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3 -i-^ 3/3 5>i,0^
t^a^)ar^ (EoUege librarig
FROM THE
ICHABOD TUCKER
FUND
ESTABLISHED IN 187S BV THE
BEQUEST OF ICHABOD TUCKER,
CLASS OF 1791, AND THE GIFT OF
MRS. NANCY DAVIS COLE, OF
SALEM
G
Die
deutschen Frauen
ill dom
Mittelalter,
Ein Beitrag
Hausalterthiimern der Gerraanen,
Von
KARL WEINHOLD.
'WIE N.
Verlag von Carl Gerold.
185).
V<i^ ZH'^^
Druck von Carl Gerold & Sohn. . ' V
b C
7
Vorr ede.
Ich tibergebe hiermit der Oeffentlichkeit ein Werk
das einen Theil der deutschen Hausalterthtimer behandelt
Es will die Zustande darstellen, welche die Frauen der
Germanen und namentlich der Deutschen im Hause, in
der Familie, in der Gremeine, in der Gesellschaft umga-
ben. MSehten der nicht kleinen Aufgabe meine Krafte
einigermafzen entsprochen haben.
Alles hat seine Entstehungsgeschichte , so auch diefz
Buch. Mancher seiner Mangel wird seine Erklarung in
dem bewegten Geschicke finden, unter dem ich es schrieb.
Von jener Ruhe der Arbeitsstube, in welcher gelehrte
Werke am besten gedeihen, habe ich in den Jahren wenig
genofzen, wo es in mir entstund. Den Entschlufz zu die-
sem Werke fafzte ich im Spatherbste 1847 als Privat-
docent an der Universitat Halle; ich schritt rasch zu der
Durchforschung der Quellen, aber mitten darin hemmte
mich eine schwere Krankheit und den genesenden um-
brauste der Frtihling von 1848. Kaum war die nStige
Starke und Sammlung wieder gewonnen, so gebot meine
Versetzung nach Breslau einen neuen Stillstand. Der Som-
mer 1849 vergieng unter mancherlei inneren und aufzeren
StSrungen. Zum Winter griff ich um so rtistiger das
Werk an und so wuchs es rasch empor, dafz ich bereits
seinen Abschlufz zu finden meinte. Ich muste aber erst
neue Bewegungen erfaren. Ostern 1850 folgte ich einem
Rule an die Jagellonen-Universitat zu Krakau. Die Ueb-
II
gewordene Arbeit solte raich tiber das Gefiihl der Fremde
erheben; anderes aber, was schleuniger Hand bedurfte,
schied mich auf einige Zeit von ihr. Und als ich nun die
Bogen meiner „Frauen'' auf den Schreibtisch legte, stiirzte
meine Hauslichkeit mit einem grofzen Theile des armen
Krakau in die Flammen. Nur einenl.. Zufalle verdanke ich
die Rettung dieser Handschrift. — Elirende Tlieilname, die
Heimat und die Liebe richteten mich von dem harten
Schlage auf und als inir die Fremde an dem neu begrtin-
deten Herde durch liebende Sorgfalt heimischer ward, kam
auch diesem Werke sein Ende. Der Handschrift, welche
ich nach Wien unter die Prefse schickte, folgte ich bald
nach um jenseits der Donau in den steirischen Bergen
diefe Vorwort zu schreiben. So wird was ich an der Sale
begonnen, an der Oder fortgesetzt, an der Weichsel geen-
det, an der Mur mit dem letzten Worte versehen.
Wenn zu der gleichmafzigen Durchftirung eines
Werkes Statigkeit der inneren Stimmung und Gleichheit der
Hilfsmittel gehSrt, so wird es um mein Buch in dieser
Hinsicht schlecht bestellt sein. Der Ramen meines aufzeren
Lebens in diesen Jahren wird sich dem theilnemenden
leicht mit dem Gewoge der inneren Erlebnifse ausfttUen.
Und solte ich von der Ungleichheit meiner wifzenschaft-
lichen Hilfsmittel reden, wie mir namenthch beim Ab-
schlufze und bei der Ueberarbeitung des abgeschlofzenen
oft das notwendigste abgieng, so kOnnte ich allerlei er-
getzliches und manches bittere erz^len.
Ueber die Art wie ich* arbeitete habe ich wenig zu
sagen. Aus dem was mir meine Quellen gaben suchte
ich mir jeden Gegenstand erst im Geiste fertig zu machen
ehe ich verglich wie ihn andere behandelt hatten. Oefters
in
fiel diese Vergleichung aus den gegebenen Grftnden ganz
weg. Bei den rechtswifzenschaftlichen Theilen habe ich
die skandinavischen Gesetze nach besten Kraften vergli-
chen, wie ich tiberhaupt der festen Ueberzeugung bin
dafz wir in dem nordgermanischen Alterthum stets die
ftirende Leuchte ftlr unsere deutschen Zustande anziinden
mtifzen. Grimms, Dahhnanns und Wildas Arbeiten haben
diefz bereits auf das schlagendste bewiesen.
Mir lag vor allem daran den weiten Stoff, welcher
unter mein Werk falit, einmal zusammenzuraffen^ Im ein-
zelnen wird sich vieles genauer ausfuren lafzen, manches
sich befzer begrtinden, manches auch vielleicht als falsch
hervorgehen. Wenn mir Gott Gesundheit erhalt und Le-
ben schenkt und ich ktinftig Umgebungen habe, welche
wifzenschafflicher Thatigkeit gtinstig sind, so gedenke ich
liber diefz und jenes noch einmal und mit reiferem Geiste
zu sprechen. Anderes soil sich diesem anschliefzen, was
von dem grofzen Felde deutscher Geschichte genommen
zur Erkenntnifs der Vergangenheit, zum Trost der Ge-
genwart, zur Hoffnung ftir die Zukunft beisteure.
Die Mtihsal der Forschung habe ich mOglichst zu
verhtillen gesucht; es ist mir aber nicht so gelungen als
ich wtinschte. Die Begrtindung der Einzelheiten und die
Notwendigkeit die ganze Untersuchung zu geben, haben
der DarsteUung an mehr als einer Stelle geschadet Die
Leser die ich mir wttnsche werden sich aber hierdurch nicht
abschrecken lafzen. Es ist leichter iq der Weise des Herrn
G. Jung aus Tagesgerede tiber Emancipation der Weiber
eine Geschichte der Frauen zusammenzuschreiben , als
sich besonnen dem geschichtlichen Stoffe hinzugeben und
diesen auf sich wirken zu la[zen.
Aus Verehrung gegen deutsche Frauen habe ich
diefz Buch in meinen Gedanken beschlofzen, mit Hoch-
achtung vor einem Geschlechte habe ich ea geendet, aus
dem mich treffliche auferzogen, geleiteten, fbrderten, lieb-
ten und erhoben. Deutsche Frauen werden die deutschen
Manner befzern und unsere Geschichte retten mtifzen,
nicht durch Amazonenzuge, aber durch die Macht edler
Herzen und gewaltiger Weiblichkeit In dem Leben der
Familie, in der Ehe liegt unsere Hoffiiung, welche wahn-
sinnige zerstSren mOchten.
Meine Ansichten tiber diese oder jene Frage hier
noch einmal zu begrtinden , halte ich fur unnOtig. Mag
sich rechtfertigen was zur Rechtfertigung stark ist.
Einzelne Freunde haben mich mit literarischen Nach-
weisungen warend dieser Arbeit unterstiitzt; ich sage
ihnen meinen aufinchtigen Dank dafiir. Von anderen Man-
nern erhielt ich trotz Anfragen und Bitten nicht einmal
eine Antwort.
Vor dem Gebrauche bitte ich die Druckfeler zu ver-
befzem, die als unvermeidliches Uebel sich gezeigt haben.
Jch habe nur die zweite Durchsicht besorgt und so ist
manches stehen geblieben, manches auch nachtraglich hin-
eingekommen, was nicht hineingehort
Das Buch wird nun hinausgehen von der gewaltigen
Donau und ich rufe ihm, das ich lange in Liebe gehegt,
tiber die Berge einen Scheidegruli nach. Es grtlfze die
Freunde „draufzen in Deutschland" und zeige sich als
deutsch von Anfang bis zu Ende.
Gratz in Steiermark, den 12. August 1851.
Karl Weinhold.
I n h a 1 1.
(
Selte.
. ^ Ersier AbschniiL Die Naineii i — 24
\ Die aUgemeineu Beueuuungen des Weibes und die Eigennamen.
J^weiier Ahschniii. Die Gftttinneu 25^ 51
M^ritier Abschniii, Die Priest erinnen , weisen Franen
nnd Uexen. 52— 73
Vierter Abschniii. Das Al&dchen 74—136
*-■ Erziehung. des Weibes. 'T^ie rechtliche Stellung namentlich der
imyerheiraiteteii Fran.
FAnfter AhMchnUt. FriiueiidjQitgit ., 137—189
Die Liebe vor der ritterlichen Zeit. ^er hoiische Miunedienst
Sechster Absehniii. Die Verm Ah lung 190—274
Die rechtlichen Bestimmungeu Uber die Vermablung. Die Ge-
br&uche bei Verlobung mid Brautlauf. * ^,y'^
Siebenier Absehniii. Die Ehefrau und die Wit we. 275—340
^Die Ehe in rechtlicher und sittlicher Hinsicht. Die Witwenschaft.
Das Hauswesen. Die hausliche Einrichtnng.
Aekier Absehniii. Das gesellschaflliehe Leben. 34i.~403
Die Unterhaltungen des Tages. Spielleute. Tanz. Festlichkeiten.
Gkutfrenndschaft. — Die Sittlichkeit der Gesellschaft.
"^^JVeunier Abschnitt Die Tracht 404 — 469
/ Kleidnng. Gewandstoffe. Kopftracht. Schmuck.
Zeknier Abschniii. Rttekblick 470—^86
ELarakterziige der germanischen Frauen.
Erster Abschnitt
Die JVameii.
•
Jjie gesdiichtliche Betrachtung der Sprache ergibt fiir die
Volkergeschichte nach alien Seiten die rcichsten und o|i: die uber-
raschendsten Aufschliisse, denn wo die Kroniken und Urkunden
noch schweigen, da redet das einzelne Wort. Weit iiber die geschicht-
lichfesten Zustande hinaus leitet es uns in die ersten Zeiten der
Volker, wo sie in Gegenden und in Gemeinschaften lebten, dieihnen
nacbher fem wurden, wo sie nicht nur in politischer sondem auch
in geistiger Kindheit s<;unden und sich Worte, BegrifFe und Zu-
stande erst schaffen musten. Jene ersten Zeiten sind filr den For-
scher so anziebend, wie fiir Eltem und Kinderfreunde die Jahre,
wo sicb das Kind in die Menschheit hineinlebt« Die tagtaglich
neu zustromenden Eindrucke werden in dem jungen Geiste ver-
arbeitet und mit eigenthiimlich schopferischer Kraft durch Laute
bezeicbnety welche zum Worte geschlofzen, sinnliches und gei-
stiges in sich vereinen. Diese Vorgange beobachten, dem Gange
und den Griinden dieser Entwicklung nachspiiren, gehort zu den
anziehendsten Aufgaben der- Wifzenschaf t. Da fiihlt man in einen
jeden einzelnentLaut Leben und geistige Bedeutung stromen, und
hort in den verbundenen Lauten die Gedanken sich erzeugen
und ordnen. Jedes Wort leitet auf einen Keim^ aus dem eine
mehr oder minder stark sinnliche Wahmemung spricbt. Jedes
alte Wort spiegelte urppriinglich einen sinnlichen Eindruck ab und
die abstracte Bedeutung, die es spater etwa erhielt, ist eine abge-
1
/
leitete* Mag das Etymologi siren oft auch trocken und vielfach ab-
schreckend sem, es ist doch eine ungemein bedeutende und
lonende Arbeit.
Was jemand nennt, das kennt er auch irgendwie; der Wort-
vorrat eines Volkes bezeichnet also den Umfang seiner geistigen
und leiblichen Habe. 1st ein Wort entlehnt, so war auch der Ge-
genstand, den es ausdriickt, dem Volke nicht ureigen. Diese ein-
fachen Wahrheiten machen dem Geschichtsforscher die Sprach-
kunde unentberlich , denn durch die Sprache vermag er allein das
Bild von den Urzustanden der VSlker zu entwerfen. So ist denn
auch uns, die wir dar^i gehen, die Verhaltnisse deutlich zu ma-
.chen, in denen das Weib bei den Germanen in der alteren Zeit
sjtond, eine Durchmusterung des Sprachschatzes hochwichtig. Die
allgemeinen Benennungen des Weibes, so wie die Eigennamen
germanischer Frauen sind dabei gleich bedeutend; denn aus bei-
den ergibt sich die Anschauung, welche unser Yolk in altester
Zeit von dem weiblichen Geschlechte hatte : aus den allgemeineren
Worten die allgemeinere Idee, aus den Einzehiamen der Gattungs^
begrift in seine verschiedenen Abtheilungen zerlegt.
Im Gothischen treten uns ?5wei nahe verwandte Worte ent-
gegen, quino als allgemeine Bezeichnung des Weibes, quens als
Benennung der verheirateten Frau* Sie weisen beide in ihrer Grund-
bedeutung auf die mutterliche Bestimmung hin und lafzen sich
durch „Gebarerin" iibersetzen \ Dabei bew'art sich Wilh. Wa-
ckemagels scharfsinnige Bemerkung iiber die Bedeutung der durch
Laut verschiedenen 9 aber aus einer Wurzel gebildeten Worte^
Quinoy das den Laut des Pr'asens zeigt, gibt die Bestimmung kund:
es ist das zum Gebaren bestimmte Wesen; quena im Vokal des
Plurals der Vergangenheit, weist auf den Erfolg : es ist das durch
Gebaren vollig zur Gattin gewordene Weib. Diese letztere Bedeu-
tung hat auch das mittelhochdeutsche kone. Das Wort ist iibri-
gens alien germanischen Sprachen bekannt, und findet sich im Alt-
') Als Wurzel ist qinan, qan, qenum aufzustellen, urverwandt dem \&U gignere, •
griech. ysvvdv.
Dordlschen mit gleicher Zweitheilung durch Laut und Bedeutung
wie im Gothischen *). Ebenso kennen es das urverwandte Grie-
chlsche und das Slavische, {yvvri, fhenuj zona,)
Aufzer diesen Worten finden wir in den meisten germanischen
Sprachen zwei andere Namen: imp Weib (altn. vif) und frouwa
Fran (altn. freyjd). Das Wort Weib zu erklaren ist schwierig, und
die mittelalterliche Ableitung von einem sagenhaften Konig Wippeo
von Frankreich ^ frommt eben so wenig wie neuere Deutungen.
Auffallend ist auch, dal'z das Wort sachlichen Geschlechtes ist;
wir mogen daraus auf einen allgemeineren Begriff schliefzen , der
erst spater sich auf die Bezeichnung des Weibes einschrankte*
Halten wir die zunachst anklingenden Worte hinzu'), so ergibt
sich fur die anzusetzende Wurzel WB, die sich nach der „I und A"
Klasse entfaltet, der BegrifF der Bewegung» Weib bezeichnete also
allgemein das Bewegliche, das Gewandte.
Frau heifzt zunachst die Herrin , ursprfinglich aber die frohe^
erfreuende *). Das Verhaltniss des Germanen zu seinem Herrn, die
Stellung des freien Mannes zu dem Fiirer, der durch Tiichtig-
keit ausgezeichnet 9 den treuen Gefarten mit milder Hand und
freundlichem Sinne fefzelte, war ein schones und heiteres; darum
hiefz der Herr auch der liebe und erfreuende. Lange hat das
Wort Frau den alten Sinn „Herrin" bewart; es war noch im
13. Jh. ausschliefzliche Bezeichnung der vornemen Weiber, ohne
Unterschied ob sie verheiratet* waren oder nicht. Wenn also
Walther von der Vogelweide in seinem schonen Lobliede auf die
deutschen Frauen (Lachmann. S. 56 f. Simrock 1, 31) sagt, dafz
in Deutschland die Weiber befzer seien als anderwarts die Frauen,
') kona (jquinna Hyndlul. 15): qudn, 2) Frauenlob. MS Hag. 3, 115.
Dieser Wippeo erinnert an den Admiral in Flore and Blanscheflur. ') i£;t&t7,
der K&fer; wibeln sich rasch bewegen von einem Haufen gebraacht; weibdn sich
bewegen, schwanken, fliessen. we'ban weben. — wShan und wip unmittelbar verwandt
zu nennen, kommt mir nicht in den Sinn, aber die mittelbare Verwandtschaft ist
nicht abzaieugnen. ^) dax vr6uiven an in ist bekant, des Jint si vrouwen genant.
Slrick. Frauenehre 1081. diu vrouwe vrdUwet wide unvrouwet maneger muoter kint-
MSH 3, 71 die mit tugenden vrdUwent dne we, die hei^e ich vrouwen, MSH 3,
105 vgl Freid. 106, J. Tit. 16, 46.
1*
5D erhebt er dadurch die Biedrigen Weiber deutscher Lan(le liber
die vornemen Damen der Fremde. Iwein, der Ritter mit dem
Lowen, entgegnet auf den Antrag, der ihm gemacht wird, e?n
edles Madchen zu heiraten, bescheiden und in verstellter Niedrig-
keU, er sei an Stand der Juns^fi^u nicht gleich, eine Fraii
inufzte einen Herren haben (Iw. 6622) ^). Auch im Norden hie-
fzen nur die vornemeren freyjw^ warend mf zu den Benennnngen
der geringeren Frauen gehorte, wie sich ira Rigsmal zeigt, wo
6ine der Tochter des Gemeinfreien (Karl) vif faeifzt. Neben dem
allgemeinen GeschlechtsbegrifFe bezeichnete demnach wrp (mf) ein
Rangverhaltniss , aufzerdem aber bedeutete ee wie kone das Ehe-
weib. Es steht also der Jungfrau (maget) gegeniiber ^), warend sich
frou nnd maget wol vertragen. {vrou maget MSH. 2, 172. Vgl. Nib.
303, 4 Parz. 550, 25. Flore 1106). In vrouw lag im 13. Jahr-
hundert wenigstens noch nichts, was auf dasVermahltsein hinwies-
Wo es gleichbedeutend mit wtp (Eheweib) erscheint, da iet diefe eben
nur Schein ^) , und es ist entweder der vomeme Stand der Frau,
oder das hofisch untergeordnete Verhaltnise des Mannee 4u dem
Weibe stark hervorgehoben. Zuweilen wird, um anzudeuten dafz
eine fchone vornem und verheiratet sei , frou und wtp yerbun-
den *). Welches Wort, Frau oder Weib, vorzuglicher sei, dariiber
wird in der hofisohen Minne-Poesie vielfach gestritten. Wahher von
der Vogelweide entscheidet sich fur Weib (48, 38 Lachm^) Der
Meisner, Regenboge, Raumeslant sprechen ebenfalls dafiir, und
heben hervor, dafz das weibliche namlich die Scheu vor unziemlichen
Dingen sich in diesem Namen ausfpreche* Heinrich von Meissen dage-
gen trat iibermutig fiir das Wort Frau in die Schranken und erhielt
dadurch wie es scheint, seinen Zunamen Fraunlob*). In neuerer
') Vgl. auch Frauendienst 546, l5. 565, 1. *) diu S hiez maget, diu wtis
nu wip. Parz. 43, 24. fi was ein maget, niht ein wtp. Parz. 60, 16. 84, 6. wd
ze wibe wirt ein ma^et, H. Trist. 288. do wart diu maget vil gemeit ein aU6 schoene
wip. MSB 2, 172. •) vgl. Hanpt sn Engelh. 652. ^) edele frouwt liehe^ wip*
Pafsion. 42, 1. Parz. 302, 7. Trift, 9294. H. Trifi. 1076. ») Dafz er in dem
Namen Frau die Ehefrau verherrliche , also der Poesie der Liebe die Poesic der
KUe entgegen stelle, l&fzt sich aus dem Sprachgebrnuche der Zeit nicht begriinden.
S. Zacher in Ersch und Grubers Encyklop. I. Sect. XLVIII. 878.
Zeit hat matl sidi auf seine Seite geschlagen und das Wort Weib
beschrankt und herabgedruckt* Es wird jetzt auch fiir Eheweib
in den boheren Standen nur selten gebraucht und Frau hat deiti-
nach seine Bedeutung ausgedent*
^^^Fur das ihm abgehende Wort frou b^sitzt das Altsach*
sische ^) ein anderes, namlich femea, zugleich gemeiiisam mit dem
Angelsachsischen (faemne), dem Friesischen (fdmne) und dein Altnor-
dischen (feima). Das Wort erinnert auffallend an das lat, fefrmna;
indefzea ist Entlehnung oder selbst Yerwandtschaft abzuweisen.
Auf das Altnordische gestutzt , wo fdma die schaniige Jungfrau,
das Zeitwort feima sich schamen bedeutet , fafzen wir auoh diefz
Wort als Beiwort und iibersetzen es ,,die schamhafte, ziichtige."
Im Friesischen hat auch fdmne iiberwiegend die Bedeutung Jung*
frau und steht dem vlf gegeniiber*). ,
Ein anderes Wort fiir Frau hat das Altsach sische aufzer
mit dem Angelsachs. und Altnord. mit dem Althochdeutschen ge-
mein, namlich idia (ags* ides^ altn. dhf ahd. itis), Obschon diefz
Wort im Althochdeutschen und dem S'achsischen namentlich aber
im Angelsachsischen allgemein fiir jede Frau jeden Alters, gleich
ob verheiratet oder nicht, verwandt wird, so hat es doch dabei
eine mythische Bedeutung und bezeichnet gottliche Jungfrauen, na*
mcntlich Gottinnen des Geschickes. Im Altnord* hat dis allein diesen
mythischen Sinn '). Wir miifzen in der Grundbedeutung des Wor-
tes etwas vermuten , das zu dieser Verwendung verleitete und ich
glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich die Gottin Idun herbeiziehe
und idia 9 wie das mit jenem Namen geschehen, zu den Begriffen
id Arbeit, idia arbei!en, halte* Idia hiefze also die schaffende
und ware fiir das riirige Weib wie fiir die Schicksalsfchafiferin ein
bequemer Ausdruck.
Ein altes Wort ist ferner brut^ Braut* Allerdings ist es fiir
die Verlobte oder die kiirzlich Vermahlte am brauchlichsten , im
1) Dm Wort frua in der Essoner Handschr. Ist wie das mittelniederl. vrouwe
em hochdeutocher Eindringling. *) Richthofen Altfriesischs WOrtcrbach 726. Jac.
Grimm Geschichte der deutschen Sprache. (Leipz. 1848) B52. lOOl. ') Ucber
die Glcichheit von dis uiid idis s. J. Grimm deutschc Mythologie 373.
6
Angelsachs. (br^d) fiir Ehefrau iiberhaupt; alldn die einfachere
Form brdy briu mufz fiir Weib im allgemeinen genommen werden*
Was ist nun die Bedeutung hievon ^)? Das Zeitwort briuten kann
una nicht aufhelfen, da es erst von brut abgeleitet ist, wol aber
ist an briuwen zu denken* Die Bedeutung „Bier kochen, brauen"
ist schon fruhe von der iibertragenen „etwas anstiften^ bereiten"
begleitet^ Wie nun wenn diese die urspriingliche und wie das bei
gerben (garawan) der Fall ist, die besondere eine spatere ware*)?
br^t hiefze also, dem goth. quino oder quens gleich, die geba-
rende oder zum gebaren bestimmte.
Das Altsachsische hat noch das Wort frt (ein neutr. gleich fmp)^
das nut frouwa im Grunde iibereinstimmt und die freie, die schone
bezeichnet (vgl. Myth. 279), AUein diefz Wort, wie eine Anzahl
altno;'discher Benennungen sind nicht weiter verbreitet. Die Kiin-
stelei und Begriffsfpalterei, welche sich in dem Altnordischen viel-
fach ausfpricht, riefen fiir die verschiedenen Verh'altnisse und die
aufzeren und inneren Erscheinungen des Weibes eine grofze Menge
Worte hervor. Dazu kam die Skaldenregel, dafz alle Benennungen
weiblicher Tracht und weibHchen Schmuckes als dichterische Bezeich-
nungen der Frauen gebraucht werden konnten. Ich ubergehe diese letz-
teren ohne weiteres ') und hebe von den anderen altnordischen Be-
nennungen nur einige heraus. Das vermahlte Weib hiefz brddr, vtf
und fliod (neutr.), eine kluge Frauywo^, eine sanfte und ruhige
droSf eine pralerische und hochmiitige yt?am und Jvarkr, eine mann-
liche riftilly eine Strohwitwe faetay die Wit we eines gewnltsam
getodteten haelly die Witwe eines siechtodten eciya, die einen Mann
gehabt batten hiefzen eljur, die alten Weiber kerlingar, die Jung-
frau maer, (Sn. £. 201. f.) Dem altnordischen maer entspricht das
gothische mam und magaths, das althochdeutsche magaty altsach-
sische magathy angelsachs. mdgdh. Die Grundbedeutung scheint mir :
*) Alte seltsame Etymologien des Wortes brut verzeichnet Grnpen de nxore
tbeodsca 38 ff. *) Dem Worte brauen entspricht walsch berwi, gaL bearbctdh^ woher
Leo Ferienschriften 1 , B4 unser Bier erklftrt. Eonnen nicht anch diese kelt. Worte
auf den Begriff ,,heryordringen und hervorbringen" gebracht werden ? ^) Vgl. auch
J. Grimm deatscbe Mythologie 839. f.
die erzeugte, das Madchen; wie maguSy altnord. mdgr der erzeugte,
der Sohn heifzt. Friih ergriflp indefzen der BegrifF Jungfrau das
Wort allein iind erst allmalich drang der allgemeinere „Madchen"
wieder hervor, der heute dem Deminutiv iiberlafzen ist*).
Anziehender als die eben verhandelten Worte, welche das
ganze weibliche Geschlecht angehen, sind die Eigennamen* Die
Gredankenlosigkeity mit der fast die ganze Sprache jetzt angeschauet
wird, sieht auch in den Namen nur einen leren Zierrat, eine an
sich bedeutungslose Zuthat, welche dazu diene, die einzelnen
Menschen von einander zu unterscheiden , kaum befzer als durch
Zalen* Selbst die noch verstandenen Namen , wie die zallosen
Schmidt, Schneider, Miiller, Schulze, fafzt die Menge als blofze
Klange auf, was am besten der sprachliche Unsinn beweist, dafz
man Herm von Miiller, Schmidt u. s* w. zu ernennen sich er-
laubt. — Der Gedanke, dafz niemandem ohne Grund eine bestimmte
Benennung gegeben werden konne, ftirt von selbst darauf, dafz
alle Eigennamen eine feste Bedeutung haben miifzen, und anfangs
fiir eine bestimmte Personlichkeit geschaffen , erst nach und nach
AUgemeingut wurden. In den Frauennamen mufz sich der Ge-
sammtvorrat der BegriflPe wiederspiegeln , welche die Germanen
von dem Weibe in sich trugen. Sie sind also eine wichtige
Quelle fiir uns *).
Die Eigennamen miifzen entstanden sein, als die Sprache zu
einiger Ausbildung gelangt war und den Schritt that, das an der
Natur erschaflPene Wort geistig zu durchdringen. Die Worte wur-
den damals auf Gegenstande iibertragen, in denen eine Aenlich-
keit mit den ursprunglichen Wortmiittern zu entdecken wan Diefz
' ) Anderer Ansicht ist Jak. Grimm fiber Diphthonge nach weggefal-
lenen Consonanten , s. Abhandl. der Berlin. Akademie von 1845. ss* 185 fit.
'} Ich habe nicht damach getrachtet, die Gesammtmasse dor germanischen Frauen-
namen zn sammeln and hier aufzufuren. Fiir meinen Zweck (^endgte eine nicht
ganz geringe Menge, welche ich vorzAglich den Urkundensammlungen von Schannat,
Dronke, Meichclbeck und Lacomblet, den Monum. boicis, dera polyptichum Ir-
minonia, den Pertzischen Monumenten und den islandischen Sagen cntnommcn
habe. Bei jedem Namen die Belege anzufuren, wird man mir gem erlafzen. Die
Ueberaetznng mehrerer Namen ist der nicht sprachgelehrten Lcser wegen zugegeben*
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machte den Uebergang zu den abstrakten Wortschopfiingen, die
sich auf rein geistige und ethische Warn eraun gen griindeten.
Die einfachsten Naraen sind natiirlich die altesten ; unter ihnen
aber entstunden diejenigen am friihesten, welche dem Begriffeder
Gattungsnamen verwandt sind und die aufzerliche Erscheinung
bezeicfanen. Auszeichnung der Frauen ist die anmutige Gewand-
heit und die Schonheit. Liba die lebendige, Swinda die fitarke,
rasche, Sconea die echone, Berhta die glanzende, Heidr die heitere,
strahlende, halte ich fiir die altesten der Frauennamen ^). Die
zahlreichen Zusammensetzungen mit den Worten des Glanzes zei-
gen wie die Schonheit als Erbtheil des weiblichen Geschlechtes aner-
kannt wurde. Berta zeigt sich namentlich unter den Franken als
haufiger Bestandtheil der Frauennamen. Ich fiire auf:
Bertila, Bertwina Glanzfreundin, Berihilt, Bertffildis, Bertcunda
Strahlenkampf, Bertramna Glanzrabe, Bertfrida, Bertrdda^ Bert'
landis, Bertlindis, Bertswindis, Bertlds, Bertnia, Bertfiedis *), Bertlipi
Bertwii^, Bertcartf Bertwih, Bertwara. Isinspirht die eisenglanzende,
Madalberta die redeglanzende, Lotherta die ruhmglanzende.
Nicht minder zeigen die Zusammensetzungen mit wi:^ weifz,
hdt stralend 9 heiter, hrUn glanzend, hell, und mit louc Lohe,
Flamme, wie sich der verschiedenstralende weibliche Glanz in den
Eigennamen auspragt.
3) Mit herht scheint pleon gleichbedeutcnd gewescn zn sein, das in kompon.
Weibernamen begegnet (Hanpt Zeitschr. 7, 459). Leos kelt. Deutung von herht in
scinen Ferienschr. 1, 108. ') tJeber die h&ufigen Compositionsthcile nia (niu
fdwi, Rt, altn. ny) nnd Jldt {Jledis, JUdis, JUdd) etwas sicheres zu sagen, ist
schwer. Fflr niu fdre ich aiif: Adcdnia^ Paudonivia, Perhtnia, Cunnia^ Deotniy
Eigilniu^ Fastny^ Kisalni^ Cotaniwi, Cdzni^ Gerni, Uilttni, Hrddni, Hohni, Liutni,
Mahalni, *Otni, Rdtni, Reginni, Ruomniu^ Sigini^ Tagani, Waldni, Werdni, Willini^
Wuldamiu, VSny, Zawuni, Zeiziniu. Das altn. ny ahd. niwi lei ten anf niuun.
norms* Es mag also ein Abkunfts- und Verwandtschafts-Verhftltniss darin ausge-
druckt sein. Vvlt flat seicn Belege: Alhofledis^ Andefleda, Bertftedis^ Hercanfledis,
Famero/ledis, K€rfldt, Urodfldt, Ingalflidis, Mahtflet^ Merofledis, Moaffldt, Zeizfldt,
Wackernagel deutet mit Riicksicht auf vlaetec, schOn zierlich/ das einfache ^a<
ScbOnheit. — ^ Schwieriger ist his, Gehort es zu der Wurzel lis die in den goth.
Worten leisan, erfaren, lemen (prt. /aw, ich weifz) bcraustritt? lets hiefze also
kundlg. Der Mnk. Mannsnamc Witleis ware darnnch aus zwei Synonymen korapo-
lurt. Bertleis stimmte zu Bertrdt^ Wulfleis zu Wolfrun,
0
wz!^f Reffinwi!^^ Svanhmt
Adalheit (Oadalheit), Deoihdt^ Hrddhaida^ Tjiflidt^ TomaheiU
Ulfheidr, Kolbriin.
AdallouCy AlblouCf ErcanlotiCf Herlouc, Hiltilouc^ HruadUmcj
MuoihuCf Oddlaugy Sigilccug, Sncelauffy Svanlaug^ Velaug^ Guideloga^
WtclouCy Thraslaug.
Der Glanz., den die Abstatnmung gibt (Zusaromensetzungen
mil adely oadalj deot^ lanty vielleicht anch mit burc und tum)^ die
stralende Schonheit , die eich den Gottern , den Elben , dem
Schwane, dem Schnee vergleichen lafzt, die Auszeichnung, wekhe
der Kampf gibt, drficken sich hier aus und schaffen eine Menge
bedeotsamer und wolklingender Namen*
Femer sind hier aufzufliren Naraen , die von der Sonne ent-
lehnt Bind: SSlveiff, Solvdry SdlsSfna^ Sonnoveifa^ SunnihUt ; vom
Tage : Toffani, Tagalinty Dagrdriy Liobtaga; vom Osten und dem leuch^
tenden Fruhlingsfeste; ^Ostbirc, ^Ostoffin^ ^Osterhilt; vom Schnee:
Sneoburc y Sniofridry &ncehug y SnSuritken y auch der island. Name
Mioll; vom Eise: ^Isgerdry ^IsgildiSy ^Isila; vom Eisen : ^Isinpirhty
^Imnpurcy ^IsantrHty Jamgedvy vom Erz Mdhifridr, Im Gegeneatze
zu detn glanzenden und fchonen^ das sich hier uberall ausfpricht,
steht Erpha die dunkle.
Unser Alterthum war frisch und die Natur in jeder Richtung
war ihm voll Leben. Das Stubenleben und die Stadte batten unsere
Vater noch nicht aus der geschaffenen Welt in eine gemaehte ver-
setzt und die Blumen und Thiere stunden ihnen y die mit und unter
denselben lebten, unendlioh naher als uns. Wir vergleichen ein scho-
nes anmutiges Madchen wol auch noch einer Rose, nemen auch
Lilien, Tulpen und Veilchen zu bildlichen Benennungen, allcin es ist
doch kein rechtesLeben in diesen Gleichnissen, sie sind fiir uns schon
abgeniifzt. Im 13. Jahrhundert hatte es noch mehr Bedeurung,
wenn der Dichter die Herrin seines Herzens eine thauige Rose
nannte. In viel friiherer Zeit war aber voile Wahrheit in den Blu-
mennamen der Frauen, denn die Blumen galten nicht als verwel-
kendes Gras, sondern ab entsprungen aus gottlicber Nahe, als
10
Spuren der Pfade und Lagerstatten der Unsterblichen. Sie manten
an den schaffenden Geist, ihre Bliite schaute wie ein Menschen-
auge auf, mit den Zweigen und Aesten lockten und umfiengen sie
gleich wie mit Armen; und wie das Weib des menschlichen Le-
bens Schmuck dauchte, so schienen sie die Zier des Erdenlebens.
Solche Blumennamen 9 wie sie Griechen und Slaven fiir Frauen
verwandten, scheinen sich unter den Germanen friih verloren zu
haben; dafz sie aber ehemals yorfaanden waren, kann noch die
Personifikadon der Pflanzen im spateren Mittelalter und ihre altc
Besiehung auf Gotter und Thiere beweisen. Mit Sicherheit niag
man auch in den Kobold- und Teufelsnamen, welche von Krau-
tem und Blumen entlehnt sind, alte Frauennamen yermuten ').
Befzer steht es um die Thiemamen* Wie das Thier in der Vorzeit
hoher und poetischer betrachtet wurde, als yon uns, dayon redef
die mytfaische Bedeutung der Thiere und die Thiersage. Ihre Ge-
wandtheit, Starke und Schonheit liefz sie Gottern und Helden ver-
gleichen und auch Frauennamen sind uns in ziemlicher Zahl uber-
liefert, welche yon Thieren entlehnt, bezeugen, dafz das Weib
ebenso durch Schonheit und liebliche Gewandheit, als durch Starke,
Mut und kriegerische Tugenden sich auszeichnete. Alle diese Be-
nennungen, die uns yielfach naiy erscheinen wollen, sind ubrigenfi
durchaus emst und edel gemeint.
Auf das Thier im Allgemeinen beziehen sich die Namen
Tear/wind 9 Teorpurcy Tiurhilty Deorowara. Zunachst treten zwei
Thiere als yorzugsweise weiblich hervor: der Schwan und die
Schlange* Der poetische schone Wafzervogel muste unwiUkiir-
lich zur Vergleichung mit den schlanken weisen Frauen auf-
fordern , und in der That sehen wir auch bei andern Volkem, wie
den Lithauern, die Schwane und die Frauen sich in der Lieder-
sprache vollig vertreten. Diese Vergleichung ist in den Schwanjung-
frauen durch unsere Sagen auf liebliche Weise durchgefurt und di(
Eigennamen bliebcn nicht zuriick. Alpit^ und Svana, jenes hochdeutsch
diefz aitnordisch, zeigen das einfach an. Swanburc^ Swanagart, Svan-
*) Vgl. J, Grimm deutsche Mythologie 10l5.
11
kUtj Svanhvit^ Svanlaitg weisen theils auf die Scbonheit desSch wans,
theils auf das kriegerische Amt der Schwanjungfrauen*
Schwieriger wird uns die Vergleichung mit der Schlange
(tint). Unser Alterthum dachte indefzen anders von diesem Thiere
als wir; denn ihm daucbte es nicht nur schon, sondem durch ihr
anschmiegendeB und fest umklammemdes war die Schlange ein
Bild des liebenden Weibes ^). Auch erinnerte das geheimnissreiche
und zauberkraftige, das ihr zugeschrieben wird, an den Besitz der
geheimen Kunden und Krafte des Weibes , und so klang aus dem
Namen Linda (Schlange LacombL i, 52. a* 941) nicht das schlimme
herausy das unser y^Schlange" horen lafzt, sondem alles schmei-
chelnde und verbindliche , was man in ein Wort legen kann.
Darum gibt es auch der mit lint zusammengesqtzten Frauennamen
dne Menge. Mythischer Bedeutung sind Alflint^ Akilint, Egillintj
GautUntf Reginlint^ vielleicht auch NddaUint und ^Onlint Akilini
(Meichelb. 1, 12. a. 763) die Meerschlange, erinnert an den Mid--
gardsorm, defzen Grofzmutter Ndl (Nddala) in Nddallint an-
klmgen konnte* ErmanUnt (Meichelb. 1, 428. a. 823) die grofze
Schlange, mag dafzelbe Wesen bezeichnen und zugleich beweisen,
dafz der Mythus von dem Weltwurm auch den hochdeutschen
St&mmen bekannt war. Wdclint, die Wogenschlange, gehort genau
zu diesen Namen* Aljlint (Elbenschlange) und die Gotterschlan-
gen (ReginUnt GautL) rufen uns sodann jene Sagen wach, nach denen
verzauberte Frauen , die auf Elbinnen und alte Gottinnen zuriick-
leiten, meist in Schlangengestalt zu erlosen sind. Die auf den
Schatzen ruhenden geringelten Schlangen sprechen sich in £(mc'
Unt und ^OtUnt aus.
Mit den Namen anderer Thiere verbunden sind Aralint (Eri-
lini)^ BerUnt (wohl JBirin oder Bemlint?) ^ Eburlint; auf Krieg und
Frieden gehen CundMnt^ Herlint, Asclinty Gerlint^ Fridelint; das
heilkraftige kann durch Ferahtlint (Lebensschlange) ausgedriickt
sein, das kluge deutet Rdtlint und Frotlint (vielleicht auch FanU
Unt) an, das schone Berhtlinty Tagalint, vielleicht auch Fagalint,
') Armlinnr Armschlange war skaldische Umschreibnng f&r Weib. Egilss. c. 75,
12
das freundliche Winilint Der altnord. Name Ormhildr (WurmWi)
ist derselben Bedeutung wie Gundlint ').
Die beiden bedeutendsten Thiere unsefer Thiersage, Bar und
Wolf (der Fuchs wurde meines Wifstens nicht in alien Eigen-^
namen gebraucht) schauen una auch aus den Weibernamen ati;
Mit Bar (biriny bemhiknn) zusammengeeetzt sind: Adcdbiniy EUan^
bim, JSngiUnm, Gerbem, Hroatpirin, Hirizpirin, lAntpirin^ Leobbirinf
Meinbirin^ ^Ospirin,. Sigib^f Widtb,, Wolfspirin; Bemfwind (Berlint^
BereffaH). Mit Wolf: Wolf a, Woljila, Wolfpirc, Wolfpunt, Widf^
fUlt (Ulfhildr), Ulfheidr, . Wtdjleis, Wolflint, WolfHki, Wolffiknd,
Wtdjintrild, Wolfwiha ^).
Der Eber, den Germanen daa Bild grosster Tapferkeit, er*
scheint in Eberhilt, EberUnt^ Epurfwint; Aer Avlqv (Wifunt) in Wu-
find/mga; das Sofz (tor, eAw, equus) in den altnordischen Namen Jorun^
JodiSy Jofrid/Tj Joreidr; der Hirsch in Hirizpirin; die Geifz in
JEbbecei^ (1180. Schann. 640). Unter den Vogeln wurden aufzer
dem Schwan noch Adler nn<J Babe zu Frauennamen benutzt:
Aregundis, Arehili, Aralirvty besonders haufig in altnordischen Ei-
gennamen: Ambidrg, -^is, -eidr^ -fridr^ -gerdr^ ^^unnry ^katiUf ^^laug,
-leify "Hd/r^ -fridr, Berhtra/mna *). Aar und Babe durften. in dem
poetischen Bilde der Schlacht nicht fehlen. Die mit ihnen kom-
ponirten Namen gehoren also zu den zahlreichen Frauennamen der
kriegerischen Abtheilung.
V Die Frommigkeit unseres Alterthums driickt sich in verschie-
dener Richtung auf das deutlichste aus. In unserem Heidenthume
lag eine tiefe Deutung der Welt, eine sinuige und geistvoUe Er-
fafzung der Natur und eine kindliche Anschauung der Gottheit.
Der Mensch sah sich und seinen Stamm als das Gefolge und Haus-
gesinde des Gottes an und hielt mit Festigkeit an dem Dienste,
der seinen Vatern heilig gewesen war. Das germanische Heiden-
*) Was bedeuton IdelindU Pblypt. Irm, 10. Vumilint Schannat. 77. a. 786.
vgl. Vmina Schann. 280. Liegt in Helinlint der BegrifF dcs Grcheimen? ^j j^i©
m&nnlichen mit Wolf zusammengcsetzten Namen haben diefz Wort als zweiten
Theil der Komposition, was bei den weiblichen nicht gestattet scheint. •) Sind
Cramana und Crapucha &u{ Hraban zuriickznfuren ? Crapucha etwn Hrabanatvihaf
IS
tHnm hal auch seine grofzen Sohattenseiten, denn es ist heidnische
Beligion, es ist iiberdiefz schon morsch und augefrefzen , da wir
68 kennen lernen, und sein Verfall zeigt jenen Unglauben und
Selbstglauben, der eine bedauerliche Krankheit auch unserer Tage
ist. Zu seinem schon en gehbrt aber das trauliche und kindliche,
das eich auch in den Eigennamen ausfpricht , deren viele von der
Gottheit entlehnt sind und den Trager des Namens als ihr ge-
weiht, als einen Theil von ihr oder in irgend welcher naher Be^
ziehung zu ihr darstellen.
Den Namen eines der grofzeren Gotter selbst 2u tragen, er-
laubte sich. wol niemand. Dagegen sehen wir Gottemanien mit-
telfit vokalischer Ableitung zu Frauennamen gewandclt^ wie Thora
Inga.. Beach tenswert ist auch ^A/a, das unmittelbar von as (Gott)
gebildet ist^ warend die Gottin durch weitere Ableitung gebildet
^Afynja hiefz. Dem Nam en ^A/a entspricht im hoohdeutschen Cot^a
usd Gcmdaf womit mehrfache Zusammensetzungen aufzuweisen
sind: Adodgo^^a^ Wuldargo^a^ EfnaengaudayFrainiein^awdia^ Teutgaudia;
ff%At&, Coi^Unt^ Got^niy Got^winL Ebenso gehoren Gotafrit, Coianiy
Gotelinty wenn auch erst in zweiter Keihe hieher. In Got^a und
seinen Zusammensetzungen haben wir jedenfalls blofz die Bedeu-
tung des geweflit- oder abgeleitetseins von der Gottheit zu suchen,
nicht dafz uns Wuldargo^^a die glanzende Gottin selbst (etwa jPna,
Berhia), Adah- und Teutgaudia die grofze Volks- und Stammgottin
darstellten. — Zusammensetzungen mit den allgemeinen Benen-
nungen der Gottheit (a/w, dsy dsy regin) zeigen sich viele : Ansbert,
AnidrUt, Anshilt, ^Ospirinj ^Ospurc, ^Osperc, ^O/geofy'^Osfvul, ''Asbera^
"toy, .rft», ^gerdr^ ^laug, ^vdr. - — JReginbirc, burc, '-truty -gunt, "mot,
"*»««> 'Swintf "Wiii^y ^unL Regirdeif^ Ragnheidry -Mldr, Auf das gott-
licke Wanengeschlecht weasen Wanburcj Wimhilt, Wenila, Wuona;
iufdieElben Alpdrui, Albofiidisy Alpgunt^ -heit^ Mlty -louc, */wint^
^> 'Vnt^, Alfimty Alfeidvy -jgeiry gerdr.
Die Idise und Disen treteh uns auch in den Eigennamen
entgegen. Wir finden ItisburCy Itislant und zahlreiche Zusammen-
aetzuDgen im nordischen: ''Asdis , Alfdts , Freydia, Thordts, Jodts,
BergdU. Eydi8 — Herdisy Valdis, Hiordis. In den ersten vier Na-
14
men driickt sich ein priesterliches Verhaltniss aus, auch wol in
Jodts, da das Pferd (tor) in den heiligen Statten gepflegt ward.
In Serg^ und Eydis konnen sich Untergottinnen der Berge und
Inseln verraten; die Heer- Wal- und Schwertidise faren auf die
Walktirien. Ueberhaupt konnen wir aus Frauennamen , die uns
auf die Schildmadchen WuotanSj die Gottinnen der Luft und des
Waldes leiten, einen reichen Kranz binden. Die Nome des Ge-
wordenen, die Vyrd der Angelsachsen, die Urd der Skandinavier
vergegenwartigt sich uns in dem althochd* Frauennamen Wwrta
(Schann* 289. a. 817). Die Walkiirien ThrMhr erscheint in dem
althochd. Truda (Thrudila) und in den zahlreichen Zusammen-
setzungen mit drat Denn wenn diefz Wort auch in die allgemei-
nere Bedeutung von Frau libertrat, so hatte es doch auch, und
namentlich in Deutschland die besondere von Unholdin, Hexe (vgL
MythoK 394). Die Zusammensetzungen damit weisen genugsom
auf iibersinnliche Wesen, welche diese Namen ursprunglich fiirtem
Alpdrviy Regindruty Ansdrut Irmmdr4t Mirmdriit AlahdriU.
Adaldrut Amaldrut, Diettrut Lanidrut. MarcadHiU WalMrCA,
Himildrut Wolcandrut
BUctrut Branttrut Berhttrut Hrodd/rut,
Ahldrut. ElUndrut^Jfantriit GirtruU Sigidrdt WtcdrAt THdMU.
Bilidrut Bliddrdt Madald/rdt MaJialdrut EdUrut. WiUidriU.
Wieldrut,
Autirut. RtchdrUt Uodaldrut.
Fiir gottliche Wesen der Luft, des Waldes und der Schlacht
eignen sich auch die alten Frauennamen, Sunnihilt Sonnenkampf,
*^Ojterhilt Osterkampf, Winterhilt Winterkampf, DemarMU Dam-
merungskampf ^), ScohJiUt Waldkampf, ebenso Windbirc und Win^
diga* Der Name Mistila (Schannat. 445) bringt uns vielleicht die
Walkiirie Mist (Nebel) nach Deutschland heriiber; Enzawtp
(Meichelb. 1, 1232. Mon. boic. 3, 270) kann Riesenweib bedeuten
(Myth. 491); Alarun (Meichelb. 1, 495. a. 826. Mon. boic. 2, 321.
') ^%^' queldrida und myrkrida Abend- und Dunkelreiterin , als altnord.
Benennuug von Zauberfrauen.
15
Ci a. 1127) erinnert an die weisen Frauen. EIn Wesen das zu
dem alten Waldgotte Mimi gehort , verrat der Frauenname Mima
(795. Schann. 108). Auch das Gstterfaaus der Wanen hat den
Frauen Beisteuer zu ihren Namen gegeben. — Ing , der Ahn des
Geschlechts zeigt sich in Inga^ Ingberta, Ingbolda, Ingoberga, Ing-
gundis, Ingigerdr, -Z^j/*, -rid/r; mit weiterer Ableitung Ingalberga,
'burgiSf JUdis^ "hildis^ -rdda, -trudie ^), An Nerthus werden wir er-
innert durch Narthiltf Nortwip, Nerihilt, Nerifwint, wo zum Theil
der Stamm des Wortes ziemlich rein heraustritt. Fro zeigt sich
in Frogart *), altn. FreT/gerdr, welches Wort zugleich an das Lie-
besverhaltniss zwischen Fret/r und Gerdr erinnert und den Namen
Lopthoena (lalend, s. t, 66) auf ein anliches Verhaltniss zwischen
Jjyptr und einer mutmafzlichen Gottin Hoena deuten lafzt. Gleich
den Wanen erscheint Thor vielfach in Eigennamen , ein Beweis
wie vertraut und heimlich diese Gottheit den Menschen war.
Aufzer dem einfachen Thora fare ich diese Zusammensetzungen
anf: Thorama^ -dis, -elfr, -et/y -gerdr^ -gnma^ -^hildr, -katla, -laug,
-fei/, 'liot, -w^, -vor. In manchen norweg. Familien war der Thor-
kultus formKch Dienst des Geschlechts und die Eigennamen kiin-
deten diefz schon aufzerlich an. Auf ein gottesdienstliches oder
irgend wie religioses Verhaltniss deuten alle mit wiha {sacra) zu-
sammengesetzten Namen: Cotanwiha^ DrUdwihy EngUwih, Reginwihy
I^eottoihf Wolfmhay Paldwihay Perhtwih
Wir werden im nachsten Abschnitte davon zu reden Gele-
genheit haben, dafz warend der kriegerischen Wanderjahre der
Gennanen auch ihre Frauen sich gegen die Eindrucke der Schlacht
abharteten und nicht selten thatigen Antheil am Kampfe namen*
Ke Walkurien sind diese verklarten Heldinnen. Auch in den Ei-
gennamen driickt sich diese Kampfesfreude unserer Aninnen auf
"W entschiedenste aus , wie die folgende Zusammenstellung zei-
gen soil.
Balda die kiine und &wind die starke, bekunden die Befa-
0 Vgl. auch Engila, Engelburc, -pirn, -frid, mdt, fwint. Leo Ferienschriften
h 110 deutet diefz Ingal, Engtl, Angil aus gal. eingeal Feuer, Licht, walisch
o-^hl helL 2) Urougart. Mon. boic. 3, 43. c. a. 1160.
higung des Weibes, die Namen Ilelida, die Heldin unfl VeledUf
Jungfrau der Walstatt, zu fiiren. Der Zusammensetzungen mit
fwind und bcdt sind yiele : BaUfwint^ Hugi/wint, JEUanfwint^ Chtmni-
Jwinty Folqfvrinty Lant/wint, Irminfwint, Gof^wint, lAntfwint, JEbwr^
fwinty Gundfwintf Eggifwinty Francjwint, ^) Gerfwinty Hehnfwini.
Zu Balda gehoren : Baldinay Baldfledisy Baldgardisy Baidrimay Bcdd-
truty Herhaldy Sigibcddy Frdibaldy BaLtfrit. In Frotbald sehen wir
Kiinheit mit Ueberlegung gepaart, in Baltfrida die Friedfertig-
keit unterstutzt durch Heidensinn; Hugifwint, Folmot^ MuothUt,
Muotgunty NanthiU sind wcitere Ausdriicke des Mutes, welcher in
den Frauen pulst. Hilta, Wtga^ Hiltgunty GwmhUdr^ BaduMtt sind
die Greister der Schlacht, welche durch Gebahilt gegeben wird
Vorher wird der Kriegsrat durch Rdtgunt und Herrdty mit GW-
truth und Runhilt gehalten. Daranf ziehen GomahUt auf und H^
lidguntf Druhtfdlt, Adalhilt, Amalgunt, Chumgunt, ChunikUt, Theodf
gunt^ Diethilty Hergunty HerhiUy Ealhilt, Irmingunt und IrminkUt;
Manner und Geschlechter , Schaaren und Volker verwickeln sich
in die Schlacht, in die sich die Gotter selbst stiirzen. AnahUty Co^-
hilty Regingunty Wanhilty Albgunt, Alphilt erscheinen, da AlahhUi
der Kampf um die Tempel, beginnt. Die Etlstungen sind gut,
die Waffen sind scharf und werden trefflich gefiirt. Grvmay Kviwr
hilt und Helmburc sind durch den Helm gewart, Brumhilt und
Bryngerdr durch die Briinne; JEekihUty Ortiluy Oddlaugy GerhUty
GSrmuoty GerwiSy Frammldisy Framhertay Franc/winday wiiten mit
dem Schwert, dem G^er, dem Speer. Es ist ein starker und bar-
ter Kampf. Abarhilty Ellanhilty MahthiUy Mahtgunty Hertgunt kam-*
pfen; und Hiltiloucy Wicloucy Hiliimoty Ntthilty die Kampfealohe
und der Kampf esdrang sind eine Lust der Kampfer; PMhUt^ Zei%*
hUt, Liubgtmty lAitbhilt sind mit ihnen. Es ist als ob die edekten
und mut^sten Thiere auf einander stiirzten. Da kampfen Tiur-^
hilt, Bemhilty Wulfhilty Wulfgunty EhirhiUy Ormhildr, Aregundiag
ArhUtj SwanMU. Mann tritt gegen Mann, wo Smndarhilt (Sonder-
1) A. 825» Schann. n. 384« vgl. Haupt Zeitschrift fur deutsches Alter*
thuni 7, 470.
:'-
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lampf gcbietet; sie wechseln die Kampfesrede (Madalhilt) undhin-
ter den einen tritt Bilihilt^ hinter den andem BcdhUt Da kommen
Foife, Valgerdr^ Walburc, Walejlndoy Wakmtrudia und der Wal-
platZj^wird mit Leichensaat bestreut* Der einen Seite neigen eich
nun die Jungfrauen des Sieges zu: Sigini, Sigburc^ Siffihilt, Sigi^
fowc, Stgibintf Siffirdt, Sigridr ^ Sigvdr* Der Eounpf wird matt
(Zamhilt)y er ruht ganz (EimihUt) und Frida und Friderdt Ziehen
herauf mit Fredegunt^ Fridihilty Guntfrit^ Liutfrity FrideUntj Fride^
mat und Frideburc ^). Mit den Siegem sind nun die Geister des
Euhms : Hruoday HraodbirCy Hruodhiriny HruodjiMy Hrotheity Chr6U
hildisy Hruoiharty Shnuytkunnay Hruotlinty Hruoiliupf Hruothucy HruoU
mu, Chrotjinty Hruotfwint, HruottHlty Hruotwavy und die schiitzen-
den, bergenden Gewalten : Burclinty Burcfwintj Burcraty Burcwina^
Bwcm%a'y Adalburcy Chuniburcy DieibirCy FngilburCy JEllanburCf
Fastb.y Fridehy Freib.y Farab.y Helmb.y Heilb.y Hqfab.y Herhy
Eohp., IKltb. y Jtisb. y ''Jlb.y ^Jfanb.y Layitp.y Liuib,, Meginb. y N6tb.y
£mnb.y Rdtb.y SalabirCy Sigb*^ Sneohy Steinb.y Swanab.y S&b*
Swidb.y Sindh.y Snelb.y Walb.y Wanhy Warb.y Wasab^ Weniilb*,
Wtmb.y Zitburo.
In der Zeit, da die meisten der aufgefiirten Eigennamen ent-
fitunden, war man iiberhaupt dahin gekommen, sittliche Momente
in Bolcher Kraft aufzufafzen, dafz sie sich aus der Abstraction
zu konkreten Gestalten erfaoben. In den Eigennamen spiegelt sich
diefz auf merkwCirdige Weise ab , indem wir voUig abstracte Be-
griffe als Frauennamen verwandt sehen : Audr Reichtbum, Biorg
Schutz, Bot Bufze, HUfy Schutz; im Althochd. Minna Liebe,
Uuo^a Mufze, Wunna Wonne^), Gepa Gabe; auch Magada^ Ma-
gona und JDauwila (dau die Sitte) scheinen hieher zu gehoren.
Nihe-atehen die Namen die aus einfachen Adjectiven gebildet
and: Adda die edle, Balda die kune, BlitJia die heitere, ■ i>oZ%a
diegednldige, jErcAona die treffliche, Fruoma die fOrdemde, Geila
') Eine schone angelsftchs. Benennung des Weibes wb.t freduvebbej Friede-
weberin. vgl. J. Ghrimm, Andreas und Elene S. 144. Geschichte der deutschen
Sprache 655* *) VrGude, Wunne, Mime, Liebe, Namen von Bauerinnen beim
6»fen V. Kilchberg. MSH. 1, 26.
2
18
die frohe, Grama die feindliche, Helga die heilige, geweihte, Holda
die holde, freundliche, Irmina die grofze, lAot die leidige, Lmfoj
lAehtty Leuha die liebe^ SdUga die selige, Wiela die kunstreiche,
Wetta die werte, Willa die gewillte, Zei^a die heitere.
Die Vorstellungen dee lieben, frohen, willigen sind in einer
Keihe von zusammengesetzten Eigennamen auf verschiedene Weiee
liaher bestimmt. (L i e b) ^JEoliup, FiUiob, Mirluib, Nttliup, Rdtliwpy
Zei^liup^ Leobbirin, Liobgart, Liobgunt, XAupheity ZAitbMU, lAob^
mSt, Jjioborta, Lioprdt, lAuptrilt, Leobtaga, Leobwina^ lAobwt^,
Liubucha.
Wina (die Freundin) Wineberc, Wineburc, Winelif, Winelmt.
(Mild, freundlich) Biligart '), Biliheit, Bilihilt^ BUimuotf
BilitrUt — BUdtr4t. Blidhilt. — Zd^ila, Zdt^birc, Zei^purcy Zeif^Jldty
Zeit^hUt, Zdf^iniuy Zei^warz. — WilUburc ( Vtlborg) WiUidrilt, Vilgerdr*
WilUhilty WilUmuot (Wilnwdis), WilUniu, WilUquemay WUlirdtf
Willifwint
Eine andere Eeihe Frauennamen zeigt , wie hoch schon in
dieser namenschafFenden Zeit das germanische Weib trotz seiner
reehtlich niedrigen Stellung in Wahrheit stund, wie das geistige
und sittliche Leben von ihm ausgieng und von den bevorzugteren
Frauen geleitet ward. Rat und Kede und die Seelenstimmungen,
welche beide fruchtbar machen, scheinen fast ausfchliefzlich Ei-
genthum der Frauen ; so zahlreicb sind ibre Namen, welche mit
r6ty mahal und modal und muot zusainmengesetzt sind.
AdalmSt, Bilimoty Diemuoty ElismSt, Eggimuot, EngilmSty Fr6'
muoty Folmot, Germitot, Gerlinmiceda, Glismuoty Hadumuoty lUmoty
Itmuoty Memuoty Swidmot, StilUm, Wichm, Weniilm. — Muoipurc,
Moatfidty Muotgunty Muothilt, "liupy -louc, -J wind,.
Mahalbiricy Mahalniuy Mahaltrdt — Madalberty ^^arty "fftidisy
"hilty "trdt
Anstrdty Alfrdday Angilrdt, Boucr, Berhtr, Burcr, Dietr. EUanT'
Frauwirdty Fastr, Folr, Folcr, Guotr, Gebar, Gundr, Geilr. Herrdts
Irminr. lAutr, Lantr, lAupr, Mar or. Niuwir. ^Otr, Sigir. Sniumit*
') Ueber 6i7, bili vergl. J. Grimm deutsche Myth. 247,
19
Sndr. Wif^f^ir. Wielr. Waltr. Wtbrdt; Ratburc, Rdtfrit, Rdtgunt,
Batheitf R&thilt, JRdtlint, Rdtliupy Rdtniuy Rdttrdt.
Das rurige und schaffende des Weibes liegt in den Eigen-
namen mit wiel ausgedriickt: Wieldy Wielrdt^ Wieltrdt, wozu wir
noch Zawurd stellen. Unter der Hand des Weibes quillt und
wichst der Relchthum des Hauses ; darum so viel Namen, die mit
ot (audr Reichthum), uodal Besitz und mit rich komponirt sind^
Audr^ Autbolda^ Audefleda^ Autgild^ Autlindis^ Auttntty ^Otbirc,
-gart, -lint, -lohy -^dty -^chy ^trut,
Vodeldrutj -garty hdty -hilty "lint Oadaljmt
Richbaky "burCy -gart, -guntj ^heitf -hiltj -linty "inuoty -fwinty
Aus allem ergibt sich aber die Wichtigkeit des Weibes ftLr
dag engere Geschlecht , wie fiir Volk und Land ; daher die mit
ojMy amalf kum, liuty diet, druht, fara, marca und lant zusammen-
gesetzten Weibemamen:
Adalburcy ^bimj -firity -^arty -^^;^a, "grimay -gudisy -hUty -lanty
-fe^, -nta, -rt2n, -Jwindy 'toich.
AmcdbirCy -friday -gunty -fwint (funthajy -trUt*
Ghunipurcy ^gunty 'kilty -niay -fencu Chuniza,
LiutOy Zdutbirriy JJiutburCy lAutfrity Uutcunty lAutheity Liutniy
Liufyrdt, Liuljwinday Leudxyvera.
Theoda (Deota) DeotUa (Diedela) Deozzay Dietbercy Diettrdty
Teutgaudiay Thiotgerdry Dieiheity Diethilt (^Theudechildisy Thiodhild/r)y
IHetUnt (Theudelinda)y Deotniy Dietrdty Deotfwinty Dietwihy Dietwtf^.
DruetkUdisy Farabv/rc.
MarcoUdisy Marcrdty Marcatrudisy Marcovefa.
Lantpurcy ^druty Landechinay Lantrdty Lantfwinty Lantwt!^.
Auch die Namen einzelner VOlker sehen wir als bestimmte
Franennamen gefGrt: Pegiriuy Frenchiny ^Oftrogothay Sah/vjiy Swd-
H Sudvigotha, Hiezu lafzt sich vergleichen, dafz auch Verwandt-
Bchaftabezeichnungen als Eigennamen erscheinen : UotUy Gnannay
Swester (Meichelb. 1 , 294) ; nicht minder die allgemeine Ge-
schlechtsbenennung Wibay Wtvekin und Zusammensetzungen mit
^: Gnanempy Helwify Hiziwipy Houuawtby ZAuzevnby Jiiziwtb,
2 *
20
Thiadwilf, Auf das Leben uberhaupt beiziehen sicli Ferahlintj Mdr^
Idf; auf die Zeit Ztitburc^ Ziticuma; auf das Alter AltUy Ahbwre^-
AMedrHdiSy Altgunt^ AlthUty Altafwint
Fafzen wir alles zusammen was sich in diesen Napaenreihen
ausspricht) so ist es diefz: das Weib gait den Germanen als ein
Wesen, das an Geist und Leib reich begabt ist. An Sch5nheit
wetteifert es mit den Gottem und Gestimen, an Starke und Ge-
wandheit mit den Thieren des Waldes und den VOgeIn der Luft.
Lieblich und freundlich , voll Geist und Herz , tiichtigen Sinnc?
und kunstreich, ist es fiir den Mann die Quelle der Freude und
des Lebens. Selbst im Schwerterkampfe steht es ihra zur Seite,
und sein weiser Rat und seine kluge Rede machen das Weib
auch dem ganzen Volke bedeutend. yWir gewinnen also aus den
Eigennamen einen wertvollen Beitl'ag zur Erkenntniss der Stel-
lung der germanischen Frauen. Der Sinn aller dieser Namen ist
edel und hoch , und nicht das mindeste weist auf unsittlich nie-
drige Lage. Durch alle haucht die Freiheit, ein Beweis, dass es
ursprunglich keine Unfreien uiiter den Germanen gab. (Vgl. J.
Grimm Rechtsalterth. 341.) Wir dtirfen uns nicht daran stofzen,
dafz die herrlichen, zahlreichen Helden- und Fiirstennamen auch
von unfreien getragen werden , fiir welche sie nicht passen, und
diirfen den deutschen Sinn nicht zu welschen trachten 0« B^r
Name, wenn einmal geschaiFen, war Gemeingut und nicht Standes-
gut, und die Magd so gut wie die Konigin trug ihn, der von
den Vatern ererbt war. Die Germanen verwerten auch den un-
terworfenen Romanen und Kelten die Entlehnung ihrer Namen
nicht, und duldeten es leichten Herzens, dafz der Ueberwundene
den stolzen Namen des Siegers fiirte. Die Fnicht dieser Zusam-
I menstellungen wird dazu dienen , den Schattenseiten in der Stel-
lung der germanischen Frauen eine helle Lichtseite zuzufiigen ').
/
') Versuche dieser Art machte Leo in dem Aufsatze: Einige Bemerknngen
zn altdentschcn Eigennamen, in seinen FerienschriUen. Erstee Heft« Ualle l847»
SS. 88 — llB* *) Ich will hi er eine Anzahl Frauennamen zusammenstellen, deren
Dentung mir entweder gar nicht oder nnr nnsicher gelingen will. Abldrtti, Jgem*
trudisy Aclis^ AcUhildis^ Anza, Apela^ Ata^ mit dem Deminutiv Atuim, AUa^ £UQf
21
Die Eigennamen waren in unserm Alterthum dadurch von
hoherer Bedeutung als heute, dafz die Familiennamen entweder
ganz abgiengen oder wenigstens nicht geffirt wurden. Die Frische
der Sprache vermochte aber das verwandschaftliche auch in die-
sen einen Namen auszudriicken und bediente sich dazu des Ab-
lautes. Die Abstammung im Geschlechte ward der Lautabstam-
muDg gleichgesetzt; wenn also der Vater einen Namen mit ein-
fiichem Laute hatte, erhielt der Sohn denselben Namen mit ge-
Bteigertem Vokale. Die Germanen theilen diese Eigenthiimlichkeit
mit den Indern. (Grimms Geschichte der deutschen Sprache 441 .)
Hiefz also eine germanische Mutter Ada, so konnte ihre Tochter
Ih heifzen ; die Mutter Baba , die Tochter Buoba ; die Mutter
Tatay die Tochter Tuota; die Mutter Wada^ die Tochter Wida.
Andere zu belegende Reihen sind: Nana^ Nona. — Haz(ich)ay
Bz(il)ay Huza. — Wa8a{hilt)y Wisa(gunt). — Wan(hilt)y Wuona.
— Adcdheity Uodcdheit — Diese Weise ist in der Zeit, die uns
deutlicher wird, bereits mit einer andem vertauscht. Wie noch
heute in vielen adeligen und biirgerlichen Geschlechtem vom Vater
zum Sone ein und derselbe Vorname erbt, so gieng auch im Alter-
thum eine solche Nameniiberlieferung durch die Familien, und
zwar auf die Weise, dafz des Grofzvaters Name gern beim Enkel
wiederkerte, dafz aber der Sohn und die Tochter einen Namen
fiirten, der zu dem des Vaters oder der Mutter in einem Theile
der Zusammensetzung stimmte. Ebenso wurden den Geschwistem
ahnliche Namen gegeben, und auch die Neffen und Nichten zeig-
■4<^«, Eda, Ida, Idelindis^ Itmuot, Ana, Abba, Abfendis, Ava, Aza, Azila, Ecca*
^"/o, AUa, JElismdtj Elisba, Paba, Puopa, Bobila, Buobila, Basina, Bezzela^
^^echa, Bieza, Betta, Picca, Clauza, Crigilwihc, Crapucha, Cramana, Dapariz^
^ona, Doda, Tota, Tuta, Tuota, Tata, Tetta, Titbirg, Deinca, Ebba, Evekin,
^za, Egina, Enifa, Emhilt, Emgundis, Faileuba, Focca, Ganna, Gaugia, Gimiza,
^wo, Hidda, Beta, Hettila, Mecca, Hazecha, Hizeca, Hizila, Hizhcip, Huza,
**w, Immina, Immichin, Imiza, Icha, Lehfwind, Lihruge, Lira, Lisa, Mohha, Mu'
^"rma, Milq,, Milisindis, Milizza, Mas a, Mistila, Memuot, Momma, Manatuom,
^icha, Mezkunt, Nana, Nona, Oza, Ruza, Ruzila, Rosmdt, Rohgunt, Tulgild,
^a, Undna, Umilint, Wafaburc, Wafahilt, Wada, Wida, Mcrore davon sind
22
ten sich hierin den Vettem and Basen gem verwandt. Aus der
Heldensage konnen wir dae Haus der Welsungen anfuren, indem
des Ahnen Sigi Name in alien Abkommlingen sich wiederholt.
Ebenso ist der Amalungen zu gedenken^ in deren Namen der
Ahne Ainala mehrfach hervorklingt. Andere Beispiele eind: ein
Vater Unfrity der Sohn Deotfrit (M^ichelb. 1, 493); der Vater
Saluramy der Sohn Sigiram (Schannat 260); der Ysitev Bidrgo^rf
der Sohn Brynjolfr (Egilss, c. 7.); der Vater Helgiy die Tochter
Helga; der Vater Sumarlidiy der Sohn Vetrlidi (Egilss. c. 23);
der Vater ''Bpranty die Tochter ^Upurc (Meichelb^ 1, 482); der
Vater Ethelbert^ die Tochter Ethelberg (Beda hist. eccL 11. 9);
die Mutter EUanpurc, die Tochter Engilpurc (Meichelb. 1, 836);
die Mutter Deotwih^ die Tochter Deotswind (Meichelb. 1, 647).
Der miitterliche Grofzvater f/Z/r, der Enkel Vlfr (Egilse. c. 1) ; der
miitterliche Grofzvater Ketill Haengvy der Enkel Ketill Haengr ; der
Vatersvater Eyvindr, der Enkel Eyvindr. Zwei Briider WiUibald
und Wunnibald; zwei andere Ellanmh und Engilnh erinnem an
die Vatersbruder Alprth und Askrih (Meichelb. 1, 557). Ein Ge-
schwisterpaar heifzt Thorir und Thora^ Thoris Tochter Tkora, ihr
Sohn Thorsteinn (Egilss. c. 65). Ein anderes Geschwisterpaar heisst
ThSrulfr und Sceun, sie nannten beide ihre Tochter Thordis (Egilss.
c. 56). Ein paar Schwestern Liutswind und Ellanswind (Meichelb,
1, 493); ein Bruder Weltiluriy dieSchwester Weltila (Schannat 111.),
zwei Schwestern Aregundis und Ingundis (Greg. Tur. 4, 3).
Der Geschmack der Zeiten ist auch in den Namen verschie-
den. Ein Name, der in diesem Jahrhunderte schon und vomem
tout, diinkt das nachste altvaterisch oder garstig und gemein;
der eine wird unzalig oft gefiirt, ein anderer grundlos ver- '
schm'aht. Von Interesse ist es immer, Frauengesellschaften aua
fruheren Jahrhunderten namentlich aufgefiirt zu lesen, indem man
dadurch auf die beliebten Namen der Zeit schliefzen kann. Die
Nonnen eines Klosters um das Jahr 800 hiefzen also: EmhUi^
JLeobwina, Gltsmot, Trudhilt, Masa^ Werinburcy Tumwit^y Imminop
WUlifwindy Waltrdt, Gotaswind^ Leobhilty Folqfmndy Blidrdt, MaM^
hiltf Ikotrdt, Eowic, BUihiUj Deotburcy Engilwit^f Tota, HeUaewih^ '■
23
Seginwih, Elena, (Schannat 140.) Die Klosterfrauen zu Hohen-
bui^, welche una ihre gelehrte und kunstreiche Aebtissin Herrat
Ton Landsberg ahkonterfeit, hiefzen also : Gruta^ Adelheit, Mahthilt^
EdeUmt, RicMnzay OdiUay Liutgarty Hedewtc y Heilwtcy Gerdnty
Kumgtmty Margareihay Berfinty Agnes y Eufemiay Richlinty Wille-
hwrcy AnnOy Uotichoy Clementiay Herrdty BerhtUy Haztchay ItUy lutUy
Chmtinay Diemuoty Sibiliay Aba^ Juntay Hiltgunty Hemma !)• Diefz
war also ein Klosterconvent des 12. Jahrhunderts. Bauerinnen
des 13. Jahrhunderts nennen uns in gesellschaftlicher Menge die
hofischen Dorfdichter jener Zeit mehrfach bei Namen ; Neithart nennt
Gnsdy Jiutely Berhtely Irmengarty Matzey Wentely JHiltpurcy Erme-
i'n<, Trutey Bride, Wicrdty ""Avey Hildey Diemuoty Kiinzey IleiUcey
FriderHriy EUey Kunegunty Uodelhilt, Wendelmuoty Hiltrdty Liutgarty
Gepuy Gttntrdty Helene ^), Der Graf von Kilchberg : Rosey Gepe,
HUdegarty Geriy Quote y Vroude , Anne y Ellin y Igely Nese, EngeU
JJedelMlty Beatey Gtsely Uote^ Diemuot, Wilhy Gozze, Irmeliny Kldrey
Wwmey Ite, Minney Tilije y Hezzey Mezze, Salmey Katriny Kristiny
Berhtey Liebe, Adelgunty Vitey Guote, Mijcy Sufftey Else, Uedelsinty
Sidraty Kunegunty Pridey HeilwiCy Hiltey Luggey Edellinty HerburCy
GfeUf Salvety Elidcy HiUey Juzzey Hemmey Fide. (MSHag. 1, 25.)
Im 16. Jahrhunderte tauchten eine Menge alter einheimi-
scher Namen als etwas neues und gan^z besonderes wieder auf,
z. B. Rosemundy Gotthulduy TrutgartUy Wisartay Liebwarta y Frid-
hrg, Adellindtty Adeltruty Adelgundy Mathildey Gemtrut, Ehrentruty
Engeltrut ^). Heute sind die meisten der alten Namen vergefzen
oder unverstandlich geworden, und jene unerschopfliche Fiille ist
einer sehr grofzen Diirre gewichen. Dem Wolklange der alten
Namen konnen sich auch die entlehnten nicht vergleichen. Auf
die Einfiirung fremder Frauennamen wirkte naturlich zuerst das
Kristenthum ein, indem fromme und angstliche Gemiiter die
Benennungen heiliger Weiber in Bibel und Legenden den einheimi-
schen und heidnischen vorzogen. Sp'ater aufzerte sich die Be-
') Engelhardt Herrat von Landsberg Hortus deliciarum p. 60. vgl. Taf. 1 2.
*) Benecke 385, 387, 395, 401, 452 ff. MSH. 3, 2l8. ') Fischart Gargantua
cap. 10. (Ausg. von 1590. S. 204).
kaDntBchaft mit romanischer und keltischer Poesie auch nach die-
ser Bichtung und die HeldiDnen auslandischer Sagen und Romane
musten ihre Namen deutschen Tochtem leihen. So konnen die
Eigennamen ein Hilfsmittel auch zur Literaturgeschichte werden.
Ich habe mir von fremden Frauennamen angemerkt aus dem
8. Jahrhundert: Adsonia^ Beata, Elisabeth, Eugenia, Juliana, Salvia,
Sibylla; aus dem 9.: Anna, Benedicta, Christina und Kristana,
Elena, Galilea, Judith, MarcelUna, Osanna, Regina, Secundina, /Si«-
sanna; aus dem 10.: Genia, Leonora, PetroniUa, Regina, Theuphanu;
aus dem 11.: Jvdith und Regina; aus dem 12.: Agatha, Agnes^
Anastasia, Benedicta, Clementia, Cristina, Elena, Elisabeth, Eufemia,
Judith (sehr haujSg), Johanna, Leticia, Margaretha, Maria, OdHia,
Sibilia, Sophia, Tiberia; aus dem 13.: Ave (vgL Ohanna), Benedicta^
Benigna, Beata, Beatrids, Brigitta, Catharina, Clara, Clenientia,
Cristina, Elide, Elise, Eufemia, Fides, Helene, Isalda, Imagina,
Juliana, Luday Mabilia, Margaretha, Odilia, Pelagia, Petrissa, Pe-
tronilla, Philippa, Salome, Salvet, Sophia, Stephanie, Ursula, Vita;
aus dem 14.: Agnes, Anna, Brigita, Caterin, Christina, Cecilia^
Elisabeth, Sophia ^ Ursula; aus dem IS.: unter andern AmaJlia
und Barbara,
Zweiter Abschnitt
Die GSttlimen.
-Llie Namen der germanischen Frauen haben una manche
Aafschliifze liber die vorgeschichtlichen Zustande gegeben. Wir
wenden una nun zu einer andem Quelle, der Mythologie.
Der Unterschied des Lebens von Mannern und Frauen tritt
aach in den Mythen heraus. Das Leben des Glottes ist vielbe-
wegt und vielumfafzend und kaum dauert einer in ungeschwach-
ter Bedeutung alle Zeitraume der theologischen Entwickelung durch.
Die Gottin hat etwas ruhiges und bestandiges in sich; sie steht
wie eine Ahnfrau hinter der wogenden Reihe der GK)tter und fast
diirfen wir, wenigstens fiir eine gewisse Zeit, nur von einer ein-
zigen grofzen GOttin sprechen, die freilich verschiedene Namen
trftgt. Diefz schliefzt indefzen die reiche Entwickelung und die
Fortbildung des weiblichen Gottergeschlechtes nicht aus. Neben
der grofzen Mutter tauchen eine Menge Tochter auf und gerade
die zalreichen abstracten Bildungen lieben es weibliche Gestalt
anzunemen.
Wir haben zwei germanische Weltentstehungssagen. Die
eine Jbiiipft sich an den Eiesen Fmzr, die andere an den Riesen
Ndrvi und sie geht uns naher an. Ndrvi^ wie YnUr eine Meer-
gottheit'), hatte eine Tochter , die Nacht (Nott), welche ihrem
0 Vgl. Hanpts Zeitachr. fUr deutsches Alterthum 7» 29.
26
GemahleJlnar die Erde (Jordh) gebar, Diese ist die eigentliche
aljumfafzende Gottin der Germanen, welche von der Periode
der Riesendynastie bis zum heutigen Tage unter verschiedenen
Namen und vielfach gewandelt, gelebt hat. Wie konnte das auch
anders eein? Vereinigt doch die Erde alles eigenthamliche des
Weibes; sie ist die empfangende und gebarende Kraft der Welt;
Schutz und Narung suchend lehnt sich alles lebende an sie an ;
8ch5n und anmutig legt sie wie das Weib Schniuck an sich in
Halmen, Laub und Blumen und den Silberbandern der Bache. Die
Jordh ist nach der jiingeren Edda die Tochter und Gemahlin des
AUvaters *^Odhin und dadurch Mutter des Thorr, Sobald wir unter
^Odhin die Personifikation der durchdringenden Weltkraft verste-
hen, lafzt sich diese Angabe des Mythenbuches retten, denn die-
sem ^Odhin kann die Erde als Gattin verbunden und Thorr ihm
als Sohn zugeordnet sein, warend der ""Odhin der jiingeren Zeit
weder zu der Erde Gemahl noch zu des Donners Vater sich eignet
pie Jordh fiirt auch als Tlwrs Mutter den Namen Fiurgyn. In die-
ger Gestalt mochte ihr riesischer Ursprung mehr hervortreten, denn
die Gebirgsgottin (fairguni) mufste rauher und Uberkraftiger ge-
bildet sein, als die Gottin des Fruchtlandes. Wir sehen in ^Odhins
Gemahlin auf diese Weise eine gleiche Zweitheilung, wie in Thors
Gattin, die als Jamfaxa auf die riesische Zeit, als S^f auf die
spat ere Periode der geistigeren Entwickelung hinweist 0.
Friihzeitig erhoben sich neben der grofzen Urgottin Scharei
untergeordneter gottlicher Weiber, welche die wusten Theile de:
Welt belebten und das poetische Element der Mythen fliifzig er
hielten. Sie dienten tiberdiefz dazu, Krafte und Gedanken darzu-
stellen, welche ftir eine grofze Gottin theils zu fremd, theils zi
gering waren. So mochten Iriih die Haufen der Eiesen weiber dei
Gebirges sich gebildet haben, die noch hier und da in der Volks-
*) "Wie Fiurgyn an die lithauische Mythologie erinnert, so Sif an die sla
vische. Der slar. Stamm'lyti?, aus dem die Begriffe lehen^ naren, sich entwickeln
ist mit dem Namen der Si/ eng verwandt ; Sif ist Gretreide — gottin : poln, %yto
bohm. ^Vo, bedeutet Getreide, altslav. ItVa allgemein ysvvijfiata.. Die slavisch*
Gottbeit Siva, Zywie oder Ziwiena regt die Vergleichung mit Sif von selbst an
sage leben. Sie werden gewonlich iiberkraftig und ranh geschil-
dert wie die Felsen, die sie bauen ; nicht selten aber aucfa schon
und mild. Eine besondere Abtheilung von ihnen scheinen die
Frauen des Eisenwaldes, die Jamvidhjur zu sein. Der Eiaenwald
lag ost warts von der Gotterwonung , also in der Riesen welt, und
seine Bewonerinnen galten wenigstens sp'ater als Feinde der Get-
ter. Sie zogen die Wolfe auf, welche die Sonne verfolgen. Mehr
erfaren. wir iiber sie nicht. Moglicherweise lafzt sich eine Sage
aus dem schlesischen Eulengebirge hierher beziehen, welche ich
mittheilen will,
Es war einmal ein Junge, der hatete auf der Eule seine
Etihe und da kam ein Weib zu ihm, das ganz hiibsch und vor-
nem gewcsen ware, wenn es nur nicht eine Grasehocke auf dem
Riicken gehabt hatte. Das Weib war zu dem Jungen sehr freund-
lich und bat ihn, dafz er mit ihr gehe. Aber er fiirch tete sich vor
der Frau und da sie gar nicht fortgiekg, rifz er zuletzt aus und
lief was er konnte hinunter ins Dorf. Sein Herr war aber sehr
bose dafz er die Eiihe allein gelafzen hatte, und jagte ihn wieder
fort. Er solle zu dem Vieh zuriick und wenn das Weib noch da
sei, moge er es mit der Peitsche forthauen. Der Junge muste
also wieder auf die Eule hinauf und gliicklich fand er seine Eiihe
wieder und das Weib war fort. Aber etwas anderes sah er dort,
was er noch nicht gesehen, so oft er auf dem Berge gewesen war.
Da war ein grofzer Haufe von Steinen aufgebaut, die dunkel
wie Eisen aussahen; und als er hinein in die Mauem kam, sah er
einen Brunnen und eine Laube. Und als er in den Brunnen hin-
absah, kam es ihm vor, als schwebe ein dunkles Ding iiber dem
Wafzer , das einen Kopf von Eisen hatte , mit blofzen Lochem
statt der Augen. Und wie der Junge in dem Wafzer mit einem
Stecken riirte, versank das Ding. Da gieng er in die Laube und
sah hinunter in das Land. Aber er sollte nicht lange ruhig sitzen*
Auf einmal fiihlt er etwas hinter sich und wie er sich umdreht,
guckt ihm das Ding mit dem eisernen Eopfe in die Augen und
rufl: Wart I nun habe ich dich doch noch I Und da nam es den
28
JuHgen und warf ihn den Berg hinuntery dafz er sich in tausend
Stiicke zerschlug. Das Ding war aber das Buschweib 0*
.Wir mogen uns also den Eisenwald wie einen Busch'mit
eisemer Umz9,unung denken; sind doch derartige Umh^ungen
gerade den Wonungen dei* Riesen recht eigenthtinilich. Moglicher-
weise dachte man sich die Jamvidhjur ahnlich wie diefz Busch-
weib, wie Bertha, wie die Roggenmdhme ^), mit irgendeinem Korper-
theil and Eisen. TMra Gattin Jarmaxa^ die Eisenfelsige, gehort
iai di0 Verwju^tschaft.
Unter den Riesinnen der Berge ist Skadhi die bedeatendste,
des Thiassi Tochter. Ihr Vater, der als Gewitterriese in Thrym-
Jieim wpnte, war von den Gottem erschlagen und der Tochter
kam die Blutrache zu. Gewaffiiet gieng sie nach Asgard iund
verlangte Bufze, die ihr . geleistet ward. Fiir den Vater erhielt
sie eiiien Gatten^ Allein schon iiber die Wal des Nidrdh un-
glucklich, vermochte sie die Ehe nicht gliicklicher zu machen*
Skadhi sente sich nach ihren Bergen und Nidrdh wollte nicht vom
Gestade seines Meeres lafzen. Endlich einigten sie sich^ dafs si^
drei Monate am Meere, neun Monate im Gebirge wonten. -^ Wir
haben in Skadhi eine Gottheit der Gebirgsbewoner und das Bild
einer riistigen nprdischen Jungfrau, wie sie gewandt mit Schlitt-*-
Bchuh und Bogen durch die Berge und iiber die Eisdecken streift;
Wie ihr eigentlicher Name war, lafzt sich nicht mehr erraten,
ebenso ist der Kern ihres Wesens etwas dunkel '). In der r&stigen
Jagerin, als die sie geschildert wird, erkennen wir die GSttin der
Luft Oder des Sturmes. Jagd und Sturm wurden in der mythi-
schen Welt fur eins gesetzt, wie die Sage vom wilden Jager be-
weist; und trotz des mannlichen, das in dem Sturme sich aus-
driickt, finden wir doch eine Anzahl weiblicher Wesen der Luft
*) Ich habe die Sage getreu wieder gegeben wie sie mir erzalt wnrde, ob-
schon ich an manchen Stellen der Ueberlieferung nicht traue, die iibrigens ana
dem Volke selbst ist. *) Vgl. Grimm d. Myth. 255. f. 445. ») Wir diirften
nicht falsch raien, wenn wir Skadhi sammt ihrem Vater Thiassi fur Grottheitei
haltcn, welche aus den benachbarten tinnischen Volkem (namentlich den Skridafinnen]
von den Norwegem und Schweden aufgenommen wurden.
29
Neben Wodah tritt Fricke als SturmgOttin auf, neben dem WincT
eine Wiiidsbraut oder eine Frau Windin, welche die schle-^
sische Volksuberlieferung hef tiger als den Gemahl nennt. Daa
Schneewetter ist in den T5chtem Konigs Schnee, Fdnn^ Drifa
und MiSU versinnlicht , welche durch ihren Grofzvater Jdkull
(Gletscher) zum Geschlechte dee alten Luftriesen Kari gehCren.
Wir konnen zweifeln, ob die Herrschaft der Fricke fiber die
Luft ihr steta zugehOrte^ oder ob sie ihr nicht erst durch ihre
Verbindung mit Wodan zugetheilt ward. Ich mochte mich ftir
letzteres entscheiden, da ich sie und Jdrdh fur eins hake. — Sehen
wir die Erdgottin sich hier in die Hohe strecken, so finden wir
sie in Hel sich in die Tiefe versenken. ffel, die helende bergende
GOttin, ist halb schwarz, halb weifz; ihre weiten Hallen liegen
nordwarts der bewonten Welt hinter tiefen und dunkeln Thalem.
Mit ^Odhin^ Thor, Freya und jRaw theilt sie sich in die Sterben-*
den und zwar fallen ihr alle siechtoten zu. Sie fallt urspriinglich
gewiss mit der Erdgottin zusammen, welche als Unterweltsgott-
heit, als die helende, den Namen Hel empfieng. So erklart sich
auch die Zweifarbigkeit, da die Erde die lichte Oberwelt und die
schwarze Unterwelt zugleich umfafzt. Die durch Hel bezeichnete
Eigenschaft der Jdrdh loste sich nun allgemach von ihr ab und
die neue Gestalt kam an das Geschlecht LohUy der als Todesgott
for sie der beste Vater ward. TodesgOttin kOnnen wir Hel nicht
nennen, so fern wir darin etwas actives, das Amt des Totens,
begreifen; sie ist passiv, sie ist Totengottin, in ihren Schoofz
kert das Leben zur&ck. Wie die Jdrdh in spaterer Zeit aus-
schliefzlich das grune heitre Erdenleben vertrat, so Hel das bleiche
and traurige.
Der Karakter des Landes bestimmt den Karakter der Lan-
desgotter. Der Gebirgsbewoner, der Kfistenlandler bildet seine
Gottheiten anders, als der im Binnenlande sitzt. Nur bei diesem
i8t die Erdgottin rein als solche gefafzt; im Gebirge wird sie zur
Fcdrguniy am Meere zu Nerthus. Der Name schon beweist,
dafz Nerthvs von den Stammen, welche sie vererteu, als eine
80
Meiergotthelt erfafzt ward ') ; die Eigenschaften, die ihr als solcfter
zugeschrieben wurden, stellten sie aber als die gebarende Welt-
kraft gleich der Gottin dee Fruchtlandes dar und Tacitus konnte
sie daher eine Terra mater nennen (germ. c. 40), Nerthics hat
einen gleichnamigen Bruder, der bei den Ingdvonen freilich nicht
mehr aufzuspiiren ist, dafQr aber in Schweden als Nidrdhr anf-
tritt, neben dem die Sch wester bis zur Namenlosigkeit in den
Schatten trat *). Die Kinder aus ihrer Geschwisterehe sind Freyr
und Freya^ mit hochdeutschen Namen Fro und Frouwa^ die nichts
aJs Wiedergeburten des allmalich verdunkelten Nerthuspaares
scheinen 3). Das gottliche Geschlecht der Wanen hat sich also
in diefz Paar zusammengedrangt, defzen Ahnen bis auf Ing v5llig
verschwunden sind. Wir k5nnen sie kurz auf diese Weise schil-
dern. Als leuchtende Gottheiten (d. i. als Warien) steigen sie
von Osten her aus dem vaterlichen Hause des Meeres und sen-
den die Gestirne den Himmel hinauf* Sonnenschein und Regen
sind ihnen unterthan , und wo sie nahen , trieft auf Land und
Menschen Segen. Freundlich und schon, zeugend und zeitigend,
flind sie die Gutter der Liebe und Ehe. Frauas Name gieng auf
das ganze Geschlecht der Weiber uber. Der WafzergOtter Weis-
heit ist auch bei ihnen ausgebildet und der Weisheit ist die Macht
verbunden. Die Grausamkeit, welche den unteren Wafzergeistem
beigelegt wird, erscheint bei ihnen veredelt als Tapferkeit. Da-
rum sehen wir Fro (Fred Freyr) als Schlachtenfftrer ffolkvaldi), und
auch Freya reitet auf das WaKeld. Beider heiliges Ebenbild glanzt
aber auf den Helmen der Helden. Dafz Freya auch Totengottin ist,
erklart sich aus ihrem allumfafzenden Wesen, denn Nerthus ist
Meer- und Erdgottheit. Es ist diefz ein Beweis fur unsere An-
name der ursprunglichen Einheit von Jdrdh und HeL Das Ueberwie-
gen des weiblichen Theils in den Wanen ist Cibrigens beachtenswert.
Freya, welche ftberhaupt die bedeutendste GOttin des skandinav.
Glaubens ist, iiberragt den Freyr unbedingt; neben Nerthus tritt
nicht einmal der Bruder hervor.
') Haupts Zeitschr. 6, 460. «) Saem. 65." •) Vgl. Mullenhoff bei Schmidt
Zeitschr. f. Gesch. 8, 225—240.
81
Das freundliche und milde, das sich in dieser Meergoftheit
aussprichty ist andem Wafzergottinnen fern. In ihnen ist das
kalte, rauberische und vemichtende des Elementes ausgedr&ckt
und sie werden darum dem IKesengeschlechte zugetheilt. Merk-
wiirdig ist, dafz die mannlichen Meergeister im Ganzen milder
erscheinen, Warend der alte Aegir^ der Meerriese, zu dem Got-
tergeschlechte in freundliche Beziehungen getreten ist, steht sein
Weib Ran. fremder und unheimlicher da. Eauberisch fischt sie
mit ihrem Netze die ertrinkenden Menschen zu sich. Eine ihrer
Tochter, BlSdtighadda, die blutig beschleierte , scheint die Portbil-
dung der Mutter in dieser morderischen Eigenschaft. Die
Zahl dieser Tochter Aeffis und Hans ist die heilige Neun; sie
heifz^i Himinglcefay Dufa^ Blodhughadda^ Hefring^ Vdhr^ Hrdnn^
Sylgjay Bdra *) und Kolga. Verschieden von ihnen sind neun
andere riesische Meermadchen, die Mutter Heimdhalls: Gicdp^
Greipy Elgjoy Angeyja, Ulfrun^ Orgiafa^ SindhVy Ada und Jamfaxa^
deren Namen uns zum Theil an Rdns Wesen erinnern und zeigen
wie die germanischen Nereiden nicht als lieblich scherzende und
kosende Madchen , sondem wie rauberische, gierige und angsti-
gende Weiber gefafzt wurden. Die neun TOchter Nidrdha wer-
den uns nicht bei Namen genannt.
Ebenfalls Meergottinnen riesischer Abkunft, aber durch eine
eigenthOmliche Fortbildung von den eben erwahnten verschieden,
rind die Norn en ^). Die dunkle Tiefe des Meeres erschien dem
Mjthen bildenden Sinne als die Schatzgrube aller korperlichen
undgeistigen Kraft; darum wurden die Wafzergottheiten als reich
und zeugungskraftig, aber auch als weise gedacht. Vor allem
muste sich jedoch die Weisheit und Weifzagung in den weiblichen
Meergeistem herausbilden, bei welchen die prophetische Begabung
des weibUchen Geschlechtes noch steigemd hinzutrat. Die Vertre-
tung dieser Seite war den Nomen Qbertragen, in denen der alte ele-
mentare Grund vollig ins Vergefzen geriet. Der beste Beweis dafur
sind ihre (spateren) Namen, Urdhr (WurtL Vyrd) Verdandi und
') Ffir sie wird anch Drdfn genannt ') Ueber den Stamm des Namens
▼gL meine Ansicht bei Haupt Z. f. d. A. 6, 460.
88
Skuld^ wonach sie VerkOrperungen des Gewordenen oder Gesche-.
henen, des Werdenden oder Seienden und des SeinsoUenden oder
Zuktoftigen sind* Das Wifzen und Konnen ward in ihnen ver-
eint gedacht und indem sie als die wifzenden der dreifach ge-
theilten Zeit genommen wurden, erschienen sie als die Machte der
Zeity als das Schicksal.
Man mufz die riesische Herkunft der Nomen hervorheben.
Einestheils steigert dieselbe noch ihr reiches Wifzen, denn die
Kiesen als die vielerfarenen und alten galten wenn nicht ftir weise,
so doch far wifzend; andemtheils treten sie hierdurch in eine
heilige dunkle Feme und ragen bedeutend hinter dem jtingeren
Gottergeschlechte hervor. Gedankenlose Abweichung der jiingeren
Zeit jst es, diesen TJrsprung nicht nur zu vergefzen, sondem nun-
mehr Nomen aus den Arisen^ JElben und Zwergen aiizunemen. Da-
mit trat auch eine Menge von Nomen an die Stelle jener bedeu-
tungsvollen drei; die hohe Gottlichkeit der Schicksaisjungfrauen
ward gefardet und der Uebergang zu den weisen Frauen und
Weifzagerinnen vorbereitet.
Die Nomen wonten nach der Erzalung der Edda unter dei^
dritten Wurzel des Weltbaumes. Dort ist ein Brunnen mit
Schwanen, und taglich begiefzen die Jungfrauen die Esche mit der
heiligen Flut, damit sie nicht faule. Dort halten die GOtter taglich
Gericht, und der Nomen Amt mufz sie dabei f&rdem, das auch
ein richtendes ist, wenn gleich ein vorausrichtendes. Die Jimg-
frauen setzen die Gesetze, weisen Recht und schafien Leben und
Tod. Entweder sitzen sie dabei auf richterlichem und propheti-
schem Stuhle und schreiben und ritzen die Runen, oder sie weben
und kniipfen die Schicksalsfaden (drldgthdttir). Ist ein Mensch
geboren, dann nahen die Nomen und bestimmen dem Kinde Gliick
oder Ungliick ') , je nachdem sie die Faden nach Ost und West
oder nach Nord spaunen. Die Verschiedenheit des Geschicks
') Thoer lif kuru alda bSmum. — Baierische und Tyroler Volkssagen er-
innem noch heute an diefz Seilspannen der Noinen. Vgl. Panzer Beitrag zur deut-
schen Mythologie. Miinchen 1848. S. 1. ff. Diese und andere Volkssagen biirgcn
daTur, dafz die Nornen nicht blofs skandinavische Gestalten waren.
33
liefz denn bald einen Dualismus unter den Nomen hervortreten,
und zwar ward eeltsamer Weise die jiingste, die Nome der Zu-
kuoft, als die bose gedacht. Die Volkssage deutet eehon dutch
ihr schwarzes oder schwarzweifzes Aeufzere diesen schlimmen
Sinn an. Indem sich das Geschick im Kriege am gewaltigsten
offenbart, wurden die Nomen auch zur Schlacht in Beziehung ge-
bracht (Saeea. 164) und ihnen Hunde, die Thiere des Walfeldes,
zur Begleitung gegeben ^Saem, 273). Sie beriiren sich hier niit
den Walkurien^ an welche schon die Schwane in ihrem Brunnen
erinnerten.
Wir stehen hier bereits bei dem bedeutenden Wendepunkte, wo
das ethische Element im Glauben der Germanen iiber da» phy-
eische den Sieg gewinnt. Der Mensch machte sich jetzt von der
Uebergewalt 'der Natur freier und erkannte sein Inneres als eine
wesentliche Macht; er stellte den Mut, die Liebe, die Klugheit
und Schlauheit, die.Giite und die Vemichtimgssucht neben das
immerwache Meer, neben das Gewitter, das zermalmt und be-
fhichtet, neben die unermudliche Erdkraft. Soil ten jedoch diese
Begriflfe, die jetzt in gottliche Gestalt gebracht wurden, nicht
blofze Begriffe bleiben, sondem poetisch und markig auftreten,
80 durften sie von den Gottern friiherer Zeit sich nicht vollig
ficheideuy sondern musten sich mit ihnen verbinden und moglichst
verschmelzen. Die alten elementaren Gottheiten musten zu Tra-
gem der ethischen Begriffe gemacht werden.
Das geistig und gemiitlich rege der weiblichen Art, das in
den alten Frauennamen friih bezeugt ist, machte die Gottinnen
namentlich befahigt, die geistigere Richtung der Welt- und Gottes-
anschauung auszudriicken. Sobald sich also der Gedanke des
Schicksals fest bildete, musten Gottinnen vor den Mannern zur
Hut und Pflege desselben geeignet erscheinen, denn zu dem wei-
8en kam noch das mutterlich fursagende, das im Bestimmen des
Lebens liegt. Wie batten Manner mit solchem Amte betraut wer-
den konnen, wie darf man an mannliche Noi'nen den ken ?
Es ist ein schoner und freundlicher Zug der deutschen
Mythen, daiz die groi'zen Gottinnen zugieich als Mutter der Men*
3
fichen gedacht werden. Schon in Tacitus Bericht von Nerthuff
Bteht ihre sorgende Theilname an den Angelegenheiten der Men-
8chen hell im Vordergrunde, und die deutschen Volkssagen Hefem
bis heute fortlaufende Belege zu den Worten des Romers. Die
deutschen Stamme sind dabei vor den naheverwandten skandina-
vischen ofFenbar im Vorzug, wie denn ihre Gottheiten ini Ganzen
milder scheinen als die der Nordgermanen. Frigg und Freya sorgen
wol auch fiir die Menschen und nemen Theil an ihrem Leid und
Freud, allein die deutschen Gottinnen greifen noch naher in das
hausliche Treiben ; sie sind heimliche Herdgottinnen, warend jene
in den Wolken, in Wald und Feld bleiben.
Diefz miitterliche Wesen muste vor allem in der uralten gro-
fzen Erd- oder Weltgottin sich ausbilden, deren riesische Art da-
durch vollig zuriickgedrangt ward. Sie drang hiemit so tief in
das liebste Heiligthum des Volkes, dafz diefz auch dann nicht von
ihr liefz, als es dem Kristengotte die Kirchen gebaut hatte, ja
dafz es jetzt nach mehr als tausend Jahren der Bekerung noch
an der alten heidnischen Erdmutter hangt. Die Volkssage quillt
hier so rein und voU, dafz wir ihre Erzalung zur Zeichnung der
Gottin in alter Zeit benutzen konnen. Die Erdgottin fiirte in
Deutschland bei den verschiedenen Stammen verschiedene Na-
men, deren Eeihe in der heutigen Vertheilung also von Norden
nach SUd lautet *) : In Meklenburg, in Pommerschen Landstrichen,
in der Priegnitz und nordlichen Altmark und an der Mittel-Elbe bis
an den Harz heifzt sie Frau Gode^ in der nordl. Uckermark und
in einzelnen Orten am Oberharz Frau Frick, in der siidl. Ucker-
mark, im Havellande und der Grafschaft Ruppin Frau Herksy in
Thiiringen und Hefzen, in einzelnen Gegenden Westfalens, Fran-
kens und Schlesiens Frau HoUe^ sudlicher Frau Berchta. Von die-
sen Namen sind Frick , Holle und Berchta (Fruxy Holda^ Berhta)
blofze Zunamen, die jedoch zur Selbststandigkeit als Eigennamen
gelangten; sie bezeichnen das freie, freuudliche und heitere der
*) Wir verdanken die genanen Angaben iiber die norddeutsche mytholog.
Geografie dem unermudlicheh und gliicklichen Sagenforscher Dr. Adalbert Kuhn.
Vgh Kuhn und Schwarz, Norddeutsche Sagen. Leipzig 1848. S. 412 ff.
S5
tofitterlichen Gottheit. Grade und Herhe sind dagegen fester. Das
eretere Wort deiitet auf Wodan (Gwodan^ Wode) und zeigt dem-
nach die ErdgOttin als Frau des durchdringenden HImmelsgottes.
Herke lafzt sich schwerer deuten. Die Form .Hera, welche dane-
ben erscheint, zeigt, dafz Herke diminutiv ist *). Das einfache
Wort mSchte mit ero, Erde, verwandt sein und uns den alten
echtdeutschen Namen unserer grofzen Gottin bieten. Doch ist diese
Deutung nicht sicher.
Was die Sage in anmutiger Art und mit kleiner Abwechse-
lung von diesem heiligem Wesen durch das ganze deutsche Land
erzahit, lafzt sich in folgendes zusammenfafzen :
Die GSttin ist eine hohe hehre Frau , eine sorgsame und
strenge Lenkerin grofzen Haus- und Hofwesens. Sie zeigt sich
dem Menschen am uftersten um die zwolf Nachte zwischen Weih-
nachten und Dreikonigstag (Berchtentag). Da halt sie ihren
Umzug durch das Land, und wo sie naht, ist den Feldern Se-
gen ftir das kfinftige Jahr gewifz. Darum wird ihr auch bei der
Ernte ein Dankopfer gebracht; ein Halmbtischel wird nicht abge-
m'aht, sondern geschmiickt nnd unter Gebrauchen der Frau Gode
geweiht. Bei dem Zwolftenumzuge sieht sie nach, ob das Acker-
ger'at an gehoriger Stelle sich befinde, und wehe dem Knechte
der nachlafzig wan Am aufmerksamsten ist sie aber fiir Flachs-
bau und das Spinnen. Sie tritt in die Spinnstuben oder schaut
durch das Fenster und wirft eine Zahl Spulen hinein, die rasch ab-
gesponnen werden sollen. Fleifzige Spinnerinnen beschenkt sie
mit schonem Flachse, faulen verdirbt sie den Eocken. Zu Fas-
nacht mufz alles abgesponnen sein, und dann ruht sie von ihren
Wanderungen. Ihren Umzug halt sie auf einem Wagen oder mit
einem Pfluge. Jener bezeichnet sie als Gottheit ersten Ranges,
dieser zeigt sie als Feldgottin. Bei ihren Festen ward der Umzug
mit dem Pfluge dargestellt (Myth. 242) oder es trat, seltsam
genug fiir Binnenlander , an seine Stelle ein Schifl; Wir sehen
') Herka lafzt sich daher nicht mit der Riesin Eerkja (Sn. 210, ein Riese
^«*it> Sn. 2u9) zusammenstellen. Herkja scheint Personifikation der H&rte.
3*
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hier das allumfafzende Wesen dieser hohen Gottin hell heraue-
leuchten; Wagen, Pflug und ScbifF sind Symbole der einen gro-
fzen miitterlichen Weltgottheit. Unverheiratete Madchen wurden
bei jener Feier gezwungen, den Pflug der Gottin zu Ziehen, eine
Strafe fiir die Ehelosigkeit, denn die mi\tterliche Gottin begiinstigt
die Ehe. So war auch Freya Gottin der Liebe und Ehe, und
eie und Frigg stun den Gebarenden bei. HoUe und Berchte er-
scheinen gleicherweise als Hegerinnen des Kindersegens. Hoik
birgt in ihrem Teiche die ungebomen Kinder. Die schlesische
Spillaholle nimmt die faulen Kinder mit sich in ihren Brunnen
und bringt sie neugeboren kinderlosen El tern zu. Von Berchta
mag ahnliches erzalt worden sein; wenigstens ziehen in ihrem
Gefolge die Seelen der ungetauft verstorbenen Kinder. Nach an-
dern Sagen umgeben sie die Heiinchen oder Elben, die wir we-
nigstens zum Theil als die Seelen der Toten (marutds) zu den-
ken haben. In Frau Herkes Berge wohnen die Unterirdischen
und auch die schwedische Hulda oder Iluldre erscheint in elbi-
ficher Umgebung.
Die Gotter, um welche sich dje Elben scharen, jagen in
nachtlicher Weile mit Weidruf iiber die Lander. Das ist die
wilde Jagd, die Nachtjagd, an deren Spitze Wodan auf achtfufzi-
gem Grauschimmel sprengt. Die Sage erzalt aber auch von einer
wilden Jagerin und abermals treten uns Gode^ Frick und HoUe
entgegen. In romanischen Landschaften erz'alte das Volk gleiches
von Herodiaa (Pharcdldis) und Diana^ welche beide nach Deutsch-
land hinuberspielen, aber keine recht volksthiimliche Stellung ge-
wonnen zu haben scheinen.
Die grofze Gottin, welche in Erde, Wafzer und Luft ihr
Keich hatte, war damit zur Jahrzeitgottheit berufen. Der Umzug
der vielnamigen in den zwolf Nachten weist darauf hin, dafz ihr
zur Zeit der Wintersonnenwende, gleich dem Wodan und FrOf ein
grofzes Fest gefeiert worden ist. Solche Feste waren ein Zeug-
niss des lebendigen Natursinnes unseres Alterthumes und brach-
ten eine schone poetische Eintheilung in den Kreislauf der Zeit.
Noch heute in den dQrren Tagen zucken einige Stralen der hei-
S7
ligen Gebrauche nach, welche zur Zeit des Mitwintere und Mit-.
sommers , zum Lenz und zum Herbst begangen wurden. — Ftir
den Aufgang der Sommerzeit batten wenigstens die sachsischen
und die oberdeutschen Stamme eine besondere Gottin, die ^Ostara
(angels. Edstre), deren Name noch heute in dem Feste der Auf-
erstehung Kristi erhalten ist, zum Zeugniss, wie tief diese Gott-
heit in das Gemut des deutschen Volkes eingedrungen war, Ihi^
Tag wurde mit Freudenfeuem , Spiel und Tanz begangen und
ihr Blumenstraufze zum Opfer gebracht. Auch Quellen scheinen
ihr heilig gewesen zu sein '). In welcher Beziehung sie zu der
grofzen Erdgottin stund, lafzt sich nicht deutlich erkennen.
Unser Streben gieng bisher darauf, die mannichfachen Er-
scheinungen weiblicher Gottheiten so viel als thunlich in eine
einzige Gestalt zusammenzudrangen. AUein dieser Versuch mufz
seine Grenzen haben, wie uberhaupt bei mythologischen Unter-
Buchungen das starre Festhalten an einer Richtung verderblich
wird. Wir darfen durchaus nicht verkennen, dafz sich zwei
Schichten, hohere und untere Gottheiten, streng unterscheiden,
und dafs bei den niederen die Vielheit der Gestalten notwendig
ist. Sobald die Nomen nicht mehr als Macht gefafzt wurden,
welche iiber den Gottem steht, nicht mehr als das Schicksal in
voller Grofze, sondern als Wesen, welche fast aufzer gottlicher
Verbindung, nur auf die Menschen Einflufz tiben, so war der enge
teilige Kreis gesprengt und eine Fiille von Gestalten besetzte not-
wendig den Raum. Ueber die Elemente herrschte eine Zahl ho*
her Gottheiten ; in Luft, Wafzer, Feuer, in Wald, Berg und Erde
lebte aber aufzerdem eine zahllose Schar gottlicher Wesen, welche
jenen hohen als dienende und helfende Geister zur Seite stunden
und den Gotterstat voUendeten. Grade in diesen Untergotthei*
ten liegt die Poesie des Polytheismus und das trauliche, zum Ge-
miit sprechende, gegen welches das Kristenthum selbst in seiner
polytheisirenden Gestalt einen schweren Kampf schlug. Hier war
nun auch eine neue Gelegenheit zur Verherrlichung der Frauen
0 J. Grimm Myth. 52. 552.
38
gegeben. In den hohen Guttinnen iiberwog das gewaltige tiber
das liebliche, das strenge uber das milde. Jetzt trat aber die
zarte Macht jugendlichen Liebreizes mit dem Verlangen der Ver-
gottlichung auf, und es ward ihm mit Schonheitssinn und Ge-
mlitestiefe Geniige geleistet.
Vorhin ward erwahnt, dafz in dem Brunnen der Nomen
Schwane lebten. Diese VCgel erschienen der germanischen Phan-»
tasie bedeutend und poetisch, so dafz sie tief in die Sagenwelt
eingefiirt wurden. Wenn der Schwan mit dem schlanken weifzen
Leibe langsam und stolz und stumm durch die dunkeln Wald-
wafzer schwebte, wenn er dann plotzlich sich zur blauen Luft
aufschwang und dem verwunderten Auge rasch verschwand, so
erschien er einem verkorperten Geheimnisse gleich. Es lag fiir
eine poetische Naturbetrachtung so nahe, schone Jungfrauen und
die Schwane zu vergleichen, dafz wir nicht blofz in der germani-
schen Welt diefz vollzogen finden. Es bildeten sich Sagen von
den Schwan jungfrauen aus, von gOttlichen Luft- und Wafzer-
m3;dchen, welche zeitweilig in Schwanenleiber schliipfen und Luft
und Waldseen anmutig beleben. Sie beriiren sich mehrfach mit
den Nomen^ von denen wir auch sagen diirfen, ohne dafz es be-
Bonders bezeugt wiirde, dafz sie zuweilen die Gestalt der ihnen
heiligen Schwane annamen. Bei den Nomen war ihre alte ele-
mentare Bedeutung fast ganz verschwunden , bei den Schwan-
jungfrauen ist dieselbe wenigstens im Norden durch ihre ethische
sehr zuruckgeschoben. Die Namen, die sie hier fiiren, Valki/riur,
(Walkieserinnen), Valmeyiar (Schlachtm^dchen), heben diese iiber*
wiegend gewordene Richtung ihres Wesens auf Schlachten, Tod
und Schicksal bestimmt hervor. Lidessen ist die altere Natur-
bedeutung dieser Wesen nicht ganz verhiillt. Wenn geschildert
wird , wie sie von Blitzen umzuckt durch die Ltlfte jagen , wie
von den Manen ihrer Rosse Thau in die Thaler traufelt, und uin
die Schildburgen , in denen sie ruhen, Loderfeuer kreist; wer
mochte da nicht das Bild der sturmgetriebenen , blitzumspielten
weifzen Wolken sehen? Die Walktirien waren zunachst LuftgOt-*
tinen , worauf auch die Namen zweier von ihnen , Mist (Nebel)
S9
ond Kara^) hindeuten* Auf Grund dieses elementaren Wesens
erhielten sie bald die weitere Ausstattung; denn der Sturm er-
scfaien wie eine Jagd, Jagd und Krieg fielen aber zusammen. So
erbalten die Schwanjungfrauen die Aufgabe in den Schlachten
liber Tod und Leben der Kampfenden zu walten und die blutige
Emte dee Walfeldes zu kiesen; sie treten, wie vielleicht schon
firuher in Verbindung mit dem luftdurchdringenden Wodan, nun
vollig in das Gefolge des Schlacht- und Heergottes* Ehe die
Schlaeht beginnt, gibt ^OdJdn den Schildmadchen den Auftrag,
diesen zu fallen, jenem den Sieg zu geben; dann reiten- sie auf
das Walfeld und wenn die Helden in das Blut sinken, rafFen sie
die Sterbenden an sich und fiiren sie nach Valholl, wo ihnqn
das Kampfesleben an jedem Morgen neu wird. Dort haben die
Walkiirien das Amt wirtlicher Tochter des Hauses, und wie die
Frauen auf Erden durch die Banke der trinkenden Gaste mit dem
Home gehen, so kredenzen ^ Odhins Helm- und Schildmadchen den
zechenden Einherjar den Met und legen ihnen das Fleisch des
immer wieder neuen und lebendigen Ebers vor. Die iiberliefer-
ten Namen der meisten Walkiirien zeigen die Personifikation des
Eampfes (Hildr. Gunnr) und seiner einzelnen Vorfalle. Wir se-
hen durch sie in das Gewiil, wo die Geere geschleudert und mit
Blut genart werden (Geidrifuly Geirdlul), wo Helme und Schwer-
ter erklingen (Hialmthrimuly Hidrihrimul)^ wo Schild an Schild im
dsemen Knauel prasselt (Gondul, Hrund^ Randgndh). Der Name
der kettenden und das Heer f efzelnden deutet endlich auf die Nie-
derlage, welche dem einen Theile der Kampfenden gewifz ist.
(Blocks Herjidtur). Nach diesem Schlachtenleben und dem Aus-
theilen des Geschicks (urlag^ orldg) verlangen die Walkurien mit
Sehnsucht (thrd). So streifen sie denn hier abermals an die Nor-
nen und werden wie diese auch als spinnende Frauen gedacht.
Jangere Sage weifz sie zur Zeit einer Schlacht an grausig bezo-
genem Webestuhle, wo sie unter bedeutungsvoUem Liede das
Gewebe fertigen. (Nidlsf c, 158.) Im Kriege fallen die Loose des
') Kari, der alto Sturmriese.
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Geschickes am entechiedensten und raschesten; die Schlachtjung-
frauen mtifzen auch Schicksalsgottinnen sein, Diese enge Be-
riirung von Nomen und Walkiirien epricht sich in Skuld au8,
der jungsten Nomey welche zngleich unter den Madchen des
Walfeldes erscheint.
Wir werden der Schlachtjungfrauen zwar am meisten in der
nordischen Sage habhaft, allein auch fiir die andem germanischen
Stamme ist ihre Existenz verbiirgt ; die angel sachsischen Sprach-
denkmale Gberliefern sogar den Namen Vdlcyrigean; in Deutsch-
land hiefzen sie Idisi (Frauen). Wenn wir schon hohere Gott-
heiten in die Menschensage verflochten sehen, so mufz diefz bei
niederen noch weit mehr statt haben ; bei den Walkttrien ist es
aber gradezu Forderung ihres Wesens. Das GewGl der Manner
ist ihnen ja zum Lebenselement angewiesen, und die Sage von
Helden mufz, so lange sie sich irgend mythisch halt, von diesen
gottlichen Weibern erzalen, Welch ein lockender Gegenstand
der Dichtung sind nicht diese Schlacht- und Schildmadchen, die
vom Kriegsgotte entsandt, auf weifzem Rosse im leuchtenden
Waffenschmucke durch Luft und Meer fliegen, die den dunkeln
Waldseen die glanzende Schonheit vertrauen, und wenn der
Schwanring oder das Schwanenhemd verloren geht, schwach und
werlos in die Gewalt der Manner kommen. Wir horen da von
einem Heldenjiinglinge, den die Schildjungfrau schirmt, und wie
aus dem Schutzverhaltnisse rasch eine Liebe aufgeht, die kaum
zarter und inniger von der Dichtkunst zu schildem ist. Die Wal-
kiirien sind jungfrauliche Weiber und ihre Starke und Unsterb-
lichkeit ist an ihre Jungfrauschaft geknupft. Allein fiir ihre Liebe,
fiir die Seligkeit mit dem Geliebten leben und sterben zu dCirfen,
opfert das Schildmadchen die gottliche Unsterblichkeit und wird
ein schwaches irdisches Weib. Das schildert die nordische Sage
am schonsten in den Liedern von Helgi; wir Deutschen haben
einen Abglanz solcher Gestalten in Brunhild und Krimhild.
Besonderen Umfang und eigenthiimliche Gestaltung erhielten
die Sagen von diesen Schlachtenmadchen dadurch, dafz man glaubte,
auch menschliche Weiber konnten Walkiirien werden, wenn sie
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jungfraulich blieberi und sich dem Kriegswerke ergaben. Das
germanische Alterthum kannte in der Wirklichkeit den Mut und
die Waffentuchtigkeit vieler Frauen, wozu diese durch das herum-
Btreifende , kriegerische Leben des Volkes angeregt werden mus-
ten. Bei Schlachten stunden die Weiber mit den Kindem hinter
den Reihen der ihren, mischten ihren Zaubersang in den Schlacht-
nif der Manner, labten die ermatteten, verbanden die verwundeten,
trieben die weichenden znrack (Tacit. Germ. 7. 8. hist* 4, 18).
Der Anblick der Gattinnen und Kinder, die im Falle der Nieder-
lage Gefangenschaft und Schinach erwartete, muste auf die
Kampfer begeistemd wirken, und noch Gelimer glaubte das ver-
weichlichte Volk seiner Vandalen in der entscheidenden Schlacht
gegen Belisar dadurch anzufeuem und zu erharten, dafz er die
Frauen und Kinder in das Lager bringen liefz (Procop. de belL
Tandal. 2, 2). Die feigen ziichtigte bittre Schmahrede der Wei-
ber. Als die Gothen den Ostromem Ravenna libergeben batten,
wurden sie von ihren Frauen angespieen (Proc. b. goth. 2, 29).
Der Germane gieng darum lieber in den sichem Tod, als dafz
er solchen Schimpf ertrug (vgl. Eggenl. 136). Konig Wehung
war mit seinen Sohnen zu seinem Schwiegersohne Siggeir zu ei-
nem Feste gekommen, aber Verrat empfangt ihn. Da beschwort
ihn seine Tochter Sign]^ eilends zuriickzukeren und mit einem
He«»re wiederzukommen ; aber Welsung entgegnet, er habe nim-
mer Feuer noch Eisen gescheut und im Alter wolle er nicht an-
ders werden. Seine Sohne wurden ja von den Madchen verspottet
werden, wenn sie den Tod fiirchteten (Vols. s. c. 8). Herwig,
KOnig von Seeland, wird vom alten Normannenfursten Ludewig
im Kampfe niedergeschlagen ; da denkt er an seine geliebte Gu-
drun und dafz sie ihm seine jetzige Schande vorwerfen werde,
wenn er sie als Braut umarmen woUte, und rasch rafft er sich zu
Dcuem Streite auf (Gudr. 1441). Von solchem Geiste war auch
das ritterliche Mittelalter voll. Wo die Frauen dem Kampfe zu-
tchauen, da wird mit doppelter Hitze und Hartnackigkeit gestrit-
ten und der wankende schopft aus dem Auge der Geliebten oder
42
dem Gedanken an sie neue Kraft *). Ewig unvergefzen sei jene
Vaterlandsliebe und jener Freiheitsmut der dietmarslschen Frauen,
mit denen sie die verzagenden Manner zu dem ungleichen Kampfe
gegen die Danen im J. 1500 anregten. Was die deutschen Frauen
Holsteins und Schleswigs in der neuesten Zeit ffir das Vaterland
thaten und Htten, moge eine Leuchte in der Nacht sein, Deut-
scher Frauen Herrlichkeit wird nicht erleschen.
Bei der Freude der germanischen Weiber an tapferem Kampfe
iiberrascht es nicht, dafz etarke und mannliche Frauen selbst zu
den Waffen griffen. Unter den Longobarden kam es 5fter vor,
dafz sie ihre Weiber und Magde bewaffneten, um durch sie Rau-
bereien ausfiiren zu lafzen 2). Prokop (b. goth. 4, 20) erzalt von
einer anglischen Konigstochter , welche dem Eadiger Hermigisils
Sohn, dem Konige der Vamer verlobt, aber aus politischen Riick-
sichten von ihm verschmaht war. Ueber die Schmach erbittert,
landet sie mit einem Heere an der Miindung des Rheins und
ftchlagt die Vamer voUstandig* Radger wird gefangen und die
Anglin ist gutmiitig genug ihm zu verzeihen und sein Erbieten,
sie jetzt zu heiraten, anzunemen. Aus Jomandes wifzen wir von
gothischen Frauen, welche in Abwesenheit der Manner von Nach-
baren tiberfallen, eich tapfer vertheidigten und die Feinde zuruck-
schlugen '). Solche heldenmutige Gothinnen soUen nach der Sage
des Mittelalters das kriegerische Reich der Amazonen am Flusse
Thermodon bis auf Julius Casar fortgesetzt haben. (Eckehardi
chron. univers. bei Pertz 8, 120. vgl. dazU Procop. b. goth. 4, 3.)
•) Erec. 9l67. Lanzel. 5275. Ath» E. 52. Gudr. 644. Biter. 11347. Troj.
Krieg 4157. Vgl. d. Myth. 370. *) Liutprand. 1. l4l. vgl. ed. Rothar. 26, 6.
Bajuv. III. 13, 3. *) Spate schwedische Sage erzalt von der Heldenthat sma-
landischer Weiber, die warend die Manner in auswartigen Kriegen waren, von
danischen Raubscharen iiberfallen warden. Einzclne Rauber waren schon von
Frauen erschlagen, da fafzte Blanda, ein kiihnes Weib im Kungaharad, den Plan,
die Feinde ganz zu vemichten und mit Hilfe einer List gelang den verbiindeten
Frauen von fiinf Harads die That. Die Weiber dieser Landschaften erhielten
aufzer andem Vorrechten die Freiheit , in Helm und Briinne auf der Brautbank
zu sitzen und sich Kriegsmusik spielen zu lassen. Pet. Rudbeck smaliindska anti-
quiteter c. 17. s. Dybecks Runa l842. 4, 16—22.
48
Bald vereetzte aber die Sage die Amazonen aus diesen heller
werdenden Gegenden welter nach Norden an die Grenzen Ger-
maniens *). Dort tratien sie der Sage nach den Longobarden ent-
gegen, als dieee unter Agilmund nach Siidosten zogen, und nur
durch Lamkkios Zweikampf mit einer Amazone ward derUeber-
gang iiber den Strom erzwungen (Paul. diac. 1 , 15). Dort so
horte Paul Wamefrieds Sohn sei noch ihr Reich. Die Be-
richte iiber sie wurden nun ijnmer fabelhafter. Adam von
Bremen (IV. 19. Pertz 9, 375) setzt sie an die Gestade des bal-
tischen Meeres und berichtet glaubig das Geriicht, sie lebten in
Gemeinschaft mit allerlei Ungeheuem; die Tochter seien schon,
ihre Sobne aber waren Hundskopfe. Er weifz auch von bartigen
Frauenin den norwegischen Gebirgen (IV., 31). In das nordostliche
Skandinavien gehort auch das Frauenland, welches bereits Tacitus
(Germ. 45) als Nachbarland Germaniens erwahnt, indem er von
der Frauenherrschaft der Sitonen berichtet ^). Die Fabel von die-
sem Reiche entstund durch die germanische Deutung von Kainu"
hisei, dem alten Namen Finnlands. Der Germane glaubte in der
ersten Halfte des Wortes sein quino (Weib) zu huren und uber-
setzte es sich als Kvenaland, Frauenland ^). Durch diese Deutung
lebte auch die Amazonensage wieder auf, welche dem Hange des
Mittelalters zu geographischen und naturgeschichtlichen Seltsam-
keiten vielen Stoff gewarte.
Die Sage hatte nicht Unrecht die Amazonen noch in jiin-
gerer Zeit unter den Nordgermanen zu suchen, denn hier in dem
Leben voll Kampf, das ein Verspotten des Todes schien, musten
kraftige und mutige Weiber oft zu einer Wette mit den Mannern
') Aeschylus setzt die Amazonen (Prom. desm. 722) an den kimmerischen
Bosporus, lafzt aber den» Prometheus ihre Sitze am Thermodon vorhersagen. — •
Man hat bekanntlich den historisehen Grund der Amazonensage in syrischen und
^Itgriechischen Tempelstaaten gefunden , welche von jungfraulichen Priesterinnen
geleitet wurden und in denen die Manner nur Knechtesdienste thaten. *) Ueber
^ Frauenland im weibl. Libyen Diod. Sicul. 3, 53. — • Ueber neuere Frauen-
lander und die afrikan, und amierikan. Amazonen Nagel Geschichte der Amazonen.
Stuttg. 1838 s. I6l ff» ^) Vgl. auch Zenss die deutschen und die Nachbarstamme
8* 687, J. Grimm Geschichte der deutschen Sprache 744.
44
angeregt werden. Die nordischen Lieder und Geschichten nennen
auch eine Menge Frauen, welche Helm und Schild namen. In
der Bravallaschlacht (ungefahr 780 n. Chr.) kampften der Sage
nach auf Seite Konig Harold Hilditonna von Danemark die Schild-
madchen Webi6rg^ Wisma und Heidr^ deren Thaten gegen die
fitarksten Manner geriihmt werden. Thomhiorg, die TochterKS-
nig Eiriks von Schweden, liebte die Waffeniibungen fiber die
Frauenkttnste , in denen sie gleichwol erfaren war. Ihr Vater
tritt ihr, seinem einzigen Kinde, noch bei seinen Lebzeiten den
dritten Theil des Reichs ab, und sie herrscht dartiber unter an-
genommenem mannlichem Namen. (Fornald. s. 3, 67 — 69). Wie
oft erzalen nicht die nordischen Geschichten von Tochtem des
Hauses, die beim Gelage in des Vaters Halle durch die Reihen
der Manner prtifend schreiten und nur zu dem sich setzen wol-
len, der auf den Seeziigen und in anderm Kampfe der ruhm-
reichste war. Ueberall treten uns in unserm Alterthum Beispiele
kampflustiger und auch waflFengeiibter Frauen entgegen ^) und
durch sie ward der Glaube an gottliche Jungfrauen der Schlach-
ten theils mit dem wirklichen Leben verflochten, theils weiter
ausgebildet. So werden die Schwanjungfrauen zu den leben-
digsten und schonsten Schopfungen der religiosen Phantasie.
Gottliche Hoheit und menschlicher Liebreiz vermahlen sich in
ihnen und die entstandenen Gestalten finden selbst nicht in der
hellenischen Gotterwelt etwas das ihnen sich vergleichen diirfte.
Der Lieblingsaufenthalt der Schwanjungfrauen ist aufzer dem
Schlachtfelde der dunkle wafzerreiche Wald. Sie beriiren sich
hier mit den Wald frauen und es halt schwer beide zu schei-
den. Auch diese gottlichen Bewonerinnen des W aides und seiner
') Nach dem Ueberfall der Seinen auf dem Ruckzuge nach Spanien sam-
melt Karl d. Gr. der mittelalterlichen Sage nach auf Gebot eines Engcls ein Heer
von 53000 Jungfrauen , (die gehieten musten daheim bleiben) mit dem er gegen
die Heiden zieht. Der K<>nig unterwirft sich durch den blofzen Anblick des kiih-
nen Volkes erschreckt. Kaiserkronik 14946— I5o30. Ans der Geschichte sind die
dietraarsischen Frauen aus dem Danenkriege von 1500, die Fanentr&gerin Meta von
Hohenwohrden an der Spitze , die herrlichsten Beispiele von Frauenmut und edler
Vaterlandsliebe.
45
Holen Bind voraussichtig und das Schicksal des Krieges Uegt
ihrer Macht nicht fern. (D. Myth. 402). Unsre Sagen erzalen
viel von ihnen, den weisen Frauen, welche in den Wald oder
ein altes Waldschlofz verbannt, nach ErlOsung schmachten. Bei
manchen erinnert ein seltsamer Schuh oder Fufz an den Schwa-
nen- oder Ganseiufz der Ber elite (reine Pedauque), Die Scihlange
und die Krute, deren Gestalt sie gewonlich zeitweise tragen
miifzen, erinnern zugleich an ihr Urelement, das Wafzer'). Die
Schlange i&t uberdiefz im Besitze heilender Krafte, welche vor-
zugsweise den Wafzergottheiten zugeschrieben warden. — Neben
diesen hOheren Waldfrauen erscheint noeh ein Volk kleinerer, das
niedere Heidekraut neben den hohen Eichen und Buchen. Es
sind die Wald-, Holz- oder Moosweibchen oder Lohjungfem,
eine Schar winziger diirf tiger Wesen, die miihsam ihr Leben
fristen und von der wilden Jagd in stetem Todesschrecken ge-
halten werden: es sind die Zweige des Waldes, welche vom
Sturm getrieben und scharenweise gebrochen werden.
Von Weibem, die in Baiimen wonen und deren Leben mit
dem Baume abstirbt, weifz unsre Sage wie die griechische.
Mit den Waldfrauen beriiren sich, wie schon angedeutet
ward, vieKach die Wafzer frauen (Meerminnen, Meerfeien), in
denen wir ebenfalls ofters den Niederschlag der Schwanjungfrauen
finden. Der rauhe Leib dieser wilden Weiber mant an das Fe-
dergewand und in dem schaufelformigen Fufze (Wolfdieter, 180)
erkennen wir den JSchwanenfufz. Sie hausen in den Waldteichen,
den Flufzen und dem Meere ; als Meerweiber gehen sie natiirlich
in die Riesinnen tiber. — Die Gottheiten jeder Ordnung sind von
den Menschen und daher fiir die Menschen geschaffen. Bezuglich
der oberen Gotter drtickt sich das in dem Verlangen der Men-
schen nach ihnen aus, bei den unteren offenbart sich diefz als das
Bediirfhiss des menschlichen Umganges, menschlicher Hilfe und
Narung. So verlafzen auch die Wafzergeister, so sprode und
') Die indischen Apsarasen, welche sehr haufig als Schwane und En ten er-
Bcheinen, nemen auch Froschgestalt an. Ihr Schleier vergleicht sich dem Feen-
schleier und dem Schwanenhemde.
46
abgeschlofzen sie in Vergleichung zu den andem sind, das feuchte
Haus. Das Wafzer rauscht und tont, seine Gottheiten miifzen also
Musik pflegen und Heben; schwankend und kreisend schlagt die
Welle an Welle, die Wogengeister miifzen den Tanz hegen. Mu-
sik und Tanz ziehen die Nixen an und sie steigen aus den
Flufzen auf die Hiigel, um einen Reihen zu treten und zu singen,
oder sie eilen bin wo Menschen tanzen und die weifz und blau
gekleideten, schilfgekranzten schonen Madchen fliegen leicht durch
die Arme und in die Herzen der menschlichen Jiinglinge. Wehe
aber der armen, welche die gesetzte Frist versaumt Die Wafzer-
geister sind unerbittlich und ein Blutstral, der aus der feuchten
Tiefe aufsteigt, hat manchem Burschen, der seiner Tanzerin bis
zum Ufer nacheilte, ihren Tod verkundet. Eine merkwiirdige
Uebereinstimmung von Nixen und Walkiirien ist, wie schlesische
Sagen lehren, dafz auch menschliche Madchen zu Nixen werden
konnen, ja eine schlesische Sage weifz, dafz ein Knabe zu einer
„Wafzerlisse" wurde ^).
^)Ich will beide Sagen kurz mittheilen; die Ungunst der buchhandlerischenVer-
haltnisse hatte meine Sammlung schlesischer Sagen nnd Marchen der Oetfentlich-
keit Yorentlialten , jetzt ist sie durch den Krakaner Brand vom 18. Juli 1850
vernichtet.
Eine Magd zu Neudorf (bei Reichenbach) war einmal in den grofzen Teich
Schilf sicbeln gegangen. Da hiirt sie in der Nabe wie sie meint ein ELind schreien
und wie sie dem nachgeht, findet sie eine grofze Krote. Die ruft ihr zu, sie solle
nur naher kommen, sie werde ihr nichts thun und sie bittet sie den nUchsten Mor-
gen zur selben Stelle zu kommen. Da kam die Magd und die KrOte war zur Wa-
fzerlisse geworden, oben war sie ein Madchen und unten hatte sie einen Fisch-
schwanz. Da schlug die Wafzerlisse mit einer Rute in das Wafzer und bat die
Magd mit ihr zu kommen und sie konntc iibcrall ganz trocken gehen. Und sie
kamen in eine schune Stube, da bekam die Magd gut Efzen und Trinken und
beim Fortgehen sagte ihr die Wafzerlisse, sie solle noch dreimal kommen. Das
that sie auch und beim drittcn Male stund statt der Wafzerlisse ein schOnes Madel
da, das dankte der Magd gar sehr, dafz sie es erlOst habe und erzahlte dafz es
die vcrwUnschte Tochter vom herrschaftlichen Hofe sei. Da schiittete es der Magd die
Schiirze voll frischen Schilfes und nam Abschied und gieng zu seiuen Eltem und
hat noch ein paar Jahre gelebt. Die Magd hatte aber statt des Schilfes lauter
Gold in dor Schiirze und da hat sie glcich ihren Dieust autgesagt.
Da kam einmal ein Junge aus Langseifersdorf (bei Reichenbach) an den
ncuen Teich und da war eine Wafzerlisse, die sagte er solle mit ihr kommen. Und
47
Wie 8ich neben den Schwanjungfrauen, welche die Vereini-
gung von Wafzer- und Luftgottheiten zeigen, bfesondere Wa-
fzergeister darstellen, so auch besondere Luftgotter* Es sind das
die El ben: ein Geschlecht glanzender Wesen , schSn wie die
Sonnenstralen und leicht und zart wie die Liifte. Besonders die
Elbinnen sind von leuchtender SchOnheit und mancher armer Men-^-
schenknabe ist durch sie ftir immer verloren gegangen. Wenn sie
zur Nacht auf den Hiigeln und den Waldwiesen ihre Eeihen tan-
zen und die verfiirerischen Weisen sin gen, dann kann das Man-
nerherz nicht widerstehen. Das Elben-Tanzlied (Albleich, eljvelek)
ist die germanische Orpheusmusik.
Die Elbinnen scharen sich um Holda oder JBerchta als ihre
Konigin (Myth. 421. 424) und ziehen in ihrem Gefolge, wie die
Elben Wodan begleiten. Wie das Nahen der grofzen Gottin se-
gensreich ist , so scheint auch die Nahe der Elben auf Feldfruchte
und die Thiere des.Landbaues, die Kiihe, von giinstigem Ein-
flufze. Auch das Spinnen und Weben beschaftigt die Elbinnen
(Myth. 440) und daran kniipft sich tiberhaupt Gewandheit und
Weisheit. Genug, auch in dies^a weiblichen Geistern leuchten die
GrundzQge der germanischen Frauenbildung hervor. — Eine eigene
Abtheilung der Elbinnen war mit dem Feldbau im besondern be-
traut und wonte in den Saatfeldern. Es sind die Bilweisse,
welche spater ganz entstellt wurden und mit den Hexen zusam-
menfallen* Aus ihnen ragt das Kornweib (Myth. 445) heraus,
das zum Schreckgespenste der satenschadigenden Kinder ward und
eine Entstellung der grofzen ErdgOttin zu sein scheint.
sic giengen ins Wafzer und kamen in ein schones grofzes Haas und die Wafzer-
lisse sagte dem Jungen er soUe in einer Stube warten und ihr bei Leibe nicht
oachkommen. Aber der Junge war neugierig und lief ihr in die Kammer nach;
da badete sich die Wafzerlisse in einer Wanne nnd sie war halb Mensch halb
Fiscb. Da schrie sie laut und klagte sie konne nun nie mehr erlost werden.
Aber da kam eine andere Wafzerlisse und fiihrte den Jungen auf den Boden und
hiefz ihn warten. Sie stieg aber noch eine Stiege hijher und verbot ihm nachzu-
kommen. Und der Junge gieug ihr doch nach» Da schrie aber die Wafzerlisse
vor Freude und gab dem Jungen drei Ohrfeigen und er ward augenblicklich eine
Wafzerlisse. Sie aber war erlost.
48
In alien diesen unteren weiblichen Gottheiten finden wir
hohere gottliclie Ziige und wie im geselligen Leben die Frauen
etwas bildsames und flUfziges haben, das den Standesunterschied
bei ihnen leichter als bei den Mannern verschwimmen lafzi, so
fliefzen auch obere und untere Gottinnen fast zusammen. Weniger
tritt das bei den Erd- und Berggeistern , den Zwergen, hervor.
Der schwere Stoff, in dem die Zwerge leben, hat auf ihr Wesen
beschwerend eingewirkt: sie sind gruber, so zu sagen menschlicher
gebildet , die Weisheit der andern elbischen Geister geht bei ihnen
in Verschlagenheit tiber und mehr als die andern bediirfen sie der
inenschlichen Hiife und Erlosung. Die allgemeine Neigung unserer
unteren Gottheiten zu Spiel und Tanz findet sich auch bei ihnen
und neben boser List bricht ein Zug freundlicher und milder Art
durch, der an jene edleren Gestalten erinnert. Die Zwerginnen
scheinen sich auch in ihrer aufzeren Erscheinung vor den Zwer-
gen auszuzeichnen ; bei der Mischung von Elben und Zwergen
ist indessen hier eine sichere Ansicht kaum zu gewinnen* Bei den
Hausgeistem (Kobolden) horen wir nur von mannlichen Wesen,
und selbst wenn die Sage von ihren Reihen und Ges'angen er-
zahlt, weifz sie nur von kleinen Mannern, nicht auch von Wei-
bern. Das mlinnliche des Feuers, dessen Untergottheiten die Ko-
bolde sind , scheint der Grund dieser Ausschliefzung der Frauen.
Nur eine Art der Hauswichte, die Hausottem, erscheinen gepaart
als M'annchen und Weibchen. Dafz es Schlangen sind, zeigt Cibri-
gens auf das Wafzer als ihr Element und trennt sie von den an-
dern Hausgeistem.
Die Zwerge werfen sich ofters zu Schutzgeistern einzelner
Menschengeschlechter auf, die Scliwan- und Schlachtjungfrauen
erfOllen durch die Theilname am Mannergeschicke eine wesent-
liche Aufgabe. Es verdient wol bemerkt zu werden, dafz der
kraftige todverachtende Germane vor der weiblichen Anmut und
Sorgsamkeit sein stolzes Haupt beugte und sich die Macht, welche
ihn fallen oder halten , die ihm Tod oder siifzestes Leben schen-
ken konnte, in Frauengestalt vorstellte. Diese Vorstellung ward
welter ausgebildet und der Skandinavier wenigstens gab jedem
49
Menschen einen weiblichen Schutzgeist (fylgja) der mit der Geburt
zu ihm trat und vor dem Tode prophetisch sich ihm zeigte. Oft
nimmt dieser Genius die Gestalt eines Thieres an, welches dem
Wesen des Menschen entsprieht; so zeigen sich die Fylgjen ta-
pferer Manner als Eber oder Eisbaren (Fomald. s. 3, 77. 96) und
80 erscfaeinen sie auch andern im Traume, indem sie ein bedeu-
tendes Ereigniss fiir ihren Schutzling damit anzeigen. Auch ganzen
Landem stunden solche weibliche Schutzgeister {landvaettir) vor,
die von den oberen Gottern getrennt iiberhaupt dem Kreise streng
personlicher Gottheiten fern stehen und in den abstracten BegrifF
des Schicksals hiniiberstreifen.
Hier Bind wir nun zu einer neuen Wendung in unserer Got-
terbildung gekommen. Auch die Anftlnge der Mythen wiesen auf
Personifikationen allgemeiner Begriffe hin; allein diese Begriffe
etiitzten sich auf sinnliche Wahmemungen und die entstehenden
Gottheiten waren Belebungen elementarer Machte* Hier am Aus-
gange der Mythen sind die vergottlichten Begriffe durchaus ab-
strakter Art und derFortschritt der religiosen Vorstellungen vomrein
sinnlichen zum rein geistigen erreicht in ihnen sein Ende. Erschei-
Dungen des innem Lebens, ethische und physische Eigeuschaften,
alles wird zu einzehien gottlichen Gestalten erhoben , die in ihrer
Kleinheit und Einseitigkeit grell von den allumfafzenden alten
Gottheiten abstechen. Bemerkenswerth ist hierbei , dafz viele dieser
jflngsten Geburten dem Biesengeschlechte eingereiht werden; aber
auch die Zwerge miifzen viele dieser Epigonen aufnemen. Jenen
fallen die grofzen, furchtbaren und qualenden Machte zu, wie
Ifiy der Zweifel; diesen die kleineren und feineren. Die Zahl
der weiblichen Wesen ist auch hier nicht gering und sie finden
rich unter alle Ordnungen der Gotter verstreut. Das Weib, mit
dem Loki die drei furchtbaren Kinder, den Fenriswolf, die
Weltschlange und die Hel erzeugte, war eine Riesin mit dem
Namen Angstbotin {Angurbodha) ; jene Riesin , welche die Riick-
kehr Baldurs aus dem Totenreiche verhinderte und die Got-
ter der Rache des Geschickes ftberlieferte , hiefz TUOch (die Ver-
geltung) ; eine Reihe ahnlicher Gestalten verschwiiidet in der
4
50
Menge 0. Andere Abstractionen sind sogar von junger Hand unte
die Asynnen versetzt wordeii (Sn. 36. fF.). Da finden wir Sagay di<
Poeeie, in deren Sale unter dem murmelnden Wafzer Odhin kost
lichen Met schliirft; £iV, die Gottin der Heilkunst; PulUzy d£«
jungfrauliche Gottin der Fiille und des jugendlichen Reichthuma
Siofn und Lofn^ die Vorsteherinnen der Liebe und Verlobung*
For, die Gottin der gewarten Treue; Syuj die der Verneinung un^
des Zurtickweisens; HliUy in der wir den weiblichen Schutz aber
male vergottlicht sehen, und Snotra, die Personifikation weibli
cher Klugheit und Feinheit. Von diesen Gottinnen ist nur FulU
auch fur Deutschland verbGrgt ; die tibrigen treten unter verschie-
denen Namen erst in nachmythischer Zeit auf , als sich die deutschc
Poesie der Abstraction zuwandte und dadurch verfiel. Zuht, ^Ere
Md^e, Triuwey Staete und noch mehrere dieser ethischen Eigen-
schaften erscheinen da personlich mit dem Titel „Frau ' und merk-
wiirdig ist nur, dafz sie sogar in das Volksleben iibergiengen.
Frau Zucht wenigstens spielt bei Vermalungen noch heute hie
und da eine Rolle^). Die Dichtkunst, Saga, mag wol lebendigei
als die andem gestaltet gewesen sein; noch aus Frau Aventiure
blickt eine lebendige Gottin. Eben so glanzen aus Frau Saelde,
der Personifikation des Geschickes, helle Stralen heraus, die eicli
allerdings nicht mehr zum Heiligenschein um ein gottliches Antlit2
zu sammeln vermogen, aber den Namen noch anmutig beleuchten.
Hierher wollen wir auch IdhuUy die Gottin der Jugend stellen,
deren Sinnbilder Aepfel imd Nafze, als die Hiillen der Lebens-
keime sind. Die lieblichste Erscheinung dieser Gattung aber is!
NannQy JBaldurs Gemahl. Die Kiihnheit, welche Liebe und Sorg-
falt fiir den theuem entziindet, das edle Band das Herz an Herz
untrennbar kniipft, wie mag es sich schoner aussprechen aJs in
der liebenden Frau, deren Herz am Scheiterhaufen des Gattes
springt. Wir konnen diese Uebersicht der germanischen Gottinnen
mit keiner schonem Schopfung schliefzen. Hier tritt uns noch
einmal die sinnige Auffafzung der Frau bei den Germanen ent-
') Vgl. die TroUquennaheiti Snorra E. 210. *) Haupt Zeitschr. f. d.
A. 6, 464.
51
gegen, die Darstellung der edlen Hingabe des Weibes an den ge-
liebten Mann, die verklarend und erhebend wirkt. Welche Bilder
haben sich nicht entroUen lafzen 1 Die ernste miitterliche Gottin,
welche Erde und Meer als grofzen Hausraum verwaltet und fur
die Menschenkinder ein wachsames theilnemendes Auge hat, steht
inmitten einer reizenden Schar gottlicher Madchen und Frauen,
welche festen Sinnes und treuen Herzens, lieblich und vertraulich
wie das Weib erscheinen, das ein gliicklicher mit Stolz das seine
nennt. Finstere unheimliche Gestalten drangen sich wol auch in
die Schar , allein ihrer sind wenige und die jiingere Zeit, der die
F'ahigkeit wie der Wille zum Verstandnifse der mythischen Scho-
pfungen verloren war, tr'agt die Schuld der Entstellung vieler.
Vor allem mag aber hervorgehoben werden, dafz die sittliche Rein-
heit der Germanen sich auch in ihren Gottheiten, namentlich in
denGottinnen ausfpricht. Mythen, die dagegen sprechen konnten,
sind nicht alten Ursprungs. Erst nach langer Beriirung mit den
siidlichen und westlichen Volkem befleckte sich die germanische
Phantasie; das geschah aber, als die Mythen langst im Absterben
waren. Noch in den Volkssagen lebte die alte Eeinheit fort.
y.
Dritter Abschnitt
Die Priesterinneii 9 i^eiseii Frauen
und Hexeii*
±Jie Vielgotterei baut eine goldene Briicke zwiscben den^
Hirrimel und der Erde. Dem Menscben stellt sicb dte Grottbeit
nicbt in unvermittelte feme Hobe, sondem rGckt ibm durch die
reiche Menge der untem und Halbgotter bis in sein Haus und
seinen Hof ; er beugt eicb demiitig vor der Gewalt des grofzen
Go ties und ftilt in dem Verkebr mit den geringen gottlicben
Wesen, dafz die Gottbeit seiner bedarf. Er wagt sicb in den
beiligen Kreifz mit keckem Fufze selbst binein, und versetzt seine
Helden und seine Frauen in den Himmel.
Die kraftige Friscbe des Lebens liefz das sinnliche und das
geistige gleicbmafzig entfalten; man gieng nicbt mit scbai-fem
Geiste und scbwacbem Gemiite und Leibe, iiberreizt und verlebt
durcb die Welt; man nam alles, wie es sicb grade dem Sinne
bot. Kindlicb^fafzte man es von zwei verscbiedenen Sciten, obne
nacb ibrer Vereinigung und Vermittlung zu sucben; man erbob
und stiirzte eines und dafzelbe. Das zeigt sicb uns am scbarf-
sten an dem Weibe. Die Germanen glaubten, wie Tacitus be-
ricbtet , an etwas beiliges und weifzagendes in den Frauen ; sie
veracbteten ibren Rat in den bocbsten Dingen nicbt und merkten
streng auf die Antworten, welcbe sie gaben. Und daneben bat
58
dafzelbe Weib kein Recfat und keine Stimme in den ^leinsten
Dingen, dafzelbe Weib ist eine erkaufte Sache, die verscheiikt
und verhandelt und verbrannt werden kann, wie es dem Manne
beliebt. Dort gottergleich, hier Sklavin, dort angebetet, hier ge-
misshandelt, tmgt es das Zeichen der menschlichen Art, jene
Zweigetheiltheit zwischen Licht und Nacht, die durch alles seiende
hindurchgebt, Wir suchep sie zu verhiillen und die feindlichen
Machte in einem Waffenstlllstande an einander zu bringen; das
Alterthum war unbefangener und schliff die Ecken nicht rundlich,
welche nieihals rund werden k5nnen. Das Weib ist dem Mai me
ein Mittel sinnlichen Bedtlrfnif&eQ und ajs Mittel und Werkzcug
wird es ihm zur S^'Che ; scheu fart er aber ip einzelnen Stuuden
zuriick und beugt sich vor ihm, denn ein gSttlicher Glanz spruht
au8 dem Wejbe, der ihn entsetzt und zur Ehrfurcht zwingt. Er
kann diese Gegensatze nicht vereinen und bemuht sich nicht
darum: ihm geniigt, dafz sie besteben, und nach Bedurfnifs und
tielegenheit zieht ihn der eine oder der and^re an.
Wir treten jiunachst ap das geheimnifsvolle und gotterahn-
liche, was unsre Voraltem in den Frauen fulten upd ahnten, und
durch das sie die Menschlichkeit mit der Gottheit zu verbin-
den suchten.
Durch die Einrichtungen uusres Volkes in der altesten hi-
storischen Zeit geht unleugbar ein demokratischer Zug, Die Ge-
sammtheit der freien Manner ist der Inhab^r aller Rechte, deren
Handhabung den Aeltesten der Gemeinden (ibergeben ist. Feld-
herrnamt, Richteramt, Pries teramt, sind nicht an Einzelne,
wie Erb- und HausgGter vertheilt, sondern eq sind gemeine Giiter.
Mit dem Glaub^n an die Gottheit trug jeder die Berechtigung zu
ihrem Diensta m sich; die Germapen hatten also keine abge-
schlofzene Pries terki^ste, sondern jeder Freie war der Priester sei-
nes Hauses, jeder Aelteste d^r Priester seiner Gemeine. Mit dem
Priesteramte war die richterliche Wurde genau verbunden, denn
der Zustand des erfiillten Gesetzes und der Friede wird als gottliche
Einrichtung genommen, jede Gesetzesstorung und der Friedens-
bruch aber als Frevel gegen die Gottheit, welchen der Priester
54
richtend zu ahnden hatte. Gerichtsbann und Heerbahn lagen also
in der Hand des Aeltesten, warend die andere Seite der richterlichen
Thatigkeit, das Finden des Urtheils, ihm nicht zukam. Vertreter
der Gottheit war der Priester in dieser friedensrichterlichen Thatig-
keit und zugleich das Mittel, durch welches sie den Fragen nach dem
Geschicke antwortete. Die Gebrauche dabei waren ein Theil des
Gottesdienstes, defsen Verwaltung er leitete, Waren es hausliche
Sorgen, welche ein gottlicher Ausfpruch heben solte, muste fiir
die Angelegenheiten der Familie ein Opfer gebracht werden, so
trat jeder Hausvater als Priester auf»
Neben dem Hausvater konnte aber auch die Hausmutter
priesterliche Geschafte voUziehen, neben den Gemeine^prieetem er-
scheinen auch Priesterinnen der Gesammtheit. Jene religiose
Scheu vor dem weiblichen und die prophetische Begabung die
man ihm zuschrieb, muste die Frauen vorzuglich zum heiligen
Amte befahigen und ihnen mit Ausname der friedensrichterlichen
Thdtigkeit dafzelbe Gebiet wie den priesterlichen Mannem freigeben.
Ob alle germanischen Stamme die Frauen mit dem Priesterthum be-
kleideten, wifzen wir freilich nicht ; fiir mehre ist es bezeugt, fur
die andern dtirfen wir es wenigstens ziemlich sicher mutmafzen.
Frauen (matres familicB), die heilige Verrichtungen von Staatswegen
vornamen, kennen wir bei den Volkem um Ariovist (Caesar bel.
gall. 1 , SO) ; kimbrische und gothische Priesterinnen sind sicher
verburgt (Strabo 7, 2. Eunap. excerpt, c. 46), fiir die Brukterer
spricht Velsda, jene Jungfrau, die fast gottlich verehrt wurde und
auf die Unternemungen des Volkes den hochsten Einflufz hatte;
fiir andere frankische Stamme zeugen die Namen ElectrudUy das
ist die here Frau des Heiligthums (alah), Anstrudis (Polyp t. 73)
das ist die Gotterpriesterin, so wie andere Zusammensetzungen
mit trittf die auch bei den oberdeutschen Stammen vorkommen
und auch bei ihnen Priesterinnen voraussetzen lafzen. Bei dem
lygischen Volke der Naharnavalen verrichteten die Priester in
Weiberkleidern ihr Amt; fiir die Skandinavier sind uns Prieste-
rinnen sicher verbiirgt. Frei/s Tempeldienst ward durch eine
Jungfrau versehen ; in Bcddurs Tempel finden wir Frauen in heiligen
55
Geschafte und in einem Tempel in Biarmaland, der dem Thor^
Odhin, Frey und der Freya geweiht war, wird eine Schar von
sechzig Priesterinnen erwahnt, (Fornalds. 3, 627.) Auch der oftere
Zimame der nordischen Frauen Gydja (Priesterin) ist Beweis, dafz
sie an den gottesdienetlichen Geschaften wirklichen Antheil namen*
Einen abgeschlofzenen Stand der Priesterinnen werden wir
leugnen miifzeny aber zugeben darfen, dafz die Frauen, welche
sichzum gdttlichen Dienste und derWeifzagung besonders befahig-
ten, ihr Leben meistens auschllefzlieh den heiligen Geschaften
widmeten, warend die Manner durch andere Obliegenheiten eine
vielseitigere Thatigkeit fanden. Wie wenig die Priesterinnen einen
zum Gottesdienst bevorrechtigten Stand ausmachten, beWeisen
unter andem die Hausmiitter bei Ariovists Vdlkern und die Frauen
im Baldurs Tempel. .
Die Hauptthatigkeit der priesterlichen Frauen war die Wei-
fzagung , durch die sie zugleich auf die politischen Verhaltnisse
bedeutenden Einflufz tibten. Veleda war durch gluckliche Vor-
hersagungen auf ihre wichtige Stellung gelangt. Im Frieden und
im Kriege ward die geheime Kunde dieser Frauen gesucht, und
was sie aus dem Lose, aus dem rinnenden Opferblute oder andem
Zeichen erschauten, bestimmte oft mehr als der Rat erfarener
Manner die Untememungen. Die Kimbem liefzen ihre Prie-
sterinnen aus dem Blute der geopferten Kriegsgefangenen das
Geschick deuten; Ariovist machte seine Untememungen von dem
Spruche der weisen Mfitter abh'angig.. Besonders beliebt war bei
diesem Schicksalserforschen das Lofz: Buchenstabe, in welche
Zeichen geritzt waren, wurden auf ein weifzes Tuch geworfen und
mit Gebet und Blick zum Himmel hub der Priester oder die
Priesterin drei Stabe auf, aus denen sie den Willen der Gotter
lasen. (Germ. 10.) Es setzt diefz die Kunde von lesen und schrei-
oen bei den Frauen voraus, was an und fur sich nichts geheim-
nwsvolies war, denn die Runen sind keine Geheim- oder Priester-
schrift, aber durch die Unwifzenheit der Menge es wurde. Dazu
tain, dafz die Runen vielfach bei heiligen Geschaften und an
gottlichen Sinnbildem oder Geraten gebraucht wurden , und dafz
5g
das Ritzen dieser Zeichen ofters eine Art Gottesdienst war. Der
Name der Gottheit, welcher auf das bevorstehende Unternemen
oder die gewiinschte Sache besonders einflufzreich war, wurde
beim Einschneiden der Zeichen genannt oder ein langeres Geb^
gesprochen ^). Die Bunen wurden auf den zu sch&tzenden Ge^
genstand oder auf eine Sache, welche zum Zwecke irgend in Be-
zug stund, gerizt* Oft konnte eine eihzige Bune hinreichen, da
dieselben alle eine sinnliche oder geistige Bedeutung haben, z. B.
N=Not, F = Vermogen, H = Hagel, T=T^r, der ScUachten-
und Siegesgott ^),
Die Weifzagung und dasGebet, das sich ihr beim Bunenge-
brauche verbindet, waren nicht die einzigen gottesdienstlichenPflich-
ten der Priesterinnen. Auch Gesang und Tanz, die eng verbun-
den sind, gehorten zum Kultus. Zwar konnen wir aus dem Alter-
thum selbst kein ausdriickliches Zeugniss daftir angeben, allein spatere
und Volksgebrauche sprechen entscheidend genug. Namentlich ist
jene feierliche Schiffsumfiirung am Niederrhein von Bedeutung, die
wir aus der Kronik des Abts Eudolf von S. Tron, kennen. Um
das J. 1133 wurde ein grofzes Schifif auf Badern von Inda nach
Achen, Mastricht und andern niederrheiniscben Orten gefurt,
tiberall jubelnd empfangen und namentlich von den Frauen unter
Gesang die Naohto hindurch umianzt. Es war das jedenfalls eine
plotzlich durch irgend welchen Zufall erwachte altgermanische
Gottesfeier, wahrscheinlich urspriinglich der Nerthud^Frouwa ge-
weiht; brechen doch oft wunderbar, lang ruhendem Saatkorn gleich,
alt erhaltene Sagen und Lieder im Volke hervor. Die Statuten
des Bonifaz lafzen uns dem achten Jahrhunderte ahnliche feier-
liche Gebrauche zuweisen, wobei sich namentlich die Madchen
') Dafzelbe war gemafz dem Geiste der altesten Poesie episch. Wir
habcn oine solche alte Beschworung, welche an die noch hente get)rauchten Be-
sprechungsformeln aoffallend erinnert, im ersten Brynhildliede Str, l4 — 20 (Rask.
195^ — 196* 'A hiargi ftCdh — unz riufafk regin). Das gauze Gedicht ist fiir
diese Sachcn von grijfter Bedeutung und von dieser Seite kann man seinen son-
st'gcu Fchler, den Mangel an epischcm Inhalte, ubeisehen. *) Wh. Grimm
(ibcr deutschc Runen S. 316. Anm. theilt aus eiuer Wener Handschrift des 12.
Jabrhunderts eine Auslegung der Buchstaboo unserch Alphabetes mit.
57
tanzend und singend betheiligten. Noch heute ist manche Spur
des alten Eitus im Volksleben zu entdecken. Wenn die Hausfrau
zur Wintersonnenwende oder zur Fasnacht, damit der Flachs ge-
deihe, tanzen und springen mufz, wobei sie bestimmte Worte zu
sprechen hat, so hat das iiir den Rest eines Kultus der Erdgottin
zu gelten, welchen die Hausmutter als Priesterin zu verwaltea
hatte. Der Tanz und Gesang der Schnitter zu Ehren des Wode
oder der Frau Gode ist ein Theil des Wodan- und Friakultus;
der Pfingsttajiz ^) gait urspriingKch der Friihlingsgottheit, und so
lafzen sich noch mehreren der Volkstanze ihre alt rituelle Bedeu-
tungen zuspreidien. Wie nahe lag es doch, Gesang und Tanz im
Dienste der G^ttheit zu braucheni liebten doch die Gotter selbst
Musik und Keihen. Bei den Umziigen, welche die Gottheit im
Bildeoder Symbole auf heiligemWagen alljahrlich durch das Land
hielt, namen die Priesterinnen, sobald sie den eigentlichen Dienst
des Gottes versafaen, naturlich Theil (Fornmannas. 2, 73. ff.) Da
bei diesen Bundfahrten allerlei Weifzagung aus den heiligen Thie-
ren gesucht ward, diirfen wir die weisen Frauen vielleicht stets
dabei gegenwartig denken.
Zu der priesterlichen Thatigkeit der Frauen kommt noch
das Opfem. Aus J. Grimms unsch^tzbarer deutscher Mythologie,
deren reiche Quellensammlungen bier fast allein zu Grunde lie-
gen, wifzen wir, dafz die Germanen Menschen-, Thier- und
Fruchtopfer brachten* Bei alien drei Arten waren die Prieste-
rinnen gesclutftig, denn sie verriohteten auch Menschenopfer, wie
das die kimbrischen Priesterinnen beweisen. Das Sieden der
Opferthiere gehort recht eigentlich dem Amte der Frauen, ebenso
das Backen der Opferkuchen, die nicht selten die Gestalt der Gotter
oder der geheiligten Tbiere batten. Spuren hiervou haben sich in
den Backwerken mancher deutschen Gegenden noch heute erhalten*
Frey ward von einem Madchen bedient ; in Baldurs Tempel
Bind Frauen mit heiligem Dienst beschaftigt; Priesterinnen erscheinen
in OdhitiSy Tkora und Freys Tempel in Biarmaland. Man mochte
') Vgl. besonders J. Grimm deutsche Mythologie 51.
58
also belnahe annemen, dafz die Gutter vorzugsweise von Frauen,
die Gottinnen dagegen von Mannern bedient wiirden. Bestimmtes
lafzt sich jedoch hieruber nicht festsetzen, ebenso nicht dariiber,
ob die Jungfrauen vor den verheirateten Frauen einen Vorzug
im Gottesdienste batten. Der Germane kniipfte allerdings an die
Jungfraulichkeit besondere Gaben und Krafte, allein Erfanmg und
Lebensweisheit war dagegen Ausstattung der Mtitter. So sehen
wir neben den Jungfrauen Veledaj AlirunOj Garma und der Prie-
8terin Freys^ verheiratete Frauen das priesterliche Amt verrichten *).
Es mag noch nach der aufzeren Erscheinung der Prieste-
rinnen gefragt werden. Strabo beschreibt die kimbrischen alfi
alte grauharige Weiber, barfUfzig, in weifzen Linnenkleidem mi^
ehemen Giirteln. (Strabo 7, 2.) Allgemein mag das fli^ende
Har gewesen sein; wenigstens erscheint auch eine nordisclie
Zauberin mit Locken, die frei um die Schultem fallen ^) und aucb
die niederrheinischen Weiber, die um jenes SchiflF sich scharten^
werden geschildert mit flattemdem Hare und in leichten Gewftn-
dem. Die Kronisten deuten diefz freilich als Folgen der plotzlich
unterbrochenen Nachtruhe. Zu erwahnen ist auch die Frauentracht
der nahamavalischen Priester (germ. 43). Bekannt ist, dafz bei
antiken Kulten ein ahnlicher Kleiderwechsel haufig vorkam und
dafz im Mittelalter (modifizirt auch noch heute), der Glaube
herrschte, Weiberkleidung begabe den Mann mit der Macht der
Weifzagung, die Frau umgekehrt Mannertracht '). Bei dem ge-
ringen Unterschiede, der in altester Zeit zwischen der Eleidung
der Geschlechter waltete, miifzen doch die besonders langen und
tief verhiillenden Gewander die vorzugsweise weiblichen imd prie-
^) Ich bemerke anch , dafz zwei Islanderinnen , JMrlaug and Thuridhr^
die beide den Znnamen gydhja fiihren, yerheiratet sind. Islend* figur, l848
I, 64. 17B. — Aus der freilich Jungen Erzahlnng von Frey und seiner jnngen
schonen Friestcrin (Fommanna s. 2, 73) mochte man schliefzen, dafz zwischen
dem Gotte nnd seiner jtingfranlichen Dienerin uberhaupt ein enges Verhaltniss
angeuommen ward. Von den Hexen wenigstens, die yielfach Nachfolgerinnen der
Pries terinnen sind, gieng die Sage der fleischlichen Verbindung mit dem Teufel.
*) Ebenso die nordischen Hexen. Vestgotalag 1. Retlos. b. 6, 6. •)Herrad8Von
Landsberg Hortus deliciaram, heransg. yon Engelhardt S» 64.
59
eterlichen gewesen sein; auch in der d;ufzeren Erscheinung solte
der Diener der Gottheit auf das Geheime, das er hiitete, hindeuten*
Bei den HOrdischen Priesterinnen, wenn wir die Tracht der weisen
Frauen hier anschlagen dtirfen, waren im Gregensatz zu den deut-
schen, Hande, Fiifze und Haupt nicht bar, sondem bedeckt und
das Gewand ist dunkeL
Je ausgezeichneter die Gaben der Frauen waren, welche die
gottesdienstlichen Geschafte iibten, um so ausfchliefzlicher mogen
sie sich diesen hingegeben haben, so dafz, wie erwahnt^ wenn
auch von keiner Kaste, so doch von eigentlichen Priesterinnen
gesprocfaen werden kann* Neben ihnen fand sich schon friih eine
Menge Weiber, welche sich vorzugsweise der Weifzagung wid-
meten and die in Deutschland unter dem Namen der weisen oder
klugen Frauen, im Norden als vOlur^ spdkonur^ /pddmr bekannt
sind, anderer Namen zu geschweigen. Sie haben ein langes Leben,
in dem sich der Fluch alles Seienden, nur kurze Zeit im Gliick
und auf der Hohe zu stehen, schneidend ausspricht. Hochgeachtet,
gottlich verehrt in alter Zeit, werden sie friih genug erst von
einzelnen, dann von immer mehren iibersehen, verspottet, ver-
folgt. Der Armut blofzgestellt , vor dem Gesetze strafwurdig,
fcen sie dann das Leben des gehetzten Wildes^ Furchtbare Un-
wetter ziehen uber ihnen auf, die Folterkammer und der Schei-
terhaufen wiiten gegen sie, aber sie iiberstehen alles. Wenn auch
Dur Schatten, so leben sie doch als Schatten noch heute.
Die weisen Frauen haben ihren gottlichen Hintergrund an
den Nomeriy welche durch die Vermerung ihrer Zahl allgemach
ihre hochheilige Bedeutung einbiifzten und derStellungweifzagender
Menschenfrauen sich naherten. Dieser Uebergang der Nomen in die
ydlur zeigt sich ganz deutlich in den nordischen Ueberlieferungen.
Das Lied von Helgi dem Hundingtoeter erzahlt, wie drei Nomen
"1 der Nacht da Helgi geboren ward , zu ihm kamen und die
Faden seines Geschickes drehten. Ebenso wird erzahlt, dafz drei
^olur oder fpdkonur der Wiege Nomagefts nahten und sein Leben
bestimmten. Der nordische Text setzt sogar einmal nam fiir v6lva,
^uch der Name Nonageftr zeigt, wie hier vdlur und nomir tau-
m
Bchen. Ebenso werde die Angabe des Hyndlaliedes (32. Saem*
118*) liber der Walen Abstammung erwahnt. Sie kamen alle von
Vidholfr her, zu dem wir den deutsoheu Witojt, Konig Sotheis
rieslBchen Gesellen, halten, der s^inem Namen naoh ein Wald-
schrafz war. Da Wald- und Wafzergei$ter verwandt sind , so ist
hiermit den Walen ein anlicher Ursprung mit den meerentstamm-
ten Nomen gegeben upd ebenso mit den Wald- und Wafzer-
liebenden ' Walktirien. Valkuna und vdhja wird in jtlngeTer Zrit
sogar gleichbedeutend gebraucht, wqzu die Yerwandtschaft der
Namen mitwirkqn jnoohte. Genug, Nornen vfie WalkUrieu,, beides
Wesen voU gottlicher Weifzaguqg ujid dner Macht, welohe tiel
in das Mensch^nleben eingriff, sind die gottlicjben Vorliiuferinneii^
der mensqhlich gebildeten weisen Frauea. Die zahlrdchen nor--
dischen Quellen lebren uns dieselben naber kenuen. JSines der be*
deutendsten Eddalieder, der Wala Weifzagung (Vdlufpd), leg^
einer Seherin , Heidry die Verkiindigung des Weltgeschickes il
den Mund. Es wird geschildert, wie sie im Lande herumzieht
weifzagend, mit Zauberspriichen ^) vertraut , und auf Zauberwert
(Jeidhr) geiibt. Andere Stellen zeigen uns diese Weiber ebenso.
wie sie umherwandern und von den glaubigen eingeladen werden.
ihnen iiber das Leben, uber das Gedeih^n der Feldfrilphte ino
nachsten Jahre (arferdh) und iiber anderes zu weifzagen* Die Er-
zahlung von der Wala Thorberg macht diefz Treiben recht an-
schaulich ^). Thorbiorg hiefz die kleine volva und hatte neun Schwe-
stern gehabt, die sammtlich gleich ihr weise Frauen gewesen wa-
ren. Im Winter fur sie im Lande umher uud die Leute luder
fiie zu ihren Festschmausen , wo sie weifzagte. So ladet sie aucl
der reiche Bauer Thorkell ein. Am Abend kommt sie an, voi
-einem entgegengesohickten Manne geleitet. Sie tragt einen dun-
keln Mantel, der von oben bis unten rait Steinen besetzt ist, an
Halse Glasperlen und auf dem Kopfe eine Miitze von schwarzen
') Gandr, einfach gan , incantamentum (Jhrq lex sueogoth. 1, 63^) m\t fpi
zusammengcset/t Saem. 4/ Gondul, Name ciner Walkiirie, gehort hierher unc
zcigt wiederum die Verwaadtschaft der Walen und Walkiirien an. *) Saga Thor
finns Karlfefnis c 3, Antiqait. americ. 104 — 113*
61
Lammfelle und mit weifzem Katzenpelz gefuttert; in der Hand
halt 8ie einen Stab mit st^inbesetztem Messingknopf. Die Hande
stecken in Katzenf ellbandschuhen ; an den Fufzen hat sie rauhe
KalbfeUschuhe mit langen Riemen und grofzen Knopfen auf den
Spitzen* Ihren Leib umschliefzt ein Korkgiirtel, an dem ein Le-
derbeutel mit den Zaub^rgeraten hangt* Da sie hereintritt, wird
sie von alien ehrerbietig gegnifzt und der Wirt fQhrt sie auf den
Ehrenplatz, den Hochsitz, der fiir diefz Mai mit einem Polster
aae Hiinerfedem bedeckt ist. Die Malzeit fiir die Seherin besteht
aae Zicgenmilchbrei und einer Speise von allerlei Thierherzen.
Thorbidrg ist diesen Abend schweigsam und zum Weifzagen nicht
aufgelegt, indefsen verheifzt sie den an dem Morgen den Wiin-
schen zu willfaren* Da ist alles bereit was sie zum Zaubersieden
bedarf; allein es fehlen Frauen, welche solche geisterbannende
Spriiche (vardhlokur) verstiinden wie sie die Seherin will. End-
lich findet sich eine, Namens Gudhridhr y die auf Island solche
Spriiche lemte; weil sie aber Kristin ist, entschliefzt sie sich erst
Bach langem Bitten sie zu sagen. Da schliefzen die Frauen um
die Wahrsagerin auf dem vierbeinigen Zauberschemmel einen Kreis
und Ghihdridhr beginnt mit schoner Stimme einen so schonen
Sprach zu sprechen, dafz alle entziickt sind und die Wcda selbst
gesteht, es sei ihr vieles dadurch deutlich geworden, was ihr zuvor
iierborgen war. Darauf weifzagt sie alien von dem was sie zu
wifzen wiinschen und zieht dann auf den nachsten Hof, von dem
kereits ein Bote nach ihr ankam.
Ebenso mag eine Geschichte von einer Wala, Namens Heidhrj
emhlt werden (Orvarodds s. cl 2.). Sie war Seherin und Zau-
berin (seidhkond) und besuchte die Grastgebote, um den Menscheri
Ibcr Leb^i und Witterung Auskunft zu geben ; im Gefolge fiihrte
■c fiinfzehn Jiinglinge und fiinfzehn Jungfrauen. Einmal hatte
■e ein gewifser Inglaldr zu Bernriodhr in der norwegischen Land-
scliaft Vik zu sich geladen, und wie einem hohen Gaste geht er
ir mit vielem Geleite entgegen und bittet sie nochmals in aller
Formlichkeit in eein Haus zu treten. Als gegefzen ist, lafzt Hddhr
4c andern schlalen gehen , sie selbst bleibt mit ihrem Gesindd
g2
wach um in der Nacht den Zauber zu sieden. Am Morgen er—
klart sie sich im Stande zu weifzagen und heifzt die Manner ihre
Sitze einnemeny und einer nach dem andem tritt zu ihr, mn zu
horen, wie sich sein Leben fiigen werde. Dann verkiindet sie noch
wie der Winter verlaufen werde und andres mehr. EJin unange*
nehmer Auftritt mit einem unglaubigen Zuhorer, Oddar genannt,
beschliefzt die Sitzung. Trotz seiner bestimmten Droliung jede
Verkiindigung, die ihn betreffe, zu strafen, sagt sie ihm doch in
Versen sein Geschick voraus und der trotzige wirft ihr dafiir einen
Stock derb an den Kopf. Hddhr I'afzt sogleich ihre Sachen zosam-
menpacken und obschon sie IngiaWrr durch reiche Geschenke zu
versohnen sucht, obschon sie dieselben annimmt, lafzt sie aich
nicht mehr halten und zieht weiter.
Noch manche nordische Geschichten erzahlenvon den TFo&n;
alle berichten wie die weise Frau, gewohnlich von einem Gefolge
umgeben *), im Lande herumwandert , bei den Herbstgastereien
ein willkommener Gast ist, in der Nacht den Zauber siedet und
vom vierbeinigen Schemmel herab ihre Weifzagungen verkiindet
Der feidhvy der zur Ausiibung der Seherkunst imerlafzlich scheint,
mufz ein Sod aus allerlei zauberkraftigen Dingen gewesen sein,
der unter hersagen von Spruch und Lied bereitet ward. Aus dem
wallen des Wafzers, dem krauseln der Zutaten in der Hitze, viel-
leicht auch aus dem Bodensatze las die Frau die Zukunft. Der
Zaubersefzel mufz hoch und breit gewesen sein *). Es wird erzahlt,
wie einmal Manner in ein Haus kamen wo Zauberer ihr Wesen
trieben. Sie sehen den Schemmel; einer geht unter ihn und ritzt
unter schadenden Spriichen Runen daran, die den Seidhr storen.
Als nun die Zauberer auf den Schemmel sich stellen, brechen sie
mit ihm zusammen und Wahnsinn erfafzt sie, dafz sie im Walde
in Sumpfe und Abgriinde sich stiirzen (Fomald. s, 3, 319). Sol-
cher Seidhmanner wird haufig gedacht und sie spielen in den
') Einer Wala Skuldh werden Elben, Nornen and ^andres Gezachf (^annat
illthydhx) in junger Sage beigegeben. ') Vgl« d. Myth^ 996. Den Nornen
scheint ein gleicber Sefzel beigelegt worden zu sein. Saem. 24/ 127/ Von dem
Sitze der Wala Saem. 196.* (Bask).
68
Kampfen der ersten kristlichen Konige Skandinaviens eine bedeu-
teude Rolle. Die am Heidenthume und der alien freien Verfafeung
kst hielten, glaubten in dem Zauberwerke gegen die Bestrebungen
der Bekerer und Usurpatoren die Hilfe der alien Stammgoiier
zu findem Als Harold Schonhar Norwegen unter seine Alleinherr-
schaft zu bringen sirebi und dabei die Bekerung zum Krisien-
thume als Hilfsmitiel benutzt, verfolgt er die Seidhm^nner beson-
ders hefiig. Er lafzt; seinen eigenen Sohn Rognvald Rettilbein von
Hadhalandf der solche geheime heidnische Kiinste trieb, von Erich
Bluiaxt iiberfallen und mii achtzig Seidhmannem verbrennen.
(Fommanna s. 1, 10. 2, 134). Der anziehende Kampf des Hei-
denthums gegen das Kristenihum in Skandinavien gewart der
Verfolgungen und des fortgesetzien zah^n Widerstandes eine
lange Reihe.
Der Seidhy den Manner und Frauen (Seidhmenniry Seidhkonur)
trieben, gab Macht iiber Menschen, Thiere und Wetter. Seine
Wirkung war nach der Mafse, die in den Kessel kam^ verschie-
den. Die Sinnesart des Menschen konnte vemndert , Hafz oder
Liebe ihm eingeflofzt werden (Saem. 207.** 234') ; langsames Hin-
siechen , Versetzung aus der Feme in die Nahe , zum Theil ur-
plotzlieh, zum Theil durch unendliche Sehnsucht, welche den*
Fernen trieb ; Verzauberung auf hohe unzugangliche Orte , Er-
zeugung von Sturm, Unwetter und Mifswachs, alles das schrieb
man dem Seidh zu. Waren doch blofze Spriiche machiig genug: sie
bezauberten die Tranke (Saem. 194), stumpften oder segneten die
Schwerter und heilten Krankheiten. Die Heilung der Krankheiien
furt auf eine neue Seite der Thatigkeit der Priesterinnen und
weisen Frauen. Fast iiberall im Alterthume und im Mitielalter
zeigt sich Priester und Arzt in einem Leibe. Die Auffafzung der
Krankheii als einer Strafe der Gottheit muste den Priester zum
Heiler derselben berufen , da er durch Gebet und Opfer die ziir-
Dende Macht versonen konnte. Vor allem erschienen die Prie-
gterinnen zur Heilkunst befahigi, da sie besonders mit geheimen
Reden und Liedern und niit Einsieht in das Geschick ausgestaitet
dauchren , und ihre Frauenhand an sich schon Linderung brachte.
Die Hoilnng war also em Opferdieiist *), der je nach dem Leider
dieser oder jener Gottheit gewidmet war. Die Fraitenkrankhciten,
besonders die Gebiirten etunden unter Friggs und Freyas Madit
(Saem. 240^) ; die Wunden- mochten den Schlachtgottem anem-
pfolen werden. Die spatere Zeit schuf eine besondere Grottin der
Heilkunst, Eir, und weiter abstrahirte Gestalten lehrt das Lied
von Fiolfvinn kennen^ Menglddh, eine gottliche Frau, erscheint hier
im Kreise von neun heilkundigen Jungfrauen,, deren Namen^ das
schiitzende, wamende, glanzende freundliche, schonende der weib-
lichen Art bezeichnen, warend Menglodh selbst eine gewohnliche
Umschreibung von „Frau" ist und in ihr also eigentlich dieVer-
gottlichung des Weibes als der Pflegerin und Helferin im Leiden
vollzogen ist. Die neun Jungfrauen knieen vor Menglddh und sin-
gen heilkraftige Spriiche und die glaubige Menge bringt ihnen
Opfer an heiliger Statte. Der Fels, der sich dort erhebt, Hyfja-
berg, bringt namentlich den kranken Frauen, die ihn besteigen,
Genesung (Saem. 110. 111). Von den alten unteren Gottheiten
werden besonders die Wald- und Meerfrauen {diu wUden wtp) als
erfaren und machtig uber Krankheiten geschildert. Sehr nattirlich
scheinen daher auch die Woden, die weisen Frauen, die mit ihneti
so vielfach verbunden sind , als heilkundig *). Spriiche, Segeti
Stabe mit Kunen beritzt, waren die beliebtesten Mittel und sin^
es noch heutie bei den klugen Weibem, die zu bufzen versteheti
und bei den Anhangem der sympathetischen Heilungen. Danebei
finden sich auch Tr'anke aus Krautem, Salben und Pflaster. Be
merkenswerth ist auch die Anwendung des kalten Wafzers, welch ^
Friesinnen des 9. Jahrhunderts an einer totkranken versuchen *)
An die Einwirkung heiliger Orte ward auch im Heidenthume ge-
glaubt, wie jener Fels der Menglddh bezeugen mag. Nach derEin-
fiirung des Kiistenthums erhielten bald die Graber der Heiligea
') Vgl. hier iiberhaupt Grimms d. Mythol. cap. 36. *) Hlif. Hlifihur'a^
Thiodkvarta, Biort, Blidh, Blidhnr, Fridh, Eir und Orbodha, Im Hyndlaliede isi
eine Orbodha . Frau des Mccrriesen Gymir. Sic und Illifthurfa hatten also ein€
bestimmte mythische Ankniipfung. ') Fornald. s. 3, 6(f5. \Mb. Fofnmann^
s. U», 204. ••) Translat. R. Alexandri a. 851. Pertz mon. 2, (580.
65
■I . I*
(He Kirchen ubeAatlpt , die wunderthatSgen Bildei^ und Reliquieti
eine bedeutende arztliche Wirksamkeit , deren sie noch heute nicht
cnthoben sind. Uebrigens wax die Heilkunst nicht ein Vorrecht
der weisen Frauen , sondern eine schone Begabung des ganzen
weiblichen Geschlechtes. Die Frauen und Tochter der germani-
schen Krieger scheuten sicb nicht vor den Wunden, welche die
Manner aus der Schlacht zur Behandlung zu ihnen brachten
(germ. 7.) und das iat das ganze Mittelalter hirtdurch so geblie-
ben *)• IHe pflegende Hand der Frauen hat den deutschen Man-
Dem nie gefehlt.
Die arztliche ThsLtigkeit der Walen erinnerte theils an die
Gottinnen theils an die Priesterinnen und auch das Zaubersiedeu
mante an die let^tereti* Wie die kimbrisehen Priesterinnen aus
dem Blute der Grefaiigenen, das sie in dem Opferkefzel auffangen,
weifzagen, so die weisen Frauen aus anderem Sode. So lange
auch ihr Ansehen bluhte, so ist es doch friih genug gesunken.
Bereits in dem Eddaliede Lokaglepsa wird es dem ^Odhin von
LoJd zum Vorwurf gemacht, dafz er den Walen gleich bettelnd
an die Thiiren der Men^chen klopfe und Zauberwerk treibe. Der
Glaube an die Gotte^ selbst machte noch vor Einfiirung des Kri-
stenthums vielfach einem selbstsuchtigen Unglauben Raum; um
wie viel mehr musten diese Mittelspersonen zwischen Gottem Und
Menschen verlieren. AJs das Kristenthum machtiger ward, sanken
die Gottheiten zu Zafuberern und weisen Frauen herab,.denn die
kristlichen , Bekerer wagten nicht, ihre Nichtexistenz zu behaup-
ten, sondern gaben sie nur fiir bose machtige Gewalten aus.
Frei/a ward zur Zauberin gemacht und Nomeriy Walkurien und
Rksinnen verflofzen in die grofze Mafse der klugen Weiber, deren
Zahl um so grofzer ward, als es nachgerade als unehrlich fur
Manner gait, Zauberei zu treiben. (Ynglingas* c. 7.)
Wir haben uns bis jetzt an den skandinavischen Norden ge-
halten, wo alle diese Verhaltnifse ungetriibter erscheinen. Die Be-
') Walthar. l405. Erec. 72 '6. Iw. 5609. Lanz. 2l94. Wigam. 6286. Roseng
C. 1996. Fornmannafi. 5, 9l ff. Fomald. s. 3, 640. vgU auch S. Palaye Ritter-
wcsen (libers, von Kluber) 1, 189.
5
66
trachtung der deutschen klugen Weiber, der Hexen , wird una
nunmehr leichter werden *). Wenn wir durch die Folterbekennt-
nisse dieser unglucklichen Opfer des Aberglaubens hindurchdrin-
gen, 80 findcn wir eine Reihe kirchlich ketzerischer Elemente^
welche die Inquisitoren in die Hexen hinein inquirirten ; zum gro-
fzen Theil aber tritt uns altgermanischer Glaube entgegen.
So viel auch in den germanischen Frauen lag, das sie fiir
das Kristenthiun vorziiglich empfanglich maehte, so brachten doch
die kirchUchen Satzungen vieles mit sich, was die Frauen ver-
letzen muste. Die orientalische Auffafzung der Frau als eines tief
unter dem Manne stehenden Wesens, als eines blofzen Mittels zur
Erreichung mancber Zwecke, war mehrfach in kirchliehe Bestim-
mungen eingedrungen. Die Kirchenversammlung von Chalcedon
setzte fest, dafz sich keine Frau dem Altare nahem iind keinen
noch so aufzem Dienst an ihm und fiir ihn besorgen diirfe. Pabst
Gelasius hatte diefz in seine Dekretalen aufgenommen , und viel-
faehe Uebertretunge^i des Gebotes in frankischen und deutscheB
Landen machten seine wiederholte Einscharfung fiir hier notig*)*
Noch Bruder Berthold, der ehren werte und tiichtige Prediger dcfi
dreizehnten Jahrhunderts, eiferte gegen das Zudrangen der Fraud
zum Altare, da allerlei Unfug daraus entstehen konne. Die Herab-
driickung der Weiber, die Ansicht sie seien unreine Wesen, aufzert^
sich sogar darin, dafz sie die Hostie beim Abehdmale nicht wi<
die Manner mit blofzer Hand, sondem nur mit dem Schleier an-
fafzen durften, um sie in den Mund zu stecken*). — Gegen ein^
solche Verachtung Seiteus der Kirche muste sich das Gefuhl na-
') Ich habc anf J. Grimms deutsche Mythologie c. 34 zu verweisen , wc
Stoff and Schlufze daraus auf das reichlichste zu finden sind. Soldans GkschichU
der Hexenprozesse fibersieht leider die deutschen Elemente, ebenso ist Wachten
Abhandlung „die Hexenprozesse in Deutschland" (Beitrage zur deutschen Ge-
schichtc. Tubing. 1845]^ einseitig. Brauchbares Material bietet H. Schreibera Auf-
satz : Feen und Hexen" (Taschenbuch fur Greschichte und Alterthum in Siiddeutsch.
land. 5. Freib. 1846). Das Wort Hexe (ahd. hagazus , hazusj ags. hagtiSj h>efsi
ifit dunkel. *) Hartzheim concil, 1, 79. 2, 19. Pertz legg. 1. 343. ') Bettberg.
Kirchcngeschichte Deutschlands. Gott. l848. 2, 787.
67
mentlich der deutschen Frauen etnporen. Bishei* der Gottheit nahe
"gestellt, mit alien heiligen Geschaften betraut, im Rate der Man*
nei* von Einflufz und dem sorgenden Herzen ein Trost iind eine
Zuflucht^ solten sie nun dem alien entsagen und einem GotteS'-
dienete, der ihnen innerlich fremd war und darum inhaltsleer blieb,
sich auch nicht einmal aufzerlich nahem durfeii* Man begreift
eehr wol, dafz sie das Gebot zu umgehen suchten > dafz weuig-
etens die Nonnen das priesterliche Amt selbst zu versehen streb-
ten (Hartzheim 1, 79) und dafz sich die Weiber gem den
ketzerischen Secten anechlofzen^ in denen ihre Neigung zur Inner-
lichkeit> zutn geheimnifsvollen und gottesdienstlichen mehr Be-
friedigung fand als in der herrschenden Kirche* Namentllch jene
Weiber, welche die alten heidniBchen Gebraiiche fortfristeten, moch-
ten sich willig den antikatholiscfaen Glaubensv^einen zuwenden
und diese Ketzerinnen gaben der Zeugungskraft der theologischen
und kriminalistischen Phantasie den Anlafz ^ jenen Inbegriff von
Gebr&uchen und Meinungen zu ei*finden, der als Hexenwesen bis
in unsre Tage spukt.
Diejenigen, welche dafl Erbe unserer Vater gem zu Raub
aus romischem oder romanischem Lande machen, weisen natflrlich
zur Laugnung des Deutschen im Hexenwesen auf die Verbreitung
defselben in nichtdeutschen Lilndem hin und wie es allenthalben
auf gleiche Weise erscheine. Wenn wir aber den volksthiimlichen
alten Glauben der verschiedenett Volker nicht blofz in den Haupt-
ziigen, sondem auch in Nebensachen oft iiberraschend stimmen
sehen, ohne dabei auf anderes als auf die gleiche Ausstattimg des
menschlichen Innem zu verweisen; so ^darf uns die Verwand-
schaft der Ansichten in jiingerer Zeit auch nicht befremden. Ein
guter Theil und zwar das schandliche, obscone und ganz unsin-
nige ist iiberdiefz durch die Hexenrichter erzeugt und darum ge-
meines Gut, das wir mit Freuden als nicht germanisch bezeichnen.
Dafz aber im deutschen Hexenthume bedeutende Eeste des ger-
manischen Heidenthums vorhanden sind, dafz die deutschen Hexen
auf dem Grunde der Priesterinnen und weisen Frauen stehen,
wird eich aus folgender gedrangter Uebersicht ergeben.
5*
66
Vor dem edleren und reineren Amte der Weifzagung ') tritt
bei den Hexen das Geschaft des Zaubems hervor. Das Beschwo-
ren, Besingen , Bcsprechen , Berufen, S^gnen der Hexen ist aber
eins mit der Einwirknng der weisen Frauen auf lebendes und
totes durch Spruch und allerlei Zeichen. In den Werkzeugen
der Hexen erscheint das alte Opfergerat: der Kefzel, in dem sie
den Zauber sieden ist der Opfer- und Seidkefzel; der Tanz bei
ihren vermeintlichen Versammlungen mant sowol an die Tanze
der Elbinnen auf Hiigeln und Wiesen, wie an den Tanz der Prie-
sterinnen ; die Verbindung der Gotter mit ihren Dienerinnen ward
zum Bunde der Hexen mit dem Teufel. Gleichwie Frouwa^Freya
liber das Gedeihen der Feldfriichte und das Wetter Macht hat
und die Herzen der Menschen lenkt, so wird auch den Hexen
Wetter- und Liebeszauber zugeschrieben. Selbst die Verwand-
lung der Hexen in Katzen erklart sich daraus, dafz dw Fret/a die
Katzen geheiligt waren ; Uebergang der gottlichen Wesen in ihre
Thiere ist aber ganz gewonlich. Der Gestahenwandel der Hexen
ist uberhaupt gottliche Spur; die Verbindung des GottermythuB
mit der Thiersage zeigt sich auch hier. Fiir die Kroten, eine
gewonliche Erscheinungsart der H6xen, fianden wir sohon bei den
weisen Frauen gottliche Anlenung. Noch bedeutender aber ist
ihre Wandelung in Granse, denn die Schwanjungfrauen, die Wal-
kiirien, zeigen sich hiedurch auch mit den deutschen Hexen vcr-
.want. Hiervon kommt ihr Vermogen durch die Luft zu fiaren
her, das in jiingerer Zeit an allerlei aufzere Mittel gekniipft ward.
Da solten sie auf Kalbem oder Bocken reiten (wol ungermanisch),
sie solten Menschen einen zauberhaften Zaum iiberwerfen und sie
als Lufbrofse gebrauchen; oder sie hatten eine Salbe, mit der sie
einen Arm und ein Bein pder einen Stab bestrichen, wodurch sie
') Das ganze Mittelalter hindurch blieb es freilich Sitte bei irgend wiohd-
gen Unternemungen weise Frauen zu befragen. Aus ed, Bothar. 379. C, Wisig.
YI. 2, 5 lemen wir, dafz auch die Bichter in schwierigen Fallen bei Wahrsagent
und Zauberem Auskunft suchten. Ygl. auch cone. Tolet IV. c. 29. (a. 633). IKe
Friesen behielten das Loswerfen in kritischen polidschen Fallen noch lange bei und
vollzogen es auf dem Altare. Anderwarts ward das Loswerfen fiir verderblich und
gottlos gehalten und die sortiariae (sorcihres^ wurdeo verfolgt.
60
fliegen konnten. Es sind das unzweifelhaft jiingere Versuche sich
die alte Schwanennatur der Hexen zu deuten« Wenn sie dagegen
auf Eofsen durch die Luft reiten soUen , ao ist das echte , den
Walkiirien angehorende Sage ; ebenso diefz, dafz sie der Teufel in
seinem Mantel durch die Luft fiire, Der Teufel ist Wuotan^
der mit seinen Wiinschelmadchen durch die Luft saust ; werden
doch auch im wilden Heere Hexen auf gefiirt, was ganz ihrer Ver-
wantschaft mit den Walkiirien entspricht. Noch anderes erinnert
an ihren deutschen Ursprung: so die Verwandlung in Schmetter-
linge und Fliegen, ganz wie elbische Wesen; nicht minder, dafz
sie sich in Strohhalme und Fedem verbergen. Die Feder weist
auf den Schwan , die Aehre auf eine Feldgottheit ; damit hangt
ihre Einwirkung auf die Kiihe zusammen. Die Kuh ist bei den
nieisten indogermanischen Volkern Symbol der Fruchtbarkeit und
eteht zu den elbischen Geistern im genauesten Bezuge *), die
durch ihre Nahe auf sie wolthatig einwirken und auch wol ihre
Gestalt zuweilen annemen. Bei den Hexen ward das wolthatige
wie immer umgekert und ihnen Krankheit und schlechtes Mil-
chen der Kiihe zugeschrieben. Der Mittel, die gegen sie hierbei
noch heute angewendet werden, gibt es eine grofze Zahl. Am
interessantesten ist die Anwendung der ^Sommer** in Schlesien.
Die Sommer sind geputzte Tannenzweige, die am Sommersonntage
(Laetare) unter Liedem in Stadten und Dorfern umhergetragen
werden und die wir auf den Dienst des Jahrzeitgottes zu beziehen
haben* Ich denke dabei an Donar; denn dafz diese Sommer als
Schutzmittel gegen die Hexen liber den Kuhstallthiiren und in
Zimmern aufbewart werden, weist auf einen Gott, der gegen
allerlei Geziicht schirmte. Namentlich war Donar gegen die £>ie-
Binnen ein starker Schutz ; Kiesinnen und Zaubermneii vermischen
sich aber vieKach. Auf diesen Gott will ich auch das Kreuz-
zeichen beziehen, das ebenfalls gegen die Hexen schiitzt. Ur-
epriinglich ware es demnach das Zeichen des Hammers, der WafFe
des Donnerersji das auch in vielen andem Br&uchen durch das
') Vgl. meine Sagen von Loki S. 12. in Haupts Zeitschr. f. d. A. Bd. 7.
TO
Kreuz ereetzt wurde. Mit anderen heidnischen Mftchten theilen
die Hexen den Glockenhafz iind die Sucht Kinder zu stelen.
Dafz eie dieselben;; toten und theils verzeren , theils zur Bereitung
ihrer SaJben benutzen, iat spaterer Zusatz. Wie die Gotter, wenn
sie andere Gestalt annemen, vorziiglich an den Augen kenntlich
bleiben, so verraten sich auch die Hexen daran; freilich werden
ihnen atatt der leuchtenden rStliche und triefende Augen zugelegt,
wie diefz der Umkerung zum schlechteren gem&fz ist. Griffen
iibrigens die Hexen nicht so tief in un sere Yolks thumlichkeit hin->
ein, so wiirden ihnen nicht die heiligen und Gerichtszeiten: Ostem
oder Mai , Mitsommer und Herbst zu ihren Versammlungen ein*
geraumt worden sein. Der Vorwurf, dafz sie Pferdefleisch genie-'
fzen, erinnert an die ^ten Opferschmause, wobei das Pferdefleisch
sehr beliebt und angesehen war.
Was hier mit Vergleichung der altgermanisohen Ansichten
^usammengestellt ward^ umfafzt ziemlich die Hauptsachen, die
den Hexen Schuld gegeben sind. Einzelnes wurde weiter fortge-
bildet und in den Mittelpunkt der Teufel gestellt. Auf diesen ward
alles bezogen, mit ihm und durch ihn solten die Hexen alles ver«
iiben. Hier offenbarten nun die Kriminalisten und Theologen eine
abscheuliche Phantasie und stelten jene Hexenkatechesen zusam-
jneUf bei denen man an dem menschlichen Verstande und allem
Sittlichkeitsgefuhl verzweifeln mufz. Wer solche Dinge ersin-r
nen konnte und in die armen schwachen Weiber hineinfoltern
Kefz, fiir den gehorte der Scheiterhaufen , wenn dieser iiberhaupt
brennen solte, und nicht fiir die ungliicklichen Opfer hirnver-
brannter Verfolgungssucht. Doch lafzen wir diese Jammerblatter
der Menschheit unberiirt, die mit Flammen, Blut und Verzweiflung
bis an den Rand geschrieben wurden, zur Schmach vieler Jahr-
hunderte, zur ewigen Schande jener Priester und Juristen. Schlie-»
fzen wir nur weniges an.
Dafz die Zauberer und die weifzagenden Frauen bald nach
der ersten Beriirung des Kristenthums mit dem skandinavischen
Germanenthum verfolgt und mit dem Leben bestraft wurden, ha-
ben bereits angefurte Thatsachen bewiesen. Man glaubte fest aa
Tl
ihren Einflufz und die kristlichen Konige euchten sich ihrer als
Stiitzen des Heidenthumes zu entledigen. Spilter ward ein gere-*
gelter Grang des Processes in Skandinavien gegen sie angeordnet,
Nur wenn die Zauberin auf handbafter That ergriffen war, verfiel
sie der Todesstrafe des ertrankens oder steinigens. Im entgegen*
gesetzten Falle konnte sie sich durch Gottesurtheil oder Eides-
heifer von der Anklage reinigen; ward sie der iibemachtigen
That iiberfiihrt , so wurde sie zwar nicht getdtet , allein sie ver-
fiel In eine bedeutende Geldbufze (40 Mark) ')• Auch bei den
deutBchen Stammen lebte ein alter Hafz gegen alle Zauberei als
etwas heimliches und hinterlistiges ; die Folge waren schwere
Strafen, die gegen diejenigen angesetzt wurden, welche durch Gift
oder geheime Kiinste Leben und Gedeihen beeintrachtigten. Bei
den Sachsen traf solche Verbrecher der Tod (capitul. 797. c. 10);
bei den Salfranken , den Ripuariern , Baiern und Westgothen ist
entweder das Wergeld oder fur den Fall, dafz gerade kein Mord
geschehen, hohe Geldbufze angesetzt, so dafz wir auf urspriing-
liche Lebensstrafe auch hier schliefzen diirfen ^). Gregor von Tours
(VI. 35) berichtet von einer Hexenverfolgung im grofzen, welche
nach dem Tode eines Sohnes Chilperichs in Paris angestellt wurde,
Man w'ante den Konigssohn dureh Zauberei getotet, erhob Un-
tersuchungen und durch Hiebe und Foltem bekannten sich eine
Menge Pariserinnen schuldig , welche hierauf grausam hingerich-
tet wurden. Bei Longobarden, Franken und auch sonst noch
herrschte der Wan, dafz Zauberer und Hexen Menschen aufefzen
konnten % Gem liest man, dafz der longobardische Konig Rother
(1* Soth« 379) und auch Kaiser Karl der Grofze (de part. Sax. 5)
gegen diesen Abergl^uben eifem und diejenigen mit schweren
Strafen bedrohen, welche sich gegen einen solchen vermeintlichen
Verbrecher vergehen, Allein diese aufgeklsirten Ansicht^ bracbea
*) Vgl. Veftgdtalag II. Retl. 10. Qftgdtalag VadhamAl 3l, 1. Borgarthing&
^fienrett 1, 16. 3, 22. Eidhjivathings kri^enr. 1, 46. 2, 35. Sverrers kr, c. 98^
*) h. gal. em. XXI. (Der Feuertod ist spaterer Zusatz, s. Wilda Strafrecht 100)
1- Rip. LXXXIII. 1. Bajuv. XII. 8. Wisig. VI., 2.^ Vgl. im Allgemeinen Wilda,
Strafrecht der Germanen 9ii 1—973. ») Vgl. J. Grimm d. Mytbol. 1034. I
n
— I, N
sicfa leider nicht Ban und fanden an den Gkilllicheii et^te Veiv
folgung. Zwar hat die Kirche mehrmals eich aof helle Wdse
liber den Glauben an Hexen ausgesprochen , seine Quellen gehr
richtig bezeichnet und ihn als Aberglauben verwoFfen (Begino de
eynod. C. n. 371) ; allein die Stellung, welche die Priester in der
Praxis einnamen, war dieser verniinftigen Theoiie gan^ entgegen.
Zum Theil unechte Conoilienbeschliifze des vierten Jahrhunderts,
so wie eine dem Augustin zugeschriebene Schrift (de spiritu et
anima) gaben die Grundlage fur andere kirchliche Bestinunufigen
ab 9 welche von der weltlichen Macht bestatigt und angenommen
zur Verfolgung aller Arten sogenannten Zaubers dienten*). Zauber,
wirkliche VerbrecJien und Unglauben werden hier und wch im
Sachsenspiegel (2. 13, 7.) als Beschuldigungen erhoben. Der Ten-
fel ist noch nicht herbeigeruf en , allein die erfinderischen Inqui-
sitoren des 13, Jahrhundertes wusten ihn den armen Hexen zu
vermahlen und erbauten aus den ketzerischen Meinungen friiherer
und der eigenen Zeit eine vollige Teufelslehre , in der sie in
den Marterkammern Unterricht ertheilten und die sie auf den
Scheiterhaufen zu Ende fiirten. Jener volksthumliche Glaube,
der sich an die klugen Frauen ankniipfte, war bei diesen Pro-
zefsen ina Grunde Nebensache. Der Aberglaube der richten*
den Theologen selbst war es , den sie den Hexen zuschrieben
und gegen den sie vatermorderiscb wuteten. Genug der aimen
Weiber mogen an Wettermachen , Verderben der Feldfriichte,
Bezaubem von Menschen und Vieh geglaubt haben, wie noch
heute unzahlige; allein keine konnte sich selbst darin machtig
halten , keine an eine solche Verbindung mit dem Teufel glau*
ben, wie sie die Bichter ihnen einfolterten. Die Bulle Surnmis
dedderantea des Pabstes Innocens VIH. vom 5. December 1484
ziindete in Deutsohland tausende von Scheiterhaufen an, und
^) Einen wolth'atigen Eindruck macht das Benehmen des Gri^fen Wilhelm
von Egolisma (AngouUme) defsen Krankheit einer Hexe zugeschrieben ward. Das
Weib, das man im Verdacht hatte, wurde daroh Gottesurtheil und Zeugenanssagen
uberfiirt; der Graf gab aber nicht zu, dafz sie gefoltert werde und schenkte ihr
das Leben. Ademari hist. III« 66. (a. 1028) Pertz 6, l46.
T3
«chlug unzalige Folterkammern auf, in denen eine Marter des
Leibes und eine Verletzung des weiblichen Schamg^fuhles getrie-
ben ward , die taueendfacher Tod war. Scharen von Weibern jeden
Alters und Standee (Madohen von wenig Jahren wurden als Hexen
gerichtet), hunderte von Mannern und zwar der edelsten und frei-
sinnigsten wurden nun gefoltert, gekopft, verbrannt. Die Manner
etiirzte grostentheils die Opposition gegen diefz nichtswiirdige
Treiben in das Verderben, War doch selbat im 18. Jahrhundert
derKampf gegen die Hexenprocesse noch nicht ungefarlich. — Wir
gind jetzt endlich der Hexen verfolgungen ledig geworden, obschon
8ie mancher in das Leben zuriickwunschen mag; der Glaube an
die Hexen ist aber geblieben. Naohdem die gelehrten und from-
men Herren ihn nicht mehr iiberwachen, ist der Teufel sammt
aller Hareaie fast ganz daraus gewicben ; sah man doch dafz der
Hollenfiirst seinen Brauten nicht half und sie arm und elend liefz.
Wettermachen, Einwirkung auf die Kiihe, auf den FeLlbau und die
Gesondheit des Menschen, das sind die Beschuldigungen, die heute
etwa den Hexen gemacht werden und die den Inhalt unzaliger
Sagen bilden , in denen nebenbei manche altheidnische Erin-
nerung unterlauft. Den Ausgangspunkt fiir die ganze Hexen-
wirtschaft gab der schone altgermanische Glaube an die Hoheit
des Weibes und seine gebeimnifsvoUe wunderbare Ausstattung.
Er ward erst profanirt, dann entstellt und verzerrt und lafzt nur
noch wenig von dem 3ilde ahnen, das ihm zu Grunde liegt
Vierter Abschnitt
Das ]IIadcheii.
Von den Gottinnen und weisen Frauen treten wir hinein
in den Hausraum der Wirklichkeit. Dort wandelten wir iinter
Gestalten der Vorstellung, von hier ab verkeren wir mit der
Frau unter der Last desLebens, mit dem Madchen , der Crattin,
der Hausfrau. Wir begleiten sie von der Wiege durch die Jahre
der Jugend und Liebe in die Zeiten der Sorge und des Verar-^
mens, wir winden ihr den brautlichen Blumenkranz und reichen
ihr den Witwenschleier. Jene dunkele Seite der Stellung des
Weibes, seine sachliche Bedeutung, bildet die Grrundlage dieser
Verbal tnisse. Von Anfang an erscheint sie jedoch in der Fort-
entwickelung zum Lichte begriffen und wir werden sehen wie
diefz in den verschiedenen Lebensrichtungen geschieht. Konnten
wir hoher hinauf in das Alterthum unsers Volkes blicken , so
wiirden der Beweise noch mehr sein, dafz auch bei den Germa*
nen das Weib einmal jene Stellung einnam, in der es bei alien
Volkern auf niedriger Bildungsstufe erscheint.
In dem Alterthume trat der einzelne hinter die Gesammtheit
zuriick. Wie die Dichtkunst selbst nicht als eine Gabe der Gt)tt-
heit an den einzelnen gait, sondem der Dichter nur das Mittel
schien, durch welches das Volk seine Poesie ausstromen liefz,
so war auch in alien iibrigen Verhaltnissen die Gemeine der le-
bendige Quell, aus defsen Flut der einzelne bald Leben bald
It)
Tod schopfte. Das Leben deeeinzelnen hat natiirlich in solchenZu-
staodenkeinebesondereBedeutungy Bondem wo die Gesammtheit es
«u veraichten beschKefzt mufz es erleschen* Dem Staate, der auf
der Manner Starke gebaut war , muste daran liegen , diese sich
zu waren ; darum tritt iiberall im Alterthume das Streben h^rvor
einen schwachlichen Nachwuchs zu unterdriicken und jedem freien
Vater wird das Recht ertheilt, schwache Knaben bald nach der
Geburt auszusetzen. Das Leben der Madchen war vollig dem
Gutdiinken des Vaters iiberlafzen.
Diese allgemeinen Bemerkungen sind aueh fiir die Germa-
nen als richtig anzunemen. Wir luumen damit jener Mittheilung
des Tacitus dafz die Zahl der Kinder irgend zu beschranken,
unter ihnen fiir verbrecherisch gelte (Germ. 19) , nur eine be-
dingte Wahrheit ein und sind dabei von den giltigsten Zeugnissen
unterstiitzt. Auch bei den Germanen herrscfate einst allgemein die
alte Sitte die Kinder auszusetzen ^), Sie schrankte sich jedoch
fr&h auf einzelne StUmme und auf gewisse Yerhaltnisse ein.
Als gewSnlicher Anlafz erscheinen Theuerung und Hun-
gersnot *). Bei den rheinischen Germanen, mit denen die Romer
am meisten verkerten , mochte solcher Notstand selten eintreten ;
liaufiger war er aber bei den norddeutschen Stammen und auf
Skandinavien und Island. Namentlich die islandischen Zustande sind
unsdeatlich. Die Unfruchtbarkeit der Insel machte es zur streng-
8ten Pflicht die Entstehung eines Proletariates zu verhiiten. Die
Mittel, die man ergriff, waren streng und hart wie die Natur und
die Menschen der Insel. Bei einer Hungersnot ward einmal be-
Bchlofzen, alle alten und erwerbsunfahigen zu toten (Fornmannas.
2, 225.), Mit gutem Rechte waren aber die Ehen der armen der
gesetzlichen Piirsorge unterworfen. Heiraten sich zwei, die nicht
ein beatimmtes Mafz des Vermogens nachweisen konhen , uud die
') Vgl. Gbimm Rechtsalterthiimer 455-'-4B0. Erich^en de expositione infan-
tum apud veleres septentrionales ejusque causis , in der Kopenhagener Aasgab& der
^^^nlaugS'Ormstungufaga 104 — 220. *) Nach cinera Rechte das sich lange er-
nielt, (iurfte ein Vater sein Kind, (ebenso ein Mann seine Fran) aus Not in die
^nechUchaft verkaufen. Grimm Rechtsa. 461. Kraut Vormundschaft 1, 297.
if)
£he ist fruchtbar, so miifzen sie sammt den Eindem aus dem
Lande; ja sogar der gesetzHche Verlober der Frau und der, ia
defsen Hause der Brautkauf vor sich gieng, werden verbannt,
wenn nicht jener die Ernarung der Kinder iibemimmt. Dae Paar
darf erst zuriickkeren, wenn es das bestimmte Vermogen n«ch«'
weisen kann und die Moglichkeit fernerer Vermerung versohwun-
den ist. (Gr&g^s Festath. 12). Ueber die Erhaltung der erwerbs-
unfahigen oder verarmten Glieder einer Familie fanden eich eben-
falls genaue Bestimmungen , die alle darauf ausgiengen, dem
State die Last einer Armenernarung zu ersparen und natiirlicli
jeden darauf denken liefzen, sich keine Familienarme irgendwie
heranzuziehen. Auf Island , diesem Musterbilde altgermanischer
Zustande , war das Aussetzen der Kinder vom State unter ge-
wifsen Verhaltnifsen geboten. Als nun das Kristenthum durch
Beschlufz der allgemeinen Volksversammlung angenommen wurde^
war die Anname von der Minoritat an die zwei Bedingungen gc-
kniipft, nach wie vor Pferdefieisch efzen zu diirfen und die Kin*
der wie im Heidenthum aussetzen zu konnen. Bald jedoch ward
die letztere Forderung beschrankt und nur die Totung gans
verlafzener und verwaister Kinder gestattet. In den anderen skan-
dinavischen L'andem ward bald mit der statlichen Einfhrung des
Kristenthums das Kinderaussetzen ohne alle Ausnamen bei Frie-
dens- und VermOgensverlust verboten. Die Sorge fur die mutter-
losen und ganz armen Kinder wurde der Landschaft iibertrageiu
(Frostath. 2, 2. Biarkeyjarr. c. 3.) Uebrigens ward auch auf Is-
land schon in vorkristlicher Zeit das Gefiihl milder und selbst den
unvermogenden wurde es verargt, wenn sie die Kinder aussetzten. i
(Gunnlaugs s. c. 3. Fornmannas. 3, 111.)
Neben der Armut konnte noch anderes zu dem harten Ver- ^
faren bestimmen* Wie bei andem Volkem waren oft Tmume ,
der Anlafz ein Kind , von dem sie Unheil verkiindeten , auszu- :
setzen. Der Islander Thorstein EgiU Sohn , ein reicher Mann, ,
traumte seine Frau werde ein Madchen gebaren, das viel Un- .
gliick bereiten werde. Als die Zeit der Niederkunft nahet und er
zui' grofzen Volksversammlung reisen mufz, befiehit er seiner
T7
¥rau Jofrid, wenn sie ein Madchen gebaren solte , es auszusetzen.
Sie entgegnete ibm aber, dafz solcbes fur ihn eine Schande und
Thorheit sei, da er selbst reich sei und auch reiche Verwante
habe. Da sie nun in seiner Abwesenheit eines schonen Madchens
genest, braueht sie eine List, indem sie dem bestimmten Willen
desMannes gerade nicht zu trotzen wagt. Sie lafzt den Befehl nur
scheinbar erfiillen ; Helga bleibt am Leben und durch ihre Schon-
heit erfiQlt sich des Vaters Traum. Davon erzalt die anziehende
Geschichte des Skalden Gunnlaug Schlangenzunge, — Sehr erklar-
lich ist die Benutzung des Brauches^ um von der Familie eine
Schmach abzuwenden, die ihr durch die Geburt eines Kindes
drohte. Nicht selten war auch das Kinderaussetzen ein Mittel zur
Eache, defsen sich leider selbst die Mutter gegen die Vater des
Kindes bedienten. Eine Jslanderin beschlofz aus Wut dariiber, dafz
ihr Mann ^Asbidm eine Tochter ohne ihr Mitwifzen verlobt hatte,
keine Kinder mehr aufeuziehn und lafzt ihr nachstes Kind aus-
setzen. Sie erklart dem verzweifelten Vater nach der That , sie
wolle keine Kinder erziehen , die gegen ihren Willen weggegeben
wiirden* (Finnbogaa. c. 2.)
Ohn« weiteres diirfen wir annemen, dafz das Ausfetzen vor-
zftglich die Madchen traf , da es den Armen immer leichter ward
einen Knaben aufzuziehen. Auf den Sohnen ruht das Leben und
die Hoffhung des Hauses, in ihnen winkt den Eltern die Aus-
sicht auf Erleichtemng ihrer Lage» Die Madchen, iiber deren
Geburt sich in den Volksgebrauchen weit weniger Freude bekun-
det als iiber die Knaben ^), konnte das harte Geschick schon
dann treflfen , wen» in der Familie keine oder nur wenige Sone
und viel Tochter geboren wurden. Einen Beleg dafiir gibt die
Lebensbeschreibung des heiligen Liudger. Liafburh , Liudgers
Mutter, war als neugebomes Kind in groster Leben sgefahr, denn
ibe Grofzmutter war in Wut, dafz sie lauter Enkelinnen und
keinen Enkel erhielt^ Sie gibt also den Befehl das Kind ins Wa-
fzer zu werfen ^). Allein eine mitleidige Nachbarin zieht es zeitig
') Grimm deutsche RechtsaUerthiimer 403. *) Die Lex Frijtonum tit. V, I,
6ibt Mftttern das Becht ihre Kinder gleicb nach der Geburt zu toten.
t8
genug heraus und fliichtet es in ihr Haus^ wo de Zeit gewmnt
ihm etwas Honig auf die Lippen zu traufeln. Nun war das Kind
gerettet ; denn sobald ein Kind Speise genofzen, war es gesetz-
widrig dafzelbe zu toten (Pertz 2, 406.). Ebenso dorfte im Norden
kein Kind , das bereits mit Wafzer benetzt war und d^i Ka*
men erhalten hatte , airsgesetzt werden *)•
Wenden wir una nunmehr zu den Kindem, denen das Le**
ben geschenkt wurde und sehen wir nach^ wie ihre ersten Tage
und Jahre verliefen. Nachdem das Kind vom Vater au%ehoben
war, wurde es gebadet, mit Wafzer begofzen und ihm dabei ein
Name gegeben. Es stimmte die altgermanische heidnische Sitte
aufzerlich wenigstens ganz zu der Taufe. Der das Wafzer fiber
das Kind gofz , legte ihm auch den Namen zu ; gewonlich war
es der vornemste der herbeigerufenen oder anwesenden Manner *) ;
viel Zeugen zu der Handlung zu versamtneln, war alter BraucL
Wer den Namen gab, muste auch ein Geschenk geben, das in
Landbesitz, Waffen, Kostbarkeiten ^ nicht selten auch in ^em
neugeborenen unfreien Kinde bestund, das mit dem kleinen auf-*
gezogen wurde und sein Eigenthum blieb* Wenn das Kind den
ersten Zahn bekam , wurden gleiche Geschenke (tannfii) gegeben.
In kristlicher Zeit wurden die Taufhandlungen bald Gelegenheiten
zur Entwickelung des Luxus und die Obrigkeiten sahen sich ge-*
notigt schon im 13 Jahrh* dagegen einzuschreiten« Ebenso musten
zeitig die sogenannten Kindbetthofe iiberwacht werden , das sind
die Gastereien, welche bei denBesuchen der Wochnerinnen iiblich
wurden *). Nicht minder fand sich die Obrigkeit veranlafzt ge-
gen das Geprange einzuschreiten, wenn die Mutter das Kind auf
*) Ungetaufte Kinder hatten halbes Wergeld. WUda Strafr. 724. — Voa
andem Mitteln die Kinder zn beseitigen schweige ich. Leider werden sie bereits
in der Zeit der Auf/.eicbnung der Volksrecbte angewandt. L. Sal« XXL, 2. (4)-
L. Bajuv. VII., 18. Wisig. VI. 3, 1. 7. Vgl. Weisthumer 1, 794. concil« Mognnt.
(847) c. 21. (Hartzb. 2, 158). — S. aucb Wilda Strafrecht 718.' ff. 727. £.
^) Fornmannas. 1, l4. — Stumme Kinder empfiengen keinen Namen. (Saem. l42.)
— Die Naraengebang biefz nordisch nafnfefti. ') Hflllmann StAdtewesen 4, l6l.
Jager Ulm 520. Weist* 1, 489. Micbelsen-Asmussen Archiv (Kiel) I. 1, 95« Le
Grand et Roquefort la vie privee 3, 192.
?9
dem Arme :^m ersten Male nacb der Niederkunft die Kirche be-
Buchte. Gewonlich erfolgte in spaterer Zeit erst bei diesen Kir-
chen^ngen dieTaufe (Trist. 1953 — 67), obschon diefz raannigfa-
chen Widersprucb fand. So eifert unter andern Bruder Berthold
gegen die Eltern, welche mit der Taufe warteten bis dem Kinde
ein schoner Taufbut gemacht sei (Predigten herausgeg. von Kling
S. 213.) Aeltere kristliche Sitte war es, das Kind bald nacb der
Gebart taufen zu lafzen.
Sobald das Kind das erste Mai gebadet war, wurde es in
Thierfelle, in spaterer Zeit in Tiicber gehiillt oder blieb wie bei
den armen ganz nackt auf dem bereiteten Lager liegen. Das alt-
nordische Gedicht Rigsmdly das von der Wanderung des Gottes
Heimdhall (Rigr) auf der Erde erzalt und wie er der Vater der
drei Stande wurde , berichtet von Thraels (des unfreien) Geburt
blofz, er sei mit Wafzer begofzen und Thrael genannt worden;
Karl (der freie) dagegen wird nacb der Namengebung in ein rotes
Tuch gehiillt , Jarl (der edle) in Seide. Eine Art Wiege mag friih
m Gebrauch gewesen sein. So wie bei den Skridhfinnen ^) , so wird
auch bei den Germanen das Kind in Thierfellen zwischen zweiBau-
men aufgehangt und bin und her geschaukelt worden sein. Aen-
Eches kann man noch heute in deutschen und slavischen Gegenden
auf dem Lande sehen. Im 13. Jahrhundert waren Wiegen von
Holz in einer Gestalt , die der heutigen sehr nahe steht, allgemein
imBrauche. Auf Bildem des 14. und 15. Jahrhunderts sieht man das
Kind von Hals bis Fufz in ein weifzes Tuch gewickelt , das kreuz-
weis mit rotem Bande umwunden ist, in der Wiege liegen. Ueber
diese sind kreuzweise Binden geschniirt, damit das Kind nicht
herausfalle %
Jede deutsche Mutter, berichtet Tacitus (Germ. 20) , nart
ihr Kind an ihrer Brust und iiberlafzt es nicht Ammen und Mag-
den. Es war der Stolz der Mutter , das Kind selbst zu saugen und
dem Stolze zu geniigen, werte ihr nicht die Schwache desKorpers.
Das abnemen der Kraft im Volksschlage so wie kirchliche Be-
') Procop de hello gothico 2, 15. ') Engelhardt Staufenberg S. 90. 98.
80
stiramungen brachten indefsen bald Ausnamen von der Sitte tmcl
bereits ini' sechsten Jahi hundert liebten es reiche AngelsachMuieii
ihre Kinder Ammen zu iibergeben. (Beda hiat. eccl. 1., 27.) Im
15. Jahrhundert war das in der ganzen vomemen Welt Btehender
Branch. Aufzer der Amme hielten die reichen noch eine ganze
Schar von Frauen und Magden das Kind zu pflegen und vor allem
Schaden zu hiiten ^). Die Folge war Verzartelung. Horen wir den
trefnichen Franziskaner Berthold sich unter andern also dariibeif
aufzem : y^Da macht dem Kinde seine Schwester ein Miislein und
streicht ihm ein wenig ein. So ist sein Magen kldb und ist schier
voU worden. Da kommt die Mume und thut ihm desgleichen und
die Amme kommt und spricht: O weh mein Kind, da afzeet
heute noch nichts! und sie streicht ihm ein wie die erste and
kert sich nicht daran , dafz das Kind weint und sich straubt ^.^
Eine solche Verzartelung und ebenso die Menga der be-
soldeten Pflegerinnen war natiirlich der alteren Zeit ganz fremd.
Unter den Deutschen zu Tacitus Zeit^ auch wol noch spater and
ebenso in Skandinavien waren die Kinder, Knaben wie Mddcben^
aufzer der Obhut der Mutter gewonlich in GeaeUschaft anfreier
Kinder, mit denen sie gleich behandelt, in gleichem Spiel and glei-
cherBeschaftigung dieKindheit verlebtem (Germ. c. 20») Dieselben
wurden ihnen ofters, wie oben schon erwahnt ward, bei der Na-
mengebung zum Eigenthume geschenkt und blieben das gan^
Leben in ihrer nachfiten Umgebung, folgten den Brauten als Theil
der Mitgift und theilten mit den Witwen den Tod^ Ala sich Briiiv
hild nach Siegfrids Ermordung selbst ersticht, ordnet sie an, dafs
neben ihr eine Zahl ihrer Knechte und Magde, und aach die
Eigene, welche mit ihr erzogen wurde, verbrannt wiirden. (Saem.
226.^). Dieaer Eraiehung8brauch> der sich auch bei andern Vol-
kern findet und noch in der heutigen Prinzenerziehung etwas an*-
liches hat, beweist ubrigens schon allein , wie mild in vieler Hin-
sicht das Alterthum gegen die Unfreien gestimmt war. Wir er-
^) Gadrun 23. 198. Lanzel. 93. ') Andere f&r die Sittengeschichte des
13. Jahrhunderts sehr wichtige Stellen iiber die damalige Kinderzucht in Bertholda
Fredigten (Kling. S. 215»-<2U. 354).
81
faren diefz bekanntlich auch aus des Romers Bericht (Germ,
c. 25). Das freie oder edle Kind, das mil einem unfreien unter
denselben Herden und auf demselben Boden aufwuchs, das mit ihm
Speise und Trank, Lust und Sorge theilte, konnte die Genofzen
desselben nicht schmahlich behandeln. Zu einer Ausgleichung der
aafzeren Verhaltnisse und Unterschiede wirkte ferner die im Nor-
den wenigstens allgemeine Sitte, dafz die Eltem ihre Kinder Ver-
wandten oder Freunden zur Erziehung iibergaben , und dazu gern
geringere als sie waren walten. So ubergibt Konig Eirik von
Hordaland seine Tochter Gydha einem reichen Bauer (Fornm.
8. ly 2.)« Dieser Erzieher ^) iibemam die leibliche Pflege und son-
stige Ausbildung des Kindes, suchte ihm alles was er verstund,
zu leren und seine Erfarung und Gewandheit ihm anzueignen*
Lebensklugheit und» der Anstand, die Zucht, waren hierbei gewifs
Hauptsache; bei den Kuaben kam natiirlich die Ausbildung in
korperlichen Fertigkeiten und in der Waffenfurung, bei den Mad-
chen der Unterricht in den Bunen und Uberhaupt den geheimen
Eiinsten hinzu. Norweger und Schweden schickten deshalb ihre
Tochter zuweilen nach Finnlapd, dem Lande aller geheimen Kunst^).
Wie das oben angefhrte Beispiel zeigt, wurden die Madchen auch
Mannem anvertrauty ja Konig Hergei/r gab seine einzige Tochter
Ingigerd einem unverheirateten Manne» dem Jarl Skuli zur Er-
ziehung. (Fornald. s. 3, 521.)*
Nach der grofzen Gemeinsphaft, d^esich in aller Hinsichtzwi-
8chen Skandinavien und Deutschlapd nachweisen lafzt, mfifzen
wir auch bei den deutschen Stammen die Sitte, die Kinder in
indem Hausem zu erziehen, annemen. 1st sie nicht bezeugt, wenn
wir im Gedicht von Gudrun lesen, dafz diese jimge Fiirsten toch-
ter zu ihren Verwandten in Dftnemark wegen der Zucht geschickt
wird und dafz man ihren Bruder Ortwin dem alten Wate von
Sturmiand ubergibt •)? Sohne wurden im Norden gern den Brft-
') Fdftri , fem. fdftra , fiii- den Erzieher' und die Erzieherin , wie fftr den
Pflegling gebraucht. FSftrman, ein oftfreies Madchen, das mit einem freien zu-
lainmen erzogen wird. *) Engelstoft QuindekiSnnets kaar. s. 40. ") Gndr. 574. 75.
— Das deatsche Wort ftir diesen Erzieher mag fuotardri gewcsen sein; die Kro-
6
82
dem ihrer Mutter anvertraut (Egilss. c. 65). Das !st die genaue
Verbindung, die bei den Deutschen zu Tacitus Zeit zwischen
Neffen und Oheim bestund und so tief in das ganze Leben ein-
griiF. Auch in dem ausgebildeten Ritterthume war es Grundsatz,
dafz jeder Ritter seinen Sohn einem andern zur Unterweisung in
ritterlichem Dienste iibergeben miifze '). Der Branch war jeden-
falls vortheilhaft und diente zumal bei vomemeren , die unter ar-
meren und geringeren aufwuchsen, dazu , den Kindem das Leben
nach vielen Seiten bin vor die Augen zu bringen. — Das siebente
Jabr war die Zeit, in der diese Uebergabe in fremde oder wenig-
stens in mannlicbe Hande geschah^). In einer friesischen Land-
schaft war es gesetzlich gestattet, dafz der Sohn einer Witwe,
sobald er sieben Jahre alt wurde und sich zur Selbststandigkeit
vor dem Eichter befahigt erkl'arte, nicht blcj'z selbst ohne Vor-
mund sein durfte, sondern auch die Mundschaft iiber seine Mut-
ter iibernemen konnte« Er gab ihr dann den Schutzlon, fud
Schilling fur das Jahr. [Westerlaw. ges. 420,* 25 (Richthofen).]
Erklarte sich der Knabe mit sieben Jahren noch nicht fur miin-
dig, so hatte'er der Mutter bei seiner Verheiratung den Schuti
Ion fur die ersten zwolf Jahre zu zalen , dafiir dafz er behtitc
wurde vor dem Zane des Schweines, dem Schnabel des Hune^
dem Bifze des Hundes, dem Hufe des Hengstes, dem Home d<
Rindes, vor Feuer, wallendem Wafzer, Brunnen, Graben uP
scharfen Waflfen. (Richth. 389/420, 13). Nach einem der altschw^
dischen Gesetze (Gntalag 18) war die Mutter nur die ersten dr<
Jahre zu des Kindes Pflege verpflichtet. Da mufz sie es in dJ
Wiege legen, auf dem Schofze oder im Bette haben , und bei iht
nisten geben es durch nutritor wortlich wieder: Wandelinus nutritor regis Child*
berti (Gregor. Tur. 8, 22). Die Erzieherin oder Amme hiefz fuotriday fuotirre
fuotareidi, ') S. Palaye (Kluber) 1, 205. — Bei den Georgiem ist die Sitte di
Kinder in fremde Familien znr Erziehnng zu geben, noch heute zn finden. Vol
neme schicken die Kinder defshalb znweilen in die dortigen deutschen Colonier
M. Wagner Reise nach Kolchis. (Lpzg. i860) S. 96. *) Grimm Rechtsaltertt
410. f. — Gudr. 24. Biter. 2028. — S. Palaye (Kliiber) 1, 2. l77. 211. - B-
den romischen Knaben bildete das siebente Jahr auch einen Abschnitt; bishe
infantiae proximi hiefzen sie von nun bis zum 15. pubertati proximi.
83
t
schlafen. Kommt es wegen nachlafziger Beaufsichtigung durch je-
mand zu Schaden, so hat dieser keine Bufze zu zahlen.
Ehe wir nun genauer auf die Erziehung der Madchen ein-
gehen, wollen wir sehen, was sie spielten. — Frflhzeitig mag die
Tocke auch bei den deutschen Madchen beliebt gewesen sein, wie
816 es bei den rOmischen war, die sie beim Heranreifen der Venus
opferten ^). Vielleicht war sie durch die Romer in Deutschland
bekannt worden, vielleicht auch nicht ; die Versuche GOtterbilder
m Teig oder Lappen zu bilden , konnen auch die Erfindung dieses
Spielzeags veraplafzt haben. Genug, im 9. und 10. JahAundert war
68 Bchon allgemein bekannt und die Gedichte des 13. Jahrhunderts
8cluldem uns mehrmals die Freude der Madchen an vielen und
8chonen Puppen. Sie behandelten wie die heutigen Kinder, die
freilich bald zu vomem und altklug fur dergleichen Kixiderspiele
eein werden, die Tocke wie die Mutter ihr Kind, legten sie in
die Wiege und iibten in leichtem Kindessinn sich zur schweren
Mutterpflicht vor. Dem Madchen in seiner stillen, sinnigen und
lieblichen Art ist solches Vorspiel der mlitterlichen Sorge ange-
boren und es traumt sich auch gem in die eigene Hauslichkeit.
Die Kinder spielten im kleinen mit vollen Schreinen und Kasten,
mit Hausgerate und Putz, und der arme Heinrich weifz seinem
Gemahly dem freundlichen Meiertochterlein , nichts lieberes als
Lon der Theilname zu geben, denn Spiegel und Harbander,
Griirtel und Eingelein. Was die Grrofzen treiben, amen die
Kleinen nach; es ist unvollkommener , aber reizender und un-
schuldiger. ^
Leicht erklarlich ist, wefshalb wir von Kinderspielen unsres
Alterthumes nichts wifzen, und dennoch sind wir nicht ohne alles
Licht hieruber; denn wir dfirfen sicher schliefzen, dafz die mei-
8ten der heutigen Spiele auch den Kindem jener Zeiten bekannt
waren. Gerade zu den Kindern hat sich ein guter Theil der
') Tocke ist noch in Oberdeutschland und Schlesien iiblich. Das Wort Pnppfe
kam, wenn nicht durch das lateinische puppa, durch das franzosische nach Dentsch-
Uod. Orimm Kinder- und Hansmarchen. 3, LVIL
6 ♦
r.
Brauche^ des Glaubens und der Poesie der Vorzeit gefltiohtet,
und hinter manchem unsinnig scheinenden Marchen, Liede und
Spruche im Kindermunde hat der grofze Meister der deutschen
WifEenschaft, Dr. Jakob Grimm , mit tiefem Sinne und wunder-
barem Wifzen prachtiges und ehrwfirdiges Geistesgut unsrer V^
ter nachgewiesen, Woran die heutigen Madchen sich auf der
Wiese oder im winterlichen Zimmer ergetzen, von dem diirfen
wir ein gutes Tbeil als altes Muttererbe annemen.
" Auch lebendiges Spielzeug erfreute die Madchen des Mit
telalters ; wenigstens wifzen wir von den Jungfrauen dee 10. Jahr-
hunderts und der folgenden Zeit, dafz sie Singvogel, z. B. Zei-
sigc, sprechende Vogel, z. B. Stare, waren sie reicher, auch Pa-
pageien pflegten *). Ebenso wurden Falken gehegt und zur Lust
pracbtig mit golddurcbwirkten Seidenbandem geschmCLckt. (MSH.'
1, 97.^). Auch kleine und kunstreiche Hunde waren bei den Frauen
beliebt. In den britanischen Eitterromanen , wie im Tristan und
Wigalois, spielen solche Hundchen in der Verwickelung der Be-
gebenheiten mit Zur Verbreitimg derartiger Unterhaltungsmittel
mochten die abgerichteten Hunde, Affen und Vogel beitragen,
welche ein Theil des farenden Volkes mit sich fflrte. Uebrigens
waren solche Thiere schon im Alterthume beliebt* (Plinius hist
nat. 10, 58—60).
Zu dem Spielzeug der Kinder so wie der erwachsenen Mad-
chen gehorten die Wiirfel, die Knochel und das Schadbu So von-
theilhaft Tacitus die Germanen auch schildert, das Laster dee
Spiels hebt er doch scharf heraus, verwundert dariiber wie ein
fionst so tiichtiges und reines Yolk das Wiirfelspiel sogar im
nUchternen Zustande bis zur Leidenschaft treiben konne. Haben
sie alles verspielt , so setzen sie auf den letzten Wurf Leib
und Freiheit ; der verlierende wird sammt Weib und Kind Sklave
und von dem Gewinner verkauft, der die Schmach eines solchen
Gewinnstes sich gern aus den Augen r&ckt. (Germ. 24.)1 Das
«) Minnesinger von Hftgen 3, 260/1, 124/— -Bndlieb 8, 14.MSH«I, 122' -
MSH. 1, 112.' 122.' Vgl. JTauriel histoire de la poesie proven^ale 2, 80.
85
Wiirfelspiel und das Knocheln (topelspiL bickehpil) blieben das
ganze Mittelalter hindurch bei den Deutschen beliebt % und auch ^
die Frauen trieben es eifrig. Glofsen, Konzilienbeschliifze und
Stellen verschiedener Gfedichte beweisen das; die Knochel schei-.
nen nach einer Glofse (Diefenbach GK 252) zu urtheilen, aogar
recht eigentlich Spielzeug der Madchen, und dafz das Wtlrfelspiel
beliebter Zeitvertreib ,^unger megd^ war, erseheij wir aus Kon-
rads von Wiirzburg Trojanerkrieg (15875 — 84.). Es war auch ein
gewonliches Mittel zur Unterhaltung der Gaste, wenn dieselbe
den Tdchtem des Hauses iiberlafzen war. ^o lesen wir im Ge-
dichte von Hudlieb. wie Rudlieha Neffe mit der Tochter desHau-
6689 in dem er mit dem Ohm einkerte, sich zum Wiirfelspiele |
eetzt und King und Herz verspielt. Auch den Mdnchen und Non-
oen war diese Unterhaltung sehr angenem und sammt demTrink-
gelage Entschadigung fur verbotene Freuden. Um sie von solcher
weltlicher Lust einigermafzen abzuziehen oder dieselbe moglichst
geistlich zu machen, erfand der Bischof Wibold von Kambray
(972) ein besonders kunstreiches und auf geistliche Sachen um-
gedeutetes Wiirfelspiel , das viel verbreitet gewesen zu sein scheint.
(Pertz mon. 9, 433.) Indefsen wurde der weltliche Wiirfel da-
dorch nicht verdrangt^ und Konzilien wie Synoden haben stets
verge}>en8 dagegen gekampft *). ^^ A ' ^XA'^*^'*-'''^''*'*''''^
I Neben dem Wiirfelspiel war das Brettspiel und das Schach-
spiel fruhzeitig unter den Germanen verbreitet. Auch die Frauen
spielten es gem und es war eine der beliebtesten Unterhaltungen
in Gesellschaflen •) , wie es auch zu den ritterlichen Vollkommen-
heiten, den A^en prohitatesy gerechnet wurde *^. Die Figuren
') Bei andem VOlkem nicht minder. In ItalJen waren die Verbote gegen
die Spielhftufer {Zghelhiiifer zn deutsch) Bchon im l3. Jabrhunderte sehr streng.
Hulhnann St&dtewesen 4, 249. ') Das Wilrfelbrett: wurfzabel. Die Wiirfel wa-
rm znweilen aus Elfenbein. (Hon. boic. 7, 502). Die Wiirfe wnrden nach der Zahl
der Angen also gezahU: ^t, dusy trioy quatter, zingoj fes* — Das Schachbrett:
zabelbretf angels, idfl. bleobord» — Die Schachfiguren ifteina^ fchdchzabelg^eine: kuneCj
rocky kurrier, riter, vende. *) Gnnnlaugs s. c. 4. Mai u. Beafl. 230, S3. ^) Defshalb
wird auch in den mittelalterlichen Bomanen von Alexander diesem Erz-Ritter die
groste Fertigkeit im Schach beigelegt. In dem 166. cap. der Gefia Bomanonim
m
waren im 13» Jahrhundert gewonlich voo Holz <Wigal. 10586)
kostbare Scliachspiele waren aus Elfenbein, im Norden auch aui
Wallrofszahn gearbeitet. Wenn wir nach skandinayiBcheii Spielei
urtheilen diirfen, deren einige jiingst aufgefunden wurden, so warei
die Figuren bedeutend handfester als die unsrigen und man be-
greift sehr wol, dafz Antikonie ihrem Freunde Gawan keine ver-
achtliche Hilfe gewarte, alfe sie die unberafenen Storer ihrei
Schaferstunde mit Schachfiguren beschofz. Wen.eiu solcher Wur
traf, der mochte „dne Jinen danc'' straucheln ^). (Parz. 408, 19.^
Im 13. Jahrhundert scheinen auch schon die Spielkarten er-
funden gewesen zu sein ^) ; im 14. , 15. ist die Spielsucht aucl
hiermit schon so grofz, dafz polizeiliche Mafzregeln ergriffen werdcE
mtifzen* Auch hierin stunden die Frauen den Mannem nicht nach,
denn sie hielten untereinander gleich den modernen Damen Spiel-
kranzchen , sogenannte Karthofe. Junge Frauen musten herkomm-
licher Weise ihren Freundinnen dergleichen Festlichkeiten baW
nach der Hochzeit veranstahen.
Von dem Ballspiele und andem Unterhaltungsmitteln werdei
wir noch bei der Schilderung des geselligen Lebens zu reden habeT
Die Zahl der Spiele war im Mittelalter sehr bedeutend ^) ; in d€
Provence soil es im 13. Jahrhundert eigene Unterrichtsanstaltc
dafiir gegeben haben. Wer von derFiilie der Spiele im IG.Jabi
hundert eine Vorstellung haben will, lese in Rabelais Gargantt
das 22. Kapitel des ersten Buches *) , und in unserem Fischa
(ed. Keller p. 270. ff.) findet sich eine mjstische Auslegang des Schfichbrett;
unck der Figuren. — * Vgl. Val. Schmidt Petri Alfonjt dUciplina clericalt
p. 115. f. ') Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde. Kopenhagen 183
S. 67. S. auch Frisch d. lat. Wb. 2, 123.' und d. W. roch. — Ueber das Schad
spiel siehe unter andern Massmann Greschichte des mittelalterlichen und yo
zugsweise des deutschen Schachspiels. Quedlinb. 1839. *) Pv Lctcroix torigu
des cartes a jouer* Par. 1835. Fr. Michel et Monmerqu^ Theatre franfois. p. 12"
Reiffenberg im XI V» Bd. der Schriften der k. Acad, zn Brftssel. — Dte siic
deutschen Stadte, namentlich Ulm und Augsburg, doch auch Niimberg, batten \n
riirate Kartenfabriken. Vgl. Jiiger Ulm 518, 540 — 44. 585. Hiillmann Stadtewese
1 , 382. ') Vgl. unter andern eine von Fr. Michel in dem Theatre frangais p. 68. J
mitgetheilte Stelle aus einer altfranz. Handschrift. ^) Uebersetzung von Begi
1, 68—70, dazu 2, 98—110.
81
das noch reichhaltigere Kapitel „von mancherley Spilen des Gar-
gantua." (Kap. 25. Ausg. von 1590. S. 317 ff.)
Von den Spielen woUen wir zu der Darstellung des Un-
terrichtes der Madchen Gbergehen. Wir sind freilich dabei auf die
reicheren und vornemeren Kreise beschrankt, denn den armen ver-
bietet die Not des Lebfinj8.mg^geistige und hOier^^^^
und aufzerdem schweigen die Denkmaler von ihnen. '
^ Die Tochter der Vornemen wuchsen entweder bei Pflegeel-
tern auf oder wurden der Obhut einer Erzieherin iibergeben,
MeUterin oder 2juchimei8terin genannt, die zugleich fiber die ge-
sammte weibliche Umgebung des Frauleins gesetzt war. Ffirsten-
tdchter waren n'amlich mit einer Schar junger Madchen aus den
beaten Geschlechtem des Landes umgeben, die ihre Gespielen
und die Genofzen der Lehre und Unterhaltung Waren *). Die
Meisterin unterwies in weiblichen Arbeiten, in der Anstaadslehre
und zuweilen auch in Musik; aufzerdem war sie die Ehrendame
der Pfleglinge. Neben ihr stund ein Hofbeamter, der Kammerer,
als Schutz und Hiiter der jungen Fiirstenstocbter , dem es ver-
stattet war in die Erziehung einzugreifen und zu riigen und
befzem wo es ihm notig schien. (Gudr. 411? 1528. Engelh. 1843 ^).,
Einen Blick in die Erziehungsart des vornemen Madchens
gestattet Einhards Bericht fiber die Weise, wie Karl der Grofze
seine Tochter unterrichten I'afzt* (Einhardi vita Kar. M. c. 19).
Bestrebt sich selbst in Wifzenschaften noch spat auszubUden, liefz
er das bei ihm versaumte bei seinen Kindern wol wahrnemen und
Sohne wie Tochter wurden in alien Kenntnissen, die er selbst
zu gewinnen suchte, unterrichtet. Die Tochter musten aufzerdem
weben und spinnen lemen damit sie die Mufzestunden niitzlich
verbriwhten und wurden zu dem, was zur Zucht und Sitte ge-
bort , angeleitet. Auch schon vor Karl des Grofzen Zeit war in
Neustrien ein gewifser wifzenschaftlicher Unterricht der Madchen
*) Angilberd 1. III. 182. ff. (Pertz 2, 396. ff.) Gudr. 566. Lanz. 4067.
*) Ueber das ausgebreitete Amt des Kftmrneres siebe Waitz deutsche Verfafzungs-
geicfaichte 2, 360, f.
88
iiblich. Als Chlothair das thtiringische Reich zerstort hat (529),
lafzt er Madgund, des letzten Konig Hermanfrids Niohte, zur
feineren Erziehung nach Franken bringen, wo sie anch im lesen
und schreiben (in Uteris) unterrichtet wird. (Venant. Fort vita
Radeg. 2). Bei den Ostgothen hatte das Muster der Romer auf
die Erziehung der M^chen Einflufz. Tlieoderich kann dem thii-
ringischen Hermanfried die Bildung seiner Nichte, die er dem-
selben vermahhe nicht genug riihmen ^) ; und Amalcamnih gait fiir
eine gelehrte.
Den gelehrten Theil des Unterrichtes leitete wol iimner ^
Geistlicher oder Mouch. An den Hofen iibemam der Kapellan
die Lehrstunden ; oft anch wurden die Madchen gleich den Kna-
ben in Klosterschulen geschickt« In England' wurde diefz bald
nach der Bek^rung des Landes Brauch; da es aber anfangs an
guten Klostem fehlte, wurden die Kinder, die besonders gut un-
terrichtet werden solten, in franzosische Klosterschulen gegebenT]
Das dauerte bis der ostanglisohe Konig Sigebert mit HiKe kenti-
scher Geistlicher Klosterschulen nach gallischem Muster in seinem
Lande griindete, die nach dem Antritte des Erzbischofs Theo^
dortia (668) sehr bliihend wurden. In den englischen Frauenklo-
stern wurden aucb klassische Studien getrieben, so weit diese
damals giengen. Am ausgezeichnetesten scheint das KlosterWin-
brunn gewesen zu sein. Dort machten die Nonnen sogar lateini-
sche Verse und in diesem Kloster wurde auch Lioba (Leobgydh)
eine Verwandte des Bonifaz gebildet, welche fiir die deut-
schen Frauenkloster und Klosterschulen wichtig ist. Sie folgte
namlich dem Rufe des Bonifaz nach Deutschland und wardVor^
steherin des Klosters Bischofsheim an der Tauber, im Wiirzbur-
ger Sprengely das von dem Apostel zur Bildungspflanzstatte der
deutschen Nonnen bestimmt war ^). Diese Bildung scheint freilich
') In seinem pedantischen und gezierten Kanzleistyl schreibt Kassiodor an
Hermanfried : habebit feliy Thoringia quod nutrivit Italia, Uteris doctam^ moribus
eruditam, decoram non solum genere quantum et /oeminea dignitate, ut nou minus
patria vestra istius splendeat moribus quani suis triumphis, Cassiodor. var. 4, I*
*) Kettberg Kirchengeschichte Deutschlands 2. 336.
80
im allgemeinen sehr bescfarankt geblleben zu sein, denn das Le-
sen der heiligen Schrift nam die meiste Zeit ein.
Auf den Grundlagen, welche hier und anderwarts durch
die englischen Nonnen gelegt waren, baute die Folgezeit weiter
und die Franenkloster wurden die gewonlichen ErziehungsanstaU
ten der reicheren Madchen. KenntniTa. der Legenden^ der-Gebete
nnd einiger bibliacber G:e6chicbten. nebst weiblicheiiL feizieren»Ar^
l^eiten ^) haben von jeher diese Klosterbildung gemacht , welche
nicht im mindesten gerechten Anforderungen einer Frauenerzie-
hung entspricht*
jT^Der Unterricht begann yde h^Utfi ungefar mit fiinf Jahren« ]
Ansgar ward aJs fiin^ahriges Kind in die Schule geschickt (Pertz '
2, 690) , Bruno der heilige mit vier Jahren (929) dem Bischofe
Balderich von Utrecht iibergeben. (Pertz 6, 255). Der junge Fhre
ifit fiinf Jahre alt, da lafzt ihn sein Vater „zu den Buchern se-
tzen," eingedenk dafz den Kindern, sobald sie irgend yerstandig
werden , die Lehre am besten gedeihe* Der Knabe kann sich aber
von seiner Gespielin, der gleich alten Blanachefiury nicht trennen,
and weiTz es bei seinem Vater durchzusetzen , dafz sie, dieToch-
ter einer Sklavin, an dem Unterrichte Theil nenien darf. Um
den Kindem mehr Lust und Eifer zu machen, lafzt seine Mut-
ter noch sechszig kleine Madchen mit in die Schule gehen. (Flore
1395). Im Norden scheinen sieben Jahre, also der Zeitpunkt, wo
der Knabe der miitterlichen Erziehung ferner trat , den Anfang
des Unterrichts gegeben zu haben. Der Jarl Hakon lafzt seinen
Zogling, den Konigssofan Hakon ^ als er sieben Jahre alt ist, zu
den Btichem setzen. (Fornmanna s. 9, 241).
Die Unterweisung in den Elementen der Wifzenschaft fand
indefsen bei den Germanen wenigstens in Bezug auf die Knaben
nur schwer Eingang. Dem Manne gehorten die Waffen, sie ft-
ren zu lernen war seine Erziehung ^) ;' das Weib allenfalls mochte
sich die geheimen Kiinste des lesens und des schreibens aneig-
') ^^1* u^^i" ^e Erziehong der Mathilde, K. Heinrichs I. Gemahlin, im
Kloflter Herford Fartz monum. rer. germ. 6, 285. ') Ueber die karperlichen
Fertigkeiten der Nordlander s. Ni&ls s. c. 15. ^
90
nen ; so dachten und sprachen sie. j Wir lernen diese AnBicbten
aus"^em Streite kennen, in den Amalasvinth, die Tochter des
grofzen Ostgothenkonigs Theoderich, mit den Farem ihres Vol-
kes gerat. Sie lafzt ihren Sohn, den jungen Konig Athalarich,
von einem romischen Grammatiker unterrichten und hat ilun aufzer-
dem drei alte Gothen zu Erziehem gesetzt. Dariiber wird das
Volk unwillig und beantragt durch Abgeordnete die Aenderung
der Erziehung. Konig Theoderich babe keine Kinder der Gothen
in die Schulen schicken lafzen; Gelehrsamkeit ent&emde dem
Manne mannlichen Sinn, denn er werde dadurch furchtBam und
weibisch. Dem Knaben gehore der Ger und das Schwert zur
Uebung. Amalasvinth mufz diesen Antragen nachgeben und gibt
fortan statt der Greise ihrem Sohne gothische Knaben zu Gefar-
ten. (Procop. b. goth. 1 , 2). Seltsame Ironie ist es iibrigens, dafz
demselben Athalarich in einem Edicte durch seine romischen
Rate Fiirsorge fiir die Grammatiker und eine tlberschwangliche
Lobrede auf die Grammatik eingegeben wird ^). Zu beachten
bleibt auch bei diesem Widerstreben der gothischen Patrioten
gegen die romische Bildung, dafz von Theodat, dem Mitkonige
der Amalasvinth gesagt wird, er sei in lateinischer und giiechi-
scher Literatur und in theologischer Wifzenschaft bewandert ge-
wesen ^). Der Widerstand gegen jede wifzenschaftliche Erziehung
blieb das ganze Mittelalter hindurch unter den Mannem; eie kam
ihnen pfaffisch oder weibisch vor. Die Klage des Kapellans El*
Konradti 11. , des gelehrten Wippo , dafz die Deutschen jede Bil-
dung nutzlos und schmahlich diinke, warend sie in Italien ge-
sucht und angesehen sei '), konnen wir iiber unser gauzes Mittel-
alter erheben. Es gab einzelne gelehrte und tiichtige Manner, die
Mengeaber, vorneme wie geringe, glich jenen Vettem Ulrichs von
Hutten , die iiber den gebildeten Verwandten die Achsel zuckten.
') Es heifzt nnter anderm in diesem Edicte : hae (grammcaica) non ututOur
hnrhari rcgrs: apud legates dominos manere cognoscitur singularis. Casiod. var, IX^ 21*
*) Casiodor. var. X, 3. ^) Solis Teutonicis vctcuum vel turpe videtur ut doceant
aliquem nisi clericus accipiatur. Wippon. panegyr, ad Henric, HI. p. 196, (^Canisiut
/m|. antiqu. IL), Vgl. Stenzel frank. Kaiser I, l33.
91
Tacitus sagt zwar, dafz die deutschen Manner und Frauen
Geheimnifs der Schrift nicht verstiinden (genn. 19), allein
seine Angabe ist zu beschr'anken. Schrift im romischen Sinne
kannten die Germanen allerdings damals noch nicht, obschon der
Briefwechsel Marbods und Adgandesters mit Tiberius beweist, dafz
auch romische Sprache und Schrift durch die fortwarende BerQrung
mit Rom zeitig in Deutschland bekannt war (Tacit, ann* 11. 63.
88); allein Kunenschrifl, die doch auch Buchstabenschrift war,
mag bereits aus Asien den Germanen in die westliche neue Hei-
mat gefolgt sein und sie war mehrfach im Volke verstanden. Die
Priesterinnen und weisen Frauen musten das Ritzen und Lesen
der Runenzeichen in ihrer Gewalt haben und aus den Eddalie-
den von den Nibelungen wie aus den nordischon Geschichtbii-
chem in Prosa ergibt sich , dafz die Runenkenntnifs iiberhaupt
ein Theil der weiblichen Bildung war. Mit der EinfCirung des
Kristenthums nam die romische Schrift die Stelle der als heid-
nisch und zauberhafl verdammten Runen ein. Auch dasVerstand-
nifs dieser Zeichen war bald am hSufigsten bei den Weibern zu
finden, wie wir es namentlich hinsichtlich derNonnen wifzen. Im
Jahre 789 mufz ihnen verboten werden, sich Volkslieder aufzu-
zeichnen und einander mitzutheilen ^).
[Von einer angels'achsischen Nonne, Namens Eadburg, erbit-
^t 8ich Bonifaz die Briefe des Petrus , welche sie mit goldenen
Buchstaben abgeschrieben hatte, indem er durch die schone Schrift
auf die deutschen Heiden wirken wollte^ (ep. 19.) ^). Bei Frauen,
welche sich zu dem Inhalte der heiligen Schrift hingezogen fiil-
*en, wirkte der Wunsch diese n'aher kennen zu lemen dahin, dafz ,
8ie lesen und schreiben zu lernen suchten. Mathilde, Konig Hein- /
nchs des L Witwe holt nach des Gemahls Tode das versaumte ,
nach und lafzt sich und ihren weiblichen Hofstat in jenen Kiin- j
8teii unterweisen. (Pertz 5, 466). Ebenso hielten verstandige Miit-
*) Winileod scribere vel mittere* Pertz 3, 68. ') Wie er seine Verwandte,
uie englische Nonne Lioba nach Deutschland berief, um durch ihr Wirken im
Klo8ter Bischofsheim das Lesen der heiligen Schrift unter den deutschen Nonnen
^eimisch zu machen, ist schon erwahnt. ^^
ter daraof, dafz ihre T5chter solche Kenntnirs fnoli aneigneten
(Pertz 5, 336). Wenn es mOglich war, suchte sich jede Frau hei-
lige Biicher zu verschaffen. Psalter und dergleichen Schriften wa-
ren recht eigentlich Frauengut, wie das auch im Erbrechte aus-
gesprochen wird, wo sie zar Gerade gerechnet sind. (Sachsensp. 1.
24, 3.)- So sagt auch Bruder Berthold in seinen Predigten : 9,Un<-
ser Herr will dafz man ihn um seiner Werke Willen praise, wie
ihr Frauen in dem Psalter lesen konnt^'TDie Tochter der hdheren
Stande lernten auch den Psalter auswendig ^); von Gisela, Kaiser
Konrad des U. Gemahlin, erfaren wir dafz sie den Psalter und
das Buch Hiob in Notkers Uebersetzung sich abschreiben liefz
und manches reiche Madchen mochte ein solches heiliges Buch
als Theil der Mitgift erhalten, wie moglicherweise eine westgo*
thische Konigstochter die silbeme Handschrift der Ulfilaschen K-
belubersetzung, die dadurch nach Eheinfranken kam^). J
f Bei der Seltenheit und dem grofzen Preise aller Bftcher konn<-
ten natiirlich nur sehr reiche Frauen Biicher besitzen. Auch diir-
fen wir die Kunst des Lesens gerade nicht so allgemein verbrei-
tet glauben als es zu sein scheint; denn warum wiirde es sonst
Bernard von Ventadour (ungefahr 1140 — 1195) besonders heraus*
heben, dafz seine Herzensgebieterin sich auf das Lesen verstehe?
Neben den frommen Biichern sahen die Frauen natiirlich auch gem
weltliche Lieder und erzalende Gedichte in ihrem Besitze und legten
sie wie die heutigen Damen auf ihren Tischen aus, um wenigstens
den Schein der Belesenheit fiir sich zu gewinnen. So hatte die Grafin
Flamenca von Nemours, die Gemahlin Archimbalts von Bourbon den
Boman von Blancaflor auf einem Tischchen ihres Zimmers liegen ')•
Wie gemeiner iibrigens die Kunst des Lesens und Schrei-
bens bei den Frauen als bei den Mannern war, zeigt sich na-
mentlich im 13. Jahrhundert, wo selbst beriihmte Dichter dieser
Kenntnifse entberten. Wolfram von Eschenbach konnte bekannt-
lich nicht lesen und schreiben , obschon er sich bedeutende Stoffe
') Albert. Stad. p. 277. ') Grimm Gesch. der deutschen Sprsche S.444.
Vgl. auch W. Wackemagel Literaturgeschichte.- §. 43. Amn. 34. 3) IU3 nouArd
lexiqae roman 1, 30«
anzueignen und auf so auswalende ^ tiefe und geietreiche Weise /
zu behandeln wuste, wie er das im Parzivali in dem Gedichte /
Yon Schionatulander und Sigune und im beiligen Wilhelm gezeigt
hat.^Auch Ulrich von Lichtenstein, da^^ arme minnerlin, verstund
die edle Kunst nicht und hat dadurch manche Not in seinem yer-
liebten Herzen gelitten. Er sendet seiner Gebieterin einen poeti-
schen Brief {ein buechlm) und sie schreibt ihm wieder. Allein der
arme Herr hat seinen Schreiber nicht zur Hand, der zugleich
sein Vorleser ist, und so mufz er zehn Tage lang die theuren
Zeilen bei sich tragen , ohne das Biichlein lesen zu konnen '). J
Dergleichen konnte indefsen auch Frauen begegnen, und auch
sie musten ofter zu ihren Schreibem die Zuflucht nemen, wie
Krimhilt nach dem Gredichte vom Eosengarten (C. 474). Zuweilen
yersah auch ein Madchen des Hofstates das Amt des Yorlesers
(Wigal. 2710ff.), das ein ziemlich unentberliches war, indem das
Vorlesen der erzalenden Gedichte zu den beliebtesten Unterhal-
tungen kleinerer wie grofzerer Oesellschaften gehorte*).
fWas das aufzere des schreibens angeht, so wurden die Ue-
bongen darin auf Wachstafeln durch einen GriflFel vorgenommen
(Eneit 16454); auch auf Tafeln von Elfenbein wurde geschrie-
ben. (Greg. 547.). Die Griffel waren von Gold oder anderem Me-
tall , von Glas oder Holz. Das Pergament konnte bei seiner Kost*
barkeit nur von reicheren gebraucht werden; alt war der Ge-
brauch von Staben und Holztafeln; die Tintenbehalter batten die
Gestalt unserer Tintenspicker. Sie waren von Horn, giengen unten
8pitz zu und wurden durch ein Loch in das Schreibpult gesteckt ^).
Die Briefe wurden in hOfischer Zeit auf anliche Art wie heute
behandelt. Nachdem sie fertig geschrieben waren, wurden sie zu-
Bammengelegt, gefaltet und beschnitten, mit Wachs zugesiegelt
UDd iiberschrieben. (Eracl. 1679. ff.)
') Frauendienst, Aasg. von Lachmann 60, 1 — 5. *) Das Vorlesen (sagen)
der erz&lenden Gedichte war recht eigentlich Sache der Frauen. Vgl. daiiiber F. Wolf
aber die Lais, Sequenzen und Leiche. S. 262. ff. ') Herrads von Landsberg, Hor-
tu deliciarum, herausg. von Engelhardt. p. 101. Taf. 8. In altester Zeit wurden die
Schriftzeichen nur geritzt oder gegraben. Vgl. W. Qrimm Bunen S. 65 — 79. 37*
Oi
Seitdem die Germanen mit anderen Volkem in dftere und
genauere Beriirungen kamen, erlangten sie auch die KenntnifB
fremder Sprachen. jEs kann nattlTlich fiir jene Zeiten kein eigent*
licher Unterricht darin vorausgesetzt werden, der Gebrauch imd
der gegenseitige Verkehr waren die Sprachmeister. Slayen und
finnische Stamme wirkten friihzeitig auf germanische Mundarten
ein ; die Kenntnifs der Rede jener Volkerschaften wird also hier
und da vorauszusetzen sein. Die griechische und die lateinische
Sprache gewannen bald noch grofzere Bedeutung als jene; die
Ostgermanen erfuren von Byzanz, die westlichen von Rom jene
Einwirkung, welche iiberlegene Geistes- und Lebensbildung steto
ausubt. Gothische Jtinglinge lernten in Konstantinopel griechisch,
wie so viele junge Oberdeutsche in Rom rOmische Rede und Sitte
sich aneigneten. Auch die Frauen scheinen nicht selten rait den
Mannern in solcher Wifzenschaft gewetteifert zu hnben. Von
Amalasvinth, des grofzen Theoderichs Tochter, ruhmt Kassiodor
dafz sie neben grofzer Gewandheit im Gothischen in attischer
Zunge beredt gewesen sei und sich in romischer prachtig aus-
drfickte. (Var. 11, 1. 10, 4). Der Anschlufz der moisten Germa-
nen an die rdmische Kirche gab der lateinischen Sprache eine
grofze Verbreitung. Wie einer der Merovingischen KOnige, Chil-
perich I. (f 584) als lateinischer Dichter genannt wird, ist bekannt ').
Auch in den NonnenklOstern ward schon damals lateinisch ge-
lehrt; eine Nonne Baudonivia verfafzte in merovingischer Zeit eine
Lebensbeschreibung der heiligen Radgund; im achten Jahrhun-
dert schrieb in dem bairischen EHoster Heidenheim eine Nonne
das Leben der Bekerer Willibald und Wunibald*). Unter Karl
dem Grofzen erhielten alle diese Bestrebungen einen hoheren Auf-
schwung; Karl gieng selbst mit mannlicher Entschiedenheit sei-
nein Volke darin vor und gab in der Erziehung seiner Kinder
ein Beispiel. Zu dem Unterrichte seiner altesten Tochter Hruod-
') Auch unter den Vandalen traten merere als lateinische Dichter anf.
Anthol. lat. ed. Meyer n. 545 — 547. Unter den Gothen erwarben sich nicht we-
nige gelehrte Kenntnisse, so sehr auch die Menge des Volkes diesen ahgeneigt war.
') Bettherg Kirchengeschichte Deutschlands 2, 357. 356. Vgl. auch $« 300.
95
thrud wurde Paul Wamefned an seinen Hof gezogen; sie lemte
iib^^efz durch einen Eunuchen Griechisch , weil sie an den Kai-
ser Konstantin VI. verlobt war. Die sachsischen Kaiser schritten
auch in der Theilname fQr hohere Bildung auf Karls Bahn fort;
ihre Verbindungen mit Byzanz offneten auch griechischer Sprache
das Thor. Die Tochter Herzog Heinrichs I. von Baiem, Hedwig,
hatte wegen eines Verlobnisses in derKindheit griechisch gelemt;
als die Verlobung aufgehoben war, gieng sie in das Kloster
St Gallen um dort lateinisch zu lemen. Sie brachte es so weit
um Horaz und Virgil zu verstehen und theilte spater ihrem Ge-
mahle, dem Herzog Burkhard II. von Schwaben, die Liebe zu
den klassischen Studien mit ^). Bekannt ist die Gandersheimer Nonne
flrofwitha durch ihre lateinischen Gedichte und Komodien ; sie
beweist dafz unter den pttonen in den Nonnenklostern die latei-
nische Sprache gepflegt wurdeTvDie Biographin der Lioha bezeugt
Bodann, dafz sich auch angelsachsische Nonnen mit lateinischer
Dichtkunst beschaftigten. Die lateinischen flir Frauen bestimmten
Gebete, die sich in Handschriften des 12. und 13. Jahrhunderts
finden, so wie die Einmischung lateinischer Worte und Verse in
deutsche geistliche Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts lafzen
auch &ir diese Jahrhunderte auf eine nicht ganz seltene Kenntnifs
des Lateinischen wenigstens bei den Klosterfrauen schliefzen. ,
C Der grofze Anstofz , den die Bildung in dem 11. und 12.
Jahrhondert durch das Ritterthum und die Kreuzztige erhielt,
wirkte auch auf die Sprachkenntnifse. Der Verkehr, welcher un-
ter den verschiedenen Volkern eintrat , machte die Bekanntschaft
ihrer Sprachen ihnen gegenseitig notwendig. In Nord-Frank-
reich kamen die sudfranzOsischen Mundarten, das bretonische,
auch das italienische und deutsche ^) in Aufname und Lehre ;
in Deutschland das franzosische und theilweise auch das flami-
8che, da Flandem die Vermittelung der neuen Bildung iibernam,
') Eckehardi IV. cas. S. Galli a. 965. (Pertz 2, 122—125). «) Fur letz-
teres gibt ein franzusisches i^^ablian (Meon 4, 185) Zeugnifs: lore commence a parler
latin et pottroillcu et alemarU et puis tyois et puis flemmanU
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und in Tracht, Sitte und Eede zu flS.men guter Ton war. In
Laufe des 13. Jahrhunderts wurde es bei den Vomemen Branch
Franzosen an ihren HOfen zu halten und ihre Kinder firanzoiisci
lernen zu lafzen ^). Ob die politischen Beziehungen DeutBch-
lands zu Sftd-Frankreich, Italien und England auch auf erne ver-
breitete Kenntnifs der Sprachen dieser Lander bei den Deutschen
einwirkten , ist so viel ich weifz nicht bestimmt zu sagen ; ebenso
Tafzt sich nur vermuten, dafz manche Nordlanderinnen und Eng-
rdnderinnen das deutsche erlernten. * Interessant bleiben immer
Zeugnifse iiber die Sprachkunde in andem Landem. fSo rfihmt
Gottfried von Strafzburg der irischen Konigstochter Isolde die
Kenntnifs der Sprache von Dublin, des franzOsischen und latei-
nischen nach./ (Trist. 7988). Eine franzdsische Jungfrau, Dorame,
soil nach dem Roman von Karl dem Kahlen, franzdsischy latei-
nisch, lombardisch, romanisch (rommion), bretonisch, limosinisch, in
allem vierzehn Sprachen verstanden haben ^). Einem Proven^alen,
Vileme de Nevers, einem Inbegriflfe aller ritterlichen VoUkom-
menheiten, wird im Roman de Flamenca Fertigkeit im burgun-
dischen, franzosischen , deutschen und bretonischen beigelegt')
Genug, wir sehen dafz der lebendige Volksverkehr jener Zeit nud
in dieser Hinsicht seine Friichte trug. Die Kriege, Reisen un'
langerer Aufenthalt in fremden Landem gaben den Mannem di
Fertigkeit in andem Zungen,\Knaben und Jiinglinge wurden ^
diesem Zwecke auf Reisen gesehickt. Als Tristan sieben Jahi
alt ist, sendet ihn sein Pflegevater mit einem verstandigen Mant
aus, damit er die Sprachen der Fremde leme (Trist. 2041).~p^ebei
haupt gait das Reisen schon damals als ein treffliches BiTdun^
') Beweis ist eine Stellein Adenbs Roman de Berte. Adenbs, geb. am 13'
schildert natiirlich nicht die Zeit Karl des Grofzen, sondem seine eigene:
Tout droit a celui temps que je ci vous devis
Avoit une coustume ens el Tyois pais,
Que tout It grant seignor It conte et It marchis
Avoient entour aus gent frangoise tous dis
Pour aprendre frangois leur filles et leur Jils.
Vgl. noch anderes bei Massmann Eraklins 562. f. -) Monmerqu€ et Michel Th£cU
/rangais, p. 601. Note. ') Raynouard lex, ram, 1, 22.
91
mitlel und im skandinavischen Norden war es ein wesentHcher
Theil der Erziehung *). Fiinfzehn Jahr alt bittet Gunnlaug Orms*
toDga Beinen Vater ihn auf Reisen zu schicken und drei Jiahre
spater macht es ihm der Vater seiner geliebten Helga zur aus-
drficklichen Bedingung det* Verlobung, vor der Heirat noch an-
derer Leute Sitten kennen zu lemen. (GunnL Ormst. s. c. 5.)#
Bei solchem Leben kbnnten sich auch in dem abgeschlofzenen
Skandinavien Sprachkenntnifse inannielifaGher Art Verbreiten und
anfzer dem finnischen, das auch mancke Frau^n in ililrei^ Jugend
in Finnland setbst lemten , mochte das deutsche , das angelsach-r
sische und auch keltische und rbmanisdhe Dialecte mehrfach be-
kannt sein so wie auch das wendischeff Das Bildungsmittel des
Reisens gieng freilich den JPrauen ab und sie waren- auf den Uu'-
tcrricht im Hause besehrankt, wenn sie nicht in ihrer Jugend ins
Ausland geschickt waren. Auch fur die Sprachen waren geist-
liche Lehrer am gewonlichsten, darum wird das Lateinische
vieHach im B^sitz der Frauen erw'ahnt. Eine tiefere Kunde des-
selben diirfen wir freilich nicht annemen. Neben den Geistlichen
traten die Spielleute hau£g als Sprachmeister auf, diese leichten
ZQgvogel welche als Handelsleute der geistigen und sittlichen
Waren von Volk zu Volk zogen. Die prov^i^alischen schweift^n
von Spanien bis in die Lombardei und Deutschland, und auch
die deatschem Versuchten sich in der Fremde. 'Deutsche Spiel-
leute waren in Italien, deutsche Geiger namentlich in Frankreich
im 13. Jahrhundert sehr beliebt *). Die Spielleute waren zugleich
for ilire Schtderinnen wie iiberhaupt fur Frauen luid Manner die
Vermittler der Poesie des Tages. Sie ersetzten auf treffliche Weise
die Armut an B&chern und die Bchwierigkeit schriftlich die poe-
tiachen Enseugnisse der Gegenwart kennen zu lernen. Indem sie
zngleich mehr oder minder die alten volksmafzigen Lieder in
der Gewalt hatten , waren sie befahigt allseitig den poetischen
Schatz des Volkes aufzuschliefzen oder wenigstens den Schliifzel
dazu in die Hand zu geben.
*) Erici disquisitio de peregrinatione hlandorum. Lips. 1755. ') Roman
de Cliomadps, vgl. Michel theatre fratu;, p. 105. Poeti del primo sscolo. 2, 175,
96
Frauen, deren geistiges Leben geweckt und nicht durch
mancherlei Halbwifzen gedammt war, erfreuten sich nicht blofz
empfangend an der Poesie sondem auch schaffend. Das Prie-
sterthum mit seinen Gebeten und Gesangen, das Amt der wei-
sen Frauen mit dem Schatz an Spriichen und Sagen, schlugen
machtig an die dichterische Quelle in der weiblichen Brust, und
wie hatte eine Frau nicht ebenso gut wie ein Mann und nicht
oft befzer ein Gedicht schaffen kunnen ? Waren doch Worte, Bil-
der und Thatsachen gegeben und kam es doch nur eigentlich
darauf an, gliicklich zu finden und zu walen.7 Freilich ist die
Art unserer altesten Dichtung dem weiblichen Sinne nicht recht
gemafz* Das kurze, scharfe, andeutende, das gebundene und for-
melhafte, will sich zu der Liebe ffir das weiche, breite, ausge*
fiirte, zu dem Hange die eigene Innerlichkeit hervortreten zu
lafzen , ja zu dem weiblichen Eigensinne nicht recht fiigen. Indes-
sen zweifle ich nicht, dafz uns auch in den altesten Zeiten, wenn
iiberhaupt Dichtemamen genannt werden konnten, Dichterinnen
erscheinen wiirden. Die Dichtkunst selbst dachten sich die Grer-
manen als Weib: Saga^ die Gottin der Poesie, wont unter den
rauschenden Meereswogen und der grofze Himmelsgott ^Odhin
trinkt taglich in ihrem Arme den kostlichsten Met* Wir finden
auch eine Reihe Dichterinnen unter der Menge der Skalden und
Reste ihrer Poesien sind hier und da iiberliefert. Von einer Vala
Heidhr sind drei Strophen erhalten, in denen sie dem unglaubigen
Oddr sein Geschick vorhersagt *) (Orvarodds. s. c. 2) , von
Hildr, der Mutter Gdngurolfs, des Eroberers der Normandie, er-
hielten sich Verse, durch die sie bei Hdrald Mrfagr die Riick-
name der Verbannung ihres Sones erhalten wolte, weiche er
durch Raubereien in Norwegen verwirkt hatte (Fommannas. 4,
60). Ein paar Zeilen erhielten sich aus einem Gedichte derDich-
terin Jorun auf den schdnharigen Hdrald, (Fornm. s. 4, 12);
einige Strophen von Steinun^ der Mutter Skdldhrefs, die sie dich-
') Eine andere Seherin verkiindete dem ^Asbibm prudhi sein Schicksal in
Yersen (Fonunannas* 3, 202.).
. .1 III
i£ief als der Sturm das Schlff des Bekerers Tliangbrand von
der islandisehen Ktiste abtrieb (Fomm. s, 2, 204). Auch die
Geschichte des Skalden Egil Skalagrimsson kennt ein paar
Frauengedichte. Egil zeichnete sich schon friih durch kGne und
freche Thaten aus und nam sehr jung an einem Raubzuge seines
Bruders Th(yrolf Theil. Sie keren einmal friedlich bei dem Jarl
Amfidr in Halland ein und als bei dem Gastgelage die Manner
und Frauen durch das Lofz gepart werden, wird Egil der Toch-
ter des Jarl zugelost. Das Madchen, dem in der Nordlandswcise
an einem so jungen, wie es scheint noch unerprobten Tischge-
nofzen nichts liegt, erfindet rasch ein par Verse, in denen sie
fragt was er auf ihrem Platze wolle? er habe noch nicht dem
Wolfe warmenFrafz gegeben, die Raben noch nicht im Herbste
liber Leichen schreien horen, er sei noch nicht im Schwertgewftl
gewesen. Egil antwortet mit einer Aufzalung seiner Thaten.
(Egilss. c. 48). In spaterer Zeit ist Egil einmal bei einem Bauer
Namens AmrfiSd Skegg eingekert und wird schlecht bewirtet.
Auf dem erhohten Quersitz sitzt die Hausfrau mit ihrer zehnjah-
rigen Tochter und sie schickt das Kind mit einer Strophe zu
Egily in der sie ihn zur Vorsicht vor ihrem Manne mant. Der
Skalde straf t den Wirt auf rohe und grausame Weise. (Egilss. c. 74).
Die eben «rwahnten nordischen Dichterinnen gehOren dem
9. und 10. Jahrhunderte an. Auch in Deutschland konnen wir in
der zweiten Halfte des 10. Jahrhunderts eine Dichterin aufwei-
8en,/(iie bekannte Grandersheimer Nonne Hroswitluz, die nach ge-
lehrtem Beispiele die Muttersprache verschm'ahte und ihr Talent
in lateinischen erzalenden Gedichten und sogenannten Komodien
offenbarte 0- ITDie erste deutsche nach weisbare Dichterin war
eine fromme Fran Namens Ava , eine Oesterreicherin oder Steier-
markerin, deren Leben in die erste Halfte des 12. Jahrhunderts
fallt. Eine gereimte Bearbeitung des Lebens Jesu mit einem An-
hange vom Antichrist und dem jftngsten Gericht hat Anspruch
*) Von angelsachsischen Nonnen , welche lateinisch dichteten, haben wir
oben gesprochen.
7«
ioo
auf 8ie als Verfafzerin ; wie sie selbst am Schlufze sagt , «o
wurde sie von ihren beiden Sonen bei der Arbeit linterstlitzt;
das Gedicht ist iibrigens ganz im niichternen Karakter jener Zeir:
die Thatsachen sind mit kurzemAtem erzalt, die Gedanken sind
einfaeh und ohne Schwung und die Sprache ist glanzlos und
herb ; nichts weist auf ein weibliches Gemiit als Quelle ^). Auch
sonst versuchten Frauen ihr poetische;? Talent an heiligen Stoflfen,
80 besitzen wir einige Gebete in Poesie und Prosa von w^ibliehen
Verfafzerinnen ^). Ale ein Beweis, dafz sie auch die Legendendich-
tung bereicherten , gilt die Bearbeitung der- Geschichte des heili*-
gen Alexius aus dem 14. Jahrhundert, welche eine Frau unter-
nam *). Die Legenden , Evangelienharmonien und die Dichtungen
aus dem Kreise des alten Testamentes hatten unter den Frauen
auch eine geneigte Horerschaft* Fiir jene Zeit war die Xrocken-
heit fast aller dieser Gedichte weniger fiilbar, denn sie waren
die Hauptquelle far die Laien den Inhalt der Bibel kennen zii
lemen und sprachen jedenfalls ein ungelehrtes Ohr mehr an ale
eine lateinische Predigt oder Sequenz. Ueberdiefz waren die mei-
eten Psalterfrauen wie heute iiber die Grenze der schwerel' be-
friedigten Jugend hinaus und namen dasLesen und Horen die*
ser Brcimereien als eine angeneme Bufze fiir die Lieder und
Scherze ihrer weltlichen Jahre.
') Die Sequenz ans dem Kloster Mnrr , welche Diemer dieser Ava zn-
schreiben mocbte, ist von ganz anderem Karakter als diese Dichtung. ^-^ Diomem
Matinal'zangen iiber Ava und ihre Sohne s. in seinen Gedichten des 11. and IS,
tJahrhunderts. XIV— XXXV. ') Haupts Zeitschr. f. d. A. 2» 193—199. 8, 298—302.
Diemer Gredichte 375. fF. — Es ist zu beachten, dafz sich auch viele lateinische Gebete
aus dem 12. Jahrhunderte iinden, welche fiir Frauen bestimmt (schwerlich von ihneii
verfafzt) sind. Eine Lambrechter hs. und eine Murische geben eine ziemliche An-
zahl. Diemer a. a. 0. XVII. Diut. 2, 288 — 97. — Unter den deutschen spricht
namentlich das prosaische Abendmalsgebet durch fromme und warme Stimmung an«
Es enth< auch keinfe lateinischen Einmischungen, deren die beiden in poetischer
Form verfaTzten (Diemer a. a. O. 375—78. Haupt Z. f. d. A. 2, 193— «199) nicht
ganz ledig sind. ^) Haupt zu Engelhard v. Konr. v. Wiirzb. S. 229. Maismann
Alexius 45—67. — Ueber eine Hs. des 13. Jahrhunderts, welche deutsch beschrie-
bene Visionen einer Nonne enthalt s. Pertz Archiv 8, 742. V^l. auch Wh. Wa-
ckemagel deutsche Literaturgeschichte §. 44. 14. 36. Anmerk.
lei
Auf die: Zeit der geistlichen Poesie folgte die Poesie der
Ritter und Frauen. Alte Sagen, die bisher in dem Munde des
Volkes der verschiedenen Lander gelebt batten, wurden nun von
den Kunstdich tern erfafet und mit dem neuen Geiste, der das
kristliche Abendland beschattete , durchhaucht. Die Fcauenliebe
trat gebietend auf und wo sie wandelte sprofzten Liederblunieii aufl^
dem Basen , maienduftig » klingend wie Nachtigallienacblag und
bleich bald wie Mondenstral, bald glub^nd wie die Sonue. Pa^
Leben des Herzens ward der Hauptgege^stand der ly^-ischeu
Poesie, die Verherrlicbung der Frau iljii? Ziel. E^ ergifet siQh
hieraus dafz die Frauen an S9leher D^htung nvx enipfangend
nicht zeugend theilnen^en konnten, es sei denp daf^ sie den
Mann auf solche Weise verherrlichen woUten wie 'sie verherrlichi
wurden. In der That stunden auch in SCidfrankreich , der Wiege
der modemen Lyrik, Frauen auf, welcbe ihre dichterische Gab^
zum Preise des. Geliebten verwandten. Ihre Gedichte sind d^m
weiblichen Wesen gemafz weich ofTen und vol! Gemfit und da-
durch ebengo vop den Qedichten der Troubadours unterschiedei^
wie durch eine gewifse Nachlafzigkeit der Form. Auch neigeQ
sie sich der yolksmafzigen Gattung des Tanzliedes (ballada)
zu '). In Nordfrankreich felte e^ ebenfalls nicht an dichtendei^
Frauen, die beriibm teste ist Marie de France^); in Deutschlaud
dagegen begegnet uns keine Spur , dafz sich die Frauen an de^r
Lyrik betheUigten ; sie liefzen sich daran geniigen , mittelbar ihre
Quelle zu sein. Einzelne hervorragende Frauen haben rich in
Deutschland von jeher um dieLiteratur verdient gemacht, indem
sie Yoll Theilname an ihr bedeutende Krafte fiir sie zu gewinn^
und die Menge zu ihr heranzuziehen strebten. So sind denn als
bedeutsam fur die Geschichte der hOfischen Poesie ein par
Frauen aufzufftren, die freilich Auslanderinnen waren aber docb
antreibend fiir das Deutsche wirkten. Als die eine ist Agnes von
*) Fauriel htstoire de la poesie provengale 2, 74 76. 90. Ditx Ziehen der
Troubadours 64. ff. *) Poesies de Marie de France y pohte .inglonormande du
XJJI. Steele — par Roquefort, Par. 1820. 2 voll. — Chefs-d'oeuvre poidques du
domes fran^aises d€puis le XIII, sikcle jusque au XVIL Paris 1841.
102
Poitou zu nennen, die Tochter Wilhelms VIII^ und Schwester
des vielberiihrnten Wilhelm IX. Grafen von Poitou und Herzogs
von Aquitanien , der an dem Anfang der proven^alischen Lyriker
steht. Sie ward 1043 mit Kaiser Heinrich III. vermahlt und ich
schliefze aus ihrem Geburtslande und au& der Pflege, welche ihr
vaterlicher Hof der Wifzenschaft und Poesie angedeihen Hefz,
dafz sie auch fiir die deutsche Literatur anregend und fdrdemd
war. Wir konnen freilich keine unmittelbare Wirkurig nach-
weisen, die sie auf die deutsche Poesie hatte, allein der Boden,
aus dem fiber ein Jahrhundert spater eine reiche Saat der Poesie
aufgiengy mufz lange vorbereitet gewesen sein und zu denen, .
welche still den Samen in die Erde legten , mochte ich Agnes
von Poitou rechnen. Das wifzen wir wenigstens , dafz sie Man-
ner begiinstigte, welche die Wifzenschaf ten und Kfinste pflegten ')•
Bestimmteres konnen wir dagegen von einer Verwandten des pik-
tavischen Grafenhauses berichten, von der Gemahlin Herzog Hein-
richs des LOwen , einer Tochter Konig Heinrichs 11. von Eng-
land, deren Mutter eine Enkelin des Grafen Wilhelm IX* war.
Aus einer Familie, welche die Literatur sch'atzte, Schwester K-
chards Ldwenherz, der in proven9alischer und nordfranzOsischer
Zunge dichtete, kannte sie die franzosischen Epen und bestimmte
ihren Gemahl eines derselben, das franzOsische Rolandslied, nach
Deutschland bringen zu lafzen *). Es ward hierauf durch einen
PfafFen Konrad zuerst ins lateinische und dann ins deut-
sche iibersetzt, einWerk, das 1173 — 77 gedichtet, ein wertvoUes
Denkmal unserer Literatur ist. In der Zeit der hofischen Poesie
mag sich noch mehr als eine deutsche vorneme Frau um die Li-
teratur durch Schutz und Unterstutzung derDichter verdicnt ge-
macht haben, defsen ganz zu geschweigen dafz der grOste Theil
jener Lyrik auf der Begeisterung beruht welche das Weib dem
*) Stenzel Geschichte Deutschlands unter den frankischen Kaiscm 1, 134.
*) Ob die Herzogin blofz nach dem Anblick der Handschrift und nicht nach dem
Inhalt begierig war, wie Wh. Grimm in Haupts Z. f. d. A. 3, 283 will , mag
zweifelhaft sein. W. Wackernagel Literatnrgesch. 96. schreibt ihr anch die EnU
Btehong des Tristan von Eilhart von Oberge zu
108
Manne einhauchte. Auch die volksmafzige Gattung der lyrischen
Poesie, das Tanzlied, ist bei der ungemeinen Liebe mit welcher
die Weiber den Reihen traten und sangen, ohne weiteres unter
ihren besondern Schutz zu stellen, denn hier mischten sich noch
altheidnische Erinnerungen bei und es gait ein altesErbe zu erhal-
ten; dieKirche hatte darum auch starkenKampf gegen dieTanz-
lieder der Madchen, Und soke nicht bei allem diesem mancher
der Reihen von einem Weibe gedichtet sein? Genug, die Lite-
ratur des 12. und 13. Jahrhunderts hat bedeutenden Antrieb
durch die Frauen erhalten und ihr Karakter ist wesentlieh durch
sie beetinunt worden. Es war auch fur die Poesie kein Gewinn
dafz die Frauen wieder zuriicktr^ten und statt der Liebe und des
Tanzes Lehrhaftigkeit , diisteres Allegorisiren und triibe Fromme-
lei, aufzerdem aber wiistes Zechen Jagen und Raufen die Zeit
erfullte. Noch in den nS/Chstfolgenden Jahrhunderten nam sich
diese und jene deutsche Ftirstin der Literatur an, allein auch
Bolche Pflege vermochte die krankende nicht zu heilen. Mit vOUig
neuer Zeit muste ein neuer Geist kommen und als dieser sich her-
abgesenkt hatte und aus schwerem Kingen ein junges schOnes Kind
geboren war, dann war auch fiir die Frauen wieder die Zeit ge-
kommen zu pflegen , zu htiten und zu wecken, so viel an ihnen war.
! Mit der Poesie war im Mittelalter die Musik auf das engste
verkniipft. Erst allmah'g trat eine Scheidung zwischen Singen und
Sagen, zwischen dem musikalischen und dem blofz recitirenden
Vortrage der Gedichte ein. Gesang und Listrumentalmusik waren
gewOnlich verbunden und der Dichter der hofischen Zeit hatte
nicht blofz die Worte sondem auch die Weise zu erfinden, die
er auf der Harfe , der Botte ^) oder der Fidel begleitete. Die Jon-
gleurs und die Spielleute machten aus der Instrumentalmusik ein
besonderes Gewerbe und gebrauchten sie theils allein theils .ver-
bunden mit Gesang dazu, anderen Unterhaltung , sich selbst aber
Unterhalt zu verschafifen. — Man mufz sich vergegenwartigen wie
') Bin Saiteninstrnment, das zwischen Harfe und Fidel in der Mitte stund.
VgL F. Wolf fiber die laie 244—48.
104
diirchzogen von Liedern das gesammto Alterthum war , wie jedes
Ereignifs seinen Geeang hatte, wie die Gesellschaft eine besondere
Freude an der Musik.fand, um zu begreifen dafz die Frauea aidi
gem eine so beliebte und beliebt machende Kunst aiigeeignet ha-
ben werden. Von dem Gesange verstieht sich das von selbsiy um
BO mehr als er damals nicht so wunderbar kunstreich wie heate
war, sondem nur im Moduliren weniger TOne bestund das keine
Kunst erforderte und wie noch unsere Volkslieder m*achtiger zur
Seele sprach denn alle L'aufer und Trillen
Aber aucfa die Instrumentalmusik wurde von den Wdbeni
gepflegt. Es wird von den getischen Frauen erzalt dafz sie zur
Erlustigung der Manner zur Cither greifen musten und gleiches
kOnnen wir ohne weiteres von den verwandten gothischen und
iiberhaupt den germanischen Weibem aussagen. Auffiillend ist
nur dafz in den ausfiirlichen und genauen Schilderung^n des
skandinavischen Lebens nirgends von Frauen gesprobhen wird
welche lustrumente spielen, warend wir erzalen horen dafz die
Manner dort gem zur Harfe grififen. Wer denkt nicht an Konig
Gunthers letzten Harfenschlag im Schlangenthurm ? Auch' die
Angelsachsen und die Go then liebten es bei ihreh G^lagen selbat
zur Harfe zu greifen und ihre Lieder dabei zu singen. Das Spiel
wird kunstlos gewesen sein wie der Gesang. Ein Fortschritt
muste durch die Bekanntschaft mit griechischer -und ronuBcher
Musik erfolgen, welche bei den Deutschen gern gehort.wiirde.
Chlodwig erhielt aus Italien einen Citherschlager und Karl. der
Grofze liefz von dort die Verbefzerer des frankischen Kirekenge-
sanges iommen , warend unter Kaiser Otto I. der Aquitaner
Gerbert die Musik in Ttalien und Nordfrankreich verbefzerte und
verbreitete. (Richer, hist. 3, 49). — Im 11., 12. /IS. Jahrhun*-
dert sind die Harfe , Rotte , Fidel und Flote in der ganzen ge-
bildeten Welt verbreitet. Der Unterricht auf einem oder mehreren
von ihnen scheint damals auch zu der feinerenMadchenerziehunggehort
zu haben. Wenigstens Isolde, das Vorbild einer feinen Dame des
13. Jahrhunderts, ward von einem Spielmanne auf der Harfe , der
$
105
Lira und der welschen Fidel unterrichtet *), und weifz di^ TOn«
behende binauf und herab zu fiiren und stifz und wol dazu zu
Bingen. Dieser Gesang mag also kunstreicher gcwesen sein aU
der Hildjegunds 9 der burgundischen Konigstochter , ^ mit dem sie
den gellebten Walther einsingt, als sie ihn nach Janger Flucht ia
stiller Wald- und Nachteinsamkeit bewacht. Im 13. Jahrhundert
war Gbrigeus das Singen der jungen Damen bei ihnen selbst und
in Gesellsehaften ein eben solcl^er Gegenstand dea Begerens und
der Eitelkeit wie heute. Eine altfranzosische Anstandslehre gibt
dariiber mancherlei Mittheilung, Der Gesang sei ein Tro^t wenn
sie allein seien , m Gesellschaft mache er beliebt ; man solW sich
also nicbt zu lange darum bitten lafzen, aber auch nicht zu yiel
singen , denn das entwert^ den schonsten Gesang ; singe man
zu einem Instrument , so solle man laut singen ^). Diese Stella
hat auch fiir Deutachland Kraft; wenigstens lernen wir aus einer
Predigt Bruder Bertholds, dafz die Frauen mit dem Wolsingen
hochfartig thaten, was der Monch nicht zu strafen unterl^fzt.
(S. 323, Kliug). J
Jener Spiel mann , welcher die junge Isolde in fremden Spra^
chen und in der Musik unterrichtete , suchte ihr noch andere
Kenntnifise zu eigen zu niachen , „die. Moralitat." Man verstund
darunter die Kunst der schonen Sitten oder des aufzeren Bene-
mena nach der gesellschaftlichen Vorschrift, wobei man innerlich
80 unmoralisch sein darf als man 'aufzerlich verbergen kann.
Seiche Moralitat war natiirlich eine unerlafzliche Eigenschaft der
feinen Frauenzimmer und auf sie war das Augenmerk allerZucht-
meiater und Meisterinnen gerichtet. Denn wie notig ist es zu wi-
feen wie man steht und geht, wie man sich verneigt und
schweigt und redet und wie man ^hrbar und ziichtig scheinen kann.
Dafz sich bei dem geselligen Verker feste Satzungen aus-
bUden miifzen, ist klar. Es mufz geltende Vorschriften geben
*) l>\ii webche Fidel (auch Georg 2457 erwfthnt) ist das erwtk triikant, eine
ilreiaeitige Fidel , welche weniger Kan^t erforderte al» die seclasseitige crwth , die
Rotte Oder Lira, F. Wolf ftber die lais 244. f. ^) Chastoiement de dames 447—462.
106
liber das Benemen in den verschiedenen Lagen des Lebens, uber
das Betragen als Wirt und als Gast, gegen Mtoner und Franen,
bei Tische und beim Tanze; die Sitte mufz den Leidenschaften
einen Zugel iiberwerfen und wer den Anstand verletzt, mufz eine
Riige erfaren. So hoi und bedeutungslos oft das gesellige Gresetz
ist, das Leben kann ohne dafzelbe den feineren Schwung nicht
bewaren. Die Sucht zu sciieinen mufz in diesen unterwiilten
Verhaltnissen die Wonne und Herrlichkeit etwas tiichtiges zu
sein ersetzen.
rWer das Mittelalter einigermafzen kennt, weifz wie streng
geregelt in ihm das Benemen war , wie die Haltung des Korpers,
das Tragen der Kleider , das Reden , genauen Vorschriften unter-
lag, so dafz etwas stereotypes durch die Menschen gieng, das
uns ungezwungenen Kindern nicht selten ein Lacheln abzwingt
Schon Jakob Gi^mm hat als anschauliche Zeugnisse da&r die
Bilder der Handschriften angefGrt *^) , und es ist in der That sehr
anziehend, noch auf den Holzschnitten der fliegenden Blatter des
16. Jahrhunderts dieselben Haltungen warzunemen wie in den
Miniaturen und an den Bildsaulen des 10. und der fblgenden
Jahrhunderte *>. Wenn sich auch vor dem 12. Jahrhundert_in
Deutschland keine im spateren Sinne feine Gesellschaft anaemen
') Wiener Jahrbucher 1825. Bd. 32. S. 232. *) Die Literatur ttber dit
Anstandslehre des MA. ist nicht unbedeatend. Fiir Deutschland konnen wir anf
den welschen Gast des Thomasin von Zirklftre, auf den Winsbeken und die Wint-
bekin verweisen ; fur Frankreich auf das Chastoiement des dames und das ChoMtoiU'
ment du pere au Jils CMeon fabliaiis et contes 2, 184 — 219. 39 — 183) cbenso
gehoren Stellen des Romans de la Rose und des Beaudous von Robert du Blots
hierher. Eine proven^al. Anweisnng fiir eine junge Dame yon Amanieu des JSscas
steht bei Raynouard choix des poesies II. 263. ff. Von Arnaut van Marsan gibt
cs Lebensregeln fiir den Adel (BruchstQcke daraus bei Raynouard choix XL 301. u.
V, 41—44). Aus der ital. Literatur fure ich an Fr. de Barberino del reggimenio
e de costumi delledomne (Aasg. Rom 181 5) und ae'me documenti cTamore (ed. Fred.
Ubaldini 1640). Natiirlich h'angt diese Literatur mit der didactifichep iiberhaapt
zusammen und Petri Alfonsi disciplina clericalis, Joh, v, Capuas directorium Ati-
manae vitae, die sieben weisen Meister , die orientalischen Fabelsammlongen (Pamfa
tantra, Hitopadesa^ Kalila va IHmna) a. a. gehoren mehr oder minder hierher,
wie auch Ovid manchen Einflufz hatte.
107
^fet^o weist doch genug darauf hin, dafz sich frOh unter den
germanischen Volkern eine feste Meinung iiber das anstandige
gebildet hatte. Zu der Moralitat der hofischen Zeit bedurften in-
defsen unsere Vater erst'fremder Anregung und Anleitung und
auch BO fiel es ihnen noch schwer sich in den galant homme
det Welschen^ einzustudiren. Dafz diesen die deutsche Sprache
roh wie Gekreisch der VOgel und Hundegebell vorkam, ganz
wie einst dem feinen Julianus Apostata, dariiber woUen wir und
nieht wundem. Aber auch die Sitten der Deutschen erachienen
den westlichen Nachbarn plump. In den lateiniscfaen Bearbeitun-
gen der Thiersage, Ecba/is, Ifengrimus und lieinarduSy reden und
benennen sich die feineren Thiere franzosisch, die plumperen
wilden und dummen, wie Wolf und Esel, werden als deutsche
geschildert. Solche Meinung von den Deutschen herrschte auch
in SGd-Frankreich. Ein so himverbrannter Narr, wie der Trou-
badour Peter Vidal, erlaubte sich zu sagen er finde die Deut-
schen ungeschliffen und tolpelhaft (deschauzitz e vilans) und wolle
lieber in der Lombardei als Sanger bei seiner blonden Dame
bleiben denn fiber Friesland Herr sein. (Raynouard 5, 339). Wir
wifzen ja wie der Glaube an deutsches Ungeschick sich bis in
die neueste Zeit hielt und wie die Deutschen selbst daran glaub-
ten und an ihrer Berechtigung zu selbst standiger Sitte und Tracht
verzweifelnd sich den Nachbarn in die Arme warfen. Doch wenn
endlich die Zeit gekommen sein wird, in welcher der Deutsche
nach langer Priifung reif und tftchtig und selbstbewufzt aufzutreten
wagt, dann wird er auch diese Schwache abwerfen und nicht mehr
angstlich damach trachten franzosische Plattheiten und englische
Ungezogenheiten nachzu'affen.
Wie die franzosische Sprache im 13. Jahrhundert einzudrin-
gen begann, so war auch die Moralitat wesentlich den Nachbarn
abgeborgt und nur weniges in der Anstandslehre lafzt sich als
echt deutsch behaupten. Doch diefz wenige gerade ist ein Zeug-
nifs deutscher Zucht und beweist wie zart und keusch das Ver-
halten zwischen den beiden Geschlechtem urspriinglich unter uns
behandelt wurde*
108
, Waa die Hand eines fremden Mannes berOrt ha tte, durfts
die Frau nicht anfafzen. (Parz» 512, 13). Noch str^iger unter-
sagte die Sitte den Frauen Mannerkleider zu tragen. Die drei
Furstentochter, die mit deiu jungen Hagen von Irland auf dw
Greifeninsel gelebt haben, sind als sie erlost warden ohne Kd-
^r, und doch nemen sie nur widerstrebend und dorch die Not
gedrungen die Gewander an , welche ihnen die Schi£fer bieten.
(Gudr. 114). Als Gudrun und Hiltburg am Wintennorgen fflr
die bose Gerlint am Meere waschen mtifzen nnr von einem Hemde
bedeckt, und ihnen Herwig und Ortwin nahen und M&ntd an-
bieten, da schlagt Gudrun trotz Scham und Frost sie aus, den
niemand solle an ihrem Leibe Manneskleider sehen (Grudr. 1S32. 33.).
Erlaubte sich eine Islanderin Hosen zu tragen, so konnte sich ihr
Mann von ihr scheiden. (Laxdoelas. c. 53.) ').
(Emen Mann lange und starr anzusehen, verbot das eigem
Gefiil wie die Sitte. (Welscher Gast bei Wackemagel A. L. 802,
19. Nib. 382. Chastoiem. d. dam. 139~-.162). Indefsen durfte diefi
keine Frau bestimmen , auf einen Grufz entweder gar nicht irie
das heutige Damen lieben (der Polinnen zu geschweigen) oder nor
sehr herablafzend zu danken. Gegen arme wie reiche, lantete
die Yorschrif t , miifze man gleich artig und freundlich sein (Konr.
troj. kr. 14992. Chast. d. dam. 76 — 90). In Frankreich namen die
Damen beim Grufze sogar ihre Hauben ab *).
Fur das Ausgehen der Frauen gab es mannigfache Begehu
Sie musten leise auftreten und keine zu grofze keine zu kleine
Schritte machen ^). Die Gedichte vergleichen diesen zClchtigen
Frauengang dem Pfauen- und Kranichenschritt, die ganze nette
Erscheinung des Weibes der hohen glatten Art der Falken
Sperber und Sitticbe *). Den Daumen der linken Hand in die
') Die Kirche erliefz schon friih Verbote gegen die Mftnnertracht der W«*-
ber (can. cone. Gangrensis (a. 324.) cap. 18.)« £rinnerung an den Kleiderwecb-
sel der Geschlechter bei manchen heidnischen Festen mochte Anlafss znm B^
schreiten geben. *) S. Palaye (Kluber) Ritterwesen 1, 188. *) Welsch. 0^
(Wack. I. 508, 6.) Trist. 10998. Frauend. 282, 82. Chast. d. dam. 65 -^ ^'
*) Freid. 80,18. Walth. 19, 81. Amgb. 83.' Bergmann Ambraser Liedttb. 18* ^
109
•
Spjinge oder das Schnfirlein geschlagen, das den Mantel untei*
dem Halse zusammenhielt > mit zwei t^ingem der Rechtdh den
Mantel etwas emporziehend und ihn geschlofzen etwas imter det
Brast haltend, so Bchxitt eine hofische Frau einh^. {rrist.__lD9i2).
Otae Mantel auszngehen gait fiir unsehicklich. Koketten trotzten
indessen ofi der Sitte, denn mit dem blofzen Kleide kchnten si^
lockender epielen indem sie es theils hoher als gewonlich hin-
aafzogen so dafz die Fiifze sioh zeigten j theils den Schnitt des
Kleides an Brust und Seiten zu zeigen dtrebfen *). Eine ztichtige
deaische Frau hielt es freilich far die gtoste Schande, wenn eiii
Mann ihre blofzen Fiifze sah. Adalgisa, die Frau des Longobaf-
den-Fftrsten Sighttrt, begleitete einmal ihren Gemahl auf einem
Kriegszuge und safz da feines Tages die Fiifze badend im Zelte.
Da gieng z1ifd.llig ein vomemer Longobarde vorCiber und dan die
FOrstin. Aufzet sich dafiiber befiehlt diese seiner Frau die Klei-
der bis an die Waden abiuschneiden und sie also durch das La-
ger zii fiiren. Die Folge ist, dafz sich jener mit einem anderh
des Volkes, defsen Weib Sighart schwer beechimpft hatte, ver-
bindet und den Fiireten ermordet *). Grieng eine Fl-au auf del*
Strafze oder sonst offentlich, so muste sie vor sich hinsehen und
die Blicke nicht bin und her fliegen lafzen , denn das verrat un-
staten Sinn* Sie durfte sich natiirlich auch nicht oft umsehen,
allein ein wenig riickwarts blicken gehorte zu den unverbotenen
KOnsten eines schotien Weibes. Wie der Falke auf dem Aste
weder starr hinblickt iioch beweglich den Kopf wendet, so soke
der Blick einer Frau sein ^).
Stund sie 9 so hielt sie, wie das auch Mannerbrauch war,
die Hande tibereinander in der Gegend der Taille *). Die Brust
169, 10. VgL iiberfaaapt Rpm. de 1a Rose 13786 — 78. — Konrad troj. kr. 7523.
10177. Fragm. 19.' *) Welsdier Gast (Wackv 504, 1.) Bother 2081. Konr. troj.
kr. 15123. BonL de la Rose 9331. 13736. Chastoiem. d. datn. 183. *) Chron.
Saleniit. c 76. (Pert* 5, 505). Anch fitf einen Mann war es eine Sch&nde bar-
Uf gesdien zQ werden. Clirdn. Salem, c. 83. Kaisercht-on. 6711 ff. ') Fragm. 19.*
Wilth. 46, 10. Welscher Gast (Wack. 604, 8) Winsbekin 5. 7. Konrad txojan.
bkg 14997. Chast d. dam. 75. *) Hanpt t. ifcngelh. 3678. — Wigal. 1553,
Bother 2799 and die Bilder vieler Handscbn'ften.
110
ward eingezogen, der Unterleib mehr nach vom getragen. Beim
SItzen gait es fiir unschicklich die J&emB^zuLJsreuzen. (Welsch-
Gast. Wack. 503, 1.). Die Haltung des Mantels, dieses notwen-
digen im Sommer und Winter gleich getragenen Toilettenstuckes^
war im Sitzen ziemlich der im Stehen gleich. Er wurde iiber
dem Schofz zusammengeschlagen , der linke Arm ruhte auf dem
Knie, der rechte ward freier gehalten so dafz das Untergewand
ziemlich weit hervorsah. Trat ein Mann grufzend an die sitzende
oder in das Zimmer, so erhub sie sich vom Sefzel und ware de
die machtigste Konigin gewesen. Auch hieran konnen sich heu-
tige Frauenzimmer ein Beispiel nemen ').
Ob der Mann rechts oder links der Frau safz, scheint sicb
nach Umstanden gerichtet zu haben. Krimhilt sitzt rechts yon
Etzel (Nib. 1298); an den nordischen Hofen war der Sitz der K&
nigui auf der linken Seite des Hochsitzes, rechts safz der Bl
schof ^). Vor Einfiirung des Kristenthums mag wol ihr Sitz rechti
gewesen sein. Uebrigens sehen wir auf Miniaturen des Festlandet
eine 'anliche Riicksicht auf die Greistlichkeit , indem falls eii
vornemer Priester in der Gesellschaft ist dieser rechts imd di<
Frau links sitzt ^),
Besondere Sorgfalt ward dem Benemen bei Tische suge-
wandt und dariiber eine umstandliche Lehre gebildet, die in be*
sondem Gedichten dargestellt wurde*). Vorziiglich ward dei
Frauen eingescharft nicht zu viel bei Tische zu sprechen und in
Efzen und Trinken nicht unmS^fzig zu sein ^). Der linke Arm ruht<
auf dem Tische.
') Gudr. 334. 1631. Mei u. Beafl. 217, 30. Brud. Berthold S. 76 (Kling
Staufenberg 298. Ygl. Nib. 1718.* 19.* 24. MSHagen 2, 192.' ') Fommannaa
5, 332. Ni&Is s. c. 35. — Auf der zweiten Bankreihe (nordhri oder ikaedhri beckr
waren die Sitze der Frauen zur rechten des Hochsitzes. Ygl. Gunnlangs. not 99
*) Pertz monum. ^rm, hist. VIII. tab. 1. *) Tanhausers Hofzucht bei Hanp
Zeitschr. fiir d. A. VI, 488. Dazu VII, 174. Tischzucht im rosenton Altd. Biftt
ter 1, 281 ff. , eine andere ebendas. 111. Contenance de table ebd. 266. Jako]
Kobels Tischzucht ebd. 288. VgL femer Welsch. Gast (Wack. &04) Klara Hatslerii
276.' Chast. de dames 491 — 532. Bonrefin de quinquaginta curialitatibiis ad menfam
^) Chast. d. dam. 297—336. Bom. de la Rose 13629-^78. Letztere Stelle berah
zum Theil auf Ovid, de art, amandi III. 765. fif.
Ill
Greschwazzigkeit und vorlautes Wesen, zu starkes und ra-
jches Sprechen, Rufen Lachen oder Fluchen bezeichnete die Sitte, •
wie 8ich von selbst versteht, als unschicklich % Die Frau mufz ^
Mafz halten, denn so nur vermag sie Anmut und Zartheit, ohne
die keine Weiblichkeit besteht, zu bewaren.
Den Furstentochtern ward aufzer in den erwahnten Punk-
ten fiber noch eine Tugend Lehre gegeben , liber d^e Freigebig-
keit {milte). Man mufz sich die Hofhaltung der germanischen
Stammhaupter oder der Konige vergegenwartigen , wie sich eine
Schar kampftiichtiger Manner um sie vereinigt, in ihrer Met-
balle von Morgen bis Abend zecht und in allem auf den Schatz
des Fiirsten angewiesen ist. Soil ein kriegerischer Zug, ein fest-
liches Untememen angegriffen werden, so bediirfen die Geno-
fzen, deren Habe das Schwert ist, des Eofses der Kleider des
Schmuckes ; und keren sie zurQck glficklich und siegreich , so
verlai^en sie den Lon, War der Herr mild oder konnte er frei-
gebig sein, so war die Zahl der Gefarten um ihn grofz; daher
fitrebten die Fiirsten oft auf eine uns st5rende Weise nach Reich-
thum, nur dieser war das Mittel ihr Geschlecht und Volk grofz
und ruhmreich zu machen. Bei dem Einflufze, den sich die
Frauen meistens auf die offentlichen Uiitememungen des Gatten
zu verschaffen wusten, war ihre Gesinnung, 6\g^ kaxg ob Irei-
gebig , von Bedeutung. Auch sie spendeten von Statswegen Ga-
ben und namentlich an den grofzen Festen trat ihre Milde her-
Yor, wo sie nicht nur den Hofstat neu zu kleiden und schmti-
cken batten, sondem auch den G^sten den vomemsten wie den
geringsten eine Gabe reichen musten, bald ein kostbares Ge-
wand bald einen Armring oder ein anderes Kleinod. Das Ge-
schenk kauft in das Herz ein; zog eine neuvermahlte FQrstin in
das Land des Gatten, so suchte sie bald durch reiche Gaben
die Herren des Landes und die Frauen des Hofstates fbr sich
zu gewinnen, und es war darum der Vater Sorge die Tochter
•) Nith. Ben. 318. Welsch. Gast (Wackern. 502, 16. 504, 14.) Konrad Troj.
Kr. 15013-20. 42. Gudr. 1474, 1, Chast. d. d. 14—20. 499. 249. 295.
Hi
mit dem nOtigeo Sch&tze zu versehen. Allein sie tnusteti aucli
wifzen wie und wem sie geben solten ; darum ward in die Ua-
terrichtsgegenstande aufgenommen , wie man auf rechte Weia^
mild sein nnd wem man versagen solle. (Graf Eudolf y*). Auffal-
lend bleibt es in dem Gredicht von KOnig Ortnit, dafz seitke Frau
Sidrat, des KOnigs von Syrien Tochter, erst in der Freigebig-
keit unterrichtet werden mufz, als er sie in sein Beich I/arapar-
ten bringt. Man scheint also die Milde fhr eine eigentlich krist-
Hche und abendlandische Tugend gehalten zu haben , obschon
Saladin vielfach als Muster der Freigebigkeit den kristlicheri Fiir-
sten von unsem hOfischen Dichtern vorgehalten wird. Wie iiber-
trieben und wahnsinnig hier und da die Freigebigkeit geiibt ward,
lafzt sicih kaum ahnen. Je mehr verschwendet und hutzlos for
irgend jemand vergeudet wurde, um so hoher glaubten manche
ihren Ruhm ^). Die nimmersatten farenden Sanger Spielleute
und Gaukler trugen nat'firlich dazu bei, um im 12., 13, Jahr-
hundertdieHoffestezuwahren Weihnachtsbescherungen zu machen,
denn nicht allein der Wirt und die Wirtin gaben sondem auch
die meisten Gaste und natiirlich wem anders als dem una^Iigen
Volke der Farenden, das alles nam was es bekommen kontite,
getragene Kleider, Pferde, Waflfen, Geld. Diese Leute machten
die Tugend zu einer Notwendigkeit , denn der karge, das heifzt
derjenige welcher ihren Heifzhunger nicht stillte, ward gesohmiiht
und verspottet, und wenige nur hatten Starke genug wie Ru-
dolf von Habsburg den gesungenen Vorwurf ruhig hinzunemen.
Mit dem Verfalle des hofischen Lebens horte natiirlich auch
die Gelegenheit zur Freigebigkeit im grofzen auf; die geselligen
und politischen Verh'dltnisse anderten sich &berhaupt und die
Milde des Fftrsten war fortan keine Lebensbedingung seines Oe-
schlechtea und seines Landes. Viele der deutschen h6hen Frauen .
haben aber bis in die neueste Zeit ihren Schatz nicht in den
Rhein versenkt, sondem ihn als anvertrautes Gut betrachtet, von-
dem sie spendeten wenn die Not, die Kunst und Wifzenschaft
') Diez I^bcn der Troubadours S. ."^97.
lis
■ ■ ■' - ■ — ^^^
dazn manten. Und wahrlich der Schmuck der Milde ist ein prach-
tiger Stem auf der weiblichen Brust.
Der wifzenschaftllche Unterricht^ der Madchen , wenn wir
dIeseBezeichnimg tiberhaupt brauchen diirfen, stund unter mann-
liclier Hand, die Unterweisung im Anstand meistens in weibli-
cher. Isolde ward von einem Spielmann darin geleitet und das
mag iiberhaupt ofter geschehen sein , denn gerade die Spielleute
musten, sobald sie eine feinere Anlage batten, durch ihre Be-
kanntschaft mit den feinsteu Kreisen des gebildeten Abendlandes
vorzug9weise befahigt sein, das was wolansteht zu lehren. Frei-
fich konnte sorgliche Eltem vieles abhalten diesen leichten San-
gemjiie heranwachsenden Tochter zu vertrauen.
I Ein anderer wichtiger Theil des Unterrichtes, die Anleitung
fu den Handarbeiten , war natiirlich Sache der Mutter oder der
Meisterin. Spinnen, weben, sticken und schneidem war notwen-
dige Fertigkeit des deutschen Weibes und solte es auch dereinst
die Kaiserkrone tragen. Auch die vornemsten Frauen stellten sich
damals nicht aufzerhalb des Hauswesens; die Kuche und die
Nahstube waren ihnen wolbekannte Raume , denn sie waren sich
alle bewusty dafz sie nicht blofz vergniigt sein und vergniigen
Bondem auch thatig sein und niitzen solten. Was frommt das
malen nnd musiciren und welschen der vomem erzogenen Mad-
chen unser Gesellschaf t , wenn das Haus ihnen fremd ist und sie
nicht wifzen was es heifzt eine Frau sein. Hauslichkeit und
Natiirlichkeit sucht ein Mann bei solchen angemalten Puppen gar
schmerzlich vergebens.
Das Zeichen des deutschen Mannes war das Schwert,
das Sinnbild der Frau die Kunkel ; Schwertmagen hiefzen die
Verwandten vaterlicher Seite, Spindelmagen die der Mutter. Der
Flachsbau und das Spinnen war der Obhut der hochsten Gottin
yertraut und Nomen wie Schwanjungfrauen und Riesinnen dreh-
ten feine Faden aus kostUchem Flachs. Schon in altester Zeit mufz
also das Leinengespinnst in unserm Volke beliebt gewesen sein ;
fiir das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung wird uns das
GiberdieCz bezeugt, denn Plinius erzahlt dafz die deutschen Wei-
8
114
ber leinene Kleider fiir die schonsten hielten und in der Kunst
sie zu weben wol erfaren waren ^). Der Flachsbau ist also
zeitig in Deutschland sorgsam betrieben worden und mag
wie die Ackerbestellung zum grosten Theil unter der Leitung
wenn auch nicht unter der Hand der Weiber gestanden haben.
Nach dem salischen Gesetze wird Diebstahl im Flachsfelde sehr
hoch bestraf t. Die Zubereitung des Flachses , das blauen (bliuwen)
schwingen (dehsen), hecheln, biirsten, bis er auf den Eocken
kam , besorgten bei den reicheren natiirlich nur die Magde ; am
Rocken selbst aber safz die Unfreie , die Bauerin und die Fiirstin ').
War das Garn gesponnen und aufgewunden, so verarbeiteten es
die Frauen wiederum selbst an dem Webstule, und wie dieNor-
nen und Walkiirien webend gedacht wurden, so schamten sich
auch deutsche Furstinnen so wenig wie friiher eine Penelope die-
ser echt weiblichen Kunst , sondern setzten eine Ehre darein
recht fein zu weben und die Magde zu schoner Arbeit an-
zuleiten ^),
Neben der Leinweberei war auch frfth die Wollweberei be-
kannt und auch hier waren die Weiber vom Beginne der Zube-
reitung an thatig, so dafz sie die Gew'ander von Anfang bis zur
Vollendung unter der Hand batten. Das Bedflrfnifs der vomemen
Frauen stets die Kammer voll Kleidungsstoffen zu haben , war
grofz. Sie benutzten daher die Menge ihrer unfreien Madchen
hauptsachlich zur Weberei, so dafz das Wort gynaecemn^ Frauen-
haus, bald den Nebenbegriff Webehaus erhielt*), Es war recht
') Ueber die damals brauchlichen unteirirdischen Webstatten s. Wacker-
nagel uber tung in Haupts Zeitschn 7, 128. *) Ueber dem Grabe der Tochter
K. Otto I., Liutgart Qemalin des Herzog Eonrad von Lothringen and FrankeD,
wnrde eine goldene Spindel aufgehangt. — Die Spinnrftder sind erst in nenerer
Zeit (15. Jahrhundert) erfanden. Auf alien Bildern des Mittelalters, ebenso noch
anf Holzschnitten de^ 16. Jahrhunderts sieht man denBocken zwischen den Knieen
gehalten oder in einem Fufzgestelle stecken. Die Spindel wird in der ELand gehalten*
3) Romanische Volker haben eine Konigin Berta zur Beprasentantin dieser wirt-
lichen FUrstinnen gemacht. Italiener und Franzosen nennen die goldene alte Zeit
die Zeit als Berta spann. J. Grimm Mythologie 257. — Zu dem oben angefuhr-
ten vgl. Odyfs. a, 356 xa a* avrijff iqya nofiits, taxov r* lyXaxariyy xs %al a(Hpi-
noXoLOi nilsvB igyov inoC%SGQ'aL. ^) Durch die Schold derHerren bekAm es
115
eigentlich ein Fabrikhaus, denn eine arbeitete der andern in die
Hand ; diese sonderte den Flachs oder die WoUe , jene bereitete
ihn weiter zu, die kunstreichsten webten oder stickten. Bei dem
grofzen Bediirfnisse solcher Arbeiterinnen suchten sich auch arme
freie Frauen hierdurch zu emaren; allein der Lohn der Spinne-
linnen wenigstens war sehr gering , so dafz Bruder Berthold die
Wollenspinnerin geradezu als Vertreterin der Armen braucht ^).
Das stimmt also zu den heutigen Verhaltnissen. Die Weber aber
welche ihr Gewerbe im grofzen treiben konnten, gelangten bald
zu bedeutendem Reichthum und gehorten in Flandem und am
Niederrhein wie in den suddeutschen Stadten zu den iibermiitig-
8ten Gewerbsleuten, ganz wie die BaumwoUenwaren- und Linnen-
fabrikanten unserer Tage.
Auch in den Nonnenklostem ward das Weben bald ztim
Vergniigen bald zum Erwerbe betrieben. Ueppige angelsachsi-
Bche Nonnen des siebenten Jahrhunderts benutzten ihre Kunst-
fertigkeit um ihre Liebhaber mit kostbaren Gew'andern zu be-
Bchenken. (Bedahist. eccl.4, 25). Auf dem Achener Koncil von 816
ward den Nonnen das Spinnen und Weben als bester Zeitvertreib
in den gebetfreien Stunden empfolen *).
Die kunstlose Tracht der germanischen Manner und Frauen
bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts liefz die Weiber auch
zur Schere und Nadel greifen und die Kleider zuschneiden und
nahen* Die Fiirstinnen namen auch hieran Theil und schnitten
zu, von den Frauen umgeben, welche das zugeschnittene nah-
ten •). Wie beschaftigt musten da nicht die Hande sein , wenn
plotzlich von den Mannem eine Festfart beschlofzen war und
nun jeder oft doppelt neu gekleidet werden soUte *) ? Wie die
Mh noch andere Bedentung. — Abgaben von verarbeitetem un(J von rohem
Flachs waren in Deutschland and Skandinavien mehrfach iiblich. ') Vgl. aucli
Beatrijs 445. 2) Hartzheim concil. Germ. 1, 521. Zu Grande liegt der Brief
des Hieronjmns an Demetrias. *) Nib. 353.. gr. Radolf a.' Wilh. 63, 13. Parz.
1S7, l« 0 Konig Frodi IV. von D&nemark kommt einmal am seine und seiner
Lente Kleidong in nicht geringe Verlegeuheit, als seine Tochter Gnnnvor mit ihren
Fraaen den Hof verl&fzt. Saxo V. p. 68.
8*
116
EHeider beschaffen waren uud wie das Aualand auch hier ein-
wirkte , dariiber in emem besondem Kapitel. Hier ist nur zu er-
w'ahnen, dafz mit der Ausbildung des hofischen Lebens auch die
Schneiderkunst verfeinert wurde und nunmehr auch Schneider*
meister oder mannliche Kunstschneider sich fanden ^), denen wol
die neumodischen Sachen uberlafzen wurden.. Sie scheinen gut
bezahlt worden zu sein ^), denn Bruder Berthold eifert iiber die
Thorheit , einem der ein gutes Gewand zum Hader mache , so
viel zum Lohn zu geben als das ganze Zeug koste.
[ Besondere Sorgfalt ward auf die Naht yerwandt ; sie muste
so fein sein dafz man sie nicht sah (Herbert 8475) oder sie war
irgend wie verziert. Kunstreiche Nahte gehorten durchaus in der
feinen ritterlichen Zeit auf ein modisches Kleid (Berthold 121.
Kling)* Diese sorgsame Behandlung der Naht wird besonders da^
durch erklarlich dafz die Kleider sehr oft aus verschiedeoarti-
gen oder wenigstens verschiedenfarbigen Stoffen bestunden.
Auch das Wirken und Sticken war eine beliebte Beschaf-
tigung vomemerer oder reicherer Weiber. Sie wirkten seidene
Bander , Borten , welche sie mit Gold und edlen Steinen besetzt
auf die Kleider die Decken und den Kopfschmuck aufnahten •);
oder sie stickten mit Gold, Silber, Seide und Steinen auf die
Gewander Buchstaben oder allerlei Bilder , in denen sie zugleich
ihre Kenntnisse in heiliger und profaner Geschichte zeigen konn«>>
m
ten. Namentlich die Ecken und Enden der Kleider und Bofsde-
cken waren mit Borten eingefafzt und mit Buchstaben bestickt,
welche oft den Wahlspruch des Ritters enthielten (Engelh. 25S3»
Lafsberg Liedersal 1 , 577) ; vorziiglich aber war die Haube bei
') Tri8t» 2543. Wilh. 196, 6. Helmbr. 142. Frauend. 258, 2. 273, 15.
451, 3. MSHag. 3, 299/ Lohengr. 61. Eine Lohn naherin wird Eracl. 534 erwahnt
*) In den Statuten der Stadt Marseille von 1293 ist eine Taxe fiir die Bchneidjur
festgestellt. Vgl. Du Cange s. v. almucium. ■) Nib. 31 , 1. 349. Gndr. 1879. Wilh.
60, 4. Titur. 137, 2. Gate Fran 1944.. — Die Werkzeuge, mit denen an der Bame
gearbeitet wurde, hiefsen fpelten und drihen ; das Arbeiten selbst brtten, breiten, drihem,
rihen, ricken, stricken^ zetteln* — Die feminae fresum facientes der lex Anglorum €t
Werinorum 4, 20, die um '/, hoher gebiifzt wurden als andere Weiber ihres Stand«8,
weisen auf das hohe Alter und den Wert der Wirkerd unter den Oermanen hitt.
in
Mannem und Frauen mil Stickereien geschmiickt. In dem anzie-
henden Gredichte von dem Meiersohn Helmbrecht (um 1240 verfafzt)
wird die Haube des jungen Bauers beschrieben. In der Mitte
zieht sich ein Streif bin, der mit Vogeln bestickt ist; auf der
rechten Halfte war die Belagerung und Zerstorung Trojas sammt
Eneas Flucht zu sehen ; auf der linken die Thaten Konig Karls
und seiner Gesellen Roland, Turpin und Oliver. Zwischen den
Ohren stund die Kabenschlacht, wie Witege Helches beide Sohne
erechlug; dazu war von einem Ohr zum andern mit glanzender
Seide ein Tanz genaht, zwischen je zwei Frauen stund ein Rit-
ter und die Fiedler stunden dabei. AUes das befand sich auf der
Haube und man weifz nicht, soil man die Stickerei oder den
grofzen Kopf des jungen Helmbrecht mehr bewundern , auf dem
alte und neue Geschichte und Vogel und Tanze Platz batten.
Das Prachtstuck war von einer entsprungenen Nonne genaht und
der Lohn war eine Kuh nebst viel Eiem und Butter *).
CAllem nach zu urtheilen batten die germanischen Frauen
seit alter Zeit eine grofze Grewandtheit in der Fertigung von Sticke-
reien , die zu Kleidern Decken Vorhangen und zum Schmucke
der Wande verwandt wurden. Eine solche Tapete stickte nach
dem Eddaliede, „Godrunsklage" Godrun (Krimhilt) als sie nach
Sigurds (Sigfrids) Ermordung sieben Halbjahre in Danemark bei
Hakons Tochter Thora verweilte. Sie stellte die siidlichen (franki-
schen) Sale und die danischen Manner dar, und bildet zum wehmiitig.
sofzen Andenken die roten Schilde der frankischen Recken und
das behelmte schwertgegurtete Volk, das den geliebten umgab.
Sie greift in die Geschichte der Vorfaren Sigfrids und stickt
Sigmunds Schiffe, wie sie geschmiickt vom Strande faren und
wie sich Siggeir und Sigar schlagen* Auch Brynhild schildern
einige jiingere Darstellungen der Sage am Stickramen , als Sigurd
zuerst ihrer Burg naht. Die deutschen und die englischen Frauen
waren im Ausland wegen dieser Kunst beriihmt und ihre Manner
*) Gestickte Hauben werden fcrner erwahnt von Neithart (MSU. 2, 107")
nd im Hogdieterich 65. (Haupt 4, 408)«
118
wegen der kuDstreich gestickten Kleider oft bewundert. Ein be-
deutender Rest solcher alten Stickerei ist in einer leinenen Tapete
erhalten, welche 220 Fufz 11 Zoll lang und 19 Zoll hoch in der
Kathedrale von Bayeux aufbewart wird und den Sieg Wil-
helms n. von der Normandie iiber den Grrafen Harald von Kent
in der Schlacht bei Hastings darstellt. Sie soil von der Gemahlin
Wilhelms des Eroberers, Mathilde (f 1084) herriiren, nach an-
dern von einer andern Mathilde, der Tochter Heinrichs I. von
England, Mutter Heinrichs H. ^). Man sieht wie grofzartig diese
Arbeiten betrieben warden und wie sie zugleich eine nicht ge-
ringe Bedeutung hatten. Sie dienten den Frauen zur Verherrli-
chung ihres Geschlechtes und Volkes oder stellten einen Gegen-
stand dar, welcher im Geiste der Zeit Anklang fand , wie die
Erinnerungen an Karl und seine Paladine und die antiken Sagen-
stoffe. Diese Arbeiten hatten also eine geistige Bedeutung, die in
den heutigen Damenstickereien vergebens gesucht wird. Von gro-
fzem Einflufze auf das technische namentlich der gewirkten Ta-
peten waren iibrigens die spanischen Araber; denn von ihnen
kam nicht allein die meiste Seide in das kristliche Abendland,
sondem auch die beriihmten Seidenwebereien desLandes wirkten
auf die kristliche Kunstfertigkeit ein. Jedoch schon fruher, aU
wir den industriellen Yerkehr mit dem muhamedanischen Spanien
annemen diirfen, war die Seidenarbeit in Deutschland bekannt
Es erklart sich das aus der Verbindung mit Griechenland , von
wo der rohe Stoff wie die kunstreiche Verarbeitung der Seide sich
friih durch slavische und auch durch einzelne deutsche Kaufleute
nach dem Abendlande verpflanzte. Im 12. Jahrhundert ist auch
Italien und namentlich Sizilien fur die Seidenarbeiten von Bedeu-
*) Die Abbildung eines Theils der Stickerei gab Lancelot im 6. Bande der
Memoires de Pacademie des inscript. et bell. let. (1724) das ganze im 8. Bande,
dnnn bei Montfaucon hist, de la monarchie /rang, par les monumens, I. II. 1730.
oinc Nachbildung im kleinen bei d'Agincourt hist, de Vart par les monum. Taf. 167*
Vgl. de Larue Recherches sur la tapisserie r€pr€sentante la conqu€te de VAngleterre
par les Normands et appartenante a V^glise cathridrdle de Bayeux. Caen, 1824.
d*OrviUe notice historique sur la tapisserie hrod€epar la reine Mathilde. Paris, An XII'
119
tung; natiirlich wirkte der Zustand dieser ihm verbundenen Lan-
der auf Deutschland nicht gering ein ')*
Bei dem meisten, was wir iiber die Erziehung der germa-
nischen Madchen gesagt haben , stand uns die hohere Gesellschaft
vor Augen. \yon den niederen Schichten des Volkes wird nichts
erzalt oder ist nichts zu erzalen^ Spinnen, weben und fchDeidern
waren natiirlich notwendige Beschaftigungen der Tochter von Bur-
gem und Bauem und auch fticken und an der Rame wirken ward
von ihnen bald zum Erwerb bald zur Lust getrieben. — Was mu-
eikalische Fertigkeiten betrifiPt, so lafzt sich auch das erraten; denn
das fingen der kurzen alten Gesange hatte hier seine rechte Hei-
mat ; die yomemen zogen sich allnialig von den volksthiimlicheren
Freuden zur&ck. Die Lesekunst scheint auch nicht auf die hoher
geborenen beschrankt. Was diesen oft kostbarer Unterricht oder
lange Uebung erst einlehrt, das eignet sich ein armeres durch blo-
fzes hinhoren und gluckliche Naturanlagen spielend an. Ueber den
Eanon des Wolanstandigen ist dafzelbe zu sagen.
Von zwei wichtigen Dingen, dem Hauswesen und demTanze
woUen wir spater reden. Was wir im allgemeinen iiber die Erzie-
hung des Madchens zu urtheilen haben , wird sein , dafz dieselbe
vorzQgsweise auf den Nutzen des Hauses gerichtet war ,^afzjdia
germanischen Madchen auch in der hofischen Zeit mehr zu tiichti-
genFrauen als zu Porzellanpuppen und andem nippes gebildet wur-
den^j und dafz diefz so lange blieb bis das welsche Wesen in den
deutschen Landern verderblichen Einflufz gewann. Ein guter Theil
des Volkes wuste jedoch stets wenigstens einen Rest des alten Sin-
nes fiir den heimlichen traulichen Herd zu bewaren, und erlagen
auch die Bauem dem Drucke , die Vomemen der Sittenverderbnifs,
') Ueber Stickereien des MA. vgl. noch Les anciennes tapisseries histori^es
ou collection des monumens les plus remarquables de ce genre j qui nous sont restis
du iHoyen-dge. — Texte par A, luhinal^ gravures d*apris les dessins de Vict. Son-
ionetti. Paris. 1838, 39, — Ach. lubinal Reckerckes sur Vusage et Vorigine des
tapisseries a personnages dites histori^es depuis Vantiquit€ jusqu*au 10. si^cle.
Avec figures. Par. 1840. — Schnaase Geschichte der bildendcn KOnste. 4, I.
8. 341<— 343. W. Wackemagel Literaturg. §. 43, 74. 77. Anm.
120
das deutBche Burgerm'adchen zeigte noch oft was em sittsames
achtbares , was ein deutsches Weib ist.
Wir wiirden von den Verhaltnifsen germanischer Madchen
kein vollstandiges Blld erhalten, wenn wir nicht ihre Stellung
zur Familie und zur Gemeine uns deutlich zu machen versuchten.
Grundsatz derGermanen war, dafz nur derjenige ein selbst-
standiges und voUberechtigtes Glied des Volkes.sein konnte, der
alle Pflichten, welche die Gemeine auferlegte, zu erfOllen
vermochte. Damit ist die Unselbststandigkeit der Weiber ausge-
sprochen , denn das Waftenfiiren kam ihnen nicht zu und damit
ist zugleich bestimmt, dafz sie keinen Landbesitz haben konnten,
weil sieh an ihn alles Recht und alle Pflicht des Gemeinegliedes
kniipfte. Die Germanen waren aber zu billig, als dafz sie daa
Weib rechtlos machen wolten; es ward ihm daher eine recht-
liche Vertretung und Vertheidigung seiner Person gegeben, wel-
ches VerhaltnifsMundschaft oderVormundschaft (mundiurn) heifzt*).
Auch der Knabe stund so lange bis er werhaft gemacht war
und liegendes Eigen zu selbststandiger Verwaltung empfieng, in
der Mundschaft; das Weib aber entwuchs ihr nie und nur aus*
namsweise trat es in ein freieres Verh'altnifs.
/ Wir haben zwei Stufen der Bevormundung zu Bcheidj^;
auf der ersten befand sich das Weib, so lange es unerwachsen
war; ^uf die zweite freiere trat es, sobald es zu seinen Jabren
kam oder mannbar (vollzeitig, fullttdha) wurde ^). Die nordgerma*
nischen Eechtsbucher geben dafur das fiinfzehnte, die Islandiscben
das sechszehnte Jahr an; bei den sudgermanischen Stammen
scheint das zwolfte, vierzehnte oder sechszehnte Jahr der Punkti
wo das Madchen grofzere Selbststandigkeit erlangt* Sie bezog
sich haupts'achlich auf das Vermogen. Nach norwegischen Ge-
setzen konnte ein fiinfzehnjahriges Madchen sein Erbe antreten •) ;
nach islandischen kam der unverheirateten Frau mit sechazehn
Jahren der voile Niefzbrauch ihres Vermogens zu, die freic Ver-
') Die verschiedencn Namen des Schutzverhaltnifses nnd des Schtitsenden
bci Kraut die Vorman dschaft I. §. 1. ') J. Grimm deutsche Bechtsalterthfimer
411, flf. •) er komin til Jiarhalds. Frostathinga b. 9, 23. Gulath. 128.
^ 121
fiigung dariiber jedoch erst mit zwanzig. Die Verheiratung, auch
wenn sie vor sechszehn Jahren erfolgte, gab ihr beides. (Gr&g&s
arfath* 4.). In dem norwegischen Frostathingsgesetz ist sogar der
Satz aofgestellty dafz Weib wie Mann ihr Vermogen so lange
selbst yerwalten diirfen, ale sie Kraft haben sich auf dem Se-
fzel sitzend zu erhalten ^),
Eine zu weite Auslegung der weiblichen Selbststandigkeit
mufzen wir indeCsen zuriickweisen ; denn sobald es einen Kauf
oder Verkauf oder sonst welche rechtliche Verfiigung fiber das
Vermogen gait, so war die Einstimmung und die ofFentlich er-
klarte Erlaubnifs des Yormondes , fur die Ehefrau also ibres Man-
nes, unumganglich erfordert* Nur wenn sich die geborenen Ver-
treter nachl&fzig bewiesen, konnte die Frau, wenigstens nach
den Frostathingsgesetz (11, 17 ), ganz selbststandig handein und
Unzucht allein verwirkte ihr diefz Becht.
Auch bei den sudgermanischen Std^mmen war eineLockerung
der alten strengen Mundschaft des Weibes mehrfach eingetreten.
Bei Guterverkaufen , welche Frauen unter ^alischem , lombardi-
schem, allemannischem oder auch rdmischem Bechte vomemen,
steht in Urkunden des eilften Jahrhunderts die Unterschrift der
Frau voran ; die Bestatigung durch den Mann darf freiUch nicht
fehlen \ Einen nicht geringen Grad von Selbststandigkeit verrat
sodann der suddeutsche Branch, dafz die Freilafzung eines eige-
nen durch ein sechszehn- oder vierzehnjahriges Madchen yollkom-
men gCdtig war •). Gab ein Madchen unter vierzehn Jahren einen
unfreien los, so war dieHandlung nicht rechtskraftig (Schwaben-
spiegel Landrecht 72). Ferner trat nach ripuarischem Gresetz
(LXXXT) mit fiinfzehn Jahren auch fur die Madchen die Be-
fahigung ein, gerichtlich zu klagen und verklagt zu werden.
Nach westgothischem Gesetz (II. 4, 11) konnten Madchen und
Ejiaben mit vierzehn Jahren ein rechtsgiiltiges Zeugnifs able-
') Jialfr fkal hverr rddha fi fino medhan harm md fitja i dndvegi ainOy fvA
kona sem karlmadhr, Frostath. 9, 29. *) Muratori antiquit, dissert. 22. (II. 267.)
") Vierzehn Jahre waren durch die Grewonheit den gesetzlichen sechszehn gleioh-
gestellt worden.
122
gen '). Noch bedeutender ist aber jedenfalls das Recht schwa-
bischer Madchen, mit zwolf Jahren selbststandig eine gtdtige
(staete) Ehe abzuschliefzen. (Schwabensp. Landr. 55). Im longo-
bardischen Gesetz [Luitpr. LII (2, 6)] findet sich dieselbe Be-
stimmung, aber mit der Beschrankung, dafz die M'adchen unter
anderem Vormunde als Vater oder Bruder stehen miifzeny indem
die Befugnifs dieser , sie wem sie woUen zu verloben , ihr Selbst-
verlobungsrecht ausschlofz. Nach friesischem Rechte wurde die
Verheiratung eines unerwachsenen (unjereg) Madchens sehr schwar
gebiifzt, und zwar durfen wir den Grund nicht in der natiirlichen
Unreife sondem darin suchen dafz es unter seinen Jahren f&r
ganz unselbststandig gait und eine verfriihte Vermahlung demnach
fur eine Verletzung des Einspruchrechtes des Madchens genom-
men wurde *).
Mochte die Vormundschaft strenge oder locker sein, ohne
dieselbe lebte kein germanisches Weib. Wem kam sie aber zu?
Wir sehenhier von denEhefrauen und Witwen ab und han-
deln vorlaufig nur von dem unverheirateten Weibe. Flir dieses war
naturlich der Vater so lange er lebte der gebome Vormund ; er
hatte fiir die Tochter einzustehen wo zu biifzen war, einzutreten
i wenn sie verletzt wurden und seine Einwilligung zu allem zu ge-
: ben was ihre Person und ihr Vermogen betraf* Nach seinem Tode
folgte meistens der alteste Schwertmag des Madchens, also sein
altester Bruder, nach einigen Rechten fiel indefsen das Mundium
der Mutter zu '). Es bestund diefz jedoch fiir diese fast allein in
dem Verlobungsrechte , denn die vaterlichen Verwandten batten
einen naheren oder femeren Theil an der Vormundschaft und far-
') In gewissen FSIlen war das Zengnifs der Frauen vor Gericht ebenso
giiltig wie das der Manner ; so in Sachen wegen Totschlag und Unsucht (Frostath.
4, 39. Uplandslag Vni, 11» Borgarthings kristenr. II. 14). Ueber Zauberei ist ihr
Zeugnifs entscheidcnd (Gnlatb* c. 28). Solte festgestellt werden ob ein bald nach
der Geburt gestorbenes Kind wirkb'ch gelebt babe , so gait ein Franenzengnifs
gleich zwei Mftnnerzeugnifsen. (Uplandsl. III. 11.) *) Brockemer ges. 166.'
Westerlawer ges. 388, 25. Westergoer ges. 474, 11. *) L. Wisigoth. III. I, 7.
IV. 2, 13. L. Burgund. 59. 85, 1. Freiburg. Stadtr. 32. Uplandl. III. 1, 7. Sjel-
land. 1. 1, 47. 48.
128
ten namentlich die Oberaufsicht iiber das Vennogen (vgl. Ostgotal*
giptab. 18) ; ebenso mueten sie in alien gerichtlichen Fallen zur
Hand sein. Dem germanischem Geiste entsprach weit mehr und
war auch gewonlicher, dafz der alteste Sohn ale gebornes Haupt
der Famllie nach des Vaters Tode die Mundschaft iiber sammt-
Kche weibliche Glieder des Hauses , die Mutter inbegriffen, so
wie iiber die unmiindigen BrQder erhielt. War er selbst noch un-
mflndig, so iibemam der nachste Verwandte vaterlicher Seite die
Mundschaft* Nach deutschem Rechte war diefz der Bruder des
Vaters , nach nordischem stund dieser Schwertmag ferner und die
Grofzvater und die Grofzmtitter, zuweilen auch die Muttersbriider
giengen ihm voran ^)» Die Vormiinder traten iiberhaupt nach dem
Grade der Yerwandtschaft ein, in defsen Bestimmung sich bei den
verschiedenen Rechten grofze Abweichung kund thut* In den einen
Behen wir namlich Kognaten den Agnaten ziemlich gleich stehen,
80 dafz sie gemischt folgen ; andere lafzen die weiblichen Verwand-
ten auf die mannlichen folgen; nach andem sind die Verwandten
miitterlicher Seite ganz ausgeschlofzen und der Grundsatz , dafz nur
Schwertmagen Vormiinder sein konnen, ist so weit ausgebildet, dafz
der Richter beim Ausgehen der vaterlichen Verwandten mit Ueber-
gehung der Spillemagen einen Vormund kiirt, wobei er jedoch jene
beraten mufz *), Indefsen scheint hier und da der Familie miitter-
Kcher Seite eine gewifse Mitaufsicht zugestanden zu sein; so
l^aben nach ostgothlandischem Gesetze (giptab. 20) die miitterlichen
Verwandten das Recht der Kinder , wo sie es beeintrachtigt meinen,
warzunemen und sie gerichtlich zu vertreten , obschon im iibri-
gen die Vormundschaft bei den Agnaten steht.
Die geborenen Vormiinder sind die altesten und natiirlich-
sten; die Wahl eines Vormundes durch den Vater ist eine junge
Einrichtung. (Schwabensp. 323, 2). Aelter ist, dafz das Stats-
0 L. Saxon. 7, 5. Nordfrief. ges. 568,' 9. L. Wisigoth. III. 1, 7. Grag
^«8tath. 1. Uplandsl. III. 1. Sjellands. 1. 1, 47. 48. Jydske lov 1, 33. *) Magde-
Wer Schoffenurtheil. S. Kraut Vormundschaft 169. Deutsches Privatrecht 393
(3. Aufl.)
oi>erhaupty wenn gebome Vormimder feUen, die Mundschaft mit
alien Kechten an Bufzen und Erbe iibemam. Es bemht diefz anf
der natiirlichen Verbindung von Greschleehtem und Stat; war
namlich ein Geechlecht in seinen werhaften Gliedem ansgestor-
ben, so muste der Vorsteher der Gemeine den Schutz der wer-
losen an sich nemen, bis sie irgend wie zur Bildung eines voU-
standigen Geschlechtes wieder gelangt*waren. Hieraus entwickelte
sich die Obervormundschaft des Konigs iiber alle onmiindige und
schutzbedurftige.
Die Pflichten des Vormundes bestunden in der Verwaltung
des Vermogens seines Miindels oder der Beaufsichtigung der Ver-
waltung; sodann in der Wamemung der personlichen Interessen*
namentlich in der Verlobung ; endlich in der rechtlichen Vertre-
tung desselben: einmal also in der Pflicht die Klage zu erheben,
das andere Mai ihr zu antworten. In der nahen Verwandschaft
des Vormunde lag zugleich die Entschadigung fiir seine Miihen,
denn er trat nach dem etwaigen Tode des Miindels mit bedeu-
tcndem Erbanspruche ein und hatte auch nach verschiedenen Bech-
ten Theil an den Bufzen welche; den Bevormundeten geleistet
wurden.
' Es lafzt sich schon im Yoraus annemen, dafz die Oermanen
Verletzungen des Weibes nicht leichter im Rechte fafzt^i als des
Mannes , dafz also Wergeld und Bufzs&tze fur Mann und Frau
wcnigstcns gleich waren. So finden wir es auch im friesischen,
angel sachsischen , den meisten nordischen und beziehungsweise
auch im westgothischen Rechte, ebenso noch in einem hefzischen
Weisthume. 0. Andere Stamme hoben jedoch die Werlosigkeit
des Weibes hervor und fafzten deshalb seine Verletzung schwe-
rer, setzten darum auch die Bufzen hoher an; so unter den frie-
') Add. sapient, in 1. Fris. V. Adelb. dom. 73. Grftg. vigsl. c 48. Oatgd-
tat. drapah, 9. Gulath. c. 159. weist. 3, 325. In der 1. Wisig. IV. 4, 3 steht das
Weib iibor 50 Jahro dem Manne gleich, im Alter ron 15—20 Jahren gilt es
100 foK mehr. Wilda Strafr. 572 bemerkt dafz die ausdruckliche Erwahnimg in
dor Grag&s und im friesischen Volksrecht, das Geschlecht mache keinen Unter-
schied, auf cine friihere abweichende Meinung deute.
125
Bischen Landrecbten die Westergoer Gesetze (463, 23) um ein
viertel; die Brockemer (178.*), die Emsiger (15. 28) und noch
andere (Richth. 281,^ 30. 318,*' 14) um ein drittel; das Fivelgoer
Landrecht (11. 12. 27), femer das uplandische, alemannische, baie-
riscbe, burgundiscbe Recht um die Halfte ')♦ Die hx Saaonum
(n. 2) lafzt nur die Jungfrau hoher biifzen, jedes andere Weib
setzt sie dem Manne gleich. Das baierische Gesetz bestimmt dafz
ein Weib durch Waffentragen das ihm sonst gebiirende doppelte
Wergeld verKere, ebenso das longobardiscbe (ed. Roth. 381). Ein
dreifaches Wergeld geben . dem Weibe die Langewolder Kiiren
yon 1282 (§. 34) und fiir das fruchtbare Alter auch das salische
Gesetz (XXXIV, 2. LXXIV).
Wie die Germanen in ihrer hoheren Auffafzung des Weibes
mehrfacb mit der Kirche zusammenstiefzen, so auch hier. Die
^Qreistlichkeit, gewont die Frau als ein unreines und niedriges
JTesen za betrachten, wobei Evas Siindenfall als Hauptgrund die-
nen muste, konnte sich mit ihrer rechtlich hohen Schatzung nicht
vereinen und wirkte darauf, dafz das Weib rechtlich an Wert
verlor. So wird denn im Schwabenspiegel (Landr* 310) und im
Sachsenspiegel (III. 45, 2) den Frauen nur die halbe Bufze und
das halbe Wergeld eines Mannes ihres angeborenen oder erhei-
rateten Standes gegeben.
Eiinige Volksrechte theilten die Satze nach den Lebensstufen
des Weibes ein. Das thiiringische und salische Gesetz (1. Angl. et
Werin. X. 3. 4. 1. Sal. XXVIH. 7—9. LXXV) setzten das Wer-
geld fiir eine Frau, die keine Kinder bekommen konnte, dreimal
niedriger als fiir eine mannbare und noch fruchtbare. Das west-
gothische Recht (VHI. 4, 16) machte mehrere Unterschiede: fiir
ein M'adchen unter fiinfzehn Jahren *) ward nur das halbe Wer-
geld des Mannes gezahlt, von 15 — 20 Jahren war es um 100 fol.
hoher, von 20 — 50 Jahren seltsamer Weise 50 fol. niedriger, von
') L. Aleinann LXVIII , 3. LXIX. 1. Bajuv. ni. 13, 2. 3. 1. Burg. LIL
Uplands!. IV. 11. •) In der lex sal. (fuld. cod.) wird von zwolf Jahren das
maunbare Alter gerechnet.
126
50 — 65 slund es gleich; uber diesem Alter erhalt die Frau die
Halfte des nachst vorangehenden Satzes. Auch far die verschie-
denen Jahre der Manner sind verschiedene Satze genommen. Wie
im sachsischen Gesetz die Jungfrauschaft auch im Wergeld be-
riicksichtigt wurde, ist schon erwahnt. Von selbst versteht sich,
dafz iiberall wo die Standesunterschiede stark hervortreten, auch
die Bufze und Wergeldsatze nach dem Stande verschieden sind.
Die einzelnen Bufzsatze anzufuren, wird man mir hier gem
erlafzen. Aufzer der Geldvergutigung fur die Totung (w&rgeli)
gab es feste Beetimmungen , wie korperliche oder sittliche Verle-
tzungen gebiifzt wurden. Wie der Satz: Leben um Leben, der
durch den Brauch der Blutrache hindurchgeht, allmalig trotz man-
cher sittlichen Bedenken in den Satz: Leben um Geld gewandelt
wurde, so wurden auch jene Verletzungen statt mit dem Verluste
des Leben s, eines Gliedes, der Freiheit, der Heimat oder des
Friedens mit Geld abgebiifzt, wenn sich der Angeklagte nicht
durch Eide zu reinigen vermochte. Unsere Volksrechte, deutsche
wie nordische *) , sind hierin sehi; ausftirlich und gewaren bei dem
Eingehen in Einzelheiten manchen SSchlufz auf die sittlichen Zu-
stande des betreffenden Stammes.
War eine Verletzung der Unmiindigen eingetreten, so hatte
der Vormund die Klage zu erheben und war sie gegriindet und
der verklagte iiberfUrt, so wurde die Bufze geleistet. Dafz die-
selbe dem Vormund iibergeben ward, unterliegt keinem Zweifel;
welchen Theil er aber'von ihr zog, ist nicht so klar. In d^i
Fallen natiirlich, wo eine Verletzung seines Rechtes geschehen
war, wie bei unrechtmafziger Verlobung, Entfiirung und unrecht^
mafzigem Beiliegen, kam ihm die voile Bufze zu^. Bei eigent-
lichen Verletzungen des Miindels aber zog er entweder gar nichts
*) Vgl. Grimm Rechtsalterth. 404. ff. Wilda Strafrecht der Germanen cap. 6.
besonders SS. 398-438. *) L. Fris. 9, 11. 13. Sax. VI. 2. Sjelland* 1. III. 38.
Liutpr. 121. Bajuv. VII. 10. Gulath. c. 51. Uplands]. III. 1. Zusatz zu VeaU
gdtaL II, (^Collin och Schlyter corp, jur, Sveogoth. anU I. 239). Im longobard*
Becht (ed. Both. 139) wird die Bafze zwischen die beiden Mundschaftsbehorden.
den Konig und den Vormund getheilt
127
(SjelL 1. n. 20^ m. 38) oder nur die Halfte oder gar nur ein Drittel
(1. Fris. 9, 8. 9» Sax* 6. OjlgOtal vadham. 14, Grog. mgsL 54)*
Lag Totschlag vor, so theilte sich der Vormund als Verwandter
mit den iibrigen nachstberechtigten Magen bald von der Schwert-
seite allein bald auch von der Spilleseite in das Wergeld '). War
der Vormund selbst der Verletzer, wie diefz bei Verletzungen der
Frauen durch ihre Manner vorkommen konnte, so wurde die Klage
und Bufze von ihrem nachsten Schwertmagen, der ihr Verlober
gewesen war, erhoben und die Bufze zu der Mitgift gelegt, (Oft-
gdtal. vadham. 10. Veftgdtal. IL Fridhb. 8).
Gewifs ist femer, dafz das Weib Theil am Wergelde eines
Verwandten haben konnte. Weibliche GKeder der Familie waren
in altester Zeit nicht von der Pflicht zur Blutrache ausgeschlofzen,
es muste ihnen also auch • das Kecht auf das Wergeld zugestan-
den werden^ Als der Riese Thiassi von den Gottem erschlagen ist,
macht sich seine Tochter Skadhi auf nach Asgard und droht mit
der Blutrache, wenn nicht genugende Siihne geboten werde. Als
Dag den Helgi erschlagen, bietet er seiner Schwester Sigrun Wer-
geld ftbr den Gemahl. (Saem. 165. fO* Das islandische Recht theilt
ihnen auch noch ein Drittel des Wergeldes zu (Grdg. fest. 20.
vigsL 54) wovon sie aber den dritten Theil dem Vormund abge-
ben mufzen ; ebenso scheint das friesische Gesetz (I. 1.) die Wei-^
ber nicht auszuschliefzen. Eigenthiimlich sind die Verhaltnisse im
norwegischen Gulathingsbuch (c. 221). Hier werden die Mutter,
die Tochter, die Schwester und die Frau des Erschlagenen im
Genufze einer Geldsuhne (kvengiaver) angefiirt; allein dieselbe
ist von dem Wergelde verschieden, denn dieses wird von ihren
nachsten Schwertmagen, also hier von dem Vater der Mutter des
Erschlagenen , vom Sohne der Tochter oder Schwester, in Em-
pfang genommen. (Gulath. b. c. 225. 26.). Ebendort sind die Spille-
magen des Morders zur Wergeldleistung verpflichtet (c. 227. 231.
232. 235. 245). Es bestund also nach diesem Recht wie nach dem
angelsachsischen (Alfredhs ges. c. 27) die Einrichtung einer Fa-
') Kraut Vormundschaft 1, 335.
128
milienbiirgschaft ^), von der die Prauen nicht ausgeschlofzen wa-
ren. In einem gewifsen Falle sehen wir sogar im islandiech^i und
norwegischen Rechte die Verpflichtung and das Anrecht der Frau^a
auf das Wergeld ganz beBtimmt heranstreten. HinterlaCzt n&mlicb
der Getotete nur eine Tochter und niemand ist naher als sie znr
Hauptbufze (hofudhhaugr) berechtigt, so nimmt sie gleich einem
Sohne die Bufze 2). Ebenso ist die Tochter des Morders, im Falle
kein Sohn lebt, zur Erlegung des Wergeldes verpflichtet. Beides
gilt indessen nur von den unverheirateten Tochtern, denn mit der
Vermahlung gehen Recht und Pflicht auf die nachsten Schwertmagen
liber (Gr&g. vigsl. 114). Im norwegischen Gulathingsbuch (c. 275)
hat die Schwester dafzelbe Recht wie die Tochter ')♦ Es weist
demnach fast alles darauf, dafz die Weiber in altester Zeit voUen
Theil am Wergeld hatten und das thiiringische und longobardi-
sche Recht haben sich also, indem sie das Wergeld den Schwert-
magen allein zutheilen, von dieser urspriinglichen Auffafzung be-
deutend entfemt. (1. Angl. et Wer. VL !♦ 5. 1. Liutprandi 13).
So wie derVormund den Prozefz zu erheben (foekjc0 hatte,
so muste er auch der Klage antworten (fvara). Der Sachsenspie-
gel setzte fest, dafz der Richter der Angeklagten einen Fiirspre-
cher zu bestellen habe, wenn ihr rechter Vormund nicht zur Ebnd
sei. Erforderliche Eide musten von den Frauen selbst geleistet
werden*); ward die Entscheidimg einem Gottesurtheil iiberlafzen
und wurde auf Kampf erkannt, so hatte ihr nachster Schwertmag
fur sie einzutreten *) ; nur in einzelnen Fallen und wahrscheinlich
erst in jungerer Zeit war den Weibern selbst der Kampf iiberge-
ben. Im eng anschliefzenden IQeide kampften sie mit einem Steine
den sie in den Schleier gebunden hatten gegen den Mann, der sich
') Waitz deutsche Verfafzungsgeschichte 1, 228. Wilda Strafrecht 872. 885.
') Sie hcifzt dann haugrygr (Bufzweib: haugr^ Bafze; rygr Weib). ■) Vgl.
auch Frosthath. 6, 4. *) Sachsp. I. 47, 1. Schwabensp. Landr. 75. Eine Eides-
formcl fur Frauen Weisth. 3, 777. Ueber den nastahit s. unten. •) Vermoc Jten
sie keinen ihrer Schwertmagen zu stellen, so pflegtcn sie Mietkampfbr (campiones)
anzunemen. Vgl. Gaupp Gesetz. der Thiiringer 405 — 7.
129
halb in einer Grube mit einem Stocke vertbeidigte ')• Arten des
Grottesurtheils, die den Weibem haufig zuerkannt wurden, waren
die Probe mit gliihendem Eisen das sie in blofzen Handen neim
Schritte weit tragen, mit neun gluhenden Pflugscbaren iiber die
fiie schraten mosten, der Kefzelfang, wobei sie einen Stdn toa
einem Kefzel siedenden Wafzers suchen musten nnd die kalte
Wafzerprobe, die noch bei den Hexen im 17. Jahrhundert baufig
angewandt wurde. Dag Weib ward liamHch ins Wafeer geworfen
nnd ward iiir unecbuldig erkjart wenn es untergieng, fiir schul-
dig aber wenn es sich oben hielt; denn der Grlanbe war, dafz
das Wafzer nichts unreines nnd )keinen MifsethHter in sicb dulde.
Anch die Krenzesprobe scheint nicht. s^ten gebraucht zu sein.
Beide Parteien stunden mit erhobenen Armen warend einer Messe
an dem Krenze; wer die Arme zuerst sinken Uefz, ward des Yer-
brechens oder der Liige iU^eifiirt gehaltai ^.
War die Angeklagte iiberwiesen und auf Gelds^rafe gegen
sie erkannt, so zahlte der Vormund die Bufze ans dem VermSgen
des Miindels. Reichte das nicht aus^ so scheint er mit seinem
^genen Yermogen herangezogen worden zu sein, wenigat^ns liegt
es im Wesen der Mundsohaft, dafz der Yormund nicht blofz
achiitzt sondem auch biirgt Wo er nicht solidarisch verpflich-
tet isty findet sich Abweichung von der urspriinglichen Auf-
faTznng').
/iBei Kindem unter ihren Jahran und bei Wahnsinnigen
dorfte keine andre als Greldstrafe vorkommen, erwachsene Wei-
ber dagegen wurden auch peinlidi gestraft^i Die altgermanischen
Grnudsatze zeigen jedoch auch bi^ eine imlde Beurtheilung der
') Majer Gregch. der Ordalien 270—274. Philipps die Ordalien bei den Ger-
manen p. 10. Vgl. iiberhanpt J. Grimm Rechtsaltcrth. 908—937. Wilda Ordalien
M Ersch und Grubers Encyklop«adie III. 4, 452—490. ») Vgl- Gengler deatsche
Rechtggeschichte 401 if. Anm. 30. •) Vgl. hieriibcr Kraut Voraiundschaft I.
H« 37. 38. — Zahlte der Vormund keine Bufze oder hatte die Frau kcinen Vor-
mnnd im Lande, so verlor sie die Freiheit. OftgotaL vadam. 35. 37. Die Weigerung
dci Vormunds in der gesetzlichen Frist von fiinf Tagen die Bufze zu erle-
gen, zog ihm Friedlosigkeit ^nd Vermogenseinziehung zu. Ostgotai drapab. 9.
9
ISO
Frau, wie eie spater in der goldenen Bulle (c. 24 §. ^•) sswbt
auBgesprochen aber nicht durchgefiirt war. Die altnordisclien
Gesetze lafeen. wenigstens ;darauf schliefrzen; denn flir VerlrfAjhwi
wo den Mannem deif Tod gewifs war^ stund den Frauen* Aii&-
gleichung dutch Geld mehrfach frei. Ihre Strafe wur in den
oberischwedisohen G^setzen schon dadurch milder^ dafz sie nicht
friedlos werden konnten und ihr Landbesi<:z demgemftfz ikicht
eingezogen werden durfte (egh ma hdnna bo skiptas), Konigs-
friedenbruch (edh/ore)^ Konigsbufze (enfak) und Herrehetrafe (hdt^
rathocke) konnten sie nicht auf sich laden ^). Ward ein Weib
fiii* einen veriibten Mord von dem Blutracher aui'frischer That
erschlageuy so lag es ungebtLfzt. {Oatgdtali drdpab* 9* vadha/ni. 16,
22, 35). . •
Die Lebensstrafen , die an den Weibem Tollzogen warden,
waren verschieden. Gegen das Hangen straubte eich das G^fiihl.
Wie das Uplandslag (IV» 29) bestimmt, dafz kein Weib gehangt
Oder geradert , sondem lebendig begraben werden solle , 80 setzt
auch das Riber Stadtrecht (25) fest, wegen der weiblichen Ehre
(for en quynddigh aeraes achyld) solle kein Weib gehangt, sondem
begraben werden ^), Das ostgothlandische Gesetz (vadham* 38) ge-
stattete indefsen fur eine auf frischer That ergriffene Diebin den
Strang, ebenso die Westerlawer Gesetze fur eine Ehebrecherin
(404^ 11) ; das schauerliche lebendig begraben ward also fShr' gerin-
ger geachtet als das Hangen. Neben diesen Strafen waren Tteinigen
und ertranken fur weibliche Verbreoher sehr iiblich. Ebrschliig
ein Mann seine Frau, so ward er geradert, totete die Frau ihren
Mann , so wurde sie gesteihigt (Uplandsl. IV. 13). Fur eine Gift*
mischerin , durch die jemand gestorben , bestinunte das uplandi-
sche Gesetz den Feuertod (IV. 19). Nicht ungewonlich w%r fer-
ner in alterer Zeit, Frauen zur Lebensstrafe unter die Huie der
Rofse zu werfen oder sie uberfaren und von Pferden zer-
*; Ueber Befreiungen der Frauen in Frankreich Schaflftier Recbtsrerf.
Frankr. 3, 188. ») Vgl. Erich Clipping. Stadtr. v. 1294. n. 27. Die Hexcn-
inquisitoren namen auf die weibliche Ehre keine Riicksicht.
reifzen zu lafzen '). So wurd^ die schone Schwanluld auf den
Befehl des Gothenkonige Ermanrich de^ Sage nach getptet , ala
de ihre Liebe dem Sohne das greisen Brautigams scbenkte
(Saem. 267).
EiniB besondere Eucksicht ward iibrigena auf die Schwan-
geren genommen. Gewonlich wurden die Strafen erst nach er-
folgter Entbindiuig voUzogen oder iiberhaiipt gexnildert *)♦ .
Nadbdem wir eine Uebersicht iiber die Mjindschaftsver-
haltnisse des Madchens und seine Stdlung zum ofientlichen Recht
zu gewinnen suchten, liegt uns noch, ob sein Erbrecht kurz
darzulegen.
G^rmanischer Grundsatz war, wie schon erwahnt wurde,
dafz nur der Mannesstamm den Landbesitz des Geschlechtes fiirte
nnd die weiblichen Glieder allein am bewej^ichen Gute' Theil
batten^Es beruhte darauf , dafz an dem liegenden Eigen die Ge-
meinepflichten und Rechte hafteten, deren voile Uebemame fiir
das Weib unmoglich war. ^s war in der eigentlichen Grundbe-
deutung djQg . Wortes^ niebtr erbf ahig ^).
AUe nord- und siidgermanischen Yolksreclite baben diesen
Grondeatz gehegt und erst allmalich, nachdem in der Gemeine-
verfafzung Aenderungen eingetreten waren und das romische
Becht wie die Kirche Einflufz erlangte, wsurd auch auf dieFrauen,
Land vererbt. Interessant ist es dieVermittelung von dem schrof-
fen Aosschliefzen mit der Gleichberechtigung zu beobachten.
War kein Sohn vorhanden, so gestatteten das sachsische^
borgondische , alemannische und longobardische Recht den Uebejc-:
gaog alles Erbes auf die Tochter *), Dafzelbe geschah auf Island,,
wo sogar ein Godhord (Hof mit Priester- und Richterrecht) auf die
Tochter erben konnte, die aber natiirlich das darauf ruhende
Richteramt durch einen Mann des Drittels verwalten lafzen mu-
0 Greg. Tur. III. 7. Chron. NovaUc. III. 14 (Pertz 9, 101). *) Gr&g.
^gsl. c. 35. fest. c. 48. ThordDegnes art A. 16. B. 19. ') arbi ager, heredtfas,
Grimm Geschichte der deutschen Sprache 54. Den Sinn ^liegendes Eigen" hat
f^ediuu unter andem 1. Sax. 7, 1. *) L. Sax. 7. 5. Burgund. 14, 1. Alam. 57.
Liutpr. 1, I.
9
182
Bten (Gr&g. festath. 21 . thingsfk. 61). Das thiiringische Rechf (1. Angl.
et Werin. 6, 1) bestimmte wie folgt: Ist kein Sohn vorhanden,
80 fallt der Gxundbesltz an den n&chsten Schwertmagen, die fa-
rende Habe an die Tochter oder an die Sohwester Oder an die
Mutter, welche nun da ist; aber in dieser Keihenfolge, Iiebt kei-
nes dieser Glieder, so nimmt der Schwertmag alles Ejrbie* Die
Schwertmagen erbten iibrigens nur bis zum funften Grad , dann
fiel allesErbe, Kegendes wie farendes, an die weibliche Verwand-
scbaft. Das uprandische Kecht (UI^ 12) geht noch weiter. Wenn
die Zahl der Landgiiter (bolbyaer) die zu vererben sind, dieZald
der Sohne iibersteigt, so kann aitch die Tochter am liegendte
Erbe theilnemen ^). Ebenso weist die Bestimmung dee Gtdathing-
buches (c. 278), dafz Tochter und Schwestem beim Ausgehen
nahere'r mannlicher Verwandter das Wergeld empfangen Und alle
Bechte und Pflichten der Manner in solchem Falle haben, anf
ihre Pahigkeit in liegendem Eigen zu erben hin. Alle diestf Be-
stimmungen stehen bereits unter dem Einflufze des neuen Gei-
stes, der auch schon im westgothischen Gesetzbuche (IV, 2)
spricht, wo den T6ch tern, wenn dieEltem nicht anders beetimm-
ten, gleiches Erbtheil mit den Sohnen ausgesetzt wird« Andere
Gesetze, wie noch der Sachsenspiegel (I« 17, 1) beschrtoken
die liegende Erbschaf t auf den Fall, dafz keine mi&nnlichen ^eieh
nahen Verwandten leben ; nicht viel spatere Bechte and Statuten
stellen Sohne und Tochter dem gesammten Erbe gleich nah, imd
auch an das Lehngut erhalten die Weiber allmalich gleiohen An-
spruch mit den Mannem *). In den Weisthiimem erhielt sioh in-
defsen hier und da die alte Ausschliefzung der Tochter. So be-
stimmt das Domheimer Weisthum (ostl. Schwarzwald, Ghrfanm
Weisth. 1 , 378) dafz die Knaben im liegenden , die Tochter im
farenden Gute das Erbe haben soUen. Nur wenn nicht eo viel
farendes vorhanden sei, sollen die Madchen durch liegendes ent-
schadigt werden.
0 Tha taki fyfiir Jin lot i bolbynum. ^ MiUhaa8«ner Statat« Soefter
Stat. 166. 8, Kraut Frivatrecht (8. Aafl») 422. f, —* Ueber die franz. VerhSlt-
nifse Sch&ffher Rcchtsverf. Frankreichs 2, 230.
Di6 Schwerthaud geht im Allgemeinen nach altem Bechtc
derSpillehand vor* Wareofl sich die Tochter an die unbedeuten-
dere faremde Habe zu halten batten , erbten die $5hne , wie
ao8ge(Urt , das Grundeigenthum ; als aber dieser Unterschied weg-
fid, namen die Sohne von allem zwei Drittel, die Toditer eia
Drittel 0 1 ^^^ weiteres Nachgeben raumte den Frauen gldchen
Theil mit den Mannem ein, Yor derErbth^ung fand nach sach-
nschem Beohte eine Vorausname statt; die mannliche Seite nmx
namlich das H^gewate, die weibliche die Gerade'); das Haupt-
theil des ersten war das Schwert, das wesenUiche des letzteren
der Schmuck ; in beiden prftgte sich also das karakteriatische der
beiden Geschlechter aus. Schon das thurin^sche Gesetz (1. AngL
et Werin* 7,3. 6, 6) f urt unter dem Namen der rhedo den weib*
lichen Schmuck auf: Halsketten, Hafte, Armbauge, Ohrringe,
Frauenkleider, was alles den Tochtern allein zufalle, warend
die Sohne Land, Vi^ und Unfreie erhalten*). Im Sachaenspie-
gel und den sich daran lenenden Gesetzen wird der Umfang der
Gerade nooh ausfurlioher angegeben; aufzer deoa Kleinodien wer*
den dazu gezalt aUe Betten, Pfuhle, Kiifsen, Bett- und Tisch-
wasche, Teppiche, Umh&nge, Kasten mit erhabenem Deckel,
Laden, Sefzel, Spiegel, Bursten, Soheeren, Leuchter, Becken,
alles Gam, die Kleider, die gottesdienstlichen Buoher, die Granse
und Schafe. Unverarbeitetes Leinenzeug und Gold und Silber
geh5rten nicht dazu*). Ln norwegischen Bechte (Frostath. 9, 9.
H4konarb« c, 75) Werden 'anliche Sachen als Erbe der Tochter
und der Mutter aufgefiirt; ebenso entsprechen gewifse Vorausna-
men vom nngetheilten Gute nach uplandischem und ostgothlandi-
8chem Bechte der Gerade und dem Hergewate* Die Frau nimmt
uamlich nach kinderloser Ehe von ungetheiltem Gute voraus ihr
Tollst&ndiges Bette, ihre Kirchenkleider und drei andere Kleider
0 O/lgdtaL arfdhab, 1. Uplandsl III. 11. Jydfke 1. I. 4. 5. Sunon. leg.
Sean. L 4. Brockem. ges. 167.' Nordfries. ges. 562/ 7. Ghroening. stadsb. (1425)
art 31. *) Jao. Grimm Bechtsalterth. 576—586. ') VgL aneh L« Barg. 51, 3.
*) Sachsensp. I. S4, 8. Weisth. 3, 43. 103. 197« 235. Gl. z. saclu* Lehnr. 56.
RiideD. Stadtr. 58.
184
(staenizay kiurtily iwirklaedhr) ; der Mann nimmt Rofs und Waffen
und seine Kirchenkleider. (Uplaiidsl. HI. 10). Nach oetgothlandi-
Bchem Rechte (giptab. 15) nimmt die Prau aufzer ihrer Mitgift
und dem Gegenkauf zwei Ueberkleider , einen Mantel lind zwei
Kopftiicher; die Erben des Mannes neinen die andem Kleider
und drei Waffen 0«
Die Gerade erbt auf die nachste weibliche Verwaridte, auf
die Tochter also oder auf die nachste Nichte ^). Sind merere
TochteJr vorhanden und eine oder merere von ihnen' sind schon
auBgestattet {Mgeradet) , so erbt die nicht ausgestattete' die Gerade
(Sachsensp. I. 5, 2). Ueberhaupt ward bei der Erbtheilutig billige
Bticksicht darauf genommen ob die Tochter schon ausgestattet
waren oder nioht. Die unverheirateten namen daher von deinErbe
einen Theil hinweg, weloher der Ausstattung der verheir^teten
entsprach (Frbstath. 11, 2). EinVerlust alien Erbreohtes trat nach
altestem Recht fur die Tochter dann ein, wenn sie den Vorwurf
der Unkeuschheit auf sich gezogen hatten. Die islandischfe Gr&-
gd;6 (arfath. 23) ebenso der Sachsenspiegel (L 5, 2) hoben diese
Bestimmung auf, das ostgothlandische Recht (arfdhab. 1) machte
die Verzeihung der Eltern zur Bedingung des Wiedereintritts
der Erbfilhigkeit; der Schwabenspiegel (Landr. 15) sagt, ein
Madchen unter funf und zwanzig Jahren verwirke in solcfaem
Falle Vater- und Muttererbe; sei es alter, so konne es wol seine
Ehre, aber nicht sein Erbe verlieren.
') Vgl. auch Hans priyil. 42. *) Nach Sachsensp. I. 7, 3. Weist* 8, 108 nimmt
die Slteste Tochter die Gerade, nach Weist. 3, 189 (Engem) die jtingste. (Vgl. anch
Weisth. 1, 283. 376. 3, 102). Bei horigen Lenten fiel sie, wenn keine unberatene Tochter
da war , an den Herm. (Weisth. 1. 75. 106. 270. 3, 33. 56. 185.) War aber die Toch-
ter nnberaten und sie so ebenskr&ftig , dafz sie die vier Wftnde ersieht (Weisth
1, 290) dafz man sie durch die Wand schreien hort (W. 3, l48), dafz sie die
vier Wande beschrcit (W. 3. 103), eine brennende Ampel ansblasen (W. 3, 102)
anf einer Bank stehen and der Mutter Kasten aufschliefzen kann (W. 3, 208),
so fallt dieser die Oerade zu. Vgl, Grimm Bechtsalterth. 410. — Auch der Bni-
der, welcher GeistUcher ist, aber noch kein Amt (kerken oditx provende) hat, erbt
▼on derGkrade. Sie wird aber bei ihm zum Erbe, denn von seiner Hinteriafseii-
schaft wird keine Gerade genommen. (Sachsensp. 1. 5, 3.)
185
Ke Beihen der Erbfolge sind verschieden , denn die Nahe
der Verwandschaft ward bei den verschiedeneh Stamihen nicht
gleich beurtheilt.' Ein Grundzug I'dfzt slch jedoch deutlich erken-
nen, der auch von Tacitus (germ. 20) angegeben wird , wenn er als
die nachsten Erben die Kinder , dann die Briider , hierauf die
Vatersbruder (patrui) und die Muttersbriider {avuncult) anJRirt;
fiir die beiden letssteren kOnnen wir im Allgemeinfen die n*achsten
Scbwertmagen utid die nachsten Spillemagen ^^tzen/ ' WJr sehen dem-
nach dnrch das natiirHche Gesetz gef ordfert dem Verstorbenen zunachst
den" Sohn, daiin die^ohter, den-Bnider, 'die Schw^et und die Ge-
schwisterldnder-folgen:^ Sefar ausfiirlich sind aucih hierin ffie nordi-
schen Gesetebiicher. Am alterthiimlichsten erscheint mir dabei dds
Gulathingsbuch (cc. 103. 104) : in ihm stehen auf erster Stiife Sohn
undVater, die si^h ge^enseitig beerben j d^nh folgen Tpchter und
Sohnessohn, die erstere fiir die f arende Habe, dieser fiir den Grund-
besitz ; hieraufj der Vatersvater, dann der Bruder vom selben Vater,
dann die Mutter und auf sic mit gleichem Anspruch der Vatersbru-
der und der Bruderssohn ; dann der Bruder vom derselben Mutter,
nachst ihm die unehelichen aber spater legitimirten Kinder , dann
Muttersvater- und Tochterssohn ; auf sie der Mutterbruder- und
derSchwestersohn und so fort. In den beiden gothlandischen Rechten
folgt der Vater auf die Tochter und nach ihm die Mutter , dann
Bruder und Sch wester ; in der islandischen Grkg&& folgen Tochter,
Vater, Bruder von demselben Vater, Mutter und Sch wester von
demselben Vater. Die unehelichen Kinder erben hier nach den Ge-
schwistem von derselben Mutter 0- Die wesentliche Uebereinstim-
mung der frankischen Rechte mit diesen nordischen Bestimmungen
beweist iibrigens den echtgermanischen Gang dieser Erbfolge; in
ihnen folgen auf die Kinder Vater und Mutter, dann Bruder und
Sch wester, Sch wester der Mutter, Sch wester des Vaters und dann
die nachsten Scbwertmagen *) Wir verf olgen diefz nicht weiter und
') 6j}g6lalag ar/dhab. §. 2, 1. §. 3. V^gStal I. arfdhah. 1. (II. 3.) Gr&.
gd» arfdhath. 1. vgl. noch Frostath. 8,1. ») L. Sal. LXII (59). 1. Rip. LVI
(58). Vgl. hierftber Waitz Salisches Recht 108. f.
IM
erwabnen zum Schlufze nur noch den Branch ^ der sich .bei cl
formlichen Uebemame dee Erbes im Norden wenigstens unter den vt
nemen Gescblechtemlangeerbielt, ein Toten* undErbmal {erf) ai
zurichten. Der Erbe safz zum Anfange dea Grelages auf einer Ba;
vor dem Hochsitze des VerBtorbenen bia ein Beoher hereingebrac
wurde, auf den er atebend ein Gelubde ablegte und ihn dann ai
trank» Hierauf wurde er auf den Hochsitz gefurt und ubernt
das gesammte Erbe (Ynglingas. c. 40) 0* Diefz Malscheintofif
nur ein Erinnerungefest ohne Bezug auf Erbname gewesen zu sei
ein solches veranataltet wenigstens Godrun (KrimhUd), als il
Briider Gunnar und Hogni durch Atli gefallen sind. (Saei
260»>) ^.
>) Der Becher hiefz wie cLer Jolbecher Bragibecher (Bragc^ull). *) V
€kngler dentsche Bechtsgeschichte S. 311. Note 85.
Ftlnfter Abschnitt.
Fraaendlenst*
Wa% waere mannes wUhm, d^ frSUte Jtck Jtn lipf
e% entaeten fckoene meide und Mrltchiu ipipf NibeL 273, 1.2.
Swd du guotes w(be8 vingerRn Er gew<m nie manltehen muot
^igeit enowbtn WU ir gruox^ der mht toerHahe twft
^% mm: ex tuot dir humbert buox* eUw^nne dutch diu ipip*
dufoU zir kvfse gdhen Lan^el. 1017.
wd ir lip vaft umbevdhen :
^ git geiUoke und hShen muot '
opfi k^chd ifi unde gui^. JP^r^T. 127, 29. ^.
JLo d^ AleiCEmdera^g^ findet sidk dae M^chcm vm den scho-
neq Blumen ism Walde, auB deren festem rot uud/ weifssem BlU-
teoballe, venn dc^ S^hnee zergaiigen ist, JieblicbQ Ml^}x$bw ber-
MMpringeiiy die d^ii Sommer in reizender Jugend unt^rdan Wal-
deaschatten und dem/Vogelgesang bioleben. Wexin aber die Brun-
Qen 2u fliefzen mflioren , der Wald &1 wird und die V5gel ver*
Btoinmen, dann scbwinden die Kinder der Blumen auch dahiigi
iiod ihr kur^es Leben vergeht. Den wunderaamen Blumen lafzen
fiich die Menschenioddcben yergleicben* Ist der Yorfriiling voir-
bei und daa junge Men^chenkind aus den eraten Jabren beraus-
gethautf daon 0cbief;&t ee auf wie jene Waldpfl^n^en ; upd weuQ
die Zeit der Beife genaht ist und Anung und Schnen sich UW
He junge Brust legt , dann , tritt aus der apringenden Hiille dee
188
Kindes das siifzeste Wesen der Schopfung, die Jungfrau. Aber
die Brunnen der Jugend versiegen, die Blatter der Schonheit rie-
seln eines nach dem andem auf die braune Erde und der Lebens-
ton der Liebe verhallt. Da verhullt das Weib sein Antlitz und
Heil ihm, wenn es sterben kann wie jene Frauen des Marchens.
Das jungfr'auliche Weib birgt einen unnennbaren Reiz ; An-
mut und hauchlose Reinheit flechten sich wie Eoseu und Myrthen
zusammen und . driicken dem einfaclisten Weibe eine glanzende
Krone auf das Haupt. Reine Volker, auch wenn sie keinen ho-
hen Bildungsgrad besitzen, haben vor der Jungfi^ulicKkeit stets
eine heilige Scheu gehabt. Sie wusten die Wiedergeburt der Grott-
heit nicht anders zu vermitteln, ale dafz sie den menschwerdenden
Gott durch eine Jungfrau gebaren liefzen. Sie verliehen der Jung-
frau Krafte, welche das menschliche Mafz iibersteigen; die Grabe
der Weifzagung ward ihr vertraut und Zauber zu kniipfen und
zu losen vermochte zumeist die Reinheit des Weibes.
Wir Germanen dftrfen mit gerechtem Stolze auf unsre Vater
blicken, wie sie uns der Romer schildert. Es ist ein reined knlf-
tiges keusches Volk, ein Volk das rauh und ungebildet in vi^-
lem doch ein zartes Gefuhl im Herzen tragt. Auch ohne aus-
dnickliche Zeugnifse miifzen wir auf eine besondere Achtung der
Jungfrau unter den Germanen schliefzen; unter den Gottinnen
unseres Volkes hat eine Reihe lieblicher Bilder bewieHen wie hier
das Madchen verklart ward, und auch im Rechte findeh wir die
Jungfratilichkeit beriicksichtigt. Wir sehen jedoch hier eihen eigen-'
thiimlichen Streit zwischen IVau und Jungfrau ^treten. * Wa-
rend in einigen Volksrechten (1. Sax. 11. 2. Hunsihgoer ' Bufzt.
12. 13) Beleidigungen der Jungfrauen hoher gebiifzt werden als
die verheirateter Frauen, zeigen andere (1. Alem. LVlll, 3. BajuV.
VII. 8. 10 — 13) einen Vorzug der letzteren, indem de die Verle-
tzung der Rechte des Ehemanns hoher anschlagen ale die Beiri-
digiing der Jungfi^ulichkeit. Das friesische Recht stellt Jung-
frauen und Witwen gleich ausgezeichnet vor die verheirateten
Weiber.
Selbst im Kriege suchten die Germanen ihre Achtung und'
189
Hochhaltung der Frauen zu bewaren^' Als Konig Rudolf 926
(fie Stadt Auga (Eu) erstiirmt , in die sich die Normannen unter
Bollb geworfen faaben, werdenalle Manner niedergeina,chtv die
Frauen aber unberiihrt gelafzen. (Richer, hist I. 80). Glei<5he
Schonung h^tte fruter Totila den Neapolitanerinnen und RSineriiinen
bewiesen, und als efn vornemer' Gothe slich eine Ungeburlichkeit
gegen ein neapolitanische^ MSdchen erlaubt hktte, liefz er ihn iroit
der Verwendiing aller hiiirichten und sein Verm5gen jenem MM*
chen geb6n. (Procop. b. gotlb. IH, 6. 8* 20) *)• Die Skandinatiei^
hatten den Frauenfrieden (quenagridh) gesetzlich festgesetzt -und
hielten ihn in Kriegen uridF-atnilienfehden; ebensO geiiofzeii nach
deutechen Gesetzen die-^dber alle Tkge lind alle Zeitari- ihrem
Leibe und Giite Friede. pSachseiisp. 2. 66, 1. Henrici treuga 1.
(1230)]. Noch in der Sitte zeigt sich die bevorzugte Stellung der
Jungfrauen augenscheinlich, dafz als festeste Biirgschaft des Frie-
dens zweier Stamme oder Staten vomeme Jungfrauen als Geiseln
gegeben wurden (Germ. 8.) Auf diese Weise kam der Sage nach
die burgundische Konigstochter Hildgund an Atilas Hof.
Soil ich ein Bild der aufzeren Erscheinung der germani-
Bchen Frauen entwerfen, so kann ich Tacitus Schilderung der
Deutschen iiberhaupt benutzen. Hohe lo^tige Gestalten mit hoch-
blondem Hare und blaulichen Augen treten uns entgegen, Leiber
die yen der unberilrten Kraft des Stammes zeugen und die frische
Farbe des Wald- und Feldlebens tragen; es waren kernigeBlon-
dinen, wie wir sie im Norden und auf den Gemalden der Nieder-
lander h^ufig sehen.' Wie in jedem Volke zu jeder Zeit die Schonr
heit einzelne Stamme und Gegenden zu Lieblingen sich wait, so
werden auch bei den Germanen die einen YolkerschaAen die . an^
dern an leiblicher Ausstattung iibertroffen haben. Die gothisehen
Stamme zeichneten sich namentlich durch hohen Wuchs, schones
Gesicht y weifze Haut und blondes Har aus (Procop -bw yand, 1 , 2)
■) Die Thiiringer hatten wftrend ihrer Kampfe gegen die Fnmken sich
keiner finlichen Mftfzignng befleifzigt, sondem gegen die frankischen Frauen and
Kinder arge Qransamkeiten yerubt. Greg. Tnr. III. 7.
14»
1
nnd ibre Frauen waren allgemein so tiberraschend 8ch5n , da£i
selbet die verwonten Ostromer ihr Erstaunen dar&ber laut anTzer-
ten (Procop b» goth. 3, 1). Im spateren Mittelalter waren in
Frankrelch die deutschen Manner und die flandrischen Franen
als die schonsten ihres Gescbleohtes beriihmt 0* ^ Dentschland
aber giengen im Volke durcb vide Jahrhunderte bis in die Ge-
genwart nngereimte und gereimte Spriiche, in denen die Weiber
verschiedener Landschaften gepriesen wurden Qder welche sm
den einzelnen Sch5nheiten einzelner Gaue das Bild eines yollkom-
menen Weibes zusammensetzten.
Es mag pedantisch erscheinen , wenn ich nun Mosaik xoache
\ind aus unserer mittelalterlichen Poesie die Schonheit des Weibes
im einzelnen zu schildem versuche. Indefsen gewart es doch em
Interefse fiir die historische Aesthetik in die Herzens- und KuiisU
kammer der Dichter des 12. und 13, Jahrhunderts zu blicken. Sir
Entziicken iiber die weibliche Schonheit spricht sich in folgenden
Yersen eines der lyrischen Dichter deutlich aus:
!Frea' ein andrer sich der Sonne
Wenn sie Tor dem Berg anfgeht,
Sei es eines andern Wonne
Wenn die Ros* im Thane steht,
Mich ^rfrent allein ein Weib
Sanft von Herzen schon von Leib. |
(Minnesinger von v. d. Hagen 1, 34S*),
\ Mehr als einer verweilt gem und l^ge bei dem Preise einer
schonen Frau und erklart sich unfahig eine seiche SchOnheit yoUig
zu schildem. Ein Beispiel geware Konrad Fleckes Beschreibang
der schdnen Blanscheflur. Goldglanzende Hare , sagt der Dichter^
fielen um die Schlafe die weifzer als Schnee sind; feine gerade
Brauen zogen sich tiber die Augen , deren Gewalt sich keiner mil
aller Kunst erweren konnte ; Wangen und Mund waren sohOn rot
und weifz , die Zane ohne Tadel und elf enbeinem , Hals und Na-
') Le Grand et Roquefort vie priv€e 3, 405* In ein paar proyen9ali8chea
Yersen I die Kaiser Friedrich II. zngeschricben werden, ist der Handfi and Go*
sichter {careu) der Englanderiunen preisend gedacht. Saynonard choix 5, 1&4*
141
cken wie vom Schwan ; die Seiten waren lang und der Leib in der
Taille zart and fein. Alles war so 8ch5n dafz man jeh keinem Ende
des Lobes kame und lobte man auch noch so lange 0-
/ Wit wenden uns zu den einzelnen Schonbeiten. Ein bedeu-
tender Theil derselben war das lange blonde Har. Wir wifzen
welchen Geschmack die Romerinnen daran fanden und wie das
hochblond unter ihnen Modefarbe wurde. Diese Vorliebe gieng lA
das Mittelalter iiber und erhielt sich dafzelbe hindurch in den
romanischen Landem , wo natiirlich ^e dunkelharigen, Damen zU
allerlei Farbemitteln greifen musten« Die germaniscben Frauen
hidten was die Fremde an ihnen schatzte selbst sehr hoch und
dieser Schmuck wird tiberall besonders hervorgehoben, Helga
Thorsteins Tocbter gait f&r das schdnsteMadcben auf Island and
nicht wenig tnig ibr Haar bei das wie Gold glanzte tihd so lang
war, dafz sie sich ganz darein htdkn konnte. :(Gxmnlaug8 Sw c.
4)*). Wifzen wir doch dafz iuich die Manner, bei denen
es zugleich das Zeichen der Freiheit war (Rechtsalterth. 288)
auf das lange Haar viel hielten und es sogar noch sorgsamer
pflegten, denn die Frauen (Plin. h. n. 28, 51). Das riirendste
Beispiel gibt eine bekannte Stelle des Jomsvikingasaga (c. 15)*
Als die kiinen Seerauber der Jomsburg endlich tiberwunden und
gefangen sind und in langer Eeihe dasitzen, um einer nach dem
andem enthauptet zu werden, und der Tod an den jiingsten
kommt, bittet er man m6ge ihm sein schOnes blondes Haar zuvor
tinaufbinden damit es nicht blutig werde. Die Lust an dieser scho*
») Flore 6873. Wigal 867. Engelh. 2966. Altdeutsche Bl&tter I. 242. 11. 392.
Idederbuch der Klara Hatzlerin 37.* 38." Baynouard choix III 202. M€on fabliaux
^ contes 3, 424. Monmerqu€ et Michel theatre /rang, 58. Vgl. auch Ci sont les di-
^^iions des soixante-douze hiauUs qui sont en dames, bei M^on rec. de fahL /. Ju-
^^^l Jongleurs et trouv^res 119. 182. Blasons anatomiques des cors feminin. Lyon
*537. Rabelais Gargantua (v. Regis) II. 203. Fischarts Gargantua (1590) 141.
^oflmannswaldaus Abbildung der vollkommenen Schonheit (Neukirchs Sammlung.
Leipzig 1697. 2, 62). Zu erwahnen ist auch Bertrands Ton Born Lied: Domna
'***<>»» de mi no us cal (Rayn. choix 3, 139) wo er sich aus den Reizen der da-
^^h berflbmten Schonbeiten das Bild einer (Jeliebten sfiisammensetzt. *) Vgl.
^® *1. Note der Kopenhagener Ausg. der Gunnlaugs-Ormstungu Saga 1775,
142
nen Zier des Mannes und der Frau hat sich so lange erhaltea
bis die Kalkopfigkeit in jungen Jabren baufiger wurde. Da ward,
das Har erst kiinstlicb nacbgebildet , dann entstellt, gemifsban-
delt und endlicb ganz abgescbnitten. Darftber wie sicb die unver-
beirateten und die verbeirateten Frauen in der Hartracbt unter-
scbieden, so wie Hber den Kopfputz im einzebien wird an einer
aijidej'en Stelle dieses Bucbes gebandelt werden.
■ Die Gesicbtsfarbe wurde rot und weifz gemiscbt verlangt;
die Wangen rot wie eine tbauige Rose (Wolfr. 9, 36) das iibrige
Antlitz rotlicb oder weifz (Herb. 608). iVerirrung war es, dafz
die Englanderinnen des 12. und 13. Jabrbunderts die bleicbe Farbe
vorzogen und dureb allerlei Sebminken zu erreicben sucbten ').
Gesiinder war der Franzosinnen Gescbmack, welcbe sicb wenn
sie blafs waren , dureb gutes Friibstiick befzer zu farben such-
ten. (Chastoiem. d. dam. 367 — 72). Rot und durchscbeinend wie
eine Bliite , gliibend als konne Feuer daraus springen (Parz.
257, 20) lockt der Mund. Trotzig und sauber scheint er zu fra-
gen: Ja, trutzl werwagtzu kiifsen micb? (MSH. 2, 25*); kleio,
festgescblofzen und scbwellend verbeifzt er dem entziickten Manne
die siifze Wonne des Kufses. Wie Hermelin aus Scbarlacb bli-
cken aus ibm dem siifzatmenden die weifzen ebenen Zane ^).
Mund bringen aber zu Mund die freundlicben Blicke, die wie
Sonnenscbein aus den lauteren klaren Frauenaugen in das Herz
spielen und deren Glanz bald dem Glase bald der Spiegeihelle
verglicben wird '). Die Augenbrauen liebte man etwas geb(^n,
scbarf und schmal wie einen Pinselstricb, bald blond bald braun
im Abstande zum blonden Hare. (Flore 6889. MSH. 2, 65.* 264/
3, 468.*) Aucb bierin ist die engliscbe Mode des 12. Jabrbunderts
unnatiirlicb , welcbe die Brauen moglicbst diinn zu macben und
') Anselmi Cantuar. opera II. B.**** p. 197. (Lntet 1675). Daraus Alex.
Neckam (Th. Wright efsays 1, 193). *) MSH. 2, 218,' 71,' 1. 120.* Herb. 2494.
') la der franz. Poesie ist eine Lieblingsbezeichnimg schoner Aagen voir (varius)
les yex ot plus vairs cruris faucons. £s ist die unbestimmte Farbe der Angen dier
Falken und anderer Vogel, welcbe sich aucb im Menschenauge findet und in ver-
schiedencn Zeiten einen verscbiedenen Ton hat.
143
dem Auge durch Ktlmste einen schmachtenden Ausdruck zti ge-
ben suchte. — ■ Der Zwischenraum zwischen den Augen (rmtrer
oil mbrueil) muste breit sein 0 » die Nase gerade lang weder
zu stnrnpf noch zu spitz (Engelh; 2976, E. d. Rose 532 , 812,
1200) ; das Kinn gerimdet mit einem . Griibchen weifz wie El-
fenbein Schnee und Schlehenbltfte ^) ; der Hals weifz und voll
und fast ; rund klein und weifz die Brust , deren Schonheit zu
mehr als einer Vergleichung aufforderte *^). \T>iq Gestalt liebten
die Frauenkenner dee hofischen Mittelalters mafzig grofz schlank
und dodb voll', in der Mitte des Leibes schmal und gelenk wie
eine Ameise (Parz. 806 , 26) *)jrdie Hiiften voll und zart , die
Seine gerade und rund wie feine?Kerze (Engelh. 3003) ; die Fiifze
Bchmal klein und gewolbt, dafz sich ein Voglein darunter ver-
bergen konnte^)y]die Arme und Hande weifz gerundet und fein;
die Finger lang"" gerade und glatt. Man sieht, das Mittelalter
verstunddie weibliche Schonheit und wenigstens diefz werden seine
erklartesten Feinde ihm zugestehen. Nicht minder anerkennenswert
8ud die feststehenden Bezeichnungen schOner Frauen, die sich
in unsrer altesten Poesie finden. , Da erhalten sie die Beiworte
die stralende, sonnenweif ze , schnee weifze, die schwanweifze , die
glanzendarmige, /von deren Armen Lufl und Meer wiederstralen,
die mit leuchtendem Antlitze, die weifzbrauige. Wir werden da-»
bei an Homer und tlberhaupt an jede volksmafzige Poesie erin-
nert und finden noch Nachklange in unseren Yolksliedem. Diese
') M€on fabl. 4, 409. Rom. de la Rose 530. Die Ansichten der Fran-
lonimen uber SchOnheit stimmen iiberall zu den in Deutschland herrschen-
den. *) MSH* 1, 15.* 22/ 61.' 210.' 2, 23.' Konr. troj. kr. 19866. Fragm.
43.* M^n fabl. 4, 410. ») MSH* 2, 98.' 3, 468.' Fragm, 26.' j. Tit. 1297, 3.
(alt. Druck) Lohengr. 79. M^on fabl. 4, 410. — Wigam. 4931. — M^on fabl.
1, 393. — Fragm. 43/ — Konr. troj. kr. 20094. Schmeller bair. Wb. 2, 243. —
Fischart Garg. (1590) S. 142. — Die Englanderinnen des 12. Jahrhunderts.
lochten den Busen so klein als moglich zu machcn. Anselm Cantua. a. a. O.
*) Both. 75. Alex. 6046. Herb. 610. Konr. troj. kr. 19882. 90. Wigam. 4905
MSH. 1, 22.' 2, 84.' 3, 468.* Kl. Hatzl. 55.' Ambras. Liederb. 246, 1. Simrock
Sprichw. 6727. — Wolfdict. 338. MSH. 2, 86.' 93' Fragm. 26.' Wigam 4908.
Lohengrin 79. *) Grimm Rechtsalterth. 83. MSH. 2, 93' Konr. troj. kr. 19894
l4/k
Ansdriicke beruren eich mit den Koseworten, welche achOpfe-
riscbe Liebe erzeugt.
^Man sagt wol die Liebe sei nnter den Deutechen in ihra
Heimat, andere Yolker besafzen eie auch, allein es sd das cii
aufzeres sinnliches verrauschendes Gefiihl; nur bei den Deut
Bchen bliihe die innige, durch Greist OemQt and Leib drin<
gende, zwei Seelen verschmelzende ewige Macht^ die wir mi
einem alten schonen Worte Minne heifzen. Idi mag den an-
dem Yolkem kein Unrecht thun, sie waren bemitleidenswer
wenn sie nur einen Sinnenrausch oder gar keine AnfwaUung dei
Herzens kennten; die allgemein menschliche Anlage und ihn
Poeeie spricht iiberdiefz dagegen« Das aber ist gewifs, dafz dai
deutsche Wesen in seiner Beschaulichkeit , seinem Selbatver-
senken und Traumen, seinem Gemiitesreichtlium und seiner be-
Bcheidenen Selbstsucht alle Stoffe bietet, um eine rechte Liebe
oder Minne mOglich zu machen. Ein deutsches Madchen mufa
anders lieben als eine Siidfranzosin , ein deutscher Mann anden
als ein Italiener oder Pole. Die Liebe ist nicht flammenheLDz und
sttkrmisch, nicht so augenblicklich sich offiiend, aber flie ist
warm , vertrauend , treu und ideal* Jene mag raffinirter und pi-
kanter sdn, die deutsche ist reizender, sie ist zauberisch. Lang-
sam wie die Muschel erschliefzt sich das Herz der deutachei
Jungfrau , um dem geliebten Manne die Perla treuer anendlid]
liebender Weiblichkeit zu zeigen. Das deutsche Madch^oi . siehl
in ihm nicht das mannliche Geschlecht, nicht den Vergniigei
und Ernarer, sondern den Freund den Vertrauten den ewiget
Gefarten in Freud und Leid diefseits und jenseits des Grabes
Die deutfiche Liebe ist unsterblich und glaubt die Unaterblich*
keit, die undeutsche entsteht und vergeht mit der Stunde 6ti
Rausches und ihr grant vor langerem Leben als in einer Spann<
Zeit. Die deutsche Liebe ist firomm und rein wie Gretchen , die
undeutsche ist wie die Semiramis der Sage.
Das Wort Minne ist ein Kronedelstein unserer Spraehe.
Aus einer Wurzel entsprofzen, welche geistige Thatigkeit be-
zeichnety driickt es das denken an das geliebte aus: Andenken
t
145
Mtzt 68 wortlich. Es bezeugt uns hiermit das reine und geistige
der deutschen Liebe, die vor allem in der Seele ruht, — Auch
das Wort Minne hat seine Greschichte gehabt und seine Emie-
drigung, zuletzt selnen Tod erlebt* Die geistigste Liebe kann
ohne Sinnlichkeit nicht bestehen, denn die Liebe ist das Eins
sein in Allem. So lange sich die Liebe edel und iiberwiegend
geistig hielty bewarte auch diefz Wort seine edle Bedeutung; als
die Menge aber iiber dem sinnnlichen den Genufz der Seelen
vergafz, diungte sich auch die Bezeichnung sinnlicher Lust in
den Begri£P des Wortes und man verschmahte allmalich seinen
Gebrauch. In der Mitte des 13. Jahrhunderts ist Minne noch
&berwiegend ein geachtetes Wort. Reinmar von Zweter sagt:
Minne ist das beste Wort, eine Vergoldung des Unedlen, ein
Schatz* Hber aller Tugend, ein Schlofz des Geistes das gute
Werke hiitet und verschliefzt. Sie ist ein Lehrer reiner Sitte, ein
Hausgenofze der Keuschheit und Treue, das edelste was in der
Welt ist, dem nur das Weib sich vergleichen lafzt. Den Thoren
scheuet sie, dem Weisen gesellt sie sich, Ehre Treue xind.
Scham starkt die Minne (MSH. 2 , 183.')* Auch Konrad von
Wiirzburg erklart die Ehre und Treue von der Minne un-
trennbar und zur Liebe eines reinen Weibes erforderlich (MSH.
2, 321.^). Die falsche Minne wird also hier von der wahren scharf
nnterschieden , allein sehr bald wird die sinnliche Neigung und
derSinnengenufz in dem Worte vorherrschend (Minnenlehre 2301) ')
and die feinere Sprache stofzt es aus.
(Die Zuneigung der Geschlechter ward in derZeit derHerr-
schaft des Wortes Minne noch gar nicht oder nur selten mit dem
Worte ,,Liebe*' bezeichnet. Man verstund unter diesem das an-
mntige, wolthuende, freundliche; Keben hiefz etwas lieb ma-
chen, etwas freundliches erweisen, wol thun, auch lieb sein»
Liebe und lieben drang erst iiber das hinsterbende Minne imd
minnen in den Vordergrund und in seine heutige Stellung. Fur
') Vgl. abrigens schon Nib. 588. 601. 783. 797. Erec 9105. MSHag.
I, 259/
10
1^
das Liebkosen in aJIer seiner Mannichfaltigkeit ward das Wort::.
triuten verwandt ^).
Alle Benennungen der liebenden, alle Schmeicbelworte un—
serer hofiscfaen Dichter aufzuzalen, mochte zu weit furen. Di^
Liebenden (gelieben) nannten sichFreimd und Traut (tfik); herz
trUtf liebiu triuUnne, trUtt herzentr^tkin bezeiebnen das traulicb
und innige des Verhaltnifses, Walther von der Vogelweide sag^
zu seiner Geliebten: Freund und Geselle die sind dein, so sei
nun Freundin und auch Fraue mein. Lieb, Herzlieb, Herzens^
konigin, Frau, Konigin liber Leib und Gut, sind heute noch in
dem Liebesworterbuch so haufig wie damals. Siifze Kose; Maien-
bliite; Lindendolde; meines Herzens Klee ^ ; mein Zuckerknludein ;
mein Gold, mein Hort und Edelstein ; mein Herzblatt ; meines Her-
zens Oeterspiel; meiner Augen Spiegelglas, mein bochster Trost
und Gl&ckstag , sind gar anmutige und schone Liebkosnngen.
Besonders ansprechend sind die Vergleichungen mit den G«stir-
nen : mein siifzester Sonnenschein ^) , mein Morgenstemlein. In
diesem Sinne singt Heinrich von Morungen :
\ Wo ist nun hin mein lichter Morgenstem ?
Was hilt'ts mich dafz die Sunne stieg hinauf?
Sie ist zu hoch mir und sie steht zu fern
Und halt im Mittag langsam ihren Lauf.
Wol saeh* ich noch den liehen Ahend gern,
Denn sinkt die Sonne, steigt mein Trost herauf. ''(MSH. 125.^)
Ftlr das schuchtern und verzagt sein, wie fiir die heftige
leidenschaftliche Liebe bietet unsere alte Sprache und Poesie eine
Anzafal Ausdriicke, die zum Theil aus der Sage entnommen auch
in andern Volkern sich finden. Dem Schiichternen wird zugeru-
fen, die Frau sei kein wildes Thier; jvon dem, der an der Ge-
liebten Mund fortwarend hangt, wird spottisch gesagt, er afze sie
0 Nib. 556, 4, 609, 3. 585, 5.Erec 2937. Wigal. 2072. *) MSH. 3,445.'
J. Grimm Gedichte auf Friedrich den Staufer 76. — Wittenweilers Ring 12,* 38*
13, 12* — MSH. 2, 25.' — MSH. 1, 156.' — Parz. 710, 28. *) Cod. exon.
252, 20. — MSH. 3, 307.' Grimm Ged. auf Friedr. 73. Ring 12,* 35. In einem
8chwodischen Tanzliede (Dybek Runa 1842. 4, 74) heifzt es; und sehe ich
mdne Liebste im Tauze gleich dem Morgenstcme gchen.
IW
ftrBrot '). Das „vor Liebe frefzen" knQpft sich zugleich an den
alten Abei^lauben , dafz Frauen lebenden Mannern das Herz
aii8 der Brust stelen und efzen konnten , damit diese in sie ver-
liebt wQrden. (Grimm Mythol. 1034). Erschien doch die Liebe als
zauberhaft und wunderbar in Entstehung und Wirkung, so dafz
emer Zeit die an Zaubereinflufz auf Leib und Gemiit glaubte
dieAnname eines Liebeszaubers nabe liegen muste. Auch hierzu
finden wir im skandinavischen Norden die Runen verwandt. Der
Skald Egil Skalagrimsson kommt auf einer Keise zu dem Bauer
Thorfinnr und findet defsen Tocbter Helga krank. Er abnt Zau-
ber and es findet sich aucb beim Nachsuchen ein Runenstab im
Bette des Msdehens. Der ibn schnitt, verstund namlicb dieKunst
nicht recht und statt Liebesrunen {manriinar) die er ritzen wolte,
hatte er Siechrunen geschnitten (Egils s. c. 75. 78). Als Freys
Diener Skimir fur den Gott die Liebeswerbung bei der Riesin
Gerdr anbringt und sie weder Bitten noch Versprechungen noch
Drohungen nachgeben will, droht er zuletzt Runen gegen sie zu
ritzen. Hierauf gibt Gerdr nach (Saem. 86'). Auch aus den nor-
dischen Liedem von Siegfried werden uns dergleichen Liebes-
mittel bekannt. Durch Zaubertrunk macht Grimhild (Ute) den
Sigurd seiner Liebe und seines Verlobnifses mit Brynhild verge-
fzen und flofzt ihm Liebe zu Godrun (Krimhild) ein (Saem. 177),
In dem ersten Brynhildliede werden uns aufzer andern Runen
SQch hierher gehorige mitgetheilt. Die Rune Naudh (N6t) auf den
Nagel, Olrunen auf den Rucken der Hand und auf das Horn
geritzt, worin der Liebestrank (minnisveig) geboten wird, waren
gldch der Rune Biarg zu solchem Zwecke wirksam. Als be-
ctrnders kraftig gait aber ein Trunk mit Zauberspriicfaen und
allerlei Zuthat reich ausgestattet ^), Mit solchenKunsten versuchte
aich das ganze Mittelalter und die kirchlichen Bufzbestimmungen
*) Min frouwe bi:^et iuwer nikt. Jw. 2269. jo enwas ich nikt ein eber wilde,
MSHf 1, 97.'vgl. Haapt Zeitschr. 2, 192. 6, 462. ^ dtfen fumer hat er fi gekouwen
9»fibr brdt HSH. 2, 111/ vgl. VV. Wackernagel bei Haupt 6, 294. *) Bior
faeri ek thery brynthtngs apaldr! magni blandinn ok megintiri; fuUr er harm Uodha
ok Wa^ftafa^ gddhra galdra ok gamanruna, Saem. 194.' vgl. Saem. 207.' 234.'
10*
148
geben auch in dieser Beziehung manchen interersanten Beitrag
zur Sittengeschichte ^). Ueber diesen Aberglauben spricht Bruder
Berthold treffende Worte; das eine Mai sagt er: Pfi, glaubst du
dafz du einemManne sein Herz aus dem Leibe nemen und ihm
Stroh daiiir hineinstofzen konnest? und ein anderMal: Es gehen
manche mit bosem Zauber urn, dafz sie wanen eines Bauem
Sohn oder einen Knecht zu bezaubern. O du rechte ThorinI
warum bezauberst du nicht einen Grafen oder einen Kdnig, so
warest du eine Konigin* (S. 58. Kling) ^). Als die Hexenverfol-
gungen bltihten, brachte nicht selten vermeintlicher Liebeszauber
ein Weib auf den Scheiterhaufen , und manches Madchen muste
fur seinen Liebreiz mit dem Tode biifzen. So weit gieng die
Dummheit und Bosheit der sonst sehr klugen und firommeoi He-*
xenrichter.
tLafzen wir nun die Liebesbezauberung auf kiinBtlichem
Wege und werfen wir einen Blick auf die Wirkungen des natiir-
lichen Liebezaubers , auf die Liebe also wie sie in dem Ver-
haltnifse zwischen Mann und Frau, oder wenn wir lieber wollen,
zwischen Madchen und Mann sich ausdriickt. Das Wesen des
Volkes mufz sich hierin bekunden und das haben wir schon
envahnt, aber auch die Stufe seiner Bildung, das Ergebnifs seines
geschichtlichen Lebens, mufz hierin hervortreten und diese Ver-
haltnifse zeitlich verschieden erscheinen lafzen^ Hier werden wir nun
auf ein zusammenschmelzen des deutschen mit dem auslandischen, ja
auf ein verlieren des volksthiimlichen in das welsche stofxeDi
so dafz wir in gewifser Zeit nicht mehr das germanische son-
dem das allgemein mittelalterliche darzustellen haben. Der bunte
Tand lockte den Deutschen und er warf das heimische Gold weg»
') Vgl. nnter andern Hrabani canones. 25. 30. *) Eine merkwfirdige
lateinische Formel urn das Herz jemandes zur Liebe zu bcwegen, steht in einer
Handschrift des Klosters Mori (Diutiska 2, 296. Diemer deutsche Gedichte XXXI.}.
Eine Menge bei Namen genannter magischer Wesen werden bei Oott, Maria, alien
Erzengeln, Patriarchen, Propheten, Aposteln, Martjrern, Bekennern nnd beiligen
Jnngfrauen beschworen „t<f feriatis et incendicUis cor et mentem N. in
TMum.**
149
urn sich mit Mefsingschellen zu behangen. Der hofische Frauen-
dienst oder der MinDedienst hat indefsen auf das deutsche We-
Ben auch gunstig gewirkt, ja in manchem die Entwickelung edler
Anlagen gefordert. Er war eine Notwendigkeit der ganzen Zeit
und fiir unedle Naturen ein Zwang wenigstens aufzerlich gegen
die Frauen Rohheiten zu vermeiden. Freilich brachte er auch
manche Siinde in die Welt, denn die urspriingliche Feinheit und
die edle Richtung diente bald zur Hiille der ausgesuchtesten
Sinnlichkeit ; die gar zu kiinstliche Spitze brach rasch ab
und stiirzte mit alien die sich daran hielten in den Sumpf. Die
Folge war ein bedeutender Riickschritt hinter den urspriinglichen
Sfandpunkt, wie die Geschichte iiberhaupt keine statig fortschrei-
tende Bewegung zeigt, sondem sich in Spriingen bewegt so dafz
nach gethanenem Sprunge zum Anlaufe far den neuen erst einige
Schritte riickwarts geschehen m&fzen.
Die Hochstellung der Frauen unter den Germanen, die wir
tier und da zu bemerken Gelegenheit batten, war eine mehr re-
li^ose als weltliche, mehr eine pafsive als aktive. Man betrach-
tete das Weib als ein kSrperlich schwaches geistig starkes We-
sen, das Anspruch auf Schutz und Schonung auf Ehrerbietung
und Heilighaltung hatte. Wir wiirden sehr irren, wenn wir die
Frauen im Vordergrunde des Vdlkes und als die Mittelpunkte
der Gesellschafl und des geistigen Lebens ansetzen wolten^ Die
altgermanische Frauenverehrung ist durchaus nicht zu moderni-
siren; das Weib war Weib, zu deutsch ein Wesen hinter dem
Manne , und Frauen wie jene Veleda , die wir in hervorragender
Stellung sehen, stunden nicht mehr auf weiblichem sondern auf
dbermenschlichem Boden. Rechtlich war die Lage der Frau volHg
nntergeordnet und lafzt sich durchaus mit der desKindes im va-
terlichenHause vergleichen. Und dennoch stund die deutsche Frau
hoch fiber der griechischen romischen oder romanischen. Der
keusche Sinn des Volkes war die Grundrechturkunde des Weibes,
weibliche Zucht und Ehre gait dem Leben gleich ; wo aber solche
Ansicht herrscht, da fallt dem Weibe ein befzeres Lofz, als dort
wo es zwar biirgerlich selbststandig aber einzig und allein ein Mittel
160
f
einnlicher Lust ist. \ Rauh kann es behandelt werden aber iiicht
roh , es kann korperliche Misfaandlungen erfaren aber keine sitt-
lichen* Ein leuchtendes Beispiel ist die gefangene Konigstochter
Gudrun, die Hartmut von Normannenland demVater ranbte. Sie
ist viele Jahre unter den Feinden gefangen , Hartmut liebt sie .
mit aller Macht, aber seine Bitten so wenig wie seiner Mutter ■
Mishandlungen vermogen sie die Einwilligung zurEhe zu geben,
und Hartmut denkt tuchtig genug um nicht mit Gewalt zu er-
zwingen, was ihm versagt wird. Das ist germanische ArtO»"\
Was wir Liebesverhaltnifse nennen, setzt eine Ausbildong
des gesellschaftlichen Lebens voraus die wir in unseren altesten
historisch erkennbaren Zeiten nicht annemen dfirfen. Ich will dem
folgenden Kapitel nicht vorgreifen wo ich von der Verlobung
handeln werde, allein das mufz hier bemerkt werden dafz die
Hand der Frau vom Vater Bruder oder dem sonst nachsten Vtf-
wandten vergeben wurde und dafz dem Madchen in friiheBter
Zeit kein Einspruchsrecht zustund. Wer sich um ein MadclieD
bewarb, hatte also nicht zuerst bei demHerzen defselben ansu-
klopfen , sondern in feierlicher gemefzener Weise gieng er den
gesetzlichen Verlober um die Abtretung des Familiengliedes in*
Es herrschte also ein Verfaren , das mancher Vater noch heute
far das allein rechtmafzige und gehorige halt.
' Lacherlich ware die Behauptung , dafz damals alle Eh^
ohneLiebe geschlofzen worden seien; diese uralte zeugende Wei*"
kraft war auch in der altesten Zeit in den germanischen Jiin^'
lings- und Madchenherzen heimisch, nur in ihrem VerhaltniT^
2ur Ehe mag einige Verschiedenheit mit der spateren Zeit g^"
herrscht haben. Der Mann fiilte sich damals in seiner voU^?^
Macht; es war die Zeit wo das Schwert und die Leibeskraft g'^
bot, die Zeit wo sich jeder freie Mann ein Pair dunken mua*^^
denn er stund allein unter dem Gesammtwillen gleichfreier. L-^
konnte die ITnterwurfigkeit gegen ein Madchen , das Auiopfer"^
*) Man darf jcdoch nicht vcrgefzcn dafz auch bei den Germanen eine 8^**
tiefe Luge der Wciber dieser befzercn vorangegangen war und ihr Ged&chtiB-**
in cinzelnen Bechten dee Mannes noch sehr lange fortlebte.
ISl
dee Manneswillen , am wenigsten das Girren und Schmachten in
kein Mannerherz kommen; dieLiebe entsprang in demBusen des
Weibes imd der Mann nam sie hin als eine Anerkennung seiner
Tu^d^git die er fordem konnte und die er mit ehrlicher Zu-
neigung zu belonen hofte. Ein solches Verhaltnifs tragt eine sitt-
liche Strenge in sich , die mancfaen neueren Biindnifsen zu wiin*
schen ware ; die Achtung und Liebe des Weibes auf der einen
Seite, der Wille des Mannes zu strenger Pflichterfullung auf der
andem , verheifzen die Bliite des Gliickes. Auch damals wird
manche Efae geschlofzen worden sein deren Gatten sich nie ge«
liebt und nie geachtet baben, ganz wie bei uns modernen Ger-
manen ; indefsen die strafFe Haltung des Verhaltnifses und die
Einfachheit des Lebens unterdriickten von Anfang an die meisten
Leiden der heutigen Ehen.
Wenn nach Zeugnifsen for das eben gesagte gefragt wird,
so sind sie theils in der Natur der damaligen Verhaltnifse zu
finden, theils in derPoesie des ganzen vorderen Mittela Iters nach-
zuweisen. Unter den altnordischen Gedichten, die in demLieder-
buche der Edda enthalten sind, zeichnen sich die Helgilieder
durch Alter Einfachheit und poetische Kraft aus. Namentlich ra-
gen aber die zwei Lieder von Helgi dem Sohne Siegmunds
dem Stiefbruder Siegfrieds hervor '), die uns schone Zeugnifse
auch for die Liebe bieten.
Helgi ist ein echter Walsung. Den Freunden eine Wonne
schiefzt der Knabe wie eine Ulme auf; er spart das Gold nicht
wo es den Gefarten , das Schwert nicht wo es deii Feinden gilt;
und als er funfzehn Jahre alt ist, da racht er seinen VaterSieg-
mund an dem Konig Hunding der ihm Leben und Land nam.
Handings Sohne erbieten sich erschreckt zurBufze fiir Siegmund,
obschon sie den eigenen Vater mit Blut zu siinen batten; allein
der Jiingling weist das Gold zuriick, er freut sich auf Odhins
Grrimm und der Geere Un wetter, Gierig heulen die Wolfe des
*) Saemnndar Edda ex rccens. Rask. pp. 149 — 169. Die Edda iibersetzt von
Karl Simrock 1851. Ss. 128—145.
162
Schlachtengottes um dasWalfeld; eine reiche Leichensat wird ge*
saet und der junge Held erschlagt das ganze Geschlecht der Feinde.
Da blitzt es tiber den Bergen und unter Helm und in bludger
Briinne, Stralen um die Gere, reiten Schlacfatjungfrauen am Him-
melsfelde hinauf. Helgi rufl sie an und ladet sie ein mit ibm heim
zu reiten und des Gelages in der Halle zu geniefzen; aber vom
Eofse herab entgegnet Sigrun Hagens Tochter : ,,Anderes als ze-
chen liegt una am Herzen. Einem ungeliebten Manne , dem grim-
men Hodbroddr bin ich vom Vater verlobt und in wenig Nachten
flirt er mich heim , wenn du mich nicht rettest und den Konig auf
das Walfeld ladest." Schmeichelnd schlingt sie den Arm um den
geliebten und des Jiinglings Herz neigt sich zu dem Weibe. —
Helgi hat den Hodbroddr zur Schlacht gefordert und beide segehi
mit ihren Scharen zu dem bestimmten Walplatz. Die Schiffe ran-
schen durch das Mer und der Sturm kommt und die Wogen wer-
fen sich Helgis Kielen trotzig entgegen. Die Felsen mOchten in
derwiitendenFlut zerbrechen, aber Sigrun schiitzt den geliebten and
rettet ihn aus der Merfrauen rauberischen Armen. Eine unzalbare
Menge von Schiffen und Volkern hat Hodbroddr gesaramelt; auch
SigruDS Vater und Brfider stehen bei ihm , denn sie zumen dem
kecken Brautrauber. Die Erde bebt da die falen Gere zusammen-
faren, aber Helgi ist unerschrocken voran im Gewiil und die
Schlachtjungfrauen beschirmenihn. Die Feinde fallen und Babe und
Wolf halten ein reiches MaL Als nun der Kampf schweigi, wan-
delt Sigrun Hber das Schlachtfeld ; in den Jubel iiber des Geliebten
Sieg mischt sich aber bittere Klage um den gefallenen Vater und
die Briider, deren einer nur vor Helgis Schwerte Gnade fand*
Niemand ist nun der das Par zu trennen wagte,
Aber das Gliick ihrer Liebe wart nicht lange denn ea gieng
aus Blut hervor. Dag , Sigruns Bruder , hat dem Schwager zwar
Friede geschworen, aber machtiger denn der Eid ist die Blut-
rache. Odhin selbst reizt ihn zur That, leiht ihm den eigenen
Ger und Helgi fallt durch die Waffe, gegen die nichts schiitzt
Als sein eigener Anklager tritt darauf Dag vor die Schwester:
er habe den besten Fiirsten der Welt erschlagen. Umsonst bietet
153
\
erdasreichsteWergeld, yergebens walzt er die Schuld auf Odhm ;
Sigrun verflucht den Bruder: em Wolf soil er sein draufzen
im Walde, alle Freude soil ihn fliehen, das Kofs das Schiff
wurzele unter ihm und safze ihm der Feind im Nacken.
Ueber Helgis Leiche wird der Totenhiigel aufgeworfen. Am
Abend geht eine Magd zum Grabe und siehe da kommt der
tote Herr geritten mit grofzem Gefolge und heifzt die Dienerin
der Frau sagen , er sei gekommen und bitte sie die Wunde ihm
KU stillen* Da steigt Sigrun hinunter in den Hiigel zum Gemahl
und ehe er die blutige Briinne abstreifen konnte, umhalst und
kiifzt sie ihn und klagt wie kalt seine Hande und wie benetzt
TonSchlachtenthau er sei, Und Helgi entgegnet: „Du allein hast
Schuld daran; denn jede Thrane die du weinst , tallt'als bitterer
Blntstropfen auf meine Brust kalt und schneidend. Aber wolauf 1
lafst uns den kostlichen Met trinken, keiner klage Hber die Wunde
»uf meiner Brust, die Gattin ist doch bei mir dem toten," Und
Sigrun bereitet das Lager das heitere, an seiner Brust will sie
achliunmem wie sie that als er noch lebte, und Helgi ergriffen
▼on solcher Liebe die auch den Tod nicht scheut, ruft aus:
yyG^schehen ist was niemand wante: weder spat noch friih die
weifze Hagenstochter die lebendige schlaft dem toten im Arm."
So schlunmiem sie bis zum Morgengrauen ; da mufz Helgi auf,
denn ehe der Hahn kraht, soil er uber den rotlichen Wegen im
Westen sein. Sie scheiden ; Helgi reitet nach Walhalla, Sigrun geht
zum einsamen Gemache. Am Abend harrt sie auf die Wiederkunft
des Geliebten, aber sie hart vergebens; und nicht lange sitzt sie
sehnend und verlafzen am Totenhtigel, denn ihr Herz bricht an der
Trennung von dem Geliebten. Die Sage aber erweckte das Par von
den Toten und Sigrun lebte als Kara, Helgi als Helgi Haddings-
schade zu neuer Liebe auf. Im Liede aber leben sie ewig ^).
Ich wiiste kaum eine ergreifendere Verherrlichung der Frauen-
Kebe aufzuweisen als diese Helgilieder und doch ist die Liebe
die sie schildem anders in ihrer Entstehung, als die heutigen
') An die Verwandtschaft der Lenore von B&rger mit dieser Sage hat schon
W. Wackemagel erinnert Haupt and Hofhnann Altdeatsche Blatter 1, 177.
Liebesgeschichten und unser Geful woUen. Die Neigung entspringt
in dem Madchen und dieses gesteht sie dem Manne, defsen Treff-
lichkeit sie unbewust erzeugte. Es ordnet sick von An£ang an
unter, es sieht wie eine Magd zu dem Gebieter auf und doch ist
das Verhaltnifs so zart so innig so poetisch wie es nur dai]
beste sein kann das sich nach moderner Weise entspinnt. Das
Madchen ist rein und der Mann ist edel; da ist es gleich wer den
ersten Schritt thut; dasZiel ist gewifs, es ist die dauemdste Liebe*
Auch das Gedicht von Walther von Aquitanien. kann ioh
zum Zeugnifs auffordern, dafz die Liebesverhaltnifse in den fr&-
heren Jahrhunderten anders waren als in der hofischen Zeit ^,
Der Hunenkonig Atila hat von den Franken, Burgundem
und Aquitanern Geiseln genommen; aus Burgund die Konigs-
tochter fiUldgund, aus Aquitanien den Konigssohn Walther, hub
Franken Hagen von Troja. Durch Aiunut der Sitten und kunst-
reiche Arbeit wird Hildgund der Gemahlin Atilas, Ospirin, bald
lieb und sie macht sie zur Aufseherin des Schatzes. Hagen und
Walther iiberragen die Hunen rasch an Tapferkeit und Starke,
und der Konig stellt sie an die Spitze des Heeres. Ak Hagen
aber von seines Konigs Gibich Tode hOrt, entflieht er, denn er
meint sich jetzt nicht mehr zur Geisel verpflichtet; Walther aber
den Atila fester an sich ketten will, weist unter scheinbar trifti-
gem Vorwande den Vorschlag einer Vermahlung mit einem huni-
schen Madchen zuriick. In einem folgenden Kriege zeichnet or
sich abermals aus und mit Kuhm geschmuckt kehrt er an den
Hof zuriick. Da tritt er miide und durstig in ein Gemach des
Paliastes und findet hier Hildgund allein. £r umarmt und kiifst
sie und bittet um eineu Labetrunk und warend er trinkt^ halt
er ihre Hand fest. Freundlich spricht er dann weiter zu ihr und
erinnert sie dafz sie als Kinder von den Eltem sich verlobt wor-
den seien ; was wolten sie davon unter einander schweigen ? I£ld-
gund nimmt die Rede fur Spott und nach einiger Stille erwideri
^) Waltharius nianu fortis, hcrausgcgcbcn tod J. Grimm in soinon und
Schmellers latcin. Gedichten des 10. and 11. Jahrhnnderts* S S. 1 126.
155
8ie: „Wa8 lafzt du die Zunge reden, was das Herz verschmaht?
ein Madchen wie mich kannst du nicht zor Braut haben woUen/'
£r aber iiberzeugt sie dafz er aus dem Herzen spreohey er redet
Yon gemeinsamer Flucht, theilt ihr den Plan mit den er langst
verfafzt und dem&tig erklart Hildgund, sie folge wohin er sie
fBure. — Die Siegesfeier wird zur Flucht benutzt ; als die Hunen
alle trunken sind, brechen Walther und Hildgund mit Kostbar-
keiten des koniglichen Schatzes reich beladen auf. Am Tage ver-
bei^en sie sich im Dickigt, in der Nacht fluchten sie auf unge-
banten Pfaden weiter. So erreichen sie den Rhein, setzen bei
Worms iiber und suchen sich im Wasgenwalde eine sichere Statte,
um die erste Nachtruhe seit dem Aufbruche aus Hunenland zu
halten. Walther vertraut sich Hildgunds Wachsamkeit und bei
ihren Liedem schlummert er ein. Allein er soil keiner langen
Ruhe geniefzen. Ganther, der Frankenkonig, hat von Walthers
Ueberfart bei Worms gehort; er ist nach den Schatzen begie-
rig welche der Westgothe mit sich fQrt und hat sich aufgemacht
mit Hagen und manchem andern, den Fluchtling aufzusuchen.
Sie nahen im Walde der Ruhestatte des Pares; Hildgund ge-
wart die gewafineten die sie fiir Hunen halt, weckt Walthem
und fleht ihn an sie zu toten , auf dafz keiner sie beriire nach-
dem sie nicht die seine werden soUe. Walther aber erkennt die
Franken und auch Hagen, greift aber doch zu den WafFen und
es thut Not, denn Giinther trotz Hagens Abmanung verlangt die
Schatze heraus und Walther vertheidigt sie. Einer der Franken
nach dem andem tritt hervor und einer nach dem andem fallt
vor d«ii gewaltigen Walther; der Kampf ruht nicht eher als Ha-
gen Giinther und Walther schwer verwundet sind und die kecke
Eanjpfeslust gebiifzt ist. Die sich vorher das Leben bedrohten,
eitzen nan friedlich beisammen ; Hildgund verbindet die Wunden,
mischt den Wein, und Scherze und freundliche Rede gehen im
Kreise herum. Dann keren die beiden Franken nach Worms
heim und Walther zieht mit Hildgund weiter gegen Aquitanien,
wo sie von den Eltem frOlich empfangen das Fest der Vermah-
long b<^ehen.
ISO
Wir sehen in diesem Gedichte allerdings die LiebeserUa-
rung von dem Manne geben y allein das behauptete Verhaltnifs
wird dadurcb nicht geandert. Hildgund, die burgundische K5-
nigstochter, nimmt das Gestandnifs des ibr ebenbiirtigen, ebenso
Mae sie gefangenen Westgothen nicht wie ein Madcben der hofi-
schen Zeit oder unserer Tage auf, wie eine sehr erklarliehe Hul-
digung ihrer Reize; sondern sie erblickt in Walther den vielver-
dienten hochgefeierten Mann , fiir den wol sie Liebe und Ver-
ehrung aufzern konne, defsen Liebe zu ibr dem einfachen Mad-
cben aber wie Spott erscheint. Als sie der Wahrheit gewifs ist,
zeigt sie sich fortwarend demiitig und seinem WiUen zu folgen
bemiiht; sie freut sicb dafz ihre Liebe dem Manne etwas ist, aber
sie spielt mit dieser Liebe nicht, denn sie ist ibr zu hoch und
heilig. Schon ist das Bild im Wasgenwald, wie sie selbst mfide
liber den ermatteten Walther wacht und den Tod von ihm be-
gert, als sie seinen Tod und ihre Schmach vor Augen sieht
Rein, jungfraulich zieht sie mit dem Brautigam in seine Heimat
ein imd ein langes gltickliches Leben belont sie.
Fflrwahr vor einem Volke, wo solche Madchen und Manner
waren, mufz man Hochachtung haben. Das sind kemige tuchtige
Zeiten und Menscheu, deren Anblick Wehmut in uns wach rufen
mochte. Tausende unserer Madchen konnten von dieser Konigs-
tochter Hildgund lemen, was es heifzt einen wackem Mann lie-
ben und besitzen, Es mag ihnen die Ahnung kommen, dafz aller
eitler Tand ihres Leibes und Geistes gegen diese innere Tiich-
tigkeit verfliegt und dafz sie mit ihrer Art Liebe armselige Siin-
derinnen sind* Ein schlechter Trost kann ihnen sein, dafz die
beutigen Manner znm grosten Theile einer Hlldgundliebe nicbt
wert sind.
Es liefzen sich noch mehr Belege fur diese Weise der Liebe
aus der gesammten vorhofischen Poesie des Mittelalters anfiiren,
indefsen mag es an Sigrun und Hildgund genug sein. Das ge-
sammte Leben dieser Zeit unterscbeidet sich von dem der nach-
folgenden Jahrhunderte vollstandig ; die Verhaltnifse sind alle sehr
einfach und ohne Schmuck, das Kriegerwesen ist ohne jene ideale
157
und fast phantastische Ausstattung des Ritterthums, die Manner
sind herb ohne Glanz, die Frauen voll demiitiger Liebe treu
nnd keusch. Es geht kein poetischer Schwung durch die Lebens-
verhaltnifse, sie sind btirgerlich tiichtig. Wie angedeutet, so ver-
anlafzten nicht blofz germanische Denkmale zu diesen Bemerkun-
gen sondem auch romaniscbey indem das Leben in den welschen
Landem vielfachen Einflufz durch das deutsche erfaren hatte,.-
Wir findBn jedoch hier auch Auswiichse. Zwar bieten die alteren
italienischen Gedichte des kerlingischen Kreises nichts dergleichen y,
allein in den altfranzosischen Eomanen gewaren wir leider die
Friichte, welche eine solche eigenthiimliche Auffafzung der Liebe,
dieses Werben des Weibes um den Mann, dort tragen muste
wo die Sittlichkeit fehlte. Wie weit sind nicht jene kristlichen
und sarazenischen Fiirstentochter, die fiir den ersten den liebsten
Landstreicher in Leidenschaft geraten und sich ihm sogleich auf
das schamloseste anbieten*), von unsern Hildgunden und Sigrunen
unterschieden. Sie gehSren durchaus mit den Jammergestalten der
bretonischen Eitter in eine Eeihe und haben auch in den breto-
nischen Weibem Seitenstiicke, welche ihnen den Preis in der Un-
weiblichkeit streitig machen. Ich erinnere nur an den Roman von
Lanzelot, wie er durch Ulrich von Zezikhofen in die deutsche
Poesie verpflanzt ist Wen widert nicht die Tochter des Galagan-
dreifz an, die ein vollkommenes Muster aller dieser bretonischen
und franzosischen freien Weiber ist und an der sich die modemen
emandpirten Dirnen erlaben mufzen. Drei Gasten, die auf des
Vaters Burg einkerten, bietet sie sich einem nach dem andem an.
Die ersten beiden weisen sie ab, der junge Lanzelet nimmt sie
an. Am Morgen fordert ihn ihr Vater zum Kampf , Lanzelet
erlegt den Gtdagandreifz und die liebende Tochter freut sich ihrem
Geltlste nunmehr frei folgen zu konnen« Sie trftgt sogleich dem
Bulen Hand und Land an.
. . V
*) L. Banke zur Geschichte der italienischen Poesie. S. 18. ^) Fauriel
histoire de la poesie proven^ale 2, 272. ff. Vgl. auch Diez Altspanische Roman-*
ten 8. 108.
158
Die Abspiegelung solcher Gestalten m der Poeaid einee Vol-
kes setzt einen bedauernswerten Verfall der Sittlichkeit voraus and
ein Verhaltnifs zwischen Mann und Weib, das man nicht Liebe
nennen darf. Leider scheinen im romanischen und bretonischen
Europa die Zustande uberall so gesunken gewesen zu sein, und
nur vor dem gennanischen Geiste wichen sie scheu zurQck. Dag
Weib ward in unserm Volke wol mit eisemer Faust angepackt,
aJlein seine Ehre gait holier als Gold und wie ein Wetterstral
fur da« germanische Racherschwert in den Unzuchtssumpf , wel-
cher die romischen Provinzen uberflutete. Wiederholt hebe ich
indefsen hervor, dafz das Leben der germanischen Frauen im
Uebrigen nicht sehr zart behandelt wurdc. Der Vater hatte fiber
dieTochter, der Ehemann iiber die Frau eine unbesohrankte jQe-
walt; und nun denke man sich jene germanischen Manner, die
zwar einen tuchtigen Kern in der Brust trugen, aber eine sehr
rauhe Schale darum hatten. Jahzornig, zum Trunke geneigt, das
eigene Leben wie das anderer gering anschlagend, an Schlacht
und Gefar gewont, den Ausdruck eines weichen Gefules ver-
schmahendy wie konnten solche Manner den Tochtem Frauen,
Schwestern mit jener unterwiirfigen Siifzigkeit begegnen , welche
meistens unter der germanischen Frauenverehrung verstanden wird?
Handelte das Weib nicht nach seines Schiitzers Sinne, so ward
es geziichtigt und der Grad der Ziichtigung wurde nicht immer
abgemefzen. Als der alte Normannenffirst Ludewig sich nach dem
Raubzuge in Hegelingenland seiner Burg nahert, zeigt er der ent-
furten Gudrun das Land und spricht: Alles sei Euer, wollt Ihr
Hartmut lieben« Und da sie unwiUig das zuriickweist, falzt er
sie am Hare und wirft sie fiber Bord ins Meer, dafz sie Hart-
mut nur mit Mfihe retten kann. Der Mann konnte seine Frau
ungebiifzt tot schlagen, sobald er einen giltigen Grund aufzawdsen
vermochte, er konnte sie verschenken und vererben. Die Auffor-
derung Siegfrieds die er nach unserm Gedichte von den Nibelun-
gen in Folge des Streites ihrer Weiber an Gunther richtet, strenge
Zucht zu handhaben, ist ganz ernst zu nemen. Die ungeschmink-
150
ten und ungegrdtteten Formen des gesammten Lebens muBten sich
im hauslichen Verkere scharf auspragen.
Mit den Zustanden der ganzen Gesellschaft und vor allem
mit dem Leben zwischen Mann und Weib gieng indefsen seit dem
tl. Jahrhundert m dem Abendlande eine bedeutende Veranderung
vor. Statt rauher Kriegsleute treten una geglattete Ritter entgegen,
die sich in festen feinen Formen bewegen; statt dafz die Weiber
bescheiden zuriickstehen , bewegen sie sich im Mlttelpunkte des
Lebens und gebieten stolz iiber die Manner, welche sich um ihre
Liebe verzeren. Alles ist anders gewor den : die nuchteme Strenge
ist poetischer Leichtfertigkeit gewichen, der Herbsttag ist mit
einem milden Sommerabend vertauscht der vol! Duft Glanz und
Gesang schwimmt, an dem die Seele in siifzen Traumen vergeht
und das junge Herz leicht wie eine Lerche zum Himmel des Ge-
nufzes fliegt.
Der TJmschwung in den die Kreuzziige ihre Zeit schleu-
derten ist nicht bedeutend genug zu veranschlagen. Es kam eine
80 vollkommene Umwalzung in den Geist der Gesellschaft wie
kaum noch einmal in der Geschichte. Die Wande des Hausos
zerbarsten, die Berge und Walder der Landesmarken thaten sich
auf , die Sicht schweifte iiber das Meer in das feme Morgenland
und der Mensch sah sich erstaunt mit neuen Gedanken und
Wiinschen erfullt, die er in der Heimat durchzufiiren suchte.
Die vomemsten Manner des sGdlichen und nordlichen Frankreichs,
Flamlands, Englands, Italiens undDeutschlands stromten zusam-
men, die einen in diesem die andern in jenem ausgezeichnet ;
Bie lemten die byzantinischen Lander kennen , in denen sich die
altromische und altgriechischeKultur eigenthiimlich gemischt und
weitergebildet hatte ; sie thaten tiefe Blicke in die Zustande ihrer
muhamedanischen Feinde und sahen ein Leben so reich an gei-
stigen und sinnlichen Feinheiten, so zauberhaft mit Poesie Liebe
nod aufzerer Kunst geschmiiekty dafz sie die heimatlichen
Verh<uifse frostig und niichtern diinken und zur Umbildung
nach solchen Mustem rufen musten. Die Siidfranzosen fanden in
ihremLande noch manche alte Erinnerung an romische und selbst
/.-
IflO
an griechlsche Bildung; sie hatten seit Jahrhunderten mit den
arabischen Nachbaren in Spanien bald in Fehde bald in Friede
gelebt, die ihren morgenlandischen Glaubensgenofzen an Bildung
nichts nachgaben. Bei den SQdfranzosen fand der neue Geist den
Boden am meisten vorbereitet, in Siidfrankreich entwickelte sich
zuerst und am feinsten jenes Leben das wir das ritterliche oder
hofische nennen.
Das Lehnswesen war fur die Scharen der adeligen Mftnner
ein festes Band , das zugleieh ordensmafzig war. Ebenso hatte das
Kriegswesen zu bestimmten Formen geftirt, denn iiber die Weise
des Kampfes und das Verhalten der Kampfer gegen einander bil-
deten sich seit lange Gesetze; die Erziehung des Ejiaben zum
wafFenfahigen Manne so wie seine Aufname in die Reihen der
Manner trugen seit altester Zeit eine feste Gestalt. Der Krieg
ward uberdiefz von den Germanen als religioser Dienst betrach-
tet: die Schlacht war ein grofzes Opferfest das sie dem Stamm-
gotte brachten* Das feindlicbe Her ist das Opfer das vor dem
Beginne des Kampfes geweiht wird und das Schwert das prie-
sterliche Opfermefzer. Die Kirche wuste so bald sie zu einigem
Einflufze in den germanischen Landem gelangte diese alte reli-
giose AufFafzung des Krieges zu benutzen, und stellte den Be-
kerten den Kampf gegen die Heiden als einen Dienst des Kri-
stengottes dar. Der freie oder edle Krieger, welcher an feste
Pflichten schon gewont war, iibemam nunmehr zu ihnen noch
die kirchliche; er war gewifsermafzen ein Priester mit dem
Sehwerte wie der Geistliche ein Krieger mit der Stola und der
Krieg war die fromme Uebung welche ihm den Himmel
zusicberte. Durch die Kampfe der kerlingischen Zeit gegen die Un-
glaubigen in Deutschland Aquitanien und jenseits der Pyrenaen
geht dieser Zug hindurch: ich erinnere an Roland Olivier Tur-
pin an Karl selbst.
Die Kirche zog das Ritterthum an sich und suchte es zu einer
Anstalt zu bilden welche ihr ein Schutz ihren Zwecken ein
Werkzeug war. Die Aufname in die Schar der streitbaren adeligen
Manner, in die Ritterschafl , wurde zur kirchlichen Feierliohkeit
161
gemacht ; gleich dem Geistlichen und dem MOnche beim Ordens-
eintritte legte der aufzunemende einen Eid ab worin er sich der
Kirche verpflichtete , anderer Brauche zu geschweigen die reli-
giosen nachgebildet waren.
Die Kreuzziige boten die vollste Gelegenheit das bisher nur
vereinzelt und in einzelnen Zeiten erfolgreich durchgefurte zur
festen allgemeinen Sitte zu erheb^n* Das ordensmafzige im Ritter-
thume bildete sich nun vollig aus und das kirchliche ward bis zu
den ritterlichen Monchsorden fortgebildet , in derPoesie bis zu dem
Orden der Hiiter vom heiligen Gral. Allein auch die weltliche
Seite gelangte nunmehr zu rascher und hoher VoUendung und dar-
auf haben , wie ich schon andeutete , die Araber Spaniens und des
Morgenlandes grofzen Einflufz geiibt,
Mit grofzen Naturanlagen unter einem gliicklichen Himmel
lebendy Erben einer alten Bildung, ebenso kriegerisch als schwar-^,^,^^
merisch, stunden die Araber in Wifzenschaft Kunst und Indu- h^J^4^
Btrie , kurz in allem Sehmueke des Xebens bedeutend iiber den ^^^^ ^
kristliclien Vslkem. Den rauhen starren und ungelenken Zu- ^J'tA
Btanden dieser gegeniiber war bei ihnen alles fein geschmeidig,
ideal gefarbt und durchhaucht. Der Krieg ward nicht mit jener
unendlichen Freude an Wunden und Tod mit aller Grausamkeit
entfefzelter Naturkrafte gefiirt, sondem er war eine geistige
Wette um den hOchsten Ruhm, er bot die Entfaltung des gan-
zen Menschen. Den abendlandischen Vergniigungen des Trinkge-
lages fremd erhoben sie die Frauenliebe zur Lust des Lebens,
durcb die poetische Stimmung ihres Wesens durch das phantasie-
reiche und leidenschaftliche des morgeniandischen Blutes an alien
Fadendazu geftirt. Eine Nacht unter den arabischen blitzendenSter-
nen, in dem leichten Zelt , das Schwert an der Hiifte , das edle Rofs
zur Hand, das schwarzaugige gliihende Madcheu im Arm; imd
dagegen ein nordischer Winterabend in der langen Halle, wo
trQbe Feuer vor den B&nken der Manner brennen, die an Bier
wid Barenfleiscb sich ergetzen , die hochstens ein kurzes Lied
▼on alten Kampfen singen oder einen ratselhaften Spruch mit-
theilen: wo flutet der Lebensstrom rascher und freier und wo-
11
_r .<-»Jt*i'V
162
hin drangt es ein feurigesHerz zur Wahl? Denken wir ans nun
den lebenslustigen Aquitaner und Proven^alen ; muste ea ihn nicht
machtig Ziehen, ein Leben zu gewinnen wie er es die unglHubi-i
gen furen sah? Er erwachte von schwerem Schlafe und sein Ent-
schlufz zu neuem voUem Leben stund fertig in ihm. Er brachte
Kampf und Friede in feinere freundlichere Formen und in die
Mitte des ganzen Lebens hob ' er die Frau , deren Verkla^
rung, wie ihn die Heiden gelehrt batten, eine Yerkliurung des
Lebens war.
Und siehe, da nahte ihm dieKirche und hielt ihm dasBild
einerFrau entgegen , die er anbeten und gottlich yerehren solte.
Was er draufzen in derWelt als hochstenSeiz geschaut, stralte
ihm wunderbar geschmiickt von heiliger State entgegen und un-
__ <
willk&rlich beugte er das Knie vor dem Bilde des Uerzens.
Der Mariendienst ist allerdings viel alter als das 11. und
12. Jahrhundert, allein erst zu dieser Zeit w«r er zu allgemei-
nerer Bedeutung gelangt. Im Morgenlande entstanden, hielt er
sich zun'achst in Gemiitem, welche einer Briicke zwischen aioh
und der Gottheit bedurften; besonderen Einflufz auf seine Idrch**
liche Stellung hatte die thrakische Sekte der KoUyridianerinneD,
welche den Marienkult ganz in heidnischer Weise behandelteiL
Die vOllige Gleichsteilimg Kristi mit Gott, die daraua gezogene
dogmatische Erhebung der KristusgebSLrerin zur Gottgebareriny
hob Maria im funften Jahrhundert bedeutend empor und im
sechsten gab die Kirche den Marienfestei) schon einen grofzen
Raum ein ^). Das Abendland unterschied sich indefsen allem
Anscheine nach von der morgenlandischen Kirche hierin noch
lange und die romische zogerte der heiligen Jungfrau eine be-
deutendere Stellung in ihrer Lehre zu geben ^). Li alien germa^
') Seit dem Koncil. von Ephesus (431) w«rde die Jungfran mit dem KiiuU
auf dem Schoofze dargestellt. Auf Bildern des 6. Jabrhunderts crscheint tie in
Kristusgleicher Bedeutung. Vgl. Schnnase Gesch. der bildenden Kiinste 3, 176. f.
') Ueber die Marienfeste im 9. Jahrhundert Rettberg Kircliengescbiehte Dentfch-
Unds 2, 791.
168
nischen Q^ichten , welche die Verbreitung kristlicher Lehre und
Anschauung unter dem Volke bezwecken , findet sich keine Spur
einer hervorragenden Stellung der heiligen Fran , da doch gerade
eine solche Gestalt auf die empftinglichen Gemiiter der neube-
kerten unlS.ugbaren Eindruck hatte machen miifzen. Es scheirit
demnach datfz erst die lebendigen BerQrungen mit der morgen-
landischen Kircbe bei den Kreuzziigen den M arienkultus im Abend-*
lande yerstarkten und die romische Geistlichkeit mit feiner Ah-
Dung in ihm ein Mittel entdecken liefzen, die weltlichen Seelert
der Kirc^e fester zu verbinden. Das zwplfte Jahrhundert ifit^did
BlQtenzeit des Marriendienstesi Leben Glaube Poesie werden
von ihm erfafzt und die Vererung der Himmelskonigin mit einer
Innbrunst und zugleioh mit einer Naivetat gepflegt, die nur einer
Zeit moglioh war welche- neben die feinete Schwarmerei unver-
mittelt die nackteste Katiirlichkeit zu stellen vermochte. Ganz
notwendig hatte der Dienst der himmlischen Frau auf die Stel-
lang des irdischen Weibes einen grofzen Einflufz; ward sie doch
nicht in abstracter GOttlichkeit ^ sender n schOn anmutig mild
als em Vor- und Musterbild defselben dargestellt. Wer die himm-
lische Frau in die Mitte seiner religiosen Vererung brachte,
konnte die ir^che nicht ohne weltliche Achtung und ohne zarte
Behandlung ]afzen« Der Mariendienst kam also der aus dem
Strome d^r Welt heraufdohiefaenden Ansicht Ton dem Weibe als
StarkuBg und Stiitze zu Hilfe: er war aber zugleich ein Mit-
tel die von den Saraze&innen geblendeten Augen der Kreuzfarer
lu entzaubem und die vom Heidenthum miterzeugte gesellschaft-
liche Revolution als eine kirchliche erscheinen zu lafzen. Einen
all za grofzen Ehiilufz darf man jedoch dem Mariendienst auf die^
Erwecknng des Minnedienstes nicht zuschreiben. Nicht zu iiber-
iiehen ist in dieser Beziehung, dafz Wolfram von Eschenbach,
weicljer die BltLte des Ritterthums in seinen Werken darstellt,
der Jungfrau Maria ganz geschweigt, warend die Dichter in der
Zeit des Verfalls ritterlichen und hOfischen Lebens ihren Kultus
auf das iiberschwanglichste hervortreten lafzen.
Wir haben die Quellen des hdfischen Lebens und der rit*
11*
kr
164 _
terlichen Frauenvererung aufgesucht , stellen wir una nun an
den vollen Strom.
Das Ritterthum ist ein halbweltlicher halbkirchlicher Orden ;
seine Aufgabe ist der Schutz der Kirche der Frauen und aller
Schutzbediirftigen, sodann der Kampf gegen die unglaubigen und
gegen alle welche seinen Ideen sich feindlich zeigeh. Solchen
/ Kampf aufzusuchen ist Pflicht des Ritters, sich darin auszuzeich-
nen sein Streben. Zwar alien Frauen zum Dienste verpfliehtet,
weiht sich der Ritter doch einer vor alien , gibt sich in ihren
Dienst und sucht* durch Tieue und Kiinheit ihre Gunst zu cr-
j ringen. Das Weib ist also nicht mehr der bewundemde und wer-
, bende Theil sondern der Mann ; nicht mehr die mannliche
Tflchtigkeit ist die Quelle der Liebe sondern die weibliche
Schonheit; nicht mehr Magd ist das Weib sondern Herrin.
Die proven9alischen Troubadours haben eine wahre Liebes-
kunst ausgesonnen und den Minnedienst streng gegliedert. Sie
nemen in ihm vier Stufen an: auf der ersten steht der schftch-
teme welcher eine heimliche Liebe im Herzen tragt und sie der
geliebten nicht zu gestehen wagt (feignaire) ; hat er ermutigt durch
die Frau das Gestandnifs gewagt, so tritt er auf die zweite, er
wird ein bittender (pregaire); nam sie ihn zum fdrmliohen Lie-
besdienst an, so wurde er ein erhorter (entendeire) ; ist ihm die
hochste Gunst gewart, so heifzt er derLiebhaber (drute) der Frau ')•
Man sieht schon hieraus , dafz der ErhOrung eine PrOfimgazeit
vorangicDg welche theils die Treue theils die ritterliehe T&ch-
tigkeit des Verehrers betraf. Wie lange dieselbe dauerte, scheint
dem Gutdiinken der Dame uberlafzen , die gem die sprOde spielte
und vor dem officiel erlaubten Dienst den Ritter lange BchniAch-
ten liefz. Nach einigem zu schliefzen, dente sich die Probe nicht
selten auf ftinf Jahre aus '). Hatte der Ritter diese Zeit gliicklich
' liberwunden, so ward er derVasall seiner UerzenskOnigin, welche
ihn mit aller Ceremonie des Belehuens in den Dienst aufoam.
') Fauriel hist, de la poesie proven^^ 1, 502. *) Parz. 346, 3—15. 370,
16. Vgl. auch Diez Altspan. liumanzeu S. 84.
105
Wie sich der Dienstmann vor dem sitzenden Herm auf das Knie
lafzt und mit gefalteten Handen das Lehn begehrt und die Treue
verapricht, wie der Herr seine Hatide zwischen die des
Mannes legt nnd ihm mit einem aufzeren Zeichen das Lehen
fibergibt, mit einem Kufse das Verhaltnifs besiegelnd; ganz eben
so nam auch die Frau den Maim zu ihrem Ritter an ; wenig-
stens in Siidfrankreich , dem Lande des ausgebildeten Minnedien-
Btes, herrsohte solcher Branch* Dafzelbe Knieen und Handefalten,
dieselbe Ceremonie von der Fran wie von dem Lehnsherrn, ebenso
wie dort der Kufs und gewonlich ein Ring als Zeichen derVer-
bindung. Der Branch der hier und da bei der Aufname in den
Ritterstand statt hatte, die Hare zu scheren, wurde auch manch-
mal beim Eintritte in den Minnedienst geiibt. Um die vielgefeierte
Grafin Gruida von Rodes hatten sich mehr als hundert Ritter die
Kdpfe scheren lafzen. (^Raynouard choix 5 , 172). Auch priester-
liche Einsegnung des Verhaltnifses lafzt sich nachweisen, wodurch
auch bei Auflosung desBundes priesterlicher Beistand notig ward.
Indem damals die kirchh'che Trauung noch nicht durchgedrungen
war, mogen wir diesen Brauch fiir eine Nachbildung der kirch-
lichen Theilname am Ritterschlage nemen. (Rayn. ch* 3 , 243).
Der Ritter trug nunmehr die Farben der Frau und auch
ein Wappenzeichen, das sie ihm gegeben hatte. Es war das bald
ein Ring, bald ein Giirtel, ein Haarband, ein Schleier oder ein
Aennely den sie getragen^ Er befestigte das Liebeszeichen auf
aeinem Schilde oder seiner Lanze und je zerhauener es im Kampf*
spiel oder in der Schlacht wurde, um so grofzer war die Freude
der Dame. Wenn es moglich war, gab es ihr der Ritter gegen
&n neues zur&ck und sie trug es wie den schonsten Schmuck
(Parz. 390, 26). Schon friiher war es Sitte gewesen , dafz die
Franen ihre Liebhaber mit selbst gearbeiteten Gewandem be-
Bchenkten; die kunstreichen arabischen Frauen statteten ihre Rit-
ter ebenso aus ^) und die abendlandischen Kristinnen wurden durch
sie noch mehr zu solchen Liebesgaben veranlafzt. Am weitesten
*) Wilh. 19, 25. 55, 12. 364, 20.
_ 1«6 _
ist die Sitte solcher Geschenke in dem gegenseitigen TauBohe dcr
Hemden geftirt^ Als der Kastellan von Coucy von eeiner Dame
scheiden muste, sandte er ihr sein Hemd zum Trost undLiebes*
epiel *). j Wenn Gahmuret in den Krieg oder zunft Tumiere ritt,
gab ihm Herzeloyde ein Hemd da? sie getragen und er legte 64
Uber den Harnisch an. : Ihrer sind acbtzehn durchstochen ebe ef
in den letzten Kampf zieht und die Frau hat mit W(Mine dieae
zerhauenen „Hader" wieder angethan (Parz, 101, 9. Ill, 14),
Man sieht wie fein diese Zeit im Liebesgenufze war und wie jeder
Nerv den Geliebten schmekte und fiilte.
Die Damen liefzen sicb zuweilen nicht daran geoOgen, von
den Hittern im allgemeinen Beweise der Liebe z\x yerlangen; sie
heiscbten auch im beaondem diese oder jene That dea Geharsama
welche die Geduld der Manner oder vielmehr ihren Mangel an
Stolz bewundem I9.rzt, Bei aller Yerehrung die man ^em gro*
fzen Theile des weiblichen Geschlechtes mit Freuden bringen
mufz, mag man doch geatehen dafz eine grofze Anzahl MUdchen
und Weiber, sobald sie das GlUck einigermafzen keimaucht,
dafzelbe nicht wiirdig ertragen, sondern zur Launcmhaftigkeit und
zum ganzlichen Vergefzen der Achtung die sie den Maimeni
schulden verfiirt werden. Die aufzerordentliehe Stellung, in welche
der ritteriicbe Geist die Frauen gebracht hatte, machte aie achwin-
deln; sie vergafzen dep eben erst verlafzenen beacheideixeD Flats,
vergafzen dafz ihre Herrschaft von der augenblicklichen Zeitadu*
mung abhangig sei und beti*achteten den Mann als ein Spielsesg
mit dem man sich die Zeit vertreiben* konne, nnd der Maim wv
Thor.genug mit sich spielen zu laizen.
I Die Bldtenjare des hofischen Lebens sind reich aa Aeufsenm-
gen weiblicher Laune. Der ungluckliche Minner ward in Au^
sicht entfernter Gunstbeweise auf jede Art geqmUt, mit Auf-»
gaben beladen die er nicht erfiillen konnte, und durok fnrohtbare
') Sa chemise qu'of veshie menvoia par embracier; la nuit quant 8 amornCat*
gue , la met delez moi cnuchier toufe nuil a ma char nue por men tnalz e^toiiffier.
l^ii dame dou Faiel ^ bei Fr. Michel Chansons du chdtelmn de Coucy p. 98.
W7
Ungenade geatraft, welche er, well es Mode War, mit groster Selbst*
?erlaugnung and meist mit wirklichem Schmerze ertrug. Nicht iibel
ziichtigt der Tanhauser, einer der spateren deutschen Lyriker des
13. Jahrh. , diesen weiblichen Uebermut Er sagt : Bald soil der
fchonen ich den Salamander bringen, die Rhone bald in Nurn-
berg stromen lafzen , die Donau dann den Rhein hiniiber echwin-
gen und nOch auf meiner Bitt' Erhorung pafsen. Ja Dank sei ihr,
ihr Nam' ist Gute ; sprech' ich ein Ja , so spricht sie Nein , drum
stimmen tsiets wir iiberein; es blieb zu fern ihr wol die strenge
Bote. -— Der Hofinnng eine ist mir noch geblieben: zergeht der
MsLusebei^ gleich wie der Schnee, so will sie lonen mir mit sii-
fzem Lieben. Wonach mein Herz begert , wird dann von ihr ge-
wftrt, bau' ich ein Hans von Elfenbein, wohin sie will, auf einen
See und bring ich ihr aus GalilS den Berg worauf Herr Adam
safz. Hei, h^i, welch lieber Dienst war das I — ISin Baum steht
fern in India; bring' ich den grofzen Baum ihr nah, so wird mein
Wille gidich gethan. Sie will den heil'gen Gral auch han, den
Parzival gehiitet hat; des Apfels gert sie drauf zur Statt, den
Paris Veiius hat gegeben; den Zaubermantel auch dancben, der
BUT den treuen Frauen pafst. O weh, ich bin ihr gjinz verhafzt>
ichafT ich ihr nicht die Arche rasoh zur Hand , daraus tierr
Noah Tauben hat entsandt ^). — Eifli anderer Epigone unseres
mittelalterlichen Minnegesanges , Herr Steinmar , weifz sich mit
eben so guter Laune ftber den Eigensinn seiner Gdiebten hin-
wtgzusetzen. Er meint es sei ein altes MS,re, ein Minnerlein
das sei ein Marteraere; er woUe aber kein Martyrer werdeti und
darum sich einem Dienste zuwenden, der befzer lone. Statt der
Liebe woUe er fortan den Herbst preisen. Als Lon bedinge e>
sich zehnerlei Fische und Ganse, Hiiner, Schweine, Pfauen,
Wlirste und welschen Wein. Schiifzel und Becher \^olle er bis
zum Grund leren und seinen Liebesgram damit trosten (MSHag.
2, f54).
Nur wenige freilich wusten sich so gut iiber ihr Liebesleid zu
') Minnesitiger von v. d. Hagcn 2. 91 93.
168
erheben. Sie wurden lieber Kitter von der traurigen Gestalt *), als
dafz sie sich aufgerafft und der Dame den Handschuh ins Ge-
sichit geworfen h'atten. Die edleren der Frauen musten sich darum
selbst gegen solches hiindisches Wesen emporen und mehr aU
eine benutzte die ihr verliehene Gewalt einen dieser erbarmlichcn
Wichte zu ziichtigen. Wir konnen hier aus der deutschen Welt
den vielbekannten steirischen Edelherren Ulricb von Lichtenstein
anfiiren, der ein langes Leben in dem Dienste einer Frau zu-
brachte, welche ihn verhonte. Eine ToUheit begieng er nach der
andem, eine thorichte Aufgabe nach der andem erfiillte er, urn
fortwarend verspottet und nie von seinem Wanwitze geheilt zu
werden. ISchon als Edelknabe walte er sich die Dame seines Her-
zens und war bald so tief in dem Liebeswansinn , dafz er mit
Entzucken das Wafzer trank worin sich die Geliebte gewaschen
hatte.\Mitden Jahren wachst seine ToUheit; er lafzt sich eine allzu-
breite Oberlippe abschneiden, weil die Frau es verlangt; er mischt
sich einmal in die ekelhafte Schar der Aussatzigen, um verge-
bens auf eine Zusammenkunft mit ihr zu barren; er lafzt sich
einen Finger ^ der ihm bei einem Stechen zu ihrer Ehre bescha-
digt war, abhauen, weil sie die Wunde fiir nichts grofzes hielt.
Als er ihr den Finger geschmiickt in reichem Kastchen zusendet,
bricht sie in Verwunderung aus dafz ein verstandiger Mensoh
solche Narrheit thun konne. Und dieser selbe Ulrich hat ein ehe-
liches Weib auf seiner Burg , das ihn liebend empfangt und ihn
freundlich pflegt wenn er einmal von seinen Landfarten heim-
kert und das er auch zu lieben gesteht, obschon er zur Herrin
fiber sich ein anderes Weib habe*). Doch das ist ein Schaden
der Zeit, auf den wir bald ausfilrlicher zu aprechen kommen
werden^
Der Finger des deutschen Lichtenstein erinnert an eine an-
') Qui d'amor es ben feritz mout deu efser efcoloritz magres e teirut ejlae$
e vans et en als fia fort ben fans. Rom, de Flamenca. (Rayn, L rom, 1, 27.)
Vgl. auch Chastiem. d. dam. 1039—49. 2) Ulrichs von Lichtenstein Frauen-
biich und Frauendienst mit Anmcrk. von Th. v. Karajan herausg. von K. Lach-
maun, Berl. 1841. Vgl. namentlich 222, 1-27. 251, 22. 318, 25.
169
llche proven^alische Geschichte. Der Troubadour Guillem de Balaun
hatte ein Liebesverhaltnifs mit Guilhelma, der Frau des H^rrn
Peter von Javiac. In einer Laune fiel es ihm ein zu erproben
ob die Freude der Vdrsonung mit der GeKebten das Gliick der
ersten Liebeagewifeheit iibertreffe und er stellte sich gegen die.
Dame erzQmt. Sie versuchte erst auf das zartlichste ihn zu be-
Banftigen; als es aber mifslang, beschlofz sie den Querkopf seiner
Grille zu uberlafzen und liefz ihn schlufzlich, als er selbst Ver-
sonung suchte, aua ihrem Schlofze werfen* Der Ritter geriet in
Verzweiflung, allein Guilhelma blieb standhaft und wolte von ihm
nichts sehen noch horen. Diefz dauerte ein Jahr '). Da erbarmte
sich der beste Ritter der Gegend, Herr Bemart von Anduza, des
trauemden und hielt bei der Dame von Javiac eine FOrsprache
fur Balaun. Sie gab endlich nach und verhiefz ihn wieder anzu-
nemen, wenn der Troubadour sich den Nagel seines kleinen Fin-
gers ausziehen lafze und ihr mit einem Gedichte iiberreiche, worin
er sich selbst wegen seiner Thorheit tadele* Diefz geschah denn
und Guillem von Balaun ward wieder zu Genaden aufgenommen.
Gtullems verzweifeln und ganzliches sich fiigen I'afzt sich
allenfalls erklaren, denn er fuhlt sich gegen seine Herrin schuldig ;
allein auch seine Demut grenzt an Verriicktheit. Ein anderer
Troubadour zeigt uns den romantischen Wansinn in noch stra->
lenderem Lichte. Peter Vidal, der Sohn eines Ktirschners in To-
losa (Toulouse) , hatte sich trotz seiner biirgerlichen Herkunft sehr
rasch in die adeligen Pafsionen gefunden und rechnete sich aufzer-
lich zum Adel, seitdem er eine Griechin auf Cypem geheiratef
hatte, welche von einem griechischen Kaiser abstammen solte.
Er beanspruchte nunmehr kaiserlichen Titel , meinte Anspriiche
auf das ostrOmisohe Reich zu haben und trieb diesen Unsinn Ian-
gere Zeit fort. Der eigentliche Punkt seiner Himlosigkeit war die
Liebe. Er glaubte dafz jede Frau in ihii verliebt sein ihiifze, bat
jede um ihre Liebe und jede sagte Ja um ihn zu verspotten. Am
Faunels Erzahlung (hist, de la poesie provenrale 1, 541) ist fliichtig und
falsch. Vgl. die provenyal. rida Guillems bei Raynouard choix 5, 180. ff.
no
tollsten aber ward er, da er eich in Loba von Carcafsev verKebt
hatte. Herr Peter wolte das Wappen seiner Herrin redht sichtbar
fiiren und liefz sich also, da sie WOlfin (Loba) hiefz^ Wolf (Lop)
nennen^ zog einen Wolfsbalg an und lief auf alien Vieren heulend
in den Bergen von Cabaretz herum. Leider verstunden sich die
Hirten und ihre Hunde auf den Minnedienst schleclit und namen
die Spielerei des armen Minnerleins zu ernst. Sie hieben und
bifzen ihn wie einen wirklichen Wolf und richteten ihn so iibel zu
dafz er fiir tot in das Schlofz einer andem Dame seines Herzens^
der Loba von Puegnautier, getragen wurde. Dort wurden seine
Wunden geheilt, sein Wanwitz aber blieb ihm bis an sein Ende *).
Solche Geschichten sprechen den Geist des Ritterthums aufs
schlb-fste aus» Zwar haben nur wenige sich zu der Virtuositat
eines Vidal oder Lichtenstein in der Narrheit aufgeschwungen,
allein die Anlage dazu war fast bei alien galanten Mannem jener
Zeit vorhanden und nur wenige wagten es den launischen Gebo-
ten ihrer Dame nicht zu folgen. Nicht immer jedoch benutzten
die Frauen ihre Machtvollkomraenheit zu Spiel und Hohn; sie
aufzerten sie zuweilen um den Ritter zu einer grofzen und ruhm-
reichen That oder zu einem Untememen zu bew^en, das ihm
und zugleich ihr froramen solte. Die Ritterschaft Frankrevchs wie
Deutschlands entschlofz sich fast durchgehends schwer das Kreuz
zu nemen oder verschob wenigstens die Ausfiirung so lange alii
moglich. Die Geistlichkeit mante vergebens ; da erhoben siob
ofters Stimmen welche gehorsameres Ohr fanden, di^ Frauen*
Viele von ihnen verlangten geradezu den Kreuzeug als Beweis
der Liebe, viele bewogen aufzerdem mittelbar Ritter zam heiligen
Kriege, wenn sie sprode waren oder die Liebe aus itgeod einem
Grrunde nicht erwidem konnten. So namf der wackere Friedrich
von Hansen » ein Stem deutscher Ritter und Dichter, aus unglQok^
licher Leidensehaft das Ereuz. Die fast allgemeine Stimmung
der Rhter, wenm sie durch den Minnedienst zu einem Kreazzuge
verpflichtet wurden , spricht Hartmann von Aue aus eigenem Er-
*) Bajnooard ohoix 6, 334. ff, Mahn Werke der Troubadovra 1» 216. ffl
171
lebnifse aus. „Ich fare dahin, 8agt er *)* ihr Herm und Preunde,
und neme Abschied von Leuten und Land. Frage mich niemand
nach meiner Reiee Zial: die Liebe liefz ndch eine Fart geloben
und jetzt heifzt sie mioh die Fart thun. Ich mufz fort, denn
Geliibde und Schwur mdg ioh nicht breohen. Mancher rtdimt
sich defsen was er auB Liebe thue, aber wo aind die Werke?
Mochte doch mancher um solchen Dienst gebeten werden, wie ich
Dun leisten soil. Das heifzt wol Liebe, wenn man um ihretwillen
in die Fremde ftrt. Ich will nun iiber das Meen Ja, ware Sa-
ladin und all sein Heer noch dort, sie biilchten mich keinen Fufz
aus Franken. Ihr Minnesinger, schlecht miifzt ihr von Liebe sin-
gen denn ihr kennt sie nicht, ich aber mag von ihr reden denn
mein ist die Geliebte und ihre Liebe. Warum ihr armen konnt
ihr nicht so Heben wie ich ?"
Die Ansicht von dem Krcuzzuge als einem gar schweren
und bitteren Untememen spricht sich in den meisten proven^ali-
schen franzosischen und deutschen Kreuzliedern aus. Nur selten
gewaren wir jene Glut der B^eisterung, die man mit den Kreuz-
zj^gen gewonlich verbunden glaubt; sie bieten ein verstandiges
Ueberlegwi der Vorthdle und Nachtheile, eine etwas trockene
Erinnerung an die Leiden Kristi und das jiingste Gericht, defsen
Sehrecken der beilige Krieg^dampfen soil. Nur wenn die Lieb^
hineingezogen wird , werden die Kreuzlieder lebetidig ; da wird
der Abschied von der GMiebteii gesehildert , aber der heilige
Zug selbst erscheint dann um so mehr als erneBufze und Strafe
und nicht wie die freiwilHge freudige That ernes glaiiabigen ritter-
lichen Herzen.
EineD so bedefitenden Beweis der Liebe wie einen Ereuz-
zug zu verlangen, muste iibrigens ein besonderer Grund vorhan-
den son, denn im allgemeinen konnte die lange Entfemung eines
Sitters nicht in den Wiinsch^) seiner Dame liegen. Sie ent-
berte der Auszeichnung , welche der Minnedienst stets gewarte
*) MSHag. 1. 334, H«upt die Lieder und Bacfaloin and der arme Hein-
rich Ton HartmaBn von Aue, pu 22.
1T2
und der fortwarenden Befriedigung ihrer Eitelkeit zu lange, als
dafz sie sich leicht zu solcher Aufgabe entschlofzen hatte. Das
abenteuemde Herumschweifen des Herzenvasallen in der Heimat
oder in benachbarten Landem brachte ihr einen weit statigeren
Genufz , denn jeder Sieg den er erfocht ward zu ihrem Rubme
erfochten, ein jeder Gegner den er tiberwand und in Pflicht
nam ward fiir sie iiberwunden, denn der Ritter sohickte ihn ihr
als Gefangenen zu den sie nach Gutdiinken frei lafzen kbnnte.
Die unHberwindlichen Helden der Tafelrunde sammeln ' auf Bolche
Weise ganze Here von Gefangenen um die Dame ihres Schwertes.
Wir wenden una nun zu der Frage: wie war das Liebes-
verhS^Itnifs ? liefz sich der Ritter an den Miihsalen und einer
gelegentlichen Freundlichkeit der Frau geniigen oder verlangte
er wirklichen Lohn und gewarte sie ihm denselben ? Wir mfifzen
zugestehen dafz eine grofze Anzahl dieser Yerhaltnifse ideal
waren und blieben und dafz der Kufs, welchen die Dame bei der
Aufiiame in ihren Dienst gab, der einzige blieb den der Mann
empfieng. Es war Forderung der Zeit an jeden Ritter, einer
Frau zu dienen ; wie sollten wir nicht annemen diirfen, dafz eine
grofze Menge nur der.Sitte folgte und bei dem Minnedienste kei-
nen andem Wunsch hegte als der Mode gemafz zu leben. Sinn-
liche Beimischung fehlte sehr vielen dieser V erhaltnifsen ; gab es
doch Ritter, welche sich auf blofzes Geriicht hin in eine ferne
SchOnheit verliebten O9 fur sie ihre Lanzen brachen und auf sie
Gedichte machten, ohne Ho&ung auf Lohn und Genufz. Der
proyen9alische Troubadour Jaufres Rudel Prinz yon Blaia mag
diese Herren um seines riirenden Schicksals willen darstellen.
Er hatte durch Pilgiime aus dem Morgenlande yon der SchOn-
heit und Vortrefflichkeit der Grafin von Tripolis gehort, und
ohne sie gesehen zu haben verliebte er sich in sie und riohtete
Lieder an sie* Aus Verlangen nach ihrem Anblicke nam er das
*) Schon in einer besonderen Gattung epischer deutscher Gedichte des IS.
Jahrhunderts ist der Zug zu finden, dafz sich ein FUrst auf das blofzc Gterticht
hin in eine feme Schonheit verliebte* Die Liebe ist aber nicht so tranmerisch
und sentimal, sondem sucht sogleich zu einem realen Ziele lu kommen.
1T3
Kreuz und verliefz die Heimat. Allein auf dem Meere befiel
ihn eine schwere Krankheit und als sie bei Tripolis landeten,
war er dem Tode nah. Man schaffte ihn in eine Herberge und
liefz die Grafin alles wifzen. Da kam sie und^ nam den Ster-
benden in ihre Arme, der Gott pries und dankte dafz er ihn so
lange hatte leben lafzen bis er sie gesehen hatte. So starb er
an dem Herzen der vielgeliebten ; sie aber nam den Schleier im
Schmerz iiber den Tod des Musters ritterlicher Liebe ').
Der starkste Beweis fiir das aufzerliche dieser Minnebiind-
nifse ist die Einwilligung, welche die Ehemanner sehr oft dazu
ertheilten dafz andere ihren Frauen dienten % zumal wenn es Dich-
ter waren welche durch die Verherrlichung der Schonheit oder
Anmut der Frau zugleich auf den Gemahl einen Strahl des Ruh-
mes warfen. Ein vertrantes Biindnifs war also keineswegs die
notwendige Folge des Minnedienstes, allein es war doch sehr oft
vorhanden. Man mufz sich erinnern auf welcher niedrigen Stufe
der Sittlichkeit die vomemsten Frauen der romanischen und bre-
tonischen Lander stunden; man mufz femer durch die Literatu-
ren einen Blick in die moralischen Zustande der hofischen Zeit
gethan haben, um alsbald zu begreifen dafz die vierte Sprofze
der Liebesleiter im Wunsche nicht blofz vieler Ritter sondem auch
sehr vieler Damen war. Die Zeit hatte die verschiedenen Grade
des sinnlichen Genufzes sehr tief studiert und die Dame von Welt
war ungemein geschickt dem Liebhaber zu rechterZeit bald die-
sen bald jenen zu gonnen oder zu verweigern. Sie wuste dass
in dem hastigen Gewaren der Schmelz verwischt werde, sie war
erne KCknstlerin in der Liebe und verstund alle Hilfsmittel wol
zu walen und am rechten Orte zu verwenden.
Die Nachbildung des Lehnsverhaltnifses fiirte zu einem.
Brauche ganz eigenthumlicher Natur. Es war Sitte dafz der
Lehnsherr von den anwesenden Vasallen zu Bette begleitet wurde
die sich erst entfernten wenn er sich niedergelegt hatte. Die
0 Bajnouard choix 5, 165. Mahn Troubad. 1, 61. ') Fr. Diez Leben
aid Werke der Troubadours 92 — 120.
IT4
Frau war der, Lehnsherr, der Ritter der Lehnstr&got; warum
hatte man den Dienst nicht auch so weit ausdenen soUen? Der
begiinstigte Liebhaber begleitete also die Frau in ihr Schlafge-
mach, half ihr beim Aiiskleiden und entfemte sich nachdem sie
sich niedergelegt hatte '). Hinzuzufiigen bleibt nur dafz man in
jenen Zeiten gewonlich ohne alle Gewander Bchlief. — Man mag
iibrigens hierbei ni(*.ht die Sitte vergefzen^ dafz die Gaste von
den TCchtem oder Frauen des Hauses bis an das Bett geleitet
wurden^ ja dafz diesclben so lange warteten bis sich der Fremde
niedergelegt hatte. In einfachen und reinen Zeiten und L'&nderD,
wie auf Island, vermochte sich der Branch lange zu halten ohne
zu irgend welcher Ungehorigkeit zu ffiren. Allein in d^r galan-
ten Gesellschaft des Mittelalters, die zwischen Naivetat und Lu-
sternheit schwankte, war eine solche Sitte wenigstens eine sehr
bedenkUche Versuchung der Menschlichkeit. Man gieng gewon-
lich noch weiter. Die Frau gewftrte namlioh dem Liebhaber
zuweilen eine Nacht in ihren Armen, wenn er sich eidlich ver-
pflichtete sich nichts weiter als einen Kufs zu erlauben. Diese
Probenachte der Enthaltsamkeit scheinen im Mittelalter iiber das
ganze kultivirte Europa verbreitet gewesen zu sein ; so berichtet
ein Kronist dafz unter Kaiser Friedrich 11. die Italieneriimen ih-
ren Geliebten diese Vergiinstigung einr&umten und dafz die Zeit
darin etwas unschadliches sah ^). Dafz die Sitte auch in Deutsdi-
land bliihte, beweist ihr Fortleben unter dem Laudvolke; fast in
alien deutschen Landem ist den Liebhabem der Laadmiidchen
eine Nacht im Jahre oder gar in der Woche znm Besuche ihrer
Sch9,tze gestattet und es soil diefz in manchen Gegenden stets in
alien Ehren ablaufen ; in andem wird der Branch dadurch ge-
rechtfertigt dafz das Par fortab fdr verlobt gUt und ihm also
nur die kirchliche Trauung fehit, welche sich im Volke iiberhaupt
schwer einbtirgerte. Der Mann der nach solcher VetgOnstigung
treulos wird, ist in der Meinung des Volkes gebrandmarkt^).
') Raynouard Loxique roman 1, 388. Fauriel histoire de la po^e proren-
^ale 2, 31. *) Rauiner Ilulienstaufen 6^ 449. ') Die Naman dar Sitte aiad
175
Als Zeugnifs dafz fiolche euthaltsame Liebesnflchte in der
Provence Sitte waren, mag statt vieles andem dne Tenzone der
Troubddoure Aimeric von PegiiUain und Elias von Uisel dienen.
Herrn Aimerik hat seine Dame eine Naoht verheifzen, wenn er ihr
schwore eich amKufse zu begniigen und wenigstens gegen ihren
WiUen nicht weiter zu gehen. Er fragt nun denFreund um Rat,
ob er dieMarter ertragen oder meineidig werden soUe, und Elias
erwidert, er wifze sebr wol wie er sich in solchem Falle zu hal-
ten habe: aeine D^me soil ihn meineidig sehen. Aimerik blieb
aber bedenklieh , denn durch den Eidbruch verliere er Gott und
die Geliebte zugleich , er woUe eich also lieber am Kufse ge-
niigen lafzen* Doch Elias scbilt ihn ob seiner bfirgerlichen Be-
8chr5.nktheit (mlania) ^us ; die Dame werde durch Thranen , Gott
aber durch eine Fart nacb Syrien versont. (Raynouard 4 , 22).
Es ware ebenso lacherlieh als unfruehtbar, wolten wir un-
tersuchen ob die Zahl der Aimerikaner oder Eliasisten grofzer
war; genug, die Sitte war im Schwunge mit und ohne Eidesfor-
derimg, mit und ohne Eidesbruch ^). Wir konnen ihr iibrigens,
was die Poesie betriffi, sehr dankbar sein, denn sie hat eine der
schOnsten lyrischen Gattungen des Mittelalters erzeugt , die Tage-
Keder (albas y aubades).
Das Scheiden zweier liebenden nach heimlich genobeneif
Liebesfreude , das Erwachen aus siifzem Traum zu der bittern
Notwendigkeit rascherTrennung, ist wol ein lockender und dank-
Wer Stoff der Poesie. Sobald sich die Dichtkunst des Mittelal-
ters der Liebe tiberhaupt zuwandte , konnte die Entdeckung die-
ser anmutigen Situation nicht ausbleiben , denn das Leben hoi
8ie allenthalben dar. Die deutsche und die franzosische Lyrik
^^ darum jede fur sich auf das Tagelied gekommen sein ; die
^erschieden : schweiz. Kilt (Abend) gang, Gafzel gehn : baier. fenstera; schwab.
fttgen, Vogesen schwararaen ; Karnthen brenteln ; frftnkisch schnurren. *) Hart-
Daann v. Aue spricht in Iwein von dem , welcher es bezweifelt dafz ein Mann
"*• einem nicbt rerwandten Weibe liegen konne ohne es zu berftren: dem weix
^m da% ein biderbe man Jtch alles des enthalten kan des er fich enthalten wih Er
%t aber selbst hinzu : weix got dem ift aber niht vil. Iwein 6575. ff.
176
weitere Ausbildung dieser Gattung m Deutschland ist jedoch nicht
ohne nachbarliche Einwirkung geblieben , wenn dieselbe auch
mehr auf die Form als auf den Inhalt sich erstreckte. Denn die
Ijrrisohe Anlage des deutschen Volkes mifzt sich ohne Weiteres
mit der der Sudfranzosen y iibertrifft die der Nord£ranzosen aber
um ein bedeutendes.
Wir besitzen von der bedeutenden Schar unserer Minne-
dichter eine nicht kleine Zahl Tagelieder. Sie sind meistentheils
sehr weich , vol! Gefiihl und Leben und konnen mit den pro-
ven^alischen Albas die Wette um den Preis wagen *). Anfang-
lich druckte das Tagelied nur die Erinnerung an die siifze
Nacht und das bittere Scheiden aus. In dieser Weise sind zwei
Lieder des Burggrafen von Kegensburg^) und selbst noch ein
weit jiingeres von Heinrich von Morungen. (MSH. 1, 129. f.)
Dieses letztere lautet iibertragen also:
O weh, o weh, o dafz doch je „0 weh, o weh! o dafz doch je
Mir noch mocht'leuchtendurch die Nacht Er noch den Tag bei mir erschant'
Ihr siifzer Leib so weifz wie Schnee, Und dafz er dann nicht von mir geh
Der Freud' und Leid mir hat gebracht. Ob es auch hell im Osten grant.
Er trog die Augen mein; Ich sah das Morgenrot
Ich wftnt es solte sein Bei dem er jiingst entbot
Des lichten Mondes Schein. Mir bittern Scheidens Not,
Da tagt es. Da tagt es."
O weh, o weh, wol hundertmal „0 weh, o weh, wie oft er hat
Hat sie mich weekend da gekiifst, An moiner Seite sich erblickt.
Von Thranen matt des Auges Strahl So war er nie vom Kosen satt,
Dafz ich aus ihrem Arm gemufzt. So war er endlos doch entz&ckt
Und als dort Trost ich fand Wenn er die Hiille rein
Dafz still die Thrftne stand, Grestreift Tom Arme mein;
Als sie mich fest umwand, Es mocht ein Wunder sein.
Da tagt es. Da tagt es*"
') Friedr. Diez, der tiichtige Kenncr der proyen(;.alischen Poesie, gesteht
den deutschen Tageliedern sogar grolzere Zartlichkeit als den proven^alischen xa.
S. Foesie des Troubadours 265. vgl. 151. *) ,,Jch lac den winter etW* and
„jlV« heit^ent fi mich miden:' MSH. 2, 171/ Auch Heinrichs VI. Lied: ,,Wol kdker
denne riche** geliort hiorlier.
in
Man war indefsen schon.frlili von dieeer epischen erz&len-^
den Weise zn der dramatiscbefi yorgeschritten , indem das Tage-
lied die Daratellong enthielt wi^ die Frau erwacht den Grelieb-
ten weokt und darauf geschieden wird. In dieser Art ist bereits
em TageHed dee Herrn Dietmar v6n Eist. (MSH* I, lOl*).
„Schla&t da noch Geliebter mein? f^nlch war entschlafen aaoft and Und,
Wir sollen leider wach nun sein. Nun weckst da leider mich mein Kind.
ESn VSgelein gar wol gethan Liebe mag nicht ohn* Leiden sein;
Stimmt auf der Liiid' sein Taglied an/* loh folg* dem Bufe, Liebste mein." "
Da ward toU Tbrftnen wol ibr Blick,
,^an reitst du fort, lafzt mich zarilck:
All meine Frende geht mit dir;
Wann kommst da wieder her sa mir?"
Defgelben Inbaltes aber geschmiickt mit ausgebildeter Kunst
und aller poetischen Fiille des grofzen Dichters ist ein Tagelied Wolf-
rams von Eschenbach (E:^ ift nu tac da^ ich wol mac, Lachm. 7 , 41),
wie denn gerade diese einfache aber zarte Darstellung jenes Ver-
hiltnifses ip einer ganzen Eeibe Tagelieder zu finden ist ^). Die
obrigen suchen die Scene dadurch noch dramatischer zu machen,
dafz der Wachter auf der Zinpe der Burg bei dem Anbruch der
Horgenrote ein Lied anstimmt, worin er die welche heimlicher
Liebe geniefzen wamt. Wolfram von Eschenbach hat diese Si-
tuation in seine anderen Tagelieder aufgenommen und sein Bei-
spiel fand zahlreiche Nachamer. Er hatte iibrigens romanische
Vorbilder; in einer Alba des Proven^alen Guirautz de Bpmeill
ist z. B. dieselbe Anname dafz das Par einen W&chter hat;
nur ist hier vie! zarter das Hiiteramt einem Freunde des Bitters
iibertragen. Als die Morgenrote nahet, bittet er Gott und den
Sohn der heiligen Maria, dafz er seinen Gefarten scbiitze und
itimmt dann ein Lied an worin er den Freund weckt. Er bore
die Vogel im Gebiiscbe singen, der Freund moge an das Fenster
») Bei Ulrich v. Winterstetten (MSH. 1, 157. 166). Ulrich v. Singenberg
(1, 291. 298). Brano von Homberg (2, 66). Rubin (1. 817). Konrad v. Wiirz-
hng (2, 819). HeJnrich Teschler (2, 128).
12
gehen und die Zeichen des HimmelB anseben, denn es sei Zeit.
Aber dieser aDtwortet, er sei so prachtig beberbargt dafz. er
wiinsche es werde nimmer Tag. Er halte die anmutigste im^Amii
die je von einer Mutter geboren ;8ei und die Marker aohte er so
wenig als die Morgenrote. (Raynouard choix 3, 31 3), -^ Sobald
•dejr Thurmwachter als der Vertraute des Pares auftrat, lag eine
Herabziehung des ganzen nahe, denn das zarte und innige war
dadurch entheiligt und das Geheimnifs von der Willkiir eines Men-
seben abbangig, der oft darauf trotzte um bestocben zu werden.
Am widerwarfigsten zeigen sicb die Folgen dieser dritten dra-
matischen Person in einem Tageliede Konig Wenzels von Bdmen.
(MSH. 1, 9. 10). Die Tagelieder erhielten sicb iibrigens weit iiber
die Dauer der bofiscben Lyrik binaus und wurden nocb im 16. Jabr-
bundert auf fliegende Blatter gedruckt, welcbe an dem Titel im
groben Holzscbnitte den Wacbter mit dem Horn auf der Zinne
zeigen. Unsere Volkslieder baben nocb viele Tagelieder unter sich.
Neben den Albas bat die proven^aliscbe Lyrik eine ver-
wandte Gattung, das Abend- oder Nachtlied (serena) worin sicb
das Verlangen des Mannes nacb der verbeifzenen Liebesnacht
ausspncbt. Die deutscbe mittelalterlicbe Poesie kann nichts an-
licbes aufweisen und aucb die Proven 9alen baben nur wenig
Serenas gedicbtet«
Wenn die Liebesverbaltnifse in eine so starke Wirklicbkeit
biniibergiengen , wie die eben gescbilderten Tbatsacben beweisen,
so muste es die angelegentlichste Sorge der Liebenden sein, die
groste Verscbwiegenbeit zu bewaren. Besonders scbwierig war
diefz aber fiir die ritterlicben Sanger, welcbe demLiede ihreLiebe
anvertrauten und sie dadtircb zu einer offenilicben Sacbe machten.
Um weriigstens den Scbein des Gebeimnifses zu retteh, war es ihnen
daber eine Ebrenpflicbt den Namen der Frau ent weder gar nicht oder
nur verbiiiit zu nennen; deutlicber zu sein, gait fJIr Tborheit
und Kjnderei (follia et enfanza. Raynouard cboix 5, 192).
Grofze Not macbten den Liebenden die Au^afser oder wie
der Kunstausdruck fiir die Feinde golcber Verbaltnifse war, die
Merker. Nicbt wenige Minnelieder bringen Elagen iiber dieae Nei-
179
der and Stdrer , wdche die Freude bei Tag und bei Nac^t ver-
nichten oder wenigstens verbittem. Um das Uebel von Grund aus
Ku heflen, eifem die Dichter auch meist gegen jede zu strenge
Beaufsichtigiiiig der Frauen, g^gen die huote, Sie meinen diese
Hiitung sei eine Bute mit der aich der Mann selbst ziiclitige;
er siede und braue sich hierdurch was ihn selbst spater reue und
m nfttse ihm nichts. In dem proyen^aliscben Bomane Flamen^a.
ier gegen die huote gedichtet ist, bieifzt der eiferstlchtige, der
sein Weib durchaus behiiten wiU, ein Narr, denn wenn es ihm
nicht Gewalt raube, so neme es ihm die List ^). Und in dec
That war fiis damals wie heute das Beste, dem Weibe selbst zu
vertrauen, und wenn man eine Untreue entdeckte^ es durch
giinzliche Verachtung und volliges Uebersehen zu strafen im
Fjdle nicht die Zeichen aufrichtiger Bene vorlagen*
DieJVlanner giengep, freilich ihren Frauen mit keinein JSei-
gpiele der TxfiUfiJjQi: und von beideh Seiten wurde die Ehe juit
Fii£?en getreten. Das ist ein trauriger Vorwurf den wir der fei-
nen Gesellschaft des Mittelalters machen m^zen^ denn wo die v^^
£3ie aus den sittlichen Fugen ist da fault die Gesammtheit. Das >,.^
hatte Tacitus wol erkannt^ als er den Bdmem das strenge Bild
germanischer Sittlichkeit und ehelicher Treue aufirifz und ihnen
die eigene Schande donnernd zurief. Das scheinen aber diejenigen
vergefzen oder nie erfaren zu haben , welche das Mittelalter als
die Zeit der Frommigkeit lirid GefQlsinnigkdt anpreisen. Ge-
fiil hatte man aber ein falsch geleitetes , fromm wax man aber
in unrechter Weise: Aufgehen in Schwarmerei und feiges Ver-
lafzen auf aufzerlichen Dienst wont in schurkischen Seelen* Man
gehe doch einmal die Marienlegenden durch , diese starksten Be-
lege der mittelalterlichen Fronamigkeit und man wird ihnen bei
parteiloser Stimmung einen moralischen Wert fast durchgehends
absprechen mtifzen^).
') Ben es foU giloe que f'ea forfa de guardar moillier, guar fe forfa non ta
iU to/, ben la'l tolra geinz. Rayn. lex. rom. 1, 28. Vgl.auch Eracl. 2490. 2519. 3952.
^ ICaa lese was Clarus in seiner Darstellung der spanischen Literatnr im Mittel-
alter (Mainz 1846) 1, 254 ff. uber das hier einschlagende Gedicht des Gonzal
12*
♦
V
180
Die Ehe ward als eine aufzere Verandtaltimg betrachtet, die
man wegen dieses oder jenes Vortheils eingieng, die aber in iel*
tenen Fallen eine innere Wirkung hatte. Bei den Tomemen Hcbreii
Frankreichs war die eheliche Verbindung, wie in den hohen
Standen aller Zeiten und Lander, eine politische Untememong^
ii mit der das Herz nichts zu thun hatte. Bei dem Einflufze der
Yomemen nnd bei der allgemeinen Neigung zu nuuaniohfaohem
Genufze breitete sich di5 Geringschatzung der Ehe auf alle aii0»
welche vomem und fein erscheinen wolten, und es wtod allge*
mach Grundsatz Liebe und Ehe vollig zu trennen, so dafs
selbst in den wenigen Fallen wo dem LiebesverhaltnifBe die
Vermahlung folgte, fortab die Zartlichkeit ausgeschlofzen wurde.
Die Lebensphilosophie jener Zeit hatte naturlich einen Gnind da*
fur , den wir durch Nostradamus kennen lemen. Dieser Moneh ^)
antwortet auf die Frage ob zwischen Ehegatten die Liebe statt-
haben konne : das sei unmoglich , denn Wesen der Liebe sei ea
in ihren Gaben an keinen Zwang gebunden zu sein und alles fiei-
willig zu geben. Die Ehe yerlange aber unbedingtes Fiigen in
den Willen dee andem und das schliefze die Liebe au8« Dalier
gait in weitester Ausdenung der Satz, die Ehe sei kein Grand
ein angetragenes Liebesverhaltnifs auszusohlagen , und durch mehr
als ein Jahrhundert ward diese Lehre in die krafseste Praads
iibersetzt '). Wer auf die reiche Novellenliteratur des Mittelaltert
geachtet hat, wer die kleinen Geschichten kennt , die sich im IS.
13. und den folgenden Jahrhunderten in groster Fiille dutch
Frankreich England Italien und Deutschland trugen und kennte
von Berceo (etwa ron 1198—1268) sftgt. Wir beeiteen aach in der denteeheii Li-
teratar eine grofze Anzal Marienlegenden. Ein Theil wnrde von Fr. Ffeifi^ Statt-
gart 1846 herausgegeben. ') Er ist mit dem weit sp&teren beriihmten Ante und
Astrologen, Michael Nostradamus f 1566, den Gotbe in dem enten Monologe dflt
Faust nennt, nicbt zu verwechseln. *) Catisa conjugii ab amore non est exemsttdo
certa. Nostrad. f. 103 (Rayn. choix. 2, CV). In dem Roman von FUunencaww.
den der Grafin sehr leichte Grundsatze iiber die Ehe in den Mnnd gelegt Bfaa
diirfe sich durch sie im Genuize nicht storen lafzen, car beautatz faill « wmem
dura, aifsi con Ovidis retrai, (Rayn. 1. rom. 1, 37). Ovid nnd nameatHdi uaa»
Bucher de arte amandi galten vielfach als Auctoritat in Liebesfragen.
181
er selbet nor BoccaziosDekamerone, wird in eeinem G^dfkhtnirse
eine Menge von Geschichten auireibeni welche mn Hohn auf die
Ehe and die Sittliohkeit uberhaupt sind« I)ie Ehd gait in d^r
That gar nichtsjund es ist ein Zeicken der mensehlichen Selbst-
sucht, dafz die leichtfertigen Ehem toner nooh leifersiiohtig wareo*
febsr yon Auvergne yergleicht sie sehr treffend den listigen Sehel-
men, welche fremdes Brot stelen und das leigene verschliefzen ^).
Wenn wir dieLebensbeschreibungen der Troubadours lesen^
w moekte uns vor den schdnen geistreichen und gewandten Wei-
bem, die darin spielen ein Grauen ankommen, denn da ist keine
Zacht keine Scham ;/ die Perle der Weiblichkeit ist in den Staub
geworfen und wird mit frechen Fiifzen getreten. i Zwar wird den
Pioven^alinnen besondereLeichtfertigkeit schuld gegebeo, allein in
den meiaten andern Landern war es nichi: befzer. Es geborte
dock ein grofzer Grad von Yerderbtkeit dazu, dafz jene Erza-
limgen in der Gesellsckaft aller Lander die weiteste Verbreitung
£anden. «
Es wiirde zuletzt anwidem, wolte icb fortfaren jener Zeit
den Sckleier von den Sunden abzuzieken ; ich kann auf die Le-
bensgeschickten der proyen<^iacken Troubadours yerweisen, die
dnrck Fr. Diez aus den alt^iQueUen mitgetkeilt worden sind und in
denen sick die lebendigsten Sittensckilderungen finden ^). Ick will
nor die Gesckickte Guillems yon Cabestaing erzalen.
GuiUeni yon Cabestaing, ein trefflicher Ritter und Dickter
aoB der Grafsckaft IloufsiUony war am Hofe des Grafen Baimond
yon Roursillon beliebt und weihte der Grafin Margarida, Bai-
monds Gemaklin seinen Dienst. Durck Lieder und ritterlicke
Thaten ausgezeicknet , wurde aus dem aufzerlicken Verkftltnifse
rin sekr yertrautes und man sprack bald yon dieser Liebe* Das
Geriickt kam auck an des Grafen Okr, der sick sehr dariiber
») Diez Leben und Werke der Troubadours. 73. *) Leben und Werke
der Troubadours. Zwickau 1829. — Vgl. vor allem die Art wie sich die Damen
dor bciden Dichter Gnillem tod Saint Didier und Gaucelm Faidit gegen dieselbea
kMnea, a. a. O. 324. 377.
182
betrlibte; denn es that ihm leid einen lieben Freund zu verliereiiy
und mehr noch schmerzte ihn die Schande seiner Frau. Als-'Ghiil-
lem einmal auf der Jagd ist , reitet ihm der Graf nach und fragt
ihn auf Glauben und Gewifzen , ob er eine Dame habe um deren
Liebe er singe. Guillem bejaht diefz, denn ohne Li^be 'wiirde er
nicht dichten k6nnen;|al8 er aber nach den Namen gefragt wird,
verweist er auf den Grundsatz dafz dieser verschwiegen bleiben
miifze. Der Graf lafzt sich indefsen nicht abweisen, sondem
dringt weiter in den Dichter, bittet um voUes Vertrauen und
verheifzt die Hilfe des Freundes. Da erliigt Guillem eine Liebe
zu Margaridas Schwester und Raimond erfreut dartiber €rbietet
sich sogleich mit ihm auf Schlofz Liet zu reiten ^ wo Agnes and
ihr Gemahl Robert von Tarascon wonen. Sie werden dort wol auf-
genommen und der Graf zieht die Schwftgerin bald bei Seite,
fragt sie ob sie liebe und Agnes , welche nach der proTen^ali-
Bchen yida Guillems aus des Dichters Traurigkeit bald die Sach-
lage erraten hat, gesteht dafz sie mit dem Troubadour ein Vcr-
haltnifs habe. Sie zieht ihren Gemahl in das Vertrauen, der ihr
alles erlaubt um den Schwager zu tauschen und die Fran ent-
blodet sich nicht den starksten Schein eines vertrauten Verlralt*
nifses mit Cabestaing dem Grafen vorzuspiegeln. Befriedigt und
frohlich kehrt dieser auf sein Schlofz zuriick und erzalt sogleioh
seiner Frau was er von der vermeintlichen Liebschaft Ghiillems
und der Schwester weifz* Margarida unterlafzt nicht, sobald sie
den Geliebten allein sprechen kann, ihm die bittersten Vorwllrfe
liber seine Untreue zu machen; vergebens sucht sie dieser zu
aberzeugen dafz alles nur Not und Schein sei ; er erhalt die Ao^abe
ein Gedicht zu machen worin er Offentlich bekenne, er liebe keine
andere als sie und der Troubadour thut es. AIs der Graf von
diefzem Liede vernimmt, lafzt er Guillem vor das Thor seiner
Burg kommen , haut ihm den Kopf ab , schneidet ihm das Herz
aus der Brust und lafzt es braten« Bei Tische setzt er es seiner
Frau vor und als sie davon genofzen, sagt er ihr, sie habe'Guil-
lems von Cabestaing Herz genofzen. Zum Beweise zieht er des
ungltlcklichen Kopf aus seiner Jagdtasche. Da antwortet Mar-
1^
garida, es sei eine so treffliche und wolschmeckende Speise ge-
weseiiy dafz fortan keine andete ihre Lippen berClren 8oll6, und
ne eilt von dem Graf en mit dem Schwerte verfolgt zu'eiAem
Balkon und stiirzi i^ch in die Tiefe. Kasch dringt das GetticM
von dem traurigen Ende dieset^ 'tiebenden duirch Katalonien und
das ganze' Reich Aragon und alle ergreifl der tiefste Schmerz.
Alle liiebenden greifen zum Schwerte gegen den Grafen , seine
Borg wird genommen und Alfons von Aragon, sein-Lehnsherr,
entBetzt ihn seiner ScUdTzer und L&nder. Guillem und Marga-
rida wurden zusammen in der Kirche yotx Schlofz Perpignac be-
graben und lange ward der Jahrestag ihres Todes als Feier- und
Bettag der Liebenden der Nachbarschaft begangen. Des Grafen
Lehen wtirden an die Verwandten Guillems und Margaridks ver-
theilt; Baimond selbst etarb im Gefangnifse ^). So hatte den Mann,
welcheir s^en Schwager ruhig hintergehen sah und die Schande
seiner Schwagerin freudig unterstiitzte , die Rache dafiir ereilt
dafz er sich imd seine Frau fur dergleichen Schmach zu hoch
hielt*).
Mehrfach hibe ich auf di^ Ausbildiiiig bestimmter Vor-
schriften fiir den Liebesverker hinge wiesen. In dem so viel bi^-
w^ten feinen Leben dieser Zeit das sich utn die Liebe als um
semen Mittelpufikt bewegte , in dieseii Kreisen galanter Damen
Yomemer Herren und geistreicher Dichter muste sich naturKch
em Kanon fftr die Beriirungen der beiden-GescMechter, eine Wi-
fzenschaft der Liebe ausbilden. Die Dichter warfen iiber streitijge
PunkteFragen auf und suchten sie in den Streitgedichten (Tenzo-
nen) zu. losen , indem der eine diese der andere jene Ansicht ver-
fodit. So besitzen wir eine Tenzone , worin drei Troubadours dar-
ilber straiten y welchen von ihtiien ihre gemeinsame Dame am mei-
') Baynonard cboix 5, 189. £F. Eine kurzere und wahrscheinlich ftltere vida
Giullems Ton Cabestaing (5, 187) weicht in der Erzalang bis zum Tode des
Troubadours mehrfach von der mitgetheilten ab. *) Ueber die einigermafzen ver-
wndte Greschichte des Kastellan von Coucy siehe Crapelet Vhiftoire du chdteldin
it Coney et de la dame de FayeL Par. 1829. — Chansons du Ch&lelain d&Couey —
par Fr. Michel. Far. 1830.
18i
8ten ausgezeichnet habe. Sie safzen alle drei bd ihr und des
einen eah sie freundlich an, dem andem driickte eie die Band,
dem dritten trat sie seufeend und y^stolen auf don Fufz. Wie
in diesem Falle, .so warden die Streitfiragen gew&dich der Ent-
Bcheidung einer vielgefeierten Frau unterwotfen and JtieraoB kat
man gesehlofzen , dafz in Siidfrankreich fSrmHche I^beahSfe be-
litunden, welcfae als stehendeGrerichte uber die yorgelegteaai Streit-
fragen zu entecheiden gehabt batten. Die Grtinde, welohe dalBr
angefiirt werden , sind indefsen nicht probehaltig und wir mttTzen
derartige Anatalten f&r das sftdliche Frankreich ganz aUeugnen 0*
In Nordfrankreich dagegen, wo sich derVerstand fur die Lidbeapoeaie
auch einen aufzeren Tbron schaffen wolte, sind solche Hofe wirklieh
vorbanden gewesen und waren bald aus Frauen allein bald au0 ittc)i-
tem beider Geschlechter zusanunengesetzt, Wie Nordfrankreich auf
Deutscbland und namentlich auf den Niederrbein in den Formen
des Lebens und der Poesie damals einen bedeutenden Ein-
flufz ubte, so hat es auch diese MinnehSfe Deutechlaiid liberiie-
fertt Freilich gediehen sie bier nicht so wie jenseits der deutschen
Sprachgrenze und ich kann nur ein einziges Zetignif s , die Bruch-
stucke eines niederrbeinischen Gedicbtes auf Adolf von NaTsau *),
anfuren, Hier werden wir in ein Minnegericht eingelbrt, dma
aus Frauen und edlenHerren, wie den Grafen yon Jiilich, Spon-
heim, Reiferscheid , zusammengesetzt ist. Finer der Bittar, der
Graf yon Greiienstein , wird yon dem Boten, der ihm die etreir
tige Sache mittheilt, zum Fursprecber erwalt; dieser tragi den
Fall yor und Frauen und Hitter geben ihr Urtheil der fieihe
nach ab. Auch die Tenzonen sind der besten Zeit unserer hofi-
schen Poesie fremd ; sie finden sich erst zalreicher und werden
ausgebildet als das Geful hinter das Griibeln zuriickwich*
Die Belege fiir meine Darstellung des hofischen Minnedien-
stes hatte ich zum grosten Theil aus dem Welschen entlehnt*
Ich muste diefz thun weil sich hier das Leben der Zeit am frei-
') Vgl. Diez Poesie der Troubadoun Zwickau 1826. 8. 29. if. *) flaufH
Z. L d. A. 3, jf— 12,
185
sten entwickelte und weil hier die Quellen am reichsten fliefzen*
ELatten wir eben solche Lebensbeschreibungen uiiserer Mmiieiwii<^
ger, wie die Siidfranzosen in den vidas ihrer Troubadours , so
waren Uberall eben solche deutsche Geschichten zu bericbteu ge-
wesen* Die einzigen Denkwtirdigkeiten dieser Art, Ulrichsyoii
lAohfjPsnf^\^\n Vra^ft jdifinflf / p^^fen RtnflT gfiniig an die Hand um
das Treiben in Deutschland fiir ebenso wenig sittlich zu halten
als das westnachbarliche* Und auch aufzer dem Liclitensteinischen
Werke fehlt es keineswegs an Zeugnifsen, die una den V«rker
zwischen den beiden Geschlechtem fiir sebr frei und auch fiir
sehr raffinirt halten lafzen ^). In den Minn^edem yerhelen viele
Dichter ihre aufzersten Wiinsche durchaus nicht und wie wir von
Siidfranzosinnen Lieder baben , die allerlei Aufschliifze uber ihr
WoUen geben, so besitzen wir anliche Gedichte von deutsohen
Dichtern , die Weibem in den Mund gelegt sind *)♦ Kurz jenseits
wie diefseits des Bheines war * das Yolk in dieser Hinsicht daf-
selbe; Ritter wie Bauem^ Manner wie Frauen fafzten das Le-
ben leicht und wenn wir auch nicht das ganze Volk fur sittUdb
unterwult ausgeben wollen^ die yoruemen Kreise waren es fast
durchgangig und ihr Beispiel fand wie immer^sehr gelehrige
Nachamer*
£s ist eine Unmoglichkeit sich das bewegte Treiben dieser
SSeit dme die Scharen der ritterlichen Dichter zu denken ; denn
wie hatte sich das Zogem der Frau, das Schmachten Zagen und
Verzweifeln des Eitters, die Wonne der Erhorung, der Jubel
deg Grenufzes so schon durchleben und nachleben lafzen , ware
nicht die Poesie zu Hilfe gekommen. Mit den Antangen des ho-
fiechen Lebens zeigen sich auch die Anfange der hofischen Poesie,
mit seinem Hinwelken stirbt auch sie* Wie wir in Siidfrankreich
demnach bereits gegen das Ende des 11* Jahrhunderts die ho-
fiscke Lyrik sich entfalten sehen , so mufz sich auch damals je-
') Herbort 701—718. Parz. 406, 28. j. Tit 1296—1301 (1246 — 51 Hahn.)
I^e deatschen Novellen, obschon sie yielfach undeutschen Ursprungs sind, mufzen
<Mi in Anschlag gebracht werden. Vgl. v. d. Hagen Gesammtabenteuer Stuttg.
^8M>. 3 Bde. ') Kurenberk MSH. 1, 97. Veldeke MSH. 1, 40.
180
nerUmachwungin dergesellfichaftlichenStelluhg der Frau voUzogen
haben. Im nordlichen Frankreich trat die gesellschaftliclie Umwal-
ziing erst gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts ein , in Deutschland
um 1170. Die Wiege dieser modemen Kultur ist Aquitanien und die
Prbvence; das Morgenland hat an ihrer Erzeugung Theil geliabt
Interefsant bleibt immer dieWam6mung, dafz sich die mo-
deme LebensauiSarzung, als derenZeiige ohne Weiteres diePoerie
zu nemen ist , erst so spat nach ihrer Entwickelung im Siiden
in das franzosische und deutsche Land verpflanzte. Das germa-
riische Wesen, das auch in Frankreich iiberwog, widerstuhd also
im Anfang kraftig dieser neuen Behandlung und BetrachtHilg defl
Lebens, wie sich das unter anderm in manchen Klagen franzGsi-
scher Kronisteh fiber das leichte Volk das aus dem Mittag komm<
tind die Sitten verderbe, ausspricht. Der emste und schwerfallig
Deutsche hat sich auch in die ganze Feihheit 'der "Fortnen ni
vOllig hineinfinden kOnnen; er wiiste das Ziel derselben, de
Geniifz, recht gut zu begreifen lind auch ^u erlangen ; all-in hi
den meisten , wo wir das genauer beobachten konAen , hat dc
Frauendienst etwas gemachtes. Ulrich von Lichtenstetns Lebd
ist doch nur ein Zerrbild des Minnedienstes ; man nierkt ihf
schier die Muhe an, welche ihm das Treiben macht uiict'do s^h
er auch genial sein mochte, es gelingt ihm nicht. WeftH abe
Peter Vidal sich zu Ehren seiner Danle als Wolf halbtot beifze:
lafzt, so ist das zwar verriickt aber Genialitat lafzt sich den
Narren nicht absprechen.
Kaum erbliiht wird das modeme Leben von den deutschei
Dichtern auch schon ^Is verf alien b'eklagt, ein sicheres 2ieich«
wie wenig es in das Blut des Volkes iibergegangen war. Bale
nach 1250 ist nicht viel mehr als ein Schatten iibrig; die Frai
tritt wieder zuriick, der Mann sucht andem Zeitvertreib als Lie
besphantasien und die Verhaltriifse werden im Grunde wiedei
die alten. Der Mann befiehlt, die Frau gehorcht; der Mann leb
auf dem Rofse, im Walde, beim Trinktische , die Frau ist Haua
wirtin und Mutter ; sie tritt in dieEhe mit und ohne Liebe, abei
ohne der Gogenstand einer eitraiimtcn , mit pbantastischen Tha-
i8t
tcH Tind Worten vei*br&tnten Liebe gewesen zu eein. Das p6li-
tieofae Leben hatte lalieti Glanz verloren und ward eng<3 itnd
trQbe; die Poeele 1<^ch aus dem geselligen Lebeil titid nui* au«-«
er¥^lte hielten sie itn Intiel^ und im engeren^ Krfeise* zuriick^
SkandmaVien hat sich Ton der romariischeii Kttlhlr des Mif^-
telaltefB fast ganzfrei erh^ltenund seine germ^nisciheEig^thiitnlich-
keit anch in den ge«elIschaftUchen Verbal tnifsen liiwftrt , Wft-
rend in England durch die normannische Besitzergreifung dats
romanische Element auoh in dieter Hinsicht grofie Kraft' ent-
faltete. Die Danen Norweger tmd' Islatider kameh auf ihren be-
deutenden Seefaften allerdings auch in roriiariische Landed' 'tfnd
lemten das dortigeLebeii kenn^n,' t>'iHEiclrten sogafr fast alle h8fidobe
Epen mit in die Heimat, die hiei^'fleifzig Tibei*8etzt wnriden und
also Anklang fanden')$ alleiti -es griff diese BekanntSchaft durch-
aos nicht tief in das nordiscbe Lebeh ein. Nur )9pate islandische
Geschichten versucben! ihrer Erzalung eineh romantischen An-
strich zu geben, aber es gelingt liinen liicht <fen Widerspruoh
zwischen der Volksthftmlichkeit und dein-ft-eniden Wesen zu iO-
een*). Das bedeutendsteZeugnifs dafhr dafz Skandinavieh aufe^r-
halb der romantischen BteWegung "blieb , ist der Mangel ein^Lie^
beslyrik. Wir haben zwar uriter der'bedeutendenMengis der Skal-
den^edichte auch Liebesgedich'ie , jedoch im Verh'altnifse nut.
wraige. * Sie ' wurden nicht wie im Mittag die heri*echende' Oat*
tiing/son<leni giengen nur nebenhei*, wenn 'die Leid^iischaft des
Angenblioks od^r sonst ein Anlafz 'den Skalden bewegten. Sie
Bind durcbaus nicht der Trager einer allgemeinen Stimmting,
nicht das Bediirfnifs der ganzen Zeit, sotidem der einzelne Aus*-
drnck einer einzelneii Stimihimg. Dem ilordischen strengeti Sinne
galtuberdiefz das Liebesgedicht far straflich. ZWar heiftt es in
der jungeren Edda von Freya, welchie die Liebe iiberhaupt be-
whirmt , dafz ihr der Liebesgesang (manf5ngr) wol gefalle (Sii.
E. 29. Riifk); allein dieses theologische Gutheifien derselben war
•) P. E. Mttller Sagabibliothek III. 480— 485.— ^rtri4/bn Fdrtekning 6/ver
fawiyL bihliothekets i Stockholm islSndfka handfkrifter. Stockh. 1848. S. 17. 171. f.
*) Vgl. den Inbalt des dritten Bandes der Fornaldarfbgur, ' ' , 1 1
188
kein biU'gerliches. Auf Island atund Friedlosigkeit daranf » wenn
jemand einLiebeslied auf einMs^dchm machte (GrrftgA^ vlgsl. 106);
dmn trat zugleich einer der Falle ein, wo dasMadchen eiiie ge-
wifse biirgerliche Selbststandigkeit genofz. War es namlich zwaa-
zigJahre oder daraber, so lag dieKlage in seiner eigenen Hand;
war es jiinger oder wolte es nicht klagen, so mnste der Vor-
mnnd den Prozefs erheben. Die strenge Strafe konnte durehGkld
abgebilTzt werden , allein der Satz war sehr hoch. Idi will ein
par Beispiele dieses Verbrechens erz'dlen, — Der Islander Ingolf
Tborst^ips Sohn hatte ein LiebeBverhaltnifs mit Walgerd^ Ottam
Toahier* Beide Vater sahen denVerkehr ihrer Kinder nicht geme
und dem Ingolf ward der Besuoh der GeUebten untersagt. Da Qiaojita
er ein langes Liebesgedicht auf Walgerd und pbschon di^ Poosie
in Ottars Hause beliebt sein solte, da sein Sohn Hallfirpd (vcmd"
raedhajMld) einer der bedeutendsten Skalden war, so wur^ doob
dieser Liebesgrufz sehr schlecbt aufgenommen* Ottar verklagta d^
Dichter. Die Folge war dafz Thorstein eine bedeutende l^tze fiir
den Sohn zahlen muste ; indefsen verstund sich Ottar dazu seip Guf
zu yerkaufen, in eine andere Landschaft zuziehen und dadlirch dep
Grund zu ferneren ProzefsQn aufzuheben. (Fornmannas, 2 , 13. 14.)
Auch in den andem skandinavischei) Landem wur^m 4i^
verliebten SSrnger verfolgt. Der Skald Ottar der schwiqrM hatl#
ein Gedioht auf Astrid , die Tochter Konigs 01a£s von Sdhw/edoii
gemacht. Er wurde deshalb eingesperrt und solte am dritten Tage
hingerichtet werden. Aus dieser bedenklichen Lage rettete ihn
sein Freund Sigh vat, der ihoi ein Lobgedicht auf den Koooig xu
machen riet. Als er nun zum Tode geiiirt wird, singt er vor
Olaf und Astrid noch einmal als Schwanengesang jenes verderbliohe
Lied 9 kniipft aber rasch das Lobgedicht auf den KCnig an, das
seine Wirkung nicht verfehlt. Olaf schenkt ihm nicht nqx das
lieben , sondem auch als hergebrachte Sangergabe einen Ring und
Astrid reicht ihm einen Fingerreif. (Fornmannas. 8, 173 — 175) ^).
'} Als Beleg fur die Seltenheit der Liebespoesie in SkandJnayien Iciuin gel-
tei^ dafz der Skald Thdrmddhr von ssinen Gedichten auf Thdrbiorg Kolbdla den
Beinamen KolbrCAarfk&ld empfieng. Landnamab. II. 25.
^.
t
In der Weise dieser Lieder lag durchaus nichts ansturziges
oder verletzendes ; sie haben keine Spur von der weichen Sinn-
lichkeit der romanischen und deutechen Minnelieder, sondem sind
ganz au8 dem nordischen Geiste, mehr eine Uebung des Scharf-
sinns im Zusammenschichten ratselhafter Umschreibungen als
ein Erzeugnife des Herzens^ Es war dem germanischen Sinne
znwider mit einem zarteren Gefiile an die Oeffentlichkeit zu tre-
ten (Germ, c, 27» Adam ge$U Hamab. eccL pontif. IV, 9.) ; sie
namen es fflr eine Entweibung der inneren Friedstatte. Daraus
konnen wir es voUstandig erklaren, warum die Lyrik erst nach
der Schwacbung der Volksthiimlicbkeit durch die Kirche und
durch die Fremde in Deutschland aufbluhte.
Das Verbaltnifs zwischen Mann und Weib bielt sich wie
die Poesie im Norden ganz frei von romanischem Einflufze* Das
MUdchen war dort niemals Gegenstand einer weicblichen phanta-
Stidcheti Vererung, aber sehr oft das Ziel inniger Liebe. Die
Gesebidhten der nordischen Dicbter und Helden unterscbeiden
neb also atifs scb&rfste utid zu ibrem Vortbeile von den Erieb-
niben der Troubadours. Wer konnte die Gescbicbte des Skalden
Gunnlatig Scblangenzutige lesen, obne innig ergriffen zu wer-
^? Dieser raube barte Mann, der wie die Nordlander alle als
Feind blutig und grausam war, tragt eine beifze feste Liebe sein
Leben lang im Herzen, die und mit ibm yersdnt; sie ist rein
wie Islands Sebnee und weder auf ibn nocb auf seine geliebte
Helga * fUllt der matteste Scbein unrecbter Vertraulicbkeit. Wir
haben aucb nocb von andem nordiscben Dicbtem ausfiirlicbe
Lebensbescbreibungen; aber iiberiEdl wo ibre Liebe beriirt wird»
tritt derselbe reine Glah^ gennaniscber Sittenstrenge bervor, der
rich in Deutscbland leider damals scbon verdunkelt batte. Die
Franen stunden auf keiner eingebildeten Hobe aber auf einem
featen und sicbem Boden, auf dem sie uberdiefz sicb selbst*
Bfindiger bewegten als der Bucbstabe der Gesetzbiicber aussagt
Sechster Abschnitt.
Die Term&hluiij^.
_ . • ; .
JJie Verbindungen der hofischen Zeit, welche. bloHz ^ixic ^
iibergehende Befriedigung der Eitelkeit oder siimlicbeii Wo
fallens bezweckten, waren dort nicht moglichy wp aJle YeA
nifse und namentlich die der Familie streng aufgefafzt wur
LiebjBleien oder Minnedienst kannte der Germane in der Zeit
ner unbefleckten Yolksthumlichkeit nicht ; hinter der geauUze
Zuneigung stund jedesmal die Ehe oder wenigstena der An
zu ihr , welche durch die Verlobung abgeschlofzen ; durch
bald mehr bald minder rasche Heimfiirung der Braut, angeti
wur^e.
, Die altesten Berichterstatter tiber germanische Zustande^ C
ui^d ^Tacitus stimmen darin tiberein, dafz die Deutschen erst ip
ferem Alter eich verheirateten. Casar sagt (de bellp gall. 6, 21)
die ganze Erziehung des Mannes bei den Germanen yon friih an
Abhartungund Krdftigung gehe, so s^i es auchein grofzesLpl
hnen lange keusch zu bleiben, denn dadurch werde der Leib {
und gestalt. Yor dem zwanzigsten Jahre mit einem Weibe zu i
zu haben , sei die hochste Schande. Und Tacitus sagt eben
(Germ. 20) ') dafz die JCinglinge den geschlechtlichen Genufz
*) Vgl. auch Pompon. Mela de situ orbis HI. 8.
101
kennen lemten; daher konxme auch ihre UDerschopfte. Mannlich-
keit. Auch die Madchen eiltennicht ^sur. iplhe. Gleich .an ^ Alter
und K5iper eeiea, die sl^ch ehe}ichten uiid/ die J^n^f&r bezeugten
diese. Kemigkpit de^r Eltern. -^ Die ,8itt€t ispislten Qeiratens hat
sidb noch lange in unserm Volke gehalten und is.t -^^ wie es
scheint um das 13» Jahrjiunde?rt .verlsfommen. EJer/ Dic^bt^^jdef
Dietrichsflupht eijrzalt. dafz yor Be^nejs Helden J)ieltwaj;t Zeit ;wedef
Mann noch Weib /rtiher als , uait dreiCzig Jabren hab.^, heiraten
darfen. Leider sei . ^i^z nun n/ieht mehr Sitte; und. die Fqlg^ J^ifSr
ten rich an, der Welt (160-^187), : In Italien war noch im 13t
Jahrhui^dert das dreifzigsteJahrfClr Manner und Frauen das Al-
ter wo sie die £hen einznge^ien pflegtea,^). = ; . .,
Dennochfehlt es[nicht anZeugnifsen.fur eine weit f riihere Ab-
8chliiefzuj;ig der Ehe unte^ den gernoanischen Stammen^ ja fiir Ehen
in eineni; Alter wo es unserm GefCihle ganz widersteht. Bei denLon-;
gobaid^ waren die Heiraten zwolfj3,hrige^ Knaben und M^d^hen
vollig giltig, ebenpo nach sachsischem und friesischem Rechte*);;
und auch. im franzpsischen . Lehnrecht §ind zwolf tiahre fur das
Madchen. ein fester Zeitpunkt der Vernaahlung. , Nicht mmder kpna-
men Ehen von ungleichem Alter vor, in denen meistens die Ver-
lobte erwachsen der Brautigam aber ein kleiner Kn^Jbie war: ein
Verhaltnjfs das notwendig zu viel Ungehorigkeitjen Aniafz gab,
gegen welohe gesetzlich eingeschritten werden n^iuste^). Skandi-
nayien z^igt gleichfalls Abweic^YPgen von der Ge^pnheit. Aua
einer Reihe Beispielie fiire ich nur An dafz Konig Magnus der B^rfu-
tzige von Norwegen seinen Sohn Sigurd im Alter von neun. Jah-
ren mit der irischen Konigstochter Biadmyi^a, die fiinf J^ahr ri^t,
▼erm'^lt (ForQinannas. .7, 50).. J^ allgeo^ieji^en scheinen ti^nhehn
itHae for die Madchen das gewdnlichQ Heiratsalter nach norwe-
») Bicobald. Ferrar. bei Muratori IX. 138. ') L. Lintpr. XII. CXII,
▼gl. hieriiber Kraut Vonnundschaft 1, J 23 — 132. — Westerlaw. ges. 420, 7. —
I^oXxntla^e reckerches sur la condition civile et politique des ferhmes p. 2*7. —
Vienefan Jahre alsgebotenes Aker derYennahlung eigener Mftdchen Weist. I, 311.
*) L Wisigoth. III. 1, 4. 1. Langob. Karoli M. c. 145. Hludov. U. conv, Ticin.
«iO (Pertz L U 414).
gischem Rechte ^) und anch die Manner mtkrzen sach, da gleiches
Oder wenigstens anliches Alter der Graiten fest gehalten wnrde, n
nicht 8pS,teren Jahren yermahlt haben. Dieser fr&he AbsGhlufz der
£he zeigt sich nicht blofz in den hohem Standen, wo oft Sofzere
Riicksichten dazu fOrten (Beispiele aus Dentschland liefzen sich
viele anfOren), sondem auch in den niedeniy unter dem Liandyolke.
Im allgemeinen jedoch mag die alte gute Sitte gewart worden sein.
\ Bevor ich uber die Eingehung der Ehe weiter handle, will
ich dieselbe durch Bruder-Berthold empfelen lafzen* Er hatiiber
die Oefaren der Ehelosigkeit gesprochen nnd fart also fort:
Darum, du junge Welt, gehe in starker Bnfze in dich und znr
Ehe oder mit der Ehelosigkeit auf den Grand der floUe. ,3i^*
der Berthold, ich bin noch ein junger Knabe nnd die mich gem
name, die will ich nicht und die ich gem nSme, die will mich
nicht." Sieh, so nimm aus aller Welt eine zur Ehe, mit der du
recht und gesetzlich lebest Willst du die eine nicht, so nimm
die andere ; willst du die kurze nicht, so nimm die lange ; wiDst
du die lange nicht, so nimm die kui*ze ; willst du die weifze nicht,
80 nimm die schwarze; willst du die schlanke nicht, so nimm die
dicke. Nimm dir nur eine Ehefrau aus aller Welt „Bnider Ber-
thold, ich bin noch arm und habe nichts." Es ist weit befzer dafz
du arm ziun Himmelreich farest als reich zur Holle* Du wirst
schwerer reich in der Ehelosigkeit als in der Ehe. ,,BruderBer-
thold, ich habe mein Brot noch nicht." Ich hOre wol du wilkt
die Ehe nicht. Da du nun die Unehe haben willst, so nimm dir
wenigstens nur eine zur Unehe. Nimm dieselbe an die eine Hand
und den Teufel an die andere und nun geht alle drei mit ein-
ander zur HoUe wo euch nimmer geholfen wird rS. 80« Kling.)
Schon als wir die rechtlichen Yerhaltnifse aer Madchen be-
trachteten, hatten wir Gelegenheit die starke Familiengemeinscluift
der Germanen warzimemen. Das Yolk theilte aich aufzer in
Staten und Gemeinen in Geschlechter imd diese waren der Grand '
des ganzen dffentlichen und privaten Lebens. Es zeig^ sich darin
'} Frostath. 11, 18. Fornmannas. 2, 21.
das feste und geschlofzene der alt germanischen Art, das zu tin*
serer heutigen Zerfarenheit und dem Lockersein der hauslichen Zu»
stande in bitterem Gegensatze steht* Wie der Aelteste an der Ge*-
meme oder des States Spitze, so trat der Vater oder Bruder
kurz das nachstberechtigte mannlicbe Familienglied an das Haupt
des Geschlechtes, ratend und verwaltend, vertretend und schiitzend.
Das einzelne Glicd des Hauses war kein unabhangiges souveranes
Wesen sondem der Theil eines geordneten GiKnzen, das seine
Pflichten gegen dafzelbe hatte und ohne die Einwilligung des Ge-
schlechtsbauptes nicbt aus dem Verbande scheiden durfte* Die £in->
gehung der Ehe war aber seitens der Frau eine Lossagung von
deiD angeborenen Geschlechte und der Eintritt in ein gekorenes
oder gebotenes. Aufzer dem Selbstwillen muste daher auch der
Geschlechtswille befragt und gehOrt werden.
Der Yprmund ist der Verlober des Weibes. Nach dem, was
wir bereits iiber die Mundschaftsverhaltnifse mittheilten, hat zu-
nachst der Vater iiber die Hand des Madchens zu verfiigen, der
wenn die Ehe irgend eine Ehe und nicht eine tyrannische AUein-
herrschaft war, seine Frau zu Rate zog 0» Nach dem Tode des
Vaters iibemam laut mehrerer germanischer Gesetze *) die Mutter
diefz Recht ; nach der island ischen Gr4g&8 tritt sie erst nach dem
altesten Bruder der Braut ein ; Bedingung war naturlich dafz sie
noch unverheiratete Witwe war, denn in anderm Falle war sie
aus dem Geschlechte ihrer Kinder geschieden. Uebrigens war sie
fast das einzige Weib welches das Kecht der Verlobung person*
lich ausuben durfte; fiir die iibrigen berechtigten weiblichen
Verwandten traten mit einer einzigen Ausname ihre Gatten ein«
Waren sie unverheiratet so wurden sie ubergangen^ indem wie
diefz das uplandische Gesetz ausspricht^ keine Jungfrau eine Jung*
frau verloben darf '). Die Verwandten folgen in den vel-schiedenen
Volksrechten nach dem jedesmal angeuommenen Grade der Ver-
') Frostath. 11, 2. Hakonarb. c. 50. sagen geradezu /ac/AtV ok modhir fkal
ridha giptingum doetra finna. ') L. Wisigoth. III. 1, 7. Uplands L III. 1. SjelL
I. 1. 47. 48. ') Uplandsl. III. 1. aei ma md m6 giptae*
13
194
wandschaft, wobei abermals darauf hinzuweisen ist, dafz im skaii-
dinavischen Rechte die Vaters- und Mutterbriider zu den ent-
femteren Geschlechtsgliedern gerechnet werden. Auf sie lolgen
die Bruders- und Schwestersohne und hiemacli ihre Frauen, welche
mit der Mutter die einzigen zu personlicher Verlobung berech-
tigten Weiber sind (Gr^g^s festath. 1.). Eine Ausiiame von der
gemeinen germanischen Rechtsansicht zeigt das VerlobungsgeBetz
der Gr^g^s darin, dafz auch die unehelich geborenen Verwandten
in die^Reihe der Verlober eintreten.
/Bei unfreien hatte begreiflicher Weise der Herr das Verlo-
bungsrecht. Seine Einwilligung war gewonlich an die Entrich-
tung eines Zinses gekniipft ') , der bald in Geld bald in andem
Leietungen bestund. Ganz besonderen Verpflichtungen war natiir-
lich nachzukommen , wenn ein eigener die horige eines anderen
Herren heiratete* Fur solche Falle errichteten merere Herrschaf-
ten, z. B. einige Schweizer Stifte, eine Genofzenschaft worin die
gegenseitige Verheiratung der Leute dieser Herrschaften gestattet
war, Heiratete aber ein eigener seine Ungenofzin, so muste er
im Falle er sich nicht mit seinem Herm verglich, einen jahrlichen
Strafzins zahlen ^) und sein Weib und seine Kinder erbten nichts
von dem, was er als eigener Mann hatte (Weisthiimer 1, 674, 823).
Statt ihrer trat sein nachster der Herrschaft horiger Verwandte
die Erbschaft an (Weist. 1, 669. 3, 130. 346). Strenger nooh ward
der bestraft , welcher eine Verwandte aus der Genofzenschaft ver-
heiratete, denn er selbst kam lebenslanglich in das Gefangnifs und
sein ganzes farendes Gut verfiel der Herrschaft (Weist 1, 813).
Aufzer dem Zins, welchen der unfreie Brautigam an seinen Herm
zu entrichten hatte, bezog der Gebieter der Braut naturlich den
Brautkauf {maritagium^ bumede); bei einigen Volkem, so bei den
spateren Romem , den Schotten , Franzosen und Rufsen hatte er
aufzerdem das jus pjimae noctis ^). Bei den Germanen ist die Be-
*) Eichhom dcutsche Staats- iind Rechtsgcschichte §. 339. Anm. (5. Anfl.
2, 556). *) Vjrl. 1. sal. cmeirl. 29. 6. hciratct ein unfreier die horige eines frem-
dcn Herm ohnc Kinwilligunp^ sc'iicr Herrschaft, so vcrffiJlt er in Bufzc von 120 Denar.
') Grinun liechtsalterth. 379. ff. Du Cange «. v» marcheta. Grupen de uxore iJuO'
195
griindung des rechtlichen Anspruchs zweifelhaft, denn ein gerades
Zeugnifs gew'art nur epi Schweizer Weisthum von 1543 (weist
1, 43) ; dafz der Brauch aber vielfach statt f and und Gewonheit
wurde die oft als Recht betrachtet ward, ist nicht abzuleugnen.
Das Erlaubnifsgeld zur Heirat der Unfreien wurde sebr bald als
eine Ablosung dieses rohen Scheinrechtes betrachtet. j
Die Erlaubnifs zur Heirat war aber nicht allein den eigenen
Leuten notig, sondem auch den Freien welche im Lehensverhalt-
nifse stunden. Es entsprang hieraus das Recht der Fursten und
Herren, nach Gutdunken Ehen unter ihren Unterthanen zu stif-
ten und ihnen ein Ehegebot oder den Zwang binnen eines bestimm-
ten Alters zu heiraten aufzulegen 0- Zunachst erstreckte sich diefz
Recht auf die welche zu dem Hofe in einem naheren Verhaltnifse
etunden, und diesen gegeniiber mafzten sich es bereits die gothi-
echen Konige an, durch das Beispiel der Byzantiner vielleicht
aufgefordert. Ein junger Gepide, Namens Vila, Spertrager des
gothischen Konigs Ddibadus hatte sich mit einem Madchen ver-
lobt, das er sehr liebte. Warend er im Kriege war, gab indefsen
der Konig seine Braut einem andem zur Frau; Vila aber dariiber
aufs hochste aufgebracht, totete den Ildibadus (Procop de bello goth»
3, 1. vgl. 1, 11). Geduldigere Untergebene hatten die Merowinger,
welche auch in dieser Hinsicht mit der aufzersten Willkiir ver-
faren *). Nicht minder hegten die KaroHnger dieses sogenannte
Kecht, welches ein Hohn auf alle personliche Freiheit war. Selbst
die Giinstlinge der Konige mafzten es sich an; so erlaubte sich
der Bischof Liutprant von Vercelli die emporendsten Eingriffe in
die Familieni'echte, indem er die Tochter der edelsten Geschlech-
ter Deutschlands und It aliens an seine Geschopfe verheiratete,
ohne dafz er oflfenen Widerstand gefunden zu haben scheint ').
So tief war bereits das Mannerbewustsein der Germanen gesun-
Hsea 1—^5. Schaffncr Gesch. der Rcchtsvcrfafzung Frankreichs 3, 185. Der Bi-
schof von Amiens erlaubte sich bis 1336 sogar fiir die crsten drei Nachte eine
Gebtthr zu fordem (marquetta. droit de jambe, cuifsage). ') Vernachlafzigung
iks Ehegebots wurde mit Geld gcbiilzt. Weisthiiraer 1, 169. 311. 2, 568. ') Waitz
<leatfiche Verfafzungsgeschiclite 2, 135. *) Pertz monum. 1, 404.
13*
196 _
ken ! — Sobald in Skandinavien die freiere Verfafzung emem star-
ken Konigsthume gevrichen war, tauchte auch diese Vermahlungfl-
willkiir der Ftirsten auf. Sie vermahlten nicht selten au8 Grc-
Bchlechtem denen sie eine Siine zu leisten batten, die Tochter
mit einem ihrer GUnstlinge, zuweilen auch mit sich selbst *). Der
reiche Bonde Th6rolf Kvelmilf ist in einer Fehde gegen Konig
Harald Schonhar umgekommen. An Haralds Hofe sind ThSrolfs
Freunde und Mutterbriider Eywind Lambi und Olver Hnufa,
welche durch den Unfall verstimmt den KOnig um Urlaub bitten,
aus dem Gefolge zu scheiden. AUein Harald verweigert diefz und
fiirt eine Sfine herbei, indem *er dem Egwind das ganze Erbe
Thorolfs sammt defsen Witwe Sigrid zuspricht. Sigrid, die schon
in Th&rolfs Hand durch eine Schenkung ihres ersten Gatten gc-
langt war, halt es fiir das geratenste dem Machtspmch des Ko-
nigs sich zu fiigen (Egils s. c* 22.). In Deutschland war die Ehe-
stiftung ein kaiserliches Privilegium geworden, dem sich indefsen
bereits im 13. Jahrhundert einzelne Stadte durch Befreiungsur-
kunden zu entziehen wusten* Landesherrliche Eh est if tun gen er-
hielten sich jedoch noch bis in das 16. Jahrhundert 2) ; bei ihrem
Hof state und der Dienerschaft spielten vorneme wie niedrige Herren
bis in die neueste Zeit die gnadigen Verlober. Der Heiratskonsens,
den die Beamten mancher Lander noch heute bedurfeii, ist ein
Rest des alten Einwilligungsrechtes des Herm*
Diese Befugnifs der Landesherrn lag in ihrem obervormund-
schaftlichen Verhaltnifse zu einem grofzen Theile der Landsafzen
begriindet. Ausgchend von denen, welche des Schutzes eines
Geschlechtsverbandes entberten, dente sich diese Macht auf
alle Werlose aus *) , erfur aber auch bedeutende Einwirkrng
durch die lehnsherrliche Gewalt der Ftirsten, Das unumschrankte
Verfugungsrecht uber die Hand des Weibes war altgermanisch ;
der Vormund durfte es vermahlen wem er wolte und mit Ehren
') Fornmannas. 1, 183. 196. 2, 49. 3, 35. 7, 50. Die Yerm&hlang Skadhis
mit Niiirdh gchOrt ebenfalls hierher. Pflicbt des Morders war es einen Ersatz fllr
deu verlorenen Schiitzer zu geben. *; Grimm Rechtsalterth. 488. ') Knuit
Vormumlschaft 1, 63 — 99.
konnte , ohne dafz die Tochter Sch wester oder wer sonst die
Schutzbefolene war, ihre Neigung und Einwilligung erklarte; er
besafz das Zwangsrecht ^). Besooders durch den £influfz dee Kri-
8tenthums milderte sieli indefsen diese Harte des Verfarens in
mereren Landem. fDie longobardischen Gesetze bereits bestimmen
dafz derjenige, welcher ein Madchen gegen defsen Willen ver-
lobt, die Mundschaft iiber es verliere; ausgenommen von dieser
Strafe sei allein der Vater und der Bnider des Madchens, weil
von diesen nur die beste Fiirsorge zu erwarten sei ^)\ Angeleach-
sische, norwegische, oberschwedische ^ und friesische Bestim-
mungen fbrdern die Zustimraung des Weibes zur Vollgiltigkeit
der Verlobung* Hatte ein westerlandischer Friese seine Tochter
gegen ihren Willen verheiratet und es geschieht ihr dadurch ein
Leid, so hat er sie zu biifzen als habe er sie mit seiner Hand
erBchlagen. (Richthofen 474, 11^. Zwang zur Vermahlung war
nach dem Eidsivathingsrecht (Kristenr. c. 23) Grund zur Schei-
dung sobald die Klage in Jahresfrist angebracht wurde,
Ein Schritt auf diesem Wege weiter muste zu einer grofzeren
Selbststandigkeit der Frauen furen als ihnen nach der streng germa-
niscben Auffafzung des Familienlebens zustund* Wo wir dieFrauen
im Besitze eines mehr oder minder unbeschrankten Selbstverlo-
bungsrechtes finden , da ist ein neuer Zeitgeist m'achtig, Merere der
tier einschlagenden Gesetze zeigen ubrigens das friihere Verhalt-
nifs noch nicht ganz beseitigt. Das norwegische Frostathingsbuch
(11, 18) gesteht einem Madchen , das in voiles Erbe getreten ist,
mit funfzehn Jahren die Befugnifs zu, sich zu verheiraten wem
es wolle; es mufz aber seinen nachsten Verwandten zu Rate Zie-
hen. Nach jiitischem Rechte durfte die Frau wenn sie keinen na-
hen Verwandten hatte das Verlobungsrecht ubertragen wem sie
wolte (1 , 33) , eine Bestimmung die im Schleswigschen Stadtrecht
(§. 6. neueres Stadtr, §. 9) dahin gestaltet ist, dafz sich dasMad-
») Vgl. Wilda Strafrecht der Germanen 802. *) Ed. Roth. 196. 1. Liutpr.
12. vgl. anch Ed. Roth. 182. 1. Liutpr. 120. nicht minder 1. Wisigoth. III. 3, 4. 11.
'; Cnak dom. 1. 72. Frostath. III. 22. Vestgotal. Zubatz II.
' 198
/ chen selbst verloben kann, ini Falle es der gekoreneVormund
nicht verheiraten will ^). In der mittleren Zeit wurde in Deutsch-
land voUjarigen Weibern die Selbst verlobung ohne Vormund
gestattet ^) ; doch mag sich das Gefiihl des Volkes gegen diefz
Recht mehrfach gestraubt haben; es ward wenigstens die Ein-
willigung der Familie verlangt. So sagt Ulrich von Lichtenstein
in seinem Frauenbuche (626, 9 — 12); „ein Madchen das keine
Eltern hat , folge der Freunde Rat ; will es sich selbst dem
Manne geben, so mag es wol mit Schande leben." Auch ^erin
hat Martin Luther seinen deutschen Sinn entschieden bewart,
indem er sagt: Gott hat ein Mannlein und ein Fraulein geschaf-
fen , die soUen und mufzen bei einander sein , wie er es verord-
net hat: das ist nach seinem Willen, den er den Eltern gegeben
hat, sollen sie zusammenkommen und sich verheiraten. (Tischre-
den. Von der Ehe. n. 88). Die kanonistische Ansicht achneidet
gegen diese AufFafzung wie wir weiter sehen werden, bedeutend
ab und erweist sich auch hierin als undeutsch.
^ Bei vomemen Frauen , zumal wenn sie keine nahe Ver-
i wandte batten, lafzt sich schon in alter Zeit die Selbstverlobung
nachweisen ; ich erinnere nur an Theudelind , des longobardischen
Konigs Authari Wit we, welche sich dem Herzog Agilulf aus
eigener Macht vermahlte. AUein solche Falle sind Ausnamen *),
wie die spat ere Gewonheit Abweichung war von der altgerma-
nischen Auffafzung der Familienverhaltnifse. Zur rechtsgiltigen
Verlobung gehorte durchaus dafz das Weib von dem rechten
Vormunde dem Manne vermahlt wurde. Sobald irgend jemand
anderes als der berechtigte Mundwald die Verlobung voUzogy
war dicselbe ungiltig und die schuldigen traf Strafe. Nach islan-
') Diesclbc Erlnubnirs stund nach franzosischcm Lehnrecht dem Mftdchen
zu sobald es der Lehnsherr nicht verloben wolte. Laboulaye recherches p. 257. —
Nach jiitischcm Rechte (I, 8) hatte der Konig ein Madchen auf die Klage dafz
seine Vcrwandtcn cine pafscndc Ileirat ab>vicsen, zu verheiraten: die Ver-
wandten batten indefsen Beirai. Vgl. auch Thords Dcgcns art B. 38. ") Krant
Vormundschaft 1, 326. 3) Die ganze Erztihlung Pauls von Theudelind unter-
licgt iibcrdiefz bedeutcnden Bedcukeu. Vgl. Kettberg Kirchengoschichto 2, 180.
199
dischem Eechte (Grfi.g^ festath. 6.) hatte der rechte Vormund
den Brautigam vorzufordem und auf defsen Verbannung so wie
auf Geldentschadigung fiir den vorenthaltenen Brautkauf anzutra-
gen. Konnte derselbe durch Eideshelfer beweisen , dafz er den
welcher die Verlobung voUzog fiir den Berechtigten gebalten,
80 wurde er zwar nicht verbannt, aUein die Entschadigung muste
er dennoch zalen; der Anmafzer aber wurde Landes verwiesen*
Sobald indefsen kein vorgeblicher Vormund sondern die Braut
sich seibst verlobt hatte , so half kein ReinigUDgseid und die
Sache wurde als fleischliches Verbrechen (legordh) behandelt. In
den ubrigen nordischen Rechtsbiichem *) ist die Rechtsauflfafzung
dieselbe; nur dieStrafen haben sich alle in Geldbufzen verwandeit.
Die Verletzung des Rechtes der Verlobung (faestningardn)
80 wie die Vorenthaltung des Brautkaufs werden jene an dem
unrechten Verlober, diese am Brautigam gestraft. Gab sich eine
Frau ohne Verlobung dem Manne zum Weibe, so trat sie hier-
dorch freiwillig aus der Geschlechtsverbindung , verzichtete also
stillschweigend auf alle Rechte als Mitglied der vaterlichen Familie
und biifzte demgem'afz alle Erbanspriiche auf das Hausvermogen
ein. Erst wenn ihr die Eltern vergaben und sie wieder zur Tochter
des Hauses annamen, ward sie wieder erbfahig. Mit diesen Rechts-
bestimmungen lauten fast alle ubrigen alteren und mittleren ger-
manischen Gesetze gleich *). Das jiitische Recht (1 , 33) war etwas
milder , indem die Frau durch ihre unrechte Vermahlung allerdings
personlich das Elternerbe nicht antreten durfte, allein es konnten doch
ihre Kinder nach ihrem Tode in den Besitz des Erbtheils gelangen.
Eine femere Milderung findet sich im friesischen Westerwolder
Landrecht (1, 1) und dem Kopenhagener Stadtrecht von 1294
(n. 92) wonach die Frau nach dem Ableben der Eltern ihr ange-
borenes Verraogen erhalt. Im scharfen Widerspruch zu diesen mil-
den Urtheilen steht die strenge Bestimmung des salischen Ge-
») Uplandsl. III. 1. Ostgotal. giptab. 4. Vestgotal. II. Zus. 8. Gulath 5U
Gutal 21. ') L. Angl. et Werin X, 2. Wisigoth III. 2, 8. Burg XII, 5. Hamb.
Stadtr. V. 1270. X. 4. Liib. recht. cod. Brock. 1, 10. Freyberg stat v. 1676, §. 77,
200
getzes fXIV) dafz das Madchen im Falle der bewiUigten Enffii-
rung nicht blofz das Vermogen , soudem auch die Freiheit (inge^
nuitatem) einbiifzt 0- Es ist diefz wol die altgermanische Beurthei-
lung dieser Selbstentziehung des Geschlechtsverbandes.
Zu den schwersten Verbrechen rechneten unsere Altvorderen
die gewaltsame Untfiirung, den Frauenraub. Die Verletzung dee
Friedens der Frauen und ihres Schamgefiils ^) kam mit dem Brache
des Rechtes ihrer Verwandten zusammen. Verbannung traf nacfa
islandischem Rechte nicht allein den Entfiirer oder den fiir wel-
chen das Madchen entfiirt wurde , sondem auch alle welche mit-
wifzend n^heren oder ferneren Antheil an der That hatten. Ge-
sch'arft wurde die Strafe bis zur vollkommenen Friedlosigkeit, wenn
die Frau auf geschehene Aufforderung nicht ausgeliefert wurde.
(Gr^g, festath. 29. 38. 39. 42). Wir sehen in vielen andem Ge-
setzen den Tod auf Frauenraub geselzt. Wer bei der Entfiirung
erschlagen wurde, lag nach upl3.ndischem Rechte (11. 6.) unge-
biifzt; der Rauber war friedlos, so lange er nicht den rechtm'd*
fzigen Verlober versOnt hatte. Wer eine Gotlanderin raubte,
wurde getotet oder muste das Leben mit seinem Wergelde er-
kaufen. (Gutal. 24). Das westgothische Gesetz ist nicht minder
streng. Kann die geraubte dem Entfiirer ungeschandet entflie*
hen, so biifzt dieser nur sein halbes Vermogen; hat er aber
seinen Willen gehabt, so wird er der Frau mit allem Vermogen
ubergcben, bekommt offentlich zweihundert Hiebe imd iat ihr be-
standiger Sklave. Erklart sich die Frau bereit den Rauber zu
heiraten, so sind beide des Todes schuldig; fliehen eie zu einer
Kirche oder zum Bischof, so wird ihnen allerdings das Leben
geschenkt, allein ihre Ehe ist ungiltig und sie sind Horige der
') Vj^l. Wilda Strafrocht der Germanen S. 801. *) Notzucht und Franen^
raub, obschon bcide streng genommen zu scheidcn sind, fallen in den Gesetiea
niehrfach zusammen. Ith verweise wegen der gesetzlichen Bcstimmungen ftber die
Notzucht auf Wilda Strafr. 829—39. Vgl. auch Grimnf Rechtsalterth. 633; fiber
Entfiirung und Frauenraub Wilda 839 — 849. — Ueber beide Verbrechen n»-
mcutlich in Bc/.ug auf die Ehe unterscheiden sicb die germanischen Bechtsansicb*
t^n t><2hr streng von den antiken und den Ciebrauchen wilder Volkerachaften.
201
Eltem der Frau. Strenge Strafe triffit sogar die Briider der Frau,
wenn sie um die That wusten. (1. Wisig. III. 3, 1 — 4). Das
Asylrecht, was hier der Frauenrauber geniefzt, ist aBderwarts
aufgehoben. So setzte es der frankische Childebert 11. fiir sein
Land aufzer Kraft, Chlothar 11. stellte es indefsen fiir alle Ver-
brechen wieder her. (Pertz leg. I. 12). Bei den Friesen gaJt es
nicht. Floh der Kauber mit der Frau aus dem Hause in ein an-
deres, von diesem zu ein em dritten, von hier zur Kirche, so
muste der Richter die drei Hauser verbrennen , die Kirche erbre-
chen und den Rauber herausnemen *). Karl der Grofze bestimmte
785 zu Paderborn den Tod fiir den , welcher die Tochter seines
Herm entfiirte (Pertz leg. 1. 49); im iibrigen belegte die Kirche
die Frauenrauber mit dem Banne ^). (^Erwahnt werde noch die
Bestimmung des Hamburger Stadtrechtes von 1270 (X. 4. Lap-
penberg 1, 62) wonach derjenige straflos war, welcher ein Mad-
chen liber sechszehn Jahre alt unbekleidet und mit seinem
Willen entfurte , die Todesstrafe aber auf den fiel , welcher
ein jiingeres wenn auch mit defsen Willen oder ein alteres gegen
defsen Willen raubte. }Jene Strenge des westgothischen Gesetz-
buches erstreckt sich auch auf die Verjahrung der Klage iiber
Frauenraub, die erst nach dreifzig Jahren eintritt (III. 3, 7),
warend das milder urtheilende longobardische Recht dem Vor-
munde die Riickforderung des geraubten Miindels verbot, sobald
es sich bereits ein Jahr lang im Besitz eines dritten befunden
hatte *). Dafz die alte Strafe fiir den Frauenraub , der Tod oder
die gleich bedeutende Friedlosigkeit , auch in den iibrigen ger-
manischen Stammen bestanden habe, ist daraus zu schliefzeu, i
dalz sie eine hohe Geldbufze in diesen Fallen ansetzen, gemafz
dem in sie entweder vollig oder theilweise eingedrungenen Grund-
satze von dem Abkaufen der Schuld. Die Summe entspricht bald
') Siebcnte Fries. Ueborkiir. Bichthofen 100. *) Die kirchlichen Bestim-
njungen stiitzeu sich auf concil. Ancyr. c. 10. cone. Chaleed. c. 38.; sie wurden
auf dem cuncil. Aquisgran. v. 816 c. 23. 24. wiederholt, vgi. Hartzlicim coucU.
Germ. I. 546. Ansgisi cupit. I. 98. 99. (Pertz. leg. L 285); der Kirchenbaon itimmt
Ztt der weltUchen Friedlosigkeit. ^) Form, ad ed. Both. 222.
(
202
dem Brautkaufe bald dem theilweisen oder ganzen Wergelde des
Madchens *). DerRauber ist zugleich genotigt die entfiirte, wenn
es derVater verlangt, zuriickzugeben ; einem gutlichenVergleiche
ist hier und da der Weg angebant. (1. Alam LIV.)
Schwerer noch als in den bisher behandelten lHUen war
natiirlich die Rechtsverletzung wenn die entfiirte einem andern
verlobt war. Aufzer den Blutsverwandten war namlich der^Brau-
tigam zu siinen, welcher zu dem Madchen durch die Verlobmig
bereits in naher Beziehung stund. Am voUstandigsten sind hier-
iiber , die Angaben des sachsischen und longobardischen Kechtes.
Nach der lex Saxonum (X) hat der Brautrauber dem Vater und
dem Brautigam , jedem 300 Solidi zu zalen und aufzer dem noch
das Mundium der Frau mit 300 Sol. zu erwerben ; raubte er sie von
der Seite der Mutter weg , so erhielt auch diese 300 Sol. ; er hatte
also dreifachen, beziehungsweise vierfachen Brautkauf zu erlegen.
•Das edictum Eotharis (190, 193) bestimmt dafz der Entfurer,
wenn die Braut eingewilligt hatte, dem Vormunde 40 Sol. und
den Mundkauf nach bestehender Hohe, dem Brautigam aber die
doppelte meta zu zalen hatte. Wusten auch die Eltem von der
Entfiirung, so batten sie ebenfalls dem BrS^utigam den doppel-
ten Brautkauf zu geben ; es fand demnach ein erhohter Btlckkauf
statt^ Dieselben Grundsatze des Riickkaufs der Braut herrschen
im westgothischen Gesetzbuche ; die Eltem haben hier im Falle
des Mitwifzens den vierfachen Brautkauf zu entrichten. (HI. 3, 3) *).
Auf die Entfiirung einer Ehefrau stund friiher ebenfalla der
Tod; noch danische Gesetze der mittleren Zeit halten an dieser
Strafe fest (Thords. Deg. art. B. 54. Rib. stadtr. 17.). Schon frtlh
war indefsen auch fiir dieses Verbrechen Siine durch Geld ein-
gef iirt , die natiirlich dem verletzten Ehemanne zu leisten war •).
*) L. Alam. LIV. Bajuv. VII. ed. Roth. 187. 188. Liutpr. CXIV. 1. Burg.
XII. XIV. Sal. XIV. Rip. XXXIV. XXXV. Angl. et Werin. X. Sax. VI. Fris.
IX. Brock, ges. 136.' 166.' Aedhclb. dom. 81. 83. Hansprivil. 84. *) Vgl. fiber
Brautraub noch 1. Sal. XIV. 8. 9. Alam. LII. Bajuv. VII. 1 6. Wisigoth. lU. 8, 6.
Sax. X. Vcstgotal. 1. giftarb. S.Frostath. 11,1. Hludov. cap. 817 (Pertz leg. 1, 211) -
sodann Wilda Strafr. 849 — 852. *) 1. Alam. LI. Sal. XVI. 1. Ripuar. XXXV.
20S
Ganz besonders schwer war die Strafe fur den Raub eines Wei-)
bes, das sich fiir das Klosterleben entschieden hatte, auch wenn
68 noch nicht wirklich Nonne war (1. Liutpn XXX). Die Ver-
letzung der Rechte des himmlischen Brautigams und der Raub
an der Earche warden von der Greistlichkeit gleich hoch in An-
schlag gebracht.
Die strenge Beurtheilung der Entfurung wirkte auch auf die
Kinder, die aus der ungesetzlichen Verbindung hervorgiengen ;
weil die Ehe nicht unter den geforderten Formen geschlofzen
war, galten sie fiir nicht erbfahig* Ein merkwCirdiges Beispiel
wird in der Egilssage erzalt. Biorgolf hatte halb mit Gewalt die
Ehe mit Hildirid, Hognis Tochter, geschlofzen. ©bschon er
den gesetzHchen Forderungen bei Abhaltung des Brautlaufs ge-
niigt hatte, wurde den Kindern doch vorgeworfen, sie seien nicht
erbfahig {arfbomir) weil ihre Mutter gewaltsam geehelicht sei *)•
Die Riicksicht welche alle Gesetze auf den Frauenraub nemen,
beweist wie zahlreich er vorkam. Sobald der Freier von den El- /
tern abgewiesen wurde oder sich irgend andere Hindemifse der ^
VecHiahlung entgegenstellten, griff er rasch entschlofzen zur Selbst-
hilfe. Aus vielen skandinavischen Geschichten will ich nur eine
anftiren. Der Norweger BiOm Brynjulfsson hatte sich in Thora,
die Tochter des Thorir Hroaldsson verliebt, war aber mit einem
Korbe heimgeschickt worden. Da raubte er das Madchen und
brachte es zu seinen Eltern , die indefsen iibel damit zufrieden
waren und den Sohn anhielten es zurlickzugeben. Da entschlofz
sich Biom zu neuem Raube, entfiirte Thora aus dem Gemache
seiner Mutter und fliichtete sie auf ein Schiff das nach Island
gieng. Unterwegs hielt er den Brautlauf mit ihr. Anif Island fand
er bei Skalagrim, einem Freunde seines Geschlechtes, gastfreund- .
liche Aufname; als aber dieser erfur wie es eigentlich urn Biorn
stund, so hub er alien Verker mit dem Frauenrauber auf, be-
sonders da Thoras Vater sein Pflegebruder war. Er trieb ihn je-
doch nicht aus dem Hause sondern iiberliefz die Sorge fiir die
*) Vaeri medh valdi tekin ok hernumin heim hd/dh. Egilss, c. 9:
204
Gaste seinem Sohne Thdrolf. Biom war nun in scMimmer Lage:
in Norwegen war er wegen seines Raubes durch Kdnig Harald
Schonhar friedlos gelegt, auf Island wird er schlimm ajigeeehen
iind nur geduldet, weil ihm einmal Gastfreundschaft zugesagt ist.
Er findet jedoch an Thorolf einen Retter ; dieser weifz seinen Va-
ter zu be wegen die Vermittelung zwischen Biom und Thorir zu
iibernemen und es gelingt. Die Friedlosigkeit wird in Folge defsen
aufgehoben und der Frauenrauber darf nach Norwegen zuriick-
keren (Egilss. c. 32 — 35).
Die Entfurungen mit und ohne Willen des Madchens ka-
men in dem wirklichen und dem gedichteten Leben des Mittel-
alters sehr.haufig vor, sowol in der vorritterlichen Zeit al8 in der
ritterlichen. Sie boten fiir diese einen unendlichen Keiz : diefz
Trotzen auf den eigenen Willen, diefz Hindurchbrechen durch
Gefaren und Tod , die Treue der Freunde und Mannen die da-
bei sich besiegeln lafzen konnte, alles diefz lockte zusammen mit
der siifzen Frucht verbotener oder verweigerter Liebe und leuch-
tete dem suchenden Ritter aJs schonstes Abenteuer entgegen. Die
Kreuzziige zeigten sich auch hier von bedeutender Wichtigkeit;
da lernten die abendlandischen Ritter schone Griechinnen und rei-
zende Heidinnen kennen und mit beiden war ein Liebesgenufz
meist nurmoglich durch Raub und Entfurung; es bildeten sich die
Epen von kiinen gefarvoUen Werbungen und Brautfarten aus
dem Abendlande nach Byzanz und dem Morgenlande ; hier und
da mischte sich die gelehrte Erinnerung jener altesten Rau*
bereien der Europaer an asiatischen Frauen hinein; in der Heimat
selbst ward die Lust zu solchen kecken Farten wieder neu und alte
Sagen von Normannenziigen und dem Gegenkampfe der beraubten
, Vater und Brautigame erstunden. Das zwolfte und dreizehnte
Jalirhundert haben demgemafz merere deutsche Epen, deren
Voiwurf eine Entfurung ist, hervorgebracht ; einige sind in der
rohen und zugleich halbgelehrten Spielmannsweise , das eine ist
aber ein echt deutsches Gedicht und stellt uns mitten hinein in
die Seeziige, welche von Skandinaviern nach den friesischen und
s'achsischen Kiisten gcschahcn. Es ist ein festlandisches Gegen-
205
bild zu den zaireichen Erzalungen anlicher Art, welche uns die
Skandinavier verzeichnet haben. Die unschatzbaren islandischen
Familien- und Konigsgeschichten , die man eine zweite Germania
Dennen mochte, bieten uns auch hiervon die scharfsten und deut-
llchsten Bilder des Lebens, die man fast Daguerrotype nennen
kann, nut so niiehtemer Wahrheit sind sie meistens gezeichnet*
Da treten uns auch Brautwerbungen entgegen welche nicht befzer
als Raubereien sind, denn die Zunge des Freiers ist das Schwert*
Ein Berserker, Liot der bleiche, hatte um Gyda die Tochter
einer Witwe angehalten, allein der wilde rohe Mensch war abge-
wiesen worden. Da forderte er den jungen Bruder des Madchens,
Fridgeir, auf den Holm, damit der Zweikampf entscheide ob er die
Braut erhalte oder nicht. Der Ausgang war unzweifelhaft und das
Haus der Witwe in Trauer; allein diefzmal solte die rohe Ge-
walt nicht siegen. Der Skald Egil Skalagrimsson, mit dem Schwert
80 tuchtig wie mit dem Worte, erbot sich fiir den Knaben ein-
zutreten und der Berserker fiel (Egilss^ c. 67). Zu den nordi-
schen Bildern liefzen sich siidliche halten aus dem Lande zwischen
Rhone und Alpen und aus den norditalischen Gauen. Da spielen
die Farben der Schwarmerei und flackemder Leidenschaft hinein,
aber iiber sie wie iiber die nordischen fallt der diistere Schatten
des Unrechtes, an den sich grell ein blutioter Streif kettet. Die
Liebe will errungen nicht erzwungen sein, die Ehe will Segen
nicht Fluch zu ihrem Grundbaue.
iZu der rechtsgiltigen Ehe in derZeit der unverletzten Volks-
thiimlichkeit der Germanen gehorte die Verlobung durch die Hand
de8 nachsten Verwandten. Wie sich das ganze Leben unserer Vor-
zeit nicht nach dfem augenblicklichen Gutdiinken und der Willkiir
des einzelnen richtete, sondern in festen Formeln gleich der Poesie
bewegte, so war auch das wichtige Untememen der Verlobung
in allem was dabei geschehen muste fest bestimmt. Hatte ein
Jiingb'ng aus den Geschlechtern der stolzen freien nordischen
Landbesitzer vor, um die Tochter eines anderen Geschlechtes zu
werben, so nam er falls er sich nicht allein angesehen gpnug
dauchte, einen Fiirsprecher in seinem Vater oder einem alteren
206
Freunde und Verwandten mit , und ritt begleitet von einer Schar
anderer Genofzen zu dem Hofe , wo das Madchen wonte ^). Dort
flirt der Fiirsprecher das Wort und spricht zu dem Vater der
ersehnten Braut ungefar also: „Mein Sohn (oder mein Freund)
will um deine Tochter bitten. Du kennst sein Geschlecht sein
Vermogen und die Macht seiner VerWandten und Freunde.'*
Hierauf beginnt die Besprechung fiber Brautkauf Mitgift und die
andem notigen Dinge, und ist alles nach dem Wunsche beider
Theile, so erfolgt die Verlobung. — Auf die Begleitung des
f Werbers ward viel gegeben. Der junge Gunnlaug Ormstunga hat
allein um Helga Thorsteins Tochter angehalten, allein der Vater
sieht diefz fiir Spott an und weist den Jtogling ab. Ala aber
Gunnlaug mit seinem Vater Illugi und elf andem Mannem zu
Thorstein kommt , so sagt dieser nach einigem Verhandeln : we-
gen deiner Rede und unserer Freundschaft sei Helga dem Gunn-
laug versprochen. (Gunnlaugs s. c. 5). Nur sehr angesehene Man-
ner wagten ohne Fiirsprecher anzuhalten; so wirbt Thorolf Ska-
lagrims Sohn selbst , wenn auch von guter Fartgenofzenschaft *)
umgeben , um Asgerd , Biornstochter. (Egils s. c. 42). Der Fur-
sprecher*), der Fiirer und Aelteste des Werbezuges, scheint bei
alien germanischen Stammen der ordnungsmafzigen Werbung
notwendig gewesen zu sein; selbst der Gott Freyr wagte der Sage
nach nicht allein sondem nur durch den Fiirsprecher Skimir
um die Geliebte zu freien. Bei den Fiirsten geschah, sobald das
Madchen aufzerLandes war, die Werbung stets und allein durch
Genandte*); da verleitete wol die Begier, die Braut vor der ge-
setzten Zeit zu sehen , manchen jungen heifzbliitigen Fiirsten sich
^) Altnord. bdnordhsf^r, Wcrbungsfart, til kvdnhoena ridha, auf die Froite
reiten. — meifjar bidhja einumhverjum til handa, um ein Madchen fur jemandcn
nnhulten. *) Foruneyti, althochd. truht. alts, druht. ags. dryht. *) Ahd. brut'
bitil. brutiboto. himachari* truhtinc. truhtigomo. alts, drohtinc, nicderd. brutkneht, brut'
Jorer, ags. dryhtealdor. dryhfgvma. br^dhguma. hadhfvapa. inas, fuarman. altn. bidkilL
altschw. bryttughe. gerdaman. forviftaman. *) VeftgdtaL I. giptab, 1. vgl. die Ge-
dichtc von Gudrun, Rother, St. Oswald. S. auch Engelstoft 122 — 124. Der Auf-
zug des jungen Fiirsten Sigisiner den Sidon. Apoll. ep. 4, 20 beschreibt, gait
schwerlich der Werbung der Braut) sondem war bereits der Brautlauf.
2(rt
verkleidet unter die Gesandtschaft zu mischen , wie diefz der
Sage nach der longobardische Konig Authari that , ale er um
die bairieche Herzogstochter Theudlind werben liefz. In den hoch-
8ten Standen hat sich diefz Werben durch andere bis heute er-
halten , nicht minder im Bauemstande der neben dem hohen
Adel alte Sitten am treuesten bewarte. Wir gedenken hieV zu-
nachst aus mittlerer Zeit des Berichtes des Neokorus in seiner
dietmarsisehen Kronik ^), Der junge Dietmarse bat seine Eltern
oder zwei seiner Vettem oder guten Freunde mit den Verwand-
ten des gewiinschten Madchens zu sprechen, nachdem er selbst
vorher mit den seinen iiber dieWahl reiflichRat gepflogen hatte.
Die Werbersleute wurden gut empfangen and nach langer Be-
sprechung ihnen eine Zeit bestimmt, wann sie wieder anfragen
konnten. Dabei ward wol vorgesehen dafz bei ihrem fortgehen
keine Schaufel oder dergleichen an der Thiir stiinde , denn das
war ein altes Zeichen des Abweisens* Warend der gegebenen
Frist ward unter der Hand alles gethan um die Sache zu for-
dern, und am bestimmten Tage kam es dahin dafz die Ver-
eprechung (bekentnifse) angesetzt wurde^ Zu dieser kam der
Brautigam gewonlich selbst, indefsen liefz er sich zuweilen auch
dabei noch durch einen Verwandten vertreten , dem an seiner
Stelle die Braut zur Ehe verlobt wurde.
In solcher Weise geht es noch heute unter den nieder- und
oberdeutschen Bauern her , mehr so dafz uber Geld und Gut als
uber die Herzen verhandelt wiirde. Nicht selten ist das Heirats-
8tiften zu einem Gewerbe geworden , indem sich Manner und
Frauen zu Heiratsvermittlern fur die niederen Stande aufwerfen
und gegen ein Stuck Geld das Zusammenbringen der Heiratslustigen
ubememen. Was Neokorus von den Dietmarschen erzalt, dafz
es bei ihnen fiir eine grofze Schande gelte wenn sich ein Mad-
chen antragen lafze, war zu seiner Zeit bereits anderwarts iiblich
und heute findet es in alien Gegenflen statt. Gleich manchen der
alten Nordlander vertrauen indefsen auch heute manche junge
') Van friewervinge^ uthfchuven unde hochtidlichen frouden der Ditmerfchen
(Dahlmann I, 100-123).
208
Bauern auf eich selbst und tragen sich ohne Freiwerber dem
Madchen oder der Witwe an, Diefz „auf die Heirat gehn" zeigt
una ganz das practische des Bauemstandes. Wo der Mann von
eiiiein vermogenden Weibe hort, mag es auch sonst manche Man-
gel haben, da beglbt er sich bin und bringt mit Darlegung seiner
Verhaltnifse die Werbung an. Erhalt er einen Korb, so weifz er
sich zu trosten und feiert nicht selten als heiterster Hochzeitgast
die Vermahlung eines gliicklicheren Bewerbers mit. Liebe ist nicht
im Spiele, die Ehe wird als eine Anstalt betrachtet das VermOgen
zu vergrofzern oder eine tuchtige Wirtin ohne Miete und Gefahr
des Wechsels zu erlangen , und auf Seiten des Weibes walten
gewonlich eben so wenig idealei Rucksichten ob. Es ist diefz
gerade herausgesagt die altgermanische Weise des Eheab-
schlufzes, denn auch hier war der wichtigste Theil der Bere-
dung die Vermogensfrage. Beide Seiten batten gewifsen Gesetz*
forderungen zu geniigen : der Brautigam muste das Madchen
erwerben (kaulen), die Verwandten defselben batten die Mitgift
auszusetzen und der Brautigam der Mitgift eine Gegenschenkung
entgegenzustelleu , abgesehen von Gaben an Braut und Braut-
verwaiidte.
Ehe wir uns zu dieser Grundlegung der Ehe wenden, werde
ein islandisches Tanzlied (vikivaki) angefiirt, in welchem sich wie
in vielen anderen Volksspielen und Keihen ein alter Kechtsbrauch
und zwar der lies Brautkaufes erhalten hat *).
Madchen sind in einem Hause versammelt und singen wa-
rend ihre Liebhabcr an die Thiiie treten :
Was wll Hof und was will Alf, Was bieten alle Burschen HofiB?
,, Stein bietet Hof, Stein bietet Alf, Stein bieten alle Burschen Hofs."
Sie werden honisch abgewiesen , gehen fort , keren zu-
riick, der Gesang beginnt in voriger Weise und die Burschen
bieten Kupfer zum Brautkauf. Weniger verachtlich abgewiesen
bieten sie zum diitten Male Gold. Da singen die Madchen:
>; Mitgcthcilt von V. E. Muller iu Lyngbye faeroiske quAeder. p. 37.
2W
il
Wlllkommen Hdf , willkommen Alf , willkotnmen ftU ihr Bur*
tchen Hoffil Die Manner treten in das Hand und der Tanz be-^
ginnt *}•
" Die erste litid hauptsachlicfaste der geaetzlichen Leistungen
war der Brautkauf *). Er ist die Ablosung der Braut von der
angeborenen Mundscbaft und die Bedingung des rechtmafzigen
£intritt8 in das Gescblecht und den Schutz des Bt-'autigams. £in
Erkaufen der Person lag in der altesten Zeit darin ^) ; in der histo-
rischen war er nur Ausdruck der Erwerbutig aller^echte^ welehe
uch auch in Hin^icbt des Vermogens an die Uebemame der
Vormnndschaft der Braut kniipften. Obne Mahlschatz gehorte
di^ Frau nur ihrem angeborenen Geschlechte an, ihre etwaigen
Kinder erbten ddber nur in ihrer Familie ^) und wurden als keine
rechten Olieder des Geschlechtes des Vaters betrachtet; sie mu-^
fiten sich Sohne einer Beischlaferin (frillusy) schelten lafzen. Der
Bn^utkauf mac^hte die Ehe erst zurEhe > das heifzt zu einer ge^
Betzmafzigen Verbindung.
So weit wir nnser Alterthum vermittelst Gesetzbucher und
Geschichtsschreiber durehschauen k5nnen, sehen wir iiberall den
Brautkauf gezalt. Er scheint urspriinglich nur in beweglicher Habe
gegeben zu seiti y allein schon zur Zeit der Aufzeichnung der
Volksrechte bestund er auch in Land, was den sofariftlichen
Vertrag ziirFolgehatte. Die Hohe des Mundschatzes war verschie-
deh. Von der Verlobting der angUschen Konigstochter mit dem
tamiscben KonigssohAe Hermigisil bericbt^t Procop ganz allge-
') VgU auch ein schlesisches Volkslied bei Hoffmann nnd l^ichter Schles.
Volkslieifier S. 119. No. dS. *) mahalfeda, mwhtfccit, hriUmiete'Umgdb^ rhetcL burgund.
•fttoM. age. VMiuma^ fcSi. cedp: fries, wetma, htuetfcaU altn. mundr. faftingaft, —
aitteUat. mundiwnu J)pot\falitium. arrket. pretium enuionis. nuptiale pretium. dos. —
^Mifrau kattfeUf — mid cedpe cvSne gebicgan, — keypa gw4n, -— uxor em emere. —
(^rimm Rechtsalterth. 421. Ki'aat Vormnndschaft §§. 20. 35. ') Das beweist das
Becht des Mannes seine Frau wie eine Sache zn verkaufen nnd verschenken. Er
bit mt gekanft, dai'uin kann er tlber sie v^rfiigen. V^. darftber das siebente
Ktpitel. *) Gr&g. arfatb. S. Frostath. S, U« Yestfotal. I. arfdh. 7.— Der Sohn
ciiier Ften i%r welehe kein Mundschatz geisalt war nnd deren Hochzeit niclit
dflenUi'jh war, hiefz nach Gulathingsbdk c. 104. homnngr«
14
210
mein , dafz grofze Schatze als Brautkauf gegeben seien ') ;
ebenso erzalt Paul Wamefrieds Sohn (III. 27) nur, dafz der
Longobardenkonig Authari mit grofzen Gescfaenken (munera) um
die Schwester des Frankenkonigs Childebert 11. wirbt. In den
Eddaliedem ^) wird bald allgemein von Gold gesprochen , bald
bestimmteres an gegeben. ^tli gab fiir Godrun eine Menge Kost-
barkeiten, viel Silber, dreifzig Knechte und sieben MagdeJ Wir
diirfen mit Bestimmtheit annemen dafz urspr&nglich die Hohe
des Brautkaufes dem Uebereinkommen der beiden Seiten iiber-
lafzen wurde, wie das in den longobardischen und westgothisphen
Gesetzen geradezu ausgesprochen \yird *), und sodann dafz er sich
nach dem Stande des Mannes richtete. Es bildeten sich nur all-
malich gewifse Satze fiir die hochste und fiir die geringste Za-
lung, um einerseits die Verschwendung und unbillige Anspriiche
andererseits die Kargheit zu ziigeln. ,
Auf Island ward eine Mark (VI. alna aurar) als geringster
Mundsehatz angenommen und Kinder einer Frau, die um gerin-
geren Preis erkauft war, galten nicht fiir erbfahig. (Gr&g* arf. 3).
Fiir eine edle Friesin waren acht Pfund acht Unzen acht Schilling
achtPfennige die wetma (21. Fries. Landrecht) ; ein hochsterSatz
scheint der s'achsische Brautkauf zu 300 sol. (1. Sax. VI,, 1).
Die hochste meta , welehe der vornemste Longobarde , der judex,
zalen durfte , betrug 400 solidi , andere edele zalten 300 sol.
(1. Liutpr. 6, 35). Die westgothische dos soUte den zehnten Theil
des Vermogens des Brautigams nicht iibersteigen ; vomeme duif-
ten aufzerdem zehn Knechte, zehn Magde und dreifzig Pferde
oder Schmuck zu 1000 solidi geben, (1. Wisig. III. 1, 5); auch
hier kam iibrigens alles auf das getroffene Uebereinkommen an
(HE. 1 , 2). Bei den Burgundern betrug der Brautkauf fiir die
ersten Stande (optimates. mediocres) 50 sol. , fiir den leudis 16 sol.,
bei den Alemannen werden 40 sol. angegeben *). Wir mogen alle
') Froc. de b. goth. 4, 20* xQVf'^''^ fisydXa tm z'qs fi^vfjctsCas owf
dBSoDHoag loyo), ») Saem. 65.' vgl. 83. flF. — Saem. 263.' *) Ed. Both. 190.
191. 215. 1. Liutprandi VI. 35. 1. Wisigoth. III. 1,2. *) Kraut Vormmidichaft
1, 310.
211
ftiese Satze fiir hochste annemen ; denn einige derselben, wie der
sachsische sind in der That sehr hoch, aufzerdem neigt sich aber
der germanische Geist schon friih dahin, den Brautkauf nur als
einen Scheinkauf festzuhalten der an und fur sich unbedeutend
eine Rechtsformalitat wird. Diefz let bei den Salfranken zeitig
geschehen , wo schon zur Zeit Chlpdwigs der Brautkauf nur einen
Solidus und einen Denar betrug; mit dieser Summe wurde Chlo-
thilde dem Chlodwig verlobt ^). Die Folge war dafz der Braut-
kauf allmalich verschwand und nur in der lange noch dauernden
Eedensart „ein Weib kaufen" ^) fortlebte. Das Mundschafts- und
Geschlechtsverhaltnifs war locker geworden , andere Leistungen
seitens des Mannes hatten sich ausgebildet und die Kirche stelte
sich dem vermeintlichen Erkaufen einer Seele entgegen ^). Nur
im Norden und bei denFriesen, wo die ahen Familienbande sich
am langsten fest erhielten, leistete der auf sie gegriindete Brautkauf
den neuen Ansichten einen hartnackigeren Widerstand. Einzelne
Erinnerungen an die Bechtssitte des Mahlschatzes haben sich
noch in den Hochzeitsgebrauchen des deutschen Landvolkes er-
Iialten.
In der Bedeutung des Brautkaufs als emer Loskaufung von
der Mundschaft des vaterlichen Geschlechts der Frau liegt es,
dafz die Zalung dem Vormund derselben zu leisten war *); sie
wurde in Gegenwart von Zeugen dem rechtmafzigen Verlober zu
seinem Eigenthume libergeben. So war die urspriingliche Rechts-
gewonheit und dahin ist auch die bekannte Stelle des Tacitus
') Gregor. Turoii. epit. c« 18. form. Lindtnbrog. 75. Bignon. 6. vgl. L
SaL 47 f 1« wo der Brautkauf der Witwe in derselben Summe festgesetzt wird.
*) Grimm Rechtsalterth. 421. Kraut Vormundschaft 1, 175* *) Das concil.
Trerir. von 1227 verbietet den Verwandten oder Vormundern des Brautpars
^uoeunque colore quetesito aliquam pecuntam pro matrimonio contrahendo vel contra'
indo impediendo zu nemen. Hartzbeim 3, 529. Das Verstftndnifs des Brautkaufs
gieng in Dentschland friih verloren. Saxo grammat erzftlt mit Vorwurf von den
Nordlandem, dafz bei ibnen die Ehen feil seien. *) Vgl. Grimm Rechtsalt.
*i8. C — Bei den Slaven fand gleicbes Statt. In kleinrufzischen Hochzeitge-
biinchen hat rich der Brautkauf noch als Scberz erbalten. Der jiingste Bruder
d<r Braat verkanft seine Schwester um ein par Dukaten.
14*
212
(Germ. 18) zu deuten, obschon er die Gaben welche der Mann
gibt, als Gaben an die Braut gefafzt hat. Trotz der schOnen
Gedanken welche er daran knupft , bringt es ihre Beschaflfen-
heit schon mit sich, sie fiir Leistungen an die Verwandten der
Frau zu erklaren. Es sind Kinder , ein gezaumtes Rofs , ein
Schild Geer und Schwert; Dinge welche noch in spaterer Zeit
als Bestandtheile des Brautkaufes vorkommen. So werden im
westgothischen Gesetz neben Sklaven y dreifzig Pferde, in firan-
kischen Formeln Pferde Kinder und anderes Vieh, in aleman-
nischen Urkunden *) Kofse Kinder Tiicher , im Norden sogar
das Schwert (Saem* 65.) als Theile des Mundschatzes erwahnt*
Von dieser naturgemS-fzen in seinem Begrifte begriindeten Ver-
wendung des Brautschatzes entferute man sich indefsen allgemach
und liefz bald theilweise bald ganz die Braut in seinen Grenufz
treten. Nach der lex Saxonum (VI, 1) wird der Mundschatz den
Vormiindem des Weibes ausgezalt ; bei den Longobarden kam er
wie es scheint bis gegen das siebente Jahrhundert eben denselben
zu^ dann aber wich man vom alten Kechte ab: im siebenten Jahr-
hundert bereits wird die Meta allerdings dem Vormunde iiberge-
ben, dieser schenkt sie aber der Frau (ed. Koth* 178. 199). Hier
finden wir also den Weg , wie sich die Bestimmung dee Braut-
kaufes veranderte, klar angegeben. Die weitere Folge trat
bereits ein Jahrhundert spater dort ein, indem er unmittelbar der
Braut iibergeben wurde. (1. Liutpr. VI. 35. 49. 61)» Bei den
Franken kam er wie es scheint stets dem Vormunde zu (PauL
Diac. in^ 27.), wobei seine geringe Hohe in Anschlag zu bringen
ist* Im burgundischen Geeetze wird der Mundschatz Bur dann
der Frau gegeben, wenn sie die dritte Ehe schliefzt; bei der
ersten Ehe fallen zwei Drittheile defselben den nachsten Verwand-
ten (Schwertmagen oder Mutter und Schwestem^, und nur ein
Drittheil der Braut zu; bei der zweiten Ehe kommt der ganze
wittemo an die Eltem des verstorbenen Mannes. In dieser letz-
0 Sklaven auch 1. Alam. 45, 2. *) Nengart eod. dipl. AImiu L 487.
(a. 890)«
2ia
ten Bestimmuog zeigt filch wieder klar die Bedeutung des Braut-
kaufes als eineir AblOsung der Frau von der bisherigen Mundschaft
Das westgothidche Gesetzbuch hat diefz ganz vergefzen und spricht
die do8 nur der Frau zu. Ebenso fiel im Norden zur Zelt der
Abfafzung der iiberkommenen Rechtsbiicher der mundr tiberall
der Braut anheim M.
Der Brautkauf bedurfre in altester Zeit keiner anderen Ent-
gegnung als die in der Uebergabe der Braut lag. Sobald in-
defsen seine urspriingliche Bedeutung sich abschw'achte und er
mehr ein Geschenk an die Familie der Braut oder an diese selbst
als ein Kechtskauf wurde , so muste sich eine Gegenleistung e^i-
finden die wir in der Mi t gift*) sehr friih eintreten sehen. Das
Verhaltnifs des Mannes zur Mitgift war indefsen ein ganz an-
deres als das der Frau zum Brautkauf; denn sie ward nicht
Eigenthum d^s Mannes , sondern blieb wenn nicht anderes aus-
drucklich bestimmt war wenigstens in altester Zeit stets der
Frau eigen. Ich kann darum auch in dem Waflfengeschenk , das
nach Tacitus die Braut dem Manne zubrachte , nicht eigentlich
eine Mitgifl sehen sondern nur ein Geschenk, dem sich andere
Geschenke Seitens des Brautigams vergleichen lafzen, Tacitus
Bcheint mir iiber das Wesen des germanischen Brautkau&s und
der Mitgift ganz im Unklaren.
Durch den Ausschlufz des Weibes von liegendem Eigen er-
gibt sich dafz ursprunglich den Brauten nur farende Habe mit-
gegeben wurde. Der frankische Konig Chilperlch gab seiner
Tochter bei ihrer Vermahlung mit dem WestgotheilkOnig viel
Kostbarkeiten mit, ebenso ward sie von der Mutter mit Gold
wnd Silber und Gewandem ausgestattet und die Grofzen des Eei-
*) Saem. 83. fif. Gr&gas festath. 50, Gulath. b. c, 54. 64. vgL Engelstoft
p. 150. — Au8 Grag. festath. 7. lafzt sich schliefzen dafz der Munischatz we-
^igstens durch die Hand des Verlobers gieng. *) heimftiur, hiftiur, — ingeddm
(Grupen de uxore theot. 125) —^ boldbreng. fletjeve. — hetmgidf. heimanfylgja. hem-
jyk<^K heimanferd. hemfaerdh, medhfylgdh^ heimanmundr. dmynd, mala. •— hier und
^(We3terwold. Landr. v. 1470. Brom. ritterr. 125. §. 1.) hruetfcoL — faderfium.
P^^ophemalia, illata. dos.
)
214
ches brachten als die befolene Ausstattungsbeisteuer thefls Gold
theils Silber, die meisten aber Kleider ^). Brynhild^ Godmn,
Oddrun , Svanhild wurden nach den Eddaliedem mit Gold und
kostbaren Gewandem ausgestattet *^ ; ebenso erscheint Greld ver-
arbeitetes edles Metall und kostbares Pelzwerk auch sonst im
Norden als Mitgift. Bei Fiirstentochtem oder TOchtem grofzerer
Grundbesitzer war ein mehr oder minder grofzes Hofgesinde,
au3 Ministerialen und TOchtem lehnspflichtiger bestehend, nicht
selten ein Theil der Mitgift. So lafzt Chilperich seiner Tochter
einen grofzen Hofstat folgen 3), und zuSigeband von Irland zieht
die junge Fiirstin von Norwegen von einer grofzen Schar Sitter
und Jungfrauen begleitet. (Gudrtln 9. 12.) Bei der Erzidiung der
Madehen ward bereits des Branches gedacht , dafz die Unfrde
welche mit der freien Todhter des Hauses aufgewaphsen war, ihr
gewonlich zu dem Gatten folgte. Auch der Schwabenspiegel
(Ian dr. 73) gibt eigene Leute als Aussteuer an.
Wie bei dem Brautkauf , so kam noch mehr bei der Mit-
gift als einer nicht unbedingt notigen Leistung alles auf das
getroffene Uebereinkommen und die Vermogenszustande der Brant
an. Im ostgothlandischen Gesetz (giptab. 2) finden wir jedoch
einen festen Satz (laghadmynd) , der bei der geringen Hohe nur
fiir die niedrigste Mitgift gel ten kann. Fiir freie betragt sie nam-
lich neun Ore *) , die sogar nach dem Tode einer Frau , welche
ohne Mitgift verheiratet worden war, behufs der Erbtheilung aus
dem Vermogen des Mannes herausgenommen wurde; bei Ehen
zwischen freien und unfreien sechs Ore , bei unfreien nur zwd
Ore (giptab. 29, 1. 2). Im Gutalag (65) sind als hochste Mitgift
zwei Mark Goldes angesetzt, die nicht iiberschritten werden
') (Sreg. Tur. VI. 45. Ueber die Prinzefsinnensteuer Gmpen de nxore theot.
p. 29. *) Saem. 218.* 230.' 241.' 267.' Der technische Ausdiuck war mcy gulU
gaedhoy reifa. — gera mey heiman vidk /S ok guilt. Fommannas. 3, 110. 10, 75.
■) Chilperich verfur daboi mit der grosten Willkiir und zwang trot* ihres Wider-
strebcns alle freie, die er ausgewalt hatte, mit nach Spanien zu Ziehen. Gregor.
Turon. VI, 45. *) Acht Ore giengen auf die Mark Silber. Wilda Strafttoht
der Germanen. S. 324.
215
diirfen ') ; ebenso sind auch sonst Bestimmungen iiber die erlaubte
HOhe gegeben. Auf Island durfte, wie das sehr begreiflich war,
dieMitgift dasErbtheil derSohne nicht tiberragen (Grftgas arfath.
2.); auf Seeland, wo die Tochter nur halbes Sohnestheil erbten,
war die Aussteuer an diesen Satz gebunden. (Sjel. L 1. 7). Mit
der 'Umandening dafz die Frauen auch Land erben konnten,
war naturlich auch die Moglichkeit gegeben, dafz die Toch-
ter mit liegendem Eigen ausgestattet wurden. Das alteste Bei-
spiel ist bei der Vermahlung der Schwester Theoderichs des
Grofzen , Amalafrid, mit dem YandalenkOnig Trasamund, indem
ihr der Bruder das sicilische Vorgebirge Lilybaum zur Mitgift
auBsetzt (Procop b. vand* 1 , 8)* In den nordischen Geschichten
erecheint Landbesitz nicht selten als Mitgift der FiirstentOchter *)♦
Als der schwedische Konig Ingi seine Tochter Margarete dem
norwegischen Konige Magnus dem baarfiifzigen vermahlt, be-
stimmt er die Giiter in Gautland, um die sie zuvor gestritten
hatten, zur Aussteuer (Fornm. s. 7, 62). Konig Ingi Bardarsohn
von Norwegen beseitigte seinen GegenkOnig Philipp durch die
Heirat mit seiner Nichte Kristina. Die Birkibeiner , Ingis Anhan-
ger, batten aber ausdrucklich bedungen dafz merere norwegi-
8che Landschaften , Upplond und ein Theil von Vik , Ejristinas
Aussteuer sein solten. (Fornm. s. 9, 183). Mehrere skandinavische
Rechtsbucher lafzen ebenso unbedenklich im allgemeinen liegen*
des Eigen zu Mitgift geben und vererben *). Im ostgothlandi-
Bchen Heiratsrecht wird ausfiirliches fiber die Aussteuer bestimmt,
Zjierst soUe man der freien Frau ein Kopfpolster aussetzen, so-
danji liegendes Eigen wenn solches vorhanden, und zum dritten
Gold und Silber. Ist sie unvermogend, so neme man was da
bt and bilde die Mitgift nach jenen drei Haupttheilen (giptab. !)•
') Schildener nimmt diese fylgi nicht als eigentliche Ausstattnng, son-
deni ftir ein Andenken das die Eltern mitgaben. ') Nach der Snorra-cdda
(27) bringt Skadi dem Niordh ihr vaterliches Gut Thrymheim zu. Skadi tritt iiber-
kanpt in jeder Art als Erbin des Vaters auf. — Vgl. auch Grimm Rechtsalt. 430.
*) VgL Vestgotal. I. idrdhb. l.Ostgotal. giptab. 16. 12, I.
i
216'
Auch im uplandischen Gresetze (III. 8) wird liegendes Eagaa neben
farender Habe ausdriicklich als Mitgift erw&hnt ^).
Wer die Mitgift f estsetzte ist deutlich ; natlirlich dnd M die
rechtmafzigen Verlober, also die Eltern oder die Briider oder die
BODBt nachsten Yerwandten. Die Mutter -scheint eich namentlich
bei deF Aussteuer der Toehter betheiligt zu haben^), wie denn
fluch ihre Mitgift entweder ganz oder zum grOsten Theile auf die
Toehter yer^rbt (OatgStal giptab. 12. 23). Sind die Eltern tot,
00 haben die Briider die Schwesteni mit dem ihnen ^ukommen*
den £Jrbtbeile auszustatten ; sitsen YoUr und HalbbrUder xngleioh
im Gate , go gind nur jene zur Beistcuer yerpflichtet (OstgotaL
giptab, 28), Yerheiratet sich ein Wit wer wieder, so muC? er sei-
nen jSob^cn dieUrgaf geben, das heifzt, ihnen sein halbes Yermo*
gen abtreten; die Toehter m&fzen sich mit ihrer Ausstattung be-
gntigen (OstgStal. arfdhab^ 9.) '). Waren einige Toehter ausge-
stattet und yerheiratet und die anderen nicht, so batten die ver»
heirateten nach dem Tode des Yaters ihre Mitgift zur Krhthei*
lung zuriickzubringen und die ganze Mafse ward nun uoter die
Kinder nach den bestehenden Yorschriften yertheilt *). £rhabeii
sich nach der Yermahlung Streitigkeiten liber die Aussteaer, so
hatte nach ostgothlandischem Eecht (giptab. 11.) der Verlober
seine Aussage uber das, was er gegeben hatte , mit dem Eide
zweier Yerwandten und zwClf gekorener Zeugen (meth tyem af ni^
thinne ok tolf yalinkunnum) zu unterstiitzen ; nach dem norwegischen
Hakonarbuehe (c. 50) entschied das Zeugnifs zweier Zeugen der
Yerlobung. War man vorher dariiber uneinig, so batte nach frie-
') Von der Mitgift wird haufig die Ausstattung (Aussteuer , Kistcn-
pfand, Brautwagen, inged6m boldbreng) unterschieden und d&runter die Qetchenke
zur hftuslichen Einrichtung und in die Wirtachaft verstanden, welohe die Utani
dem jungen Fare geben. Vgl. Mittermaier deutsches Friyatr. §. 892. (II. SdS).
Die Scheidung ist jedoch schwer durchzufiiren. *) Vgl. Grftg&s arfiatli. %•
Ostgotal. giptab. 12. '} Nacb mehreren spateren franzosischen Bechten sind die
TOchter mit der Mitgift abgefunden und haben keinen weiteren Anspruch an das T&ter-
liche, es sei denn sie seien nur mit einem Bosenkranz (chapel de rose) d. h. mit nicbtt
ausgestattet worden. Vgl. Laboulaje recherches 245. Le Grand et Boqnefort t. ptir-
d. Fran^. 2, 246. — S. iibrigens Sch&fiEher Rechtsverf. Frankreiclis 8, 1*9. ^ U.
Both 199. Uplandsi. III. 8.
2n
Biechem Rechte (Brockemer geg. 166.') der rfidjeva (Kchter) eineu
Verlober (nriekere) zu ernennen und dieser mit zwei zuverlafzigen
Mannem oder Frauen die Mitgift festzusetzen ; nach Emsiger
Satzungen (Pfennigsch, §. 16) bestimmte der Pfarrer des Wohp-
ortes der Braut mit dem Verlober und zwei ehrenfesten Mannem
die Mitgift.
Schon au8 einigen der hier ang^fiirten gesetzlichen Be-
stimmungen iiber die Mitgift erhellt dafz sie ein loses Gut war/
uber daa der Mann kein Yerfiigungsrecht hatte und das mit\
der Familie der Frau in einem bleibenden Zusammenhang^ 1
stand. Am deutlichsten spricht diefz das uplandische Gesetz \
aas (in* 8) 9 das den Besitz der Mitgift fiir die Frau als ab^ )
hangig von dem Widerrufe der Eltern darsteUt, denn niemand/
koDne einen lebeuden beerben. AnderwSxts tritt ein Aufsichtsrecht
der Verwandten der Frau Gber die Mitgift hervor, wie im friesi-
schen Landrechte (4) ; Verkaufe oder Tausch sind daher von der
Einwilligung des Hauptes ihrer Familie abhangig. Yiel kam darauf
ui ob die Ehe kinderlos war oder nicht. Waren Kinder vorhan-
den, also Erben der Frau im Gesohleohte des Mannes, so war
auch die Mitgifl in festerer Verbindung mit diesem ; das ostgoth*
findische Gesetz gestattete dahef auch den Verkauf der Mitgift
Ane Einwilligung des friiheren Vormundes, sobald dersolbe nur
?ortheilhaft war ^). Kinderlosigkeit bedingte aber den Eiickfall der
Mitgift an die Eltern und namentlich an die Mutter der Frau *) naoh
dem Tode derselben , so wie naturlieh eine vollige Ausschliefzung
dieses Vermogens von dem Verfiigungsrechte des Mannes '). Glau-
Uger defselben batten darum nicht den mindesten Anspruch auf die
Mitgift *)* Nur in zwei Fallen durfte nach ostgotblandischem
Bechte (giptab. 14, 1) der Mann die Mitgift seiner Frau ver-
iofsem: erstens wenn er bei einer Hungersnot schon alles eigene
Gut verkauft hatte, und zweitens wenn die Frau im Kriege ge-
0 Til bcBtra ok egh til $aembra. Ostgotal. giptab 14, 1. '} Ed. Roth. 121.
Grig. ar£ath. 2. Gutal. 20, 18. OstgCtal. giptab. 7. ') Brockem. ges. 136/ 16.
Weist 1, 147. «) Gulath. 115. Hakonarb. 73.
218
raubt war und er zu ihrer AuslOsung nichts besafz. Im erster
Falle rauste er sie jedoch sobald sich seine YermogensumBtandc
gebefzert batten zuriickerstatten , ausgenommen er babe an den
Niefzbrauche des Verkaufgeldes keinen Tbeil genommen.
Obschon wir bier fast nur auf die nordischen Rechte Rfick
I sicht namen, so diirfen wir das gesagte aucb fiir Deutschland all
s giltig erklaren* Nocb im dreizebnten Jabrbundert gait die Mit
j gift fiir ausscbliefzlicbes Eigentbum der Frau und der Mann be-
idurfte bei Verfiigung darfiber stets ibrer Einwilligung '). Alleii
es gieng bald eine Aenderung darin vor und im Hamburger Stadt
recbt von 1497 (G. VII) z. B, finden wir dem von 1270 entge
gen die Bestimmung dalz der Mann aucb iiber das Grundeigen-
tbum der Frau obne ibre Einwilligung verfiigen konne. Ebensc
wird im baieriscben Landrecbt 11, 14 Verfiigung und Beerbnnj
der Heimsteuer falls nicbt anderes bestimmt wurde vorausgesetzt *)
So wenig das Eingebracbte der Frau nacb allem diesem,
wenigstens in alterer Zeit , Eigentbum des Mannes war , so xog
er docb mebr oder weniger Genufz davon und es lag darom in
dem Billigkeitsgefule, nacbdem der Brautkauf bis auf einen Schflin
oder volHg verscbwunden war oder wenn er von der Mitgift alku-
sebr iiberragt wurde, dafz der Frau von dem Manne ein Theil
seines Gutes zur Gegengabe ausgesetzt wurde. Nacb ostgotbliD-
discbem Recbte (giptab. 3. 15) muste der Mann, wenn die Jfitr
gift den secbsten Tbeil eines attung von bebautem Lande (i byg-
dum by) oder drei Mark von abgesondert liegendem Pelde (jl humpi
aella bapi) *) betrug, zwei Mark als Gegenkauf (vidarmund) und
zebn Ore als Mantelkauf (mottulkop) dagegen legen. Bdde
Summon werden zur Mitgift getban und die Witwe nimmt b»
samt dieser von dem ungetbeilten Erbe des Mannes voraus. B>
den iibrigen scbwediscben Gesetzen ist das Wesen dieser Wider-
') Schwabensp. . landr. 73. Hamburger Stadtr. v. 1270. art. I. 20. ■) KrW*
Grundrifz z. deutschen Privatrccht. S. 354 (3. Aufl.) *) Athingaer^ eeriaft^
dam pars pagi. — humper solum a communi pago agro separattan 9t extra
nioneni vicinorum pojttum* (Jlo sar. zu V^gdtalag,
219
lage nicht klar ausgeblldet '). Neben ihr findet sich hiernoch der
laghathridhjung, das ist das gesetzmafzige Drittheil der farenden
Habe dee Mannes das die Witwe von seinem ungetheilten Erbe
Torausnam *).
Der allgemeine Name jener Widerlage in Norwegen wenig-
stens wo das skandinavlsche Recht sich am reichsten entfaltete,
iibrigens aj^ch in einem Theile Schwedens, war Zugabe, tilgiof ').
Sie wird am Verlobungstage sobald das Verlobnifs geschlofzen ist
ubergeben und erscheint ganz wie der Brautkauf, nachdem dieser,
zum Eigenthume der Braut geworden war. Zur Mitgift stimmt
sie in so fern sie ebenfalls zum Niefzbrauche der JFrau diente
(besonders war sie fiir ibre Witwenscbaft bestimmt), unterschei-
det sich aber von ibr darin dafz die,- Verwandten derselben keine \
Anspriiche an sie baben. Stirbt die Frau vor dem Manne, so \
ffQlt die Zugabe an den Mann zuruck*); ebenso fiel Zugabe und \
Brautkauf an diesen bei Ehebruch oder bQslicher Verlafzung sei-
tens des Weibes (Frostatb. 11, 14). Bei einer Ver^ufzerung der
Zugabe hatte der Mann natiirlich ein gleiches Einspruchsrecht wie
die Frau bei der Mitgift. Ibre Hobe muste sich ihrer urspriing-
lichen Bestimmung gemafz nach der Mitgift richten; Brauch ward \
dafz sie dem dritten Theile dieser gleich kam und sie hiefz darum I
auch Drittels vermerung, thridhjungs auki.
Ueber das Bestehen der Zugabe in Danemark lafzt sich
nichts sagen ; auf Island war sie nicht notig, da hier der Brautkauf
in voller Kraft fort bestund und der Frauzufiel. In England verhielt
es sich also damit» Der Brautkauf war wie es scheint durch den
Einflufz der Geistlichkeit bald abgekommen oder wenigstens eigen-
thiimlich als eine Erziehungsentschadigung (fSsterledn^ ftLr die
Verwandten der Braut betrachtet. Nach Edmunds Bestimmungen
(von 940) hat der Brautigam dem Verlober (forfpreca) zu ver-
sprechen und bezeugen dafz er die Braut nach Recht undBillig-^
•; Thorlacius matrim. p. 212. Engelstoft 157—160. ') Vestgotal. I. arfth.
^8. giptaK 9, 2. Uplanclsl. III. 3. 7. *) Vgl. EngelHtoft a. a. o. Grimm Rechts-
alterth. 430. *) H&konarb. 51. Biarkcyjar r. 105. 123.
220
keit halten wolle; sodann gelobt und verwettet er den Erzie-
hungslohn, bestimmt die Morgengabe und das was sie nach sei-
nem Tode haben solle, also eine Summe die wir der tilgiof ver-
gleichen durfen. Nachdem hierdurch der Vermogensanspruch der
Frau bestimmt ist, wird die Verlobung mit Verblirgung derVer-
wandten fiir das Gelobte festgeschlofzen *).
In deu deutscheh Rechten ist die Forderung der Wider-
lage (wederwerf) sehr ausgebildet, da bier der Brautkauf zeitig
abkam '). Sie wurde also eine notwendige Leistung des Mannes
wodnrch die Mitgift aufgewogen wurde imd worauf diese v5llig
in den Besitz des Mannes kam» so dafz die Frau fortab keine
Anspriiche mehr an sie hatte ^). Nach dem Tode des Mannes
hatte sie die Wahl ob sie ihr Eingebrachtes heraushaben oder
das ausgesetzte Leibgedinge nemen wolte. Es stund diefz letztere
ganz in demselben Rechte wie die tilgiof und anderwarts die
Mitgift y haftete also nieht fiir des Mannes Schulden, konnte nicht
fOr ein Verbrechen defselben eingezogen noch ohne ihre Bewil-
ligung und ohne Ersatzleistung vergabt oder verkauft werden,
und blieb ihr auch bei der Ehescheidung. Es haftete an ihrem
Lieibe und fiel nach ihrem Tode an des Mannes nachsten Erben,
oder war es Lehngut an den Herm zuriick, Indem die Wider-
lage besonders fiir den Lebensunterhalt der Witwe ausgesetzt
war, hiefz sie Leibzucht oder Leibgedinge*). Verschie-
den hiervon ist das frankische Wittum *), das allerdings auch
fiir den Unterhalt der Witwe bestimmt aber ohne Btlcksicht auf
das Eingebrachte der Frau ausgesetzt ist. Das Recht derselben
') Grupen do oxore theotisca 232— 243. ') In der do8 der 1. Saxon, dt S.
kann ich keine Widerlage (Leibgedinge) sehen, sondem neme sie mit Ganpp Ar
die Morgengabe. ■) Kraut Grundrifz §. 206, 2—4. 7. 9. 8. 857 (S. Aiifl.).
*) Dotalitium, donatio propter nuptias. — IJeber daa Leibg^edinge in Sachflen, Brsn*
denbnrg, Schlesien, Pommem, das auch der wiederheiratenden Witwe ana den Zin-
sen ihrer dem Manne ganz verfallenen Mitgift gegeben wird, s. Mittermaier Priratr.
§. 395. ») Vidualitium, — wittun ahd. widamo (traditio) ist mit witawa (Witwe)
wie schon mehrfach bemorkt wnrde, nicht rerwandt. In der 1. Bnrgnnd. tit. W
heifzt der Brautkauf wittemo, und kann so heifzen da der Begriff traditio a«ch
auf ihn pafzte.
221
an das Wittum wftrend und nach der Ehe ist dafzelbe wie an
Leibzucht und Widerlage* An den schwedischen loffhathridjzmg
erinnert der zlemlich verbreitete deutsche Branch, der Frau das
Drittelsrecht in alien Giitem des Mannes als Leibgedinge zu
geben ^). Ein bestimmter Ertragstheil des Landgutes, farende
Habe und Grundbesitz, eigener wie zu Lehen empfangener, alles
konnte als Leibzucht ausgesetzt werden.
Neben der 2ugabe (tilgiof) sehen wir in den gothlandischen
Recfaten eine gesetzlich geforderte Leistung welche sich auch erst
aus den veranderten Brauchen gestaltete, die Vingdf (Verwandten-
gabe). Sie wurde an den Verlober als an das Haupt der Familie
der Braut gezalt und betrug nach westgothlandischem Recht (!♦
^ptab* 2) gesetzlich drei Mark. Am Verlobttngstage beredet
ward sie erst nach Beschreitung des Ehebettes gezalt*) und ist
im wesentlichen der Brautkauf, nur unter anderem Namen, iJso
eine Loskaufung der Braut aus der angeborenen Mundschaft.
Etwas anliches wenn auch nur als Geschenk und nicht als
pflichtmafzige Leistung von rechtlicher Wirkung lafzt sich in den
Ehrungen nachweisen, welche im 14. und 15. Jahrhundert in
Baiem der Brautigam an die Eltem und Geschwister der Braut
gab ■). Haufiger und in deutschen G^genden noch heute Branch \
dnd Geschenke der Braut an die Familie des Mannes. Sie mft- \
fzen in Skandinavien in sehr alter Zeit gesetzliches Herkommen
gewesen sein, denn das Eddalied von Thrymr erzalt wie die
Schwester des Eiesen von der vermeinten Braut des Bruders die
Brautgabe (br6dhf6) verlangt. Dieselbe scheint in Geld und Schmuck-
Bachen bestanden zu haben (Saem. 74* Bask). In baierischen Ge-
genden schenkt die Braut heute den Verwandten des Mannes und
dem Brautfurer Schnupftficher und auch wol ein Hemde (Schmeller
a. a. O. 1, 426. 3, 643)* Aenliche Gaben kommen in Schlesien dem
') Glofsa lignic. znm Sachsenspiej^el. Vgl. Homeyer Sacbsensp. II. 361, —
NiefzbraQcfa des dritten Theils der Hinterlafzenschaft des Mannes wird schon I.
Bttrg. 62, 1 der Witwe bestimmt. *) Aen thar komcB bathi a en bulftcer ok undir
OM hUo. VcstgOtal. I. gipt. 2. Ostgotal. giptab. 10, 2. ■) Mftnchener Magi-
itraUverordnang von l405 (Schmeiler "baierischeg Worterbuch 1, 96).
^
222
Braxitfurer oder Hochzeltbitter zu, der vielfach an die Stelle des
Verlobers des Madchens getreten ist.
Seit alter Zeit iiberreichte der Brautigam der Braut am Yer-
lobungstage Geschenke, die meistens in kostbaren Ringen und
andem Schmucksachen bestundeir ^). Bereits im 13. Jahrhundert
war es notig Verordnungen iiber diese Verlobnngsgaben zu er-
lafzen um die Verschwendung einigermafzen zu ziigeln, ^So be-
stimmte die Hamburger Hochzeitordnung von 1292 *) dafz der
Brautigam der Braut nur ein Par Schuhe schicken dUrfe, die
Braut ifam dagegen ein Par Linnenkleider eine Haube einen
Gtirtel und einen Beutel. Anderwarts waren andere Gaben branch-
lich und erlaubt. In Lubeck gab nach der labischen Hochzeit-
ordnung von 1566 ^) ein Brautigam seiner Braut am Verlobunge-
tage einen Eosenkranz (vifftich), in spateren Zeiten drei oder vier
goldene Ringe, zwei goldene Ketten, drei Sammtkragen und drei
Par Aermel (mouwen) ; war er ein Patrizier, aufzerdem einen wei-
fzen Patrizierkragen, den witten. Die Braut verehrte dem Brauti-
gam eine Badekappe und ein Hemd, in spaterer Zeit kamen zu
dem Hemde zwei Schnupftiicher ein Barett und der Trauring*).
Zu dem iQbischen stimmt im wesentlichen der Branch der noch
heute in Schlesien gilt. Der Brautigam gibt der Braut das Braut-
kleid den Schmuck und ein Gebetbuch, die Braut ihm das Brilu-
tigamshemd ein Schnupftuch und zuweilen die Weste, aufzerdem
bringt Ae fiir ihn gewonlich noch ein haib Duzend Hemde und
ein Duzend Taschentucher mit.
Auch die Zeugen der Verlobung , so wie iiberhaupt die
nachsten Verwandten scheinen in alterer Zeit die neuverlobten
beschenkt zu haben. In dem unter dem Namen Kudlieb bekann-
ten lateinischen Gedichte des 10. Jahrhunderts wird erzalt dafz
^) Fornmannas. 2, 128. Alexius 230. *) Lappenberg Hambarger Bechti-
alterthiimer 1, 160. *) Michelsen nnd Asmufsen Archiv Kiel 1838. I. 1, 60. C
*) Der Verlobungsring ward in alter Zeit an mereren Often yon dem Verlobert
also von Seiten der Braut, dem Braatigam iibergeben. Budlieb XIV, 63. Schwi-
bisches Verlobnifs bei Mafsmann kl. Sprachdenkmale 179.
228
Rudlieb seinem Neffen bei der Verlobung. ein langes Pelzkleid
und ein gezaumtes Bofs, der Braut aber SpaDgen Armringe
Fingerreife und einen kostbaren Pelz gibt Ebenso geben
die andem Zeugen Geschenke. (Rudl. XIV , 90 — 98). Jetzt sind
diese Gaben auf den Antritt der Ehe verlegt worden, da die
Verlobung selbst von ihrer alten Bedeutung das meiste verlo-
ren hat.
C^Nachdem die Beredung iiber das Vermogen beider Theile
beendet , Brautkauf und Mitgift und wo das Branch war auch
die Widerlage die Verwandtengabe und die andem Geschenke
festgesetzt und beziehungsweise gegeben waren , schritt man zu
der Vollziehung der Verlobung '). Hauptbedingung war
dafz dieselbe von den rechtm'afzigen Verlobern erfolgte, sodann
dafz sie offentlich, wie sich KSnig Hans von Danemark aus-
driickt (Privileg. 25) am Tage und nicht in der Nacht geschah,
und dafz Zeugen zugegen waren. Tacitus hebt (Germ. 18) die
Gegenwaxt der Eltem und Verwandten hervor; wie dieselben von
Gemiit und dem Gesetz uberall gleich verlangt war , so sind nach
den Gesetzbiichem auch noch andere Zeugen in kleinerer oder
grofzerer Zahl erforderlich. DasBiarkeyrecht erwahnt zweiBraut-
omnner und zwei Brautfrauen aufzer dem gridhmadr und der
gridhkona (Zuchtmann und Zuchtfrau) als wesentliche Zeugen
(c 132); Konig Hans von Danemark bestimmte es solten wenig-
Btens zwolf Personen gegen\» artig sein.
Die Zeugen schlofzen einen Kreis (Bing) und das Braut-
') Vermahlnng. Vermahlen (gemaheleuy altn. mcela) heifzt bereden, im
besondem die Ehe bereden, verloben. gemahele die Verlobten, mahelfcaz Braat-
schatz, mahelvtngerlin Verlobungsring. — Andere deutsche und nordische Worte fur
▼erloben: {GBten, /efta; haxidSesten^handfefiajungfrumannitil Aando. Verlobungs-
tag in den skandinayiscben Gesetzen : fdftingaftemma, f&f'tnadharjltemma, Brauti-
gam : fSftimadhr, Braut: faftikona, — verloben ags. veddian td vi/e and td reht life. — .
Fir Verlobung sind femere deutsche Bezeichnungen Brautkauf (Schmeller 8, 270),
Stnelfeste, Heirat, Heiratstag (Schmeller 2, U. 3, 633; 1, 434. 2, 131.) — Br ft u-
tigam : hrittf/ads, prutigomo, hrydguma, brudhgumi. Braut: hrutha, pr^t, brjd,
^eidj britdhr.
224
par ward in die Mitte defselben gefiirt ^). Dann tmt der Ver-
lober zu ihnen und richtete zuerst an deil Mann , dttnn sn dfl6
Madchen die Frage ob sie einander 2sur Ehe wolteti. So wsr dfi
bei den Verlobungenkoniglicher Pare, bo auchmd^n unterdten Stln-
den. Eine Verlobung aus diesen Kteisen flchildert das Gredicht
von dem Meiersohne Helmbrecht* Der batterische Raaber Lem-
berslind soil der Bauerstochter Gotelind vermahlt werden. Ein
alter Greis steht auf der aller gehOrigen Worte und Brauche
kundig ist, stellt das Par in den King und aagt tn dem Manne:
Wolt ihr Gotelind zur Ehe nemen, so saget ,Ja/' Lemberslind
thut diefz, thut es auch zum zweiten Male und zu^^ dritten
spricht er: „Bei Seele und Leib ich neme gem diefz Weib.*
Darauf spricht der alte zu Gotelind : „Wolt ihr Letnberslind
gem zum Manne?" Ja Herr, entgegnet sie, wenn mif Qoti ihn
g5nnt. „Nemt ihr ihn gem?" fragt er wieder. j,Gem, Herr, gebt
mir ihn her." Zum dritten Male: „Wolt ihr ihn?*' Gem, mm
gebt mir ihn. Darauf gab er Gotelind zum Weibe Lemberslind
und Lemberslind zum Manne Gotelind. Da sangen t&lle dazu mid
der Mann trat der Frau auf den Fufz *). -— - Die KShier Statuten
aus dem 14. Jahrhundert schreiben folgende Form der Verlobung
yor ') : Wer zwei zur Ehe zusammen gibt , soil zuerst den Mann
fragen: Willst du Sibyllen (oder wie sie nUtt heifztj zu einem
ehelichen Weibe und einem Bettgenofzen haben? So soU der
Brautigam sagen : Ja. Dann soil er die Brant bei ihrem Namen
fragen: Willst duHeinriehen (oder wie er heifzi) iknam Voradunde
und Bettgenofzen haben? so soil sie sagen Ja. Dann soil der
Brautigam den King nemen und ihn der Braut an den Finger
nachst dem kleinen Finger stecken und der sie zusammen gibt
soil ein seidenes Tuch, worin zwolf Toraeschen *) sind, nedften and
sprechen : Ich befele euch zusammen auf frankischer Erde mit
') Nib. 568, 3. 1621. Gadr. 1648. Heinr. Trist. 639. Helmbr. 4507. Dj-
beck Rona 4, 70. 75. (1842). *) Zu vergleichen ist aach die VenkiAliIiiiig tou
Betze and Metze. Liederbuch der Klara Hatzlerin. S. 260. nnd Ton Bertsclu Ttkt'
nas und Metze Rtierenzumpf in Wittenweilers Ring S. 140. ff. *) Weftthflmer 1,
836. Wackeraagel in Haupts Z. t d. A. 2, 553. f. *) Kleine Silberm&n*6ti von Tovft
mit Gold und Gestein, Silber und Gold nach Franken Weise
and Sachsen Becht, dafz euer keines das andere lafzen eoll um
lieb noch um leid noch um irgend etwas daa Gott an ihm ge-«
schaffen hat oder schafien wird. Dann soil er das Tuch mit dem
Grelde einem geben der es der Braut behalte, die 6s armen Leu-
ten um Gottes Willen geben muf^. Darauf soil der Brautigam
der Braut aus. dnem Becber schenken und er soil vor der Braut
trinken *).
Sehr interefsant ist dodann die dem 12. Jahrhundert ange-
horige Verlobungsformel freier Schwaben *). Nachdem der Brau-
tigam unter dem Zeichen Ton sieben Handschuhen seinen Schutz
and seine Habe der Braut zu seinem und ihrem Becbte mit
seinem VoUwerte gegen ihren VoUwert verlobt und verwettet
hat, nimmt der gekorene Vormund der Frau die Pfander Und
die Braut und ein Schwert, ein gulden Binglein einen Pfennig
and einen Mantel, steckt den Hut auf des Schwertes Spitze,
den Ring an den Schwertgriff und iiberantwortet die Frau dem
Manne indem er spricht: ,,Hi0rmit befele ich mein Miindel eurer
Treue und Gnade and bitte euch bei der Treue, mit der ich sie
each befele , ihr woUet ihr ein rechter Vogt und ein gnlldiger
Vogt sein und ihr kein schlechter Vormund i?^erden/' Hiermit ist
die Frau dem Manne iibergeben. — In diesem Verlobnifs ist
znnachst die Aufzalung der allgemein rechtlichen Bedingungen
zu beach ten, welche der Brautigam selbst unmittelbar vor der
Uebergabe der Braut ausspricht; es ist diefz nur eine allgemeine
Verweisung auf die beso^eren Vertrage, welche der VermShlung
Yorausgehen musten. Sodann sind die Sinnbilder der abgetrctenen
Mundschaft in Schwert^) Hut und Mantel zu bemerken, so
') Dieser Trunk des Brautpares hat sich in Norwegon and Schweden bis
heute erhalten, nur ist er jetzt auf den Brantlanf verlegt nnd wird unter Tans
ond Gresang als besondere Ceremonie vorgenommen. Vgl. Dybcck Buna 2, 62. ff.
(1842. Stockholm). — Der Trunk war bei dem Abschliefzen alier Vertr&ge Branch.
Bechtsalterth. 191. ^) Mafsmann kleine Sprachdenkinale 179. f. Waokemagei
iltd. Lesebnch 190. ') Die Bedeutung des Schwertes bei Hocbzei ten als Zeichen
der yoUen Mundschaft des Mannes fiber die Frau spricht sich am sohftrfsten in
15
1
220
wie die hiermit zusatnmenhangende Ueberreichung des Binges
am Schwerte. Es ist diefz letztere eine altgermanische Sitte *).
Das dem 10. Jahrhundert angehorende Gedicht von Budlieb schil-
dert wie Rudlieb seinem Neffen , den er verlobt , den Vermah-
lungsring am Hefte seines Schwertes iibergibt (Rudlieb XIV , 64),
nnd auf einem angelsachsischen BUde des achten Jahrhunderts
sieht man den Brautigam der Brant den Bing anf einem Stabe
(oder Schwert) darreichen. Sitte scheint es nach allem zn schlie-
fzen dafz der Brautigam den Bing der Braut selbst ansteckte,
BO wie dafz er den Bing von dem Verlober empfieng ; es ist
diefz letztere eine notwendige Folge der ganzen Auf&fzung der
Vermahlung* Beim Anstecken des Binges sprach der Brftutigam
bedeutungsvolle Worte ^). „Wie der Bing den Finger fest um-
schliefzt, so gelobe ich dich in fester Treue zu umschliefzen.
Auch du must sie mir halten oder der Tod triffi dich,*' sagte
Budliebs Neffe zur Braut. Als Wigamur seinen Bing dem Mad-
chen angesteckt hatte, sprach sie: „Nun soUt auch ihr den mei-
nen nemen. Gott gonne mir dafz ihr lange gesund seid, denn
alle meine Freude liegt an euch. (Wigam. 4633)." Der Bing ist
das rechte Zeichen des geschlofzenen Bundes, die Urkunde der
Treue und Minne '). In alterer Zeit scheint statt des Binges ein
Faden oder Band Zeichen derVerlobung gewesen zu sein, ebenso
wie bei den Indern friiher statt des Vermahlungsringes eine Schnur
(kautuka) gebrauchlich wan Darauf lafzt theils die grofzere Ein-
fachheit des Lebens schliefzeu , welche sich mit moglicJist ein-
fachen Mitteln begniigte sobald diese nur ihren Zweck erfiillten,
theils deuten es bestehende Yolkshr^^uche an, in denen -sieh der
Faden oder das Band bei der Vermahlung neben und fiir den
Bing 0 findet. In einem Spieltanze , welcher in der schwedischen
einem friesischen Oebrauche aus. S. Rechtsalterth. 167. f* vgl. auch Bechtaalt 426.
481. Mythol. 281. Anm. ') Freunde welche ihre Armringe tauschten, rdchten
sie sich aaf der Schwert- oder Gerspitze. ') heita hvert ddkru trii Jtnni — dd
er ft gelobete und ouch in diu meiL Nib* 570, 1. ") Vgl. Grimm Bechtsalterth.
177. 432. *) Ring bedentet allgemein das nmgebende, amschliefzende : nebtti
annuluM nnd circulus auch vinculum, vitta. Gratf Althochd. Sprachschatz 4, 1165. —
227
Landschaft Nerike tmd auch in einlgen dalekarlischen Orten ge-
8{lielt wird und eine Verlobung darstellt, heifzt es:
Eomm komm Maria lieb and reich mir xdeine Hand,
Hier hast du das Bin^elein und tun den Arm das Band ^)
Und alle in dem Ereise hier bezeugen mir es lant
Maria hat gelobet hier zu werden meine Brant.
(B. Dybeck Buna 4, 70 (1842).
Em upVandischer Reihen lautet also:
Es kommt ein Bitter geritten her
So Instig solte er rejten
For h& h& h&
For n& n& nS.
So lustig solte er reiten.
Der Bursche der warend dieses Versus m den K^eis getre-
ten ist, geht auf ein Madchen zu und singt:
Und schonste Jungfran darf ich sie
Wol an das Herze schliefzen ?
For h& h& a. s. f.
Das M&dchen:
Und willst mich schliefzen ans H^rze dein
Sollst mir vor geben ein Bingelein,
Der Bursclie:
Hier hast da Bing and Verlobungsband ')
Da sollst mich nicht betrftgen.
Das Madchen :
Und willst mich schliefzen ans Herze dein
Sollst mir zavor geben ein Kronelein.
Der Bursche:
Hier hast da Kron und Kranz dazu,
Da sollst mich nicht betrtlgen.
[Buna 4, 75. (1842)]
Am kirchlichen Mafzregeln erfaren wir dafz Scheinverlobungen durdi Bin^ von
Binsen oder Stroh statt fanden. Die Eirche erklftrte dieselben aber fiir giUtig,
da der Stoff des Binges gleichgiiltig sei. Vgh Du Cange s. v. annulus de junco,
') hir har du ringen, ail/band om din arm, *) och hdr har du ringen och fSfi'
ningeband,
15 •
228
Auf diefz Verlobungsband mag auch der rote Sddenfaden
zu deuten sein , welchen die Braut im Hayellande nm den Hals
tragt *) , wobei noch ein religioser epater zu erwahnender Grand
fiir die Farbe des Fadens hinzutritt. Die Bedeutnng des Bandes
war dieselbe wie des Ringes : es war das aufzere Zeichen des ge-
kniipften Biindnifses.
An die Beringung schliefzt sich wesentlich die Umarmung
und der Kufs; hierdurch ist die Verlobung vollkommen geschlo-
fzen und das Par gilt als offentlich zusammengesprochen. Wie
das Beschreiten des Ehebettes vor Zeugen das gesetzliche Zeichen
der begonnenen ehelichen Gemeinschaft war, so ist der Kufs vor
Zeugen das offentliche Zeichen des Antritts der Brautschaft •).
Aus schwedischen Volksliedem schliefzt J. Grimm (BechtsaltertL
433) dafz dort der Brautigam die Braut zum Zeichen dafz er sie
anneme auf seinen Schofz setzte. Noch ein anderes altes. Siim-
bild der Aufname der ^rau in die Mundschaft des Mannes war
die Ueberreichung eines Schuhes nach der Beringung und dem
Kufse. Noch in der Hamburger Hochzeitsordnung von 1292 wird
ein Par Schuhe als Gabe des Brautigams an die Braut erw&hnt *).
Wir erinnern uns dabei, wie bei der Adoption der aufziuemende
in einen frischgeschnittenen Schuh treten muste, in dem der Va-
ter unmittelbar vorher gestanden hatte und dafz unterwoifene
Fiirsten den Schuh ihres Siegers als Zeichen des Gehorsams tra-
gen musten (Grimm Rechtsalt. 156). Fine modeme Erinnenuig
sind die Pantoffeln gebietender Fhefrauen* Ein gleiches Symbol
der angetretenen Gewalt war der Tritt des Br&utigams auf den
Fufz der Braut (Helmbr. 1534); solche Fufztritte oder daa Setzen
des Fufzes auf Land oder anderes Gut war ein verbreitetes Zei-
chen der Besitzergreifung (Bechtsaltertbt 142). Noch heute ist es
') Kuhn and Schwarz Korddentsche Sagen S. 433. VgL dazu die Anmerk*
8. 522. Hoebzeit. ") Prqferens annulum earn coram omnibiu fuharrhavii «t m
ofcuh reeepii, Arnold. Lubec. VII. 19. - (Vgl. p/bw/o rum inUrvtnieiUB Jw€ Jj^m-
JUB Jive fpof^fa obierit, totem infirmari donationem et donatori fponfo fivt kisredihw
^t r^tuu cod. Theod. III. 5, 5.) — Nib. 470. 4. Gndr. 1650. WigsL •440.
Wigam. 4641. '; £in par Schuhe als Morgengabe Wittenweilers Bing 48/ 21.
220
bier und da Glaube, dafz die Braut die Herrsehaft in der Ehe
erlange, wenn sie dem Brautigam bei der Trauung auf den rech*
im Fufz ferete.
Sobald das Verldbnifs yor Zeugen gescUofzen und die Binge
empfangen und gegeben waren, durfte es nicht mehr gebrochen
werden. In bestimmter Zeit folgte die Heimfurung der Braut ;
die nordiach^i Rechte geben zwolf Monate als langate Frist, in
den deutschen scheint die Zeit etwas linger gestecktund dieVerlo-
bung zwei Jahre giltig gewesen zu sein 9- T^^^ einfachste Folge der
Versaumnifs dieser Frist war das Nichtigwerden der Beredung
(Febtath. 64); meist ward aber absichtliche Verzogerung und be*
zweckte Auflosung des Vertrages angenommen und darum be-
sondere Strafe darauf gesetzt. Das longobardische Gesetz (ed. Roth.
178) legte also neben der Aufhebung des Verlobnifaes die Zalung
der bedungenen meta auf, und ebenso setzt die islandische Grau-
gans (Festath. 6) fest , dafz der Br&utigani im Falle eines Zuriick-
tretens zwar sbnst keine Strafen zalen soUe, aUein den bedunge-
nen Brautkauf am Tage vor dem anberaumten Brautlauf erlegen
miifze. Das upltindische Gesetz (III. 1.) bestimmt aufzer dem Ver-
la8t des schon gezalten Mundschatzes eine Bufze von drei Mark;
das salfrankische Becht belegte dap grundlose Zuriicktreten von^
rechtmafziger Verlobung mit einer Strafe von 62^2 sol. (LXX).
Besonders streng ist aber das Gulathingsbuch (c. 51). Will ein
Mann seine Yerlobte nicht nemen, so ist ihm ein Tag auf dem
Tiling anzusetzen und er zu belangen dafz er seine Yerlobte flicht ;
ergibt sich die Klage als richtig, so wird er Landes verwiesen.
Entzieht sich eine Braut dem bestimmten Yermahlungstage '), so
• * _ _
i8t sie ebenfalls auf das Thing zu fordem und des Landes zu
verweisen.
') Grag&s fcstath. 54. Gulath. b. c. 61. Frostath. III. 12. — Ed. Rotli. 178.
I. Wifligoth. III. 1, 4. — Das Verlobnifs des Merovingers Theodebert mit der
wegtgoth. Kiinigstochter Wisigart zeigt sich noch nach sieben Jahren giltig. Greg.
Tor. 3, 27. *) kemr eigi i eindaga at giftazt them manni er hon f^i fik. — hum
^ et^' aoekja eindaga. Ein abtriinniger Brautigam heifzt fu<iflogi, eine treulose
^nt flannfluga.
MO
Gesetzlich giltige Verzogerungsgrunde waren allein Krank-
heit, Verwundung und unfreiwillig verlangerter Aufenthalt auf
Reisen (Frostath. 3, 12); ebenso Verlust der Au^stattung durch
Brand oder Raub; letzteres mufz jedoch durch zwei Manner ge-
richtlich angezeigt werden und der Brautigam kann den Beweis
der Wahrheit durch zwei Zeugen und zwolf Eideshelier verlan-
gen (Vestgotal. I. giptarb. 9, 5). Ueber Krankheit als Verz6-
gerungs- und Auflosungsgrund dee Verlobnifses schreibt die Grau-
gans (Festath. 5. 6.) ausfiirliches vor. Der Brdutigam hatte dem
Vormunde der Braut Anzeige von seiner Krankheit zu machen
und der Brautlauf ward auf ein Jahr verschoben , es sei denn er
genese eher und trage auf friihere Hochzeit-an. Er hat dieselbe
aber auf seine alleinigen Kosten zu veranstalten. Ebenso wird es
bei Krankheit der Braut gehalten, Wird das kranke nicht binnen
Jahresfrist befzer, so ist das Verlobnifs im Falle es beide Theile
nicht anders wollen, aufgelost *). Ist die Braut ohne dafz es der
Brautigam wuste , mit einem Gebrechen oder einer sckweren
Krankheit behaftet, so wird der Verlober, wenn die Gebrechen
offenkundig werden, Landes verwiesen, der Brautigam aber kann
zurGcktreten , denn er hat die Verlobung in Voraussetzung dafz
alles richtig sei (heilt rddh ok heimill ok eigi ella) geechlofzen*
Beweist jedoch der Beklagte dafz er selbst von den Felem nichts
wuste, so wird er nicht verwie«en, allein er darf den Brautkanf
nicht fordern (Festath. 7.) Auflosung des Verlobnifses und Zurflck-
name alles gegebenen setzt auch das longobardische Becht fur
den Fall fest, dafz die Braut aussatzig oder besefzen oder auf
beide Augen blind wird (ed. Roth. 180).
Auch das absichtliche ZurQckhalten der Braut durch den
Verlober war Strafen unterworfen welche dem Meiden durch' die
Verlobten entsprechen. Der Verlobte wurde verbannt (Gulath.
c. 51) oder er hatte dem Klager Geldbufze zu leisten *). Die
Hochzeit wurde hierauf bald gefeiert, nur iibergab statt des Vor-
0 Vgl. auch Gulath. b. c. 51. *) Vestgotal. I. giptarb. 9, 4. Ostgotal.
gipt. 8. k. Hans privil. 81. 32. v. 1488.
281
mundes wenigstens nach ostgothlandischem Bechte der Herrads-
Vorsteher die Braut.
Die schwere Strafe der Landesverweisung traf den Verlober,
wenn er wifzentlich ein schwangeres Madchen verlobte (Gritg.
festath. 51). Kaon er beweisen dafz er nicht um den ZuBtand
wuste, so ist er straflos (Festath. 8). Wird die Braut nach der
Verlobung schwanger, so hat es der Vormund dem Brautigam
anzTizeigen. Will dieser nicht zurQcktreten , so wird er als Ur-
heber der Schwangerachaft angeklagt und hat dem Verlober die
gesetzliche Bufze ftir Unzucht mit defsen Miindel zu erlegen* Im ent»
gegengesetzten Falle empfangt der Brautigam die Bufze (Festhath. 6).
So fest auch die Verlobung die Braut dem Manne verband, sO
gab sie diesem doch noch nicht die Kechte des Ehegatten* Das
Zusammenleben der Verlobten ward daher streng untersagt und
fur vorzeitiges BeiUegen^ empfieng der Verlober Bufze '). In un-
sera Sagen begegnen uns mehrfach die Erzahlungen von keuschem
Beisammenschlafen Verlobter; da legt der Brautigam ein blofzes j
Schwert zwischen sich und die Braut und sie ruhen wie Bruder
und Sch wester neben einander. So lag Sigfqed bei Brunhild.
Ueber offenbare Untreue der Braut waren die Gesetze sehr
streng. Wenn auch nur das westgothische und longobardische
Gesetz^) wahrscheinlich durch romischen Einflufz solches Ver-
gehen wie Ehebruch ansehen, so neigen doch fast alle germa-
nische Gesetze dahin , die Verletzung der Bechte des Brautigams
sehr scharf hervorzuheben. Das burgundische Gesetz legte der
Braut Tod oder Unfreiheit auf , wenn sie nicht durch ihr Wer-
gild (300 sol.) amsgelost wurde. Der Schuldige wurde getOtet,
^enn er nicht selbzwolft beeiden kann, dafz er von dem Verlob-
^ifse nichts wuste. Ist ihm der Eid moglich, so biifzt er nur
seinWergeld (1. Burg. LVl). Bewies sich dieAnklage als falsch,
^ nauste der Brautigam die Braut heiraten oder die doppelte
^eta erlegen (1. Burg. 179). Ueber Untreue des Brautigams ge-
') Vestgotal. I. giptab. 6, 1. Gulath. c 51. Frostath. 3, 13. *) LWisigoth.
^I- 4, 2. ed. Roth. 179. — Vgl. Wilda Strafrecht 849. ff.
'■•{
2S8
hen die Gesetze leichter weg ')• Die Graugans (Festatli. 6) sagt
nur, wenn der Brautigam wegen eines fleischlichen Yergehens
verklagt sei^ worauf Tod oder Verweisung stehe, so diirfe die
Braut das Verh'altnifs aufheben; yon einer Bufze an die Braut
scheint nirgends die Rede zu sein* Das Hambui^er Stadtrecht von
1270 (in. 13)^) bestimmt, wenn der Brautigam von einemWeibe
wegen Gemeinschaft mit ihm verklagt werde, so solle die Braut
dreiMonat auf die Entscheidung warten; kdnne dieSache nor in
Rom gefurt werden, ein Jahr; ist der Prozefz au6h dann nocfa
nicht zu Ende, so ist das Yerlobnifs aufgeldst und der Braut
eine Bufze von 40 Mark Pfennig zu zalen. Dafzelbe gilt fiir eine
Klage gegen die Braut.
Ehe wir zu der Verehelichung mit den mannichfachen Br&n-
chen imd den weiteren gesetzlichen Forderungen, die sich an sie
knupfen , tibergehen , haben wir noch einiges zu erwahnen, was
deni Ehebiindnifse iiberhaupt hinderlich sein konnte oder beson-
dere Folgen hatte. Ich beriire zuerst die Ebenbtirtigkeit In
den alteren und einfaoheren Zeiten sind streng genommen nur
zwei Theile im Volke , die freien und die unfreien ; eine Ver^
mittelung machen die Freigelafzenen und die Liten, die wir eher
milder behandelte Unfreie denn besohrankte Freie nennen mogen.
Die Freien schieden sich in merere Schichten: gemeinfireie, edio
und Ftirsten ; allein sie waren anfanglich durch keinen Reohts-
unterschied getrennt; das Vertrauen des Volkes , bedeutende Tha-
ten , ruhmreiche Vorfaren gaben dem prinoeps selbst einea mehr
personlichen als einen Standesvorrang. Diese grofze Gemeinsofaaft
der Freien kann daher ursprtinglich auch kein Bedenk^n getra-
gen haben, sioh in ihren verschiedenen Schichten gegenseitig so
verheiraten ; genofzen doch die Kinder des freien Landbauers an
und fiir sich kein geringeres Recht als die des nobilis oder prin-
ceps, Als aber die Verhaltnifse zusammengesetzter wurden , ak
sich die monarchische oder die aristokratische Verfafzung in den
verschiedenen Stammen ausbildete , als die Ungleichheit im Bc-
') Vgi. Wilda Strafrecht 812. «) Vgl. Stadtr. von 1292. E. IS. 1497. J. 4.
238
sitz grdfzer ward , kurz als sich die Fiirsten und die adeligen
Ton befzerem Blute als die gemeinfreien zu dtinken begannen,
da trat auch die Ansicht hervor dafz freie untereinander un-
ebenbiirtige Ehen schliefzen konnten. Wir besiteen indefsen ge-»
nug Beweise dafCir dafz noch tief ine Mittelalter hinein nur Ehen
zwischen freien und unfreien oder freigelafzenen fllr ungleich
galten. Entschieden erklare ich mich daher wenigstens gegen die
Halfte der bekannten Angabe Budolfs vod Fulda in der trans-
latio S. Alexandri c. 1. ') dafz bei den Sachsen Todeastrafe dar-
anf Btehe , wenn der edie nicht eine edle, der freie nicht eine
freie, der freigelafzeiie nicht eine fi'eigelafzene , der unfreie nicht
eine unfreie, eondem eine Ungenofzin zumal cine hoher geborene
heirate. Ehen zwischen edlen und freien werden wie Gberall
auch bei den Sachsen zalreich und als nichts gesetzwidriges vor-
gekommen sein ; Ehen zwischen freien und unfreien aber werden
auch bei den Sachsen sehr hart und mit dem Tode bestraft wor-
den sein , so dafz Rudolfs Angabe also in der Halfte richtig sein
mag. Sehen wir doch auch im burgundischen und longobiardi-
schen Gesetze *) auf Heirat oder fleischliche Vermischung einer
freien mit einem unfreien den Tod oder Unfreiheit gesetzt, und
auch im salischen Gesetz (XVI, 4) wird die Ehe zwischen einem
freien und einer lida mit Geldstrafe belegt. Verlust der Freiheit
ftr den freien Theil bestimmt auch das ribuarische Recht (LVIII*
18), wenn die freie Frau nicht in der gebotenen Wahl zwischen
Schwert und Kunkel das Schwert wait und den .unfreien Gatten
tStet Dieeelben Bestimmungen bieten das edictum Theodorici, und
fer die Ehe zwischen einer freigelafzenen und einem HOrigen der
Kirche das alemannische Recht (XVIII, 1.), anderer nachher zu
erwahnender Stellen zu geschweigen.
Aus Norwegen , dem Lande der freiesten Entwickelung ger-
manischer VolksthUmlichkeit lafzen sich genug Beweise holen»
') Pertz n. 675. Vgl. aufzer andem Waitz dentsche Verfafzangsgeschichte
h 84. Wilda bei Eichter kHt. Jahrb. 1, 350. und y. Sybel Entstehung des deut-
•chen Ktnigthums 94. *) 1. Burg. XXXV. 2. 8. ed. Roth. 222.
/
2a*
dafz die freien in ihren verschiedenen Abstufungen Ehen unteTr
einander schlofzen. Es gait fiir keine Miaheirat. wenn eine E0<-
nigstochter einen freien Landbauer heiratete, der durch bedeu-
tenden und langererbten Landbesitz die hinreichenden Mittel zu
einem reichlichen Leben bot ^). Konig Ingi vermahlte aeine Schwe-
Bter Sigrid dem Thorgrim von Lianes (Fommannas. 9, 21);
Einar Prestr heiratete die Tochter KOnig Sverris, die Schwester
Konig Hakons (Fomm. 9, 3) ; Ingrid, Enkelin Konig Ingis Steinkek-
Bohn , Witwe Konigs Harald Gilli vermahlt sich dem Ottar Bir-
ting, einem angesehenen Landbesitzer undnach defsen Tode einem
andern Bauer, dem Arni von Stodreim. (Fommannas. 7 , 176. .229).
Auch eine Stelle dee westgothischen Gesetzbuches (IIL 1, 1)
mochte ich , obschon sie zunachst die Ehen zwiachen Bomern
mid Gothen im Auge hat, dennoch fiir die Anaicht auabeuten dafz
auch dort unter Freien selbst damals noch^) keine Misheiraten
geschlofzen werden konnten. Sie bestimmt ausdrucklich dafz e^
jedem freien des westgothiachen Volkea erlaubt sei eine freie
welche er woUe zu heiraten, sobald die Verbindung an mid fur
aich ehrbar aei und die Familie ao wie der Graf seine Zuatim-
mung und Erlaubnifa gegeben habe. Auch die Ehen zwischea
Bittern und Baueratochtern oder Bitterstochtem und Bauem Bind
anzufiiren, welche im 13. Jahrhundert in Oesterreich mid Baiem
vielfach vorkamen. Wenn auch manche Adelige, wie der alte
Seifried Helbling (8, 217—227) aich darftber beklagen und e»
wie einen Verfall ansehen, ao erscheint doch nirgends eine Strafe
oder aelbst ein rechtlicher Nachtheil der aich an die SprOfzlinge
dieser Verbindung kniipfte. Auch daa aachaiache Becht spricht
das deutlich aus , denn nach ihm aind Kinder aua der £he von
Bittern und Bauern wenn auch nicht im Lehngute, was ritter-
liche Geburt bedingte, aber doch im eigenen Gute des Vaters
erbfahig. Als Misheiraten wurden demnach aolche Verbindungen
') Vgl. uber den holdr Wilda in Richters krit Jahrbiichern I, 386. ff»
*) Fiir altere Zeiten ist es unbedenklich zu behaupten.
235
durchaus nicht betrachtet. (Glofse zu Sachsensp. L 5 , 1. zum
Sachs. LehDrecht 20).
So bestimmt nach allem diesem behauptet werden darf^
dafz Ehen zwischen den verschiedenen Schichten der freien ur-
spriinglich und lange Zeit als keine rechtswidrige betrachtet
wurden, ebenso sicher ist es dafz der altgermanische Grundsatz
der Ebenbiirtigkeit aller freigeborenen schon frfth umgangen und
zariickgesetzt wurde. Politische Riicksichten machten es denFiir-
8ten wiinschenswert nur Ehen mit andem Furstenh'aueem . zu
schliefzen, und so drangte man hier und da schon im 5. und 6.
Jahrhundert nach der Ansicht hin, dafz allein KOnigstochter
ebenblirtige Frauen der Konige seien und dafz nur ihre Kinder
Anspruch auf die Thronfolge hatten '). Bekannt ist, wie die
Merovinger diesem im frankischen State sich hervorarbeiten-
den Satze doch thatsachlich mehrfach widerstrebten und nicht
blofz freie geringeren Standes, sondern selbst unfrei geborene
Weiber zu retihter Ehe namen. Auch die Karolinger vermahl-
ten sich ohne Bedenken mit den Tochtem Edler ihres Reiches.
Karls des Grofzen Gemahlin Hildegard war eine edle Schwabin,
Fastrada dne Ostfrankin, Luitgart eine Alemanniri' (Einhardi
vita Karoli c. 18) *). Ludwigs des Frommen Gemahlin Judith
war die Tochter des bairischen Grafen Welf. Ebenso sind die
Ehen der Sohne Ludwigs des Deutschen und Karls des Kahlen
zu beachten. Die eigentlichen Parteig'anger fur die neue Lehre
von der Ebenbiirtigkeit waren die Frauen ; es ist diefz ein Zug
des weiblichen Karakters der sich noch heute stark aufzert , denn
wie viele Geschlechter , adelige und biirgerliche, weisen nicht in
fcrer Geschichte starrsinnige Schwestem und Matter auf, welche
rich gegen jedes Glied von vermeintlich niederer Herkunft unver-
Bonlich zeigen. Das Weib ist die orthodoxe Priesterin des haus-
Kchen Herdes, es will seine Flammedurch vornemen Stoff immer
*) Greg. Tur. 5, 21. Vgl. Waitz deutsche Verfafzungsgeschichte 2, 125. ff.
*) Die Tochter Karls d. Gr. konnen hier nicht erwahnt werden, da sie bekannt-
lich in keinen legitimen Verbindungen stnnden.
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heller und m^qhtiger machen, 68 iat die konserrative Macht des
Geschlechtes ; der Mann ist dagegen im Bewufztsein seiner eigencutt
Kraft und Wtirde und er weifz den Diamant aus den Wogen
des Lebens herauszugreifen , unbekummert dafz er znvor noch
nicht in Gold gefafzt war.
Neben jenen norwegischen KCnigstdchtem die sich ofane
Bedenken mit freien Bauem yerma^hlten, erscheinen auch stoLee
Damen. Die Fehde zwischen dem Konig Ingi Bardarsohn nnd
seinem Gegenkonig Philipp liefert ein anziehendes Beispiel. Philipp
hat sich zum Biicktritte bereit erklart, wenn er die Nichta Ingis»
die Tochter Konig Svenis, mit einem Theile des Landes belnxne,
und der Bischof Nikolaus ist beauftragt Kristinas Einwilligong
zu erlangen. Er stellt ihr vor dafz es befzer sei Philipp zu bei-
raten, wenn er auch nicht vom koniglichen Gebliite sei, als ihn
auszuschlagen und an einen Bauer oder weit weg aus dem Lande
gegeben zu werden, wo fiir ihre Nachkommen dieHoffiiung auf Nach*.
folge im Reiche ganz verloren sei. AUein es ist umsonst; Kristina
antwortet sehr hochfarend, sie werde sich nie einem Manne ver*
ehelichen der geringer als ihr Yater oder ihr Mutterbruder sd %
Aenliches bietet das deutsche Gedicht yon Gudrun. KOni^ Her^
wig von Seeland ist bei seiner Werbung um Gudrun, die Tochter
des machtigen KCnigs Hettel von Hegelingen, stolz abgewiesea
worden, denn er schien nicht machtig genug und seine Herknnft
nicht ganz ebenbiirtig ^). Er erkampft sich jedoch die Braat und
seine Tapferkeit bei Erstiirmung der Burg besiegt alle thOrigen
Bedenken Gudruns. Schon vor ihm wurde ein anderer Freier,
Konig Hartmut von Normannenland, abgewiesen, weil sein Yater
Ludwig ein Lehnstrager von Gudruns Grofzvater ist, (Gudr. 810) *).
Aus Norwegen fiire ich noch als Beispiel des Gebartsstokes
Bagnhild, die Tochter des norwegischen KOnigs Magnus an, welche
') Fornmannas. 9, 180. *) mtr tft dax gefeit — dax ich iu vtffmiht
durch min lihte^ kiinne. ofte bi den armen hdnt riche liute guote wttnne, Gadr. 666.
•) Von den Normannen die mit Wilhelm dem Eroberer nach England kamen, r&hmt
Gnilclmns Malmesbnrensis (de gestis reg. Angl. III.) dafz sie mit ihren Unter-
gebenen (cum subditis) Ehen schlofzen. Sie werden iiberhaupt in TorUieilhAftem
Gegensatze zu den Angelsachsen gescbildert.
287
ihren Mann Hagen Ivdrsofan^ einen freien Bauer, nicht eher freund-
lich behandelte, bis er zum Jarl erhoben war. Die Frauen und
die Manner, welche an eine Mischnng des menschlichen Blutea
nach Nummem d^ Feinheit glaubten, blieben indefsen lange ge-
nug in der Mihoritat und vermochten Jhre Ansicht nie mit Ein-
stimmigkeit durchzusetzen. Es gab unter dem hohen und dem
niedem Adel stets elsterfarbige Leute, urn diefz Bild Seifrieds
Hdbling von den Abkommlingen ungleich standischer Eltern zu
brauchen, und es war nicht so leicht einen Ritter oder Grafen
oder Fiirsten zu finden , der seine Anenprobe nach strengen For-
derongen ablegen konnte 0^ Waren nur dieEItem beide von freier
Gfeburt, so konnte sich nach echt germanischer Ansicht kein recht-
licher Nachtheil daraus entwickeln.
Anders stund es um die Ehen zwischen freien und unfreien.
Wir diirfen aus schon angefurten Stellen schliefzen diafz ur-
spriinglich der Tod darauf gesetzt war; spater ward dem freien
Theile dieWahl zwischen Tod und Unfreiheit gelafzen und hier-
ans bildete sich fiir die folgende Zeit der Bechtssatz dafz in sol*
dien Ehen der freie Gatte samt den erzeugten Kindem un&ei
werde und der argeren Hand folge*). Nur wenn die Frau die
Unfreiheit des Mannes nicht kennt , bleibt sie frei sobald sie
die Ehe sogleich auflost '). Der erwahnte Grundsafz war iibri-
gens eine Quelle des Betruges, denn manche nichtswiirdige Herren
aehickten ihre Knechte aus, um unter dem Scheine als seien
ue Freie um freie Frauen zu werben. War die Ehe geschlofzen,
80 forderten die Besitzer der unfreien nicht blofz diese sondem
aach die Frauen als ihr Eigenthum ein* Das Gesetz muste na-
toilich solchem^Freyel weren und that es durch die Bestimmung
dafz in solchem Falle der Herr auch seinen Anspruch auf den
') die Hut tool halp fint aJftervich^ da:^ mUelich iemen vtnden kan einen reht
gmtrten man her von finem kunne Heifr. Helbl. 8, 386 — 389« Vgl* iiberhanpt
«W 895. ») 1. Sal. XIV. 7. il. 1. Rib. 58, 9. 15. 16. Fris. VL 1. 2. Wisigoth.
IIL S, 3. Schwabensp. 55, 28. Henrici VI. stat. de filUs minist e liber, mulier.
(Pens legg. IL 187.) Bodulfi 8ent« 1282 (Pertz legg. II. 439) Petr. de Andlaw de imp.
G«im. 2, 12. 3) I. Fris. VI, 1. 2. 1. Sjell. III. 1 7. Pippin, eapit. 757 (Pertzlegg. I. 28),
2S8
• —
I Knecht verloren habe und der . frei bleibe, den er daffir ausgab ^).
MerkwQrdig mild ist die Bestimmnng des uplandiachcn Oesetzes
(III. 19) dafz ein unfreies Weibdurch die Ehe'mit einem freien
samt den Kindern frei werde. Fiir die Elinder setzt aueh das. oet-
gothl'andische Eecht dieFolge der befzernHand fest (gipt 29, 1).
Eine Reihe anderer Gesetze bestimmte ganz allgemein dafz der
Stand des Vaters fGr die Kinder mafzgebend sei *)• Wie es nun
auch damit gehalten wurde, diese Folge kniipfte sich an aDe
nicht ebenbQrtigen £hen , das ist an die Ehen zwiscben freien
und unfreien oder freigelafzenen , dafz die Bander aus ihnen nicht
in das Erbe des befzeren Theils eintreten durften. Dieser Grand-*
satz ist noch heute bei den morgan atischen Ehen oder den Ehen
zur linken Hand festgehalten , indem die Kinder aus soichen
Yerbindungen nicht im eigentlichen Hauserbe des Vaters oder im
Lehen folgen konnen, sondern sich mit einem besonders ausge-
setzten begniigen milfzen ^). Die morganatischen Ehen sind eine
Folge des ausgebildeteren St^ndeunterschiedes und mit dem Kon-
kubinate nicht zu verwechseln, auch nicht aus ihm herzuleiten *)•
Es waren gesetzliche „eheliche" Verbindungen unter recfatlichen
Formen (defponfatio) geschlofzeuy allein dadurch in den Folgen
beschrankt, dafz die Frau nicht von gleichem Stande (minus
nobilis II. F. 29) war. Sobald die yoUe Standesgleichheit Forde-
rung zu voUer Erbfahigheit der Kinder wurde, wie diefz im
Lehnswesen stattfand, so musten nattirlich derartige Yerbin-
dungen hinter die voU ebenbiirtigen Ehen zuriicktreten, ohne
0 1. Wisigoth. III. 2, 7. Ostgotal. giptab. 29. «) Ed. Roth. 919. Greg.
Tur. V. 21. Qlofse zu Sachsensp. III. 73. Gorlitz. Landr. Art 47, 6. — • Nach
nordischem Gesetz waren die Kinder eines friedlosen, wenn sie wiireadder Fried*
losigkeit gezcngt und geboren sind, unfrei, gehoren dem Konige und sind natftr-
lich nicht erbfahig (Egilss. c. ,57.J *) earn defponfavit ea lege ut nee ip/a nee
filii gu8 amplius habeant de bonis patris quam dixerit tempore fpor\faUorym — ^w>d
Mediolanenfes dicunt accipere uxor em ad morganaticam , alibi lege SaUca.' JL 'F.
29. (Kraut priyatr. 134 (3. Aufl.). *) Wie das die gewOnliche AnsichI UU V^
Grimm Eechtsalterth. 439 : „Die Benennung morganatische Bhe rfihrt daher daft
den Konkubinen eine Morgengabe bewilligt zu werden pflegte, es whren Ehenattf
blofze Morgengabe." — Kraut Grundrifz S. 134.
2S9
damit zum Konkubinat herabzusinken. AIs nocb die Ansicht
gait, dafz jeder freigebome dem andem freigebornen ebenbiir-
tig sei, fand keine morganatische Efae Statt, so yiel auch Kon*
kubinate bestunden. Jener stolze und im sohonsten Sinne demo-
kratische Grundsatz ward aber allmalicb gemeuchelt und man
denkt oft bei der Geringschatzung welche die einzelnen Stufen
der freien Gememschaft gegen einander aufzern, an jenen nordi-
schen Kampfen Starkodd, der eine Magd welche seine tiefen Wun^ i
den verbinden will, emport ziiriickweist, weil ein so geringes
Weib nicht wert sei eine Hand an ihn zu legen. ' Not und Be-
dr'aDgnifs jeder Art batten das Bewufztsein des Wertes der Frei-
heit in einem grofzen Theile der gemeinfreien geschwftcht und
gar zu leicht gaben sie sich um Schutz oder Unterhalt zu finden
in die Horigkeit eines m'achtigeren freien oder edeln oder eines
geistlichen Stiftes ^). So wirkten die gemeinfreien selbst gegen
sich und trugen zu einer schroffen Stellung der librigen freieii
Stande gegen sie das ihrige bei, wie die Moharchie und nament-
bch die Feudalherrschaft zu einer bedeutenden Unterordnung der
Edlen unter die Fiirsten hinarbeitete,
Neben der Ebenbiirtigkeit trat als ein Umstand von man-
cherlei Folgen far die Ehen die Gleichheit des Stammes und d«a i.
Glaubens in Frage.
Die germanischen Stamme sind von jeher ihres gemein-
Bamen Ureprungs nicht sehr eingedenk . gewesen ; Zwietracht
und Eifersucht scheint als uralter Fluch in unsere Mitte ge-
schleudert. Man hat es seit alter Zeit nicht verschmaht fremde
gegen die verwandten herbeizurufen und errStete wie heute so
auch friiher nicht vor dem Verrate an den Volksgenofzen. Die
Verheiratungen der angehCrigen verschiedener Stamme werden
')Das letztere war namentlich bei Frauen und Witwen mit Eindem haufig
der Fall. Mon. boic. I. 178. 182. .3, 76. 297. Lacombl. I. n. 157. In einer Ur-
konde von 1170 (Mon. boic. I, 178) sprechen drei Schwestem den Grand ihres
FreihdtSTerzichtes aas : ut tutiores fub protectione advocati loci praedicti Owefju
videlicet defenfae fedeant.
240 •
sich nach der jeweiligen freundliehen oder feindlichen Stellung
gerichtet haben , nach der Achtung welche eine Vdlkerschaft vor
der andem hatte. Selbst nahverwandte Stamme sehen wir zuwei-
len unvermischt neben einander wonen , wie Ostgothen und fe^i-
gier , von denen letztere genau darauf hielten mit den Gothen
fiich nicht zu verheiraten 0- Diese waren in dieser HinsiclLt weni-
ger streng ; friiher giengen eie mit den Alanen ^) and den
Byzantinem Ehen ein, in Italien mit den Bomern. Yon dem
Volke der Baetamen erz'alt schon Tacitus (Germ. 46) dafz sie
obschon zu ihrem Sebaden sich mit den Sarmaten yermischten.
Spater hielten die Deutschen die Verheiratungen mit den Nord-
slaven (Lutizen und Obotriten) fiir unehrlich. (Stenzel frank.
Kaiser 1, 43.). Fiir Vermischung der Germanen mit den Kelten
spricht die Ehe Ariovists mit der Schwester dee noriachen
Konigs Vocio. (Caes. b. g. 1 , 53). Die Abneigung einielner
deutscher Volkerschaften sich untereinander zu Terbeiraten^
Bcheint ubrigons ziemlich lange angehalten zu haben, denn ein
Beschlufz des Koncils von Tribur vom Jahre 895 (c. 39/ zeigt
dafz die Stammesverschiedenheit zuweilen als Vorwand zur Ehe-
Bcheidung benutzt wurde« Die Verschiedenheit des Staniinrech-
tes konnte allerdings zu mancherlei Streitigkeiten zwischen dem
Manne und der Faniilie der Frau fiiren und in Rticksicht hier*
auf mag man solche Ehen mehrfach gemieden haben ^). Die Frau
trat gem&fz der germanischen Ansicht mit der Vereheliehung in
das Recht des Mannes und es ist nur Ausname und Unregel-
mafzigkeit wenn aie ihr geborenes Kecht beibehielt *).
Weit leichter als unter einander verheirateten sich die deutsohen
Stamme mit den Romem^), wenigstens bei den Ostgothen » Yaa-
') Procop. de bello goth. 2, 14. 3, 2. ') J. Grimm Greschichte der deni-
schen Sprache 472. ') Krauts Behauptung Vormnndsch. 1, 89 dafi die Ehe
zwischen Genofzen verschiedenen Stammes nach weltlichem Bechte nicht gOtig war,
l&fzt sich nicht halten. *) Vgl. Gaupp die germanischen Ansiedelnngen «od
Landtheilungen. S. 246. ^) Vgl. Gaupp a. a. O. fiber das Konnabinm twuchea
Germanen nnd Romem. (§. 31.). '— Vgl. auch Schaifher Gesch. der KedhtSTer-
fafznng Frankreichs 1, 260.
241
dalen, Biirgunden und Liongobarden unteriiegt es keinemZweifelj
dasEheverbot, das fiir Westgothen und Romer bestund^ warddurch
Rekeswinth (f 672) aufgehoben. Nur l^ei den Ripuariem erscheint ein
Widerstand, indem hier dieRomer iiberhaupt in geringerem Ansehen
stunden. Die Kinder aiis solchen Mischehen folgten der argeren Hand
und wurden niedriger als die Ripuarier und gleieh den ROmem ge*
biifzt (l.Rip.LVin. 11); dieee Ehen galten also fiir liicht ebenbOrtig.
Bei den Heiraten zwischen Gertnanen tind R5inem kam
iibrigens auch die Verscliiedenheit des Glanbens in Betracht, denn
die Germanen welcbe rait den Romem hauptsachlich in Beriiriing
kamen waren Arrianer , die Romer Katholiken ; es war diefz eine
Scbeidewand die nieht selten mehr bedeu tete als Stamm* und
Geburtsyerschiedenheit ^). Es ist diefz um so auffallender als die
krietlichen Germanen keine Bedenklichkeit bei Ehen init ibren
heidnischen Stammgenofzen zeigen. Konig Herinanfried von Thtt-»
ringen war allem Anscheine nach ein Heide und doch rermahlt
ibm der arrianische OstgothenkOnig Theoderich seine Tochte?
Amalaberga *). Der heidnische Konig Ethelbert von Kent hat
die frankische katholische Konigstochter Berta gebeiratet und von
den Eltern mit der Bedingung erhalten , dafz er sie in der Aus*
iibung ihres Glaubens nicht store. Gegen den Bischof Augustin,
der Berta als Glaubenshuter begleitet , zeigt er sich sehr duld-
*ain und sagt ihm, wenn er auch die schonklingende aber neue
^d unsicAere Botschaft nieht mit dem Glauben vertauschen konne
an dem er und sein Volk so lange gehalten, so wolle er ihri doch
^icht stOren und werde ihn gastfreundlich behandeln. (Beda h.
«ccl. L 25). Spater bekert sich Ethelbert dennoch und gibt seine
Tocbter Ethel berga dem heidnischen Konig Edwin von Northum-
berland unter denselben Bedingungeny unter denen er frOhe^
') Gaupp ko^nte damm wol schliefzen , dftfz bei dem fanatisches Arria-
oismus der Vandaleli an Ehen zwischen ihft^n Und den ROmerh nicht Tin denkeii
^^^ ft* a. 0. S12, allein politische Biicksichten haben die dogmatischen Bedeftken
ftbervvunden. Vgl. Priacus p« 29* ed. Venet. — Der frank. Konig Childebert nmchte
<l>e Verlobung seiner Schwester init dem arrianischen Longobardenkonig riickgiln'
^R als der katholische Westgothenkonig ura sie anhielt. Paul. Diac* III. 27^
") Vgl. Rettberg Kirchengeschichte Deutschlands 2, 297.
16
242
Berta erhalten hatte (Beda II, 9). Schwieriger war Eonig Oarich
von Northumberland, der seine Tochter Elfleda dem mittelengli-
schen Eonige Peada erst gab , nachdem sich dieser samt semem
Volke hatte taufen lafzen (Beda III. 21). Auch der heidnische
Frankenkdnig Chlodwig warb ohne Bedenken um die burgun-
dische Chrothild welche Eristm war und gab ihr sogar nach
dafz der erstgeborene Sohn Ingomer getanft werde. Als das Kind
stirbt schiebt er das der Ohnmacht des Kristengottes zu (Greg.
Tun n. 29). Auch in Skandinavien wurden zwischen Heiden und
Eristen Ehen geBchlofzen. So heiratet Eonig Olaf Tryggvason
von Norwegen zur Siine dafz er ihren Vater t5teu liefz, Gu-
drun, die Tochter Jamskeggis, eines der eifrigsten heidnischen
Drontheimer (Fommannas. 2, 49). Spater ist er allerdinga pein*
licher und verlangt von der Eonigin Sigrid von Schweden mit
der er sich vermahlen will, dafz sie sich taufen lafze. Als sie
aber fest an dem alten Glauben halt, beleidigt er sie tief und
Sigrid sucht in der Yerma^hlung mit dem Danenkonig Svein Tio-
guskegg die Macht zur Eache« Olafs Tod ist ihr Werk (Fomm.
8. 2. 130). Auch tiber seinen Skald HaKred war Olaf sehr er-
ziimt, da er sich mit einer Heidin verheiratet hatte. Die Fran
muste sich taufen lafzen, Halfred Eirchenbufze thun und zur
Bettung seiner Seele ein religidses Gedicht (die uppreistandrftpa)
machen (Fommannas. 2, 88. 212). Im all^cmeinen werden wir
annemen diirfen, dafz dort wo das Eristenthum noch. nicht die
Obermacht in einem Volke hatte, die Mischehen haufiger vor-
kamen ') , denn das Heidenthum war duldsam , die Eristen aber
fanden es theils nicht geraten heidnische Bewerbimgen abzuwei-
sen , theils glaubten sie dadurch zur Bekerung des andern Tbeiles
nvirken zu konnen oder politische Rucksichten veranlafzten sie den
Glaubensunterschied zu iibersehen. Als das Eristenthum aber
machtiger ward , wurden solche Verbindungen verdammt und be-
straft, zumal die Verbreitung defselben nunmchr ein Mittel der
Furstenpolitik geworden war. Wenn in den echten Strophen der
') Paulas hat sich im ersten Korinthorhriof^ 7, 12 — 15 sehr mfld fiber
Mischehen ansgesprochcn.
248
■
Nibelnngen Not, die von Krimhilds nndEtzels Vermalilaiig hah'-
deb, Krimhild yor dem Heidenthume der Himen keine Scheu
zeigt, so ist das alte und volksmafzige Ansicht
Ein Hindemifs vieler Ehen in kristlicher Zeit war die Lehre
von den verbotenen Verwandschaftsgraden* Die Iieidnischen Ger-
manen waren in dieser Hinsicht sehr freidenkend und aufzer den
Heiraten zwischen Eltem nnd Kindem scheinen alle Ehen erlaubt
gewesen zu sein. Dafz die Geschwisterehe bestund, beweist die
Verbindung Niordhs und seiner Schwester (Saem* 65.) ; denn wenn
dieselbe audi in dem Eddaliede zum Vorwurfe erhoben wir4, so
spricht sich darin nur die Ansioht anderer Zeit und eines ver-
schiedenen Stammes aus 0* Bei den Vamen und Angelsachsen
war die Ehe mit der Stieftnutter gestattet «); der vamisclie Konig
Hermigisil befielt sogar auf dem Totenbette dafz sein Sohn Bad-
ger seine Witwe heirate. Konig Eadbald von Kent, der am Hei-
denthume fester als sein Vater Ethelbert hieng, ehelicht nach
defsen Tode seine Stiefmutter und gibt damit fiir alle, die sich
unter Ethelbert aus allerlei Riicksichten batten taufen lafzen, das
Zeichen zum Kiickfall (Beda U, 5.)- Noch im neunten Jahrhun*-
dert finden wir diese Ehe englischer Konige mit ihren Stiefmiit-
tem, die eine alte politische Einrichtung gewesen sein mufz. Der
westsachsische K5nig Etfaelbald heiratet namlich zum grofzen Aer-
gemifs der Kirche die Witwe seines Vaters Ethelwulf, Judith,
die vielberiichtigte Tochter Karls des Kalen *).
Noch weit weniger Anstand nam man natiirlich an Ehen mit
der Bruderswitwe, mit der Schwester der friiheren Frau und mit
emem Geschwisterkinde. Chlothar, Chlodwigs Sohn, heiratet bald
nachdem sein Bruder Chlodomar gegen die Burgunder gefallen
war, defsen "Witwe Gutheuka (Greg. Tur. Ill, 6.); ebenso lebte
er in Bigamie mit zwei Schwestern (Greg. IV, 3.); andere batten
*) Vgl. Rosenvinge Danske Rcttshistorie §. 85.' ') Procop de bello goth.
4, 20. Beda hist. eccl. I. 27. *) Prudent. Trecens. a. 858 (Pertz m. I. 451) —
VgL Gforer Geschichte der ost- and westfrSukischen Karolinger 1, 325. — Man
wird iibrigens an alte asiatischc Gewonheiten bei diesen Ehen erinnert, indem
bei Scythen, Persem und Israeliten der Thronfolger die Weiber seines Vorgangers
aU einen Theil des Erbes ubcmam.
16*
eine Schwester zur Frau, die andere zur Kebse. (Greg. IV, 26).
G^ug, nicht blofz bei Skandinaviern, Angelsachsen, Vamen und
Franken, sondem iiberall bei den Germanen wtiste man nichts
von der Lehre der verbotenen Verwandschaftsgrade , welche die
Kirche anfangs leise und allmalich, dann aber mit voller Strenge
und Folgerichtigkeit aufstellte und in die weldiche Gesetzgebung
einzufiiren wuste '). Das Gesetz des longobardischen Konigs Kother
(ed. Eoth. 185) zeigt noch am wenigsten von dem kirchlichen
Einflufze, denh es werden hier nur die Ehen niit der Stiefmutter
der Stieftochter und der Brudersfrau , die also fruher vorkamen,
verboten und mit grofzer Geldbufze belegt. Bedeutend weiter geht
schon das Gesetz Konigs Liutbrand (XXXII. f.) und das bai-
rische (IV, 1) und alemannische Gesetz (XXXIX). Milder als
die letzten ist das salische Recht ^) yv elches die Ehen mit Schwe-
ster, Bruderstochter , Brudersfrau und andern Verwandten zwar
fur unrechtmafzig erklart und sie trennt, allein" keine weiterq Strafe
als dafz die Kinder nicht erbfahig sind, darauf legt. In. den nor-
dischen Rechten ist die kirchliche Lehre mit aller Sorgfalt auf-
genommen und ins kleinliche ausgefiirt worden^); hier galten auch
die geistlichenVerwandschaften (gudhfi^ar), welche zwischen Tauf-
und Firmelpaten und deren Kindem so wie mit dem taufenden
Priester und defsen Abkommlingen bestehen. Man mufz sich da-
her wundern, dafz es bei der nicht allzugrofzen Bevolkening
noch moglich war jemanden aufzufinden mit dem man nioht ir-
gend weltlich oder geistlich verwandt war. Um die Ehe in verbote-
nem Grade zu verhindern bestimmt das islandische Gesets, dab
derjenige welcher sich verheiraten will auf dem FriilingBthing
vor dem Goden seines Bezirkes und vor vier Zeugen in moglichst
zalreicher Versammlung einen Eid schwore, dafz zwischen ihm
') Vgl. Richhom deutsche Staats- nnd Rechtsgeschichte §. 183. 1, 710^715
(5. Aufl.) Rettberg Kirchengcschichte Deutschlands 2, 758—762. Wilda Strafrecht
der Germanen 855. ff. ^) Nov. 40. (ed. Merkel p. 58). *) Grfig&a featath.
2- 6. 10. 11. 31. 32. 44. 55. Frostath. 3, 3. Grag. festatli. 4. Gnlath. b. c. 26.
Frostatli. 3, 8. Borgarth. kristi nr. c. 15. Uplands!. I, 11. vgl. auch 1. Lintpr.
XXXIV. Atlielredlis dom. IV. 12.
245
und seiner Braut keine strafbare Verwandsckaft bestehe (Festath. 9.).
Deneelben Zweck hatte das kirchliche Aufgebot ^). Es ward zwar
hier und da in die Landrechte aufgenoinmen ^) , allein noch im
15. Jahrhundert war es nicht allgemein geworden. Damals straubte
man sich noch in Halle a. S. dagegen als wider eine Neuerung.
(Dieck Gewifzensehe S. 76.)
Spatestens ein Jahr nach voUzogener Verlobung erfolgte dem
Gesetze nach die Ehelichung ^) oder die Hochzeit, um das heur
tige Wort dafur zu brauchen , das in friiheren Tagen eine jede
hoheZeit und jedes Fest bezeichnete. Dafz sich um diese fr&uden
Uhjezii des Lebens eine Menge Gebrauche sammelten und jeder
Stamm geschaftig war sie moglichst zu schmiicken und auszu*
zeichnen, ist wol erklarlich; denn fur die meisten Mehschen, we-
nigstens fflr die welche die Liebe empfanden und so gliicklich
waren das geliebte Wesen zu ^ erringen , ist der Tag der Heim-
fiirang der Brapt der schonste des Lebens. Lange ersehnt, oft
mit Kummer und Kampf errungen, ist er ein Tag erfiillter
Wunsche und inhaltsschwerer Verheifzung. An ihm soUen Freude
und Ernst gleichen Theil haben. Freilich wird der Ernst meisteins
von dem Jubel ubertaubt und die aufzere Welt lafzt der inneren
Belten Augenblicke der Sammlung und des Nachdenkens^ die em-
fiterem Sinne unerlafzlich sind. Auch in den Gebrauchen, die
sich seit alter Zeit daran knQpfen, ist des storenden und selbst
des verletzenden viel ; allein sie haben in ihrer ersten Zeit einen
guten Sinn gehabt und waren damals unverfanglich. Sie alle auf-
zufiiren und dabei namentlich auf die einzugehen, welche sich in
dengermanischenVolkern noch erhalten haben, ware eine vielfach
') EiDgefiirt wurde es durch das vierte LaterankoncJl (1215) can. 51., in
I'entschland angenommen durch das Koncil von Trier- 1227. c. 5. und auf der
^arzbiirger Diocesansynode von 1298. c. 18 (Hartzheim 4, 29). *) Upland. 1.
^- 15. LOppersum. sendbr. von 1424 (Richthof. SU.')- *) A.M,MleicK kikileich.
"•'•af. hrutlouft, brutleite, ags. gift, altnord. gifting, brudhlaup. brudhkaup, kvdnfdng.
^^^k feftarol. veitsla. Altschwed. gipt. bryllSp. dlftemna, — heiraj;en : hiwjan^
«»cfl. gehijan, «— gewiben, — briuten, — quehun neman leitan^ kalon, drecka brudhlaup.
246
lonende aber eine besondere und weitschichtige Arbeit. Sdlion aus
dem was ich hier zusammenfiirtey wird sich ein allgemeineB Bild
der Hochzeitfeierlichkeiten der Germanen entwerfen lafzen*
Die gewonliohe Zeit zum heiraten war der Herbst und
Wintersanfang. Am Sonntage nach Martinstag waren in Ost- und
Westgothland die grofzen Kirchspielsgilden (munngatstidbir), an
denen auch die Hochzeiten gehalten warden ') und noch heute ist
in Sohweden der Herbst die gewonliohe Brautlaufszeit ^)« Auf
der friesischen Insel Silt wurden bis ins achtzehnte Jabrhundert
die meisten Ehen in der Woche vor dem ersten Advent ge-
schlofzen^)* Dafz es in den deutschen Landem ebenso war, be-
weist dafz noch heute sich die Hochzeiten gegen den Herbst und
Winter am meisten drangen *), Der Landmann kommt nach der
Emte zur Euhe und denkt daran sein Haus zu ordnen und zu
bestellen , und die andem welche auf Heimf iirung der Braut sin-
nen 5 scheuen den langen einsamen Winter und woUen ihn holbo
zweit verleben. Bel der Bestimmung des Heiratst^gea ward auch
auf die Mondzeit geachtet; alter Aberglaube weifzagte den Elhen,
die im zunemenden Mondlichte geschlofzen wurden, beeonderen
Segen*). — Der Wochentag wurde verschieden gewalt Tn den
nordischen L'andem war der Sonntag beliebt, namentlich in Ost-
gothland ; auch zwei norwegische Konige, Magnus und Hakon Ha-
kons Sohn, traten ihre. Ehe am Sonntag an ®). In Lubeck war
dieser Tag noch im 15. und 16. Jahrhymdert zu solchcm Zwecke
auserlesen '') , obschon die Kirche sich dagegen fruhzeitig aof-
lente. Das Koncil von Tribur (895) legte wenigstens eirie vier-
jahrige POnitenz darauf *). Fur den Mondtag sind mir keine Zeug-
') Vestgiital. I. giptab. 9. Ostgotal. gipt. 8. *) Rich. Dybeck Bona 4,
60(1842) — vgl. noch Fornmannas. 10, 46. Egilss. c. 9. 42. Gnnnlangs 8. c 9.—
Beispiele nordischor Heiraten im Sommer Fommannas. 10, 28. 9, 379. *) Mi-
chelsen und Asmufsen Archiv (Altona) I. 413. *) In Polen ist ef ebeoM.
*) Die Griechen schlofzen die Ehen gem zur VolhnondzeiL Lobeck AgUopha^
mos 433. «) Fommannas. 9, 372. 10, 106. *) Michelscn und Agmaffen Ar-
chiv (Kiel) I. 1, 66, ») Die Worte: Jt quis nupferit die domuUeo (Hartihflim
2, 411) konnen freilich auch nach dem unreinen Sinne von nubere^ den das Wort
in der Eirchenspraehe hat, gedentet werden.
8«
nifse ans alterer Zeit bekannt; doch wird er im Borgarthings Kri-
stenrecht (c. 7) als erlaubter Hochzdttag aufgefort ^) ; dagegen
wird der Dienstag bier verpont* Gerade dieser Tag ist heute im
ostlichen Deutschland (Schlesien, Lausitz, Meifzen) sehr beliebt
ond war es auch in Schlesien schon im 17. Jahrhundert seit altar
Zeit (Logau Sinngedichte n. 131) ; ebenso wird er durch s&ddeutsoheti
Volkfiglauben nel)en dem Freitag fiir die Heiraten empfolen^)
Neben Dienstag verbietet das Borgarthing Existenrecht noch Don-
nerstag und Sonnabend. Der Donnerstag ist bei den Oietmarschen,
Friesen und den Niedersachsen ein beliebter Hochzeitstag ^) und
aus der Bedeutung des Donnerers for die Ehen diirfen wir gerade
diesen Tag in dieser Beziehung auch bei unsem heidniaohen Va-
tern fiir angesehen halten» Als eine Sonnabendhochz^it ist die von
Skald Bafn und Helga zu ^betrachten, da sie zum WinteiBanfang
(at vetm&ttum) angesetzt wird, der gesetzlich auf Sonnabend (lau-
garqueld) f&Ut. An einem Freitag vermahlte Konig Imgi Bardar-
sohn von Norwegen seine Schwester Sigrid dw Thorgrim von
Lianes (Fommannas. 9> 21); dafz dieser Tag m SiiddeutsdUand
fiir die Heiraten empfolen wird, ward scbon vorhin bemerkt. Fiir
Mittwoch kann ich kein entschiedenes alteres Zeugnifs auffinden ;
in einem schlesiscfaen Kirchspiele ^) fallen viele Hochzeiten auf
diesen Tag.
Yon verbotenen Heiratszeiten hat unser Heidenthum sdiwer-
lich etwas gewufzt; erst die kristliche Kirche strebte sie im
Abendlande geltend zu machen, nachdem sie dieselben bereits
im 4» Jahrhundert ausfindig gemacht hatte. Die islUndische Ge-
setzgebung zeigte sich auch in. dieser Hinsicht den geistlichen
Anforderungen sehr willfarig und fast der ganze Winter wurde
dadurch zum Eheabschlufze ungesetzlich. Vom Sonnabend vor
0 Der Mondtag ist in Folen fiir ELeiraten sehr beliebt, aber auch der
Sonntag. *) Panzer Beitrag zar deutschen Mythologie S. 268 (n. 191). ') Neo-
korus herausg. von Dahlmann 1, 110. Michelsen and Asmufsen Archiv 1, 413.
(Altona). Wh. Miiller Gesch. and System der altdeatschen Religion 246. *) In
der evangeL Farochie Beichenbach, dem Eirchspiele meines Vaters.
2«_
WeihnacKten bis eine Woche nach Epiphanias und neun Wochen
vor Ostern bis acht Tage nach Ostem durfte man bei Strafe dor
Verbannung nicht heiraten (Festath. 18). Winters Anfang ist je-
doch.freigelafzen und diese Freigebung der Adventzeit ist wol su
beachten 0» Dispensationen waren freilich iiberall von der Geist-
lichkeit zu erlangen. In Baiem war das Mittel dazu die Opferung
einer schwarzen Henne, eine merkwiirdig damniische Oabe (Schmelr
lers baier. Worterb. 2, 199, 3, 549).
Der Tag der Hochzeit war ausgew^lt und bestimmt und yon
beiden Seiten riistete man sich dazu. Die Braut lud ihr© Ver-
wandten und Freunde ein, der Brautigam die seinen, beide bald
selbst bald durch die wichtige Person des Brautfftrew , Braut-
mannesy Hochzeitbitters oder wie er sonst hiefz und heitzt*).
So viel ergibt sich aus den verschiedenen Quetllen, dafz das
eigentliche Fest im Hause des Brautigams gefeiert ward •) und
dafz es also wirklich eine Heimholung war, ein Brautzug oder
Brautlauf , wie die alte germanische Benennung ist. Bei der Ab-
holung der Braut herrschte verschiedene Sitte, je nachdem der
Brautigam selbst oder sein BevoUmachtigter sie ubemam. HOren
wir , wie es bei den Dietmarschen zugieng. Donnerstag nach dw
kirchlichen Einsegnung des Pares sendet der Brautigam seeks,
acht, zehn oder mehr seiner nachsten Verwandten und Freuode
.als Brautknechte nach der Braut ab , die st^ttlich zn Pferde sind.
') Norwegische Bestimmungen iiber die Unzeiten (utidhir) im Gnla^ngsbadi
c. 27. Frostath. 3, 9. Borgarthings Kristenrecbt c. 7. *) Die Abbildnng einer
Braut von der friesischen Insel Fohr wie sie zur Hocbzeit ladet bei We»tph*l«B
Monum. ined. I. tab. XIX. einer Braut yon Stapelholm bei Westphalen L tab. V.
Auf den nordfriesischen Insein gieng die Braut iiberall selbst heram. Vgl* den
Silter Branch bei Michelsen-Asmufsen Arcbiv (Altona) 1, 413.. C — Die Ver-
wandtenzahl, die nach ostgothland. Kecht (gipt. 9) vom Brautigam bei Strafe ein*
zuladen war, mochte manchmal ungeheuer sein, da die Verwandten selbst ddttflO
Grades (Geschwisterenkel) geladen werden musten. *) Engeltofts Meimmg (179)
dafz die Hochzeit im Brauthause gehalten wurde ist nicht richtig. Zuweilen w»rd
allerdings hier das ganze Fest gefeiert, allein es ist diefz Ausname. In der Saobe
ligt es dafz der Br&utigam, in defsen Haus die Braut einzieht, die Festliehkelt
zu yerai^stalten bat.
249
Mit ihnen faren vier Wagen , auf deren erstem die Kleiderfrauen
sitzen, welche gew^nlich die Weiber der Brautknechte sand und
die Kleider der Braut zu besichtigen ejnpfangen and heim zu
bringen haben. Der zweite ist far die Braut mit ihren Spriddel-
docken oder Beiaitzerinnen und fUr die Spielleute bestimxnt. Wenn
die Eeiter und Wagen im BraiUthause angelangt sind, so wer-
den sie herrlich aufgenommen und der altesteBrautknecht brifigt
blofzen Hauptes die Bitte vor, dafz man ihnen den Brautwagen
folgen lafze. Die Kleiderfrauen schafFen hierauf die Kleider und
Betten samt dem mannslangen Brautbrote und dem Brautkase
auf den Wagen und die Brautknechte laden die Kisten der Braut
auf. Nachdem die Wagen mit den Sachen fort sind, stattet der
alteste Brautknecht.im Namen des Brautigams und seiner ^Mitge-
sellen den Dank ab und die Gresellschaft wird zum Sitzen gepo-
tigt. Sie werden nun bewirtet, wobei ein guter^ Trunk die Haupt-
sache ist, ,,auf dafz solche Gaste wifzen wo sie gewesen sind."
Nachdem das . Efzen wieder ' abgetragen ist und die Brautknechte
der Reihe nach den Vortanz gehalten haben , tritt der Wortfftrer
wieder auf und begehrt Gehon Wenn ihm diefz nach einigem
Weigem gewartist, dankt er zuerst dafz ihm der Wagen verab-
fblgt ist, dafz ihnen Ehre und Gutes erwiesen wurde und bittet
darauf dafz nunmehr die Braut in daa. Zimmer komme , dieweil
sie darum abgesandt seien und den Brautigam aufs hochste nach
ihr verlange. Ohne Zweifel verlange auch die Braut nach ihm und
wenn nicht nach ihm , so doch nach ihrem Wagen und Klei-
nodien. Nachdem das Begeren mehrmals abgeschlagen ist so
dafz oft der andere Tag herankommt, wird die Braut, die bis da
mit ihren Frauen und Jungfrauen in einem besonderen Gemache
war, mit ihren zwei Spriddeldocken hereingefiirt , in jungfrauli-
chem Schmucke, das Haupt ganz verhiillt. Wenn alles zur Ab-
reise fertig ist, wird sie dem Brautknechte von ihrem nlichsten
Verwandten ubergeben , ihr des Brautigams Hut aufgesetzt *) und
') Zeichen dafz sie in die Mundschaft desselben tritt. — Ueber den Uttt
^ Rechtssymbol J^ Grimm deutsche Bechtsalterthiimer 148—151.
250
unter Gliick- und Segenswunsch der ihren abgefareny die hier-
auf noch eine Zeit lang in Frolichkeit beisammen bleiben. Unter-
defsen sind die Wagen mit der Ausstattung im Hause des Brila-
tigams angekommen und abgeladen worden. Die Braat selbet
nahert sich mit denBeitem und Spielleuten und stellt sich, naoh-
dem die Pferde bei Seite geschaffi; sind, mit ihren Grdeitfrauen
▼or der Thur des Hauses auf. Jetzt erst erscheint der Brautigam,
tritt barhauptig vor die Braut und fragt dreimal: Elann ich wol
mit Ehren meine Braut einfuren? — Dreimal wird geantwortet:
Fiiret sie in Gottes Namen ein« Darauf nimmt er sie bei der
Hand/ lafzt sie dreimal herumdrehen und schwingt sie in das
flaus binein indem er spricht: Mit Ehren fiire ich meine Brant
ein* Vor der Stubenthiir wiederholt sich das herumdrehen und
hineinschwingen ; dann verlafzt er sie und geht in sein G^mach.
Ein Gastmal und Tanz reihen sich an und die Ceremonie in der
Brautkammer beschliefzt den Tag3).
Lebendiger noch ist die nordfriesische Sitte^ wie sie auf
Silt bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts lebte. Am
Hochzeitmorgen 9 einem Donnerstag, sammeln sich alle geladenen
Manner bei dem Brautigam und leiten diesen und den Braut-
mann (fuarman^ an der Spitze zum Brauthause^ defsen Thur
verschlofzen ist. Nach einigem Klopfen erscheint ein altos Weib
imd fragt , was sie woUen ? Der Vormann antwortet : Wir haben
hier eine Braut abzuholen. Die Alte schlagt aber die Thiir zu
und ruft, hier ist keine Braut. Auf ein zweites EQopfcn wird
jedoch aufgethan. Nach einem Friihstiicke gehen sanuntliche Manner
vor das Haus und die Braut wird von dem Vater tibergeben ; der
Vormann beginnt alsbald mit ihr einen Tanz; den zweiten Taoz
hat der Brautigam und die anderen Manner tanzen mit den ubri-
gen anwesenden Weibem. Nach einer halben Stunde etwa sid-
gen alle wieder zu Pferde , nachdem ein Junggesell, der Braut^
heber (l)ridle£9tr) , die Braut und ihre bdden Eihrenfrauen (die
') Neokorus von Dahlmann 1, 110. ff.
aalerwiiffen) auf den Wagen gehobeii hat ')• Das war aber kelne
leichte Arbeit , denn unter denKnieen durfte der Junggesell nicht
anfafzen and iiber den Knieen war der Umfang dieser Wei-
ber dnrch die drei gefaitelten Friesunterrocke und den faltigen
Sdia^^elz ungehener')* Unter Absingen eines geistlichen Liedes
reiten die Manner hierauf rasch zur Kirche, der Vormann und
der Brautigam var dem Brautwagen, die andem dahinter. In die
Kirche gehen nur das Brautpar der fuarman und die aaler-
wiiffen, die anderen reiten unterdefsen imDorfe nmher. DerRiick-
zug geht.darauf in derselben Ordnung vor sich, aber nicht zum
Brauthause sondem zu der Wonung des Brautigams , die anch
zuerst verschlofzen ist, sich aber leichter als das Brauthaus off-^
net Hier wird eine Bewirtung gereicht und bis in die Nacht ge-
tanzt Bei dem Tanze haben die beiden Brautjungfem (fuarfaa-
man) die Aufgabe mit einer Art Branntwein hemmzngehen und
der Gesellschaft mit einem Loffel zu trinken zu geben. Die Braut
Bafz zwischen den beiden Aalerwtifien ^)«
Ohne noch mehr Gebitluche im besonderen aufzufiireu ,
konnen wir folgendes als allgemeinen Hergang bei der germa- ;
nischen Hochzeit angeben*): Der Br'tlutigam sendet eine Schar
BUS, die Braut in sein Haus zu holen; der Brautfiirer ist selbst
fur den Fall dafz der Brautigam am Zuge theil nimmt, der Spre-
cher und Unterhandler ; er bringt die Werbung noch einmal vor,
die Braut wird ihm iibergeben und er furt sie dem Brautigam
') Nach Loccen. . antlquit. 157 wnrde ehedem in Schweden der Brautigam
yon den Braatfiirem in die Hohe gehoben. Es scheint diefz 80 wie der hier cr-
wahnte Silter Branch Best einer der levatio novae nuptae verwandten Sitte. YgL
Grimm Bechtsalterth* 433. *) Die Abbildung einer Silter Braut und Braut-
jongfer bei Westphalen monum. ined. I. tab. 21. 22. *) Michelsen und As-
mofBen Archiy (Altona) 1, 413. ff. — « Braut sein: den briuteftuol besizen, im briit-
ftuole sizen. Erec 7661. Gudr. 549. Helmbr. 1469. *) Vgl. 1. Sal. XIII, 14.—
Ostgotal, gipt. 9. Vestgotal. I. gipt 9, 1. UplandsL III. 1. Gutal. 24. — Sid.
Apoll. ep. ly, 20. Fertz 6, 286* Karajan deutsche Sprachdenkm. des 12. Jahrh.
25, 9. — YgL die ahd. Ausdrilcke quenun leitctn, haUn, — Der Zug der Braut
Oder jungen Fran mit ihren Sachen in ihre neue Heimat „der brdtlouf' ist noch
heute unter dem deutschen Landvoike 6ine grofzo Festlichkelt , die theils am
Hochzeitstage selbst, theils bald darauf statt findet.
258
zur So verlief die Ceremonle in alter Zeit and bo ist sie noch
heute'in vielen deutschen Landem und nicht blofz miter dem
Landvolke am Leben.
Der nordfriesische Branch, das Branthaus erst verschlofzen
zu halten und die Bfaut zu verlaugnen, scheint nicht alleiii zn
stehen, sonderneine ziemlich allgemeine alteSitte zu sein, welche
durch den Trennungsschmerz der Eltern, die Scham und Spr5-
digkeit des Madchens und die Lust der Gaste den Brautigam
aufzuhalten und zu necken, gewifsermafzen geboteu ist. In dem
polnischen Oberschlesien findet sich ein entsprechender Hochzeit-
brauch ^). Dem Brautigam wird zuerst ein altes Weib statt der
Braut Yorgefiirt, das in ein weifzes Tuch gehiillt ist und sich
lahm stellt. Auf die abweisende Bede, das sei nicht die Braut
sondern ein Thier , wird eine der Brautjungfem vorgeffirt , die
sich rasch vor dem Braut/iirer (Starosten) umdreht und jentflieht
Der Staroet sagt, das sei ein scheues Thierchen , die Braut kOnne
es nicht sein; und jetzt erst und nachdem ein Schdnbraatkauf
gegeben ist, wird die wirkliche Braut hereingebracht.
Der dietmarsische Branch zeigte uns die Braut am Haupte
ganz verhiillt; in Skandinavien herrschte dieselbe Sitte. Die Braut
ward mit einem Leinentuche bedeckt, daa iiber das ganze Ge-
sicht hinunterhieng, so dafz wer sie ansehen wolte sich unter
das Linnen beugen muste *). Auf Silt war der Braut das Haupt
so wie der Oberkorper durch einen Ueberhang verdeckt, aus dem
sie durch eine viereckige OefFnung heranssah'). AUerdings kann
ich fiir diese VerhuUung der Brant aus dem inneren Deutschland
') Von mir ausfurlich schon in Ilaupts Z. f. d. A. 6, 462. S, mifcgef^eilt. —
In Kleinrufzland wird beim Nahen des Brautigams der Hof d- r Brant verrammelt,
ein zerbrochenes Rad vor die Thiire gestellt und die Gcsellscbaft der Braut schickt
sich zur Yertheidigung an. *) Untcr dem Linnen gehen (gdnga und lint) heifst
Braut sein (Saem. 105.'). bundu their ThSr thd brudharlini, Saem. 71/ lout und
Hnu. Saem. 74.' 3) Westphalen monum. I. taf. 21. — ■ Ueber das friesischie
logia , nubere , s. J. Grimm Vorr. zu E. Schulzes goth. Glofsar p, XIII. —
Ueber die Versclileierung der Braut vgl. Tertulb'an de virg. veL 11. Ambroi.
epist. 9.
ass
keine Zeagnifse beibringen , • allein ihr Vorkommen im Norden
warend der Blute des Heidenthums und der anberiirten Yolks-
thiimlichkeit mufz gentigend beweisen dafz sie allgemein und
altgermanisch wan
Althergebrachter Hauptschmuck der juBgfnlulichen Braut
war das lange lose Har; es gait als Zeichen bewarter Rein-
heit bei den niederdeutschen Brauten npch im vorigen. Jahr-
hondert ^). Indefsen wurde es nicht allgemein , am Hochzeit>-
tage frei getragen ; im Norden trugen in alter Zeit die Braute
ihr Har hoch aufgebunden und mit Bandem umwickelt*), ganz
wie es noch im 17. Jahrhundert in schwedischen Gegenden ge-
brauchlich war. Der Brautkranz feblle wie es scheint dabei ganz>-
lich ; er war ersetzt durch das freifliegende Har oder es- ward
nicht fiir notig geachtet, die Jungfraulichkeit der Braut beson-
ders anzudeuten. Grermanisch.ist er nicht und erst durch dieVer-
mittelung der Kirche *) iiblich geworden. Im dreizehnten Jahr-
hunderte war er in Deutschland und Frankreich bereits im Branch ;
er war in Frankreich von Bosen und der Brautigam trug ein
Kranzchen von grunen Zvreigen *). .
Die iibrige Brauttracht scheint nichts besonderes an sich
gehabt zu haben, aufzer dafz die Gewander. neu imd reich wa-
ren wenn es sonst angieng*). Ob das Kleid der Braut wie in
Frankreich J in altererZeit eine bestinrniteFarbe, etwa die weifze,
gehabt habe, kann ich nicht far gewifs behaupten ®). Eine gewon-
') Grupen de uxore theot. 204. — Vgl, auch 01. Rudbeck Atlantica III.
€17. Herrad von Landsberg hortus deliciarum hcrausg. Ton Engelhard taf, 2.
*) hagliga urn hSfudh typtu. Sacra. 72,* Es entspricht diesem Kopfputze der li-
thaoische wainikkas, der turbanartigc etwa sechs ZoU hohe Kop^utz der Braut
von schwarzem Sammt, auf dem der Brautkranz sitzt ') Die Kirche hatte die
Bekranzung der B/autleute aus dem klass. Heidentbume beibebalten. Tertull. de
foroD. mil. 13. Chrysost, homil. IX. in. I. Timoth. *) Bertholds Fredigten 366
(Kling). Le Grand et Roquefort vie privee 2, 247. ^) Beatriis 166 — 180. Neo-
corns 1, 112. Westphalen men, ined. I. taf. III. IV. XIX. •) Vgl. Karajan
denUche Sprachdenkm. des 12. Jahrb. 25, 14. d6 ilte er gerwen die maget, er
l>ailet si mit vlii^e, m f/ittu^te da!; wi^^e, mit porton behangen, mit guldinen span-
geu - vgl. cbd. 36, 18.
Uchc Zuthat zu der brautlichen E^leidung waren in altester Zeit dk
Schliifzel als Zeichen der iibemommenen VerwaltUDg des Hw"
ses. (Saem. 72.**)
Der Aufwand, der sich bei den Hochzeiten im Mittelalter
in Kleid^rn, Schmuck, Verzierungen der Wande, In Gresohenken
der G'aste und namentlich in dem Gastmale einfand, war.so be-
deutend und iibermafzig dafz die Polizei dadurch bald zum ISn-
schreiten aufgefordert wurde. Die zahbreichen HochzeitsordnnngeB
welchc scit friiher Zeit, haufig schon im 13»y am haufigsten aber
im 16. Jabrbundert erschienen, bezweckten eine Einfachheit za-
riickzufiiren , welche . gerade bei diesem Feete stets geherrsdit
haben solte. Ftir die verschiedenen Stande warden nunmehr
bochste Satze des erlaubten festgestellt, ganz wie bei den EM"
derordnungen ; allein ihre stete Wiederholung" beweist wie ▼e^
geblich das Streben dee States blieb. Wir iibergehen sie *) , fib«>
gehen das Efzen und Trinken und die Zahl der Festtage, dera
bald drei, bald filnf, bald acht und nocb mehr waren, und er-
wahnen nur dafz die Gaste bier und da nach den Oesofalechten
getrennt wurden. Als Konig Hakon Hakonssohn von Norwegei
seine Vermahlung mit Margarete Tochter des Herzoge Skul
halt, bewirtet er die Manner in der Julhalle, dieFrauen mit de:
KoDigin in der Sommerhalle ^) , die Klosterleute sitzen wiedei
abgesondert. Etwas anliches war in Llibeck im Anfang dea 16
Jahrhunderts Branch* Das Brautpar speiste namlich von dei
Gasten abgesondert in der Brautkammer. Wenn aber der Bratei
kam 9 gieng der Brautigam zu den Mannern und die Frauen ka-
men zu der Braut ^),
*) Vgl. im allgemeinen Hullmann Stadtewesen 2, 449. '4, 156. JSger Uln
516, im besondem: Hamburger Hochzeitsordnung v. 1292 (Lappenberg Hambui^'
Ecchtsalterth. 1, 160) Eopenhagen. Stadtr. von 1294 n. 73. (Koldernp. Bosenfing^
IV). Appingadamer Bauembrief v. 1327 (Richthofen 297). Gatalag. 24. 65. kg
Hans privil. n. 36. 37. Eristian II. geistl. Rccht 129. Erist III. recefs: 1689. 1598
Erist. IV. y. 1615. Weistumer 1, 384. 489. 2, 22. 3, 78. Michelsen-AsiDiifieii
Arch. (£[iel) I. 1, 69. ^) i sumarhdUinni ; die Hdchzeit ist am Trinitatifttge. "^
Fommannas. 9, 372, ') In Eleinrufzland efzen die yom Br&utigam geladCB0<i
bei ihm, die Gaste der Braut bei dieser.
856
Die Braut war das ganze Fest iiber fast allenthalben in die
Obhut der Brautfirau ^) gegeben , einer nahen Verwandten oder
emer Pate, welche die S telle der Mutter an diesem Tage ver-^
tritt und fiir die Braut iiberhaupt das ist, was fur den Brau-
tigam der BrautfUrer oder Vormann. Sie ist die Ehrenmutter nach
baierischem Ausdruck oder wie sie das schlesische Volk noch
heute nennt, die Zuchtfrau. Auf Silt waren zwei aalerwiiJBfen ge-r
wonlichy zu denen noch die zwei Brautjungfern treten, welche
in keiner deutschen Gegend noch heute felen und in den Braut-
gesellen (BrsLuiknechtGn) ihre mannlichen Genofzen finden. Ob
diese nachsten Umgebungen des Brautpares sich schon in Sltester
Zeit fanden, mag schwer zu entscheiden sein. Der BrautfUrer zwar
Ts. oben) ist als altgermanischer Hochzeitsmann nachzuweisen,
schwerer halt es aber mit der Brautmutter. wenn wir nicht in
dem Eddaliede von Thryms Hammerraub den Loki, welcher als
Magd verkleidet den br3.utlichen Tbor begleitet, wie eine Ehr-
fraa betrachten wollen, da er ganz ihr Amt versieht, fiir die
Braut antwortet und sie entschuldigt wo es notig ist. Man kann
hieraof so wie im allgemeinen auf die altgermanische Sitte der
Zeugenschaft von El tern und Verwandten gest&tzt den kirchlichen
Einflafz ^) auf die Bildung dieser beiden BrautfUrer abweisen.
Ebenso haben die Brautgesellen in dem altherkommlichen Ge-
kite desBrautigams, so wie die Brautjungfern in der wol ebenso
alttibllchen Genofzenschaft der Freundinnen der Braut ihre volks-
thiimliche Vorfarenschaft.
Am anziehendsten namentlich fur die Gegenwart ist die
') Ahd. himachdra, ags. hddfv&pe, heorclfvdpe (das Wort huuelspceperfa
^r Erfnrter Glofsen Haupts Z. f. d. A. 2, 205, huuil scoperse der Marbnrger
Glofsen Hermann Marb. Progr. 1841. S. 23. fiir pronuba et paranimpha ist mir
'nidnrchsichtig) altschwed. hruthframma hrutumd. frammor, — Die grtdkkona des
^iorkeyjarrett (c. 132) scheint dafzelbe , so wie der gridkmadhr dem truhtigomo
^t«pricht. Anfzer ihnen fordert diefz Bechtsbuch noch zwei Brautm&nner und
^rautfrauen als Zeugen der Vermahlung, *) Concil. Carthag. IV. c. 13. sponstis
^ tponsa cum henedicendi sunt a sacerdote , a parentibuB suis vel a paranymphis
Werantur. — • Benedicti capit. III. 463. (Pertz legg. II. 432) a sacerdote benedu
<^a/vr et a paranymphis ut consuetudo decet custodita et sociata a proximis.
Frage nach dein gottesclienstlichon Theile der Heiratsfeierliolikei-
ten. Die verhandelte Einfiirung der Civilehe bewegt so maiiches
Gemut ') ; die einen fiirchten die Aufhebung der priesterlichei^
Einsegnung der Ehe und damit das Abstreifen' jeder hoherea
Auffafzung dieses Bundes ; die anderen freuen sich der religiosen
Zuthat bei der Hochzeit ledig zu werden. Dafz auch vom State
oder der Gemeine das bGrgerliche Verhaltnifs der Ehe durrh
einon biirgerlichen Akt sicher gestellt werde, wird bei der iiber-
handnemenden religiosen Zerspaltung und Unduldsamkeit taglieh
notiger; dafz der Stat aber im eigensten Interefse zngleich dar-
auf zu sehen hat , dafz die Ehe nicht wie ein Mietvertrag der
Sinnlichkeit betrachtet werde , sondern als ein heiliger Bund m
ernsten und hohen Zwecken, diefz ist noch weit erforderlicher.
Wir konnen aus unserem Heidenthume sehr viel lemen fl\r
eine tiefe Auffafzung der Natur und des menschlichen Lebens;
denn es war frisch und kindlich und dogmatische Spitzfiindigkeiten
so wie frommelnder Fanatismus und platter Atheismus nnter-
banden ihm noch nicht die Herzensader. Der heidnische Germane
fafzte die Ehe wie ein grofzes und heiliges Unternemen, iiberdas
die Gottheit zu befragen , fiir das ihr zu opferii, das durch sie
zu weihen sei. Daher bestunden neben den rechtlichen Verhand-
lungen gottesdienstliche Gebrauche und so mufz es auch bei
uns sein.
Wie vor jedem wichtigen Beginnen scheint es auch vor den
Heiraten in unserem Heidenthume Sitte gewesen zu sein, die
Stimme der Gotter durch das Lofz zu erforschen. Noch am Ende
des 13. Jahrhunderts war Lofzwerfen bei Hochzeiten so iiblich
dafz es die Kirche bei Strafe der Exkommunikation verbot *) und
bis heute sind eine Menge Schicksalsbefragungen iiber die kfinf-
tige Ehe im Volke iiblich , die auf Johannisabend , Andreas-
tag, Weihnachten, Sylvester und andere seit uralter Zeit gehei-
ligte Zeiten fallen. — Unter den germanischen Gottheiten sind
') Icli bemeike dtifz diefz Knde 1849 ^^eHchrieben wnrde. *) Synod. HerblpoL
1298. o. 18 (Harlzh. 4, 30).
2&T
nlerere als Vorsteher der Ehe zu bezeichnen: Loki, der Gott ded
Feuers; Donar, der freundliche Gott des Welters und der ErdeJ
Fro (Freyr) der Gebieter iiber Luft und Wafzer und jegb'chen
Eeichthum. Von Fro (Fricco) erzalt Adam -von Bremen ^) dafz
ihm die Schweden bei den Hoch^eiten opferten | er war der schwe-
dische Landgott. Bei den norwegischen und wol auch bei deut-
schen Hoehzeiten iiberwog der Donarsdienst* Thors Hammer ward
auf den Schofz der Braut gelegt und das Verlobnifs damit ge-
weiht *). Die Waffe des Donnergottes war das Symbol des Blitzes
in seiner segnenden und befruehtenden Wirkung und noch heute
wird den Donnerkeilen wolthuende und heilende Wirkung zuge-*
schrieben ; namentlich sollen sie die Geburtswehen erieichtem ')*
Nicht minder bedeutend als Tbor mufz der Feuergott ftir die
Hoehzeiten gewesen sein, denn Loki ist iiberhaupt die Darstel-
lung der zeugenden Kraft, er ist aufzerdem Herdgo tt und Schii-
tzer des Hauses und darum in doppelter Beziehung bei der Griin*
dung eines Hausstandes anzurufen und zu verehren *). Noch heute
ist es in norddeutschen Gegenden Sitte, die junge Frau dreimal
um den Herd zu fiiren, auf dem ein frisches Feuer brennt; an-
derwarts trUgt sie einen roten Faden um den Hals* Wir ge-
denken ^R)ei urverwandter namentlich indischer| Hochzeitge-*'
brauehe, in denen das Feuer und seine Gottheit eine gleiche Be-
deutung hat %
Diirfen wir aus den stammverwandten indischen und grie-*
chisehen Sitten auf die germanischen einen Schlufz machen, so
^ar der gottesdienstliche Theil des Brautlaufs auch mit Liedem
') Gest. Hamab. eccles. poiitif. IV. 27. (Pertz 9, 380). *) bent inn hamaf^
orudki at viggja, legjit Midllni t meyjar knS^ vigit okr faman Varar hendi, Saem. 74/
} Bei den Deutschen des Bohmerwaldes mufz die junge Frau wenn es warend
des Brautzugs donnert rasch einen schweren Gkgenstand zu hebcn suchen ; sie
<*balt dadurch Gesundbeit und Starke. *) Vgl* im AUgemeinen meine Sa'jen
^on Loki in Haupts Zeitscbr. f. d. A. 7, 1—94. ; besonders S. 9 ff. und 90. —
Eine hergehOrige Stelle aus Loccien* antiqu. bei Grimm Rechtsalt. 431. *) Eubn
^^ Schwarz Norddeutsche Sagen. S. S. 433. 522. — Auch bei den Slayen scheini
Miches statt gefunden zu haben. In Kleinrufzland wird die Braut dnrcb ein Feuei*
1^ das Haus des Brautigams geMrt.
17
258
ausgestattet, welche den Schutz und den Segen der Gottheit er-
flehten. Unser Schlufz wird theils durch den Sprachschatz ') theils
durch ausdriickliche Zeugnifse bestatigt , indem in dem ganzen
: Mittelalter Brautgesange nachzuweisen sind, welche theils unmit-
j telbar nach dem Zusammengeben des Pares (Rudlieb XIV, 87 — 89.
Helmbr, 1535), theils auf dem Zuge der Braut in das Haus dea
Brautigams angestimmt wurden ^). Wir diirfen dieselb^n ohne
weiteres fiir einen Rest der gottesdienstlichen AlterthQmer der
Germanen erklaren. Die hohe Ansicht Kristi von der Ehe welche
namentlich von Paulus weiter gebildet wurde, muste fiir die Stel-
lung derselben in der kristlichen Kirchenlehre bestlmmend sein
und sie als eine gottliche Einrichtung erfafzen lafzen, deren Ein-
gehung der kirchlichen Theilname nicht zu entziehen war. Der
Presbyter und der Bischof wurden demnach vorher von dem Vor-
haben der Brautleute unterrichtet und um Rat gefragt •) und die
Ehe nach dem Genufze des heiligen Abendmals unter priesterli-
chem Segen geschlofzen. Die Lockerung welche alio sittlichen
Verhaltnifse in der spateren romischen Welt erfaren hatten, machte
sich bei der Ehe natiirlich vorziiglich geltend , so dafz endlich
die Thatsache des ehelichen Zusammenlebens genfigte ,und die
f Ehe selbst ohne jede Form angetreten wurde *)♦ Merere Kais^er
suchten den Nachtheilen, die auch fiir das biirgerliche Leben
daraus entspringen musten, zu begegnen, indefsen mit wenig Er-
folg. Kaiser Leo bestimmte endlich (nov Leon. 89) dafz keine
Ehe rechtsgiltig sei, welche nicht unter kirchlichen Formen ge-
') brutleichf hrutifanc. hileich. leichod. ags. hrydlac^ hr^dfanc^ hrydledd. g\file6dh,
*) Sid. Apoll. c. 5, 218 — 20. Karajan deutsche Sprachdenkm. des 12. Jahrh. 26, 1. Khein.
mus. 3, 423. Athis C* 96. Neoconis I, 116. 119. 176. die oben erwahnten SilterGe-
brauche. Panzer Beitrag S. 11 tlieilt eino oberbairisclie Sage mit, wonach die
drei wilden Frauen im Frauenlocho am Staufeu bei Reicheuhall eincn Gesang ho-
ren licfzcn, wenii eine Braui aus dem Hause der Eltcrn gieng. *) Ignat. epist.
ad Polycarp. 5. Tertnll. de monogam. 11. de pudicit. 4. cf. ftber die religiose Hoch-
zeitsfeier Tertull. ad uxorem 2, 8. •*) Uebcr die roniiscben Grtinds&tze von der
Ehe und iiber die des kanonischen Uechtes im Verhaltnif8e /u den germanischcn
vgl. die treiflidic Darlcgung Wildas in Rcyschers und seiner Zeitechrift fftr deut-
sches Reclit 4, 171-232.
25i»
schlofzen wurde und nunraehr euchte die Kirche mit ihren Be-
schliifzen iiber die priesterliche Einsegnung der Ehe iiberall durch- ,
zudriDgen, fand aber durch die bestehenden bargerlichen Einrich*
tungen in den meisten Landem Schwierigkeiten , denen sie sich
bald fiigte bald entschiedea entgegenstellte. Am gltlcklichsten
war 816 in einigen romanischen Landem und in England^ wo die
kirchliche Form der Vermahlung bald allgemein wurde und sich
mit der biirgerlichen voUig verschmolz ^). Nicht minder erlangten
die kirchlichen Bestimmungen in Skandinavien und besondera auf
Island eine allgemeine Geltung, indem ihre Erfiillung neben den
biirgerlichen Rechtsgewonheiten in alien Gesetzbuchern geboten
wird 2). Merkwiirdig ist namentlich das ostgothlandische Recht,
worin die kirchliche Einsegnung (vigaz) iiber die biirgerliche
Uebergabe (giptaz) gestellt ist , indem bestimmt wird dafz die Ehe
sobald die priesterliche Weihe erfolgt ist, rechtsgiltig mit Bestei-
gung des Ehebettes beginne, moge die biirgerliche Uebergabe ge-
schehen sein oder nicht. Bei der Trauung solle indefsen der Ver-
lober (giptarmadhrinn) zugegen sein und der Priester sie bei der
Strafe unrechtmafziger Verlobung (40 Mark) ohne defeen Einwilli-
gung nicht voUziehen.
In den deutschen Landem hatte die Kirche einen gro-
fzeren Widerstand zu bekampfen^ Die ofteren Doppelehen der
Merovinger, besonders solche mit zwei Schwestera wie Chlo-
thars L Verhaltnifs war, lafzen darauf schliefzen, dafz damals
eine kirchliche Weihe nicht statt fand. Pippins Kapitulare
Von 755 verlangt nur die OefFentlichkeit der Eheschliefzung *) und
bedingt keineswegs die kirchliche Einsegnung. Diese wurde zwar
von den Karolingern angenommen *) , allein damit wurde sie noch
^) Chrodegang. Metens. rcg. canon, c. 73. Benedict! capit. III. 59. 179. 463
^Wisig. XII. 3, 8. — Grupcn de uxore theotisca 35. ff. 276. *) Im Uplandslag
^- 9. (1295 von KOnig Birger Magnusson revidirt) ist sogar eine Stolataxe. VgL
auch Weisthiimer 2, 265. 769« — Zu bcachten ist auch dafz nach dem Gutalag 24.
^^ Brautmel'se am Wonorte dcs Brautigams gesungen werden soil. *) Ut-
ownes homines luici publican nupfias facianty tarn nohiles quam ignohiles , Pertzlegg
!• 26. *) Pertz legg. I. 450. Vgl. Biirchardi decret. IX. 1. 2. XIX. 5.
17*
260
keineewegs durchgefiirt* Selbst in der Unterweisung, welche Pabst
Gregor II. dem Bischof Martinian nach Baiem milgab, wird dift
Einsegnung der Ehen keineswege anbefolen , wenn auch vorge-
schrieben wird dafz die Geistlichen den Brautleuten die krist-
liche Eingehung der Ehe ana Herz legen soUen (HartzheinDi 1, 36).
Am lautesten bezeugen die bis ins 15. Jahrhundert wiederholten
Koncilien- und SynodaJbeschliifze , welche Schwierigkeiten die
Kirche zu iiberwinden hatte, ehe sie in Deutschland mit der For-
derung durchdrang dafz die Ehen mit ihrem Wifzen imd mit
ihrem Beistand geschlofzen wiirden ^). Am leichtesten fiigten sich
die hoheren Stande. Bei der Verlobung Konig Heinrichs TIT, von
Deutschland mit der Grafin Agnes von Poitou ^1043) ^aren eine
grofze Anzahl Bischofe gegenwartig (Pertz 9 , 70) ; fiinf Erzbi-
schofe, dreifzig Bischofe und unz'alige Aebte und Probate wonten
der Vermahlung Kaiser Heinrichs V. mit Mathilde von England
in Mainz (1114) bei. Einer bestimmten kirchlichen Handlung wird
indefsen nicht gedacht (Pertz 8, 247). Die Gedichte vom Ausgang
des 12. Jahrhunderts an erwahnen jedoch vielfach bei Beschrei-
bimg der Heiratsfeierlichkeiten der priesterlichen Einsegnung')
und nicht ganz gleichgiltig ist, dafz der Meister hofischer Kunst
und Weltanschauung, Gotfried von Strafzburg, in seinem Tristan
die priesterliche Einsegnung als Biirgschait der Ehre and des
Gliickes empfielt (Trist. 1624 — 1635). Nicht immer geschah jedoch
diese Einsegnung an heiliger Std^tte, sondern dfters im Hoohzeits-
hause und mitten unter weltlicher Lust. So erzalt Heinrich von
Freiberg in seinem Tristan, wie der Bischof bei der Vermahlung
Tristans mit Isote blansche manis mitten unter den Lftrm und
den Tanz der Hochzeitgesellschafl tritt und die kirchliche Hand-
lung vomimmt (633). Die Koncilien sahen sich daher genOtigt
') Ich fare nnr an concil. Trevir. 1227. Colon. 1281. Traject 1294. H«rw
bipol. 1298. Mogunt. 1310. Eichstad. 1354. Magdeb. 1370. Salisbnrg. liSC —
Die Ketzer gegen welche die KOlner Synode von 1146 einschritt, verwarfen di«
Ehe ftberhanpt (Hartzheim 3, 354). *) Erec 2117. 6341. Iwein 8418. EndLtSSS.
Athis C* 96. Mei und Beafl. 87, 1. Heinr. Trist. 633. 860. Alexius 174.
261
gegen solchen Unfug einzuschreiten , obschon Bie vergeblich ge-
predigt zu haben scheinen ^).
Leichter als die Benediction yor dem Beilager fand die Ein-
segnung des jungen Pares nach der Hochzeitnacht Eingang. Ge-
rade in Gedichten von volksthumlichem Karacter finden wir nur
diese erwahnt ^) und sie hielt eich im siidlichen Deutschland nach-
weislich so lange, dafz das Salzburger Koncil von 1420 (c. 13)
ausdnicklich dieEinsegnung vor dem Beilager verlangen muste *)•
Vielfach und namentlich in den untem Volksschichten verschmahte
man aber fortdauernd jede kirchliche Theilname und begniigte
sich an der biirgerlichen Verlobung und der Oeffentlichkeit der
daraaf folgenden Hochzeit. Heimlich abgeschlofzene Ehen waren
dem germanischen Eechtsgefiihle zu wider; der romische Grund-
satz: consensus facit nuptias, der von scholastischen Kirchenleh-
rem mit Liebe behandelt wurdej widersteht durchaus dem Deut-
schen*). Das Volk hielt an den ererbten Rechtsbrauchen fest
mochte selbst der Kirchenbann auf den VoUzieher der biirgerli-
chen Verlobung geworfen werden ^) und die Kirche muste sich
daher hier und da nach dem Volke richten* So gab Erzbischof
Konrad von Salzburg 1291 so weit nach, dafz er die Earche
fiir befnedigt erklarte, wenn der Eheabschlufz binnen Monats-
frist vor zwei oder drei Zeugen dem Pfarrer angezeigt werde.
(Hartzh« 4, 3). Yermahlungsformeln aus dem 14, iind 15* Jahrhun-
3) Concil. Treyir. c. 5 (1227) matrimonium cum honore et reverentia et in
facie (non enim rifu et jocose nee contemnatu) ecclesiae celebretur. — Concil. Sa-
lisbnrg. 1420. c. 13. si commode fieri potest in ecclesia^ aliquando in alio loco hO'
««to sine strepitu cum honestate debita fiant matrimoniorum copulationes, *) Nib.
594.WigaL 9487. Crane IV. 111. Lohengr. 6K 174. CI. Hfttzler. 260. Vgl. anch
Rudolfa Wilhelm 14672. — Im Athis C* 102 ist vor und nach dem Beilager Ein-
^gnung. *) Matrimonia quoque quae benedicenda fuerint, non post ut moris
^^'titit ^ sed ante ipsorum camalem consummationem ac solemnitatis nuptiarum
^kbrationem pro benedictionis ipsius reverentia benedicantur. Hartzheim 5, 190.
*) In Frankreich dagegen war die Ehe in Folge dieses Gmndsatzes w&rend des
Suizen Mittelsalters formlos, daher das Spriichwort: Boire manger coucher ensemble
^mariage, ce me semble. Schaffher 8, 185. ») Concil. Trev. 1227. c. 5. (Hartzh.
3) 529) wiederholt auf der Kolner Synode 1281. c. 10. in den Stat. Synod, episc.
I'eod. 1287. c. 9. Magdeb. 1370. c. 32. Vgl. auch Grieshaber Fredigten 2, 20.
8^ _
dert zeigeu bald deii Widi rstjiiid das Volkes ganz rein und fest.
bald eiu Nachgeben von beiden Seiten ^), so dafz sich zuletzl
dit^ biirgerliche Sitte dem Gesetze der Kirche unterwirft. Merk-
wiirdig ist aber dafz sich noch nach der Keformation aus dem
Jahre 1551 eine Hochzeit ohne kirchliche Trauung und zwar
aus dem protestantischen hoheren Biirgerstande naehweisen lafzt*).
Denn wenn der lange Widerstand gegen die priesterliche Einseg-
nung sich durch die Praxis der katholischen Kirche in &(ich^
der heimlichen Ehen leicht erklart, da sie Ehen ohne kirchliche
wie iiberhaupt ohne jede Form geschlofzen zwar nicht gut hiefz
aber fiir unaufloslich erklarte; so muste Luthers Auf&fzung der
Ehe ') bei seinen Anhangern die kirchliche Trauung als unum-
ganglich erscheinen lafzen und die biirgerliche Form, wo sie
sich noch gehalten hatte, muste nunmehr verschwinden. Zugleich
verbreitete sich .allmalich ein grofzerer Ernst bei der Feierlich-
keit, und nachdem sie vorher meist vor den Kirchenthiiren voU-
zogen war*), wurde sie nun in die Kirche verlegt. Auch dadurch
wurde jedoch dem Unwesen, das sich an die Hochzeit knOpfte,
nicht allenthalben Einhalt gethan. So war ein alter Branch,
dafz der Brautigam unmittelbar nach dem Zusammengeben von
den anwesenden Mannem unter furchtbarem Schreien gerauft und
gepriigelt wurde (cf. Hatzlerin 260.^ King 5. 142. S. Frank
Weltbuch CXXVIIL). Die Kirche kampfte vergeblich dawider;
noch im Jahre 1607 erlicfz der Erzbischof von Koln eine be-
sondere Verordnung dagegen ^) , allein sie hat nicht viel ge-
friichtet. In Westphalen besteht die Sitte noch, wie Immermann
in seiner prachtigen Hofschulzengcschichte im Munchhausen er*
zalt. Die Gebrauche der alten Zeit batten ihren Sinn verloren
und waren unter veriinderten Ansichten und Geflilen verzerrt
•) Vgl. W. Wackcruugel bei Ilaupt Z. f. d. A. 2, 551 — 555, *) Dieck
Gcwirzcnsehe S. 62. ") Vgl. dariiber die ausfiirlichc Erorternng von Wilda in
der Zeitschrift fiir dcatsch^ Kecht 4, 204. ff. *) Grupen de uxore theot. S76.
concil. Mogunt. 1310. lib. IV. (Haitzheim 4, 207). OstgOtal. vadham. 86. UpUndfL
I. 15. Lohengrin 174. «) Binterim Denkwiirdigkciten 11.^ 2, 81. — In Poito»
kanntc man gleichc Priigelweihen dcs Br&utigams nnter dem Namen les coops da
poing3 de0 iianvaillefi. S. Hegiii Rabelais Gargunt. 2. 592.
263
und ausgeartet. Sie wurden dennoch vom Volke zum Theile aus
Widerstand gegen die Kirche festgehalten und trugen meistens nur
dazu bei, dem Hochzeitsfeste eine vStorende Beimischung zu geben.
Esgiltdiefz nicht von alien, allein von sehr vielen^ In neuererZeit
gind in protestantischen wie in katholischen Landem die verechiede-
nen Elemente mehr geschieden worden und die kirchliche Eineeg-
nung hat die erforderliche Wiirde erha].ten. Sie wird ihr Leben auch
nach Wiedereinfiirung des biirgerlichen Vertrages sicher fortfiiren.
Es ward bereits erwahnt dafz die Hochzeitfestlichkeiten
merere Tage dauerten. Die Unterhaltung bestund dabei meistens
im Tanz; die Festlichkeit begann mit einem Keigen und darauf
folgte das Zusammengeben des Brautpares, mochte es auf biir-
gerliche od^ kirchliche Weise geschehen *). Ward dabei ein Zug
in die Kirche beliebt, so wurde er unter Tanz Gesang und
Ballspiel , also mit einem Tanzleich abgehalten ^) , wie diefz auch
im Morgenlande gebrauchlich war. (Concil. Laodic. a. 363. can.
53.) Einige skandinavische Hochzeitsgebrauche will ich statt ande-
rer Zeugen diese Brautlaufsfreuden schildern lafzen ').
In Skogboland in Upland wird der Brautlauf wie ander-
warts gewonlich im Herbst gehalten. Vor dem Brauthause stehen
junge Tannen (brurifkor) an denen bis auf den Wipfel alle Aeste
abgeschnitten sind. Der Brautzug geht von den Hofreitern (hof-
riddare) geleitet zur Kirche, wo vier junge Madchen warend
der Einsegnung einen Himmel iiber das Brautpar halten. Auf
dem Heimgange reiten die Eeiter zwischen dem Zuge und dem
Hause hin und her; man setzt sich nun zuTisch und amSchlufze
des Efzens fordert der Geistliche , der stets dabei ist, zu einer
Sammlung fiir eine Wiege auf 9. Darauf beginnt der Tanz, den
1) Crane IV. 49. ff. Heinr. Trist. 633. Ath. C* 96. Vgl. auch den oben
angefuhrten Silter Branch. *) fus giengin die jungin hupjifide unde fpringinde, von
</«» hrutin Jinginde, einander werfinde den bal, Ath. C* 96. — Ueber den Brautball
Knhn und Schwarz Norddeutschc Sagcn S. 372. Vgl. ub«r den Kirchgang auch
S. Frank Weltbuch CXXVIII. (Ausg. von 1 534.) ») B. Dybeck Runa. En Ikrift
^tir faderneslandets fomvaiiner. Stockh. 1842. 2, 62. ff. 4, 60. ff. *) lliom ofs
"«» gode vanuer, J'amla ukjot &t bruden til vagga. — Solche Sanimlungeu iiber-
Dnnmt in Schlesien die Zuchtfrau.
264
der Geistliche mit der Braut eroflinet, Nach einer Weile geht die
Braut von der Brautfrau (frammor) begleitet fort, um eich um-
zukleiden und theilt dann kleine Geschenke, den WiUkomiQ
(valfagnad) genannt, an die Gaste aus« Nun heifzt sie Jungefrau
(uugmor) und derWegtanz (bortdanfingen^ beginnt, bei dem die
Manner den Madchen^ und die Mddchen den Frauen die Braut
streitig zu maehen suchen. Den Beschlufz macht am ersten
Tao'e der allscemeine Tanz der bis tief in die Nacht dauert. Am
andem Morgen werden die Reste des Males verzert und ein
Klotz in die Stube gestellt , auf dem fur die Spielleute und die
Aufwascherin gesammelt wird, warend die Gesellschaft darum
tanzt. Gegen Mittag trennt sich die Gesellschaft , indem die Man^'
ner einen scherzhaften Eaubzug auf die umliegenden HOfb unter-
nemen. Die Tanze sind meistens von Gesang begleitet und haben
besondere Namen; jetzt kommen Weise und Worte schon sehr
ins Vergefzen, Der Tanz, den die Braut mit dem Geistlichen
tanzt , heifzt im Eirchspiel Vingakr Hoglorf und ist mit einem
Liede begleitet, das an die Braut gerichtet ist^) und nicht gam
feine Scherze enthielt.
Die alte Sitte dafz das Brautpar bei der Yermahlung einen
Becher zusammen lerte 3), hat sich in einem norwegischen Hoch-
zeitsbrauche erhalten, Im nordlichen Guldbrandsthal heifzt der
dritte Tag des Festes Klotztag (ftubbedagen). Da wird nftmlich
ein gewaltiger Fichtenklotz in die Brautstube gewalzt. Zuerst
steigen Brautigam und Braut hinauf und trinken sich einen Be-
cher zu, dann folgt die gan:;e Gesellschaft parweise nach, indem
') Scheinentfunmgeii gehdrten zu den griechischen and rdmischen Hodi-
zeitgebr&uchen, wie anch in yielcn L&udern noch heute. ') Ygl. Athis C* a. a.
O. von den brutin fmginde. •) Die synod. Andegav. v. 1277. c 8. eifert gegen
die herrschende Unsitte die £he durch einen gemeinsamen Trunk des Pares fUr ge-
schlofzen zu halten : Intelleximus nonnullos volentes et intendentes matrimoniwm ad
invicem contrakere, nomine matrimonii potare et per hoc credentes se ad invieem wuh
trimonium contraxifie carnaliter se commiscent. In einigen deutschen Gegenden war
es noch im 16. Jahrhnndert Sitte dafz der Pries ter dem Brautpareyor dem Altara
au8 dem Kclche linen jgesegaeten Trunk, den Johannes-Segen , reichte* 8. ^nuik
W^eltbuch a. a. O,
265
zugleich jedes Par hachdem es von dem Klotze gestiegen ist
dreimal um ihn herumtanzt. Zuletzt wird derKlotz unter Scherz
in den nachsten Bach gewalzt. Auch in schwedischen Landschaf-
ten ist das Zutrinken auf dem Klotze Sitte , warend die Gesell-
schaft singend und schreiend danim tanzt. Der Tanz heifzt stabb-
danfen (Klotztanz)^ In Westmannland hiefz der Lustigmacher Klotz-
mann (ftabbgubbe) ; er wurde bei dem Klotztanze am dritten Tage
auf den Klotz gesetzt \md^ darauf neben diesem unter allgemeinem
Jauchzen iiber Berg und Thai in das nachste Wafzer geroUt ^).
Der Tanz ward entweder blofz von Gesang begleitet oder
von Gesang und Instrumentalmusik oder von letzterer allein. Die
Spielleute sammelten sich daher von Alters her bei den Hoch-
zeiten , wenn sie nur irgend Aussicht auf einen Gewinn hatten.
Audi aufzer dem Tanze suchten sie zur Unterhaltung beizutra-
gen: sie trugen auf Fiedeln und Floten ihre Weisen vor, er-
zalten beliebte Dichtungen und ergetzten durch allerlei Kunst-
stiicke. Ein Prediger des 13. Jahrhunderts schildert die Hoch-
zeit von Kana und sagt : da waren nicht Pfeifer noch Geiger
noch Tanzer noch Singer noch Spielleute wie heute bei den
Brautlauften (Grrieshaber 2 , 20) , und Heinrich von Veldeke er-
zalt von Aeneas Hochzeit: da war Spiel und Gesang und Tumier
und Gedrang, Pfeifen und Singen, Tanzen und Springen, Trom-
meb und' Saitenspiel , mancherlei Freuden viel. (Eneit 12958).
Diese Unterhaltung kam iibrigens dem Brautpare wie den Ga-
sten nicht selten theuer zu stehen, denn die Spielleute hatten
weite und lochrige Taschen und gegen den sparsamen spitzeZun-
gen; iibrigens waren sie nicht walerisch, sondem namen alles,
Weil sie alles brauchen konnten *). Bei vomemen Hochzeiten fan-
0 Weise und Worte des westmanlandischen ftabbdans theilt Djbeck a a. O.
mit. Bingtanze welche sich auf die Verlobnng beziehen and manches beachtens-
werte bieten, beiDybeck 4, 70. 75. *) Vgl. Pertz 8, 248. Eneit 12965. Erec2165.
Nibel. 1309. Gudr. 1676. Helmbr. 1607. Die Hamburger Hochzeitordnung von 1292
srlaabt nur yier Spielleute und jedem 4 sol. als Lohn ; sind ihrer mehr so haben sie
snr das Efzen zu fordem. Die LUbeckischen Hochzeitordnongen des 15. and If.
Jahrlmnderts setzten far die Spielleute mit dem Spielgreven yen Seiten des Br&a-
tigams Kleider, Seitens der Braut ein Hemd aus.
den flie eich In grofzen Haiifen ein, Heuschreckenapharen gleich
die uber griines Land herfallen.
Gewonlich fiirten diese farenden bei den Hochzeiten aach mi-
mische Darstellungen auf. Dieselben mogen, wie das bei diesen
Festen leider gar zu leicht geschieht, etwas derb gewesen sein, allein
unsere frommen Vater vertrugen davon ziemlich viel. Weniger
defshalb, als well das Volk der farenden iiberhaupt verachtet
war und aufzer der Kirche stund, war den Geistlichen geboten
die Hochzeiten alsbald zu verlafzen, wenn die Spielleute eintra-
ten ; sie solten ihnen nicht einmal eine Gabe reichen '). Aue dem
16, und 17. Jahrhundert ist una die Auffurung wirklicher dra-
matiecher Scenen bei den Hochzeiten bekannt ^). So viele ich deren
kenne , so atraen sie den Geist aller Hochzeitsgedichte jener' Zeit
und sagen derBraut mit frechster Stirn Dinge, welche derBrau-
tigam nicht hatte dulden soUen. Dergleichen Unflaterei war aber
Sitte und die besten Talente , wie Hofmannswaldau und Giin-
ther, besudehen sich leider damit.
Am einfachsten scheinen die altskandinavischen Hochzeits-
feste gewesen zu sein, denn sie bestunden meist nur im Zusam-
mensitzen und Trinken bis zur Trunkenheit. Einzelne Abschnitte
machte das Opfertrinken fiir diesen oder jenen Hauptgott. Wir
lernen diefz aus einer etwas fabelhaften Erzalung (fomaldar 8.
3, 222) die noch dadurch anziehend ist, dafz sie yon Saitenspiel
und besonders beriimten Weisen berichtet. Als die Manner
alle Platz genommen, wird die Braut mit ihrem G^olge herein-
gefiirt; der Brautigam setzt sich aber nicht zu ihr, sondem sitzt
auf dem Hochsitz neben dem Konig. Einer der Gaste greift nach
der Harfe und beginnt zu spielen; als das Trinken gebracht
*) Zu Grunde licgt nllcrdings das 54. cap. des Koncils von Laodicea (363),
allein die uftere Wiederholnng des Inhalts dieser Bestimmung mit bald grufserer bald
geringerer Ausfiirung bcweist dafz jenes Verbot in Dcutechland notig war. Chrod-
gangi reg. can. (762) c. 68. Rcgin. can. 325. cone Aqnisgr. (826) tit 83. Hludov.
conv. Mogunt. 851. — Verbote das Volk der Farenden zu beschcnken synod. Olmac.
1342. c. 7. Frising. syn. 1480. Salisburg. 1490 (Hartzh. 4, 838. 6, 512. 574).
') Gotoched Nothiger Vorrath 1. 121. Kahlert Sohlcsiens Antheil an dfirde«tBchflB
Poesie 30.
207
wird soil er aufhoren, der Konig jedoch erlaubt ihm fortzugpie-
len. Da wird der erste Gedatchtnifstrunk (minni) dem Thor ge-
gebracht und Sigurd begiimt eine Weise, dafz alles tanzt was
beweglich ist, Mefzer Tische und Menschen. Demnachst kommt
der Becher fiir alle Gotter (ollum ^fum) und eine zweite wundersame
Weise ertonte, die alleljie auf das Brautpar und d^n Konig von ihren
Sitzen brachte. Darauf spielte Sigurd den Gygjarflag und Dram-
buflag und das Hiarrandalied (Horantes liet). Der Odhinsbecher
kommt und der Harfner schl agt mit einem weifzen goldgesaum-
ten Handschuh den Faldafeykir, bei jdem die Kopftiichef den
Frauen herunterfliegen und alles tanzt. Nach dem Freyjatrunk ist
das Zechen zu Ende. Am merkwurdigst6n dabm ist zu bemerken,
dafz im Norden warend des Trinkens Sai ten spiel nicht gem ge-
hort wurde; es ist das gegen alle sonstigen Nachrichten von den
germanischen Gelagen.
\ In der Zeit des ausgebildeten Ritterwesens waren bei den
Hdchzeiten vornemer ritterliche Spiele ein bedeutender Theil der
Uiiterhaltung. Unsere niittelalterlichen Gedichte so wie die Kro-
nikengeben genugZeugnifs davon. Bei fiirstlichen Vermahlungen trat
gewonlich der feierliche Ritterschlag einer Anzal Knappen hinzu ^),
der zuweilen am ersten Tage , dfter aber am Morgen nach dem
Beilager vorgenommen wurde.
Die Uebergabe der Hochzeitsgeschenke nam gewonlich auch
einen Theil des Festes in Anspruch. Die Sitte dieser Gaben ist
uralt und aus dem natiirliehen Wunsche nahestehender und Ver-
waadter entsprungen , dem jungen Pare eine Beisteuer zur Aus-
stattung zu geben. Von den unsittlichen Wegen auf welchen sie
inwgenlandische Braute nach der Volksitte erwarben, ist unser
Volk stets femgeblieben ^) ; es waren Gaben , an die sich kein
Schuldbewufztsein fiir die Empfangerin kniipfte. Bei Fftrsten und
') Nib. 596. Gudr. 549. Frauendienst ll, 13 — 28. Lohengr. 61. 2) Die
Oeflnung von Maur (1543. Weisth. 1, 43) darf hier nicht verschwiegen werden, wo-
nach der Meier, welcher bei den Br^uten der Hofleate das jns primal noctis hat,
Geschenke mitbringeu mufz. £s ist schon gesagt, dafz diese Beatimmung gans yer-
einzelt steht.
268
J^auem waren eie gleich gebrauchlich ; wie sie in manchen Sta-
ten zu einer notwendigen Leistung der Lehnstrager wurden, ist
schon angedeutet. Oeffentlich im Kreise der Hochzeits^uste an
die Braut gegeben 0 $ wurden sie bald der Gegenstand wetteifem-
den AufwandeSy so dafz polizeiliche Befele n5tig warden, die
sie entweder zu regeln suchten (Jager Ulm 819) oder ganz yer-
boten 2). Heute ist die Uebergabe der Geschenke auf die Vor-
feier, den Polterabend, verlegt. Neben diesen Gaben der Graste
waren namentlich in den reichen Kreisen Geschenke des Brant-
pares an die Gaste Qblich. Besonders suchten sich junge F^*-
stinnen bei ihrem Einzuge in das Land desGemahls durch reich-
liche Spenden in die Zuneigung der Hofleute einzukaufen. Heute
ist es noch in vielen deutschen Gegenden Sitte, dafz das Braut-
par beim Kirchgange oder bei dem Zuge in die neue Wonnng
unter die versammelte Menge Geld auswirft. Es wird durch
Yersperren des Weges und allerlei Mummenschanz und Scherz
dazu halb gezwungen.
Wenn am ersten Hochzeitstage die Nacht heran kam, ward
die Braut von den Eltem oder Vormiindem und dem BrautfOrer
und der Brautfrau , oft aber von der ganzen Gesellschaft in die
Brautkammer geleitet und dem Brautigam ubergeben. Sobald
eine Decke das Par beschlug, gait die Ehe als rechtsgiltig an-
getreten') und die Braut war nunmehr Ehefrau; daher war die
offentliche Beschreitung des Ehebettes zur gesetzlichen Bedingong
erhoben. Das verletzende, was fur die jungfriluliche Braut
darin lag, ward in jungerer Zeit gewonlich dadurch gemildert,
dafz beide sich vollig angekleidet niederlegten und es also^eine
blofze Formlichkeit war. AUein diefz war eben jCkn'gere Mil-
deruDg; in friiherer Zeit blieben die Brautfrauen so lange im
Gemache, bis die Braut entkleidet dem Arm des Brautigams
*) Vgl. a. H&tzlerin 262. Ring S. 146. *) AppingadamerBauembrief r. 1S17.
Bichthof. 297/ ') Ist das Bett beschritten, ist das Becht erstritten. Ist die
Decke iiber den Kopf, so sind die Ehelente gleich reich. Simrock dentaclie Bpffldi-
wOrter n. 1014. 1516. ygl. Grimm Bechtsalterth. 420.
2«9
vertraut war. In Lfibeck wurde der Braii.ch bis 1612 in voll-
ster alter Weise beibehalten und erst von da ab einigermafzen
geandert. Die Sitte waltete Qbrigens bei hohen und niederen und
noch Kaiser Friedrich HE. hielt bei seiner Vermahlung mit Eleo-
nore von Portugal auf ihre Durchfiirung, so fremd sie auch den
Bomanen erschien. Es war ein echt germanischer Branch 0> der
rich auf den Sinn des Volkes fiir die Oeffentlichkeit der Rechts-
Yerhaltnifse baute und sich durch die Forderung der Kirche, sich
die drei ersten N'achte oder wenigstens die erste des Beiliegens
zu enthalten , nicht storen liefz. Kein deutscher Bischof hatte die
Eeckheit , welche einige franzosische zeigten , sich aus der Dis-
pensation von diesen Tobiasnachten eine Einkommensquelle zu
machen*). Reste jenes Branches, natiirlich bedeutend gemilderte,
haben sich noch heute in adeligen Geschlechtem erhalten.
Nachdem dasBrautpar eine Weile allein gelafzen war, ker-
* ten die Verwandten , zuweilen auch die ganze Gesellschaft in die
Kanuner zurtick und brachten den jongen Eheleuten einen Trunk
(Ath. D. 58. Trist. 12642. Ring 188.). AmMorgen wurde ihnen ein
Friihstuck, gewonlich ein Huhn, daz briutelhuon, vor das Bett ge-
bracht ^). Dieser Trunk und diefz Efzen scheinen eine nicht min-
der alte Sitte als manches andere bei der Hochzeit ; ein west-
phalisches Weisthum (3, 42) zeigt sie auf eigenthiimliche Weise in
das Volksleben eingedrungen. Sitte war es femer, dem Braut-
pare am andem Morgen neue Kleider vor das Bett zu legen *).
Die Frau anderte nunmehr auch ihre Hartracht; sie schiirzte
das jungfrauliche lose Har zusammen und legte die Frauenbinde
*) Saem. edda 249.' Ath. D. 1— ,61. Crane IV. 242. Lohengr. 60.' Cl. H&tzler.
260/ Aen. Silv. vita Frieder. Ill, p. 115. Neocorus 1, 116. Michelsen u. Asmufsen
Archiv (Kiel) 1833. L 1, 69. ') Bened. capit. HI. 463 (Pertz legg. II. 432.
(vgL Grieshaber Predigten 2 , 18). Grupen de uxore theot. 7. 22. •) Parz,
273, 26. Heinr. Trist. 842. Lohengr. 61. Wackemagel bei Hanpt 2, 554. Anm.
bilt das Trinken na'^h Gottfrieds von Strafzburg Worten fiir eine fremde nnd da«
mals nicht mehr bestehende Sitte. Wenn sie anch dem elsafzischen Dichter sa
erschien , so lafzt sie sich doch dnrch andere Zengnifse als sicher nnd
Unge bestehend nachweisen. *) Nib. 593. Lohengr. 60. Vgl. Plinins h. nat^
8, 74.
«0
um die Stirn, aie band ihrHaupt wie derAusdruck daiiir war *)•
Seit dein 16. Jahrh. wenigstens geschieht das Hauben der Braut
gewonlich unmittelbar nach dem Hochzeitefzen durcfa die Braut-
frau, welche die Haube der Braut als Geschenk iibergibt. DerKranz
wird ihr dabei aus dem Har genommen und das ganze mit Tanz
und mancherlei Scherz begangen (Vgl. S* Frank Weltbuch a. a. Or).
Jetzt hatte der Brautigam noch eine gesetzliche' Schenkuog
an die Braut zu machen , die Morgengabe ^). Sie tragi ihren Na-
men davon dafz sie am Morgen nach der Brautnacht iibergeben
wurde; diefz ist wenigstens die alte und rechtmafzige Zeit daza.
Eine andere irgend probehaltigeErklarung des deutschen Namens
dieser Leistung lafzt sich nichtgeben. Vorher ausbeduirgen und
beredet*), wurde sie in Gegenwart der Brautfiirer und Braut-
frauen so wie der nachsten Angehorigen der jungen Frau fiber*
geben (!• Liutpr. VII. Weisth. 3 , 74) ; abweichend von dem Her-
kommen geschah diefz hier und da des Abends. (Fornald. b. 3, 399).
In der Lubeckischen Hochzeitordnung von 1656 ist dieee Zeit
sogar fiir die vier unteren Stande zum Gesetz erhoben; nur die
erste und reichste Klafse hat diis Vorrecht der- Uebergabe am
Morgen nach der Trauung*). Die Morgengabe ist ein Geschenk
des Mannes als Zeichen der Liebe (in signum amoris) fiir die
Uebergabe der volien Schonheit (in honore pulchritudinis) und der
Jungfraulichkeit (pretium virginitatis). Urspriinglich also nur jung^
fraulichen Brauten gegeben , wurde sie sp^ter auch Witwen ge-
') Parz. 202, 23. Walth. 106, 26. Heinr. Trist. 310. 858. Ulr. Trigt 312.
Titur. 10, 80. — Es war das wipliche gcbcnde. Vgl. das Kapitel von der Tracht.
') morgangeha, margincap. matutinale donum (Pertz legg. 1, 6) morghong&f (F(?/J-
gdtalcig. Uplandslag). hindradagsgqf, heckjargiof. linfi. — Die Denmng aos dem
lith. merga , Madtthcn , ist bereits mehrt'ach abgewiesen , wie sich geb&hrt
") Daher antefactum, ital. antefatto. — In der sinalandischen Landschaft Wafftbo
wird die Morgengabe am ersten Hochzeitstage nachdem der herkommliche Beeber
von dem Brautpare nnd den Giisten gelert ist, beredet. *) Michelsen and A»-
miifsen Archiv (Kiel) 1, 101. Kunig Hans v. Diinemark Privileg. n. 41. bestimm-
ten aiisdrucklich dafz die Morgengabe n^cht eher als am zweiten Ta^ sti geben
sei. — • Nach den s&ohs. Distinctioncn IX. 11, 17 warde die Morgengabe nor be-
duugen und erst uuch dem Tode des Mannes iibergeben.
2tl
widmet, indem sich ihre erste Bedeutung schwachte* Uingekert
hatten sie in einigen Gegenden die Witwen bei ihrer Wiederver-
heiratung zu geben wenn ihre Brautigame Junggesellen waren ').
Ein BO hohes Gut sie auch vergelten wolte, so scheint sie doch
in altester Zeit nur in wenig bedeuteiiden Gaben bestanden zu haben ;
sie war nor ein Zeichen der Anerkennung dafz die Braut etwas
geopfert habe. In Westphalen erbt;- auf vielen Bauerhofen noch
heute ein Bern stein schmuck von Frau zu Frau als Morgengabe*
Den alteren Ansichten liber Prauengut gemafz bestund sie zuerst
nur in farender Habe; im Norden wurden oft Kleider, Hausrat
und Schmuck unter diesenNamep geschenkt und sie hiefz daram
dort auch Linnengeld und Bankgabe (linnf^, beckjargiof) 2), Das
alemannische Gesetz (LVI, 2) bestimmte 12 sol. als Hohe der
Morgengabe^ mochte sie in Gold , Silber, Sklaven oder in einem
Rofse gegeben werden; das longobardische Recht setzte feat (L
Liutpr. VII) dafz sie den vierten Theil des Vermogens desBrau-
tigams nicht iibersteige. Sobald Landbesitz Eigenthuih der Prauen
werden konnte, wurde auch liogendes Eigen unter diesen Namen
vergabt; bei Fiirstinnen war es gewonlich ^). Das uplandische
Gesetz (ni. 4) gestattete im allgemeinen so viel liegendes Gut
zur Morgengabe zu geben als der Brautigam wolte.
In den deutschen Rechten verschaifte sich beziiglich. der
Morgengabe der Standesunterschied Einflufz. Wer von ritterlicher
Geburt war durfte nach dem Sachsenspiegel (I. 20, 1. 8. 24, 1)
einen volljahrigen Knecht oder eine solche Magd und weidendes
Vieh (Pferde, Kinder , Ziegen , Schweine) nebst gezimmertera und
gezauntem iibergeben ; wer nicht Kitter war, nur das beste Pferd
oder Vieh. Der Schwabenspiegel (Landr. 18) geht noch weiter.
Fiirsten und andere hohe Herren diirfen hundert Mark als Mor-
gengabe geben, mittelfreie bis an zehn Mark, Dienstmannen der
') SchmeUer baier. Worterb. 2, 616. 8, 300. *) Sn. 140. Foramanna*
2, 133. 254. 256. Fornaldars. 3, 399. *— linfe ward ganz allgemein fiir Morgen-
gabe gebraucht auch wenn sie aus Gold oder kostbareii Kleidungsstiicken bestund..
•) Greg. Taron. 9 . 20. Flodoard. ann. a. 956. (Pertz 5 , 403). vita Math. c. 3v
(6, 286) Trist. 11395.
2t2
FarBten zu fiinf Mark, andere das beste Pferd oder Vieh. Ein
Kaufmann und der freie Bauer darf von seiner farenden Habe
zehn Mark wert geben nebst einem Viehstiick; der eigene Mann
nnr ein Schaf oder eine Ziege oder fQnf Schillinge; der romische
Konig darf geben so viel er will, aber nichts von dem Iteichs-
gute. In einigen Landrechten ist diese Eintheilung bis zu einer
Ausschliefzung vorgeschritten , indem die Morgengabe zu einem
Vorzuge der Bitterbiirtigen gemacht ist ^)« Auch die stadtischen
Gesetze machten derartige Unterschiede ; die Ltibecker Hochzeit-
ordnung von 1566 theilt die Burger fiir die Morgengabe in fiinf
Klafsen ^). Die letzte Klafse gibt einen kamelotenen unbeaetzten
Kragen, ein vergoldetes drei Loden langes Paternoster und eine
Borte sechs Mark an Wert; die erste eine goldene Haube bis
zwolf Thaler an Wert, einen silbemen vergoldeten Giirtel von
35 Loden y eine goldene Kette von zehn Loden, einen sametnen
Kragen, eine damastene scharlachene oder kamelotene kurze
Hoike nnd dazu von verarbeitetem oder unverarbeitetem Silber
bis hundert Thaler an Wert. Das sind Patriziergaben.
Die Morgengabe fand sich mit der Mitgift und den anderen
der Frau zukommenden Vermogenstheilen auf derselben Stufe;
sie stund also wenn auch unter dem Schutze und der Yerwaltung
des Mannes , so doch aufzerhalb seiner Verfiigung. Sie ward mil
den ubrigen entsprechenden Vermogenstheilen von der Witwe
vor der Erbtheilung vorausgenommen ("Weisth* 1, 66) und die
Frau konnte filr sich und ihre Erben vollstandig iiber cde bestim-
men ^). Der Familie des Mannes muste natiirlich bei solchen
') Altes Berger Landr. 14. Brern* Bitter. 6, 1. Berlin. Stadtb. 147.
*) Michelsen uad Asmufsen Archiv (Kiel) L 1. 101. •) 1. Wisigoth. IV. 6, 1.
Muratori antiqu. II. 117. Schwabensp* Landr. 20. Baier« Landr. IS, 18. D««wett-
gothische Gesetzbuch hat die Freihcit der Verfiigang beschrankt und drei Viertel
der Morgengabe als Pflichttheil der S6hne oder Enkel bestimmt. — False ich
Uplandsl. III. 9. richtig, so war die Morgengabe der unverftafserlichBte Beaiti der
Frau, da sie alles andere nur nicht diese, an den Mann znrlickgeben konnte. —
Durch Ehebmch wird Morgengabe wie Mitgift yerwirkt. Uplandsl. IH. 6. Froetatlu
11 f 12. — Hatte die Frau keine Kinder, so fiel die Morgengabe nach ihrem Todeaa
die nachsten Verwandten des Mannes zurftck. Nach dem bnrgand. Gkaetabncb wh*
27S
JmetandeTi daran liegen , die Morgengabe einer gewifsen Be-
ichrankung zu unterwerfen. Wir sehen diefz in zwei sonst nicht
^erwandten RechtsbiichetTi , dem Sachsenepiegel <L 20, 1) und
dem ostgothl&ndischen Gesetz (gipt. 10) dadurch versucht, dafz
die Morgengabe nur am Morgan nach der Hochzeit vom Manne
ohne die Zustimmung seiner Verwandten gegeben werden darf.
Ward die Morgengabe der Frau angefochten , so konnte sie durch
einen personlichen Schwur dieselbe retten, der nach alemanni-
schem Rechte so abgelegt wurde , dafz sie mit der linken Hand die
rechte Brust und den reohten Zopf fafzte, warend sie mit der
rechten Hand schwort. (nastahit. 1. Alem. LVI, 2. Schwabensp
Landr. 20. Weisthiimer 1, 14).
Die Hochzeit endete wie schon erwahnt, gewonlieh nicht
mit der Nacht des ersten Tages , sondem wurde bei den reiche-
ren durch merere Tage ibrtgesetzt. Die Ergezlichkeiten blieben.
8ich ziemlich gleich ; in den ritterlichen Kreisen scheint der
zweite Tag vorziiglich dem Turniren gewidmet gewesen zu sein.
War der Brautlauf ausnamsweise in dem Hause der Braut ge-
halten, was bei Verheiratungen in fremdes Land geschah, so lud
der Bmutigam die Verwandten der Braut mit moglichst grofzer
Gesellschaft in fester Frist zu einer Nachfeierin sein Haus.
(Volsunga s. c. 7.)
In den bliihenden Zeiten des Stadtewesens bedurften auch
die Nachhochzeiten polizeilicher Beschrlinkung ; so durften in Lii-
wck die jungen Eheleute am Tage nach der Trauung nur ihre
liachsten Verwandten zu sich laden. Mit dem Jahre 1566 trat
pofzere Freiheit ein* Der junge Ehemann versammelte seine
Freunde um zehn Uhr Morgens in der Marienkirche ') und fiirte
8ie in sein Haus zu einem Male , begleitete sie um zwei Uhr
wieder in dieKirche, verabschiedete sie und versammelte sie ge-
8^n Abend wieder zu einem Efzen , das von sechs bis neun Uhr
ten ihre Verwandten in diesem Falle wenigstens die Halfte davon. 1. Burg. XXIV.
^IL Wisig. IV. 2, 14. Sax. VIII. ') Die Kirchen dienten iin MitteUlter za
ulerlei weltlichen Zwecken und namentlich zu Sammelplatxen.
18
\
snr4
dauerte. Im Volke haben eich solche Nachhochzeiten unter ve«^-
echiedenen Benennungen nooh vielfach erhalten 0»
Die Sitte einer Vorfeier am Vorabende der Hochzeit hal>^
ich in alterer Zeit nicht erwahnt gefunden. Die Liibecker Kor^
van der brutlacht (angeblich aus dem vierzehnten Jahrhundert;
bringt aber bereits Beschrankungen der Vorhochzeit*). Die Bran
soil nur seehszehn Jungfrauen bei sich haben und der Tanz soli
bis zum Nachtsang, also nur bis zwei Uhr Nachmittags dauem.
Die Feier war demnach mehr eine Morgengesellschaft als ein Abend-
vergntigen. Heute ist der Polterabend (Gunkelhochzeit , Nacht-
hochzeit) sehr in Bliite, was zu bedauem ist, da er ermattet und
gewonlich den eigentlichen Hochzeitstag verstimmt
*) Schmeller baierisches Worterbuch 2, 19. 34* 269. 656. », 260. ") Bei
den slavisclien VOlkern findet sich der Polterabend auch. In Kleinmfzland ver-
sammcln sicli die Gespielinnen der Braut am Vorabende der Hochzeit bei ihr und
verbringen den Abend unter Hochzeitgesangen. Er heifzt Jungfranenabend : diewiez
wioczor Oder diewicznik.
Siebenter Abschnitt.
Die Ehefran and dte Wltwe.
Die Rede geht dafz in der Ehe die Liebe und die Poesie
dee Lebens wie ein Hauch verschwinde und des Dichters Spruch,
dafz mit dem Giirtel und dem Schleier deir schone Traum dei*
Jugend sich lose, findet ein betaubendes Echo. Sehr viele Frauen
sehen eine Braut mit Thranen zum Altate schreiten und viele
Manner bedauem den Brautigam, dafz er ftkr die goldene Lust
der Freiheit eine eherne Kette tausche. Wie vernaitteln sich die
Gegensatze vor und nach der Hochzeit? Keizend steht die Braut
im Perlenschmucke. des Zagens und Hoffens , des Sebnens und
Bangens am Altare ; die jungfrauliche Jugend legt sie mit dem
feeten Ja in das Opferbecken und demlitig harrt sie defsen was
der Herr ihr beseheiden werde. Wie rasch verrauschen nieht die
ersten Tage des entziiokenden Liebesgenufzes. Die Leidenschaft
erkaltet und die Liebe flieht. Auf den TrQmmem seines Lebens
sitzt sehon nach Jahresfrist dafzelbe Weib , das auf starke Saulen
der Hoffnung es grlindete ; verdustert , vereinsamt , oft verwil*
dert 8teht der Mann daneben , und triiben Auges suchen beide in
dem Schutte nach der zerstoren den Ge wait und nach einemGold-
fliinmer aus der gestiirzten und ausgebrannten Prachthalle. So
i8t 68 immer gewesen und so wird es immer sein. Eine gliickliche
Ehe verlangt Tugenden und einen Einklang der Seelen , der nur
18 ♦
87(1
selten ertOnt. Aeufzere Verhaltnifse sind iiberdierz notig, welche
nur im Schoofze der selten lachelnden Gotter liegen.
Welch ein Himmel ist doch die Ehe fiir die g^iicUichen,
welche dieLiebe zu bewaren wifzen. Ich lafze den trefiTichen Bein-
marvon Zweter davon reden ^):
Ein Leib, zwei Seelen, ein Mund, ein Mnt,
Die Trene rein und in der Keuschheit fester Hut,
Hier zwei da zwei und eins doch nnr in stater Trene gani!
Wo Lieb' mit Liebe so mag sein,
Da steigt das Silber nicht nocb Gold und Edelstein
Ob seiches Pares Lust , die zu nns spricht im Angenglani.
Und wenn die Minne so die Herzen bindet,
Dafz man die beiden unter einer Decke findet
Und Arm und Arm sich t'est umschlieTzt,
Das mag wol sein der Frenden Krone.
Dem diel'z geschieht, wird hochste Lust znm Lone
Und Gottes Gnnst sein gliicklich Herz geniefzt.
Unsere alte Sprache deutete die Biirgschaft fiir eine gliick-
licheEhe dadurch schon an, dafzsie den Mann desWeibesTi^ostund
Herren nannte. Sie gab damit zu erkennen, dafz er ihr ein Schiit]
und Schirm sein solle , ein Schild gegen alles abwendbare Leid,
ein Herr in defsen Hand sie getrost ihr Leben legen und zu defl
sie mit kindlicher Liebe und unerschuUerlicher Achtung aufbli
cken konne, Er ist ihr Freund (wine), ihr Erhalter (atgeofa), de
Wirt des Hauses das sie als Frau und Wirtin verwaltet *).
Der Mann darf nicht der selbstsiichtige Tyrann sein, de
keinen Willen neben sich duldet. „Hore, lieber Mann," sprid
ein trefflicher Prediger des dreizehnten Jahrhundei-ts •) ,JEi
ward nicht gemacht aus einem Fufze* Das bedeutet dafz du dein<
Ehefrau nicht schmahlich begegnen noch sie unter deine Ffif'
treten oder werfen solst. Das thut nun mancher freilioh nidi
'^ Minnesinger herausg. ron y. d. Hagen 2, 186. *) Der Ehemaxm goiLabc
ahd. chart f altn. karl; ags. ceor/; altn. verr, ahd. wirtf man, imariy gomman, wit
Die Gattin: quins, qudn, cfiiina, kone, konewip, Als Hausfrau : altn. Aic{/rigra (AiS
fria, hus/rugha^ kuspreae) ags. hlotfdhige. britt gait nicht blofz fiir Braut, sondo
aiich fUr die Frau. DieEhelente: kihitiu, gamaehidi, Jtnhiun. altn. M&m, *) Ori<
haber Fredigten 2, 20.
2W
alleiD er behandelt seine Wirtin in iillem gering und spricht sie
niemals freundlich an. Eva ward auch nicht aus demHaupte ge-
macht ; das bedeutet dafz die Frau nicht iiber ihrem Manne sein
soil. Woraus ward sie denn gemacht? Sieh, sie ward aus seiner
Seite gemacht; daran sollen wir merken dafz der Mann seine
Wirtin recht habe als sich selbst und als seinen Leib. Es soil
recht sein ein Leib und zwei Seelen," Auf das rechte Machtyer-
h&Itnifs zwischen Mann und Weib machen die Spruchdichter des
dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts yielfach aufmerksam.
Der Mann sei der Meister ihres Leibes und Gutes , sie hore auf
seinen Kat und thue seinen Willen , er aber halte sie in Ehren.
Wie stQnde es dafz ein Weib wiirde aus dem Manne und aus
dem Weibe ein Mann ? Man sprache dann : Herr Weichling ihr
seid ein Mann mit Weibes Sinn ^). Die Frau selbst , meint Rein-
mar Yon Zweter, mufz den unm'annlichen Mann verachten und
ihm zurufen : „Pfuil wie thut ihr so, Herr Adam mit demBarte!
ihr folgt eurer Even allzuhart; rafil euch auf, seid Mann und
lafzt mich Weib aein." Hat sie einen treflflichen Mann, sie kann
nicht zQrnen, hangt er das langere Mefzer an* (MSH. 2, 195) *).
Dem mannlichen Weibe das Schwert , dem weibischen Manne die
Spindell und ist das Weib eigensinnig und tibel, so rat Rein-
mar zu eyiem griindlichen MitteL „Ziehe deine Freundlichkeit
aus und greife nach einem grofzen Knittel, den mifz ihr auf dem
Riicken immer befzer und befzer mit aller Kraft, dafz sie dich
als Meister erkenne und ihrer Bosblfit yergef^e. (MSH. 2, 196*).
Noch weiter geht ein anderer Spruch :
Wer ain iibel weib hab,
Und cbauf ain guot past,
Und nera grofzer wolf drey,
Wer gesah dan ye gal gen
der til sich ir by seit ab
henck fy an ainen ast
die henck er nahent daby.
Mit ergem palgen?*)
*) Meisner (MSH. 3, 90.') *) dax lenger meXf^er anhenkerit da% hnger
mex^er tragen (MSH. 2, 196.' 3, 216.*) der Herr in der Rhe sein. Altnordisch
Ton einem beherrschten Manne: hafa qudnrikiy a/quani, *) Liederbneh der Klara
Hitelerin S. 219.'
2TO
Die derben dramatischen Spiele des 15. und 16. Jahrkan-
derts verspotten golche arme Manner > die unter der Zuchtrate
eines bosen Weibes stehen, auf das argste und das Yolk hat
noch heute vieler Orten honende Gebrauche gegen sie gerichtet
Wenn es im Markt Partenkirchen in Oberbaiern bekannt wird,
dafz ein Mann von seinemWeibe geschlagen wurde, so mft das
junge Yolk des Nachts vor dem Hause des armen wolfeile Knt-
teln auSy die je nach dem Alter des geschlagenen frisch oder
zah genannt werden 0* ^^ Kiihnhard in Mittelfranken eteht auf
einem Hiigel eine Eiche mit einer grofzen Keule, die kaum von
einem Manne ertragen werden kann. Wird dort ein Mann Ton
seiner Frau geschlagen , so wird die Keule nnter Jubel Tor die
Thiir des Mannes gebracht und nicht eher weggenommen als sich
die Eheleute versdnt haben. Dann mufz der Mann ein Par Mafz
Wein zum Besten geben ^). Ein altes westphalisches Weisthum,
das Benker Heidenrecht ^^ , schreibt vor, dafz der Mann, der
aus seinem Hause durch die Frau gejagt wurde, eine Leiter an
das Haus seize , ein Loch durchs Dach mache und sein Hans
zupf ale. Dann neme er ein Pfand einen Goldgulden an Wert,
und vertrinke es mit zwei seiner Nachbam und sie sollen so rein
austrinken, dafz eine Laus mit ausgestreckten Ohren unter dem
Pegel hindurchkriechen konne. •
Das eheliehe Kegiment ward in den meisten Fallen von dem
Manne streng gehandhabt ; wie sich diefz auf die rechtliche Stel-
lung der Frau stiitzte, ist bereits nachgewiesen. Allein die Ehe
hatte bei den Germanen fur die Frau, nicht das herabwiirdigende
wie bei den andern alten Yolkem und namentlich den Orienta-
len und Griechen; die deutsche Ehefrau ward als die Grenofzin
des Mannes an Lust und Leid, an Kccht und Stand betrachteti
und was ihr das Gesetz verwerte , r'aumte ihr die Liebe oder ihre
Klugheit ein *). Wir kennen eine grofze Beihe germanischer Fiir-
') Schmeller baierisches Worterb. 2, 344, *) Panzer Beitrag snr deoU
schen Mjrthologie S. 252. *) J. Gnmjoi Wcisthumer 3, 42. *) Theoderich
schroibt an den KOnig Hermanfried yon Thiinngen, als er ihm 8^e Niolile nir
2?9
etinnen, welche auf Gemahl Sohne und Reich den grosten Ein-
flufz iibten. Ich erinnere an Amalafvintha , dee grofzen Theode-
richs grofze Tochter, welche mit Einsicht und Gerechtigkeit selbst
das Scepter fiir den Sohn fiirte und mit ihrem Bcharfen Auge
weiter sah als die Manner ihres Volkes. Unter den merovingi-
echen Koniginnen ragt mehr als eine hervor, welche auf den Ge-
mahl und die Verwaltung bedeutend wirkte und als Mitregentin
und Yormund Eechts- und Reichshandlungen vomam* Harald
Schonhar ward durch seine Frau Gyda zu dem Entschlufze be-
etinimt , sich zum Einkonige von ganz Norwegen aiifzuwerfen und
die grofze politische und religiose Umwalzung zu wagen, welche
in das skandinavische Leben tief einschnitt ^)* Und so liefz^i
sich aus alien germanischen Landem der Frauen genug aufwei-
sen, welche in grofzeren oder kleineren Verhaltnifsen nicht die
unmfindige Kolle spiclten welche der Buchstabe des Gesetzes
vorzeichnete, sondern sich den Mannern gleichausgestattet und
gleichhandelnd , nicht selten sogar iiberlegen bewiesen,
Wie sich bei Besprechung der Liebesverhaltnifse sehr schone
and tiichtige Bilder boten, trotz der Unterordnung des Weibes,
60 d&rfen wir auch auf g&nstige ZQge in der germanischen Ehe
hoflfen. Jene Helgilieder, die ich frGher als kOstliche Zeugnifse
germanischen Herzenlebens anfurte, verklaren mehr die eheliche
als die brautliche Liebe; altnordische Geschichten, welche sonst
von wenig mildem aber von vielem rauhen und blutigen erzalen,
berichten uns von mehr als einem Manne, der nach dem Tode
seiner Gattin auf ihrem Grabhiigel Nacht und Tag in tiefem Harme
safz. Mancher liefz sie nahe an seinem Ilofe bestatten und ihr
Grab war fortan seine Hebste Statte, wo er Rat pflog, mit den
Genofzen die Malzciten hielt und Spielen zuschaute ^). Konig
Harald Schonhar hatte eine seiner Frauen der Sage nach so lieb,
Gattin fiber^ibt: Mittimus ad vos ornatum aulica domusy augmenta generis, solcttia
Jiddis consilii, dulcedinem suavissimam conjugalem , qucB et dominatum jure vobiscum
impleat et nationem vestram meliore institutione componat. (Cafsiod. var« IV, l),
Wenn auch die Rede sehr ubermfltig und anmafzend ist, so sind die Gedanken
duch an sich schon. 0 Fommannas. 10, 181. >) Fornaldars. 3, 251. 456.
280
dafs er , als sie starb , den Leichnam nicht von sich lafzen wolte
Man deutete diefz als Zauberwerk ; der Zauberer Svaai soke ^in^i
Zaubermantel iiber die Leiche gebreitet haben und so sei die tote
Sniofrid in unverganglichem Liebreize erschienen. Drei Jahre
sitzt Plarald bei der Toten; da weifz endlich Egil UUeerk ihn zn
bewegen den Mantel zu entfemen, und es zeigt sich dafz alles
Zauber und die Schonheit nur Tnig und Hiille der Verwesung
war. Harald jagt hierauf alle Zauberer aus dem Lande ')« Die
Sage erzalte von Karl dem Grofzen eine anlicbe treue liiebe,
die ebenfalls auf Zauber sich griinden solte. AUein es gab auch
der unbezauberten Treue und herzlichen Zuneigung im germani-
schen Volke genug, die sich auf die rechte und tiiehtige AufYa-
fzung der Ehe als einer Genofzenschaft zum gemeinsamen Leben
erbaute. Dafz es vielfach auch andera war und dafz die trage
Selbstsucht der Manner, welche denWeibem die Last des Haus-
und Feldwesens iiberliefzen, die Ehe herunterdriickte , darf dabei
nicht verschwiegen werden; diese Belastung des Weibes batte aber
nicht jenes schrcckliche und trostlose, das scheinbar anlicheVer-
haltnifse bei den nordamerikanischen Indianem haben. Die Ger-
manen hatten friihzeitig eine sittliche Bildung, welche diesen Vol-
kerschaften fern liegt; ein Yolk, das in seinen Gtittinnen und in
seiner Sprache von dem Weibe solche Vorstellungen ausdriickte
wie die Germanen, kann nicht lange in indianischer Boheit ver^
sunken gewesen sein.
Mit dem Tode des Mannes erlischt die Sonne der Frau ; wer
durch die Liebe gelebt , soil freudig durch die Liebe sterben. Dem
Manne der einsam durch die Pforte der Unterwelt geht, fallen
ihre Thftren schwer auf die Fersen ^) ; er bedarf des Gefolges and
darum totet sich das Weib weun er stirbt. Brynhild hat den Si-
gurd (Sigfrid) morden lafzen , aber Liebe trieb sie dazu und Liebe
treibt sie auch zum eigenen Tode ; der geliebte wird ihr dadurch
wiedcr zu eigen. Sie ersticht sich und lafzt sich auf den Scheiter*
hnufen neben Sigfrid legen. Eine Zahlihrer DienerundDienerinnen^
■) Fornmannaa. 10, 207. *) Saetn. edda 996.' Vols. a. o. 81.
281
die Gesplelin ihrer Jugend , zwei edle Habichte und ihr vftterli-
ches Erbtheil lafzt sie mitverbrenneD, (Saein* 225. f.^ In diesem
Mitsterben der Frau tritt uns ein Brauch entgegen, den die
Germanen mit den Indern, Thrakem, Geten, Griechen gemein
hatten'). £s liegt ihm freilieh nichts anderes denn die rohe Auf-
fafzung der Frau als eines Stiickes Eigenthum des Mannes zu
Grunde, was gleich seinem Pferde und seinen Knechten mit ihm
sterben mufz; der ergrimmte Gebieter will, weil er in den Tod
geht, dafz nichts was ihm gehort die Freude des Lebens ge-
niefze. So verlangte die sterbende Austrigild, des Frankenkonigs
Gnhtram Gemahlin, dafz jemand mit ihr sterbe, und der Konig
liefz ihre beiden Aerzte toten. (Greg. Tun 5, 35.) Allein jene
Sitte hatte doch bei den Germanen mit ihrer steigenden Gesittung
einen sittlichen Grund errungen , die Liebe *) ; und sodann ver-
echwaud sie auch zeitig. Nur von den Herulem und den skandina-
vischen Stammen wird sie uns noch bezeugt; die andem hatten
sie bereits zu Tacitus Zeit , der sie nicht verschwiegen hatte, ver-
schwinden lafzen. In Skandinavien scheint sie iloch ziemlich lange
bestanden zu haben; es wird erzalt dafz Konigs Eirik von Schwe-
den Werbung von der jungen Sigrid Storr4da deshalb abgewie-
sen wurde, weil der Konig alt war und das Madchen darum
den baldigen Tod furchtete; denn es war Gesetz im Lande,
dal'z die Gattin dem Manne in den Totenhiigel folge (Fornmannas.
10, 220).
Konnen wir dem Tode der Gattin mit dem Gatten allenfalls
eine geistige und sittliche Seite abgewinnen, so ist diefz bei einer
andem Erscheinung nicht moglich. Der Germane konnte sein Weib
letztwillig yermachen, es verschenken oder als Inventarienstiick
saint Haus und Hof verkaufen. Wir sehen leider unser Volk
hierin auf einer Stui'e stehen, welche heute noch Negerstamme
einnemen ; das Weib ist in diesem Brauche nichts als Sache und
') Grimm Geschichte der dentscheu Sprache 139. Bechtsalterthiimer 451.
(Thorlac. specim. IV. 110. f. 121—127). *) Auf diesem Bouen st^bt aach die
iihiuche Sitte, dafz Eltern mit dem geliebten Kinde sterben.
282
nur ein wiUenloses Ding, iiber das der Mann nach Belieben ver-
fiigt. Man mufz diese Erscheinung entschieden herausheben, BEiag
sie auch mit vielem andern was fiir eine friihe hohe Aaffafzimg
des Weibes in unserem Volke redet, im Widerspruche stehen, mag
sie durch das Bild, das wir sonst entwerfen konnen, mit hafzli-
chem groben Pinselstriche hindurchfaren. Der Zoll , den audi die
beste und edelste Natur dem Bosen und Gemeinen entrichten
mufz, jenes Damonische das uns oft schauerlich aus einer reinen
herrlichen Seele angrinst, es tritt auch aus unserm Volke bier her-
aus und verletzt uns. In Zeiten, wo die erste rohe Stufe des
Lebens von den Germanen langst iiberwunden war, zeigt sicheiDe
Starke Erinnerung daran^ und es ist ein schleehter Trost an die
Griechen zu denken, welche bei aller hohen Geistesbildung , bei
aller Bliite von Wifzenschaft und Kunst das Weib stiets als Sache
betrachteten.
Der Skald Bardr der weifze ist in der Schlaeht im Hafcirs-
fiord totlich verwundet worden. Als er seinen Tod nafae ftklt, bit-
tet er seinen Herm, Konig Harald Schonbar, um die Erlaub-
nifs f rei uber sein Vermogen zu verfiigen , und vermacht hierauf
seine Frau Sigrid , seinen Sohn und seine ganze fibrige Habe sei-
nem Freunde Thorolf. Als Thorolf mit dieser Naehricht zu der
Wit we kommt, sagt sie ihm, sie werde sich fiigen wenn ihr Va-
ter einwillige. Diefz geschieht und die Vermahlung wird vollzo-
gen (Egilss. c. 9). Aus der Fridthiofssage ist bekannt, dafz der
sterbende Konig Ring dem Fridthiof mit seinem Reiche seine Frau
Ingibiorg vermachte ; mit dem Totenmale ist der Brautlauf der bei-
den vereinigt (c. 14), Wir gewaren aber auch einen Widerstand
der Frau. Nach dem Eddaliede von Helgi und Svava bittet Hdgi
sterbend sein Weib sich seinem Stiefbruder Hedin , der sie sehr
liebt, zu vermahlen. Allein Svava verwart sich entschieden da-
gegen dafz sie einem ungekannten Manne ohne weiteres ihre
Hand biete (Saem. 148).
Bei diesen testamentarischenVerfiigungenist dieKauheit derSitte
durch die anzunemende Fiirsorgc fiir die zuriickbleibende Witwe ge-
mildcrt. Sie trit^ aber bei den Verschenkungen ganz naokt hervor.
288
Ein Islander, Thotgils rait Namen, lebte langei*e Zeit mit seiner
Frau in Norwegen. AIs er in seine Heimat zttrtiokkeren will , ist
ihm die Frau, eine Schottin, unbequem und er lafzt sie seinem
Freunde Thorstein dem weifzen als ein Andenken zuriick ; es wird
diese Schenkung iiberall gebiUigt (Fl&mannas. c. 17). Ein solches
Vcrfaren muste fur die Frau die harteste Strafe sein und als
soKhe finden wir es begreiflicH ; so erzalt Saxo von einem lionig
Frodi , dafz er seine Frau zur Strafe fiir Untreue einem unbedeu-
tenden Manne zum Weibe gab. Das harteste und emporendste
war aber der Verkauf. Ein nordisches Beispiel zeigt zugleich
wie tief das Weib die Beleidigung fulte. Der Islander Dlugi der
rote verkauf te seinen Hof mit aller beweglichen Habe, zugleich
mit seiner Frau Sigrid, an Holm-Starri ; Sigrid aber erhangte
sich, weil sie diesen MenschenhandeL nicht ertragen konnte ^).
Bei den andern Stammen war der Verkauf der Ehefrauen eben-
falls Brauch. Nachdem die Friesen zur Autbringung der ihnen
von Drusus aufgelegten Steuer ihre farende und liegende Habe
bereits veraufzert haben, verkaufen sie noch ihre Weiber und Kin-
der *). Nach der lex Saxonum (XVIII. , 1. 2.) war es dem litus
des Konigs erlaubt sich eine Frau zu kaufen wo er woUe, aber
verboten irgend ein Weib zu verkaufen. Dem freien Sachsen
dagegen mufz das Verkaufen seines Weibes freigestanden haben.
Wie in England der Frauenverkauf noch heute vorkommt, ist be-
kannt. In Deutschland war es in Notf alien dem Manne noch
lange gestattet , sein Weib und Kind zu verkaufen ^). Ueber die
Sitte des Verschenkens gibt noch eine Stelle aus dem longobar-
dischen Gesetze (1. Liutpr. CXX.) Zeugnifs. Unter den Fallen,
welche als schlechte Behandlung der Ehefrau angeflirt werden,
ist die Verschenkung an einen unfreien oder freigclafzenen be-
griffen ; die Vergabung an einen freien scheint also nichts gegen
sich gehabt zu haben. Das Recht das der Brautigam an seine
») Landn&mab. I. 21. (Islendinga-fOgur. Kiobhv. 1845. 1, 64). ^ Tacit,
inn. 4, 72. ") Grimm Rechtsalterth. 461. Kraut Vormuutlschaft 1, 297. vgl.
Gnte Frau 1749.
884
Verlobte hattci, scheint sich diesem Verfiiguiigsreohte gen&hert za
haben; eine altnordische Geschichte erzalt wenigstens wie ein
Brautigam einem Freunde die Befugnifs gibt, im Falle Br nicht
zuriickkere, seine Braut statt seiner zu heiraten ')• Jedenfalls
wirft diefz Keeht des Mannes an seine Frau ein Licht auf die
alteste Bedeutung des Brautkaufes.
Wo die Ehe wiirdig aufgcfafzt wird, kann nur Einweibern
bestehen , denn die Vielweiberei ist die Herabsetzung des Weibes
) zum Mittel fiir diesen oder jenen aufzeren Zweek. Zu dem Lobe
welches Tacitus iiber die germanische Keuschheit und die E^e
vor allem ausspricht (Germ. 18. 19.), gehort vorziiglich dafz aich
die Germanen an einer Frau geniigen liefzen, mit Ausname we-
niger, welche aus politischen Rucksichten in Vielweiberei lebten *).
Als solche durch aufzere Rucksichten gebotene Mehrweiberei er-
scheint Ariovists Doppelehe; die zweite Frau hatte er erst in
Gallien geheiratet ^). Wie jedoch mereres das Tacitus Ton den Gter-
manen aussagt, beschrankt und besonders auf einzelne Stamme ver^
wiesen werden mufz, so auch seine Nachricht hieriiber *). Die germani-
schen Volkerschaften stunden auf verschiedenen Stufen der BOdong,
die wir uns vom Osten und Norden aufsteigend denken mdfzen.
Die Nordgermanen bewarten langer die alteren Zustande ; die
nach Suden und Westen vorgedningenen St'amme schritten m-
gloich in der allgemein menschlichen Kultur vor und naherten
sich dem Ziele der Humanitat. Sie machten also frfih den Fort-
schritt zur Einweiberei, warend die Nordgermanen bei der Viel-
weiberei noch lange verharrten. Adam von Bremen eranlt yon
den Schweden dafz sie in allem Mafz hielten, nur nicht in der
Zahl der Weiber. Ein jeder neme nach Verhaltnifs seines V«?-
mogens zwei oder drei oder noch mehr, die reichen und die
Fiirsten ohne Beschrankung der Zahl, und es seien diefz rechte
') Engelstoft quindekjonnetfi kaar 233. (Thorlacias matrim. §. 25). *) Ex-
eeptis admodum paucU qui non Uhidini fed ob nobilitcUem plurimU miptiU ambiwi^
tur, cap. 18. ") Caesar, bell. gall. 1. 53. <) Vgl. Grimin Oesehichte dtr
deiitBchen Sprache 188. f.
m
Ehen , denn die Kinder daraus seien vollberechtigt ^). Adams
Angaben werden duroh die skaDdinavischen Geschichtsbficher be-
statigty denn fast samtliche Fiirsten erscheinen dort viclbeweibt.
Wie una bei dem unbeschrankten Verfiigungsrechte der Manner
tiber die Frauen bei diesen der Widerstand gegen dafzelbe und
damit sein naher Sturz entgegentrat , so zeigt sich auch die
merfache £he yon den Frauen angegriffen und dadurch zuerst
unterwiilt. Sie waren begreiflicherweise mit dieser Theilung des
Mannes nicht zufrieden und wirkten mit aller Macht auf den
Alleinbesitz. Die beiden Frauen des KOnigs Alrek yon Hordaland
lagen im fortwarenden Streite mit einander, so dafz Alrek end-
lich beschlofz nur eine einzige zu behalten. Er erklarte also dafz
die bei ihm bleiben soUe welche das beste Bier brauen werde,
und mit Odhins Hilfe siegt die neugeheiratete junge Geirhild *).
Andere Frauen erklarten sich yon yorn herein nicht gewillt
mit anderen die Ehe zu theilen. So entgegnet die Konigstochter
Ragnhild dem Harald Schonhar auf sein Werben^ dafz kein
Konig so machtig sei dafz sie sich mit dem dreifzigsten Theile
seiner Liebe begniigen woUe. Harald schickt hierauf seine zehn
Frauen und zwanzig Kebsen fort und flirt Ragnhild als einziges
Weib heim^). Die Konigswitwe Sigrid yon Schweden weist den
norwegischen Konig Harald Groenski mit seiner Werbung ab, weil er
Bchon yerheiratet war. Als er mit den Antragen fortfart, lafzt sie ihn
bei Nacht in seinem Schlafgemach yerbrennen und seine Witwe ^Asta
ist damit zufrieden , sehr erziimt , dafz der Gemahl solche mehr-
weiberische GelCiste hatte % Wo die Frauen so entschieden gegen
die Polygamic kampften, wird dieselbe nicht mehr lange Stand
gehalten haben und dem Andringen des Kristentbumes bald ge-
wichen sein % Aufzer in Skandinayien lafzt sich die Vielweiberei
noch in ziemlich junger Zeit bei jj^m Geschlechte der Meroyinger
') Adam. gest. Hammab. eccles. pontific. IV. 21. (Pertz 9, 377). Vgl,
Dndon. de morib. et actib« Norman. I. init. *) Fornaldars. 2, 25. *) Fom.
o^nnas. 10. 194. *) Fornmannas. 4, 25. ff. *) VgK iibrigens Gnlath. b. c 25.
^•rkeyjar r. c. 8.
286
80 wie bei den Franken iiberhaupt nachweisen. Der Merovinger
Chlothar 1. wird von seiner Gemahlin Ingund gebeten ihrer
Schwester Aregund einen wiirdigen Gemahl zu geben. Er weifz
keinen befzeren als sich selbst aufzufinden und Aregimd iet da-
mit wol zufrieden ^). Charibertl. hatte viele Frauen; der bei der
Kirche hoch angesehene Dagobert I. drei Frauen und unzSlige
Kebsen ; Pippin II. zwei Frauen , Plectrud und Alpais. An die*
aer Zweiweiberei Pippins namen spatere kirchliche Schriftsteller
Anstofz und suchten allerlei hervor um diefz Aergemifs zu ent-
fernen ; allein es ist sicher dafz Plectrud und Alpais rechtma-
fzige Ehefrauen waren und dafz sich damals die Geistlichkeit
noch nicht daran zu stofzen wagte^). Aus spaterer Zeit als aus
dem achten Jahrhundert ist nur derLandgraf Philipp von Hefzen
ein Beispiel fur die Fortdauer der ehelichen Mehrweiberei ®). Die
steigende Bildung muste das Yolk zu der einzig w&rdigen Art
der Ehe fiiren oder es darin befestigen.
Wir haben bei diesen polygamischen Verhaltnifsen bisher
nur wirkliche Ehen im Auge gehabt, also Yerbindungen welohe
durch den Brautkauf und mit offentlicher Yermahlung eingegan-
gen w^urden. Wir wenden uns nun zu dem Konkubinat , der ne-
ben der mehrfachen Ehe bei denOermanen bestund. Die Kebse*)
war nicht gekauft und vermahlt (mundi keypt ok m&ldaga. £f(ils
s. c. 9. desponsata et dotata)^ sondern die gegenseitige^ oft anch
nur die einseitige Neigung schlofz ohne Formlichkeit die V^-
bindung, welche der Frau nicht Eang und, Eecht der Eheiraaf
den Kindern nicht die Anspriiche ehelicherNachkommen gewarte.
Die Konkubinen scheinen urspriinglich und gewonlich unfreie
Weiber *) gewesen zu sein , denn eine freie wird sich scbwer sa
*) Gregor. Turon. 4, 3. *) Vgl. Rettberg Kirchengeschichte Deutsdi-
lands 1, 539. ') Fhilipps Doppelehe fand einen Lobhudler in dem Huldrich
Neobulns , der ein Lobgedicht anf die Bigamic allerunterthanigst zn yerfafzen be-
miiht war. *) Ahd. chepifa, friudila, friudilinna, ella, gella. ags. ctafrft^ eifyfty
altn./rilla, elja. altschw. floekifrilla. altd&n. flekefriih. altnorw. birgitkona^ fridkku
^) Im altnordiscben hat sich das Maskol. kepsi mit der Bedeutung /ertwc erfatlMn;
das Wort fheki, das mit frilla zusammengesetzt wird , bedentet aneilla pigra, —
28?
einer solchen mit Nachtheilen mehrfacher Art verbundenen Ver-
bindung' verstanden haben, da zumal die Vielweiberei bestund.
Der Konkubinat war niedriger und loser als die Ehe , stund aber
durch eine mehr oder minder anhaltende Pestigkeit iiber dem
voriibergehenden Zusammenlaufen von Mann und Weib ^). War-
scheinlich durch den Einflufz der Kirche erhielt er aogar nach
einigen nordischen Gesetzen durch Verjahrung rechtliche Besta-
tigung. Das Gulathingsbuch (c. 125) bestimmt, dafz nach zwan-
zigjahriger offentlicher Dauer des Konkubinats die Kinder erb-
fahig seien; das jiitische Recht (1, 27) setzt fest, wenn jemand
drei Jahre eine Beischlaferin bei sich im Hause habe, mit ihr
Tisch und Bett offen theile und sie das Hauswesen (laas ok lyckae)
verwalte , so werde sie rechte Ehe- und Hausfrau ^). Fiir beiliegen
eines andem bei der Kebse hatte ihr Besitzer Bufze zu verlangen.
(Biarkejrj. r. c. 129).
Der Konkubinat ward das ganze Mittelalter von den reicheren
gepflegt , ohne dafz die offentliche Meinung ein Aergernifs daran
nam. Von den Fiirsten kennen wir das Privatleben noch am be-
aten; da sehen wir, des Ostgothen Theoderich *), des Westgothen
Alarich, des Vandalen Godegisil zu geschweigen, namentlich die
Merovinger sich auszeichnen und die Karolinger ihnen nicht nach-
stehen. Karl der Grofze, der fur dieses und anliches im Fege-
feuer von der Geistlichkeit absonderlich gestraft ward*), Ludwig
der fromme und alle die Herren lebten mit Beischlaferinnen. Die
Kirche begnugte sich meist daran gegen denjenigen Konkubifiat
einzuschreiten, der neben einer rechtmafzigen Ehe bestund ; auf der
Mainzer Synode von 851 wird ausdriicklich bestimmt, jemand
Die Frauenhauser {gynaececk) in denen die Herren unfreie Madchen zn den h&ns-
Hchen Arbeiten hielten, lieferten besonders viel Kebsen. Du Cange s. v. gynaeceum.
Gnipen de uxore theot. 31. flF. ') naXXa%ri 8\ ^axiv rj vofi^fitog xivi aoifiacc
Itaqlq ydfiov ' 17 8h rjttov tLfiKOtsga (pvlrj XsySTCCL* Die concubina legitima ist
▼on der quae quacstnm facit verschieden. Du Cange v. concubina. *) asthelkuna
ofc riBithe husfrce. *) Theoderichs Nachfolger Athalarich erliefz eine Verordnung
gegen Bigamic und Konkubinat, Cassiod. var. IX. 18. *) Visio Wettini
1>. 659.
288
der sich an einer Frau, sei es auch eine Kebse, genftgen lafce,
sei ungestraft; gegen Konkubinnt neben der £he werden Aet
Kirchenstrafen Terhangt '). Die Sitre war zu tief gewarzelt ab
dafz sie mit einem Sehlage ausgerottet werden konnte nnd die
Geistlichkeit selbst war fast allgemein durch den Konkubinat be-
fleckt ^). Man blieb noch lange gegen diese wilden Ehen nach-
eichtig; nur in den Hof- und Lagerordnongen , welche dne
strange Zu.ht yerlangen musten, wird gegen sie entschieden
eingeschritten ').
Die Kinder der Kebsen (f rillusynir) genofzen nicbt der Bechte
ehelicher, batten also vor allem keine Anspriiche auf vaterlichee
Erbe, sondern konnten nur von der Mutter erben. Ebenso yer-
hielt es sich mit der Theilname an Wergeld und Bufzen. Hatte
jedoch der Yater, so bestimmten merere germauische Kechte, inf
dem Dinge die Kinder als die seinen anerkannt, so trat ein en-
geres Rechtsverhaltnifs zwischen ihm und ihnen ein ; er hatte An-
spruch auf die Bufzen , welche fur sie zu zalen waren *) und flie
zogen einen Theil seiner Hinterlarzenschaft, den er naheraufdem
Ding zu bestimmen hatte % oder der fiir den Fall der offentlichen
Anerkennung schon gesetzlich bestinunt war •). Durch eine spS-
tere rechtmafzige Heirat der Mutter wurden die Kinder nach der '
Ansicht des Yolkes nicht legitimirt , so sehr auch die EJrcfae und
unter ihrem Einflufze eine Menge Gesetze schon friih genug di-
fiir stritten '^). Diese Ehelichmachung unehelich geborener hat !»•
in die neueste Zeit lebhafte Anfechtung gefunden *)•
Uneheliche Sohne der Fiirsten waren nach dem allgemeinen
') Pertz leg. 1, 415. vgl. Eugenii 11. cone. Boman. 826. c 87. and oooflL
Tolet. c. 17. (Pertz legg. II. 12. Hartzheim 2, 209.) — Vgl. Cnut. ddm. L 51-
Gulathingsb. c 25. ^) Schon Bonifaz schildert im J. 741 dem Pabste Zachariii
die frankische Geistlichkeit als sehr unsittlich. Die meisten Diakonen hmtten ^
Oder noch mehr Konkubinen. Harzheim 1, 43. '') Friderid I. oonT. Briz* ^'
(1158. Pertz. leg. II. 108). Hirdfkr& c. 27. *) Ines ftsetn. 87. L Scan. ZUL A.
Sjell. 1. Ill, 38. Jyd. 1. I. 22. II. 20. ») Ostgotal. arfdhab 4. SjelL 1. L 18. *) Ki
Roth. 154. 157. Sun. 1. Scan. III. 7. ') Schwabensp. landr. 877. Jyd. L If ^
Sjell. 1. 1. 50. Frostath. 3, 11. fplandsl. 3, 18. OstgwtaL gipt. 5. VeatgStaL tt'^
dab. 8. ') Wilda Zfit^chrift fftr dentsches Recht 4, 287. ff.
28»
Grundsatze von der ThronFolge ausgeschlofzeii ; nur' besondere
Umstande oder grofze personliche Vorziige reichten. ihnen den Herr-
scherstab. Als Alarich gefallen ist, waleD die Westgotben seinen
Eebsensohn GIserich zum Konig, da der rechtmafzige Erbe Ama-
larich noch zu jung ist % • Dem Vandalenkonig Godegisil folgt
sein ehelicher Sohn Gonthari, mit ihm aber herrscht der unehe-
liche Gizerichy denn jener ist noch einKnabe und dazu von sohlaf-
fer Art, dieser aber ist ein tapferer gefurchteter Krieger ^). Nach
demErloschen des geraden kerlingischenMannsstammes inDeutsch-
land folgt Karlmanns natiirlicher Sohn, Amulf Herzog von Kam-
then , der seinem eigenen unehelichen Sprofzen Zwentibold die
lothringische Konigskrone gibt. Uneheliche Fiirstensohn^ erhiel-
ten nicht selten hohe geistliche Stellen. Kaiser Otto I. erhob 954
seinen natiirlichen Sohn Wilhelm, den ihm eine Slavin aus vor-
nemem Geschlecht geboren hatte, zum Erzbischof von Mainz.
Fiirstentochter von Beischraferinnen wurden von den Vatern ge-
wOnlich recht gut verheiratet ; 'so vermahlte Theoderich der grofze
seine zwei Tochter Theudigodo und Ostrogotho, die er in Mosien
mit einer Kebse erzeugt hatte , die eine dem Westgothenkonig
Alarich, die andere dem Burgunderkonig Sigismund* (lomand^
c. 58.)
Das Bild von germanischer Enthaltsamkeit, das Tacitus in
seiner Germania entwarf, ist durch unsere vorangehenden Mitthei-
lungen iiber Polygamic und Konkubinat etwas blafser geworden.
Wir darfen indefsen nicht vergefzen, dafz auch die Kebsenwirth-
schaft noch einen festen Boden hatte und dafz sich eine Freundin
(friudila. amie) von einer offentlichen Dime bedeutend unterschied*
Von dem luderlichen Leben Roms, von der Preisgebung aller
Scham und Ehrbarkeit von Mannern und Weibern sah Tacitus
in Deutschland keine Spur, und mit Stolz mogen wir noch im
4. und 5. Jahrhundert Romer reden horen , dafz die Germanen
keine Huren unter sich duldeten und die Unkeuschheit den Ro-
mem uberliefzen. Salvian riihmt von den Westgothen, dafz sie
') Procop. bell. goth. I, 12. *) Procopv bell, vandal. 1, 3.
19
soo
das unziichtige Leben ein Vorrecht der Komer sein liefzen
dafz sie keusch unter unkeuschne lebten. Von den Var
len ^rzalt er, dafz sie mitten in der Ueppigkeit der erobe:
Stadte und Lander alle Unzucht verabgcheuten , die offentlic
Dimen aufhuben und verheirateten und auf jede offentliche Uiji
lichkeit den Tod setzten ^), Leider hat dieeer mannliche Wv
stand der germanischen Eroberer gegen die Verderbtbeit der
6berten romiechen und keltischen Lander nicht fortgedauert.
grenzenlose Unzucht, welche hier herrschte, und von der die Bei'
formeln spaterer Jahrhunderte noch eineu ekeln NachgeBchn!
geben, verfelte in der Lange'^des Zusammenlebena die Wirk
nicht , so dafz die Salfranken, die Merovinger an derSpitce, I
ebenso angesteckt vom Laster waren als ihre Unterworfenen.
germanischen Stamme aber, welche auf reinem Boden safzen, ha
die altgeriihmte Zuchtigkeit noch lange bewart und nament
zeichneten sich die Sachsen , Friesen und Mordlander aus.
iStrenge der nordischen Gesetze bei sehr unschuldigen Beriirunj
wie bei dem Kufse *), beweist dafz die Sittenreiuheit hier
■
flucht und Schutz gefunden hatte. £s verbirgt sich hinter
.Strenge ebenso wenig Zlichtigthuerei als angstlicher Kampf gc
iiberhandnemendes Verderben.
Die ofTentlichen Weiber^), die sich etwa in alterer Zeit
ter den Germanen fanden, waren keiue germanischen Frauen <
wenigstens keine freie. Das gothische dem finnis6hen entlel
W^ort kalkjd (Hure) beweist dafz /Gothinuen ihre £hre n
') Salvian. de gubematione dd (ed. Bitershns. p. 18^. ff. 148. ff.) 4
die lex Wisigoth. (III. 4, 17) bestraft die feilen Dirnen eehr strong. —
Procop (b. gotb. II. 14) von den Herulern sagt, scbeint Yerliiamdaiig ; e
gegen sie eiugenommcn. *) Gragas festath. 24, *) gemeine /nmwen^ fr6w
Brud. Bertb. 143. Haupts Z. f. d. A. 6, 425. ^Aemene u^jj/'Beatr. 457. trttc wip
Freid. 48, 9 veile/rouwen aiiigb. 101. iibeUu wip MSB. 2, 160. boe/iu wip MSH. ft,
262. fwachiu wip Freid. 103, 7. MSB. 2, 262. lihtiu wip J^rauenb. 649, 22. wildU
MSli. 3, 29. unwip Froid. 101, 15. 18. — Idnelin, Z. Freid. 103, ll.ytlU Qvff. 1,
la:i!^a Grfif. 2, 299. kndberin Lds. 2, 661. gilwerin Bertbold 19. horhtta. —
scbeint wenn man aus dem Sanskr. ydra einen Seblufz ipacben darf. eigei
^deu V'erfiirer sa bezeicbneu.
^1
preisgaben; fiir die hochdeutschen und skandinavischen Stamrae
ist das Wort leDne, lania, 'em Zeugnifs dafz sie bei den Kelten
die ereten feilen Weiber (irifch: leanan) kennen lemten; das Wort
la;a 2eugt sodann dafiir, dafz sich anrai)glich nur in dem Stande
der Lafzen oder Liten solche Unehre einnistete. Die Frauenhanser
in den romischen Stadten Siiddeutschlands waren in gutem Gredei-
hen') und iibten anf die germanischen Stamme nach und nach eine
acUimnie Ansteckung. Noch Seb. Frank und Fischart eagen dem
Lande Schwaben grofzen Reichthum an leichten W^ibem nach *).
Auf den romischen Ureprungder feilen Dirnen deutet noch ihr ge-
wonlicher Putz im Mittelalter^ Die romischen galanten Damen
und besonders die offentlichen Weiber trugen falsches blondes
Har oder einen gelben Kofputz *) und diese Tracht hielt sich in
Italien und Deutschland als Abzeichen der leichten Weiber; gel-
bee Gebende oder cin gelbes Fanlein auf den Schuhen schrieb
ilrnen die Mode und zuweilen auch das Gesetz vor *). Leider wa-
ren der Anregungen zu dem luderlichen Leben im Laufe der
Jahrhunderte immer mehr gewo^den ; die Pilgerinnen die nach
Bom giengen, lieferten den Stadten Austrasiens, Neusfers und
der Lombardei viel feile Weiber (Bonifac* ep» 73) und das Icichte
Heer vermerte sich, besonders seitdem dfer Orden der Beguinen
oder Trumpelnunnen in grofzer Zahl durch das Land sehweifte,
welche mit ihrer ketzerischen Lehre der Unzucht frei dienten *).
') Ueber die Legende von der heiligen Afra s. Bettberg Kirchengescbichte
1, 144. ff. 2j Weltb. 53, Gargantua. Ausg. von 1590. S. 43. ^) nigrum falvo crinem
abfcondente galero. JavenaL 6, 120. vgl. Serv. ad Aen. 4, 698. Grupen de uxore
Aeot 210. f) Berthold 19. 121. Altd. Blatt. 1, 235. Haupt Z. f. d. A. 6, 425.
Emmingbaasen I. 217. ~ Ein HoBennestel oder ein Gansefufz war Abzeichen der
Haren zu Toulouse. Regis Bubelais 2, 441. Auch die griine Farbe scbeint den
feilen Dirnen zuerkannt gewesen zu sein. Matth. Paris, a. 1192. vestem sacerdotis
w meretricis kabitum convertit tunica viridi feminea indutus , capam habens ejusdem
cohris, 6) Unter den acht Irrthiimern, welche Klemens V. zu Vienne 1311 als
Lebren der deutscben Begharden und Beguinen verdammt, ist der siebente fol-
gender : mulieris osculum cum ad hoe natura non inclinet , est mortale peccatum :
actus autem carnalia, cum ad hoc natura inclinet^ peccatum non est, maxime cum ten"
tatw exercens. Harzheim 4, 235. Uebrigens muste schon Bonifaz auf die Hut
der Nonnen aufmerksam machen. Harzheim 1, 74.
19*
Wie der Minnedienst auf die Sittlichkeit Einflufz tinrzerte, ist be-
reits angedeutet worden ; die Riigelieder der Lyriker des 13. Jalur-
hunderts so wie das Frauenbuch Ulrichs von Lichtenstdn entr
rollen udb ein trauriges Bild. Die BeriiruDg mit den Nachbu^
volkern und die Kenntnife des byzantinischen und morgenlandi*
Bchen Lebens hatte manches scheusliche Laster in Deutschland
keunen gelehrt. Der steigende Handelsverkehr der St&dte and der
Reichthum, der hieraus entsprang, erweckte im 15. .und 10. JalI^
hundert in Siiddeutschland ein Leben yoll Lust und Genufzsacht,
das in die triibe und niedergedriickte Oegenwart mit fremdem
Antlitz hineinschaut. So beneidenswert es auch um seine Friflche
und FrOlichkeit sein mag, um seine sittliche Farbung war es ge-
rade nicht zu beneiden. Yon diesem l&derlichen Leben hidtei
sich die norddeutschen Gegenden, zu ihrer Ehre sei es gesagt
noch lange frei , und die tiichtige mannliche Art , welche dii
Volk jenseits der Elbe noch heute mit unsterblichem Buhme kront
sprach sich auch hierin aus. Das dietmarsische Madchen^ d«
eines aufzerehelichen Umganges iiberfiirt war, wurde von seiner
Verwandten getotet. Ein gef alien es Madchen wagte niemaod it
heiraten, denn der Spruch gait: de eine hSre nimbt vorfatidiUA
vorreth 6k wol fin vaderlant So hatte sich was Bonifaz an da
Sachsen zu riihmen hatte , durch viele Jahrhunderte fort erhalten
Und wenn auch Neokorus klagt, dafz sich die alte Streiige ft
mildem beginne und nun auch grafswedewen und selbst aide teeid<ift
afgelevede fruwen um Geldes, Gutes und des Nestes willen gefrdet
wiirden *), das gute germanischc Blut, das dort rein und stob
roUte , konnte nicmals so unrein werden, wie e« im Siiden nnc
Westen durch die Hingabe an das Fremde geworden war.
Die vorangehenden Blatter konnen die Frage , die* sich jcU'
erhebt, wie es um die eheliche Treue stund, selbst beantworten
Fiir einen Mann , der eine mehr oder minder grofze Zahl refk^'
mafziger Ehefrauen und eine beliebige Menge Kebsweiber hat, ^
') Vgl. Neocorus heraasg. von Dahlmann 1, 96 — 99. Vjrl, im $}]gea»i^
Wihla Strafrecht 809—820.
293
die Treue , dieses unverbHichliche Festhalten an einer auserkorenen
nicht vorhanden. Mannertreue bedingt Einweiberei und wo diese
war , mag in den Stammen , welche ihre Volksthiimlichkeit hiiteten,
auch jene gehiitet worden sein. Allgeineine Forderung auch des
Mannee, der in Vielweiberei lebte, war aber die Treue des Wei-
bes; denn far dieses war er der einzige rechtmafzige Empfanger
der Liebesaufzerungen, keiner dnrfte fiber es verfiigen, als en
Verletzte die Fran die eheliche Treue, so folgte die schwerste
Strafe augenblicklich und nicht s konnte vor ihr retten. Sie die im
Beisein des Geschlechtes vermahlt war, wurde.vor den Augen des
Geschlechtes schimpflich aus dem Hause gestofzen, des Schmu-
ckes der freien , des langen Hares beraubt, nackt, unter Schla-
gen von dein Manne durch das Dorf gejagt *). Wir miifzen hinzu-
setzen , dafz sie all ihr Vermogen an den Mann verlor und dafz
diese offentliche Verstofzung nur eine Milderung war. Altes Recht
des Germanen war sein ehebrecherisches Weib samt dem Ehe-
brecher auf frischer That zu erschlagen; sie lagen ungebiifzt, denn
solcheThat der Rache gait fiir keinen Mord *). Wolte er der Frau
das Leben schenken , so stund das in seiner Macht (poena praesens
et maritis permifsa Germ. c. 19j ; sie muste aber in wenigen und
schleehten Kleidern von dem Hofe gehen (VestgOtal. I. gipt. 5,1.
Sjell. 1. n. 1) und ihre farende Habe, namentlich die Morgengabe,
derBrautkauf und die Drittelvermerung waren verloren. Von ihrem
Hegenden Eigen zog der Mann, so lange sie lebte, Niefzbrauch;
nach ihrem Tode fiel es an ihre Erben *). Die That der Rache
durfte nicht heimlich uiid ohneAnzeige bleiben. Sobald der Mann
') Tacit, germ. c. 19. *) Ed. Roth. 218. Cafsiod. var. 1, 37. 1. Wisigoth.
in. 4, 4. Grag. vigsl. 31. Frostath. 4, 39. Gulath. c. 160. H&konarb. 23. Biark.
r. 18. VestgOtal. I. mandr. 11. 1. Scan. XIII, 1. Sjell. 1. II. 1. Jyd. 1. IIL 37.
Rib. Btadtr. 17. Thord. Degn. art. B. 18.— Vgl. Wilda Strafrecht 821. ff. —
In einigen Rechtsbiichern (1. Wisig. III. 4, 6. Gr&g. vlgsl. c. 31. l<>08tath- 4, 39.
H&k. 23. Gnlath. c. 160. Biarkeyj. 18. Wilh. ges. 1. 37.) gilt diefz Recht des
Totschlagens auch fur den Beischlftfer der Mutter, Tochter, Schwegter, Nichte,
Stieftochter, Schwiegertochter. *) Uplandsl. III. 6. Hans priyiU 46. — Frostath.
U, 14. — Sjel. II. 1.
2W
die Strafe voll^ogeiiy muste er nnch den .nordischen Bechtsbil-
chcrn die Beweise seiner That, das blutige Kiifsen und Polater,
zuweilen auch die Leichen auf den Ding briiigen , von Zeugen
unterstutzt dafz wirklicli far Ehebrach die That geschehen war *).
Hatte er die Rache nicht gleich genommen oder uemen konnen,
so blieb ihm nur dieKIage, und konnte sich der angeklagte nicht
durch Gottesurtheil oder Eideshelfer reinigen , so traf ihn der
Tod oder die Verbannung, im Falle der Beleidigte sich nicht an
einer Geldbufze geniigen liefz ^), Noch in die neuere Zeit hinein
hat sich fur den Ehebruch schwere Strafe erhalten; so bestimmt
das Kopenhagener Stadtrecht von 1443, dafz im Fallc sich der
verletzte Ehemann mit keiner Geldbufze befriedigt erUare, der
Mann mit dem Schwerte gerichtet, die Frau lebendig b^rabai
werden soIle«
Indem die Frau nach alterer Rechtsansicht keinenAnspruch
auf die Treue des Mannes hatte, war ihr auch kein Anrecht auf
seine Bestrafung wegeu Ehebruchs gegcben. Es ist nur eine Ab-
weiohung hiervon , dafz das westgothische Gesetzbuch befielt,
das Weib, mit dem der Ejiemann siindigte, soUe in die Gewalt
der beeintrachtigten Gat tin gegeben werden (III. 4, 7). Spftter
ist die Frau mehr zu Recht gekommen und das Verbrechen Mrird
aji dem Pihemanne ebeiiso gestraft wie an der Ehefrau. Das up-
laiidische Rechtsbuch (III. 6) gestattet sogar der Frau ihrenMann
auf der frischcn That des Ehebruches zu toten. Im Leben wurden
iibrigens die gesetzlichen Bei^timmungen oft stillschweigend Aber-
gangen und man cher Ehebruch gieng, zumal wenn Zeugen felten
oder der Mann Riicksichten zu nemen hatte, ungestraft hin. Nor-
dische Geschichten erzalen sogar von Frauen, welohe im Ver-
brechen ergriffen, ihren Mannem trotzten und sie zum Still-
schweigen zwangen. (GMa Surs. c. 9).
0 1. Scan. XIII. 1. Sjell. 1. II. 1. Jyd. 1. III. 37. Bib. Stadr. 17. *) QfitaL SI.
Uplands!. III. 6. 1. Scan. XIII. 2. Hans priyil. 46. — • Nach einigen xnitUeren
Studtrecliten (Bib. Stadr. 1267. art. 27. Vgl. £rich Glippings Sudtr. n. 80)
befreite es die Scholdigen von jeder Strafe, wenn die Fran den Bhebrecher
dem simdigen Gllede durch die Stadt Strafze anf Strafze ab zog.
!2tf&
Das Recht des Mannes iiber Leib und Leben der Frau ist
dieFoIge der erkauften und ubertrageiieii Mimdschaft. DasSchwert
da8 bei der Vermahlung von dem bisherigen Vormund dem BraU"*
tigam ubergeben wurde , ^ivar das Sinnbild daiiir* Mit der feierli-
chen Uebergabe der Frau trat der Mann die Mundschaft an ')«,
Was der Vater oder der . nachste Verwandte fOr das Madchen
zu leisten und fordern hatte, das tibernam jetzt der Mann ft^ die
Frau. Er hatte sie allenthalben zu yertreten , ihr Itecht wahrzu-
nemen, wo sie verletzt war die Klage zu erheben^ wo sie ver-
klagt wird , der Klage zu antworteu und die Bufze zu leisten ^). Sie
theilt seinBecht und sein^n Stand und ist seine Genofzin ^) « auch
wean er ihr nicht ebenbtlrtig ware. £r kann sie zQchtigen, wenn
m es yerdienty sie sogar tot^ (ed. Eoth* 166)y behandelt er sie
aber ohneGrund schlecht, so verliert er ihrMundium, die Schei-
dttng tritt ein (ed. Roth. 182 vgl. L Liutpr. CXX) und nach
jiingerem Rechte verliert er sogar sein Vermogen*). Eine Ziich-
tigung zum Tode strafte die spatere Zeit unter alien Umstand^
mit dem Leben. (Ltib. r. cod. Brock. 11. 304).
Eine notwendige Folge der Mundschaft des Mannes ist sein
genaues rechtliches Verhaltnifs zu dem Vermogen der Fr^u. Man
darf diefz aber keineswegs als eine Giitergemeinschaft fafzen, so
dafz also die Habe der Frau auch seine Habe geworden ware,
sondem nur als eine Gutervereinigung in der Hand des Mannes,
der das Verwaltungs- und Nutzungsrecht daran hatte; er safz
mit der Frau in der Gewere *). HOrte die Ehe durch Tod oder
Scheidung auf, so endete auch sein Yerh<nifs zu dem YermO-
gen der Frau ; die vereinte Habe ward getrennt und ihr Besitz
') Nach den jungeren Einrichtungen mit der kirt-hlichen Einsegnung. So
heifzt 68 Ostgotal. vadhain. 36, sobald die Frau von der Rirche eingesegnet and
libergeben ist {vight Jdri kirkiu durum ok gift)^ tritt der Khemann die Bechte
ond Pdichten des Vormunds an. Ueber Sachsensp. III. 46, 3. siehe Kraat Vor-
munUsch. 1, 176. ') tha fkal heenna husbonde bathe fikia ok fvara fiti hanok
Oitgotal. vadham. 36. ') Grimm Bechtsaltertb. 447. *) Hamburg. Stat. 1270.
UL S. &) Sachsensp. I. 45, S. — Vgl. hieau Eunde deutsches eheliches GUtee-
recht. Oldenb. 1841. S. 16. i '
^90
kam in die Gewere ihres Geschlechtes. Man sieht wie verecbie
den diese Verhaltnifse von der «p*ateren and man mufz sagei
ideelleren Giitergemeinschaft sind'), in der das Besitzthnm de
Ehegatten ein gemeinsames ist, an das beide Theile gleiche An
sprGche haben. Jenes Verwaltungsrecht des Ehemannes liefz i
der altesten Zeit die Verbindung des Geschlechtes der Fran mi
ihrem Vermogen nicht ganz aufhoren. Bei der Moglichkeit daf
dafzelbe wieder an sie zuriickfalle, iibten* ihre Verwandten ein
gewifze Obervormnndschaft aus^), die sich scharf genug in dc
Bestimmung der Liutprandischen Gesetze (XXII) ausspricht, daf
bei einem Kaufe von dem Vermogen der Ehefrau auFzer der Eii
willigung des Mannes die Anzeige an zwei oder drei ihrer Vei
wandten erforderlich sei '). Es geschah diefz zunachst um di
Frail vor willkiirlichen Verfiigungen des Mannes zu schiitzen, c
Hegt aber auch im Interefse der ganzen Familie xmd ist era
Aeiifzerung ihrer leise fortdauemden Vermogenskuratele, welche mi
der germanischen Ansicht von den eheliehen Guterverhaltnifsen zn
samraenhangt. Diese Beaufsichtigung verschwand jedoch mit dc
Zeit iramer mehr und der Mann erschien als der einzige Vermo
genskurator der Frau *). Wie dem anch war, mochte ihr Ge
schlecht eine Mitbevormundung ausiiben oder nicht, der niclist
Verwalter und Vormund der Habe der Fran war der Ehemani
der voygt und das Haupt seines weibes j ,,und sie sol riach sei
nem willen leben und unterthenig und gehorsam sein , denn si
ist ihres selbes nicht gewaltig one iren man weder zu thun tiocl
zu lafzen *)." Die Frau hatte also kein Verfiigungsrecht uber ih
Vermogen , sowol iiber das angeborene als fiber das darch di
Vermahlung hinzugekommene; son dem zum Verschenken, Vcc
kaufen undVerleihen bedurfte sie der Ein willigung des Mannes T
*) Vgl. im folgenden die Grundztige der nordisch^ Verh&Itnifse. *)Vfi
meine Bemerkung bei Haupt Z« f. d. A. 7, 542. ') Aenliches noch in italic*
schen Statuten. S. Mittermaier Privatrecht II. 302, 9. *) Vgl. WidoiL leg. 88
Pertz leg. 1 , 557. ») Sachs, distinct. I. 9, 7. •) Sachs. 1, 81, 1. *^
Schwabensp. landr. 74. Jyd. 1. III. 44.
2M
ohne welche eine jede derartige Handlxmg' ungiiltig war *)^ —
Ala Yerwalterin des Hauswasens hatte die Fxau aine grofzere
Freiheit in Geldsachen. Das nordische Recht erlaubte ihr im Auf-
trage des Mannes Kaufe abzuschliefzen , ebenso durfte sie wft-
rend der Mann auf dem Ding war , den Hansbedarf einkaufen.
(Grfig. festath. 21). Das upl^ndische Gesetz . (V. 4) gestattete
ihr, wenn der Mann eine Pilgerfart unternommen hatte oder fort-
gelaufen war , durch Verkaufe das NOtige :zum Lebensunterhalte
herbeizuschaflfen, Bei der nachherigen Berechnung werden zwei
Drittel auf das Theil des Mannes und ein Drittel auf die Frau
gerechnet. AUgemeiner sind die Bestimmungen iiber das hochste,
was tiberhaupt eine Ehefrau aus eigener MachtyoUkommenheit
verausgaben darf. Das ribuarische Gesetzbuch (LIX, 9) erlaubte
Personen , die unter Mundschaft stunden (filiis et filiabuo) freie
Verfiigung bis zum Werte von zwoK Solidi. Ob den Ehefrauen
bei den Uferfranken und bei den andem Stammen eine gleiche
Summe freigegeben war , lafzt sich nicht sagen *). In den hordi-
schen Rechtsbfichern ist der Frau nur ein sehr geringer Weri
smr selbststandigen Verfiigung ausgesetzt; die isl'andische Grau-
gane (festath. 21) gab der Ehefrau auf zwolf Monate nur eine
halbe Unze (drei Ellen groben Tuches) an Wert einzukaufen frei ;
was daraber war, konnte der Mann fur ungiltig erklaren und
der Verkaufer verlor nicht blofz alles Riickforderungsrecht , son-
dern fiel auch in Strafe. Das norwegische Frostathingsbuch (11,
22) scheint fCir ein gewonliches Weib denselben Satz gehabt zu
baben; die Frau eines Erbbauern (holdr) durfte bis zu einer
t^nze einkaufen. Weit geringer sind die uplandischen , schooni-
schen, seelandischen und schleswigischen Satze ^). Unverheiratete
*) Nach Wei 8th. 1, 85 wurde der Kaufer oder f^mpfUnger sogar gestraft.
(NachGr&g. Festath. 21. der Verkftufer). ') Im Sachsenspiegel 1.45,2, erschei-
iien unverheiratete Frauen (megede unde ungemannede wif) unahh'angiger bei Ver-
S-nfzeruugen als verheiratete. ") Vier Pfennige Uplandsl. VI, 4. fflnf Denar 1.
Scan. VII. 12. fUnf Pfenn. Sjell. 1. III. 35. zwblf Denar Aelt. Schleswig. Stadtr.
^9 (zwolf Schilling neuer. Stadtr. 59.) — Vgl. auch Alt. Lub. R. (cod. Hach.) II.
^^- A. Culm. 4, 3. Verm. Sachgensp. (13) II. 16, 11.
MB
Madchen durften nach jutiechem Becht (I. 86) in Not von ihrem
Oute mit Zuziehung der Verwandten bis zu einer halben Mark
Silber verkaufen^
So imselbststandig die Frau war, so dnrfte doch auch der
Mann fiber ihr Vermogen nicht frei schalten und walten *), denn
er besafz es nicht , er verwaltete es nur. In Not - allein und mit
Berficksichtigung ihrer Erben stund ihm die Yeraufzenuig frei.
Nordische und friesische Rechte bestimmen genau , dafz zur Mog^
lichkeit solchen Verkaufes Kinder gehdren und dafz er von sd-
nem Erbgute oder dem , was er erkauft , ein gleich wertes Stuck
zum Ersatze oder zum Pfande legen mufz*). Das Westerwolder
Landrecht (13) spricht es geradezu aus, dafz das Gut dee Man-
nes far die Mitgift der Frau zu Pfande stehe, so dafz er es also
weder ilberschulden noch veraufzem darf. Ein Schritt weiter
aber zugleich ein Schritt zu neuer Rechtsauffafzung war, dafz
die Eh^gatten bei Bestimmungen fiber ihr Yermdgen an die ge*
genseitigeEinwilligung gebunden wurden (Sefawabensp. 33). Auch
hier ist die Giitergemeinschaft noch nicht ausgesprochen , es ist
vielmehr eine Gfiterverpfandung mit Berficksichtigung davon,
dafz das Gut der Frau, wenn sieKinder hat, an diese als nachste
Erben fallt, also in der Familie des Mannes bleibt. Thats&chlich
unterscheidet sich dieser Zustand von der Gemeinschaft wenig,
im Grundgedanken liegt er aber yon ihr ab. Wo* die Ansicht
vom gemeinsamen Gute Boden gewann, muste sie fibrigens xu-
nachst die farende Habe ergreifen als den mehr persdnliehen Be-
sitz; bei dem liegenden Eigen als dem Geschlechtsgute Jiaftete
das alte Eechtsverh&Itnifs langer. Im Sachsenspiegel und Schwa*
benspiegel finden sich auchSpuren dafz die farende Habe als go-
meinsam betrachtet wurde'); Weisthfimer (1, 14. 16. 102) sch wan-
ken zwischen der Gemeinschaft in farender und der in liegender
0 Grag. festath. 50. Liib. r. v. 1240. ?. 7. Alte Liineb. Stat 72. ^ U Scan.
I. 5. Sjcll. I III. 9. Jyd. 1. I. 35. Emsig. pfenn. Sohnldb. 6. 3) VgL Mitier-
maier Privatrecht I[. 312.
and farender Hitbe. Das seel&ndische Becht (1. 1, 30) kbnnt'
ebeufalls Gemeinschaft' in dem beweglichen Vcrmogen.
Sehr merkwurdig ist dafz einzelne nordische Rechte die
Gfitergemeinschaft bereits kennen ^), Die islandische Graugans
lafzt den Brautleuten beim Verlobnifz (festam&t) die Wal fSr^
sich und ihre Erben das Vermugen gemeinsam zu maclien oder
die Gemeinschaft auszuschliefzen. Das norwegiisehe Gulathings^
buck (c. 53) erlaubte die Gutergemeinschaft wit Bewilligung der
Erben. War sie ausgeschlofzei? , so hatte natUrlich keines das
Eecht. iiber das Vermogen des andern zu verffigen 2), Am weite-
sten geht das westgotblandische Gesetzbuch (I. arfdhab. 16) wo
die Yolle Giitergemeinschaft auch eineAenderung des Erbrechtes
herbeigefdrt hat» "
Wie sich nach dem Tode eines Ehegatten die Erbverhalt-
nifse gestalteten, lafzt sich aus dem iiber die Giiterverhaltnifse
gesagten ermefzen* Die Gfttervereinigung ward aufgelCst und das
Vermogen des verstorbenen fiel an seine Erben, zu den en der
iiberlebende Theil nur bedingungsweise gehorte. Was zuerst die
Fmu betriffi^y so zog sie alles was ihr gehorte aus demGute des
Mannes; sie nam also nicht blofz ihre Mitgift, sondem auch den
Brautkaufy die Morgengabe, die Widerlage und was ihr sonst
nach dem Landesrechte bei der VermahluDg zugekommen war. Ge*
rade und Mustheil, das sind die schon besprochenen Gegenstande
aus der farenden Habe und die Halfte aller Lebensmittel , welche
sich am dreifzigsten Tage nach dem Tode des Mannes auf dem
Gute fanden , gab sachsisches und schwabisches Recht hinzu ').
Von Bedeutung war natiirlich ob die Ehe kinderlos gewesen war
oder nicht. Bei Kinderlosigkeit hielten das burgundische Gesetz-
buch (XIV. 3. 4) undein angelsachsisches Gesetz (Aedhelb. ddm.
77 — 80) der Frau die Morgengabe vor , ersteres dem Manne den
Brautkauf*). Aus dem Rechtsverh^ltnifse unmittelbar entwickelt
0 ^^99^0, l6q fe theirra faman^Qcrk^, festath. 22., daheryS/a^. ^) firinuiila
nijirigera, ') Saehsensp. 1.22. 24. Schwabensp. Landr. 25. *) Dafz der Braut-
kanf Erbe des Mannes sein konnte, ist Abweichung Tom alten Rechte. — In der
iBt die Bestimmung des Frostathingbuches (9, 19) dafz die Drit-
telvermerung (thridhjungBauki) nach dem Tode der Frau an den
Mann zuriickfalle; denn indem die Mitgift an ihre Verwandten
heimkam , war auch jene B&rgschaft unnotig geworden nnd der
Mann muste sie einziehen. Stirbt der Mann , so erbt die Fran
diese Zugabe. Im allgemeinen fiel nach alterem Rechte alles €hit
der Frau bei kinderloser Ehe an ihre Familie zurQck ^) ; eine
Haupterbin war nach islandischem Rechte die Mutter, indem sie
Brautkauf und Mitgift erhielt.
Eine Umanderung der Erbverhahnifse zeigte sich zuerst an
der farenden Habe , an welcher sich auch zuerst die Giiterge-
meinschaft aufzerte* Sachsische und nordische G^setzbiicher so
wie siiddeutsche Weisthiimer stimmen hier iiberein. Die Witwe
ninunt nach dem Sachsenspiegel die Gerade voraus, der Witwer
erbt alle farende Habe aufzer der Gerade (Sachsensp. lU. 76, 2).
Das uplandische Gesetz (HI. 10) lafzt die Frau Bett and Klei-
der, den Mann die WaflFen vorausnemen, das bewegliche Ver-
mogen und selbst die Morgengabe unter die Erben theilen ; das
ostgothlandische Eecht (gipt. 16) setzte dem'Manne alsErbe von
seiner Frau die farende Habe , das erkaufte Land und sogar zwei
Drittel ihres liegenden Eigens aus. Gait das bewegliche Vermo-
gen schon als gemeinsames Gut, so fiel es natiirlich dem iiber-
lebenden Theile ganz zu; der Grundbesitz blieb entweder ganx
oder halb als Leibgedinge ^).
Anders g^stalteten sich natiirlich die Verhaltnifse wenn die
Ehe fruchtbar gewesen war ; denn alsdann erbten die Kinder von
der Mutter und da sie unter der Mundschaft des Yaters stunden,
blieb bis zu ihrer Miindigkeit das gesammte Vermogen in alter
Weise in der Verwaltung defselben. Starb der Mann zuerst, so
Willkur der Sachsen in Zips von 1370. §. 13. wird das Erben der Morgengabe
ebcnfall8 von der Geburt eines Kindcs abhangig geniacbt. ') L. Allara. LY, 1,1.
Bajuv. XIV. 7. Gutal. 20, 18. Langewold. erbr. 19. Emsig. bufst. 30. Grig,
arfdharb. 2, — Nach 1. Wisig. IV. 2, 11. beerben sich die Ehelente erit, wenn
bis ill das sicbrnte Glied keine Verwandten der verstorbenen Seite da sind.
*) Weisthiimer 1, 203. vgl. 1, 44.
901
nam die Witwe Brautkauf, Morgengabe und alle VermahlungS/-
gaben zwar yorauSy allein nach ihrem Tode .fielen sie an: ihr^
Kinder, kamen also Diemals an ihre Yerwandten. Besondere Be^t-
stimmungen musten sich iiber die Erbanspriiche an dieErrungen*
schaf t bilden , an das Y ermogen namlich , welches die Eheleute
gemeinsam warend der Ehe erworben batten. Wie es in iiltester
Zeit damit gehalten wurde, wifzen wir nicht. Diirfen wir aus
dem was bei Ostfalen und Engern der Branch • war*, einen SchluCz
Ziehen, so erhielt die Witwe davon nichts, Jiingere Ansicht scheint
der westfalische Grundsatz (1. Sax. IX) , dafz die Witwe die
Halfte, der ribuarische (1. Rib. 37) dafz sie^ ein Drittel zog*), der
westgothische (IV. 2, 16) dafz die Gatten nach Verhaltnifs ihres
Vermogens ihren Theil namen. Der Hinneigung zur Giitergemein-
schaft gemafz , die sich in der Gtaugans zeigt , ist nach ihren
Bestimmungen die Errungenschaft gemeinsam. Es war iibrigens
ein Unterschied zu machen, ob das warend der Ehe zugekom-
mene Vermogen ererbt, erkauft oder erarbeitet war; die letztere
Art, die eigentliche Errungenschaft (Erkoberung, collaboration
acquaestus cSnjugalis) *) ist es , auf welche sich die vorangehend
angefurten Bemerkungen beziehen. Was ererbtes Gut betriflFt, so
folgt das Hegende Eigen, welches die Frau warend der Ehe erbt,
der Mitgift ; iiber das farende entschieden die sonst geltenden Be-
stimmungen. Gut das von dem VermOgen der Frau erkauft wurde,
gehort nach dem Frostathingsbuch (11, 8) der Fr^u und ihren Er-
ben; von gemeinsam erkauftem (faengaekOp) zieht nach dem up-
landischen Rechte (III. 9) der Mann zwei Drittel y -die Frau ein
Drittel ; nach Ostgotalag (gipt. 16) fallt es dem Manne ganz zu.
Was einem der Gatten warend der Ehe geschenkt wurde, gehort
nach dem in diesen Verhaltnifsen einer jiingeren Ansicht folgenden
westgothlandischen Gesetz (I. vidharb. 4 , 3) beiden gemeinsam*
Von Bedeutung waren ferner die Bestimmungen uber die
') Vgl. auch Ansegisi capit. IV. 9 (Pertz leg. I. 312). ') hogfl und id
im Guthalag (20, ?0) entsprechen wie es scheint der Errungenschaft. Vgl. Ihre and
Schildner fiber diese Worte.
Verpflichtung der Khegatten zur gegenseitig^n Schnldencalung.
Beriicktiichtigt man die altesten ehelichen Giiterverhaltnirsey 80
lafzt sich nicht einsehen, wie damals die Frau zur Decktmg der
Schulden ihres Mannes oder umgekehrt der Mann fbr seine ¥Vau
verpflichtet sein konnte *). Das Vermogen beider war wenn auch
unter einer Verwaltung, so doch getrennt; wie konnte also der
Mann von dem ihm nur anvertrauten Gute etwas in seinen Nu-
zen verwenden? Ganz in solcher Anffarznng Hegt es, dafz
noch im Westerwolder Landrecht (15) bestimmt wird, das Ver-
mogen der Frau gehe bei der Erbtheilung alien Schulden vor.
Diejenigen Rechtsbiicher freilich, welche sich mehr oder minder
der Gutergemeinschaft zuneigen , mufzen damit auch eine Sohuld-
verpflichtung der Eheleute anerkennen , die in der jiingeren
Zeit nach den veranderten VermOgensverhaltnifsen angenommen
wird. Aus den nordischen Bechten erwahne ich nur die Bestim-
mung des Gulathingbuches (115) dafz die Frau zurBezalung der
Schulden des verstorbenen Mannes ihre Zulage (tilgiof) geben
soil, denn „keiner soil rait eines andem Gelde eine Frau heira-
ten *)." Der drCickenden Verpflichtung zur Tilgung der Schulden,
mochten ^ie vor oder in der Ehe, mil und ohne ihr Wifzen und
aus welchem Grunde immer gemacht sein, konnte sie nur durch
eine symbolische Handlung entgehen , indem sie Schlufzel , GJfir-
tel oder Mantel auf das Grab legte und sich dadurch yon allem
Rechte und aller Pflicht lossagte *).
Hatte der Tod die Ehe getrennt und war die Witwe in den
Besitz des ihr zukommenden gesetzt, so muste sie bei kinderloser
Ehe alsbald aus dem Gute des Mannes gehen , das seine nftchsten
Verwandten nunmehr in Besitz namen. Erklarte sich die Witwe
nach vorangehendcr Unfruchtbarkeit beim Tode des Mannes fttr
schwanger, so durfte sie bis zur Entscheidung der Richtigkeit
') Vgl. Mittermaier deutsches Privatrecht §. 402. ') Jiri thvi at emgi fleml
fer kono Icaupa vidh annars fe. ') Grimm Rechtsalterthiimer 161. 177» 458.
Mittermaier II. 367.
i^b.
der Angabe in dem Haiise bleiben ^)i Wenn Kinder vorhanden
waren, blieb die Wit we bis zur etwaigen Wiederverheiratung bei
diesen und fiirte das Hauswesen fort Im allgemeinen stand sie
dabei unter der Mundschaf): dee naehsten Sch^ertmagen ihrer
Kinder, denn indem sie im Gutedes Geechlechtes blieb, verharrte
sie auch in der Mundsohaft defselben % In einigen Rechtsbiichem
findeii sich Abanderungen , so daf^ sie zwar unter Aufsidbt der
Verwandten ihres Mannes steht, aber selbst Vormund ihrer Kin-
der ist und das Vermogen derselben verwaltet '). Schied sie aus
der Familie ihres verstorbenen Mannes, ^o kam sie begreiflicher
Weise , so lange sie keiqe neue Ehe schlofz , unter den Schutz
ihrer naehsten Verwandten zurQck, von deren Zustimmung die
Bechtsgiltigkeit aller ihrer bisherigen Handlungen abhieng ^). Ziena-
lich frei scheint ihre Stellung nach dem Frostathingsbuch (10, 37.
11, 7), indem ihr die Wal des Rechtsanwalts darin Irei gestellt
ist. Am selbststandigsten aber macht sie das uplandische Gesetz
{ILL, 7. Vill., 11), das ihr ziigesteht alle Eechtssachen selbst zu
ftren *)•
Die Wiederverheiratung der Witwe war in altester Zeit, wo
sie dem Manne in den Tod folgte , unmoglieh und auch nachdem
diese Sitte verschwunden war , haftete noch langere Zeit auf einer
Frau , die sich zum zweiten Male vern^lte , ein Flecken. Kasch
genng verschwand indefsen dieses Geiiihl und schon erwahnte
nordische Geschichten berichten , wie die Witwe entweder zugleich
mit dem Erbmale fiir den verstorbenen oder bald nachher ihren
Brautlauf hielt. Warend sich also das Volk init der Wiederver-
heiratung versOnt hatte, wirkte die kristliche Kirche mOglichgt
') Sachsensp. I. 33. III. 38, 2. Schwabensp. Landr. 38. 303. Weisth. 1, 3.
Hamburg. Stadtr. v. 1270. IV. 8. Uplandal. III. 10. Vestgotal. I. arfdh. 4.
(Ostgotal. arfdab. 7) Sod. 1. scan. 1, 1. Sjell. 1. 1, 2. Jydske Ioy. 1. 8.
*) Sachsensp. I. 23, 2. vgl. Kraut Voi-mundschaft 1, 187. ff. ") 1. Bmu; LIX.
Wisig. IV. 2, 13. 3, 13. Sjell. 1. 1, 46. Jydske 1. 1, 3. 29. *) I. Scan. III. 1.
Ostgutal. gipt. 14. 4. Jydske 1. 1, 36. *») wari ik ^ftalfffore allum akum. —
Ceber die Befreiun^en der Witwcn in Frankrelch im »p&teren Mittolalter g.
S^halViier R«cliTsvori. Krankvt'ichs 3, 188.
/
8M
dagegcn und wenn sie auch dieselbe nicht ganz hindem koni
aufzer bei den Priestern , so verbot sie doch die dritte Ehe *) i
setzte zu frtiher neuer Heirat Schranken* GewoDlich ward
Jahr als Zeit des Wartens angenommen und geboten^; al
dafz dafselbe nicht eingehalten wurde, dafz sogar dieUnsitte i
rifz , noch vor dem dreifzigsten Tage nach des Mannes Tode i
der zu heiraten, beweisen die Mafzregeln, welche im Anfange
neunten Jahrhunderts dagegen getroflfen werden musten •).
So abhangig von dem Willen der bevormundenden Verws
ten wie ein Madchen , ward die Witwe bei der Wiedervermahl
nicht gehalten. Sie konnte meistens dem Frdier die Zusage se
ertheilen und hatte nur den Eat und die Zustimmung ihrer 1
wandten einzuholen *), Ein Gesetz des angelsachsischen EO:
Athelred (IV., 20) gab der Witwe, wenn sie das Jahr des Tl
tens richtig eingehalten hatte, die Freiheit sich zu verheir
wem sie woUe.
Die Leistungen, welche der Bewerber um die Witwe zu
fiillen hatte , waren dieselben wie fiir das Mundium der Jungl
Durch die vorangegangene Ehe war nur in den Empfangem
Leistungen eine Aenderung eingetreten. Sobald die Witwe
Erzieherin und Wirtin ihrer Kinder in dem Geschleckte ihreB
storbenen Mannes gebliel^n war, blieb sie auch der MundBC
seiner Yerwandten unterworfen und ihr Brautigam hatte an (
den Brautkauf ganz oder theilweise je nach der herrechenden
stimmung zu entrichten ^). Ihre eigenen Yerwandten waren jed
da sie durch die Yerwitwung zu ihr und ihrem YermCgen
der in ein naheres Yerhaltnifs getreten waren , ebenfalls nicht i
Anspriiche, die zu befriedigen waren. Der Brautkauf scheint il
also entweder gemeinsam mit jenen Anverwandten zugekoni
zu sein, oder sie wurden, wie das im salischen Gesetze gesch
*) Gregor III. ep. ad Bonifac. 732. (Hartzh. 1, 39) — AUocat sfto
de conjug. illic. 743 (ebd. 1 , 53.) *) Ed. Theod. 87. Cnnts ddm. 1
») Hludov. cap. 817. Pertz leg. 1, 211. vgl. 1, 208. *) 1. Burg. LIL ed.]
182. Grkg, festath. 2. Gulath. 51. *) Ed. Both. 182. 183. 1. Saac 7,1
Hunsing. buszt. 31. Westorlaw. ges. 429, 1. «
805
durch eine besondere Zalung des Brautigams abgefiinden, welche
ihr-Verhaltnifs zu dem VermOgen der Witwe aufhub. In dies^m
Sinne mag der reipus der lex ealica (44) zu erklaren sein; dei-
dort erwahfite achasius ifit dagegen der Loskauf aus der Mund-
Bchaft des Geschlechtes des verstorbenen Mannes ^). Einfach war
das Verhaltnifs, wenn die Witwe kinderios in den Schutz ihrer
geborenen Verwandten zuruckgfekert war ; dann fiel der Brautkauf
natiirlich diesen allein zu, denn jede Verbindung mit dem Ge-
schlechte des verstorbenen Gatten wargelost* Bei der Vormundschaft
die der Witwe aus ihrer Familie bestellt war sehen wir im salischen
Rechte eine besondere Bevorzugung der weiblichen Verwandschaft
hervortreten , indem die Sohne der Schwestem und der Schwester-
tochter und die Tochtersohne der Mutteri^chwestem zu berechtig-
tcSft Vormiindern und Erben eingesetzt sind *).
Eine sehr begreifliche Folge der Wiederverheiratung der Witwe
war dafz gewifse Erbgenufze aus dem Vermogen ihres vorigen
Mannes aufhorten. Aufzer Brautkauf und Morgengabe gestat-
tete das longobardische Gesetz Aistulphs (V:) noch bestimmte
Theile des Vermogens zur Nutzniefzung der Witwe, welche mit
der Wiedervermahlung natiirlich zuriickfielen. Das baierische und
westgothische Volksrecht verliehen der Witwe welche bei ihren
Sohnen blieb, Sohnestheil am Erbe; mit dem Tage deV Wieder-
verheiratung verlor sie es ®). Nach burgundischem Recht (XLII.
LXXIV.) konnte die Witwe zwei Drittel des Vermogens als Erbe
besitzen, so lange sie unverheiratet war. Ebenso wie diese Be-
sitzungen erlosch mit der Verheiratung das Leibgedinge, denn
sein Zweck , den Unterhalt der Witwe zu bestreiten, war zu Ende
und die Frau hatte sich auf das entschiedenste von der Familie ihres
Mannes losgesagt.
Welche Wirkung die Trennung lebender Gatten auf das Ver-
') Vgl. meinen Aufsatz Beipus and Achasius bei Hanpt Z^ f. d. A. 7,
539—544, — Ueber die Worte reipus und achasius J. Grimm in der Vorrede zu
^- Merkels Lex salica p. LIII. LIV. *) VgL Waitz das alte Retht der sali-
schen Franken 109. ff. =') 1. Bajuv. XIV, 6. 7. 1. Wisigoth. IV. 2, 14.
20
806
mogen ausiibte, hieng von ihrem Grunde ab. War seitens der
Frau Ehebruch, Mordversuch oder ein anderes beschimpfendes
Verbrechen, wie Zauberei, Anlafz zur Scheidung, bo verlor sie
sowol ihr eingebrachtes als die Morgengabe, den Brautkauf
und die andern Gaben vom Manne. Anders verhielt es sich
wenn andere Grunde vorlagen. Ale solche galten hohes Alter
des einen Theils , Unvermogen zur ehelichen Pflicht oder Ver-
weigerung derselben, Widerwillen, schlechte Behandlnng, leidit-
sinniges Yerlafzen oder wie z. B. auf Island zu viel arme Verwandte
die ernart werden musten ^): auch wol Emancipation der Fran
in Bezug der Tracht ^). Grofzartige Frauen schieden sich wol
zuweilen, wenn der Mann ein unwiirdiges thatenloscs Leben fiirte
(fich verlac). So droht Brynhild dem Gunnar ihn mii ihrem Ver-
mogen zu verlafzen, weil sie ihn hinter Sigurd in allem zuriick-
stehen eieht ®). Ofters wird die Ehe ohne einen bestimiDten Grund
nach beiderseitigem Uebereinkommen gelost; beide Theile namen
ihr zugehOriges Vermogen und waren wieder ungebunden und
frei. Zuweilen trepnte der Mann auch einseitig und eigenmachtig
die Ehe, wie Harald Harfagr, als er um Ragnhilds willen sdne
sammtlichen Frauen fortschickte. Ein solches willkurliches Ver-
faren ist jedoch als kein rechtlich gebilligtes zu bezeichnen, es
hatte gewonlich auch zur Rache die Fehde mit der beleidigten
Familie des Weibes hinter sich *). Die Ehe , welche offen und vor
Zeugen geschlofzen war, konnte auch nur vor Zeugen aus beiden
Fainilien gelost werden (Grimm Rechtsalterth. 454). In dieser
Weise gieng nach Tacitus (Germ. 19) die Trennung wegen E3ie-
bruchs vor sich und offen und mit bestimmten Formen wird
') Grag. fcstath. 14, 53. *) Grand zur Scheidung war anf Iflland tot-
handcn, wenn die Fran Hosen trug. Laxdoela. s. c. 35. *) Das bargandiBche
Volksrecht (XXXIV, 1.) bestrafte die Fran die sich vom Manne eigenmichtig
trennte, mit dem Todc, Eichhora (deutschc Staats- und Rcchtsgesch. 1, 319)
leugnet daher gegen Grinnn (Rechtsalterth. 454) dafz gich die Frau nach ihrem
Willen habe echeidcn kOnncn. £ine Scheidung ohne sehr bedcntenden Grand,
wr)fur eine Seelenstimmung nicht gelten mochtc, ist fiir die alteste Zeit allerdingi
zu Jeugnen. *) Fornmannas. 7, 176.
8OT
jeder Ehesclieidung verfaren sein. Wo ein geordnetes Gterichts-
verfaren sich gebildet hatte, wurde in aller Form ein Frozefz
gefiirt und das Erkenntnifs auf Scheidung offentlich bekannt ge-*
macht *)♦ Die Kirche strebte friih darnach. die Scheidung mog-
lichst zu erschweren. Bereits in einigen Volksrechten wird auf
grundlose Trennung, wofQr nach dem bairischen Gesetz so-
gar die aus Widerwillen gait , . Strafe gesetzt *) ; in den Kapitu-
larien der Karolinger und auf den Koncilien wird nur Ehebruch
und Mordversuch als Scheidungsgrund zugelafzen •). Hinkmar
yon Rheims erkannte in seinem Ghitachten iiber die Scheidung
Lothars II* von Theotberga nur zwei triftige Anlafze an : erstens
wenn beide Theile freiwilHg ins Kloster gehen wollen und zwei-
tens wenn ein Theil des Ehebruchs iiberfflrt ist. (Opera Hinc-
mari I. 561. fF.)
Ein Verbot der Wiederverheiratung geschiedener kannten
die germanischen Stamme nicht und die Kirche , welche bereits
407 die Lehre von der Untrennbarkeit der Ehe aufgestellt
hatte, geriet darum, trotzdem sie ihr Dogma in die weltlichen
Rechte hineingebracht hatte, in fortwarende und bedeutende Strei-
tigkeiten mit dem weniger epekulativen und mehr weltlichen Sinne.
Am verwickeltesten und langwierigsten waren die Kampfe wegen
der Scheidung Konig Lothars 11. und seiner Verheiratung mit
Waldrada *). Welchen Antheil an Heinrichs IV. Schicksalen seine
ehelichen Verhaltnifse batten , ist bekannt ; der Staufer Friedrich j.
ward 1158 von Papst Hadrian wegen seiner Wiederverheiratimg
als geschiedener exkommunicirt ^) warend in andern Fallen die
Kirche nachsichtiger war ®). Unter gewifsen Umstanden gestattete
*) Nach Grkg. festath. 14. den Nachbarn angezeigt. *) 1, Bajuv. VII,
U. Bnrg. XXXIV, 2. 1. Grimoald. VI. *) Pippin, capit. 744. (Pertz. leg. I,
21.) capit. 753. (Pertz. leg. I. 22.) Eugen. II. cone, roman. 826. (Pertz. leg. II. 17.)
cone. Tribur. 895. c. 39. — Vgl. Eichhorn deutsche St. und Rechtsgesch. 1, 714
(5. Aufl.) *) Vgl. Gforer Geschichte des ost- und westfrankiscljen Karolinger
1, 348—370. ») Pertz VIII, 408. vgl. VIII, 452. •) Ueber einschlagcnde
Verhaltnifse in der vomemen proveni^alischen Welt Fauriel hist, de la poesie
proveni;. 1, 498. 524. Diez Leben der Troubadours. 886. ff.
20*
808
8ie die Wiedervermahlung. Hatte die Fran dem Leben des Man-
nes nachgestellt , so konnte er sich von ihr trennen tind due an-
dere heiraten , die Frau muste unvermahlt bleiben *). Ln Falle
die Ehc wegen Impotenz des Mannes nicht YoUzogen war , durfte
sich die Frau wenn sie sich scheiden liefe wieder verheiraten.
(Regin. can. 242. f. Hartzheim 2, 551.)
Unser Alterthum , das bei der Ehe die Fortpflanzung dee
Geschlechtes ala eine wichtige Aufgabe ansah*), scheint fiber
Ehen , welche durch das Unvermogen des Mannes gestOrt waren,
mancherlei Bestimmungen getroffen zu haben. Einzelne nieder-
sachsische WeisthClmer ordneten in diesem Falle eine Stellvertre-
tung an ; der Mann muste dafiir sorgen dafz ein anderer der Fran
ihre Pflege und Hege thue •). Vielleicht fand auoh in anderen ger-
manischen Gegenden eine solche Aushilfe Statt (Grimm Rechts-
alterth. 443) in welcher der Sinn des Volkes nichts unsittliches
sah. Das longobardische Gesetz (1. Liutpr. CXXX) bestraft je-
doch eine solche Stellvertretung , deren Grund nicht angegeben
wird , sehr streng. Die Frau wenn sie einwilligte wird getotet,
der Mann , der ihr beilag , ihren Eltem ale Sklave libergeben ;
wahrscheinlich lag in diesen Fallen die Gewinnsucht des Ehe-
mannes zu Grunde*
In frommelnder Zeit, wo die schiefe Lehr6 von der Ver-
dienstlichkeit ehelicher Enthaltsamkeit Eingang fand, waren manche
Ehen blofze Scheinehen. Die Kirche pries das als ein heiliges
Werk und einige Furstinnen und Ffirsten erwarben sich hier-
durch heiligen Nachduft. Man freut sich um so inehr fiber die
Synode von Schwerin, welche sich 1492 (c. 36) sehr entsclueden
gegen solche Verbindungen erklarfe. Bei kraftigen und verstan-
digen Menschen konnte eine solche Verirrung nicht vorkommen
und vor der Verbindung mit der Kirche wusten unsere Vater
') Pipp* capit* 753. Pertz leg. 1, 22. ') YgL das niedera&chsiiohe
Wcisthnm bei Grimm Weisth. 3, 810, was stark dafor spricht. — Eichhorn
(d. St. u. R. Gksch. 1, 319) halt die Scheiduog wegcn Impotenz ffir nicht ger-
manisch. >) Weisth. 3, 42. 48. 311.
809
davon nichts. Sie kannten aber wol die Sitte und fiirten sie durch,
dafz ein Par ein Lager theilte ohne sich naher zu berftren,
wenn es die Umstande heischten. Da legte der Mann ein nacktes
Schwert oder einen Stab zwischen sich und die Fran und die
sittliche Trennung ward durch die aufzere gestarkt. Dnsere alten
Gedichte erzalen mehrfach von solchem keuschen Beiliegen ; na-
mentlich berilmt ist das dreinachtige zUchtige Beilager Siegfrieds
mit Brihihild , ais er sie in Oiinthers Gestalt gefreit hatte 0-
Auch die vielverbreitete mittelalterliche Erzalung von den beiden
Freunden Amikus und Amelius, welche Konrad von Wiirzburg
in seinem Engelhard bearbeitete, kennt diesen Zug, welcher der
grdste Beweis der Treue am Freunde ist; denn der Freund lag
bei des Freundes Gemahl , von dieser fiir den Gatten gehalten,
ohne dem Freunde die Treue zu brechen, Und so liefzen sich
Doch mehr Beweise dieser mannliehen tiichtigen Enthaltsamkeit
auffUren \
Wir haben bisher darzulegen gesucht , in welche rechtliche
Verhaltnifse die Fran mit der Vermahlung getreten war, wie
sich die Vermogensverhaltnifse gestalteten , was sie fiir den Fall
der Verwitwung zu erwarten hatte und wie es um die sittliche
Seite der Ehe stund. Wir woUen nun die Frau in ihrem Haus-
wesen betrachten.
So lange die Germanen auf keinen festen Sitzen waren,
konnte sich auch keine Hauswirtschaft bilden, als deren Grund
featee Wonen und der Ackerbau zu bezeichnen ist. Hirtenvolker
sind freilich auch nicht ohne h^usliche Einrichtungen undKQche und
Herd, allein es ist alles nur fiir das augenblickliche Bediirfnifs
und beweglich und wandelbar wie der Wagen , das Zelt und die
Viehhiirde. — Die germanischen Volker sind schon in ihren asia-
tiachen Wonplatzen aus dem Stande der Hirten in dien der
Ackerbauer hiniibergetreten ; darauf lafzt der Wortvorrat schlie-
fzen, in dem sich fiir den Feldbau und die aus ihm gezogenen
') Sacm. edda 203. 217." *) Vgl. unter anderm Trist 17414. Wolfdiet*
2«9. ff. Fornaldars. 3, 605.
810
Gewinne und Arbeiten urverwandte Worte finden *), Allein durch
den grofzen Zug nach Nordwesten ward diefz stillere Leben anf
langer unterbrochen und eine nomadische Unruhe ergriff dieGer-
manen , welche auch nachdem sie wieder festen Fnfz auf das
Land setzten ihre Ackerwirtschaft eigcnth&mlich gestaltete, bo
dafz Julius Casar die Germanen den Kelten gegenuber fast wie ein
Wandervolk darstellen muste. Am meisten zeigten sich die Nach-
wirkuugen der Wanderjahre in der lange dauernden Abneigung des
freien Germanen gegen eigenes Arbeiten auf dem Pelde* Er sah
das Schwert als den Gefftrten und die einzig wiirdige Aufgabe
des Lebens an , und hielt selbst die Jagd nicht hoch. Trage liegt
er im Frieden daheim ; Schlafen , Trinken und Wtirfelflpiel ver-
jagen ihm die Zeit; die Sorge des Hauses und des Feldes wirft
er auf die Frau , die mit den Kindem , den kriegsuntflchtigen
Mannem und den unfreien die Wirtschaft bestellt (Germ. 18.
25). Die Aufgabe des Weibes war also eine grofze , denn in
Haus und Hof Wirtin und Leiterin und Arbeiterin stund aufzer-
dem die Erziehung der Kinder in ihrer Hege. Wie vertragt sicb
nun mit dieser Ueberlastung jene gottergleiche Verehrung , welche
unbedingt auf Tacitus Worte gestfitzt so viele den OermaneD
aufpredigen woUen ? Sie war doch in der That eine pafsive zu-
gleich eine selbst siichtige und beschrankte; denn sie traf nur ein-
zelne Frauen , sie ward gespendet weil die Gemeine durch weib-
liche Gabe Rat und Hilfc fand und wurde ertheilt so dafz dei
einzelne in seinem faulen Leben nicht gestort war.
Diese Tragheit des Mannes und sein ausschliefzlicher Stolz
auf das Schwert milderten sich , nachdem das Erobeningslebei
friedlicheren Zustanden gewichen war; er liefz sich nun herab
an den Pflug und Spaten die hochsteigene Hand zu legen* Ji
Skandinavien war in der mittleren Zeit die Frau gewonlich voi
der Feldarbeit ausgeschlofzen und ihr nur die Verwaltung d«
') VgL J. Grimm Geschichtc der dcutsehen Sprache cap. 5.; A. Kuhi
zur altosten GcBchichte der indogermaiiisclicn Volker, neu abgedmckt bei Albr
Weber Indische Studicn 1, 321—363.
311
Hauses und Gehoftes (r&dh innan ftocks) iibertragen. Allein ander-
warts daiierten die alteren Zustande fort und noch heute liegt z. B.
in friesischen Gegenden die gesamte Wirtschaft der Frau ob,
die wenn die Manner Schiffer oder Fischer eind , auch den Acker
allein bestellt. Sind doch auch im inneren Deutschland die Weiber
und Tochter der Bauern von der Feldarbeit nicht entbunden und
nur Pfliigen und Saen haben sich die Manner vorbehalten. Dafz
die Magde im Mittelalter auch pflugen musten lafzt sich nachwei-
sen ')• Ueberhaupt wurden die unfreien zu den schweren Arbeiten
verwandt , die Hausfrau hatte nur die Leitung , ausgenommen das
Ehepar war so arm dafz ihm keine eigenen Leute gehorten. Bei
grofzerem Besitz war nur ein Theil der HOrigen im Hofe , das In-
gesinde ; ein anderer safz abgesondert auf zugetheiltem Lande und
lieferte nur j'ahrlichen Zins in Erzeugnifseu des Feldes , der Vieh-
wirtfichaft ^der an selbst gearbeiteten Linnen und WoUenzeugen.
Die Hausfrau war die Aufseherin und nachste Vorgesetzte des Ge-
eindes; der eigentliche Herr war immer der Hausvater, obschon
auch die Frau iiber Leib und Leben der unfreien 'Diener zu schal-
ten wagte. Spater, als auch freie sich in Dienste gaben, konnte
die Hausfrau allerdings Vertrage mit ihnen schliefzen , allein die
Giltigkeit derselben hieng von der Bestatigung des Mannes ab.
Das Zeichen der Hausfrau waren die Schliifzel ^).
So wenig auch der freie Germane zu der beschwerlichen
Feldwirtschaft geneigt war, so lag doch nicht Verachtung
sondem nur Faulheit dem zu Grunde. Dagegen stund die Vieh-
wirtschaft im allgemeinen in Verachtung, ein Beweis dafiir
dafz sich die germanischen Volker schon lange vor der Zeit, wo
wir sie kennen lernen, vom Hirtenleben entfemt batten. Die
Belege dafu^ sind allerdings nicht aus altester Zeit, auch nur
aos dem Norden , allein solche Ansichten sind langererbt und be-
') diu hluoge diu ndch dem pftuoge muo% fd dicke erkalten, fchalten den wagen
f^er^geftat, MSH. 2, 159." ') Nach seelandischem Rcchte (1, 31) ^It eii^
Frau fur siech , wenn sie nicht mehr mit den SchlUfzcln gehen und ihr Gresinde
^orgen konnte (math fince lyklce gangoe ok force fin hion rethce).
schranken sich nicht auf einen einzelnen Stamm. Verharzten
Feinden warf der Nordlander als Schmahung zu, dafz sie die
Knechtesarbeit des Melkens und Viehflittems trieben ; er erstreckte
wol den Hafz 6o weit ihnen noch nach dem Tode dergleiclieii
niedern Dienst zu wiinschen, warend die andem die Freude dea
freien Mauneslebens fort genofzen '). Auch wenn Not um Ar^
belter war, verschmahte die freie Nordlanderin das Vieh ea be-
sorgen, denn das war eine M'agdearbeit durch welche sie sich
erniedrigt hatte ^). So geben denn auch merere Gesetze, wie das
westgothlandische (I. gipt. 6) das Melken der Kuhe als Arbeit der
unfreien an ; und ganz ebenso erscheinen die Verhaltnifse in Fries-
land (Richthofen 100). Bei den deutschen St^mmen war die Vieh-
wirtschaft in Bliite; die deutschen Weideplatze waren bei den
Romern beriihmt ') , die namentUch jene grofzen Wiesen zwischen
Lech Donau und lUer kannten, welche zallosen Herden Narung
gaben*). Da weideten Pferde, Rinder, Schafe, vor allem aber die
niitzUchen Schweine , welche bei Skandinaviem wie den West-
gothen , bei Sachsen und Alemannen , bei Franken und Baiem in
grofzer Zahl gehalten wurden *)• Die Schweine, Rinder und
Schafe scheinen den Knechten anvertraut gewesen zu sein , Magde
besorgten die Kiihe und auch wol die Ziegen, denn Butter*- und
Kasebereitung gehorte ihnen an ^). Milch und K&se, diese und*
ten Narungsmittel der Menschheit, sind auch in der germaDischen
flaushaltung von Alters gebraucht (Caesar b. g. 6, 22) ; saure Milch,
geronnene Milch (lac coucretum) und Butter waren beliebte und
') Sacra. 154.* Segdhu that t aptan, er fvtnum gtfr ok tikr ydkrar tefgir
at folli, — Helgi spricht zu Handing als er nach Yalholl kommt nnd den Feind
dort trifft : thu I'kalt, Hundingr^ hver/um tnanni fdilaug geta ok /una kynda, hunda
binda, heta gata, fvinum fodh gefa, Adhr sofa gdngir. ') Gr&g. finstalli. 21.*^
Vgl. Engelstoft p. 261. ■) Plin. hist, natur. 17, 3. *) J&gerUlm604. 612. 699.
*) Vgl- das salische und westgothische Volksrecht, die Schweizer WeUthflmer (bei
Grimm Weisth. I.) Grimm Rechtsalterth. 262. Leo rectitudines lingnlanim per-
sunarum 125. Le Grand et Roquefort vie privee 1, 307. fT. >) Leo rectitud.
126. vgl. im Allgcmeinen iiber Milch (Butter, Kasc) J. .Grimm Geschidite der
deutschen Sprache 997—1009.
813
geschatzte Speisen '). Dafe wir Butter und K'dse seit I'^nger als
einem Jahrtausend mit fremdem Namen belegen, darf nicht da-
fiir zeugen dafe ihre Kenntnlfs erst von den Romem uns zuge-
bracht sei. In den Mundarten der hirtenreichen Berglander sind
die altgermanischen Namen fiir sie bewart,
Neben diesen einfachen Narungsmitteln, welche die Viehjsucht
gewarte, boten sich die Friichte dea Ackers von selbstdar. Rog-
gen, Weizen, Hafer, Gerste burden gebaut und zur Narung raan-
nichfach verwandt; besonders die letzten beiden Arten waren
viel gehegt. Das Malen der Komer geschah auf Handuiiilen %
me harte Arbeit welche besonders den Magdeu oblag. Wer ge-
denkt nicht jener Mulm^de aus der Odyfsee, deren Klage und
Treue der heimgekerte Odyfseus belauscht. Auch unsere altcPoe-
sie berichtet von dergleichen Weibern^ Zwei gefangene Riesinnen,
Fenja und Menja, miifzen dem Konige Frodhi Gold Friede und
Gliick auf der Miile Grotti malen. Tag und Nacht arbeiten sie
und Schlaf wird ihnen nicht langer gegonnt, als der Gukuk im
Rufen einhalt und man ein Lied singen kann. Da stimmen sie
ein zaubemdes Rachelied an und malen statt Friede auf der Zau-
bermiile ein Feindesheer , das den Konig erschlagt, Aber es war
nur ein Wechsel des Plagers ; Ruhe finden sie nicht, neue Arbeit
wird ihnen gegeben und sie soUen Salz malen* Da arbeiten sie
80 stark, dafz das Schiff, auf dem die Mule steht, birst und sie
Mi das Meer sturzt. Davon ist das Meer salzig geworden. (Snorra
edda 146 ff. Rafk.) Helgi .Sigmunds Sobn ist auf KundschafV am
Hofe der Feinde gewesen und die Verfolger sind ihm auf den
Persen. Da rettet er sich nur durch Verkleidung als Miilmagd.
W^ie er so an den Malsteinen arbeitet dafz sie schier springen
^d seine Augen im Walsungenglanze spriihen, werden die Feinde
seiner gewar und schopfen Verdacht. Helgis Freund findet aber
') Leo rectit. 199. jNeocor. 1, 138, — Tacit. Germ. 23. — Plin. h. n. 28, 35.
) Das goth. Wort quairnus (Miile) bezeichnet wie das ahd. quirn eogl. quern
"** poln. kama die Handmiile , dagegen ahd. mult poln. »/%« die Wafzermiile.
^^•- ^rimm besch. der d. Spr. 67. 68.
314
rasch die Ausrede, die Magd eei eine gefangene Walklirie und
8o Ziehen die Verfolger weiter. (Saem. edda 158 f.) Die Handmft-
len haben sich zur Qual der Magde sehr lange erhalten und noch
heute sind sie in den Haushaltungen zu finden. Daneben gab ea
wol auch Miilen, die durch Thiere bewegt wurden, wie das go-
thische asiluquairnus, Eselsmiile, zeigf. Und auch Wafzermiilen
waren durch die Romer ^) den Ostgothen , Franken , Bnrgnndem
und Westgothen bald bekannt worden *). Sie dienten nicht blofz
zum Gebrauche des Besitzers, welcher sie durchr einen nnfreien
fiiren liefz, sondem auch dem allgemeinen Bedtirfnifse •)- Die
Strafe fftr ihre Besch'adigung war sehr hoch, Wafzer- und Wind-
miilen wtiren im achten Jahrhundert auch in England schon in
allgemeinem Gebrauche und fast jeder Ort besafz eine solche
Miile *).
Die einfachste Verwendung des in der Miile zubereiteten
Getreides war als Griitze und als Brei. Diirfen wir noch aus heu-
tiger Neigung auf friihere schliefzen , so war der Griitze beson-
ders im Nordcn beliebt; noch heute ist er Lieblingsefzen der
D'anen und Jiiten '). Ihre Vorliebe stimmt also zu der Polen Ge-
schmack an. der Heidekomgriitze. Mit dem Grfttze ist der Brd
nahe verwandt. Plinius erz'alt, die Germanen lebten vorztlglich
von Haferbrei •) und seine Angabe hat fiir viele Jahrhunderte
ihre Wahrheit behalten ; Haferbrei war noch im dreizehnten Jahr-
hundert die gewonliche Narung der armeren ''). Daneben war Ger-
stenbrei beliebt , auch Bonenbrei und Hirsebrei *). Die Breiliebe
der Normanen, welche ihnen den Namen bouilleux zuzog, scheint
*) Uober die romischen Wafzennulen Plin. h. n. IX. 10. Vitrnv. X, 10.
') Thcoderich befahl dem rCmischen Senate eine XJntersuchang gegen die snia-
Btellen, welche das Wafzer aus den offcntlichcn Wafzerleitungen ableiteten am
ihre ^^ arzermiilcn zu trciben (ad aquae molas exercendas) Cafsiod. var. 8, 31.
•) Waitz deutsche Verfafzungsgeschichte 2, 22. *) Leo RectitudincB. 202. •) Din.
grod. schwed. grdt, altn. qrautr (puis). •) Hist. nat. 18, 44. *) Limbnrgcr
Chionik herausg. von Vogcl S. 30. *) Hoflinann Fundgrubcn 2, 24. 36. Helbl.
8, 881. Schmcll. 1, 175. Uhland Volkslieder n. 329.— Hirsebrei bei den SarmEttn
nach Plinius h. n. 18, 24 sehr beliebt.
815
Nachwirkung ihrer germanischen Abkunft. Im siebzehnten Jahr-
hundert waren Breie auf den Tafeln der franzosischen Konige
ein beliebtes Gerioht ; sie mogen freilich von dem urgermaniechen
Haferbrei sich bedeutend unterschieden haben, wie auch jene
nordischen Breie , welche als Reizmittel zum Trinken benutzt
wnrden (olkr&fir), von befzerer Zusammensetzung gewesen sein
mogen. Im allgemeinen gait Brei wie heute Brot zur Bezeich-
nung von Efzen oder Narung ; darum eagt Freidank : der Thor
Borgt angstlich alle Tage wie er genug des Breies erjage, (S8,
22) und: 1st dem Thoren Brei zur Hand, was kiimmert ihn das
Vaterland. (83, 27).
Das alteste Brot ') war im Grande nichts anderes als ge-
rosteter Melbrei. Ungesauert , in flacher Kuchenform bereitet,
verlangte es keine grofze Backkunst; solches Brot hiefz Derb-
brot^). Es war meist aus Gersten- oder Hafermel ^) , auch aus
Dinkel, und das Mel scheint nicht fein gemalen ; darum war es
schwer und dick. (Saem. 100.**) Ihm stund ein befzeres durch
Garmittel aufgetriebenes Brot gegeniiber *) , das aus Weizenmel
gebacken ward und fchoen br6t auch wei;^; br6t hiefz *). Seine
Gestalt war mehr kuchenartig als in der gewolbten Weise unse-
rer Brote. Ganz runde Brote hiefzen Halbbrote oder Gastel ; sie
waren von schlechtem Teige und batten nur das halbe Gewicht
eines guteh Brotes ®) ; sie scheinen dafselbe was die Derbbrote zu
sein. Eine feinere runde Brotart hatte den Namen Brotring (ringila),
auch Stechling, woraus sich durch allerlei Zutaten unsre Napfkuchen
Gugelhupfe und Torten gebildet haben ''). Eine diinne Kuchen-
') hlaifs, hlaih. hip. hlaifr, hldf. — • poln. chUb^ niss. chl/eb. litth. klepas.
'^t^ klaips, *) derb brot azymus, ags. iheorf, hlaf. Vgl. im Allgemeinen Hoff-
niann Ahd. Glofsen 15, 14—18. Ueber die romischen Brote. Plin. h. n. 18, 27.
*)6rieshaber Predigten 2, 212. *) Erhaben br6t fermentatus. — Als Garmittel
^rden die Reste des alten Teiges benutzt* Roqaef. v. priv. 1, 83. In Scblcsien
"I das noch Sitte. *) Schoenez br6t Nith. Ben. 34, 4. VVeist. 2, 328. 406. 606.
Altd.Kochb. bei Haupt Z. f. d. A. 5^ 13. wci;? brot Roth. 2543. MSH. 2, 287."
^eist. 2, 117. hleifr bvitr af hveiti Saem. 104.' claen hlaf Leo rectitnd. 199.
) Vgl. Wh. Grimm zu Graf Rudolf H, 15. ') Panis tortus; tourte, tourtel
^quefort et le Grand vie priv^e 1, 97. 2, 276.
816
art yon feinem Weizenmel , die in der Herda^che gebacken wurde,
hiefz vochenza, Fochenz *), bei Germanen wie bei Bomanen be-
kannt. Beliebtes Tischgeback waren die Brezeln, die auf Bildem
des zwolften und dreizehnten Jahrhunderts in ziemlicher GrOize
und in heutiger Gestalt zu sehen sind; sie wurden mit Oel be*
strichen. (Graff 3 , 37.) Zu den feineren Backwerken gehdrten
noch die Krapfen ^) oder Ffannkuchen und die Kuchen im allge-
meinen ; Zwiebacke waren in Frankreich zeitig bekannt und ¥nur-
den besonders in den Klostern genofzen. Zu diesem Hausgeback
kam in der heidnischen Zeit noch die TempelbS<;kerei , welche
einen Theil der priesterlichen Thatigkeit der Frauen ausmacbte.
Gotterbilder und heilige Thiere wurden in Teig gekuetet, mit
Oel bestrichen und an geweihter Statte von den Weibern gebacken.
Die Bilder waren so grofz, dafz ein Baldur von Teig, als er in dae
Feuer fiel, nach der Fridthiofssage seinen Tempel in Brand steckte.
Noch genug Spuren dieser Backereien sind in den deutschen L&a-
dern unter andern in Schlesien erhalten , wo Manner und Thi««
(nainentlich Schweine) in Semmelteig nachgebildet werden ; die
Tracht dieser Semmelmanner ist, so weit sie sich an den rohen Bil-
dem erkennen lafzt, eine alterthilmliche ; besonders gilt diefz vom
Schuhwerk *). Auf religiose Brauche weisen auch die Backwerke,
welche sich an bestimmte Zeiten kniipfen. — Im allgemeinen ward
die Backerei namentlich des Brotes in jeder Haushaltung von den
Hausfrauen betrieben. Daneben gab es aberauch besondre Backer;
in dem angelsachsischen Gesprache Alfriks nennt sich der Backer
die Kraft der Manner (magen vera).
Aufzer beim Backen verwandten die germanischen Frauen
das Getraide noch beim Brauen. Schon Tacitus erwahnt ein ge-
gorenes Getr^nk aus Gerste oder Weizen als bei den Germanen
') Mittellat. focacius, ital. focaccio. span, hogaza, firanz. fouttfse, Tgl. Hoff*
maun abd. Glofben 51, 11. Graff 3, 44l. Schmell. 1, 507. Regis Rabelais 8, 117.—
Das vielfacb mifdeutete Wort scbeint von focus herzuleiten. *) Sie scheinen
nacb ihrer urspriinglicben hakcnformigcn (krapfu Haken) Gestalt benannt Gnff
4, 360. 597. *) Hier und da fiiren dicse Biickereien bcsondere Nameiu Es ware
erwiiuscht reicherc Sammlungen dieser Nainen zu besitzen.
811
Wiebt (germ* 23), das unser Bier oder wie der altere heimische
Name lautet, Ale oder Oel ist '). In dennordischen Hatishaltun-
gen stund die Frau, und wftre sie eine Konigin, selbst am Kefzel
um Bier zu brauen* Gotter und Ftirsten liebten das kraftige Ge-
trank. Der Meergott Aegir versammelte die befreundeten Gott-
heiten zum Biere bei sich und Thor untemam die gefahrliche
Fart zum Eieseh Hymir, ura den grofzen Kefzel zu holen, der
nach jeder Emte ein hinreichendes Mafz des beliebten Trankes
for die durstigen unsterblichen aufnam. Riesen und Helden, Man-
ner und Frauen laben sich am Biere und die Manner bereiten
sich zu dem Zechen in Walhalla schon auf Erden tagtaglich bis
zur sinkenden Sonne vor. Gutes Bier brauen zu k5nnen , war
daher eine grofze Frauentugend *) und wir erzalten schon, wie
Konig Alf eine Brauwette zwischen seinen beiden unvertraglichen
Weibem anordnete um die eine los zu werden. Bei dieser Gele-
genheit gab Odhin seinen Speichel als GarmitteL Was in altester
Zeit gewonlich dazu benutzt wurde , weifz ich nicht anzugeben *) ;
un zwolften Jahrhundert wurde der Hopfen angewandt , bei einem
schlechten Haferbiere Eschenblatter* Bei einigem Luxus im Leben
begann man mit dem Biere zu kunsteln. Den alten Galliem be-
fits war ein Bier mit Honig vermi^cht bekannt; in Deutsohland
ward es im neunten Jahrhundert ebenfalls mit Honig gemengt,
daneben auch mit Wein, go dafz die Koncilien von Aachen (817),
Worms (868) und Tribur (895) dagegen einschritten. In Skan-
dinavien liebte man eine Zeitlang gewarmtes Bier. Bis in das
') Bier ist ron dem mittelalterl. bibere abzuleiten, wie poln. piwo zu pic
gehort. Es ist das Getrank xar* i^oxrjv. — In angelsachs. Urltunden wird
zwischen beor und ealu unterschieden. Leo (Bectit. 200) weist dabei anf den heu-
t'gen Unterschied zwischen ale und beer, d. i. hopfeQiosem und gebopftem Biere. —
Keltische Etymologien bei Leo Ferienschriften 1, 64. ')*Npch hente Ikfzen es
"ch die Sachsinnen in der Zips in Ungam nicht nemen, Bier und Branntwein fdr
das Hans selbst zu brauen. Strieker Germania 1, 242. •) Der Name eines ge-
gorenen Bieres, gruit, begegnet in einer Urkunde Ottos III. von 999. Hiillmann
Stadtewesen 1, 269. — In dem Capitul. Karoli M. de villis c. 34 wird nnter dem
Namen garum ein potionis genus fermentatum aufgefiii*t , vielleicht ein gego-
'■^nes Bier. — Ein Gerstengetrank , yuxfiov genannt , erwahnt Priscus (p. 38. ed.
'^nei). Ueber camum Du Cange s. h. v.
318
dreizehnte Jahrhuodert wurde das Bier auf den vomemsten Ta-
feln gefunden; seitdem wurde es von ihnen durch den iiberhand
nemenden Gebrauch des Weines verdrangt 0; dagegen hidt ee
sich ' fort nnd^ fort bei den weniger reichen und vomemen. In
den Niederlanden waren schon im zehnten Jahrhundert berQhmte
Bierbrauereien ; in Siiddeutschland e^tstunden sie seit dem drei-
zehnten ; in beiden Landstrichen ward das Greschaft in das grofxe
getrieben und die Brauer gehorten bald zu den reichsten und iiber-
miitigsten Biirgem. Wer denkt nicht des Jakob Artevelde von
Gent? Hier war das Bierbrauen nattirlieh nicht mehr Sache der
Frauen
Neben dem Biere war der Met ein uraltes Getrank; er ward,
wde seines Namens Ursprung schon beweist, aus Honig bereitet *).
Auch das romische Alterthum kannte ihn und setzte ihn aus
Wafzer und Honig zusammen (Plin, h. n» 14, 20). Bei den Ger-
man en ist er neben dem Biere seit Alters beliebt gewesen, all-
malich verdrangte er dafzelbe aus dem ersten Bange. Warend in
dem Eddaliede von Oegis Gastmale das Bier als G^tnnk der
Gotter genannt wird, fiirt die prosaische Bearbeitung dieser Sage
den Met als Asentrunk auf ^). Die alteren Eddalieder aus der
Nibelungensage lafzen ihre Helden Bier trinken, in dem jiingeren
ersten Brynhildliede kredenzt Brynhild dem Sigurd Met* Bei einer
JuKeier, welche Konig Magnus von Norwegen ^bt, nemen es
die Gaste sehr Gbel dafz ihnen Bier vorgesetzt wird, warend die
Gefolgsleute des Konigs Met bekommen ^). In Deutschland stand
er im 11. und 12. Jahrhundert in gleichem Ansehen wie *der
Wein *). An dem merovingischen Hofe ward Met mit Wein ge-
') Hiillmanii Stadtewesen 1, 270. Jftger Ulm 617. Le Grand et Roquefort
yie priv^e 2, 342. ff. W. Wackernagel bei Haiipt Z. f. d. A. 6, 261. ff. (Konrad von
Wiirzburgs Ansicht vom Bier ist hier falsch gedeatet. vgL Engelh. 2116. 3892.
Troj. kr. 16035. ^) Sanskr. madhu mel, pottis inebrians, slav. mecf Honig, medo^
vina Met. poln. midd Honig and Met. *— Ahd. tnetu, ag8. medo. altn. middkr,
') Saem. 54. 59. Snorr. 80. *) Fommannas. 8, 166. ^) W. Wackernagel bei
Hanpt Z. f. d. A. 6, 263. Die Stellen aus dem Welschen Gast, Helbling und Renner
sind falsch gedeutet.
819
mischt getrunken (Greg. Tur. 8, 31), wie denn in Frankreich
auch spater der Met Zuthaten und namentlich Zusatze yon Krau-
tem erhielt *)♦ Fast in alien germanischen Landem scheint er haufig
bereitet worden zu sein, nur in England verliert sich seine Spur
zdtig^). Wenn die Gegend mc]^t selbst, wie Schwaben, hinreichende
Bienenzucht trieb *) , ward der Honig aus Polen dazu einge-^
fiirt, wo der Met heute noch Volksgetrank ist und sehr gut ge-
braut wird.
Jiinger als Met und Bier, obsdhon den Germanen auch friih
bekannt, war der Obstwein *). Seine Bereitung setzt natt^rlich eine
Hohe des Obstbaues voraus , welche nicht allzufnih erreicht
wurde; aus den wilden Aepfeln welche nach Tacitus von den
Deutschen verspeist wurden, ware schwerlich irgend ein leidliches
Getrank zu gewinnen gewesen. Die Reste rSmischer Kultur pao-
gen indefsen zu Hilfe gekommen sein und im siidlichen Deutsch-
land wie, in Gallien, abgesehen von den gothischen Landgebieten,
mag der Obstbau und mit ihm der Obstwein sich zuerst in
Pflege und Hege gebracht haben. Karl der Grofze hielt nicht nur
darauf, dafz bei den kaiserlichen Meierhofen Bimen- Aepfel-
Pflaumen- Mispelb'aume und Johannisberstraucher gehalten wur-
den, sondern auch dafz Leute vorhanden waren (siceratores)
welche Kirschen- Aepfel- und Birnenwein zu bereiten verstiin-
den*). Johannisberen, Himberen, Maulberen und Granaten wur-
den auch spaterhin in Frankreich zur Obstweinbereitung benutzt.
In der mittleren Zeit waren Aepfeltrank und Birnenmost bei den
baierischen und osterreichischen Bauern beliebte Getranke und noch
heute findet man in Bauerhofen des siidlichen und mittleren Deutsch-
landg den Aepfelwein ziemlich haufig. Die mangelhafte Obstzucht,
welche nur in einigen deutschen Landem einer befzeren gewi-
') Le Grand et Boqnef. yie priy^e 2, 339. Ein dentsches Metrezept ang
<lein U. Jahrh. bei Haupt Z. f. d. A. 5, 12. *) Leo Rectitudines 201.
*) Hullmann Stadtewesen 1, 274. Jager Ulm 619, *) Leithn. lid. lit. ygl. Wa-
ckernagel bei Haupt Z. f. d. A. 6, 270. *) Karoli M. capit. de villis imperialibus
812. c. 45 (Pertz legg. 1, 184).
I
S20
chen ist, war hauptB&chlich Schuld dafz dicse einfacfaen und an*
gen emeu Fruchtweine nicht mehr in Aufname kamen.
Nicht befzer als um die Obstzucht stund es um den Wctw
bau. Die Germanen welche mit den ROmem grenzten, batten
durch diese Bchon zu Tacitus Zeit den Wein kennen gelemt imd
erhandelten ihn yon ihnen ^). Spater gelangten sie in den Bedtx
von Rhein und Mosel wo alte Weinkultur war, allein aie konn-
ten doch, und das gilt fur das ganze Mittelalter , keinen rechteo
Geschmack daran finden. Rhdn- und Moselwdny ebeneo der Fran-
ken wein und Oesterreicher werden wol gelobt*), allein man xog
die feurigen Stid- und Ostweine vor. Ungarwein (auch Osterwem
und Heunischer Wein genannt) Welscher und Cyperwein waren
die erkornen Arten ^) , an deren einfachem Yerbrauche 9 so Biifx
und hitzig sie auch sind, man sich nicht begniigte. Sie wurden
noch mit allerlei Gewiirzen und Krautern angemacht und suwei-
Icn auch gekocht und heifz getrunken (vinum coctum). Die Na-
men dieser kiinstlichen Weine waren Pigment, Klaret, Sinopel,
Ilippokras und Lautertrank *). Von welcher Art der Wein war,
der in einigen Eddaliedern freilich nur in jiingeren •) , erwahnt
wird, lafzt sich nicht sagen. MerkwArdig ist dafz Odhin nach
dem Grimnismal dadurch auFgezeichnet wird, dafz er Wein trinkt
warend die Helden um ihn Met und Bier zechen. Der Wein, der
in den weinverschlofzenen Norden dringen mochte, kam gewifs
nicht in grofzen Mafsen dahin , und so muste er als Trunk der
Gotter und auch nur des hochsten Gottes erscheinen. Bei der
kiinstlichen Versetzung der Weine waren die Franen naturlidi
') Proximi ripac et vinnm mercantnr. Tacit gemu 23. ") Das gQt Yom
Baierwcine nicht. Baicrischer Wein, Jnden und jnng Wolfelein sollen am bettan
in der Jngend sein. Renner 249.* — Ygl. alte Lobpreisnngen tod Mosel- and Bhein-
wcin bei Wackernagel in Haupts Z. f. d. A. 6, 264. ff. *) Anf der Tafel der
ostgoth. Konige waren italischc und griechische Weine beliebt. Cafs. Tar. XII, 4.19.
*) Vgl. Wackernagel a. a. O. Le Grand et Roquef. vie priv^e 2, 306. fL 8, 64. it
Ucber die altromischen gewiirztcn und Krauterweine Plin. h* n. 14, 16. 18. *) vfii-
ferill in der Hymisquidha als Benennung des Bechers gehort so den Tielen jtin-
geren Worten diestts spftton Liedes.
821
geschaftig. Wenn die Manner von der miihseligen Fart, aus dem
Kriege oder von der Jagd heimkamen, oder wenn sie in Gast-
lichkeit und Festesfeier in der Halle beisammen safzen , giengen
die Frauen mit dein Becher unter ihnen herum und kredenzten.
Ale im Wasgenwalde der Kampf der Franken gegen Walther von
Aquitanien geendet und Hildgund die Wunden der drei iiberle-
benden Kampfer verbunden hat, miacht sie den Wein und reicht
den ermatteten den Labetrunk. Wir finden sogar besondere Die-
nerinnen fur das Kredenzen bestellt. Doch davon noch spater.
Zu den hauslichen Geschaften des Weibes tritt als Mittel-
punkt gewifsermafzen die Besorgung der Kiiche. Je einfacher
die Zeit um so einfacher ist die Bereitung der Speisen ; mit dem
Luxus bildet sich die Kocbkunst aus, die sogar bis zur vermeint-
lichen Wifzenschaft getrieben wird* In der Zeit die wir hier im
Auge haben erscheinen die ersten Anfange ja diese noch nicht,
und daneben schon Kiinsteleien, welche den Kochtopf der Frau
entziehen und eigene Kuchenmeister anstellen lafzen, deren Ge-
schaft zum Hofamt eihoben wird. — Die al teste Nachricht, welche
UD8 Ton den Speisen der Germanen wird (Pomp. Mela 3, 3), zeigt
den Zust'and der Hirten- und Jagervolker; der Gebrauch des
Feuers ist noch unbekannt oder wenigstens nicht beliebt, das
Fleisch wird durch Kneten miirbe gemacht und roh verzehlt.
Zu Tacitus Zeit war es jedoch schon anders, wenigstens bei den
westlichen Deutschen; da scheint das Sieden *) schon bekannt.
Ein Stiick frischen Wildbretes wird an dem Spiefz gebratert oder
ein Thier der Herde zerschnitten im Kefzel gekocht. Aus der
starken Schweinezucht diirfen wir schliefzen, dafz unsere Abnen
besonders gem Schweinefleisch afzen ; wir wifzen ferner, dafz alle
Germanen das Pferdefleisch liebten, wogegen die kristlichen Be-
Wer und die Priester lange eiuen harten Kampf zu bestehen
') Sieden ist das germanische Wort fiir das gar machen der Speisen. Kochen
'8t eutlehnt. Das Gef&fz zum Sieden wird im altn. hverr, ags. hver (frank, chverio)
"Q^^r Sieder" mit dem german. Namen (Jkezzll ist ontlehiit) benannt. — hrdt^ brdto
heifzt Fleisch, brdtan das Fleisch zubereiten,
21
822
hatten ; es ward als Eriiiuerung an den Dienst der geliebten Volks-
gotter bartnackig festgehalten. Indem Binder ^ Widder, Schafe
und Bocke zu den Opferthieren gehorten , eehen wir dafz sie
auch angesehene Speisen des Yolkes waren. Dafz Hasen und
Biber verzert wurden und echt volksthumliche vielleicbt opfer^
mafzige Braten waren, zeigt das Gebot des Pabstes Zachariaa
an Bonifaz^ ihren Genufz zu untersagen. Ebenso war Baien-
und Hirscbfleisch eine angesehene Zierde der Taibln. (Chron. no-
valic. III. 21.) Was die Vogel betrifft , so war unser Alterthum
merkwGrdig geschmacklos ; Papst Zacharias verbietet den Deut-
schen Haher, Raben und Storche zu efzen; auf den vomemsten
Tafeln des zwolften und dreizehnten Jabrhunderts wurden Kia-
niche, Storche, Schwane, Eohrdommeln und Krahen gekocht und
gebraten als ausgesuchte Speisen geschatzt ; der Pfau und der
Eeiher waren nicht blofz eine A u g e n zier der koniglicben Tische *)•
Solches Fleiscb konnte natiirlich nur durch die scharfsten Briihen
geniefzbar gemacht werden. Befzeren Geschmack ven^t die Vor-
Hebe fur Fasane, Hiiner, Tauben, Enten und kleinere Vogel, die
auf der Falkenbeize und im Jagdnetz gefangen wurden *). Fische
waren ein gewonliches Gericht ; sie felen selten auf den Bildem
von Malzeiten welche wir in den Handschriften finden *). Beson-
ders waren die Aale beliebt (1. sal. XXVII. , 20); die Angefan in
Sussex hatten bis zu des Bekerers Wilfrids Zeit nur Aale ge-
nofzen, erst durch ihn lernten sie auch die andem FiBche als
ein Narungsmittel kennen *). Bauchfleisch war , wie die bei den
Romem hochgeschatzten niarsischen Schinken bezeugen , den Dent-
schen zeitig bekannt; Karl der Grofze befielt dafz auf seinen
Meiereien stets Vorrat von Speck, Rauchfleisch (siccamen), Siilse
(sulcia) und gesalzeneni Fleische (niusahus) geh^ten werde. Slil-
') Le Grand et Roquefort vie priv^e 2, 19. ff. Ueber die SteUe, welche der
Pfau im rittcrlichen Ceremonial einnam vgl. ebd. 25. RciffenbcrgmonaiiL 5, LXXV.
*) Karoli M. capit. de villis c. 40. — Hoffmann Althd. Glofsen 16, 20—24-
*) Auf der Tafc>l der ostgoth. Konige wurde mit den Fischeu Aufwand getriebea.
Donan, Rhein und die See mnsten ihre besten Bewoner liefem. Cafsiod. Twr. XII, 4*
*) Beda h. eccl. 4, 13.
S28
«en und Gallerte (galreide, geislitze) warden aus Ochsenfiifzen, die
feineren Arten aus Hftnem und Fischen gesottea-O 5 ^s waren be-
Kebte Nachtischgerichte *). Die meisten Speisen wurden in ge»
wiirzten Briihen' bereitet , so Karpfen , Hausen , Hechte und Lamm-
fleisch in der vielbeliebten Pfeflferbriihe (MSH. 3, 310*>) ; auch Saf-
fran war als wiirzende Zuthat sehr gewonlich. In einem Speise^
liede Steinmars wird verlangt dafz alios so gewiirzt sei, dafz der
Mund wie eine Apotheke lieche und ein heifzer Eauch dem Becher
entgegensteige. Man bedenke noch dafz auch die Weine stark
gewiirzt waren und man wird den starkfen Durst unserer Vorfa-
ren begreifen lemen. Die Brtihen in denen das Fleisch lag, mo-
gen die Stellen unserer Suppen vertreten haben. Eine franzosische
Kraftsuppe wardenDeutschen abgelernt (brouet d'Allemagne), eine
Hochzeitsuppe den Flamingen (chadeau flaraand) ').
Mit einigem Interefse nimmt man die Speisezettel war, welche
in Gedichten, Kechtsaufzeichnungen und Kroniken iiberliefert sind.
Der Dichter Hadlaub (am Ende des 13. und Anfang des 14. Jahr-
hunderts) wiinscht sich zur Malzeit fette Schweinebraten, Wiirste,
Schafgehim, begofzenes Brot (mit Fett betraufeltes Weifzbrot),
Ganse, gefullte Hiiner, gesottene Kapaune, Tauben und Fasane
(MSH. 2, 287; vergl. 3, 310.) In einem Gedichte vom Herbste
and Maien *) wird eine ganze Reihe Leckereien aufgetischt. Da
finden wir gerostete Ochsennieren , Schweinsfiifze, Magen die
mit gehackten Eiern Petersilie und Saffran gefiillt sind, Wiirste
mit Muskat und Negelein, Siilze, Ganse, Speckkuchen, Rhein-
salmei^ , Hausenwammen , Hechte , Aale und Forellen , einen jah-
rigen Stier mit Petersilie und Saffiran gebraten, und zuletzt be-
tmufte Wecken. Alles diefz wird dem Herbst als riesige HOstung
angelegt, als Sporen tragt er eine Uenne und einen Hahn.
Bei der Einweihung der Weifzenfelser Pfarrkirche (1303)
•) Wolfr. Wilh. 384, 13. Des von Wirtemb. Buch 1. 241. *) MSHag.
8, 81i/.~.Ueber franzosi/sche sehrfeine Stilzen des 18. Jahrhnnderte (z. B. le blano
^^ger, g^n^stine) vgl. vie privee 2, 252. ") Vie priv^e 2, 229. 256. « *) Fragm.
21 *
Si4
wurden dem Bischof von Zeiz folgende Speisen vorgeeet^:
ersten Tage als -er»te Tracht : Eiersuppe mit Saffiran PfeflFerk
nerii und Honig, ein Hirsegemiise , Schaffleit«ch mit Zwiebeln, e5x3
gebratenes Huhn mit Zwetschgen; als zweite Tracht: Stockfisdi
mit Oel und Rosinen, in Oel gebackene Bleie, gesottener Aa/
mit Pfeffer, gerosteter Bfickling mit Senf; als dritte Tracht:
sauer gesottene Speisefische, gebackene Barbe, kleine Vdgel in
Schmalz hart gebacken mit Rettig, eine Schweinskeule mit Qtir-
ken. Am zweiten Tage gab man als erste Tracht : Schweinefleiflclii
Eierkuchen mit Honig und Weinberen, gebratenen Bering; all
zweite Tracht : kleine Fische mit Rosinen , aufgebratene Bleie und
eine gebratene Gans mit roten RCiben; als dritte Tracht: gesal-
zene Hechte mit Petersilie, Sallat mit Eier und Gallert mit Man*
deln belegt ^). ^
Auch aus den Gerichten, welche den Schoften vorgeschrie-
bener Mafzen an den Gerichtstagen vorgesetzt wurden , kann man
mancherlei entnemen. Da wird ein Kohlkopf mit Fleisch gespickt
erwahnt (Weisth 2 , 35) ; anderwarts wird den Schoffen zum PrOh-
stCick bedungen eine Suppe, jedem zwei Eier, Knoblauch, zweier-
lei Brot und ein gutes Glas diesjarigen Weins; zu Mittag als
erstes Gericht Speck mit Erbsen, dann griines Rindfleisch mit
Senf, zum drittcu Schaffleisoh mit Kummel , zum vierten Rebbrei
und dazu Weifzbrot ^) In Kiichenzetteln des 14. and 15. Jahr-
hunderts bemerken wir Fortschritte des Luxus. Fiir die Kirchen-
vorsteher von St. Markus in Koln werden 1345 zu den festlichen
Gastmalern ausgesetzt: Enten in Pfeffer, Fische mit Reia, Hiuie
und als Nachtisch Birnen, Niifze undKase. Dagegen 1415: Rind-
bruststticke, junger Hammelbraten, Schinken, Wildbret in Pfef-
ferbrilhe, iiir je zwei G&ste ein Kapaun oder eine wilde Eutc;
als Getrank Bier oder der beste Wein der zu kaufen ist *)• Zum
Nachtisch ward aufzer Brot und Kase gewOnlich Obst aufgetra-
0 Alles das kostete 8 fl. 15 gr. 9 pf. «- Lepnna St Klareoklotter tu Wei-
Tzenfels. Nordhansen 1837. S. 49. ') WeisthiimiBr 8, 117. vgl. 328, 779.
*) Hiillmann Stftdtewesen 4, 154. f. Vgl. anch Uas altdentsche Kochbucfa aiudiBm
14. Jahrhundert bei Hanpt Z. f. d. A. 5, 11 — 16.
S25
gen; in Frankreich war es im 12. und 13. Jahrhundert Brauch
Eirschen Pflaumen Pfirsiche Erdberen zum Vortisch zu geben,
Aepfel dagegen und Birnen Kaetanien und Niifze zur Nachkost ^).
Die Deutschen liebten namentlich Niifze zum Nachtisch, wozu sie
fleifzig tranken ^). Das schon oft erwahnte Kapitulare Karls des
Grofzen, iiber die kaiserlichen Villen ist auch fiir die Geschichte
des deutschen Obst- und Gemiisebaues von Bedeutung. Die siid-
liche Obstkultur hatte den Kaisei" angereizt, auch auf seinen
HausgUtern edieres Obst zu ziehen und er hegte aufzer Kastanien,
Pfirsichen, Quittenbaumen, Mandelbaumen, Haselstauden, Kirsch-
und Maulberbaumen verschiedene Birnen- Pflaumen- and Aepfel-
arten (c. 70). Fur manche Gemdse war Deutschland von alter Zeit
ein beriihmter Boden ; Tiberius bezog von hier fiir seinen Tisch
Morriiben; Bonen gediehen gut und Rettige bis zur Grofze eines
Kindes '). Die Burgunder zogen und speisten viel Knoblauch und
Zwiebeln *) ; bei den Salfranken stund der Bau von Haleenfriich^
ten und Rettigen in Ansehen (I. Sal. XXVIL, 7). In den Gar-
ten Karls des Grofzen sol ten unter andern gepflanzt werden Gur-
ken, Kiirbise, Bonen, Kiimmel, Erbsen, Sallat, Schwarzkiim-
mel, weifzer Gartensenf, Brunnenkrefse, Petersilie, Till, Fenchel,
Pfefferkraut, Minze, Mohn, Riiben, Karotten, Pastinak, Kolrabi,
Schnittlauch, Zwiebeln, Schalotteir, Lauch, Kerbel. Von Blumen
befahl er zu ziehen Rosen, Lilien, Bockshom (fenigrecum^y Ros-
roarin , Meerzwiebel , Schwertel , Schlangenwurz , Sonnenblumen,
Barwurz , Ligustikum , Tausendguldenkraut , und der Gartner soil
auf seinem Dache Hauswurz haben. Wie sich die Frauen zur
Gemiise- und Blumenzucht verhielten , beantwortet sich von selbst.
Fiir die KOche und den Schmuck war hier gleich viel zu gewin-
nen und die germanischen Weiber stiinden von je den Romerin^
^6n nicht nach, deren Gesch'aft Besorgung (Ics Gartens war.
(Plin. hist. nat. 19 , 19.) ^)
0 Vie priv^e 3, 833. 338. ') Steirael friinkiBche Kaiser 1, 16 •) Plin.
^' «• 19 , 28. 18, 30. 19, 26. *) Sidon. Apollin. carm. 12, 14. ») Es ist zn
"^achten dafz die romanischen Volker fttr Garten das Wort ans dem dentschen
^Jitlehnten : ital. gardino , franz. jardin.
«26 _
Die thatige Theilname welche in unserem Altertfaam aach
die vomemsten Weiber dem Hauswesen schenkten, eratreckte
sich bis auf das Gesch'aft des Waschens. Koniginnen selbst be-
schaftigten sich mil der Wasche und bis in die neuere Zeit bin-*
ein war der Waschtag auch fiir die Frauen der hoheren St&nde
\ ein Tag lebendigster Geschaftigkeit* Die jiingere Edda erz< wie
,der Streit zwischen Brynhild und Godrun bei der SchleierwSsche
ausbricht (Sn. 140). Die sch5ne Schwanhild, des Gothenkonigs
Jormunrek Gemahl, wird als sie bei der Schleierbleiche sitzt, von
den ausgesandten Mordern liberritten nnd durch die Hufe der
Rofse getotet (Sn. 143). Das Waschen der grofzen und groberen
Linnen und Gewander wurde freilich den M'agden uberlafzen.
Zur Strafe fiir die Sprodigkeit gegen Hartrout ward die gefan-
gene Konigstochter Gudrun von der bosen Gerlind verurtheilt,
ihr und ihrem Hofgesinde zu waschen. Da mufz sie auch des
Winters im friihen Morgen hinaus an das Meeresufer und die
Fiifze im Schnee, leichtbekleidet den harten Dienst verrichten.
Ebenso harte Magdearbeit wie das Waschen war das Heisen ').
Dafz die Magde dabei von den Frauen nicht immer gut behan-
delt wurden , lemen wir aus den Koncilienbestimmungen , welche
fur tdtliche Mifshandlungen einer eigenen Magd der grausa-
men Herrin sieben Jahre oder wenn die Ztichtigung nur durch
Unvorsichtigkeit so ungliicklich ablief , fiinf Jahre bestimnien *).
Eine weltliche Strafe stund auf solchem Morde nicht, deon die
erschlagene war eine Leibeigene.
Werfen wir noch ein en Blick auf die hauslichen RSume
und die Einrichtung der vier Pfale.
Was zun'achst das Haus selbst angeht, so war dafzelbe
warend des Hirten- und Nomadenlebens , ebenso wUrend der
Wanderziige der Germanen sehr unvollkommen, EJs war da von
keinem wonen oder weilen die Rede; von Weide zu Weide, von
Land zu Land zogen die Scharen, die Manner zu Fufz, die
Weiber und Kinder auf den Wagen, welche auch den Mannem
') Grudr. 996. 1020. ') Koniii. Worm. 868. c. 39. Hartzheim S, 316.
82t
beiNacht und schlechtem Wetter Obdach gewarten. AlleVoIker auf
dieserStufe der Bildung und desLebens sind cc^a^o^ioi^^ aufWagen
lebende, wie sie dieGriechennannten. Als sprachliches Zeugnifs tritt
dasvedische garta auf, das Wagen und Haus bedeutet ^)» Von den
Khnbern bezeugt Plinius (hist. nat. 8, 40) ausdrucklich dafz sie
auf solchen Wage nh'ausem won ten, die in den zweiradrigen Karren
der Hirten ihr uraltes Nachbild finden, welche von Schwaben bis
Hamburg, wo es nur Sitte ist die Nachte iiber die Herden auf dem
Felde zu lafzen , noch heute im Brauche sind. Eine Nachbildung
dieser Wagenhauser hat man mit vielem Grunde in der Bauart der
Bauemhauser zu finden getoeint 2), welche ira Berner Oberland,
Wallis, den Urkantonen, in der ostlichen Schweiz, in den deutschen
Kolonien am Monte Rosa , im nordlichen Schwaben , in Steier-
mark hier und da auch in Schlesien auftritt. Auf einem festeren
Erdgeschofz ruht ein (urspriinglich) holzernes Stock werk , zu dem
die Treppe von aufzen fiirt und an defsen »einer Seite eine Biine
(Laube, GnUerie) hinlauft. Der Karren, das darauf gesetzte Haus-
chen, die Deichsel und das Tr^ttbret am Rande der Hiittentiir
lafzen sich hier wieder erkennen.
Es ergibt sich von selbst dafz kein anderer Baustoff als
Holz zu solchen Hausern gebraucht wurde; fliichtig gebaut und
leicht zu zerlegen muste die Hiltte sein , damit sie an die neue
Wonstatte mitzufGren wan Die Germanen bauten nur von Holz.
Tacitus berichtet dafz ihre Hauser ohne festen Bindestoff und
nicht aus Ziegeln , sondem aus unbearbeiteten ungefiigen Holz-
stammen aufgefiirt wiirden. Diese Bauart findet sich noch in sehr
vielen Gebirgcigegenden. Zum Schmucke, berichtet der Romer
weiter, wurden die Holzbauten an einzelnen Stellen mit einer rei-
») Vgl. A. Kiihn bei Albr. Weber Indische Studien. 1, 360. *) Alb. Schott die
deutschen Kolonien in Piemont. Stuttg. 1842. Vgl. da/u Klcmcnt die Silvier ani
Monterosa in Strickers Germania 3, besonders 302 — 314. An don schlesischen
inlichcn Bauteii , wie ich sie noch vereinzelt aus der Reichenbacher Gegend
kenne, fehlt das flache iiberragende Dach; es ist dieses hier ziemlich hoch
und spitz.
S28 •
nen uud gl&nzenden Erdart bestrichen ^). Im Winter and als
Yorratskammern seien Erdholen beliebt, die oben mit Diinger
tiberdeckt warden. In diesen Erdwonungen, welohe ein mehr ge-
schiitzter als annautiger Aufenthalt sein musten, befanden i?ich
auch gewonlich die Frauen ; besonders wurden diese Gruben als
Webewerkstatten benutzt. (Plin. h. n. 19, 1). Nach den Spuren,
die sich von ihnen in Britannien , Frankreich und der Schweis er«
halt en haben , lief en sie trichterformig zu und waren in der Mitte
getheilt so dafz sie aus zwei Stockwerken bestundeii deren oberes
zum wonen und arbeiten , das untere zur Vorratskammer diente.
Sie hiefzen wie Glofseu und jiingere Sprachquellen angeben, tunCj
nach dem Dung oder Diinger der sie bedeckte; bei Friesen und
Franken fereuna^. Auch die sarmatischen Volker kannten nach
Pomponius Mela (III, 1) anliche Erdholen als Schutz gegen den
Winter.
Dafz Holzbauten die einzigen waren , welche die Germanen
auffiirten , sobald sie iiberhaupt statige Wonungen grOndeten , be-
weist auch iioch dieSprache. Das furbauen am altesten gebrauchte
Wort ist zinimern (ahd. zimbarjan , zimbardn goth. timijan , alt-
sachsisch a!^gelgachsisch timbrjan , altnordisch timbra), das za
Zimmer, (althoch. zimpar, altsachs. tirabar, altnord. timbur) ge*
hort , defsen erste und alteste Bedeutung Holz ist , wie nicht nur
Glofsen , sondern auch die Vergleichung mit dem slavischen dub
poll), d^b Eiche darthun. In den Eddaliedern, wo das Wort nur
dreimal vorkommt '), wird es zweimal in Beziehung auf horgr ge-
gebrauoht, welches mit dem ahd. haruc enge verwandr, zuerst den
Wald , den heiligen Hain und dann den holzemen Tempelbau be-
') Germ. c. 16. Man kennt noch heute in vielen d ntschen Gegenden den
Holzanstrich mit einem fcinen weifzen und gl'anzenden Thon. Auch das altnord.
fteina farben (Atlam. 106 Fornald. b. 3, 426) gehort hieher, wenn es von fteinn ab-
stamt und nicht aus dem kcltisch. wftlsch. yftceniaw, bret. fteaaia verzinnen, Hber-
gtreiehen , farben (Leo Ferienscbr. 1 , 60) entlchnt ist* *) In Champagne and
Burgund ecrene^ €cratgne, sonst in Frankreich mardelles, in England pennpUtB'
^g\. Wh. Wackemagel bei Haupt Z. f. d. A. 7, 128—133. *) VoluBp. 7. thw
er hlJrg oh hqf hdtimbrodhu. Griiiim 16. hdtiinbrodhum kfirgi. Rigsm. 19. hH» tU
timbra.
9S»
zdchnet. Auch die Yerwandschi^t zwischen bauen und Baum 0
weist auf das althergebrachte Material der germanischen Bauten.
Am entschiedensten zeigt eich diese Abneigung vor jedem andem
Stofi auf Island, der holzarmen InseK Um in der alten Weise
zimmem zu konnen, namen die-Ansiedler aus der skandinavi-
8chen Heimat die beiden Hauptbalken des kunftigen Hauses mit
(ondvegis f^lur), da auf der Insel keine so grofzen Baume vor-
handen waren um diese Grundpfeiler liefern zu konnen. Kirchen,
Fiirstenhauser und Wonungen der Bauem, alles ward von den
Germanen aus Holz gezimmert. — Im siebenten Jahrhundert
vereuchte man in England zuerst statt der hClzemen mit Schilf
gedeckten Gotteshauser durch gallische Baumeister nach romi-
scher Sitte wie es ausdriicklich heifzt , steinerne aufzufuren *).
Die angeblich alteste norwegische Kirche aus Holz gezimmert
und an und uber den Thiiren mit Schnitzwerk geschmiickt , steht
jetzt auf dem schlesischen Riesengebirge. Auch in Deutschland
wurden die ersten Kapellen oder Kirchlein ganz aus Holz aufgefiirt.
Dieser Stoff gab zugleich den Karacter aller altesten germanischen
Bauwerke. Ein viereckiges langliches Gebaude , das Dach flach
durch Balken oder Bohrlagen gebildet oder nur unter stumpfem
Winkel gebrochen, so stellte sich das aufzere dar. Innen war es
eben so kunstlos und ungegliedert : ein einziger langer Raum,
an defsen Kurzseiten die Thiiren welche zugleich die Fenster
bildeten oder auch nur eine Thiir und an dem andern Ende eine
Erhohung, Im Norden gaben die beiden Stiitzbalk^n eine rohe
Gliederung des inneren Raumes. Sie bildeten die Mitte des Hau-
ses, zwischen ihnen war gegen die Sonne gekert der Sitz des
Hausherrn; zu beiden Seiten zogen sichBanke, vor ihnen brannte
das Herdfeuer. Weitere Ausbiklung war eine Erhohung des Rau-
mes an der einen Kurzseite ; entweder kam dorthin wie im Nor-
'ien der Frauensitz , oder wie in Westfalen der Herd. Der grofze
') Stainm bag: bagms arbor bagvan-bauan cidificare, vgl. J. Grinim ftber
^^ Diphtlionge nacli we^^ciHllenen Konsonantcn 191. *) Beda hist, abbat*
^iremnth. vgl. Lappenbcig Gesch. Euglands 1, 170.
S30
I
das ganze Haus einnemende Sal ward durch VerBchlUge an den
Langseiten, hier und da auch an der einen Kurzseite beschr&nkt,
die zu Schlafstatten und Yorratskammem dienten. Lange Zeh
blieb das Dach die unmittelbare Decke des grofzen Won- ScUaf-
Efz- und Arbeitsraumes ^) , durch defsen Lftcke der Baudi den
Ausgang und das Licht den Eingang fand. Wenn man aus alten
germanischen Namen Mr das Fenster (goth. augaddra , althochd.
augatdra, angelsachs, edgdure (Augenfenster), nordisch yindanga
Windauge) schliefzen darf , so fanden sich auch diese Oeflfhun-
gen an den altesten Bauten *).
Neben dem Haupthause gab es bei ausgedenterem Besitze
eine AnzaJ kleinerer Gebaude, die theils fiir das Vieh theils als
Scheuem und Vorratshauser dienten.
Die Hofe in Deutschland (curtes) hatten neben dem Won-
hause die zum Hauswesen gehorigen Koch- und Backhallen (co-
quina , pistoria) und das Frauenhaus oder Webehaus , aufzerdem
die Stalle Scheuem Speicher und Keller. Dieselbe Eintheilnng
findet sich in fast alien germanischen Landern. In der schwedi-
schen Landschaft Westgothland zerfiel dasGehdft in zweiTfaeilei
die Wongebaude (inviftarh^s) und die Aufzengebaude (ftthiis).
Zu ersteren gehorten aufzer dem eigentlichen Wonhause die Schlaf-
Speise- und Komkammern , zum letztem die Viehstalle und £e
Scheuem (VestgotaL I. thiuvab. 5). In Upland gehOrten sieben
') Nach der lex Alemannorum tit. XCII. hat das Kind ^lebt, wenn et daa
Dach nnd die vier Wande gesehen hat, in den mittleren Zeften wo das Dach nicht
mehr zugleich mit den Tier inneren Wanden des Wonranihes gesehen werden
konnte , ward die Bestimmung anf das Beschreien der vier Wande beschrankt.
Vgl. dariiber schon Anton Gesch. der deut&chen Landwirtschaft 1, 89 *) Man
Ut so weit gegangen zu behanpten dafz die sDentschen fiir die gewonlidiaUm Theils
des Geb'audes keiue eigenthiimlichcn Worte haben. Thiir and Dach (aach leta teres
soil entlehnt scin!) sind doch unzweifelhaft dentseh , Fenster ist freilich entlehnt,
ebenso Mnuer, aber das letztere erkl&rt sich darans dafz Ziegel and Steinbanten
nicht germanisch waren. Die Gerraanen hatten allerdings nur schr bescheidene
Wonungen, aber sie safzen doch nicht auf freiem Felde anter Wolken and Sonne,
wie jene sprachknndigcn Laugner architcktonischcr deutscher Worte ansanemen
schcincn. Fiir Fenster sind auch die altnordischen Worte liori and gluggr so
erw&hnen.
Oebaude zu einem vollstandigen Hofe : das Wonhaua (ftuva) , die
Euche, die Scheuer, die Kornkammer , das Yoiratsfaaus (wiftae-
hus)^ das Schlafhaus und der Yiehstall (Uplandsl. I. 2). Anch
hier lafzt sich die Gliederung des Gehoftes leicht vomemen. —
Der Hof war mit einem Zaune umgiirtet, der entweder aus le-
bendiger Hecke oder aus Pfalen und Staugen bestund ^). Es
driickt sich in dieser allgemein germanischen Anlage, welche die
Sage auch in das Totenreich verpflanzte, das Streben des Ger-^
manen nach gesondertem Wonplatze aus, das den Eomern aufi'iel
welche nur zusammenhangende Hauserreihen und statige Gafzen
der Dorfer und Stadte kannten. Noch heute ist in Westfalen , Hol-
stein , Dietmarschen , Norwegen diefz zerstreute Siedeln nach der
Gunst der Lage Grundzug des Bniies der Wonplatze. — Nicht
bei alien Grundbesitzem und auch nicht in alien Gegenden bestun-
den die Hofe aus mereren Theilen. Niederi^achsische Bauart ver-
einigt alle notigen Raume unter einem Dache y so dafz also Won-
haus Viehstalle und Scheuer ein Gebaude Widen. Ober- und Mit-
teldeutsche ebenso die Friesen verbinden gewonlich das Wonhaus
mit den St'allen entweder in gerader Linie oder unter einem Winkel,
immer jedoch unter einem Dache; die Scheune aber steht abgeson-
dert. In den alten Hofen bildete das Frauenhaus *) meist einen
anlicben abgesonderten Theil , einen Hof im Hofe, da es nicht
Bclten zu grofzerem Schutze mit einem eigenen Zaune umgeben
war (Tomaldars. 3 , 408). Die Sage von DornrOscheu, die Erza-
lungen von Hugdietrich, von Flore und Blanscheflur kennen solche
wolverwarte Frauenhauser.
Aus dem gesagten ergibt sich dafz die Germanen Hbei ihrer
Besitzname romischer Lander den Romem und Romanen nichts
in der Baukunst zu lehren batten, denn dieselbe war bei ihnen
Doch nicht vorhanden. Sie batten im Gegentheil nur von den Ro-
mem zu lernen, zuerst in Bezug auf den StofF dann in BetrefF
des Styles. Die Germanen bekerten sich allmalich vom Holzbau
') DnF GehOft hiefz diiinni- zAtt und (farL ') Lfuur, {gy»*e.ctum, genez)
*4n. gadenu kemenate. dyngja. fkemma, hw^.
• *
8i3
zum Steinbau. Es ist schon angeiiirt da^z dieser Ton ibnen alt
etwas romisches angesehen wurde ; auch sind die steinemen Won-
gebaude im Mittelalter meist mit einem Worte benannt worden
das zunachst aus dem mittellateinischeti entlehnt ist ; die heizba-
ren Woniingen, besonders die Frauengemacher hiefzen nSmlich
kemend>ten nach dem mittellat. camininata ^). Jetzt erst war es
moglich dafz sich eine eigentliche Kunst des Baues bildete. In-
defsen hat es lange gedauert, ehe die Germanen selbst als Mei—
ster auftraten, ja ehe sie einige Technik am Steine entwickeken.
Jahrhunderte lang bedienten sie sich romischer Baumeister , Jahr*
hunderte lang blieben die Formen der Yerfallenden rOmischen Zeit
hier und da durch Eavennas Muster mit byzantinischen Be—
standtheilen versetzt, bis sich in der Blute des mittelalterHchea
Lebens , ja fast als die Bliite der Poesie und des geseliigen Lee
bens schon abgefallen war, durch den geschmeidigen romanischer
Styl hindurch der germanische ausgebildet hatte. Auch er rufa
nicht auf ureigenen neuen Grundsatzen , welche die G^rman^
etwa auftftcUten; den Gebauden in welchen er sich namentH<?
zeigt , den Kirchen , liegt die Form der romischen Basilika s<
Grunde ^); der romanische Bau ist seine notwendige Voraus-
setzung. Allein diese Voraussetzungen sind auf germanische Art
verarbeitet und vergeifetigt: die Mafsen sind bezwungeoy es ist
alles freier, hOher, aufstrebender ; statt schwerer Mauem die kiih-
nen starken Strebepfeiler und Strebebogen mit leichter Verbindung
und mit den machtigenFenstern; statt der flachenDecke der Basilika
') Diez roman. Grammatik 1, 27 sngt camminata, yon camminus abgdeitet,
scheine erst im 8, Jahrhundert vorzukommen. Das Wort ist slav. Urspmngs:
kamien Stein, poln. kamienica steincrnes Huus. (Im ganzen ostl. Uentgchland sind
die Ortsnamen Kemnit/ und Kamcnz haufig). Auch das lat caminus Weg (chemin.
camino) ist von slavischem Ursprnnge, es ist die Steinstrafze. via lapidea, — Kine
andere Bencnnung des licizbaren Geniaches mtlt. pifalis. ahd. mhd. phirfeL nieder-
s&chs. fries, pifel, p^eL franz. poifle. poele crinnert ebenfalls an slavitche and
litthauische Worte. Lifth. hcitzt p^czus der Backofen , altsiav. pecz, poln. />iee
rufz. pecz der Ofen, — poln. piVc. slov. p^ct, brennen, backen, braten. *) Kal-
lenbach nnd S';hmitt die kristliche Kirchenbaukunst des Abendlandei. Halk
1850. S. 7.
s»
\ -
und dem Rundbogen des romanischen Baues der hinaufweisende
Spitzbogen, welcher nicht lastet und drtickt sondem gleich den
Blatterdachern des Waldes die natQrliche sohone Verbindung der
Bteinernen St'amme, der Pfeiler des Domes, ist.
Es liegt hier nicht in der Absicht eine Geschichte der ger-
manischen Baukunst zu geben, es musten aber ihre Grundziige
angedeutet werden , da sie auch auf den Bau der weltlichen Hau-
ler, wenigstens der Schlofzer und der grofzeren studrischen Ge-
baude Einflufz batten* Der Landmann baute, wie schon nachge-
wiesen wurde , in der altererbten Weise entweder ganz oder theil-
weise in Holz fort und diese Baue liefzen romanischen und ger*
maTiischen Styl spurlos an sich voriiberwandeln und wieder ver-
sinfen. Die H'auser der reicheren Burger und der Edlen entzogen
sidi weniger den grofzen Vorbildern in den Kirchen* Der Rund-
bogen und der Spitzbogen fanden an Thiiren und Fenstern ihre
Anwendung; das Langschiff sah sich in den machtigen Haus-
floren, die Seitenschiffe in den Wongemachem nachgebildet ; zu-
gleich vereinigte sich dainit die Erinnerung an das altgermanische
Haus. Noch grOfzere Gelegenheit zur Entwickelung des herr-
echenden Kunststyls gaben die offentlichen Gebaude mit ihren
notigen grofzicn Rs,umen *).
Auch die Malerei, die Skulptur und die Teppichweberei tra-
ten herbei die Kirchen und die Pallaste zu schmiicken. Von By-
zanz her batten die romischen Bischofe solche Zier der Kirchen
erhalten und die Merovinger besonders aber Karl derGrofze ver-
pflanzten sie auch in die irankischen Kirchen. Elarl liefz.auch
seinen Pallast in Achen mit Malereien schmiicken und bei dem
fleifzigen und eifrigen Betrieb der Kunst, die namentlich zu St."
Gallen eine Pflegestatte fand, lafzt sich annemen daCz auch an-
dere reiche Manner des deutechen Volkes ihre Wonungen durch
die Kunst verzierten ^).
') VgL Schnaase Geschich. der bildenden KOnste IV, I, 278 - 286. *) Man
Ucbte Mcfa reichverziertc FufzbOden mit musivischer Arbeit. Vgl. W. Grimm tu
Athis. F. 82.
I
(
>S4
Die urRpriingliche Einfachheit der gernianiBchen Woniing8«
verhaltnifse zeigt gich namentlich in Bezug ai^f das Schlafen* Der
grofze Hausraum, der fur die hausliche Arbeit, fiir die geselli-
gen Zusammenkunfte, fiir Efzen und Trinken diente , genOgte aoch
zur Schlaf statte ; beide Geschlechter, Herren und Knechte, lebten and
Bchliefen in einem Raum. Im Norden hielt eich das theilweise noch
bis in neuere Zeit. Wenn die N^cht kam, ward auf den Elstridi
des Sales Stroh gestreut und jeder legta sich unter den Tisch wo
er gesefzen hatte. An den Wanden befanden sich versehliefzbate
Bchlafraume (lokhvllur), die far fremde und die angeseheneren be*
nutzt wurden; um etwaige Ungehorigkeiten zu verhlktehy bnnn-
ten die Nacht hindurch Lichter; die Manner und die Franen la*
gen gesondert '). Beach tens werth ist dafz sich noch in einem no-
fischen Gedichte, dem Tristan Gottfrieds von Strafzhorg, eina
Spur dieses alten gemeinsaraen Schlafens findet; das Kdnigspar
herbergt dort mit dem nachsten Hofstate zu Nacht in demselben
Gemache (Trist. 15135). Gewonlich waren in den hofischen Krei-
sen die Schlaf zimmer der Geschlechter getrennt ; der Herr schlief
in Mitte seiner Diener, die Frau unter ihren Weibem und Mid*
chen ^). Seltener ist es dafz sie ohne diese schlafen %
Im zwolften und dreizehnten Jahrhundert waren auoh die
Bett- oder Schlafkammem bereits mit einer gewifsen prftchtigen
Bequemlichkeit ausgestattet % Die armeren begniigten sich frei*
lich nach wie vor mit einem Strohlager , das auf den Estrich ge*
breitet wurde oder sich hochstens auf die breite Ofenbank (din
brugge genannt) '^) yerstieg ; einen gewifsen Grad yon Wolhaben*
heit setzte es voraus , wenn dariiber ein Linnen gebreitet war and
der Kopf ein Kfifsen zur Unterlage hatte *)« Die reioheren kann-
0 Fommannas. 5, 338. 9, 476. Engelstoft p. 55. *) Die Sage enlUt
¥ne die Gottin Freya ebenso inmitten ihrer Franen schlifi Snorr. edda SSft*
*) Eneit 1330. 1438. Konrad Troj. Kricg 8437. *) Die Beedurdbnng einer
8chlafkammer, die mk Betten uud anderem Gerate, mit piUchtigen Waiidteppielie»>
und weichcn Fufzdecken ausgestattet ist, wird in Hartmanns Erek (8590 £) ge*
gebcn. *) MSH. 2, 158.' vgl. Schmeller hair. Worterb. 1, 862. ^ Heidel^
hs. 371. Bl. 89.'
ten grofzeren Aufwand. ^Federbetten mit kostlicfaen UeberzQgen,
Teppichen und schonen Fellen bildeten das Bett. Zuunterst lag
zuweilen Stroh (Eneit 1264), gewonlich aber ein Federbett (pflii-'
mit); dariiber eine eeidene Steppdecke (kulter, deckelachen), auf
ihr weifze leinene Tucher. Ein Pfiihl, ein kleines Kopfkiifsen
(wanckfifsen , drkiifsen) und eine Decke, die ein Teppich, ein
Fell*) oder ein Mantel war, voUendeten das Lager, vor dem
Teppiche gelegt waren ^). Nicbt selten befanden sich diese Bet-
ten in sehr hohen Gestellen, weshalb eine Bank vor ihnen not-
wendige Zuthat war (Nib. 616; Schmeller 1, 572, du Cange &* v.
Buppedaneum) , welche bei reichen mit Polstern und seidenen Tu-
chern belegt wurde (Heinr. Triet. 4782). Sehr oft lagen sie aber
auf blofzer Erde, wie ein Bild in der Pfalzer Handschrift def
Bolandliedes den Kaiser Karl schlafend zeichnet; zuweilen auch
auf der breiten Ofenbank (Wigal. 7468).
Solche Betten dienten in Deutschland auch zu Sitzen ^); in
dieBem Falle waren sie nicht so vollstandig wie die Schlafbetten,
denn der Pfuhl das Kopfkufsen und die obere Decke fehlten,
allein die unteren Schichten waren dieselben; lagen sie an der
Wand, so kam noch ein Kiicklachen hinzu. Entweder befanden
sich auch diese Betten in erhohten Grestellen oder sie wurden auf
Teppiche an die Erde gelegt. GewOnlichere Sitze als diese Di-
vans waren die Stiile und die Banke. Die Stule batten verschie-
deue Gestalten, selten zeigen sie eine leichte und freie Form*
Besonders schwerfallig erscheinen 4ie Sefzel, auf denen nach eini-
gen Bildern Karl der Grofze sitzt ; es sind schwere holzeme Sitze
au8 mereren Lagen von Klotzen gebildet, die nach oben zu sich
weiter ausbreiten. Es ist zwar der Versuch ersichtlich, durch
') Bettdecke von Ziegenhar in Bonifazens Briefen (ep. 87) erw&hnt, ein Fell
ZQ solchem Zwecke el>d. ep. 51, eine Leibdecke mit weifzen Funkten gegtickt
€p- 39. Ebenso werden Fnfzdecken von Fellen in seinen Briefen viel. erwahnt.
) Vgl. aulzer dem Artikel in Benecke - Mtillers mittelhochd. Worterbuch (1, 109 ff.)
^iigelhard Herrads v. L. hortus delic. p. 100. taf. 5. Bifeter von Staufenberg p. 80.
) In Frankreich waren diese bettartigcn Sitze nicht lange beliebt Vie priv^e 3,
^*8; in Sfidfrankroich scheiuen sie Idnger daheim gewesen zu sein.
Biegungen und Leisten das ganze gefalliger zu machen , allein es
ist nicht gelungen. Rucklenen finden sich nichtdaran >), dagegea
vor ihnen ein Fufzb'ankchen. Anderwarts zeigen Bich emftche
Bretter auf Saulen ruhend; im dreizehnten Jahrhundert erschei-
nen auch Riicklenen mit einfachen oben beknauften Seitensao-
len *). An dieser Form entwickelte sich die Grestalt der Thnm-
sefzel weiter, die schon geschnitzt mit Verzierungen im Spitzbo-
genetyl ausgestattet noch eine^ Decke iiber das Haupt ats Zuthat
bekamen. Leichter und zierllcher sind die Faltstiile (fauteuils),
deren Gestalt unsere Gartenstiile bewart haben« Zwei ziemlich
breite Holzer kreuzen sich und haben etwas iiber dem Kreuzpunkte
ein Brett zum Sitz gelegt. Die Spitzen und Fiifze sind gewon-
lich zierlich geschnitzt , oben ist ein Thierkopf , unten sind Thie^
krallen % Der Sitz war meistens mit einer Decke *) oder einem
langlichen wurstahnlichen Polster b?legt, das an den Enden mit
einer Quaste geschmiickt zuweilen mit bunten Streifen verziert war.
Gewonlicher noch waren die Banke, welche als bequemer
bei grofzeren Gesellschaften in Frankreich die StCde ganz TW-
drangten (vie priv^e 3, 149). In der Einrichtung dee nordiscbeD
Hauses waren sie unentberlich. Sie zogen sich zu beiden Sei-
ten des Hauptsitzes (ondvegi) hin; diesem gegeniiber auf der nord-
lichen Langbank war ein niedrigerer Sitz (da;^ gegensidele) , dc
ebenfalls von Bankreihen eingefafzt war. Sie waren nicht sdtc^
hoch (Saem. 144«) und mannichfach verziert *), dieGestelle kOns^
lich ausge schnitzt und die Lenen, wenn solche vorhanden wares
mit Flechtwerk versehen ®). Auch sie wurden mit Decken im
Polstem belegt ').
') Die Bilder der Pfalzer Hs» zum Rolandslied her. von Wh. Grimm tg
namentlich Nr. 14. 17. 27. *) v. Sara in den Qaellen und Foncfanngen (Wic
1849) S. 336. *) Bild 36 zum Bolandsliede. Herrads hortof S. 99. t (Eoge
hardt). — M\t, faldiftorium , fald^olium , faldeftola, faudeftola: feUa pUcaM
<) ftuolgewate Nib. 1297. ftuollachen. Ulr. 443. Dietr. fl. 1709. ») Saem. 94
Was unter den beckjum aringreypum Saem. 244.* zu verstehen sei weifi ieh niihi
die bisherigen Erklarungen geniigen schwerlich. •) Herrada hortni 97. ^
^ banclachen, beckklcBdhi, — Qreg. Tur. 9, 35. Wigam. 4485.
SSY
Die Tische waren gewonlich lanf^Hch viereokig und bestuti-
den auj8 schweren Tafeln , die iiber Schragen lagen ; ihre Fiifze
waren nicht selten kunstreich ausgeschnitten ^). Seit friiher Zeit,
iiH frankischen Gallien schon im 6. Jahrhundert, wurde bei den
reicheren ein Tuch iiber die Tafel gebreitet (tischfano, tischlachen,
tischtuoch, borddiikr), das gewonlich ans weifzen Linnen, auf
sehr reichen Tafeln aue weifzem oder buntem Seidenetoff bestund ^) ;
zuweilen war es gestickt und mit Goidborten besetzt *). Auf Bil-
dem des 14. tTahrhunderts lafzen sich zwei Tischtiicher an einer
Tafel unterscheiden ; das obere hier und da gelb gestreift bedeckt
nur die Tischplatte, das zweite ist an den Rand angehangt und
kunstreich gefaltelt ; es reicht bis zur Erde *). .Auch die einfachen
TIschtucher waren so lang, dafz sich jemand unbemerkt unter
ihnen verstecken konnte (Roth. 3850). Unter jedem Sitze stund
ein Fufzschemmel. Servietten waren nicht iiblich, dafUr wurden
vor und nach Tisch Wafzer und Handtiicher *) herumgereicht,
an denen sich zuweilen kunstreiche Stiokerinnen oder Wirkerinnen
verherrlichten. Im Dome zu Kammin in Pommern wird ein sol-
ches Handtuch aufbewart, das mit roher damastartiger Sticke-
rei gezlert ist, welche Thier- und Menschengestalten im Style
des zwolften Jahrhunderts darstellt ®).
Die Speisen wurden in Schiifzeln aufgetragen ''') , deren Stoff
8ich nach dem Reichthum der Besitzer richtete; bei vermogenden
^aren sie schon zeitig von kostbarem Metall und kunstreich ver-
2iert % Von den kirchlichen Geraten her verbreitete sich die Liebe
2u metallenem kostbaren und schon gearbeiteten Hausrat und
^amentlich Deutschland war in diesem Kunstzweige fruchtbar und
') Ferguut 1284. vgl. Joncbloet Beatrijs 8. 67. *) Saem. 104." Ernst
2180. Trist. 15805, Wigam. 4431. Im Rigsmale wird nnr bei den Eltern der Jaile
^^8 Tischtuches erwahnt; die Karle und Thrale batten keines. ") Hugdiet. 59 — 63.
^ornniannas. 3, 177. *) Engelhard Herrad 96. taf. 4. Stanfcnberg 80. vie privde
3. 163, ff. &) tivehcla, hantfano^ hanttuoch^ therra. «) S. Fr. Kugler Pora-
'n^iische Kunstgeschichte 170 (Baltiscbe Stndien 8, 1.) ') Als Prasentirteller
^'t'nten llandtiioher. Fiirz. 244, 17. •) Saem. 104." fram eetti bm iuWB. fkntla
JHIrivardha a bioilh. Bei Atila wurde den Gasten auf silbernen Scbiifzeln , ihm
*^lost uuf einem holzernen Bretto das Ef/en aufgetragen. J^iscus. p. 45. ed. Vcner.
22
ass
friih erfaren ^). Als Trinkgefafze dienten in alt^ter Zeit Thierhorner,
nicht selten auch die kiinstlich gefafzienSchadel ersohhigenerFemde;
spater Becher von Holz oder Metall, die verschiedene Gestalt
hatten und bald einfach bald schmuGkreich waren *). In den lo-
manischen Landern und bei den dort ansafzigen Germanen waren
noch andere Tafelaufsatze als blofzer Zierrat auf reichen Tischen
zu finden. Dergleichen kiinstliche Metallarbeiten wurden in spi-
terer Zeit in Frankreich zu Getrankhaltem' gebraucfat und hatten
nicht immer die anstandigste Gestalt. Auf Bildem des 12. und
13. Jahrhunderts findet man bowlenartige oder auch kru^nlidie
Gefafze, die mit einem Deckel versehen* sind, in denen derWein
oder Met aufgetragen wird*
Loffel und Gabeln gehorten auf den Tafeln des Mittelalten
zu den Seltenheiten '); auchMefzer wurden nicht filr jeden Tisch-
gast hingelegt , sondern die Gesellschaft begniigte sich mit einer
geringeren Zahl. Unter den Geschenken, welche Bonifazens Nach-
folger Lullus aus England erhalt , erscheinen mehrmals Mefzer,
ein Beweis dafz es in Deutschland an ihnen felte. Das war
auch in den sp'ateren Jahrhunderten so* Auf einem Bilde des 12
Jahrhunderts (Herrads hortus taf. 4) sieht man zu vier Personei
zwei Mefzer und zwei Gabeln. Die Gabeln sehen wieZangen au
und die Mefzer haben zuweilen oben die Gestalt eines Haken
und sind unten schmaler. Teller im heutigen Sinne kannte nH»
nicht , sondern benutzte an ihrer Statt Stiicke kleiner flacher Bro
oder Kuchen^), die nicht selten vom Safte derdarauf zerschni
*) Vgl. Schnaase Gesch. der biidenden Kflnste IV. 1 , 344. ff. *) Priscus p. ^
Engelhardt Herrad 97. Staufcnberg 80. vie priv^c 3, 224. f. — Vgl. glofs. Trev
(Hoffinann Althochd. Gi. 15. 16.) pechir cyaihus. urzil orca. coph '(j^hus. cht
calix. ftouph potolicula. crufc amphora, lamella lagena. flafgun flafcontM* crw^
curuca. tunna, cuofa, cupa. huotin dolium. buoterich uter, *) Auf Herrads B
dern (12. Jahrh.) sieht man nirgcnds Loffel, auf Bildem yon 1430t-40 felen LOf
und Gabeln (Engelhard Staufenberg 80). vgl. vie privde 3 , 197. 258. van W:
Avondftonden 2, 73. Die Speisen wurden mit den Mefzem aus der SehftTxel g
nommen* Priscus p. 45. **) Diesc . Euchen hiefzen von dem Zerschneideii d
Speisen tranchoirs oder tailloirs (daher Teller) vgl. vie priv^e 1, 8K Engelhar
Herrad 97.
880
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tenen Speisen durchzogen zum Schlufze des Males verzert wur-
den. Auch holzeme Teller' mSgen friih gebraucht worden sein.
Die Beleuchtungsmittel waren in 'altester Zeit sehr einfach,
wie unter dem Landvolke noch, heute. Das Herdfeuer oder Holz-
brande die Tangs der Wand angebracht waren, erleuchteten dieBaume
(Volsunga s. c. 6). Die nordische Sage erzalte dafz die Asenhalle
durch Schwerterglanz , Aegis Meerpallast durch Gold erhellt wurde
(Sn. 129. Saem. 59). Kienspane Eohrlichter (Priscus p, 38) und Fa-
ckeln, die einfachen Erleuchtungsmittel , wurden bei den reicheren
zuweilen durch eigens dazu bestimmte Diener (kertifveinar) gehalten.
Wachskerzen und Lichter aus Talg und Wachs gemischt, gehor-
ten zu den Luxusgegenstanden ; sie wurden auf Leuchter (kerz-
ftal) oder auf besondere Vorrichtungen an den Wanden gesteckt ').
Friih finden sich auch Hangelampen die mit Oel gespeist
wurden , daneben wurden wolriechende - brennbare Fliifzigkeiten
(balfam) in Lampen oder langlichen Glasgefafzen gebrannt. Auch
in Frankreich wurden in den S'alen der Vornemen solche wol-
riechende Sachen gebrannt ^)*
Die Wande und Fufzboden .der Zimmer wurden bei festli-
chen Gelegenheiten mannigfach gefichmuckt. Kriegerischen Zeiten
war es angemefzen die WafFen zum Schmuck an den Wanden
aufzuhangen ; die Gotterhalle in Asgard war in dieser Weise mit
kuchtenden Schilden geziert und die ritterlichen Herren schmiick-
ten ihre Sale auf gleiche Art. Bei der fleifzig getibten Kunst
der Teppichstickerei wurde es gewonlich die Salwande mit Tep-
pichen zu schmiicken ^). Auf den Boden waren ebenfalls gewirkte
Decken gelegt , die sich mittelst der Eucklachen an die Wand-
^mhange anschlofzen *). Daneben war es in den vomemstenHau-
*) Lanzel. 888. Frauend. 348, 25. Mai 91 , 16. *) Eneit 8297. 9387.
^arz. 236, 3. Wigal. 8237. - Fauricl hist, de la po^s. prov. 3, 86. ") Eneit
12724. H. Trist. 2518. Mai 8, 21. Beov. 1978. Fornm. s. 5, 234. Vgl. die Ab-
^ildung eines nordischen Trinksales in der Kopenhag. Ausgabe der Gunnlaugs
^•Tnst Saga p. 304. — Das verlorene Gedicht Blickers von Steinach „d6r umbehanc*
^pfichrieb die Stickcrcicn eines Wandteppichs. *) Priscus p. 43. Erast 2Hr4.
Kneit 12729. Erec 8599. Mai 8, 12.
22*
MO
sem Gebrauch bei festlichen Gelegenheiten den Estrich mit fri-
schen Binsen Gras und Blumen, im Winter mit Heu und Stroh
zu bestreuen* Die Sitte hat sich in Deutschland noch an manchen
Festzeiten wie am Johannisabend , besonders aber zu Hocbzeiten
undGeburtstagsfeiemerhalten 0« Vor dieFenster hieng man sohon
fruh Vorhange und Teppiche* (Paul. diac. 1, 20* Frauend. 331, 13).
Zur Aufbewarung der Kleider und zugleich als Vorrats-
kammem fur die Gewandstoffe dienten besondere Genaacher. Die
EJeider waren in ihnen entweder auf Pflocken oder auf Stangen
aufgehangt; sehr gewonlich war es sie zusammenzufalten , mit
Schnflren zu umwinden und in Kisten oder Schreinen zu verwa-
ren^). Die Sohreine dienten auch zur Bewarung der etwaigen
Schmucksachen und ebenso wurden die Gebetbiioher in sie ge-
legt. (MSH. 2, 158.')
Wie viel Reichthum auch [im einzelnen in der hauslichen
Einrichtung im Mittelalter angebracht 8ein mochte, sie stund doch
in geschmackvoller Pracht und an Bequemlichkeit hinter imserer
heutigen Gewonheit sehr zuruck und una verwonten Kindem
der Neuzeit mochte es in einem mittelalterlichen Hause nioht wol
gefallen. Die Landleute haben in ihrer Hauslichkeit viel altes
ererbt und treu bewart; da ist nichts unniitz, es ist alles auf
handfesten Gebrauch berechnet. Das mag an den Gnmdzug wel-
cher durch die Hauser unserer Voreltem gegangen ist erinneni.
*) Parz. 83, 28. 549, 12. Georg: 5522. Konr. troj. kr. 15188* 14560. 19357
Troj. orloog. 725. Lohengr. 8. 60. Egils s. c. 44. Fornmannas. 4, 75. Bayn. lex.
rom. 8, 597. vgl. vie priv^e 3, 153. 285. Dybeok Runa 1845. s. 53. •) Nib.
1593. Nith. Ben. 439. MSH. 2, 77.' 3, 219.' 235." 292.' BrucL Berth. s« 130.
Achter Abschnitt
Das gesellschaftllche I^elien.
Wir haben in den vorausgehenden Theilen dieses Buched
die Stellung des germanischen Weibes von sehr verschiedenen
Seiten bereits betrachtet. Wie es in religioser Verklaning erschien,
welche Bedeutung es in den heiligen Gebrauchen hatte^ wie es
von der Kindheit bis znm Witwenstande lebte, wie Sitte und
Recht tlber sein Leben schaltete, welche Hauslichkeit es umfieng,
darQber liegen die Mittheilungen bereits vor uns. Aber iiber noch
einiges haben wir dem F^ger zu antworten* Zu den emsten nnd
den notwendigen Anspriichen des Lebens treten heitere und
leichtere; in den Aehrenkranz windet der Schnitter blaue Cyanen
und roten Mohn. Das gesellige Leben , so weit die Frauen an
ihm betheiligt waren , verlangt jetzt unsere Aufmerksamkeit.
Tacitus erzalt in seiner Germania (cap. 22), wie die Deut-
8chen im Frieden ihre Tage zubrachten. Nach langem Schlafe
erheben fiich die Manner, nemen sofort ein Bad, das im Winter
lau sein mufz, und halten dann eine Malzeit. HGerauf gehen sie
an ihre etwaigen Geschafte oder auf die Jagd, oder was das ge-
wonlichste war , sie sammein sich zu einem Trinkgelage bei dem
8ie auch der wichtigsten Besprechungen pflegen. Das Trinken
setzen sie bis in die Nacht fort. Man sieht wie die Weiber bei
diesem Leben ganz in dem Hintergrunde stehen, sie finden hier
842
nur eine Stelle als untergeordnete Theilnemerinnen und als Die-
nerinnen. Diefz blieb viele Jahrhunderte nach Tacitus und an-
derte sich im Grunde erst durch die gesellechafUiche Revolu-
tion, die im zwolften Jahrhundert durchgefiirt ward.
Das Baden, das der Romer hervorhebt, hat bis in die neuere
Zeit eine bedeutende Stelle in der Tageslust der Grermanen ge-
habt. Es gait fiir eine wahre Freude und Wohlthat des Leibes
und Manner wie Frauen gaben sich ihm auf gleiche Weise hin.
Die Unbefangenheit des Alterthums sah nichts unschicklicheB
darin, dafz die beiden Geschlechter zusammen badeten ^) ; lange
erhielt sich diese Sitte, in Norwegen dauerte sie angeblich ohne
verderblichen Einflufz bis ins fiinfzehnte Jahrhundert. Bei Vol-
kern, welche von der Kultur weniger als wir bficuHrjt mnd, findet
sie sich noch heute. Bei dem Bade im Freien ist dieser fireie Ver-
kehr leichter rein zu halten; dagegen mufz man sich wondem
dafz er sich in den deutschen Badestuben bis in das 17: Jahr-
hundert fristete. Erst vor zwei Jahrhunderten schritt die welt-
liche Macht gegen diese gemeinsamen Badestuben ein. Die Earche
hatte sich schon weit friiher dagegen erklart; schon Bonifai un-
tersagte 745 den Glaubigen den gemeinschaftlichen Besuch der
B'ader^. Auch die Kloster bedurften in dieser Hinsicht Bitten-
polizeilicher Aufsicht; bald muste der Zulauf weltlicher Badege-
sellschaft untersagt und hier und da konnte sogar nur den EInuikeii
diese Erquickung gestattet werden 3). Das Achener Koncil von 817
(c. 7.) machte die BM^der der Monche von der Erlaubnifa des
Priors abhangig.
Wie die Kloster, so hatten die meisten grofzeren Wonun-
gen im Mittelalter ihre Badestube und selbst in vielen Ueineren
Hausern fanden sich wenigstens Badekufen, in denen leicht das
einfache Wafzerbad bereitet werden konnte. Es war fast das erste.
*) Caesar, bell. gall. 6, '21. *) Statut. n. 22. (Hartzheim 1. 74) Tgl.
Can. concil. Laodic. (363), c. 30. 3) So in der Kegel ffir das Kloster Mnr-
bach (803. Hartzh. 1, 381) — Biifzendc und trauerade enthielten sich der Bader.
Beda hist. eccl. 4, 19. Adam, gesta hamab. eccl. pontif. 3, 69.
MS
was man dem Gastfreunde erwies, ihm ein Bad zu geben; die
Sorge fur diese Erqiiickung gehdrte zu den Willkommensten Auf-
merksamkeiten. Ale der junge Hagen von Irland nach der Sage
glucklich von der Greifenmsel heim gekert ist, vergifzt er unter
dem freundlichen, was er seinen drei Schicksalsgefartinnen fort
und fort erweist, dee taglichen Bades nicht (Gudr. 162). Ala
Gudrun sich durch List ihrer Befreiung gewifs aus dem Magde-
leben herausreifzt , wird ihr als erste Erquickung und Freund-
lichkeit ein Bad bereitet. Leichtsinnige Fraiien vergafzen bei
ihren Freuden mit den heimlichen Liebhabem niemals des Bades
(Rom. de la Rose 10133.) Ausgebildeter war der Badegenufz
in den offentlichen Badestuben, die in Deutschland wie in Skan-
dinavien sehr fleifzig besucht wurden. Die Bedienung und Be-
handlung der Badenden ward meist von Weibern besorgt, Wenn
der Bader durch Trompetenschall auf den Strafzen das Zeichen
gegeben hatte dafz alles bereit sei, schlichen die Badelustigen
im Neglig^ {mit nmgeby/rftem hdr barfuetfe dne gurtel) zu seinem
Hause. Dort legten sie ihre Gewander ab und traten hochstens
mit einem Schurze bekleidet in die heifze Badestube, wo sie die
Diener (da:;; badevolk) in Empfang namen. Nachdem sie an Eti-
cken Armen und Beinen mit lauem Wafzer bestrichen waren,
wurden sie am ganzen Korper begofzen und von den Weibern
gerieben und geknetet. Zuletzt that der Scherer was seines Am-
ies war und schlichtete und schnitt den Gebadeten Bart und
Har *). Gtdante Herren liebten es mehrmals die Woche die Bade-
Btube zu besuchen; der Tanhauser klagt wie sein Beutel durch
die'echonen Weiber leckeres FrGhstiick und zweimaliges Baden
in der Woche sehr leide (MSH. 2, 96.'). Inr dreizehnten Jahr-
tundert scheint es Branch gewesen zu sein naoh dem Friihstiick
zu baden (MSH. 3, 310.').
Die Germanen waren, nachdem sie die Zeit des Hirten-
und Jagerlebens iiberschritten batten , anscheinend keine eifrigen
0 Vgl. das dritte BQchlein Seifried Helblings (bei Haupt Z. f. d. A.
^^ 83-91).
944
Jager. Die Jagd erschien ihnen nicht wichtig und emst genog
um ihr die geliebte Euhe und Bequemlichkeit zu opfern* Allma-
lich anderte eich das jedoch , denn bald genug tritt die Jagd
unter die liebsten Ergetzungen der germanischen Manner nod
auch die Frauen nemen an ihr Theil. Unter den skandinavischen
Gottinnen erscheint Skadhi als die Vertreterin dieser jagdlusti-
gen Frauen. Offenbar eine urspriinglich nichtgermanische Gestalt
mag sie aus der finniecben Welt in die skandinavlBohe . einge-
drungen sein, denn gerade die nahe wonende VolkerBchaft do:
Skridefinnen wird uns als ein Jagerstamm gescfaildert; Maimer
und Weiber trieben hier nur die Jagd und lebten und kleideten
sich Ton ihrer Beute ^). Skadhi wird als riistige Jagerin and
Schlittschuhlauferin geriihmt; hatte solche Lebensart den sktn-
dinavischeii Weibem nicht nahe gelegen , so wiirde eine solche
Gottin schwerlich Aufnanie in den heimischen Gotterkreis eibngt
haben. Ich halte Skadhi darum nicht ihrcm Wesen nach bwh
dern aus andem Grfinden, die ich bei anderer Gelegenheit ert-
wickeln werde, fiir nichtgermanisch. Sie verburgt una zu^cb
dafz die germanischen Frauen auch den Bog6n and den Jagdger
zu furen verstunden. Leichter und beliebter war indefsen W
ihnen die Jagd durch Stofzvogel *). Schon 2eitig hatten die
Deutschen grofze Fertigkeit in der Beizjagd und sid richteten die
Falken und Habichte trefflich ab. Fremde Fiirsten liefMO bA
solche Vogel aus Deutschland kommen ') ; hier selbst sttxndetl A
in hohem Werte , wie die BufzBatze in den Bechtsbiichem dtf
Franken Burgunder und Alemannen zieigen. Auch noch weiter-
hin waren die Deutschen in der Abrichtung dieser JagdvSgel ifl"
erfarensten und bildeten eine fOrmliche Wifzenschaft aus, vo"
der die Abhandking Kaiser Friedrichs II. fiber die Kunst 0*1
Vogeln zu jagen samt ihren Bearbeitungen durch Manfred x0
Albertus Magnus ein Zeugnifs geben. Die vomemen Eraa®
•) Procop. bell. goth. 2, 15. Vgl. Zeufs die Deutschen p. 684. ^ "^^
das vierte Kapitel in J. Grimnis Gesch. der deutschen Sprache. ■) Die "KStPi
Ethelbert von Kent und Ethel bald von Mereia erbitten sich von Boni&s Wk*
und Habichte. Bonif. cpp. 55. 84.
345
Deutschlands wie der Nachbarlander namen an diesen Falken-^
jagden lebhaften Theil; der Falke und Habicht wurdenLieblings-
vogel, waren in Traum und Dichtung das Bild des Geliebten ')
und wurden mit Seide und Gold und zierlichen Kappen reich ge-
schmuckt. In Frankreich und Italien hat sich diese Theilhame
der Frauen an den Beizjagden noch lange erhalten und mancher
das Leben gekostet. Maximilians beide Genotalinnen ^ Maria von
Burgund und Blanka Sforza kamen durch einen Sturz vom Pferde
bei der Falkenjagd um; Katharina von Medicis erlitt zweimal
auf seiche Weise bedeutende Verietzungen.
An den grofzen Jagden der Manner auf die starkgycLThiere
dea^Waldes" namen die Ffaueii wemgstens als Zuschauerinnen
und Wirtinnen Theil. Paul Warnefrieds Sohn (V, 37) erzalt
wieHermelind ihrenGemahl, den Longobardenkonig Kunibert auf
der Jagd begleitete, und Angilbert und Ermoldus Nigellus achil-
dem uns die Jagdziige Karls des Grofzen und Lud wigs desFrom-
men, wie sie in prachtigem Zuge von der Gattin und den Toch-
tem begleitet zum Weidwerke reiten und im Waldesgriin von
den Frauen besorgt und g6pflegt ein froliches Labungsmal hal-
ten^), Diese Theilname der Frauen scheint indefsen nicht sehr
aDgemein gewesen zu seiu; als nach dem Verfall des ritter-
lich- hofischen Lebens das Weidwerk wieder in den Vbrdergrund
trat und die Manner fast den ganzen Tag im Walde jagten , be-
Uagten sich die verlafzenen Frauen sehr bitter dariiber. Sie wa-
ren von dieser Lustbarkeit ausgeschlofzen und in Deutschland
gaben nur die hochliirstlichen Hetzjagden vornemen Weibem
neue Theilname an dem Weidwerke , um welche sie niem^id be-
iieiden mag.
Der liebste Zeitvertreib der Germanen im JFrieden war wie
Tacitus erzalt und wie alles andere bezeugt, sich bald nach dem
Fnihstiick mit Freunden und Gefarten zusammenzusetzen und den
ganzen Tag bis in die Nacht zu trinken. Viele Jahrhunderte nach
') Nib. 14. MSH. 1, 97.' Vols. c. 83. • *) Angilb. III. 299 (Pdrtz 2,398)
Ennold. Nig. IV. 535. (Pertz 2, 511) vgl. auch Wolfdieter. 388.
846
des Romers Zeit war es noch ebenso ; und als die adeligen Her-
ren im Nachamen des Welschen wetteiferten und alles edle der
deutschen Sitte mit Fiifzen traten, so hielten sie doch das dentsche
Laster , das Trinken bis zur YoUerei fest. Sie iibertrafen darin
die Altvordem bedeutend. Die Schilderungen der altgermaniBchen
Gesellschaftsfreuden lenen sich an seiche Trinktage an. Aiigel-
sacbsen und Skandinayier safzen, wie ihre Epen und GreschichU-
bilcher erzalen , an den Tagen der Mufze vom Morgen bis zom
sp'aten Abend in der Trinkhalle und schliirften Met oder Bier
aus den grofzen Trinkhomem. Dabei waren die Frauen fast on-
entberlich; denn ihr Greschaft war es den grofzen Becher oder
dasTrinkhom in denEeihen der G'aste herumzureichen und keine
Konigin oder Konigstochter entzog sich dieser wirtlichen Pfficht
Als Beovulf der Geate zu dem Danenkonig Hrodgar kommt,
urn ihm seine HiKe gegen das Meerungeheuer Grrendel anzubie-
ten, findet er den Konig in der Halle, neben ihm sein Weib
Wealhtheov, vor ihm .auf langen Banken seine Manner. Die K5-
nigin erhebt sich von Zeit zu Zeit und reicht zuerst dem 6e-
mahl den Metbecher, daan geht sie von Mann zu Mann und
kredenzt ihnen mit freundlichem Wort den Trank (Beov. 1215 —
1287). An einem andem Tage hat Hrodgars Tochter diefz Ge-
schaft (Beov. 4028—4043). An dem Hofe des GeatenkonigB
Hygelac sehen wir defsen Frau ebenso beschaftigt (Beov. 3958)*
Wie sehr dieselbe Sitte in Skandinavien herrschte , beweist ihre
Verewigung durch die mythische Erzalung von dem Leben inVil-
holl. Hier gehen die Walkfirien unter den seligen Helden mit
dem Kredenzhorn umher wie auf Erden die Frauen unter ihrcn
Gasten. Die Frau oder die Tochter des Hauses iibemam auch in
Skandinavien das Amt der Scheukin ')• Es fallt darum auf dib
wir einmal von dazu bestimmten Dienerinnen lesen (Olfdjar.
Egils s. c. 44) y das andere Mai sogar von einem Manne der dtf
Trinken kredenzt , warend die Hausf rau mit den andem Weibeni
0 Vgl. Saem. 170. Snorr. 108. Egilss. c. 7. Vols. c. 18. Tnglingai. c 41.
Fommannas. 3, 65.
84t
auf dem abgesonderten Frauensitze sich befindet. (Egils s. c. 74).
Eis erinnert das an den deutschen Branch der hofischen Zeit, wo
dieWirtinnen dieseEhre den Gasten nicht mehr selbst erzeigten.
In alterer Zeit mag jedoch die deutsche Sitte zu der angelsach-
sischen und skandinavischen vollig gestimmt haben; mancheSpu-
ren davon lafzen sich noch auffinden.
Man darf nicht meinen dafz die Frauen blofz Zuschauerin-
nen bei diesen Trinkgelagen waren, sie namen wirklich daran
Theil nnd zwar nicht blofz mit verschamtem Nippen. Die Schande
und strenge Strafe , welche die Komerinnen traf, wenn sie Wein
oder sonst berauschende Getranke genofzen (Plin. h. n. XIV, 14),
konnte den Weibem eines Volkes nicht drohen, welches das
Trinken so hoch hielt. Wolte die Hausfrau oder ihre Vertreterin
A
den Gast recht ehren, so trank sie vidrklich aus dem Becher'den
sie reichte, und zwar nicht wenig (Yngl. c. 41). In Skandinavien
namen die Frauen fast allgemein und schon in fr&her Jugend an
den Gastgeboten Theil; dabei safzen sie fast immer gepart und
tranken mit ihrem Genofzen aus einem Becher. Bei einem gro-
fzen Gastmal das Konig Sigurd der Jerusalemfarer in Dront-
heim halt, sitzen bei ihm sein Anverwandter Sigurd Hranason
mit seiner Frau Skialdvor und seine eigene Schwester Sigrid.
Die Frauen trinken tiichtig und halten mit dem Konig bis zuletzt
aus ')« Bei den Gastlichkeiten der h5fischen Zeit safzen auch in
Deutschland die Geschlechtor gewonlich gepart und auch hier
thaten die Frauen den Manjiem guten Bescheid. Auch wenn sie ;
allein afzen , verschmahten sie den Wein nicht , der nach deut- /
8cher und franzosischer Toilettenlehre die Gesichtsfarbe verschd- :
nerte *). So kam es dafz Bruder Berthold auch gegen die Trink-
sucht der Frauen zu eifem hatte , die oft den Schleier vom Haupte
vertrQnken, warend der Mann das Schwert verzechte (S. 414.
Hing). Auch noch spater verstunden die deutschen Weiber mit
dem Becher zu kosen; das bezeugen die Trinkbiicher welche auf
') Foramannas. 7, 126. vgl. auch Foram. s. 4, 25. 10, 236. *) Parz.
"^6, 4. Salom. u. Mor. 92 (2.*). Chastoiem. des dames 370.
• L
manchen Burgen geh alien wurden und in die sich diejenigen mit
Namen und Spruchlein einzeichneten , welche den Trtink uu dem
Willkommbecher bray gethan batten. Da finden sich audi Frauen
verzeichnet; in demTrinkbuch von Schlofz Anibras in Tyixd er-
offnet Philippine Welserin 1567 die Eeihe der Frsuen und -bii
1577 folgen nicht wenige nach, welche den drei Mafs haltenden
Hiimpen des Einschreibens wert handhabten.
Die langen Trinkgelage waren nicht stumm und ohne gcSstige
Belebung» Im Gregentheile entfaltete sich bei ihnen ein sehr regee
Treiben : die wichtigsten Fragen des Volkes and der Grememe wur^
den hier verhandelt , Krieg und Friede beim Becher bosoUofsen
(germ. 22) , Vertrage und K'aufe abgemacht und Erzalungen und
Lieder von den Gottem Konigen und Helden des Stammes an-
gestimmt. Die Nacht vor der Schlacht brachten die G^ermanen
bei fi*olichem Gelage mit heiteren Liedern hin (ann. 1, 66), gien-
gen sie doch auch unter Gesang in den Kampf.
Nur uns modernen Germanen ist es iiberlafzen uns bei den
Gastmalern zu langweilen. Wie die Griechen riefen auch unsere
Altvordem Musik und Poesie an die Tafel. Die Harfe wanderte
von Hand zu Hand ^) und die grofzen Geister und die alten Tha-
ten ,des Volkes stiegen hemiedei*. Die lebendigsten Zeugnifse bie-
> ten^die angelsachsischen Denkmaler. In den unschSt^baren Lie*
dem von Beovulf horen wir * wie Mann fur Mann in der Met*
halle ein Lied zur Harfe singt ; von Cadmon , dem VerfafKer
biblischer Dichtungen, erzaltBeda (hist. eccl. 4, 24) dafs er fra*
her ohne poetisches und musikalisches Talent die Gesellschafien
stets verlafzen babe , sobald man Lieder der Reihe nach ta sin-
gen begann. Jn Skandinavien herrsehte diese schone Weise der
Unterhaltung beim Gelage ebenfalls*), obschon insofem anders
') Nach Jornandes sangen die Grothen ihre Lieder cur Cither, womnter
wir eine mit Darmseitea bezogene kleinere Harfe zn yerstehen haben. (P. Wolf
uber die Lais , Scquenzen und Leiche 245). Nach Yenant Fort 7, 8 wnrde die
Harfe von den Deutschen zur Begleitung ihrer Lieder gebrancht *) Der Ge-
sang hiefz damm dlteiti Bierlust. Egilss. c. 31. Tgl. Odyft. «, 13S. (AoIm^ t
OQXTjatvg za za yaQ t* ava^'^ficcza ^atzog.
848
«l8 die objective altepische Poesie hinter die eubjeetive lyrische
bei dieser Gelegenheit augenscheinlich zuriicktraL Man sang dort
wenigatens in der Bliitezeit der Skalden nicht Volk^gesange,
fiondem jeder trug ein selbstgedichtetes Lied vor, das eine indi-
viduelle F'drbung hatte (Egils b. c. 31). In der hofischen Zeit
dauerte der Brauch durch Gesang die Gastmaler zu wiirEen fort f"
die Tischgenofzen sangen indefsen nicht selbst, sohdern herbei-
gerufene Spielleute iibernamen die Unterhaltnng durch Lied, Vor-
trag von Erzalungen und Musik. Das Volk setzte aber die alte
Bierlust fort und noch heute singen die Bauern mancher Gegen-
den am Schenktische ihre Gesange und tragen alte Schwanke
und Scherzspiele vor.
Erzalungen alter Geschichten waren auch ein recht eigent-
licher Theil der altgermaniechen Unterhaltung. Zwei Theile der
wgenannten Sjpabrra-Edda, Gylfaginning und Bragaraedur, sind
in dieser Weise abgefafzt dafz in dem ersten Gylfi dem H^r,
in dem andem Bragi dem Aegir auf ihre Fragen ausfiirliche Aus-
kunft geben und dabei die Sagen von der Welt und den G^ttem
mittheilen. Diese Unterhaltung (ordliafkipti) ^•ard oft zu einem
formlichen Wettgespr^che , indem eich zwei zur Priifung ihres
Wifzens herausforderten. Solche Einkleidung haben einige Ge-
didite der alteren Edda: im Vafthrudnisliede versucht Odhin
selbst unter dem Namen Gangrad ein Wettgesprach mit dena
vielwifzenden Riesen Vafthrudnir \ Im Alvisliode haben wir eine
Wcttrede zwischen'Thor und dem Zwergen Alvis; den iiberwun-
denen triift der Tod. Aus diesen Wettgesprachen entwickelten
sich zwei Arten dichterieeher Erzeugnifse: das Ratsel und daft
Streitlied (die TenzoneJ.
Die Ratsel sind ein uralter vielbelicbter Theil unserer Poesie^
welcher mit demSinne unseres Volkes uiid der Art unserer altesten
Dichtungen eng zusammen hangt. Sic gaben die Golegrnheit
das Wifzen der alten Sagen und Ijieder in kurzen Zfigcn zu be-
wei>»^n und wsiren obenso ein Mittel die innerliche Verarbeitung
') V^l. J.^ r4riium « rPP(*li. il. <lou;s(li«ii Spuche 762.
des aufzerlich gegebenen in kleinen plastischen Bfldem an das
Licht zu bringen. Der Zug des rfttselhaften, das Streben die
innerliche Anschauung und die Empfindung iiber irgend etwas in
ein Gleichnife zu verbergen das die Thatsache und die Meinung
davon zugleich ausdriickt, zeigt sich in der alteren Zeit nnseres
Volkes vielfach und dauert noch heute in denen fort, welcb^ die
Volksthiimlichkeit stark in sich tragen. Die altnordische Poesie
ist vol! Spuren der Bliite der Eatseldicbtung ; ist docfa dieganze
Art der Skalden im denken und reden ein st&tiges Batselfinden
und Batselaufgeben. Die Angelsachsen zeigen dieselbe Neignng;
sie haben uns in ihrer eignen wie in lateinischer Zunge Denknude
davon hinterlafzen ^), und die deutsche alteste Literatur wfirde
uns gleiche Beweise geben, hatte nicht ein ungiinstigeB Geschick
iiber ihr gewaltet. Im dreizehnten Jahrhundert treten indeffl^
im Tragemundsliede , in den Gedichten einzelner Lyriker*), in
dem Wartburgkriege , die Zeugnifse auch fiir die innerdeutflche
Ratselpoesie'auf. Der Wartburgskrieg hat zugleich den urnltoi
Zug bewart, dafz der iiberwundene mit dem Leben zahlt Ke
Uebertragung der Literatur an den B&rgerstand mochte dem Bat^
sel neue Narung geben , denn mit der Liebe zu dem gnomischen
und allegorischen vereinigte sich das Batsel sehr wol. Die B&t^
sel und die nicht schulmafzigen Gesange, die Yolkslieder, Bind
die frische Seite der Literatur jener Zeiten. Wir besitzen merefC
Batselbiichlein aus dem sechszehnten Jahrhundert, welche auch
ihrerseits ein Zeugnifs von dem kecken mutwilligen Leben jenet
Jahre ablegen. Yieles in ihnen scheint sehr alt und hat siob
noch bis jetzt im Munde des Volkes erhalten, das gleich dei^
Gesellschaften des 17. Jahrhunderts solche Unterhaltung liebt-
Selbst Batsellieder werden noch heute gesungen, die eine schehi'^
0 Lateinische R&tsel verfafzten u. a. Beda, Aldhelm, Tatvm; aaicelsftcb'
sische finden sich im Codex exoniensis (ed. Thorpe as. 380—441. 470 — 475-
479—500). *) Vgl. W. Wackernagel bei Haupt Z. f. d. A. 3, 25. f. Literaturgncb-
SS. 9, 74. Mone Anzeiger Bd. 2. 4. 7. 8. Plotz uber den Sangerkrieg «of War^-
burg. 1851.
851
bare Bestrafung des besiegten m iiberraschender Treue festgehal-
ten haben 0«
Mit den Ratselliedem sind die Str^tlieder oder Tenzonen
verwaudt ; sie sind aber subjectiv und individuell , warend jene
ein allgemeines objectives Gut sind. Die Tenzonen haben in
Deutschland keine Pflege gefunden welche sich mit ihrer Auf-
Dame bei den westlichen Nachbaren vergleichen liefze ; in das Volk
and sie nie gedrungen* Als die Lyrik gelehrt und spitzfGndig
wurde, beliebte man wol diese Gattung, allein es zeigt sich dafz
aie nicht in Saft und Blut iibergieng. Keines dieser Gedichte kann
sich den zum Theil reizenden proven^alischen Tensons zur Seite
stellen. Die Ratsellieder verdankten ihre Entstehung der Lust
des Volkes an der Kunde der Vergangenteit ; diese gab aber nicht
allein der Unterhaltung Stoff , sondem auch das Verlangen nach
Kunde der Zukunft. Als wir von den weisen Frauen sprachen,
batten wir mehrfach Gelegenheit zu erzalen wie dieselben bei
gastlichen Zusammenkiinften sehr willkoramen waren, indem sie
durch ihr Voraussagen allgemeiner Verhaltnifse so wie durch
ibe den einzelnen gewidmeten Prophezeiungen die Stunden aus-
fiiUten. Ich habe nur hinzuzuftigen dafz sich Erforschungsver-
euche der Zukunft fort und fort als beliebte Unterhaltungsmittel
erhielten* Das Blei- und Wachsgiefzen , das Spiel mit Nufzscha-
lenschifFchen und anderes das nicht blofz zu gewifsen Zeiten in
den Gesellschaften getrieben wird, sind Ueberbleibsel jener alten
Gesellschaftsfreuden.
Es ist. hier der beste Ort von den Spielleuten ein par Worte
zu sagen, welche mit dem geselligen Leben des Mittelalters auf
das engste verkniipft sind. Die Spielleute, unter denen uns die
Spielweiber noch besonders angehn, sind wie sie ims in der mitt-
leren Zeit als Volk der Gerenden und Farenden entgegentreten,
ein durchaus ungermanisches Volk , denn sie nemen Gut fiir Ehre,
8ie sind ein feiles Volk *). Eine Erbschaft der antiken Welt an
') Siehe u. a. das Ratsellied bei Simrock deutsche Volkslieder Nr. 367.
*) Leider hat sich dieser schfine gennnnisrhe Grnndsatz , um kein Gut der Welt
S52
(lie mittelalterliche etehen sie jedoch nicht aufzer aller inneren
Verbindung mit dieser; denn wie manche andere GestaltCD und
Gesellschaften dieser Zeit sind sie die Erhalter und Fortpflanzer
fiir uralt heimisches und volksthiimliches geworden. Wir mufzen
der gottesdienstlichenFormen unseresHeidenthumes gedenkcD, un-
ter denen Gesang und Tanz nicht unbedeutend hervortreten wir
mufzen darauf achten wie die Bekerer und die Geistlichkeit noch
mehrere Jahrhunderte gegen Gesang und Tanz des Volkes und
besonders der Weiber in und vor der Kirche eifem, und wie das
was wir hiervon erfaren mit mancherlei Kiinsten der SpieDeote
zusammentriffl: , um zu erkennen dafz das Volk der Gerenden
und Farenden, als es aus Welschland nach Deutschland kam,
viel Boden fand um Wurzel zu fafzen, Ueberdiefz waren unter
den Germanen seit alter Zeit wenn^auch keine Sangerkaste so
doch Sanger und Spielleute vorhanden , welche die Kunst zum
Lebensberuf gemacht batten. Die germanischen Fiirsten strebten
danach., ihre Hofhaltungen durch Manner zu schmGcken welche
mehr als die Menge von den alten Sagen und Liedern kannten
und deren Geschicklichkeit im Harfenspiel das allgemeine Mafz
fibers tieg. Diese Sanger und Spielleute stunden in hohen Ehren
um so mehr als sie nicht haufig waren. So ziehen sie denn von
einem Fiirsten eines kleinen Stammes zum andem und durchwaii-
dern das ganze weitverzweigte Volk, iiberall wol aufgenommen,
mit der alten SS-ngergabe, dem goldenen Armring, beschenkt und
den Fiirsten w'arend ihres Aufenthaltes eng zur Seite. Beim Wei-
terziehen wurden sie oft mit einer Botschaft betraut, denn im Ge-
nufze eines besonderen Friedens waren eie die sichersten Gesand-
ten 0; auch erhielten sie wol den Auftrag eine That von beeon-
die Ehre hinzugeben und der Abschea gegen alle feile Seelen seit langer Zeit
unter uns verloren. ') Vgl. Vilkinas. c. 118. 120. — In dem Botenamte
der Sanger einen Kest priesterlichen Geschaftes zu finden , wie J. Ghimm
Gesch. d. d. Sprache 820, kann icli mich nicht recht entsehliefEen ; denn das Bo-
tenamt der Pricster ist mir durch die initiriQV'iiSLa der getischenPriester nicht ge-
nu^ bezeugt. Die Priester sind wol die Yerkiinder des gottlichen Willen, sie k&n-
nen auch wichtige Geuandschat'ten ubernemen, allein dafz sie su blnfften Botea der
35S
lerer Ruhmwiirdigkeit oder Schande zu verbreiten und gemein
su machen, sie waren der Mund des Volkes. Jenes Botenamt (
and diefz Scheltamt haftete ihnen so feet an, dafz es noch auf ihre
Qiediigeren Nachfolger, die Farenden, iibergicDg. Spielweiber wur-
den zu Boten (Parz. 362, 21), Spielleute zu Scheltern gebraucht,
welche Lob und Tadel je nach dem Auftrage ausbreiteten ^).
Mit der allgemeinen Aenderung welche sich nach und nach
in der ' mittelalterlichen Gesellschaft und namentlich in der Fiir-
Btenmacht und dem Hofleben ergab, anderte sich auch diefz und
jenes m Bezug dieser Sanger. Aus dem weiten Raume zwischen
der Volkskonigschaft und der vollen Ausbildung des mittelalter-
lichen States sind uns von den Hofsangern nur geringe Spuren
erhalten, denn die Skalden, deren Bliite in diese Zeit fallt, un-
terscheiden sich von ihnen. Bei diesen ist die Poesie nicht das
einzige, was sie auszeichnet und ihre Ge^enwart den Fiirsten an-
genem machte; sie sind die edelsten und kiinsten der nordischen
Manner, deren Schwert mit ihrer Zunge an Furchtbarkeit wett-
eifert. Nur wenige von ihnen geben sich in ein eigentliches Hof-
verh'altnifs , von einem Gewerbe machen aus der Kunst sind si6
veit entfernt. Mehr Aenlichkeit mit jenen altgermanischen S'an-
gern haben die Dichter der hofischen Zeit. Auch sie ziehen votf
einem Fiirstenhofe oder von einer Burg zur andern, treten wo
es geht zu den schiitzenden Herren in ein naheres Verhaltnifs
und Buchen sich ihre Stellung moglichst zu sichern und dauernd
2u machen Indefsen ist dieselbe nicht mehr so gunstig wie die
der alten Sanger; denn sie sind weniger geeucht als suchend, sie
leiden unter der zalreichen Mitbewerbung und selbst ausgezeich-
Dete konnen es selten hoher als zur notdiirftigen Fristung ihres
Lebens bringen, Diese ritterlichen Sanger und die befzeren der
^enschen gebraucht wurden, scheint mir bei ihrer sonstigen Stellung als Bichter
^d Aelteste nicht recht glaublich. ') Grimm Recbtsalterth. 953. Iwein SS. 349. 544.
Seifr. Helbl. II. 1290. if. VII. 803. Fur die allgemeinere Bedeutung von fceltdri
(dinotator) spricht die von Lachmann aus Grieshabers Prcdigten 1, 67 angefUrte
Stelle. — fceltan mag weniger zn/culan als zu fcal (natiirlich durcl^ die Form fcU
▼ermittelt) gehoren.
23
354
biirgerlichen Melster sind jedoch noch volHg von dem Volke der
Farenden oder den Spielleuten unterschieden. Sie adelte die 6abe
der Poesie, diese traf aller Fluch der sich an die Knnst heftet
wenn sie nach Brot gehen mufz, und ihre Kunst bestund oft in
nichts anderem als in dem niedrigen Haschen nach einem Lachen
der Menge.
Die Banden von Musikem, Gauklem, Puppenspielem und
Tanzem, welche sich aus der verfallenden romischen Welt in die
aufsteigende moderne hineinretteten , sind ohne Vorfaren in dem
germanischen Volke. Die Germanen kannten wol Volksspiele von
alter Zeit, ihre Jiinglinge fiirten offentliche Schwertt&nze auf,
allein nur zur Ehre nicht um Gut ^). Wenn Snorri Sturluson
(Snorr. edda 1. Yngl. s. c. 5.) von der Gottin G^fion erzalt, dafz
sie als farendes Spiel weib umherzog, so ist das fur eine der jiing-
sten nordischen Sagen zu erklaren; der freie Germane hielt sei-
ches Leben for eine Schmach; wie hatte er seine GOtter ismil
belasten sollen *) ? Das Scherzspiel (fkemtun) das zur gesellschaft-
lichen Unterhaltung in den alteren Zeiten im Volke aufgeftkrt
ward, lafzt sich noch in seinen Hauptziigen zeichnen und ist fflr
die alteste Geschichte der Spielleute von Bedeutung. Feinen gei-
stig verklarten Scherz diirfen wir nicht erwarten; wenn wir die
Pofsen des Landvolkes oder der Kinder betrachten, so mSgen
wir die Spiele unseres Alterthumes erblicken. Rohe ungeschickte
LeibesbeweguDgen, Priigel oder andere Verletzungen welche den
Getroffenen zu grimmigen Aeufzerungen des Schmerzes reicen,
plumpe Mummerei, das sind die Mittel zum Lachen und Lachen
ist die Hauptsache. Skadhi, die Tochter des erschlagenen Biesen
Thiafsi, hat zu einer der Suhnbedingungen gemacht dab man ihi
ein Lachen ablocke. Da bindet Loki ein Band mit dem eineD
Ende um den Bart einer Ziege, mit dem andem um seine Schax^
') Exercitatio artem paravit, ars decorem, non in quautttm tamen out
eedem, quamvis audacis lascivicB pretium est voluptcts spectantium, Gtemou cap. ^^
*) Gefion war als Meergottin FreuuiLin von Gesang Mosik and Tarn. Dftimn ^'
jene junge Sage gekniipft.
S55
und schleppt sich springend mit dem Thiere henim. Dariiber lacht
die Gottin und die Stthne ist geschehen '). Als Vorbild jener Un-
terhaltung kann femer der Aufzug des Herzogs Berker mit sei-
nen Riesen am byzantinischen Hofe angefiirt werden , durch
welchen er die notige Einsamkeit fur die Zusammenkunft seines
Konigs Rother mit des Kaisers Tochter gewinnt. Mit ungefQgen
pofsenhaften Bewegungen ziehen die Riesen durch die Strafzen;
Widolt mit der Stange hiipft und springt wie ein Hirsch, Asprian
der Spielmann iiberschlagt aich , Grimme springt zwolf Klaftern
nach einem Steine den er vor sich her scbleudert und alles Volk
eammelt sich und staunt und lacht ^). Das Nachaffen der Thiere
hat an diesen Pofsen einen grofzen Theil; es hangt diefz sowol
mit einer menschlichen oder kindischen Neigung, als auch mit
der religiosen Bedeutung der Thiere zusammen. Als Symbole und
Begleiter <Jer Gottheiten wurden sie in die gotte&dienstlichen Auf-
und Umzuge verflochten , die besonders bei (Jen Jahrzeitfeiern
Btatt fanden. Die beliebtesten Thiere in dieser Art waren der Bar
und der Schimmel, dieser mit Bezug auf Wodan, jener wie es
Bcheint wegen Donars. Beide Thiere erscheinen noch heute in den
Volksspielen , zwar nicht mehr in eigener Gestalt, aber dqrch
vermummte Menschen dargestellt. Unser Alterthum liebte naTOcnt-
lich kunstreich abgerichtete Baren. Das I^teinische Gedicht von
Budlieb erzalt von zwei solchen Thieren, die weif? mit schwarzen
Beinen und Fiifzen waren und aufrecht wie ein- Mensch giengen
und die Vorderfufze wie Arme zum IJeben von Gefftf^en benutz-
ten. Wenn die Spielleute die Seiten stricjien, tanjsten sie im Tacte
nach der Weise. Dann sprangen sie in die Hobe und iiberscblugen
sich, oder sie rangen mit einander und tru^en sich wechseUeitig.
Auch unter die Zuschauer drangen sie ein und boten den Weibern
brummend den Arm zum Tanz , den diese lustig springend mit
ihnen traten ^)» Oft arteten diese Barenspiele aber ins Grausame
0 Ueber die Bedeutung welche diese Sage in Lokis Geschichte hat s. meine
Bagen von Loki S. 72. f. £ine Unanstandigkeit der Baabo brachte nach griech. Sage
di« trauernde Oemeter zum Lachen. *) Roth. 2152—2165. ") Uudlieb III. 84 — 98.
23*
356
auSy denn es wurden ihnen auch Menschen mit Honig bestrichen
zum Frafz vorgeworfen ^), ein Rest dee Menschen opfers welches
dem Gotte gait, defsen Symbol der Bar war. Diese grausame
Rohheit eben so wie das freche und unanstandige was bei dlesen
Spielen mit dem Bar gewesen zu sein scheint, veranlafzte die
Kirche die Theilname daran zunachst den Pries tern zu verbieten *)♦
Alle jene Pofsen, Aufziige, Reihen, Sprtinge und Gesangey welche
von dem Volke und namentlich von den Weibern auf Strafzen
Platzen und in den Vorhallen der Kirchen wie mitten in diesen
bei Tag und Nacht getrieben wurden, waren librigens allgemeine
Volkssache und nicht Erzeugnifse der Spielleute. Allein sie boten
den festen Halt an den sich diese anklammerten und durch wel-
chen sie sich einbiirgerten.
Die romischen Gaukler und Mimen , die joculatorea , hi-
ftriones , thymelici und wie sie hiefzen , batten sich fiber die Zeit
des romischen Reiches hinaus in den germanischen Landem er-
halten. Der Ostgothenkoiiig Theoderich hatte in seiner allgemei-
nen Sorge fur die bestehenden romischen Verhaltnifse auch den
Histrionen seine Theilname zugewandt , suchte sie durch den
tribunus voluptatum zu einiger Ordnung zu bringen und sorgte
tHr alte Mimen, da er ihren Lebensberuf fiir keinen unniitzen
ansah indem sie dem offentlichen Vergnftgen dienten. (Cafsiod. var.
2, 9, 3, 51. 4, 51. 7, 10). Theoderich 11. der Westgothe war
kein Freund ihrer Kiinste^). Dagegen ergetzten sich die Yanda-
len gem an diesen romischen Gauklem ^), Am zalreichsten gedie-
hen diese Ban den im siidlichen Frankreich. Die Poesie war nur
Nebensache bei ihnen, Gaukelkunste , Tlkize, allerlei Seilt&nzer-
stuckchen, pantomimische Auffbrungen , Spiele mit abgerichteten
Thieren , das waren ihre hauptsachlichen Uebungen und Fertig-
keiten. Aus dem Siiden suchte das Yolk nach dem Norden und
') Maiicoy. comment. L. Y. p. 359. ') Nee turpia joea cum itr*o vel tot'
natricibus ante se facere permittant. Hincmari cap. ad presbyteros c 14. W. Wa-
ckcrnagel bei Haupt 6, 185. ^) Sidon. AppoUin. ep. I, 2. *) Procop. b.
vaud. II, 6.
85?
Oaten zu dringen, was ihm auch seit dem achten Jahrhundert
gelungen ist. Dafiir zeugen die deutschen Namen welche die Glo-
fsen seit jener Zeit fiir Pofsenreifzer , Schauspieler , Tanzer und
Springer aufRiren 0- Ich lege dabei besonderes Gewicht darauf,
dafz diese Namen nicht durch Sanger und Harfen spieler wieder-
gegeben werden , und meine demnach dafz die einheimischen
Volkssanger und Harfen spieler sich im Anfange von diesen frem-
den Seiltanzem und Mi men vOllig absonderten und eine hohere
Stellung noch lange behaupteten. Als eine leichte Reizung aber
auch als schwerstes Gewicht zu tiefem Sinken batten sich diesen
Spielleuten und Tanzem seit romischer Zeit Weiber angeschlofzen.
Schon Childebert I. sah sich um 554 veranlafzt gegen den Un-
fug dieser Weiber (banfatrices) einzuschreiten (Pertz legg^ I. 1)
und Hincmar von Bheims warnt seine Priester vor diesen toma-
trices; die Glofsen aber setzen ohne weiteres hinter ihre Namen
das Zeiignifs ihrer Sittlichkeit ^). Die Tanze und die pantomimi-
Bchen Darstellungen in denen sie auftraten , mOgen etwas frei
und frech gewesen sein ') ; dasVolk scheinen sie jedoch sehr er-
getzt zu haben.
Das leichte Volk der Farenden und Gerenden war auf die
Gunst der Menge angewiesen und muste sich also nach derZeit-
stimmung richten. Sie trieben in der ersten Zeit nur jene schon
beschriebenen Kiinste und unterhielten wol auch durch Pup-
penspiele. Diese von Holz , Lappen oder Wachs gemachten To-
cten *) wurden an Faden gezogen und ihnen ganz wie heute
^lerlei Reden und Gesprache in den Mund gelegt ^). Sie erhiel-
') Spiliman: fcurra mtmus» hiftrio. thimelicus fcenicus. Graff 2, 746. HUmdri :
^y^^o, jcurra, f alius. Graff 5, 424. trutdri : faltator. Graff 5, b*22* fprangdri :
^^fator Graff 6, 399. fcirno: fcurra, joculator. faltator, fcortator, Graff 6, 550.
^^pAari: hiftrio Graff 1, 788. *)fpilwtp: tympaniftria. fcortum. Grff. 1. SbS.fpOama*
P^larra: theatrica. meretrix* Graff. 6, 331. Andere Namen waren bachi: faltatriv
'*"^« 3, 29. turner/chin (von tumon rotari), ') Adam. gest. bamab. eccl. pont. 3, 38.
^ocha: miina. pupa bereits in sehr alten Glofsen. Graff 5, 364. vgl. MSH. 2,
**•* In Schlesien heifzen die Marionettenspieler und Gaukler noch heute Tocken-
*^^ler. 5) 1,1 Herrads hortus delic. ist mit der Ueberschrift ludus monfltrerum
^ I'ockenspiel abgcbildet; es sind zwei Bitter die mit einander fechten. Zu be-
8S8
ten anscheinend auch altmythische Gestalt, wenigstens heifzen
sie zuweilen Kobolde und Wichtel und etehen vielleicht nicht
aufzer Verbindung mit dem heidnischen Gotterdienste (Vgl. Grimm
deutsche Mythologte 1, 468)»
Die Poesie war den Spielleuten in Deutschland noch lan-
gwe Zeit verschlofzen ) denn die geistliche und gelehrte Dicht*
kunst war ihnen von selbst verwert» die volksthAmliche aber waf
im Besitze eigener Sanger und das Volk wird sein altes Erbe
gewifs nicht so leicht in dett Mund dieser verachteten Menschea
gegeben haben> Dafiir namen eich die Farenden bald der InstrU''
mentalmusik an» Zu ihren Tansen Und Pantomimen batten sie
seit alter Zeit Floten- Lauten- und Paukenbegleitung; hierzu
traten allmalich verschiedene Arteti Von Harfen > die Fiedeln,
Geigen und mancherlei Blaseinstrumente. In der hofischen Zeit
ward die Fertigkeit auf folgenden Tonwerfcaeugen von ihnen ver*
langt : Fiedel , Geige > Eotte ') , Laute (mandura) > Flote , Quer*
pfeife y Bohrpfeife ("caramella) > Dudelsack ^ Dfehorgel (fymphoniei
chifonie) , Horn ^ Trompete , Posaune Und Trommel '). Die deut*
Bchen Spielleute scheinen hinter den welschen nicht iSurUckgestan-
den zu haben ; es werden sogar in Frankreich die deutschen Gel-
ger und die bomischen Flotenspieler beeonders geriimt^und die
deutschen Instrumente stunden bei den Proven^alen und LombaT'*
den in besonderem Ansehen ^).
Die Spielleute gewannen jedoch noch weiteren Boden. E«
gab unter den Geistlichen und Monchen seit friiher Zeit pflicht-
vergefzene und leichtsinnige ; bekannt ist dafz ihre Zahl unter den
Franken namentlich nicht gering war und dafz pflichttreue Bi-
achten ist auch eine Stelle aus Malagis, bei Hagen Germania 8, 880. Dafs di»
nordischcn leikarar auch Tocken ( marackar) mit sich ffLrten beweist die Stelle
Furnmannas. 8, 207. ') rota und fauteri (pfalterion) werden im Roman de FU-
menca geschicdcn, obschon sie sonst zusammen zu fallen scheinen. Wolf Lais S45»
^) Raynouard lex. rem. 1, 9. 4, 167. Diez Foesie der Troubadours 42. 45. t vgl*
auch Du Cange s. v. baudosa. W Wackemagel Literaturgesch. Ss. 17, 97. 108.
") et 81 avoit bona leuteurs et des flauteurs de Behaigne et des gigtioMrs dAUmaigmB
liom. de Cl^omades (Monmcrquc et Michel theatre frani;. 105.) — • ecMtar damzat
a la provenzalesca con u{ffrumenti novi d'Aleniagna, Potti del primo teeoh S, 175*
hofe und auch Karl der Grofze durch sie zuletzt 2um ganzli-
en Verzichten auf ihre Befzerungsversuche genotigt wurden ^)»
ele dieser Idderlichen Kleriker streiften in den Lftndern umher
d gerieten dabei mit dem Volke der Spielleute in BerQrung;
3 leichte halbkiinstlerische Treiben zog sie an wie in epaterer
t verdorbene Genies durch die Komodianten gelockt wurden,
] sie mischten sich unter die Banden. Mehr als einmal haben
Synoden und Koncilien im 13. und 14. Jahrhundert gegen
sen Unfug geeifert und die Kleriker welche Jokulatoren , Hi-
ionen , Galiarden und Bulffonen wurden, mit Ausstofzung aus
n Orden und der geistlichen Gemeinschaft bedroht *). Es half
ht viel. Das Leben war so frei und verfurerisch , selbst bei
gerer Kost lebte es sich mit den lockeren Gesellen und den
alligen Weibern auf der Landstrafze befzer als am fetten
che im diisteren Refectorium, und manchmal war sogar ein
er Gewinn zu erhaschen. Verliefz doch in der Blutezeit der siid-
izosischen Lyrik selbst ein Prior des Klosters Montaudon seine
sterliche Stellung und schweifte freilich nicht als Spielmann
ylars) , aber doch als farender Dichter und Sanger durch das
nd. Indem er seinen Gewinn dem Kloster zuwandte, erhielt
von seinen Oberen die Erlaubnifs zur Fortsetzung seines welt-
len Lebens, gieng nach Spanien, war bei Alfons von Aragon
iebt und trat zuletzt wieder in eine Priorei, die ihm sein
t zum Lone gegeben hatte ').
Die Kleriker und farenden Schiller , welche hinzutraten *),
)en den Spielleuten zum Danke fur mancherlei Lust und Na»
J^
*) Rettberg Kirchengesch. Deutschlands 2, 657-^gj^ . *) Stat, synod* e^^c.
d. 1287. c. 12, 5. (Hartzh. 3, 700). Concil. Salisburg. f»10. §. 3. (Hartzh?^,
). Vesont. concil. 1480. c. 6. (Hartzh. 5, 509.) *) Uebit den Monch voft
itaudon s. Diea Lcben der Troubadours S. 333. *) Die 'I^Mrenden Schuler
ten sich im allgemeinen mit den Spielleuten zusamiiien. vgl. I>imBj}rger Kronik
gel) S. 129. Gegen die vagi scholares geht unter andem das S«. cap. der constit,
onradi archcpisc. Salisb. 1291. — Mit diesen Leuten yerbanden sich nicht
3n die Kampfer (campiones), denen die chevaliers sauvages (cavalier saiiMbtge)
entsprechen scheinen. '" l
860
rttng erne Erweiterung ihres Feldes. So gering Uuch ihre gelertell
Kenntnifse sein mochten, so hatten sie doch die Anung erner
verschwundenen herrlichen Geisteswelt > zu deren HeranfbeschwO'
rung die Zauberzeichen in ihren Biichereien lagen. Die antiken
Sagen waren wenn auch kraus und wunderlich zu ihrem Ohre
gekommen, der kirchliche Dienst hatte ihnen Miisik und Poesie
nahe gebracht , und ihr Leben untef den Farenden stelte die For*
derung an sie , aufzuweisen was sie zur Unterhaltung und zam
Erwerbe vermochten* Die Spielleute> denen Erzalung tind Lied
bisher nur in seltenen Fallen wenn iiberhaupt vergonnt gewesen
war, erhielten nun ein Feld wo sie weder mit der Eirche noch
mit der Volkspoesie zusammenstiefzen* £s trat tiberhaupt der
grofze Umschwung in dem abendliindischen Leben ein welcher
die Kunstpoesie erbliihen liefz und ftir die Spielleute fielen gol*
dene Blatter von den Baumen* Die befzeren und talentYolIe^
ren traten zu den Dichtern als Begleiter ihrer Gedichte nut Fie*
del oder Rotte und als Verbreiter ihrer Dichtungeii in eiil nahe*
res Verhaltnifs. Die Spielleute sind fur die mittelalterliche poeti*
sche Literatur was die Prefse fur die heutigen Dichter ist Durch
sie wurden die Gedichte von Land zu Land getragen und die
Sale wie die Strafzen und Plsltze damit erfcQlt. Es wurde nun*
mohr fiir die ausgezeichneteren Spielleute Notwendigkeit eineii
Vorrat von neuen Dichtungen im Gedachtnifse 2U haben. Ihw
oigene Productivitat stund zu der Mafse defsen , was sie ^eclti^
ton , in keinem Verhaltnifs* Aus dem zwolften Jahrhundert and
uns iiierere deutsche epische Gedichte erhalten, welche vonSpid-
loutcn herzuriiren scheinen und in denen wir also die Wirkuug
ihres Verkeres mit Klerikem und farenden Schiilem vorliegen
haben. Der Stoflf derselben ist aus der Legende (Orendel. Os-
wald) , aus der Volkssage (Rother) und aus gemischter Sap
(Salomon und Morolf) genommen; alle sind in roher aber lebeo-
(lljjfcr Form, zum Theil in roher und gemeiner Auilkfzung, hier
und da mit frechem Spott geschrieben, wie ihn jene leichtfertigCD
Kleriker auch iiber heilige Gegenstande ergofzen. Man sieht am
diesen Gedichten wie aus den volksthiimlichen Epen dee wnken*
861
ien 13. Jahrhunderts , dafz diese Leute zum dichten zu ungebil*
let waren. Es ergibt sich zugleich dafz eie nunmehr auch die
i/^olkssage behandelten ; sie begniigten sich nicht mehr an dem
rfiher verwerten ^ an dem Vortrage altererbter Lieder , sondern
ie wolten eie verarbeiten* DieErzalung war tiberhaupt ein frucht-
)are8 Feld fur sie ; alle jene kleinen Geschichten und Schwan ke,
seiche zum Theile aus dem Morgenlande gekommen, aus romi-
ichen und byzantinischen Quellen vermehrt, von den Geistlichen
[epflegt und im Volke gem gehort wurden^ trugen die Spielleute
^on Ort zu Ort Und Vervielfachten sie wol aus eigener Phanta-
ie und eigenen Erlebnifsen. Dieselben waren der Wortkommentar
;u den luderlichen Streichen und obscOnen Darstellungen ihres
jebens*
Es Waren im Ganzen nur wenige Spielleute welche das an-
tandige Leben als Begleiter der Dichter uniS Verbreiter ihrer
3ichtungen erwalen konnten, denn neben geistiger Begabung war
in feineres Benemen notig, da sie durch die Kunst in die be-
iten Gesellschaften gefiirt wurden. In aufzerer Achtung und im
^nzen Leben Unterschied sich der grofze Haufe der Farenden
^on diesen vornemeren Spielleuten sehr scharf. Auqh in Frank-
eich wurden die bouflFons von den jongleurs getrennt; auf An-
rag des Troubadour Guiraut Riquier bestatigte Konig Al-
one X. von Kastilien 1275 diese Scheidung. Die boufFons waren
nernach die gemeinen Kerle, welche Affen Hunde Bocke und
foge\ Kunststiicke machen lafzen, fiedeln und blasen und ihre
5uhGrer auf . den Strafzen finden. Die Jongleurs dagegen sind
i&nstler auf ihren Instrumenten und begleiten die Lieder ande-
er oder tragen selbst Lieder und Erzalungen vor, welche die
troubadours verfafzt und komponirt hatten. Ihre aufzere Bildung
pbt ihnen Zutritt in die vornemsten Hauser. Von der Menge der
■arenden entwirft auch ein deutscher Dichter aus dem Ende des
^' Jahrhunderts, der Kanzler, eine bittere Schilderung. Der
■^^tQ lebe von Betrug, der zweite von Spiel, der dritte liige sich
^^ den Hofen herum , der vierte sei ein Seiltanzer , der fiinfte
piele denNarreU) der sechste lebe von epotten und schelten, der
M2
eiebente handle mit alten Kleidem , der achte sammle Federn,
der neunte thue Botendienste , der zehnte lebe von der Lfider-
lichkeit seines Weibes , seiner Tochter oder Ma<./d ^). Man hum
eich nichts widerlicheres denken als diese entsittlichten hungern*
den und lungemden Banden , welche zn Hunderten dnrch du
Land streiften, wo sich nur ein Fest zeigte den Kaben gleick
eich samraelten und ihre durchlocherte Hand frech fordemd lun-
hielten. Scharen von farenden Leuten begleiteten auch dieEieoz*
farer nach Asien; hier lemten sie mancherlei zu, denn auch bei
den Morgenlandern waren Gaukler seit alter Zeit zu finden, die
mancherlei neues den abendlandischen Spielleuten zeigen konnteii*
Die kristlichen Ritter waren gegen diese heidnischen KQnsder
und namentlich gegen die Kiinstlerinnen nicht unempfindlich und
Kaiser Friedrich 11. nam sogar ein Par sarazenische Spielweiber
mit nach Europa, die er sp'ater durch andere ersetzt zu haben scheint,
denn noch 1244 ergetzte er Richard von Komwall bei einem
Besuche durch die Tanze und Kiinste zweier sarazenischer Wd-
ber. Sie furen singend und mit pantomimischen Bewegungen and
Cymbel schlagend aufKugeln an dem glattenFufzboden hemm').
Warend seines Aufenthaltes in Syrien unterhielt. er einmal (1229)
Sarazenen, die bei ihm afzen, durch die KCinste kristlicher Spiel*
weiber, was ihm nicht wenig von den orthodoxen Kristen ubd
genommen wurde ^). Genug wir sehen die Elreuzziige auch von
Einflufz auf die Spielleute und die Stellung der Spielweiber' n
den vornemen frivolen Kreisen wird zugleich klarer. Auf ihn»
lastete der ganze Fluch solchen farenden Lebens Qatiirlich nock
schwerer als auf den Mannern. Wenn sie nicht gleich ihrer Ur-
') MSH. 2, 390/ — Ueber die provenzalischen joglars eine Btelle «•
Matfre Ermenguan bei Diez Poesie der Troubadours S. 57. ■) Solche tiU«-
terefses und tjmberefses werden auch im Rom. de la Rose 767 ft, erwllmt Bo-
queforts Deutung (Glofs. rom. 2, 595) des Wortes tableterefse von table (Brtrt*
spiel) ist falsch. Eine Beschreibung des Tanzes dreier Kunsttiiuer in Galfridi de
Viuosalvo poetria nova v. 632 flf. bei P. Leyser hist. poet, et poem. mcd. »f^
p. 806. ff. 0 Math. Paris. II 361. 569. Ueber Friedrichs H. Vorliebe tb^
farenden vgl. auch Cento novelii antiche nov. XI. Ueber Manfrede BpieUentA «■•
Stelle bei Ottakor. von Steier (Mafsmann Kaiserkronik 2, 595.)
ten
s
^nkelin Philine eine tugendsame Maske umzunemett vermochten,
waren sie von den wirklich gutett Gesellschaften strehger ttls die
Spielmanner ausgeschlofzen ^ ; die Folge War dafz sie um so
defer sanken.
Aus der tlefen Verachtnng der. Farenden folgt ihre tief e
Stellung im Rechte* Die Germanen dauchte es unnatUrlich dafz
jemand seine Ehre um Geld hingebe; ein solcher ward denen
gleichgesetzt ) welche die Freiheit mit Unfreiheit vertauschten ;
er hatte kein Recht und keine Porderung an Bufze. Der Klopf-
fechter um Geld konnte hach dem altfriesischen Rechte (1. Fries.
V, 1) straflos erschlagen werden; der Sachsen Spiegel gab ^en
Spielleuten und denen die sich «u eigen geben nur eine Schein-
bufze, namlich den Schatten eines ManneS) den Kampen und
ihren Kindern nur den Glanz den ein blinkender Schild gegen
die Soune wirft (Sachsensp. HI. 46)» Die gothlandischen Rechte
gestatteten den Erben eines erschlagenen Spielmannes dann die
voile Bufze, wenn er es VermOge eine junge ungefcamte Kuh,
die einen Hiigel hitiunter gepeitscht wird, mit fettigem Hand-
fichuh am Schwanze zuriick zu halten ^). Der Schwabenspiegel
(Landr. 18. 41.) enterbte den Sohn der gegen seines Vaters
Willen Spielmann wird und erklarte die Spielleute fiir rechtlos;
die Stadtrechte verweigerten ihnen d6n Zutritt oder zwangen sie
2U offentlichen Arbeiten , und Konig Rudolf I. schlofz sie von
dem Landfrieden von 1287 aus % Die Kirche hatte sich seit alter
Zeit gegen sie erklart und behandelte sie wie abgefallene; nur
eelten war ihnen der Zutritt zu dem Altare gestattet. Auch ihre
aufzere Erscheinung wies auf ihre niedrige Stellung im Rechte
nin; es scheint namlich durchgehende Forderung gewesen zu sein
dafz die Spielleute ihr Har und ihren Bart schoren. Das lange
Har, der Schmuck des freien Mannes, war ihnen also gleich
*) Eine Sangerin und Fiedlerin in koniglicher Gesellschaft Georg 2455 ff
^ne Spielmannin mit der Rotte vor Krimhilt Roseng. C. 999—1002. *) Vest-
Sotal. 1. Lekarr. Ostgotal. drapab. 18, 1. vgl. Rechtsalterth. 678. *) n. 48.
I^crtz legg. II. 430.
364
den Knechten versagt 0- Ini iibrigen scheinen sie in DeutscUand
kiirzere Oberkleider getragen zu haben als gewonlich war; in
Frankreich putzten sie sich moglichst auf, liebten es in Beideneii
Gewandern zu gehen die phantastisch mit allerlei Knoten be-
eetzt waren, und trugen auf dem Kopfe einen schwankenden
Schmuck von Pfauenfedern ^). Wer mochte zweifeln dafz die
deutschen Spielleute sich nieht ebenso aufputzten , wenn es ihnen
nur moglich war. Gemeine Komodianten und Seiltanzer eachen
ja noeh heute durch auffallende Tracht die Menge zu locken.
Die Spielleute belebten nicht nur die vomemeren GreflcE-
schaften in den Zimmern, sondem eijustigten auch die Menge
auf den Strafzen und freien Platzen. Das Offentliche Leben im
Freien haben wir durch das zunemende Zuruckziehen auf ffie
innere Ilauslichkeit, das mit der Beschrankung unserer politiechen
Macht nach aufzeii Hand in Hand gieng, so gut wie verlorwi.
Wir arbeiten im Zimmer, wir erlustigen uns im Zimmer, gleieb
als sei draufzen unter dem blauen Gotteshimmel kein Raum f&r
frohe Menschen. Nur die Kinder und zuweilen die Landleute be-
trachten die Strafzen und Platze und griinen Wieeen als die
echtesten Erholungsorte. — In der Vorzeit war es anders. Der
Gottesdienst und das Gemeineleben batten ihre Staten im Walde
auf Hijgeln und Feld. Die Natur war mit dem Volke eng ver-
bunden, es sah in ihr die Wonung der hohen Goiter und in ihren
Erscheinungen die Aeufzerungen der Macht derselben. Der Got-
tesdienst war wesentlich ein Naturdienst ; der Sommer in aeiner
Hohe, die Ernte, der Winter als Vorlaufer des Friihlings und
dieser selbst , der griinharige Knabe mit den Veilchenaugen,
wurden jubelnd |?egrufzt und den treuen Gottheiten Dank dafUr
geweiht und neue Bitte angekniipft. Es waren fiir jung und alt,
reich und arm , Mann und Weib Feste , welche als goldener
Ramen sich um die Zeiten des Jahres spannten und sie erhellten.
') Die Bilder in der Heidelberger Handschr. des Sachsenspiegels und Rnct
Glabcr be! Dii Chcsue IV, 38. *) Fauriol hist, de la poesie provenfale 8, %A%.
vgl. auch Sid. Apoll. ep. II. ^.
865
-
Die heiterste Zeit war der Lenz '). Schon zum Jahresanfang'
s^enn sich die Sonne wandte , wurde in der Hoflfnung auf ihn
jin Fest gefeiert und die Jahreszeitgotter durch allerlei Umziige,
lie sich bis heute erhielten, angerufen und um glQckliches Ge-
leihen des neuen Jahres gebeten. Nach wenig Wochen waren
eue Festtage; mit griinen Tannenreisern die festlich geschmiickt
^aren , hielt man Umziige und sang zu den Gottem Lieder;
der es ward ein Wettkampf zwischen Winter und Sommer ver-
Qstaltet. Der Winter trat auf in Moos Stroh oder Pelz ver-
lummt, der Sommer in Epheu.oder weifze Gewander gekleidet
nd unter Zurufen des Volkes begannen sie einen Wettgesang
der einen Zweikampf der mit des Winters Niederlage endete.
>a nahete nun der Friihling und zu Ehren der Ostara , der Auf-
angsgottin, loderten Feuer auf den Hiigeln, froliche Gesange
rschallten , Reigen zogen sich um die heilige Flamme und Friih-
ngsblumen wurden geopfert. Die Welt war zu dieser Zeit rei-
er; heiliges keusches Feuer wurde entziindet*), das Wafzer
atte besondere Krafte und die Erde erhob sich zu neuer frischer
^hatigkeit* Frohlockend ward jedes Zeichen des neuen Lebens
►egrufzt : wer das erste Veilchen fand , verkiindete es den Nach-
>arn und alles zog zu der Stelle wo der freundliche Fruhlingsbote
profzte. Das Bliimchen ward auf eineStange gesteckt, die auf dem
Canzplatz befestigt wurde und mitGesang und Tanz drehte sich die
Slenge darum. Die erste Schwalbe, der erstfe Storch, der ersteMaik'afer
?vurden festlich empfangen ; wie die Erde zum Himmel aufjauchzt,
ier die gramliche Ehemannsmiene abgestreift hat und ihr freund-
lich und lockend wie ein Br'autigam die Arme entgegenbreitet, soju-
belte auch das Volk auf und Anger und Strafzen wurden voll Menschen
0 Vgl. hier J. Grimm deutsche Mythologie cap. XXIY. Sommer und
Winter. *) In Alt-Henneberg in Oberbaiem durfte sich diesem Feuer kein Weib
der Madchen nahen. Panzer Beitrag zur Mythologie S. 213. Ich zweifle dafz
diefz germanisch ist, glaube im Gegentheil dafz hier die Kirche mit ihrer An-
8icht vom Weibe als einem unreinen Wesen eingewirkt hat. Das Osterfeuer
^ird dort mit einem Licht angesteckt das an heiligem Kirchenfeuer entzUndet
wurde.
am Foierabend und am Ruhetage ^). Und kam nnn der Mai uni
kara Pfingsten, das Fest der Freude, war die fale Heide giiin ge-
worden und stritten die Blumen mit dem Grase war von ihnen
langer sei , sehlugen die Nachtigallen Zeisel und Amsel, da brack
der Strom der Lust nocb unaufhaltsamer herror, Strafzen Bnm«
nen und Thiiren wurden durch die weifzen Stamme der za^tenBi^
ken und durch duftige Krauter in anmutige Baumgange verwan-
delt, die Bursehen schmiickten mit den schSnsten Baumen das
Haus der geliebten , pflanzten wol keck einen Maienaweig auf dcfl
Daches First und in lustiger griiner Verkleidung durchzogen ric
die Dorfer. Mancher Branch ware hier zu berichten, denn kdn
Land kein Dorf war so niiehtem dafz es nicht zu dieser Zeit eio
Zeichen der Freude gegeben hatte, Verkleidungen in Laub und
Blumen, das Aufsuchen eines geschmiickten Pares im Walde und
ihr heiterer Einzug im Dorfe, Verfolgungen in Moos gekleideter
und anlichcs finden sich in mannichfacher Abwechselung. Der ]^
zug der Sommergottheit und die Vertreibung der letzten NachzQg-
ler der Winterherrschaft sind die bedeutendsten Ziige daraus.
Der Sommer schritt vor und die Sonne kam an die SteDe wo
sie vom neuen sich wendet. Der Ian gate Tag gl&nzte fiber der Erie
und in seiner spaten Dammerung blitzten erst in den Thaleniy dann
auf denHugeln und zuletztauf denBergesgipfelnFeuer auf; munteie
Soharen sammelten sich darum und jauchzten mit Lied , Beigen nod
Scherz dem nahen Morgen zu. Wer gleich mir Johannisabenderinne^
rungen h^t, wirdihrer tief poetischenStimmungstetseiDgedenksdn,
mag er auch ihren Schauplatzen entfurt sein^). Ich sehe das achOnerei''
che Thai meiner schlesischen Heimat mit dem prachtigen dunkebOe*
birgsgurtel gen Mit tag, im Nor den den Hohenzug des Zobten, Croer-
bergs und Koltschen, gegen Osten eine liebliche Hiigelkettei gen
Westen iiber Hohen hinaus hinter dem hohen Thurme von Schweid'
*). Vgl. anch die Schildernng der siidfransosisclien LdnzMlnst im Rom. delb'
menca; El pais /on acostumcU q*el pascon, quant horn ha fopqt, tota li ^Mf Mi
e trefca e fegor lo terns Ji refrefca, cella nuh las maias gitenm €ptrfif^P
deporteron (Raynouard lex. rom. I, 26.) *) Ich schreibe dicfi in KnkW ■*
sehe es un Drucke durch in Steiermark.
z die drei Berge von Striegau und die niederschlesische FernCr
enn der Abend kam , stromten wir hinaus auf die Schanzen^
Iche in schwerem Kriege aufgeworfen als anmutige Spazier-
ige das freundliche Reichenbach umgiirten. Zu den Fiifzen der
.dt dehnt sich die lange Dorferkette, dariiber hinaus steigt rasch
fruchtbares Feld zu dem waldigen Eulengebirge auf. Wir
auten und lugten um die Wette, wer das erste Johannistags-
er (Johanstigfoierla) erbliekte. Und eieh! da glanzte auf deji
dem von Langenbielau eins , dort eins hinter Peilau, dort bei
erswaldau, dort bei Habendorf, hier auf dem Herrleberge wa
neckischen Herrlein wonten, da auf dem Zobten wohin sie
;ogen sind , und nun tauchten sie auf bei Schweidnitz und bei
berberg. Merere und merere stiegen in die Hohe, einzebi und
Haufen und nun loderten auf der Eule und der Sonnen-
)pe Holzstofze empor dafz Thai und Berge von Johanniswurmern
.'chflogen schienen. Von dem Pafze bei Warta bis iiber Frei-
:g hinaus flammte das Gebirge und der Zobten gab derEbene
J Zeichen dafz die Berge heute ihren Faekeltanz hielten. Spat
te die schauende Menge in die Hauser zuriick , am ungerh-
Q sehieden wir Kinder. Wir konnten uns nicht satt sehen und
umten die ganze Nacht und das ganze Jahr von den Freuden
i Johannisabends. Wir beneideten die Jungen welche die letz-
. Wochen vorher von Haus zu Haus alte Besen bettelten , dafz
an diesem Abende sich solehe Lust machen durften. Sehn-
jhtig sch auten wir nach den Pliitzen wo sie mit den pechge-
nkten Hexenpferden gaukelten und schrieen laut auf wenn der
•gliihende Stumpf in die Hohe geschleudert ward. So glanzend
3 vor funfzehn Jahren sind dort die Johannisfeuer nicht mehr;
! lobliche Polizei hat zu wenig Poesie und Kindlichkeit um
h daran zu erfreuen und auch die Forster storen die Leute
f den Bergen. Nur 1848 wo die Polizei etwas kindlicher ge-
>rden war, flammten die Johannisfeuer in alter Pracht.
Die Hauser wurden mit Blumen geschmuckt, die Strafzen
kranzt und die geheimnifsvolle Johannisnacht horte die sehn-
chtige Frage manches Madchens nach dem kunftigen Gatten uud
808
der Zeit des Brautkranzes. Manches Fest schliefzt sicli an £e*
sen Tag bis zur Emte ; es sind lebendige poetische Spiele m Wald
und Feld und auf dem Wafzer *), welche die Fahigkeit des Vol-i
kes bezeugen , sem Gefiil und seine Gedanken zur dramatischen
Erscheinung zu bringen. Die Ernte naht und wenn die letzten
Garben fallen sollen, wird der Gottheit die gn&dig doriiber wal-
tete ein Dankgebet und Opfer gebracht, Aufziige mancher Art,
in denen Wodans Sehimmel und Donars Bar nicht felen diirfen,
setzen die Feier fort. Die Lust mufz sich zuletzt aus dem Freien
in die enge Stube ziehen; die Heide wird braun und gelb, die
Vogel schweigen und ziehen fort und es wird kalt und finster.
Die Zeit kommt wo die Hausfrau den Flachs vertheilt und die
Weiber iind Knechte um den Rocken sitzen. Da pocht es an das
Fenster und die alte Gottin des Flachsbaues und der Erde schaut
herein. Den fleifzigen lobt sie, dem faulen droht sie, und wenn
sie fort ist , drcht sich an dem Faden deS'Flachses die Erzalung*
Da kommen auch noch andere Besucher ; der heilige 'Martin er-
schien statt Wodans auf dem Sehimmel,. Bischof Nikolaus kam,
der alte Joseph polterte und der Wodanbergende Ruprecht, Maria
nahete, das Kristkind, Petrus, der Erzengel Gabriel, die drei K5-
nige aus Morgenland. Das Volk spiel te alte und neue Geachichte,
heiliges und profanes; es zeigte die regste Theilname an dem
was es erfafzte und Lust zuckte durch alles.
Es ist noch hier und da ebenso wie ich geschildert habe, das
Bild ist aus noch bestehenden Gebrauchen entworfen* Die Theil-
name an dieser Lust ist aber jetzt beschrankter, das Volk ergetzt
sich nur in seinen unteren und jungen Gliedem daran, die G;^
brauche haben ihre Bedeutung im Bewufztsein der G^genwart
verloren und stehen darum verktimmert da. Names tlich ist die
Frilhlingsfeier sehr eingeengt. Das alte Band, das den Menschen
mit der Natur verkniipfte, ist langst morsch geworden und er
sieht Wald Flur Berg und Wafzer nur als ein nutzbares Kapi*
tal an. Die Kinder gehen wol noch Veilchen suchen, aber mei^
') Ueber letztere vgl. E. Sommer Sagen aus Sachsen and Thiiringen 157— Itfl,
S60 ^
stens nur um sie zu verkaufen , und der Bauer wiirde es fur nar-
risch halten um solch ein. Bliimchen zu tanzen. Jene Lust, die
80 voll und frisch im Tanze und Ballspiele wogte, rinnt nur noch
vereinzelt in den Pfingsttanzen, die sich hier und da, unter an-
dem in Thtiringen, erhalteu haben. Mitten im Dorfe steht die
Linde; da sammelt sich alt und jung an den Pfingsttagen und der
froHche Tanz darum beginnt. Nahen sich fremde Wanderer, so
werden sie freundlich von den Burschen mit einem Trunke einge-
laden und sie miifzen mit den Madchen tanzen.- Der Tanz nimmt
unter den geselligen Freuden der Vorzeit eine eben.so bedeutende
Stelle ein wie unter den heutigen und verlangt daher einige Er-
wahnung.
Wir konnen iiber die alteste Zeit auch hinsichtlich des Tan- .
zes nur geringes sagen. Tacitus beschreibt (Germ. c. 24) einen
Schwertertanz germanischer Jiinglinge, der aus Spriingen und kii-
nen Bewegungen unter Schwertern bestund. Auch die gothischen
Worte fiir tanzen (laikan , laiks Tanz) weisen auf das springende
und hiipfende. Dabei zeigt sich Einflufz fremder Volker auf gothische
Tanzweise , denn das aus dem slavischen entlehnte Wort plinsjan *)
konnte doch nur zusammen mit der Tanzart die es bezeichnete
aufgenommen werden. In der alteren althochdeutschen Zeit ist
wie es scheint tumon das einzige einheimische Wort fiir tanzen ^.
Es bedeutet sich im Kreise bewegen und scheint, wenn man die
verwandten Worte (ags. tumbjan, engl. tumble, das nhd. tum-
meln und taumeln) hinzunimmt, einen Tanz zu bezeichnen, der
ein Herumgehen im Kreise mit schwebender Bewegung war, daa
') Schon Miklosich (radic. linguae sloven, p. 65) leitet das goth. plinsjan
Tom altslav. pl^sati OQX^Cad'cct ab. Im poln. heifzt pl^fai^ (bom. und sloven, plefati)
lustig tanzen, springen ; pl%fy und pl^fy (plur. zu pls^s) bezeichnet einen Kreis-
tanz und dann iiberhaupt einen lustigen Tanz und das Springen. Uebrigenb namen
die Slaven auch ein goth. Wort fiir Tanz in ihre Sprache. Wie Ulfila Matth. 11, 17
OQiBia^ai durch das slav. plinsjan ubersetzt, so wird in eiuer altserb. Bibel Luc,
15, 25 xoffog durch das ursprunglich germ, lih (laiks) iibertragen (altserb. likovati
lOQSVfiv Miklosich radices p. 44.) *) Matth. 11,17 wird bei Tatian faltare durch
falzdn wiedergegeben, das entlehnt ist. fpringen, fckricken^ tanz, reie sind damals
noch gar nicht oder wenigstens nicht in ihrer nachherigen Bedeutnng im Brauche.
24
8T0
also was ungefar nachher umgSnder tanz genaant wurde ^). As-
ziehend ist bei dieser Unslcherheit und Diirftigkeit der anderai
Angaben die Beschreibung eines Tanzes in dem lat. Oedichte toq
Rudlieb (um das Jahi* 1000). Ein JiiDgling und dxi Madohen tao-
zen mit einander ; er bewegt sich einem Falken gleich in^ Erase
und sie wie eine verfolgte Schwalbe* Nahern sie siob , 80 gesohieht
es nur um rasch bei einander vorbei zu faren ; aie schwimmt gldch-
sam in der Luft, er bewegt sich rascher und heftiger und mit
Handen und Ftifzen begleiten sie die Weise des Harfenspiek
(Eudl* Vni. 43 — 55). Ungefar in gleicher Weise waren manche
Arten der franzosischen Bundtanze. Im Eoman von der Bose
(763 ff.) wird eine carole *) beschrieben, welche zwd MadcheD
tanzen und die fast dem Rudliebschen Tanze gleich ist. Sie &ksi
sich zierh'ch entgegen, neigen sich wenn sie einander nahe mi
eng zusammen, faren aber rasch wieder fort und entfemen ach
um so weiter. Wie dem auch sei , die Spuren der beiden Haujrf-
tanze des 12. und 13* und der folgenden Jahrhunderte, des umgehen-
den Tanzes (carole) und des springenden (espringale) lafzen sich
schon in der fruheren Zeit auifinden*
Durch die Schilderungen in den epischen Gedichten 80 wie
durch die Tanzlieder und die hofische Dorfpoesie des 13* Jahr-
hunderts wird uns auf den Tanz dieser Zeit ein ziemlich hdler
Blick gegount. Wir sehen daraus dafz der ruhigere blofz ge-
tretene oder gegangene Tanz der vorzugsweise hofische war. Es
wurde ein Kreis gebildet, jeder Mann nam eine Frau oder zwei
bei der Hand imd unter Seitenspiel imd Gesang hielte9 die Pare
mit schleifenden leisen Schritten ihre Umgange ')* Ein ander Mai
') folchen g^anck der vmme genden tentz als fckamperlieder, AUd. BL 1, 55.
fchcmper (Tantz) und fchampem (tiinzeiDd gehen) sind in der schleflischen Mimd-
art noch erhalten. *) carole, von den franzosischen Gelerten yon cAoreo, ekanu
abgeleitet, wird von F. Wolf (Lais 185) auf carrau^ charau d. i. carrilre, tme,
chemin, Oang, Umgang zuriickgefiirt. ') fchoene umheflifen MSEL 1, 201/ d6 mam
die tenze fleif Ntth. Ben. 380. uf den zehen flichents hin nach dem niuwtit hqf^fuk
MSH* 3, 196»'/u;er niht tritel treten kan als zuo einer henne ein hcM — zippelzeheM^
fchocken dar, ftrichen mit den verfen, MSH. 3, 283/ zippelzehen hSfifen ndek der
ward ein Rundtanz gemacht; die Gesellschaft schlofz einenKreid
iind mit sanfter Bewegimg giengen sie eingend in derRunde hertim^
iodem der Inhalt des Gesangcs durch irgend eine einfache Hand-^
lung aufzerlich dargestellt wurde* Bei der Besprechung derVer-
maUungsfeierlichkeiten wurden schon solche Ej*ei6tanze erwahnt
ifelche die Feier des Verlobnifses Dachbildeten. Grade diese dra-
natische Gattung der Rundtanze war sehr mannichfach und hat
lich im Volke noch ziemlich reichlich erhalten.
Am einfachsten waren Tanze wie^ sie auf den Faroem bis
n die neueste Zeit vom ganzen Volke getanzt werden. Manner
ind Frauen bilden eine einzige lange Reihe ; sie bewegen sich drei
5chritte nach vorn oder drei Sehritte zar Seite , bleiben dann sich
lin und her biegend eine kurze Weile stehen und thun wieder
Irei Sehritte zuriick. Die ganze Reibe sirigt dazu Lieder welche
ron entsprechenden Gebarden begleitet werden. Dieser Tanz scheint
m ganzen Norden verbreitet gewesen zu sein ; er war recht eigent-
ich ein getretener Tanz ^). Diese ruhigeren Tanze finden sich
iuch in dem frolichen Leben der oberdeutschen Bauem des 13«
fahrhunderts ; sie wurden durch die Einwirkung der hofischen
iundtanze untersttitzt und gegen die im ganzen bei dem Land-
rolke beliebteren Springtanze aufrecht gehalten. Unter den umge-
lenden Tanzen der Bauem scheint die Stadelweise beliebt und von
{anfteuL und sentimalem Karacter *) ; auch fremdltadische treten
luf, wie der Ridewanz^ der Fulafranz, der Murmun, der Try*
30tey ; der Achselrote und Houbetschote scheinen ebenfalls hierher
5u gehoren. Die ostlichen Nachbaren mogen iibrigens ebenso auf
lergleichen Tanze gewirkt haben wie die westlichen ') ; indefsen
^gen^ wandelieren kin und her* MSH. 3, 280.* — Vgl. Pars. 689, 28. Helmbr.
01. 945. Heinr. Trist. 618. MSH. 1, 141.* ') Vgl. P. E. MuUer bei Lyngbye
aeroiske quaeder pp. 8 — 10. 37. ') MSH. 1, 206.* diu vil fUexe ftadelivife
zunde ftarken kumber krenken; then trdtens unde life. *) Der ridewanz (vgl. uber
hn MSH. 3, 190." 289.*) ist nicht mit W. Wackemagel von franz. roiuenge {prov»
^etroer\fa) abzuleiten und mit dem hof. rotuwange nicht zn vermengen. Wort nnd
Sache scheint zunachst aus dem slavischen anfgenommen. radowa^ radawaezka
St ein bom. Tanz; neuslov. rajati, wend, reiwa^ bedenten tanzen; wend, ref'a^
24*
8T2
woll^n wir der Fremde auch keinen zu grofzen Einflafz (
raumen, da frerndklingende entstellte Namen noch kem sichc
Zeugnifs des Fremdseins sind und wir noch aus hentiger E:
rung wifzen, wie reich einzelne germanische Stamme an vol
thQmlichen Tanzen sind. Grade der hofische Tanz, der am n
sten fremder Mode unterworfen sein muste, zeigt eine grof;
Einformigkeit als der landliche , obschon wir bei der Unkennt
der Tanzmelodieen kein ganz sicheres UrtheU fallen konnen. IJ]
den deutschen Landem war Thtlringen im Anfang des 13. Jf
hunderts als Quelle neuer Tanzweisen beriihmt (Parz. 639,
was sich aus dem kiinstlerischen Leben am fiofe zu Eisenacb
kl'art. In Frankreich stund LotJiringen, also doch deutschesE
in besonderem Ansehen darum ^).
Die umgehenden Tanze hiefzen vorzugsweise Tanze, wc
gen die Springtanze (^springales , ^springeries) den Namen Ba
fiirten ^). Der Tanz wird getreten , der Reie wird gesprungen ;
Tanz bewegte sich vorziiglich in geschlofzenen Baumen , der I
wird in seiner Ausgelafzenheit meist auf Strafzen und Anger
dem niederen Volke aufgefiirt. Instrumentalmusik und Gres
sind beiden gemeinsam; natiirlich mufz der Tact und die W
des Eeien lebendiger gewesen sein. Den umgehenden Tanz '
teie gewonlich ein Vorsanger oder eine Vorsangerin, den Bi
ein oder merere Vortanzer, denen die Pare nachsprangen.
Frauen giengen rechts (MSH 3, 256*) und wurden entweder
der Hand oder am Ermel gefiirt *) und beide Theile wetteife:
poln. ref, Beihen, Tanz. Indefsen mOchte man , da slav. Wnrzeln xn felen m
nen (man miiste altslav. rad poln. rad lubens , rados^ Icetitia radowcLt latcuri
beiziehen) auf das dentsche Beihen oder sein Stammwort riga Kreislinie, rigw
einander reihen, zuriickgehen. — Die andem Tanznamen kann ich nicht erkl&n
Trypotey steht im Neythart von 1537. C. II. *) ft charUent li wm rofmei
li autres notes Loherenges, porce qu*en Jet en Lokeregne plus cointes nates g^ei
regne. Bom. de la Bose 752. ff* ^) Tanz nnd Beie haben zaweilen nicht <
entgegengesetzte Bedeutung, sondem bezeichnen das Tanzen Uberhanpt. In d
Bedeutnng findet man auch den reigen treten , an dem reien gftn wie den
treten, an einem tanze gin. Wie sich reien nnd tanzen entgegenstehen, so fi
caroler und danaer, ») MSH. 3, 198.' 218/ 256.' 2, 79.*
878
in kunstreichen weiten und hohen Spriingen. Allem nach zu
arteilen waren diese Reien nicht anmutig: sie werden dem uin-
springen der Baren und Bocke verglichen *) und die weibliche
Zucht kann nicht gewart sein, wenn es dabei von den Fraueii
heifzt dafz sie weiter ale eine Klafter sprangen (MSH 2, 122**)
oder wie ein Vogel in die Hohe flogen oder hoher als eine Hinde
hiipften *)♦ Auf Island hiefz ein solcher Springtanz faldafykir
TuGherschleuderer , weil die Kopf tucher der Frauen (Taldar) dabei
ringsum flogen. DiePolizei sah sich daher auch im 14. und 15. Jahr-
hundert genotigt das „Umwerfen" der Frauen zu verbieten ; allein
auch in dieser Hinsicht drang sie nicht durch ; noch Fischart fand
Gelegenheit seinen beifzenden Spott iiber diese Springtanze aus-
zugiefzen ^).
Wie sich unter den umgehenden Tanzen verschiedene Arten
zeigten , so treten deren auch unter den Beien auf und durch seine
Lebendigkeit bedingt merere als dort* Eine Art war der krumme
Reie; er wurde gesprungen und gehinkt und scheint sehr wild
gewesen zu sein. In einem Tanzliede heifzt es: da schrieen sie
allzugleich nach einem Spielmann: „mach uns den krummen Reien
den man hinken soli. Das gefallt uns alien wol und LOchlein ist
es der ihn fiiren soil." Der Spielmann stimmt die Pauken, die
Reifen fest er wand, da nam sich auch der Lochlein ein Madchen
an die Hand. „ O du frecher Spielmann , mach uns den Reien
lang I Ju heia wie er sprang I Herz Milz Lung' und Leber sich
rundum in ihm schwang" *). — Der Hoppoldei mag verwandt
gewesen sein ; er war anscheinend ein heimischer Tanz *) , der
mancherlei Umbildungen fahig war , da neue* Hoppoldeiweisen er-
wahnt werden (MSH 3, 223 ». 283»>;. Aus dem Rufe: heifthei und
0 MSH. 3, 198/225.' *) MSH. 3, 196.' 228.' *) Fischart Gargantua
Kap. 7. 24. (SS. 154. 313. Ausg. von 1590). Vgl. auch Siebenkas Materialien 1,
172. ff. Michelsen und Asmufsen Archiv (Kiel) L 1, 108. *) MSH. 3, 312.' —
MSH. 3, 249." 250.' 256.' Nith. Ben. 313. 358. *) Hoppoldei scheint aus dem
deutschen Stamme hoppen, hoppern, hopsen =» hiipfen gebildet. vgl. auch Fischart
Grargantua Kap. 17 (1590. S. 375) : Frfunden newe biind, newe dantz, newespriing,
aewe pafsa repafsa, newe hoppelfantz.
S74
bei der dabei ertCnte (MSH 3, 283^) Bchliefze ich dafz der Heiov
leis eine Unterabtheilung des Hoppoldei war^ So wenig ioh diese
Tmze far f remde erklaren mag , so wenig auch den Firlefei (MSH
3, 252^) ^). Man mufz Uberhaupt bei der Deutung dieser Tbiue*
jiamen voraichtig eein und sie nicht so rasch als fremde beseiti*
gen, Viele werdeu durch mundartliche Ausdriicke erhellt, viele
verdanken ibr Entstehen keeker Bildungslust ; die franzSsisohea
Endungen sind aus deni halbkomischen Streben des damaligen
Landvolkes bervorgegangen, firanzosische oder flazoiscbe Formen in
seioe Rede zu verflechten,
Geforderte Begleitung des Tanzes war die Masik, ISntwe*
der spielten Spielleute dazu auf Geigen, Pfeifen, Floten, Trom-»
meln und Tambourins ^) oder die Tq.nzer begleiteten sich selbst
durcb Gesang, Wen» aucb zuweilen diese Lieder von der gan-'
zen Menge zugleich gesungen warden , so war es doch gew6nli<p
oher dafz ein Vorsanger oder eine Vorsangerin das J^ied TOrtru-'
gen und die Menge nur in den Kefrain einstimmte oder Aie ein-
zelnen Verse nachsang '). Der Inhalt der Tanzlieder war sehr
verschieden; wir finden unter ibnen Liebeslieder, historische Ge-
sange, politische und Riigelieder. Die Lieblingslieder enthalten
meist das Lob des Friihlings ; der Lenz im Herzen und der Lens
in der Welt schlugen zuaammen in reizenden Tonen, Die Lie-
beslieder sind die haufigste und ^ne notwendige Begleitung der
Tanze, welche eine Quelle so vieler Liebe waren. Sie- sind be»
') Tirlefey steht neben Tateley and dem Spisinger ei Fischart GeschichtkL
K. 8. Die Formen tirle nnd firle wechseln auch in dem schles. Namen seines Kin*
dcrspielwerkes : Firletanz pud Tirletanz. In dem Bergkreyen tod der Earmei d«r
vollen Bauem Nr. 41. in; Bergkreyen- Zwickau 1533. wird ein Tans FirlefSuis
erwalmt: ,,do pfiif er ihr den Firlcfanz wol nach der DorfFer sitten, do tanxten
3ie den hottostan.'* Das Wort firlo wird durch die achlesische Mondart eridait,
in der gciirle und gefirre fiir hurtig bchende gebraucht wird. ^ £a ist nielit
Grofzsprecheroi des Tanbausers, wie Wackernagel (Altfrana. Lieder 298) meiiit,
wenn er von flouten und fumbern , von tambnraeren nnd trumbsnaeren sprMit
(MSH. 2, 85.' 89.") vgl. namUch MSH. I, 201/ 2, 79.* 3, 197.* 269.' SSS/ 912.'
Bom. de la Bose 148. ff. *) MSH. 2, 78.' Bom. de l» Bose 748. & rfgu ¥.
Wolf Lais 185.
875.
greiflicher Weise in ihrem Tone sehr verschieden; von schtich-
temem halb verholenem Preise der Geliebten^achreiten sie bis zur
offenen Erklarung der Neigung und selbst bis zur kecken Aeufze-
rang der letzten Wiinsche vor. Neben lyrische Ausdriicke des
Gefiils stellen sieh epische Schilderungen einer Liebesbegebenheit
und selbst drattiatische Darstellutigen verschiedener Seiten des
Liebelebens. Ebenso reich ist die Gattung der geschichtlichen
Tanzlieder. Germanische und rotnanische Volker wetteiferten darin
mit einander den Reigen , in dem sich das ganze Volk ^usammen-
fand, zum Mittel zu machen die alten Erinnerungen des Vol-
kes zu beleben und waeh zu erhalten. Wir konnen daher anne-
men dafz die Lieder von den Amelungen , von Dietrich von !Bem,
von dem Franken Siegfried und den BurgunderkOnigen , kurz
dafz alle historischen Lieder der germanischen Stamme schon in
altester Zeit zu ihren Tanzen gesungen wurden. Einen iiberraschen-
den Beweis dafiir geben die faroischen Tanzlieder, unter denen
eine reiche Zahl aus der Nibelungensage g'enommen und noch in
neuester Zeit gesungen wurden ^). Ebenso diirfen wir auf die
faroischen Ges'dnge gestQtzt behaupten dafz Lieder aus der Got-
tersage zum Tanz gesungen wurden. Aber nicht blofz aus weiter
Vergangenheit waren die Gesange genommen^ Was grofzes oder
seltsames in der Gegenwart sich ereignete, ward in ein Lied ge-
bracht und zum Tanze gesungen. Die Diet«iarsen, welche sich im
15. und 16. Jahrhundert gegen die danische Anmafzung tapfer werten
wie heute ihre ruhmreichen Urenkel , sangen ihre Thaten zu ihren
Tanzen. Wenn aus dem iibrigen Deutschland nichts entsprechendes
bekannt ist, so liegt dies nur daran dafz hier nichts grofzes ge-
schah, nichts wenigstens das an dasHerz desVolkes gegriffen hatte*).
Dennoch ist es moglich dafz die Lieder von den Stadtefehden und
einzelnen kiinen Raubern auch zum Tanze gesungen wurden. Bei
*) Lynghye FcerStfke quceder om Sigurd Fqfnersbane og kans at Randers 1822.
•) Ein Tanzlied des Tanhauser (MSH. 2, 81) enthftlt in seinem ersten Theile den
Freis Kaiser Friedrichs II. Man sieht also auch hier das politische and geschicht-
liche nicht ausgeschlofzen.
876
den romanlschen Yolkern und den Englandem stunden diese epi-
schen Tanzlieder in groster Bliite; aus diesem historischen In-
halte derselben bildete sich bekanntlich der Sprachgebrauch, ein
jedes episches Lied ein Tanzlied oder eine Ballade zu nennen ^).
Mit dem epischen Inhalte des Tanzliedes h'angt die Darstellung
der Gegenwart und ihrer Sitten, die Schilderung der Ereignifse
des gewonlichen Lebens im Tanzliede zusammen, me diefz na-
mentlich in der hofischen Dorfpoesie zu bemerken ist. Daran
knlipft sich die Kritik der bestehenden Zust'dnde , das Ellage- und
Riigelied. Ein Tanzlied Konrads von Wiirzburg beklagt den Ver-
fall des geselligen Lebens (MSH 2, 312—314); Etige und Spott
drang in das Tanzlied tief ein. Noch heute werden auf den Fa-
roern Spottlieder zum Eeigen gedichtet und der Gegenstand der-
selben mufz sie mittanzen. Er wird von zwei starken Afimnem
an den Han den gefafzt und gezwungen in dem Eeigen zn bleiben
bis das Lied zu Ende ist. Hat sich dafzelbe des Beifalls erfrent,
so wild es in den allgemeinen Gesangschatz aufgenommen *). Auch
anderer Inhalt zeigt sich in diesen Gesangen ; auf den Faroem
wurden sogar geistliche Lieder zum Tanz gesungen und noch Yor
wenig Jahrzehnten hielten es dort altere Geistliche nicht unter
ihrer Wiirde in der Amtstracht an diesen freilich sehr anstandi*
gen und ehrbaren Tanzen Theil zu nemen« Auch modeme Alien
wurden gesungen , wiew auf Silt hoUandische Duintis '). In Ober-
deutschland sind noch heute Tanzlieder verschiedener Gattusg
daheim.
Die Form der Tanzlieder war gleich ihrem Inhalte mannich-
fach. Ihre alte Benennung Leich (goth. laiks), die eine Vereini-
gung von Harfenspiel Gesang und Tanz ausdriickty gibt kund
dafz die Worte oder der Text in ihnen in untergeordnetem Ver-
haltnifse zur Weise und zur Korperbewegimg stunden *). Warend
') F. Wolf Lais 233. f. Fauriel hist. d. 1. poes. proven^. 2, 88. S. *) Lyngbye
faroifke Quadcr. S. 14. ") Michelsen und Asmufsen Aichiv (Altona) 1, 418.
*) Ueber die Lciclie vorweise ich auf die Abhandhmg Lnchmanns im Bheiniscben
Museum . iiuf das pvh hrt« Buch Ferd. Wolfs iiber die Lais Sequeniea and
3W
das Lied eine strenge und gleichmafzige Gliedenmg seiner Verse
und Strophen bedingte, bewegte sich der Leich freier, ganz in der
Weise der kirchlichen Sequenzen. Das Steigen und Fallen dee
Harfenspiels , die Bewegungen der Tanzenden gaben die Absatze
die Lange und Kiirze der Verse ; die Worte waren blofze Beglei-
tung der Weise , um diese dem Munde gerechter zu machen und
ohne die Forderung dafz sich diese ihnen anpafze. Die Geschichte
des Leiches gehort nioht hierher; es mag nur erwahnt werdeij,
dafz die Kunstdichtung , von der Kirchenpoesie zunachst dazu
veranlafzt, die Form des Leiches und der Sequenzen aufnam.
Neben religiosen Leichen erscheinen weltliche oder Tanzlieder.
Sie waren dem alten Karacter gemafz Gesange ohne gleichfor-
mige strop hische Abtheilung, ohne gleiche Lange der Verse, in
Strophen- und Versbau abwechselnd. Das Hiipfen imd Springen,
das bald weite bald kurze Umherschleifen und Wenden , das An-
halten und rasche Bewegen spiegelt sich in dem Baue ab; der
Leich ist die naturgemd^fze Begleitung der Springtd;nze. Die ruhi-
geren umgehenden Tanze verlangten auch ruhjgeren Gesang. Sie
bewegten sich in Wiederholungen derselben Gange, der Tritt war
gleichm'afzig, sie forderten also auch die Wiederker derselben
Strophenart und Gleichmafzigkeit des Versbaues. Das Lied ge*
horte dem Tanze, der Leich dem Reigen.
Zu dem Tanze kamen im Freien noch Spiele. Die ger-
manischen Jiinglinge verbanden damit gefarliche Uebungen un-
ter den Waffen; in der spateren Zeit wurde namentlich BalL-
spiel in den Tanz eingeflochten* Das Ballspiel war eine alte be-
liebte Unterhaltung der Germanen; es iibte die korperliche Ge-
wandheit , forderte Sicherheit des Auges .und der Hand und hielt
mit seinem jagd- und kriegsanlichen Treiben alle Krafte ange-
spannt. Auf Island war es Sitte grofze Ballspiele (kn&ttleikar)
anzusetzen , welche weit und breit besucht wurden (Egils s. c, 40)'
Leiche and auf W. Wackernagels klare und kurze Darstellung in seinen alt-
franz. Liedem und Leiclien. Vgl. auch Mijllenhoff de antiquifsima Germanorum
fotfi chorica.
818
Auch in Deutschland und unter den romanischen Volkem wuidi
es fleifzig getrieben und bei der Bedeutung des Tanzes geschah un-
willkiirlich eine Verbindung dieser beiden LustbarkeiteD. Wenn
wir heute noch elnTanzf est Ball nennen, sogriindet sioh dieb anf
jene Vereinigung. Das mittelalterliche Ballspiel mag mancheiid
Arten gehabt haben; eine der gewOnlichsten scheint die folgende
gewesen zu sein, die noch heute gespielt wird* Die spielendoi
theilen sich in zwei Parteien, die eine wirft den Ball, die andere
fangt ihn. Die werfenden wechseln ab und Buchen den BaU so
weit als moglich zu schleudem, die anderen haschen damach
und werfen ihn unter die andere Schar. Wer davon getroffen wird,
mufz zu der fangenden Seite iibertreten und diefz geht fort bb
die ganze werfende Partei aufgelost ist *). Wie heute wurde der
Ball auch frQher mit Stecken und Scheiten geschlagen urn
ihn recht weit zu treiben ^). Etwas anderes mochte dae Spiel nut
den Palmen sein, langlich runden Ballen mit drei Handhaben.
Auf einem Holzachnitte des 16. Jahrhunderts , der solches Fd-
menschiefzen ^) darstellt , stehen die spielenden in zwei ParteieOf
auf der einen die Manner , auf der anderen die Frauen; jede
Partei scheint so viel Palmen als Personen zu haben*)* And
diese Ballspiele wurden mit Gesang und allerlei Scherz b^eitet
und die Weiber wetteiferten darin mit den Mannem. Noch andere
Spiele scheinen bei dem Tanze iiblich gewesen zu B&n'}, dena
er.war der Mittelpunkt der gesammten geselligen Lust and flbtt
eine unbeschreibliche Anziehungskraft auf alles was dae Vott
zu geselliger Freude bewegte*
Die Beantwortung der Frage, wo getanzt wurde, ergibt
sich aus dem was bisher dariiber gesagt wurde. Die vomemeGo-
sellschaft tanzte in den Salen , das sogenannte Yolk im Frflliliiig<0
und iiberhaupt in der schonen Jahreszeit auf Platzen Strafseo
*) Vgl. namentlich MSH. 2, 113. f. ') Altdeutsche Blatter 1, 54. ^ *wr«
dd man die palmen fchd^, MSH. 2, 99.' — palme franz. paume* griech. Wf^'
*) Der Holzschnitt steht im Ncythart von 1537 vor dem 27. Liede: Es scindkhi^
Leut wollen wir etc. etc. ») Altd. BL 1, 54 — MSH. 3, 288.' wild dM
flahen in der Stube erwahnt.
inf dem Anger an der Heide* Jedes Dorf hatte seine Linde
urn welche sich der Reigen drehte (MSH. 3 , 199.** IS?.**) oder
jeinen Tanzhiigel (MSH. 3 , 298*) , wie das noch heute in Thu-
ingen zu finden ist^ Im Winter fliidbtete man in die Stuben , welche
« grofzerer Geraumigkeit von aUem Gerate geraumt wurden
der manchmal in die Scheuern ^)* Aber auch die Kirchen ihre
''orhallen und die Kirchhofe waren seit alter Zeit ein beliebter
latz zum Tanzen und die Geistlichkeit hat auf Synoden und auf
er Kanzel vergebens dagegen geeifert* Bis zum Ende des Mit-
dalters hielt diese Unsitte an *).
Zu jeder Zeit wenn sich eine dazu bereite Gesellschaft zu->
immenfand, begann man den Tanz; der Lenz lockte aber vor
Jem dazu, und wenn die Feierstunde Abends natite, schmiick-*
jn sich Diemen und Weiber und eilten ins Freie zum Reigen.
ranze Tage wurden in dieser frolichen Zeit vertanzt ; eine Haupt-
lage gegen den Winter war dafz nun das Leben auf dem An-
er enden miifze, Der Tanz felte zwar auch den winterlichen
resellschaften (den govenanzen) nicht, allein er war beschr^nk-
er; zur Entwickelung der voUen Tanzeslust und der damit ver-
mndenen Spiele felte der Raum, denn aus den Kirchen mochte die
Talte vertreiben. — In den hoheren Gesellschaften wurde der Tanz
Btets in den Salen aufgefiirt; Sommer oder Winter machte hier
keinen tJnterschied, nur in der Tageszeit herrschte Abwechselung.
Im allgemeinen richtete man sich wie es scheint nach den vor-
handenen Unterhaltungsmitteln. Indem der Morgen und die Zeit
nach dem Hauptefzen gewonlich anderweitig ausgeftdlt war, hub
^er Tanz meist gegen Abend an, wenn der Buhurt zu Ende
gegangen war ; er dauerte bis gegen die gewonliche Zeit des
Schlafengehens '). Indefsen wurde wol auch manchmal bald nadi
*) MSH. 1, 201/ 2, lOS." 109/ 111.' 123. 3, 249/ 275/ 282/ 288/ ►—
'' 206. 2) Regin. can. 1, 70» Synod, dioec. Herbipol. 1298. c. 3. (Hartzh. 4. 26.)
concil. Vesontin» 1480. c. 7. (Hartzh. 5, 509.) vgl. Altd. Bl. 1, 62. Fanriel hist.
^8 la poesie proven9. 1, 167. ff. •) Ath. C* 163. Lanzeh 657. Parz. 639, 3i
Helmbr, 939. Heinr. Trist. 618. Lohengr. S. 26. ' '^'^
X
880
dem Morgenimbifz oder auch nach der Hauptmalzeit der Tanz
begonrien *).
Dem grofzen Haufen desVolkes waren wie heute die Sonn-
undFeiertage die bequemste Zeit zu ihren Lustbarkeiten. Da ruh-
ten die Arbeiten des Hauses und Feldee und von weit und breit
stromten die Scharen zu beliebten Tanzplatzen (MSH. 3, 249*).
Die Kirche eiferte wol gegen diese Sabbatentheiligung , allein
was half es? Das Predigen war vergebens und Bruder Berthold
ergofz seine Beredsamkeit umsonst. Trotz aller Berufung auf den
heiligen Augustin , trotz allem Vorhalten wie die Feldarbeit am
Sabbat immer noch eine geringere Todsunde als Tanzen sei *) , liefz
sich das Volk seine Lust nicht nemen, die es fbr eine Woche
vol! schwerer Miihe entschadigen muste.
Was war natiirlicher als dafz sich die Frauen znm Tanze
besonders schmiickten? In den grofzen Gesellscbaften der vome-
men Welt war es sogar Sitte dafz die Frauen vor dem Tanze
neue Toilette machten '); die M'adchen und Weiber der Bauem
aber legten, wenn es zum Beigen gieng, ihre Werkeltagakleider
ab und namen das schonste Gewand aus den Falten und Schrei-
nen. Wie oft schildern nicht die Dichter der Dorflust den Streit
zwischen einer tanzlustigen Tochter und einer besorgten oder
neidischen Mutter, welche die Kleiderkammer oder den Kasten
nicht offnen will. Das Har mit Seidenborten umwundeOi im
Kleide mit modischer Schleppe, in der Hand oder auch an einer
seidenen Schnur die am Halse hieng einen kleinen Spiegel %
vor allem aber mit einem Blumenkranzlein auf dem Haupte, 00
eilten in den frulichen Zeiten des 13. Jahrhunderts die landlicn^
Schonen auf den Tanzplafz. Der Kranz war nicht blofz ein
Schmuck, er diente auch zur Auszeichnung , denn er ward Yoa
') Erec 2141. Kl. Hatzlerin 130/ — Rom. de Flamenca (Bayn. L ron.
1,12). *j Bertholds Prcdigten (von Kling S. 64. ff. 342.) s. auch Wei^th. 1, 490.
.■) Lohengr. S. 25. die vrouwen anderweite wurden fchdne gekleidet, U eine rfir dU
andere durch ein gduden. ein tanz d6 gemachet wart. *) MSH. S, 78. 3, SOO.*
209.' 277.' Nith. Ben. 306. 368. 407. CI. H&tzlerin. 263.* Rom. de U Bos« 9S14*
881
den Tanzerinnen ihren Lieblingen, von den Tanzem ihren Scho-
nen gegeben ^) , wie Jbeute Schleifen und anderer Tand.
Ein weit yerbreiteter schwedischer Kundtanz gibt una von
diesem alien Branch noch heute Zeugnifs. In dem Kreise der
Tanzenden Bteht ein junger Mann oder ein Ms^dchen und windet
einen Kranz. Die Tanzenden singen :
Das Magdlein (der Bnrsche) steht hier mitten im Tanz
Und pfliickt sich Bosen wunderfein,
Es windet draus den schonsten Kranz
Wol fur den herzgeliebten sein.
Das Madchen setzt darauf einem Burschen den Kranz auf
und die andem singen :
Eomm du mein geliebter her
Den ich mir hier ausersah,
Willst du die fz 'und wol noch mehr,
Beich die Hand und sprich ein Ja.
Das Par tanzt in dem Kreise herum und das Spiel beginnt
dann von vom ^.
Wie der Spiegel den Frauen ein lieber Schmuck war, so
entberten die Manner, wenigstens die reichen Bauem in Baiern
und Oesterreich , die gem den Ritter spiel ten , beim Tanz nicht
leicht des Schwertes. Es war mogliehst lang und breit und hatte
einen verzierten Knopf '). Die Folge war dafz blutige Schlage-
reien beim Tanze entstunden , denn der leicht entziindeten Eifer-
fiucht war das Mittel der Eache nur zu bald zur Hand. So blieben
einmal um eines Rosenkranzleins willen zwei und dreifzig oster-
reichische Bauern auf dem Kampfplatze tot; ein andermal sechs
und dreifzig*). Aber das hinderte nicht das nachste Mai in der
alten Frolichkeit zum Reigen zu eilen. Das Leben der Dorfler
war in den reicheren und freieren Landschaften so frisch und
genufzsQchtig dafz die voruemeren sie wol darum beneiden konnten
') Nith. Ben. 320. MSH. 3, 281/ *) Bich. Dybeck Buna 4, 66. (1842.)'
•)MSH. 2, 80.' 3, 246/ — MSH. 3, 188.' 225.'— MSII. 3, 271.' Nith. Ben. 380.
•) MSH. 3, 221.' 260.' vgl. noch MSH. 3, 188. 200. 212.' 277. Wittenweiiers
Kng p. 1 72. ff.
882
<MSH. 1, 204"^). Freude an der Schonheit der Natur, Tans
Spiel und Liebe flochten sich zu einem Feste susammen , gegen
welches das Yergnugen der Sale nur eine blafse Nachfder war.
Einen geringen Ersatz fur die freieLust in Heide und An-«
ger gaben der vomemeren Gesellschaft die Baumgftrten^ wddbe
sich meist im umfriedeten Burgraum befanden i). Dordiin zog
man sich aus den Salen , wenn man eine fireiere Lust wolte. Die
Manner namen hier ihre Leibesiibungen vor^ es ward gefochten
geschofzen nach dem Ziele gesprungen, man liefz Falken und
andere Stofzvogel steigen, Fiedler und Sanger wurden vorge-
lafzen und Tanz und Spiel mancher Art begonnen*). Wie um-
fangreich diese Baumgarten waren ergibt sich daraus dafe zu-
weilen grofze Feste darin gefeiert (Mei u. Beafl. 87, 27) und
Gerichtsversammlungen gehalten wurden®). Sie dienten uberhaupt
zu Sammelorten und lagen oft so dafz sie die Frauen als si-
chere Schauplatze bei Tumieren benutzen konnten. Oft waren
auch Thierg'arten und Schlangengehege in ihnen*)* Uebrigens
waren auch diese geselligen ZusammenkUnfte in den Haus^urten
den Landleuten nicht unbekannt* Noch heute sind- die Heimgar-
ten, diese sommerlichen Yorbilder der winterlichen Spinnstubeni
in Oberdeutschland viel beliebt und sie geben mit ihren Scheizen
Spafzen und kurzen Liedchen, mit dem Plaudem und Tanzen ein
frisches Bild von der alten Lust der DOrfler. Bruder Berthold
predigte auch gegen sie»
Man darf wol nach dem Tone der Unterhaltung .fragen,
die in den geselligen Zusammenkunften der hofischen Zeit ge-
pflegt wurde* Die Unterhaltung war insofern mehrfach geregelt
und in ihrem Tone bestimmt, als das Yorlesen d«cl)^ebter^
epischen Gedichte und der Yortrag lyrischer Lieder einen nicht
unbedeutenden Theil ausmachte. Sodann gaben die beiden An-
*) WigaU 668. vgl. Joncbloot Beatrijs p. 69. *) Rolandsl. 21, 5--S2, 9.
Flore 161—167. 221—227. MSH. 2, 116.' 289.' Mel. Stoke 2, 184 (Hiiydekoper>
*) Flore 6541. Grimm Bechtsalt. 795. In einem Baumgarten ist die avcntiiire Mi-
bonagrins, die Erec siegreich bcstcht. Erec. 8697. ff. *) Ueber wurmUgt ond
wurmgatre Wh. Grimm zu Atbis C* 17.
«8S
gelpunkte des damaligen Lebens , die Liebe nnd die Waffenthaten
einen stehenden Stoff^). Die epitzfundigen Lehren fiber den Lie-
besverker waren zwar in Deutschland nicht so daheim wie im
Westen. Das Streiten iiber verwickelte Liebesfragen , das sophi-
BtischeLQgen und Triigen fefzelte dieDeu^schen nicht sehr, allein
ohne alles derartiges Geschwatz gieng es doch damals ebenso
wenig wie heute in den geistreichen deutschen Gesellschaften ab.
Die Beispiele mochte man der Moral selbst freilich vorziehen,
und mit diesen Geschichtchen , die einer Sundflut gleich daa
mittelalterliche Europa iiberfluteten , war auch ein freier Ton der
Unterhaltung gegeben^ der bis zur Schamlosigkeit frech werden
konnte. Man gebe iiberhaupt auf gewifsen Seiten das Schwarmen
TOD der zarten Sentimentalitat und dem frommen Thun und Fii-
leD der vomemen Gesellschaft des Mittelalters auf; diese Kreise
bleiben sich stets gleich ; die Schilderungen des Minnedienstes,
die ich oben gab, werden bewiesen haben dafz sie auch damals
im allgemeinen tlber aller biirgerlichen Sittlichkeit stuudeu* Allein
auch in den weniger geglatteten und raffinirten Gesellschaften
war die Unterhaltung nicht immer von allerjei Schmuz frei. Die
deutschen Manner waren im Grunde das wofiir sie die Welschen
erklarten : gerade Degen mit rauher B^aut Hand und Zunge^
and die deutschen Frauen waren einfache ungezierte Weiber. Es
^eng darum in den Gesprachen oft sehr naturlich und wol auch
derb her und Ausdriicke und Spriiche wurden offen vor den
Damen gebraucht, welche sich die heutigen nur schalkhaft la-
chebd in das Ohr flilstern'). Die gegenseitigen Benennungen in
Scherz und Ernst waren auch nicht immer zart;^ man denke
nor an die Zornrede, mit der Dietrich von Bern die Koni-^
gin Krimhild andonnert , als sie' erbittert fragt wer die ver-
ratenen Burgunder gewamt habe. Wjenn die Manner ihre lusti-
gen Spriiche zu erzalen begannen, dann verliefzen die Frauen
') Herbert v. Fritslar 7299. d6 fd%en ft inne unde fagten von der minneund
van wibe nature fchSne aventure, von ftrite unde vrede heten Jt manege redsy in der
Awi zehanden von eren unde fchanden. *) Vgl. da8 Lied Ulrichs von "Wlnter-
rtetten. MSH. 1, 172.'
884
gewonlich die Gesellschaft *). Ihre Reden waren indefsen imincr
noch sittlicher als die Geschichten der Spielleute, denn wenn
auch derb so waren sie keine ausgesonnenen Wegweiser zu aller
Unsittlichkeit.
Einen Ueberblick fiber das geselHge Treiben der hofischeQ
Zeit gewaren die grofzen Festlichkeiten ; da roUt sich zwischen
Morgen und Abend dasBild von der Lust der hoheren Stande snf^
Wenn ein reicher hoherHerr einFest feiem wolte, schicbe
er zuerst Boten in das Land, um die Freunde und alle wit de-
nen er in irgend einer Verbindung stund einzuladen. Es ward
alles geriistet und der Kammerer und der Truchsefz trafen An-
stalten fiir die Beherbergung der Gaste. War keine Moglichkeh
sie in der Pfalz oder Burg oder in dem Burgflecken unteraubrhi-
gen , so wurden draufzen auf freiem Felde holzerne WoDUDgen
und Zelte von nicht selten kostbarem Stoffe aufgeschlagen. Aufxfl^
dem wurden Tische und Banke gezimmert die ebenfalls unter
dem blauen Himmel errichtet wurden , denn drinnen in den Bu>
gen war selten fiir grofzere Gelage gentig desRahmes. DieHftiu-
frau war unterdefsen inmitten ihrer weibliohen Umgebung sdtf
thatig; da gab es nicht nur fur sich neue Gewander zu fertigeo,
sondern auch die Manner vom Hausherrn bis zum letzten EmP*
pen waren neu zu kleiden und auch fiir die Gaste moate eo
Vorrat an Kleidem bereit sein. Die Wande von Sal und Zim-
mcrn wurden mit Teppichen undWafien behangt, die bettart^
Sitze mit den Riicklachen die Wande entlang gelegt, der Bodes
mit Decken iiberbreitet oder mit frischen Blumen und Grw b®-
streut *) und Tische und Banke sauber geputzt. Die Gaste nil-
ten ; der Wirt mit seiner Frau und mit reichem Gefolge giengo*
bis vor die Burg hinaus oder ritten ihnen ein Stiick Weges ent-
gegen und empfiengen sie freundlich mit Grufz undKnfs. Indi>
Ilaus gcleitet ward ihnen alsbald ein Trunk gereicht.
') Gudr. 337. — Gudr. 343. Biter. 12571. *) Pauli diac. L 1, SaSi*-
48.' 73." 94/ Egilss. c. 9. Fornmannas. 4, 75. 7, 147. 807. 10, 16. Bodi. H*
En. 12724. Heinr. Trist. 2518. Eom. de Flamencan. (Bay 1. r. 1, 6).
385
Jeder Fest- und Gesellschaftstag ward mit dem Besuche
er Mefse begonnen, die in damaliger Zeit gewonlich um neun
Jhr des Morgens gehalten wurde '). Der Zug dahin gab Gele-
enheit Pracht und ritterliche Gewandheit zu entwickeln. Jede
rau gieng oder ritt zwischen zwei Bittern welehe das Schwert
ezogen batten wie eine Ehrenwache und sich die Unterhaltung
er Dame angelegen sein liefzen 2). Die jungeren Eitter hielten
nterwegs ein Lanzenreiten ') und weltlicbe Musik vermerte den
arm und die Zerstreuung. Die Reihenfolge in dem Kircbgange
ie iiberhaupt bei offentlichen Aufziigen unterlag festen Regeln,
ie jedoch nicht zu alien Zeiten und Orten gleich waren. An
ner Stelle des Otfriedisehen Gedichtes wird besehrieben wie die
rauen den Zug eroffnen, dann die M'anner kommen und die Kin-
er zuletzt gehen (I. 22, 13.). Angilbert beschreibt einen Jagd-
ag Karls d. Gr. An der Spitze reitet Karl, nach ihm seine Ge-
lahliu Luitgart, dann seine Sohne Karl und Pippin und hier-
iif die Tochter Rotthrud, Berta, Gisela, Rotheit, Theodrada und
tilttrud. Jedes Glied der kaiserliehen Familie ist von seinem
[ofstate umgeben; fainter ihnen folgen die Rate*). Auch sonst
Jhen wir die Frauen im zweiten Theile des Zuges (Wigal. 7396
V^ittenweilers Ring 33,° 43.); im allgemeinen scheint jedoch in
er mittleren Zeit die Reihenfolge so gewesen zu sein: zuerst die
nverheirateten Frauen, dann die verheirateten und im besonde-
*n die Hausfrau oder die vornemste der Gesellschaft , dann die
fanner und fainter ifanen die Jiinglinge ^).
So wenig dieser Zug zur Kirche Gelegenheit zu frommer
amralung bot, so wenig bemiifate man sich sie in der Kirche zu
-winnen. Die Prediger von der mittelalterlichen Frommigkeit
^gen auf die Stimmen der Prediger jener Zeit achten , welehe
') Rettberg Kirchengesch. Deutschlandn 2, 786. '^ Nib. 277. 587. 548.
7. 1290. Gudr. 481. Eracl. 2704. Heinr. Trist. 1172. WigaL 8869. *) Nib.
'<>— 756. Frauend. 175—180. Mei u. Beafl. 7, 7. 83. — Ermold. Nig. eleg. 1, S3.
'ertzll. 516) Nib. 298. Salomo« undMor. 48— 64 (1.*). Altd. BK 1, 242, Walth.
1» 17—21. ') Angilb. carm. de Karolo M. lib. III. (Pertz II. 396—398.)
Nib. 547. Wigal. 7397. Wigam. 4449. Grimm Rechtsalterth. 409.
25
/
386
eiii arges Bild von der Theilnamlo3igkeit namentlich der Weiber
nicht blofz bei solchen Festlichkeiten entwerfen. Die Earche gait
als Gesellschaftsort wo man Neuigkeiten austauBchte, iiber Kin-
der und Gesinde schwazte und lieb^ugelte *). Die vomemeren be-
suchten fiir gewonlich die Pfarrkirchen nicht , sondem nur ihre
Hauskapellen. Schon friih, auf der Mainzer Synode von 886, Bah
man sich daher genotigt ihnen den offentlichen Kirchenbesuch an-
zubefelen, damit nicht immer den armen und betriibten gepredigt
werde ihr Leid geduldig zu ertragen, sondem auch den reichen
und m^chtigen ihre Harte und Gewaltthat vorgehalten und gie
gestraft und ermant werden kOnnten (Pertz leg. L 431.).
Nach der Ruckkunft von der Mefse setzte man sich zum
Morgenimbifz ^) ; wir finden also den altgermanischen Branch bald
nach dem Aufstehen eine formliche Malzeit zu halten (Tacit, germ,
c. 22) in dem hofischen Leben bewart, wie er sich auch hier und
da bis heute unter dem Landvolke erhalten hat^). Diese Zeit nacli
der Mefse war zugleich die Stunde wo Besuche gemacht wurdexi
und die Fursten Gehor gaben ; Gesandte wurden dann vorgelafzezi
und die wichtigsten Geschafte verhandelt *). Nach dem Imbirz
verabschiedeten sich auch die Gaste von den Wirten. Wurde das
Friihstuck nicht zur formlichen Hauptmalzeit erweitert sonderxi
von dieser getrennt, so gieng man hierauf zu allerlei gesellschaft-
licher Unterhaltung. Es wurde getanzt, oder die waffenfahigen
Manner hielten ein kurzes Turnier dem die Frauen zuschauten*
Sobald die Zeit des Hauptefzens herankam, die nicht fest bestimmt
gewesen scheint *) , ward ein Zeichen gegeben ; gewOnlich wurde
') Brud. Bertholds Pred. (Kling S. 343.) Chastoiem. des dames 890. ") Ercc
667. 2944. 8644. Wigal. 248. Otte 38. Fornmaunas. 4, 150. 7. 147. Da Csi&g«
6. V. accubitus. Bom. de Flamenca (Bayn. 1. r. 1, 7). ') lu Frankreich war ^
noch im 15. Jabrhundert Sitte die Hauptmalzeit um 10 Uhr Morgens sn btlteii}
um 4 Uhr wurde soupirt. Im 17. Jabrhundert gait der Satz: lever k six, dii*^
a dix, souper a six, coucher a dix fait vivre Vhomme dix foit dix. *) Nib. 11^*'
1191. Dietr. Flucht 7613. Fornmannas. 4, 118. 7, 146. — Erec 5278. Nib. I6«fi'
Egilss. c. 77. *) Wenne was des et^t^ens warden zitf ich hSrte ie fwenme €% ^
wirt hat unde git. Lohengr. 81. An Atilas Hofe wurde um drei Uhr su Ti»cb«
gcgangen. Pribcus p. 44. ed. Vcnet.
887
211 Tisch geblasen '). In den Kreisen wo die deutsche Sitte fest-
gehalten wurde trennten sich nunmehr die Geschlechter : Manner
und Frauen speisten in verschiedenen Raumen und hochstens die
Wirtin kam zu den Mannem um den Gasten gegeniiber ihre
Pflichten warzunemen *). In Frankreich dagegen safzen die bei-
den Geschlechter gemeinschaftlich und parweise zu Tische, so
dafz sie von einem Teller afzen, aus einem Becher tranken und
die Frau dem Manne sogar die Speisen vorschnitt ^). FranzOsi-
scher Einflufz fiirte diesen Brauch auch in Deutschland ein*). Zu
bemerken ist dabei dafz im Norden, wo die Frauen tiberhaupt
mehr Antheil an der Geselligkeit als in Deutschland hatten, diefz
Gepartsein bei Ticsche (tvimenningr) alte Sitte war; nur die Wi-
kinger vermieden es aus Grundsatz. Um eine anscheinend partei-
liche Vertheilung der Frauen zu vermeiden, wurden die Pare zu-
sammengelofzt *); auch hier tranken die zusammensitzenden aus
einem Becher oder Home* Als eine Vermittelung des parweis
sitzens und des voUigen getrenntseins erscheint im Norden und
auch in Deutschland die Einrichtung, dafz die Geschlechter zwar
in einem Sale aber an verschiedenen Tischen Platz nemen ®). Zu
Tacitus Zeiten safzen die Deutschen beim Efzen jeder fiir sich an
einem besonderen Tischchen (germ. c. 22.)»
In welchen Kreisen das gepart sitzen angenommen war,
fiirten die M'anner ihre Frauen an den vom Kammerer angewie-
8enen Platz '). Ehe man sich setzte kamen die Kammerer oder
die Knappen mit Becken Wafzerkanne und Handtiichern und die
') Laurin 177. Heelu 8862. vgl. Joncbloet Beatrijs p. 56. — In Frank-
•^ich war nach Le Grand et Roquefort vie priv^e 3, 310 das comer I'eau ein Vor-
fecht der vornemsten. =) Nib. 1610. Etzels Hollialt. 9 (vgK auch Nib. 608. 744.)
^ornmannas* 10, 107. *) Manger a la m§me ^cuelle. — Chev. au cygne 4469.
Chastoiem. des dames 501. *) Georg 2487 wird er ausdriicklich als „der Fran-
*^yfer fite" bezeichnet und sein Vorkommen der franz. Geburt der Wirtin zuge-
scbrieben. — Vgl. auch Roth. 1805. Ath. C* 20. 138. Parz. 762, 6» Wilh. 251,
^- Mai u. Beafl. 8, 28. 89, 37. Crane IV. 120. Heinr. Trist. 893« Lohengr. s. 14.
) Egilss. c. 7. 48. thnr var hlutadhr tvimenningr sem sUlhvenja var til. ') Gunn-
laugg Ormst. s. •;. 11. vgl. not. 93 der Kopenhagen* r Ausg. — Parz. 636, 19.
') Ath. C* 138. Lohengr. S. 14.
2S*
888
Hande wurden gewaschen; die Frauen wuschen sioh snersf, die
Manner folgten nach ihrem Range ^). Diefz Waachen der Hande
ist eine gute altgermanische Sitte , die sich bei dem Mangel der
Sorvietten gewifsermafzen von selbst verstund *). Bei Tiscke
machten in den ritterlichen Kreisen, die hier vorzngsweise ira
Auge sind, die Knappen die Bedienung; zuweilen wurden die
Speisen von berittenen Truchsefzen an die Tische gebracht, je-
doch scheint diefz in Deutschland nur selten geeehehen zu sein •).
DieZeit bei Tische wurde durch GeBprach verkiirzt, Spiel-
leute wurden vorgelafzen und ergetzten durch Saitenspiel 6e-
sang und Pantomimen *). Aelterer Brauch aber war dafz die
Tischgenofzen der Reihe nach Lieder anstimmten* Bereits Tacitas
berichtet diefz von den Germanen (Annal. 1, 68) und von An—
geleachsen und Nordlandem wird es noch aus epateren Jahrhun—
derten bezeugt (Egilss. c. 31. Beda hist. eccl. 4, 24). Li Frank—
reich niuste noch in hofischer Zeit jeder bei Tische ein Liedchen
singen oder eine Geschichte erzalen (Vie privde 3, 364). So
gieng das Efzen voriiber. Nach dem letzten Gerichte wurde wie—
der Wafzer zum Hande waschen gereioht , das Tischtuch abg©—
nommen ^) und dann entweder aufgestanden oder es gieng nuxt
zum eigentlichen Trinken (Priscus p. 45. Greg. Tur. 10, 27). Inge—
mischten Gesellschaften war indefsen das letztere weniger Brancb*
Ein jeder Gast suchte nach aufgehobener Tafel den ihio
gefalligen Zeitvertreib Die einen setzten sich an da8 Schnchbret^
zum Brettspie] oder zu einem Gliickspiele mit Wiirfeln oder Hoi-'
miinzen , andere giengen lustwandeln , noch andere unterhielteo
•) H. Trist 602. Welsch. Gast (Wackern. 505, 33.) *) Saem. ll/Kit>-
560. Ath. C* 143. Karlmainet 68. Ernst 2717. Wolfdiet. 436. vgl. S. PalayeK**
terwesen (von Kluber) 1 , 13. Le Grand et Boquef. r. priv. 3, 818, 887. ▼<>**
Wijn Avondstonden 2 , 96. Joncbloet Beatrijs 56. Dietrich bei Hanpt 3, 88S>-
•) Crane 4 , 132. vgl. vie privee 3, 345. *) Priscus p. 45. Sidob. ApdL cp-
1, 2. Thegan. vit. Ludov. c. 19. Nib. 1900. Wolfdiet. 440. Wigam. 459S. LoheaiT^-
81. Rom. de Flamenta (Rayn. 1. r. 1, 15.) *) Roth. 1251. Welsch. Gast (Wa-
ckern. 505, 30.) Roseng. C. 93. Dietr. gesellsch. 75. Lohengr. 25. BeatrO* •>-
Rom. de Blondel (Th. Wright anecdot. lit. s. 74). Hnyde - coper zn Meln Stolt*
4, 1376. Es failt auf dafz in dem niedcil. Walewein (f. 1.') das HftndewMcheB hI»
Sitte vornemcr Leute darges.ellt wird.
889
sich mit den Frauen oder machten einen Tanz *). Unterdefeen
wurden die Rofse bereit gehalten , die WaflPen und Riistungen
zur Hand gebracht und dann brach die ganze Gesellschaft auf,
um theils den Buhurt zu reiten theils ihm; zuzuschauen. Diese
ritterlichen Uebungen , die nicht selten einen blutigen traurigen
Verlauf batten , wefshalb sie die Kirche mermale verbot *) , war-
ten entweder bis zur Vesperzeit , wo die Frauen gewonlich zur
Kirche giengen, oder bis zur anbrechenden Dammerung. Manner
nnd Frauen vereinigten sich hierauf zu abermaligem frolichem
Beisammensein. Die Abendmalzeit gieng unter denselben Ver-
haltnifsen vor sich wie die Hauptmalzeit; auf sie folgte zuwei-
len noch allerlei Unterhaltung : entweder Tanz oder Brettspiel
oder Unterredung ^) ; gewonlich aber gieng man bald zu Bette*),
Die vomemen Gaste wurden von dem Hofstate zu ihrer Schlaf-
kanamer geleitet (Nib. 581» Lohengr. 79).
Wir haben besonders festliche Tage des geselligen Lebens
i>ei dieser Schilderung vor Augen gehabt. Wir sahen hierbei die
l^'rauen in steter Begleiturig der Manner und bemerkten keine
^l>ge8chlofzenheit des Verkeres. Nur in einigen Quellen , auf
lei'eii volksthiimlichen deutschen Gehalt wir deuteten , ergab sich
•61 Tische eine Sonderung. Es scheint dafz bei den deutschen
•ta-Ttimen diese gemeinsame Geselligkeit erst in der hofischen Zeit
"g^nonimen wurde und dafz vorher die Frauen, die Wirtin
tw^?4 ausgenommen, an denZusammenkiinften der Manner keinen
"^il namen. Siegfried ist ein Jahr bereits an dem Hofe der
^>"gundenkonige in Worms und hat die ersehnte Krimhild noch
^^-b^t gesehen. Die Jungfrau konnte ihn nur heimlich von den
6*^ stern ihrer Kemenate aus erblicken. An dem grofzen Sieges-
8t^ erscheint es als eine besondere Gunst Konig Giinthers ge-
') Fornald. s. 3 , 464. Rom. de Blondel (Th. Wright s. 74.) - Ferguut
^* ^S. God. de Bouillon 4583. Rom. de Flamenca (Rayn. 1. r. 7. 14.) ') Concil.
*^'^t-. a. 1139. c. 14. cone. Rhen. c. 18 (1148) syn. Halensis 1175. (Hartzh.
• "^^Os.) ") Crane 4, 236. fabliaux et contes p. Meon. 3, 426. Troj. orl. 879.
> l^tieit 10819. Kaiserkr. 4537. Karlm. 128. Herbort 944. Wigam. 4562. Rom*
* ^"lamenca (Rayn. 1, 14.^
390
gen seine Gaste, dafz er die Frauen zur Gesellschaft kommen
lafzt^ Diese Abgeschlofzenheit der Weiber war auch bei deoa
anglischen Stamme allem Anscheine nach Sitte 0 9 ^^ Skandioa-
vien dagegen theilten die Frauen echon seit fruher Jugend *) die
geselligen Freuden. Der neue Geist, der in der hofifichen Zeit rich
regte , brach auch in Deutschland die beschrslnkenden Wande deir
Frauengemacher und fiirte sie mindestens an den Festtagen in.
das Gewoge der Manner. Fruher war es den abgeechlofzenen eiix
kleiner Ersatz, diesen oder jenen der Gaste in ihr G«mach rm:*
laden und nach der Welt und ihrer Lust zu fragen. Jeizt be —
wegten sich auch die vomemen Frauen freier, obschon dieBancL^s
der Anstandsgesetze sie stets umschniirten und sie nie die vol
Lust schlurfen durften , welche den minder vomenaen seit alte:
Zeiten neben dem bitteren Tranke der Not als ein Ersatz spnidelt^^-
Die liebste Unterhaltung der Frauen auf den Burgen ua.^
Schlofzem war an den Fenstem oder Sollem zu 8teii^i_Jiim ^
in die Weite zu schauen, ob auf den Strafzen jemand nake
ihnen bunte Kunde in das alltagliche Grau der hauslichen
schafte bringe. Ein Gast brachte stets besondere Bewegung i^i
das Haus wo er einkerte, und Gaste nahten dem Schlofze yr^^
der Hiitte. Die germanische Gastfreundlichkeit war altberiihrn. '^ 9
schon Casar und Tacitus hatten sie der Welt verkQndet •). C^'
sar erzalt wie heilig sie das Gastrecht hielten , wie den Fremd^i*
alle Hauser offen stiinden und ihnen geboten wiirde wa« ^^^
Speise und Trank vorhanden sei. Tacitus spricht aus, dafz ricsb
kein anderes Volk mit den Germanen in dieser Tugend mefz^**
konne ; kein Fremder wer er auch sei werde von einem Dad*®
abgewiesen, es werde dem Gaste vorgesetzt was das Haus bicfc^*
und sei alles aufgezert dann gehe der Wirt mit dem Gaste
dem nachsten Hofe , wo beide gleich freundlich aufgenomm'
wiirden. Beim Abschiede wiirden erbetene G^scbenke gem ^^^
wart. Was die Romer hier riihmen, wird uns viele Jahrhunder**^
') Vgl. die Stellen im Beovulf 1215. 1840. 2430. 3958. 4088. ") GnO**'
laugs OrniHt. s. c. 3. Egils s. c. 74. ') Caesar, b. gall. 6, Sd. TrndU^trau ^''
891
spater von Kronisten und in Gedichten und Erzalungen von den
Islandem und Angelsachsen und den deutschen Stammen berich-
tet. In Sitte und Spruch ') hatte sich eine feste- Kegel uber die
Aufhame des Gastes gebildet, die ebenso zart und rucksichtsvoU
als edelsinnig und vol! Vertrauens war. Die Gesetze erhoben
BO&car die Sitte zur Forderung und verlanfften von einem jeden,
mochte er arin oder reich sein, dafz er keinen wer er auch eei
von Haus und Herd weise, denn die Gastfreundschaft ser etwas
billiges und heiliges *). Von dem Gaste forderte man dagegen
dafz er die Gastlichkeit nicht mifsbrauche und nicht zu lange
anter einem und demselben Dache verweile. Drei Nachte (oder
Tage) waren in Skandinavien die angenommene langste Frist und
in England gait der gleiche Grundsatz, denn mit der dritten
Nacht h6rte derFremde aufGast zu sein und trat in ein naheres
Verh'altnifs zu seinem Wirte *). Eine Erweiterung der Frist ergab
sich auf Island bei dem Winteraufenthalte Fremder von selbst ;
die nordische Gastlichkeit bewarte sich zugleich dabei auf das
Bchonste. Ganz unbekannte wurden samt ihrem Schiflfsgefolge
von den Israndcm in das Haus aufgenommen und den langen
Winter hindurch wie Glieder des Hauses gehalten* Selbst unan-
geneme Entdeckungen an den Gtwten anderten im wesentlichen
nichts ; der Wirt zog sich wol von dem Verkere mit ihnen zu-
ruck, liefz ihnen indefsen nach wie vorObdach und was sie be-
durften zukommen. Eine schone formelhafte nordische Rede war,
dafz sich bei der Ankunft eines lieben und ersehnten Gastes die
Hunde freuen und das Haus von selbst offne (Saem. lll*')^ In
vielen islandischen Hausern, die an der Landstrafze lagen, stund
stets ein Tisch fiir Gaste bereit und die Hausfrau safz draufzen
vor der Thiir um jeden Wanderer einzuladen unter ihr Dach zu
treten und sich drin wol sein zu lafzen*). Es war iiberhaupt For-
0 Vgl' unter andem die hierher gehorigen Theile von H&vam&l undLodh-
fafnismai. *) L. Burgund. 38, 1. capit. Karoli 802. 803. vgl. Grimm ■ Bechts-'
alterth. 400. 3) 1. Eduard. conf. c. 27. — Ein alter englischer Spruch war; die erste
Nacht fremd {uncudh), die zweite Nacht Gast, die dritte Hausgenofze (ageninne).
*) Landnamab. II, 6» 13. III. 8.
892
derung auch noch irn hofischen Leben dafz der Wirt des Hau-
ses , wenn er einen Gast kommen sah , ihm entgegengiengy ilut
bewillkommte und einzutreten bat (Erec 3616— 3L 8172). Me
Wirtin gleng gewonlich mit und fiigte dem Grufze den KufB
hinzu '). In den vornemen und modernen EjreiBen wurde der
Willkommenskufs indefeen nur dem ebenbiirtigen zu Theil*)-
Gieng die Wirtin nicht mit vor das Haus, so muste sie doch.
wenigdtens wenn der Gast in das Zimmer trat, aufstehen oncL
ihn willkommen heifzen. Freilich felte es auch damals nicht an.
eigensinnigen und ungezogenen vornemen Weibem, welche ihr^
Pflicht vergafzen und den Gast mieden. Sie vrfxfden indefsen da-
fiir in der ofFentlichen Meinung gestraft ^)^
Freundlich und aufmerksam war die Aufname in der einfii^
chen Hiitte Skandinaviens* Dem Gaste^ der iiber die kalten Ge-
birge und durch feuchte Nebelluft kam, that Warme und tro-
ckene Kleidung not. Darum war es das erste ihn an den Herd.
zu fiiren, ihm seine Kleider auszuziehen und warme trocken^
Gewander zu reichen. Dann brachte man ihm Speise undTrank*)*
Die Aufname auf den Eitterburgen stimmt damit iiberein. Dem.
ritterlichen Fremden wurde von der Frau oder der Tochter de»
Hauses seine Riistung abgenommen , ihm frische reinliche Klei-
dung gereicht *) , und nachdem er einen Ti;unk genofzen •) ein.
Bad geboten, das fiir dieEitter namentlich eine grofze Ergetzung^
war , die vielleicht lange in der schweren schmutzigen Riistunjr
gesteckt hatten '''). Nach dem Bade legte sich der Gast entweder
fiir kurze Zeit zu Bette oder mit den Kleidern des Wirtes ange-
0 Fylgja skal kvedhju koss. Saem. 112.' — cas. S. Galli a. 914 (Perti S , 86).
vgl. Priscus p. 39. *) Parz. 22, 15. 48, 5. Nib. 1288. vgl. auch Lanzel. 608. ff.
Wigal. 9609. Tarz. 310, 2.5. Nib. 544. 737. Gudr. 1576. *) Welsdi. Q»«t (Waekern.
I, 501, 16. ff. vgl. Nib. 342. 1166. Gudr. 334. Lanzel. 608.687. *) H&Taiii.8.
Egilss. 0. 7. 43. Fornmannas. 2, 98. vgl. auch Codex exoniensis (ed. Thorpe)
339; 25. s) Pa'z. 549. Iw. 312—389. S. Palaye (Kluber/l, 12. •) Saem. 8S.
94.' Nib. 392. 697. 1127. Gudr. 336. 767. Lanz. 6345. 3492. Parz. 406, 21. Mel
u. Beafl. 73, 11. Frauend. 539. 26. ') Pertz 2, 86. Parz. 167,2. Wigal. 5974.
Wigam. 1226.
sds
than begab er sich zu der Hausgenofzenschaft wo unterdefsen
eiiie Malzeit bereitet war. Hier nam er den Sitz den^ Wirte ge-
geniiber (da;^ gegenfidcle) als den *Ehrenplatz ein >)♦ Neben ihn
getzte sich die Wirtin oder die Tochter des Hauses um ihm den
Becher zu kredenzen und die Speisen vorzuschneiden *) , denn es
soke ihm alles recht bequem sein.
Diese Aufmerksamkeit erstreckte sich bis auf die Nacht-
ruhe des Gastes. Die Hausfrau oder ihre stellvertretende Toch-
ter begleitete ihn zu der Kammer um nachzusehen dafz dem
Lager nichts fele, und kam nach einer Weile wieder um zu er-
faren ob er gut gebettet sei, Dabei wurde ihm gewonlich ein
Nachttrunk gebracht ^). Diese Sitte welche noch heute aul Island
leben soil ist nur der Schatten einer andem, von der sich
im Mittelalter Spuren nachweisen lafzen; der Wirt legte dem
Gaste seine Frau auf guten Glauben bei *). Der Mifsbraueh des
Vertrauens mochte die Sitte iibrigens zeitig verbannen; Stimmen
aus dem 13. Jahrhundert klagen uberhaupt iiber den Undank,
welchen die Gaste in ihrem Benemen gegen die Hausfrauen
aufzem *^). Der Branch wurzelt iibrigens mit seinen aufzersten
Enden in jener friihen Zeit, wo das Weib auch den Germanen
als eine Sache gait , durch die man gleich wie durch Trank oder
warme Kleider dem Fremden etwas angenemes erweise. Noch
heute betrachten bekanntlich manche hochasiatischen Stamme nicht
minder die Kamtschadalen ihre Frauen und Tochter mit diesen
Augen und bieten sie ihren Gasten an.
Die freundliche Sorgfalt welche den Gast zu Bett geleitet
tatte suchte ihn am Morgen wieder auf. Vor seinemBette fand
0 Alexand» 3099. Rud. A', 4. Nib. 571. Staufenberg 1053. Mystik. I. 10,
»5. Foromaunas. 3, 153. 4, 78. Yngl. s. c. 41. *) Parz. 33, 11. 176, 18.279,
n. 551, 3. H. Trist. 5278. Mei u. Beafl. 229, 15. vgl. Hugdiet. 75. ») £neit
1256. 1298. Eaiserkron. 4536. Parz. 243, 20. 552, 23. Wigam. 4569. Fommannaa.
^y 25. Kabl. et contes (par Meon 3, 426). *) Es ist in dem Niderlandt auch
<l«r bruch so der wyrt ein lieben gast hat, da^ er jm syn frow zulegt vflf gnten
gloubea. Mnmer Geuchmatt. Geschworne Art. 9. — S. auch Saem. edda 101,
102/ 104.' 5) Hagen Germania 8, 296. ff.
S94
er frische Wasche ") , die Wirtin erkundigte eich wie er geschla-
fen habe (Parz. 5^3 ^ 26) und wolte er bald weiter reisen, so
iibernam sie cs samt dem Wirte ihm die Bustung anzulegen^
Nur das Schwert nam mancher nicht gem aus Frauenhaod
(Wigal. 6194); er mochte meinen dafz seine Mftnnlichkdt dft-
durch gelamt und durch geheime Ktlnste das Schwert gestumptt
werden konne; altnordischer Glaube sprach wenigstens vonWei-
bem die an den Strafzen sitzen und die Schwerter zum Eampfe
unfahig machen (Saem. 197*).
Ehe der Gast aufbrach, ward ihm noch Imbifz und Trunk
gereicht ') und alte Sitte wolte dafz der Wirt seinem Gaste einGast'
geschenk gab , das dieser wol auch forderte ^). Auch ein Austauee
von Geschenken zwischen Gast und Wirt (Priscus p. 38) und de
Abschlufz eines daucmden Freundschaftsbundes lafzt sich nachwei
sen und erinnert an die althellenische Sitte (Egilss. c 78). Be
dem Aufbruche ward der Gast ein Stiick Weges begleitet •).
Neben dieser herzlichen und zwanglosen Behandlung des 6a
stes zeigt sich auch eine gemefzenere welche an heutige Zustandi
erinnert. Der Gast muste zuvor angemeldet werden ehe der Wij
an ihm irgend einen Antheil nam ^) ; er muste seinen Mantel ftb
legen ehe er sich nahte (Erec 3722) und durfte nicht bewafihet ein
treten, sondern muste an der Thtir sein Schwert abgeben (Nit
1583, 2. 1683). Steifere Formen zeigen sich indefsen im Mittelal
ter nur in sehr vomemer Gesellschaft; man wuste Feinheit nn^
ungezwuiigene Freundlichkeit dem Gaste gegeniiber and wir
er der fremdeste gewesen, befzer zu vereinigen wie heate, wo dm
Wirtinnen ihre Pflichten oft gar nicht kennen.
Manche Frauen mochten dem Gaste um so lieber die von de
*) Helmbr. 1044. Cod. exon. 339, 17-25. *) Pars. 560, ll.WiplW^
6130. 6175. £s war iiberhaupt Branch dafz die Manner von ihren Franeii gc
wappnet wurdcn. Crane 4, 469. Ortnit 270. 271. Wolfdiet. 461. Eteels hofh. 1*^
•) Nib. 1626. 1265. Gudr. 778. Erec 5273. Egilss. c. 67. 77. FommannM. 5,1*^
*) Tacit, germ. 21. — Nib. 1633. ff. Gudr. 433. Saem. 27. Fommaiinaf. 7, 1*^
Fornaldar s. 3, 39. ») Gudr. 1689. Mei 96, 7. Egilw. c 67. •) Bwr. •»*
Nib, 513. 516. Lohengr. 87, 155.
895
Sitte geforderte Freundlichkeit erweisen als sie selbst schon das
wolthuende sorgsamer Gastfrieundschaft erfaren batten; denn es
warlange Zeit im Mittelalter moglich dafz Frauen allein sicher und
ohne iibele Nachrede durch das Land reisten ^). Ihre Weiblichkelt
ward geachtet und niemand wagte irgend eine Unbilde ihnen zuzu-
fiigen (Wigal. 2358. Wigam. 1565). Im 13. Jahrhundert batte sich
das aber geandert. Die offentliche Meinung erklarte sicb dagegen
und redete soleben Frauen allerlei iibeles nacb (Wigal. 2367);
die Manner verboten daher den Frauen allein oder nur selbander
zu reisen (Lanzel. 2326). Dazu kam dafz die Unsicherheit im
Lande durch die politischen Zerwiirfnifse und die daraus folgende
Storung der offentlichen Rube zunam , so dafz schon Keinmar von
Zweter klagt wie sich die Frauen nicht mebr fiber Feld wagen
diirften ohne von R'aubem (durch fchaz und niht durch rehter
^nue gelt) angefallen zu werden ^),
Die germanischen Frauen reisten gewonlich zu Pferde ; Freya
uf dem Eber und die Walkurien auf ibren Rofsen zeigen uns die
r
ergottlichung der Reiterinnen. Von mancher Nordlanderin wird
^richtet wie tiichtig sie ibr Rofs tummelte , und noch heute reiten
e Islanderinnen fast bei alien ibren Ausfliigen. In Deutschland
a.!* es nicht anders. — Die Weiber safzen gewonlich seitwarts zu
^ Ts , die hofiscbe Regel verlangte dafz sie dabei das Haupt ge-
^Ti den Kopf des Thieres kerten '). AufFallend ist daher dafz auf
ttem Siegel der Gemablin Wilbelms I. von Holland von 1223 diese
iirstin schrittlings wie ein Mann zu Pferde sitzt *). Die Sattel
^^'en zu dem Querreiten besonders eingerichtet. — Zur Sicherhei''
^^*den oft die Pferde der vornemen Frauen von dazu bestimmten
^^ppen gefiirt *) , welche zugleich, wenn nicht zuvorkommende
itter sich nacb diesem Dienste drangten, das Amt batten die Frauen
*) Zur Zeit Konig Edwins von Northumberland war solcher Friede in.Eng-
^ ^afz es sprichwortlich hiefz eine Fran habe mit ihrem kleinen Kinde unver-
Von Meer zu Meer durch die Insel gehen konnen. Bed. h. eccl. 2, 16,
■^SH. 2, 217.' vgl. auch Wilhelm v. Oesterreich (Haupt Z. f. d. A. 1, 218.)
^elsch. Gast. (Wackern. I, 503, 10.) *) Joncbloet Beatrijs s. 53. *) Eneit
^^' Nib. 583, 3. Fornmannas. 10, 87.
396
von den Rofsen zu heben. Dabei dienten Bogenannte Hebeeisen %
wie es scheint kleine eiserne Tritte welche in die Hohe gehalten
wurden und auf welche die Frauen traten (Frauendienst 37, 5).
Aufzerdem werden auch Schemmel zu diesem Zwecke erwahnt
(Nib. 531.) — Die Fiifze ruhten beim Reiten entweder auf schein-
melartigen Brettchen die an den Rofsen herabhiengen ^ oder in.
Stegreifen, welche von Metall Leder oder kostbaren Borten
ren. Die metallenen waren zuweilen sehr kunstvoll; im Erek
uns ein Par beschrieben das aus zwei Goldreifen in Drachenge««^
stalt besteht die sich in den Schwanz beifzen (Erec 7668). 6c^«-
wonlich waren sie wie die Vorderblatter der Schuhe gestaltet.
Das Reitzeug war bei den vornemen und reichen prachtig n^it
Gold Edelsteinen und Stickereien verziert. Den besten Bao^-sn
dazu bot das Satteltuch, das bis auf die Hufe der Pferde reichte ^
Hartmann v. Aue beschreibt uns im Erek weitlaufig eine rei<^^Sie
Stickerei, welche alle vier Elemente mit Gottern Thieren u.'sid
Menschen auf diesem seidenen Tuche versammelte (Er. 7590 — 76&T)*
Allein auch der Sattel, der Zaum, das furbiiege (der Brustriem^^),
der Darmgurtel und die Steigleder waren theils gestickt tli^ls
mit kostbaren Rinken und Steinen besetzt. Ebenso war das Ji^tZf
das iiber den Rucken des Pferdes lag (die vafen), oft verschwcn-
derisch geschmiickt *). Wie gern die Frauen mit ihrem BeitEeo^
prunkten , ergeht aus einer Bestimmung des Trierischen Koncob
von 1227, wo den Nonnen verboten wird vergoldete jSattd uod
Zaume zu haben ').
Das gewOnliche Reisekleid der Frauen war die Kappe^)*
') ftapha, ftapedesy faltatorict, amn^QLai^ fautoirs, -^ Sie waren
von £i8en. Vgl. Du Cange s. v. staffa. *) Engelhardt zu Herradt Ton
berg bonus deliciarum S. 95. vgl. denselb. zum Bitter Yon StaafBiiberg 8. S^*
■) Erec 7585. Gudr. 15. Wolfr. Wilb. 360, 14. Ueber das fatelkleii (^fat^kmc^
kovertiure) vgl. v. Sava iu „Quelleii and Forscbungen znr yaterlandischen Q^'
schichte Literatur und Kunst.*' Wien 1849. SS. 339. f. *) Die Beachreibu^^
cines pbantastisch-prachtigen Krauenreitzeuges in Hartmanns Erek 75*6—776^'
vgl. anf/erdem Graf Rudolf A/ Nib. 530. 741. Gudr. 1701. Wiganu 15»^'
•) c. 16. Hartzheiin 3, 535. <>) Frauend. 48, 14. Lanzel. 5933. Endt. 17S0.
Auch die Manner trugen Kappen auf Reisen. WigaL 8869. Triit. 53SI6.
3OT
ein kurzes mantelartiges Gewand, das zugleich den Kopf verhiillte
und gegen Regen Sonne und Staub den besten Schutz gab. Auch
hieran wurde allerlei Verschwendung getrieben ; auf dem erwahn-
ten Trierer Koncil wurde den Nonnen geboten keine allzu langen
und gefaltelten Ueberwurfe zu tragen.
Die Frauen reisten nicht blofz zu Eofse sondem auch zu
Wagen. Auf den Wanderziigen begleiteten sie in dieser Weise
ihre Stamme; [fiir die Konigin der Vandalen war der Wagen das
herkommliche Reisemittel ^). Gerade die grofze Erdgottin fur zu
Wagen durch das Land und im iibrigen wifzen wir dafz die GOt-
terbilder durch das Volk gefaren wurden. Im Norden war auch
der Wagen fiir die Reisen der Frauen so beliebt wie dasReitpferd *).
Grofze Bequemlichkeiten boten diese alten Wagen nicht ; es wa-
ren viereckige Kasten auf niedrigen Radern, die mit Schnitzwerk
nnd Farben und Gold wol verziert waren aber keinen angenemen
Sifz boten. Zum Schutze gegen das Wetter wurde eine Decke
dariiber aufgerichtet. Ueber die altesten Reisewagen sprachen wir
bereits als wir in dem Hause dieNachbildung derselben nachzu-
weisen such ten.
Wir haben in dem Vorhergehenden , indem wir die geselli-
gen Freuden mit namenflicher Beriioksichtigung der Theilname
der Frauen zu schildern versuchten, ganz besonders die Bliite-
zeit des hofischen und ritterlichen Lebens im Auge gehabt. Was
vor dem zur Lust des Tages diente, suchten wir ebenfalls zu
b^richten; es war zum Theil dafzelbe, zum Theil war es einfa-
cher und volksthiimlicher. Aufzerdem war in den vorange-
benden Jahrhunderten keine solche Scheidung zwischen gebil-
deten und ungebildeten wie sich allmalich einstellte, wenn
^uch die Trennung in verschiedene Stande schon seit langer
Zeit vorbereitet und auch durchgefiirt war. Die Sitten waren
')Procop. bell. vand. II, 9. vgl. B. goth. 1, 1. ') Engelstoft Quindek-
jonnetskaar S. 60.
398
gemeinsamer y und die Geistlichkeit und wenige weltliche aas-
genommen stund das ganze Volk fast auf derselben Stufe gel
stiger Hohe.
Sitte und Sittlichkeit sind sich nahe verwandt, wird sich ii
jener spiegeln. Ueber die sittlichen Zustande der Germanen unc
besonders der deutschen Stamrae konnten wir bereits an verschifr
denen Stellen dieses Buches die lebendigsten Zeugnifse nieder-
legen: das Weib und das Yerhalten des Mannes zu ihm ist dei
Tugendmefzer eines Volkes. Wir sahen wie die Germanen zwai
rauh und hart waren, aber die Weiblichkeit die Zucht unc
Scham ehrten; Ziige aus der Zeit roher Naturkraft wo daa Weil
als Sache gait, waren jedoch nicht ganz verschwunden. Aub den
Lastersumpfe worin die romanische Welt yersunken war, ragen
die Germanen als feste trostende Eilande hervor. Die Stiirme
welche die germanische Welt im innern aufwiilte, die Vemich-
tungskampfe eines Stammes gegen den andem, der Umsturz der
alten Statsverfafzung und des ureigenen Glaubens, die Umwalzungen
in den gesellschaftlichen Verhaltnifsen , konnten nicht ohne die
groste Einwirkung auf Sitte und Sittlichkeit bleiben. ]l4ehr all
ein germanisches Yolk gieng in dem Romanenthum unter, und in
den Kampfen von Germanen gegen Germanen, von Kristenthum
gegen Heidenthum, von selbstsuchtigem Furstengeliist gegen die
Volksfreiheit, wurden die finsteren Machte des menschlichen We-
sens entfefzelt. Die Zeiten des Ueberganges raumten allm&lieh
ruhigeren den Platz, der neue Geist gewann an innerer Herr-
schaft und die Sitte ward von ihm befruchtet. Das Konigthum
war fest begriindet, die Idee des Kaiserthuros trat hinzu. Die
Kirche gewann an steigender Macht , die hohen Reichsbeamten
wurden zu kraftigen Reichsfiirsten , der Adel bildete sich zum
Ritterstande, die Gemeinfreien schwanden durch Gewalt hin und
eine neue Erscheinung das Stadtewesen erhob sich. Die verschie-
densten Bestrebungen kreuzten sich in dem Volke, die Zust&nde
wurden zusammengesctzter, Licht und Schatten vertheilten sich
schroffer als vorlier. Das Vermogen und die Bildung wurden
399
scharfer geschieden , die zerfrefzenen gesellschaftlichen Verhalt-
nifse unserer Zeit bereiteten sich vor. Em inneres Leben entstund
das nur den bevorzugten zuganglich war; jene geistige Republik,
in der Konig und Bauer gleiche Theile waren, wurde von der
Geistlichkeit , der Gelehrsamkeit und der Poesie fremder VOlker
gesturzt ; in ihren Triimmern safzen die Blinden und die Armen ;
alles andere zog in den aristokratischen Stat der modernen Kul-
tur. Die hoheren Stande gewannen durch das Ritterthum und das
hofische Leben auf eine Spanne Zeit an aufzerem Glanze; mit
dem Glanze griff aber auch der Schein um sich und bald genug
verschwand er wie ein triigerischer Traum in diisterer Nacht,
Au8 der Hose des ritterlich-romantischen Gartens schofz der Wurm
der tJnsittlichkeit und des politischen Ungliicks einem Riesen gleich
hervor; jener Glanz war die Rote auf den Wangen eines Schwind-
siichtigen. Kaum erhebt sich die Lyrik dieser neuen Zeit, noch
ist ihr Epos nicht zur hochsten Entwickelung gediehen und schon
tragt das Leben das sie verherrlichen die Flecken des nahen
Todes. Mitten in die Pracht schallt die klagende und riigende
Stimme der Dichter, dafz Treue Zucht und jEhre «iecb seien oder
schon gestorben und dafz die rechte innige Heiterkeit und.Fieude
mit ihnen schwinde ^). Wer in Einfachheit keusche Liebe treu
beware, sei zum Spotte (Wigal. 10246) ; zwischen trefflichen Man-
nern und schamlosen Buben werde von den Frauen nicht mehr
unterschieden , ja die schlimmen rohen und, wilden seien ihnen
die liebsten ^) ; manche biete sogar ihre Liebe um Geld feil *).
Eg trug schlirame Friiehte dafz die Deutschen von den schim-
memden Fruchten Hesperiens kosteten und die geniale Liider-
lichkeit, die auf ihren Leib nicht pafzte, gegen Ernst und Zucht
eingetauscht batten. Die eheliche Treue ward ein Spott, listiger
Ehebruch und frevelhafte Unzucht wurden in unzaligen kleinen
') Heinr. v. Veldeke MSH. 1, 37.' Walth. 31, 16. Nithart MSH. 3, 226.
*) Walth. 48, 25. Reimar MSH. 1, 179.^ Walth. 32, 7. 90, 31. ') Walth. 31,
19. Minne lere 477. 1374.
400
Gedicliien gepriesen und belacht, die Tracht ward gemem nnd
schamlose Gestalten dienten zum Schmuck der Tafeln. Die Yor-
nemen Stande waren bis in das Mark vergiftet und steckten alle
an 9 die sie beriirten ; die Frommelei der sie dem alten Sprich-
worte treu in die Arme fielen, war ein weiterer Verlauf der Ver-
derbnifs. Ein Yolk wird niemals politischen Schiffbrach leiden,
so lange mnnnhafte Sittlichkeit in denen lebt die seine Oeschicke
leiten oder die in seinem Vordergrunde stehen ; wem Deutschland
sein Ungliick dankt , wifzen wir. Die Kampfe zwischen Kaiser
und Pabst, die selbstsuchtigen Bestrebungen der einzelnen Fftr-
sten gegen die Einheit und Macht des Reiches, die religiose Un-
befriedigtheit des Volkes, die Sittenlosigkeit und Rohheit der Vor-
nemen wirkten furchtbar. Damals giengen die ersteii Stftnde flkr
die Hoffnung Deutschlands verloren ; dagegen erhob sich der Biir-
ger und die Stadte wurdcn zum grunen Zweig von dem die Taiiiie
der Freiheit ihr Hoffnungsblatt bricht.
Die Verdiisterung und Verschlechterung der Zeit, die Frfim-
melei Bohheit und alles Leid mag statt alter andem Aosffinm-
gen durch den steirischen Bitter Ulrich von Lichtenstein geschil-
dert werden , der uns bereits durch seinen wansinnigen Minne-
dienst bekannt ist. Der Dichter spricht in seinem Frauenbnche,
das er 1257 dichtete, in Gestalt eines Gespraches zwieichen anem
Bitter und einer Frau Uber den Verfall der Gesellschaft ; ee ist
ein Streit wer das Unheil verschulde, ob die Manner oder ffie
Frauen, ein Streit der auch sonst erhoben wird (Walth. 44, 85)*
Der Bitter wirft den Frauen vor, sie triigen Schuld an dem Zu-
riickziehen und der Verwilderung der Ma^nner, denn sie fltiefzeD
dieselben von sich zuriick. Kaum dankten sie auf den Gmfi mid
wolle man ein Gesprach anspinnen , so verstumme ihre Zonge,
sie antworteten nicht einmal Ja und Nein. Da sei es wol natOr-
lich dafz sich die Manner andere Unterhaltung aufsuchien ')* Die
*) Ulrich von Lichtenstein. Herausge«;ehen von Lachmann mit Anmerkon-
gen von Th. v. Karajan. Berlin 1841. SS. 597. 598.
401
Frau entgegnet hierauf , dafz die Manner diefz Schweigen hervor^
rufen. Wie konnten sie freundlich und unbefangen antworten
wenn die Frauen wiisten wie iibel das gedeutet werde, welche
BcUimme Folgerungen jene daraus zogen, denn auf ein Lachelp
bin schneide man einem Weibe die Ehre ab (SS. 599. 600.) Der
Ktter wendet sich nun zu einer anderen Angrififsseite ; er spricht
iiber den Anzug der Frauen und wie schon dieser die Manner
abschrecke. Gleich Klosterschwestern verhfiUten sie jetzt mit
Schleier und Binde Wangen Mund und Stim bis auf die Augen,
und wenn sich eine weltlich und heiter kleide, sp trage sie we<-
nigstens ein Paternoster als Brustspange , damit die Manner
uberall an das Fr5mmeln erinnert wiirden. Sei das Herz geist-
lich, was babe der Mund davon zu reden und der Rosenkranz
damit zu pralen? Keine der Frauen sei jetzt heiter ; Gast und
Wirt, Freund und Gemahl miifzen unter den Betriibungen lei-
den, die Tag und Nacht getrieben werden (SS. 601, 602), Die
Frau wirft auch diesen Yorwurf auf die Manner zuriick. Ein
Weib miifze sich kleiden wie sein Mann woUe; die dtistere Klei-
dung sei ihnen durch die Manner aufgedrungen. Wozu solle sich
denn ein^ in heitere Gewander httllen? die Zeit sei yoriiber wo
die Wirtin den Gast bei Tische mit freundlichem Grufze und
Knfse empfieng und sich in den Tanz mischen durfte. Heiterer
Sinn werde falsch ausgelegt, drum batten sie ihn verbannt.
Wiesen nicht die Manner ihre eigenen Frauen ab, wenn sie mit
fretindlicher Liebkosung ihnen nahten? Grramlich spricht er: lafz
sem, es ist zu viell Und wie vernachlafzige nicht mancher sein
Weib I Kaum grant der Tag, so verlafzt er das Lager ^ ruft die
Hunde und eilt in den Wald. Den ganzen Tag liegt er auf der
Jagd, spat Abends kehrt er heim. Da wirft er sich breit auf
einen Tisch und verlangt das Brettspiel. Bis Mittemacht spielt *
er, dann erst sucht er das Bett. Freundlieh heifzt ihn die Frau
in der Rammer willkommen, mit Zucht steht sie auf, er antwor-
tet ihr nicht und eilt einzuschlafen. Wenn solle die Frau da
heiter sein, w^n der Freude pflegen, wenn und warum gute
Kleider anthun? Und sind die Manner nidit auf der Jagd, so
26
402
eitzen sie beim Weine 0 und schneiden den Frauen die Ehre ab.
Jedcr riihmt sich defsen was ihm zu Liebe geschah tmd nennt
die schwachen Weiber bei Namen. Das war vor diesem nicht;
wer Minnegunst erningen , der wuste verschwiegen zu sein
(SS. 603 — 611). Der Eitter antwortet dem Vorwurfe mlt andem
Vorwiirfen. Wenn die Liebe nicht in alter Reinheit bestehe, so
trage auch das die Schuld dafz gar viele Frauen sie urn 6e-
schenke oder gar um Geld verkauften, und welche sie nicht
feil biete, die verscfaleudere sie an einen gemeinen Kneclt
(SS. 613 — 614). Die Frau wirft nun sehr schwere Beschuldignn-
gen auf die vomemeren Manner. Wie konne sicli ein Wdb
ihnen ergeben da man wifze welche unnatiirliche Laster unter
ihnen wucherten. Der reinen und zt^chtigen Frauen gebe w
noch genug die ihre Gunst weder feil hielten noch versdJeu-
derten, aber die Manner wiisten solche Perlen nicht zu schatien
(SS. 614 — 616). Die Eede ist auf so schlimme Dinge geraten
dafz der Eitter sie zu enden beschliefzt. Er legt nur noch ein-
mal seine Ansicht dar, wie sich die Manner den Frauen freufig
und dienstwillig nahen warden, wenn sie heiter w&ren , ihr Aen-
fzeres nicht vernachlS^fzigten und das frommelnde Kopfhangen
liefzen. Habe ein Weib einen wusten oder einen m&Tischen ManUi
so scbenke sie ihre Liebe einem der sie zu schatzen wifze. Vnr
sittlichkeit gegen Unsittlichkeit ist also das Heilmittel des Sit-
tenpredigers , dem es um eine emste tiefe Befzemng nicht «tt
thun ist, sondern nur um Aufheiterung des geselligen V«^
kers. Bei solcher Gesinnung und bei den gewaltigen Schadcfl,
die sich uiis hier aufdeckten, konnte es nicht anders kommca
als dafz die Manner in Rohheit weiter versanken und Sf^
Frauen entweder in Frommelei oder in Liederlichkeit oder *
beiden zugleich vergiengen. So konnte ein franzosischer Dichtff
jener Zeiten den schwersten Hohn dem weiblichen G^scUcdito
*) Vgl, auch Hclmbr. 990. i vant man werde liute bt den fchoam «*■•
wen , nu muo:^ man fi fchouwen hi dem veilen wine.
403
fegenwerfen 0 der ihm in den sittenlosen Gesellschaften der
Bren Zeit ebenfalls zugenifen wurde, Dem Hohne dieser
de mit der Revolution geantwortet , jener verschallte in
01 Elend das in den nimmer sterbenden Krieoren und Feb-
, den Hungersnoten und Pesten iiber die Ld.nder herein-
3b. Eine traurige Schilderung von dem Leben des funf-
nten Jahrhunderts gibt unter andem das Gedicht ^^der Kittel"
— 55).
') Jean de Meung im Eoman de la Rose 9193.
toutes eftes feres ou Jutes
de fait ou de volente putes.
et qui bien vous en cercheroit,
toutes putes vous trouveroit.
26*
Neunter Abschnitt.
Die Tracht.
iN achdem die Untersuchungen beinahe zu dem Ende geffirt
sind , welches wir uns fiir diefz Mai steckten , mufz nodi ein
Pfad eingeschlagen werden der eine neue Aussicht gewSrt. Wis
haben inneres und S^ufzeres zu yerblnden gesucht, denn dieses ut
nur der Ausdruck von jenem, Wir wollen also noch ein ptr
Blicke auf die Tracht der germanischen Weiber werfen. Die
Kleidung hangt yielleicht mehr als anderes von Sinn und Bildnng
eines Volkes ab ; in der gegebenen Tracht treten durch den Wit
len und Geschmack des einzelnen Aenderungen ein , welche mehr
als Gesichtsziige den Karakter bezeichnen. Der Stand des Vol-
kes in der Yerarbeitung roher Stoffe, seine Geschmacksbildiugy
seine Handelsverbindungen alles diefz kommt hier zum Ausdrack
und verleiht der Untersuchung Hber die Tracht mehr Anziehendes
als der Gegenstand an und fiir sich verspricht *).
Die altesten Nachrichten iiber die Kleidung der Qermum
gibt Julius Casar. Er sah die Deutschen mit denen er kSmpAs
') Ich bedauere die Untersuchang nicht mit erschOpfender Yollstiiidis^fltt
fiiren zu konnen , da mir durch einen Ungliicksfall der hierzu gesammelte Stof
theilweise vernichtet wurde und mir hier (in Krakan) kein gen&gender Enati n
Gebote steht.
405
r in Felle gehiillt , welche einen Theil des KOrpers unbe-
ckt liefzen. Der Winter anderte in dieser mangelhaften Be-
jidung nichts (bell. gall. 4, 1^6, 21). Pomponius Mela (III. 3)
salt dafzelbe. Nicht viel spater wird una dutch den altereh
inius (hist. nat. 19, 2) eine Nachricht, welche ein befzeres
cht auf die deutschen KulturzustS^nde wirft; er sagt nem*
h dafz die deutschen Frauen treffliche Leinwand webten und
2sen Stoff jedem andem fiir ihre Bekleidung vorzOgen. Es
Tzt sich also annemen dafz schon zu Casars Zeit die Verar-
itung des Flachses in Deutschland bekannt war und dafz die
eiber Linnen trugen. Die Felle waren freillch leichter zu ge-
nnen, denn Jagd und Viehzucht gaben sie ohne Anstrengung;
td noch sehr lange galten sie als eigenthiimli^^he KleiduDg der
^rmanen. Klaudian (bell. get. 481), Sidonius Apollinaris (ep. I.
carm. VII, 349.) und Hieronymus nennen die Gothen, Fortunat
, 5) die Franken bepelzte Manner ; in einem byzantinischen
eihnachtsspiel traten zwei Gothen in Pelzen auf ^) , und noch
dor bezeichnet, wo er von den Volkstrachten redet (orig. 19, 23)
J Felle (renones) als germanische KJeidung *). Wir werden spa-
erfaren dafz im ganzen Mittelalter die Pelze bei den Germa-
a sehr beliebt blieben und dafz sie einen bedeutenden Handels-
^enstand ausmachten. Schon zu Tacitus Zeit wird einiger
if wand damit getrieben ; seine Schilderung der deuts<3hen Tracht
>t uns uberhaupt weitere Aufschliifze* Er sagt nemlich in der
rmania (cap. 17) zuerst, die allgemeine Bekleidung sei ein Um-
ag (fagum) , der durch eine Spange oder auch durch einen Dom
jammengehalten werde ; der ubrige Korper sei unbedeckt. So
it stimmt also seine Beobachtung mit Casars iiberein. Die rei-
jren aber , f iigt Tacitus hinzu , tragen noch andere Kleidung
d zwar keine weite die den Korper ganz verhiillte, wie die
*) Constant, porphyrog. de ceremon. aulae byzant. 2, 83. — Ueber die Pelz-
en der Geten Ovid. Trist. V. 7, 49. *) Im mittellat* wird Pelz zuweilen
ch reptis wiedergegeben , das Papias als gewonliches Wort ftir reno anfiirt.
nord. ript^ rift, angels, reft geltcn allgemein fiir UmhtlUang, Gewand; sie ste-
L jedenfalls in Verwandtschaft mit dem mlt. reptis.
406
Sarmaten und die Farther^ sondem eine enge, welche die eiiicel-
nen Glieder deutlich hervortreten lafzt. Ihre Peize vendezen die-
jenigen Stammey welche Handel treiben, mit allerlei farbigen und
fremden Pelzstucken. Die Kleidung der Weiber unterscheide tich
im wesendichett nicht von der mannlicheiiy nur sei bei ihnen der
Gebrauch von Linnenkleidern haufiger, die sie zuweilen mit Pur-
purstreifen verzieren ^)* Auch sei ihr Kleid ohne Aermel, 00 dafz
der ganze Arm unbedeckt bleibe und eben 80 werde der Hals
(proxima pars pectoriB) frei getragen. — Machen wir uns nach
diesen Angaben ein Bild von der deutschen Tracht im ersten
Jahrhundert unserer Zeitrechnung, so erscheint der reichere Mann
mit einem kurzen eng anliegenden Bocke mit Aermein und Bdn-
kleidem; iiber die Schultem h^ngt ihm ein Mantel von Fellenf
der durch eine Spange zusammengehalten ist. Die Fraaen haben
ein weit Islngeres Gewand ohne Aermel, im Uebrigea tragen sie
denselben Mantel wie die Manner ^). Wir haben darin mgleich
die wesentlichen Ziige der ganzen mittelalterlichen Tracht.
Bei nichts war Einfiufz der Fremde leichter tmd in niehts
haben sich die Germanen williger der Fremde .gefilgt als in der
Kleidung. Es h'angt diefz zum Theil mit ihrer geringen Fihig-
keit Formen zu schaffen zusammen, welche sich anf&nglich aach
in der Baukunst aufzerte und die uns Deutschen in neuester Zeit
noch in hoheren Dingen Wunden geschlagen hat Nach dem
LJntergange der mittelalterlichen Tracht schwankten die Deatschen
zwischen den Elleidungsarten ihrer Nachbaren umher, bis sie end-
lich ganz den Franzosen verfielen. Aber sohon weit frUher zeigt
sich Einwirkung der Fremde , denn die Gt)then') bereits haben
') Friskns nnd die anderen byzantinigchen Gesandten welche lich Atilai
Gemahlin, der Eerka, yorstcllen lafzcn, finden sie umgeben von ihren Migdeo,
welche feine Leinwand bunt f&rben , die zum Schinuck anf die Kleider gesettt
wird {od'ovag ;i;9o>fia(;i Si^noUMoVy impXri^riaoiisvas nqog no^fLOP h^i^^Mtrnw
§aQ§aQi'Kav). Friscus exc. Icgat. p. 43. ed. Yenet. Polen nnd andere Slayen Ter-
zieren ihre Linnt-nrocke hente noch mit bunten Streifen. ^ Gkni ersonnea ud
falsch sind die Abbildungeu welche Spalart Versuch iiber dai Kost&m IL toe
den Trachten der altesten Germanen gibt *) Der anon. Valesii beriohtei nni
40?
Zeugnifse dafur in ihrem uns erhaltenen Wortvorrate. Den Uni-
kang nannten sie mit anscheinend fremdetn Worte fnaga, das
TJntergewand mit finnischem Ausdrucke paida ^). Indem sich diefz
letztere Wort auch bei den hochdeutschen Stammen und den
Sachsen findet, scheint eine Verpflanzung dieser Kockart unter
dieselben durch die Gothen verraittelt worden zu sein Weiterhin
werden wir elavische Einwirkungen bemerken^ Auch der Orient
deutete schon fruh seine kiinftige Bedeutung fiir das stoffliohe
Leben in der Unter werfung der Vandalen unter seine KJeidung
an (Procop. bell. vand. 2, 6.).
Zwischen den Nachrichten des Tacitus iiber die germanische
Tracht imd spateren vermitteln Angaben des Bischofs Sidoniiis
ApoUinaris. In einem Briefe (ep» IV, 20) schildert er den Braut«
zug eines jungen germanischen Konigssohnes *)♦ Es mogen Bur-
gunder oder allenfalls Westgothen sein, deren Aeufzeres im funf-
ten Jahrhundert wir hierdurch kennen lemen. Der Brautigam in
seinem roten mit Gold und weifzer Seide gestickten Gewande
zieht uns weniger an als sein Gefolge. Der Rock dieser vorne-
men Krieger ist bunt, eng, reicht kaum bis an das Ejaie, die
Schenkel und Waden sind nackt, bis an die Knochel reichen
Schuhe deren aufzere Seite noch das Har des Thierfelles tragt*
Der Unterarm ist blofz ; iiber den Rock fallt ein griiner Mantel
der unten mit Purpurstreifen umsaumt ist. Das WergehSnge vou
beschlagenem Rennthierfelle und Schild Geet und Beil voUen^
den die Ausstattung. Das Alltagsgewaud schildert Sidonius Apol-^
linaris in einem seiner Gedichte (carm. VII, 454 — 59) '). Sie ka-
men zur Yolksversammlung in einem kurzen Linnengewand^ dar*
ein Sprichwort des ostgothischen Tbeoderich, was im allgemeinen die gegenseitige
Nachaffung der Gothen und Eiimer ausspricht: Romanus miser imitatur Gothum et
utilis Gothus imitatur Romanum, ') finn. paita, — • ahd. mhd. pfeit, (in oberdeatschen
Volksmuudarten heifzt das Hemd noch p/ait j pfoai) altsach. peda, *) Vgl.
dariiber J. Grimm in dem Monatsbericht der Berb'ner Akademie der Wifzcnschaf-
ten. Febr. 1851. SS. 109 — 112, •) fqualent vefles ac fordidae macro Lintea
pinguefcunt tergo nee langere pofsunt Altatce furam pelles ac poplite nudo Peronem
pauper nodus fvfpendit equinum.
408
uber ein Fell, das bis an das Knie reicht ; der hohe Schnh (pero
equinus) wird durch einen armseligen Riemen fiber der Wade fest-
gekntipft. Es sind Westgothen, die hier beschrieben Bind.
Einige Gunst des Geschickes hat weitere KenntaifB der 51-
teren Trachten auf uns kommen lafzen. Paul Wamefirieds Sohn
schildert die EJieidung der Longobarden des siebenten Jahrhun-
derts folgendermafzen (de gest. Longob. 4, 23)* Die Gtewander
sind weit und meist von Linnen wie bei den Angelsachseii and
mit breiten bunten Saumen besetzt. Die Schuhe sind durch Bie-
men festgehalten und vom bis auf die Zehen aufgeschnitten.
Ueber ihnen tragen sie weifze Binden (1, 24). Spftter namen sie
wie Paul sagt von den Romem die Hosen an, uber die sie bdm
Beiten wollene Kamaschen ^) zogen. Das Haupthar war hinten
kurz abgeschnitten , vorn hieng es bis nicht ganx an daa Kinn
herab und war mitten gescheitelt. Ein G^malde, das die liOngo-
bardenkonigin Theudlind in ihrer Pfalz zu Modicia (MoniEa an
den Alpen, zwOlf Meilen von Mailand) anfertigen liefz, yerdeutlicht
Pauls Schilderung '). Der Konig Agilulf erscheint hier in emem mit
Streifen eingefafzten Mantel, der mitten unter dem Halse durdi
Ba^nder an einigen der Knopfe befestigt ist, welehe die Bmst
hinab gesetzt sind. Der darunter befindliche Hock ist ziemlich
weit und reicht wie das Bild des neben dem knieenden FOraten
stehenden Mannes deutlicher zeigt, bis iiber die halbe Wade.
Unter der Brust wird er durch einen Gfirtel zusammengehalten.
Die Aermel scheinen doppelt ; bis an den halben Unterarm xeicht
namlich ein weiterer Aermel, der mit einem Saume eng an dcm-
selben abschliefzt; dieser geht bis an das Handgelenk, endet mit
einem Besatz und ist an der oberen Seite mit einer Seihe Kno-
pfe besetzt. Der Hals ist frei und ungeschmiickt* Der Eonig
tragt eine Art Stiefeln mit Sporen, der daneben stehende Mann
die von Paul beschriebenen Schuhe. Die Frauentracht ist nicht
*) tubragos birreos. — tubrng ist wie J. Grimm Gesch. d. devttchen Spr
695 deutot, das deutsche diohbruoch. ') Eine Nachbildong findet tich bd Ma<
ratori rcrum italic, scriptores. I. 460.
400
bedeutend hiervon verschieden. Die Konigin Theudlind tragt iiber
ihre Krone das Schleiertuch welches wir durchgehends im Mit-
telalter finden werden. Der Mantel hangt frei auf den Schultern
tlnd wlrd unter beiden Armen gegen die Brust hinaufgezogen ; er
ist am untern Ende mit einem Streifen besaumt. Das Unterge-
wand reicht bis auf die Fiifze und ist etwas unter der Brust
durch eine Schnur umgurtet, deren bequastete Enden bis auf die
Kniee herabhangen. Der obere Theil bis auf den Gtirtel ist mit
einem breiten Saume verziert der rings um den Hals und mitten
die Brust entlang geht; an der Brust hinunter ist eine Reihe
Knupfe gesetzt. Die Aermel scheinen von den Mannerarmeln nicht
verschieden. Eine neben der Konigin stehende Frau ist ohne
Mantel. Ihr Untergewand ist weit und von einem weichen Stoffe ;
um den Hals ist ein Besatz der in Art einer nach uuten gekehr-
ten Mauerzinne ausgeschnitten ist und an den sich drei Streifen
ansetzen, welche am Gurtel in einen Punkt zusammenlaufen. Sie
scheinen gleich dem Gurtel aus verschiedenen Farben zusammen-
gesetzt. Die Schuhe der Frauen sind auf dem Fufzblatte nicht
aufgeschnitten.
Ein Jahrhundert etwa spater zeigt die Tracht der Longo-
barden, wie ich glaube durch frankischen Einflufz, einige Aban-
derungen *). Wir konnen unsere Bemerkungen abermals einer
bildlichen Darstellung aus Modicia entnemen, einem Belief an der
dortigen Basilika, welches die Kronung Konigs Hildibrand dar-
stellt *). Der Konig sowol als die ttbrigen Longobarden mit Aus-
name eines einzigen tragen nicht mehr das lange Untergewand
sondern ein kurzes das nur bis an die Kniee reicht und nicht
') Stiem. 233/ (Godhriinarharmr 19.) werden vomeme Longobarden beschrie-
ben in roten ROcken, blankcn Briinnen, hohen Kelmen, rait Schwertem nmgiirtet
nnd in braunen Barten. Es sind Boten welche die Frankenkonige an ihre Schwe-
ster Godhrun (Krimhilt) schicken. Die Verhaltnifse der Longobarden zu den Ka-
rolingern liegen hicr vor. Die slavischen Namen Jarisleifr und Jariskar welche
»wei dieser Boten fiiren und die dem nordischen Dichter zufallen , erklaren sich
aus den Berilrungen zwischen Skandinavien und dem Wendenreiche. ") Mu*
ratori I, 509.
410
wie fruher unter der Brust sondem tiber den Hiiften gegiirtet
ist* Der Giirtel ist bald einfach bald mit Bogen ausgeschnitten ;
einer der Manner tragi mitten auf dem Leibe ein Taschchen daran»
Dem Untergewande felen die Aermel welche den Unterann be-
decken; sie schneiden am Elbogen ab, aber nicht mehr mit engem
Anschlufz sondem weit und mit langem Zipfel. Ueber den Man-
tel wird ein Kragen getragen der bis an die Mitte der BroBt
reicht und aus zwei Streifen besteht, auf welche grofze Zacken
gesetzt sind. An den Kragen schliefzt sich eng eine bdmariige
Miitze an 9 welche zugleich Hals Schultem und Hare T^hfillt*
nur das Gesicht frei lafzt und nach hinten schleierartig hinahr
hangt. Sie scheint aus einem weichen Zeuge gemacht 2a sein*
Der Konig hat, weil er gekront wird, diese Miitze nicht auf, sein
Har fallt frei auf die Schultern. Statt der Schuhe tragen alle mit
Ausname des Langrocks bis iiber die Kniee reichende Hosen.
Handschuhe tragi auf diesem Bilde nur der Bischof. — Wenden
wir uns nun zu den Franken. Ihre Tracht, welche frjihe einzelne
Andeutungen erraien lafzen, wird durch Einhards Beschreibung 0
Karls des Grofzen sehr deutlich. Der grofze Kaiser der durch;-
aus deutsch .war und den die Franzosen vergeblich zum Kelto-
romanen machen wollen, hieng fesi an der Kleidung seiner Fran-
ken und verschmahte alle fremde Mode , mochie sie auch noch
so glanzend sein. Nur zwei Male in seinem Leben, das eine auf
instandiges Bitten des Pabstes Hadrian, das andere auf beson-?
deres Anliegen des Pabstes Leo, liefz er sich bewegen die lange
romische Tunika die Chlamys und romische Schuhe anzuthun. —
Karl trug ein leinenes Hemde und leinene Bekleidung der Ober-
schenkel, dariiber Hosen und einen kurzen Bock mit seidenem
Saunie. Die Beine wurden mit Binden umwunden; die Fiifze
staken in Schuhen. Schultem und Brust bedeckte im Winter
ein Pelz von Seeotter und Hermelin ^). DarQber hieng ein blaui-
') Einhardi vita Karoli M. c. 23. vgl. hierzu Monach. S. GaU. de geatu
Karuli 1, 34. ^) Der Monch von S. Gallen sagt dagegen der gewdnlicfae Fell
Karls sei eiu schlechtes Schopscnfell gewesen.
411
licher Mantel. Stets war Karl mit dem Schwert umgiirtet. An
festlichen Tagen waren seine Kleider kostbarer, allein der hei-
mische Sclinitt blleb. Der Mantel hatte dann eine goldene Spange,
der Rock war mit Gold durchwirkt und die Fufzbekleidung mit
Sdelst'einen besetzt. Karl unterechied sich auch in dieser unter-
geordneten Sache von eeinen Nachfolgem vortheilhaft. Diese neig-
ten sich der Fremde namentlich Byzanz in der Tracht zu, in-
dem sie den morgenrdndischen Kaisem an aufzerer Pracht nicht
nachstehen wolten. Die lange Tunika reich mit Gold und Edel-
steinen gestickt, die Chlamys prachtig verziert, das Schuhwerk
Bchon geschmfickt nam die Stelle der einfacben frankischen Tracht
ein. Auch die Frauen des Hofes anderten ihre Kleidung hiernach,
wie die Bildsaulen mere vingi sober Fiirstinnen am Dome von Char-
tres zeigen, die aus karolingischer Zeit stammen. Die Gewander
Bind ungemein reich mit Stickereien besetzt, die Aermel fallen
weit um das Handgelenk^ um die Mitte des Leibes ist ein breiter
Shawl gewunden; liber die eine Schulter hangt ein gestickter
Bchmaler Mantel. Nur der Harschmuck ist deutsch, denn die
Zopfe hangen lang und frei herab. Auch an Karls des Grofzen
Hofe verschmahten die Frauen und manche Hoflinge weit weni-
ger als er selbst fremde und kostliche Gewander. In der Be-
Bchreibung eines Jagdzuges Karls mit seiner Gemahlin Liutgart
und seinen Tochtem , die Angilbert in gezierten Versen gibt *)
glanzen die Fiirstinnen von Gold und Edelstein an Stim Hals
und Gewandern. Indefsen scheint so weit man urteilen kann,
der Schnitt der Kleider nicht undeutsch. Die morgenlandischeu
Stoffe freilich, die Seidenzeuge von verschiedenem kunstreichem
Gewebe, weisen deutlich auf dje folgende Zeit. Das eigentliche
Volk widerstund den fremden Einwirkungen langer. Auf einem
Bilde der Bibel, welche von dem Metzer Martin skloster dem Kai-
ser Karl dem Kalen geschenkt wurde, sehen wir vomeme Fran-
ken in der alten volksthGmlichen Tracht*). Sie tragen den kur-
*) Angilberti carmen de Karolo M. 3, 185 if. (Pertz monam. 2, 396 — 398).
*) Baluzius Capitularia regum Francoinni 11. 1276— '78.
412
zen frankischen Sock der nicht bis an die Kniee reicht und fiber
den Hiiften gegdrtet ist. Nicht blofz unten sondem aack seiner
Lange nach ist er mit bun ten Streifen besetzt; der untere Saam
ist auch gestickt. Die oberen Hosen (bmoch) werden mit Knie-
bandem festgehalten, die unteren (die eigentlichen^Hosen oder nn-
sere Strtimpfe) lafzen die Zehen unbedeckt und sind mit Kreuz-
bandem umschniirt ; sie enden iiber der halben Wade and sind
durch eine Schleife fest gebunden. Der Mantel lafzt die xechte
Seite £rei und ist auf der rechten Schulter mit Enopf und Ban-
dem festgehalten. Um den Eopf« der nach damaliger frSntdacJier
Sitte ringsum geschoren ist, liegt eine schmale Binde die hinten
in einer Schleife endet. Der Kaiser trilgt einen langen an den
Saumen reich gestickten Mantel, der sein Unterkleid mehr ver-
hiillt als dafz man daruber etwas angeben konnte. Seine FuTzbe-
kleidung ist ebenfalls nicht deutlich zu erkennen ; auf einem an-
deren Bilde trS^gt er jedoch Schuhe welche nicht frankisch amd
Zwei Wachen auf dem ersten Gemalde haben die frankischen
Beinkleider und den Mantel; der Hock und die heLmartige Elopf-
bedeckung aber scheinen rdmi8.ch.
Der kurze Rock blieb frankische Yolkstracht* Als der sach-
sische Otto (936) zum deutschen Eonige gekront ward wuate er
dem machtigen Stamme der Franken, auf dem in der Yolks-
meinung die Konigswiirde ruhte, nicht entschiedener zu schmei-
cheln, als dafz er in dem kurzen frankischen Bpcke erscluen')*
Die Sachsen trugen namlich im Gegensatze einen langen Bock
und waren den Franken dadurch schon frQher aufgefallen (Widu-
kind I, 9.)« Beide Yolkerschaften, die so viel verschiedenes hatten
und eine tiefe Abneigung nicht bekampfen konnten, hielten an
der verschiedenen Art ihres Bockes fest. Die Sachsen legten erst
mit Ende des Mittelalters den langen Bock ab, die Franken ver-
k&rzten den kurzen immer mehr. Auf der Bheimser DiOcesan-
synode von Montnotredame im Mai 972 wurden viel Klagen
') Widukindi res gestae saxunicac 2, 1.
41>
fiber die eingerifzene Verweltlichung der Kloster gefiirt und unter
andem auch die geckenhafte Tracht der Monche besproclien. Sie
hatten die vorgeschriebene Ordeoskleidung ganz abgelegt und tru-
gen die kostlichsteft Seiden- und .WoUenatojBfe und wertvollee Pelz-
werk in modernster weltlicher Fafzung. Der Bock war so kurz
dafz er kaum den Leib bedeckte , die Aermel waren weit , die
Besatze daran zwei Hande breit, die Beinkleider hatten einen
Umfang von fiinf und einem halben Fufz und waren von sehr diin-
nem Stoffe, die Schuhe waren eng langschnablig und auf ihren
Spiegelglanz ward viel gehalten (Richer, hist. HI. 37 — 41.). Die
S&dfranzosen welche ungefar um das Jahr 1000 nach der Yer-
mahlung Roberts von Nordfrankreich mit Konstanze von Aqui-
tanien in grofzerer Zahl in das Frankenland kamen, brachten wei-
tere Umwalzungen in der franzosischen Tracht hervor, zum gro-
fzen Aerger derer, welche bis da an der alten frankischen Klei-
dung festgehalten hatten. Dieselbe hatte durch die normannischen
EindringHnge schon deshalb keine Veranderung erfaren, well die
Tracht derselben der frankischen nahe verwandt war.
Die Skandinavier trugen namlich ebenfalls einen kurzen Rock^
leinene enge Beinkleider und einen Mantel^^). Der Rock war zu-
weilen an der Seite mit Bandern geschmiickt Warend die Nor-
manner also die frankische Kleidung nicht andem konnten, ge«
Btalteten sie doch die angelsachsische durch ihre Herrschaft in
England um, indem sie den langen sachsischen Rock dort ver«*
drangten. Zur Zeit Wilhelms des Eroberers trugen die Angel*
sachsen ihr Unterkleid nur bis zum Knie^). Die Nordmanner
Bcheinen von ihnen die bunten Farben und die Besatze entlehnt
zu haben (Egilss. c 70) welche schon Paul der Diakon an der
angelsachsischen Kleidung bemerkte, die der longobardischen ahn*
') Egilss. c. 80. Gunnlaugs s. c. 6. Fornmannas. 7, 34. vgl. /inch Forn-
mannas. 7, 63. ') Guilelm. Malmcsbur. de gestis reg. Angl. lib. III. Die Ab-
bildungcn angcls'achsischcr Tracht welche Strutt horda Angelcjnan und nach ihm
Spalart Versuch fiber das Kostiim II. 1. taf. 8. 24 gibt, zeigen bereits die yer-
anderte s&chsische Kleidung.
4U
lich war. Von der Frauentracht der altnordischen Qermanen wird
dafzelbe zu sagen sein , was iiberhaupt von der EI«idang der
germanischen Weiber gilt; sie trugen einen langen Bock and einen
Mantel* In dem Eddaliede Rigsmal, das die Stifiung der drei
Stande (Ejiechte, Freie, Edle) durch den Gott Heimdhall besingt,
heifzt es yon Amma, der Mutter Karls des Freien,^ sie habe ein
Tuch liber den Kopf gehabt, eins um den Hals, Spangen des
Mantels auf den Achseln und an dem Leibe einen Bock (Saem.
102.*). Karls Weib trug einen Rock von Ziegenhar *) und hatte
Schlufzel angehangt. Modhir, die Mutter der Edlen, hatte weite
Bocke (slaedhur) , einen dunkeln Mantel ^ , iiber den Kopf einea
ScUeier und auf der Brust eine Spange (Saem. 103.) die Schnlie
wurden durch Bander angekniipft; Manner und Frau^ti tmgen
sie. Beiden Geschlechtern war auch der Pelz gemein ; im iibrigrai
gait auch im Norden die Leinwand als bester volksthOmlichster
Stoff. Die Seezuge brachten ubrigens fruh genug die Erzeagnifse
der siidlicheren Gegenden dem Norden zu.
Im inneren Deutschland dauerte die alte von Tacitus benchrie-
bene Tracht fort und anderte sich wie schon bemerkt bis zom
vierzehnten Jahrhundert fast gar nicht im Schnitte. Ueber im
leinenes oder wollenes Untergewand trug man den Bock, der bd
den Frauen weiter als bei den Mannem hinabfiel und darBber
den Mantel der durch eine Spange festgehalten worde. Mlimer
und Frauen hatten Schenkel- und Wadenbekleidongen von Lein-
wand; dazu umwanden die Manner wenigstens die Obersohenkdl
mit Binden von oft kostbarem Stoffe '). In Stiefein und Sohuhen
wurde Aufwand getrieben, nachdem man sich vorher lange mit
der einfachsten Fufzbekleidung beholfen hatte. Der Bock ward
umgurtet; ebenso bedurften die Oberbeinkleider eines Bandes
(bruochach. fries. br6kgerdel. altn. brdkabelti. brdklindi).
*) geitakyrtill. Fommaxmas. 10 , 204 wird ein Franenroek nm Fell
erw&bnt defsen Aermel bis an den Ellenbogen reichen. *) ferkr itt u
dieser Stelle dnrch Mantel wiederzngeben. Mikloslch radices lingnag thfvd e,
p. 85 hat das altslav. fraczica , neuslov. frqfca tiiccTiov yerglidien. *) Bid-
lieb. fragm. 13, 91. ff.
415
Die hochdeutschen Stamme zeigten ebenfalls Hinneigung zu
fremder Kleidung ; daf iir zeugt manche Benennung der Kleidungs-
8t&cke , die nicht deutsch ist. Es ward schon erwS.hnt dafz das
finnische Wort paita wahrscheinlich durch die Gothen zu ihnen
kam und die heimlBchen Benennungen hemidi und fmoccho be-
einti^chtigte. Auch das Wort Eock, das seit dem 9. Jahrhiindert
nachzuweisen ist, mufz fremd sein; es findet sich im mittellatei-
nisclien, im keltischen und in den slavischen Sprachen ^) , aJlein
wo es seine Heimat hat, bleibt mir verborgen. Die alte deutsche I
Bezeichnung fur das was wir Bobk uennen, wird hemidi oder t
fmoccho gewesen sein ; denn wir durfen annemen dafz ursprung-
lich nur ein Untergewand unter dem Mantel getragen wurde. Das
Wort Mantel ist aus dem lateinischen entlehnt; die deutschen
Namen dafiir waren aufzer Fell und Reft wol gifang, zufsa
und [td^.
Ehe wir weiter iiber die Kleider sprechen, miifzen wir einen
genaueren Blick den Stofifen zuwenden , denn wir sahen bereits
nicht mehr die ursprungliche Einfachheit, nicht mehr blofz Felle
und Leinwand oder grobes Wollentuch, sondem Seide und feine
WoUenzeuge, anderen Schmuckes zu schweigen. Die Germanen
hatten in den eroberten Landern das tippige Leben der HSmer
und Byzantiner kennen gelernt, die Werkstatten waren von ihnen
nicht zerstort worden und der Widerstand gegen Bequen^ichkeit
und Pracht dauerte nicht lange. In Spanien hiatte sich das be-
triebsame gebildete Volk der Araber niedergelafzen, das seine Er-
zeagnifse gem an die ostlichen Nachbam verhandelte; die italieni-
schen SeestS^dte sandten ihre Schiffe nach dem Morgenlande und
') Mlt roccus. — gal. rocan* walsch rhuch. rhuwcL bret. rokeden. &•
Leo Ferienschriften I, 63. — altslav. ruchoj neuslov. ruha, Croat. rtiAo, serb.
ruo. Gewand. — vgl. auch neugriech. Qovyta, mlt. raca und gpriech. (d'Kog. —
Das Wort raub, das aufzer dem geraubten oder der Beute, Gewand bedeutet
glanbe icb in dieser zweiten Bedeutung als ein besonderes und zwar aus dem
lith, Slav, entlehntes Wort von der deutschen Wurzel „raub** absondem zu
ttttfzcn. Altslav. r%6 ^axoff. kftmt. rdb, wend, rub, bom. raub, poln» rt^bek, Lin-
nentuch. Zeugstuck. Hader. lith. rubiti kleiden. rUbat Kleid. KlddungsBtftck.
416
suchten fdr die erhandelten Stoffe den Absatz nach dem Norden.
Schon unter Karl dem Grofzen flbcrechwemmte Yenedig das Fran-
kenland mit Seide und WoUe 0- Auch die Donau, die grofze
deutsche Wafzerstrafze nach dem Osten , ward ein Weg auf dem
Avaren und Ungarn den Beichtlmm ihrer Lander und des byzan-
tinischen Reiches den Deutschen zufiirten. England und die Nie*
derlande thaten sich sehr friih durch Hervorbringung und Yer-
arbeitung feinerWolIen hervor; die Nordseestadte und die Platze
in den Ostmarken vermittelten mit Sebweden Slayen und Preufzen
einen Tauschhandel der herrliches Pelzwerk einbrachte; die Yer^
arbeitung der Metalle bliihte an yerschiedenen Orten sehr firflh
80 dafz sie selbst in den germanischen Sagen einen Platz eribielt;
kurz seit der Zeit Karls des Grofzen waren alle Bedingangen
zu reicher Tracht im voUsten Mafze vorhanden und wurden toq
den reichen auch benutzt.
Wir bemerken unter den Kleidungsstoffen zuniohst die
Leinwand. Schon mehrmals ward erwahnt dafz die Bonier die
Linnenweberei der deutschen Frauen riihmten und dftTz dit
Leinwand fortwarend sehr geschatzt blieb. Sie ward vielfach fiber
das Wollenzeug gestellt. Als die Eonigin Ethelfride yon Snfaex
in das Eloster gegangen war, lebte sie sehr streng; aie trog
fortab keine linnenen Gewander, sondem nur wollene (Beda h*
eccl. 4, 19). In England stund die Linnenweberei in beeondeier
Bliite, aber auch die Niederlande, Niedersachsen und Sehwaben
zeichneten sich friih darin aus^). Die thatigen lombardiedien
Stadte blieben nicht zuriick; veronesische Leinwand hatte einen
vorzuglichen Ruf. Im spateren Mittelalter war vomamlich die
brabantische beruhmt; Leinwand von Yalenciennes und BrQgge
gieng weit nach Osten. — Obschon die Deutschen solcher G^
stalt im eigenen Lande treffliche Linnen genug hervorbrachten, folg-
ten sie doch auch hier der alten Neigung fur das Fremde und
hielten byzantinische Leinwand fiir die feinste. Die Gh)then be-
') Monach. S. Gall. 2, 17. *) Nachweisungcn bei Hailmana Sltdfwwm
des Mittelalters Bonn 1826. 1, 257—262.
41T
reits bezogen dieselbe unter dem Namen faban und die hochdeut-
Bchen Stammo samt den Romanen kennen gleichen Namen und
gleichen Stoff^). Im ganzenMittelalter verstund man unter Saben
ein besonders feines und weifzesLInnen, unter defsen besten Er-
zeugungsorten das KCnigreich Marocko in den Gedichten genannt
wird (Lanzel. 4427). In welchem Werte es war, sieht man dar-
aus dafz der Saben neben Samt und Purpur (Ulr. Trist. 774), ein
andermal weit iiber Purpur und Baldekin gestellt wird (Gudr. 301).
Er ward zu Hemden, Kleidemf Waffenrocken, Satteldecken,
Hutbeziigen und Banieren gebraucbt und oft mit Gold durch-
wiirkt*). — Eine einheimische Gattung feiner Linnen hiefz von
dem gleifzenden Aussehen gli:;:a; wir lemen sie bereits im neun-
ten Jahrhundert kennen'). Doppeltgewebte Leinwand hiefz zwl-
lich, Zwilich.
Aufzer dem Lein oder Flachs wurde^'auch der Hanf als /
Webestoff gebraucbt ; Karl der Grofze bestimmte dafz auf seinen
Meierhofen hanfenes Gewebe (canava, canavina, caneYaHum) ge-
halten werde. Die BaumwoUe kam naturlich erst spater unter die [
deutschen Volker. Die Araber verarbeiteten sie in Spanien sehr
haufig und schickten ihre Gewebe besonders von Barcelona nach
Oberitalien, von wo aus sie weiter verhandelt wurden. Inde-
fsen fanden sich hier bald Nebenbuler indem Venedig wie die
meisten oberitalischen Stadte allmalich eigene BaumwoUenwebe-
reien anlegten. Deutschland folgte erst spater nach; der robe
Stoff kam iiber Italien *) zu uns.
Seit sehr friiher Zeit wurde die Wo lie von den Germanen I
2u Tuchem verarbeitet. SchafwoUe und Ziegenhare *) wurden be-
nutzt und zum Theil von den heimischen Herden genommen
zum Theil vom Auslande bezogen. Die besteWolle lieferte unter
') cdpccvovy mlt. sabanum, favanum. span, favana, provenc. favena. — ahd.
khan, mhd. fahen. mnld. fahele. *) Lanzel. 3273. 4424. Nib. 584. Gudr. 801.
*82. 1189. Ulr. Trist. 774. Ferguut 68. mnl. fragm. v. d. Nibcl. 37. ») Du
Cange 8. V. glizzum. Graff 4, 291. *) HiiUmann Stftdtewesen 1, 71. ») Ge-
^^be aus Ziegenharen schon Saem, 103. Bonifac. ep. 3.
27
418
den germanischen Landern England, das beste Tuch wurde be-
reits im achten Jahrhundert an den Kiisten der Nordsee , in Fries-
land bereitet '). Unter den Erzeugnifsen seines Keiches, welche
Karl der Grofze dem Chalifen Harun schickte , waren auch frie-
sieche Tiicher von verschiedenen Farben: weifze, graue, blaue
und bunte (Monach. sangall. 2, 9. Einhardi vita c. 16)*). Dea
Friesi^chen Tuches Kuhm erbte das niederrdndische. Es ward
ineist aus englischer WoUe gefertigt und hatte seine besten Er-
zeugungsorte in Gent *) , Brygge , Ypern , Mecheln , Briifself
Antwerpen und vielen andem flandrischen und hollandisoheo
Stadten. Theils iiber Italien theils auf der Donau gieng es nach
Byzanz und Syrien. Die Donau herauf kam ungarische Wofle,
die in Oesterreich z. B. in Tuln und St POlten *) , weiterhin in
Pafsau, Regensburg, Speier und anderen mi tt elrheinischen Orten
verarbeitet ward. Auch Niedersachsen lieferte beliebte Tuche mit
denen seine Seestadte einen sehr ergiebigen Tauschhandel nach
Preufzen gegen kostbares Pelzwerk trieben *). Warend frtkher, da
Deutschland erst bekert war, englische Tuche hierher gebracht
wurden (Bonifac. ep. 89. 124), musten spaterhin aus den Nieder-
landen die feineren Arten nach England gefurt warden , defsen
Tuche erst durch niederlandische Weber verbefzert wurden*).
Seit dem kam namentlich Londisches Tuch tiber Hambuig bis
Sliddeutschland (Schmeller baier. Worterb. 2, 480).
Neben den heimischen WoUenzeugen wurden durch 4en Ver-
ker mit Italien Spanien und dem Morgenlande eine nicht un-
bedeutende Zahl fremder bekannt und uachgemacht. Wir bemer-
ken unter ihnen zuerst den Barragan''), einen leichten aber
•) Bonifac. ep. 42. Hullmann Stadtewesen 1, 217—246. C Barthold G«-
Bchichte der deutschen Stadte. (Leipzig 1850) 1 , 68. 135. ») Vgl. Wdl Ge-
Bchichte der Chalifen 2, 162. *) Helbl. 2, 77. Loliengr. 78. — Blanes TuchtW
1 landern Kittel 44, 22. *) Hclbl. 1, 314. MSH. 3, 249.' v. Karnjan W Hi»P«
Z. f. d. A. 4, 252. ») Adami gest. Hamaburg. eccl. pontif. 4, 18. •) Indm
jungen Gedichtc der Kittel (berausg. Stuttg. 1850) wird ein scbdnef iwreoro'"*
Tuch von England erwahnt, in das Frau Ere gekleidet ist Kittel 42, ai. *) ^^^
barrcicanus. provenc. barragagan. franz. baracan.
419
Ichtgewebten Stoff, der noch heute unter dem Namen Bergan
ekannt ist. Er wurde besonders inRegensburg gefertigt und als
in feineres Zeug in den alten Statuten von Klugny verboten ').
;h finde roten und griinen Baragan erwahnt (Lanz. 4828. Nith.
►en. 399). Der Bergan, ^der noch jetzt in Schlesien und Sach-
3n von den Landleuten getragen wird , ist ein moir^artig ge-
ebter steifer Zeug, entweder grun oder griin uiid rot gestreift. Dem
laragan ahnlich war der Buckeram^), aus Ziegen- oderBock-
aren gewebt , woher sein Name kommen soil. Feine Arten , zu
lenen der Stoff aus Syrien Armenien Persien und Cypern kam,
Henten zu Hemden Hosen Waffenrocken Frauen- und Monebs-
leidem '). Seine gewonlichste oder beste Farbe scheint weifz ge-
^esen zu sein. Zu den WoUenstoffen gehOrte auch der B run it
der Brunat, ein dunkeles oder ganz schwarzes Zeug*), def-
len Wert verschieden war, da neben feinem auch schlechter
Jrunit erwahnt wird den der Geiz- (ravarice) tragt (Rom. de
a Rofe 214). Der Broinit gehorte zu den verbotenen Gew^and-
stoffen der Monche und Nonnen (panni irregulares). Ein feines
Wdlentuch war der Diasper**^, seinem Namen nacb ein
verschiedenfarbiges schillemdes Zeug ; indefsen wird auch weifzer
Diasper erwahnt. Der F err an®) scheint ein Tuch aus Wolle
und Seide gemischt; die Farbe war apfelgrau, wie der Name
andeutet. Von reiner Wolle dagegen war der Fritschal (mlt.
Wtfalum), der in griin und gelb vorkommt. Bekannter ist der.
') Jager Schwabisches Stftdtewesen des Mittelalters. Bd. 1. (Ulms Verfa-
*zang etc.) 63. Lang Baierische Jahrbiicher 346. *) Mlt. boqueramnus, pro v.
^oqueran. hocaran, franz. bouqueran. bougran, ital. bocarani. ') Hiillmann Stadte-
wesen l, 41. — Parz. 588, 15. Eracl. 4702. vgl. Martina 130. Walih. Ill, 14.
^rauendienst 79, 20. — Roquefort glofs. 1, 172. Raynouard. lex. rom. 2, 232.
) fwarz als ein beck von brunite Engelh. 4692. de nigra bruneta, concil. Trevir.
^227. c. 16. — Mlt. bruneta. brunetum. prov, bruneta, franz. brunette. ^) Mlt.
«»a/pn<«. diafpra. prov. diafpra^ diafpe, franz. diaspr^, diapr€, — cf. Du Cange
*• V. diafpratus. Italis diafpro est jafpis , nostris diaspri variegaius , diverficolor
^^ftar jafpidis. *) lAU. ferrandus. ferrandinus. Tgl. Du Cange s. y, ferrandus.
^ynouard lex. rom. 6, 24. Roquefort glofs. rom. 1, 587. 590. Lacbmann zu den
Njbelungen 535, 3.
27*
420
K a me lot oder Kambelin *), ein Zeug aus KamelhareD,
das am beaten in Itallen und Amiens und Kambray gefertigt
wurde; er ist heute noch bekannt. Yon ihrer Leichtigkeit mid
der seidenartigen Feinheit hatte die Serge^ den Namen,
welche aufzer in Flandern besonders gut in England und Irlmd
gewebt ward. Am beliebtesten unter den feineren WoIlemEeugeo
war indefsen der S char la oh ^). Seine gewonlichen Farben siod
rot und braun, daneben wird griiner und blauer und selbst wd-
fzer erwahnt ^). Der beriimteste ward in den Niederlanden gefertigt,
besonders in Gent^j und Ypern, wobei die trefflichen niederlin-
dischen Farbereien in Betracht kommen. Daneben ward der engliache
und der Regensburger Scharlach friih geschatzt. In Deutschkmdi
Skandinavien , England und Frankreich gehorte der Scharlaoh zu
den geechatztesten Kleidstoffen: fcharlachen ift ein riche gewant
und kleidet wol die liute sang der Gut'are (MSH. 3, 42*»). Ei
war der eigentlich ritterliche Zeug , das . kostlichste Felxwerk
diente zu seiner Yerbramung und goldene Stickerei hob seine
Farben prachtig hervor. Sine Scharlaehart war yielleicht der
Schiirbrant. Schiirbrant von Arras wird als Ueberzng einer
Marderdecke genannt (Parz. 588, 19)» Die Sei*) war ein &i-
neres Wollenzeug; eine grobere Gattung, die zu Schnben und
Hosen benutzt ward, (Wilh. 196, 3. Iwein 3456) wurde M»
Ziegenharen gewebt. Eine Unterart war der Seit, der meist rot
gefarbt zu Rocken und Schuhen verarbeitet wurde ^).
Noch mannichfaltiger als die Wollenzeuge waren die Sei-
') Mlt. camelinum, franz. cameltn. cameline* *) Mlt. fargium^ ftu^Mtiti^
prov. ferga, faxdiU franz. farge , farger , f argil, *) Mlt fcarlaivm, farUtKM'
efcarletum. fcarlata. fcarlacum, franz. efcarlate. prov. efcarlctt, *) Pan. 282, 8*«
Wilh. 63, 22. Wigal. 8871. Eracl. 3594. Engelh. 3098. Ulr. Triflt. 776. Heinr.
Trist. 1942. Wigam. 863. 1746. 4336. 4684. Georg 1462. — Karlmainet S8. -
Fischart Gcschichts Klitt. c. 56. — Fr. Michel im Theatre fran?. p. 102 und Bitf"
fenberg zu Godefr. de Bouillon 3524 behandeln das Wort ^carlate mit iuin5ti|«
Schwierigkeit. ») Wilh. 63, 22. Lohengr. 78. vgl. Lachmann zn KibeL 3M, *•
Le Grand et Roquefort vie privee 3, 404. •) Mlt. faga. fagick, fata, /V*"
prov. faga. fata, franz. faye, ') fagetum. franz. faiette^ Iw. 3464. ^iifSr'
1425. Hehnbr. 140. Schmeller baier. Worterb. 3, 289.
421
' 1
enstoflfe , deren Heimat Hochasien ^> zumal das Land der Se-
er war, die aber spater auch im Abendlande in Spanien Ita-
en und selbst in den Niederlanden ^) gewebt wurden. Der allge-
xeine Name dafiir war und ist S e i d e ^. Die Gedichte des
Gttelalters nennen uns die bald wirklichen bald ertraumten Orte
irer Herkunft; da erscheint Seide von Arabien, von Libien ,
f arokko , Ninive , Alexandrien , Syrien , aus Zazamank , Aza-
lauk, Abakie und Sefsoak; wir werden also auf die asiatische
md afrikanische Heimat gefiirt. Die Farbe war verschieden :
chneeweifz, griin wie Klee, rot, gelb, schwarz, wolkenblau ;
las verschiedenste ward aus Seide gefertigt: Hemden , ROcke,
Ceppiche , Bettbeziige und Fanen ; ausschweifende Dicbterphan-
asie lafzt sogar Segel daraus machen (Gudr. 267).
Der bekannteste und verbreitetste Seidenstofif hiefz Pfellel, (
?feller oder Pfelle*). Urspriinglich nur Benennung eines
Jtats- oder Kirchengewandes (pallium) iibertrug sich von dem
JeidenstoflF, aus dem jenes gewonlich gemacht war, das Wort auf
las Zeug. Die wunderbarsten Namen und Sagen tonen uns in
ien Gedichten iiber Bereitung imd Herkommen des Pfellels ent-
gegen. Im Wigalois (7431) wird erzalt wie in der, grofzen Asia
ein weiter holer Berg liege voll ewigen Feuers, in dem die Sa-
lamanderwiirme einen unendlich kostbaren Pfellel wQrken der
unverbrennbar ist *'). Im Wigamur (14462) heifzt es , in der wii-
sten India bei der Burg Grarimort wachse ein schlichter Baum,
der trage die feinste Seide glanzend wie gesponnen Gold; Pfellel
daraus verleihe demjenigen der ihn tragt, unendliche Pracht.
Fast alle Ortsnamen wo der kostliche Zeug daheim sein soil.
') Vgl. K. Ritter Erdkunde 8, 694. ff. «) Nith. (Benecke) 351. Nibel. 1763.
/ Mlt. ital. feta, prov. span, feda* ceda» franz» foie. Vgl. Ritter Erdkunde 8, 708.
) Mli. pallium, palla. prov. pallu pali, span. ital. paUo, franz. paile, — Altnord*
ptll — . Dafz Pfelle in mhd. Zeit kein BaumwoUenstoff, sondern Seide war (vgl.
•^» Wackernagel im Glofsar) ergeben aufzer vielen andern Stellen auf das dent-
Hchste. Nib. 408. 533. 534. Wigal. 7442. *) Eine besondere Art des Pfellels
•^efz Salamander. Wilh. 366, 5—11. Lohengr. 164. Grimm Ged. anf Friedrich den
Staufer 114.* Der Spiegel (Stuttg. 1850) 133, 22. Sleigertuechlin 209, 14.
422
weisen auf Afrika und Asien. Aufzer Arabiea, Libien, Syrien,
Sarrazenenland , Griechenland, Babylonien, Ninniye, Persien,
Salonichi, Alexandrien klingen uns Namen entgegen wie Adra-
mahut ^) in Morland, Akraton, Alamansura , Azzabe, Agatyrs-
jente, Afsigarzionte , EcidemoDis, Ethnise, GniduDte, Gampfa-
fsasche, Ipopotikon, Kalomidente, Kampalie, Neuriente, Pat-
schar, Pelpiunte, Sarant, Sun tin, Tabronit im Lande Tribalibot,
Thasme, Thesaite, Thopedifsimonte, Tryant, Auf sicherem Bo-
Ccn stehen wir dagegen bei Almaria dem beriimten Hanptsitze
der arabisch - spanischen Seidenarbeiten und bei dem gewerbflei-
') Adramahut scbeint das alte *A,TQocfivtTiov, das hentige Adramiti, Lesbos
gegeniiber un^er dem Ida» Akraton vielleicht Alexandria Arachoton, hente Kan-
dahar. Bei Alamansura bieten sich verscbiedene Orte; icb mochte an ManTznn
dcnken am Indus , eine bedeutende Handelsstadt fur Inder and Chinesen, wdche
u.c Araber eroberten (Weil Cbalifen 2, 305). Ein Almanszurah am ontem Tigris
und Mauszurah in Egypten an dem Canal zwischen Damiette nnd dem See lien-
zaleb, mocbtcn aucb zu beach ten sein. In Spanien (Granada) ist-ein KfistenflnTi
Almaiizora bekannt. Azzabe ist ohne Zweifel Afsabee, Ecebeh, am ZnsaoimeD-
flufz von Tigris und Eaphrat. Fatschar ist vielleicht das bedeutende Banra am
vucren Euphrat, ein wichtiger Ort fiir die Araber (\7eil Cbalifen, 1, 78). Bei
Sarartt ist vielleicht an Sari oder Saria am Tedjenflufze zn denken, die bedeu-
tende Stadt in Tabrestan, jenem Gebirgslande siidlich vom kaspischen See, wo die
Seide Hauptprodukt war (K. Bitter Erdkunde 8, 529). Auf Tabristan mSchte ich
auch Tabronit zuriickfiiren. Das Land Tribalibot worin Tabronit naoh Wol£rtm
V. Eschcnbach (Parz. 374 , 29) liegt , erinnert an den Thrakischen Stamm der
Ti'iballer, die in Mosien sal'zen, so wie bei Agatyrsjente der Name des skjthiadieB
Stammes der Agathyrsen anklingt, welche Herodot und Ftolemans nennen. (ZeoTi
die Deutschen 274. 278. ffj. Ob bei Tryant an das sfidtirolische Trient oder
das italischc Yorgebirge Trianto zu denken sei oder woran sonst, ist mir zweifel-
haft. A'^^agouk ist vielleicht aus Gazaka am Urmiasee verst&mmelt , vieUeicht is^
es aber ebenso erdichtet (vgl. Lachmann zu don Nibel. 417, 6) wie so riele die-
ser seltsamen Namen, welche aller Erklarung trotzen. Auf Spanien weieen die
Endungen in Agatyrsjente, Afsigarzionte, Gnidunte, Kalomidente, Keoriente, Pel'
piuute, Thopedifsimonte. Man mufz sich erinnem wie im 12. nnd 18« JahritnB'
dertc zu den fabclhaftcn Kunden aus dem Morgenlande mancherlei Mittheilungen
aus den antiken Beisewerken traten, die zum grosten Theil durch Isidors Onff^
vermittelt wurden, um das wunderbare Gemisch in den geographischen Angola
sich zu erklaren und auch manche meiner obigen Dcutnngen nicht absnrd sn ^
den. Zeunes Aufsatz liber Erdkundliches im Nibelungenliede ist mir, dieCs !■
nachtriiglich bemerkt, nie zn Gesicht gekommen.
428
fzigen flandrischen Arras. Wolfram vonEschenbach, bei dem sich
viele jener wunderbaren Ort- und Landernamen finden, beschenkt
una auoh mit einigen besondern Pfellelnamen. Einen Pfellel so
heifz an Glanz dafz ein Straufz seine Eier daran hatte ausbrii-
ten konnen, nennt er Pofufz (p&%. Wilh. 364, 27. 367, 26);
einen andern DrianthasmS (Parz. 775, 5), noch anderen Saran-
thasmS (Parz. 629, 27. 756, 28). So verscbieden diese Namen, so
verschieden waren die Farben des PfeJlers ; schon in althochdeut-
scher Zeit wird brauner, roter, gelber, grftner, schwarzer erwahnt,
spater noch weifzer, violetter und tausendfarbiger. Ebenso mannich-
fach war seine Verwendung, denn er ward zu Kleidern, zu Ueber-
ziigen bei Betten und Schemeln, zu Rofs- und Zeltdecken
verbraucht.
Sehen wir nun welche andere Seidenstoffe bei uns im Mit-
telalter getragen wurden. Als gruner arabischer Zeug, befzer als
Samt , wird der Achmardi') geschildert. Aus Bagdad oder
Baldak kam der Baldekin, urspriinglich ein sehr kostbarer
Stoff, aus Seide und Goldfaden moir^artig gewoben ^) , der in-
defsen hier und da schlecht und leicht gefertigt ward (Eneit
12738. Gudr. 301. Kittel 24, 26). Er war einer der getragensten
Zeuge und stund im allgemeinen in hoher Achtung. Dem befzeren
Baldekin war der Blialt oder Bliat verwandt*), ein theuerer
golddurchwiirkter StoflF, defsen beste Farbe purpurbraun oder
schillernd war*). Urspriinglich bezeichnete das Wert einGewand,
das allenfalls auch aus Hanfgewebe oder BaumwoUe gemacht
sein konnte (Du Cange s. v» bliaudus). Aus Seide und Gold be-
stund auch der Ciklat oder Siglat^); auch diefz Wort be-
zeichnete anfanglich ein Kleid und dann den Stoff aus dem daf-
selbe gewGnlich geschnitten wurde. Die Araber nannten ein fei-
*) Parz. 14, 20. 36, 27. 71, 25. 235, 20, Lohengr. p. 63. *) Mlt. bal-
dakinus. franz. haudequin. — Ernst 1697. Frauend. 347, 19. 482, 29. Georg 1459.
Dietr. Flucht 658. — Schwarzer Baldekin Kittel 43, 25. gruner Kittel 45, 1. —
Vgl. Ritter Erdkunde 10, 275. *) Mlt. hlialdus. bliaudus, blizaudus. prov. blial-
bliau, blizaut. franz. bliaut. bllaus, *) Eneit 1265. Konr. troj. kr. 146.* *) Prov.
fisclaton. fisclato, franz. fifjlaion. J'iyleton. rgl. Baynouard lex. rom. 5, 238.
424 _
nes buntes Tuch aus Kamelhar Siglat. Zu dem sohlechteren Bal*
dekin stimmte der Kate b latin 0* I^^r Palmat ersoheint bei
Wolfram von Eschenbach als ein leichteres Seidenzeug, andeiv
warts als ein feiner weicher Stoff^. Eine pfauenartig achillemde
Seide , P f a w i n genannt , wurde besonders in England (London
und Sincester) gefertigt*). Sie war eine Nachamung derPfauen-
fedem, die nebst andern Vogelfedern schon zu Karls des Grro-
fzen Zeit in der Lombardei von den jungen Stutzem auf Seiden*
zeug getragen warden (Monacb* sangall. 11. 17). Wenig sohemt
der Pur ein im Brauch, ein griechischer Stoff (Konr. troj. kr,
14919), und der Kosat (Wigal. 2748). Dagegen stund der
/ P u r p u r im hochsten und allgemeinsten Anseben *). Er war wie
der Blialt eine schwere meist golddurchwebte Seide , deren Name
mit der Farbe, ebenso wie das beim Scharlach sich zeigte, we-
nig im Zusammenhang steht. Zwar wird purpurbrauner tind
violetter Purpur *) erwahnt , daneben aber auch wachsgelber
und weifzer ^) ; der kdstbarste war der scfaillemde. AIr Kaiser
•
Lothar 1135 zu Merseburg Hof hielt, kamen byzantinische Oe-
sandte und brachten Gold Edelsteine imd verschiedeinfarbigen
Purpur '') ; im Eraklius (35849) wird ein griin und schwarz spie-
lender Purpur beschrieben. Seine Farben waren steta glan-
zend und kraftig ^). Ebenso gediegen und wertvoU war der
/ Samt^. Aus dem Morgenlande bezogen (von Persian y Azagaak,
Ethnise, wie die Dichter sagen^ ward er in Italien gleich andern
guten Seidenzeugen nacbgemacht und von bier nach Deutachland
eingefiirt. In Deutschland wurde die Samtweberei erst naoh 1515
^) Mlt. Eatablattion — Eneit 12737. Da Ganges, y. catablattion. *) Pan.
652, 17. 683, 13. 760, 14. 790, 7. Wilh. 100, 10. 353, 19. — Trist. 1688S.
Schwanenr. 120. 1047. Wolfdiet. 349. •) Parz. 313, 10. 605, 8. 722, 18. tj^. Pan*
225, 2. 690, 13. Du Cange s. v. pavonatilis pannns. *) Mlt purpura. 'prOT, porpra.
polpra. franz. porpre. ^) Trist. 1584. Konr. troj. kr. 2943. ^) Konr. troj. kr.
12074. Da Cange s. h. v. 0 Annal. Erphesfard. Pertz 8, 540. *) In der Ghidnn
(301) wird der Parpur nebst dem Baldekin gegen die Leinwand (fabsii) herabge-
setst. *) Mlt. examitum» xcmitum, famitum, famita, prorensv famit. firans. famti*
famgnie.
') ) Jager Ulm 649. *) Chronic, mont Cafs. 3, 18 (Pertz 9, 711). —
triblattus. trihlatton. ") Eneit 9233. Wigal. 2233. 8906 — Trist 11125. *) imflW,
findal. zenddt. mlt. cendalum, cendcttum, fendcUum, zendardum, proY. eendaL cenddt*
itaL zendato. franz. cendaL cendau. fandal, fendal, *) Qegi, abb. Fontanellens.
823—833. Fertz 2, 295. *) HaUmann Stadtewesen 1, 64. 66. 335« Grimm and
Schmeller Lat. Gedichte des 10. und 11. Jahrhunderts 233. Le Grand et Boqaef.
Tie privde 3, 404.
425
betrieben ^). Der Samt wurde in mereren Farben getragen, in
rot, grun, gelb, blau, parpur, weifz, 8chwar2 und braun. Eine
geringere Art, die unser^m Manchester entsprochen habefi magy
hiefz Bastardsamt (Parz. S52, 12). Aufzer zu Eleidern wurde
der Samt auch zu Bett- und Satteldecken und Scbildriemen ge-
braucht. Weniger bekannt ist der Sarumin, in Morfzi im Hei-
denlande am besten gewirkt (Lanzel. 864); der Satin (zatouiny
und der Taft (taflfata. taffeta) werden in 'alterer Zeit gar nictit
bei una genannt. Eine befzere Seide war der Triblat. Der Abt
Desiderius im Kloster Monte Cafsino wolte zwanzig Triblattii-
cher, die er in Amalfi gekauft hatte^ dem Kaiser Heinrich lY.
zum Frommen des Klosters verehren ^). Den Namen hat man da-
hin gedeutet dafz das Zeug dreimal in Scharlach oder Purpur
(blatta) gefarbt sei. Brauner Triblat wird auch erw9.hnt (Lanz.
4817). Im allgemeinen wird er unter die Pfellerarten gerechnet
(Biter. 9859. Wigam. 1532). Weniger gut mag der Zimit oder
Tim it gewesen sein , von dem ich eine grtline und eine braune
Art erwahnt finde^). Ebenso war der Zindal*) leichtere Seide,
die schon im neunten Jahrhundert in den verschiedensten Far-
ben bei uns getragen wurde *). Am oftersten fand er sich rot,
gelb, blau, griin, schwarz und weifz. Am beisten Wurde &t in
Italien in Lucka , in Spanien in Granada gefertigt ; ailcti kam
griechischer Zindel die Donau herauf; Kegehsburg lieferte eben-
falls diefz Seidenzeug ®).
Die befzeren Seidenstoffe wurdeni kum Theil mit Gold I
durchwebt. Wir haben aufzetdem schon von den Stickereien ge-
sprochen worin die germanischen Frfttlen frtih erfaren waren. In
426
der prachtliebenden hOfischen Zeit warden dieselben noch kostba-
rer als friiher, indem an Gold Seide und Edelsteineh nichti
gespart ward. Was heute die reichen Hals- und Stimbandcr sind,
das waren damals diese Arbeiten mit der Nadel: eine Grel^en-
heit namlich den Reich thum zur Schau zu legen. Die Borten,
die Nahte der Roeke , die Saumstreifen , die Hauben atrotzten
yon Gold Perlen und Edelstein* Die Gedichte geben auch hier
wieder Egjpten und Indien, Grieehenland , Cypem, Arabien,
Heidenland , den Kaukasus und Azagauk , Kurianz , Kusart und
andere fabelhafte Orte des Orients als den Fundort dieser Smt-
ragde, Saphire, Jacbanten, Topase, Jaspise, Onichilus, Chry-
solitbe, Kalcedone, Berylle, Amethiste, Eubine, Karneole, K«r-
funkel und sardischen Steine> der Perlen und des Goldes du
sie reichlich an ihre Helden und die liebenswurdlg^i Fnoen
verschwenden.
i Zu der reichen E[leidung gehorle femer das Pel«wert
Tacitus schilderte uns bereits welchen Wert die Germanen anf
schone Felle legten und wie dieselben einen. Handelsg^enstind
ausmachten, sobald die Yerbindungen mit dem Osten und Norden
^ch einigermafzen erweiterten. Mit Schweden und Norwegen
Preufzen und Eufzland trat ein lebhafter Tauschverker ein, wd-
cher Felle von Mardern, schwarzen Fuchsen, Hermelinen and
Zobeln und Grau- und Buntwerk nach Deutsohland brachte. Dm
Hansestadte handelten mit den Schweden und Preufzen , sfld-
deutsche Kaufleute standen durch die Donau mit den ^Slaven
Ungara und Griechen inVerbindung oder sie giengen wol sielbat
nach Moskau, welches damals ein solcher Stapelplatz fur dea
Pelzhandel war wie heute das E^loster Nishney - Novgorod an
der Wolga. Regensburg und Ulm trieben den Handel mitBauch-
waren in ausgedentester Art und sandten ihre Gfiter nach Jem
Westen , nach Byzanz , nach dem Siiden und gen Norwegen, wdr
ches feines rufzisches Pelzwerk von ihnen erhandelte. Die befxeien
Gattungen gehOrten auch damals zu den grOsten KostbarkeiteD
und bildeten schon in altester Zeit einen Hauptgegenstand fOn^*
4at
licher Geschenke ^) ; ja die Erlaubnifs sie zu tragen war nur den
vornemen, in der ritterllchen Zeit nur den Rittern gegeben.
Am gewonlichsten unter den befzerenFellen war dasGrrau- \
w e r k und das Buiitwerk oder V e h *). Unter Grau werk ver-
stund man die Ruckenfelle der grauen Eichhomchen, unter Bunt
oder Veh ihre Bauchfelle und die Balge der Ziselmause* Polen
Rufzland und Ungam lieferten beides am besten^ Wie es meist
zum Futter von Manteln und Decken verwandt wurde, so auch
der Hermelin (hermin. harm*). Unsere alten Dichter nennen I
seine Weifze weifzer als blank, durchscheinend blau, und glan-
zend wie Schwan '). Seltener war gutes Harder fell. Bremen
ertauschte es von den Preufzen und Schweden, Regensburg von
den Ungam, defsen Konige die Abgaben darin erhuben. Aus
Schweden kamen auch Biberfelle, allein nicht haufig, denn
die Schweden selbst erhandelten sie erst von den finnischen Nach-
bam *). Auch Luchs Fischotter und Genit waren nicht gewan-
lich oder vielleicht nicht hochgeschatzt und darum nicht gesucht»
Um so hoheren Wert hatte der Z o b e 1. Er ward hauptsachlich I
zum Besatz und Vorstofz auf Hermelin gebraucht, von defsen
Weifze seine Schwarze blendend sich hob. Nicht selten schnitt man
aus ihm an denSchilden auf Hermelingrund das Wappenbild aus oder
€r war umgekehrt der Grund zum hermelinen Wappenzeichen *).
Am meisten ward er aus Rufzland bezogen, doch kam er auch
liber Griechenland ®) aus dem tiefen Asien ; merkwiirdig ist dafz
in dem Gedichte von Athis und Prophilias (D. 144 — 163) auch
Zobel von Riigen genannt wird.
*) Priscus exc. legat. (p. 48, cd. Venet.) sagt dafz Pferde und Thierfelle die
gewonlichen Geschenke der skythischen Konige seien. Unter den Geschenken
welche die byzantinischen Gesandten der Fran Bledas bringen, befinden sich
aufzer silbemen Gefafzen indischem Pfeffer und Sddfriichten auch rote Felle.
Priscus p. 38. *) Grd und hunt, grd und veh, grifeum et vartum, prov. var e
gris. franz. gris et vair. 3) Biter. 1165.— Engelh. 3100. — Wigal. 2409. 2289.
*) Egilssaga c. 13. 14. «) Parz, 18, 7. Erec 2305. Lanzel. 374. Fraaend. 482,
27. Konr. troj. kr. 11987. *) Im Erec 2002 wird Eonneland zwischen Griechen
und den Heiden als bestes Zobelland gerftmt. M. Haupt deutet es auf Ikonium. —
In Lanzel. 8866 wird Zobel aus Cunils genannt „(/a Jibille din alte wi^age was."
428
Aufzer diesen eigentlichen Pelzen warden auch Felle yon
' Seethieren getragen , wie schon jene Stelle in der Germania des
Tacitus (^ap. 17) schliefzen liefz. Plinius (hist. nat. 6, 28) be-
richtet von gleicher Kleidung bei dem Volke der Chelonophagen
in Karamanien. Unsere mittelalterlichen Dichter beschreiben
glanzende StofFe die aus Fischhar gemacht seien, und EQeider
aus Fischhaut geschnitten 0* Unter dem Namen Schinat *) kannte
man ein glanzend blaues goldgepunktes Fischzeug ; auch Schlan-
genh'aute scheint man zuweilen an den Gewandem verwandt zxl
haben (Ferguut. f. 27').
Die Kunstepen unserer mittelalterlichen Literatur sind be-
kanntlich so uberwiegend auf das aufzere Leben gebaut und ver-
mogen mit hochst sparsamen Ausnamen so wenig den Stoff cu
liberwinden, dafz sie in reichlichen Bemerkungen hieriiber ihr
Verdienst suchen und finden. Man mOchte sie schier jenen heroi-
schen Gedichten der Hoipoeten und Ceremonienrate des 17. und
18. Jahrhunderts vergleichen welche in der Beschreibung von Cte-
wandem Pferden und Aufzugen Dichterruhm und goldenen Bei£aII
erstrebten. Uns komtjene Schwache zuNutze, dawir hier BOlehen
aufzeren Dingen fronen miifzen.
Wir finden sehr h&ufig Kleiderschilderungen in den erzalen-
den Gedichten des 12. und 13. Jahrhunderts* Im Anfang ver*
raten sie naive Treue und trockene Sorgfalt, in der Mitte bd
den befzeren eine vorneme Verspottung dieses Dichterherkom-
mens, weiterhin eine ekelhafte Breite und Gesuchtheit *)• Die
Trostlosigkeit aller hofischen Poesie spricht sich auch hier aus;
erkiinstelt wie sie ist, felt ihr allenthalben natiirliche Warme
und frische mannliche Haltung.
Lafzen wir uns nun zuerst die ganze Erscheinung einer fiunen
') Lanzel. 4838. Wigal. 810. — Nib. 354. Parz. 570, 2. Gudr. lS5ti. Biter.
1156. Wigam. 433. ') Konr. troj. kr. 2980. 20120—39. ') Ygl. fOr letsterof
als einzigen aber schlagenden Beweis die Schilderung in Konrads t. Wftnlmig
Engelhart 3008 — 3102.
429
Frau der hofischen Zeit beschreiben und durchmustern wir als-
dann die einzelnen Kleidungsstiicke.
Ueber einem feinen Hemde das lange Aermel hatte und
defsen gefaltelter Halsbund etwas sichtbar blieb , lag der Rock
der ,mit einem Borten gegurtet wurde. Er war gewonlich so lang
dafz die Fiifze nicht sichtbar waren, welche in Schuhen und
farbigen Hosen oder Str&mpfen staken. Um den Sock lief ge-
wonUch ein Pelzbesatz, und er war meist mitPelzwerk gefattert.
Mitten an der KopfoJB&iung (dem houbetloche) warer mit einer
Spange oder einem kunstreichen Vorspan geziert Die Aermel
lagen eng an und schlofzen sich mit einem Armbande an das
Handgelenk; indefsen wurden sie vielfach geandert. Ueber dem
Bocke hieng der Mantel. Er ward nur selten oben mit den Ta-
fseln oder den Haftbandem geschlofzen, und fiel lose und leicht
an den Schultem hinab. Der linke Daume^ so wolte es die feine
Sitte , hielt die eine Spange , die rechte Hand hob den Mantel
etwas unter der Hiifte empor so dafz sich ein voUer Faltenwurf
bildete und das Pelzfutter weiter hervortrat. Bock und Mantel
waren mit farbigen breiten Saumen eingefafzt. Auf dem Kopfe
lag bei den unverheirateten Frauen ein Kranz frischer Blumen
und Laubes oder aus Edelstein Perlen Gold und Seide ein Ge-
winde oder auch ein metallener Beif. Sonst schmiickt^i Schleier
das Haupt, Binden Stim und Wangen. Handschuhe durften nach
der Hofvorschrift dem vornemen Anzuge nicht felen 0»
Bei der folgenden Durchmusterung muTzen wir etwas tief
in die Geheimnifse des weiblichen Anzuges eindringen.(^ch mache
also Leserinnen , welche die Worte Hemde Hose und Bein fiir
unschicklich halten , im Voraus darauf aufmerksam dafz die-
selben in den nachsten Satzen haufig aufstofzen werden und
bitte sie dieselben zu liberschlagen , indem ich unglucklich sein
wiirde ihren zarten Seelen ein Erroten zu erregen.\ Leider ver-
fk
\-U
') Vgl. Eneit 1692-1726. Erec 1543—71. Ath. C* 57- 75. D 134^168.
Eracl. 3577 — 3601. Wigal. 749—847. 10531—66. Trist. 10904—48. Franend.
347, 30, ff.
«30
langt es die Vollstandigkeit yon solchen unaoBtandigen Sacheir3
zu handeln.
''■ Das Hemde, ein KleidungsBttlck das den alten Volkern nn^^
bekannt war, scheint germanischen Ursprungs, denn als Won^
genommen -findet es seine Erklarung nur im Deutschen 0* Icl —
habe schon angedeutet dafz es anfanglich das einzige Unterge—
wand geweaen sein mag; es mufz sich aber von der roiiiiBoIie^=
Tunika und dem griecbischen Chiton unterschieden haben, da e^
Griechen und Romem etwas neues war. Sein Stoff war in ftlte—
ster Zeit Leinwand und WoUe ^). Die Leinwand wechselte be—
greiflicher Weise je nach dem Vermogen zwischen Sacktuch und
feinem Saben; unter den WolIenstoiFen ward der Buckeram zu
Hemden gebraucht (Parz. 588, 15); in der feinen Zeit des Idlttel-
alters trugen die reichen Frauen Hemden von weifzer Seide. Dem
kostbaren Stoffe verbanden sich Verzierungen ; die Nahte wurden
mit Goldf&den geschmiickt (Wigal. 768) und zwischen dem Bnut-
theil des Hemdes (dem muoder) und der Faltenreihe am Hab-
kragen ward zuweilen ein Stiick Goldstoff eingesetzt (WigaL 3036).
Auf die Faltelung am Halsbund^) wurde besonderer Fleifz Ter-
wandt (Herbert 618. Wigal. 754) da dieser Theil sehr oft sicht-
bar war. An den Seiten befand sich eine Vorrichtung zum Zn-
schnftren des Hemdes , die zuweilen auch mit Gold dnrchzogen
war (Engelh. 3042). Die Aermel hiengen wie bei den Bocken
nicht am Ganzen, sondem waren abgetrennt und musten jedetmal
erst angenEht oder angereiht werden ^). Der obere Theil des Hem-
') hemidi, einfacher hamo (altn. hamr) bezeichnet jede UmhfUluiig. Uekam*
(entstellt in Lcichnam) ist die leibliche UmhtUlung der Korper. — ^ Die ronuuL
Wortc ; mit. camifia. span, camifa. ital. camicia, frani. ehemife. sind auB dem ger-
manischen entlebnt. Ueber die alten Deutungen von camifia s. Val. Schmidt Petri
Alfonsi disciplina clericalis p. 134. *) Das leinene Hemd hiefs mit. eaaJUii^
das wollene farciUs. Guerard. polyp t. Irmin. 2 , 71 7. •) Der nc — riffon (pit.
reh) bedeutet reihenweise anheften, besonders die Falten anheften. Im BchleeieclieB
heifzt gerigen (und schwach: gereigeC) gefHltelt. — Die knoden (Pan. 857, 14.
260, 6) sind vielleicht der Streif an den die Falten angesetzt warden und an dem
die Bander sich befanden. *) Frauend. 160, 27. 166, 25. 176, 7. ^^ Herbert
621. Eracl. 1818.
«1
des scheint zuweilen von dem unteren trennbar gewesen (Wolf-
<lieten Adelung Vatikan. Handschr. 1^ 234); unter dem Land-
Tolke mancher Gegenden (z. B. in Schlesien, der Oberlausitz) ist
bei den Frauen ein Oberhemd gewOnlich, das nur bis etwas un-
ter die Brust reicht.
Die Nacht iiber ward das Hemde in der Bliitezeit der mit-
telalterlichen Gesellschaft gewonlich anbehalten 0; im vierzehnten
Jahrhundert jedoch ward es Sitte ganz blofz das Bett zu bestei-
gen 2). Als Schlafrock diente entweder ein Mantel oder ein Pelz ^)
Seit sehr alter Zeit scheint bei den German en eine beson-
dere UmhuUung des Beines Sitte gewesen zu sein. Ovid erzalt
dafz die Umwoner des schwarzen Meeres, Geten und Sarmaten,
ihre Schenkel durch Pelzbekleidung vor der Kalte schiitzten (Trist^
V. 7, 49. 10, 33) *>; Gallien hatte von seinen hosentragenden Kel-
ten den Namen Gallia bracata erhalten, und die ROmer namen von
diesen Volkern dieselbe Tracht an. SkytLen, Inder und Perser tru-
gen ebenfalls Hosen, von den Germanen verrat es uns Tacitus sehr
deutlich. — Das deutsche Beinkleid zerfiel im allgemeinen warend
des ganzen Mittelalters in zwei getrennte Theile: die Bekleidung
der Oberschenkel hiefz Bruch (bruoch, brdk, braca); von dem
Kjiiee bis liber die Knochel oder auch iiber den ganzen Fufz zo-
gen sich die Hosen '^) (die heutigen Striimpfe). Unter dem Bein-
kleid wurden Linnenlappen um die Beine geschlagen , Hosen und
Bruch durch Binden und Bander festgehalten. — Uns geht hier
die Frage naturlich am nachsten an ob die Weiber auch Bein-
kleider trugen. So weit meine Kenntnifs reicht verzichteten sie
') Nib. 584. Eracl. 3031. 3366. Engelhardt Herrads y. Landsberg hortus
deiiciarum. S. 90, — ygl. aber auch Konr. troj. kr. 9080. *) Joncbloet Beatrjis
s. 50. Engelhardt Bitter Stanfenberg s. 80. 101. — Die Holzschnitte and GemElde
des 1 6. Jahrhunderts gewaren viel Belege. *) Erad. 170. Lobengr. 60. Fergnat.
765, 2265. 2311. Eommannas. 9, 477, — Konr. troj. kr. 9077. Fommannas* 3,
199. Fabl. et coutes p. Meon 3, 428, *) Dafzelbe berichtet Ammian (XXXI, 2)
von den Hunnen. *) Das Wort Hose mit der Bedeatung Stiefel und Strumpf
findet sich auch iiTi kcltiscben. WHIsch. Jios. Ao, an. hiuz, kom. hos, Leo Eerien-
Rchriften 1, 57.
4»
in der ftlteren Zeit auf die Bruch und trugen nur Hoeen. M«b
Bchien jene in einzelncn Landem fiir eine ausschliefslich miim-
liche Tracht za halten und erklarte es unter andem auf Uind
fiir ein Ueberschreiten der weiblichen Grenze und einen Qnmd
zur Ehescheidung wenn ein Weib die Bruch trug 0* Die Hosen
und Strfimpfe dagegen lafzen sich seit dem 10. Jahrhundert qd-
gefar als weibliche Bekleidung nachweisen *). Meiflt rot oder
grun waren sie aus WoUe Seide oder Samt, wenn die Fna
wolhabend war; sie scblofzen wie gesagt am Knie ab und war-
den durch ein Band festgehalten ; bei den Mannem ward hier
die oft hobe weite linnene Bruch hineingesteckt Im 13. Jahrhun-
dert waren einmal iiber Rhein her eine besondere Art roter
Striimpfe unter dem Namen Golzen (calzae) Mode geworden.
Heute finden sich in Oberdeutschland bei den Weibem sowol dk
Bruche als die Hosen ; letztere sind im ostlichen Theile Knochd-
striimpfe, im westlichen Ganzstrumpfe ®). Die Friesinnen tragen
meist Halbstrumpfe.
Ich will hier noch beifiigen dafz sich auf den Bildem der
Heidelberger und Wolfenbirttler Handschriften des Sachsenspie-
gels, deren erste etwa dem Anfang die letztere entschieden dar
Mitte des 14. Jahrhunderts nngehort, beachtenswerte Darstellungai
der Beinbekleidungen finden. Die vomemeren Manner tragea die
gewonlichen farbigen Hosen ohne Schuhe; die Bauem dagegen
haben eine Bruch die bis uber die halbe Wade hinabreichty skh
also unsern gegenwartigen Beinkleidern sehr nahert. Danm ent
scbliefzt sich die Hose, die durch weifze Binden befestigt und nut
der Bruch zuweilen gleichfarbig ist. Diese Tracht der sachBisclien
^) Laxdoclas. c. 35. '— Folgende kirchliche Bestimmnng mag hiemit nt-
glichcn wcrden: concil. Gangrensie (a. 324) c. 13. yV qua tnulier propter emtauUti^
qua putatur habitum mutat et pro folito muUehri amictum virilem fumat, emoAtMBfi*
*) Kniehofa: colza (chaufse. nl. couse). wihdhofun: perifceltdes* Graff 4, IWI.
heingiwerida: perifcelides Graff 1 , 930. vgl. Grupen de uxore theotisca. p. M-
■) Vgl. Alb. Schott die dcutschen Kolonien in Piemont. Stuttg. 184S. KlemeBtdie
Silvier am Monterosa, in Strickers Germania 3, .276 ff, (In dicsem letztem Aif"
satz sind die Mittheilangen uber die Friesen allein von Wert.)
Bauern erinnert an die fruher beschriebene lougobardische. Die
Kampfer um Geld haben auch verlangerte Bruche, allein ohne
Fiifzlinge; die Spielleute dagegen tragen die gewonlichen Hosen.
Die Wenden sind mit den langen Hosen ohne Fiifzlinge aber mit
verschiedenfarbigen Socken abgebildet ; die Hosen sind mit Bin-
den umwunden ^). Auf den Bildern der Wolfenbiittler Handachrift
bemerken wir einen jungen modisch gekleideten Mann, der lange
Beinkleider tragt , die auch den ganzen Fufz bedecken. Bruch
und Hose sind also in einera Stiick ; die Fiifze stecken aufzerdem
in Schuhen ^). Darf man aus dem Vorkommen des Wortes
So eke*) einen ScWufz machen, so wurden unter den Nordger-
manen diese Kurzstriimpfe haufig getragen lind der Kurzhose
durch Binden ebenso angeschlofzen wie die Heidelberger Bilder
diefz bei den sachsischen Bauem zeigen, Unter den oberdeutschen
Stammen waren die Socken indefsen auch schon frtih bekannt
(Graff 6, 134,).
Die Schuhe der Germanen waren in alterer Zeit nicht sehr
geformt und sauber. Sidonius Apollinaris (IV. 20) sagt, sie seien
aus Fellen geschnitten deren Hare nach aufzen stunden. Wie ge-
ring die Arbeitsfertigkeit war ersieht man daraus dafz noch im 1 3#
Jahrhundert der Gebrauch von Ale und Borsten als etwas beson-
deres erwahnt wird , was aber bei dem feinen Schuh notwendig sei
(Konrad troj. 114 — 117). Jedenfalls gewaren uns jene Schuhe
ein Bild der Fufzbekleidung altester Zeit, die im Jahre 1817 in
einem Torfmoor Ostfrieslands an einem Leichnam gefunden wurden,
Sie bestunden aus einem Stiicke ungegerbten Leders das mit Rie-
men iiber dem Fufze zusammengehalten ward, die durch Locher
langs des Fufzblattes gezogen wurden. Der Schuh war ohne be-
sondere Sole *). Noch die longobardischen Schuhe des 7. Jahrhun-
derts waren bis fast auf die Zehen offen; dagegen haben sie
') Kopp Bilder und Schriften der Vorzeit. (Mannheim 1819). Bd. 1. Bilder
2u SS. 64. 98. 105. 125. 126. -) Kopp Bilder und Schriften Bd. 2, S. 11.
"*) Fries, focka. angs. fock, island, fockr. "*) Spangenberg Neues vaterlandisch.
Archiv 1822. 2, 59.
28
4S4
schon derbe Solen. Die Riemen waren notwendig um den Schuh
zusammenzuhalteny was entweder durch Schniiren od^ durch
Umwinden oberhalb der Knochel geechah. Bei denGothen schd-
nen diese Eicmen in einer Quaste geendet zu haben ^); ihre
Schuhe waren mehr eine Art Stiefel , denn sie giengen hoch hin-
auf. Sie waren von Pferdehaut. Die Fraiiken trugen wie Bchon
bcschrieben ihre Hose bis an die Zehen und aufzer ihr gew(^nlich
nichts, so dafz sie mit der Fufzspitze ganz bar giengen. IndefBen
waren ihnen die Schuhe nicht unbekannt , wie Einhards Beschrd-
bung derTracht Karls des Grofzen zeigt. Aus dem Geeetzbuche
der ribuarischen Franken ersehen wir dafz dieser frankische
Stamm auch Stiefehi trug. — Wie die bjzantinische Tracht
iiberhaupt auf das frankische Statskleid wirkte, so bildetoi eich
auch die Schuhe hiemach* Die Statsschuhe wurden von Seide
oder anderm feinem Stoffe gemacht und neben der Sole und fiber
dem Fufzriicken mit Perlen oder kostbaren Steinen besetzt* Die-
ser reiche weiche Schuh scheint sich lange erhalten zu haben , denn
noch auf Statuen des 13» Jahrhunderts ist er zu gewaren. Unter-
defsen bildete sich der gemeine Schuh weiter aus; er auchte
f einer zu werden , schmiegte sich fester an den Fufz um sich der
I'astigen Riemen entledigen zu konnen und streckte sich in die
Lange. Auf der Rheimser Synode von 972 , die wir schon ab
Fein din der modesiichtigen Klerisei erwahnten, werden soharfe
Rugen auch uber die engen Schnabelschuhe gesprochen , die mit
allerlei Ausschnitten verziert waren (Richer, hist. III. 39). In
Deutschland wurde zu gleicher Zeit viel Aufwand mit denSchu-
') Goth, fkaudaraips, — poplite nudo peronem pauper nodus fuspendit equi-
num. Sidon. Apoll. caiin. VII, 457. — Dafz mit den Schahriemen bei den Gk>then
Aufwand getrieben wurde, kann man daraus schcn dafz Priscus als einen Bewdt
wie einfach Atila sich kleidete, anfurt, er hubc ungesohmiickte vno^ripuirmv &ecao{
getragen (p, 45. ed. Venet.). Die Hunnen unter Atila stehen in ihren Sitten ganx
unter gothisehem £iuflnfz ; kurz vorhcr sind sie nach Ammians Schildemng
(XXXI, 2) Tollig robe Nomaden. Ihre Schuhe waren damals ganz formlog and
hiulerten sie ini gehen.
485
hen getrieben; Seide und Korduan wurden daran verschwendet.
Ueber eine rotseidene Socke scheinen korduane Riemen gelegt
worden zu sein (Rudlieb 13, 94), wie sich das auch auf byzan-
tinischen Kaisermunzen bemerken lafzt *). Jenes feine spanische Le-
der, das von seiner besten Bereitungsstatte Korduba benannt war^ ist
das ganze Mittelalter hindurch beliebt gewesen und wurde in
Siidfrankreich und in deutschen Stadten, unter andern in Zurich
nachgemacht, Im dreizehnten Jahrhundert kauften Deutsche und
Niederlander den meisten Korduan auf dem Markte zu Troyes *).
Aufzer dem roten wird auch weifzer erwahnt, Gewonlicher und
wolfeiler als Korduan war das Schafleder oder noch: derbe-
res. Fiir diese Schuhe war die schwarze Farbe die gewOnlichste.
Indefsen suchte man Abwechselung durch weifze Streifen und
Punkte hinein zu bringen. Auf einem Bilde in der Aebtifsin
Herrad von Landsberg hortus deliciarum tragt die Superbia einen
sehr zierlichen Schuh. Er lauft schnabelartig aus und ist von
schwarzem Leder ; iiber die Mitte des Fufzblattes geht eine Reihe
weifzer Punkte, die durch weifze Streifen mit der Sole verbun-
den sind. Anderwarts ist der haufig erscheinende weite Ausschnitt
auf dem Fufzblatt mit weifzem Saume umfafzt, an den sich
Streifen nach unten bin anfiigen*
In Skandinavien war der Schuh ein notwendiges Kleidungs-
stuck; niemand schame sich seiner Bruche und Schuhe, wenn
sie auch schlecht sind, war ein altes dahinzielendes Sprichwort
(Saem. E. 17**). Weil dasAnziehen der Schuhe eines ihrerHaupt-
geschafte war, hiefzen die Kammerdiener Schuhknechte (fkdsvei-
nar) ; das putzen und schuhbinden war auch der Kammermftd-
chen erste Obliegenheit (Saem. 212^). Ein hinterlistiger spdtti-
scher Mensch wurde einem alten Lederschuh verglichen, der die
Ferse reibt (Saem. 78'') ; das Geschaft des Schuhmachers zalte
man zu den undankbarsten , da er es selten jemandem recht
mache (Saem. 26'). Zu dem Aufwrifcde der auf dem Festlande
') Du Cangc glofsartum ad scrip fores media et infima latinita/tis, torn. III.
fig. tab. 1. (Francf. 1681). ==) Hullmann Stadteweseii 1, 72. 867.
28*
430
init den Schuhen getrieben ward , scheint man sich niclit verirrt
zu haben. — Hier schwankte man fortwarend zwischen spitzer
und breiter Gestalt, und Verzierungen durch AuBSchnitte bante
Farben und mancherlei Besatze wurden stets von neoem ausge-
dacht. Bei den Mannern war das noch haufiger als bei den
Frauen, deren Fiifze durch die Ian gen E^eider verdeckt wnrdoi
wo also weniger Aufforderung zu ihrem Schmucke yorhanden
war. Jedoch ward auch von ihnen nicht alle Verschwendong ver-
mieden und Schuhe von Borten zusammengesetzt gehorten znm
feinen Anzuge (Wigal. 10535)* Das vierzehnte Jahrhundert zeich-
nete sich in Schuhkiinstelei aus. Auf der KOlner Synode von
1337 ward gegen die roten blauen und- griinen Stiefehi ein neuer
Beschlufz gefafzty nachdem schon 1260 zu KObi die bunten
Schuhe und 1316 zu Mainz die Stiefeln den Klerikem verboten
waren. Zugleich trat jene Synode gegen die modischen Schuhe
auf, welche auf mannichfache Art durchbort und ausgeechnitten
waren '). Diese Synodalbeschlafze setzten sich das ganze vier-
zehnte und funfzehnte Jahrhundert hindurch fort^). Dnrchge-
hends erscheint im vierzehncen Jahrhundert ein waiter Ausscfanitt
auf dem Fufzblatte so dafz das Oberleder im Grunde nur an«
schmalen Seitenstreifen besteht , welche die gewonliche schnabel-
formige Spitze mit dem Hinterleder verbinden •). Zuweilen gehen
sie etwas weiter hinauf und es entsteht eine Art Schniirhalbstie-
fel. — Die Reiteretiefeln haben ganz die Gestalt der PosdlloD-
stiefeln oder Studentenkanonen ; sie gehen wie diese bis iiber das
Knie und erweitem sich hier mit einem Ausschnitte. Absitie
und Hufeisen scheinen sie nicht zu haben (Kopp Bilder 2/ 16).
Rot und blau gefarbt hielten sie i^ich bis zum Ende des 16.
Jahrhunderts und dartlber hinaus. Die Gestalt der Schuhe im
') Calceis modo varia perforatis et incifis , Jlc edam quod i$te\fu
aliquihus in calceis appendet per /rufta volitantia hinc et inde. Hartzheim 4, 444. "
cf. Hartzheim 3, 594. 4, 260. *) Synod, Colon. 1371. c. 10. Halbentad. 1406.
c. 5. Mogunt. 1423. c. 3. Aichstad. 1484. ') Kopp Bilder and Schriften S, U*
13. Eugclhavdt Staufenberg 94. 100. Limburger Chronik (v. Vogel) SS. 8S.27.4&
43t
16. Jahrhundert war ansprechender ; sie sahen bequem und nett
zugleich au8 ; doch wechselte die Mode bestandig ').
Wir wenden uns nunmehr zu anstandigeren Kleidungsstii-
cken nachdem diese unteren Bekleidungen beseitigt sind. Wir
haben gesagt dafz der Rock von den Frauen langer als von den I
Mannern getragen wurde ; nur bei den armeren Frauen denen f
die L'ange hinderlich gewesen sein mochte , wurde er etwas iiber
den Knocheln abgeschnitten 2). TJeber die Stoffe aus denen der
Rock je nach Vermogen oder Willen der Inhaberin geschnitten
werden konnte, ist schon gehandelt ; es mag nur hinzugefUgt
werden dafz von den Frauen leichtere Zeuge als von den Man-
nern gewalt wurden. Oefter wurden sogar so diinne verwandt, \
dafz die Farbe des Leibes hindurchleuchtete (MSH. 2, 300*.
Kittel 24, 26). Manche Dichter jener Jahre klagen daher im
Winter, wo die Kalte etwas mehr Sittsarakeit forderte, liber die
schweren zitkleit, die ihnen den vollen Anblick der weiblichen
Schonheit entzogen ').
Bei Auffurung der Stoffe zeigte sich dafz alle Farben ge- |
tragen wurden, Es lafzt sich indefsen eine Auswal unter ihnen
bemerken , die dem Geiste jener Zeiten gemafz auf das helle und
selbstst'andige fiel , was wir grell und schreiend nennen ; denn bei
uns haben die halben unbestimmten Farben den Sieg gewonnen,
die Moscherosch Bastartfarben heifzt ,,weil sie verbasterte halb-
ehrliche Gemiiter haben *)." Gelb und rot in den hellsten Lich-
tern waren am beliebtesten , daneben erscheinen griin und blau
zunachst gebraucht, auch reines weifz und schwarz ; Mischungen
von rot, violett, braun fanden sich ebenfalls ziemlich haufig.
0 Noch bey menschen gedachtniifz trug man spitzige schnch mit langen
schnabeln , kleyne enge kurtze kleyder , kappen mit zotten , yetz ist es alles
anders rnd vmbk6rt , weyt grofz , die schuch breyt vnd maulecht. Seb. Franck
Weltbuc'h. 1534. XLVII. vw. ') Vgl. die Schilderung des iirmlichen Anzugs
der Isolde als sie znm Gottesgerichte geht. Trist. 15660—67. ') MSHagen 2,
281." 287." 3, 83/ Dafz in Griechenland und Rom die dOnnen Frauenkleider eben-
falls beliebt waren, ist bckannt. *) Philander von Sittewald 2, 150. (Ausg,
von 1666.)
t • "• ■ ( l*s>
4»8
Scliwnrz war auch im Mittelalter wie in dem romischen Altar*
thum und in der neaen Zeit die Farbe der Trauerkleider, Ala
der Troubadour Peter Vidal den Tod des Grafen Baimond yon
Toulouse erfur, legte er schwarzeKleider an, schor sich und sd-
nenDienern die Hare, denPferden schnitt erOhren undSchwanxe
ab und liefz sich Bart und N'agel wachsen 0* Hadamar yon La-
ber (Jagd Str. 248) nennt schwarz die leide Farbe, ein Leid-
anfahen und ein Freudenende und elend sei der sie mit Grrand
trage. Konig Johann von Bomen trauerte in ischwarzen Gewftn-
dem als ihm seine Frau gestorben war. Fischart sagt in seinem
Gargantua (1890. S. 239): ,,alle Nationen (aufsgenommen die alte
Syrakusaner vnd etliche Argiver , welchen die Seel vberzweroli
gelegen) alle Sprachen , alle Zungen , alle Volker , alle Heyden,
wann sie aufserlich anzeigen jr Traurigkeit, so tragen toe ein
Schwartz Kleid ^)."
Die Symbolik der Farben, welche sich in dieserBedeutong des
schwarz veri^t, war ilberhaupt im Mittelalter, besonders in dem
allegoriensiichtigen 14« und 15* Jahrhundert sehr ausgebOdet
Wir haben merere Gedichte des 13. — 15. Jahrhunderts zu Quet
len 3). In Hadamar von Labers Jagd (Str. 243 — 250) heirzt es,
griin zeige den Anfang der Minne an, weifz bedeute Hoffiiang,
rot ein liebebrennendes Herz, blau rechte Treue, gelb erfiiSte
gewarte Liebe , schwarz , wie wir schon vemommen , Leid. Un-
gefar dieselbe Deutung der sechs Farben gibt ein anderes vielleioht
gleichzeitiges Gedicht (Liederb. der Kl. Hatzlerin S. 168 — 170).
In dem Gedichte „der Kittel" welches dem 15* Jahrhunderte
angehort , werden merere allegorische Gestalten beschrieben: Fnw
Venus in goldenem Kleide, Frau Ere in rosenrotem englischeii
Tuche, Frau Treue in einem schwarzen Baldekin, Frau StSto
') Malm die Werkc der Troubadours 1, 218. *) YgL hiezv Babelaif L
c« 10. mit (Icr Anmerkung von Regis 2, 54. Lappenbergs Bemerkangen fiber dii
Traucifarbc (Miniaturen zum Hamburger Stadtr. S. 36) sind nnzareicheiid 0aA
anderen seiner Ausfurungen uber die Tracht. ^) Vgl. im allgemeineii F* Portil
Couleurs aymholiques dans Vanliquit^, le moyen age et les temps modemes.
n9
Bestandigkeit) in blauem flandrischem Tuche, Frau Mafze (Ma-
zigung) in einem weifzen perlendurchwirkten Gewande (S. 42- 47).
28 geschah dafz diese Farben geradezu als ein offentlicher Liebes-
nzeiger gebraucht wurden. Die Manner trugen also ihre ROcke
iets von der Farbe, zu welcher sie die Gunst oder Ungunst ihres
eliebten veranlafzte oder sie erlogen auch diese oder jene Gunst
irch die angenommene Farbe (Kl. Hatzlerin SS. 165. 166»
58 — 170). Durch die Zusammensetzungen der Farben konnte
an diese Farbensprache noch ausdenen: griin und blau bedeu-
te Anfang in St'atigkeit; weifz und blau states und gutes Lie-
jsgedenken; weifz und schwarz gutes Andenken im Leid; grau
id grun edle und schone Liebe; schwarz und grau Leid nach
iebe; blau und schwarz state Reue (Vgl. Kl. Hatzlerin 168. f.)
iese Zusammensetzung der Farben fiirt auf die Zusammense-
ung der Kleider.
Sehr oft wurde namlich der Rock aus Stiicken verschieden-
rbigen Zeuges zusammengenaht. Es geschah diefz meist so, dafz
e Kleider der Lange oder der Breite nach mitten getheilt wur-
m , zuweilen wurde die eine Seite wieder gehalftet und zwar
ler in der Mitte; seltener geschah es dafz auch die andere aus
vei Stiicken bestund und das ganze Kleid also in vier Theilen
eich einem quadrirten Wappen erschien. Bei den Querteilungen
iden sich auch drei Farben ; die Streifen sind dann zuweilen
hrag gelegt. — Die einzelnen Stiicke waren entweder samtlicb
nfach oder zum Theil gestickt und durchwirkt oder gestreift*
I Frankreich wurden die Wappentiere des Geschlechtes nicht sel-
Q in die Felder gestickt , so dafz die Frau in der That wie ein
andelndes Wappen aussah. Bruder Berthold, der eifrige Sit-
nprediger aus der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts, sprioht
ih auch hieriiber aus. Es genugt nicht, sagt er, dafz ihnen der
Imachtige Gott die Wal gelafzen hat unter den Kleidem, sagend >
dlt ihr sie braun, wolt ihr sie rot blau weifz griin gelb
hwarz. Nein, in ihrer grofzen Hochfart mufz man ihnen das Ge-
and zu Flecken zerschneiden, hier das rote in das weifze, dort
is gelbe in das griine, das eine gewunden das andere gestri-
j«0
chen, dn,s bunt, jenes braun, hier den Lowen, dort den Adler.
Die Hochfart komt in dem Ausdenken nicht zu Ende und wenn
jemand einen neuen Fund findet, so miifzen ihn alle yersuchen.
Und der euch das gute Kleid zu einem Hader macht, dem gebt
ihr so.viel Lohn als das ganze Kleid kostet (Kling S. 293).
' Griin und rot, gelb und rot, weifz und rot waren gew5n-
* lich zusammen gestellt ') ; die Streifen selbst wurden nicht immer
gleichmafzig vertheilt, wenn mehr als zwei Farben gebraucht wur-
den ; so sab man ein schrag gestreiftes Gewand zum Hanpttheile
aus gelbem Stoflfe, der mit weifz rot weifzen Streifen wechselte,
in denen das rote der breiteste Theil ist. Gleichmafzigkeit des
StofFes herrschte eben so wenig wie Gleichheit der Farbe, doch
suchte man Zeuge von gleicheni Werte mit einander zu verhin-
den. Weit verbreitet wie die getheilten E^leider waren, haben sie
sich auch laiige erhalten, denn noch heute tragen die Weibel des
Schweizer Kantonprasidenten, die Nachtwachter zu Niimberg, die
Waisenkinder zu Amsterdam, die Baugefangenen zu Magdeburg
und in andem Festungen Kleidung von getheilter Farbe *). Manche
Muster der gedruckten Zeuge unserer Tage rufen una ubrigens jene
geschmacklose Si tte vor die Augen.
Bei der Zusammensetzung aus verschiedenen" Farben und
StofFen ward die sorgsame Behandlung der Naht sehr notig. Anf
kunstreiche Naht ward ein grofzer Wert gelegt und yerlangt diifx
man sie gar nicht bemerke (Herbort 8475). Ein andermal wurde
sie gerade recht bemerkbar gemacht , indem sie mit Gold- und
Silberfaden oder mit Perlen durchzogen wurde (Herb. 483. Wigam.
2573.) Auch Besatze durch feine Pelzstreifen verdeckten die Naht.
Besatze des gaiizen Gewandes mit Borten erscheinen ebenftlk;
es wird diefz aber eine heidnische Sitte genannt, die von den Sank
zenen entlehnt sei und sie wird den Templern defshalb verboten*).
') Wigal. 746. Wigam. 2566. Mejer Nalezingen p. 108. Fommamiai* W»
14. Godefr. Bouillon 3525. — Wigal. 730U Fornmannas. S, 2«1. ") KopP
Bilder und Schriften 1, 80. Lappenberg Miniaturen des Hambnrger Stadtrechw
S. 37. •'') Trist. 2532. Regula Templariorum e. 29. cf. Du Ganges, v. taq«»W
vcstcs. burda.
441
Von dem seltsamen Zerschneiden und Zerstuckeln der Rocke,
welches im 13. und 14. Jahrhundert bei den Miinnem zu sehen
war, haben sich die Frauen anscheinend frei gehalten. Ebenso
iiberliefzen sie den Rittern den Besatz der Kleider mit Schellen.
Das Mafz der schicklichen Lange, was die Manner an ihren
Rocken oft darin verletzten , dafz sie dieselben auf auffallende
Weise verkiirzten 0 j ward von den Frauen stets bewart, ja eher 1
libertrieben. Ein Kleid, das nur bis auf die Knochel reichte, gait
schon fiir unschicklich (Lanzel. 5860). Es ward geradezu ein zu
viel in der Lange gesucht und die Synoden legten ihre alles be-
riirende Theilname auch mehrraals hiergegen zu Tage *). Von
Edelfrauen und reichen Bauerinnen wurden Schleppen (fwenze)
getragen, die sorgfaltig gefaltelt waren und bei keiner Festlichkeit
namentlich beim Tanze nicht felen durften ^). Man hatte in man-
chen Zeiten von den staubfegenden Schleppen ein Stiick abschnei-
den und oben ansetzen mogen , denn gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts und gegen die Mitte des 14. begann die Unsitte den
Busen nicht zu verhiillen. Das Kleid war weit ausgeschnitten und
Achseln und Brust waren so tief entblofzt wie in den ruhmrei-
chen Zeiten der letzten Ludwige *). Es erhoben sich Dichter und
Kronisten dagegen und ihre Stimme scheint im 13. Jahrhundert
die schamlose Tracht bald vertrieben zu haben. Als sie aber im
14. Jahrhundert wieder erschien, war sie hartnackiger und be-
hauptete sich. Die PoHzei mischte sich wol hinein, allein nur um
den Weibern und TOchtern der Bauem zu verbieten unanstandig
') Richer. III. 41. anon. Leob. ad a. 1336 ^^Petz script, rer. aostr. 1. 947)
synod. Colon. 1337. (Harrzh. 4, 443). Kittel 52, 21—29. *) Concil. Monspell. a.
1195 (Mansi 22, 670). cone Salisburg. 1420. c 30 (Hartzh. 5, 193.) vgl. auch
Heinrich vom gemeinen leben 320. *) Nith. Ben. 419. MSH. 2, 77.' 78.' 86."
290.' 3, 85.' vgl. Schmeller baier. Worterb. 3, 543. *) Konr. troj. kr. 20096.
Seifr. Helbl. 1, 1107. 1373. Gesta Romanorum (deutsche Uebers. p. 158. Keller)
Limburger Kronik (Vogel p. 27) Engelhardt Staufenb. p. 97. Haupt Zeitschr. f. d.
A. 4, 251. 8, 469. Kittel 50, 27. Hiillmann Stadtewesen 4, 145. Roro. de la
Rose 13521. Pockels Versuch einer Karakteristik des weiblichen GeschlechteB
(1798.) 2, 77. ff.
I _^_^_
i
ZVL sein , da diefz ein Vorrecht der vomemeren sei *). So gewa-
ren denn die Bilder und Holzschnitte aus dem 15. und 16* Jahr.
hundert sehr oft ebenso widrige Anblicke wie die Konterfaita dor
Hofdamen und yornemen Diemen des 18. In den ziichtigerai
Zeiten wurde zuweilen auch der Hals jnit einem Tuche oder einem
Pelzstreifen verhuUt (Saem. 102.^ WigaL 927.)
Tacitus sagt (Germ. 17) dafz der germanische Franenrock
Hals und Arme unbedeckt lafze. Diese armellosen Rooke aoheir
nen hier und da allgemein gewesen zu sein und einem sne^-
schen Volksstamme, den Armalausi^ den Namen gegeben zu
haben ^)« In den Zeiten jedoch , wo die Gedichte genauerea fiber
die Trachten berichten, wird das armellose Gewand nioht mehr
gefunden. GewOnlich lag der Aarmel des Rockes ziemlich eng
an dem Unterarm. Auf der einen Seite war er wegen des Aiude-
hens aufgeschnitten und wurde hier zugeschniirt , yemaht, wie
der Kunstausdruck war; oder er wurde durch EjiOpfe zusam*
mengehalteuy die schon bei den Longobarden gebraucht wurden
und im zehnten Jahrhunderte in Skandinayien nach englischer
Sitte die Rocke besetzten ^)* Bereits im zehnten Jahrhundert
wurde der Aermel ein Feld wo die Schneider ihre Erfindungs-
gabe entwickelten. Damals wurden iibermafzig lange Aermel ge-
tragen (Richer. III. 37). Im 12. herrschte eine anliche Sitte. Bei
einer Darstellung derSuperbia in Herrads yon Landsberg hortOB
deliciarum erscheint dieselbe in einem Rocke mil Unteiunneln,
die eng am Handgelenke abschliefzen, yon denen aber auf der
Mitte des Unterarmes ein Oberarmel weit und lang herabiiUt*
Diese langen Aermel wurden wenn sie irgend hinderlich werden
konnten , um den Arm gewickelt ; so schlagt Brunhild bei dem
Wettspiele auf dem Isenstein ehe sie Schaft und Stein BcUeu-
') Polizeiord. von 1501. Schmeller baier. Worterb. 2, 33. S. Franck Wdt-
buch 1534. XLVII sagt iibngens : der weiber klcydung ist jetz kOstlich, ftbor
erber gemacht, vnd wcnig (aufzgeaammen den fiirwitzigen uberflnfz) ra tedlen.
*) J. Grimm Geschichte der dcutschen Sprache 499. *) Egilss. c. 70. vgl. hienn
Benecke zu Wigal. 440. — Uebcr das vemaejen. Wilh. Grimm zn Athii U. 107.
Ilaupt z. Konr. y. Haslau 93.
MS
dert , die weifzen Aermel um den Arm (Nib. 427), Diese Ober-'
armel 0 gehSrten nicht eigentlich zu dem Kleide, sondem be-
stunden fur sich und wurden bei dem jedesmaligen Gebrauche
erst an den Rock angeschntirt oder an gehef tet. Weit wie sie wa-
ren dienten sie im Winter als MujBfe und Nasenhiiter (MSH. 2,
287''). Dem Putzsinne erschienen sie zugleich als giinstige Stelle
der Zier und wurden mit Pelzwerk Stickereien Borten und
Edelsteinen besetzt und noch anderweitig bedacht*). Bald wurde
der linke Stauche von anderem Zeuge und langer als der Rock
gemacht, ba;ld geschah es mit beiden. Das fiinfzehnte Jahrhun-
dert war auch in dieser Hinsicht erfinderisch und man suchte
etwas darin moglichst lange und weite Aermel zu tragen. Die
Geistlichkeit die im Mittelalter keineswegs nach einem geistlichen
Aeufzeren trachtete wetteiferte mit den Laien auch in den Aer-
meln und die Synoden musten sie fortwarend an das wolanstan-
dige erinnem^).
Der Rock verlangte eine Umgiirtung, die ihn dem Leibe
n'aher anschmiegen und die Kleidung sauberer machen konne.
Der Giirtel war daher ein altes StQck der germaniscben Tracht
und namentlich den Frauen unentberlich. Unter den Namen der-
selben erscheint Gerd , die gegiirtete , ein Wort das sogar allge-
mem fiir Frau gebraucht und durch Gerdr, die schOne Riesin
und Freys Gemablin , deni unsterblichen Kreise eingereiht ward*
Wir miifzen annemea dafz der Giirtel liberall gebraucht wurde.
Die Vandalen ^eigten auch hieran den afrikanischen Reichthum
den sie erobert batten und trugen goldene Giirtel (Procop. bell.
vandal. 2, 7); bei den andem Stammen mochten die reichen
eben solchen Aufwand treiben, die armeren namen was wolfeil
and zweckdienlich war: ein Band, einen Riemen oder was sich
*) Ahd. ftucha, mhd. ftuche in oberdeutschen Volksmundarten erhalten.
(boier. Stauchen.) — Niederdeutsch : mowe, niederl. mouw. mauwe. fries, mowe,
movwe. — Das aus dem franz. moufle (mit. muffUla) entlehnte Wort Muff iat ur-
spronglich deutsch. *) Herbort9931. anon. Leob. (Petz script. 1, 947.) ') ConciL
Trevir. 1337. synod. Colon. 1351. Halberstad. 140S. c 2. cone. Mogunt. 1423.
c 8. synod. Vratisl. 1446. — Jagcr Ulm s. 511.
444
sonst binden liefz und feet war. Die feinen Weiber der ritterli-
chcn Zeit erkoren den Giirtel zu einem Schmnckstiicke. ¥in
Riemen von rotem spanischem Leder (Erec» 1587) oder ein eng-
Hsches Seidenband ^) waren die Grundlage; Gold und Edelstem
prangten reichlich darauf und die Enden musten lang und ver-
ziert herabfallen. Die einfachen Gurtel wurden blofz zusanunen-
geschniirt, indem das eine Ende durch ein Loch in dem andern
gesteckt und allenfalls durch einen Dorn festgehalten wurde; an
den reicheren befand sich ein kostbarer Ring mit einem Platt-
chen, das zu^veilen als schonergeschnittener Stein beschrieben wird^.
Mitunter waren die Gurtel drei Hande breit (Frauend, 172, 20).
Das vierzehnte Jahrhundert, das in der Erfindung von
Trachten, in der Baukunst und manchem anderen eben so frucht-
bar war als unfruchtbar in der Dichtkunst, brachte im GOrtel-
. wesen manches neue. Die Gtirtel wurden mit Glocken und
! Schellen verziert und aus Erz ojemacht. Eine Art derselben nannte
man Dupfing; sie waren entweder glatt oder bestunden aus
viereckigen, zuweilen erhaben en Flatten'). Sie lagen um dieHiif-
ten, warend vorher der Gurtel oberhalb derselben in derKrenke
(Taille) getragen wurde*). Die Kleiderordnungen wandten aich
nunmehr der Beaufsichtigung derselben entschieden zu. Den
Ulmer Frauen wurden 1411 die silbernen und vergoldeten Gur-
tel mit den Glocken und Schellen verboten (Jager Ulm 511).
Die Liibeoker Kleiderordnung von 1454 machte fiir die versohie-
denen Vermogensreihen Slitze : die reichsten , die wenigstens
4000 Mark im Vermogen hat ten, durften Dupfings tragen, min-
der reiche musten sich an golden en Ketten oder einem beacUt-
genen Seidenborten geniigen lafzen ^). Es ist iibrigens aufiallend
dafz man hier und da gar keine Gurtel an der Frauenkleidang
') Jung. Titer. 1300 (Alt. Druck). Wigam. 1536. 2414. ") Wilh. IW,
29. Minne lerc 705. ') Engelhardt Staufenberg 93. 97. Limbnrger Kronik
(Vogel) S. 101. Der Name schcint slavischen Ursprungs ; im polnitchen liefi0 ^
sich durch dop^k wiedergeben. Uebcr p§k Pfung weiter nnten. *) Fan. 888i
30. MSH. 2, 86.' *) Michelsen und Asmufsen Archiv (Kiel) L I, 79.
445
sieht, z. B. an den Statuen in der Stifterkapelle des Naumbur-
ger Doras* Anderwarts ist der Gtirtel durch die dariiber gezo-
gene obere Halfte des Rockes so vei^eckt , dafz er nicht sicht-
bar wird. Von diesera RockgOrtel ist ubrigens der Giirtel wel-
cher bei symbolischen Rechtshandlungen in Betracht kommt, wol
zii iinterscheiden ; er ist das Band urn das unterste Gewand *).
In Frankreich hatte man gegen Ende des 12. Jahrhunderts
einc Erfindung gemacht, welche die Giirtel tiberfliifzig und zu
einem blofzen Schmuckstiick machte. Die deutschen Frauen namen
diese franzosische Erfindung an. Der Rock ward namlich um die
Taille verengt und der ganze Schnitt in mafziger Lange und
Weite gehalten. Die Dichter welche von dieser neuen Art spre-
chen , nennen sie ausdriicklich eine franzosische oder kerlin-
grsche ^). Schon friiher hatte man den Versuch gemacht die Klei-
der an der Seite zu schniiren , indem durch einen dort ange-
brachten Schliz Faden gezogen wurden '). Diese Erfindung hielt
sich ziemlich lange. Gefallsiichtige und schamlose Weiber be-
nutzten diese Oeffnung um die Weifze ihrer Haut den Bewunde-
rern zu zeigen *) , denn anscheinend war an derselben Stelle in
dem Hemde ein gleicher Schnitt. Dieser Schliz war ubrigens mit
Pelzbesatz und Seide verziert.
Mit der Verengung des Rockes in der Taille lafzt sich, so
viel ich viBrstehe, auch nur die Faltelung vereinen, welche im
13. Jahrhundert an den Kleidern der Frauen erwahnt wird *).
Im 14. Jahrhundert wuiden die Kleider ebenfalls in der Taille
eng getragen, sie legen sich voUkommen wie die heutigen an den
Oberleib an und sind um die Brust weit ausgeschnitten Durch
das ganze Obertheil geht zuweilen ein Schnitt , der mit Knopfen
zugeheftet wird (Engelhardt Staufenberg 97). Gegen die Mitte
des 15. Jahrhunderts wird zwar die Brust hier und da wieder
*) Jak. Grimm deutsche Rechtsalterthumer. 157. *) Ere'j 1547. Ath;
C*63. D 160. LanzeK 5800. Trist. 10908. ■) Eneit 1692. MSH. 2, 109.' 110.
Engelh. 3042. *) MSHag. 2, 93.' Clastoiement des dames 190. *) MSH. 2,
106.' Nith. (Ben.) 441. Frauend. 161, 25. 257, 15.
446
verdeckt *) , der enge Schnitt dauert indefsen fort ; der GUrtel
liegt bald unmittelbar unter dem Busen, bald mnfarzt er den
Leib weiter unten. Die Taille geht zuweilen bis auf die Huften«
Die Aermel sind doppelt; die einen bedecken nur den Obenurm
und fallen von bier weit hinab ; die Unterarmel sind enggefaltelt
und reichen bis zum Handgelenk. An Kleidern, welche Haus-
rocke zu sein scheinen, sind die Aermel einfach ; sie warden o()en
ziemlich weit getragen, verengen sich jedoch nach derHandzu^.
Das Anziehen des Bockes wurde durch die Einschnitte er-
leichtert , welche von dem Hauptloche , der Oeffiiung ffir den
Kopf , bald nach vorn bald auf dem Riicken gemacht waren.
I Das Anziehen war wie erwahnt mit Einschniiren verbimden, wie
, bei den heutigen Schniirmiedern. Bei eiligem Ausziehen miiste
also die Naht aufgerifzen werden (arm. Heinr* 1193)* Franzo-
sische Sitte scheint es im Anfang des 13* Jahrhunderts gewesen
zu sein, die Naht hier und da offen zu lafzen; sie £and jedoch in
Deutschland nicht viel Nachamung (Wigal. 10551).
Ueber dem Rocke ward gewonlich der Mantel unmittelbar
getragen, allein zuweilen fanden sich noch besondere Oberge-
wander als Zwischenglieder. Am fruhesten erscheint darunter der
Kurzebold^), defsen unter diesem Namen Bchon im elften
Jahrhundert in Glofsen gedacht wird. Er war ein kunes Qe-
wand 9 im Schnitt der rOmischen Cyklas anlich, aber weit kiir^
zer und gleich ihr als Statskleid getragen (Roth. 4571. Erad.
2243). Unter dem Namen Cyklas wird der Kurzebold bereits an
dem Statsanzuge der Gremahlin Piping, der Berhtrada, erw&hnt;
im elften Jahrhundert erscheint er einigemal unter den Pracht-
gewandem bomischer Fiirstinnen ^). In Frankreich fiirte anch der
') Nach dem elsafsischen Gcdichte der Eittel das dem 15. Jahrimndert an-
gehort, und anderen Qnellen dauerte die schamlose Entbldfsiuig der Brait Cort;
um den Lcib lag bei Manncm und Frauen das Eleid eng an. Die Mftnner pol-
sterteu die Bnist mit Baumwolle aus, um „lewen brt^ft*' zn machen. Kittrl
50 — 52. Die Weiber erhOhtcn einen andern Theil und trugen also cnls de Paris
Hanpt Z. f. d. A. 8, 469. *) Engelhardt Stanfenberg S. 77. ff. *) lilt eioviii-
baldus. curceboldus. franz. courtibaul. — Das Wort ist jedenfalls dentseh; ttinegMi
befriedigende Erkl&rung will indefsen nicht gelingen. *) Du Cange ■• r. cjtiu.
447
Ueberwurf , den der Priester bei der Mefse tragt, den Namen
Kurzibald. In das dreizehnte Jahrhundert hinein verschwmdet en
Dagegen erscheinen zu jener Zeit andere UeberrOcke. Einer der-
selben hiefz S u k e n i e *) und war wie der Name zeigt, nrsprOng-
lich ein slavisches Kleid, das sich aber unter die abendlandischen
Volker weit verbreitet hatte, da es aufzer bei den Deutschen
auch bei mittellateinischen mittelgriechischen und franzosischen
Schriftstellem erwahnt wird. Die Sukenie ist unzweifelhaft ein |
Oberkleid ; sie wird mit dem Rocke zusammen erwahnt ^) und
erschemt nach einer Stelle im Roman de la Rose (1216 — 1224)
als ein enganliegendes sehr vortheilhaftes Gewand. Wir konuen
uns also die Sukenie in der Art der polnischen Frauentiberrocke
(kabat) denken, deren Schnitt vor mereren Jahren unter dem
Namen Pole in Deutschland bekannter wurde. Zuweilen wurde
die Sukenie unmittelbar iiber dem Hemde getragen ') (Frauen-
dienst 347 , 33) ; sie war Frauen und Mannem gemein.
Ein anderes Obergewand war der Surkot*). In wie fern /
er sich von der Sukenie unterschied, kann ich nicht angeben.
Als er um 1350 in der Lahngegend das Festoberkleid der Frauen
war, hatte er weite Aermel und war an den Seiten von unten
aufgeschlitzt (Limburg. Kronik 23). Die Kolner Synode von
1260 (can, 5) und die Mainzer von 1316 (c. 13) verboteu die far-
chotes den Monchen.
Wie der Surkot war auch derKursit oderKursat durch 1
Frankreich den Deutschen bekannt geworden ; die Champagne *)
iibernam gleich Flandem die Uebermittelung der Trachten. Der
^) Mlt. foskania. aov%ccvia» franz. fousquenie, fouscanie* forquanie. — Za
dem Worte ist zu vergleichen das altslav. fukno (lith. fukti) Gewand, WoUenge-
^and. — • BOni. poln. slov. fukno Wollentuch. poln. fuknia. bom. fukn^ Weiberrock.
*) Heinr. Trist. 4499. Konr. trqj. kr» 2962. Mei Beafl. 40, 38. Grieshaber Pre-
digten 1, 319. ') Fr. Michel im Thdatre fran9ais p. 103. anm. stellt die ein-
eeitige Behauptung auf, die Sukanie sei ein Ueberrock gewesen. *) Mlt. /wrco-
eium. h&nz. furcot. fercot, mnl. /ercocf. — vgl. ota franz. cote: Tunica. /t/rcol heilzft
also wortlich Ueberrock. *) MSH. 2, 80.* ftn kurjit wcu ein fchampenns.
448
Kursit war ein Pelzoberrock : eine Ktlrsen 0 > <iie mit Seide oder
WoUenzeug Qberzogen einen ziemlich weiten Ueberwurf bildete.
Die Aermel lagen eng an; derUeberzug war gewonlich bo ko«t-
bar irestickt als das Pelzwerk wertvoU war*). Gleich den Waf-
fenrOcken warden die Kursits von den Rittern flber dem Har-
ni8ch getragen (Eracl. 4745). Im 14. Jahrhundert scheinen we
verschwunden zu sein.
Von den westlichen Nachbaren kamen auch die Tabarde
oder Tapperte zu una'). Sie mogen ein rund geschnittener
langer Ueberwurf gewesen sein, von dem hinten ein langer
Streif auf die Erde fiel Bereits 1281 wurden sie auf der Koi-
ner Synode (c. 3) den MOnchen verboten; die Versammlung
von Cambray 1311 erlaubte sie jedoch den Pfarrem beim Aus-
gehen. Gewonlicher wurden sie erst seit 1370 in DeutscUand;
Manner und Weiber, edel und unedel trugen sie. Die Frauen
giirteten sie in der Mitte mit den Dupfings; die Manner trugen
sie in beliebiger Lauge und steckten ein grofzes weites Tuch
an , das bis auf die Erde hieng *). Noch im 18. Jahrhundert hie*
I'zen die hinten angesteckten mantelartigen Streifen an derKleiduog
der protestantischen Geistlichen , uber welche Nikolai durch Cho-
dowieckis Zeichnungen unterstutzt in seinem Sebaldus Nothanker
sprach, Tapperte'). Sie haben sich noch hier und da an der
Kleidung der Kirchendiener erhalten.
In der z weiten Halfte des 14. Jahrhunderts kamen auch die
Gugeln oder Kogeln in Branch, die von den Frauen iiber den
Kopf hangend getragen wurden. ,,Sie stunden ihnen vomen auf xQ
Berg iiber das Haupt, als man die heiligen malet mit den IKft-
demen" (Limburger Kronik 49, 102)®).
1) Das Wort Kursen scheint slavisch, was sich daraus sdir wol erUir*
dafz das Pelzwerk besonders von den Slaven bezogen wnrde. Altbdm. krxtio Pdi-
kleid. Croat, kerzno, Verwandt ist corium, *) Eneit 1702. Wigam. 865. 4459.
5332. Minne lere 689. ') Mit. tabardum. tabaldas. span, tabardo. itaL tabarrt
franz. tabart. tabar, engl. tabart. *) Limburger Kronik (Vogel) 8. 61. lOl*
Das Ueberk cid das Engelhardt (Staufenberg 77) von einem Bilde einer Stnfi-
burger Hs. (1430 — 40) beschreibt, scheint ein Tappert gewesen zn sein. *) VtiMch
deutsch-lateinisches Worterbuch 2, 362. «) Frisch deutsch-Ut Wdrterb. 1,981-
449
AUgemeiner verbreitet und weit langer im Brauch waren
die Kappen, weite Ueberge wander mit Aermeln, welche die/
ganze Gestalt von Kopf bis Fufz verhullten. Fiir den Kopf
war ein besonderer Theil in Art unserer Kapuzen bestimmt,
der auch zuriickgeschlagen werden konnte. Die Kappen waren
fiir Reisen vorziiglich geeignet *) und wurden von Frauen und
Mannem getragen. Der Schnitt war sehr weit und bequem ; heute ,
noch nennt man einen Mantel oder einen weiten Rock ohne Taille
und Schnure eine Kappe. Die Kappen wurden mit Aermeln und
Kopf h ill le auch in Skandinavien getragen (Fornaldar. s. III. 250).
Das beliebteste Zeug fiir sie war der Scharlach.
Fiauen und M'annern gleichfalls gemein war die Garnasch
oder G a r n a 8 c h e. In Deutschland wenig in Brauch *) , wurde
sie in Italien und Frankreich mehr getragen. Die Garaasch war
ohne Aermel , hatte vorn von unten nach oben einen Schliz und
war mit Pelz gefiittert ^).
Wir wenden uns jetzt zu dem Mantel. Zwar mit lateini- )
schem Namen bezeichnet *), ist er doch ein echt germanisches Ge-
wand, defsen Gebrauch bei Mannern und Frauen schon von Ta-
citus erwahnt wird. Ein Stiick Zeuges, das mit einer Spange oder
einem Dome zusammengehalten wird, hangt er von den Schul-
tern herab. Einfach zwar ward er doch gleich der romischen
Toga verschieden getragen. Die Longobarden hefteten ihn mitten
auf der Brust zusammen und vertheilten ihn fiber Riicken und
Schultern gleichmafzig ; er reichte etwas uber die Wade. Auf
ihm trugen sie jenen Kragen, von dem ich schon gesprochen habe.
Der Frauenmantel ist weiter und langer ; Saume umgeben die I
Seiten und die unteren Enden. Die Franken trugen den Mantel
auf der rechten Schulter durch Knopf und Band befestigt ; er ist
') Parz. 778, 19. Wigal. 8870. Franend. 40, 14. Dq Cange a, T. cappa.
') Parz. 588, 17. Welscher Gast (Wackernagel Leseb. 504, 8) ^) Ital. gamaccia,
franz. garnache. garnachette. Du Cange s. v. garnachta, *) Festus: mantilium^
^^MuUelium , mantellum , mantile : tegumenti humeralis genus quo brachium manusque
involvebatur,
OQ
4S0
etwas langer als der longobardische und ebenfalls mit Streifen
besetzt. — Friih mochte es Sitte sein den Mantel mit Pelzwerk
zu fiittern von der Beliebtheit defselben haben wir schon ge-
sprochen. In dem Gedichte von Rudlieb (13, 108) wird cin
Mardermantel erwahnt; in den folgenden Jahrhunderten wurden
die guten Mantel auch im heifzesten Sommer mit Fellen aasge-
schlagen getragen. Aufzer dem Futter felten dem Mantel nicht
kostbare Sd^ume und Spangen, die aus Borten mit Odd oder Edel-
stein gemacht waren. Der Stein der als Enopf diente war m-
weilen eine Gemme. Gewonlich ward der Mantel auf der redi-
ten Schulter zugemacht, so dafz der rechte Arm ganz firei blieb.
Die Frauen trugen bei ruhigem Verharren den Mantel gewonlich
offen und zogen die rechte Seite unter den Arm hinauf, die an-
dere Hand fafzte ihn oben zusammen* Im gehen jedoch legten
sie den linken Daumen in die geschlofzene Spange imd hoben
den Mantel mit der rechten Hand etwas in die Hohe. An den
M'annerarmeln bemerkt man Schlize, um die Arme durchzuste-
eken ; sie sind mit Pelz oder Borten eingefafzt. Statt des einen
Schlizes ist auch ein Aermel in dem Mantel. Mit diesen Mantel-
armeln wurde eben solche Spielerei getrieben wie mit den Ober-
armeln der Kocke.
Bei schlechtem Wetter trug man eine Kappe von grOb^
rem Zeuge; den ^rmeren mochte ein Stiick Tuch za demselben
Zweck geniigen. Noch heute werden solche Regentdcher von den
Landleuten mancher Gegenden vorsorglich selbst bei gatem Wet-
ter auf weitere Wege mitgenommen.
Gegen die Sonnenhitze schiitzten die Sachsen ihre Stroh-
hute; ein Zweig vollen Laubes (MSH. 1, 26*), spaterhin eb F8-
cher aus Pfauenfedern ^) diente den Frauen als Sonnensohirm.
An dem Giirtel hieng gewonlich ein B e u t e 1 oder eine
Tasche* Schon auf den longobardischen Bildem zu Monsa
sieht man dergleichen Taschen; sie laufen trichterformig in eine
') Schineller baier. Worterb. 1, 511.
451
Spitze aus. Spater gewart man die mannichfachsten Formen, denn
^uch diese Sachen stunden unter dem Einflufze der Fremde, wie
bereits die fur sie im Mittelalter gewonlichen Namen : Pfung und
Phose *) zeigen ; auch die Worte Tasche und Sack scheinen nicht
deutsch. Das Morgenland hatte auf ihren Schmuck, vielleicht
auch auf ihre Gestalt weitere Einwirkung ^) ; die kostbaren Tasch-
chen musten den Klerikern auf dem Salzburger Koncil von 1386
(c. 6) verboten werden. Diese Gurteltaschchen dienten iibrigens
zu dem verschiedensten ; als Almosenborsen (ausmosnieres) als
Riechbiichsen ') und als Beh'alter fur allerhand Kleinigkeiten und
Kleinode (Lanz. 6050). — Aufzer der Tasche wurden Mefzer i
und selbst Dole he von den Frauen am Giirtel gefftrt (Joncbloet '
Beatrijs p. 41); sie amten natiirlich den Mannern nach*), unter
denen selbst die Geistlichen w'arend der heiligen Handlungen der-
gleichen Waffen am Giirtel trugen. Die Synode von Koln muste
1337 dagegen einschreiten (Hartzheira 4, 444.). Weiblicher war
68 dafz die Frauen Schlufzel*), Spin del und Scheere an
den Giirtel h'angten. Die schone alte Tracht der dietmarsischen
Weiber zeigt diese echten Schmuckstiicke der Frauen.
Zum vollstandigen Anzuge gehoren noch die Handschuhe.)
Auf den longobardischen Bildern sieht man sie nur an dem Bi-
schofe; der Konig und seine Vomemen sind barhandig. Im ach-
ten und neunten Jahrhundert miifzen sie indefsen schon allgemein
gewesen sein. Die Bestimmungen von Achen aus dem Jahre 817
(c. 22) zeigen dafz im Winter Handschuhe von Fellen (mufiulae
') Goth, puggs, ahd. pfunc, ags. pung. vgl. griech. novyyi, das ans
dem slav. entlehnt scheint* poln. p^k. Biindel. Paket. lith. pungelis , Btinde).
Micklosich Lautlehre p. 14. leitet puggs von asU p%gva corymbus. — Ahd«
phofo. ags. pofa , aus dem slavischen : altslav. pqjafati giirteu. poln. pas Gurt.
Gurtel. bom. pas. wind. pafs. *) Im Rom. de la Kose werden ausmosnieres ou
bourses sarazinoises erw'ahnt. — Zu den joiaus einer Dame rechnet das chastoiement
de dames (235) bel corroie (Borse am (jurtel) ou biau coutel, aumosniere, ctfiche
ou anel. *) Engelh. 516. MSH. 8, 245.' Minne lere 496. — olfactoriola Vita
Hathumodae (Pertz 6, 167. a. 874). *) Die Obersteirer tragen an der rechten
Seite ihr Efzbesteck. ^) Die Landleute um Krakau tragen an dem breiten Le-
dergHrtel der ihren Bock umschliefzt Mefzer and Schliirzel.
29*
452
I
vervecinae) und WoUe, im Sommer leichtere (wantl) getragen
wurden. Der Handschuh war im 9. Jahrhundert sogar bereitg
unter die Rechtssymbole aufgenommen ; durch seine Uebergabe
ward das rechtliche Verzichten bezeichnet. Hingeworfen erkl&rte
er den Ausspruch des Bannes ^). Die Pelzhandschuhe wie iiber-
haupt die groberen scheinen ohne Fingerlinge , blofz mit einem
Daumlingy also Klotzhandschuhe gewesen zn sein; so war auch
jener Handschuh des Riesen Skrymir, in den sich Thor saint
Loki und Thialfi auf seiner Fart zu Utgardaloki fliichtete (Snor-
raedda 51). Vielleicht waren auch ThorsEisenhandschuhe (iamglofar)
so, mit den en er den zuriickkerenden Blitz, seinen Hammer Mi^hur,
wieder aufHeng. Sie beweisen iiberdiefz wie althergebracht die Hand-
schuhe unter den altnordischen Stammen waren. — An den feinen
Handschuhen der hofischen Kreise zeigte sich die Fahigkeit jener
Zeit angenemen Schmuck zu erfinden. . Buntgestickte Frauenhand-
schuhe wurden schon im 11. Jahrhundert getragen *)• Mitten auf
dem Handriicken wurde ein grofzerer Edelstein angebracht, klei-
nere Steine und Perlen wurden sonst verwandt. Byzanz nnd der
Kirchenschmuck gaben die Vorbilder. Die anstandigste Farbe war
wie heut zu Tage die weifze ^) , der Stoff bald Seide bald feines
Leder. Sie reichten bis an das Handgelenk, an den halben Un-
terarm oder bis an den EUenbogen *). Die Ringe wurden dariiber
getragen. Bei Besuchen werden die Handschuhe wie Hut Mantel
Schwert Mefzer und Sporen abgelegt (Konr. v. Haslaus Jiingling
vv, 712. 720. fF. vgl. oben S. 394.).
Zu alien diesen Gewandstiicken kam als Verziemng noch
das eigentliche Geschmeide. Die G^rmanen haben sich fHih
auf die Verarbeitung der Erze verstanden; denn wenn sie auch
nur wenig Eisen und gar kein Gold oder Silber gegraben zu
haben scheinen, well sie die Arbeit zu beschwerlich nnd des freien
^) J. Grimm Rechtsalterth. 152. 15.5. *— < Die Erklamng der Fehde dvrch
den Handschuh ist jiinger und anscheinend fran/.usischen Ursprnngs. J. Grinuii
Reinhard Fuchs LXVIII. f. *) Muratori antiqu. 3, 648. •) Wigal. 1428.
Minne Icrc 489. Fornaldar. s. 3, 222 Bom. de la Rose 565. Das Bild Fr. t. Hasent
in der Weingartner Liederhandschrift. *) Nith. Ben. 309. MSH. 8, a4B.'
45S
Mannes nicht wiirdig dauchte, so verarbeiteten sie (loch das Eisen
sehr gut (Tacit, germ. 6.). Die Vandalen hatten sp'aterhin den Ruf
besonders trefflicherWaffenschiniede(Caf8iod. var. 5, 1.), dieLongo-
barden genofzen unter Alboin defselben Kuhmes (Paul. diac. 1, 27.)
Auch die Goldschmiedkunst fand bald Aufname und Pflege.
Allerdings scheint es den geschichtlichen Zeugnifsen nach, als
ob nur Romer und Kelten, mittelfreie oder Horige, diese Kunst
im Dienste der Germanen geiibt hatten; allein die Bemerkung
dafz der germanische Glaube Untergotter und Halbgottheiten di^
trefflichsten Schmiede sein lafzt, bezeugt zur |Genfige dafz diese
Kunste auch von den freien Germanen getrieben wurden. Wie-
land , jener Waldgott der einer Schwanjungfrau vermahlt war,
hatte durch seinen Reichthum und durch seine Kunst den Neid
des Konig Neithart (Nidudh) von Jutland auf sich geladen* Er
wird in der Nacht gefangen genommen , gelamt und auf eine
kleine Insel in eine einsame Werkstatt gesetzt, wo er Schwerter
und Bauge Brastkringe und Ringe und andem Schmuck dem
Konige Schmieden mufz, bis er Ge;legenheit findet sich an dem-
selben auf das grausamste zu rachen und zu entfliehen. Die Zwerge
ferner trugen den Rtil ausgezeichneter Schmiede bis in die heu-
tigen Volkssagen hinein ; Weisheit und Schlauheit ist alien die-
sen Wesen zugel^U; wie sie das rote Gold und das dunkle Erz
zusammenschmelzen und schlagen, so Schmieden sie auch klu-
gen scharfen Rat. Unter den jiingeren Gebilden der nordischen
Sagenschopfung erscheinen merere Vergottlichungen des Frauen-
schmuckes (Hnofs. Gerfemi). Die Gestirne aber dachte man sich
als prachtiges Halsband um Freyas Schonheit.
Die erste Stelle unter dem Geschmeide namen die Bauge') <\
ein , jene grofzen Ringe um Arm und Hals , die das Verlangen
von Konigen und Dienstmannen , von Helden und Sangem wa-
ren. Sie gal ten als die beste Gabe die gegeben werden konnte,
als der Orden mit Schwertern und Krone und pour le jn^rite.
') bouc (ags. bedf/. altn. haugr) arinilla» dextrale. brachiale. — Das Wort f
bcdeutet eiiifath das gebogene.
454
Als stehende Beinamen batten die Konige in der Dichtereprache
die Benennungen Baugvertheiler und Baugbrecher '); iiber Bauge
walten biefz Teic\ sein. In den Scbatzkammem der Fiirsten lagen
bunderte dieser Spangen aufgeh'auft. Als Waltber von Aquitanien
dem Hunnenkonig Etzel entfliebt, nimmt er so viel Bauge aus
defsen Hort , dafz er dem Frankenkonige Giintber • hundert als
Ebrengabe bieten kann. Freunde tauscbten ibre Armspangen nn-'
ter einander. Hildebrand, Dietrichs von Bern Gefarte, kert ans
langem Elende beim. Da begegnet ibm sein Sobn Hatbubrand:
er erkennt ibn, der ihn nicbt anerkennen mag und reicbt ibm
auf des Schwertes Spitze seine gewundenen Bauge, die aos by-
zantiniscben Goldmiinzen gescblagen waren. — Algis, der Sobn
des letzten Longobardenkonigs Desiderius, war ein starker kiiner
Mann. Er kam auf Kundschaft an Karls des Grofzen Hoflager
nacb Ticinum und safs unerkannt mit zur Tafel. Als Karl auf-
stund, sab er unter dem Orte da jener gesefzen einen unge-
beuern Haufen Knocbensplitter. Erstaunt fragt er wer dort afz
und erf art, es sei ein Mann gewesen der Baren- und Hirsdb-
und Rindsknocben wie Hanfstengel zerbifz. Da errat der Kaiser
dafz es Algis war und fordert dafz man ibm den entronnenen
zuriickbringe. Ein Franke erbietet sicb dazu wenn Karl seine
Armbauge ihm anvertraue, damit er mit ihnen. den Longobarden
locken konne. Der Konig gibt sie und jener setzt dem Feinde naoh.
Er trifft ibn auf dem Flufze im Kane und ruft ibm freundlioh
zu : „Karl scbickt dir bier seine Bauge zum Gescbenk , er tadelt
dicb dafz du so beimlicb aufbrachst. Aber komm an das Ufer
damit icb dir sie gebe." Der Franke batte die Spangen auf sei-
nen Ger gesteckt und Algis erriet den Verrat. Rascb ergrifif er
seinen Scbaft, steckte seine eigenen Armringe darauf und nam
,die gereichten warend er die seinen auf des f*ranken Ger schob.
,Mit dem Gere reichst du sie , mit dem Gere empfange icb sie.
Scbickt mir auch Karl die Gabe in Hinterlist , icb will sie unver-
') Aim. hftuffKrlt'ilir. hauynfpiUlr. hamjbrofi ags. hedya brytta*
455
golten nemen; bring ihm meine Bauge zur Gegengabe." Der
Franke sah den Feind geriistet und wagte nicht den offenen
Eampf; er gieng zuriick und brachte dem Konige die Range,
die aber fiir Karls kraftigen Arm zu grofz waren, denn statt
am Oberarme zu haften, fielen sie iiber die Schultem hinauf.
Da erstaunte er und rief: „ich achte es fiirwahr fortan als
kein Wunder, dafz jener Mann die starksten schlagt/' Und er
furchtete den jungen Longobardenfiirsten seitdem mehr denn frii-
her '). — Auch Frauen theilten Bauge als hohe Gaben aus. Da
Siegfried nach Worms kam, Krimhild zu verkiinden dafz ihr Bru-,
der Giinther mit der gewonnenen Braut komme und da er einen
Botenlohn verlangt , reicht ihm die Furstin vier und zwanzig Arm-
spangen (Nib. 522). Beim Abschied der Burgunder spannt die
Markgr'afin Gotelind von Bechlaren dem trefflichen Volker von
Alzei zwolf Bauge um die Hand (Nib. 1644). Der Beispiele lie-
fzen sich noch viele bringen, wo die Armringe als Ehrengaben
erscheinen und wo zugleich ihr sonstiger hoher Wert sich dar-
stellt Als der vielgewanderte Dichter Widsid an den Hof seines
heimischen Fursten Eadgils zuriickkehrt, reicht er diesem zum
Dank dafz er ihm sein vaterliches Besitzthum wieder gab, den
goldenen Bang, den ihm Ermanrich, der grofze Gothenkonig, als
Sangerlohn gegeben. Ealhild, die Gemahlin des Myrgingerfursten,
gab ihm aber einen andern ^). Das hochste Lob was ein Dichter
im ganzen Mittelalter einem Fursten spendete, war das was
jener angelsachsische Sanger dem longobardischen Alboin gab,
dafz keines andern Hand so leicht, keines andern Herz so frei- ^
gebig an Ringen und leuchtenden Baugen sei ^). So vermag denn
auch der ritterliche Dichter Rudolf von Rotenburg seine Liebe
nicht hoher zu schildern als dafz er sagt die Geliebte sei ihm
theurer denn alle griechischen Bauge (MSH. 1, 87.'). Wie hoch
dieses Schmuckstiick gait, beweist auch dafz Eide auf dafselbe ab-
gelegt wurden (Saem. 24.*). Dafz es tief in das ganze Leben griff,
') Chronicon Novaliciense III. 21. 22. *) Codex exoniensis ed, Thorpe
(London 1842) 324, 1—22. ') Codex exoniensis 322, 30. flf.
456
zeigt der Umstand dafz im Norden Baug eine allgemeine Wert-
bestimmung wurde und namentlich die Sfttze fCLr Bufzen iind
Briiche ausdriickte ').
Die Bauge waren nicht blofz Schmuck des Unter- und Ober-
armes, sondern es gab auch Halsbauge* Sie mochten bald
eingliedrige bald spiralforraig gewundene Ringe sein , die den
Hals in frelerer Weise umschlofzen *). Letztere werden noch viel-
fach aus den alten Grabern ausgegraben. Der Halsschmnck war
verschiedenartig. Freyas Brisingamen ') beweist dafs gegliederte
Halsketten sehr alt sind; Ausgrabungen haben gezeigt dafz anch
darchborte Miinzen getragen worden sind.
Mit dem Halsschmuck hieng der Brustschmuck oft un-
mittelbar zusammen. Jenes Kleinod, das die Zwerge der Freya
geschmiedet batten, zierte Hals und Brust. Die Gestalt war na-
turlich ebenfalls sehr mannichfaltig. Angereihte Ringe welche
vom Halse herabhiengen *) , und eckige oder runde Fiirspane be-
gegnen neben einander. Diese Vorstecker waren gleich den heu-
tigen Broschen, deren Name schon im Mittelalter erscheint*), oft
sehr kostbar; Gold und Edelstein und Perlen wurden daran ver-
schwendet. Sie waren gewonlich blofzes Schmuckstiick , zu-
weilen dienten sie auch um den Rock tiber dem Buscn zusam-
monzuheften. An dem Mantel befand sich zum Zusammenhalten
eine Spange oder Nftsche®). Die Zwerge auf den Schnhem
(dvergar ^ 0x1 um) die in einem Eddaliede (Saem. 102.**) erwfthnt
werden, waren vielleicht Mantelnuschel oder andere Verzierungen
der Achseln, deren sich aus dem 13. Jahrhundert auch in Deutsch-
land nachweisen lafzen. Noch weit spater waren Aermelbander
') Wilda Strafrecht der Germancn 300. 439. *) Halsbougdj eircuU oMrti
e collo pendentes, Graff 3, 39. *) Die alteste germanische Bezeichnnng fiir FI»b-
schmuck ist mani, ags. mene^ altn. men , dem sich sanskr. mani^ lat. mon-ile, altsbr.
moni-sto poln. manela vergleichen lafzen. *) brioftkringlur Saem. 187.* — arf**^
muoter juncfromoen ir vingerlin an fn'de.ren tragent. Parz. 123, 28. •) bratfe^
unde vurfpan, Diut. 1. 365. In der Lubecker Kleiderordnung von 1454 hr^tft^
hoykenhreetfen. *) Ahd. nvfcja. nufm: Jibvla, nufcili. niifchel: moniU* Uuoilo*
fpinter. nufcjan: Jibularc.
457
Schmuck und Liebeszeichen der Frauen ')♦ Die Tracht der Al-
tenburgerinnen zeigt noch heute anliches* Hier an Hals und
Brust wurde auch der Bernstein getragen, diefz schone Erzeug-
nifs der Ostsee, das bei den Eomerinnen schon beliebt war (Plin.
h. n. 37, 11). Die Germanen schatzten ihn ebenfalls; ihren Ftlr-
sten war er ein willkommenes Geschenk (Cafsiodor. var. 5, 2.)
In dem spateren Mittelalter batten die Kiistenstadte der Ost- und
Nordsee aufzer dem Handel mit dem „Danziger Harz" auch seine
Verarbeitung Gbernommen. Am beriihmtesten aber waren die Ve-
nediger Bernsteinarbeiten mit denen die LagunenkCnigin einen
weiten Handel trieb ^).
Aufzer diesen Spangen und Haften wurden die Giirtel- I
schnallen sehr friih, wie die Ausgrabungen lehren, mit Kunst be-
handelt und zu den Schmuckstiicken gerechnet. Es finden sich
allerlei Bildwerke an ihnen. Auch in der spateren Zeit wetteifer-
ten Goldschmid und Steinschneider bei ihrer Ausschmtickung.
Aermere begniigten sich statt des Goldes mit Kupfer statt der
Steine mit Glas.
Wie die Fingerringe viel getragen wurden und in dem
Liebes- und Verlobungsleben von Bedeutung waren , wie von
dem Stroh- und Grasring die Stufe bis zum wertvoUsten Goldreif
mit edelstem Stein sich baute, ist schon an verschiedenen Orten
dieses Buches bemerkt worden. Als Schmuck galten in der <eren \
Zeit die Armringe hoher denn die Fingerringe. Auch die Ohr- f
ringe sind seit Alters eine Verzierung ') ; sie wurden ebenfalls
wenn irgend moglich kostbar und kunstreich gewalt, Auf die
Schmiickung des Hauptes ward iiberhaupt grofze Sorge verwandt,
und damit die Frauen stets ihren Putz mustern konnten, fiirten
sie einen kl einen Handsp^egel mit sich, der darum auch zu den i
Schmuckgegenstanden gehOrte. Er war von edlem Metalle oder
0 J. Grimm bei Haupt Z. f. d. A. 8, 20. *) Hiillmann St&dtewesen
1, 39. ") drgolt. 6rrinc. angs. edrprednas. edrhtingas. — Est etiam teneres aures
qui perforet, ut fie Aut auruni aut cams pendeat inde lapis, Anselm. Cantuar. oper*
ed. Gerberon. 2, 197. Miklosich Lautlehre der altslovenischen Sprache (Wien 1850)
p. 14 Icitct das altsl. ^userQg"' inanris ana dem gothischen ab.
458
Elfenbein. Schon im achten Jahrhundert waren diese Spinel im
Brauche (Beda h. e. 2, 11) und noch im 16. gehorten sie za dem
notwendigen Putze.
Als nattirlichste Zier des Kopfes war das Har seit den &1-
testen Zeiten von den Germanen geachtet* Die meisten germani-
Bchen Volker trugen es frei auf Schultem und Riicken; nur die
Sveven, die sich auch in anderm unterschieden, kammten es Mtr
warts zuriick und banden es in einen Knoten (Germ. 38.)» Go-
then, Franken, Alemannen, Burgunden, Friesen, Sachsen, Nord-
lander , alle liefzen es frei fliegen ; es hatte eine hOhere Bedeu-
tung unter ihnen 0 9 denn es war Zier und Kennzeichen des freien
Mannes; dem Knechte wurde das Har kurz abgeschoren *) und
bei schwerer Strafe ihm verboten es zu pflegen. Die Edien und
die Konige, besonders die Merovinger zeichneten sich vor den
Freien noch durch langeres und mehr gepflegtes Har aufi ') ; der
Merovinger dem das Har geschoren wurde, war unfahig zu herr-
schen. Einzelne Karolinger wichen von der Sitte ihres Volkee
ab und schnitten sich das Haupthar kurz ab ; seitdem legten die
Franken iiberhaupt die langen Locken ab. Die Longobarden tru-
gen das Har im Nacken kurz, vorn hieng es gescheitelt und lang
herab; bei den Baiern war es eben so geworden* Die Sachsen
bewarten das lange Har wie ihre langen Kocke und fielen duroh
beides den Franken auf (Widukind I. 9.)
\ Das schone voile Har der Germanen und seine rotlichgelbe
Farbe war den ROmern nicht entgangen, und ihre nach neuem
Putze gierigen Weiber wolten fortan nur falsche Flechten von
deutschen Haren tragen. Wir erfaren dabei dafz die Deutschen
ihr Har mit beizenden Salben aus Ziegentalg und Buchenasche
bestrichen und dafz die Manner die Frauen in der Eitelkeit weit
ubertrafen (Plin. h. n. 28, 51.). Die Homer hatten auch diese
*) Grimm deutsche Rechtsalterthiimer 239—241.283—286. Grupen de nxort
theotisca 141. f. ^) Die Uuuneo trugen das Har kurz nnd nmd geftchnitten.
Priscug p. 40. ed. Venct. ') Za den von Grimm Bechtsalterth. 239. fL tagp*
furten Stellen vergl. noch Waitz deutsche Verfafsungsgeschichte 8, 104. f.
450
Salbe angenomraen *) und sie farbten aufzerdem ihr Har , das
sich in seiner siidlichen Schwarze gegen die KOte naturlich
straubte. Es war iibrigens das ganze Mittelalter hindurch Branch .
nur blondes Har schon zu finden*), bei den Romanen sowol als
bei den Germanen.
Wenn auch aufzer dem romischen Zeugnifse viele Nach*
richten aus dem Mittelalter daftir sprechen dafz die Manner vor-
zugsweise Sorgfalt auf ihr Har verwandten, so ist doch ebenso
sicher und bedarf keines Beweises dafz auch die Weiber diesen
angeborenen Schmuck sorgsam behandelten. Er hatte auch bei
ihnen eine hohere Bedeutung. Wie der freie Mann in dem Ian- ^
gen Hare das Zeichen seiner Wurde trug, so waren bei der Jung-
frau die freifallenden Locken die Urkunde ihrer unberiirten Ehre.
Die verheirateten Frauen banden das Har auf; gefallene und un-^ r
freie Weiber musten den Kopf scheren* Bis in das 18. Jahr-* '
hundert haben sich Spuren der jungfraulichen Bedeutung des
langen Hares erhalten ').
Das Har ward in der Mitte gescheitelt. Der Scheitel durfte i
nicht zu breit sein *) und ward durch ein Band oder einen Bei-
fen in Ordnung gehalten % Mit den Haren, die l^ngs den Wan^
gen herabhiengen^ward gektinstelt; sie durften nicht schlicht und
in gleicher Lange mit den andem fallen, sondern wurden kQrzer
gehalten und zu Locken gedreht. Zierlich ringelten sich diese ^
Lockchen um das Ohr herum (Konr. troj. kr. 19795 Kittel 25, 7.)
oder sie hiengen Trauben gleich etwas herab (Fragm. 26.'). Manch-
mal wurden sie rings um Stim und Wangen einzeln gedreht
und gaben mit Borten durchwunden das Ansehen einer Krone
(Wilh. 154, 15). Um den Glanz des Hares zu erhohen, wurden
') Martial. 8. 33, 20. 14, 26. 27. *) Fr. Michel Theatre frantjai's. p. 58.
note* Vgl. Nachweisungen aus alterer Zeit bei Zeufs die Deutschen und die Nach-
barstamme (Mttnchen 1837). S. 51. f. ') Grupen de uxore theotisca 190. 204.
Grimm d. Rechtsalterthiim. 286. *) Wigal. 870. Kl. Hatzler. 220/ vgl. Eneit
5126. *) undirbant: deceniiculum, omamentum virginaUa capitis tx auro, Graff
3, 137. nl. hcRrfnoer, fcheideJfnoer, reytfcappen*
400
sie sehr haufig mit Seide durchflochten (MSH. 2, lia.** 3, 230.*).
Bruder Berthold konnte den Frauen nicht mit Unrecht den Vor-
wurf machen dafz sie das halbe Jahr mit ihrem Hare beschaftigt
seien (S. 400* Kliug). Auch hierin wetteiferten die Manner mit
den Frauen ; sie trugen schon in 'altester Zeit kiinstlich gedreh^e
Locken und Juvenal (13, 164) spottet bereits der germanischen
Harhomer. Diese Locken gehorten zu der Eigenthiimlichkeit ger-
\ manischer Tracht ^). Sie wurden gebrannt. Konig Alfred von
England schenkte einem Presbyter ein silbernes Werkzeng zom
Krauseln der Hare (Bonif. ep. 102). Also auch die Geietlicben
hielten sich von dieser weltlichen Eitelkeit nicht frei. Bonifu
eiferte vergebens dagegen. Auf der deutschen Synode von 744
ward ausdriicklich den Klerikern das lange Har verboten und
bestimmt dafz der Archidiakonus einen jeden langharigen Priester
scheren solte (Hartzheim 1, 55). Was half es? Bruder Berthold
predigte noch im 13. Jahrhundert mit gleicher Heftigkeit gegen
die langgelockten PfafFen ; er griff zum Mittel der Yerdachtignng^
sagte die langen Hare der Geistlichen seien Zeichen ihrer heim-
lichen Ketzerei *), (aber seine Worte verhallten in den Wind.) Bald
nach seiner Thatigkeit im J. 1298 muste die Mainzer Synode
den Klerikern die Locken, die gemeinlich KruUe hiefzen, Ton
neuera verbieten (Hartzh. 4 , 588) und noch im 15. Jahrhundert
beschaftigten sich die Synoden mit dieser wichtigen Angelegenheit
Die Eichs tatter Synode von 1484 erlaubte endlich den GWstK-
chen das Har bis an den Hals zu tragen (Hartzh. 5, 570.) Du*
Liebe zu den Locken ist natiirlich nur ein Abglanz der wdt-
lichen Lust an diesem Schmucke. Wie weit man hier gieog)
kann man aus der Schilderung eines jungen Bauers des 13- Jaltf'
hunderts ersehen, der seine Locken schon am Abende vor einem
Festmorgen drehen und wickeln liefz damit voile Zeit dariMu
verwendet werden konne, und sie des Nachts sorgeam in eine
Haube zwangte, um sie am andern Morgen recht frisch und schon
') Tertull. de veland. virgin. Isidor. origin. 19, 23. vgl. Grapen de V^^^
theot. 144. Grupen halt die cirri fur ZOpfe. *) Klings AuBg. 806, 400.
461 ^
zu haben (Ntth. Ben* 351). Selbst eine so riesenhafte Erscheinung
wie der alte Wate in den Gudrunliedernj ist , mufz sich der
modischen Ansicht des Zeitalters des Dichters fugen und seine
greisen Locken mit Borten umwinden. Solche geckenhafte und
weibliche Eitelkeit steht in schlimmen Gegensatze zu den Kauh-
heiten derselben Zeiten.
Die Hare, welche nicht gelockt wurden, fielen entweder frei
den Riicken herab oder wurden in Zopfe geflochten. Die Zopfe
haben eine lange Geschichte bei uns. Fiir die Frauen batten diese
Harflechten den Nachtheil dafz sie bei Ausbriichen mannlicher 1
Rohheit, die auch in den feinsten Kreisen der ritterlichsten Zeit '
nicht felten, eine gute Handhabe abgaben ^). Die Zopfe wurden
meist fiber die Schultern nach vorn gelegt und mit Goldfaden
Perlenschniiren und Borten durchflochten ^). Spaterhin liefz man
sie nicht frei hinabf alien sondem baut^ allerlei Verzierungen aus
ihnen auf ^). Auch aufzer den Zopfen wurde das Har von den
Frauen auf mancherlei Weise in Knoten geschurzt. Urspriing-
lich wie es scheint nur Tracht der verheirateten, wurde sie doch \
auch von den un verheirateten angenommen (Du Cange s. v. in
capillo). Diefz in Knoten schurzen scheint mit einem Kunstaus-
drucke balzieren genannt worden zu sein*
Im Gegensatze zu dem alten Brauche Nacken und Hals i
mit den Haren zu verdecken, stund eine Sitte des 13. Jahr-
hunderts, welche freilich vielen Tadel und Hohn hervorrief. Die
Frauen banden namlich wahrscheinlich in Nachafferei der Fran-
zosinnen ihr Har ganz hinauf, so dafz der Nacken ganz kahl V
erschien. Trotz der bitteren Bemerkungen zwei so angesehener
Dichter wie Walthers von d. Vogelweide (111, 17 — 21) und Neit-
') Parz. 151, 24. Wilh. 147, 19. Gudr. 960. *) Angilbert. III. 223.
Wigal. 863. 1743. 7412. Frauend. 161, 2. ') Agrikola Aiislegung gemeiner
deutsclier Sprichworter (1528. n. 370.) an etlichen ortten als am Rejn , ynn
Schwa ben vnd Bey em, auch ynn Schweitz, schlagen sie die harflechten hynder
sich zurucke. Ynn Meyfsen vnd Duringen flechten sie die zopffe auif yhren
hcubtcrn hoch empor wie ein storcks nest, Ynn Sachsen nnd Hessen schlagen sie
■ie vmb yhre ohren herumb.
4«2
harts (376. Ben*), dauerte die Tracht wenigstens einzeln noch in
der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts fort (TurL Wilh. 152.*
Konr. troj\ kr. 7491) und hielt sich vielleicht nooh spftter (EL
Hatzl 180.^).
Nicht blofz mit den Haren suchte man den Kopf zn schmO-
cken, man verlangte auch nach anderer Zier. Am ersten bot
\ sich ein Kranz von Laub oder Blumen, der als schCnster nnd
einfachster Kopfputz das ganze Mittelalter namentlich bei dra
Tanzen beliebt blieb '). Auf diese Kranze ward allmalich durch
franzosischen Einflufz eine Benennung ftbertragen, welche ur-
spriinglich jeder Bedeckung des Kopfes zukam , namlich Scha-
pel^). Der Kranz hiefz nun oflers vomem das BJpmenj cha-
pe P), im Gegensatz zu dem kiinstliehen oder eigentlichen Schapeli
einem Bande oder einer Schnur die einem Kranze gleich
den Kopf umschlofz. Entweder lag das Schapel, das sehr oft
auf das kostbarste mit Perlen und Edelsteinen besetzt war oder
auch ganz aus Gold bestund, wie ein einfacher Reif nm die
Stirn oder gieng kreuzweis verschlungen uber den Kopf*). Seinen
; deutschen Vorganger hatte es an dem Harbande oder Unterbande
das seit Alters zur Festhaltung des Scheitels diente and wie uns
Angilberts Schilderung von Karls des Grofzen Tochter Bottrud
lehrt , gleich dem Schapel kostbar verziert wurde •). Auch Std-
len aus Dichtern des 13. Jahrhunderts beweisen, dafz man das
Harband noch immer deutsch zu nennen wagte (Herbert 612.
8200. Wigam. 2701. 4925. 5326). Der Kranz und das kiinstliche
Schapel wurden Ofters zusammen getragen (Heinr. Triat* 976B.
') Walth. 74, 20. MSH. 2, 212.' 238.' 3, 189.' 212.' 230/ LameL W8.
Heinr. Trist. 3765. Konr. troj. kr. 626. Du Cange s* v. crinile. Le Grand et Ro-
quefort 2. 245. *) fchapeL franz. chapel, chapiau, chapelet. Es ist dem Ild^
capellus entlehnt capellus : galerus , pifeus, a capa dieius, quafi parva capa 9M
caput tegitur^ Du Cange. ') Parz. 232, 17. LanzcL 870. Walth. 76, 86. Trift
17608. Konr. troj. kr. 16317. *) Erec 1571. Die Bilder in der Weingartener
Liedcrhandschr. and in der Handschr. des Ritters v. Stanfenberg von 1430 — 40.
*) Angilb. III. 215. — Reiffcnbergs Behanptung (Monumens V. p. X. 1848) dafi
das chapelet nicht vor dem 11. Jahrhundert yorkomme ist jedenfallt aarOfikn-
weisen.
468
Rom. de la Rose 551); beide waren iibrigens nur ein Schmuck
der Jungfrauen (Georg 970. Fragm, 23.^).
Mit dem klinstlichen Schapel fiel, wenn es aus Erz ge- .
macht war, die Krone zusammen , die keineswegs ein Vorrecht
fiirstlicher Geburt war , sondern von alien edelen Frauen getra-
gen ward. Sie bestund aus einem einfachen Goldreif der zuwei- '
len mit Edelsteinen besetzt war ').
Ein gewonlicher Schmuck des Hauptes und zugleich eine
Verhiillung war das Kopftuch oder der Schleier^)* Bereits I
von den Gothinnen wurden lange feine weifze Schleier getragen
(Prise, p, 39. ed. Venet.). Der Schleier ist auch in die Mjthen
aufgenommen, denn eine der vernichtenden Thaten Lokis gait
dem Schleier Sifs, der Gemahlin Thors. Die gewonliche Farbe
des Kopftuches war weifz. Es Jag etwas iiber die Stim hiniiber
und fiel zu beiden Seiten des Gesichts in Falten auf die Schul-
tem und den Nacken herab* Nicht seiten war das Linnen ver-
ziert um seinen Glanz zu erhOhen (Saem. 177.* 267.^). Der Schleier
war von Seide ; die sehr galanten Damen, deren Ruf nicht immer
der beste war, trugen gelbe Schleier; dieselben waren im 16*
und 17. Jahrhundert wieder allgemein in Auf name '). Die Non-
nenschleier waren linger und schmaler als die anderen und braun
rot und blau; die der Laienschwestem schwarzlich griinlich oder
schwarz. Es kamen auch Aenderungen in die Art den Schleier
zu tragen. Auf Bildem des 12. Jahrhunderts sieht man ihn tur-
ban ar tig um den Kopf gewunden und die Enden auf die Schul-
tem fallend oder in den Turban geschlagen *). Dieselbe Aufwin-
dung des Kopftuches war einmal in alter Zeit unter den Nord-
') Roth. 4578. Rosengarte C. 214. Fragm. 18.* vgl. Parz. 812, 2. Trist
10966. Heinr. Trist. 4.512. Mei Beafl. 42, 9. 2) Dgg Wort Schleier ist erst in
mittler Zeit zu finden. Aufzer dem mittelhochd. nnd neuhochd. ist es im niederl.
(fluier) schwedischen (floja) und danischen (fldr)» In alterer Zeit galten andere
Namen dafiir: hulla. wi^huUa. houhittuoch. — Altnord. faldr* haddr* fveigr,
*) Fischart Geschichtklitter. c. 16. Vokab. von 1618 (bei Schmeller Bair. Wb. 3>
447.) Friseh Worterb. 2, 197.* *) Engelhardt Herrads v. Landsberg hortus de-
liciarum S. 92.
464
germanen Brauch. Da Thor als Freya verkleidet wird urn dem
Riesen Thrym als Braut zugefurt zu werden , wird ihm ein
solcher hoher Kopfputz (tupp. typpi) angelegt (Saem. 73.*). Spa-
ter wurde der Scfaleier zugleich als Brusttuch benutzt, indem
er liber die eine Schulter genommen , vorn iiber die Brust ge-
legt und iiber die andere Schulter zuriickgeschlagen wurde.
Diefz ist gegen die Mitte des 15. Jahrfaunderts gebrauchlich ge-
wesen (Engelhardt Staufenb. 78). An vielen und wechsebideii
Verzierungen hat es begreiflicher Weise nicht gefelt. Der Uhner
Stadtrath sah sich gegen Ende des 14» Jahrhunderts daher ge-
notigt den Biirgerinnen eine Schleierordnung zu geben. Nur
die Frauen aus den alten Geschlechtern durften eeidene Schleier
von zwanzig Faden tragen, die Weiber der Handwerker muBten
sich an zvvolffadigen geniigen lafzen. Die Enden sollen dick
genaht oder gewirkt sein; die diinnen feinen Enden waren ver-
boten , weil mit ihnen unnotiger Aufwand getrieben wurde.
Nach 1406 kam es den Herren vor als ob die Schleier zu kuM
seien, sie verordneten also dafz sie bis auf den Nacken gehen
sollen (J'ager Ulm 510. 513). Ein fliegendes Blatt aus der ersten
Halfte des 16. Jahrhunderts: „Ein hiibsch new Liede von eyner
stoltzen Haufzmayd" ') sagt von den putzsuchtigen Magden : „Sie
schmucken sich wie HofQunckfrawen in jr schon Sammat pentle —
darzu tragen sie praiine schlayerlein auff — haben vorn schwartxe
endtle — darzu tragen sie die zendlen halfztuch — fehenhanben
auff freyknechtisch schuch — mit Sammat seynd versetzt jr menteL"
Fischart spricht von der Frawenzimmer Nasenfuttem vnd mund-
schleyern von sammat taffat und galHscher schleyerleinwant (Ge-
schichtklitt. c. 16); Moscherosch lafzt auch hier seine derben aber
treffenden Bemerkungen los, indem er von den k la mode Jung-
fern des 17. Jahrhunderts sagt: sie bedecken jhre geeichter mit
krepp, zendel, daffet oder flor, damit man meynen solte, ob ein
') Ohne Druckort und Jahrzahl, in einem Sammelbande der Zwickanar
Bibliothek sign. XXX. V. 22.
465
schoner unflat dahinden verborgen steckte (Phil, von Sittew. 1,
454.) Es weist diefz alles auf den Aufwand der mit den Schleiern ]
getrieben wurde und auf das kokette Spiel dem sie sehr oft
dienten.
Indem der Schleier nicht blofz von Prauen eondem auch
von Jungfrauen getragen wurde '), erregt es Verwunderung dafz '
er an einigen Stellen als Zeichen der verlorenen JungfrauHchkeit
genommen vvird (Winsbekin 45, 10. Ambras. Liedejrb. 224, 36)»
Vielleicht war diefz nur landschaftlicher Brauch ^)*
Der Schleier bedeckte den Scheitel und hieng frei am Ge-
sichte herab; fur Wan gen Kinn und Stirn gab es besondere Ver-
hiillungen, welche unter dem Namen Gebende begriffen waren, I
ein Wort das allgemeiner genommen den ganzen Kopfschmuck be-
zeichnete. Gebende im engeren Sinne nannte man die Stirn- und \
Wangenbinden oder die W i m p e 1 und die K i s e. Wimpel be*
zeichnete die eigentliche Stirnbinde (Erec 8243. 8944), die Rise
gieng um Wangen und Kinn (MSH. 3, 260.*); im weiteren Sinne
war Rise auch das ganze Gebende. Die gewonliche Farbe der
Risen war weifz, der Stoff Leinwand oder Seide; gelbe Risen
hiengen mit den gelben Schleiern zusammen. Verzierungen der
Bind en durch Stickereien und goldene Saume kamen faaufig vor;
die Breite war verschieden , schmale Risen wechselten mit brelten
die das ganze Gesicht verdeckten *) ; bei dem Kufse muste die i
Rise fast stets bei Seite geschoben werden, indem sie vom Kinne
hoch heraufragte. Das Gebende war das Zeichen der Vereheli- I
chung; am Morgen des ersten Ehetages ward der jungen Frau
gebunden. Da die Risen auch von Jungfrauen getragen wurden,
so scheint die Anlegung der Stirnbinde das wesentliche hierbei.
1) Sacm. 177.' 267." Hagen Germania 8, 263. *) Bemerkt mag werden
dafz der neuvermahlten in Lithauen am Tage nach der Hochzeit eine Haube (kyka)
mit eincm grofzen Schleier (nunn^tas) als frauenmafziger Kopfputz aufgesctzt
wurde. Vgl. Nefsclmanri Lithauischcs Worterbuch (1850) S. 424. *) Trist. 1229.
Parz. 779, 38. Fraucnd. 177, 1. — Das Wort ./wen^e/, das fur die Schleppcn an
niereren Stdlcn gebiaucht wivd, scheint an andem einen Kopfputz zu bezeichneu.
vgl J. Xirinmi bei Uaupt Z. f. d. A. 8, 20.
30
406
I Ilnubc und Hut mogen die Besprechang dea KopfputzeB
bcenden. Wie kostbar die Hauben oft waren, welchc Stickcreien
darauf sich fanden , wie sie von Miiniiern und Weibern , von den
ersteren jedoch weit haufiger getragen wurden , ist schon fruher
gesagt woideiK Die folgenden Jahrhunderte wandten ihre Track-
tenzeugungekrafl besonders den Weiberhauben zu und wolte
man hier in die Volkstrachten eingehen, so liefzen sich dicke
B(\oher schrciben, die vici Samlerfleifz und manches hfibsche
liild, allein wenig mehr zeigen warden. Ich verzichte hicr selir
gorn darauf.
I In deni Mittelalter wurden die Hute von den Frauen mehr
' getragen als die Hauben ; sie gehorten zum vollen Kopfpatx.
Fi>rn\ und St off niogen sehr verschieden gcwesen sein. Von den
Diohtern wtTden sehr kostbare Hiite aus Seide und Samt, be-
sonders aber gestickte und Pfauenfederhiite geschildert. Die Ictx-
ti'ron wurden in Deutsehland mehr getragen als in Frankreich,
wo sie nur den vornemsten zukamen *). Darf man nach Bildern
urthoilen woh*he die Weingartener Liederhandschiift von Man-
\ norhiiton gibt, so hatten diese Hiite die Gcstalt hoher Barctei
Danobon gab os jedoch Hiite mit breitem tiefem Rande, wdche
das (iosioht verdeokten (Wahh. 75, 5 — 8) und die besonders in
1 >t*t»tornuoh von den Frauen getragen wurden (Hadloub. MSH. %
*2^\V% Die Sohatonhiite mogen ihnen gleich gewesen sain, Nicht
Hiulors haben wir uns den tiefen weiten Hut zu denken wd-
olu'u Ddhin trug, das Sinnbild des dunkehi Nachthimmeb»
dor dio Sonne, des Hinimelsgottes Auge, bedeckt. Die altsacb-
' nirtolion Strohhnte hatten einen spitzen Kopf und einen herab-
•
hangondeu Uand; sie waren gleich den heutigen Strohhiiten aiu
•) Tarz. 225, 12. 313, 10. 605. 8. 690, 13. 722, IS. Wigal. 2417. 8Wa
\N i^rtm. 5aaa. MJSll. 2, 82.' Le Grand et Uoquefort vie priv^ 1, 363. — VgL
**«uM uooh Kueit 1723. Eracl. ^600. Waltli. 75, 7. NSth. (Ben.) 349. 439. Gndr.
iMi> Kiauouilionst 166, 12. Konr. troj. kr. 7480. — Der deutsche Hursogshntwv
iui( oiuiMu Kodorkrauze umgebcn (circumdatus scrto pinnito). Constitutio dooUu
Aiuti'iao. §. IS.
467
einzelnen Streifen an einander genaht *)• Ina 15. Jahrhundert \
Btroint eine Fliit der verschiedensten Hutbildungen. Da se-
hen wir lange Roren mit daran hangendem Zeugstreifen wie an
den Helgol'anderu ; Hcilbkreise welche das Gesicht zu beiden
Seiten verdecken mit langem spitzem Kopfe; viereckige rauten-
artige und runde Hiite mit vorn aufgeschlagener Krempe und
schifFartigem Hinlertheil; flache runde Felbelhiite mit breitem
Eande*); doch genug der Formen, sie lafzen sich in das unend*
Kche vermeren.
Wir haben der Mittel eine ziemliche Zahl kennen gelernt,
welche die Weiber zur Hebung ihrer Schonheit benutzten, wenn
sie reich genug waren. Wir haben nur noch einige Worte iiber
das Schminken zu machen, diese Untugend welche nach des V
alteren Plinius Zeugnifs (hist» nat. 22, 2) bei Daken, Sarma*
ten und Kelten herrschte und den Germanen schon in altester
Zeit.nicht fremd gewesen sein mag. Seit dem 12. Jahrhundert
war sie wie eine Pest iiber alle Lander gekommen, die sich zu
den gebildeten rechneten. Die Ansichten der Frauen iiber dia
schOnste Gesichtsfarbe waren verschieden und darnach richteten.
sich natiirlich die Schminken. Die Engrdnderinnen des 12. Jahr- \
hunderts hielten Blafse fiir schon und vomem, sie hungerten also
und liefzen sich zu Ader und schlug diefz noch nicht an, so
strichen sie allerlei weifze und graue Farbe in das Gesicht ').
Die Pariserinnen des 17. und 18. Jahrhundert s verschluckten be-
kanntlich Sand und Asche um blafs zu werden. Die Franco-,
sinnen des 12. und 13. Jahrhunderts hielten im Gegentheil frische J
Rote fiir schon und wie die Englanderinnen dieselbe durch Fa-
sten zu vertreiben suchten, so strebten sie darnach sie durch
gutes Friihstiick zu erhalten (Chastoiem. des dames 367.) Es
war diefz wenigstens ein unschuldigeres Mittel als jenes welches
») Kopp Bilder und Schriften der Vorzeit 1 , 126. *) Engelbardt Hit-
ter von Staufenberg ; Lappenberg Miniaturen Eum Hamburger Stadtrecht von
1497. ") Anselin. Cantnar. archiep. opera ed. Gerberon^ 1675. 2, 197. und
bieraus Neckam bci Th. Wright Efsays 1, 193.
30*
4(W
die vcrdorbenen Fraucn aus Ludwigs des XIV. Zeiten anwand-
ten um mit frischer Rote in die Gesellschaften zu treten *)• Da-
neben griffen aber auch die Franzosinnen der alien Zidt nach den
Farbentopfen und bemalten sich, und die deutschen Franen mal-
ten fleifzig nach. Quccksilber Weizenmel mancherlei Bot altes
Fett wurden gebraucht (Seifr. Helbl. 1 , 1145) und der Mittel
gab es so viele dafz der Monch von Montaudon dreihundert BBch-
sen verschiedener Schminken rechnen konnte. Die Dichter eN
j klarten sich auf das scharfste gegen diese Unsitte und der ge-
sunde Spruch des Yolkes unterstiitzte sie ; die fremde eriogene
Farbe ward als Zeichen zweideutiger Liebe und Tugend und nn-
verrafzlicken Sinnes gedeutet ^) ; die Prediger aber erklarten das
Schminken geradezu fiir eine Gotteslasterung (Berthold heraus-
gegeben von Kling 20. 249. 401.). Diesen Gedanken hat ein pro-
ven9alischer Dichter, 'der Monch von Montaudon (1180 — 1200)
witzig in zwei Tenzonen durchgefurt. Die erste schildert cinen
Prozefz der Monche gegen die Weiber ; jene haben diese vor Gott
verklagt, dafz ihre Kunstwerke, die Votivgemalde, durch die Ma-
lereien der Weiber auf ihren Gesichtem verdunkelt wiirden. Die
zweite Tenzone fiirt den Dichter im Gesprache mit Gott ein, der
unwillig tiber die Malerei der Weiber ist und ihr Schminken als
ein Trachten nach ewiger Jugend rugt, das ein vermefzenes Stre-
ben nach Gottanlichkeit sei '). — Lafzen wir diefz Kapitel unsem
Moscherosch beschliefzen, der auch hier die rechten Worte fin-
def: „Und ich sahe deren einen hauffen, die im Gesichte waren
als ob sie geschropft batten oder sich picken und hacken lafzen:
dann an alien orten, die sie gern wolten beschauet haben, waren
») Pockels Vcrsuch ciner Karaktcristik des weiblichen Gescblechts (Han-
nover 1798) 2, 66. 67. *) Walth. Ill, 12—16. Winsbeke 26 (mit Hanpts
Anmerk.) Frauend. 566, 10—16. Vgl. noch folgenden Spruch ans „Ich wil ein
wcib nemen vnd wil Haushalten" (Gedr. Drefsden, Wolfg. StOckel o. J. (le.Jahr-
hundert. A. III. rw.) : Gezwungene lieb vnd gcriebenc rOthe seindt beydo nichts
werdt. — Logau 8, 75: Wenn sich weiber schminken Ist es als ein winken,
dafz man aufgenommen Wolle man ja kommen. — Vgl. Nib. 1594. Heinr. gem.
leben 324. ") Diez Leben der Troubadours 338. ff.
409
sie mlt schwartzen kleinen pflasterlein behencket und mit runden
langen breyten schmalen spitzen mucklein, flohcn und andern
fitzirlichen, zum Anblick tringenden, zum zugriff zwingenden
mausfallen gestalten bekleybet. Etliche Bchabeten das gesicht mit
elnem glas; etliche ropffeten sich mit Bech die grofze augbrauen
aufs : andere so keine augbrauen batten , mahleten solche mit
einem wenig schwartze an. — Andere damit sie ihre schandflecken
und rothkupferigte habichtgesichter zieren mochten, schameten
eich nicht mit weiblichen vnreinen tachem sich alle morgen zu
reiben, zu wuschen und zu w'dschen, und tausenterley lose stiicklein
mehr, welche alle doch den wust und vnflat so gar nit verbergen
mochten" ^).
0 Philanders von Sittenwald Gesichte 1, 454. (1666.)
Zehnter Abschnitt.
Rfickblicke.
W enn der Wanderer am Abende East macht , schickt er
die Gedaiikcn den Weg zurfick um zu holen was er im Ge-
striippe und unter den Steinen verier. Die Muhsal des Pfades
hatte ihm den Genufz getriibt, die Aussichten waren ihm bold
durch Wolken verhiillt bald diirch Sonnendunst v^rkfirzt; aber
was er einbiifzte, ersetzt ihm jetzt Erinnerung und die EinbOdimg.
I)a8 cinzclne tritt im grofzen Zusammenhange vor sein Auge und
BchaH't erst das schone Bild. — Wir thuen nichts neiies, worn
wir (lielz Gleichnifs aut uns anwcnden. Auch uns ist auf dem
Wcge der Untersuchung oft vielleicht zu oft die allgeineine
An»i(ht verdeckt gcwesen ; die Untersuchung blieb hier und da
wol zu sehr Untersuchung und stelte das freie Ergebnifs nickt
hell genug heraus. Ein Riicksenden der Gcdanken thut deshalb not
Zuorst gilt es die Stellung dcs gernianisehen Weibes unfl
iu)vh einiual richtig zu vergegenwartigen. Die gewonlichen An-
Hit'hten dariiber haben bekaiulich eine grofze Einforniigkeit , deim
'racitus VVorte von der Heilighaltung und der hohen Verehrung
cli'H W(iibes unter den Gcrmanen werden fast von alien glSobig
iuich«4t!Hprochcn. Der Minnedieust der ritterlichen Zeit wird die-
ser Aiisicht zu Hilfe gerufen und das Volk der Germanen ^n
4T1
Uranfang bis wcnigstens in das dreizehnte Jahrhundert als ein
frauendienerisches schinachtendes Grcschlecht dargestelt.
Wir haben dagegen gefunden dafz die Germanen wie alle
anderen Volker mit der urrohen und starksinnlichen Auffafzung
des Weibes als einer blofzen Sache und eines Werkzeuges zu
einnlicher Befriedigung begannen. Die Forderung dafz sich das
Weib mit dem toten Manne verbrennen lafze, ^^as Eecht des
Mannes seine Frau zu vermachen zu verschenken und zu ver-
kaufen oder seinem Gaste anzubieten, bewiesen diese Bildungs*
8tufe und zeigten sich vereinzelt noch in den Zeiten des Minne^
dienstes. Wir konten das Mitsterben des Weibes mit dem Manhe
durch eineninnerenGrundbeschonen, wir konten diefz auoh mit der
Rechtlosigkeit versuchen welche auf den Frauen lastete; indefsen
war beides nur ein gesuchter Versuch und darf die cigentlicben
Zustande nicht verhiillen wollen. Das Weib hatte von der Ge-
burt bis zu dem Tode kein anderes Recht als den Wilien seines
maniilichen Beschiitzers, und Milderungen dieser VeiSiaRni^^
Abwcichungen von dem altgermanischen Beohtsbegn^o. Durch
die Genade des Vaters ward ihm zu leben erlaubt; durch Geld
dem Vater abgekaufl muste es Leib und Leben einem Fremden
iibcrlafzen ; gegen Geld oder sonst konte es dieser einem andern
iibergeben; stumm und still muste es sich fiigen, denn es hatte.
kein Recht und stumm muste es zuletzt in den Tod gehen. Die
Last des Tages ruhte aufzerdem allein auf seinen Schultem;
Haus und Feld muste es bestellen warend der Mann theilnamlas
derMtihsal zusah. — Trotz allem diesem haben wir jene altgerma-
nische Frauenverehrung, von der Tacitus redet, nicht in das Reich
der Traume verwiesen, allein whr haben sie auf einige bevorzugte
Weiber beschrankt. Wir haben aufzerdem hervorgehoben, dafz
der keusche Sinn der Germanen und dieAchtung der weiblichen
Ehre, die Anerkennung gewifser Geiste^gaben und selbat die na^
tiiiHche Schwache des Geschlechtes jenen Nachtheilen im Rechte
grofze VortheUe im Leben entgegensetzten. Die Deutung der
taciteischen Worte auf einen schmachtenden Frauendienst m^
fzen wir aber auf das entschiedenste verwerfen.
472
f
Der gesunde Kern des germanischen Wesens gab cine
rasche Fortentwickclung von der Stufe der rohen Sinnenkraft zu
der freien Menschlichkeit, In Bezug auf die Frauen aufzerte sich
diefz In elner Menge Ausnamen von den alten Bechtssatzungen
welche allm'alich eintraten. Das Madchen erhielt gewifse Zuge-
standnifse beziiglich der Verfiigung iiber sein VermSgen ; bei der
Vermahlung kam eeln eigener WiUe durch die Forderung der
offentlichen Meinung zu einigem Ansehen; die Erkaufung von
Leib und Leben wandelte sich im Begriflfe in erne ErwerbuBg
des Schutzrechts ; die Macht des Ehemannes ward beschriuikter;
die Witwe endlich, abgcsehen davon dafz jenes Sterben mit dem
Manne nur in wenigen Gegenden in die mittleren Zeiten hinein
sich erhielt, bekam manche Rechte welche an mannliche strei-
fen. Die weibliche Klugheit vermerte das was die Nachgiebig*
keit der Manner einraumte ; mancher rechtlich freie Mann ward
ein unfreier durch das rechtlose Weib ; Weiber griffen tief in das
gesellschaftliche Leben ein , Weiber leiteten die Staten.
Die Zeiten des Ritterthumes erschienen und die Frau ward
Gegenstand eines gchwarmerischen Dienstes. Wir haben dem
Trugbilde den Schleier weggerifzen und gezeigt wie mit der
traumerischen Andacht und Liebe die groste Rohhcit und Sit*
jtenlosigkeit bestund und wie namentlich in Deutschland derMin-
jnedienst gemacht und leicht verzerrt war. Die Frauen kamen
dadurch wol zu inanchem Lebensgenufze und mancher Unterhal*
i tung; die Manner m us ten ihre rauhen Hande etwas glatten ; ein
Gewinn im Ganzen und von Dauer war aber nicht vorhatiden,
• im Gegentheile ftirte der Rausch zu einer Abspannung und eihem
Versinken der Sittlichkeit , das hochlich zu beklagen war.
Die Stellung des Weibes im Rechte ward allmalich immer
freier; im Leben blieb im Grunde die alte Schranke und sie
muste bleiben, Die H'auslichkeit ist das angeborene Reich der
Frauen, Was die Natur gebot, soil der Mensch nicht aiidem.
Das Weib ist der Haft derFamilie und damit ist ihm die grobe
Aufgabe gestelt , der Zukunft das neue Volk zu erziehen; hiennit
hat es seine Theijname an dem offentlichen Leben zw erfullen.
473
Da8 Wcib sei Wcib , der Mann sei Mann und das iibrige wird
uns von selbst zufallen.
Nachdem wir den Bannkreis uraschrieben in dem sich die
germanische Frau bewegte, wollen wir das Wesen derselben
zeichnen. Es soil kein ertraumtes Bild sein, sondem ein ge-
schichtliches ; und wenn sich des allgemein weiblichen viel in
ihm findet , so wird doch auch mancher besondere volksthiim-
liche Zug darin uns fefzeln.
Wir sahen den Vater als Haupt des Geschlechtes von un-
umschrankter Macht begleitet; er konte-das Kind aussetzen und
die Verfiigung iiber dafselbe war auch spater ganz seiiiem Wil-
len anheim gegeben. Thorigt ware es diefz strenge Familienrecht
als den Gegner zartlicher Liebe darzustellen; allein etwas un-
heimliches lag in diesem Verhaltnifse. Wie der Vater das neu-
gcborene Kind aussetzen durfte, so konteu die Kinder die alters-
schwachen Ehern toten ^). Wir miifzen, um das grausige zu
mildern , auf die von der heutigen ganz verschiedene Schatzung
des Lebens in unserm Alterthume hindeuten. Dem Manne wie
der Frau erschien das Leben nicht als Gewonheit des Atmens
sUfz , sondern nur als Genufz der voUen Kraft und als Bad in
dem frischen Strome der Wonne. Darum war es frei\villiger Ent-
schlufz der alternden ihrem Leben selbst ein Ende zu machen
und sie sahen die Hilfe dazu als eine Wohlthat an, die sie wol
von den Kindern verlangcn durften. Die Germanen haben diesen
grausigen Branch nicht allein; schon J. Grimm hat alle vor-
gchnellen Verurtheiler germanischen Wesens darauf verwiesen
dafz derselbe auch bei ROmern Slaven und Preufzen bestund. .
Er beruht auf einer allgemeinen Ansicht, die sich auf der Stufe
einer liarten und strengen Bildung notwendig ergeben mufz.
Ich habe sclion sonst auf das grundsatzlicheZuriickdrangen
alles weicheren Gefules bei den alten Germanen aufmerksam ge-
macht. Man scheute die Ausbriichc defselben, richtete aber das
•) J. Grimm deutsche Rechtsalterthumer 486—490 und Haiipts Zeitschr.
f. dcu laches Alterth. 5, 72,
W4
Handeln nach der inncren Stimme. So inochte es auch zwischen
Eltern und Kindern sein ; nichts von weichlichem Verziehen und
Spielen mit den Kindern, nichts von schwarmerischer schonre-
dendor Verehrung der Eltem, allein in entscheidenden FaUen
brach der zuriickgehaltene Strom der Liebe wie ein Lavastrom
gliihend und sturmisch aus den starken Herzen.
Dem gewaltigen Skalden Egil Skalagrimsson war sein Sohn
Bodvar ertrunken. Das fafzte den starken Mann : er ^eng in
seine Schlafkammer , riegelte sie zu und nam nicht Speise noch
Trank. Drei Tage lag er so; da schickte Asgerd sein Weib zu
Thorgerd, der altesten Tochter Egils, die fern auf der Insel ver^
helratet war. Spat am Abend erhalt das junge Weib diese Bot-
schaft , es steigt sogleich zu Rofs und reitet die ganze Nacht
durch ohne einen Bifzen zu sich zu nemen. Als die Mutter bei
der Ankunft ihr einen Imbifz bietet, weiset sic ihn ab; sie habe
kein Nachtmal gehalten und wolle keines nemen bis sie zu Frejra
komme. „Ich will es nicht befzer als mein Vatcr haben, icb wiB
meinom Vater und Bruder nicht nachleben." Darauf geht Thor-
gerd in die Kammer wo der Vater liegt und legt sich schwei-
gend in ein Bett. Egil aber spricht: Du thatest wol, meine Toch-
ter, dafz du deinem Vater folgen wilst; du hast mir grofze Liebe
daran gezeigt. Was ist das fiir ein Wahn dafz ich mit solchero
Harme leben wolle ?" So lagen sie bis sie brennender Durst
qualt. Sie verlangen einen Trunk Wafzer, allein Asgerd reicht
ihnen listig Milch und nachdem sie einmal den Lebenstrank *)
genofzcn, erheben sie sich groUend dafz man ihnen den Tod were,
allein sie leben. (Egils saga c. 80).
Die starken Mcnschen jener kraftigen Zeiten aufzerten ihr
Gefiil, wenn die hennnende Schale einmal durchbrochen war,
gewaltig. Nicht einsame zartliche Thranchen benetztcn die Wim-
pcrn, sondern die Flut des Auges rolte blutuntermischt liber
') Milch mid Houig Biirgsobaftcn dcs Lcbcns. Orimm Bechtsaltorthfimer
457. f.
475
Wangen und Gewand '). Manner wie Weiber schamen sich der
gclinden Bewegung aber nicht der gewaltigen Aeufzerung der
Leiden snhaft. Irn Schmcrz schlagt Brunhild die Hande zusam-
raen dafz es im Gemache wiederlialt ^) und die Vogel im Ge-
hofte erschrocken auffaven (Saem. 220."); von ihreni bittern Ge-
lachter bei Siegfrieds Tode erbebt das ganze Haus (Saem. 208.°) ;
der Sinn walk auf bei heftiger Bewegung, brandheifz wogt der
Hafz in der Brust ; sie beifzen den Zom mit den Zanen zusam-
ft
men ') und von dem machtigen Wogen des Busens springt Freyas
Gestirnenschmuck. Der Zorn der Hafz die Sorge der Schmerz
Liebe undLeid sind wildeGeister, die in dem Brustgehause durch
die Willensstarke des Menschen gefefzelt liegen, die sich riitteln
und regen und das Herz angreifen und deren der Wille nicht
immer Herr bleibt. Sich ihnen ohne Kampf ergeben , ist unmann-
lich und das furchtet der Germane , Mann wie Weib,
Wir haben von der germaiiischen Liebe gesprochen und sie
wol von dem welschen Minnedienste unterschieden. Hildegund,
des aqiiitanischen Walthers Braut und Helgis des Hundingtotcrs
Gemahl Sigrun konten uns sagen, was deutsche Liebe sei. Das
Verdienst des Mannes erzeugt diefz zarte Geful in des Weibes
Brust; auch dem erst ungeliebten neigt das Weib sich zu, vvenn
er tiichtig und mannlich ist. So ist jener Stolz ein natiirliches
Geful , der uns ofters bei den germanischen Madchen begegnet, nur
dem wackersten die Hand zu reichen. Er schuf in dem deutschen
Gedichte von den Nibelungen jenes Wettspiel defsen Preifz Briin-
hild ist ; er gab der Sage nach den Anlafz zu der grofzen Staten-
veranderung die Harald Schonhar in Norwegen vomam. Harald
warb um Gydha , die Tochter eines kleinen norwegischen Konigs ;
sie liefz ihm aber sagen, sie wolle ihre Jungfraidichkeit nicht an
eiiien Konig hingeben, der iiber nur wenig Gaue gebiete. Wunder-
') Mcin spicileciium formularum - ex antiquifsimis Gemianorum carminihus —
(Ilalis 1847) p. 30. J. Grimra Andreas und Eleno zu V. 1134. E. *) Vgl.
auch Gudr. 927. do des kunayes wip ir man fo fere klagete^ man hSrte den fal
erdia^en. *'') Mein npicileyium formularum pp. 28 — 30.
476
lich dftiike es sie dafz keiner unter den Landesfftrsten gaiiz Norwe-
gen haben woUe, wie ihnen Gorm in Danemark und Erich in Schwe-
dcn C8 vorgezcigt hatten. Das reizt Harald und er b^innt seine
Kampfe um die Alleinherrschaft von Norwegen und nimmt die
Btoize Gydha 0- Allein er solte noch ein stolzeres Madchen kennen
lernen. Zehn Frauen und zwanzig Kebsen hat er, da lockt ihn
die Schonheit der Konigstochter Reginhild von Danemark zu neuer
Werbung. Die Jungfrau aber lafzt ihm sagen , und. sei er aiich
ein machtiger Konigy so sei doch kein Konig der Welt so nweh-
tigy dafz sic ihre Jungfraulichkeit gegen den dreifzigsten Thai
seiner Liebe vertauschen wolle. Harald schickt^ seine dreifzig
Weiber fort und nam die einzige Reginhild ^. Wie die Madchen
so waren auch die Frauen besorgt um den Ruf der Manner; sie
woUen lieber den Geliebten von sich lafzen um ihn vielleicht
nie wieder zu sehen, als dafz er feig und unmannlich ge-
scholten werde. Der groste Spott, der dem wafFenfahigen Manne
werden konte , war dafz er sich um seines Weibes willen ver-
liege, und die Frauen scheuten diese Nachrede so sehr wie die
M'anner selbst.
Die Tiichtigkeit des Mannes erweckte nicht blofz Stolz son-
dern auch Diemut. Es kam zuweilen ein Verzagen Cber das weib-
lichc Herz ob es auch wiirdig neben dem wurdigen Manne stebe.
Der longobardische Herzog Bemmo in Forum Julii hatte Ratberg
ein treffliehes Weib zur Gattin, dem jedoch aufzere Anmut ab-
gieng. Diefz bekummerte sie oft und sie lag den Mann an dafz
er sich von ihr scheide und eine schonere heirate. Allein Bemmo
war verst'andig genug, die Demut die Ziichtigkeit und das ireS"
liche Herz der Gattin hoher als Schonheit zu achten und die Ehe
blicb eine sehr gliickliche *).
Von dem ziichtigen Sinnc der germanischen Weiber haben
wir zur Geniige gesprochen. Auch wir haben unsere Lukretia und
unsere Judith. Der longobardische Fiirst Sighard verliebte sich
') Forumimiuifogur I, 2—4. X, 181. *) i'ornmHnnas. X, 194. 3) Paul.
diiicuii. gcbt. Lonj-obard. 6, 26.
4n
in die schone Frau des Nannigo, eines seiner Leute. Sie wies
aber seine Antrage mit Zorn ab und Sighard erginfF jenes alte
Mittel, schickte den Mann mit scheinbarer Gunst als Gesandten
nach Afrika und zwang die Frau mit Gewalt zu dem was sie
verweigert hatte. Seit diesem Augenblicke legte sie alien Schmuck
ab, that schlechte und schmutzige Kleider an, wusch und salbte
si eh nicht mehr und schlief auf der blofzen Erde. Nannigo kerte
zurQck. Der erste Willkommen seiner Gattin war die Bitte das
Schwert zu Ziehen und ihr den Kopf abzuhauen ; ein fremder habe
ihre Ehre befleckt. Nannigo suchte sie indefsen zu trosten, zwang
sie wieder zu baden und sich zu schmQcken, allein das Herz des
Weibes war gebrochen und kein Lacheln kam seitdem auf ihren
Mund '). Ein anderer Longobarde war stolzer und mannlicher als
Nannigo und wuste seine Frau, wie wir friiher schon erzalten, zu
rachen indem er den ehebrecherischen Fiirsten totete. Von einem
frankischen M'adchen wird erz'alt dafz es seine eigene R'acherin
war. Amalo, ein vomemer Franke, hatte sich in ein M'adchen
verliebt und benutzte die Abwesenheit seiner Frau zur Ausfiirung
seines Planes. Er schickte seine Diener aus um ihm dafzelbe mit
Gewalt zuzufiiren. Die widerstrebende wird gemifshandelt , ent-
gcht aber doch dem argsten, da Amalo vom Weine schwer ein-
8chlS,ft. Sie ist mit ihm allein, Gber dem Bette hangt sein
Schwert. Sie zieht es und verwundet ihn tief in den Kopf.
Sterbend von Reue ergriffen befielt er seinen Dienern der Jung-
frau kein Leid zu thun und Konig Childebcrt nimmt sich ihrer
gegen Amalos Verwandte an (Gregor. Turon. 9, 27.).
Mit dem Hal ten auf die Ehre und Ziichtigkeit ist die ehe-
liche Treue genau verbunden. Ich verstehe darunter nicht blofz
die aufzere Reinhaltung des ehelichen Bettes, eondern die fcste
uiid innigc Ergebung an den Mann, das Verwachsen in sein Le-
ben und Sterben. Ein treftliches Beispiel gibt die aus gcrmani-
schen Wurzeln entspi-ofzene Erzalung von Gerhard von Roufsillon.
') Chronicon salernitanum c. 65. Pertz mon. rer. germ. 6, 500.
478
Soinc Gcmahlin Borta hjingt feet an ihm trotzdem 8ie weifz, der
Gcmalil lic^bt ihrc Schwcstcr mchr als sie ; und da er in Ungluck
gorilr und in die Einsamkeit fliichtcn inufz, folgt sie ihm, trostet
und erlu bt ihn und wird zuletzt seine Retterin ')• Hier bliiht mu
die wahre Poesie der Treue entgegen, welche von der widerlichen
Griseldiserzalung erstickt wird.
Ein Beis?piel vergottHchter Treue 1st Nanna, die GemaUin
des Gottes Baldur. Der Goliebte ist durch Lokis List dem Tode
erlegen, der Scheiterhaufen ist fur ihn auf dem Schiffe aufgerich-
tety brennend soil er in das Meer hinaustreiben. Aber Nanna cr-
tragt solchen Anblick nicht und ihr Hdrz zerspringt. Sie geht
niit Baldur zusammen zu Hel. Nicht mindere Treue erfart LoM
von seinem Weibe Sigyn. Er ist trotz allem listigen Widerstre-
ben von den anderen Gottern gefangen und soil unschadlich ge-
macht werden. Mit den Eingeweiden seines Sohnes wird er fiber
einen Fels gebunden und Skadhi, der er einst den Vater erschliig,
hangt eine giftige Schlange iiber ihm auf, dafz ihr Eiter in sein
Gesicht falle. Sein Weib Sigyn verlafzt ihn jedoch nicht; tren
steht sic zu ihm und fangt das Gift in einem Becken auf. Das
dauert bis zum Weltuntergange. In der deutschen Heldensage
ist Siegfrieds Krimhild das grofzartigste Beispiel der Liebe fiber
den Tod hinaus. Seit dem sie den geliebten Gemahl erschlagen
vor ihrcr Kammerthiire aufhob, geht all ihr Sinnen und Trach-
tcn dahin, ihrc Liebe durch Rache an den Mordem zu be-
sicgeln. Sie verlafzt die Heimat an dem grunen Rhein, vermahlt
sich dom Heidenkonig F^tzel in Ungerland , gibt allee auf, da«
reine schuldlose Frauengewifxen , die milde begluckende Anmut
und wird um dcs Geliebten willen zum furchtbaren Rach^eiste.
Nachdem die Rache gcschehen, ist der Todesstreich durch Hilde-
brands Hand fur sic ein Gnadenstreich. Ihr Ziel ist erreicht,
ihr Leben ist zu Eude. — Wie in der deutschen Sage Krim-
hild , so ist in der nordischen Brunhild ein gewaltiges Bild der
') Knuricl histoire dc la pot sic i>roven(;ale ;i, 46 — 56.
479
Treue '). Siegfried loste den Bann welchen Wodan iiber die wi-
derspenstige Schildjungfrau sprach und verlobte sich mit Briin-
hild. Er vergifzt aber durch Zaubermittel dee Verlobnifses und
erwirbt fiir Giinther die Braut, selbst mit Giinthers Schwester
vermahlt. In Briinhilds Brust jedoch ist der Eid dcs herrlichen
Helden nicht vergefzen ^) ; mit furchtbarem Schmerze erblickt sie
den Mann, der ihr gehorte, an einer anderen Seite und ist Zeuge
seiner Zartlichkeit ; gleich Schnee und Eis koinmen kalte Ent-
schlufze iiber sie (Saem. 217.*) und sie reizt Gtather zum Morde.
Sie will ihn mit allem was sie zubrachte verlafzen, denn sie er-
trage es nicht einen andern Fiirsten gcwaltiger als ihn zu wifzen.
Siegfried miifze darum sterben und sein Kind zugleich; mit dem
Wolfe miifze seine Brut vertilgt werden. Giinther schwankt zwi-
schen der Furcht Briinhilds Schatze zu verlieren und der Scheu
den Bluteid zu brechen den er Siegfried zuschwor; Hagen rat
von der That entschieden ab; endlich siegt die Goldgier in dem
schwachen Giinther und Guttorm mufz die Hand zum Mord^ lei-
hen. Als Briinhild Krimhilds verzweifeltes Klagegeschrei ver-
nimmt, lacht sie hell auf. Die verhafzte Nebenbulerin ist nun fiir
inimer ungliicklich , der totlich Geliebte ist tot , sie mufz ihm
folgen denn jetzt kann er noch der ihre werden. Briinhild ersticht
sich und lafzt sich mit Siegfried verbrennen*
Solche Liebe und Treue ist wol furchtbar , allein sie zeigt
die AUgewalt dieser Seelenmachte am grofzartigsten. Trotz Un-
treue und Verschmahen bleibt in der Brust des Weibes die Liebe
und fiirt zu dem verwegenen Entschlufze den Geliebten eher zu
vernichten als ihn einer andern zu iiberlafzen ; ini Tode kann sie
den vielleicht besitzen, den ihr das Leben nicht gonnen wolte^
Diefz Gefiil durchzuckte auch jene Norwegerin Ingibiorg, Gud-
munds von Glasisfcld Tochter, als sie ihren Geliebten lafzen
*) Ucbcr die I^mdndcruTig der Sage durch Aendcrang der sittlichen Begriffe
W. Grimm deutsche licldeiisage SS. 360. jBf. *) jjfg^ ^^> Sigurdhr felda eidha^
eidha felda, alia loyna. Sacm 207.'
480
muste. Sic griff ihm beide Augen aus damit sich keine andcre
an ihm erfreue (Fommannas. 3, 141.).
Das Gemiit des Weibes ist sanft und friedlich, doch gleicht
08 jencn sagenhaften Seen , die in tiefer Buhe liegen , iiber die
aber ein furchtbares Wetter aufzieht wenn der kleinste Stein in
ihren Spiegel schliigt. Die Gcwalt der Leidenschaft ergreift daa
Frauenherz weit stiirmischer als den Mannessinn, denn mit aller
Samlung auf ein en Ort stiirzt es die Glut der Empfindung ohne
Racksicht und Riickbalt, ziigel- und fefzellos, aber Fels und
Kluft dem Ziele zu. Milde Erbarmen Zucht und Scham brechen
vor solcher Gewalt nieder; Befriedigung der Leidenschaft ist der
einzige Halt und nach diesem faJlt das Weib zusammen. Liebe
Eifersucht Rache bilden eine enge Kette und manches Weib hat
sich von der Liebe zu dem boseu Geist der Rache verirrt, der
es verschlang.
Wir scheiden die hohere und die niedere Rache; diese ist
von engen persunlichen Riicksichten bestimmt , jene wird durch
hohere in der Zeit liegende Griinde geleltet und nahert sich der
strafenden Gerechtigkeit. So war die Blutrache ; die Prauen hat-
ten Pflicht und Recht dazu, sie erfiillten sie mit allem Eifer den
die Liebe ihnen gab und scheuten aucli kein Mittel. Konig Wfel-
sung ist von Sigger samt seinen Sohnen bis auf Sigmund ge-
totet ; auf diesen und auf Signy , die an Sigger vermahlt ist,
fallt die Pflicht der Blutrache. Das Weib gliiht und sinnt nur
auf diefz eine; nur voUe Wclsungen, meint sic, konnen die That
voUfiircn und sie schleicht in fremder Gestalt in Sigmunds Wald-
versteck und empfangt von ihm einen Sohn. Als der Knabe
Sinfiotli (Sintarfizilo) heranwachst , schiokt sie ihn dem Bruder
zu. Lange priitt ihn dieser , denn er weifz nicht dafz er sein
eigenes Bhit ist ; endlich ist er seiner Unerschrockenheit and Starke
gcwifs und er beschlicfzt mit ihm die lange reife Rache zu voll-
ziohen. An einem Abendc schleichen sich Sigmund und Sinfiotli
in Siggers Haus. Sie verstecken sich in einem Winkel, werden
aber durch des Konigs kleine Suline beiin Spiele entdeckt* Sie
haucn die Knaben auf Signys eigenes Geheifz nieder, werden er-
481
grlflFen und soUen am andem Morgen lebendig begraben werden.
Der Grabhiigel ist fertig und beide sind schon hineingesetzt ;
da kommt Signy ehe der Schlufzstem darauf gelegt wird und
wirft ihnen in Stroh ein Stiick Fleisch hinab. Als sie hungern,
reifzt Sigraund das Fleisch auf und findet ein Schwert darin,
das er am Griffe als das seine erkennt. Damit graben sie sich
aus dem Grabe heraus und gehen in das Konigshaus wo alles
schlaft. Sie werfen Brande hinein und der Dampf und die
Glut erweckt die Schlafer. „Du solst nun wifzen, ruft Sigmund
dem Sigger zu, dafz die Welsungen nicht alle tot sind." Er
heifzt darauf die Schwester aus dem Hause gehen , allein sie
verweigert es. Sie habe alles gethan um die Bache an des
Vaters Mordern moglich zu machen ; sie habe die eigenen Kin-
der darum nicht geschont, sie habe unerkannt dem Bruder
sich ergeben, Sinfiotli sei Sigmunds und ihr Sohn; sie habe ihr
Begeren erreicht und nun sterbe sie gern mit Sigger. Drauf
kufst sie noch einmal Sigmund und Sinfiotli und stiirzt sich in
die Flammen ^).
In der Sage von den Welsungen und Nibelungen ist ein Schafz
germanischer Art niedergelegt; sie liefert uns auch fiir die Blut-
rache mehrere Beispiele. Die Krimhild des deutschen Gedichtes er-
fiillt nichts anders als die Pflicht derselben; in der nordischen Krim-
hild oder Godrun ist nur das Ziel ein anderes. Krimhild (wir woUen
den bekannteren Namen walen) sitzt in furchtbarem Harme an
Siegfrieds Leiche ; die Wolthat der Thranen versagt sich ihr ; um-
sonst bemiihen sich die Frauen sie ihr zu entlocken ; erst da man
Siegfrieds Wunden enthiillt brechen sie hervor. Krimhild verlafzt
den Hof der Bruder und geht nach Danemark« Sieben Halbjahre
weilt sie hier ; dann gibt sie den Bitten der Mutter und der Briider
nach, kehrt heim und nimmt von ihnen Siine an, womit sie auf
die Rache fiir Siegfried verzichtet. Sie wird spftter mit Brfinhilds
Bruder Etzel vermahlt; es soil diefz ihm, der fur Briinhilds
') Viilsungasaga c. 8.
31
482
Tod Bufze verlangt, ein Mittel der Vereonung sein; allein Eted
zeigt sich so unversonlich wie die Krimhild der deutschen Sage.
Er ladet in heimlichen Rachegedanken die Schwager zu einem
Feste; Krimhild warnt die Briider, ihre Frauen wamen sie durch
bose Traume erschreckt, dennoch kommen sie und finden nach
hartem Kampfe den Untergang. Hagen wird das Herz ausge-
schnitten, Gunther wird in einen Schlangengarten geworfen. Krim-
hild hat die Briider zu rachen und '.hr Herz treibt sie dazu, denn
seit der Sune hatte sie ihnen vergeben. Namentlich an Hagen
hieng sie, mit dem sie zusammen aufgewachsen war *)• Sie rich-
tet das Totenmal fur die Briider an und setzt dem Etzel die
Herzen der beiden Knaben vor, die sie ihm gebar. Trunken
kann er nur in ohnm'achtige Wut ausbrecheo, als sie ihm das
schreckliche zuruft; und darauf ziindet sie den Sal an, so dafz
Etzel und die trunkenen Hunen verbrennen. So rachte sie die
Briider.
Nach einer Fortsetzung der Sage stiirzte sich Krimhild anf
diese That in das Meer, allein die Wogen verschlingen sie nicht,
sondern tragen sie an das Land Jonakurs, der sich mit ihr ver-
mahlt. Spater wirbt der machtige Gothenkonig Ermanrich um
Schwanhild, ihre und Siegfrieds Tochter; allein es ist kein Hdl
bei dieser Werbung. Durch den hinterlistigen Rat Sibichs wird
Ermanrichs Sohn bewogen unterwegs das schone Madchen zu
sein em Weibe zu machen und das junge Par wird auf des
Konigs Befel getotet. Krimhild hat von neuem Rache zu nemeo.
Sie reizt ihre und Jonakurs Sohne dazu welche nach langem Wi-
derstreben die gefiirliche Fart wagen. Sie verwunden den Gt)then-
konig zwar totlich, allein sie kommen selbst dabei um«
Wir mogen uns wol von solchen Frauen entsetzt abkeren;
unsre ganze Sinnesart ist eine andere geworden. Wenn wir nns
auch mit dem Gedanken der Blutrache vertriigen, so verlangen
') hrcefflka eh um hvevefna medhan Hogni lifdhi, Alin vit up v&rum t emu
hufi^ lekum leik morgan ok t lundi oxum Atlam. 70, 71. (8aem. 260.*). vj^.
Godhriinarhvot 3. 17.
488
wir wenigstens dafz ihr auf edle Weiee geniigt werde; die Un-
bedenklichkeit in den Mitteln und die ausgesuchte Grausamkeit
stofzen uns voUig zuriick. Wem fiele nicht bei diesen Geschichten
jene Gepidin Rosamunde ein, die Tochter des von Albwin erschla-
genen Konigs Kunimund, die sich der junge Longobardenfiirst ver-
mahlt hatte. Als sie einst mit dem Gemahle bei Verona an hei-
terer Tafel safz, hiefz Albwin in rohem Scherze Rosamunden
den Becher reichen , den er nach alter Sitte aus Kunimunds
Schadel hatte machen lafzen, Er heifzt sie mit dem Vater trin-
ken und das unglGckliche Weib mufz den rohen Befel erfullen.
In seiner Brust keirat die Rache; es sucht Albwina Schildtrager
Helmigis fiir sich zu gewinnen und dieser empfielt den st'arksten
Mann des Hofes, Peredeo, zum VoUstrecker des Mordes. Peredeo
weigert sich jedoch der Schandthat. Da tauscht Rosamunde, die
vor keinem Mittel bebt , nachtlich das Lager mit Peredeos Ge-
liebter und zwingt ihn dadurch den Konig zu morden , wenn er
nicht von diesem getotet werden will. Meuchlings wird der un-
bewaffnete erschlagen; Helmigis und Rosamunde entfliehen vor
dem Zorne des Volkes nach Ravenna zu dem ostromischen Pra-
fecten Longinus. Dieser wirft ein Auge auf die Konigin und be-
wegt sie leicht des Longobarden sich zu entledigen. Als Hel-
migis aus dem Bade steigt , reicht ihm das Weib einen vergif-
teten Trank; er fiilt bald die Wirkung und zwingt Rosamunden
den Rest zu nemen. So schliefzt sie ihr elendes Leben ').
Auch bei Rosamunde trotz allem was uns anwidem mag, ist
der Grund der That eine so tiefe Verletzung des innersten hei-
llgsten Gefiiles, dafz die Rache einigermafzen gerechtfertigt ist.
Weniger gilt diefz von jenen kleineren Beleidigungen, die dennoch
ein Weib in die furchtbarste Leidenschaft versetzen konnen und
zur tief durchdachten beharrlich durchgefurten Rache leiten. Olaf
Tryggvason von Norwegen wirbt um Siegrid, die verwitwete KO-
nigin von Schweden. Sie ist aber Heidin und Olaf strenger Krist;
') Paul, diacon. gest. Longob. 2, 28. 29.
31*
48*
er verlangt also dafz sie sich taufen lafze, was sie aber abweist;
er moge glauben woraD er wolle, sie lafze nioht yon dem Glaa-
ben ihrer Vater. Olaf schlagt ihr im Zom daruber mit dem Hand-
schuhe in das Gesicht und sie trennen sich, indem sie sagt, die-
ser Schlag werde sein Tod sein. Siegrid heiratet den K5nig Sveb
von Danemark und stiirmt so lange in diesen, bis er sich mit
ihrem Sohne Olaf von Schweden und dem norwegischen Jarl
Erich Hakonsson gegen Olaf Tryggvason verbtindet. Bei dcr
Insel Svolt komt es zu einem furchtbaren Seetreffen, in dem der
norwegische Konig fallt. So ist Siegrids Kache erfiillt *).
Solche Rachsucht fallt mit der Mordsucht zusammen* "Wlr
konnen auch hier aus dem reichen Vorrate altnordischerGeschicht^
eine statt der vielen walen, die leider zu Gebote stehen. Mit dem
Jarl Arnfinn von den Orkneys war ein Weib, Beginhild von Na-
men, vermahlt. Sie lafzt ihn morden und vermahlt sich mit sei-
nem Bruder Haward. Nach kurzem seiner miide, reizt sie seinen
Schwestersohn Einar Klining zum Morde, indem sie ibm die Hand
und die Herrschaft iiber die Inseln verspricht. Nach voUbrach-
ter That laugnet sie ihm aber alles versprochene ab, lafzt ihn
durch eincn andern NefFen, Einar Hardkiopt, als Blutracher toten
tauscht auch ihn durch falsche Versprechungen und vermahlt nch
mit Liot, dem Bruder von Arnfinn und Haward, der hierdnrch
Ilerr der Inseln wurde. Mit dem Morde Einars Hardkiopt durch
Liot beschliefzt sie die Reihe ihrer Verbrechen (Fommann&s. 1,
198). Es ist ein grausiges Spiel mit dem Menschenleben , das
diefz Weib trieb; Mord und Brand waren in der Hand 80
mancher Frau ein Mittel sich las tiger zu entledigen. Jene
Konigin Siegrid von Schweden, welche Olafs Tryggvaaons Tod
verursachte, war wS-rend ihrer Witwenschaft viel umfrrit Auch
zwei kleine Fiirsten, Harald der <.<ronische und Wisiwald von Gar-
darik warben um sic und liefzen sich durch keine abweiaende Ant-
wort entfernen. Da gab die Konigin Befel das Haus anzuziindeiif
worin jene beiden schliefen, und beide verbrannten. ,,So will ich
') Fornniaiinasiigur 2, 130. fF.
486
es alien kleinen Konigen verleiden, sprach sie, von fern zu konfi-
men und um mich zu freien." (Fommannas. 4, 26.)
Die Rache und Mordsucht der Frauen muste sich meist mit
Hinterlist verbinden ; diese gehorte iiberhaupt zu den Mitteln durch
welche sie gern ihre Zwecke erstrebten, Darum giengen allerlei
Spriiche iiber die Unzuverlafzigkeit der Weiber und fiber die Not-
wendigkeit gegen sie auf der Hut zu sein. Das Eddalied Hava-
mal bietet uns folgende: Dem fliegenden Spere, der fallenden
Woge, dem jungen Eise, der geringelten Schlange, den Liebes-
reden der Geliebten, dem gebrochenen Schwerte, dem Spiele des
Baren , dem Sohne eines Fiirsten traue niemand (Saem. 20.^).
Den Worten eines Madchens traue niemand, noch dem was
zu dir spricht ein Weib; denn wie ein Kad drehen ihre Herzen
sich und Wandel ist in ihre Brust gelegt (Saem, 20.^),
Den Tag soil man am Abend loben, die Frau wenu sie be-
graben ist, das Schvvert wenn es im Kampf erprobt, die Jung-
frau wenn sie ist verm'ahlt, das Eis wenn man dariiber schritt,
das Bier wenn es getrunken ist (Saem. 20.^).
Es ist kein anmutiges Bild das wir zuletzt zeichneten. Die
Eifersucht , die Rache , die Mordsucht, die Hinterlist fallen als
tiefe Schatten neben die Lichtstellen. Es sind freilich Ausnams-
zuge, allein sie bezeugen doch, wie sich auch die furchtbarsten
Leidenschaften und verderbliche Feler in das Herz des germani-
schen Weibes verirren. Der Mensch bleibt unter alien Himmeln
Mensch; warum solten sich nicht neben den Tugenden die dS,mo-
nischen Gegensatze entwickeln? Erinnern wir uns, um mit heite-
rem Eindrucke von dem germanischen Weibe zu scheiden , an
die Weisheit und Klugheit die so vielen unserer Ahnmiitter ver-
liehen war und vergefzen wir namentlich nicht die Hauslichkeit
und Wirtlichkeit. Bis zuni heutigen Tage ist das deutsche Weib,
wenn es die vorneme Luft nicht verderbte, durch diese Tugenden
vor alien anderen ausgezeichnet. Nur der deutsche und der stamm-
verwandte Englander und Skandinavier konnen sich an ihrem
Herde heimlich und wol fiilen; nur das germanische Weib ver-
steht es jene Ordnung und trauliche Warme, jene saubere Zier-
486
lichkeit und anmutende Freundlichkeit in das Haus za bringen,
welche die Grundpfeiler des Familiengl&ckes sind. Die gate Frau
ist der hochste Schatz des Mannes und die Gr&ndeiin der Wol-
fart des Gcschlechtes. Der Mann schafft, das Weib erhftlt end
mehrt ; ware es der goldenste Same and fiele er auf steiniges
Laud oder unter Dornen, so raiiste er verdorren oder ersticken.
Die Familie ist die Grundlage der Kraft eines Volkes; die
Frau ist die narende und warmende Flamme der Geschichte.
Triibe Wolken hangen seit lange iiber dem deutschen Himmel
und jeder fluchtige Sonnenschein beschwort eine schwarzere Nacht.
Viele wollen an unsqrer Zukunft verzagen und weifzagen Grie-
chenlands und Koms Geschick dem Lande zwischen Etsch und
Eider. Wir aber glauben nicht daran, eine unserer Hofthungen ist
das deutsche Weib. Das gegenwartige Geschleeht der Manner wird
vergehen und mufz vergehen; die deutschen Mutter werden dem
Vaterlande befzere Manner geben.
Fromm Weib des Lebens Heill
Machweis.
Seite.
Seite.
Abendlied
178
Aeufzeres der Frauen
139
Abendmalzeit ,
389
Ausftattung
216
Abgcschlofzenheit der Frauen
389
Azagouk ....
422
Abholung der Braat
248
Azzabe ....
422
Ablautende Namen .
21
'
Abstracte Gestalten
49
Baden ....
342
achafius ....
305
Backen ....
315
Achraardi
423
Balaun Guillem de .
169
Adramahut
422
Baldekin ....
423
Aegis Tochter .
31
Ballfpiel . ♦ , .
377
Agnes von Poitou .
101
balzieren . . . . .
461
Alamanfura . ,
422
Banke «...
336
Algis ....
454
Barragan ....
418
Almaria ....
422
B&r in Eigennamen .
12
Alter fiir das heiraten
190
B&renfpiele . . . ,
355
Amalafvinth
. 90. 94
Bauge
453
Amazonen
42
baugrygr
128
Ammen ....
79
Baumgarten . . . ,
382
Angclsachsen Tracht
408. 413
Baumwolle
417
Anmelden der Fremden .
394
Beguinfen ■ . . . <
291
Anftandslehre .
107
Beinkleider . • . '
413. 431
Araber . . . . ,
161
beckjargiof . . . .
271
Aermel . 408. 410. 430.
442. 450
Belehnung mit der Minne
164
Aermelbander . . . <
456
Beleuchmng
339
Amifpangcn ♦ . . ,
454
Berchte
8* 45
Afa ......
13
Bornftein
457
Asylrecht fiir Frauenrauber
201
Befachsftande . . . «
386
Athalarich ....
90
Bette • • • .
334
Aufgcbot kirchliches
245
Bettbank
335
Auflosung des VerlObnifses J
230. 232
Beutel . . . • ,
450
Aufzfige Beihenfolge
385
BeTormandang
ISO
Seite.
SeiM.
Hberfclle
437
Brnftgefchmeido .
. 456
Bier
317
Brnfltuoh
4C4
Bilweifie . .
47
Buckerani
419. 4t0
Bl&ia Prinz von
172
Bucher ....
M
Blialt
423
417
Blumenfchapol
462
bSrgerllche Vermahlnng .
-soauL
Blutrache . .
127. 4S0
Bufchweib
S7
Borten in den Haren
459. 4fil
Burden ....
114. lit
Bortcnbefatz
116. 440
Botenamt der Spiellente
353
Dcmut ....
471
bouffbns . . ,
361
Derbbrot.
S»
braneD .
816
Diafpor ....
419
Bnnt . .
!>
. M.lt
Braaiball
S68
Donar ....
n
Brant verhiillt
252
4tt
Brautfran
255
DriiteUrcchl . . .
Ul
Branlfurer
20S. 355
■1*. too
Brautgaba
221
drflt ....
. 14. M
Brautgefj-ge . .
S58
Dapfing ....
444
Bruuthans
252
268
EbenbUrtigkeit
•SI
Brantkauf . .
209. 219. 299
Edcirteina
4»
Braulkauf der Witwe
804
S0». 474
Brautlanf
248. 251
EhcliiMt oltenllich befchritteo
SIS
Broiunacht
268
Ehebruch
179. H>
Braumaohtoficn
2B9
EheerlaubnifB .
194
Bmutraub
802. 264
EhegOtter
■57
Braotlraihl
252
BratitCrunk .
264
Ehtfr(«imODt .
9T<
Brauiwerbuiig gnwaltsiim
205
906. ff.
Brei
314
Ehoftiftnng . .
19*
BrPltfpicl . .
85
Eha nnd Liebe . 150.
180. IH
BtCAcla .
31G
Ehre weibliche
476
BriRneamcn ,
456
Eide ....
lie
Brofthe .
4.S6
Eiil Qber die Morgoog&be
87S
Brot
315
Eigtinnamcn .
7
Bruch .
431
Einladung lur Hochceit .
94<
brfldhfe .
221
Einrichtung banaliche .
894
Brunhild .
475. 479
Elbcn ....
47
Bmnit .
419
Eltem getiitet .
, 47S
BrufC
143. 441
Entfiinmg . , . SOD. C ISI
Erbe
Erbe verwirkt .
Erbe und Ausftattung
Erbfolge ,
Erbgeniifze der Witwe
Erbmal .
Erbrecht ,
Erbrecht eheliches .
ErdgOttin
Erlaubnifs zur Heirat
Ermngenfchaft
Erziehung
espringale
Jr aldafykir
Falken
Faltftule .
FamilienverbinduDg .
Farben .
farendes Volk .
Farende rcchtlos
farende Habc .
faftningaran
Feb
Feldwirtfchaft .
Felle
feroea
Fenfter .
Ferran
Festlichkeitcn .
Firlefei
Fifche
Fifchharftofife .
Fifchbaut
flat ....
Fochenz .
foftri. foftrman
Franken Tracht
Frau
Frauenbindc
Fraaenfriede
Seite.
Seite.
131
Fraaenhans
•
•
114. 830
134
Frauenranb
1 •
■
. 200. ff.
134
Fraaenfchmuck
vergottlicht
453
135
Frauenyerehmng
149. 158
805
Freigebigkeit .
111
136
Freiwerbnng
205
. 131. ff.
Fremde Tracht
406. 411
299. ff.
Freya
. 30. 68
. 26. 34
Freyr
15.
30. 54. 58
194
fri .
6
301
Fricke .
29
. 80. ff.
Fritfchal .
419
370
Fro
. 15. 30
Frouwa .
30
267
Frfihlingsgebrftuche .
. 365. f.
. 84. 344
Falla
> a
50
336
Fafzboden
> .
333. 340
192
Fiifztritt bei der Vermahlang 228
. 437. ff.
fylgja .
> •
•
49
. 354. ff.
363
Gabeln .
338
131. 213
Qallerte .
• ■
.
323
199
gandr
60
427
Gamaf ch .
449
310
Gartenbau
325
405
G&fte
39S
5
Gaftfreandfchaft
390
330
Gaftgefchenke
394
419
Gatten
276
384
Gaukler .
356. 362
374
Gebende .
465
322
Getion
854
428
Gegenkauf
218
428
gegenfidele
398
8
Geifeln .
139
316
Gelb
291. 438
81
Gemiife .
325
410
Gepartfein bei
Tische
387
3
Gterade .
t •
133. 899
269. 465
Gerhard von B
lOufsillon
477
189
Gefchenke der
Verlobte
n
322
400
8eite.
Mte.
Gkfchmeide
452
hauben der Brant .
270. 465
Geschwisterehe
243
Hauptmalzeit .
S86
Gefichtsfarbe .
142. 467
Hausbau der Gemumen .
tfM
Gefinde . .
3ll
Hansgeifter
48
Getheilte Kleider
. 437. ff.
Hebeeifen
896
Gewandftoffe .
. 415. ff.
Heidbr
. 60. t
gl^a ...
417
Heierleis . . • .
874
Glanz in den Namen
. 8. ff.'
Heilkunft
6S
Glaubensverfchiedenheit bei derEhe 241
Heimdhalls Matter .
81
Goldfchmicdekunst .
453
Heimftirungsfrist
f29
Golzen
432
Hciratsfrist der Witwen ,
804
Gottesurtheil .
128
Heiratszeiten .
. S46. f.
Gotter und Namen .
13
xiel . • • • •
S9
G6;5a
13
Heldenfinn
41
Grauwerk
427
Helgi and Sigrun .
151
griechische Sprache
94
l^emde . . • .
415. 480
Griitze
314
Hergewate
188
Gugeln . 4
448
Herke . . • .
85
Gtirtel
410.
443. 451
Hermelin
427
Giirtelfchnallen
457
Hexen ' .
• 66. ff.
Giitergemeinfchaft
298
Hiarranda liodh
S67
Gtiterrecht obeli ches
. 295. ff.
Hildgnnd nnd Walther .
154
Gfitervereinigung
295
Hiftrionen . «
856
gjnaeceam
114
bocbdentfche Tracht
Hochfitz . . • .
414
8S9. 886
Halbbrot . .
315
Hochzeit . . . .
146
Halsbaage
456
Hocbzeitgefchenke .
967
Hammerweihe der Ehen
257
Hochzeitordnangen .
S54. 166
Handfchuhe
451
Hof
880
Handfpiegel
457
Holle . . . .
86
Handtach
337
Uolzbau . . . .
817
Ilandwafchang bei Tifche
388
Hoppoldei
878
Ilanfgewebe
•
417
Hofcn . . . .
481
Har
•
141. 458
Uunde abgerichtete
81
Har blondes
•
459
huote . . . .
179
Har langes der Geiftlichen
460
Huren . . . .
190
Harald Schoenhar .
475
Hiite . . . .
466
Harband .
462
Harkfinftelei .
460
vlagd . . . .
844
Harfalben
458
lamfaxa . . . .
16
Haube
116. 466
lamvidhjar
S7
401
Seite.
Seite.
idis . • . . *
5
Kopftracht der Frauen .
. 458. fT.
Idife . .
40
Kopftuch
463
Idhun ....
50
Korduan
435
lordh ....
26
Kofeworte
146
Inftrumente mufikalifche
104. 858
Kranz . . •
462
Johannisfeaer . . .
366
Kranz beim Tanz . •
380
Jongleurs . . .
361
Krapfen . . . .
816
Jungfrauliches Har .
459
Kreuzzug als Minnedienft
170
Jungfraulichkeit und Bufzen
138
KreuzziigeundderFraucnverker 159. ff.
jus primae noctis
194
Kriegcrische Namen
15
Krimhild . . . 117.
478. 481
Cabeftaing Guillem de .
181
Krone ....
463
Kamelot, Kambelin
420
Knrsit ....
447
K'ammerer . . . .
87
Kurzebold
446
Kappe ....
396. 449
Kufs bei der Verlobung .
228
Karl der grofze Erziehung .
87. 94
Kv^ns ....
2
Karl der grofze Tracht .
410
Kyenaland
43
Carole ....
370
Kvengiaver . .
127
Kateblatin
424
kaufen ein Weib
211
lagathridjung .
219. 221
Kebfe ....
286
laghadmynd
214
Kebfenfone
288
laiks • . .
369. 376
Kemenate
332
Lampen ....
339
Kinderausfetzung
75
Landerbe der Frauen
. 131. ff.
Kinderlofigkeit
299
latcinische Sprachkentnifs
94
Kirche als Tanzplatz
379
Ia;;a ....
291
Kirche als Versamlungsort
278
Lehendienst und Minnedienst
164. 178
Kirchenbefuch
386
Leibgedinge, Leibzacht 220.
300. 805
Kirchgang der Brautleute
263
Leich . > • •
376
Kirchgang bei Felten
385
Leinwand
405. 416
Kirche und Vennahlung .
258
leis
8
Kiftenpfand
216
leane- • . . •
291
Kleriker farende
358
lefen ....
92
Kloftererziehung
89
Lichtenftein TJlrich von .
168
Knoden ....
430
Liebesdichtung in Skandinavien 187
Knopfe ....
442
Liebesfarbcn .
438
kochen ....
321
Liebeshofe
184
Kogeln ....
448
Liebesverh<nifs altgermanifches 150
Konkubinat
286
Liebestrank
147
Connubium verfchiedener Voll
^er 239
Liebeswappen .
165
Kopftracht der Braut
253
Liebeszanber .
147
408
Seite.
Sdte.
llnfd
•
271
Miilen
• .
313
liioba Bonifazens Nichte
88
Mundfcbaft des Madchens
ISO
Lfiffel
•
338
Mundfchaft der Ehefrau .
199
Loki
• i
257
Mundfcbaft der Witwe .
803
Locken .
• fl
459
Mnndfchatz •
■ •
909
loDgobardische Tracht
408
mnoder .
. • •
430
Lofzwerfen
• •
. 68. 256
mufikalische Fertigkeiten
108
lyrische Poefie
• •
101. 187. ff.
Mnstbeil .
. • •
299
Maget .
• f
6
Afacbbochzeit .
■ • •
278
Magde Behandlnng
•
326
Nacbtlager
• •
834. 898
Mantel . . 405.
409. '
415.. 429. 449
Nacbttmnk
• •
808
Mahlfchatz
209
Nahte .
• •
440. 446
Mantelkauf
218
Nacken kabl getragen
411
Marderfell
427
Namen fremde
• *
24
Mariendienft .
162
Namengebung .
• •
78
Marienlcgendcn
179
Nanna
• •
. 50. 478
maritagium
. . 194
Natarfreude in den Namen
0
Matbilde von Engla.Tid
102
Nertbus .
• •
15. 29. 56
Menglodh
64
Nesteid wegen der
Morgengabe 273
Mefse
385
nia .
• •
8
Mefzer
338. 451
normanniscbe Tracht
418
Met
318
Nomen
. 81. 59
milte
111
Notzucbt .
200
Mima
15
Nufche .
456
Mimen
356
Minne
144
Obft . .
825
Minnedienst .
. 164. £f.
Obstwein
812
Minnedicbtung
185
Odhin .
. 26. 65
Minnehofe
184
Oel .
817
Miftila .
14
Opfer
57
Mitgift .
213. 300
Obrringe .
457
Mitftcrben der Wit we
280
Oftara
87. 865
Mittagefzen
386
Modenamen
23
Paida
407
Moralitat .
105
Palmat
424
morganatische Ebe
238
Palinonfchiefzen
878
Morgengabe .
270. 299
Patf(tbar .
422
Morgeuimbifz .
386
Pelzwerk
405
. 410. 426
mottulkop
218
Pfauenfederbiite
-
466
moawe, Muff .
443
Pfawin
424
z der
Pfeit
Pfellel
Pfingstt&nze
Pfofe
Pfang
phiefel
plinsjan .
Poesie unter Einflur
Pofufz V
Polterabend
Priefterinnen .
Probenachtd
Probezeit der Minne
Prfigelweihe des Brautigams
Pappen .
Puppenfpieler .
Purein
Purpur .
Qvdns. qvind .
Qvenaland
qvengiaver
i^n . . .
B&tfel
Baab
Bechte dcs Ehemannes
Begentficher .
Beigen
Beihe krummer
Beihenfolge in Aufziigen
reipns
Beifen als Bildungsmittel
Beifen der Fraaen
Beiten
Beitzeug .
reptis
ric, rigan
Bidewanz
Bing
Bife
Seite.
407
421
369
451
451
332
369
Fraaen 101
423
274
54* 58
174
164
262
83
857
424
424
2
43
127
31
349
415
295
415
372
373
385
305
96
395
395
396
405
430
371
226. 457
. 465
Bifenweiber
Bitterfcblag
Bittertbmn
Bock • 407. 409.
Bofat
Bnndt&nxe
Bnnen •
Idaben
Sichnsche Tracht
Saga
Salamander
Samt
Sftnger .
Sarant .
Saranthasme
Sarumin •
Satin
Satteltneh
Schach •
Schapel .
Scharlach
SchanTpiele bei
Scheinehen
Scheitel .
Schelter .
Sdienkenamt der Wirtm
Schenkinnea
Schersfpiel
Schinat .
SehlaiTtfttteii
Schlangen and Fraaen
Schleier .
Scbleppen
Sehl&fsd.
Schminken
Scbneidermeifter
Schneidem
Scbnftren der Kleider
Schonheit
Sehreiben
415.
Hocbzeiten
Seite.
267
160
429» 437
424
370
55
41J7
419
50
421
424
35t
42t
428
425
486
396
85 388
462
42Q
. 268
808
459
86t
84«
846
354
4td
884
11
448
441
31 U 451
447
114
114
444
140
•U9II
4M
Seite.
Sdto.
Schreine ....
340
Spiegel ....
380. 457
Schnho • • . •
. 433. fif.
Spielkarten
86
Schuh als Zeichen der Mnndfchaft 228
Spielleute . . 265. S51
[. if. 86S
Schuldenzalung in der Ehe
302
Spiolleute als Lehror
97. 118
Schiller farcnde
359
Spielmannspoesie
360
Schiirbrant . •
•
420
Spielweiber • • 863.
357. 862
Schiifzel .
B
337
fpinnen ....
118
Schutzgcifter .
1
48
Sprachkentnifse
. 94. 96
Schwane und Frauen
»
10
Springtanz •
370
Schwanjungfrauen .
. 88. 68
ftabbdansen . ii
S65
Schwangerfchaft der Braut
231
Stadelweife
371
Schwangcrfchaft der Witwe
302
Stammesgleichheit in der Ehe
289
Schwarz als Trauerfarbe
438
Stauche ....
448
Schweinezucht
312
Stegreifen . • •
396
3ei ....
420
Steinbau ....
838
Seide ....
421
Stellvertretnng in der Ehe
808
feidhr
62
Stiefeln ....
• ' 484
Seit ....
420
Stiefmutter, Ehe mit ihr
248
Selbftverlobung
197. 199
Stickerei . . . . 11<
S. ff, 425
Serge
420
Strafen ....
129
ferkr ....
414
Streitlicder
851
fieben Jahre .
82
Strohhflte
450. 466
Sif .
26
Strtimpfe ....
482
Siglat
423
Stule ....
385
Signy ....
. 41. 480
Sukenie ....
447
Sigrun und Helgi .
151
Surkot ....
447
Sigyn
478
Symbole der Vermiihlung
825
Sittlichkcit d. Gefellfchaft 1 73. ff. 398. ff.
Symbolik der Farben
438
Sitzbetten
335
Skadhi ... 28.
344. 354
Tabart ....
448
Skalden ... 98.
188. 353
Tabristan
4tS
fkandinaYische Tracht
413
Tabronit ....
4S2
fkandinavische Licbesdichtung
; 187
Taft
428
Socko ....
433
Tagelieder
178
Sommer .
69
Tanz . . 263. 369.
87». 889
Sommer und Winter
365
Tanz priefterlicher .
56
Sonnenfehirm .
450
Tanz umgehender .
870
fortiariae .
68
Tanzlieder . . 208.
986. 874
Spangc ....
456
Tanzplatze
878
fp&konur ....
59
Tapferkeit
41
Speifezettel
323
Tappert ....
448
405
Seite.
s
Seite.
Tafche . . . .
450
Unfreie mit freien erzogen
80
Taufe
78
Unterband . . . 459. 468
Teller
338
Unterhaltung, ihr Ton .
382
Tempclbackerei
316
Unterhaltung bei Tifch .
388
Tenzonen
183. 351
Unterricht ....
88. fr.
Teppiche .
117. 339
Untreue
231
testamentarische Verfugunj
y uber
urgftf
216
die Frau
282
Theoderich der Oftgothe .
88
Valkyriur .. . .38.
60. 346
Thiere uud Frauennamen
10
Vaterliebe . .
474
Thor . . . .
. 26. 69
Vech
427
Thorbiorg
i i
60
Verfall fittlicher .
398
thridhjungsauki
219
Verfugungsrecht der Frau
297
tilgiof
219. 302
Verkauf der Frau .
283
Timit
425
Verlober
198
Tifche .
837
Verlobunj^ ....
223
Tifchgefiinge
348. 388
Verlobungsband
226
Tifchtuch
337. 388
Verlobungsforineln .
224
Tifchzucht
110
Verlobungsrecht bei unfreien .
194
Tocke
83
Verlobungsring . ,
226
Topelfpiel
85
Verlobuug unrechtm&fzige
198
Tracht
405. ff.
Vermogen der Frau, Recht 4et
Tranerfarbe
438
Mannes
298
Tiiballibot
422
Vermogensantritt
120
Triblat .
425
VermOgenskuratele .
296
Trinkbiicher
348
▼em&hen ....
442
Trinkgefiifze
338
Verfchenkung der Frau .
282
Trinkgelage
346. f. 388
Vertrautheit des Minnedienftef
i 172
Truchsef/en berittene
388
Verwandtfchaft ein Ehehind^n
Hfs 24S
Trunk in der Brautnacht
269
Verwandtfchaft in Eigennamei
I 21
trut
54
Verzogerung des Brautlaufs
230
Tuch . . . .
418
Vidal Peter .
169
tumon . . , ,
369
yidharmund
218
tunc . . . .
328
Viehwirtfchaft . . . <
311
tupp . . . . ,
464
Vielweiberei
284
Turnier . . . .
267. 389
yingaf
221
tvimenningr
387
V(3gel als Speisen .
322
typpi . . . .
464
Vogel als Spielzeng
84
Volksnamen Frauennamen
19
Mnehelichc Kinder . 2(
33. 209. 288
Volljarigkeit
120
Unfreie niit frc
ien V
erheir
atet 233. 237
Volur ....
59
406
Seite.
Sdte
•
Vorhochzeit
274
wirken . • . •
. Ill
Vormund
122. 305
Wirtin dem Gafte zngelegt
898
Vorfanger, Vortftnzer
372 874
Wirtin ihre Pflichten" .
346. 89S
Wittnm ....
SSO
lil^affenfchmiede .
453
Witwe . . . .280
. 802. ff.
Waifnnng
394
Witwe und die Morgengabe
S71
Wagen .
327. 397
Wolf in Eigennamen • *
IS
Waldfrauen
44
Wolle ....
114. 416
Walther und Hildgund
154
Wonungen
. SS€
Wandalen
407. 453
Wonungen ihre Einrichtiing
U4
Wandverzierungen .
339
Wuotan ....
Sf
wafchen . . . .
326
Wurfel . . . • .
84
Wafchen der Hande
388
Wiirzen ....
828
Wafzerfrauen .
45
•
Wafzergottinnen
31
^auberer
71
Wafzerlifse
46
Zeagnifs der Frauen
Itt
weben . . . ,
114
Ziegenbartuch .
417
wederwerf
220
Ziklat ....
4S3
Wein
320
Zimit . . .
m
Weifzagung
55. 351
zimmem ....
8S8
Werbungsfart .
206
Zindel ....
4S6
Wergcld .
124. 127
Zobel ....
• 4t7
weftgothische Tracht
407
Zopfe ....
481
Wettgefprache .
349
Zacht Fran
50
Widerlage
220
ZuchtmeifteriB
87
Wiederverheiratung gefch
iedener 307
Zugabe ....
219. 80S
Wiederverheiratang der "N
Vitwen 303
Zuriickhalten der Braut- .
S80
Wiege
79. 263
Zufammenretzung der Kleider
4S9
Wieland . . . .
453
Zweikampf der FraUen .
»8
W impel .
465
Zwerge ....
48.468
wip . . . . ,
3
Zwieback . • .
*
818
wip in Erauennamen
19
■
Berichtigungen.
Seite 4 Zeile 14 vrouw lies vrouwe
1 Bercwi:? (Jarawi;?) Deatwi;; lies Burcwi? , Turnw!;? , Deotwi;?,
20 larngedr 1. larngerdr
27; 45, 3 weifen 1. weifzeu
24 Thiotgerdr 1. Thiodhgerdr
4 Gerdrit 1. Gerdrftt
13 Ohanna 1. Of anna
2 v. n. Skridafinnen I. Skridhfinnen
5 „ f&rfagende . 1. furforgende
22 Geidriful 1. Geirdriful
4 V. u. weibl. 1. weftl.
7 ,, nach 1. aus
1 „ Gefchafte 1. Gefchaften
1 V. u. Nonageftr 1. Nornageftr
20 Guhdridhr 1. Gudhridr
20 fchcincn U erfcheinen
6 V. u. C. 1. L.
16 „ rotes ist zu tilgen
10 „ und 1. nnter
3 ,, Bonyefin 1. Bonvefin
2 „ 3) 1. .).
11 Egwind I. Eywind
15 frillufy 1. frillufynir
2 V. u. Brom. 1. Brem.
4 „ wittun 1. wittum
17 diefelben 1. diefelbe
6 Y. u. mit zu tilgen
14 ist hinzuzufiigen : vgl. Fomald. f. 3, 550.
11 Fefthat. 1. Feftath.
22 upprciftandrapa 1. uppreiftardrd-pa
16 halb 1. felb
7 da,mniiscbe 1 damoniscbe
20 leiten 1, reiten
22 5. 1. S.
2 unkeufchne 1. unkeufchen
7 V. u. iriu 1. irriu
7 „ von I. vor
>>
if
»»
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»i
>>
10
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9)
19
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»>
23
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»»
24
n
»»
28
>>
»1
33
»»
>»
39
>>
»«
43
>»
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44
»»
»»
55
n
»»
59
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64
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»»
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11
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220
»»
J»
223
j»
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224
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231
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J»
242
M
1>
246
j»
11
248
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»»
250
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t>
262
51
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290
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J?
—
»»
»»
295
>»
Se
ite 297
328
358
384
388
398
401
414
420
436
457
Zeile 14 filiabuo I. filiabiu
13 lies: die fkythischen Volker [Satardien]
14 III, U 1. II, 1.
8 v. n. marackar I. fm^rackar
1 „ Flamencan. Bay 1. Flamenca. Bajn.
3 „ Huy de-coper 1. Huydecoper
4 ist „die8C** vor „wird'* ausgefaUen.
15 aufwulte 1. anfwiilten
15 Betriibungen 1. Betiibungen
3 V. u. sloveni c. 1. slovenicae
10 „ farletum 1. fcarletum
5 „ varia 1. yario
5 f&ge hinzu: Tacit, germ. 45.
AuFzer dem find auf den erf ten Bogen zuweilen fz nnd fs yerwedi
word en; einigemal find die Buchstaben, i, 1 oder f , aasgefpningen} bier mid
find die Unterfcheidungszeichen falsch gesetzt.
«-
I •
<J i:U44 V<if 404 14/
A ONE IS INCURRED IF THIS BOOK IS
NdtiETUaNED TO THE idSg^Y ON
OrIBbRB the LAST"D*^ mjMT'ED