l-it^t?  "^^D  ist  G-losse  (so  auch  W.ß.  Arnold, 
der  sie  als  Erklärung  von  "[^'^^  betrachtet),  dies  umsomehr,  da  auch  viel  besser 
von  Hirten  der  Nineviten  als  des  Königs  gesprochen  wird.  Die  Glosse  kann 
auch  entstanden  sein  durch  unrichtige  Ergänzung  eines  nach  D^ii^  zu  lesenden 
"^I^.  Die  Reihenfolge  der  dortigen  Buchstaben  ist  falsch,  statt  D'^t^  IDIpD  ist  zu 
lesen:  ''"IS  DDIp^,  vgl.  zu  y.  17  und  s.  LXX;  darauf  folgte  ursprünglich  "^^^  das 
zu  [nt^S]  ^^[ö]  ergänzt  und  an  den  Schluss  der  Zeile  gesetzt  wurde.  Man  lese 
also  als  erste  Zeile:  ^Ij;^  ^Di  "q^  "^1«;  weiter  ist  dann  ebenfalls  "^ITI^?  und  "^jrsj; 
zu  punktieren.  Für  ^i?^';,  das  weder  als  Imperf.,  noch  in  seiner  Be- 

deutung „wohnen"  zwischen  den  Perfecta  stehen  kann,  ist  entweder  DD^  oder 
besser  mit  Wellh.,  G.  A.  Smith,  Ooet  (vgl.  LXX)  ^i^^^^^  sie  sind  einge- 
schlafen, zu  lesen.  Das  Stc.  Xey.  W^)  von  ti^^Ö  entspricht  im  Sinne 
dem  gewöhnlichen  ^^bl  Der  Vers  schildert  kaum  die  Sorglosigkeit  der 
assyrischen  Führer,  ihren  Schlaf,  in  dem  sie  die  Gefahr  nicht  sehen,  sondern 
ihren  Todesschlaf,  sie  sind  vom  Feinde,  der  die  Stadt  eroberte,  getötet  und  das 
Kriegsvolk  ist  nach  der  vergeblichen  Verteidigung  geflohen  und  nun  zerstreut 
auf  den  Bergen;  die  Schlacht  ist  verloren  und  das  Heer  ohne  Führer,  vgl. 
IReg  22  17  Sach  13  7.  Die  sicher  erfolgende  Eroberung  der  Stadt  wird  vom 
Propheten  als  bereits  eingetreten  dargestellt.  Damit  stimmt  auch  der  Schluss, 
der  hervorhebt,  dass  der  Fall  Nineves  ein  definitiver  sein  und  die  ganze  Welt 
über  denselben  sich  freuen  wird. 

j[9aba.  Keine  Heilung  giebVs  für  deinen  Schaden,  Tödlich  ist  deine 
Wunde;  Alle,  die  die  Kunde  von  dir  veimehmen ,  Klatschen  in  die  Hände.  Zu 
lesen  ist:  "^l^^^p,  "^O??,  "^J??^  und  ^"hy^,  s.  zu  y.  is;  wahrscheinlich  ist  '^^'^j;  eine 
unnötige,  das  Metrum  eher  störende  erklärende  Zufügung,  so  Büdde.  Das 
Nomen  T\7y^,  =  Loschung  d.  i.  =  Heilung,  ist  aiz.  Xey.,  vgl.  HH?  Lev  13  6  21  etc. 


Na  3  19  325  Na  3  19 

15^  ist  der  Bruch,  öfters  gebraucht  vom  Zusammenbruch  eines  Staates,  vgl. 
Am  6  6.  Zu  "TjnS)?  n'jni  vgl.  Jer  10  19  14  17,  und  zu  ^?  j;pn  vgl.  Ps  47  2  und 

das  gleichbedeutende  ^5  NHD  Jes  55  12:  das  Händeklatschen  ein  Zeichen  des 
Beifalls  und  der  Kreude.  11) ^^  ist  ein  prosaischer  Zusatz,  der  als  achtes 

Element  des  Textes  verstanden  eine  ganz  überflüssige  Begründung  des  'pb 
beibrächte.  Wahrscheinlich  hat  aber  der  Glossator  nicht  einmal  daran 
gedacht,  damit  den  Schluss  der  Prophetie  Nahums  zu  begründen,  seine  Zu- 
gabe sollte  vielmehr  hinter  v.  8  stehen  und  als  Antwort  auf  v.  s''  dienen: 
niemand  trägt  Leid  um  Nineve,  alle  haben  ja  immer  nur  Böses  von  ihm  er- 
fahren. 


Hab  Einleitung  I  326  Hab  Einleitung  II 


HABAKKUK. 

Einleitung. 


I.  Die  Ziisainmcnsetzung  des  Buches.  Das  Buch  Hab,  das  im  hebräischeo, 
wie  im  alexandrinischen  Kanon  die  achte  Stelle  unter  den  „Zwölf  Propheten"  ein- 
nimmt, weist  auf  den  ersten  Blick  eine  sehr  einfache  Gliederung  auf:  Cap.  If.  das 
fc^'^D  und  Cap.  3  die  H^DH  des  Propheten.  Sieht  man  aber  näher  zu,  so  sind  ganz  ver- 
schiedene Elemente  zu  unterscheiden,  nämlich  1)  ein  paar  psalmartige  Stücke 
12-4  12*  13  2  1-4,  die  sich  zu  einem  Psalm  zusammenfügen,  der  dem  über  das 
herrschende  Unrecht  klagenden  Dichter  die  göttliche  Antwort  erteilt,  dass  das  Ge- 
richt nicht  ausbleibe,  in  dem  der  Gottlose  (P^'l)  seinen  Untergang  finde,  der  Gerechte 
(p^^,t)  aber  bestehen  werde;  2)  ein  paar  prophetische  Abschnitte  1  6-10  14 f., 
die  eine  Prophetie  ausmachen,  in  der  das  Auftreten  der  Chaldäer  und  ihr  Ein- 
greifen in  die  Geschicke  auch  der  fernsten  Völker  angekündigt  wird;  3)  eine 
Reihe  von  Weherufen  2  5-19,  die  sich  gegen  einen  unersättlichen  Eroberer,  der  die 
Völker  sich  unterthan  machte  und  ihren  Besitz  zusammenhäufte,  richten;  und  4) 
das  „Gebet",  resp.  ein  neuer  Psalm  Cap.  3,  in  dem  das  Erscheinen  Jahwes  zum 
Weltgericht  und  zur  Bettung  seines  Volkes  mit  grossem  rhetorischem  Schwünge 
dargestellt  wird.  Ausserdem  finden  sich  noch  einzelne  kleinere  Stücke ,  die  nicht 
lediglich  als  Glossen  zu  einem  der  vier  Hauptbestandteile  gerechnet  werden  können, 
sondern  als  Beigaben  der  Bedaktion  des  Buches  betrachtet  werden  müssen,  so  1  11 
12^  17  2  20  (s.  Einl.  III).  Prophetischen  Charakter  weisen  nur  die  beiden 
mittleren  Teile  auf,  die  Stücke,  die  sie  umrahmen,  tragen  psalmartiges  Gepräge.  Das 
Buch  Hab  hat  somit  zu  Anfang  und  zu  Ende  je  einen  Psalm,  während  sich  bei  Mch 
hinten  und  bei  Na  vorn  solche  Elemente  angegliedert  haben,  und  der  Grundstock  des 
Buches  kann  nur  in  den  mittleren  prophetischen  Stücken  vorliegen. 

IL  Die  Enlsleliung  der  einzelnen  Bestandteile.  Da  in  dem  Commentar 

die  Frage  nach  der  Entstehung  der  einzelnen  Elemente  jeweilen  in  den  Vorbemer- 
kungen (s.  dort)  behandelt  ist,  können  hier  nur  kurz  die  dort  gewonnenen  Ergebnisse 
zusammengestellt  werden : 

a)  Für  den  Psalm  1  2-4  12^  13  2  1-4  kann  kein  ganz  bestimmtes  Entstehungs- 


Hai)  Einleiturifr  IJ  327  Hab  Einleitung  III 

datuni  ung(^gel)cn  werden;  aber  soviel  ist  sicher,  dass  er  nicht  in  die  vorexiliscbe 
Periode  gehört,  da  die  Frage,  die  er  behandelt,  einerseits  eine  feste  JJefinition  dessen, 
was  fromm  und  was  gottlos  ist,  und  andererseits  die;  Lelire  der  individuellen  Ver- 
geltung voraussetzt.  Nach  dem  Exil  war  aber  die  Erage,  warum  der  (gottlose  Glück 
und  der  Fromme  Unglück  erfahre  und  wie  sich  dieser  'J^hatbestand  mit  der  Gerechtig- 
keit Gottes  reime,  eine  brennende,  die  nie  zur  Kühe  kommen  wollte;  die  Jjösung,  die 
unser  Psalm  im  Hinweis  auf  das  nahe  Gericht  findet,  ist  schon  von  Maleachi  gegeben 
und  auch  im  2.  Jahrh.  der  Trost  der  Frommen,  sodass  beim  Mangel  bestimmter 
anderer  Judicien  ein  Spielraum  vom  5.  bis  2.  Jahrh.  offenbleiben  muss. 

b)  Die  Prophetie  1  5-10  14 f.  lässt  sich  mit  völliger  Sicherheit  fixieren.  Sie 
kündigt  die  Chaldäer  als  neue  Macht  an,  die  wirksam  auf  dem  Plan  der  AVeltge- 
schichte  auftritt  und  sich  bis  in  die  weiten  Fernen  der  Erde  geltend  machen  wird. 
Vor  625,  wo  es  Nabopolassar  gelang,  das  neubabylonische  Keich  zu  gründen,  konnte 
niemand  in  Juda  eine  Ahnung  von  der  Rolle  haben,  zu  der  die  Chaldäer  berufen 
waren  ;  aber  auch  damals  mochte  kaum  jemand  besonders  Grosses  von  ihnen  erwarten. 
Als  Vollstrecker  des  göttlichen  "Willens  an  Juda  konnten  sie  erst  von  einem  Prophe- 
ten nach  der  Schlacht  von  Karkemisch  (605  v.  Chr.)  erkannt  werden ;  das  Jahr  605 
wird  daher  das  Entstehungsjahr  der  Prophetie  sein.  Man  bedenke,  dass  es  ja  nicht 
die  Aufgabe  der  Propheten  war,  unwahrscheinliche  Ereignisse  der  Zukunft  voraus- 
zusagen, sondern  die  Bedeutung  der  sich  abspielenden  Ereignisse  ihren  Volksgenossen 
klarzulegen,  insbesondere  auch  ihnen  den  Blick  zu  schärfen,  damit  sie  die  Zuchtrute 
erkennen,  die  Jahwe  für  das  treulose  abtrünnige  Volk  bereit  habe. 

c)  Die  Wehe  rufe  2  5-19  sind  gegen  den  Chaldäer  gerichtet  (s.  Vorbemerkung 
zu  2  6  ff.),  können  darum  nicht  in  einem  Atemzuge  mit  der  Prophetie,  die  die  Chal- 
däer als  Gottes  Beauftragte  erst  ankündigt,  gesprochen  sein.  Vorausgesetzt  ist  von 
denselben,  dass  das  chaldäische  Weltreich  nicht  erst  im  Werden  ist,  sondern  schon 
lange  bestanden  hat,  dass  es  nicht  nur  den  von  der  Prophetie  1  5-10  14  f.  vorausgesag- 
ten gottgewollten  Einfluss  auf  Juda,  sondern  eine  widergöttliche  Wirkung  auf  alle 
Völker  ausgeübt  hat,  und  dass  man  seinem  Ende  schon  deutlich  entgegensieht.  Darum 
können  diese  Weherufe  erst  entstanden  sein,  als  es  mit  dem  chaldäischen  Reiche  schon 
stark  zur  Neige  ging,  also  um  540  v.  Chr. 

d)  Der  Psalm  Cap.  3  trägt  nur  Merkmale  einer  spaten  Zeit  an  sich;  dass  er 
mit  allen  Beizeichen  eines  in  ein  Psalmbuch  aufgenommenen  Psalmes  ausgestattet 
ist,  also  aus  einer  solchen  Liedersammlung  stammt,  kann  zwar  allein  für  sich  kein 
Grund  sein,  ihn  nicht  für  alt  zu  halten.  Aber  seine  Sprache  weist  ihn  in  die  Zeit 
nach  dem  Exil  und  da  er  einen  T\^^ü  an  der  Spitze  des  jüdischen  Volkes  kennt  (3  13), 
so  bleibt  kaum  etwas  andres  übrig,  als  ihn  in  das  2.  Jahrhundert  und  zwar  in  die 
Periode  desselben  zu  weisen,  wo  makkabäische  Fürsten  das  Regiment  führten.  Dass 
Ps  77  17-20  unsern  Psalm  schon  kennt,  kann  kein  Hindernis  für  diese  späte  Datierung 
sein;  Hab  B  und  Ps  77  17-20  brauchen  durch  kein  Jahrhundert  von  einander  getrennt 
zu  sein. 

III.  Die  Entstehung^  des  ganzen  Buches.  Durch  die  soeben  dargelegte 

Ansicht  von  der  Entstehung  der  einzelnen  Teile  ist  die  Stellung  gekennzeichnet,  die 
den  Anschauungen  Giesebrecht's,  Budde's  und  Bothstein's  gegenüber  einzu- 
nehmen ist.    Jede  derselben  vertritt  berechtigte  Gesichtspunkte  und  von  jeder  ist  zu 


Hab  Einleitung  III  328  Hab  Einleitung  III 

lernen,  aber  keine  vollstiindig  zu  adoptieren ;  denn  stammen  die  Stücke  aus  so  ver- 
schiedener Zeit,  so  ist  durch  Versetzung  kein  einheitliches  Ganzes  und  keine  einheit- 
liche Entstehungezeit  fiirCap.  If.  oder  die  Grundlage  der  beiden  Capitel  zu  gewinnen 
(s.  näheres  Vorbemerkung  zu  1  2—2  20).  Noch  weniger  aber  kann  Cap.  3  mit  Cap.  If. 
zusammen  als  ein  aus  ein  und  derselben  Zeit  herrührendes  Ganzes  betrachtet  werden, 
wie  M.  Lauterbcjkg  und  ¥,  E.  Pei.sER  wollen. 

Ersterer  vertritt  die  Ansicht,  dass  Hab  kurz  vor  Dtjes  etwa  um  545  v.  Chr. 
ent&tanden  sei;  er  hat  also  die  in  Bezug  auf  einen  Teil  (die  Weherufe  von  Cap.  2) 
richtige  Empfindung  durchschlagend  sein  lassen  und  auf  das  Ganze  ausgedehnt,  so 
dass  er  nicht  zurückschreckte,  das  seiner  Hypothese  entgegenstehende  D'^'lb^5"nS  1  6 
als  Glosse  auszuscheiden  (s.  zu  1  6).  Wie  wenig  auch  die  drei  Capitel  sich  unter 
einen  Hut  bringen  lassen,  zeigt  die  von  Lautekbuk(t  versuchte  Zusammenfassung: 
„Habakuk  beginnt  mit  der  Klage:  Wie  lange  soll  noch  währen  der  Zustand  der 
Unterdrückung  ?  Dann  wendet  er  sich  direkt  an  die  Unterdrücker  mit  der  Mitteilung 
des  Gesichts,  das  das  Erstehen  eines  mächtigen  Gegners  voraussagt,  und  stellt  darauf 
Gott  wiederholt  die  Notwendigkeit  eines  baldigen  Einschreitens  vor.  Durch  die  Ant- 
wort, die  er  in  Cap.  II  erhält,  das  Gesicht  erfülle  sich  gewisslich  zu  seiner  Zeit, 
darum  solle  er  es  aufschreiben  und  in  Geduld  der  Erfüllung  harren,  bekommt  er  Mut, 
mit  der  vollen  göttlichen  Autorität  eines  Propheten  die  Errettung  Israels  und  in 
fünf  Weherufen  den  gewissen  Untergang  der  gottlosen  Weltmacht  zu  verkündigen.  In 
dichterischer  Weise  beschreibt  endlich  Cap.  III  die  nahende  Katastrophe  als  eine 
Erscheinung  Gottes  zum  Gericht,  der  das  menschliche  Herz  mit  natürlicher  Bangig- 
keit und  doch  wieder  im  Vertrauen  auf  Jahwes  Heilserweisung  mit  freudiger  Zuver- 
sicht entgegensieht."  Auch  wenn  davon  abgesehen  wird,  dass  in  diesem  Besume 
nicht  auf  die  Eigentümlichkeiten  der  einzelnen  Stücke  genügend  Bücksicht  genommen 
ist,  kann  ihm  nur  bei  sehr  gutem  Willen  „folgerichtige  Entwicklung"  nachgerühmt 
werden. 

Nach  Peisee,  ist  Hab  im  Jahre  609  v.  Chr.  abgefasst  und  zwar  ist  der  Ver- 
fasser „ein  Prinz  des  judäischen  Königshauses,  der  als  junger  Knabe  nach  Ninive 
kam  und  dort  aufwuchs",  vielleicht  ein  Sohn  oder  Enkel  Manasses,  der  als  Geisel  sich 
zu  Ninive  in  fürstlicher  Haft  befindet.  „Seinen  offiziellen  Namen  kennen  wir  nicht; 
als  sein  Schriftstellername  wird  habakuk  angegeben,  was  ein  gut  assyrisches  Pseudo- 
nym sein  könnte"  (vgl.  zu  1  l).  In  seiner  Haft  in  Ninive  hat  der  Prinz  einen  An- 
griff „der  Chaldäer"  erlebt,  welcher  aber  missglückte.  „Das  war  der  erste  Ansturm 
der  Meder,  wohl  im  Bunde  mit  den  aufständigen  Chaldäern  und  Babylon,  welcher  im 
Jahre  625  zurückgewiesen  war,  und  wobei  der  Mederfürst  fiel.  Jetzt  rückt  wieder 
ein  Angriff  gegen  Ninive  näher  und  näher. "  Der  Verfasser  sieht  in  diesem  Angriff" 
einen  Zug  Jahwes,  um  seinem  Volk  und  seinem  Gesalbten  zu  helfen,  und  meint  mit 
dem  Gesalbten  sich  selbst,  schrieb  sich  also  ein  Anrecht  auf  den  Thron  von  Juda  zu. 
Er  war  somit,  wie  Peisee  schliesst,  „ein  Prinz,  welcher  bei  einer  der  Umwälzungen 
in  Frage  kommen  konnte.  Da  Josia  von  640—609  regierte,  so  kann  es  sich  nur  um 
die  Zeit  von  609  an  handeln.  Wahrscheinlich  war  es  die  Nachricht  vom  Tode  Josias, 
welche  den  Ausbruch  der  Klage  veranlasste."  Für  dasselbe  Datum  spricht  noch  ein 
weiteres  Indicium.  In  3  13  steht  zu  lesen,  dass  Jahwe  einen  Fürsten,  der  zum  Frevler- 
hause gehörte,  geschlagen  habe.    „Das  „Frevlerhaus"  muss  das  königlich  assyrische 


JFab  P]inloitung  III  329  Hab  Rinleitun^r  TIE 

iiaus  sein.  Als  die  Meder  wieder  gegen  Ninive  heranrückten,  wollten  die  Skythen 
unter  Madyas  Entsatz  bringen;  «ie  wurden  geachlagen.  Madyas  aber  war  der  Sohn 
des  Bartatua,  also  der  Enkel  Asarhaddons  durch  seine  Mutter,  konnte  demnach  wohl 
als  J^tyi  n'^^D  ti^SI  bezeichnet  werden.  Auch  hierdurch  wird  als  Zeit  der  Abfassung 
das  .lalir  609  gefordert."  Man  sieht,  Feismr  gründet  seine  Auffassung  hauptsächlich 
auf  Cap.  3.  JJie  Hypothese  von  der  Haft  des  Verfassers  in  Ninive  soll  an  3  16  ihre 
Stütze  haben,  wo  am  Schluss  für  lilU'^  DJ^7  nach  IjXX  (sl;  Xaov  Trapoixta;  jj.ou)  zu 
lesen  sei:  ^y\^t^  ^V^]  ^^r  Verfasser  soll  nach  3  13  Prinz  sein,  was  aber  nur  aus  falscher 
Erklärung  des  ^H^'ti^ö  erschlossen  ist  (s.  zu  3  13).  Wie  gesucht  und  gezwungen  die 
Deutung  des  „Fürsten  aus  dem  Frevlerhaus"  auf  den  Skythen  Madyas  ist,  braucht 
nicht  gesagt  zu  werden.  Die  ganze  Hypothese  hat  aber  endlich  einen  eigens  präpa- 
rierten Text  zur  Voraussetzung,  der  gewaltig  von  dem  MT  abweicht.  Man  braucht 
gar  nicht  an  die  Unfehlbarkeit  des  MT's  zu  glauben,  ja  man  kann  der  Ansicht  sein, 
dass  in  noch  vielen  Punkten,  wo  die  alttestamentlichen  Kritiker  den  Text  unbean- 
standet hinnehmen,  Fehler  vorliegen,  und  trotzdem  ein  solches  Umspringen  mit  der 
überlieferten  Textgestalt  nicht  als  den  AVeg  ansehen,  um  auf  einen  grünen  Zweig  zu 
kommen.  Die  Aufgabe  eines  Exegeten  kann  nicht  darin  bestehen,  mit  etwelcher 
Phantasie  sich  von  einer  sehr  fraglichen  Zurechtlegung  eines  einzelnen  Verses  aus 
eine  Hypothese  durchzuführen  und  alle  entgegenstehenden  Instanzen  durch  Konjek- 
turen'aus  der  AVeit  zu  schaffen,  sondern  mit  allen  gegebenen  Faktoren  des  Textes  zu 
rechnen  und  von  da  aus  sich  eine  Auffassung  zu  schaffen.  Endlich  hat  dabei  eine 
grössere  Wichtigkeit  die  Beachtung  der  Analogien,  die  die  alttestamentlichen  Schriften 
aufweisen,  namentlich  auch  nach  der  Seite  ihrer  successiven  Entstehung,  als  die  Herbei- 
ziehung vielfach  nur  vermeintlicher,  mindestens  oft  sehr  entfernter  Parallelen  aus  der  keil- 
inschriftlichen  Litteratur.  So  dankbar  die  alttestamentlichen  Forscher  für  alle  Förde- 
rung sind,  die  sie  den  Keilinschriften  verdanken,  auch  für  eine  hebräische  Schrift,  die  in 
Ninive  entstanden  sein  sollte,  müssten  sie  es  ablehnen,  dass  derMassstab  zu  ihrer  Beurtei- 
lung in  erster  Linie  der  keilinschriftlichen  Litteratur  zu  entnehmen  sei. 

Nicht  ganz  so  einheitlich  wie  LAUTERBUßa  und  PeiSEK  fasst  Otto  Happel 
das  Buch  Hab;  aber  er  spricht  doch  von  „einem  kunstvollen  Ganzen",  zu  dem  der 
Verfasser  des  Büchleins  zur  Zeit  der  syrischen  Verfolgungen  unter  Antiochus  IV., 
ungefähr  um  170  v.  Chr.,  die  „früheren  prophetischen  Stücke"  1  6-11  2  5-8  3  3-15 
„mit  eigenen  Zuthaten  verwoben"  und  das  dann  noch  von  „einem,  vielleicht  zwei 
hl.  Schriftstellern"  als  „spätere  Zuthat"  2  18-20  erhalten  habe.  Dass  auch  bei  dieser 
Hypothese  zum  Teil  ein  richtiges  Gefühl  wie  bei  derjenigen  LAUTERBüKa's  wirk- 
sam ist,  kann  anerkannt  werden,  da  für  den  Psalm  zu  Anfang  das  2.  Jahrh.  als  Ent- 
stehungszeit nicht  ausgeschlossen  und  der  Psalm  Cap.  3  sicher  im  2.  Jahrb.,  wenn 
auch  später  als  170  v.  Chr.,  entstanden  ist.  Gleichwohl  wird  Happel's  Aufstellung 
den  im  Texte  gebotenen  Thatsachen  nicht  gerecht;  diese  führen  zu  einer  ganz  andern 
Entstehungsgeschichte  des  Buches. 

Der  älteste  Teil  des  Buches  ist  die  Prophetie  über  das  Aufstehen  der 
Chaldäer  1  5-10  14  f.  aus  dem  Jahre  605  v.  Chr.  Von  diesem  Teile  rührt  auch  die 
Bezeichnung  «^D  1  i  für  Cap.  If.  her  und  auf  ihn  geht  offenbar  ebenso  die  Angabe 
des  Autors  in  1  l.  Habakkuk,  der  Prophet,  war  demnach  ein  Zeitgenosse  Jeremias 
und  Bo  kurz  seine  Prophetie  ist,  lässt  sich  hinzufügen:  auch  sein  Gesinnungsgenosse. 


Halj  Einleitung  III  330  Hab  Einleitung  III 

Er  beurteilt  die  Zustände  in  Juda  und  Jerusalem  wie  Jereinia  und  sieht  wie  dieser 
in  den  Chaldäern  die  von  Gott  gesandte  Strafe  für  die  Treulosen.  Dagegen  unter- 
scheidet er  sich  von  seinem  andern  Zeitgenossen,  von  Nahum,  der  mit  keinem  Worte 
die  Verhältnisse  in  Juda  tadelt  und  nur  Ninive  das  Gericht  anzukündigen  weiss. 
Von  der  Person  Hab's  ist  nichts  Zuverlässiges  bekannt;  denn  die  Angaben  der 
späteren  Legenden  können  auf  Glaubhaftigkeit  keinen  Anspruch  erheben,  so  wenn  in 
„Bei  und  der  Drache"  erzählt  wird,  dass  Hab,  um  Daniel  in  der  Löwengrube  Speise 
zu  bringen,  von  dem  Engel  Gottes  am  Haupthaar  erfasst,  an  die  Grube  in  Babel  ver- 
setzt und  an  gleichem  Tage  wieder  zurückgebracht  worden  sei,  —  eine  Erzählung, 
die  in  den  Prophetenleben  der  christlichen  Kirche  weitere  Ausschmückung  gefunden 
hat  und  den  frommen  Kreisen  in  Palästina  so  wichtig  erschien,  dass  sie  die  Stätte 
zeigen  konnten,  wo  Hab  von  dem  Engel  ergriffen  wurde.  In  der  IJberschrift  der  Er- 
zählung von  „Bei  und  dem  Drachen"  heisst  Hab  Sohn  Jesus'  vom  Stamme  Levi,  in 
den  Prophetenleben  stammt  er  aus  Brjö^ouyap  (Beth-Sacharja  I  Mak  6  32)  und  aus 
dem  Stamme  Simeon,  während  die  rabbinische  Tradition  ihn  zum  Sohn  der  Suna- 
mitin  macht,  vgl.  II  Reg  4  16:  )5  ^p.^^  ^^^]  zwei  Jahre  vor  dem  Ende  des  babylo- 
nischen Exils  soll  er  gestorben  sein  und  sein  Grab  wurde  später  in  Ke^ila  gezeigt 
vgl.  Nestle  Marg.  u.  Mater.  26f.  57  und  ZDPV  1884,  45f.  Offenbar  hat  die  Erwäh- 
nung der  Chaldäer  in  1  6  dazu  geführt,  Habakkuk  mit  Chaldäa-Babylonien  in  Be- 
ziehung zu  bringen. 

Nur  die  Prophetie  vom  Eingreifen  der  Chaldäer  in  die  Geschicke  Westasiens 
kann  von  Habakkuk  herrühren;  er  kann  nicht  gut  selber  sechzig  Jahre  hernach  den 
Anhang  der  Weherufe  2  5-19  derselben  beigefügt  haben,  da  er  schwerlich  605  erst 
20  Jahre  alt  gewesen  sein  wird.  Es  ist  ein  andrer  der  Autor  des  Anhangs;  er  konnte 
in  dem  Thun  der  Babylonier  nicht  die  Ausführung  des  göttlichen  Willens  sehen  und 
fügte,  wie  das  babylonische  Reich  sich  dem  Untergang  nahte ,  die  Weherufe  bei, 
welche  die  Verschuldung  der  Chaldäer  erwähnen  und  ihnen  mit  der  Strafe  dafür 
drohen.  Zum  Ausgleich  der  verschiedenen  Beurteilung  der  Chaldäer  in  1  5-10  uf. 
und  in  2  5-19  fügte  der  Autor  des  Anhangs  dem  alten  Stücke  die  Verse  In  12^  bei. 

In  diesem  Umfang  1  5-11  12^  14  f.  2  5-19  (zu  den  Glossen  von  2  5-19  s.  die  Exe- 
gese) wird  das  am  Ende  des  Exils  gleichzeitig  mit  Jes  13  f.  21  1-15  40—55  entstandene 
Buch  Hab  lange  geblieben  sein,  bis  man  die  alten  Prophetenschriften  anfing  als 
Prophezeiungen  der  Ereignisse  der  letzten  Zeiten  zu  betrachten  und  mit  grösster 
Spannung  den  Eintritt  des  jüngsten  Tages  erwartete.  Das  war  vor  allem  im  zweiten 
Jahrhundert  der  Fall,  wo  der  Verfasser  des  Buches  Daniel  im  Propheten  Jeremia 
selbst  Andeutungen  über  das  Datum  des  Eintrittes  der  Endzeit  entdeckte,  s.  Dan  9  2. 
Damals  mag  der  Psalm  1  2-4  12^  13  2  1-4,  der  auf  die  Klagen  über  das  lange  Aus- 
bleiben des  Heils  und  die  dauernden  Leiden  der  Frommen  die  Verheissung  der  nahen 
Bettung  giebt,  am  Bande  dem  Buche  vorgesetzt  worden  sein,  von  wo  er  dann  zer- 
stückelt in  den  alten  Text  hineingeschoben  wurde;  der  Überleitung  von  1  14 f.  auf 
2  1-4  mag  1  17  seinen  Ursprung  danken. 

Schliesslich  wird  als  kräftiger  zusammenfassender  Abschluss  das  als  Gebet 
Hab's  in  einer  Psalmsammlung  vorhandene  Cap.  3  angefügt  worden  sein,  das  nicht 
nur  vom  Gericht  über  die  Heiden  wie  Cap.  2  5-19,  sondern  auch  von  dem  Heile  des 
jüdischen  Volkes  spricht  und  die  notwendige  Kehrseite  des  Gerichtes  hervorhebt. 


Hab  Einieituiifr  ITI  331  llah  1  l 

Zur  Einleitung  des  (kjj.  3  ist  der  Vers  2  20  notwendig  geworden.  Die  Verse  3  17-19 
können  schon  vor  der  ül)(;rnji]nne  des  I'siihns  diesem  beigegeben  gewesen  sein;  doch 
bilden  wenigstens  v.  181'.  auch  für  das  ganze  Bucli  Hab  einen  liturgisch  feierlichen 
Abschluss. 

IV.  Liü(M'alnr.  Fjianz  Dklitzscii  Der  Prophet  Habakuk  ausgelegt 

1813;  JOH.  VON  GuMPACll  Der  Troph.  Habakuk  IHfiO;  L.  Reinke  Der  Proph.  Hai). 
1870;  B.  Stade  Habakuk  in  ZATW  1884,  154—159;  A.  J.  BaumoaüTNEK  Le  pro- 
phete  Hababuk  1885;  M.  Tii.  HoUTSMA  Habakuk  2  :  4  en  5  in  TWV  1885,  180—183; 
C.  Beedenkamp  Die  Tafelinschrift  Hab.  2  in  StK  1889,  161—164;  K.  BüUDE  Zu 
Habakkuk  2  3ff.  in  ZATW  1889,  155f.;  H.  OORT  Habakuk  in  ^riiT  1891,  357—367; 
K.  BuDDE  Die  Bücher  Habakkuk  und  Sephanja  in  StK  1893,  383—393;  J.  W.  EoTH- 
STEIN  Über  Habakuk  Cap.  1  u.  2  in  StK  1894,  51—85;  K.  BuuDE  Problems  of  the 
Prophetic  Literature  II.  Habakuk  in  The  Expositor  1895,  372—385;  M.  LauteebüIIG 
Habakuk  in  ZSchw  1896,  74—102;  D.  H.  MÜLLER  Strophenbau  und  Responsion  1898, 
36—39;  J.  BÖHMER  Habakuks  Schrift  im  Feuer  der  neueren  Kritik  in  Neue  kirchl. 
Zeitschr.  1899,  724—735;  A.  B.  DAVIDSON  Nahum,  Habakkuk  and  Zephanjah  1899; 
Gebard  Smit  De  Profetie  van  Habakuk  1900;  0.  Happel  Das  Buch  des  Propheten 
Habakkuk  1900;  K.  BuDDE  Art.  Habakkuk  in  Encycl.  Bibl.  1901,  Sp.  1921—1928; 
Ed.  Sievers  Metrische  Studien  I.  Textprobeu  1901,  490f. ;  T.  K.  Cheyne  Grit.  Bibl. 
II,  1903,  170-173;  F.  E.  Peiser  Der  Prophet  Habakuk  1903. 


Erklärung. 
Erster  Teil : 

Die  Ankündigung  der  Ghaldäer  und  ihres  Untergangs 

Cap.  1  und  2. 

Die  Überschrift  1 1  gehört  nur  zu  Cap.  1  u.  2;  denn  die  neue  Überschrift 
3  1  hebt  deutlich  das  Geöet  von  dem  Orakel  des  Propheten  ab.  Der  Inhalt 
von  Cap.  1  und  2  heisst  nur  a  potiori  S^ID,  Orakel,  (Gottes-)  Spruch  (s.  zu  Na 
1  1  Jes  13  1),  da  ein  grosser  Teil  ganz  andern  Charakters  ist,  s.  Vorbem.  zu 
1  2—2  20.  Die  Verbindung  von  nm  mit  dem  Obj.  «'^)?  (vgl.  dazu  die  Paral- 
lele 'D  (nnn)  inn  nm  Jes  l  i  Am  l  i  Mch  l  i)  und  die  Bezeichnung  der  Pro- 
phetie  als  mo  (vgl.  zu  Jes  13  i)  und  Hab's  als  t^'^^i  (s.  auch  3  i  Hag  1  i  Sach 
1  1)  sprechen  für  späte  Herkunft  der  Überschrift.  Der  Name  p^^^^rj  ist 

wie  der  Frauenname  2oüaavva  (==  n^C^lti^,  Lilie)  in  den  apokryphen  Zusätzen 
zu  Daniel  und  in  Lk  8  3  der  Pflanzenwelt  entnommen;  denn  er  entspricht 
offenbar  assyr.  hambaküku,  das  ein  Gartengewächs  bezeichnet,  vgl.  die  Form 
in  LXX  /\[x[':iaxoü|x,  deren  jjl  vor  ß  König  (Lehrgeb.  II,  1  S.  473)  allerdings  als 
Zugangskonsonant  ansieht,  während  Fkd.  Delitzsch  (Proleg.  eines  neuen 
hebr.-aram.  Wörterbuchs  84)  wohl  richtiger  p^plin  vokalisieren  möchte.        Zu 


Hab  1  1  332  Hab  1  2 

den  Legenden  über  die  im  AT  sonst  völlig  unbekannte  Person  des  Proplieten 
s.  Einl.  III  S.  330. 

1  2—2  20  ist  nicht  als  ein  einheitliches  Stück  zu  verstehen.  Schon  1884  hat  Stade 
in  ZATW  IV,  154 — 159  gezeigt,  dass  nicht  erst  2  20  als  Abschluss  der  1  2  beginnen- 
den Prophetie  gefasst  werden  könne.  Weiter  hat  1890  Giesebrecht  in  seinen  Beiträgen 
zur  Jesajakritik  196—198  nachgewiesen,  dass  durch  1  5-11  der  Zusammenhang  von  1  4 
mit  1  12  gesprengt  wird,  wie  sich  deutlich  durch  die  verschiedene  Anrede  kundgiebt:  in 
V.  2-4  und  V.  12  f.  Jahwe,  in  v.  5  dagegen  ,,ihr".  Giesebrecht  wollte  demgemäss  1  5-11 
an  den  Anfang  des  Buches  Hab  als  eine  für  sich  zu  nehmende  Prophetie,  in  welcher  das 
Auftreten  der  Chaldäer  angekündigt  wird,  versetzen,  während  der  übrigbleibende  Teil  von 
Cap.  1  und  2  aus  der  Zeit  der  Chaldäerherrschaft,  wahrscheinlich  aus  der  Zeit  des  Exils, 
stamme.  Wellh.  und  Nowack  stimmen  dieser  These  insofern  zu.  als  sie  ebenfalls  1  5-11 
abtrennen  und  als  Prophetie  eines  früheren  Autors  ansehen,  im  übrigen  aber  für  den  Hest 
die  Möglichkeit  einer  Entstehung  vor  dem  Exil  offen  halten.  Eine  gründliche  Unter- 
suchung des  Problems  brachte  Budde's  Abhandlung:  Die  Bücher  Habakkuk  und  Sephanja 
in  StK  1893,  383—393.  Nach  Budde  ist  der  Abschnitt  1  5-11  nicht  eine  unabhängige 
frühere  Weissagung,  sondern  ein  integrierender  Bestandteil  von  Cap.  1  f.,  der  nur  von 
seinem  ursprünglichen  Platze  entfernt  ist  und  in  Wahrheit  in  die  zwischen  2  4  und  2  6 
klaffende  Lücke  gehört.  Dorthin  zurückversetzt  kündet  er  die  Chaldäer  als  die  Retter 
aus  der  1  2-4  12-17  2  2-4  vom  Propheten  beklagten  Not  und  Bedrückung  Judas  unter 
dem  Joche  der  Assyrer  an,  worauf  dann  2  6  ff.  der  Weheruf  über  die  von  den  Chaldäern 
besiegten  Assyrer  folgt.  Diese  Auffassung  hat  Budde  auch  in  The  Expositor  May  1895, 
372 — 385:  Problems  of  the  Prophetie  Literature.  II.  Habakuk,  aufrecht  erhalten  und  ver- 
teidigt gegen  die  Hypothese  von  Rothstein  in  StK  1894,  51 — 85:  Über  Habakuk  Cap.  1 
und  2;  vgl.  noch  Budde  in  Encycl.  Biblica  II  (1901),  1921 — 1928.  Rothstein  versetzt 
nämlich  ebenso  1  5-11  resp.  6-11  hinter  2  4  (resp.  5^),  hält  aber  dafür,  dass  das  „Orakel 
die  Spitze  seiner  Darstellung  gegen  die  überhandnehmende,  durch  Jojakims  Regiment 
geförderte  innerjudäische  Gottlosigkeit  und  Gewaltthätigkeit  richte  und  das  durch  die 
Chaldäer  herbeizuführende  Strafgericht  über  das  abtrünnige  Volk  und  Land  ankündige". 
Dieses  Orakel  hatte  nach  Rothstein  folgenden  Bestand:  1  2-4  12^  13  2  1-5^  1  6-10  14  15^'^ 
2  6^  7  9  10^  lO^P  11  und  vielleicht  noch  2  15  16  19  18  und  wurde  „alsdann  von  einem 
Späteren  derart  umgearbeitet  und  erweitert,  dass  es  wenigstens  in  seinem  grösseren  Teile 
zu  einem  Orakel  gegen  Babel  wurde".  Keine  von  diesen  beiden  Hypothesen  hat  allge- 
meinen Anklang  gefunden;  immerhin  stimmten  Cornill  und  G.  A.  S.aiith  der  Ansicht 
Budde's  zu,  während  Rothstein  nur  insofern  nicht  allein  geblieben  ist,  als  auch  andre, 
wie  Oort,  Hitzig-Steiner,  von  Orelli,  Davidson,  Driver,  daran  festhalten,  dass  in  1  2-4 
von  innerer  Korruption  Judas  die  Rede  sei. 

Diese  Uneinigkeit  der  Ausleger  weist  darauf  hin,  dass  die  Lösung  des  Rätsels  auf 
andre  Weise  zu  suchen  ist.  Aus  den  disparaten  Stücken,  als  welche  1  2-4  und  1  5-11  fast 
allgemein  anerkannt  sind,  ist  nicht  wieder  durch  Versetzung  ein  einheitliches  grosses 
Ganzes  zu  konstruieren,  sondern  in  einfacherer  Weise  sind  die  mit  diesen  disparaten 
Stücken  je  harmonierenden  Verse  zusammenzunehmen  und  diese  Gruppen  als  kleinere 
Ganze  für  sich  zu  betrachten.  Dieser  Weg  führt  innerhalb  1  2 — 2  20  zur  Unterscheidung 
von  drei  in  ihrer  Art  sehr  ungleichen  Hauptbestandteilen: 

Zunächst  erhalten  wir  einen  Psalm,  in  welchem  der  Autor  über  die  innere  Ver- 
dorbenheit der  jüdischen  Gesellschaft  klagt  und  es  für  unbegreiflich  findet,  dass  Jahwe 
dieser  Vergewaltigung  der  Gerechten  durch  die  Gottlosen  ruhig  zusieht,  in  welchem  aber 
dem  Autor  die  Offenbarung  von  Gott  gegeben  wird,  dass  das  Ende^doch  die  Rettung,  das 
Leben  des  Frommen  sein  wird.  Rothstein  hat  am  genauesten  die  Zusammengehörigkeit 
der  Verse,  die  diesen  Psalm  konstituieren,  erkannt,  ohne  aber  den  richtigen  Schluss  zu 
ziehen.  Es  sind  1  2-4  12^  13  2  1-4  (so  auch  Volz  briefl.);  denn  1  2-4  und  1  12^  13  ge- 
hören durchaus  nach  Inhalt  und  Form  zusammen  und  2  1-4  erweist  sich  als  die  Fort- 
setzung dadurch,  dass  darin  die  göttliche   Antwort  auf  die  Klage  1  2-4  12^  13  gegeben 


Hab  1  2  333  Hab  1  2 

wird  und  wieder  der  p^l^  (2  4)  erscheint,  von  dem  1  4  und  13  die  Kode  ist,  vgl.  femer  die 
Auslegung. 

Dann  bleiben  innerhalb  12 — 2  4  eine  Anzahl  Verse,  welche  sich  schon  durch 
ihren  epischen  Charakter  im  Unterschied  von  dem  lyrischen  des  Psalms  zu  einer  Pro- 
phetie  zusammcnschliessen:  1  5-10  14-16.  Der  Inhalt  derselben  ist  die  Ankündigung  des 
Erscheinens  der  Clialdäer  auf  dem  Schauplatz  der  Weltgeschichte.  Dass  1  14-lG  nicht  mit 
1  13  verbunden  werden  darf,  sondern  zu  1  5-10  als  Fortsetzung  der  Schilderung  der  Clial- 
däer gehört,  ist  wenigstens  zum  Teil  auch  von  IIothstein  gesehen;  s.  die  Auslegung. 

Endlich  ist  der  Kest  2  5-20  insofern  zusammenzunehmen,  als  er  aus  einer  Reihe 
von  Wehe  rufen  besteht.  Während  2  5-20  jedenfalls  in  keiner  Weiee  mit  dem  Psalme 
vereinigt  werden  kann,  ist  die  Möglichkeit  zu  erwägen,  ob  dieser  Rest  nicht  ganz  oder 
zum  Teil  als  genuiner  oder  als  sekundärer  Abschluss  zu  der  Prophetie  über  das  Auftreten 
der  Cbaldäer  gehöre.    S.  darüber  unten  zu  2  5fr. 

Das  Ineinandergeschobensein  der  Teile  von  Psalm  und  Prophetie  im  jetzigen 
Texte  erklärt  sich  durch  die  Annahme,  dass  der  Psalm  zuerst  in  drei  Stücken  am  Ranpe 
der  Handschrift,  also  etwa  oberhalb,  an  der  Seite  und  unterhalb  der  Kolumne,  welche  die 
Prophetie  enthielt,  angebracht  und  nachher  von  einem  Abschreiber  in  den  laufenden 
Text  hineingenommen  wurde.  Ahnliche  Verwirrung  kommt  auch  anderswo  vor,  vgl. 
z.  B.  Am  5  4-17,  und  ein  Psalm  ist  auch  der  Prophetie  Nahums  vorgesetzt  vgl.  zu  Na  1. 

Als  redaktionelle  Glossen  geben  sich  v.  11  12^  und  17  innerhalb  1  2 — 2  4  zu  er- 
kennen; s.  die  Erklärung  zu  denselben. 

I.  De^i  Ausgleich  der  dem  Frommen  unverständlichen  gegenwärtigen  Zu- 
stände bringt  die  Zukunft  I  2-4  12^  13  2  1-4. 

Ein  Psalm.  Der  Dichter  klagt  1  2-4  über  Unrecht  und  Gewaltthat,  die  ihm  täglich 
vor  die  Augen  treten  und  die  Auflösung  aller  gesetzlichen  Ordnung  zeigen ;  vor  allem 
versteht  er  nicht  1  12^  13,  wie  er  es  mit  Gottes  Wesen  reimen  muss,  dass  dieser  dem  Treiben 
stillschweigend  und  unthätig  zusieht.  Auf  seinen  Vorhalt  erhält  er  aber  von  Gott  die 
Auskunft  2  1-4,  dass  die  Zukunft,  das  Gericht,  mit  der  Vernichtung  des  Gottlosen  und 
der  Belebung  des  Frommen  den  Ausgleich  bringen  wird. 

Die  Schilderung  der  Zustände  und  des  Verhaltens  von  V^"i  und  p"*'^^  weist  darauf  hin, 
dass  es  sich  um  innere  Verhältnisse  handelt;  nur  der  Zwang,  unter  den  man  sich  durch 
unrichtige  Zusammenkoppelung  dieser  Verse  mit  1  5-10  begiebt,  kann  zu  einer  Deutung 
von  yu^"i  und  p^^,^  auf  ganze  Völker  verleiten.  Achten  wir  nun  darauf,  wann  derartige 
Klagen  der  Frommen  über  die  Vergewaltigung  durch  die  Gottlosen  vernehmbar  sind,  so 
erinnern  wir  uns  sofort,  dass  sie  bei  Maleachi  und  Tritojesaja,  wie  dann  öfters  in  den 
Psalmen  erscheinen.  In  diese  spätere  Zeit  weist  auch  der  Gebrauch  von  V^"i  und  p'''nV  im 
religiösen  Sinn,  der  erst  unter  der  Herrschaft  des  „Gesetzes"  sich  ausbilden  konnte,  vgl. 
bes.  Ps  1.  Dafür  spricht  ferner  die  Hervorhebung  der  Reinheit  als  eines  Grundzuges  im 
Wesen  Gottes  (1  13);  denn  dies  zeigt,  dass  man  sich  von  Gott  einen  festen  Begriff  gemacht 
und  die  Vergeltungslehre  auch  auf  den  Einzelnen  ausgedehnt  hatte.  Es  ist  darum  schwer- 
lich aus  dem  Gebrauche  von  min  v.  4  zu  entnehmen,  dass  man  mit  diesem  Psalme  un- 
mittelbar  nach  der  Einführung  des  Dtn's,  etwa  in  der  Zeit  Jojakims,  stehe;  gewiss  ist  die 
Thora  vorhanden,  aber  sie  hat  eine  viel  angesehenere  Bedeutung,  als  sie  vor  dem  Exile 
erlangte.  Wir  werden  mit  der  Entstehungszeit  dieses  Psalms  auch  um  der  vielen  Paralle- 
len mit  der  Psalmlitteratur  willen  in  die  nachexilische  Periode  hinabgeführt.  Ist  dies 
zweifellos,  so  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen,  ob  wir  den  Verf.  zu  einem  Zeit- 
genossen Maleachi's  und  Tritojes's  aus  dem  5.  Jahrh.  oder  vielleicht  noch  besser  zu  einem 
Angehörigen  des  zweiten  Jahrhunderts  machen  sollen,  wo  die  Gegensätze  von  Fromm 
und  Gottlos  infolge  des  Hellenismus  und  der  syrischen  Wirren  von  neuem  scharf  einander 
entgegentraten.  Auf  alle  Fälle  ist  soviel  sicher,  dass  der  Psalmist  nichts  mit  dem  Prophe- 
ten zu  thun  hat,  der  1  5-10  das  Auftreten  der  Chaldäer  ankündigt. 


Hab  12  334  Hab  14 

Der  o-anze  rsalm  veiTäuft  in  acht  Tetrasticlien,  deren  ungerade  Zeilen  in  der  Regel 
drei  und  deren  gerade  zwei  Hebungen  enthalten,  und  schliesst  ab  mit  einem  dreihebigen 
Distichon. 

2—4  die  Klage  des  Psalmisten.  2,  die  erste  Strophe:  Wie  lange, 

Jaliwey  schreie  Ich,,  Und  du  hörsl  nicht,  Klage  Ich  t^or  dir  über  Gewalt  Und  du 
hilfst  nicht!  Zu  Dnn  pV.J  vgl.  Jer  20  8  Hi  19  7;  cnn,  Gewalt,  ungerechle  Be- 
handlung^ ist  das  Wort,  das  seinen  Klage-  und  Hilferuf  vor  Jahwe  bildet. 
Zwar  ist  es  niclit  sowohl  direkt  und  persönlich  erfahrene  Ungerechtigkeit,  wie 
bei  Jeremia  und  Hiob  (vgl.  Jer  20  8  Hi  19  7,  welche  Stellen  dem  Autor  wohl 
vorschweben),  die  ihn  zur  Klage  veranlasst,  als  vielmehr  der  allgemeine  gesetz- 
und  rechtlose  Zustand,  unter  dem  die  Frommen  besonders  leiden  und  der  auch 
ihn  selber  in  IVlitleidenschaft  zieht  (vgl.  v.  3).  Es  ist  auch  weniger  ein  mate- 
rieller, als  ein  intellektueller  Schmerz,  ein  Schmerz,  den  er  fühlt  wegen  seiner 
Sorge  um  den  Bestand  der  Religion  (vgl,  v.  4),  besonders  wegen  des  Wider- 
spruchs, in  dem  die  Erfahrung  zu  der  Theorie,  zu  der  Lehre  von  Gottes  Wesen, 
steht  (vgl.  V.  12 f.).  3,  die  zweite  Strophe:  Warum  lassest  du  mich  Unhell 

sehen  Und  muss  ich  Arges  schauen,  Sind  Frevel  und  Gewalt  mir  vor  Augen 
Und  Streit  und  Hader?  Für  tD*>?ri,  das  nirgends  „schauen  lassen"  bedeutet,  ist 
nach  Targum  und  Pesch.  mit  Smit  D^?i^  zu  lesen;  tCi'^SH  beruht  auf  unberechtig- 
ter Gleichmacherei  mit  v.  13.  Der  letzte  Stichos  ist  verdorben,  weder  ^n^]  noch 
i^]^\  versUindlich;  in  der  Übersetzung  ist  vermutet,  dass  nur  ]nD1  ]^"]1  ursprüng- 
lich sei.  NowACK  hat  auch  diese  beiden  Worte  bezweifelt,  was  von  seiner 
Voraussetzung  aus  begreiflich  ist,  dass  es  sich  nicht  um  innere,  sondern  von 
einem  äusseren  Feinde  geübte  Gewaltthaten  handle;  die  Streichung  dieser 
Worte  kann  aber  nur  zeigen,  wie  unberechtigt  seine  Auffassung  ist.  b^V, 

Arges,  hat  hier  offenbar  die  Nebenbedeutung  wie  Ps  73  16  =  peinliche,  ärger- 
liche, schwerverständliche  Ereignisse',  unser  Psalm  hat  mit  Ps  73  auch  sonst 
noch  Ähnlichkeit,  vgl.  zu  2  1-4.  Die  beiden  letzten  Stichen  legen  dar, 

worin  die  peinlichen  Ereignisse  bestehen,  die  der  Psalmist  erleben  muss.  4, 
die  dritte  Strophe,  sieht  auf  die  Folgen,  welche  die  Gesetz-  und  Zuchtlosigkeit 
für  die  Religion  hat:  Darum  erlahmt  die  Lehre  Und  das  Recht  geht  nicht  aus; 
Denn  der  Gottlose  umringt  den  Gerechten  Und  das  Recht  ist  immer  gebeugt. 
nnin  und  tDBli^p  sind  die  beiden  Seiten,  nach  welchen  die  Religion  wirksam  ist: 
nnin  =  Unterweisung,  Belehrung,  für  das  rechte  Verhalten  eines  frommen 
Israeliten  und  DB^p  =  das  Recht,  sowohl  im  bürgerlichen  Leben  als  auch  im 
Gericht,  kurz  also:  Wahrheit  ViXiA^  Recht.  Die  Wirksamkeit  der  Religion  (das 
bedeuten  nnln  und  DS^p  auch  Jes  42  4)  ist  stille  gestellt,  sie  stockt.  Das  wird 
einerseits  durch  ^l^sri,  wofür  nicht  mit  Nowack  ^IDH  zu  lesen  ist,  =  sie  erkaltet, 
erlahmt,  andrerseits  durch  i^;?;;  ^h,  =  es  kommt  nicht  zum  Vorschein,  es  kann 
sich  nicht  zeigen,  ausgedrückt.  n?:^,  das  nur  auf  immer  bedeutet,  gehört 

schwerlich  in  den  zweiten  Stichos,  sondern  ist  mit  Peiser  vor  oder  hinter  DS^lp 
zu  versetzen,  wo  das  S3;;  ]T^V.  auf  falscher  Wiederholung  beruht.  "^'WD, 

umringen,  ist  nicht  in  H'^'ID?,  vernichten  (so  Nowack),  zu  ändern;  gerade  das 
Umringen  der  Frommen  beschränkt  ihren  Wirkungskreis  und  stellt  die  Reli- 
gion kalt,  wie  die  Verdrehung  das  Recht  lahm  legt.  Es  ist  eine  ähnliche 


Hab  l  4  335  Hab  2  l 

Klage,  wie  sie  Mal  3  14  ausspricht:  Die  Religion  leidest,  weil  Gott  gegen  die 
Bösen  nicht  einschreitet  und  seine  Gerechtigkeit  sich  nicht  zeigt.  Kine  andre 
Wendung  der  Klage  s.  Jes  03  17-19\  Zu  der  Schilderung  der  Zustände  vgl. 
auch  Meli  7  2-4. 

5—11  s.  unten  luich  2  4. 

12^  13  begründet  das  Recht  der  Klage:  Dem  Wesen  Gottes  als 
des  Reinen,  der  das  Unrecht  nicht  dulden  kann,  widerstreitet  sein  un- 
thätiges  Zusehen  bei  der  gegenwärtigen  (Jottlosigkeit.  Der  enge  Zusammen- 
hang und  die  gleiche  Form  der  Anrede  an  Jahwe  beweisen,  dass  v.  12''  i3  die 
Fortsetzung  von  v.  2-4  bilden,  vgl.  Vorbemerkung  zu  1  2—2  20.  12'  (bis 

*'p^\^)  13*,  die  vierte  Strophe:  /Ilst  du  nicht  von  Alters  her  \  Jahwe,  mein  heiliger 
Gott,  7m  reiner  Auf/en,  um  Böses  %u  sehn.  Und  kannst  auf  Arges  nicht  fjllcken? 
^li^.^7  f^on  Allers  her,  ist  Jahwe  der  heilige  Gott  Israels,  1.  doch  wohl  mit 
Now^ACK  und  OoRT  ^^^\l  "^O^^j  Jör  Dichter  mag  besonders  an  die  Bestrafung 
der  Sünde  durch  das  Exil  denken  und  an  eine  Darstellung  der  Geschichte,  wie 
sie  Chr  gibt,  vielleicht  selbst  an  die  Erzählung  der  Sintflut.  Warum  er  Jahwe 
den  heiligen  nennt,  zeigt  13^;  der  Begriff  des  Heiligen  schlicsst  das  Böse,  das 
Arge,  aus,  gegen  solches  muss  der  Heilige  einschreiten,  das  ist  das  AVesen  des 
Heiligen,  wie  es  seit  der  Zeit  der  Propheten  verstanden  wurde,  s.  Hos  11  9 
Jes  6  und  vgl.  auch  Ps  5  5  f. 

Mit  niJ^J  «b,  dem  Schlüsse  von  v.  12%  und  12'*  ist  in  dem  Zusammenhang  von  v.  12* 
und  V.  13  nichts  anzufangen;  diesem  Gefühl  entstammt  wohl  die  jüdische  Tradition,  dass 
niöj  )^b  eine  der  achtzehn  Stellen  sei,  welche  „Tikkunim  (Emendationen)  der  Sopherim" 
genannt  werden.  Nach  derselben  soll  nämlich  n^iön  S^  die  ursprüngliche  Lesart  sein,  die 
geändert  worden  sei,  weil  man  an  einer  solchen  Aussage  über  Gott  Anstoss  nahm.  Wahr- 
scheinlich verhält  es  sich  aber  anders;  denn  rittn  ^h  passt  ebensowenig  in  den  Zusammen- 
hang und  schon  die  LXX  bezeugt  n^ittj  ^b.  Die  Schriftgelehrten  haben  nämlich  wohl 
nirsn  «^  lesen  wollen,  weil  sie  eben  niisj  ^h  hier  gar  nicht  verstanden  und  sich  in  n^ön  v^h 
wenigstens  eine  Parallele  zu  dem  als  Prädikat  von  v.  12*  gefassten  Dlj^ö  denken  konnten. 
Über  die  wirkliche  Meinung  dieses  Einschubs  s.  unten  nach  der  Erklärung  von  v.  11 
S.  341. 

13'',  die  fünfte  Strophe,  die  Folgerung  auf  das  unbegreifliche  Verhalten 
Jahwes  aus  der  Definition  seines  Wesens  in  v.  12*  la^  Waj'uni  siehst  du  denn 
%u ^  Wenn  die  Treulosen  treulos  sind,  Schwelgst,  wenn  der  Gottlose  ver- 
schlingt Den,  der  Im  Recht  Ist  gegen  Ihn,  Die  von  Wellh.  u.  a.  wegen  der 
Grammatik  und  des  Parallelismus  vermutete  Lesung  von  D'^lIilS  ^in^  für  D''i:iin 
kommt  auch  dem  Metrum  zu  gute;  vielleicht  ist  als  dritte  Hebung  der  ersten 
Zeile  noch  T\)7yi  einzusetzen.  "1512  steht  öfters  in  Parallele  zu  y^l,  vgl.  Jer  12  1 ; 
es  weist  so  wenig  wie  J^^'l  auf  einen  auswärtigen  Feind.  Es  handelt  sich,  wie 
überall  in  diesem  Psalm,  um  den  Gegensatz  von  Frommen  und  Gottlosen  im 
Innern.  An  ^^öö  ist  kein  Anstoss  zu  nehmen,  trotzdem  LXX  es  nicht  wieder- 
gibt; auch  ist  nicht  ein  Gradunterschied  ausgedrückt,  sodass  der  „Gottlose" 
doch  noch  in  einem  gewissen  Grade  gerecht  und  fromm  wäre,  sondern  ^^isp 
heisst  soviel  als:  Im  Gegensatz  zu  Ihm,  eigentlich:  weg  von  ihm. 

14-17  s.  unten  S.  341  f. 

2  1-4  die  göttliche  Antwort  auf  die  vom  Dichter  und  von  seinen  Ge- 


Hab  2  1  336  Hab  2  4 

sinimngsgenossen  (v.  2^)  gegen  Gott  erhobenen  Vorwürfe.  Wie  der  Fromme 
des  73.  Psalms  nicht  ruht,  bis  ihm  ein  ähnliclies  Rätsel  gelöst  wird  (vgl.  Ps 
73  17),  so  schaut  unser  Dichter  nach  einer  Offenbarung  aus  und  sie  wird  ihm 
w^ie  jenem  zu  teil.  Die  Ausdrücke  von  der  „Warte"  etc.  nötigen  nicht  dazu, 
etwas  anderes  als  eine  innere  Erleuchtung  unter  der  Offenbarung  zu  verstehen, 
vgl.  die  Parallele  aus  dem  Leben  des  Paulus  II  Kor  12  8  f.  1,  die  sechste 

Strophe:  Auf  meine  Warte  irill  ich  treten  Und  mich  stellen  auf  meinen  Turm 
Und  ausschauen  um  zu  sehen,  was  er  %u  mir  rede  Und  was  er  mir  antworte 
auf  meinen  Vorhalt!  "ll^D  muss  ein  Synonymon  von  W)?^p  sein,  ist  aber  un- 
sicher; Wellh.  vermutet  darin  eine  Ableitung  von  1?^,  Buhl  liest  dafür:  "i:jD, 
Burg,  und  Nowack:  HS^^,  Warte,  s.  Jes  21  8.  Auch  vermisst  man  ungern  das 
Suffix  der  1.  pers.  sing.  Zu  !1  12"^  vgl.  Hos  1  2  und  bes.  Sach  1  9  13  14  und 

für  l'^ti^tN  ist  notwendig  II*^^;  zu  lesen,  vgl.  Pesch.  Mit  rin5iri,  Vorhalt,  Vor- 

wu7f  kann  nur  die  Klage  1  2-4  12^  13,  nicht  etwa  die  Frage  1  17  gemeint  sein; 
der  Inhalt  beweist  somit  den  engen  Zusammenhang  von  1  2-4  12^  13  mit  2  1-4. 

2,  die  siebente  Strophe:  Da  antwortete  mir  Jahwe  und  sprach:  Schreibe  die 
Weissagung  auf  Und  %eichne  sie  deutlich  auf  Tafeln,  Dass  jeder  sie  geläufig 
lese.  ]1tn,  eigentlich:  Gesicht,  hat  ganz  die  Bedeutung  von  Weissagung,  Offen- 
barung, vgl.  in  den  Überschriften  z.  B.  Na  1  1 ;  darum  kann  man  eine  „Vision" 
schreiben,  wde  umgekehrt  auch  „ein  Wort  schauert'^,  s.  zu  1  1.  Die  Auf- 
zeichnung der  Weissagung  ist  notwendig,  weil  sie  ein  Wort  für  die  Zukunft 
enthält  v.  3,  w^ie  bei  Jes  8  1  30  8,  und  deutlich  soll  sie  erfolgen,  damit  sie  jeder- 
mann leicht  verständlich  sei,  vgl.  zu  *iiHt|  Dtn  27  8  und  zu  der  Sache  Dan  12  4. 

3,  die  achte  Strophe :  Denn  erst  für  eine  bestimmde  Frist  gilt  die  Weissagung, 
Aber  sie  drängt  dem  Ende  %u  und  trügt  nicht;  Wenn  sie  verzieht,  so  harre  auf 
sie,  Denn  sie  trifft  gewiss  ein  und  bleibt  nicht  aus,  TJ^ID  ist  die  von  Gott  be- 
stimmte Frist,  der  Zeitpunkt,  an  dem  die  Krisis  erfolgt,  vgl.  Dan  8  19;  inhalt- 
lich wird  dieser  Termin  näher  bestimmt  durch  ]>[;?,  d.  h.  er  ist  das  Ende  im 
eschatologischen  Sinn,  die  letzte  Krisis,  das  entscheidende  Gericlit,  vgl.  Dan 
8  17.  Für  n?\  viell.  geradezu  H'^pJ  zu  lesen  (vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §  72  dd), 
das  als  Hiph.  von  n^ö,  hauchen,  den  Sinn  von  inhiare,  nach  etwas  streben  (so 
Wellh.  u.  a.)  doch  wohl  haben  kann,  ist  nicht  mit  Buhl,  Nowack,  Ooet,  vr\^\ 
im  Sinne  des  dtjesajanischen  HD^  =  sprossen  (von  neuen  Dingen)  zu  setzen,  da 
die  Verbindung  „dem  Ende  zu  sprossen"  sich  wenig  empfiehlt;  dagegen  kann 
mit  OoRT  nach  dem  Parallelismus  und  nach  LXX  N^l  statt  ^b  ursprüng- 
lich sein, 

4,  das  abschliessende  Distichon:  die  Weissagung,  die  die  Tafelinschrift 
bilden  soll.  Leider  ist  der  erste  Stichos  in  unhaltbarem  Texte  überliefert; 
denn  auch  wenn  man  TiTBV  =  aufgeblasen,  geschivollen,  im  Sinne  von  stolz, 
vermessen,  fasst,  so  fehlt  der  notwendige  Gegensatz  zu  v.  4^  und  sieht  HIC^^  ^h 
fast  aus  wie  eine  blosse  Erklärung  dazu.  Die  alten  Übersetzungen  sind  ver- 
schieden: LXX  (lav  oTTOoTcLXYjTaO  und  Aquila  (ISoo  vwj^sXsuoixsvou)  scheinen 
für  nbsj^  eine  Ableitung  von  ^bj;,  verschmachtet  sein,  vorauszusetzen,  wie  auch 
einige  hebr.  Codd.  T\^^V  bieten.  Das  Targum  bringt  eine  Paraphrase,  stellt 
aber  mit  richtigem  Gefühl  «">;;>Lrn  «H  =  D'^^I^^'l  H^n  voran,  dem  auch  Pesch. 


Hab  2  4  337  Hab  1  5 

Ausdruck  giebt,  deren  Ji<ii.a  offenbar  auf  das  T]h)y[  gelesene  nb^y  zurückgeht. 
Eine  sichere  Konjektur  ist  noch  nicht  gelungen:  Kredenkamp  vermutete  'l'jij^n, 
aber  „der  Olmniächtige"  ist  kein  rechter  Gegensatz  zu  p"^^?.  Dasselbe  gilt, 
wenn  Houtsma  und  Ookt  'pDJ;  n^in  resp.  ^BJ(n  (=  b^V^^i  ^l^r  Aufgeblasene) 
lesen.  Dem  Sinne  entspricht  es  besser,  wenn  Wellh.  '^jyn,  der  Fre?:ler,  ver- 
mutet (vgl.  auch  Pesch.);  aber  die  Fortsetzung:  nlr/il  ist  (je.rade  seine  Seele  in 
ihm,  ist  zu  schwach.  Es  wird  darum  grösserer  Eingriffe  in  den  Text  bedürfen. 
Smit  «jflaubt  mit  der  Umstellung  durchzukommen:  U  Iti^D^  HD^j;  It^"'"«':'  n^n  = 
siehe  der  Ungerechte^  seine  Seele  wurde  ohnmächtig  in  ihm.  Aber  "itJ^J"«*? 
will  trotz  n^'Dn-«'?  Ps  43  i  nicht  einleuchten.  Da  nit^^"«^  nur  Glosse  zu  n'psj; 
scheint  und  die  ältesten  Übersetzungen  für  letzteres  ns'pV  vermuten  lassen,  so 
ist  unter  Beachtung  von  Targum  und  in  Rücksicht  auf  den  Gegensatz  zu  v.  4^^ 
vielleicht  zu  lesen:  'i  HD^V  yti^l  n-iH  =  Siehe  der  Gottlose,  seine  Seele  in  ihm 
ist  verschmachtet  d.  h.  er  ist  dem  Tode  verfallen.  Die  LXX  hat  mit  ihrem 
oux  süöoxsi  7j  '}t)5(Y]  [xoo  £v  ttUTO)  =  hobr.  in  *'^D5  '^'^^  "^  wohl  nur  geraten,  da 
auch  diese  Aussage  zu  lahm  klingt.  Im  Gegensatz  zu  der  Ankündigung 

des  Todes  des  Grottlosen  in  v.  4»  heisst  es  dann  gut  im  zweiten  Stichos:  Aber 
der  Gerechte  wird  durch  seinen  Glauben  leben.   Die  ni^DN  ist  die  unwandel- 

T  Vt 

bare  Treue,  das  unverrückbare  Vertrauen  auf  Gott,  mit  einem  Worte:  der 
Glauben,  dass  das  Festhalten  an  Gott  und  seinen  Willen  das  Heil  bedinge. 
Leben  hat  hier  den  prägnanten  Sinn  von  „verschont  werden  im  Gericht,  Ret- 
tung, Heil  erfahren"  und  die  Aussage  von  y.  4^  fasst  das  jesajanische  Wort 
Jes  7  9  zusammen,  vgl.  dazu  die  V'orbem.  zu  Am  5  4-6  14  15  S.  188.  Die  ganze 
Tafelinschrift  besagt:  Im  nahe  bevorstehenden  Gericht,  das  die  messianische 
Zeit  einleitet,  geht  der  Gottlose  zu  Grunde,  der  Gerechte  aber  bleibt  am 
Leben  und  schaut,  was  er  geglaubt  hat.  Es  ist  doch  keine  so  gleichgiltige 
Offenbarung,  wenn  man  bedenkt,  welche  Rätsel  dem  frommen  Juden  das  Un- 
glück des  Gerechten  aufgab.  Das  gleiche  Problem  hat  ja  so  oft  die  alttesta- 
mentlichen  Frommen  beschäftigt,  man  vgl.  Hi  Mal  3  14-21  Ps  73,  und  nicht 
nur  im  AT  haben  die  Leiden  und  die  Gottlosigkeit  der  Gegenwart  den  Glau- 
ben an  die  Nähe  des  jüngsten  Gerichtes  belebt,  vgl.  Mal  3  14-21,  das  Buch 
Dan,  ferner  im  NT  I  Joh  2  I8  (so^aTYj  oipa  saxiv)  und  auch  Luther.  Nur  Hiob 
hat  ohne  Eschatologie  das  Problem  bewältigt.  Zu  der  berühmten  Anwendung 
von  V.  4''  durch  Paulus  vgl.  Rm  1  17  Gal  3  11,  s.  auch  Hbr  10  38. 

2.  Die  Ankündigung  des  Erscheinens  der  Chaldäer  auf  dem  Schauplatz  der 

Geschichte  I  5-10  (ii  12^)  14-I6  (I7). 

Eine  Prophetie.  Die  Angeredeten,  denen  Jahwe  das  Erscheinen  der  Chaldäer  an- 
kündigt, sind  nach  der  richtigen,  von  LXX  bezeugten  Lesart  von  v.  5  (s.  unten)  die  D''i;i^, 
Treulosen,  Abgefallenen,  Das  geht  schwerlich  auf  die  Assyrer,  sondern  nur  auf  die  Volks- 
genossen des  Propheten,  die  Judäer,  die  besonders  auch  bei  Jeremia  so  Keissen,  vgl.  Jer 
3  20  5  11.  Damit  ist  die  Situation,  welche  die  Prophetie  voraussetzt,  mit  einem  Male 
klar.  Von  den  Assyrern  war  nichts  mehr  zu  fürchten,  ihr  Untergang  wohl  bereits  be- 
siegelt und  auch  der  Pharao  Necho  bei  Karkemisch  von  Nebukadnezar  (605  v.  Chr.)  ge- 
schlagen! Die  siegreichen  Chaldäer  kündigt  Jahwe  seinen  treulosen  Dienern  als  die  Voll- 
strecker der  Strafe  für  ihr  gottloses  Treiben  an;   die  Judäer  meinen  zwar,    ihr  Treiben 

Kurzer  HC  zum  AT   Xin  22 


-( / 


Hab  1  5  338  Hab  1  6 

ruhig  und  ungestört  fortsetzen  zu  können,  denn  Ninive  ist  gefallen  und  die  Macht  der 
Ägypter  gebrochen;  aber  Jahwe  führt  die  fernen  Chaldäer  herbei.  Die  Prophetie  fällt 
demnach  etwa  in  das  Jahr  605  v.  Chr. 

Der  Text  ist  nicht  ganz  intakt  überliefert.  In  v.  11  und  12^^  hat  er  eine  fremde 
Zuthat  erhalten,  die  dem  Gedanken  eine  andre  Wendung  zu  geben  sucht.  Ahnlichen 
Charakters  ist  auch  v.  17.  In  Bezug  auf  v.  16  kann  man  schwanken.  Siehe  über  alle  diese 
Verse,  sowie  über  kleinere  Beifügungen  die  Erklärung. 

Lässt  man  v.  16  ausser  Betracht,  so  besteht  der  ganze  Abschnitt  aus  sechs  Vier- 
zeilern. 

5,  die  erste  Strophe:  Seht  auf^  ihr  Treulosen,  und  schaut ,  Erstarrt  und 
starrt,  Denn  ein  Werk  wirke  ich  in  euren  Tagen,  Ihr  glaubtet  es  nicht,  würde 
es  euch  erzählt.  Für  das  wenig  sagende  D^^li?  '1  =  „seht  die  Völker  an!''  ist 
nach  LXX  und  Pesch.  mit  Oort,  Guthe  bei  Kautzsch  u.  a.  D'^HIin  "l  zu  lesen. 
Dass  Jahwe,  der  redet,  mit  den  Treulosen  nur  die  Judäer  meint,  versteht  sich 
fast  von  selbst;  übrigens  müsste  eine  Beziehung  auf  die  Assyrer  viel  deutlicher 
gegeben  sein,  vgl.  auch  Vorbem.  Ferner  lese  man  mit  Guthe  u.  a.  wie  Jes 
29  9  \T\1^T\\  ^nisrin,  das  1  ist  durch  Haplographie  vor  dem  zweiten  Verb  verloren 
gegangen,  kann  aber  vor  dem  ersten  entbehrt  werden;  an  dem  Hithp.  IHöriri 
ist  kein  Anstoss  zu  nehmen.  Endlich  kann  ^J^'2  nicht:  ich  wirke,  was 
nach  Y.  6  verlangt  werden  muss,  sondern  nur:  er  wirkt  bedeuten;  die  Bei- 
spiele für  das  Fehlen  einer  Subjektsbezeichnung  der  1.  und  2.  Person  bei  Ges.- 
Kautzsch27  §  116  s  sind  alle  fragwürdig.  Entweder  ist  nach  LXX  mit  Ooet 
''iS  vor  ^J^Ö  einzusetzen  oder  einfach  hiefür  ^J??iJ  zu  lesen.  Die  erste  Strophe 
setzt  kräftig  ein  mit  der  Aufforderung  an  die  Treulosen,  vor  Schrecken  zu  er- 
starren über  das  unglaubliche  Werk,  das  im  Thun  ist.  Wegen  der  Reminiscen- 
zen  an  Jes  5  12^  und  29  9  ist  v.  5  noch  lange  nicht  für  redaktionell  zu  halten. 

6,  die  zweite  Strophe,  beginnt  die  Darlegung  des  Werkes,  das  Jahwe 
thut:  es  ist  die  Herbeiführung  der  Chaldäer.   Denn  siehe,  ich  mache  aufstehn 
die  Chaldäer,  Das  grimmige  und  ungestüme  Volk,  Das  %ieht  in  die  Weiten  der 
Erde,  Um  Wohnungen  einzunehmen,  die  nicht  sein.   Die  Chaldäer,  die  von 
den  Babyloniern  verschieden  sind  und  am  persischen  Meerbusen  südlich  von 
Babel  sassen,  haben  ihre  grosse  Bedeutung  für  die  Geschichte  erlangt,  als  es 
endlich  Nabopolassar  um  625  gelang,  die  Herrschaft  in  Babylonien  an  sich  zu 
reissen  und  das  sog.  neubabylonische  oder  chaldäische  Reich  zu  gründen,  das 
unter  Nebukadnezar  (604—560)  den  Höhepunkt  seiner  Macht  erreichte;  vgl. 
Artikel  Chaldäa,  Chaldäer  in  Guthe's  KWB.   Für  die  Judäer  sind  die  Chal- 
däer ein  neu  aufkommendes  Volk,  dessen  Macht  sich  für  den  vorderen  Orient 
durch  die  Besiegung  der  Ägypter  ankündigte,  vgl.  Vorbemerkung  zu  1  5 ff. 
In  D^'p)?  ''i?n  liegt  vielleicht  eine  Reminiscenz  an  Am  6  14  vor;  1D  hat  den  Sinn 
von  ti^Di  *•'?  Jd^  1^  2^  ü  Sam  17  8  und  IHD^  den  von  ungestüm,  behende.       Die 
Operationen  der  Chaldäer  werden  sich  über  die  ganze  Erde  erstrecken  und 
die  Wohnstätten  anderer  Völker  werden  in  ihren  Besitz  übergehen.   1^"H^,  das 
2  6  wiederkehrt,  ist  hier  beigeordneter  Relativsatz  zu  nii3C^p,  vgl.  Prv  26  17 
und  s.  Ges.-Kautzsch27  §  155  e.  Cod.  Vat.  der  LXX  zeugt  genau  für 
unsern  Text;  trotzdem  hat  M.  Lauteeburg  in  der  abweichenden  Lesart  des 
Cod.  Alex,  eine  Stütze  für  seine  Auffassung  vom  Buche  Hab  (s.  Einleitung  III) 


Hab  1  6  339  Hab  1  9 

zu  finden  gemeint.  Der  Cod.  Alex,  soll  niünlich  mit  seinem  Texte:  loou  k';(]) 
ki&^eipif)  icp'  ujjLa;  too;  XaXoatoü;  toi>;  \irxy  r^zri^;  xo  £»ivo;  xxX.,  aus  dem  toi>;  XoiX- 
oatou«;  als  sekundär  auszuscheiden  sei,  für  folgende  hebräische  Vorlage  Zeug- 
nis ablegen:  '):)  Dnt^  DD^'p«  D'^pD  ^iin,  da  FiXX  D^fe;  als  mit  nn^  verwandt  an- 
gesehen und  daher  mit  \ioiyr^Ti:;,  wiedergegeben  habe.  Ferner  soll  nun  D^b^  als 
Vokativ  und  zwar  als  Anrede  der  babylonischen  Grossen  wie  »les  21  5  zu 
fassen  und  natürlich  demgemäss  unter  ''lüH  das  Perservolk  zu  verstehen  sein, 
sodass  also  Hab  Babel  mit  den  Persern  drohte.  Mit  Recht  hat  Nowack  gegen 
diese  Zurechtmachung  des  Textes  hervorgehoben,  dass  die  Ausscheidung  von 
D'^'lb^snTlS  an  keiner  Übersetzung  einen  Anhalt  habe  und  das  äusserst  frag- 
würdige D^'lto  durch  toü;  \ia-/r^i:ai^  sich  durchaus  nicht  stützen  lasse.  Die  Les- 
art des  Cod.  Alex.,  die  übrigens,  so  wie  sie  lautet,  richtig  den  Judäern  mit  den 
Chaldäern  droht,  kann  somit  weder  die  Perserhypothese  empfehlen,  noch  zum 
Bew^eis  für  die  Einheit  des  Buches  Hab  dienen. 

7  8^,  die  dritte  Strophe :  Schrecklich  und  furchtbar  ist  es^  Von  ihm  geht 
das  Gericht  aus,  Schneller  als  Pardel  sind  seine  Bosse  Lnd  schneidiger  als 
die  Wölfe  des  Abends  seine  Reiter.  Das  unverständliche  iriytto^i  betrachte  ich 
mit  Peiser  als  Glosse,  die  w^ahrscheinlich  zu  ^^'^^  2  6  gehört  und  dazu  als 
Variante  den  Singular  l»t^tJ^  markieren  sollte,  aber  als  in^ti^  verlesen  zu  1  7 
geriet.  Auch  das  Suffix  in  ItOöli^p  ist  zu  entfernen,  da  der  Sinn  weder  ist,  dass 
das  chaldäische  Volk  sein  Recht  von  sich  selber  und  nicht  von  Gott  habe, 
noch  dass  es  sein  Recht  den  Nationen  auferlege;  viel  einfacher  besagt  das 
Sätzchen,  dass  von  den  Chaldäern  Gericht  ausgeht,  die  Strafe  besonders  an 
den  Judäern  vollzogen  werden  soll.  Anderes  bedeutet  derselbe  Ausdruck  in 
V.  4.  8  Zu  der  Schilderung  der  Schnelligkeit  und  Ausdauer  im  Angriff 

vgl.  Jer  4  13.  Zu  den  am  Abend  nach  dem  beutelosen  Tage  heisshungrigen 
Wölfen  vgl.  Vergil  Georg.  3  264:  genus  acre  luporum.  ^ti^D^,  das  Mal  3  20 

vom  Springen  mutwilliger  Kälber  gebraucht  wird,  ist  ein  nicht  verbesserter 
Fehler  für  das  folgende  V^^S,  das  1  wurde  nachträglich  zugefügt,  um  Konstruk- 
tion zu  machen,  und  V^'IS  ist  das  Subj.  zu  ^ni,  so  auch  Wellh.  u.  a.  Das  zu 
Anfang  von  v.  8'^  stehende,  aber  in  LXX  fehlende  Vti^lD^  ist  schliesslich  eine 
spätere  Verbesserung  für  ^tS^D^,  aber  mit  diesem  zu  tilgen,  an  dem  einmaligen 
Vli^lD  ist  es  genug.  Falls  die  metrischen  Bedenken  von  Sievers  Recht  hätten, 
dürfte  man  doch  Vt^^lö  nicht  von  V^T\"\  trennen,  sondern  müsste  eher  annehmen, 
dass  nach  Jer  5  6  Zph  3  3  nij;  ''^S^ö  aus  ursprünglichem  D'^ns^p  entstanden  sei. 

8**  9^,  die  vierte  Strophe:  Von  fernher  kommen  sie  geflogen  Wie  ein 

Geier ^  der  eilt  zum  Frasse;  Sie  alle  kommen,  um  Gewalt  %u  üben, 

Zu  der  Vergleichung  mit  dem  Geier  vgl.  Jer  4  13  48  40  49  22  und  bes.  Hes 
17  1-10.  9*  Das  zweite  Sätzchen  ist  unverständlich,  namentlich  bleibt 

n?35tt  (gewöhnlich  als  Schlürfen  von  ^r^X  resp.  Streben,  erklärt)  unsicher,  s. 
Übersetzung  bei  Kautzsch.  Der  Text  ist  zw^eifellos  verdorben  und  bis  jetzt 
keine  annehmbare  Verbesserung  gefunden,  am  ehesten  könnte  nach  LXX  mit 
OoRT  etwas  wie  VöjJ  (resp.  D"^p^)  D'lplp  ÜiT^D  zu  lesen  sein,  das  sagen  sollte: 
Gegen  die,  die  sich  wider  sie  erheben,  gehen  sie  gerade  ins  Gesicht  vor,  sie 

gehen  von  vorn  auf  ihre  Widersacher  los.  9^  wird  mit  Recht  von  Peiser 

99* 


Hab  19  340  Hab  1  12 

als  Glosse  zu  2  5^  gefasst;  es  greift  der  Schilderung  weit  vor,  vgl.  v.  15  und 
auch  V.  10,  wo  erst  von  der  Einnahme  der  feindlichen  Städte  die  Rede  ist,  die 
der  massenhaften  Wegführung  der  Bewohner  vorangehen  müsste.  Jedenfalls 
wäre  auch  im  Zusammenhang  mit  v.  9^  ^DS^I,  nicht  '*],  zu  lesen. 

10,  die  fünfte  Strophe:  Und  selbst  der  Könige  spotten  sie  Und  Fürsten 
sind  ihnen  ein  Gelächter,  Sie  lachen  über  jedwede  Festung,  Schütten  Erde 
auf  und  nehmen  sie  ein.  Mit  der  Einführung  S^rri  wird  das  Subj.  hervorge- 
hoben: dieselben  sind's,  seil,  die  Chaldäer,  die  vor  keinem  König,  mag  er  noch 
so  mächtig,  vor  keiner  Festung,  mag  sie  noch  so  stark  sein,  in  Angst  geraten; 
nur  ein  Lachen  können  diese  dem  gewaltigen  und  seiner  unwiderstehlichen 
Kraft  bewussten  Volke  ablocken.  Die  D'^^p  vgl.  auch  Jes  40  23.  Zu  lesen 

ist  mit  BuDDE  u.  a.  "l^iJ^I  und  m^^'^V,  die  Lesung  mit  konsekutivem  ]  beruht  auf 
der  Auffassung,  dass  es  sich  um  längst  geschehene  Dinge  handle,  einer  Auf- 
fassung, die  durch  die  Imperfecta  von  v.  5-io  als  unrichtig  erwiesen  ist,  dagegen 
auch  von  v.  n  und  v.  12^  (s.  unten)  geteilt  wird.  Zu  dem  Aufschütten 

von  Dämmen  bei  der  Städtebelagerung  vgl.  zu  II  Sam  20  15.  *I^5P  ist  mascul. 
generis,  darum  wird  man  Ti'l^b)  (vgl.  Hos  8  3),  resp.  ni^b^  zu  lesen  haben. 

11  bildet  mit  v.  i2^Tb  einen  Einschub,  der  im  Gegensatz  zu  v.  5-10,  wo 
das  Werk  der  Chaldäer  erst  als  zukünftig  angekündigt  wird,  auf  dieses  Werk 
als  ein  an  Juda  bereits  vollzogenes  zurückblickt.  Das  zeigt  deutlich  dasPerfectum 
^hv}  V.  11,  und  der  ganze  Inhalt  spricht  auch  dafür;  denn  v.  11  und  12'^  handeln 
von  der  Überschreitung  des  von  Jahwe  erhaltenen  Auftrages  durch  die  Chal- 
däer: sie  gingen  eigenmächtig  vor  und  vollzogen  an  Juda  nicht  nur  Gericht 
und  Strafe,  sondern  haben  es  dem  Untergang  geweiht.  Es  ist  derselbe  Ge- 
danke, wie  er  im  Blick  auf  das  Thun  der  Assyrer  in  Jes  10  5-i5  wiederkehrt. 
Beide  Stellen  wollen  in  der  Übertretung  des  göttlichen  Befehls  die  Ursache 
nachweisen,  die  dem  Werkzeuge  Gottes,  den  Assyrern,  wie  den  Babyloniern, 
den  Untergang  brachte.  Wie  das  Perfect  ^^n,  so  passt  auch  die  Anrede  an 
Jahwe  in  v.  12^  nicht  in  den  Zusammenhang  der  von  Gott  gegebenen  Prophetie 
V.  5-10.  Zu  übersetzen  ist  y.  11:  Dann  änderten  sie  (seil,  die  Chaldäer) 

den  Sinn  und  übertraten  d.  h.  gingen  über  das  ihnen  gesteckte  Mass  hinaus, 
überschritten  den  Auftrag  Gottes,  und  machten  ihre  Kraft  %u  ihrem  Gott, 
Das  unhaltbare  ti^^\  und  er  verschuldete  sich,  ist  mit  Wellh.  in  Dti^M  zu  ver- 
bessern,  ferner  aber  ^t  zu  tilgen,  das  erst  nach  der  Verderbnis  von  Di^M  in  D^t^l 
in  den  Text  geraten  ist,  und  selbstverständlich  IH^^^^  zu  punktieren.  Zu  ^T\ 
mit  direktem  Obj.  ==  ändern  vgl.  Jes  24  5  und  zu  X\T\  ==  Sinii  vgl.  II  Reg  19  7 
Hag  1  14;  jedenfalls  ist  n-H  hier  nicht  im  Sinne  von  „Wind"  zu  nehmen  und 
noch  weniger  in  ni3  zu  emendieren,  dem  man  dann  ^Vi^_  statt  ^^H  nach  Jes 
40  31  vorausgehen  lassen  will,  =  „da  bekommt  er  neue  Kraft"  (so  Geätz  und 
NowACK,  der  sogar  noch  nach  Jes  40  3i  ID«!,  „und  Flügel"  statt  *i"::?!l  für  mög- 
lich hält).  Die  von  Budde  vorgeschlagene  Yerbesserung  in:  1b^;;"|  ni13  ^"^n^  tS 
Vn'?«^  inb  ^t  "l^tS^y  =  „dann  wird  verschwinden  wie  der  Wind  und  vorübergehen 
Assur,  das  seine  Kraft  zu  seinem  Gott  machte"  ist  gewaltsam  und  scheint  mir 
weder  dem  Zusammenhang  mit  v.  5-10  noch  der  Verbindung  mit  dem  Folgen- 
den zu  Gute  zu  kommen;  sie  trägt,  wie  mir  vorkommt,  mehr  der  Hypothese, 


Hab  1  12  341  Hab  1  16 

dass  die  Worte  v.  5-io  sich  gegen  die  Assyrer  richten,  als  dem  AVortlaut  des 
Textes  (vgl.  bes.  auch  v.  12'')  Rechnung.  Zu  12*  s.  o.  nach  1  4.  T\->ü^  t<b 

(s.  auch  dort  zu  v.  12^)  ist  eine  erklärende  (ilosse  zu  v.  12^  die  den  dort  zu 
Grunde  liegenden  Gedanken,  dass  Gott  nicht  den  Tod  der  Judäer  wollte  und 
eigentlich  niemals  will,  deutlich  hervorhebt.  12^'  weist  mit  seinen  Suffixen 

1  sicher  über  v.  12»  hinweg  auf  v.  11  als  ihm  unmittelbar  vorangehend  zurück: 
Jahwe,  du  hast  sie,  von  denen  v.  11  die  Rede  war,  die  Chaldäer,  zum  Gericht 
bestimmt  und  Fels,  du  hast  sie  ^um  Strafen  bestellt.  ^Xi,  =  Fels,  ist  in 
Parallele  mit  XV\T\\  als  Vokativ  und  Bezeichnung  Gottes  zu  verstehen,  vgh  zu 
diesem  Gebrauche  von  1^^  Dtn  32  4  I8  und  s.  Jes  17  10;  nD^  ist  =  anordnen, 
bestellen,  wie  Est  1  8.  Mit  tos^'p'?  =  „zur  Vollstreckung  des  Gerichts"  sieht 
der  Autor  des  Einschubs  auf  tODC^D  v.  8  zurück;  um  die  Judäer  zu  strafen  und 
zu  züchtigen  waren  die  Chaldäer  bestellt,  nicht,  wie  sie  gethan  haben,  sie  zu 
knechten  und  wegzuführen. 

13  s.  0.  nach  y.  12^  S.  335. 

14  15,  die  sechste  Strophe,  setzt  die  Schilderung  dessen,  was  die  Chal- 
däer thun  werden,  fort,  ist  also  Fortsetzung  von  v.  10.  Der  vermeintliche  Zu- 
sammenhang mit  Y.  13  hat  erst  dazu  geführt  Hi^J^ril  statt  nb^?M  zu  lesen;  das 
letztere  ist  wiederherzustellen.  Denn  als  Anrede  an  Jahwe  wäre  v.  14  sehr  un- 
passend, zudem  hängt  der  Vers  mit  v.  15  zusammen,  wo  richtig  die  3.  Pers. 
erscheint.  Und  sie  machen  die  Menschen  wie  die  Fische  des  Meeres^  Wie  das 
Gewürm,  das  keinen  Herrscher  hat  (vgl.  Prv  6  7  30  27).  Nicht  auf  die  gewalt- 
thätige  Behandlung  der  Menschheit  durch  die  Chaldäer,  sondern  auf  die 
Unordnung,  die  sie  durch  den  Sturz  der  Trone  und  die  Einnahme  der  Festun- 
gen auf  Erden  hervorrufen,  soll  hier  hingewiesen  werden.  Alles  geht  aus  Rand 
und  Band  und  macht  den  Eindruck  eines  grossartigen  Durcheinander,  wie  das 
Gewimmel  der  Fische  im  Meer;  von  einem  Zusammenhalten  und  Widerstand- 
leisten ist  keine  Rede,  gerade  wie  es  sich  die  Überlieferung  von  der  königs- 
losen Zeit  dachte  Jdc  18  1  19  1.  Im  Trüben  ist  gut  fischen  und  so  machen 
in  diesem  Gewimmel  die  Chaldäer  reiche  Beute,  indem  sie  alles  in  ihr  Garn 
ziehen  15^:  Alle  ziehen  sie  in  Ihr  Garn  Und  fangen  sie  ein  In  Ihr  Netz.  n^3, 
seil,  die  ganze  Menschheit^  wird  durch  die  Wiederaufnahme  in  den  Suffixen 
von  ^nir  und  ^HDDSM  als  Obj.  bestimmt.  ^^^J}  '"^ins,  =  „mit  der  Angel  zog 
er  empor'',  ist  Glosse,  wie  das  Perf.  beweist  und  die  Korrespondenz  von  D")n 
und  ri'lDDö  in  V.  15  und  y.  16  zeigt;  auch  dürfte  den  Chaldäern  das  Angeln  zu 
lange  gedauert  haben.  Zu  der  Punktation  ^^^^  statt  ThVT\  s.  Ges.-Kautzsch^t 
§  63  p.  15^  halte  ich  mit  Peiser  für  Glosse  zu  v.  16,  die  in  LXX  noch 
durch  Beifügung  von  yj  xapSia  aixou  vollständiger  lautet.  Die  beiden  ]?"'?J^  ver- 
tragen sich  nicht  nach  einander,  beide  knüpfen  an  demselben  Punkte  an,  da- 
her muss  das  eine  Sätzchen  (und  zwar  ohne  Fragen  das  erste  v.  15*^)  sekun- 
där sein. 

16  Darum  opfern  sie  ihrem  Garn  Und  räuchern  sie  Ihrem  Netz;  Denn 
durch  sie  wird  reich  Ihr  Anteil  Und  ihre  Speise  fett.  Garn  und  Netz  sind  in 
diesem  Bilde  der  als  Fischer  dargestellten  Chaldäer  die  Waffen;  dass  die 
Chaldäer  diesen  geopfert  haben,  ist  nicht  bekannt.  Dagegen  berichtet  Herodot 


Hab  116  342  Hab  2  5 

IV,  62  von  den  Skytlien,  dass  sie  jährlich  dem  Schwert  ein  Opfer  von  Schafen 
und  Pferden  dargebracht  hätten.  Vielleicht  ist  daher  „ein  Zug  aus  dem  Bilde 
der  Skythen  auf  die  Chaldäer  übertragen"  (Wellh.).  Allerdings  ist  es  nicht 
recht  verständlich,  warum  in  der  Schilderung  von  der  künftigen  Welteroberung 
der  Chaldäer  diese  Notiz  erscheint;  die  Bedenken,  die  Kothstein  gegen  die 
Zugehörigkeit  von  v.  16  zu  v.  uf.  äussert,  sind  darum  berechtigt  und  v.  16  ist 
wohl  eine  spätere  Zuthat,  die  in  die  Kategorie  der  Beifügung  von  2  isf.  gehört 
und  nachträglich  in  der  Glosse  v.  15*^  noch  eine  Erklärung  bekommen  hat. 
Für  ^^51S  wird  mit  NowACK  «l^l  zu  lesen  sein,  da  b'Dt^^  masc.  een.  ist;  das 
überschüssige  H  ist  falsche  Dittographie  des  folgenden  Buchstaben.  • 

17  ist  in  der  ersten  Hälfte  ganz  verdorben  überliefert.  Sicher  ist  mit 
GriESEBRECHT  u.  a.  Din  für  1)Din  ZU  lescu,  da  die  Verbindung  von  p^ilH  mit  Ü^r\ 
unverständlich,  mit  nin  aber  sehr  gebräuchlich  ist  vd.  z.  B.  Ex  15  9  Hes  5  2  12 
und  sich  die  Verschreibung  nach  dem  zweimaligen  Din  in  v.  lof.  leicht  erklärt. 
GrUTHE  bei  Kautzsch  entfernt  nun  weiter  das  H  zu  Anfang,  das  auch  in  LXX 
fehlt,  und  das  ]  vor  Tpri,  sodass  das  Ganze  ein  einziger  Satz  mit  nochmaliger 
Einleitung  von  ]?"^JJ  wird.  Aber  die  so  gewonnene  Aussage  über  ein  bestän- 
diges schonungsloses  Hinmorden  der  Völker  durch  die  Chaldäer  ist  sehr  un- 
wahrscheinlich, zumal  das  ]5"^j;  keine  gute  Beziehung  auf  das  Vorangehende 
hat.  Besser  verstände  man  es,  wenn  eine  Frage  vorläge,  ob  dieses  Treiben 
immer  dauern  soll.  Diese  gewinnt  man  mit  der  Emendation  von  ]3"^3;n  in 
nbyn  (so  GiESEBRECHT,  Wellh.  u.  a.)  und  von  yirh  in  Ilhn;;  (so  Wellh.,  der 
eventuell  dafür  Änderung  von  bbri^  in  ^"^n;;  vorschlägt):  Sollen  sie  ewig  ihr 
Schwert  %ücken  und  beständig  die  Völker  ohne  Erbarmen  vernichten?  D^j;n 
ist  leicht  nach  den  Anfängen  von  y.  i5^  i6  in  ]?"^J?n  verschrieben  worden.  Die 
Frage  von  v.  17  steht  aber  nicht  in  engem  Zusammenhang  mit  der  Schilderung 
der  zur  Strafe  angekündigten  Chaldäer,  sondern  steht  auf  der  Linie  des  Zu- 
satzes von  V.  11  12'^  und  sieht  wie  dieser  bereits  auf  die  Thaten  der  Chaldäer 
zurück,  gehört  also  ebenfalls  der  den  ursprünglichen  Sinn  umbiegenden  Über- 
arbeitung an  (vgl.  zu  11  12'^). 

3.  Eine  Reihe  von  Weherufen  gegen  die  Gottlosen  2  5-20. 

Von  den  beiden  in  1  2 — 2  4  vorliegenden  Stücken  hat  der  Psalm  in  2  4  einen  guten 
Abschluss  gefunden;  denn  mit  dem  Distichon:  Siehe  der  Gottlose,  seine  Seele  in  ihm  ist 
verschmachtet,  Aber  der  Gerechte  tvird  durch  seinen  Glauben  leben!  ist  dem  Dichter  auf 
seine  Klage  durchaus  genügende  Antwort  geworden.  Anders  verhält  es  sich  mit  der  Pro- 
phetie  von  dem  Erscheinen  der  Chaldäer  1  5-10  14  15.  Es  kann  die  Ankündigung,  dass 
die  Chaldäer  in  der  von  ihnen  herbeigeführten  Auflösung  aller  geordneten  Verhältnisse 
alles  in  ihr  Garn  ziehen,  die  Prophetie  abschliessen;  denn  die  treulosen  Judäer  konnten 
sich  daraus  selber  entnehmen,  welches  Schicksal  ihnen  von  dem  von  ferne  daherfliegenden 
unüberwindlichen  Volke  bevorstehe.  Aber  immerhin  Hesse  sich  denken,  dass  mit  einigen 
Worten  den  Angeredeten  (D^l^ä  1  5)  dieses  Geschick  noch  verdeutlicht  werde,  und  gerade 
die  Form  der  Weherufe  wäre  zu  diesem  Zwecke  nicht  unpassend  zu  finden.  Es  ist  darum 
auch  besonders  von  Kothstein  die  These  verfochten  worden,  dass  wirklich  in  2  off.  die 
genuine  Fortsetzung  der  Prophetie  vorliege  und  dass  die  Weherufe  von  Cap.  2  mindestens 
zum  Teil  sich  an  die  Judäer  resp.  an  Jojakim  richten,  nämlich  2  6^  7  9  10^  lO^ß  11  und 
vielleicht  noch  2l5  16  19  18.    Nun  ist  aber  der  Wortlaut  dieser  Verse  der  Annahme  von 


Hab  2  5  *  343  Hab  2  6 

Rotiis lEiN  deshalb  nicht  günstig,  weil  die  ersten  Weherufe  in  der  Hauptsache  nur  das 
eine  Thema  von  der  Habgier  und  dem  Krwerb  fremden  Eigentums  variieren,  ein  Thema, 
das  ja  wohl  auf  das  Treib(;n  der  .Judiier  passt,  aber  neben  dem  man  doch  die  liestrafung 
noch  anderer  Sünden  erwarten  müsste.  Dann  aber  ist  das  gerade  ein  Thema,  das  man  in 
Bezug  auf  ein  Eroberervolk  sehr  angemessen  finden  wird.  INIan  wird  darum,  da  ohnehin 
die  Abgrenzung  dcT  die  ursprüngliche  Fortsetzung  der  Prophetie  bildenden  Verse  grosse 
Schwierigkeiten  bereitet,  diese  These  Rotustein's  fallen  lassen  müssen  und  als  Objekt  der 
Weberufe  andre  als  die  Judäer  zu  verstehen  haben. 

Denkt  man  sich  als  die  Angeredeten  mit  Büdde  die  Assyrer,  so  lässt  sich  natürlich 
2  5  ff.  ebenfalls  als  Fortsetzung  der  Prophetie  in  Cap.  1  festhalten  und  man  wird  dann 
gleich  auch  in  den  ü^'l^'2,  von  1  5  die  Assyrer  sehen.  Nur  wird  man  dabei  nicht  so  recht 
verstehen,  wie  die  Chaldäer  den  Assyrern  als  die  in  die  weite  Welt  ziehenden  (1  6)  und 
und  von  Ferne  daher  geliogenen  (1  8)  Feinde  bezeichnet  werden  sollten  oder  wie  den 
Assyrern  2  7  gedroht  werden  soll,  dass  die  Feinde  erst  noch  aufwachen  müssen,  nachdem 
sie  doch  nach  1  6  bereits  auf  die  Beine  gestellt  sind.  Endlich  vermisst  man  ungern,  wenn 
eine  Prophetie  gegen  ein  fremdes  Volk  sich  richten  soll,  irgend  eine  namentliche  Nennung 
desselben,  also  hier  der  Assyrer  (zu  der  Konjektur  "i^ts^«  für  üV^if  in  1  11  s.  die  Auslegung), 
die  doch  bei  Na  auch  nicht  fehlt.  So  dürfte  dieser  Weg  Budde's,  der  mir  zudem  zu  weit 
von  den  Judäern  und  ihren  nächsten  Interessen  abzuführen  scheint,  nicht  empfehlens- 
wert sein. 

Übrig  bleibt  nur  die  Beziehung  der  Weherufe  auf  die  Chaldäer.  Damit  ist  aber 
für  mich  auch  gegeben,  dass  2  5  ff.  nicht  in  ursprünglichem  Zusammenhang  mit  der  Pro- 
pheiie,  die  den  Judäern  die  Chaldäer  als  Zuchtrute  Gottes  ankündigt,  stehen  kann,  son- 
dern ein  Anhang  ist,  der  sich  auf  gleicher  Höhe  bev/egt,  wie  die  umdeutenden  Verse  1  11 
12^^  17,  die  auf  die  Wehe  vorbereiten.  Die  Weherufe  gegen  die  Chaldäer  2  5-19  (v.  20 
dient  der  Überleitung  auf  Cap.  3)  stammen  daher,  wie  1  11  12''  17,  aus  der  Zeit,  da  das 
Ende  des  neubabylonischen  Reiches  herannahte,  unter  dessen  Drucke  die  Juden  seufzten, 
und  sind  nach  Inhalt  und  Zeit  Parallelen  zu  Jes  13 f.  21  1-15.  Dass  den  Weherufen  2  5-19 
die  Originalität  der  genannten  Stücke  aus  dem  Jesajabuche  abgeht,  versteht  sich  leicht, 
da  sie  von  Anfang  an  zum  Anhang  einer  anders  lautenden  Prophetie  bestimmt  waren. 
Intakt  ist  der  Text  dieses  Anhangs  nicht  geblieben,  er  hat  am  Anfang  bei  der  Einordnung 
in  den  durch  Verstellung  der  Psalm-  und  der  Orakelstücke  verdorbenen  Zusammenhang 
gelitten  und  ist  von  erklärenden  Glossen  nicht  verschont  geblieben,  vgl.  die  Exegese. 

5^^*,  das  erste  Wehe,  ein  Vierzeiler :  Wehe  dem  Hochmütigen  und  Treu- 
losen, Dem  stohen  Mann,  der  nie  genug  hat,  Der  wie  Scheol  seinen  Rachen 
weit  aufsperrt  Und  gleichwie  der  Tod  unersättlich  ist.  Der  Anfang  der  Über- 
setzung des  äusserst  unzuverlässigen  Textes  beruht  auf  der  Vermutung,  dass 
LXX  noch  eine  bessere  Vorlage  besass  und  dass  nach  ihrem  Anfang  6  5s 
xaxoiojxsvoc  xal  xaxacppovYjTy;?  etwa  gelesen  werden  dürfte:  "15^^  ]\T[  ""in;  dabei  ist 
mit  Wellh.  nach  Analogie  der  folgenden  Weherufe  ''in  als  Anfang  angenom- 
men und  mit  Ooet  jjn  statt  ]^^n  als  eine  Ableitung  von  ]in  (vgl.  Dtn  1  4i :  U^'^rl1) 
für  möglich  gehalten;  p"l  wäre  demnach  zusammengeflossen  aus]5n  MH,  während 
LXX  noch  \\1^T[  gelesen  haben  mochte.  Den  „Wein"  p.Jin  kann  man  hier  in 
keiner  Weise  brauchen;  ebenso  wenig  lässt  sich  ""^^  ^i??'j  verstehen,  weder  zu 
Beginn  der  Weherufe  noch  irgend  im  Anschluss  an  das  Vorangehende,  vgl. 
die  Bemerkung  und  textkrit.  Anmerkung  bei  Kautzsch.  y'T\\  findet  sich 

noch  Prv  21  24  und  ist  in  seiner  Bedeutung  übermütig  wohl  durch  das  aram. 
S^m^^';,  Übermut^  und  Itpe.  von  in*;,  sich  brüsten,  sichergestellt.  Fraglicher  ist 
TV\y,  das  man  gewöhnlich  mit  HIJ,  Wohnung,  kombiniert  und  =  wohnen,  bleiben, 
fasst,  was  jedoch  keinen  verständlichen  Sinn  gibt;  LXX  übersetzt  irepaviQ  = 


Hab  2  6  344  *  Hab  2  7 

ztirn  Ziele  kommen^  was  besser  passt,  und  Wellh.  vermutet  HIT  =  sali  werden^ 
wonach  er  auch  den  Sinn  für  yT\\  oder  das  dafür  einzusetzende  Wort  bestimmt, 
so  dass  er  übersetzen  kann:  „er  giert  und  wird  nicht  satt".  Mit  *155  ist 

der  Chaldäer  apostrophiert,  natürhch  ist  an  den  Chaldäerkönig  gedacht,  der 
die  Art  seines  Volkes  normiert  und  den  als  dessen  Führer  die  Schuld  vor 
allem  trifft.  Der  Übermut  der  Chaldäer  ist  schon  1  ii  12'^  hervorgehoben;  gut 
knüpft  also  der  Anhang  2  5 ff.  an  diese  Vorbereitung  an.  Die  Unersättlichkeit 
schildern  weiter  die  zwei  folgenden  Stichen,  in  denen  Nowack  ganz  mit  Un- 
recht das  durch  den  Parallelismus  geschützte  ni?25  ^^^m  tilgt.  Zu  der  Uner- 
sättlichkeit Scheols  vgl.  Jes  5  u  (H^'d:  h"^^^  nn^mn),  ferner  Prv  27-20  30  I6. 
Die  in  5^^  folgende  Erklärung  zu  der  Vergleichung  des  Chaldäers  mit  Scheol 
ist  an  sich  überflüssig  und  geht  zudem  über  V?^"!  ^^1  zurück,  das  dabei  unbe- 
rücksichtigt bleibt;  daher  ist  in  v.  5^P  eine  Glosse  zu  sehen  und  dies  umsomehr, 
als  6^  damit  zusammenhängt,  in  dem  eine  unpassende  Einführung  von  v.  6^ 
vorliegt,  die  aus  dem  zweiten  Weheruf  ein  Spottlied  der  Völker  machen  will. 
Ahnliche  Einfügungen  dieser  Art  s.  Mch  2  4  Jes  14  4;  die  Späteren  freuten 
sich  den  Heiden  den  Spott  zurückzugeben,  den  die  Juden  so  viefach  erfahren 
mussten.  H^'^^D  und  HTH  sind  Synonyma  von  ^^D,  nur  dass  sie  den  Nebenbegriff 
des  Rätselhaften,  das  in  versteckten  Andeutungen  liegt,  damit  verbinden,  vgl. 
Prv  1  6;  übrigens  sind  die  Ausdrücke  hier  merkwürdig  gehäuft,  vgl.  bes.:  und 
ein  Spotllied  mit  Rälseln  auf  ihn^  und  fehlt  es  im  Grunde  im  folgenden  Wehe- 
ruf an  geheimnisvollen  Anspielungen,  die  schwerlich  darin  zu  finden  sind,  dass 
1^"N^  auch:  „nicht  für  sich"  bedeuten  könne  (so  Nowack). 

6^  7%  der  zweite  Weheruf,  ebenfalls  ein  Vierzeiler,  der  die  Eroberungen 
der  Chaldäer  als  Erwerbung  fremden  Gufes  tadelt,  während  die  Prophetie 
1  5ff.  darin  nichts  böses  (vgl.  1  6),  sondern  die  Erfüllung  des  göttlichen  Auf- 
trages erblickte.  Wehe  dem,  der  anhäuft,  was  ihm  nicht  gehört,  Und  schwere 
Schuldenlast  auf  sich  ladet!  Plötzlich  werden  deine  Gläubiger  sich  erheben 
Und  deine  Dräng  er  aufwachen.  Für  nr?«^1  ist  nD^^^"|  zu  lesen,  aber  auch  so  ge- 
hört es  noch  zu  der  sekundären  Einführung  v.  6^  Späteren  Ursprungs  ist 
gleichfalls  die  in  den  W  ehe  ruf  nicht  passende  Frage  '^Hönj;  (so  auch  Wellh., 
Nowack),  die  viel  eher  mit  der  Klage  des  Psalms  1  2-4  12^  13  2  1-4  harmoniert 
und  daher  von  dem  beigefügt  ist,  welcher  diesen  Psalm  mit  der  Prophetie 
Hab's  verband.  tO^'pDJ^  kommt  im  AT  nur  hier  vor  und  ist  in  seiner  Be- 

deutung unsicher;  man  vergleicht  toin?,  Pfand,  Dtn  24  10-12,  so  wie  das  davon 
wohl  denominierte  Verbum  toi^y  imHebr.  und  Aramäischen,  übersetzt:  Pfand- 
last  und  versteht  das  Sätzchen  dann  so,  dass  Pfänder  für  die  Schulden  der 
Chaldäer  bei  den  Völkern  in  schwerer  Menge  aufgehäuft  seien.  7*  ^\>T\ 

leitet  wie  v.  13  (s.  dort)  die  Ausführung  resp.  Begründung  des  Weherufs  ein. 
'M\  Vns,  plötzlich  werden  alle  Gläubiger  aufstehen  und  mit  Zins  und  Zinses- 
zins und  eifrigem  Drängen  von  den  Chaldäern  die  Schulden  einfordern.  'JJl^J, 
eigentlich  beissen,  hat  als  Denominativ  von  "TJti^i,  Biss,  Zins,  den  Sinn  von 
Tiinsen  nehmen,  also  ist  "^t^^i  =  Gläubiger,  ^^"^\y}!^,  part.  Pilp.  von  '^y\,  zittern, 
bedeutet:  in  Zittern,  in  Unruhe  versetzen,  es  ist  parallel  zu  ^**5^i  =  deine 
Peiniger,  Dränger,  die  dir  keine  Buhe  lassen  und  die  Schulden  einfordern. 


Hab  2  7  345  Hab  2  13 

7^8  sind  wieder  wie  v.  5'»^  6^  nur  als  erklärende  Glosse  zu  vei-stehen;  denn 
V.  7^  giebt  nur  die  Erklilrun^]^  für  das  Bild  und  y.  8''  begründet  diese  Erklärung, 
aber  in  einer  Weise,  die  das  Wehe  vergisst:  Im  Weheruf  sind  es  die  von  den 
Chaldäern  Ge})lagten,  die  Vergeltung  üben,  in  v.  8''  sind  es  die  übrigen  Völker. 
Zu  der  Redensart  niD^'ö'?  n\'l  vgl.  Zph  1  13  der  30  16  II  Reg  21  u  und  zu  der 
Intensivbedeutung  des  Plurals  niD^O  s.  Giä-Kalttzscii'-^^  g  124  e.  iJie 

zweite  Begründung  v.  s'*  schliesst  sich  grammatisch  nirgends  gut  an,  so  wenig 
wie  V.  17,  und  ist  auch  sachlich  an  beiden  Orten  unnötig;  sie  ist  die  Bemerkung 
eines  Spätem,  der  recht  stark  den  Frevel  hervorheben  wollte,  den  die  Chal- 
däer  an  der  Erde  verübt,  bei  der  „Stadt  und  ihren  Bewohnern"  ist  wohl  an 
Jerusalem  gedacht.  Vgl.  zu  der  Beurteilung  der  Chaldäer  durch  die  Späteren 
auch  Jer  50  23  51  7  25. 

9—11,  der  dritte  Weheruf  über  den  Chaldäer,  der  seinen  Raub  in  gewal- 
tigen Bauten  in  seiner  Residenz  zu  sichern  sucht,  aber  dadurch  nur  Schande 
und  Schuld  auf  sich  ladet  und  Verderben  über  sich  bringt.   Zwei  Vierzeiler. 

9  Wehe  dem,  der  unredlichen  Gewinn  macht, in  sein  Haus,  Um 

sein  Nest  in  der  Höhe  zu  bauen,  Um  geborgen  zu  sein  vor  der  Hand  des  Un- 
glücks. Da  sonst  überall  y?5  J^?^  ohne  yi  schon  bedeutet:  unredlichen  Gewinn 
machen  (vgl.  Jer  6  13  8  lo  Hes  22  27  Prv  1  19  15  27),  so  wird  in'^n^  j;n  der  Rest 
des  zweiten  Stichos  sein,  der  vielleicht  gelautet  hat:  in**^'?  DDn  1^1t<1  =  Und  Un- 
recht  in  sein  Haus  häufte  vgl.  Am  3  10.  Die  beiden  letzten  Stichen  sind 

einander  parallel  und  besagen:  um  vor  jedem  kommenden  Unglück  sicher  zu 
sein;  zu  lÜp  DnD?i  D''^  s.  Ob  v.  4  Jer  49  I6  Num  24  21.  10  11  Du  hast 

Schande  deinem  Haus  beschlossen,  Schuld  deiner  Seele  bestimmt.  Denn  der 
Stein  in  der  Mauer  erhebt  Klage  Und  der  Sparren  im  Holzwerk  stimmt  ihm 
bei.  Mit  D^'ini  D'^öy  ist  im  Zusammenhang  nichts  anzufangen,  die  Worte  er- 
innern an  die  Zusätze  v.  5''  6^  und  8  und  sind  dem  Kontexte  fremd.  Die  übrig 
bleibenden  Worte  können  vielleicht  als  Parallele  zu  v,  10*  gelesen  werden: 
?It^*D5^  ^<^n  ni^j?,  =  du  hast  Schuld  für  deine  Seele  abgeschnitten^  oder  noch 
besser:  H'^^JJ,  =  du  hast  bestimmt,  entschieden^  von  einem  Verbum  H^JJ  =  arab. 
^^-^^  von  dem  j^'^Jj,  Richter^  abgeleitet  ist.  11  Das  Material,  Stein  und 

Holz,  mit  dem  der  Chaldäer  seine  stolzen  Paläste  (v.  9)  baute,  schreit  und  klagt 
über  die  Bedrückung  und  Gewaltthaten,  durch  welche  es  beschafft  wurde,  vgl. 
Mch  2  2.  Dem  Kontext  entspricht  die  Bedeutung  Sparren,  Balken^  für 

D'^ps  sehr  wohl;  doch  ist  die  alte  Überlieferung  nicht  einstimmig  und  im  Misch- 
nischen bezeichnet  D^'M  den  „Baustein",  vgl.  GtES.-Buhl  und  ZATW  1882,  71  f. 
^55?-?  wörtlich:  giebt  ihm  (dem  Steine)  Antwort^  hat  den  Sinn:  stimmt  ihm  bei^ 
ist  ihm  Zeuge,  wiederholt  seine  Klage  über  die  Ungerechtigkeit.  Zu  pjjjn 
vgl.  1  2. 

12—14,  der  vierte  Weheruf:  die  Stadt,  die  der  Chaldäer  niit  Blut  baut, 
soll  in  Feuer  aufgehen.  Ein  sekundäres  Element  bilden  y.  13^  (von  Hiin  an) 
und  V.  14,  die  zusammenzunehmen  sind,  s.  die  Erklärung;  was  übrig  bleibt,  ist 
das  Tetrastich  12  13'^  (  +  «1^0  aus  v.  13^):  Wehe  dem,  der  die  Stadt  mit 

Blut  baut  Und  die  Burg  mit  Frevel  herstellt!  Fürwahr  die  Volker  arbeiten 
für  das  Feuer  Und  die  Nationen  mühen  sich  ab  für  nichts  l   Dem  Autor  sind 


Hab  2  13  34G  Hab  2  15 

bei  V.  12  offenbar  Mch  3  lo  und  Jer  22  13  im  Sinn;  dass  dem  Chaldäer  gilt, 
was  diese  Stellen  den  Jerusalemern  drohen,  konnte  ihm  nicht  zweifelhaft  sein. 
Das  Perfekt  ]?13  setzt  in  der  üblichen  Weise  vorangehendes  Partizip  fort,  s. 
Jes  5  8  und  Ges.-Kautzsch27  §  116  x.  13  Zu  «l'pn  s.  v.  7.  Vor  IV^^*^ 

ist  1  zu  entfernen,  das  erst  infolge  des  Einschubs  von  '1)11  Hin  entstanden  ist. 
Der  ganze  Halbvers  ist  Jer  51  58  aus  unserer  Stelle  wiederholt.  Der  Schein 
des  umgekehrten  Verhältnisses  wird  nur  durch  die  an  falsche  Stelle  geratenen 
Worte  V.  13^  (von  Ti^ri  an)  hervorgerufen,  die  vielmehr  vor  y.  14  gehören,  mit 
dem  zusammen  sie  eine  Randbemerkung  bildeten.  Dass  dem  so  ist,  zeigt  die 
ganz  ungewöhnliche  Verbindung  H^H  ^^1S■l,  der  LXX,  Pesch.,  Vulg.  durch  die 
Lesung  H^H  nur  zur  Not  abhelfen,  da  ja  zur  Beziehung  auf  das  Folgende  T]h^ 
nötig  wäre.  Nehmen  wir  die  Worte  iJ  "^  'ü  HiH  heraus,  so  hat  der  Weheruf 
einen  vortrefflichen  Abschluss  in  y.  13^^  und  14  bekommt  in  ihnen  eine  gute 
Einleitung:  Siehe  es  stammt  von  Jahwe  der  Heere  (das  Wort):  denn  etc.  Der 
Glossator  setzte  diese  Worte  zur  Begründung  des  Untergangs  Babels  an  den 
Pand:  Babel  geht  unter,  denn  die  Herrlichkeit  Gottes  soll  auf  Erden  erkannt 
werden.  Die  Worte  sind  Jes  11  9  entnommen,  doch  nicht  genau,  vielleicht  hat 
die  Erinnerung  an  Jes  6  3  zur  Erklärung  von  njn^"n«  HJJ^  in  Hin^  "11j?"njS!  nyib 
mitgewirkt,  übrigens  zeigt  sich  den  Spätem  die  Herrlichkeit  Jahwes  besonders 
in  dem  Gericht  über  die  Feinde  Israels  (vgl.  die  Darstellung  des  PC  vom  Aus- 
zug aus  Ägypten).  Für  das  Kai  HiJ^D  in  Jes  steht  hier  das  Niph.  Imperf.  und 
für  die  Participialkonstruktion  in  Jes  hat  unser  Text  den  Relativsatz  D^"^J^  ^D5\ 
Somit  liegt  vielmehr  Hinweis  auf  den  Inhalt  von  Jes  11  9  als  förmliches 
Zitat  vor. 

15—17,  der  fünfte  Weheruf  über  den  Chaldäer,  der  nun  selber  den  Taumel- 
becher zu  trinken  bekommt,  den  er  bisher  so  gut  den  Völkern  zu  reichen  ver- 
standen hat.  Zu  dem  Bilde  vgl.  die  Darstellung  von  dem  Kreisen  des  Taumel- 
bechers bei  den  Nationen  in  Jer  25  i5ff.,  auf  welche  unser  Wehe  zurückgeht, 
s.  auch  Jes  51  17.  Chaldäa  hat  die  unterjochten  Nationen  und  Herrscher  in 
verächtlichster  Weise  erniedrigt.  Der  Text  in  y.  isf.  ist  in  böse  Verwirrung 
geraten  und  erfordert  mancherlei  Umstellungen^  s.  zu  den  Versen;  aber  es 
scheinen  ursprünglich  auch  hier  zwei  Tetrasticha  vorzuliegen.  15  16^^ 

das  erste  Tetrastich:  Wehe  dem,  der  den  Andern  seinen  Zorn  %u  trinken  giebt 
Und  sie  berauscht  aus  der  Schale  seines  Grimms^  Um  sich  an  ihrer  Schande 
%u  weiden!  Trinke  nun  auch  du  und  taumle!  Wie  das  Pluralsuffix  in  DH'^^liyö, 
wofür  mit  Wellh.  nach  Na  3  5  Dn"^15^)?  zu  lesen  sein  wird,  zeigt,  ist  ^Hj;"!  als 
Plural  =  ^JT^j;*],  seine  Genossen,  die  Andern  (seil.  Völker),  zu  fassen  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27  §  91k.  ^090  r^????  das  man  mit  „beimischend  deinen  Grimm" 
übersetzt,  ist  unhaltbar;  man  lese  mit  Gkätz  und  Wellh.:  iriDö  ^pp  =  aus 
der  Schale  seines  Grimms^  das  zweite  n  ist  aus  Dittographie  des  folgenden 
entstanden  und  das  Suff,  der  3.  Pers.  unerlässlich.  Doch  diese  Emendation 
genügt  nicht;  es  ist  ferner  anzunehmen,  dass  die  so  emendierten  Worte  mit 
den  beiden  folgenden  den  Platz  zu  wechseln  haben:  dann  gehört  ^>^\  in  der 
verbesserten  Form  ISfc?  an  den  Schluss  der  ersten  Zeile  und  1|1^  resp.  ü"J3^1 
an  den  Anfang  der  zw^eiten;  so  gewinnt  man  das  notwendige  zweite  Obj.  zu 


Hab  2  15  347  Hab  2  19 

npli^tt,  da  erst  das  Tränken  niit  Zorn  ein  Welie  begründet,  und  eine  den 
übrigen  Weherufen  pai'allele  und  dem  üblichen  Metrum  entsprechende  Form. 
Zu  dem  Perf.  ü')^^  nach  dem  Partie,  s.  oben  v.  12  zu  ]:12.  16^^  passt  mit 

seinem  Perf.  du  öLst  sali  nicht  vor  den  Impera.  Irlnk\  da  am  Schlüsse  von 
V.  16  noch  einmal  ähnliches  in  verdorbenem  ^Fext  wiederkehrt,  so  darf  man  mit 
AVellh.  annehmen,  dass  v.  16^«  die  an  falsche  Stelle  geratene  Korrektur  für 
jenen  Schluss  ist  und  somit  dorthin  gehört.  Den  Aljschluss  des  ersten  Tetra- 
stichs bildet  daher  kräftig  lü^'^:  Trink  nun  auch  du  und  launde!  Pur  das  im 
Kontext  völlig  unpassende  ^IJjn,  das  mau  gewöhnlich  als:  „zeige  dich  als  Un- 
beschnittenen" erklärt,  ist  mit  Wellh.  (vgl.  auch  die  doppelte  Übersetzung 
oaXs'j&TjTi  xal  acto(iTrjTt  inLXX,  das  vorangehende  xapota  scheint  lediglich  Ver- 
lesung aus  xat  zu  sein)  zu  lesen  ^y'^H,  taumle^  vgl.  n'jj^nrin  D13  Jes  51  17  22. 
16^  17%  das  zweite  Tetrastich:  An  dich  kommt  nun  der  Becher  in  der  Rechten 
Jahtces  Und  du  wirst  dich  sättigen  an  Schmach  statt  an  Ehre.  Denn  der 
Frevel  am  Libanon  wird  dich  erdrücken  Und  die  Vernichtung  der  Tiere  dich 
%er schlagen.  Zu  ?I^^j;  nbn  vgl.  Thr  4  21  Dimb^ri  ^h^^,  ferner  Jer  25  i5ff. 
Nach  der  Korrektur,  die  in  v.  16^*  vorliegt,  darf  man  ruhig  das  fragliche  ]l'?iJ'^p, 
das  jedenfalls  nicht  aus  ^""p,  Gespei,  und  jl^jj  zusammengesetzt  ist,  sondern  auf 
]1^p)pp  zurückgeht,  hier  ausser  Acht  lassen  (vgl.  auch  zu  Na  1  u),  wie  man 
überhaupt  einfach  y.  16^*  an  die  Stelle  der  Verderbnis  v.  le^P  zu  setzen  hat,  s. 
oben  zu  y.  i6^^  17^  führt  als  speziellen  Grund  für  die  Erniedrigung  der 

Chaldäer  die  Verwüstung  an,  die  sie  unter  den  Cedern  des  Libanon  und  dem 
Wild  wohl  nicht  des  Libanon  allein  angerichtet  haben.  Dass  die  Herrscher 
Mesopotamiens  zu  ihren  Bauten  den  Libanon  brandschatzten  und  ausserdem 
grosse  Jäger  waren,  ist  aus  Keilinschriften  und  Abbildungen  wohlbekannt,  vgl. 
auch  Jes  14  8  37  24  und  Gen  10  9.  Gerade  die  ungefähr  mit  unserm  Stück 
gleichzeitige  Stelle  Jes  14  8  zeigt,  dass  man  damals  die  Abholzung  des  Libanon 
als  besondern  Frevel  empfand;  die  Strafe  dafür  wird  die  Chaldäer  bedecken, 
vgL  Ob  Y.  10  Jer  3  25,  und  niederschlagen^  1.  mit  den  alten  Versionen  ^irin*;  für 
]n'n*^^,  dessen  Suffix  auf  die  Tiere  zu  beziehen  wäre,  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §  20n 
60  d.  17'^  ist  auch  hier  sekundär  wie  in  y.  8;  ungrammatisch  fügt  es  zu 

dem  besondern  Grund  y.  17^  einen  allgemeinen  hinzu. 

18  19,  der  sechste  Weheruf,  der  sich  gegen  den  Götzendiener  richtet. 
Möglich  ist  es,  dass  der  Autor  noch  zum  Schluss  dem  Chaldäer  für  seine 
Idololatrie  ein  Wehe  zuschleudert,  w^e  Wellh.  annimmt;  denn  auch  Dtjes 
kommt  auf  dieses  Thema  gelegentlich  zu  sprechen  vgl.  Jes  41  21-29  46  1-4. 
Ist  das  Wehe  y.  19  ursprünglich,  dann  versteht  man  auch  leichter,  wde  y.  18, 
der  nach  seinem  lehrhaften  Inhalt  nur  als  sekundär  betrachtet  werden  kann, 
vor  Y.  19  geraten  konnte,  obschon  er  als  Erklärung  zu  y.  19  gemeint  ist.  Für 
Ürsprünglichkeit  von  y.  19  spricht  auch  die  knappe  Form  und  der  prägnante 
Gehalt.  Also  y.  19  ist  das  letzte  Wehe  über  den  Chaldäer  und  y.  18  eine  er- 
klärende Randglosse  dazu;  wir  kehren  daher  die  Reihenfolge  der  Verse  um. 
19,  ein  Tetrastich:  Wehe  dem,  der  %um  Hohe  spricht:  wach'  auf!  Rege  dich! 
zum  stummen  Steine.  Er  ist  ja  gefasst  in  Gold  und  Silber  Und  keinerlei 
Geist  lebt  in  ihm.     n^Jt'»  «^n,  das  als  Frage:  der  soll  lehren?  zu  Yerstehen  ist, 


Hab  2  19  348  Hab  3  l 

betrachte  ich  als  Glosse,  da  es  sich  für  den  Chaldäerkönig  doch  nicht  haupt- 
sächlich ums  Lehren,  sondern  ums  Helfen  und  Retten  handelt,  fordert  er  doch 
nicht  ein  Sprechen,  sondern  Erwachen  und  sich  regen  vom  Götzen.  Dies  ist 
unmöglich,  sagt  v.  19^  von  H^H  an:  er  ist  ja  b^^ÖH  d.  h.  eingefasst,  festgehalten, 
in  Gold  und  Silber  und  hat  überhaupt  kein  Leben.  Das  Mascul.  l^^öri  «^in  ist 
=  es  ist  ja  etwas  Eingefasstes;  vgl.  ^  t^HiJ  Est  1  6.  Zu  der  Leblosigkeit 

der  Götzen  vgl.  Jer  10  u  51  i7  Ps  135  i7.  18,  die  Glosse,  welche  die  Nutz- 
losigkeit der  Götzen  mit  dem  üblichen  Hinweis  auf  die  Entstehung  durch 
Menschenhand  exponiert;  auch  wenn  der  Verfertiger  selber  daran  glaubt, 
wird  ihr  Wert  nicht  gehoben.  Das  Perf.  ^''J^ircnD,  was  hat  genützt?  i^t  =  was 
könnte  nützen?  ^\>^  nilD,  Lüg  entehr  ei\  heisst  in  Parallele  zu  H???  (vgl* 

die  Glosse  nil*»  ^\7\  in  v.  19)  der  Götze  selbst,  vgl.  auch  die  n")1D  ]1^«,  Orakel- 
terebinthe,  Gen  12  6,  Eür  das  aus  Dittographie  entstandene  T\T  "1?^  1. 

mit  GüTHE,  NowACK  u.  a.  11!^\ 

20  gehört  nicht  mehr  zu  den  Weherufen  v.  5-i9,  der  Vers  dient  der  Ver- 
bindung derselben  mit  dem  Folgenden,  indem  er  im  Gegensatz  zu  den  leblosen 
Götzen  auf  die  Theophanie  des  lebendigen  im  heiligen  himmlischen  Tempel 
wohnenden  (Ps  114)  Gottes  überleitet,  vor  dem  nicht  nur  die  Chaldäer,  son- 
dern die  ganze  Welt  stille  sein  soll.    Vgl.  auch  Zph  1  7. 


Zweiter  Teil; 

Das  Erscheinen  Jahwes  zum  Weltgericht 

Cap.  3. 

Der  letzte  Abschnitt  des  Buches  Cap.  3  ist  ein  Psalm  und  zwar  tragt  derselbe  im 
Unterschied  von  dem  Psalm  zu  Anfang  des  Buches  1  2-4  12^  13  2  1-4  auch  die  äusseren 
Merkmale  eines  solchen  an  sich.  In  Überschrift  und  Unterschrift  finden  wir  die  Aus- 
drücke, wie  r\S^T\.  das  sog.  h  autoris,  n^itö^  und  nii^;i3,  die  aus  dem  Psalmbuch  bekannt 
sind,  und  im  Innern  weist  das  Stück  das  Wort  n^p  auf  (v.  3  9  13),  das  nur  noch  in  den 
Psalmen  sich  findet  (71  mal).  Sind  das  zumeist  musikalische  Beizeichen,  angebracht  für 
die  Verwendung  des  Liedes  im  öfi'entlichen  Kultus,  so  ist  mit  Kuenen,  Cheyne  u.  a.  an- 
zunehmen, dass  Cap.  3  aus  einer  für  den  Gottesdienst  im  Tempel  bestimmten  Lieder- 
sammlung entlehnt  ist.  Zu  dieser  Entlehnung  führte  der  Titel,  der  den  Namen  des  Pro- 
pheten Habakkuk  aufwies,  wie  in  LXX  verschiedene  Psalmen  die  Namen  Haggai  und 
Sacharja  tragen  (vgl.  Ps  145 — 148),  aber  vom  Psalmbuch  blieb  das  Lied  dann  ausge- 
schlossen, weil  es  bereits  im  Zwölfprophetenbuch  stand. 

Für  die  Herkunft  des  Psalms  kann  die  Nennung  Habakkuks  in  der  Überschrift 
nichts  beweisen,  da  die  Psalmüberschriften  nicht  von  den  Autoren  der  Lieder,  sondern 
von  den  Redaktoren  der  Sammlung  herstammen.  Dass  Habakkuk  aber  wirklich  nicht  der 
Verfasser  ist,  zeigt  der  Inhalt,  der  in  die  Zeit  des  zweiten  Tempels  weist,  da  die  Gemeinde, 
die  von  einem  fremden  Volke  bedrängt  ist  (v.  16)  und  den  Zorn  Gottes  zu  fühlen  hat 
(v.  2^),  sich  nach  der  im  Weltgericht  zu  erwartenden  Pettung  sehnt.  In  diese  späte  Zeit 
führen  auch  einige  einzelne  Merkmale,  welche  ebenfalls  Stade  zuerst  hervorgehoben  hat 
(s.  ZATW  1884,  167 f.),  wie  der  Gebrauch  des  späten  Gottesnamens  ni^S  v.  3  und  die  An- 
wendung des  vom  PC  her  wohl  bekannten  nips  in  D"'i^  llpa  v.  3.  Genauer  die  Zeit  zu 
bestimmen,  wird  wohl  kaum  gelingen;  denn  auch  wenn  man  gegen  Wellh.  für  möglich 
hielte,  dass  v.  17  zu  dem  Psalme  gehöre,  so  wäre  daraus  weiter  für  die  Zeit  der  Entstehung 


Hab  3  1  349  Hab  3  2 

nichts  zu  entnehmen,  als  dass  es  eine  Zeit  des  Misswachses  und  der  Hungersnot  war. 
Das  Gemisch  von  Sehnsucht  nach  dem  Tage  Jahwes  und  von  Furcht  vor  seinen  Schrecken 
erinnert  an  die  Stimmung  Joels;  der  3  13  genannte  U^p^  weist  aber  in  die  Zeit  der  Mak- 
kabäer  und  Hasmonäer,  wo  die  Juden  wieder  einen  Fürsten  hatten. 

Den  Mittelpunkt   des  Inhalts  bildet  die  Schilderung  der  Erscheinung  Jahwes  zum 
"Weltgericht.    Einerseits  nimmt  der  Dichter  die  Farben  aus  der  Geschichte,  da  er  an  jene 
grosse  erste  That  Jahwes  erinnert,  die  das  Volk  ins  Dasein  rief   und  es  zum  Staunen  der 
erschreckten  Nachbarn   siegreich   alle  Gefahren  bestehen   liess.    Andrerseits  wird  Jahwes 
Eingreifen  in  der  letzten  grossen  entscheidenden  Krisis  als  ein  Kampf  mit  den  Gewalten 
der  Natur  dargestellt;  mythologische  P^lemente  liegen  dabei  zu  Grunde,  auch  wenn  sie  der 
Dichter  selber  vielleicht  nicht  mehr  als  solche  versteht,  sondern  als  Bilder  fühlt,  die  von 
den  Erscheinungen  eines  gewaltigen  Wettersturms  hergenommen  seien.    Das  so  geschilderte 
grosse  Ereigniss  hat  den  Zweck,  die  Welt  zu  richten,  also  einerseits  das  Gericht  an  den 
feindlichen  Völkern  zu  vollziehen  und  andrerseits  den  Juden  Rettung  und  Heil  zu  bringen. 
Bereits  sieht  der  Dichter  diese  entscheidende  Krisis  sich  anbahnen  und  erwartet  für  die 
nächste  Zukunft  die  Offenbarung  Jahwes  und  seines  ErVjarmens  für  Israel;  diese  sichere 
Nähe  des  AVeltgerichts  erfüllt  ihn  mit  Angst  und  Bangen,  aber  gewährt  ihm  auch  die  Ge- 
wissheit, dass  die  Zeit  der  Ruhe  und  des  Glückes  nahe  ist.  Die  ganze  Schilderung 
ist,  wie  CoRNiLL  bemerkt,  mehr  durch  grossartige  Rhetorik,  als  durch  klaren  Gedanken- 
fortschritt   ausgezeichnet.     Diese  Eigentümlichkeit   tritt   auch   darin  zu   Tage,   dass   der 
Dichter  ohne  Bedenken  Abschnitte,  in  denen  Jahwe  angeredet  ist,  mit  solchen,  in  denen 
von  Gott  gesprochen  wird,  mischt,  vgl.  v.  2  8-15  resp.  17  einerseits  und  v.  3-7  18 f.  andrer- 
seits.   Obschon  v.  3-7  und  v.  8-15  einigermassen  einander  parallel  sind,  wird  man  doch 
8ch\>'erlich  bei  dem  rhetorischen  Charakter  des  Capitels  diesen  Wechsel  zwischen  2.  und 
3.  Pers.  zum  Kriterium  einer  Scheidung  in  zwei  Psalmen  (etwa:  v.  2  8-17  und  v.  3-7  18 f.) 
verwenden  dürfen.    Dagegen  aber  geht  der  Zusammenhang,  den  man  bis  v.  16  verfolgen 
kann,  v.  I7£f.  in  die  Brüche.    AVellh.  vermutet  daher,  dass  v.  17-19  ein  Anhang  sei,  der 
den  verlorenen  ächten  Schluss  ersetze.     Vielleicht  lässt  sich  v.  18  in  etwas  veränderter 
Form  als  ursprünglicher  Abschluss  halten  und  nur  v.  17  und  19   als  Zusätze  begreifen,  s. 
die  Auslegung. 

Metrisch  verläuft  der  ganze  Psalm,  in  dem  die  Gemeinde  als  Sprecherin  auftritt 
(vgl.  V.  14:  ^i^"'5n^  und  v.  16  ^ii^ii^),  in  regelmässig  dreihebigen  Vierzeilern.  Scheidet  man 
V.  17  und  V.  19  aus,  so  sind  es  im  ganzen  dreizehn  Strophen.  D.  H.  Müller  zählt  bis 
V.  13  sechs  Siebenzeiler;  aber  seine  unregelmässigen  Stichen  zeigen,  dass  er  damit  dem 
ursprünglichen  Metrum  nicht  gerecht  wird. 

1,  die  Überschrift,  nennt  den  Psalm  n^DP,  G^^^^^,  wie  auch  Yerschiedene 
Psalmen  im  Psalmbuch  heissen  (vgl.  Ps  17  86  90  102  142  und  72  20),  bezeichnet 
Habakkuk  ausdrücklich  als  i^^?in  (s.  1  1),  sodass  nicht  etwa  an  einen  andern 
Träger  des  gleichen  Namens  gedacht  werden  kann,  und  enthält  noch  die  musi- 
kalische Bemerkung  nli'^?li^"bj;,  die  ganz  singulär  ist.  Zwar  findet  sich  das 
Wort  ]V5^  ohne  b]l  als  Bezeichnung  eines  Psalms  in  Ps  7  1,  aber  ohne  dass 
seine  Bedeutung  klar  wäre.  LXX  hat  dafür  an  unserer  Stelle  nU*';i^  gelesen; 
es  ist  darum  mit  Budde  zu  vermuten,  dass  dieses  nir;ir^j;  der  Rest  der  ganzen 
gewöhnlichen  Einführung  eines  Psalmes:  ri1i^:i!l  Ü^^^k  (vgl.  z.  B.  Ps  3  4)  sei, 
die  durch  Versehen  jetzt  vollständig  als  Unterschrift  in  v.  19^  figuriert.  Vgl. 
noch  zu  V.  19^  und  über  den  Wert  der  Überschrift  s.  Vorbemerkung. 

2,  die  Einleitung,  deren  metrische  Gliederung  von  der  Masora  gänz- 
lich verkannt  ist:  Jahwe^  ich  habe  von  dir  gehört,  Gesehen,  Jahwe,  dein  Thun, 
Inmitten  der  Jahre  thust  du  dich  kund,  Im  Zürnen  denkst  du  an  Erbarmen, 

Vor  allem  muss  im  masoret.  Text  die  Wiederholung  von  U^l'ä  2lp2  und  davor 


Hab  3  2  350  Hab  3  3 

der  Wechsel  von  Impera.  und  Imperf.  auffallen;  von  da  aus  ist  man  schon  be- 
rechtigt, an  der  Achtheit  von  ^n'^ltl  ü^^^*  n^lJ^B  Zweifel  zu  hegen.  Diese  werden 
erhöht,  wenn  man  sich  die  Bedeutung  von  ^iT|;n  klar  machen  will.  Zwar  soll 
darin  noch  manchen  Exegeten  gerade  der  Sclilüssel  zum  Verständnis  des 
ganzen  Psalms  liegen,  der  uns  eröffne,  dass  der  Sprecher  um  eine  Wieder- 
holung, ein  Auflebenlassen  des  Erlösungswerkes  flehe,  das  Jahwe  einst 
am  Anfang  Israels  so  herrlich  ausgeführt  habe.  Aber  von  diesem  Werk  ist 
vorher  nicht  die  Rede:  der  Redende  „sah"  die  ägyptische  Erlösung  nicht,  er 
sagt  auch  in  Wirklichkeit  bloss:  „Ich  habe  von  Jahwe  gehört,  sehe  (habe 
wahrgenommen)  sein  Wirken",  und  nach  dem  Folgenden:  „du  wärst  dich  kund 
thun",  ist  dieses  Wirken  erst  in  seinen  Anfängen.  Wie  formell  (als  Impera. 
neben  folgenden  Imperff.),  so  stimmt  es  also  auch  sachlich  nicht  zu  seiner  Um- 
gebung, darum  ist  zu  vermuten,  dass  ein  Fehler  darin  stecke  und  man  in^^n, 
thue  es  kund,  zu  lesen  habe.  Dann  aber  folgt  weiter,  dass  es  die  Randerklä- 
rung zu  X^'lin  ist  und  darum  auch  die  diesem  vorangehenden  Worte  D"^i^  ^"Ji?.? 
vorgesetzt  erhalten  hat.  Somit  ist  einmal  das  Sätzchen  D^^^^  ^"li?.5  ^^^\Ü  als 
Glosse  auszuscheiden.  Ferner  ist  für  "'Ht^T,  das,  wenn  es  mit  den  Auslegern  zu 
"'HJ^??^  gezogen  werden  dürfte,  STS1  lauten  müsste,  nach  LXX,  die  neben  der 
Übersetzung  des  falschen  ''HST  noch  das  richtige  xaxsvoYjaa  erhalten  hat,  "^H^'i^'l 
zu  lesen;  die  Verderbnis  in  ''HST  ist  durch  die  Rücksicht  auf  v.  i6  entstanden. 
Das  Perfectum  geht  hier  nicht  auf  vergangene  Zeiten,  sondern  auf  ein  vom 
Sprecher  soeben  erlebtes  Faktum.  Irgend  ein  wichtiges  Ereignis  hat  sich  ihm 
deutlich  als  ein  Werk  Gottes  aufgedrängt  und  diese  Wahrnehmung  ist  ihm 
die  Gewähr,  dass  im  Laufe  der  Jahre^  in  den  nächsten  Jahren\$i2j^  bedeutet 
D*"^^  ^1!^??  ii^  dem  nichts  von  einer  Gegenüberstellung  mit  den  Anfängen  Israels, 
noch  eine  Andeutung  von  dem  altgewordenen  Israel  liegt)  Gott  sich  offenbaren 
wird,  dass  er  Israel  nicht  vergessen  hat,  wie  es  nach  der  allgemeinen  Situation 
hatte  bis  anhin  scheinen  mögen.  Für  ^'^IID,  das  ein  Obj.  verlangte,  liest  man 
besser  mit  LXX  das  Niph.  J^ljn,  vgl.  Ex  6  s  Jes  19  21 ;  zu  I5J  vgl.  Gen  8  1 
19  29  Ex  2  24.  Der  Vers  ist,  auch  so  gefasst^  ausserordentlich  wichtig  für 

das  Verständnis  des  Psalms :  Die  Gemeinde  fühlt  sich  unter  dem  Zorne  Gottes, 
bis  endlich  die  Heilszeit  anbricht,  vgl.  Jes  64  5-8;  lange  hat  sich  von  dieser 
nichts  angekündigt,  jetzt  aber  können  deutliche  Zeichen  wahrgenommen 
werden,  dass  Gott  die  Seinen  nicht  vergisst  und  bereits  daran  ist,  sein  Heil 
zu  offenbaren.  Das  ist  eine  durchaus  treffende  Einleitung  zu  der  folgenden 
Darstellung  des  unmittelbar  bevorstehenden  Weltgerichts.  D.  H.  Müller 
versetzt  ganz  unpassend  y.  7  in  der  von  Pekles  vermuteten  Form  (s.  zu  y.  7) 
hinter  ''HS"};,  als  ob  der  Sprecher  sich  als  Zeitgenossen  der  Rettung  aus  Ägyp- 
ten betrachtete. 

3—7,  die  Schilderung  der  Theophanie;  das  Bild  entlehnt  Farben 
und  Züge  den  gewohnten  Darstellungen  solcher  Theophanien,  die  Jahwe  vom 
Sinai  her  in  herrlichem  Lichtglanz  erscheinen  lassen,  vgl.  Jdc  5  Dtn  33.  Diese 
Vorbilder,  sowie  die  lebendige  Veranschaulichung  des  Dargestellten  als  schon 
Vorhandenen  erklären  die  Mischung  und  den  Wechsel  Yon  Imperf.  und  Per- 
fect  im  folgenden.  3  Gott  kommt  von  Teman  Und  der*  Heilige  vom  Ge- 


Hab  3  3  361  Hab  3  7 

hlrge  Paran:  Den  llltninrl  bedeckt  seine  llo/ielt  Und  von  seiner  Herrlichkeit 
ist  die  Erde  erfüllt.  Zu  Hl'?«  vgl.  Vorbemerkung;  das  parallel(i  \Ü\1[>  ist  wie 
Jes  40  25  und  Hi  6  lo  als  Eigenname  gebraucht.  Zu  dem  Namen  der 
edomitisclien  Landschaft,  Tenian^  vgl  zu  Am  1  12;  zu  ]'l«D  in,  in  dem  Ges.- 
BuHL  nicht  das  Bergland  AzAzimat,  sondern  den  Höhenzug  zwischen  Sinai 
und  Seir  längs  des  alanitischen  Golfs  sieht,  vgl.  noch  Dtn  33  2  und  die 
Wörterbb.  Der  erste  Halbvers  erinnert  an  JJtn  33  2,  der  zweite  an  Ps  8  2 
148  13  und  Jes  6  3.  Dass  der  Verfasser  trotz  seiner  poetischen  Schilde- 
rung der  Herkunft  Jahwes  vom  Sinai  den  Sinai  nicht  mehr  für  den  Wohnsitz 
Gottes  ansieht,  ist  selbstverständlich.  4  hat  keinen  guten  Text;  die  Ver- 
bindung von  V.  4^  mit  dem  Vorhergehenden  (Wellh.,  Nowack:  „die  Strahlen 
zu  seiner  Seite  macht  er  zur  Hülle  seiner  Majestät")  ist  jedoch  keine  Ver- 
besserung. Offenbar  ist  zu  v.  4^  der  parallele  Stichos  ausgefallen;  ausserdem 
wäre  für  n^nn  ein  mascul.,  da  n5i  masculinisch  ist,  zu  vermuten  (Wellh.  u.  a.), 
ferner  ist  mit  Oort  undNowACK  nach LXX  wohl  in^J  (ev.  ^H^J  gelesen,  so  Cheyne) 
für  njil  herzustellen  und  mit  den  meisten  Exegeten  DC^  für  das  unverständ- 
liche D^  zu  punktieren.   Es  glän%en  wie  das  Sonnenlicht (nach  Cheyne 

wäre  für  7\^J)V\  zu  vermuten:  VH'^^n  seine  Speere) ^  Strahlen  gehen  aus  von  seiner 
Seite,  (Zum  Schirm  macht  er  seine  Hoheit]  Und  %ur  Hülle  setzt  er  seine  Ma- 
jestät,  Zu  dem  Inhalt  vgl.  Ps  18  13  104  2  Jes  60  1  Hes  10  4.  ^^T<p.  sind 
nicht  die  Blitze,  die  zu  verfrüht  kämen,  sondern  die  Strahlen,  die  von  seiner 
Seite  von  seiner  Rechten  und  Linken,  ausgehen,  vgl.  Ex  34  29-35.  Für 
den  dritten  Stichos  ist  etw^a  zu  vermuten:  llin  nti^V  "ino;  der  Glanz  und  die 
Majestät  der  Erscheinung  verhüllen  Gott   selber   dem  profanen  Menschen. 
D.  H.  MüLLEK  begnügt  sich  mit  der  Änderung  von  Dl^l  in  DHI  =  „und  sie  (seil, 
die  Strahlen)  sind  die  Hülle  seiner  Macht".             5  G^''  Yor  ihm  geht  die  Pest 
einher  Und  auf  dem  Fuss  folgt  ihm  die  Seuche.   Er  tritt  auf  und  bringt  die 
Erde  ins  Wanken,  Er  schaut  auf  und  versetzt  die  Völker  in  Zittern.   Zu  ^^1 
vgl.  Dtn  32  24  und  zu  den  guten  und  bösen  Dämonen,  die  die  Götter  begleiten, 
KAT3  455f.                 6^=^  Für  l^b";!,  „er  misst",  das  keinen  Sinn  giebt,  1.  nach 
LXX  entweder  nj;)?M.  Ps  69  24  oder  mit  Wellh.,  Nowack  :51DM  Hi  30  22  (vgl 
auch  LXX  zu  Am  9  5)  oder  mit  Guthe  tO^lD^I  resp.  tOl)3';i,  vgl.  Jes  24  19.   Zum 
letzten  Stichos  vgl.  Hi  37  1.              6"^^  7  Lnd  es  zerbersten  die  ewigen  Berge, 
Versinken  die  uralten  Hügel;  Es  fürchten  sich  die  Hütten  Kuschans,  Es  beben 
die  Zelte  von  Midian.    Zu  den  ewigen  Bergen  und  uralten  Hügeln  vgl.  Gen 
49  26  Dtn  33  15  Ps  90  2,  zum  Bersten  und  Versinken  derselben  Mch  1  4  Jes 
24  19.              6'^  ist  in  jeder  Hinsicht  schleppend,  zumal  bei  der  Wiederholung 
von  D^IV;  es  scheint  nicht  als  selbständiger  Satz,  sondern  als  Glosse  zu  den 
Bergen  gedacht  zu  sein,  um  diese  als  die  uralten  Wege  Jahw^es  nach  Mch  1  3 
Am  4  13  zu  bezeichnen.    Mit  Recht  sehen  daher  Nowack  und  D.avidson  das 
Sätzchen  als  sekundär  an.   Dasselbe  wird  aber  von  den  beiden  ersten  Wörtern 
7  gelten.    Unter  Unheil,  seil,  von  Unheil  bedrückt,  sehe  ich  kann  man  die  ganz 
unhebr.  Wendung  '^H'^i^"]  ]1iJ  rinn  nicht  übersetzen.    Die  Konjektur  von  Perles 
(Analekten  66)  ]1^<  nnn,  „On  (-Heliopolis)  erschreckt",  passt  nicht,  weil  eine 
Stadt  nicht  den  Ländern  Kuschan  und  Midian  parallel  stehen  kann.    Die 


Hab  3  7  352  Hab  3  9 

Wörter  sind  ein  unverständlicher  Einschub  wie  ^^  ^^]  2  5.  Dagegen  ist  mit 
Peeles  ^i<T1  für  "'H'^^'J  einzusetzen,  wie  der  Parallelvers  empfiehlt.  Ob  p«  ur- 
sprünglich ist,  kann  man  fragen.  ]t^^2,  das  nur  hier  vorkommt,  hat  man  trotz 
LXX  nicht  mit  ti^^2  zu  identifizieren;  die  Parallele  mit  p^ip  zeigt,  dass  auch 
Kuschan  in  der  Nähe  des  Sinais,  von  wo  Jahwe  aufbricht,  wohnende  Beduinen 
bezeichnet. 

8—12,  die  Frage  nach  dem  Grunde  von  Jahwes  zornigem  Ein- 
greifen, die  zwar  mehr  rhetorisch  ist  und  in  der  Hauptsache  nur  zur  Ein- 
führung einer  neuen  Schilderung  der  Theophanie  dient.  8  Ist  gegen  die 
Ströme  dein  Zorn  entbrannt  Oder  gegen  das  Meer,  Jahwe,  dein  Grimm,  Dass 
du  über  das  Meer  deine  Rosse  fahren  lässt,  Beine  Wagen  überWasserschicall? 
Dass  die  Doppelfrage  von  H  und  Di;^  mit  zweimal  folgendem  D*^"!!"!^?  bedeutungs- 
los ist,  haben  auch  JNowack  und  Gunkel  (Schöpf,  und  Chaos  105)  gesehen; 
der  Text  ist  in  Verwirrung  geraten,  man  hilft  ihm  besser  auf  durch  Weglassung 
von  D'^in^?  DS  (NowACK  scheidet  dazu  auch  Hin;;  Hin  aus)  und  Versetzung  von 
7V\T]l  hinter  ü\^  (so  Gunkel),  als  durch  Änderung  von  D^^in^?!!  in  D^innDH,  „ist 
gegen  die  Berge  etc."  (so  D.  H.  Müller),  besonders  wenn  unsere  Vermutung 
über  V.  8^  richtig  ist.  Zu  v.  8*^  ist  v.  15  eine  vom  Rande  in  unrichtigen 
Zusammenhang  geratene  Variante,  nach  der  man  als  ursprünglich  vermuten 
darf:  D^D  nDhn  ^''ni?^)?  T9^^  ^'5  ^^W  ^^^  so  ebenfalls  Gunkel;  n^inn  ist 
durchaus  vorzuziehen,  wenn  schon  LXX  für  ril^Sin  zeugt.  Auf  diese  Weise 
ist  auch  die  ungewöhnliche  Verbindung  von  T\'^W\  (s.  darüber  unten)  mit  ?I''rib315 
gehoben^  die  nur  mit  Bedenken  als  Epexegesierung  durch  ein  Substantiv  er- 
klärt werden  könnte,  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  131  r.  Dass  diese  Aussage  über 
Jahwes  Zorn  aufs  Meer  nicht  in  die  alten  Sinaitheophanieen  gehört,  aber  auch 
nicht  auf  die  Spaltung  des  Roten  Meeres  geht,  leuchtet  ein;  darum  wird  man 
Gunkel  zustimmen,  dass  hier  Elemente  aus  einer  altmythologischen  Theo- 
phanie nachwirken,  in  der  Jahwe  etwas  mit  dem  Meere  zu  thun  hatte.  Um  so 
mehr  ist  an  den  Kampf  mit  der  Tiämat,  dem  Urmeer,  zu  denken,  als  auch  im 
folgenden  Anklänge  daran  sich  finden.  Immerhin  mag  ein  wirkliches  Bewusst- 
sein  von  diesen  Zusammenhängen  dem  Autor  abgegangen  sein;  er  kann  an 
das  Wolkenmeer  und  das  Bild  vom  Wettersturme  mit  seinen  Blitzen  und  Auf- 
wühlungen der  Erde  gedacht  haben.  9  tO^""  Deinen  Köcher  entleerst  du 
gan%,  Dein  Bogen  ist  satt  von  Geschossen;  Zu  Strömen  spaltest  du  die  Erde, 
Es  sehen  dich  %itternd  die  Berge.  An  den  Anfang  der  Strophe  ist  das  Wort 
zu  stellen,  dessen  verdorbener  Rest  nach  Gunkel  in  T\^W^^  v.  8  und  wahr- 
scheinlich noch  einmal  nach  einigen  Codd.,  Houbigant  und  Nowack  in  Itti^ 
n^D  Y.  9^  vorHegt,  nämlich  HB^^  oder  ^HS^fc^.  Die  beiden  letzteren  Gelehrten 
belassen  das  Wort  an  der  Stelle  von  H^D  1Dt<  und  lesen  nach  denselben  Codd. 

T    V 

für  die  beiden  vorangehenden  unverständlichen  Worte  (s.  darüber  Anmerkung 
bei  Kautzsch)  vielmehr  nitSD  V\'^.%^^  Sy^opiaaa;  ßoXiSac,  du  sättigtest  mit  Ge- 
schossen [deinen  Köcher].  Dem  entsprechend  vermutet  Nowack,  dass  das 
von  Wellh.  für  nij;n  nny  vorgeschlagene  "I^IJ^H  inlj;  nicht  nach  II  Sam  23  18  = 
schwingen,  sondern  nach  Jes  23  i3  =  eniblössen  zu  erklären  sei.  In  der  That 
passte  ein  du  entblössest  deinen  Bogen  (durch  Entkleidung  aus  seiner  Um- 


Hab  3  10  353  Hab  3  13 

hüllung)  besser  als  „du  schwingst  den  Bogen'^  Wiihrscheinlich  ist  aber  mit 
GuNKEL  mit  leichterer  Änderung  zu  lesen:  IJjn  npj;  oder  vielleicht  noch  besser 
mit  inf.  absol.  für  das  abstrakte  Nomen  und  mit  regelmässiger  Verball'orm: 
n"l5;n  n"lj;,  was  in  der  bekannten  Bedeutung  des  Pi.  von  rrij;,  entleeren,  vor- 
trefflich zu  dem  Kocher  passt.  Der  Köcher  wird  ganz  entleert,  das  führt  die 
Sättigung  des  Bogens  herbei,  der  übergenug  in  Thätigkeit  treten  musste.  So 
versteht  man  auch,  wie  niDD  iiy^ty  als  Aussage  zu  ^riti^j^  gehören  kann;  man  lese 
mit  Gkätz  und  Gunkel  den  stat.  constr.  fem.  ilj??^,  gesättifßt.  D.  H.  Mlller 
versetzt  v.  9*^^  ohne  Grund  in  der  Form:  ^^'N  nitSÖ  H*!?^  (=  „du  zerbrichst  die 
Stäbe  des  Feindes")  an  das  Ende  von  v.  13,  wo  es  nur  schwächlich  klingt. 
Zu  Strömen  spaltest  du  die  Erde  bedeutet  nach  Ps  78i5f.:  du  spaltest  die 
Erde,  so  dass  Ströme  entspringen;  die  Änderung  von  ri1"ini  in  ^ri'^^n  (=  „deine 
Lanze  spaltet  die  Erde",  so  D.  H.  Müller)  ist  unnötig.  Der  Erde  parallel 
sind  die  Berge  lO""*,  die  angesichts  dieses  göttlichen  Auftretens  zittern  und 
beben.  LXX  scheint  dafür  D^ÖJ^,  Völker,  gelesen  zu  haben,  während  in  einer 
parallelen  Schilderung  Ps  77  17  D";)?  sich  findet;  aber  keines  von  beiden  ist  für 
unsern  Kontext  besser  als  D^IH.  lO^P^  11^  Es  strömenWasser  die  Wolken, 

Der  Ocean  erhebt  seine  Stimme,  Ihren  Aufgang  vergisst  die  Sonne,  Der  Mond 
bleibt  in  seiner  Wohnung.  In  Ps  77  i7ff.,  dessen  Verf.  offenbar  unsern  Psalm 
karnite,  ist  der  erste  Stichos  in  besserem  Texte  erhalten,  mit  Nowack  hat  man 
zu  lesen:  niDj;  D"^»  1tt*it,  wobei  ^Öli  als  Po.  zu  erklären  ist  (s.  Ges.-Kautzsce^^ 
§  55  b),  vgl.  das  ähnliche  denominative  Po'el  "^"^  von  "ä^p.  Dinn  ist 

nicht  der  Himmelsocean,  sondern  das  grosse  Weltmeer,  das  durch  Jahw^es 
Erscheinen  in  Aufruhr  gesetzt  wird  und  gew^altig  erdröhnt.  Gegen  die 

gewöhnliche  Fassung  von  ^^'^i  ^n*»"]^^  Dil  als:  hoch  erhebt  er  seine  Hände,  das 
dann  als  kühnes  Bild  für  die  hochaufgeworfenen  Wogen  gedeutet  wird,  spricht 
alles :  Dil  =  Dil»  wäre  singulär  und  müsste  erst  noch  als  sog.  Accus,  der  Rich- 
tung erklärt  werden,  ^JT'T  ist  eine  Unform,  die  sich  durch  ^IT'i'^i?  Hi  24  23  (s. 
dort)  nicht  rechtfertigen  lässt,  und  das  folgende  t^'D^  bliebe  ohne  Prädikat. 
NowACK  vermutet  daher  unter  Berücksichtigung  der  LXX,  die  einen  andern 
Text  voraussetzt,  dass  zu  lesen  sei:  ti^Dti^  Hti^i  HhltD  (eventuell,  da  ti^Dti^  auch 
femin.  gebraucht  wdrd:  HH^*^  nnitö).  Damit  ist  ein  glücklicher  Parallelstichos 
zu  der  Aussage  über  den  Mond  gefunden  und  die  Ähnlichkeit  mit  dem  ver- 
dorbenen MT  ist  augenfällig.  11=^  L  rh\l\  =  l^nt.  11^  12  Beim 
Leuchten  deiner  Pfeile  verziehen  sie  sich,  Beim  Glan%  deines  blitzenden 
Speeres.  Im  Grimm  beschreitest  du  die  Erde,  Im  Zorn  zertrittst  du  die 
Völker.  In  y.  ii^  ward  der  Grund  für  das  Verschwinden  von  Sonne  und  Mond 
angegeben:  vor  Gottes  Licht  und  Glanz  verschwinden  Sonne  und  Mond. 
Dass  der  Gedanke  an  ein  gewaltiges  Gewitter  auch  hier  mitspielt,  lässt  sich 
nicht  verkennen,  vgl.  auch  Ps  77i8f.  und  Na  3  3.  ^^\t\\  wird  g^w^öhnlich  als 
Relativsatz  zu  ^"^^n  gefasst;  aber  "^^n  bedeutet  nicht:  hin-  und  herfliegen, 
sondern:  gehen,  davongehen.  In  12  folgt  zusammenfassend  die  Erklärung  der 
ganzen  grossartigen  Schilderung :  Jahwe  übt  Gericht  an  der  Menschheit. 

13—15  Jahwes  Eingreifen  geschieht  zur  Rettung  seines  Volkes. 
Die  Perfekte  zeigen,  dass  hier  dem  Dichter  deutlich  Heilserfahrungen  der 

Kurzer  HC  zum  AT  XUI  23 


Hab  3  13  354  Hab  3  15 

Vergangenheit  vor  Augen  schweben;  aber  diese  sind  nur  ein  Bild  des  Grösseren, 
was  nahe  bevorsteht.  Der  Sinn  ist:  das  hast  du  gethan,  das  thust  du  wieder. 
Bei  der  Zerschmetterung  des  Gottlosen  v.i3  und  des  Zerstiebens  seines  Heeres 
Y.  14  ist  an  Antiochus  IV.  und  an  die  Niederlage  der  syrischen  Heere  zu 
denken.  13  Du  ziehst  aus  deinem  Volke  zu  Hilfe^  Zu  helfen  deinem  Ge- 

salbten; Du  zerschmetterst  das  Haus  des  Gottlosen;  Du  legst  den  Grund  bloss 
bis  auf  den  Fels.  Da  das  Nomen  ^"ä^  kein  Obj.  mit  "HS  verträgt  und  auch 
LXX  verschieden  übersetzt:  st«;  aüJXYjpLav  und  tou  awaai,  ist  das  zweite  y^^.'p 
mit  Wellh.,  Nowack  T'^'b  =  T^^rh  zu  lesen,  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  53  q. 
?in*'^D  kann  auf  keinen  Fall  einen  königlichen  Prinzen,  wie  Peiser  annimmt, 
bedeuten,  am  allerwenigsten,  wo  es,  wie  hier,  in  Parallele  mit  ^DJJ  steht.  Ge- 
wöhnlich bezeichnet  es  den  regierenden  König  Israels,  sei  es  den  der  Gegen- 
wart, sei  es  den  von  der  Zukunft  erhofften.  Auch  andere  Personen,  wie  die 
Priester  und  später  die  Patriarchen  (Ps  105  15),  können  „G-esalbte"  heissen; 
immer  aber  sind  es  solche  in  führender,  leitender  Stellung  und  nirgends  kann 
die  Anwartschaft  auf  eine  solche  Stellung,  sondern  erst  der  Besitz  diesen  Titel 
verleihen.  Der  Gebrauch  des  Titels  n*"!^»  vom  Volke  Israel  ist  nicht  erwiesen, 
hier  wäre  er  zudem  rein  tautologisch;  darum  muss  der  regierende  König  oder 
Fürst  gemeint  sein.  Dem  wird  Jahwe  im  bevorstehenden  Weltgerichte  helfen. 
Der  unsichere  Text  von  v.  is*^  ist  in  der  obigen  Übersetzung  unter  der  Annahme, 
dass  mit  Ooet  HIIJ;  für  nilj^  und  I^ÜJ  für  IKJ^  zu  lesen  sei,  dadurch  verbessert, 
dass  D  ti^^5'1  ausgeschieden  wurde,  trotzdem  die  Codd.  der  LXX  eher  für  Aus- 
lassung von  n"^5P  eintreten;  das  geschah,  weil  in  y.  is^P  llD";  und  *1^^  für  ein 
Haus,  nicht  für  ein  Haupt  sprechen.  Wenn  H'^^'D  ein  jüdischer  Fürst,  am 
ehesten  wohl  ein  Hasmonäer,  ist,  so  ist  bei  V^l  an  einen  syrischen  Herrscher 
zu  denken,  vgl.  die  Vorbem.  zu  y.  13-15.  Eine  andere  Auffassung  s.  bei 

Kautzsch.  14  bietet  ebenfalls  einen  schwer  verständlichen  Text;  ver- 

mutungsweise sei  übersetzt :  Du  durchbohrst  mit  deinen  Geschossen  sein  Haupt ^ 
Seine  Fürsten  zerstieben  wie  Spreu;  Mich  zu  zerstreuen  zieht  herauf  ihr  Heer, 
Zu  fressen  den  Armen  im  Versteck.  Der  Sinn  wäre:  Der  Gottlose  wird  von 
Jahwe  gefällt,  darauf  fliehen  seine  Fürsten  auseinander,  die  mit  ihren  Heeren 
gegen  Juda  und  Jerusalem  heraufgezogen  sind,  um  das  Volk  zu  zerstreuen 
und  dann  um  so  sicherer  im  Verborgenen  die  Einzelnen  auszurotten.  Der  An- 
schlag der  Heiden  gegen  Jerusalem  führt  vielmehr  zur  Vernichtung  der  Juden- 
feinde. So  war  es  bei  Antiochus  IV.,  so  wird  es  in  Zukunft  und  bei  dem  ent- 
scheidenden letzten  Völkersturme  sein,  vgl.  Vorbem.  zu  y.  13-15  und  s.  zu  y.  16^. 
Bei  dieser  Zurechtlegung  des  Textes  ist  mit  Ewald,  Nowack  u.a.  angenommen, 
dass  ^''Ifö^l,  resp.  nach  y.  9  ^J'^nitsö!!,  für  Vtson  und  W^'^  sein  (des  Gottlosen) 
Haupt,  für  m^  zu  lesen  sei.  Weiter  vermute  ich:  nbj;  ^:^T^Th  fbD  T\V:p\  vns 
'i:i1  y:D«^  (ev.  Disy)  DSn^;  \^tp\  ist  Pu'al,  zu  der  Verbindung  mit  p3  vgl.  Hos  13  3. 
Durch  diese  Konjektur  werden  wir  das  vor  ^DS^  unmögliche  1D3  und  das  un- 
verständliche ün^''^??  los  und  gewinnen  wenigstens  einen  Sinn,  der  mit  der  Er- 
wartung der  jüdischen  Gemeinde  stimmt,  dass  der  Antichrist  vor  Jerusalem 
fallen  und  dann  das  Heil  anbrechen  werde.  15  hat  hier  keine  Berech- 

tigung, er  ist  weiter  nichts  als  Variante  zu  y.  8^,  s.  dort. 


Hab  3  16  355  Hab  3  17 

16—19,  der  Scliluss,  der  mit  "^nj^ttC^  v.  16  deutlich  auf  den  Anfang  zurück- 
greift. Ua  für  V.  17  kein  riclitiger  Zusaramenliang  nach  vorn  oder  hinten  zu 
entdecken  ist,  wii'd  er  Eiuschub  sein;  ebenso  sclieint  v.  isf.  spätere  Zuthat,  s. 
unten.  IG-^  +  ll^«  von  v.  16'',  wofür  n^«  zu  lesen  ist  (vgl.  auch  LXXj:  das 

Erscheinen  Jahwes  zum  Weltgericht  wirkt  zunächst  Angst  und  Beben.  Ich 
höre,  da  zitier l  mein  Leib,  Bei  jedem  Laut  beben  meine  fAppen,  Anffst  fährt 
mir  in  die  Gebeine,  Und  wo  ich  hin,  zittern  meine  Schritte.  7jVl  ^P(]^)^]ä  kann 
nur  das  vorher  beschriebene  Kommen  Jahwes  Objekt  sein;  davon  vernimmt 
er  Anzeichen;  Gottes  Werk  kündigt  sich  dem  Autor  an,  aber  h^\)b,  bei  jedem 
Ton,  der  davon  ihm  zu  Ohren  dringt,  erzittert  er.  Wegen  bb*^  darf  man 

nicht  an  ein  Klirren  der  Zähne,  statt  an  ein  Vibrieren,  Beben  der  Lippen 
denken.  Dj51  ist  bildlicher  Ausdruck  für  äusserste  Kraftlosigkeit,  es  fehlt  den 
Knochen  an  Festigkeit;  Tpojxo;  der  LXX  ist  kein  Grund,  um  nj;i  dafür  zu 
lesen.  Ebenso  ist  nicht  mit  Nestle  und  Nowack  n.i;?^,  mein  Fleisch,  dem 
"'l^*«  vorzuziehen;  vgl.  zu  den  Wirkungen  von  Vision  und  Audition  Dan  8  18  27 
10  8.    Statt  tjl«  ist  ^X  notwendig.  16^,  die  erste  Hälfte  eines  Vier- 

zeilers :  Ich  finde  Ruhe  am  Tage  der  Drangsal,  Wenn  heraufzieht  das  Volk, 
das  mich  befehdet.  Neben  der  Angst  (s.  y.  16^)  bringt  das  Herannahen  der 
Entscheidung  doch  auch  Ruhe,  zwar  erst  am  Tage,  w^o  das  Gericht  über  den 
letzten  Feind  vollzogen  ist,  kommt  Israel  zur  nnUD.  Zu  nii«  in  diesem  präg- 
nanten Sinne  vgl.  das  Hiph.  n^;n  Jes  14  3  57  18  (s.  zu  diesen  Stellen);  die 
Änderung  in  DH^iJ  (Wellh.)  ist  unnötig.  rr\^  DV  ist  der  Tag  des  Welt- 

gerichts Zph  1  15,  der  auch  für  Israel  zuerst  ein  Tag  der  Not  ist,  aber  andrer- 
seits ihm  nach  lange  getragener  Bedrückung  und  Drangsal  endlich  den  An- 
bruch definitiven  Heils  bringt,  vgl.  Jes  14  3.  b  in  twbvh  nimmt  h  von  DVS 
wieder  auf;  dagegen  ist  notwendig  das  b  von  Dj;^  zu  tilgen,  das  aus  Abirren 
des  Auges  des  Schreibers  auf  das  vorangehende  Wort  entstanden  ist,  und 
nach  LXX  (jio'j)  ^ilU";  (vgl.  auch  "^y^^t>r\b  v.  u)  für  ^lin^:";  zu  lesen;  zu  dem  Verb 
^^^  vgl.  Gen  49  i9.    So  wird  die  Konstruktion  erträglich  und  erhält  ni^V  ein 
richtiges  Subj.,  da  man  als  solches  doch  nicht  Hl^  D1^  hinnehmen  kann.         Dj; 
"•^lU*;  ist  die  judenfeindliche  Menschheit,  Gog  von  Magog  Hes  38  f.,  wohl  bes. 
verkörpert  gedacht  in  dem  syrischen  Reiche,  das  zum  ersten  Mal  den  Anti- 
semitismus in  die  That  umsetzte.             Damit  bricht  der  Psalm  ab;  denn  was 
V.  17-19  folgt,    ist   nicht  als   genuine  Fortsetzung  zu  begreifen.     Höchstens 
könnte  ein  Gedanke  wie  y.  i8  den  Abschluss  bilden,  wenn  man  ti^l  für  ^i^^l  an 

'  T    t  •    -:  - 

den  Anfang  setzen  dürfte:   Und  dann  will  ich  frohlocken  über  Jahwe,  Will 
jubeln  über  den  Gott  meines  Heils.    Dagegen  ist 

17  im  Zusammenhang  unverständlich.  Man  muss  das  Wichtigste  ein- 
tragen, wenn  man  darin  einen  Gegensatz  zu  dem  Vorhergehenden  sehen  will: 
ich  werde  ruhen  am  Tage  der  Drangsal,  denn  jetzt  etc.  Vielmehr  ist  der 
Vers  eine  an  Joel  bes.  Jo  1 17-20  erinnernde  Beschreibung  der  Not  des  Landes, 
wenn  das  Volk  (viell.  ist  gar  an  das  Heuschrecken„volk''  gedacht)  heraufzieht, 
er  knüpft  also  nicht  an  den  Hauptgedanken  an,  sondern  an  einen  einzelnen 
Begriff  und  bietet  dazu  eine  Ausführung,  die  als  Randcitat  gemeint  ist.    Das 

Ganze  ist  ein  Sechszeiler:  Denn  der  Feigenbaum  trägt  nicht  (1.  nach  Paralle- 

23* 


Hab  3  17  356  Hab  3  19 

lismus  und  LXX  mit  Nowack  Ti^tir^  für  nnDP)  Und  keine  Frucht  ist  an  den 
lieben,  Der  Ertrag  des  (Ubanms  bleibt  aus  Und  das  Feld  trägt  keine  Nahrung, 
Die  Schafe  sind  aus  den  Hürden  verschwunden  Und  keine  Binder  giebt  es 
mehr  in  den  Ställen.  Zu  C^n?  vgl.  Hos  9  2;  r\\\  Hb^X^D  ist  nicht  der  Trieb,  sondern 
das  Produkt  d.  h.  die  Frucht  des  Ölbaums,  vgl.  H^j;  im  folgenden  Stichos 
(so  richtig  Nowack).  Zu  niöH^  vgl.  Jes  16  8,  doch  ist  vielleicht  nach  LXX 
mit  Nowack  wegen  des  singularen  Prädikats  dafür  ni'^  zu  lesen.  Cheyne 
setzt  auch  hier  wie  Jes  16  8  dafür  II^D,  Traubenblüte,  und  liest  dem  ent- 
sprechend ^bti^fcj,  Traube,  für  'PDi^.  "%  kommt  intransitiv  nicht  vor,  1.  daher 
mit  Wellh.  nni  n^DD  steht  für  «^Dö,  wie  umgekehrt  ^^)^  für  nti^i  v.  10.  Das 
Sy.  XsY-  D'^riDn  ist  von  LXX  auch  Jo  1 17  und  Zph  2  u  vorausgesetzt  (s.  Nestle 
ZATW  1900,  168)  und  auch  in  der  Mischna  gebraucht.  18  könnte 
unter  Umständen  in  der  oben  am  Ende  von  v.  16  angegebenen  Form  die  zweite 
Hälfte  des  letzten  Vierzeilers  unseres  Psalmes  sein;  wahrscheinlich  aber  darf 
er  von  19^  nicht  getrennt  werden,  der  in  seinen  aus  Ps  18  entnommenen  Wen- 
dungen (vgl.  Ps  18  33  34  73  26)  die  Merkmale  eines  liturgischen  Anhangs  auf- 
weist, und  darum  werden  beide  Verse  sekundären  Ursprungs  sein  und  den 
genuinen  Schluss  des  Psalms  verdrängt  haben  (so  auch  Wellh.  und  Grimm 
Lit.  Append.  21  f.)  Für  "^niD^  lesen  Guthe  und  Nowack  nach  LXX 
wohl  mit  Recht  nur  niöS ;  zu  niö2i"^j;  ijnin  vgl.  Mch  1  3. 

19^  die  Unterschrift,  gehört  wahrscheinlich  an  die  Spitze  des  Capitels, 
s.  zu  V.  1.  Andernfalls  müsste  man  mit  Nestle  und  Nowack  annehmen,  dass 
V.  19*^  in  dem  Gesangbuch,  aus  dem  das  „Gebet  Hab's^  stammt,  zu  dem  folgen- 
den Psalme  gehörte  und  nur  aus  Versehen  mit  Cap.  3  in  das  Buch  Hab 
wanderte.  In  jedem  Fall  ist  statt  '^O-^''?^  wie  überall  im  Psalmbuch  (vgl.  Ps  4  1 
6  1  54  1  etc.)  nur  ni'»:ii  zu  lesen. 


Zph  Einleitunfa:  I  357  Zph  Einleitung  I 


ZEPHANJA. 

Einleitung. 


I.  Inhalt  und  Zusammensetzung  des  Buches.  Zephanja,  der  neunte  in 

der  E/eihe  der  „Zwölf  Propheten"  im  MT,  wie  in  LXX,  beginnt  in  Cap.  1  mit  einer 
Schilderung  des  Gerichts,  das  Juda  und  Jerusalem  am  nahen  Tage  Jahwes  bevor- 
steht, wo  mit  all  den  G  ötzen-  und  Baalsdienern  und  den  Liebhabern  und  Nachahmern 
der  assyrischen  Mode,  den  hochmütigen  und  eingefleischten  Verächtern  Jahwes  auf- 
geräumt wird.  Voranzustellen  ist  wahrscheinlich  1  7,  die  Aufforderung  des  Pro- 
pheten zur  Stille  vor  Jahwe,  der  mit  seinen  geladenen  Gästen  zum  Schlachtopfer 
erscheint  (s.  zu  1  7);  dann  hat  Jahwe  das  Wort  und  kündigt  das  Gericht  an,  das  er 
an  Jerusalem  halten  wird.  Auch  im  2.  Cap.  setzt  sich  die  Pede  Jahwes  fort;  2  1  2*  4 
bildet  wohl  die  Überleitung  zu  der  Bedrohung  der  Philister  2  5-7  (der  Moabiter  und 
Ammoniter  2  8-11,  ein  Abschnitt,  der  nicht  dem  Grundstock  des  Buches  angehört),  der 
Kuschiten  und  Assyrer  (2  12-15).  In  diesen  beiden  Capp.  finden  sich  allerdings  auch 
ausser  2  8-11  einige  fremde  Elemente,  darunter  solche,  welche  die  Schilderung  des 
bevorstehenden  historischen  Ereignisses,  das  Juda,  Philistäa,  Kusch  und  Assur  die 
Vernichtung  bringen  soll,  als  eine  Beschreibung  des  eschatologischen  Völker-  und 
AVeltgerichts  deuten  (vgl.  zu  1  3  6  18  2  3  7). 

In  Cap.  3  setzt  eine  neue  Apostrophe  des  gottlosen  Jerusalems  ein,  die  aber 
ganz  andere  Sünden  erwähnt  als  Cap.  1,  besonders  auch  die  Undankbarkeit  gegen 
Gottes  Wohlthaten  hervorhebt  (3  1-7).  Statt  als  Basis  zu  neuer  Strafdrohung  wird 
dieser  Weheruf  als  Ausgangspunkt  benutzt,  um  die  Notwendigkeit  des  Einschreitens 
Jahwes  zum  Weltgericht,  sowie  zur  Bettung  der  Frommen  in  der  Krisis,  die  auch 
in  Jerusalem  sich  vollzieht,  zu  folgern  und  diese  Hilfe  Gottes  darzustellen  (3  8-13). 
Die  Stimmung  hat  also  ganz  umgeschlagen  gegen  v.  1-7,  und  zuletzt  folgt  noch  eine 
Aufforderung  an  Zion,  über  die  herrliche  Bettung  zujubeln,  die  Jahwe  selber  mit 
Wonne  erfüllt  und  die  er  auch  die  Juden  in  der  Diaspora  erfahren  lässt  (3  14-20). 

Diese  Skizze  des  Inhals  zeigt,  dass  das  Buch  in  zwei  Hauptbestandteile  zer- 
fällt: 1)  die  Drohung  des  nahen  Gerichtes  über  Juda  und  einige  andere  Staaten,  wie 
Philistäa,  Agypten-Kusch  und  Assur,  und  2)  die  Verheissung  der  herrlichen  Bettung 


Zph  Einleitung  I  358  Zph  Einleitung  II 

der  Frommen  iu  dem  verdorbenen  Jerusalem  am  Tage  des  escliatologischen  Welt- 
gerichtes. Der  letztere  Teil  setzt  sich  wieder  deutlich  zusammen  aus  drei  Einzel- 
stücken, von  denen  das  zweite  an  das  erste  und  das  letzte  an  die  beiden  vorher- 
gehenden sich  anschliesst,  erweist  sich  aber  im  Ganzen  als  Anhang  zu  Cap.  1  f.,  der 
dem  Gericht  das  Heil  gegenüberstellen  soll.  Daneben  sind  einzelne  kleinere  Elemente 
auszuscheiden,  die  sich  in  den  grossen  Zusammenhang  nur  lose  einfügen.  Von  den 
das  historische  Ereignis  in  ein  eschatologisches  umdeutenden  Stücken  in  Cap.  1  f.  ist 
schon  gesprochen;  ausserdem  aber  finden  sich  ein  paar  Verse,  die  eine  andere  Stellung 
den  Heiden  gegenüber  einnehmen  als  ihre  Umgebung,  so  2  11  3  9  f. 

II.  Die  Entstehung^  und  der  Autor  der  Gerichtsdrohun^  Cap.  1  f.  Die 

nach  Inhalt  und  Form  zusammengehörenden  Teile  von  Cap.  If.,  nämlich  1  7  2  3^'  4  5 
8aß_iia  12  13^  14-17  (exc.  V.  17^^^)  2  1  2^  4  5-7*  12-14,  geben  deutlich  ihre  Entstehungs- 
zeit zu  erkennen.  Es  ist  einmal  von  Angehörigen  und  Würdenträgern  des  königlichen 
Hauses  die  E.ede,  welche  das  Haus  ihres  Herrschers  mit  Unrecht  und  Trug  erfüllen, 
ohne  dass  dem  König  selber  irgend  welche  Schuld  zugemessen  wird  (1  8  f.) ;  daraus 
ist  zu  schliessen,  dass  ein  König  Juda  und  Jerusalem  beherrscht,  dem  es  an  der 
Macht  gebricht,  einen  wirksamen  Einfluss  auf  die  Leitung  der  Geschäfte  auszuüben. 
Nimmt  man  dazu,  dass  die  Jerusalemer  mit  auf  seinen  Hefen  ohne  jegliche  Störung 
abgelagertem  Weine  verglichen  sind  (1  12),  d,h.  dass  eine  lange  Periode  vorangegangen 
ist,  in  der  Jerusalem  unbehelligt  blieb,  so  bietet  sich  sofort  als  Entstehungszeit  der 
Anfang  der  Regierung  Josias,  der  im  Alter  von  8  Jahren  638  auf  den  Thron  kam 
(II  Reg  22 1)  und  608  bei  Megiddo  fiel.  Dahin  führt  auch  die  Schilderung  des  Treibens 
der  Jerusalemer  in  1  4-9,  die  vortrefflich  passt  zwischen  die  Regierung  Manasses,  der 
der  assyrischen  Mode  und  dem  Götzendienste  Thür  und  Thor  öffnete,  und  der  Reform 
Josias  im  Jahre  621,  die  den  Kultus  von  allem  Heidnischen  zu  reinigen  suchte.  Der 
König  Josia  wird  vom  Propheten  nicht  getadelt,  also  war  er  wohl  noch  zu  jung,  um 
die  Zügel  der  Regierung  kräftig  in  die  Hand  zu  nehmen,  zudem  aber  mochte  be- 
kannt sein,  dass  seine  Sympathie  diesem  Treiben  der  Grossen  nicht  gehörte.  Inner- 
halb des  Spielraums  von  638  bis  621  das  Datum  der  Prophetie  näher  zu  bestimmen 
hilft  die  Erwägung,  dass  die  Anzeichen  des  bevorstehenden  Sturmes  dem  Propheten 
schon  sichtbar  sein  mussten,  dass  ihm  die  von  Jahwe  zum  Schlachtopfer  Geladenen 
(1  7)  keine  fingierte  Grösse  sein  konnten.  Es  müssen  in  seinem  Gesichtskreise  Feinde 
aufgetaucht  sein,  von  denen  er  die  Vollstreckung  der  Juda  gedrohten  Strafe  er- 
warten durfte.  Das  sind  weder  die  Assyrer  noch  die  Ägypter,  da  diesen  vielmehr 
auch  die  Vernichtung  droht,  und  ebenso  wenig  ein  kleineres  Volk  aus  der  Nachbar- 
schaft, da  er  einem  solchen  nicht  Züge  bis  Kusch  und  Nineve  zutrauen  konnte.  Der 
Prophet  hat  ohne  Zweifel  die  Skythen  im  Auge,  die  schon  geraume  Zeit  Vorder- 
asien in  Unruhe  versetzten,  und  zwar  ist  dieses  wilde  Reitervolk  wohl  bereits  im 
Heranzuge  nach  Palästina,  wie  er  Juda  und  Jerusalem  mit  dem  Gerichte  für  ihre 
Sünden  droht.  Er  erwartet,  dass  die  Skythen  die  philistäischen  Städte  zerstören, 
Jerusalem  erobern,  selbst  unter  Kusch  eine  Niederlage  anrichten,  und  dann  wieder 
nach  Norden  umkehrend,  über  Nineve  herfallen  und  Assur  ein  Ende  bereiten  werden. 
Nur  an  Philistäa  sind  seine  Worte  erfüllt,  ein  Beweis,  dass  sie  wirklich  Weissagung 
und  vor  dem  Eintreffen  der  Skythen  im  südlichen  Palästina  entstanden  sind.  Nun 
wird  der  Zug  der  skythischen  Reiterschaaren  nach  dem  Süden  an  Juda  vorbei  in  das 


Zpli  Einleitung  II  359  Zph  Einleitung  II 

Jahr  620  verlegt,  so  dass  wir  mit  grosser  Zuversichtlicbkeit  die  Entstehung  der  Ge- 
richtsdrohiiiig  Z])irs  in  das  Jahr  627  oder  den  Anfant^  626  verlegen  dürfen.  Die 
Überschrift  1  l  giebt  somit  das  richtige  Datum  für  den  Grundstock  von  Cap.  1  f.  an. 
Zu  bezweifeln,  dass  der  Autor  dieser  Prophetie  der  in  der  Ubersclirift  1  l, 
sonst  aber  nirgends  im  AT  genannte  Zephanja,  LXX  ^ocpovtd;,  war,  liegt  kein  Grund 
vor.  Auch  die  Nachricht  von  seiner  Herkunft  aus  der  königlichen  Familie  (s.  zu  1  1) 
wird  insofern  durch  den  Inhalt  bestätigt,  als  er  sich  über  das  Treiben  am  Hofe  wohl 
unterrichtet  zeigt  (vgl.  1  8 f.).  Alles  weist  somit  darauf  hin,  dass  er  Jerusalemer  war; 
darum  ist  nicht  einzusehen,  wie  Pseudo-EpiPHANIüS  zu  der  Angabe  kam:  ix  cpoXr); 
^v  2ü|X£(üv  cxYpou  2aßapai}a  resp.  oltto  opou^  SapaßaOa.  Aber  wichtiger  als  diese 
Notizen  über  die  äusseren  Verhältnisse  des  Propheten  sind  seine  Worte;  sie  sind  ein 
ausserordentlich  wertvolles  Dokument  aus  der  Zeit,  die  unmittelbar  der  Reform 
Josias  voranging,  denn  wir  vernehmen  darin  eine  Stimme,  die  uns  Zeugnis  giebt  über 
die  Zustände  in  Jerusalem  und  offenbar  aus  den  Kreisen  stammt,  welche  das  deute- 
ronomische  Gesetz  ins  Leben  gerufen  haben.  Es  ist  die  Opposition  gegen  das  aus- 
ländische Wesen  in  Kultus  und  Sitte,  die  sich  hier  erhebt,  gegen  die  fremde  Kultur, 
die  mit  ihrem  Götzendienst  und  ihrem  Luxus  die  nationale  Art  verderbt,  den  israeli- 
tischen Gottesdienst  verdrängt  und  die  Einfachheit  und  Geradheit  der  von  den  Vätern 
ererbten  Sitte  und  Lebensgewohnheit  zerstört.  Zph  stimmt  vortrefflich  überein  mit 
Amos,  Hosea  und  Jesaja,  die  in  den  Nasiräern  ächte  Israeliten  sahen,  die  fremden 
kultischen  Formen  als  Baalskult  verpönten  und  die  im  Gefolge  des  überhandnehmen- 
den Luxus  auftretende  Bedrückung  der  Armen,  Ungerechtigkeit  in  Handel  und 
Wandel  und  stolze  Hinwegsetzung  über  die  sittlichen  Forderungen  Jahwes  aufs 
heftigste  bekämpften.  Man  lernt  aus  der  Prophetie  Zph's  den  Synkretismus  kennen, 
den  Manasse  begünstigt  und  befördert  hatte;  die  Kulte  der  Nachbarn  und  besonders 
der  Assyrer  waren  in  Jerusalem  eingedrungen.  Wie  seine  Vorgänger  kündigt  Zph 
Jerusalem  das  Gericht  Jahwes  an,  aus  seinen  Worten  ersieht  man,  dass  er  dieselben 
kannte  und  dass  ihm  namentlich  Jesaja  bei  seiner  Schilderung  des  Tages  Jahwes 
vor  Augen  schwebte.  Beachtenswert  ist,  dass  er  nicht  nur  von  dem  Gerichte  über 
Juda-Jerusalem  spricht,  sondern  dasselbe  auch  über  Philistäa,  Kusch- Ägypten  und 
Assur  sich  erstrecken  lässt;  aber  auch  ihm  ist  wie  Amos,  der  ebenfalls  von  den  Nach- 
barn spricht,  die  Hauptsache,  dass  das  Gericht  über  das  Volk  Jahwes  ergeht,  und 
so  zu  sagen  nur  die  Ausläufer  des  Gewitters,  das  sich  über  Juda  entladet,  treffen  die 
andern  Völker.  Eine  ausdrückliche  Begründung  des  Gerichts  über  diese  Völker  giebt 
Zph  nicht;  einerseits  mag  das  veranlasst  sein  dadurch,  dass  ihm  das  ausländische 
Wesen  in  Kultus  und  Sitte  überhaupt  ja  als  widergöttlich  vorkam,  andererseits  mag 
es  darin  liegen,  dass  er  die  Skythen  als  das  Werkzeug  Jahwes,  dessen  Macht  nicht 
nur  auf  Juda  eingeschränkt  ist,  ansieht  und  darum  ohne  weiteres  die  Thaten,  die  er 
von  ihnen  erwartet,  als  Jahwes  Thaten  betrachtet.  Mit  der  Verurteilung  der  Zu- 
stände in  Juda-Jerusalem  konkurriert  das  Auftreten  der  skythischen  Beiterschaaren, 
dieses  historische  Ereignis  löst  bei  Zph  die  Prophetie  aus,  in  der  er  seinem  Volke 
den  von  Jes  einst  schon  gedrohten  Gerichtstag  Jahwes  als  unmittelbar  bevorstehend 
verkündigt.  Von  späterer  prophetischer  Wirksamkeit  Zph's  wissen  wir  nichts  (dass 
die  von  Clemens  AlexandkinüS  Strom.  V,  11,  77  erwähnte  Apokalypse  Zph's  nicht 
auf  den  Propheten  zurückgeht,  ist  selbstverständlich,  vgl.  E.  SCHÜKEE  Gesch.  des  jüd. 


Zph  Einleitung  II  360  Zph  Einleitung  IV 

Volkes 3III,  271  f.);  aber  in  seinen  Vorwürfen  vom  Jahre  627/6  steckt  in  nuce  das 
Programm  der  deuteronomischen  Keform  und  er  mag  mit  seiner  Prophetie  nicht 
wenig  zur  Anhandnahme  desselben  beigetragen  haben.  Eine  tiefere  Auffassung  von 
Jahwes  Forderung  hat  sein  Zeitgenosse  Jeremia,  der  darum  auch  nicht  verstummt, 
wie  der  Skythensturm  vorüber  und  die  Reform  ins  Werk  gesetzt  ist. 

III.  Die  Eatstehung^  der  Ileilsverkündigiing  Cap.  3  und  des  ganzen  Buches. 
Das  aus  drei  verschiedenen  Stücken  zusammengesetzte  Cap.  3  (s.  Erklärung)  kann 
mit  Heilsverkündigung  betitelt  werden,  da  der  erste  Abschnitt  3  1-7  jedenfalls  jetzt 
nur  als  Grundlage  der  folgenden  Glücksw^eissagung  in  Betracht  kommt,  vgl.  Einleit.  I 
und  Schlussbem.  zu  3  7.  Das  Cap.  3  zeigt  dieselbe  Zusammensetzung  wae  Mch  7, 
und  wie  in  Mch  7  1-4  (s.  zu  dem  Abschnitt  und  Mch  Einl.  III  3),  so  treten  auch  3  1-7 
manche  litterarische  Reminiscenzen  hervor;  das  beweist  sicher  für  späte  Herkunft,  noch 
nicht  sicher  für  schriftgelehrten  Ursprung.  Es  kann  somit  3  1-7  als  ein  Weheruf  über 
Jerusalem  verstanden  werden,  der  von  einem  im  Innersten  über  die  Sünde  der  Stadt 
entrüsteten  Autor  herrührt,  sei  es  im  fünften  (vgl.  Mal,  Tritojes),  sei  es  im  zweiten 
Jahrhundert.  Der  Weheruf  ist  dann  zunächst  an  die  Prophetie  Zph's  angefügt,  um 
das  dort  gedrohte  Gericht  neu  für  die  Zukunft  zu  begründen.  Diesem  nur  von  Drohung 
und  Gericht  redenden  Buch  Zph  wurden  dann  die  glückverheissenden  Abschnitte 
3  8  ff .  angefügt;  die  Worte  der  Propheten  gelten  ja  der  späteren  Zeit  als  Weissagungen 
über  die  Endzeit  und  darum  konnte  in  ihnen,  wenn  sie  in  der  Gemeinde  des  zweiten 
Tempels  gebraucht  werden  sollten,  die  Kehrseite  des  Gerichts,  das  Heil  Zions  und 
Israels,  nicht  fehlen.  Die  Anhänge  ersetzten  diesen  Mangel  und  ausserdem  half  die 
Redaktion,  welche  diese  Stücke  beifügte,  zugleich  durch  Einfügungen  im  Innern 
nach,  dass  das  alte  prophetische  Wort  richtig  verstanden  wurde  als  eine  Schilderung 
des  eschatologischen  Weltgerichts.  Anhänge  und  umdeutende  Interpolationen  ent- 
stammen somit  derselben  Zeit,  also  da  die  letzteren  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  die 
makkabäischen  Erfolge  voraussetzen  (vgl.  zu  2  7  und  2  9),  dem  2.  Jahrhundert,  Für 
die  Entstehung  des  Ganzen  sind  demnach  folgende  Etappen  zu  unterscheiden: 

1)  die  Prophetie  Zph's  aus  dem  Jahre  627/6:  1  1^  7  2  3^*  4*  5  8*  9  10*  11^  12* 
13^  U-17  (excl.  V.  17^T)  2  1  2»  4  5*  6  T^ß*^«*  12-14. 

2)  die  Hinzufügung  von  3  1-7,  möglicherweise  schon  im  5.,  vielleicht  aber  auch 
erst  im  2.  Jahrhundert. 

3)  die  Bedaktion  des  Buches  im  2.  Jahrb.,  die  durch  Anhängung  von  3  8-13 
(excl.  V.  9  f.)  und  3  14  f.  17-19  und  durch  Interpolation  die  ursprüngliche  Gerichts- 
drohung Zph's  zu  einer  Prophetie  von  den  letzten  Dingen,  dem  Weltgericht  und  dem 
Heile  Zions,  umdeutete.  Zu  diesen  Interpolationen  gehören:  1  3^>^^  6  8^*  10^°^  12^* 
17^T  18  2  2^  3  7^°^^^  8-10  15. 

4)  kamen  schliesslich  zu  diesem  Buche  Zph  noch  hinzu,  abgesehen  von  Ver- 
derbnissen und  Glossen,  die  nicht  einer  besondern  Kategorie  angehören  (vgl.  z,  B. 
zu  1  11^  und  13^),  die  Einfügungen  von  2  11  und  3  9  f.,  die  einer  heidenfreundlicheren 
universalistischen  Stimmung  Ausdruck  verleihen  (s.  die  Erklärung). 

IV.  Litteratur.  L.  Eeinke  Der  Prophet  Zephanja  1868;  Fe.  Buhl 
Einige  textkrit.  Bemerkungen  zu  den  kl.  Proph.  spec.  zu  Zph  2  11  14  3  17-20  ZATW 
1885, 182—184;  Fr.  Schwally  Das  Buch  Ssefanja  ZATW  1890, 165—240;  W.  Bachee 
Zu  Zph  2  4   ZATW  1891,  185—187,  vgl.  dazu  auch  S.  260—262;   K.  BuDDE  in  StK 


Zph  Einleitung  IV  361  Zpli  1 3 

1893,  393—399;  J.  Bachmann  Zur  Textkritik  des  Propli.  Zph  StK  1894,  641—655;  A.  B. 
Davidson  Nah,  Hab  und  Zph  1899;  11.  WiNCKLER  D^'^  ^nn  Zph  25  Altor.  Forschungen 
III  (1902),  232  f.;  T.  K.  Cheyne  Critica  Bihlica  II  (1903),  174-178. 


Erklärung. 

Die  Überschrift  1 1,  die  ähnlich  lautet  wie  Hos  1  i  und  Mch  1  i,  hat  wohl 
ursprünglich  das  Datum  der  Weissagung  v.  i''  nicht  enthalten,  obschon  dasselbe 
richtig  ist,  S.Einleitung  II;  dennJosia  würde  sonst  schwerlich  der  judäische 
König  statt  bloss  der  König  genannt  sein,  s.  zu  Jes  1  i.  Dagegen  dürfte  die 
singulare  Zurückführung  der  Genealogie  selbst  über  den  Grossvater  hinaus 
bis  ins  vierte  Glied  alter  Text  sein  und  darauf  beruhen,  dass  der  an  vierter 
Stelle  genannte  Hiskia  eine  bedeutende  Persönlichkeit,  also  wohl  der  König 
dieses  Namens  ist.  Das  Fehlen  des  Königstitels,  wenn  nicht  erst  durch  die 
Beifügung  des  Datums  veranlasst,  schliesst  bei  dem  bekannten  Namen  diese 
Erklärung  nicht  aus;  immerhin  ist  der  Abstand  zwischen  Hiskia  und  Josia 
für  drei  Generationen  sehr  knapp  und  Coenill's  -Bedenken  angesichts  II  B  eg 
21  1  (II  Reg  20  18  ist  aus  dem  Spiele  zu  lassen)  begreiflich. 

A.  Die  Gerichtsdrohung 

1  2 — 2  15. 

I.  Der  Tag  Jahwes,  der  Juda  bevorsteht  I  2— 18. 

1  2-18  ist  die  Schilderung  einer  gewaltigen  Katastrophe,  die  über  Juda  und  Jeru- 
salem als  Strafe  für  ihre  Untreue  und  ihren  Abfall  hereinbricht.  Es  ist  der  Tag  Jahwes, 
der  herankommt,  wie  ihn  ein  Amos  den  Israeliten  und  Jesaja  den  Judäern  verkündet  hat. 
Jahwe  hat  die  Gäste  zum  Schlachtfest  schon  geladen:  die  Skythen,  die  in  den  ersten 
Jahren  der  Regierung  Josias  den  vorderen  Orient  durchsausten  und  ihn  mit  Schrecken 
und  Verwüstung  erfüllten.  Dem  Propheten  ist  es  nicht  darum  zu  thun,  ein  totales  Welt- 
gericht zu  verkündigen;  er  fasst  zunächst  nur  die  Leiden  Judas  ins  Auge  und  erst  in 
Cap.  2  werden  auch  die  Philister,  Kuschiten  und  Assyrer  bedroht.  Leichte  Zufügungen 
schon  im  1.  Cap.  zeigen  jedoch,  dass  die  Späteren  in  der  Prophetie  die  Schilderung  des 
allgemeinen  eschatologischen  Weltgerichts  sahen,  vgl.  z.  B.  v.  6  18*f^'\  Befreit  man  den 
Text  von  diesen  Übermalungen  und  einigen  anderen  späteren  Zuthaten,  so  bleibt  für  die 
ursprüngliche  Prophetie  Zph's  eine  Reihe  von  Tetrastichen,  die  wie  die  Gedichte  Jere- 
mias,  seines  jüngeren  Zeitgenossen  abwechselnd  Zeilen  mit  drei  und  mit  zwei  Hebungen 
aufweisen. 

2  3  Raffen^  fortraffen  werd'  ich  alles  Von  der  Fläche  der  Erde,  Fort- 
raffen  werd'  ich  Menschen  und  Vieh,  Fortraffen  die  Vögel  des  Himmels.  Inf. 
absol.  und  folgendes  Verbum  finit.  müssen  von  demselben  Yerb  herstammen, 
während  die  Masora  abwechselt  und  die  Wahl  zwischen  ^pfcj  und  f]^D  frei  lässt; 
wegen  des  Infinitivs  ^b«,  der  nicht  von  ^^D  abzuleiten  ist,  wird  es  das  Richtige 
sein,  dass  man  überall  ^bS«,  resp.  ^ü^  von  ^p«,  wegräumen,  fortraffen.,  für 


Zph  1  2  362  Zph  1  5 

**)ps  liest,  vgl.  Ges.-Kautzsch2"  §  68g  72aa.  Die  Strophe  dient  als  Ein- 

leitung der  Rede  Jahwes;  wahrscheinlich  hat  aber  die  Prophetie  einst  mit  v.  7 
(s.  dort)  begonnen.  Beachtenswert  ist  es,  dass  nicht  y^^T},  sondern  das  weniger 
universale  nDHtJH,  der  kultivierte  Erdboden,  steht;  es  ist  dem  Propheten  in 
erster  Linie  um  das  Gericht  über  Juda  zu  thun.  nirr»  Dt^i  ist  überflüssig, 

besonders  nach  der  Überschrift:  'W  n\n]  "15"^,  aber  auch,  w^enn  durch  v.  7  Jahwes 
Auftreten  angekündigt  ist;  wahrscheinlich  ist  es  aus  Versehen  vom  gleich- 
lautenden Schluss  in  v.  3  auch  hierher  versetzt.  Der  Interpolator  von  v.  3  (s. 
dort)  mochte  mehr  Grund  haben,  ausdrücklich  seine  Worte  als  Gottes  Spruch 
zu  kennzeichnen,  als  der  Prophet.  3  Dass  der  Schluss  des  Verses  von 

nibt^^Dlsni  an  Interpolation  ist,  wird  von  Schwally,  Wellh.  und  Nowack  an- 
erkannt: V.  3*^  ist  ja  im  Grunde  nur  Wiederholung  von  v.  3^*  und  die  besondere 
Nennung  der  Gottlosen  neben  den  Menschen  auffallend  genug;  wenn  in 
ni^^'D^ni/was  doch  schwerlich  ==  D'^VLi^?)?)!,  die  Argeimisse^  zu  fassen  ist  (s.  Jes 
3  6),  ein  Verbum  steckt,  wie  das  folgende  "HS  nahelegt,  so  wird  man  nicht  mit 
Schwally  ^n^t^Dl,  ich  lasse  straucheln,  sondern  eher  mit  Ooet  'Tib'iyDni  oder 
besser  '»n'Ittt^ni,  ich  vertilge  (die  Gottlosen),  vermuten.  So  bekommt  man  die 
tröstliche  Limitation  des  im  Folgenden  wiederholten  prophetischen  Ausspruchs: 
Nur  die  Gottlosen,  nicht  auch  die  Frommen  gehen  im  Gericht  zu  Grunde. 
Aber  auch  D^H  ^yV[  gehört  zumEinschub;  denn  wie  man  die  Fische  von  der  Erd- 
oberfläche wegraffen  kann,  ist  nicht  zu  verstehen  und  selbst  die  Sintflut  hat  einst 
den  Fischen  nichts  angethan.  Sie  können  hier  nach  der  Glosse  Hos  4  3  ein- 
gefügt sein. 

4  Und  ausrecken  werde  ich  meine  Hand  wider  Juda  Und  wider  die  Be- 
wohner Jerusalems  Und  austilgen  den  Namen  Baals  Und  den  Namen  der 
PfafJ'en.  Zu  T  HDJ,  die  Hand  ausstrecken^  =  unser  ^.aufziehen'^ ,  seil,  zum 
Schlag,  vgl.  den  Refrain  Jes  5  25*^;  das  überflüssige  'b^  ist  wie  oftmals  sekun- 
därer Text.  T\\i]  DlpÄH"])?  stösst  sich  mit  der  bestimmten  Angabe  von 
Juda  und  Jerusalem  in  v.  4%  als  ob  diese  nichts  bedeuteten  und  nur  die  heilige 
„Stätte"  in  Frage  käme;  das  ist  der  Standpunkt  nach  der  Konzentration  alles 
Gottesdienstes  in  Jerusalem,  vgh  zu  Jer  7  3,  während  Zph  auch  die  Landschaft 
von  Baal  befreit  sehen  möchte.  Die  verfrühte  Limitation  auf  die  heilige  Stätte 
in  Jerusalem  ist  daher  Glosse  eines  Späteren.  Für  1«^,  =  den  letzten 
Rest,  liest  LXX  D^,  was  zu  adoptieren  ist,  da  'l^ü  wohl  gleichfalls  die  Reform 
Josias  voraussetzt,  durch  die  bereits  Baal  zum  grössten  Teil  verdrängt  sei. 
Unter  ^J^^H  versteht  Zph  nicht  bloss  den  eigentlichen  Baalskult,  sondern  auch 
den  Kult,  der  z^var  Jahwe  galt,  aber  in  Formen  des  Baalskultes  geübt  wurde, 
vgL  das  Urteil  Hosea's  über  den  israelitischen  Gottesdienst  und  die  Forde- 
rungen des  Dtn's;  Zph  steht  zwischen  Hosea  und  dem  Dtn.  Mit  LXX  ist 
D^insn  Dl^"n«1  zu  lesen  und  D^^niH'Dj;  als  Glosse  zu  entfernen,  da  D'^;n'2  hier 
keinen  Platz  und  keine  Bedeutung  hat,  wenn  man  es  als  identisch  mit  D''1D2  fasst, 
und  störend  Fremdes  hier  einmischt,  wenn  man  ihm  einen  davon  verschiedenen 
Sinn  giebt  (so  auch  Schwally  und  Davidson).   Über  IDä  zu  Hos  4  4. 

5  Und  die,  die  auf  den  Dächern  sich  niederwerfen  Vor  dem  Heer  des 
Himmels   Und  die  sich  vor  dem  Monde  niederweifen   Und  die  bei  Milkom 


Zph  1  5  363  Zpli  1  8 

schworen.  Die  Verelirung  des  Himmelsheeres,  d.  h.  der  assyrische  Gestirn- 
dienst mit  Verehrung  einzelner  Sterne  und  Sternbilder  (vgl.  II  Reg  23  5),  da- 
tiert in  Juda  von  der  Zeit  des  assyrischen  Bündnisses  her  von  Ahas  und  be- 
sonders von  Manasse,  vgl.  \l  Keg  23  12;  die  Anbetung  auf  den  Dächern  zeigt, 
dass  der  Kultus  direkt  den  siclitbaren  Gestirnen  erwiesen  wurde,  vgl.  auch 
Hes  8  16.  Das  erste  D''j;51^;in  kann,  wo  es  steht,  nicht  gehalten  werden, 

es  wird  die  Korrektur  zu  dem  folgenden  '?ni  sein,  dessen  1  zu  tilgen  ist,  wenn 
nur  eine  Klasse  in  beiden  Stichen  beschrieben  ist  (Hitzig.,  Wellh.,  Nowack); 
der  unter  Manasse  mächtig  gewordene  Synkretismus  soll  ausgerottet  werden, 
der  den  Jahweverehrern  gestattete,  zugleich  beiMilkom  (so  ist  mit  einigen  Codd. 
der  LXX,  Pesch.,  Vulg.  und  den  meisten  Exegeten  für  D?'???  zu  lesen),  dem 
Gott  der  Ammoniter,  zu  schwören,  vgl  I  Reg  11  5  33  II  23  is  Jer  7  so  f.  Hes 
8  9-18  und  bes.  23  39.  Da  jedoch  njn:  in  der  Rede  Jahwes  auffällt,  so  kann 
Nestle  (s.  bei  Cheyne)  recht  haben,  dass  dafür  vr\\,  Mond,  zu  lesen  ist,  vgl. 
Dtn  17  3  Jer  8  2  Hi  31  26.  Über  ?  V^^i^i  s.  zu  Am  8  u.  6  ist  prosaische 
Interpolation,  die  das  Gericht  als  Weltgericht  fasst  und  darum  neben  die  von 
Jahwe  abgefallenen  Juden  (v.  6^)  die  Heiden  stellt,  die  Jahwe  nicht  gesucht, 
noch  nach  ihm  gefragt  haben,  vgl.  die  Perfecta. 

7  Still  vor  dem  Herrn  Jahwe,  Denn  nah  ist  der  Tag  Jahwes;  Denn  ge- 
rilstet  hat  Jahwe  das  Opfer,  Seine  Gäste  geweiht,  „Mit  rwr}\  ''^sp  DH  wurden 
jedenfalls  alle  Opferhandlungen  eingeleitet,  ähnlich  wie  bei  den  Römern  durch 
das  bekannte  favete  linguis  (Horat.  Od.  3  1  2  Aen.  5  71)"  (Schwally).  Es  war 
der  Ruf,  der  die  ehrfurchtsvolle  Stille  einleitete,  welche  den  Menschen  dem 
Erscheinen  der  Gottheit  zur  Teilnahme  am  Opfer  gegenüber  geziemte,  vgl. 
Hab  2  20  Sach  2  17.  Der  Tag  Jahwes,  an  dem  das  Gericht  sich  vollzieht 
(vgl.  zu  Am  5  18),  ist  hier  unter  dem  Bilde  eines  grossen  Opferfestes  resp.  eines 
Schlachtfestes  dargestellt,  das  Jahwe  selber  veranstaltet,  vgl.  auch  Jes  34  6 
Jer  46  10.  Zum  Opfer  wie  zur  Schlacht  müssen  die  Teilnehmer  sich  weihen, 
vgl.  Jes  13  3  sowie  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.-*  31f.  Die  Geladenen  Jahwes 
sind  die  Feinde,  die  Juda  verzehren  sollen,  vgl.  I  Sam  9  13  Jes  13  3. 

Übrigens  scheint  der  Yers  hier  nicht  am  richtigen  Platz,  er  zerstört  den  Zusammen- 
hang von  ^ril.pn^  V.  4  mit  '•rinj^ö^  v.  8  und  eignet  sich  mehr  als  Eröffnung  der  ganzen  Ver- 
kündigung denn  als  Zwischenbemerkung  in  den  AVorten  Jahwes.  Ich  stelle  daher  v.  7 
vor  V.  2,  in  dem  dann  Jahwe  selber  das  Wort  nimmt. 

8  Die  Einführung  njn;:  nnt  Dl^n  iTni  passt  nicht  zu  der  Fortsetzung;  der 
dritten  Person  kann  die  1.  "TinpSI  so  in  ein  und  demselben  Satze  nicht  folgen; 
es  ist  sekundäre  Einführung,  um  von  dem  an  falsche  Stelle  geratenen  y.  1  emen 
Übergang  auf  v.  8  zu  bilden.  Und  heimsuchen]  werde  ich  die  Beamten  Und 
die  königlichen  Prinzen  Und  alle  die,  die  sich  kleiden  In  ausländische  Ge- 
wänder. Der  König  selber  wdrd  nicht  genannt,  sondern  die  Beamten  und 
Prinzen,  die  ganze  Hofgesellschaft;  dem  König  misst  Zph  keine  Schuld  bei, 
weil  er  noch  zu  jung  ist,  um  auf  die  Leitung  der  Geschäfte  einen  bestimmenden 
Einfluss  zu  haben,  vgl.  II  Keg  22  1,  wonach  Josia  im  Alter  von  acht  Jahren 
zur  Regierung  gekommen  ist.  Was  den  Beamten  und  dem  Hofe  (LXX  liest 
r\^^  für  ''iS,  was  einen  wesentlichen  Unterschied  nicht  einschliesst,  aber  wegen 


Zph  1  8  364  Zph  1  12 

des  folgenden  'fc<  n^?  v.  9,  das  in  andrem  Sinne  zu  nehmen  ist,  sich  nicht  emp- 
fiehlt) vorgeworfen  wird,  ist  Vernachlässigung  der  nationalen  Eigenart  und 
Vorliebe  für  ausländisches  Wesen  in  der  Nachahmung  der  assyrischen  Sitten. 
Vgl.  zu  dieser  Beurteilung  der  Ausländerei,  welche  die  einfachen  nationalen 
Sitten  geringschätzt,  schon  Jes  2  6  f.  und  dann  die  Verbote  solcher  Luxusge- 
wänder ütn  22  11  Lev  19  19.  Zu  der  Tracht  von  Prinzessinen  und  Prinzen  vgl. 
II  Sam  13  18  Mt  11  8. 

9  Und  heimsuchen  werde  ich  alle,  die  hüpfen  Über  die  Schwelle^  Die 
füllen  das  Haus  ihres  Herrn  Mit  Frevel  und  Trug,  S^nn  D1*5  verrät  sich  durch 
seine  unhaltbare  Stellung  am  Ende  als  Glosse  und  bestätigt  somit  auch  das 
Urteil  über  v.  8*%  vgl.  ferner  zu  den  Anfängen  von  y.  lo  12.  Der  Vers 
schildert  nicht  eine  andre  Klasse  von  Personen,  sondern  neue  Züge  des 
Treibens  der  Hofgesellschaft  von  v.  8.  Dn''yit5  iT»?  ist  nicht,  wie  LXX  wdll,  das 
Haus  Jahwes,  sondern  das  des  Königs,  das  sie  durch  ihr  Treiben  nach  Art 
der  Fremden  und  ihr  Verlassen  von  Kecht  und  Sitte  mit  Frevel  und  Trug 
füllen.  Das  Hüpfen  über  die  Schwelle  ist  offenbar  ausländische  Sitte,  die  auf 
irgend  einen  Aberglauben  zurückgeht  vgl.  zu  I  Sam  5  5  Jes  6  2  57  8,  ferner  s. 
auch  MNDPV  1899,  10;  dem  Hüpfen  über  die  Schwelle  ist  mit  Absicht  das 
Füllen  des  Hauses  mit  Unrecht  und  Trug  gegenübergestellt,  darum  sind  die 
Verse  nicht  mit  Schwally  und  Nowack  umzustellen  in  die  Ordnung:  y.  8^  9^ 
9^  8^  In  Bezug  auf  ausländische  Manier  und  Mode  ist  man  peinlich,  die  alten 
Gebote  des  Kechts  und  der  guten  Sitte  übertritt  man. 

10  (von  ^1p  an;  was  vorangeht,  ist  sekundär)  11^  Horch^  wie  Geschrei  vom 
Fischtor  her  tönt  Und  Wehklagen  aus  der  Neustadt  Und  grosses  Gejammer 
von  den  Hügeln,  Es  heulen  die  Bewohner  des  Maktesch,  Der  Feind  kommt 
von  Norden,  darum  dringt  er  zuerst  in  die  nördlichen  Quartiere  der  Stadt  ein. 
Dort  lag  das  Fischtor  Neh  3  3  12  39,  wo  der  das  Tyropöontal  hinabführende 
Weg  die  Stadtmauer  kreuzt,  dort  befanden  sich  auch  nitÄ^öH,  die  Vor-  oder 
Neustadt  (vgl.  II  ßeg  22  u  Neh  11  9),  und  ^POr^T],  der  Mörser,  die  Stampfe, 
eine  Bezeichnung,  die  sich  vielleicht  auf  die  Mulde  des  Tyropöontales  bezieht, 
s.  GrUTHE  KB-W  305.  Unter  den  Hügeln  sind  die  Höhen  des  Nordquar- 
tiers zu  verstehen.  Vielleicht  ist  der  letzte  Stichos,  ähnlich  dem  zweiten, 
zu  lesen:  tyriDDH"))?  Thb^\  11^  gehört  schwerlich  zum  alten  Bestände  der 
Prophetie;  denn  den  Zeitgenossen  brauchte  Zph  nicht  zu  sagen,  wer  diese 
Quartiere  bewohnte,  und  dann  weiss  man  nicht,  ob  man  ]J?3?  als  nomen  pro- 
prium =  die  Kanaanäer  oder  appellativ  =  Krämervolk  zu  nehmen  hat,  wie  der 
parallele  Ausdruck  Geldwäger  d.  h.  Handelsleute  vermuten  lässt.  Auch  im 
letzteren  Sinne  wäre  an  phönizische  Händler  zu  denken;  denn  die  Phönizier 
waren  im  Altertum  das  Krämervolk.  Der  Einschub  könnte  erfolgt  sein,  um 
die  Klage  der  nördlichen  Stadtteile  nicht  mit  ihren  eigenen  direkten  Leiden, 
sondern  mit  der  Vernichtung  der  Phönizier  zu  erklären,  die  dort  hauptsächlich 
bei  ihrem  Besuche  Jerusalems  sich  einzuquartieren  pflegten. 

12^ba  (^]3js  nnnb?;  auch  hier  ist  der  Anfang  eingesetzt,  der  zur  Abw^echs- 
lung  einmal  «^nn  nj;!  n^ni  statt  «^nn  D1*n  r\)r\\  lautet)  Und  ich  durchforsche 
(1.  nsi)  Jerusalem  mit  der  Leuchte  Und  suche  die  Leute  heim,  Die  auf  ihren 


Zph  1  12  365  Zph  1  16 

Hefen  erstarrt  sind.  In  ihrem  Herzen  stufen:  l^'ortsotzung  bringt  die  folgende 
Strophe  V.  12'*1^  13".  Die  Häuser  brauchen  im  Orient,  wo  sich  das  Leben  auf 
der  Strasse  abspielt,  nicht  hell  und  geräumig  zu  sein;  genaue  iJurchsuchung 
musste  darum  auch  mit  ]jicht  erfolgen  vgl.  Lk  15  8,  damit  keiner  der  Be- 
strafung sich  entziehe.  LXX  setzt  den  Sing.  *15?,  was  möglicherweise  richtig 
ist.  Nach  dieser  Stelle,  die  allerdings  von  Gott  spricht,  wird  auf  den  Heiligen- 
bildern der  Prophet  mit  einer  Laterne  in  der  linken  Hand  abgebildet 
(Schwally).  Zu  dem  vom  Weine  hergenommenen  Bilde  D^'lö^n'^j;  i<DjJ 

vgl.  Jer  48  iif.;  die  Jerusalemer  sind  auf  ihren  Hefen  nicht  nur  ruhig  liegen 
geblieben,  sondern  kondensierter,  dicker  geworden.  Ihr  Wesen  hat  sich  in  der 
langen  Ruhe,  da  kein  Umschütten,  keine  Auffrischung  erfolgt  ist,  verfestigt 
und  ihre  Art  ist  erstarrt,  sie  denken  darum,  wie  das  Folgende  zeigt,  sie  werden 
immer  unbehelligt  bleiben,  Jahwe  kümmere  sich  nicht  um  sie  und  könne  über- 
haupt nicht  in  ihre  Geschicke  eingreifen.  So  hat  sich  die  schlimme  Art  der 
Jerusalemer  entwickelt:  Einst  dachten  sie  sich  Jahwe  als  ihren  Freund,  der 
ihnen  nichts  Böses  anthun  könne,  vgl.  Mch  2  7  3  ii,  jetzt  zweifeln  sie  daran, 
ob  er  überhaupt  etwas  thun  könne.  Sie  denken  von  Jahwe  wie  später  die  Gott- 
losen, vgl.  Ps  10  4  14  2,  und  wie  man  von  den  Götzen  urteilt,  vgl.  Jes  41  23 
Jer  10  5. 

<  12^?  13^  ^^Nicht  Gutes  thut  Jahwe  Und  nicht  Böses''  (s.  dazu  zu  v.  12^^*). 
Ihr  Reichtum  soll  zur  Beute  werden  Und  ihre  Häuser  zur  Öde.  Das  ist  die 
Folge  der  Heimsuchung  Jerusalems  durch  Jahwe,  an  dessen  Wirken  sie  nicht 
glauben.  13^  ist  Glosse;  denn  bei  der  Nähe  des  Tages  Jahwes  bleibt 

keine  Zeit  mehr,  um  Häuser  zu  bauen  und  Weinberge  zu  pflanzen,  und  ausser- 
dem wiederholen  die  Worte  nur  eine  öfters  ausgesprochene  Drohung  vgl.  Am 
5  11  Mch  6  15  Dtn  28  30  39  (so  auch  Sch\yally  und  Ngayack). 

14  Nahe  ist  der  grosse  Tag  Jahwes,  Nahe  und  eilend  sehr.  Nahe  ist  der 
bittere  Tag  Jahwes,  Es  kreischt  auf  auch  der  Held.  Für  IHD  1.  nni?D,  da  die 
Partizipialbildungen  ohne  D  im  Pi.  fraglich  sind  vgl.  Schwally  ZATW  1890, 
176  und  Ges.-Kautzsch2  7  §  52  s.  In  y.  u*^  fällt  ^1p  am  Anfang  auf,  da 
doch  nicht  der  Tag  selber  eigentlich  tönt;  dann  hat  auch  D^  keinen  rechten 
Sinn,  da  die  örtliche  Fassung  auf  Jerusalem  gezwungen  (s.  die  Städte  y.  16) 
und  die  zeitliche  überhaupt  zweifelhaft  ist,  und  endlich  zerstört  die  Verbindung 
von  II?  mit  dem  Folgenden  (nach  Jes  33  7)  das  Gleichmass  des  Rhythmus. 
Man  lese  daher:  ni3?  D?  HliJ  1l2)n  '^  '^  niljj  und  vgl.  zu  dem  bitteren  Tag  Am 
8  10.  Ich  halte  es  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  beidemal  "«pV  für  njn^  DV 
zu  lesen  ist,  da  nachher  y.  17  ohne  weiteres  die  1.  Person  fortfährt,  s.  zu  v.  17. 

15  Ein  Tag  des  Zorns  ist  jener  Tag  vgl.  dies  irae  dies  illa.  Ein  Tag  der 
Angst  und  Drangsal,  Ein  Tag  der  Finsternis  und  des  Dunkels,  Ein  Tag  von 
Wolken  und  Nebel,  Die  beiden  letzten  Stichen  sind  Jo  2  2  wiederholt  (s.  dort); 
um  den  Parallelismus  derselben  nicht  zu  zerstören,  ist  'D^  n^ü  UV  zur  folgenden 
Strophe  zu  ziehen: 

Ein  Tag  der  Wüste  und  Verwüstung  vgl.  Hi  30  3  38  27;  16  Ein  Tag 

der  Trompete  und  des  Kriegsgeschreis  (vgl.  Am  2  2)  Gegen  die  befestigten 
Städte  (vgl  Jes  2  15)  Und  die  hohen  Zinnen, 


Zph  1  17  366  Zph2i 

17  Da  verseife  ich  die  Menschen  in  Angst,  Dass  sie  wie  Blinde  einhergehen 
Und  ausgeschüttet  wird  ihr  Blut  wie  Staub  Und  ihr  Saft  wie  Kot.  Das  Sätzchen 
JlkSton  T\yr&>  ^^  ist  nach  Form  und  Inhalt  eine  Glosse;  Jahwe  redet  docli  selber 
und  dass  die  Jerusalemer  wider  Jahwe  sündigten,  war  doch  nach  v.  12  f.  nicht 
nötig  erst  noch  zu  sagen.  Der  Sinn  der  Strophe  ist:  Jahwe  treibt  sie  so 

in  die  Enge,  dass  sie  vor  Angst  und  Entsetzen  wie  Blinde  sich  nicht  zu  helfen 
wissen  vgl.  Dtn  28  29  (s.  auch  Jes  59  10)  und  dem  von  Jahwe  gesandten  Feinde 
mit  Leichtigkeit  in  die  Hände  fallen,  der  Menschenleben  keinen  Wert  beilegt, 
vgl.  Ps  79  3  83  11  Jer  9  21  16  4.  Das  Wort  DDH^  (so  ist  zu  schreiben,  nicht 

D)snb)  ist  ganz  unsicherer  Deutung:  weder  „Fleisch",  wie  man  nach  LXX  und 
dem  Arab.  vermutet,  noch  „Saft"  lässt  sich  dafür  erweisen  und  die  von  Feiedr. 
Delitzsch  Proleg.  193  f.  verteidigte  Bedeutung  Eingeweide,  die  hier  vortrefflich 
passte,  hat  in  der  Etymologie  keine  sichere  Stütze  vgl.  Nöldeke  ZDMG-  1886, 
721.  Geätz  conjiciert  ^^X\  vgl.  y.  13;  aber  besser  wird  man  mit  Schw-allt 
und  NowACK  an  DH^,  ihr  Saft^  denken,  vgl.  zu  löH^  =  IH^  Jer  11  19. 

Der  Gedanke  an  die  mögliche  ßettung  durch  den  Reichtum  18  kommt 
nach  der  bestimmten  Aussage  von  ihrem  Tode  in  v.  17  etwas  verspätet;  auch 
müsste  man  nach  dem  Vorhergehenden  die  erste  Person  H^X^JJ  erwarten.  Will 
man  so  lesen  und  jenen  Eindruck  überwinden,  so  kann  man  mit  Ausscheidung  des 
mittleren  Teiles  (von  DI^'S  bis  }^")^ri"^3)  die  Schlussstrophe  gewinnen:  Weder  ihr 
Silber  noch  ihr  Gold  Wird  sie  retten  können,  Denn  vernichten,  ja  plötzlich 
vernichten  iverde  ich  Alle  Bewohner  des  Landes.  Mit  Wellh.  u.  a.  ist  nach 
LXX  und  Pesch.  für  "?;«,  =  gewiss,  vielmehr  das  steigernde  ^t?  zu  lesen;  das 
Verbalabstractum  nbüDi  ersetzt  man  vielleicht  besser  durch  das  Nomen  nSl2, 
^=pröt%licher  Untergang,  vgl.  Jes  65  23  Ps  78  33.  Die  Ausscheidung  des  Mittel- 
stückes macht  keine  Schwierigkeiten,  da  es  offenbar  aus  3  8  stammt  und  auch 
durch  die  Wiederholung  von  f^lS/T^S  störend  wirkt.  Aber  es  bleibt  doch  die 
Frage,  ob  nicht  der  ganze  Vers  sekundär  ist.  Der  erste  Teil  ist  auch  Hes  7  19 
zu  lesen  und  seinen  Inhalt  konnte  gerade  die  Erinnerung  an  die  Thatsache, 
dass  die  x4gypter  sich  von  den  Skythen  loszukaufen  vermochten,  nahegelegt 
haben,  vgl.  auch  Jes  13  17.  Ferner  ist  die  Erwähnung  von  Xl^^  ''?^^"^?  ^'6)ß\. 
ein  Indicium,  dass  hier  wie  y.  6  an  das  jüngste  allgemeine  Weltgericht,  nicht 
ein  im  historischen  Verlauf  der  Dinge  eben  vorbereitetes  Gericht  über  West- 
asien gedacht  wird,  also  der  Vers  der  Überarbeitung  der  Prophetie  angehört, 
die  in  V.  17  einen  guten  Abschluss  hat.  Endlich  steht  im  jetzigen  Texte  die 
dritte  Person,  die  ebenfalls  auf  sekundäre  Herkunft  des  Ganzen  hindeuten 
kann,  sticht  die  oben  vermutete  Strophe  in  ihrem  Bau  sehr  von  den  vorher- 
gehenden ab  und  klingt  der  Grund  von  v.  is'^  für  die  Wirkungslosigkeit  des 
Geldes  doch  mindestens  höchst  sonderbar.  Nach  alledem  wird  es  geraten 
sein,  den  ganzen  Vers  für  sekundär  zu  erklären. 

2.  Das  Gericht,  das  über  die  Völker  ergeht,  Cap.  2. 

Das  Urteil  über  Cap.  2  lautet  sehr  verschieden :  Schwally  schreibt  dem  unter  Josia 
lebenden  Zpti  mit  Bestimmtheit  nur  v.  12-15  zu  und  schwankt  in  Bezug  auf  v.  1-4;  Budde 
hält  2  1-3  als  Abschluss  von  Cap.  1  fest,  verwirft  aber  v.  4-15   ganz  als  unvereinbar  mit 


Zph  2 1  3f)7         '  Zph  2 1 

Cap.  1,  und  Wellh.  scheidet  nur  die  Verse  2*^^  8-11  aus,  ohne  seinen  Bedenken  gegen 
andre  Folge  zu  geben,  während  Nowack  eine  grössere  Keihe  von  Elementen  des  Cap.  als 
sekundär  beanstandet:  v.  2'*!^  3  7''^''^  8-11  15.  Vjvddk  macht  für  seine  Verwerfung  von  v. 
4-15  neben  andrem  geltend,  dass  in  ihnen  eine  [)rinzipiell  von  Cap.  1  verschiedene  Beur- 
teilung der  Lage  Israels  geboten  werde,  nämlich  dass  nacli  Cap.  1  Israel  sich  „in  scliwerem 
Unrecht"  befinde,  nach  2  4-15  aber  dasselbe  den  Anspruch  auf  (ienugthuung  für  erfahrenes 
Unrecht  habe.  Dieser  Betrachtung  wäre  beizustimmen,  wenn  sich  v.  14-15  als  eine  Ein- 
heit darstellten.  Ebenso  wäre  Scuwally  in  Bezug  auf  2  1-3  Recht  zu  geben,  wenn  diese 
Verse  eine  Einheit  wären;  er  betont  nämlich,  dass  Cap.  1  den  Tag  Jahwes  mit  seiner 
Heimsuchung  des  abgöttischen  Volkes  bedingungslos  droht,  2  1-3  aber  eine  Rettung  an 
diesem  verhängnisvollen  Tage  für  möglich  halte,  und  dass  in  2  1-3  nicht  zur  Entfernung 
alles  fremden  Kultes  und  aller  ausländischen  Sitten  aufgefordert  werde,  wie  im  Zusammen- 
hang mit  Cap.  1  zu  erwarten  wäre.  Nun  wird  sich  aber  bei  der  Erklärung  zeigen,  dass 
sowohl  BüDDE  als  auch  Scjiwally  ihr  Urteil  auf  sekundäre  Elemente  des  Cap.  stützen  und 
dass  im  Allgemeinen  hier  Nowack  das  Richtige  getroffen  hat. 

Es  ist  in  Cap.  2  ein  von  Zph  herrührender  Grundstock,  der  v.  1  2^  4-6  7^1^'^^  12-14 
umfasste  und  auch  einigen  ausserisraelitischen  Völkern  das  Gericht  ankündigte,  von  den 
späteren  Zuthaten  zu  unterscheiden,  welche  teils  als  einfache  erklärende  Glossen,  wie  z.  B. 
V.  2^,  teils  als  Einfügungen  zu  betrachten  sind,  die  einer  andern  Auffassung  vom  Tage 
Jahwes  (s.  v.  3)  entspringen  und  den  Erwartungen  einer  späteren  Zeit  Rechnung  tragen 
(s.  V.  7^°^^^  v.  8-11).  Diese  sekundären  Elemente  haben  ihre  besten  Parallelen  in  Jes 
11  11-16  und  Ob  V.  16-21,  vgl.  auch  Jes  16  I3f.  und  25  9-12  und  geben  wie  diese  den 
Hoffnungen  auf  Ausdehnung  des  jüdischen  Gebietes  Ausdruck,  welche  durch  die  Erfolge 
der  Makkabäer  erweckt  wurden;  die  Entstehung  und  Einfügung  dieser  sekundären  Ele- 
mente ist  darum  ins  2.  Jahrh.  v.  Chr.  zu  verlegen,  vgl.  zu  den  angeführten  Stellen  und 
Ob  fiinl.  III. 

Die  Zph  angehörigen  Stücke  w^eisen  dasselbe  Metrum  von  Vierzeilern  auf,  wie 
Cap.  1,  während  die  sekundären  Teile  sich  in  andren  metrischen  Formen  bewegen  (vgl. 
zu  V.  3  und  zu  v.  8-11). 

1  2^  enthält  die  erste  Strophe;  denn  so  unsicher  der  Text  auch  ist,  soviel 
ersieht  man  doch  noch  aus  seiner  verderbten  Gestalt,  auch  fügt  sich  die  für 
V.  2^  mögliche  Verbesserung  trefflich  in  das  metrische  Schema.  Was  aber  v.  1 
besagt,  weiss  man  nicht;  nicht  einmal  das  ist  ganz  gewiss,  wenn  auch  wahr- 
scheinlich, dass  das  Volk  der  Judäer  angeredet  ist.  Die  beiden  Imperative 
führt  man  gewöhnlich  auf  ein  von  üp_,  Strohhalm^  Stoppel^  denominiertes  Verb 
zurück,  das  im  Po.  Stroh  resp.  Hol%  zusammenlesen  bedeutet  vgl.  Ex  5  7  12 
Num  15  32  f.  I  Reg  17  10  12;  aber  wie  Hithpo.  und  Kai  dann  die  Bedeutung 
der  „geistigen  Sammlung'',  des  „Insichgehns"  bekommen  und  was  dieser  Sinn 
im  Zusammenhang  soll,  bleibt  unklar.  Nicht  weiter  kommt  man,  wenn  man 
mit  Hitzig- Steinee  an  die  Verwandtschaft  von  ti^'t^jj  mit  H^JJ  denkt  =  „nehmt 
euch  fest  zusammen  und  w^erdet  fest!",  oder  mit  Ewald  nach  dem  Aram.  ti^"''^'(5, 
dürr^  alt,  annimmt,  die  Worte  könnten  sagen:  „erbleicht  und  bleicht!",  oder 
mit  Rothstein  Ableitung  von  einem  Verb  ti^^ip  =  arab.  kawisa,  gebeugt  sein, 
für  möglich  hält,  sodass  "K^^p  zu  lesen  wäre  und  man  zu  übersetzen  hätte: 
„beugt  euch  und  bleibt  gebeugt".  Der  Sinn  des  Verbums  ist  uns  nicht  be- 
kannt, LXX  übersetzt:  ouvdt^/ÖYjTs  xalaüvO£9r|X£;  eine  Änderung  in  ^t^'IDJ  ^ti^ti^'lünn 
=  „schämt  euch  und  seid  beschämt"  (Cheyne,  der  jetzt  allerdings  vorschlägt: 
D^^ip  1^  Mv:\  D-^ti^O  nin^'?  -Iinntyni,  Budde,  Grätz),  was  ebenfalls  nicht  verstand- 
lieh  ist,  scheint  unberechtigt,  da  offenbar  |^1103  v.  2  und  t^p  v.  1  sich  auf  ein- 


Zph  2  1  368  Zph  2  5 

ander  beziehen.  Die  gewöhnliclie  Übersetzung  von  ^DD^  i^h  mit  „das  nicht 

erblasst",  „das  keine  Scham  kennt"  (vgL  Jer  3  3),  hat  keine  sichere  Grund- 
lage, da  sonst  Niph.  von  ^p3  nur  „sich  nach  etwas  sehnen"  bedeutet;  LXX 
scheint  etwa  IDIi  ^b,  aTiaiosuTov,  gelesen  zu  haben.  2'^  Ehe  ihr  noch  seid 

Wie  dahin  fahl' ende  Sprea,  1.  Vrin  tib  für  ph  rnb,  was  unverständlich  (vgl.  Er- 
läuterungen bei  Kautzsch)  und  gegen  die  Grammatik  ist,  welche  nach  0*31^21 
keinen  Infin.  duldet.  Zu  der  Verstärkung  der  Negation  durch  Verdoppelung 
in  i<b  D^t?5  vgl.  Ges."Kautzsch27  §  152  y.  Ferner  ist  1?J^  zu  punktieren  und 
das  von  LXX  nicht  gebotene  DV,  das  Korrektur  von  |1*in  v.  2*^  sein  wird 
(Wellh.),  zu  entfernen.  2''  ist  erklärende  Glosse  zu  dem  Bilde  von  y.  2^ 

(vgl.  Ps  1  4)  und  zwar  in  doppelter  Gestalt,  einmal  v.  2''°'  in  unrichtiger  und 
dann  v.  2'^^  in  richtiger.  LXX  hatte  ursprünglich,  wie  Syrohex.  beweist,  nur 
eine  Gestalt.  Der  Halbvers  ist  ein  instruktives  Beispiel  für  die  Geschichte 
der  Entstehung  des  masor.  Textes.  3,  ein  Vierzeiler  mit  abwechselnd 

vier  und  drei  Hebungen,  der  nicht  Fortsetzung  von  v.  1  2^  ist,  da  er  gegen 
V.  2^^^  die  Möglichkeit  der  Bettung  annimmt,  sondern  Ersatz,  resp.  Ausdeutung 
von  V.  1  2^  sein  soll.  Dabei  wird  an  das  letzte  allgemeine  Gericht  gedacht,  das 
die  Frommen  verschont;  das  niH^'ri^  ti^'j55  zeigt,  dass  er  mit  dem  Einschub  1  6 
in  eine  Linie  gehört.  Suchet  Jahwe,  all  ihr  Demütigen  im  Lande,  Die  sein 
Recht  üben!  Suchet  Gerechtigkeit,  suchet  Demut,  Vielleicht  werdet  ihr  am 
Tag  seines  Zornes  geborgen!  Vermutlich  ist  IBS  für  Hin;;  ^iSi  zu  lesen.  Der 
Übergang  von  der  Anrede  zur  Beschreibung  in  ^^JJD  ItDDli^D  1!^S  ist  gut- 
hebräische Konstruktion,  vgl.  Jes  5  8  und  Ges.-Kautzsch^^  §  116x.  Zu 
nin;;"n«  ^iti^j??  vgl.  Am  5  6  Jes  55  6;  zum  Geborgensein  am  Tag  des  Gerichts 
vgl.  Jes  26  20.  Die  späte  Herkunft  des  Verses  wird  auch  bewiesen  durch 
die  Bezeichnung  der  Angeredeten  mit  yy^T\  "^lij^,  dem  Ausdruck  für  die 
frommen  Glieder  der  nachexilischen  Gemeinde,  und  durch  HliP,  das  nur  in  Ps 

'  TT  -: ' 

und  Prv  vorkommt.   Vgl.  auch  Geiimm  Lit.  Append.  84—86. 

4,  die  zweite  Strophe,  Begründung  von  v.  i  2^:  bald  zerstiebt  ihr  wie 
Spreu;  denn  schon  werden  die  Philisterstädte  verwüstet,  der  Feind  folgt  zu- 
nächst der  gewohnten  Strasse,  die  von  Norden  her  dem  Meere  entlang  führt. 
Denn  Gaza  wird  verödet  sein  Und  Askalon  zur  Wüste  werden,  Asdod  wird 
man  am  Mittag  vertreiben  Und  Ekron  von  Grund  aus  zerstört.  Die  Parono- 
masien  von  njJJ  und  na^t?,  ]1"njpj;  und  1j?5jn  giebt  Rückert  wieder:  „Gaza,  ver- 
gessen wirds,  Und  Ekron  wird  umgeackert".  Zu  nn^t^  vgl.  zu  Jes  17  9;  dass 
das  711  zerstörte  Gat  fehlt,  ist  begreiflich,  s.  Vorbem.  zu  Am  1  6-8.  Zu 
D'j'nn^?,  am  Mittag,  eigentl.  wohl  =  nach  bloss  halbtägigem  Kampf,  dann  = 
plötzlich,  unerwartet  rasch,  vgl.  Jer  15  8  und  Asarhaddons  Inschrift  von  Sen- 
dschirli  über  die  Einnahme  von  Memphis  bei  "Winckler  Altor.  Untersuch.  100 
(s.  dazu  auch  Davidsou  Nahum^  Hab  und  Zph  139). 

5,  die  dritte  Strophe:  Wehe,  Bewohner  des  Landstrichs  am  Meere,  Volk 
der  Kreter,  Ich  werde  dich  vernichten,  entvölkern,  Land  der  Philister.  ]j;5?, 
das  die  ganze  vorisraelitische  Bevölkerung  des  Landes,  nicht  nur  des  Teiles, 
den  die  Philister  einnehmen,  am  allerwenigsten  aber  die  Philister  bezeichnet, 
ist  mit  Vi^ELLH.  zu  entfernen  und  D^'Pti^bö  ]>1{J  mit  Nowack  an  den  Schluss  zu 


Zph  2  5  369  Zph  2  8 

versetzen,  ferner  aber  ist  auch  das  beziehunt'slose  und  störende  ntri''  121 
ÜTbv  als  Einschub  zu  betrachten,  der  vielleicht  die  Einleitung  zu  den  fremden 
Bestandteilen  von  v.  7  bilden  sollte  (s.  dort).  üK}  b^n  bekommt  seine  ge- 

naue Bestimmung  durch  das  folgende  Land  der  Philister,  das  auch  seine 
Parallele  erklärt:  Kreter  und  Philister  sind  dieselben,  vgl.  ebenso  I  Sam  30  u 
Hes  25  16. 

In  6  7  ist  neben  späteren  Zugaben  noch  die  vierte  Strophe  erhalten: 
Du  wirst  zu  Weide?i  der  Hirten  werden  Und  %u  Hürden  der  Schafe,  In  deinen 
Trümmern  werden  sie  laqern.  Am  Meere  weiden.  L.  riTll  für  nn\Ti  und  ent- 
ferne  D'^n  ^in,  das  mit  Recht  in  LXX  noch  fehlt.  Ebenso  ist  nh3  zu  tilgen,  da 
es  schwerlich  =  Kreta  im  Sinne  von  Philistäa  sein  kann,  auch  von  der  LXX 
nicht  sicher,  von  Vulg.  gar  nicht  bezeugt  ist  und  bloss  irrige  und  nachträglich 
verstümmelte  Dittographie  des  vorangehenden  T\\^  sein  wird,  vgl.  Böhme  Z AT  W 
1887,  212,  ScHWALLY  und  Rothstein  (Anmerk.  in  der  übersetz,  bei  Kaützsch). 
In  V.  7  sind  mit  Nowack  die  beiden  Stichen  umzustellen,  wie  in  v.  o'^;  für  DH^'??? 
dessen  Suffix  keine  rechte  Beziehung  hat,  ist  mit  Wellh.  D'^H'^^J?  zu  schreiben. 
Auch  die  Spezialisierung  von  Askalon,  sowie  das  „am  Abend"  fällt  auf;  viel- 
leicht ist  etwa  dafür  zu  vermuten:  '^J^'lJJ  ^''^lO?  =  ^^  ^^^  Trümmern  deiner 
Städte  oder  '?I';nbin5  (vgl.  im  MT  ^r\'2  und  mj^^,  Askalon  wäre  dann  nachträg- 
lich eingesetzt)  =  in  deinen  Trümmern  (lagern  sie)^  vgl.  Jes  5  i7.  Zu 
der  Konstruktion  von  '\y\  T\\)  H'^Nll  vgl.  Gen  19  26.  Unter  den  D^J?h,  die  in 
das  verwüstete  Philistäa  mit  ihren  Herden  eindringen,  sind  von  Süden  kom- 
mende arabische  Nomaden  gemeint.  Alles  Übrige  in  y.  6 f.  sind  sekundäre 
Bestandteile:  DTI  ^^n  v.  6  ist  Korrektur  zu  ^DH  in  v.  7.  Anfang  und  Schluss  in 
7  gehören  zusammen:  Der  Landstrich  am  Meer  wird  dem  Reste  des  Hauses 
Juda  zufallen,  denn  ihr  Gott  Jahwe  wird  sie  heimsuchen  (Ij^D  seil,  in  bonam 
partem)  und  ihr  Geschick  wenden  (s.  zu  Am  9  u) ;  ein  prosaischer  Einschub, 
zu  dem  wohl  als  Einleitunsj  aus  v.  5  U2"hv  n^lIT^  H'H  gehört  und  der  mit  ahn- 
liehen  Verheissungen  spätester  Herkunft  zu  vergleichen  ist,  s.  Ob  y.  19  Sach 
9  7  Jes  11  14,  vgl.  die  Vorbem.  zu  Cap.  2.  Beachte  übrigens  auch  '^  '^  ^l'^"!^?ti^  = 
der  aus  der  Katastrophe  gerettete  Rest.  Ahnlich  urteilt  Wincklee  Altor. 
Forsch.  III  (1902),  232  f.,  nur  sieht  er  in  D'^n  b^n  und  D^ni2  Mii  das  wirkliche 
Kreta  und  die  wirklichen  Kreter. 

8—10  Die  Bedrohung  von  Moab  und  Ammon. 

Der  Übergang  von  Philistäa  auf  Moab  und  Ammon  spricht  nicht  für  Zph,  der  die 
von  Norden  nach  dem  Meere  heranbrausenden  Skythen  vor  Augen  hat,  sondern  für  den 
Interpolator,  der  an  die  Besitznahme  der  Nachbargebiete  durch  die  Juden  denkt  (vgl.  die 
Zusätze  v.  7).  In  die  Kategorie  dieser  Zusätze  weisen  auch  die  Ausdrücke  ^teP  n''")NK^  und 
^M-i  in^  V.  9  und  in  die  Zeit  nach  der  Katastrophe  Jerusalems  versetzen  die  Vorwürfe,  die 
Moab  und  Ammon  gemacht  werden;  denn  zu  Hohn  und  Spott  über  die  Judäer  war  vor- 
her kein  Anlass,  aber  von  da  an  sind  sie  immer  von  Moab  und  Ammon-  von  oben  herab 
behandelt  worden,  vgl.  Hes  25  3  6  8  Jes  16  6  Jer  48  27-29,  s.  auch  meinen  Comm.  zu 
Jes  S.  141.  Auch  in  der  Form  lehnt  sich  der  Passus  an  die  genannten  Stellen  an,  vgl. 
"lil  "ri^ö?^  in  Jes  16  6  Jer  48  29  und  Hes  35  12.  Die  Hoffnung  (v.  9*^  10),  endlich  für  diese 
Jahrhunderte  dauernde  Verhöhnung  Rache  nehmen  zu  können,  führt  in  die  Zeit  der 
makkabäischen  Erfolge,  s.  Vorbem.  zu  Cap.  2.  Der  Abschnitt  umfasst  drei  Vier- 

zeiler mit  gleichhebigen  Zeilen  und  eine  prosaische  Schlussbemerkung. 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  24 


Zph  2  8  370  Zph  2  12 

8  Ich  habe  das  Wohnen  Moabs  gehurt  Und  das  Lästern  der  Kinder 
Amnion,  Womit  sie  i'iber  mein  Volk  gehöhnt  Und  gross  gethan  gegen  sein  Ge- 
biet, vgl.  Jer  Cap.  48 f.  Zu  ^^^yr\  ist  HD  als  Obj.  zu  ergänzen,  vgl.  Ob  v.  12; 
dass  hier  statt  einer  Person  das  Land  als  die  Zielscheibe  des  Spottes  und 
Hohnes  genannt  wird,  kann  doch  nicht  zu  Änderungen  Anlass  sein,  höchstens 
wird  man  nach  LXX  etwa  ''^U2l,  mein  Gebiet,  statt  &A^^  lesen;  immerhin  böte 
^y^V^T-  (s^  Chetne)  für  ^h'^'^y  hier  und  v.  10  eine  gute  Parallele  zu  ^öin,  vgl.  Neh 
3  33.  9  nennt  die  Strafe  in  zwei  Vierzeilern;  der  erste  lautet:  Darum  so 
wahr  ich  lebe,  spricht  Jahwe  Zebaot,  der  Gott  Israels :  Es  sollMoab  wie  Sodom 
werden  Und  die  Kinder  Ammon  wie  Gomorrha.  Allzu  wörtlich  meint  der 
Autor  diese  Drohung  nicht,  sonst  würde  es  für  die  Juden  keinen  Wert  haben, 
das  Gebiet  zu  besetzen.  niS^^  muss  zum  zweiten  Stichos  gerechnet  werden, 
wenn  es  nicht  zu  tilgen  ist.  Der  zweite  Vierzeiler  lautet :  FAn  Gebiet  von 
Nesseln  und  Melde  Und  eine  Öde  für  immer.  Der  Rest  meines  Volkes  soll 
sie  plündern  Und  die  von  meiner  Nation  Übrigen  sie  erben.  Der  erste  Stichos 
ist  sehr  unsicher;  die  beiden  aizal  Xs^ojAsva  p^Dp,  das  man  als  Besitz  deutet, 
und  niD)?,  das  als  Grube  gefasst  wird,  sind  unverständlich;  Geätz  schlägt  für 
das  erste  t^lDp  vor,  vgl.  Hos  9  6,  und  bei  der  „Salzgrube"  erinnert  man  an  die 
Salzlager  im  Süden  des  Toten  Meeres ;  doch  liegt  für  p^DÖ  nach  Jes  14  23 
auch  tyniD  nahe.  Zu  ^nn  vgl.  Hi  30  7  Prv  24  31;  für  H^D  bietet  sich  leicht  Xybx^ 
Hi  30  4.  Die  Suff,  in  den  beiden  Verben  beziehen  sich  auf  die  Moabiter 
und  Ammoniter;  zum  Inhalt  vgl.  die  Vorbem.  10  Der  Interpolator  hebt 
noch  einmal  zum  Schlüsse  hervor,  dass  diese  Strafe  Moab  und  Ammon  trifft 
für  ihr  Höhnen  und  Lästern.   ^IH  steht  hier  absolut. 

11  ist  ein  Zusatz  von  andrer  Hand  als  v.  8-10,  der  weder  mit  y.  10  noch 
mit  Y.  12  in  direktem  Zusammenhang  steht  und  nur  im  Allgemeinen  mit  dem 
Gedanken  von  y.  10  verbunden  werden  kann,  indem  man  den  Inhalt  so  fasst: 
Den  Moabitern  und  Ammonitern  und  überhaupt  den  Völkern  soll  das  Höhnen 
vergehen;  denn  Jahwe  wird  ihnen  so  imposant,  dass  sie  ihn  alle  verehren,  ein 
jeder  von  seinem  Orte.  Der  Vers  hat  seine  Parallele  an  Mal  1  11  und  u  und 
ist  auf  Grund  dieser  Stellen  und  in  Erinnerung  an  Dtjes,  nach  dessen  An- 
schauung ^\^  Inselländer  (vgl.  zu  DM-in  •';;S  Jes  40  15  42  4)  auf  Jahwe  harren 
und  ihn  verehren  werden,  hier  beigefügt.  Für  ^^lli,  furchtbar,  imposant  (vgl. 
Mal  1  14  Ex  15  11  Ps  66  3  5),  ist  nicht  nach  LXX  und  Sach  9  14  mit  Buhl 
(ZATW  1885,  182)  n«ni  vorzuziehen.  1ö1p)ÄD  ^^^  ist  in  freier  Weise  dem  fol- 
genden Subj.  als  Erklärung  vorausgeschickt.  Statt  nn,  das  intransitiv 
ist  und  „mager  sein"  bedeutet,  ist  mindestens  das  Pi.  nn  oder  7^^^  zu  lesen 
(ScHWALLY).  Vielleicht  liegt  auch  ein  Textfehler  vor,  aber  HIJ";,  er  zerstreut 
(so  Geätz)  und  njB,  er  verachtet  (so  Cheyne),  ist  wohl  zu  schwach  und  iT'ID^ 
(so  NowACK  nach  LXX:  s^oXoöpsüosi)  vielleicht  zu  stark;  die  Mitte  hielte  1^'pn 
resp.  Tp\   S.  noch  am  Schluss  von  y.  14. 

12  beginnt  die  Fortsetzung  von  v.  7.  Von  Pliihstäa  (v.  5-7)  führt  der  Weg  den 
nordischen  Feind,  der  Jahwes  Auftrag  vollzieht,  nach  Ägypten,  in  dessen  Süden  die 
Äthiopier  wohnen,  die  bis  vor  kurzem  Ägypten  beherrschten.  Vielleicht  soll  auch  nach 
W.  R.  Smith  l!^^3   Ägypten  bezeichnen,  da  Zph  Psammetich  als  den  Erben  der  grossen 


Zph2l2  371  Zph2l5 

Dynastie  betrachten  konnte.  Die  Anrede  fällt  nicht  auf  (s.  v.  5-7),  wohl  aber  die  Kürze 
und  die  Fortsetzung  in  der  3.  Person  v.  13.  Ist  nichts  zwischen  v.  12  und  v.  lä  ausge- 
fallen, so  wird  man  besser  in  v.  13  die  1.  Person  nach  v.  12  herstellen,  als  umgekehrt 
V.  12  nach  v.  13  korrigieren.  Nach  kurzer  Apostrophe  der  Äthiopier  erklärt  .Jahwe,  dass 
er  auch  Assurs  Hauptstadt  verwüsten  werde.  Als  sein  Werkzeug  sind  die  Skythen  ge- 
dacht; dass  sie  in  Wirklichkeit  Ninive  nicht  zerstörten,  darf  als  Beweis  dafür  angesehen 
werden,  dass  die  Verse  13 f.  Prophetie  sind  und  von  Zph  herstammen. 

12  13%  die  fünfte  Sti;ophe:  Auch  ihr,  KuschUen,  werdet  Er  schlaf/ en  von 
meinem  Schwert,  vgl.  Jes  66  i6  Jer  25  33;  HÖH  ist  fehlerhafte  Hiiizufügung, 
welche  den  zweiten  Stichos  zu  einem  eigenen  Sätzchen  ergänzen  wollte.  Zu 
V.  12  Vgl.  auch  Vorbem.  13^  Und  ich  werde  meine  Hand  gen  Norden 

wenden  Und  Assur  verderben,  1.  nta^l,  ''T  und  nn««1  s.  Vorbem.  zu  v.  12. 

13b  j4aa^  (jjg  sechste  Strophe:  Und  mache  Ninive  zur  Ode,  Dürre  wie  die 
Wüste,  1.  D''^^'!  s.  Vorbem.  zu  v.  12,   Und  es  werden  darin  Herden  lagern,  Alle 

Tiere Das  letzte  Wort  •'iri  passt  nicht  zu  in';n  (zu  dessen  Form  s.  Ges.- 

Kautzsch^'  §  90  0),  wenn  man  nicht  mit  Wellh.  rVVs  nach  I  Sam  18  18  Ps 
6811  74  19  =  arab.  hajj,  Stamm,  Sippe,  verstehen  und  demzufolge  D^?"]?, 
Araber,  statt  t)"^n?,  Herden,  lesen  will.  Wahrscheinlich  ist  aber  •'IH  Verschrei- 
bung  des  folgenden  D?  und  davor  das  von  LXX  gelesene  pJjn  ausgefallen. 

W^^,  die  siebente  Strophe :  Pelekane  und  Igel  zusammen  Übernachten 
auf  seinen  Knäufen,  die  unter  den  Trümmern  der  Paläste  am  Boden  liegen, 
Eulen  singen  in  den  Fenstern,  Raben  auf  den  Schwellen.  Zu  nSfj  und  "IB(?  vgl. 
Jes  34  11,  über  löj?,  Igel  oder  Rohrdommel  s.  zu  Jes  14  23;  für  hV;>  nimmt 
Ewald  hier  die  Bedeutung  Eule  an,  vergleicht  aber  auch  das  arab.  gül  = 
Wüstendämon;  Wellh.  vermutet  dafür  DID,  Eule,  und  liest  nach  LXX  nnj;, 
Rabe,  für  nnh.  Unsere  Schilderung  macht  den  originaleren  Eindruck  als  die 
ähnliche  Jes  34  11.  Mit  rr\V  nn«  ''3  weiss  niemand  was  Rechtes  anzu- 

fangen;  „ihr  Cedernholz  (=  Hp«)  ^^^  ^^  entblösst"  ist  unverständlich  und 
„denn  er  zerstört  (=nnn),  legt  bloss"  unannehmbar,  da  rX^T}  diese  Bedeutung 
nicht  besitzt.  Vielleicht  sind  die  Worte  aus  Buchstaben  des  ersten  Sätzchens 
von  y.  15  entstanden  (Buhl,  Schwally)  oder  eine  hierherverschlagene  ver- 
dorbene Glosse  zu  nr\  Y.  11,  die  dieses  Verb  mit  nij?,  =  ausleeren,  resp.  zer- 
stören (vgl.  Hab  3  13),  erklären  wollte. 

15  ist  späterer  Zusatz:  y.  I3f.  droht  Ninive  den  Untergang,  y.  15  liegt  es 
in  Trümmern;  ausserdem  ist  y.  15  fast  ganz  aus  Wendungen  zusammengesetzt, 
die  anderswo  vorkommen,  zu  den  ersten  Worten  vgl.  Jes  23  7,  der  Rest  von 
Y.  15^  ist  =  Jes  47  8,  der  Anfang  von  y.  15^  steht  auch  Jer  50  23  51  41,  }^5"jD 
r\^rh  beruht  auf  y.  u  (vgl.  noch  Hes  25  5)  und  p1^^.  H^'^j;  iniy  ^i  ist  Jer  19  8 
entnommen.  Xur  nj  5;*^^^  ist  Original,  aber  nennt  einen  offenbar  gewöhnlichen 
Gestus  des  Spottes.  n«tn  statt  n«t  zu  lesen  (Rothstein),  ist  unnötig;  die 

positive  Aussage  ist  ebensogut  wie  die  rhetorische  Frage.  Metrisch  um- 

fasst  Y.  15  einen  Vierzeiler  mit  Langzeilen  im  Kinarhythmus. 


24* 


Zph  3  1  372  Zph  3  4 

B,  Die  Heilsverheissung 
Cap.  3. 

Das  Capitel  setzt  sich  zusammen  aus  drei  verschiedenen  Stücken,  die  successive  an 
die  vorhergehenden  zwei  Capitel  angetreten  sind  und  sich  auch  durch  verschiedenes 
Metrum  von  einander  abheben  (s.  unten),  nämlich  v.  1-7,  v.  8-13  und  v.  14-20.  Keines 
derselben  rührt  von  Zph  her,  somit  schliesst  auch  das  Buch  Zph,  wie  Am,  Hos,  Mch  etc. 
mit  einem  späteren  Anhang  und  der  Versuch  Buddes,  in  3 1-5  7  8  6  11-13  eine  zusammen- 
bangende Rede  Zph's,  die  Cap.  1  f .  parallel  wäre,  aufzuweisen,  kann  nicht  als  geglückt 
betrachtet  werden.    Vgl.  Einleitung  III. 

a)  3  1-7 :  Jerusalems  Verdorbenheit. 

Jahwe  hat  fort  und  fort  in  Natur  und  Geschichte  sich  bezeugt  und  ist  in  seinem 
Verhalten  gegen  Israel  seinem  Wesen  treu  geblieben;  trotzdem  ist  Jerusalem  immer 
schlechter  geworden  und  kümmert  sich  nicht  um  Jahwes  Befehle.  Dass  nur  Jeru- 

salem angeredet  sein  kann,  ist  aus  dem  Inhält  klar;  der  abrupte  Übergang  von  dem  auf 
Ninive  bezüglichen  Schluss   des  2.  Capitels  zu  3  1  ff.,   wo  Jerusalem  angeredet  ist,   deutet 
schon  darauf  hin,  dass  hier  keine  genuine  Fortsetzung  vorliegt.     Sprachlich  und  sachlich 
weist  der  Abschnitt  aber  in  eine  Periode,   die   später  als  die  Zph's  ist.     Unter  den  von 
Wellh.  in    erster  Hinsicht  geltend  gemachten  Indicien   sind   hervorzuheben:  ^«5,   eine 
jüngere  Erweichung  von  bv^,  die  vor  dem  Exil  nicht  vorkommt  (s.  zu  v.  1),  ni^,  das  dem 
aram.  '*'iit  gleich   ist,   aber  im  AT  keine  Parallele  hat  (v.  6),  und  bv  ij^s,   das  nach  aram. 
Sprachgebrauche,  der  nur  in  nachexilischen  Stücken  sich  noch  findet,  =  befehlen  ist  (v.  7). 
In  Hinsicht  auf  die  Sache  ist  mit  Schwally  zu  beachten,  dass  Jahwe  p^'n^  heisst,  wie  dies 
erst  von  Dtjes  an  geschieht  (Ex  9  27  ist  anderer  Art),  und  zwar  in  dem  Sinne  von  ,, seinen 
Verj^flichtungen  nachkommend",   „seine  Leistungen  erfüllend";   dazu  kommt,   dass  unter 
den  Leistungen,  die  Jahwe  zu  erfüllen  hat,  die  Fürsorge  für  den  regelmässigen  Lauf  der 
Gestirne  und  die  Aufrechterhaltung  der  Naturordnung  figuriert  (v.  5),   ein  Gedanke,   der 
gleichfalls  Dtjes   zur  Voraussetzung   hat,   vgl.  Jes  40  12-26,   wo   neben  einander  wie  hier 
(v.  5  f.)  Gottes  Herrlichkeit  in  der  Natur  und  in  der  Geschichte  geschildert  wird.    Der  Ab- 
schnitt V.  1-7  zeigt  ganz  andere  Verhältnisse  von  Jerusalem  als  Cap.  1;   gewiss  schlimm 
steht  es   nach   beiden  Darstellungen,   aber  Cap.  1  ist   es  fremder  Kult  und  ausländisches 
Wesen,   3  1-7  dagegen   Geringschätzung  und  Verachtung  der  Weisung  Gottes    und  kein 
Wort,  ja  nicht  die  geringste  Andeutung  des  in  Cap.l  verurteilten  Treibens.    Endlich  passt 
der  Hinweis  (v.  6)    auf  die  Ausrottung  der  Völker   und  die  Zerstörung  der  Städte  doch 
weit  besser  in  die  späteren  Jahrhunderte,  wo  Assur  und  Babel  gefallen,  ja  vielleicht  schon 
die  verheerenden  Kriege  der  Diadochen  den  Erdteil  verwüstet  hatten.    Die  beste  Parallele 
hat  der  Abschnitt  an  Mch  7  1-6;  darum  werden  wir  3  1-7  auch  derselben  Zeit  zuschreiben, 
entweder  noch  dem  fünften  Jahrh.   vgl.  Tritojes  und  Mal,   bes.  Jer  56  10  f.,   59  3-8,    oder 
erst  dem  zweiten  Jahrhundert.  Metrisch  zerfallen  die  Verse  in  fünf  zweihebige 

Sechszeiler. 

1  2,  die  erste  Strophe:  Wehe  dem  rebellischen  und  gottlosen  Jeru- 
salem. 1  Wehe  der  widerspenstigen  und  befleckten.  Der  gewalttätigen 
Stadt.  Die  Participien  in  v.  i^  sind  wie  Eigennamen  artikellos  gebraucht  und 
können  darum  voran  stehen;  zu  n^<11D  von  S"1D  =  Hl»  vgl.  Ges.-Kaützsch2' 

'  T       :  TT  T    T  O 

§  75 rr.  ^fc55  im  Sinne  von  ^yj  ist  nur  in  späteren  Stücken  gebräuchlich 

vgl.  Thr  4  19  Mal  1  7  12  Esr  2  62  Neh  7  64  Jes  59  3  63  3  Dan  1  8;  zur  Sache 
vgl.  Jes  59  3,  ferner  Jes  1  15  4  4  Hes  24  9.  Zu  HM^n  vgl.  Jer  25  28;  das 

Kai  sonst  nur  noch  Jer  46  I6  50  16.  2  entspricht  Jer  7  28,  im  ersten  Teil 

fast  wörtlich. 

3  4,  die  zweite  Strophe:  Das  Treiben  der  politischen  und  religiösen 


Zph  3  3  373  Zph  3  7 

Führer.   Die  Schiklerimg  ist  Hes  22  25-28  nachgebildet.  3  ////v^  Fiirslen 

in  ihrer  Mitte  Sijid  t)rüllende  Löwen,  Ihre  Richter  Aachtwolfe,  7j\x  dem 

Bilde  von  dem  brüllenden  Löwen  vgl.  Hes  22  25  I  Pt  5  8,  zu  dem  von  den  Nacht- 
wölfen S.Hab  1  8;  der  Schluss,  dessen  gewöhnliche  Übersetzung  (:  D']^  =  auf- 
heben)  unbegründet  ist  (vgl.  bei  Kautzscu  Anraerk.  und  Eiläut.),  erweist  sich 
durch  das  hier  unbrauchbare  Perf.  als  Glosse,  deren  Sinn  aber  rätselhaft 
bleibt.  4  Ihre  Propheten  sind  Prahler,  Ihre  Priester  entweihen  das 

Heilige,  Thun  dem  Gesetz  Gewalt  an.  Zu  v.  4^^  und  spec.  zu  D'^mb  vgl.  n^tns 
Jer  23  32  und  Hes  22  28;  T\rxp  ''C^^S,  Männer  des  Trugs  (nnp  mit  der  Plural- 
endung =  Abstractendung  T\\)  ist  nur  erklärende  Glosse  zu  D^m'ö.  Die 
zweite  Hälfte  von  v.  4  wird  durch  die  Grundstelle  Hes  22  26  erklärt. 

5,  die  dritte  Strophe:  Gottes  gerechtes  Verhalten  im  Gegensatz  zu  der 
Ungerechtigkeit  der  Führer  der  Gemeinde,  nachgewiesen  zunächst  an  der  un- 
unterbrochenen Aufrechterhaltung  der  Naturordnung.  Jahwe  ist  gerecht  in 
ihrer  Mitte.  Er  thut  nichts  Unrechtes,  Morgen  für  Morgen  Setzt  er  seine  Ord- 
nung in  Kraft,  Licht  wird  nie  vermisst  Und  unbekannt  ist  ein  Versehen,  Vgl. 
bes.  in  Betreff  von  p'''^^  die  Vorbem.  zu  v.  1-7;  zu  lesen  ist  11^  (als  Anfang  des 
fünften  Stichos)  statt  ll^^'j,  das  aus  falscher  Verbindung  mit  ]r\\  oder  aus  Ver- 
sehen (vgl.  das  folgende  ^h)  entstanden  sein  mag,  ferner  ^53;  J^lir«^"!  für  yil'*"^^^ 
^}J?.  Das  überschüssige  nt^'2  ist  entweder  als  Ergänzung  zu  der  falschen  Lesung 
des  letzten  Stichos  eingesetzt  oder  als  Abkürzung  für  Dnu^Tl«  in^C^S  dem 
ursprünglichen  Texte  beigefügt,  den  man  als  Schilderung  der  messianischen 
Zeit  fasste,  vgl.  zu  Dritf^^  ^-^9.  Diese  Verbesserungen  sind  notwendig;  denn 
die  Erklärung  von  ^1S^  ]T\)  =  „ans  Licht  stellen"  (Ewald,  Hitzig,  Wellh.) 
wäre  ein  seltsamer  Germanismus  im  AT,  während  ItOS^p  ]r\)  =  „er  gibt,  er 
setzt  in  Kraft  seine  Ordnung  d.  h.  er  vernachlässigt  nicht,  was  nach  der  Ord- 
nung seine  Aufgabe  ist",  nicht  unhebräisch  ist.  Zum  ganzen  Verse  vgl. 
Dtn  32  4. 

6,  die  vierte  Strophe:  Gottes  Gerechtigkeit  in  der  Geschichte.  Der  Über- 
gang in  die  1.  Pers.  kann  schwerlich  bei  einem  solchen  späten  Stücke,  das  sich 
zudem  vielfach  an  fremde  Darstellungen  anschliesst  (s.  zu  v.  2-4,  auch  zu  y.  5), 
zur  Abtrennung  von  v.  ef.  bewegen;  auch  die  Umstellung  von  v.  6  und  v.  7 
hälfe  in  dieser  Hinsicht  nichts,  sie  beruht  übrigens  bei  Budde  auf  der  un- 
richtigen Annahme,  dass  es  sich  in  y.  6  um  die  zukünftigen  Ereignisse  des 
Völkergerichts,  statt  um  die  vergangenen  der  Völkergeschichte  handle.  Ich 
habe  Völker  ausgerottet.  Zerstört  sind  ihre  Zinnen  d.  h.  als  pars  pro  toto  ihre 
Burgen  und  Paläste  vgl.  I16,  Ich  habe  ihre  Strassen  verödet,  Dass  kein  Wandrer 
darauf  geht,  Ihre  Städte  sind  verheert,  Dass  kein  Bewohner  mehr  darin  ist, 
C^''«"''^!ip  ist  als  für  den  Sinn  überflüssig  und  für  das  Metrum  störend  zu  ent- 
fernen.  Zu  dem  aram.  ^i:ii  vgl.  Vorbem.  zu  y.  1-7. 

7,  die  fünfte  Strophe:  Gottes  Thaten  in  Natur  und  Geschichte  hatten  die 
erwartete  Wirkung  auf  Israel  nicht.  Ich  dachte:  doch  fürchten  wird  sie  mich, 
Wird  Zucht  annehmen  Und  nicht  wird  ihr  aus  den  Augen  schwinden.  Was  ich 
ihr  je  befohlen  habe;  Aber  um  so  eifriger  verschlimmerten  sie  All  ihr  Thun 
und  Treiben.    Wegen  des  Suff,  der  3.  Pers.  fem.  in  H'^^j;  und  ni1j;D  ist  notwendig 


Zph  3  7  374  Zph  3  9 

«"i^n  für  ^i<yp[  und  Hj^H  für  ''njpn  zu  lesen,  ferner  auch  mit  LXX  und  Pesch. 
n"<yj;D  für  njlj^)?,  da  der  gewöhnliche  Text  keinen  guten  Sinn  gibt  (s.  bei 
Kautzsch).  Zu  h)l  "Ij^?  ==  befehlen^  wie  im  Aramäischen,  vgl.  Hi  36  23 

Esr  1  2  II  Clir  36  23.  Zu  der  Verbindung  von  n^Sti^n  mit  einem  andern 

Verb  vgl.  bes.  im  Buche  Jer  z.  B.  Jer  7  13  17  7  und  s.  Ges.-Kautzsch^'  §  120g 

und  zu  n'ib'h:)  n'^nti^n  vgl.  Gen  6 12  Ps  14  1. 

Auf  diese  Schilderung  des  Treibens  der  Jerusalemer  erwartet  man  etwa  wie  nach  der 
eben  angeführten  Stelle  aus  dem  PC  Gen  6  12  die  Ankündigung  eines  furchtbaren  Gerichtes; 
es  mag  diese  im  ursprünglichen  Texte  nicht  gefehlt  haben,  das  richtige  einleitende  ]^b 
folgt  auch,  aber  w^as  nachher  kommt,  klingt  ganz  anders  und  redet  von  Zorn  über  die 
Völker,  nicht  über  Israel,  von  Rettung,  nicht  von  Strafe  Israels.  Das  ]^b  hat  darum  den 
Sinn  wie  in  Hos  2  16  und  Jes  30  18:  die  schrecklichen  Zustände  in  Jerusalem  sind  für 
Jahwe  ein  Grund  einzuschreiten  und  Israel  das  Heil  zu. bringen,  vgl.  Hos  2  16  und  Jes 
30  18-26;  das  ist  dieDogmatik  der  jüdischen  Gemeinde.  So  könnte  am  Ende  doch  v.  8-13 
als  Fortsetzung  von  v.  1-7  betrachtet  werden,  da  v.  1-7  ja  auch  einer  späten  Zeit  ent- 
stammen; das  ist  jedoch  nicht  wahrscheinlich,  weil  in  dem  parallelen  Stück  Mch  7  1-6 
die  Ankündigung  des  Gerichts  (vgl.  7  4'^)  nicht  fehlt,  und  es  ist  w^eiter  dadurch  aus- 
geschlossen, dass  V.  8  ein  ganz  anderes  Metrum  einsetzt. 

b)  3  8-13:  Die  Rettung  Jerusalems  am  Tage  des  Yöikergerichts. 

Der  Abschnitt  ist  nicht  selbständig,  sondern  als  Ersatz  des  weggelassenen  Schlusses 
von  V.  1-7  oder  als  einfacher  Anhang  zu  dem  als  vollständig  zu  fassenden  Stücke  v.  1-7 
entstanden  (s.  Schlussbemerkung  zu  v.  1-7).  Er  weist  hin  auf  den  Tag  des  bevorstehenden 
Völkergerichts,  an  dem  über  die  Heiden  der  Zorn  Gottes  ausgegossen  wird,  während  Jeru- 
salem nicht  zu  Schanden  wird,  da  in  ihm  eine  Scheidung  zwischen  den  Hochmütigen  und 
den  Demütigen  vollzogen  vrird  und  letztere  Schutz  und  Heil  bei  Jahwe  finden  werden.  In 
diesen  Zusammenhang  sind  sekundär  v.  9  und  10  von  einem  eingeschoben,  der  den  Heiden 
gegenüber  eine  freundliche  Stimmung  besass  und  nicht  ihre  Vernichtung,  sondern  ihre 
Anerkennung  und  Verehrung  Jahwes  erwartete.  Scheidet  man  dieses  sekundäre  Element 
aus,  so  haben  wir  drei  Tetrastiche  mit  Langzeilen  im  sog.  Kinametrum. 

8,  das  erste  Tetrastich:  Der  kommende  Tag  des  Zorngerichts  Jahwes 
an  den  Völkern.  Damm  harre  mein,  ist  Jahwes  Spruch,  Auf  den  Tag,  da  ich 
als  Zeuge  aufstehe!  Denn  meine  Aufgabe  ist  es,  die  Völker  %u  sammeln.  Die 
Reiche  %usammen%uf Uhren,  Aus%uschütten  über  sie  meinen  Grimm,  Die  ganze 
Glut  meines  Zorns;  Denn  durch  das  Feuer  meines  Eifers  soll  verzehrt  werden 
Die  ganze  Erde,  Zu  lesen  ist  nach  LXX  ^?n  statt  ^3n,  ^f)  statt  nj;b>  und  pjp^ 
statt  •^^nj^^;  angeredet  wird  die  jerusalemische  Gemeinde  wde  in  y.  11  f.  und  die 
Anrede  ist  in  keiner  Weise  ironisch  zu  fassen,  sondern  verweist  in  vollem 
Ernste  auf  den  Trost,  den  die  feste  jüdische  Eschatologie  der  Gemeinde  bietet; 
vgl.  die  instruktive  Parallele  Jes  30  i8^  Zu  ^t>  ^ö^lp  ü\h  vgl.  Mch  1  3 

Mal  3  5;  der  Tag,  da  Jahwe  als  Zeuge  gegen  die  Völker  aufsteht,  ist  der  Tag 
des  Weltgerichts.  Wie  dieses  sich  vollzieht,  zeigt  v.  8'^:  die  Völker  werden  vor 
Jerusalem  zusammengeführt,  und  dort  wird  über  sie  das  göttliche  Zorngericht 
gehalten,  vgl.Hes  38  f.  Jo  4.  Die  dogmatische  Fixierung  der  eschatologischen 
Ereignisse  wird  als  so  unzweifelhaft  richtig  angesehen,  dass  sie  sozusagen  fast 
auch  für  Gott  gilt  und  er  es  darum  als  ItOSl^D  d.  h.  als  seine  Obliegenheit,  seine 
Pflicht  und  Aufgabe  betrachtet,  der  Dogmatik  zu  entsprechen;  vgl.  zu  diesem 
Sinn  von  tDÖti^D  auch  v.  5  und  s.  Jes  30  i8^ 

9  10,   ein  Zusatz,   der  dem  jüdischen  Heidenhass  gegenüber  der  doch  auch  vor- 


Zpli3  9  375  Zi)h3i2 

handenen  anderen  Stimmung  Ausdruck  verleiht,  dass  die  Heiden  zur  Anerkennung  und 
Verehrung  Jahwes  gelangen  sollen.  Der  von  Dtjes  ausgehende  Universalismus  hat  zum 
Glück  doch  nicht  bei  allen  Juden  dem  Partikularismus  Hes's  weichen  müssen,  vgl.  auch 
zu  2  11  und  8.  Jes  25  6-8  66  18  f.  Der  Interpolator  entnahm  seine  Einleitungsformel 
t«"''3  aus  V.  11  und  gab  seinen  Worten  ebenfalls  das  Metrum  der  Kinazeih^,  wahrscheinlich 
setzte  er  sogar  eine  ganze  vierzeilige  Strophe  bei,  deren  Schluss  jetzt  nur  in  v.  10  ver- 
stümmelt vorliegt. 

9  Denn  dann  werde  ich  den  Völkern  schaffen  Heine  Lippen^  Dass  sie 
alle  den  Namen  Jahwes  anrufen.  Ihm  Schulter  an  Schulter  dienen.  Concinner 
wären  "^D^!!  und  ''^I^JJ^,  aber  bei  Interpolationen  darf  man  nicht  allzugrosse 
Peinlichkeit  voraussetzen.  Zu  "^«  "^JDn  vgl.  das  gleichbedeutende  \  "^DH  I  öam 
10  9.  Reine  Lippen  erhalten  sie  vgl.  Jes  6  5;  speciell  wird  hier  daran  zu 

denken  sein,  dass  sie  keine  Götzennamen  mehr  in  den  Mund  nehmen  vgl.  Hos 
2  19.  10  Überall  werden  die  Völker  auch  Jahwe  opfern.    Der  Gedanke 

ist  derselbe  wie  2  ii  und  'i:i1  inj;»  bedeutet  gewöhnlich  jenseits  (vgl.  Jes  18  i), 
nicht  von  jenseits.  Leider  ist  der  Text  nur  in  Trümmern  erhalten;  Rothstein 
vermutet  als  Prädikat  zu  y.  io%  dem  Schlüsse  von  v.  lo^  parallel:  "^nn?  U'^lip^ 
das  leicht  vor  dem  ähnlich  aussehenden  folgenden  Satzteil  ausfallen  konnte, 
also:  Jenseits  der  Ströme  von  Kus  (somit  im  äussersten  Süden  s.  2  12  Jes  18  1) 
Bringen  sie  mir  Schlachtopfer  dar.  Mit  "^^ISTi?  nn?  ist  nichts  anzu- 

fangen; "^in?^  soll  zwar  „meine  Anbeter"  heissen,  aber  das  Wort  kommt  im  AT 
in  diesem  Sinn  nicht  vor,  und  •'^^ö'n?  will  man  als  „Tochter  meiner  Zer- 
streuten'S  etwa  =  „meine  Diaspora",  erklären,  aber  das  wäre  ein  sonderbarer 
Ausdruck.  Schvtally  vermutet  eine  aramäisch-hebräische  Glosse  ^l^JlöJ"!  in« 
=  „da  wo  sie  zerstreut  sind";  eher  liegt  aber  dem  Texte  eine  zweite  Orts- 
bezeichnung (nach  Cheyne  riDl^ö)  zu  Grunde,  die  im  Gegensatz  zum  Süden 
y.  10^  eine  Gegend  des  Nordens  nannte.  Dazu  bilden  die  letzten  Worte  das 
Prädikat:  Spenden  sie  mir  Speisopfer.  Zum  ganzen  Vers  vgl.  Jes  18?  45  14 
Ps72iof. 

11  12%  das  zweite  Tetrastich:  Die  Krisis  in  der  jüdischen  Gemeinde  am 
jüngsten  Tage.  11  An  jenem  Tage  wirst  du  nicht  %u  Schanden  werden 

wegen  all  deiner  Thaten,  Womit  du  dich  an  mir  vergingst;  der  Sinn  ist:  Das 
Gericht  wird  Jerusalem  nicht  die  durch  seine  Übelthaten  verdiente  Schande 
einer  gänzlichen  Verwerfung  bringen;  ti^'12  ist  in  objektivem  Sinn  gebraucht 
wie  Jer  2  36  Ps  22  6  (so  auch  Steiner  und  Nowack).  Den  Grund  und  die 
Erklärung  zu  dieser  exceptionellen  Behandlung  gibt  das  Folgende:  Denn 
dann  entferne  ich  aus  deiner  Mitte  Deine  hochmütig  Frohlockenden  Und 
du  wirst  dich  nicht  mehr  überheben  Auf  meinem  heiligen  Berge.  Zu  "^nj^??  ^vhv. 
vgl.  Jes  13  3;  dort  heissen  so  die  in  stolzer  Siegeszuversicht  jubelnden  Krieger 
Jahwes,  hier  die  in  frevelhaftem  Übermut  über  Jahwe  sich  hinwegsetzenden 
selbstzufriedenen  Glieder  der  jerusalemischen   Gemeinde.     *  12^   Und 

ich  lasse  in  deiner  Mitte  übrig  als  Volk  Die  Sanftmütigen  und  Demütigen. 
Vgl.  zu  h^^  **;j;  Jes  14  32  26  6  66  2  Hab  3  u  und  bes.  Mt  11  29:  Sit  Tipau?  cijxi 
xal  xaTTcivo;  t^j  xapota. 

12''  13,  das  dritte  Tetrastich:  Die  Frömmigkeit  und  der  sichere  Frieden 
des  geretteten  Restes;  y.  12''  gehört  zu  y.  13,  es  ist  nicht  ''Dhl  für  ^DHl  zu  lesen. 


Zph3i3  376  Zpli3i7 

Und  es  wird  geborgen  sein  im  Namen  Jahwes  Der  Überrest  Israels^  seil,  die 
im  Gericht  Geretteten  vgl.  Jo  3  5  Jes  4  2-6  10  20  28  5;  Kein  Unrecht  werden 
sie  begehen^  Noch  Lüge  reden  Und  nicht  wird  in  ihrem  Mmide  gefunden  Eine 
Zunge  des  Trugs,  vgl.  Jes  11  9,  Sondern  sie  werden  weiden  und  sich  lagern^ 
Von  niemand  aufgeschreckt,  also  in  ungestörtem  Glück  und  Frieden. 

c)  3 14-20 :  Die  Herrlichkeit  des  geretteten  Jerusalems. 

Der  Abschnitt  ist,  wie  Schwally  sich  ausdrückt,  nicht  die  gerade  Fortsetzung  der 
Gedanken  des  Vorhergehenden,  sondern  vielmehr  eine  weitere  Ausmalung  der  messia- 
nischen  Zeit,  die  andre  Seiten  des  einstigen  Glückes  hervorhebt.  Im  ersten  Teil  v.  14-17 
wird  Zion  aufgefordert,  das  Jubellied  darüber  anzustimmen,  dass  Jahwe  als  siegreicher 
König  in  Zion  residiert;  im  zweiten  Teile  redet  Jahwe  selber  und  verheisst,  nachdem  die 
Bedrücker  alle  besiegt  sind  und  die  Schmach  von  seinem  Volke  abgewandt  ist,  die  Dia- 
spora zu  sammeln  und  sie  zu  Ruhm  und  Ehren  auf  der  ganzen  Erde  zu  bringen.  Da  der 
Personenwechsel  durch  v.  17  vorbereitet  ist  und  sich  v.  18  ff.  als  Fortsetzung  verstehen 
lässt,  so  hat  man  den  Abschnitt  als  Ganzes  zu  betrachten;  nur  wird  v.  16,  der  den  Zu- 
sammenhang stört,  als  Glosse  und  v.  20,  der  nichts  als  wortreichere  Wiederholung  von 
V.  19  ist,  als  Zusatz  auszuscheiden  sein.  Was  übrig  bleibt,  sind  fünf  Tetrasticha,  deren 
Zeilen  (allerdings  nicht  ganz  regelmässig)  abwechselnd  drei  und  zwei  Hebungen  auf- 
weisen. 

14,  die  erste  Strophe :  Juble,  Tochter  Zion,  Jauch%e,  Israel,  Freue  dich 
und  frohlocke  von  ganzem  Herzen,  Tochter  Jerusalem!  Für  ^iSl*!^^  ist  nicht 
pb^n*;  zu  setzen,  LXX  hat  den  Schluss  vorweggenommen.  Was  Zion  jubeln 
macht,  ist  die  erfahrene  Rettung,  die  v.  15  und  17  beschrieben  wird. 

15,  die  zweite  Strophe:  Weggeräumt  hat  Jahwe  deine  Widersacher,  1.  mit 
Wellh.  •^II^ötr^D,  Partie.  Po.  s.  Hi  9  15,  Weggefegt  deine  Feinde,  1.  ^\T^  mit 
LXX  und  zu  njö  vgl.  in  Jes  40  3  Mal  3  1  das  gleiche  Verb  mit  andrem  Ob- 
jekt; König  ist  Jahwe  in  deiner  Mitte,  h^"^\  ist  zu  entfernen,  auch  LXX  zeugt 
nicht  in  allen  Codd.  für  sein  Vorhandensein,  Du  wirst  nichts  Böses  mehr  er- 
leben, 1.  für  ^«n'^r^  mit  LXX  •'«in  =  erleben,  vgl.  Ps  90  15  Prv  27  12.  Nach 
Y.  15  zogen  die  Besiegten  als  Feinde  aus  eigenem  Antrieb  gegen  Jerusalem, 
nach  V.  8  hat  Gott  die  Völker  zum  Gericht  dorthin  versammelt,  verschiedene 
Betrachtungsweise  derselben  Sache.  Für  "^bü  1.  mit  Weglassung  von 
b^^\^\  das  Verb  ^bü  ==  (Jahwe)  ist  König  geworden,  d.  h.  er  hat  die  Herrschaft 
angetreten,  das  Gottesreich  hat  begonnen,  vgl.  auch  Ps  47. 

16  ist  ein  Zusatz;  denn  es  wird  von,  statt  zu  Jerusalem  gesprochen  und 
für  die  Situation  von  v.  uf.,  wie  von  v.  17  ist  der  Tag  des  Heils  bereits  an- 
gebrochen, nicht  erst  zukünftig.  Der  Interpolator  denkt  an  die  Schrecken 
und  die  Angst  der  Wehen  der  messianischen  Zeit,  wo  Jerusalem  Trostzusprüche 
nötig  hat,  vgl.  Jer  6  24  Hbr  12  12. 

17,  die  dritte  Strophe:  Jahwe,  dein  Gott,  ist  in  deiner  Mitte,  Ein  sieg- 
hafter Held,  Er  wird  jubeln  über  dich  in  Freude,  Frohlocken  über  dich  mit 
Jauchzen.   Zu  v.  17^  vgl.  Hes  48  35  Sach  8  23,  zu  v.  17'^  Jes  62  5  65  19.  Die 

Worte  in^riJfii^  ^^'IQl  „sind  im  Zusammenhang  unverständlich''  (Rothstein),  die 
Verbesserung  in  ti^nn;;  oder  ^^V}]  (HiTzia,  Buhl),  =  „er  thut  Neues  in  seiner 
Liebe"  oder  „er  erneuert  seine  Liebe",  oder  in  'Tj^'^nyCNowACK)  =  „er  er- 
neuert dich  in  seiner  Liebe",  bringt  einen  störenden  Gedanken  zwischen  die 


Zph3i7  377  Zpli3  20 

zwei  parallelen  Stichen,  und  die  Änderung  in  niTj]  (Schwally,  Oort)  ==  „er 
freut  sich  in  seiner  Liebe'S  bringt  nur  eine  dritte  Wiederholung  des  gleichen 
Gedankens.  Es  scheint  sich  in  der  Aussage  vielmehr  die  Klage  eines  Lesers 
zu  äussern,  dass  noch  immer  nicht  die  herrliche  Zeit  gekommen  ist,  von  der 
die  Verse  reden,  vgl.  zu  dem  Schweigen  Jahwes  Jes  42  u  und  bes.  64  ii. 

In  18  19*  steckt  wohl  die  vierte  Strophe;  aber  der  Text  ist  ganz  unge- 
wohnlich  verderbt,  sodass  man  keine  Übersetzung  wagt,  vgl.  zu  der  üblichen 
Fassung  Rothstein  bei  Kautzsch.  Die  alten  Versionen  helfen  auch  nicht  aus 
der  Not.  Nur  vermutungsweise  sei  unter  Nichtberücksichtigung  des  unver- 
ständlichen nj^löp  "'?^i,  das  man  =  „die  Betrübten  (Niph.-Partic.  von  nyj  fern 
von  der  Gemeinde"  fasst,  wofür  aber  LXX  "IJ^ID  Dl*'^  gelesen  zu  haben  scheint, 
vorgeschlagen  für  v.  18:  HBin  ^"hyjo  '•n^^JI  Tiipb^  •^JöD  "^riöDfcJ  =  Weggenommen 
habe  ich  von  dir  die  Schmach  Und  weggeschafft  von  dir  die  Schande,  Diese 
Worte  könnten  als  freudiger  Jubelruf  Jahwes  verstanden  werden,  sie  würden 
an  V.  11*  erinnern.  In  v.  19^  ist  dann  mit  Grätz  nach  Hb^'y  der  Ausfall  von 
n^3  zu  vermuten:    Siehe  ich  mache  den  Garaus  Allen  deinen  Bedrückern. 

T    T 

^''DD  ^5??  scheint  aus  v.  20,  der  Parallele  zu  v.  19^,  hier  eingedrungen,  gehört 

jedenfalls  nicht  hierher;  die  Zeit  des  Heils  ist  für  v.  19  schon  da,  wenn  schon 

Jahwe  noch  eben  am  Werk  ist,  auch  alle  Bedrücker  Israels,  die  vielleicht 
<  

nicht  vor  Jerusalem  erschienen  sind,  in  der  weiten  Welt  zu  vernichten  und  so 
die  Bahn  frei  zu  machen  zur  Rettung  der  Diaspora,  von  der 

19^,  die  letzte  Strophe,  spricht:  Und  ich  werde  retten  das  Ermattete 
Und  das  Versprengte  sammeln  Und  werde  sie  %u  Ruhm  und  Ehren  bringen 
Auf  der  ganzen  Erde\  die  Erklärung  hierzu  bietet  Mch  4  6  f.,  vgl.  auch  Jer 
33  9  Jes  62  7  und  Jo  3  5^?.  onti^n  ist,  wie  «%nn  nyü  am  Ende  von  y.  19% 

eine  aus  v.  20  eingedrungene  Glosse,  nur  dass  sie  in  abgekürzter  Gestalt  er- 
scheint; ihre  Auflösung  DH^DC^Tl«  """IW"^  ergiebt  sich  aus  y.  20^  (Wellh.).  20 
ist  nichts  als  Variation  von  y.  i9,  die  aber  die  Situation  von  y.  13-15  17-19  nicht 
innehält,  sondern  die  Rettung  noch  in  der  Zukunft  sieht,  darum  auch  nicht 
das  gerettete  Zion  und  seine  noch  in  der  Diaspora  weilenden  Angehörigen, 
sondern  allgemeiner  die  Juden  überhaupt  mit  euch  anredet.  Zu  lesen  ist  T\y[y^ 
\>?p.«  «\nn  für  -^^iSj?  nj;n^,  ferner  DDHU^  für  DD"^nu^,  und  UT^t)  bedeutet:  noch 
bei  euren  Lebzeiten,  harmoniert  aber  nicht  besonders  mit  «\nn  nj^S.  Zu  "l^Vi 
r\\:i^  vgl.  Am  9  u. 


Hag  Einleitung  I  378  Hag  Einleitung  I 


HAGGAI. 

Einleitung. 


I.  Das  Buch,  sein  Inhalt  und  seine  Entstehung.  Das  Buch  Hag,  das 

zehnte  unter  den  „Zwölf  Propheten"  sowohl  in  der  hebräischen  wie  in  der  griechischen 
Sammlung,  unterscheidet  sich  deutlich  von  den  meisten  übrigen  Prophetenbüchern. 
Sind  diese  in  der  Hauptsache  Sammlungen  der  prophetischen  Reden,  so  ist  das 
Buch  Hag  eine  Berichterstattung  über  dieselben,  in  der  zwar  die  Worte  des 
Propheten  aufgeführt,  einmal  aber  auch  die  AYirkungen,  die  sie  hervorriefen,  erwähnt 
werden.  Da  die  Beden  den  Hauptinhalt  ausmachen^  ist  es  doch  nicht  eine  eigentlich 
historische,  sondern  eine  prophetische  Schrift,  und  Hag  hat  darum  mehr  Becht,  unter 
den  Propheten  zu  figurieren,  als  die  Erzählung  über  den  Propheten  Jona.  Im 

Ganzen  sind  es  vier  Beden  des  Propheten,  von  denen  berichtet  wird:  1)  Cap.  1; 
2)  2  1-9;  3)  2  10-19  und  4)  2  20-23.  Sie  werden  genau  nach  Monat  und  Tag  im 
2.  Jahre  des  Darius  datiert  und  handeln  ohne  Ausnahme  von  dem  Tempelbau  und 
den  glücklichen  Folgen,  die  sich  an  denselben  knüpfen.    Näheres  s.  bei  der  Erklärung. 

Der  genannte  historische  Charakter  macht  es  wahrscheinlich,  dass  die  Ent- 
stehung des  Buches  nicht  auf  den  Propheten  selbst  zurückzuführen  ist.  Dafür 
sprechen  noch  andre  Eigentümlichkeiten:  die  fast  regelmässige  Beifügung  des  Titels 
i^'^lin  zu  dem  Eigennamen  ""JD  erklärt  sich  leichter,  wenn  nicht  Hag  selber  den  Be- 
richt aufzeichnete;  ebenso  deutet  wohl  die  Auffassung  des  Propheten  als  des  Instru- 
mentes der  göttlichen  Offenbarung,  die  sich  in  dem  Gebrauche  von  T?  (1  l  2  1  10,  s. 
zu  diesen  Stellen)  statt  des  üblichen  '7^  zeigt,  darauf  hin,  dass  der  Berichterstatter 
zu  denen  gehörte,  welche  durch  den  Propheten  das  Wort  Gottes  empfingen.  End- 
lich aber  sieht  die  Wiedergabe  der  Beden  mehr  dem  Beferate  eines  Fremden  als  der 
Aufzeichnung  durch  den  Propheten  gleich ;  denn  sie  enthält  wohl  die  Hauptgedanken 
und  lässt  die  trefflichen  Kontraste  erkennen,  durch  die  sich  die  prophetische  An- 
sprache wirkungsvoll  gestalten  musste,  aber  zeigt  nicht  die  sorgfältige  Ausführung, 
die  man  von  dem  Bedner  selber  erwarten  dürfte.  Lange,  nachdem  die  Beden  ge- 
halten waren,  kann  jedoch  der  Berichterstatter  sein  Beferat  nicht  aufgezeichnet 
haben ;  er  weiss  auf  alle  Fälle  noch  nichts  von  einem  zweiten  Darius,  kennt  auch  die 


Hag  Einleitung  I  379  Hag  Einleitung  II 

Daten  der  Ansprachen  ganz  genau  und  überliefert  ohne  jede  Bemerkung  die  Desig- 
nation Serubbabels  zum  König  des  messianischen  Keiclies  als  göttliche  Weissagung 
(2  20-23).  Die  beiden  letzten  Punkte  zusammen  zwingen  zu  der  Annahme,  dass  das 
Heferat  vor  dem  Sturze  Serubbabels  angefertigt  wurde.  Die  näheren  Umstände,  die 
das  Verschwinden  Serubbabels  von  der  Bildfliiche  her})eiführten,  sind  uns  unl^ekannt; 
das  Ereignis  selber  fällt  aber  ohne  Zweifel  entweder  noch  in  die  Bauzeit  des  'J'empels 
oder  denn  in  die  nächsten  darauffolgenden  .Jahre.  Vermutlich  ist  Serubbabel  als 
Statthalter  von  Juda  abgesetzt  worden,  als  Darius  seiner  Widersacher  Herr  ge- 
worden war  und  eine  Neueinteilung  des  persischen  Heiches  samt  einer  neuen  örenz- 
bestimmung  der  Provinzen  vornahm.  Mit  Klosteemann  (Gesch.  des  V.  Israel  S. 
213)  den  Propheten  Sacharja  für  den  Heferenten  zu  halten,  der  in  Hag  1  —  Sach  8 
in  genauer  chronologischer  Ordnung  die  auf  den  Tempelbau  bezüglichen  Worte  Gottes 
zusammengestellt  habe,  hat  keinen  sichern  Grund  (s.  zu  Hag  1  15).  Ebenso  scheint 
mir  auch  die  Annahme  von  HoTHSTEIN  (Genealogie  des  Kgs  Jojachin  S.  38—41). 
dass  uns  in  Hag  der  Hest  einer  rein  historischen  Schrift  vorliege,  deren  Absehen  auf 
den  Bericht  über  den  Tempelbau  gerichtet  war,  den  Charakter  des  Buches  Hag  nicht 
genau  zu  bestimmen:  es  ist  eine  Berichterstattung  über  die  Heden  des  Propheten, 
nicht  eine  Geschichte  des  Tempelbaus,  letzteres  auch  nicht,  wenn  man  sie  auf  eine 
Darstellung  der  Mitwirkung  des  Propheten  bei  demselben  eingrenzt  (s.  noch  zu  1  15). 

Vorausgesetzt  ist  bei  dieser  Auffassung  des  Buches  als  eines  Heferates  über 
die  Heden  des  Propheten,  dass  Hag  im  Allgemeinen  intakt  vorliegt.  Weder  ist  mit 
Sellin  und  HOTHSTEIN  angenommen,  dass  hinter  1  15  ein  Stück  weggeschnitten, 
noch  mit  KlOSTERMANN,  dass  Sach  8  9-13  hierher  zu  versetzen  sei  (s.  zu  1  15). 
Andrerseits  aber  reichen  auch  die  Gründe  nicht  hin,  um  mit  Andee  2  10-19  oder  mit 
BÖHME  2  20-23  für  sekundäre  Stücke  des  Buches  zu  erklären;  s.  die  Vorbemerkungen 
zu  diesen  Abschnitten.  Im  Übrigen  fehlt  es  natürlich  auch  im  Texte  Hag's  nicht  an 
grösseren  und  kleineren  Glossen  und  an  Versehen  der  Abschreiber,  vgl.  z.  B.  1  7*^  13 
15  2  5^  17  18^-^  und  in  LXX  zu  2  9  14  und  s.  für  das  Einzelne  die  Auslegung. 

II.  Der  Prophet,  seine  Zeit  und  seine  Bedeutung.  Haggai,  LXX  A/Yalo;, 
ist  im  AT  ausser  im  Buche  Hag  auch  Esr  5  l  als  ein  Hauptförderer  des  Tempelbaus 
genannt.  Andere  glaubwürdige  Nachrichten  giebt  es  nicht;  denn  wenn  in  LXX  die 
Psalmüberschriften  Ps  145 — 148  Haggai  und  Sacharja  erwähnen,  so  hat  dies  keinen 
historischen  Wert,  so  wenig  als  die  Legende  in  den  EpiPHANIUS  zugeschriebenen 
Vitae  prophetarum,  nach  der  Hag  als  junger  Mann  aus  Babel  zurückgekehrt  ist,  den 
Bau  des  neuen  Tempels  gesehen,  dort  als  der  erste  das  Halleluja  gesungen  (offen- 
bar aus  den  genannten  Psalmüberschriften  erschlossen)  und  dann  ein  ehrenvolles  Grab 
in  der  Nähe  der  Priestergräber  gefunden  hat  (s.  Nestle  Margin.  26-29).  Sicher 
bleibt  allein,  was  das  AT  bietet.  Danach  fällt  seine  Wirksamkeit  in  Jerusalem  von 
Ende  August  bis  in  den  Dezember  des  Jahres  520  v.  Chr.,  also  in  die  Anfangszeit 
der  Hegierung  Darius'  I.  (521—486),  und  seiner  Initiative  ist  es  vor*allem  zu  danken, 
dass  der  Tempelbau  in  Angriff  genommen  wurde.  Wahrscheinlich  ist  Hag  537  mit 
den  ersten  Kolonisten  auf  die  Erlaubnis  Cyrus'  hin  aus  Babel  zurückgekehrt;  dass 
er  den  salomonischen  Tempel  noch  gesehen  habe,  also  als  Knabe  oder  Jüngling  586 
ins  Exil  weggeführt  worden  sei,  ist  aus  2  3  nicht  zu  entnehmen.  Es  können  auch  ganz 
andre  Gründe,    als  ein  hohes  Alter,    es  veranlasst  haben,   dass  wir  nach  520  nichts 


Hag  Einleitung  II  380  Hag  Einleitung  11 

mehr  von  Hag  erfahren.  An  die  Stelle  des  ersten  jüdischen  Statthalters  Scheschbassar 
(Esr  1  8)  war  inzwischen  der  Davidide  Serubbabel  getreten  und  neben  ihm  stand  als 
das  Haupt  des  Priesterkollegiums  Josua  ben  Josadak  (1  l).  Wenn  die  im  Jahre  537 
Zurückgekehrten  den  Versuch,  den  Tempel  zu  bauen,  wirklich  gemacht  haben  (vgl. 
Bertholet  zu  Esr  4  5  und  Esr  Einl.  V),  so  muss  er  gleich  zu  Anfang  so  gänzlich 
fehlgeschlagen  haben,  dass  Hag  und  Sach  ihn  total  ignorieren  konnten.  Man  be- 
gnügte sich  mit  dem  Notaltar,  der  an  der  Stätte  des  Brandopferaltars  alsbald  nach 
der  Zerstörung  des  Tempels  war  errichtet  worden,  vgl.  2  14  und  Jer  41  5.  Erst  im 
Jahre  520  ist  der  Tempelbau  begonnen  und  vier  Jahre  hernach  516  vollendet 
worden. 

Alle  vier  Heden  des  Propheten  handeln  vom  Tempelbau  oder  stehen  doch,  wie 
die  vierte,  mit  demselben  in  engster  Beziehung.  Dass  Hag  aber  selber  Priester  ge- 
wesen sei,  ist  auch  2  11-13  nicht  zu  entnehmen,  eher  das  Gegenteil.  Ebenso  kann 
man  nicht  sagen,  dass  nur  die  Gedanken  an  den  Tempel  ihn  erfüllten  und  diese  ihm 
den  Anstoss  zu  seinen  Heden  gegeben  hätten.  Es  sind  vielmehr  die  wichtigen  ge- 
schichtlichen Ereignisse  der  Gegenwart,  die  auch  ihn  wie  die  früheren  Propheten 
anregten  und  in  deren  Gefolge  er  das  besonders  von  Hes  verheissene  messianische 
Heil  erwartete.  Jetzt  ist  die  Zeit  zu  der  grossen  Weltumwälzung  auf  Erden  ge- 
kommen ;  denn  bei  der  Thronbesteigung  Darius'  I.  gährte  es  im  ganzen  Heiche, 
namentlich  im  Osten,  in  Babylon  traten  nacheinander  zwei  Prätendenten  auf,  die  sich 
den  Namen  Nebukadnezar  gaben.  Um  auf  das  Heil  gerüstet  zu  sein,  da  die  Welt- 
reiche zusammenbrechen  und  Jahwe  in  Jerusalem  sich  verherrlicht,  muss  der  Tempel 
gebaut  sein ;  ohne  ihn  lässt  sich  die  messianische  Zeit  nicht  denken,  er  ist  das  not- 
wendige Mittel,  diese  das  herrliche  Ziel.  Auf  die  historischen  Motive  der  messia- 
nischen  Bewegung  von  Hag  und  Sach  hingewiesen  zu  haben,  ist  das  Verdienst  Stade's 
Gesch.  des  V.  Isr.  II,  113,  vgl.  ferner  Ed.  Meyer  Entstehung  des  Judentums  S. 
79—89  und  T.  K.  Cheyne  Jew.  Hei.  Life  after  the  Exile  1898,  14. 

Trotzdem  auch  Hag  und  Sach  von  der  Geschichte  die  Anregung  zu  ihrem 
prophetischen  Auftreten  erhalten  haben,  so  sind  sie  doch  ihren  Vorgängern  an  Be- 
deutung lange  nicht  gleich.  Denn  im  Grunde  werden  sie  nicht  zu  neuen  eigenen  Ge- 
danken angeregt,  sondern  zur  Anwendung  und  Ausführung  der  Worte  der  früheren 
Propheten.  Hesekiel  hatte  die  Verherrlichung  des  Tempels  mit  der  grossen  Welt- 
umwälzung verknüpft.  Letztere  vollzieht  sich  eben  jetzt,  also  ist  der  Tempel  zu 
bauen  und  das  Heil  nahe.  Aus  diesem  Grundgedanken,  besonders  wenn  man  ihn 
kombiniert  mit  Dtjes's  Weissagungen,  leiten  sich  leicht  alle  Gedanken  Hag's  ab;  man 
sieht,  er  gehört  nicht  zu  den  originalen  Männern,  die  die  Weltlage  aus  innerster  Er- 
leuchtung zu  beurteilen  vermöchten,  sondern  zu  den  Epigonen,  denen  das  Licht  aus 
den  Worten  der  früheren  Propheten  zuströmt.  Wie  sehr  Hag  sich  auch  von  den 
Propheten  des  8.  und  7.  Jahrh.  unterscheidet  und  welche  Macht  auf  ihn  der  von  Dtn 
und  Hes  ausgehende  Geist  ausübt,  zeigt  einerseits  der  Mangel  jeglichen  ernstlichen 
sittlichen  Tadels  und  andrerseits  die  Wichtigkeit,  die  der  Tempel  und  der  Kultus  für 
ihn  besitzen.  Hag  beginnt  die  Periode  der  schriftgelehrten  prophetischen  Eschato- 
logie.  Dass  es  übrigens  seinen  Ansprachen  an  rhetorischer  Kraft  und  eindrucksvollen 
Kontrasten  nicht  fehlte,  beweist  nicht  nur  ihr  Erfolg,  sondern  auch  das  Heferat,  so 
kurz  und  knapp  es  bisweilen  gehalten  ist. 


Hag  Einleitung  III  381  Hag  1 1 

III.  LIlicratiir.  A.  Köhler    Die  naclkexilischen   Propheten   I.   1860; 

L.  JiEINKE  Der  Proph.  Hag.  1868;  W.  Br)nME  Zu  Maleachi  und  Haggai  in  ZATW 
1887,  210—217,  spec.  215—217;  J.  J.  8.  J ^BROWNE  Haggai  and  Zecharjah,  Cambridge 
1893;  T.  Andre  Le  prophöte  Aggee,  Paris  1895;  JüLIüS  HÖHMER  Haggai  und 
Sacharja,  zwei  Propheten  des  Herrn  in  Neue  kirchl.  Zeitschrift  1901,  717 — 740;  Ed. 
Sievers  Metrische  Studien  I,  Textproben  1901,  494f. ;  J.  C.  Matthes  Hag  1  9  2  15-19 
in  ZATW  1903,  123—126;  T.  K.  Cheyne  Critica  sacra  II,  1903,  174 f. 


Erklärung. 

I.  Die  erste  Prophetie  Haggais:  die  Aufforderung  zum  Bau  des  Tempels, 

und  ihre  Folgen  Cap.  I. 

Das  ganze  Buch  Hag  hat  mehr  den  Charakter  eines  historischen  Berichtes  über 
die  Thätigkeit,  als  den  einer  Sammlung  der  Reden  des  Propheten.  Dies  tritt  besonders 
deutlich  in  Cap.  1  hervor,  das  am  Schlüsse  über  den  Erfolg  seines  ersten  Auftretens  be- 
richtet V.  12-15,  zeigt  sich  aber  auch  darin,  dass  das  Buch  keine  Gesamtüberschrift  trägt, 
sondern  zu  Anfang  jedes  Abschnittes  einen  einleitenden  Vers  aufweist,  der  in  Form  eines 
ganzen  Satzes  je  weilen  die  Datierung  der  folgenden  prophetischen  Worte  beibringt,  bis- 
weilen auch  die  Adressaten  näher  bestimmt,  vgl.  1  1  2  1  f.  10  20. 

1  Die  Art  der  Datierung  zeigt,  dass  die  Judäer  im  Exil  den  genaueren 
babylonischen  Kalender  kennen  gelernt  und  adoptiert  haben,  der  im  Gegensatz 
zu  dem  altisraelitischen  den  Jahresanfang  auf  den  Frühling  verlegt.  Nach 
diesem  Wechsel  konnten  die  alten  kanaanäischen  Monatsnamen  nicht  mehr 
festgehalten  werden,  einstweilen  begnügte  man  sich,  die  Monate  durch  Zahlen 
zu  bezeichnen,  ging  aber  dann  bald  dazu  über,  auch  die  babylonischen  Namen 
anzuwenden.  Vgl.  Benzinger  Archäol.  §  30  S.  198—202  und  meine  Artikel 
Chronology  of  the  OT,  Month  und  Year  in  Encycl.  Biblica.  Als  Zeit- 

punkt des  ersten  Auftretens  Hag's  wird  das  zweite  Jahr  des  Königs  Darius 
genannt,  also,  da  Darius  hebr.  Därejäwes  =  pers.  Därayavaus  von  521—486 
regierte,  das  Jahr  520  v.  Chr.  Es  kann  sich  nämlich  nur  um  Darius  I.  Hys- 
taspis  handeln,  weil  jegliche  Näherbestimmung  fehlt,  also  er  noch  der  einzige 
König  dieses  Namens  war.  Der  König  heisst  er,  nicht  der  persische  König, 
weil  für  die  Zeit  Hag's  kein  andrer  in  Frage  kommen  konnte.  Der  sechste 
Monat,  später  Elul  genannt  (Neh  6  15),  entspricht  den  letzten  Tagen  des 
August  und  den  ersten  Wochen  des  September,  der  erste  des  Monats  fällt  so- 
mit noch  in  den  August  520  v.  Chr.  Zu  der  Verwendung  der  Kardinal- 
zahlen U^m  und  nnjfj  in  Anlehnung  an  den  Stat.  constr.  n'^^  und  UV  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27  §  134p.  n  n:;n,  durch  die  Hand  d.  h.  vermittelst  des  Pro- 
pheten ergeht  Gottes  Wort  nach  der  spätem  Auffassung,  die  in  den  Propheten 
gleichsam  den  Kanal,  die  Mittler,  für  die  göttliche  Offenbarung  sieht,  s.  zu 
Jes  20  2  und  vgl.  Hos  1  2.                 Die  Nennung  der  Adressaten  ist  nicht  mit 


Hag  1  1  382  Hag  1  6 

SiEVEES  als  „historisch-genealogisches  Scholion"  zu  entfernen,  vielmehr  ist 
nach  LXX  und  der  Analogie  von  2  if.  lo  2of.  davor  1b«  Ib«'?  in  den  Text  auf- 
zunehmen. Das  Wort  Jahwes  ist  gerichtet  an  das  weltliche  und  das  geistliche 
Oberhaupt  in  Jerusalem.  Das  politische  Oberhaupt,  der  Statthalter  (nns  = 
Lehnwort  aus  dem  Babylonischen,  s.  KAT^  649),  heisst  ^«^n'p«^-)!  ^n?lt;  die 
abweichende  Genealogie  I  Chr  3  19,  die  ihn  einen  Sohn  Pedajas  nennt,  kann 
die  Glaubwürdigkeit  des  zeitgenössischen  Berichtes  in  Hag  nicht  in  Frage 
stellen,  s.  auch  Esr  3  2  5  2  und  vgl.  zu  I  Chr  3  19.  Die  Identifikation  Serub- 
babels  mit  Scheschbazzar  ist  durchaus  unberechtigt,  s.  den  Nachweis  von 
Bertholet  zu  Esr  1  8  und  von  Andre  S.  48—63.  Das  geistliche  Oberhaupt 
ist  Josua  (=  V^^^^  Esr  3  28  4  3)  ben  Jozadak  mit  dem  Titel  ^njH  'iTl'lir},  der  Hohe- 
priester^ den  Dtn  und  Hes  noch  nicht  kennen,  der  zum  ersten  Mal  im  sog. 
Heiligkeitsgesetz  Lev  21  lo  erscheint  und  nun  bei  Hag  und  Sach  als  ganz 
üblich  und  in  gleicher  Bedeutung  wie  Lev  21  lo  =  der  Grösste  im  Collegium 
(vgl.  Sach  3  8)  auftritt,  s.  auch  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.^  224f. 

2—11  die  Ursache  der  Not  des  Volkes.  2  die  Nachlässigkeit  und 

Gleichgiltigkeit  der  Leute  in  religiösen  Dingen.  Die  häufig  wiederkehrende 
Anwendung  der  Formel:  so  spricht  Jahwe,  zeigt,  wie  wichtig  es  dem  Propheten 
erschien,  die  göttliche  Autorität  seines  Wortes  zu  betonen;  den  früheren  Pro- 
pheten war  das  Bewusstsein,  in  Jahwes  Auftrag  zu  sprechen,  viel  lebendiger, 
sie  fanden  darum  solche  Bekräftigungsformeln  viel  weniger  für  nötig.  Zu 

VsXx\  Dj;n  vgl.  Jes  8  6,  weder  ein  verächtlicher  Nebenbegriff,  noch  ein  Hinweis 
auf  die  zur  Neumondfeier  (am  1.  des  Monats,  s.  v.  i)  versammelten  Leute 
braucht  in  dem  Ausdruck  zu  liegen.  Für  das  sehr  verschrobene  ^STlj;  «^  1. 
mit  Hitzig  u.  a.:  «n  nj;  ^^,  zu  rij;  =  nnj;  vgl.  Ps  74  6  Hes  23  43;  die  Voran- 
stellung von  nrij?  dient  der  Hervorhebung:  7'^/ 55^  noch  nicht.  Übrigens  giebt 
keine  alte  Version  das  erste  ny  wieder;  ob  es  im  Text  fehlte  oder  nur  nicht 
verstanden  wurde,  muss  unentschieden  bleiben.  Der  masculine  Gebrauch 

von  nj;  fällt  hier  um  so  weniger  auf,  als  das  masculine  Prädikat  vorhergeht, 
vgl.  ZATW  1896,  44  f.  Von  einer  Inangriffnahme  des  Tempelbaus  durch 

die  Juden  gleich  nach  der  ßückkehr  im  Jahre  638/7  weiss  Hag  sowenig,  wie 
Sach  und  Esr  5  2;  wie  die  damit  im  Widerspruch  stehende  Notiz  in  dem 
Dokument  Esr  5  6-17  und  in  der  chronistischen  Darstellung  von  Esr  3  zu  be- 
urteilen ist,  s.  zu  Esr  5  I6.  3 f.  Die  göttliche  Beurteilung  der  Sachlage 
lautet  ganz  anders,  vgl.  II  Sam  7  2.  Die  neue  Einleitung  y.  3  hält  mit  TI  "Vj^ 
statt  ^y^  die  Form  eines  Berichtes  ein,  vgl.  Vorbem.  zu  Cap.  1.  4  DriS 
dient  der  nachdrücklichen  Hervorhebung  des  Suffixes  in  DD^,  vgl.  Ges.- 
Kautzsch27§  135  g;  D'^i^DD  steht  im  casus  adverbialis,  darum  ohne  Artikel,  zur 
Beschreibung  des  Zustandes  des  vorangehenden  Substantivs,  s.  §  118p  und 
vgl.  auch  Am  2  le;  zu  der  kostbaren  Vertäfelung  der  Zimmerwände  vgl.  I  Reg 
7  7  Jer  22  14.  5  f.  Ihre  Wege,  d.  h.  ihr  Ergehen,  die  Erfahrungen,  die  sie 
machen  müssen,  sind  Beweis  genug  für  dieses  göttliche  Urteil  v.  3 f.  Was  sie 
erfahren,  schildert  6 ;  es  ist  der  Unsegen,  der  auf  allem  ihrem  Thun  liegt.  Mit 
der  Fortsetzung  des  Verbum  finitum  durch  die  indifferenten  Infinitive  (vgl. 
dazu  Ges.-Kautzsch2  7  §  113  z)  hängt  es  zusammen,  dass  1^  für  03^  stehen 


Hag  1  6  383  Hag  1  9 

kann.  Was  der  Lohnarbeiter  verdient,  nniss  alles  sofort  zur  Bestreitung 

der  nötigsten  Lebensbedürfnisse  ausgegeben  werden;  der  Geldbeutel  ist  stets 
leer,  wie  wenn  er  durchlöchert  wäre,  vgl.  Sa('li  8  lo.  Viel  unwahrscheinlicher 
ist  der  Sinn,  den  Andrk  in  v.  g'»  findet;  2)p:i  111!i  soll  nämlich  „ein  durchbohrtes 
Steinchen''  bedeuten  und  ein  solches,  mit  einem  Siegel  versehen  und  um  den 
Hals  eines  Mensciien  gehängt,  das  Unterscheidungszeichen  sein,  dass  der  Be- 
treffende der  Sklave  eines  bestimmten  Herrn  sei.  Das  ganze  Sätzchen  soll 
dann  besagen:  dem  Lohnarbeiter  bleibt  trotz  aller  Arbeit  nichts  übrig  als  die 
Sklaverei.  Mag  die  Anwendung  solcher  Erkennungszeichen  bei  Babyloniern 
und  Juden  Sitte  gewesen  sein,  es  müsste  dieser  Sinn  doch  viel  deutlicher  aus- 
gedrückt werden  und  auch  das  'b^  1?nii^p  ist  ihm  nicht  günstig.  7  8  Direkte 
Aufforderung,  den  Tempel  zu  bauen,  und  bestimmte  Versicherung,  dass  davon 
das  Kommen  der  messianischen  Zeit  abhängt.  Da  v.  7'^  hier  den  Zu- 

sammenhang nur  stört,  so  ist  er  mit  Wellh.  als  falsche  Wiederholung  von 
V.  5^  zu  entfernen.  8  Der  Bau  soll  nicht  nur  in  Holz  aufgeführt  w^erden, 

vgl.  2  15,  sowie  Esr  6  4;  aber  da  an  der  Stätte  des  verbrannten  Tempels  noch 
genug  brauchbare  Bausteine  vorhanden  waren,  musste  vor  allem  Bauholz 
herbeigeschafft  werden.  Solches  fand  sich  im  Gebh^ge,  "\T]T]  hat  den  Artikel, 
weil  es  im  Gegensatz  zu  dem  Flachland  den  gebirgigen  Teil  des  Landes  be- 
zeichnet; es  ist  nicht  an  den  Libanon  zu  denken,  die  Höhen  auch  in  der  ISTähe 
Jerusalems  müssen  damals  noch  bewaldet  gewesen  sein,  vgl.  Neh  2  8  8  i5. 
Für  nD3^^,  ich  werde  mich  verherrlichen,  ist  es  nicht  notier  mit  Kere  rn33^<, 
ich  will  etc.,  zu  lesen;  die  Verherrlichung  Jahwes  geschieht  in  der  Erfüllung 
der  messianischen  Hoffnungen,  in  der  Herbeiführung  des  herrlichen  messia- 
nischen JReichs^  speziell  damit  inauguriert,  dass  er  sich  in  seiner  Herrlichkeit 
in  den  Tempel  niederlässt,  vgl.  Jes  66  5  und  s.  y.  Gall  Die  Herrlichkeit 
Gottes  11.  9—11  Nochmalige  Begründung  von  v.  7 f.:  Das  Elend  der 

Gegenwart  rührt  nur  von  der  Vernachlässigung  des  Tempelbaus  her.  Die 

Schilderung  beginnt  hier  mit  Inf.  absol.  und  setzt  sich  fort  mit  Verbum  finitum, 
DilSin  definiert  somit  nach  Person  und  Zahl  das  vorangehende  niö,  vgl.  die 
umgekehrte  Reihenfolge  v.  6.  Da  es  Schwierigkeiten  hat,  zu  toj;??'?  Hiin 

als  Subj.  7\:^^X\  anzunehmen  mit  dem  Sinne:  „siehe,  es  (das  erwartete  Viele) 
wurde  zu  Wenigem",  wird  man  besser  mit  Wellh.  und  Nowack  entweder  ^ 
entfernen  oder  nach  LXX  H^HI  für  7\\T\\  lesen:  Ihr  zählet  auf  viel  und  es  wird 
wellig.  Auch  der  geringe  Ertrag,  wenn  er  eingebracht  ist,  schwindet  auf  ge- 
heimnisvolle Weise  dahin;  H  MSi,  anblasen,  hat  einen  ähnlichen  Sinn  wie  be- 
sprechen, incantare,  es  ist  eine  etwas  andre  Form  desselben  Zauberns.  Die 
Wirkung  hängt  von  den  Umständen  ab,  entweder  ist  es  eine  heilsame,  die  ein 
Übel  z.  B.  eine  Krankheit  entfernt  und  einen  Segan  verleiht  vgl.  Hes  37  9  f. 
Joh  20  22,  oder  wie  hier  eine  schädliche,  die  Verderben  herbeiführt,  vgl. 
Wellh.  Arab.  Heident.2  159f.,  ferner  Matthes  ZATW  1903,  123  und  bes. 
den  von  L.  Bauek  MNDPV  1899,  9  erwähnten  Aberglauben  der  Araber  in 
Palästina:  „Den  Muslimen  ist  es  im  höchsten  Grad  unangenehm,  wenn  jemand 
über  eine  mit  Getreide  belegte  Tenne  hinpfeift.  Dann  kommt,  sagen  sie,  der 
Teufel  bei  Nacht  und  nimmt  einen  Teil  des  Erntesegens."  Zu  HD  =  n» 


Hag  1  9  384  Hag  1  U 

vgl.  Ges.-Kautzsch27  §§  37  f.  b  y^'^  muss  man  als  Schilderung  des  eifrigen 

Bemühens  verstehen,  wo  es  sich  um  das  eigene  Interesse,  den  Besitz  eines 
eigenen  Hauses  handelt;  der  Sinn  wird  aber  weit  besser,  wenn  man  mit  Wellh. 
0"*:^^  und  W^^  liest:  während  ihr  an  euren  eigenen  Häusern  Behagen  habt, 
oder  mit  Cheyne  D'^^'^H  =  (Prv  10  4)  ßeissig,  wo  es  euer  Haus  angeht,  vor- 
zieht. Solche  Selbstsucht  fordert  die  Strafe  heraus  10  f.  Da  die  Stellung  von 
uyhv  durch  keinen  Nachdruck  motiviert  und  das  Wort  von  LXX  nicht  be- 
zeugt ist,  so  ist  es  als  Dittographie  des  vorangehenden  ]tW  mit  Wellh.  u.  a. 
zu  entfernen.  Die  Inconcinnität  der  beiden  parallelen  Sätzchen  fällt 

sehr  auf:  D^ötJ^  steht  ohne  Artikel,  während  V1?0  ^^  aufweist;  ^tsi?  ist  dem 
entsprechenden  Tho.\  incongruent,  wenn  man  es  privativ  =-  'b^  nvni?,  so  dass 
kein  Tau  mehr  ist,  deutet,  und  kann  doch  nicht  partitiv  gefasst  werden,  da  es 
sich  um  das  Ausbleiben  des  Taus  überhaupt  handelt.  Übrigens  muss  K^3  in 
beiden  Sätzen  in  der  gleichen  transitiven  Bedeutung:  zurückhalten^  ein- 
schliessen,  stehen;  also  liest  man  am  besten  unter  Vergleichung  von  Sach  8  12 
n\'^  und  D^IDI^Hj  vgl.  Wellh.  11  So  lange  das  Gotteshaus  n^in  ist,  gebührt 

dem  ganzen  Lande  ^in,  Dürre,  die  für  das  gesamte  Leben  in  Pflanzen-,  Tier- 
und  Menschenwelt  die  verheerendsten  Folgen  hat.  Vor  ^^''^1^  ll^fcj  bieten 

manche  Codd.  "^1  (vgl.  auch  die  Versionen),  was  in  den  Text  aufzunehmen  ist, 
da  nicht  eine  neue  Kategorie  genannt  wird,  sondern  zusammenfassend  alles, 
was  mit  den  vorhergenannten  Produkten  in  dieselbe  Kategorie  gehört,  als 
von  der  Dürre  betroffen  hingestellt  werden  soll.  Die  Aufzählung  ist  sehr  weit- 
läufig und  umständlich;  alle  Arbeit  der  Hände  kann  doch  schwerlich  etwas 
anderes  als  die  Feldarbeit  im  Auge  haben,  an  die  schon  vorher  bei  Getreide, 
Most  und  Ol,  den  drei  Hauptprodukten  des  Landes  (Hos  2  10),  gedacht  ist. 

12—15  Der  Erfolg  dieses  Auftretens  Hag's:    die  Inangriffnahme  des 
Tempelbaus.  12  Dj;n  n^'ltillÄ^  bedeutet  nicht  die  übrigen  vom  Volke  ausser 

den  bereits  Erwähnten  (hier  Serubbabel  und  Josua),  sondern  die  Gesamtheit 
des  Teiles  der  Nation,  der  aus  dem  Exil  zurückgekehrt  war  und  der  im  Ver- 
gleich  zu  dem  früheren  Volke  und  Staate  ein  „Rest",  die  „übriggebliebenen" 
genannt  werden  konnte.  Der  Ausdruck  ist  der  vielgebrauchte  terminus  tech- 
nicus  für  die  Zurückgekehrten  und  überhaupt  für  die  in  der  Katastrophe  Jeru- 
salems und  im  Exil  nicht  untergegangenen  geworden,  vgl.  v.  u  2  2  Sach  8  6 
Mch  2  12  5  6.  b^'^rhä  für  'ps'^n^^ti^  wie  v.  u  und  2  2.  Für  -^j;i  ist  "^«1 

ZU  schreiben,  mit  dem  es  häufig  in  der  späteren  Zeit  durch  die  Abschreiber 
verwechselt  ist,  vgl.  Jer  26  5  35  18;  ebenso  ist  D/T^t^  statt  DUNI^Pi^  zu  lesen,  da 
dieses  eher  entbehrlich,  jenes  aber  dem  Sinne  förderlich  ist  („gemäss  dem 
Auftrag,  den  ihm  Jahwe  an  sie  gegeben  hatte,)  und  auch  von  den  alten 
Versionen  geboten  wird  (Wellh.,  Ooet  u.  a.).  13  unterbricht  den  engen 

Zusammenhang  von  y.  12  und  y.  14,  nennt  Hag  nicht  N^HJ*^,  sondern  V!\T\\  "^iSi^D, 
enthält  in  "^  n'i::«'?)?:^  eine  Parallele  zu  'i:i1  1ti^«5  in  y.  12»,  und  die  zweite  Hälfte 
Y.  13^  ist  =  2  4^.  Somit  ist  y.  13  eine  spätere  Zuthat,  die  den  Propheten  als 
ausserordentlichen  Gesandten  Jahwes  fasst,  wie  Mal  2  7  in  den  Priestern  die 
ständigen  göttlichen  Boten  sieht,  vgl.  auch  Mal  3  1  und  s.  W.  Böhme  ZATW 
1887,  215  f.   Vermutlich  will  die  Glosse  das  Ende  von  y.  12=^  erklären.         14  Zu 


Hag  1  14  385  Hag  2  5 

nn  1'J?n  vgl.  Esr  l  i  5.  Die  Ansprache  llai^^'s  liatte  ihre  Wirkung,  sie  erfüllte 
die  Leute  mit  Angst  und  begeisterte  sie  für  den  Hau  des  Tempels.  Und 

sie  kamen  und  arbeUelen  heisst  so  viel  wie:  nie  machlen  sich  an  das  Werk,  sie 
nahmen  es  in  Anfiri/p.  Auf  den  Zeitpunkt  ist  dabei  nicht  reflektiert  und  die 
Bestimmung  dessell)en  wird  nach  diesen  Worten  nicht  erwartet.  Trotzdem 
folgt  15  ein  bestimmtes  Datum;  man  wird  es  am  besten  als  nachträgliche  Bei- 
fügung zu  betrachten  haben,  da  es  als  ursprünglicher  Textbestandteil  nicht  so 
am  Ende  des  Satzes,  scmdern  am  Anfang  sei  es  mit  ^rv"\  eingeleitet  vor  ^«l^^l 
oder  einfach  hinter  diesem  Verb  stehen  würde.  Der  Vers  will  offenbar  den 
Beginn  fixieren,  er  nennt  den  24.  des  6.  Monats,  also  etwa  Mitte  Sept.  520. 
Viel  unwahrscheinlicher  ist  es,  in  v.  15  den  Anfang  eines  neuen  Abschnittes 
zu  sehen,  dessen  Schluss  anderswohin  verschlagen  oder  gänzlich  verloren  ge- 
gangen sei.  So  hat  einerseits  Klostermann  Gesch.  des  V.  Israel  213  ver- 
mutet, Sach  8  9-13  sei  das  zu  diesem  Datum  und  hinter  v.  15  gehörige  Gottes- 
wort, andrerseits  vertreten  Sellin  Studien  II,  50  und  Bothstein  Genealogie 
des  Kgs  Jojachin  40  die  Ansicht,  es  sei  hier  ein  historischer  Abschnitt,  der 
von  der  Grundsteinlegung  durch  Serubbabel  handelte,  weggefallen.  Aber 
Sach  8  9-13  ist,  wo  es  steht,  am  rechten  Platz  und  eine  eigentliche  Erzählung 

der  Grundsteinlegung  gehört  nicht  in  die  Berichterstattung  über  Hag's  Reden. 
< 

2.  Die  zweite  Prophetie:  Die  Herrlichl<eit  des  neuen  Tempels  2  i— 9. 

1  nennt  als  Datum  den  21.  des  7.  Monats,  also  erste  Hälfte  des  Okt.  520. 
Es  ist  „nach  dem  Priesterkodex  ein  Haupttag  des  Laubhüttenfestes;  davon 
merkt  man  hier  nichts"  (Wellh.).  Also  kann  nicht  das  Datum,  resp.  die  erst 
später  auf  dasselbe  fallende  Feier,  Hag  den  Anlass  zu  seinen  Worten  gegeben 
haben;  wahrscheinlich  hatte  vielmehr  bereits  die  Begeisterung  den  Bedenken 
Platz  gemacht,  es  möchte  nicht  gelingen,  die  Schwierigkeiten  zu  überwinden 
und  ein  ansehnliches  Gebäude  zu  errichten,  und  dieser  nautlosen  Stimmung 
tritt  der  Prophet  mit  einer  herrlichen  Verheissung  kräftig  entgegen.  2  Nach 
LXX  wird  auch  hier  wie  1  12  14  ^3  vor  iT^I^?^  zu  lesen  sein.  3  zeigt,  in 

welchen  Äusserungen  die  Entmutigung  des  Volkes  sich  Luft  machte  (vgL  v.  3^), 
lässt  andrerseits  erkennen,  dass  noch  solche  am  Leben  waren,  die  den  Tempel 
Salomos  gesehen  hatten,  vgL  3  12.  Dass  Hag  selber  einer  von  diesen  gewesen 
sei,  ist  aber  den  Worten  nicht  zu  entnehmen.  Zu  der  Verwendung  von 

3  —  5  bei  der  Vergleichung  s.  Ges.-Kautzsch2  7  §  161  c.  4  Der  Titel 

^l'^jn  ]0^n  steht  wie  hier  auch  Sach  3  8  in  der  Anrede.  Zu  dem  absoluten 

Gebrauch  von  H^J^  vgl.  die  gute  Parallele  I  Chr  28  20;  der  Imperativ  ist  = 
frisch  ans  Werk!  5  Es  ist  vergebliche  Mühe,  wenn  man  die  Worte  am 

Anfang  von  "l^'in'JI^J!  bis  Dll^^p  in  den  Zusammenhang  einzugliedern  sucht; 
sie  stören  den  Fortschritt  der  Gedanken  und  die  Grammatik,  sie  sind  eine 
Glosse,  welche  LXX  noch  nicht  in  ihrer  Vorlage  vorfand,  und  zwar  eine 
Glosse  zu  dem  folgenden  '•nni,  um  nach  Jes  59  21  neben  dem  Geist  auch  an  das 
Wort  Gottes  als  Bindemittel  zwischen  Israel  und  Gott  zu  erinnern.  Zu  über- 
setzen ist:  (mein  Geist  bleU)t  unter  euch)  mit,  nebst  dem  Wort,  das  etc.  Zu 
dem  in  Israel  gegenwärtigen  Geiste  Gottes  vgl.  ausser  Jes  59  21  auch  Neh 

Kurzer  HG  zum  AT  XIII  25 


Hag  2  5  386  Hag  2  10 

9  20.  Wo  Gott  und  sein  Geist  zugegen  sind,  ist  keine  Mutlosigkeit  am 

Platze  V.  5^;  was  alles  in  dieser  Versicherung  v.  4^'  5^  eingeschlossen  ist,  führen 
6—9  aus:  die  Erschütterung  der  Welt,  die  Verherrlichung  des  Tempels  und 
das   Heil   in   Jerusalem.  6  Wellh.   wird  Recht  haben,   wenn    er 

H\'l  toyp  nniSl  l^y  auf  „Confusion  zweier  Varianten"  zurückführt,  deren  eine 
lautete:  'D  •^:iS  nns  llj;  =  noch  einmal  (nns,  wie  II  Reg  4  35  6  lo  Lev  16  34, 
=  «nniSl  Dy?  Jos  6  3)  will  ich  erschüUern  (vgl.  LXX:  stl  airot;  lyoj  osiow), 
während  die  andre  besagte:  D  "'^tjl  ^'^T\  DJ^D  ^Ij;  =  noch  kur%e  Zeit  und  ich 
erschüttere.  Die  erste  Variante  müsste  etwa  in  der  Katastrophe,  die  Jeru- 
salem und  Juda  getroffen,  die  frühere  Welterschütterung  sehen;  jedenfalls 
giebt  sie  keinen  so  guten  Sinn,  wie  die  zweite,  die  auf  die  Nähe  eines  die  ganze 
Weltlage  umgestaltenden  Ereignisses  hinweist.  Mit  Wellh.  und  Nowack  ist 
daher  diese  letztere  vorzuziehen  und  iini?  aus  dem  Texte  zu  entfernen,  das 
ohnehin  nicht  als  Zahlwort  zu  dem  folgenden  DJ^D  gezogen,  zu  dem  aber  auch 
nicht  ein  Subst.,  wie  ilj;,  ergänzt,  noch  ^<^^  toj;»  als  Exposition  gefasst  werden 
kann.  Dass  diese  Verheissung  Weissagungen  aus  Tritojes  zur  Voraussetzung 
habe,  wie  Coenill  will,  ist  durchaus  nicht  notwendig;  die  Prophetieen  Hes's 
und  Dtjes's,  die  von  physischen  und  politischen  Weltumwälzungen  zum  Heile 
Israels  reden,  genügen  vollauf  zu  ihrem  Verständnis  und  ihrer  Erklärung;  vgl. 
hiezu  ferner  die  Einleitung  II  S.  380.  7  Für  n'lön,  das  nicht  mit  Vulg.  als 
Bezeichnung  des  Messias  zu  fassen  ist,  hat  man,  dem  Plural  ^l^^^^  entsprechend, 
mit  LXX  rilDH  (Gen  27  15)  zu  punktieren  =-  die  Kostbarkeiten^  vgl.  v.  8:  Silber 
und  Gold;  Cheyne  schlägt  w^eiter  für  tt\C^T\  vor:  Hh^lp  =  die  Gaben.  Die  Aus- 
führung dieser  Verheissung  s.  Jes  60  5-22.  Strömt  der  Reichtum  der  Völker 
(Böhme  möchte  das  eine  D*;1-in  in  D"'^j;n  ändern),  wie  es  sich  gehört,  da  er 
Jahwes  Eigentum  ist,  nach  Jerusalem,  so  kann  es  nicht  an  der  Herrlichkeit 
des  Tempels  fehlen,  er  wird  9  an  Glanz  die  salomonische  Herrlichkeit  weit 
überbieten,  darum  ist  die  Mutlosigkeit  der  Wiedererbauer  des  Tempels  übel 
angebracht.  ]1insn  gehört  zu  ^UlS;  es  ist  der  alte  Tempel,  der  wieder  ersteht. 
Zu  dem  Glanz  der  heiligen  Stätte  kommt  die  Sicherheit,  die  deren  Bewohner 
und  Nachbarn  erfahren,  d.  h.  das  messianische  Heil,  vgl.  die  ähnliche  Ver- 
heissung Sach  2  9.  Der  Zusatz  der  LXX:  „und  Seelenruhe,  um  das  ganze 
Fundament  (1.  Ib'l  statt  HD'^  xiiCovii)  zu  erneuern,  um  diesen  Tempel  wieder 
herzustellen",  scheint  aus  Esr  9  9  stammende  Glosse  zu  Dl^^  zu  sein;  beachte 
die  Trennung  dieses  Sätzchens  von  D1^^  durch  '15  '•>  Di<li  und  vgl.  Sellin  Stud. 
zur  Entstehungsgesch.  der  jüd.  Gemeinde  II  46. 

3.  Die  dritte  Prophetie :  der  mit  dem  Tempelbau  beginnende  Segen  2io-i9. 

Die  Herkunft  dieser  Verse  von  Hao:  ist  durch  T.  Andre  bestritten.  Erstlich  sollen 
die  Verse  die  Ausführung  der  vorangehenden  Rede  unterbrechen,  nämlich  den  in  logischer 
Folge  dazu  gehörenden  Schluss  v.  20-23  abtrennen,  der  erklärt,  dass  der  Krieg,  mit  dem 
Jahwe  die  Heidenwelt  erschüttert,  ein  Krieg  der  Heiden  gegen  einander  sei  v.  22  und 
dass,  wenn  der  Friede  in  Jerusalem  herrscht  und  die  Reichtümer  dort  zusammenfliessen, 
die  Macht  Serubbabels  befestigt  werde  v.  23.  Zweitens  zeio^e  sich  der  Autor  von  v.  10-19 
als  pretre-legaliste  im  Gegensatz  zu  Hag,  der  sich  als  theocrate-clerical  charakterisiere. 
Drittens  weise  der  Abschnitt  direkte  Widersprüche   zu  Hag  auf;  denn  dieser  rede  von 


Hag  2 10  387  Jlag2l2 

aussergewöhnlicher  Dürre  als  der  Ursache  der  (Jnfrurlitbarkoit  und  misslichen  Lage, 
während  in  2  10-19  als  solche  Nässe  und  Ilagel  erscheinen  v.  17,  und  ♦•benso  nenne  2  18 
als  Tag  der  Grundsteinlegung  den  24.  des  neunten  Monats,  dagegen  ilag  in  1  16  als 
Tag  der  Inangriilnahme  des  Werks  den  21.  des  sechsten  Monats.  Viertens  sei  schliess- 
lich eine  grosse  Verschiedenheit  des  Sprachgebrauchs  zu  bemerken,  es  stehen  einander 
gegenüber  7\\r\)  n^3  in  Hag  und  n\ri\  bp'T}  2  15  18,  D^ö3  V^^'b^  1  11  und  D.in;  n^pv^'h^ 
2  14  17,  ferner  heisse  Öl  1  11  "in^%  dagegen  2  12  ^0^,  Wein  1  11  ti^n'-ri,  dagegen  2  12  y\, 
ausserdem  werde  nicht  «''San  ""^n  wie  bei  Hag,  sondern  (abgesehen  von  der  Überschrift 
2  10)  nur  ">in  gesagt  und  rede  der  Abschnitt  von  den  ,, Priestern",  nicht  von  dem  Hohe- 
])riester.  Diese  Beobachtungen  sind  richtig,  aber  der  Schluss  auf  fremde  Herkunft  des 
ganzen  Abschnitts  ist  übereilt.  Scheidet  man  nämlich  die  sekundären  Elemente  im  Ab- 
schnitt selber  aus  (s.  die  Exegese),  so  fallen  die  sachlichen  Widersprüche  weg;  die  dann 
noch  bleibenden  Differenzen  im  Sprachgebrauch  sind  ohne  Gewicht  und  leicht  erklärlich, 
und  von  einer  Unterbrechung  der  Gedankenfolge  kann  überhaupt  nicht  die  Rede  sein,  da 
nicht  die  logische  Zurechtlegung,  sondern  die  Geschichte  und  die  thatsächlichen  Verhält- 
nisse über  die  Reihenfolge  der  Reden  des  Propheten  entscheiden  (s.  unten).  Übrigens  ist 
die  verheissene  Fruchtbarkeit  des  Landes  kein  so  untergeordnetes  Element,  dass  es  sich 
nicht  ebenso  gut  als  Exposition  von  v.  1-9  verstehen  Hesse,  wie  v.  20-23. 

Wie  die  zweite  Rede  nimmt  auch  die  dritte  ihren  Ausgang  von  Bedenken  und 
Stimmungen,  welche  sich  unter  den  neuen  Ansiedlern  in  Jerusalem  erhoben  und  ver- 
nehmen Hessen.  Man  kam  sich  doch  nicht  so  irreligiös  vor,  wie  der  Prophet  in  der  ersten 
Rede  gesagt  hatte,  man  brachte  ja  auf  dem  Brandopferaltar  (s.  v.  14)  Gott  Opfer  dar,  und 
meinte  darum  auch  weder  die  Missjahre  verdient  zu  haben  noch  vom  Tempelbau  sich 
Grosses  für  die  Zukunft  versprechen  zu  dürfen.  Diesen  Einwänden  und  Bedenken  tritt 
Hag  entgegen,  indem  er  durch  das  Gleichnis  von  der  viel  grösseren  Anstecku!]gskraft  des 
Unreinen  als  des  Heiligen  dem  Volke  klar  zu  machen  sucht,  dass  „das  bisschen  Heilige" 
auf  dem  Notaltar  das  Profane  im  alltäglichen  Leben  nicht  aufheben  kann,  sondern  um- 
gekehrt durch  dieses  auch  profaniert  wird;  damit  begründet  Hag  zugleich  von  neuem 
seine  Forderung  und  seine  Verheissung:  mehr  Heiliges!  d.  h.  vor  allem  baut  den  Tempel ! 
dann  erst  kann,  wird  aber  auch  der  Segen  kommen.    Vgl.  Wellh. 

Der  Abschnitt  ist  charakteristisch  für  die  Anschauung  des  Propheten  Hag:  Tempel 
und  Kultus  stehen  im  Mittelpunkt  seiner  Gedanken,  man  sieht,  wie  die  dtn'ische  Kultus- 
reform und  Hes  nachwirken;  die  früheren  Propheten  dachten  anders  über  Kultus  und 
Tempel,  vgl.  nur  z.  B.  Jer  7.  Übrigens  ist  aus  den  Versen  auch  zu  ersehen,  da-.s  die 
Thora  noch  nicht  als  in  einem  Buche  schriftlich  niedergelegt  und  fixiert  gilt,  aus  dem  die 
Priester  ihre  Weisheit  zu  schöpfen  hätten,  sondern  dass  diese  noch  ihre  eigenen  Ent- 
scheidungen zu  treffen  hatten.  „Die  Thora  lebt  noch",  sie  ist  noch  nicht  zum  Buche 
erstarrt. 

10  Die  EinleituDg  fixiert  die  Rede  auf  den  24.  des  9.  Monats,  also  un- 
gefähr auf  die  Mitte  des  Dez.  520.  Mehrere  Codd.  lesen  wie  die  LXX  'b^  für 
'T^;  dann  wäre  aber  11*  noch  weniger  zu  erwarten,  als  im  gegenwärtigen  Texte. 
11^  Dass  die  Priester  und  nicht  der  Hohepriester  befragt  wird,  woran  Andke 
Anstoss  nimmt  (s.  Vorbem.),  erklärt  sich  leicht  daraus,  dass  die  Priester  ein 
Collegium  bilden,  unter  denen  der  Hohepriester  nur  das  Haupt,  der  Vor- 
sitzende, primus  inter  pares,  ist,  vgl.  zu  1  i.  Über  Hlin  =  Weisung  vgl. 
Vorbem.  und  s.  Hos  4  6  Mal  2  7.  12  ]T\  =  ü^,  ist  Aramaismus,  vgl. 
Kautzsch  Die  Aramaismen  im  AT  S.  26 f.;  da  ]n  ebenso  Jer  3  i  vorkommt, 
kann  es  nicht  für  späteren  Ursprung  von  v.  io-i9  beweisend  sein,  ev.  ist  sein 
Vorhandensein  in  Hag  wie  Jer  3  i  dem  Abschreiber  zur  Last  zu  legen,  s.  zu 
Jer  2  10^               ^ip  n^!l  ist  Opferfleisch,  s.  Jer  11  15.  Dass  bei  dieser 

rituellen  Anfrage  die  einfachsten  Bezeichnungen  für  die  Lebensmittel  und 

25* 


Hag  2  12  388  Hag  2  15 

nicht  die  erhabeneren,  in  proplietischer  Rede  beliebten  |5*l,  t^ll'^n  und  "^T\T  (vgl. 
zu  1  11)  gebraucht  sind,  ist  ganz  natürlich;  ein  Indicium  fremder  Herkunft 
von  V.  10-19  kann  niclit  darin  gesehen  werden  (s.  Vorl)em.).  Das  indeterminierte 
]'QV^  nach  den  mit  dem  generellen  Artikel  determinierten  Substantiven  fällt 
auf,  Uniformierung  scheint  aber  nicht  angezeigt  zu  sein.  In  Lev  6  20 

liegt  nicht  das  Fundament,  sondern  eine  Analogie  zu  der  hier  gegebenen  Ent- 
scheidung vor.  13  Das  Fehlen  des  Titels  S'^^jn  bei  dem  Namen  ^^r\  (auch 
V.  14)  dürfte  schwerlich  zu  der  Annahme  fremder  Herkunft  von  v.  10-19  be- 
reclitigen;  im  Verlaufe  der  Erzählung  konnte  der  blosse  Name  genügen,  s. 
Vorbem.  und  vgl.  auch  Böhme.  W^^  SDlp  ist  ein  durch  Berührung  eines 
Toten,  resp.  durch  einen  Todesfall  in  seiner  Familie  unrein  gewordener;  ü^^^ 
ist  Abkürzung  für  n^  tTD^  vgl.  Lev  19  28  22  4  Num  5  2  9  10.  Zu  14,  der 
Anwendung  des  Gleichnisses,  vgl.  Vorbem.  Ob  Böhme  mit  Recht  ]? 
1  ntn"Dj;n  entfernt,  ist  zu  bezweifeln.  DH^"!*'  r\\^V^'b:i  ist  der  einfachere 
Ausdruck  für  das  wesentlich  gleichbedeutende  D*;??  J^^?"]"^!  1  11  und  entspricht 
dem  Tenor  des  Zusammenhangs,  vgl.  zu  y.  12;  ein  verschiedener  Autor  wird 
dadurch  so  wenig  erfordert,  wie  durch  den  Gebrauch  von  Mli  in  Bezug  auf  die 
Juden,  vgl.  Zph  2  9  Ex  19  6;  ein  und  derselbe  Autor  konnte  DM-i  von  den 
Heiden  (2  7  22)  und  "^lU  von  den  Juden  gebrauchen.  Mit  Ü^  kann  nur  auf 
den  Notaltar  hingewiesen  sein,  der  bald  nach  der  Rückkehr  aus  Babel  er- 
richtet wurde  (Esr  3  3);  immerhin  scheint  in  diesem  D^  etwas  Verächtliches 
zu  liegen  (Wellh.). 

Der  Zusatz  der  LXX  besteht,  wie  Wellh.  erkannt  hat,  aus  zwei  Elementen:  das 
eine,  6oüV7]0rjcJovTat  oltuo  TupocrtoTroi)  rovwv  auTtbv  =  sie  quälen  sich  ah  mit  ihren  profanen 
Arbeiten^  passt  zum  Texte,  ist  aber  doch  kaum  mehr  als  richtige  Glosse  dazu;  das  andere 
weist  in  seinem  letzten  Teile,  xai  ijxKjelTS  ev  TruXai^  IXsYyovta,  eine  Entlehnung  aus 
Am  5  10  auf,  wozu  der  erste,  svexev  tcov  XrjjxjjiaTCDv  aoTwv  tojv  opöpivwv,  in  der  richtigen 
Aussprache  und  Lesart  des  zu  Grunde  liegenden  hebräischen  Textes :  ITO  Dnnp^  ]V\  =  weil 
ihr  Bestechung  nehmt,  statt  *^n^  Q^J^j?^  ]Vli  einen  passenden  Anfang  bildet.  Beide  Elemente 
sind  sekundär;  das  zuletzt  erwähnte  will  offenbar  v.  14'^  durch  Hinweis  auf  Amos  kommen- 
tieren, vgl  noch  V.  17. 

15  Nachdem  Hag  im  Vorangehenden  gezeigt  hat,  dass  jede  Berufung 
auf  die  „dort"  dargebrachten  Opfer  zum  Beweise  der  Religiosität  nicht  Stich 
hält,  legt  er  nun  dar,  dass  eine  Änderung  der  Lage  von  der  Erstellung  des 
Tempels  ausgehe.  Er  fordert  die  Erbauer  des  Tempels  auf,  auf  die  kommen- 
den Tage  zu  achten,  da  jetzt  ein  Wendepunkt  erreicht  ist.  Die  Versabteilung 
im  Folgenden  ist  nicht  dem  Sinne  entsprechend;  besser  würde  ein  Versschluss 
hinter  H^^Dl,  als  hinter  Hjn;;  gemacht.  Die  gegenwärtige  Einteilung  hat  auch 
mich  (in  der  Übersetzung  bei  Kautzsch),  wie  andere  Ausleger  verleitet,  hier 
im  Gegensatz  zu  y.  i8  dem  H^j;??  die  unmögliche  Bedeutung  weiter  rückwärts 
zu  geben,  während  ihm  nur  der  Sinn:  und  darüber  hinaus  nach  vorn^  temporal: 
in  die  Zukunft^  zukommt,  vgl.  I  Sam  16  13  30  25  (so  Wellh.^  Andre,  Nowack, 
Matthes).  Noch  verfehlter  ist  es,  wenn  auch  y.  i8  von  einem  Rückblick  ge- 
deutet wird,  so  YAN  HoONACKER  Zorobabel  78,  Restauration  Juive  105 — 122, 
Sellin  a.  a.  ü.  II,  46—56.  Die  Zukunft  wird  ganz  anders  sein,  als  die 

Vergangenheit;  die  traurigen  Zustände,  die  in  dieser  herrschten,  w^erden  in 


Hag  2  15  389  IFag  2  19 

V.  15-17  noch  einiiiMl  wie  in  Cap.  1  geschildert,  um  den  Segen  der  neuen  Zeit 
um  so  schärfer  liervortreten  zu  hissen.  15''  ist  Vordersatz  zu  Dnvnn  in 

V.  16.  "^  ^5^^  ist  im  Unterschied  von  '^  n*»?  das  eigentliche  Tempelgebäude,  an 
dem  jetzt  eben  Stein  auf  Stein  gefügt  wird.  1(>  Für  das  unmögliche 

Dill'^np,  dessen  Suffix  keine  Beziehung  hat,  bietet  IjXX  tivs;  f|T£;  danach 
schlug  ich  bei  Kautzscii  die  Lesung  D^^^'^  ^p  vor,  noch  besser  ist  die  Ver- 
mutung: von  Matthes,  dass  ür\^^r[  HD  =  wie  wart  ilii\  HlaiideA  ihr  dfi}*  zu  lesen 
sei;  die  mas.  Lesart  erklärt  sich  leicht  aus  Haplographie  des  n.  Für  S2l 

1.  beidemal  S2,  zu  diesem  Gebrauch  des  Inf.  absol.  vgl.  1  9.  Zu  der  Aus- 

lassung der  Massangahe  hinter  W^^)^V.,  und  D^^lpH,  wo  etwa  HSD  und  HD'«  stehen 
könnten,  vgl.  Ges.-Kautzsch'-^'  §  134n;  zu  dem  Perf.  mit  \ :  ^n^7^  s.  dieselbe 
Konstruktion  1  9.  ni^S,  das  Jes  63  3  Keller  bedeutet,  hat  schwerlich 

hier  den  Sinn  eines  Masses;  es  wird  als  Glosse  zu  I^j^'^n  in  den  Text  gedrungen 
sein  (so  Matthes),  die  Änderung  in  HI^DD  drückt  einen  selbstverständlichen 
Gedanken  aus,  für  den  zudem  ^i)sp  genügte.  17  stimmt  fast  wörtlich  mit 

Am  4  9  überein,  bringt  die  Ursache  erst  nach  der  Wirkung  v.  16  und  nennt  im 
Widerspruch  mit  In  Getreidekrankheiten,  die  von  Nässe  herrühren,  kennt 
also  keine  Dürre.  Somit  ist  der  Vers  durch  irgend  einen  Glossator  beigefügt 
er  bildet  übrigens  einen  guten  Nachsatz  zu  dem  ebenfalls  teilweise  aus  Arnos 
entnommenen  Zusatz  in  der  LXX  zu  v.  14.  Die  Randbemerkung  ist  demnach 
nur  halb  in  den  masor.  Text  geraten.  Für  das  sprachlich  sehr  bedenkliche 
nDn«-r«*l  ist  entweder  Drsnt:^-]'^«!  (ev.  D'^nti^  U^y^\)  oder  geradezu  nach  Am  4  9 
DPin^  ^b\  zu  setzen,  vgl.  auch  LXX.  18*  nimmt  nach  der  Schilderung 

V.  15^  f.  die  Aufforderung  y.  15*  wieder  auf.  18^  ist  mit  Ausnahme  der 

letzten  zwei  Worte  nicht  ursprünglicher  Text;  in  der  Rede  des  Propheten  ist 
doch  die  Näherbestimmung  des  „heute"  durch  ein  Kalenderdatum  rein  über- 
flüssig, also  fällt  einmal  vom  24.  des  9.  Monats  als  Glosse  weg.  Dann  aber 
beruht  die  weitere  Bestimmung  dieses  Tages  als  des  Taffes  der  Gnindstein- 
leffunff  offenbar  auf  unrichtiger  Auffassung  von  v.  15^;  denn  y.  15'^  redet  nicht 
von  der  Grundsteinlegung  und  diese  ist  jedenfalls,  da  die  Arbeit  schon  vor  drei 
Monaten  aufgenommen  wurde,  weit  früher  als  am  24.  des  9.  Monats  erfolgt. 
Den  nachträglichen  Ursprung  dieser  Näherbestimmung  deutet  auch  die  Ein- 
führung mit  b  an,  das  im  Sinne  von  scilicety  nämlich^  öfter  an  der  Spitze 
solcher  Beifügungen  steht  vgl.  Jer  1  18  II  Chr  28  15.  Die  Fassung  von  \rh  == 
nyi  ist  unmöglich.  Nach  alledem  ergiebt  sich,  dass  am  24.  des  9.  Monats  (Ygl. 
Y.  10)  bereits  der  Aufbau  des  Tempels  in  vollem  Gange  ist  und  dass  gerade 
die  begonnene  rüstige  Arbeit  dem  Propheten  Anlass  zu  seiner  neuen  Ansprache 
bot.  Die  Worte  D^^n^  ^ID^*^  gehören  zu  19,  der  auf  die  Zukunft  weist, 

welche  ganz  anders  als  die  y.  is'^  f.  geschilderte  Vergangenheit  sein  wird  und 
sich  bereits  in  dem  eingetretenen  Umschwung  zum  Besseren  ankündigt.  VIJ 
ist  hier  der  Same,  der  ausgesät  wird,  und  rrjup  bedeutet  den  Speicher ,  die 
Vorratskammer^  worin  das  Korn  aufbewahrt  wird,  vgl.  Jo  1  17;  die  Frage  ist 
also:  Bleibt  das  Saatkorn  noch  im  Speicher,  wie  in  früheren  Jahren,  wo  infolge 
der  Regenlosigkeit  und  Dürre  (vgl.  1  lof.)  die  Aussaat  unmöglich  war?  und 
sie  hat  den  Sinn:  Jetzt  fällt  wieder  der  notwendige,  das  Erdreich  erweichende 


Hag  2  19  390  Hag  2  23 

und  die  Saat  vorbereitende  Regen  und  ist  die  Bestellung  des  Feldes  möglich; 
vgl.  Eenzijsger  Archäol.  208.  Da  die  Worte  auf  den  Dezember  datiert  sind 
(v.  10)  und  die  Wintersaat  je  nach  dem  Eintritt  des  Frühregens  Ende  Oktober, 
im  November,  oft  erst  Anfang  Dezember  beginnt,  so  ist  anzunehmen,  dassHag 
auf  die  bereits  erfolgte  Aussaat  hinweist  und  die  glückliche  Wendung,  die  er 
mit  dem  Tempelbau  in  Zusammenhang  bringt,  schon  ihren  Anfang  genommen 
hat.  Die  Erklärung  von  Hl^^lD?  =  in  Angst  resp.  ein  Gegenstand  der  Angst 
empfiehlt  sich  nicht;  der  Sinn  wird  w^eniger  gut  und  formell  fallen  Artikel  und 
2  essentiae  auf.  Ist  der  Regen  eingetreten,  so  darf  auch  von  den  Frucht- 

bäumen Ertrag  erwartet  w^erden.  Man  lese  1)^]  für  das  unverständliche  lyi 
und  ebenso  St!^i  für  ^^'^J,  s.  Bemerkungen  bei  Kautzsch  und  Matthes  ZATW 
1903,  126.  Kurz  wird  v.  19^  als  Charakter  der  neuen  Periode  hervor- 

gehoben, dass  jetzt,  da  am  Tempel  gebaut  wird,  Segen  an  Stelle  des  Unsegens 
treten  werde. 

4.  Die  vierte  Prophetie:  Untergang  der  heidnischen  Reiche  und  Serubbabels 

Erhöhung  2  20-23. 

Die  Verse  sind  von  Böhme  Hag  abgesprochen,  aber  mit  unzulänglichen  Gründen ; 
denn  "bij  statt  1^3  könnte  auch  erst  einem  Abschreiber  zu  Last  fallen,  n^i^  kann,  aber 
muss  nicht  auf  die  Tätigkeit  eines  Ergänzers  hinweisen  und  die  Wiederholung  von  v.  6^ 
in  V.  21  dient  der  Einleitung  der  folgenden  Ausführung.  Wie  sollte  übrigens  auch  ein 
Ergänzer  dazu  gekommen  sein,  eine  solcheWeissagung,  die  sich  nicht  erfüllte,  anzufügen? 

20  Das  Datum  ist  dasselbe  wie  das  der  dritten  Prophetie,  aber  durch 
den  Inhalt  sind  die  beiden  Worte  verschieden.  Zu  "^«,  das  das  nächste 

Ziel  nennt,  statt  T2  vgl.  Vorbem.  und  zu  v.  lo.  21  Der  letzte  Adressat 

ist  diesmal  Serubbabel  allein,  ihm  sollen  die  für  ihn  so  wichtigen  Folgen  der 
AVelterschütterung  angekündigt  werden.    Zu  y.  21^  vgl.  v.  6^.  22  Die 

zweite  Hälfte  exponiert  die  erste,  in  welcher  der  Sturz  der  heidnischen  Reiche 
als  das  Ergebnis  der  Welterschütterung  bezeichnet  ist.  Die  Heidenwelt  sinkt, 
ihre  Macht  pm,  d.  h.  Eosse  und  Wagen,  fällt,  zu  HT^  vgl.  Jes  34  7.  Am  Schluss 
fehlt  wohl  ein  Verbum,  etwa  ^bB\  (Wellh.,  Nowack).  Das  zweite  nD^?::ö  ist 
vielleicht  mit  Böhme  zu  entfernen.  23  Dann  beginnt  das  messianische 

Reich,  die  Herrschaft  Israels,  und  Serubbabel  wird  König.  ^Hj^iJ  dient  einfach 
zur  Einleitung  der  folgenden  Handlung,  ohne  dass  ihm  eine  selbständige  Be- 
deutung zukommt,  vgl.  Dtn  4  20  II  Reg  14  21  23  so.  Der  Siegelring^  an 
der  Hand  (Jer  22  24)  oder  auch  auf  der  Brust  (Cnt  8  6)  getragen,  wurde  als 
wertvolles  Besitztum  ganz  besonders  sorgsam  gehütet.  Wenn  Hag  Serubbabel 
verheisst,  dass  er  Gottes  Siegelring  werden  solle,  so  hebt  er  damit  die  Un- 
glücksweissagung von  Jer  22  24  auf  und  ersetzt  sie  durch  eine  Prophetie,  die 
Serubbabel  zu  höchster  Würde  beruft  und  ihm  für  Jahwe  eine  Bedeutung  zu- 
sichert, wie  sie  ein  Siegelring  für  seinen  Besitzer  hat.  Mit  der  Bezeich- 
nung ^^"2)1  und  mit  ''r\in5,  wie  mit  seiner  Verheissung  der  Erhöhung  erinnert 
Hag  an  Dtjes,  vgl.  Jes  42  1  52  13,  und  das  dreimahge  Hin;:  C«i  hebt  die  Wichtig- 
keit und  Sicherheit  der  Verheissung  hervor:  das  davidische  Reich  soll  ganz 
gewiss  wieder  erstehen. 


Sach  Einleitung  I  391  Sach  Einleitung  I 


SACHARJA. 

Einleitung. 


I.  Allgemeines  über  das  Buch  Sacharja. 

Dass  das  Buch  Sach,  das  elfte  unter  den  „Zwölf  Propheten"  sowohl  in  der  he- 
bräischen, als  auch  in  der  griechischen  Sammlung,  nicht  vias  Werk  eines  einzigen 
Autors  ißt,  ist  schon  lange  erkannt  und  gegenwärtig  sozusagen  allgemein  ange- 
nommen. Schon  eine  rein  äusserliche  Betrachtung  muss  zu  diesem  Resultate  führen: 
Nur  in  Cap.  1—8  finden  sich  Überschriften,  welche  den  Namen  des  Propheten  nennen 
und  genaue  Datierungen  nach  den  Jahren  des  Königs  Darius  geben,  während  in 
Cap.  9 — 14  bloss  zweimal  ähnliche  Angaben  vorkommen,  die  aber  dann  ganz  allgemein 
lauten  und  weder  Autornamen  noch  Daten  enthalten,  s.  9  1  und  12  1.  Sind  im  ersten 
Teile  Cap.  1—8  die  einzelnen  Abschnitte  durchwegs  durch  eine  Einleitungsformel  ge- 
kennzeichnet, so  folgen  im  zweiten  Teile  Cap.  9—14  die  verschiedenen  Stücke  ohne 
jede  Einführung  unmittelbar  aufeinander.  Sieht  man  nun  näher  zu,  so  ergeben  sich 
auch  in  Bezug  auf  Haltung  und  Darstellung,  auf  Inhalt  und  Charakter  die  grössten 
Verschiedenheiten  zwischen  Cap.  1 — 8  und  Cap.  9 — 14.  Um  nur  einiges  zu  nennen,  so 
ist  in  Cap.  1—  8  von  Josua  und  Serubbabel  und  vom  Tempelbau,  der  im  Vordergrunde 
des  Interesses  steht,  die  Rede,  in  Cap.  9—14  vernimmt  man  aber  von  diesen  Persön- 
lichkeiten und  dieser  wichtigen  Angelegenheit  keine  Silbe ,  sondern  hört  von  dem 
Sturz  der  feindlichen  Weltmacht,  von  den  bösen  Pegenten,  die  sich  auf  Kosten  ihrer 
Untergebenen  bereichern,  daneben  speziell  von  einem  guten  und  einem  ruchlosen 
Hirten,  sowie  von  einem  schlimmen  Justizmord,  dessen  sich  die  Jerusalemer  schul- 
dig gemacht  haben. 

Der  Anstoss  zu  einer  Unterscheidung  der  letzten  sechs  Capitel  von  den  ersten 
acht  ist  jedoch  nicht  von  einer  solchen  Betrachtung  des  Buches  selber  ausgegangen, 
sondern  von  einer  Stelle  des  Neuen  Testaments.  In  Mt  27  9  f.  wird  nämlich  Sach  11  12 f. 
citiert  und  zwar  nicht  als  AVort  Sacharjas,  sondern  Jeremias.  Dieses  ungenaue  Citat 
veranlasste  den  Engländer  JOSEPH  Mede  im  Jahre  1653,  die  Vermutung  zu  ver- 


Sach  Einleitung  I  392  Sach  Einleitung  I 

öffentlichen,  Cap.  9 — 11  seien  vorexilischen  Ursprungs  und  jeremianischer  Herkunft. 
Diese  Ansicht  fand  vielfache  Zustimmung  und  bald  wurden  alle  sechs  letzten  Capitel 
für  vorexilisch  erklärt,  so  auch  von  G.  B.  FlÜGGE,  Archidiaconus  in  Hamburg,  der 
1784  diese  Anschauung  in  Deutschland  zur  Geltung  brachte.   Über  die  Herkunft  der 
einzelnen  Capp.  9 — 14  war  man  allerdings  nicht  einig.    Erzbischof  Newcome  (1785) 
verlegte  Cap.  9 — 11  in  die  letzte  Zeit  des  israelitischen  Reiches,  vor  den  Fall  von  Sa- 
maria,  und  Cap.  12 — 14  in  die  Zeit  zwischen  dem  Tod  Josias  und  der  Zerstörung  Jerusa- 
lems; ähnlich  urteilte  später  BerthoLDT,  der  1814  als  der  erste  vermutete,  der  Autor 
von  Sach  9—11  sei  der  von  Jes  8  2  erwähnte  Sacharjaben  Jeberech ja,  und  Cap.  12 — 14 
unter   der  Regierung   eines   der  letzten  unabhängigen  judäischen  Könige  entstanden 
dachte.   Natürlich  fehlte  es  auch  nicht  an  Verteidigern  der  Einheit  des  ganzen  Sacharja. 
Aber  es  regten  sich  ebenfalls  bereits  Stimmen,  welche  eine  nachsacharjanische  Her- 
kunft von  Sach  9—14  behaupteten.  Zuerst  hatte  GeotiuS  (1644)  diese  Ansicht  geäussert, 
dann  CoRRODI  (1792)  sie  verteidigt  und  1824  trat  ElCHHORN  dafür  ein,  dass  9  1-1012 
eine  Beschreibung  des  Einfalls  Alexanders  des  Grossen  vom  Jahre  332  v.  Chr.  sei  und 
13  7-14  21  als  ein  Trostlied  über  den  Tod  des  Makkabäers  Judas  dem  Jahre  161  v.  Chr. 
entstamme,  während  das  übrige  der  Zwischenzeit  zuzuweisen  sei.    Die  Überzeugung, 
dass  Cap.  9 — 14  durchaus  nachsacharjanischen  Ursprungs  sei,  hat  besonders  seit  Stade's 
kritischen   Studien   in   ZATW   1881  und  1882   immer   mehr  sich   durchgesetzt    (man 
vgl.  bes.  das  Urteil  von  Franz  Delitzsch  Messian.  Weissagungen  1890,  149),  wenn 
schon  einzelne  noch  an  der  Einheit  des  ganzen  Sacharja  festhalten  (so  G.  L.  E.OBINSON 
1896)  oder  die  Capp.  9 — 14  für  vorexilisch  erklären  (so  Grützmacher  1892),  resp. 
wenigstens  für  Cap.  9—11  eine   vorexilische   Grundlage    annehmen   (so  Baudissin 
Einl.  1901).  Immerhin  kann  man  für  die  Entstehungszeit  von  Cap.  9 — 14  nicht  bei  der 
Periode  der  Diadochenkämpfe  zwischen  306 — 278  v.  Chr.  stehen  bleiben ,   wie  Stade 
es   gethan  hat;   man  muss  bis  ins  2.  Jahrb.,   wahrscheinlich  in  das  Jahr  160  v.  Chr. 
hinabgehen.    S.  unten  Einl.  Uli. 

Demnach  sind  im  Buche  Sach  zwei  Teile  zu  unterscheiden :  1)  die  Prophetien 
Sacharjas  des  Zeitgenossen  Serubbabels  Cap.  1—8,  und  2)  die  Weissagungen  eines 
Unbekannten,  den  wir  Deuterosacharja  nennen  können,  Cap.  9 — 14.  Zu  einer  Zer- 
legung des  zweiten  Teiles  liegt  ein  äusserer  Grund  nicht  vor,  denn  die  Überschriften, 
die  91  und  121  sich  finden,  gehen  auf  spätere  Diaskeuase,  nicht  auf  eine  erste  Hand 
zurück ,  wie  die  gleichlautende  Überschrift  Mal  1 1  zeigt.  Wie  die  letzten  27  Capitel 
des  Buches  Jes  durch  gleichlautende  Unterschriften  48  22  57  21  (66  24)  auf  drei  Gruppen 
verteilt  werden,  so  sollten  die  letzten  9  Capitel  des  Zwölfprophetenbuches  in  ebenso 
viele  Gruppen  von  je  drei  Capiteln  zerlegt  werden.  Diese  Überschriften  gehören 
somit  der  Redaktion  der  ganzen  Sammlung  der  zwölf  Prophetenbücher,  nicht  dem 
Autor  oder  Bedaktor  von  Sach  9 — 14  an.  Auch  der  Umstand,  dass  der  Schluss  von 
114-17  in  13  7-9  sich  findet,  spricht  nicht  dafür,  dass  Cap.  9 — 14  jemals  in  die  zwei 
Sammlungen  Cap.  9 — 11  und  Cap.  12 — 14  zerfiel.  Dass  keine  inneren  Gründe  eine 
Verteilung  von  Cap.  9 — 14  auf  verschiedene  Autoren  fordern,  s.  unten  Einl.  III 1  und 
Erklärung. 


Sach  Einleitung  II  393  Sach  Einleitung  II 

II.  Das  Buch  und  die  Bedeutung  Sacharjas,  des  Zeitgenossen  Serubbabels. 

I.  Das  Hiicli  Sach  1 — H  und  seine  ijilstehiin^.  Dan  Bucli  Sach's,  soweit 

es  von  dem  Zeitgenossen  Serubbabels  herrührt,  gleicht  einigermassen  dem  Buche  Hag, 
da  es  wie  dieses  mehr  den  Charakter  einer  Berichterstattung  über  die  Erlebnisse  und 
die  Wirksamkeit  des  Propheten  als  einer  Sammlung  seiner  Prophetien  hat.    Andrer- 
seits unterscheidet  es  sich  doch  wieder  von   dem  Buche  Hag,  Insofern  es  nicht  nur 
wie  dieses  ein  nachträgliches  lleferat  ist,  sondern  in  seiner  schriftlichen  Konzeption 
wirksam  vor  den  Leserkreis  treten  will.    Sach  ist  nämlich  offenbar  Volksredner  und 
Schriftsteller  zugleich  gewesen.    Er  hat  als  Prophet  zum  Volke  gesprochen,    wie 
sich  aus  1  2-6  14-17  (vgl.  den  Auftrag  fc^lp  v.  14  und  v.  17)  2  10-17  4  6-10  7  3-8  23  (vgl. 
bes.  7  5)    ergiebt,   er  hat   auch   wie   die  früheren  Propheten  durch  eine  symbolische 
Handlung  dem  Volke  Serubbabel  als  den  künftigen  König  designiert  6  9-15;  aber  er 
ist  ebenfalls  Schriftsteller  gewesen ,  der  mit  dem  geschriebenen  Wort  zu  seinen  Zeit- 
genossen redete.    Denn  die  Darstellung  der  acht  Visionen,  die  das  Mittelstück  seiner 
Prophetenschrift  bilden,  lässt  erkennen,  dass  sie  nicht  auf  Hörer,  sondern  auf  Leser 
berechnet  ist;  als  Ganzes  machen  diese  Visionen  einen  bedeutenden  Eindruck,  vv^ährend 
sie  in  der  Vereinzelung  viel  vi^eniger  Gewicht  haben.   Mag  Sach  darum  seinen  Volks- 
genossen  auch  mündlich  von  seinen  Visionen  erzählt  haben,   er  hat  doch  selber  zu 
direkt  praktischem  Ziele   sein  Prophetenbuch  konzipiert.    Die  planvolle  Anordnung 
der  Visionen  (s.  Vorbem.  zu  1  7—6  8) ,  sowie  die  geschickte  Einleitung  und  der  treff- 
liche Abschluss  6  9-15  resp.  Gap.  7f.  sprechen  dafür,  dass  nicht  ein  Fremder  erst  nach- 
träglich über  Sacharjas  Prophetenthätigkeit  referiert  hat.    Im  Unterschied  von  Hag 
ist  auch  der  Titel  ^^''^iH   nur  spärlich  verwendet  (vgl.  in  den  Datierungen  1  1  7)  und 
redet   der  Prophet  abgesehen  von  den  Überschriften  von  sich  in  der  ersten  Person, 
vgl.  Hag  Einl.  I.    Die  Unordnung  in  Cap.  4  kann  gegen  die  Autorschaft  Sacharjas 
nicht  ins  Feld  geführt  werden;  denn  4  6-10  ist  nur  durch  irgend  ein  Missgeschick  an 
seine  jetzige  Stelle  geraten. 

Die  Zeit,  da  Sacharja  Cap.  1 — 8  niederschrieb ,  kann  nicht  fraglich  sein.  Der 
Prophet  hat  ohne  Zweifel  sofort  nach  dem  Empfang  seiner  Visionen  und  jedenfalls 
noch  vor  dem  Sturze  Serubbabels,  von  dem  er  nichts  vermuten  lässt,  da  er  ihn  ja  im 
Gegenteil  als  den  Vollender  des  Tempelbaus  und  künftigen  König  bezeichnet  vgl.  4  9 
6  13,  seine  Schrift  verfasst.  Man  kann  nur  fragen,  ob  nicht  Cap.  7  und  8  erst  später 
aufgezeichnet  sind.  Das  ist  sicher,  wenn  in  den  Absendern  der  Gesandtschaft  7  2 
wirklich  die  Führer  der  Gemeinde  zu  sehen  sind ,  die  an  Serubbabels  Stelle  kamen, 
s.  zu  7  2  und  über  Serubbabels  Verschwinden  von  der  Bildfläche  Hag  Einl.  I,  S.  379. 
Man  kann  ein  Indicium  dafür  auch  darin  sehen,  dass  in  Cap.  8,  wo  die  Zukunft  ge- 
schildert wird,  jeder  Hinweis  auf  ein  Königtum  fehlt.  Darnach  hätte  Sacharja  zuerst 
Cap.  1—6  geschrieben  und  zwar  nach  dem  Datum  von  1  7  jedenfalls  noch  im  Jahre  519, 
Cap.  7 f.  dagegen  müsste  er  nach  7  1  erst  in  oder  nach  dem  Dezember- 518  hinzugefügt 
haben.  Unmöglich  ist  es  nicht,  dass  in  der  Zwischenzeit,  also  noch  ehe  der  Tempel 
vollendet  war,  Serubbabel  seine  führende  Stellung  verlor.  Der  Prophet  hat  dann 
seinen  Glauben  an  eine  herrliche  Zukunft  nicht  verloren,  auch  als  sich  die  Hoffnungen, 
die  er  an  Serubbabel  geknüpft  hatte,  als  unrichtig  erwiesen. 

Leider  ist  die  Schrift  des  Propheten  nicht  in  unversehrtem  Zustand  auf  uns  ge- 


Sach  Einleitung  II  394  Sach  Einleitung  II 

kommen.  Sie  hat  bes.  in  der  Darstellung  der  Visionen  vielfache  Eingriffe  erfahren, 
die  das  Verständnis  erschweren,  s.  darüber  die  Erklärung.  Namentlich  ist  aber  hier 
der  Punkt  hervorzuheben,  dass  die  spätere  Zeit  die  Weissagungen  auf  das  Königtum 
Serubbabels  nicht  unverändert  gelassen,  also  an  deren  Nichterfüllung  Anstoss  ge- 
nommen hat.  Denn  sie  hat  zur  Korrektur  dieser  Weissagungen  in  6  9-15  so  sehr  ein- 
gegriffen, dass  jetzt  die  Krone  Serubbabels  für  Josua  bestimmt  gewesen  zu  sein 
scheint  und  dass  an  Stelle  des  ganz  bestimmten  Davididen  Serubbabel  der  allgemeine 
Ausdruck  HD^,  Spross,  tritt  (vgl.  6  12  und  schon  3  8  bes.  auch  v.  9).  Die  Hohe- 
priester haben  ja  später  auch  die  Spitze  des  politischen  Gemeinwesens  gebildet  und 
der  Spross  Hess  sich  noch  immer  von  der  Zukunft  erhoffen.  Es  ist  offenbar,  da  sich 
Sacharjas  Weissagungen  nicht  erfüllten,  die  Frage  aufgetaucht,  ob  er  auch  wirklich 
ein  von  Jahwe  gesandter  Prophet  war;  man  hat  die  Frage  bejaht  und  durch  Redaktion 
des  Textes  den  Hauptanstoss  beseitigt,  indem  man  die  Weissagung  des  Messias  auf 
die  Endzeit  deutete.  Dem  gleichen  Zwecke  diente  auch  die  Beifügung  der  Bemer- 
kung: und  ihr  werdet  erkennen,  dass  mich  Jahwe  zu  euch  gesandt  hat,  2i3  15  4  9 
6 15.  Diese  Beifügung  war  möglich  in  einem  Zusammenhang,  den  man  auf  die 
eschatologischen  Ereignisse  bezog.  Nur  4  9  ist  sie  auf  das  geschichtliche  Ereignis  der 
Vollendung  des  Tempelbaus  angewendet;  offenbar  war  der  E-edaktor  resp.  Interpo- 
lator  der  Ansicht,  dass  es  wirklich  Serubbabel  war,  der  den  Bau  im  Jahre  516  zu 
Ende  geführt  habe.  Ob  er  damit  im  Rechte  ist,  kann  nicht  sicher  ausgemacht  werden. 
Nach  dem  oben  über  7  2  Ausgeführten  ist  es  wahrscheinlicher,  dass  Serubbabel  vor 
516  vom  Schauplatz  abberufen  wurde.  Dann  ist  der  Beifügung  zu  entnehmen,  dass 
die  Redaktion  einer  späten  Zeit  angehört,  die  die  Geschichte  der  Vergangenheit  nicht 
mehr  genau  kannte.  Vgl.  zu  allen  angeführten  Stellen  die  Erklärung.  Über  die  Ent- 
stehung des  Buches  Sach  1 — 8  lässt  sich  sonait  sagen:  Sacharja  hat  die  Capitel  selber 
geschrieben  und  zwar  höchst  wahrscheinlich  Gap.  1 — 6  zu  Anfang  (Febr.)  519  und 
Cap.  7  f.  um  das  Neujahr  517,  also  etwa  zwei  Jahre  nachher.  In  viel  späterer  Zeit 
hat  eine  Redaktion  dafür  gesorgt ,  dass  die  Widersprüche  der  Weissagung  mit  der 
Geschichte  nach  517  verschwanden. 

Gegen  die  Ansicht,  die  neuerdings  von  Sellest  und  NOWACK  geteilt  wird,  dass 
Sacharja  in  seinen  Visionen  zum  Teil  einen  Standort  vor  520  nehme,  s.  Schluss  der 
Vorbem.  zu  1  8 — 6  8.  Über  die  eigentümliche  äusserst  komplizierte  und  in  höchstem 
Grad  unwahrscheinliche  Auffassung  Peiser's  Yg\,  Schlussbemerkung  zu  3  10. 

2.  Der  Prophet  Sacharja  und  seine  Bedeutung.  Sacharja,  iTIDJ  (Zd:- 

karja)j  LXX  Za^apia^,  ist  wie  sein  etwas  älterer  Zeitgenosse  Haggai  ein  Haupt- 
förderer  des  Tempelbaus  gewesen,  vgl.  Esr  5  1  6  14.  Über  die  Verschiedenheit  der 
Tradition  inbetreff  seines  Vaters  vgl.  zu  1 1 ,  ebendort  s.  auch  über  sein  Priestertum. 
Aufgetreten  ist  er  als  Prophet  im  Nov.  520  und  seine  letzte  prophetische  Ansprache 
datiert  nach  7  1  aus  dem  Dez.  518.  Es  ist  somit  eine  kurze  Prophetentätigkeit,  von 
der  wir  wissen,  immerhin  ist  sie  noch  länger  als  die  Haggais,  s.  Hag  Einl.  IL  Andere 
glaubwürdige  Nachrichten  als  die  des  AT's  über  Sacharja  haben  wir  nicht.  Wenn  in 
den  Vitae  prophetarum  des  Pseudo-EpiPHANlUS  erzählt  wird ,  dass  der  Prophet  die 
Geburt  von  Josua  und  Serubbabel  ihren  Vätern  vorausverkündet  und  Cyrus  seine 
Siege  über  Lydier  und  Meder  geweissagt  habe,  so  ist  der  legendenhafte  Ursprung 
dieser  Nachrichten  sofort  ersichtlich  (s.  NESTLE  Margin.  28 f.). 


Sach  Einleitung  II  395  Sach  Einleitung  II 

Der  Prophet  Sacharja  war,  wie  wir  aus  dein  AT,  insbesondere  nach  seinen 
eigenen  Worten  wissen,  ein  Gesinnungsgenosse  Haggais.  Auch  Sacharja  erwartete  in 
nächster  Zukunft  die  AuiVichtung  des  niessianischen  Heils  und  Reiches  mit  dem 
Davididen  Serubbabel  an  der  Spitze;  für  diese  Zeit  musste  ein  Tempel  da  sein,  darum 
feuerte  auch  er  seine  Volksgenossen  zu  eifrigem  Betriebe  des  Tempelbaus  an.  So  ist 
Sacharja  ein  zweiter  Zeuge  der  grossen  enthusiatischen  Bewegung,  welche  sich  um 
520  V.  Chr.  in  Jerusalem  geltend  macht.  Die  Gährung,  die  sich  bei  der  Thronbe- 
steigung Darius  1.  da  und  dort  im  persischen  lleiche  zeigte ,  erregte  die  Hoffnung, 
dass  jetzt  der  Zeitpunkt  der  Erfüllung  der  Weissagungen  auf  eine  für  die  Juden  heil- 
volle Weltumwälzung  nahe  sei.  Diesen  Glauben  zu  fördern  und  aller  Mutlosigkeit 
entgegenzutreten,  ist  des  Propheten  Verlangen.  In  seinen  Visionen  stellt  er  dar,  wie 
alle  Hindernisse  aus  dem  Wege  geräumt  sind  und  wie  Josua  und  Serubbabel  und 
damit  das  ganze  jüdische  Volk  in  Jerusalem  und  in  der  Diaspora  sich  der  besonderen 
Liebe  und  Fürsorge  Gottes  getrösten  und  erfreuen  können;  in  der  vollen  Gewissheit 
des  messianischen  Königtums  lässt  er  bereits  eine  Krone  für  Serubbabel  anfertigen. 
Diese  Hoffnung  hat  sich  nicht  erfüllt;  aber  sein  Glaube  an  Gottes  Hilfe  war  so  fest, 
dass  der  Zusammenbruch  der  Form  ihm  den  Kern  nicht  rauben  konnte  (s.  II  1  und 
Cap.  7 f.). 

Sacharja  fühlt  sich  den  früheren  Propheten  gegenüber  als  Epigone;  aber  er 
hat  seinen  Glauben,  den  er  ihnen  verdankt,  der  ihm  aber  nicht  ein  unverstandenes 
Erbe,  sondern  als  lebendige  Wahrheit  im  Innersten  aufgegangen  ist,  in  eigentümlicher 
und  selbständiger  Form  dargestellt  (vgl.  Vorbemerkung  zu  18—6  8).  Zu  den  Be- 
sonderheiten Sacharjas  gehört  die  Reflexion  über  den  Modus  der  Offenbarung.  Der 
Angelus  interpres  vermittelt  ihm  die  Erkenntnis  des  göttlichen  Willens  und  was  er 
so  geschaut  und  gehört  mit  dem  Innern  Auge  und  Ohr,  das  stellt  er  auch  in  der  gleichen 
dramatischen  Weise  dar,  indem  er  über  seine  Vision  und  Audition  berichtet.  Von 
Bedeutung  ist  dabei  ferner,  dass  er  Jahwe  bereits  in  weiterer  Ferne  von  den  Menschen, 
transcendenter  als  die  Früheren,  fasst,  so  dass  ein  eigener  Engel,  der  MaVak  Jahwe, 
die  Vertretung  Gottes  den  Menschen  gegenüber  vermittelt.  Überhaupt  ist  es  wichtig, 
wie  Sacharjas  Phantasie  die  Umgebung  Gottes  mit  mannigfachen  Gestalten  belebt, 
wie  die  Angelologie  bei  ihm  eine  grosse  Rolle  zu  spielen  beginnt  und  er  Elemente 
verschiedener  Herkunft,  teils  solche,  die  wohl  in  der  Volkserzählung  und  Volksan- 
schauung vorhanden  waren  (s.  zu  4  10  und  Schlussbemerkung  zu  5  5-11),  teils  solche, 
die  sich  ihm  bei  der  psychologischen  Zergliederung  seines  Innenlebens  ergaben  (s.  zu 
2  5  und  Vorbemerkung  zu  3  I-IO),  in  seiner  Darstellung  verwendet.  Man  sieht,  wie 
Sacharja  nach  verschiedenen  Richtungen  für  die  Geschichte  der  israelitischen  Reli- 
gion eine  grosse  Bedeutung  hat;  er  ist  nicht  nur  das  Abbild  seines  Zeitgenossen  Hag- 
gai,  sondern  eine  durchaus  selbständige  und  charakteristische  Gestalt.  Zum  Schluss 
sei  noch  hervorgehoben,  wie  sich  auch  in  Sacharja  noch  eine  Synthese  von  Hesekiel 
und  Deuterojesaja  zeigt.  Sacharja  kennt  wie  Hesekiel  den  Gegensafz  zwischen  Juden 
und  Heiden  (vgl.  1  15  2  12),  aber  er  schliesst  doch  wie  Deuterojesaja  die  Heiden  nicht 
von  der  Teilnahme  am  messianischen  Heile  aus  (vgl.  2  15  6  15  8  20-23). 


Sach  Einleitung  III  396  Sach  Einleitung  III 

III.  Das  Buch  und  die  Bedeutung  Deuterosacharjas. 

I.  Entstehung  und  Einheit  von  Sach  9—14.  Der  Inhalt  von  Sach  9—14 

lässt  sich  kurz  dahin  skizzieren,  dass  der  erste  Teil  9  1-11  3  den  Sturz  der  Weltmacht 
und  die  Aufrichtung  des  Reiches  Gottes  verheisst,  der  zweite  11  4-14,  wozu  13  7-9  ge- 
hört, das  Treiben  der  Hegenteu,  insbesondere  auch  das  Thun  eines  ruchlosen  Hirten 
verurteilt  und  der  dritte  121-13  6  141-21  die  Rettung  Jerusalems  vor  dem  Ansturm 
der  Heiden  und  die  herrlichen  inneren  wie  äusseren  Folgen  schildert,  die  mit  dieser 
E-ettung  Zions  zusammenhangen.  Schon  diese  allgemeine  Angabe  des  Inhalts  legt  es 
nahe,  dass  diese  Capitel  nachhesekielisch  sind;  denn  auf  Hesekiel  gehen  die  escha- 
tologischen  Schilderungen  zurück,  die  vom  Sturze  der  Völkermacht  bei  ihrem  Angriff 
auf  Jerusalem  sprechen.  Das  erweist  sich  aber  durchaus  auch  im  Einzelnen.  Stade 
hat  besonders  nachgewiesen,  wie  sehr  die  Elemente  der  Darstellung  Dtsach's  bei 
früheren  Propheten  zu  finden  sind.  Der  sichere  Nachweis  nachexilischer  und  nach- 
sacharjanischer  Entstehung  ist  aber  dann  erbracht,  wenn  der  Zeitpunkt  gefunden  ist, 
der  alle  historischen  Andeutungen  und  Anspielungen  in  Cap.  9— 14  verständlich  macht. 
Dieser  Zeitpunkt  ist  das  Jahr  160  v.  Chr.,  wie  im  folgenden  zu  zeigen  ist.  Vor- 

erst sei  aber  darauf  hingewiesen,  wie  alle  Argumente  für  vorexilische  Herkunft  hin- 
fällig sind :  Die  Erwähnung  von  Ephraim  und  Joseph  in  10  3 — 11  3  (10  6  7)  beweist  nicht 
die  Existenz  des  nordisraelitischen  Staates ;  der  ganze  Zusammenhang  führt  darauf,  dass 
an  das  in  der  Diaspora  befindliche  Ephraim  gedacht  ist,  dessen  Wiedervereinigung 
mit  Jerusalem  man  seit  Hesekiel  erhofft.  Die  Behauptung,  dass  in  91-7  die  Nach- 
barn Israels  in  derselben  Weise  erscheinen  wie  in  Amos  Cap.  If. ,  ist  nicht  einmal 
richtig,  denn  von  Edom,  Ammon,  Moab  ist  in  9  1-7  keine  Rede;  übrigens  sind  in 
Am  1  Philister  und  Phönizier  nicht  ursprünglich  (vgl.  zu  Am  1  6-10),  es  würde  somit 
die  Übereinstimmung  zwischen  Sach  9  und  Am  1,  wenn  sie  vorhanden  wäre,  ein  neues 
Argument  für  späte  Herkunft  von  Dtsach  sein.  Die  Nennung  von  l^t^'iSI  (z.  B.  10  10)  for- 
dert nicht  den  Bestand  des  assyrischen  Eeiches ;  l^ti^'S  ist  im  AT  sehr  häufig  der  Ausdruck 
für  Syrien  (s.  ferner  zu  10  10).  Die  Bekämpfung  des  Götzendienstes  und  des  Propheten- 
tums  131-6  ist  nicht  nur  in  vorexilischer  Zeit  verständlich;  es  ist  eine  ganz  irrige 
Anschauung,  dass  es  nach  dem  Exil  in  Israel  keine  Propheten  und  keinen  Götzendienst 
mehr  gegeben  habe.  Endlich  liegt  in  12  11,  wo  die  Klage  um  Hadadrimmon  erwähnt 
wird,  keine  Anspielung  auf  den  Tod  Josias  in  der  Schlacht  bei  Megiddo  vor.  Dass 

auch  nichts  für  Zusammengehörigkeit  von  Cap.  9 — 14  mit  Cap.  1 — 8  spricht,  ist  bereits 
unter  Einl.  I.  hervorgehoben. 

In  die  griechische  Zeit  weist  schon  Jawan  9  13,  das  nur  die  griechische  Welt- 
macht bedeuten  kann,  mit  der  Zion,  das  theokratische  fromme  Judentum,  im  Kampfe 
war.  Dass  der  Sitz  derselben  in  Syrien  zu  suchen  sei ,  zeigen  die  ersten  Verse  9  1  f. ; 
daraus  ist  zu  schliessen,  dass  die  Weltmacht,  deren  Sturz  der  Prophet  in  Aussicht 
stellt,  nichts  andres  als  das  Seleucidenreich  ist.  Diesem  gehörte  Judäa  und  Palästina 
überhaupt  von  197 — 142  v.  Chr.  an,  also  kann  der  nähere  Zeitpunkt  der  Entstehung 
Dtsach's  nur  innerhalb  dieser  Grenzpunkte  liegen.  Auf  ein  ganz  bestimmtes  Datum 
führt  die  Darstellung  114-17  13  7-9,  bes.  die  Darstellung  1115-17  13  7,  die  als  Leiter 
des  Volkes  und  allem  nach  als  Hohepriester  einen  ruchlosen  Mann  voraussetzt  und 
ihn  mit  dem  Gerichte  Gottes  bedroht.  Es  kann  nur  Alkimus  sein,  der  von  163 — 159  v.  Chr. 


Sach  Einleitung  III  397  Sach  Einleitung  III 

Hohepriester  war;  das  ergiebt  sich  nicht  bloss  aus  seiner  Charakterisierung  11  15 ff., 
sondern  auch  aus  der  Combination  mit  den  Anspielungen,  welche  der  vorangehende 
Abschnitt  enthält,  worin  von  drei  bösen  Hirten,  die  rasch  nacheinander  dahin  ge- 
rafft wurden,  d.  i.  von  den  drei  Hohepriestern:  Lysimachus,  Jason  und  Menelaus 
(s.  zu  118)  und  einem  ihnen  folgenden  gutgesinnten  Hirten,  d.  i.  dem  Hohepriester 
Onias  IV.  geredet  wird  (s.  Schlussberaerkung  zu  11  14).  Demnach  ist  Dtsach  oder 
mindestens  der  Abschnitt  114-17  13  7-9  im  Jahre  160,  als  Alkimus  seine  Bosheit  ge- 
zeigt hatte,  kurz  vor  dem  ihm  angedrohten  Tod  entstanden.  Auf  die  gleiche  Zeit 
weist  endlich  die  letzte  deutliche  zeitgeschichtliche  Anspielung  in  Cap.  12,  wo  in 
V.  10  an  einen  Justizmord  erinnert  wird,  den  die  Jerusalemer  noch  tief  bereuen  werden. 
Es  kann  nur  an  den  gewaltsamen  Tod  Onias' III.  im  Jahre  170  v.  Chr.  gedacht  werden 
(s.  zu  12  10).  So  stimmt  alles  zusammen,  dass  als  fester  Zeitpunkt  der  Entstehung  der 
in  Cap.  9 — 14  gesammelten  Prophetien  das  Jahr  160  v.  Chr.  zu  nennen  ist.  Kein  ein- 
ziger Abschnitt  fügt  sich  nicht  aufs  beste  in  dieses  Jahr;  im  Gegenteil  erhält  ein 
jeder  von  da  aus  die  beste  Beleuchtung. 

Ist  der  Zeitpunkt  der  Entstehung  für  alle  Bestandteile  von  Cap.  9 — 14  derselbe, 
so  ist  auch  die  Einheit  der  Autorschaft  nicht  zu  bezweifeln,  wenn  nicht  gewichtige 
Gründe  zur  Annahme  verschiedner  Autoren  zwingen.  Die  Anspielungen  auf  die  Zeit 
vor  160  V.  Chr.  finden  sich  gleichmässig  in  sämtlichen  Stücken  von  Dtsach ,  so  dass 
Gleichzeitigkeit  aller  feststeht.  Gegen  die  Einheit  des  Autors  dürfen  aber  kleine  Diver- 
genzen in  der  Schilderung  der  eschatologischen  Ereignisse  nicht  ins  Feld  geführt 
werden.  Die  Elemente  des  Bildes  sind  von  der  Tradition  gegeben  und  auch  die  Ver- 
einigung derselben  beruht  nicht  auf  der  originalen  Conception  eines  selbständigen 
genialen  Propheten,  sondern  ist  das  B^esultat  einer  langen  Geschichte.  Die  kleinen 
Divergenzen  (s.  Vorbem.  zu  12  1 — 13  6  141-21  und  zu  141-21)  sind  somit  kein  aus- 
reichender Beweis  gegen  die  Einheit  des  Autors  von  Dtsach,  sie  fallen  nicht  der 
Herkunft  von  verschiedenen  Autoren,  sondern  der  Tradition  und  langen  geschicht- 
lichen Vergangenheit  zur  Last,  deren  kompliziertes  Produkt  auch  das  eschatologische 
Gemälde  Dtsach's  ist,  so  sehr  der  Prophet  den  überkommenen  Stoff  selbständig 
verwertet. 

Von  sämtlichen  einzelnen  Stücken  ist  vielleicht  nur  das  kleine  Stück  10  1  f.  nicht 
auf  Dtsach  zurückzuführen,  vgl.  Vorbem.  zu  10  1  f.  Im  übrigen  ist  aber  auch  die 
Schrift  Dtsach's  von  Glossen  und  Einfügungen  nicht  verschont  geblieben.  Sie  sollen 
hier  nicht  im  Einzelnen  aufgezählt  werden,  nur  auf  die  eine  soll  hingewiesen  werden : 
12  7  8,  weil  sie  erst  aus  dem  Anfang  des  1.  vorchristl.  Jahrhunderts  zu  stammen  scheint, 
vgl.  Vorbem.  zu  12  7  f.  Ist  diese  Auffassung  richtig,  so  hat  man  noch  um  100  v.  Chr. 
Änderungen  durch  Zusätze  in  den  prophetischen  Büchern  anbringen  können,  wie  ja 
auch  aus  dem  Buche  Jes  bekannt  ist.  Dieser  Termin  wird  durch  keine  Überlieferung 
als  zu  spät  erwiesen;  dass  Jes  Sir  49  10  schon  am  Anfang  des  2.  Jahrh.  v.  Chr.  von 
den  „zwölf  Propheten"  spricht,  hindert  in  keiner  Weise,  dass  die  ein  paar  Jahrzehnte 
später  entstandene  Prophetie  Dtsach's  noch  in  das  Zwölfprophetenbuch  aufgenommen 
werden  konnte,  erklärt  im  Gegenteil  aufs  beste,  warum  die  übrigens  wohl  anonym 
erschienene  Prophetie  nicht  mehr  als  selbständiges  Buch,  sondern  nur  als  Anhang 
eines  der  zwölf  Bücher  in  der  Sammlung  erscheint. 

2)  Die  Bcdeulun^  Dtsach's  ist  schon  zu  einem  guten  Teile  durch  die  genaue 


Sach  Einleitung  III  398  Sach  Einleitung^ 

Fixierung  seiner  Entstehungszeit  festgestellt  und  hervorgehoben.  Es  hat  einen  hohen 
AVert  dass  wir  in  Sach  9—14  eine  Schrift  aus  dem  Jahre  160  v.  Chr.  besitzen,  die  uns 
einen  Einblick  in  die  Verhältnisse  jener  Zeit  und  vor  allem  in  die  Gedanken  des 
Autors  eines  etwas  jüngeren  Zeitgenossen  des  Verfassers  von  Dan,  thun  lässt.  Ber- 
THOLET  (Stellung  zu  den  Fremden  219—222)  hat  Dtsach  gut  charakterisiert,  wenn  er  ihn 
ungefähr  in  die  Mitte  stellt  zwischen  die  beiden  Richtungen  der  Chasidim  oder  wie  sie 
von  da  an  heissen,  der  Pharisäer  d.  i.  der  Abgesonderten  einerseits  und  des  der  Ver- 
weltlichung sich  zuneigenden  Makkabäers  und  namentlich  seiner  Nachfolger  andrerseits. 
„Sein  Gesichtskreis  ist  weiter  als  der  der  ersteren  und  von  grösserer  religiöser  Aus- 
schliesslichkeit als  der  der  letzteren."  Wohl  erwartet  Dtsach  im  Unterschied  von 
den  Pharisäern,  die  sich  der  Welt  gegenüber  ablehnend  verhalten,  dass  der  jüdische 
Monotheismus  die  ganze  Welt  beherrschen  werde  und  dass  die  Heiden  auch  Jahwe- 
kult üben  werden  (vgl.  14  9) ;  aber  im  Unterschied  von  den  hellenistischen  Sadducäern 
will  er  nichts  von  hellenistischem  Wesen  wissen :  die  Fremden  haben  von  ihren  Greueln 
zu  lassen  9  7  und  müssen  sich  zum  Judentum  mit  samt  seinem  Ceremonialgesetz  be- 
kehren, wenn  sie  in  das  Gottesreich  Aufnahme  finden  wollen.  Die  antitheokratische 
spec.  syrische  Weltmacht  (9  1  ff.  10  11  111-3  12  2 ff.  14  8-5)  muss  vernichtet  werden; 
dann  wird  ein  Gottesreich  aufgerichtet,  in  dem  das  mosaische  Pitualgesetz  gilt,  Jerusa- 
lems Heiligkeit  eine  levitische  ist  (14  20  21)  und  die  Zugehörigkeit  vor  allem  durch 
die  Teilnahme  an  den  kultischen  Feiern  des  Laubhüttenfestes  dokumentiert  wird 
(14  16-19).  Das  Gottesreich  ist  nach  Dtsach  ein  judaisiertes  Weltreich  mit  dem 
Friedenskönig  in  Jerusalem  (vgl.  9  9  14  20^).  Dass  nach  Dtsach  im  Gottesreich  „die 
Mauer  des  Gesetzes  zerbrochen"  sei  und  dass  „sein  Aufbau  in  der  Herzensfrömmigkeit 
gipfele",  ist  von  EcKAKDT  mit  Unrecht  behauptet.  Wie  sehr  im  Gegenteil  das  Ge- 
setz Dtsach  am  Herzen  gelegen  ist,  zeigt  er  mit  seiner  Opposition  gegen  die  undisci- 
plinierten  Propheten,  die  sich  nicht  unter  die  Zucht  der  Tora  und  der  reinen  Lehre 
stellten,  s.  zu  13  1-6,  zeigt  er  auch  mit  seiner  Beurteilung  der  Hohepriester  Onias  III. 
und  Onias  IV.,  als  deren  Anhänger  er  sich  ausweist,  s.  zu  114-14  und  12  lö.  Seine 
Anschauung  kann  darum  nicht  als  höherstehend  denn  die  von  Mal  1 11  und  Jes  25  6-8 
taxiert  werden. 

IV.  Litteratur. 

Commentare:  A.  Köhler  Weissagungen  Sacharjas  I  1861,  II  1863;  C.  J. 
Beedenkamp  Der  Prophet  Sacharja  1879;  C.  C.  H.  Wright  Zecharjah  and  his 
Prophecies  1879 ;  T.  T.  PerOWNE  Haggai  and  Zechariah  1893. 

Monographien  und  Abhandlungen:  a)  zum  ganzen  Buche:  Joseph  Mede 
Dissertationum  ecclesiasticarum  triga  quibus  accedunt  fragmenta  sacra,  London  1653; 
W.  NewcOME  An  attempt  toward  an  improved  Version  of  the  twelve  minor  prophets, 
London  1785;  H.  CoRRODI  Versuch  einer  Beleuchtung  der  Gesch.  des  jüd.  und  christl. 
Bibelkanons  I,  Halle  1792;  L.  Bertholdt  Einleitung  IV,  Erlangen  1814;  J.  G.  EICH- 
HORN Einleitung  4  1824;  E.  AV.  Hengstenberg  Christologie  des  ATs  II  S.  9—400, 
1832;  Julius  Boehmer  Haggai  und  Sacharja,  zwei  Propheten  des  Herrn  in  Neue 
kirchl.  Zeitschr.  1901,  717—740;  T.  K.  Cheyne  Grit,  sacra  II,  1903,  181—193. 
b)  zum  ersten  Teil:  K.  Marti  Der  Prophet  Sacharja  der  Zeitgenosse  Serubbabels 
1892;   K.  Marti  Zwei  Studien   zu  Sacharja,  I.    Der  Ursprung  des  Satans   (Sach  3) 


Sach  Einleitung  IV  399  Sacli  1  2 

StK  1892,  207—245,  II.  Der  Bericht  über  die  dem  J/ropheten  aufgetragene  symbo- 
lische Handlung  6  9-15  StK  1892,  7HJ— 7:J1;  J.  Ley  Zu  Sacharja  6  9-15  StK  1893, 
771—782;  H.  GuNKEL  Schöpfung  und  Chaos  122—131,  1895;  F.  E.  TetsER  /u  Zakha- 
ria  in  Orient.  Litter.-Zeitung  1901,  305—317 ;  E.  Sellin  Studien  zur  Entstehungsgesch. 
der  jüd.  Gemeinde  II,  63—104:  Das  Buch  Sacharjas,  1901;  Ed.  Sievers  Metrische 
Studien  I  Textproben  1901,  496—499.  c)  zum  zweiten  Teil:  (B.  G.  FLÜGGE)  Die 

Weissagungen,  welche  bey  den  Schriften  des  Propheten  Zacharias  beygebogen  sind, 
Hamburg  1784  ;  E.  F.  J.  VON  Ortenberg  Die  Bestandteile  des  Buches  Sacharja  1859; 
B.  Stade  Deuterozacharja.  Eine  kritische  Studie  in  ZATW  1881  1—96,  1882  151  -172 
und  275 — 309;  F.  MoNTET  Etüde  critique  sur  Ma  date  assignable  aux  six  derniers 
chapitres  de  Zecharja,  Geneve  1882;  AV.  Stärk  Untersuchungen  über  die  Komposition 
und  Abfassungszeit  von  Zach.  9 — 14  1891 ;  G.  GrÜTZMACHER  Untersuchung  über  den 
Ursprung  der  in  Zach  9 — 14  vorliegenden  Profetien  1892;  N.  I.  RuBINKAM  The  Second 
Part  of  the  Book  of  Zechariah  with  Special  Reference  to  the  Time  of  its  Origin, 
Basel  1892;  E.  EcKARDT  Der  Sprachgebrauch  von  Zach.  9—14  in  ZATW  1893  76—109 
und  Der  religiöse  Gehalt  von  Sacharja  9—14  in  ZThK  1893  311—331 ;  G.  L.  ROBINSON 
The  Prophecies  of  Zechariah  with  Special  Beference  to  the  Origin  and  Date  of  Chap- 
ters  9—14,  Chicago  1896;  JuLIUS  BÖHMER  Das  Eäthsel  von  Sach.  9—11  und  von 
Sach  12 — 14  in  Ev.  Kirchen-Zeitg  1901  Nr.  17  und  39;  A.  VAnHoonacKER  Les  cha- 
pitres IX — XIV  du  livre  de  Zacharie  in  Eevue  Biblique  1902,  161—163  und  347—378. 


Erklärung. 

A.  Der  erste  Teil  des  Buches  Cap.  1—8. 

i.  Die  Einleitung:  Aufforderung  zur  Umkehr  zu  Jahwe,  dessen  Worte 

unvergänglich  sind,  I  i-6. 

Die  Überschrift  1  nennt  das  Datum  und  den  Autor.  Ersteres  ist  unvoll- 
ständig, da  die  Angabe  des  Tages  fehlt;  vermutlich  ist  diese  ausgefallen,  vgl. 
1  7  7  1.  Immerhin  lässt  sich  darnach  bestimmen,  dass  Sach  zum  ersten  Mal  als 
Prophet  im  November  520  v.  Chr.,  also  zwei  Monate  später  als  Hag,  auftrat. 
Der  Autor  heisst  l'^J?'!?  '"^'^m?  ^"^H?!'  während  erEsr  5  i  6  unur  „Sohniddos" 
genannt  wird.  Ob  in  den  historischen  Schriften  (s.  auch  Neh  12  16)  die  Nennung 
des  Vaters  ausgelassen  und  nur  der  Grossvater  als  der  Bekanntere  genannt 
wird  oder  ob  dort  das  Fehlen  des  Zwischengliedes  unabsichtlich  ist  oder  ob 
endlich  das  Zwischenglied  im  Prophetenbuch  auf  einer  Vermischung  und  Ver- 
wechslung von  Sach  dem  Sohne  Iddos  mit  Sach  dem  Sohne  (Je-)Berechjas 
Jes  8  2  beruhe,  ist  fraglich.  Dagegen  ist  nach  Neh  12  16  wohl  sicher,  dass  Sach 
zu  den  Priestern  gehörte. 

Als  Grundlage  zu  dem  Bussruf  2—6  dient  die  Erinnerung  an  den  ge- 
waltigen Zorn  Jahwes  über  die  Väter  2,  vgl.  auch  7  12-14.  Durch  das  Obj.  ^^[^ 


Sach  1  2  400  Sach  1  7 

wird  das  Verb  ^^JJ  verstärkt,  s.  Ges.-Kaützsch27  §  117  q;  die  Einsetzung  von 
bnj  ist  unnötig,  LXX  scheint  dazu  durch  7  12  verleitet  zu  sein.  3  Die 

an —  in  □H'^'^S  sind  die  Zeitgenossen  des  Propheten,  die,  um  von  dem  Zorne 
Gottes  loszukommen  (vgl.  Hag  16  9  2  u),  thun  sollen,  was  die  Väter  nicht  ge- 
than  haben.  4  giebt  die  s])ezielle  Anwendung  und  Ausführung  von 

V.  3.  D'»;ty«in  D^S'^niiri,  im  Kanon  des  AT's  jetzt  Titel  der  Bücher  Jos-Reg, 

bezeichnet  hier  die  Propheten  vor  der  epochemachenden  Katastrophe  Jerusa- 
lems, beweist  aber  auch,  „wie  tief  man  den  Abstand  der  Gegenwart  von  der 
Vergangenheit  empfand"   (Wellh.),  vgl.  auch  7  7  12.  Statt  DD"^^^bj;rsi  1. 

DD*''7bj;:?p5|  (vgl.  V.  6  und  Cod.  babyl.),  da  eine  Form  b'hVü  nicht  vorkommt  und 
eine  Ableitung  von  n^"^^y  mit  uy^n  nicht  harmoniert.  5 f.  Begründung 

des  Bussrufs  durch  den  Hinweis  auf  die  Lehren  der  Geschichte:  die  Väter  wie 
die  Propheten  sind  dahingegangen;  aber  Gottes  Worte  sind  unvergänglich, 
ihre  Wahrheit  hat  sich  an  den  Vätern  erwiesen  und  sie  besteht  darum  auch 
heute  noch  in  voller  Kraft,  vgl.  auch  Jes  40  6  8  55  8-11.  Zu  )2^^^)  ist 

DD^^ni«  Subj.;  die  Umkehr  war  nicht  die  Folge  der  Warnung,  sondern  der 
Strafe  und  bedeutete  nichts  weiter  als  die  gezwungene  Anerkennung  der  Wahr- 
heit des  prophetischen  Wortes,  die  sie,  wo  es  noch  Zeit  gewesen  wäre,  die 
Strafe  zu  vermindern,  verweigerten  (damals  sprachen  sie  ganz  anders  vgl.  z.  B. 
Jer  5  i2f.).  n^ti^M  ist  daher  nicht  in  Widerspruch  mit  v.  4  und  man  hat  nicht 
mit  ßoTHSTEiN  und  Now^ack  die  Zeitgenossen  Sach's  zum  Subj.  zu  nehmen  und 
in  V.  6^  einen  historischen  Bericht  über  die  Wirkung  seiner  Worte  zu  sehen. 
Dieser  Erklärung  entspricht  die  Fassung  des  Satzes  (vgl.  das  Fehlen  des  Subj. 
und  die  verschiedene  Bedeutung,  die  dem  Suff,  ^i —  zukäme)  sehr  wenig.  ]? 
steht  korrelativ  zu  1ti^«3,  nicht  zu  ^li^D'ins. 

2.   Ein  Cyclus  von  acht  Visionen,  abgeschlossen  durch  eine  sinnbildliche 

Handlung,  17-6  15, 

Das  Datum  7  geht  auf  den  ganzen  Visionencyclus,  bestimmt  also  die 
Zeit,  in  welcher  Sach  diese  Gesichte  hatte;  weder  soll  mit  dem  11.  Monat  des 
2.  Jahres  Darius',  =  Febr.  519,  nur  die  Zeit  der  Veröffentlichung,  wieNow^ACK 
vermutet,  angegeben  sein,  noch  lässt  v.  7  die  Annahme  zu,  dass  die  Entstehung 
oder  doch  der  Standpunkt  einzelner  der  folgenden  Visionen  in  einer  früheren 
Zeit  liege  (s.  u.  Vorbem.  zu  1  8— 6  8).  tonii^  t^nh-^Jin,  die  Beifügung  des 

später  üblichen  Namens  des  11.  Monats  (s.  zu  Hag  1  i),  erweckt  den  Ein- 
druck einer  Glosse,  vgl.  ebenso  7  i.  Zu  dem  Schwanken  in  der  Schrei- 
bung des  Namens  Iddo,  hier  NHj;  (so  auch  Esr  5  i),  v.  i  Hj;  (vgl.  auch  «^j; 
I  Reg  4  14),  vgl.  «i:n-!  Esr  2  64  neben  IUI  I  Ohr  29  7  und  h^^pj  Jo  4  19  neben 
•'i?^  Ex  23  7. 

Die  acht  Visionen  18—68  bilden  ein  nach  Anlage  und  Reihenfolge  gut  geord- 
netes und  wohl  abgerundetes  Ganze.  Die  erste  Vision  schildert  die  Ruhe,  die  zur  Zeit 
noch  in  der  Welt  herrscht,  und  den  Eifer,  von  dem  Jahwe  zur  Hilfe  Jerusalems  erfüllt 
ist,  und  in  der^  letzten  sieht  Sach,  wie  die  Werkzeuge  ausgesandt  werden,  um  die  nahe 
bevorstehende  Änderung  in  der  Lage  der  Welt  zum  Heile  Judas  herbeizuführen.  Die  sechs 
mittleren  Visionen  exponieren  den  Willen  Jahwes  und  räumen  alle  Hindernisse  weg,  die 


Sack  1  7  401  Sack  1  8 

sich  dem  Glauben  an  die  Durchfiilirunpf  dcH  Ileil«  (;ritf^n;^(;n  stellen.  Sio  |rrü[>pierr3n  sich 
in  drcii  Paaro  und  jewoilen  bereitet  ein  Paar  das  fol^ainde  vor,  resp.  führt  das  folgende 
den  (jiedankeu  des  vorhergehenden  fort.  Das  erste  l'aar  (zweites  und  drittes  (iesichtj  zeigt, 
wie  iu  den  iMilehtcm  der  Welt  kein  Hindernis  zur  Durchführung  des  messianischen  Heiles 
vorliegt,  weil  Jahwe  höliere  Mächte  zu  Gebote  stehen,  um  die  Feinde  zu  besiegen  und 
vernichten  und  Jerusalem  zu  verherrlichen.  Das  zweite  Paar  (viertes  und  fünftes  Gesicht) 
legt  dar,  dass  auch  in  Juda  selber  kein  Hindernis  besteht,  im  Gegenteil  das  Heil  schon 
vorbereitet  ist:  Josua  der  Hohepri(!ster  ist  zum  Zeichen,  dass  die  Schuld  der  Vergangen- 
heit vergeben  ist,  zu  Gnaden  angenommen  und  die  Fürsorger  Gottes  wacht  über  ihm,  wie 
über  seinem  zum  künftigen  König  bestimmten  Genossen.  Was  der  messianischen  Ordnung 
Widersprechendes  jetzt  Juda  noch  anhaftet,  wird,  wie  das  letzte  Paar  (sechstes  und  sieben- 
tes Gesicht)  verheisst,  aus  dem  Lande  entfernt:  die  Sünder  und  die  Sünde. 

Es  sind,  wie  man  sieht,  im  wesentlichen  die  „messianischen"  Gedanken  Hes's  und 
Dtjes's,  die  iu  eigenartiger  Gestalt  hier  wiederholt  sind.  Immerhin  handelt  es  sich  nicht 
um  eine  rein  schriftgelehrte  Reproduktion  überlieferten  Stoffes;  dem  Propheten  ist  die 
"Wahrheit  der  früheren  Weissagungen  auch  für  die  Gegenwart  kräftig  aufgegangen  und 
sein  Herz  ist  lebendig  von  derselben  ergriffen  und  überzeugt.  In  diesem  Sinne  kommt 
also  dem  Inhalt  der  Weissagung  Sach's  der  Charakter  des  Originalen  und  Unmittelbaren 
zu.  Was  dagegen  das  Gewand  betrifft,  in  welchem  die  Visionen  Sach's  erscheinen,  so  hat 
man  entschieden  den  Eindruck,  nicht  Gestalten  und  Darstellungen  unmittelbarer  Intuition, 
sondern  Gebilde  der  lebendigen  Phantasie  und  der  Überlegung  des  Propheten  vor  sich  zu 
haben.  Kurz  gesagt:  die  „Nachtgesichte"  Sach's  sind  weder  leere  Träume,  noch  blosse 
Pkantasiegebilde,  sondern  die  vom  Propheten  mit  vollem  Bewusstsein  entworfenen  Dar- 
stellungen der  ihm  aufgegangenen  Wahrheit. 

Ist  im  Grossen  die  Gedankenfolge  eine  überlegte  und  leicht  verständliche,  so  ist 
dagegen  die  Darstellung  in  den  einzelnen  Visionen  lange  nicht  so  durchsichtig.  Die  Situa- 
tion ist  oft  nicht  vollständig  klar  gelegt  und  oft  muss  man  auch  mit  Andeutungen  statt 
mit  Ausführungen  sich  begnügen.  Übrigens  mag  bisweilen  der  Text  unvollständig  sein 
und  durch  Bearbeitung  resp.  Glossierung  gelitten  haben.    S.  die  Erklärung. 

Die  geschlossene  Gedankenfolge,  die  sich  in  der  Anordnung  der  Visionen  darbietet, 
ist  der  Verlegung  der  einzelnen  Gesichte  in  verschiedene  Zeiten  gerade  so  wenig  günstig, 
wie  das  einheitliche  Datum  v.  7.  Warum  aber  die  Gesichte  zum  Teil  oder  ganz  besser  in 
eine  frühere  Periode  passen  sollten,  ist  nicht  ersichtlich.  Denn  wenn  schon  519  die  Welt 
nicht  so  ruhig  war,  wie  es  nach  1  11  scheint,  so  erwartet  der  Prophet  doch  gewiss,  dass 
die  Welterschütterung  unmittelbar  bevorsteht  (vgl.  6  1-8),  er  mag  die  damaligen  Wirren 
im  Osten  des  Perserreichs  als  unbedeutend  betrachtet  und  die  messianiscke  Krisis  mit 
Jahwe  und  dem  Tempelbau  in  enge  Verbindung  gebracht  haben. 

Die  erste  Vision:  Jahwes  Liebeseifer  für  Zion  1  8-ir.  Die  Personen, 

die  in  der  Vision  erscheinen,  sind  ausser  den  Reiterei  auf  den  verschiedenfarbigen  Pferden : 
der  Mann  zwischen  den  Myrten  =  Jaliwe  und  der  Engel,  der  mit  mir  redet  —  der  angelus 
interpres  des  Propheten.  Der  Gang  der  Handlung  ist  folgender:  die  Keiter  der  Pferde 
bringen  Jahwe  die  Meldung,  dass  die  ganze  Erde  in  Ruhe  und  Frieden  liege.  Auf  die 
Frage,  ob  denn  nicht  bald  die  Zeit  des  Zornes  über  Zion  vorbei  und  das  Heil  nahe  sei, 
bekommt  der  angelus  interpres  und  durch  ihn  der  Prophet  die  tröstliche  Antwort  von 
Jahwe,  dass  Jerusalem  bald  Gottes  Erbarmen  erfahren  werde.  Zur  Begründung  dieser 
Auffassung  des  Textes  vgl.  die  Erklärung. 

8  Th;^_r\,  des  Nachts  vom  23.  auf  den  24.  Schebat  (v.  7)  ist  dem  Propheten 
die  im  folgenden  verkündete  Wahrheit  offenbar  geworden  und  hat  sich  ihm 
für  die  Darstellung  derselben  die  folgende  Form  ergeben.  Vgl  Vorbem.  zu 
1  8—6  8.  Man  kommt  nicht  durch,  wenn  man  den  Mann,  der  zwischen 

den  Mi/rlen  steht,  zum  Anführer  der  Reiter  macht,  wie  die  Beifügung,  dass  er 
auf  rotem  Rosse  sass,  zunächst  vermuten  lässt,  denn  nach  v.  ii  empfängt  der 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  26 


Sach  1  8  402  Sach  1  11 

zwischen  den  Myrten  Stehende  von  diesen  Reitern  Meldung.  Ohnehin  stimmen 
die  beiden  Prädikate  ^5*1,  reitend,  und  "iDj;,  stehend ,  nicht  gut  zusammen; 
darum  hat  man  mit  Ewald,  Wellh.  und  Nowack  «IITj  D'liJ  D^D'^j;  DDh  als  fehler- 
haften Einschub  zu  entfernen.  Dann  ist  der  Mann,  der  %wischen  den  Myrten 
steht,  der  die  Reiter  zur  Berichterstattung  empfängt  (v.  ii),  niemand  anders 
als  Jahwe,  vgl.  auch  6  i — 8  bes.  v.  5  und  die  Audienzen  vor  Jahwe  im  Prolog 
des  Hiob.  Wo  Jahw^e  den  Bericht  entgegennimmt,  ist  für  uns  trotz  den  An- 
gaben zwischen  den  Myrteri,  nb:^ö5  IC^tJ,  unbestimmbar,  da  eine  Örtlichkeit 
n^:itt,  das  als  Tiefe,  Thalgrund  gefasst  wird,  oder  H^^D,  =  Schattenplatz,  nicht 
bekannt  ist.  Übrigens  lesen  LXX  für  D^Dinn  hier  überall  ^'^^T\T[  (dva  |x£oov  idiv 
öpscov),  was  nach  6  i  (s.  dort)  vermutlich  die  richtige  Lesart  ist  (so  auch 
Cheyne).  *''^*]0'^1  kann  nicht  richtig  sein,  wenn  ^^'^  Jahwe  bezeichnet;  es 

stand  ursprünglich  ihm  gegenüber,  etwa  VJD'p,  da  (vgl.  Wellh.).  Statt 

der  drei  Farben  für  die  verschiedenen  Pferde  hat  LXX  offenbar  richtig  vier, 
vgl.  6  2  f.  Wahrscheinlich  ist  für  D'^jPlfe^,  das  man  gewöhnlich  nach  dem  arab. 
bskaru,  Rotfuchs,  =  fuchsrot  fasst,  aber  nach  D^DllJ?  nicht  gut  am  Platze  ist,  zu 
lesen  D'^lht^,  schwarze,  und  am  Schlüsse  als  vierte  Klasse  noch  D^^'n^jn^,  gescheckte, 
einzusetzen.  Vier  Farben  sind  es,  weil  sie  die  vier  Himmelsgegenden  repräsen- 
tieren, und  die  Farben  sind  verschieden,  weil  jeder  eine  besondere  Beziehung 
auf  eine  spezielle  Himmelsgegend,  resp.  auf  den  ihr  zugeteilten  Planeten  (Mer- 
kur, Mars,  Jupiter  oder  Saturn)  zukommt.  Vgl.  Winckler  in  Mitteil,  der 
Vorderasiat.  Gesellsch.  1901,  327  (177),  und  KATs  633.  Dass  die  Pferde  von 
Reitern  besetzt  sind,  versteht  sich  von  selbst.  9  Dass  der  vorher  nicht 

erwähnte,  aber  von  Sach  angeredete  "^^'^^5  der  angelus  interpres  ist,  ergiebt  sich 
aus  dem  Folgenden.  •»?  ll'^H  "^ijb?2n,  der  Engel,  der  mit  mir  redet,  ist  der 
ständige  Begleiter  des  Propheten  und  hat  die  Aufgabe  und  die  Befähigung, 
ihm  die  Offenbarungen  Gottes  zu  vermitteln  und  verständlich  zu  machen,  mit 
einem  Wort:  das  Amt  der  Inspiration  des  Propheten.  Sach  hat  also  die  ihm 
verliehene  prophetische  Fähigkeit,  die  göttliche  Offenbarung  aufzunehmen  und 
zu  verstehen,  als  ein  alter  ego  von  sich  unterschieden,  verselbständigt  und  per- 
sonifiziert, gerade  wie  der  nicht  viel  früher  als  Sach  lebende  prophetische  Autor 
Yon  Jes  21  6  dieses  zweite  Ich  „den  Späher",  HB^tsn,  nennt.  Beide  Stellen 
zeigen,  wie  man  anfing,  über  die  Art  und  Weise  des  Erlebnisses  der  Offen- 
barung zu  reflektieren.  Vgl.  zu  Jes  21  6  und  ferner  Maeti  StK  1892,  236  —242. 
Mit  'U1  ^ij"|i;?  giebt  der  angelus  interpres  dem  Proph.  den  Bescheid,  dass  er 
sich  die  gewünschte  Erklärung  aus  dem  weiteren  Verlauf  der  Vision  entnehmen 
könne.   Mit  diesem  Bescheid  stimmt  10  nicht;  denn  in  v.  lo  greift  der 

Mann  zwischen  den  Myrten  in  den  privaten  Dialog  von  Prophet  und  angelus 
interpres  ein  und  giebt  gerade  die  von  v.  9  abgelehnte  mündliche  Erklärung. 
Was  V.  9  in  Aussicht  stellt,  bringt  dagegen  v.  ii.  Deshalb  ist  mit  Wellh.  v.  lo 
als  späterer  Zusatz  zu  entfernen.  Wie  sich  auch  im  Folgenden  zeigt,  hat  bei  den 
Späteren  über  die  hier  auftretenden  Personen  Konfusion  geherrscht.  11  Die 
Reiter  erstatten  nun  ihren  Bericht  und  zwar  ganz  natürlich  dem  Mann  zwischen 
den  Myrten.  Dass  er  hier  nj/T  "^S^tt  genannt  wird,  beruht  auf  der  Verwechs- 
lung des  Mannes  zwischen  den  Myrten  mit  dem  angelus  interpres.  Mit  Wellh. 


Sach  1  11  403  Sach  1  16 

und  NowACK  ist  ti^'^i^ri  als  ursprünglicher  ^l'ext  für  HIH^  ^^^'Q  zu  setzen.  Der 

Bericht:  die  ganze  Erde  ist  ruliig  und  stille,  besagt:  von  der  ersehnten  Er- 
schütterung von  Hhumel  und  Erde,  welche  die  herrliche  messianische  Zciit 
einleitet,  ist  noch  nichts  zu  verspüren,  vgl.  Hag  2o— ü  21 — 23.  Man  darf  sich 
wundern,  dass  der  Prophet  die  damaligen  Unruhen  im  Osten  des  Perserreichs 
nicht  beachtet  hat;  deswegen  aber  mit  v.  Hoonacker,  Sellin  und  Nowack 
anzunehmen,  der  Standort  des  Propheten  sei  die  Zeit  am  Ende  des  Exils,  wäre 
unüberlegt,  da  zu  jener  Zeit  Cyrus  die  Welt  mit  dem  Ruhm  von  seinen  Waff'en- 
thaten  erfüllte.  12  bringt  nun  die  Hauptfrage,  die  das  Gemüt  des  Pro- 

pheten erfüllt:  Wann  kommt  denn  endlich  die  Zeit  des  Heils,  die  trotz  der 
Rückkehr  immer  noch  nicht  angebrochen  ist?  Es  ist  der  Angelus  interpres, 
der  die  Frage  im  Namen  Sach's  an  Jahwe  richtet;  denn  derselbe  erhält  v.  13 
von  Jahwe  die  Antwort.  Darum  hat  man  njn^_  ^^^'O  in  v.  12  mit  Wellh., 
NowACK  in  "'S  in'in  '?Iijbr?n  zu  verbessern.  Sach  rechnet  den  Zorn  Jahwes 

von  der  Zerstörung  Jerusalems  an  im  Jahre  586,  und  von  da  bis  519  (s.  v.  8) 
sind  es  beinahe  70  Jahre.  Auch  diese  Zahl  spricht  gegen  die  Annahme,  dass 
der  Prophet  in  diesem  Gesicht  den  Standort  am  Ende  des  Exils  nehme  (s.  zu 
V.  11).  Sach  hat  die  Zahl  selbst  gerechnet  und  sie  schon  deshalb  nicht  aus 
Jer  25  11  29  10  entlehnen  können,  weil  diese  Stellen  später  sind  und  wahrschein- 
lich ihrerseits  auf  unsere  Stelle  zurückgehen,  s.  KHC  zu  Jer  25 11.  13  U^^n:^, 
Tröstungen,  ist  Apposition  zu  D'^l^'l,  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §  131  c.  Den  Inhalt 
der  trostreichen  Antwort  Jahwes  an  den  Angelus  interpres  erfährt  man  durch 
die  Mitteilungen  v.  u-17,  die  der  letztere  an  den  Propheten  richtet.  14  Sach 
erhält  den  Auftrag  zu  verkündigen  («1p  vgl.  Jes  40  6),  dass  Jahwe  von  grossem 
Eifer  für  Jerusalem  und  Zion  erfüllt  ist.  nb'llj  n«ip  verstärkt  als  inneres  Objekt 
den  Begriff  des  Verbums  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  117  q.  n«^p,  an  sich  eine  vox 
media,  kann  hier  nur  den  Eifer  der  Liebe  bedeuten,  wie  das  h  =  für  zeigt;  über- 
haupt ist  in  der  späteren  Zeit  Jahwes  Eifer  als  nur  zu  Gunsten  Israels  thätig 
aufgefasst  worden,  vgl.  auch  8  2  und  s.  KHC  zu  Jes  9  6.  15  Der  grosse 

Zorn  über  die  Heiden  ist  das  Komplement  zu  dem  Eifer  Jahwes  für  Zion. 
D^i5«^n  heissen  die  Heiden  nicht  als  die  jetzt  in  stiller  Ruhe  liegenden  (v.  11), 
sondern  als  die  in  übermütigem  Trotz  sich  sicher  fühlenden,  vgl.  Am  6  1  Jes 
37  29  Jer  48  11,  s.  auch  Zph  1  12,  wo  wohl  auch  so  für  D^t^J^H  zu  lesen  ist.  I^'l^ 
knüpft  an  DMlin  an  und  leitet  die  Angabe  des  Grundes  von  Jahwes  Zorn  auf  die 
Heiden  ein;  die  Fortsetzung  ist  anakoluthisch:  welche  (=  von  welchen  gilt): 
ich  zürnte  ein  wenig,  sie  aber  halfen  zum  Unglück.  Es  ist  derselbe  Gedanke, 
der  nach  der  Wegführung  Judas  mehrmals  uns  entgegentritt:  die  Heiden,  die 
Werkzeuge  des  göttlichen  Zornes  über  Israel  waren,  haben  ihren  Auftrag  und 
ihre  Befugnis  überschritten,  sie  sollten  züchtigen  (vgl.  tOj;D)  und  haben  ver- 
nichtet, vgl.  Hab  1  11  i2'>  17  2  5ff.  Jes  10  5-15,  beachte  auch  Jes  40  2'\  Das  Ur- 
teil über  das  Volk  Israel  und  seine  Sünden  hat  sich  im  Laufe  der  Geschichte 
geändert;  die  früheren  Propheten  urteilten  anders.  16 f.  exponieren  die 

Wohlthaten,  die  für  Juda  aus  Jahwes  erwachtem  Liebeseifer  erwachsen  werden. 
^P^Z'ä  ist  sog.  perf.  propheticum;  es  drückt  die  gewisse  Erfüllung  des  Ver- 
sprechens aus:  Jahwe  wendet  sich  erbarmend  Jerusalem  zu,  dem  er  bis  dahin 


Sach  116  404  Sach  2  4 

zürnend  den  Rücken  gekehrt  hat.    Der  Tempelbau,  der  sicher  fortschreiten 

wird,  ist  ein  deutliches  Zeichen  dieses  Erbarmens  und  damit  zugleich  des 

Anbruchs  der  messianischen  Zeit,  vgl.  auch  Mal  3  i.  Für  mp,  =  njjj  oder 

nip.,  das  sich  auch  I  Reg  7  23  Jer  31  39  findet,  will  Kere  das  gewöhnliche  )\> 

lesen.    Jerusalem  lag  also  damals  trotz  Hag  1  4  noch  zum  grössten  Teil  in 

Trümmern  vgl.  2  5ff.;  aber  der  Wiederaulbau  soll  nicht  ausbleiben.  17  Zu 

•'Ij;  vgl.  n"Vi7]]  •'Ij;  V.  12  und  Jer  33  12 f.;  die  Städte  Judas  sind  Jahwes  Städte.      Zu 

n5;j^-Dn,   sie  werden  üherßlessen.  mit  Flexion  ohne  ^  vgl.  Ges.-Kautzsch^^ 

§  72  k.  Zum  Schluss  wird  noch  einmal  hervorgehoben,  dass  Jahwe  sich 

wiederum  Zions  erbarmen  und  Zion  zu  seiner  Wohnstatt  erwählen  wird  vgl. 

V.  16  2  16.  Für  Dn;i  =  trösten,  1.  nach  LXX  xal  sXstjosi  und  v.  12  16  mit  Wellh., 

OoRT,  NowACK  Dnil  =  er  wird  sich  noch  Zions  erbarmen. 

Die  zweite  iiiul  die  dritte  Vision:  Die  Yernichtun^  der  heidnischen  Mächte 
und  die  Herrlichkeit  Jerusalems  2  1— 17.  Die  beiden  Gesichte  sind  die  Entfaltung  der 
Verheissungen,  in  welche  das  erste  ausmündete,  und  sie  gehören  so  als  ein  Visionen- 
paar enger  zusammen.  Die  Liebe  zu  Zion  und  der  Hass  über  die  Völker  bekunden  sich 
in  der  Niederwerfung  der  Feinde  und  der  Verherrlichung  Jerusalems  (2  1-9).  Die  Begleit- 
erscheinungen und  die  Folgen  von  beiden  exponiert  der  Schluss  2  10-17,  der  „prophetische 
Lyrik  im  Stil  von  Jes  40  ff."  (Wellh.)  aufweist. 

Das  zweite  Gesicht:  vier  Hörner  und  vier  Schmiede  2 1-4.  1  Das 

Hörn  ist  wie  öfters  (z.  B.  Ps  92  11  Jer  48  25)  Sinnbild  der  Macht  und  die  Vier- 
zahl deutet  wie  1  8  (s.  dort)  auf  die  vier  Himmelsgegenden  und  nicht  auf  vier 
auf  einander  folgende  Reiche,  wie  sie  in  den  Visionen  Daniels  erscheinen. 
Sach  denkt  nicht  an  einzelne  Weltreiche,  etwa  Assur  und  Babel,  sondern  die 
ganze  Heidenwelt,  vgl.  1  15  Hag  2  6.  Juda  hat  ja  seit  der  Exilierung  von  allen 
Seiten  nur  Feindschaft  erfahren  und  schon  bei  Hesekiel  erscheint  die  gesamte 
Völkerwelt  im  Gregensatz  zu  der  Theokratie  auf  Zion.  2  Bei  115.^  sie  %er- 

streuten,  bleibt  Sach  nicht  im  Bilde  der  niiljp,  sondern  denkt  an  die  durch 
diese  repräsentierten  Völker.  Der  Hass  der  Heiden  hat  den  Juden  nirgends 
B.uhe  gelassen.  Wegen  der  inconcinnen  Anknüpfung  und  der  unsach- 

gemässen  Beihenfolsre  ist  mit  Wellh.  und  Nowack  Dbtyn*''!  ^8*lti^^"^^5  nach 
rn^rr^'HS  zu  entfernen,  vgl.  auch  das  .Fehlen  dieser  beiden  Namen  in  v.  4.  3  Die 
vier  Schmiede  repräsentieren  die  Mächte,  welche  die  Feinde  Israels  auf  allen 
Seiten  niederwerfen  werden,  die  Sieger  über  die  heidnischen  Mächte;  vgl.  die 
riTltr^lD  •'trin  Hes  21  36  und  bes.  auch  Jes  54  I6.  4  Die  Antwort,  die  der 

Angelus  interpres  v.  4^  Sach  auf  die  Frage  nach  der  Aufgabe  der  vier  Schmiede 
giebt,  ist  sehr  umständlich;  sie  beginnt  unnötig  mit  der  Wiederholung  der 
Bedeutung  der  „Hörner"  und  kann  sich  nachher  nicht  genugthun  in  der  Ver- 
wendung von  b  mit  Infinitiven.  Die  Entfernung  von  H^S  nach  1b^^  in  v.  4^  (so 
Wellh.)  hilft  wenig,  da  dabei  nur  eine  sehr  verwickelte  Konstruktion  mit 

vorangestelltem  Obj.  nli"1j>)n  herauskommt:  die  Hörner die  in  Schrecken 

%u  setzen  kommen  diese.  Der  Text  scheint  viel  mehr  gelitten  zu  haben.  Secun- 
där  ist  wohl  zunächst  die  Wiederholunßf  aus  v.  2  samt  dem  Schlüsse:  ti^^^^"''D3 
1tr«n  t^'^ri^"^,  wo  mit  Wellh.  n^S  für  ^^^  zu  lesen  sein  wird;  n^N""^D3  —  der- 
massen,  dass,  vgl.  Mal  2  9.  Nach  dieser  Ausscheidung  hat  UT\^  keine  Beziehung 
mehr,  und  unter  allen  Umständen  ist  das  doppelte  JIJ^  im  Schlusssatze  auffallend. 


Sach2  4  405  Sach  2  lO 

LXX  hat  für  T'inn^  toü  (i;uvai,  danach  liest  Gunkel  (Schöpf,  und  Chaos  122) 
inr^b  und  punktiert  Dn«  für  Dn«;  aber  der  damit  gewonnene  Sinn  „die  Hacken 
ZU  wetzen''  ist  schwerlich  eine  Verbesserung.  Eher  darf  man  wohl  ont^  l^'inn? 
(vielleiclit  nnnn^,  zu  vertilgen,  zu  lesen)  als  Parallele  zu  niilj^TiS  ni^^S  und 
'i:i  D^llin  als  Parallele  zu  nunp,  resp.  nach  LXX  zu  ursprünglichem  ni:"3j^n  j;?l« 
betrachten.  Vermutlich  lautete  v.  4  von  nb«'?  ab  einfach:  y?l«-ri«  nii:^  D^sn  njp« 
nu^l^n  =  rf/^^^'  kommen  um  die  vier  Horner  niederzuwerfen.  Das  Übrige  im 
Text  wäre  dann  Auffüllung  teils  um  die  Parallele  aus  v.  2  der  Situation  ent- 
sprechend zu  vervollständigen,  teils  ('Ul  DM:in)  um  die  „Hörner''  noch  genau  zu 
erklären.    Für  rv^r\\  pS  liest  LXX  Hin:  p^S. 

Das  dritte  (iesicht:  der  Jünj^liiif^  mit  der  Messsclmiir  2  5-i>.  5  Der 

ty'^«,  Mamiy  wird  später  'lj;in,  der  Jüngling,  genannt;  er  repräsentiert  nicht,  wie 
manche  Exegeten  vermuten,  den  Propheten  selber,  sondern  ist  eine  Personifi- 
zierung des  im  Volke  und  auch  im  (von  seinem  alter  ego,  dem  Angelus  inter- 
pres,  noch  unbelehrten)  Propheten  lebenden  ungeduldigen  Wunsches,  zu  wissen, 
w^elche  Grösse  und  Ausdehnung  das  wiederaufzubauende  Jerusalem  haben 
solle.     Passend  wird  diese  wissbegierige  Ungeduld  durch  einen  Jüngling  dar- 
gestellt, vgl.  StK  1892,  237  f.  6  Es  handelt  sich  um  das  irdische  Jerusa- 
lem und  seine  mit  Sehnsucht  erwartete  Wiederherstellung.  7  Für  das 
erste  «>;''  liest  LXX  n??jr,  was  der  ursprüngliche  Text  sein  wird  (Wellh.  u.  a.); 
der  Angelus  interpres  hat  ja  seinen  ständigen  Platz  bei  dem  Propheten.   Zu 
"TDj;,  dastehend,  auftretend,  vgl.  3  5  und  TpS^n  Jes  21  6.  AVir  würden  den  Inhalt 
etwa  so  ausdrücken:  Gleichzeitig  trat  der  Angelus  interpres  auf  und  kam  ein 
anderer  Engel  ihm  entgegen  hervor.             8  Subj.  zu  "IDN'l  ist  der  Begleiter- 
engel des  Propheten  und  angeredet  wird  von  ihm  der  andere  Engel.  I^.^H 
\\r\,  jener  Jüngling y  ist  der  Mann  mit  der  Messschnur  v.  5;  dem  soll  der  andere 
Engel  nacheilen  und  ihm  die  Mitteilung  machen,  dass  sein  Vorhaben,  die 
Grenzen  Jerusalems  abzustecken,  ganz  unnütz  sei;  denn  ni?*lS  d.  h.  in  offenem 
Gelände  vgl.  Hes  38  ii  Est  9  19,  nicht  als  n^^D  Tj;  d.  h.  als  ummauerte  Stadt, 
die  keiner  Erweiterung  fähig  ist,  soll  Jerusalem  wohnen  d.  i.  daliegen,  also: 
absque  muro  habitabitur  Jerusalem.    Wegen  des  Nachdrucks,  der  auf  nins 
liegt,  ist  dies  Wort  vorangestellt.             Die  Menge  der  Menschen  und  Tiere, 
die  Jerusalem  bevölkern  werden,  fordert  die  Ausdehnungsfähigkeit  der  Stadt. 
Eine  Gefahr  hat  das  nicht;  denn             9  Jahwe  selber  will  ihr  ringsum  eine 
Feuermauer  sein,  sie  aufs  beste  schützen,  vgl.  Jes  4  5  26  i  33  21  s.  auch  II  Peg 
617,  und  im  Innern  ihr  zur  Yerheri'lichung  gereichen,  s.  zu  Hag  1  8.  Die  vom 
Propheten  Sach  (vgl.  auch  Hes  38  11)  erwartete  Herrlichkeit  traf  nicht  ein; 
Nehemias  grösste  Sorge  war  es  im  folgenden  Jahrhundert,  die  Gemeinde  in  Jeru- 
salem durch  Mauern  vor  den  Angrifi'en  der  heidnischen  Umgebung  zu  sichern. 

Prophetische  Mahnungen  und  Yerheissun^en  2  lo-ir,  *  Rothstein  (die 
Genealogie  des  Kgs  Jojachin  41f.)  hat  Recht,  wenn  er  2  10-17  als  aus  dem  geschlossenen 
-Rahmen  der  Gesichte  herausfallend  ansieht;  er  möchte  jedoch  den  Abschnitt  Sach  nicht 
absprechen,  sondern  nur  vermuten,  dass  ein  fremder  Diaskeuast  ihn  hierher  gesetzt  habe, 
weil  er  sich  gar  wohl  an  2  1-9  anschliessen  lasse.  Aber  es  kann  sehr  wohl  der  Prophet 
selber  diese  passende  Stelle  benutzt  haben,  um  den  straffen  Gang  der  Erzählung  von  seinen 
Gesichten  zu  unterbrechen  und  den  Gefühlen  und  Hoffnungen  Ausdruck  zu  verleihen,  die 


Sach  2  10  406  Sach  2  12 

ihn  gerade  erfüllten,  als  er  die  grossen  Verheissungen  von  der  Vernichtung  der  Heiden- 
welt und  von  der  Verherrlichung  Zions  erhalten  hatte.  Auch  anderswo  wiederholt  sich 
doch  eine  ähnliche  Erscheinung,  vgl.  4  6-10  (s.  dort).  Andrerseits  kann  nach  dem  Inhalt 
weder  geschlossen  werden,  dass  in  2  10-17  der  Standort  des  Propheten  die  letzte  Zeit  des 
Exils  sei  (so  Nowack),  noch  dass  unter  Cyrus  keine  Heimkehr  von  Exulanten  stattgefunden 
habe  (so  Kosters).  Um  519  sassen  der  Exulanten  noch  genug  in  Babel  und  in  der  Heiden- 
welt und  gerade  die  nach  2  1-9  zu  erwartende  messianische  Krisis  mit  dem  Gericht  über 
die  heidnischen  Mächte  und  dem  Heile  Zions  konnte  der  Anlass  für  den  Propheten  sein, 
zur  Flucht  aus  der  AVeit  und  zur  Heimkehr  nach  Zion  aufzufordern. 

10  11  Aufforderung  zur  Heimkehr  aus  dem  Exil.  10  MH  als  Aus- 

ruf des  Ermahnens  gebraucht  wie  Jes  18  i  55  i ;  besonders  die  letztere  Stelle 
ist  lehrreich  und  genau  parallel.  Für  ^D^l  ist  nach  LXX  ^D^  ohne  ]  zu 

lesen;  eine  Flucht  ist  die  Heimkehr,  weil  der  Heidenwelt  das  Gericht  bevor- 
steht 2  4.  ]15^  ]>"l^,  das  Nordland,  ist  Babylonien  (vgl.  v.  ii),  wohl  so  ge- 
nannt, weil  der  Weg  dorthin  zuerst  nordwärts  bis  an  den  Euphrat  führte,  doch 
vgl.  zu  Jo  2  20.  Im  mas.  Text  ist  v.  lo^  keine  gute  Fortsetzung:  „flieht 
aus  Babel,  denn  ich  habe  euch  in  alle  Winde  zerstreut ^S  ist  doch  kein  annehm- 
barer Zusammenhang.  Giebt  man  ""Wlö  die  Bedeutung:  ausbreiten  und  sieht 
in  dem  Perf.  ein  Perf.  der  Gewissheit,  so  harmoniert  die  verheissene  Ausbreitung 
nach  allen  Seiten  nicht  mit  v.  ii,  wo  als  Ziel  der  Flucht  Zion  genannt  wird. 
Man  lese  darum  mit  Wellh.  und  Nowack  nach  LXX  J^?*]«)?  für  y51«3  und 
^P^^^,  resp.  mit  Chetne  "^ripp^  für  ""n^^"!?:  denn  aus  den  vier  (s.  hierzu  1  8) 
Winden  des  Himmels  sammle  ich  euch  (das  Perf.  ist  das  Perf.  der  Gewiss- 
heit). 11  ]f  Ii  ist  nicht  als  Vokativ,  sondern  nach  LXX  (sU  2]i(i)v)  als 
Lokativ  zu  fassen;  Zion  ist  ja  der  Ort  der  Rettung  und  der  Herrlichkeit  v.  sf.  14. 
Angeredet  ist  vielmehr  ^D?"-^?  ^5^*^N  was  jedoch  in  by^  HD^I*^  zu  verbessern  ist 
(ni  ist  aus  Dittographie  der  letzten  Buchstaben  von  niti^V  entstanden  Wellh. 
u.  a.);  denn  das  erste  würde  die  Einwohnerschaft  Babels  bedeuten,  w^ährend 
doch  nur  die  in  Babel  wohnende  Judenschaft  sich  retten  soll. 

12  13  Motivierung  der  Aufforderung  zur  Flucht.  Spezielle  histo- 

rische Ereignisse  waren  es  nicht,  die  den  Propheten  zu  dieser  Aufforderung 
veranlassten;  Grund  genug  sind  ihm  die  bevorstehenden  eschatologischen  Be- 
gebenheiten. 12  Der  mit  7\)7\\  ID^  Hä  angekündigte  Spruch  folgt  erst 
V.  13;  demnach  ist  v.  12^  eine  Parenthese,  worin  der  Prophet  das  Einschreiten 
Gottes  gegen  die  Heiden  motiviert,  und  die  auch  von  LXX  bestätigte  Lesart 
li"»;^.  richtig.  Aus  der  Yergleichung  mit  dem  Spruche  Gottes  v.  13^  ergiebt  sich, 
dass  DDn«  D^Wt^n  D^.llin-^«  das  Obj.  zu  11?«  ist  (vgl.  mit  diesem  Obj.  'f)  hh^ 
und  die  nur  auf  dasselbe  zu  beziehenden  Suffixe  DH—  in  v.  13^),  Somit  ist  IHS 
^^yhyi  11^5  als  Fremdkörper,  der  den  Zusammenhang  stört,  aus  dem  Kontext 
zu  entfernen  (Wellh.,  Nowack).  Der  Sinn  der  drei  eingeschobenen  Worte 
•^inbty  nins  in«  ist  uns^ewiss;  1U3  nn«,  hinter  Ehre,  bedeutet  doch  auch  nicht: 
um  Ehre  %u  erlangen.  Oort  ändert  in  '^  "11^5^  "1^1^;  aber  was  diese  grammatisch 
nun  eingegliederte  Bemerkung:  der  mich  nach  Ehre  ausschickte^  im  Zusammen- 
hang soll,  bleibt  unklar.  Die  Verbindung  "JIM  in«  kommt  auch  in  Ps  73  24  vor. 
Cheyne  liest  dort  dafür  nins  nn«;  danach  schlägt  er  vor,  auch  hier  so  zu  lesen 
oder  noch  besser  p«  für  ni«  zu  setzen,  ferner  "^^H^^  in  die  Form  "^xbw  zu  ver- 


Sach  2  12  407  Sach  2  17 

bessern  und  das  ganze  Sätzchen  ^nbc^  1^22  yi^,  in  das  Land  der  Herrlichkeit 
hat  er  dich  (jesajidt,  an  den  Schluss  von  v.  ii  zu  setzen.  Es  ist  möglich,  dass 
diese  Verl)indung  Hecht  hat.  Zu  'b^  1??S       ä/jer  ("h^  --  b'^_)jtnd  sprechen 

vgl.  Jer  22  18.  |";j;  riDIi,  der  Aufjapfel,  (auch  yy_  ]W^'^  genannt;  wird  mit 

der  grössten  Sorgfalt  behütet,  vgl.  JJtn  32  lo  Prv  7  2  Ps  17  8;  zu  der  Bedeutung 
von  nn^  und  IIIT^S  vgl.  KHC  zu  Ps  17  8.  13  *3  steht  recitativ  zur  Ein- 

führung des  Spruches  (Jottes.  ^J^  T  ^"^^n  ==  zum  Schlage  (jegen  jmd  mit 

der  Hand  ausholen,  vgl.  Jes  1 9  16.  Die  Lesart  schwankt  zwischea  DH'^nzj;'? 

und  DiTI^J;^;  der  sachliche  Unterschied  ist  unwesentlich,  doch  liest  bereits  die 
LXX  das  Particip.  Die  Juden  sind  jetzt  die  den  Heiden  dienenden,  sie  sind 
von  ihnen  ausgeplündert  (v.  12);  mit  dem  Eintritt  des  Weltgerichts  (v.  1-9) 
kehrt  sich  das  Verhältnis  um.  Derselbe  Gedanke  ist  ausgesprochen  Hag  2  7 f., 
auch  schon  Jes  49  22fo  und  dann  wieder  Jes  60  5-16  61  4-6  62  11  f.  Der 

Schlusssatz  V.  13''  kehrt  wieder  v.  15  4  9  6  15:  An  der  Erfüllung  soll  die  Sendung 
des  Propheten  durch  Jahwe  erkannt  werden  (vgl.  die  Aufstellung  dieses  Grund- 
satzes Dtn  18  22).  Diese  Bemerkung  tritt  offenbar  der  Ansicht  entgegen,  dass 
Sach  nicht  von  Jahwe  geschickt  sei.  über  das  Auftreten  einer  solchen  Meinung 
kann  man  sich  nicht  wundern,  da  die  Erfüllung  lange  auf  sich  warten  Hess. 
Wahrscheinlich  w^aren  es  aber  nicht  die  unmittelbaren  Zeitgenossen,  die  solche 
'Zweifel  hegten  (vgl.  Hag  1  12-14),  sondern  die  Späteren.  Die  Bemerkung  rührt 
deshalb  wohl  von  einem  Redaktor  her,  der  Sach  nicht  aus  der  Reihe  der  echten 
Propheten  ausgeschieden  sehen  und  daher  auf  die  Erfüllung  in  der  Endzeit 
hinweisen  w^oUte.  Durch  die  Entfernung  von  v.  13^  leidet  der  Zusammenhang 
nicht.    S.  Einl.  II 1. 

14 — 16  Aufforderung  an  Zion  zum  Jubel  über  'das  ihm  bevorstehende 
Glück.  14  ''?"i,  gegen  die  Regel  auf  der  Endsilbe  betont,  wie  Jes  54  1 

Zph  3  14,  s.  Ges.-Kautzsch27  §  67  ff.  Der  Grund  zum  Jubel  ist  die 

baldige  Rückkehr  Jahwes,  noch  ist  er  fern,  sein  Tempel  ist  ja  auch  noch  nicht 
gebaut.  15  Dann  werden,  so  fährt  der  Prophet  in  eigenen  Worten  fort, 

auch  viele  Völker  sich  Jahwe  anschliessen  und  ihn  verehren;  zu  lesen  ist  mit 
LXX  1^  für  h,  wie  auch  die  Grammatik  verlangt.  DJ^^  1^,  ihm  zum  Volk^ 

d,  h.  zu  seinen  Verehrern  und  Anhängern.  Dieselbe  Verheissung  findet  sich 
8  20-23  Jes  2  1-4  Mch  4  1-4  Jes  19  18-25.  Dem  Zusammenhang  ent- 

sprechend kann  in  v.  15^  nur  ]'2m  für  ^P^y^'^]  gelesen  werden,  LXX  sieht  darin 
mit  Unrecht  eine  Aussage  über  die  Völker  und  liest  ^i?^];  aber  "^in^  p^*  ist 
der  Ausdruck  für  Gottes  Wohnen  unter  seinem  Volk.  Übrigens  ist  damit  nur 
V.  14  wieder  aufgenommen  und  daran  das  sekundäre  Element  aus  v.  13^  an- 
geschlossen; es  wird  daher  ganz  v.  15^  Interpolation  sein.  16  ist  Fort- 
setzung von  V.  15*:  Auch  wenn  die  Völker  Jahwe  verehren,  so  bleibt  doch 
Juda  sein  Eigentum  und  Erbe  (vgl.  p^n  und  Tbr\}  Dtn  32  9)  und  zwar  auf  dem 
heiligen  Boden,  vgl.  zu  dieser  Bezeichnung  Palästinas  II  Mak  1  7 :  tj  dyta  y^ 
und  Jes  11  9  65  25:  "^^liJ  nn.             Zu  v.  iß^  vgl.  1  17. 

17  Aufforderung  zur  Vorbereitung  auf  Jahwes  Kommen,  vgl.  dazu  Zph  1 1 ; 
„aber  Zph  droht,  Sach  verheisst"  (  Wellh.).  Nach  dem  Exil  ist  der  Tag  Jahwes, 
da  das  Gericht  über  die  Juden  schon  ergangen  ist,  nur  das  über  die  Heiden 


Sach  2  17  408  Sach  3  l 

noch  aussteht,  weit  mehr  ersehnt,  als  gefürchtet.  Zu  ItT^^jJ  ]1J;ö  =  dem  Him- 

mel vgl.  Dtn  26  15  Jer  25  so  und  zu  dem  Perf.  Niph.  Ilj;;?  s.  Ges.-Kautzsch  27 

§  72  V  und  ee. 

Die  \ierie  und  die   fünfte  Vision:  Die  Aorbereilun^  des  Heiles  in  Juda 
durch   (iottes   Gnade  und   Fürsorge   3  1—4  14.  Die  Zusammengehörigkeit  dieser 

Visionen  ergiebt  sich  deutlich  aus  ihrem  Inhalt;  denn  es  handelt  sich  in  beiden  um  die 
Führer  der  neuen  Gemeinde,  das  geistliche  und  das  politische  Haupt  derselben,  Josua  den 
Hohepriester  und  Serubbabel  den  Statthalter.  Beide  erfreuen  sich,  so  wird  ausgeführt, 
des  göttlichen  AYohlgefallens  und  dürfen  sich  der  göttlichen  Fürsorge  und  Hut  getrösten. 

Das  vierte  Gesicht:  Die  Begnadigung  des  Hohepriesters  3  1-10.  Josua 

der  Hohepriester  steht  vor  dem  Tribunal  des  Engels  Jahwes  und  neben  ihm  „der  Satan", 
um  ihn  zu  verklagen.  Die  Klage  wird  abgewiesen  mit  dem  Hinweis  auf  die  Strafe,  die  ja 
so  gründlich  ergangen  sei,  dass  die  Gemeinde  nur  einem  aus  dem  alles  verzehrenden  Feuer 
geretteten  Brandscheit  gleiche,  und  auf  die  unumstösslich  feststehende  Erwählung  Jerusa- 
lems durch  Jahwe  als  der  Stadt  des  kommenden  messianischen Königs.  Die  Schuld, 
deren  Josua  angeklagt  wird,  ist  keine  Privatschuld  (etwa,  wie  man  ganz  mit  Unrecht  ver- 
mutet hat,  die  Heirat  einer  nichtjüdischen  Gattin),  noch  auch  ein  amtliches  Vergehen  als 
Hohepriester,  sondern  es  ist  die  Schuld  des  Landes  (vgl.  v.  9),  als  dessen  Vertreter  und 
geistliches  Haupt  Josua  erscheint.  Des  Landes  Schuld  aber  sind  die  Sünden,  die  das  Volk 
in  die  Verbannung  führten  und  durch  diese  Wegführung  ihre  Bestrafung  erfuhren  (vgl.  v.  2^). 
Doch  scheinen  die  gegenwärtigen  schwierigen  Verhältnisse,  in  denen  die  Gemeinde  sich 
befindet,  noch  deutlich  zu  verraten,  dass  die  Schuld  immer  noch  nicht  abgetragen  ist. 
AVer  vom  Unglück  verfolgt  wird,  kann  nicht  ohne  Schuld  sein  und  immer  muss  noch  die 
Klage  gegen  ihn  vor  Jahwe  in  Kraft  sein.  Besonders  wenn  sich  in  dem  Bewusstsein  der 
Gemeinde  mit  der  Beurteilung  der  heutigen  Gegenwart  die  Erinnerung  an  die  Drohungen 
der  „früheren  Propheten"  (1  4)  verband,  konnte  sich  das  Gefühl  festsetzen,  dass  eine  glück- 
liche Zukunft  unmöglich  sei  und  dass  das  Recht  eine  völlige  Vernichtung  fordere,  da  die 
Schuld  und  die  Sünde  des  Volkes  zu  gross  seien,  um  vergeben  zu  werden.  Diese  Zweifel 
und  Bedenken,  diese  Einwände  und  Ansprüche,  welche  das  Becht  und  die  göttliche  Ge- 
rechtigkeit nach  der  damals  gewöhnlichen  Auffassung  erheben  mussten,  wurden  zu  Stimmen 
der  Anklage,  die  gerade  die  Gewissenhaftesten  in  ihrem  Innern  vernahmen.  Diese  An- 
klage objektiviert  und  peronificiert  nun  Sach,  wie  er  die  ungeduldige  "Wissbegierde  nach 
der  Ausdehnung  Jerusalems  in  dem  jungen  Mann  mit  der  Messschnur  darstellte  (2  5),  in 
dem  Satan,  der  vor  Gott  die  Anklage  gegen  die  Gemeinde  führt.  Er  heisst,  was  er  ist, 
der  Ankläger;  es  kommt  in  seiner  ganzen  Gestalt  auf  nichts  andres  an,  als  dass  er  die 
Anklage  erhebt,  dass  er  der  Träger  und  Vertreter  der  von  dem  Becht  hergenommenen  Be- 
denken gegen  die  Herbeiführung  der  messianischen  Zeit  ist.  Da  nun  eine  frühere  Existenz 
einer  solchen  Gestalt  des  Satans  unerwiesen  ist  (Hiob  halte  ich  auch  in  seinen  Anfangs- 
kapiteln für  später  als  Sach  1 — 8),  dieselbe  auch  in  ihrem  Charakter  keine  Züge  einer  Ver- 
wandtschaft mit  den  Wüstendämonen  aufweist  und  die  Versetzung  einer  solchen  dem 
Volksglauben  entnommenen  Spukgestalt  in  den  himmlischen  Areopag  überhaupt  unwahr- 
scheinlich klingt,  ist  anzunehmen,  dass  Sach  diese  Gestalt  des  Satans  selber  gebildet  hat. 
Sie  ist  das  nach  aussen  geworfene  Bild  der  im  Innern  gegen  Gottes  Gnade  sich  erhebenden 
Stimme,  und  im  himmlischen  „Hofstaat"  einen  solchen  Ankläger  sich  vorzustellen,  musste 
nicht  schwer  werden ,  da  bei  irdischen  Königen  dergleichen  Diener  nicht  fehlen  mochten, 
die  mit  oder  ohne  amtlichen  Auftrag  ähnliche  Geschäfte  besorgten,  vgl.  Hes  21  28  29  16 
I  Reg  17  18  und  Jes  62  6.  Dem  Propheten  ist  die  Nichtigkeit  aller  anklagenden  Be- 
denken seines  natürlichen  Sinnes  und  seiner  rein  juristischen  menschlichen  Betrachtungs- 
weise offenbar  geworden;  die  Vision  hat  den  Zweck,  diese  Wahrheit  von  Jahwes  Gnade 
seinen  Zeitgenossen  kund  zu  thun,  ihre  Zweifel  verstummen  zu  lassen  und  ihren  Mut  zu 
beleben,  darum  wird  der  Satan  vor  Jahwes  Thron  zur  Einstellung  seiner  Anklage  und  zum 
Schweigen  verurteilt.  Zu  Cap.  3  vgl.  meine  Studie:  Der  Ursprung  des  Satans  in 
StK  1892,  207—245,  sowie  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.  4  §  55;  ferner  s.  Georg  Hoffmann, 


Sach  3  1  409  Sach  3  5 

Hiob  S.  32.  Einen  älteren  Tlrsprung  und  volkfitümliclien  Ilinter^i'und  des  Satans  dagegen 
nimmt  an  Hans  Duhm,  die  bösen  Geister  im  AT  S.  1(> — 20  58 — 6J. 

1  r[)r\"^  ^^bü  ist  von  nirr^  verscliicden,  aber  niclit  mehr  wie  frülier  bloss  als 
die  Repräsentation,  sondern  als  der  irdische  Stellvertreter  Jahwes  gefasst  vgl. 
Mal  3  1  Jes  63  9  Ps  34  8  35  5.  Dass  hier  die  erste  Spur  von  der  Vorstellung 
des  Engels  als  des  Schutzengels  der  Gemeinde  vorliege,  hat  wohl  Krätzschmar 
(Bundesvorstellung  238f.)  mit  Unrecht  angenommen;  denn  dass  der  „Engel 
Jahwes"  für  die  Gemeinde  eintritt,  liegt  nicht  in  einer  besondern  Beziehung, 
die  der  Engel  zu  ihr  hätte,  sondern  in  der  Entscheidung  und  dem  Willen  Jahwes, 
dessen  Diener  er  ist.  IJber  ]Db^n  s.  Vorbemerkung.  Die  rechte  Seite 

des  vor  Gericht  Stehenden  ist  nicht  ausschliesslich  der  Platz  des  Anklägers, 
wiePs  109  31  im  Vergleiche  mit  Ps  1Ö9  6  zeigt,  wo  Jahwe  zur  Rechten  des  An- 
geklagten erscheint,  um  ihm  zu  helfen.  Zur  Rechten  jemandes  stehen  bedeutet 
daher:  ihm  zur  Seite  treten,  die  Hand  auf  ihn  legen;  der  Unterschied  von  rechts 
und  links  bleibt  dabei  ausser  Spiel  (so  Wellh.).  2  Für  das  erste  1V\T\\  ist 

mit  Wellh.  u.  a.  XWX\\  '^^^^?  zu  lesen;  nur  dieser  ist  gegenwärtig  v.  i  3,  von 
jenem  wird  als  einem  Abwesenden  in  der  3.  Pers.  gesprochen  v.  2.  Aus 

den  Worten  des  Ti)r\\  "^S^D  ersieht  man,  dass  der  Ankläger  geltend  macht  mit 
der  Strafe,  die  Juda  betroffen  hat,  sei  dem  Rechte  nicht  Genüge  gethan  und 
dieses  fordere  weit  schärfere  Massnahmen,  lasse  überhaupt  eine  Besserung 
der  Lage  nicht  zu.  Jahwe  entscheidet  anders  und  die  Anklage  wird  als  un- 
begründet endgültig  abgewiesen,  vgl.  zu  "\^_\  Jes  17  13.  Die  Strafe  ist  ja  in  aller 
Härte  ergangen,  die  aus  dem  Exil  Zurückgekehrten  sind  nicht  mehr  als  ein 
ti^JSItt  '^^D  n^«,  vgl.  dazu  Am  4  ii,  und  Jahwes  Wahl  von  Jerusalem  ist  nicht  rück- 
gängig zu  machen,  vgl.  1 17  2  16.  3  Zum  Verständnis  der  folgenden  drama- 
tischen Darstellung  von  Josuas  Freisprechung  wird  nachgeholt,  dass  Josua 
als  Angeklagter  in  schmutzigen  Kleidern  vor  Gericht  erschienen  ist.  D'^i^l^  ist 
Plur.  das  Adj.  ^i^1i\  4  Der  Engel  Jahwes  befiehlt  den  xy&>  D^1J?V0'  ^^^^  ^'^^' 
ihm  stehenden^  d.  i.  den  Gerichtsdienern,  die  selbstverständlich  auch  im  himm- 
lischen Gerichtshof  nicht  fehlen,  Josua  die  schmutzigen  Kleider  auszuziehn. 
Die  natürliche  Portsetzung  dieses  Befehls  ist  der  Schluss  von  v.  4^ :  D  in«  Iti^^'l^Hy 
wie  mit  der  LXX  zu  lesen  ist.  Zu  der  Entfernung  der  schmutzigen  Kleider 
bildet  die  Bekleidung  mit  Peierkleidern  das  notwendige  Complement:  die  An- 
klage ist  abgewiesen,  Josua  steht  bei  Jahwe  in  Gnaden  undEhren.  Der  Zwischen- 
satz verrät  sich  als  Glosse  durch  Inhalt  und  Form;  denn  der  Mal'ak  Jahwe 
kann  sich  nicht  an  Stelle  Jahwes  setzen  und  von  sich  aussagen,  was  Jahwe 
thut,  der  allein  die  Sünde  verzeiht.  Die  Worte  sind  als  Glosse  an  den  Rand 
geschrieben,  um  Jahwe  selber  den  Sinn  der  an  Josua  vollzogenen  Handlung 
erklären  zu  lassen,  und  haben,  in  den  Text  geraten,  die  Verderbnis  in  ^ni<  Vilh7\ 
nach  sich  gezogen.  5  Nach  LXX  ist  Ittb^J  als  sekundär  zu  entfernen  und  ^ö'^^l 
für  irs*"'?^;  zu  lesen.  Der  Kopfbund,  ^^:ä^,  ist  das  Insigne  des  Würdenträgers, 
hier  des  Hohenpriesters  wie  HDJ^p  Hes  21  3i  Jes  62  3  des  Königs.  Josua  soll  die 
förmliche  Investitur  zum  Hohenpriester  erhalten.  Die  Ausführung  des  Be- 
fehles ist  kaum  vollständig  erhalten;  vielleicht  ist  hinter  D'^HJS  das  schwer  zu  ent- 
behrende D'^lhD  einzusetzen  und  die  Reihenfolge  der  beiden  Glieder  umzustellen ; 


Sach  3  5  410  Sach  3  8 

bei  ^''^^n  könnte  lin^n  eher  fehlen.  Das  Aufstehen  des  Engels  hat  einen  viel 

bessern  Grund,  ^venn  es  geschah,  um  die  Wichtigkeit  der  folgenden  feierlichen 
Verkündigung  hervorzuheben,  als  um  die  Ausführung  der  Investitur  zu  über- 
wachen. Darum  lese  man  nt?j;,  Perf.,  und  ziehe  die  drei  Worte  zu  6.  Zu  3  H^J^H 
s.  Gen  43  3  Jer  42  i9  und  vgl.  Dtn  30  1 9.  7  mö^D  1??li^,  die  Ordnung  befolgen, 
meint  hier  insbesondere  die  kultischen  Ordnungen  beobachten,  wie  sie  im  Jahwe- 
dienst gelten,  und  jedenfalls  allen  Dienst  auf  den  Höhen  vermeiden,  vgl.  Hes  44  15 
48  11.  Bei  diesem  Sinn  der  Bedingungssätze  versteht  man  die  mit  nriS'D^l  begin- 
nenden Nachsätze;  denn  die  Treue  in  der  Vermeidung  von  Höhendienst,  der  den 
Spätem  als  Götzendienst  erschien,  konnte  Josua  erst  zum  Regenten  über  den 
Tempel  geeignet  machen.  ^Xy^^  und  "^"l^Jn zusammen  sind  die  ganze  Tempelanlage; 
nun  soll  der  Hohepriester  darüber  verfügen,  nicht  mehr  wie  früher  die  Könige. 
Um  dieses  JSTeuen  willen  ist  wohl  das  Pronomen  7\:\)^  hervorgehoben.  D?*)  ♦  ♦  ♦  ♦ 
u:^\=sowohl  —  als  auch,  gehört  zu  den  Verben.  Zu  dieser  Herrschaft  über  den 
Tempel  erhält  der  Hohepriester  noch  die  hohe  Verheissung,  j  ederzeit  vor  Gott  Zu- 
tritt zu  haben,  d.  h.  also  eine  Gott  so  angenehme  Person  zu  sein,  dass  er  der  Erhö- 
rung der  von  ihm  vorgebrachten  Bitten  sicher  sein  kann  vgl.  J  er  30  2 1 .  H^NH  D'"lö Vn 
sind  dieselben  wie  v.  4,  die  himmlischen  Diener  des  Engels  Jahwes,  und  D'D^n??, 
wohl  besser  DO^ni?  gelesen(GES.-KAUTZsCH27§530),  bedeutet  Gänge,  dX^oZutritt, 
8---10  bereitet  mancherlei  Schwierigkeiten.  Formell  fällt  auf,  dass  in 
V.  9  die  Anrede  an  Josua  aufgegeben  ist  und  y.  lo  eine  Mehrzahl  angeredet 
wird,  sowie  dass  v.  9  von  jenem  Lande  (^<^*^^)  spricht,  ohne  dass  vorher  doch 
ein  Land  genannt  ist.  Sachlich  stösst  man  sich  daran,  dass  nicht,  wie  sonst 
(vgl.  4  6-10),  Serubbabel  als  das  politische  Haupt  neben  Josua  erscheint,  sondern 
j^mein  Knecht  Spross^^ ;  und  endlich  weiss  man  sich  nicht  recht  zu  helfen,  was 
man  unter  „dem  Stein"  y.  9  zu  Yerstehen  hat.  Es  kommt  dazu,  dass  die  Grund- 
stellen im  Buche  Jeremia,  auf  denen  die  Bezeichnung  des  Messias  als  „Spross" 
beruht,  jüngeren  Datums  sind,  Ygl.  Jer  23  5  33  15.  Es  ist  darum  mit  Duhm  (s. 
zu  Jer  23  5)  anzunehmen,  dass  hier  Sach  späterer  Bearbeitung  unterzogen 
worden  ist;  vermutlich  sind  y.  8^  und  lo  spätere  Zuthaten  und  ist  auch  v.  9  nicht 
intakt  überliefert,  s.  die  Erklärung.  8  Josua  ist  noch  angeredet  wie  v.  7, 

IUI  nn^?  gehört  nicht  mehr  zur  Anrede,  sondern  ist  der  Beginn  des  Wortes, 
auf  das  zu  hören  er  zu  Anfang  Yon  v.  8  aufgefordert  wird.  Mit  ''?  nach  ^'•iD^ 
ist  nichts  anzufangen,  es  verwirrt  nur  die  Konstruktion  und  das  Verständnis 
des  Satzes;  man  wird  es  darum  als  falsche  Dittographie  des  vorangehenden 
^"  aus  dem  Texte  entfernen  (Wellh.,  Nowack).  Auch  T\^7}  ist  ungrammatisch 
und  nur  als  Folge  des  eingeschobenen  ^S  ebenfalls  zu  Unrecht  eingeschlichen; 
zur  Verteidigung  eines  Übergangs  von  der  Anrede  in  die  dritte  Person  darf 
man  sich  nicht  auf  Zph  2  12  berufen,  s.  dort.  Der  Sinn  von  v.  8^  ist:  Josua  und 
das  ganze  Priesterkollegium,  das  er  präsidiert,  sind  Männer  des  Vorzeichens, 
(vgl.  zu  nslD  Jes  8  18  Hes  12  6  24  24)  d.  h.  im  Allgemeinen:  die  Gewähr  einer 
glücklichen  Zukunft.  Wie  diese  speciell  zu  deuten  ist,  bleibt  schwierig,  weil 
V.  8^  überarbeitet  ist.  Ohne  v.  8^  erwartete  man  entsprechend  dem  ganzen 
Kontext  am  ehesten  die  Versicherung  der  Vollendung  des  Tempelbaus,  und  es 
ist  immerhin  möglich,  dass  dies  das  Ursprüngliche  war,  Ygl.  auch  zu  v.  9.  Jetzt 


Sach3  8  411  Sachs  10 

steht  V.  s'^  da:  denn  siehe  ich  bringe  meinen  Knecht  Spross  d.  h.  den  raessia- 
nisclien  König;  fürSacli  ist  esSerubbabel  und  dieser  ist  schon  da,  diei^'assung 
ist  also  unsacliarjanisch,  s.  Vorbem.  zu  v.  8-10.  Von  der  erst  bevorstehenden 
Rückkehr  Serubbabels  aus  dem  Exil  kann  man  die  Worte  doch  auch  nicht 
verstehen;  Serubbabel  ist  mit  Josua  zurückgekehrt.  Zu  erklären:  icli  bringe 
den  schon  anwesenden  Serubbabel  als  Zeraah,  ist  äusserst  gezwungen. 
9  Die  Konstruktion  wird  am  einfachsten  so  erklärt,  dass  man  nj;^^  T\T\\^  ]^ij"^y 
U^yVi  als  Zwischensatz  und  ^^yr\  als  Wiederaufnahme  des  Hin  zu  Anfang  von 
V.  9  auffasst.  Für  "^  ^^^^  ist  vielleicht  ^''^d'?  zu  setzen  (doch  s.  weiter  unten). 
Aber  was  ist  das  für  ein  Stein^  der  von  Gott  vor  Josua  gelegt  ist?  Wi^jAjE..  sieht 
in  V.  9  eine  Ausführung  von  v.  8'\  Der  Stein  scheint  ihm  der  Edelstein  zu  sein, 
der  für  das  Diadem  des  Königs  Serubbabel  bereits  angeschafft  und  dem  Hohe- 
priester übergeben  worden  ist.  Die  sieben  Augen  fasst  er  als  die  sieben  Facetten 
des  Steines,  auf  deren  mittelster  demnächst  ein  Name,  d.  h.  der  Name  Serub- 
babels, eingraviert  werden  soll.  Ist  es  nicht  als  unmöglich  zu  bezeichnen,  dass 
das  G-esicht  von  der  Begnadigung  Josuas  in  eine  Verheissung  der  Krönung 
Serubbabels  auslaufe,  wie  auch  die  fünfte  Vision  in  den  zwei  Gesalbten  (4  u) 
beide  nebeneinander  stellt,  so  wäre  es  doch  erwünscht,  wenn  der  Zusammen- 
hang mit  3  1-7  ein  engerer  wäre.  Viele  Exegeten  sind  daher  der  Ansicht,  dass 
der  Stein  irgend  welche  Beziehung  zu  dem  Tempel  habe.  Aber  der  Grund- 
stein (Hitzig  u.  a.)  kann  es  nicht  sein,  weil  derselbe  bereits  gelegt  ist  (Hag  2  18, 
vgl.  mit  Sach  1  7),  noch  ferner  liegt  es,  an  einen  Edelstein  zu  denken,  den  der 
Hohepriester  statt  der  zwölf  in  seinem  Brustschilde  tragen  soll  (Beedenka^ip), 
oder  darin  den  Stein  zu  sehen,  der  im  neuen  Tempel  als  Ersatz  der  Bundeslade 
seinen  Platz  finden  solle  (Oeelli).  Früher  (StK  1892,  211—215)  dachte  ich, 
der  Stein  könne  als  Sjmabol  des  Tempels  gefasst  werden;  die  Unterscheidung 
des  Steines  in  3  9  von  dem  Steine  in  4  7  und  10  muss  ich  aber  jetzt  für  unmög- 
lich halten  und  darum  j^iSin  für  den  Schlussstein  des  Tempels  ansehen  (so  auch 
Steinee).  Der  Sinn  von  v.  9  scheint  mir  daher  zu  sein:  Jahwe  verheisst,  dem 
Schlussstein  (des  Tempels),  auf  den  sieben  Augen  gerichtet  sind  (vgl.  Esr  5  5), 
d.  h.  dem  Jahwes  ganze  allessehende  Fürsorge  (=  die  sieben  Augen  vgL  410) 
gilt,  den  gehörigen  Schnitt  und  die  notwendige  Gravur,  sei  es  die  Inschrift,  sei 
es  die  Verzierung,  die  ihm  gebührt,  zu  geben,  also  für  die  Vollendung  des 
Tempelbaus  zu  sorgen.  Von  hier  aus  halte  ich  es  für  möglich,  dass  ursprüng- 
lich ^5?1!  ^^'^^  fü^  J^^'^'T  "'^p'?  zu  lesen  war,  vgl.  zu  6  11;  so  steht  v.  9  in  engem 
Zusammenhang  mit  3  1-8^  und  Serubbabel  ist  dabei  nicht  vergessen.  An  die 
Vollendung  des  Tempelbaus  schliesst  sich  dann  vortrefflich  die  Verheissung 
des  messianischen  Heils;  denn  dieses  muss  anbrechen  bei  der  Vergebung  der 
Schuld  des  Landes  an  einem  Tag  d.  h.  auf  einen  Schlag,  vgl.  Hag  2  10-19 
Sach  8  10-19.  Damit  schliesst  das  Gesicht  gut  ab,  das  dem  Satan  jede  Erinne- 
rung an  Schuld  untersagt.  ^^7^  bis  l^l^JH  ist  auffallend  (s.  Vorbem.  zu  v. 
8-10),  es  kann  aber  nichts  anderes  meinen  2ii'&  jenes  Land,  in  dem  dann  der 
Tempel  vollendet  steht.  Zu  10  vgl.  Mch  44;  die  Einleitung  mit  ^^'nr}  Dl"? 
und  die  Anrede  ^t<"lpn  lassen  vermuten,  dass  der  Vers  spätere  Zuthat  und  Aus- 
führung von  V.  9^ß  ist,  s.  Vorbem.  zu  v.  8-10. 


Sach  3  10  412  Sach  4  l 

Andre,  aber  kaum  bessere  Auffassungen  von  v.  9  vertreten  Sellin  (Studien  II, 
78-80)  und  Peiser  (Orient.  Litter.-Zeit.  1901,  314f.).  Sellin  vergleicht  die  Bestallungs- 
urkunde eines  Nebopriesters  zu  Borsippa,  die  in  den  Mitteilungen  der  Deutschen  Orient- 
Gesellschaft  Nr.  4  S.  14 ff.  veröffentlicht  ist.  „Es  handelt  sich,  wie  Sellin  schreibt,  um  eine 
auf  beiden  Seiten  stark  konvexe  Tafel  aus  hartem  schwarzen  Stein  von  15  i/2  cm  Breite, 
22  cm  Länge.  Sie  ist  künstlerisch  ausgestattet  und  mit  einer  Inschrift  von  100  Zeilen  ver- 
sehen. Die  merkwürdig  scharf  ausgeführten  Abbildungen  auf  den  einzelnen  Seiten  stellen 
nach  der  Inschrift  selbst  alle  die  Götter  dar,  die  darüber  wachen,  dass  nie  diese  Urkunde  auf- 
gehoben werden  soll.  Unter  diesen  Bildern  nun  finden  wir  etwa  in  der  Mitte  der  schmalen 
oberen  Kante  die  sieben  Augen,  neben  Mond  und  Sonne  offenbar  eine  Darstellung  der 
sieben  Planeten.  Die  Bestallungsurkunde  seibat  lautet  in  der  Hauptsache  folgendermassen: 
„„Die  Göttin  Nana  u.  s.  w.,  deren  Ausspruch  unabänderlich  ist,  unbeugsam  ihr  Befehl,  die 
gleich  einem  barmherzigen  Vater  freundlich  sich  zuwendet;  und  der  Gott  Ae,  der  Starke, 
Kraftvolle,  der  vor  ihr  einhergeht,  der  die  Aufsicht  führt  über  die  Tempel,  die  Einkünfte 
festsetzt  —  sie  sahen  mit  ihren  heiteren  Mienen  gnädig  an  den  Nabumutakkil,  Sohn  des 
Aplu-etir,  und  führten  ihn  in  das  AUerheiligste  Nebos  von  Borsippa  und  gaben  ihm  zu 
eigen  täglich  so  und  so  viel  Mehl  und  Wein,  Rind-  und  Schaf  fleisch,  Eische,  Vögel,  Ge- 
müse u.  s.  w.  an  allen  Einkünften  des  Tempels  Ezida,  so  viele  deren  sind,  gaben  sie  ihm 
Anteil,  gemäss  dem  Spruche  der  Priester,  und  dass  die  Ernennung  nicht  angefochten 
werde,  siegelten  sie  dieselbe  und  händigten  sie  ihm  ein  für  ewig.""  Der  Urkunde  folgt  die 
Aufzählung  der  bei  der  Siegelung  derselben  beteiligten  Würdenträger.  Die  erste  Stelle 
nimmt  hier  das  Stadthaupt  von  Borsippa  ein."  Sellin  hält  dafür,  dass  wir  jetzt  in  dieser 
Urkunde  „noch  einen  ähnlichen  Stein  mit  sieben  Augen  besitzen,  wie  Sacharja  ihn  dem 
Josua  in  der  Vision  hat  einhändigen  lassen",  und  dass  die  sieben  Augen,  die  allein  von  jenen 
auf  dem  babylonischen  Steine  befindlichen  Bildern  Verwendung  finden  konnten,  das  Sym- 
bol dafür  seien,  dass  Jahwe  für  alle  Zeiten  über  die  Giltigkeit  der  Bestallungsurkunde 
Josuas  wachen  werde.  Die  Eingravierung  in  den  Stein  (v.  9*^  nnris  nriöp  ""iin)  entspreche 
der  Siegelung  der  Urkunde  durch  die  Gottheit  und  "•  ^^^b  ^ririj  v.  9^,  dessen  Perfektum 
präsentisch  zu  übersetzen  sei  wie  z.  B.  Gen.  14  22,  drücke  die  Einhändigung  der  Bestallung 
aus,  endlich  sei  in  v.  8^  Serubbabel  genannt  als  der  erste  Würdenträger,  der  Josua  sein 
Amt  zu  verschaffen  habe.  Aber  es  ist  fraglich,  ob  Eingravierung  soviel  wie  Siege- 

lung ist  und  ob  dann  die  Einhändigung  als  etwas  so  Nebensächliches  nur  in  einem  Neben- 
satze angeführt  werden  könnte.  Auch  ist  v.  9,  so  verstanden,  weit  mehr  Begründung  von 
V.  7  als  von  v.  8.  Um  der  sieben  Augen  willen,  die  doch  auf  einer  viel  breiteren  Grund- 
lage ruhen  (s.  4  10),  wird  es  zu  gewagt  sein,  v.  9  nach  der  Bestallungsurkunde  des  Nebo- 
priesters  von  Borsippa  zu  erklären. 

Noch  weniger  Zustimmung  dürfte  Peiser  zu  teil  werden,  dessen  Erklärung  von 
V.  9  mit  seiner  sehr  verwickelten  Auffassung  von  Sach  zusammenhängt.  Die  Schrift,  welche 
der  Verf.  von  Sach  1 — 7  9  seinen  Visionen  zu  Grunde  legte,  soll  die  Beschreibung  einer 
assyrischen  Stele  enthalten  und  auch  einen  Auszug  aus  der  Inschrift  dargeboten  haben. 
Diese  Inschrift  will  nun  Peiser  in  nnnö  (=  Siehe  ich  bin  schreibend  ihre  Schrift  seil, 
die  Schrift  der  Stele,  die  mit  ]3«  vorher  genannt  sein  soll)  erwähnt  finden;  „was  aber  die 
assyrischen  Könige  fürchteten  und  wogegen  sie  den  Fluch  der  Götter  herabriefen,  war, 
dass  ihre  Schrift  und  ihr  Name  weggewischt  werde ;  und  gerade  darauf  scheint  das  folgende 
hinzudeuten.  Die  vorausgesetzte  Quelle  schloss  wohl  an  die  Beschreibung  der  Stele  den 
Bericht,  dass  Jahwe  sie  zerstört  hat,  so  dass  er  von  sich  sagen  konnte:  \>ixn  ]'IV  ns  ^r\W^ 
X\in  (=  „ich  habe  weggewischt  die  Schuld  dieses  Landes  an  einem  Tage").  Und  als  Folge 
dieses  Eingreifens  wurde  gesegnete  Zeit  erwartet:  v.  10." 

Das  fünfte  Gesicht:  Der  Leuchter  und  die  zwei  Ölbäume,  4  i-6a  I0b-i4, 
samt  einem  Wort  über  Serubbabel  4  6b— lOa.  Das  Wort  über  Serabbabel  unter- 

bricht die  Erzählung  der  Vision;  wo  es  steht,  ist  es  so  wenig  an  seinem  Platze,  dass  es 
auch  nicht  durch  einen  Bedaktor,  sondern  nur  durch  Versehen  dorthin  gelangt  sein  kann. 
Nach  seinem  Inhalt,  der  sich  auf  den  Tempelbau  bezieht,  ist  es  entweder  als  Beigabe  zu 


Sach4l  413  Sach  4  10 

3  9   oder  zu  4  14  j^ein(3int.  Die  Vision  selber  hat  den  Sinn:    „Serubbabel  und  Josua 

stehen  unter  der  speziell(3n  Obhut  dessen,  dessen  Jjichter,  dessen  Aupen  die.  ganze  Welt 
durchleuchten,  durchstr(!ifen"  (AVellh.).  Dargestellt  wird  dieser  (ledanke  in  folgender 
Weise:  Sach  sieht  einen  Leuchter  mit  sieben  Lampen  und  zwei  Ölbäume,  einen  zur  Rechten, 
den  andern  zur  Linken  des  Leuchters,  die  nachher  als  die  beiden,  vordem  Herrn  der  ganzen 
Erde  als  Diener  stehenden  Gesalbten,  also  als  Serubbabel  und  Josua  erklärt  werden. 

1  Die  Einführung  der  neuen  Vision  ist  interessant;  sie  zeigt,  dass  Sach 
seinen  Zustand  l)ei  der  Vision  als  Wachsein  empfindet,  also  die  Zeit,  da  der 
Angelus  interpres  ihm  nicht  Offenbarungen  erteilt,  der  Späher  nicht  auf  der 
Warte  steht,  mit  dem  Schlafe  vergleicht.  Für  gewöhnlich  ist  er  nicht  sehend; 
aber  es  giebt  Momente,  wo  er  Dinge  sieht,  die  dem  gewöhnlichen  Auge  ver- 
borgen sind.  2  Die  Form  der  Darstellung  ist  Am  7  8  8  2  Jer  1  ii  13  sehr 
ähnlich.  Statt  1D«">1  ist  mit  Kere  1DSJ  (s.  auch  LXX)  zu  lesen.  Zu  der  An- 
lehnung des  ganzen  Satzes  ^\^  2T\]  an  den  Stat.  constr.  mi^Dygl.GES.-KAüTZSCH27 
§  130  d.  Für  n^^  hat  man  mit  LXX  nV^,  ein  Ölbehälter^  zu  schreiben,  da  das 
Suff,  ganz  unnötig  und  kein  Nomen  b'^  nachweisbar  ist,  s.  auch  v.  3.  Ebenso  ist 
nach  LXX  das  Suff,  an  K}^rp^  zu  tilgen,  das  eine  Suff,  hat  das  andre  nach  sich 
gezogen.  Auch  vor  der  unmöglichen  Vorstellung,  als  ob  14  (7  +  7)  oder  gar 
49  (nj;n^1  nj^l?^  distributiv  gefasst)  Bohren  die  Lampen  mit  dem  Ölbehälter 
verbunden  hätten,  bewahrt  uns  LXX,  welche  nj;:n^  vor  nj^n^*!  nicht  gelesen 
hat.  Schliesslich  ist  noch  für  H^^^T^I^  ^üi^  das  einfache  n^^V""^^^^  zu  lesen;  es 
kann  hier,  wo  es  sich  um  die  ßöhren  handelt,  nicht  nachträglich  eine  andre 
Ortsbestimmung  für  die  Lampen  folgen,  als  die  vorher  gegebene:  H^^j;  Hill 
Eher  ist  das  ganze  Relativsätzchen  als  überflüssig  zu  tilgen.  Der  Leuchter  war 
somit,  wie  sich  von  selbst  versteht,  ein  Stehleuchter,  oben  am  Ständer  befand 
sich  die  Gulla^  das  Olreservoir,  im  Kreise  lagen  ringsum  auf  gleichem  Niveau 
sieben  Lampen,  jede  durch  eine  Röhre  mit  dem  Reservoir  verbunden.  Sach 
hat  zu  dieser  Beschreibung  sich  nicht  ein  Vorbild  an  dem  Tempelleuchter 
nehmen  können,  da  im  salomonischen  Tempel  sich  kein  siebenarmiger  Kande- 
laber, sondern  zehn  einzelne  Leuchter  befanden  (I  Reg  7  49);  umgekehrt  scheint 
vielmehr  Sach's  Beschreibung  für  die  Konstruktion  des  siebenarmigen  Leuch- 
ters des  zweiten  Tempels  massgebend  gewesen  zu  sein,  immerhin  fehlte  diesem  die 
Gulla,  vgl.  Ex  25  3i-40  und  die  Abbildung  des  Leuchters,  den  Judas  Makkabäus 
zum  Ersatz  für  den  von  Antiochus  Epiphanes  weggenommenen  herstellen  Hess 
(I  Mak  1  23  4  49 f.),  auf  dem  Titusbogen  in  KHC  Ex  S,  124.  3  L.  mit 
Wellh.  und  NowACK  n^'^n'^D  für  nVnn  rD'^D;  die  Ölbäume  stehen  neben  dem 
Leuchter  (vgl.  iT^j;  v.  3^),  n^^in  ist  wie  n^t^l  (v.  2^)  falsches  Explicitum  für 
das  Femininsuffix.  4  beginnt  die  Erklärung  der  Vision;  in  6  wird  sie 
unterbrochen,  da  dort  mit  Ul  15"!  ^J  ein  dem  Zusammenhang  fremdes  Stück, 
nämlich  ein  Jahwewort  über  Serubbabel,  einsetzt,  das  bis  h"yT\\  TS  v.  lo^  reicht. 
Vgl.  Vorbem.  zu  Gap.  4  und  s.  die  Erklärung  von  v.  6^ß-io=^  (excl.  Tb^  nj;nt^) 
hinter  v.  14.  10^  giebt  samt  den  beiden  letzten  Worten  der  ersten  Vers- 
hälfte die  Fortsetzung  der  Erklärung  der  Vision.  In  v.  6^«  hiess  es  noch:  Da 
hob  er  an  und  sprach  %u  mir  also:  Was  er  sagte,  steht  v.  lo:  diese  sieben 
Lampen  sind  die  Augen  Jahwes,  die  die  ganze  Erde  durchschweifen.    Nach 


Sach4ll  414  Sach4  6 

dieser  Erklärung  ist  der  Leuchter  mit  den  sieben  Lampen  ein  Bild  für  Jahwe, 
seine  Allwissenheit  und  die  damit  verbundene  Allmacht  (vgl.  v.  u'^).  Dass  Sach 
hier  mit  einem  Material  operiert,  das  letztlich  auf  babylonische  Vorstellungen 
zurückgeht,  kann  man  zugeben;  aber  es  sind  Vorstellungen,  die  zum  Gemeingut 
des  Volkes  geworden  sind,  wie  z.  B.  die  Darstellung  der  göttlichen  Allwissen- 
heit durch  sieben  Augen,  und  ob  der  Zusammenhang  des  Bildes  mit  den  sieben 
Planeten  dem  Volke  noch  bewusst  gewesen  wäre,  dürfte  sehr  fraglich  sein,  auch 
wenn  schon  Josephus  Bellum  jud.  V  5  5  diese  Erklärung  vertritt,  vgl.  KAT^ 
625  5.  Auf  diese  „sieben  Augen"  beschränkt  sich  im  Grunde  das  Babylonische 
in  diesem  Abschnitt;  denn,  ob  man  mit  Gunkel  (Schöpf,  und  Chaos  124 — 130) 
auch  den  Leuchter  selber  als  ein  babylonisches  kultisch-mythologisches  Symbol 
als  Abbild  der  Sonne  und  der  Planeten  und  als  Bild  des  Weltbaums  betrachten 
darf,  ist  noch  sehr  zu  bezweifeln.  11 — 14  Zwei  Fragen  und  nur  eine  Ant- 

wort, Gunkel  vermutet,  dass  die  Antwort  auf  die  erste  Frage  verloren  sei; 
aber  die  vorhandene  Antwort  v.  isf.  passt  viel  besser  zu  der  ersten  Frage  als 
zu  der  zweiten,  vgl.  v.  ii:  „zur  Rechten  und  zur  Linken  des  Leuchters"  mit 
V.  14^':  „stehend  vor  dem  Herrn  der  ganzen  Erde".  Somit  wird  die  unbeant- 
wortet bleibende  zweite  Frage  eine  spätere  Einfügung  sein  (so  Wellh.  und 
Nowack)  ;  Zeichen  sekundären  Ursprungs  weist  12  auch  sonst  auf:  es  wird  von 
Dingen  gesprochen,  von  denen  man  in  der  Beschreibung  der  Vision  nichts  ge- 
hört hat,  nämlich  von  den  zwei  Olivenbüscheln  (D*'0"'?'J  *''??^j  wohl  =  Zweig- 
spitzen der  Ölbäume),  von  den  %wei  goldenen  Röhren  (nilP^?),  deren  Aufgabe 
man  nicht  recht  versteht,  trotzdem  von  ihnen  gesagt  wird:  die  von  auf  sich 
(wohl=  von  oben  her^  aus  sich)  das  Gold  (wohl  =  Ö7  zu  fassen)  ausgiessen, 
w^ahrscheinlich  nicht  in  die  Lampen,  sondern  in  die  Gulla,  also  indirekt  in  die 
Röhren  (letzteres  nimmt  Targum  an,  nach  dem  Gunkel  als  ursprünglichen 
Text  etwa  vermutet:  nmn  nip^J^iD^  ^r\Tr\  urvhvr:^  D^pnrsn  =  die  das  Öl  von  ihnen 
zu  den  goldenen  Armen  leiten^  vgl.  auch  LXX).  Der  Interpolator  hat  wohl  die 
Ölbäume  nicht  als  das  blosse  Symbol  der  Gesalbten  verstanden  (s.  v.  u),  sondern 
sie,  das  Bild  und  "^^^^'^"''^?  (v.  14)  weiter  ausdeutend,  als  Ölspender  gefasst  und 
ohne  Berücksichtigung  der  authentischen  Erklärung  v.  lo^  in  dem  Leuchter 
etwa  ein  Bild  der  jüdischen  Gemeinde  erblickt,  deren  Gedeihen  von  dem  geist- 
lichen und  politischen  Leiter  abhängt.  Oder  dachte  der  Interpolator  bei  den 
Ölbäumen  an  die  beiden  Geschlechter  Aarons  und  Davids  und  bei  den  Oliven- 
büscheln an  die  damaligen  Spitzen  dieser  Familien,  Josua  und  Serubbabel? 
Allerdings  wäre  dann  die  nähere  Beschreibung  v.  12^  fast  völlig  bedeutungslos. 
i;;2i  wird  den  Sinn  von  im  Bereich  von  haben.  13  ist  die  genuine  Fortset- 

zung von  V.  11.  14  Die  „  Ölsöhne^'-  sind  Josua  und  Serubbabel  als  die  beiden 

Gesalbten,  Josua  ist  gesalbt  als  Hohepriester  (Lev  4  3),  Serubbabel  als  der 
designierte  König  (==  H''^*»)  vgl.  Hag  2  23.  Der  Gedanke  an  Geistessalbung 
liegt  hier  fern.  Vor  dem  Herrn  der  ganzen  Erde  stehen  sie  d.  h.  sie  stehen 

in  der  Hut  des  Allmächtigen,  dem  sie  dienen. 

ßaßb — j^Qa  (excl.  H^«  nj;^^'),  ein  für  sich  stehender  Abschnitt  (s.  Vorbem. 
zu  Cap.  4),  in  dem  die  Vollendung  des  Tempels  durch  Serubbabel  ver- 
heissen  wird.  6  "^JS;  =  ^j;;  über ^  nicht  an  Serubbabel  ergeht  das  Wort. 


Sach  4  6  415  Sach  410 

Ein  erfreuliches  Wort  des  (jllaubens,  das  kräftig  der  Mutlosigkeit  entgegentritt, 
ist  V.  6^  vergleichbar  jenem  Worte  Jes  31  3.  Zu  nn,  dem  Geiste  Gottes,  der 
eine  alles  überwindende  Kraft  hat,  vgl.  zu  Jes  31  3  und  Hag  2  5.  Die  Apo- 
siopese  macht  das  Wort  noch  kräftiger.  7  folgt  die  Anwendung  auf  den 

speziellen  vorliegenden  JB'all:  Die  Hindernisse  und  Schwierigkeiten,  die  sich 
gegen  den  Tempelbau  auftürmen,  sollen  durch  Gott  weggeräumt  werden.  Die 
Anrede  an  den  Berg  der  Hindernisse,  wie  der  kurze  Befehl:  Vor  Serubbabel 
%ur  Ebene!  macht  sich  etwas  zu  pathetisch.  Oort  schlägt  daher  H'^ia^J  (=  wer 
macht  den  g.  Berg  zur  Ebene?)  für  nri«  vor ;  weit  besser  aber  ist  es,  mit  M.  Lam- 
bert (s.  ZATW  1902,  338  für  in  nn«  ^p  zu  lesen:  inn-fi«  "'npb^l,  =  ich  werde 
den  grossen  Berg  vor  S.  zur  Ebene  machen.  So  ist  auch  die  ungrammatische 
Verbindung  von  ^njiT^n  (st.  inn)  verschwunden,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  126  x. 
Zum  Inhalt  von  v.  7^  vgl.  Jes  40  4.  Subj.  zu  S^^ini  ist  Serubbabel;  er  wird 

herausführen  aus  der  Bauhütte  ^t<in  injjn'H«,  den  Giebelstein  (so  ist  zu  lesen 
für  nc^^'nn  vgl.  ty^<in  ]nijn,  da  die  Deutung  von  n^^<in  als  nach  dem  Haupte, 
nach  der  Spitze  des  Tempels,  doch  zu  unsicher  ist).  Die  Erklärung  von  Jisn 
n^'i<"in  als  Grundstein  ist  schon  dadurch  verboten,  dass  derselbe  bereits  gelegt 
ist,  vgl.  V.  9  das  Perf.  HD^  das  sich  nicht  mit  Sellin  als  Imperf.  Kai  fassen 
lässt;  es  müsste  mindestens  das  Fem.  stehen.  Sellin  (Studien  1190—95)  setzt 
allerdings  niti^^^1n]!5^iln;  aber  das  kann  nicht  helfen,  seine  Bevorzugung  des  Grund- 
steines, wobei  er  an  den  des  früheren  Tempels  denkt,  der  als  gutes  Omen  für 
den  Neubau  („Jubelruf:  Gunst.  Gunst  ihm")  aus  dem  „Berg"  von  Trümmern 
(Cheyne  schlägt  dem  gemäss  U^^^T}  in,  Trümmerhügel,  für  ^lljn  in  vor)  „heraus- 
gebracht" werden  soll,  beruht  mehr  auf  Analogien  aus  babylonischen  Bau- 
inschriften^  als  auf  dem  hebräischen  Kontexte.  n^  ]n  ]n  niS^n  ist  sehr 

unsicher:  man  erklärt  gewöhnlich  so,  dass  das  erste  Wort  =  unter  Jubelrufen 
verstanden  und  in  den  übrigen  ein  solcher  Ruf  gefunden  wird:  Schönheit,  Schön- 
heit ihm!  =  herrlich  ist  er!  Aber  n^  könnte  auch  zu  r.l^^'n  gehören:  Rufe  des 
Jubels  über  die  Schönheit  werden  ihm  zu  teil,  oder  am  Ende  ni«t^'n  etwas  ganz 
andres  bedeuten,  wie  Form,  Gestalt,  Ornament,  oder  dergl.  9^  erklärt  in 

einem  zweiten  Wort  Jahwes  (  v.  8)  bestimmt  die  Aussage  von  v.  7:  Serubbabel 
hat  den  Tempel  gegründet,  er  wird  ihn  auch  vollenden.  9^  ist  Wort  des 

Propheten  resp.  des  Überarbeiters,  es  steht  ganz  unpassend  mitten  in  Jahwes 
Rede  v.  9»  lo.  Vgl.  die  gleichlautenden  Interpolationen  auch  2  13  15  6  15.  Wegen 
DD''^«  wird  man  Dnj;n^'!  zu  schreiben  haben.  10^  begründet  nicht  v.  9^  sondern 
weist  im  Anschluss  an  v.  9*  (^'S  =ja)  darauf  hin,  dass  auch  die,  die  jetzt  mut- 
los und  verzagt  sind,  den  vollendeten  Bau  mit  Freuden  sehen  werden.  Zu  der 
Mutlosigkeit  am  Tag  kleiner  Anfänge  vgl.  Hag  2  i-9.  •>)?  ist  =  wer  immer. 

TaVl  dem  metaplastischen  Perf.  Kai  t?  von  t^iS  (als  ob  das  Verb  tD  lautete)  vgl. 
Ges.-Kaützsch27  §  72  dd.  Für  ^'^l^n  ]n«n  fordert  der  Zusammenhang 

dieselbe  Bedeutung,  die  ti^M'in  ]n«n  v.  7  hat  (Wellh.,  Nowack).  Mehr  lässt 
sich  kaum  sagen;  denn  wie  ^"^n^n,  sonst  =  j?/^/^  mit  dem  Schlussstein  was  zu 
thun  hat,  ist  unerfindlich,  und  Bleilot  heisst  '3n  'sn  schwerlich.  Vielleicht  darf 
man  mit  LXX  darin  ein  von  dem  Verb  bin  abgeleitetes  Adj.,  das  dann  aller- 
dings Femininform  haben  sollte,  sehen,  oder  steckt  darin  eine  Corruption  dör 


Sach  4  10  416  Sach  5  3 

beiden  folgenden  Worte  (so  Cheyne)  oder  eine  Dittographie  des  folgenden 

T^,  die    mit  ursprünglich  vorangegangenem  'in,  der  Abkürzung  von  li^Nin, 

zusammengeflossen  ist?  Zu  10'^— 15  s.  o.  S.  413f. 

Die  sechste  und  die  siebente  Vision:  Die  Reinigung  des  Landes  von  Sündern 
und  Sünde  5  i-ii. 

Die  beiden  Visionen  exponieren  die  3  9  gegebene  Verheissung.  Die  zweite  ergänzt 
die  erste :  auch  die  Macht  der  Sünde,  nicht  nur  die  Sünder  sollen  aus  dem  Lande  verschwinden. 

Das  sechste  Gesicht:  Die  fliegende  Schriftrolle  5  1-4.  Eine  gewaltige 

Schriftrolle  sieht  der  Prophet  über  das  Land  dahinfliegen;  sie  wird  ihm  erklärt  als  der 
Fluch,  der  im  ganzen  Land  bei  den  Sündern  einkehrt  und  sie  samt  ihrem  ganzen  Hause 
ausrottet. 

1  Die  Tih^ip,  Schr^if trolle,  ist  hier  aufgerollt  gedacht,  also  als  ausgebreitetes 
Blatt,  Ygl.  Jes  34  4,  wo  für  den  Himmel  das  Bild  eines  grossen  aufgerollten 
Buches  gebraucht  ist.  2  Die  Dimensionen  des  fliegenden  Blattes  10  Ellen 

(=  c.  5  m)  Breite  d.  h.  Höhe  und  20  Ellen  (=  c.  10  m)  Länge,  haben  keine  be- 
sondre Bedeutung,  jedenfalls  stehen  sie  in  keiner  Beziehung  zu  den  Massen  von 
Räumlichkeiten  des  Tempels  Salomos  oder  der  Stiftshütte,  sie  sollen  nur  das 
Blatt  als  von  enormer  Grösse  hinstellen,  und  das  Verhältnis  von  10  zu  20  wird 
im  Allgemeinen  dem  Verhältnis  von  Breite  und  Länge  einer  gewöhnlichen 
einzelnen  Bolle  entsprechen,  vgl.  Blau  Studien  zum  althebr.  Buchwesen 
I,  72.  Dass  das  Blatt  beschrieben  gedacht  ist,  geht  aus  der  Erklärung 

hervor,  die  3  dafür  giebt:  es  ist  der  Flucht  der  über  das  ganze  Land 

(nicht:  über  die  ganze  Erde,  vgl.  v.  6  ii)  ausgeht.  Der  Glauben  an  die  Wirk- 
samkeit des  Fluchworts  ist  bekannt;  die  Niederschrift  des  Fluches  und  die 
äussere  Applikation  desselben  an  den  Verfluchten  verstärkt  seine  Wirkung, 
vgL  die  Bereitung  des  Zauberwassers  durch  die  Abspülung  des  niedergeschrie- 
benen Fluches  in  das  Wasser  Num  5  23.  Ein  fliegender  Zettel  mit  darauf- 
geschriebenem Fluch,  vom  Wind  ins  Haus  des  Frevlers  getragen,  genügte  eben- 
falls und  konnte  zur  Handhabung  des  Rechtes  dienen;  umgekehrt  bewahren 
beschriebene  Zettel,  die  man  als  Amulette  auf  sich  trägt,  vor  Schaden  und 
bringen  Glück,  vgl.  Eutin g-  Reise  in  Inner- Arabien  I  75 f.  87  93  99.  Die 

Erklärung  von  v.  3^  als  Angabe  des  Zweckes  von  v.  3^  (Wegfegung  der 
Sünder  aus  dem  Lande)  scheitert  an  dem  Per  f.,  so  wie  an  der  Bedeutung  von 
njp^  =  ungestraft^  straflos  bleiben,  s.  zu  Jo  4  23;  auch  wäre  der  Gedanke  von 
V.  4  vorweggenommen.  Demnach  liegt  in  v.  3*^  die  Angabe  des  Grundes  für 
V.  3^  vor:  der  Fluch  geht  aus;  denn  es  ist  straflos  geblieben  u.  s.  w.  Dazu  muss 
nun  der  Sinn  von  HlDD  n?p  passen;  also  ist  kaum  eine  Beziehung  auf  den  Fluch 

wahrscheinlich  und  H^D  . . .  n^^p  heisst  schwerlich:  auf  der  einen auf  der 

andern  Seite  oder  von  da  . . .  von  dort.  Wellh.  wird  mit  der  Vermutung  das 
Richtige  treffen,  dass  eine  Zeitangabe  für  die  Dauer  der  Straflosigkeit  darin 
liege:  T\^2  njj?  =  schon  seit  lange,  n?3?  ist  nach  7  3  statt  HbD  zu  sprechen  und 
wahrscheinlich  mit  Nowack  auch  einfach  nach  7  3  HT  statt  H^D  zu  setzen:  ^  jetzt 
wer  weiss  wie  lange  schon!  vgl.  zu  diesem  HT  auch  1  12.  Die  Vergleichung  von 
i^ijJ,  seit,  mit  H^D  (so  Wellh.)  ist  doch  zu  fraglich.  Straflos  geblieben 

seit  lange  sind  alle  Diebe  und  J?|ti^?n"^3,  alle  Schwör  er-,  aber  da  das  AT  nicht 
auf  dem  Standpunkte  von  Mt  5  34-37  steht,  sondern  das  Schwören  beim  Namen 


/ 


Sach  5  3  417  Sach  5  11 

Jahwes  zur  Pflicht  macht  Dtii  6  :)  10  20  (vgl.  Jes  48  1),  so  muss,  wie  v.  4  sicher 
beweist,  dahinter  '^J^^'?  ''PC^?  eingesetzt  werden,  so  dass  alle  Meineidigen  an 
Stelle  aller  Schwör ei'  tritt.  4  Die  Zeit  der  Straflosigkeit  ist  vorbei,  der  Fluch 
geht  aus  und  wirkt  von  selber.  Zu  m'j'j  =  r\)\\  s.  Ges.-Kautzsch'^7  §  so  i.  Die 
Zerstörung  des  Hauses  des  Frevlers  ist  altes  Strafrecht  und  bedeutet  den 
Ausschluss  der  ganzen  Familie  aus  dem  Verbände  des  Volkes  (Wellh.),  vgl. 
auch  Dan  2  5. 

Das  siebente  (iesichl:  Das  Weib  im  Epha  5  5-ii.  Ein  EpLa  erscheint 

dem  Propheten.  Darin  sitzt,  wie  sich  zeigt,  ein  Weib,  das  als  die  Bosheit  gedeutet  wird. 
Darauf  tragen  zwei  andere,  mit  Storchenflügeln  versehene  Weiber  das  Epha  und  die  darin 
sitzende  Bosheit  durch  die  Lüfte  nach  Sinear,  um  sie  dort  anzusiedeln.  Von  den  Juden 
geht  die  Sünde  und  Schuld  jetzt  über  auf  ihre  Feinde  in  Babel;  dorthin  gehört  sie. 

5  Ohne  Verbesserung  bleibt  der  Sinn  unverständlich.  Wellh.  und  No- 
"WACK  setzen  HD'^sn  nach  HD  in  den  Text:  aber  so  stossen  sich  die  beiden  nn 
in  den  auf  einander  folgenden  Fragen  v.  5  und  v.  6.  Darum  ist  vielmehr  HD'^iSin 
statt  HD  zu  lesen;  HO  ist  ==  HÖ  und  "^i^n  gleicht  dem  vorangehenden  n«1,  wurde 
deshalb  vom  Abschreiber  übersehen.  Also :  sieh  da  das  Epha^  das  zum  Vorschein 
kommt!  vgl.  dieselbe  Konstruktion  6  8.  6^  ist  dazu  gute  Fortsetzung: 

Und  ich  fragte:  Was  ist  das?  In  v.  e"^  folgt  eine  doppelte  Antwort  auf 

die  Frage  von  v.  6^;  aber  die  erste  ist  total  nichtssagend,  wohl  nichts  als  Rand- 
verbesserung zu  V.  o,  hier  unrichtig  dem  Text  eingegliedert,  also  hat  man  sie  zu 
entfernen.  In  der  zweiten  allein  ursprünglichen  Antwort  1.  mit  LXX  QJ'l? 
(t)  dSixta  aüTü>v),  ihre  Missethat,  statt  DJ^^j;,  ihr  Auge,  das  die  Exegeten  zu  allerlei 
Künsteleien  verleitet  hat,  dem  aber  kein  einfacher  verständlicher  Sinn  ab- 
zugewinnen ist.  Wie  das  Epha  die  Sünde  der  Leute  im  ganzen  Lande  dar- 
stellen kann,  erklärt  das  Folgende.  7  Das  Epha  ist  ein  Hohlmass  von  offen- 
bar runder  Gestalt;  denn  es  hat  einen  runden  (vgl.  15?)  bleiernen  Deckel.  Wie 
der  sich  hebt,  so  zeigt  sich  (1.  mit  LXX  Hiini  für  n^t]),  dass  ein  (=  ein  einzelnes, 
darum  T\X]^ ;  nicht  =  irgend  ein)  Weib  darinnen  sitzt.  8  Die  personifi- 
zierte Bosheit,  welche  dies  Weib  ist,  will  natürlich  aus  ihrem  Yerliess  ent- 
weichen; darum  wird  sie  rasch  zurückgestossen  und  das  Epha  mit  der  Blei- 
platte verschlossen.  9  Zur  Fortschaffung  der  Bosheit  erscheinen  zwei 
andere  Weiber,  die  zu  weitem  raschem  Fluge  mit  Storchenflügeln  ausgerüstet 
sind.  Eine  andre  Bedeutung  kommt  diesen  Weibern  nicht  zu,  als  dass  sie  den 
Transport  von  Judäa  nach  Babel  zu  besorgen  haben.  Weiber  sind  sie,  weil  sie 
ein  Weib  fortschaffen  sollen,  zwei,  weil  dadurch  die  Erfüllung  der  Aufgabe 
erleichtert  ist.  Flügel  erhalten  sie,  weil  der  Transport  durch  die  Luft  erfolgen 
soll,  und  Storchen?iVigQ\  sind  es  wohl,  weil  der  Storch  solche  weite  Keisen 
macht.  Fasstmanün^'DiD^  rm=  Wind  in  ihrenFlügeln,  so^kann  das  nur  bedeuten, 
dass  der  Wind  sie  hob  und  somit  den  Transport  unterstützte.  Besser  nimmt 
man  aber  V\Y\  =  Geist,  Leben;  also  Leben  war  in  ihren  Flügeln,  sie  regten  sich, 
gerieten  ins  Schwingen,  Leben  war  darein  gekommen,  vgl.  Hab  2  19^  10 
n^n  =•-  njn,  s.  Ges.-Kautzsch27  §  32  n.  11  Der  Bestimmungsort  ist  Sinear 
d.  h.  Babylonien  vgl.  Jes  11  11  Dan  1  2;  dort  soll  sie  auch  bleibend  sich  auf- 
halten, dazu  wollen  sie  ihr  ein  Haus  bauen,  zu  Tb  (für  n'j)  vor  nachfolgender 

Kurzer  HC  zum  AT  XTTI  27 


Sach  5  11  418  Sach  6  3 

Tonsilbe  vgl.  Ges.-Kautzsch27  §  23  k  103  g.  ]^)r[]  ist  schwierig,  weil  es 

ein  unnötiges  Gewicht  legt  auf  einen  nebensächlichen  Gedanken,  ob  man  es 
als  direkte  Fortsetzung  fasst:  und  es  (das  Haus)  soll  liergerichlel  oder  aus- 
gestaltet werden^  oder  ob  man  darin  eine  Bedingung  für  das  Folgende  erblickt: 
und  ist  es  hergerichtet  oder  ausgestattet,  Nowack  entfernt  es  daher  als  Dub- 
lette von  niT'ni;  jedenfalls  erscheint  es  überflüssig.  Für  die  unmögliche 
Mischform  nn^^ni,  resp.  'ini,  (vgl.  Ges.-Kaützsch27  §  72  ee)  1.  mit  LXX 
nrT'ini  =■■  um  sie  dort  nieder%uset%en,  nniD?^"^j;,  an  ihrem  Platze  d.  h. 
dort  wo  sie  hingehört.  Babel,  die  Heimat  des  Todfeindes  der  Judäer,  ist  der 
rechte  Sitz  für  die  Sünde,  vgl.  auch  2  lo  6  8. 

Der  Abschnitt  v.  5-11  ist  auch  deshalb  interessant,  weil  sich  Elemente  in  seiner 
Darstellung  finden,  die  in  der  späteren  Literatur  öfters  wieder  erscheinen.  Entstammen 
dieselben  ganz  der  Phantasie  des  Propheten  oder  hat  er  sie  sich  aus  den  Erzählungen  des 
Volkes  angeeignet?  Wie  dem  sei,  wichtig  ist,  dass  um  520  v.  Chr.  Stoffe  erscheinen,  zu 
denen  sich  besonders  in  der  späteren  Märchen-  und  Volksliteratur  Parallelen  finden.  Man 
denkt  doch  bei  der  im  Epha  verschlossenen  Frau  Bosheit  an  ähnliche  Erzählungen,  in 
denen  von  Geistern  und  Dschinnen  berichtet  ist,  welche  in  Flaschen  oder  andre  Gefässe 
gebannt  sind.  Und  bei  der  Luftreise  nach  Babel  erinnert  man  sich,  wie  leicht  in  den  Er- 
zählungen von  1001  Nacht  und  in  anderen  ähnlichen  Charakters  dienstbare  Geister  in  die 
entlegensten  Gegenden  ziehen,  von  weither  Gegenstände  herbeischaffen  oder  weithin 
bringen,  selbst  auch  wie  hier  dort  gleich  ein  wunderbares  Schloss  errichten.  Zwar  sollen 
nähere  Parallelen  nicht  vergessen  sein:  ich  erwähne  zuerst  die  Erzählung  Hesekiels 
darüber,  wie  er  von  den  Exulanten  weg  nach  Jerusalem  und  wieder  zurück  gebracht 
wurde,  s.  Hes  8  3  11  24,  dann  die  Legende  von  Habakkuks  Versetzung  von  Palästina  nach 
Babel  und  zurück  im  Laufe  eines  Tages,  s.  Zus.  zu  Daniel:  Bei  und  der  Drache  v.  33-39 
und  vgl.  oben  S.  330,  und  endlich  die  Lev  14  1-7  48-53  vorgeschriebene  Ceremonie  vom 
Fliegenlassen  des  einen  Vogels,  der  die  Unreinheit  gleichsam  mit  sich  fortnimmt,  s.  zu 
der  Stelle  KHC  Lev  S.  46. 

Die  achte  Vision:  Die  Ausfahrt  der  Wagen  zur  Ausrichtung  des  Zorngerichts 
Jahwes  an  den  Heiden  6  i-8. 

Zur  ganzen  Vision  vgl.  Vorbem.  zu  1  8—6  8.  1  Die  nl^31??,  Wagen, 

stellen,  wie  sich  aus  der  folgenden  Darstellung  ergiebt  (vgl.  bes.  v,  8),  die 
Werkzeuge  des  göttlichen  Zorns,  resp.  die  ihm  zur  Verfügung  stehenden  Mächte, 
dar.  Zu  der  Vi  erzähl  vgl.  zu  1  8.  D^'^IHH  "^^^j  die  zwei  Berge,  werden 

als  bekannte  Ortlichkeit  vorausgesetzt;  erwähnt  sind  sie  vielleicht  auch  Is 
(s.  dort).  Wir  wissen  von  ihnen  nur  nach  v.  o,  dass  sie  in  der  Nähe  der  Woh- 
nung Gottes  liegen,  s.  auch  1  s  und  vgl.  die  sieben  (je  drei  in  Reihen  rechts  und 
links,  der  siebente  in  der  Mitte)  Berge  im  Buch  Henoch  18  6-io.  Ob  eine 
mythologische  Vorstellung  und  was  für  ^eine  darin  steckt,  ist  nicht  bekannt. 
Dass  der  Zion  und  der  Olberg  das  Modell  dieser  ehernen  Berge  abgegeben 
hätten,  ist  nicht  unmöglich.  2 f.  Jeder  Wagen  hat  eine  Bespannung  von 

Pferden  einer  besonderen  Farbe.  Über  die  Bedeutung  der  Farben  s.  zu  1  8.  3 
die  Pferde  am  vierten  Wagen  werden  als  D^'tiDS  C'niS  bezeichnet;  aber  in  v.  6 f. 
sind  diese  Bezeichnungen  Epitheta  verschiedener  Pferde.  Da  nun  |^b^Jl  als 
Farbenname  überhaupt  zweifelhaft  ist,  in  seiner  Bedeutung  sta7^k  aber  nicht 
zu  Farbennamen  passt,  da  ferner  v.  6  f.  die  D^t3"l«  fehlen,  so  wird  D^?D«  in  v.  7 
in  D^Ä'IS  zu  verbessern  und  in  v.  3  als  Nachtrag  der  falschen  Lesung  in  v.  7  an- 


Sache  5  419  Sach  6  8 

zusehen,  also  zu  entfernen  sein,  vgl.  Wellh.  5  Graramatisch  ist  daran 
Anstoss  zu  nelimen,  dass  niN:i1\  das  im  jetzigen  Text  Attribut  zu  dem  deter- 
minierten ninn  sein  muss,  oline  Artikel  steht;  sachlich  fällt  die  Erklärung  des 
einen  Bildes  durch  ein  neues,  nämlich  der  Wagen  durch  Winde  auf.  Es  ist 
daher  mit  Wellh.  >*?1fc?^  zu  lesen  und  nis^l'^  steht  prädikativ  zu  n^yi:  diese 
Wagen  gehen  aus  nach  den  vier  Jlumnelsrichtungen.  JJer  Wegfall  des  b  ist 
entweder  Absicht:  die  formell  inconcinne  Antwort  sollte  regelrechter  gemacht 
werden  (Wellh.),  oder  altes  Versehen,  das  sich  bei  der  alten  Schreibung  b^ 
für  späteres  H^S  leicht  erklärt  vgl.  Ges.-Kautzsch^?  §  34  b  (Nowack).  n?*nnD 
\y\  byi  =  nachdem  sie  sich  bei  dem  Herrn  der  ganzen  Welt  (4  u)  gestellt  haben, 
natürlich  um  seine  Befehle  zu  erhalten,  vgl.  Hi  1  6  2  i.  6  Die  Konstruktion 

ist  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben:  D^'^^J'"'  als  Prädikat  zu  dem  für  ^^^  zu 
supplierenden  nDS"!!?!!  ist  auch  als  constructio  ad  sensum  sehr  hart.  Vielleicht 
ist  n^'ll^^?  am  Anfang  hinzugesetzt,  um  den  Übergang jon  den  „Wagen"  auf 
die  „Pferde"  zu  erklären;  lassen  wir  die  Worte  als  Zusatz  weg,  so  fehlt  für 
Konstruktion  und  Sinn  nichts.  Der  Wechsel  von  Particip  und  Perf.  ist 
kaum  ursprünglich;  Wellh.  stellt  daher  überall  das  Particip  D^i^^^i'^  her,  das  in 
der  That  am  besten  passt,  wo  es  sich  nicht  um  Erzählung,  sondern  Beschrei- 
bung handelt:  die  schwarzen  Pferde  wollen,  sind  im  Begriff  zu  ziehen  nach 
<  

dem  Norden.  Zu  dem  Verhältnis  der  Farben  zu  den  Himmelsgegenden  s.  zu 
1  8.  DH'^'^njSl'^ij?  muss  auch  eine  Himmelsrichtung  angeben,  und  zwar  eine 

andre  als  den  vorher  genannten  Norden,  also  ist  die  Fassung:  „hinter  den 
schwarzen  her",  nicht  am  Platze.  Zu  gesucht  aber  ist  die  Übersetzung:  „in 
der  Richtung  hinter  sich"  =  nach  Westen,  weil  man  bei  der  Orientierung  nach 
Osten  schaut,  on^in«  scheint  zusammengeflossen  aus  Dlj^H  fl«  =  Oste7i 
(Wellh.,  Nowack).  7  Der  Anfang  ist  verdorben  und  verstümmelt.  Für 

n^^D^jn'j  ist  D^l?n«n  zu  lesen,  s.  bei  v.  3.  Hinter  ^t^^),  resp.  n^«^*\  ist  die  Angabe 
der  Richtung  verloren,  etwa  n"il^n  p.JS!"^^j;,  nach  dem  Abendland,  (Nowack).  Zu 
^ü\)2\]  sind  nicht  nur  die  roten  Pferde  Subj.,  sondern  sämtliche  vier  (3-espanne. 
Nach  der  Erklärung  des  Angelus  interpres  folgt  hier  die  Fortsetzung  der  Er- 
zählung: Die  Gespanne  strebten,  wie  der  Prophet  sieht,  darnach  abzugehen  um 
die  Erde  zu  durchziehen,  jedes  den  ihm  zugehörigen  Teil.  Da  erging  der  Be- 
fehl doch  wohl  von  Gott  und  nicht  von  dem  Begleiterengel:  Ab!  durchzieht 
die  Erde!  Da  durchzogen  sie  die  Erde.  In  8  kann  nur  der  Angelus  inter- 

pres Subj.  sein,  nur  er  spricht  in  den  Visionen  direkt  zu  Sach.  ^TS^  pj^ri  =  er 
rief  mich  an,  vgl.  LXX  avsßoYjas.  Im  Namen  Jahwes  darf  er  aber  nicht 
sprechen,  darum  ist  ^X\T\  als  Verkennung  der  Abkürzung  "^  HH  zu  betrachten, 
also  XT\X\\  T\Y\  zu  lesen.  Ferner  ist  nach  LXX  \  vor  ^n^iJl  zu  lesen :  sie  werden 
den  Zorn  Jahwes  am  Lande  des  Nordens  Ruhe  finden  lassen  d.  h.  ihn  stillen 
und  befriedigen;  vgl.  die  parallele  Redensart  !2  in^n  H^iH  Hes  5  13  16  ^'i  etc.  Zu 
nn  =  Zorn  s.  Jdc  8  3  Jes  25  4  30  28  etc.  Der  besondere  Aufruf  und  die 

Hervorhebung  der  nach  Babel  ziehenden  Pferde  haben  ihren  Grund  darin, 
dass  dem  Proph.  das  Gericht  an  Babylonien,  dem  Centrum  der  den  Juden 
feindlichen  Weltmacht,  das  wichtigste  war,  vgl.  2  lo  5  ii. 


Sach  6  9  420  Sach  6  13 

Die  Herstellung'  einer  Krone  für  Serubbabel  0  9-15.  Der  Abschnitt  bildet 

den  Abschluss  der  Visionenreihe,  sofern  er  einem  Gedanken  Ausdruck  verleiht,  der  die 
Visionen  beherrscht:  der  Verbindung  des  messianischen  Heils  mit  der  Vollendung  des  Tem- 
pelbaus, verkörpert  in  Serubbabel,  dem  Leiter  des  Tempelbaus  und  dem  künftigen  König. 
Dieser  Gedanke  wird  dadurch  dargestellt,  dass  Sach  für  Serubbabel  eine  Krone  verfertigt. 
Die  Verse  haben  durch  intensive  Überarbeitung  stark  gelitten.  Jetzt  erscheint  der  Hohe- 
priester als  der  Gekrönte,  nicht  der  Davidide;  der  Überarbeiter  hat  dieProphetie  nach  der 
Geschichte  korrigiert,  die  den  Hohepriester,  nicht  einen  König  an  die  Spitze  der  jüdischen 
Gemeinde  stellte.    Verwandt  sind  mit  v.  9-15  die  Gedanken  von  39  4  6-1 0^ 

10  Die  von  mir  in  StK  1892,  716 — 734  vertretene  und  auch  in  der  Über- 
setzung bei  Kautzsch  wiedergegebene  Auffassung,  welche  ohne  Textänderung 
auszukommen  sucht,  leidet  an  grosser  Künstlichkeit  und  steht  nicht  im  Ein- 
klang mit  V.  14;  sie  kompliziert  auch  die  Konstruktion  und  die  Verhältnisse  in 
einer  Weise,  dass  ich  sie  nicht  mehr  halten  möchte.  Die  Sache  liegt  viel  ein- 
facher, wie  W^ELLH.  gezeigt  hat,  und  das  führt  auch  in  den  folgenden  Versen  zu 
mancher  wichtigen  Verbesserung.  Nach  v.  14  stehen  die  vier  aus  Babel  ge- 
kommenen Männer  auf  einer  Linie;  wenn  sie  in  v.  lo  durch  nn«  nS21  bis  rT'S 

f  T      -  T  T  " 

auseinandergerissen  werden^  so  liegt  eine  Textverderbnis  vor.  Zuerst  scheint 
das  notwendig  zu  erwartende  r\^1^^  vor  dem  Namen  Josia  in  IV2  ns^l  verlesen 
zu  sein  und  dieses  erhält  dann  seine  Erklärung  durch  die  Glosse  Dl'^^  nn«  n«n^ 

O  -  T      -         T  T 

i<^nT\,  welche  nachträglich  in  den  laufenden  Text  geriet.  Der  ursprüngliche 
Text  lautete  also :  Nimm  von  der  Gola,  von  Heldai  und  von  Tobia  und  von  Je- 
daja  und  von  (1.  n^jin^i)  Josia,  dem  Sohne  Zephanjas,  die  von  Babel  hergekommen 
sind.  Sobald  n*"?  vor  7Vp^^  fällt,  ist  die  Übersetzung:  „wohin  sie  aus  B.  gekommen 
sind",  ganz  unmöglich.  Die  vier  Männer  überbrachten  eine  Gabe  der  in  Babel 
weilenden  Gola  für  den  Tempelbau.  Man  sieht,  dass  die  Exulanten  die  Verbin- 
dung mit  Jerusalem  aufrecht  erhielten  und  über  die  Ereignisse  in  Jerusalem  gut 
unterrichtet  waren,  11  Durch  P-nj^^l  wird  nip'?  v.  lo  wieder  aufgenommen,  um 
den  Satz  weiter  zu  führen ;  ri^^JJI  =  um  machen  zu  lassen.  Statt  niltt?  ist  der 
Sing.  T\y^V  zu  lesen;  denn  der  Sing.  Ti'^T^Pi  v.  14  zeigt,  dass  es  sich  in  beiden  Versen 
nur  um  eine  Krone  handelt.  Dass  sie  für  Serubbabel  als  künftigen  König  be- 
stimmt war,  geht  mit  Sicherheit  aus  v.  12  f.  hervor;  also  muss  v.  11^  von  dem  Über- 
arbeiter (s.  die  Vorbem.  zu  v.  9-15)  später  eingefügt  sein  (  Wellh.,  Nowack).  Denn 
da  nur  eine  Krone  verfertigt  wird,  kann  auch  die  Einfügung  von  ^5S"5|  ti^812-i 
nicht  richtig  sein  und  darum  die  Achtheit  von  v.  1 1^  nicht  retten.  12  Bei  Weg- 
fall von  V.  11^  hat  das  Suff,  von  V/N  keine  Beziehung;  man  hat  UT\'^b^  zu  lesen:  zu 
ihnen  seil,  zu  den  vier  Männern  von  v.  10.  Mit  v.  12^  verhält  es  sich  wie  mit  der 
andern  Zemach-Stelle  3  s'^  (s.  dort).  Siehe,  ein  Mann  ,^Spross'^  genannt,  unter 
dem  wird  es  sprossen,  d.h.  wenn  man  an  die  Bedeutung  von  HD^  in  den  Grund- 
stellen Jer  23  5  33  15  denkt,  von  ihm  wird  eine  neue  Phase  der  davidischen 
Dynastie  ausgehen;  diese  Aussage  hat  offenbar  einen  Hinweis  auf  Serubbabel  ver- 
drängt, der  neben  dem  „Spross"  natürlich  nicht  Platz  hatte.  Mit  'IUI  JIJ^^  will 
diese  Einfügung  zu  dem  ursprünglichen  Wortlaut  überleiten,  diese  letzten  Worte 
gehören  darum  auch  noch  der  Einfügung  an.  13*  ging,  ehe  v.  12^^  einge- 

schoben war,  auf  Serubbabel:  seinen  Tempelbau  und  seine  Thronbesteigung. 
Zu  *Tfn  vgl.  Jer  22  18  I  Chr  29  25.  Dass  in  v.  13^  von  zwei  Personen  die 


Sach  6  13  421  Sach  7  1 

Rede  ist,  zei^t  ÜT}^^^  ]**5;  also  kann  Serubl>ab(;l  nicht  Kchii^  und  Priester  in 
einer  Person  sein.  Auch  TjXX  bestätigt  dies  noch  durch  l^'^D'^p,  zu  seiner 
lieclUen ,  das  an  Stelle  von  1«p?''7j;  (fehlerhartc  Wiederholung  aus  v.  13^)  zu 
lesen  ist.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  somit  der  Name  des  Priesters, 
also  J^^in^,  hinter  n\71  ausgefallen  (Wellii.  und  Nowack):  und  JoHua  wird 
Priester  sein  zu  seiner  ReclUen.  Der  Schlusssatz  lässt  durchblicken,  dass 

bereits  Kivalitäten  zwischen  dem  politischen  und  dem  geistlichen  Führer  be- 
standen. Die  Hegemonie  der  Priester  warf  ihren  Schatten  voraus.  14  Die 
Krone  (es  ist  nur  eine,  wie  n\7^  beweist)  soll  zur  Erinnerung  an  die  vier  Männer 
im  Tempel  Jahwes  sein!  Der  Tempel  ist  ja  noch  nicht  fertig  gebaut  und  die 
Krone  hat  Sach  für  das  Haupt  Serubbabels,  nicht  zum  Andenken  an  die  Geber 
machen  lassen.  Der  Vers  ist  demnach  sekundär  und  entspricht  der  späteren 
Situation,  da  Serubbabel  nicht  König  geworden  und  der  „Zemach"  auch  noch 
nicht  erschienen  war.  Man  deponierte  die  Krone  des  künftigen  Königs  nach 
Serubbabels  Tod  im  Tempel,  Das  ist  dieser  Interpolation  zu  entnehmen. 
Die  Namen  müssen  denen  in  v.  lo  entsprechen,  also  1.  '^'^^n?  (so  noch  Pesch., 
vgl.  auch  LXX  toT<;  üTrojisvooai,  das  wohl  an  "l^n,  beständig  sein^  dauern,  denkt, 
somit  für  ^^Tn  zeugt)  für  ubrh  und  n'^^^^'"^^  für  ]T\h  (da  man  ]n  doch  kaum  appella- 
tiv  oder  für  den  Namen  eines  Bruders  Josias  nehmen  kann).  15  Das 
erste  Sätzchen  wird  die  Fortsetzung  von  v.  13  und  der  Abschluss  des  ursprüng- 
lichen Zusammenhangs  sein:  Ferne  umfasst  sowohl  die  Juden  in  dem  Exil  und 
der  Diaspora,  als  auch  die  Heiden;  die  Unbestimmtheit  ist  wohl  Absicht,  vgl. 
8  20-23  Hag  2  7.  n  njl,  bauen  am  Tempel,  z.  B.  ihn  verschönern,  ist  auch  dann 
noch  möglich,  wenn  er  gebaut  ist,  vgl.  Hag  2  8  f.  Der  zw^eite  Satz  '^y\  DriJ^T*; 
kann  nicht  an  die  vier  Männer  gerichtet  sein,  zu  denen  Sach  doch  seit  y.  12 
spricht  (vgl.  urvh^^  n*i)?iJ1  Y.  12).  Nur  ein  späterer  Interpolator  konnte  die  Situa- 
tion vergessen  und  sich  über  die  Köpfe  der  Hörer  des  Propheten  an  die  Spä- 
teren wenden,  die  an  Sach's  Prophetentum  zweifelten,  s.  zu  2  13  15  4  9.  Der 
dritte  Satz  v.  15^  ist  unYoUständig.  Den  abgebrochenen  Schluss  kann  man 
etwa  nachDtn  28  1-14  ergänzen;  dem  Inhalte  nach  finden  sich  die  Verheissun- 
gen  in  Cap.  7f.  dargelegt,  deren  Erfüllung  offenbar  an  den  Gehorsam  gegen 
Gottes  Stimme  geknüpft  werden  soll.  Auch  v.  15^  steht  ausser  Zusammenhang 
mit  der  Rede  an  die  Yier  Männer;  von  Sach  rührt  er  nicht  her,  vielleicht  Yon 
dem  Interpolator  von  v.  ih^^. 

3.  Jahwes  Forderungen  und  Verheissungen  dargelegt  im  Anschluss  an  eine 

Anfrage  über  die  Fasttage  7 1— 8  23 
Die  Anfrage  über  die  Fasttage  7 1-3.  1  Das  Datum  gilt  der  v.  2  be- 

richteten Gesandtschaft,  ist  jetzt  aber  durch  die  Einfügung  Yon  ninii'inn  iTH 
iTI?!"^«  zerrissen  und  von  ihr  annektiert.  Dass  dieses  Sätzchen  jedoch  Ein- 
schub  ist,  Yerrät  sich  auch  daran,  dass  es  gegen  die  Gewohnheit  nnpr^^S  sagt 
und  nicht  *h^  vgl.  y.  4  6  9  8  18.  Übrigens  erhält  man  erst  bei  Entfernung  des- 
selben eine  annehmbare  Konstruktion  und  bildet  vh^''^  v.  2  eine  cjrade  Fort- 
Setzung,  80  dass  man  nicht  mehr  das  Unmögliche  versucht,  nb^;]  mit  Plusquam- 
perfektum zu  übersetzen.   AVie  dieses  Sätzchen,  das  immerhin  sachlich  ilecht 


Sach  7  2  422  Sach  7  3 

hat,  weil  die  folgende  Rede  Sach's  sich  an  die  Anfrage  anschloss  (v.  4 ff.),  ist 
auch  der  Monatsname  ^l'^DpS  sekundär,  vgl.  zu  1  7  Hag  1 1.  Der  24,  des 

9.  Monats  von  Jahr  4  des  Darius  fällt  in  den  Monat  Dezember  518  v.  Chr. 
2  Leider  giebt  der  Text  keine  sichere  Auskunft  über  die  Absender  und  die 
Gesandten.  Man  ist  auf  Vermutungen  angewiesen.    Jedenfalls  ist  ^S"rT^?  nicht 
als  Ortsbezeichnungzufassen,  weder  als  Name  von  Bethel,  da  vielmehr  Männer 
von  Bethel  ('^  ^'^y^)  für  die  Absender  gesagt  sein  müsste,  noch  appellativ  als 
Obj.  =  nach  dem  Hause  Gottes ^  da  man  nin^Ti"'?,  nicht  ^^^"ri*'^  sagt,  s.  v.  3.   Es 
gehört  offenbar  mit  1?t?1"^  zusammen;  ich  dachte  StK  1892,  732 f.  an  die  Mög- 
lichkeit von  Familie  des  Elsarezer ,  besser  vermutet  Wellh.  im  ganzen  Com- 
plex  1:JS1t:^':^^n^D  einen  Eigennamen,  als  solchen  schlagen  Cheyne  (The  Expos. 
1897,  369f.)  und  Stade  (ZATW  1902,  328)  "^?«1'^^?  vor,  vgl.  zu  diesem  Namen 
Belsarezer  (=  Bei,  schütze  den  König!)  Dan  5  i.   Ist  er  der  einzige  Absender, 
wie  das  singul.  nur  auf  einen  Namen  gehende  Suff,  in  Vti^JiJ  zu  zeigen  scheint, 
so  hat  man  mit  Wellh.  ein  "HS  vor  'ö  UT\  einzufügen.  Weiter  muss  man  dann 
annehmen,  dass  dieser  Mann  im  Namen  der  Gemeinde  zu  fragen  berechtigt 
ist;  denn  ..das  Ich  in  ns^NH  und  "Tl^t^J^  von  v.  3  ist  die  Gemeinde".    Schwerlich 
aber  ist  es,  wie  man  schon  dachte,  ein  anderer  Name  für  Serubbabel,  eher  der- 
jenige des  Nachfolgers  Serubbabels  (so  Stade).   Anders  gestaltet  sich  jedoch 
die  Lage,  wenn  "^1!^  XlT]  auch  Absender,  nicht  Abgesandter  ist  und  man  D^ti^JS 
für  Vti^5^51  liest  (so  Cheyne).  Nun  besagt  der  Text:  Belsare%er  und  Regemme- 
lek  sandten  Männer,   Diese  Auffassung  hat  wohl  das  meiste  für  sich,  V^il^fj 
kann  leicht  aus  D^'^JS  verdorben  sein,  da  der  Schreiber  gerade  wie  LXX  *^^)5 
als  „König"  nahm,  also  schrieb:  der  König  und  seine  Leute.    Unsicherer  ist 
die  Identifikation  von  Belsarezer  und  Regemmelek  mit  ]^^!?  und  Hj'jJ^*]  resp. 
n^^lpyi  (Dill  =  DJ^I ,  "I^D  =  T\^)  in  der  Liste  der  Führer  der  Zurückkehrenden 
Esr  2  2  Neh  7  7.   Immerhin  ist  es  möglich,  dass  diese  beiden  nach  der  Ab- 
berufung resp.  dem  Tod  Serubbabels  die  zwei  führenden  Mitglieder  des  Kol- 
legiums der  „Häupter"  waren  und  im  Namen  der  Gemeinde  seil,  der  Laien- 
schaft die  Anfrage  in  betreff  des  Fastens  stellen  konnten,  vgl.  Cheyne  a.  a.  0. 
370,   Das  reL  Leben  der  Juden  nach  dem  Exil  10 f.  und  Art.   Regem-melech 
und  Sharezer  in  Encycl.  Bibl.,  sowie  Sellin  II  los.  Zu  dem  Ausdruck 

'IUI  ni^nb,  =  um  Jahwe  gnädig  %u  stimmen^  vgl.  zu  Ex  32  ii.  Dass  es  sich  dabei 
um  Opfer  handelte,  versteht  sich  nach  dem  Grundsatz,  dass  niemand  leer  vor 
Jahwe  erscheinen  darf,  von  selbst  vgl.  Ex  23  15  34  20  Dtn  16  16.  Man  ersieht 
daraus,  dass  der  Opferdienst  auch  vor  Vollendung  des  Tempels  geübt  war,  s. 
auch  Hag  2  i4.  3  Zum  Opfern  waren  Priester  nötig,  es  waren  Priester 

am  Hause  Jahwes ,  auch  Avenn  dieses  erst  im  Erstehen  begriffen  war.  Dass  hier 
die  Propheten  mit  den  Priestern  zusammenstehen,  ist  nicht  verwunderlich;  es 
war  schon  so  vor  dem  Exil  bei  der  Einführung  des  Dtns,  doch  im  8.  Jahrh. 
lauteten  die  Stimmen  der  Propheten  anders  und  auch  noch  bei  Jeremia. 
Die  Frage:  Soll  ich  (seil,  die  Gemeinde,  ein  sicheres  Beispiel  für  die  Personi- 
fication  der  Gemeinde)  weinen  etc.  setzt  die  Möglichkeit  voraus,  dass  die  Fast- 
tage nicht  mehr  zu  halten  seien;  es  muss  also  der  Tempelbau  schon  so  weit  ge- 
fördert gewesen  sein,  dass  die  Klage  des  fünften  Monats  über  die  am  7.  des 


^ 


Sach7  3  423  Sach7l2 

5.  Monats  586  v.  Clir.  erfolgte  (vgl.  TT  lieg  25  8f.)  Yerbrennurig  des  'j'einj)els 
und  dei"  Stadt  gegenstandslos  erscheinen  konnte.  Di(5ser  Fasttag  war  der 
wichtigste,  darum  auch  der  am  strengsten  und  allgemeinsten  innegehaltene; 
war  er  nicht  mehr  am  J?latze,  so  fielen  von  selbst  auch  die  anderen  Fasttage 
dahin,  die  gewissermassen  untergeordnete  Thatsachen  aus  der  Geschiclite  der 
Katastrophe  des  Tempels  zur  Ursache  hatten.  Neben  dem  genannten  Fasttag 
im  5.  Monat  waren  im  Exil  bis  dahin  noch  drei  andre  Fasttage  üblich  (vgl.  v.  5 
und  8  19):  im  4.  Monat  (8i9)  der  9.  Tag,  weil  an  diesem  Tage  Jerusalem  ein- 
genommen worden  war  (Jer  39  2),  im  7.  Monat  (v.  5  8  i9j  der  3.  oder  24.  Tag 
wegen  der  Ermordung  Gedaljas  (II  Reg  25  25  Jer  41  iff.)  und  im  10.  Monat 
(8  19)  der  10.  Tag  wegen  des  Beginns  der  Belagerung  Jerusalems  durch  Nebu- 
kadnezar  (II  Heg  25  i).  Der  Inf.  It^H  steht  als  Casus  adverbialis  und  be- 

schreibt die  näheren  Umstände,  unter  denen  das  Weinen  sich  vollzieht,  s.  Ges.- 

KaUTZSCH  27  §  113  h.  Zu  n\  vgl.  112  5  3  7  5. 

Erster  Teil  der  Antwort  des  Propheten:  Nicht  FastBn,  sondern  Gerechtig- 
keit und  Liebe  liat  Jahwe  von  jeher  gefordert  7  4-14.  5  YI^T)  DJ^,  von  den 

D^'^nä  unterschieden,  ist  die  Laienschaft,  die  ganze  Gemeinde,  in  deren  Namen 
die  Anfrage  gestellt  wurde.  Der  Bescheid  v.  5^^  lautet:  Ob  ihr  fastet  oder 

nicht,  berührt  Jahwe  nicht,  sondern  nur  euch;  Fasten  und  Essen  haben  keinen 
religiösen  Wert.  Für  nn  1.  Ht,  s.  v.  3.  Zu  '':ino^  =  ^b  ür\m  vgl.  Ges.- 

Kautzsch27  g  ii7x  und  zu  der  Hervorhebung  des  Suff.  ^^  durch  "^^S  §  135e. 
Zu  dem  Inf.  abs.  HlÖDl  nach  Verb.  fin.  s.  Hag  16.  6  Dem  Essen  kommt 

nur  eine  Beziehung  auf  die  Essenden  zu,  also  auch  dem  Fasten  nur  auf  die 
Fastenden.  7  Ganz  andres  fordert  Jahwe.  Es  ist  höchst  bedeutungsvoll, 

dass  auch  Sach  die  Worte  der  früheren  Propheten,  so  wie  er  thut,  zusammen- 
fasst,  dass  er  nämlich  nur  von  sittlichen  Forderungen  sj)richt  und  in  keiner 
Weise  von  kultischen.  Das  ist  um  so  beachtenswerter,  als  er  ja  an  die  Vollen- 
dung des  Tempelbaus  das  Kommen  des  Heils  knüpft.  Jedenfalls  meinte  er  in 
keiner  Weise,  dass  durch  Tempelbau  und  Cultus  die  sittlichen  Forderungen 
abgelöst  werden  könnten.  Statt  "HS  ist  bi<  =  n^iSI  mit  LXX  zu  lesen. 

Die  früheren  Propheten  s.  1 4.  Aus  v.  7  (vgl.  auch  8  5)  lässt  sich  erschliessen, 
wie  verödet  damals  Juda  noch  war.  8  und  9^  sind  späterer  Einschub; 

denn  sie  zerstören  den  Zusammenhang  von  v.  7  und  9^  vgl.  auch  npDr':'t<  statt 
'h)^,  wie  in  der  Interpolation  von  v.  i.  Zu  9^  10  finden  sich  die  Belege  fast 

auf  jeder  Seite  von  Am  Hos  Jes  Mch  und  Jer.  vns  ti^^N  ist  eine  erstarrte 

Formel,  gerade  wie  unser  einander;  '^  t^  riyi  ist  daher  gegenseitiger  Schaden 
s.  zu  Gen  9  5  (PC) ,  die  Formel  ist  wohl  entstanden  durch  Zusammenstellung 
der  beiden  Zwillings  Wörter,  vgl.  die  gewöhnliche  Stellung  VniJ  nj;"i  tr^«8i7. 
Uff.  Der  Ungehorsam  gegen  diese  prophetischen  Forderungen  führte  das  Un- 
glück herbei.  Zu  der  XTTp  i^n|  vgl.  Hos  4  16  und  n'^SDH  D/Ti|«  s.  Jes6,io. 
12  Zu  dem  Diamant-hQxz  vgl.  das  Herz  von  Stein  Hes  11 1 9.  Ihr  Herz  war  un- 
empfänglich für  die  Hlln  d.  h.  die  mündliche  Weisung  und  die  Worte  der 
Propheten,  bezw.  Gottes,  da  die  Propheten  nur  die  Mittler  sind,  die  aber  selbst 
wieder  durch  Gottes  Geist  die  Offenbarung  erhalten.  Diese  Vorstellung  hält 
die  Linie  der  Reflexion  über  die  Inspiriertheit  der  Propheten  inne,  wie  die 


Sach  7  12  424  Sach  8  5 

Vorstellung  vom  Angelas  interpres.  Das  Ganze  v.  7  ff.  ist  eine  lehrreiche 

Darlegung  über  die  Entstehung  des  göttlichen  Zornes,  der  die  Katastrophe 
Jerusalems  brachte.  13  setzt  die  begonnene  Erzählung  fort,  exponiert 

die  Wirkung  des  Zornes  an  den  Vätern  (vgl.  1  2).  Die  Imperfecta  in  v.  13''  sind 
unter  der  Rection  des  Perf.  "IJ?S,  sie  beschreiben  Vergangenes.  14  Für 

dS^DSI  ist  t^l  zu  lesen,  also  zu  übersetzen:  und  ich  zerstäubte  sie,  vgl.  die  Perf. 
DI^T  und  ni3^^;  es  ist  die  Fortsetzung  von  "IDiJ  in  v.  13  und  die  1.  Pers.  statt 
der  3.  ist  nur  Nachwirkung  von  V?^^  in  der  1.  Pers.  in  v.  13.  Zu  dem  syrisch- 
artigen «  statt  «  in  'VD«  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  §  23  h  52  n.  Zu  Q^j;t  «^  ^\^^ 
vgl.  Jer  16  13  22  28.  Den  Ausdruck  n^lp^  inj;p  s.  auch  9  8,  für  seine  Be- 
deutung vgl.  Ex  32  27.  ^ö^^^l,  nicht  die  Absicht,  aber  die  Folge  des  Un- 
gehorsams war  die  Verwandlung  eines  reizenden  Landes  (Dtn  8  7-9  Jer  3  19 
12  10  Ps  106  24,  vgl.  auch  "»^-sn  }^*j«  Dan  11  16  41,  s.  zu  Dan  8  9)  in  eine  Einöde 
(vgl.  V.  7). 

Zweiter  Teil  der  Antwort:  Auch  jetzt,  wo  die  Zeiten  sich  geändert  haben 
und  Jahwe  von  Liebe  zu  Zion  erfüllt  ist,  bleibt  die  alte  Forderung  8  i-ir.         Mit 

7  4-14  ist  die  Antwort  nicht  fertig:  der  Zorn  Gottes  über  Juda  ist  nicht  das  letzte  Wort 
des  Propheten.  Mut  darf  die  Gemeinde  haben  und  in  furchtloser  Zuversicht  in  die  Zukunft 
hinausschauen,  aber  nicht  vergessen,  was  Jahwe  fordert.  Wie  in  der  Vergangenheit,  so 
handelt  es  sich  auch  jetzt  und  fernerhin  nicht  um  das  Fasten.  Der  Abschnitt  8  1-17 

steht  nicht,  wie  man  hat  behaupten  wollen,  ausser  Zusammenhang  mit  Cap.  7.  Ohne 
Cap.  8  wäre  die  Anfrage  7  1-3  nur  halb  beantwortet,  und  scheidet  man  8  1-17  aus,  so 
fehlt  den  Versen  8  18-23  die  notwendige  Vorbereitung;  8  1-17  ist  das  notwendige  Binde- 
glied und  die  richtige  Überleitung  zwischen  7  4-14  und  8  8-23.  Zudem  liegt  in  Cap.  7 f. 
ein  ähnlicher  Gedankengang  vor,  wie  der,  der  die  Einleitung  des  ganzen  Buches  1  1-7  mit 
der  folgenden  Darstellung  vom  Eintreffen  des  Heiles  zusammenhält.  Die  vielfache  Überein- 
stimmung mit  Hag  1  6-11  2  10-20  nach  Inhalt  und  Form  kann  doch  bei  den  auch  sonst  in 
weitgehender  Weise  gleichgesinnten  Zeitgenossen  nicht  auffallen,  zumal  es  noch  derselbe 
Gegenstand  ist,  der  gerade  hier  behandelt  wird,  nämlich  die  Wendung  zum  Bessern,  die 
sich  für  den  Ertrag  des  Landes  ankündigte.  In  v.  1-17  liegen  sieben  mit  ntts*  ni 

nifc<^iJ  nj<T  eingeleitete  Worte  Jahwes  von  verschiedener  Ausdehnung  vor,  die  durch  die 
drei  folgenden  v.  18-23  auf  die  Zehnzahl  gebracht  werden.  Zu  der  Wiederholung  der 
Einleitungsformel  vor  jedem  der  zehn  Worte  bemerkt  Hteronymüs:  Per  singula  verba 
atque  sententias,  quibus  Israeli  prospera  et  pro  rerum  magnitudine  pene  incredibilia  pro- 
mittuntur,  propheta  proponit:  Haec  dicit  Dominus  omnipotens,  alio  sermone  hoc  loquens: 
ne  putetis  mea  esse,  quae  spondeo,  et  quasi  homini  non  credatis !  Dei  sunt  promissa,  quae 
replico.  Anklänge  an  rhythmische  Formen  finden  sich  in  den  ersten  Gottesworten;  aber 
von  der  Durchführung  eines  eigentlichen  Metrums  ist  hier  keine  Eede. 

1  Die  Einleitungsformel  markiert  den  Beginn  des  neuen  Abschnitts,  der 
im  Unterschied  von  7  7-14  sich  der  Gegenwart  zuwendet.  2  Zu  dem 

ersten  Jahwewort:  Jahwes  Liebe  zu  Zion  und  Hass  gegen  die  Völker  vgl. 
1  i4f.  3  Das  zweite  Jahwewort:  Jahwes  Rückkehr  nach  Zion,  das  er 

während  des  Exils  verlassen  hatte,  vgl.  1  I6  2  u,  und  die  herrliche  Zukunft 
Jerusalems:  es  ist  jetzt  die  treue  Stadt  vgl.  Jes  1  21  26  und  Zion  der  heilige 
Berg^  von  Jahwe  bewohnt  und  hinfort  unangetastet  von  den  Feinden  vgl. 
Jo  4  17  Ob  V.  17.  4  5  Das  dritte  Jahwewort:  Jerusalem  wird  bevölkert 

sein  mit  Greisen  und  Kindern,  an  denen  gerade  jetzt  eben  es  fehlte.  Kein 
Krieg  und  Unglück  kürzt  das  Leben  der  Menschen,  und  keine  Sorge  lastet  auf 


Sach  8  6  425  Sach  8  14 

der  Jugend  (Reuss).  Vgl.  Jes  65  20.  6  Das  vierte  Jaliwewort:  Bei  Gott 

ist  kein  Ding  unmöglich.  IVEitn  niuss  v.  6''  fragend  fassen,  die  Fragepartikel 
kann  fehlen  vgl.  Ges.-Kaut/scii2  7  §  150  a;  denn  die  Fassung  als  positive  Aus- 
sage ergiebt  den  etwas  gezwungenen  Sinn:  Die  Herrlichkeit  wird  so  gross  sein, 
dass  sie  nicht  nur  Menschen,  sondern  auch  Jahwe  als  ein  Wunder  vorkommt. 
Allerdings  ist  DJin  D''p'^?  bei  der  Fassung  als  Frage  störend;  denn  es  bedeutet 
nur  in  Jenen  Tagen,  und  nicht  in  diesen  Tagen^  und  muss  darum  wohl  als 
fremder  Eindringling  ausgewiesen  werden,  vgl.  noch  zu  v.  10.  Der  Sinn  ist: 
Was  dem  aus  dem  Exil  zurückgekehrten  Reste  (vgl.  zu  Hag  1  vi)  unmöglich 
vorkommt,  ist  bei  Gott  nicht  unmöglich.  Das  Wort  tritt  der  Mutlosigkeit  ent- 
gegen, die  wir  aus  4  10  Hag  2  3  kennen,  und  das  Folgende  zeigt  die  Wege, 
welche  zur  Erfüllung  des  für  unmöglich  Gehaltenen  führen.  7  8  Das 

fünfte  Jahwewort:  Die  Heimführung  der  Diaspora  von  Ost  und  West  d.  L 
aus  der  ganzen  Welt  vgl.  Mal  1  11  Jes  59  i9  Ps  50  1 ;  wahrscheinlich  ist  li^'Di^n 
hinter  n"]tp  zu  setzen  und  1t^lD!2  zu  lesen  (Wellh.,  NmvACK),  in  LXX  fehlt 
allerdings  ti^'Dt^^n  ganz.  Zum  Inhalt  vgL  2  10  f.  Jes  43  5  6  Jer  30  10.  Zu 

S'^  vgl.  Jer  30  22  Hos  2  25;  zu  njjn^n^i  HDSIS  vgl  v.  3^  und  bes.  Hos  2  21,  wo  der 
Gedanke  Sach's  weiter  ausgeführt  wird.  9 — 13  Das  sechste  Jahwewort: 

Die  grosse  Wendung  hat  bereits  begonnen,  darum  Mut!  Zu  den  Anklängen 
an^Hag  1  6-11  2  10-20  vgl.  Vorbem.  zu  v.  1-17.  9  Zu  DD^";  njpmn  vgl. 

Hag  2  4.  n^«n  D"^p^^5  steht  hier  richtig,  vgl.  zu  v.  6  über  DHn  D''P'^?.  Diese 
Worte  sind  die  Worte  v.  1-8,  und  mit  den  Propheten  meint  Sach  sich  und 
Hag.  "l-HI  Dl*'^  11^*^5  ist  Glosse  zur  Näherbestimmung  dieser  Tage;  denn  als 

integrierender  Teil  kann  es  sich  nach  seiner  Form  weder  an  D^'D^H,  da  sich  DI*"!! 
damit  stösst,  noch  an  D*'}^*':?!*!  anschliessen,  da  es  zu  unvollständig  lautet.  "W\^ 
bedeutet  d,  i.  und  die  Glosse  erinnert  an  Hag  2 15.  10  Für  nnn  D^D^'^  ^:^tb 

ist  zu  schreiben  Th^7\  Tl  'b;  die  Änderung  ist  Folge  des  Einschubs,  der  die 
Tage  als  vergangene  präcisierte;  von  hier  ist  wohl  die  gleiche  Datierung  auch 
in  V.  6  eingeschlichen.  Zum  Inhalt  von  v.  10^  s.  Hag  1  6  9-11.    Das  Suff. 

in  nij^^?  bezieht  sich  auf  das  zweite  Wort  der  Stat.-constr.-Verbindung.  Aller 
Verkehr  stand  still;  jeder  war  der  Feind  des  andern  und  auch  die  Leute  der 
Nachbarschaft  waren  Jerusalem  feindselig  gestimmt.  Für  vh'ä^y  1.  'j^l,  vgl. 
7  14.  11  Die  früheren  Tage  sind  nicht  die  Tage  vor  dem  Exil,  sondern  die 

jüngst  vergangenen,  die  vor  der  Gegenwart  n^«n  D^p^"^  ^^^h  liegen.  12  yit 

Ut>\^7]  kann  weder  den  Weinstock  dX^  Friedenssaat  bezeichnen,  noch  ist  die  Wort- 
stellung gut,  wenn  man  mit  Klosteemann  liest  Dl^^'  nj;"il  =  seine  Saat  ist  wohl- 
behalten;  LXX  liest  l.Pers.,  danach  wird  mit  Wellh.,  NowACKDlb^  '"^J^l!?  =  ^(^f^ 
will  Wohlstand  säen,  zu  lesen  sein,  vgl.  Hos  2  23  ff.  Wodurch  dieser  Wohlstand 
herbeigeführt  wird,  exponiert  der  Rest  von  v.  12,  vgl.  Hag  2  19  1  10.  13 

Galten  die  Juden  bis  dahin  als  Beispiel  von  Verfluchten  (Jer  24  9,  vgl.  Jes 
53  3  f.),  so  werden  sie  künftig  zum  Paradigma  von  Gesegneten  dienen  (Gen 
12  3  48  20,  vgl.  Jer  29  22).  Haus  Juda  und  Haus  Israel  ist  unrichtiges 

Explicitum  des  Subj.  in  Erinnerung  an  die  Weissagungen  Hes's  von  der  Wieder- 
vereinigung und  Herstellung  Judas  und  Israels;  Sach  redet  aber  die  zurück- 
gekehrten Exulanten  an  vgl.  v.  12:  r\]T\  D3;n  nn«^.  14—17  Das  siebente 


Sach  8  U  426  Sacli  9  1 

Jahwewort:  Bei  dieser  Wendung  des  Schicksals  zu  einer  herrlichen  Zukunft 
sind  aber  die  Forderungen  Gottes  nicht  zu  vergessen,  deren  Nichterfüllung 
durch  die  Väter  einst  das  Unglück  herbeibrachte.  Zu  14  vgl.  1  6.  15  Zu 
dem  adverbialen  Sinne  von  ''PDti^  =  wiederum  und  der  asyndetischen  Stellung  vor 
dem  Hauptverb  •»r^püj  s.  Ges.-Kautzsch^^  §  120  g.  IG  Das  zweite  n?^« 

ist  zu  tilgen,  es  wird  aus  7  9  eingedrungen  sein  (Wellh.,  Nowack).  tOS^p 

Dl'?^  ist  ein  Gericht^  das  zum  Frieden,  zur  Heilung^  nicht  zur  Verschlimmerung 
des  Schadens  führt.  17  Zu  ^nj;n  nV.T^«  ^^^  vgl  zu  7  9,  zu  IJ^^  nj;n^  vgl.  5  3 f. 
Das  überflüssige,  von  LXX  nicht  bezeugte  1^«  lässt  man  lieber  als  fremden 
Bestandteil  weg. 

Letzter  Teil  der  Antwort:  Die  Umwandlung  der  bis  jetzt  gefeierten  Fast- 
tage in  fröhliche  Feste  und  das  Herbeiströmen  der  Heidenwelt  zum  Glücke  in  Je- 
rusalem 818-23.  Der  Schluss  der  Rede  geht  auf  den  Ausgangspunkt  zu- 
rück und  giebt  die  direkte  Antwort  auf  die  gestellte  Frage :  Übt  Recht  und 
Liebe,  so  wird  das  messianische  Glück  die  unglückliche  Vergangenheit  ver- 
gessen lassen.  18  =  v.  i.  19  =  das  achte  Jahwewort:  Die  Fasttage 
vgl.  7  3.  Wellh.  erinnert  daran,  dass  Sach  den  grossen  Versöhnungstag  von 
Lev  16  noch  nicht  kennt  und  dass  die  fröhlichen  Feste  der  vorexilischen  Zeit 
bis  dahin  noch  nicht  wieder  gefeiert  zu  sein  scheinen.  DI^^'H  vgl.  y.  16 
Mal  2  6.  20 — 22  Das  neunte  Jahwewort:  Der  Zug  vieler  Städte  und 
Völker    nach   Jerusalem    zur   Anbetung   Jahwes   vgL   Jes   2 1-4  Mch  4 1-4. 

20  nj;  steht  an  der  Spitze  des  Satzes  und  wird  gefolgt  von  ^^  als  Einleitung 
der   dazugehörigen   Aussage,   wie   die  Zeitbestimmung  T\1^X\7\  D'^D'^S   in  v.  23. 

21  Zu  "^  •'iöTl«  niVn^  vel.  7  2.  23  Das  zehnte  Jahwewort:  Die  Sehnsucht 
der  Heiden  nach  dem  Heil  und  Glück  in  Jerusalem.  Zu  Hl^ti^^  'pä  s.  Jes 
66  18;  zu  der  Wiederaufnahme  von  \^^\T\^.  durch  ^p^'inni  vgl.  zu  nip^  und  %T\^^ 
6iof.  Zu  dem  Bekenntnis  der  Heiden  DDISJ?  n\n^«  vgl  bes.  Dtjes  45  15 
(s.  zu  der  Stelle)  und  am  Schlüsse  des  Buches  Hes  48  35  die  Zusammenfassung 
des  Heils  in  dem  Namen  Jerusalems:  Höti^  TWTS"^. 

TT  V   :    - 

B.  Der  zweite  Teil  des  Buches  Cap.  9—14. 
I.  Sturz  der  Weltmacht  und  Aufrichtung  des  Reiches  Gottes  91-113. 

Mit  der  Überschrift  „Sturz  der  Weltmacht  und  Aufrichtung  des  Reiches  Gottes" 
sind  die  Hauptgedanken  des  Abschnitts  angegeben;  durch  diese  Zusammenfassung  will 
aber  in  keiner  Weise  gesagt  sein,  dass  in  9  1-11  3  ein  einheitliches  Ganzes  mit  strenger  Ge- 
dankenfolge vorliege.  Im  Gegenteil  ist  es  sicher,  dass  wir  hier  eine  Reihe  von  einzelnen 
Weissagungen  vor  uns  haben,  die  mehr  oder  weniger  das  angegebene  Thema  behandeln. 
Der  schroffe  Übergang,  der  sich  ohne  jegliche  Überleitung  in  Bezug  auf  den  Redenden 
und  den,  von  dem  die  Rede  ist,  vollzieht,  sowie  auch  der  Wechsel  des  Metrums  samt  dem 
verschiedenen  Inhalt  sind  Beweis  für  den  relativ  selbständigen  Charakter  der  einzelnen 
Stücke.  Trotzdem  können  die  einzelnen  Stücke  demselben  Verfasser  und  derselben  Zeit 
angehören. 

1.  Die  Herstellung  des  messianischen  Reichs  mit  dem  Friedenskönig  in  Zion 

9 1—10.  Das  messianische  Reich,  das  Jahwe  aufrichten  wird,  hat  die  Ausdehnung 

des  einstigen  davidischen  Reiches.    Seine  Grenze   im  Norden  ist  Hamath  und  im  Süden 
der  Bach  Ägyptens  (vgl.  v.  2  10  und  I  Reg  8  65).  Jahwe  sind  unterworfen  die  Städte  Arams 


Sach  9  1  427  Sach  9  3 

(v.  l'')  und  Pl)(")nizieTis  und  die  Bevölkerung  Philistäas,  und  von  Zion  aus  gebietet  dei 
messianische  König  den  Völkern  Krieden.  Der  Abschnitt  besteht  aus  sechs  Sechs- 

zeilern,  die  sieh  leicht  herausstellen,  sobald  die  fremden  Bestandteile  (s.  zu  v.  1  und  v.  S) 
ausgeschieden  werden.  Die  Zusamraengehörigkeit  der  Verse  kann  durch  den  Übergang  zur 
direkten  Hede  Jahwes  in  v.  6''  nicht  in  Frage;  gestellt  werden  ;  denn  er  erfolgt  in  der  leich- 
testen Weise,  es  beginnt  mit  v.  6**  eine  neue  Strophe  und  nach  dem  Zusammenhang  ist 
es  ganz  natürlich,  dass  .Jahwe  hier  selber  redend  eingeführt  wird.  Dagegen  erledigt  sich 
der  Personenwechsel  in  v.  9 f.  dui'ch  Textemendation,  die  von  der  LXX  bestätigt  wird, 
8.  zu  V.  10. 

In  1  sind  Überschrift  und  Anfang  der  Prophetie  zusammengeflossen.  Die 
Überschrift  muss  mindestens  n]n^""in"l  Sb^D  umfassen,  vgl.  12  i  Mal  1  i,  wenn 
nicht  nach  der  Meinung  des  Autors  dieser  drei  Überschriften  (9  i  12  i  Mal  1 1) 
auch  noch  die  folgende  Ortsbezeichnung  dazu  genommen  werden  sollte.  Vgl. 
über  diese  Überschriften  Einl.  I.  Sinn  und  Metrum  verlangen,  dass  njJl^ 

wiederholt  werden  muss;  denn  mit  ihm  beginnt  die  erste  Strophe.  1  (von 

Hin;;  an)  2:  Jahwe  ist  im  Lande  Hadrak  Und  Damaskus  ist  sein  Sitz;  Denn 
Jahwes  sind  die  Städte  von  Aram  Und  auch  Hamath^  das  daran  grenzt,  Tyrus 
lind  Sidon^  Sind  sie  doch  so  sehr  weise.  Das  Land  "^Jlin  ist  nach  den  assyrischen 
Inschriften  (  =  Hatarika)  nördlich  vom  Libanon  gelegen,  wo  auch  Ilamath  sich 
findet  ( =  Epiphaneia  am  Orontes),  das  die  Idealgrenze  des  davidisch-salomo- 
nischen  Eeiches  im  Norden  bildet  vgl.  I  Reg  8  65.  In  liimp,  sein  Sitz, 

kann  sich  das  Suff,  nur  auf  Hin;;  beziehen,  daher  ist  die  gewöhnliche  Fassung, 
die  in  '^  in'l  den  Anfang  der  Prophetie  sieht,  verwerflich;  Damaskus  ist  Jahwes 
SitZy  wo  er  nach  Belieben  sich  niederlassen  kann,  vgl.  Ps  132  8  ii.  Begründet 
wird  diese  Aussage  durch  v.  i^  der  aber  in  der  gegenwärtigen  Fassung  unver- 
ständlich ist.  Denn  was  soll  es  heissen:  Jahwe  hat  das  Auge  auf  die  Menschen 
und  alle  Stämme  Israels?  Die  Israeliten  waren  doch  auch  Menschen.  Zudem 
ist  die  übliche  Übersetzung  von  Dn«  ]^j;,  das  Absehen  auf  die  Menschen,  kaum 
möglich.  Inmitten  der  vielen  Eigennamen  thut's  das  allgemeine  Mensch  nicht, 
man  hat  offenbar  mit  Klosteeiniann  ThLZ  1879,  566  Dn«  nj; ,  die  Städte  Arams, 
(Ball  Encycl.  Bibl.  1932  2  weniger  gut:  DI«  Dj;,  das  Volk  von  Aram)  zu  lesen. 
Dass  auch  bei  dieser  Lesung  und  alle  Stämme  Israels  nicht  ursprünglich  ist, 
zeigt  2  das  Suff,  in  nn-'^n^n,  das  nur  auf  D^N  sich  beziehen  kann  und  davon 
nicht  durch  andres  getrennt  werden  darf.  Die  Einfügung  setzt  wohl  noch  die 
richtige  Lesart  voraus  und  will  den  Gedanken  fernhalten,  Israel  sei  jemals 
nicht  Jahwes  Volk  gewesen.  Für  nD:pn  ist,  wie  die  Grammatik  nach  der 

Mehrzahl  der  Subjekte  verlangt,  mit  LXX  JiDDH  zu  lesen.  Die  falsche  Ver- 
wendung der  Weisheit  (vgl.  v.  3  Hes  28  4)  ist  der  Grund,  warum  Tyrus  dem 
Gerichte  verfällt,  vgl.  Hes  28  i-io.  Beachtenswert  ist,  dass  bei  der  Auf- 

richtung des  Reiches  Gottes  der  Hauptschlag  gegen  die  feindliche  Macht  im 
Norden  und  zwar  in  Aram  zu  erfolgen  hat;  denn  man  erkennt  daraus,  dass  es 
das  Reich  der  Seleuciden  ist,  das  der  Prophet  als  den  Hauptfeind  kennt:  Ha- 
drak-Aram  ist  ja  gerade  die  Landschaft  von  Antiochien,  und  dort  war  der  Sitz 
der  seleucidischen,  niemals  der  assyrischen  Herrschaft.  Also  ergiebt  sich,  dass 
die  Weissagung  aus  den  Jahren  197—142  v.  Chr.  stammt,  da  Palästina  unter 
seleucidischer  Herrschaft  stand.   Wenn  Jahwe  im  Norden  die  Grenzen  des 


Sach  9  3  428 Sach  9  7 

davidischen  Keiches  hergestellt  hat,  dann  ist  die  Hauptmacht  der  Feinde  ge- 
brochen und  kommen  Phönizien  und  Philistäa  an  die  Reihe. 

3  4,  zweite  Strophe:  Die  Eroberung  von  Tyrus,  das  sich  bald  nach  dem 
Falle  unter  Alexander  dem  Grossen  332  v.  Chr.  wieder  erholte  und  die  bedeu- 
tendste Stadt  Phöniziens  geworden  war,  vgl.  Schlussbemerk.  zu  Jes  Cap.  23 
KHC  Jes  S.  182.  3  Tunis  baute  sich  eine  Festung,  vgl.  zu  1i:>n  in  diesem 

Sinne  II  Chr  11  5  und  beachte  den  Gleichklang  mit  1i:J,  Und  häufte  Silber  auf 
wie  Staub  Und  Gold  so  viel  wie  Kot  auf  den  Gassen.  Zu  ^nn  vgl.  Prv  3  u. 
4  Siehe  de?'  Herr  icird  es  seines  Besit%es  berauben,  zu  ti^"'"lin,  aus  dem  Besitze 
vertreiben,  des  Besitzes  berauben,  vgL  I  Sam  2?  Und  sein  Bollwerk  (s.  zu 
Jes  26  1)  ins  Meer  stürzen  Und  es  selbst  die  Stadt  wird  vom  Feuer  verzehrt. 

5  6^,  dritte  Strophe:  Die  Unterwerfung  der  Philister städte,  die  mit 
Angst  und  Schrecken  den  Fall  von  Tyrus  sehen.  Natürlich  fehlt  in  der  Reihe 
der  Städte  das  711  zerstörte  Gat  vgl.  Zph  2  4  Am  le-s;  die  Namenfolge  ist 
dieselbe  wie  Jer  25  20.  Askalon  soll  es  schauen  und  schaudern,  zu  dem  Zere 
in  der  ultima  und  zu  dem  Ton  auf  derselben  in  N"in  s.  Ges.-Kautzsch2'  §  75  p 
und  hh;  vielleicht  liegt  für  beides  auch  ein  Grund  in  dem  Gleichklang  von  N^in 
mit  «yr^.  Und  Gaza  soll  es  schauen  und  vor  Angst  sich  winden.  Und  Ekron, 
denn  seine  Hoffnung  ist  zu  Schanden  geworden.  Angesichts  von  Jes  20  5f.  und 
von  ^yr\  zu  Anfang  des  Verses  ist  kaum  HD^D,  ihre  Hoffnung  d.  i.  Tyrus,  mit 
Wellh.  und  NowACK  in  nnt^DO,  ihr  Vertrauen,  zu  verändern;  über  ti^-^in  vgl. 
zu  Jo  1 10.  Aus  Gaza  wird  der  König  verschwinden  d.  h.  er  wird  seine 

Freiheit  und  Unabhängigkeit  verlieren,  Und  Askalon  unbewohnt  sein.  Zu  2^*^, 
bewohnt  sein  vgl  Jo  4i8.  Durch  Flucht  und  Exil  verschwindet  die  alte  Be- 
völkerung. 6="  Und  Mischlinge  werden  in  Asdod  wohnen,  15.1?^,  d.  i.  Misch- 
linge,  sind  die  in  den  Städten  und  im  Lande  bereits  vorhandenen  unteren 
Klassen  und  die  von  überallher  in  eine  verwüstete  Stadt  zusammenlaufenden 
Leute,  eine  Mischrasse  im  Vergleich  zu  der  edlen  angesessenen  Bevölkerung, 
vgl.  Beetholet  Stellung  zu  den  Fremden  143  f.  Die  Änderung  in  T"^ip,  =  assyr. 
mindidu,  Steuerbeamter ^  (so  Cheyne  Encycl.  Bibl.  4321)  ist  unnötig  und  un- 
wahrscheinlich. Der  Prophet,  der  weissagt,  ist  nicht  durch  Erinnerung  an 
Neh  13  23 f.  zu  seiner  Weissagung  gekommen,  auch  urteilt  er  über  den  ItJp??  an- 
ders als  Dtn  23  3  und  kennt  er  die  Strenge  von  Neh  13  23f.  nicht.  Vgl.  noch 
ZATW  1900,  166  f. 

6^  7,  vierte  Strophe:  Reinigung  des  Philisterlandes  von  heidnischen 
Greueln  und  Einverleibung  desselben  in  das  Reich  des  Messias.  6^  Der 

Hochmut,  der  Stolz  der  Philister  d.  h.  ihre  politische  Selbständigkeit  wird  von 
Jahwe  vernichtet  und  7  ihre  religiösen  Eigentümlichkeiten,  die  in  den 

Augen  der  Juden  nur  als  Greuel  taxiert  werden  können,  müssen  verschwinden : 
Ich  entferne  ihr  Blut  d.  h.  das  blutige  Opfer,  da  sie  das  Blut  nicht  ausiliessen 
lassen  vgl.  Hes  33  25,  aus  ihrem  Munde  Und  ihre  Greuel  d.  h.  unreine  und  im 
Gesetz  verbotene  Speisen  aus  ihren  Zähnen.  Sie  w^erden  zur  Enthaltung  vom 
Blut  und  vom  Erstickten  etc.  gezwungen,  also  zu  Proselyten  gemacht;  ja  sie 
sollen  sogar  dem  messianischen  Reiche  einverleibt  werden,  eine  H'^IS^,  ein 
Best,  der  die  messianische  Zeit  erlebt  und  ihr  Glück  erfährt,  sein  für  unsern 


Sach  9  7  429  Sach  9  9 

Gott.  Eine  solche  Hoffnuii^^  führt  in  späte  Zeit,  in  das  zweite  Jahrh.,  wo  man 
an  eine  Jndaisierung  des  PhilisterLandes  dachte  nnd  wo  sie  anch  dann  zum 
grossen  Teil  durch  die  Makkal)äcr  durchgelülirt  wurde,  vgl.  I  Mak  1160-62 
12  33f.  13  1-11.  In  «5in"D?  ist  «^n  collectiv,  bezieht  sich,  wie  die  Singular- 

suff, auf  das  coUectivo  n)rpö;  D?,  auch,  ist  gesagt,  weil  neben  den  Juden  auch 
dieser  Rest  des  Philisterhindes  zum  messianischen  Reich  gehören  wird,  wie 
V.  7''  erklärt:  die  Philister  werden  sein  wie  ein  Geschleckt  in  Juda^  1.  ^|pij 
(Meli  5  1)  für  ^^^«,  das  nur  auf  einen  einzelnen  gehen  kthinte,  und  die  Leute 
von  Ekron  den  Jerusalemern  nicht  nachstehen.  Archaistisch  wird  für  Jerusa- 
lemer ''DU'',,  JebusiteTy  gesagt. 

8  bringt  einen  Gedanken,  der  in  diesem  Zusammenhang  sehr  fern  liegt.  Ist  im 
Norden  die  feindliche  Macht  im  Centrum  getroffen,  Tyrus  erobert  und  im  Südwesten 
Philistäa  besiegt,  also  das  Reich  Jahwes  hergestellt  von  Hamath  bis  an  die  Grenzen  von 
Ägypten,  da  brauchts  nicht  noch  eines  besonderen  Schutzes  für  den  Tempel  zu  Jerusalem. 
"Wie  der  Inhalt  ist  auch  die  Form  merkwürdig,  denn  die  Ulf  von  UT^^bv  sind  durch  das 
Vorangehende  nicht  erklärt,  der  Plural  kann  doch  nicht  stehen,  um  Juden  und  Philister, 
von  denen  v.  7  besonders  handelte,  zusammenzufassen.  Ich  sehe  in  dem  Vers  eine  Rand- 
glosse zu  V.  10,  die  erklären  soll,  wie  trotz  der  Vernichtung  alles  Kriegsmaterials  der 
Tempel  und  sie  d.  h.  Ephraim  und  Jerusalem  vor  Angriff  und  Knechtung  geschützt  sein 
werden.  Zu  b  njn,  sich  lagern  um  {den  Tempel),  vgl.  Ps  34  8 ;  Perles  (Analekten  89) 

schlägt  dafür  ohne  Not  ^r\')'y\  vor,  vgl.  pn  njs  II  Reg  25  1.  nn^D  versteht  die  Mas. 

=  «n^?2,  vor  einem  Heere:  die  Mas.  kann  Recht  haben,  doch  ist  wahrscheinlich  zu  lesen: 
nn^ö,  ev.  blos  n^ö,  =  als  Besatzung,  vgl.  I  Sam  14  12.  Bei  n^öl  "inj?»  dachte  der 

Glossator  wohl  an  die  Palästina  durchziehenden  Heere  der  Seleuciden  und  Ptolemäer  und 
bei  M  wird  ihm  vor  allem  das  Bild  des  Antiochus  Epiphanes  vor  Augen  geschwebt 
haben.  Zu  "lil  'n'«*^  nns^-^S  fehlt  das  Obj.  wie  Jer  7  11;  es  wird  für  den  Sinn  zu  er- 

gänzen sein:  was  geschehen  ist  im  Tempel  und  in  Palästina.  Also:  Ich  habe  mit  eigenen 
Augen  jetzt  den  Greuel  der  Verwüstung  im  Tempel  und  die  Not  im  Lande  gesehen;  das 
soll  sich  nicht  wiederholen,  darum  v.  8^ 

9,  fünfte  Strophe:  Aufforderung  an  Zion,  über  das  Kommen  des  messia- 
nischen Königs  zu  jubeln.  An  die  Spitze  des  Reiches  Jahwes  (v.  i-7)  gehört  ein 
König  in  Zion.  Aber  der  messianische  König  ist  nicht  den  Königen  der  Welt 
gleich,  die  mit  äusserem  Prunk  und  auf  stolzem  Eosse  einziehen,  damit  an- 
deutend, dass  sie  ihre  Herrschaft  auf  Gewalt  und  Macht  gründen.  Dieses 
eigentümliche,  von  sonstigen  Schilderungen  (vgl.  Jer  17  25  22  4)  ganz  verschie- 
dene Bild  des  künftigen  Königs  zeigt,  dass  der  Prophet  der  Klasse  der  From- 
men angehört,  die  wie  der  Verf.  des  Buches  Dan  die  Hilfe  allein  von  Jahwe 
erwarteten.  "h^l  ist  gegen  die  Regel  hinten  betont,  s.  Ges.-Kautzsch27 

§  72  s.  p*'"^?  bedeutet  wohl  hier  nicht  „moralisch  gerecht",  obschon  der 

König  diese  Eigenschaft  hat,  sondern  „den  der  im  Recht  ist,  der  recht  hat" 
allen  Feinden  und  Gegnern  gegenüber,  es  kommt  dem  Sinne  von  „siegreich" 
nahe  vgl.  Wildeboer  ZATW  1902,  167 — 169;  aber  dass  er  wirklich  den 
Sieg,  die  Hilfe  Jahwes  erfahren  hat  und  immer  erfährt,  drückt  erst  y^li  aus, 
vgl.  Ps  33  16.  ''^Ij;,  eigentlich  unterdrückt,  arm,  ist  nach  dem  Exil  gerade- 

zu ein  Ausdruck  für  fromm  geworden;  auch  der  Messias  heisst  hier  so,  weil  er 
„nicht  aus  der  in  Jerusalem  herrschenden  Partei  der  Gottlosen,  sondern  aus 
der  unterdrückten  der  Frommen"  hervorgehen  wird  (Wellh.).  Darum  ist  sein 


Sach  9  9  430  Sach  9  1 1 

Reittier  auch  nicht  das  stolze  Kriegsross,  sondern  das  Eselsfüllen.  Zu  dem 
explicativen  \  in  b])_\  vgl.  Ges.-Kautzsch^"  §  154  a  N^b. 

10,  sechste  Strophe:  Die  Herrscherthätigkeit  des  Messias.  Für 

W^ni  1.  rm.Dni  vgl.  das  folgende  "1511  und  LXX;  Subj.  ist  der  Messias :  er  rottet 
alles  Kriegsmaterial  aus,  so  dass  die  Kriege  aufhören,  vgl.  zu  Hos  2  20.  Dass 
hier  Ephraim  zum  Reiche  des  Messias  gerechnet  wird,  ist  nach  v.  1-7  wohlver- 
ständlich,  übrigens  vgl.  v.  10^.  '^'p  Dl^C^  ^i^ni,  er  spricht  Frieden^  d.  h.  durch 

sein  Urteil  und  seinen  Befehl  schafft  er  Frieden  den  Völkern^  natürlich  auch 
über  die  Grenzen  seines  Reiches  hinaus  (vgl.  Jes  2  Mch  4),  das  nach  v.  10'^  ganz 
entsprechend  dem  v.  1-7  aufgerichteten  Reiche  Jahwes  auf  das  Gebiet  innerhalb 
der  Idealgrenzen  des  heiligen  Landes  (Num  34 1-1 2)  bemessen  wird:  vomEuphrat 
im  Norden  bis  %u  den  Enden  der  Erde,  also  wohl  bis  da,  wo  die  Wüste  im  Süden, 
resp.  Südwesten  beginnt,  bis  zum  Bach  Ägyptens,  vom  Meer  im  Osten  d.  h.  dem 
toten  Meer  zum  Meer  im  Westen,  d.  h.  dem  Mittelmeere.  Zu  dem  Friedensreich 
unter  den  Völkern  vgl.  Jes  2  4  11  6-10  Mch  4  3  und  s.  auch  Ps  72  8. 

Die  Ansicht,  dass  der  Abschnitt  v.  1-10  in  die  Zeit  des  Heranzugs  Alexanders  des 
Grossen  zu  verlegen  sei  (so  auch  Rubinkam)  und  dass  bei  dem  )ä^l  (v.  8)  an  den  Perserkönig 
Oclius  gedacht  sei,  lässt  sich  nicht  halten.  Eine  Eingliederung  von  Aram  und  von  Philistäa 
in  das  Reich  Jahwes  konnte  von  Alexanders  Siegen  niemand  erhoffen.  Allen  Judicien, 
welche  die  Verse  aufweisen  vgl.  zu  v.  1  f.  v.  5-7,  entspricht  nur  die  Zeit  der  Seleuciden- 
herrschaft  über  Palästina  und  des  kräftigen  Erwachens  der  Hoffnung  auf  die  Hilfe  Jahwes 
und  die  Neuaufrichtung  eines  israelitischen  Reiches.  "Was  der  Prophet  verheissen,  ist  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  durch  die  Makkabäer  verwirklicht  worden,  man  vgl.  z.  ß.  I  Mak 
12  24-33,  in  welch  kurzem  Abschnitt  Hamath,  Damaskus  und  Askalon  als  die  Stätten  der 
Kriegsthaten  der  Makkabäer  genannt  sind. 

2.  Die  Heimkehr  der  Diaspora  in  die  herrlich  geseg^nete  Heimat  nach  der 
Besiegung  der  griechischen  Weltmacht  9  ii-iv.  Die  herrliche  Eriedenszeit 

(v.  9  f.)  kommt  erst  nach  Besiegung  der  Feinde  (v.  1-7).  Der  neue  Abschnitt  (v.  11-17) 
ist  von  demselben  Gedanken  beherrscht  wie  9 1-10,  er  schildert  den  gewaltigen  und  blutigen 
Kampf,  den  das  Judentum  mit  dem  Griechentum  unter  göttlicher  Hilfe  siegreich  bestehen 
wird,  worauf  dann  die  jüdische  Diaspora  aus  der  ganzen  Welt  nach  Zion  zurückkehrt. 
Die  Verse  11-17  bilden  somit  eine  Parallele  zu  v.  1-10,  die  trotz  der  Anknüpfung  mit 
riJ<'D^  als  selbständiges  Stück  zu  behandeln  ist.  Auch  im  Metrum  tritt  diese  Selbständig- 
keit zu  Tage;  denn  gegenüber  den  Sechszeilern  stehen  hier  fünf  Vierzeiler. 

Der  erste  Vierzeiler  wird  in  Uf.  zu  suchen  sein;  leider  ist  der  Text  nicht 
unversehrt  überliefert.  Als  fremdes  Element  ist  bereits  von  Rubinkam,  G.  A. 
Smith,  Nowack  in  v.  11  12  D"".??  I'^i^  erkannt,  das  wohl  hinzugefügt  ist,  damit  man 
112,  Grube,  Zisterne,  nicht  eigentlich,  sondern  bildlich  verstehe  =  Gefängnis, 
Exil.  Ein  fremdes  Element  scheint  aber  auch  v.  12^  zu  sein,  weil  es  mehr  einer 
vergleichenden  Reflexion  als  einer  Weiterführung  der  Weissagung  ähnlich 
sieht.  Der  Text  ist  ja  allerdings  unsicher,  die  LXX  hat  anders,  aber  nicht 
verständlicher  gelesen,  und  so  bleibt  die  Übersetzung  zweifelhaft:  auch  heute 
heisst  es:  zwiefältig  gebe  ich  dir  Ersatz.  Zu  T'Iiö  soll  das  Subj.  fehlen  nach 
GtES.-Kautzsch-^  §  116  s;  zu  auch  heute  ergängt  man  wie  früher  und  sieht 
dann  in  Ul  n^^D  ein  Citat,  das  sich  ursprünglich  auf  die  Rückkehr  aus  dem 
babylonischen  Exil  bezogen  habe.  Dies  Citat  kann  Jes  40  2  nicht  sein,  da  dort 
von  Strafvergeltung  die  Rede,  eher  könnte  an  Jes  61  7  gedacht  sein.    Lässt 


Sach  9  11  431  Sach  9  14 

man  diese  zweilelhaften  Elemente  ausser  Betraclit,  so  bleibt  als  echter  Bestand 

folgende  Strophe  übrig:   Um  deines  Hundcshhiles  tcillen  lasse  ich  Auch  deine 

Gefangenen  los  aus  der  Grube  Und  es  werden  zurückkehren  zu  dir,  Zion,  Die 

nicht  ho/lnumjslos  Gefangenen.  D?  zu  Anfang  des  Satzes  bezieht  sich  auf '?I'^1''C«, 

nicht  auf  n«,  vgl.  Ges.-Kautzsch'^^  §  153.  "^nnS'DI  ist  ein  prägnanter 

Ausdruck;  schwerlich  aber  kann  ^T\^y^  =  Hund  mit  dir  gefasst  und  von  dem 

am  Sinai  unter  Blutvergiessung  vollzogenen  Bundesscbluss  Ex  24  3 ff',  verstanden 

werden,  wie  ich  noch  bei  Kautzsch  für  möglich  hielt;  das  Suff,  gehört  zu  der 

ganzen Stat.-constr.- Verbindung :  rft'm  Bundesblut,  vgh  Ges.-Kautzsch'^'  §  135r. 

T^'yi  hat  dabei  den  Sinn  von  den  durch  den  Bund  den  Israeliten  auferlegten 

Pflichten,  3  D"!  ist  demnach  das  in  Ausübung  der  religiösen  Pflichten  vergossene 

Blut,  also  die  Opfer,  ganz  besonders  wohl  das  täglich  dargebrachte  blutige 

Thamidopfer,  vgl.  Kkätzschmar  Bundesvorst.  232  f.  Weil  Zion  seine  religiösen, 

spec.  seine  kultischen  Pflichten  erfüllt,  werden  auch  seine  Angehörigen,  die 

jetzt  noch  im  Exil  festgehalten  sind,  frei.  i2  Für  ]1155^  n^ti^,  das  als 

Anrede  an  die  Gefangenen  schlecht  in  den  Zusammenhang  passt,  und  wegen 

der  Unverständlichkeit  von  ]11??,  einem  air.  Xsy.,  das  gewöhnlich  als  fester  Platz, 

etwa  =  Zion,  gefasst  wird,  sehr  zweifelhaft  ist,  habe  ich  oben  in  der  Übersetzung 

vermutet:  ]1*:i  "^^  ^^?^1;  LXX  hat  wenigstens  noch  kein  1  zwischen  ^  und  2  im 

Vert  gelesen.  Hljpr^n  ''TCtJ  sind  Gefangene,  die  Hoffnung  auf  Befreiung 

haben,  sicher  auf  ßettung  rechnen  dürfen. 

13,  der  zweite  Vierzeiler,  begründet  die  Verheissung  der  Befreiung  der 
Diaspora  mit  dem  Hinweis  auf  den  bevorstehenden  Sieg  des  Judentums  über 
das  Griechentum.  Denn  ich  spanne  mir  Juda  Als  Bogen,  den  ich  mit  Ephraim 
fülle.  Und  biete  deine  Söhne  auf  gegen  Jawan  Und  mache  dich  wie  das  Schwert 
eines  Helden.  Juda,  Ephraim  und  Zion  sind  die  Waffen:  Bogen,  Pfeile  und 
Schwert,  die  Jahwe  im  Kampf  gegen  Jawan  handhabt.  Ephraim  ist  ja  noch 
vorhanden,  wenn  auch  noch  zum  Teil  in  der  Diaspora,  „die  späteren  Juden  be- 
trachten sich  als  Nachfolger  und  Erben  aller  Stämme  Israels"  und  .^Zion  ist 
hier  überall  die  Gesamtbezeichnung  der  Theokratie,  die  auch  Joseph  oder 
Ephraim  unter  sich  begreift"  (Wellh.).  ril^'J^  ist  Obj.  zu  "^y\^  zugleich 
aber  knüpft  sich  daran  das  Relativsätzchen  (ohne  11^'S  bei  indeterminiertem 
Nomen):  D'^ID«  "'O^^P  =  den  ich  fülle  d.  h.  belege  mit  Ephraim  als  dem  Pfeile. 
Die  Fassung  Ephraims  als  Köcher  empfiehlt  sich  w^eniger,  da  Pfeile  notwendiger 
sind  und  besser  zu  Bogen  und  Schwert  passen  als  ein  Köcher.  Zu  lliy 
=  aufregen,  aufbieten,  vgl.  Ps  80  3.  Neben  der  Anrede  an  Zion  ist  die 
Anrede  an  Jawan  unmöglich;  aber  die  Verbesserung  des  zweiten  IJ^J?  in  ^5? 
mit  den  alten  Versionen  genügt  nicht,  das  ganze  Wort  ist  durch  ein  Versehen 
hereingekommen  (vgl.  auch  v.  14),  gerade  wie  das  richtige  Explicitum  Jl^li  zu 
dem  ersten.  Beide  Wörter:  das  glossierte  "^Jl^?  und  die  Glosse  ]1^:i,  standen 
wohl  einst  am  Rande  und  wurden  nachher  unrichtig  in  den  Text  eingeschoben. 
Jawan  ist  die  griechische  Weltmacht,  nach  y.  if.  repräsentiert  durch  die  Seleu- 
ciden. 

14,  der  dritte  Vierzeiler:  Jahwe  erscheint  zum  Kampf.  Jahwe ivird über 
ihnen  d.  h.  den  Zionssöhnen  (T^^  oder  ''iia  vor  ]V  in  v.  13  ist  also  nicht  brauch- 


Sach  9  14  432  Sach  9  17 

bar)  erscheinen  Und  sein  Pfeil  wie  der  Blitz  ausfahren  Und  Jahwe  wird  in  die 
Posaune  slossen  d.  h.  das  Signal  zum  Angriff  geben  Und  in  den  Stürmen  des 
Südens  einher  sehr  eilen.  ^J^i«  ist  als  das  Kere  zu  dem  folgenden  Ketbib  T\\r\\ 
zu  entfernen.  Zu  den  Stürmen  des  Südens  vgl.  Hab  3  3,  doch  s.  auch 

Jes  21  1,  nach  welcher  Stelle  die  Südstürme  besonders  furchtbar  gewesen  zu 
sein  scheinen.  In  v.  u  hat  der  Prophet  das  Wort  genommen  und  den 

Held  zu  schildern  begonnen,  auf  den  v.  i3  am  Schlüsse  hinweist. 

15,  die  vierte  Strophe:  Jahwe  schützt  die  kämpfenden  Juden,  die  ein 
furchtbares  Blutbad  unter  den  Feinden  anrichten.  Jahwe  der  Heere  wird  sie 
schirmen,  vielleicht  ist  ni>^n:i  sekundär,  wie  "'i^S  v.  13,  Dass  sie  siegen  und  die 
Söhne  ....  niedertreten  Und  trinken  ihr  Blut  wie  Wein  Und  voll  davon  werden 
wie  die  Ecken  des  Altars,  Mit  KIostermann  ThLZ  1879,  564  ist  für  das  un- 
haltbare ^^?«1,  das  nach  dem  folgenden  ^n^  und  12  6  „gemodelt"  scheint,  eine 
Form  des  Verbs  Vd^,  aber  besser  nicht  Ql^^^l,  sondern  einfach  ^'PDJI  sie  werden 
die  Oberhand  haben,  siegen,  und  für  das  störende  ^)on  das  zu  \T^\  passende 
Obj.  D?p^,  ihr  Blut,  zu  lesen,  vgl.  LXX.  Weiter  muss  aber  dann  mit  V^i^.'^^?^ 
der  Feind  bezeichnet  sein,  den  sie  überwältigen  und  dessen  Blut  sie  trinken, 
also  die  Jawanier.  Offenbar  ist  daher  "^^1  für  "»in«  zu  lesen  (Wellh.);  wie  aber 
die  Griechen  V^J?"'^^!^  heissen  (y^p.  bedeutet  sonst  Schleuder),  ist  unerklärt.  Das 
Blut  der  Feinde  trinken  wie  Wein  ist  offenbar  bildliche  Redensart  für  Kampf- 
lust und  Mordgier  (Nowack)  =  das  Blut  in  Strömen  vergiessen.  Im 
letzten  Stichos  y.  l8^  der  in  gutem  Anschluss  an  das  Vorangehende  schildert, 
wie  die  Sieger  vom  Blute  besprengt  sind,  ist  wohl  p'JtD?,  wie  die  Opferschale, 
zu  viel  neben  'D  ri^1\3,  wie  die  vom  Opferblut  besprengten  Ecken  des  Altars. 
Letzteres  scheint  doch  auch  der  bessere  Vergleich  zu  sein  und  p"3|???  könnte 
entstanden  sein  aus  der  abgekürzten  Variante:  D  't  1D3.  Zu  v.  15^  und  der  darin 
hervortretenden  Stimmung  der  Juden  gegen  die  Feinde  vgl.  Jes  63  i-6  Ps  149  6. 

16  17,  die  fünfte  Strophe:  das  Glück  der  Sieger  im  fruchtbaren  Lande 
Jahwes.  Und  Jahwe  ihr  Gott  schafft  ihnen  Heil,  Wie  Schafe  weidet  er  sie  in 
seinem  Land.  Ja,  tvie  herrlich  und  wie  schön  wird  es  sein!  Korn  und  Most 
spriessen  darin.  Die  Verse  sind  durch  mancherlei  Zuthaten  verunstaltet. 
Wellh.  hat  richtig  als  solche  niDDI^np  nU"^5n«3  (so  zu  lesen  für  '»in«  ^?)  erkannt, 
da  wie  schimmernde  Diademsteine  weder  zu  dem  Bilde  von  den  Schafen  noch 
zu  der  Fruchtbarkeit  des  Landes  (v.  i?)  sich  schickt;  niDplini?  ist  nicht  sicher, 
doch  liegt  wohl  der  Sinn  von  schimmern  (man  denke  an  D^i,  zittern,  das  etwa 
vom  unruhigen  Funkeln  gebraucht  sein  kann)  darin.  Durch  diesen  Einschub 
hat  der  Text  gelitten;  Wellh.  vermutet  den  Ausfall  von  HJ^T  und  liest  ]«li?, 
also:  wie  Schafe  weidet  er  sein  Volk  in  seinem  Lande;  besser  erscheint  mir 
die  Annahme,  dass  der  Best  von  DJ^T.  er  wird  sie  weiden,  in  löj?  vorliege.  Der 
Text  war  verwischt  und  wurde  dann  unrichtig  ergänzt;  das  hatte  zur  Folge, 
dass  man  auch  ]^s^^^  statt  l«^?  punktierte,  was  zu  der  seltsamen  Vorstellung  der 
„Herde  seines  Volkes"  führte.  Weitere  Zuthaten  sind  aber  das  hier  sinnlose 
oder  doch  nichtssagende  «inn  DI'*?  v.  16  und  die  D'^'l^n?  und  ni^^HS  17,  die 

schon  durch  die  merkwürdige  Stellung  des  Verbums  verdächtig  erscheinen, 
abgesehen  davon,  dass  es  schwer  sein  dürfte,  einen  besonderen  Zusammenhang 


Sach9i7  433  Sachl0  2 

der  Jünglinge  mit  Korn  und  der  Jungfrauen  mit  Most  naclizuweisen.  Es  wird 
daher  etwa  für  v.  i?''  zu  lesen  sein:  n;i  ^2^y  ^)yn]  ]y],  Korn  n?id  Most,  die  köst- 
lichsten Gaben,  sprirsscn  reichlich  darin  seil,  in  dem  Lande  Jahwes  (irup"]« 
V.  16),  auf  das  sich  auch  die  Suff,  in  v.  i?*^  beziehen  müssen,  man  lese  daher  mit 
Wellh.,  Nowack,  V.  Gall  (Herrlichkeit  Gottes  16)  nn^to  und  n;D\  Die 

fremden  Elemente  von  v.  lef.  lassen  sich  zu  einem  Sätzchen  zusammenreihen: 
„an  jenem  Tage  sind  Jünglinge  und  Jungfrauen  wie  schimmernde  Diademsteine", 
das  vielleicht  die  Schönheit  und  Pracht  des  Landes  und  seiner  Einwohner  zu 
V.  17^  erklären  wollte  und  vom  Rande  zerrissen  in  den  'J'ext  eingeschoben  wurde, 
um  schliesslich  Veranlassung  zu  geben,  dass  man  die  Feinde  in  v.  15  aus  j;bj5"'i2 
zu  j;'2p."'^??^j  Schleuder  steinen^  machte. 

3.  Von  Jahwe,  nicht  von  Teraphim  und  Wahrsagern  kommt  der  Segen  10 1 2. 

Der  kleine  Abschnitt  hebt  sich  von  der  Umgebung  deutlich  ab ;  denn  er  enthält  im  Unter- 
schied von   911-17   und  von  10  3ff.  Mahnung,  nicht  Weissagung.    Zwar  lehnt  er  sich  an 

9  17  an,  da  er  auf  den  hinweist,  der  den  dort  geschilderten  Segen  spendet,  und  auch  mit 

10  3  ff.  ist  eine  Verbindung  hergestellt,  da  v.  2'^  dst^  Bild  von  Herde  und  Hirt  gebraucht,  das 
10  3  erscheint.  Aber  der  Zusammenhang  ist  ein  rein  äusserlicher;  der  Tenor  der  Gedanken 
ist  sehr  verschieden:  9  17  handelt  es  sich  um  den  Segen  des  Landes  in  der  messianischen 
Zeit,  dagegen  10  1  um  den  fruchtbaren  Regen  der  Gegenwart;  10  3  ff.  spricht  vom  Frevel 
der  Regenten,  10  2  dagegen  von  der  Sünde  des  Volkes.  Somit  kann  in  den  Versen  nur 
ein  isoliertes  Stück  gesehen  werden,  das  als  Anhang  zu  9  (11-)  17  gedacht  ist,  von  dem 
später  noch  ein  Übergang  auf  11  3 ff.  in  11  2^  gesucht  wurde.  Da  nämlich  auch  der  Zu- 
sammenhang von  11  2'^  mit  11  1  2^  sehr  locker  ist,  wird  man  v.  2^  als  nachträgliche  Klammer 
ansehen.  Ob  der  Prophet  von  9  1-17  auch  der  Verf.  von  10  1  2^  ist,  kann  nicht  mit  Sicher- 
heit behauptet  werden.  Die  beiden  Verse  sind  ein  Anhang  zu  Cap.  9  zur  Mahnung  der 
Zeitgenossen  des  Autors.  Auch  wenn  sie  von  zweiter  Hand  stammen,  so  gehören  sie  einer 
späten  Zeit  an;  dass  Zauberei  und  Wahrsagerei  in  den  letzten  Jahrhunderten  v.  Chr. 
unter  den  Juden  nicht  fehlten,  ersieht  man  nicht  nur  aus  dieser  Stelle,  vgl.  Jes  57  12 f. 
Hab  2  \\i.  Ist  V.  2^^  nachträgliche  Zuthat,  so  besteht  der  Abschnitt  aus  zwei  Vierzeilern. 

1  Erbittet  von  Jahwe  Regen,  die  Beifügung  ti^IpbD  nj^|  ist  eine  unverständ- 
liche Limitation,  die  auch  LXX  oder  ihrer  Vorlage  nicht  behagte,  weshalb 
dort  der  Frühregen  neben  den  Spätregen  tritt;  es  handelt  sich  um  den  Regen 
überhaupt,  nicht  speziell  den  Spätregen,  den  man  von  Jahwe  erbitten  und  nicht 
durch  irgend  einen  Zauber  sich  zu  verschaffen  suchen  soll.  Jahwe  schaffet 

Donner  strahlen,  vgl.  zu  D^rtn  Hi  28  26  38  25;  Giebt  Regen  für  euch,  Für  Jeden 
Gewächs  auf  dem  Felde,  1.  u:h  für  Dn'j,  wie  der  Impera.  ^b^^  verlangt,  und  ent- 
ferne n^D^  vor  D^J,  mit  dem  es  wesentlich  identisch  ist  (vgl.  zu  Hi  37  6)  und  für 
das  es  der  Schreiber  aus  Versehen  zuerst  hinsetzte  (ähnlich  ist  viell.  ^J^nhlS  ^y\ 
Jes  3  12).  Regen  ist  die  Grundbedingung  und  darum  der  Inbegriff  des  Segens 
der  Natur,  vgl.  Jo  2  21-24;  von  ihm,  resp.  von  seinem  Geber,  hängt  das  Wohl- 
ergehen ab,  vgl.  14  17.  Schwerlich  ist  er  aber  mit  Wellh.  nur  als  Bild  für 
Hilfe  und  Neubelebung  in  mehr  politischer  Bedeutung  zu  nehmen.  2^  Die 

Götzen  helfen  nichts;  die  sind  gänzlich  zu  lassen,  nur  von  Jahwe  ist  Segen  zu 
erwarten :  Denn  die  Teraphim  reden  Lug  Und  die  Wahrsager  schauen  Trug 
Und  eitle  Träume  reden  sie,  Spenden  windigen  Trost.  Zu  D'D'jnn  vgl.  Hos  3  4, 
sie  reden  d.  h.  sie  geben  Orakel  vgl.  Hes  2126,  aber  Lügenorsikel,  darum 
stehen  sie  mit  D^Dppn  zusammen,  vgl.  Jes  2  6  3  2  Mch  3  6  f.  Für  «^,f  n  nib'pn 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII  28 


Sach  10  2  434  Sach  10  4 

ist  nicht  mit  Stade  und  Nowack  N*1^  niö'^rjn  zu  schreiben,  sodass  die  Träume 
Subj.  werden;  die  Verba  ^l^l"!  und  I^IDni^  gehen  auf  die  beiden  Subjekte  von 
V.  2»*  zurück.  Eher  ist  der  Artikel  vor  Slti^  zu  tilgen.  Die  Perfekta  drücken  die 
Erfahrung,  die  Iraperfekta  die  Gewohnheit  aus.  Das  Urteil  über  die 

Götzen  erinnert  an  Hab  3  18  und  der  ganze  Halbvers  hat  wohl  I  Sam  15  23  vor 
Augen,  s.  Stade  ZATW  1881  59—61. 

2'^  ist  nachträgliche  Zuthat,  die  dem  Gedanken  von  v.  2^  eine  andre  Wendung  giebt: 
V.  2^  soll  nicht  die  Mahnung  von  v.  1  begründen,  sondern  die  Ursache  von  eiügetretener 
Not  und  Bedrückung  darlegen.  Sonderbar  ist  auch  die  Subjektlosigkeit,  nachdem  doch 
vorher  nur  von  Götzen  und  Wahrsagern  die  Rede  war.  Dem  Glossator  sind  die  „sie"  eben 
die  Israeliten,  sie  mussten  iveiterziehen ,  wie  eine  Herde,  als  Nomaden  ohne  festen  Wohn- 
sitz ins  Exil  wandern,  und  ins  Elend  kommen,  1.  mit  LXX  ^3j;i  für  US?'_,  vgl.  Jes  53  4  Ps 
119  71,  iveil  ihnen  kein  Hirte  war,  d.  h.  weil  sie  Jahwe  verlassen  und  Götzendienst  getrieben 
hatten.  Der  Abfall  von  Jahwe  führte  das  Exil  wie  alle  nachherige  Knechtung  herbei.  Die 
Änderung  von  ^^DJ  in  ^lyi  oder  ^5;y,  umherirren,  (Wellh.,  Nowack)  und  die  Entfernung 
von  U_S?^_  (Nowack)  sind  unnötig. 

4.  Der  Sturz  der  gottlosen  Fremdherrschaft  10  3— 11  Hi  Dass  es  sich  bei 

den  „Hirten"  und  „Böcken",  gegen  die  Jahwes  Zorn  entbrennt,  um  fremde  Herrscher,  die 
über  Juda  regieren,  handelt,  zeigt  v.  4  (s.  unten  die  Erklärung).  Einheimische  Führer 
sollen  aufkommen  und  durch  Jahwe  gekräftigt  die  heidnische  Macht  stürzen;  die  Dias- 
pora kehrt  zurück  und  setzt  sich  im  freien  Lande  fest.  Die  ganze  Prophetie  10  3 — 11  3 
umfasst  zehn  Vierzeiler. 

3,  die  erste  Strophe  fasst  kurz  den  Inhalt  des  ganzen  Orakels  zusammen : 
Auf  die  Hirten  ist  mein  Zorn  entbrannt  Und  die  Leithammel  werde  ich  strafen ; 
Denn  Jahwe  schaut  nach  seiner  Herde  Und  macht  sie  zu  stolzen  Rossen.  Der 

Wechsel  zwischen  erster  und  dritter  Person  darf  bei  unserm  Propheten  nicht 
sehr  auffallen,  der  ohne  Bedenken  bald  Jahwe  redend  einführt,  bald  selber  das 
Wort  nimmt.  Zu  dem  guten  Sinne  von  "IJ^Ö  mit  "ns,  =  nachjmd.  sehen,  sich 
jmds.  annehmen,  vgl.  Jer  23  2,  zum  schlimmen  Sinne  mit  ^j;  =  an  jmd.  Heim- 
suchung üben,  ihn  strafen,  vgl.  Jes  24  21.  Zu  dem  Bild  von  den  Hirten 
für  die  Regenten  des  Volkes  vgl.  Jer  23  i-4 ;  D^il^r^J?,  ==  Leithammel,  ist  ebenfalls 
Bezeichnung  für  die  Führer  s,  Jes  14  9.  rr\^r\\  n^?"riiS;  ist  Glosse  ( WellHc  , 
Nowack)  und  nisn?  amplificatorische  Auffüllung;  aber  ebenso  ist  auch  nön^ö? 
zu  entfernen.  Dass  es  sich  um  Kriegs  rosse  handelt,  ist  selbstverständlich;  das 
Wort  ist  fälschlich  aus  v.  5  hier  beigefügt  worden.  Gut  bemerkt  Wellh.  :  „Die 
Weissagung,  dass  die  Schafe  sich  in  Streitrosse  verwandeln  werden,  hat  sich 
in  den  makkabäischen  Kriegen  sehr  merkwürdig  erfüllt." 

4,  die  zweite  Strophe:  In  Zukunft  sollen  nur  Einheimische  die  Führer 
sein.  Aus  ihm  selbst  (stammen)  die  Ecksteine,  Aus  ihm  selbst  die  Pfähle, 
Aus  ihm  selbst  die  Kriegsbogen,  Aus  ihm  selbst  gehen  alle  Machthaber  hervor. 
^i?2)?  ist  nicht  auf  Jahwe  zu  beziehen.  Ein  Gegensatz  zwischen  von  Gott  und 
von  Menschen  eingesetzten  Regenten  würde  wohl  anders  ausgedrückt,  vgl.  Hos 
8  4.  Jahwe  ist  offenbar  der  Sprechende  und  für  die  Beziehung  des  Suff,  auf 
Juda  spricht  Jer  30  21%  auf  welche  Stelle  unser  Vers  zurückgeht.  Die  Be- 
fehlshaber im  Staate  werden  unter  verschiedenen  Bildern  genannt:  zu  H^?  vgl. 
Jes  19  13;  zu  ^V\\,  Zeltpflock,  s.  Jes  22  23;  Kriegsbogen  bezeichnet  wohl  den  mili- 
tärischen Führer.  Zuletzt  kommt  eine  eigentliche  Bezeichnung  für  einen  Macht- 


Sach  10  4  435  Sach  10  9 

haber,  nämlich  b^^i,  und  zwar  wie  Jes  312  60  i7  oline  üble  Nebenbedeutung. 
1'in;;,  das  in  V.  4  nach  dem  Sing,  sich  eigentümlich  ausnimmt,  gehört  zum  fol- 
genden Verse;  es  steht  öfters  am  Anfang  eines  Satzes,  z.  B.  .les  11  14  45  16 
Jer  51  38. 

5,  die  dritte  Strophe:  Die  Niederwerfung  der  Fremden.  VMsammen 
(setze  nn^  vom  Ende  von  v.  4  an  Stelle  von  Vni,  das  bei  falscher  Satztrennung 
notwendig  wurde,  s.  v.  7,  wenn  es  nicht  bloss  aus  falscher  iJittogiaphie  hervor- 
gegangen ist)  zerstampfen  sie  Helden  Wie  den  Kot  der  Hassen  im  Kampf,  1.  mit 
Wellh.,  Nowack  und  G.  A.  Smith  D^lii;^  statt  .33,  das  aus  v.  ?  stammt,  und 
to^'ps  statt  to'^p!!,  da  der  mas.  Text  den  Helden  die  Aufgabe  doch  gar  zu  leicht 
macht.  Und  sie  streiten,  denn  Jahwe  ist  mit  ihnen,  Und  die  Reiter  zu  Hoss 
werden  zu  schänden.  VT\\  =  alle  zusammen,  nämlich  die  Führer  und  die 

Geführten.  Zu  T\\^\Vs  to^ps  s.  Mch  7  lo;  zu  ^t^nh  vgl.  9  5.  D^p^iD  ^^Dh 

sind  die  Feinde,  die  Weltmächte,  die  sich  auf  Rosse  verlassen,  s.  Jes  30  16  31  i 
Hos  14  4  und  vgL  Hes  23  6  12  23  und  bes.  38  15. 

6^,  die  vierte  Strophe:  Jahwe  stellf  Juda  und  Israel  in  früherer  Blüte 
wieder  her:  Ich  mache  das  Haus  Juda  stark  Und  dem  Haus  Joseph  bringe  ich 
Hilfe,  Jch  führe  sie  zurück,  denn  ich  habe  Erbarmen  mit  ihnen  Und  es  wird 
sein,  als  hätte  ich  sie  nicht  Verstössen,  Für  die  Unform  D'^nUC^ln'l,  die  Ablei- 
tung von  n^J  oder  "IW  offen  lassen  will,  1.  wie  v.  10  D^nia^ni,  vgl.  Ges.-Kaützsch2  7 
§  72  X.  Zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Stiches  ist  nicht  mit  Wellh. 

und  NovTACK  allzu  scharf  zu  trennen,  wenn  sich  schon  das  Folgende  in  der  Haupt- 
sache auf  „Joseph"  bezieht;  es  waren  immer  auch  noch  Judäer  in  der  Diaspora 
und  für  Juda  bedeutete  die  Rückkehr  eine  Verstärkung,  für  Joseph  eine  ßesti- 
tution.  Übrigens  zeigt  die  Nennung  des  Subj.  in  v.  7,  dass  der  Autor  erst  von 
dort  an  die  Zurückführung  der  Diaspora  Josephs  d.  h.  des  Nordreichs  allein 
im  Auge  hat.  6''  ist  sekundär  eingefügt,  um  die  Sicherheit  der  Verheissung 

aus  der  Zugehörigkeit  Jahwes  zu  Israel  zu  begründen:  Jahwe  erbarmt  sich 
Israels  und  erhört  sein  Gebet  gewiss,  weil  er  sein  Gott  ist.  Im  Zusammenhang 
ist  diese  recht  allgemeine  Begründung  und  Aussage  jedenfalls  unnötig. 

7,  die  fünfte  Strophe:  Die  neue  Lebenskraft  und  Lebensfreude  Ephraims. 
Und  die  Ephraimiten  werden  Helden  gleichen.  Und  ihr  Herz  wird  fröhlich 
sein,  wie  von  Wein,  Ihre  Kinder  werden  es  sehen  seil,  die  v.  6*  verheissene 
Rettung  und  fröhlich  sein,  Jubeln  wird  ihr  Herz  über  Jahwe.  00*^^^,  die 
Ephraimssöhne ,  sind  nichts  andres  als  D*;*]?fcJ,  die  Ephraimiten ,  vgl.  9 13  ''^2 

8  9,  die  sechste  Strophe,  beginnt  mit  der  näheren  Darlegung  des  Weges, 
auf  dem  die  Verheissung  von  v.  6 f.  ausgeführt  wird:  Jahwe  ruft  die  Diaspora 
aus  der  Ferne  zurück.  Ich  will  ihnen  zischen  vgl.  Jes  5  26  7  I8  und  sie  sammeln 
Und  sie  sollen  zahlreich  werden^  wie  sie  einst  war en^  vgl.  die  genaue  Parallele 
Jer  23  3.  D^n^lD  ^3  ist  eine  sekundäre  Anmerkung  wie  v.  6^  die  gerade  wie  dort 
das  theologische  Stichwort  liebt,  dort:  Jahwe  der  Gott  Israels  und  der  Erhörer 
seiner  Gebete,  hier:  die  Erlösung.  9  Ich  säte  sie  unter  die  Völker  Und 

sie  sollen  ihre  Kinder  grossziehen  und  heimkehren^  1.  DJ^^I^J  für  '«1,  da  es  sich 

im  Anschluss  an  v.  8  nur  um  die  Vergangenheit  handeln  kann;  dagegen  ist  es 

28* 


Sach  10  9  436  Sach  11  1 

nicht  nötig,  mit  Wellh.  und  Nowack  D^jIiJJ ,  ich  verstreute  sie,  zu  lesen,  da  das 
Säen  ebenso  gut  zu  ]^?j^  von  v.  8  und  besser  zu  dem  Kindergrossziehen  v.  9''  passt. 
Jetzt  kommt  die  Zeit  der  Ernte,  da  die  Früchte  der  Aussaat  unter  die  Völker 
eingeheimst  werden,  vgl.  Jes  27  12.  ^i^^^^.  D'^j^niJSn^  sehe  ich  für  Glosse 

an,  die  auf  der  Linie  der  Einschübe  von  v.  6  und  8  steht  und  an  die  päda- 
gogische Wirkung  des  Exils  erinnert.  Schwerlich  sind  auch  die  Worte  eine 
gute  Vorbereitung  für  das  Folgende;  denn  die  Kinder  zogen  sie  gross,  auch  so 
lange  sie  Jahwes  nicht  gedachten.  Für  VT\\  1.  mit  LXX  ^^ni.  Ins 

Exil  wurde  Israel  gebracht,  nicht  um  dort  unterzugehen,  sondern  um  dort  einer 
neuen  Generation  zu  rufen,  in  der  es  einst  zurückkehren  sollte. 

10,  die  siebente  Strophe:  Die  Heimführung  aus  Ägypten  und  Syrien 
und  die  ^Ansiedelung  in  der  Heimat.  ^'W^  ist  nicht  das  alte  Assyrien,  das  nicht 
mehr  bestand,  als  von  der  Heimführung  Judas  und  Israels  aus  dem  Exil  die 
Rede  war,  sondern,  wie  sehr  häufig,  das  spätere  Syrien,  s.  zu  Mch  5  4 f.  D"11^P 
ist  dem  Seleucidenreich  gegenüber  das  Reich  der  Ptolemäer.  In  das  Land 
Gilead  führe  ich  sie  heim  Und  nicht  wird  es  ihnen  ausreichen.  Aus  metrischen 
Gründen  ist  X^y^\  wohl  zu  streichen;  es  ist  eingefügt,  um  auf  Tyrus  überzuleiten, 
das  man  in  v.  11  fand  (s.  dort).  Zum  letzten  Stichos  vgl.  Jes  17  1 6,  zum  ganzen 
Vers  Mch  7  u  f. 

11,  die  achte  Strophe:  Der  Auszug  aus  Ägypten  und  der  Sturz  von 
„Assur"  und  Ägypten.  Und  sie  durchziehen  das  ägyptische  Meer  Und  es  ver- 
trocknen alle  Strudel  des  Nils  Und  der  Hochmut  Assurs  wird  gestürzt  Und  das 
Königsscepter  weicht  von  Ägypten.  Z\i  lesen  ist  zu  Anfang:  D^i:iD"D^_l  ^^^j;!,  der 
Plural  nach  LXX  und  die  weitere  Verbesserung  nach  Wellh.  und  Nowack; 
zu  dem  ägypt.  Meer  vgl.  Jes  11 15,  gemeint  ist  das  Schilfmeer,  ihm  entsprechen 
die  Strudel  des  Nil'.  Meer  und  Nil  vertrocknen,  damit  sich  der  Heimkehr  der 
Diaspora  keine  Hindernisse  entgegenstellen,  vgl.  auch  für  die  Sache  Jes  11 15. 
Der  Text  ist  früh  durch  fehlerhafte  Haplographie  des  D  entstellt,  vgl.  schon 
LXX.  Den  so  entstandenen  Text  las  man  VT^  D^?  (so  LXX  sv  öaXaaoTjj  oisvfi) 
oder  nii  D13,  wobei  man  also  an  Tyrus  dachte,  so  schon  der  Interpolator,  der  zur 
Erklärung  das  Sätzchen  nb"^n  D^n  nsni  aus  9  4  entnahm  und  hierher  setzte,  wo 
dann  das  letzte  Wort  in  D^^?  verdarb,  vgl.  Beilagen  bei  Kautzsch  zu  der  Stelle. 
Mit  der  Beifügung  dieser  Glosse  hängt  die  Lesung  des  Sing.  155^  und  die  Ein- 
setzung von  ll^^r'^  in  V.  10  (s.  dort)  zusammen.  Weist  man  die  Worte  an  den 
Rand,  wohin  sie  gehören,  so  erhält  man  einen  richtigen  Vierzeiler  und  wird 
nicht  mit  Wellh.  und  Nowack  li^^nhl,  "imni  und  I^D'^  lesen;  die  mas.  Lesart  ist 
viel  besser,  Gott  ist  ja  nirgends  genannt  und  im  Notfall  wäre  allein  WZi'^^  für 
^ti^'^nh]  zu  setzen.  12  ist  wieder  ein  Zusatz  wie  die  Einschübe  in  v.  6  und  v.  8. 
Die  „sie"  sind  wieder  so  unbekannt  und  doch  bekannt  wie  in  der  Glosse  v.  2^ 
Auch  sonst  spricht  dieForm  mit  dem  von  sich  abwechselnd  in  erster  und  in  dritter 
Person  redenden  Jahwe  nur  für  einen  Interpolator;  denn  selbst  wenn  man  DH'llIl, 
ihre  Stärke  für  D^iniS^  liest,  bleibt  die Inconcinnität  noch  gross  genug:  Jahwe 
redet  von  sich  in  der  dritten  Person,  das  nin'^  Di^i  bestätisft  dies  ausdrücklich. 
Für  ^Dpnn^  hat  man  immerhin  in  dieser  Glosse  nach  LXX  -I^Vnn"^.  zu  lesen. 

12^,  die  neunte  Strophe:  Der  Jammer  der  heidnischen  Weltmacht  über 


Sach  11  1  437  Sack  11  4 

ihren  Fall;  die  heidnische  VV^.dtnnicht  erschciint  hier  nnter  dem  Bilde  des 
Libanonwaldes  wie  des  10  34  und  der  Waldun^^  Hasans,  die  (Jedem  des  Liba- 
nons und  die  Eichen  Basans  repräsentieren  die  heidnischen  Herrscher.  ÖfPne, 
lAbimon,  deine  Tore,  Dass  Feuer  deine  Vedern  verzehre!  Jammert,  ihr  Eichen 
ßasans.  Denn  gepilK  irird  der  lUinnwald.  Mö^dich  ist,  dass  gerade  der  Libanon 
samt  Easan  als  EiUl  der  heidnisclien  Weltmacht  erscheint,  weil  sie  wie  die 
seleucidische  Herrschaft  im  Norden  lagen.  Nötig  ist  das  aber  ni('ht;  beide 
Waldungen  konntenals unverletzliche  und  unnahbare  gut  die  scheinbar  unbesieg- 
bare Weltmacht  darstellen.  Was  ^Xi^T\  Ij;^  (Kere:  I^^BH)  ist,  weiss  man  nicht 
sicher;  nach  Wellh.  ist  es  in  der  Übersetzung  mit  Ä«/2W/r«/rf  wiedergegeben. 
Zu  der  Artikellosigkeit  von  "lj;;i  vgl.  Ges.-Kautzsch^^  g  126w.  2'^  halte 

ich  ganz  für  sekundär:  der  zweite  Teil  ist  Voraufnahme  von  v.  3"^!^  und  mit 
verdächtigem  ll^i^J  eingeleitet  (vgl.  zu  8  9'');  der  erste  wollte  vielleicht  die  ver- 
missten  Cypressen  des  Libanons  auch  zu  ihrem  Rechte  kommen  lassen:  wie 
Cypressen  und  Cedern  in  Jes  14  8  zusammen  sich  freuen,  sollten  sie  auch  zu- 
sammen weinen.  ^ 

3,  die  zehnte  Strophe:  Noch  einmal  der  Jammer  der  gestürzten  Herr- 
scher, die  hier  unter  dem  Bilde  von  Hirten  und  Löw^en  dargestellt  werden.  Die 
Grundstelle  hierzu  ist  Jer  25  34-38.  Horch!  die  Hirten  jammern,  Weil  ihre 
Würde  vernichtet  ist;  Horch!  die  Löwen  brüllen,  Weil  die  Pracht  des  Jordans 
vernichtet  ist.  Die  Bedeutung  von  Dn*]"^«  ist  unsicher,  Nowack  möchte  dafür 
Dn"'j;"i)?,  ihre  Weide  lesen.  l'lTn  ]\^^  bezeichnet  das  Dickicht  an  den  Ufern  des 
Jordans,  in  dem  die  Löwen  hausen,  vgl.  Jer  12  5  49  19  50  44.  Mit  D''pn  schlägt 
V.  3  auf  den  Anfang  10  3  zurück:  Die  Strafe  Jahwes  hat  sich  an  den  fremden 
Regenten  vollzogen,  wenn  sie  über  den  Zusammenbruch  ihrer  Macht  und  den 
Verlust  ihrer  Wohnsitze  jammern. 

IL  Darstellung  des  Treibens  der  Regenten  und  Bedrohung  des  ruchlosen 
Hirten  11  4— ly  13  #'—9.  Der  Abschnitt  gehört  zu  den  originellsten  des  ATs,  unter- 

scheidet sich  auch  durch  seine  ganz  andre  Art  von  9l — 118.  Dort  ist  es  Weissagung, 
hier  Darstellung  der  Geschichte  der  jüngsten  Vergangenheit,  dort  herrscht  die  Hoffnung 
vor,  hier  die  trübselige  Stimmung.  Die  Gegenwart  erweckt  den  Pessimismus,  aber  der 
Glaube  an  das  Heil  der  Zukunft  erhält  den  Optimismus.  AVas  beide  Darstellungen  verbindet, 
ist  die  Überzeugung,  dass  die  traurige  Gegenwart,  wie  die  herrliche  Zukunft  von  Jahwe 
geleitet  und  gewollt  ist.  In  eigentümlicher  Weise  werden  die  Ereignisse  der  Gegenwart 
und  die  göttliche  Leitung  derselben  dargestellt.  Der  Prophet  erzählt,  w^as  er  auf  Gottes 
Geheiss  gethan  hat:  Zuerst  war  er  für  kurze  Zeit  ein  Hirte,  der  von  den  besten  Absichten 
erfüllt  war,  aber  schliesslich  sein  Amt  aufgab,  jetzt  ist  er  ein  ruchloser  Hirte,  dem  die  gött- 
liche Strafe  angedroht  ist.  So  wird  in  lebenden  Bildern  die  Geschichte  aufgeführt  und  zu- 
gleich das  göttliche  Urteil  über  die  Personen,  die  dargestellt  werden,  gesprochen.  Das 
Ganze  ist  aber  nicht  Erzählung  einer  wirklich  vom  Propheten  ausgeführten  Handlung;  die 
Darstellung  in  Form  eines  Referates  ist  nur  schriftstellerische  Einkleidung,  eine  Art  Alle- 
gorie, die  die  Namen  der  Personen  nicht  zu  nennen  braucht,  die  Sache  aber  recht  deutlich 
und  anschaulich  macht.  Da  es  schw^erlich  einem  Zweifel  unterliegen  kann,  dass  der 

ruchlose  Hirte  der  Hohepriester  Alkimus  ist,  so  wird  die  Entstehungszeit  dieses  Stückes 
etwa  auf  das  Jahr  161  oder  160  kurz  vor  dem  Tode  des  Alkimus  zu  bestimmen  sein.  Dieses 
Datum  harmoniert  auch  mit  dem,  was  sich  aus  9  1 — 11  3  ergab,  und  was  sich  auch  sonst 
aus  dem  vorliegenden  Stücke  114-17  entnehmen  lässt,  trotzdem  die  Verhältnisse  jener  Zeit 
nicht   bis  ins  einzelne  aufgeklärt  sind.  Wie  Ewald  erkannt  hat,   gehört  13  7-9  als 


Sach  11  4  438  Sach  11  7 

Schluss  unmittelbar  hinter  11  17;  in  13  7-9  geht  zunächst  die  Drohung  von  11  17  weiter 
und  bricht  schliesslich  noch  die  Verheissung  durch. 

4  Aus  V.  15  ergiebt  sich,  dass  der  Befehl  Jahwes  nicht  eigentlich  gemeint 
ist:  Der  Prophet  soll  nicht  wirklich  Hirte  werden,  sondern  ihn  darstellen,  wie 
er  ja  nachher  ebenso  einen  andern  Hirten  darstellen  soll  (v.  15);  vgl.  ferner 
Vorbemerkung.  Für  \n^S  setzt  LXX  iravToxpaiojp  =  ni^^n^;  nach  v.  15 

wird  man  aber  "h^  als  ursprünglichen  Text  zu  vermuten  haben.  Das  ^^ich^^  des 
Abschnitts  ist  natürlich  der  fingierte  Darsteller;  höchst  wahrscheinlich  liegt 
aber  auch  darin,  dass  der  Prophet  sich  selber  als  diesen  Darsteller  ausgiebt: 
er  führt  die  symbolische  Handlung  nicht  in  Wirklichkeit  aus,  sondern  stellt 
sie  nur  schriftlich  dar.  5  erklärt  den  Ausdruck  nyynT]  )«:J,  vgl.  auch  Jer 

12  3.  ]T\^^p  ist  neben  lO^'^iDb,  ihre  Verkauf er^  nicht  -=  ihre  Besitzer^  wie  z.  B.  Jes 
1  3,  sondern  =  ihre  Käufer.  Dass  hier  Käufer  und  Verkäufer  wesentlich  iden- 
tisch sind,  jedenfalls  in  ihrem  Benehmen  gegen  die  Herde  gleich  verfahren,  ist 
sicher;  ebenso  ist  kein  Zweifel,  dass  DH'^J^h,  ihre  Hirten^  von  ihnen  verschieden 
sind,  beachte  das  Masculinsuffix,  DH",  das  sich  auf  die  D^'Yp  und  D'^ipb  bezieht. 
Jedoch  wird  sich  der  von  Nowack  angenommene  Unterschied,  dass  die  ersteren 
die  fremden  Gewalthaber,  die  letzteren  die  einheimische  Obrigkeit  repräsen- 
tieren, nicht  halten  lassen,  führen  die  ersteren  doch  den  Namen  Jahwes  im 
Munde.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  gehen  die  beiden  ersten  Bezeichnungen 
auf  die  in  Jerusalem  um  die  Herrschaft  und  Hohepriesteramt  streitenden  Par- 
teien und  Familien,  deren  Behandlung  des  Volkes  zu  gleicher  Zeit  als  Kauf 
und  Verkauf  taxiert  werden  kann;  man  denke  an  die  Kämpfe  der  Oniaden  und 
Tobiaden  um  170  v.  Chr.  Die  Hirten  aber  sind  die  in  ihrem  Dienste  stehenden, 
von  ihnen  meist  ganz  abhängigen  Beamten,  'die  fungierenden  Hohepriester. 
^Dti^^^^  N^l  bedeutet:  und  die  sich  nicht  verschulden:  aber  diese  Worte  sind 
ironisch  gemeint,  hinzuzufügen  ist'in  Gedanken:  nach  ihrem  eigenen  Urteil,  vgl. 
die  folgende  parallele  Aussage,  in  der  die  Worte  der  schlechten  Hirten  direkt 
angeführt  [werden.   Zu  dem  Verb]D^JJ  vgl.  zu  Hos  5  15.  Für  "IDS"''  1.  den 

Plural  T\m\  ebenso  ^DH^  für  ^IDn^,  vgl.  LXX.  Das  gottlose  Geschäft  be- 

gleiten die  Händler  mit  einem  Lobpreis  Jahwes,  weil  sie  grossen  Gewinn  dar- 
aus gezogen  haben;  vgl.  zu  1^'J^^^l  Ges.-Katjtzsch^^  §  19  k. 

6  ist  ein  Randcitat,  das  eine  Begründung  von  v.  5^  enthält  und  damit  vom  Tenor 
der  Gedanken  abführt.  Dieser  tendiert  doch  darauf,  dass  auf  die  böse  Zeit  der  schlechten 
Hirten  mit  dem  vom  Propheten  dargestellten  Hirten  eine  bessere  kommen  sollte,  und  nicht 
darauf,  dass  die  Welt  rettungslos  zerschlagen  werde.  Der  Inhalt  von  v.  6  weist  auf  Zu- 
stände hin,  wie  sie  in  der  Zeit  der  Diadochen  herrschten,  als  die  unaufhörlichen  Kriege 
der  Fürsten  und  Feldherrn  Völker  und  Länder  verwüsteten.  Ohne  nin^  D«i  kann  das  Oitat 
Vierzeiler  sein,  dessen  Verse  nach  dem  Kinametrum  gebildet  sind:  Denn  fortan  ivill  ich 
nicht  schonen  die  Bewohner  der  Erde,  dass  es  sich  um  die  Erde  handelt  zeigt  das  allge- 
meine ü^Jyn  samt  der  darauffolgenden  Erklärung.  Siehe  ich  tvill  nun  selber  ausliefern  die 
Menschen,  Einen  jeden  in  die  Geivalt  seines  Hirten,  1.  inx^^i  für  ^n^*i ,  vgl.  das  parallele  isbö 
und  in  die  Gewalt  seines  Königs,  zu  n^_n  i^^iJ^n  vgl.  II  Sam  3  8,  Und  sie  die  Fürsten  werden 
die  Erde  verwüsten  und  ich  werde  niemand  aus  ihrer  Ha7id  retten. 

7  Fortsetzung  von  v.  4  f.  Die  im  Zusammenhang  unbrauchbaren  Wörter 
]^*S5n  ^l^V  ]5^  sind  mit  Klostermann  wie  v.  ii  zusammenzulesen,  sodass  sie  lauten: 


Sach  11  7  439  Sach  11  10 

)S^n  ''l'.^nDS,  --  für  die  Händler  der  Schafe,  v^^l.  Jes  23  8.  Üiese  „ Schaf händler'' 
sind  nichts  andres  als  die  Käufer  und  Verkäufer  von  v.  5  und  der  Gebrauch 
von  "^^ij;3--- „Krämer"  kann  keineswegs  für  riichtjüdische  Abstammung  dei'selben 
ins  Feld  geführt  werden,  vgl.  14  21.  Der  von  Jahwe  bei'uiene  Hirt  steht  somit 
im  Dienst  dieser  Schafhändler.  Die  beiden  Hirtenstäbe,  die  seine  Wirksamkeit 
charakterisieren  sollen,  nennt  er  DJ^X  lluld,  (vgl.  v.  10)  und  D'^'p^h,  Verbindung, 
(vgl.  V.  14).  8  Der  Anfang  redet  von  den  drei  Hirten,  die  er  in  einem 

Monat  vernichtet.  Sie  müssen  im  Vorhergehenden  ursprünglich  erwähnt  ge- 
wesen sein,  wahrscheinlich  war  ihm  der  Auftrag  zu  ihrer  Vernichtung  von 
Jahwe  selber  gegeben  und  ist  derselbe  hinter  v.  5  durch  den  Einschub  von 
V.  6  verdrängt  worden.  Immerhin  klappt  auch  nachher  nicht  alles,  denn  das 
Suffix  in  DH^  (v.  8'^)  kann  sich  keinesfalls  auf  „die  drei  Hirten"  beziehen,  son- 
dern geht  höchst  wahrscheinlich  auf  ]^^^n  v.  7.  Es  bleibt  daher  die  Möglichkeit, 
V.  8^  könnte  hinter  v.  7^  gehören;  andernfalls  muss  mit  Wellh.  hinter  v.  8^  eine 
Lücke  angenommen,  in  der  die  Überleitung  auf  die  DH—  von  v.  8^'  gegeben  war, 
oder  v.  8^  als  Einschub  betrachtet  werde«.  Die  drei  Hirten  müssen  zu 

den  von  v.  5^  charakterisierten  gehören;  es  können,  wie  Eübi^^kam  annimmt, 
Lysimachus,  Jason  und  Menelaus  sein,  die  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit,  hier 
in  allegorischer  Weise  auf  einen  Monat  bemessen,  aus  dem  Amte  entfernt 
wttrden:  Lysimachus  wurde  von  einem  über  seine  Gewaltthaten  wütend  ge- 
wordenen Volkshaufen  erschlagen  (c.  171  v.  Chr.)  II  Mak  4  42,  Jason  wurde 
170  V.  Chr.  vertrieben  und  fand  im  Exil  ein  schimpfliches  Ende  II  Mak  5  10, 
und  Menelaus,  der  170  v.  Chr.  wieder  in  das  Hohepriesteramt  eingesetzt  worden, 
erlebte  die  Aufhebung  des  Kultus  im  Jahre  168  v.  Chr.,  gelangte  aber  nach 
der  Wiederherstellung  desselben  165  v.  Chr.  nicht  zu  seinem  Amte,  da  Judas 
den  gottlosen  Griechenfreund  von  Jerusalem  fernhielt,  163  v.  Chr.  ist  er  in 
Beröa  in  Syrien  eines  gewaltsamen  Todes  gestorben  II  Mak  13  3-8.  Das  ist 
wohl  die  beste  Erklärung  der  drei  Hirten,  für  die  man  von  Moses,  Aaron  und 
Mirjam  (Hieeonymus)  bis  auf  Galba,  Otho  und  Vitellius  (Calmet)  Namen  ge- 
sucht hat;  denn  diese  drei  Hohepriester  passen  entschieden  besser  als  Sacharja, 
Schallum  und  irgend  ein  unbekannter  Prätendent  in  den  letzten  Zeiten  des 
Nordreichs,  oder  als  Antiochus  Epiphanes,  Antiochus  Eupator  und  Demetrius 
oder  als  Judas,  Jonathan  und  Simon  oder  als  die  drei  Weltreiche:  Assur, 
Babel  und  Persien,  oder  als  Prophet,  Priester  und  König  oder  als  Pharisäer, 
Sadducäer  und  Essener.  Zu  In  einem  Monat  als  allegorischem  Terminus 

für  eine  kürzere  Spanne  Zeit  vgl.  die  Umdeutung  der  siebzig  Jahre  Jer's  in 
490  Jahre  bei  Dan  9.  Für  das  unsichere  Stt.  Xey.  nbnia  (Prv  20  21  ist  zu 

ändern,  s.  dort)  vermuten  Geigee  und  Nöldeke  ZAT W  1897,  187f.,  n^??,  das 
jedoch  an  Jer  3  14  31  32  keine  Stütze  hat,  besser  schlägt  Nowack  T\bvt  vor, 
vgl.  Jer  14  19.  9  Dem  Hirten  ist  das  Hirtenamt  verleidet,  darum  über- 

lässt  er  die  Herde  ihrem  Schicksal,  das  nur  der  Untergang  sein  kann  vgl.  v.  8 
13  8.  10  Infolge  dieses  Entschlusses  wird  der  Stab  Huld  zerbrochen;  was 

das  bedeutet,  sagt  v.  10^^:  Der  Bund,  den  der  Hirt  mit  allen  Völkern  geschlossen 
hatte,  wird  aufgelöst,  d.  h.  das  Friedensverhältnis  zwischen  Juda  und  den 
Nachbarn  hat  ein  Ende,  Juda  ist  den  Völkern  preisgegeben  vgl.  zu  Hos  2  20. 


Sach  11  10  440  Sach  11  14 

Unter  allen  Völkern  ist  an  die  Nachbarn  zu  denken,  z.  B.  an  die  Philister, 
Idumäer,  Ammoniter,  Araber;  doch  ist  auch  daran  zu  erinnern,  dass  nach  der 
Darstellung  von  II  Makk  5  i-ii  die  Streitigkeiten  der  oben  genannten  Hohe- 
priester Jason  und  Menelaus  zur  syrischen  Intervention  führten.  Das  Volk 
wollte  keinen  guten  Hirten,  so  griffen  die  auswärtigen  Mächte  in  seine  Schick- 
sale ein.  11  Daran,  dass  gerade  an  jenem  Tage  d.  h.  gleichzeitig  der 
Friedenszustand  aufhört,  sehen  die  Händler  (1.  wieder  wie  v.  7  ]N^n  "''JVJ?), 
dass  Jahwe  es  ist,  der  spricht,  dass  er  also,  wie  wir  sagen,  den  Stab  über  ihnen 
gebrochen  hat.  „Das  Verhängnis  naht".  '•ns  D''1?pt2^'n,  ihn  beobachtende, 
heissen  die  Händler,  sie  mochten  gerade  ihn,  der  nicht  wie  die  früheren  Hirten 
den  Händlern  gleichgesinnt  war,  scharf  im  Auge  haben.  Er  gehörte  nicht  zu 
den  hellenistisch  gesinnten  Hohepriestern.  12  Die  DH—  in  Q^''b^^,  zu  denen 
der  Hirte  spricht,  können  nach  dem  Zusammenhang  doch  nur  die  '^H  ''!;^5?5? 
sein;  auch  sachlich  ist  es  das  Natürliche,  dass  nicht  die  Schafe,  sondern  die, 
welche  sie  als  ihr  Eigentum  behandeln  und  für  welche  er  sie  weidet  (v.  7),  den 
Hirtenlohn  bezahlen.  Er  fordert  von  ihnen  den  Lohn,  wenn  sie  über- 
haupt dafürhalten,  dass  er  welchen  verdient  habe.  Da  zahlen  sie  ihm  als  seinen 
Lohn  die  Bagatelle  von  dreissig  Schekel  aus,  gerade  soviel  als  ein  Sklave 
kostet  vgl.  Ex  21  32,  ein  Zeichen,  wie  gering  sie  seine  Dienste  taxierten,  trotz- 
dem sie  sahen,  dass  Jahwe  zu  seinem  Wirken  stand.  13  Jahwe  befiehlt 
ihm  hierauf,  die  dreissig  Silberlinge  in  den  Tempelschatz  zu  werfen,  vielleicht 
auch  ein  Zeichen,  dass  der  Hirte  im  Auftrag  Jahwes  handelte.  Für  "l^l^l,  der 
Töpfer,  ist  *l?1^^^'  ^^^  Schatz,  zu  lesen,  wie  das  Vi)7}\  n*"?  am  Ende  des  Verses 
zeigt;  denn  beim  Tempel  gab  es  keinen  Töpfer,  aber  einen  Tempelschatz,  und 
dass  „zum  Töpfer  werfen''  sprichwörtlich  für  „v^egwerfen"  sei,  will  man  nur 
aus  dieser  Stelle  erschliessen.  Die  Verwechslung  von  S  und  "^  kommt  nament- 
lich im  Innern  eines  Wortes  häufig  vor,  weil  zwischen  zwei  Vokalen  i<  in  der 
Aussnrache  leicht  zu  "^  wurde,  verl.  H^ll  für  JlS"!  I  Sam  22  1 8  22,  nisn^  von  ""^^ 
Jer  3  19  (s.  dort).  Pesch.  und  Targ.  Jonathan  haben  auch  richtig  "i^Msn  gelesen. 
Dagegen  vertritt  LXX  die  mas.  Lesart.  Interessant  ist  auch,  dass  in  dem 
Abschnitt  Mt  27  3-10,  der  auf  messianischer  Deutung  unserer  Stelle  beruht, 
sich  das  Schwanken  zwischen  Tempelschat%  und  Töpfer  wiederspiegelt.  Die 
Hohepriester  finden  es  schliesslich  bei  ihrer  Überlegung,  ob  die  dreissig  Silber- 
linge, der  teure  Preis  des  guten  Hirten,  in  den  Gotteskasten  geworfen  werden 
sollen,  richtiger,  sie  für  den  Acker  des  Töpfers  zu  verwenden.  Vgl.  Wellh.  "1"]^ 
"iJJ'^n  bedeutet  wohl  die  Herrlichkeit  des  Preises,  der  herrliche  Preis;  doch  ist 
injSl  unsicher.  Vielleicht  ist  IjJ'^n  IDti^  zu  lesen,  was  der  Bedeutung  von  ^ijj"; 
Schwer Cs  Wert,  auch  besser  entspräche:  de?i  schweren  oder  wertvollen  Lohn, 
dessen  du  wertgeachtest  wurdest.  Auf  alle  Fälle  ist  es  eine  ironische  Bezeich- 
nung der  dreissig  Silberlinge.  Behält  man  nach  mas.  Texte  ^V\^p^^  bei,  so  ist 
diese  Taxierung  des  Lohnes  eine  vom  Hirten  selbst  gesprochene  sarkastische 
Parenthese  (G.  A.  Smith);  besser  liest  man  jedoch  mit  Wellh.  und  Nowack 
die  2.  Pers.  ri")pj,  da  eine  solche  Unterbrechung  der  Rede  Jahwes  unschicklich 
ist.  14  Jetzt  wird  auch  der  zweite  Stab  gebrochen,  der  Stab  Verbindung; 
denn  wie  die  Bedeutung,  die  diese  symbolische  Handlung  hat,  zeigt,  darf  nicht 


Sach  11  U  441  Sach  11  15 

mit  den  alten  AusU^gern  (auch  Luther)  der  Stab  „  W('/ie^^  (==  D^^DH,  Schmerzen) 
verstanden  werden.  Nicht  die  Leiden  und  Nöte  sollen  aufgehoben  werden, 
sondern  die  Verhrüderuruj,  7T\T\^T\,  zwischen  Juda  und  Israel  oder  besser  nach 
zwei  Codd.,  die  p^tf^l"!";  Tür  ^«"3^"  bieten,  zwischen  Juda  und  Jerusalem.  Letzteres 
ist  mit  Recht  von  Wellh.  und  Nowack  vorgezogen.  Denn  die  gewöhnliche 
Lesart  setzt  ja  im  Grunde  noch  die  Zusammengehörigkeit  von  Juda  und  Israel, 
nicht  blos  die  Existenz  von  Israel,  also  den  Bestand  des  Davidischen  Reiches 
voraus,  da  es  sich  um  den  Verlust  eines  realen  gegenwärtigen  Gutes  und  nicht, 
wie  Stade  sich  denkt,  um  das  imaginäre  von  den  Propheten  verheissene  Gut 
der  Wiedervereinigung  der  beiden  Reiche  handelt  und  da  ferner  ^«it^*^  im 
Gegensatz  zu  Juda  nirgends  die  hellenistisch  gesinnte  Partei  noch  die  in  der 
Diaspora  lebenden  Juden  bezeichnet.  Nur  die  Lesart  p'^^ni  macht  den  Sinn 
klar:  die  Einheit  der  Judenschaft  soll  zerrissen  werden,  Jerusalem  und  die 
Landschaft  Juda  nicht  mehr  zusammengehen;  dieser  Gegensatz  that  sich  ja 
in  den  Kämpfen  der  Makkabäer  kund,  in  denen  sich  die  Landschaft  gegen  die 
hellenistisch  gesinnte  Hauptstadt  erhob;  vgl.  auch  unten  zu  12  2-7  14  u.  Jeru- 
salem und  Israel  wurden  aber  auch  sonst  im  Texte  verwechselt,  vgl.  Jer  36  2 
(s.  zu  der  Stelle  und  LXX). 

Wer  der  Hirte  war,  nach  dessen  Abtreten  vom  Amte  die  Intervention  des  Aus- 
landes erfolgte  und  die  Landschaft  sich  in  offenen  Gegensatz  gegen  die  Hauptstadt 
setzte,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen,  da  die  Verhältnisse  jener  Zeit  uns  nicht  ganz  im 
Einzelnen  bekannt  sind.  Wellh.  hält  es  für  möglich,  dass  unter  dem  uneigennützigen  Hirten 
Hyrkanus  der  Sohn  des  Tobias  gemeint  sei,  der  „ein  Mann  von  stolzer  Gesinnung  und 
hohen  Plänen  war,  mit  seinen  Brüdern,  den  Tobiaden,  in  voller  Feindschaft  lebte,  sie  be- 
siegte und  ihrer  zwei  tötete,  sich  indessen  in  Jerusalem  doch  nicht  behaupten  konnte", 
s.  JosEPHUS  Antiqu.  12  122.  Man  könnte  annehmen,  dass  „ihm  seine  Anhänger  zuletzt  Geld 
gaben,  damit  er  Jerusalem  verlasse,  als  das  gute  Einvernehmen  zwischen  ihnen  aufgehört 
hatte  und  allerlei  äussere  Gefahren  auftauchten"  und  es  sei  daran  zu  erinnern,  dass  „Hyr- 
kanus der  Sohn  des  Tobias  nach  II  Mak  3  11  ein  Depositum  im  Tempelschatz  hatte". 
Das  beides  könnte  zum  Verständnis  der  Angaben  über  den  Empfang  von  Lohn  und  die 
Deponierung  desselben  im  Tempelschatz  in  v.  12  f.  dienen.  Da  aber  doch  eher  ein 

wirklicher  Hohepriester  durch  den  guten  Hirten  dargestellt  wird,  so  könnte  man  zunächst 
an  Onias  III.  denken,  weil  in  seiner  Zeit  die  Intervention  Syriens  begann;  aber  dann  ver- 
stände man  nicht,  wie  von  ihm  gesagt  sein  könnte,  dass  er  drei  Hirten  entfernt  habe,  da 
er  schon  171  v.  Chr.  hingerichtet  wurde,  als  Jason  und  Menelaos  sich  noch  um  die  Hohe- 
priesterwürde stritten.  Besser  scheint  sich  sein  Sohn  Onias  IV.  zu  empfehlen,  der  während 
der  factischen  Herrschaft  des  Judas,  der  von  Menelaos  nichts  wissen  wollte  (s.  zu  v.  8), 
als  Hohepriester  fungiert  haben  könnte  vgl.  Schürer  Gesch.  des  jüd.  Volkes  3  4  I  215,  dann 
aber  doch  nach  der  Hinrichtung  des  Menelaos  durch  Alkimus  ersetzt  wurde.  Dann  stimmte 
die  Zeit,  denn  vor  Onias  IV.  waren  drei  Hohepriester  von  ihrem  Amte  entfernt,  auch  be- 
gannen damals  die  syrischen  Eingriffe  und  der  Gegensatz  zwischen  Stadt  und  Land 
wurde  recht  lebendig  bei  der  Einsetzung  des  hellenistischen  Hohepriesters  Alkimus  im 
Jahre  163  v.  Chr.  Leicht  möglich,  dass  man  den  übergangenen  Onias  IV.  mit  einer  kleinen 
Summe  abfand  und  dass  er  im  Überdruss  über  die  Jerusalemer  nach  Ägypten  ging.  Jeden- 
falls war  er  ein  Vertreter  der  Partei,  die  nichts  von  den  Griechenfreunden  wissen  wollte.  Die 
spätere  Gründung  des  Tempels  in  Leontopolis  spricht  eher  für,  als  gegen  diese  Annahme, 
übrigens  mag  sie  zurZeit  der  Entstehung  unseres  Abschnittes  noch  nicht  erfolgt  gewesen  sein. 

15  Der  neue  Hirt,  den  der  Prophet  darstellen  soll,  ist  ein  ruchloser  Hirt, 
ein  Griechenfreund;  er  ist  offenbar  Nachfolger  des  guten  Hirten  und  wahr- 


Sach  11  15  442  Sach  13  7 

scheinlich  auch  der  unmittelbare.  Wellh.  sieht  darin  Menelaus;  ist  jedoch 
unter  dem  guten  Hirten  nicht  Hyrkanus  der  Sohn  des  Tobias,  sondern  Onias  IV. 
gemeint  (s.  zu  v.  u),  so  kann  in  dem  ruchlosen  Hirten  mit  Bertholet  (Stellung 
zu  den  Fremden  S.  219)  und  Duhm  (zu  Jer  50  7)  nur  Alkimus  gesehen  werden, 
der  auch  dieser  Qualifikation  aufs  beste  entspricht,  vgl.  I  Mak  7  5-25  9  54-57. 
IG  Das  Treiben  des  ruchlosen  Hirten  wird  nach  Hes  34  4  geschildert.  Den  fol- 
genden parallelen  Singularen  gemäss  ist  auch  der  Sing,  ilinpi"!  zu  lesen.  Für 
das  unverständliche  ^V^^,  das  man  gewöhnlich  =  das  Zerstreute,  das  Verirrte 
(ij^i  nomen  abstractum  von  1J?i,  das  jedoch  nur  „schütteln"  bedeutet,  pro  con- 
creto) fasst,  1.  mit  Oort,  Nowack  nach  Hes  34  4  HH'ilj  =  das  Verstossene, 
Verjagte,  np^in,  gewöhnlich  als  das  Aufrechte,  das  Gesunde,  gefasst, 

passt  nicht  gut  in  den  Zusammenhang,  der  vielmehr  eine  neue  Kategorie  von 
Pflegebedürftigen  erfordert.  Buhl  denkt  an  die  Möglichkeit,  dass  iin^^n  nach 
arab.  Analogie  das  starr,  steif  Gewordene,  bedeutet,  Nowack  möchte  lieber 
nach  Hes  34  4  n'^n^n,  das  Kranke,  lesen.  Was  plD^  in^ipiD^  besagen  soll, 

ist  ganz  unklar.  Das  Spalten  der  Klauen  soll  nach  Ewald  und  Hitzig  Aus- 
druck sein  für  das  Treiben  durch  steinige  Gegenden,  nach  von  Orelli  für  die 
Verstümmelung  der  Klauen,  um  die  Tiere  unbeweglich  und  daher  fett  zu 
machen,  oder  gar  nach  Köhler  auf  das  Essen  des  Klauenfettes  hinweisen.  17, 
wozu  13  7-9  die  direkte  Fortsetzung  bildet,  beginnt  die  Drohung  gegen  [den 
ruchlosen  Hirten,  auf  die  der  ganze  Abschnitt  abzielt.  Die  Drohung  ist  in 
metrischer  Form  gegeben:  11  17  +  13  7-9  umfassen  vier  Sechszeiler  oder,  wenn 
man  lieber  will,  Tristicha,  deren  Zeilen  in  der  Mitte  eine  Caesur  aufweisen. 
Die  erste  Strophe  liegt  in  y.  i7  vor:  Wehe  über  meinen  ruchlosen  Hirten,  1.  wie 
V.  15  '''?''lisn  für  '^'''psn,  das  zwar  nicht  unpassend  den  Sinn  gäbe:  Hirte  der  Nich- 
tigkeit,  nichtswürdiger  H.,  wobei  ''^h  mit  sog.  Jod  compaginis  stände  wie  das 
folgende  "»nji;,  vgl.  Ges.-Kautzsch2  7  §  901,  Der  die  Schafe  im  Stiche  lässt!  Das 
Schwert  komme  über  seinen  Arm  Und  über  sein  rechtes  Auge,  Din  ist  durch 
13  7  geschützt,  darum  die  Lesung  2yi  unrichtig,  vgl.  auch  Jer  50  37 f.  (Nowack). 
Sein  Arm  soll  völlig  verdorren  Und  sein  rechtes  Auge  erlöschen, 

13  y-9:  Die  zweite  —  vierte  Strophe,  der  Abschluss  von  11  4-i7.  Die  Zu- 
sammengehörigkeit wdrd  abgesehen  von  ihrem  Inhalt  auch  dadurch  erwiesen, 
dass  11  16  und  13  7  ihr  Vorbild  an  der  ß^eihenfolge  Hes  34  4  5  haben.  7,  die 
zweite  Strophe:  Wache  auf,  Schwert,  gegen  meinen  Hirten  Und  den  Mann, 
der  mir  so  nahe  steht,  trotz  \  ist  ^'J^l  und  'j;  155  natürlich  nur  einer,  s.  9  9;  inj 
^TS^H^V  =  der  Mann  meiner  (3-enossenschaft,  der  Mann,  der  mein  Genosse  ist, 
vgl.  Lev  18  20,  so  heisst  der  ruchlose  Hirt,  weil  er  Hohepriester  ist,  der  vom 
ganzen  Volke  Jahwe  am  nächsten  steht  vgl.  3  7.  Zu  der  Betonung  von 

n.Jij;  auf  der  letzten  Silbe  vgl.  zu  ''^^^l  9  9.  T\'\^y^  ni^n::"D«:i  steht  ausserhalb 

des  Metrums,  ist  auch  erst  nachträglich  eingesetzt  um  den  neuen  Sprechenden 
im  Unterschied  von  13  6  zu  markieren,  als  die  Verse  7-9  von  ihrem  ursprüng- 
lichen Platz  hinter  11 17  nach  Cap.  13  verschlagen  waren.  Ich  werde  den 
Hirten  schlagen,  1.  nach  einigen  Codd.  und  Mt  26  31  n|«  (vgl.  auch  ^Pi^^ni)  für 
das  schon  durch  sein  masc.  Genus  auffallende  "^H;  Jahwe  selber  führt  das 
Schwert,  Dass  sich  die  Schafe  %erstreuen.             Und  ich  kehre  meine  Hand 


Sach  13  7  443  Sach  12  l 

natürlich  zum  Schlagen  vgl.  zu  Am  1  8,  (lefjm  die  Kleimm  d.  h.  die  Hirten- 
buben,  so  Geiger,  Siege]ued-Stade  etc.,  vielleiclit  ist  nach  Jer  49  20  50  45  auch 
hier  Dn;j;!^  zu  lesen  (vgl.  zu  Jer  49  20).  S  9^^  die  dritte  Strophe:  Die 

Vernichtung  von  zwei  Drittel  der  Bewohner  im  ganzen  Lande.  Und  dann  ge- 
schiehts  im  ganzen  Lande  seil.  Palästina  14  9  f.,  Ist  der  Spruch  Jahwes,  V.wei 
Drittel  (Dtn  21 17  II  Reg  2  9)  darin  Sollen  ausgerottet  werden^  vergehen,  nicht 
nur  exiliert,  sondern  durch  den  Tod  weggerafft  werden,  Und  der  dritte  Teil 
bleibt  da?' in  übrig  Und  ich  bringe  den  dritten  Teil  ins  Feuer,  vgl.  Jes  6  13 
Hes  5  13.  9  (von  D'^n^nni  an),  die  vierte  Strophe:  Das  Gericht  dient  der 

Läuterung.  Und  ich  schmelze  sie,  wie  man  Silber  schmelzt,  Und  läutere  sie, 
wie  man  Gold  läutert,  vgl.  Jes  1  25  Jer  9  6.  Er  wird  meinen  Namen  anrufen 
Und  ich  teer  de  ihn  erhören;  Und  ich  werde  sagen:  mein  Volk  ist  es!  Und  es 
wird  sagen:  Jahwe,  mein  Gott!  L.  ''n^)?JJ'!,  vgl.  vorangehendes  *l  und  LXX. 
Der  Wechsel  von  der  dritte  Teil,  sie  und  er  (es)  ist  vielleicht  durch  Erinnerung 
an  die  Grundstelle  verursacht;  v.  9^  sieht  nämlich  fast  aus  wie  Citat  ^nach 

Hos  2  22-25. 

III.  Jerusalems  Rettung  und  herrliche  Zukunft  12  I-I3  6  14  i-2i. 

Das  Thema  von  Jerusalems  Schicksal  in  und  nach  dem  Gericht  über  die  Heiden- 
welf  wird  in  zwei  selbständigen  Stücken  behandelt:  1)  12  1-13  6  und  2)  14  1-21.  Jedes  der- 
selben bietet  ein  eigentümliches  Gemälde  der  eschatologischen  Ereignisse,  wenn  schon 
natürlich  auch  hier  die  festen  Lehren  der  nachexilischen  Theologie  zu  Grunde  liegen.  In 
einem  Punkte  differieren  die  beiden  Stücke  so  sehr,  dass  man  sich  die  Frage  vorlegen  muss, 
ob  sie  beide  einem  Autor  angehören  können.  Cap.  12  sagt  nämlich  nichts  von  einer  zeit- 
weiligen Eroberung  Jerusalems  durch  die  Heiden,  während  Cap.  14  diese  deutlich  in  Aus- 
sicht stellt.  Gleichwohl  wird  man  an  der  Einheit  des  Autors  festhalten  können,  s.  Vorbemer- 
kung zu  14  1-21,  wenn  auch  vielleicht  angenommen  vf erden  muss,  dass  beide  Capitel  nicht 
ganz  gleichzeitig  entstanden  sind. 

1.  Jerusalems  Rettung  vor  dem  Ansturm  der  Heiden,  seine  reuevolle  Er- 
kenntnis einer  schweren  Schuld  und  seine  Befreiung  von  aller  Sünde  und  Unreinheit 
12  1—13  6.  Diese  erste  eschatologische  Schilderung  der  Ereignisse  jenes  Tages,  der 

immer  an  der  Spitze  eines  neuen  Satzes  wiederkehrt,  sucht  die  Veränderungen  aufzuzeigen, 
welche  die  Rettung  Jerusalems  an  den  Geretteten  selber  hervorbringt.  So  folgen  auf  die 
Verheissung  der  Vernichtung  der  gegen  Jerusalem  anstürmenden  Heiden  12  2-8  die  Schil- 
derung der  grossen  Klage,  die  Jerusalem  dann  voll  Reue  über  eine  schwere  Versündigung 
abhalten  wird  12  9-14,  und  die  Darlegung,  dass  dann  die  Bewohner  Jerusalems  rein  sein 
werden  von  aller  Unreinheit,  von  Götzendienst  sowie  vom  Prophetentum  (s.  zu  13  2)  und 
vom  Geist  der  Unreinheit  13  1-6.  Eine  durchgeführte  einheitliche  metrische  Form 

lässt  sich  für  dieses  Stück  nicht  erkennen;  die  Schilderung  der  Klage  v.  11-14  verläuft  in 
einer  so  stereotypen  Wiederholung  derselben  Worte,  dass  hier  eine  Aufzählung,  nicht 
Poesie  vorwaltet,  und  die  Darlegung  über  das  Prophetentum  13  3-6  erfolgt  in  prosaischer 
Ausführung.  In  den  übrigen  Teilen  liegt  das  Schema  der  dreizeiligen  Strophe  zu  Grunde; 
aber  die  Zeilen  in  den  verschiedenen  Tristichen  sind  nicht  durch  die  ganze  Darstellung 
von  gleicher  Länge. 

1%  die  Überschrift,  rührt  wie  die  fast  gleichlautenden  Überschriften  in 
9  1  Mal  1  1  vom  Diaskeuasten  her,  s.  zu  9  i  und  Einleitung  I  392.  Wahrschein- 
lich stammt  von  ihm  auch  1'^  wenigstens  sind  solche  Doxologieen  zu  dem  Namen 
T\)7}\  auch  anderswo  gerne  eingefügt  worden  vgl.  Am  4  13  6  sf.  9  5f.;  zu  den  Ge- 


Sach  12  1  444  Sach  12  4 

danken  des  Distichons  vgl.  Jes  42  5.  r[)ri''_  Ci^l  könnte  am  Anfang  stehen,  s.  z.  B. 
Ps  110  1 ;  aber  eine  Einführung  ist  gar  nicht  nötig,  vgl  Ü  ii  10  3. 

2 — 8  Jerusalem  vor  dem  Angriff  der  Heiden  gerettet.  2,  das  erste 

Tristichon:  Siehe  ich  mache  Jerusalem  Zur  Taumelschale  fi'ir  alle  Volker 
ringsum  Und  es  wird  eine  Umlagerung  von  Jerusalem  sein,  1.  "^"^J^  *i1^^  n^ni,  s. 
unten.  Jerusalem,  vor  dem  gemäss  der  von  Hes  38f.  begründeten  jüdischen 

Eschatologie  die  dorthin  versammelten  Heidenvölker  vernichtet  werden  sollen 
(s.  Vorbemerkung  zu  Mch  4  ii-i3),  wird  hier  in  origineller  Weise  als  eine 
Taumelschale^  ^J^l  ^D  (^p  ist  hier  nicht  =  Schwelle)^  dargestellt,  zu  der  sich 
die  Völker  herzudrilngen,  die  aber  den  daraus  Trinkenden  Verderben 
bringt,  vgl.  bes.  Hab  2  i5f.  Jes  51  17-20,  sowie  Jer  25  löff.  Der  mas. 

Text  von  v.  2*^  ist  unhaltbar,  die  Übersetzungen,  die  man  versucht  hat.(z.  B. 
„auch  für  Juda  wird  Jerusalem  eine  Taumelschale  sein"  etc.  oder  „auch 
um  Juda  wird  Belagerung  sein  bei  der  Belagerung  von  Jerusalem"),  sind 
grammatisch  bedenklich  und  inhaltlich  dem  Zusammenhang  widersprechend. 
Die  jetzt  vielfach  beliebte  Emendation  von  Geiger,  nach  der  ^J^  vor  ni^rr;  zu 
entfernen  ist,  hilft  nicht;  man  übersetzt  dann:  „Und  auch  Juda  wird  dabei 
sein  bei  der  Belagerung  Jerusalems"  (  Wellh.,  Nowack).  Aber  es  müsste  doch 
jTnn  für  rr^rr^  e^elesen  werden  (s.  14  u),  und  ob  *l12JDn  HNI  bedeuten  kann:  an  der 
Belagerung  teilnehmen,  ist  sehr  die  Frage,  Hes  4  3  bedeutet  es  das  Gegenteil: 
belagert  sein;  endlich  hat  Juda  nach  dem  Folgenden  ganz  andres  gethan,  als 
sich  an  der  Belagerung  beteiligt,  s.  v.  6.  Es  scheint  vielmehr  nn^iTl'^J^  D51 
Glosse  zu  sein  (QJ  ist  in  Glossen  gerne  gebraucht  vgl.  Hos  5  5  6  11)  und  ein- 
faches 11^12  iTHI  für  '?31  7\^7\^  e^elesen  werden  zu  müssen,  vs^l.  LXX  Cod.  Alex. 
xai  eaiai  7:£pto;(Y]  sttI'  kpooaaXvjfx.  Damit  gewinnt  der  Text  den  besten  Sinn,  der 
auch  mit  der  Parallele  v.  3  harmoniert:  die  Taumelschale  Jerusalem  w^ird  von 
allen  Völkern  belagert  sein.  Dass  die  Schilderung  bei  dieser  Emendation  einen 
eigentümlichen  Zug  verliere,  kann  man  nicht  sagen,  denn  dieser  ist  erst  in  den 
Text  hinein  interpretiert  worden.  Die  für  das  Versende  bestimmte  Randglosse 
wurde  beigefügt,  um  hervorzuheben,  dass  auch  Juda  bei  dem  Ansturm  der 
Völker  gegen  Jerusalem  zu  leiden  hatte,  vgl.  zu  v.  7 f.  3,  das  zweite  Tri- 

stichon: Und  an  jenem  Tage  werde  ich  Jerusalem  machen  Zum  Hebestein  für 
alle  Völker  Und  alle  Nationen  der  Erde  werden  sich  gegen  es  versammeln; 
ein  andres  Bild  für  dieselbe  Sache  wie  v.  2,  hergenommen  von  der  Kraftübung 
der  Jünglinge  beim  Steinheben;  dieses  heidnische  Spiel,  das  der  Verf.  im 
griechischen  Gymnasium  zu  Jerusalem  zu  sehen  bekam  (II  Mak  4 12-15),  werden 
die  Heidenvölker  mit  Jerusalem  versuchen.  Der  Zwischensatz  HT^pj^'^S 

^Dl*^"^.  t01"l^  ist  an  dieser  Stelle  jedenfalls  verfrüht;  die  Erfolglosigkeit  darf  hier 
noch  nicht  erwähnt  werden,  bevor  sich  die  Völker  versammelt  haben.  Auch 
wird  die  Verbindung  von  ^SpJSi;i  mit  dem  ersten  Satze  zerrissen.  Dagegen  kann 
der  Umstand,  dass  lD*lti^  im  Kai  Lev  21  5,  wo  es  allein  im  AT  noch  vorkommt, 
von  dem  absichtlichen  Anbringen  von  Einschnitten  gebraucht  ist,  kaum  ge- 
nügen, um  für  das  Niph.  die  Bedeutung  von  sich  %erreissen,  sich  wund  reissen, 
bedenklich  zu  finden.  Die  Worte  sind  Glosse,  beigesetzt,  um  sofort  das  negative 
Resultat  aller  heidnischen  Bemühungen  zu  vermelden.  4aba^  ^jo^g  dritte 


Sach  12  4  445  Sack  12  7 

Tristichoii:  A?i  Jenem  T(i(je^  ist  Jahwes  Spruch,  werde  Ich  schlaf; en  Alle  liosse 

mit  Scheuen  und  ihre  Heiter  mit  Wahnsinn,  Aber  über  das  Haus  Juda  öffne 

ich  meine  Aufjen.    Uoss  und  Heiter  repräsentieren  die  Weltmächte,  s.  zu  10  5. 

Entsetzen  und  Walmsinn  wird  sie  er;^reifen,  wenn  die  Strafe  sie  trifft,  vgl.  Dtn 

28  28.  Im  Gegensatz  dazu  hat  Jahwe  seine  Augen  offen  über  das  IJaus  Juda, 

=  Jerusalem  und  Juda  vgl.  10  6,  d.  h.  er  wacht  über  ihm  und  lässt  ihm  nichts 

widerfahren,  was  wider  seinen  Willen  ist,  vgl.  Jer  32  1 9  1  Reg  8  29  Ps  32  8. 

4^^  kehrt  wieder  zu  v.  4*  zurück  und  gicbt  dazu  nur  eine  Variante,  die  D^D  richtig 
als  D'^ö^n  D1D  deutet,  aber  nicht  daran  denkt,  dass  DID  allein  schon  die  heidnische  Macht 
darstellt  (s.  zu  v.  4^),  und  nach  Dtn  28  28  noch  ]1-i;j;  zu  ]inön  und  ]^];^p  fügt.  Alles  spricht 
dafür,   dass   das   Sätzchen    Glosse   ist.  5   unterbricht   den  guten   Gedankengang, 

der  V.  4''^  mit  v.  6  verbindet,  setzt  femer  v.  6  schon  voraus,  indem  er  von  Reflexionen 
redet,  die  erst  gemacht  werden  können,  wenn  die  von  v.  6  verheissenen  Dinge  geschehen 
sind.  x\uch  dass  hier  bereits  die  rnjin^  ^P^^^  die  Geschlechter  Judas  (so  ist  besser  für  "^  ^^^b^, 
die  Häuptlinge,  in  v.  5  und  6  zu  lesen,  da  doch  die  Anführer  allein  nicht  die  Schlacht 
schlagen)  erscheinen,  fällt  bei  Vergleichung  mit  v.  6  auf,  der  mit  x=inn  DV2  neu  einsetzt 
und  nun  doch  ebenfalls  von  den  Tn\7\\  ^B^«  spricht.  Der  Text  ist  leider  zu  Anfang  von 
V.  5^  verdorben,  da  die  Bedeutung  von  njöX  =  Stärke  sehr  zweifelhaft  ist,  und  auch  wenn 
man  ^'2,'^^^  für  "•  ^)  liest,  bleibt  das  Verständnis  schwierig;  denn  soll:  Stärke  ist  den  Be- 
tvohnern  Jer.^s  in  Jahwe,  ihrem  Q^ott,  heissen:  also  können  wir  über  die  Feinde  herfallen, 
oder:  wie  der  Sieg  über  die  Feinde  und  Jerusalems  Rettung  zeigen?  Ersteres  scheint  mir 
unniöglich:  wenn  die  Bewohner  jerusalems  Hilfe  haben  bei  ihrem  Gott,  so  brauchen 
die  Geschlechter  Judas  doch  nicht  einzugreifen ;  letzteres  ist  eher  annehmbar.  Allem  nach 
gehört  somit  v.  5  hinter  v.  ö,  aber  wohl  nicht  als  genuiner  Bestandteil,  sondern  als  Glosse, 
vgl.  zu  V.  7f. ,  wo  die  v.  5  durchschimmernde  Unterscheidung  von  Jerusalem  und  Juda 
klaren  Ausdruck  findet.  Nach  LXX  £'jpr^cjo|j.£v  eauToT;  xou;  xatotxouvTa;  ist  vielleicht  zu 
lesen  -.'^^  b^n  i<^Di  =  Befunden  ivird  die  Kraft  der  Jerusalemer  in  Jahwe^  in  ^^  läge  noch  eine 
Spur  von  ^"»n  vor.   Zur  Not  kann  auch  in  v.  5  das  Schemades  Tristichons  gefunden  werden. 

6,  einDoppeltristichon:  An  jenem  Tage  werde  ich  die  Geschlechter  Judas 

(1.  '^  "'D^S,  s.  V.  5)  machen  Gleich  einem  Feuerbecken  in  einem  Hohstosse  Und 

gleich  einer  brennendenFackel  in  einem  Garbenhaufen^  Dass  sie  rechts  undlinks 

verzehren  Alle  Völker  rings  umher,  Jerusalem  aber  nach  wie  vor  an  seiner  Statte 

bleibt.  Wiederum  originelle  Bilder!  Zu  dem  Gedanken,  dass  die  Judäer  selber 

eingreifen  am  jüngsten  Tage,  vgl.  Mch  4  11-13  bes.  12 f.,  zu  dem  Schlusssatz  14  11 

Jo  4  20.  Wie  V.  4  rn^rr^'iTH  Jerusalem  und  Juda  zusammenfasst,  so  ist  hier  kein 

Gegensatz  zwischen  beiden  zu  erkennen:  Die  Geschlechter  Judas,  zu  denen  die 

Jerusalemer  auch  gehören,  kämpfen  für  die  Rettung  der  Hauptstadt.        p^^n^B, 

das  in  vielen  Codd.  fehlt,  ist  zu  entfernen  und  nicht  durch  Veränderung  in 

Dl'?^.!!  zu  halten,  es  giebt  unnötig  die  Erklärung  von  H^rinri. 

7  8  heben  sich  von  der  Umgebung  schon  dadurch  ab,  dass  in  der  dritten  Person 
von  Jahwe  gesprochen  wird,  während  er  sonst  im  ganzen  Cap.  selber  redet.  Dann  sind 
hier  zwei  Etappen  der  Hilfe  unterschieden :  die  erste  bringt  der  Landschaft  Juda,  die  zweite 
Jerusalem  Rettung.  Die  beiden  Verse  gehören  zusammen,  vgl.  neben  T^srs^^  als  Subj.  "!'l'n"n''| 
in  v.  7  und  v.  8;  die  Reihenfolge  ist  aber  eine  verkehrte:  während  v.  7  an  v.  6  keinen  An- 
schluss  hat,  passt  er  sehr  wohl  als  Fortsetzung  von  v.  8.  Die  Verse  fallen,  auch  nach 
ihrem  Inhalt  aus  der  Schilderung  der  eschatologischen  Ereignisseheraus,  ihr  Hauptabsehen 
geht  darauf,  der  Uberhebung  Jerusalems  über  die  Landschaft  entgegenzutreten,  und  darum 
wird  darauf  hingewiesen,  dass  die  erste  Hilfe  von  Jahwe  der  Landschaft,  nicht  Jerusalem 
gebracht  wird.  Das  geht  auf  die  Ereignisse  der  makkabäischen  Zeit,  man  denke  daran, 
dass  die  Makkabäer  aus  Modin,  nicht  aus  Jerusalem  stammten  und  dass  die  syrische  Be- 


Sach  12  7  446  Sach  12  10 

Satzung  der  Burg  Akra  erst  142  v.  Chr.  aus  Jerusalem  abziehen  musste.  Diese  Ereignisse 
liegen  aber  für  den  Autor  der  Verse  nicht  in  der  Zukunft,  sie  sind  ihm  aus  der  geschehenen 
Geschichte  bekannt;  er  bringt  sie  nur  in  Form  einer  Weissagung  in  Erinnerung,  um  nicht 
im  eigenen  Namen,  sondern  mit  der  Autorität  eines  Propheten  die  Spannung  zu  ver- 
urteilen, die  zu  seiner  Zeit  zwischen  den  Jerusalemern  und  den  Bewohnern  der  Landschaft 
vorhanden  war.  Danach  l'ässt  sich  ungefähr  die  Entstehungszeit  dieser  Verse  bestimmen. 
Es  ist  bekannt,  dass  besonders  unter  Alexander  Jannäus  (102 — 76  v.  Chr.)  dafe  Verhältnis 
zwischen  der  Regierung  (=  n^'i'n  n^3  s.  unten)  in  Jerusalem  und  dem  Volke  ein  sehr  ge- 
spanntes war,  namentlich  auch  weil  er  ein  Gegner  der  in  der  Gunst  des  Volkes  stehenden 
Pharisäer  war.  Auf  diese  Zeit  passt  es  ebenfalls,  wenn  auf  die  Helden thaten  der  Jerusa- 
lemer verwiesen  wird  v.  8,  wobei  man  am  ersten  an  die  Erfolge  der  Hasmonäer,  eines  Jo- 
hannes Hyrkanus  (134 — 104)  und  seiner  Söhne  Aristobul  I.  (103)  und  Alexander  Jannäus, 
zu  denken  hat.  Daher  werden  die  Verse  7  und  8  erst  am  Anfang  des  1.  Jahrh.  v.  Chr.  ent- 
standen sein.    Derselbe  Autor  kann  in  demselben  Interesse  auch  mirT'"bi^  Dill  und  v.  5  bei- 

T  I  -  -  : 

gefügt  haben;  beide  Zusätze  sollen  die  Zusammengehörigkeit  von  Juda  und  Jerusalem 
hervorheben,  besonders,  dass  die  Landschaft  in  den  syrischen  Kriegen,  auf  welche  der 
Autor  von  v.  7 f.  die  Weissagung  v.  2-6  deutet,  mitgelitten  und  für  Jerusalem  mitgestritten 
habe.  Auch  diese  beiden  Verse  kann  man  auf  das  Schema  eines  Tristichons  zurück- 

führen. Der  Interpolator  hat  sich  an  das  Metrum  des  Abschnitts  gehalten.  7  ri'issri  = 

Rühmen,  wie  Jes  1012.  T^n  r\^2  ist  kein  Beweis  für  vorexilische  Zeit,  es  steht  hier 

in  Verbindung  mit  pb^^T]  D^^  wie  senatus  populusque  romanus,  bedeutet  somit  einfach 
die  Regierung  (Wellh.),  vgl.  auch  Ps  122  5;  es  brauchte  nicht  einmal  ein  König  die  Re- 
gierung zu  führen.  8  gehört  vor  v.  7,  s.  Vorbemerkung.  Für  '**  i^"*  wird  hier 
wegen  Dnn  der  Plur.  "•  "'l^*'  zu  lesen  sein,  den  übrigens  LXX  überall  bietet.  *1PSI  ]^j, 
sachlich  =  hv  ]^)  915.  "^^11?  ==  ^i^  Held  wie  David;  zu  der  Umwandlung  der  Schwachen 
in  Helden  vgl.  Jo  4  10.  Zur  Vergleichung  eines  Regenten  mit  Gott,  D\'i'b«3,  oder 
mit  dem  Engel  Gottes  vgl.  "1125  b^  Jes  9  5  und  ferner  II  Sam  14  17;  zu  dem  tertium  com- 
parationis  s.  Ps  34  8  35  5  f. 

9 — 14  Jerusalem,  über  das  der  Geist  der  G-nade  und  des  Flehens  aus- 
gegossen ist,  klagt  über  seine  schwere  Schuld.  In  origineller  Weise  ist 
hier  der  in  dem  üblichen  eschatologischen  Gemälde  stereotype  Zug  der  Geistes- 
ausgiessung  verwertet  (vgl.  Hes  39  29  und  s.  zu  Jo  3  if.);  denn  hier  wirkt  die 
Geistesausgiessung  Erkenntnis  der  Schuld  und  bittere  Klage  über  dieselbe. 
Zeitgeschichtliche  Ereignisse  (s.  zu  v.  lo)  haben  zu  dieser  Gestaltung  der  escha- 
tologischen Erwartung  geführt  und  konnten  dazu  führen,  weil  man  das  Heil 
in  nächster  Zukunft  erwartete.  Das  Tristichon  9  schliesst  gut  an  v.  6  an, 
während  es  mit  v.  8  oder  v.  7  keine  direkte  Verbindung  hat.  Und  an  jenem 
Tage  werde  ich  trachten  Alle  Nationen  %u  vernichten.  Die  gegen  Jerusalem  her- 
gezogen sind.  Die  Vernichtung  der  Heiden  ist  Vorspiel  und  Zeitbestimmung 
für  die  Geistesausgiessung:  10,  ein  Doppeltristichon.  Und  ich  werde  aus- 
giessen  über  das  Haus  David  d.  h.  die  Obrigkeit  s.  v.  7;  übrigens  erwartet  der 
Prophet  für  die  Zeit  nach  der  Besiegung  der  Weltmacht  einen  König  als  Re- 
genten in  Zion  9  9,  Und  über  die  Bewohner  von  Jerusalem  d.  i.  die  Untertanen 
Einen  Geist  des  Ergriffenseins  und  des  Flehens.  Zu  nn  "^?ti^  vgl.  Hes  39  29 
Jo  3if.  ]n  ist  doch  eher  als  Ergriffensein ,  Rührung ,  zu  verstehen  und 
nicht  als  Gnade,  da  es  neben  D^^Unn  nur  eine  Wirkung  des  Geistes  in  den 
Empfängern  desselben  und  nicht  eine  Eigenschaft  des  Spenders  bezeichnen 
kann ;  also  es  ist  ein  aus  tiefer  Rührung  hervorgehendes  Flehen,  das  der  Geist 
wirkt.             Und  sie  werden  hinblicken  auf  .  .  .  .^  den  sie  durchbohrten,    Und 


Sach  12  10  447  Sach  12  ll 

um  Um  klagen,  wie  man  um  den  einzigen  Sokn  klagt,  Und  bitter  weinen  über 
ihn,  wie  man  weint  über  den  Verlust  des  Erstgebornen.  Die  Schuld,  über 
die  sie  klagen  werden,  ist  mit  ^1U"1  *11J^S  HS  ^b'^  ^D'^BH  angedeutet;  es  handelt  sich 
somit  um  die  Tötung  eines  Unschuldigen  und  zwar  sind  es  Regierung  und  Volk 
von  Jerusalem,  die  dieses  Justizmordes  sich  schuldig  gemacht  haben.  Wer  der 
Märtyrer  ist,  fragt  sich.  Jedenfalls  ist  die  Lesart  "h^  sachlich  und  grammatisch 
unhaltbar;  "h^  müsste  sich  auf  Jahwe  beziehen,  den  man  doch  mcXii  durch- 
bohren kann,  und  ^^^  HS  müsste  einen  Relativsatz  zu  dem  Suff,  in  "h^  einleiten, 
was  ebensowenig  der  Fall  sein  kann.  Unter  derselben  Unmöglichkeit  leidet  die 
Konjektur  v'ji??,  auf  ihn,  für  "h^.  Sprachlich  möglich  dagegen  wäre  1ti^^<  "h^ 
(=  "lt5^S"^iSI),  das  man  auch  als  Grundlage  von  sU  ov  sccxsvirjaav  in  einer  Reihe  von 
Codd.  der  LXX  (lucianischer  Recension)  ansehen  kann  vgl.  auch  Job  19  37. 
Aber  die  Schwierigkeit  bleibt,  dass  die  Form  "hi^  sonst  nur  in  Hi  vorkommt  und 
ausserdem  ns  gestrichen  werden  muss.  Daher  wird  der  Vermutung  Wellh.'s 
beizustimmen  sein,  dass  in  r\i<  •>  der  Rest  der  durch  Zufall  oder  Absicht  zer- 
störten Näherbezeichnung  des  Märtyrers  sei.  Gewöhnlich  meint  man,  diesen 
Mann  nicht  näher  bezeichnen  zu  können,  aber  Rubinkam  wird  nicht  Unrecht 
haben,  wenn  er  auf  den  Hohepriester  Onias  IIL  hinweist,  der  das  Haupt  der 
strenggesetzlichen  altgläubigen  Partei  w^ar,  im  Jahre  175  abgesetzt  wurde  und 
im  Jahre  170  durch  von  Jerusalem  aus  gedungene  Mörderhand  fiel  (II  Mak 
427-34),  vgl.  auch  Dan  9  26  11  22.  Die  Auffassung,  dass  der  gute  Hirte  11  4-14 
sein  Sohn  Onias  IV.  sei,  kann  so  nur  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnen.  Onias  III. 
war  vor  ihm  der  letzte  rechtmässige  Hohepriester  gewesen,  zwischen  beiden 
kamen  die  drei  Hirten  11  8,  und  jetzt  war  der  ruchlose  Alkimus  im  x^mte  11  15-17 
13  7-9.  'b^  to^sn  steht  hier  in  übertragenem  Sinn  =  sich  erinnern,  voll 

Reue  zurückdenken  an,  wie  Ps  34  6.  Zu  der  Klage  um  den  einzigen  Sohn 

vgl.  Am  8  10.  ^j;  IDH  ist  =  bitter  klagen  über,  eigentlich:  =  bitter  machen 

seil,  die  Klage;  der  Inf.  setzt  das  verb.  fin.  fort  Ges.-  Kautzsch^^  §  113  z. 
11—14,  die  Schilderung  der  allgemeinen  Trauer,  die  dann  statthaben  wird.  Sie 
wird  so  gross  sein  wie  die  Klage  um  Hadadrimmon  in  der  Ebene  von  Megiddo. 
HiERONYMus  erklärt  Hadadrimmon  als  Ortsnamen  und  identifiziert  es  mit 
Maximianopolis,  das  dem  heutigen  el-Leddschün,  dem  dMenLegio,  entspricht;  da 
dieses  wieder  mit  dem  alten  Megiddo  zusammenfällt,  so  müsste  Hadadrimmon 
auch  Megiddo  sein.  Schon  die  Beifügung  in  der  Ebene  von  Megiddo  macht  diese 
Identifikation  unmöglich,  es  braucht  nicht  einmal  daran  erinnert  zu  werden, 
dass  die  Klage  um  Josia,  an  die  man  dachte,  nicht  in  der  Ebene  von  Megiddo, 
sondern  in  Jerusalem  gehalten  wurde.  Überhaupt  ist  die  Deutung  auf  eine 
Ortlichkeit  aufzugeben  und  in  Hadadrimmon  der  Name  der  Person,  um  welche 
man  trauerte,  nicht  etwa  des  Mörders  (wie  Targ.  für  möglich  hält,  in  dem  Ha- 
dadrimmon als  Mörder  Ahabs  des  Sohnes  Omris  erscheint)  zu*  sehen.  Beide 
Elemente  des  Namens,  Hadad  und  Rimmon,  sind  als  Namen  des  babylonisch - 
syrischen  Wettergottes  nachgewiesen  (zu  Rimmon  vgl.  II  Reg  5i8),  darum 
wird  auch  die  Komposition  einen  Gott  bezeichnen,  und  die  Klage  um  Hadad- 
rimmon geht,  in  folge  einer  Vermengung  des  Tamüz  mit  Hadad-Rimmon,  auf 
die  Tamüz-Klage  zurück,  vgl.  Hes  8  14  und  Zimmern  KAT^  399  450.  Cheyne 


Sach  12  1 1  448  Sach  13  13 

(Encycl.  Bibl.  1931)  dagegen  vermutet  Textverderbnis,  sieht  in  ]1l2"11*n  ein 
Sclireibversehen  und  liest  für  das  Übrige  sehr  kühn  ]1"^^Jt?2^\  ni35?3  p3  =--  „wie 
die  Klage  der  Frauen,  die  Tammuz-Adon  beweinen".  12  beginnt  die  in 

stereotyper  Wiederholung  derselben  Formeln  verlaufende  Darstellung  der 
grossen  Klage.  Jedem  Geschlecht  im  Lande  wird  ein  besondrer  Platz  an- 
gewiesen und  dabei  sind  wieder  Männer  und  Frauen  gesondert.  Man  kann  sich 
danach  eine  Vorstellung  machen,  wie  damals  bei  solchen  Festlichkeiten  die 
Ordnung  aufrecht  erhalten  blieb.  Die  Namen  sind  schwerlich  als  eigent- 

liche Nomina  propia  damals  existierender  Geschlechter,  sondern  als  Bezeich- 
nungen gewisser  Stände  oder  Kategorien  des  Volkes  zu  fassen.  T'n'n''?  be- 
zeichnet die  regierende  Familie  vgl.  v.  lo.  lO^'-f^"^?  ist  nicht  sicher  zu  erklären; 
aber  es  kann  daran  gedacht  werden,  dass  liiJIISam  5  u  I  Ohr  3  5  144Lk3  3i 
der  Name  eines  Sohnes  Davids  ist.  Es  wäre  also  möglich,  dass  damit  die 
Familie  des  an  ßang  dem  Fürsten  am  nächsten  Stehenden  gemeint  wäre.  Targ. 
kombiniert  den  Sohn  Davids  mit  dem  Propheten  Natan ;  aber  dass  an  Propheten 
zu  denken  wäre,  ist  nach  13  i-6  unwahrscheinlich.  13  Den  Namen  der 

regierenden  Geschlechter  David  und  Natan  scheinen  Levi  und  ^J?ö^'n  als  die 
der  Priesterfamilien  zu  entsprechen:  Levi  das  oberste  priesterliche  Geschlecht 
und  die  Schiniiten  (beachte  das  Patronymicum)  das  Geschlecht  eines  Gross- 
sohnes Levis  vgl.  Num  3  17-21.  Also  je  in  der  richtigen  Abstufung  sollen  zu- 
erst die  regierenden,  dann  die  priesterlichen  Geschlechter  folgen;  mehr  wird 
den  Namen  nicht  zu  entnehmen  sein.  Eigentümlich  ist,  dass  im  Targum  die 
Schim'iten  durch  das  Geschlecht  Mardochais  des  Sohnes  Jairs  des  Sohnes 
Simeis  erklärt  werden.  Vgl.  Nestle  ZATW  1904,  317  f.  14  Aus  den  v.  i2f. 

gegebenen  Beispielen  lässt  sich  schliessen,  wie  die  Eeihenfolge  der  übrigen  Ge- 
schlechter sein  soll. 

13  1-6  Die  Jerusalemer  werden  durch  die  Quelle,  die  sich  ihnen  aufthut, 
von  Sünde  und  Schmutz  gereinigt  und  aus  dem  Lande  werden  Götzendienst  und 
Prophetie  ausgerottet. 

Auch  hier  ist  ein  Element  der  traditionellen  Eschatologie  verwertet.  Von  der  Tempel- 
quelle ist  Hes  47  1-12  Jo  4  18  die  Rede;  aber  wiederum  macht  der  Autor  eine  originelle 
Anwendung  von  diesem  Stücke  der  Tradition.  Die  Quelle  dient  der  innern  geistigen  Rei- 
nigung; wohl  mag  den  Anlass  zu  dieser  Deutung  die  Kombination  von  Hes  47  1-12  mit 
Hes  36  25  gegeben  haben,  aber  die  Kombination  hat  der  Autor  vorgenommen.  Vgl.  auch 
Jes  4  4.  Eigentümlich  ist  ferner  die  Zusammenstellung  von  Götzendienst  und  Prophetie 
und  die  Ankündigung,  dass  auch  die  letztere  aus  dem  Lande  verschwinden  solle;  beson- 
ders fällt  dies  auf,  da  Jo  3  1  für  die  Zeit  des  Heils  gerade  das  Gegenteil  weissagt,  dass  alle 
prophezeien  werden.  Doch  ist  das  wohl  nur  ein  scheinbarer  Widerspruch;  denn  wenn  alle 
Propheten  sind,  braucht  man  keine  Extra-Propheten  mehr,  die  sich  als  solche  aufspielen. 
Zu  dem  „Krieg  gegen  die  wildwachsende  Prophetie"  bildet  die  durch  das  Gesetz  festgestellte 
Lehre  den  Hintergrund.  Man  karm  keine  undisciplinierten  Seher  und  Schwärmer  mehr 
brauchen,  die  sich  um  das,  was  legitim,  was  nach  Gesetz  Sitte  und  Brauch  ist,  nicht  kümmern. 
Dass  unter  den  bekämpften  „Sehern"  aber  Männer  von  der  Originalität  und  dem  sittlich- 
religiösen Ernste  der  alten  Propheten  gewesen  wären,  ersieht  man  nirgends,  man  hat  viel- 
mehr den  Eindruck,  dass  nur  die  Form,  nicht  der  Gehalt  bei  ihnen  prophetisch  war.  Merk- 
würdig ist  allein,  dass  der  Vertreter  der  Ordnung  gegen  die  unruhigen  Propheten  selber 
mit  einer  Weissagung  zu  Feld  zieht.    Vgl.  auch  Duhm  zu  Jer  23  16-40. 


Sach  13  1  449  Sach  13  6 

1,  ein  Tristichon:  An  jeiicnt  Taije  wird  eine  Ondle  aufijiUluin  sein  Dem 
Haus  David  und  den  llewohnern  Jerusalems  Für  Sünde  und  Unreinheit,    Zu 

der  Tempel^/zr//^?  vgl.  Vorbemerkung,  ferner  14  8  J  les  47  1-12  Jo  4  18  (Jes  33  21); 
zu  Uaus  Uarids  und  Bewohner  Jerusalems  12  7  10.  Die  Verbindung  der 

Quelle  mit  der  moralischen  Reinigung  legten  dem  Verf.  neben  Hes  36  25  auch 
die  kultischen  Termini  nfc<t2n  ^D  Num  8  7  und  rrni  ^O  Num  19  9  nahe;  für  n^X^vh 
ist  rikStan'p  zu  schreiben.  2  ein  Doppeltristichon:  Und  dann  an  jenem  Tage 

ist  der  Sprueh  Jahwes  (HISD^  kann  amplifikatorische  Beifügung  sein,  vgl.  12  4), 
teer  de  ieh  ausrotten  Die  Namen  der  Götzen  aus  dem  Lande ,  So  dass  ihrer 
nicht  mehr  gedacht  wird,  Und  auch  die  Propheten  Und  den  unreinen  Geist 
Schaffe  ich  fort  aus  dem  Lande.  Zu  v.  2^  vgl.  Hos  2  isf.  Dass  nach  dem 

Exil  der  Götzendienst  aus  Israel  verschwunden  gewesen  sei,  ist  eine  irrige 
Auffassung;  dagegen  zeugen  ausser  der  erwähnten  Stelle  z.  ß.  auch  Jes  27  9 
Ps  16  und  die  häufige  Polemik  gegen  die  Götzen,  vgl.  zu  Hab  2  isf.  Die 

Zusammenstellung  des  bekämpften  Prophetentums  mit  dem  unreinen  Geist 
ist  bezeichnend,  unser  Prophet  vertritt  eben  die  „reine  Lehre",  zwar  auch  in 
Prophetien,  aber  freilich  wohl  nur  schriftlich  und  anonym,  vgl.  Vorbemerkung. 
3  Die  Abneigung  gegen  das  Prophetentum  wird  einst  so  gross  sein,  dass  der  als 
Prophet  auftretende  Sohn  von  seinen  eigenen  Eltern  getötet  wird;  sie  vollziehen 
an<  ihm  das  Urteil,  das  im  Gesetz  dem  Lügenpropheten  gesprochen  ist  Dtn  13  6 
18  20.   Prophet  gilt  soviel  als  Peind  der  reinen  Lehre.  4  Die  Propheten 

werden  selber  des  verfehmten  Berufes  sich  schämen  und  ihn  aufgeben.  Wird 
einer  noch  von  prophetischer  Begeisterung  ergriffen  = '\r\'^:i^T\1i^  wofür  aber 
entweder  regelmässig  ISD^H^  oder  mit  Bildung  nach  Art  der  T^'b  (s.  Ges.- 
Kautzsch27  §  75  qq)  inin^n^l  zu  lesen  ist,  Wl^  so  schämt  er  sich  seines  Schauens. 
Das  Zeichen  des  Propheten,  den  lüirenen  Mantel  (vgl.  II  Reg  1  8  Mt  3  4  Mk  1  6), 
zieht  keiner  mehr  an.  ti^n?  ]j;??^  bedeutet  nicht,  um  sein  Prophetentum  zu 

verheimlichen,  sondern  um  %u  betrügen  seil,  mit  seinen  Prophezeiungen,  die 
geradezu  als  Lügen  gelten.  5  Niemand  will  nicht  einmal  mehr  Prophet 

gewesen  sein.  Mit  dem  Sing.  1??S1  wird  ein  Beliebiger  aus  den  v.  4  be- 

schriebenen Propheten  herausgegriffen.  ^Di«  ^^''Di  «*^,  so  hat  auch  Amos 

gesprochen,  s.  Am  7  14.  'p  •'45j:jn  ül)^  ''?  kann  nicht  bedeuten:  Ich  bin 

schon  in  der  Jugend  als  Sklave  von  jemand  gekauft  worden;  denn  Dl«  heisst 
nicht  „jemand",  sondern  „jedermann'',  auch  ist  •'^Sjpn  auffällig  als  einziger  Beleg 
eines  Hiph.  von  njJJ,  und  endlich  war  doch  nicht  jeder  Sklave  Landarbeiter. 
Man  lese  daher  mit  Wellh.  und  Nowack  "^i"^ip  HDI«  d.  h.  Land  ist  mein  Be- 

•T  :  ••  TT-: 

sit%  von  meiner  Jugend  auf,  also:  die  Landarbeit  ist  mein  Beruf,  ich  bin  Land- 
wirt von  Jugend  auf.  6  Selbst  die  Narben  von  Ritzwunden,  die  er  sich 
als  Prophet  wohl  zur  Erzeugung  der  Ekstase  nach  Art  der  aus  I  Peg  18  28  f. 
bekannten  Nebiim  beigebracht  hat,  will  er  nicht  als  Beweis  seines  früheren 
Prophetentums  gelten  lassen,  sondern  lieber  im  ^z/Ä/^rhause  empfangen  haben. 
Zu  den  Hautritzungen  s.  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.  ^  §  10  S.  36.  ^"'T  \^ 
ist  wohl  =  auf  deiner  Brust,  wie  D'^^j;  X^  =  auf  der  Stirne\  Wellh.  meint  da- 
gegen, der  Ausdruck  könnte  vielleicht  bedeuten:  die  vorliegen,  die  du  nicht 
ableugnen  kannst.             ''?n«ö  sind  nicht  die  Eltern,  sondern  =  meine  Buhlen 

Kurzer  HC  aum  AT  XIII  29 


Sach  13  6  450  Sach  14  3 

Vgl.  Hos  2  7.  Iti^iJ  ist  am  besten  als  Stellvertreter  des  **?  recitativum  zu 

erklären,  vgl.  GES.-KAUTZsch27  §  157  c,  und  IV^  ist  =  n"^ns,  vgl.  §  118  g. 
7 — 9  gehört  zu  11  4-i7,  s.  die  Erklärung  oben  nach  11  17. 

2.  Jerusalems  Rettung  aus  den  Händen  der  Heiden  und  seine  Erliebung  zum 
heiligten  Zentrum  der  Welt  14  1—21.  Im  Unterschied  von  dem  parallelen  Stücke 

12  1 — 13  6  stellt  Cap.  14  hauptsächlich  die  äusseren  Folgen  dar,  die  Jerusalems  Rettung 
am  Ende  der  Tage  begleiten :  die  Veränderungen  in  Natur  und  Geschichte.  Auch  hier  liegen 
der  Schilderung  die  Weissagungen  früherer  Propheten  zu  Grunde,  aber  auch  hier  wiederum 
sind  sie  in  eigentümlicher  Ausführung  gegeben,  vgl.  die  Erklärung.  Auf  den  wichtigen 
Unterschied,  dass  hier  von  einer  Eroberung  Jerusalems  durch  die  Eeinde  gesprochen  wird, 
während  Cap.  12  nur  von  einer  Belagerung  handelt,  ist  schon  in  derVorbem.  zu  12  1 — 13  6 
14  1-21  hingewiesen.  Wahrscheinlich  ist  dieses  Schwanken  in  der  Schilderung  des  Ge- 
schicks Jerusalems  durch  die  Verschiedenheit  der  älteren  Weissagungen  hervorgerufen,  die 
wohl  in  der  späteren  Überarbeitung  alle  die  Rettung  Jerusalems  melden,  aber  zu  einem  grossen 
Teil  die  Feinde  doch  zuerst  siegreich  sein  lassen,  vgl.  für  diese  Verbindung  von  älteren  Ele- 
menten, die  den  Sieg  der  Feinde  weissagen,  und  von  Jüngern  Zusätzen,  welche  die  Rettung 
verheissen,  z.  B.  Jes  5  29 f.  31  4f.  Schwankt  die  Darstellung  in  Bezug  auf  das  Mass  der 
Erfolge  der  heidnischen  Feinde,  so  ist  doch  überall  das  definitive  Resultat  dasselbe:  die 
Rettung  Jerusalems,  und  darauf  kommt  es  an.  Deshalb  ist  auch  Cap.  14  nicht  von  einem 
andern  Autor  abzuleiten  als  12  1 — 13  6.  Das  ganze  Capitel  zerfällt  in  einzelne  Teile 

von  verschiedener  Grösse,  die  in  der  Regel  wie  12  1 — 13  6  durch  «^nn  D1>n  n*^r\)  eingeleitet 
sind:  v.  1-5  schildern  das  Erscheinen  Jahwes  und  seiner  Heiligen  zur  Rettung  Jerusalems; 
nach  V.  6  f.  ist  Jahwe  das  ewige  Licht  der  glücklichen  Zeit  des  Heils,  sodass  Tag  und 
Nacht  nimmer  wechseln;  V.  8-11  verheissen  den  Ausgang  einer  doppelten  Quelle  von  Jeru- 
salem, das  Königtum  Jahwes  über  die  ganze  Erde  und  die  wunderbare  Änderung  der 
geologischen  Konfiguration  Palästinas;  v.  12-19  sprechen  von  der  Strafe  der  Völker,  die 
nicht  zur  Anbetung  Jahwes  nach  Jerusalem  hinaufziehen,  und  in  v.  20  f.  wird  endlich  die 
Heiligkeit  Jerusalems  und  Judas  geschildert.  Metrisch  liegt  der  Darstellung  viel- 

fach das  Schema  des  Vierzeilers  zu  Grunde,  doch  s.  zu  den  einzelnen  Abschnitten. 

1_5  Jahwe  erscheint  mit  seinen  Heiligen  zur  Rettung  des  von  den  Fein- 
den eroberten  Jerusalems.  Der  Abschnitt  ist  durch  verschiedene  Vermehrungen 
bereichert:  einmal  erweist  sich  v.  2  als  Interpolation  dadurch,  dass  hier  Jahwe  selber 
spricht,  während  v.  1  und  v.  3  von  Jahwe  in  dritter  Person  gehandelt  wird,  dass  ferner 
hier  von  Jerusalem  die  Rede  ist,  während  v.  1  Jerusalem  angeredet  wird  (s.  auch  zu  v.  5^), 
und  dass  endlich  «^"»l  v.  2*^  mit  «5J''1  v.  3^  sehr  unschön  sich  stösst.  Dann  ist  in  v.  4  die 
Bestimmung  der  geographischen  Lage  des  Olbergs,  die  für  Jerusalemer  und  Judäer  doch 
rein  überflüssig  ist,  spätere  Zuthat,  wie  noch  andre  kleinere  Bestandteile.  Endlich  ist  auch 
in  V.  5  die  historische  Notiz  über  die  Flucht  beim  Erdbeben  zur  Zeit  Uzzias  ein  sekun- 
däres Element  des  Textes,  wahrscheinlich  veranlasst  durch  die  falsche  Lesung  von  DnDil 
(s.  zu  V.  5).  Was  als  ursprünglicher  Bestand  übrig  bleibt,  ordnet  sich  leicht  in  das  Schema 
von  drei  Vierzeilern. 

1  3,  der  erste  Vierzeiler:  Siehe  es  kommt  ein  Tag  Jahwes,  Da  wird  deine 
Beute  geteilt  in  deiner  Mitte,  Und  Jahwe  %ieht  aus  und  kämpft  Wie  einst  als 
er  kämpfte  am  Tage  des  Krieges.  Dass  Jerusalem  angeredet  ist,  erleidet 
keinen  Zweifel.  D1^  und  Hin^  sind  hier  durch  das  Verbum  «|  getrennt, 

darum  musste  letzterem  b  vorgesetzt  werden;  dass  aber  mit  Hin;;^  ni\  ein  Tag 
Jahwes,  nur  der  bekannte  r\)T\\  D1\  der  Tag  Jahwes,  gemeint  ist,  versteht  sich 
und  ergiebt  sich  aus  dem  folgenden  von  selbst.  Zum  Beuteteilen  d  er  Sieger 

vgl.  zu  Jo  3  3.  3  Dnn  D'llÜ?  ist  eingeschoben,  um  die  Beziehung  auf  die 

Interpolation  v.  2  herzustellen.  'i:i1  D1''3  bedeutet:  wie  er  überhaupt  jemals 


Sachl43  451  Sach  14  5 

im  Kriege  gekämpft  hat;  man  kann  an  die  Rettung  Israels  aus^Agypten  oder 
an  den  Kampf  gegen  die  Drachen  in  der  Urzeit  denken,  vgl.  Utn  4  34  Jes  51  9-ii. 
nijp  ist  das  im  Aramäischen  gebräuchliche  Wort  für  Krieg,  vgl.  zu  Koh  9  18. 
2  ist  Glosse  zu  v.  1^,  s.  die  (iründe  in  der  Vorbemerkung  zu  v.  1-5.  Auch  sachlich  ist 
die  Eeiheniblge  nicht  gut;  denn  v.  2***  müsste  chronologisch  v.  l'*  vorangehen.  Auffallend 
ist  zudem,  dass  das  Sätzchen  ni'?:itl^n  n^tr^iim  D^nnn  ^iDti^Ji  Reminiscenz  aus  der  Schilderung 
von  Babels  Eroberuno:  ist  Jes  13  16.  Wahrscheinlich  hat  der  Glossator  in  v.  1  nicht  die 
Weissagung  des  eschatologischen,  sondern  eines  für  ihn  bereits  der  Geschichte  angehörenden 
Geschickes  Jerusalems  gesehen;  man  könnte  an  Antiochus  Epiphanes  denken,  der  170 
V.  Chr.  Jerusalem  brandschatzte,  unter  den  Bewohnern  ein  grosses  Bhitbad  anrichtete  und 
den  Tempel  plünderte  (I  Mak  1  20-24).  Dies  Ereignis  mochte  der  Glossator  sehr  wohl  als 
Vorspiel  der  vom  Propheten  in  Aussicht  gestellten  definitiven  Rettung  betrachten. 

4,  der  zweite  Vierzeiler:  Und  es  treten  seine  Füsse  auf  den  Ölherg 
Und  es  spaltet  sich  der  Ölberg  in  der  Mitte  Und  es  weicht  die  Hälfte  des 
Berges  nach  Norden  Und  die  andre  Hälfte  ....  nach  Süden.  Zu  den  Wir- 
kungen, die  Jahwes  Erscheinen  auf  Erden  begleiten,  vgl.  zu  Mch  1  4,  s.  ferner 
Jdc  5  5  Nah  1  5  Hab  3  6  Jes  63  19.  Über  die  geographische  Glosse,  die  die 
Lage  des  Ölbergs  bestimmt,  s.  Vorbem.  zu  v.  i-5.  ^^Tin  W^  fehlt  mit  Recht  in 
den  babyl.  Codd.  Als  Glosse  betrachte  ich  auch  den  Schluss  von  v.  4=*:  nnip 
'i:n,  da  diese  Worte  nur  ausführen^  was  sich  aus  v.  4*^  von  selbst  ergiebt;  denn 
wenn  die  beiden  Hälften  des  Ölbergs  nach  Norden  und  Süden  wichen,  so  zieht 
sich  ein  grosses  Thal  dazwischen  von  Osten  nach  Westen.  Hinter  1'':^ni 

scheint  ein  dem  t^D^  im  Parallelstichos  entsprechendes  Verb  ausgefallen  zu  sein. 

5^''^  der  dritte  Vierzeiler :  Und  verstopft  wird  das  Thal , bis 

Asal,  Und  einzieht  Jahwe  dein  Gott  Und  alle  Heiligen  mit  ihm.  Der  Text  von 
Y.  5*^  ist  am  besten  erhalten,  doch  ist  mit  LXX  '^"2]  für  "^3  und  1)SJ?  für  'TjDJ;  zu 
lesen;  ferner  ist  \n^^  in  ^^'^'^^5  zu  korrigieren,  der  Schreiber  verirrte  sich  von 
dem  einen  D  auf  das  andere,  sodass  im  hebr.  Text  auch  das  von  LXX  noch 
gebotene  1  fehlt.  Angeredet  ist  Jerusalem,  wie  in  v.  i ;  diese  Anrede  ist  dem 
Inhalt  viel  mehr  entsprechend,  als  das  ^^b^5,  „mein  Gott",  des  hebr.  Textes. 
Die  Heiligen  sind  die  Engel,  die  himmlischen  Heere,  die  Jahwe  zum  Kampfe 
gegen  die  Feinde  Jerusalems  mit  sich  führt,  vgl.  Jo  4  ii  Ps  103  20.  Der 

Anfang,  v.  5^*,  ist  verdorben;  jedenfalls  ist  aber,  da  keine  „ihr"  angeredet  sind, 
mit  LXX,  Targ.,  Symmachüs,  den  babyl.  Codd.  und  dem  Cod.  Erfurtensis  3 
(s.  Baek-Delitzsch  84  89)  DriDil,  und  verstopft  wird,  fürDPip;!,  und  ihr  werdet 
fliehen,  zu  lesen.  Die  Örtlichkeit  '^in"«''?,  nachher  onn"*»?,  ist  unbekannt,  an  die 
Berge  von  6  1  ist  schwerlich  zu  denken;  der  Lage  nach  entspräche  üin"^5,  wie 
Wellh.  zu  lesen  geneigt  ist.  Aber  der  weitere  Text  ist  unverständlich;  auch 
wenn  man  ^^l^_  ^?  in  j;5Jl  ö[nn]  ändert,  so  weiss  man  nicht,  was  es  sagen  soll: 
Und  es  reicht  das  Thal  Hinnom  bis  Asal  (vgl.  zu  "^7«  J^?^  Jer  51  9),  da  die  Lage 
von  ^;fS,  in  Pausa  'p^JJ,  nicht  bekannt  ist,  vgl.  auch  Mch  1  11. 

5^^  "lil  DritpJ]  ist  Glosse  zur  Erklärung  des  von  0^13,  fliehen,  abgeleiteten  Dnoil  zu 
Anfang  des  Verses;  die  Glosse  erinnert  in  gelehrter  Weise  an  das  Erdbeben  zur  Zeit 
Uzzias,  auf  das  nur  noch  die  einem  ähnlichen  gelehrten  Interesse  entsprungene  Notiz  in 
Am  1  1  hinweist,  s.  zu  Am  1  1.  Nur  einem  Glossator  kann  man  zutrauen,  dass  er  derart 
aus  der  Rolle  fällt  und  die  Leute,  die  den  jüngsten  Tag  erleben  sollen,  zugleich  als  Zeit- 
genossen des  Erdbebens  unter  Uzzia  hinstellt. 

29* 


Sach  14  6  452  Sach  14  10 

6  7  In  der  herrlichen  Endzeit  bleibt  zu  Jerusalem  die  Temperatur  immer 
gleich  angenehm  und  ist  es  stets  heller  Tag  ohne  Wechsel  von  Licht  und 
Einsterniss.  Wenn  Jahwe  auf  Zion  sich  niederlässt,  sind  die  Bewohner  Jerusa- 
salems  vor  jeder  Unbill  der  Witterung  geschützt  und  ist  er  selber  das  nie  unter- 
gehende ewige  Licht.  Diese  Schilderung  erinnert  an  Jes  4  5  f.,  vgl.  ferner  Jes 
30  26  60  i9f.  24  23  Hes  24  23,  sowie  Apk  Joh  21  23  22  5  und  bes.  Apk  Esr 
7  39-42.  Ausser  der  Einleitung  ^)nr\  ÜV2  n^HI,  die  für  das  Metrum  un- 

berücksichtigt bleiben  kann,  liegt  in  v.  6  f.  ein  Tristichon  vor,  dessen  Zeilen 
ungefähr  in  der  Mitte  eine  Cäsur  aufweisen.  6  A^icht  wird  sein  HU%e  und 

Kälte  und  Frost ^  für  11fc<,  das  mit  der  Aussage  von  v.  7  in  Widerspruch  steht, 
ist  mit  Wellh.,  Ooet,  Nowack  dem  ganzen  Zusammenhang  gemäss  Din,  Hit%e^ 
zu  lesen,  vgl.  auch  Jes  4  6  Apk  Esr  7  4i,  und  für  ]1«Öp''  ni"1p\  das  unverständlich 
ist  (s.  Anmerkung  bei  Kautzsch),  hat  man  nach  LXX  (xal  ^üj^vj  xal  iiaYo;) 
mit  den  genannten  Erklärern  ]1^Sp1,  ^^"^ßl?  =  und  Kälte  und  Frost ^  zu  setzen 
(Kere  liest  wenigstens  auch  Öpl  für  öp';).  7  Und  es  wird  beständig  Tag 

sein^  ohne  Wechsel  von  Tag  und  von  Nacht  Und  auch  %ur  Abendzeit  wird  Licht 
sein.  injSl'DI''  ist  ==  ein  ununterbrochener  beständiger,  einziger  Tag^  wie  die 
Fortsetzung  deutlich  macht,  aus  der  allerdings  mit  Wellh.  T\)J\h  J^IJ';  \^\T\,  =  er 
ist  Jahwe  bekannt  (für  das  Imperf.  1.  vielleicht  das  Partie.  K^i;),  als  „ein  Stoss- 
seufzer,  gläubig  und  resigniert  zugleich",  auszuscheiden  ist. 

8  Der  doppelte  Quell,  der  von  Jerusalem  ausgeht.  Ohne  die  Einleitungs- 
formel (s.  zu  V.  6)  macht  v.  8  ein  Tetrastich  aus:  Es  wird  lebendiges  Wasser 
von  Jerusalem  ausgehen.  Die  Hälfte  davon  fliesst  nach  dem  östlichen  Meere 
d.  i.  das  Tote  Meer,  Und  die  andre  Hälfte  nach  dem  westlichen  Meere  d.  i.  das 
mittelländische,  Im  Sommer  und  im  Winter  wird  es  vorhanden  sein;  für  H^H"; 
1.  mit  Wellh.  und  Nowack,  da  D';)?  Subj.  ist,  den  Plural  ^^T•  ^^  der  Tempel- 
quelle, die  hier  nach  beiden  Seiten  frisches  Wasser  spendet,  also  das  Land  im 
Osten  und  Westen  fruchtbar  macht,  vgl.  zu  13  i. 

9  Jahwe,  der  eine  König  und  der  eine  Gott  der  ganzen  Welt.  Ein 
Distichon  von  zwei  Langzeilen:  Uyid  Jahwe  wird  König  sein  über  die  ganze 
Welt,  Jenes  Tages  wird  Jahwe  einer  sein  und  sein  Name  einer.  ^^'^SiT^S 
muss  trotz  v.  lo  =  die  ganze  Erde  gefasst  werden,  da  die  Deutung  =  das  ganze 
Land  doch  im  Zusammenhang  zu  wenig  besagt;  die  Hoffnungen  der  Juden 
reichten  auch  in  politischer  Hinsicht  bis  an  die  Grenzen  der  Erde  vgl.  z.  B. 
Jes  2  2-4  Mch  4  i-4  5  3.  Der  politischen  Einheit  unter  der  Herrschaft 
Jahwes  wird  die  religiöse  Einheit  der  Welt  entsprechen:  Jahwe  ist  der  eine 
Gott  und  im  Kultus  der  ganzen  Welt  wird  sein  Name  gebraucht.  Der  Mono- 
theismus herrscht  also  nicht  nur  in  sofern,  als  die  andern  Völker  mit  andern 
Namen  den  einen  Gott  anrufen,  vgl.  Mal  1  ii  14. 

10  11  Die  Änderung  der  geologischen  Gestaltung  des  Landes,  so  dass 
Jerusalem  über  seine  Umgebung,  die  zur  Ebene  wird,  emporragt.  Zu  dieser 
physischen  Erhöhung  Jerusalems  vgl.  Vorbem.  zu  Mch  4  i-5.  Wahrscheinlich 
bilden  die  beiden  Verse  einen  Sechszeiler  und  ist  am  Anfang  die  Einleitungs- 
formel «inn  Dl'^n  T^'^JV^^  zu  ergänzen  (vgl.  zu  v.  6).  Das  ganze  Land  wird  sich 
%ur  Ebene  wandeln  Von  Geba   bis  Rimmon  im  Süden  Jerusalems,  gemeint  ist 


Sach  14  10  453  Sach  14  13 

somit  die  Landschaft  Juda,  da  (jcha  an  der  Nordgrenze  Judas  liegt  vgl.  1  Reg 
15  22  II  23  8  und  Himmon  nach  der  Beifügung  „im  Süden  von  Jerusalem"  das 
an  der  Südgrenze  von  Palästina  gelegene  sein  muss,  vgl.  jlrsi  ]*'j;  =  Umma  er- 
Rain  (Im  in  Jos  15  32.  Dies  aber  wird  hoch  sein  und  an  seiner  alten  Ort 

und  Stelle  wohnen  Vom  Ihmjaminsthor  bis  zu  den  Ki'migskeltern.  Zu  n^^lj^ll 
statt  HDI"!  vgl.  zu  DSj^l  Hos  10  14.  In  den  folgenden  Angaben  der  Grenzen 

Jerusalems  halte  ich  die  Worte  DlpD'lj;  bis  ^^5^50  für  Einschub:  einmal  ist 
vom  ßenjaminslor,  das  nach  Jer  37  1 3  in  der  nördlichen  Stadtmauer  zu  suchen 
ist  (vielleicht  =  Schaftor  ZDPV  1885,  282),  bis  zur  Stätte  des  Thores  ]1t:^«in, 
das  man  mit  dem  H^^'^H  "IJ^C^  im  westlichen  Teil  die  Nordmauer  identifiziert 
(s.  zu  Neh  3  e),  bis  zum  Eckthor ,  das  an  der  Nordwestecke  der  Stadt  liegt,  und 
vom  Turm  Chananel,  der  in  der  Nähe  des  Schafthors  sich  fand  (s.  zu  Neh  3  i), 
zu  den  König skelt er n^  die  vermutlich  im  Süden  beim  königlichen  Garten  lagen, 
keine  gute  Bestimmung  der  Ausdehnung  der  Stadt,  da  nur  die  Nord-  und  die 
Ostgrenze  angegeben  sind;  dann  findet  sich  die  Angabe  ^5^^'nj^  ^^450  ^"l^öp 
n^öH  auch  Jer  31  38  in  einem  ähnlichen  Texte.  Ich  vermute  daher,  dass  diese 
Worte  als  Bandglosse  unserer  Stelle  beigeschrieben  waren  und  in  verkehrter 
Ordnung  und  Versehrtem  Zustand  (D^^BH  statt  Hiön  und  h^y^\  statt  '^ÖD)  in  den 
Text  gerieten  und  dass-  auch  ]1ti^'S*!n  Ij;^  DlpD'^TJ^,  =  bis  zur  Stätte  des  früheren 
Thores^  sekundär  ist,  vielleicht  beigegeben,  weil  das  Eckthor,  das  damit  erklärt 
werden  soll,  zur  Zeit  des  Glossators  nicht  mehr  existierte  (vgL  ZDPV  1885, 
281).  Lassen  wir  diese  fremden  Elemente  weg,  so  giebt  der  Text  ganz  gut  die 
Ausdehnung  Jerusalems  von  Norden  nach  Süden  an.  11  beginnt  mit  U^JI 

HD?  das  schwerlich  was  andres  ist  als  eine  fehlerhafte  Dittographie  des  vorher- 
gehenden oder  des  nachfolgenden  H^t^'^l;  ohne  diese  Einfügung  schliessen  sich 
die  zwei  letzten  Stichen  viel  besser  an  v.  lo  an:  Und  ein  Bannfluch  wird  nicht 
mehr  eintreten  Und  Jerusalem  in  Sicherheit  wohnen  d.  h  daliegen.  Zu  dem 
Bann  D")n  vgl.  Jes  43  24-28  Jer  25  9  Mal  3  24. 

12—19  Die  Strafe  der  Völker,  die  wider  Jerusalem  zu  Feld  gezogen  sind, 
und  der  von  ihnen  Übriggebliebenen,  die  Jahwe  nicht  Verehrung  erweisen. 
Ein  fremdes  Element,  das  den  Zusammenhang  stört,  sind  die  Verse  13  und  14; 
was  übrig  bleibt,  lässt  sich  in  sieben  Tetrastiche  gliedern.  12%  die  erste 

Strophe :  Und  das  wird  der  Schlag  sein,  Womit  Jahwe  schlagen  wird  Alle  die 
Völker y  Die  gegen  Jerusalem  zu  Felde  zogen.  12^,  die  zweite  Strophe : 

Verfaulen  lassen  wird  er  ihr  Fleisch,  Während  sie  noch  auf  ihren  Füssen 
stehen,  Und  ihre  Augen  verfaulen  ihnen  in  den  Augenhöhlen  Und  ihre  Zimge 
verfault  ihnen  im  Munde.  Vgl.  zur  Sache  Hes  38  22.  Der  Inf.  absol.  p^H  dient 
der  Hervorhebung  des  Verbalbegriffs,  vgl.  den  lateinischen  Infin.  historicus 
und  s.  Ges.-Kautzsch27  §  113 ff.  Der  Singular  geht  auf  die  einzelnen 

Völker,  vgl.  §  145  m;  auch  am  Schluss  ist  demnach  der  Sing*.  ^TD!l  zu  lesen 
(Wellh.,  Nowack),  vgl.  i:it^^. 

13  14,  eine  Interpolation,  die  v.  12  von  der  Fortsetzung  v.  15  trennt  und  auf  die 
Situation  von  v.  2  zurückführt  (Wellh.,  Nowack,  G.  A.  Smith).  Sie  giebt  eine  neue  Ver- 
sion über  die  Art  und  Weise  der  Vernichtung  der  Feinde,  vgl.  12  4  6  14  3-5;  am  nächsten 
steht  die  Schilderung  12  4.   Eine  nijT."nö!;nö,  ein  panischer  Schrecken,  wird  gewaltige  Ver- 


Sach  14  13  454  Sach  14  18 

— ^ — ___ , • , __ — __ — _ — 

wirrung  unter  ihnen ^  seil,  den  Völkern  (vgl.  aber  auch  v.  14,  wo  auch  Juda  mit  ergriffen 
wird)  anrichten,  vgl.  12  4  I  Sam  5  11  Jes  22  5.  Infolge  davon  wird  jeder  den  andern  er- 
greifen und  die  Hand  jedes  sich  wider  den  andern  erheben,  sodass  sie  also  selber  sich 
gegenseitig  bekämpfen  und  umbringen,  vgl.  Jdc  7  22  Hes  38  21  II  Chr  20  23.  14  Der 

von  Jahwe  gewirkte  panische  Schrecken  ist  so  gross,  dass  selbst  Juda  in  der  Verwirrung 
gegen  (nicht  tw)  Jerusalem  streitet.  Doch  bleibt  es  fraglich,  ob  diese  Notiz  über  Juda  nicht 
ein  Einschub  im  Einschub,  eine  sekundäre  Folgerung  aus  der  allgemeinen  Verwirrung,  ist. 
Jedenfalls  wird  im  Folgenden  diese  Angabe  nicht  berücksichtigt;  denn  es  handelt  sich 
nur  um  die  grosse  Beute,  die  der  Reichtum  der  erschlagenen  Feinde  aus  der  Völkerwelt 
gewährt.  Der  Zusammenhang  der  verschiedenen  Aussagen  dieser  Verse  ist  sehr  lose 
(Wellh.,  Nowack).  Zu  dem  Streit  Judas  gegen  Jerusalem  vgl.  zu  12  4  und  12  7  8 

und  zu  der  gewaltigen  Beute  vgl.  Hes  39  10. 

15,  die  dritte  Strophe,  ist  die  direkte  Fortsetzung  Yon  v.  12,  wie  das  ]5"J 
lind  ebenso^  das  auf  v.  12  zurückweist,  deutlich  genug  zeigt:  Und  der  gleiche 
Schlag  wird  die  Rosse  treffen^  Die  Maultiere^  die  Kamele  Und  die  Esel  und 
alles  Viehy  Das  in  jenen  Lagern  sich  findet.  r\^^T\  HD????  ist  vollständig  über- 
flüssig, es  ist  erst  eingesetzt,  als  das  durchaus  verständliche  ]51  durch  den  Ein- 
schub von  V.  13 f.  zu  weit  von  v.  12  getrennt  war.  16,  die  vierte  Strophe:  Und 
so  viele  übrig  bleiben  aus  allen  Völkerm^  Die  werden  Jahr  um  Jahr  hinaufziehen, 
Um  denKönig  Jahwe  der  Heere  anzubeten  Und  das  Laubhüttenfest  %u  feiern.  D'^i5|n 
p'^C^'^T'^j;  ist  Glosse,  die  ausdrücklich  beifügt,  was  sich  aus  dem  Zusammenhang 
von  selbst  versteht:  es  handelt  sich  natürlich  um  den  ganzen  Überrest  ("inl-in"^?), 
der  von  der  Heidenwelt  noch  übrig  bleibt.  Zu  Ti)1V  Tj^D^  vgl.  v.  9.  Die 

ganze  Heidenwelt  wallfahrt  einst  Jahr  für  Jahr  zum  Laubhüttenfest  nach 
Jerusalem,  wie  jetzt  schon  die  jüdische  Diaspora  dorthin  pilgert.  Jerusalem 
bildet  das  Zentrum  der  AVeit  für  die  Heiden,  wie  für  die  Juden;  dort  residiert  der 
König  der  ganzen  Erde  und  dort  bringt  man  ihm  alljährlich  am  Laubhüttenfest 
seine  Huldigung  dar,  wie  man  andrerseits  von  dort  auch  seine  Weisungen 
empfängt,  vgl.  Jes  2  2-4  Mch  4 1-4.  Das  Laubhüttenfest  ist  von  alters  her 

das  wichtigste  in  der  Reihe  der  Peste  geblieben  und  hat  auch  in  der  späten 
Zeit^  der  unser  Kap.  angehört,  seinen  Charakter  als  Dankfest  für  den  Ernte- 
segen nicht  ganz  verloren;  denn  der  Segen  der  Natur  bleibt  aus  für  die,  welche 
nicht  am  Laubhüttenfest  Jahwe  für  den  empfangenen  Segen  denDank  abstatten, 
wie  V.  17 f.  zeigt.  17,  die  fünfte  Strophe:   Welche  aber  nicht  hinaufziehen 

Von  den  Geschlechtern  der  Erde  nach  Jerusalem,  Um  den  König  Jahwe  der 
Heere  anzubeten.  Auf  die  wird  kein  Regen  fallen,  d.  h.  deren  Land  wird  un- 
fruchtbar bleiben.  18,  die  sechste  Strophe:  Und  wenn  das  Geschlecht  der 
Ägypter  Nicht  hinaufzieht  und  nicht  sich  einstellt.  So  wird  sie  der  Schlag  treffen. 
Womit  Jahtce  die  Völker  schlägt.  Der  Schluss  'i:n  ^h  I^S  ist  durch  Abirren 
des  Schreibers  auf  v.  19  fälschlich  in  v.  I8  wiederholt;  er  ist  hier  aber  unbrauch- 
bar,  da  er  gerade  die  besondre  Behandlung  Ägyptens  unnötig  machte,  wenn 
sie  dieselbe  Strafe  erfahren  wie  die  andern  Völker.  Die  Einsicht  in  diesen 
Widerspruch  hat  zum  Einschub  von  ^b  vor  DH"^^?  geführt,  das  jedoch  mit  Recht 
von  LXX  und  Pesch.  nicht  geboten  wird.  Man  lese  also  ^Tvhty  und  trenne 
dies  Wort  nicht  durch  Athnach  von  dem  folgenden.  Die  Strophe  besagt,  dass 
die  x^gypter,  welchen  der  Nil  das  Land  fruchtbar  macht  und  welche  keines 


Sachl4l8  455  Sachl4  2l 

Regens  bedürfen,  nicht  straflos  ausgehen  werden,  wenn  sie  von  Jerusalem  fern 
bleiben.  Jahwe  straft  sie,  wie  er  die  Völker  straft.  Was  für  eine  Strafe  es  ist, 
wird  nicht  gesagt.  Man  denkt  an  Misswachs  resp.  Hungersnot,  bei  den  Ägyp- 
tern eine  Folge  des  Ausbleibens  der  Nilüberschwenimung;  vielleicht  weist  aber 
riD^öH  darauf  hin,  dass  die  Ägypter  der  Schlag  von  v.  12  treffen  soll.  Dann 
dürfte  zu  beachten  sein,  dass  in  v.  1 8  mehrere  Codd.  DM-in"^?'ri«  resp.  D''^j;n"^3"n« 
bieten,  also  direkt  an  v.  12  erinnern.  19,  die  siebente  Strophe:  Das  wird 

die  Strafe  Agj/ptens  sein  Und  die  Strafe  alter  V'ötker ,  Wetc/te  nicht  liinauf- 
%iehen  zu  /'eiern  Das  Fest  der  Laubhütten.  ns^n,  eigentlich  Sünde  ^  hat 

hier  wie  Num  32  23  Jes  5  18  den  Sinn  von  Strafe^  die  die  Sünde  nach  sich  zieht. 
20  21  Die  Heiligkeit  Jerusalems  und  Judas.  Die  beiden  Verse  enthalten 
zwei  Vierzeilerund  eine  Schlussbemerkung  v.  21^^,  die  man  vielleicht  als  Distichon 
wird  fassen  dürfen.  20^  Jenes  Tages  steht  auf  den  Schelten  der  Rosse: 

Jahwe  heilig;  das  bedeutet,  dass  die  Rosse,  die  bei  den  Propheten  so  oft  die 
widergöttliche  Weltmacht  repräsentieren  vgl.  9  10  10  5  und  zu  Mch  5  9,  dann 
nicht  mehr  kriegerischen  Zwecken  dienen,  sondern  im  Dienste  Jahwes  stehen 
und  ihm  angehören.  Darum  tragen  sie  auch  auf  ihren  Schellen,  die  schwerlich 
als  Glöckchen,  sondern  als  klirrende  Metallplättchen  zu  denken  sind,  die  Auf- 
schrift: Jahwe  heilig  vgl.  Ex  28  36.  Aller  Krieg  hat  dann  ein  Ende  und  Jerusa- 
lem bleibt  unbefehdet.  20^  Und  die  Töpfe  im  Hause  Jahwes  werden  sein 
Wie  die  Becken  vor  dem  Altare,  Wahrscheinlich  besteht  das  tertium  compa- 
rationis  doch  nicht  in  der  Heiligkeit,  da  die  Töpfe  im  Tempel  überhaupt  schon 
heilig  waren,  sondern  in  der  Grösse:  die  Töpfe  zum  Bereiten  der  Opfermahlzeit 
müssen  wegen  der  ungeheuren  Menge  der  Opfernden  riesengross  sein  (  Wellh.). 
Unter  den  Ü*'p'1]p  sind  dann  Gefässe  zu  verstehen,  die  ein  grosses  Volumen  auf- 
wiesen, eigentliche  Kessel.  21  Aber  so  gross  die  Tempelgefässe  sind,  sie 
genügen  nicht,  wenn  die  Unmasse  der  Pilger  aus  allen  Völkern  zu  den  Festen 
nach  Jerusalem  zieht;  was  an  Töpfen  in  Jerusalem  und  Juda  vorhanden  ist, 
soll  heilig  sein,  also  zu  kultischen  Zwecken  verwendet  werden  können:  Dann 
wird  jeder  Topf  in  Jerusalem  und  in  Juda  Jahwe  der  Heere  heilig  sein  Und 
alle  Opfer  er  werden  kommen  Und  von  ihnen  nehmen  und  darin  kochen,  Dass 
mit  dieser  Schilderung  nur  überhaupt  die  Heiligkeit  Jerusalems  als  des  kul- 
tischen Zentrums  der  ganzen  Welt  hervorgehoben  werden  soll,  versteht  sich  von 
selbst;  vgh  zu  Jo  4 17  und  zu  Jes  61  4-6.  Ob  v.  21 '^  wirklich  zum  genui- 
nen Bestände  des  Capitels  gehört,  ist  mir  fraglich.  Der  Gedanke,  dass  kein 
Händler  mehr  im  Hause  Jahwes  sein  soll,  lässt  sich  wohl  mit  der  Betonung 
der  Heiligkeit  des  Tempels  verbinden,  aber  berührt  doch  eine  etw^as  andre 
Seite  dieses  Begriffes,  vgh  Mt  21 12.  Doch  mag  gar  wohl  recht  oft  das  Treiben 
der  Händler  0^5^53  vgl.  11?  11)  als  im  Widerspruch  auch  mit  der  kultischen 
Heiligkeit  des  Tempels  empfunden  worden  sein. 


Mal  Einleitung  I  456  Mal  Einleitung  I 


MALBACHI. 

Einleitung. 


L  Das  Buch,  sein  Inhalt  und  seine  Entstehung.  Das  Buch  Mal  ist  das  letzte 
unter  den  „Zwölf  Propheten"  im  hebräischen  AT  wie  in  der  griechischen  Sammlung  der 
LXX.  Es  trägt  weit  mehr  als  die  Bücher  Hag  und  Sach  1 — 8  den  Charakter  einer  eigent- 
lichen Prophetenschrift,  da  seinen  Inhalt  nicht  ein  Peferat  über  Prophetenthätigkeit, 
sondern  prophetische  Mahnungen,  Drohungen  und  Verheissungen  ausmachen.  Auch 
in  der  Form  bewahrt  es  prophetische  Art ;  denn  wie  in  den  meisten  Prophetenschriften 
sind  die  Gedanken  in  metrischer  Form  ausgesprochen  (vgl.  darüber  Yorbem.  zu  1  2-5). 
Das  Ganze  zeigt  eine  überlegte  Disposition :  wie  den  einzelnen  Abschnitten  ein  thema- 
artiger allgemeiner  Satz,  aus  dem  das  Folgende  abgeleitet  wird,  vorangestellt  ist,  so 
findet  sich  an  der  Spitze  des  ganzen  Buches  ein  kurzer  Abschnitt,  der  als  Grundlage 
der  folgenden  Darlegungen  dient.  Die  Liebe  des  über  die  Grenzen  Israels  hinaus 
gebietenden  Jahwes  zu  Jakob,  die  im  ersten  Abschnitt  1  2-5  festgestellt  und  bewiesen 
wird,  ist  dieser  Ausgangspunkt.  Liebt  Jahwe  wie  ein  Vater  Jakob,  so  haben  die 
Priester  vor  allem,  die  seine  speziellen  Söhne  und  Diener  sind,  ihm  Liebe  und  Ehr- 
furcht zu  erweisen  und  dafür  zu  sorgen,  dass  ihm  auch  durch  die  Laien  die  schuldige 
Verehrung  zu  teil  werde,  sie  haben  aber  auch,  wenn  sie  ihre  Pflicht  versäumen,  zu 
gewärtigen,  dass  sie  aus  ihrer  Ehrenstellung  entfernt  werden,  vgl.  den  zweiten  Ab- 
schnitt 16 — 2  9.  Ist  Jahwe  der  Vater  Jakobs,  so  folgt  ferner  daraus,  dass  alle  An- 
gehörigen Jakobs  Brüder  sind  und  als  Brüder  miteinander  leben  sollen,  also  in  Handel 
und  Wandel  einander  Treue  zu  halten  und  sich  vor  jeder  Untreue,  ganz  besonders 
auch  in  der  Ehe,  zu  hüten  haben,  ansonst  sie  auf  Jahwes  Huld  und  Gnade  nicht  zählen 
dürfen,  vgl.  den  dritten  Abschnitt  210-16.  Der  Pest  des  Buches  weist  die  Ein- 
reden der  Skeptiker  zurück,  die  an  der  vom  Propheten  behaupteten  Liebe  und  Macht 
Jahwes  zweifeln,  weil  ja  im  Gegenteil  der  Übeltäter  und  der  Übermütige  glücklich 
fahre,  der  Fromme  aber  keinen  Nutzen  seiner  Frömmigkeit  sehe.  Es  sind  drei  Ab- 
sätze, in  denen  sich  der  Prophet  gegen  diese  Skeptiker  wendet:  1)  217 — 3  5:  das 
Gericht  wird  plötzlich  hereinbrechen,  es  bedeutet  besonders  für  die  unehrerbietigen 


Mal  Einleitung  I  457  Mal  Einleitung  II 



Söhne  Levis  eine  genaue  Sichtung  und  Jjiiulerung  und  für  die  Ubelthäter  alle  eine 
rasche  Bestrafung;  2)  3  6-12:  der  Betrug,  den  das  ganze  Volk  hei  der  Ablieferung 
des  Zehntens  und  der  Abgaben  an  den  l^erapel  ü})t,  ist  die  Ursache,  warum  in  der 
Gegenwart  von  .Jahwes  Segen  nichts  gesehen  werden  kann;  und  3)  3  13-21:  der  'J^ag 
wird  kommen,  wo  der  Unterschied  zwischen  Fromm  und  Gottlos  für  jedermann 
ersichtlich  sein  wird,  wo  die  Gottlosen  mit  Stumpf  und  Stiel  ausgerottet  werden, 
aber  den  Gottesfürchtigen  die  Sonne  des  Heils  und  der  Heilung  von  allen  Schäden 
aufgeht. 

Wie  diese  Inhaltsübersicht  zeigt,  ist  das  Buch  im  Grossen  und  Ganzen  aus 
einem  Gusse.  So  wie  es  aber  vorliegt,  ist  es  nicht  auf  einmal  entstanden.  Es  liegen 
nämlich  in  dem  Buche  auch  einige  fremde  Bestandteile  vor,  die  eine  andre  Auffassung 
als  das  übrige  Buch  aufweisen.  Für  die  kleineren  Zufügungen  ist  die  Auslegung  zu 
vergleichen;  hier  sei  nur  auf  die  beiden  wichtigen  Zusätze  aufmerksam  gemacht,  auf 
den  Einschub  2  11  12,  wozu  vielleicht  noch  einige  Elemente  aus  2l4f.  gehören,  und 
auf  den  Anhang  3  22-24.  Der  Einschub  2  11  12  verurteilt  in  schärfster  Weise  die 
Heirat  von  NichtJüdinnen  als  eine  Entweihung  des  Heiligtums,  als  eine  Sünde,  die 
die  Wirksamkeit  des  ganzen  jüdischen  Kultus  in  Frage  stellt.  Es  ist  sehr  zu  zweifeln, 
ob  der  Prophet,  der  über  die  Heiden  ganz  anders  dachte  (1  ll),  diese  Verurteilung 
der  Mischehen  teilte;  in  den  Versen,  die  ihm  angehören  innerhalb  des  Abschnitts  von 

2  10-16 ,  ist  es  ihm  um  die  Polemik  gegen  die  Untreue  überhaupt  und  besonders  auch 
in  Hinsicht  darauf  zu  thun,  dass  die  Ehescheidung  so  leicht  genommen  wurde.  Der 
Anhang  3  22-24  ermahnt  zum  Gehorsam  gegen  das  Gesetz  Moses  und  verheisst  in 
Interpretation  von  3  1  das  Kommen  Elias  als  des  grossen  Widerhersteilers  der  Ord- 
nung aller  Dinge  vor  dem  jüngsten  Tage,  damit  Jahwe  nicht  das  Land  mit  dem  Bann 
belegen  müsse.  Diese  Zusätze  bestimmen  die  Zeit  der  Entstehung  des  Buches:  Die 
Verurteilung  der  Mischehen  gehört  in  die  Tage  Nehemias  und  Esras,  sowie  der  Herr- 
schaft des  PC  in  der  Gemeinde;  also  existierte  damals  bereits  das  Buch,  in  das  2  11  12 
eingeschoben  ist.  Der  Anhang  aber  ist  Jesus  Sirach  bekannt,  der  die  Worte  von  3  24 
verwendet,  vgl.  JSir  4810;  also:  wie  die  Prophetenschrift  in  der  Zeit  Nehemias  und 
Esras,  so  war  das  Ganze  samt  dem  Anhang  schon  vorhanden  zur  Zeit  Jesus  Sirachs, 
d.  h.  um  180  v.  Chr. 

II.  Der  Prophet,  seine  Zeit  und  seine  Bedeutung,  In  der  Überschrift  1 1 
wird  der  Prophet,  von  dem  die  drei  Capitel  stammen,  ^?^^D  genannt,  ebenso  in  dem 
Titel  des  Buches  beiLXX:  MaXa^ia^,  während  im  Texte  ll  dafür  äy^eXo;  auxou 
steht.  Maleachi  ist  in  der  Tradition  sein  Name  geblieben ,  doch  hat  er  wegen  seiner 
für  einen  Menschen  wenig  passenden  Bedeutung :  ''pfcj^?  =  iTpJJ^D ,  Bote  Gottes ,  der 
späteren  Legende  Anlass  gegeben,  zu  erklären,  Maleachi  habe  die  schöne  Gestalt  und 
das  Aussehen  eines  Engels  besessen,  vgl.  Pseudo-EpiPHANIUS  Vitae  prophetarum  bei 
Nestle  Marg,  28  f.  Nun  ergiebt  sich  aus  der  ganzen  Art  von  1  1,  dass  die  Überschrift 
des  Buches  in  allen  ihren  Teilen  von  fremder  Hand  stammt,  s.  zu  1  1,  also  die  Schrift 
ursprünglich  anonym  ausgegangen  ist.  Auch  lässt  sich  noch  erkennen,  wie  die  Über- 
schrift zu  dem  Namen  Maleachi  gekommen  ist.    Es  wurde  derselbe  in  dem  "'^fc^vÖ  von 

3  1  gefunden ,  sei  es  dass  der  Verf.  der  Überschrift  diese  Stelle  auf  den  Propheten 
deutete  und  in  '^?ij7??  wirklich  einen  Eigennamen  sah  oder  sei  es  dass  er  darin  nur 
eine  Bezeichnung   des  Propheten  erblickte  und  es  als  Stichwort  an  die  Spitze  des 


Mal  Einleitung  II  458  Mal  Einleitung  II 

Buches  stellte.    Jedenfalls  legt  die  Überschrift  1  1  die  Stelle  31  anders  aus^   als  der 
Anhang  3  22-24;  aber  sie  hat  mit  ihrer  Auslegung  nicht  mehr  Recht  als  dieser  s.  zu  3  1. 
Ist  somit  der  Name  des  Propheten  völlig  unbekannt,  und  sind  alle  Vermutungen, 
die   darüber   aufgestellt  wurden,    nicht  sicherer   als   die   unrichtige  Vermutung   des 
Autors  von  1  1 ,   so  lässt  sich  dagegen  die  Zeit  des  Propheten  ziemlich  genau  fest- 
stellen.   Alles  weist  auf  die  Periode  von  der  Vollendung  des  nachexilischen  Tempels 
bis  zur  Einführung  des  PC  in  der  jerusalemischen  Gemeinde.   Denn  einerseits  existiert 
der  Tempel  1  10  3l  10  und  kann  in  demselben  geopfert  werden,  andrerseits  sind  die 
Zustände  in  Jerusalem  derart,  dass  unmöglich  die  Durchführung  der  Reform  durch 
Esra-Nehemia  schon  vorauszusetzen  ist.  Dies  wird  speziell  auch  dadurch  ausgeschlossen, 
dass   der  Prophet  die  vom  PC  gebrachte  scharfe  Unterscheidung  von  Priestern  und 
Leviten  nicht  kennt,  sondern  beide  zusammen  die  Leviten  nennt  2  4 f.  3  3,  vgl.  Schlußs- 
bemerkung  nach  2  9.    Fragt  man   nach   dem   genaueren  Zeitpunkt  innerhalb   dieser 
Periode,   so  wird  man  in  die  Nähe   des  Endes  derselben  verwiesen;   denn   die  Ver- 
hältnisse, welche  die  Schrift  in  Jerusalem  voraussetzt,  sind  ganz  diejenigen,  welchen 
durch  die  Peform  Esra-Nehemias  ein  Ende  bereitet  werden  soll.    Man  denke  an  die 
Gleichgiltigkeit  dem  Kultus  gegenüber  und  an  die  Geringschätzung  des  Opfers  und 
andrerseits  an  die  Mühe,  die  es  Nehemia  kostete,  die  Zehntabgabe  durchzusetzen,  vgl. 
zu  3  6-12.    Nichts  spricht  auch  dafür,   den  Propheten  zu  einem  etwa  von  Esra  oder 
Nehemia  abhängigen  Zeitgenossen  dieser  Männer  zu  machen;  die  Polemik  gegen  die 
Mischehen  2  11  f.  stammt  nicht  von  ihm,   sie  ist  von  einem  Spätem,  der  ein  Anhänger 
Esras  und  Nehemias  war,   in  sein  Buch  eingefügt  (s.  zu  der  Stelle).    Der  Prophet  ist 
ohnehin,  wie  seine  Worte  zeigen,  ein  durchaus  selbständiger  Mann,  er  gehörte  offen- 
bar zu  dem  Kreise  der  Gottesfürchtigen,  von  denen  er  in  seinem  Buche  spricht  3  16  f. 
20  f.,  dem  Kreise  in  Jerusalem,  der  mit  dem  Treiben  ihrer  Volksgenossen  unzufrieden 
war  und  eine  Reform  herbeiwünschte.    Man  wird  darum  mit  der  grössten  Zuversicht 
die  Entstehung  des  Buches  Mal  in  die  Zeit  vor  Nehemia  und  Esra  ansetzen  dürfen; 
wie  kurz  oder  lang  vorher,  bleibt  allerdings  eine  offene  Frage.    Hält  man  dafür,  wie 
es  die  traditionelle  Auffassung  ist,  dass  Esra  458  v.  Chr.  in  Jerusalem  eintraf  und  das 
Gesetz  444  v,  Chr.  einführen  konnte,  oder  stimmt  man  der  Ansicht  bei,  die  Nehemia 
zuerst  nach  Jerusalem  kommen  (um  445  v.  Chr.)  und  Esras  Thätigkeit  in  Jerusalem 
erst  432  beginnen  lässt,  sodass  die  Einführung  des  Gesetzes  auf  430  fällt  (s.  KHC 
Esra  und  Nehemia  Einl.  V),  so  ist  doch  mit  dem  Ansatz,  dass  „Maleachi"  gegen  das 
Ende  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.,  also  um  460  resp.  450,  gelebt  habe,  im 
Allgemeinen  gewiss  das  Richtige  getroffen.    In  dieser  Zeit  kommen  auch  1  8  und  1  3 
zu  ihrem  Rechte,  s.  zu  diesen  Stellen.  Wenn  TOREEY  das  Buch  erst  der  ersten 

Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  zuweist,  so  beruht  dies  lediglich  auf  seiner  andern 
chronologischen  Bestimmung  der  Statthalterschaft  Nehemias  in  Jerusalem,  die  nach 
ihm  nicht  vor  das  vierte  Jahrhundert  fallen  soll.  Abgesehen  von  der  Festlegung 
dieser  Daten  stimmt  er  aber  der  allgemeinen  Argumentation  zu.  Anders  urteilt  nur 
WiNCKLER,  der  die  Schrift  ins  zweite  Jahrhundert  hinabsetzt,  in  die  Zeit  unmittelbar 
nach  der  Errichtung  eines  Altars  für  den  olympischen  Zeus  auf  dem  Brandopferaltar 
zu  Jerusalem  am  Ende  des  Jahres  168  v.  Chr.  Damit  aber  in  Mal  Anspielungen  auf 
diese  Ereignisse  gefunden  werden  konnten,  musste  der  Text  in  einer  ganz  unzu- 
lässigen Weise  geändert  werden.    Jedenfalls  kann  der  Versuch  Winckler's  nicht  als 


Mal  Einleitung  II  459  Mal  Einleitung  II 

eine  Erklärung  des  Maleachitextes  angesehen  werden.  ÜbrigenH  hl  lebe  ])ei  einer  so 
späten  Ansetzung  völlig  unbegreiflich,  wie  Jesus  Sirach  schon  um  180  v.  Chr.  einen 
Zusatz  zu  dem  Maleachibuch,  der  '\  l  erklären  will,  citieren  konnte;  vgl.  oben  Einl.  1 
(am  Ende). 

Der  Prophet  „Maleachi"  gilt  im  Allgemeinen  als  ein  einlacher  Alann  und  für 
gewöhnlich  wird  ihm  keine  grosse  Bedeutung  zugeschrieben.  Aber  man  wird  mit 
dieser  Beurteilung  dem  Propheten  schwerlich  gerecht.  Es  ist  wahr,  dass  es  seinen 
Tetrastichen  an  eigentlichem  poetischen  Schwünge  fehlt;  aber  seine  Darstellung,  die 
sich  oftmals  in  liede  und  Gegenrede  ergeht,  macht  doch  keineswegs  den  Eindruck 
eines  trockenen  Schulvortrags  oder  blossen  rabbinischen  Schulstreits,  sondern  viel- 
mehr des  lebendigen  Kontakts  und  des  lebhaften  Verkehrs  mit  Freunden  und  Gegnern. 
Was  vor  allem  jedoch  nicht  gering  anzuschlagen  ist,  das  ist  der  Gedankeninhalt,  den 
das  Buch  aufweist  und  der  von  einer  selbständigen ,  eigenartigen  und  bedeutenden 
Persönlichkeit  Zeugnis  ablegt.  Wohl  ist  er  weit  mehr  ein  Kind  seiner  Zeit,  als  es 
die  alten  Propheten  des  achten  und  siebenten  Jahrhunderts  gewesen  waren,  und  er 
lebt  in  den  Anschauungen  der  nachexilischen  Periode  ;  aber  wenn  er  den  Kultus  hoch- 
hält und  die  Entrichtung  des  Zehnten  fordert,  so  ist  es  wohl  zu  beachten,  dass  er 
darin  die  Formen  sieht,  in  denen  ein  viel  tieferer  Gehalt  sich  ausdrücken  kann,  und 
dass  ihm  an  dieser  der  rechten  Form  zu  Grunde  liegenden  Gesinnung  alles  gelegen 
ist.  'Was  er  fordert,  sind  nicht  Opfer  und  Zehnten,  sondern  in  Opfern  und  Zehnten 
sich  darstellende  Ehrfurcht  und  Treue  gegen  Gott,  vgl.  16 f.  3  8.  Er  ist  weder  dem 
Formalismus  noch  der  äusserlichen  Gesetzlichkeit  verfallen.  Wie  sehr  er  in  die  Tiefe 
des  sittlichen  Wesens  der  Forderungen  Gottes  eindringt,  zeigt  seine  Beurteilung  der 
Ehe  und  der  Ehescheidung  in  210  isf.  16,  in  der  er  sich  von  der  Laxheit  des  ge- 
wöhnlichen Judentums  weit  entfernt  und  dem  NT  und  vor  allem  Jesus  nahe  kommt. 
Obwohl  er  die  Gefühle  eines  Juden  teilt,  wo  es  sich  um  die  Edomiter  handelt,  ist  er 
doch  fern  von  dem  fanatischen  Nationalismus  und  engherzigen  Partikularismus  (die 
Worte  gegen  die  Mischehen  fallen  nicht  ihm  zur  Last,  s.  zu  2  11  f.);  er  bekundet  im 
Gegenteil  eine  merkwürdige  Freiheit  und  Weite  des  Blicks ,  wenn  er  die  Heiden, 
welchen  es  bei  ihren  Opfern  in  Aufrichtigkeit  um  Gottesverehrung  zu  thun  ist,  als 
bessere  Diener  des  einen  Gottes  Jahwe  hinstellt,  als  die  Juden,  die  Jahwe  verdorbene 
Gaben  bieten  (s.  zu  1 10 f.).  Auch  hier  sieht  man,  wie  wenig  dem  Propheten  auf  die 
Form  und  wie  ihm  alles  auf  den  Sinn,  auf  die  Gesinnung  ankommt.  Es  ist  in  diesem 
Zusammenhang  auch  sehr  beachtenswert,  dass  er  das  Gericht  als  ein  innerjüdisches 
darstellt,  jedenfalls  ein  Zeichen,  dass  er  den  Hochmut  nicht  teilt,  der  auf  die  Heiden 
hinabzusehen  gewohnt  war.  Ist  nicht  alles  bei  diesem  Manne  vollständig  aus  einem 
Gusse  und  sind  nicht  die  letzten  Konsequenzen  gezogen,  zu  denen  seine  Überzeugung 
führen  musste  (vgl.  z.  B.  zu  2  10),  so  ragt  er  doch  weit  über  die  gewöhnliche  Art  des 
nachexilischen  Judentums  hinaus  und  reiht  sich  den  selbständigen  Persönlichkeiten 
an,  die  in  den  Verfassern  von  Hiob,  Jona  und  Buth  uns  aus  dieser  Periode  bekannt 
sind.  Sein  Buch  ist  deshalb  ein  äusserst  wertvolles  Denkmal  aus  der  Zeit  vor  der 
Einführung  des  Gesetzes,  es  verschafft  uns,  wie  das  Werk  seines  Zeitgenossen  Trito- 
jesaja,  einen  wichtigen  Einblick  in  die  Zustände  zu  Jerusalem,  wo  sich  die  verschie- 
densten Richtungen  geltend  machten:  die  „Übermütigen"  (3  15),  die  Gleichgiltigen, 
die  Skeptiker  und  die  Frommen  (Gottesfürchtigen) ,  und  wo  Probleme  und  Fragen 


Mal  Einleitung  II  460  Mal  1 2 

auftauchten  (über  den  Wert  der  Frömmigkeit),  die  noch  lange  die  ernstesten  und 
tiefsten  Denker  der  jüdischen  Gemeinde  beschäftigten.  Als  das  Zeugnis  eines  selbst- 
ständigen und  über  die  Menge  hervorragenden  Mannes  aus  der  Periode  vor  der  fast 
völligen  Alleinherrschaft  des  Gesetzes  bildet  das  Buch  Mal  einen  würdigen  Abschluss 
des  Zwölfprophetenbuches. 

III.  Litteratur*  L.  Eeinke  Der  Prophet  Maleachi  1856;  A.  KÖHLER  Die 

Weissagungen  Maleachis  1865;  W.  BÖHME  Zu  Maleachi  und  Haggai  ZATW  1887, 
210—217;  iLBachmann  Alttest. Untersuchungen  1894, 109— 112:  Kaleb  oder  Maleachi?; 
T.  T.  Perowne  Malachi  1896;  C.  C.  Torrey  The  Prophecy  of  'Malachi'  in  Journal 
of  Biblical  Lit.  1898,  1—15;  H.  WiNCKLER  Altorientalische  Forschungen  II,  531—539 
Maleachi  (Dec.  1899);  Ed.  Sievers  Metr.  Studien  I.  Textproben  1901,  498—501:  Ma- 
leachi 1;  T.  K.  Cheyne  Grit.  Bibl.  II,  1903,  194—198. 


Erklärung, 

Die  Überschrift  des  Buches  1 1  lautet  in  ihrem  ersten  Teile  wie  die  Über- 
schriften Sach  9  1  12  1,  die  von  der  Hand  eines  Redaktors  oder  eines  Diaskeu- 
asten  des  Zwölfprophetenbuches  herrühren,  s.  Sach  Ein].  I.  Es  ist  daher  zu 
vermuten,  dass  auch  die  Überschrift  1  i  denselben  Ursprung  habe  und  zwar  in 
ihrem  ganzen  Umfang.  Denn  ohne  die  mit  Sach  9  i  12  i  übereinstimmende  Ein- 
leitungsformel steht  ^:?^hü  T^  in  der  Luft,  und  dass  diese  Bemerkung  von 
zweiter  Hand  stammt,  verrät  sich  schon  durch  den  Gebrauch  von  T21  statt  des 
übHchen  "^«,  s.  Hag  Einl.  I  S.  378.  Es  ist  darum  auch  kaum  zu  bezweifeln, 
dass  der  Name  '?«^J?  erst  aus  3  i  erschlossen  ist,  der  Verf.  also  seine  Schrift 
anonym  hat  ausgehen  lassen.  S.  Einl.  II.  Der  wirkliche  Name  des  Verf. 's  ist 
unbekannt;  denn  die  Hypothese  Bachmann's,  dass  der  Zusatz  derLXXzu  y.  i: 
ösaöe  5yj  km  zac,  xapBia;  ufAcüv,  auf  den  zu  2h2  ^D*"^!  verderbten  ursprünglichen 
Text  n^D"1W^,  =  und  sein  lYame  war  Kaleb ,  zurückführe,  also  der  Prophet 
Kaleb  geheissen  habe,  ist  haltlos,  weil  der  griech.  Text  in  hebr.  Wiedergabe 
nur  DD^rilll'?  ^j;  ^D^tol  lauten  könnte ,  was  einem  n^5  ID^'^l  doch  sehr  fern  steht, 
s.  Matthes  ZATW  1903,  126  f.  Das  Plus  der  LXX  will  die  etwas  abrupt  be- 
ginnende Ansprache  v.  2  vorbereiten  und  einleiten  oder  ist  beigefügt  von  jemand, 
der  ''piJT'r?  (vgl.  LXX  a^y^Xo;  aoxou)  nach  Hag  1 13  als  Bezeichnung  Haggais, 
also  Haggai  als  Autor  von  Mal  Cap.  1—3,  fasste  und  das  durch  diesen  Zusatz 
aus  Hag  2  15  i8  andeuten  wollte  (Toeeey). 

!.  Jahwes  Liebe  zu  Jakob  I  2-5. 

Die  Wahrheit  der  Aussage,  dass  Jahwe  Jakob  liebt,  beweist  der  Prophet  mit  dem 
Schicksal  Esaus.  Das  Unglück,  das  den  Bruder  betroffen  hat  und  vor  dem  Jakob  bewahrt 
blieb,  ist  ein  Argument  für  Jahwes  Liebe  zu  Jakob,  wie  man  ebenso  aus  der  Liebe  Gottes 
zu  Israel  folgern  darf,  dass  er  gegen  dessen  Feinde  einschreiten  wird,  vgl.  Jes  14  1.   Wie  im 


Mal  12  461  Mal  1  4 

Krieg  nach  antiker  Anschauung  der  Sieg  über  Recht  oder  Unrecht  entscheidet,  so  kann 
auch  aus  der  Verschiedenheit  des  Schicksals  sonst  naliesteliendor  Völker  erschlossen  wer- 
den, wer  der  Liebling  Gottes  ist.  .lakob  und  Esau  sind  lirüder,  also,  sollte  man  denken, 
Jahwe  gleich  nahestehend;  trotzdem  hält  Jahwe  zu  .Jakob  und  hekundet,  wie  sehr  sein  Hass 
dem  Hasse  Jakobs  fi;G^iin  Esau  ent8])richt.  Das  Unglück  Edoms  besteht  in  einer  gewal- 

tiofen  Verwüstun<^  die  das  Land  betrollen  hat.  Es  kann  sich  schwerlich  um  ein  anderes 
Ereisrnis  handeln,  als  um  den  Kinbriich  der  Araber  in  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts. 
Die  Edomiter  hatten  schon,  als  die  Katastrophe  über  Juda  hereinbrach,  gedrängt  von  den 
aus  Süden  einfallenden  Arabern,  sich  auf  Kosten  der  unglücklichen  Judäer  im  Süden  Ju- 
das festgesetzt,  vgl.  Sach  7  7  Ob  v.  10-14.  Jetzt  war  zu  Anfang,  resp.  in  der  ersten  Hälfte 
des  5.  Jahrh.  der  Hauptvorstoss  der  Araber-Nabatäer  erfolgt,  der  das  edomitische  Gebiet 
in  eine  Wüstenei  verwandelte,  vgl.  Ob  Einl.  II  S.  229.  Schon  in  diesem  ersten  Ab- 

schnitt tritt  uns  das  Charakteristische  in  Mal's  Darstellungsweise  entgegen,  dass  er  sich 
in  lebhafter  AVeise  die  Einreden  der  Hörer  durch  Fragen  selbst  vorlegt,  um  sie  dann  ab- 
weisen und  widerlegen  zu  können.  Mit  der  Schulsprache  der  Schriftgelehrten  in  der 
Mischna  hat  dieser  Stil  des  Propheten  nichts  zu  thun,  sondern  er  hängt  mit  seiner  persön- 
lichen Eigenart  zusammen.  Wie  das  ganze  Buch  Mal  in  seinen  originalen  Abschnit- 
ten ist  auch  dieser  Eingang  in  Vierzeilern  abgefasst.  Es  sind  deren  vier:  v.  2*^*,  v.  2^^^  3, 
V.  4^  und  V.  4^  5.  Schon  hier  zeigt  es  sich,  dass  die  Stichen  der  verschiedenen  Strophen 
nicht  in  strikter  Weise  die  gleiche  Länge  aufweisen ;  aber  innerhalb  einer  und  derselben 
Strophe  ist  immerhin  die  Gleichmässigkeit  nicht  zu  verkennen. 

2  Wie  sehr  Jakob  bei  Gott  in  Gnaden  steht  und  von  ihm  geliebt  wird, 
zeigt  die  Behandlung  seines  Bruders  Esau,  der  den  Hass  Gottes  in  bitterster 
Weise  soeben  hat  erfahren  müssen,  vgl.  Vorbemerkung.  niH^  DiJ^  ist  der 

vierte  Stichos  der  ersten  Strophe,  vielleicht  ist  nit^D^  hinter  n]n^_  zu  er- 
gänzen, ^nsj,  mit  dem  die  zweite  Strophe  (v.  2^^  s)  beginnt,  ist  eine 
ganz  unerwartete  Folge  der  vorher  konstatierten  Bruderschaft  Jakobs  und 
Esaus  (s.  Am  1  ii);  die  Liebe  Jahwes  zu  Jakob  kann,  da  sie  allen  Erwartungen 
widerspricht,  um  so  weniger  fraglich  sein.  3  Da  der  Wechsel  der  Kon- 
struktion von  D^'^,  einmal  mit  direktem  Obj.  HDö^,  das  andremal  mit  h  in  ni^nb, 
hart  ist  und  Hliri  statt  des  gewöhnlichen  mascul.  Plurals  D^5^  sonst  nirgends 
vorkommt,  ist  die  Richtigkeit  der  Lesart  niin^  zweifelhaft  und  die  Übersetzung 
für  die  Schakale  noch  zweifelhafter.  LXX  eU  hü^iiaxa  scheint  r\^^b  resp.  r\):ib 
zu  Wohnungen^  %u  Auen  (der  Wüste)  gelesen  zu  haben,  was  Böhme  und  No- 
WACKfürdenrichtigenText  ansehen,  währendToEEEYderKonstruktion  des  ersten 

Sätzchens  entsprechend  besser  nur  n'U  liest  und  n^  als  Dittographie  der  vor- 
angehenden Buchstaben  erklärt.  Die  Auen  der  Wüste  sind  aber  keine  gute 
Parallele  zu  HDö^,  vgl.  Jer  9  9  Ps  65  13.  Oort  sieht  daher  das  ganze  ni^nS  für 
fehlerhafte  Dittographie  von  IH^Ö?  an  und  Chetne  hält  PXTvh  für  möglich;  das 
richtige  wird  aber  sein,  dass  ['p]b  ^nnj  dafür  gelesen  wird :  ich  machte  sein 
Erbe  zur  Wüste,  die  Buchstaben  sind  in  unrichtige  Ordnung  geraten  und 
S  ]nj  =  zu  etwas  machen  ist  häufig,  vgl.  Gen  17  20  48  4  Jer  1  18.  4^,  die 

dritte  Strophe:  DllfcJ  bezeichnet  hier  das  Land,  darum  ist  es  als-femin.  behan- 
delt, s.  1l?«r^.  Zu  ^li^'^l,  wir  sind  zerstört,  vgl.  das  Poel  \2}^>^  Jer  5  17; 
wie  die  Trümmer  im  folgenden  zeigen,  geht  die  Bedeutung  des  Verbs  besonders 
auf  das  Zerstören  von  Bauwerken.  Dem  Hochmut  der  Edomiter,  der  wie  einst 
die  Ephraimiten  (Jes  9  9)  spricht,  setzt  Jahwe  sein  Wort  entgegen,  dass  alle 
Bemühung  umsonst  sei,  um  die  definitive  Verwüstung  zu  hindern.    So  rasch. 


Mal  1  4  462  Mal  1  7 

wie  der  Prophet  dachte,  ist  allerdings  Edoms  Ende  nicht  gekommen;  welche 
Blütezeit  Edom  noch  erlebte,  davon  geben  heute  noch  die  Ruinen  des  jetzt 
verödeten  Landes  ein  grossartiges  Zeugnis,  vgl.  das  Prachtwerk  von  Beünnow 
und  V.  DoMASZEwsKi  Die  Provincia  Arabia  1 1904.  4^  5  =  vierte  Strophe. 

Verödung  eines  Landes  ist  der  Beweis  für  den  Frevel  seiner  Bewohner  und 
den  göttlichen  Zorn,  der  sie  getroffen.  Für  ^^^^],  die  3.  pers.  Plur.  für  das  in- 
definite „man'"',  scheint  LXX  das  Passiv  i^")p]  gelesen  zu  haben.  Mit 
Sievers  wird  üb'\y"l)l  als  Zusatz  zu  betrachten  sein,  da  die  Juden  zur  Zeit 
Mal's  doch  nicht  sehen  konnten,  dass  Edom  auf  immer  gehasst  sei  vgl.  v.  5. 
5  ^'^^TV..  und  DriS  heben  hervor,  dass  es  ihr  eigenes  Erlebnis  und  ihre  eigene 
Erfahrung  sein  werde :  "1)11  ^"ir  d.  h.  Jahwes  Macht  reicht  über  die  Grenzen 
Israels  hinaus.  Das  ist  der  grosse  Vorzug  Israels,  dass  es  die  Liebe  des  all- 
mächtigen Gottes  besitzt,  üniversalismus  und  Partikularismus  schliessen  sich 
für  Mal  nicht  aus. 

2.  Die  Unehrerbietigkeit  der  Priester  gegen  Jahwe  1 6—2  9. 

Der  Abschnitt  zeigt,  welche  hervorragende  Wichtigkeit  der  Opferdienst  und  die 
Priesterschaft  in  den  Augen  des  Propheten  hat.  Dass  ein  Prophet  so  spricht,  ist  wohl  zu 
beachten;  die  Zeiten  haben  sich  geändert:  seit  Hesekiel  eine  Kultusverfassung  für  das 
neue  Jerusalem  entworfen  hat  und  seit  Haggai  und  Sacharja  den  Tempelbau  als  die  wich- 
tigste Angelegenheit  der  Zurückgekehrten  hingestellt  haben,  mussten  der  Kultus  und  die 
Priesterschaft  in  der  Wertung  ganz  besonders  steigen.  Es  kann  darum  auch  nicht  auf- 
fallen, dass  nicht  alle  Gemeindeglieder,  sondern  die  Priester  als  die  Söhne  und  Diener 
Jahwes  erscheinen.  Die  Scheidung  zwischen  Klerus  und  Laien  hat  Fortschritte  gemacht; 
aus  der  politischen  Gemeinschaft  wird  eine  theokratische  Gemeinde,  welche  die  Priester- 
schaft zu  leiten  hat.  Das  ist  die  Signatur  des  Zeitalters,  das  mit  der  Rückkehr  aus  dem 
Exil  angebrochen  ist.  Immerhin  ist  anzuerkennen,  dass  Mal  hinter  der  Vernachlässigung 
des  Kultus  einen  tieferen  Schaden  erblickt:  die  Unehrerbietigkeit  gegen  Jahwe  vgl. 
V.  6  7  14.  Auch  diesem  Abschnitt  liegen  Vierzeiler  zu  Grunde,  die  allerdings  zum 

Teil  durch  spätere  Textverderbnis  zerstört  sind,  s.  die  Auslegung. 

6—14  Die  Sünden  der  Priester.  6*^=^  (bis  •'«niD)  die  erste 

Strophe:  der  allgemeine  Satz,  von  dem  die  Darlegung  ausgeht:  der  Sohn  hat 
seinen  Vater  zu  ehren.  "Wie  in  der  Parabel  vom  Weinberg  Jes  5  1-7,  so 

sollen  auch  hier  die  Hörer  und  Leser  unbeeinflusst  von  der  Rücksicht  auf  die 
eigne  Person  die  Zustimmung  zu  der  vom  Proph.  gestellten  Forderung  geben, 
um  erst  nachher  zu  merken,  dass  sie  über  sich  selber  das  Urteil  gesprochen 
haben.  Darum  setzt  der  Prophet  die  Anrede  an  die  Priester  zu  ihrer  Über- 
raschung erst  an  das  Ende.  Sie  sind  die  Söhne  und  die  Diener  Gottes^  s.  Vor- 
bem.  Hinter  llj^l  ist  nach  LXX  und  den  folgenden  zwei  Substantiven  *'11^3 
und  '^i^IlD  notwendig  mit  den  meisten  Auslegern  i^T";,  =  (der  Diener)  fürchtet 
(seinen  Herrn),  einzusetzen.  DS  ^551  ]5  erinnert  an  den  Dekalog  Ex  20  12 

Dtn  5  16;  zu  den  sog.  Herrschaftspluralen  V^'llS  und  D'^^n^J  vgl.  Ges.-Kautzsch27 
§  124i.  6^^  (von  10«  an)  7^*  die  zw  eite  Strophe.  Dni?«l  ist  nicht  Fortsetzung 
des  Particips  '^  ^p,  sondern  Einführung  der  von  den  Priestern  erwarteten  Ein- 
rede (s.  Vorbem.  zu  v.  2-5).  7^°^  Wie  das  Opfer  nn^,  Brot,  Speise,  ge- 
nannt wird  vgl.  Lev  21  8  17,  so  kann  der  "^  n3|??  auch  "^  ]n^l^^  der  Tisch  Jahwes, 
heissen  vgl.  Hes  41  22.       ^ijip  hat  nirgends  einen  andern  Sinn  als  verunreinigt, 


Mal  1  7  463  Mal  1  10 

beßeckt,  die  Ahscliwäcliiing  in  mlndenccrlig,  schlcc/U,  (so  Wellh.)  ist  schwer- 
lich gerechtfci'tigt;  die  Eelleckuiig  liegt  nicht  an  der  (Qualität  des  Opfers, 
sondern  an  der  Haltung  und  Gesinnung  derer,  die  es  darbringen,  wie  der  Proph. 
selbst  sagt  auf  den  neuen  Einwand  7^^  mit  dem  die  dritte  Strophe  (v.  7^P^  8"^) 
beginnt  und  den  sie  gegen  die  mit  D^^^;i^  beginnende  Antwort  auf  die  Frage 
von  V.  o'^  erheben,  indem  sie  sagen:  womit  luiben  wir  es  belleckt?  1.  mit  LXX 
und  ToRREY  ^n^Ilb«?  für  ^I^^S?,  da  nur  von  einer  Befleckung  des  Opfers,  nicht 
Jahwes  die  Rede  war  und  die  Rede  sein  kann.  Die  Geringschätzung,  mit  der 
die  Priester  vom  Altar  Jahwes  redeten,  haftet  dem  Opfer  als  Befleckung 
an.  Die  Tilgung  von  ^X^)l^\  Hö?  Dn"i)?«1  durch  Wellh.  und  Nowack  ist 

darum  unberechtigt  (Torrey).  8^  Die  Geringschätzung  hat  noch  weitere 

Folgen,  die  Priester  kümmern  sich  nicht,  ob  auch  fehlerhafte  Tiere  geopfert 
werden,  die  nicht  dargebracht  werden  dürfen  vgl.  Lev  22  22-25.  In  ihren  Augen 
yi  ]''S  ist  es  nichts  Schlimmes,  hat  es  gar  nichts  auf  sich,  schadet  es  nichts, 
wenn  auch  solche  Tiere  geopfert  werden.  Und  doch  würde  8^  (Beginn  der 
vierten  Strophe)  kein  Landpfleger  sich  derartige  Gaben  gefallen  lassen,  1. 
nach  LXX  cod.  Alex,  und  v.  10  13  2  13  mit  Wellh.  ^H^TH  für  ^^T.H;  ein  der- 
artiges Geschenk  (denn  es  handelt  sich  nicht  um  Abgaben)  würde  jedenfalls 
nicht  bewirken,  dass  der  Beschenkte  dem  Geber  seine  Gunst  zuwendete.  Der 
Sing.< ^nn'^ljpn  steht,  weil  der  Prophet  sich  an  den  Einzelnen  wendet:  es  soll 
es  doch  einer  versuchen.  Der  nriB,    Statthalter ,   braucht  durchaus  nicht 

Nehemia  zu  sein;  dass  er  es  aber  gerade  war,  ist  möglich.  Doch  hat  es  natür- 
lich von  Scheschbazzar  an  bis  in  die  griechische  Zeit  in  Jerusalem  Statthalter 
gegeben.  niND^  njn^  115«  ist  wie  öfters  hier  eingeschoben.  9  gehört 

eng  mit  v.  8^  zusammen  und  zieht  ironisch  den  Schluss  aus  v.  8^  um  zu  zeigen, 
welche  beleidigende  Geringschätzung  Jahwes  ihr  Thun  einschliesst.  Und  nun, 
wenn  dein  Statthalter  solche  Gaben  so  gern  hat,  so  fleht  doch  Gott  an  seil, 
mit  dergleichen  Opfern,  vgl.  '2"n«  nVn  =  opfern  Sach  7  2  und  beachte  ^«, 
Gott,  nicht  niH^,  in  Gegenüberstellung  zu  nns,  und  er  wird  sich  schon  unser 
erbarmen.  „Die  Aufforderung  ist  ironisch,  nicht  Mahnung  zur  Busse",  sagt 
mit  Recht  v.  Orelli;  eine  Mahnung  zur  Busse,  die  Hitzig,  Wellh.,  Nowack 
hier  finden,  stört  den  Gedankengang,  da  v.  9^t^  sicher  zu  v.  s  zurückkehrt  und 
nicht  einen  Bussruf  fortsetzt.  Vielleicht  ist  aber  dieses  Uin^l  gar  nicht  ur- 
sprünglicher Text  (vgl.  das  auffallende  uns).  Sicher  unterbricht  das  folgende 
Sätzchen:  Von  eurer  Hand  ist  solches  nt<t  d.  h.  ein  Opfern  von  Gaben,  die  der 
Statthalter  nicht  annähme,  auf  dem  Altar  Jahwes,  geschehen^  wirklich  prakti- 
ziert worden,  den  Zusammenhang  und  ist  daher  als  Randbemerkung  zu  be- 
trachten; die  genuine  Fortsetzung  zu  Und  nun  so  fleht  einmal  Gott  an  mit  sol- 
chen Opfern!  ist  nämlich:  Wird  er  etwa  einem  von  euch  seilte  Gunst  zuwenden? 
D'^iD  D^p  =  D^iS  DD'^DD,  irgend  jemand  von  euch,  weil  ihr  es  seid.  .  Zu  dem 
Einschub  ':?  '^  1D«  s.  zu  v.  8.  10,  die  fünfte  Strophe.   Der  Wunsch,  dass 

besser  aller  Opferdienst  eingestellt  würde,  ist  nach  der  Darlegung  von  v.  7-9 
verständlich;  der  Gottesdienst,  wie  er  geübt  wird,  ist  ja  viel  schlimmer  als  un- 
nütz: er  ist  eine  schwere  Beleidigung  und  freche  Geringschätzung  Jahwes.  ''P 
D55"°5»  ^^^  ^'^^  unter  euch,  ist  =  0  wäre  doch  unter  euch  einer!  vgl.  zu  dem 


Mal  1  10  464  Mal  1  12 

Gebrauch  des  Fragesatzes  als  Wunschsatz  Ges.-Kautzsch^^  §  151  a  und  zu  der 
Verwendung  von  D?  §  153.  Unter  den  Türen  können  nur  die  Türen  des  Tempels 
d.h.  des  Vorhofes  verstanden  werden;  der  Ausdruck  ist  schwerlich  mit  Wellh. 
metaphorisch  zu  fassen,  wie  im  vulgären  Deutsch:  die  Bude  zumachen.  Sind 
die  Türen  verschlossen,  so  kommt  kein  Opfernder  mehr  herein  und  sie  zünden 
nicht  mehr,  wie  bisher,  vergeblich  ohne  irgend  welche  Wirkung  das  Feuer  auf 
dem  Altare  an;  zu  diesem  Sinne  von  VWtl  T«n  vd.  Jes  27  ii  50  ii.  r\r\yc^ 

hat  bei  Mal  den  allgemeinen  Sinn  von  Opfergabe  (vgl.  auch  v.  ii),  nicht  den 
speziellen  von  Speisopfer.  Auch  hier  ist  '25  "^  1J?«  Einschub,  vgl.  v.  8  und  v.  9. 
11^,  die  sechste  Strophe,  beginnt  die  Begründung  von  v.  lo^:  Von  euch  be- 
gehre ich  keine  Opfergabe;  denn  während  alle  Heiden  aller  Orten  mich  mit  reinen 
Gaben  ehren,  entweiht  ihr  meinen  Namen  durch  Darbringung  befleckter  und 
nichtswürdiger  Opfer.  Der  Sinn  von  v.  ii  ist  klar:  in  aller  Welt  wird  Jahwe 
durch  Opfer  geehrt;  auch  versteht  es  sich  nach  dem  Zusammenhang  von  selbst, 
dass  V.  11  wie  v.  lo  und  v.  12  auf  die  Gegenwart  und  nicht  auf  die  Zukunft  geht. 
Man  darf  dagegen  nicht  einwenden,  dass  ein  solcher  Gedanke  im  Munde  des 
Proph.,  der  sonst  für  das  Gesetz  eintrete,  unerhört  sei,  und  gegen  die  Grammatik 
dieParticipien  in  v.  11  und  in  v.  12,  trotzdem  sie  einander  parallel  stehen,  verschie- 
den behandeln,  nämlich  in  v.  11  auf  die  Zukunft,  in  v.  12  aber  auf  die  Gegenwart 
beziehen.  Auch  hilft  es  nicht,  an  Proselyten  zu  denken,  deren  es  doch  kaum 
zu  Mal's  Zeit  in  aller  Welt  gab.  Vielmehr  ist  nach  der  Anschauung  des  Pro- 
pheten die  Anbetung  des  Gottes,  der  auch  in  Jerusalem  verehrt  wird,  allerorten 
auf  Erden  verbreitet;  also  anerkennt  der  Verf.  den  Monotheismus  in  den  heid- 
nischen Religionen,  man  fing  ja  damals  an,  bei  Heiden  und  Juden  von  „dem 
höchsten  Gott"  zu  reden,  vgl.  Wellh.  In  den  Augen  des  Verf.  ist  somit  der 
höchste  Gott  überall  der  eine,  es  ist  Jahwe,  den  Israel  kennt;  im  letzten  Grunde 
verehren  die  Heiden  Jahwe  D1p»-^D2,  an  jeder  heiligen  Stätte,  vgl.  auchZph  2  11, 
und  sie  thun  es  mit  grösserer  Treue  und  mit  mehr  Eifer,  als  die  Juden  und 
ihre  Priester,  denen  der  Kultus  eine  gleichgiltige  Sache  ist.  Der  Text 

ist  nicht  ganz  intakt:  mt^^  ist  neben  IDpö  ganz  überflüssig,  da  beide  dasselbe 
bedeuten;  es  soll  offenbar  IDpö  erklären  =  geopfert  wird,  vgl.  Lev  6  15.  Ein 
Subst.  =  Räucherwerkkdjm  Itpip^  nicht  sein.  Auch  miHD  nn:p!|  bietet  Schwierig- 
keiten, mit  dem  ^i  erscheint  es  als  nachträgliche  Erklärung  =  und  zwar  reine 
Gabe;  aber  ^  wird  erst  nach  Einfügung  der  Glosse  mtl  eingesetzt  sein,  ursprüng- 
lich war  nniö  direkt  mit  IDJpD  zu  verbinden,  sei  es,  dass  nmp  als  Subj.  zu  dem 
voranstehenden  mascul.  I^JpD  genommen  werden  muss,  sei  es,  dass  man  in  Dn.täj?» 
zu  verbessern  und  nnit?  als  Obj.  zu  fassen  hat  (s.  noch  zu  2  12  ^^).  W^  \i^ 

13^«  (bis  ini^^),  die  siebente  Strophe.  '^J  "^  ID«  ist  beidemal  v.  11  und  v.  13  se- 
kundär, vgl.  zu  V.  8;  ebenso  ist  v.  12^  hier  nach  v.  7  zur  Erklärung  als  unnötige 
Glosse  beigesetzt.  12  Im  Gegensatz  zu  der  Ehre,  die  die  Heiden  Jahwe 

darbringen,  entweihen  die  Priester  in  Jerusalem  seinen  Namen;  diese  Ent- 
weihung geschieht,  wie  die  Glosse  v.  12^>  nach  v.  7  sagt,  dadurch,  dass  sie  so 
gering  von  Altar  und  Opfer  denken:  beide  sind  ihnen  nichts  Keines  und  Wert- 
volles, sondern  ^«ip  und  HD:?,  s.  zu  beiden  in  v.  7.  Vor  HDi  ist  in^;  mit  W.  R. 
Smith  (The  OT  in  the  Jewish  Church  444)  u.  a.  als  verfehlte  Dittographie 


Mal  1  12  465  Mal  1  14 

des  folgenden  Wortes  zu  entfernen  und  also  nn^]  zu  lesen.  Von  den  Opfern 
als  der  Frucht  (^^?)  des  Altars  zu  sj)reclicn,  wäre  auch  sehr  gesucht.  l'^DS,  seine 
Speise,  ist  gleichbedeutend  mit  TX])V  DH^,  s.  v.  7;  das  Suff,  geht  auf  ''5'^^5,  das 
vielleicht  als  Kere  für  HJiT  in  den  Text  gekommen  ist.  VM'^  steigt,  wie  die 

Priester  den  Namen  Jahwes  entweihen,   nw'^no  ist  Kontraktion  aus  Ti  HD,  vgl. 
Dd'???  Jes  3  15  und  Ges.-Kautzsch'-^  §  37  c  und  bedeutet:  was  ist  doch  der  Opfer- 
dienst für  eine  Mühsal!  Nicht  das  Essen  des  Opfers,  sondern  die  kultische 
Darbringung  ist  ihnen  eine  Last;  wie  ganz  anders  steht  es  bei  den  Heiden! 
Die    Stellung    von    n^n   vor    HD   ist    nach    Ps    133 1    nicht   zu   beanstanden. 
Schwierig  ist  iniS  DrinDni,  einmal  steht  das  Wort,  nämlich  ">  \Th'ä  oder  ^DS,  wo- 
raut  iniS  sich  zu  beziehen  hat,  recht  fern,  und  dazu  noch  in  der  Glosse,  und  dann 
wird  das  Verb  HDJ  im  Kai  und  mit  ?  in  dem  Sinne  gebraucht,  den  man  hier 
erwartet,  vgl.  Hag  1  9.   Auf  alle  Fälle  wird  man  mit  Geätz  und  Nowack  ini« 
in  •'0*'^  zu  korrigieren  haben,  w^as  als  starker  Ausdruck  gut  an  das  Ende  der 
Strophe  passt:  und  ihr  verachtet  mich.    Ob  aber  "H«  n''ön  =  2  nsj  zu  setzen 
ist,  bleibt  die  Frage.         13^P  (von  Dnsnm  an)  l3^  die  achte  Strophe.         Für 
das  durch  seine  Indetermination  auffallende  ^^t^,  Geraubtes,  das  auch  sachlich 
nicht  in  die  folgende  Reihe  passt,  1.  mit  Wellh.  *i5j;n"niSl,  das  Blinde;  die 
fehlenden  Buchstaben  T\T\^  sind  nach  den  letzten  Buchstaben  des  vorhergehen- 
den Wortes  vom  Schreiber  durch  Versehen  übergangen.   Das  zweite  Drit^^H] 
nimmt,  wenn  der  Text  richtig  ist,  zur  Erleichterung  der  Konstruktion  das  erste 
wieder  auf  (vgl.  Sach  6  lof.  823);  für  ^^^??^■^^?  ist  aber  dann  mit  Wellh. 
nn:p  nhb>  (=lni<)  zu  lesen.   Nowack  dagegen  zieht  vor,  T\r\^  DH^^^ni  als  irrige 
Wiederholung  ganz  zu  entfernen,  mit  Recht,  nur  ist  wahrscheinlich  nns  DH^^ni 
die  zu  Unrecht  ganz  und  am  unrichtigen  Ort  in  den  Text  geratene  Randkorrektur 
zu  dem  ersten  DHi^^ni,  nach  Avelchem  T\'T\^  einzusetzen  ist.         Soll  ich  es  wohl- 
gefällig annehmen  von  eurer  Hand,  D?T9,  weil  es  von  euch  kommt,  Spricht 
Jahwe  der  Heere,  1.  ni«ri:i  "^  nach  LXX.         14,  die  neunte  Strophe:  ein  Wort 
über  die  Laien,  die  ihrerseits  wie  die  Priester  den  Kultus  nicht* ernst  nehmen 
und  nicht  die  geforderte  schuldige  Ehrfurcht  vor  Jahwe  beweisen.  Sie  geloben 
ein  Gelübde  und  finden  sich  ab  mit  dem  schlechtesten  Tier  in  ihrer  Herde. 
Die  Priester,  die  doch  über  die  rechte  Gottesverehrung  zu  wachen  haben  und 
dafür  verantwortlich  sind,  haben  nichts  dazu  zu  sagen,  sie  lassen  solche  Betrüger, 
die  ein  gutes  Stück  unter  ihrer  Herde  haben,  aber  ein  geringwertiges  und  elen- 
des beim  Lösen  ihres  Gelübdes  dafür  substituieren,  ruhig  gewähren.   Möglich 
ist,  dass  diese  Mitverantworthchkeit  der  Priester  den  Grund  zu  diesem  Tadel 
gegen  die  Laien  bildet.   Andernfalls  sind  die  Laien  nur  nebenbei  gerügt,  weil 
die  Privatopfer  gegenüber  dem  wohl  schon  damals  dargebrachten  Thamid,  für 
das  die  Priester  zu  sorgen  hatten,  eine  nebensächliche  Rolle  spielten.  ^?1i 

wird  durch  den  Schluss  des  Halbverses  erklärt,  nnti^n,  wie  gewöhnlich  gelesen 
wird,  ist  als  femin.  für  nnn^^j,  resp.  nnnti^ö  (s.  Ges.-Kautzsch27  §  80  b  N.  2)  zu 
erklären,  =  ein  verkümmertes  weibliches  Tier;  doch  ist  die  gut  bezeugte  Lesart 
rnii^9  (s.  Baer,  Ginsbubg)  vorzuziehen:  ein  verkümmertes  Stück  genügt  dem 
gelobten  wertvollen  männlichen  Tier  gegenüber.  Der  Deutlichkeit  dient,  wenn 
man  mit  G.  A.  Smith  nach  LXX  1"nii1,  und  wenn  er  es  seil,  das  männliche  Tier 

Kurzer  HC  zum  AT  Xni  30 


Mal  1  14  466  Mal  2  3 

gelobt^  liest,  vgl.  das  folgende  \  und  Koh  5  3.  Für  ^y^)ib  1.  nach  vielen  Codd. 

(s.  Ginsbürg)  ^Y^^b,^  s.  auch  zu  v.  12.  Der  Schluss  v.  14^,  in  dem  wieder 

(s.  zu  V.  8)  zu  Unrecht  ^  "^  1??iJ  eingeschoben  ist,  motiviert  den  ausgesprochenen 
Fluch:  anderes  als  Fluch  kann  dem  nicht  zu  teil  werden,  der  Jahwe,  den  grossen 
König,  dessen  Namen  unter  den  Heiden  gefürchtet  ist,  beim  Opfer  betrügt. 

2,  1—9  Die  Ankündigung  der  Strafe.  1  njtip  muss  hier,  da 

nachher  kein  Befehl  folgt,  in  einem  etwas  andern  Sinn  als  gewöhnlich  gebraucht 
sein,  nämlich  im  Sinne  von  Feststellung ^  Beschluss;  weniger  genau  ist  wohl 
Auftrag^  Botschaft.  Der  Beschluss  geht  allerdings  die  Priester  an,  darum 
steht  D?^'?^  nnyi  =  und  nun  wird  euch  folgender  Beschluss  mitgeteilt.  Als  Ein- 
leitung scheint  V.  1  ausserhalb  des  strophischen  Schemas  zu  stehen.  Der  erste 
und  zw^eite  Vierzeiler  dieses  Abschnitts  finden  sich  y.  2f.,  genauer  v.  2*  (Be- 
ginn der  zweiten  Strophe:  ''PH^l^'j)  und  v.  3^  (ausgenommen  die  zwei  letzten 
Worte).   Zu  v.  2^  und  v.  3^  s.  unten.  2 f.  bringen  die  v.  1  angekündigte 

nj^D:  Wenn  die  Priester  Jahwe  nicht  ehren  (vgl.  dazu  1  6-14),  so  sendet  er  gegen 
sie  den  Fluch  und  macht  auch  aus  ihrem  Segen,  mit  dem  sie  ausgezeichnet 
sind,  einen  Fluch.  Diesen  Sinn  hat  D^Ti1D1!l"ni^  '^nil^l,  wo  wahrscheinlich  nach 
LXX  und  dem  Suff.  H  im  folgenden  H^ni^S  der  Sing.  DDriJ*!^  zu  lesen  ist:  denn 
es  handelt  sich  weder  um  die  Verfluchung  ihrer  Opfergefälle,  noch  ihrer  Segens- 
sprüche, sondern  um  Umwandlung  ihrer  bevorzugten  Stellung  als  Söhne  und 
Diener  Jahwes  (1  6)  in  Niedrigkeit  und  Verachtung,  s.  v.  9.  Gegen  den 

Schluss,  V.  2^,  erheben  sich  starke  Bedenken:  v.  2^  giebt  den  Inhalt  des  Be- 
schlusses, V.  2^  redet  von  bereits  erfolgter  Ausführung  desselben,  während  y.  3 
dann  wieder  die  Fortsetzung  des  Beschlusses  enthält.  Es  ist  daher  v.  2^  nicht 
nur  nachdrucksvolle  Wiederholung  von  v.  2%  sondern  steht  im  Gegensatz  dazu. 
Also  muss  man  v.  2^  wohl  als  späteren  Zusatz  erklären.  LXX  hat  zum  Teil 
einen  andern,  aber  nicht  besser  verständlichen  Text  gelesen  und  die  Vermu- 
tung von  Wellh.,  dass  *111}J  D5  für  nW^iS  D51  zu  setzen  und  als  Verstärkung  des 
Verbs  *'ni1S"!  zu  fassen  sei,  hilft  nicht  ganz,  da  die  Wiederholung  der  Bedingung 
("IUI  DD^^'JS;  "'S)  am  Schlüsse  damit  noch  nicht  begründet  ist.  3  Weder  IJ^i, 

djwhen,  noch  yi^n,  die  Saat,  lässt  sich  verstehen ;  für  das  erstere  1.  mit  Wellh. 
ynä,  =  abschlagen y  abhauen^  vgl.  LXX,  die  V"*^  =  acpopiC«>  0  statt  1)  gelesen 
hat,  für  das  letztere  1.  mit  den  alten  Versionen  ?'l^'l,  =  der  Arm,  Die  Drohung 
beruht  also  auflSam  2  31  (Wellh.):  der  Arm  wird  den  Priestern  abgeschlagen 
d.  h.  ihre  Macht,  ihr  Amt  und  ihr  Ansehen  ihnen  geraubt.  Ja,  nicht  nur  das, 
sie  werden  auf  das  Schimpflichste  behandelt:  Unrat  wird  auf  ihr  Angesicht 
gestreut,  vgl.  DD^'iS'^j;  Ü^ID  "^il^l].*!.  Die  „Herkunftsangabe"  für  den  LTnrat 

in  DD''?n  ti^")ö,  der  Unrat  eurer  Feste  seil.  Festopfertiere,  ist  sehr  überflüssig, 
darum  wohl  Glosse  (Wellh.,  Nowack).  Der  Schluss  des  Verses  wird  gewöhn- 
lich nach  Jer  16  4  22  19  Am  4  2f.  vom  Hinausschaffen  ihrer  Leichname  auf  den 
Mist  verstanden;  aber  der  Ausdruck  dafür  ist  nicht  vertrauenerweckend.  Auch 
wenn  man  für  das  =^  man  wird  hinaustragen  gefasste  ^^*^iT  mit  dem  folgenden 
D^niJ  zusammen  D5"'n^^^Il^  und  ich  werde  euch  hinaustragen ,  liest,  so  ist  i^^to^ 
nicht  das  für  diesen  Gedanken  erwartete  Wort  und  bleibt  V^^?  ohne  gute  Be- 
ziehung, da  der  „Mist"  ihnen  ja  ins  Angesicht  geschleudert  ist.    Wahrschein- 


Mal  2  3  467  Mal  2  7 

lieh  entstammen  die  Worte  einer  llandglosse,  die  Am  4  2  citieren  wollte,  vgl. 
dort  D50^^  ^'^^]'  4,  die  dritte  Strophe:  An  dem  Ausgang,  den  die  Sache 

nehmen,  wird,  ob  sie  mm  Jahwe  die  Ehre  geben  oder  nicht,  werden  sie  erkennen, 
dass  Jahwe  diesen  Beschluss  ilmen  zugesandt  hat  wegen  des  Bestandes  seines 
Bundes  mit  Lein.  Zu  T\V7f7  kann  nicht  TV\^i:^T\  Subj.  sein;  es  müsste  dann  min- 
destens nriVn'p  gesagt  werden,  auch  wäre  der  Gedanke,  der  neue  Bund  mit  den 
Bestimmungen  von  v.  2  f.  solle  nun  an  die  Stelle  des  alten  Bundes  mit  Levi 
treten,  deswegen  schon  sonderbar,  weil  die  Bestimmungen  von  v.  2 f.  nur  die 
Konsequenz  des  Levibundes  sind  und  mit  ihm  harmonieren.  Jahwe  will  den 
Bund  erhalten  und  verfährt  demselben  gemäss  mit  den  Priestern.  5f.  wird 
dargelegt,  was  das  Wesen  dieses  Bundes  war.  Die  Konstruktion  in  v.  5  (der 
vierten  Strophe)  ist  verschieden  aufgefasst,  man  hat  schon  ü\h^T\\  D'^nn  in 
unmöglicher  Weise  als  direkt  von  ""Tyy^  abhängig  fassen  wollen,  =  „ein  Bund 
des  Lebens  und  des  Heils,"  und  S"11D  als  Obj.  zu  D^r^SJ  angesehen  =  ,,als  Grund, 
als  Hebel  der  Gottesfurcht."  Am  einfachsten  aber  versteht  man  Dl^ti^'m  D'^Tin 
einerseits  und  ^<'11ö  andrerseits,  beide  auf  gleicher  Linie  stehend  und  die  Pflichten 
der  beiden  bundschliessenden  Parteien  nennend,  als  die  Exposition  dessen, 
was  durch  den  Bestand  des  Bundes  garantiert  war  und  auch  thatsächlich  ver- 
wirklicht wurde,  also  als  die  Exposition  zudem  ersten  Sätzchen:  Mein  Bund 
war  vorhanden  mit  ihm:  d.  h.  von  meiner  Seite  war  es  Leben  und  Heil,  die  gab 
ich  ihm,  von  seiner  Seite  Furcht ,  und  er  fürchtete  mich  Und  beugte  sich  vor 
meinen  Namen.  Zu  T\T\^T\,  =  er  war  vorhanden ,  bestand,  vgl.  ni'^nb  v.  4,  zu  nn^, 
dem  Niph.  von  nnn,  als  Parallelwort  zu  «T,  vgl.  Dtn  31  8.  Zu  D"'^nn  s.  Dtn 

30  15,  zu  Dl^^n  vgl.  Hes  34  25  37  26  Jes  54  lo.  «"11D  ist  hier  Gottesfurcht, 

nicht  „Ehrfurcht  und  Achtung  von  Seiten  des  Volkes,"  wie  Valeton  ZAT  W 
1893,  261  erklärt.  6,  die  fünfte  Strophe,  beschreibt  die  Früchte,  die  die 

Gottesfurcht  im  Wirken  Levis  zeitigte.  HD«  niin  ist  der  Wahrheit  entsprechende 
Unterweisung,  die  also,  wie  wir  schliessen  dürfen,  auch  noch  zu  MaFs  Zeit  als 
die  Aufgabe  und  das  Amt  der  Priester  galt,  vgl.  Hag  2  ii  Sach  7  3;  sie  haben 
namentlich  das  Volk  darin  zu  unterweisen,  was  Jahwes  Willeist,  und  müssen 
so  vor  jeder  Verfehlung  und  Verschuldung  auch  im  Kultus  (vgl.  bes.  1  u)  die 
Leute  bewahren  (]^j;d  l^^H).  Es  war  damals  noch  eine  lebendige  mündliche 
(vgl.  5in"'ö!i  und  VHD'^n)  Unterweisung.  nblj;  ist  das  Gegenteil  von  DID«  niin, 

also  von  der  Wahrheit,  dem  Willen  Gottes  abweichende  Entscheidung.  Zu 
Di^i^!i  '^i'^n  vgl.  II  Keg  20  3 :  D^^  n^in  ^^nnn  und  zu  "'ns  i;yr^  vgl.  Gen  5  22.  Der 
ganze  Zusammenhang  zeigt,  dass  die  tiefe  ethische  Auffassung,  welche  die  vor- 
exilischen  Propheten  von  Jahwe  und  seiner  Tora  besassen,  s.  zu  Hos  4 16,  eine 
starke  Umbiegung  insHituelle  und  Kultische  erfahren  hat.  Das  hängt  mit  dem 
Charakter  der  nachexilischen  Religion  zusammen:  wahre  Religiosität  bleibt 
ja  Ehrfurcht  und  heilige  Scheu  vor  Gott,  aber  sie  äussert  sich  hauptsächlich 
in  genauer  Beobachtung  des  Kultus  und  Ritus  und  darum  hat  sich  die  Unter- 
weisung der  Priester  vornehmlich  mit  kultischen  und  rituellen  Fragen  zu  be- 
schäftigen, vgl.  1  7. 

7  halte  ich  mit  Böhme  für  Interpolation.     Der  Vers  schildert  die  Aufgabe  eines 
rechten  Priesters,  was  nach  der  Darlegung  von  v.  6  doch  post  festum  erscheint.   Vor  allem 

30* 


Mal  2  7  468  Mal  2  10 

aber  unterbricht  der  Vers  den  engen  Zusammenbang  von  v.  6  und  v.  8  und  schwächt  so 
den  scharfen  Kontrast  ab,  der  zwischen  dem  Verhalten  der  Priester  und  dem  Levis  hervor- 
gehoben werden  soll:  v.  8^  nimmt,  in  seinen  beiden  Teilen,  direkt  Bezug  auf  die  beiden 
Aussagen  von  v.  6^,  vgl.  'ij'i^.ri  ]ö  "i^D  mit  ^n«  "^^n  und  b^B^DH  mit]'iyö  n^^n.  Dazu  kommt,  dass 
V.  7^  durchaus  eigentümlich  ist:  Jahwe  spricht  doch  v.  6  und  v.  8,  hier  erscheint  er  in 
dritter  Person,  und  Maleacbi  sieht  in  ni.T.  '^^h^  etwas  andres  als  den  Priester,  s.  3  1.  Der 
Einschub  ist  aus  Elementen  von  v.  6  (vnDt^a.  nttS  nnin,  -in^ö!!)  und  v.  9  ("lö^)  gebildet  und 
verrät  eine  hohe  Wertschätzung  des  Priesterstandes,  vgl.  den  ähnlichen  Einschub  Hag  1  13. 
r\V'^  ist  nicht  zu  verstehen  vom  allgemeinen  AVissen,  sondern  von  religiösem  d.  h.  spez.  in 
Sachen  des  Gesetzes  und  des  Kultus,  wahrscheinlich  aber  auch  der  Dogmatik  und  Escha- 
tologie.    Zu  dem  andern  Begriff  von  nvi  bei  den  alten  Propheten  s.  Hos  4  1. 

8,  die  sechste  Strophe,  hebt  den  Widerspruch  hervor,  in  dem  die  Priester 
zu  dem  Levibunde  stehen.  Über  den  Kontrast  von  v.  8^  zu  v.  6^  vgl.  bei  v.  7. 
Ihr  Treiben  bedeutete  ein  zu  Grunderichten  des  Bundes  mit  Levi,  vgl.  DriH^; 
denn  von  ^"llö,  Furcht  vor  Gott,  ist  keine  Spur  mehr  vorhanden  vgl.  1  6-i4  und 
darum  kann  auch  von  Leben  und  Heil  keine  Rede  mehr  sein.  Das  wird  in 
9,  der  siebenten  Strophe,  näher  ausgeführt.  Haben  sie  ihre  Verpflichtung 
nicht  erfüllt,  so  bin  auch  ich  (vgl.  "'iS'D^l)  nicht  mehr  daran  gebunden,  sondern 
behandle  sie  vielmehr  gemäss  ihrem  Verhalten  gegen  mich.  Sie  sind  darum 
auch  bereits  ü'^]2!l,  verachtet^  undD^'^D^  niedrig^  von  oben  herab  angesehen,  wie  sie 
ihrerseits  auf  Jahwe  keine  Rücksicht  nehmen.  Dass  mit  v.  9^  auf  das  Treiben 
der  Priester,  wie  es  1  6-i4  geschildert  ist,  zurückgewiesen  wird,  ist  nur  durch  die 
Lesart  D^-iD  in  Frage  gestellt,  während  alles  andre  darüber  keinen  Zweifel  lässt. 
Diese  Lesart  bringt  aber  ein  ganz  neues  Moment  in  die  Darstellung,  als  ob  von 
parteiischem  Urteil  im  Gericht  die  Rede  gewesen  wäre,  ein  Moment,  das  so 
nebenbei  nicht  am  Platze  ist.  Man  lese  daher  für  D^'^D  mit  Toreey  "'^D,  das  von 
einem  Schreiber  fälschlich  als  Abkürzung  von  D^'iS,  also  als  "'^Ö,  verstanden 
worden  war,  und  lasse,  wie  es  das  Natürlichste  ist,  ÖDi'^if?  auch  bei  D  ■i^^b^'i'l  nach- 
wirken, so  dass  sich  der  ganz  klare  Sinn  ergiebt:  Gan%  dem  entsprechend  dass 
ihr  euch  nicht  an  meine  Wege  haltet  Und  um  mich  bei  der  Erteilung  der  Tora 
euch  nicht  kümmert.  Zu  ^^B  «ti^i  vgl.  T^t  ^W^n  1  8,  w^o  wie  hier  in  dieser  ge- 
bräuchlichen  Redensart  "HS  fehlt  und  der  Sinn  kein  andrer  ist,  s.  ferner  Prv  6  35. 

Levi,  Leviten,  heissen  die  Priester,  also  kennt  der  Autor  die  scbarfe  Unterschei- 
dung von  Priestern  und  Leviten  nicht,  die  bereits  Hesekiel  fordert,  indem  er  nur  die  Zado- 
kiden  als  Priester  gelten  lassen  will  vgl.  Hes  44,  die  aber  erst  der  Priesterkodex  in  Jeru- 
salem einführt,  welcher  genau  die  Priester  als  die  Aharoniden  von  den  übrigen  Leviten 
als  ihren  Gehilfen  trennt.  Die  Zeit  des  Verfassers  von  Mal  ist  daher  jedenfalls  vor  die 
Einführung  des  PC  in  Jerusalem  zu  setzen.  Übrigens  aber  scheint  er  "1^  nicht  mehr  recht 
als  Nomen  proprium  zu  fühlen,  da  er  v.  8  ^)br\  (mit  Artikel)  sagt. 

3.  Gegen  Treulosigkeit  und  Ehescheidung  und  gegen  die  Mischehen  2  lo-ie. 

Der  Abschnitt  ist  der  schwierigste  des  ganzen  Buches  Mal.  Der  Text  liegt  in  solcher 
Verwirrung  und  solch  verdorbenem  Zustande  vor,  dass  man  an  seiner  Heilung  verzweifelt. 
Dann  ist  in  neuester  Zeit  die  gewöhnliche  Auffassung,  die  darin  auch  eine  Polemik  gegen 
die  Heirat  von  NichtJüdinnen  sieht,  von  zwei  verschiedenen  Seiten  angegriffen  und  ihr 
die  Ansicht  entgegengestellt  worden,  dass  es  sich  vielmehr  um  Götzendienst  handle.  C.  C. 
ToRREY  gelangt  zu  diesem  Verständnis  durch  die  Annahme,  dass  die  "Worte  in  figürlichem 
Sinne  aufzufassen  seien,  der  Inhalt  soll  danach  sein,  Juda  der  treulose  Gatte  habe  an  dem 
Weib  seiner  Jugend  d.  h.  seiner  nationalen  Religion  durch  die  Heirat  der  Tochter  eines 


Mal  2  10  469  Mal  2  11 

fremden  Gottes  d.  li.  durcli  die  Annahnie  eines  fremden  Kultus  Verrat  geübt.  Winckler 
dagegen  gewinnt,  ohne  einen  figürlichen  Sinn  des  (ianzen  annehmen  zu  müssen,  durch 
blosse  Texterklärung,  aber  mit  vielfachen  Textünderungen  das  viel  speziellere  Resultat, 
dass  der  Abschnitt  gegen  die  Einrichtung  des  Antiochusaltars  im  Tempel  zu  Jerusalem 
unter  Antiochus  Epiphanes  polemisiere.  Beide  zusammen  machen  energisch  gegen  die 
Anschauung,  dass  der  Abschnitt  sich  ebenfalls  gegen  die  mit  den  Mischehen  verbundene 
Scheidung  von  den  jüdischen  Frauen  richte,  geltend,  es  sei  durchaus  nicht  einzusehen, 
wie  die  Heirat  einer  Ausländerin  mit  der  Scheidung  von  der  jüdischen  Gattin  in  notwen- 
diger oder  auch  nur  wahrscheinlicher  Verbindung  stehen  sollte.  Es  ist  zuzugeVjen,  dass 
TouREY  und  Winckler  mit  dieser  Einsy)rache  Recht  haben;  denn  man  wird  sich  nicht 
darauf  berufen  dürfen,  dass  ein  solcher  Zusammenhang  doch  einmal  vorkommen  konnte, 
z.  B.  etwa,  wenn  die  reichen  und  einflussreichen  Verwandten  der  jüdischen  Frau  eine 
Ausländerin  neben  ihr  nicht  dulden  wollten.  Trotzdem  kann  diesen  neuen  Auffassungen 
nicht  beigestimmt  werden;  denn  die  figürliche  Fassung  ist  gezwungen  und  die  Beziehung 
auf  den  Antiochusaltar  nur  durch  gewaltsame  Textänderungen  möglich  gemacht.  Zudem 
bestehen  noch  andre  Schwierigkeiten,  die  durcli  diese  Auffassungen  nicht  gehoben  werden. 
Die  Verwünschung  v.  12  passt  nicht  mitten  in  den  Context,  am  wenigsten  vor  v.  13;  eben- 
so stossen  sich  v.  10  und  v.  1 1 ;  denn  v.  11  ist  mehr  Parallele  als  Ausführung  von  v.  lo  und 
differiert  auch  im  Ausdruck  eigenartig,  vgl.  ^rni2«"n^in  h^n  v.  10  mit  n);}^  ^ip  'jv'n  v.  11. 
G.  A.  Smith  scheint  mir  darum  im  Grossen  recht  gesehen  zu  haben,  wenn  er  zwei  ver- 
schiedene Stücke  in  dem  Abschnitt  unterscheidet:  nämlich  1)  v.  10  13-16  und  2)  v.  11  12. 
Über  den  Ursprung  des  letzteren  Stückes,  das  gegen  die  Mischehen  auftritt,  lässt  sich 
Sicheres  nicht  sagen;  wahrscheinlich  ist  es  die  Einfügung  eines  späteren,  s.  unten.  Das 
erste  Stück  dagegen  trägt  durchaus  die  Art  Mal's  an  sich,  es  beginnt  mit  einem  allgemeinen 
Satze  und  auch  die  Anwendung  der  Einrede  fehlt  nicht.  Der  Inhalt  ist  Tadel  der  Treu- 
losigkeit, als  Vielehe  speziell  auch  die  Scheidung  von  der  Gattin  hervorgehoben  wird. 
Die  hier  vertretene  Auffassung  von  der  Ehe  kommt  der  Auffassung  Jesu  nahe  Mt  19  4-9 
5  31  f.    Um  so  mehr  ehren  die  Worte  ihren  Autor. 

10,  die  erste  Strophe:  Aus  dem  Satze:  Einer  ist  der  Vater  und  der 
Schöpfer  von  uns  allen,  leitet? Mal  die  Pflicht  des  brüderlichen  Verhaltens 
gegen  einander  für  die  Juden  ab.  Der  Schluss  wird  dadurch  nicht  aufgehoben, 
dass  er  auf  alle  Menschen  überhaupt  ausgedehnt  werden  könnte.  In  der  An- 
wendung, die  der  Prophet  nachher  von  seiner  Folgerung  macht,  findet  sich 
übrigens,  wenn  v.  1 1  f.  mit  dem  Verbot  der  Heirat  von  Ausländerinnen  aus- 
geschieden sind  (s.  Vorbem.  und  zu.v.  iif.),  nichts,  was  gegen  die  weitere  Aus- 
dehnung des  Schlusses  verstiesse.  Immerhin  ist  sich  der  Prophet  kaum  der 
Tragweite  seines  Wortes  bewusst  gewesen  und  in  seiner  Auffassung  von  Valer 
war  die  Limitierung  auf  die  Juden  gegeben,  da  er  nicht  an  physische,  sondern 
an  religiöse  Verbindung  denkt.  Aber  gerade  so  ist  es  bei  aller  nationalen  Be- 
schränkung ein  Ausdruck,  der  sehr  an  das  neutestamentliche  „unser  Vater"  er- 
innert. Die  Bezeichnung  Jahwes  als  des  Schöpfers  ist  erst  seit  Dtjes  beliebt. 
Für  "i?^i,  das  vielleicht  als  Niph.  verstanden  wurde,  ist  Hiin^  zu  lesen,  wie  das 
Verb  15?  im  Imperf.  lautet.  Die  Treulosigkeit  bedeutet  eine  Entweihung 

des  Bundes  unserer  Väter ,  d.h.  des  von  Jahwe  mit  unsernVätern-geschlossenen 
Bundes,  vgl.  Ex  19  5 f.,  sie  ist  also  die  Verletzung  einer  religiösen  Pflicht. 

11  12  Verurteilung  der  Ehen  mit  Ausländerinnen,  eine  den  Zusammenhang 
von  V.  10  und  v.  13  unterbrechende  Interpolation,  die  von  ganz  anderem  als  dem  treulosen 
Verhalten  gegen  den  Nächsten  spricht  und  nicht  an  die  Ethik  wie  v.  10,  sondern  an  den 
Kultus  denkt.  Die  Verse  sind  vom  Interpolator  hier  eingeschoben,  um  dem  l^n  von  v.  10 
ein  in  seinen  Augen  noch  abscheulicheres  1^3  an  die  Seite  zu  stellen;  schwerlich  stammen 


Mal  2  11  470  Mal  2  13 

sie  von  Mal  her,  der  die  Ausländerinnen  wohl  anders  beurteilt  hat,  vgl.  1  11.  11  Dass 

n*]^5  hier  von  Untreue  gegen  Gott  gemeint  ist,  zeigen  das  parallele  nnrin,  das  der  übliche 
terra,  techn.  für  kultische  Greuel  ist,  und  die  weitere  Fortsetzung,  v.  ll'\  i  ^«^iti^'^n 

ist  als  Zusatz  zu  entfernen,  wie  schon  die  Reihenfolge  Juda,  Israel,  Jerusalem  zeigt,  aber 
auch  der  Inhalt,  der  sich  nur  auf  Juda  und  Jerusalem  bezieht,  an  die  Hand  giebt.  ts^lfs 

nin^  ist  das  Heiligtum  Jahwes,  das  durch  Verbindung  mit  Götzendienern  entweiht  wird, 
vgl.  Lev  20  3  Hes  5  1 1  43  7.  in«  lir«,  das  er  seil.  Jahwe  liebt,  beschreibt  das  Heilig- 

tum, um  die   Grösse  des  Frevels  noch  besonders  hervorzuheben.  "iji  '^^'•^^  ist  die 

Tochter  eines  fremden  Gottes,  das  heisst  aber  für  den,  der  daran  denkt,  dass  im  A.T  die 
Juden  Gottes  D''^^  genannt  werden,  nicht:  eine  Göttin^  wie  Winckler  behauptet,  sondern: 
die  Angehörige  eines  fremden  Kultes,  eine  Heidin.  Der  Ausdruck  ist  auch  eigentlich, 
nicht  bildlich  =  eine  fremde  Religion  (Torrey)  zu  fassen;  LXX  hat  nn  wegen  des  voran- 
gehenden hv^  übersehen,  der  Sing.  n3,  nicht  der  Plur.  nii!i  steht,  weil  es  schon  Sünde  ge- 
nug ist,  wenn  der  singulare  rri^rT]  auch  nur  eine  heidnische  Frau  heiratet.  rTl^rT]  heisst  so- 
viel wie  ein  Jude,  einer  der  ein  Jude  ist;  ein  solcher  bringt  es  über  sich,  das  Heiligtum 
Jahwes  zu  entweihen,  eine  Heidin  zu  heiraten.  Den  Beweis,  dass  von  wirklicher  Heirat 
von  Heidinnen  die  Rede  ist,  bringt  übrigens  12,  wo  solchen  Ehen  als  Strafe  Kinder- 

losigkeit und  gänzliche  Ausrottung  der  Familie  gewünscht  werden.  n3t?^S/^_  ist  =  T^'pp, 

n«t  zu  fassen,  wenn  nicht  gar  so  zu  lesen  ist.  Für  T\^V)  *1P,  das  keinen  verständlichen 

Sinn  giebt  (s.  Anm.  bei  Kautzsch),  will  Wellh.  nach  LXX,  die  mit  ihrem  eidc,  xai  xaTuet- 
voi^Tl  auf  ij;  statt  nj;  weist,  nyyi  VJ  =  Kläger  und  Verteidiger  lesen.  Wenn  das  heissen 
soll,  dass  der  Übelthäter  aus  der  Rechtsgemeinschaft  ausgeschlossen  sei,  so  wäre  statt  der 
Zelte  Jakobs  das  Gerichtstribunal  zu  sagen,  und  wenn  es  sagen  soll,  dass  es  für  ihn  weder 
Kläger  noch  Verteidiger  gebe,  so  konnte  er  das  ebenso  gut  als  einen  Segen  wie  als  einen 
Fluch  ansehen.  Es  ist  daher  mit  Torrey  zu  vermuten,  dass  in  HiJ^I  ny  eine  alte  Ver- 
stümmelung des  vom  Autor  der  beiden  Verse  aus  3  19  entlehnten  Ausdrucks  ^jyi  tynts^, 
Wurzel  und  Zweig,  vorliegt,  womit  ein  vortrefflicher  Sinn  gewonnen  ist;  denn  dann 
wünscht  V.  12  solchen  Ehemännern  heidnischer  Weiber  völlige  Ausrottung  ihrer  Familien, 
s.  3  19.  Solche  Textverstümmelung  ist  bei  Interpolationen,  die  sich  mit  dem  engen  Räume 
am  Rande  und  zwischen  den  Columnen  behelfen  mussten,  wohl  begreiflich.  Der 

Rest  des  Verses  gehört  nicht  mehr  zu  dieser  Interpolation  v.  11  12^;  wäre  er  ein  genuiner 
Teil,  so  müsste  er  vor  "'^nijiö  stehen,  was  aber  überhaupt  ein  Opferer  noch  nach  der  Aus- 
rottung der  ganzen  Familie  soll,  ist  nicht  einzusehen.  Die  Worte  sind  an  falsche  Stelle 
geratene  erklärende  Glosse  zu  1 11^^  und  bestätigen  die  dort  ausgesprochene  Vermutung, 
dass  nmö  Obj.  zu  [D'']lbj5ö  sei,  s.  zu  1  11. 

13  ist  Fortsetzung  von  v.  lo  und  enthält  die  zweite  Stropiie.  n^t  kann 
sich  nicht  über  v.  12  hinweg  auf  v.  11,  sondern  nur  nach  Ausschaltung  von  v.  11  f. 
auf  V.  lo"^  beziehen:  auf  das  treulose  unbrüderliche  Betragen  der  Juden  unter- 
einander, rc^y^  ist  eingesetzt,  um  den  durch  die  Interpolation  zerrissenen 
Zusammenhang  scheinbar  [herzustellen,  vgl.  den  ähnlichen  Gebrauch  von  H"'^^ 
Gen  22  15.  LXX  1.  n'^i^  ==  "^n^:'^,  was  die  Ursprünglichkeit  nicht  rettet.  Durch 
diese  Einsetzung  erhielt  ^^^'t  eine  Beziehung  auf  das  Folgende  und  wurde  dem- 
zufolge niD5  statt  !iD5n^  gelesen;  der  Fehler  kann  auch  einem  blossen  Versehen 
entsprungen  sein,  vgl.  die  ähnliche  Umstellung  der  Buchstaben  1  3  nun^  für 
h  Tinü.  Zu  lesen  ist  also:  ^DDH^  S'^Vt^  HNTI  ==  Und  dies  (durch  Treulosigkeit  den 
väterlichen  Bund  entweihen)  thut  ihr  und  bedeckt  etc.  d.  h.  und  wagt  trotzdem 
den  Altar  Jahwes  mit  Thränen  zu  bedecken;  vgl.  für  Inhalt  und  Form  [die 
treffliche  Parallele  Jer  7  9  10.  Es  handelt  sich  natürlich  nicht,  wie  auch 
G.  A.  Smith  noch  annimmt,  um  die  Frauen,  von  denen  im  ursprünglichen  Zu- 
sammenhang bis  dahin  nicht  die  Rede  war,  sondern  um  die  D'^iys  und  D''b>^nö 


Mal  2  13  £71 Mal  2  15 

von  V.  10^  die  hier  anj^eredet  sind.  '"^I??^!  ""P?  wird,  da  seine  Stellung  auf- 

fällt, erklärende  tilosse  zu  njJOI  sein:  mil  Thränen  l)edeckt  ihr  den  Altar  d.h. 
mit  Weinen  und  Schlnvhzeu.  \^t^  kann  nach  dem  Zusammenhang  nur 

bedeuten:  weil  nicht;  )P  hat  ja  häulig  den  Sinn  von  wegen  und  dass  \^r^  sonst 
vielfach  =  so  dass  nickt  steht  z.  B.  Zph  3  6,  bildet  kein  Hindernis  für  diese 
andere  Fassung,  vgl.  Jes  50  2  und  Ges.-Kaützsch^?  §  152  y.  Es  können  also 
die  D^'l^i  nicht  begreifen,  dass  Jahwe  ihnen  nicht  gnädig  gesinnt  ist  und  sie 
Not  und  böse  Zeiten  erleben  (s.  3  ii);  sie  sehen  nicht  ein,  dass  ihre  Treulosig- 
keit gegen  einander  die  Ursache  ihrer  Not  ist,  die  Opfer,  so  meinen  sie,  sollten 
Jahwe  erweichen  und  genügen,  um  von  ihm  nur  Gutes  zu  erfahren.  Es  ist  die 
alte  Art,  die  im  Kultus  die  Religion  erschöpft  sieht.  Zu  "'pS  njD  ==  sich 

freundlich  zuicenden,  vgl.  Num  16  15;  r\r\'pb  ist  von  ]^«??  abhängig  wie  HliS,  nur 
die  weite  Entfernung  verschafft  ihm  ein  einleitendes  h,  Subj.  zu  beiden  Infini- 
tiven ist  Jahwe,  was  Ooet  hinter  ni^D  ohne  Not  in  den  Text  einsetzt.  14 
(bis  ns),  die  dritte  Strophe:  Und  ihr  fragt:  warum?  Weil  Jahwe  Z.euge  war 
Zwischen  dir  und  dem  Weib  deiner  Jugend^  Dem  du  die  Treue  gebrochen.  Die 
D^lijä  fragen  noch  nach  der  Ursache,  nach  dem  Warum  (HD  ^J?)  der  göttlichen 
Ungnade;  der  Prophet  nennt  ihnen  nun  als  Beispiel  ihrer  Treulosigkeit  die 
Untreue  gegen  ihre  Gattin,  die  Leichtfertigkeit,  mit  der  sie  eingegangene  Ehen 
wiöder  lösen.  Der  Gedanke  ist  ganz  fern  zu  halten,  als  ob  es  sich  zugleich  um 
Ehelichung  einer  Ausländerin  handle;  davon  sagt  der  Prophet  nichts,  er  hat 
nur  das  Unrecht  im  Auge,  das  bei  den  offenbar  recht  leicht  genommenen  Schei- 
dungen den  Gattinnen  von  ihren  Ehemännern  widerfuhr.  Diese  Beurteilung 
der  Scheidung  als  Treubruch  zeigt  die  hohe  Auffassung  des  Propheten  von  der 
Ehe.  n^yn  d.  h.  Jahwe  war  Zeuge  des  Eheschlusses,  wie  er  der  Zeuge 
und  Bürge  jedes  Vertrages  ist  und  daher  den  Bruch  der  Ehe  nicht  gelinder 
beurteilt  und  nicht  geringer  bestraft  als  den  jedes  andern  Vertrags.  Zu 
^'^y^V)  tW^  vgl.  Jes  54  6;  diese  Bezeichnung  der  Gattin  hebt  schon  die  Grösse 
des  Unrechts  hervor  und  man  muss  daher  fragen,  ob  die  Motivierung  '"\y\  S%*1"1 
ursprünglich  ist.  Man  könnte  dies  annehmen,  da  die  Treulosigkeit  gegen  einen 
Gefährten  resp.  eine  Gefährtin  ein  schlimmes  Vergehen  ist;  da  aber  dann  bei 
^n^'IS  n^S  der  Gegensatz  gegen  nichtjüdische  Frauen  hineinspielt:  deine  Frau 
jüdischer  Religion^  so  ist  hier  ein  Gedanke  eingemengt,  der  nur  demEinschub 
V.  11  f.  entspricht.  Mal  aber  fern  liegt.  Er  unterscheidet  bei  seiner  Forderung 
der  Treue  nicht  zwischen  Frauen  jüdischer  und  nichtjüdischer  Herkunft.  ^'^7\\ 
^y\  am  Schluss  von  v.  u  ist  daher  als  v^om  Interpolator  von  v.  11  f.  eingefügt 
zu  betrachten.  15  ist  unverständlich.  Die  Übersetzung:  Kein  einziger 
hat  so  gehandelt,  der  noch  nicht  alle  Besinnung  verloren  hatte,  ist  bedenklich, 
da  in«  und  nn  diese  Bedeutung  kaum  ertragen  und  die  ganze  Aussage  wenig 
Vertrauen  erweckt.  Fasst  man  in^  =  Gott,  vgl.  v.  10,  und  liest  mjt  Wellh.  S^n, 
^«ty'^1  und  V}>  für  «^1,  ^^m  und  1^,  so  kann  man  zur  Not  (denn  nn  I^Strn  ist  durch 
I  Sam  1436  25  22  nicht  geschützt)  übersetzen:  Hat  nicht  einer  uns  den  Atem  ge- 
schaffen und  erhalten  ?  Und  was  verlangt  der  Eine  ?  Samen  Gottes!  (so  Wellh.)  ; 
aber  eine  neue  Frage  mit  dem  gleichen  Sinn  wie  v.  10  ist  nicht  wahrschein- 
lich und  in«n  und  in«  =  Gott  sehr  zweifelhaft.   Eher  Hesse  sich  der  Sinn,  den 


Mal  2  15  472  Mal  2  17 

Wellh.  mit  diesen  Worten  verbindet,  im  Zusammenhang  verstehen:  „„Samen 
Gottes"  sind  die  Kinder.  Wenn  man  Kinder  von  der  Frau  hat,  so  ist  der 
Zweck  der  Ehe  erreicht;  darauf  dass  sie  einem  auch  gefällt,  kommt  es  nicht 
an.  Malachi  protestiert  dagegen,  dass  man  die  Frau  der  Jugend  entlässt,  wenn 
sie  alt  und  hässlich  geworden  ist."  Aber  andre  sehen  in  dem  „Einen"  Abra- 
ham und  in  den  Worten  eine  Zurückweisung  der  Einrede,  die  sich  auf  Abrahams 
Verstossung  der  Hagar  berufen  habe,  was  allerdings  eine  sehr  unpassende 
Berufung  gewesen  wäre.  Am  Ende  könnte  darin  auch  eine  mit  dem  Einschub 
V.  11  f.  verwandte  Anschauung  sich  Ausdruck  verschafft  haben,  sodass  D^'l*^^5  y*jt 
den  Sinn  haben  müsste:  Kinder  jüdischer  Religion,  vgl.  Hos  2  25.  Alles  bleibt 
unsicher  und  ohne  diese  Worte  kann  v.  15^  die  gerade  Fortsetzung  von  v.  14 
sein:  So  hütet  euch  nun  für  euer  Leben,  T\T\,  so  viel  wie  t^D^  vgl.  ti^DiS  1?2ty^ 
Jer  17  21,  Und  keiner  sei  treulos  gegen  das  Weib  seiner  Jugend^  1.  wegen  Hä^l'; 
mit  NowACK  nach  Pesch.  r^V)\  ni^«!l  ^^^\  für  ^n^lj^i  '«n-1.  Immerhin  ist  mit  der 
Möglichkeit  zu  rechnen,  dass  v.  16^  die  bessere  Variante  biete,  s.  dort.  16 

ist  nicht  viel  verständlicher  als  v.  15.  HDDI  bis  Hisn^  könnte  Fortsetzung 
von  V.  15^  und  Schluss  des  ganzen  Stückes  sein:  Dass  er  nicht  (die  Wirkung 
der  Negation  ^S  von  liD"!  erstreckt  sich  auch  auf  diesen  zweiten  Satz,  vgl. 
Ex  28  43  Lev  19  12  etc.  Ges.-Kautzsch2  7  §  152  z)  mit  Unrecht  sein  Kleid  be- 
decke ^  wobei  ich  aber  nicht  nach  Koran  Sure  2  183  t^u'p  vom  Weibe  verstehen 
möchte.  Der  Schluss  ist  Wiederholung  von  v.  15  ^  vielleicht  in  besserem 

Wortlaut,  da  vor  Untreue  im  Allgemeinen  gewarnt  und  so  zum  Anfang  v.  10 
zurückgelenkt  wird.  Der  Anfang  v.  16^*  wird  gewöhnlich  verstanden: 

denn  ich  hasse  Scheidung^  wobei  man  mit  Wellh.  ^^'^^  oder  besser  *'^^^y^  für 
^55^  liest.  nODI  (als  Infin.  gelesen:  rtMl  oder  niD51)  soll  dann  ein  dem  vh^ 
paralleles  zweites  Obj.  sein.  Alles  muss  hier  in  Schwebe  gelassen  werden;  es 
ist  gar  leicht  möglich,  dass,  wie  W,  R.  Smith  vermutet,  die  massoretische  Punk- 
tation die  Übersetzung  des  Targum  stützen  will,  welches  charakteristisch  ge- 
nug den  Anfang  mit  den  Worten  wiedergiebt:  HltSS  n^  n'^^D  Di^  ''"ItJ  d.  h.  sieh^ 
wenn  du  sie  hassest ,  entlass  sie!  Vermutungsweise  sei  aus  Elementen 

von  V.  15 f.  eine  vierte,  abschliessende  Strophe  zusammengestellt:  Denn  ich 
hasse  Scheidung  Und  Bedeckung  seines  Kleides  mit  Unrecht  (wie  Betrug  des 
Nächsten  und  dergleichen) ;  So  hütet  euch  für  euer  Leben^  dass  ihr  nicht  treu- 
los seid!  Spricht  Jahwe  der  Heere. 

4.  Die  Nähe  von  Gottes  Kommen  zum  Gericht  2  17—3  5. 

Der  Abschnitt  macht  uns  mit  neuen  Kreisen  aus  der  Gesellschaft  der  Zeitgenossen 
des  Propheten  bekannt.  Es  sind  Kreise,  die  sowohl  von  den  Gottlosen  (3  15  18)  als  auch 
von  den  Frommen  und  Gottesfürchtigen  (3  16)  zu  unterscheiden  sind,  Kreise,  die  zu  dem 
besseren  Teil  des  Volkes  gehörten,  unter  denen  aber  eine  skeptische  Stimmung  herrschte 
und  die  an  Jahwes  Eingreifen  in  das  Ergehen  der  Menschen  zu  zweifeln  begannen.  Es 
ist  eine  ähnliche  Stimmung,  wie  sie  aus  Tritojesaja  und  aus  manchen  Psalmen  bekannt  ist. 
Der  Prophet  weist  diese  Zweifel  zurück,  indem  er  das  nahe  Kommen  Jahwes  ankündigt, 
welches  Gericht  und  Läuterung  bringen,  also  zeigen  wird,  dass  Jahwe  mächtig  genug  ist, 
in  die  Schicksale  der  Menschen  einzugreifen,  und  dass  die  Sünder  ihm  nicht  angenehm 
sind.  Beachtenswert  ist,  dass  der  Prophet  das  Gericht  nur  als  innerjüdisches  darstellt,  das 
die  Gemeinde  von  den  bösen  Elementen  reinigt. 


Mal  2  17  473  Mal  3  l 

17,  die  erste  Stroplie:  Die  skeptischen  Reden  ermüden  (y^MHj  .Jahwe, 
sie  sind  ihm  eine  Last  und  ein  Arger.  Die  Skeptiker  sagen:  Jeder,  der 

böses  thut,  rmiss  gut  sein  nach  Jahwes  ürlell,  Oder  wo  ist  denn  sonst  der  Gott 
des  Gerichts?  Es  giebt  keinen  Gott  des  Gerichts,  sonst  müsste  er  schon  lange 
einschreiten.  U7id  er  mnss  Freude  an  Urnen  hatten,  sclieint  nicht  ursj)rünglich, 
sondern  Glosse  zu  "*  'j;!i  D1D  zu  sein.  Vielleicht  ist  sogar  auch  T\\7y_  ^^"^^  zur 
Näherbestimmung  von  DID  eingefügt,  das  ohne  diese  den  trefflicheren  Sinn 
von  glücklich  hat,  so  dass  der  dritte  Stichos  lautet:  Jeder,  der  Böses  thut,  fährt 
gut,  3  1,  die  zweite  Strophe:  Das  von  den  Skeptikern  bezweifelte  Gericht 

wird  kommen.  Die  Weissagung  Hag's  und  Sach's,  dass  Jahwe  zu  dem  erbauten 
Tempel  kommen  werde,  wird  sich  erfüllen,  wenn  schon  der  Glaube  und  die 
Hoffnung  der  Frommen  durch  das  lange  Ausbleiben  auf  eine  harte  Probe  ge- 
stellt sind.  Jahwe  sendet  seinen  Boten  vor  sich  her,  um  ihm  den  Weg  zu  be- 
reiten und  alle  Hindernisse  zu  entfernen.  Diese  Verheissung  eines  Vorläufers, 
in  dem  man  zu  Unrecht  den  Propheten  selber  gesehen  hat,  welcher  darum  auch 
den  Namen  „Maleachi"  erhalten  hat,  beruht  auf  Jes  40  3.  Jahwe,  der  Herr, 
hat  seinen  Wegbereiter  wie  irdische  Herren  und  Könige;  er  braucht  um  so 
mehr  einen  solchen,  als  er  plötzlich  erscheint  und  in  seinen  Tempel  einzieht. 
Dass  dieser  Vorläufer  bereits  schon  der  Thätigkeit  seines  Herrn,  dem  Ge- 
richte, vorgreife,  ist  nicht  gesagt.  Zu  DSHD  vgl.  auch  v.  5  und  Lk  21  34.  ^"ä^ 
D'^^lpnD  Dri«  weist  auf  den  in  den  Worten  der  Skeptiker  liegenden  Wunsch  2  i7; 
vgl.  den  Wunsch  der  noch  schlimmeren  Skeptiker  Am  5  18.  ri'^'l^H  "^«^1?^ 
"Illl  fällt  auf  als  reine  Wiederholung  der  vorangehenden  Worte  mit  geringer 
Variation  und  in  umgekehrter  Reihenfolge,  vgl.  D"'??n  mit  Ö^'^'pnp  und  ^^^"n^n 
mit  i^lü^  D^^n?.  Zudem  weiss  man  nicht  recht,  was  mit  dem  tvy^T[  "^J??^??  anzu- 
fangen ist,  ob  er  mit  einem  der  beiden  andern  Kommenden  und  mit  welchem, 
mit  dem  Vorläufer  oder  mit  Jahwe,  zu  identifizieren  oder  ob  er  ein  dritter  ist. 
Die  parallelen  Ausdrücke  lassen  ihn  nur  mit  Jahwe  in  Verbindung  bringen ; 
beliebt  ist  nun  seit  Keaetzschmar  (Die  Bundesvorstellung  im  AT  S.  237 — 239) 
die  Deutung  des  Bundesengels  als  des  Schutzengels  der  Gemeinde,  der  somit 
am  Ende  der  Tage  als  mit  Jahwe  zugleich  herniedersteigend  erscheint.  Dem 
widerspricht  aber  aufs  deutlichste  die  Beifügung  D^??n  DH«  1!^«,  da  von  dem 
Herbeiwünschen  dieses  Engels  vorher  nichts  steht;  auch  steigen  wohl  mit  Jahwe 
seine  Helden  herab,  aber  dass  er  speziell  noch  den  Schutzengel  der  Gemeinde 
in  seinem  Gefolge  nötig  gehabt  habe,  wäre  eine  ganz  singulare  Vorstellung, 
und  wo  Jahwe  selber  ist,  braucht  die  Gemeinde  nicht  noch  einen  besonderen 
Schutzengel.  Darum  ist  die  Auslegung  im  Recht,  die  in  dem  Engel  des  Bundes 
Jahwe  selber  findet,  nn.^n  ^^hr^  ist  nur  eine  andere  Bezeichnung  Jahwes,  wie 
in  Sach  Hin;;  "^i^^??.  Diese  beiden  Bezeichnungen  sind  allein  danach  verschieden, 
dass  T\)T\\  '^Jf?^^  =  der  Jahwe  repräsentierende  Bote,  Jahwe  in  Repräsentation 
ist,  nnnn  tjwSi?  dagegen  =  der  Bote,  den  die  jüdische  Gemeinde,  die  Anhänger 
der  jüdischen  Religion,  als  Repräsentanten  Jahwes  zu  erwarten  hat,  die  der 
jüdischen  Gemeinde  (für  die  Endzeit)  zugesicherte  Repräsentation  (Jahwes). 
In  beiden  Ausdrücken  spricht  sich  die  Scheu  aus,  die  den  transcendenten  Gott 
nicht  in  allzu  direkte  Verbindung  mit  der  Welt  bringen  will.    Weiter  aber 


Mal  3  1  474  Mal  3  6 

ergiebt  sich  aus  dieser  Identität  von  l^^?^  und  H'^isn  ^^^t?,  dass  der  letzte  Satz 
nur  eine  Glosse  ist,  die  v.  i''*  dogmatisch  richtig  interpretieren  will.  2,  die 

dritte  Strophe:  Der  Tag  Jahwes  ist  ein  Tag  des  Gerichts  und  der  Läuterung, 
vgl.  Am  5  18  f.  Zu  bb?  vgl.  '^on  Jo  2  11  und  zu  n??j;  vgl.  Ps  130  3.  Zu 

dem  Feuer  des  Gerichts  vgL  Jes  30  27  Jo  2  3  Sach  13  9  Mt  3  12,  zu  dem  Laugen- 
salz  Jer  2  22.  In  3,  der  vierten  Strophe,  ist  Jahwe  nicht  mehr,  wie  v.  2, 

mit  dem  Feuer  verglichen,  sondern  der  Schmelzer,  zum  Bilde  vgl.  Jer  6  27-30.  ^D? 
widerspricht  dem  folgenden  ^M?!  =  wie  Silber.  Jahwe  läutert  pj?t  (Ps  12  7 
Hi  28  1,  vgl.  Jes  25  6)  die  ^il  ''^3,  die  Priester  (s.  Schlussbem.  zu  2  9),  die  es 
auch  besonders  nötig  haben  nach  1  6—2  9,  wenn  sie  Jahwe  Hj^l^?,  in  Gerechtig- 
keit d.  h.  in  Avürdiger  Beschaffenheit,  Opfer  darbringen  sollen,  dass  sie  von 
Gott  mit  Wohlgefallen  angenommen  werden  können,  vgl.  1  6-13  2  13.  Die 

Stellung  von  Hjn;;^  fällt  auf,  es  liegt  kein  Nachdruck  darauf  und  die  Fassung: 
dass  Jahwe  solche  habe,  die  darbringen  etc.  erscheint  etwas  gesucht.  Wahr- 
scheinlich ist  ^)}}'^h,  Einschub  einer  ängstlichen  Seele,  die  ohne  auf  v.  4  zu  sehen, 
fürchtete,  man  könnte  auch  an  Opfer  andrer  Götter  denken.  Der  Ge- 

brauch des  Particips  mit  7VT\  nähert  sich  dem  aram.  Sprachgebrauche.  4,  die 
fünfte  Strophe:  Wie  in  2  of.  wird  auch  hier  die  Vorzeit  in  idealem  Glänze 
vorgestellt  (Wellh.),  vgl.  auch  Jer  2  2f.  5,  die  sechste  (v.  5^)  und  die 

siebente  (v.  5*^)  Strophe:  Das  Gericht.  Es  trifft  nicht  die  Priester  allein, 
sondern  alle  Sünder.  ^^wb  sieht  direkt  auf  die  Frage  nach  dem  Gott 

des  Gerichts  in  2  17  zurück.  "in?5D  *1J^,  ein  schneller  Zeuge,  ist  Jahwe;  das 

bedeutet,  weil  der  Zeuge  hier  mit  dem  Richter  identisch  ist:  einer,  der  nicht 
lange  zu  untersuchen  hat,  sondern  rasch  die  Strafe  vollzieht,  vgl.  zu  DSJlö  v.  1 
und  zu  TJ^n  2  14.  Als  Zeuge  kennt  er  auch  die  Ubelthäter  sehr  wohl,  die  ihm 
darum  nicht  verborgen  bleiben  können:  die  D'^DtS^DD  Verl.  Ex  22  17:  die  D''B^^iö 
Vgl.  2  14  Ex  20  14  Dtn  5  17  22  20  Lev  20  10;  die  ^y;il  D^?^';  vgl  Sach  5  3;  die 
TD^  *'(?^y,  wie  mit  Entfernung  von  IDt?^  zu  lesen  ist,  da  das  Verb  nur  ein  per- 
sönliches Obj.  kennt  und  auch  noch  Din^l  HJD^S;?  regiert,  vgl.  Lev  19  13,  sowie 
Ex  22  21-^23  Dtn  24  17  und  Jes  1  17,  und  die  1?"'^??  abgekürzt  für  1?  tOS^D  ''^D, 
VgL  Dtn  24  17  Ex  22  20  Am  5  12.  ''^^^^T,  ^\  nennt  nicht  eine  neue  Klasse, 

sondern  nennt  die  Wurzel  der  Sünde:  den  Mangel  an  Religiosität,  an  Scheu  vor 
Jahwe,  der  für  die  Fremdlinge  und  die  Schutzlosen  überhaupt  eintritt;  das 
Sätzchen  gehört  zunächst  zu  der  letzten  Kategorie,  kennzeichnet  aber  auch 
alle  übrigen. 

5.  Gegen  den  Betrug  Jahwes  in  Unterschlagung  oder  mangelhafter  Ablieferung 

des  Zehnten  3  6— 12, 

Wie  der  Zusammenliang  mit  dem  vorigen  Stücke  gedacht  ist,  kann  wegen  der  Un- 
verständUchkeit  von  v.  6  nicht  gesagt  werden.  Der  Gedanke,  der  v.  6-12  zusammenhält, 
ist  aber  klar:  Der  Betrug,  der  gegen  Jahwe  in  der  Entrichtung  des  Zehnten  geübt  wird, 
ist  die  Ursache  der  Not  in  der  Gegenwart.  Nach  Dtn  14  22-29  soll  der  Zehnte  im 

dritten  Jahr  den  Leviten,  die  sich  in  den  Ortschaften  des  Landes  befinden,  zu  ihrem  Unter- 
halt gegeben  werden;  nach  PC  Num  18  21-32  gehört  der  Zehnte  ganz  und  jedes  Jahr  den 
Leviten,  aber  davon  soll  der  Zehnte  wieder  den  Priestern  abgegeben  werden.  Für  die  Durch- 
führung dieser  Forderung  samt  Ablieferung  des  Zehnten  in  den  Tempel  sorgte  Nehemia, 


Mal  3  G  475  Mal  3  9 

vffl.  Neh  10  38-40  1310-13.  Mal  atiniTni  initJ*C  und  Neh  überein;  daraus  aber  den  Schluss 
zu  ziehen,  dass  Mal  nach  Eintüiirung  des  IMJ  gelebt  haben  niÜHse,  wäre  übereilt,  weil  es 
natürlich  eine  Über^angsstufe  zwischen  Din  und  VC  ga)>  und  was  das  neue  Gesetz  kodi- 
fizierte, schon  lange  durch  die  Umstände  in  die  Praxis  eingeführt  sein  konnte.  Übrigens 
zeigt  sich  auch  hier,  wie  Mal  mit  seinem  Urteil  nicht  an  der  Aussenseite  haftet:  IJnge- 
nauigkeit  in  der  Zehntenabgabe  ist  nicht  nur  als  Verletzung  des  Gesetzes  verwerflich, 
sondern  als  Symptom  eines  viel  tiefer  sitzenden  Schadens;  es  fehlt  an  Ehrfurcht  vor  Gott, 
an  wahrer  Religiosität. 

()  7%  die  erste  Strophe:  Aufforderung  zur  Umkehr  an  die  Jakobssöhne. 
6  *•?  scheint  v.  6-12  an  2  i7— 3  5  anzuknüpfen.  Vielleicht  soll  gesagt  sein:  Jahwe 
hat  sich  nicht  geändert,  wie  die  nach  dem  Gericht  rufenden  Skeptiker  ver- 
meinen (2  17);  denn  er  straft  auch  jetzt  schon  mit  Misswachs  und  Not  die  Sünde 
des  Volkes.  Der  Zusammenhang  würde  klarer  sein,  wenn  v.  ß^  verständlich 
wäre.  Aber  ür\*h^  iib:  ihr  seid  nicht  alle  geworden^  kann  nicht  wohl  heissen: 
ihr  seid  noch  die  alten  Sünder,  die  Jakobssöhne,  unter  Anspielung  auf  das  im 
Folgenden  gebrauchte  Verb  y^JJ  resp.  Ij^j;  (s.  zu  v.  8);  der  Sinn:  „ich  bin  nicht 
anders  geworden,  ihr  aber  auch  nicht",  ist  doch  fraglich.  Diesen  Sinn  hat  es 
vielleicht  auch,  wenn  man  mit  v.  Orelli  das  Pi.  Dri*'^?  liest  und  dies  in  ellip- 
tischer Wendung  fasst  =  ihr  habt  nicht  fertig  gemacht  seil,  eure  Sünden,  fahrt 
fort  zu  sündigen.  Jedenfalls  hilft  eine  Ableitung  von  ^^^3,  abhalten,  nicht  weiter. 
7^^  gehört  offenbar  mit  v.  6  zusammen  als  Beschreibung  der  Jakobssöhne,  die 
als  Ausgangspunkt  vorangestellt  ist.  0^1?^  ^^1  hat  kein  Obj.,  Wellh. 

u.  a.  punktieren  daher  Dr\"l5^,  2.  pers.  plur.  mit  Suff,  der  3.  plur.;  wahrschein- 
lich aber  ist  die  Bemerkung,  die  neben  "'j^n)?  QH^iD  nichtssagend  ist,  nur  Glosse 
dazu,  das  folgende  l^ß^,  umkehren,  nimmt  auch  nur  auf  "I^D,  sich  abkehren,  Rück- 
sicht. 7''  8,  die  zweite  Strophe,  enthält  die  Abweisung  einer  Einrede: 
Ihr  sagt:  wieso  sollen  wir  umkehren?  Weil  ihr  mich  betrügt!  Und  ihr  sagt: 
wieso  haben  wir  dich  betrogen?  Am  Zehnten  und  an  der  Abgabe!  Das  Sätzchen 
V.  8^*  kommt  verfrüht:  denn  es  passt  besser  als  Begründung  des  Fluches  an  den 
Anfang  von  v.  9  als  hier,  wo  bloss  die  Sünde  zu  konstatieren  ist.  Auch  der  An- 
schluss  von  ''^  an  v.  7^  kommt  der  Gedankenfolge  zu  statten.  Statt  V5iJj  das 
sich  nur  noch  Prv  22  23,  und  zwar  in  der  Bedeutung  von  berauben,  findet,  wird 
mit  Wellh.  nach  dem  Zusammenhang  unserer  Stelle  ^pj^,  betrügen^  zu  lesen 
sein,  wie  wohl  auch  LXX  gelesen  hat;  das  Wortspiel  mit  ^^T:  "^^3,  Jakobssöhne 
=  Betrüger,  spricht  ebenfalls  dafür.  n)pnr^ni  "^b^???n  sind  in  der  lebhaften 
Rede  und  Gegenrede  als  Bezeichnung  des  Gegenstandes,  worin  sich  der  Betrug 
Gottes  zeigt,  zu  fassen;  die  grammatische  Verbindung  fehlt,  die  Worte  sind 
Ausruf:  Zehnten  und  Abgabe!  wie  steht  es  damit!  HD^IH  ist  die  Abgabe, 
die  dem  Heiligtum  resp.  den  Priestern  gegeben  wird,  vgl.  Hes  44  so  45  13;  neben 
dem  Zehnten  erscheint  sie  schon  Dtn  12  11  und  wird  nach  Neh  10  38  12  44  an 
den  Tempelschatz  für  die  Priester  abgeliefert.  Zu  "i^???  s.  Vorbem. 
8^"  9,  die  dritte  Strophe:  Wird  ein  Mensch  Gott  betrügen?  Welch  unerhörter 
Frevel!  Mit  dem  Fluche  seid  ihr  belegt^  Und  doch  betrügt  ihr  mich.  Eure  ganze 
Sippschaft.  Der  Fluch,  der  auf  ihnen  lastet,  nach  v.  11  die  Unfruchtbarkeit 
des  Feldes,  hält  sie  nicht  ab,  im  Frevel  zu  verharren.  Zu  dem  Partie.  Niph. 
Dn«i  vgl.  Ges.-Kaützsch27  §  67  u.             M:in  hat  hier  wohl  eine  verächtliche 


Mal  3  10  476  Mal  3  14 

Nuance  und  erinnert  an  Jes  1  4.  10^  (mit  Ausnahme  des  eingeschobenen 

"ü  '^  ins,  s.  zu  1  8),  die  vierte  Strophe,  nimmt  nun  die  Aufforderung  zur  Um- 
kehr von  V.  7  wieder  auf  und  exponiert  nach  dem  dargelegten  (v.  8 f.),  worin  die 
Umkehr  besteht.  1t^iJI?n"^|TiS ,  den  gan%en  Zehnten,  nicht  nur  einen  Teil;  der 
Nachdruck  liegt  auf  ^3.  Zu  1^1«n  n^?  vgl.  Neh  10  39  13  5  6  Sach  11 13. 

Zu  ^"It?  =  Zehrung  vgl.  Ps  111  5  Prv  31  1 5;  hier  ist  gemeint  die  Zehrung  für  die 
Priester  am  Tempel  und  für  die  Bestreitung  des  Kultus  vgl.  Neh.  10  38-40. 
ni^t^,  d.  h.  mit  der  v.  lo^«  genannten  Treue  in  der  Ablieferung  des  Zehnten. 
10^',  die  fünfte  Strophe,  beginnt  die  Exposition  der  Verheissung  D^"^^«  H^^ti^fcJ 
(v.  7);  sie  knüpft  mit  i<^"DS  an  '^^''^O?  ^°?  ^^^  aber  grammatisch  doch  eine  selbst- 
ständige Bedeutung,  da  N^"D55  ^Is  Schwur-  resp.  Beteuerungspartikel  auch 
einen  selbständigen  Satz  einleiten  kann.  An  Stelle  des  Fluches  v.  9  wird  Segen 
treten;  der  Regen,  den  Jahwe  reichlich  sendet,  macht  der  Unfruchtbarkeit  des 
Landes  ein  Ende.   Zu  den  Fenstern  des  Himmels  vgl.  Jes  24  18.  '^'l"''b?"nj;, 

wörtlich:  bis  zum  Nichtmehrsein  von  Bedarf,  also  =  bis  zum  Übermass, 
11,  die  sechste  Strophe:  Der  Segen  des  Landes  wird  vor  jedem  Schaden  be- 
wahrt bleiben.  Zu  !l  "Ij;^  vgl.  Sach  3  2;  b^i^H,  der  Fresser,  ist  die  Heuschrecke, 
^?^,  eine  Fehlgeburt  haben,  ist  hier  poetisch  vom  Weinstock  ausgesagt,  der  die 
Früchte  nicht  zur  Reife  bringt.  Die  beiden  letzten  D^'j  legen,  wenn  sie 

nicht  rein  überflüssig  erscheinen  sollen,  einen  Nachdruck  auf  diese  Aussage: 
für  euch,  der  nur  verständlich  ist  bei  dem  Gedanken,  dass  Juda  Segen,  die 
Heiden  aber  Plagen  erfahren  werden.  Da  dieser  Gegensatz  zwischen  Juden 
und  Heiden  durch  nichts  weder  im  Vorhergehenden  noch  im  Gedankenkreis 
MaFs  (vgl.  1 11)  angezeigt  ist,  halte  ich  diese  beiden  D^^  für  eingefügt  von  einem 
Spätem,  der  die  Juden  nur  im  Gegensatz  zu  den  Heiden  zu  betrachten  gewohnt 
war,  der  darum  auch  12  hinzusetzte,  wo  die  in  v.  12^  gegebene  Zusammenfassung 
von  V.  10'^  11  zur  Begründung  der  Folgerung  v.  12^  zeigt,  dass  das  Ganze  nicht 
aus  einem  Gusse  stammt,  dass  der  x^utor  von  v.  12  vielmehr  trotz  v.  lo*^  11  für 
nötig  befindet,  seinen  Zusatz  v.  12^  noch  besonders  zu  begründen.  Zum  In- 
halt vgl.  Sach  8  13  23,  zum  Ausdruck  fön  }*1iSl  vgl.  Jes  54 12  Sach  7  u,  zu  beidem 
s.  Jer  3  19  Hes  20  6  15  Dan  8  9  11  I6  41. 

6.  Der  Unterschied  der  Gottlosen  und  der  Gottesfürchtigen  im  kommenden 

Gehellt  313-21. 

Der  Abschnitt  bildet  eine  Parallele  zu  217—3  5.  Angeredet  sind  wie  dort  die  Zweif- 
ler und  Skeptiker  im  Volke,  die  sowohl  von  den  Gottlosen  verschieden  sind,  wie  von  den 
Frommen,  '•ö^  ''«T,  an  die  sich  der  Prophet  erst  v.  20f.  ausdrücklich  richtet. 

13—15,  die  erste  (y.  13  u^^a)  ^^^  die  zweite  (v.  u^l^  i5)  Strophe:  die 
Klage  über  die  Wertlosigkeit  religiösen  Verhaltens.  13  ^pm^  stark,  zu 

stark  sein  (^j;)  gegen  jmd,  bedeutet:  sich  gegen  jmd  viel  herausnehmen,  vgl. 
nnyjin  2  17.  Zu  dem  reciproken  Niph.  IJ^li,  =  sich  untereinander  bereden, 
vgl.  V.  16  Hes  33  30  Ps  119  23.  14  Wie  «1^  und  die  Frage  VW^^  einander 

entsprechen  =  es  trägt  nichts  ab ,  so  auch^DNn"^«  IhV  und  initt^D  1»^  =  die  re- 
ligiösen Pflichten  erfüllen,  vgl.  zu  letzterem  Sach  3  7.  Interessant  ist  der 
dritte  Parallelausdruck  zu  Anfang  des  zweiten  Tetrastichs :  n'il'liP  ipj)  =  in 


Mal  3  14  477  Mal  3  19 

Traurigkeit  einhergehen;  denn  er  zeigt,  wie  in  dieser  Periode  die  Traurigkeit 
das  Charakteristikum  der  Frömmigkeit  war,  wie  ja  auch  die  D^^^V  die  Frommen 
sind.  ni«n^  niH''  scheint  unnötiges  Explicitum  für  das  Suff,  zu  sein,  I.  V^DD, 
jedenfalls  ist  niS^^  zu  viel.  15  Mit  D^H  sind  nicht  etwa  Heiden  gemeint, 

sondern  die  ÜbermiWgen ,  die  Gottlosen  (vgl.  njjti^'l  '•Wj;)  unter  den  Juden,  die 
sich  um  Gott  und  Religion  nicht  kümmern,  das  Gegenteil  der  nj<T_  '^8*1^  und  der 
löt^  •»n^n  V.  16,  vgl.  auch  zu  Ps  19  u.  Trotzdem  sie  durch  ihr  ganzes  Thun  und 
Treiben  Gott  herausfordern  (D^^^^J  löB),  -i^^^  werden  sie  erbaut  d.  h.  sie  kommen 
vorwärts,  gedeihen,  vgl.  Jer  12  16,  und  ^to'pö^;!,  werden  gerettet,  verfallen  nicht 
dem  Ruin  und  Untergang.  16  f.  das  Verhalten  der  Gottesfürchtigen. 

16,  die  dritte  Strophe.  An  tij  ist  kein  Anstoss  zu  nehmen;  die  Änderung  in 
nt  (Wellh.,  Nowack  u.  a.)  stellt  die  Sache  auf  den  Kopf,  weil  sie  die  Gottes- 
fürchtigen mit  den  v.  13-15  Angeredeten  identifiziert,  deren  Worte  Gott  zurück- 
weist, vgl.  \^\X\  V.  13,  während  für  jene  ein  himmlisches  Merkbuch  angelegt  wird. 
tS,  damals ^  bezieht  sich  auf  die  Zeit  der  in  v.  13-15  erwähnten  Kundgebungen; 
diese  veranlassten  die  T\\J\\  ""iStT'  ^^^  zusammenzuthun,  sich  gegenseitig  zu  be- 
lehren und  zu  ermahnen,  um  nicht  in  die  gleichen  Z^veifel  zu  verfallen  und  die 
Ansichten  der  Zweifler  von  sich  fernzuhalten.  Dieses  Ausharren  in  der 
Treue  und  im  Glauben  blieb  nicht  unbeachtet  und  ist  unvergessen  bei  Jahwe: 
vor  ihm  ist  ein  Merkbuch  hierüber,  seil,  über  ihre  Namen  und  ihre  Thaten,  an- 
gelegt, wie  etwa  die  Könige  ein  solches  haben,  vgl.  z.B.  Est  6  i.  Wellh.  nennt 
mit  Recht  den  Glauben  an  ein  himmlisches  Merkbuch  „eine  Art  Vorstufe 
zum  Glauben  an  das  ewige  Leben";  vgl.  auch  meine  Gesch.  der  isr.  Rel.  ^  294. 
Zu  ]1"13t  *^DD,  resp.  Buch  des  Lebens  vgl.  ferner  zuHes  13  9  und  zu  Jes  4  3.  Die 
Änderung  von  ^ns^  iii '?  ^i^?!l  (so  Nowack)  ist  unpassend,  da  Jahwe  dieses  Buch 
so  wenig  selber  führt,  wie  der  persische  König;  ebensowenig  ist  mit  Wellh. 
an  "»nn«,  noch  mit  Nestle  ZATW  1902,  305f.  an  T^lVi  =  ^r\:^^ü,  preisend,  für 
""^t^'n  zu  denken,  da  H^n  nach  Jes  33  8  gerade  das  Gegenteil  von  DJSlD,  verachten, 
also:  achten,  Beachtung  schenken,  in  Berechnung  %iehen,  ist,  vgl.  auch  Jes  53  3. 

17,  die  vierte  Strophe:  Was  das  Verzeichnetsein  im  himmlischen  Merkbuch 
für  eine  Bedeutung  hat,  wird  sich  zeigen  am  Tage,  da  Jahwe  einschreitet;  n'^j; 
wird  hier  handeln  im  Gegensatz  zum  unthätigen  Zusehen  bedeuten  wie  Ps  22  32 
37  5  52  11  (Wellh.,  Nowack).  Dann  werden  die  Gottesfürchtigen  zu  Jahwes 
nV^D,  Eigentum,  vgl.  Ex  19  5,  also  seinen  besondern  Schutz  und  väterliche  Liebe 
erfahren,  während  die  Gottlosen  das  Gericht  trifft,  vgl.  ^J?n.  Die  Konstruktion 
mit  n^^D  am  Schluss  wird  durch  die  metrische  Form  erklärlich  (vgl.  auch  v.  19^^*), 
so  dass  der  „Einfall"  Nestle's  ZATW  1902,  305  nicht  zu  billigen  ist,  Dj;b  für 
D1*^  zu  lesen:  %um  Volk,  das  ich  zum  Eigentum  mache.  18 f.  Die  Skep- 
tiker werden  dann,  wenn  den  Gottesfürchtigen  Gottes  väterlicher  Schutz  und 
den  Gottlosen  Strafe  zuteil  wird,  den  Wert  der  Frömmigkeit  und  den  Unter- 
schied von  Fromm  und  Gottlos  erkennen,  vgl.  v.  14.  18,  die  fünfte  Strophe. 
Die  verlorene  Einsicht  (HSl)  bekommen  sie  wieder ,  ^V\^'^\  ist  adverbial  ge- 
braucht und  in  \%  schimmert  der  substantivische  Ursprung  =  Unterschied  noch 
durch.  19,  die  sechste  (bis  ti^j^)  und  die  siebente  Strophe:  Die  Ver- 
nichtung der  Gottlosen  am  Tage  des  Gerichts.   Zu  dem  Feuer  des  Gerichts 


Mal  3  19  478  Mal  3  22 

vgl.  3  2;  zu  n^i^n?  nj;ä  vgl.  Hos  7  4;  zu  ty;:,  Stoppeln,  als  Bild  für  die  Gottlosen, 

vgl.  Jes  5  24  Ob  V.  18  Mt  3  iif.  lü^S,  so  dass,  dient  zur  Einführung  des 

Folgesatzes,  vgl.  Ges.-Kaützsch2  7  §  166  b.  Statt  2\Vl  liest  man  besser 

mit  Wellh.,  Nowack  das  Niph.  ntj;;;;  das  Subj.  ist  dann  ^ij;!  C^ltr,  Wurzel  und 

Zweig y  eine  Redensart,  die  auf  das  Bild  vom  Baume  zurückgeht,  vgl.  zu  Am 

2  9.  20  f.  Das  Heil  der  Gottesfürclitigen  und  ihr  Sieg  über  die  Frevler,  in 

direkter  Rede  an  die  Gottesfürchtigen  geschildert.         20^  die  achte  Strophe: 

der  Aufgang  der  Sonne  des  Heils,  die  von  den  Kirchenvätern  auf  den  Messias 

gedeutet  wurde,   an  welchen  jedoch  Mal  nicht  gedacht  hat,  vgl.  Jes  60  i f. 

njj*]^,  Gerechtigkeit^  geht  ihnen  auf  d.  h.  sie  erscheinen  durch  das  Glück,  das 

ihnen  wird,  als  die  Gerechten,  als  die,  welche  recht  hatten  in  ihrer  Treue  gegen 

Jahwe;  nfj^^  umfasst  Rechtfertigung  und  Heil.  ^^?"!)?7  Heilung,  von  allem 

Schmerz  und  Schaden,  neue  Lebenskraft  und  frischer  Lebensmut,  wird  ihnen 

zu  teil,  während  im  Gegensatz  dazu  der  Ruin  über  die  Gottlosen  kommt;  vgl. 

zu  V.  20^  Jes  1  27  28.  Zu  den  Flügeln  =  den  Strahlen  der  Sonne  vgl.  die 

Flügel  der  Morgenröte  Ps  139  9;  mit  Wellh.  erinnert  man  sich  auch  an  die 

Darstellung  der  geflügelten  Sonnenscheibe  bei  den  Ägyptern.  20'^  21,  die 

neunte  Strophe:  die  Freude  der  Frommen  und  die  Zertretung  der  Frevler. 

Und  ihr  werdet  ausziehn  und  springen   Wie  Kälber  aus  dem  Stalle  d.  h.  bei 

dem  neuen  Lebensfrühling,  der  für  sie  angebrochen  ist,  werden  sie  Kälbern 

gleichen,  die  aus  dem  Stall  ins  Freie  gelassen  hüpfen  und  springen;  vgl.  Am  6  4. 

Zu  tyj|S  vgl.  zu  Hab  1  8  und  Jer  50  ii.  21  Und  ihr  werdet  die  Gottlosen 

zertreten  Unter  den  Sohlen  eurer  Füsse,  vgl.  Mch  4i3.  Das  Übrige  im  Verse 

ist  sekundär:  1DS  ^%"I^"*'3,  denn  Staub  werden  sie  sein,  ist  selbstverständlich 

beim  Zertreten  und  klingt  mit  seinem  ^^'l';'^?  s^hr  prosaisch;  v.  21^*  bringt  eine 

unnötige  Zeitbestimmung  in  Worten,  die  aus  v.  17  entnommen  sind.  Die  beiden 

Zuthaten  mögen  zusammengehören  und  sollen  kurz  das  Resultat  des  Gerichts 

für  die  Gottlosen  zusammenfassen.    Vielleicht  hat  der  Glossator  bei  ID^jl  an 

Asche  gedacht  vgl.  v.  19;  dann  wäre  die  Inkongruenz  mit  dem  Zertreten  ein 

neues  Argument  für  sekundären  Ursprung. 

22—24,  ein  Anhang:  die  Sendung  Elias.  Dass  die  Verse  spätere  Zuthat 

sind,  ergiebt  sich  sofort  aus  dem  Wechsel  der  Angeredeten  zwischen  v.  21  und  v.  22.  Dort 
sind  es  die  Gottesfürchtigen,  hier  ganz  allgemein  die  Juden  überhaupt;  denn  die  Mahnung, 
das  Gesetz  nicht  zu  vergessen ,  brauchen  gerade  die  Gottesfürchtigen  nicht.  Ferner  wird 
V.  23  f.  eine  Erklärung  von  v.  1  gegeben,  die  dem  Sinne  Mal's  nicht  entspricht,  der  bei  dem 
Vorläufer  v.  1  nicht  an  einen  Propheten  gedacht  hat  (s.  zu  v.  l).  Endlich  sind  auch  sprach- 
liche Differenzen  beachtenswert,  z.  B.  dass  Mal  nirgends  sagt  mn^_  DV  oder  \X')^ir\)  bnjn  nin^.  DV 
wie  hier,  sondern  nur  i^^n  ni*ri  3  19  oder  TW"^  "•;«  "i^«  Dl'n  3  17  (21),  dass  er  nur  von  7\y\T\r\ 
28  9  spricht,  aber  nicht  von  n^ö  niin3  22,  dass  in  3  22-24  niemals  das  im  Buche  Mal 
sonst  so  häufige  (ni«lV)  '^)J}\  *^^?  vorkommt.  Nach  alledem  ist  Böhme  zuzustimmen,  dass 
V.  22-24  nicht  von  demselben  Autor  wie  das  übrige  Buch  Mal  berühren  (so  auch  Torrey, 
während  eigentümlicher  "Weise  Nowack  nur  v.  23  f.  beanstandet).  22  Die  Mahnung 

zum  Gehorsam  gegen  das  Gesetz  ist  hier  beigefügt,  weil  Mal  als  der  letzte  der  Propheten 
galt,  also  nach  ihm  keiner  mehr  auftrat,  der  dem  Volke  das  Gesetz  empfahl,  was  man  als 
die  Aufgabe  der  Propheten  betrachtete.  Mose  ist  der  Anfang  und  das  Ende  des  hebräischen 
Schrifttums  und  sein  Gesetz  der  Kern  und  der  Stern  des  Judentums;  an  Mose  und  sein 
Gesetz  ist  man   daher  für  alle  Zukunft  gewiesen.    Aus  den  Ausdrücken  D'^ööl^ö^  D''j5n  und 


Mal  3  22  470  Mal  3  24 

nih  (statt  "^yp),  die  dem  Dtn  eigentümlich  sind,  liat  man  geschlossen,  dass  der  Autor  des 
Verses  nur  das  13tn,  nicht  aber  den  PC  als  Gesetz  Moses  gekannt  habe;  aber  man  beachte 
doch  n^r,  ein  bei  PC  so  beliebtes  Verbum,  und  vergesse  nicht,  dass  die  Einwirkung  des 
Dtn's  sich  noc^h  lange  nach  der  Einführung  des  1*0  erhalten  hat  und  selbst  die  Ptedaktion 
des  Hexateuchs  zeigt,  wie  der  spätem  Zeit  die  homiletische  Ausdrucksweise  des  Dtn  neben 
dem  juristischen  Stil  von  1*C  noch  sehr  wohl  zur  Verfügung  stand,  vgl.  Jos  Einl.  III  S. 
XIII.  2Ii   Nur   noch    einen   einzigen    Prophciten    wird   Gott   unmittelbar    vor   dem 

jüngsten  Tage  senden,  nämlich  Elia;  für  die  Kombination  von  Mose  und  Elia  als  der  be- 
deutendsten Persönlichkeiten  des  AT's  vgl.  auch  Mt  17  3.  Wenn  man  einmal  zur  Erklärung 
des  i;«^ö  in  3  1  nach  einem  Propheten  suchte,  so  bot  sich  entschieden  Elia,  der  nicht  ge- 
storben, sondern  in  den  Himmel  entrückt  war,  als  besonders  geeignet  dar.  Übrigens  hat 
man  auch  an  die  "Wiederkehr  anderer  grossen  Männer  geglaubt  z.  B.  Jeremias  vgl.  Mt 
1614.  Elia  hat,  vielleicht  infolge  von  uns  unbekannten  Legenden,  im  Gedankenkreis  des 
späteren  Judentums  eine  wichtige  Rolle  gespielt,  vgl.  JSir  481-11,  bes.  v.  lOf.  Mt  11  14 
17  10  11  Joh  1  21  25  und  s.  Weber  Jüd.  Theol.2  352—354.  Die  inconcinne  Konstruk- 

tion mit  Jahwe  in  erster  ("»piX)  und  in  dritter  Person  (T^iri^  DI*")  spricht  für  eine  sekundäre 
Hand,  gerade  wie  die  Übernahme  von  «"Jl'am  '^njn  mn^_  DV  «in  ^Iph  aus  Jo  3  4.  24  Die 

Aufgabe,  die  Elia  zugewiesen  wird,  die  Väter  und  Söhne  miteinander  zu  versöhnen,  hängt 
wohl  auch  mit  der  Legende  zusammen ;  doch  lässt  sich  auch  an  die  Thätigkeit  Elias  nach 
dem  AT  denken,  da  er  das  in  Anhänger  Baals  und  Jahwes  zerteilte  Volk  zur  Besinnung  rief. 
Die  Worte  lassen  die  verrotteten  Zustände  der  Gemeinde,  ihre  Uneinigkeit  und  Zerrissen- 
heit zu  des  Autors  Zeit  erkennen,  Zustände  der  Art,  wie  sie  Mch  7  1-6  geschildert  werden 
und  auch  aus  Tritojesaja  bekannt  sind.  Zu  der  von  Elia  erwarteten  Apokatastasis  v.  24^  vgl. 
Mk'9l2.  Sie  ist  nötig,  sonst  bringt  Jahwe,  wenn  er  erscheint,  dem  Lande  die  Vernich- 
tung, muss  er  an  ihm  den  Bann  vollstrecken,  vgl.  Sach  14  11,  eine  Drohung,  die  nach 
3  1-4  20  f.  recht  seltsam  klingt  und  die  die  massoretische  Vorschrift  begreiflich  macht,  am 
Ende  den  zweitletzten  Vers  v.  23  zu  wiederholen. 


Sachregister 


480 


Sachregister 


SAOHEE&ISTEE. 


Aaron  291  293. 

Aberglauben  364  383. 

Abgabe  475. 

Abraham  302. 

Ackersleute  121. 

Adam  (Ortsname?)  57. 

Adler  232. 

Adma  89. 

Adullam  272. 

Aegypten  62  68  70  71  88  91 

93  100  103  112  142  143  175 

298  300  429  436  454  455; 

Bach  Aegyptens  426  430 ; 

Rückkehr  nach  Aegypten 

69  87 ;  Zug  aus  Aegypten 

29  85  101  152  169  291  292 

301. 
Aelteste  der  Gemeinde  116 

117  122. 
Aera  155. 
Ahab  295  296. 
Ahas  13  267. 
Akazienthal  141. 
Akor,  Thal  29. 
Akra,  die  Burg  — ,  446. 
Akzib  271. 
Alarmhorn  174  432. 
Alexander  der  Grosse  392 

430. 
Alexander  Jannäus  446. 
Alkimus  396  397  437  441  442 

447. 
Allegorie  3  9  14  17  34  36  111 

245  437  439. 
Allgegenwart  221. 
Allianzpolitik  93. 
Allmacht  185  186  221 222  247 

249  250  414. 
Allwissenheit  185  186  414. 
Alphabet  313. 


Altar  46  68  69  78  81  97  121 
130  178  220  380  464  470; 
Altarbecken  455;  Ecken 
des  Altars  432;  Hörner 
des  Altars  178 ;  Notaltar 
380  388. 

Amasja  150  211  212. 

Ammon  151  158  163  227  357 
369  370. 

Amoriter  168  169. 

Amos  XV  XVI  145;  sein 
Buch,  Jesaja  bekannt  144, 
niedergeschrieben  147; 
seine  Heimat  145;  seine 
Tätigkeit  147;  seine  Zeit 
146. 

Amulett  416. 

Andromeda  246. 

Angelologie  395. 

Angelus  interpres  395  401 
402  403  404  405. 

Angst  127  355  365  366  428. 

Ankläger  408  409. 

Ansteckungskraft  des  Un- 
reinen 387. 

Antichrist  354. 

Antigonus  229. 

Antiochus  IV.  Epiphanes 
298  354  429  451. 

Antisemitismus  355. 

Apfelbaum  121. 

Apokalyptiklll  115  126  132. 

Araba  206. 

Araber  228  229  234  369  461. 

Aram,  Aramäer  146  159 160 
223  224  426  427. 

Aramaismus  120  132  451. 

Aristobul  I.  446. 

Arme,  der  166  167. 

Arpad  147. 


Asal  451. 

Asche,  sitzen  in  —  255. 

Aschenkuchen  61. 

Äschere  268  290. 

Asdod  161  175  368. 

Askalon  161  368  369  428. 

Assur,  Assyrer  51  62  68  69 
70  71  80  87  88  93  103  104 
106  146  147  175  198  205  332 
337  343  357  359,  =  Syrien 
91  288  289  298  300  396  436. 

Assurbanipal  304  305  321. 

Assurdan  147. 

Assurnirari  147. 

Asur-etil-ilani  305. 

Audienz  bei  Jahwe  402. 

Audition  221  355. 

Auflösung  aller  Bande  des 
Bluts  und  der  Pietät  298. 

Aufschlitzen  der  Weiber  104 
163. 

Augapfel  407. 

Auge,  sieben  Augen  411  412 
413  414. 

Augenhöhle  453. 

Ausgleich  zwischen  dem  Ge- 
schick der  Frommen  und 
der  Gottlosen  333. 

Ausland,  =  unrein  214 ;  aus- 
ländisches Wesen  359; 
Ausländerei  364 ;  Auslän- 
derin 469  470. 

Aussaugung  derBürger278. 

Baal,  Baalim  23  24  25  26  27 
29  30  33  50  64  75  86  88  99 
108 ;  Baal  Peor  75. 

Baalsbilder  25. 

Baalsdiener  357. 

Baalsdienst  24  75  86  99  359 
362. 


Sacliregister 


481 


Sacliregiater 


Baalsf^aben  70. 

Baalstage  27. 

Baalsverelirerin  16  17. 

Babel,  Babylonien,  284  285 
406  418  120;  babylonische 
Vorstellungen  414. 

Bach  der  Araba  146. 

Backenstreich  286. 

Backenzähne  119. 

Balak  293. 

Bama,  Bamoth  211  290; 
Waldbama  280. 

Bann  286  479;  —  fluch  453. 

Barfussgehen  268. 

Barmherzigkeit  Gottes  ge- 
gen die  Heiden  244  247 
256  257. 

Bartverhüllung  279. 

Basan  301  309  437. 

Basanskühe  179. 

Bauholz  383. 

Baum,  heiliger43,  verdorrter 
77. 

—  kultus  43. 

Bauten  der  Chaldaer  345. 

Bär,  Bärin  101  195. 

Beamte,  königliche,  46  363 
373. 

Bedrückung  50  166  192  278 
359. 

Beeri  2  14. 

Beerscheba  44  188  219  220. 

Begegnung  mit  Jahwe  184 
185. 

Bekaim  270. 

Belagerang,— swall,  286  323 
340. 

Belomantie  43. 

Belsarezer  422. 

Benhadad  I.  158  159. 

Benjamin  49. 

Berg,  der  heilige  424;  —  vor 
Serubbabel415 ;  ewige  ur- 
alte —  e  351 ;  die  zwei 
—  e  418. 

Berittene  171. 

Berufung  zumProphetenl73. 

Bestallungsurkunde  412. 

Bestechung  166  280. 

Bet-Arbel  84  85. 

Bet-Awen  44  49  81. 

Bet-Eden  159  160. 

Bet-el  49  58  79  80  81  95  178 

181  186  211  212  219  220. 

Kurzer  HC  zum  AT  XIII. 


Bet-Ephrata  287. 
Bet-ha-Esel  270  271. 
Bet-le-Aphra  270. 
Bet-lehem  287. 
Bettag  122  130. 
Beute  28()  365  450. 
Bik'atAwen  159. 
Bilderdienst  66  67  86  99. 
Bileam  291. 
Blei  210;  -lot  210  415. 
Blut  136  432;   -genuss  428  ; 

-vergiessen   142  366  432 ; 

Bundes—  431. 

—  schuld  98. 

Bogen  431 ,  —  der  trügt  64; 
Kriegs  —  434. 

—  schütze  171. 
Bollwerk  428. 
Bosheit  417. 
Bosra  163. 

Bote,  von  Jahwe  geschickt, 

232. 
Brandopfer  56  293. 

—  altar  130  380  387. 
Brandscheit  184  408. 
Braut  120;  —  gemach  130. 

—  kauf  34  35  36. 

Brot  24  71;  —  mangel  182; 

Trauer —  71. 
Bruderbund  162. 
Brust,  auf  die  —  schlagen 

318. 

—  kästen  101. 
Buch  des  Lebens  477. 
Buhle    24   26 ;    —  lohn   70. 

Buhlerhaus  449. 

Bund,  der  neue  —  Jahwes 
mit  Israel  7;  —  mitLevi 
467468;  — mit  den  Vätern 
469;  Bundesblut  431. 

Bundesengel  473. 

Burg  70  191  290  322. 

Busse  113  122  254  255. 

Bussfasten  255. 

Bussgebet  104  105. 

Bussruf  399. 

Busstag  110  122  129  130. 

Ceder  168  437. 

Ceremonlalismus  294. 

Chaldaer  326  327  328  329  332 
333  337  338  340  341343344. 

Chasidim  398. 

Chatarika  =  Hadrach  147 
427. 


Chomer  35  36. 
Cisterne  183  430. 
Confiscation  214  280. 
Cypresse  107  108  437. 
Damaskus  151  158  159197198 
427. 

Damm,  eiiu;ii  —  aufschütten 
340. 

Dan  219  220. 

Darius  379  381. 

David  201  446;  Haus  Davids 
446  448  449;  HiitteDavids 
224225226:  derneue  Davi- 
dide 286  287  288420 :  Wie- 
derherstellung des  davi- 
dischen Reiches  37  38  224 
225  226  390  426. 

Dämonen  97  371408;  =  Be- 
gleiter der  Götter  351. 

Deckel  417. 

Dekalog  39. 

Demut  293  368;  die  Demü- 
tigen 368. 

Deportation  159  161  214. 

Deuteronomium,  deuterono- 
misches  Gesetz  359,  — Be- 
form 360. 

Deuterosacharja  XV  XVI 
396,  seine  Eichtung  398 
429 ;  religiöse  Pflichten 
nach  —  431. 

Diademstein  432  433. 

Diadochen  438. 

Diamantherz  423. 

Diaspora  137  229  276  298  300 
377396421430435;  Samm- 
lung und  Heimkehr  der 
—  283  376  425  431. 

Didaktisches  244  247. 

Dieb  58  233  416. 

Disteln  71  72  81. 

Diwan  176  177  200. 

Dodekapropheton  XIV. 

Dogmatik  der  jüdischen  Ge- 
meinde 374. 

Donner  des  Gerichts  158; 
Donnerschläge  128  129; 
Donnerstrahlen  433. 

Dornen  71  81  312. 

Dornhecke  297. 

Doxologie  152  185  187  191 
222  443. 

Drache  245  246. 

Dreschen  285  286. 
31 


Sachregister 


482 


Sachregister 


Dreschwagen  159  170. 

Dünger  180. 

Dürre  124  125. 

Ebenholz  178. 

Ecke  des  Altars  432. 

Eckstein  434. 

Eden,  der  Garten  127. 

Edom  112 142  143  152  158  161 

162  163  164  228  229  231  — 

237  239  459  461. 
Ehe  6  14  15  469  471. 

—  brecherei  22. 

—  brecherin,  Strafe  der  — 
—  23  25  27  320. 

—  Scheidung  457  459  468469 
471. 

—  schluss  471. 
Ehrenplatz  177. 
Eiche  43  168  437. 

Eifer  Jahwes  für  Zion  403. 

Einhegung  24  25. 

Einzug  in  Kanaan  27  28. 

Eiterung  50  51. 

Ekron  161  368  428  429. 

Elegie  157. 

Elfenbein  178  200. 

Elia  XIV  133  457  478  479. 

Elkosch  307  308. 

Emoriter  100. 

Ende,  das,  =  Termin  der 
Endzeit  336. 

Endzeit  45  110  153  157,  s.  fer- 
ner Eschatologie,  Frucht- 
barkeit, Messias  und  mes- 
sianische  Zeit. 

Engel  140  457,  —  des  Bun- 
des 473,  s.  Angelologie. 

Enthaltung  von  Blut  und  Er- 
sticktem 428. 

Entsetzen  127  366. 

Entweihung  168  465  469. 

Epha  216  417. 

Ephod  37. 

Ephraim  429  431  435. 

Erbarmen  Gottes  31. 

Erdbeben  128  129  146  152 
155  156  217  221  223  310 
451. 

Ernte  83  436. 

—  wagen  170. 

Erstgeborener,  Opfer  des  — 
293. 

Ersticktes  428. 

Erstlinge  71. 


Erzählungen  der  Genesis  92  \ 
94. 

Eschatologie  113  114  141  161 
229  237  263  285  357  358  360 
374  380  396  397  406  443  444 
445  446  448. 

Esel,  Eselsfüllen  430  454. 

Eule  371. 

Euphrat  430. 

Exil  9  28  53  225  226  276  283 
284  436;  Exilierung  71. 

Fackel  317  445. 

Fahrgeld  249. 

Falle  74  173  174. 

Fallgrube  46  47. 

Familien  auseinander  reissen 
276. 

Fangnetz  46  47. 

Farbe  402  418,  rote  316;  Be- 
deutung der  verschiede- 
nen Farben  402  418. 

Fasten  122  129  255  422  423. 

Fasttag  110  122  421  422  423 
426. 

Fehlgeburt  476. 

Feierkleid  409. 

Feige  296  322. 

Feigenbaum  26  121  183  282 
322  355. 

Fels  =  Gott  341. 

Fest  27  69  70  181  195  218  315 
426;  Ursprung derFeste  26. 

—  Jubel  70. 

—  Ordnung  448. 

—  speise  35. 
Festung  239. 

Feuer  136  159  209  238;  —des 
Gerichts  474  477. 

—  becken  445. 

—  mauer  405. 
Finsternis   128    194  218  279 

365 ;  Hinausstossen  in  die 
—  311. 
Fisch  39  341;  der  grosse  — 
245  246  252. 

—  fang  179  341. 
Flachs  24  26. 

Fluch  416  425  453  466  475. 
Flugblatt  148  150. 
Forderungen  Jahwes  291 293 

423  426. 
Frau  des  Oberpriesters  von 

Betel  214;    Frauen    von 

Samarien  179. 


Freigabe  182. 

Fremde,  die  71  214;  Fremd- 
herrschaft 434  435. 

Frevel,  Frevler  108  158  159 
164  176  181  200  294. 

Friedenskönig  426  430. 

Friedensreich  281 282  427430. 

Fromme,  der  327  332  333  334 
335  357  429  456  459  476. 

Frost  452. 

Frömmigkeit  95  456  477. 

Frucht  der  Lippen  106. 

Fruchtbarkeit  des  Landes 
(indermessianischenZeit) 
9  27  28  31  32  38  110  113  141 
224  387  432. 

Frühfeige  75. 

Frühregen  133  134  433. 

Fürbitte,  Fürbitter  208  210. 

Garbenhaufen  445. 

Garn  342. 

Garten  46  127  183  227. 

Gat  160  161  199  269  368. 

Gath  ha-Chepher  241. 

Gaza  152  158  160  161  368428. 

Geba'  452  453. 

Gebet  123  241  249  252  326. 

Gebetskampf  95. 

Geburtswehen  102  103. 

Gefangene  auf  Hoffnung  431. 

Geier  272  339. 

Geist  Gottes  385  415  423; 
Mann  des  Geistes  73  ;  un- 
reiner Geist  449. 

Geistesausgiessung  110  113 
135  446. 

Gelage  179  201, 

Geldbeutel  383. 

Gelübde  105  251  254  315  465. 

Gemeinde,  jüdische;  Krisis 
in  derselben  375. 

—  Versammlung  130. 

Gerechte,   der  108  333  337. 

Gerechtigkeit,  Jahwes  108 
299  307  314  327  335  372 
373  408,  des  Menschen  31 
59   196  205  423  478. 

Gericht  157  193  204  205  218 
359  472  473  474  477  478, 
—  zum  Frieden  426;  das 
letzte  —  185  333,  s.  ferner 
Weltgericht. 

Gerichtsdiener  409. 

Gerichtsverhandlung  265  292 


Sachregister 


488 


Sachregister 


Gerste  35  36. 

Gesalbte,  der  354  414. 

Gesandtschaft  :i93. 

Gesäuertes  182. 

Geschichtsbetrachtung  (>. 

Geschmeide  27. 

Gesetz  114,  —  von  Ursache 
und  Wirkung  175;  — 
Moses  XIV  457  478  479, 
mosaisches  Ritualgesetz 
398. 

Gesetzlosigkeit  334. 

Gesichte  sehen  136,  s.Yision. 

Gestirndienst,  assyrischer 
363. 

Getreide  25  63. 

—  krankheit  389. 

—  tenne  70. 

Gewaltthat  176  200  294  334. 
Gewicht  falsches  216  295. 
Gewitter  141  157  266  309  353. 
Gewürm  der  Erde  27  30  341. 
Gibea  49  74  81  82. 
Giebelstein  415. 

Gift  205. 

—  blume  79. 
Gilbe  183. 

Gilead  57  97  159  163  239  301 
436. 

Gilgal  44  77  97  181  188  293. 

Glatze  218  272. 

Glaube  337,  prophetischer 
149   150. 

Gnade  302  408. 

Gog  208  355. 

Gold  318  428  443. 

Gomer  bat  Diblaim  2  14  15 
16  17  33. 

Gomorrha  184  370. 

Gott  vgl.  Jahw^e ;  der  leben- 
dige —  21,  —  ist  kein 
Ding  unmöglich  425,  — 
verzeiht  19;  —  betrügen 
475,  —  vergessen  28.  Got- 
tes Wesen  335,  —  Wun- 
dermacht in  der  Natur  191. 
Tochter  eines  fremden 
Gottes  470. 

Gottesbescheid  279. 

Gottesdienst,  der  wahre  258. 

Gotteserkenntnis  31  53  54 
468,  bei  Hosea  5  38  39  41 
56  69. 

Gottesfurcht  467  468. 


Gottesfürchtig   458  459  472 

476  477  478. 
Gotteshaus  74. 
Gotteskampf  94  95. 
Gotteskasten  440. 
Gottesnanie   204;     Wechsel 

des  —  242  243. 
Gottesreich  376  396  398  427. 
Gotteswort     13,      s.     ferner 

AVort. 
Gottheit,   assyr.-babyl.   197. 
Gottlose,  der  327  332  333  335 

337  354  472  476  477  478. 
Gottlosigkeit  38  39  277. 
Gottverlassenheit  52  278. 
Götter,  andre  33. 
Götze  45  66  80  88  107  268 

290  347  348  433  434  449. 

—  apparat  290  291. 

—  bild  267  268  290. 

—  diener  357  470. 

—  dienst  23  30  66  89  114  165 
166  197  290  396  410  434  443 
448  468. 

—  freund  253. 

Grab,  schmähliches  316. 

—  Schändung  164. 
Granatapfelbaum  121. 
Grasschnitt  208. 
Grausamkeit  84  85  104  159 

162  163. 
Grauwerden  61. 
Greis  130. 
Greuel,    kultische  57  58  97 

428, —  derVerwüstung429. 
Griechen  vgl.  Jawan  113. 
Griechenfreund  441. 
Griechentum  430  431. 
Grosskönig  51  68  80. 
Grundsteinlegung  389. 
Gussbilder  66  99. 
Gut,  das  Gute  65  149  188  189; 

die  Guten  werd  en  bewahrt 

und  gerettet  224  225. 
Güte  Gottes  38  63  64. 
Gymnasium,  griechisches  in 

Jerusalem,  444. 
Haar,  das  —  scheren  272. 
Habakkuk  XVI,  sein  Name 

328    331,    Legende    über 


330     418 


-      Ge- 


sinnungsgenosse Jeremias 
328,  Zeitgenosse  Jeremias 
und  Nahums  329330. 


Habgier,  Habsucht  192  272. 

Hadad  447. 

Hadadrimmon  396  447, 

Hadrach  147  427. 

Haggai  XVI,  Jjeförderer 
des  Tempelbaus  379;  seine 
Anscliauung  von  Tempel 
und  Kultus  387,  seine 
Wirksamkeit  379;  sein 
Buch  ein  ileferat  über 
seine  Reden  378  379. 

Haken  179. 

Hamath  146  199  206  426  427. 

Hand,  auf  den  Mund  301; 
die  —  schwingen  = 
Gestus  des  Spottes  371. 

Harfe  195  196  201. 

Harmonie  zwischen  den  phy- 
sischen und  den  geistigen 
Sphären  31. 

Harpune   179. 

Hasael  158  159  160. 

Hasmonäer  446. 

Haus 205,  aus  Quadersteinen 
192,  im  Orient  365  382; 
Ebenholz  —  178,  Elfen- 
bein —  178,  Winter  — 
178,  Sommer  —  178.  — 
Jahwes  71,  =  Kanaan  77. 

—  gÖtter  72. 
Hauteinschnitte  63  449. 
Händeklatschen  325, 
Hebestein  444. 
Hebräer  250. 

Hefe  365. 

Heide,  Heiden,  259  285  291 
299  403  457  459;  gleich- 
berechtigt wie  Juden  247, 
Gott  nicht  gleichgiltig 
244;  ihr  Angriff  von  Je- 
rusalem 444;  ihr  Bekennt- 
nis zu  Jahwe  426  454,  ihre 
Religiosität  244  251 ;  ihre 
Strafe  454455 ;  ihre  Unter- 
w^erfung  unter  Jahwe  301 ; 
ihre  Verehrung  Jahwes 
459  464  466. 

—  freundlfchkeit  360  374. 

—  hass  259  298  374  424. 

—  mission  245. 
Heidentum  70. 
Heidenwelt,  besiegt  298299, 

gerichtet  406,  strömtnach 
Jerusalem  426. 
31* 


Sachregister 


484 


Sachregister 


Heil  7  84  408;  das  raessia- 
nische  —  299  350  358  403 
420  478. 
Heilig,  Heiligkeit  90  91  141 
179  237  335  407  455;  levi- 
tische  Heiligkeit  398  455, 
Heiliger  =  Gottesname 
93  351. 
Heilige,  der  — Jahwes,  450 
45  L 

Heiligtum  81  211  220  470; 
Entweihung  des  —  457. 

Heilsverkündigung  bei  Am 
152  153,  bei  Hos  9,  bei 
Mch  258  262  264,  bei  Na 
303  306  314,  bei  Zph  360 
372. 

Heilung  52  53  324  478. 

Heimkehr  aus  Exil  9  10  22 
28  38  91  97  107  299  406. 

Heirat  von  NichtJüdinnen 
457. 

Heldai  420. 

Hellenismus  333  441. 

Herakles  246. 

Herbstfest  26. 

Herdenturm  284. 

Herold  140. 

Herrlichkeit  Jahwes  346351, 

—  des  geretteten  Jerusa- 
lems 376. 

Hesione  246. 

Heuschrecke  119  127  128  131 

183  207  208  323  324  476 ; 

Namen  und  Stadien  der 

—  118  134  323. 

—  plage  110  117. 
Himmel  52  222  223  267  408, 

Verfinsterung  des  — s  141. 

—  fenster  476. 

—  gewölbe  223. 

—  beer  362  363. 

—  richtung  419. 
Hinnomthal  451. 

Hirt  288  434  437  438  439  441 ; 
drei  böse  XV  391  397 
439,  ein  guter  XV  391 
397,  ein  ruchloser  391  396 
397  437  441  442. 

Hirtenbube  443. 

Hirtenstab  Huld  439,  —Ver- 
bindung 439  440,  —Wehe 
441. 

Hiskia  13  260  267  361. 


Hitze  452. 

Hofgesellscliaft  363  364. 

Hofstaat,  himmlischer  408. 

Hohepriester  382  387  394  396 
397  398  401  408  410  420  421 
437  438  439  440  441  442 ; 

—  =  Genosse  Gottes  442. 
Holzstoss  445. 

Hörn  =  Sinnbild  der  Macht 
404;  —  des  Altars  178. 

Hosea,  das  Buch,  Bekannt- 
schaft Jesajas  mit  dem- 
selben 10,  Entstehung  lOf., 
Redaktion  nicht  vorexi- 
lisch  11,  sekundäre  Ele- 
mente 8—10,  Text  11,  das 
ursprüngliche  2  10. 

Hosea,  der  Prophet,  Bürger 
Nordisraels  XIV  XV  2, 
seine  Dichtungen  5,  kein 
Fanatiker  18,  seine  Gattin 
2  16,  zweite  Heirat  9  33, 
Kinder  3,  kein  blosser 
Lyriker  27,  sein  Name  2, 
Priester  (?)  2,  Sohn  Beeris 
2,  seine  Stimmung  75,  pro- 
phetische Thätigkeit4 — 8, 
Zeit  3  4. 

Höhe, Höhenkuli  (vgl. Bama) 
37  70  79  211. 

Hungersnot  182  219. 

Hurenlohn  26. 

Hurerei  22  42  43. 

Hürde  277. 

Hyrkanus  Sohn  des  Tobias 
441. 

Jagd  47. 

Jahresanfang,  Verlegung  des 

—  381. 

Jahwe  Sebäot  149  190;  = 
Arzt  53  86 106,  =  Erhörer 
der  Gebete  Israels  435, 
=  Erlöser  435,  =  Fels 
341,  =  Feuermauer  405, 
=  Führer  der  Heimkeh- 
renden 91  277,  =  Gott  des 
Himmels  250,  =  Gott  der 
Höhe  292  293,  =  Helfer 
102,  =  Herr  aller  Mächte 
148,  =  Herr  der  ganzen 
Welt  286,  ==  Hirt  101  432 
434,  =  König  277  283  284 
285  376  452  454  466,  = 
Leiter  der  Geschichte  437, 


=  Licht  Zions  299,  = 
Löwe  91 101,  =  Menschen- 
töter  87,  =  Eatgeber  284, 
=  Eächer  308  309,  = 
Schiedsrichter  der  Völker 
282,  =  Schmelzer  474, 
=  Schöpfer  der  Menschen 
469,  =  Schöpfer  und  Herr 
des  Alls  185  186,  = 
Schöpfer  von  Meer  und 
Festland  250,  =  Ursache 
des  Unglücks  174,  =  Va- 
ter 86  87  469,  =  Vogel- 
steller 62,  =  Zeuge  374 
471  474.  Jahwes  Auge 
414,  —  Bogen  352,  — 
Bote   473,    —  Gäste  361, 

—  Heer  129,  —  Heilige  450 
451 ,  —  Helden  140,  —  Kö  - 
eher  352  353.  —  Namen 
288  464  466,  babyl.Aequi- 
valent  109,  iVussprechen 
des  —  Namens  204,  Ent- 
weihung des  —  Namens 
464,  Geborgensein  im  Na- 
men —  376,  Furcht  vor 
dem  Namen  —  294,  Nen- 
nung seines  Namens  über 
jemand  226,  Wandeln  in 
seinem  Namen  282,  — 
Pfeil  353,  —  Schwert  222 
442,  —  Vorläufer  473478, 

—  Wohnsitz  52  113  142 
157  351  407  418,  —  Wort 
s.  Wort.  Jahwes  Barm- 
herzigkeit 129,  —  Eifer 
131403,  —  Eifersucht  308 
309,  —  Forderungen  291, 

—  Fügung  15,  Gerechtig- 
keit 372  373,  —  Gnade 
300  302,  —  Hass  461,  — 
Heiligkeit  90,  —  Herr- 
schaft 240,  — Liebeseifer 
für  Zion  401,  —  Liebe  zu 
Jakob  456  460  461,  — 
Macht  164  462,  —  Beue 
103,  —  Eückkehr  407,  — 
Schalten  309  311,  — 
Schmerz  89  90,  —  Still- 
schweigen 333  335  377,  — 
Verhältnis  zu  Israel  130 
131  172 173,  —  Wesen  148^ 

—  Wohltaten  291  293403, 

—  Wunder     298     301. 


Sachresf  ister 


485 


Sachregister 


Jahwe  zerstört  sein  Hei- 
ligtum 220.  Jaliwe  su- 
chen 53  84  188  189  268; 
bei  —  schwören  220 ;  vor 
—  iiiehen  249. 
Jahwehekenncir  137  291. 

—  bild  66  86  220. 

—  dienst  24. 

—  furcht  79. 

Jakob,   der  Erzvater  92  94 
95  98. 

Jakobssöhne  475. 

Jason  347  439  441. 

Jawau  =  Jonier,  Griechen, 
113  139  396  431  432. 

Jägersmann  77. 

Iddo  400. 

Idealgrenzen  des  heiligen 
Landes  430. 

Idololatrie  397. 

Jebusiter  429. 

Jedaja  420. 

Jehu,  Dynastie  3  5  17. 

Jerobeam  11.  3  13  14  17  146 
158. 

Jerusalem  260  265  294  296 
405429  441  444  445  449  470, 
Benjaminsthor  in  — 453, 
Eckthor  in  —  453,  Fisch- 
thor in  —  364,  Königs- 
kelter in — 453,  Maktesch 
in  —  364,  Neustadt  in  — 
364,  Stampfe  (Mörser)  in 

—  364,  Turm  Chananelin 
— -  453,  —  =  treue  Stadt 
424,  —  =  Zentrum  der 
Welt  281  450  454.  Jeru- 
salemsBeamtenkreise  277, 

—  Belagerung  286,  — 
Endzeit  285  299  452,  —  Er- 
höhung 281  452,  ~  Er- 
oberung 228  443  450,  — 
Erwählung  408,  —  Heilig- 
keit 141  398455,  —  Herr- 
lichkeit 404,  —  Klage  443, 

—  Neubevölkerung  424, 

—  Bettung  374  376  396 
443  450,  —  Beue  443,  — 
TJnverletzlichkeit  306  315, 

.  —  Verkommenheit  258 
357  372  374,  —  Wert  be- 
urteilt 406,  —  Wieder- 
herstellung 299  300,  — 
Zerstörung   112    280   284 


Die   Spannung   zwisclien 
—  und  Juda  446. 

Jezreel,    Blutschuld  von  — 
3  18. 

Jezreel,  Jloseas  Sohn,  3  14 
17  20  21  32. 

Igel  371. 

Illusion,  religiöse  172  189 194 
219  260  280. 

Insellitnder  370. 

Inspiration  97  155  402  423. 

Inspirierte,  der  73. 

Intervention,  syrische  440. 

Joas  ben  Joahas  158. 

Joch  83  314. 

Joel   XYI,    seine   Art    114 

125   126   129  131    138  140, 

sein  Buch    111-115,    sein 

Namel09,seineSprachell3. 

Johannes  Hyrkanus  X V  229 
446. 

Jojakim  332. 

Jona  ben  Amittaj  241. 

Josaphat,  Thal  137  141. 

Joseph  190  205  396  435; 
Schaden  Josephs  205. 

Josia  358  361  363  396  447. 

Josia  ben  Zephanja  420. 

Josua  ben  Josadak  380  382 
391  401  408  409  414. 

Jotham  13  267. 

Israel,  ein  Ehrenname  135 
138,  =  Jahwes  Erbbesitz 
301,  Gattin  22,  Volk  427. 
Anfang  seiner  Sünde  81, 
Israels  Altwerden  61,  — 
Charakterzug  92,  —  Ge- 
schichte  85,  —  Jugend- 

,      zeit  29  75  196,  —  Nieder- 

'       gang  78,  —  Braerogative 

172  223  225. 
Israeliten  =  Kinder  des  le- 
bendigen   Gottes    20  21, 

I       ihr     Hochmut    47,     ihre 

I  Menge  20  21,  ihre  Unver- 
besserlichkeit 55,  ihre  Ver- 
mehrung 32. 

i  Juda  116  212  367  431  441  445 
454  470,  Judas  Wieder- 
herstellung 227  237;  — 
bei  Arnos  146  148  151  158 
165,  —  bei  Hosea  2  8  9 
10  11  19  44  48  49  51  55 
58  70  83  92  93  94. 


Judaisierung  428  429. 
Judas  Makkabäus  229392398 

441. 
Juden   und    Judentum    214 

430  431. 
Jungfrau  432  433. 
Justiz,  gewissenlose  166,  un- 
gerechte 190;  —  mord280 
391  397  447. 
Jüngling  405  432  433. 
Kalb  100  478,  —  vonBethel 
79  80,  von  Samarien  66 ; 
die  beiden  Kälber  82. 
Kaleb  460. 
Kalender,        babylonischer 

381. 
Kalk  164. 
Kalne  199. 
Kamel  454. 

Kanaan  96,  seine  Naturpro- 
dukte 25  26. 
Kaphtor  223. 
Karkemisch  327. 
Karmel  158  222  309. 
Karnajim  205  206. 
Kaufpreis  einer  Braut  35  36. 
Käfer  323. 
Kedesche  44  167. 
Kelter  70  134  141. 

—  treter  140  226. 
Kerijjot  164. 
Kewan  197. 

Kinderlosigkeit  42  76  470. 
Kinderopfer  292  293. 
Kindersterben  76. 

Kir  159  160  223  224. 
Kir-Moab  164. 
Kislew  422. 
Klage  318  447  448. 

—  lied  273  274. 
Klappnetz  174. 

Klaue,   das  Spalten  der  — 

442. 
Kleinodien  72  104  318. 
Klugheit  193. 
Koptbund  409. 
Korn  25  32  121  216  432  433. 

—  abgäbe  192. 

—  brand  183. 

—  Wucherer  215  217. 
Korrektur,  dogmatische  199 

224. 
Königin  in  Ninive  317  318. 
Königsheiligtum  212. 


Sachregister 


486 


Sachregister 


Königsmahd  208. 

Königtum  37,  bei  Hosea  7 
59  60  79  80  81  85  102. 

Krankheit  50  53  86  106. 

Krämer  323. 

Kreta,  Kreter  369. 

Krieg  4  183  184  186  203  238 
316,  heiliger  —  140  278 ; 
kriegerisches  Selbstge- 
fühl 289;  —  gegen  die 
Frevler  82;  Aufborendes 
Kriegs  30  429  430;  Grau- 
samkeit im  —  84  163. 

—  beute  275  286. 

—  geschrei  164  165  365. 

—  material  183  290  429  430. 

—  sitte  138. 

—  Waffen  431  432,  Um- 
schmieden der  — 140  282. 

Krippe  124. 

Krone  für  Serubbabel  395 
420  421. 

Kuchen,  Aschen  —  61, 
Trauben: — ,  Weinbeer  — 
35. 

Kuh,  störrige  45. 

Kulturland,  Eintritt  in  das 
—  75  78  81  83  196. 

Kultus  6  7  26  43  444751 57  58 
68  69  70  71  75  106  112  113 
114  121122  149182  187  410 
458  459  462  469  471 ;  —  = 
Sünde  Israels  23  42  48  78 ; 
Urteil  über  den  —  bei 
Amos  180  181219  220,  bei 
Haggai  387,  bei  Hosea  24 
56,  bei  Joel  112  113,  bei 
Micha  293. 

—  apparat  290. 

—  eifer  182. 

Kusch,  Kuschiten223321322 
357  358  370  371  375. 

Kuschan  351  352. 

Küssen,  kultischer  Brauch 
100. 

Kyaxares  305. 

Lachisch  271. 

Laienschaft  423  465. 

Lampe  413  414. 

Lanzenspitze  282. 

Laubhüttenfest  385  398  454 
455. 

Laugensalz  474. 

Lärmschlagen  126. 


Läuterungsgericht    443   457 

472. 
Leben  188  189  190  337. 
Lehre,  reine  398  448  449. 
Leiche  184  215. 

—  Verbrennung  203. 
Leidenschaft,  politische  61. 
Leithammel  434. 

Letek  35  36. 

Leuchte  364  365;  Leuchter 

412  413  414. 
Levi,   Leviten  448  457  458 

467  468  474. 
Libanon  107  309  347  436  437. 

—  wein  107. 
Libyer  321  322. 

Licht  194299;— Wechsel  452. 

Liebe,  Gottes  31  32  86  106 
424  456,  —  zu  Jahwe  5; 
:Nächsten  —  38  39  55  56 
423. 

Liebeserweisung  293  423. 

Lilie  106. 

Limitation  362. 

Lippe,  reine  375. 

List,  Ueberlistung  94  95. 

Liturgisches  331  356. 

Lo-'Ammi  3  14  15  19  20  22 
32. 

Lobopfer  182. 

Lobpreis  Gottes  135  254. 

Lodebar  205  206. 

Lohnarbeiter  383. 

Lo-Ruchama  3  14  15  18  20 
22  32. 

Los,  das  —  werfen  138  235 
250  322;  =  Anteil  am 
heiligen  Lande  274;  Un- 
glückslos 246. 

Lösegeld  192. 

Löwe  52  101  173  175  195  289 
373  437. 

—  höhle  319 
Luftreise  418. 

Luxus,  Luxuriosität  176  177 

200  201  359. 
Lüge,  Lügen  39  276,  =  Götze 

166;  —  lehrer  =  Götze 

348;  —  Orakel  433. 
Lysimachus  397  439. 
Makkabäer  288  289  290  298 

306  327  354  398  429  430  445. 
Mal'ak   Jahwe  395  402  408 

409  446. 


Maleachi  XV  f.  456  457, 
seine  Bedeutung  459. 

Malstein  37  78  178  290. 

Manasse  321  358  359. 

Mantel,  härener  449. 

Maresa  272. 

Marktsteinversetzer  50. 

Marot  271. 

Mass,  falsches  216  295. 

Massa  331. 

Massebe  s.  Malstein. 

Matrose  249  251. 

Mattathias  289. 

Maulbeerfeigenbaum  213. 

Maultier  125  454, 

Märchen,  aegyptisches  246. 

—  litteratur  418. 

Meergras  253. 

Megiddo  447. 

Meineidige  417. 

Melde  370. 

Memphis  71  72. 

Menahem  ben  Gadi  3  4  13 
50  51  60  80. 

Menelaus  397  439  441  442. 

Mensch,  Subjekt  der  Beli- 
gion  292  293. 

Menschenleben,  Wert  des- 
selben 366. 

Menschenopfer  57  77 100  291. 

Menschenraub  161. 

Merkbuch,  himmlisches  477. 

Messias  38  259  286  287  288 
354  394  410  427  429  430; 
messianischesHeil  386401 
411,  —  Hoffnung  298,  — 
Eeich  379  390  395  426  429, 
—  Zeit  38  107  114  133224 
225  226  274  281299  300301 
401  404. 

Messschnur  405. 

Metrum  und  Strophenbau, 
bei  Joel  117,  Kinametrum 
236  266  267  269  272  274 
303  314  371  374  375  438; 
Distichon  20  274  285  289 
290  303  308  334  336; 
Tristichon  225  442  443  446 
449 ;  Tetrastichon  20  22  28 
105  151  157  173  181  186 
188  190  194  214  216  218 
221  222  224  225  226  227 
252  266  272  274  277 
278    280  281  284  285  286 


Sacbregistcr 


487 


Sachregister 


291  294  29(>  298  3J5  334 
338    349  361   307   3()8  369 

371  374  376  430  433  434 
438  450  459  461  463  466 
476;  Füiiizeiler  105  288 
289  ;    Sechszeiler  289  298 

372  427  442;   8iebciizeiler 

157  314;    Zehnzeiler  151 

158  276. 

Micha  ben  Jimla  259;  — 
der  Moraschtite  XVI  259 
265;  seine  Art  279,  ver- 
glichen mit  Arnos  und 
Jesaja  261.  Verwechs- 
lung beider  Micha  264  296. 

Midian  351  352. 

Midrasch  245. 

Milkom  362  363. 

Minzarim  323. 

Mirjam  291  293. 

Mischehe  457  458  459  468  469 
470. 

Mischlinge  428. 

Mispa  46  47. 

Mist  180. 

Mittavindaka  246. 

Mittelmeer  219  430. 

Moab  151  158  164  228  357  369 
370. 

Mode,  assyrische  357  364. 

Monatsname  381  400  422. 

Mond  362  363. 

Monotheismus,  prophe- 

tischer 149  452  459  464. 

Moph  72. 

Moral  187  188  262  263. 

Moreschet  Gat  259  260  265 
271. 

Morgengewölk  55  56. 

Morgenrot  126  186. 

Mose  98  291  293  457  478  479. 

Most  25  32  43  44  63  121  226 
432  433. 

Motte  50  52. 

Musik  195  201 ;  musikalische 
Beizeichen  348  349. 

Myrte  401  402. 

Mythologie246309349  352418. 

Nabopolassar  304  305  327. 

Nachlese  233  296. 

Nachstellungen  74. 

Nahum  XVI  304,  seine 
Denkweise  305  f.,  Zeitge- 
nosse Jeremias  305. 


Name,  heiligcir  168,  byinbü- 
list'hcr  14,  (ibicks  —  und 
Unglücks  —  9  20  22;  — 
der  Baale  30  362,  —  Got- 
tes, ilm  anrufen  375,  aus- 
sprechen 204 ;  einen  — 
austilgen  316  362. 

—  gebung  9  20  22  32. 

—  Spielerei  269. 
Narbe  449. 

Nasiriier  75  1^18  169  :i59. 

Natan  448. 

Natur,  Gaben  der  —  25, 
Mitleidenschaft  der —  an 
den  Sünden  der  Menschen 
39  217,  Segen  der  —  132, 
Wunder  der  —  101  222, 
Wundermacht  Gottes  in 
der  —  191. 

—  Ordnung  32  372  373, 
Nebukadnezar  337. 
Necho  337. 

Negeb  239. 

Nehemia  458  463. 

Nessel  370. 

Netz  62  63  341. 

Neumond  26  49  216. 

Neuvermählte  130. 

Nil  223  436. 

Nimrod  289. 

Ninive  (Nineve)  241  245  — 
249  254  256  257  303  304 
305  315  316  321 '324  358 
371 ;  ==  Buhlerin  und 
Zauberin  320;  Ninives 
Königsburg  317,  —  Poli- 
tik 320,  —  Sünden  319, 
—  Wasserthore  317. 

No-Ammon  304  305  321. 

Nordische,  der  131  132. 

Nordland  406  419. 

Nordreich  70  147. 

Not  63. 

—  hütte  243. 
Obadja  XVI  227. 
Oberpriester  211  213  214. 
Obrigkeit  66  277. 

Obst,  reifes  214,  —  sammeln 

296. 
Ocean,    der  grosse  209  352 

353. 
Oel  24  25   32  93  121  134  201 

202  292  293  295. 

—  bäum  107  183  356  412  413. 1 


—  behillter  413. 

—  berg  450  451. 

—  BÖhno  414. 
Ofen  60  61. 
(Jfl'enbarung    14     336,     lie- 

llexion    über   den   Modus 

der  —  395  402. 
(Ohrläppchen  177. 
(Jlive  295. 

—  büschel  414. 
Omri  295  296. 
Oniadeij  438. 

Onins  III.  397  398  441  447. 

Onias  IV.   397  398  441442. 

Opfer  37  43  48  56  69  71  129 
149  181  195  251  254  292 
293  422  458  459  462  463 
465,  blutiges  —  428,  täg- 
liches —  112  120  121  431 
465;  Schlacht  —  195  196 
375,  Speis  —  120  129  196 
375,  Trank  —   120  l29. 

—  gäbe  195  463  464. 

—  gaste  363. 

—  kuchen   17. 

—  mahl   195. 

—  schale  432. 

—  tier  463  465. 
Optimismus  437. 

Orakel,  Senden  und  Beisen 

nach  —  219. 
Orgien,  kultische  47  58. 
Orion  191. 
Ostmeer  132. 

Ostwind  93   103  256  257. 
Palästina,    heiliger    Boden 

407. 
Palme   121. 
Panther  101. 
Paran  351. 
Pardel  339. 
Paronomasie  121 123  202  368 

428. 
Partikularismus  185  245  294 

375  459  462. 
Pekach  ben  Bemalja  4. 
Pekachja  4. 
Pelekan  371* 
Pelela  127  136. 
Perseus  246. 
Personifikation  121   122  405 

417,  —  der  Gemeinde  422, 

s.  auch  Angelus  interpres ; 

Satan. 


Sachregister 


488 


Sachregister 


Pessimismus  437. 

Pest,    Pestilenz  103  183  203 

351. 
Petra  229  232. 
Pfaffe  39  40  79  362. 
Pfand,  Pfändung  168. 
Pfeil  Jahwes  432. 
Pflichten,  soziale  39. 
Pflugeisen  282. 
Pflügen,  Pflüger  83  226. 
Pforte  der  Hoffnung  29. 
Pharisäer  398  446. 
Philister  112  138  139  152160 

161    175  223  228  239  357 

368  369  427  428. 
Phönizier  112  138  139  152  162 

427  428  429. 
Phraortes  305. 
Plan  Jahwes  285. 
Plejaden  191. 
Politik  51  106. 
Posaune  165  432. 

—  blasen  126. 

—  schall  164. 

Pranger,  an  den  —  gestellt  i 
werden  321. 

Priester  39  40  41  42  46  117 
169  211  278  280  373  387 
456  458  462  465  466  467 
468  474,  —  geschlechter 
448;  —  kollegiura  410; 
Aufgabe  der  — 41,  Hege- 
monie der  —  421 ;  Ver- 
hältnis der  —  zu  den 
Phropheten  422.  —  = 
Söhne  Jahwes  462. 

Problem  des  Leidens  der 
Frommen  337. 

Procession  197. 

Prophet  39  40  41  42  56  73  74 
98  147  169  173  175  211  212 
373  396  420  449;   falsche 

—  278  279,   die  früheren 

—  400  421,  die  „kleinen" 

—  XIV,  patriotische  — 
306,  undisciplinierte  398 
448  449,  —  wie  sie  das 
Volk  wünschte  276.  —  = 
Gesandter  Jahwes  384, 
=  kein  Vorherwisser  be- 
stimmter Ereignisse  15. 

—  gilde,  zunft  212  213. 

—  legende  110  147  241  330 
379  394  479. 


—  Schriften  XIII,  ihre  Rei- 
henfolge      XIII     XIV. 

Prophetentum  XV  f.  15 
304  327  443  448  449,  Auf- 
fassung vom  —  8  19  152 
155  174  381  384  449. 

Prophetenwort  13  400  423; 
Erfüllung  des  —  245  255 
407,  Herkunft  des  —  245. 

Prophezeien  136. 

Proselyten  428. 

Psalm  242  243  247  252  253 
298  300  326  327  330  332 
333    348;     alphabetischer 

—  303  306  308. 
Psychologisches  395. 
Ptolemäer  429  436. 
Ptolemäus  Lagi  229. 
Put  321  322. 

Quellen,   Versiegen  der  — 

209. 
Pabba  163. 
Rache  an  den  Heiden  und  | 

Feinden  291  306  308  309 

311  312  369. 
Rabe  371. 
Rama  49. 

Ramman-nirari  III.  146. 
Raserei  der  Propheten  74. 
Raub  der  Chaldäer  344  345. 
Rauch  100,  — Säule  136. 
Räuberbande  58. 
Recht  31  95    261    334    408; 

Sinn  für  —  59  261  279; 

—  Israels  54  55. 

—  fertigung  134. 
Rechtlosigkeit  175   176  297 

334. 

Rechtspflege  166  192. 

Rechtthun  293. 

Refrain  180. 

Regemmelek  422. 

Regen  54  84  182  183  289  390 
433  454  476;  Vorstellung 
von  der  Entstehung  des 

—  191 ;    Regenlosigkeit 
182. 

Reich,  heidnisches,  s.  AVelt- 

macht;    messianisches,  b. 

Messias. 
Reichtum    der    Völker    = 

Jahwes  Eigentum  386. 
Reinheit  und  Unreinheit  71 

276  375  388;   Reinheit  = 


Grundzug  in  Gottes  We- 
sen 333  335. 

Rekabiten  169. 

Religion  der  Israeliten  70 
169  180  195  196  334  335 
471  477;  Festhalten  an 
der  —  im  Exil  95;  —  bei 
Arnos  148  149  150  180  185 
187  188  194  211  223,  bei 
Hosea  6  8  18  39,  bei  Ma- 
leachi  459  467  474  475,  bei 
Micha  258  261  262  263  291 
292  293  294. 

Religiosität  der  Heiden  244 
251. 

Res  in  von  Damaskus  4  158. 

Rest  283  289  369  376  384  425, 
—  Josephs  190. 

Retter  240;  Rettung,  wun- 
derbare 252  253  357. 

Rezon  158. 

Rhabdomantie  43. 

Richter  277  373. 

Ricinus  256  257. 

Riedgras  103. 

Rimmon,  ein  Gott,  447,  ein 
Ort  452  453. 

Rind  47  83  125. 

Ring  (Schmuckgegenstand) 
27. 

Rivalität  zwischen  dem  po- 
litischen und  dem  geist- 
lichen  Führer  421. 

Ross  106  183  205  271  290  317 
434  435  445  454,  Rosse 
verschiedener  Farbe  402 
418  419.  Schellen  der 
Rosse  455. 

Röhre  413  414. 

Ruhbett  176. 

Rückkehr  Jahwes  nach  Zion 
424. 

Sa* an  an  270. 

Saat,  Saatkorn  67  389  390 
425. 

Sabäer  139. 

Sabbat  26  216. 

Sacharja  ben  Iddo  XVI 
Gesinnungsgenosse  Hag- 
gais  395,  Hauptförderer 
des  Tempelbaus  394, 
Schriftsteller  und  Volks- 
redner 393  ;  sein  Buch  393, 
Tradition     über     seinen 


Sachregister 


489 


Sachregister 


Vater  394  399  400,  Zweifc;! 

an  seinem  J*rophüteniuni 

394  407  421;    —    roilek- 

tiert  über  den  Modus  der 

OlFenbarung  395. 
Sacharja  ben  Jeberechja  392 

399. 
Sacharja  ben  Jerobeam  II. 

3  17  18  50. 
Saddiicäer  398. 
Sakkut  197. 
Salbung  der  Könige  59  68, 

s.  auch  üelsöhne ;  —  zum 

Gastmahl  202  295. 
Sallum  ben  Jabes  3  13  50. 
Salmanassar  III.  146. 
Samarien,  Samaritaner  59  66 

67  79  104  175   176  177  179 

198  199  202  203  220  260265 

266  267. 
Samas-sum-ukin  304. 
Sand  am  Meer  21. 
Sandalen  166. 
Sanftmütig  375. 
Sanherib  10  19  260  315. 
Satan  408. 
Sängerin  215. 
Säulenknauf  221. 
Scepterträger  159  160. 
Schaddaj  123. 
Schadenfreude  236  285. 
Schaf  47  356  432  442. 

—  händler  438  439. 

—  herde   125  289. 

—  hirt  145  146  156  157  2l3. 
Schakal  268. 

Schal  man  85. 

Scham26,  Schamlosigkeit 23 
166  167. 

Schaphir  270. 

Schändung  214. 

Schebat  400. 

Scheidung  zwischen  Hoch- 
mütigen und  Demütigen 
374  375. 

Scheinheiligkeit  274. 

Schekel  216  440. 

Scheol  103  222  253  343; 
Scheols  Pestilenz  103,  — 
-  Hachen  343,  —  Unersätt- 
lichkeit 343. 

Schephela  239. 

Scheschbassar  380  382  463. 

Scheu,  religiöse  251. 


Schiiflirucli  219,  Auswerfen 
des  (ieräts  249  f.,  Schiil'H- 
kapiiän  250. 

Seh  im' i  448. 

Schittim   293. 

Sclilachtfest  361. 

Schlaf  324. 

Schlange  195  222  301 ;  Meeres- 
schlange «=    ]  )rache  222.  i 

Schlinge  46  74  234. 

Schmied  404. 

Schmuck  27. 

Schnitter  140  226. 

Schnitzbild  290. 

Schophet  165. 

Schriftgelehrsamkeit  156 160 
161  290. 

Schriftrolle  417. 

Schutzdach  317. 

Schutzengel  473. 

Schutzgott  220. 

Schweigen  187  193  376. 

Schwelle  221,  über  die  — 
hüpfen  364. 

Schwören  39  44  79  220,  — 
Jahwes  179  203  216  217. 

Schwörer  416. 

Sed  97. 

Seemannsbrauch  251. 

Segen  und  Unsegen  382  383 
390  425  433  466  476. 

Seher  212. 

Selbstgefühl  289. 

Selbstsucht  278  384. 

Seleuciden  und — reich  396 
427  429  430  431  436  437. 

Sepharad  229  239. 

Serubbabel  XV  379  380 
382  390  391  393  395  408 
410  411  412  413  414  415 
420  421  422;  —  zum 
König  designiert  390  394. 

Seuche  103  351. 

Sichel  141. 

Sidon  260  427. 

Sieb  225. 

Siebenzahl  152  165  288  411 
412  424. 

Siegelring  390. 

Siegesbote  315. 

Silber  25  318  428  443. 

—   schekel  35. 

Simon  der  Makkabäer  und 
seine   Söhne  288. 


Sinear  417. 

Sinnlichkeit  44. 

Sinsariskiii)  305. 

Sirius  191. 

Sittenlosigkeit  166  167  175 
176. 

Sittim  46  47. 

Sittlichkeit  148  149  279; 
Verkehrung  aller  pitt- 
lichen   Begriffe  280. 

Skeptiker  456  459  472  473 
475  476  477. 

Sklavenhändler   139  161. 

Sklaverei  139  161  167  292, 
Verkauf    in    die  —  276. 

Skythen  305  329  358  359  361 
371. 

Sodom  184  370. 

Sommerfrüchte  214. 

Sonne  des  Heils  478;  Flügel 
der  —  478. 

Sonnenfinsternis  218. 

Sonnenstich  257. 

Späher  ==  Prophet  297. 

Spätregen  54  134  183  433. 

Spiel,  griechisches  444. 

Spott  296 ;  —  über  die  Wun- 
der des  Jonabuches  247  ; 
—  der  Heiden  130  236  299 
369  370. 

—  lied  344. 

Spreu  100  368. 

Sprichwort,  sprichwörtliche 
Redensart  123  169  195  282 
440. 

Spross,  Zemach,  394  410  411 
420. 

Stahl  210. 

Stallfütterung  208. 

Statthalter ,  jüdischer  380  382 
463. 

Staub,  sich  im  —  wälzen 
270. 

Stechdorn  297. 

Stein  410  411;  —  heben 444. 

Stern  191. 

Stierbilder  66  100. 

Stille,  ehrfurchtsvolle  363. 

Stoppeln  478. 

Storchenfiügel  417. 

Strafrecht  417. 

Strauss  268. 

Stroh  238  312. 

Strophenbau  s.  Metram. 


Sachregister 


490 


Sachregister 


Sturm,    auf    dem  Meer  249 
251,  —  des  Südens  432; 

—  ernten  67. 

—  bock  317. 
Superstition  204. 

Sünde  416  417  448;  —  Is- 
raels 23  42  102  105    300, 

—  Samariens  und  Judas 
267 ;  die  zwei  —  Israels  82. 

—  bekenntnis  53. 

—  register  56. 

Sünder,  Ausrottung  der  — 

224  225. 
Süsswein  119. 
Sykoraorenpflanzer  145  146 

213. 
Symbol    210,      symbolische 

Handlung    393    438,     — 

Namen  14. 
Synkretismus  359. 
Syrien  396;   s.  auch  Assur. 
Tabor  46  47. 
Tafel  336. 

—  Inschrift  336. 

Tag,  drei  Tage  246  247  252 ; 

—  Baals  27;  —  Jahwes 
110  111  112  113  123  126 
128  132  135  141  149  171 
194  198  218  230  234  237 
238  349  359  361  363  365 
367  374  407  450  452  474; 

—  von  Jezreel  21 ;  —  der 
„Späher"  297;  —  derVor- 
zeit  97. 

Tamuz  447. 
Tanut-Amon  321. 
Tapsarim  323. 
Tartessus  248  249  255. 
Tau  55  56  106  289. 
Taube,  einfältige  62 ;  girren 

wie  die  —  318. 
Taumelbecher  346. 
Taumelschale  444. 
Taumelwein  238. 
Teman  s.  Theman. 
Tempel,  Gottes  im  Himmel 

266;  heidnisch  er —  70 139; 

—  in  Jerusalem  120  281 
387  395  424  455  458  464 
473,    Verherrlichung  des 

—  386,  Händler  im  — 
455:  —  in  Leontopolis 
441. 

—  anläge  410. 


—  bau  378  380  382  384  391 
404  410  411  415  420  421 
422. 

—  berg  280  281. 

—  gebäude  389. 

—  leuchter  413. 

—  quelle  141  142  448  449 
452. 

—  schätz  80  139  286  440441. 

—  schütz  429. 

—  türe  464 

—  Vorhalle  130. 
Temperatur  Jerusalems  452. 
Tenne  70  100  285. 
Teraphim  37  433. 
TerelDinthe  43; 

Text,  Beispiel  für  seine  Ent- 
stehung 368. 
Thal  der  Entscheidung  141, 

—  Josaphat  s.  Josaphat. 
Theben  s.  No-Amon. 
Thekoa  145  146  156. 
Theman  163  235  350  351. 
Theokratie  404. 
Theophanie  95  266  309  310 

348  349  350  352  355  431. 
Thor  =  Gerichtsplatz   191, 

—  eines  Landes  277  322 ; 
Wasser  —  317. 

Thora,Thorot  69  333  334387 
467  468,  —  Jahwes  165 
281  282  398. 

Tiämat,  tehöm,  352  353. 

Tiere,  wilde,  26  30  39  101 
102  125  289  347;  zahme 
— ,  ihr  Fasten  mit  den 
Menschen  255. 

Tiglat-Pileser  III.  4  51. 

Tisch,  zu  —  liegen  201. 

Tobia  420. 

Tobiaden  438  441. 

Tod  103,  Seuchen  des  — 
103 ;  den  —  herbeiwün- 
schen 257,   die  Seele  vom 

—  loskaufen  96. 
Topf  455. 

Tote  Meer,  das  219  430  452. 
Totenklage  186  193  321. 
Totenkläger  193. 
Totenverehrung  71. 
Totenvolk  der  Urzeit  253. 
Töpfer  440. 

Tracht,  ausländische  364. 
Tradition  92  94  95. 


Transcendenz  Gottes  250292 

395  473. 
Traube  75  296  356. 

—  kuchen  34  35. 

Trauer,  schmerzlichste  286, 
—  um  den  einzigen  Sohn 
218  447,  —  der  Erde  39 
158. 

—  brot  71. 

—  ceremonie  321. 

—  gewand  218. 

—  speise  71. 

—  zeichen  120  218  255  268 
270  272  279. 

Traum  433  434,  Träume  ha- 
ben 136. 

Traurigkeit  477. 

Treue  Gottes  31  302,  — 
gegen  Jahwe  5  459,  — 
unter  einander  38  39. 

Treulose,  der  335  337  338. 

Treulosigkeit  Israels  48  92 
468  471. 

Tribut  61  68;  —  an  Tiglat- 
Pileser  4  51, 

Trunkenheit  118;  =  Bild 
für  Entsetzen  322. 

Tyrus  152  158  161  162  260 
427  428  429. 

Ueberbordwerfen  eines  Pas- 
sagiers 251. 

Ueberfall  275. 

Uebermut  derChaldäer  344. 

Uebermütig  459  477. 

Ueberschreitung  des  Auf- 
trags Jahwes  340  403. 

Umdeutung  152  219. 

ümgestaltuDg,  geologische, 
des  Landes  452. 

Umkehr  zu  Jahwe  399. 

Unbeschnittene  272. 

Undank,  — barkeit  168  357. 

Unehrerbietigkeit  462. 

Unehrlichkeit  im  Handel  216 
217. 

Unfruchtbarkeit  76  77  475. 

Ungeduld  405. 

Ungehorsam   168. 

Unglück  279. 

Universalismus  39  185  245 
259  360  375  462, 

Unmut  255  256. 

Unrat,  ins  Gesicht  geworfen 
321  466. 


Sachregister 


491 


Sachregister 


Unschuldige  251  257. 
lliisitiliclikeit  41^. 
llDterschenkel  177. 
Untreue,   eheliclie  7  15  457 

472;  —  g^-gen  Jahwe  17. 
Unzucht  44. 
Urzeit  253. 

Usia  (Uzzia)  13  146  451. 
Verächter  Jahwes  357. 
Verblendung  275. 
Verbrennung    der   Gebeine 

zu  Kalk  164. 
Verfaulen    bei    lebendigem 

Leibe  453. 
Vergebung  der  Schuld  105 

302  411. 
Vergeltung,  gerechte  238. 

—  lehre,    individuelle  327 
333. 

—  recht  139. 
Vergessen  der  Baale  29,  — 

Jahwes  28  101. 
Verherrlichung  Jahwes  383. 
Verlobung  Jahwes   mit  Is- 
rael 31. 
Vermehrung,     wunderbare, 

des  Hestes  Jakobs  289. 
Verschwörung  4  211. 
Versöhnungstag  426. 
Vertäfelung  der  Häuser  382. 
Vertrauen  auf  Wagen   und 

Eosse  271  290. 
Verzagtheit  319. 
Verzeihung  255  257  409. 
Verzweiflung  81  253. 
Vierzahl  404  418. 
Vision   151  207  209  214   221 

231    336  355  393  400  401 

413. 
Vogel  27  30  39  76  173,  Flie- 

genlassen  eines  —  418. 

—  jagd  174. 

—  schaaren  76. 
-^  steller  62  74. 

Volk,  Anschluss  der  Völker 
an  Jahwe  407,  Herbei- 
strömen der  Völker  zum 
Tempel  281  426. 

Volkserzählung  246  395  418. 

Vorbote  des  jüngsten  Tages 
110  111  123  128  132. 

Vorläufer  Jahwes  473  478. 

Vorratskammer  124  389. 

Vorzeichen  410. 


Vorzelt  474. 

Völkergeri.lii     113    137   285 

374. 
Wachs  266. 
Waffengattung  171. 
Wage,  falsche  216  295. 
Wagen   271  290  316  317  418. 
Wahnsinn  445. 
A¥ahrsagung279280  433  434. 
Wallfahrt  189  454  455. 
Walten  Gottes  in  G  eschichte 

und  Natur   191. 
AVarte,   die  336;   Wartturm 

336. 
Wasser  24. 

—  teich  318. 

—  Versorgung  323. 
Wegführung  in  die  Wüste 

27. 

Wehen  der  messianischen 
Zeit  193  376. 

Weherufe  326  327  330  333 
342-348. 

Wehklage  193  447. 

Weib,  im  Epha  417;  Teil- 
nahme der  Weiber  an  den 
Festen  27;  — -  der  Jugend 
471  472. 

Weidenbach  206. 

Weihe,  sich  weihen  363. 

Wein  43  44  71  119  168  201 
227  295  432  435. 

Weinberg  29  183  192  227  267 
268  296. 

Weinkrug  201. 

Weinlese  193  296. 

Weinstock  26  78  107  282  315 
425  476. 

Weintrinker  118. 

Weise,  der  152  235. 

Weisheit  294  427. 

Weissagen,  Weissagung  136 
336. 

Weisspappel  43. 

Weisungen  Jahwes  69. 

Weitherzigkeit  292. 

Weltbaum  414. 

Weltbild  223. 

Weltgericht  137  138  264  265 
266  304  326  348  349  350 
355  357  358  360  363  366 
368  374  407  ;  Geborgen- 
sein am  Tage  des  —  368. 

Weltmacht,  heidnische,  390 


391    396   404   427  430  435 
437  445. 

\V(;ltmecr  353. 

Weltreicli,  judaisiertes  398. 

Weltumwälzung  380  386  390 
403. 

Wermut  191  205. 

Westmeer  132  452. 

Wiederaufleben  53  55. 

Wiederherstellung  Jerusa- 
lems 299,  —  Judas  und 
Israels  435. 
WiederholungderGeschichte 
28,  —  des  zweitletzten 
Verses  479. 

Wiedervereinigung  Jahwes 
mit  Israel  9  27  28  31 ;  — 
Israels  und  Judas  9  20 
238  276  287  315  425. 

Wiederverheiratung  35. 

Wildesel  67  68. 

Wind  276  406,   —  säen  67. 

Winterregen  133. 

Winzer  121  233. 

—  messer  282. 

Wirren  desNordreichs50 102. 

Wissbegierde  405. 

Wolf,  Nachtwolf  339  373. 

AVoile  24  25  26. 

Wort  Jahwes  13  14  56  119 
131  282  385  400 ;  Hunger 
nach  dem  —  Jahwes  218 
219;  —  machen  79. 

Wortspiel  189  269. 

Wunderbaum  243  256. 

Wurfholz  173  174. 

Wurmfrass  50. 

Wurmstich  256. 

Wüsten  Wanderung  28  101; 
vierzig  Jahre  der  —  152 
169  196. 

Zauber  und  Zauberkunst  320 
383  433. 

—  wasser  416. 
Zeboim  89. 
Zecher  45. 

Zehnten  71 181  457  458  459 
474  475  476. 

Zehnzahl  424. 

Zeichen  zur  Sammlung  der 
Israeliten  91;  —  als  Vor- 
boten des  Tages  Jahwes 
128  136  141  218. 

Zeltpllock  434. 


Sachregister 


492 


Sachregister 


Zemach  s.  Spross. 

Zephanja  XVI,  seine  Art 
359,  seine  Herkunft  359; 
abgebildet  mit  einer  La- 
terne 365, 

Zerrissenheit,   geistige   298. 

Zerschmettern  der  Kinder 
104  322. 

Zerstörung,  definitive  268. 

Zerstreuung  u.  d.  Völker  78. 


Ziegelform  323. 

Zion  133  142  157  198  238  239 
240  280  283  284  28o  286 
296  300  357  401   424  431; 

—  =  heiliger  Berg  237; 
Zions  universale  Bedeu- 
tung 263  281  282,  —  Ge- 
rettete 240,  —  G]ück407, 

—  Hoffnung  298,  — 
Eecht  299,  —  Sünde  299, 


—  Unverletzlichkeit  238. 

Zorn  Jahwes  50  90  102  106 
221  222  251  259  291  299 
300  310  348  350  352  365 
368  374  399  400  401  403 
419  420  424  462. 

Zornesbecher  238. 

Zug  nach  Jerusalem  21. 

Zwölfprophetenbuch  XIII- 
XVL 


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