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(b
Ct.
Li.tdrv
H.TA
LIBI
Die
KirchengescMchte
von
Spanien.
Von
Pins Bonifacins Oams
0. 8. B.
Erster Band.
s drei ersten Jahrhunde
•
Regensburg.
Verlag von Georg -Joseph Manz.
18C2.
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* # • • •
«0
N
Erster Band.
Die drei ersten Jahrhunderte.
I
TS2r-Tr
VORWOET.
Das ChristentliTiin drsdig durcli die Länder der Erde —
im Schweigen und in der Verborgenheit. Dieses gilt besonders
von den Ländern des Abends, von Afrika, Spanien, Gallien,
Britannien, Germanien. Sollte es mir gelungen seyn, das
Dunkel, welches über der Verbreitimg des Christenthums
in Spanien herrscht, durch einzelne Lichtblicke erhellt zu
haben, so hätte ich Grund zur Freude und zum Danke. —
Mich hat besonders die mächtige Persönlichkeit des Bischofs
Hosius von Corduba zu dieser Arbeit gezogen, und bei ihr
festgehalten. Ich bezweifle , ob seine Verdienste um die Kirche
gebührend gewürdigt sind, und ob die Nachwelt seinem Ge-
dächtnisse gerecht geworden ist.
Als am 21. Januar 259 der Martyrbischof Fructuosus von
Tarragona zum Tode geführt wurde, antwortete er einem
Christen, der seine Hand ergrüBFund ihn bat, seiner eingedenk
zu seyn, mit lauter Stimme: Ich muss der katholischen Kirche
eingedenk seyn, welche vom Morgenlande bis zum Abendlande
ausgebreitet ist. Fün&sig Jahre später gieng ein Mann von
Spanien aus, der in seinem weltumfassenden Geiste und Herzen
VI Vorwort
die ganze Kirche trug, der den grössten Einfluss hatte auf
die Umwandlung des heidnischen in das christliche Weltalter,
der die ganze Kirche auf den Synoden von Nicäa und Sardica
um sich schaarte und einigte , der das Ansehen des römischen
Stuhles im Morgen- und Abendlande hob, an dem Athanasius
mit innigster Liebe und Verehrung hieng, den er den Vater
der Bischöfe nannte. Wie der grosse Athanasius, so ist der
grosse Hosius würdig der Liebe und des unsterblichen Ange-
denkens aller christlichen Geschlechter. Dieser Mann starb,
nachdem er mehr als sechzig Jahre Bischof gewesen, und
mehr als hundert Jahre alt geworden war, zu Sirmium in
Pannonien am 27. August des Jahres 357 als ein Verbannter
und leidend für die Kirche, welcher er zwei Menschenalter
gedient hatte. Würde dieser grosse Hosius heute leben, so
wäre es ihm vielleicht gelungen, die katholischen Völker zu
einem starken Bunde zu sammeln und zu einigen, gegen die
Zertrümmerer der katholischen Einheit, gegen die Feinde
des Reiches Gottes auf Erden.
Sein Verfolger, der Kaiser Constantius, starb vier Jahre
nach Hosius ^ines schnellen und schrecklichen Todes, und
hinterliess das Reich dem Kaiser Julian, dem Apostaten — 361.
Nach zwei Jahren starb auch dieser eines plözlichen Todes, in
dem Kriege gegen die Perser — und die Christenheit athmete
zu neuem Hoffen imd zu neuem Leben auf. — Die Kirche
aber überwindet alle ihre Feinde, weil sie alle ihre Feinde
überlebt.
Set. Bonifaz in München, am 27. August 1862*
Pins Garns 9
aus dem Orden des heiligen Benedtctus.
Inhalts - Verzeichnisse
Erstes Buch.
Der Apostel PAulue in SpaiiieB 8.1—75.
Seite
Erstes Kapitel. Der Etttsehluss des Apostels nach Spanien zu geheo 1 — 4
Z'weites Kapitel. Das Zeug^niss des Clemens voo Rom für die Reise
des Apostels Paulus nach Spanien 8. 5 — 16.
$. 1. Die Worte de« Clemens ;. . • 5 — 6
§. 2. Spanien »das Ende des Abendlandes« 6 — 10
$. 3. Was verstand das heidnische Alterthum unter dem Ende des
Abendlandes? 11—16
Drittes Kapitel. Das Bruchstück eines ÜBgenannten» genannt Codex
^ Muratori N. Test 17—24
Viertes Kapitel. Das Zeugniss des Codex Muratori für die Reise des
Apostels Paulus nach Spanien . 25—28
Fünftes Kapitel. Die Tradition der römischen Kirche über den Apo>
stel Paulus 29—39
Sechste S.Kapitel. Die Zeugnisse der Späteren für die Reise des Apo-
stels Paulus nach Spanien 40—49
Siebentes Kapitel. Die Frage der Zeit und des Weges . » . 50—54
Achtes Kapitel. Wirksamkeit des Apostels Pnulus in Spanien . • 55—75
yill Inhalts- Verzeichnis 8.
Zweites Buch.
IMe Sendung und Thätlgkeit der sieben Apoetelsehttler in
Spanien 8. 76 — 227.
Seite
Erstes Kapitel. Die Martyrologien über die Siebenmänner . . 76 — 80
Zweites Kapitel. Die alte spanische Liturgie als die erste Quelle über
die Sendung und die Wirksamkeit der sieben Apostelschüler in
Spanien 81— 85
Drittes Kapitel. Die alte lateinische Bibelübersezung vor Hieronymus
stammt nicht aus Afrika, sondern aus Italien .... 86—102
Viertes Kapitel, üebcr die mozarabische Messe. Das Officium der
sieben Apostelschüler in der gothischen Liturgie . . . 103 — 117
Fünftes Kapitel. Das Wunder bei Guadix S. 118 — 137.
§. 1. Der Weg des Torquatus und seiner Geföhrten von Rom nach
Guadix 118-120
§. 2. Der Weg ven Basti nach Acci (Baza nach Guadix) . . . 120—123
§. 3. Das Thal von Guadix. Die Lage der Stadt, und das Gebirge
über ihr 123-124
$. 4. Der Fluss von Guadix, und die Lage der Stadt an ihm. Die
beiden Nebenflüsschen Rio de Gor und Fardes . . . 124—126
$. 5. Die Einzelnheiten des Vorganges 127—129
$. 6. Bemerkenswerthe Analogieen aus der neuesten Zeit . . 129—130
$. 7. Das heidnische Fest in der Stadt 130—135
%, 8. Der Einsturz der Brücke^ Das Wunder und die Natur . . 135—137
Sechstes Kapitel. Der heilige Torquatus von Acci, der erste be-
glaubigte Bischof Spaniens S. 138 — 149.
{. 1. Der heilige Torquatus, das Haupt der Siebenmänner . . 138—139
$. 2. Die selige Luparia, die erste Christin in Acci .... 139 — 142
$. 3. Das Bisthum volh Acci, das erste in Spanien .... 142
5. 4. Der Tod des heiligen Torquatus. Er utid seine Geßhrten sind
nicht Märtyrer 142—145
J. 5. Die Verehrung des heiligen Torquatus . . . . . 146—149
Siebentes Kapitel. Der heilige Secundus von Abula S. 150 — 158.
§. 1. War die Stadt Avila in Ältcastilien der Bischofssiz des heiligen
Secundus? 150—153
§. 2. War die Villa Vilches im Bisthume Ja€n, oder las Bullas im
Bisfbume Murcia Siz des heiligen Secundus? . . • 153—154
$. 3. Das Abula des heiligen Secundus, und das Abula des Ptole-
mäus ist der Ort Abla zwischen Guadix und Almeria . . 154-157
5. 4' Abla in der neuesten Karcbengeiehichte . • • • • 157—158
Inhalts- Vers ei dtnisB. IX
Seite
Achtet Kapitel. Der heiligte Indaletius von Urei S. 159 — 165.
$. 1. Der Name des heiligten Indaletius 159—160
f. 2. Die Lage der alten Bischofsstadt Urci 160—162
$.3. Die Stadt TJrci verschwindet aas der Geschichte. Der Leih des
heiligen Indaletios in Paquenna, sp&ter in San Juan de la
Penna 162—164
(. 4. Andenken des heiligen Indaletias in Almeria .... 165
Neuntes KapiteL Der heilige Ctesiphon von Vergtom S. 166— 170.
{. 1. Der Name des heiligen Ctesiphon 166—167
$. 2. Das Verglam des heiligen Ctesiphon 167—170
$. 3. Verehrung des heiligen Ctesiphon in Beija .... 170
ZehntesKapitel. Der heilige Cäcilins von Elvira - Granada S. 171 —185.
f. 1. Das heutige Granada liegt an der Stelle des alten Iliberris . 171—178
f. 2. Der heilige Cäcilins in Iliberris. Der Sacro Monte von Gra-
nada und seine Höhlen 178-183
$• 3. Die Verehrung des heiligen Cäcilius in Granada . . . 183-185
Eilft es KapiteL Der heilige Euphrasius von Illiturgi S. 186—192.
{. 1. Die Jjage der Stadt Illiturgi 186—189
$. 2. Die Verehrung des heiligen Euphrasius 189-192
Zw&lftes KapiteL Der heilige Hesyehius (Esitius) von Careesa (Car-
eesum oder Carcera) S. 193—204.
$• 1. .Der Siz des helligen Hesyehius war nicht Cartej« an der
Meerenge ••.... 193—197
{. 2. Der Siz des heiligen Esitius war nieht das unbekannte Carteja
der Olkaden 1&7-198
f. 3. Die Stadt Cazorla hat am meisten- Wahrscheinliehkelt für sich,
das Careesa des heiligen Esitius zu seyn .... 198—204
Dreizehntes KapiteL Die Stftdte der apostolischen Siehenm&nner
und die Centrallage der Sudt Gnadix (Acci) S. 205—214.
f. 1. Die Siebenm&nner mit ihren sieben Stftdten, und die Stadt Rom 205—208
(• 2. Der heilige Torquatns in der Mitte seiner sechs Mitarbeiter • 208—214
Vierzehntes KapiteL Die angebliche Tradition der Sendung von
sieben Bischöfen aus Rom nach Gallien ist eine Fiction • • 215—217
Fünfzehntes KapiteL Der Zusammenhang der Reise des Apostels
Paulus nach Spanien mit der Sendung der sieben Apostelschüler 218—221
• ■ ■
Seehszehntes KapiteL Die Siebenmftnner wurden zu Rom von den
Aposteln ordinirt 222—227
/
ItthaMs-YersEeiohnijif.
Drittes Buch.
Die Kürehe in Spanieii von dem Tode der sieben Apoetel-
echüler bia su dem Anfange de» vierten chrMütlicben Jahr-
bunderta 8. 228 ~ 288.
Seite
Erstes Kapitel. Irenäm« bezeugt den Bestand des Chrittenthnmes In
Spanien 828—232
Zweites Kapitel. Tertullian über die Verbjreiiung des CbristenÜmoKs '
in Spanien 233—236
Drittes Kapitel. Cyprian von Carthago, and die Kirche Spaniens in
den Jahren 250—258 S. 236 — 264.
§. 1. Der Brief Cyprian^s an die Gemeinden von Astorga und Leon,
und von Emerita '. 236—241
$. 2. Folgerungen aus diesem Briefe für die damalige Lage und Aus-
breitung der Kirche in Spanien 242 — 246
$. 3. Das Bisthum des Basilides und Sabinus einerseits, des Marti al
und Felix anderseits 246—251
$. 4. Die Bischöfe Martialis und Felix 251—253
$. 5. Felix von Zaragoza 253^*256
$. 6. Das Verhältniss der zwei Bisthümer Astorga und Leon (Astu-
riea und Legio YII) . 256—260
$. 7. Einige weitere Erläuterungen 260—264
Viertes Kapitel. Der Martyrbischof Fructuosus von Tarragona, und
seine Gefährten im Martyrthume im Jahre 259 S. 265 — 276.
§. 1. Die Martyrakten 265-272
§. 2. Das Bisthum Tarraco 272—276
Fünftes Kapitel. Unialle und Fortschritt des Christenthumes in Spa-
nien vom Jahre 260 — 304 S. 276 - 279.
$. 1. Einfalle der Barbaren; Verwüstung von Tarraco . . *. 276 — ^278
§. 2. Fortschritte des Christenthumes in den Jahren 260 — 304 . 278—279
Sechstes Kapitel. Der Bischof Gerontius von Italica bei Hispalis.
San Gerontio und Santiponce . 280—283
Siebentes Kapitel. Justa und Rufina, Märtyrer und Schuzheilige von
Sevilla V 284—288
Inhalts- Verxeicliiiis 8. XZ
Viertes Buch.
IMe Kirche In Spanien während der groeeen Verfolsrung unter
Dlodetlan und MaTJmlan S. 289 — 409.
Seite
Erstes Kapitel. Die christlichen Soldaten und Märtyrer Marcellus und
Cassianus von Tingis S. 289— 292.
Akten des heiligen Marcellus, Centurio nnd Märtyrers . . . 289 — 291
Passlo des heiligen Cassian, Märtyrers von Tlngis .... 291—292
Zweites Kapitel. Die Märtyrer Chelidonius nnd Emetcrius . . 293—295
Drittes Kapitel. Anfang der Diocletianischen Verfolgung. Dacianus
in Spanien. Der Märtyrer Felix von Gerunda (Girona) S. 296
bis 302.
§. 1. Anfang der Verfolgung 296-298
$. 2. Dacian kommt nach Spanien 298—300
J. 3. Der Märtyrer Felix von Gerona 300—302
Viertes Kapitel. Der Märtyrer Gucufat von Barcelona . . . 303 — 305
Fünftes Kapitel. Die heilige Eulalia von Barcelona S. 306— 319.
$. 1. Widerlegung der Zweifel an ihrem Martyrium .... 306—310
(. 2. Positive Beweise für die Eulalia von Barcelona . . . 311—314
f. 8. Die Passio der heiligen Eulalia 315-317
§. 4. Verehrung der Eulalia in Barcelona 317 — 319
Sechstes Kapitel. Die achtzehn Märtyrer von Saragossa . . . 320—329
Siebentes Kapitel. Die Märtyrer Justus and Pastor von Complulum 330 — 334
Achtes Kapitel. Die heilige Leocadia von Toledo .... 335—343
Neuntes Kapitel. Die Märtyrer Vincentius , Sabina und Christeta von
Elbora und Abula S. 344—350.
Ansprüche Evora^s auf die. Märtyrer Vinzenz, Sabina und Christeta . 346—350
Zehntes Kapitel. Die Märtyrer in Cordova und Astigi S. 351 — 363.
{. 1. Die Märtyrer Fausrtus, Januarius und Martialis von Cordova
(13. October) 351—355
%, 2. Die Märtyrer Acisclus und Victoria (17. November) . . • 356 — 360
$. 3. Der Märtyrer Zoylus und seine Gefährten (27. Juni) . . 360-362
$. 4 Der Märtyrer Crispinus von Astigi (19. November) . . . 362 — 363
Ei Ute 8 Kapitel. Die heilige Eulalia von Emerita (10. Dezember) . 364—371
Zwölftes Kapitel. Die Märtyrer und Krieger Servandus und Ger^
manus 372—375
Dreizehntes Kapitel. Der Levite und Märtyrer Vincentius . . 376—382
Vierzehntes Kapitel. Die Märtyrer Spaniens — im Allgemeinen . 383—386
XII Inhalts- Vcfi ei eh nl89.
Seite
Fünfzehntes Kapitel. Die Inschriften — keine Quelle für die Ge-
schichte der ersten Jahrhunderte der Kirche Spaniens . . 387 — 392
Sechszehntes Kapitel. Die Grunde der Christenverfolgung: unter
Diocletlan 393—409
Nachtrag zum ersten Buche 410- 412
Erster Nachtrag zum zweiten Buche 413
Zweiter Nachtrag zum zweiten Buche 414
Register 415 — 422
Erstes Buch.
Der Apostel Paulus in Spanien.
Erstes Kapitel.
Der EntscUnss des Apostels, nach Spanien zn gehen.
JJer Apostel Paulus befand sich zu Corinth, als er den Brief .an
die Römer schrieb. In demselben spricht er seinen Entschluss aus, nach
Spanien zu reisen, und den Weg über Rom zu nehmen (Rom. 15, 24; 28).
Was hatte in dem Apostel diesen Entschluss hervorgerufen? Als
er an der östlichen Grenze von Europa stand, und nur durch eine
schmale Meerenge von demselben getrennt war, hatte Paulus in der
Nacht ein Gesicht: Ein macedonischer Mann stand da, bat ihn, und
sprach: Ziehe hinüber nach Macedonien, und hilf uns. Ueberzeugt, dass
ihn Gott nach Europa berufen , ' eilte Paulus alsbald von Troas nach
Philippi (Ap. G. 16, 9 — 12). — Als Paulus später in Ephesus weilte,
sprach er zu den Brüdern: Wenn ich in Jerusalem werde gewesen
seyn, so muss ich auch Rom sehen (Ap. G. 19, 21). — Rom war die
Hauptstadt der Welt; dahin zog es den die Welt im Geiste umfassen-
den Apostel. Aber noch weiter verlangte der Apostel zu ziehen; er
wollte die Grenze der Erde im Westen erreichen. Spanien war das
Ende der (damals bekannten) Welt; dort waren die Säulen des Her-
kules , die Grenzen der Wanderschaft des Heros der Heidenwelt. Der
Apostel der Völker, der Lehrer der Heiden, der von sich rühmen konnte,
dass er von Jerusalem an, in dem ganzen Umkreise bis nach Illyrien
alles mit dem Evangelium Christi erfüllt, dass er dieses Evangelium
nicht da gepredigt habe, wo der Name Christi schon bekannt war, damit
Garns, span. Kirche. 1
2 Erstes Bach. Erstes Kapitel. ' '
er nicht auf fremdem Grunde bauete (Rom. 15, 19 — 20), — verlangte
gleichfalls bis an das Ende der Erde die Botschaft von dem Heile der
Welt in Christus zu tragen.
Er verlangte darnach, da er wusste, dass mehrere der übrigen
Apostel in die fernen Länder des Ostens gezogen, die Grenze des
Westens der Erde*zu erreichen, um so jene Worte, so weit er es ver-
mochte, in Erfüllung zu bringen, die er in demselben Römerbriefe aus-
spricht: Wie lieblich sind die Füsse derer, welche den Frieden ver-
künden, die frohe Bb tschaft von dem Guten bringen (Jes. 52, 7)! —
Ueber die ganze Erde gehet aus ihr Schall, und bis an die Enden des
Erdkreises ihr Wort (Ps. 18, 5. Rom. 10, 15 — 18). — Wenn man vom
Ende der Erde im Westen sprach, so dachte man nur an Spanien, an
Spanien jenseits der Meerenge. Britannien, damals noch kaum bekannt,
galt nie als das westlichste Land, und von Irland hatte man die falsche
Vorstellung, dass es nördlich von Britannien liege.
Der nächste und innere Grund, welcher in dem Apostel den Ent-
schluss seiner Missionsreise nach Spanien hervorrief, war sein die Welt
umfassender Geist, in welchem er allen alles werden wollte, um alle
zum Heile zu führen (1 Cor. 9, 22). — Aber es fragt sich, ob Paulus
keinen besondern Anlass oder Antrieb, keinen Anstoss von aussen er-
halten habe, den Entschluss seiner Reise zu verwirklichen. Die Ant-
wort, dass er daselbst günstige Verhältnisse für die Aufiiahme des Chri-
stenthums voraussetzte, dass seit alten Zeiten ein lebhafter Verkehr
zwischen Palästina und Spanien stattgefunden habe, ist offenbar zu all-
gemein. Juden gab es damals in Spanien in grosser Zahl, besonders
in allen Küstenstädten von Emporias an bis Gades. Sie selbst behaupten,
dass sie schon zur Zeit des Königs Salomo in Spanien sich angesiedelt
haben. Sicher ist jedenfalls, dass sie etwa ein Jahrhundert vor Christus
aus Afrika nach Spanien kamen, wo sie bald sich mehrten, grossen Ein-
fluss erlangten, und zahlreiche Prgselyten aus dem Heidenthimie, später
auch aus dem Christenthume an ^ch zogen ^).
Da, wo Juden in grosser Zahl wohnen, zogen und ziehen auch stets
neue Juden nach. — Suetonim Leben des Claudius, und überein-
stimmend damit die Apostelgeschichte berichten, dass der Kaiser Clau-
dius alle Juden aus Rom vertrieben habe, weil die Juden Unruhen
gegen die Christen erregten ^). Diess geschah im Jahre 52 n. Chr. —
') Jost, Qeschichte der Israeliten seit der Zeit der Maccabäer bis auf unsere
Tage. 1825. Tbl. V, 13; 17 f. — Hefe le, der Kardinal Ximenes. 2t«Aufl. 1851.
S. 256 f. — »Die Juden in Spanien." — Synode von Elvira, Canon 16, 49, 50.
— Jost S. 32-34.
') Sueion. Claud. 25. Judaeos impuisore Chresto eusidue tumuUuantes Roma ex-
puUt, Acta aposU 18, 2, Eo quod praecepiuei Claudiu» diacedere ornnes Judaebs
a Roma,
Der^^tstibluss des Apostels, oach Spanien zu gehen. 3
Die Ausweisung traf Juden und Christen gleichzeitig/, da wenigstens
in Rom damals die Christen nur für eine Sekte der Juden galttti. So
hatte anich dm christliche l^bepaar, Aquilas, gebürtig aus Pontus^ und
Priscilla — Rom verlassen müssen. Sie kamen nach Corinth, und
trieben ihr Grewerb^ als Zelttuchmacher. Bei ihnen fand Paulus Auf-
nahme, und da er desselben Gewerbes war, nahm er bei ilineh Arbeit ').
Nach anderthalb Jahren begab sich Paulus mit ihnen nach Ephesus,
wo er sie bald verliess. Nach seiner Rückkehr blieb er über zwei Jahre
zu Ephesus (bis 56 n. Chr.), wo sie noch weilten. Dann brachte er
drei Monate in Griechenland zu, wo er, von Corinth aus, den Brief an
die Römer schrieb (57 oder 58 n.Chr.). Inzwischen war Kaiser Clau-
dius ermordet worden (54 n. Chr.), und Nero ihm gefolgt.
Von den vertriebenen Juden und Christen kehrte eine grosse An-
zahl, soweit dieselben nicht durch ihre neuen Verhältnisse festgehalten
waren, nach Rom zurück. Unter den Zurückgekehrten befanden sich
auch Aquilas und Prisca. Denn Paulus grüsset sie von Corinth aus mit
den Worten : Qrüsset mir die Prisca und den Aquilas, meine Mitarbeiter
in Christo Jesu, welche für mein Leben ihren Nacken dargeboten haben,
und welchen nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden Dank
sagen, und grüsset die Gemeinde in ihrem Hause (Rom. 16, 3 — 5).
Bei dem langen Zusammenleben des Apostels mit Aquilas und
Prisca kam gewiss nicht selten die Rede auf das grosse, weite Feld der
Missionen, und wenn nicht sonst, so erfuhr es der Apostel von ihnen,
dass eine grosse Zahl der unter Claudius aus Rom vertriebenen Juden
und Christen ihren Weg nach dem gesegneten Spanien eingeschlagen,
dem reichen und fiiichtbaren Lande, mit welchem sich höchstens Italien
messen konnte ^). Eine reiche Ernte für das Christenthum winkte von
dort her. Aus Ephesus, und fast aus Kleinasien war der Apostel ver-
trieben; eben besuchte er Griechenland. In diesen Gegenden hat er
nirgends mehr einen neuen Ort der Wirksamkeit (Rom. 15, 23). Nach
Jerusalem will er nun geben, um dorthin die Liebessteuer fiir die Chri-
sten zu bringen. Rom, wohin er allerdings seit vielen Jahren zu gehen
Verlangen hatte, bedarf seiner bleibenden Gegenwart nicht. Denn schon
blühte dort eine Gemeinde, deren Glaube in der ganzen Welt verkün-
digt wird. Wenn er dennoch vorübergehend dorthin gehen will, so
geschieht es ebenso, um sich an der dortigen Gemeinde zu erbauen,
wie sie zu erbauen (Rom. 1, 8, 11 — 13; 15, 23 %.)•
») Ap. G. 18, 2 — 3; 18-20. — Rom. 16, 3 — 5. — 1. Cor; 16, 19.
•) Pliniua, hüt, nat, L 37, 77 , 203 in fin, — Ab ea (ItaUa) excepHs Indiae fahulosis
proxumam equidem duxerim Hispaniamf quacwique ambitur mari; quamquam squalidam
ex parte, verum, M gignit, feracem frugum , olei, vini, equorum metaUorumque omnium
generum, — Ed, Sillig, t, 5, p, 467, 1851,
4 Erstes Buch. Erstes Kapitel. Der Entschluss 'des Apostels etc.
Aber in dem fernen Spanien ist dem Geiste und der Sehnsucht des
Apostels ein neues Feld der apostolischen Thätigkeit aufgegangen. Diesem
Lande will er seine noch übrige Zeit widmen. Er will ^Rom sehen** im Vor-
übergehen, aber in Spanien will er bleiben. Bei der grossen Entfernung
des Landes, und bei seinem vorgerückten Alter, nachdem er bereits
dreissig Jahre unter unendlichen Mühen und Leiden das Evangelium
gepredigt hatte, traten wohl andere Pläne für jezt in seinem Geiste
zurück. — Er nimmt darum auch aus diesem Grunde feierlichen Ab-
schied zu Milet von den Aeltesten der Gemeinde zu Ephesus, und
versichert sie, dass sie nach seiner innersten üeberzeugung sein Ange-
sicht nicht mehr sehen würden (Ap. G. 20, 17 — 38).
Ob sie sein Angesicht noch einmal gesehen haben, wissen wir nicht
bestimmt zu sagen. Sicherer aber ist, dass Paulus seinen Entschluss,
nach Spanien zu reisen, zwar auf weiten Umwegen des Raumes und
der Zeit, dennoch zu seiner Zeit ausgeführt habe. Er kam nach Jeru-
salem, von da nach Cäsarea, von Cäsarea, weil er an den Kaiser appellirt
hatte, nach Rom. Durch tausend Todesgefahren hindurch kam er dazu,
Rom zu sehen, und es erftiUte sich, wenn auch auf anderm Wege, als
er es vermuthet oder gehofft hatte, sein eigenes prophetisches Wort:
Wenn ich in Jerusalem gewesen seyn werde, so muss ich auch noch
Rom sehen (Ap. G. 19, 21). In Rom durfte er in einer sogenannten
freien Gefangenschaft (libera custodia) mit dem Soldaten bleiben, der
ihn bewachte. *Er blieb zwei volle Jahre in seiner gemietheten Woh-
nung, nahm alle auf, die zu ihm kamen, und predigte Christus frei-
müthig und ungehindert (Ap. G. 28, 30—31).
Zweites Kapitel.
Das Zengniss des Clemens von Rom für die Reise des Apostels
Paulus nach Spanien.
§. 1. Die Worte des Clemens.
Da über die lezten Jahre des Apostels Paulus, sowie auch über
die Wirksamkeit des Petrus , die Nachrichten fehlen , so kann dieses
Schweigen ebenso wenig als Zeugniss gegen, wie für die Reise des
Paulus nach Spanieii in Anspruch genommen werden. £benso wenig
kann die dui;ch das ganze Alterthum verbürgte Thatsache seines Martyr-
todes in Born gegen die Reise nach Spanien geltend gemacht werden,
da dem Apostel (vom J. 63 an) noch mehrere Jahre für seine Missions-
thätigkeit übrig blieben.
Es giebt nirgends ein Zeugniss, welches sich gegen die Reise nadfai
Spanien ausspräche. Denn die später anzuführenden Worte der Päpste
Innozenz!., Gelasius I. und Gregor YII. können und müssen auf eine
andere Weise erklärt werden. Auch würden sie gegen jßrühere und
bestimmte Zeugnisse nicht durchschlagend sejn. Clemens von Rom
aber bezeugt in seinem Briefe an die Corinthier die Reise des Apostels
Paulus nach Spanien. Sein Zeugniss ist entscheidend. Er war Mit-
arbeiter und Zeitgenosse des Paulus (Phil. 4, 3). Er konnte und er
musste die Thätigkeit und die Schicksale des Paulus in den lezten Jahren
seines Lebens wissen; er konnte sie auch bei den Corinthiem im All-
gemeinen als bekannt voraussezen. Sein Zeugniss aber lautet ^) : Durch
*) ^UL (^ijloy \xai o] rFavXog vnoium^ ßgaßeioy v{jite6x]^i iitrcotic degfia popdöaCy
9>[vya\d€uS'eiff , Xi-d^iöS-sig. IGjqv^ y[ev6]fievog ev ts Tjj ccvaToiirj xai ev [r^J dvßeiy
To yeyvaiov rv/g xtßr^fog ocvrov xXeog eJtaßev, dixouoövvijv öM^ccg oXov rov xoO/jboVf
xa[< ijti] ro rigfia r^g dvaetag iJiSwy, xai fJuxQTV^ijöag Mi räv lyyovfjuvtav,
Ovrtag obet^/.iayjj tov xogfwvy xai eig rov äytov t6xov exo^BvSijy vxa(W)n^ yevofievog
(uytßrog vnoyQafxgJuog,
6 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
seinen Eifer ist auch Paulus des Lohnes der Ausdauer theilhaftig ge-
worden, welcher siebenmal die Fesseln trug, vertrieben und gesteinigt
wurde. Nachdem er ein Herold (des Glaubens) geworden in dem Mor-
gen- und dem Abendlande, erlangte er die würdige Glorie für seine Glau-
benstreuC; er — welcher den ganzen Erdkreis die Gerechtigkeit gelehrt,
und nachdem er bis zu dem Ende des Abendlandes gelangt
war, unter den Statthaltern den Martyrtod erlitt. So verliess er die
Erde, und ging hin an den heiligen Ort, nachdem er das grösste Vor-
bild der Beharrlichkeit geworden war.
§. 2. •Spanien, »das Ende des Abendlandes«.
Wir haben nun zu zeigen, dass man unter dem „Ende des x\bend-
landes* Spanien verstehen müsse und es allein darunter verstehen könne.
Td T^Qficc heisst nur das Ende oder die Grenze, hat also nicht die Be-
deutung von flnes oder das Gebiet. Clemens kann nicht sagen wollen,
dass der Apostel das Gebiet des Abendlandes betreten habe. Denn er hat
schon vorher gesagt, dass er im Morgen- und im Abendlande gepredigt
habe. Hier kann er unter dem „Abendlande" Italien und Rom ver-
stehen; so konnte er auch sagen, wenn der Apostel nur die Grenzen
Europa's im Osten betreten hätte. Aber in der rhetorischen Weise der
Steigerung sagt er weiter, dass er in der ganzen Welt ein Lehrer der
Gerechtigkeit gewesen, und dass er bis an die Grenzen des Abendlandes
gelangt sei, dass er sodann in Rom gelitten habe.
Zu der Zeit, als der Kardinal Baronius seine Annalen der Kirchen-
geschichte schrieb, waren die Briefe des Clemens noch nicht wieder auf-
gefunden worden. Jedenfalls führt er dessen gewichtiges Zeugniss für
die Reise des Paulus nach Spanien nicht an. Vielmehr beginnt er unter
den Griechen mit Hippolyt (aus einer unächten Schrift), unter den La-
teinern mit Hieronymus *). — Alexander Natalis verfasste seine
Kirchengeschichte zu einer Zeit, wo der Brief des Clemens längst im
Abendlande bekannt war. Der berüchtigte Cyrillus Lucaris hatte im
J. 1628 dem Könige von England, Karl L, einen sehr alten Codex des
A. und N. Testamentes, den sogenannten Codex Alexandrinus, geschenkt
Am Rande desselben wurde der erste Brief des Clemens gefunden, mit
einem Fragmente des zweiten Briefes. Patricius Junius gab ihn zu-
erst 1633 griechisch heraus. — Cotelerius Hess die erste Gesammt-
ausgabe der apostolischen Väter erscheinen — Paris 1662- Von der Kirchen-
geschichte des Alexander Nat. erschien 1677 der erste Band über das
erste christliche Jahrhundert ; schon 1686 erschien der vierundzwanzigste
und lezte Band. Die Reise des Paulus nach Spanien vertheidigt Alex.
*) Baron, ann. a. 61, 3,
$. 2. Spanien, wdas Ende des Abendlandes*'. 7
NataliSy kennt aber noch nicht das geiinchtige Zeugniss des Clemens von
Rom für dieselbe *).
Anderer Meinung ist der gelehrte und gemässigte Tillemont, von
dessen Kirchengeschichte der erste Band im J. 1693 erschien. Erkannte
wohl die Worte des Clemens von Rom, aber er glaubte ihnen kein Ver-
trauen schenken zu sollen ^). Er führt die Worte des Clemens an,
dass Paulus bis an die Grenze des Abendlandes gekommen , und fugt
bei: diess wäre ein viel stärkerer Beweis für die Reise nach Spanien,
als was sonst von Väterstellen angeführt wird. Denn es scheint, dass
die Väter nur aus Anlass dessen, was Paulus in dem Briefe an die
Römer schreibt, seine Reise dahin berichtet haben. Aber „es scheint mir,
dass Clemens einfach sagen wollte, dass Paulus, als er vom Abendlande
in's Morgenland zurückgekehrt sei, noch einmal ,in das Abendland zurück-
kehrte und dort als Märtyrer litt, indem er tegfjLa für Grenzen, Gebiet
nahm^. Es sei ein bemerkenswerthes Zeichen, dass man nirgends in
Spanien eine Spur von der Predigt des Paulus finde. Daraus sieht man,
dass Tillemont überhaupt der Annahme der Reise des Apostels nach
Spanien abgeneigt ist. — Saccarelli^j stellt in seiner Kirchenge-
schichte Meinung gegen Meinung, und lässt im Ganzen die Frage offen.
Von den Neuem hat sich kaum Einer dem Eindrucke der Worte
des römischen Clemens entziehen können. Es sind aber verschiedene
Versuche gemacht worden, den Werth dieses Zeugnisses abzuschwächen«
Hase spricht von gelehrten Vermuthungen *). — Guericke beugt sich
vor dem Zeugnisse. Er nimmt an, dass Paulus nach seiner Befreiung
im J. 63 oder 64, ohne Zweifel noch vor dem Ausbruche der Nero-
nischen Verfolgung gegen die Christen, eine apostolische Reise nach
Spanien, und zwar vielleicht nach der Reise in den Orient gemacht
habe. „Die ganze grosse Schaar aller lebender und bleibender Christen-
gemeinden von jener Metropole des Römischen Orients (Antiochien) j^bis
zur Grenze des Occidents* war die Frucht seines Lebens, und das Mo-
nument seines Grabes *).*
Rauscher zweifelt an der Reise, weil in den nach der ersten Ge-
fangenschaft geschriebenen Briefen von einer so weiten, für Asiaten vor-
züglich auffallenden Reise wenigstens eine Spur vorkommen müsste.
Die Worte: bis zum Ende des Abendlandes — können sprachrichtig
auch „bis zum fernen Abendlande^ übersezt werden, und der Name
') NataUs Alexandri in Historiam ecclesiasticam saectdi I. dissertatio XV. — de ßdei pro-
pagatione in Hisptmüs.
'i Tillemont, m^oireSf t. I. Notes sur S, PauL not 73, Ce qu'on dit du voyage de
S, Paul en Espcigne et dans les Gaulee , incertcun. ^
») Saccarelli, Eist ecc, I, 276 sq. (1771).
*) Hase, K. G. 6^ Aufl. S. 29.
*) Guericke, Handbach der Eircheng^eschichte, 7^ Aufl. 1849, Bd. I, 90.
8 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
^Hesperien'' machte die Griechen an das Abendland denken '). — Aber
Clemens hatte ja eben vorher dieses gesagt. Er will nun. in rednerischer
Steigei'ung noch mehr sagen, dass Paulus nicht bloss nach Hesperien,
nicht bloss in das ferne, sondern in das fernste, also an das Ende von
Hesperien gekonamen sei.
Der gelehrte Pearson hat in seiner Schrift : „Ueber die Succession
des römischen Papstes^ ^) gezeigt, dass das Ende des Abendlandes
Spanien sei. Auf Spanien beziehen diese Worte auch Neander ^), Hug*),
Olshausen^). Schott^) und Wocher ^) bezogen die Worte des Clemens
auf Spanien oder ein anderes entfernteres Land. Auf England beziehen
diese Worte aus englischem Hyperpatriotismus die Engländer üsher ®)
und Stillingsfleet ®).
Italien, und Rom im Besondem verstehen darunter alle, welche
eine zweite Gefangenschaft des Apostels in Rom leugnen, z. B. Baur *°),
Schenkel") u.a.m. Andere, wie Matthies '^), erklären das ^Ende^ für
„Mittelpunkt^, das heisst für Rom. Schrader*^) versteht unter dem
.„Ende des Abendlandes^ allerdings dieses Ende, aber gegen das Mor-
genland hin.
Mit Recht bemerkt Bisping *^) in seiner Erklärung des Römerbriefes
gegen eine solche Deutung, dass nicht Rom und Italien, sondern Spa-
nien damals als die äusserste Grenze des Abendlandes galt. „Wollten
wir auch zugeben, dass nach der Anschauungsweise der Orientalen Rom
allenfalls y,das Ende des Abendlandes* (to reg^a rtjg Svöeoog) genannt
») Rauscher, K. G. 1,167.
*) Pearson, de serie prim. rotn. pont. 1688. p. 62.
•) Neander, Geschichte der Gründung- und Leitung der apostolischen Kirche.
Ite Aufl. Bd. I, 265. — Kirchengeschichte, 2*e Aufl. S. 145.
*) Hug, Einleitung in das N. T. II, S. 322.
») Olshausen, in «Studien und Kritiken-, 1838, 4,953-57.
«) Schott, Erörterung chronologischer Punkte, 1832, S. 123.
') Wocher, Tübinger Quartalschrift, 1830, 626 flg.
*) UsseriuSf Brit eccles. Ant. c, 1. 1639. 1687.
') Origines britann. p. 1. (1842).
*«) Tübinger Zeitschrift für Theologie, 1831, H. IV, 150 f. — Baur, Pastoralbriefe
des Apostels Paulus, 1835, S. 63 flg.
'*) Schenkel, Studien und Kritiken, 1841, I, S. 75. — -Sic erklären repfxa ri^g
dv6e(x>g = ro regua iavrov, 6 ev rfj dvöei (das eigene Ende seines Lebens, das
im Abendlande erfolgte), eine ebenso künstliche, als sprachlich unrichtige Er-
klärung, denn wohl sagt man: re^/uia rov ßiov^ aber von dem, der in Rom ge-
storben, sagt man gewiss nicht: elg riQfxa rrjg ^(afirjg iJt^cav.
") Matthies, Erklärung der Pastoralbriefe , 1840, S. 186 — re^fia = meta, cen-
^ trum Oeddentisy daher Rom.
*') Schrader, der Apostel Paulus, I. Tbl. Chronologische Bemerkungen über
sein Leben (1830). S. 234.
»0 Bisping, Römerbrief, 1854,. Münster, S. 58—59.
$. 2. Spanien, »das Ende des Abendlandes". 9
werden könnte, so ist es doch ganz unmöglich, dass dn.Mann, der in
Rom selbst lebte, und von hier aus seine Worte schrieb, bei jenem
Ausdrucke an Rom sollte gedacht haben. In dem Munde des heiligen
Clemens, und in der Verbindung, worin diese Worte hier vorkommen,
können sie nur Spanien bezeichnen.''
J. A. Stark *) in seiner „Geschichte der christlichen Kirche des
ersten Jahrhunderts*' meint, die Worte, das „Ende des Abendlandes''
seien in dieser Fassung nicht klar genug.
Wieseler ^). in seiner Chronologie des apostolischen Zeitalters hat
den Einfall, unter „Ende des Abendlandes'' die höchste Gewalt der
Herrscher des Abendlandes zu verstehen. Ebenso erklärt Schaff, luthe-
rischer Professor zu Mercesburg in Pennsylvanien, der zur Zeit seines
Aufenthaltes in Europa ein geistreiches Buch: „Geschichte der apostoli-
schen Kirche" (Leipzig 1854), erscheinen liess, jene Worte: Paulus
„war vor der höchsten Gewalt des Abendlandes erschienen" ^).
*) Stark, Dr. Joh», Geschichte der christlichen Kirche des ersten Jahrhunderts,
2 Bd. Berlin u. Leipzig*. 1779. S, 266 — 67. — Clemens von Rom meldet, dass
Paulus auch bis an die äussersle Grenze gegen Westen gekommen sei. — Was
fiieruntcr zu verstehen sei, ist sehr zweifelhaft; wenigstens ist reg/ma rijg dvöecog
ein sehr unbestimmter Ausdruck. Einige haben diess sogar von Britannien ver-
stehen wollen i^Theodoret. in epist, IL ad Timoth. [ein unrichtiges Citat!]) und
Cave in Antigu. Apost.p.503, — dann andere, sowohl ältere als neuere, von
Spanien, denen wioder von andern widersprochen worden. Baronii. 61. —
Centuriat Magd. Cent, I. §. 2. *) p. 458 — verglichen mit Basnage, exerc. ad
Baron, p, 511 und Spier in Histor. critica de Hispanico Pauli itinere. Vitemh. 1742.
— Wider die Wahrscheinlichkeit ist nichts, indem Paulus schon lange vorher,
ehe er den Brief an die/ Römer schrieb, den Vorsaz äusserte, nach Spanien zu
reisen. Ob er aber diesen Vorsaz wirklich in Erf#llung gebracht, und ob er
nach seiner Rückkehr aus dem Orient nach Spanien gereiset, und von da erst
nach Rom gekommen, oder ob er von Rom nach Spanien, und von da zurück-
gereist, und also zum drittenmal nach Rom gekommen sei, ist sehr ungewiss.
Er kann sich' diese Reise, wie manche andere, vorgesezt, aber nicht zur Wirk-
lichkeit gebracht haben. Zweifeln wird hier immer das sicherste seyn (MilUi
prolegom. ad N. T. num. 122). — Aehnlich spricht sich Stark S. 444 aus.
*) Wieseler, Chronologie des apostolischen Zeitalters, Göttihgen 1848, S. 526
bi^ 533. •
') Schaff S. 347 f.: »Nachdem er (Paulus) vor der höchsten Gewalt des Abend-
landes erschienen, und Zeugniss von Christus abgelegt hatte vor der Obrigkeit.«
Er sucht den Beweis zu führen, dass repfia die höchste Gewalt bedeute, und
beruft sich auf Euripides /Stfpp/. ßl5 — xcdxav cT aya^pvxou^ S-eoi ß^orolOi vifiovöiy^
axavTcoy re^jui' exovreg avroi — hier heisst tsq/xcc Ende, Ziel, und höchstens Be-
stimmung oder Gewalt über das Ende der Leiden. Aehnlich Eurip. OresL 1343.
— Er beruft sich auf Sophokles Oedip, colon. 724 — 25 — i^ vfuov iuoi <paiyoir^
ay ij^ reQfJba rr/g GiOTVjqioüs. — Die Stellen finden sich in dem Lexikon von
Passow 8. v. TBQfia. Wenn aber ri^fia jemals die Bedeutung von obrigkeitlicher
oder oberster Gewalt hätte, was nicht der Fall ist, was wurde dann ri^g dvßetog in
diesem Zusammenhange bedeoten? Wer hat jemals g^ehört, dass das römische
10 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
Spanien versteht unter dem ^Ende des Abendlandes*^ auch D Si-
lin ger, wenn er u. a, sagt: ^Hier liegt eine bestimmte geogra-
phische Angabe vor, ein in Rom Schreibender kann unter der Grenze
des Westens nicht Rom selbst verstehen. Dass Paulis überhaupt auch
im Westen gepredigt habe, hatte Clemens zuerst schon gesagt, er will
aber, um die allumfassende heroische Thätigkeit des Apostels noch an-
schaulicher zu machen, noch etwas Grösseres hinzufugen, dass er nem-
lich auch bis !^ur äussersten Grenze des Westens, also jedenfalls zu
einer der westlichsten Provinzen des Reiches gekommen sei*).**
Mit Ausnahme Hase's nehmen alle angeführten Gegner der Reise
des Apostels nach Spanien wenigstens so viel an, dasö Clemens, als er
um das J. 95 n. Chr. seinen Brief an die Corinthier geschrieben, eine
bestimmte und genaue Kenntniss von den lezten Schicksalen des Apo-
stels Paulus gehabt habe. In der That wäre es fast unbegreiflich, wenn
er, ein Zeitgenosse und wohl auch ein Schüler des Paulus, Vorsteher
der Kjrche jener Stadt, in welcher Paulus für den Glauben starb, der
zudem noch das Martyrthum und die Zeit desselben — unter den Statt-
haltern^) — unter den Stellvertretern des A. 67 und 68 in Griechen-
land und Unteritalien abwesenden Kaisers — angiebt, nicht gewusst
haben sollte, was mit dem Apostel in den lezten Jahren seines Lebens
geschehen, und wohin er gegangen sei. — Die Aechtheit aber dieses
Briefes zu leugnen, oder die betreffende Stelle als Einschiebsel zu er-
klären, ist noch Niemand eingefallen. Es ergiebt sich also unwider-
leglich, dass — im Zusammenhalte mit dem von dem Apostöl selbst
zweimal und in der klarsten Weise ausgesprochenen Plane — Clemens
die Reise des Paulus nach Spanien bezeuge ^).
Reich das Reich des Abendlandes genannt wurde, das Reich, welches damals
bis zum Euphrat reichte? Es heisst Imperium romanutttf es heissl orbis terrarum
romanuSf es kann heissen Imperium occidentis et orientisy es hat aber nie imperium
occidentia geheissen.
') Vergl. zu dem Ganzen Windischmanrif Vindtdae Petrinaef p. 62. — He/ele,
patrum apostolicorum op. ed, IV. 1855. p. 60. — Döllinger, Christenthum und
Kirche in d. Zeit d. Grundlegung, 1860, S. 80. •
') ^Ejti Ttav iffOüfur^fäfv — vor dem Sladlpräfektcn — übcrsezt Döllinger a. a. O.
S. 83. He feie l. c. sub Tigeüino et Nymphidio Sabino uUimis Neronis annis et
praesertim Nerone in Graeciam profecto dominantibus. — 8. ^ug, Einl. II, 233. —
Windischmann L c. 64, — Andere verstehen es von Helius Cäsarianuä und Po-
lycletus, des Nero Freigelassenen und Günstlingen, welche zur Zeit der Ab-
wesenheit des Nero in Griechenland — 67 — die höchste Gewalt hatten. Nean-
der — Pflanzung und Leitung , I, 265, und Schaff /. c. 347, erklärt es ohne
Grund: er hat vor den Obrigkeiten und Machthabern der Welt den Glauben
bekannt. S. Kapitel 3.
^) Lange, die Geschichte der Kirche. Erster Theil (2,1). Das apostolische Zeit-
alter, 1853. S. 364; 386; 3$8. »Pie fünfte und lezte Misslonsreise (des Paulus),
$. 3 Was verstand das Alterthinn unter dem Ende des Abendlandes? 11
§. 3. Was verstand das heidnische und christliche
Alterthum unter dem Ende des Abendlandes?
Wir wollen den Fall sezen, dass wir den Entschluss des Apostels
Paulus, nach Spanien ztr gehen, nicht aus seinen eignen Worten wüssten,
dass wir ferner nicht aus dem sogenannten Codex des Muratori ein
weiteres bestimmtes Zeugniss für die Reise des Apostels nach Spanien
hätten, so wären die Worte des Clemens, dass er bis an das Ende des
Abendlandes gekommen, dennoch ein so bestimmtes historisches Zeugniss,
dass wir die Reise des Paulus nach Spanien annehmen müssten. Denn im
Alterthume verstand man unter dem Ende des Abendlandes nur Spanien;
man verstand darunter namentlich nicht Britannien, Irland, Gallien,
Mauritanien , oder irgendeine Insel des westlichen Meeres , so dass Cle-
mens sich dieser Worte bedienen konnte, weil er wusste, dass die Corin-
thier und alle seine Leser nur Spanien darunter verstehen — würden.
Wenn wir die griechischen Worte: räg^ia rrjg Svaetag in das La-
teinische übersezen, so bedeuten sie finis Hesperiae — oder besser: ultima
Hesperia — das äusserste Abendland, oder das äusserste Land gegen
Westen. So wird dieser Ausdruck bei Horaz gebraucht. — Numida,
einer seiner Bekannten, ist wohlbehalten von dem „Ende des Abend-
landes ** zurückgekehrt'). Dieses Wort gebraucht er nur von Spanien;
wenn er sonst des Wortes „H^sperien^ sich bedient, so meint er Italien,
wie ja bei (den) alten Dichtern , besonders häufig bei Vir^l, Lucan u. a.
„Hesperien'' der' stehende Ausdruck für Italien ist ^). Derselbe Dichter
Horaz bedient sich wiederholt bei der Bezeichnung anderer Länder und
Völker des Ausdruckes: das äusserste, das lezte; er spricht Yiamentlich
von dem äussersten Numidien, dem äussersten Afrika, dem äussersten
Britannien, aber der Ausdruck „das äusserste Abendland^ kommt bei
welche ihn bis in den Martyrtod führte, ist im Allgemeinen ebenso gewiss,
wie sie im Einzelnen in geschichtliches Dunkel gehüllt bleibt.«
') Hbrat» Carmin. I, 36. — Et thure et ßdibus juvcU
Placare, et vituK aanguine debito
Custodes Nümidae deosy
Qui nunc Hesperia sospes a6 ultima etc.
Dazu Mitsckerlick: Hiapania, ultima terrarum versus Occidentem^ vel omnino
lonffinquOf ut uüima Africa, II, 18^.3.
*) Hesperia ultima, „Diatinquit eam Hesperiam, quae pro Italia ponitur, ab Hispania,
quae est ad occidentem versa. Nam alias apud hunc poStam Italia sign\ficatur, ut
Carm.-3, 6 V. 8, — 4,5 v. 38, — Bei Virgil steht Hesperia für Italien an
zahlreichen Stellen, z.B. Aen. 1, 530 und den Servius dazu. — Bei Lucan^
Pkarsalia 1, 29; 224. - 2, 56; 195; 318; 534; 608; 734. — 3, 4; 48; 64; 369,
12 Erstes Buch. Zweiieu Kapitel.
ihm bloss für Spanien vor ^). Die Britannier sind ihm wohl die ausser-
sten Bewohner des Erdkreises, nemlich nach der Seite der Welt hin,
nach welcher sie wohnen, nicht aber die äussersten des Westens. Ih
ähnlicher Weise nennt Virgil die Britannier die Abgeschiedenen von der
ganzen übrigen Welt^).
Catullus allein nennt Britannien die äusserste Insel des Abend-
landes^), daraus aber darf man nicht folgern, dass er es für das Ende
des Abendlandes halte. Als solches galt den Schriftstellern in Italien
und in Rom stets Spanien, und näher die Meerenge oder Gades. W^oUte
man aber auf diese Worte des CatuU ein allzu grosses Gewicht
legen, so werden sie sogleich wieder aufgewogen durch die Worte des
spätem Dichters Lucan, eines Spaniers, welcher — die Spanier für
die lezten oder äussersten des Erdkreises erklärt^).
Im Besondern galten bei den Alten die Säulen des Herkules, das
Land jenseits derselben, und Gades als das Ende der Welt im Westen,
weil den Italienern und den Griechen in dieser Richtung die Sonne
*) Carm, II, 18, 3. — Non ebur negue aureum
Mea renidet in domo hcunar
Non trabes Hymettiae
I^emunt columnaa ultima reciscu Africa.
Hiezu die Erkläcer: de marmore Numidico. Ultimam Africcan dixit poe'ta — sim-
pHciter — remoiam, Umge dissitam, ut vltimoa Gelonos, 2, 20 (18); — Ultimos Bri-
tannos, 1, 35 (29 — 30); ultimam Hesperiam, 1, 36 (4). — Botest et esse: ultima
Africa» pars , quae sc. Romanis innotuit, Numidia, Denn zu den Zeiten des Horaz
war Mauritanien den Römern noch unbekannt, oder ihnen höchstens von den
Zeiten des Krieges mit Jugurtha dem Namen nach und oberflächlich bekannt.
— Die Eroberungen in diesem Lande begannen erst unter dem Kaiser Claudius.
Die Britannier nennt Horaz wohl die äussersten, aber nicht die äussersten
des Westens:
Carm, 1,35 (29—30). Serves iturum Caesarem in Ultimos orbis Britannos,
wobei andere lesen: in (ultimi) orbis Britannos, die Britannier am Ende der Welt.
*) Virgil. eclog» 1, 67. — Et penitus toto divisos (vel diversos) orbe Bntannos.
Aehnlich nenni Virgil die M o r i n e r extremos hominum — Aen. 8, 727, — Bei
Horaz finden sich ferner die Ausdrücke : Me et ultimi noscent Gelohi, Carm. 2, 20
(18), ein Volk am Dnieper 2,9 (23—24), welches unter den den Römern da-
mals bekannten Völkern am nördlichsten wohnte. — Ebenso spricht er von
Occidentis ultimum sinum — ^od. 1, 13. — Ferner: Extremos ad Indos currit mer-
cator — I. epist 1, 45. — Auch die Araber nennt er extremos — I. epist. 6, 6, wie
auch den Fluss Tanais oder Don — 3 Od. 10, !• — v. 3 Od. 11, 47 — 48; —
aber nur Spanien nennt er das äusserste Land des Westens.
^) Ca tu II. 11, 11 — horribiles^ ultimosque Britannos; — ultima Britannia 29, 13. —
fuisti in ultima Occidentis insuki*
*) Lucan, PharsaUa, 7, 540 — 43, Vivant Galataeque, Syrique
Cappadoces, Gallique, extremique orbis Iberi,
Armenii, Cilices: nam post civiUa bella
Bic popuhis Bomanus erit.
J. 3. Was verstand das Alterthnm unter dem Ende des Abendlandes ? 13
unter^ng. Statt zu sa^en, vom Aufgang bis zum Untergange der Sonne
— bediente man sieb des gleichbedeutenden Ausdruckes — vom Auf-
gange, von den äussersten Indern, dem Ganges, dem Tanais u. dergl.,
bis zu den Säulen, oder bis Tartessus, Gades u. dergl. — So beginnt
die berühmte zehnte Satyre JuvenaTs mit den Worten: In allen Län-
dern , -welche von Gades bis zu der Morgenröthe und dem Ganges
liegen*). Weil man glaubte, dass die Sonne in dieser Gegend unter-
gehe, so entstand die Vorstellung, dass sie jenseits der Säulen mit
grossem Geräusche in das Meer hinabsteige^). Strabo führt für diese
allgemeine Ueberzeugung das Zeugniss des Greographen Posidonius an,
nach welchetn das Volk behauptete, dass die Sonne an der Küste des
Oceans grösser untergehe, und mit Geräusch, fast ebenso, als ob das
Meer bei ihrem Erlöschen zische, weil sie in die Tiefe versinke. Lüge
sei aber sov^ohl dieses, als dass ihrem Untergange unmittelbar die Nacht
folge ^). — Auch der Spanier Lucan betrachtet sein Vaterland für das
ättsserste Land der Erde [im Westen *)]. — Dasselbe bezeugt der
Dichter Silius Italiens^), nach gewöhnlicher Annahme aus Italica
bei Hispalis. Auch in späteren Jahrhunderten, als die wahre Lage von
Britannien, und selbst von Irland, bekannter geworden, blieb Spanien
') Omnibus in terriSf quae sunt a GcuUbus usque
Auroram et Gangem j paud dignoscere possunt
Vera bona, atque Ulis muUvm dtversOf remota
Erroris nebula, — Juvenal. 10, 1 — 4.
*) JuvenaL 14, 279— 80, — Sed, longe Calpe relicta
Audiet Hercideo stridentem gurgite solem,
^) Sirabo 5, 1 — 5. Mei^to dvveiv rw ^JUov — fjiera ipo^v xa^ctxXt^uag ^ taöccvei öi-
^cyrog rav xeldyovg xara oßeöiy avroü Sid ro ejuutürreiv ilg rov floSw, ^v&og
(T ehai xai rwro xai ro xapc^Q^fJux vvxra axoAovSeiv fxera jijv dvCty,
\) Lucan, Phars, 1, 404, 2, 54 — 55; 588 (qui ferit Hesp^us post omnia ßumma
BaeUs). 3, 278—79, — Lucan. 5, 453-^54,
' Dux tarnen impaiiens —
Versus ad Hispanas aeies, extremaque mundi, jussit beüa geri.
^) Silius ItalicuSf i^mtoa, i, 141. —
Atque Hominum finem Gades f Calpenque secuius.
cf. 1, 145. 3, 399 —
Armet Tartessus, stabukmti conseia F^oeho,
Das heisst, Tartessus, in dessen Nähe die Sonne untergeht, das gleichsam die
Sonne verschwinden^sieht. Mit besonderer Klarheit spricht der Dichter es aus
— 17, 636 flg. am £nde seines Werkes :
Mox vietas tendens Cartago ad sidera pabnas *
Ib<xt, et effigiss orae jam lenis Biberae
Terrarum finis Gades, ac laudibus oUm
Terminus fferculeis Calpe, Baetisque lavare
SoUs equos duid consueius ßuminis unda —
Vcrgl. Lucret. de rer, nat. 6, 1106:
Quidne quod in Pento est, differre a Gadibus*
14 Erstes Buch. Zweites Kapitel.
das Ende der Welt im Westen. So nennt Mamertinus, der am Anfange
des vierten Jahrhunderts lebte, den Südwesten von Spanien das Land
der untergehenden Sonne ^). Ausonius, der am Ende dieses vierten
Jahrhunderts blühte, und bei Bordeaux lebte und lehrte, spricht die-
selbe Anschauung des ganzen Alterthumes aus^).
An die Dichter schliessen sich die Prosaiker, besonders die Geo-
graphen, an. Herodot ist über den Westen von Europa noch nicht
genau unterrichtet, und gesteht diess offen zu^). Doch kennt .er genau
die Säulen des Herkules ^). Bei Aristoteles kommt schon der Name der
Insel Jeme *) [Irland] vor. Polybius bezeichnet als Grenzen von Europa
einerseits den Don, anderseits dia Meerenge von Calpe®). — Justinus
schliesst sein Geschichtswerk mit Spanien, weil es das lezte, das west-
lichste Land in Europa ist'). Dieselbe Eintheilung und Anschauung
findet man bei Flinius dem Aeltern, welcher nach der im Alterthume
herkönmilichen Weise den Untergang der Sonne und die Meerenge von
Gibraltar zusanmienfiisst "). Auch Pomponius Mela betrachtet Spanien
als das Ende von Europa®).
Mit der grössten Entschiedenheit, und durch Eingehen in spezielle
Nachweise, hebt Strabo die Lage Spaniens als des westlichsten Landes
Europa's und der Welt hervor, besonders auch durch Vergleichung mit
der Lage Mauritaniens, Britanniens und Irland^s. — Irland ist ihm,
nach der unrichtigen Vorstellung des Alterthums, die Grenze Europa's
im Norden. Er sagt u. a., dass die Länge der Erde, das heisst, die Aus-
dehnung von Westen nach Osten, von den äussersten Spizen Spaniens
bis zu den äussersten Spizen Indiens, auf 70,0ü0 Stadien berechnet
werde *°). „Nördlicher als das äusserste Scythien hinter Indien seien die
Gegenden um die Mündung des Hyrkanischen Meeres, noch nördlicher
aber ist Jeme (Irland). — Der westlichste Punkt der bewohnten Erde
') Mamertini genethUiicus m Maximianum HercuUum: Ab ipso solis ortu non modo,
8iA extrema gemptemtrionis plaga; — aed etiam ntb ipso htcU ocecuu, qua Tingitano
Utori Calpeiani moniu obviam latus in mediterraneos sinus admitiit Oceanumf — ruunt
omnea in sanguinem suum populi, quibus nunquam conügit esse Romanis, cap» 16.
') Ausonius epist, 19, PauUno sfto: Condiderat jam solis equos Tartessia Calpe
Sttidebatque freto Titan insigms Ibero.
') ITe^i ruv ev rjj Evptixff tm x^ saxeQVjv e6xaTieuȴ sx^ .*i^ owx argsKetag Xiyeiy.
Herod. 3, 115.
*) Herod, 4, 4^— 43.
^) Aristot, de mundo — (^, Mannert, 1 (2^ Aufl.)) ^^>
•) Pohflf, 3, 37,
') Justin, 44f 1, — Hispania siaUi £uropae terminos claudit, ita et hujus operis fiM
fiUura est
') jP/m. hist, not. 3, i. — Origo ab occasu solis et gadikmo freto. — Hispania prima
terrarum est, ulterior appeüata,
') Pomp, Mela 2, 6 in ßne, lUud jam (fretum) ßnit Europem,
••) Sirabo, B-olegom. 11,6-9 (116) — 11,6- 14 (119),
$. 3. Was verstand das Alterthum unter dem Ende des Abendlandes! 15
ist das Vorgebirge Iberien's, welches das Heilige heisst.^ — Die West-
küste von Afrika ragt wenig über Gades hinaus^ dann zieht sie sich
gegen Osten und Süden zurück*).
Den einzelnen Theilen (Europa^s) nach idt Iberien das allererste Land
von Abend her ^). Das heilige Vorgebirge ist der westlichste Punkt nicht
nur Europa^s, sondern der ganzen bewohnten Erde. Zwar endet die
bewohnte Erde in den beiden Welttheilen gegen Westen mit den Vor-
gebirgen Europa^s und den äussersten Libyen^s, von denen jene die Iberer,
diese die Maurusier inne haben, jedoch laufen die Iberischen Grenzen
an dem genannten Vorgebirge etwa 1,500 Stadien weiter vor; und daher
nennt man denn auch das an diesem hangende Land in der lateinischen
Sprache den Cuneus, womit man die Keilgestalt bezeichnen will.^ —
Strabo blühte zu den Zeiten des Augustus. Ptolemäus, welcher schon
eine theilweise richtigere Vorstellung von der Lage Irlands und Britan-
niens hat, und seine geographische Uebersicht mit diesen Inseln be-
ginnt, lebte in der Mitte des zweiten Jahrhunderts zu Alexandrien.
In der Mitte der Zeit zwischen Strabo und Ptolemäus schrieb Clemens
seinen Brief*).
Die Anschauung aber, dass Spanien das Ende der Welt im Westen
sei, blieb im Ganzen die herrschende, und es blieb Sitte, das Ende der
Welt im Westen von den Säulen des Herkules und dem Cap Sanct
Vincent zu berechnen*).
') Str. 2j 5; 14f 15 (119 — 20). ^vgßtxtarocroy fiev yap ßr^fieiov rrjg oixovtjuvi^g ro rav
^Ißi/Qiav dxptonjptov, 6 xaJLovöiv '/epov. ~ (ed. Kramer, 1852.)
'I Sir. 2,5-27 (127). Vergl. 3, 1 - 2 (136) ; 4 (137).
'j S. For biger, H., der Alten Geographie, 2 Bd. 1848, S. 1 flg. «Spanien, Eu-
ropa*8 erste» Land vom Westen her« u. s. w. Strabo 3, 127, 136, 137. — Man-
ne rt hat in dem l"*«" Bande s. Geographie der Griechen und Romer (2*® Aufl.
1799. 3^ Aufl. 1827), 2 Karten ; die erste : Tabula omnis terrae habitatae ad mentem
Eratoathenis et Strabonis expressa, die zweite: Terrae habitatae delineatio ad mentem
. Ptolemaei expressa, nach welchen beiden Spanien westlich weit über England,
Irland und Afrika hinausreicht.
*) Procopiue, bell Vandal. 1, 1. — de beüo Gothico, 4, 6; cf, 4, 20, wo er zwischen
den Inseln Brittia und Britannia unterscheidet, und behauptet, dass Brittia zwi-
schen Britannia und Thule liege — ßperrcevia xqoq dvorrd jtov xelrai yJitov xara
T^ *j0jeocv(äv ra eöxara x^'^^^y oif^*' Oradiovg ovx ^CCw ^ «f rerpocxi^Utovg ryg
i^xeipov Siexovöa, B^irria (T iff r^ PoXHotg ra oxiSSev, a dij stpog dxeccvov re-
r^a/uifjieva, *j0jeayias difjiovori xod Bgerrayicts Jtpog ßo^^av avefMJov (entweder — die
Halbinsel Armorika [Bretagne], oder die Insel der Bataver oder Holstein ist
gemeint). Sovhi dky o6a ye aySpwrovf tldevai^ ig taxeavov rov it^ rfj a^ttrta
rd eOx^'^^ xeirai.
Auch bei Dio Cassius findet man die geläufige Vorstellung, dass in Bri-
tannien zu gewissen Zeiten die Sonne nicht untergehe, es also im äussersten
Norden liege, Dio C. 76, 13. — c/. Juvenal, S. 2. l. 1. — 160 --61.
16 Erstes Buch Zweites Kapitel. $. 3. Was verstand d. Alterthum etc.
In dem Sendschreiben des Athanasius und der ägyptischen Bischöfe
an Kaiser Jovian (363 — 64) heisst es u. a. : ^Diesen in Nicäa festgestellten
Glauben nehmen alle über die Erde verbreiteten Kirchen an, die Kirchen
in Spanien, und in Britannien und Gallien, und die in ganz Italien, die
in Campanien, Dalmatien und Mösien, Macedonien und ganz Griechen-
land, die in ganz Afrika, Sardinien, Corsika und Greta'' u. s. w. — Nach
dieser Aufzählung kommt Spanien als das westlichste Land zuerst*).
Theodoret in seiner heiligen Geschichte erzählt, dass, um Simeon
den Styliten zu sehen, selbst Gläubige aus den Enden des Abendlandes
gekommen seien, „Spanier, Britannier und Gallier, welche in der Mitte
zwischen jenen wohnen ;^*^ in Betreff Italiens verstehe es sich von selbst*).
Daraus ziehen wir den Schluss, dass man im ganzen Alterthum^)
unter dem Ende des Westens Spanien verstand, dass Clemens von Rom
annehmen durfte, dass die Christen in Corinth seine Worte so verständen,
dass, wenn Paulus auch im ßömerbrief seinen Entschluss, nach Spanien
zu gehen, nicht wiederholt ausgesprochen hätte, die Worte des Clemens
doch von Spanien, und nur von Spanien verstanden werden müssten,
imd dass das Zeugniss des Clemens die Reise des Paulus nach Spanien
zu einer historischen Thatsache macht, welche eine nüchterne Kritik zu
bezweifeln kein Recht hat.
*) Theodoret. hist. eccles, L 4, 3.
*) Theod. religiosa hist. 26. (3, 1272 bei Schulze- Migne).
*) Auch noch im Mittelaller — Daniel, Handbuch der Geog^raphie, 2 Bd. 1860.
S. 303. Daher der Name Cap Finisterrä — das alte Prom. Nerium oder Ar-
tabrumy welches früher für den westlichen Grundpfeiler der Welt gehalten wurde.
Drittes Kapitel
Das Brnchstflck eines Ungenannten — genannt Codex Hnratori
N, Test
L. A. Muratori hat zum erstenmale in seinen ^Italienischen Alter-
thümem aus dem Mittelalter^ — ein Fragment eines ungenannten Schrift-
stellers mitgetheilty welches ein Verzeichniss der Schriften des Neuen
Testamentes enthält, aber am Anfisuige und Ende unvollständig ist ^), —
Nach Muratori haben das Fragment, welches von seinem Entdecker
den Namen des Codex Muratori erhalten, Gallandi^) und Routh^)
mit reichlichem Commentar herausgegeben. Muratori vermuthet^ das
Fragment sei dem Zeitgenossen des Irenäus, dem römischen Presbyter
Cajus, zuzuschreiben. Qallandi tritt seiner Meinung bei^), weil der
Ver£aÄser einen gewissen Häretiker Milti^des erwähnt, und Gallandi
meint, das Fragment sei ein Theil der Disputation, welche Cajus gegen
den Montanisten Proclus schrieb. Eberhard Stosch verwirft diese
Vermuthungen *). Moshe im meint, dass das Fragment aus dem zweiten
Jahrhundert, und aus der Zeit stamme, als Hermas, der Bruder des
Papstes Pius I. , noch am Leben war , weil der Verfasser sage ®) : den
Pastor aber hat neuestens zu unserer Zeit in der Stadt Rom Herma(s)
geschrieben, als auf dem päpstlichen Stuhle der Bischof Pius (I.), sein
Bruder, sass^).
') Muratori, Antiquit haue, tnedii aeoi, t. 3, col. 853 — 54. Mediohm, 1740,
*) Gallandi, hibUoih. veter. patr. 2, 208,
•) Routh, Eeliquiae sacrae, t, 4, 3 (1818) — erste Aasgabe.
*) Proleg<m, t, 2, 23,
») Eb. Stosch, Commentatio hist. crit, de Ubrorum N, Test canone, Francoßtrti ad V.
1755, p, 199,
*) Mos heim — Comment, de rebus Christianorum ante Constantinum M, €ui saec, I,
§, 54. p, 164. (1753).
') Pastorem vero nuperrime temporihus nostris in urbe Roma Herma(as) conscripsit «•-
dente cathedra urbis Romas eoclesiae Pto qnseopo, fratre ejus,
GaiiiB, apan. Kirche. ^
18 Erstes Buch. Drittes Kapitel.
Simon de Magistris hat in seinem ^Daniel nach der Septua-
ginta^ die Meinung ausgesprochen, unser Fragment sei von Papias ^).
Freindaller in Linz hat sich um die Verbesserung und Erklärung
des Textes verdient gemacht ^j. Nach ihm hat Zimmermann eine
Dissertation über das Muratorische Fragment erscheinen lassen ^). Der
Anglikaner Martin Joseph Routh hat unserm Fragmente eine grosse
Sorgfalt zugewendet; er hat es 1818, und wieder 1848 nach Einsichts-
nahme des Codex in Mailand, aus dem es Muratori aufgefunden hatte,
in seinem berühmten Sammelwerke ^,Reliquiae sacrae^^ herausgegeben *).
Zu gleicher Zeit hat der Professor Karl Wieseler in Göttingen
durch seinen Bruder, den Philologen Friedrich Wieseler, das betreffende
Manuskript in Mailand vergleichen lassen. Er theilt die Abschrift mit,
und begleitet das Fragment mit einem ausführlichen Commentare in der
Zeitschrift „Studien und Kritiken'^ vom J. 1847^). Auch Credner^)
in Giessen hat sich eingehend mit däm Fragmente beschäftigt.
Der Niederländer Dr. van Heijst in seiner 1854 erschienenen
Schrift: — Ueber das Zeugniss des Eusebius in Betreff der Schriften des
Neuen Testamentes, sowie in einer besondern Dissertation sein Lands-
mann van Gilse haben scharfsinnige Untersuchungen über unser Frag-
ment angestellt^). Van Gilse hat den von K. Wieseler mitgetheilten
Text seinen Forschungen zu Grunde gelegt.
Nach L. Hug, der in seiner Einleitung in das N. T. den Versuch
macht, die Uebersezung unsers in barbarischem Latein geschriebenen
Fragmentes aus dem Griechischen herzuleiten oder sie in das Griechi-
sche zurück zu übersezen ^) , handeln die in demselben Jahre (1852)
*) Simon de Magistris, Daniel secundum LXX, Romae 1772 — dissertat. 4.
§, 10 p. 467.
*) Freindaller^ fragmentum acepkalum de canone divinorum novi foederis librorum,
Salishurgi 1802.
^) F. GL ZimmermanUf Dissert. hist. - critica scriptoris incerti de canone librorum
aacrorum fragmentum a Muratorio repertxan exhibens. Jena. 8. 1805.
*) Mouthf Rßliquiae sacrae s. auctorum fere jam deperditor. see. 2. et 3. fragmenta, quae
supersunt; acced. epistolae synod. et canon. Nicaeno conciUo antiquiores. Oxf. 1814 — 18.
4 Bde. 8. — Vol. 4. p. 1 squ. — editio 11, 1846—48. Oxoniae. — Vol. 1, p. 394- 434.
(cf V. 5, p. 338). - Der Text S. 394 — 96.
*) Wieseler, »der Canon des N. T. von Muratori, von neuem verglichen, und
im Zusammenhang erläutert von Wieseler, Prof. in Göttingen, in nStudien und
Kritiken«, J. 1847, S. 817-857. Der Text S. 818-829.
•) Credner, Einleitung in das N. T.
^ DisputaUo de antiquissimo librorum sacrorum Novi Foederis catahgo, qui vulgo frag-
mentum MuratorU appellatur, Auetore J. van Gilse, Theol. Dct. etc, Amstelodami,
1852. — 30 p. in 4\
•) Hug, Einleitung in die Schriften des N. T. 4*« Auflage. Stuttgardt, 1847. —
»Caaon des Ungenannten bei Muratori.« Bd. 1. S. 105 — 7. »Der griechische
Text schimmert an vielen Orten durch.« cS. 106.)
Das Brachstück eines Ungenannten — genannt Codex Muratori N. Test. 19
erschienenen Einleitungen in das Neue Test, von Prof. Reithmayr*) in
München, und von Prof. Ad. Maier^) in Freiburg — über den sog.
Canon des Muratori.
Endlich hat der Gelehrte, Dr. Nolte in Paris, in den.J. 1856 und
1860 seine Forschungen und Anschauungen über das in Frage stehende
, Aktenstück in zwei Zeitschriften niedergelegt ^). Er hat den gelungenen
Versuch gemacht , das Fragment ganz in das Griechische zu übersezen.
Zuerst handelt es sich um den Verfasser und die Zeit der Verfas-
sung, zwei Fragen, die natürlich nicht getrennt werden können« De Ma-
gistris hat Papias genannt; dieser aber lebte vor dem Auftreten der
Montanisten , weiche in dem Canon noch erwähnt werden.
Bunsen hält — bis jezt ohne Nachfolger — den Hegesipp für
den Verfasser unsers Fragmentes, d. h. er vermuthet, dass dasselbe ein
Bruchstück seiner 5 Bücher „Denkwürdigkeiten christlicher Ereignisse*^
sei, wovon uns 5 Bruchstücke, meist bei Eusebius, erhalten sind *). — Auf
den ersten Blick hat diese Vermuthung viel für sich. — Hegesipp kam
unter Papst Anicet, der auf Pius I. (von 142 — 157) folgte , und von 157
bis 168 regierte, nach Rom und blieb daselbst bis nach dem Todie des
Papstes Victor — 176 *). Er schrieb griechisch, und er schrieb genau
zu der Zeit, dass er sagen konnte, den „Hirten^ habe „in unsem Zeiten
und ganz kürzlich^ der Bruder des Papstes Pius geschrieben; auch
fallen in seine Zeit die Anfänge des Montanismus.
Dagegen spricht, — nach Nolte — ®), dass Eusebius, welcher* die
Angaben des Josephus Flav. über die Bücher des A. T. mittheilt; femer
den Canon des Melito von Sardes und des Origenes über die Bücher
des A. T. ^) — sodann den Canon der Bücher des N. Test. — nach
Irenäos (Eus. 5, 8); nach Clemens von Alex. (6, 14); nach Origenes
(6, 25) ; endlich seinen eigenen Canon (3, 25)^ — gewiss auch den Canon
aus Hegesipp, dessen Werk ihm ja vorlag, mitgetheilt haben würde,
wenn er diesen Canon darin gefunden hätte.
■) Fr. X. Reithmayr, Einleitungr in die canonischen Bücher des ntuen Bundes.
Regensburg, 1852. S. 65 — .68 (»Römischer Urcanon**)»
') Adalb. Maier, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments. Freiburg^
1852, S. 484-87,
•) (Wiener) »Zeitschrift für die gesammte katholische Theologie,«« 1856, Dr. Nolte
über van Gilse Disput de catahgo Muratorii. (8 Bd. 1 Heft.) S. 134 — 146. —
Theologische Quartal seh rift. Jahrg. 1860. — Nolte — »üeber das sog. Mura^
torische Fragment canonischer und nichtcanonischer Bücher.« S. 193 — 243.
*) Hegesipp: ixofxyi^fxtxra tüv exxXi^öiaörtxuy jtQa^eayy Euseb, kist. ecc. 4, 8 (22) ;
gesammelt in Grabe spicilegiumf t IL GaUandi bibl, v. p, t II.
») Eweb. A. e. 4, 11. (4, 22).
•) Nolte, Tüb.Q. Schrift, 1860, S. 231 — 32.
Eus. 3, 10. 4, 26. 6, 25.
2*
2P Erstes Buch. Drittes Kapitel.
Eusebius sagt femer von Hegesippus, dass er aus dem Eyangelium
— nach den Hebräern — Einiges mittheile *). Aber gerade dieses Evan-
gelium — erwähnt der Verfasser des Fragmentes nicht,
Eusebius sagt nichts über das, was unser Verfasser über den Hirten
des Hermas berichtet. Er meint vielmehr mit seinen Zeitgenossen, dass
der im Römerbriefe erwähnte — Hermas ^) — der Verfasser sei ^). —
Eusebius hat nicht gewusst, v^er der Verfasser des Hirten des Hermas
sei; w^ären ihm die Worte unsers Ungenannten in Hegesippus vorge-
legen, so -wären sie ihm nicht entgangen.
Diesen entscheidenden Bedenken Nolte's gegen Hegesipp als Ver-
fasser des sog. Codex Muratori füge ich noch bei, dass Eusebius nicht
nur nichts wusste von einer Reise des Apostels Paulus nach Spanien,
sondern dass er die Befreiung des Paulus aus seiner ersten Gefangen-
schaft nur im Allgemeinen, ohne Angabe einer Einzelheit berichtet als
eine Sache , die erzählt werde *). Hätte er ein so bestimmtes Zeugniss
über die Reise nach Spanien, wie es unser Anonymus giebt, in den
Schriften des Hegesipp vor sich gehabt, so hätte er es wörtlich ange-
führt. — Diess genügt gegen die Hypothese Bunsen's.
Wieseler in seinen Untersuchungen geht auf diese Frage gar
nicht ein; er geht mit einer auffallenden Gleichgiltigkeit an derselben
vorüber. Er begnügt sich zu sagen*): „Cajus, oder was mir richtiger
sbheint, irgend ein anderer Kirchenlehrer des zweiten Jahrhunderts*^
sei der Verfasser gewesen. Diese Unbestimmtheit hängt mit Wieseler's
Meinung Zusammen, dass unser Fragment ursprünglich lateinisch ge-
schrieben sei. — Auch Credner und Nolte nennen keine bestimmte Persön-
lichkeit als Verfasser des Fragmentes. — Ad. Mai er sowohl als Reith-
mayr, in ihren Einleitungen, begnügen sich zu sagen, dass der Werth
des Fragmentes sich gleich bleibe, ob dasselbe von Cajus, oder einem
Andern komme ^), denn es sei in die zweite Hälfte des zweiten Jahr-
hunderts zu sezen, und spreche den „Bestand der römischen Kirchen-
regel*^ aus ^).
Aber welche Gründe sprechen deim für Cajus — als Verfasser der
Schrift? Für Cajus ist Muratori und Gallandi, weil Cajus die be-
kannte Disputation gegen den Montanisten Proculus gehalten, um das
J. 190, und weil um diese Zeit — das um 150 — geschriebene Buch
») üus. 4, 22.
«) Rom. 16, 14.
*) Eu8.3f3, cf.3,25. 5,8 — wo Euseb. sagt, dass Irenäus ..den Hirten« des
Hermas citire mit den Worten: treffend sagt die Schrift, welche — etc.
*) Eus. 2, 22 - JLoyog e^ei.
*) Wieseler /. c. S. 856.
<) Mai er, Ad., Einleitung, S. 484.
») Reithmayr, Einleitung, S. 65.
Das Bruchstück eines Ungenannten — genannt Codex Mnratori N. Test. 21
des Hermas noch ein neulich zu ;,unsrer Zeit*' verfasstes genannt werden
konnte. — Ferner, weil in unserm Fragmente ein Miltiades als Häre-
tiker vorkomme, der bei Eusebius, eigentlich bei dem Anonymus [über
die Montanisten bei Eusebius *)] — als Haupt der Montanisten genannt
werde ^). Dagegen bemerkt Routh ^), dass, wenn auch über die Lesart
Miltiades — statt Alcibiades kein gegründeter Zweifel bestände,
dieses Zeugniss zu Gunsten des Cajus nicht genüge. — Zwischen Mil-
tiades oder Alcibiades dem Montanisten (bei Eus. 5, 3. 5, 16) — und Mil-
tiades, dem Verbündeten des Marcion — in unserm Fragmente sei ein
Unterschied *). — Neben diesen zwei — wenigstens durch Routh aus-
einander gehaltenen — Miltiades, neben dem Papste Miltiades oder
Melchiades (Eus. 10, 6) kommt bei Eusebius der bekannte Schriftsteller
Miltiades, der Apologet des Christenthumes, vor, welcher vor 192 blühte,
welcher eine verlorne Schrift gegen die Montanisten verfasste *) , eine
Apologie gegen oder vor der weltlichen Obrigkeit, besondere Schriften
gegen die Juden und die Heiden. — Nolte schlägt statt des Mitiades
oder Miltiades unsers Fragmentes eine neue gewagte Lesart vor®).
Lassen wir also hier den Miltiades, über dessen Person und Namen
man vorerst noch nicht im Klaren ist, zur Seite, so wird dadurch die
Meinung des Muratori und GaUandi zu Gunsten des Cajus noch nicht
umgestossen. Eberhard Stosch, der vor GaUandi schrieb, will das Haupt-
argument des Muratori widerlegen ^) , dass unser Fragment den Brief
des Apostels Paulus an die Hebräer nicht kenne, und dass auch Euse-
bius von der Schrift des Cajus gegen den Montanisten Proclus bezeuge,
dass Cajus darin nur 13 Briefe des Paulus, mit Auslassung des
an die Hebräer anführe ®). Denn Cajus stehe in dieser Weglassung
oder Verwerfung nicht allein , da Lrenäus , Hippolyt u. s. w. den Brief
unter den Briefen Pauli nicht kennen.
Li der That wurde der Brief an die Hebräer vor dem fünften Jahr-
hundert von den Abendländern nicht als canonisch anerkannt. ClemenB
^) Eus. 6, 16. — Yales. und Joh. Lange lesen — Akänadem,
') Bei Eus. 5, 3 faeisst er Alcibiades.
') Reliqume sacrae, t. 4, p. 4. der ersten Ausgabe.
*) Arsinoi autem seu Vahntini vel MiUiadia nihil in totum recipimxtSf qui etiam novum
psalmorum Uhrum Marcioni conscr^serunt, Nolle übersezt (S. 248) — fuxQxuavi
övyeypa^av. — Roath (und bedingungsweise Nolte) erklären »zu Ehren de»
Marcion" — näher liegt: in Verbindung mit Marcion.
*) Euseb. 5, 17. 5, 28. Vergl. Tertuü. adv. ValenL cap. 5. — Hieron, episU 83 ad
Magnum. — De script. eccles. cap. 39, — Vergl. Möhler-Reithmayr, Patrologle,
S. 395 — 96.
•) Nolte, Q. Sehr., S. 238, aus (HaXvvriyov — rj TQN METATTOT C- rar fJin'
ocüTOv) — sei allmälig ficriadovg (lat. Mi[l]tiadis) entstanden«
') Stosch, Comm. etc, 1755, 61 et 62.
») Euseb, 6, 20.
22 ETSte9 3acli. Drines Kapitel.
von Rom benüzt mehrfach den Brief, aber nirgends nennt er dessen
Verfasser, Cajus bei Eusebius verwirft den Brief; ebenso der Verfasser
des Fragmentes bei Muratori, wenn dessen Verfasser verschieden von
Cajus ist. — Nach Stephanus Gobarus hat auch Irenäus und sein Schüler
Hippolyt Paulus nicht als Verfasser anerkannt. In dem berühmten Werke
des Irenäus, sowie in dem Werke des Hippolyt, das seit dem Jahre
1848 — 51 bekannt ist, „gegen alle Häresien, zehn Bücher*' , wird der
Brief an die Hebräer nicht erwähnt und nicht benüzt, obgleich er dem
Verfasser an sich nuzlich gewesen wäre. TertuUian nennt Barnabas
als dessen Verfasser. — Novatian und Cyprian — beide um. 254 —
kennen und benüzen den Brief nicht. — Victorin von Petau kennt,
wie dör Verfasser des Fragmentes, nur Briefe des Paulus an sieben
Gemeinden (Römer, Corinthier, Galater, Ephesier, Colosser, Philipper,
Thessaloniker) , und an dieser Siebenzahl hält unser Fragment wie an
einer symbolisch -dogmatischen Noth wendigkeit fest. — Erst Hilarius,
Lucifer und Clem. Mar. Victor (Victorin) führen den Brief an die Hebräer
als paulinischen an, während Phöbadius von Agen, Optatus und Zeno
ihn noch übergehen. Neben Ambrosius, Philastrius, Rufin und Gau-
dentius haben Hieronymus und Augustinus am meisten für seine An-
erkennung im Abendlande gewirkt. Die Synoden von Hippo 393, von
Carthago 397, und von Carthago 419 haben ihn unter die canonischen
und paulinischen Schriften gezählt *).
So überraschend darum die Angabe des Eusebius ist, dass Cajus
den Brief an die Hebräer nicht kennt, und dass unser Fragment ihn
gleichfalls nicht kennt, so reicht diese Uebereinstimmung allein nicht
hin, dasselbe dem Cajus zuzuschreiben.
Stosdi, Credner imd Wieseler sprechen gegen Cajus als Auetor des
Fragmentes, weil Cajus — nach Eusebius (3, 28) — die Apokalypse des
Johannes für ein Werk des Cerinthus halte, während der Ver&sser des
F^ragmentes sie den canonischen Schriften beizähle. Routh macht da-
gegen mit Recht geltend, dass aus den Worten des Cajus bei Eusebius
keineswegs erhelle, dass derselbe unter den angeblich dem Cerinthus
gewordenen Offenbarungen die Apokalypse des Johannes verstehe. Diess
ist auch wegen der bekannten Abneigung oder Flucht des Johannes vor
Cerinth unwahrscheinlich.
Freindaller — will in dem Fragmente selbst eine Stelle gefun-
den ]äaben, die auf das bekannte Werk des Cajus gegen Proclus hin-
weise, welches in Form einer Disputation gehalten war, die Stelle nem-
Kch: „Ueber welche Punkte vdr noch im Besondern disputiren müssen*).*^
') Ad. Mai er, Commentar über den Brief an die Hebräer, 1861, Einl. S.17 — 19,
wo die Belegstellen stehen.
*) De quibu8 sinffulis necesse est a nobis disputari.
Das Brachstfick eines Ungenannteii — genannt Codex Mnratori N. Test. 23
Da ohnedem das ganze Fragment — mit dem sonst bekannten Inhalt
der Schrift des Cajus harmonire^ so glaubt dasselbe Freindaller ohne
Bedenken dem Cajus zuschreiben zu sollen.
Unter den Neuem hat sich keiner bestimmt für Cajus ausgesprochen;
mehrere bestimmt gegen ihn. Diess zwar mit Nothwendigkeit jene,
welche keine Uebersezung des Fragmentes aus dem Griechischen ^en-
nehmen. Denn Cajus hat griechisch geschrieben. Wieseler, yan Grilse
und früher JSolte meinten, das Fragment sei ursprünglich lateinisch ge-
wesen. — Die Gründe aber, die Wieseler beigebracht, sind ohne Gewicht.
Der Verfasser war, nach Wieseler, in Rom, oder in der Nähe Borns,
weil er Rom „die Stadt*' nennt*). Darum, weil das Fragment in Rom
oder in der Nähe von Rom verfasst sei, sei es lateinisch geschrieben.
Als ob nicht alle Römer, wie Clemens von Rom, Hermas, Cajus, Hip-
polyt u. a., griechisch, und nur griechisch geschrieben hätten, da erst
nach dem J. 250 die lateinische Sprache unter den Schriftstellern der
römischen Gemeinde allmälig über die griechische sich erhebt. Wieseler
meint ferner, der Verfasser sei ein Lateiner gewesen, weil er ein Wort-
spiel gebraucht , das einem Griechen ferne gelegen wäre ^). Dieses
Wortspiel zu verhindern war aber auch einem Uebersezer aus dem
Griechischen eine Unmöglichkeit. Die -Worte: Es gebührt sich nicht,
dass Galle mit Honig vermischt werden, können im Lateinischen nicht
ohne dea Gleichklang von mel und fei gegeben werden.
Für^die Uebersezung des Fragmentes aus dem Griechischen sind
Simon de Magistris, Hug, Ewald, welche Rückübersezungen einzelner
Stellen versucht haben, Bunsen, der das ganze Bruchstück in das Griechi-
sche übertragen hat, sodann natürlich jene, welche den Cajus für den
Ver&sser halten. Zulezt hat Nolte, welcher im J. 1856 noch sich zu
Wieseler's Ansicht bekannt, im Jahre 1860 erklärt: „Wir haben geirrt;
die erste Ansicht allein (der Uebersezung aus dem Griechischen) ist die
richtige.^ Er hat den im Ganzen sehr gelungenen Versuch gemacht,
den griechischen Urtext herzustellen. Ueber den Verj&usser des Frag-
ments spricht er keine Meinung aus ^).
Alle oder fast alle, welche sich über unser Fragment ausgesprochen,
sagen, dass der Verfasser der römisch^ Kirche angehörte, dass er in
Wieseler, S. 831 flg.
^) Fei cum meüe miaceri non congrtdt
') Am meisten gegen Cajus, als den Verfasser des Fragmentes, scheint mir der
Umstand zu sprechen, dass Eusebius, welcher Stellen aus des Cajus Disputa-
tion mit Proculus anführt, der Meinung ist, der Verfasser des Fastor Hermä —
sei der apostolische Hermas. — "Wären die Worte unsers Fragmentes über
Hermas in der dem Eusebius vorliegenden Schrift des Cajus gestanden, so 19^
zu vermuthen, dass Eusebius sie angeführt hätte.
24 Erstes Bach. Drittes Kapitel. Das Bruchstück eines Ungenannten etc.
Born, oder in der Nähe von Rom gelebt, dass er keine Privatansicht,
sondern die Ueberzeugung seiner Kirche ausspreche, dass — besonders
wegen der Stelle über den Hirten des Hermas — derselbe in der zweiten
HSÜfte des zweiten^ spätestens im Anfange des dritten Jahrhunderts ge-
lebt habe ^) , und dass sein Zeugniss darum von dem höchsten Werth
für die Tradition und Uebung der römischen Kirche sei, wobei es nichts
darauf ankomme, ob Cajus oder ein Unbekannter Verfasser des Frag-
mentes sei.
') Nach Nolte lautete die Stelle, die sich oben (S. 17) lateinisch findet, im
Griechischen also : Tov ye fja^v (oder ray de) Jtoifjieva v^oyviorccra (od. x^ogparto^
evceyxog fC^wfiy &^h c^Tuagy je^ßpe^eog, /uuxpov u. s. w.) eitl tüv iffiereptav (oder
i^fjuäv) XQ^f^ ^ Jtoiei 'Ptififj ^E^ftag Owey^ce\f>e xaSijfievov itti r^ na^id^ag (oder
h fij fuc'^dd^): r^ JtolBtag'Ptofiijg ixxM/(füxg JJtov ixtßttojtavy rov adeJLpov oktov.
Viertes Kapitel.
Das Zeugniss des Codex Muratori fOr die Reise des Apostels
Panlus daeli Spanien.
Die Stelle in unserm Fragmente, welche man als Beweisstelle für
die Reise des Apostels Paulus nach Spanien anführt, lautet in dem latei-
nisdien Texte bei Wieseler, und in dem Versuche der Rückübersezung
von Nolte also (Z. e. S. 207) :
Acta atUem omnium Apostolo" AI 8h ngd^eig ndvrwv r&v ano^
rum «tt6 uno Uhro scripta sunt, öroXtov i(p* iv ßißUov iyQa(pri(Sav.
Lucas opUme(o) Theophüe(o) com- (6) Aovytag rm xgctriarca 0€O(pi)xp
prindit (comprehendit), quia (quae?) öVfATieQi^hcßev, ä int rrjg ütccQOvaiccg
mb praesentia ejus singula gereban" ccvrov ixaarce inQ(ix&f}<5€tv (warum
tar, sicuH et semote passwnem PetH nicht inqdx^'fl ^)> xa&dneg xal x^'
emdenter declaraty sed profectionem Qiaag tö ndd'oq rov JJixQOv ivag-
PawZt ab TJrbe ad Spaniam proficis- ymg (acc(pwg) SrjXoty dkXd xcci riiv
eenJtis. nogeiav rov UccvXov äno r^g ttö-
Xemg elg (r^v) anccvlav ('lanaviccv)
noQ€VOf4ävov (änegxofA^vov),
Der Anglikaner Routh (und Andere mit ihm) ist in seinem Com-
mentare zu dieser Stelle einem seltsamen Missverständnisse unterlegen,
welches freilich zum grossen Theile der fehlerhaften Uebersezung zuzu-
schreiben ist. Er versteht nemlich die Stelle so : Lucas hat dieses Buch
an TheophiluB gerichtet, weil alles Einzelne vor seinen Augen vorgieng,
wie er auch getrennt hievon die Passion des Petrus deutlich darlegt,
aber auch die Abreise des von Rom nach Spanien reisenden Paulus.
Statt dessen muss die Stelle übersezt werden:
;,Die Thaten aller Apostel sind in einem einzigen Buche geschrieben.
Lucas hat für den besten Theophilus zusanunengestellt, wie das
(weil das) Einzelne in seiner Gegenwart geschah, wie er es auch deutlich
dadurch an den Tag legt, dass er die Passion des Petrus weggelassen
26 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
hat, sowie auch die Abreise des Paulus, welcher von Rom nach Spanien
sich begab. ^
Die Beweiskraft unsrer Stelle als Zeugniss für die spanische Reise
des Paulus bleibt sich bei beiden Erklärungen gleich. Aber Routh
musste sich bei seiner Erklärung die Frage vorlegen, wo denn Lucas
sich besonders über diese beiden Thatsachen ausgesprochen habe. Frein-
daller fragt: „wie sollen diese Worte verstanden werden? Er legt
getrennt davon die Passion des Petrus deutlich vor. Vielleicht deutet
der Verfasser auf Petri Gefängniss und seine wunderbare Befreiung
(Ap. G. 12). Aber über die Reise Pauli nach Spanien herrsche in der
Apostelgeschichte tiefes Stillschweigen. Die ohne Zweifel verstümmelte
Stelle lasse nicht erkennen, ob diese Worte sich auf die Apostelgeschichte,
oder ein anderes Buch beziehen. Jedenfalls „erfahren wir daraus —
dass Paulus nach Spanien gereist sei^ ^),
Routh meint, vielleicht sei zu lesen für semote — semota, — d. i.
wie auch hievon getrennte andere Stellen in der heiligen Schrift es ja
deutlich an den Tag legen ^) : nemlich die Worte bei Johannes 21, 18 — 19,
das Leiden Petri, die zwei Stellen — Brief an die Römer 15, 24; 28,
die (beabsichtigte) Reise nach Spanien. — Matthäi hat indess zum lezten
Kapitel der Apostelgeschichte zum erstenmal ein Scholion herausgegeben,
welches lautet: „Nach den zwei Jahren (der römischen Gefangenschaft)
gieng Paulus nach Spanien, und predigte daselbst, dann kehrte er nach
Rom zurück, und wurde Märtyrer^).*'
. Viel künstlidier verfährt Wieseler *) , welcher — man höre — aus
unserer Stelle den Beweis führen will, dass Paulus nicht nach Spanien
gekommen, und nicht aus der ersten Gefangenschaft entlassen worden
sei. Er liest also zuerst: „wie Lucas zwar das Leiden Petri offenbar
getrennt davon darlegt, aber nicht die Reise Pauli nach Spanien^ —
{sed nee profectionem Pauli) 'j oder — er schlägt vor, anzunehmen, es
sei ein Wort ausgefallen, nemlich: Lucas lässt die Reise Pauli nach
Spanien aus. — Wieseler lässt also das Fragment gerade das Gegen-
theü von dem sagen, was alle andern darin finden. „Aber die Reise
*) Ättamen certi hts reddmur, Paulum ab urbe Roma m Stspaniam commigrasse : induhie
postquam a Nerone absolutus est, a prima scilicet captivitatey de qua captte ultimo
Actorum apostolorum historia legitur, Utrum forsan veluti eo facto finiri librum ActO"
runif quemadmodum ordiri verbis: Optime Theophile, designandi fragmentario
nostro intentio fuitf
^) Routh: Sicut et semota passionem Petri evidenter declarant
*) Mera tt^v duriccv «V HxayUxy djceJiScov ExrJQV$e. (Tlavlog) xai VJtoötQexfjag elg Ptafjarjy
eiiOQTTüqftjGev.
*) Wieseler — S. 823 — 24 Zimmermann ändert sed profecäonem Pauli in sed
et — aber auch die Reise Pauli nach Spanien. Wieseler: sed nee (sc. evidenter
deckxrat) profectionem Pauli ab urbe ad Spa$uam prößciscentis ; — oder sed' pro-
fB^^M»/^ PcmH ^ yrbe o4 Spaniam profidscmtis — fmittit.
Das Zeugniss d. Codex |tiLar4io?i für d. Eeise d. Apostels Paulus n. Spanien. 27
des PauluSi^ aa^ Wieseler, j,da er von der Stadt nach Spanien
reiste, übergebt er. Denn sie war nicht geschehen. Er (Lucas) be-
jaht den Martyrtod des Paulus; leugnet aber die Geschichtlichkeit der
spanischen Reis^ des Paulus, und — was daraus nothwendig folgt, die
Geschichtlichkeit der sogenannten zweiten römischen Gefangenschaft des
Paulus. Wir haben hier also wahrscheinlich ein altes wichtiges Zeugniss,
und zwar aus dem Schoosse der römischen Gemeinde selber, welches
der Annahme dieser zweiten Gefangenschaft direct widerspricht. '^ Also
Wieaeler, welcher ein Jahr später in seinem sonst geschäzten Werke:
, Chronologie des apostolischen Zeitalters^ — gleichfalls die zweite römi-
sche Gefangenschaft des Apostels Paulus leugnet, und den Martyrtod
desselben schon in das Jahr 64 sezt.^j. — Eine Widerlegung solcher
Argumente wäre nicht am Plaze. Sie widerlegen sich selbst
Die ßücktibersezung unserer Stelle durch Nolte aber — auch
H u g hat hier einen weniger gelungenen Versuch gemacht ^) — zeigt
uns den Sinn des Fragmentes, und lässt uns zugleich vermuthen, wie
der Uebersezer zu seiner sinnentstellenden Fassung gekommen ist. Er
musste übersezen: siciUi (Lucas) semota Petri passione evidenter declar(xtj
sed et profectione Pauli ab urbe in Hispaniam proficiscentis* Vor ihm
lagen die Worte : mg (oder xu&äneg) x(^Q^<^^^ ^cci ro ncc&og rov Ilärgov
accq)(aQ Srilot — nemlich , dass er nur das schreiben wollte , was vor
seinen Augen geschehen war. Der Uebersezer ist des Lateinischen oder
des Griechisdben so wenig mächtig, als die Uebersezer des Hermas und
des Lrenäus. Ja, nach Nolte ist ^die Sprache <des Auetors (d. h. des
üebersezers in das Lateinische) so hölzern und voll von Solöcismen,
dass er selbst dem wahrlich nicht sehr geschmackvollen lateinischen Ueber-
sezer des lrenäus weit, unendlich weit nachsteht ^).^ t— Er übersezt
immer ein Wort nach dem andern, und es ist, als hätte er vor sich ein
griechiseh*lateinisdies Wörterbuch. Er findet, dass das Wort x^ogi^ct)
mit semoveo zu übersezen ist, aber — da er den Aoristus vor sich hat,
darf er nicht übersezen: semovens. Er. sucht nach dem Participium
des Perfecti activi, und — siehe, er findet es nicht. Also macht er
einen Anlauf, zu übersezen: semota passione Petri — was ganz richtig
gewesen wäre. Aber unter seinem Anlaufe — sieht er im Griechischen
vor sich den Accusativus — ro nä&og Ilitgov — darum schreibt er
Wieseler, Chronologie des apostolischen Zeitalters bis zum Tode der Apostel
Paulus und Petrus. Göltingen 1848. S. 526 folg.
*) Hug, Einleitung, I, 106 — cutayray t<ov dxooroltitv XQOL^eig eig fjuav flißZov lovxag
r« xpariÖTfo Seo<püU^ öuvexXetßs^ ort xara fie^og ev rrj avrov Jta^vöta eysrrjSifj-
Öccvy xaSütg jea^exrog tov Uerpov jtaSi^uocrog öa^tag ifi^pccvi^si, xai rrjg ixidtjfjiiag-
IlavXov cato njg stoXetag eig rag öjcaviocg iytiStjfxowrog. Diese Bückübersezung
giebt keinen deutlichen Sinn, und ist sprachlich mangelhaft.
•) Wiener Zeitschrift. 8, 1. S. 137.
28 Erstes Buch. Viertes Kapitel.
semote (oder semota), und übersezt den griechischen Accusativ in den
lateinischen — passionem Petri, Dadurch ist der Sinn^, ohne sein Wissen
und Wollen, ein anderer geworden. Nun sagt die Uebersezung, dass
Lucas an einem andern Orte ebensowohl das Leiden Petri, als Pauli
Reise nach Spanien deutlich darlege. Aber gerade das Gegentheil sagte
der griechische Text, dass Lucas — in der Apostelgeschichte — von
beiden Thatsachen nichts berichte, weil sie nicht in seiner Gegenwart,
oder unter seinen Augen, geschehen seien.
Was uns vorliegt, ist demnach kein Bericht des Lucas, sondern eine
Angabe des Ungenannten; er berichtet zwei Thatsachen, welche in der
Apoätelgeschichte nicht berichtet werden. Der Verfasser führt die Weg-
lassung dieser beiden Thatsachen, des Todes Petri, und der Reise des
Paulus nach Spanien, — als einen Beweis an, dass Lucas nur das, was
in seiner Gegenwart geschehen, berichtet. „Er stellt also beide That-
sachen auf gleiche Linie der Gewissheit *),^ — Zu der Zeit, in welcher
er schrieb, zwischen 157 und 220 (nach Döllinger 165 — 175), war es
in der römischen Kirche allgemeine Tradition und Ueberzeugung, dass
Paulus nach seiner Freilassung aus der ersten römischen Gefangenschaft
nach Spanien gereist sei.
Von einem Schriftsteller, der in der zweiten Hälfte des zweiten
christlichen Jahrhunderts schrieb, hundert Jahre nach der Reise des
Apostels Paulus nach Spanien, kann man wohl sagen, dass er seine Aus-
sage über diese Reise aus der noch lebendigen Ueberlieferung schöpfte.
Dabei braucht man nicht in Abrede zu stellen, dass diese Ueberlieferung
sowohl, als die Aussage unsers Verfassers zum Theil bestimmt und be-
kräftigt wurde durch den im Briefe an die Römer ausgesprochenen Ent-
schluss des Apostels, nach Spanien zu reisen, sowie durch das Zeugniss
des Clemens von Rom.
Jedenfalls sind seine Worte ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass
man in Rom am Ende des zweiten und Anfange des dritten Jahrhun-
derts — es nicht anders wusste und glaubte, als dass Paulus nach seiner
ersten Gefangenschaft nach Spanien gegangen sei. Es war dieses:
») Döllinger, Grundlegung, 1860, S. 81.
Fünftes Kapitel.
Die Tradition der römischen Kirclie Aber den Apostel Paulus.
Unter der Zahl der Schriftsteller, welche in der neuesten Zeit
die sogenannte zweite römische Gefangenschaft des Apostels Paulus ver-r
werfen, befindet sich nach und neben Wieseler Fr. X. Reithmayr.
Es lohnt sich der Mühe, seine Gründe zu prüfen. Er sagt: „Einige
Zeit hindtirch eröfl&iete sich (dem Apostel Paulus) sogar Aussicht auf
nahe Befreiung; und er gab den Orientalen bereits Hoffnung, sie bald
besuchen zu können'' (Phil. 2, 24. Philem. 22). Dass diese Erwartung
aber je in Erfüllung gegangen sei, dafür findet sich keine sichere Spur
weder in seinen Briefen, noch eine bestimmte Nachricht in der Tradition
oder in einem Denkmale weiterer Wirksamkeit. Eusebius *) und Hiero-
nymus und nach ihnen andere haben zwar angenommen, Paulus habe
nochmals seine Freiheit erlangt, wohl auch die projectirte spanische
*) Eus. h, e, 2f 22. Tore ftev ovv dfeoZoy^ödfjieyov avSig exi rrjv rov xjjQVyixaTog dia-
xcyioev loyog ex^i CreUaCSai tw djtoöroJtoVy deuregov «T estißavra rrj avrij xoXbi
rtä xeer* ccuriv reieua'Sijvai luux^rvpita. Was er sofort aus 2. Tim. 4, 16. 17 nach-
zuweisen sucht. Dasselbe schreibt ihm Hieronymus nach mit dem Zusätze,
dass des Apostels Freigebun^ der anfang^lich noch etwas gemässigten Regie-
rungsweise des Nero zu danken sei. (De vir. iü. c. 5. cf. Comm, in Arnos V. 8,)
Beide sezen nemlich die Abführung des Paulus von Jerusalem nach Hom in
das zweite Jahr des Nero oder 56. Auch hängt die Angabe seiner damaligen
Freiwerdung zusammen mit dem Ap.G. 28,30 bemeldeten Biennium. Allein
es heJsst nicht: »Er blieb aber in Rom volle zwei Jahre** etc., sondern einzig
mit Rücksicht auf seine Wohnung daselbst: »Er blieb aber volle zwei Jahre
in einer eigenen oder Privatmiethe , und nahm alle auf«, so dass nicht mehr,
und uichts damit berichtet wird, als wie lange er die aus sergewöhnliche Ver-
günstigung genossen habe. Eher könnte man daraus folgern, dass nach dieser
Zeitfrist seine freiere Haft in eine engere im Prätorium verwandelt worden sei.
(A. V. Reithmayr.) Einleit. S.498 — 99. (Dr. Reithmayr ist inzwischen von seiner
frühem Ansicht abgegangen.)
30 ' Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Missionsreise ausgeführt *) ; die Gründe aber reduciren sich hauptsächlich
auf 2. Tim. 4, 16 f., wo derselbe von seiner ngor^Qcc änoXoyia spricht,
in Folge deren er ,,aus des Löwen Rachen gerissen worden*'. Befragen
wir aber den Apostel selbst, so scheint aus manchen Andeutungen eher
das Gegentheil zu entnehmen. Als es endlich zur Verhandlung kam,
traten die Kleinasiaten, den Kupferschmied Alexander an der Spize,
heftig wider ihn auf (2. Tim. 4, 14) , während die, meisten seiner Um-
gebung im entscheidenden Augenblicke sich zurückzogen. Mit Gottes
Hilfe gelang ihm zwar die erste Vertheidigung soweit, dass er der Ver-
urtheilung entgieng, sie half ihm aber nicht aus den Ketten. Aussicht
auf längere Wirksamkeit hegte er selbst nicht mehr (2. Tim. 4, 6). Wie
dem nun sei, als Nero nach dem grossen Brande die bei dem Volke
verhassten Christen vorschob, um die Schuld von sich abzuwälzen, fielen
auch die grossen Apostel zum Opfer. Paulus ward auf der Strasse nach
Ostia unfern der Stadt enthauptet am 29. Juni 65, oder nach Eusebius 66,
nach Hieronymus 67, im 36. Jahre nach Christi Himmelfahrt*' ^).
Drei Gründe also führt Reithmayr gegen eine zweite Gefangenschaft
des Apostels an. Es fehle in seinen Briefen an Andeutungen; sie und die
Apostelgeschichte deuten auf das Gegentheil. Es fehle zweitens an be»
stimmten positiven Zeugnissen. Drittens die Tradition der römischen
Kirche wisse nichts von einer Freilassung des Apostels. Prüfen wir
diese Gründe der Reihe nach.
Eine der wichtigsten , wenn nicht die wichtigste Thatsache im Leben
des Apostels Paulus ist seine wunderbare Bekehrung bei Damaskus.
Dreimal wird sie in der Apostelgeschichte erzählt. Aber in den vier-
*) Das einzige hiefür brauchbare Zeugniss findet sich bei Clem, R. 1. Cor, c. 5:
(Hcöüloq) ejti t6 regfia rijg dvöetog eJiScoy^ xai fJUxgrvQi^Cag im tuv i^ovfievtaVy
ovTCiig outrjXXayrj Tov Koöfiov. Die eigentliche West grenze ist allerdings Spa-
nien, und so genommen würde Clemens für die spanische Missionsreise, in-
direct also auch für eine erste Freiwerdung Zeugniss geben. Allein in einem
rednerischen Vortrage kann auch Italien gegen die anatolischen L&nder damit
bezeichnet seyn. Der Muratorische Canon hat zwar eine Andeutung, aber so
unverständlich, dass nichts dafür noch dawider daraus zu entziffern ist. Posi-
tive Zeugnisse fehlen. In der römischen Ueberlieferung hat sich nichts dar-
über erhalten, (cf. Innocent. L ep. ad Decent sub init, und Papst Gelasius I.
stellt die spanische Reise formlich in Abrede* — Vgl. Wieseler, Chronol. etc.
S. 521 flg.) (A. V. ßeithm.)
^) Hieron. de Vir, iü. c. 5 : ffic ergo XIV Neronis anno eodem die quo Petrus Romae
pro Christo capite truncatus sepultuaque est in via Ostiensi anno post passionem Do-
mini XXXVII. — Euseb, Chron. ad ann. Chr. 66. — Ein um 396 lebender Vater
sezt den Tod in das J. 69 nach der Geburt, und 36 nach dem Leiden des Herrn,
ungewiss ) ob in das J. 66 oder 65 de. v. (cf. Euihal. in GaU. Bibl. PP. T. X.
p. 250,) — Cf, Foggin. de D. Petri itin, Rom. p, 379 sqq. — (A. v. R.)
Die Tradition der römischen Kirche über den Apostel Paulus. 31
zehn Briefen Pauli kommt sie nicht vor *). — Der Aufstand der Heiden
und Juden zu Ephesus gegen Paulus, die Erhebung der Juden zu Co-
rinth gegen den Apostel, der grosse Aufstand der Juden zu Jerusalem,
die lange Haft in Cäsarea, die Wechsel- und gefahrvolle Reise nach
Bom , der zweijährige Aufenthalt des Apostels in Rom — sind doch ge-
wiss wichtige Ereignisse im Leben des Apostels. Aber können sie aus
den paulinischen Briefen bewiesen werden? In den aus Rom geschrie-
benen Briefen vermeidet der Apostel das Wort „Rom*' ^). Lucas be-
richtet die erste Reise des Apostels Petrus nach Rom mit den umschrei-
benden Worten: ;,er ging an einen andern Ort*' *). Der Apostel Petrus
vermeidet in seinen Briefen — gleichfalls das Wort „Rom^, und sag^
lieber „Babylon*'. In diesem Schweigen und Verschweigen lag auch
eine Art von Arcandisziplin. Der Apostel Paulus hatte in seinen spä-
tem Briefen keinen Anlass, seiner Reise nach Spanien zu erwähnen, er
hatte aber Gründe der Vorsicht, darüber zu schweigen.
Die Andeutungen sodann , welche Fr. X. Reithmayr in der Apostel-
geschichte und den pauhnischen Briefen darüber finden will, dass die
erste Gefangenschaft des Apostels auch seine lezte gewesen sei, sind
so subjectiver Art, dass sich darüber weiter nicht verhandeln lässt.
Der zweite Grund — ist der Mangel an positiven Zeugnissen. Aber die
beiden Zeugnisse des römischen Clemens und des Fragmentes von Mura-
tori sind so bestimmt und klar, dass sie durch die blosse Behauptung, sie
seien rednerisch oder unverständlich, von ihrem Gewichte nichts verlieren.
Der dritte Grund ist die mangelnde römische Tradition. Aber ge-
rade diese Tradition, behaupten wir, war vorhanden.
Von allen alten Kirchenvätern hat kein einziger behauptet, dass der
Apostel Paulus aus seiner ersten Gefangenschaft nicht entlassen worden
sei; das Gegentheil behaupten Eusebius und Hieronymus. Das Gegen-
theil ist allgemeine Annahme der alten christlichen Zeit.
Die römische Kirche hatte bis zum Jahre 200 n. Chr. drei Schrift-
steller , von denen Einiges auf uns gekommen ist, Clemens, Hermas
und Cajus. Dazu der Verfasser des Fragmentes, wenn er verschieden
von Cajus ist. Von Papst Victor und dem Senator ApoUonius haben
wir nichts y von Cajus nur einige Säze. — Hermas hatte gar keine Ver-
anlassung, von den Schicksalen der Apostel zu sprechen. Denn sein
Werk ist ein erbauliches. Die beiden andern bezeugen das Martyriiun
der beiden Apostel zu Rom. Femer Clemens und der Verfasser des
— Nur in Hindeutungen, die uns verständlich sind, weil wir seine Bekehrung
aus der Ap. G. kennen.
*) Es steht nur 2. Tim. 1, 17 — wo es wohl nicht zu vermeiden war.
») S. Reithmayr, Einl. S. 385. 483. 585. 719. (Ap. G. 12,17.) — Ausführlich darüber
handelt Stenglein, Ueber den 25jähr. Primat Petri in Rom. Tüb. Quartalschr.
1840. S. 251 flg. — Aberle — «. v. »Petrus« im Ejrchenlexikon v. Wetzer -Weite.
32 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Fragmentes 9 der entweder dieselbe Person, oder doch ein Zeitgenosse
des römischen Cajus ist, bezeugen die Reise des Apostels Paulus nach
Spanien. Was wollen wir mehr — für eine Tradition? Aus ihrem
eignen Wissen und aus der Tradition der römischen Kirche bezeugen
sie die Reise des Apostels Paulus nach Spanien. — Ein Denkmal für
diese Reise in Rom selbst konnte es nicht geben, wie die Gräber der
Apostel ein Denkmal ihres Martyriums waren. Aber — der Apostel
Paulus war wenigstens zwei Jahre in Rom. — Giebt es eine Tradition
für diesen zweijährigen Aufenthalt? Man begnügl; sich mit dem Zeug-
nisse des Lucas in der Apostelgeschichte. So mögen auch die vorhan-
denen klaren Zeugnisse für die Beglaubigung seiner Reise nach Spanien
genügen.
Doch hatte die römische KJrche wenigstens eine indirecte Tradition.
Nach dem ältesten römischen Martyrologium , genannt das kleine, welches
dem Ado voransteht, zu dessen Zeit es schon sehr alt war, das wohl
schon von Gregor L erwähnt wird, wird am 6. August in Rom ein
Fest gefeiert:
Et (festum) Octavae Äpoatolorum,
Et primua mgressuB apostoli PauU in urbem Romam,
Und das Fest der Octave der Apostel.
Und der erste Eintritt des Apostels Paulus in Rom.
An die Stelle dieses Festes ist in späterer Zeit — am 30. Juni — das
Fest der feierlichen Commemoration des Apostels Paulus getreten, welches
die Kirche heute noch begeht.
Die römische Kirche feierte also die Ankunft des Apostels Paulus
in Rom als ein Fest; sie wusste aber, dass der Apostel nicht bloss ein-
mal nach Rom gekommen sei. Sie wusste, dass er wenigstens noch
einmal vor seinem Martyrium in Rom diese Stadt betreten habe. Damit
nun kein Missverstäiidniss darüber entstände, welcher „Eintritt*^ des
Apostels in Rom als ein kirchliches Fest begangen werde, — der erste
oder der spätere vor seinem Martyrium, so hiess das Fest : — Gedächtniss
des ersten Eintrittes Pauli in Rom.
Es ist bekannt, dass nach der Anschauung des christlichen Alter-
thumes, und nach der frommen Tradition der christlichen Kirche die
beiden Apostel Petrus und Paulus — zugleich und mit einander, gleich-
sam zu gleichen Theilen — die Gründer der römischen Kirche waren.
— Diese Ueberzeugung sollte ihren Ausdruck auch in dien zu Ehren
der beiden Apostel gefeierten Festen finden. — Gemeinschaftlich wurde
am 29. Juni das Andenken ihrer Vollendung durch das Martyrium ge-
feiert. — Es wurde aber auch ein Fest der Cathedra Petri, wie in An-
tiochien, so in Rom, gefeiert. — Eine Stuhlfeier des Apostels Paulus
in Rom konnte nicht begangen werden, weil er nicht Bischof von Rom
war, weil es in einer Gemeinde nicht zwei Bischöfe geben konnte. —
Dafür, und zur Ausgleichung wurde das Fest des „ersten Eintrittes^ des
Die Tradition der römischen Kirche über den Apostel Paulus. 33
Paulus in die Stadt Rom gefeiert, das Fest des AnÜEUiges seiaer aposto-
lischen Thätigkeit für die Mitbegründung und Leitung der Gemeinde
von Born.
Wo von einem „ersten Eintritte*' die Rede ist, wird Jeder an einen
zweiten, oder wiederholten Eintritt denken. Es hätte keinen Sinn, zu
sagen, Ignatius von Antiochien — sei — vor seinem Martyrium — zum
erstenmal in Rom eingetreten , wenn man damit ausdrücken wollte, dass
er überhaupt nach Rom gekommen sei. — Der Evangelist Lucas nennt
sein Evangelium — seine erste Schrift, weil derselben die Apostel-
geschichte als zweite folgte. — Man kann z. B. nicht sagen, der erste
Eintritt des Apostels Paulus in Malta, in Spanien, in Cypern u. s. w.,
weil von einer spätem Gegenwart nicht mehr die Rede ist.
Wenn man den kleinen römischen Eirchenkalender im Einzelnen
durchgeht, so findet man darin solche Einzelheiten über den Aufenthalt
der Apostel Petrus und Paulus in Rom, dass es einleuchtet, diese Be-
gebenheiten und Thatsachen seien von Anfemg an schriftlich fizirt worden.
Zum Beispiel: Cathedra S. Petrin qua primum Bomae sedU, Die Kathedra
des heiligen Petrus, von der er zuerst in Rom Besiz nahm. Von Petri
Stuhlfeier in Antiochien heisst es bloss: Apttd AnUoehiam, cathedra Petri.
Petrus kam nemlich, wie Paulus, wenigstens zweimal nach Rom. Zuerst
im J. 42 oder 43, im zweiten Jahre des Claudius; dann verliess er Rom,
wohl in Folge des bekannten Yerbannungsedictes des ILaisers Claudius
gegen Juden und Christen im J. 49 — 50, präsidirte dem Apostelconcil
in Jerusalem 50 — 52, machte eine grosse Missionsreise zu den Juden
in Pontus, Galatien, Kappadocien und Bithynien, an welche er von
Rom aus seinen ersten Brief schrieb, und kam dann, vielleicht üb^r
Corinth, nach Rom zum zweitenmale. So kann man sagen, dass er zu
zweien Malen die Gründung und Leitung der römischen Kirche über-
nahm, \md so konnte man auch ein Fest seiner ersten Stuhlfei^ oder
Besizergreiftmg des römischen Stuhles feiern, weil er zum zweitenmale
nach Rom zurückkehrte. — Dasselbe wende man auf die Worte an:
j,Der erste Eintritt des Apostels Paulus in Rom.^
Am 14. März — wird nach demselben Martyrolog in Rom das An-
denken „der 48 Märtyrer*' gefeiert, welche getauft wurden von dem
seligen Apostel Petrus, als er in dem Gefängnisse gehalten wurde,
welche alle durch das Schwert des Nero umkamen^). — Diess sind
keine Allgemeinheiten , sondern es sind Einzelheiten, welche von Anfieaig
an niedergeschrieben werden mussten. Darum ist anzunehmen, dass
das Gedächtniss dieser Märtyrer genau so, wie. die erwähnten Feste der
beiden Apostel, vom Anfange an in der römischen Kirche gefeiert wurde.
Die Sorgfalt für die Märtyrer, welche sich aus den Martyrakten des
') RomoBf mariyrum quadraginta et octo, gut haptizaU sunt a becUo Petro apostolo, cum
ieneretur in custodia; qui otnnes Neroniano glddio cannanpti sunt.
Gamii span. Kirche. 3
34 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
Ignatiuä , Polykarp , der Lyoner Blutzeugen u. s. w. ergiebt , herrschte
gewiss von Anfang an in der römischen Kirche. Schon von Clemens I.^
dem dritten Nachfolger des Petrus, berichtet das römische Papstbuch,
dass er sieben Notarien in der Stadt Rom aufgestellt, damit sie in den
verschiedenen Stadttheilen die Akten der Märtyrer verzeichneten.
Von den Neuern hat der mehrerwähnte Wieseler in seinem ge-
schäzten Werke: die Chronologie des apostolischen Zeitalters (1848), mit
grösster Ausführlichkeit — die Frage von der ein- oder zweimaligen
Gefangenschaft des Apostels Paulus behandelt, und ist zu dem Ergeb-
nisse gekonunen, dass Paulus wahrscheinlich im Anfange des J. 64 hin-
gerichtet wurde , Petruif aber in jener allgemeinen Neronianischen Ver-
folgung, die bald nach dem Brande Roms — 19. Juli 64 — gegen die
Christen zu wüthen begann *).
Eusebius, meint Wieseler, „der angesehenste Vertreter einer zweiten
römischen Gefangenschaft des Paulus^, habe dieselbe vorzugsweise auf
Aeusserungen des Apostels im zweiten Briefe an Timotheus gegründet;
Aeusserungen, welche kein Gewicht haben. Eusebius sei erst ein Zeuge
aus dem vierten Jahrhundert, und er spreche nur von einer näher nicht
bestimmten Sage, welche diese Meinung bestätige (8. 522 — 24). Dieser
Einwurf ist allerdings von Bedeutung, und wäre Eusebius der wichtigste
Gewährsmann in dieser Sache, dann stünde es um deren Vertheidigung
nicht so gut. — Sein „Es geht die Rede^, oder „Es wird gesagt^, dass
Paulus freigelassen worderi — ist von einer auffallenden Unsicherheit,
und seine Berufung auf den zweiten Brief an Timotheus kann nichts
entscheiden , weil die von ihm angeführten Worte Pauli ^) : „Ich werde
schon geopfert, und die Zeit meines Hinscheidens ist nahe*' (2. Tim. 4,6),
— „Bei meiner ersten Verantwortung stand Niemand mir bei, sondern
alle verliessen mich^ u, s. w. — ebenso gut auf die erste Gefiangenschaffc
des Apostels bezogen werden können.
Wieseler ist der Ansicht, wenn Eusebius und andere Väter die be-
kannten, oben von uns erklärten Worte des römischen Clemens, nach
denen Paulus bis an die Grenzen des Abendlandes, bis nach Spanien
gekommen, in dem Briefe des Clemens vorgefunden, sie sich vor allem
auf diese Worte berufen hätten. Nun aber eine solche Berufung sich
nirgends finde, weder bei Eusebius, noch bei einem Schriftsteller vor
oder nach ihm, so seien diese Worte entweder bei Clemens gar nicht
gestanden, oder sie seien anders verstanden worden.
Die Frage, hat Eusebius den ersten Brief des Clemens von Rom
gekannt, gekannt nicht bloss^aus andern Schrifiten, hatte er denselben
vor sich^ als er seine Eirchengeschichte, und als er über diesen Brief
') Wieseler, Chronologie des apostolischen Zeitalters, 1848. Erster Excurs.
Ueber den römischen Aufenthalt des Apostels Paulus. S. 521 — 551.
>) Euseb. 2, 22.
Die Tradition der römischen Kirche über den Apostel Paulus. 35
schrieb 7 ist so auffallend, dass man sie fast mit Schüchternheit stellen
muss. Gekannt hat Eusebius nur diejenigen Schriften, von welchen er
kürzere oder längere Auszüge giebt. Er hat den Hirten des Hermas
nicht gekannt, er hat keine Schrift des Hippolyt gekannt, von dem er
nicht -weiss , ob er im Orient oder Occident lebte *) , er hat unter allen
lateinischen Schriftstellern nur den Apologetikus des TertuUian, sodann
einige Briefe von Cyprian, und von Papst Ck)rnelius gekannt, er hat
von allen in Bom erschienenen Schriften lediglich die mehrerwähnte
Disputation des römischen Cajus gegen Proclus, und neben dieser nur
noch das berühmte Werk des Irenäus gegen die Häresieen gekannt.
Alle seine übrigen Schriften und Quellen sind aus dem Morgenland.
Allerdings erwähnt Eusebius den ersten Brief des Clemens sechsmal.
Insofern, ist Wieseler in seinem Rechte, wenn er sagt (S. 524): „Auch
Eusebius hat die Stelle (des Clemens) nicht so erklärt. Obwohl er den
Brief des Clemens so gut kennt, und dieser in der Kirche damals
&st canonisches Ansehen hatte, so begnügt er sich doch bloss mit seinem
^yog ^6^, ohne sich auf unsern Clemens irgend zu berufen.*^
Der im J. 1852 erschienenen fleissigen und bequemen Ausgabe der
Kirchengeschichte des Eusebius von Schwegler ist ein Verzeichniss der
Schriftsteller beigegeben^), welche Eusebius gebraucht, welche er nicht
bloss nennt, sondern die er redend einführt. Unter, denselben befindet
sich Clemens von Rom und Hermas nicht.
Wenn man ferner die sechsfache Nennung des ersten Briefes des
römischen Clemens näher betrachtet, so sieht man, dass Eusebius alles
dieses sagen konnte, ohne den Brief «elbst vor Augen zu haben. Er
nennt den Brief gross und wunderbar (3, 16), der in den Kirchen öffent-
lich gelesen ward. Er sagt, dass Clemens darin viele Gedanken aus
dem Briefe an die Hebräer aufgenommen habe (3, 38) ,, was Eusebius
auch von Origenes, oder von andern wissen konnte, ohne den Brief
selbst gelesen zu haben; er führt an, dass Hegesipp des Briefes Erwäh-
nung thue (4, 22). — Er führt wörtlich eine Stelle des Bischofs Dio-
nysius von Corinth über denselben Brief an (4, 23). — Er führt wört-
lich eine Stelle des Irenäus über diesen Brief des Clemens an (5, 6. —
s. Iren. 3, 3)j die sich ebenso wörtlich bei Irenäus findet. Zum sechsten-
mal nennt er bloss den Brief (Eus. 6, 13).
Warum ninamt denn Eusebius mit solcher Sorgfalt Citate über den
Brief des römischen Clemens in seine Kirchengeschichte auf, und zeigt
dadurch, wie. wichtig dieser Brief in seinen Augen sei, und warum giebt
er uns denn kein einziges Citat aus dem Briefe selbst, worin sich doch
») Euseb, Ä. eccL6j20y22.
*) Eusebii PamphiU Historiae eccleaiasticae lihri X. Recognoüit Alb. Schwegler — 2^«-
hingae — 1852. — Index IL scriptorum vel monumentorum historicorum ah Eusehio
laudatorum , p. 391 — 394, ^
3»
36 Erstes Buch. Fünftes Kapitel.
so wichtige Nachrichten und Belegstellen für seine Geschichte finden?
Ich weiss keine andere Antwort, als, weil er den Brief nicht vor sich
hatte, wie auch den Hirten des Hermas nicht, obgleich auch dieser in
den Kirchen gelesen wurde.
Man muss überhaupt an das Citiren fremder Schriften bei den Alten
einen ganz andern Massstab anlegen, als den Massstab unserer Zeit.
Tertullian, der römische Cajus, und Hippolyt waren nicht bloss Zeit-
genossen, sondern sie schrieben über dieselben Gegenstände. Aber sie
waren für einander gar nicht vorhanden, und bewegten sich Jeder, wie
in seiner eignen Welt. Der jüngste von diesen Schriftstellern ist Hip-
polyt. In den 10 Büchern seines jüngst entdeckten Werkes handelt er
und spricht von allen Häresieen. Er beschreibt die Geschichte der Mon-
tanisten, und widerlegt sie. Aber — er kennt keinen Tertullian, der
doch ein Haupt der Sekte, und sein nächster Zeitgenosse war. Noch
mehr — Cajus schrieb wenige Jahre vor ihm, und gegen dieselben
Montanisten. Aber Hippolyt kennt keinen Cajus und keinen Proclus.
Noch mehr, Hippolyt handelt vom 6 — 9 Buche von den Gnostikern,
von denselben Gnostikern, über und gegen welche Tertullian so viel
geschrieben hatte. Aber — diese Schriften sind für Hippolyt nicht vor-
handen. Anders ist es bei ihm mit dem „Presbyter*' — Irenäus *) , dessen
Schüler er war, und dessen Werke er sich „aneignete*^ 'j.
Damit, denke ich, ist einer der Einwürfe Wieseler's erledigt. —
„Soviel ich weiss,*' fährt er fort, „ruft kein Vater den Clemens zum
Zeugen für seine Ansicht (dass Paulus nach Spanien gekommen) an,
bis zur Zeit des Junius (1633). Was liegt wohl da näher, als die Ver-
muthung, dass der Text nicht der richtige und ursprüngliche sei?**
Den Brief des Clemens citiren durch Anführung einzelner Worte —
Polykarp^), Irenäus, Clemens von Alexandrien, Origenes, Cyrill von
Jerusalem, Epiphanius, Hieronymus.
Von den Abendländern, welche die Geschichte der Kirche vom
Anfange an, wie Eusebius, schreiben, sind nur Rufinus und Sulpicius
Severus zu nennen. Aber Rufinus hat eben den Eusebius übersezt; und
Supicius giebt einen magern Abriss, und handelt von Spanien erst —
aus Anlass der Priscillianisten. Wenige Säze sagt er über den Tod der
beiden Apostel Petrus und Paulus ; seine Quellen nennt er nicht. Allein
es finden sich Spuren von Tacitus bei ihm, — den Clemens von fiomi
nennt er nicht, und hat ihn wohl nicht gekannt.
*) Contra hctereses — 6^ 42. 6, 55. — (S. über die Bedeutung dieses Wortes —
»Presbyter" — als eines Kirchenlehrers — bei Döllingery Hippolyt etc.
S. 338 -342.)
«) Do Hinge r, Hippolyt und Kallistus, 1853, S. 278-79.
') He fei Bf Patrum apostol. opera, ed. 4. 1855 — prolegomena, p. XXIV — X2C VIII.
Hefele meint, Eusebius habe den Brief noch vor Augen gehabt.
Die Tradition der römischen Kirche über den Apostel Paulns. 37
Auf&Uen könnte es nur, dass Cyrill von Jerusalem und Hierony-
mus, welche unsem Brief kannten, sich zweifelnd über die Reise des
Paulus nach Spanien ausdrücken. Aber Cyrill hatte gar keinen Anlass,
weiter davon zu handeln. Hieronymus aber schrieb immer schnell und
darum vielfach ungenau; er schrieb nicht über die Einführung des Ohri-
stenthumes im Abendlande; und wenn er auch unsern Brief kannte, so
folgt nicht, dass er ihn ganz gelesen, dass er ihn aufmerksam gelesen,
und dass er die vorliegende Stelle gelesen und verstanden habe. Es
scheint allerdings nicht, weil er sich an verschiedenen Stellen verschie-
den über die Reise Pauli nach Spanien ausspricht, und darum ebenso
gut als Zeuge dafür, wie dagegen angeführt werden kann.
Sofort kommt Wieseler an seine oben schon (S. 9) besprochene
Erklärung, nach welcher rägfjicc rrJQ dvaecog die oberste Gewalt des
Abendlandes bedeuten solle, nachdem er vorher die Worte inl ro —
in vno ro corrigirt hat (S. 532). Wir verzichten ohne Schwierigkeit
auf das Snij und wollen dem V7i6 uns unterwerfen. Aber die Hinwei-
sung auf Passow, und auf Hermann* s griechische Staatsalterthümer
(I,§. 46) hilft nichts. — Denn dem römischen Kaiser war nicht bloss
das ganze Abendland, sondern auch das ganze Morgenland unterthan,
und kein Morgenländer nannte ihn den Kaiser des Westens, sondern
den Kaiser von Rom oder des römischen Reiches *), — Wieseler über-
sezt (S. 533): „Nachdem er vor der höchsten Gewalt des Abendlandes
erschienen war, und gezeuget hatte vor den Ersten [riyovpievoi heisat
keineswegs die Ersten, und ist keine Uebersezung von principes)^ so
schied er aus der Welt. So erhellt, fährt emphatisch Wieseler fort, ein
wirklicher Fortschritt in der Darstellung des Clemens. Denn die grosse
Ausdehnung seiner Predigt hatte er schon erwähnt. Wie schön sich
nun das fAcigrvQijaccg anschliesst, braucht nicht weiter entwickelt zu
werden. So erklärt es sich denn endlich auch, warum die Väter unsere
Stelle des Clemens niemals für eine zweite römische Gefangenschaft des
Paulus anziehen; denn nach dem ursprünglichen Texte hatte Clemens
Ton dieser wirklich nichts berichtet
Unsere Leser sehen ein, dass diese Ausführungen ihre Widerlegung
in sich selbst tragen. Nach diesem kommt Wieseler zu dem Fragmente
des Muratori, aber er kämpft, wie das Jahr zuvor (1847), mit denselben
schwachen Argumenten (S. 536 flg.). Zu dem semote bemerkt er, dass
nur die Stelle im Evangelium des Lucas 22, 31 — 33 gemeint seyn
könne, wenn Lucas an einem abgesonderten Orte das Martjrthum des
Petrus berichte, oder der Verfasser könnte auch das Kapitel 21 des
Johannes dem Lucas zugeschrieben haben. Dann lässt er uns die Wahl,
') Ad. Mai er, Einleitung in das N. T. 1852, S. 209. »Dem kaiserlichen G^
richtshof war nicht bloss die dvOi^, das Abendland, sondern auch ein grosses
Ländergebiek des Orientes unterworfen.«
38 Erstes Bach. Fünftes Kapitel.
ob wir hinter profieiseentis das Wort omiUü uns ge&llen lassen ^wrollen,
^aber Lucas lässt die Reise des Paulus nach Spanien aus*' *) , denn er
war gar nicht dahin gereist, oder ob wir das kürzere Wörtchen hinter
9ed — nee vorziehen — ^aber die Reise des Apostels nach Spanien deutet
Lucas nicht an (wie das Leiden des Petrus). Diese Vorschläge aber
macht er, »um den durch den Zusammenhang geforderten
Sinn zu erhalten*'. Die Stelle beweise nur, dass der Verfasser auch.
von solchen wusste, welche die Wirklichkeit jener spanischen Reise an-
nahmen, dass er diese Ansicht, als schon von Lucas übergangen und.
verurtheilt, gelegentlich widerlegen wollte. »Wir würden im besten.
Falle nur einen Streit über die Geschichtlichkeit oder üngeschichtlich-
keit dieser Reise, der in der Umgebung der Fragmentisten bestanden
hätte, ausgesprochen finden.^
Alle diese Hintergedanken und Mentalreservationen sind wir andere
in der betreffenden Stelle zu entdecken nicht im Stande. Sie berichtet
einfach die Thatsache der Reise, wie der Fragmentist sie wissen konnte.
— — Auch Origenes (meint Wieseler) kann die Reise Pauli nach Spa-
nien nicht angenommen haben, da er von der Ausdehnung seiner Pre-
digt nur bis lUyrikum wisse. Aber Origenes führt hier (bei Euseb. 3, 1 )
die bekannte Stelle Pauli im Römerbriefe — 15, 19 an, ohne die spa-
nische Reise zu leugnen oder zu behaupten, wie auch heute diese Worte
noch oft angeführt werden, dass Paulus in dem ganzen Umkreise von
Jerusalem bis Illyrikum alles mit dem Evangelium Christi erfüllet habe,
weil der Apostel selbst sich dieser Worte bedient. Dann kommt Wie-
seler noch auf die Worte Innozenz I., des Chrysostomus , Gelasius I.
und Gregor VII. zu sprechen, wovon im Verlaufe die Rede seyn wird,
und bringt noch einige untergeordnete Einwürfe. Nur noch einen Ein-
wurf will ich anführen (Wieseler S. 546 — 47). Lucas könne nach der
ganzen Anlage der Apostelgeschichte nichts anderes, als den Tod Pauli
vorausgesehen haben (Ap. G. 20, 25, 37, 38; 21, 10—14). Die Apostel-
geschichte aber habe er beendigt vor dem Prozesse, und unter Ahnungen
des Todes Pauli.
Wieseler kommt zu dem Resultate, dass Paulus vom Spätsommer
63 bis Frühjahr 64, und wahrscheinlich am Anfange des Jahres 64 hin-
gerichtet worden ist, worauf der Brief an die Hebräer geschrieben wurde,
Petrus aber in jener allgemeinen Neronischen Verfolgung, bald nach
dem römischen Brande, der am 19. Juli 64 n. Chr. begann (S. 551).
Döllinger ^) aber In seinem neuesten Werke sagt: ^dass Paulus aus
seiner Haft wieder entlassen wurde, und nach einer neuen, zwei- oder
dreijährigen apostolischen Thätigkeit erst im J. 67 in Folge der Nero-
' *) Semote et poMwnem Petri declarat, sed profectionem Pauli ab Urhe in Spaniam pro-
ßciscentis — omittit.
«) Dölling^er, Christenthum und Kirche. S. 79 — 80.
Die Tradition der römischen Kirche über den Apostel Paulus. 39
nischen Christenverfolgung hingerichtet worden sei, das ist die üebw-
lieferung der ganzen alten Kirche. Dass sie das Richtige aussage, lässt
sich bis zur Gewissheit nachweisen,^ Die Apostelgeschichte gebe das
Ende der Haft Pauli an , d. h. sage , dass dieselbe zwei Jahre gedauert
habe. Wenn die Haft mit dem Tode des Apostels geendet, so wäre es
unbegreiflich, warum Lucas diesen Schlussstein, der das Werk seines
Helden krönte, nicht hinzugefügt haben sollte.'' Er verfasste aber seine
Erzählung vor dem J. 67, und er war nicht mehr Begleiter des Apostels.
Den lezten Grund giebt bekanntlich auch das Fragment des Mura-
tori an. Lucas schweigt über den Tod Petri und die Reise des Paulus
nach Spanien, weil er nicht Zeuge davon war. Diess mochte für Lucas
ein Grund sein; desswegen aber konnte er es doch erwähnen, dass er
nach seiner Freilassung in Rom eine Reise nach Spanien angetreten
habe; denn bei der Abreise des Apostels war er sicher noch zugegen.
Aber er schweigt darüber, weil das Reden bedenklich und gefährlich
war; er schweigt aus demselben Grunde, aus dem er die Abreise des
Apostels Petrus von Jerusalem nach Rom nur angedeutet hatte für die
Eingeweihten. Paulus war eben noch dem Tod entronnen. Die Augen
seiner Feinde waren auf ihn gerichtet. Ihr Hass war durch seine Frei-
sprechung nicht vermindert. Am Hof des Nero hatten die Juden einen
grossen Einfluss. Paulus musste sich entfernen, und es musste wo mög-
lich unbekannt bleiben , wohin , er sich von Rom begeben habe. Jeden-
falls durfte und wollte Lucas von seiner Seite nichts dazu beitragen, das
Geheimniss zu verrathen.
Ein ähnlicher Grund dürfte das Stillschweigen erklären , das in den
Briefen Pauli über Petrus herrscht, den er nicht grüssen lässt, von dem
er keine Grüsse an die Gemeinde meldet. Petrus habe sich, meint Wie-
seler, in den Jahren 61 — 63 nicht in Rom aufgehalten, weil er in den
von Rom geschriebenen paulinischen Briefen nirgends vorkoname*). Er
sei im J. 62 in Babylon am Euphrat gewesen, und habe dort iseinen
ersten Brief geschrieben. Wahrscheinlich sass er, wie einst Jeremias
auf Jerusalems Trümmern , so auf den Ruinen von Babylon ; denn seit
fest vierhundert Jahren war die Stadt zerfaUep, und Strabo nennt (16, 1 [5])
die grosse Stadt — eine grosse Wüste ^). — Aber Paulus nennt den
Petrus nicht, weil er den Heiden und den Juden als Haupt der Christen
bekannt, und weil sein Leben der ganzen Kirche so theuer war.
*) Wie sei er, Zweiter Excurs. Petri römischer Aufenthalt, S. 552 — 593.
*) Plinius 6j 122 (130). Dural adhuc ibi (in Bahylon) Jovis Beli temphm. Ceterum
ad solitudinem rediit exhausta vicinitate Seleuciae ob id conditae a Nicatore tnira 90
lapidem, — Strabo 16 f 1(5) — eQrjfxia fieydlrj (ijörlv rj fieydXrj xoXtg,
Sechstes Kapitel.
Die Zeflpisse der Späteren — fttr die Reise des Apostels
na4;Ii Spanien
Bind von untergeordnetem Werthe, theils wegen der Entfernung ihres
Zeitalters von dem der Apostel, mehr noch, weil der Einwurf nicht ab-
zuweisen ist, dass sie aus seiner ausgesprochenen Absicht — auf die
wirklich vollbrachte Reise geschlossen haben.
• Athanasius mahnt den Hegumen Dracontius, das ihm übertragene
Bisthum anzunehmen. Er hält ihm u. a. das Beispiel des Apostels Paulus
vor, welcher voll Eifer war, nicht bloss nach Rom, sondern selbst bis
Spanien zu gehen *). Man sieht indess aus dieser Stelle nicht mit Sicher-
heit, ob sie bloss im Hinblicke auf den Entschluss des Apostels zur Reise
geschrieben ist, oder ob Athanasius die wirkliche Reise des Apostels
nach Spanien ausdrücken will.
Cyrill von Jerusalem sagt^), dass Gott den, welcher einst ein
Verfolger gewesen, zu einem getreuen Knecht und Herold umgewandelt,
der entschlossen war, nach seinen Arbeiten von Jerusalem bis Illyrikum,
auch noch dem kaiserlichen Rom, und selbst in Spanien zu predigen.
Der Mauriner Touttö, der Herausgeber des Cyrill, bemerkt mit Recht
zu dieser Stelle, dass durch dieselbe nicht so fast die Reise des Apostels
nach Spanien bezeugt, als vielmehr nicht ausgeschlossen sei').
Bestimmter schon drückt sich Epiphanius aus, wenn er sag^:
*) Kai fjoj oxveiy fjo^dh tls rj/v 'Pc^firpf elSsiv^ fjofjdh eis rag JSstaviag dvaßtfvaiy ha
boov xojti^y roOovror xai rov xojeov rov /uiß'^w axoXdßfj,
*) Cyrill. Hieros. catech. 17. — rov jtore duaxrrjfv ttij^vxa xai dovXov dyaSov cuieip-
yaßaro * obto legoöoAvfKav fikv xai fJiexQi rov UXvQtxov seexXfjQiixoTa (xtxXrjQidxevai)
ro evayyiXiov, xanjX'j^oyTa de xai ri/v flaöUiSa ptifjap^^ xai fuxpi (fxccvtas n/v
jtpoSvfuav rov xtjQvyfiaros haeiyavra*
») ToutU^ p. 277, bei Migne P. graeca, 33, 998.
Die ZengnifTse der Späteren — für die Reise des Apostels Dach Spanien. 41
Paulus ist nach Spanien gereist; Petrus hat oft den Pontus und Bithy-
nien besucht *).
Chrysostomus sagt bei der Erklärung der Stelle des Römer-
briefes — 15, 24 — nichts von der Reise des Apostels nach Spanien.
Zu V. 28 sagt er: (;,lch werde durch euere Stadt hindurch nach Spanien
gehen. *^) — Wieder erwähnt er Spanien, indem er seine Eile und seinen
Eifer um dieselben zeigt ^),^ — Hieher kann man auch eine Stelle rech-
nen zu dem 2. Briefe an Timoth. 4, 16, — wo es heisst, dass Paulus,
nachdem er in der ganzen Welt das Evangelium verkündigt habe, zum
Ziele der Vollendung gelangt sei*). Aehnlich lautet eine Bemerkung
des Chrysostomus zu Rom. 1, 14 — 15: So war jene heilige Seele; sie um-
hsste die ganze Erde, und sie trug alle in sich; wie ein Adler, von
der Liebe getragen, gieng er bei allen umher, indem er nirgends immer
blieb und sich niederliess.
Deutlicher spricht sich Chrysostomus in der Stelle zu 2. Tim. 4, 20
aus: Nachdem er in Rom gewesen, gieng er wieder nach Spanien. Ob
er aber von dort wieder in diese Länder kam, wissen wir nicht*).
Positiv aber behauptet er die Reise des Apostels nach Spanien, und so,
dass ihm die Worte des Briefes des Clemens oder des Anonymus vor-
gelegen zu haben scheinen, in der ersten Homilie zu dem Hebräerbriefe:
Zwei Jahre brachte er als Gefangener in Rom zu — dann vrurde er
entlassen. Dann gieng er nach Spanien. Dann gieng er nach Judäa,
als er auch die Juden sah. Und dann gieng er wieder nach Rom, wo
er auch von Nero (unter Nero) getödtet wurde *).
Li ähnlicher bestimmter Weise spricht sich Theodoret über die Reise
des Apostels nach Spanien aus zum Psalm 116^): — Er betrat auch
Italien, und gelangte bis nach Spanien, und brachte den im Meere lie-
genden Liseln die Kunde des Heiles. Denn im Briefe an die Römer
') Epiph. haer. 27,6. — 6 fxkv yoQ IJocbloc >««« «J«^< r^ 'löfcayicev dpixfeirar Tler^
da JtoJLXooiis IJovTtiy re xai BiSwiav ixeöxetfxxro,
*j HxBievöOfiai dl* vfjuay tig Hxciyiay — xotXw fxifiyvjrou r^ Ssrocvücg, detxvog ro
aofevov Hai ro xegi ixeivovQ -^epfiov. — Chrysost, op, ed, Mont/aucon-Migne, t 9,
(i859) p, 662.
^) 2. Tim. 4, 16: ovra du^pvye rore, xai Jtaßav efJurJtijoac lijrv oiMOOfurrfy r&v ^pvy-
fiarocy wereivöer ovno rov ßtov, -^ cf. in acta apost. kam, 55, — Rom. 1, 14 —
xaßaiv xeQuloifxfiavi r^ oixov/ueytp^ xai ev iavra xtQi»pe^ev axanas,
*) 2. Tim. 4,20. Mera ro yc^sö-^t, iy ^tofm, noUn^ sie n/v ZxayUxy canjl^iv. —
Ei dh ixel^ey xdXev eig ravra ra (u^^ ovx tOfiev,
*) BomiL 1. in Hehr, ^vö fuv ovv enj ixoa^ev ev ptifjtij deöefievog — elra oopeiSnf;
thä eic rag Sxayiag ^iSev' elra eig iovStciay Hßtj^ oref xai rcvg loodaimtg dde'
xai fort xaJUv i^l9-tv eig gui^fjafv^ örg xai (>x6 JVe^ayog ceyff^S^,
•) Theodoret Ps. 116. — xai eig rag Zxaviag apixerOy xai raXg ev ra xelayei duxr
xei/uvaig yrjöotg ri/v ti^eJteior it^ogijveyx^ -^ ^fudoig fihy ya^ ixißteUMf e^.
42 Erstes Bnch. Sechstes Kapitel.
sagt er es — Rom. 15, 24. Zxa Erklärung sodann der beiden angeführten
Stellen im Römerbriefe spricht er sich also aus — 15, 24 *) — : Zwei
Gründe seines Kommens zu ihnen hat er angegeben , dass nemlich auch
noch die Uebrigen die Botschaft vernehmen, und dass kein Volk fremd
bleibe der Lehre des Evangeliums, — sodann die Sehnsucht nach ihnen.
— Zum voraus sagt er, dass er nicht bloss sie sehen, sondern auch
Spanien betr^en werde. Denn euch verlange ich zuerst zu sehen, und
nach euch, jene.
In ähnlicher, noch bestimmterer Weise spricht sich Theodoret in
dem Briefe an die Philipper aus — 1, 25 — : f,Da8 weiss ich zuversicht-
lich, dass ich bleibe, dass ich bei euch allen bleiben werde zu euerer
Förderung und zur Freude eueres Glaubens. — Ich weiss, dass ich
der jezigen Gefahr entfliehen werde.^ Der Erfolg bewährte diese Pro-
phezeiung. Zum erstenmal entfloh er dem Zorn des Nero, und dieses
spricht er im Briefe an Timotheus aus (2. Tim. 4, 16 — 17). „Ich ward
aus dem Rachen des Löwen errettet*^ Auch die Apostelgeschichte hat uns
belehrt, dass er zuerst zwei Jahre zu Rom in einer Privatwohnung, zu-
brachte. „Als er aber von dort nach Spanien gegangen, und das gött-
liche Evangelium auch dorthin getragen hatte, kehrte er wieder zurück,
und dann wurde er enthauptet ^).''
Endlich kommt Theodoret bei der kurzen Erklärung des zweiten
Briefes an Timotheus, welche Stelle er aber schon angeführt hat, noch
einmal auf die Reise des Apostels nach Spanien zurück. — »Der Herr
ist mir zur Seite gestanden, und hat mich gestärkt, so dass meine Predigt
vollendet wird, und alle Völker sie hören. — Als er in Folge seiner
Appellation von Festus nach Rom geschickt, und, nachdem seine Yer-
theidigung gehört worden, entlassen wurde, nach Spanien reiste und
noch zu andern Yölkem eilte, und die Leuchte des Evangeliums zu
ihnen brachte.^
*) Rom. 15, 24. — xcci evrocvSoc jtpoei^xev, orcev xai Qtaixaiovg cuptrou xai Jlstccyovg,
— Rom. 15, 28. — dvo airiag riijg jtgog avrovg ofpi^ewg riSstxe^ t6 re rovg oUlovg
TO xiij^vyfJLa di^aö-^t, xai /ua^dev eSyog fjtelvai rijg evayyeJLu^ dtdaCKuXiag ayrj-
xoov, xai rov xs^i a^ovg jcoSov, — jtQoXeyei de, ori ov fiovov oa^ovg cnperai,
aXkcL xai rrjv Hstayiay xaraJbjxperai — v/mag yoQ XQ<arovg ideiv spiefAaiy xai ixeS"*
6fJLC(g, ixeivovg,
') Kai ri rüv Upd^eaiv de ^fiag edida^ev iffropia, tag dvo In/ ro x^wtrt ev r^ 'PtafXff
dni/yaye xaS* iavrcv oixuv ev idua fiiö-S^iafioru *£xeiSiv de eig rag JSstavias dxel-
Scjv, xai TO Seiov x^uivotg XQogeyeyxarv JEvayyeXwvy eatayiqXS'e, xai roxe n^ xe-
^ycüiaffv a3ter[M^Sri.
•) 2. Tim. 4, 15 — 17. — ■ 6 de xv^tog fjuH xa^örrj, xai evedwäiua^e /u£, iva di euw
ro nrf^iuyfux, jtXijQO^po^&fi , xai axovC^ jtccvra ra e-^vt^* — i^ixa rjj ipetfei (appel-
laHone) xeV^cifjievog eig ripr 'PtafJOffv vjto rov 0^tou sta^xifip^^ arcoloyiHofitvog
mg aStiog apeiStf, xai rag JSxavüxg xareAafiely xai eig ire^ eSvn^ d^ofMtVy rrp^
T^ dtdcfC^ufJUttg lufjutadoi ^^ogi^eyxi.
Die Zeugnisse der SpHtvren — fttt die Reise des Apostels nach Spanien. 43
Aus den Woftefn: ^zn andern Yölkem^, haben die EngliSnder Cave
and Stülingsfleet' geschlossen, dass Paulus damals auch nach Britannien
gekommen sei, was wohl möglich wäre, was aber höchstens ein patrio-
tischer Engländer für wahrscheinlich halten wird*).
Von den lateinischen Earchenvätem , welche die Reise des Paulus
nach Spanien als eine Thatsache annehmen, führen wir hier die Worte
des Hieronymus — zu seinem Commentar in den Jesajas — an: Die
Apostel sollen in schnellem Laufe durch das Meer zu den andern Na-
tionen eilen. Was wir an dem einzigen Beispiele des Apostels Paulus
ersehen können, der durch Pamphylien, Asien und Macedonien, durch
Achaja und verschiedene Inseln und Provinzen — bis nach Italien, und,
wie er selbst schreibt, nach Spanien von den Schiffen der Fremden ge-
tragen wurde ^).
Mit noch weniger bestimmten Worten — nennt Gregor der Grosse
Paulus einen Adler, der jezt nach Judäa, bald nach Corinth, nach
Ephesus, nach Rom, bald nach Spanien eilte, um den Völkern das Heil
zu verkünden^).
Hier wollen wir sogleich auf die Worte des Papstes Innozenz I.
hinweisen, welche in ihrer Gesammtheit beweisen, dass das Christen-
thum nach Spanien nicht etwa von Afrika aus, wie es in neuerer Zeit
ohne Grund zu behaupten beliebt worden ist, sondern von Rom ge-
kommen sei. — Es sei augenscheinlich, dass in ganz Italien, Gallien,
Spanien, Afrika und Sicilien, sowie den dazwischen liegenden Inseln
niemand Kirchen gegründet habe, als diejenigen, welche der Apostel
Pdrus und seine Nachfolger als Bischöfe eingesezt haben ^).
Innozenz scheint in diesen Worten auszusprechen , dass Paulus nicht
nach Spanien gekommen sei, aber es scheint auch nur so. Doch direct
und mit noch bestimmteren Worten scheint sich Papst Gelasius I. (492
bis 496) in einem von Gratian ihm zugeschriebenen Dekrete gegen die
spanische Reise des Paulus auszusprechen. — Es ist diess ein von Gra-
tian angeführtes Bruchstück, ein Auszug aus dem zweiten unter Gela-
sius I. gehaltenen römischen Concil^). Es hat nicht die mindeste Beziehung
*) Cave, Antigu. Apost p. 653, Stillingsfleet, orig. hritannicae, 1842, p. 1,
'j Qui — ad Italiam quoque, et ut ipee ecribit, ad Hiapaniaa, alienigenarum portatus
est navibus — Hieron. comm. in Jes, proph, L IV, c. 11, 11 — 16,
') Chregor. M. moralia ~ L 31 am Schloss: JEcee enim, quem €td testimonium jam saq>e
adduximus, Paulus cum nunc Judaeean, nunc Corintkum, nunc Ephesum, nunc Romam,
nunc Hispemias peteret , ut in peccati morsibus jacentibus aetemae vitae graiiam nun-
tiaret, quid se aliud quam esse aquilam demonstrabatf
*) Innoc. L epist. 25 (30) Deeentio Ettgubino ep. c. 2. — Cum sk manifestum in omnem
Italiam, GdUias, Hi^anias, Africam atque SiciUam, et insulas interjacentesy nuüum
vnstituisse eeelesias, nist eos, quos venerabiHs apostoku Petrus aut ejus sueeessores con-
stiiuerint saeerdotes,
*) Gelas. ap. Grat. Ncn mefi<äitr, ^t ofinntiM Jtfüendi nofi habet, -^ B. apq^lua
44 Erstes Buch. Sechstes Kapitel.
auf eine kirchliche Anordnung. Gelasius spricht hiemit eine individuelle
Ansicht aus, oder vielmehr, er argumentirt aus dem Stillschweigen der
Apostelgeschichte, dass die spanische Reise des Paulus nicht stattgefun-
den habe. Er will zunächst nur sagen, dass sie damals und in der
Weise nicht stattgefunden, in welcher sie Paulus intendirt hatte. Der
Apostel wollte als ein Freier, und wollte alsbald, nachdem er seinen
Brief an die Römer ver£as8t hatte, nach Spanien reisen. Statt dessen
kam er als Geüeingener, und erst nach mehreren Jahren nach Rom. Zu
Rom wurde er wieder mehrere Jahre in der Grefangenschaft zurück-
gehalten. Wenn er nun nach seiner Freilassung nach Spanien kam,
so war doch sein ursprünglicher Plan durch mächtige Umstände ver-
eitelt worden *).
Fl orez folgert vielmehr aus dieser Stelle und aus dem Zusammen-
hange, in welchem sie ursprünglich steht, den Beweis des Gegentheiles.
Denn Gelasius (das gemeinsame Asyl aller, welche die spanische Reise
des Paulus leugnen) leugne sie nicht, sondern sage in bestimmten Wor-
ten, dass er zu der Zeit nicht dahin gekommen sei, zu welcher er es
beabsichtigt habe, was sich wirklich so verhalte. Früher wurde auch
Sophronius von Jerusalem unter den Zeugen für die spanische Reise
des Paulus angeführt. — Der Kardinal Ang. Mai hat von Sophro-
nius (um 628 n. Chr.) so viel Neues mitgetheilt ^) , dass man den-
Paukis non icfeo, quod absit fefellisse credendtu est, aut sibi exHtUse contrarius, quo-
niam cum ad Hispanos se promiaisset iturum, dispositione divina majoribua occupatus
ex catuis implere non poiuit, quod promisit. Quantum enim ipsius voluntatis inter/uUj
hoc pronuntiavit, quod revera vobtisset efßcere, QtiafiAim ad divini secreta consilü
(quae ut homo omnia non potuit licet spiritu Dei plenm agnoscere) suprema praeter-
misit dispontione praeventus. — Nee quia B. Petrus apostolus divinae reverentiae ipsi
domino respondit: Non lavabis mihi pedes in aetemumy fefelUsse, quod absit, aut in sua
putabitur minime constitisse sententia; quia mox eidem divinae voluntati cesserit, et
quod dixerat esse facturum, causis astricius humanae salutis, ea^eteret prona volunttite
faciendum. Chratian. Decr, Causa 22. quaest. 2. cap, 5, Migne P, lai. 59, p, 154 (app. 2.
Canones Gelasio ascripti edit. concil. Mansi),
*) Alexander Natalis, A. e. saec. 1, dissert 15, de fidei propagatione in Hispaniis. —
„Etsi Gelasius profecHonem S. Pauli in Hispanias negasset, quid contra tantam nubem
testium , contra traditionem tot sct. patrum testimoniis ßrmatam , probaret unüts Ponti-
ßcis ex privato sensu scribentis auctoritasf Und Nat. AI. kannte nicht einmal die
beiden Hauptzeugnisse des Clemens und des Ungenannten des Muratori. —
Vergl. Florez, Espanna sagräda, t. 3, cap. 2(2) p, 15 — 22, 2 edic,
*) Mai in dem spicilegium romantan, Romas 1839—44. 10 tom, Dofi findet sich
die or,7 — Lobrede auf Johannes B. — SpiciL 4, p, 130, — in der SancL pon
trum novo bibliotheca, Bamae 1853 sq,, wovon bis zum Tode des Kard. Mai
(t 9. Sept. 1854) sechs Bände erschienen, wurde L V, p. XXV — eine Lobrede
auf Petrus und Paulus mitgetheilt In dem spieä, III^ p, XV^ ferner eine neue
Schrift — über das Bekenntniss der Sünden. Ebendas. III, p, V — das Leben
der heiligen Gynis und Johannes, — sowie eine Erzählung ihrer Wunder, eine
ausführliche Schrift yoi| 70 Kapiteln ^ ^in Anhang <1azu spidL U IV, p. 226, —
r
Die Zeugnisse der Späteren — fOr die Reise des Apostels nach Spanien. 45
selben für den ersten Herausgeber seiner Werke halten kann. Aber
schon Florenz, der gewiss ein Interesse für jeden starkem oder schwIUihem
Beweis der apostolischen Reise des Paulus nach Spanien hat, hat das
angebliche Citat aus Sophronius — als eine Stelle aus der Legende
Simeon des Metaphrasten anerkannt — über das Leben des Petrus und
Paulus.
Dagegen bezeugt der Zeitgenosse des Sophronius, der Spanier Isidor
von Sevilla, dass Paulus bis nach Spanien hin das Evangelium- ver-
kündigt habe •). — Anderseits sagt Beda der Ehrwürdige, der hundert
Jahre später blühte, in dem Martyrologium, welches seinen Namen trägt,
mehr im Allgemeinen, indem ihm vielleicht die Worte des Clemens
von Rom und Eusebius vorschwebten, dass Paulus das Evangelium —
nach der Befreiung aus seiner -^ ersten — römischen Gefangenschaft
auch in den Gegenden des Abendlandes geprediget habe^). — Indess
sagt der eben erwähnte Isidor in ähnlicher Weise von Paulus, dass er das
Christenthum vom Morgenlande bis zum Abendlande verkündigt habe^).
Wäre auch nur eine Spur von Wahrscheinlichkeit oder von üeber-
lieferung vorhanden gewesen, dass, wie einige patriotische Englän-
der annehmen, Paulus von Spanien oder von Rom aus — ^ auch nach
Britannien gekommen sei, so hätte Beda in seiner Kirdiengeschichte
der Angelsachsen gewiss darüber nicht geschwiegen. Aber er giebt
keine leise Andeutung darüber; und führt als erste Thatsache des in
Britannien keimenden Christenthumes den Brief des angeblichen Königs
Lucius an den Papst Eleutherus an^).
Ferner haben A. Mai, und sein inzwischen auch gestorbener Fortsezer Peter
Matranga umfangreiche Gedichte des Sophronius edirt, die Gedichte, genannt
Anacreontica , spicil. t IV y p. 49 — das Gedicht Triodiunif spicil, t. IV, p. 126,
Endlich einen Commentar zur Liturgie, der nur in einem Bruchslücko vorhan-
den isU — S. Migne, Patr. graeca, U 87 (1860), p. 3115—4014,
*) Isidor, de ortu et obitu patrum — cap. 69. — Incipiena — äh Bterosolymia , usque ad
Ilbfricum, etItaUamf Hispani<uque proceasit, Opera edd, Arevalo- Migne, t,5,p,181,
*) Paulus quogue post pcuaionem Domini 25 anno, i, e, secundo Neronia postquam a
Jerusalem usque lüyricum replevit evangeUum Christi, Romam vinctus missus est, et,
sicut ipse in 2 epistola ad Timotheum scribit, liberatus de ore leonis videHcet fero-
cissimi persecutoris Neronis, Uvangelitan Christi in Occidentis quoque partibus prae-
dicavit, — Martyrolog, Bedae — 30. Juni.
') Isidor etgmologiarum 7,9.— Ab Oriente usque ad Occasum Evangelium Christi in
Omnibus geniibus praedicavit.
*) Beda — kigt, eccl. g, Angl. 1, 4, cf, Galfridus Monomutensis , Histor. Britann. 1, 63.
— cf, Gildas sap, de excidio Briianiae, c,6—9, der indess von Luciifs nichts
weiss, noch weniger (wie Greith A. Lucius im Freib. Eirehenl. sagt) iti c. 8
behauptet, dass um das 8^ Jahr des Kaisers Nero in Britannien der erste Strahl
des Christenthums erschienen sei. — Dagegen sagt dieser Brftte Gildas (c. 1),
dass Britannien im Nordwesten der Erde liege, wesswegen er, Beda und Spätere
unter dem Westen der Erde nieht Britannien verstehen können.
46 Erstes Buch« Sechstes Kapitel.
Das Martyrologium des Florus ron LyoB Wlt mit denen des Beda,
Ado und Usuard zusammen. Ado wiederholt buchstäblich dieselben
Worte, welche sich bei Beda finden^). Bei Usuard und im neuern
römischen Martyrologium, welche wörtlich mit einander übereinstimmen,
findet sich nichts über die Reise des Paulus nach Spanien. Dagegen
führt Ado von Vienne auch in seiner Weltchronik an, dass — nach der
Ueberlieferung,^ d. h. der gewöhnlichen Annahme, Paulus unter dem
Kaiser Nero nach Spanien gekommen sei ^). — In diese Zeit fallt das
schon erwähnte Zeugniss Simeon des Metaphrasten ^).
AnselmvYon Canterburj sagt, dass Paulus wirklich seinen £nt-
schluss ausgeführt habe. Er reiste nach Spanien, wie es Hieronymus,
Beda und die übrigen Lehrer bezeugen. Als er an Narbonne vorüber-
gieng, soll er einen seiner Schüler, Namens Paulus, dort als Bischof
zurückgelassen haben. Er kam also bis nach Spanien , und vom rothen
Meere bis zum Weltmeere durcheilte er predigend die ganze Erde, indem
er den Lauf der Sonne vom Aufgang bis zum Niedergang nachahmte ^).
Der Zeitgenosse Anselms, Theophylactus, sagt, dass Paulus
nach Spanien gegangen, und dort vielleicht die Juden gefunden habe^).
Oecumenius sagt zu Rom. 15 ^ 24; 28 dasselbe, was Chrysostomus
dazu bemerkt hatte, nemlich die Wiederholung bedeute seine starke
Sehnsucht nach Spanien.
Wir kommen zu Thomas von Aquin. Zu Römer 15, 24 sagt er :
der Apostel scheint hier unwahr gesprochen zu haben; denn nirgends
liest man, dass er nach Spanien gegangen sei. Er wurde in Jerusalem
gefangen genommen, und in Banden nach Rom gebracht, wie es im
lezten Kapitel der Ap. G. steht , und dort wurde er mit Petrus getödtet.
Zwar sagen Einige , Paulus sei nach Verfluss der zwei Jahre seiner
Haft in Rom nach Spanien gegangen. Weil jedoch dieses nicht gewiss
ist, ist es besser, zu sagen, dass der Apostel nicht unwahr gesprochen
habe, weil er es damals wollte, und es bei sich selbst festsezte, das zu
thun, was er wollte. Seine Worte offenbaren demnach seinen Willen
und Yorsaz, den er damals hatte, nicht aber den zukünftigen Erfolg,
der ihm selbst ungewiss war. — Hierauf weist Thomas auf einen ähn-
lichen Fall im zweiten Briefe an die Corinthier (2. Cor. 1, 17). — Hier-
auf beruft er sich auf die obigen Worte des Papstes Gelasius I.
') Ado Hb. de fesHvit. ss, apostolorum,
') AdOf chronicon, ctet. 6 — 59, Qm tempore creditur Paulus ad HUpanias pervenisse,
et Arelatae Troph^mum, Viennae Crescentem dUdpulos suos ad praedicondum reliquisse,
*) Surius, SO. Juni, — Acta Set 29, Juni,
*) Anaelm, in Roman, 15, 24, — Pervenit igitur usque ad Hiapanias, et a mari rubro
usgue ad Oceanum praedicando cucurrit, imitans toUs curßum ab Oriente usque Occa-
sum, ut ante ei terra d^ficeret, quam Studium praedicandi,
^) Posthac in Mi^Hsnias profectuSf inde/<nia$$e eontpexit Hebraeos — : ad J^ebr. tfi prooem.
Die ZeagDisae der Späteren — fftr die Reise des Apostels nach Spanien. 47
Die Worte des Thomas und zugleich des Gelasius finden hiedurch
eine Erklärung, aus der man nicht schliessen darf, dass sie überhaupt
die Keise des Paulus geleugnet haben. Thomas will nur sagen, dass
man aus dem Entschlüsse des Paulus nicht schliessen dürfe, dass er
wirklich dahin gereist sei, eine Behauptung, -welcher wir vollständig
beitreten müssen. Zweitens will er mit Gelasius sagen, dass er seinen
Entschluss zu der hei ihm bestimmten Zeit nicht ausgeführt habe, weil
er daran gehindert wurde. Auch dieser Behauptung können wir nicht
anders als beistimmen. An einer andern Stelle aber spricht sich Thomas
für die Reise, des Apostels nach Spanien aus. „In kurzer Zeit,^ sagt er,
;,pred]gte er das Evangelium von Jerusalem bis lUyricum und his nach
Spanien *).^ — In ähnlicher Weise heisst es in dem alten mozarabischen
Brevier von Toledo, dass Paulus anfangend von Jerusalem bis nach
Iliyricum, Italien und Spanien vorgedrungen sei^).
Der Spanier Domin. Soto (f 1560) hielt es für wahrscheinlicher,
dass Paulus nicht nach Spanien gekommen sei. Seine Gründe aber sind
sehr seltsam, um nicht zu sagen lächerlich. Denn, sagt er, wenn er
von einem Soldaten (zu Rom) bewacht wurde, wie wäre es ihm mög-
lich gewesen, auf so lange Rom zu verlassen? Am Ende jener zweji
Jahre aber sei er mit Petrus gemartert worden. Dazu komme, dass,
wenn Paulus wirklich nach Spanien gekommen, Lucas darüber ni<?ht
würde geschwiegen haben. „Hätte aber auch Lucas darüber geschwiegen,
so hätten doch andere Schriftsteller ein so merkwürdiges Ereigniss ge-
meldet, gleichwie sie die Ankunft des Jacobus in Spanien berichtet
haben ^).^ — Man müsse daher sagen, Paulus habe den Han gehabt,
nach Spanien zu gehen, Gott aber habe es anders geordnet. Diess sei
auch die Antwort des Papstes Gelasius. Zwei andere als Exegeten be-
rühmte Spanier — Alfons Testatus und Perer traten den seltsamen Be-
denken Soto's entgegen. Der ältere Tostatus *) beugt sich nicht vor der
Auctorität des (falsch verstaVidenen) Gelasius und dem Decretum Orot.,
sondern, weil die altem spanischen Chronisten das Gegentheil behaupten,
sagt er, man müsse ihnen mehr glauben, als dem Gratian (Gelasius). —
Er beruft sich auf Isidor, auf Lucas Tudensis, auf Johannes Aegidii
von Zamora. Dann macht er den Syllogismus , Paulus habe versprochen,
nach Spanien zu kommen, daher müsse man glauben, dass er gekommen
sei, wenn man nicht das Gegentheil aus sichern Gründen wisse.
') Thom, Ag. ad GalaU cap, 2, lecU-l in med,: In modico tempore ah Jerusalem uBque
in Ilfyricttm , et tuque in Hispaniam , praedicavii evangelittm. cf, Phüipp. 2, l. 4.
«) Breü. Toi ad 30, Juni.
*) Ätque etiam n Lucas hoc tacuisset^ non deßtissent aUi acriptoreSf qui rem tarn memo-
rabilem memoriae tradidiaeent ^ sicut de adventu Jacobi ApostoH in Hispaniam tradi"
derunL Soto, in Rom, 15, 24,
*) Ä. ToßUUus, CommenL m gmewn, ccgf, 33, 14,
48 Erstes Bac^ Sechstes Kapitel.
Der Jesuit Benedict Pererius^) von Valencia hat im J. 1600 — 1603
einen grossen Commentar zum Briefe an die Römer in 188 Abhand-
lungen oder Disputationen herausgegeben. Darin behandelt er in zwei
Disputationen die fleise des Apostels nach Spanien ; in der erstem fuhrt
er die Zeugnisse für dieselbe an, in der zweiten sucht er die Einwürfe
zu lösen, besonders die aus den Worten der Päpste Innozenz L und
Gelasius I., des Thomas von Aquin und Domin. Soto genommenen.
Die zwei lezten Zeugen für die Reise sind ihm Tostatus und Baronius.
Mit leichter Mühe widerlegt er den Dom. Soto, und obgleich Spanier,
und im 16. Jahrhunderte blühend, gesteht er, dass kaum einer der alt^n
Schriftsteller etwas über die Reise des Jacobus nach Spanien berichte, aber
um so mehrere und glaub wüi*digere über die Reise des Paulus dahin ^).
Der belgische Jesuit Estius, Zeitgenosse des Pererius, spricht sich in
seinem berühmten Commentare zu den paulinischen Briefen — g^gen diese
Reise aus. Zu seiner Zeit war freilich das Zeugniss des Clemens von Rom
noch nicht bekannt. Dann — . sei nichts davon bekannt, dass Paulus
Kirchen in Spanien gegründet habe. Er fragt, was es Grosses gewesen
wäre, dass Paulus in Spanien geweilt, wenn dort keine Spuren seines
Wirkens übriggeblieben wären? Doch will er schliesslich die Sache
unentschieden lassen^).
Die obige Frage des Estius ist mehr als ungehörig. Das christliehe
Spanien hat Jahrhunderte lang mit der äussersten Zähigkeit an seiner
Tradition des heiligen Jacobus festgehalten ; und die gelehrten Theologen
haben mit dem Aufgebote aller Kräfte nach Stüzen für die unhaltbare
Tradition idch umgesehen. Sie haben alle zugegeben, dass Jacobus nur
sieben Schüler in Spanien gefunden habe, aber die Ankunft eines Apo-
stels in ihr Land war ihnen die Hauptsache. So ist es denn eine
Nebenfrage, ob Paulus Gemeinden in Spanien gegründet habe, die Haupt-
frage ist, ob der Apostel nach Spanien gekommen sei.
') Bened. Pererü VcUentini e. S, J. secundus tomu9 seiectantm disptUationum in «. Script,
continens 188 Disputationen super epistola B. PauH ad Romanos. Ingolstadii 1603, —
p, 1182—1194.
') An beatus Paulus iverit in Hispaniam — disput. 2, — De adventu Jacobi in Hispa-
niam vix uüus antiquorum aliquid prodidit: itionem vero Pauli plurimi et antiquitatiSf
et doctrinae ac sanctitatis laude praestantes, memoriae tradiderunt. Itaque, quantum
ad auctores attinet, multo certior atque indubitabilior est Pauli, quam Jacobi ad Hispa-
nias profectio: quamquam ego, optimis rationibus persuasus, de Jacobi adventu in
Hispaniam nihil dubito» — Mit dieser Disputation schliesst die Erklärung^ des
Römerbriefes.
') Estius, Rom. 15, 28: Quid magnum fuerit in Hispania Paulum fuisse, si nuUa in ea
Christianae fidei vestigia reliquitf Verum quoniam et alüs diversum sentientibus sua
non desunt argumenta (nam in uiramque partem testes et rationes adfenmt Baronius
ad a. 61 et Pererius), nos de ea re tota liberum lectori Judicium reUnquimus, Die
Spuren seiner Gegenwart, welche Paulus in Spanien zurilbkliess , sind — die
Sendung der sieben Apostelschüler.
Die ZeagniBse der Späteren — für die Reise des Apostels nach Spanien. 49
Nicht sehr lange nach den Commentarien des Pererius und Estius
m dem Briefe an die Römer erschien der grosse Commentar des italie^
nischen Dominicaners Angelo Paciuchelli *), welcher die Reise des Apo-
stels nach Spanien als Thatsache annimmt. Er beruft sich u. a. auf Dio-
nysius Carthusianus (um 1450), welcher auch auf eine Stelle bei Hiero-
nymus hinweist ^), dass Paulus nach seiner Freilassung unter Nero noch
in den Gegenden des Abendlandes gepredigt habe. Doch — machen
dem Dionysius Carth. die Worte des Papstes Innozenz I, Bedenken.
Schon früher hatte Nicolaus Lyra auf diese Bedenken zu antworten ge-
sucht. Dionysius sucht die Worte Innozenz' I. mit der Thatsache
der Predigt des Paulus wenigstens in Italien und Rom, und mit der
Predigt des Jacobus in Spanien, welche er annimmt, so zu vereinbaren,
dass er behauptet, sie hätten nicht lange gepredigt').
Nach Cornelius a Lapide hat Paulus nach seiner Freilassung im
J. 61 noch 8 J^re gelebt; er ist nach Spanien gekommen, und im J. 69
Märtyrer geworden. Er führt die gewöhnlichen Zeugen an, und beruft
sich besonders auf Baronius und Pererius *). — Oidmet in seinem Com-
mentar ist weniger entschieden, obgleich ihm — er starb 1757 — die
Worte des Clemens von Rom bekannt waren ^). Ihm macht Bedenken,
dass, soviel man wisse, Paulus keine Kirche in Spanien gegründet habe.
Er meint, die Worte des Clemens können von Spanien^ oder auch von
einem andern Lande verstanden werden. — Tirinus ist kurz für die
Bejahung. Grotius ist zweifelhaft.
V) E:^08iiio in epist. JB. Pauli ap. ad Romanos. Ex sancHs patribus et s. doctoribtts
eaUecta per Fri Angelum Paciuchellium Politianum — cum ejusdem CoUectoris additio-
nürns. — 1652. ~ Monach. 1677.
*) De vir, illust. c. 5. — Sciendum est^ — Paulum a Nerone dimissum, ut evanyeUum
Christi in Occidentis quoque partibus praedicareturf sicut ipse scribit (1. Tim.. 4, 16).
— Bei diesem Anlasse weise ich noch auf einige Steilen bei Hieronymus hin,
in denen er die Reise des Paulus nach Spanien bezweifelt, oder sich unbe-
stimmt darüber ausspricht. Zu Ephes. 3, 13 sagt er: Videbat se — isse Romamj
ad JEtispanias vel perrexissCf vel vre disponere. — In dem Buche ad Helvidium c. 4.
heisst es: si velimus dioere: Paulus apostoluSf antequam ad Hispanias pergerety Romae
in vincula conjectua est. Aut certe illud: Helvidius, antequam poenitentiam ageretf
morte praevenius est. In dem Zusammenhange, worin die Worte hier stehen, schei-
nen sie die Reise dahin zu verneinen. — Zu Amos cap. 5 schreibt Hieronymus :
Sed usque ad Hispänias tenderet (was weder für noch gegen ist), et a mari rubro,
imtno et Oceano usque ad Oceanum curreret, imitans dominum suum et solem justitiae
(Ps. 18, 7), ut ernte eum terra d^eretj quam Studium praedicandi (s. oben S. 46
die ähnliche Stelle bei Anselm C). — Endlich sagt Pseado- Hieron. zu Rom.
15, 24 — utrum in Hi^ania fuerity incertum habetur,
•) Nicol V, Lyra ad Rom, 15, 28. — Dionys, Carthus. ad Rom, 15, 24, 28.
*) CameL a Lapide in Rom, 15, 24, 28.
*) Calniet, comm. ad Rom, 15, 24,
Garns, gpan. Kirche.
Siebentes Kapitel
Die Fra^e der Zeit — und des Weges.
Alle, welche angenommen haben, dass der Apostel Paulus in Spa-
nien gewirkt, haben keine Schwierigkeit gefunden in der Frage, ob die
Zeit seines Lebens noch dazu ausgereicht habe. Früher nahm man an,
dass er im J. 61 aus der römischen Gefangenschaft befreit worden ; jezt
nimmt man das Jahr 63 als das seiner Befreiung, und das Jahr 67 als
das seines Todes an.
Gieng Paulus von Rom zuerst nach Spanien, oder zuerst von Rom
in den Orient, und dann erst nach Spanien? Fast alle Aeltem und
Neuem nehmen an, er sei unmittelbar von Rom nach Spanien, dann
zurück in den Orient gereist, und sei nach kurzem Aufenthalte daselbst
nach Rom als Gefangener zurückgekehrt. Aus den Worten des Clemens
kann man keinen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage ent-
nehmen. Dagegen machen die Worte des Ungenannten bei Muratori
den Eindruck , dass der Apostel unmittelbar von der Stadt nach Spanien
gegangen sei. — Ebenso alle andern Väterstellen, welche wir angeführt
haben, besonders die Worte des Ohrysostomus und des Theodoret.
Auch Pererius wirft in der zweiten der oben angeführten Disputa-
tionen diese Frage auf. Er bejaht dieselbe aus drei Gründen. Erstens,
weil sein Entschluss vorher so gefasst war, und er einen dringenden
Grund nicht hatte, von demselben abzuweichen. Zweitens, weil er von
Rom einen viel leichtem und schnellern Weg nach Spanien hatte, als
von Griechenland oder Asien. Drittens — weil die erwähnten Väter
dieser Meinung seien. Doch genüge es, zu wissen, dass Paulus nach
Spanien gereist sei, entweder unmittelbar, oder einige Zeit nach er-
langter Freiheit.
Dagegen aber sprechen die Worte des Briefes an die Philipper,
welcher Brief, wie allgemein anerkannt wird, aus der ersten römischen
GefEuigenschaft geschrieben ist: Ich habe das Vertrauen zu dem Herrn,
Die Frage der Zeit — und des Weges. 51
dass ich auch selbst bald kommen werde (Phil. 2, 24) ; die Worte in
dem Briefe an Philemon, welcher gleichfaUs in dieser ersten Gefangen-
schaft geschrieben ist: Halte für mich eine Wohnung bereit, denn ich
hoffe, dass ich auf eure Fürbitte euch wieder geschenkt werde (Philem. 22).
— Drittens führt Pererius eine Stelle im Briefe an die Hebräer an (13,23),
welche für uns geringeres Gewicht hat.
Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass diese Einwürfe von Ge-
wicht seien. So hat sich Bisping denn entschieden, die Reise nach
Spanien als lezte des Apostels anzunehmen. Wie wir aus den Briefen
an die Philipper und an Philemon ersehen, sagt er, hatte der Apostel
seinen ursprünglichen Plan , von Rom aus nach Spanien zu reisen, wäh-
rend iseiner mehrjährigen Gefangenschaft dahin abgeändert, dass er zu-
erst noch einmal seinen frühern Wirkungskreis in Eleinasien besuchen
wollte. Als er desshalb nach einer zweijährigen Haft im Frühjahr 63
n. Chr. in Freiheit gesezt wurde , reiste er mit Titus zunächst nach
Kreta. Er blieb dort eine geraume Zeit, wahrscheinlich bis zum fol-
genden Frühjahre. Er schiffte sich — Frühjahf 64 — nach Kleinasien
ein, um die dortigen Gemeinden zu besuchen. Von hier aus schrieb er
noch vor dem Winter seinen Brief an Titus; denn er drückt in diesem
Briefe die Absicht aus, in Nikopölis den Winter zuzubringen (Tit. 3, 12).
Hier ist wohl das Nikopölis in Oilicien gemeint*). — Im folgenden
Frühjahr 65 brach dann Paulus auf nach Ephesus, dann nach Macedonien.
(Erster Brief an Timotheus, geschrieben in Macedonien.)
Von Kleinasie^n gieng er wahrscheinlich wieder nach Griechenland
und Corinth, wo er mit dem heiligen Petrus zusammentraf, mit welchem
er dann nach Rom reiste (Euseb. 2, 25). Von Rom aus scheint er dann
etwa im Erühjahr 66 n. Chr. seinen frühern Entschluss, nach Spanien
zu reisen, und dort das Evangelium zu verkündigen, ausgeführt zu
haben. Jedoch war seine Wirksamkeit daselbst wohl nicht von langer
Dauer; denn die Tradition weiss nichts von Gemeinden, welche Paulus
in Spanien sollte gegründet haben. Wahrscheinlich wurde er dort bald
ergriffen, und als Gefangener nach Rom zurückgebracht. Hier schrieb
er seinen lezten, den zweiten Brief an Timotheus. (Tod 29. Juni 67 n. Chr.)
Diess sind Vermuthungen, welchen andere Vermuthungen entgegen-
stehen. — Legt man darauf so grosses Gewicht, dass sich Paulus bei
Philemon eine Wohnung Bestellt, so müsste man wahrscheinlich machen,
einerseits, dass dieser Brief am Ende seiner ersten Gefangenschaft ge-
schrieben ^ anderseits 9 dass Paulus direct von Rom nach Colossä gereist
Bisping, Brief an die Römer, 1854, S. 61. Ad. Maier, illnleitung^, 1852,
8. 208. »Der Reise nach Spanien muss ein Besach in den ostlichen Ländern
▼orangestellt werden, den er während seiner ersten römischen Haft zunächst
sich vorgenommen.«
4*
52 Erstes Bneh. Siebentes Kapitel.
sei. Aber — man hat nicht einmal einen Anhaltspunkt dafür ^ dass er
überhaupt nach Colossä gekommen sei.
Aberle ^) sowohl als Döllinger nehmen an , dass der Apostel zuerst
nach Spanien , dann erst nach dem Orient gereist sei. — Ich trete dieser
Ansicht umsomehr bei, weil Paulus schon in Rom entschlossen seyn
konnte^ Spanien nach einem kurzen Aufenthalte wieder zu verlassen,
und nach dem Oriente zurückzukehren.
Ein weiterer Grund zu dieser Annahme liegt für mich in dem Zu-
sammenhange, in welchem — nach meiner unten folgenden Darstellung
— die Sendung der sieben Apostelschüler von Rom nach Spanien mit
der kurzen Thätigkeit des Apostels in Spanien steht. Auch scheint mir
die Bemerkung des Pererius beachtenswerth zu seyn, dass, wenn Paulus
überhaupt nach Spanien zu reisen entschlossen war, er den nächsten
Weg von Rom vorziehen musste, — dem Wege in den Orient, und
von da dem doppelt so weiten Wege — sei es über oder nicht über
Rom — nach Spanien^).
Ich komme zu der zweiten Frage: Welchen Weg hat der Apostel
eingeschlagen von Rom nach Spanien; hat er den Weg zur See oder
zu Land, eingeschlagen? Die Gallier, welche an ihrer Tradition fest-
halten, dass Paulus, als er von Rom nach Spanien gieng, seinen Schüler
Paulus zu Narbonne als Bischof zurückgelassen habe, sind für die Laxid-
reise. Denn Narbonne lag an der grossen Heerstrasse, welche von
Italien nach Spanien (nach Leon) führte. — Aber wir haben umso-
weniger Grund, ihrer Tradition zu folgen, als — nach Gregor von Tours
— Paulus um das J. 250 — nach Narbonne gesendet wurde ^), Tille-
mont und Calmet *) unbedingt dieser Annahme beitreten , wogegen
u. a. Petrus de Marca den Paulus für einen Schüler des Apostels hält,
und diesen selbst zu Lande nach Spanien ziehen lässt. Allein — der
Apostel zog überall den nähern jdem weitern, und warum nicht auch
den bequemem dem unbequemem Weg? — vor. Er hatte keine Zeit
mehr zu verlieren. Warum hätte er also den weitem Weg über die
Alpen und die Pyrenäen dem directen Weg zur See vorziehen sollen?
*) Paulus der Ap. im Kirchenlex. von Wetzer - Weite.
') Diesen Eindruck machen auch die Worte des Fragments bei Muratori; Chry-
sostomus und Theodoret sind derselben Ansicht, JTieodoret, 2, Timoth» 4, 17. —
oatoXoyiOdfxsvog d>g dSwog d^eiSf^^ xai rag 2:(ayiag xareXaßt,
*) Hist. eccl. Francor. 1, 28.
*) Tillemont, m^m. i, Saint Paul, ort, 12, BoUand. 22. Afart — Calmet, DicHona-
rium, t. 2 — s. v, Sergius Paulus, — Marca bei Floreg, 3, 31, — Ado Vtenn, de
fest, apost. 11 Cal. April, sagt: Natalis S. PauU, quem beati apostoH ordincUum urbi
Narbonae episcopum miserunt, Maurolicus: in GcdUam. direetus — 22. Apr. — Mart^.
rom.: — apud Narbonam relictus. Bei Alex. Natalis waltet das patriotische In-
teresse vor; doch weiss er sich auf keinen altern Zeugen zu berufen, als auf
Ado und Usuard (Saecut. 1, dissert, 16),
Die Frage der Zeit — nnd des Weges. 53
Nach der innem Wahrscheinlichkeit ^ und den wenigen noch vorhandenen
Spuren kam der Apostel nach Südspanien; dorthin also wäre der Weg
zu Lande ein noch grösserer Umweg gewesen. — Hieronymus sagt
ausdrücklich , dass er zu Schiffe nach Spanien gereist sei. In dem Hafen
von Rom lagen zu aller Zeit eine grosse Anzahl bätischer, d. h. süd-
spanischer Schiffe. Diess bezeugt ausdrücklich Strabo ^) , und auch die
(unten folgenden) Worte des Horaz und Martial deuten indirect darauf hin.
Am öftesten war von Born aus Gelegenheit, nach Gades zu fahren;
in zweiter Linie dürfte die Fahrt nach Tarraco und nach Neu-Carthago
stehen, nach diesen etwa Malacca und Empoijas.
Dass Jul. Cäsar einst in 27 Tagen ^) von Rom nach dem jenseitigen
Spanien, d. fa. in die Gegend von Castulo auf dem Landwege gekom-
men sei, das wurde von den Spaniern selbst wie ein halbes Wunder
angestaunt. Ganz anders mit dem Seewege. Von Rom nach Tarraco
mochte man bequem in einer Woche kommen, aber auch schon am
vierten Tage. Die directe Entfernung von Rom nach Tarraco beträgt
etwa 380 Seemeilen, und ist um ein Bedeutendes geringer, als die ganze
Breite von Spanien , etwa von der Mündung des £bro bis zur Mündung
des Minho. Von den Pyrenäen bis zur Meerenge von Gibraltar brauchte
ein schnellsegelndes Schiff sieb^i Tage. Fünf Tage brauchte ein Schiff
von der Lisel der Pithyusen bis Sardinien. Von den Pithyusen bis
Gibraltar — dauerte die Fahrt etwa drei Tage und Nächte. Endlich
von Rom nach Sardinien 1| Tag. Daraus ergeben sich für die See-
reise von Rom nach Cadix zehn bis zwölf Tage; von Rom nach
Tarraco sieben bis acht Tage. Schnellere Schiffe brauchten nur je vier
und sieben Tage ^). Die Landreise hätte Monate in Anspruch genommen.
Da der Apostel ohnedem entschlossen war, die von ihm gestifteten
Kirchen im Morgenlande zu besuchen, so musste er umsomehr die Zeit
*) Strabo 3, 144 — der glänze Handel aber (von Südspanien) geht nach Italien
und Rom — 145. den Reichthum der Ausfuhrgegenstände — zeigt die Grösse
und Menge der Handelschiffe; denn die grössten Frachtschiffe fahren von dort
nach Dicäarchia (Puteoli bei Neapel) nnd Ostia, der Hafenstadt von Rom. Ihre
Menge ist fast der libyschen gleich.
') Strabo 3, 160. Die Geschichtschreiber erzählen, dass Cäsar von Rom aus in
27 Tagen nach Obulko und in das dortige Lager zog, als er den Kampf bei
Munda beginnen wolile (Obulko lag oberhalb Corduba).
^) PUnius, Eist not. 19 j 1. (cf, 2j 243.) Herbam esse (Unum s Segel), quae Gadis ad
Herculis coktmnas sepiutno die Osdam adferat et citeriorem Htspantam qucwtOj provin-
dam Narbonensem tertio, Africam aUero. — Ferd. Gregorovius : die Geschichte
des röm. Kaisers Hadrian und seiner Zeit — 1851 — S. 96. »Die Verbindung
zu Wasser war nicht weniger erleichtert. Von Ostia fuhr man in sieben Tagen
nach Gibraltar, in z6hn nach Alexandrien.« — Scylax und Fest. Avienus Rufus
(dieser schrieb zur Zeit Theodosius des Grossen) sagen, dass die östliche Um-
fahrt Spaniens sieben Tage gedauert; Avienus sagt (oramarit v. 151) y dass man
von der Insel Ophiusa zum sardischen Meere — sieben Tage gebraucht habe*
54 Erstes Buch. Siebentes Kapitel. Die Frage der Zeit — und des Weges.
zu Bathe halten, und den bequemem und schnellern W^ sur See ein-
schlagen. Florez ist derselben Meinung. Nach ihm hat Paulus durch
die Seefahrt seinen längst gehegten Wunsch, nach Spanien zu kommen,
schneller erfüllen können. Er beruft sich femer auf das alte Brevier
der Kirchen von Huesca (Osca) und Jacca, in dem es in der ersten
Lection zum 30. Juni heisst: Nicht lange nachher fuhr er zur See nach
Spanien , um das Evangelium zu predigen *). — Die Kirche von Tar-
raco (und Dertosa) feiert das Andenken des Paulus ,von Narbonne, der
mit dem Apostel Paulus dahin gekommen. Daraus sei zu folgern , dass
Paulus mit dem Narbon^esischen Paulus zur See nach Spanien ge-
kommen ^).
Florez weist noch im Besondem die Unächtheit einer dem Papst
Stephan VI. (885 — 91) zugeschriebenen Schrift über die angebliche Reise
des Paulus nach Spanien über Narbonne nach. In diesem — im In-
teresse der Ansprüche von Narbonne — gefertigten Machwerke heisst
es , dass Paulus auf seiner Reise nach Spanien mit sich genommen habe
den Ephesier Trophimus (für Arles), den Sergius Paulus (für Narbonne),
den Secundus, Torquatus, Endelecius, auch einige andere, und dass er
von Narbonne aus — den Torquatus und sechs andere zur Predigt des
Evangeliums nach Galizien gesendet habe, sowie Petrus ihm den Auf-
trag gegeben habe. Sergius Paulus aber habe von Narbonne aus nie-
mals aufgehört, an der Bekehrung der Völker Spaniens zu arbeiten.
Damm müsse denn auch das christliche Spanien — sammt Tarraco —
stets unter der kirchlichen Suprematie von Narbonne bleiben. — Die
Erdichtung ist plump und augenfällig. Das Machwerk stammt aus der
Zeit Urban's IL (1089 flg.), welcher 1091 das Erzbisthum Tarraco wieder
herstellte ^).
*) Non muüo post in fftspanican praedicancK graüa navigavit.
') Marctty Marca Hispantca^ JV. 44. (Epistola Stephani papae VI. nomine scripta ad-
versus Selvam et Hermemirum faUos episcopos eoclesiarum Urgeüensis et Gerundensis.)
^) Acta Sctr. Maii 1, Vita S. Theodardi — v. a. S^nodi promnciaUs acta apocrypha.
Achtes Kapitel
Wirksamkeit des Apostels Paulus in Spanien.
Es ist anzunehmen y dass der Apostel, welcher gleichzeitig eine
Missionsreise nach dem Oriente sich vorgenommen und sie zugesagt,
schon von Anfang an entschlossen war, einen möglichst kurzen Aufent-
halt in Spanien zu nehmen. Er wollte nicht so fsäst Gremeinden dort
stiften, als vielmehr sehen, welche günstige Dispositionen für die Auf-
nahme des Christenthumes in Spanien vorliegen. Mittlerweile waren,
wie Aquila und Priscilla aus dem Oriente nach Born, so gewiss auch
viele Juden (und Christen) seit Nero^s Begierungsantritt wieder nach
Rom zurückgekehrt, so dass er auch aus diesem Grunde, von dem wir
oben als wahrscheinlich angenommen haben, dass er ihn unter andern
zu seinem Entschlüsse der Beise nach Spanien bestimmt habe, seinen
Aufenthalt daselbst verkürzen konnte.
Dass der Apostel zu Schiff nach Spanien gefahren, ist nicht so feust
durch die Geschichte verbürgt, als vielmehr eine Sache, die sich von
selbst versteht. So glauben wir die oben angeführten Stellen aus den
spanischen Breviarien verstehen zu sollen. Die Verfasser derselben hatten
keine historisdien Nachrichten über die Fahrt des Apostels zur See;
aber man konnte sich die Sache nicht anders denken , als dass ein Beisen-
der von Rom nach Spanien den directen, d; h. den Seeweg einschlage *).
Drei Städte sind es, nach welchen von Bom aus der lebhafteste
Verkehr gieng : Tarraco , Neucarthago und Gades , und als vierte dürfte
mk diesen Malaga (und Emporias) anreihen. Nehmen wir an, der
Apostel sei von Bom direct auf einem Schiffe nach Gades gefahren.
Wird der Landweg eingeschlagen, so wird es ausdrücklich bemerkt — z. B.
pFasti Idatiani — zam J. 38d: Et poat annum transtuHt eum matrona ejus Ächaaiia
ad Bupanias pedestre** — d. h. die Achantia hat den Leichnam ihres Gemahles
CynegiQs von Rom auf d«m Landwege nach Spanien gebracht.
56 Erstes Bnch. Achtes Kapitel.
Diess ist zunächst eine Hypothese, aber eine Yermuthung, die sich zu
einiger Wahrscheinlichkeit erheben lässt. Denn Gades unterhielt von
allen Städten Spaniens, und wohl auch der ganzen Welt den lehhafte-
sten Verkehr mit Born. Die bätischen Schi£fe , die in grosser Zahl stets
in dem Hafen von Born lagen, waren wohl zum grossen Theile Schiffe
der Gaditaner , deren reiche Handelsleute einen grossen Theil des Bo-
dens, der Bergwerke, des beweglichen und unbeweglichen Vermögens
von Spanien in ihren Händen hatten.
Die SchiffFahrt nach Gades war gefahrlos. Ungestraft, sagt Horaz,
wagt es der Kaufmann des Jahres drei- oder viermal den atlantischen
Ocean zu besuchen. Darunter versteht er Gades, — denn diese Stadt war
das Ende der Schiffifahrt in der ganzen alten Welt. Die Gaditaner selbst
fuhren ihrerseits weiter gen Nordwesten , und wohl auch Südwesten *).
Im ganzen Orient galten die Säulen des Hercules und Gades als
Ende der bewohnten und bekannten Welt. An dieses Ende zu gelangen
war auch für Paulus nicht ohne Bedeutung. Mehrere Väter und Aus-
leger haben , wie wir oben hörten, den Apostel mit Herakles verglichen,
der, ein Held der neuen Welt und Zeit, vom Aufgang bis zum Nieder-
gang der Sonne, vom rothen bis zum äussern (atlantischen) Meere als
Herold des Evangeliums geeilt. — Wenn der Apostel, als er zu Ephesus
weilte, ausrief: Wenn ich zu Jerusalem gewesen seyn werde, so muss
ich auch noch Bohi sehen ^), so lag ihm auch der Gedanke nicht ferne,
die Säulen des Herkules und das Ende der Welt zu sehen, Tartessus
das alte, und das neue Gades. — Umsoweniger konnte ihm das ferne
liegen, als ja doch sein Hauptzweck war, das Evangelium in Spanien
zu verkündigen. Von Gades aus aber konnte er leicht Spanien in seiner
ganzen Länge durchreisen, von Gades bis Tarraco. Auf dieser Beise,
die er bequem in einem Jahr vollbringen konnte, kam er in die be-
deutendsten Städte von Spanien. Er kam nach Gades und Sevilla, er
kam nach Astigis, die Stadt, in welcher der Siz eines römischen Ober-
gerichtshofes war, und kam nach Cordova. Selbst das kaiserliche Eme-
rita konnte er leicht erreichen , wenn ihm daran gelegen war. Demi
drei Strassen führten von Sevilla = Gades , von (Malaga = Antequera)
Astigis, und von Cordova gen Emerita. Die Strasse von Sevilla nacl)
Merida ist theilweise noch erhalten ^). Von Cordova führte ihn der Weg
nach dem im Alterthume so berühmten Castulo, das freilich schon zu
des Plinius und darum auch des Paulus Zeiten von der frühem Bedeu-
tung verloren zu haben scheint, weil es selbst keinen Obergerichtshof
hatte, sondern an den von Carthagena angewiesen war.
«) Horat Od. i, 31y 18 — U: ter et quater
Anno revisens aequor AÜaniicain impune.
») Ap. G. 19, 21.
*) Minutoli, Spaniens fortschreit. Entw. 1852. — S. 345. (8 Leguas.)
Wirksamkeit de» Afmstels Paalus in Spanien. 57
I
Von Castnlo einerseits, von Emerita anderseits fährte ihn der Weg
der durch sein Strassennez in der alten Böm^ Zeit hervor-
tretenden Stadt Laminium y dem heutigen Montiel ^) in der untern
Mancha, von wo nordwestlich Strassen nach Toledo, nach Astorga, und
nordöstlich nach Saragossa und Tarraco führten, und westlich auch
nach Sätabis und Sucre, nach Valencia und Sagunt^), überhaupt auf die
grosse Herkulesstrasse, welche in allen Jahrhunderten bis zum heutigen
Tage — in der gleichen Richtung lief. — Von Laminium führte ihn
die Strasse nach Libisosa, beute Lezuza, welcher Ort sich rühmt, dass
der Apostel dort das Evangelium gepredigt habe. Wenn er von Libi-
sosa westlich die Herkulesstrasse erreichte, oder nordöstlich über Sara-
gossa nach Tarraco reiste, kam er nach Dertosa, welche Stadt sich
gleichfalls rühmt, dass Paulus — mit Sergius Paulus von Narbonne —
in derselben geweilt habe. Von Tarraco sodann hatte er stets Gelegen-
heit und den nächsten Weg der Rückreise nach Rom. (Mit unserer
Hypothese verträgt sich indess auch die umgekehrte Annahme, dass
Pavdas in Tarraco gelandet, und von Gades aus nach Rom zurück-
gekehrt sei.)
Nehmen wir das Geringste an, dass Paulus nur ein Jahr in Spanien
geweilt. Florez nimmt drei Jahre an, vom Jahr 61 bis 64, Aberle zwei
Jahre — 63 bis 65, DöUinger drei Jahre — 63 bis 66, Bisping kaum
ein Jahr — 66 bis 67 — andere wieder anders. Drei Monate, wollen
wir annehmen, nahm die Reise selbst in Anspruch, drei, Wochen nem-
lich die Seefahrt von und nach Rom ^), zwei Monate die Landreise durch
Spanien. So kouAte der Apostel einen bis zwei Monate je in Sevilla,
in Astigis, in Corduba und in Castulo weilen, einen Monat in Libisosa,
zwei Monate in Tortosa und in Tarraco. Man sehe nach , ob er nicht
an manchem der Orte seiner firühem Zeit kürzer geweilt, und dennoch
blühende Gemeinden daselbst gestiftet habe. Nach dem Eindrucke der
Worte der Apostelgeschichte weilte Paulus nur kurz in Salamis und
Paphos, in Perge, in Antiochia von Pisidien, in Iconium blieb er „eine
göÄume Zeit^, kurz in Lystra und Derbe, in der Stadt Philipp!
»^ige Tage*^, drei Wochen in Thessalonich, kurz in Bero6a, kurze
Zeit in Athen. In Corinth blieb er 1| Jahr, aber in Folge einer
Dass Montiel das alte Laminium sei, ist um so weniger zu bezweifeln, als
der alte Ager Laminitanus heute Campo de Montiel heisst; wo der Anas (Gua-
diana) entspringt. Cortes y Lopez in seinem Lexikon der alten Städte Spa-
niens giebt sich viele Mühe, nacfazuwdsen, dass die Stadt Daimiel das alte
Laminium war. — S. Daniel, Geographie, 2,312.
*) Diess bezeugt Strabo 3, 160 — dass die Strasse früher von Tarraco nach Ca-
stnlo und Corduba über Egelastae (heute Yniesta), also wohl auch über Lami-
^ niam gefühn habe.
') Nach Plinius 19; 1 nur eilf Ta^e,
58 Ente» Bueh. Aehtes EapiteL
höhern AufiordttUng^ sehr kurz bei seinem ersten Aufenthalt in Ephesus,
zwei Jahre bei seinem zweiten Aufenthalt ^ von da bei smier zweiten
Mis8ionsreise nur drei Monate in Griechenland ; auf der Bückreise sieben
Tage in TrOas ^). — Man siebt, dass, er in der Regel, mit Ausnahme
von Ephesus und Corinth , nirgends lange verweilte. In Spanien aber
musste er nach Kräften umsomehr seinen Aufenthalt abkürzen, weil
sein Ende nahte, und weil er noch die Kirchen des Morgenlandes zu
besuchen hatite.
Aber hier, in Spanien, trat ihm wahrscheinlich ein Hindemiss seiner
Thätigkeit entgegen, welches er auf seinen bisherigen Beisen nirgends
gefunden hatte. Alle Gemeinden von Jerusalem in dem ganzen Um-
kreise bis lUyricum redeten griechisch. Die Gemeinde in Bom redete
damals wenigstens zum Theile griechisch ^), Ein Jahrhundert vor Chri-
stus war eine grosse Menge Juden von Afrika nach Spanien gekommen ^).
Wohl fand Paulus in Spanien Juden, und jüdische Proselyten in allen
grossen Küstenstädten (und in den Städten des innem Bätika) von Tar-
raco , ja von Emporias an bis Gades *). Aber in Spanien herrschte nur
die lateinische Sprache. Die Juden mussten sich an sie gewöhnen —
wegen ihres Verkehres mit den lateinisch redenden Spaniern, besonders
der Provinz Bätika^). Der Apostel Paulus fand vielleicht keine, oder
wenig griechisch redende Juden vor. Er hatte aber während seiner
langen Laufbahn nur mit griechisch und hebräisch Bedenden verkehrt.
Dürfen wir wohl annehmen, dass der Apostel Paulus in seinem vor-
gerückten Alter sich die lateinische Sprache in dem Grade angeeignet
habe, dass er sich ihrer als Prediger in Spanien mit Erfolg bedienen
konnte? Wenigstens haben wir gar keinen Anhaltspunkt, dass er sie
erlernt hätte. Dem mehr als sechzigjährigen Paulus, der sich sdion
in dem Briefe an Philemon, den er früher geschrieben, einen Greis
•) Ap. G. 13, 5 - 6; 13 - 14 f. ; 14, d f. ; 16, 4— 5; 12 f. — 17, 2 f. — 18, 1 f . —
19, 10; 20, 3,6.
*) Wiseroan, Abhandlungen über verschiedene Grcgenstande, Regensbarg 1854,
ister Band, S. 38-40.
») Jost, Geschichte der Israeliten etc. 1825. Bd. 5. S. 12-22 (S.17 — 18). S. 20.
»Die oftmals wiederkehrenden Veranlassungen zur Auswanderung bestimmten sie
zulezt die Küstenstädte Spaniens und Galliens am Mittelmeere, und vielleicht
auch die altphönicischen Niederlassungen in der Provinz Bätika, am dama-
ligen Weltende, aufzusuchen. In diesem Lande fanden sie einen nicht
minder lebhaften Seehandel, als in ihrem alten Vaterlande. ^ Sie dringen den
Bätis und Anas aufwärts, so dass sie in der ganzen südlichen Hälfte der Halb-
insel einheimisch wurden.**
*} Döilinger, Christ u. Kirche, 8,82.
^) Diese hatten damals schon längst die eigne Sprache verlernt, und -waren lati-
nisirt, Strabo 3, 151 — oi^h rrjg SuxJtexrov r^ öperd^ap eri fUfMvijfiefoi ^ativoi
r§ Ol JtXelöroi yeyovaßu — 4u/. GeUtua^ JVbct aU, i9, 9,
Wirksamkeit dts Aftttels PmIim in Spanien. 59
genannt hatte ') •-« war die Erlernung des Lateiliiscliieii amn Zwecke der
Predigt gewiss die grösste Schwierigkeit.
Dieses kann einer der Gründe seines kurzen Aufenthaltes in Spanien
gewesen seyn. Wir dürfen femer uns nicht wundem, dass in Spamen
nirgends eine feste Tradition über seinen Aufenthalt daselbst sidi findet,
ja dass sogar in der mozarabischen oder altspanischen Liturgie des Festes
Petri und Pauli nichts von einer Rase des Paulus nach Spanien be-
richtet oder angedeutet wird. Man halte uns nicht entgegen, dass das
so fromme, und den Traditionen zugeneigte spanische Volk die An->
Wesenheit des Apostels in diesem Lande nicht ganz aus der Erinnerung
hätte schwinden lassen. . — Wir wissen nichts von ^en Traditionen der
Kirche Spaniens in den ersten drei und vier Jahrhunderten. Man muss
sie yermu&en oder errathen. Es giebt keine christliche spanische Litei*
ratur vor dem Anfange des fünften Jahrhunderts. Der erste oder einer
der ersten einheimischen Schriftsteller ist Prudentius Clemens. Was
konnte dieser noch wissen von der apostolischen Zeit, da er sogar über
die Zeit der Verfolgung unter Diocletian und Maximian vielfach im
Dunkeln ist? Dass eine Tradition ohne ihreFixirung durch die Schrift
— in Nebel verschwindet und untergeht, sieht man einerseits an dem
Martyrium des Bischofs Fructuosus von Tarraco im J. 259, anderseits
der christlichen Krieger Chelidonius und J^eterius^). — Weil durch
die List und Bosheit der Heiden die Akten ihres Martyrthums verloren
gegangen waren, so wusste Prudentius, der sicher nur ein Jahrhundert
nach ihnen lebte, über die Zeit und Art ihres Martyriums nichts bestimmtes
zu sagen. Weil die Akten des Martyriums des Bischöfe Fructuosus
niedergeschrieben wurden, so sind wir darüber, und war auch Pruden-
tius darüber auf das Genaueste unterrichtet. — Dasselbe kann man
sagen von dem Verhältnisse der Nachrichten über den heiligen Geron-
tius, der zu Italica im Gefängnisse starb, und der sieben apostolischen
Männer. Traditionen sterben aus und erlöschen in der kürzesten Zek
ohne die schriftlichen Documente.
Ohne diese, was wüssten wir von den spanischen Märtyrern, was
Ton einer Synode von Elvira, was selbst von dem grossen Hosius von
Gorduba? Isidor von Sevilla blühte nur 24- Jahrhunderte nach Hosius.
Dennoch weiss er aus der Tradition nichts von ihm; er, der spanische
Kirchenlehrer, kennt nur den ebenso albernen als boshaften Bmcht der
italieiufidien Sdbismatiker Faustin und Marcellin, und gläubig nimmt er
diesen unglaublichen Bericht als Thatsache hin.
Betrachten wir die Sache von einer andern JSeite. Gewiss war der
Apostel Paulus iti den lezten vier Jahren seines Lebens ebenso uneiv
müdet thätig, wie in den frühem Jahren. Aber wir wissen im Gnmde
') Phüemon, 9.
*) S. das dritte und vierte Bach.
60 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
nichts von seiner Thätigkeit; ja es ist sogar unter Katholiken noch eine
Streitfrage, ob er aus der ersten römischen Gefangenschaft errettet worden
sei. Warum wissen wir nichts davon? Weil die Apostelgeschichte des
Lucas nur bis zum J. 63 reicht, weil Lucas oder ein Anderer sie nicht
fortgesezt hat. Hegesipp, Irenäus, der römische Cajus, Tertullian im
zweiten und beginnenden dritten Jahrhunderte, Justin der Märtyrer,
Clemens, Origenes, Eusebius, Pamphili u.m. a., hatten denn doch ge-
wiss dasselbe Literesse, das wir haben, über die lezten Lebensjahre und
Schicksale des Apostels Paulus Näheres zu er&hren. Warum haben
sie denn nicht aus der Tradition geschöpft? Weil sie keine
Tradition vorfanden, mit Ausnahme einiger Nachrichten über das Mar-
tyrium des Apostels. Warum haben sie uns nicht gesagt, unter welchen
Umständen und aus welchem Anlasse der Apostel zum leztenmal nach
Rom kam? Weil sie es nicht gewusst, und weil sie keine
Tradition darüber vorgefunden haben*
Ob Ignatius der Märtyrer, ob Polycarp es gewusst haben, dürfen
wir bezweifeln; es ist ebenso unwahrscheinlich, als wahrscheinlich. —
Als Ignatius auf seiner Reise zum Martyrtod nach Rom fuhr und gen
Put coli kam, so wollte er aus dem Schiffe steigen, und auf den Pfa-
den wandeln, auf denen der Apostel Paulus ihm vorangegangen war ').
Aber wer kann uns den Beweis führen , ob Ignatius diese Thatsache
aus der Tradition oder aus der Apostelgeschichte geschöpft habe? Hat
er sie aber aus der Tradition geschöpft, wer kann uns den Beweis führen,
ob gerade diese Tradition nicht aus der schon im J. 63 verfassten und
vollendeten Apostelgeschichte entstanden sei? ^
Clemens von Rom , als er um das J. 95 seinen Brief an die Corin-
thier schrieb, wusste sicher Näheres über die lezten Lebensjahre des
Paulus; und durfte sicher voraussezen, dass auch die Corinthier Näheres
wissen. £s lag aber nicht va seinem Plane, näher darauf einzugehen. —
Von ihm bis auf die Zeiten des Hegesipp und Justin des Märtyrers ver-
flossen kaum — fün&ig Jahre. Mittlerweile aber war die Tradition über
die lezten Jahre des Paulus , weil sie nicht in schriftlichen Urkunden
festgehalten war, verflogen und vergessen. Hegesipp und Justin hörten
und wussten nichts mehr davon.
Aber — wir haben ja von den Denkwürdigkeiten des Hegesipp nur
fünf Bruchstücke bei Eusebius. Wer weiss, ob er nicht das Nähere '
über die lezten Jahre des Paulus berichtet hat ? Und er hat es berichtet,
wenn Dr. Bunsen Recht hat, der den Hegesipp für den Verfasser des
^gen. Codex N. T. Muratori hält. — Dodi nein — hätte Hegesipp dar-
über Näheres berichtet, so hätte es Eusebius in seiner Kirchengeschichte
nicht übergangen, der im Grunde über die lezten Jahre des Paulas
*) Ap. G. 28, 13. 14. — vjtodiix-^m<av r« dyua (dem Ignatias) IJorioJUaVy avrog fuv
i^el$-€i^ e03t€vdi^ xar" ixyog fiadii;eiv iSiluv rou axotfraJlov UcwAov, ^~ Iffn, martc.5.
Wirksamkeit des Apostels Paulas in Spanien. 61
weniger weiss, -^ alis wir wissen, und als wir wissen würden,
wenn auch Eusebius nichts darüber gesagt. Wie matt und kleinlaut
sind doch seine Worte: Es geht die Rede, dass der Apostel (zum ersten-
male) freigelassen, wieder dem Dienste der Predigt sich zugewendet,
dass er zum zweitenmale in die Stadt Rom gekommen, und dort das
Martyrthum erlitten habe^).
Eusebius weiss so wenig, als wir, wie lange, und wo der Apostel
nach seiner Freilassung gepredigt, wann und unter welchen Umständen
er wieder nach Rom zurückgekehrt sei; er weiss nicht einmal, was wir
wissen, dass er nach Spanien gereist sei. Hätte er nun in den Denk-
würdigkeiten des Hegesipp über die lezten Jahre des Paulus etwas Nam-
haftes gefunden, so hätte er es nicht verschwiegen^).
Die Traditionen, wenn sie nicht durch schriftliche Zeugnisse be-
stätigt werden , die von Zeitgenossen herrühren , sind sehr unzuverlässig.
Sie können leicht entstehen, und leicht wieder vergehen. Der Begriff
der Tradition selbst ist allzu unbestimmt und flüssig. Die Worte des
Clemens bezeugen die Reise des Paulus nach Spanien viel sicherer, als
wenn sich in Spanien die Tradition vieler Jahrhunderte erhalten, die-
selbe aber nirgends in einem Documente des Alterthumes ihre Bestäti-
gung erhalten hätte. — Eine Tradition schliesst sich in der Regel nur
an einen langem Aufenthalt, an die Oründung eines Bisthums, vor
allem aber an den Tod und an das Grab irgend eines Glaubensboten an.
Es kann ein Missionär, ein Apostel lange an irgend einem Orte gewirkt
haben, und es besteht nirgends mehr eme Erinnerung an ihn, wenn die
Bevölkerungen und die Geschlechter sich verändert haben. Was wissen
die Muhamedaner heute von dem Aufenthalt und der Thätigkeit des
Apostels Paulus im Oriente? Was wissen die griechischen Christen heute
von der Thätigkeit des Apostels inCorinth, Athen und Thessalonich?
Umgekehrt kann eine feste und starke Tradition durch Jahrhunderte
bestehen, — und es liegt ihr keine Thatsache zu Grunde. — Ganz
Frankreich, ja die ganze christliche Welt hielt das ganze Mittelalter hin-
durch an der Ueberlieferung fest, dass Dionysius der Areopagite der
erste Bisdbof von Paris gewesen, dass er als Märtyrer dikselbst gestorben,
ja — dass er sein abgehauenes Haupt eiue Zeit lang unter seinem Arm
getragen habe. Die Kirche von Toledo glaubte bis auf die jüngste Zeit,
und mit ihr ganz Spanien, dass Eugenius ihr erster Bischof gewesen,
dass er seine Weihe und Sendung von Dionysius von Paris erhalten
habe. Aber was hilft eine Tradition vieler Jahrhunderte, wenn sie keine
schriftliche, keine urkundliche Beglaubigung hat? Sie verschwindet
und vergeht, wie sie entstanden ist
Wie fest war im ganzen Mittelalter, nicht blos in Spanien, sondern
Emeb, ke. 2, 22.
*) S. die Worte des Chrysostomns, oben S.41. Anm. 4
62 ETBtes Buch. Achtes Kapitel.
in dem ganzen christlichen Europa — die Tradition von dem angeb-
lichen Episcopate Jacobus des Aeltem in Spanien? Daran zu zweifeln
— schien eine halbe Häresie, ein Zeichen äusserster Neuerungssucht. —
Noch Natalis Alexander wurde in Rom verklagt und censurirt, weil er
die gegentheilige üeberzeugung ausgesprochen hatte. Wie fest war die
damit verbundene andere Tradition von Unsrer Frau del Pilar in Sara-
gossa? Wer vertheidigt heute noch in und ausser Spanieai diese festeste
und heiligste Tradition des Mittelalters? Sie entstand im 7 — 9. Jahr-
hundert, und verschwand im 19. Jahrhundert. Die Bollandisten, s6dann
Florez und seine Fortsezer legten noch ihre gelehrte Lanze für sie ein.
Aber schon Mariana, Spaniens berühmter Geschichtschreiber, lässt seinen
Zweifel an der Thatsache durchschimmern oder vielmehr durscheinen.
Der grosse Kardinal Lorenzana geht mit Stillschweigen darübet, als über
eine aufgegebene Sache, hinweg.
Darum ist Estius ') [u. a. m.] sehr im Unrecht, wenn er sagt, dass
man nichts darüber lese, dass Paulus in Spanien irgend eine Kirche
gegründet habe, und seine Gegenwart in diesiem Lande darum nicht
wahrscheinlich sei. Der Apostel Petrus hat seinen ersten Brief an die
Christen in Pontus, Galatien, Cappadocien, Asien und Bithynien ge-
schrieben. Daraus schliesst man mit Recht, dass er in diesen Ländern
gepredigt habe. Dass er aber Gemeinden daselbst gestiftet habe, wird
nirgends berichtet Sollte er desswegen, weil es nicht berichtet wird,
keine Gemeinden dort gestiftet haben, oder — weil keine Gemeinde in
diesen Ländern ihren Ursprung auf ihn zurückführt, oder vielmehr zurück-
führte, sollte er vielleicht gar nicht dort gewesen seyn? Denn in seinem
Briefe wird dieses keineswegs behauptet, oder darauf hingewiesen, dass
Petrus schon vorher in eigener Person bei ihnen gewesen sei ').
Auf die Frage nun , ob Paulus in Spanien schon Christen vorgefun-
den habe, antworten wir: Wir wissen es nicht, halten es aber für wahr-
scheinlich , dass in Folge des sehr lebhaften Verkehres Spaniens mit
Rom, mit ganz Italien, und auch mit dem Oriente, in Folge der Ver-
bannung der Juden und Christen aus Rom durch Kaiser Claudius, von
denen sicher nicht wenige ihren Weg nach dem Westen und Spanien
insbesondre genommen , und weil bereits 33 Jahre seit der Verkündi-
gung des Evangeliums verlSossen waren , eine Anzahl zerstreut wolmender
*) Estius ad Rom, 15 j 28. — ed. Holzammer y t /, 1858.
'*) Griffen, bei Ena. h. ecc. 3, 1. — Sieron, de vir. iU. c. 1. — Wife kleinlaut sind
doch die Worte : »Petrus scheint in Pontus ete. gepredigt zu haben" ? — Welche
grosse Mühe gab sich doch Irenäus, nachzuweisen, dass Christus au oder mehr
als 50 Jahre erreicht habe — (Iren, adv, h. 2, 22) — und gerade hier beruft er
sich auf die Tradition des Johannes und der Apostel; nebstdem auf die Worte
der Juden (Job. 8, 57)? Du bist noch nicht 50 Jahre alt, und hast Abraham
gesehen? — Wenn man soviel auf Traditionen hält, warum nimmt man diese
nicht an?
Wirksamkeit des Apostels Paulus in Spanien. 63
Christen in Spanien sieh niedergelass^i haben. Wir halten es für
Tvahrseheinlich, dass Paulus sieh zunächst an sie, sowie an die jüdischen
Proselyten gewendet habe, um dieselben zu kleinen Gemeinden zu or-
ganisiren. Diess konnte mit leichter Mühe, und iti kürzester Zeit ge-
schehen, — wenn der Apostel Männer zur Hand hatte, denen er die
Leitung der neuen Gemeinden anvertrauen konnte. Von dieser Bedin-
gung vorzugsweise hieng die Begründung der Gemeinden ab. Ob er
mehrere solcher Männer gehabt habe, ist eine Frage, die vrir eher ver-
neinen, als bejahen zu müssen glauben. Wir werden aber im folgen-
den Buche zu dieser Frage zurückkommen. Vorläufig sagen wir, dass
er wahrscheinlich nur wenige Gemeinden begründet habe, weil es ihm
an Leitern für dieselben gebrach ; dass er vielleidit die eine und andere
Gemeinde gesammelt, und mit dem Versprechen sich von ihnen getrennt
habe, er werde ihnen baldmöglichst von Rom aus geeignete Hirten und
Führer zusenden.
Nach unserer Yermuthung hat Paulus zu Gades oder zu Tarraco
seinen Fuss auf den Boden Spaniens gesezt. — Gttdes war ein unfrucht-
barer Boden für die Saat des Evangeliums. Was wir aber zum Nach-
theile der alten Gaditaner sagen müssen, das wollen vrir ausdrücklich
von den spätem und heutigen Gaditanern nicht gesagt haben ^). — Die
heutigen Gaditaner sind (nach der Wiedereroberung der Stadt aus der
Hand der Mauren) eingewanderte Spanier; die alten Gaditaner waren
keine Spanier, sondern Punier, ein charakterloses Handelsvolk, die den-
noch unter den ersten waren, welche zu den Fahnen Roms übergiengen,
weil ihnen hier grösserer Gewinn in Aussicht stand. Darum vnirden
sie auch von den Römern in jeder Weise begünstigt. — „Diese Leute
sind es,^ sagt Strabo, „welche die meisten und grössten Handelsschiffe
sowohl in unser (Mittel -) Meer als in das äussere schicken. Sie wohnen
meistens auf dem Meere, wenige nur bleiben zu Hause, oder halten sich
zu Rom auf ^).^ Dennoch wurden damals 500 gaditanische Ritter geschäzt,
ein Beweis für den enormen Reiehthum der Stadt, dass soviele, als in keiner
andern Stadt des Reiches, selbst in Italien nicht, ausser Patavium, sich
fanden. Die Lisel, worauf die Stadt lag, hatte nicht viel über 100 Sta-
dien in der Länge, und mitunter nur ein Stadium in der Breite. — Die
Gaditaner waren äusserst reich. Ihnen gehörten zahlreiche Heerden
jener Schaafe Bätika^s, deren Wolle in der alten Welt ebenso geschäzt
war, wie die der Merino^s unserer Zeit. — Ihnen gehörten viele Berg-
werke des festen Landes. Viele Sklaven hielten sie hier und auf ihren
weiten Besizüngen auf dem Festlande.
Daneben gieng die Herrschaft der sinnlichen Genüsse, der Ueppig-
keit und Schwelgerei, welche Folge des Reichthumes und eines schran-
>) Gams, Eirchengeschichte des 19. Jahrh. 2,62 — 67.
*) Strab. 3, 5— 3.
64 Erstes Bach. Achtes KapiteL
kenlosen Strebens zu seyn scheint Bei Horaz schon erscheint der spa-
nische (d. L besonders gaditanische) Schiffsmeister ab Sklave der Sinn-
lichkeit. Von dieser Gegend und aus dieser Stadt stammten jene las-
dven Tänzerinnen, welche die Zeiten des Heidenthttmes^ des^Muha-
medanismus und des Christenthumes tiberlebt und erlebt haben, und in
alter und neuer Zeit durch die Länder zogen, nicht zum Vortheile der
Sitte und der Zucht ^).
Daneben war Gades einer der Hauptsize des alten punischen Hei-
denthumes. Sein Tempel des Herkules beanspruchte die Ehre, das Grrab
des Heros zu seyn. So weit Religion noch in den Bewohnern der Stadt
war, konnte es nur das Festhalten an dem alten Culte seyn, an den
sie auch durch ihre materiellen Interessen gebunden waren. Wenn die
Arbeiter des Demetrius drei Stunden long riefen: Gross ist die Diana
der Ephesier, so mussten die Gaditaner rufen: Gross ist der Herkules
von Gades; denn hier ruht er in seinem Tempel^).
Dies war kein Boden für die Pflanzung und die Pflege des Christen-
thums. Es ist bezeichnend und ein Beweis dafür, dass in der alten Zeit
vor dem Einfalle der Mauren Gades niemals der Siz eines Bisthumes
war; die Stadt gehörte zu dem Bisthume Asidonia^). An Materialismus
und Indifferentismus konnte sich mit Gades nur das alte Neucarthago
messen. Aber von dort kam wenigstens ein Presbyter auf die Synode
von Elvira, und es war eine Zeit lang Siz eines Bischofes.
Auch sonst finden wir, und finden es natürlich, dass Paulus nir-
gends in Hafen- und blossen Handelsstädten länger verweilt Nur mit
Corinth, diesem „grossen Markte von Asien und Europa^*), macht er
eine Ausnahme. Aber gerade das Traumgesicht, in welchem der Herr
ihn zum langem Verweilen in Corinth ermahnte, und ihm sagte, dass
er eine grosse Anzahl von Verehrern in dieser Stadt habe, kann uns
zum Beweise dienen, dass er kein Vertrauen hatte zu dieser Handels-
stadt, darum auch hier nicht länger weilen wollte^).
Uebrigens — hätte Paulus auch in Gades lehren wollen, er hätte
schwerlich Hörer gefunden, denn es war ja gewöhnlich dort Niemand
') Bistoria de Cädiz y su provincia desde los remotos tiempos hasta 1814 — escrtta por
Don Adolfo d« Castro, hijo de esta ciudad (Sohn dieser Stadt). 826 S. Cadiz
— 1858. — S. 199 sind die betreffenden Stellen, bes. ans Juvenal und Martial,
zusammengestellt. Juvenal sat 11, 162. MartuU 1, 42» 10. <9, 63. 5 epigr, — 5, 78
(26). - 6, 71. — 11, 16. 14, 203. cf. Hora», Od. 5, 6 (29—32). — cf. Od. 1, 31, (14).
») Dio Caasius 43, 39. 77, 20. cf. 37, 52. 53. — 41,24.
') Doch war Gades am Ende des 4. Jahrhunderts schon ganz zerfallen und ver-
ödet — Rufus Festtts Ävienua ora marit 270. — MuUa et opulens civitcu — nunc
egena, nunc brems, nunc desHtuta, nunc ruinarum agger est Vielleicht erhielt es
auch desswegen kein Bisthum.
*) LwiuB,
») Ap,G.18, 9-10.
Wirksamkeit des Apostels Paulus in Spanien. 65
zu Haus, und die Stadt war — menschenleer'). Van Gades führte ihn
die Strasse nach Sevilla. Diess war allerdings in alter und in neuer
Zeit ein fruchtbarer Boden für das Christenthum. Aber die Sevillaner
haben keine beglaubigten Traditionen, noch weniger Urkunden über die
ersten drei Jahrhunderte des Christenthumes. Ihre Eirchengeschichte
beginnt im Grunde mit dem Martyrthume der heiligen Justa und Bufina
am Ende des dritten oder Beginn des vierten Jahrhunderts. Nur das
Eine können wir behaupten, dass Paulus, der nach Spanien kam, in.
welcher Richtung er auch reisen mochte, schwerlich die Stadt SeviUa
unbesucht gelassen habe.
Die Beise von Sevilla nach Oordova führte über — Astigi. Hier
befinden wir uns — wie auf heimischer Erde. — Das Bisthum Astigi
oder Ecija hat den Apostel Paulus zu seinem Patron, und es hält an
dem Glauben fest, dass er das Evangelium in dieser Stadt gepredigt
habe ^). Die Geschichtschreiber von Ecija berufen sich auf ein Wunder,
das im J. 1436 beglaubigt wurde, 'wodurch sich Paulus als Beschüzer
dieser Stadt erwiesen habe*
Lorenz de Padilla in seinem „Catalog der Heiligen*^, gedruckt 1538,
sagt, dass „viele Alte der Stadt Ecija behaupten, dass der Apostel Vielen
es geoffenbart, dass sie ihn für ihren Patron und Fürsprecher bei Gott
betrachten sollen: weil durch seine Predigt diese Stadt den Glauben
erlangte.*' Wenigstens hatte Astigi am Ende des dritten Jahrhunderts
einen Bischof, den Märtyrer oder Confessor S. Crispinus. Sein Gedächt-
niss wird auch in dem mozarabischen Bitus am 19. November gefeiert.
Von Astigi führte den Apostel die Heerstrasse nach Cordova. Aber
die Kirche von Cordova weiss keinen frühern Bischof zu nennen, als
den grossen Hosius. Dennoch zweifle ich nicht, dass sie, die Haupt-
stadt der reichen Provinz Bätika, schon Jahrhunderte früher Bischöfe
hatte*). — Aber — sie ist im ^zweiten oder dritten Jahrhunderte von
ihrer Stelle gerückt worden , und keine schriftliche Nachricht, auch keine
Tradition ist darüber vorhanden. Das Stillschweigen des Todes liegt
auf der Profan- und Eirchengeschichte von Cordova — zwei Jahrhun-
^) Strabo 3, 168. — Diese Leute sind es, welche die meisten und grössten Han-
delsschiffe sowohl in unser Meer, als in das äussere aussenden, indem sie
mehr auf dem Meere wohnen, und nur Wenige zu Hause bleiben, oder sich
in Rom auihalten.
*) Lorinser, der in Ecija war, sagt dar. Reiseskizzen 2, 138—39. »Ecija rühmt
sich, den heil. Paulus auf seiner Reise nach Spanien in seinen Mauern be-
herbergt zu halben, der hier —■ die heil. Xantippa — bekehrt haben soll —
23. Sept. Zur Zeit der Römer war es so bedeutend, wie Cordova und Sevilla.«
P. Boa, HUtmia AsHgiL — 1629 -r- Hb. 2, cap, 1. Fhrez iO, 82,
*) In dem Hymnus des Festes heisst es: Corpus ejus — AsHgitanae urbi reponitur.
— PUn, 3, 12, — AsHgitana colonia Augmta fitma^ 3, 12, — Astig, conoentHS 3, 7,
Garns, span. Kirche. 5
66 Erstes Räch. Achtes Kapitel.
derte lang; der lezte, der sie nennt, ist Martialis^), um das J. 100
n. Chr. — Dann wird sie erst wieder genannt in der Zeit des grossen
Hosius, und aus Anlass der Diocletianischen Verfolgung. Es genüge
uns also zu sagen , wenn Paulus durch die Provinz Bätika reiste, so ist
es unwahrscheinlich, dass er die Hauptstadt der Provinz nicht besuchte.
Ja — ich neige mich zu der Meinung hin, dass Paulus, der vielleicht
wusste, dass; der Philosoph Seneka aus Cordova stamme, hier einen
langem Aufenthalt genommen, — und dass er die erste christliche Ge-
meinde in dieser Stadt gesanunelt habe. Als Hauptstadt von Bätika,
als gewöhnlicher Siz des — vom Senate ernannten — Proconsuls der
Provinz^), als Siz eines Obergerichtshofes , und zahlreicher Beamten —
war sie nicht bloss an sich ein Mittelpunkt auch für das keimende Chri-
stenthum im südlichen Spanien, — nicht bloss waren hier des Handels
und Gewinnes wegen zahlreiche Juden angesiedelt, — sondern — zwi-
schen Rom und Cordova , also auch zwischen der christlichen Gemeinde
in Rom, und der sich sammelnden Christengemeinde in Cordova —
konnte eine beständige und zugleich sichere Verbindung unterhalten
werden. Auf drei Strassen musste diese Verbindung stattfinden, über
Gades den Bätis hinauf, über Malaga und Antequera, über Cartbagena
und Guadix, und von hier wieder wahrscheinlich auf einer doppelten
oder dreifachen Route.
Von Cordova führte die Spanien der Länge nach durchziehende
Heerstrasse in die grosse Stadt Castulo. — Zwischen Castulo und La-
minium hat der Reichswegzeiger des Antonin eine Lücke gelassen, die
in der Wirklichkeit ohne allen Zweifel ausgefüllt war durch eine Strasse,
welche Castulo mit Laminium, welche Bätika mit der Tarraconensischen
Provinz , welche den Süden von Spanien mit der ganzen Mitte und dem
ganzen Nordosten verband ^). In dieser Richtung läuft auch heute noch
die Strasse von Madrid nach Cordova und Sevilla. Von Laminium, das
zwischen dem heutigen Montiel und Fuellana lag, führte die Strasse
an der Quelle des Arras vorüber nach Libisosa, heute Lezuza^).
Lezuza, das nach neuester Zählung nur 1^549 Einwohner hat, be-
sizt in seiner Pfarrkirche zu Maria Himmelfahrt einen Hauptaltar mit
») Marüalis — epiffr, 1, 62(8). - 9, 62(2). - 12, 68(1).
') Der Reichthum der Provinz lockte die Hobsacht der Proconsuln. Der jüngere
Piinius hatte als Advokat der Provinzialen von Bätika mehrere Prozesse gegen
Proconsuln zu führen, die ihre Stellung zu den schändlichsten Erpressungen
misshraucht hatten. Piinius sec epiaU 3, 4. 3, 9. — cß if 7. 2, 11; 12.
^) Das liin. Anton, kennt hier auffallender Weise keine Strasse; von Strabo aber
wird dieselbe erwähnt — 3, 160. Es war die frühere Heerstrasse der Römer
nach Bätika, an deren Stelle später die Strasse über Elioeroea und Acci nach
Castulo trat. S. Madoz, Diccionario, 1. 10. s. v. Linaris (bei BaSza)*
^) Pim, 3f 25 : Liidsosonaf Foro^Auguakma.
Wirksamkeit des Apostels Paulus in Spanien. 67
treffKcben Oelgemälden, welche darstellen: 1) den Apostel Paulus pre-
digend; 2) das Martyrium der heiligen Vinzenz und Latus; 3) den Abt
der Einweihung dieser Kirche. Dabei finden sich folgende Inschriften:
„Der heilige Apostel Paulus predigte in Livisosa^ das eine
römische Colonie war, wo er Probus und Xantippe seine Ge-
mahlin, sowie andere Personen zum Glauben bekehrte.^
„Die heil. Vinzenz und Latus erlitten den Martyrtod in Livisosa,
weil sie den Glauben an Jesus Christus verkündigten , als Cäcilius
Apollinaris daselbst Vorsteher war. Am ersten September 253.^ *)
„Die erste Kirche, welche in Spanien den Märtyrern geweiht
wurde, war in diesem Orte, als Constantin Kaiser war, welcher
sie wieder aufzubauen befahl.^
Auch wird ein Stein aufbewahrt, auf welchem nach der Ueber-
lieferung Paulus gepredigt haben soll; und aus verschiedenen Docu-
menten, welche in dem Archive der Kirche sich befinden, geht her-
Tor, dass bei der Einweihung derselben anwesend waren — der Bi-
schof von Cartagena, welcher pontificirte; Natalius, Erzbischof von
Toledo, welcher mit grosser Gelehrsamkeit und mit Geist predigte, von
dessen Kede sogar einige Bruchstücke vorhanden sind ; Lugo , Erzbischof
Ton Valencia; Exila, Bischof von Valera, und der Bischof von La Minio.
Also Madoz ^) ohne alle weitere Bemerkung. Es ist dieses eine Erfindung
des spanischen Pseudo-Dexter. Lidess ist die Erfindung viel weniger plump,
als die meisten andern Erdichtungen dieser Pseudo- Chronisten. Denn —
Paulus kann nach Libisosa gekommen, er kann dort auf einem Stein
gepredigt, und Heiden oder Juden bekehrt haben. — Femer, im J. 253
wüthete eine heftige Christenverfolgung, die auch Spanien treffen konnte,
und wahrscheinlich traf (wovon unten im dritten Buche). Ferner, die
m Libisosa gebaute Kirche kann wirklich die erste Kirche der Märtyrer
gewesen seyn. Dieses Ereigniss der Einweihung würde gefallen seyn
zwischen 312 und 400 n. Chr. — Damals gab es vielleicht einen Bi-
schof von Carthago; damals gab es einen Bischof, aber keinen Erz-
bischof, von Toledo , selbst Natalis wird genannt als Bischof des vierten
Jahrhunderts^ — Dass es ' damals Bischöfe in Valencia gab , ist sehr
wahrscheinlich. Denn schon zur Zeit des Martyriums des Vinzenz von
Saragossa, der bekanntlich zu Valencia litt, gab es dort eine grosse
Menge von Christen. Aber der Name Exila, der einem der Bischöfe
*) ^Predieö el Apostol San Pablo en Livisosa, siendo colonia romanOf en donde convirtiö
d la f€ d Provo y d Xantipef sa muger, y d otras peraonas.^
„San Vicente y San Leto padecieron martirio en Livisosa, por predicar la f4 de
JesucristOf gobemando en ella CeciUo ÄpoUnar, Ä prmero de setiembre de 253.^
„El primer templo que se consagrö en Espanna a los S, S. mdriires, fue en esta v,,
imperando Constantino, guten le mandö reedificar.^
*) Madoz f Diocionario, s, v. Lezuza.
5*
68 Erstes Bach. Achtes Kapitel.
gegeben wird, erregt schwere Bedenken. Das ist kein römischer, sondern
ein gothischer Name *). Dass Toledo Erzbisthum genannt wird, wollten
wir uns noch gefallen lassen. Aber Valencia wurde erst 1492 Erzbisthum.
Bischöfe von Valeria hat es gegeben zur Zeit der Gothen; und es ist
nicht unwahrscheinlich, dass es schon im vierten Jahrhunderte gab ^].
Bischöfe von Laminium werden nirgends genannt ; dagegen Bischöfe des
benachbarten Oretum seit 589 ^). Laminium dagegen musste noch im
vierten Jahrhundert eine bedeutende Stadt seyn , da es der Knotenpunkt
des Ausganges so vieler Strassen war. Es scheint mir eher wahrschein-
lich , dass es — eine Zeit lang — Siz eines Bisthumes war, welches Bis-
thum vielleicht später, wie z. B. Castulo nach Ba^'za, von Laminium
nach Oretum verlegt wurde. — Dass die Inschrift La* Mini schreibt, ist
eher ein Zeugniss für als gegen, wenn es nicht etwa eine künstliche
Nachahmung einer im Beichswegweiser des Antonin vorkommenden
Schreibweise ist, von dem ich — mit Wesseling — annehme, dass
er aus dem dritten und vierten Jahrhundert stamme. Auffallend aber
ist mir, dass in den 47 Bänden der „Espanna sagrada^ — der Ort Libi-
sosa nirgends vorkommt, und nur aus Anlass der Legende von Xan-
tippe und Probus erwähnt wird, dass Einige den Schauplaz dieses Er-
eignisses in den Campo de Montiel , oder das alte Gebiet von Laminium
verlegen *).
Bei diesem Anlass muss ich zum erstenmal das grosse spanische
Martyrologium des Priesters Tamayo de Salazar erwähnen, dessen Verfasser
wegen seiner „Erdichtungen^ und unkritischen Weise auch unter den
spanischen Gelehrten sich keines guten Bufes erfreut; doch ist es nicht
möglich , ihn ganz zu umgehen. Zum 30. Juni theilt er das Leben des
Apostels Paulus in der kurzen Form der Martyrologien mit, wie es in
Kürze „die Unsrigen^ zusanmiengefasst haben. Die „Unsrigen^ sind
wahrscheinlich er selbst, oder die Verfertiger der angeblichen Chroniken
von Dexter, Maximus, Luitprand u. a. — Da die „Acta^ des Paulus
aber kurz sind, so glaube ich sie hier mittheilen zu sollen.
„Paulus, der vorher Saulus hiess, stammte aus der Stadt Tarsus in
Cilicien, obgleich seinem Geschlec]ite nach ein Jude, gieng als Jüngling
*) Wie Beccila von Lug^os — aaf der dritten Synode von Toledo; Sciua, Erzb.
von Narbonne auf der vierten, Saabila von Oretum ebendaselbst; Hiccila von
Salamanca, Egila von Aaxuma — ebends. und auf den folgenden Synoden;
der Diakon Egila von Bigastro auf der siebenten und eilflen Synode, Dadila
von Complutum auf der neunten, zehnten, Riccila von Acci auf der eilften,
zwölften, vierzehnten und fünfzehnten, £mila von Barcelona auf der zwölften,
£lla von Segontia auf der dreizehnten und vierzehnten, Cixila ebends«, Emmila,
Bischof von Elche auf der fünfzehnten Synode u. s. w.
') Florez S, 202 — de los Obispos Vaieriefues.
») Florez 7,258.
*) Florez 3, 14.
Wirksamkeit des Apostels Paalns in Spanien. 69
seiner Stadien wegen nach Jerusalem , wo er den Gamaliel zum Lehrer
hatte: bis er, nach der Aufnahme des ersten Märtyrers Stephanus in den
Himmel, selbst eine Verfolgung gegen die Jünger Christi erweckte, und
bis nach Damascus zu gehen im Begriffe war, um sie auszurotten, aber,
aufgehalten von dem Rufe des Herrn, und geblendet durch seine Blize,
trat er so in Damascus ein. Ihm gab — auf götüiohe Mahnung *—
Änanias wieder das Gesicht, taufte ihn alsbald, und er wurde ein Apostel
Christi, und der Lehrer der Völker, der mehr als alte wirkte, der viel
weiter, als die andern Apostel das gnadenvolle Wort verbreitete, und
mit seiner Predigt (alles) mit der Lehre des Evangeliums erfüllte. Denn
an£smgend von Jerusalem kam er bis Uljricum und Italien, durch
Gallien nach Spanien mit einigen seiner Schüler — wo er bei seinem
Aufenthalte bei Laminium in dem Hause des Probus, eines erlauchten
Mannes, gastfreundlich aufgenommen wurde, und als die Xantippe, des
Probus Gemahlin, die Bescheidenheit des Mannes, nachdem sie ihn näher
betrachtet hatte, bewunderte, — geschah es durch den Willen Gottes,
dass , während ihre Blicke fest auf das x\ngesicht des Fremden gerichtet
waren, an der Stirne des Apostels die Inschrift wie mit goldenen Buch-
staben eingegraben erschien: Paulus, Apostel und Lehrer Christi —
Da sie schon durch den vorausgehenden Ruf vieles von dem Apostel
gehört imd lange darnach verlangt hatte, sein Angesicht zu sehen, so
fiel sie, von Freude zugleich und Staunen hingerissen, zu seinen Füssen
nieder. Sie wurde belehrt über die Geheimnisse Christi, und mit ihrem
Manne und ihrer Familie in Christo wiedergeboren. Dann durchzog
Paulus die Städte von Spanien, gründete die Kirchen von Astigi, La-
minium, Dertosa*) und andere, welchen er ihre Leiter vorsezte,
begab sich in andere Gegepden^, kehrte zulezt nach Bom zurück, wo
er in das Gefängniss gesezt, zugleich mit Petrus, dem Fürsten der
Apostel, vom Schwerte des Nero getödtet, den Lorbeer des Martyr-
thums erlangte, am 29. Juni des Jahres 69 des Herrn, und an der Strasse
nach Ostia begraben wurde*.*'
Die Worte „bei Laminium'' können ebenso Laminium selbst, als
das nahe liegende Libisosa bedeuten. — Zum erstenmal kommt der
Bericht von der Bekehrung des Probus und der Xantippe in den Meno-
logien der Griechen, und nicht vor dem zehnten Jahrhundert, zu dem
23. September vor. Dieser Bericht lautet : Die heilige Xantippe , Ge-
mahlin des Probus, Präfekten von Spanien zur Zeit des Kaisers Claudius
Cäsar, hatte eine Jungfrau, genannt Polyxena, zur Schwester. Und
*) Es ist dieselbe Reihenfolg^e , die ich einhalte; wenn aber Tamayo den Apostel
zu Lande nach Spanien kommen lässt, so hätte er wohl umgekehrt sagen
müssen: Dertosa, Laminium und Astigi. — Beruhte aber diese Zusammen-
stellung auf einer alten Ueberlieferung , so müsste Paulas von Gades oder Ma-
laga her gekommen seyn.
70 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
als der Apostel Paulus in die Gegend von Spanien gekommen war , wo
er Christum predigte, lehrte er die Xantippe den Glauben an den Herrn ;
sie empfieng zuerst die Taufe, und beredete sodann ihren Gemahl Probus,
dass er Christ werde. Ebenso wurde von dem Apostel ihre Schwester
Polyxena unterrichtet. Als sich aber Paulus entfernt, und als sie hörte,
dass der Apostel Andreas den Glauben an Christus zu Patras in Achaja
lehre, begab sie sich zu ihm, und nachdem sie voUkonmien im Chri-
stenthume unterrichtet worden war, erhielt sie die Taufe. Sie begab
rieh in ihr Vaterland zurück, und fand dort ihre Schwester Xantippe,
welche sich in jeder Art von Tugenden hervorthat, und sie mit Freude
aufnahm. Nachdom beide viele andere im Glauben unterrichtet hatten,
erreichten sie das Ende ihres Lebens ^).
Das kleine römische Martyrologium des Baronius sagf zum 23. Sep-
tember: „In Spanien das Andenken der heiligen Frauen Xantippa und
Polyxena, welche Schülerinnen der Apostel waren.*' — Bei Tamayo
(23. Sept.) ist die Legende grossartig ausgeschmückt. Die beiden Schwe-
stern stammen aus Rom, ihr Vater Marcellus war Stadtpräfekt , die
Mutter stammte aus Athen ; ihr Bruder M. Marcellus Eugenius war später
Erzbischof von Toledo , der Bruder Vitalis Erzdiakon yon Toledo , und
beide Märtyrer. — Auch Sabinus Probus, der Gemahl der Xantippe,
War ein gebomer Römer, und wurde von Kaiser Nero mit der Verwal-
tung des ganzen Gebietes von Laminium betraut. Paulus kam auch
nach Libisosa, und predigte eben auf dem Forum, als die beiden Schwe-
stern über dasselbe giengen. Probus lud den Paulus in sein Haus. (Das
andere wie oben.) Probus gieng mit Paulus, und wurde nachher Bi-
schof von Ravenna. Ihr Bruder, der Erzbischof von Toledo, begrub
später die beiden Schwestern, und Tamayo theilt selbst das Grabgedicht
des Bruders auf sie mit (welcher bekanntlich niemals existirt hat). —
Die Quellen des Salazar sind vorzugsweise die Pseudo-Dexter, und
Pseudo-Luitprand, auf welche er sich auch mit festem Glauben an ihre
Auctorität stets beruft.
Es ist aber die Frage, ob an der Legende, wie sie ursprünglich
die Griechen mitgetheilt, nicht wie Spanier des 16. Jahrhunderts sie
ausgeschmückt, und sie dadurch unglaubwürdig gemacht haben, etwas
Wahres sei. — Baronius spricht sich zweifelnd darüber aus *). Er meint,
was bei dem Metaphrasten (vielmehr einem Spätem) darüber stehe, der
sich auf Eusebius berufe, während Eusebius nichts darüber sage, könne
auch das Uebrige verdächtig machen; „aber wie dem immer sei, wer
es wünsche, habe einen Schriftsteller, den er zu Rathe ziehen könne.'
Doch hat erst Baronius sie in das römische Martyrologium gesezt^). —
Die BoUandisten bezweifeln, ob die beiden Schwestern je als Heilige
>) Acta Soet 16. Februar, 29. Jnni, 23. September.
*) Baron. Ann, 61, 4.
Wirksamkeit des Apoetels Paulas in Spanien. 71
verehrt worden, ja ob sie überhaupt existirt haben« TiUemont nennt
es eine ^wenig glaubwürdige Geschichte , ganz gegründet auf die Aucto-
rität der neuern Griechen^, und macht auch darauf aufinerksam, dass
die tarnen der beiden Schwestern ganz griechisch lauten^). — A"»
bedenklichsten ist, dass diese Namen in der alten spanischen Liturgie
nicht vorkommen,
Florezy der nichts weniger als unkritisch ist, und einiges verwirft^
was wir in diesem Buche festhalten zu müssen glauben, bemerkt u. a.
gegen den erwähnten Einwurf Tillemonts, dass man auf den spanischen
Inschriften nicht wenige griediische Namen finde, seit den Zeiten griechi-
scher Colonien in Spanien. Es sei sehr glaubwürdig, dass irgendeine
alte Tradition , oder ein authentisches Zeugniss vergelten habe, woraus
die Erzählung der Griechen entstanden. Doch möchte er die Thatsache
selbst nicht in das Gebiet von Montiel, d. h. nicht in das alte Laminium
oder nach Libisosa verlegen ^), sondern — wie der Verfasser des Werkes:
Lehen der Heiligen von Sevilla — nach Astigi, obgldch der Pater
Roa in seiner Geschichte von Edja sie nicht in Anspruch zu nehmen
wage ^). — Dadurch aber verliere, die Sache nicht an Glaubwürdigkeit,
dass die Griechen nur das Land, nicht den Ort berichten, wo sich diese
Bekehrung ereignet haben soll.
Ich begnüge mich, zu sagen, dass die Geschichte der Xantippe und
Polyxena nicht beglaubigt genug ist, um auf dei^ Rang oder das Recht
einer historischen Thatsache Anspruch zu machen, dass aber die mangel-
hafte Beglaubigung kein Recht giebt, die Thatsache an sich und in ihrem
einÜEichen Kerne zu leugnen. Ich füge bei, dass die Erzählung für mich
dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnt, dass das Ereigniss auf Orte ver-
legt wird, die an der Strasse lagen, welche Spanien seiner Länge nach
durchzog.
Noch beruft oder rühmt sich die Kirche von Dertosa oder Tortosa
des Vorzuges, dass der Apostel Paulus dort zuerst den Glauben gepre-
digt habe. — Diese Stadt lag in der alten und neuen Zeit am Uebergange
der grossen Strasse über den Ebro von Gallien und Italien her. Wenn der
Apostel in der Richtung von Gades nach Tarraco durch Spanien wan-
derte, so konnte er entweder über Zaragoza, oder über Valencia und
Saguntum nach Dertosa kommen. Die neun Stationen, welche auf der
directen Strasse von Laminium nach Saragossa liegen, sind insgesammt
dieils unbekannte, theils unbedeutende Orte^ über deren Lage und Iden-
tität nut heutigen Orten die Spanier noch lange nicht im Reinen sind.
Eine Strasse von Laminium, oder was dasselbe ist, von Libisosa zur
Verbindung mit der Herkulesstrasse am Meere, zunächst nach den
I) TiUem, Notes sur S, Paul, No. 73.
*) Florez 3, 14.
s) Boa, L 2. cap. 2.
72 Erstes Buch. Achtes Kapitel.
bedeutenden Städten Sätabis ^) nnd Sucre, wird zwar nicht ausdrücklich
angeführt im Itinerarium des Antonin, ist aber um so wahrscheinlicher,
als sonst in dem grossen Zwischenräume von Tarraco bis Carthago Nova
nirgends eine verbindende Strasse gewesen wäre, was mehr als unwahr-
scheinlich, fast unmöglich ist. Sodann gehen heute von Valencia nach
Madrid zwei Staatsstrassen , die eine südlich über Albacete, in derselben
Richtung, in welcher die Strasse von Laminium (Montiel) nach Sätabis
(San Felipe) führen musste, die zweite seit etwa zehn Jahren nord*
westlich über Cuenca^).
Die Eirche von Dertosa nun rühmt sich, dass der Apostel Paulus
-auf seiner Reise von Rom nach Spanien jenen Rufus mit sich genonmien,
welchen er in dem Briefe an die Römer grüssen lässt (Rom. 16, 13), und
dass er ihn zu Tortosa als ersten J^chof zurückgelassen habe. — Florez
und sein Fortsezer Risco bemerken ^) , da Paulus nach dem Zeugnisse
des Hieronymus zu Schiffe nach Spanien gekommen, so sei es wahr*
scheinlich, dass er zu Tarragona, dem bedeutendsten Hafen der Ost-
küste von Spanien gelandet habe, von wo aus mit Rom ein lebhafter
und sicherer Verkehr stattgefunden habe. Sie berufen sich auch auf das
alte Brevier von Tarragona, nach welchem der Apostel Paulus mit dem
Paulus von Narbonne zu Tarragona gewesen sei. — Da ich mit Gregor
von Tours , Tillemont ^) u. a. der Ansicht bin , dass jener Paulus im
dritten Jahrhundert gelebt habe, so kann ich auch auf diese Bdiauptung
kein Gewicht legen. — Meine Hypothese, dass der Apostel Paulus von
Gades nach Tarraco gereist sei, scheint mir durch die Tradition der
Kirche von Dertosa nicht an Wahrscheinlichkeit zu verlieren« Denn,
wenn der Apostel diesen Rufus, von dem indess das kleine römische
Martyrologium zum 21. November nur sagt, dass der Apostel Patdus
über ihn an die Römer schreibe, wirklich mit sich aus Rom brachte,
so ist die grössere Wahrscheinlichkeit, dass er ihn am Ende, nicht am
Anfange seiner Wanderschaft durch Spanien zurückgelassen habe.
Worauf aber stüzt sich denn diese Tradition mit dem Bischöfe Rufiis
von Dertosa? Bei Ado wie bei Usuard, den Quellen der spätem Mar-
*) Wohin Einige die Legende der Xantippe und Polyxena verlegen.
') Strabo bezeugt sowohl die Strasse von Laminium nach dem Meere, als von
Laminium nach Castulo (vielleicht durch denselben Felsenpass Despennaperos,
durch den heute der Weg von Madrid nach Südspanien führt). Er sagt (Strabo
3,160): Die Strasse führt von Tarraco zur Fähre des Ebro, und nach Der-
tosa; sodann durch die Städte Sagunt und Sätabis auf das Espartofeld (bei Car-
thagena); früher gieng die Strasse. mitten durch die Ebene und Egelasta (heute
Yniesta), ein schwieriger und langer Weg — nach Castulo und Obulco, so-
dann nach Corduba und Gades, die grössten Handelspläze. — cf. PUnius 3, 25.
— 31, 80,
») Florez-Risco t.25,2; 42,51. Vergl.3, 23; 24,68.
*) Tiüem. 4, p. 471.
Wirksamkeit des Apostels Paulas in Spanien. 73
tyrologien^ heisst es wörtlich, wie in den beiden römiscben Martyro-
logien — zum 21. Nov. — das Andenken des heiligen Rufiis, über
welchen der Apostel Paulus an die Römer schreibt: Grüsset mir den
Attserwählten Rufus, seine Mutter und die meinige. Die Stelle des
Paulus aber steht nur bei Ado y und ist in den drei andern Martyro-
logien w^gelassen. Ado weiss aber nichts von einem Bischöfe Rufds
von Spanien. Darum sagt auch Tillemont^), und ihm folgend SoUier,
der Herausgeber des Usuard (1714) , dass sie den Spaniern hierin so
lange nicht glauben können, bis sie keine bessern Quellen für das Epis-
copat des Rufus in Dertosa anführen, als das unterschobene Chroniken
ihres Dexter. — Dieses Chroniken ist in der That die nächste Quelle
des Episcopates des Rufus. Es berichtet zum J. 64 , dass Paulus im
J. 64 nach Spanien gekommen, und mit sich als Begleiter geführt habe
den Pfailemon, den Timotheus, und andere Schüler, und dass er
zu Libisosa und zu Laminium , in den Städten der Provinz der Arevaker
— ein Volk, das viel nördlicher wohnte — gepredigt habe. Zum J. 66
berichtet Pseudo- Dexter, dass zwei Spanierinnen, Basilissa und Ana-
stasia, aus der Stadt Sätabis, dem Apostel Paulus nachgefolgt seien, und
weil sie zu Rom die heiligen Leiber der Apostel Petrus und Paulus in
der Nacht au%esucht und begraben, desswegen durch Nero gemartert
worden seien. Basilissa und Anastasia werden allerdings in den griechi-
schen und römischen Verzeichnissen der Heiligen genannt, aber ihren
spanischen Ursprung hat erst Pseudo -Dexter und sein Commentator
Bivar entdeckt.
In demselben Jahre soll Paulus seinen Brief an die in Spanien von
ihm bekehrten ^Hcbräer^ geschrieben haben, was jedenfalls ein frappanter
Einfall des Erfinders ist ^). — In demselben Jahre 66 seien Paulus und
Petrus von ihren so weiten Reisen wieder nach Rom zurückgekehrt, wo
sie im J. 68 als Märtyrer gestorben. Zum J. 100 wird berichtet, dass
der von Theben zurückgekehrte Rufus zu Dertosa Bischof gewesen seL
— Erst der Commentator des Pseudo -Dexter, Bivar, sagt, dass das An-
denken des Rufus am 12. November zu Dertosa begangen, und dass in
den Lectionen des Festes gesagt werde, durch die „Ueberlieferung der
Vorfahren^ sei dieses festgestellt. — In einem andern Machwerk einer
Chronik , welche — als Fortsezung einer angeblichen Chronik des Maxi-
mus von Saragossa ausgegeben wurde, und als deren Verfasser bald
Bischof Braulio von Saragossa — um 627 n. Chr. — bald ein sonst
unbekannter Heleca genannt wird, wird erst erdichtet, dass Simon von
*) IHOem, 1,470.
*) Worin er aber, wie wir theilweise scban gehört ^ nicht vereinzelt dasteht. —
Vergl. CommeDtar über den Brief an die Hebräer. Von Adalb. Maier. Frei-
borg b. Wagmer — 1861. — S. 1 — 2. — Euseb. h, e. 2, 4. — 5, 4 (3, 24). 4, 5,
74 Erstes Bach. Achtes KapiteL
Cjrene mit seinen beiden Söhnen Rufus und Alexander nach Spanien
gekommen sei — im Geleite des Apostels Paulus y nachdem er schon vor-
her im Geleite des Apostels Jacobus eben dahin gekommen. — Solche
Auctoritäten sind gewiss ohne Gewicht.
Dennoch halten Florez und seine Fortsezer *) , obgleich sie von den
Erdichtem der Chroniken des Dexter, Maximus, Braulio öder Heleca,
sowie des angeblichen ^^Subdiakonen*^ von Toledo, Luitprand, nichts
wissen wollen, an der Ueberlieferung fest, und behaupten, der erste
Bischof von Dertosa sei Rufiis gewesen, und er sei von dem Apostel
Paulus eingesezt worden. Sie stüzen sich darauf, dass die Kirche von
Dertosa seit vielen Jahrhunderten das Fest des heiligen Rufiis als ihres
ersten Bischofes gefeiert habe, der von dem Apostel Paulus eingesezt
worden. Risco wirft dem Mabillon und dem Jesuiten SoUier Unwissen-
heit in dieser Sache vor, weil sie meinten, dass die ganze Nachricht auf
der Auctorität des Pseudo- Dexter und seiner Fortsezer ruhe. — Dar-
aus, dass es hier berichtet werde, folge noch nicht die Unwahrheit des
Berichtes. Sie berufen sich auf den gelehrten Don Nicol. Antonio, auf
Beuter, Vasäus, Morales, Marieta, Padilla und Domenec; femer auf
Schriftsteller, die vor dem Erscheinen der fingirten Chroniken gelebt
haben, auf Bernhard Boades, auf J. Casp. Roig, Chronisten von Ara-
gonien, welcher sagt: „Man glaubt, dass in dieser Stadt (Dertosa) und
in der von Barcelona der Apostel Paulus Bischöfe erwählte*' und man
berufe sich auf alte Bücher, in denen stehe , dass Set. Rufus von Paulus
als Bischof von Dertosa eingesezt worden. Boades schrieb um 1420,
etwa zwei Jahrhunderte, ehe die erdichteten Chroniken erschienen. —
Insofern können die leztern den Bericht über Rufus von Dertosa nicht
erdichtet haben ; sie haben ihn nur in ihrer Weise ausgeschmückt. Doch
stehe auch in den alten Breviarien von Dertosa, dass Rufus der Sohn
des Simon von Cyrene gewesen sei ^). Sein Fest sei stets^ am 14. No-
vember, und schon vor dem Concil von Trient mit einer Octave ge-
feiert worden. In den Lectionen des Tages werde nicht bloss sein Bis-
thum, sondern auch die Aufbewahrung seiner Reliquien in Dertosa be-
richtet. — In einem alten Messbuche und in den alteü Brevieren stehe
die Oratio, welche dieses bestätige. Im J. 1671 habe die römische Con-
gregation der Riten einen von dem Kapitel in Dertosa ihr vorgeschla-
genen Hymnus gebilligt, d. h. gestattet, dass er in den beiden Vespern
und in der Matutin des Festes des heiligen Ruftis gebetet werde*).
») Florez 3, 23. — Florez -Risco 42, 51. Ferreras, Historie von Spanien, deutsch
y. Baumgarten, 1. Bd. 1754. S. 354.
«) Siseo 42, 58.
*) Oratw in NataU tancti aß BtaÜmmi Buphi EpUeopi €t Confßasori», F^piHare, Do-
mtne, ^uaeswnus nobis famuUa iuis, per hujus ScmcH Car^e9$arii tet cUqve Panifficu
Wirksamkeit des Apostels Paulus in Spanien. 75
Allein — mit allem diesem kommen wir über das 14. Jahrhundert
nicht hinauf. Die Tradition der Kirche von Dertosa reicht erweislich
nicht einmal so weit zurück, als die Tradition der Ankunft des Apostels
Jacobus nach Spanien, oder des Eugenius von Toledo, als eines Schü-
lers des l^ittgBt aufgegebenen Dionysius des Areopagiten von Paris. —
Die wichtigste Frage ist: Kommt der heilige Rufus in der mozarabi-
schen Liturgie vor? — Sein Name findet sich dort nicht, nicht sein
Fest, so wenig als das Fest des Eugenius von Toledo, oder die Tra-
dition der Ankunft des Jacobus in Spanien (der betreffende Hymnus ist
ein Erzeugniss der spätem Zeit). Desswegen fehlt es an der glaubwür-
digen Begründung, dass Rufus ein Schüler des Apostels Paulus gewesen
sei, umsomehr, als die angebliche Tradition sich eigentlich auf den
Namen des Rufus beschränkt, von seinem Wirken und seinen Schick-
salen nichts berichtet.
Es ist wahr, dass die mozarabische Liturgie zu dem Feste der
Apostel Petrus und Paulus von der Reise und Thätigkeit des Paulus
in Spanien gleichfalls nichts enthält. Da aber diese Reise durch andere
Zeugnisse als eine historische Thatsache erwiesen ist, so kann dieselbe
durch das Schweigen der spanischen Liturgie nicht in Frage oder in
Abrede gestellt werden.
Ruphi, qui in praesenti requiescit Ecclesia, merita.ghriosa: ut ejus pia intercessione
ab Omnibus semper protegamur adversis,
Bic Dei gnarus ßdei potentis
Ei viam veram cupidus sequendi,
A Sacro Paulo meruit sacrato
Fönte lavari,
, Cujus electus fuit hie alumnus;
Ambo miraclis sacra praedicantes
Verba, venerunt supero hanc ad Urbem
Numine freti.
Est ubi primitm columen creatus
Praesulum, cujus sine labe vita
Criminis fulget, modo regnat aUis
Inclitus astris.
Zweites Buch.
Bie Sendung und Thätigkeit der sieben
Apostelschüler — in Spanien.
Erstes Kapitel
Die Hartyrologien — über die Siebenm&nner.
Die Reise und der Aufenthalt des Apostels Paulus in Spanien —
ist eine geschichtliche Thatsache. Die Gründung einer, oder
mehrerer Gemeinden durch ihn ist wahrscheinlich ^ beruhet aber auf
keinen voUgiltigen geschichtlichen Unterlagen. Es ist aber möglich,
dass der Aufenthalt des Apostels in Spanien zunächst gar keinen sicht-
baren Erfolg hatte , ohne desswegen wirkungslos zu seyn. — Der Apostel
kann nach sehr kurzem Aufenthalt über Rom , oder mit Umgehung von
Rom, nach dem Orient zurückgekehrt seyn, zugleich aber Vorsorge
getroffen haben, dass das von ihm begonnene Werk in andere tüchtige
Hände gelegt wurde, so dass er durch die Abordnung oder Zurück-
lassung von Stellvertretern doch als Gründer, wenigstens als Mitbegrün-
der der Kirche in Spanien gelten kann.
Die Nachrichten über die ersten Jahrhunderte der Kirche in Spar
nien sind von jeher sehr spärlich gewesen. Wir können uns aber über
die Lückenhaftigkeit dieser Nachrichten theilweise mit der Erwägung
trösten, dass man zu keiner Zeit in der Kirche mehr darüber wusste,
als wir, dass wir vielmehr etwas mehr wissen, als die frühem. Was
Irenäus, TertuUian und Amobius über die Verbreitung und den Bestand
Die Martyrologien — über die Siebenmänner. 77
des Ghristenthumes in Spanien sagen, das sind Allgemeinheiten, die
sich eigentlich von selbst verstehen. Ensebius in seiner Kirchengeschichte
spricht von Italien, von der Kirche in Afrika und in Gallien, von der
Kirche in Spanien sagt er nichts; offenbar, weil er nichts von derselben
gewusst hat. Nur einmal kommt der Name Spaniens bei ihm im Allge-
meinen bei der Aufisählung der Länder des Abendlandes vor •).
Ebensowenig oder noch weniger haben die Spätem davon gewusst.
— Die Stellen bei Clemens von Rom und dem Ungenannten des Codex
Muratori wurden entweder nicht beachtet und verstanden, oder sie giengen
verloren. — Wir sind darum in der glücklichen Lage, durch die Kennt-
niss, die Beachtung und das Verständniss dieser Stellen wenigstens die
Thatsache der Reise des Apostels nach Spanien als erwiesen festhalten
zu können. Wir sind femer in der glücklichen Lage, die zweite damit
in Verbindung stehende geschichtliche Thatsache der Sendung von sieben
Glaubensboten von Rom nach Spanien beweisen zu können.
Von der Thätigkeit des Apostels in Spanien hat sich weder eine
sichere Tradition, noch eine Hinweisung in der alten Liturgie der Spa-
nier erhalten. Dagegen ist diese Liturgie, genannt die mozarabische
oder die Liturgie des heiligen Isidor von Sevilla, die älteste und sicherste
Quelle — der Sendung und Thätigkeit der sieben Apostelschüler in
Spanien. Es sind aber keine Anzeichen vorhanden, dass diese Liturgie
vor dem Ende des Mittelalters in dem übrigen Europa gekannt, beachtet
oder studirt wurde. Als man daran gieng, sie näher kennen zu lernen,
^ar sie längst ausser Uebung. — Das christliche Abendland erlangte
nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar aus ihr die Nachricht von der
Sendung der sieben Apostelschüler nach Spanien. Die nächste Quelle
für diese Kenntniss waren vielmehr die Martyrologien. Das römische
Martyrologium, das auf Befehl Gregors XIII. 1586 von Baronius her-
ausgegeben wurde, schreibt zum 15. Mai:
Li Spanien das Andenken der heiligen Torquatus, Ctesiphon,
Secundus, Lidaletius, Cäcilius, Hesychius und Euphrasius, welche
in Rom von den heiligen Aposteln zu Bischöfen geweiht, und zur
Predigt des Wortes Gottes nach Spanien gesendet wurden. Nach-
dem dieselben in verschiedenen Städten das Evangelium verkün-
digt, und unzählbare Schaaren zu dem Glauben an Christus ge-
führt hatten, so ruheten (starben sie) in dieser Provinz an ver-
schiedenen Orten, Torquatus zu Acci, Ctesiphon zu Vergium,
Secundus zu Abula, Indaletius zu Urci, Cäcilius zu Uliberis, He-
sychius zu Carteja und Euphrasius zu Diturgi.
Nach der Zusammenstellung des Wortlautes bei Ado^ üsuard und
Eiutb. h. ead. de mar^, Fahest c 13,
78 Zweites Buch. Erstes Kapitel.
dem römischen Martjrologium des Baronius') f&Ut die Gleichartigkeit
der drei Berichte in die Augen, die sich als ein einziger erweisen« Der
Zeit nach geht Ado dem Usuard voran. Ado ist ausführlicher, und
enthält eine Erzählung , welche er auf den ersten Blick der spanischen
Liturgie entnommen hat. Baronius hat aus Usuardus geschöpft. Es ist
meine Aufgabe hier nicht, nachzuweisen, wie die einzelnen Martyrolo-
gien zu einander sich verhalten. Es genüge mir, zu sagen, dass das
römische Martjrologium des Baronius , und das von Benedict XIV. neu
herausgebene — nicht auf kirchliche AUeingiltigkeit in dem Sinne An-
spruch machen, dass es für einen Katholiken nicht erlaubt wäre, ihren
Inhalt zu prüfen , beziehungsweise zu verwerfen. Vor Gregor XIII. hat
die römische Kirche nie ein Martjrologium durch ein feierliches Dekret
genehmiget. Selbst als die Päpste Gregor XIIT., Urban VIII. und Be-
nedict XUI. eine genaue Verbesserung anordneten , und den Gebrauch
des verbesserten und vermehrten römischen Martyrologiums vorschrieben,
wollten sie damit nicht erklären, dass dasselbe von allen historischen
Irrthümem frei sei. Sonst hätte ja Benedict XIV. kein — auf das neue
— verbessertes Martjrologium herausgeben können. Benedict XIV. sagt
selbst, „der apostolische Stuhl sei nicht der Meinung, dass alles dasjenige
unantastbare und ganz sichere Wahrheit sei, was in das römische Martjro-
logium aufgenommen sei.*' — „Dies wird,*' fährt er fort, „am deutlichsten
aus den Veränderungen und Verbesserungen^ ersehen, welche von dem hei-
ligen Stuhle selbst angeordnet worden. Auch spricht nicht dagegen das
dem römischen Martjrologium vorangeschickte apostolische Breve Gre-
gor's Xm. (vom 14. Januar 1584), worin gesagt wird, das römische Mar-
Das römische Martyrologium des Baro- Das Martyrologium des Usuardus
D jus sagt : In Hispania sanctomm Tor^ sagt : Natalii sandorum confessorum Tor-
quati, CtesiphontiSf Secundt, Indaletiiy Cae- guati, Tesi/ontiSf Secundif Indalecüf Ce-
cilüf Hestfchii et Euphrasii, qui Ronuie a cilü, Esicüf Eufrasiif qui Bomae a saticHs
sanctis ApostoUa epUcopi ordinaiif et ad apostolis ordinatiy et ad praedicandm
praedicandum verbum £>ei in ffispanias di- verhum Dei, ad HUpanias tunc adhuc
recti sunt: cumqxie variis urbibua evangeU- gentiU errore implicataSf dhrecti sunt. Cum-
zassent y et innumeras multitudines Christi qtte diversis urhihus evangelizassentf et in-
fidei sübjugassent f in ea provincia diversis numerus multitudines Christi ßdei subjur
locis quieverunt, Torquatus Äcci, Ctesiphon gassent, Torquatus Acciy Tesifon Vergii,
Vffrgii, Secundus Abulae, IndaUtius Ürci, Secundus Abulae, Indaiecius Urdy Ced-
CaecÜius IlUberi, Hesychius Cart^jae, et Uus HeKbenrif JSsicius Careesi, Eufror
Euphrasius lUitürgi, sius EUturgi quieverunt.
Zur Vergleichung mögen hier auch die correspondirenden Worte des Ado
stehen : Natale sanctorum confessorum Torquati, Ctesiphontis , Secundi, Indaletiif Cae-
ciiüf Esitüf Euphrasii Qui Romae a sanctis apostolis episcopi ordinaii, et ad prae-
dieandum verbum Dei ad Hiapanos, tunc adhuc geniiU errore impUcaios, direcä sunt —
Post hoc diversis urbibus evangelizantes , et innumeras multitudines Christi ßdei w^
jugantes, — Torquatus Acd, Ctesiphon Vergü, Secundus Abulae, Indaiecius Ürä,
CaecUius Eliberri, Esitius Cartesae (oL Carcerae), Etqthrasiue EUturgi qweoeniiid.
Die Martyrologien — über die Siebenrnftnner. 79
tjrologinm sei verbessert, und von nun an im Chore zu lesen, und es
dürfe kein anderes irgendwie vermindertes, vermehrtes oder verändertes
herausgegeben werden. Denn daraus wird keineswegs mit Recht ge-
folgert, dass alle und jede Irrthümer aus dem Martyrologium beseitiget
seien , und man kann nicht sagen , dass es den in der Kirchengeschichte
bewanderten Männern verboten sei, sich an den heiligen Stuhl zu wen-
den, wenn Gründe für eine neue Verbesserung vorhanden sind: was
gerade aus der Disziplin dieses heiligen Stuhles entnommen wird, welch»
auch nach dem erwähnten apostolischen Breve Gregor's XITL neue Ver-
besserungen des Martyrologiums verlangt und zugelassen hat.^
Baronius will die Spuren des alten oder kleinen römischen Marty-
rologs , oder — wie ich von nun an sagen will — des kleinen römischen
Kirchenkalenders in einem Briefe Gregor's I. an den Patriarchen Eulo-
gius von Alexandrien entdeckt haben. Gregor schreibt dort : Wir haben
die Namen fast aller Märtyrer, für jeden einzelnen Tag von einander
getrennt, in Einem Codex gesammelt, und wir begehen alle Tage deren
Andenken bei der Feier der heiligen Messe. Doch ist in diesem Ver-
zeichnisse nicht angegeben, auf welche Weise Jeder gelitten habe; son-
dern nur der Ort und der Tag des Todes stehet daselbst So kommt
eS; dass viele aus verschiedenen Ländern und Provinzen an demselben
Tage als Märtyrer verzeichnet sind. Doch glaube ich, dass Ihr (in
Alexandrien) ein solches Verzeichniss auch besizet *).
Zu den Märtyrern kamen später die Bekenner, während das Wort
— Martyrologium — blieb. Die ursprüngliche Form des kleinen römi-
schen Earchenkalenders ist uns aber genau nicht bekannt, und wir können
die Vermehrungen oder sonstigen Veränderungen, welche im Laufe der
Jahrhunderte damit vorgegangen sind, nicht übersehen. Die Jesuiten
Rosweyd, SoUier u. v. a. sagen, dass wir dieses älteste Heiligenverzeich-
niss in dem „alten römischen Kirchenkalender'' besizen, welcher dem
Ado von Vienne vorlag, und welchen Rosweyd herausgab und Paul V.
dedicirte*). — Es ist aber im Streite, ob dieses von Ado mitgetheilte,
oder das unter dem Namen des Hieronymus in mehrfachen Redaktionen
vorhandene Martyrologium — das von Gregor L gemeinte sei.
Nach Binterim hat das sogenannte Martyrologium des Hieronymus
diesen Namen, j, entweder wegen des steten Gebrauchs der römischen
Kirche, oder — weil vielleicht Hieronymus es auf Befehl des Papstes
Damasus zunächst zum Gebrauch der römischen Kirche verfasst hat*).
Wenn es auch über jeden Streit erhaben wäre, dass das dem Ado
') Gregor M, epiat, 8, 29,
) S, Adonis — Martyrologium — op, et studio Herib, Rosweydi — preiecedit Vetua
Romanum Martyrologium, operi suo ab Ädone praemistum — 1613, •— Sollerius,%pro'
Itgomena ad üntardum — 1714 eap. 2.
•) Binterim, Denkwürdigkeiten, V(I), S. 51—53.
80 Zweites Buch. Erstes Kapitel. Die Martyrologieo etc.
yoranstehende Verzeichniss der Heiligen — das ursprüngliche römische
Martyrologiom sei^ so lässt sich doch nicht ermitteln, wie dasselbe, in
welchen Zwischenräumen und aus welchen Quellen dasselbe entstanden,
weldien Veränderungen es unterlegen; wann und durch wen zum 15. Mai
die sieben Apostelschüler in Spanien in dasselbe eingetragen ^v^orden
sind*), ob sie vor oder nach Gregor dem Grossen, aus welcher Quelle,
ob aus der altspanischen Liturgie oder nicht, sie in dieses Verzeichniss
gekommen sind u. s. w. — Demnach — wird Ado immer noch , was
die Martyrologien betrifiBt, als die erste Quelle und als der genaueste
Berichterstatter über die apostolischen sieben Männer betrachtet ^werden
müssen. — Er selbst aber hat seinen Bricht ohne Zweifel aus den
alten spanischen liturgischen Büchern geschöpft.
') Tarquati, Ctesiphontta , Secundif Indaleciif Caecilii, Esiciif Euphasiij qui Romae ab
apostoUs ordinati sunt.
Zweites Kapitel
Die alte spanische Liturgie — als die erste Quelle über die
Sendung und die Wirksamkeit der sieben Apostelsehfller
in Spanien.
Die alte spanische Liturgie, die gottesdienstlichen Bücher der alten
spanischen Kirche, sind die älteste, und eine der sichersten Quellen
der Kirchengeschichte dieses Landes. — Weil sie nichts über die Thä-
tigkeit des Apostels Jacobus in Spanien enthält — mit Ausschluss eines
erweislich sehr spät entstandenen Hymnus von matter und unklarer Fas-
sung, — so ist der Schluss berechtigt, dass in den frühern christlichen
Jahrhunderten bis auf Isidor von Sevilla — keine Tradition darüber in
Spanien vorlag. — Weil sie bei dem Feste der Apostel Petrus und
Paulus der Ankunft des Paulus in Spanien nicht gedenkt, so ist der
Schluss berechtigt, dass entweder Paulus nicht nach Spanien kam, oder
dass seine Thätigkeit daselbst nicht so eingreifend und tief war, dass
die Tradition davon in der spanischen Kirche fortlebte. — Da seine
Ankunft in Spanien durch andere Zeugnisse feststeht, müssen wir das
leztere annehmen. Da diese Liturgie die Ankunft und Thätigkeit der
sieben apostolischen Männer durch ein besonderes Fest feiert, so ist der
Schluss berechtigt, dass die Tradition sich fest erhielt, und dass der
Bericht selbst — geschichtliche Thatsachen enthält. So wenig wir aber
die ursprüngliche Form der römischen Liturgie kennen, welche bis auf
Gregor L den mannigfachsten Wandelungen unterworfen war, so wenig
kennen wir die ursprüngliche Form der spanischen Liturgie. Es ist
möglich, selbst nicht unwahrscheinlich, dass die gothische oder mozara-
bische Liturgie mit der ursprünglichen römischen eine grösisere Aehn-
lichkeit habe, als die spätere und jezige römische — mit der frühesten
römischen Litur^e. Die orientalischen Anklänge; welche man in dem
Garns, Span. Eirdie. Q
82 Zweites Bucli. Zweites Kapitel.
mozarabischen Ritus finden will^ können zum grossen Theile aus der
frühem römischen Liturgie herstammen. — Florez hat gezeigt, dass die
alte spanische Liturgie — der römischen wenigstens in allen Haupt-
punkten ähnlich war. — Er vertritt die Ansicht, dass die sieben apo-
stolischen Männer die Liturgie des heiligen Petrus oder die römische in
Spanien einführten; dass dieses der ursprüngliche römische Ritus, und dass
sie schon in der Mitte des fünften Jahrhunderts in Spanien herrschend war,
obgleich sie die gothische Liturgie heisst *). Aber es traten Störungen
und Verwirrungen in dieser spanischen Liturgie ein. Der Mangel an
einer festen kirchlichen Organisation und Disziplin, unter welchem Spa-
nien bis zur Zeit der Bekehrung der Westgothen zu der katholischen
Kirche litt, die fast zweihundert Jahre dauernde Herrschaft der Arianer
in dem Lande — brachte Störungen und Ungleichheiten in die Liturgie.
Griechische Priester, und wohl auch die Priscillianisten waren weitere
Elemente der Unordnung. Im sechsten Jahrhundert fand eine grosse
Verschiedenheit des göttlichen Dienstes in den verschiedenen Kirchen
Spaniens statt. Der Papst Vigilius sendete im J. 538 dem Erzbischofe
Profuturus von Braga einen römischen Messcanon.
Nach der Rückkehr der "Westgothen zu der katholischen Kirche
stellte sich das Bedürfniss einer neuen Ordnung der altspanischen Li-
turgie immer dringender dar. Das vierte Cpncil von Toledo — 633 —
beschloss die Hand an das Werk zu legen. Da Isidor von Sevilla, da-
mals das Haupt der Kirche in Spanien, und Präsident dieser Synode,
wohl auch den Hauptantheil an der Ordnung der neuen oder zu ^-
neuernden Liturgie hatte, so trägt dieselbe seinen Namen — Liturgie
nach der Regel des heiligen Isidor von Sevilla. — Die Liturgie heisst
ferner die gothische, weil sie unter dem Volke der Westgothen ein-
geführt war. Sie heisst später die mozarabische *), weil sie die Liturgie
der unter den Arabern wohnenden Christen war. Es ist im Grunde
dieselbe Liturgie, welche man bald die altspanische, die gothische, die
des heiligen Isidor und die mozarabische nennt. Diese Liturgie wurde
weder von Leander von Sevilla, noch von Isidor gegründet, erfunden
oder eingeführt. Sie blieb fortbestehen in Spanien — zur Zeit der Hwr-
schaft der Muhamedaner. — Im J. 923 kam ein päpstlicher Legat nach
Spanien, der die Liturgie prüfte. Sie wurde im Ganzen als katholisch
erfunden, und in Rom gebilligt, nachdem die Worte der Consecration
') Florez f Disseriacion Historico-chronoiogica de la ndua aniupta de JEspanna, eon-
ciUos, ff sttceesos^ sobre eu establecimiento , y mutacton, t, 3^ p, 187 — 360,
*) En^elmann, Glontdre du mots espagnoh et portugais dirwA de farahe, Leyde
1861, p, 86—87. — Mostarabe, De ee nom on dM^naU hs Chr^ieHSf qui vwaient
au milieu des moreequeSf et en particuHer ceux de ToJkde, qtd aoaimt dane ceäe viXk
eix SgUeeSf paur y exeroer lewr cuke, II derioe de moettCrib — ^ttrabUff noim doiU
cn d^ngnait lee tribus ^nmgireef qui vwaietU au mtÜmi de» Arabee,
Die alte spanische Liturgie — als die erste Quelle Über die Sendung etc. 83
abgeändert worden. Lange vor der Wiedereroberung der alten gothi-
schen Residenz Toledo durch die Spanier — 1084 — drangen die Päpste
Alexander IL und Gregor VII, auf die Einführung des gregorianischen
oder romischen Ritus. Im J. 1064 kam der Legat Hugo Candidus w^
dieser Absicht nach Spanien. Im J. 1071 wurde der römische Ritus in
Aragonien eingeführt, den man in Spanien den gallischen nannte, weil
sich Tl. a. Franzosen in hohem Grade um seine Einführung in Spanien
bemühten. Im J. 1074 schrieb Papst Gregor VII. seinen vielgenannten
Brief an die Könige von Castilien und Leon wegen der Einführung der
römischen Liturgie in ihren Reichen; im J. 1076 wendete sich der Papst
in derselben Absicht an den Bischof von Burgos. Alfons VI. von Ca-
stilien und die Bischöfe hatten der Geistlichkeit und dem Volke gegen-
über einen schweren Stand. Aber Gregor VII. blieb unerschütterlich.
— Das Gottesgericht eines Zweikampfes und einer Feuerprobe entschied
— nach Roderich von Toledo — zu Gunsten der altspanischen Liturgie.
Doch — umsonst. Im J. 1085 wurde auf dem Concil zu Burgos die
Abschaffung der mozarabischen Liturgie bestätigt. Ein Concil zu Leon
im J. 1090 verbot sogar den Gebrauch der gothischen Schrift. Von
besonderm Einflüsse war die Thätigkeit des tüchtigen Erzbischofes Bern-
hard von Toledo, eines gebornen Franzosen und seit 1088 Primas von
Spanien (von 1084 bis 1125), und seines ebenso tüchtigen Nachfolgers
und Landsmannes Raymund, welcher von 1125 bis 1150 oder 1151 re-
gierte — für die Befestigung der römischen und die Verdrängung der
mozarabischen Liturgie.
Allmälig drohte der mozarabische Ritus, welcher sich nur noch in
sechs Pfarrkirchen zu Toledo erhalten hatte, deren eine dem heiligen
Torquatus geweiht war, auszusterben. Wohl gründete im J. 1436 der
Bischof D. Juan de Tordesillas ein Oollegium von acht Clerikem zu der
Erhaltung dieser Liturgie — aber ohne Bestand. — Dem grossen Kar-
dinal Ximenes war vorbehalten, die mozarabische Liturgie bis zur Ge-
genwart zu erhalten. — Er gründete eine Kapelle an der Kathedrale
zu Toledo, von daher die mozarabische genannt; an ihr stellte er ein
Collegium von dreizehn Priestern an, welche die mozarabischen Kapläne
genannt wurden, deren Aufgabe es wäre, den mozarabischen Ritus aus-
zuüben und zu erhalten. Zugleich sollten sie das Patronatrecht an den
sechs alten mozarabischen Kirchen in Toledo besizen. Zwei päpstliche
Bullen von den J. 1508 und 1512 bestätigten diese Stiftung. Ximenes
gab auch dem Ganonicus Alf. Ortiz den Auftrag, eine neue Ausgabe der
Liturgie zu besorgen, zu welchem Zwecke drei Pfarrer der mozarabi-
schen Kirchen in Toledo ihn unterstüzten. Zuerst wurde das Missale
gedruckt — 1500; sodann das Brevier vollendet — Oct. 1502. — Doch
wurden die Exemplare bald sehr selten und theuer. Selbst Papst Paul III.
sandte Legaten nach Toledo, um ein moearabisches Brevier und Missale
für die vaticanii^die Bibliothek zu erhalten. Schon der Biograph des
6*
84 Zweites Bnclu Zweites Kapitel.
Ximenes, Alvaar Gomez, ruft zu seiner Zeit aus: ^^Möchte doch ein
Nebenbuhler der Thaten des Ximenes auferstehen, welcher diese heih'gen
Bücher (der Mozaraber) wieder herausgäbe *).^ Dieser Wunsch wurde
zweihundert Jahre nicht erfüllt. Noch im J* 1754 sprach ihn Henrique
Florez, der Herausgeber der ;,Espanna sagrada'', dringender als je aus.
Schon im J. 1755 gieng dieser Wunsch theilweise in Erfüllung. Der
Jesuit Alex. Lesley und der Spanier Azevedo Hessen zu Rom in diesem
Jahre das gothische Missale erscheinen, welchem Lesley eine gelehrte
Abhandlung über die alte spanische Liturgie vorausgehen lässt^). Elr
vertheidigt die Ansicht, dass die älteste spanische Liturgie — nicht die
römische gewesen und dass sie vom Oriente gekommen sei. Das Gegen-
theil hatte des AI. Lesley Ordensgenosse, Joh. Pinius, zu beweisen ge-
sucht, dass bis zum fünften Jahrhundert der römische Bitus in Spanien
geherrscht habe. Florez vertheidigt natürlich dieselbe Ansicht; der später
hervortretende Unterschied zwischen der römischen und spanischen Li-
turgie hatte — nach ihm — seinen Grund in den mannigfachen Ver-
änderungen, denen die römische Liturgie durch Leo L, Gelasius I.,
Gregor L und andere Päpste unterzogen wurde, während die spanische
die ursprüngliche römische Form beibehielt. Der sogenannte gothische
Ritus ist nach ihm der ursprüngliche römische^).
Kurze Zeit vorher — hatte der Mauriner Sabatier — nach zwan-
zigjähriger angestrengter Arbeit den Text der alten lateinischen Bibel-
übersezungen vor Hieronymus, besonders der sogenannten Itala — aus
zahlreichen alten schriftlichen Denkmalen zusammengesezt. Seine Quellen
waren u. a. auch Missalien und andere liturgische Bücher; und unter
diesen vorzugsweise die mozarabische Liturgie. Sie hat Sabatier die
reichste Ausbeute für sein mühevolles Werk gegeben. Das Werk Sa-
batier's erschien in drei Bänden*). — Dreizehn Jahre später erschien
') FloreZf Espanna scxgrada, t 3, 2 edkton — 1754 — p. 339, Dtssertadon Histortco^
ehronologica de la mista antigua de Espanna, — Joh, Pinius — De Liturgia an-
tiqua hispanica, GothtcOf Isidoriana, Mozarafficoy Toktana, mixta iractcUus ad tomum VI.
JuUi (Acta sarict.) praeUminaris , p, 1 — 112 (1729); wieder abgedruckt zu. Rom
- 1740.
*) In der seiner Ausgrabe vorang^ehenden Dissertation, die er „Praefatio** nennt,
s. Missale mixtum secundum regulam beati Isidori dictum Mozarahes; praefatione, notis
et appendioe omatum r- jRomae 1755, in 4?.
^) Florez L c, §, JV. La diferencia entre Roma, y Espantm, no provino por parte de
los EspannoUs, Vcarias disposiciones de los Papas aeerea de la Missa — p, 209 — 16.
Bona, Her, liturg, Lib. L cap, 17, — Binterim, die vorzüglichsten Denk-
würdigkeiten der christkatholischen Kirche, IVCIII), 1828. — Die altspanische
— Liturgie, S. 88 — 132. ~ Nach Binterim könnte es scheinen, dass seit
1755 auf diesem Gebiete nichts mehr gearbeitet worden. Er kennt die Ver-
dienste Lorenzana's um die spanische Liturgie nicht.
*) BibUorvm sacrorum^latinae Versiones antiquae seu veius ItalicOf et caetarae qtiae-'
Die alte spaDische Liturgie — ah die erste Quelle über die Sendung etc. 85
die Abhandlung des AI. Lesley über die mozarabische Liturgie ^ sowie
die zweite Ausgabe der Abhandlung des Florez. — Aber bei der un-
gemeinen Langsamkeit, womit sich die Ergebnisse gelehrter Forschungen
durch die Welt verbreiten, hat weder der eine noch der andere von
Sabatier's Leistungen gewusst, sonst hätte Lesley schwerlich seine troz-
dem haltlose Hypothese von dem orientalischen Ursprünge der spani-
schen Liturgie festgehalten, und Florez hätte dieses stärkste Argument
für seine Ansicht verwerthet.
cumque in Codd, Mss, et antiquorum libris reperiri poiuentnt: quae cum vuiffata latina
et cum textu graeco comparantur. — Op, et studio D, P, ScAatier, Ord, S, ßene-
dicH. Remis 1743, foL 3 voL (1751).
Drittes Kapitel.
Die alte lateinische Bibelflberseznn^ vor Hieronymos stammt
nicht ans Afrika, sondern ans Italien.
In der That^ die alte Itala, das heisst, die vorhieronymianische
Uebersezung der heiligen Schrift hat den Verfassern der mozarabischen
Liturgie vor- und zu Grunde gelegen. Angesichts dieser schwerwie-
genden Thatsache kann sich kein Bedenken mehr erheben, dass die alt-
spanische Liturgie die alte Liturgie der römischen Earche sei. Höchstens
könnte man sich noch an einen Strohhalm anklammern, und sagen, die
spanische Liturgie sei von Afrika herübergekommen. In der That will
sich in unsern Tagen ein neuer Mythus ausbreiten, der Mythus, dass
das Christenthum nach Spanien aus Afrika gekommen. Um Gründe
für diese kühne Behauptung hat er sich noch nicht umgesehen, wenn
nicht das ein Grund seyn soll, dass das Christenthum zuerst in dem
südlichen, Afrika benachbarten, Spanien — auftrete*). "Wir werden
später diese nichtige Hypothese besonders beleuchten.
Dieselbe hätte eine scheinbare Berechtigung, wenn man den Ur-
sprung der alten lateinischen Bibelübersezung nicht, wie es bisher der
Fall war, und wie der Name schon es sagt, in Italien, sondern in Afrika
zu suchen hätte. Diese Hypothese suchte Nicolaus Wiseman zuerst im
J. 1832 — 1833 zu vertheidigen *). — Er stüzt sich auf zwei Gründe,
») Lenibke, Geschichte von Spanien, l'Bd. 1831, S. 128. — Helfferich, der
westgothische Arianismas und die spanische Eetzergeschichte — Berlin 1860, 8.2.
*) Wisemariy Two letters on some parts of the controversy conceming 1. Joh. 5, 7 etc.,
erschienen zuerst in dem „Catholic Magazine^ — 1832 und 1833. Zum zweiten-
male wurden sie gedruckt mit einigen Zusäzen zu Rom 1835. Deutsch in »Ab-
handlungen über verschiedene Gegenstände**. Von S. £m. Kardinal Wiseman.
Regensburg 1854, Bd. 1, S. 5 — 60. — Dass diese Abhandlung eine Jugend-
arbeit des gefeierten Verfassers sei, geht aus verschiedenen Ungenauigkeiten
Die alte lateinische, Bibelüberseznng vor Hieronymus etc. 87
dass die römisclien Schriftsteller bis auf Hippol3i; griechisch schrieben^
in Rom also das Bedürfhiss einer lateinischen Bibelübersezung nicht
herrschte, welche Uebersezung doch Tertullian schon bezeugt, zweitens,
auf die zahlreichen Afrikanismen in der alten Yulgata oder Itala, be-
sonders die Gleichheit zahlreicher Ausdrücke der Itala mit Worten, Wort^
formen und Wortverbindungen des Tertullian und Amobius. Tertullian
aber war ein Afrikaner^ iJso wurde die alte Yulgata auch in Afrika
übersezt.
Der erste Beweis berührt die Frage gar nicht. Rom ist nicht Italien;
und gesezt den Fall, man hätte in Rom keiner Uebersezung bedurft,
was in keiner Weise wahrscheinlich ist, da doch von Anfang an zu
dieser Gemeinde viele Lateiner des Abendlandes gehörten, — so bedurfte
man eine solche für das übrige Italien, besonders das nördliche. Es
unterliegt keinem Zweifel, dass der Hirte des Hermas, die Schriften des
Irenäus, die Schrift, aus der das Fragment des Muratori entnommen ist,
fast gleichzeitig in das Lateinische übersezt wm^den. Mit der erstem
und leztern Schrift geschah diess ganz bestimmt in Rom selbst; wäre
kein Bedürfhiss in Italien und Gallien vorhanden gewesen, so wären sie
nicht übersezt worden.
Der zweite Grund Wiseman's ist die Sprache. Die alte Vulgata
vor Hieronymus ist voll von Archaismen, Solöcismen und Afrikanismen.
Die Archaismen der alten uebersezung beweisen nichts. Wie viele
Archaismen und Solöcismen hat der ältere Plinius, den Wiseman in
seiner Abhandlung nur einmal erwähnt, während er den Aulus Gelllus
oft zur Vergleichung herbeizieht. Zu jener Zeit wiar es allgemeine Sitte,
Solöcismen zu gebrauchen, und nur wenige, oder kaimi ein profaner
Schriftsteller hielt sich davon frei.
Am meisten Bedeutung hätten die afrikanischen Ausdrücke der alten
Uebersezung. Wenn man aber einen Vergleich führen will, so darf
man nicht bloss das eine Moment des Vergleiches herbeiziehen. Wise-
man musste nicht bloss zeigen, dass die alte Uebersezung auffallende
Aehnlichkeit mit Tertullian^s Sprache habe; er musste auch zeigen, dass
sie keine Aehnlichkeit mit der Sprache der Italiener, Gallier u. s. w.
jener Zeit habe. Aber wir haben ja bis zum Jahre 200, zu welcher
Zeit die alte Uebersezung schon längst im Gebrauche war, keinen andern
lateinischen Schriftsteller, als den Afrikaner Tertullian? — Wenn dem
BD ist, oder wäre, so könnte der fragliche Beweis gar nicht geführt
werden; denn das eine Moment der Vergleichung würde fehlen.
Aber wir haben ja aus dem J. 150 die lateinische Uebersezung des
Hirten des Hermas ^ und der zwei andern oben erwähnten Schriften und
hervor, so nennt er z. 6. den Eucherius von Lyon einen Spanier; den PhÖba-
dius von Agen einen Mönch von Lerins. ^ Dieses Kloster entstand erst 410}
während Phöbadius um 359 blühte.
88
Zweites Bach. Drittes Kapitel.
Schriftsteller, lieber sie ist WIseman mit Stillsehweigen hinweggegangen.
Er hebt hervor 1) den häufigen Gebrauch der mit super zuaammen-
gesezten Worte in der alten Itala, wie in TertuUian. Er führt zwanzig^
solche Worte aus der Itala, und neunzehn aus Tertullian an. Prüfen
wir seine Gründe im Einzelnen.
Erstes Moment der Vergleichung. Die mit stirer zusammen-
gesezten Worte.
Wiseman fuhrt aus den Theüen der Vulgata, in denen die alte
Versio beibehalten wurde, die Worte an ; Supergaudeoy superexalto, super"
cadoy superextollo , super speroj supervaleo, super dico, superpolluo, super "
invcdescOy supersignor^ supersuhstantiälis, superseminoy superlucror, supereffluo,
supererogOf superadultus , supervestior^ superimpendor y supercerto. „Es ist,"
fährt er fort (S. 32 der deutschen Uebers.), „interessant, in den Schriften
Tertullian's, welcher der Zeit der lateinischen Uebersezung am nächsten
war — (der lateinische Irenäus um 180 war ihr noch näher) — , genau
■ dieselbe Eichtung zu bemerken, und ich werde nun ein Verzeichniss von
Wörtern von der nemlichen Form geben, welche sich nur bei diesem
alten Schriftsteller finden. '*
Tertullian (nach Wiseman).
1) SupercoelesHs — Tert. arUma 23.
resurr, cam.49.
2) Superterrenus — Tert. de res.
cam. 49.
Supermundtalis — an. 18.
3) Superindueo — (xdv. Hermog.
26 (Plinius 15, 17. Quinctil.
5, S, 2).
Superinductidus — adv. Mar"
cion, 5, 3.
i) Superindumentum — 2mal.
5) Superscendo — poenit. 10.
6) Superextollo — d. resurr. cam. 24,
7) Superargumentor — adv. Her"
mog. 37.
Supemomino — apol. 18.
Irenäus, Hermas, Fragment
bei Muratori, Väter von
Elvira.
1 ) SupercoelesHs — lateinischer Ire-
näus 96. 118. 140. 159. 187.
252. 331. 332. 335 *).
2) Superterrestris — 123. 124.
3) Superdueo — 270. cf. Capito^
linus — Leben Marc. AureFs
c. 29 (in finej. — Quinctil.
decl. arg, 38. — Sidon, Apoll,
ep. Vy 17.
4) Superhumerale — Isidor Hisp. 5,
406, ed, Arevalo.
5) Superascendo — Iren, 97. 161
— 2mal.
6) Superextollo — 252.
7) Superfari — 95. 96.
') Dieses sind die Seitenzahlen der Ausgabe des Irenäas von Massuet, welche
auch in dem Abdrucke von Migne sich finden.
Die alte lateiiuftche Bibeltlbersearaiig vor Hieronymas etc. 89
8) Superfnstieo — <tdv. Valent. 39. 8) Superebtdlio 109, 3mal.
9) Supennundo — res, cam*6S. 9) Supereffluo — Herm(Z8 355yed,4.
Hefele 1855, Patdin. Nolan.
carm. 35.
Supereffundo — Ir. 61 — Her-
mas 402.
lOJ Sttperaeervo — adv,nation.l,15j 10) Superimpono — • Ir. 66 (kommt
vor bei Livius, Ovid etc.).
Superardino — €ulv, Marc. 5, 5. iSwp€rpowito-^Elvira23, 26 can.
11) Supermetior — d. anim. 38, 11) Superrepko — Ir. 109.
12) Supersemino — adv, Prax, 1, 12) SuperjtmgOj superpono — Ir.85.
Hieronym. ep, 30, 14,
13) Superaapio — anim, 18, 13) Supercomsco — Ir. 273.
Supercilium — gewöhnlich in
dem Sinne von Aufgeblasenheit
(kommt oft vor).
14) Supervivo — Elvira c. 38 (Justin,
Plin. etc.).
Damach beirrtheile inan, ob sich solche Superlative bloss bei Tertul-
lian finden.
Zweiter Vergleidningspunkt. Die mit Loquium zusammen-
gesezten Wörter.
Nach Wiseman finden sich solche Wörter nur in der Vulgata, bei
Piautas und bei TertulUaji, was den „Afiikanismus^ dieser Zusammen-^
sezongen genügend darthue. Die Sache verhält sich aber anders, und zwar:
1) FaMoquium — Irenäus 47 (^evSrjyogia) ; 115 (2, 1); 320. — Au-
gusHn,
2) Longüoqumm — Irenäus 197.
3) Minutiloquium — Irenäus 134, 154. — TerhüL an, 6,
4) MutUloqtdum — Prov. 10, 19. — Matth. 6, 7. — Plautus. — Her-
mas 358. — Augustinus 1, 583. 9, 447. ed, Migne. — (Omnadiu»
Mtmil, cap, 38 de script. eecLj
5) Portentilaquium — Irenäus 137, 178 (3, 4).
6) Bmloqtäum — Tertullian — de poenit, 10,
7) SpurcUoqukim — Tertullian — de resur, eam, 4,
8) StuUiloqwum — Eph. 5^4. — Plautus. — Irenäus 157.
9) SubtiUloquium — Irenäus 202.
SubtUiloqtMerOia — TertuU. adv, Marcion, 5, 19,
10) Turpiloquium — Tertullian — de pudic. 17,
11) Vanüoquium — Tit. 1, 10 — 1. Tim. 1,6. — Plautus. — Irenäus
128, 144, 158, 202, 271. — AugusUn, ep, 134, 4. 166,6,
Also smd diese Wcvte keine ^^Afrikanismen^«
90 ZmeiiH Bneli. Zweites Kapitel.
Dritter Vergleichungspunkt. Evacuwre und vaou/us.
Evaeuare bedeutet im N. T. — unbrauchbar machen , vernichten.
In diesem Sinne, meint Wiseman, komme es nur bei Tertollian vor,
bei welchem auch das Wort v<icuu8 wiederholt bedeute: nicht solid,
nichtig. Der Sachverhalt ist aber folgender:
— Die heilige Schrift nach den Citaten Wiseman^s: l.Cor. 13, 8. 10.
— 15,24. GalaterS, 11.
Tertullian — zu 1. Cor. 6, 13. — EvaeuaHo — adv. Mareion. 4, 24 (40).
„Ich glaube,* fügt Wiseman bei, j^diese Worte noch öfter bei
ihm gefunden zu haben; ich kann aber die Stellen nicht finden.^
Dagegen : Hermas — in demselben Sinne — S. 367.
Irenäus: ungezählte Male: 53, 103, HO — 6mal nach einander, 111,
112, 123, 141 — 2mal, 145, 179, 204, 209, 220, 222, 233, 241,
260 u. s. w. In demselben Sinne steht bei IrenäuB sehr oft: exter-
minore j exterminium , exterminator , exterminatariui.
Vacuu8 in dem erwähnten Sinne bei Tertull. adv. Mardan. 4,20»
Amob. 2, p, 44 (nach Wiseman).
Dagegen bei Hermas in demselben Sinne : 354, 356, 369, 370 — 2m4
371 — 2mal, 367, 375. — Vaeuantur, 323.
Bei Irenäus — Vacuey 62 — 2mal, IIÖ, 161 (— fruttra), 241, 242,
266 etc.
Vierter Vergleichungspunkt Die mit In zusammengesezten
Wörter.
„Das Wort Intmtator'^ (Jac. 1, 13), sagt Wiseman, „ist äusserst hart,
und man wird selbst in den rohesten Schriftstellern unmöglich ein Wort
von ähnlicher Form finden (das sind auch »äusserst harte^ Worte). Man
muss sich über die grosse Zahl fremdartiger Zusammensezungen mit
dem in negativum wundem, die auf jeder Seite des Tertullian und der
Schrifteteller aus dieser Schule vorkonmien.^ Als Belege werden die
Worte angeführt: ImbonitaSf immiBericardiaj impraeacienHa, tneriminatiOj
ingrcUiüj insuavüas. Dann die Adjectiva: lUaudandus, ilUbabilia, iüiberiSf
ineammunis, ineontemtibiliif inerontradicibiUa, inemeribilii, ininventibiUSf in"
ncucibilis^ intesHs, intmituSf investiSj inveiHgabiUa, invituperäbüii^ Davon
kommen auch bei Irenäus vor: inncudbüis, p. 169 — inveäigabiUtf p.254.
Mit Tertullian vergleiche man folgende Blumenlese aus Irenäus:
Inennarabilis — sehr oft, ineoffnosdbilia und (neognotdbüüaSf innarmna"
büis (auch bei Tertuü.), inapprehcMibiliter, inexeogitäbüii (TerL — Laetant),
inaubstantivmt impraeatana ^ ineapabiUs — oft, imaginaUs, indeterminabili»
(auch bei TertuU.), ineloquibaie (LaetaM. 7, 11), MmäabiUi (Qwndä. rmi
Die alte lateiiiisebe BibelübenwEnng vor HieroDymus etc. 91
VeU. PaUreJ), inßguraUu, indiviiibiUSf inUrminaUs, intemperaUi, tfnoofwo»
nanter, inexereUabüü, inspenMlü (OelL und Amm. Marc), irremissibilis
(Ten. Hieron*), irrcttionabiUs (auch Laetant. u. a.) und irroHonabilUaSj
meompreheneibilis (gewöhnliches Wort), inlncusalnlü^ indieibilie, impudo^
rate, immemorabiUs , mopinabüU (nicht seltenes Wort), indeeibilUcu, m-
aecusabiUsj inaduUeratue ^ inexercUabilü^ inseneicibüiSj infectus — sehr oft
für ungeschaffen*
Damach möge man beurtheilen, ob die A£nkaner, oder die Euro-
päer in dieser Gattung von Zusammensezungen mehr geleistet haben.
Bei Hermas konmien in dieser Beziehung weniger „terriflea verbaf^ vor,
z.B. ir^enstUus — i^ehr oft, inplaeäbUü, invisibüiB, mennaräbilü, ineanh-
parabilis, etc.
Fünfter Vergleichungspunkt. Die mit ico ziisammengesezten
Wörter.
Wiseman sagt, dass das Wort: martifico oft in der heiligen Schrift
vorkomme. Es komme bei den Classikern nirgends mit seinen Ablei-
tungen vor, sei aber bei TertuUian ganz gewöhnlich. Er führt vier
Belegstellen an. Das Wort kommt auch bei Hermas vor — 372, und
mortifera — 373. Bei Irenäus aber kommt es oft vor, z. B. mortifleant
multos (1,27), d. h. sie tödten viele; morUfieaUo (3, 18), das Leiden
Christi; mortificatum (3, 21), der Leichnam, — ist eigentlich eine Stelle
der heiligen Schrift: mors mortiflcat, vHa vivificat (5, 12). Diess ist ahn«
lieh wie bei Tertullian: in Adam corpore mortificamur, neeesse est in
Chritto corpore vivificemur (adv. Marc, 5, 9).
Das Wort vivifico ab^, das Wiseman — ausser der heiligen Schrift
— • für ein vorzugsweise bei Tertullian vorkommendes betrachtet, findet
sieh bei Irenäus an unzählbaren Stellen, einmal auf einer einzigen Seite
eilf Male (p. 297, 1.5, 3 — 4 Cap.), Auch finden sich die Entgegen-
Btellongen: vivificatue, mortificatua (220, 222, 223, 236). Auch das Wort
mifieator und oivifieatrix kommt, wie bei Tertullian, vor (176, 275).
Für das Wort glorifico sei, ausser der heilig^i Schrift, wieder Ter-
tullian die älteste Auctorität. Aber Hermas ist älter, und Tertullian
hatte wahrscheinlich noch nichts geschrieben, als das Werk des Lrenäus
gegen die Gnostiker erschien. Bei Hermas kommt das Wort vor: glori^
fearem Deum pro omnibtu (3, 6). Bei Irenäus kommt es ungewöhnlich
oft vor, auch im Passivum — „verherrlicht werden', sowie das B^upt
wort: gloriflcaHo — Verherrlichung.
Das Wort clariflco — verherrlichen ^ — kommt nach Wiseman nuir
in der alt^i Bibelübersezung vor. Die älteste Auctorität für den bibli-
sehen Text sei Lactanz (3, 18). Das Wort clarificaüo finden wir zuerst
hei Augustin (de divin. guaeet. c. 62), „und diese beiden sind Afrikaner'.
Woher weiss man denn^ dass Lactanz ein Afrikaner war? JedenÜEkUs
92 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
ist diese Behauptung — eine bedenkKche. — Denn wenn der christliche
Cicero ein Afrikaner war, so steht es bedenklich mit den afrikanischen
Schriftstellern , deren Haupt und Chorführer Tertullian seyn soll, dessen
Schriften den afrikanischen Dialekt abspiegeln. Das Wort clarifico aber
im Sinnß der heiligen Schrift kommt keineswegs erst bei Lactantius vor,
sondern wiederholt bei Irenäus, z. B. 2, 19; 3, 10; 3,20; 4, 14 etc. —
Ebenso findet man claritas in der Bedeutung von Herrlichkeit (3, 12;
4, 20). — Und Irenäus ist kein „Afrikaner*^ *).
Es folgt das Wort aanctiftco — sancHflcator und sanctifleatioj das
sehr häufig in der Vulgata und bei Tertullian vorkomme. Aber das
Wort findet sich sogar in dem kurzen Fragment des Muratori. — Man
muss sich auf die Behauptung gefasst machen, dass Irenäus und Hermas
in Afrika in das Lateinische übersezt worden seien, weil ihr Latein so
gar ;,afrikanisch^ ist. Bis jezt aber hat noch niemand behauptet, dass das
Fragment des Muratori in Afrika geschrieben worden, sondern alle sagen,
entweder in Rom, oder doch in Italien. — Dasselbe Wort kommt vor
bei Hermas — 1, 3; bei Irenäus sehr häufig, z. B. 143, 147 (2, 22) in
14 Zeilen 5mal nach einander, 4, 18 und überhaupt sehr oft. Ebenso findet
es sich sehr oft in der mozarabischen Liturgie.
Das Wort Salvifico habe ich bei Hermas und Irenäus nicht gefun-
den; aber es findet sich bei Sedulius — carm. 5^7 — und bei Ale. Avitus.
Das Wort Justiflco femer finde sich beinahe in jedem Buche Ter-
tuUian's. Aber es findet sich auch bei Hermas (2, 5) ; und bei Irenäus
in verschiedenen Formen, z. B. jtistificati — 237, 246 — juatifieoHones —
247 (4, 16).
Magniftco heisst in der heiligen Schrift: gross machen, lobpreisen.
„Ich weiss nicht,*' sagt Wiseman, „ob es sich in diesem Sinne bei Ter-
tullian findet. '^ Aber bei Hermas findet sich das Wort nicht selten in
diesem Sinne, z. B. 2, 3 Dominus magnifleetur ^ se magnifkant — 3, 9 —
sie erheben sich selbst; ebenso bei Irenäus, z. B. 1, 29. — Bei Hermas
kommt das Wort: magniftcus, grossartig, herrlich — häufig vor. Z. B.
gleich im Anfange des Buches (1, 1): Legehat gloriose^ magnifice et mtW-
fiee, ebenso an sechs weitem Stellen, die ich gefunden habe. — Der-
selbe Schriftstdler gebraucht gern den Ausdruck: Magnälia — „die Gross-
thaten Gottes^. Das Wort kommt etwa 20mal im A. T., und nur ein-
mal im N. T. an der bekannten Stelle der Apostelgeschichte 2, 11 vor:
— »Wir hörten sie in unsem Sprachen die grossen Thaten Gottes ver-
künden.^ — Bei Tertullian habe ich das Wort nicht gefunden, aber
auch bei Irenäus nicht; bei Hermas steht es u. a. — 1,4; 4, 10 —
2mal : Omni homini indico (und indica) magnälia Dd. Das Wort ist" ein
rein biblisches, und durch den ersten Uebersezer der heiligen Schrifik
*) Ciaritas für ghria kommt als Doxologie im Anfange und am Schlüsse der
Pöwtb der- Felicitas und Perpetua von Garthago vor.
Die alte lateinische Bibelüberseznng rot Hieronymus etc. 93
eingeführt und eingebürgert. Dieselbe hat schon dem üebersezer des
griechischen Hermas vorgelegen. Die Uebersezung des Hermas ist aber,
wie allgemein angenommen wird, uralt, und hat schon zu den Zeiten
Tertullian's existirt.
Wiseman sagt, er habe nun acht mit — ico zusammengesezte Wörter
vorgeführt, die den Classikem völlig unbekannt seien, aber „die fast
alle unter den afrikanischen Schriftstellern, die dem Zeitalter der Vul-
gata am nächsten waren, allgemein im Gebrauch waren". Aber der
Beweis ist nicht geführt worden. Der Beweis ist höchstens in Betreff
des Tertullian geführt worden. Von Minucius Felix, der vielleicht, von
Cyprian, der bestimmt ein afrikanischer Schriftsteller war, haben wir
nichts gehört. Amobius wird nur einige Male erwähnt, die spätem gar
nicht. — Sodann fragen wir, in welchem Sinne es zu verstehen sei,
dass Tertullian eine „Schule" gehabt habe? Wir kennen keinen Schüler
desselben, keinen Schriftsteller, der aus seiner Schule hervorgegangen,
vor allem keinen Schriftsteller, der seinen Styl nachgeahmt hätte. Cy-
prian schäzte ihn über alles, sagte zu seinem Diacon Pontius, wenn er
ein Buch des Tertullian wünschte: Da magütrum — gieb mir den Lehrer.
Cyprian hat mehrere Schriften des Tertullian aufs neue bearbeitet. Aber
zwischen dem Styl des Cyprian und des Tertullian giebt es keine Mo-
mente der Vergleichung. Warum soll nun gerade Tertullian den afri-
kanischen Dialekt darstellen? Das ist eine fixe Idee, die man ohne
Beweise nur immer wiederholt.
Wenn etwas die afrikanische Volkssprache darstellt, so ist es der
Bericht über den Martyrtod der Perpetua und Felicitas. Aber von alF
den eigenthümlichen Ausdrücken des Tertullian, welche angeblich aus
der afrikanischen Volkssprache genommen sind, kommt darin keiner,
auch nicht einer vor. Man wird bei dessen Lesung eher an Optatus
von Mileve und an Augustin erinnert. Von den mit Super zusammen-
gesezten Worten kommt darin nicht eines vor. Von den mit In zusam-
mengesezten Worten kommt darin nur inennarabüis vor, das man überall,
bei Profan- und bei kirchlichen Schriftstellern findet. Ferner kommt
der Ausdruck vor : hasians manus — das Wort findet sich aber auch bei
den lateinischen Dichtern, z. B* Catull (C, 7 et 8), P r o p e r z , Petronius,
Martial. — Weiter das Wort: favitores für fautores, was auch bei Plautus
und Lucilius vorkommt, und einmal expergita^) — aufgewacht, neben
dem wiederholt gebrauchten: experreeta. Das ist alles. Doch noch
nicht alles.
Wiseman sagt, dass die erwähnten acht Wortformen nur bei kirch-
lichen Schriftstellern, und zunächst bei Afrikanern vorkommen. Um zu
zeigen, dass die Formen mit — ico eigentlich afrikanisches Latein seien.
*) E« kommt von expergo, ist regelmässig gebildet, und findet sich z. B. bei Lu-
crez 3, 942, und Aulus Gellius 6, 10. 1.
94 Zweites BqoIi. Drittes Kapitel.
führt er aus Tertullian die von diesem gebrauchten Wörter: angelifico,
salutifieo, vesHfiema (Schneiderbude), deifieus, und von Amobius das Wort:
(Muetifleo — ich ehre — an {auctificua konunt bei Lucrez vor). ^
Von diesen Worten findet sich keines in der Passio der heiligen
Perpetua. Dagegen die Worte: sacriflco, das bei den Heiden im Ge-
brauche war^ und die beiden Composita — magnifleat und hanarifieca.
Bei Tertullian finden sich diese Worte nicht; dagegen an zahlreichen
Stellen und gleichsam als ein stehender Artikel bei Hermas und Irenäus.
Das Wort magnifieo wurde schon erwähnt. Das Wort honoHfico habe
ich bei Hermas llmal gefunden', wobei das Beiwort honorifiem einge-
schlossen ist. — Sind nun diese Worte vielleicht nicht afrikanisches
Latein, weil sie nicht in Tertullian, aber in der Passion der heiligen
Perpetua, und bei Hermas und Irenäus stehen? Haben sie vielleicht
in der heiligen Schrift kein volles Bürgerrecht, weil sie sich bei Ter-
tullian nicht nachweisen lassen?
Die Wahrheit ist vielmehr, dass die mit — ico zusammengesezten
Worte zuerst in die in Italien übersezte heilige Schrift aufgenommen,
dass dieselben regelmässig aus und nach der lateinischen Sprache ge-
bildet wurden, und dass sie in die Schriften aller lateinischen Auetoren
gleichmässig übergiengen, ohne Unterschied, ob diese Afrikaner oder
Europäer waren.
Sechster Vergleichungspunkt.
y,Condigni$9^^ ist ein Lieblingsausdruck des Uebersezers der alten
Vulgata. Er kommt häufig bei Plautus vor, und ein- oder zweimal bei
A. Gellius. Auch Arnobius hat das Wort. Es kommt wiederholt in den
römischen Gesezessammlungen vor; bei Tertullian steht es nicht. Da-
gegen wiederholt bei Irenäus 221, 237. — Also kann man diesen Lieb-
hngsausdruck der alten Vulgata — keineswegs als Beweis ihres afrika-
nischen Ursprunges geltend machen.
Siebenter Vergleichungspunkt.
Wiseman sagt: ^lUinoro, und das abgeleitete minaraHo kommen nur,
aber sehr häufig, in den alten Theilen der Vulgata vor.** — Diese
Wörter kommen bloss bei den afrikanischen Schriftstellern vor. Ter-
tullian gebraucht das Zeitwort oft; das Nomen habe ich bloss bei Fer-
randus CartL gefunden. Tertullian hat auch das Zeitwort diminoro.
Aber es, und das Nomen kommt vor bei Irenäus 50 — 2mal, 82, 103,
128, 164, 207, 323. Vergl. 3, 12 — haee sola legiüma esse dicunt, guae
IpM* minaravertmt. MinoraJtus kommt auch vor Dig. 18j 7j 10.
Die alte lateiAische Bibeldberseauiig vor HieronyinuB etc. 95
Achter Vergleichungspunkt.
In Levit. 20, 20 — hat die alte Uebersesung ponderosus, wofür —
Hieronymus hemioms gesezt hat Wahrscheinlich ist die einzige Stelle,
in der dieses Adjectiy in dem nemlichen Sinne Torkommt, eine von
Arnobius — 7 , S. 240 — „tn^eti^tim hemiarum magnüudine ponderosi^^.
Aber das Wort ponderastis ist wenigstens ebenso in Europa gebraucht
worden, wie in Afrika. Es findet sich bei Plautus (Captiv. 3, 5, 64);
bei Varro (de re rustica 1, 52 — frttmentum, quod est ponderosum). Bei
Plinius 18, 6 (42), der hier den Piso citirt (vomere» panderosi). — Bei
Valerius Maximus — in einem Citate aus T. Livius — (1^ 8, 19 — Hlicum
crebris et panderosia verberibus). Bei dem erwähnten Yarro kommt auch
der Comperatiy vor: de re r, 2, 11 — lana molUor et ponderosior, end-
lich bei Plinius selbst der Superlativ: ponderosimmi lapidee — die schwer-
sten Steine — 36, 19 (30).
Es wird gebraucht im figürlichen Sinne von Cicero — für gehalt-
reich, gewichtig. Cic. Att. 2,11 — epietola ponderoea. — VaUr. Max. tf, 4, 1
— panderosa vox. Neben ponderosus geht ponderattu (Nepos fragm, 2)
in dem Sinne von abgewogen, und ponderana — abgewogen, Sidon.
Ap» ep. 8j 6,
Ponderoeus ist also ein klassisches lateinisches Wort, und kein Afri*
kamsmus. Wenn wir aber auch die obigen Beispiele nicht hätten, so
wäre es doch noch kein Provinzialausdruck; denn es ist regelmässig
nach den Oesezen der lateinischen Sprache gebildet Das Wort nispi"
eUmu — verdächtig, argwöhnisch, ist ein anerkannt classisches Wort.
Das Wort suspiriaeus, tief athmend, seufzend, ist ebenso regelmässig ge-
bildet. Aber es kommt nur bei Plinius dem Aeltem, aber bei diesem
25mal vor. Nebstdem nur noch bei Columella 6, 38. 1 — und bei Ve-
getius, an veterin. 1, 11, 1, — Das Wort suapendiosus ist so regelmässig
gebildet y wie suapiciosus. Aber es kommt nur bei Plinius vor — 28, 49;
bei Varro ap. Servium ad Virgü. Aen. 12y 603, und in Digeata 3, 2, 11.
— Das Wort caerimoniome ist regelmässig gebildet, aber es kommt nur
bei dem spätem Ammian. Marceil. vor (22, 15 [37]) , während Arnobius
2* 7, p, 237 caerimoniaUa gebraucht, ohne dass dieses ein A£rikanismu8
wäre. In den romanischen Sprachen ist das Wort sehr gebräuchlich.
Die Spanier haben einen arragonischen König Pedro, mit dem Beinamen
el CeremanioBo ^).
Aula 8 GelUus hat ein eig^enes Kapitel über die mit — ostu zusammengesezten
Wörter (9, 12, cf. 4, 9).
96 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
Neunter Vergleichungspuiikt. Das Wort Framea.
Es wird in der alten Uebersezung in der Bedeutang von ^Schwert*
häufig gebraucht (s. Taeitus Oerm, 6). Augustin berichtet uns^ dass das
Wort: Schwert — bedeute (ep. 140 — und t. 5, 1259). „Es ist diess
das Zeugniss eines Afrikaners für die Bedeutung eines Wortes, welche
es in der Yulgata hat, obgleich sie ganz verschieden ist von der, welche
es in den Classikem hat.^ — Aber gerade daraus, dass Augustinus sich
veranlasst sieht, seinen zunächst — afrikanischen Lesern — das Wort
zu erklären, ist zu folgern, dass es keine dort einheimische Waffe war.
— Dieses erhellet auch aus einer Stelle der Passio der heiligen Felicitas
und Perpetua. Perpetua sah im Geiste eine goldene Treppe von wun-
derbarer Grösse, die bis zum Himmel reichte, und an den Seiten der
Treppe waren alle Arten von eisernen Werkzeugen angebracht. Es
Waren daselbst: Schwerter, Lanzen, Hacken, Schlachtmesser*). Hier
sind vier in Afrika bekannte Waffen genannt; es ist sogar das griechi-
sche machaera als Waffe genannt, aber die Waffe der ^yframea^ kommt
nicht vor. Darum dürfen wir schliessen, dass dieselbe und ihr Name
in Afrika überhaupt nicht bekannt war.
Das Wort „framea^ findet sich 5mal in den zahlreichen Schriften
des heiligen Augustinus. Ebenso oft findet es sich in der heutigen Vul-
gata; 4mal in den Psalmen, und Imal Zacharias 13, 7*). — Bei Augustin
findet es sich stets zur Erklärung einer dieser Schriftstellen. Zuerst
erklärt er es als „Schwert*' und gebraucht zur Verdeutlichung das Wort
gladius und spatha ^), — „Framea/ sagt er, „wird das genannt, was
man gewöhnlich spatha heisst. Denn es giebt Schwerter, welche auf
einer Seite scharf sind, das sind die Schlachtmesser (machaerae). Die
frameae selbst aber, oder die romphaeae — werden zugleich auch spathae
genannt und sind breite zweischneidige Schwerter zum Hauen, ohne
Spize.^ — Diese Erklärung stimmt allerdings nicht ganz zu der des
Tacitus, nach welchem die framea ebenso gut Lanze, wie Schwert war.
Aber uns berühret diese Differenz hier nicht. Uns genüget der Beweis,
dass dieser Name und dieses Wort in Afrika nicht bekannt war. Das
Wort kommt 3mal noch bei Isidor von Sevilla vor *). — In seinen
') Et in lateribus acalae omne genus ferramentorum infixum. Erant ibi gladiij lanceaSf
hamif machaerae,
') August, op. ed, Maur. 2, 331 — zu Ps. 21, 21 — framea gladius est, nee utique tali
ferro Christus occistis est. Translato ergo ferro, frameam Unguam dixit persequentium.
— cf, t 5f 1424 (sertno in f. Cypriani) — framea vero Dei, hoc est gladius Dei.
') Enarratio in ps. 149. Framea appellatur, quam vulgo spatham dicunt. Sunt enim
gladii ex una parte acuH, ipsae sunt machaerae. Ipsae autem frameae, ipsae et rom-
phaeae, ipsae etiam spathae appeUantur,
*) Isidor. Hisp. op. ed. Arevalo — 4, 379; 6, 32; 5, 277. — Etsfmol. 18,6 — de
Die alte lateinische BibelÜbersezung vor Hieronymas etc. 97
Etymologien (18^ 6) ist ein Kapitel , wo er speziell von den Schwertern
handelt Darnach ist die framea ein zweischneidiges Schwert , das man
gewöhnlich spatha heisst. Dann versucht er eine seiner gelehrten Ab-
leitungen des Wortes framea von ferrum^ Eisen, als ob die alten Deut-
schen lateinisch gesprochen hätten. Doch dieses kann man bei Isidor
nicht auffallend finden, der z. B. das Wort: spatha von na&eiv — lei-
den; das Wort „Galizien*', die spanische Provinz im Nordwesten — von
dem griechischen Worte Ijsvxog — also Weissland — herleitet. — Der
nicht so gelehrte, aber viel geistreichere Julian von Toledo leitet yfTnors^,
der Tod — von y,mordeo^% weil der Tod beisse, d. h. wehe thue. —
Das Wort y^framea^ wird bei uns stets mit „Pfrieme*' übersezt, und
kommt wohl von dem altdeutschen frumen = werfen, her*).
Neben Tacitus kommt das Wort noch bei Juvenal (13, 79) und bei
Aul. Gellius vor (10, 25. 2). Es war also eine in Rom bekannte Waffe,
Der mehrfache Gebrauch desselben in der lateinischen Bibelübersezung
wäre also zunächst ein Zeichen, dass dieselbe in einem von Deutschen
bewohnten Lande verfasst worden ; und da maü diess aus andern Grün-
den nicht zugeben kann, weist das Wort auf Rom, als den Ort der
üebersezung hin, wo sich viele deutsche Soldaten befanden, nicht bloss
zu der Zeit des Cäsar und Augustus, sondern auch später, besonders zu
der Zeit der Herrschaft des Vitellius 2) (69 n. Chr.).
Zehnter Vergleichungspunkt. Das Wort ImpropeHum.
Das Zeitwort Impropero und das Hauptwort kommen 34mal auch
in unserer Vulgata vor. — Wiseman hat aber nirgends gezeigt, dass es
bei afrikanischen Schriftstellern vorkomme. Das Zeitwort findet sich in
der Bedeutung: vorwerfen, Vorwurf, bei dem Dichter Petron. Arbiter 38;
— das Hauptwort: Schimpf — bei Lactantius 4, 18 (aus der Itala) — dessen
afrikanische Heimath unsicher ist. — Dagegen findet sich das Zeitwort
impropero 2mal bei Hermas (1, 2) in dem Sinne von Tadeln; das Haupt-
wort bei demselben L 3, 9 (24) — {sine improperio = ohne Vorwurf), Bei
Irenäus habe ich das Wort nicht gefunden. Da es nun bei Properz,
und dem lateinischen Hermas, der ohne Zweifel in Rom verfasst und
gladiU — Framea vero gladiua est ex utraque parte acutus, quam vulgo spaiham vocant
(wie bei Augustin). Ipaa e3t it romphaea. Framea . autem dicta quia ferrea est,
Nam sicut ferramentum, sie framea dicitur, ac proinde omnis gladius framea.
') Künsberg, Wanderungen in das germanische AUerlhum, 1861, S. 145. Fra-
mea = hasta, »Müssen wir nicht framea für ein durch römische Zunge ent-
stelltes .^lom/a halten?«'
*) Die Deutschen bildeten die Leihwache der Kaiser his auf Galha; und dann
wieder von Caracalla an. Zu ihren Waffen hatten sie Schwert und Lanze —
8. Handbach der römischen Altertbümer von Becker -Marquardt, 3. T. 2. Abth.
1853, S. 385 -390. — „Germani*^. — Künsberg t c. S. 116-17.
Garns, Span. Kirche. 7
dS ^vreiten Bach. Drittes Kapitel.
übersezt wurde, vorkommt, da Laktanz jedenfalls kein aMkaniscBes La-
tein geschrieben, so weist* der häufige Gebrauch des Wortes nicht auf
A&ika, sondern auf Rom hin, als auf den Ort der lateinischen Bibel-
übersezung.
Eilfter Vergleichungspunkt. Die übrigen Worte und
Wortformen.
Pascua kommt in der alten Vulgata und bei Tertullian als Femini-
num vor. Diess kann, da wir bewiesen, dass alle trühern Vergleichungs-
punkte zwischen Tertullian und der Vulgata in ihrer Ausschliesslichkeit
nicht zutreffen, ^nur beweisen, dass dem Tertullian die alte Uebersezung
vorgelegen habe. Dasselbe ist mit dem ^ orte linguatus der Fall, welches
indess auch bei einem lateinischen Dichter vorkommt *). — Uebrigens
finden sich bei Lrenäus ähnliche Feminina, wie pascua; z. B. operae (die
Werte) für opera (p. 100, 305). — Dass das Wort Zelare transitiv bei
Tertullian gebraucht wird, wie in der Vulgata, ist wahr. Aber bei den
spätem Schriftstellern finden sich solche ungewohnte Transitiva allge-
mein. Ammian. Marc, sagt z. B. epitomare hiatoriamy die Geschichte kurz
zusammenfassen; ebenso Vegetius und Treb. Pollio. — Li der Vul-
gata erklärt sich die Sache einfach aus der wörtlichen Uebersezung aus
dem Griechischen. Beispiele hievon finden sich bei Hermas und Irenäus
in Menge. Z. B. eavete vos, hütet euch (Hermas 3, 9). — Magnam tn-
bulaUonem effugUti propter fidem tuamy et qui talem bestiam non dt^itasti
— du hast an diesem Thiere nicht gezweifelt — (1, 4) etc. Bei Irenäus
finden wir Constructionen , wie exsurgvnt verüatem — sie erheben sich
gegen die Wahrheit (4, 26) — ; ^ynubes manaverunt ros^ — Prov. 3, 20,
'statt dessen es in unserer Vulgata heisst: ntibes rore concrescunt, in
welcher vnanare — mit Ausnahme eines einzigen Falles (Eccles. 46, 10),
nur mit dem Ablative dessen, was ausströmet, construirt wird.
Wiseman nennt den Gebrauch der Deponentia mit passiver Bedeu-
tung einen Archaismus, nach Priscian, der, wie Aul. Gellius, die Worte
eonsolo und horto als Beispiele anführe (15, 13). Beide Wörter werden
aber als Passiva gebraucht in der heiligen Schrift. Ebenso das Wort
promereo (Hebr. 13, 16). Nur noch bei Amobius bedeute das Wort:
durch Opfer versöhnen (Amob. 7, p. 229). — Aber es ist im Grunde
dasselbe , wenn Plinius der Jüngere sagt : prindpem maxime promerdur
— er macht sich im höchsten Grade um den Fürsten verdient, oder
sich den Fürsten geneigt (panegyr. 62). — Das Passivum — mini'
strari — sich bedienen lassen, komme oft im neuen Testameilte vor.
*) Pollex PoSta in AnÜioL laL ed, Burmann ^ L 1, p, 625. Hieronymu« nennt sich
selbst homo irümguü, einen Dreispr&chenmann.
Die alte lafeiniBche Bibelübersesang vor Hieronymus etc. 99
Aber es kommt so nicht nur bei Plautus und Golumella vor, wie Wise-
man anfuhrt, sondern auch bei Cicero — (Action, in Verrem — 3, 44 —
maximis poculis minigtrctU^r). — Wiseman hält Formen, wie odiunt^ odiho
— für Afrikanismen. — Aber auch der lateinische Irenäus sagt : non
odire homines (2, 32). — Ebenso die Worte : nubere und nubi. ,, Auch der
heilige Hieronymus, der die afrikanischen Schriftsteller, von deren Be-
wunderung er hingerissen war, oft nachzuahmen scheint, gebraucht das
Wort; aber vielleicht spielt er auf den Text des heiligen Matthäus an*'
(ep. 22, 19). — Ich gestehe, von der Bewunderung und Nachahmung der
afrikanischen Schriftsteller — durch Hieronymus nichts zu wissen. Der
Gebrauch der Worte nijd)ere und nvbi ist einfache üebersezungvder Worte
yctfieiv und ixyctfjii^ca&ai — Matth. 22, 30 — und findet sich auch bei
Irenäus — nubebant und nubebantur (nach Luc. 17, 26; 27); hier hiess
es in der alten Uebersezung: nubebant et nubd>antur, wahrend es in
unserer Yulgata heisst: vxores ducebant et dabantur ad nuptias. — Eine
ähnliche Form, wie nubere und nubi — ist die Form bei Tacitus: nee
camtmpere et corrumpi saeculum vocatur (German. e. 19).
Ueber den Ausdruck: contumdiam facere — gehe ich hinweg; denn
Wiseman sagt selbst: „Ich weiss nicht, ob ich den Ausdruck als Bei-
spiel anführen soll.** üebrigens kommt derselbe wiederholt bei Hermas
und Irenäus vor.
Wiseman führt noch einige Härten der Construction an in der hei-
ligen Schrift. £s ist gesucht, sie als Afrikanismen zu bezeichnen; es
ist natürlich und naheliegend, sie aus der wörtlichen Uebertragung aus
dem Griechischen zu erklären. Dieselbe Erscheinung tritt bei zahllosen
Stellen des lateinischen Hermas und Irenäus hervor.
Meine bisherige Beweisführung war eine Widerlegung der gegen-
theiligen Ansicht. Wollte ich positiv den Beweis führen, dass die alte
Itala in Italien uad in Rom entstanden, so müsste ich ein Buch schreiben.
Der Styl der alten Uebersezung hat gar keine Afrikanismen. — Wenn
ihr Styl ein besonderes Gepräge hat,^ so ist es das der wörtlichen Ueber-
sezung aus dem Griechischen ; es ist der lateinische Hellenismus. — Die
alte Itala hat eine Menge von Ausdrücken, die sich bei den Afrikanern
nicht finden. Das Wort praeeonor — als Deponens kommt nur bei Mar-
cianus Cerella 1. 17 vor *). — Das Activum praecono — verkündigen,
predigen — finde ich nirgends. — Aber gerade dieses ist ein Lieblings-
ausdruck der alten Uebersezung, statt dessen unsere Yulgata: praedico,
evangelizoj annuntio, eoctollo hat. — Er ist auch ein LiebUngsausdruck des
lateinischen Irenäus. Der erste Uebersezer der heiligen Schrift hatte
das Wort xrjQvaaeiv zu übertragen. Er wusste oder fand, dass xr^gv^
—————— ^— ——«—-» '
') Mardan. Capeüay dt mtptüs phihhgiae et MercurU etc. — ed. Kopp. Francof. 1836.
•7 *
100 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
— der Herold — lateinisch praeeo bedeute. Wie er nun die Worte
xfJQV^ und xfjQvaaeiv — im Griechischen neben einander fandy so bildete
er nach und aus prcieco — praeconare, ohne zu beachten oder zu wissen,
dass dieses Wort im Lateinischen nicht gebraucht werde. Ebenso machte
es der Uebersezer des griechischen Irenäus. Er übersezt: xtjQvaaei^
(1, 10; 27) mit praeconare — und da das Wort: xfjovaaeiv im Griechi-
schen überhaupt ein immer wiederkehrendes Wort ist, so findet sich auch
praeconare sowohl im Texte als in den Citaten des Irenäus aus der hei-
ligen Schrift immer wieder. — Bei Tertullian aber und bei den Afri-
kanern finden wir dieses Wort nicht. — Es ist niemals in Gang imd in
Gewohnheit gekommen. — Wir sagen darum nicht, dass die erste Ueber-
sezung aus Gallien stamme. Unsere Ueberzeugung ist, dass sie von Bom
ausgegangen, und dass der Uebersezer des Irenäus — ebenso wörtlich
aus dem Griechischen übersezt habe, und dazu noch den Vorgang der
ersten lateinischen Version der Bibel hatte.
Die Behauptung, diese Version sei auf dem Boden Afrika^s «ntstan-
den, weil dort ein besonderes Bedürfniss vorhanden war, übersieht un-
lösbare Schwierigkeiten. — Das Bedürihiss einer Uebersezung war in
Italien ebenso dringend, als in Afrika. Niemand kann beweisen, dass
die Mehrzahl der römischen Gemeinde griechisch verstanden, vollends
gesprochen habe. Wie bei uns die Eirchensprache die lateinische ist,
die das Volk nicht versteht, so mochte dort die Eorchensprache die
griechische seyn, die Predigt und Katechese aber theilweise oder ganz
lateinisch. Zuerst bei Hermas kommt das Wort ttaiio, oder dies statio^
num vor. Das Wort ist doch gewiss lateinisch. Es kann nicht griechisch
übersezt werden, und der griechische Hermas sagt einfach: axätimv.
Diess ist denn doch ein Zeichen, dass das lateinischef Element in der
römischen Kirche sich geltend machte. Im Süden von Bom, noch mehr
im Norden redete alles Volk lateinisch. Die Inschriften von Herculanum
und Pompeji sind nur lateinisch ^). Die „überseeischen Länder^ aber, von
denen das Christenthum nach Afrika kam, waren eben nur Italien und Sici-
lien. — Wann diess geschah, weiss niemand. Die Ansichten
kommen um ein ganzes Jahrhundert auseinander gehen (50 bis 150 n. Chr.).
Aber im J. 58 bestand eine blühende Gemeinde in Rom. — Paulus
*) Overbeck — Pompeji und Herculanum — Leipz. 1856. »Dieser Inschriften
ist eine recht ansehnliche Menge vorhanden, eine Folge, welche bei os^
kischen Inschriften beginnt, ein paar Beispiele eines corruplen
Griechisch aufzuweisen hat, und in lateinischer Sprache — fast alle
Interessen des Lebens berührt.** — Die Inschriften in den Catakomben zu Rom
sind grösstentheils lateinisch, oder höchstens lateinisch mit griechischen Buch-
staben oder Worten untermischt. Selbst in den Catakomben des vorzugsweise
griechischen Neapels giebt es nur einige wenige griechische Inschriften —
s. Binterim, Denkwürdigkeiten, II, 2 — »Von den unterirdischen Begr&bnissen
von Neapel *< -^ nach Mamaehi — OHginei tt antiqmtdUa chrManae,
Die alte lateinische Bibelübersezang vor Hieronymus etc. 101
fand im J» 61 zu Puteoli „Brüder'^, d. h. eine Christengemeinde, bei der
er sieben Tage verweilte (Ap. G. 28, 14). Im J. 63 kam er nach Spa-
nien, mid durch ihn kam das Christenthum in dieses nur lateinisch
redende Land. Diess sind historische Thatsachen. Die Grtaubensboten,
die hierauf nach Spanien kamen, bedurften für ihre Sendung einer hei-
ligen Schrift, sie bedurften einer lateinischen Uebersezung der heiligen
Schrift. Diese Uebersezung konnte nur in Bom geschehen, und — sie
war schon im ersten christlichen Jahrhundert ein Bedürfiiiss. *
Man verwickelt sich in ein Nez von Unwahrscheinlichkeiten und
Unmöglichkeiten, wenn man den Ursprung der Uebersezung nach Afrika
verlegt. Sie wäre dann gar nicht verbreitet, und in Bom nicht aner-
kannt worden. Beruft man sich auf das Bedürfiiiss , so war dieses Be-
dür&iiss in Rom und Italien ein Jahrhundert früher vorhanden, als in
Afrika, als in Carthago, von wo wir erst im Anfange des -dritten Jahr-
hunderts erfahren, dass in dieser Stadt ein Bischof war«
Ich hätte mich bei dieser Untersuchung nicht so lange aufgehalten,
wenn nicht Männer wie Lachmann, Tischendorf, Wiseman, Hug, Ad. Maier
— für die Ansicht des afrikanischen Ursprunges der alten Uebersezung
ständen. Fr. X. Reithmayr spricht sich gegen diese Ansicht aus. Mit Recht
sagt er: ;,Wir sind von ferne nicht berechtigt, anzunehmen, den mittlem
und untern Klassen der Stadtbevölkerung, namentlich aber der kleinem
Städte und des Landes sei durchschnittlich das Griechische in der Art
geläufig gewesen, dass sie die göttlichen Schriften ohne Dolmetschung
verstanden hätten. Weiter nordwärts von Rom hörte man griechisch
immer seltener sprechen.^ Dann nimmt er an, dass die Uebeirsezung
in Italien — schon vor der Mitte des zweiten Jahrhunderts entstanden
seL Diese Uebersezung hätte in Afrika schwerlich Eingang erlangt,
^wenn ihr nicht die Auctorität der Stammkirche diese verschafft oder
geschüzt^ hätte. Von Wiseman^s Abhandlung, die Reithmayr eine „sehr
gelehrte^ nennt, sagt er, dass seine Erklärung der „interpretccHo Itala^
des Augustin (de doctr. Christ 2, 16)^ womach dieselbe nur eine gewisse
Familie von Handschriften bedeute, die in Italien gefertigt und emen-
dirt wurden, „Wort, Zusammenhang, alle äussern und innem Gründe
der Wahrscheinlichkeit wider sich^ habe. Die sprachlichen Merkmale
aber, auf welche die Hypothese sich stüze, seien zu gering, um eine
Entscheidung zu motiviren; und sind, wie ich gezeigt zu haben glaube,
in der That nicht vorhanden.
Der E^dinal Lorenzana von Toledo gab im Jahre 1779 auf das
Neue die eine Hälfte der mozarabischen Liturgie, das gothische Brevia-
rium, heraus. In der Vorrede dazu — macht er auf den Punkt von
entscheidender Wichtigkeit für das Alter und den Ursprung der spani-
schen Liturgie aofinerksam, dass die Uebersezung der heiligen Schrift
>) Reithmayr, Einleitung, S. 262 — 63.
102 Zweites Buch. Drittes Kapitel. Die alte lateinische BibelÜbersezung etc.
in derselben die der sogenannten „Vetiis ItaW^ sei, und dass dieselbe
durchaus mit den Citaten Augustinus harmonire, welcher bekanntlich der-
selben Uebersezung sich vorzugsweise bediente *).
Die Ausgabe des Lorenzana wurde über Spanien hinaus kaum ver-
breitet. Wir kennen sie erst, seitdem sie Abb^ Migne im J. 1850 nach
den Werken Isidor^s von Sevilla abdrucken liess. — Lorenzana starb
als Kardinal. zu Rom im J. 1804. Als leztes Werk liess er das Misscde
gothicum — nach der Regel des heiligen Isidor — zu Rom erseheinen ^).
— Diese neueste Ausgabe scheint vollkommen verschwimden oder we-
nigstens unbenüzt und unbekannt geblieben zu sejn. Binterim, J. Hefele
in seinem Ximene», J. Kössing in seinen Vorlesungen über die heilige
Messe — 2. Aufl. 1850, Mone in seiner Schrift ^^Lateinische und griechi-
sche Messen aus dem zweiten bis sechsten Jahrhundert^ — 1850, Abb^
Migne, der die Ausgabe von AI. Lesley abdrucken liess — 1850, Abt
Gueranger in seiner Geschichte der Liturgie — deutsch 1854, nicht ein-
mal die Bearbeiter der „Espanna sagrcida^ nach dem Jahre 1804 er-
wähnen oder kennen diese neueste Ausgabe des gothischen Missale. In
München habe ich dieselbe vergebens gesucht Ich vermuthe, die ganze
Auflage sei in den napoleonischen Kriegen verschwunden^).
Dom Gueranger, der neueste Schriftsteller in diesem Gebiete, ist mit
Pinius und Florez, und gegen Lesley der Ansicht, dass „die Gebräuche
der römischen Kirche ursprünglich jene der spanischen gewesen seien.
Erst durch die Gotfaen habe jene Liturgie einen orientalischen Charakter
erhalten'' *).
Das Goncordat mit Spanien vom Jahre 1851 hat die Erhaltung der
mozarabischen Liturgie in der von Xemenes dafür bestinunten Kapelle
am Dome zu Toledo auf das Neue garantirt*). — Der Gottesdienst wird
regelmässig und jeden Tag gehalten. Zwei neuere Reisende, der Fran-
zose Latour und der Deutsche Franz Lorinser haben demselben ange-
wohnt, und beschrieben denselben. Nach Lorinser dauert die heilige
Messe etwa \ Stunden %
') S. über ihn — meine Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts , Bd. 2, 49^56.
— Brevuxrium gothicum — Madrid 1779 — abgedruckt in der Patrol ladna —
ed. Migne f t 86.
^) Mistale gothicum — Romae 1804, foL
') Ad. HelfTerich war selbst in Toledo, und sagt doch, Lorenzana habe die altr
spanischen Breviere und Messbücher neu herausgegeben, zuerst in Mexiko, dann
in Rom. Vielmehr hat er das „Breviarium^ herausgegeben in Madrid 1779,
das „Missale*^ in Rom 1804. Aber es scheint, dass lezteres auch HelfTerich
nicht zu Gesichte gekommen (s. der Westgothische Arianismus , S. 93).
*) Dom Gueranger, Geschichte der Liturgie — Bd. 1854, 8. 218 flg.
^) Art 21. Conservabuniur qwte in Toleiana JEcclesia Mozarabum — nuneupanlttr, — -
Hz IX, Pontißcis Maximi Acta, P. I, Romae 1854, p. 323.
•) S. unten — Buch 4, Kap, 8.
Viertes Kapitel.
Ueler die mozarabische Hesse. Das Officinm der sieben
Apostelscbfller in der gothischen Liturgie.
Die altspanische Messe hat sieben Orationen, von denen jede ihre
Bedeutung hat. Die erste ist eine Ermahnung an das Volk, dass es
sich erhebe, Gott sich gnädig zu machen. Die zweite ist die der An-
rufung, damit er gnaden voll die Bitten der Gläubigen, und ihre Gabe
annähme. Die dritte wird dargebracht für die opfernden, oder für die
abgestorbenen Christgläubigen, dass sie durch dasselbe Opfer die Ver-
gebung erlangen. Die vierte wird sodann verrichtet für den Kuss des
Friedens, dass alle in Liebe unter einander verbunden, würdig an dem
Sacramente des Leibes und des Blutes des Herrn Theil nehmen mögen.
Denn der untheilbare Leib Christi ist fem von jeder Uneinigkeit. Die
fünfte Bitte wird bei der Weihe der Oblation dargebracht; in der auoh
alle Geschöpfe der Erde und die Gesammtheit der himmlischen Exäfte
zum Lobe Gottes aufgerufen, und das Hosanna in der Höhe gesungen
wird, weil durch die Geburt des Heilandes aus dem Geschlechte Da-
vid's — das Heil der Welt bis zu der Höhe gelangt ist. Sodann folgt
als sechste Oration die Bekräftigung des Sacramentes, dass die Gabe,
welche Gott dargebracht wird, geheiligt durch den heiligen Geist, dem
Leibe und dem Geiste zum Heile gereiche. Die lezte ist die Oratio,
welche unser Herr die Jünger beten lehrte, indem er sprach: Vater
unser , der du bist im Himmel. Also Isidor von Sevilla *).
Die gothische Messe hat femer zwei Lectionen, eine aus dem alten,
die andere aus dem neuen Testamente. Sie hat das „Ehre sei Gott in
der Höhe^, und das Nicänische Credo, Die Messe beginnt, wie die
lateinische , mit dem Psalme judica me Dem und dem confiteor. — Vor
') IsUhr de officm eecletiastieiSf I, e. 15,
104 Zweites. Buch. Viertes Kapitel.
dem Introitas sagt der Priester : Adjutorium noitrum in nomine Domini etc.,
und : Sit nomen Domini henedictum. Hierauf folgt der Introitus des Festes,
und zwar ist der Introitus der Siebenmänner aus dem commune pluri-
morum martyrum.
Ich will geben meinen Heiligen den ersten Thron, AUelujah: in
der ewigen Auferstehung: und ich werde sie heimsuchen in meiner
Freude. Und das ewige Licht wird ihnen leuchten, Allelujah. Und
die Ewigkeit der Zeiten ist ihnen zubereitet, Allelujah, Allelujah. y. Ge-
segnet seid ihr von dem Herrn, der Himmel und Erde schuf. 5r. Und
das ewige Licht. % Ruhm und Ehre dem Vater, und dem Sohne, und
dem heih'gen Geiste: in Ewigkeit. Amen. gr. Und das ewige Licht.
Gloria. Ehre sei Gott in der Höhe (wie in der lateinischen Messe).
An gewissen Tagen wird statt des Oloria der Lobgesang der drei Knaben
gebetet: Benedicite Domino. Am Schluss wird jedesmal gesprochen: per
ommia semper aaeeula saectdorum, amen. Dann folgt die erste Oratio:
" Diese sind, o Herr! die sieben Fackeln, welche diesem Abendlande
aufleuchteten. — Sie wurden gesendet vom Himmel her, um
den Unglauben seiner finstern Nacht zu verscheuchen. Wegen
der uns von dir zu Theil gewordenen Gnade dieses Geschenkes:
möge uns der Wohlgeruch der evangelischen Lehren aus dem
Dufte der lieblich riechenden Gebote erquicken. Mit dieser Lehre
reichlich ausgestattet möge unser Herz und Geist davon Zeugniss
geben: wofür von dir zur Zeit des Gerichtes nach Würdigkeit
belohnt zu werden unser demüthiges Flehen ersehnet. 1^. Amen.
Der Priester geht in die Mitte des Altars, und betet:
Durch deine Erbarmung, unser Gott, der du gebenedeit bist, und
lebest, und alles regierest in Ewigkeit. Das Volk: Amen, Der
Priester: Der Herr sei immer mit euch. Das Volk: Und mit
deinem Geiste.
Erste Lectio — libri Ecclesiastici Salomonis , cap, 44, 2 — 16. — Deo
Oratias. Vielen Ruhm erwarb durch sie der Herr etc. (aus dem
Feste der heiligen Apostel Petrus und Paulus). 5r. Amen,
Der Priester: Der Herr sei immer mit euch. Das Volk: Und mit
deinem Geiste.
Nun wird das Psallendum gesungen, welches dem lateinischen Crra-
duale zu vergleichen ist. Es lautet am Feste des ersten Mai (der Sieben-
männer) aus demselben Apostelfeste:
Ueber die ganze Erde ist ausgegangen ihr Ruf, und der Ton ihrer
Stimme bis an die Grenzen der Erde. X Es sind nicht Stimmen
, und nicht Sprachen, deren Klang man nicht verstände. 5r. Und
an der Erde Grenzen.
Nim spricht der Priester oder Diacon: Silentium facite — haltet
Stille — imd fängt die zweite Epistel an:
Sequentia Epistolae PauU (xpoatoU ad Epheaios (e. 1): Brüder! Gnade
Ueber die mosarabische Messe. Das Officiam etc. 105
sei eudi und Frieden von Gott unsenn Vater und dem Herrn
Jesus Christus etc. (aus demselben Äpostelfeste). Das Volk: Deo
graiia»; am Schlüsse der Epistel aber: Amen,
Der Priester: Der Herr etc. — Das Volk: Und mit deinem Geiste.
Vor der Lesung des Evangeliums, das nun folgt, verlangt der Prie-
ster oder Diacon den Segen , und spricht:
LeeUo S. Evangelii seeundum Jocmnem (ea/p. 15, 7 — 17). In illia dU-
bu8 etc. — 9r. Amen. — Dann wieder: Der Herr sei —
Nun wird das Lauda mit dem Allelujah gesungen: An unserm
Feste, nach demselben Apostelfeste. X Die Hinmiel erzählen die Ehre
Gottes, und seiner Hände Werk verkündet das Firmament. ]^. Allelujah.
Während des, Evangeliums wird auf die Epistelseite das Missale
offerentium gelegt. Dann beginnt das Offertorium. Während der Opfe-
rung der Hostie betet der Priester:
Dieses Opfer möge deiner Majestät angenehm seyn, allmächtiger,
ewiger Gott, welches wir dir darbringen für unsere Sünden
und Uebelthaten, für die Befestigung der heiligen katholischen
Kirche, und für die Anhänger des katholischen Glaubens; durch
Christus unsem Herrn. — In dem Namen des Vaters f? ^^^ ^^
Sohnes, und des heiligen Geistes, etc.
Nun legt er die Patene mit der Hostie auf das Gorporale, nimmt
und segnet den Kelch: In dem Namen des Vaters f, und des Sohnes,
und des heiligen Geistes. Amen. Bei der Opferung des Kelches betet
er: Wir opfern dir, o Herr! den Kelch, zur Segnung des Blutes Christi,
deines Sohnes, und wir flehen zu deiner Milde, dass er vor dem An-
gesichte deiner göttlichen Majestät mit lieblichem Wohlgeruche empor-
steige: durch denselben Christus unsem Herrn.
t)er Kelch wird mit der Palla, welche im Mozarabischen Filiola
oder Amieulus heisst, bedeckt. Dabei spricht der Priester: Wir bitten
dich, o Herr! nimm gnädig diese Gabe an, und verzeihe allein Opfern-
den, und denen, für welche geopfert wird, ihre Sünden. Durch Christus
unsem Herrn.
Es folgt das Gebet: In dem Geiste der Demuth etc., worauf der
Priester sogleich sagt: Unterstüzet mich, Brüder, durch euere Gebete,
und bittet für mich zu Gott. Es wird geantwortet: Es helfe dir der
Vater, der Sohn, und der heilige Geist.
Es folgt eine Antiphon, welche Sacrifidum heisst, und der römi-
schen Antiphon „Offertorium^ ähnlich ist. Sie lautet an dem Feste der
Fürsten der Apostel, und der sieben Apostelschüler: Kommet, ihr Ge-
segneten meines Vaters, empfanget das Reich, das euch bereitet ist
vom Anbeginn der Welt: Allelujah. Jf. Wenn der Menschensohn in
seiner Herrlichkeit kommen wird; und alle Engel mit ihm: dann werden
die Gerechten wie die Sonne glänzen in dem Reiche Gottes: Allelujah.
Dann nimmt der Priester Wasser, und spricht still, indem er die
ißß Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Opfnrgaben mit drei Fingern segnet: In dem Namen des Vaters , des
Sohnes und des heiligen Geistes regierest du, o Gottl von Ewigkeit zu
Ewigkeit. ^. Amen.
Der Priester y gegen den Altar geneigt , betet stille:
Ich werde zu dir hinzutreten in der Demuth meines Geistes, ich werde
zu dir reden, weil du mir grosse Hoffiiung in der Ejraft gegeben.
Du also, Sohn David's, der du das Geheimniss offenbartest, und im
Fleische zu uns kämest, eröffiie die Geheimnisse meines Herzens
mit dem Schlüssel deines Kreuzes , sende einen der Seraphim, der
mit glühender vom Altare genommener Kohle meine unreinen
Lippen reinige, den Geist erleuchte, imd mir Kraft zum Lehren
gebe, damit diese Zunge, welche in Liebe dem Nuzen des Näch-
sten dienet, nichts Unwahres verkünde, sondern das Amt, die
Wahrheit zu lehren, stets vollbringe, durch dich, mein Gott,
der du lebest und regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen.
Hier endigt die MisM caUehummorum , und beginnt die ^Miaa^^.
y. Der Herr sei mit eucL ^. Und mit deinem Geiste« ,
Es folgen die sieben Orationen.
Oratio Missae. Geliebteste Brüder! Lasset uns diesen Tag: an welchem
das Andenken unserer Lehrer begangen wird: deren Gegenwart
in unsern Städten uns, wie wir wissen, durch apostolische Voll-
macht geschenkt wurde: mit frommem Sinne feiern. Indem wir
von unserm gemeinsamen Herrn und Heiland Jesus Christus es
erflehen : dass auf ihre Fürbitte unsere Herzen von allen Uebeln
gereinigt werden, durch deren Lehre dieses Abendland erleuchtet
worden ist. $: Amen.
Durch deine Barmherzigkeit, unser Gott, der du gepriesen bist, und
lebest, und alles regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit. 1^. Amen.
Der Priester spricht mit erhobenen Händen: Lasset uns beten.
Qr. Der Chor: Agyoa: agyos: agyoa (heilig, heilig, heilig). Herr Gott,
ewiger König, dir Lob und Preis*). — Dann spricht der Priester:
Lasset uns die heilige katholische Kirche in unsern Gebeten im Herzen
tragen: damit dieselbe der Herr in Glaube, Hoffnung und Liebe
gnadenvoll auszubreiten sich würdigen möge : Lasset uns aller Ge-
fallenen, Gefangenen, Kranken und Fremden gedenken: damit
Gott sie gnädig befreien, heilen und stärken wolle. $; Der Chor:
Verleihe es, ewiger allmächtiger Gottl
Alia oratio: Christus, du Sohn Gottes, der du durch die ganze
Welt die gesonderten Hüter des Glaubens sendest: du hast diese
Lehrer für unsere Gegenden bestimmt. Nemlich den Torcatus
und den Secundus, den Indaletius, den Tesefon, den Eufirasius,
') Das äyiög spricht nicht für unmittelbar griechischen Ürsprang der Liturgie, so
weni^, als unser küqu iieittor.
Ueber die mozarabisclie Messe. Das Officium etc. 107
den Ceeilius und den Esicius^ durch deren brennende Pfeile ihres
Wortes der Irrthum des Unglaubens, der auf die spanischen Län-
der gefallen war, entwich: nimm das Gelübde unserer Bitten an:
und bereite uns diejenigen zu Tröstern: welche das einheimische
Volk als seine Fürsprecher bekennt. Denn, wie durch ihre Pre-
digt die Flamme des Glaubens in unsere Länder kam, so mögen
durch deren Hilfe unsere Leiber vor dir entsühnet seyn. ^ Amen,
Durch deine Erbannung, unser Gott, in dessen Angesicht die Namen
der heiligen Apostel und Märtyrer, Bekenner und Jungfrauen ge-
nannt werden. Amen.
Es bringen Gott dem Herrn das Opfer dar unsere Hohenpriester, der
römische Papst ^), und die Uebrigen, für sich und den ganasen
Clerus, und für die ihnen zugewiesenen kirchlichen Gemeinden,
oder für die Gesammtheit der Brüder. Ebenso opfern alle Prie-
ster, Diaconen, Cleriker, und das um sie rersammelte Volk zu
Ehren der Heiligen für sich und die Ihrigen. — $& Sie opfern
für sich und alle Brüder.
Commemaraiio, Wir feiern das Andenken der seligen Apostel und
Märtyrer, der glorreichen seligsten Jungfrau Maria, des Zacharias,
Johannes, der (unschuldigen) Kinder, des Petrus, Paulus, Johannes,
Jacobus , Andreas etc., Marcus, Lucas. T^. Und aller Märtyrer. —
Ebenso der Seelen der EntsQhlafenen (genannt werden Hilarius,
Martinus, Athanasius, Ambrosius, Augustinus, Fulgentius, Leander,
Isidor, David, Julian, Julian H.,. Petrus L und H., Johannes, Ser-
Yusdei, Feli3;:, Cyprian, Vincentius, Gerontius und viele spätere,
die allniälig in das Yerzeichniss kamen. 1^, Und aller Entschlafenen.
Oratio post nomina. Gott und Gottes Sohn, dessen wunderbarer Name
durch den Mund der Prediger verkündigt wird: gieb uns, dass
wir durch die Bitten deines Torquatus und seiner Gefährten nach
dem Wohlgeruche deiner Salbungen überall dir nachfolgen. Darum
wollen wir, vergessend dessen, was hinter uns liegt: also zu dem
Ziele der himmlischen Berufung eilen: dass wir in beständiger
Freude frohlocken, dass unsere Namen im Hinmiel aufgezeichnet
seien: indem dieses insbesondere uns nahe liege, dass du uns, die
wir für die Verstorbenen bitten, erhören wollest. Jk Amen.
Weil du das Leben der Lebendigen, die Gesundheit der Kranken,
und die Ruhe aller abgeschiedenen Christgläubigen bist von Ewig-
keit zu Ewigkeit. {Er. Amen.
Ad pticem (die vierte Oration). Jesus , du eingebomer Gottessohn des
ungebomen Vaters: der du mit jenem siebenfältigen Geiste der
Gnaden die Apostel erfülltest: du hast sieben unserer Landstriche
— Schaaren, nemlich die sieben Bischöfe zuzusenden dich gewür-
') Diess ist gewis« ein sehr starkes Zeugiiiss, dass 4ie Liturgie von Rom kam.
108 Zveites Bach. Viertes Kapitel.
digt: welche, mit dem siebenfachen Beichthume der Gnaden er-
füllt: uns die Blinden oder in Nebel Eingehüllten durch ihre
Gegenwart erhellen sollen. Gieb uns das heitere Lacht der Ge-
rechtigkeit: den Frieden des ewigen Lichtes: die beständige Fülle
des heiligen Geistes. Auf dass wir reichlicher erfüllt mit deinem
segensvollen Frieden: dein herrliches Angesicht in seliger Gegen-
wart schauen mögen. ]^. Amen.
Denn du bist der wahre Friede und die ungetheilte Liebe, der du
mit dem Vater und dem heiligen Geiste als ein Gott lebest und
regierest in Ewigkeit. Jk Amen.
(Der Priester erhebt die Hände): Die Gnade Gottes, des allmächtigen
Vaters, der Friede und die Liebe unsers Herrn Jesu Christi und
die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei immer mit uns allen.
JEr. Und mit den Menschen, die eines guten Willens sind.
Der Priester: Wie ihr hier stehet, gebet euch den Frieden, ©i Meinen
Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinterlasse (anempfehle)
ich euch, nicht wie die Welt ihn giebt, gebe ich den Frieden.
y. Ich gebe euch ein neues Gebot, dass ihr euch unter einander
liebet. T^, Meinen Frieden gebe ich euch etc. — X Lob und
Ehre sei dem Vater, und dem Sohne, und dem heiligen Geiste.
9; Meinen Frieden gebe ich euch etc.
Der Priester nimmt die Patene, küsst sie, und reicht sie dar mit den
Worten: Empfanget den Euss des Friedens und der Liebe, damit
ihr theilhaftig seiet der hochheiligen Geheimnisse Gottes.
Die niatio oder Präfatio.
Priester: Ich werde eintreten zu dem Altare Gottes. Jk Zu Gott, der
meine Jugend erfreut.
Die Hände über den Kelch haltend sagt der Priester: Aures ad Domi-
num: die Ohren zu dem Herrn. 5r. Wir haben sie bei dem Herrn.
Er erhebt die Hände: Sursum corda — aufwärts die Herzen. 9». Wir
wollen sie erheben zu dem Herrn.
Mit zusammengefalteten Händen , sich tief zur Mitte des Altares beu-
gend, spricht er:
Unserm Gott und unserm Herrn Jesus Christus, dem Sohne Gottes,
der in dem Himmel ist, wollen wir würdiges Lob und würdigen
Dank darbringen. 5r. Es ist würdig und gerecht.
Es ist würdig und gerecht : dass wir dir immerdar Dank sagen, ewiger
allmächtiger Gott, den Glauben an dessen glorreichen Namen
die weittragenden Posaunen der Lehrer verkünden: und die sich
des Vorrechtes der Predigt an ihren eigenen Orten erfreuen: aus
ihrer Zahl erkennen wir diese Sieben an, die mit der Gnade des
Vorsteheramtes ausgestattet, und in unsere Gegenden von den Apo-
steln gesendet wurdest Nemlich den Torquatus, den Secundus,
Ueber.die mosarabische Messe. Das Officium etc. 1Q9
den IncUdetius, den Tisifon, den EufrasiaSy den Cedlius und den
Esicius. Welche die Anordnung der Apostel für Spanien bestimmt,
um den \katholischen Glauben hier zu pflanzen. Ihre ruhmreiche,
und unsem Städten schon nahe Predigt erfüllet ims mit hoher
Freude, welche durch Wunder ihre Bekräftigung und ihren Fort-
gang fand. Denn, da sie in der Nähe dieser Stadt*) ihre Schüler
aussandten, um einige Lebensmittel zu kaufen: so vollbrachten ihre
Begleiter, was ihnen aufgetragen worden. Aber siehe plözlich,
da sie sahen, dass die Menschen den Gözen opfern: da die.Un- .
gläubigen sich durch den offenen Cult ihrer Religion zu erkennen
gaben: so verfolgt sie in stürmischem Laufe die Menge der Un-
gläubigen bis zu dem Flusse. Dort aber trennt eine alte mächtige
Brücke beide Theile von einander. Denn wie nach der alten Ge-
schichte Israel durch das rothe Meer gieng, das ihnen einen Weg
der Rettung öffnete, so löste sich jezt, bei der Flucht der Schüler
dieser Seligen, die Brücke plözlich durch das Dazwischentreten
eines Wunders auf: sie rettete die fliehenden Anhänger der Hei-
ligen: die verfolgenden Ungläubigen aber versenkte sie völlig in
die strömenden Wpgen. Dort theUen sich beim Uebergange IsraeFs
die Wogen des Meeres: hier löst sich, um Christi Diener zu er-
retten, der Bau eines ungeheuren Werkes auf. Dort gehen die
Verfolger in den Fluthen des Meeres untere hier werden die
Schaaren der Nachsezenden durch die Auflösung des Brücken-
baues im Bette 4es Flusses versenkt. Dort werden die Aegyptier
sammt ihren Wagen begraben: hier werden die Verlornen mit den
Steinen hinabgestürzt. Dort singen die Israeliten, nachdem der
Feind in die Tiefe versunken war, Gott ein Lied des Lobes: hier
Wünscht in gleicher Freude das Volk der Erlöseten sich Glück:
und sie verkünden dir den Lobgesang mit den heiligen Engeln:
indem sie also sprechen:
§; Heilig, heilig ist der Herr, der Gott der Heeresschaaren, Himmel
und Erde sind erfüllet mit der Herrlichkeit deiner Majestät, Ho-
sanna dem Sohne David's. Gepriesen sei, welcher kommt im Namen
des Herrn. Hosanna in der Höhe. Hagios, Hagios, Hagios, Eyrie,
o Theos (beilig, heih'g, heilig, bist du, o Herr! unser Gott)^
Der Priester spricht die t Oration Post Sanctm.
Wahrhaft heilige wahrhaft gebenedeit ist unser Herr Jesus Christus,
dein Sohn, welcher bei der Vertheilung seiner besondern Wohl-
thaten an die Länder — unseres Gebietes nicht vergessen wollte,
indem er uns so mit dem siebenfachen Erweise der Bischöfe be-
gnadigte,^ dass wir, erneuert durch die siebenfache Gna,de, ihm
diese Opfer für so grosse Wohlthaten in frommem Sinne darzu-
') Acei oder Guaduc.
110 Zweites Buch. Vierte« Kapitel.
bringen schuldig sind, weil er selbst der Herr ist und der ewige
Erlöser. Amen.
Dann &Itet der Priester schweigend die Hände, neiget sich vor dem
Altare /und spricht:
Sei gegenwärtig, sei gegenwärtig, guter Jesus, Hoherpriester, in un-
serer Mitte, wie du in der Mitte deiner Jünger wärest, und hei-
lige t diese Opfergabe, dass wir die Geheiligten f nehmen durch
die Hände deines heiligen Engels, heiliger Herr, und ewiger Er-
löser. Unser Herr Jesus Christus nahm in der Nacht, in welcher
er yerrathen wurde, das Brod, er dankte, segnete f und brach es,
und er gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet' hin und esset.
Dieses Ist mbi Leib, ier Ar eiick daklDgegebeii wird.
(Hier wird der Leib erhoben.) So oft ihr davon esset, so thuet dieses
zu meinem f Andenken. 9*. Amen.
Ebenso nahm er auch den Kelch nach dem Essen, und sprach:
Dieses Ist ier Reich des neuen Buies in neinea Blute » das Ar encli
and Ar fiele wird Yergossen werden zur Vergebung der Sünden.
(Hier wird der mit der Palla bedeckte Kelch erhoben.)
So oft ihr trinket, so thut dieses zu meinem f Andenken! {Er. Amen.
So oft ihr von diesem Brode esset, und von jenem Kelche trinket,
so sollet ihr den Tod des Herrn verkündigen, bis er in Herrlich-
keit vom t Himmel kommt. T^. Amen.
f Oratio post pridie.
Allmächtiger Gott! der du, um die Versammlung unsers Erdtheiles zu
retten, die sieben Leuchten der Bischöfe gesendet hast, sende auf
die Fürbitte derselben, deren heiligstes Andenken an deinem Altare
begangen wird, den heiligen Geist von deinem "Wohnsize herab,
durch den du den dargebrachten Gaben die Heiligung, imd unsem
Lehrern die überströmendste Heiligkeit verleihen mögest. 1^. Amen.
Das verleihe uns, heiliger Herr! weil du uns, deinen unwürdigen
Knechten, alle diese überaus grossen Güter erschaffest, sie f hei-
ligest, belebest, f segnest, und f sie uns f verleihest, damit sie
seien f gesegnet von dir, unserm Gotte, in alle Ewigkeit. 1^ Amen.
(Dann nimmt der Priester den Leib des Herrn von der Patene und
hält ihn über den offenen Kelch, und spricht mit erhöheter Stimme, an
allen Fest- und Sonntagen, ausser an den Orten, an denen eine beson-
dere Antiphon ist, bei dem Brechen des Brodes:)
Der Herr sei immer mit euch. $■. Und mit deinem Geiste.
Den Glauben, den wir im Herzen tragen, wollen i^ auch mit dem
Munde bekennen.
(Und der Priester erhebt den Leib Christi, damit er von dem Volke
gesehen werde, und der Chor spreche das Symbolum, in zwei Abthei-
lungen , nemlidi:)
Ueber die mocarabische Messe. Das Officium etc.
111
Wir glauben^ an einen Gott^ den allmächtigen Vater, den Schöpfer
Himmels und der Erde, den Gründer alles Sichtbaren and Un-
sichtbaren. Und an einen Herrn Jesus Christus, den eingebomen
Sohn Gottes, geboren aus dem Vater vor aller Zeit, Gott aus Gott,
Licht aus dem Lichte, wahrer Gott aus dem wahren Gotte: ge-
zeuget, nicht erschaffen ; homougium mit dem Vater, das ist, gleicher
Substanz mit dem Vater, durch welchen alles geschaffen wurde,
was im Himmel und was auf Erden ist: welcher wegen uns Men-
schen, und wegen unsers Heiles vom Himmel herabgestiegen: imd
durch den heiligen Geist Fleisch angenommen hat aus Maria der
Jungfrau, und Mensch geworden ist Er hat gelitten unter Pon-
tius Pilatus. Er ist begraben worden, und am dritten Tage auf-
erstanden. Er ist aufgefahren in den Himmel, und sizet zur rechten
Hand Gottes des allmächtigen Vaters. Von dannen wird er kom-
men, die Lebendigen und die Todten zu richten; seines Reiches
wird kein Ende seyn. Und an den heiligen Geist, den Herrn,
den Lebendigmacher, der vom Vater und vom Sohne ausgehet,
der mit dem Vater und dem Sohne angebetet und verherrlicht
werden soll, der -durch die Propheten geredet hat Und an eine
heilige katholische und apostolische Kirche. Wir bekennen eine
Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung
der Todten, und das Leben der zukünftigen Welt Amen.
Nach diesem bricht der Priester die Eucharistie in der Mitte, und
legt die eine Hälfte auf die Patene, und von dem andern Theile macht
er fünf Partikeln, und legt sie auf die Patene: dann nimmt er die an-
dere Hälfte, und macht vier Partikeln, und legt sie gleichfalls auf die
Patene -der Reihe nach; und sogleich reinigt er sorgsam die Finger, be-
deckt den Kelch, und legt das Memento ein für die Lebendigen.
Corporatio
1,
•
Mors
6.
Nativitaa
2,
Resurrectio
7,
*.
Curcumciao
3.
Qloria
8.
AjpparitM
i.
Regnum
9.
PäBtio
5,
112 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Zum Gebete des Herrn.
Lasset uns beten. Wohlan, geliebteste Brüder! erhebet mit mir die
Blicke nach oben, um besonders dieses von Gott zu erflehen, dass
er, der sich gewürdiget hat, das Herz der seligen Luparia plözlich
zu erleuchten, uns in diesem Augenblicke von jeder Mackel der
Verbrechen vollkommen zu reinigen sich würdige, indem wir von
der Erde zu dir rufen, und sagen:
Unser Vater, der du bist in dem Himmel. 5r. Amen.
Geheiliget werde dein Name. §''• Amen.
Dein Reich komme. (Er, Amen.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden, g: Amen.
Unser tägliches Brod gieb uns heute. T^, Denn du bist Gott.
Und vergieb uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsem
Schuldigern. T^, Amen.
Und führe uns nicht in Versuchung. T^ Sondern erlöse uns von
dem Uebel.
Der Priester spricht:
Befreiet von dem Uebel, stets im Guten bestärkt, mögen wir würdig
seyn, dir unserm Gott und unserm Herrn zu dienen. Mache,
o Herr! ein Ende unsem Sünden; gieb Freude den Bedrängten,
schenke die Freiheit den Gefangenen, den Kranken die Gesund-
heit, und den Abgestorbenen die Ruhe: verleihe Frieden und Sicher-
heit in allen unsern Tagen; brich die Keckheit unserer Feinde,
und erhöre, o Gottl die Gebete aller deiner Knechte, der gläu-
bigen Christen, an diesem Tage und zu jeder Zeit. Durch unsem
Herrn, Jesus Christus deinen Sohn, der mit dir lebet und regiert
in der Einigkeit des heiligen Geistes als Gott von Ewigkeit zu
Ewigkeit, gr. Amen.
Nun nimmt der Priester die Partikel Regnum — 9 — von der Pa-
tene, lässt sie in den Kelch fallen, und spricht stille:
Das Heilige den Heiligen, und die Vereinigung des Leibes unsers
Herrn Jesu Christi sei uns, die wir nehmen und trinken, zur Ver-
gebung, und es gereiche den abgeschiedenen Gläubigen zur Ruhe.
Er bedeckt den Kelch und spricht:
Beuget euch zum Segen. ,
Der Herr sei immer mit euch. 5r. Und mit deinem Geiste. Christus
der Herr, der durch die Siebenzahl der Häupter die Gegend der
untergehenden Sonne heimzusuchen gnadenvoll beschlossen hat,
er selbst möge euch durch die Gegenwart seiner Maj'estät erleuchten.
' 5r. Amen.
Und der sie zum Heile Spaniens abgeordnet hat, er selbst möge euch
sowohl durch ihre Predigt als Fürbitte — selbst leuchtend machen.
]^. Amen.
Ueber die mozarabisehe Mess«. Das Officium etc. ^ 113
Dass ihr nach euerem Hingänge den Antheil derjenigen besizen möget,
deren Predigt ihr aufnehmet ^ und deren Gedächtniss ihr jezt be-
gehet T^, Amen.
Durch deine Erbarmung, unser Gott, der du gepriesen seiest, und
lebest, und alles regierest in Ewigkeit. ^, Amen.
Der Herr sei inmxer mit euch. ^. Und mit deinem Geiste.
Äd Äccedentes.
Freuet euch, Völker, und jubelt: der Engel sass auf dem Steine des
Herrn: er selbst hat euch die Kunde gebracht: Christus ist auf-
erstanden von den Todten, der Weltheiland: und er hat alles mit
Lieblichkeit erfüllt. Freuet euch, ihr Völker, und jubelt. X Es
war aber sein Anblick, wie der Bliz: und seine Kleider weiss,
wie Schnee, und er sprach : Psal. Christus isf von den Todten auf-
erstanden. X Und es giengen die Frauen schnell hinweg vom
Grabmale mit Furcht und grosser Freude : sie eilten, um den Jün-
gern zu melden, dass er auferstanden sei. Psal, Christus etc.
X Ehre und Ruhm etc. Psdl. Freuet euch etc.
Nachdem er diess gesprochen, nimmt er eine andere Partikel, die
folgende Qloria, und spricht also:
Das Himmelsbrod will ich vom Tische des Herrn empfangen, und
den Namen des Herrn anrufen.
Er spricht das Jdemento für die Todten , indem er diese Partikel
über dem Kelche hält, dann spricht er:
Herr, mein Gott, gieb, dass ich den Leib und das Blut deines Sohnes
unsers Herrn Jesu Christi also empfange, dass ich dadurch die
Vergebung aller Sünden zu erlangen und mit deinem heiligen
Geiste erfüllt zu werden verdiene, unser Gott, der du lebest und
regierest in Ewigkeit. Amen. Hierauf:
Sei gegrüsst für alle Zeit, heiligster Leib Christi, für alle Zeit die
höchste Wonne.
Hier geniest er die Partikel Gloria, und alle übrigen der Reihe nach;
und er nimmt den K(;lch, und spricht:
Sei gegrüsst für alle Zeit, du himmlischer Trank, d«r du mir vor
allem und. über alles süss bist.
Der Leib und das Bhit unsers Herrn Jesu Christi bewahre meinen
Leib und meine Seele in das ewige Leben. Amen.
Und zu der Ablution sagt er:
Herr, mein Gott, Vater und Sohn und heiliger Geist, gieb, dass ich
dich immer suche und liebe; und durch diese heilige Communion,
die ich empfangen, niemals von dir getrennt werde, denn du bist
Gott, und neben dir ist kein anderer, in Ewigkeit. Amen.
Garns, Span. Kirche. 8
114
Zweites Buch. Viertes Kapitel.
Communion. Gestärkt mit dem Leibe und Blute Christi loben ^mr
dich^ Herr! Allelujah, Allelujah, Allelujah.
ffier wird das Missale hinweggenommen, welches heisst: BL OffC"
rentium, und ein anderes Missale auf die Epistelseite gelegt , und er
spricht die Oration:
Oratio. Herr, allmächtiger Gott, der du das Leben und das Heil der
Gläubigen bist, an den wir glauben, als an den wahren kommen-
den Richter, sei uns gnädig, und die wir dieses Opfer für unser
und der Unsrigen Heil, oder für die Sühnung unserer Sünden,
zur Ehre des heiligen Torquatus und seiner Gefährten dir dar-
gebracht haben, lass uns fühlen, dass die Hilfe dner Erbarmung
über uns ausgegossen werde, dass wir, die wir schon erquicket
sind am Mahle deines Tisches, durch deine reiche Gnade den ewi-
gen Lohn zu erlangen würdig werden, ßr. Amen. — Durch die
Erbarmung etc. Der Heir sei mit mermi euch. 5r. und mit etc.
Die Festlichkeit ist vollbracht im Namen unsers Herrn Jesu Christi.
Unser Gelübde sei angenehm mit dem Frieden. $; Gott sei Dank.
Der Hymnus des Festes (aus der Vesper und den Landes).
1) Urbis Romuleae jam toga Candida
Septem Pont\ficum destina promieai
Missos Hesperiae quos ab ÄpostoUs
Ädsignat fldei priaca relatio ')
2) Hi sunt perspicui Iwninis indices
Torqu<Ua8, Jesifons, atque Hesicius
Hie Indaletius sive Secundus
Juncti EufrasiOf Caecilioque sunt^
3) Hi Evangelica lampade praediti
Lustrant occiduae partis areniia
Quo sie catholicis ignibus ardeantj
Ut cedant facibus fuma nocentia
4) Äccis contintto proxima fit viris
Bis senis stadiis, qua procul insidentf
Mittunt asseckts, esculenta quaerere
Quibus fessa dapibus membra r^ficerent.
5) Illic discipuU idola gentium
Vanis inspiciunt ritibus excoli:
Quos dum agere ßetibus immorant,
Terrentur potius ausibus impüs.
6) Mox insana fremens turba satellitum
In his dum fidei Stigmata nosceret
Ad pontem fluvü usque per ardua
Incursu celeri kos agit in fugam.
7) Sed pons praevalido murice fortior
In partes subito pronus resohitur,
Justos ex manibus hostium eruens
Hostes flumineo gurgite subruens.
8) Haec prima ßdei est via plebium
Inter quos muUer sancta Luparia
Sancios adgreditns oemit ei obsecratj
Sanctorum monita pectore conioeans,
9) Tunc Christi famula adtendens obsequio
Sanctorum, statuit condere fabricam,
Quo baptisterü undae patescerentj
Et culpas omnium grmiia tergeret
10) IlUc sancta Dei femina Hngitur
Et vitae lavacro tincta renascitur.
Plebs hie continuo pervolat ad fidem
Et fit cathoUco dogmate multiplex.
11) Post haec pontificum chara sodaUtas
Partitur properans Septem in UrbibuSf
Ut divisa loeis dogmata fimderent
Et sparsis populos ignibus urerent
12) Per hos ^esperiae finibus indüa
Inluxit fidei gratia praeeoxi
Hinc signis variiSf atque poientia
Virtuäan, homines credere provocat.
') Brisca relatio — eine alte Nachrichl; — also ist auch dieser Hymnus aus einer
spätem Zeit.
Ueber die mosarabische Messe. Das Officium etc.
115
13) Ex Arne jtutUiae fructibus inchfti
Vitam muit^Uci foenore tßnninantf
CoMepti iuMuUs urbibuM in suis,
Sic sparso einen una Corona est
14) Sine te iurba potens unica septies
Orata petimus pectoris abdito
üt vestris predbus sidus in MtHeris
Portemur soeii dvibus AngeUs,
15) Sit Trino Domino ffloriOf unico
Patri cum Genito, cUque ParacHto
Qui sohts Dominus Trinus et Uhus est
Saeculorum vcUide saecula continens. Amen,
Sttpplieatio. Lasset xms beten zu dem Welterlöser ^ unserm Herrn
Jesus Christas, mit innigem Flehen, dass er durch die Fürbitten
des heiligen Torquatus und seiner Gefährten uns die Vergebung
der Sünden und den Frieden schenken wolle. ^. Verleihe es,
ewiger allmächtiger Gott. Kyrie eleison. ]pr. Christe eleison,
Kyrie eleison.
Capitüla. Siehe Herr, wir feiern das Andenken unserer Bischöfe,
durch deren Lehre der christliche Glaube zuerst in unsere Gegen-
den gelangt ist, des Torquatus nemlich, des Lidaletius, Tisefon,
Eufradus, Cäcilius und Esitius, — und flehen dich an, dass du
durch ihre Fürbitten uns von dem Schmuze unserer Verbrechen
befreiest, und mit der Gnade deiner geistigen Gaben uns umfangest,
mit derea Gegenwart du dieses Abendland heimzusuchen dich ge-
würdiget hast. Vater unser etc.
Benedietio. Gott, welcher der herrliche Führer der Reise des Tor-
quatus und seiner Gefährten gewesen ist , möge selbst gnädig euere
V^gehen euch nachlassen. ]|^. Amen.
Und der ihre Schüler durch den wunderbaren Einsturz der Brücke
▼on den Gottlosen erlöset hat, möge euch von allen Versuchungen
fleischlicher Sünden erlösen. T^. Amen. — Damit ihr mit jenem
Feuer des Gektes, mit welchem sie den Namen Christi eueren
Gegenden verkündet haben, das Irdische verschmähen, und stets
das HimmUsche im Herzen tragen möget u. s. w.
Orcaio. Selig sind wahrlich, Herr, und aller Ehre würdig jene, deren
Antheil zu sein du dich gewürdigt hast. Daher möge auf die
Fürbitte deiner Heiligen, des Torquatus und seiner Gefährten alles,
wfts dir in uns nicht^unterthänig ist (quod tibi ex nobis non militatj,
die in uns brennende Liebe zu dem himmlischen Vaterlande voll-
ständig austilgen-; und dann möge una mit diesen Heiligen, deren
Seelen in deiner Hand sind, deine Erbarmung im Himmelreiche
vereinigen: |k Amen.
Aus der Matutiit
%
Anna. P$.S^. OrtOh. Sesp, etc.
Diesü sind, o HeArl die sieben Fackeln, welche dieses Abendland
8*
116
Zweites Bach. Viertei Kapitel.
erleuchteten, die vom Himmel gesendet wurden, um die Nacht des
Unglaubens dieses Landes zu verscheuchen — etc.
Oratio. Gott und Gottes Sohn, das Licht der Sterne, der Glanz der
Gestirne, der glanzvolle Morgenstern, die ewige Klarheit und der
überäiessende Lehrer der Heiligen , möge uns mit dem Stabe meiner
Gerechtigkeit lehren — durch die beständige Fürbitte seiner Hei-
ligen Torquatus und dessen Gefährten, und indem wir in dem,
was sie herrlich gelehrt haben, erleuchtet werden und es vollbrin-
gen, im Perzen es bewahren, damit wir zu dem, was bei dir
hinterlegt ist, was kein Auge gösehen, kein Ohr gehöret, nach
diesem Leben ungefährdet, und von dem Joch der Sünden frei,
gelangen mögen.
Aus den Landes.
Der Hymnus und die Supplicatio wie in der Vesper.
Capitida, Adest domine clara et
eviäem tuorum illa Septem Pontifi-
cum revoluti temporia anniia celebri''
tos, dlma aolemnüa», per quos du"
dum occidentalis plagae novellae fidei
germine praedicationia sarculo plan"
tare dignatus es normam; per quos
nefariae superstitionis coruseantelump"
nis radio effugare dignatus es dogma,
«
His ergo intervenientibus ardeant in
conspectu gloriae tuae desideriorum no^
strorum clibana: deferantur precum
veridica holocausta: aeceptentur votO"
rum pura libamina. His orantibus tri-
buaniur cunctis sacrosancto Altario tuo
deservientibus nivei candoris munditia
cnstitatis : Virginibus almipudoris men^
tis et corporis remuneranda integritas:
coniinentibus et omnibus in commune
fidelibus operis sancti effectus, a te in
futuro examine rite beandus, Tor^
qualus ex his nobis praroget moni^
Es ist, o HerrI die hehre und
glänzende jährliche Feier jener dei-
ner sieben Hohenpriester der alten
Zeit erschienen, die festliche Zeit,
durch welche da vordem die ersten
Pflanzen des Abendlandes durch den
in dasselbe gepflanzten Keim der
Predigt zu erwecken dich gewUrdiget
hast, durch welche du -* mit glän-
zenden Strahlen des Lichtes den
Wahnglaubon zu verscheuchen dich
gewürdiget hast Auf' deren Ver-
mittlung also mögen in dem Ange-
sichte deiner Herrlichkeit die Feuer
unserer Sehnsucht brennen: es mö-
gen vor dir aufsteigen die aufrich-
tigen Opfißr der Bitten; es mögen
dir wohlgefällig seyn die reinen
Trankopfer der Gelübde. Auf ihre
Fürbitten möge allen, die vor dei-
nem heiligen Altare dienen, die reine
Keuschjieit in fleckenloser Schöne
zu Theil werden, den Jungfrauen
die verdienstvolle Unversehrtheit der
hehren Sittsamkeit des Leibes und
der Seele: den Enthaltsamen und
allen Gläubigen iosgesammt die Voll-
bringung ihres heiligen Werkes,
üeber die mozarabische Messe. Das Officium etc.
117
Uum omamenta virttUum: Tisefons
a te, qui es fons vitacy uberrimo doc"
trinae gurgitis, poculo satiet: Incius
sceleris nostri piacula mundet. In^
dalecius judex (index?) bonorum ope^^
tum spiritualium älimenta ministret:
Seeundus futuri advenim tui gaudio
electorum participio jungat: Eufra-
du8 quadrifluo Evangeliorum amne
caiholicae fldei dogmata firmet: Cae-
dlius coetibus Angelorum nos ad"
tociet, Sic quoque plebs älumna sanC'
torum tuorum in Canticis Labiorumj
et Laudis jubiloj festa rite excolenSf
septempliciter dono gratiarum exu"
heretj ui ad id quod oculus non vidit^
nee auris audivit^ quod praeparasti
his qui te diligunt, criminum mole
dempto eihereii sedibus eontutanda
praedictorum ducatu perdueatur ad
regna. Pater nos t er, Liberati a
malo etc. Lauda,, Voa eetis vasa etc.
BenedieHo (alles, wie in der Vesper).
damit du sie nach Verdienst in dem
kommenden Gerichtehelohnest. Von
ihnen möge Torquatus uns die Zier-
den der schmückenden Tugenden
reichen: Tisefons möge uns von dir,
der du die Quelle des Lebens bist,
mit dem reichsten Tranke der strö-
menden Lehre sättigen: Isicius möge
die Befleckungen unserer Sünde
reinigen : Indaletius der Richter gu-
ter Werke möge uns die geistige
Nahrung reichen: Seeundus möge
uns zu der Freude deiner einstigen
Ankunft mit der Gemeinschaft dei-
ner Auserwählten verbinden: Eu-
frasius möge mit dem vierfachen
Strome der Evangelien die Lehren
des katholischen Glaubens bestär-
ken: Cäcilius möge den Schaaren
der Engel uns beigesellen. So möge
denn das Volk der Gläubigen, die
Pfleglinge deiner Heiligen mit dem
Gesänge des Mundes und dem Jubel
des Lobes ihr Fest geziemend be-
gehen, und von dem siebenfachen
Geschenke der Gnaden überströ-
men: damit es zu dem, was kein
Auge sah, und kein Ohr gehört,
was du denen zubereitet hast, die
dich lieben, befreiet von der Last
der Schuld, unter der Führung die-
ser Heiligen gesichert in den himm-
lischen Wohnsizen zu dem Reiche
(der Herrlichkeit) geführet werde.
Fünftes Kapitel.
Das Wander bei Guadlx«
§. 1. Der Weg des Torquatus und seiner Gefährten von Rom
nach Guadix.
Wir finden die Apostelschüler — vor der Stadt Acdy welche zwei
Tagereisen von Älmeria und dem alten Urci, fünf Tagereisen von Car-
thagena^ eine Tagereise von Granada entfernt ist. Sie kamen von Rom.
Welchen Weg haben sie eingeschlagen? Gewiss nicht den Landweg.
Dass sie zur See nach Spanien gekommen^ wird von niemand bestritten.
Wenn man in Südspanien von einer Reise ausser Landes redete, so
dachte man nur an eine Seereise. — Die zu Elvira versammelten Väter
sprechen im Canon 38 von Reisenden, sie sagen aber nicht, die, welche
von ihrem Wohnorte in die Ferne (zu Lande) reisen, sondern die —
welche ;,zu Schiffe in die Ferne reisen*' *). — Es kann also hier nur
die Frage seyn, in welchem Hafen Spaniens sie gelandet haben. Weder
in Tarraco, noch in Gades; wohl auch nichtiin Malaga. Am nächsten
liegt es^ anzunehmen, in Carthagena, wohin man von Rom ebenso gut
in vier Tagen gelangen konnte, wie nach Tarraco, da Plinius bezeugt,
dass man in so vieler Zeit überhaupt von der Seeküste des tarracone-
sischen Spaniens nach Rom gelangen konnte, und da weder Carthago
nova, noch Acci in der Provinz Bätika lag.
Dieses ist denn auch die gewöhnliche Annahme. So sagt der alte
ehrliche Ferreras (f 1735) in seiner Geschichte von Spanien: ^Sie stiegen
allem Ansehen nach zu Carthagena an' das Land. Von dieser Stadt
*) Loco peregre navigantes, — Ebenso Florez 4, 5. Doch scheint es mir gpesucht,
die Worte der Messe des Torquatus: divino gubemaculo comitante — auf eine See-
reise zu deuten.
$. 1. Der Weg des Torqnatns und «einer Gefährten von Rom nach Gnadix. 119
gieng^n sie ungesäumt nach Ouadix, ohne Zweifel (?) in der Absicht,
sich daselbst zu trennen. Kurz vor Guadix lagen sie aus Müdigkeit
stille ^y
Franz Lorinser von Breslau ^ der im Herbste des J. ^854 denselben
Weg gegangen, von Lorca nach Guadix und Granada, führt diess als
spanische Tradition an, dass die sieben Apostelschüler in Carthagena
gelandet, und nachdem sie zuerst in Guadix gepredigt, sei Torquatus in
dieser Stadt als Kschof geblieben, die übrigen hätten gleichfalls bischöf-
liche Size errichtet^).
Doch erhebt sich dagegen die gewidbtige Auctorität des Henr. Florez,
der von der Landung in Carthagena nichts wissen will. Er sagt, die
Lage der alten Hafenstadt Urci (von welcher Lage wir bei Lidaletius
handeln werden), entspreche der Lage von Guadix. Man müsse, da die
Seereise der Siebenmänner eine ausgemachte Sache sei, an einen der
Guadix am nächsten liegenden Seehäfen denken. ;,Wir wissen,^ sagt
er, „aus dem gothischen Officium der Heiligen, dass sie an dem Punkte
von Spanien, an welchem sje anlangten, sich in der Nahe der erwähnten
Stadt befanden. Acci war unverzüglich ganz nahe den Männern ^).^
Wenn sie nun in einem der beiden Seehäfen Urci oder Portus Magnus,
welches dem heutigen Almeria entspreche, an das Land gestiegen, so
waren sie hi^ der Stadt Guadix am nächsten^). Von dort, d. h. von
Urci oder Almeria seien sie zu Fuss nach Guadi^ gewandert. Vom
nächsten Seehafen bis Guadix seien es 13| Leguas gewesen.
Das alte Urd lag in der Nähe der alten Stadt Barea, des heutigen
Vera, an der Mündung und der linken Seite des Flusses Almanzora*
Von hier, wie von Almeria — sind es zwei Tagereisen nach Guadix.
Von dem alten Castulo lief die römische Heerstrasse nach Malaga und
Gades über Acci, und von da in ^er weiten Ausbiegung nach Süd-
osten über Urci, und sofort von hier aiis beständig in der Nähe des
Mittelmeeres nach Malaga. Von Guadix nach Abla, das in dem Itinerar
des Antonin Alba heiast, waren es 32 römische Meilen. Nach Madoz
ist das heutige Abla sechs spanische Leguas von Guadix entfernt, was
eine kleine Tagereise ausmacht. Von Alba gieng die Heerstrasse nach
Urci (wo heute der Weiler Villaricos von 317 Seelen im Gerichtskreise
von Vera liegt) , und die Entfernung vnrd auf 24 Miglien angegeben *).
») Ferreras, Geschichte von Spanien bis 1598, Madrid 1700^1727 in 16 Bden. —
Deutsch von Baumgarten. Halle 1754—1772, I, S. 351.
*) Lorinser, Reiseskizzen aus Spanien, 4Bdchen, 1855 und 1858. Bd. II, S. 73^
ha dridad antigtta de Cartagena fue la porta aureä por donde entrö en Espanna la
Evangelica docirina — s. P. Morote Perez Ghuecos, Geschichte von Lorca, 1741,
p. 99-101.
') Accis continuo proxima fit viris,
*) Florez 4, 5.
*) lÜMTorimi AnUnMf ed, Porthof ei Pbuier, BeroL 1848^
120 Zweites Bueh. Fünftes Kapitel.
Da wir die Biegungen dfer alten Strasse nicht kennen , so dürfen ^r,
mit Rücksicht darauf, was in dem nächsten Paragraph über die Entfer-
nung von Baza nach Guadix gesagt werden wird, deii Weg von Alba
nach Urci für eine Tagereise erklären.
Gleichfalls sind es auch heute noch zwei Tagereisen von Almeria,
wenn hier Portus Magnus lag , nach Guadix. Von einer directen Strasse
aber zwischen Portus Magnus und Acci wissen die alten Quellen niehts —
und Florez spricht zudem die Meinung aus (der ich nicht beitrete), dass
die römische Heerstrasse so weit nach Osten, bis Urci, gelaufen sei,
weil sie der Sierra Nevada ausweichen wollte. Sei dem, wie immer,
von Urci wie von Almeria waren und sind es zwei Tagereisen nach
Guadix, und von keinem Punkte der Meeresküste kann man in weniger
als zwei Tagen nach Guadix gelangen, wie denn auch — Ptolemäus —
Acci zu den im Innern des Landes gelegenen Städten der Bastitaner
rechnet.
Will man das Wort: continuo — „unverzüglich*' kamen sie nach
Acci, wörtlich nehmen, so — passt es auch auf die Entfernung von
zwei.Tagereisen sowenig, wie von fünf Tagereisen. Will man es wört-
lich nehmen, so müsste man annehmen, dass die Siebenmänner wie durch
ein Wunder in einem Nu gleichsam durch die Lüfte vor die Stadt Acer
geführt worden seien, so dass es scheinen konnte, Acci sei ihnen selbst
entgegengekommen. — -. Eine solche Annahme findet sich nirgends. Wohl
aber würde sich dann in dem Berichte ein Widerspruch finden, indem
er meldet, dass ihre Glieder vor Anstrengung der Reise gleichsam auf-
gelöst gewesen, und sie sieh vor Acci niedergelassen haben — wie solche,
deren Kräfte auf das äusserste erschöpft waren.
Also muss „continuo^ einen andern Sinn haben. Wir können es
übersezen: sie kamen unverzüglich nach Acci'), d; h. sie blieben in
Carthagena, wo sie landeten, keinen Augenblick, sie hielten an keinem
Orte des Weges zwischen Carthagena und Acci an, sie machten nir-
gends einen Versuch, zu predigen^ indem sie, ihrem erhaltenen Auftrage
gemäss, in das Innere des südlichen Spaniens eilten — in der Richtung
der Städte Castulo, Cordova, Astigi und Hispalis, wo nach der Erfah-
rung und Ueberzeugung des Apostels Paulus sich ihnen das reichste
Feld apostolischer Thätigkeit darbot.
§. 2. Der Weg von Basti nach Acci (Baza nach Guadix).
Die grosse Heer- und Handelsstrasse Spaniens, genannt die Strasse
des Herkules, lief von Emporias und Tarraco über das grosse Esparto-
feld , bis gegen Neucarthago , von da südwestlich über Lorca (Eliocroca)
') Condnuantibua üer obviam fit Aoei,
J. 2. Der Weg yon Basti nach Acei (Baia nach Gnadix). 121
und Baza nach Guadix. Bei Nencarthagö, dem Haupthandelsplaze des
alten Spaniens nach Cadix, verliess die Strasse die Nähe des Meeres,
und durchzog quer den südlichen Theil der Provinz Tarraconensis, der
zwischen dem Meere und Bätika liegt, das heutige Hochandalusien, die
unfruchtbare, nur von einzelnen fruchtbaren Thälem durchzogene Steppe. '
Von Neucarthago nach Eliocroca oder Lorca giebt der römische Reichs-
wegweiser 43 Meilen Entfernung an, von da nach der Station ad Morum
[heute wohl Chirivel]*) 24, von hier nach Baza 16, von da nach Guadix
26 römische Miglien. Willkomm giebt die Entfernung von Baza und
Guadix auf 10 Stunden an, d. h. auf eine Tagereise. Demnach waren
es von Neucarthago nach Guadix 4 — 5 Tagereisen. — Eine unter*
suchung, ob die wirkliche Entfernung von Neucarthago und Guadix 109
römische Miglien, oder etwa. — 42 Stunden betrage, können wir nicht
anstellen. Cort^s hilft sich damit, dass er sagt, die Entfernung von
ad Morum und Basti müsse auf 75, statt 25 römische Miglien angenom-
men werden^). Solchen willkührlichen Hypothesen können wir nicht
folgen. Für uns begründet es keinen unterschied, ob man die Entfer-
nung von Guadix und Carthagena — auf vier, fünf oder sechs Tage-
reisen ansezt. Dieselbe Richtung, wie zur Zeit der Römer, hält heute
noch die Strasse von Carthagena und Lorca — nach Guadix ein; sie
verfolget theilweise einen von der Natur ihr selbst vorgezeichneten Weg,
und sie verfolgt den alten Weg, weil die alten Städte Eliocroca, Basti
und Acci heute noch an ihrer alten Stätte stehen. Erst in Guadix ver-
lässt die heutige Strasse die alte Richtung der römischen Strasse.
Die Strecke der Strasse von Neucarthago bis Acci, wo mehrere
Strassen sich durchkreuzten, und wo ein grosses Strassennez zusammen -
und auseinanderlief, war nahezu der belebteste , der begangenste und
be&hrenste Weg in ganz Spanien. Denn was von Gallien und Italien,
was vom ganzen Osten und Nordosten Spaniens zu Land und See kam,
was in der Richtung der fruchtbarsten Provinz Bätika, in der Richtung
>) Es giebt eine Schrift im Manascripte, welche beweisen will, dass das römische
Morus zwischen Baza und Lorca der Ort Chirivcl sei, den ich aber bei Mudoz
nicht finde — s. Diodonario von Munoz — p, 196, — Dagegen kommt das
Dorf bei Fr. Lorinser vor — I, S. 287, sowie bei Laborde.
*) Die Entfernung von Carthagena nach Lorca — 12Leguas, von Baza nach Gua-
dix — 7 Leguas, von Velez-Rubio nach Baza 11 Leguas, von Lorca bis Velez*
Rubio — 7 Leguas — zusammen 37 Leguai, wäre etwa 52 Wegestunden. —
Dagegen sagt Hacklander, eine Legua sei stark 14 deutsche Meilen. Hack*
länder, ein Winter in Spanien, 1,306. Nach Fr. Lorinser ist eine Legua eine
kleine deutsche Meile — } einer geographischen Meile. 7 — 9 Meilen sind eine
Tagereise. Lorinser, 1,235. — 10 Tage braucht man von Valencia nach Gra-
nada. ^* S. Dicdonario geogn^fieo'histarieo de la £tpanna antigua, v. Corles, t 3,
(1836) — p. 203 (Ad Morum), Nach Laborde sind es gleichfalls 67 Leguas
von Carthagena nach Guadix.
122 Zwtltm Bncb. Fünftes Ki^itoL
ist grossen nnd berOhmten Städte Castulo, Malaga, EmeritSy Corduba,
Astigis, Hispalis, Grades — und so vieler anderer reisen wollte oder
sollte, war auf diese grosse Pulsader des Verkehres angewiesen ^). Auf
dieser Strecke umd an dieser Strasse begegnen uns auch die ersten Glau*
bensboten, die von Rom aus das Evangeliam in Spanien predigen
sollte ^).
Mnzelne Oasen oder Flussthäler abgerechnet , war und ist aber diese
Gegend, welche von Yeles-Bubio an — Hochandalusien heisst, ein
rauhes, unfruchtbares und unwirthliches Land. Dieses gilt besonders von
dem Wege zwischen Baza und Guadix. Wilde Gebirge erfüllen den
grössten Theil der Oberfläche, nemlich die eisgekrönte Sierra Nevada,
und die in drei Abtheilungen zerfallende Hochebene von Guadix, Baza
und Huescar ^). Der Weg von Baza bis Guadix führt über die Sierra
de Baza, und die kleinere Sierra de Gor.
Die Hoja de Baza (die Grube von Baza) ist, mit Ausnahme der
Thäler des Rio de Baza, Rio de CuUar, Barbata und Guardal, weder
bebaut, noch bewohnt, eine öde, nackte, schattenlose, kreideweisse Mulde
ohne Trinkwasser, von 10 Meilen Länge und 2| Meilen Breite. Sobald
man den Fluss von Baza überschritten hat, gewahrt man auf eine Ent-
fernung von fünf Stunden keinen Baum, keinen Strauch, noch eine
menschliche Wohnung. Die Steppe erscheint wie ein von der Sonne
beschienenes Schneefeld, durch die kleinen Würfel von Eochsalzkrj-
stallen, welche die Steppe bedecken ^). Ziemlich in der Mitte des Weges,
nemlich drei Leguas von Baza und vier Leguas von Guadix, befindet
sich die Venta del Baul, welche heute als Haltpunkt auf der Tagereise
von Baza nach Guadix gilt Der Weg von hier bis Guadix ist sehr
mühsam^), wild und öde.
„Der Weg von Baza an*', sagt Fr. Lorinser^), „der mitunter tiefe
Schluchten durchschneiden musste , war schlecht und steinig. Gegen zehn
Uhr gelangten wir in eine tiefe, wilde Gebirgsschlucht, die von allen
Seiten von gigantischen Felscolossen eingeschlossen war, und in deren
Tiefe die sogenannte Venta del Baul lag. Hinter der Venta war die
Strabo, 3, 158. Neucarthago ist der grösste Stappelplaz sowohl der über-
seeischen Waaren für die im Bionenlande Wohnenden, als der dort heimischen
für alle Auswärtigen.
*) Jezt ist es hier sehr öde geworden. »Auf dem ganzen Wege zwischen Murcia
und Granada sind wir keinem einzigen Wagen begegnet.« Fr. Lorinser, 1, 265.
') Moriz Willkomm, die Strand- und Steppengebiete Spaniens. Leipzig 1852, S. 44.
^ Willkomm a. a. O. S. 92 — 93. «Am 11. Juli 1845 verliess ich Baza; um 11 Uhr
Vormittags hatte in der Steppe die Hize 46 Grade erreicht«
*) Franz Lorinser, Reiseskizzen aus Spanien, 1, S. 302. — Die vier Leguas,
welche von der ^Venta del Baal bis Guadix gerechnet werden , waren sehr
lang.
•) S. 300.
$. 3. Das Thal tod Gaadlx. Die Lage der Stadt, und das Gebirge über ihr. 123
Gtegend Me, ein walires Faramo (wüste, anangebaute Landgegend);
hin und wieder zeigten sich Getreidefelder — nebst riesenhaften Disteln.
Die yier Leguas von del Baul bis Guadix waren sehr lang ^),^
^Alimälig senkte sich die Hochebene zu einem Thale nieder. Eine
äusserst sonderbar gezackte und felsige Mauer von spizigen, wild zer-
rissenen, pyramidenförmigen Kegeln von nicht bedeutender Höhe ver-
deckte das Thal von Guadix. Ein schauerlicher Hohlweg führte durch
diesen scheinbaren Felsengürtel , dessen Theile indess nur aus weicher,
br5cklicher Erde bestanden, die ganz unfruchtbar und vegetationslos
war, in vielen Windungen in das Thal von Guadix hinab, das — von
den Strahlen der beinahe untergehenden Sonne beleuchtet, nun vor uns
lag, ein Anblick, der mir unvergesslich bleiben wird.^
§, 3. Daß Thal von Guadix. Die Lage der Stadt, und das
Gebirge über ihr.
„Zu den Füssen lag, lang gedehnt, die stattliche, tburmreiche Stadt^
von malerischen Mauern umschlungen. Unmittelbar hinter derselben
erhob sich ein Gürtel von eben solchen wildzerrissenen , spizigen Pyra-
miden, wie wir so eben mittels des Hohlweges durchschritten hatten,
bräunlich roth und finster drohend über die Thürme der Stadt hinweg-
ragend, ein unbeschreiblicher Anblick, von dem kein Vergleich
eine Darstellung geben kann. Vor der Stadt breitete sich in der schmalen
Ebene eine üppige, überaus liebliche Huerta aus, die mit ihrem dicken
Buschwerk wie ein paradiesischer Garten die Stadt umgab*).*
In drei verschiedenen Schriften beschreibt Moriz Willkomm die merk-
würdige Lage von Guadix, in seinen Reiseerinnerungen aus Spanien,
seiner ^pyrenäischen Halbinsel*, am ausführlichsten in seinen Strand -
und Steppengebieten Spaniens. — Die ärmeren Klassen der sehr zahl-
reichen Bevölkerung in den Thälem von Guadix wohnen in Höhlen der
Erde. Manche Ortschaften, wie z. B, PuruUena (auf dem Wege nach
Granada) bestehen zum grössten Theile aus Höhlen. — j,Am meisten
überrascht,* sagt er^ „der Hauptort des Plateau, die alte Maurenstadt
Guadix, welche im Schoosse eines äusserst fruchtbaren Thalkessels ruht,
übei" dessen üppiggrüne Baumpflanzungen auf allen Seiten die nackten,
■) Ebenso M. Willkomm, Reiseerinnerangen, Bd. 3, S. 70 flg. Die Gegend wurde
von Stunde zu Stande öder, die Hiz« anerträglicher. Ausser einigen grau-
grünen StlzpAanzen war weil und breit keine Spur organisehen Lebens zu
entdecken. In der ganzen .Umgegend giebt es stundenlireise kein trinkbares
Wasser. (Anf der ganzen Streeke von Baza nach Gnadijc liegt kein Porf und
kein Weiler.)
*) liorinstff, 1, d03*-4
124 ■' Zweites Btteh. Fünftes Kapitel.
braunrotben, abenteuerlich gestalteten .Wände der öd^i St^pe empor-
ragen ').^
;,Guadix hat ein alterthümlichesy doch nicht maurisches Aussehen.
Unter seinen Kirchen ^seichnet sich namentlich die bischöfliche aus, ein
hocbgethürmtes Gebäude von gothischer Ba.uart. Die Umgegend ist, so-
weit es die funbedeutende?) Breite des Thaies, und die (geringe?)
Wassermasse des Flusses gestattet, sorgfältig bebaut, und blickten nicht
auf allen Seiten die braunen Hügel der Diluvialformation zwischen dem
Grün der Gärten hervor, so würde man kaum glauben, inmitten einer
sonnverbrannten Hochebene zu se3m^).'
tf
§. 4. Der Fluss von Guadix, und die Lage der Stadt an ihm.
Die beiden Nebenflüsschen Rio de Gor und Fardes.
Zwei mit zahlreichen Zuflüssen begabte Gewässer, der Rio de Guadix
und der Rio Barbata, aus deren Vereinigung der Guadiana menor, einer
der Hauptzuflüsse des Quadalquivir, entsteht, durchschneiden die Steppe
von Hochandalusien. Der Rio de Guadix durchströmt die westliche
Hälfte. Der Fluss von Guadix entsteht aus 27 Bächen, welche grössten-
tbeils von der Sierra Nevada herabströmen. Südlich von Guadix laufen
16 dieser Bäche zusammen'). Trozdem ist der Fluss von Guadix nur
ein grosser Bach. £r hat zwei bedeutende Zuflüsse in der Nähe von
Guadix selbst. Von der rechten Seite strömt in ihn der Rio de Gor.
Nach Fr. Lorinser ist es ein klarer, wasserreicher Gebirgsbach ^) ; er
mündet gegenüber der Stadt in d^n Fluss von Guadix, in der Mitte der
beiden Strassen , welche von Almeria und von Baza kommen ^).
Der zweite bedeutendere Nebenfluss ist der Rio Fardes. Er ent-
springt auf dem Gebirge zwischen Granada und Guadix, näher bei er-
stcrer als bei Iczterer Stadt — die Fntfernung der beiden Städte beträgt
neun Leguas. — ]^r strömt in östlicher, dann nordöstlicher Richtung,
h^t einen Lauf von etwa 5| Leguas, bewässert die Markungen von
Diczroa, la Peza, Gra^na und Burullena, wo er ^von der Strasse nach
Guadix sich nordöstlich entfernt, und mündet eine Stunde nördlich von
der Stadt in den Rio de Guadix.
Yon diesem Fardes nun behauptet Pedro Suarez, d^ Geschieht«
') Willkomm, Strandgebiete, S. 92 — Reiseerinnernngen, 3,69.
•) Reiseerionerungen^ 5,70 — 71.
') Ma<ioz ~ UDter Guadix. Willkomm, Strand- und Steppeogpebiete, S. 90.
*) Bei der Yen ta de Qor (Gor beisst ein. kleines Pueblo, das man links vom
Wege in einem FeUentbale liegen sieht) rieselte ein klarer wasserreieher Ge-
birgsbacfa neben der Strasse, was in Spanien ebenfalls zu den Seltenheiten ge-
^ rechnet werden muss. '
*) Nach der Reisezeicbnung des Weges von Mnrcia nach Granada von Laborde.
$. 4. Der Flttst von Guadix, und die Lage der. Stadt an ihm. 125
schneiber des* Bisthmnes Guadix und Baza, tind nach ihm Henr. Flörez^
dass die eingestürzte Brücke über ihn erbaut gewesen isei. . Die Stadt
Guadix liegt heute an der linken oder westlichen Seite des Flusses von
Guadix / so dass diejenigen, welche «- ih alter und neuer Zeit -^ vom
Carthagena — herkommen , den Fluss von Guadix voriier überschreiten
mussten, ehe sie nach Guadix gelangten ');
Suarez^) behauptet in seiner Kirchengeschichte von Guadix , dass
die Stadt nur ihren alten Namen verändert, dass sie aber ihre alte Lage
nicht verändert habe« Florez meint, dass weder die Ansicht des Yasäus
noch des Suarez ein Gewicht habe^). ^ Das alte Acci habe an dem
Orte gelegen, den man Guadix el viejo (Guadix das alte) nenne, ein
Ort, welcher 4 einer spanischen Legua — etwa !■}• Stunde vom.jezigen
Guadix entfernt sei, in der Richtung von Nordosten, und etwa ■}• Legua
von dem Bio Fardes, der im Osten von Guadix fliesse, indem er die
Stadt im Westen habe, wobei Florez auf seine Karte in Bd. 5, S. 49
verweist« Aber diese Karte ist völlig unrichtig. Sie lässt den Rio Far-
des, statt von Westen, von Südosten kommen.
Zweitens beruft sich Florez auf die Erzählung des Wunders von
Guadix, womach zwisdien den Siebenmännern und der Stadt die Brücke
war. Diess anzunehmen nöthigt die Erzählung nicht« Die Heiligen
konnten die Brücke überschritten haben, und sich an derselben Seite
befinden, wo die Stadt lag. Nun aber stürmte die Menge gegen sie
hera&, und sie giengen wieder über dieselbe Brücke zurück.
Drittens beruft sich Florez auf Suarez, der behauptet, dass die in
Frage stehende Brücke nicht über den Fluss von Guadix, sondern über
den Fardes gegangen sei. Denn nach deir Vereinigung des Rio Alhama
mit dem Fardes zeigen sich bei lezterem Trümmer einer alten Brücke.
— Allein der Bach Alhama- geht in den Badh Fardes bei PuruUena« Diesa
liegt jedoch im der Strasse von Guadix nach Granada, eine Legua west^
lieh von Granada. Weder Suarez noch Florez scheinen eine Lokal-^
kenntniss von Guadix und den benachbarten Bächen gehabt zu haben;
denn sie verwirren alles«
Was bedeutet es femer, dass an irgend einem von den 27 Bächen, oder
60 Rinnsalen ^), die in der Gegend von Guadix rinnen oder ausgetrocknet
So die Schriften und die Karten. Nur hat miefa Willkomm eine Zeit lang:
unaicher gemaeht, weil er in seiner grossen und genauen Karle Spaniens (Strand-
und Steppengebiete) die Stadt Quadix an das rechte Ufer sezt. Alle andern
mir. vorliegenden garten, z. B. von Laborde, von Sohr und Handtke (von Berg-
baus 1855) sezen die Stadt auf die linke oder weslUehe Seite«
*) Hißtoria del ohispado d€ Quadix jr BoMttf ucrda pwr d' Dr. D, Pedro Suart», ca^
peüan de Sa Majeaiad, en la et^iUa dt Im SJS, Reyea nuevo» de Toledo, Madrid
1696. fol p, 39.
^ Espanna aagrada, 7, 4 eqq,
*) Willkomm, Zwei Jahre in Spanien, 3,68.
126 ZweiMs Bvdi. Fttnftes Kapitel.
sind; irgendwo ein aker Brückenüberrest sich findet? Kann Jemand
im Ernste glauben^ dass in Acd, einem Hauplmittelpmikte des Verkehres
für ganz Spanien , die eingestürzte Brücke nicht alsbald ^eder berge*
stellt worden sei, dass man die Trümmer — Trümmer seyn, und den
ganzen Strassenverkehr liegen gelassen habe?
Seine Hypothese hat Florez später selbst aufgegeben^ er hat sie als
einen Irrthum widerrufen, als er nach Guadix kam, und die Lage der Stadt
und Umgegend in Augenschein nahm. Der Pater Fr. Mendez schrieb ein
Leben des H. Florez, der im J. 1773 zu Madrid starb ^). Darin erzählt
Mendez, dass Florez später selbst nach Guadix gekommen und seine Lage
kennen gelernt habe. Er habe vor mehreren Canonikem erklärt, dass er sich
ün Gewissen v^pflichtet halte, dasjenige zu widerrufen^ was er in seinem
siebenten Bande darüber geschrieben, ob das alte Acci an der Stelle des
heutigen Guadix liege, da er es nun mit seinen eigenen Augen gesehen,
— und dass er nun offen bekenne, er sei im Irrthume gewesen, und
seine jezige Ueberzeugung sei, dass das alte Acci das gegenwärtige
Guadix sei , ohne den mindesten Zweifd ^).
Wenn nun Florez dieses zugiebt, so ergiebt sich zugleich die weitere
Unmöglichkeit, dass die Siebenmänner statt von Osten, d. h. vpn Car-
thagena her, von Süden, d. h. entweder von Urci oder von Almeria her
kamen. Florez ist hierin schwankend. Nach Orbaneja und Echeverz ^),
den Geschichtschreibern von Almeria, haben sie in Almeria gelandet.
Li beiden Fällen kamen sie von Südosten, mussten, wie es die heutige
Strasse von Almeria nach Guadix beweist, südlich von Guadix über den
Rio de Guadix gehen, und hatten dann^ an der linken Seite des Flusses
gehend, die Stadt so vor sich liegen, dass sie dieselbe nicht umgehen
konnten; dass sie entweder zurückgdien, oder durch sie hindurchgehen
mussten. Dagegen, wenn sie von Nordosten, Westen oder Norden
kamen, und weiter reisen wollten, brauchten sie die Stadt nicht zu be-
rtihren. — Diesen Eindruck aber macht der Bericht über sie, dass sie
ausserhalb der Stadt bleiben, und nachdem sie ausgeruht und Nahrung
zu sich genommen, weiter reisen wollten.
') Noticias sobre la vida y escrttoa del P. Fr. Enrique Florez ~ p. 248,
^) Paff, 248. „Se persuadüö y convenciö, confessando Uanamentey qtie hMo errado, y
gue oH sß habia de estar ä que d antiguo Acd ea el Quadix aetual, ain ninyuna
diqmta,^ Im J. 1860 kam das Werk neu heraas -^ ah ^. edieion, gue can notas
y adichnes publica la real Aoademia de la hisiona, Madrid — Sa$iehez — 1860 —
in 4. de XX et 446 pp. (erste Ausgabe von 1780). — cf. Brunet, Manuel du
Ubraire, 5. Edition, t. 2, 1861, p. 13&5.
') Die Titel ihrer Werke siehe in dem Kapitel »Indaleeius«. '
$. 5. Die BiDEelnlieiteii des Vorganges. 127
§. 5. Die Einzelnheiten des Vorganges.
Die Siebenmänner waren von Müdigkeit erschöpft« Denn — sagt
„iküc Leben in einem alten ComplutenBer Lectionar'^ ') — ihre Glieder
waren durch die Länge des Weges ermattet, und sie wollten durch Aus-
ruhen sich für die weiteife Beise stärken. Wenn es in dem mozarahi-
schen Hymnus heisst, dass ihnen Acci unverzüglich entgegenkam^ — ^o
ist hier von der weiten Reise , und der dadurch erfolgten Erschöpfung
die Rede. Diese äusserste Erschöpfung der Siebenmänner erklärt sich
sowohl von der weiten und mühsamen Landreise von Carthagena, als
besonders von dem trostlosen Wege von Baza, der aus diesem Grunde
oben genauer beschrieben worden ist. Wegen der afrikanischen Hize
in diesen Gegenden reist man entweder in der Nacht ^) , oder wenn am
Tage^ so geht man am frühesten Morgen fort, hält um zehn oder eilf
ühr des Morgens an, und ruhet die heissesten Stunden des Mittags aus.
Wenn nun die Siebenmänner in der Thalschlucht der Venta del Baul
ausgeruht hatten, so kamen sie nach einem sechsstündigen äusserst müh-
samen Weg gegen Mittag vor Guadix an, imd wollten in dem kühlen
Schatten seiner Alameda, welche damals nicht Alameda hiess, jedenfalls
aber, wie heute, um den j^Eluss des Lebens'^ — Guadix bedeutet ;9der
Fluss des Lebens*' — erblühet und erwachsen war, ausruhen^).
Sie liessen sich aber nieder — etwa zwölf Stadien von der Stadt. —
Das Stadium hatte, nach Plinius, 125 Schritte^). Also machten acht
Stadien eine römische Meile aus. Damit stimmt auch Isidor von Sevilla
überein. Florez rechnet vier römische Meilen auf eine spanische Legua,
während nach Isidor eine Leuca (woraus Legua und Lieue entstanden
ist) nur 1,500 Schritte beträgt Die Siebenmänner liessen sich also
H römische Miglien, eine Viertels- und eine halbe Viertelslegua, gegen
eine halbe Wegesstunde, von Guadix nieder. — Zwei Leguas noird-
östlich von der Stadt befindet sich die Einsiedelei San Torquato^ wo
') Qut cttm proctU ab urbe qtuui siadia 12fatiffütU artubus re^ediuentf ut membriSf quas
fuerant itmeris prolixitaie confecta, pauUaper indtUgerent, et sese animantibua in quo
longfumu (id quod Umgaenwn) iter adtriverat, qmeacendo r^ficerent, atqtte arttpto
caU» mkuiObiUUr gradirmtur,
>) Willkomm, Zwei Jahre in Speien, 3,81.
') Willkomm: Um 12 Uhr ^elan^en wir, halb verschmachtet vor Durst, und mit
entzündeten Äugten, nach dem Städtchen Cullar de Bazaj-Jind warfen uns
unter den ersten Bäumen seiner Veg^a nieder, um Siesta zu
halten. — üngbumn, Ohuaire du mots (upagnoU 4t parL dirw4$ de Varabe,
Leyde 1861 ^ p, XXI, Wddi ach « GuadiM (sf^rich iss) — Lebensfluss.
*) PUniua, Hist n. 2, 23, — Isidor EtyntoL 15, 16. -• MüHarium 1^000 pauäm ter-
nmatur, Stadium 8 pagn miXtmü mi oomSom ptißtSImB 125.
128 Zweifel Baeh. Fünftes Kapitel.
nach der Tradition Torquatus das Martyrium erlitten haben soll *). —
Diess kann jedenfalls nicht der Ort seyn, wo die Siebenmänner aus-
geruhet haben. Dia Stelle selbst !näher nachzuweisen bin ich nicht in
der Lage, weil ich in Guadix nicht gewesen, und die alten Karten,
welche die römischen Strassenzüge angeben, nicht genau genug sind.
Es geniige zu bemerken, dass damal$, wie heute, die von Baza kom-
mende Strasse nicht in die Stadt hineinführte, sondern nördlich an ihr
vorüber. Wer also von Carthagena kam, und nach Bätika oder nach
Castulo weiter reisen wollte, kam nicht in das Innere der Stadt.
Nördlich von Acci, und sicher an der Brücke, von der hier die
Rede, kreuzten sich wenigstens vier, wenn nicht fünf und mehrere
Strassen. Der Geograph Forbiger Tässt nördlich von Acci fünf Strassen
zusammenlaufen. Davon eine nach Basti -Carthagena, eine — durch Acci
— hindurch nach Alba und ürci, und drei Strassen nach Norden, die
in Castulo aus- und zusammengehen^). — Spruner hat auf seinen Karten
über Spanien keine StrassehzQge, dagegen giebt er mit grosser Genauig-
keit und Treue die Lage der Stadt an der linken Seite des Flusses
gegenüber dem Bache von Gor an^). Die Karten in der Espanna sa-
grada sind unbrauchbar. — Heinrich Bjepert von Berlin hat eben seinen
alten Atlas neu herausgegeben*). Er lässt in Acci, genauer im Norden
der Stadt vier Strassen zusammenlaufen, darunter eine über Elvira nach
Sevilla, deren Existenz zwar sehr wahrscheinlich ist, für welche ich
aber bis heute die Zeugnisse nicht habe finden können.
Wir begnügen uns darum zu sagen, dass die Strasse und die Brücke^
über welche die Siebenmänner giengen, nördlich von Acci war, dass
sie nach der Richtung des Weges, den sie eingeschlagen, die Stadt nicht
zu berühren hatten , dass wir aber nicht nachweisen können, dass von
hiär aus die Entfernung der Stadt eine halbe Stunde betragen habe.
Diess aber scheint mir sicher, dass sie denselben tiefen Hohlweg
herabgekommen, den Franz Lorinser beschrieben hat. Diesen Hohlweg
hat als Weg nach Acci von Basti her entweder die Natur oder düe Kunst
gegraben. Jedenfalls haben die Römer an diesem Hohlwege gearbeitet,
und ihn wegsamer gemacht, als sie die alte Strasse, die von Tarraco
nach Castulo und Cordova über Egelastä und die Sierra Morena führte,
liegen liessen, und die neue Strasse über Lorca, Baza und Guadix nach
Castulo und Cordova bauten. Wenn auch im Laufe der Jahrhunderte
die Strasse wieder zerfiel und selbst verödete, so blieb doch der tiefe
Hohlweg, den Natur oder Menschenhand in das zerbröckelte Gestein
*) Madoz 9. V, Guadix,
*) Reichardi orbis terrarum nntiguus ^— denuo duaripius ab Alb, Forbingefe, 5. tdiiw -^
Normhergae — 1S5S ■— Hispanta,
*) SpruMTf Orbü terrarum antiquus,
*) Athi anäquua -^ von H, Mepert -^ 2^ Aufl. 1861. .
$. 6. BemerlceaBwerthe Analogleen aus der neuesten Zeit. 129
•
der SierrA de Gror eingegraben haben, damit der Weg in das Thal von
Guadiz erleichtert und geebnet werde. Dieser Weg nun führt auch
heute noch im Norden der Stadt Guadix durch die Huerta über den
Fluss, so dasS) wer von Ba^a her nach Granada reiset, nicht nach Guadix
kommt.
§. 6. Bemerkenswertlie Analogieen aus der neuesten Zeit.
Franz Lorin ser war am frühen Morgen in Baza aufgebrochen, hatte
in der Venta del Baul seine Siesta gehalten, aus der er von einem deut-
schen Landsmann lieb und unlieb aufgeweckt worden, und war bei sin-
kender Sonne in das Thal von Guadix niedergestiegen. Er nahm seine
Einkehr in der Posada del Sol, die nördlich von Guadix und ausserhalb
der Stadt liegt; er konnte in der Abendkühle nur verlangende Blicke
nach der Stadt hinüberwerfen. »Vor der Stadt, '^ sagt er, „breitete
sich in der schmalen Ebene eine üppige überaus liebliche Huerta
aus (ein Gartenland), die mit ihrem dicken Buschwerk wie ein paradie-
sisdier Garten die Stadt umgab. Leider war es unmöglich, die
Stadt noch in Augenschein zu nehmen.*^ (Er blickte von seiner Posada
nach der Stadt, und es fiel ihm u. a. eine auf einer kleinen Anhöhe
gelegene Kirche in die Augen.) — „Ohne die Stadt betreten zu haben
— die Posada lag noch ausserhalb ihrer Mauern — entfernten wir uns
von derselben, wie wir gekommen waren, durch ihre lieblichen Gärten*).*'
Lorinser hatte nicht die Zeit, in die Stadt zu gehen, weil er an
demselben Tage nach Granada kommen wollte. Jedenfalls muss dem-
nach die Entfernung der Stadt von der Strasse nicht unbedeutend seyn,
weil der Weg dahin und zurück allzuviel Zeit in Anspruch genommen
hätte.
Die Siebenmänner, die im Schatten der Huerta ruheten, schickten
ihre Begleiter, wenn man will ihre Bedienten in die Stadt, um Lebens-
mittel zu kaufen. Das ist in Spanien uralte Sitte, so zu reisen. Moriz
Willkomm verliess eines firühen Morgens Granada, um an demselben
Tage noch nach Guadix zu kommen ; er musste aber in dem mehr-
erwähnten Dorfe Purullena übernachten, das eine Legua von Guadix
entfernt ist. Des andern Morgens wollte er über Guadü^ oder vielmehr
an Guadix vopiber weiter nach Baza reisen.
Auch er ruhete aus in dem kühlen Schatten der Huerta nördlich
von Guadix, wie die Siebenmänrier. Noch mehr; er that dasselbe, was
jene; auch er schickte in die Stadt, um Lebensmittel dort zu kaufen.
Er sagt: »Während mein Bedienter in die Stadt (Guadix) hin-
') Lorinier, Bekeskizzen, 1,304 --'5. .
OiunB, span. Kirehe. 9
130 Ziireitefl Buch. Fünftes Kapitel.
eingieng, um lebensnittel zu kaufen, hatte ich Müsse, im kühlen
Schatten der Alameda die Stadt und ihre Umgebungen zu betrachten.
— In Guadix scheiden sich die Strassen nach Murcia und Almeria, jene
geht nordwestlich*).^ Diese Strasse schlug Willkomm ein, darum kam
auch er nicht in die Stadt hinein.
Moriz Willkomm konnte nicht ahnen , wie willkommen sein Bericht
einem Geschichtschreiber der Einführung des Christenthumes in Spanien
sei. Jedenfalls hat er nichts gewusst von der alten Geschichte der
sieben Apostelschüler, und als Protestant hätte er kaum einen Werth
darauf gelegt. Um so werthvoller aber ist uns nun sein eigener Bericht
über sich, weil er ein unbewusster Zeuge der Wahrheit, oder wenig-
stens Wahrscheinlichkeit des alten Berichtes nach den Gesezen der Ana-
logie ist.
§. 7. Das heidnische Fest in der Stadt.
Acci war eine römische Colonie lateinischen Rechtes, beigenannt
Julia Gemella, wohl weil dort Veteranen zweier (3 und 6) Legionen an-
gesiedelt waren. Hier wurde Mars mit dem Namen des Nethos mit einer
Strahlenkrone um das Haupt verehrt^). Dieses weist auf libysch - phöni-
zischen Ursprung hin. — ^jFür libysch/ sagt Movers, ,,halten wir die
siderischen Elemente in dem Oulte einzelner Gegenden der Halb-
insel. Denn obgleich die Götter Phöniziens auch in den Gestirnen ver-
ehrt vmrden, so ist doch ein rein siderischer Cult, wie er in den von
Libyphöniziem bewohnten Gegenden Spaniens zum Vorschein konojnt,
erst in sehr später Zeit in die phönizische Religion eingedrungen.** —
Die grosse Verbreitung des Gestirndienstes im südlichen Spanien ist nur
von den libyphönizischen Ansiedlern abzuleiten. Die Sonne oder ein
sonnenstrahlendes Angesicht ist auf den phönizischen Münzen von Gades
und von Malaca, der Mond und die Sterne auf Münzen verschiedener
Städte*). — Die von dem alten Acci vorhandenen Münzen, welche
Florez gesanunelt und erklärt hat, haben ein durchaus militärisches und
römisches Gepräge*). — Diese- Münzen, inj Ganzen 17, reichen aber
nur von der Zeit des Augustus bis auf Caligula, und umfassen demnach
Willkomm, Zwei Jahre in Spanien, 3, 70.
^) Macrobiua satumal. 1, 19. Accitani hispana gens simulacrum Mortis rcidüs omatum
maxima religione celebrantf Neton vocantes. — Plin. 3, 26. Äccitana colonia.
») Movers, die Phönizier, 1850, 2, S. 648 flg-. Derselbe in Ersch und Gruber R. E.
3. Sect. — Thl. 24, S. 400 flg.
*) Florez f Medallaa de las cohnias, muntctpto« ^ pueblos antiguos de Espcmna^ Madr.
1757—73, 3 vol. in 4, wovon der lezlere die Münzen der gothischen Könige
enthält. Die spanisch- römischen Münze« gehen nur von Augastus bis Caligula.
Ueber die Münzen von Acci handelt U 1, p, 134—152.
J. 7. Das heidnische Fest in der Stadt. 131
einen Zeitraum von etwa 50 Jahren. Unter Caligula wurde den Co-
lonieen überhaupt das Recht entzogen, Münzen zu schlagen*).
Die Verehrung des Gottes Nethos wird weder durch eine Münze,
noch eine Inschrift von Acci bezeugt. Dagegen giebt es eine Inschrift,
welche die Verehrung der, Göttin Isis zu Acci verbürgt. Sie lautet:
Julia ChaUedonica
Isidi Deae D.
I H. o. E*
Omata. TJt, Potuit
In Collo H, Monile. Gemmeum
In LHgitis. Smarctgd, XX, Dextra.
Der Gelehrte Gregor Mayans sandte diese Inschrift an Muratori, welcher
sie in seiner zu Mailand 1739 — 1742 erschienenen neuen Sammlung der
alten Inschriften mittheilte ^). Florez hat dieselbe noch nicht gekannt,
wenigstens ihrer in seiner Abhandlung über die Kirche von Acci nicht
gedacht *). Von Muratori gieng die Inschrift in die Geschichte Spaniens
von Masdeu über*). Die Erklärung aber ist: Hier ruhet Julia Chalce-
donica (entweder Name oder Vaterstadt), Verehrerin der Göttin Isis, die
sie mit ihren besten Geschenken geschmückt hat, mit einem Halsbande
von Perlen, an den Fingern der rechten Hand mit 20 Smaragden. —
Dazu bemerkt Masdeu, dass die Personen in Spanien, welche als Ver-
ehrer der Isis und des Osiris genannt werden, gewöhnlich griechisch
lautende Namen haben, was weder an sich wahrscheinlich ist, in An-
betracht der allgemeinen Verbreitung des Isiscultes, noch durch die be-
treffenden Namen bestätiget wird. Der Isisdienst ist bekanntlich mit
den Römern auch nach Deutschland gekommen.
Diess sind die geschichtlich beglaubigten Gottheiten, welche in dem
alten Acci verehrt wurden, Mars -Nethos und Isis. Dass Jupiter und
andere römische Götter hier gekannt und verehrt waren, versteht sich
wohl von selbst. Will man eine Vermuthung wagen, welcher Gottheit
Fest an jenem Tag der Ankunft der Siebenmänner gefeiert wurde, so
dürfte man wohl an das Fest des Nethos -Mars zunächst denken. Denn
der Dienst der Isis war zwar allgemein verbreitet, aber — doch wohl
mehr bei dem weiblichen Geschlechte, denn die vier Inschriften bei
Masdeu, die sich auf die Göttin Isis beziehen, gehen von Frauen aus
O'Mommsen, Geschichte des romischen Münzwesens, Berlin, 1860, S. 671.
') Novus Thesaurus veterum inscnptionum in praedpuis earumdem coüectionihus hactenus
praetermissarum. Medial, 1739 — 42 — 6 vol. in fol.
■) Obgleich Florez von Mayans schäzenswerthe Mittfaeilnngen erhielt — c/. t, 4
der JEsp. sctgrada — Prolog und Indice.
*) Masdeu, ffistoria criäca de Espmna, F, //, (Madrid 1788) p, iß, — U VIII,
p. 199, Dabei hat der gelehrte Masdeu die Inschrift von Guadix mit der von
Sevilla oder die Nr. 38 seiner Sammlung mit Nr. 35 verwechselt
9*
132 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
oder auf sie zurück^ Von Netlios-Mars, dem Kriegsgotte^ bezeugt Ma-
crobius, dass ^das Volk der Accitaner^ ihn verehre.
Während die Siebenmänner nördlich von der Stadt in der Nähe
der Brücke ruheten und warteten, giengen ihre Schüler oder Begleiter
in die Stadt. Das Fest der Gottheit wurde gefeiert. Aber wie kam es
denn, dass die heidnische Menge auf diese Fremden aufmerksam, gegen
sie aufgereizt, gleichsam in Wuth versezt wurde, und sie bis an die
Brücke verfolgte? ^
Auf diese Frage sind zwei verschiedene Antworten gegeben worden.
Florez ist der Ansicht, dass die Accitaner die Fremden an der Ver-
schiedenheit ihrer Tracht als Leute eines andern Bekenntnisses oder
Standes erkannt haben. Sie hätten wohl sich eingebildet, sie könnten
ihren eitlen Gözendienst stören, oder vielleicht zeigten thatsächlich die
Schüler der Sieben einige Opposition, und jene fingen an, sie zu ver-
folgen; „diese aber wichen dem Zorne (wie der Apostel sagt) und wichen
zurück, ihre Meister zu suchen, indem es Gott also vorherbestimmte,
um die Grösse seiner Macht zu offenbarend).^ Dass ihre Tracht die
Auänerksamkeit auf sie gezogen, das spreche das OfBcium der Lection
des Festes in den Worten aus: „Sie erkannten sie als Verehrer der
ehrwürdigen Religion, und in der Haltung der Priester des frommen
Glaubens;^ sowie der Festhymnus in den Worten: „Da das Volk in
ihnen die Male des Glaubens sah^),^ während es in der Präfation der
Messe heisse, sie (die Schüler) seien an dem offen dargelegten Culte
ihrer frommen Religion erkannt worden.
Hier aber ist eine doppelte Lesart hervorzuheben. Die Ausgabe
des gothischen Missale von 1755 liest: die Ungläubigen gaben sich
zu erkennen durch den offenen Dienst ihrer Religion, imd so lauten die
Manuscripte von Toledo, während Florez liest: si^ (die Schüler) gaben
sich zu erkennen durch den offenen Dienst ihrer Religion ^). — r Aber
Florez hat diese Verbesserung aus sich selbst geschöpft, und ladet die
mozarabischen Priester ein, dieselbe in ihre Codices aufrunehmen; denn
„diejenigen, welche an ihrer äussern Haltung erkannt wurden, waren
nicht die Ungläubigen, sondern die Gläubigen.*'
Der Zusammenhang , der Erzählung deute auf die Erklärung hin^
dass die Christen eine von den Heiden verschiedene Art hatten, sich zu
kleiden, besonders verschieden von der Tracht der Accitaner. Florez
weist auf die bekannte Bemerkung des Strabo hin^), dass die römischen
Colonieen sich ganz römisch trugen. Darum hätten die Accitaner die
') Florez, 4, 7« Ägniio tn eis ReUgtonU veiierabüiM ettUu, et ptaeßM kabitu sacerdotum,
') In his cum fidei Stigmata nasceret
') Ägnitis piae ßdei rehgumU pcOalo cuUu oder AgnUk ptrfidi» reüffionit paiuh cuUu
— bei Florez, 3,372.
*) Strabo, 3,151.
$. 7. Das heidnische Fest in der Stadt. 133
römische Toga getragen, während das Pallium das Kleid der Christen
und der Philosophen gewesen sei. Die Christen hätten das Pallium als
eine einfachere und demüthigere Kleidung gewählt. Bei Tertullian be-
deuten die Worte: von der Toga zum Pallium — soviel als Christ
werden *).
Allein von Justin dem Märtyrer wird ausdrücklich bezeugt, dass,
nachdem er Christ geworden, er seinen Philosophenmantel noch bei-
behalten habe, so dass also die Tracht eines Philosophen und eines
Christen darnach nicht dieselbe war. Geben wir zu, was nicht bewiesen
ist, dass die Christen schon zur Zeit der Apostel sich anders, als die
Heiden, trugen, so wussten diesen Unterschied jedenfalls die Accitaner
nicht. Das Pallium wurde in Spanien überhaupt auf Reisen und zu den
Arbeiten getragen, während die Toga das PeieAleid war.
Der Dichter Martialis wurde um das J. 43 zu Bilbilis, heute Cala*
tayud, in Spanien geboren, kam 120 Jahre alt nach Rom, also um die
Zeit der Reise des Apostels Paulusvon Rom nach Spanien — unter Kaiser
Nero, er blieb 34 Jahre in Rom, und kehrte, 57 Jahre alt, mit bleichen
Haaren, wie er sagt, nach Bilbilis zurück. Reich ist er in Rom nicht
geworden, wie Seneka, Lucan, Quintilian und andere seiner Landsleute.
Denn der jüngere Plinius gab ihm ein Zehrgeld mit, auch zum Lohne,
weil Martial „Verslein^ auf ihn gemacht hatte ^). — Um das J. 100
n. Chr. kam er wieder nach Spanien, und starb schon nach 4 — 5 Jahren.
Aber gerade Martial schreibt von Spanien aus an Juvenal, dass
ihm die Toga jezt völlig unbekannt sei, und er mit jedem schlichten
und schlechten Kleide sich begnüge^). — So konnte es gewiss in Acci
niemand auffallen , dass Reisende von weither keine Toga trugen. Viel-
mehr richteten sich die ersten Christen überall nach der gewöhnlichen
Volkstracht des Landes, wo sie weilten*). Nur diejenigen, welche das
Leben der Asceten führen wollten, nahmen das Pallium oder den Mantel
an^); die Zeit aber, wann dieses geschehen, lässt sich nicht bestimmen.
') Tertuü, de pallio — a toga ad pdüiumf cap, 5. — Gaudepaüittm et exuUa, tneUorjam
te phHoaophia tUgnata estf ex quo chnsticmutn vestire coepisH, cap. 6.
*) Plinius See. ep, 3, 21, — Ai^io Valer, Martialem decessisse, et moleste fero. — Ih)-
secutus eram viatico aecedentem, dederam hoc amicitiae, dederam etiam versicuUs, quos
de me composuit, — Martial, ep. l. 10, 103. Mutavere meas Itala regna comas,
^) Martialis epigramnuUum l. 12, 18:
Ignota est toga: sed datur petenti
Rapta proxima vestie e cathedra.
Und am Schluss: Sic me vivere, sie juvat perire.
*) Ep. ad Diognetum, cap. 5 — ;t^(»itfriavoe roig syxtopÜHC eSsöw axoXovS<wvref ev rs
ioS-^Ti fteu SuUrfi xai rä JLourä ßu^,
*) MamachU aniiqu. ehrtstianarum , t 3, p. 304. cf. Joh. Lami JFhrent, de erudiHone
apostolorvan, t. 1. digr, 1. de re vestiaria hominis ehrigtitmi primitim — p, 118, -^
ef, Clemens Alex, paedag, 2, 10,
134 Erstes ß«oh. Fünftes Kapitel.
Zwischen Laien und Clerikem war kein Unterscliied der Kleidung *), so
dass sie äusserlich nicht von einander zu unterscheide]! waren. Dem-
nach ist nirgends ein Grund zu der Annahme, dass die Kleidung jener
Schüler der Siebenmänner die Heiden von Acci gereizt habe.
Den wahren Grund giebt vielmehr Florez theilweise zu in den
Worten , dass die Schüler vielleicht einige Opposition, einiges Missfallen
gegen den Gözendiexist an den Tag gelegt. Bestimmter giebt den Grund
Ferreras, der ältere Zeitgenosse des Flörez, an; er sagt: „sie schrieen
wider diese Abscheulichkeit (des Gözendienstes) und zogen sich dann
zurück ^).^
Damit stimmt indirect der mehrerwähnte Hymnus des Festes der
Siebenmänner überein: ;,Dort sehen die Jünger, dass die Gözenbilder
mit falscher Weise geehrt werden; während sie mit Thränen diess Be-
gängniss zu verhindern trachten, werden sie durch den gottlosen An-
drang erschreckt.*^
Durch äussere Zeichen jedenfalls, das giebt auch Florez zu ^), gaben
die Schüler der Siebenmänner ihren Abscheu, ihr Missfallen gegen diesen
Gözendienst, zu erkennen. Denn man bedenke, dass nach aller Wahrschein-
lichkeit diese Schüler keine Heiden, sondern Christen, dass sie eifrige
Christen waren. Man beachte, dass, wenn die Siebenmänner selbst
keine gebornen Spanier. waren, ihnen gar viel daran liegen musste, im
Geleite gebomer Spanier, welche Land und Leute kannten, nach Spa-
nien zu reisen. Demnach mussten ihre Augen, und die Augen der bei-
den Apostel, die sie sandten, zunächst auf Männer fallen, die in Spanien
au%ewachsen, in Rom oder sonst wo Christen geworden, und jezt die
besten Wegweiser einer Missionsreise nach Spanien waren.
Der Eifer eines spanischen Christen muss nach dem Charakter dieses
Volks bemessen und erklärt werden. Auf die rücksichtslose und alles
niederwerfende Bethätigung dieses Fifers werden wir unten zu sprechen
kommen bei der Geschichte der diocletianischen Verfolgung, und bei
der Erklärung des 60. Canons von Elvira, wornach die Christen, welche
Gözenbilder zertrümmerten, und aus diesem Anlass getödtet wurden,
nicht als Märtyrer verehrt werden sollten. In der That, Ferreras hat
aus dem Herzen und Charakter eines christlichen Spaniers heraus ge-
sprochen, wenn er gesagt, dass sie „gegen diese Abscheulichkeit ge-
schrieen haben. ^ — Wem diese Erklärung allzu hart ist, dem liegt
') Acta Martyrum ed. Ruincarty Acta 8. JTieodoti Ancyr. cap. 12. — cf. Concil von
Gangra, can. 12. — Hefele, Concilien, 1,758. Binterim, Denkwürdigkeiten,
Bd. 3 (2. Tbl. 8. K), S. 385—91.
*) Ferreras, Historie von Spanien, 1754, 1,451 — 52. Aber nieht die. Bischöfe,
wie es in der Uebersezung: von Baumgarten helsst, sondern deren Schaler
«cbrieen, wenn Jemand schrie.
») Florez, 4,8.
$. 8. Der Einsturz der Brücke. Dm Wandet und die Natur. 135
yielleicht das Wort des Festbymnud näher, dass sie duröh Thränen ihren
Schmerz über diese der göttlichen Majestät angethane Beleidigung aus-
gedrückt haben, zu einer Zeit, wo das Heil in Christus schon den Völ-
kern der Erde verkündiget, und vom Aufgange bis zum Niedergange
die frohe Botschaft ausgebreitet war.
Die göttliche Wei3heit aber, „welche von einem Ende bis zum
andern mächtig herrscht, und alles lieblich zubereitet," hatte es so vor-
ausgewusst und vorherbestimmt, dass aus dieser Flucht der Begleiter
und den damit verbundenen Umständen Spanien der Anfang des Heiles
in Christus erwachsen sollte.
§. 8. Der Einsturz der Brücke. Das Wunder und die Natur.
Bei dem Andrang der Heiden stürzte die feste Brücke über den
Fluss von Acci zusammen. , Ihr Sturz war die Brücke des Heiles für
die Griäubigen in Spanien. Ihr Sturz war das Fundament eines neuen
Lebens. Aus diesen Wassern des Todes strömten die Wasser des Le-
bens, für ein Land und für ein Volk, das eben seit 18 Jahrhunderten
in die Kirche Christi eingetreten ist (63 — 1862, nach Christus).
Wir lassen der Kritik ihren Baum, und wenden sie überall an^ wo
sie am Orte ist. — Wo wir aber vor ^inem Wunder stehen, da dürfiMi
und wollen wir als Gläubige es nicht leugnen. Den Einwurf, dass die
Brücke durch die Masse des Volkes zusammengebrochen, finden wir so
blöde, dass wir ihn nicht widerlegen mögen. Die Leugnung der That-
sacbe als Thatsache ist in Jedermanns freie Wahl gegeben; wenn wir sie
aber annehmen, sq geschieht es auf Grund bestimmter historischer Zeug-
nisse. Die Kirchengeschichte der ersten zwei Jahrhunderte ist voll v(m
Wundem bis auf die Zeiten des Irenäus. Warum sollte dieses Wunder aus-
geschlossen werden? In der Mitte des dritten Jahrhunderts machte Gregor
der Wunderthäter von Cäsarea einen Berg. durch die Macht des Glau-
bens von seiner Stelle rücken ^ ijmd der Einsturz . einer Brücke sollte
unglaubwürdig seyn? — Welcher gläubige Katjiolik zweifelt an, der
Thatsache, dass Moses mit den Juden unversehrt durch das rothe Meer
hindurchgegangen, während die Aegyptier von dessen Wogen begraben
wurden? — Warum sollte denn im neuen Bunde ein ähnliches Wun-
der ferner liegen?
An der Hauptsache also halten wir fest. Gott selbst griff unmittel-
bar ein. Seine allmächtige Hand löste in einem Augenblicke die Fugen
des gewaltigen Baues, um die Herzen zu erschüttern, und sie zur An-
nahme des Glaubens geneigt zu machen.
Diess ist das Wunder. Zum Wunder selbst aber gehören nicht die
Nebenumstände desselben. Eine Anzahl der Heiden stürzte mit der
Brücke hinab. Ob aber viele oder wenige dabei getödtet oder verwundet
wurden, ob sie, wenn sie umkamen, durch die Steine und Trümmer der
136 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
Brücke um das Leben kamen^ ist nicht zu ermitteln. Hierin also können
wir dem Ferreras *) und seinem treuherzigen deutschen Uebersezer nicht
beistimmen, wenn sie sagen, „dass solchergestalt der mehreste Theil in
den Fluss stürzte, und ersaufen musste.*^ Die wenn auch noch so breite
Brücke über einen an sich schmalen Fluss mochte keiner grossen Volks-
menge Raum lassen, und wir möchten annehmen, dass der grössere
Theil der Folgenden und der Verfolgenden noch diesseits der Brücke
sich befand, und insofern mit dem Schrecken entrann.
Dass über einen kleinen Fluss eine grosse und mächtige Brücke
sich spannte, kann nur denjenigen betroffen machen^ der von Spanien
nichts gesehen und nichts gelesen hat. Die Reisenden nennen es das
Land der Gegensäze, der Contraste. Da findet man gewaltige Brücken
wie auf freiem Felde, und über grosse Flüsse keine Brücken. Die ge-
waltigen Brücken sind aber nothwendig für die Zeiten der Ueberschwera-
mung, besonders im Frühjahre, wo der Schnee der vielen Gebirge schnell
schmilzt. „An diesem überraschend ungleichen Wasserstande,^ sagt
H. A. Daniel, »„laboriren fast alle spanischen Gewässer. Wer sie im
höchsten Siechthum erblickt, dem sind die grandiosen Brücken auffal-
lend, die sich über den Wasserfaden oder ein leeres Bett spannen.^ —
Alban Stolz, der in seinem „Spanischen^ sich alle Mühe gab, über
Spanien selbst nicht zu schreiben, konnte doch seine Augen vor diesem
Missverhältnisse nicht verschliessen , und sagt: „Das traf ich in Spanien
oft; hochbogige Brücken und nicht einmal soviel Wasser unter den-
selben, dass ein Sperling darin ein Fussbad nehmen, oder eine des
Lebens überdrüssige Heuschrecke sich ertränken hätte können, nur dürre
hizige Bachsteine lieferten den Beweis, dass in den alten Zeiten einmal
Wasser unten geflossen sei.*' Aber die Fluthen der Frühjahrwasser
machen jene Brücken nöthig'^).
Das Fest der Siebenmänner wurde in Spanien am 1. Mai gefeiert;
später wurde es auf den 15* Mai verlegt. Es ist wahrscheinlich, dass
die Siebenmänner im Frühjahre ankamen, und nicht unwahrscheinlich,
dass am 1, Mai das Wxmder bei Guadix vollbracht wurde. In dieser
') Ferreras, 1, 452.
*) Herrn. Adalb. Daniel, Handbuch der Geographie — 2t«r Theil, Frankfurt 1860,
S. 309. — A. Wolzogen, Reise nach Spanien (1852), Leipzig 1857, S. 147.
— »Oft (fanden wir) neben der Strasse noch Spuren der grossartigen Brücken-
anlagen aus der Römer- und Araberzeit, während wir durch das Bett-unbenezt
hindurchfuhren. Brücken stehen mitten im trockenen Feld.« — Lorinser,
Reiseskizzen, 2, 116 f. meint, »der Wassermangel könne Spanien allmälig in eine
afrikanische "Wüste verwandeln.* — cf. 2,134. -— Hackl an der, ein Winter
in Spanien, 2, 187. Lange steinerne Brücken aus alter Zeit stehen an den
Landstrassen, die nicht wieder hergestellt werden. Dagegen 1, 249: Spanien
ist das Land der brückenlosen Flüsse. Mittelst einer Fähre kommt man über
den Ebro (bei Amposta).
$. 8. Der Einsturz der Brücke. Das Wunder und die Natur. 137
Zeit schmilzt der Schnee der Sierra Nevada, welche in der alten Zeit
MoDs Solorius genannt, heutedas Schneegebirge heisst, weil seine Gipfel,
nächst den Alpen die höchsten in Europa, mit ewigem Schnee bedeckt
sind. Um diese Zeit, es war wohl schon im Anfange des Juni, konnte
Willkomm nur mit Lebensgefahr über die kleinen Bäche sezen, welche
vom Süden der Sierra konmien *). üebrigens gehört dieses Gebirge, von
welchem die Bäche konmien, die den Fluss von Guadix bilden, zufolge
der reichen Schneedecke zu den bewässertsten Gebirgen Spaniens. „Was-
serreiche Bäche stürzen stellenweise — in grosser Menge, und Tausende
von Cascaden bildend, in die Tiefe ^).^
So kann es dem Bio von Guadix auch im hohen Sommer nicht leicht
an Wasser mangeln. Einen Theil des Jahres aber ist er wasserreich, so-
weit es ein kleiner Fluss seyn kann, und verdient deii Namen, welchen
ihm und der Stadt die Araber gegeben haben, „der Fluss des Lebens*'.
») M. Willkomm, Zwei Jahre in Spanien, 1847, Bd. 3, 19, 26. S. 68. - »Die Zahl
der Thäler, — beläuft sich auf sechzig, welche allmälig in das weite Thal des
Flusses von Guadix zusammenmünden. <*
*) Daniel, 317.
Sechstes Kapitel.
Der heilige Torquatos von Aeci, der erste beglaubigte Bischof
Spaniens.
Literatur: 1) Historia del ohispado de Chiadtx y Baza, escrita por el Dr. D, Pedro
Suarez, capellan de au Majestadj en la capiUa de los SS. Reyes nuevo8 de Toledo. Madrid
por Antonio Roman, 1696. fol. — Dieses Werk ist von gperingem Werthe für die
frühere Zeit, weil es sich auf die unterschobenen Chroniken stüzt.
2) De la iglesia de Äcci, llamada hoy Guadix, Espanna sagrada, t. VII , p. 1 — 53.
Segunda edicion 1766 — (bis zur Maurenzeit).
3) Historia de Guadix, Baza y pueblos del Ohispado, por D. Torcuato Tarrago y
D. Javier Torres Lopez. — Guadix, establecimiento tipogrdßco de D. Juan M. Sol y
Rute, 1854. — En 4°. Darüber bemerkt Munnoz in seinem Diccionario bihliogräfico -
historico — de Espanna, Madrid 1858: »Wir wissen nicht, ob es aufgehört hat, zu
erscheinen. "Wir haben nur die acht ersten Lieferungen gesehen.**
4) Dazu die Artikel über Acci bei Cortes und über Guadix bei Madoz.
§. 1. Der heiUge Torquatus, das Haupt der Siebemnänner.
Unter den sieben Apostelschülern wird Torquatos immer als der
erste genannt, wie Petrus unter den zwölf Aposteln stets zuerst genannt
wird. Die Namen der übrigen wechseln ihrer Stellung nach ab. — Er
war das Haupt der Sieben. Warum? Sicher nicht, wie Florez und
andere bemerken^ weil er der Aelteste war. Denn das Alter hat nicht
entschieden, als Simon zum Petrus wurde, oder als Saulus Apostel der
Heiden wurde. — Das Alter hat nicht entschieden, als Paulus den
Titus und den Timotheus zu Bischöfen einsezte, welch' lezterm der
Apostel schreibt: Niemand möge deine Jugend verachten (I.Tim. 4, 12).
Gewiss hat das Alter nicht entschieden, als Ignatius, Polycarp und Ire-
näus zu Bischöfen eingesezt wurden.
Bei Paulus, von dem zunächst die Sendung der Sieben nach Spa-
xxien angeregt wurde ; und bei Petrus, — entschieden nicht das Alter,
$. 2. Die Müf • LafMüla , die «rste Chriatin in Acci. 139
sondern die geiatige üjraft und Tüdbtigkeit Sie machten den Torquata$
zum Haupte der Sieben, weil sie in ihm die Gabe der Regierung, das
xdQioiAa Kvßegvfioßfosy fanden. Er bedurfte dazu keiner gelehrten Bildung.
Eine solche hatte Petrus nicht, und dennoch war er Haupt der ganzen
Kirche. Man musste in jener ersten Zeit sich mit sehr bescheidenen
Ansprüchen auf theologische Bildung begnügen. Man musste dem Leben
selbst die Bildung und die Fortbildung überlassen. — Wollte aber
jemand sagen, Torquatus habe sich durch die Macht seiner Persönlich-
keit das Uebergewicht über* seine Begleiter erworben, so sagt er im
Grunde dasselbe, was wir, und wir wollen ihm nicht widersprechen.
Torquatus ist ein entschieden römischer Name. Ebenso Secundus,'
Cäcilius, yielleicht auch Indaletius. Hesychius oder Esitius ist zweifel-
haft. Ctesipbon und Euphrasius sind griechische oder orientalische Namen«
— Schon den Bolla&disten fiel das Vorwiegen der römischen Namen
der Siebenmänner axit , Man kann darin eine entfernte Bestätigung finden
über das — im ersten Buche — angeführte Hinderniss der Thätigkeit
des Apostels Paulus in Spanien, und über die Nothwendigkeit, von der
er sich überzeugte, dass lateinisch redende Bischöfe dorthin gesendet
würden. S. 58— 59.
Ob aber Torquatus ein gebomer Spanier, oder Römer, oder Ita-
liener war, muss dahingestellt bleiben. Er war sicher ein gebomer
Abendländer. — Der Name Torquatus kommt in der Sammlung der
Namen aus spanischen Steinen und Inschriften bei Masdeu nur zweimal
vor; und beidemale sind es Römer, und nicht Spanier, die den Namen
Torquatus führen. Von allen spanischen Duumvim, d. h. Stadtvor-
stehern, deren Namen uns bekannt sind, hiess keiner Torquatus ^). Der
Name selbst also ist für Spanien nicht verbürgt Darum neige ich zu
der Annahme hin, dass der heilige Torqua^s ein gebomer Römer, oder
doch ein Italiener wan
§. 2. Die selige Luparia, die erste Christin in Acci
Die erhebende Erscheinung, von welcher die Kirchengeschichte aller
Jahrhunderte und aller Länder Zeugniss giebt, dass die Frauen die frohe
Botschaft der Erlösung zuerst aufgenommen haben, tritt uns auch in der
Kirchengeschichte Spaniens entgegen. Besonders waren es die vor-
nehmen Frauen, wie wir schon aus der Apostelgeschichte sehen, welche
— der Eitelkeit des fieidenthumes überdrüssig, sich dem Christenthume
zuwendeten. Waren sie aber schon vorher Proselytinen der Juden
geworden, so äusserte sich vielfach die ihrem Geschlechte nahe liegende
Masdea, Sammluii^ der Münzen und Steine, die sich auf das römische flpa-
liien beziehen: Nr. 1303 ein BelliUus Torquatus; Nr. 959 ein Consul Tor^uatvut
Asprenoi,
140 Zureites Buch. Sechstes Kapit^.
Eitelkeit und Rechthaberei in einer feindseligen Stimmung und Stellung
gegen die Christen. So bei jenen vornehmen Frauen in der Apostel-
geschichte, die den Paulus verfolgen, so bei der Proselytin Poppäa, der
Gemahlin des Nero.
Bis jezt hielt man die Helena, die Mutter des Constantin, für die
erste christliche Kaiserin [die Gemahlinen des Diodetian und des Ga-
lerius waren auch Christinnen, fielen aber bei der ersten Drohung der
Verfolger ab *)]. Das neu aufgefundene Werk des Hippolyt ^^gegen alle
Häresieen^ zeigt uns auch die Marcia, welche wir aus Herodian ^),
aus Dio Cassius, aus Aelius Lampridius im Leben des Kaisers Com-
modus, sowie aus Aelius Spartianus im Leben des Didius Julianus unter
weniger ehrenvollen Gesichtspunkten kennen, vielleicht zum Theil darum,
weil sie Christin war, — als eine thatkräftige, imd wohlthätige Frau*),
welche man für die erste christliche Kaiserin halten könnte, wenn sie
nicht durch die Schicksale ihres Lebens «allzusehr in die Befleckungen
des Heidenthums hineingezogen worden wäre.
Luparia (oder Ludaria) von Acci hat zwap keinen wohlklingenden
Namen, aber sie war von Gott auserwählt, zuerst nach der Ankunft der
Siebenmänner den Glauben an Christus zu bekennen. JuUa Chalcedonica
von Acci hatte der aus Aegypten eingeführten Göttin Isis gehuldigt und
geopfert. Luparia hatte das Glück, dem Gotte der Christen zu opfern.
Sie neigte, erschüttert durch den Einsturz der mächtigen Brücke, von
der sie nicht anders wusste, als dass sie wie für die Ewigkeit gebaut
sei*), ihr Herz bereitwillig zu der Lehre des Heiles. Sie bat die Sie-
benmänner, dass sie Wohnung bei ihr nehmen möchten. Wie Lydia,
die Purpurhändlerin in Philippi, sprach sie wohl: Wenn ihr mich nun
für eine aufrichtige Schülerin des Herrn haltet, so kehret in mein Haus
ein, und bleibet daselbst (Ap. G. 16, 15).
Die Siebenmänner aber blieben, bestimmt durch das Walten der
') Dagegen wird in dem kleinen römischen Kirchenkalender des Ado — das An-
denken einer Serena, Gemahlin des Kaisers Diocletian — am 16. August —
erwähnt: Romaef Serenae, uxoris Diocletiani AugusH,
*) Herodiani vita Commodi — 16 — 17, Dio Cassius , 72, 4, 13, 22, welch' lezterer aber
sagt e. 4. — iOroQeirai Sh avTTj jtoXXd re vjtkp ruv ;tf(>ttfriarcäv öjcovdaßou xai jtoXXa
avrovg evvf^errjttivai y are xai xa^ T(o KofifMfa xay Swafjuyrj. — Äst Lampri-
dius — Comm, Ant, c. 11, 17, — ÄeUus SparHan — Did, JuUanus — c. 6.
') Hippolyt (1. 9, 12) nennt sie die pMSeoc xedlooai HofiißoSov, — Der Heide He-
rodian sagt, dass Commodus sie unter seinen Kebsweibem %m meisten sch&zte,
so dass sie einer wirklichen Gemahlin nicht nachstand, und alle Ehren genoss,
wie eine Kaiserin, mit Ausnahme der Vortragung des (heiligen) Feuers —
Herodian , 1 , 16.
*) 8o darf man wohl von den romischen Wasserbauten in Spanien sagen, von
denen einige heute noch bestehen, wie die Brücken von Chaves und Merida,
und die berühmte Wasserleitung von Segovia.
$. 2. Die selige LnpaTia, die erste Cluistia in Acci. 141
Wunderkraft Gottes. — Luparia^ erbaute ein ' Tauf haus ; sie selbst
empfieng zuerst die heilige Taufe, und nach ihr viel Volk in Acci und
der Umgegend. ,
Der Name Luparia kommt später bei den Christinnen nicht mehr vor,
soweit ich sehe. Darüber darf man sich nicht wundem. Sie wird ja
nicht als Heilige der Kirche verehrt ^). — Indaletius, Ctesiphon u. s. w.
werden als Heilige verehrt , und wir finden doch nicht, dass andere
später ihren Namen trugen. — Wir kennen den Namen keiner christ-
lichen Frau Spaniens bis zu der grossen Verfolgung, und auch hier
werden uns nur wenige Namen genannt.
Luparia heisst eine Senatorin — Senatrix. I^ie braucht darum nicht
die Gemahlin eines römischen Senators gewesen zu seyn. Manche Frau
führt heute den Titel ^Frm Rath^, wie Göthe's Mutter, oder ;,Frau
Bäthin^, und sie ist doch nicht Staatsräthin, oder kaiserliche Rathsfraü.
Doch ist es nicht unmöglich, selbst nicht unwahrscheinlich, dass Luparia
Gemahlin oder Wittwe eines römischen Bathsherrn war. — Denn sie
heisst Luparia. Will man dieses Wort nicht von Lupa ableiten, so
kann man es von Luparia herleiten. Dieses war eine Gegend in Rom
in der sogenannten Suburra^), und Luparia konnte somit bedeuten: die
Frau von dem Stadttheil Luparia in Rom.
Lidess hatte jede römische Colonie, und jedes Municipium seinen
eigenen Senat ^), der bald Senatus, bald Ordo, und dieses ist der in
Spanien am meisten vorkommende Name, bald ordo deeurianum, bald
curia, oder decuriones, curi&nes, patres, conscripti etc. genannt wird^).
In den Colonien war die Anzahl der Senatoren in der Regel hundert.
— Nach der Analogie muss man annehmen, dass es auch hundert Se-
natoren in Acci gab; und wem es darum zu weit hergeholt scheint,
den Namen der Luparia von einer Stadtgegend in Rom herzuleiten, der
mag die Luparia für die Gemahlin oder die Wittwe eines der Ratha*
herren von Aed betrachten^).
*) Doch hat sie eine Oraüon in der Festmesse der Siebenmänner, wo sie beata
Luparia heisst
*) Sextus Eußts reg, 2. — Senator statt Decurio kommt nach OrelU — Corpus in'
Script n. 3763. in Inschriften nicht vor.
') Orelli n. 120, Senatus populusque Änagninus. 124. Senatus pop. Laurens, — 113, S&-
natus populusque Tiburs, und die Sammlung Nr. 3728. — Minutoli, Spanien in
seiner fortschreiteAden Entwicklung, 1852 — S. 100.
*) Handbach der römischen Alterthümer von Becker »Marquardt, 3. Theil, 1. Ab-
theilung. S. 365 flg. (Leipzig 1851.)
*) Man verwechsle Luparia nicht mit Lnpanaria. Den lezteren Namen hat in
ihren ächten Martyrerakten die heil. Afra von Augsburg — ap, Bmnart, c, 1, -^
Im „Romanum parvum*^ des Ado kommt zum 30. Juli eine „virgo Lucemaria^ vor.
— Eine Stadt Luparia — (nach Cort^s heute Lupion) im Gebiete der Oretaner
findet sieh auch im alten Spanien ; sie. war nicht weit von Acci entfernt. Ebenso
gab es eine Stadt dieses Namens im nördUehen Gallien. '
142 Zweites Btich. Sechstes Kapitel.
§. 3. Das Bisthum von Acci das erste in Spanien.
Dass Paulus das Evangelium in Spanien gepredigt habe, ist eine
geschichtliche Thatsache. Dass er daselbst die Anfänge von Gemeinden
gegründet, scheint sich mit Nothvrendigkeit ds^aus zu ergeben. Dass er aber
ein Bisthum daselbst gegründet, oder einen Bischof zurückgelassen habe,
lässt sich nicht beweisen, und Hesse sich nur dann wahrscheinlich machen,
wenn wir nicht wüssten, dass er mit Petrus die Siebenmänner nach
Spanien gesendet. Dass Paulus zu Astigi gelehrt,^ nehme ich gerne an;
aber daraus folgt nicht, dass er das Bisthum Astigi gegründet habe. So
muss denn Acci als das erste in Spanien gegründete Bisthum angesehen
werden. Dieser Ueberzeugung sind die Spanier von jeher gewesen, und
sind es noch. Darum trägt Guadix mit Recht den Namen: Sancta et
apostolica ecclesia — „die heilige und apostolische Kirche^. Aus diesem
Grunde hatte Felix, Bischof von Acci, den Vorsiz auf der Synode von
Elvira.
Dass aber später die Bedeutung von Acci zurücktrat, dass es nicht
Metropolitansiz wurde, erklärt sich aus der bekannten Entwicklung der
Kirchen Verfassung, nach welcher die Hauptstädte der Provinzen auch
Metropolitansize wurden. So - gieng es auch in Spanien. Gran&da als
Hauptstadt des alten Königreichs Granada ist Erzbisthum, und Guadix-
Baza dessen Sufiraganbisthum.
' Wegen der örtlichen Lage in dem rauhen Hoch -Andalusien konnte
das Bisthum Acci nie eine bedeutende Bevölkerung haben. Kein ein-
ziger Ort wird, ausser Acci selbst, von den Alten genannt, welcher
innerhalb des heutigen Bistbumes Guadix lag. (Nur Abla hat vielleicht
eine Zeit lang dazu gehört.) Von den 24 Priestern zu Elvira, war nach-
weislich keiner aus Acci oder dem Bischofssprengel. So begrenzt und
klein blieb das Bisthum bis zu seinem Verschwinden zur Zeh der Mauren.
Als dasselbe in Vollmacht einer päpstlichen Bulle vom 4. August 1486
durch den grossen Kardinal Mendoza am 21. Mai 1492 wieder herge-
stellt wurde, wurde mit ihm das alte Bisthum Basti (Baza) für immer
vereinigt, so dass dasselbe stets Bisthum ;, Guadix j Baza^ heisst*).
§. 4. Der Tod des heiligen Torquatus, Er und seine
Gefährten sind nicht Märtyrer.
Florez und die Spanier überhaupt haben ein natürliches Verlangen,
den Torquatus und seine Gefährten als Märtyrer zu verehren. Die
«) Madoz, Diceion. t IX, 45. Trozdem hatte es 1850 nur 52 Ortschaften, 81,363
Seelen , 36 Pfarrkirchen , 21 Füialkircii«n.
%. 4. Der Tod des hdligen Torquatos. Er und seine Gefährten etc. 143
Gründe^ weldie sie abführen^ können aber eine genaue Prüfdng nicht
ertragen ^). — Florez macht sdne Beweisführung schon dadurch ver-
dächtig, dass er die Sieben zugleich zu Schülern des Jacobus macht, der
nicht nach Spanien gekommen ist. Joh. Baptist Perez, einer der nüch-
ternsten Historiker Spaniens, sagt mit Recht, „dass es gegen alle Schrill-
steller sei, sie Märtyrer zu nennen, denn keiner sage, dass sie das
Martyrium ^litt^i, ausdrücklich nenne sie das gothische Officium Be*
kenner,* Ebenso Tülemont*).
Umsonst beruft Florez sich auf das Wort Confessores, das in der
alten Zeit auch Blutzeuge bedeutet habe* Denn in dem ganzen Officium
der Siebenm&aner kommt k^ne Stelle vor, und keine Andeutung, dass
sie für den Glauben gestorben. Auch diess entscheidet nichts, dass sie
das Officium ^yplurimorum marti/rtem^^ im Allgemeinen haben. Denn
diess stammt aus einer spätem Zeit, vielleicht Isidor^s, der vermuthen
mochte, dass sie ak Märtyrer gestorben. Entscheidend ist allein der
Wortlaut des Officiums. — Ein Beispiel mag diess erklären: das Fest
nemlich der beiden Apostel Petrus und Paulus. Auch hier beginnt die
mozarabische Messe mit dem Introitus der Messe „plurimorum martyrum^:
Dabo 9äncti8 tneis primam sesHonem — Ich werde meinen Heiligen geben
den ersten Siz , AUelujah. — Aber sogleich heisst es in der ersten Ora-
tion; Diese sind, Christus unser Herr, deine Freunde Petrus und Paulus,
welche ihre Leiber in den Tod gegeben^ und darum Wegweiser des
Heils geworden sind, und Gründer der Kirche. Die Einheit der Pre-
digt hat sie verbunden, und der glückliche Tod hat sie vereinigt. —
Solche Andeutungen finden sich nirgends im Officium der Siebenmänner.
Entscheidend femer ist der Ausdruck ^^requievenmt^^ sie ruhen, d. h.
sie sind dort eines natürlichen Todes gestorben, wo sie begraben sind.
Sonst müsste es wenigstens heissen: sie haben triumphirt, oder sie sind
gekrönt worden, oder sie haben für Christus gelitten.
Dagegen kann das späte Zeugniss Gregorys VU. nicht aufkommen,
(dem der Thatbestand eben nicht bekannt war), dass die Siebenmänner
mit ihrem Blute die Kirchen von Spanien gegründet haben. Gregor
lebte ein ganzes Jahrtausend später. — Aber auch das sogenannte kleine
römische Martyrologium , das doch wahrscheinlich das älteste röiMsche
ist, und welches genau zwischen Bekennem und Märtyrern zu unter-
scheiden weiss, bezeichnet die Siebeti einfax^h als Bischöfe, „welche zu
Rom von den Aposteln ordinirt worden sind*^ ^).
*) Florez, 4,41 — 53. Trau 2, Cap, 2. Si los siete ApostoUcoa fueron Maries , y
DiscipuUis de Santiago f
«) TiUemoni, m^motres] /, 201 (Paris 1693),
') Zum 14. Mai hat es: In Syria, Victoris et Coronae — martyrum. Zum 15. Mai:
Torquaii — qui Itomae ab apostolis ordinati sunt. — Zum 1$. Mai : In Isataria:
AquiUni et VictorianL Zuoi' 17* Mai : In Tuscia, Torpetis martyr» $ub Merone,
144 Zweites Buch. Seehstes Kapitel.
Es ist kein Einwurf von Bedeutung^ wenn Florez üBgtj dass die
Väter des 4., 5. und 17. Concils von Toledo, die sich in der Kirche
der heiligen Leocadia versammelten, dieselbe eine Bekennerin nannten.
Denn in der That war sie mehr Bekennerin, als Martyrin. — Johannes
Chrysostomus wird als Confessor verehrt, und er war in ähnlicher Weise
Märtyrer. — „Gregor nannte den Hermenegild den standhajGbesten Be-
kenner ChristL^ Diess war er, und konnte doch Märtyrer seyn. —
Set. Gerontius und Set. Crispin heissen im mozarabischen Officium „Con"
feasores^ ^). Mit Becht. Denn Gerontius starb im Gefängnisse; der
Tod des Crispinus von Astigi liegt im Dunkeln.
Die Worte des Officiums der Sieben: „die ihr freiwillig ei^er Leben
dargeboten habet^, erklären sich ohne Martyrium aus ihrer, ungetheilten
Hingabe an ihren Beruf. Weiter weist Florez auf die Worte des Hymnus:
Sparso cineri una Corona est — dem ausgestreuten Staube gebührt eine
und dieselbe Exone. „Erone^ aber bedeute Martyrkranz, denn Prüden-
tius habe ja gerade ncQl (5XEq>aväv — über die Kronen der Märtyrer, ge-
schrieben. Als ob man nicht von allen Heiligen in allen Sprachen sagte,
dass Gott sie für ihre Verdienste kröne ; als ob nicht der Apostel sagte :
„nur derjenige wird gekrönet, welcher recht gestritten hat^)^, wobei er
gewiss nicht an den* Martyrtod gedacht hat.
Noch vieles andere führt Florez an, was kein Gewicht hat, — Den
Beweis hat niemand noch geführt, dass im ersten und An&nge des
zweiten Jahrhunderts ausser Rom die Christen verfolgt wurden (Judäa
ausgenommen). Die vielgenannte spanische Inschrift aber hat ja Florez
selbst aufgegeben ^) , nach welcher die Christen unter Nero verfolgt
wurden. — Später möchte Florez zugeben, dass einige der Sieben
zwar als Bekenner, einige jedoch als Märtyrer starben. Denn nach der
Analogie anderer Länder sei es kaum denkbar, dass alle Sieben eines
ruhigen Todes starben*).
Sicher sei Torquatus Märtyrer gewesen; denn als man im J. 1593
im Kloster Cellanova, Bisthums Orense, eine gerichtliche Einaichtsnahme
seines Leichnams gehalten, um eine Reliquie davon an die Eirche von
Guadix zu senden, so habe er unverkennbare Zeichen des Martyriums
an si^h getragen.
Diess ist eine ganz andere Frage, auf die ich nicht eingehen kann
und will, ob die Reliquien,, die man am Ende des sechszehnten Jahr-
hunderts von den sieben Männern allenthalben in Spanien zeigte, und
vorübergehend ehrte, und welche heute völlig vergessen und unbeachtet
auch in Spanien sind, die wirklichen und ächten seien. Bivar erzählt
von einem andern Leibe des oder eines heiligen Torquatus, der in dem
Cisterzienser-Kloster de la Vega im Bisthume Palencia, mit unverwestem
") Florez, 4, 42. •) S. Buch 4, Kap. I4.
») 2. Tim. 2,5. *) 4, 46.
$. 5. Die Verehrung des heiligen Torquatus. 145
Anne, und Äher Wunde mit einer Lanze in der Hand, aufbewahrt
wurde. Diess triflFfc nach Florez nicht auf Set. Torquatus zu, der in
Celanova seine Arme habe.
Dass Torquatus und seine Gefährten keine Märtyrer wurden, geht
aus ihrer Vergleichung mit dem heiligen Gerontiüs von Italica hervor.
Dass dieser im Gefängnisse starb, wird ausdrücklich bezeugt. Um wie
viel mehr wäre es bezeugt worden, wenn die Sieben als Märtyrer ge-
storben? — Es geht annähernd hervor aus den Gegenden und Orten,
wo die Verfolgung begann. Nero verfolgte die Christen in Rom, nicht
weil sie Christen waren, sondern weil er grausam war, und weil er dem
Volke, das sie hasste, damit eher einen Gefallen zu thun glaubte. —
Diese Verfolgung konnte über Rom nicht hinausgehen, weil die Christen
ausser Rom an der angeblichen Schuld des Brandes von Rom keinen
Theil haben konnten.
Unter Domitian war die Verfolgung eine sehr partielle; sie erstreckte
sich eigentlich bloss auf die wirklichen oder angeblichen Verwandten
Christi, welche der argwöhnische Domitian fürchtete*). In Spanien lag
für solche Verfolgungen kein Grund vor. In Spanien gab es keinen
blutdürstigen Pöbel, wie in Rom und den Städten des Orients (auch in
Lyon), welcher gerufen hätte: „die Christen zu den wilden Thieren;
hinweg mit den Christen I** In den kleinen Städten zwischen Cartha-
gena und Cordova, in welchen das Christenthum zuerst ausgebreitet
wurde, war jedenfalls noch weniger Pöbel, und die römischen Prätoren
waren ferne. Diess aber wird von allen zugegeben, dass erst die Ver-
folgung des Decius im J. 250 eine politische und systematische war.
§. 5. Die Verehrung des heiligen Torquatus.
Man kann der Stadt und dem Bisthum Acci in keiner Weise den
Vorwurf machen , dass sie sich undankbar gegen ihren Patron gezeigt
haben , obgleidh bei der Mangelhaftigkeit der Nachrichten die Spuren der
Verehrung in der Vergangenheit weniger hervortreten.
Aber die Messe und das Officium des Festes vom 1. Mai ist doch
nach innerer Wahrscheinlichkeit und äussern Spuren von Acci aus-, und
auf die ganze Kirche von Spanien übergegangen. Die Illation oder
Präfation der Messe des Festes ist ein unwiderleglicher Beweis, dass
dieselbe von Acci ausgieng. Denn es heisst in ihr: „Als sie in der
Nähe dieser Stadt ihre Schüler aussandten und ihnen befahlen, etwas
Speise zu kaufen ^).^ Dem Isidor von Sevilla mochte bei der Revision
») Euseb. Ä. €. 3,17,18,20.
'} Nam dum missia discipuUs in huius urbis convtcimtatem escarttm emi parum aUquid
praecqn8sent: agunt cuseclae prciecepta sibi, quae jussa sunt.
Garns f Span. Kirche. 10
146 Zweite« Buch. Sechstes Kapitel*
des gothischen Ritas wohl diese Form auffallen; aber vielleicht hat er
diese Worte, die auf keine andere Stadt von Spanien passen, stehen
lassen, aus Pietät vor dem Alterthum, und um die erste bischöfliche
Kirche in Spanien zu ehren.
i^Bis heute noch ,^ sagt Ado , „ist ein grosses Wunder zu sehen,
wodurch ihr kostbarer Tod geehret wird. Denn bei der jährlichen Fest-
lichkeit in der erwähnten Stadt Acci, blühet am Grabe des heiligen
Torquatus ein Olivenbaum durch göttliche Kraft, und bedeckt sich zu
gleicher Zeit mit reifen Früchten.*' Dieses bloss von Ado berichtete
Wunder findet keine Bestätigung in dem OflBcium des Festes der Sieben-
männer. Es ist kaum anzunehmen, dass nicht Andeutungen davon in das
Officium übergegangen wären, wenn eine solche Erscheinung sich in jedem
Jahre regelmässig wiederholt hätte. Anlass und Aufforderung dazu gaben
zahlreiche Wendungen und Bilder des Officiums. Wenn die Präfation in
solcher Schärfe den Sturz der Brücke bei Acci mit dem Versinken Pharao's
im rothen Meere vergleicht, so lag es doch mehr als nahe, die blühenden
und reifen Früchte des Oelbaumes zu vergleichen mit den blühenden und
reifenden Früchten des geistigen Lebens , welche aus und an dem Grabe
des heiligen Torquatus und seiner Gefährten hervorgehen sollten.
Indess — ich leugne nicht das Wunder des Oelbaumes, aber ich
leugne, dass es durch historische Zeugnisse genügend beglaubigt sei.
Wenn das Wunder noch im neunten Jahrhundert, in welchem Ado
schrieb, und in welchem das unter dem Joche der Mauren stehende Acci
allerdings noch Bischöfe hatte — , fortdauerte, so muss es im Mittelalter
aufgehört haben *)> Denn aus der neuern Zeit wird über es nichts be-
richtet. — Zu beachten ist ferner, dass von andern berichtet wird, dass
dasselbe Wunder des Oelbaumes am Grabe der heiligen Eulalia zu Me-
rida stattfinde, — wovon in Merida auch niemand gehört hat.
Indess — ähnliche Erscheinungen sind an sich nicht unglaubwürdig,
wenn sie genügend beglaubigt sind. Hinter dem Chor des Doms zu
Hildesheim befindet sich ein — an der Mauer sich aufi^ankender — wil-
der Rosenstock, der von Weitem die Gestalt eines Weinstockes hat
Von ihm wird erzählt, , dass er schon ein Jahrtausend oder darüber, hier
stehe, und jedes Jahr blüht er neu auf. Er sei von Ludwig dem From-
men oder zu dessen Zeit aus Palästina gebracht; und — in deutsche
Erde gepflanzt, — sei er unsterblich geworden. — Alexander Hum-
boldt, den niemand den Gläubigen, geschweige den Wundergläubigen
zuzählen wird, handelt in seinen „Ansichten der Natur^ von diesem
Bosenstocke, und leugnet nicht die Thatsache selbst.
Auf einer Synode zu Cordova im J. 839 unterschrieb der Bischof Qairicas von
Acci — (Helffench, der westgoth. Arianisnous und die spanische Kezergesch.
Berlin 1860, S. 108-114).
$. 5. Die Verehrung des heiligen Torquatus. 147
Jedea£Edls erhellt aus dem Bericht^ des Ado die noch im neuaten
Jahrhundert 9 oder wenigstens durch die frühem Jahrhunderte fortdauerde
Verehrung des heiligen Torquatus und seiner Genossen zu Acci. — Es
erhellt, dass eine jährliche grosse Festlichkeit in Acci gehalten wurde,
wahrscheinlich am 1. Mai, an welchem die Ankimft der Siebenmänjuet
in Spanien und in Acci besonders begangen wurde. Es erhellt, dass
man noch im neunten Jahrhundert das Grab des heiligen Torquatus in
Acci zeigte.
Nach Wiederherstellung der bischöflichen Kirche von Guadix im
J. 1492 lebte alsbald auch ebendamit die Verehrung des heiligen Tor-
quatus wieder auf. — Guadix besizt ein sogenanntes Conciliar -Seminar
für Erziehung der Priester, mit dem Namen Seminar de San Torcuato,
worin lateinische Grammatik, Philosophie und Theologie gelehrt wird.
— Die Eärche von Guadix heisst die „heilige und apostolische** zum
Andenken an den heiligen Torquatus. Die jezige Kathedrale von dorisch-
corintibischer Bauart wurde in den Jahren 1710 bis 1796 roUendet*).
Sie steht an der Stelle der alten maurischen Moschee.
Die Mutterkirche del Sagrario, welche Kirche ein Theil der Ka-
thedrale ist, hat in ihrem Bezirke zwei Leguas nordöstlich von Guadix
die Einsiedelei von San Torcuato , woselbst nach Lokaltraditionen, deren
Ursprung und Dauer sich nicht wohl ermitteln ISsst, Torquatus, Patron
von Guadix, den Martyrtod erlitten haben soll. Die Gläubigen der Stadt
und Umgegend haben eine grosse Verehrung zu ihrem heiligen Patrone.
In der Einsiedelei befindet sich ein Kapellan^). Wie viele von den
97 Kirchen und Kapellen des Bisthums den Namen des heiligen Tor-
quatus tragen, findet sich bei Madoz nicht. Bei den Bisäiümem Almeria
und Astorga aber hat er die Titel der (Patrone der) Kirchen apgegebenj
ohne dass sich indess darunter S. Torquatus befände* Dass auch heute
noch der Name des Heiligen in Guadix fortdauert, zeigt D. Torquatus
Tarrago, der nieste Geschichtschreiber von Guadix, mit seinem Namen.
Von dem Andenken des heiligen Torquatus ausserhalb des Bisthumes
Guadix ist ein Zeugniss die Kirche San Torquato in Toledo, welche im
J. 701 gegründet wurde. — Neben der Einsiedelei San Torcuato bei
Guadix giebt es ein Dorf San Torcuato in der Provinz Lögronno, im
Baukosten : 10,500,000 Realen.
*) Madoz, 9, 48. Madoz theilt noch den (von Florez aufgegebenen) Irrtham,
dass. das alte Acci } L.eguas nordlich von Guadix gelegen habe. Doch sagt er
(S. 44): »Die Zeit, in welcher die Einwohner des alten Acci in das jezige Guadix
übersiedelten, ist unbekannt, und diese Transferirung ist bloss bestätigt durch
die Tradition, und durch das mozarabische Officium der sieben Apostelsciiüler«
(worin wir Andern keine Bestätigung finden).
10*
148 Zweites Bach. Sechstes Kapitel.
Bisihiim Calahorra« Die Pfarrkirche heisst zwar asum heiligen Paulus,
firtther wird sie aber wohl auf den Namen des heiligen Torquatus ge-
weiht ^ und davon der Ort genannt worden seyn. Noch besteht ein Dorf
San Torcuato de Alfoz im Bisthum Orense in Galizien. Hier trägt die
Pfarrkirche den Namen des heiligen Torquatus.
Ein Beweis der hohen Verehrung der Siebenmänner in Spanien ist
auch der Tag ihrer festlichen Feier. Nur die Kirche von Sevilla und
Ebora hatten ihr. Fest im sechszehnten Jahrhundert auf den 15. Mai ver-
legt. In den andern Kirchen musste am 1. Mai das Fest der Apostel
Philippus und Jacobus dem Feste der Siebenmänner weichen, weil leztere
ein eigenes OfiGicium haben. So das alte Toledanische Brevier vom fünf-
zehnten Jahrhundert, so zwei Breviere von Burgos vom fünfzehnten und
sechszehnten Jahrhundert, so ein Brevier von Tarragona und das von
Avila. Aldrete führt ein Brevier von Cordova an, nach welchem ihr
Fest am 27. April begangen wurde. Hervorzuheben ist eine Stelle aus
dem alten Brevier von Burgos, nach welcher ihr Andenken fast in der
ganzen Welt am 1. Mai begangen wurde').
So wurde in der alten Zeit ihr Fest in ganz Spanien gefeiert.
Warum? „Entweder,^ sagtFlorez, »weil die beiden Apostel (Philippus
und Jacobus) in der ersten Zeit kein eigenes Fest hatten, oder weil sie
kein eigenes FestofGdum hatten, desswegen auf einen andern Tag trans-
ferirt wurden.^ Ich füge bei, weil in ganz Spanien das Fest der Sie-
benmänner früher und weil es festlicher begangen wurde. Als nun aus
dem römischen Festkalender das Fest der beiden Apostel für den 1. Mai
in den spanischen Festkalender übergieng, war der 1. Mai von dem
Feste der Siebenmänner schon occupirt, welche für die Kirche von Spa-
nien eine grössere Bedeutung hatten ^).
Warum aber wurde ihr Fest am 1. Mai gefeiert? Entweder, weil
sie an diesem Tage eintraten in Spanien, oder über Spanien sich ver-
breiteten, sagt Florez. Jedenfalls kann diess nicht das Fest ihres Todes
seyn , da sie nicht an einem Tage starben. Ich halte es mit Florez für
das Wahrscheinlichere, dass der 1. Mai der Tag des Wunders bei Guadix
war. Das römische Martyrologium hat ihr Andenken am 15. Mai, weil,
als ihre Namen in dasselbe eingetragen wurden, in Rom am 1. Mai
schon das Andenken der beiden Apostel Philippus und Jacobus ge-
feiert wurde. Aber ich kann der Meinung des Florez nicht beitreten,
dass der 15. Mai der Tag des Todes des heiligen Torquatus gewesen.
Denn die angeführten Documente, d. h. zunächst Ado, sagen nicht, dass
das Wunder des Oelbaumes am 15. Mai geschah, sondern ^bei der Fest-
*) Aldrete, antiquit, Higp, L 2, cap, 12, Etsi komm sanetisnmorum p<mt\ficuim KaUndü
Maß natahtium ubique pene gentium eelebretur (zum 29. April).
*) Florez, 4, 62.
$. 5. Die VereliniDg des heiligen ToTqnatus. 149
lichkeit der Siebenmänner in Acci^. Ado aber sezt ihr Fest auf den
15. Mai aus keinem andern Grunde, als weil er es so in dem kleinen
römischen Martyrologium vorgefunden, von dem er zu Aquileja Einsicht
und Abschrift genommen hatte.
Auf die Uebertragung des Leibes des heiligen Torquatus nach Cela-
no va ^) in Galizien können wir nicht eingehen, weil es uns an sichern
historischen Anhaltspunkten zu einem Urtheile fehlt»
') In Celanova wird (nach Madoz) allerdings der Leib des beiL Torquatus auf-
bewahrt; doch auch, und natürlich als bedeutendere Reliquie, der Leib des
heil. Rudesindo, Bischofs von Damium und Mondonnedo — um 975«
Siebentes Kapitel.
Der heilige Secondos von Abola.
Literatur: 1) Historia de las grandezcut de la ciudad de Ävila, por el padre
Fr, Luis Arizj monge henito etc, 1607 , en fol.
2) Historia de la vida, invencion, milagros y translacion de San Segundo, primero
obispo de Ävila, y recopilacion de los obispos sucessores svyos hasta D. Gerönvmo Manrique
de Lara, inquisidor general de Espanna, compuesta y ordenada por Antonio Cianca, natural
de la ciudad de Ävila. Madrid, por Luis Sanchez, 1593. En 4®. Eine zweite Aus-
gabe 1595.
3) Teatro eclesiästico de la santa igksia apostöUca de Ävila, y vidas de sus obispos y
cosas memorabUs de su sede in: Gil Gonzalez, „Teatro de las iglesias de Espanna, tom. II,
p. 189.
4) Fhrez, Tratado de la igksia abulense, Espanna sagrada, t. 14 (1768), p. 1 — 35,
§. 1. War die Stadt Avila in Altcastilien der Bischofssiz des
heiligen Secundus?
Das heutige Bisthum Avila heisst lateinisch Abula. Das Wort Abula
kommt in der alten Zeit nur einmal vor bei Ptolemäus, und zwar unter
den Städten der Bastitaner.
Obila aber lag nach Ptolemäus im Lande der Vettonen, in einer
Gegend, die nicht allzusehr abweicht von der Lage des heutigen Avila,
bei den grösseren Lrthümem, die sich bei Ptolemäus finden. Ausser
Ptolemäus*) begegnet uns kein alter Geograph, der Abila nennte. —
Bei Hieronymus^) lesen einige Abula, andere Abila. Sophronius, der
griechische Uebersezer des Hieronymus, schreibt — Abila. Daraus ist
zu ersehen, dass EGeronymus ebenso geschrieben hat. — Li dem
>) Ptol. geogr. 2, 5(9),
*) Hier, de vir, iüustr, c. 121,
$, 1. War die Stadt Avila der Bischofssiz des heil. Secnndas ? 151
Chronikon des Idatius heisst es zum Jahre 386 : Abula. [Priscillian wird
zum Bischöfe von Abula ordinirt *)].
Florez möchte nachweisen, dass die Stadt Avila phönizisch- liby-
schen Ursprunges sei, und dass ihr Name in Beziehung zu sezen sei
mit dem Berg Abyle in Afrika. Er meint, Abyle selbst bedeute Berg.
Und Alterthümer daselbst weisen auf ein unvordenkliches Alter der
Stadt hin^). — Movers, dessen genaue Studien bekannt sind, hat aber
alle Städte Spaniens aufgeführt, welche phönizisch -libyschen Ursprungs
sind, darunter Avila nicht. Die Aehnlichkeit mit Bilbilis, Myrtilis —
weist eher auf altspanischen Stamm. Die Vergleichung des Florez mit
einer Stadt Abella in Campanien, und der Landschaft Abylene beweist
nichts, denn solche Aehnlichkeiten sind zufällig.
Ohne Beweis sagt Florez, dass der Name von Avila zuerst Abula
war, wie Idatius zeige. — Dass die kirchlichen Documente, die von
Secundus handeln, ihm Abula zuweisen, beweiset nichts. Denn diese
Documente sagen ja mit keinem Worte aus, dass das Abula des heiligen
Secundus die Stadt Avila in Altcastilien sei.
Die in den Concilien zu Toledo unterzeichneten Bischöfe von Avila
— nennen sich alle von Abila oder von Abela, nie von Abula. — Dabei
ist zu bemerken , dass sich diese Bischöfe jedenfalls nach der alten
Schreibweise der Stadt unterzeichneten, wie z. B. sich der Bischof von
Guadix heute nicht episcopus Ouaditanus, sondern Äceitanus nennt. Hätte
Avila früher Abula geheissen, so hätten sich die Bischöfe auch so ge-
nannt 3).
Noch die sogenannte Charte Wamba's, die aus dem eilften oder
zwölften Jahrhundert stammt, schreibt Abela*). Ein Catalog der Bis-
thümer von 883 schreibt: Abila. Ein Verzeichniss vom J. 962 schreibt:
Avela. — Ein anderer Catalog, von Loaysa mitgetheilt, schreibt: Abela ^).
In einem Pariser Verzeichnisse von Bisthümern, frühestens vom
Ende des zwölften Jahrhunderts, erscheint zuerst: Abulmsem. Ebenso
steht in einem Cataloge aus der Bibliotheca Thuana in Paris. — Ein
Catalog von 1225 aus der vaticanischen Bibliothek, welcher das bekannte,
und in neuester Zeit mehrfach herausgegebene Verzeichniss der Bischöfe
unter Papst Honorius lU. enthält, schreibt: Abulensis; ebenso ein gleich-
') Idatius ad a. 386: Priscillianus j decUnans in haeresim Gnosticorum , per episcopos,
quos sibi in eadem pravitate collegerat j Äbulae episcopus ordinatur . . s. Buch 4. Kap. 9.
*) Willkomm, die Halbinsel der Pyrenäen — 1855, S. 347. Avila liegt sehr
uneben, und hat einigte rohe Granitblöcke in Form von Thiergestalten.
') Vierte Synode : Theodoigius Äbilensis ep. Siebente Synode : Eustochius ecclesiae
Abiftnsis episcopus. Achte Synode : Amanungus — Äbilensis episcopus. Ebenso :
Aspkalius, OnegisiSf Joannes , Justmianusf — Äbilensis.
^) Florez, 4,253.
») Florez, 4,259.
152 Zweites Buch. Siebentes Kapitel.
zeitiger Catalog aus Alcala. Endlich heisst Avila auch bei Rodrigo Xi-
menes um das J. 1240 Abula*).
Man kann die allmälige Entstehung des Wortes Abula verfolgen.
Es heisst in Spanien bis zum dreizehnten Jahrhundert Abila oder Abela.
Die Ausländer nennen es zuerst Abula , und nun nahmen die Spanier
gleichfalls diese Weise zu schreiben an. Ist also das Wort entscheidend,
und man dürfte , da man sonst keine Anhaltspunkte hat, auf das Wort
den meisten Nachdruck legen, so war das Abula des heiligen Secundus
keineswegs die Stadt Avila in Altcastilien. Denn in der altgothischen
Liturgie heisst die Stadt des Secundus Abula , und so hat in alter Zeit
Avila nie geheissen.
Florez meint ferner, über einem unbekannten Abula in Bastitanien
dürfe man nicht den bekannten Bischofssiz in Lusitanien zurücksezen.
Wir hätten nicht einmal bestinamte Zeichen, dass es ein bastitanisches
Abula gab. — Dabei wird aber immer vorausgesezt , dass Avila schon
vor dem vierten Jahrhundert ein Bisthum war, was erst zu erweisen
wäre. Ferner, dass das Abula des Secundus ein Bisthum seyn musste;
aber nach dem Tode des Secundus konnte ja das Bisthum Abula wieder
erlöschen oder nach einem andern Orte übertragen werden, wie es mit
den Bisthümern des Ctesiphon, Isitius und Euphrasius der Fall war^).
Nach Avila war es, sagt Florez, wohin S. Secundus, durchdringend
das mitten liegende Land, kam, um das Evangelium zu predigen, in
dieser von Prätoren und Soldaten freien Gegend. Weil Avila fern war
von den Heerstrassen, sei es nicht erwähnt worden, um so gelegener
aber für das Christenthum gewesen. Als die Muhamedaner die Stadt
besezten, haben die Gläubigen den Leib ihres heiligen Patrones ver-
borgen, bis man Ihn im J. 1519 wieder fand, mit einer Inschrift: Sanctus
Secundia. — Wohlgerüche seien ausgeströmt, und viele Wunder seien
geschehen. Von den leztern berichtet besonders Antonio Cianca. Zu-
gegeben, dass Wunder geschehen, beweist dieses nicht, dass Secundus
in Avila wirkte und starb. Der Leib konnte ja auch übertragen wor-
den seyn. Wunder können nie die Identität eines heiligen Leibes be-
weisen; sie sind ein Lohn eines lebendigen Glaubens. — Jedenfalls
könnte man mit ihnen historische Thatsachen nicht beweisen.
Was gegen Avila als Siz des heiligen Secundus spricht, ist 1) die
Verschiedenheit des Namens; 2) der Mangel aller frühem Tradition bis
zu dem Einfall der Mauren; 3) Avila war in den ersten Jahrhunderten
ein so unbedeutender und abgelegener Ort, dass nicht einmal eine der
zahlreichen römischen Staatsstrassen über den Ort führten. Wie hätte
sich Secundus dahin verirren sollen? 4) Die andern sechs Apostelschüler
*) Rodericus Xim, de rebus Hispaniae, 9, 4 — Abula — in Patrum Toletanorum opera,
t 3 (1793).
«) 14, 11.
$. 2. War die Villa Vilches im Bisthume Jafin, etc. 153
hatten aber ihren Siz in Südostspanien, und so nahe bei einander , dass
ein bestimmter Entschluss, ein Entschluss, sich nicht zu trennen, dieser
Nähe zu Grunde zu liegen scheint. Nun sollte ein Einziger, wie ein
verirrter Bruder seine Mitbischöfe verlassen, und viele Tagereisen fort
nach dem Nordwesten von Spanien gekommen seyn? Um solches an-
zunehmen, müsste man andere Gründe haben.
§. 2. War die Villa Vilches im Bisthume Jaen, oder las Bullas
im Bisthmne Murcia Siz des heiligen Secmidus?
Die spanischen Geschichtsfälscher, Roman Higuera u. a. sind in der
Frage nach der Lage von Äbula nüchterner und kritischer gewesen, als
andere Historiker von Spanien. Ihre Gründe lassen sich wenigstens hören.
Pseudo-Dexter lässt zum J. 100 den heiligen Secundus zu Castrum
altum bei Tugia predigen, Diess ist eine Verwechslung mit Isitius von
Carcesa.
Pseudo-Luitprand sagt: Abula im Lande der Bastetanen sei die
von den Mauren zerstörte Villa Gurda, wo sich ungeheure Ruinen be-
finden. Von Turbula oder Tovarra sei der Ort 26 römische Miglien
entfernt*). Von hier aber sei er bis Abila in Lusitanien gekommen,
und dort Märtyrer geworden. — Noch weitern Unsinn fügt er bei. —
Martin Ximena und die von Jaen überhaupt sind für Vilches. Vilches
ist eine Villa von 2,668 Seelen mit der Pfarrkirche San Miguel, von
Linares zwei Leguas entfernt. — Allein dass Bilches je Abula geheissen,
lässt sich nicht beweisen, und ist nicht wahrscheinlich.
Cort^s und nach ihm Madoz sagen, dass nach Ptolemäus ein Abula
im Lande der Bastetaner lag. In dem erweiterten Bastitanien befinde
sich die Villa las Bullas. — Bullas liegt in der Provinz Murcia, zehn
Leguas davon entfernt, drei von der Stadt Mula. Die Pfarrkirche vom
J. 1723 ist „Unsre Frau vom Rosenkranze*'. Das Wort „Bullas*' sei
eine unbedeutende Abweichung von Abula, und die Bevölkerung von
Bullas habe verschiedene Alterthümer.
Diess ist alles. Der Weg von Abula zu Bullas ist jedenfalls ein
ebenso weiter, als der Weg von Abula zu Abla. Die „Antiguallas*'
aber, d. h. Alterthümer, auf welche sich die von Bullas berufen, sind in
Spanien äusserst wohlfeil zu haben, etwa wie der Esparto, besonders in
der Gegend, von welcher hier die Rede ist, wo die Städte Carca, Se-
gisa, Orcelis, vielleicht auch Vergilia, sodann Dorcum, das „Cieza^'-Car-
teja des Salmeron, Saltiga, Bigerra, Bergula, Uunum, besonders das Asso
des Ptolemäus, das Assota der Inschrifken in der Nähe lagen ^). — Es
>) Adversaria 96 und 100.
«) Masdeu, 6, 102 und 115. — Cortfy^ 2, 172.
154 Zweites Bach. Siebentes Kapitel.
ist wahr, dass Ptolemäus das Äbula der Bastitaner zwischen Bigerra und
Asso nennt, es also im Allgemeinen in die Provinz Murcia verlegt. Aber
eben die Lage der alten Städte Asso und Bigerra — ist noch unent-
schieden oder bestritten, und die Genauigkeit des Ptolemäus ist vielfach
unverlässig. — Hat er ja doch , wie Florez mehrfach bemerkt *) , bei
der Angabe der Städte der Bastitaner die Hauptstadt Basti selbst ver-
gessen, eine Stadt, die jedenfalls damals bestand, und welche von Plinius
angeführt wird ^).
Wenn die „Antiguallas^ und „Medallas*' der Einwohner von „Bul-
las*', Inschriften mit dem Namen „Abula*' wären oder enthielten, dann
läge eine Beweiskraft darin. Ptolemäus bestimmt die Lage seines ^Abula^
auf 39° 15" n. Br. Bullas liegt nahe unter 38°, während Abla, wovon
der nächste Paragraph handelt, unter 38f° liegt.
§. 3. Das Abula des heiligen Secundus, und das Abula des
Ptolemäus ist der Ort Abla zwischen Guadix und Almeria.
Die Villa „Abla^ ist nach Madoz neun Leguas von Almeria ent-
fernt, von Guadix aber sechs, was acht bis neun deutschen Wegstun-
den gleichkommt. Sie gehört heute zum Bisthume Guadix. Der Geo-
graph Forbiger u. a. glauben, dass das Abula des Ptolemäus •'*), die Stadt
der „Albanenses^ des Plinius*), endlich das „Alba^^ des Itlnerarium An-
toriini^) ein und derselbe Ort sei. Er hält ihn für Abla. Reinhardt
stimmt für das nahe bei Abla liegende Purchena, ohne Grund, Lapie
ist für Abla de Arroyo. Da ich bei Madoz nur das einzige Abla finde,
so wird es vielleicht diesen Zusaz haben oder gehabt haben®).
Ich theile vollkommen die Ansicht, dass das Alba des Antonin, das
Abula des Ptolemäus und des heiligen Secundus das heutige Abla sei,
will aber nicht verschweigen, dass kaum ein Spanier diese Meinung
theilt. — Kommen wir zuerst zu Ptolemäus. S^ine Gradangabe n. Br.
der Lage von Abula triftlt allerdings nicht, wie gesagt, auf die Lage
des heutigen Abla, aber sie trifft noch weniger auf Bullas, dagegen ist
die Angabe der Längengrade zutreffend. Abula hat nach Ptolemäus
11° 40', und Acci hat 11° 45' ö. L., ist demnach ziemlich zutreffend.
») Florez, 5,25.
«) Plin, 3, 3.
') Ptolem. 2, 6, 61, Lapity Atlas untversel de Geographie ancienne et moderne — Paris
— 1842, fol.
*) Stipendiarii autem celeberrimi (die in den G^richtsbezirk von Carthagena gehören)
alabanenses (albanenses, bastitani. — 3, 26.
,•) Itiner. Antoninif p. 404, Die neueste Ausgabe von Pctrthey und Pinder hat
die Paginirung der Ausgabe von Wesseling — 1725 beibehalten.
'^ Lapie f Alka univerael de Geographie aneienne et modeme^ Paria 1642, folL
$. 3. Das Abula des heil. Secnttdas, und das Abula des Ptolemäas etc. 155
Damit muss man zufrieden seyn, denn genau sind die Berechnungen
des Ptolemäus nie*), sondern nur ungefähr genau.
Aber wie ist denn Abla aus dem Abula des Ptolemäus entstanden?
Man antwortet: durch die Ausstossung des 17. — Allein diese Aus-
stossung vollzog sich viel leichter, wenn der Accent nicht auf dem ü
gelegen , sondern auf der ersten Silbe. Florez zwar schreibt jißovXay
wie er auch Beg/ovXa schreibt. Mit Unrecht. Nach den neuesten Aus-
gaben des Ptolemäus liegt niemals (oder nur einmal) bei den Worten,
die sich im Spanischen auf — ula endigen, der Accent auf dem ü oder
auf der vorlezten Silbe. Beispiele sind — Barbaesvtla, Obvilcon, SslI-
äabOj IlRpvÜa (2mal), Eseäa, Cälaecnla (dagegen Caldnba), Obneäla,
Aaüla, AlbfSc^lay Turb^la (toiuQßovka^ äßovlce^) Saetabicüla.
Nur eine einzige Ausnahme scheint Deobrigüla zu machen; da aber
Ptolemäus die Stadt Saetabicula ^cctraßixovkcc schreibt, so scheint es
mir auch Oeoßgi/ovlcc heissen zu müssen, um so mehr, als Ptolemäus
immer QeößQiya schreibt^).
Da mm bei ihm die zweite Silbe in Abula kurz war, da man sie
auch in Spanien kurz sprach, so liegt es näher, dass aus Abula das
heutige Abla, als dass aus Abula — BuUas entstanden sei. Beispiele
für solche Ausstossungen von mittlem Vocalen bietet das alte und neue
Spanien in Menge dar. Ptolemäus hat eine Stadt , die er im Griechischen
Segisamüneiilum nennt ^). Der — 50 Jahre ~ später verfasste römische
Reichswegweiser nennt deii Ort schon Segasamunclum. Das kurze ü ist
ausgefallen. Genau so schrieb Ptolemäus um 150 n. Chr. noch Abula;
50 Jahre später der Reichswegweiser schon Alba (eigentlich Ablä). —
Ganz nahe bei Abula lag das alte Abdera — Ptolemäus schreibt es
äßSegcc, — Nun ist nicht nur das kürze E ausgefallen, sondern auch
mit dem E das B. Heute heisst der Ort Adra, und niemand leugnet,
dass das heutige Adra das alte Abdera sei. Diess genüge.
Allein — Plinius nennl ja die angeblichen Einwohner von Abula =
Abla — AWanenses oder AUzbanensea^ während der Reichswegweiser die
^) Wir berechnen die Läng^engrade von der Insel Ferrol aas, Ptolemäus fängt von
den Insulae fortunatae an, den kanarischen Inseln, ostwärts die Grade der Länge
zu zählen. Das Gap Sanct Vincent liegt nach ihm unter 2^^ ö. B., da es in
der That unter den 8* zu stehen kommt; Guadix liegt unter 14^, Albal5®ö. L.,
bei Ptolemäus !!• 40' und 11* 45'. Ausführlich handelt über die Gradmessung
des Ptolemäus E. Mannert: Alte Geographie, 1«» Auf läge 1799, 3^ Aufl. 1829,
Bd. 1, S. 142—177. »Historische Erdkunde des Marinus und Ptolemäus.« (In
dem achten Buche des Ptolemäus ist die Stadt Alexandria, wo Ptolemäus wohnte,
der erste Meridian, von hier rechnet er östlich und westlich nicht nach Graden
der Länge, sondern nach Tagesstunden.)
') C, PtoUmaei — Htgpaniae TarraconensU iüus,' Esp. sagr, t. 5f p, 375 im Anhange.
^ ^e/i^a.uoyjeopilor ^bel 'Ptolemäus , Se^asctmunchm bei Itin. Anton. S. 394- — Hm.
3, 26. .
156 Zweites Bnck. Siebentes Kapitel.
Station der Heerstrasse z'wischen Guadix Jind Urci nicht Abla, sondern
Alba nennt? Allerdings. — Aber'^ nach dem Reichswegweiser betrug
die Entfernung von Acci nach Alba — 32 römische Miglien^ von Alba
nach Urci 24. — Dieses Alba kann nur das heutige Abla seyn, was
auch Madoz zugiebt. Denn die Entfernung trifft ziemlich zu, und das
Wort Alba ist nur die Methatesis eines Buchstabens. — Ich zweifle
nicht, dass in der Volkssprache das Abula des Ptolemäus schon damals
Abla hiess. Aber die Zunge sowohl als die Feder strebt unbeiwusst
nach Alba, und weicht vor Abla zurück. — So kommt es denn, dass
heute in ganz Spanien nur ein einziger Ort mit diesem Namen Abla
vorkommt, was ein halber Beweis ist, dass der Name aus Abula ent-
standen, während sich der Ortsname Alba 19mal bei Madoz findet —
Sagen wir es ohne Bedenken. Entweder der Reichswegweiser genannt
des Antonin, oder die Abschreiber des Itineranum, entweder Plinius
oder die Abschreiber des Plinius haben irrthümlich statt Abla Alba, und
statt Ablanenses — Albanenses geschrieben, weil ihnen Abla wie ein
spanisches Dorf vorkam, während ihnen Alba geläu% war.
Ich glaube demnach, ohne Bedenken annehmen zu dürfen, dass das
Abula des Ptolemäus und des heiligen Secundus das Alba des Antonin
und Plinius — der heutige Ort Abla sei, der (nach Madoz) neun Le*
guas von Almeria, vier Leguas von Gergal, von Granada fünfzehn,
von Guadix sechs Leguas entfernt ist. Dieser Ort empfahl sich für den
Begleiter des heiligen Torquatus von Acci, den Leiter und das Haupt
der Siebenmänner, unvergleichlich besser, als Bullas oder Yilches, oder
vollends gar das ferne Avila in Altcastilien. So war der heih'ge Se-
cundus nur eine kleine Tagereise einerseits entfernt von seinem Meister,
dem heiligen Torquatus, und wieder befand er sich, wie wir hSren wer-
den , in der Nähe zweier anderer Begleiter und Gefährten des Torquatus.
Er befand sich an der grossen römischen Heerstrasse; und wenn der
Ort Abula gerade nicht bedeutend war, so entsprach vielleicht ein solcher
Ort der geringeren geistigen Begabung des Heiligen.
Aber es giebt ja in Abla keine Tradition von dem Wirken eines
Apostelschülers daselbst. Es gab, soweit man weiss, niemals ein Bis-
thum Abla (wofür kaum ein Raum gewesen), und unter den 24 Prie-
stern in Elvira war keiner aus Abla? Diess ist unleugbar. Aber Eu-
phrasius starb in lUiturgi, und es besteht keine Erinnerung mehr an
ihn. Sie war vorhanden, ist aber ausgestorben. Es besteht keine Erin-
nerung zu Berja an Ctesiphon. — Daraus folgt nicht, dass es nicht
einmal in Abla eine solche gegeben habe. — Abla hat keine Literatur.
Munnoz weiss von keiner Schrift, die über diesen Ort erschienen wäre.
Durch seine Ünbedeutendheit sank er in Vergessenheit. Darum weiss
man nichts von seiner Vergangenheit.
Pedro Suarez führt in seiner Geschichte des Bisthums Acd nur
eine einzige Inschrift aus Abla an, welche Florez]ausliess, wei} siß übel
$. 4. Abla in der neuesten Kirchengeschichte. 157
erhalten nnd übel abgeschrieben war. Bei Masdeu findet sich gleichfalls
nichts über Abla. Doch geht daraus henror, dass dieser Ort alt sei,
Florez lässt nicht unbemerkt, dass 32 römische Miglien 8 spanischen
Leguas gleichkommen ^). Da er aber das alte Acci \ Leguas nördlicher
sezt, als das heutige Guadix, so findet er in dieser Angabe der 32 Mi-
glien eine Bestätigung seiner Hypothese. Wir rechten nicht mit ihm.
Wir sind zufrieden, dass er das Alba des Reichswegweisers mit dem
heutigen Abla für identisch halte. Er nennt den Unterschied der bei-
den Worte eine ;,sehr kleine Inversion*' ^), Wir nehmen das Wort aus
seinem Munde, und nennen die Veränderung yon Abula in Abla eine
noch kürzere und natürlichere Veränderung.
§. 4. Abla in der neuesten Borcliengescliichte.
Im Jahre 1629 begann man im Bisthume Ouadix, die heiligen
Apolo, Isaac oder Isaacius, und Crotates oder Codrato zu verehren. Der
Bischof Fr. Juan de Arauz, Franziscaner, erliess ein Decret in der
Ueberzeugung , dass diese Heiligen zu Abla gelitten haben. Er stüzte
sich dabei auf Pseudo-Dexter, der zum J. 300 erzählt: „Zu Abla bei
Acci in Bätika die heiligen Märtyrer Christi, Apollo, Isacius und Cro-
taton, ihr glorreicher Genosse.^ Pseudo-Dexter beachtete nicht einmal,
dass weder Acci noch Abla in der Provinz Bätika lag. Bivar in seinem
Commentar zu Pseudo-Dexter hat ebenso wenig beachtet, dass das Alba
ürgao, heute Arjuna genannt, nicht im Bisthum Acci lag. — Tamayo
Salazar hat in seinem — mit Fabeln überfüllten — spanischen Marty-
rologium dem Pseudo-Dexter zu Hilfe kommen wollen, und sagt, das
Alba bei Acci sei zuweilen in der Bätischen, zuweilen in der Tarraco-
nensischen Provinz gelegen gewesen'). Denn Pseudo-Dexter geht ihm
über alle Auctoritäten. — Die Geschichte ihres Martyriums, welche er
ausführlich mittheilt, wiD er in einem sehr alten Lectionar von Astorga
gefunden haben, welches vor ihm niemand sah und niemand fand, und
welches nach ihm niemand mehr gesehen hat*). — Pseudo-Dexter
wurde zum erstenmale 1619 gedruckt. — Die BoUandisten *) sowohl
als Florez haben diese Erdichtungen des sechszehnten und siebenzehnten
Jahrhunderts zurückgewiesen. Die betreffenden Märtyrer sind Morgen-
länder, und sie litten in Nicomedien unter Diocletian. — Die Energie,
mit welcher Florez überhaupt gegen solche Fabeln auftrat, zeichnet ihn
vor der Mehrzahl früherer spanischer Historiker aus, welche in Bausch
Florez, 7, 15.
*) Cortimma Invernon,
•) Martyrologium Hispanicum, 21. April, p, 711 (Lugdum 1652),
*) Hactenua Acta a nullo ?iucusque excusa, immo nee aüegata — Tamayo^ p, 714,
•) BoUandisten — 21. April — heü. Alexandra — Florez, 7,45—53.
158 Zweites 6. Siebeutas Kap. $• 4* Abia in der neuesten Kirchengeschichte.
und Bogen alles angenommen haben, was einem an sich ehrenw^hen,
aber unerleuchteten Patriotismus zusagte. Spanien hat so Tiele Grrössen
und Vorzüge; dass es sich nicht nach unerwiesenen und unerweisbaren
Dingen umzusehen braucht
Ich weiss nicht, ob noian heute noch im Bisthume Guadix, und zu
Abla in^s Besondere den Apollo, Isaac und Cix>taton als einheimische
Heilige verehrt ^). Jedenfalls haben die Gemeinde von Abla, und, mittel-
bar auch das Bisthum Guadix, zu welchem Abla heute gehört, un-
vergleichlich mehr Grund, den Secundus als SchuzheiUgen der Ge-
meinde und des Bisthumes zu verehren.
Madoz berichtet, dass auf dem Plaze Sanct Anton zu Abla ein Kreuz
auf einem Steine mit unleserlicher Inschrift stehe, von welchem man
glaube, dass sie zu Ehren des Kaisers Vespasian eingegraben sei. —
Abla liegt am Abhänge der Sierra Nevada, hat 383 Häuser, 2,117 Ein-
wohner, und eine ;,sehr alte Pfarrkirche^, welche der ^^Virgen de byten
Sucesso^^ gewidmet ist. Von einem alten Castelle sind noch Thürme und
Aquädukte übrig.
„In Erwägung der erwähnten Alterthümer haben einige, wenig
Kenner der alten Geographie,*' sagt Madoz, „hieher das Abula des Pto-
lemäus gesezt.^*^ Wenn nur Madoz sich mit Behauptungen nicht be-
gnügt und positive Gründe beigebracht hätte, dass Bullas mit seinen
„einigen Antiguallas^ das alte Abula gewesen!
^) Es scheint, denn es bestand noch 1850 eine Einsiedelei mit diesen Namen
zu Abla.
Achtes Kapitel.
Der heilige Indaletios von Drei.
Literatur: I. von Almeria: 1) Vida de San Jndalecio y Älmeria ilustrada en su
antigüedadf or{gen y grandeza, Tesoro escondido de la perla mas hermosa, Historial dts-
curso de su primer obispo y preladoj apöstol de Andaluc(aj San IndaleciOf por el Dr,
D, Gabriel Pascual y Orbanejaj dean gue fu€ de la santa iglesia catredal de Almeria, —
Almeria j por Antonio Lopez Hidalgo , 1699. En Fol.
2) Indice de alegria sagrada; epüome de la vida y translacion de S, IndaleciOf uno
de los siete prindpales disc(pulos del apöstol San Tiago el Mayor, llamados comunmente
los siete convertidos, primog€nitos de la fe cesar-augustana, obreros de sa ang^lica y apö^
stoUca basilicay maestros y fundadores de la primitiva iglesia de Espanna y por D. Fr. Ber-
nardino Antonio Echeverz, monge del real monasterio de Juan de la Penna. — Zaragoza,
por Joseph Fort, 1735, en 4". — Diese beiden "Werke nehmen treuherzig alle Er-
findungen der Pseudo • Chroniken an. Ein neueres Werk über die Kirchcngeschichte
von Almeria ist nicht vorhanden.
IL von Urci: De la iglesia Urdtana, incorporada hoy con Almeria — in — Espanna sa-
grada, t.8, p. 212 — 230.
III. von Lorca: Das schon erwähnte Werk des Fr. Morote Perez Chuehos über
Lorca (Eliocroca) [1741] bel;iandelt ausführlich über S. Indalecius alles, was man
von ihm wissen, oder auch nur vermuthen kann.
IV. von San Juan de la Penna, welches Kloster sich rühmte, im Besize der
Reliquien des heil. Indaletius zu seyn : Historia de la fundacion y antigüedades de San
Juan de la Penna y de los reyes de Sobrarve, Aragon y Navarra, gue dieron principio d
sa Real Casa y procuraron sas acrecentamientos , hasta que se uniö el principado de Cata-
lunna con el reinö de Aragon, ordenada por su Abad D. Juan Briz Martinez. — Zara-
goza, por Juan de Lanaya y Quartanet, 1620. En Fol. — Dazu ein ap€ndice apolog€tico
von 1622 — (im Ganzen giebt es acht Schriften über San Juan de la Penna)»
§. 1. Der Name des heiligen Indaletius
klingt am Fremdartigsten unter den Namen der Siebenmänner. Das
gothische Ofßcium nennt ihn wegen des Anklanges einen index bonorum
160 Zweites Buch. Achtes Kapitel.
— einen Anzeiger des Guten — hält also den Namen für lateinisch *).
Unter allen inschriftlich vorhandenen spanischen Namen lautet keiner
Indaletius. Unter allen auf Spanien sich beziehenden Namen in Münzen
und Inschriften hat nur ein einziger eine gleiche oder ähnUche Endung.
Es ist der Name Helvetius. Licinius, der Sohn des Clossus-Helvetius,
ein Soldat der spanischen Reitercohorte, starb zu oder bei Worms. Aber
hier hiess Helvetius wohl: Licinius ein Schweizer'). Diess bringt uns
auf die Vermuthung, dass Indaletius ein celtischer Name seL Unter
allen Namen, deren ich mich erinnere, hat keiner mit Indaletius eine
grössere Aehnlichkeit, als der des Endelechius Severus Sanctus. Er
blühte am Ende des vierten Jahrhunderts. Man glaubte, dass er aus
Bordeaux stammte. Er war ein Freund des Paulinus von Nola*). —
Femer hat Indaletius Aehnlichkeit mit dem Namen der bekannten spa-
nischen Gottheit Endovellicus, welcher bei Masdeu mit nicht weniger
als 15 Inschriften in Spanien vorkommt. Masdeu bemüht sich zwar, zu be-
weisen , dass derselbe eine carthagische Gottheit gewesen sei. Die meisten
aber halten ihn, und wohl mit Recht, für einen celtischen Gott*). Auch
heute hat die französische Sprache noch am meisten Endungen auf —
elet. — Wir werden also wohl berechtigt seyn, den Indaletius für einen
celtischen Namen zu betrachten. Die Gelten aber wohnten theils als
Celtiberi, theils als Celtici in Spanien, sie wohnten in ganz Gallien, in
Helvetien und den Alpenländern, sowie in ganz Oberitalien. Möglich
also, dass Paulus den Indaletius mit sich aus Spanien nach Rom genom-
men, oder dass er ihn in Rom als gebomen Spanier gefunden hat.
§. 2. Die Lage der alten Bischofsstadt Urci.
Bei Plinius und bei iL Anton, heisst die Stadt Urci, und der Golf
Ureitanus. Mela sagt: Virgi in sinu, quem Virgitanum voccmt^). Plinius
berichtet, dass a flne ürgitano das diesseitige oder tarraconensische Spa-
nien beginne. Ebenso spricht Marcianus Capeila von dem j^sinus Urci-
') Indaletius index bonorum operum spiritualium aümenta ministret.
*) Licinius Clossi F. Helvetius Ann, 47 eques alae Hisp.
') Remi/ CeillieTf histoire giniraU des auteurs sacrA — der neuen Ausgabe, t. 6,
p, SSO — Paris 1860,
*) Masdeu, 8, p. 362^368. t. V, II, 45^50, Ferner: Alphitander L., Dei - En-
dovelUci indigitamentum — 1702, Fr er et, Recherches sur le Dieu Endovellicus, et
Star quelques autres antiquiUs iberiques, Paris 1723, — D, Miguel Perez Pastor,
Disertacion sobre el Dios Endovellico, y noticia de otras Deidades gentüica» de la
Espanna antigua — Madrid 1760, — S. Resendi, a$Uiqu, Lusitaniae, 1, 4 — cq>,
Schott, Bispania iüustrata, 4, 964,
*) Mela, 2, 6, 6 (andere Lesart: ürd m sinu, quem ürcitanum vocant: extra Ab-
dera etc,).
$. 2. Die Lage der alten Bisehofsatadt Urci. 161
tanus^ *). Ganz richtig heisst PtolemäuB (2, 6, 14) Urei — ovQxr}.' —
Zu trennen von Urd ist Murgi oder Murgis, Denn das lUnerarium A.
zählt als Stationen — Ürei — Turamana — 16 Miglien — Murgi» —
12 M. P. Murgis wird ziemlich allgemein für das heutige Almeria be^
trachtet ^) ; es lag in der Provinz Bätika , während ürei in Tarraco-
nensis lag.
Urci war ferner eine Küstenstadt, also kann es nicht das heutige
Orce bei Basti seyn. Es lag östlich von dem Flüsschen Almansor oder
Almanzora , welcher zwischen las Cuevas und Portilla mündet. An der
Ostseite des Flüsschens, der meines Wissens bei den Alten -nicht ge-
nannt wird , wollte man wenigstens im vorigen Jahrhunderte noch Spuren
einer alten Stadt finden, welche sich weit an der Küste hin, und in
das Innere des Landes erstreckte, wie Henr. Florez von dem Vicarius
des Bezirkes der Stadt Vera, Franc Gil Flores, erfuhr.
Mor^ aber hat sich später in seiner gewonnenen Ueberzeugung
von der Lage des alten Urci schwankend machen lassen. Die Bewohner
der Provinz Murcia, die Gläubigen der Bisthümer Carthagena- Murcia,
und des alten Bisthums Eliocroca grenzen nemlich bei dem Hafen las
Aguilas auf eine schmale Strecke an das Meer. Während dieser Hafen-
ort noch zum Königreiche Murcia gehört, gehörte die Gegend, wo das
alte Urci stand, stets zu Andalusien. Da nun Urci sowohl als Bistiium,
als weil es der Siz des heiligen Indaletius war, von grosser kirchen-
geschichtlicher Bedeutung ist, so gab sich der Patriotismus der Mur-
cianer Mühe, Urd für ihre Provinz zu gewinnen, und sie machten den
Versuch, den Hafen las Aguilas als das alte Urci zu erklären. Der
erwähnte Historiker von Lorca vertheidigt aus patriotischen Gründen
diese Ansicht. •— Ebenso hat aus provinziellen Gründen der Canonicus
Lozano, welcher 1794 ein Werk in zwei Bänden über die alten Gegen-
den Bastitanien und Contestanien des Königreiches Murcia herausge*
geben hat ^) , Urci zu Murcia gezogen und las Aguilas als das alte Urd
erklärt« — Cort^s ist im J. 1836 dieser Meinung beigetreten, ohne
weitere Gründe für sie anzuführen, und Madoz hat sich im Jahr I8ÖO9
gleichfalls ohne Gründe, zu dieser Ansicht bekannt.
Las Aguilas ist indess ein erst seit 1766 neu begründeter Hafenort,
der von Carthagena zwölf, von Lorca nur fünf Leguas entfernt ist. Er
liegt hart an der Grenze von Andalusien, und ist von Vera, dem alten
Barea fünf Leguas, von der Stätte des alten Urci etwa vier Leguas ent-
fernt. — Ueber die Lage dieser Stadt spricht sich kurz und klar der
>) X. ^ — p. 202 (ed. 1599) de grammatka etc, — Plinius, 3, 1. (3, 6),
') Nach andern Moyacar — Hin. 3, 1.
•) Basietania y Conteetania del reino de Murcia y con los vestigios de stts ciudades sub-
terrdneas, par el Dr, D, Juan Lozano, canönigo de la santa igleeia de Cartagena.
Murcia, 2 1 in 4^ (1794).
Oains, Span. Kirche. 11
162 Zweites Buch. Achtes Kdpitel.
Spanier Masdeu aus. ^Das Flüsschen Almanzor trennte in alter Zeit
das Tarra43onensische von dem Bätischen Spanien. Die lezte Stadt des
Tarraconensischen war Urgi, ürci oder Virgi, die am 5Btlichen Flüss-
Tifer lag, an dem Orte, den das Volk die Stadt del Garvanzo nennt.
Auf der westlichen Seite des Flusses lagen die ersten Städte von Bätica,
Baria oderBarea, das heute Vera heisst, und Murgi, heute Mujacaf *).*
Auf der entgegengesezten Seite stehen die patriotischen Gesdiicht-
scfareiber von Almeria, und wollen das alte Urci und den heiligen Inda*-
letius nach oder doch näher nach Almeria ziehen. Orbaneja in seinem
Leben des Indaletius (S. 3 u. 26) behauptet, dass Urci eine Stunde von
Almeria, im Innern des Landes, gelegen habe, an derStdlle des jezigen
Pfarrdorfes Pechina, dessen Kirche den Namen des heiligen Indaletius
trägt. Und siehe, er weiss sich zu helfen. Die Gothen haben das alte
Urci — „Pechina^ — das kleine oder herabgekommene genannt, weil
es sich eben vermindert und verkleinert hatte, und — er fügt bei, dass
aus den Ridnen des zerfallenden Ifcci — Almeria erbaut worden sei.
Darin mag Orbaneja Recht haben, das» das heutige Almeria die
alte Stadt Portus magnm — „der grosse Hafen** war. Urci aber war
ja zu der Gothenzeit ein oft genanntes Bisthum, und es hiess Urci und
nicht Pechina. Indess — nach allen Auetoren ist das alte Barea — das
heutige Vera; alle nehmen an, dass dieses zu Bätika, Urci zu Tarraeo-
nensis gehörte. Von Vera nach Almeria ist es eine Ti^ereise. Also
konnte doch wohl Urci nicht eine Tagereise westiüeher, als Barea liegen,
da überhaupt Bätika westlich von Tarraconensis lag. Bätika aber reichte
von Gades bis Vera; Tarraconensis von Urci bis* Gallien. Der ürci-
tanische Golf der Alten aber war nicht der Busen von Almma, sondern
der Golf von Carthagena, welcher vom Cap Palos und Oap de Gata
begrenzt wird. Mola nennt den Smus IllicitamtSf dann Virgitcmm bis
zum Anfange von Bätika.
Das alte Urci aber lag innerhalb des heutigen Bisthumes Almeria.
Danun kann man mit Recht sagen, dass Almeria die Erbin des bischöf-
lichen Sizes des heiligen Indaletius sei. Der heilige Indaletius hatte
Nachfolger seines bischöflichen Amtes in Urd. Denn auf d^ Synode
von Elvira erscheint ein Bischof von Urci. Urci aber war ßin Bischofs-
siz bis zu der Zeit der Mauren.
§. 3. Die Stadt ürci verschwindet aus der Geschiclite. Der
Leib des heiügen Indaletius in Paquena, später in San Juan
de la Penna.
Zur Maurenzeit werden noch Bischöfe von Acci und Malaga ge-
nannt , aber auch Bischöfe von Urci. Bei dem Schriästeller Samson von
») Masdeu, t 6, />. 400 (Nro. 1143).
$. 3. Die Stadt Urci verachwifidet aus der Geiohichte. Der Leib etc. 163
CSordova kommt im J. 862 dn Bischof Genesius von Urci tot. Er hatte
ßdirifUich den Samson von häretischen Beschuldigungen freigesprochen^
-welche der unwürdige Bischof Hostegesis von Malaga gegen ihn erhoben^
und denen er mündlich beigetreten war ^j.
Später wird Urci nicht mehr genannt. Im eilfiten Jahrhundert aber
befand sich, wie man der Ueberzeugung war, der Leib des heiligen
Indaletius zu Paquena, einem Orte nördllich von Almeria. Der Mönch
Ebretmo aus dem um 1080 gestifteten Kloster San Juan de la Penna
in Hocharagonien schrieb eine Geschichte der Uebertragung der Reli-
quien des heiligen Indaletius in dieses Kloster. Vorher befanden sich
dieselben in Paschena. Urci wurde vielleicht zerstört in einem der zahl-
reichen Kriege der Mauren unter einander. Yielleidit war es schon
862 zerstört, oder zerfallen, und der Bischof Genesius führte nur, wie
es auch sonst Sitte ist, den früheren Namen noch fort^).
Nach Paquena aber konnten die Christen auch den Leib des Inda-
letius geflüchtet haben, während Urci noch bestand, weil vielleicht Pe-
quenna grössere Sicherheit bot. Der erste Abt von Penna, Don Sancho,
wünschte, wie der naive Bericht des Ebretmo lautet, für das neueKlo^
ster Beliquien, „deren Verehrung er sehr ergeben war^. Da er wusste,
dass die Beliquien des heiligen Indaletius in einem von Mauren be-
herrschten Orte sich befänden, so bediente er sich der Dienste des Rit-
ters Don Garcia aus Murda, der nach Santiago wallfahrtete. Garcia
versprach seine Mithilfe, und ihn begleiteten zwei Mönche aus dem
Kloster. Damals hatte der König von Sevilla Krieg mit dem Könige
von Almeria. Da jener den Bitter Garcia zu Hilfe rief, so gelangte
dieser, und die zwei Mönche nach Paschena oder Pequenna. Die Mönche
giengen in die ELirche^ und bat^i Gott, er möge ihnen die Lage des
heiligen Leibes o£Fenbaren. Einer der Mönche hatte in der Nacht eine
Erscheinung, die ihn fragte, was er suche. Der Elrscheinende zeigte ihm
mit der Hand einen Ort, wo von der Erde eine Flamme sich erhob.
Evantaus berichtete dieses seinem Gefährten. Don Garcia beschloss, zwd
Soldaten zur Hilfe und zum Schuze der Mönche herbeizuziehen. Nun
begaben sich die Mönche mit einem Kaplan des Don Garcia in die
Kirche, und die zwei Soldaten hielten Wache an dem Thore* — Die
Mönche gruben bis zur Nacht, und als sie das Grab entdeckten, da fehlte
ihnen das Licht. Es fanden sich aber daselbst Kerzen, — und die
Mönche lasen an dem untern Theile der Urne: Hie requiescU IruküeUus,
primus pontifex ürcitanae civitatü, ordinatus a S. Apostolis Bomae, (Hier
ruhet Indaletius, der erste Bischof der Stadt Urci, geweiht zu Rom von
den heiHgen Aposteln.) Sie hoben ntm den Stein, und solcher Wohl-
JltiUFarich /. c. S. 1S2.
*) Nach Festus Avienn» Rirfas war am Ende des vierten Jahrhunderts diese ganze
Kfitte schon verödet
11*
164 Zweites Bach. Achtes Kapitel.
genich kam ihnen entgegen , dass sie in den Himmel oitrfickt zu seyn
glaubten. — Doch fortfahren konnten sie nicht. Denn mitten in der
Nacht waren Diebe eingetreten, die sie in der Arbeit hinderten , und
Ursache waren, dass die Mönche in ihre Wohnung sich zurückzogen
mit demjenigen Theile der Reliquien, die sie gesammelt hatten. Sie
gaben dem Garcia Kunde, der sich beim Heere befand.
Alle glaubten, dass es am folgenden Tage zur Schlacht kommen
werde. Als schon die Schlachtreihen geordnet standen, da ergieng der
Befehl des Königs von Sevilla, dass sein Heer sich zurückziehen solle.
Sofort sezten sich die Mönche in den Besiz von all' dem, was sich in
dem Grab befand, schlössen sich an das Heer an, und zogen dann ihres
Weges gen Murcia. — Wiederholt erschien ihnen Indaletius, und be-
lehrte sie über die Verehrung gegen seine Gebeine ; und als sie zu lange
in Murcia weilten, trieb er sie zur £ile an.
Der König Don Sancho von Aragonien befemd sich eben mit seinem
Sohne Don Pedro in San Juan de la Penna, wo sie die Fasten hielten.
Am Gründonnerstage nahmen alle mit gebührender Feier die heiligen
Reliquien auf. Der Prior des Klosters wurde von einem Leiden am
Arme plözlich geheilt, als er die Tragbahre berührte, und viele andere
Wunder geschahen*). '
Diess war der 28. März des Jahres 1084. Ebretmo sagt am Schluss:
& wurde in die Kirche des heiligen Johannes des Täufers getragen,
welcher de Penna genannt wird, indem ich es sah, Hebretmo, unwür-
diger Mönch des Klosters von Clugny. Der P, EchevÄrz sagt (l. e.
ep. 12.) j dass in denjenigen Jahren, in welchen der Gründonnerstag auf
den 28. März falle, in Penna ein besonderes Fest gefeiert werde. —
Burgos feiert das Andenken des Heiligen am 30. April, weil es an diesem
Tage eine Reliquie des Heiligen erhalten, und vielleicht, weil überhaupt
sein Fest an diesem Tage begangen wird, wie man bei Tillemont und
den BoUandisten sieht. — Almeria, Granada, Zaragoza besizen oder
besassen andere Reliquien des Heiligen, wie P. Echevdrz versichert*).
Im J. 1850 besuchte Moriz Willkomm das alte und jezt verlassene
Bergkloster San Juan de la Penna. Es liegt sehr steil und ist schwer
zugänglich. Das von Ramiro I. gegründete Erlöster der Benediktiner
wurde im J. 1836 aufgehoben. Schon vierzehn Jahre nachher waren
die prächtigen Klostergebäude mit der neuen Kirche zerfallen, und sie
werden heute noch zerfallener seyn*).
I) Papebroch — Acta Sanctortm — 30. April. Briz, Kb, 3. cap, 26, TiOenumt, 1, 20t
«) Tillemont, i, 201,
') M. Willkomm, Wanderungen durch die nordostlichen und centralen Pro-
vinzen Spaniens. Reiscerinnerungen aus dem Jahre 1850. Leipzig 1852, 2 Bde.
Bd. 1. S. 295 bis 304. Das Kloster lag 3,482 Fuss über dem Meere» und war
zugleich die Grabstätte der alten Könige von Aragonien. unter Karl III. und
$. 4. Andenken des heiligen Indaletins in Almeria. 165
§. 4. Andenken des heiligen Indaletius in Almeria.
* ___
Das Land von Almeria und Urci blieb in der Hand dar Mauren
bis zum J. 1147, wo Don Alfons Almeria eroberte, und dort den bischöf-
lichen Siz errichtete. Nach Alfons Tod bemächtigten sich die Mauren
wieder des Landes, bis sie es am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
für immer verloren. — Das heutige Bisthum Almeria hat Sechsundsechzig
Pfarreien. Darunter trägt nur die eine mehrfach genannte Kirche von
Pechina den Namen des heiligen Indaletius, gerade es, und es allein.
So fabelhaft darum der Bericht des Ebretmus, oder vielmehr seiner Be-
richterstatter lautet], so liegen doch gewisse Thatsachen vor, die des
weitern Nachforschens würdig sind. Doch dazu scheinen vorläu% die
Quellen zu fehlen. Weder Florez noch Madoz sagen ein Wort über
die Vergangenheit von Pechina. Wir erfahren nur, »was wir schon von
Almeria her wussten, dass die Pfarrkirche den Namen San Indalecio
trage. Aber z. B. nicht, ob die christliche Gemeinde daselbst foittbe-
standen von 1084 bis 1486. — Im eilften Jahrhundert nannten „die^
Mauren*' den Ort „Paschena*. Im J. 1489 kam Almeria an die Christen.
— Juan Ortöga war der erste Bischof. Schon 1492 gründete die neue
Kathedralkirche — ein Spital der heiligen Maria Magdalena für die
armen Kranken von Almeria, „Pechena^, und eine Menge anderer naher
Orte. Also bestand der Ort damals *). Ob er aber eine christliche Kirche
vorher hatte, erfahren wir nicht.
Die Stadt Almeria hat fünf Pfsirreien. Das Seminar trägt den Na-
men San Indalecio; es ist zugleich ein Collegium, hat einen Bector,
Vicerector, eilf Cathedratici oder Professoren, sechs für Theologie, drei
für Philosophie, zwei für lateinische Sprache. Es wurde gegründet im
J. 1610 von S. Don Juan Portocarrero, nachher erweitert im J, 1686 ^),
— Die EJrche von Almeria feiert das Fest des heiligen Indaletius am
3. März.
Karl IV. warde 1770 — 1802 eine prächtige Grabkapelle gebaut. Dagegen be-
richtet Alexander Ziegler, Reise nach Spanien, 1852, 2, 78, San Juan de la
Penna habe sehr in den lezten Bürgerkriegen gelitten. Aber »von Seiten der
Provinzial- Deputationen sind der Königin mehrere Klöster geschenkt worden,
wie diess mit dem berühmten Kloster San Juan der Fall gewesen. Sie werden
auf Kosten der Krone restaurirt.« — (Diess müsste also im J. 1850 oder 1851
geschehen seyn.)
») Madoz, 2, 137.
*) Madoz, 2, 136. Unter dem Artikel Aguilas lässt Madoz den Indaletius in Ag.
Bischof seyn, unter dem Artikel Almeria hinwieder — in Almeria. Er trennt
ürci von Virgi, hält dieses für das alte Almeria, und sagt: no consta, que Sem
Indalecio predicase mos hien en Urci que en Virgi; denn leicht verliere ein Name
ein I, und C sei transmutabel in 0. Aber warum wird nur immer ein Bißcbof
von Urci, und nie von Virgi genannt?
Neuntes Kapitel.
Der heilige Gtesiphon von Vergliiiii.
Literatur ist weder von Ctesipbon im Besondern, noeh von der Villa Beija
verbanden, wohin wir seinen Siz verlegen. Dagegen kann man hieher rechnen:
Db la igluia de Äbdera, kojf Ädra m E^patma sagradaf L 10, p» 1 -^14. (Madoz and
andere Neuere bestreiten die Existenz eines ehemaligen Bisthumes Abdera.)
§. 1. Der Name des heiligen Ctesiphon
kommt sonst als griechischer Name vor. Ctesiphon, Sohn des Leosthenes,
war athenischer Redner um 340 v. Chr. Er war Anhänger des De-
mosthenesy während ein anderer gleichzeitiger Ctesiphon zur Partei des
Aeschines gehörte. Ein athenischer Dichter Ctesiphon lebte im zweiten
oder dritten Jahrhunderte vor Christus, endlich ist das Zeitalter des Histo-
rikers Ctesiphon, welcher eine Geschichte von Böotien geschrieben hat,
unbekannt.
In der Kirchengeschichte kommt ein Ctesiphon als Zeitgenosse des
heiligen Hieronymus vor. Hieronymus schreibt an ihn um 415, weil
Ctesiphon ihn um einige Briefe über die Irrlehte der Pelagianer gebeten
hatte *). — Neben Euphrasius hat Ctesiphon den am stärksten griechisch
klingenden Namen unter den Siebenmännem. Diess bemerken auch die
ßollandisten , indem sie sagen, dass Einige behaupten, dass Indaletius
und seine Gefährten aus dem römischen Clerus genommen seien, indem
sie dieses aus ihren theils lateinischen, theils griechischen Namen er-
schlossen hätten^).
Bem^ CeüUer, t.7,p. 615 — 16,
9
') Ada Sctorum, t, 3, April, p, 724, Id vel ex ipsis eorum nominibuSf graecia pcarimi , et
partim latinis conjicientes, «- T, 1. Febr. p. 5, „Ac forte guosdam eorum ut romanis
nuncupatos nonUnibuSf ita et romana stirpe oriundoe fuisae, vel certe e romano clero
delectoSf ordinatosque a& apostoUs Petro et Paulo episoopoe, et in Hispamam misws.
$. 2. Das Vergiam des liefligea Gtedphon. 167
Der Nione selbst wird von den alten Spaniern verschieden ge^
schrieben: Gtesipbon, Ctisiphon, Tesiphon, Tesifon, Tisifon; Das gothi-
sche Sanctorale behandelt den Namen als lateinischen; es schreibt: Te-
siphons, und fügt bei: Er möge uns von dir^ der du die Quelle des
Lebens bist, mit dem reichsten Tranke der strömenden Lehre erquicken*).
Pseudo-Dexter nennt zum J. 37 den Ctesiphon als Schüler des
Jacobus ; er degradirt ihn aber bis zum Lector herab. Doch muss er
sich noch bei Pseudo-Dexter bedanken; denn den heiligen Torquatus
macht er vollends zum Exorcisten, und drei andere seiner Begleiter zu
Ostiariern oder Thürhütem. Sie wären indess nach dem Tode ihres Mei-
sters Jacobus von Petrus zu Bischöfen geweiht worden. Nach Begra-
bung des Jacobus begab sich Ctesiphon mit den sechs andern nach Rom
zurück (Jahr 43); sie kamen dort J. 44 mit Petrus zusammen, der in
demselben Jahre in Rom angekommen war. Auf die Auctorität des
Petrus hin, sagt Bivar, der gläubige Commentator des Pseudo-Dexter,
kehrten die Sieben nach Spanien zurück, und predigten in den Städten
der bätisehen Meeresküste.
§. 2, Das Vergium des heiligen Ctesiphon
ist den Historikern in und ausserhalb Spaniens stets ein unbekannter Ort
gewesen. Denn so wird kein Ort un alten Spanien genannt. Es giebt
ein Barea oder Baria, ein Bergidum^), ein Vergentum, ein Vergilia.
Aber nach einem Vergium sehen wir uns vergebens um. Freilich nennt
auch Martial Orte in Spanien, wohl in der Nähe von Bilbilis, die sonst
nicht vorkommen. Inschriften haben die Namen mancher sonst unbe-
kannten Orte an das Licht gebracht, und wer möchte auch glauben, dass
wir heute alle bedeutenderen Orte des alten Spaniens kennen?
Ptolemäus nennt die Stadt Virgilia — als eine Stadt im Lande der
Bastitaner ^) , als eine Stadt, welche im Lmem des Landes liege, imd
zwar nennt er sie zwischen Orcelis und Acci. Man hält Orcells, imd
wohl mit Recht, für die heutige Stadt Orihuela in der Provinz Murcia,
während andere es für den Ort Orce zwischen Baza und Lorca halten.
Acci ist ohnedem bekannt. Da Ptolemäus aber auch Abula, das sechs
Meilen südöstlich von Acci liegt, noch zu den Bastitanem rechnet, so
wäre es immerhin möglich, dass auch der heutige Ort Berja, z^ei Stun-
den nördlich von Abdera, noch zu den Bastitanem gehört hätte.
Aber der Zusammenhang, in welchem Plinius der Vergilienser ge-
denkt, — scheint diess kaum möglich zu machen. Er rechnet die Vergi-
') Tesyahons a te, qui es fans vitae, tibernmo doctrinae gurgitia poculo satiet
^) Allerdings bei Livius Vergium (34; 21) genannt, aber es liegt nördlieh vom
Ebro, am Fusse der Pyrenäen.
») PioL 2j 6, 6L
168 Zweites Buch. Neuntes Kapitel.
lienser zu Carpetanien ; er nennt sie neben den Toledanam j die über
dem Flusse Tajo wohnen, und den Yiaciensern ^). Die leztem hält man
für die Bewohner von Beatia, welche im Lapde der Oretaner, und nicht
der Carpetaner wohnten. Vergilia aber haben manche für das alte Murcia
gehalten. Madoz begnügt sich zu sagen ^ dass die Lage des alten Ver-
gilia unbekannt sei. — Die Mehrzahl jedoch hält das heutige Beija bei
Abdera für das alte Vergilia. Cort^s hält das Virgi des Mela für das
Vergilia des Ptolemäus und Plinius, und zugleich für das heutige Berja ^).
— Möglich ist es, dass dieses Vergilia oder Vergium noch zu Tarraco-
nensis gehörte , wenn nemlich die Grenze von Vera an eine Streeke
weit südlich am Strande hinlief , so dass sie zwischen Vergilia und Ab-
dera hindurch — den Mons 3olorius durchschnitt. — Dann würde sich
erklären, dass und warum die Vergilienser in den Gerichtsbezirk von
Carthagena gehörten. — Morales und nach ihm Masdeu halten Virgilia
für den Ort Varcile, sechs Meilen von Toledo.
Ich bin mit Florez und der Mehrzahl der Spanier der Meinung,
dass das Vergilia des Ptolemäus imd Plinius, sowie das Vergium des
heiligen Ctesiphon der heutige Ort Berja sei. Die Ableitung hat an sich
nichts Unwahrscheinliches. B und V werden im Spanischen stets verwech-
selt, Barea ist in Vera, Bilches in Vilches, Bergidum in Vera, Vascones,
und das Land der Vaskonen, in Basken^ und Land der Basken, Virovesca
ist in Bribiesca, Visontium ist in Vinuesa oder Binvesca verwandelt
worden. — Dass V in B übergehet, kann man in Lorenzana^s Ausgabe
des gothischen Breviers an unzähligen Stellen sehen, z. B. bivit für vivit *).
Das G der alten Gothen sodann wurde wie J ausgesprochen, also
Vergilia wurde ausgesprochen wie Verjilia. In dem gothischen Kalen-
darium bei Lorenzana heisst es z. B. beim 27. August nicht Gerontius,
sondern Jeruntius. So hiess Vergilia zunächst Berjilia. Die Ausstossung
von il ist veranschaulicht durch nahe liegende Beispiele. Abdera ist
Adra geworden, Illiberis, das alte Granada — ist Elvira, eigentlich
Elbira geworden, genau dieselbe Ausstossung, wie bei Vergilia.
Für Vergilia, d. h. Verja oder Berja spricht ferner, dass es nahe
bei Acci lag, dem Mittel- und Ausgangspunkte der Siebenmänner. Berja
liegt direkt südlich von Guadix, durch die Sierra Nevada davon ge-
trennt. Die Entfemimg ist zwei kleine Tagereisen.
Die Bollandisten sagen zum 1. April', an welchem Tage das An-
denken des heiligen Ctesiphon gefeiert wird % dass sie „bei dem g^oiein-
*) Plin. 3f 3 — (3, 25). ToUtani — dein vMci&ues, virgiUenMS,
') Cortes, Vergilia, 3, 484.
') d^AnvilUf geogr, ancienne ly 31, MentelUf JEspagne ancienne — 186. — Espagne mo^
demey 149. — Reinhardt hält Vergrlia für Verchul in Graaada; bei Mannert
kommt es nicht vor; s. Forbiger S. 66. — Gruter in»cr,324, 5. — Masdeu,
Nr. 761 und 1138.
*) Act ßct. t If Aprü. p.4 — 5,
$. 2. Dai VergiUm. des heiliget Ctetiplioii; 169
schaftlichdn Stillsehweigen der Alten^ den Ort der Predig des Ctesiphon
^mit Ergebimg nicht wissen', dass JKvar „eine gute Mühe und grosse
Gelehrsamkeit rergebens Au%ewendet habe, um zu zeigen, dass Yergi
und Vergiüa dasselbe sei'. Die Bollandisten halten Vera und Virgi für
dasselbe (jenes hiess aber stets Barea).' Sie kommen dann auf den seit*
Samen Ausweg y zu meinen, Ctesiphon könne auch seinen Siz in Baaa
oder Basti gehabt haben. Von dort hätte er nach Virgis (also dem heu-
tigen Vera) der Predigt wegen konmien, und dort sein Grab finden
können. — Allein — für Basti als seinen Siz lässt sich kein Grund
geltend machen.
Wolle man indess bei Vergium stehen bleiben, und den Ctesiphon
weit von seinen Gefährten trennen, so habe man das Vergium Castrum
des Livius *). Sie nennen einen kleinen Ort Xavierre am Galegofiuss.
Doch ist nach Madoz und allen Spaniern das alte Vergium die heutige
bedeutende Stadt und Festung Berga in der Provinz Barcelona mit
5,000 Einwohnern. Wieder meinen die Bollandisten , es sei nichts mit
dem Bisthum Bergium, die Kleinheit dieser Stadt könne den Ctesiphon
nicht angezogen haben, welche bald wieder zerfallen seyn müsste, weil
es nirgends in Spanien einen Bischof von Bergium gebe.
In dem Lectionarium antiquum von Complutum heisst es nicht Tise--
fons Vergü oder Vergi — sondern T. Bergi'^). Tamayo sagt: Vergä.
— In dem alten Codex Aemilianensis heisst es: Bergiu — Florez, welcher
das Bergium für das heutige Berja bei Abdera hält, sagt, das Bisthum
sei früher an Abdera, als an den bedeutenderen Ort, übergegangen^).
Die Stadt heisst bald Vergi, bald Vergü, darum kann sie auch Ver-
gum oder Vergi geheissen haben, genau wie Acci und Urci oder Vergis,
wie Illiberis und Iliturgis. — Ein weiterer Grund, der mich bestimmt,
der Ansicht des Florez beizutreten, ist, neben der (erwähnten) Nähe
von Guadix, die Erwägung, dass von den Gefährten des heiligen Tor-
quatus — drei in der Richtung von Südosten, drei in der Richtung von
Nordwesten gezogen sind (nach dieser Annahme).
Berja liegt in der Alpujarra Baja, d. h. an dem Abhänge der Alpu-
jarras Gebirge, zwei Leguas nordöstlich von Adra, Von Granada ist
es achtzehn. Leguas entfernt. Heute ist Berja Hauptort eines Gerichts-«
bezirkes, und Adra befindet sich in diesem Bezirke« Berja hat nur
1,654 Einwohner. — Adra ist auch nur eine Villa, aber sie hat 6,567 Ein-
wohner. Woher diese Bevorzugung von Berja gegen Adra? Vielleicht
war Berja fiüher ein bedeutenderer Ort, als Adra. — Sei es, dass es
das alte Vergilia ist, oder dass Vergium (Vergi) ein von Vergilia ver-
schiedener Ort ist, so kann es doch nicht unbedeutend gewesen seyn,
wenn einer der Apostelschüler darin sich niederliess.
") Lxviua, 40t 21. ») Florez, 3, Append. Nr. 2.
*) Florei, 4,66.
170 Zweites Buch. Neuntes KapiteL $. 3. Ver^foBg des hefl. Gtesiphon etc.
TJeber die G^aohicfaie des heut^«n Berja Mr&as uns Hadoz wenig
za berichten. Do^ch sagt er^ dass Berja ein Ort ^von anerkanntem Alter^
sei ; früher an der Stelle gelegen, die jesst „Villa vieja^, der altd Flecken,
heissty wo sich noch yerschiedene Beste seiner alten Mauern^ grosse Ge-
wölbe u. s. w. finden. Man behaupte, die Stadt sei durch ein Erdbeben
am AnfEtnge des fünften Jahrhunderts zerstört worden, und dass die
Bewohner sich auf den Höfen der Umgegend zerstreut haben.
§. 3. Verehrung des heiligen Ctesiphon in Berja.
Die Pfarridrche, welche indess ganz neu ist, hat den Namen der
Eneamadanf d. L zur heiligsten Menschwerdung. Von den sieben Ein-
siedeleien, die zu der Villa gehören, ist eine dem heiligen Ctesiphon
gemidmet. — Nach der Wiederbesiznahme dieser Gegenden durch die
Christen litten dieselben unter allen Unglücksfällen. Darum machten
am 11. Mai des Jahres 1596 das Ayuntamiento (die Ortsbehörden), die
Geistlichkeit und die Einwohner des Fleckens das Gelübde, eine bestän-
dige öffentliche Andacht zu Ehren des heiligen Ctesiphon zu halten,
damit er sie befreie von verschiedenen Landplagen, die die Früchte der
Erde sehr beschädigten. — Am 13. Januar des J. 1804 erfolgte in Berja
ein starkes Erdbeben, wodurch die Kirchen und andere Gebäude Bisse
erhielten. — Die Erschütterungen dauerten viele Monate fort. Am
25. August zerstörte ein furchtbares Erdbeben die Kirchen , die öffent-
lichen Gebäude und viele Privatwohnungen. 8iebenundsechzig Personen
wurden getödtet, sehr viele verstümmelt und verwundet. Darum fasste
man den Plan, den Ort zu theilen, und an zwei getrennten Punkten
neu zu bauen, der aber nicht ausgeführt wurde. Im J. 1834 starben
nicht weniger als 678 Personen an der Cholera. [Madoz giebt die Be-
völkerung auf 8,709 Seelen an, worunter wohl nicht die Villa, sondern
auch die umliegenden Weiler und Höfe der Civilgemeinde begriffen
sind »)].
Aus dem Vorstehenden gehet einerseits hervor, dass die Nachricht
der Zerstörung von Vergium durch ein Erdbeben im Anfange des fünften
Jahrhunderts eine grosse Wahrscheinlichkeit für sich hat, sodann, dass
der heilige Ctesiphon im sechszehnten Jahrhundert, kurze Zeit nach der
Wiederbesiznahme dieser Gegend und dieses Ortes durch die Christen,
als der Schuzheilige , als der Apostel desselben anerkannt und angerufen
wurde.
*) Diccionarto geogräßco-estadüHco-kistörico de Espanna por Madoz, t 4, 1849.
Zehntes Kapitel.
Der heilige CftcUius von Elvira- Granada.
Lite rat at: 1) Aniiffuedades y excekndas de Granada, p<ir et Ucenciado Francisco
ßermudez de Pbdraza, natural detta^ ahogado en los Reales Conuejos de su Majestad» —
Madrid, por Luis Sanchez, anno 1608. En 4^.
2) Htstoria eclesiästica, principios y progresos de la ciudad y religion catölica de Gra-
nada, Corona de su poderoso reino y excelencias de su Corona, por Francisco Bermudez de
Pedreua, canönigo y tesorero de su santa iglesia metropolitana, — Chranada, por Andres
de Santiago, 1638. En fotio.
3) Htstoria de Chranada, comprendiendo la de stu cuairo provincias, Jaen, Abneria,
Granada y Malaga, desde remotos iiempos hasta nuestros dias, por Z). Miguel Lafuente
Alcdntara. — Granada, imprenta de Sanz, 1843 — 46. Cuatro tomos en ^o. (gilt als die
beste Geschichte von Granada).
4) El Uhro de viajero en Granada, por D. M. Lafuente Alcdntara. — Chranada, im-
prenta de Sanz, 1843. So.
5) Iliberia ö Granada; memoria hist($rico - critica , topogrdjka, cronolögica, literariay
eclesiästica de sus antigüedades , desde su fondacion hasta despues de la conquista por los
Reyes Catölicos, escrita por D, Jos€ Hidalgo Morales. — Chranada imprenta y libreria de
Benavides, 1848. En 8^. (erzählt alle Fabeln der Pseudo- Chroniken treuherzig nach),
6) De la iglesia eUberitana, Espanna sagrada, t. 12, p. 81,
7) Parecer del Obispo de Segorve Bon J. B. Perez, sohre las planchas de plomo que
se han hallado en Granada, escritas con nombres de algunos santos este anno de 1595. . .
MS, — abgedruckt in Viaje literario von ViUcmueva, t. III, p. 259 (verwirft die ver-
meintlichen Entdeckungen).
8) Memorial de la iglesia colegial del Sacro monte de Granada al rey D. Carlos IL,
con motivo de hoher sido condenados por su Santidad en 6 de marzo de 1682 los libros de
plomo de aqueüa iglesia, y soUeitando, que hüga que el Pont^e mande de nueoo examinar
y reconocerhs nuevamente, nombrando etros jueces. Impreso en FöL (ohne Jahr und Ort
des Druckes).
9) Biario del viage desde Valencia d Andalucta, hecho por B. Francisco Perez Bayer,
en el anno de 1782.
10) Be conflictis granatensibus monumentisf anno 1764 y ac deinceps^ deieciis atque in
luoem prolatis synopm hietorica — M&tnHf apud *— Ibarra^ 1789 ^von Franz Peres
Bayer).
172 Zweites Bach. Zefantes Kapitel.
§. 1. Das heutige Granada liegt an der Stelle des alten
niberris.
Mariana, Mendoza, Murillo, der Conde de Mora, der Bischof Perez
und andere Spanier bis auf die jüngste Zeit, kürzlich noch Texada j
Ramiro, behaupten, dass Elvira an der Sierra Elvira, an dem Gebirge
dieses Namens lag.
Die Sierra de Elvira, in deren Nähe das alte Elvira gelegen haben
soll, ist zwei Leguas von Granada entfernt. Sie erhebt sich ziemlich
steil in Form dreier felsiger Kegel direkt aus dem Becken des Xenil-
flusses. Die Berge bestehen aus Kalk. Der höchste Gipfel erhebt sich
etwa 1,000 Fuss über die Vega (2,757 über das Meer), und bietet die
schönste Aussicht auf Granada *). Die Sierra selbst ist entseziich dürr^).
Auf welchen Gründen ruhet die Annahme, dass hier Elvira lag?
Auf sehr schwachen Gründen. Mendoza u. a. sagt, man finde dort
Spuren einer alten Stadt. Allein — wo sollte man deren nicht in Spa-
nien, besonders in Bätika finden? Die über aDen Ausdruck fruchtbare
Gegend war natürlich zu allen Zeiten erfüllt mit Städten. — üebrigens
— wenn man irgend eine alte zerfallene Mauer oder Reste eines Wacht-
thurmes findet, so ist diess noch kein Beweis einer grossen Stadt. Erst
diess wäre von Bedeutung, wenn dieser angeblichen Stadtruine der Name
Iliberris auf die Stirne geschrieben wäre, d. h. wenn sich solche Denk-
male und Inschriften fänden, dass dadurch der Standtpunkt des alten
Elvira an dieser Stelle verbürgt wäre. — Davon aber hat man nichts
gehört.
Ein weiterer Grund liegt in dem Namen. „Die Stadt lag auf dem
Berge, welcher von derselben noch heute den Namen Gebirge Elvira
hat.*' Aber den Namen konnte das Gebirge ebenso gut von der nahe
liegenden Stadt erhalten, als von der Stadt, die auf seinem Rücken,
oder zu seinen Füssen lag. Die Montes von Toledo — liegen südlich
vom Tajo, bis zwei Tagereisen von Toledo entfernt*). Sie haben ihren
Namen doch von dieser nahen Stadt erhalten. Man sagt: Sierra de
Guadix, Sierra de Cazorla, Sierra de Baza; liegen darum diese Städte
auf den Gebirgen? — Die Montes de Granada — die Gebirge von
Willkomm, Zwei Jahre in Spanien, 3, S. 59. — Willkomm, die Strand-
und Steppengebiete der pyr. Halb. S. 46. 67. -^ Willkomm, die pyren&ische
Halbinsel, S. 119.
^) Sierra oder Serra kommt schon in den ältesten spanischen Urkunden als Berg-
kette, gezackter, gesägter Berg, vor. Fr. Diez, Wörterbuch der romanischen
Sprachen, 2^ Ausg. 1861. s, v. SerrcL
*) Mwrüh Velardey Geographia histor, t i, L i, cap. 13» ^- Conde de, Mistoire de
Tidide, p. 282.
$. 1. Das heutige Granada liegt an der Steile des alten Ilibems. 17S
Granada sind ein Theil und Ausläufer der südwestlich Ton Granada
liegenden Sierra Nevada. Die Montes de Granada liegen östlich, aber
ebenso weit und weiter von Granada entfernt, als die Sierra Elvira nord-
westlich davon entfernt ist. ,,Einige Stunden östlich von Granada, '^
sagt Willkomm, ;7liegt ein weitläufiges Bergland, welches den Namen
der Montes de Granada führt, und aus vielen Gebirgsketten ^usammen-
gesezt ist.^ Die Sierra de Elvira dagegen ist nur zwei Leguas von
Granada entfernt *).
Die Erklärung des Ursprungs beider Namen liegt nahe. Die Berge
von Granada erhielten diesen Namen, weil sie dem östlich gelegenen
Granada näher waren; die Sierra Elvira erhielt diesen Namen, weil sie
dem nordwestlich von Granada gelegenen Elvira näher lag.
Ein dritter Grund für die Annahme der Lage Elvira's am Gebirge
gleichen Namens mag das berühmte Thor von Granada seyn, welches
den Namen — Thor von Elvira führt. Es hat nicht, wie Nonius und
andere meinen^), diesen Namen, weil es nach dem alten Elvira führte,
sondern — weil es aus der Stadt Elvira herausführte, oder — in sie
hineinführte. — Dieses Thor ist das berühmteste der ehemals zwanzig
Thore von Granada. Es heisst so, meint Madoz, weil es entweder, aus-
blickt nach Dschebel- Elvira, oder weil es den Eintritt in das Stadtviertel
gegeben, welches die Auswanderer aus Elvira gegründet hätten. [Hier
widerspricht sich Madoz selbst, da er vorher die Identität von Elvira-
Granada behauptet hat')].
Durch das Thor von Elvira tritt man in Granada ein auf der Strasse
von Guadix, wie von Madrid und Jaen her. Seine Wölbung bildet
einen Hufeisenbogen , und es ist vielfach besungen worden. Durch es
zog Boabdil, der lezte König von Granada, zum Kampfe gegen die
Christen aus*}, — Diess etwa sind die Gründe, welche für die von
Granada verschiedene Lage des alten Hiberris sich anführen lassen. —
Positive Beweise giebt es nicht®).
») Willkomm, die Halbinsel der Pyrenäen, 1855, S. 108 — 9. W., Reiseerinne-
rungen , 3, 48 — 54. W., Strand- und Steppengebiete, S. 42 — 44. Wohl-
zogen. Reise nach Spanien, 1857, S. 251.
*) Nonius, Hispania, sive populorum urbium, insularum oc fluminum in ea accuraiior de-
«crtjpttb — Antwerpen 1609, bei Schott j Hispania iüustrata, 4, p. 373 — 47P. — cap» 22,
Granata nee lUpula nee lUiberis oUm dieta, sed Mauromm opus,
*) Madoz, 8, 503. Ebenso AI. Zlegler, 1, 298. Das Bib oder die Paerta Elvira
wurde wegen der daran liegenden Sierra Elvira so genannt
*) Lorinser, Reiseskizzen, 1,311, v. 2, 72. — Willkomm, Zwei Jahre in Spanien,
2, e2, und 3, S. 393 im Anhange.
•) Willkomm, Zwei Jahre in Spanien, 2, 36: »Ungefähr an derselben Stelle, wo
heute Granada liegt, stand lliiberis. Sie war fast die einzige Stadt in Andalu-
sien, die dem Heere der Muhamedaner — 711 — einen namhaften Widerstand
entgegensezte. Zur Strafe dafür ward sie von den Mauren zerstört, die ihren
174 Zweite« B«eh. ZehttM lUfltel.
Welches aber smd die positiven Beweise für die Ansieht , weleke
sich wenigstens heute nodi in der Minorität befindet, dass Elyira lag,
wo heute Granada liegt?
Ein sehr starker Grund ist die in Granada allgemein bestehende
Ueberzeugung , dass der bei Granada liegende sogenannte Monte sagro
(der heilige Berg) der Boden sei, auf dem zuerst das Christenthum be-
gründet wurde. Wäre Iliberris zwei Leguas entfernt gewesen, wie könnte
dieses möglich seyn?
Pedraza, der Historiker von Granada, und nach ihmFlorez, stüzen
sich auf die in einem Steine gefundene Inschrift, worin sich der Name
niiberritano findet. Wenigstens drei dieser Inschriften hat man auf dem
Boden des heutigen Granada gefunden. Ein grosser Stein mit einer
Inschrift wurde gefunden auf dem höchsten Theile der Stadt, genannt
el Alcazaba. — Nach den Inschriften muss man annehmen, dass Eli-
berris an der Stelle des heutigen Granada lag *). Denn sie fanden sich
an grossen Steinen, die nicht leicht traasportirt werden konnten, und
an der höchsten, d. h. ältesten Stelle der Stadt, die daher bei Einigen
Granada la vieja (das alte Granada) heisst. Die Angabe des Ptole-
maus stimme überein. Ebenso Flinius, wenn er sagt, dass die Stadt
im Innern des Landes liege. Ein dritter Grund für die Identität von
Elvira und Granada ist die Geschichte. — Nach dieser ist Elvira die
Wiege von Granada, dieses ist aus jenem entstanden, und hat allmälig
seinen Namen verdrängt ^). — Granada kommt schon im achten Jahr-
hundert vor. Granada war ein kleiner Ort, als im J. 756 hier die Reste
des Heeres von Yusuf y Samail sich festsezten, nachdem sie von Abdel -
Rhaman geschlagen worden. — Der Sohn dieses Emir, Asad-el-Sche-
vaini, Wali von Elvira, ordnete die Befestigungen und Werke von
Garnatha an. Man nannte es Dar Garnatha, d. h. das befestigte Quartier.
Daraus entstand allmälig Granatha, obgleich der arabische Geschicht-
schreiber Alketib diesen Namen für barbarisch, und fremd der arabi-
schen Sprache hält. Diesem Wali verdankt Granada seine ersten Mauern.
— Im J. 788 wurde der Ort wichtiger. In diesem Jahre kam Abdel -
Rhaman lU. nach Gratiada, und gefiel sich daselbst^). Im J. 889 wurde ein
Wali von Ja& — eingeschlossen ;,in dem neuen Schlosse von Granathah.^
Namen in Elvira corrumpirien. Big zum zehnten Jahrhundert blieben ihre
Trümmer unbewohnt.«
") Plinius schreibt Iliberi — Bin. 3,16. -^ Ptolewiäu», 2, 4, 12 schreibt Illiberis.
Inschriften lauten: zweimal /i^emtont», zweimal JHh^ritanus (ordo)f einmal Ili-
berris, — s. MasdeUf CoUccUm de läpidtu y medaüas relativas 4 h JEspanna ro-
mana, nro. 322, 323, 345, 749, 1255, JDie Gothen scjirieben EUhai,
*) Florez, 12, 85.
') Modoz, 8, 555.
$. 1. D&8 heutige GiAOikda Hegt an der Stelle des alten Iliberris. 175
Diese Worte eines arabischen Auetors zeigen , dass Granada damals neu
gewesen *).
Auffallend ist es darum ^ dass bis auf die neueste Zeit, auch von
Deutschen, an dem angeblich phönizischen Ursprünge von Granada no<^
festgehalten wird. So lesen wir in der Bonner Zeitschrift von Achter-
feldt i^nd Braun, Granada, ehedem Carnattah, sei phöniaiechen Ur-
sprunges. Die Phönizier, gewohnt, feste Pläze im Lande anzulegen,
meist auf Höhen, haben auch Carnattah gegründet. Das Präfixum C!ia>
wie Carthago, Carteja, Carmona, Cartama, scheine die Bestimmimg
von Granada als Festung zu beweisen. Zweifelhafter sei die Bedeutung
der Endsilben^). Nach einigen Spaniern bedeutet Natta eine Gottheit
Nach Aldrete, Conde u, a. eine Höhle, Berghöhle. Casiri^) fasst es
als arabisches. Wort, und erklärt es als Ansiedelung der Fremden. — *
Die Araber hätten die Feste schon mit ihrem phonizischen Namen vor^-
gefunden; doch war sie unbedeutend geworden. — Denn an ihrer Seite
war Illiberis entstanden, was im Baskischen ^^Neustadt^ heisse. „Wir
dürfen annehmen,^ heisst es weiter in dem erwähnten Aufisaz, ;,dass IIU'"
beris von den Mauern der alten Feste bald bis an den Fuss der Sierra
Nevada (soll heissen S. Elvira) sich erstreckt habe, da wo Elvira liege.*
Aber es liegt eben kein Elvira dort. Läge ein Elvira hart am Fasse
der Sierra, so wäre der alte Streit längst entsdiieden. Sodann, was
wäre das für eine Weltstadt im Verborgeneu gewesen, die sich zwei
Stunden weit erstreckt hätte, und darüber?
Die Araber, heisst es weiter, Hessen die Bewohner von lUiberi in
ihrer Stadt , imd besezten nur die Feste für sich (ganz richtig!). Be-
deutend sei es erst im eilften Jahrhundert geworden , wo das Haupt de?
Berben dort sich unabhängig erklärte. Seitdem nimnit Elvira ab, und
als Iben-el-Ktattib gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts schrieb^
kannte er Uliberis nur noch als unbedeutenden Flecken, während Kar-
nattah sich zur blühenden Stadt erhoben hatte. Die Christen erst
hätten aus Kamattah Granada gemacht. Jenes bedeute im Arabischen
„Roman^ *).
') Conde, Don Jose — Änt, Historia de la dominacion de los Ärabes en Espanna,
^acada de varios manuscritos y memorias arabigas, Madrid 1820—21. 3 voL — Deutsch
von Kutschmann, Carlsruhe 1824-— 25. — Im J. 1849 hat A. Dozy von Leyden
in seinen Recherche» »ur Vhkiöire et iä Ui^aiure de VEtpagne pendant U wioyen ige^
2.edttion — Leyde, 1860 — 2 vol., das Werk von Conde auf seinen geringen
Werih zurückgeführt, indem er zeigte, dass Conde des Arabischen nicht mächtig
gewesen.
^} Jahrgang 1852 (der lezte der Zeitschrift), H. 2» S. 83 — 85.
^) Casiri, Mich., BibUotheoa arabico-hi^ana escurialensis , sive Ubrorum ommum ''f •>
qiws arabice compositos bibliotheca escurialensis complecHtw, recemio et explana^» Mar
triti, 1760 — 7Ö, 2 voL in — foL — 2, p, 247, peregrinorum cohnia,
^) Naeh Gagangot, ihe 4i<iPfy of thß mohamdm i^naßtUs «n ^jpow.
176 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
In dieser Auseinandersezung bei Achterfeldt- Braun ist nun Wahres
und Falsches vermengt. Entschieden unwahr, unerweisbar ist die Exi-
stenz von Granada vor Elvira. Movers führt in seinen ^Phoniziem** *)
die Namen aller Städte Spaniens an, welche aus historischen und sprach-
lichen Gründen Stiftungen der Phönizier, Carthager u. s. w. gewesen
seyn können, darunter aber weider Iliberris noch das angebliche Car-
nattah. — Es ist auch mehr als unwahrscheinlich, dass der Name Gar-
nattah von ältester Zeit bestanden, dass Iliberris und Garnattah eine Doppel-
stadt gebildet haben, und dass dieser Name nirgends sollte erwähnt
werden, sowie auch durch keine Münzen, Inschriften, wie fast alle an-
dern Orte, sein Andenken erhalten haben sollte. Wahr dagegen ist,
dass im Mittelalter, und seit dem achten Jahrhundert das neu gegründete
feste Schloss der Mauren neben dem alten christlichen Elvira sich erhob,
dass aber aUmälig im Laufe der Jahrhunderte das alte Elvira unter dem
Uebergewichte des neuen Granada seinen Namen verlor^). Die Zer-
störung von Iliberris im J. 711 und folgenden scheint mir sicher nicht
verbürgt zu seyn. Mentesa, südlich von Jaen, und so nahe dabei, dass
es oft das alte Jaen heisst^), wurde zerstört, und dieses erzählt aus-
drücklich Rodrigo Ximenes. — Aber Elvira zerfiel allmälig, und verlor
seinen Namen an das stets grösser werdende Granada.
Ein vierter Grund der Lage des alten Elvira — an der Stelle von
Granada ist neben dem Thore von Elvira die Calle de Elvira, — die
Strasse von Elvira, welche heute noch eine der bedeutendsten Strassen
von Granada ist. An dieser Strasse liegen von den vierzehn heute noch
bestehenden Pfarrkirchen der Stadt drei — nemlich San Andres, San
Gil (Aegidius) und Santiago.
Granada hatte bis zum J. 1843 -— ireiundzwanzig Pfarreien; seit
diesem Jahre giebt es vierzehn Mutterkirchen und dreizehn Hilfskirchen.
Sie sind: 1) die Kathedrale — zu unsrer Frau von der Incarnacion;
2) San Justo y Pastor; 3) Maria Magdalena; 4) Scholastica; 5) San
Cecilio; 6) Sanct Peter und Paul; 7) El Salvador; 8) San Jos^; 9) San
Gil; 10) San Andres; 11) Sacro Monte; 12) Unsere Frau de las Angu-
iHas; 13) San Ildefons; 14) Himmelfahrt Maria. — Santiago ist jezt
eine Hilfekirche. — Die Kirche San Cecilio liegt auf dem Campo del
Principe.
Die grosse Strasse von Elvira, an welcher die erwähnten drei Kirchen
liegen, war eine Strasse des alten Elvira, und nicht eine Strasse, welche
") Movers, die Phönicier, 11,2 (1850), S. 628 — 642.
») AI. Ziegler — Beise nach Spanien, 1,277. Die Torres Sermejas sollen den
Zweck gehabt haben, die im Stadtviertel des heiligen Cecilio wohnenden Moz-
araber im Zaum zu halten.
•) Marinaeus Siculw — de rebus Hispan. l. 5. — Mentesa quotjue, quam JaSnnam
vocant, CkrisH sudario nm immeriio glariatür. Acta ßet, U i. ^ebrwxr, p, 467 K
$. 1. Das heutige Granada liegt an der Stelle des alten Iliberris. 177
nach dem Elvira führte, von dem niemand anzugeben weiss, zu welcher
Zeit es eigentlich von der Erde sollte verschwunden seyn. Man findet
aber in dieser Strasse verhältnissmässig mehr Kirchen, als in andern
Stadttheilen von Elvira, weil dieses eben die Hauptstrasse des alten
christlichen Elvira war, welches noch bis wenigstens zum vierzehnten
Jahrhundert neben dem alten christlichen Granada fortbestand.
Ein fünfter Grund der Lage des heutigen Granada an der Stelle
des alten Elvira ist die Pfarrkirche des heiligen Cäcilius. Dieses ist
keine neue, etwa seit der Wiedereroberung Granada's durch die Christen
gebaute Kirche. — San Cecilio liegt auf dem Campo del Principe —
in der Nähe des Campo de los Märtires. — In dieser Kirche feierten
vielmehr die Christen ihren Gottesdienst in der saracenischen Zeit, und
währead dieser ganzen Zeit hörte der Bestand der Kirche imd des Gottes-
dienstes nicht auf. Zum Andenken daran hat die Kirche San Cecilio
das Vorrecht, die Gläubigen mit der Glocke zum Gottesdienste zu be-
rufen in den Tagen der heiligen Woche, in welchen sonst alle Glocken
verstummen *).
Es war aber Cäcilius der Apostel von Elvira. In Elvira hatte und
behielt er seine Kirche. Es muss also das heutige Granada das alte
Elvira seyn. — Pedraza und Florez entschieden sich für die Identität
beider Städte bloss auf Grund der Steine mit Inschriften. — Cort^s
erhebt sich mit aller Kraft gegen die Identität. Madoz folgt jezt dem
Cort^s , der gegen die Identität ist , dann wieder dem Historiker von
Granada, Michael Lafiiente Alc&ntara, der die Identität geschichtlich
nachweist — Ich hoffe, so starke Gründe, für die Identität beigebracht
zu haben, dass es mir erlaubt seyn dürfte, stets zu sagen: Elvira oder
Granada.
So ist also der Gang der Geschichte. lUiberis, das allmälig Elvira
wurde, fiel nach 711 in die Hand der Mauren. Diese gründeten im
achten ^Jahrhundert in Elvira eine Festung, die sie Carnattah hiessen.
Diess war Granada im Keime. Aber Elvira bestand fort, und wurde
so von den Christen genannt. Es bestand eine Hochstadt und eine
niedere Stadt. Die muhamedanische Stadt lag südöstlich, die christliche
Stadt nördwestlich. Aber es war doch nur eine Stadt. Als Granada
der Mittelpunkt der Maurenherrschaft in Spanien wurde, so verschwand
allmälig — in den Schriften — der iName Elvira, und die Christen,
welche mit Granada zugleich Elvira wieder eroberten, nannten die
eroberte Stadt, wie ihre Gegner, Granada.
Elvira aber hat nie aufgehört; es bestehet heute noch, nicht bloss
in dem Namen des Gebirges, sondern auch des Thores und der Strasse.
Es ist heute noch ein Stadttheil von Granada. Es besteht noch der
<) Mado2, Granada, 8, 523.
^tODMf apan* Klrel&e* 1^
178 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Name der Altstadt neben dem Namen der Neustadt. Aber die Neu-
stadt Gralnada hat die Altstadt Elvira verdrängt.
§. 2. Der heilige Cäcilius in Iliberris. Der sacro Monte
von Granada und seine Höhlen.
Der fünfte von den Siebenmännem richtete seine Schritte nach der
gegen Westen Guadix am nächsten gelegenen Stadt, nach dem Muni^
dpium Florentinum Illiberi. — Von Guadix nach Granada beträgt die
Entfernung eine starke Tagereise — neun Leguas. Von den Alten wird
kein Ort genannt, der auf der Sierra von Guadix gelegen wäre. Auch
heute findet sich hier kein bedeutender Ort. Nur Diezma ist nennenswerth.
Cäcilius ist ein bei Römern allbekannter Name, welcher auch auf
spanischen Inschriften sich zahlreich findet. — Wollten wir uns auf die
Frage einlassen, ob Cäcilius direct von Acci nach Elvira gekommen,
und ob er seine Wirksamkeit auf diese Stadt beschränkt habe, so müssten
wir uns mit vagen Vermuthungen begnügen. — Es genüge uns, zu
wissen, dass er der erste Bischof dieser Stadt gewesen, und dass er in
derselben „ruhet*', d.h. begraben wurde. Es wird nicht berichtet, dass
sein Leib zur Zeit der Mauren transferirt wurde ; denn das Christenthum
bestand fort.
Weil Granada einen Apostelschüler zu seinem ersten Bischöfe ge-
habt, so nennt es sich mit Recht „eine apostolische Bjrche*', nach den
Worten des Tertullian: „Darum mö^en mit Recht auch diese Kirchen
für apostolische betrachtet werden, als die Nachkommen der apostoli-
schen Kirchen.^ *)
Es ist sehr wahrscheinlich, dass von Cäcilius an, dem ersten Bischöfe
von Elvira — in ununterbrochener Reihenfolge — Bischöfe in Elvira
regierten bis auf Flavian , welcher durch die Synode von Elvira ver-
bürgt ist. Die doppelte Bischofsliste aber, auf die man sich in Granada
berufen hat, leidet an allen Spuren der Unächtheit. Man kennt eben
nur die Bischöfe Cäcilius (um das^J. 70), Flavian — 306 nach Chr.,
Gregorius Bätikus — 360; und dann Stephanus, der im J. 589 der
dritten Synode von Toledo anwohnte.
Nach den Boltandisten wurde Cäcilius im fünften Jahre des Kaisers
Nero nach Spanien geschickt; ich glaube, frühestens im zehnten^). —
Pseudo-Dexter weiss über den Tod des Cäcilius und seiner Oefährten
Einzelnheiten zu beri<^hten. Sie seien den Flammen übergeben worden.
— Der Priester Patricius habe ihre halbverbrannte Asche in den Höhlen
') Äc per hoc et ^sae apostolicae dqmtanturf ut soboles apoetolicarum ecclesiarum, Ter-
tullian, de praescript c. 20,
«) Acta Set. t 1, Februarü, p,4— 12,
$. 2. Der heilige G'äcilins in Iliberris. Der sacro Monte etc. 179
bei Granada gefunden , mit bleiernen Tafeln ^ und auf einer derselben
seien in sehr alter lateinischer Schrift die Worte gestanden: ^In deük
eilften Jahre der Regierung des Kaisers Nero hat das Martyrium erduldet
an diesem Orte Ilipula *) — S. Cäcilhis, Schüler des Jacobus, ein
Mann mit der Gabe der Wissenschaft, der Sprachen, und voll Heiligkeit.
Er hat die Prophezeiungen des Johannes erklärt, welche mit andern
Reliquien auf der unbewohnbaren Höhe des Thurmes Turpiana nieder-
gelegt sind, wie mir dieses seine Schüler gesagt haben, nemlich
D. Septentrius und Patricius, welche mit ihm gelitten haben. — Ihre
Asche liegt in den Höhlen dieses heDigen Berges — und sie soll zum
Andenken an dieselben verehrt werden.*' — Diess erzählt Bivar zu
Pseüdo-Dexter.
Ausserhalb der Mauern von Granada liegt nemlich, am lieblichen
Ufer des Darro, ein Hügel, auf welchem die berühmte CoUegiata del
Monte sacro (die Collegiatkirche des heiligen Berges) sich erhebt, eine
der Pfarreien der Stadt. Der Aufgang zu ihr ist ziemlich steil. Auf
dem Wege ist ein alter Bogen, welchen einige als Werk der Römer
erklären. Oben befindet sich das von dem Erzbischof Pedro de Castro
gegründete Seminar. Der Anlass war dieser, — Arme Leute gruben
nach Schäzen der Mauren, und fanden eine Höhle auf demselben Hügel,
welcher jezt die Collegiatkirche trägt. Im Februar 1595 erschienen sie
vor dem Erzbischofe, und erklärten, sie hätten in einer Höhle Platten
mit Buchstaben gefunden. Die Jesuiten Rodriguez und Garcia suchten
dieselben zu entziffern. Nach deren Erklärung wiesen sie auf das An-
denken eines Heiligen hin, welcher hier den Martyrtod erlitten. Man
fuhr fort mit Nachgraben. Man fand Documente und Reliquien, welche
Theologen und achtungswerthe Laien für acht hielten. Fromme Laien
sezten Kreuze und andere Zeichen auf den Hügel. Man musste Aus-
schreitungen des Eifers entgegentreten. Der Erzbischof de Castro er-
richtete, um die Reliquien zu ehren und zu bewahren, eine Collegiat-
kirche, mit Canonikern und einem Propste, und zugleich ein geistliches
CoUeg für studirende Theologen mit dem Titel Dionysius des Areo-
pagiten. — Dieses CoUegium wurde eines der berühmtesten in Spanien.
Die Gebäude sind solid, obgleich nicht vollständig nach dem grossen
Plane des Gründers ausgeführt. Die Kirche ist elegant und schön aus-
geschmückt. Von der Kirche aus kommt man in die Höhlen fsarUas
cuevasjy worin sich schöne Kapellen und Tafeln mit Inschriften befin-
den, welche die Einzelnheiten der Entdeckungen und die Reliquien be-
schreiben ^).
Franz Lorinser besuchte diese Höhlen im J. 1854. „Auf einigen
I ) Nach der falschen Meinung, dass Uipula Laus an der Stelle des heutigen Gra-
nada gelegen.
*) Madoz, Granada, 8,524.
12*
180 Zweites Bach. Zehntes Kapitel.
Stufen steigt man hinab, und befindet sich in einem Räume, der die
grösste Aehnlichkeit mit den römischen Catacomben hat, und höchst
wahrscheinlich ein Werk der ersten Christen ist — (?). Mehrere schmale
in den Felsen gehauene Gänge verbinden kleine Kapellen, von der
Grösse derer, die sich in den römischen Catacomben finden. Dieselben
sind jedoch alle im Bokokostyl in kleine Kirchen verwandelt, und mit
Marn^or und vielen Zierrathen geschmückt, welche ihre ursprüngliche
Gestalt leider nicht mehr erkennen lassen. In den schmalen und kurzen
Gängen, welche die KapeUen verbinden, und die noch in ihrer rohen,
ursprünglichen Form geblieben sind, finden sich weder Gräber noch
Inschriften vor. Sehr schwer dürfte es seyn. Bestimmtes über den Ur-
sprung dieser catacombenartigen Höhlen zu ermitteln. Der Altar der
einen Kapelle, wenn ich nicht irre, derjenigen, welche die Gebeine des
heiligen Cäcilius einschliesst, soll derselbe seyn, auf dem der Apostel
Jacobus zuerst in Spanien das heilige Opfer gefeiert haben soll. Sein
Schüler, der nachmalige Bischof Cäcilius, ein Spanier, habe in dem
alten Illiberis, dessen Bischof er gewesen, den Martyrtod erlitten, und
sei von den Christen hier begraben worden *).^ Offenbar giebt Lorinser
den spanischen Traditionen des siebenzehnten Jahrhunderts zu viel nach.
Mag es seyn, „dass die Gestalt der Catacomben für ihr hohes Alterthum
zeugt, und die Aehnlichkeit der Form mit der römischen zu aufEdlend
ist, dass man sie nicht auf den ersten Blick als Werk der ersten Christen
erkennen sollte^. Aber Catacomben ohne Gräber imd ohne Inschriften
sind eben keine Catacomben. Diese Form kann auch im sechzehnten
und siebenzehnten Jahrhundert nachgemacht seyn. — Sodann „mög-
licherweise kann Jacobus in dieser Höhle seiae ersten Jünger zum Gottes-
dienste versammelt haben*'. Aber — wie weit ist es von dieser Mög-
lichkeit zu einem Schatten der Wahrscheinlichkeit? — Femer: wenn
„Illiberis in der Nähe des heutigen Granada am Fusse der Sierra Elvira
lag^, wie kommt es denn, dass die Christen die Gebeine des heiligen
Cäcilius — zwei Stunden entfernt in den Höhlen des Monte Sacro be-
graben haben? — Jedenfalls hat Rom gesprochen über die Aechtheit
der sogenannten Reliquien, Inschriften und Schriften des heiligen Cäcilius,
welche man in Granada in den Höhlen „des heiligen Berges^, und auf
der Höhe des Thurmes Torpiana fand.
Nach vielen Verhandlungen erschien zu Rom am 5. Mai 1639
ein Dekret der Inquisition gegen die Entdeckungen in Granada.
Schon Papst Urban VIU. hatte auf die Kunde, dass im J. 1588 (?) in
dem Thurme Torpiana, welcher wegen des Baues einer neuen Kirche
abgetragen wurde, ein dem heiligen Johannes zugeschriebenes Buch,
mit arabischen, griechischen imd lateinischen Schriftzeichen, geftm-
den, dass in den Höhlen des Monte sacro einige Bücher, und Platten
') Franz Lorinser, Reiseskizzen aus Spanien, 1855, Bd. 2, S. 69 — 75.
(. 2. Der heil. Cäcilius in Ilibems. ^ Der sacro Monte etc. 181
aus Blei gefunden worden, die — in arabischer Schrift — theologische
Werke enthielten, verfasst von Jacobus und einigen seiner Schüler, und
welche 1595 und 1596 ausgegraben worden, in wiederholten Breven
dem Pedro de Castro, Erzbischof von Granada, befohlen, er solle solche
Bücher nicht drucken lassen, und jede Verhandlung darüber verbieten,
denn nur der römische Stuhl habe darüber zu entscheiden. Er solle die
angeblichen Entdeckungen nach Rom einsenden.
Troz wiederholten Mahnens gehorchte man in Granada nicht. Im
Gegentheil — in Predigten und Schriften wurde die Aechtheit der Ent-
deckungen verkündigt. Eine üppige Literatur wucherte aus diesen Ent-
deckungen hervor. Folianten folgten auf Quartanten. Der Jesuit Hier.
Boman de la Higuera, auf dem der Hauptverdacht ruhet, die falschen
spanischen Chroniken geschmiedet zu haben, brach seine Lanze für die
Aechtheit der angeblichen Reliquien. Munnoz führt siebenzehn Schriften
an, theils Manuscripte, tbeils Druckwerke, über die j^^Reliquien des hei-
L'gen Berges*'. Es war nahe daran, dass alle verkezert werden sollten,
welche nicht daran glaubten. Danmi vnnrden die Bücher, Schriften und
Platten suspendirt. Ihr Gebrauch und ihre Verbreitung ist verboten^ bis
man in Rom entschieden habe. Es sind auch suspendirt und verboten alle
darüber handelnden Schriften ; sie müssen den Inquisitoren sogleich aus-
geliefert werden. Der Papst verbietet alle etwaigen Versammlungen von
Gelehrten, welche der Erzbischof von Granada aus diesem Anlasse ver-
anstalten möchte (wie es geschehen war). Ihre Erklärungen sind üull
und nichtig. Die Zuwiderhandelnden verfallen der Excommunication,
von der sie nur der Papst lösen kann. — Dieses Dekret wurde im
J. 1641 verkündet. — Eine dem Jacobus angedichtete Schrift hatte den
Titel: „Wunder des Glaubens, und über den Ring des Königs Salomo,
dictirt von der seligsten Jungfrau Maria dem Jacobus, des Zebedäus Sohn.'^
— Eine dem Cäcilius angedichtete Schrift — war ein Commentar zu
den Prophezeiungen des heiligen Johannes, nicht etwa lateinisch ge-
schrieben oder griechisch, sondern in dem Spanischen des sechszehnten
Jahrhunderts, das also Cäcilius um fünfzehn Jahrhunderte anticipirt hätte.
Gregor Lopez Madera, welcher mehrere voluminöse Werke zur
Vertheidigung der Entdeckungen schrieb ^), hüpft mit leichter Mühe über
alle Schwierigkeiten hinweg. Er lehrt, dass die spanische Sprache des
sechszehnten Jahrhunderts schon zu der Zeit der Römer im Umlaufe
gewesen, obgleich später viele gothische und arabische Worte ihr bei-
gemischt werden^).
') Unter anderm : Discwsos de la certidumbre de las reKguias dMcubtertoB en GranadOf
deade el anno de 1588 hasta el de 1598. Autor el D. Gregorio Lopez Madera, Grch
nada 1601, en foUo, Nebstdem einen andern Folianten, ohne Angabe der Zeit,
der mit den Worten beginnt: »Da Gott seine Wunderwerke ^eoffei^bi^ret )^at«"
•) Acta ßanetonmf 1 1, Fehntar. p. 11 — i?.
182 Zweites Bach. Zehntes Kapitel.
Nach langen weitem Untersuchungen und Prüfungen erliess Lino-
zenz XI. am 6. März des Jahres 1682 ein feierliches Dekret, in welchem
er die vermeintlichen Entdeckungen , besonders die Bleibücher des Monte
sacro — als unächt, unkatholisch verdammte. Gegen dieses entschei-
dende Dekret glaubte das Capitel der Collegiatkirche des Monte sacro
Einsprache thun zu sollen. Es wandte sich klagend an König Karl U.
von Spanien, er möge es bewirken, dass der Papst andere Schiedsrichter
berufe, und die ganze Sache von neuem untersuche*). — Doch Rom
hatte entschieden, und in der That, nach reifer Ueberlegung von fast
einem Jahrhundert. Die Granatenser aber vertheidigten ihre vermeint-
liche gute Sache weiter. Ein Ungenannter schrieb einen ungedruckten
FoL'anten: ^ Schmerzliche Empfindungen, tiefgefühlte Thränen, mütter-
liche Seufzer, mit welchen Spanien, unter allen Provinzen der Kirche
eine Rachel, aber liebevoller als alle in der Treue und im Gehorsame
gegen ihren Jacob, den allgemeinen Hirten (der Kirche), herzinnig be-
trauert den bittern Verlust seiner unschäzbaren Kleinodien, die nieder-
gelegt und aufgedeckt wurden in dem heiligsten Boden seines frommen
Königreiches.^ Der Verfasser war Mitglied der Collegiatkirche^).
Energischer trat eine andere anonyme Schrift auf: „Katholische
granadensische Rache^, welche am Anfange des achtzehnten Jahrhunderts
erschien^). Es ist eine Geschichte der famosen Reliquien des heiligen
Berges, deren Vertheidigung, eine Vertheidigung der Schriften und deren
Uebersezungen.
Von jezt an legten und glätteten sich die Wogen der mehr als
hundert Jahre dauernden Bewegung. Man sah ein, dass Cäcilius erster
Bischof von Granada war, ohne dass er nothwendig hatte, Schriften zu
hinterlassen. — Zwar fehlte es auch im achtzehnten Jahrhundert nicht
an neuen Fälschern der Geschichte, an Urhebern neuer Alterthümer.
P. Juan de Echevarrfa , niederer Cleriker, D. Juan de Flores, Präbendat
an der Metropolitankirche zu Granada, und D. Cristöbal Medina Conde,
Domherr an der Kirche zu Malaga, thaten sich zu einem würdigen Klee-
blatte zusammen, und fälschten allerlei Schriften und Reliquien. Da-
gegen erhoben sich die Erzbischöfe Barroeta y Angel, und Anton Jorge
Galban, dessen Nachfolger; ein Gericht wurde niedergesezt, und die
Fälscher zu gebührenden Strafen verurtheilt. — Die beiden erstge-
nannten wurden zu achtjähriger Einsperrung in bestimmten Klöstern,
der Domherr von Malaga zu vier Jahren Einsperrung verurtheilt *), und
allen Drei verboten, für alle Zeit in dieser Angelegenheit zu schreiben.
') S. den Titel der Beschwerdeschrifl oben bei der Literatur Nr. 8.
*) Der lange thränenreiche Titel bei Munnox, Diccionario — Nro. 66 der Schriften
über Granada.
*) Vindicuu cathoUcas granatensea, en Leon de Franda, Anno de 1706, En FöL, con
Idminas, — Nro. 67 bei Munnoz.
^) Rcufon del jmcio seguido en la dudad de . Granada ante los üuatiisnTnos sennores
$. 3. Die Verehrung des heiligen O&cilias in Granada. 183
— Nach so langer Zeit endete endlidi dieses unsaubere Geschäft der
Geschichtsfälscher, nachdem es an zwei Jahrhunderte geblühet hatte.
4
§. 3. Die Verehrung des heiligen Cäcilius in Granada.
Von air den Orten, in welche die Apostelschüler kamen, hat Gra-
nada die ihm dadurch zu Theil gewordene Ehre und Auszeichnung viel-
leicht im höchsten Grade zu würdigen verstanden. Die unfrommen Er-
dichtungen und Fälschungen, von denen der $. 2. erzählt, sind von
Einzelnen ausgegangen; das ganze gläubige Volk von Granada aber,
Priester und Laien, hat sich stets bemühet, den heiligen Cäcilius auf
würdige Weise zu verehren. Die einzelnen hervortretenden Thatsachen
dieser Verehrung aber siad:
Erstens — die Kirche und die Pfarrei des heiligen Cäcilius. Sie
war auch eine Kirche der Christen zur Zeit der Maurenherrschaft, viel-
leicht mit einzelnen Unterbrechungen, namentlich in der leztem Zeit
vor der Eroberung von Granada — 2. Jan. 1492. Dass sie stets eine
christliche Kirche gewesen, ist die Ueberzeugung, obgleich es an strengen
Beweisen fehlt; diese Kirche wurde im J. 1501 zur Pfarrkirche erhoben,
und ist es heute noch *).
Zweitens — man zeigt in Granada eine kleine Kapelle, welche,
nach der Tradition, der Kerker war, in dem S. Cäcilius und seiae Ge-
fährten gefangen waren , bevor sie den Tod erlitten. — Sie liegt in dem
Stadttheüe Alcazaba. Diese angebliche Tradition, welche jedenfetUs neuem
Ursprunges ist, widerspricht aufCallend der gewöhnlichen Annahme, dass
das alte Elvira an dem Fusse der gleichnamigen Sierra gestanden habe.
Hiemit stehet in Verbindung die Art und Weise der kirchlichen
Festfeier des heihgen Cäcilius in Granada. Nach dem neuem spanischen
Ritus, der hierin von dem mozarabischen abweicht, werden die Sieben-
männer, darunter auch Cäcilius, als Märtyrer verehrt. Der „Ordo reci^
tandi Officium divinum in Ecclesiis Hispaniae^^ welcher 1635 zu Madrid
gedruckt wurde, enthält zum 1. Febraar, in dem Festkalender der Kirche
und Diöcese Granada: Zu Uiberris das Andenken des Bischoä, Mär-
tyrers und Patrones Cäcilius und seiner Schüler. Duplex 1. Class. cum
Octava. — Man sieht, dass die falschen Chronisten einigen Einfluss auf
diese Feier hatten.
D. Manuel Doz, presidente de su Real ChanciUeriaf />. Pedro Antonio Barroeta y
Angelf arzobispo qua fu€ de esta diöcesis, y D. Antonio Jorge Galban, actual suc-
cessor en la mitra, todos del Consejo de su Magestadf contra varios faUificadores de
escrituras publicasy monumentos aagrados y profäno8, caract&es, tradicioneSf reliquias
y Ubros de supuesta antiguedad. — Madrid, Ibarra 1781» En FöL
>) Jean Marieta, Historia ecclesiasiica de todos los Santos de Espanna ; Concha 1596 f. ,
l. 1, cap. 14, — Maitr. Casteüa Ferrerius, Historia S. Jaeobi, ^ ^, ccip, 16, — Pe-
draza, l, 3, cap. 15, s. Antigu^dades de Oranada,
184 Zweites Buch. Zehntes Kapitel.
Neben dem geistlichen Seminar zum heiligen Dionysius auf dem
Sacro Monte — mit etwa vierzig Zöglingen besteht das ^Seminar des
heiligen Cäcilius'^ von Granada ^), mit etwa sechszig Zöglingen. Dieses
Seminar, aus welchem viele berühmte Männer hervorgiengen , wurde
schon im J. 1492, dem Jahrp der Eroberung der Stadt, gegründet, zu-
gleich mit der Metropolitankirche von Granada. Es wurde bestätigt
durch Bulle Innozenz VUI. vom J. 1496. Zwei Canonicate und achtzehn
Beneficien sind seinen Zöglingen vorbehalten. Der Erzbiscbof Pedro
Guerrero gab ihm vortreflfliche Statuten.' Dieser Erzbischof wohnte be-
kanntlich der Synode von Trient an, und ist bekannt als Führer der
sogenannten spanischen Opposition in der Streitfrage über die Residenz-
pflicht der Bischöfe^). — In der 23. Sizung zu Trient wurden diese
Statuten vorgelesen, und sie galten als Muster für die neu zu errichten-
den Sepiinarien. ^Aus diesem Grunde ist dieses für das älteste und
berühmteste aller Collegien des christlichen Erdkreises betrachtet worden.*'
Es hat einen Rector, zwei Präsidenten, zwei Vicepräsidenten, Professoren
für Philosophie, Dogmatik, Moral, Kirchenrecht. Nach dem Studien-
plane von 1845 hat es acht Professoren für Theologie und Canones,
sieben für Philosophie. Mit seinen Einkünften kann es einunddreissig
CoUegiaten ganz erhalten ; — dazu eine grosse Anzahl Halbstipendiaten,
welche fünf Realen täglich bezahlen. Im J. 1847 hatte es vierund-
dreissig Philisophen, zweiunddreissig Theologen , davon zwanzig im Col-
legium, zwölf Externe. [Um dieselbe Zeit hatte das Colleg del Sacro
Monte vierzig Zöglinge, siebenundzwanzig Theologen, dreizehn Philo-
sophen. Unter den Bachalaureen der Philosophie an der Universität zu
Granada waren dreizehn vom heiligen Berge, sieben vom Seminar des
heiligen Cäcilius^)].
Dass der heilige Cäcilius auch noch im Bewusstseyn des Volkes von
Granada fortlebt, dieses beweist das religiöse Volksfest, welches am
1. Februar zu Granada stattfindet. Franz Lorinser weilte in der zweiten
Hälfte des J. 1854 in Granada. Im Januar und Februar 1854 befanden
sich F. W. Hackländer von Stuttgardt, und sein Begleiter, der Münchner
Maler Horschelt , gleichfalls daselbst. Hackländer erzählt *), was er beim
Cäcilienfeste — er hätte sagen sollen, beim Cäciliusfeste -^ in Granada
gesehen, und was ihn interessirt hatte: »Wir wurden bei dem Feste
entschädigt, welches zu Ehren der heiligen Cäcilie (lies: Cäcilius) in
einer Wallfahrt nach der Kirche des Sacro Monte bestand, und der wir
*) CoUegio ecclenattico-semtnario concüiar de Sem CeciUo,
^) S. über ihn: Soldan, Geschichte der Hugenottenkriege in Frankreich, 1855.
— Geschichte des Kardinals Stanislaus Hosius von Ermeland, von Eichhorn,
1855. Beide Werke im zweiten Bande.
*) Madoz, 8, 513.
*) Hac]ilän4er, Ein Winter in Spanien, 2torBand, 1855, S. 310 flg.
J. 3. Die Verehrung des heiligen G&cilins in Granada. 185
rmsj wie viele Hunderte anderer Spaziergänger, anschlbssen. Der Weg
führte uns aufreeht durch die Darroschlucht zum Albaydn. — Der
EQmmel blickte klar und heiter auf das Fest der Wallfifthrt herab. —
Wagen ; Reiter und Fussgänger folgten einander. Was soll ich al>er
sagen von den Hunderten — von Weibern und Mädchen, die in einem
nicht enden wollenden Zuge lachend und plaudernd die Höhen hinan-
stiegen, auf welchen das Kloster der (des) Heiligen liegt? So was
hatten wir bis jezt in der That in Spanien nicht erlebt.'^ In weitem
Lobpreisungen der äussern Erscheinung dieser WallÜEdirerinnen ergehet
sich Hackländer sofort fünf Seiten lang. — ^Auf dem Plaze vor dem
Kloster war ein buntes, bewegliches Leben; es witr hier zu gleicher
Zeit ein kleiner Jahrmarkt — Weit auf der ganzen Anhöhe umher
sah man zahlreiche Gruppen zerstreut, meistens lagerten befreundete
Familien auf den Abhängen des Darroufers, der hier ein paar hundert
Fuss tief unter uns floss. Vor uns tief im Thale sahen wir über Gra-
nada weit in die Vega hinein bis zu den grauen Gebirgen der Sierra
Elvira.^ Da aber Hackländer von der Wallfahrt -als kirchlichem Feste
nichts berichtet, so gehört das Uebrige nicht weiter zum heiligen Cäci-
lius von Elvira.
Das Gesagte möge genügen für den Beweis, dass die Bewohner
von Granada den heiligen Cäcilius für ihren Apostel halten, und ihn
gebührend ehren.
Eilftes Kapitel.
Der heilige Euylirasius von Illiturgi.
!
f
Literatur: I. von lUiturgi und Andujar: 1) Vida, martiriOf translacion y mi-
lagros de S. Euphrasio, obispo y patron de Ändüjar. Orfg^n, antiguedad y excelencias de
esta ciudad, privilegios de que goza y varones tnsignes en santidad, letras y armas que ha
tenido, por D. Antonio Terrones y Rohres. Granada 1657 , en 4^. (Was er über Euphra-
sius sagt, ist aus den Psendochronisten.)
IL von Jaen: 1) Historia eclesidstica del reino y obispado de JaSn, pw Fr, Bms-
Puerta. Ja^n 1634 (sehr langer Titel). Derselbe Verfasser hinterliess als MS. eine
„Corograßa antigua y modema del reino y obispado de JaSn^ — 1646,
2) Teatro de la santa iglesia de JaSn, vidas de sus obispos y cosas memorabUs de su
sede y obispado in G. Gonz, Ddvila „Teatro de las iglesias de £spanna*^j t 1.
3) Santos y Santuarios del obispado de Jaen y Baeza por Fr. — de Bilches, S. J.
Madrid 1653. Fol
4) De la iglesia de BeaciOf hoy Baeza in Espanna sagrada, t. 7 , p, 96 — 121.
Ebendaselbst: 5) De la iglesia de Castulo (hoy Cazlona, trasladada a Baeza, y, a
Jaen) — t 7, p. 133 — 157,
6) Martini de Ximena, catalogo de los obispos de las iglesias catedrales de la diöcesi
Jaen, y annaUs eclesiasticos deste Obispado — 1654. FöL
§. 1. Die Lage der Stadt Illiturgi,
Illiturgi, wo der heilige Eupbrasius ^ruhet^, lag etwa drei Tage-
reisen von Acci. Euphrasius war derjenige der Apostelschüler, welcher
sich am weitesten von dem gemeinschaftlichen Mittelpunkte entfernt
hatte. Wir brauchen darum nicht anzunehmen ^ dass er gleichsam in
einem Zuge dahin gekommen. Illiturgi war vielleicht der Endpunkt
seiner Thätigkeit. Er konnte aber auf dem Wege dahin sich aufgehalten
haben in Mentesa, in Tucci, in Castulo , vielleicht auch in Egabra oder
Corduba. — Bemerkenswerth ist, dass Illiturgi niemals als Bisthum ge-
pannt wird; es gehörte zu Tucci,
$. 1. Die Lagä der Stadt nUturgi. 187
Das heutige Andujar , welches an der Stelle ^oder in der Nähe de»
alten Illiturgi liegt^ ist sechs Leguas von JacSn, 1,200 Schritte vom Qua-
dalquivir entfernt. Es hat fünf Pfarrkirchen, von welchen keine dem
heiligen Euphrasius geweiht ist *). Villares oder Andujar el viejo ist eine
Legua von Andujar entfernt. Heute ist es ganz verödet. Viele glauben,
dass hier das alte Illiturgi lag. Illiturgi, .das „durch seine Grösse her-
vorragte*', eroberte und zerstörte Scipio der Afrikaner'). Plinius nennt
es Forum *) , es gehörte zu dem Gerichtsbezirke von Cordova. Aus
Plinius, Ptolemäus^) und Aatonin^s Itinerar^) sieht man, dass es bald
wieder au%ebaut wurde, ^mit der Uebertragung an den Ort, wo es
heute liegt*'.
Ludw. Nonius meint gleichfalls, dass Illiturgi an der Stelle von
Alt -Andujar lag — eine Meile von dem jezigen Andujar®). — Florez
sucht nachzuweisen^), dass Illiturgi da gelegen habei, wo heute die
Kirche der heiligen Potenziana ist, zwei Leguas von dem heutigen An-
dujar gegen Morgen, und am nördlichen Ufer des Bätis. Ebenso Ximena
lind Rus-Puerta, die Historiker von Jaefn. Nach dem Itin. Antonin's
betrug die Entfernung zwischen Castulo - Cazlona und Illiturgi zwanzig
Miglien. Auch heute sind es fünf Leguas von Castulo nach S. Poten-
ziana. Florez denkt also nicht an Los Villares oder Alt -Andujar, was
eine Meile näher liegt bei der Stadt Andujar. — Im J. 1635 fand man
zu Villares einen Stein mit der Inschrift: dem Kaiser Septimius Severus
— respublica Murgttanorum — das Gemeinwesen von Isturgi. — Es scheint
demnach, dass die Stadt Isturgi eine Legua westlich von S. Potenziana
war, bei Villares, wo heute viele Ruinen sind^). — Im siebenten Jahr-
hundert bestand dieses Isturgi noch, aber es heisst schon „Sturgi^. Auch
Illiturgi bestand noch, aber es heisst: lUuturgi^).
Bei Plinius steht unmittelbar neben der bekanntem Stadt Illiturgi
— die Stadt Ipasturgi, mit demBeisaze: Triumphale, Dieses kann kein
anderer Ort seyn, als der in der Inschrift genannte Isturgi. Noch eine
zweite Inschrift fand sich in Villares mit der Inschrift: Triumphalis.
Nach der Reihenfolge der beiden Orte bei Plinius lag Uliturgi oberhalb
Ipasturgi *°). In der Nähe von S. Potenziana — fand man eine dem
') Madoz, 2, p. 301 — 6. — Nonius de Hispania^ c. 21.
•) lUUurgis inter maxime insignes magnitudine — Liv. 23, 49, 24, 41. — 26, 17. — 28, 19^ 20.
34, 10.
') IlUturgi, quod Forum JuUwn — PUn. 3^ 1.
*) Ptolem, 2, 4, 10.
») It. Ant. 403.
•) Nonius de JBisp, c. 21,
') Florez, 12, 368 sq.
*) lüiturgi, quod Forum JuKum, Ipasturgi, quod TriumpkcUe cognominatur. PUn. 3, 1.
•) Hispania iUustrata — ed. Schott, 3, 997.
'•) Masdeu sezt ebenso — inscr^t, 1061, — lUiturg^i acht Mig^Ucn oberhalb Andujar.
188 Zweites Buch. Eilftes Kapitel.
Kaiser Hadrian gewidmete Vase — worauf sieh der I^ame von lUiturgi
befand. Eine andere Inschrift fand man in Villanueyo bei Potenziana
— eine Inschrift, worin ein Duumvir von Illiturgi genannt wird. Dar-
nach liegt das heutige Andujar unterhalb dieser beiden Städten. An-
düjar hat — nach einer Inschrift — in der alten Zeit Andura geheissen *).
Der verödete Ort S. Potenziana hat gegen Mittag den Bätis, gegen
Morgen den Rio Herumblas, der sich hier in den Quadalquivir ergiesst.
— Scipio zerstörte die Stadt vollständig ^) , 210 v. Chr. — Schon zur
Zeit des J. Cäsar hatte sie sich wieder erhoben. Diess schliesst man aus
dem Beisaze: Forum Julium, dass nemlich Julius Cäsar ihr einen Markt
bewilligt. Zu Hadrian's Zeit war sie — einer Inschrift zufolge — eine
Colonie.
Dieses war die Stadt, wo der Apostelöchüler Euphrasius sich nie-
derliess, wenigstdhs gegen das Ende seines Lebens. Von Illiturgi wäre
nach der Meinung des Florez der bischöfliche Stuhl nach Castulo über-
tragen worden. Aber die Stadt Tucci, in welcher sich zu derselben
Zeit ein Bischof findet, hat dieselben Ansprüche auf diese Uebertragung.
Da das Bisthum Castulo später an Bae'za übergieng, und das heutige
Bisthum Jaen das Gebiet der alten Bisthümer Castulo -Baeza und Tucci
umfasst, so kann man in der That — sagen, dass die Bischöfe von Jaen
in das Erbe des heiligen Euphrasius eingetreten seien, und so hat man
auch in Jaen die Sache stets betrachtet.
Zur Zeit des heiligen Euphrasius gehörte Castulo zu der Provinz
Tarraconensis , Illiturgi dagegen zu Bätika. Dennoch können wir sagen,
dass das Christenthum von Illiturgi nach Castulo übergieng oder auch
umgekehrt *). Denn beide Städte waren nur fünf Leguas von einander
entfernt. Da in dieser Gegend kein anderer Apostelschüler war, so
müssen wir dem Euphrasius den Beruf und die Sorge zuschreiben, im
Umkreise seiner Stadt Christus zu predigen. „Dem heiligen Euphrasius
kam die Sorge zu für die benachbarten Städte Castulo, Tucci, Cordova.
Nachdem das Christenthum durch ihn, oder seine Gehilfen hieher ver-
breitet worden, entstanden daselbst nicht bloss Bischo&size, sondern mit
der Zeit wurde auch der in Illiturgi bestehende Bischo&siz in eine der-
selben übertragen, wie es aus den ältesten Nachrichten über diese Bi-
schofssize hervorgeht, zu der Zeit, als die Christenverfolgungen .noch
dauerten, auf die Weise, dass jeder einzelne dieser (drei) Size einen
unmittelbaren Nachfolger des heiligen Euphrasius (als ersten Bischof) er-
halten konnte, gemäss des hohen Alters, seit welchem sie bestanden
haben ^). Indem nun diese Bischöfe Nachfolger hatten , dürfen wir uns
Florez, 12, 372.
») Liimu [23, 49. 24, 41.] 28, 19. 20. [34, 10].
») Florez, 7, 142—45.
*) Florez, 4, 66. /^2Vo<. 2. cp. 3. (114)] — : ä San Eufiano le carre^ondia la soUcUud
$. 2. Die Verehrung des heiligen Eophfasias. 189
nicht wundem über das Fehlen yon Nachrichten über die Bischöfe von
Illiturgi^ da wir gewichtige Gründe haben, dass dieselben fortb^tanden
unter dem Namen der Bischöfe von Castulo^ Tucci oder Cordova.*'
Indem ich dieser Auseinandersezung des Florez vollkommen bei-
trete, möchte ich jedenfalls auch noch das Bisthum Mentesa bei Ja6n,
wenn überhaupt hier der alte Bischofssiz war, und vielleicht auch das
Bisthum Egabra — als eine Stiftung des heiligen Eupl^rasius betrachten.
— Da aber Castulo naher bei Illiturgi gelegen, als irgendein anderes
Bisthum, so meint Florez, dass der Siz von Illiturgi zunächst nach Ca-
stulo übertragen worden sei. — Dieses möchte ich umsomehr dahin-
gestellt seyn lassen, da die directe Entfernung von Illiturgi und Tucci
oder Martos etwas geringer ist, als die von Castulo, und da Florez
selbst Illiturgi — zu dem Bisthume Tucd rechnet ^),
§. 2. Die Verehrung des heiligen Euphrasius.
Es scheint, dass in der alten Zeit vor dem Einfalle der Mauren
der heilige Euphrasius mehr verehrt worden sei, als die Mehrzahl der
Siebenmänner. Was von keinem der andern, mit Ausnahme des Tor-
quatus, berichtet wird, erzählt die Geschichte von ihm, dass nemlich
zur Zeit der Gothen eine Kirche unter seinem Namen eingeweiht wurde.
Der heih'ge Eulogius von Corduba — f 859 als Märtyrer, erzählt
in seinem jyApologeticus'^, als er, auf einer Reise nach Frankreich be-
griffen, zu Pamplona gewesen, sei er dort auf ein altes Buch gestossen,
aus welchem er die Worte anführt: ^Es erhob sich der Häresiarch Ma-
homed zu der Zeit des Eoiisers Heraclius, im siebenten Jahre seiner Re-
gierung, im Laufe der Aera 656. — Um diese Zeit blühte Isidor von
Sevilla als Lehrer der Kirche, und Sisebut hatte den königlichen Thron
zu Toledo inne. Die Kirche des heiligen Euphrasius wurde
in der Stadt Illiturgi über dem Grabe desselben erbaut
Auch zu Toledo wurde — auf Geheiss desselben Königs — die Basilica
der heiligen Leocadia bis zum hohen Gipfel erweitert ^).^ Diess war
im J. 617. — Ambros. Morales bemerkt zu den Worten des Eulogius,
dass es ihm bemerkenswerth erscheine, dass auch zur Gothenzeit an
jenem Orte sein Leib mit einem ihm geweihten Tempel sich befiGmd.
de las Ciudades cqßiantes Castulo, Tucci, y Cordoba, Cf, Florez, 7, 143. —
ä solo San Euframo d^>€mos dsftnt la soUcäud de anuneiar el EwmgtMo per los
contomos de su Diocesi, y per consigmente 6» la Ciudad de Castulo,
') Florez, 12,366-376.
') JEulogitts -'•. Uber apologeticus martyrum, cap, 16, apud Migne Patr, tat 115, p, 859^
Ecclssia beaH Euphrani apud lUiurgi urbem ji^mt tumulum ejus aedffieaiiir.
190 Zweites Buch. Eilftes Kapitel.
„Jezt wird in dieser Stadt (Andujar) sein Gedächtniss in keiner Weise
bewahrt*).*'
Der Leib des heiligen Euphrasius wurde zu Valdemao, in dem Bis-
thume LugoS; in der Kirche des Benediktinerklosters von Samos, auf-
bewahrt. Hieron. Roman, Chronist und Augustiner (nicht Roman de
la Hjguera), welcher das Archiv von Samos ordnete, sagt, dieses Kloster
sei hochgeehrt, weil es unter seiner Obhut den Leib des heiligen Eu-
phrasius bewahre. Nach dem Eintritte der Mauren suchten die Gläu-
bigen den Leib des Heiligen zu erhalten, sie nahmen ihn heimlich hin-
weg, und brachten ihn nach Galizien, und sie legten ihn nieder auf
einem rauhen Berge in der Nähe des Klosters (Samos), genannt Val-
demao. Hier wurde er aufbewahrt, mehr mit Andacht, als mit Pracht.
Als dann das Kloster gegründet wurde, kamen die Reliquien mehr in
Aufnahme. — Wenn das Kloster 759 gegründet wurde, und der Leib
des Heiligen sich vorher dort befand, ^so geschah diese Uebertragung
zur Zeit der Ankunft der Mauren*' ^).
Viel früher, als Mabillon, Yepes, Florez u. a., nimmt Risco die
Gründung des Klosters Samos an. Man fand, berichtet er, 1753 zu
Samos eine Lischrift, in welcher der Bischof Ermenftid vorkommt, der
in der Mitte des siebenten Jahrhunderts regierte^). Ermenfnd bezeugt,
dass er die Mönchsdisziplin des Klosters Samos wiederherstellte. Also
hat das Kloster schon vor 650 bestanden*). — Gegründet wurde es —
nach Risco — kurze Zeit nach dem Eintritte der Sueven in Galizien.
Denn diese haben ihm den Namen Samanos gegeben, was einen Ort
bedeute, wo man in Gemeinschaft lebt. Ln J. 716 sei das Kloster
durch die Mauren zerstört worden, Alonso L eroberte Galizien wieder,
besonders Lugo und Tuy. Damals sei Samos durch einen Abt Argericus
wieder hergestellt wirden, entweder unter Alfons L (t 756), oder seinem
Nachfolger Froila.
Dabei ist noch ein Umstand besonders zu beachten. Der zwölften
Synode von Toledo — im J. 681 wohnte der Bischof Euphrasius von
') Ambros» Morales — scholia in Eulogii apolog. nr, 4. Nunc nee aliqua saltem in ea
civitate ejus memoria rettnetur, Morales starb 1591.
') Florez, 12,375. — üeber diese Translation handelt: Marieta y Flos Sanctontm,
Bivar zu Pseudo-Dexter — a. C. 54. Molina , Descrtpcion de GaUciaj Terrones in
der Geschichte von Andujar.
^) Espanna sagrada, 1 40, p, 202—223 — „Memoria» du inaigne Monasttrio — de Samoa,^
Mabillon (ann» O, S, B,) sezt seine Gründang in das J. 759 durch Kdnig Don
Fruela, wohl zu spät.
*) Er unterschrieb auf den Synoden von Toledo — 8 (J. 653) und 10 (656). He-
fele, GoDttlieugeschichte , 3,91; 95.
5- 2. Die Verehrung des heiligen Eophraslus. 191
Lugo bei. Ebenso der dreizehnten Synode im J. 683. Auf derselben
Synode unterschreibt ein Presbyter, Abt Citrunius, welcher die Stelle
seines Bischofes Euphrasius von Calahorra vertritt. — Euphrasius von
Lugo unterschreibt auch auf der fünfzehnten Synode im J. 688. — Auf
der sechszehnten Synode im J. 693 unterschreibt Potentius als Bischof
von Lugo. — Der Name keines der übrigen Apostelschüler kommt in
dem Verzeichnisse der westgothischen Concilien vor. — Nur den Namen
des Euphrasius tragen zwei spanische Bischöfe gleichzeitig in den Jahren
680 — 690. — Unter ihnen ist der Bischof von Lugo, in welchem Bis-
thume das Kloster Samos liegt, das sich des Besizes des Leibes des hei-
ligen Euphrasius rühmte. Vom Anfange der Gründung an kann dieses
schwerlich der Fall gewesen seyn. Denn das Kloster trägt den Titel
des heiligen Julian und der heiligen Basilissa *). Aber es ist möglich,
dass die Reliquien oder dass Reliquien des Euphrasius zwischoji 617 und
681 nach Lugo gekommen sind, und dass man nun später meinte, die
Translation sei zur Zeit der Mauren geschehen. — Der Name eines
Bischofs Eufrasius kommt auch bei Gregor von Tours vor/*). Im Mor-
genlande ist der Name sehr verbreitet.
Morales, der selbst in Samos war, versichert, dass dort der Heilige
bei dem Volke sehr geehrt werde. Im J. 1596 wurde auf Befehl Phi-
lipp^s II. das Grab des heiligen Euphrasius in Valdemao eröffnet, um
Reliquien für die Stadt Andujar und für die Kirche von Escorial aus
demselben zu nehmen.
Schon am Ende des sechszehnten Jahrhunderts war in Andujar das
Andenken an den heiligen Euphrasius erloschen, zum Theil wohl aus
dem Grunde, weil Andujar nicht an der Stelle von Uliturgi steht. Nur
die Kirche eines aufgehobenen Klosters trug diesen Namen. — Aber
in der Stadt und in dem Bisthume Jaen ist das Andenken des Euphrasius
nicht vergangen. — In Cabra del Sto Crüto, gewöhnlich Cabrilla ge-
nannt, an dem nordöstlichen Ende des Bisthumes, bestehet eine Ein-
siedelei mit dem Namen des heiligen Euphrasius. — Am Ende des acht-
zehnten Jahrhunderts gründete das Domkapitel von Jaen für musikar
lische Knaben ein OoUegium mit dem Titel San Eufrasio *). Noch mehr,
San Eufrasio ist Patron des Bisthumes Jaen, und sein Festtag — 14. Ja-*
nuar — ist ein gebotener Feiertag für den Umkreis des ganzen Bis-
thumes *). — Aus diesem Grunde kommt der Taufhame Euphrasius
häufig vor. — Auch unter den Bildern und Statuen der Kathedrale von
») Florez-Risco, 40,202.
•) 105, 1161 — ed. Ruinart — Euphrasius war Bischof von Ciermont.
') Madoz s. V. Jaen, 9,493; 544. Coüegio de San Eufrasio.
*) TiOemont, mem. 1, 201. Madoz, 9, 562. — Patronin der Stadt ist Set. Gatharina,
Madoz, 9,545.
192 Zweites Buch. Eilftes Kap. $. 2. Die Verehrung d. heil. Euphrasius.
Ja^n ist der heilige Euphrasius nicht vergessen *). U. a. stellt eine
schwere silberne Statue den Heiligen dar, Ton guter Ausführung, welche
eine Reliquie des Heiligen enthält Sie stammt aus dem achtzehnten
Jahrhundert. Im Yolksaberglauben erscheint Euphrasius, yon Rom
nach Spanien auf dem Teufel reitend, und das Schweisstuch der heiligen
Veronika mit sich führend^).
") Madoz, 9, 547.
*) Madoz, 9,548. — AI. Zieg^ler, 1,312 sagt: data daa soviel angebetete (hört!)
el Santo Rostro das in das Taschentuch der heil. Veronika hinaingedrückte Ge-
slefat Jesu aufweise.
Zwölftes Kapitel.
Der heilige Hesychius (Esitlos) von Carcesa (Carcesuin oder
Carcera).
/
f
Literatur: über Carteya bei der Meerenge: Espanna sagrada, t 4, 10 — 41.
lieber das angebliche Carteya bei Cartagena: La antigua Carteja 6 Carcesa^ hoy
Cieza, viüa del reino de Murdaf ilustrada con un resumen historial y, unas disertaciones
sobre (dgwnas aniiguidadea ^ por el P, Fray Pascuäl Sabneton. Madrid ^ Ibarra 1777. En 4^,
lieber Cazorla: Bistoria de los santuarios del adelantamiento de Cazorh, por D, Fer^
nando Alf, Escudero Torres. Madrid 1665 und 1669,
§. 1. Der Siz des heiligen Hesychius war nicht Carteja an
der Meerenge.
Für Carteja bei Gibraltar als Siz des Hesychius wendet Florez ver-
geblich allen Scharfsinn auf. — Die Lesarten des Ortes sind verschie-
den: Carcera, Carcesa, Carcesi, Carceri, Carthesa. Nicht eine lautet:
Cartei», oder Cartheya, höchstens noch Cartera. — Da Carteia ein in
Spanien so bekannter Ort war, so wäre er sicher, im Falle Hesychius
dort gewirkt, auch richtig geschrieben worden. — Das alte Brevier von
Sevilla las Carthesa, und dabei stand id est Ventosa depopulcUa, d. h.
das verödete Ventosa. Das von Aldrete ') angeführte Brevier von Cor-
dova hest Carthesia, und sezt bei Ventosa. — Marieta sagt, ohne Ven-
tosa zu nennen, dass Carcesa im Lande von Asturien liege. Morales
meint dasselbe. Mariana tritt ohne Bedenken bei^).
Sie alle haben den Beweis weder geführt, noch auch nur angetreten,
dass es in Asturien ein Carthesa gab. — Dazu kommt die Entfernung
>) Aldrete Bern, Varicu antiguidades de Espanna, Africa y oiras provincicu, En Am-
heres 1614, in 4« — /. 2, cap. 12.
*) Mariana, de rebus Ht^MUiiae, L 4, 2 — ffesyduum Carthesanum non procul Asturica,
Gams, span. Kirche. 13
194 Zweites Buch. Zw51fte8 Kapitel.
von den übrigen sechs Gefährten, welche wir ohne einen zwingenden
Grund nicht annehmen dürfen. Wie sollte der Einzige von den Sieben
aus dem äussersten Südosten in den äussersten Nordwesten von Spanien
gleichsam verschlagen worden seyn?
Bivar liest nach seine^i Pseudo-Dexter, der ihm als höchste Aucto-
rität gilt, ohne Weiteres Carteja. Aber Pseudo-Dexter weiss Näheres.
„Isicius predigt zu Carteja neben der Meerenge, und er durcheilt die
ganze Küste des innem (Mittel -) Meeres, und er predigt auch zu Alone
und in einem andern Carteja am Mittelmeere, nicht weit von Carthago
Spartaria. ^ — Dieses Alone ist nach Bivar nichts anderes denn Alicante;
und das „andere Carteja^ liege zwar nicht am Ufer, aber doch nahe
am Meere bei Carthagena. £r meint, man solle sich wem'g darum küm-
mern, ob gelesen werde Cartheja, Cartesia oder Cartesa.
Leider hat sich auch Baronius verleiten lassen, die Lesart Carteja
in das römische Martyrologium aufzunehmen, und hat so den Spaniern
eine starke Handhabe gereicht, auf die sie sich gestüzt haben ^).
Johann Marieta schreibt, Hesychius habe mit Ctesiphon zu Vergium
gepredigt, nachher zu Carcesa^). — Ebenso berichtet Thomas de Tru-
gillo: „Ctesiphon und Hesicius predigten in Beria und in Carcesa^ ^). —
Tamayo Salazar, der grosse spanische Fasler imd Falsarius, giebt zum
ersten März „die Akten des heiligen Bischofes Iscius, und seiner Ge-
nossen im Martyrthume, aus Dexter und andern Schriftstellern*'. —
Iscius also hat, seinem Berufe zu folgen, Lebewohl gesagt seinen Ge-
nossen, ist zu der Meerenge des Herkules gereist, predigte zu Carteja,
später zu Alone und Carcesa in den innem Gegenden, wo er so sehr
über dem Fortschritte der ihm Untergebenen wachte, dass er auch nicht
im Geringsten gestattete, dass der räuberische Wolf Unkraut in ihre
Herzen säete. Um diese Zeit erkannte er das zu Eliberis von Cäcilius
und andern Vorstehern veranstaltete Concil an, begab sich dahin, stand
in Mitte der Versammlung der spanischen Bischöfe, und betheiligte sich
an den Beschlüssen der Synode. Aber siehe da, Alotus, der Präses
jener Gegend, war von der Versammlung in Kenntniss gesezt, Hess alle
plözlich ergreifen, und weil auch der lezte derselben den Gözen nicht
Weihrauch opfern wollte, so liess er alle verbrennen — am 1. März
des Jahres 57.
Ein Lügner, sagt das Sprüchwort, muss ein Gedächtniss haben. Ta-
mayo Salazar und seine Gewährsmänner aber haben vergessen, dass sie zum
1. Februar erzählt haben, dass Cäcilius von Elvira zwar entflohen sei, aber
*) 15. Mai. — In Hispania — Hesychius Cartijae, Auffallend ist, dass Baronius
in seinen „Armales'^ davon nichts sagt. Cf. J. 69, 'Nr. 46.
^) Marieta, Historia ecclesiastica de todos los Santoa de Espanna , 1596 , L i, cap. 4.
— Carcesae, quae est circa Asturica,
^) Thomas de TntffiUo, thesaurus concionum, tom, 2, ad i, Maj,
$. 1. Der Siz des heiligen Hesychius war nicht Carteja etc. 195
eingeholt und dennoch verbrannt worden sei — am 1. Februar des
J. 57 n. Chr. — Die andern alle also sind am 1. März 57 verbrannt
worden, Cäcilius aber am 1. Februar 57, weil er am 1. März desselben
Jahres entflohen ist»
Die Mittheilung solcher Ungeheuerlichkeiten wird mich sicher bei
meinen Lesern entschuldigen, wenn ich der sechs Folianten des spani-
schen Martyrologiums nur einige Male Erwähnung thue.
Die BoUandisten beweisen mit grösster Genauigkeit — i. März — ,
dass nirgends der Ort des Hesychius Carteja heisse. Das älteste Manu-
script des Usuard *), welches im Kloster St. Germain zu Paris aufbewahrt
wurde, hat Carcesi. Florez giebt zu, dass man die Identität zwischen
Carcesa und Carteya beweisen müsse^). Aber es hilft dem Florez nichts,
weitläufig die Lage des alten Carteya neben der Meerenge zu veranschau-
lichen, und noch eine Karte beizufügen, welche die Meerenge von Gi-
braltar darstellen soll ^).
Esicius war — nach ihm — nicht Bischof von Cazorla, weil der
Name nicht übereinstimmt; weil die Bischöfsstühle an Orten von Be-
deutung errichtet wurden, um die Ehre des PontificaiQs zu erhöhen.
— Aber — waren denn Berja, Urci, Avila, Illiturgi so bedeutend, und
doch giebt Florez zu, dass dort Bisthümer errichtet wurden?
„Der nemliche Mangel an Buf zwingt uns , dass wir ebenso wenig
stehen bleiben bei Carcesa, genommen im strengen Wortsinne, einmal
weil es nicht vorkommt, zweitens weil Carteja vorkommt (sicij, dessen
berühmter Name leicht degeneriren (falsch geschrieben werden) konnte.
Carteja war ein äusserst passender Ort*) dafür, dass einer der Sieben-
männer dort seinen Siz nahm, von denen die Meisten im Süden blieben,
als in dem von den Prätoren am meisten entfernten Territorium, und
auch in der von evangelischen Arbeitern mehr entfernten Gegend, was
alles auf die Meerenge zutrifft, wo Carteya lag*). Nichts von diesem
enthält eine genaue Nöthigung, beizustimmen — aber bei so grosser
üngewissheit liegt doch darin die äusserste Wahrscheinlichkeit.*^
Die Aenderung einiger Buchstaben bei den alten Namen sei so
allgemein, dass sie auch bei Carteya stattfinde. Maur lese neben Car-
teja — Caritia, Carcia, Carcenia, Carpia, Carpesso, Tartheya, Tartesso.
— Bei dem Bischofssize des Esitius aber lese man: 1) Carcera, 2) Car-
thesa, 3) Cartera, 4) Carthesia, 5) Carceso, 6) Carcesa — die leztere
Lesart sei verbreiteter.
Aber — wende man ein — niemals ist geschrieben: Carteya; darin
') Usuardi Sati Gertnoßensis monachi Martyrologium sincerum, ad <xiUograph% in San-
Germanensi abbatia servati ßdem edituMj et ab ohservationibus P, P, Soüerii S. Jesu
vindicatum — Pansüs 1718 (von dem Mauriner Boaillart. Die Ausgabe des Soli,
ist von 1714).
*) Florez, 4,13. *) Lugar opartuniswno,
•) Florez , 4 , 19 - 28. ») Florez , 4 , 20.
13*
196 Zweites Buch. Zwölftes Kapitel.
liege die ganze Schwierigkeit. Er antwortet: Ich übergehe, dass es im
römischen Martyrologium ^Carteja*' heisse. Man braucht nicht den Buch-
staben dieses Namens. Das erhellt aus dem Bischofssize des Secundus.^
Denn in all' den Manuscripten, welche ich sah, fand ich nur den
Namen Abula. Und doch haben wir keinen Anhalt; denn zur Römer -
und zur Gothenzeit hiess diese Stadt nur Obila, Abella, Abyla oder
Abila, während der Name Abula der Stadt der Bastitaner im Gebiete
von Ba^za eigen war. Aber die Schriftsteller haben sich begnügt —
mit der grossen Aehnlichkeit der Namen (Abula und Abela). Es sei
wahrscheinlich, dass man mit der Zeit von Carteja ebenso zu der Form
Carcesa übergieng, wie von Abella zu Abula. Da es kein sonst be-
kanntes Carcesa gebe, sei es noch leichter, zu der Lesart Carteya über-
zugehen, da die Lage der Stadt in Bätika — sich hiefür empfehle.
Indaletius sei an das Meer nach Urci ^gekommen, Ctesiphon nach
Berja; und da Carteya eine noch berühmtere Seestadt war, so gieng
Esitius dahin. „Sonst wäre der Rest von Bätika — in der Richtung
von Sevilla und Malaga doch gar zu vernachlässigt worden.*' Dazu
komme die grosse Aehnlichkeit der Namen, Cartera und Carteya —
Tarteso und Carceso. — Vor Pseudo-Dexter schon sprach sich J. Perez
für Carteya aus — im J. 1595. Ja schon 1450 schreibe der Auetor,
vonFlorez el Cabilonense genannt, „Tariffa, welche einst Carthesia hiess,
eine Stadt von Spanien. Hier war Hesychius zuerst Bischof, der Schüler
des Apostels Jacobus*'. Zwar „dieser Auetor verdient nicht viel Glauben,
und Tarifa war in Wirklichkeit nicht Carteja, aber es genügt, dass er
lange vor Pseudo-Dexter so spricht«.
Ist das alles? Diess ist alles — vortrefflich geeignet, um zu be-
weisen, dass das Abula des Secundus nicht das Avila in Altcastilien
war aber kein Beweis, dass das Carcesa des Esicius das Carteja an der
Meerenge war.
Dieses Carteja war schon um das J. 70 eine theils zerfallende, theils
zerfallene Stadt. Je mehr Gades aufkam, und auch Malaga, umsomehr
kam Carteja herab. — Mela schon und Plinius führen die Stadt ein-
fach an, ohne ein Wort zu deren Empfehlung zu sagen, was sonst bei
Plinius nicht geschieht, wenn er etwas von Bedeutung zu berichten
weiss. — Bei Strabo kommt Carteja dreimal vor*). Zuerst sagt er,
dass es 430 Stadien von Munda entfernt sei. Später redet er von dem
Fischfange bei der Stadt, und dass einige Carteja für das alte Tartessus
halten. Carteja aber zerfiel immer mehr. Es hatte — nach den
vorhandenen Münzen nur Duumvim als seine Beamten, und keineswegs
Vier- oder Fünj&nänner, wie andere bedeutende Städte, obgleich seine
») Strabo, 14t 145, 148, 151, Meto, 2, 6, 8 — Carteia, ut quidam putant, aUquando
Tartessus, Cf. PUn. 3, 7, 17. - 6, 214. — 9, 91 sq. 31, 94, - Dio Caasius, 43, 31. 40.
Livius (21, 5,) — 28, 30-31, 43, 3.
$. 2. Der Siz des heiligen Esioius etc. 197
(Carteja's) Zweim'änner — Quatuorviri hiessen — nach alter G-ewolm-
heit ^). Auch sind die meisten uns von Carteja erhaltenen Münzen und
Inschriften nQch aus den Zeiten der römischen Republik. — Carteja
erlag vor Gades, und von Gad^s sagt der Dichter Ruf. Festus Avienus
im vierten Jahrhundert: ^ Gross und reich war in alter Zeit die Stadt^
jezt ist sie arm, jezt enge, jezt verödet, jezt ein Wall von Trümmern.
Dort sahen wir, mit Ausnahme der Herkulesfeier, nichts Wunderbares ^).^
Dazu hat man nie gehört, dass Carteja ein Bischofssiz gewesen, und als
Handels- und Meeresstadt war es auch so wenig dazu geeignet, als
Cartagena oder Gades.
§. 2. Der Siz des heiligen Esicius war nicht das unbekannte
Carteja der Olkaden.
Carteja heisst bei Livius eine Stadt der Olkaden, reich und fest,
welche Hannibal im zweiten punischen Kriege plünderte'). Die Lage
ist unbestimmt, da die Stadt später nicht mehr bestand. Florez meint,
sie habe niemals existirt, und das Ganze sei ein Schreibfehler. — Der
Franziskaner Pasqual Salmeron aber, gebürtig aus der Villa Cieza in
der Provinz Murcia, überredete, von spanischem Localpatriotismus hin-
gerissen, sich selbst, dass sein Geburtsort das alte verlorne Carteja sei,
welches er wieder aufgefunden, und dass dieses Carteja der Bischofesiz
des Esitius sei. — Also schrieb er ein Buch von stattlichem Umfange *),
um diesen doppelten Beweis zu führen. Esicius errichtete — nach ihm
— seinen Bischofssiz an einem Orte, welcher zwei Namen hatte, Carteja
und Carcesa^), und es findet sich nirgends ein Ort, der diese beiden
Namen gehabt, ausser der erwähnte zerstörte Ort (bei Cieza), welcher
Carteja genannt wurde, und später Carcesa und Cieza, wie er zu be-
weisen sich anheischig macht. Der zerstörte Ort bei Cieza aber hiess
— nach der Behauptung der Leute — in jener Gegend ehemals Catena,
welches viele Aehnlichkeit mit Carteja hat. Also ist Cartena — Carteja
— Carcesa — Cieza — derselbe Ort,
In einer nachträglichen Dissertation sucht Salmeron die Stadt nach-
zuweisen, in der Esitius sein Bisthum errichtete. Er beweist in Kapitel 1
— dass die Stadt des Esicius Carcesa und Carteja hiess*). Woraus?
«) Masdeu inscripU nro,50a^506, 610. 706-12, 1025, 1223^25.
^) Ru/ua Festus Avienus, ora maritima , v. 270 — 274,
*) Livius f 21 f 5. Polybius, 3, 13, Cf, St^han, Byzant, — 62 und Suidas s, A. o.
nennen Alihäa die Hauptstadt der Olkaden.
^) Den Titel s. oben.
*) P, Salmeron y p, 15,
') Disertacion IV sobre la dudaä, donde estahkciö su siUa Episcopal el ApostöUoQ
i$, Msicio f Dise^puh de Santiago,
198 Zweites Buch. Zwölftes Kapitel.
Aus dem römischen Brevier und Martyrolog, als ob dieses ein Be^reis
wäre. Im zweiten Kapitel bekämpft er die Meinung, dass Esicius seinen
Siz in Cazorla errichtete. Zuerst habe Cianca behauptet — 1595, dass
Cazorla das alte Carcesa gewesen, aber bewiesen habe er nichts; nach
}}\m der Benediktiner Ariz. Die Mauren hätten Cazorla mehr denn
500 Jahre besessen (und wie lang denn Cieza?). Dass Cazorla je Car-
cesa geheissen, beweise niemand; dass es Carteja geheissen, habe nie-
mand bis jezt behauptet, also war Cazorla nicht die Stadt, wo Esitius
sich niederliess ^). — Im dritten Kapitel widerlegt er, dass Esitius in
Carteja bei Gibraltar Bischof gewesen. Im vierten Kapitel endlich zeigt
er, dass die Stadt, in welcher der Apostelschüler S. Esicius seinen bi-
schöflichen Siz errichtete, Carteja war, die Hauptstadt der Olkaden,
welche ebenso gut Carcesa hiess, und später Cieza.
und den Beweis dafür? Den freilich bleibt Salmeron schuldig,
nicht nach seiner, sondern nach unserer Meinung. Die Mauren pflegten
das S in Z zu ändern, und also veränderten sie Cartesa in Cieza, indem
sie einige von seinen Buchstaben alterirten und mutirten ^). — Catena
hiess einst die Stadt, die bei Cieza lag. Zweimal las man auf einem
Steine: Catinensea. Aber Salmeron corrigirt kühn den Stein: — Catt-
nensea verbessert er in Cartejenses. Warum? In den Lexicis findet man
nirgends das Wort : CcUinenses. Der Abschreiber der Inschrift hat falsch
oopirt. Salmeron zwar hat den Stein selbst nicht gesehen, er hörte nur
von den Leuten das Wort: Catena (oder Catina), und kühn las er aus
dem — als schwer leserlich bezeichneten — Steine — CcUinenaes. Diess
sei aber gar nicht weit von Cartejenses^). Dazu citirt er die Auctorität
des Florez, der sage, es sei nicht erlaubt, heute alte Städte (als That-
sachen) anzunehmen, welche niemals von den Alten citirt worden seien ^).
— Wir haben nicht gehört, dass Salmeron irgend jemand zu seiner Idee
bekehrt habe, und wollen uns keine Mühe geben, ihn zu widerlegen.
§. 3. Die Stadt Cazorla hat am meisten Wahrscheinlichkeit
für sich,» das Carcesa des heiligen Esitius zu seyn.
Cazorla ist eine Stadt in der Provinz Jaön, zwölf Leguas davon
entfernt, achtzehn von Granada. Es gehört, troz der grossen Entfernung,
zum Bisthume Toledo. Es liegt am Abhänge der Sierra de Cazorla,
dem Mons Argentarius der Alten. Die Pfarrkirche ist San Jos^, die alte
Pfarrkirche zu St. Maria wurde durch die Franzosen 1811 zerstört. »Der
Patron der Stadt ist San Isicio, welchen man auch in einer Einsiedeid
Salmeron, 8.263 — 268.
^) y asi convirtieron el Cartesa en Cieza, aüerando y mutando algimas de sus letrae,
») 8. 251 — 52.
') Florez, 8,43, Nr. 17.
$. 3. Die Stadt Cazorla hat am meisten Wahrscheinlichkeit ffir sich etc. 199
seines Namens verehrt.^ Es giebt viele Feste und Prozessionen in dieser
Stadt. Die Villa Santo Tome ist 2f Leguas entfernt. Südlich grenzt
es an den Bezirk von Quesada. Der Fluss Quadalquivir entspringt in
dem Gerichtsbezirk von Quesada. Cazorla hat an 8,000 Einwohner *).
Dass Cazorla von hohem Alterthum, ist anerkannt. Gelungen aber
ist bis jezt der Versuch noch nicht, es auf irgend einen römischen Ort
zurückzuführen. Seine starke Stellung gab ihm zu aller Zeit eine mili-
tärische Bedeutung. Darum wollen einige es von Castrum altum, das
hohe oder das befestigte Lager, leiten. Mohamed Abul Aubad, genannt
der Blinde, — welcher 781 aus Cordova entflolien war, wollte Cazorla
zum Mittelpunkte seines Krieges mit dem Emir Abdelrhaman machen.
Bald nach der Schlacht bei Navas de la Tolosa — im J. 1212 wurde
es von den Christen erobert. Der berühmte Erzbischof und Geschicht-
schreiber Rodrigo Ximenez von Toledo eroberte Cazorla, welches er
Castorla nennt, dazu die Städte Quesada, Concha, Niebla. König Fer-
dinand der Heilige übergab diese Eroberungen als bleibenden Besiz an
das Erzbisthum von Toledo. Es wurde das Amt — Adelantamiento —
von Cazorla ^).
„Der ehrenvollste und einträglichste Posten, über den der Erz-
bischof von Toledo zu verfügen hatte, war der eines Gouverneurs von
Cazorla ^j.*^ Vom sechszehnten Jahrhundert an erlosch allmähg die poli-
tische Macht des Erzbischofs von Toledo ; dagegen ist das alte Amt von
Cazorla noch bis heute dem Erzbisthume Toledo kirchlich einverleibt.
Dass Cazorla den heiligen Isitius als seinen Patron und Apostel
verehre, das erfuhr die übrige Welt im Grunde erst im J. 1595 durch
die Schrift des Antonius Cianca von Avila über den heiligen Secundus.
Zum 1. März, an welchem Tage das Andenken des heiligen Iscius oder
Hesychius begangen wird, haben die BoUandisten von der Schrift des
Cianca Kenntniss genommen und gegeben *). Cianca nun sagt in seinem
Leben des heiligen Secundus , Cazorla habe einst Carcesa geheissen, und
ditess werde aus alten, dort aufbewahrten Urkunden bewiesen. Dort
sei es Ueberlieferung, dass Esitius Bischof der Stadt und Märtyrer ge-
wesen. Ein Feld sei nicht weit von der Stadt, wo noch jezt ein Stein-
haufen gezeigt werde an der Stelle, wo Esitius gesteinigt worden, auf
*) Madoz 3. V. Cazcrla,
*) Roderic. X. Historta regvm Hiap, 9^ 15, Mariana 12, 16 — Quesada oppidum ex-
pufftiatum, neque Quesada modo, sed etiam Casorla in JBastetanis, Qoncha, CheUs,
Niebla Romanis Elepla, aliaque ßnitima oppida. Quibtut cib eo tempore Casorlae prae-
fectus Omnibus jura dat, Toktani praesttUs legatus, more usque ad nostram aetatem
retento. — Rodericus de XRnenes schreibt Castorla - Patrum Tolet opera (1792)
l 9, 15. p. 205.
') Hefele, der Kardinal Ximenes, 2^ Aufl. S. 46. vergl. 195. 200.
*) Ant, Cianca f s. pbe» — der beil. Secandus : Litr. Nro. 1. (Üb, i. cap, 15),
200 Zweites Buch. Zwölftes Kapitel.
einem Hügel, bei einer Einsiedelei des heiligen Markus'). — Nach
ältester Gewohnheit ziehe Clerus und Volk von Cazorla jährlich in feier-
licher Prozession an einem Sonntage des Mai hinaus; an jenem Orte
werde ein Altar errichtet , und so das Fest des Esitius begangen. In
Stadt und Umgegend tragen sehr viele Leute den Namen Esitiurf*, wie
in Avila den' Namen "Secundus. — Tamayo spricht — znm 1. März —
gegen Cianca; nicht in Cazorla habe Esitius gelitten , sondern sei dahin
transferirt worden. ;,Wir nehmen an,** sagen die BoUandisten, »was
Tamayo zugiebt, dass Carcesa an dem Orte gestanden zu haben scheine,
wo Cazorla ist, und dais Hesychius oder Iscius dessen Bischof gewesen^).
Indess — das zu Madrid 1636 gedruckte Directorium — schreibt für
die Kirche von Granada zum I.März vor: ;,Fest des heiligen Hiscius
und seiner Schüler, Märtyrer — duplex 2 class^^) — Der Abdruck vom
J. 1647 hat 1 dass. — Aber der Bischofssiz des Iscius wird nicht
genannt.
Bevor Florez beweisen will , dass Hesychius Bischof von Carteja ge-
wesen, sucht er die Gründe zu widerlegen, welche für Cazorla streiten*).
Cazorla könne im Alterthume keinen Ort vorweisen, der einen ihm ähn-
lichen Namen gehabt, ausser etwa das Castao des Strabo, oder das Ca-
staka des Appian. Aber beides sei wohl Castulo. — Da niemand den
Beweis geführt, dass Cazorla einst Carcesa geheissen, so spreche das
Motiv der BoUandisten (Ungleichheit des Namens) ebenso gegen Ca-
zorla, wie gegen Carteja. Mendez Silva behaupte, als die Römer Castisio
bevölkerten, haben sie es Carcesa genannt; aber Carcesa sei kein römi-
scher Name. — Morales, der aus dieser Gegend stammte (er stammte
aber aus Cordova, was eine ganz andere Gegend ist), habe die Identität
von Carcesa und Cazorla nicht erwähnt. Cazorla sei den Mauren erst
1231 entrissen worden, wo der Erzbischof Don Bodrigo von Toledo
sich zu dessen Herrn gemacht habe. — Er selbst habe, da Cianca auf
alte Urkunden sich berufe, durch einen Doctoral der Kirche von Toledo
über den Stand der Archive von Cazorla sich belehren lassen. Damach
war am 2. Juni 1694 eine grosse Ueberschwemmung der Stadt, durch
welche die Archive der Kirche und das Ayuntamiento zerstört worden.
Für Dinge, bei welchen die Tradition nicht über die Mitte des
sechszehnten Jahrhunderts hinausgehe, könne man sich überhaupt nicht
auf die alte Ueberlieferung berufen. Aber woher weiss denn Florez,
dass diese Tradition so spät entstanden, und dass Esitius damals erst
Patron von Cazorla geworden ist?. — In Cazorla konnte kein Siz eines
') Unter den vier Einsiedeleien ausserhalb der Stadt trägt heute keine mehr diesen
tarnen — s. Madoz «, v. Cazorla. "•
«) Act. ScL t. 1, Mart p. 8,
') Ordo redtandi officium dwwwn pro varüa eccUg&s*
*) Florez, 4,13 — 19.
%. 3. Die Stadt Casoria hat am meisten Wahneheinlichkeit für sich etc. 201
Bischofs BGjTLj weil der alte Name nicht erwiesen^ und — weil es nie
ein bedeutender Ort war, sonst wäre er genannt und bekannt worden.
In jedem Falle aber hat Cazorla mehr Ansp^ch auf den heiligen
Esitius, als Carteja, yon dem man gar nichts zu sagen weiss, oder irgend-
ein anderer Ort Denn Cazorla kann sich rühmen, dass es, und es allein
in Spanien, den Hesychius als seinen Patron tmd Bischof verehrt. Den
Zeitpunkt, in welchem Esitius Patron dieser Stadt wurde, yermag nie-
mand anzudeuten oder zu bestimmen. Darum liegt die Vermuthung
näher, dass er es von Anfang an gewesen, d. h. schon yor der Erobe-
rung Spaniens durch die Muhamedaner. — Zwar lag fünf Jahrhunderte
auch über Cazorla die Hand der Muhamedaner. Aber es ist nicht wahr-
scheinlich, dass der chnstliche Gottesdienst je einmal aufgehört habe.
Da man von den einzelnen Orten keine nähere Kenntniss hat, so muss
man yon dem Allgemeinen auf das Einzelne schliessen. Dieses Allge-
meine ist, dass nach der Vorschrift des Koran, die überall befolgt wurde,
die Christen gegen eine bestimmte Steuer, und indem sie ihre yon den
Muhamedanem getrennten Stadttheile erhielten, Duldung und freie Aus-
übung ihres Gottesdienstes erlangten. Diess dürfen wir von Cazorla
umsoeher annehmen, je näher es dem Gebiete der Christen lag, und
je leichter so das bedrängte Christenthum eine Aufinschung erhalten
konnte.
Im J. 1665 liess D. Fernando Alfonso Escudero aus Cazorla ;,die
Geschichte der berühmtesten Heiligthümer des Amtes von Cazorla^ er-
scheinen, und hier sagt er, dass Cazorla das alte Carcesa sei, ohne dass
er den Beweis genügend führte^). Er führt allein das Chroniken des
Pseudo-Luitprand an. — Es wird femer noch der Ort — im Osten
von Cazorla — gezeigt, wo San Esicio zu predigen pflegte; und dass
daselbst einige seiner Schüler gemartert worden. Yon grösserer Bedeu-
tung ist aber die Angabe, ^dass seit unvordenkKcher Zeit eine grosse
Verehrung zum heiligen Esicius in Cazorla bestehe, und dass er als
Patron mit einem feierlichen Feste am 15. Mai geehret werde''.
Was also Cianca im J. 1595 berichtet hatte, da9 erzählet Escudero
wieder im J. 1664, siebenzig ^ahre später. Die eine Angabe bestätiget
die andere. Florez hat die Schrift des Escudero nicht gekannt, die ich
allerdings auch nur aus den Auszügen bei Pascual Salmeron kenne.
Gesezt, er hätte yon Cianca nichts gewusst, dagegen von der 1665
erschienenen Schrift des Escudero, dann hätte er nach seiner Weise
sagen müssen: wenn eine Tradition nur bis zur Mitte des siebenzehnten
Jahrhunderts hinaufreiche, dann könne sie kein Beweis für die Tradi-
tion früherer Jahrhunderte seyn. — Nun aber yerbürgt Cianca diese
Tradition für die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts. Sollte diese
Tradition nicht älter seyn, weil wir zufällig keine altem Schriften für
') S, oben Literatur dieses Kapitels,
202 Zweites Buch. Zwölftes Kapitel.
sie haben? Sicher ist sie älter , sie ist, nach Escudero, unyordenklich.
— Dabei wissen wir Aechtes von Unächtem wohl zu trennen. Für
uns hat diese Unvordenklichkeit eine grössere Beweiskraft, als z. B. die
Angabe des Escudero Torres, dass Esitius sich einem Priester in Cazorla
gezeigt habe nach der Richtung hin, in welcher sich (auch heute noch)
die Eremitage des Heiligen befindet*). — Da am Ende des sieben-
zehnten Jahrhunderts die Archive von Cazorla zu Grunde giengen, so
lässt sich aus ihnen allerdings nicht mehr beweisen, dass Cazorla einst
Carcesa oder Carcera geheissen^).
Ein zweiter Beweis, der für Cazorla als die Stadt des heiligen Esi-
tius angeführt werden kann, ist seine geographische Lage — in der
Richtung gegen Guadix, das alte Acci. — Von den fünf Städten der
fünf Apostelschüler, die wir festgestellt zu haben glauben, liegen zwei
— je eine Tagereise von Guadix entfernt, Abla und Granada; zwei
andere je zwei Tagereisen, — nemlich Berja, und die Stelle am Aus-
flusse des Almansora, wo Urci lag, und die jezt Villaricos heisst. —
Uliturgi bei Andujar lag drei Tagereisen von Acci. Cazorla aber liegt
etwa acht Leguas von Guadix entfernt, eine Legua weniger, als Gra-
nada , — eine starke Tagereise^). Dazu kommt, dass das alte Cazorla
an der grossen Strasse lag, die von Urci nach Castulo führte, — Zwar
kommt Carcesa nicht als Haltstation vor. Dagegen Tugia^), dessen
Ruinen zvdschen Quesada und Cazorla liegen, und dessen Name in dem
kleinen Weiler Toya fortbesteht, der in dem Gemeindebezirk von Ca-
zorla liegt. Quesada selbst ist nur eine Legua von Cazorla entfernt,
und zwar südlich in der Richtung von Guadix. — Die alte Strasse von
Acci nach Castulo lief über die Stationen Hactara — 32Migl., Fraxinum
— 24, Tugia — 16 Miglien. — Es sind diess Entfemungsangaben, die
ausser allem Verhältnisse mit den wirklichen Entfernungen stehen, die
statt 18 — höchstens 9 Leguas betrugen. — Richtiger dagegen ist die
Entfernung von Tugia und Castulo — auf 35 römische Meilen ange-
») Bei P. Sabneron, p, 267,
*) Doch lassen sich in Spanien selbst noch genug Forschungen über das Alter
und die Alterthümer von Cazorla anstellen, denn — neben dem gedruckten
Büchlein von Escudero Torres führt Munnoz y Romero vier im MS, vorhan-
dene Werke über Cazorla an. Nemlich 1) Historia de la viOa de Cazorla, escrita
por Luis VaUra de Mendoza, 2) Relacion en breve compendio de la conqutaia de la
Villa de Cazorla, origen y progreaos de eua adslantados, y tu descripcion, y de las
demäs villas del adelantamiento (in d(*r Nationalbibliothek T. 105. föL 238), 3) De-
scripcion geogrdjica de Cazorla, por D, Juan Amador de Dondies, preshüero (in der
historischen Akademie). — 4) Relacion de las antiguSdades que hay en el adelan-
tamiento de Cazorla.
*) Die Entfernung habe ich berechnet nach dem Atlas von Berghaus, 5^ Auflage
- 1855.
*) PUn. 3f 3, 4. — /t Antomni, p. 404.
$. 2. Die Stadt Casorla hat am meisten Wahrscheinlichkeit für sich etc. 203
geben. — Der verödete Ort Toya, südwestlich von Cazorla gelegen,
ist anerkannt das alte Tugia; und voa hier führte die Strasse — über
Cazorla nach Castalo (oder auch von Cazorla über Tugia nach Gastulo).
Ich komme zu einem dritten Beweise, der für die Identität von
Carcesa und Cazorla zeugen soll. Der Weg allerdings, diesen Beweis
zu führen, ist ein schlüpfriger, und man soll ihn nicht ohne zwingende
Noth betreten. — Es handelt sich darum, ob nicht Cazorla sprach-
gerecht aus Carcesa oder Carcera abgeleitet werden könne. Dieser Weg
hat mich allerdings, wie andere vor n\ir, schon öfters irre geführt. —
Ich habe früher zwischen Carcesa und Carcelen, einer Villa in der Pro-
vinz Albacete, an einem Nebenflüsschen des Xucar, eine grosse Aehn-
lichkeit wahrnehmen zu sollen geglaubt. — Dazu kam, dass ich bei
Madoz fand, dass unter den Brunnen, die es in Carcelen giebt, einer
die „Quelle des Heiligen*' — genannt wird *) , und darin fand ich eine
indirecte Hinweisung auf den heiligen Esitius. — Ich fand sodann, dass
auch der Geograph Reicbardt der Meinung war, dass man in dem Namen
von Carcelen das alte Carteya der Olkaden zu suchen habe. Dazu
kommt, dass Strabp in diese Gegend eine Stadt Cartalias sezt^), welehe
mit Carcelen sehr gleichen Klang hat, und von Carcesa nicht ferne
klingt. — So glaubte ich denn, in Carcelen das Carcesa des heiligen
Esitius gefunden zu haben ^). Heute glaube ich mich darin getäuscht
zu haben, und finde es sehr begreiflich, wenn mein Versuch, Cazorla
aus Carcesa herzuleiten, mit ungläubigem Lächeln aufgenommen wird.
Doch es seil
Ich nehme an, dass die drei Lesarten — Carcesi, Carcesa und Car-
cera — am meisten beglaubigt seien. Es handelt sich zuerst um das
doppelte oder einfache R. Wenn zwei R in einem Worte sind, so pflegt
die spanische Sprache eines derselben auszustossen, und sie liebt es be-
sonders durch ein L zu ersezen. Z, B. Carceres — die Gefängnisse
und die Schranken im Lateinischen — heisst im Spanischen — Car-
celes *). Carcera im Lateinischen würde spanisch Carcela heissen. Der
Fluss Rubricatus bei Barcelona heisst jezt Llobregat. — Zweitens, die
spanische Sprache liebt es, den Buchstaben R, wenn sie ihn nicht aus-
stossen kann , um eine Silbe zurückzuschieben ^). Alcaraz konmit her
von dem lateinischen Arcil^m — (am nördlichen Abhänge der Sierra
Morena). Statt Arcalaz aber hat die spanische Sprache daraus Alcaraz
gebildet. — Die bekannte Provinzialhauptstadt Caceres — hat ihren
Namen in bekannter und anerkannter Weise von dem römischen Coitra
Madoz 8, V. Carcelen, 5, 548. „üna fuente üamada del Santo,*'
*) Strabo, p. 159 (3, 4-^6).
') S. meine Abhandlung »Zur ältesten Eirchengescbicbte Spaniens« — in Tübinger
Quartalscbrift - J. 1861, S. 208— 9.
*) Daber mag eber Carcelen kommen, als von Cartalias oder Carteja oder Carcesa.
*) Enffbncmn, ^hssairef XJLVU — IX^
204 Zweites Buch. Zwölftes Kapitel. $. 2. Die Stadt Cazorla hat etc.
Caecilia abgeleitet Statt Cazreles aber hat die spanische Sprache — mit
Zurüekschiebung des R — Caceres gebildet — Aus Roboretum ist
Robledo entstanden.
Nach der Analogie musste es also heissen — Cacerla od«r Cacersa.
— Wurde nun das r in I, wurde Cacersa in Cacorla yerändert, so
konnte man nicht mehr Cacorla, sondern man musste Cazorla schreiben.
— Wohl neigt die spanische Sprache ausserordentlich zu 0. A verwan-
delt sich gewöhnlich in O. — I und A verwandeln sich sehr oft in O.
Aber — seltner, viel seltner geht das E in über. — Am bekann-
testen ist es bei dem Artikel. — Hamines — die Menschen — heisst
italienisch gli uominiy französich les hommes, spanisch aber los homhres.
Ebenso Duo hamines — duoi — deux — dos hombres. Städtenamen
aber giebt es nicht viele in Spanien, welche ihr E in O verwandelt
haben. Die bekannteste Stadt in dieser Beziehung ist das alte Dertosa
am Uebergange des Ebro, aus welcher das neuere Tortosa geworden
ist'). Ebendaher gehört vielleicht Murviedro, das alte Sagunt, wenn
es aus Muri veteres entstanden ist, Riopur in der Sierra Morena, welches
aus Ripepora entstanden; Ibera, woraus Amposta, Cogedus, ein Flüss-
chen, das bei Bilbilis in den Sälo mündete, jezt noch Cogoda, Epora
nördlich von Cordova ist Montoro geworden, Etovisa ist vielleicht Ero-
pesa, Setelsis im Gebiete der Jaccetaner, jezt Solsona. Im Granzen
muss man zugestehen, dass der Uebergang des E in bei den Orts-
namen zu den Seltenheiten gehört. Nach solcher Analogie hätte Car-
cera, Carcesa oder Carcesum — Cazorla oder Cazorsa gelautet
Endungen auf Ona finden sich sehr häufig im Spanischen, besonders
bei Städten , die zur Römerzeit auf geendet haben. Barcino = Barce-
lona, Tarraco = Tarragona, Turiasso = Tarazona, ürso = Ossuna, Ca-
stulo = Cazlona u. s. w. Endungen auf orla aber, wie Cazorla ein Bei-
spiel bietet, vermag ich sonst nicht au&ufinden. Diess ist ein sicheres
Anzeichen, dass in dem alten Namen von Cazorla wenigstens ein, wenn
nicht zwei R enthalten waren.
Für manche meiner Leser mag diese Ableitung von Cazorla aus
Carcesa oder Carcera überzeugende Kraft haben. Sie ist aber von unter-
geordnetem Werthe, und kann höchstens eine Beigabe, ein Zuwachs zu
andern Beweispunkten seyn. Wenn es wahr ist, was einige Neuere
meinen, dass in der Gegend oder an der Stelle von Cazorla ein Castrum
altum, oder Castra alta gestanden, so ist es ebenso leicht, wenn nicht
leichter, Cazorla, das ohnedem noch bei Rodrigo Ximenes Castorla heisst,
aus Castra alta herzuleiten. Denn das A geht häufiger in O über, als
das E, und viel leichter ist Cazorlta gebildet aus Castra alta, wobei dann
nur das t wegen der Häufung der Consonanten ausgefallen wäre, und
Castra alta war oder wäre in Cazorla umgewandelt worden.
*) Eulalift — ist im Spanischen Olalla, Lorinser, 1,78.
Dreizehntes Kapitel.
Die Städte der apostolischen Siebenmänner, und die Central -
Lage der Stadt Guadix (Acci).
Wenn eine Rechnung als richtig anerkannt werden will, so hat sie
sich einer Probe zu unterwerfen. Gehet sie aus der Probe richtig her-
vor, so hat sie die Feuerprobe in ihrer Art bestanden. Wir wollen
jezt einen ähnlichen Versuch machen, und zeigen, ob die sieben Namen
und die sieben Städte der Apostelschüler sich so zusammenstellen lassen,
dass sie sich in ihrer Zusammenstellung als weitere Beweise für die
Wahrheit der Thatsachen darstellen.
§. 1. Die Siebenmänner mit ihren sieben Städten, und die
Stadt Rom.
Von Rom, von den Aposteln Petrus imd Paulus, die nachweisbar
allein in Rom gewirkt haben, wurden die Siebenmänner nach Spanien
gesendet. In Acci machten sie Halt, und als sechs derselben Acci ver-
lassen mussten, sammelten sie, obwohl zerstreut, sich also um die Stadt
Acci, dass dieselbe ihr gemeinsamer Mittelpunkt blieb.
Gegen Ferreras, Florez, den Italiener Cenni, und andere halte ich
an der Ansicht fest, dass die Siebenmänner von Rom aus nur den Auf-
trag erhalten hatten, ihre Schritte gegen das Centrum des südlichen
Spaniens zu richten, und zwar in der Richtung der vier grossen Städte
Castulo, Cordova, Astigi und Sevilla -Italica. — Dass sie, ehe sie nach
Acci kamen, die Absicht hatten, hier zu bleiben, kann man mit nichts
beweisen. Sie sind vor Acci ^still gelegen^, wie Ferreras sagt, sie sind
aber nicht nach Acci hineingegangen. — Erst als ihnen Gott ein Zeichen
gab, beschlossen sie, zu bleiben^ — Gott selbst hat durch das Wim-
der, das er vollbrachte, Acci zum Mittelpunkte der spanischen Kirche
206 Zweites Buch. Dreizehntes Kapitel.
in den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens gemacht. Seltsam nun
lautet es, diese Thatsache damit zu erklären, dass, weil Jacobus in Nord-
westspanien predigte, Paulus aber in Nordostspanien, sich* die Sieben-
männer den Süden von Spanien ausgewählt haben, damit kein Theil
des Landes ausgeschlossen bliebe yon der apostolischen Predigt. Das
müsste erst noch bewiesen werden, dass Jacobus in Galizien, und Paulus
in Nordostspanien gepredigt habe (denn erwiesen ist nur, dass er über-
haupt nach Spanien kam).
Ebenso lautet es seltsam, wenn der Italiener Cenni behauptet ^), und
Florez ähnliche Behauptungen ausspricht, dass die Äpostelschüler sich in
Guadix und der Umgegend niedergelassen haben , weil diese Gegend frei
von dem Besuche der Prätoren gewesen. — Diess wäre gegen alle Uebung
und Gewohnheiten der Glaubensboten, welche erstens immer nach den
grössten Städten zuerst giengen, zweitens nach denk Worte des Herrn:
Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, der Seele aber nichts
anhaben können — die Prätoren nicht so fast mieden, als sie vielmehr auf-
suchten. — Hätten die Glaubensboten so furchtsam, oder so menschlich
klug gehandelt, so wäre Spanien, und die Welt nicht bekehrt worden.
— Li der That wären die Siebenmänner nach Cordova zu dem Prätor
gezogen, hätte Gott selbst sie nicht in Acci zurückgehalten.
Ebenso unrecht hat Florez, dass er einen Unterschied zwischen
den Prätoren des Senats und des Kaisers macht, als wären die leztem
gefährlicher, das heisst blutdürstiger gewesen. Dafür weiss ich keine
Beispiele anzuführen. Ueberhaupt giebt es keine Beispiele, dass die
Prätoren im ersten und zweiten Jahrhundert aus eignen oder dem An-
triebe des Kaisers eine Verfolgung gegen die Christen begonnen hätten.
Sie konnten höchstens gegen den Andrang des Pöbels und der Denun-
cianten die Christen nicht schüzen.
Wir haben oben gesagt, dass die Siebenmänner zu Cartagena an
das Land gestiegen, und von da zu Land nach Acci gegangen seien.
Florez lässt sie in der Nähe des Porta» magnusj in der Umgegend des
heutigen Alm^ia oder zu Urci landen, wo sie etwa dreizehn Leguas,
oder zwei massige Tagereisen nach Acci gehabt hätten.
Eine Art Probe, dass sie von Cartagena her kamen, ist folgende.
Li Acd kreuzten sich drei Hauptstrassen. Wer von Cartagena her
kam, hatte links die Strasse über Acci, in welches er nicht eintrat, nach
Urci und Malaga, rechts hatte er die Strasse nach Castulo, welche aber
wenigstens in zwei, wenn nicht mehrere Strassen auseinanderlie£ Hier
standen die Siebenmänner, und sie vertheilten sich. — Aber sie ver-
theilten sich nicht nach drei, sondern nur nach zwei Richtungen. Nicht
einen von den Sieben finden wir in der Bichtung von Basti oder
1) Cajet Cenni, th antiquitate eccksiae Hi^tanae, Born, 1740 — 4i. — Diuert, I.
C<q>, S(6).
$. 1. Die Siebenmänner mit ihren sieben Städten, und die Stadt Rom. 207
Gartagena. Warum dieses? Sie waren dieses Weges gekommen, — und
sie wollten nicht rückwärts gehen. Auf diesem ganzen Wege von Gar-
tagena nach Acei hatten sie nichts Einladendes gefunden, nichts, was
ihre Schritte hätte hemmen können, und vollends hatte der trostlose
und alle Kräfte erschöpfende Weg von Basti nach Acci ihnen die Lust
genommen, diesen Weg noch einmal zu machen. Keiner von ihnen
wollte zwischen sich und Acci, dem Mittelpunkte ihrer Wirksamkeit,
eine trostlose Wüste in die Mitte sezen. Daher die Erscheinung, dass
sie nicht nach drei, sondern nach zwei Richtungen in Acci auseinander
giengen. Will man aber sagen, dass sie nicht nach zwei, sondern nach
drei Weltgegenden von Acci auseinander giengen, weil Gäcilius in west-
licher Richtung nach Elvira gieng, so muss es an sich umsomehr auf-
fallen, dass von den sechs Gefährten des Torquatus drei südlich, zwei
nördlich, einer westlich, und keiner östlich gieng. Es gieng aber keiner
nach Osten, weil die Sieben sämmtlich von Osten, von Gartagena-Basti
hergekommen waren, weil man überhaupt vorwärts, und ohne dringen-
den Grund nicht zurückgeht.
Wären ^sie von Südosten , auf der Strasse von Abla hergekommen,
— so hätten sie sich nach Osten, nach Norden und Westen vertheilt;
und vielleicht keiner wäre mehr zurück nach Abla oder Urci geigangen.
Gott machte durch ein Wunder Acci zum Mittelpunkte der ersten
Kirche Spaniens. Dieser Mittelpunkt aber konnte seinen Beruf um so
genauer und folgenreicher erfüllen, je leichter ihm die Verbindung mit
dem Mittelpunkte der Einheit, mit der römischen Kirche, war, von
welcher aus die Gemeinde Spaniens gegründet wurde. — Hier ruhen
noch Geheimnisse der Kirchengeschichte der ersten Jahrhunderte; noch
sind nicht die zahllosen Mittel und Wege des Verkehres nachgewiesen,
zwischen der römischen Kirche und den Einzelkirchen, zwischen dem
Haupte und den Gliedern. Gewiss aber ist, dass die Verbindung der
römischen Kirche mit den Töchterkirchen des Abendlandes in den ersten
Jahrhunderten viel enger und inniger waren, als wir bis jezt ahnen
oder glauben.
Die Stadt Acci aber war unter den im Binnenlande gelegenen Städten
Spaniens, wie kaum eine andere Stadt, gelegen, um einen leichten und
beständigen Verkehr mit Rom zu unterhalten. Jedenfalls war der Ver-
kehr von den erwähnten vier grossem Städten des Binnenlandes von
Südspanien mit Rom viel schwieriger und zeitraubender, als von Acci
aus. — Es war durchaus nicht noth wendig, den weiten Landweg von fünf
Tagereisen nach Gartagena zu machen, und dort das Schiff zu besteigen,
obgleich die Strasse selbst eine der belebtesten, darum am besten erhaltenen
in Spanien war, da Güter und Menschen sowohl von Gartagena her, als
von Tarraco herunter dieses Weges zogen. Nein, der heilige Torquatus,
das Haupt der Siebenmänner, hatte diese Verbindung — bequemer und
schneller eingerichtet. Der Ghrist, der Bischof, Priester oder Laie, der
206 Zweites Buch. Dreiselmtea KapiteL
Ton Acd nach Rom reisen wollte , kam am ersten Tage nach Abla, und
ÜBOid hier den heiligen Secundus; am zweiten Tage kam er nach ürci,
mid fand hier den Bischof Indaletius, oder nach Beria-Abdera, und
iand hier den Ctesiphon. Von allen Küstenstädten war beständig Ge-
legenheit gegeben ; zur See, sei es nach Malaga und Cadiz, sei es nach
Gartagena, zu reisen. Wer schnell nach Rom gelangen wollte , der
konnte auf einem kleinen Schiffe in wenigen Stunden nach Cartagena
gelangen. Wenn man, wie Plinius, ein Zeitgenosse der Siebenmänner
es bezeugt^ in vier Tagen von dem diesseitigen Spanien , also auch von
Cartagena y nach Rom gelangen konnte , so ist es nicht übertrieben, zu
sagen, dass man in wenigen Stunden yon Urci nach Cartagena segeln
konnte. — In Cartagena gab es stets Schiffigelegenheiten nach Rom ^).
Auf , diesem Wege konnte man bequem in einer Woche yon Acci nach
Rom gelangen. Ebenso bot sich auf der Rückreise dieser Weg dar. Er
war an sich bequemer und kürzer, und war für jeden Christen einladen-
der, weil er auf diesem Wege wenigstens zwei der Siebenmänner und
die von ihnen gestifteten Gemeinden traf.
Wenn die göttliche Weisheit ihre Wege geht, hat sie auch alle
Regeln menschlicher Klugheit vollzogen. Sie hat für den besten Zweck
die besten Mittel ausgewählt
§. 2. Der heilige Torquatus in der Mitte seiner sechs
Mitarbeiter.
Auch an sich war Acci — für die neuen Gemeinden, welche die
Siebenmänner in Spanien gründeten, ein vortrefflicher Mittelpunkt, denn
die besten Strassen verbanden die sechs Städte mit der siebenten. Nach
Urci zog die grosse Heeresstrasse von Castulo gen Malaga, von der die
Strasse von Acci nach Urci ein Theil ist. Eben diese Strasse verband Abla
mit Acci, während die Strasse von Abla nach Berja uns weniger bekannt
ist. Cäcilius von Elvira stand mit Acci in naher und unmittelbarer Ver-
bindung. Esitius in Cazorla befand sich an einer der grossen Strassen,
die Castulo mit Acci verbanden. Euphrasius von Illiturgi, der drei
Tagereisen von Acci entfernt war, stand durch wenigstens drei grosse
Strassen in Verbindung mit Acci.
Ferner — von den sechs Apostelschülern hatten drei nur eine Tage-
reise nach Acci; nemlich von Abla, Elvira und Cazorla; zwei hatten
zwei Tagereisen, nemlich von Urci und Berja, einer hatte drei Tage-
reisen, nemlich von Illiturgi. — Wie bequem, wie Jeicht war es also
für die Sieben, in Acci, als ihrem Mittelpunkte, und dem einzig be-
quemen Orte der Vereinigung, zusammenzukommen, und die gemein-
1) Strabo, 3, 158.
_ $. 2. Der heil. Torqoatus in der Mitte seiner sechs Mitarbeiter. 209
samen Angelegenheiten der jungen Kirche Spaniens zu berathen? Von
seiner Mitte aus aber leitete S. Torquatus seine Gefährten^ und erhielt
das Ganze in erwünschter Einheit
Die Landstrecke, über welche die Siebenmänner sich verbreiteten,
hatte eine Länge von etwa fünf Tagereisen, von Urci an bis lUiturgi
gerechnet, eine Breite aber von drei Tagereisen, von Berja an bis —
Cazorla.
Wenn man nördlich sich auf den grossen Knotenpunkt des Strassen-
nezes stellte, das hier sich einigte und trennte, und wenn man von
Cartagena hergekommen war, so lief nur eine Strasse in die Stadt und
durch sie hindurch, nach Nordwesten, Norden und Westen aber liefen
mehrere Strassen auseinander. Von den sechs Begleitern des Torquatus
giengen drei den Weg nach Süden und Südosten, Secundus, Indaletius
und Ctesiphon, drei giengen den Weg nach Nordwesten, diese drei aber
so getrennt, dass der eine direct nach Norden — Esitius von Cazorla
— der zweite direct nach Westen — Cäcilius nach Elvira, der dritte
nur direct nach Nordwesten — Euphrasius nach Illiturgi ««og. — Die
Sechs haben sich in zwei gleiche Hälften getheilt , tmd sind ihres Wegs
gezogen.
Den Dreien, die nach Süden zogen, war ein viel kleinerer Raum
der Ausbreitung gegeben; dem weiteren Fortschreiten trat hemmend das
Meer entgegen. Vielleicht aber war bei dieser gleichen Vertheilung auf
sehr ungleichen Raum — auch der freie und leichtere Verkehr mit Rom
in das Gewicht gefallen. — Diese Strasse musste um alles geebnet und
offen gehalten werden. — Sollte jemand meinen, dass diese Auseinan-
dersezung und Zusammenstellung allzu gesucht sei, so bin ich im Stande,
zu zeigen, dass man auch im alten Acci die Sache so auffasste. Die
spärlichen „aber sichern Nachrichten" über die Siebenmänner sind offen-
bar von Acci ausgegangen. — Die Präfation ihres Festes vom 1. Mai
weist auf Acci hin, — in der es heisst: in der Nähe „dieser Stadt*^ ist
die Brücke auf den Wink Gottes zusammengestürzt.
Nun beachte man die Reihenfolge, in welcher die Namen der sechs
Begleiter des Torquatus in allen Martyrologien , und in der mozarabi-
schen Liturgie aufgeführt werden. Li dem romischen Martyrologium
des Baronius folgen sie:
Torquatus:
1) Ctesiphon 4) Cäcilius
2) Secundus 5) Hesychius
3) Lidaletius 6) ^Euphrasius.
Dann konmien sie zum zweitenmale — mit Angabe ihrer Städte,
g^enau, also mit Vorbedacht, und nicht aus Zufall, in derselben Reihen-
folge.
Gam«, span« Kirche. 14
210 Zweites Buch. Dreizehntes Kapitel. '
In dem sogenannten Itomanum parvumy das dem Ado vorangedmekt
ist, stehen sie in folgender Ordnung:
Torquatus:
1) Ctesiphon 4) Cäcilius
2) Secundus 5) Esicras
3) Indaletius 6) Euphrasius.
In dem sogenannten Martyrolog des HIeronymus, das dem „Komi-
schen Kleinen^ sehr ähnlich ist, kommen die Namen der Siebenmänner
nicht vor, was wiederholt ein Beweis dafür ist, dass die Namen der
Siebenmänner aus der spanischen Liturgie — in die Verzeichnisse der
andern Kirchen gekommen sind.
In dem Martjrologium des Ado von Vienne folgen sich die Sieben
also:
Torquatus:
1) Ctesiphon 4) Cäcilius
2) Secundus 5) Esitius
3) Indaledus 6) Euphrasius.
Zimi zweitenmale, wo ihre Städte aufgeführt werden, stehen sie in
derselben Ordnung.
In dem Martyrologium des Usuardus stehen die Siebenmänner in
folgender Ordnung :
Torquatus:
1) Tesifons 4) Cecilius
2) SecunduB 6) Esidus
3) Indaledus 6) Eufirasius.
Zum zweitenmale, da ihre Städte aufgeführt werden, stehen sie
wieder genau in derselben Ordnung,
In dem Officium der mozarabischen Liturgie stehen sie, und zwar
in dem Elapitel der Vesper und Landes, in folgender Ordnung:
Torquatus:
1) Secundus 4) Euphrasius
2) Indaletius 5) Cäcilius
3) Tesiphon 6) Hesychius.
In der zweiten Oratio der Messe des Festes der Siebenmänner ist
die folgende Ordnung eingehalten:
Torquatus:
1) Secundus 4) Eufrasius
2) Indaletius 5) Celicius (statt Cedlius)
3) Tesefon 6) Esicius.
In der Inlatio oder in der Präfatio des Festes folgen die Sieben
also: Torquatus:
1) Secundus 4) Eufrasius
2) Indaletius 5) Cedlius
3) Tisifons 6) Esidus.
J. 2. Der heil. Torquatus in der Mitte seiner sechs Mitarbeiter. 211
Endlich in der Vita 8, Tarquati et »oeiarum ^ub aus dem LecHüna''
rium Camplutense (Florez 3, 380. Append. IL) findet man nachfolgende
Ordnung:
Torquatus:
1) Secundus 4) Eufrasius
2) Indalecius 5) Cäcilius
3) Tisefons 6) Isicius.
Dann kommen sie zum zweitenmale in derselben Vita mit Angabe
der Städte 9 in welchen sie geruhet:
Torquatus-Acci:
1) Tisefons Bergi 4) CäciUus EUberri
2) Secundus Abulä 5) Isicius Carcesae
3) Inddetius Urci 6) Euphrasius Eliturgi.
Nur zweimal wird — in der Aufstellung der Namen der Sieben-
männer ^ von der gewohnten Ordnung ihrer Namen abgegangen. Aber
diese Ausnahme von der Regel bestätigt die Regel selbst; sie zeigt^
dass nicht Zufall und Willkühr, sondern Plan und Vorbedacht die obige
Ordnung in der Nennung der Namen geschaffen hat. — Zuerst wird
abgewichen von der Regel in dem vielfach genannten Festhymnus der
Heiligen y welcher hierin lautet:
• Torquatus:
1) TeslFons 4) Sive Sectmdm
2) Atque Hirieiua 5) Juneti Eufrasio
3) Hie IndaUdm 6) CweiUogue Hint,
Die Abweichung, es ist offenbar, wurde dem Verse zu Liebe beliebt,
und hat eben darin ihre spezielle Berechtigung.
Die zweite Abweichung findet sich in den Capitula der Landes, wo
die einzelnen Tugenden und Gnaden aufgezählt werden, in deren Besiz
die einzelnen der Siebenmännej die Bittenden durch ihre Fürbitte sezen
mögen. Torquatus ist hier der erste , Cäcilius muss aber der lezte sejn,
weil er an den Himmel erinnert, als Ende aller Kämpfe und Lohn aller
Tugenden, und er ist auch der lezte. Tisifons ist der zweite, er erinnert
an die fons vitae, an des Lebens Quelle; der dritte ist Isicius, der die
Verbrechen sühnen soll; der vierte ist Indalecius, der gute Werke richten
soll; es folgt Secundus, der an die zweite Ankunft Christi mahnen soll;
Eu&asius mahnet an den Strom der vier Evangelien, und Cäcilius möge
den Himmel gewähren.
Aber auch bei dieser Abweichung von der Regel — wird man wie-
der eine Regel finden. ^- Im Hymnus sowohl als in diesen paränetischen
Capitula sind die Namen in gleicher Ordnung genannt, obgleich man
in lezterem Falle erwarten sollte ^ dass Eufrasius jeden&lls vor Secundus
stehen sollte.
14*
^
212 Zweites Bach. Dreizehntefl Kapitel.
Uebersehen wir die obige Aufstellung, so treten uns drei Ordnungen
der sieben Namen entgegen. Die erste — ist die eben genannte, welche
nicht maassgebend seyn kann, da jedenfalls der Festhymnus viel spätem
Ursprunges ist, als das Fest der Heiligen selbst, und vielleicht erst aus
dem siebenten, frühestens aus dem Anfange des fünften Jahrhunderts
stanmit.
Zu beachten sind nur die zwei andern Reihenfolgen. Die älteste
und maassgebende ist die aus dem Officium selbst, besonders die aus
der Festmesse. Die zweite Ordnung ist die der Lectionarien und Mar-
tjrrologien. — Hier finden sich die Namen in dem alten spanischen
Lectionarium in doppelter Folge geschrieben; das zweite Mal so, wie
sie in der mozarabischen Messe vorkommen. — Die erste Reihenfolge
aber ist in das älteste aller Martyrologien, das römische kleine M., in
das römische M. des Baronius, in die M. des Ado und des Usuard
übergegangen.
Wir haben eine doppelte Reihenfolge der sechs Namen — denn
Torquatus steht überall als der erste, in den spanischen gottesdienstlichen
Büchern. Aber man wird leicht bemerken, dass sich die Abwechslung,
die doppelte Reihenfolge der Namen nicht auf alle sechs zumal, sondern
nur auf die erste Hälfte für sich, und wieder auf die zweite Hälfte für
sich, erstreckt. Einer der drei Siebenmänner, welche — nach unserer
Darstellung — südöstlich von Acci ihre Size hatten, stftet niemals als
der vierte in der Ordnung. Einer der drei Siebenmänner, welche —
nach unserer Darstellung — nordwestlich von Acci ihre Size hatten,
stehet niemals als der dritte in der Reihenfolge. Die beiden Hälften
der Sechs werden scharf und constant auseinandergehalten. Die Namen
der ersten Hälfte wechseln wohl unter sich, aber sie wechseln niemals
mit den Namen der zweiten Hälfte.
Secundus und Ctesiphon wechseln als der erste und der zweite. In-
daletius und Ctesiphon wechseln als der zweite und dritte. — Ebenso
in der zweiten nordwestlichen Hälfte ist Euphrasius jezt der vierte, jezt
der sechste; Cedlius ist das einemal der vierte, das anderemal der fünfte;
Esicius ist jezt der fünfte, jezt der sechste ; aber keiner kommt über den
vierten, während bei der südöstlichen Hälfte keiner unter den dritten der
Reihenfolge nach herabsteigt.
Dieser Aufzählung muss ein Gesez zu Grunde liegen; vielleicht ist
es nur ein einfaches Gesez des Gedächtsnisses , wie die deutsche Psycho-
logie ^ich ausdrückt, ein Gesez der Ideen -Association. Personen und
Dinge, welche im Räume neben einander stehen, werden ebenso im Ge-
dächtnisse niedergelegt und aufbewahrt. — Es War leichter, die sechs
Namen zu merken und auszusprechen — für den besonders, der in Acci
wohnte — wenn zuerst die drei südöstlichen, dann die drei nordwestlichen
Namen ausgesprochen werden. Die Namen der Personen haften leichter
$. 2. Der heil. Torquatus in der Mitte seiner sechs Mitarbeiter. 213
V
Im Gedächtnisse 9 wenn sie mit den Ortsnamen | deren Lage man kennte
▼erbunden werden.
Im Grunde habe ich mich in der Reihenfolge — der Siebenmänner
und ihrer Städte von demselben Geseze leiten lassen; ausgehend von
Abula — südöstlich von Acci — bin ich übergegangen zu Urci, von
da nach Berja, hierauf nach dem nähern Elvira- Granada , von hier zu
Uliturgi; und über Cazorla bin ich gleichsam nach Acci zurückgekehrt. —
Wollte aber jemand höhere ^ denn blosse Gründe des Gedächtnisses, in
der Festhaltung dieser Reihenfolge suchen , so möchte ich ihm nicht
widersprechen, wenn er glaubte, dass die drei südöstlichen Siebenmänner
zuerst genannt worden seien, wegen ihres relativ hohem Alters, oder
vielleicht — weil sie auf der Rom zugewendeten Seite wohnten. In
duhiis libert<z8 — in zweifelhaften Dingen die Freiheit.
Diese Zusammen- und Entgegenstellung aber ist insofern eine
Art Probe für die thatsächliche Lage der Städte der Siebenmänner,
wie wir dieselbe darstellen zu sollen glaubten. — Urci ist seiner Lage
nach am bekanntesten. Also darf man supponiren, dass auch das Abula
des Secundus und das Berja des Ctesiphon in südöstlicher Richtung von
Acci zu suchen ist. Die Lage von Elvira und von Uliturgi ist genau
bekannt. Also darf man annehmen, dass auch die Lage des unbe-
kannten Carcesa oder Carcera in nordwestlicher Richtung von Acci zu
suchen sei.
Femer: ,die Lage von Urci, Elvira, Uliturgi ist bekannt; diese
Städte lagen alle nahe bei Acci. Also darf man, ohne einen unanfecht-
baren Grund, bei der Aufsuchung der Lage der übrigen drei weniger
bekannten Städte — sich nicht allzu weit von Acci entfernen. Je näher,
desto besser. Darum, will man die Lage von Carcesa suchen, so darf
man sich nicht ohne zwingenden Grund bis zur Meerenge von Gibraltar
verlieren. Will man die Lage von Vergium oder Bergi finden, so darf
man sich nicht ohne Grund nach Asturien oder an den Fuss der Pyre-
näen, in das Baskenland, verirren. Will man die Lage von Abula
finden, so soll man erst fragen, ob Avila in Altcastilen nicht dieses
Abula sei , wenn man keinen Ort dieses Namens in Südostspanien finden
kann.
Ferner — mit dem Beweise des Vorhandenseyns heiliger Leiber
an einem Orte , und der dadurch gewirkten Wunder soll man vorsichtig
und zurückhaltend seyn. Denn geschichtliche Thatsachen werden aus
sichern geschichtlichen Quellen erwiesen; und diese Quellen, so sie ein-
mal geöffnet sind, fliessen durch alle Jahrhunderte. — Spanien selbst
aber, das gegenwärtige, giebt uns ein trauriges Beispiel, wie die Ver- *
ehrung von Reliquien und heiligen Orten untergehen kann. Wer weiss
oder beachtet heute noch in Spanien, ob oder wo die Leiber der apo-
stolischen Siebenmänner mhen? — Die Spanier haben im neunzehnten
214 Zwekes Bneh. Dreizehntes Kapitel. Der heil. Torquatus etc.
Jahrhuad^ ihren Patron, den Apostel Jaoobus, vergessen. Die Wall-
fahrten nach Santiago haben aufgehört; und wenige Spanier künunern
sich darum y ob dort der wirkliche, oder nur der angebliche Leib Ja-
cobus des Aeltem ruhe. Wie viel mehr sind Indaletius in dem zer-
fallenen San Juan de la Penna, Eufrasius in dem zerfallenen Samos,
Torquatus in der zerfallenen Cellanova vergraben und vergessen, wenn
ihre Leiber überhaupt jemals dort geruhet haben ^) !
I) Franz Lbrinser war selbst in Santiago am 24. Jali 1857, dem Feste des hei-
ligen Jacobns, und er beriehtet, wie miserabel das heutige Spanien das Fest
seines (ehemaligen?) Apostels feiert — S. Franz Lorinser, Reiseskizzen aus
Spanien, Bd. 3 (1858), S. 304. Von dem alten Glänze ist kaum noch ein
Schatten übrig, — S. 312. Ich habe mehr Schaulust als Andacht wahrge-
nommen. — 8. 320. Die vielen Beichtstühle waren ganz leer u. s. w.
Vierzehntes Kapitel.
Die angebliche Tradition der Sendung von sieben Bischöfen
ans Rom nach Gallien ist eine *— Fiction.
Um die Tradition der spanischen Kirche — von der Sendung der
^,Septemviri apoBtolid^ von Rom nach Spanien zu entwerthen^ oder zu
vrideriegen, beruft man sich auf die ähnliche Tradition der alten galli-
canischen Kirche.
Wie die Kirche von Frankreich , sagt Tillemont, Nachfolger des
heiligen Petrus — in einer einzigen Sendung sieben seiner ersten Bi-
schöfe empfangen zu haben glaubt , also glaubt die Kirche von Spanien
dieselbe Gunst empfangen zu haben , aber von den Aposteln Petrus und
Paulus selbst *J. — Unrecht aber hat Tillemont in zwei Hauptpunkten.
Er behauptet, dass der Festhymnus der Siebenmänner , und die Marty-
rologien des neunten Jahrhunderts die wichtigsten Quellen für die Ge-
schichte der Siebenmänner Spaniens seien. Diess sind vielmehr abge-
leitete Quellen. Die erste Quelle ist die mozarabische Messe und das
Officium der Sieben, und dieses reicht in die ersten Jahrhunderte der
Kirche Spaniens zurück. — Es ist unbillig von Tillemont, zu sagen,
dass er nicht für die Wahrheit von Ereignissen verantwortlich seyn
möchte, welche man in solchen Documenten finde, und dass man darum
über die Geschichte dieser spanischen Heiligen nichts besize, was man
für zuverlässig halten könne. Man kann höchstens zu seiner Entschul-
digung sagen, dass am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts die alt-
spanische Liturgie noch nicht so in Europa bekannt war, dass sie als
Quelle für historische Forschungen gebraucht wurde, oder — werden
konnte. — Ebenso hat er Unrecht in seiner Vergleichung, vielmehr
Gleichstellung der spanischen und der angeblich französischen Tradition.
Denn die ganze französische Tradition stüzt sich auf einen bewussten
*) Tiliemontf m^moirea, i, 200 — 201, On n*a rien de Fkistoire de ces ßamtSf qiion
puisse dxre eaire tout ä /aü certain.
216 Zweites Buch. Vierzehntefl Kapitel.
oder unbewussten Irrthum Gregorys von Tours. Er sagt nemlich, dass
zur Zeit des Kaisers Deeius — um 250 n, Chr. — sieben Männer zu Bischöfen
geweiht, und zur Predigt des Evangeliums nach Gallien gesendet wurden,
„wie die Geschichte der Passio des seligen Märtyrers Saturnin erzählt*'.
Diese sagt nemlich: „Unter den Consuln Deeius und Gratus empfieng,
wie es in treuer Erinnerung festgehalten wird, die Stadt Tolosa den
Satumin als ihren ersten und grössten Bischof.^ Folgende Bischöfe aber
wurden nach Gallien geschickt: Catianus nach Tours, Trophimus nach
Arles, Paulus nach Narbonne, Satuminus nach Toulouse, Dionysius nach
Paris, Stremonius nach Auvergne (Clermont), und Martialis nach Limoges^).
Diess erzählt Gregor von Tours. Dazu bemerkt Ruinart, der Her-
ausgeber sowohl des Gregor, als der „ächten Akten der Märtyrer** — :
die Akten des heiL'gen Satumin geben die Zeit seiner Sendung nach
Gallien an : sie enthalten aber nichts über die übrigen hier Angeführten,
deren Ankunft in Gallien Verschiedene zu verschiedenen Zeiten angeben.
Gregorius jedoch, welcher glaubt, dass dieselben zu gleicher Zeit in
Spanien angekommen seien, hat aus der bestimmten Zeitangabe, welche
sich in den Akten des Saturnin befindet, auch auf die Zeit (der Ankunft)
der üebrigen geschlossen.
Dass dem Gregor von Tours die ächten Martyrerakten des Satumin
vorgelegen haben, darüber kann niemand zweifeln, der beachtet, dass
er den Saz „Unter den Consuln Deeius und Gratus^, den wir oben an-
geführt, ohne Veränderung eines Wortes aus den Akten Satumin's auf-
genommen hat. — Entweder hat sich Gregor nun geirrt, oder er hat
sich irren wollen, oder — er ist missverstanden worden. Ich glaHibe,
dass man das Leztere annehmen dürfe. Er hat nur eine Stelle aus den
Akten Satuminus angeführt, und das Uebrige aus sich hinzugethan, indem
er — und darin allerdmgs lag ein Irrthum, folgerte, weil Satumin um
das J. 250 nach Gallien kam, kamen auch die Üebrigen um diese Zeit^).
. Von dem Einen und Andem dürfte man behaupten, dass er früher
nach Gallien kam. Um das J. 250 war der Novatianer Marcian Bischof
von Arles, es musste also der heilige Trophimus, welcher als Apostel
von Arles gilt, bedeutend früher daselbst gewirkt haben, und Gregor
von Tours thut ihm und den Arelatensem Unrecht, dass er ihren Apo-
stel in so späte Zeit sezt.
Gregor. S, Historia Francorumj l. Ij 28* — ed, Ruinart — Grogor's von Tours
kirchliche Geschichte der Franken, in zehn Büchern, "Würzburg 1849, 1,28. —
Zehn Bücher Fränkischer Geschichte vom Bischof Gregorius von Tours, über-
sezt von Wilhelm Giesebrecbt, 1. Bd. — Berlin 1851, S. 27.
') Ebenso W. Giesebrecbt a. a. O. S. 27. — »Dass zugleich noch sechs andere
Bischöfe nach Gallien gesandt seien, findet sich weder dort, noch in andern
Quellen.« S. Ruinarty acta Mart sine. Ratisb. 1859, p. 177—78. Tillemoniy 4, 710
II est bien plus naturel de croire, qu'il dit d'une manih-e obscure et confuse en un
endroitf ce quHl dit plus clairement en cTautres,
Die angebliche Tradition der Sendung von sieben Bischöfen etc< 217
Den französischen Historikern der neuem Zeit kann man kaum den
Vorwurf machen, dass sie in dieser Frage — sich grossen Illusionen
hingegeben haben. Tillemont nimmt keinen Anstand, zuzugestehen, dass
Saturnin nach Toulouse erst um das J. 250, oder etwas früher gekom-
men, dass Trophimus erst 254, nach Absezung des Marcian, Bischof
von Arles geworden, oder höchstens dessen nächster Vorgänger ge-
wesen, dass Paulus von Narbonne gegen das J. 250 nach Frankreich
gekommen, dass um dieselbe Zeit Martialis nach Limoges gekonmien,
dass Dionysius von Paris — nicht Dionysius der Areopagite sei, u. s. w. ')
— Natalis Alexander polemisirt gegen Gregor von Tours, weil er
(P. N. Alex.) Dionysius den Areopagiten noch als ersten Bischof von
Paris mit aller Kraft erhalten wollte ^). — Der Mauriner Massuet drückt
sich zu der bekannten Stelle des Irenäus — über die Verbreitung des
Christenthumes in Gallien und Frankreich — dahin aus, dass nach Irenäus
das Christenthum in Gallien beinahe erloschen sei, worauf es um das
J. 250 wieder habe verkündigt werden müssen *) , — was mir allzuviel
eingeräumt zu seyn scheint.
Diess aber kann man in keiner Weise behaupten, es sei Tradition
der französischen Ejrchen gewesen, dass ihnen von Bom zumal sieb^i
Bischöfe zugeschickt worden seien, und vollends gar von den Aposteln
Petrus und Paulus. Eine zufällig hingeworfene Bemerkung Gregor's
von Tours, mit einem Citate, welches nicht beweiset, was es beweisen
will, kann man keine Tradition heissen. Niemand vor Gregor von
Tours hat etwas Aehnliches gesagt.
Es ist nicht erlaubt, die spanische Tradition desswegen zu verwerfen,
weil die entsprechendc^französische — keine Tradition ist. Gregor von
Tours ist bekannt mit der Geschichte der spanischen Kirche. Er kommt
wiederholt darauf zu sprechen. Er mag irgendwo den Bericht über die
Siebenmänner Spaniens gelesen haben, und — es scheint ihm , dass man
in Rom ebenso für Frankreich, wie für Spanien gesorgt habe, oder
haben sollte. — Die Zahl der Sieben fand sich leicht, — Arles, Tours,
Toulouse, Auvergne, die geliebte Heimath, Paris, Limoges , Narbonne
— waren die auserwählten Städte. Den Beweis aber für diese Sendung
ist Gregor schuldig geblieben.
Was die Tradition anbelangt, stehet die spanische Earche einzig im
Morgen- und im Abendlande da. Nicht Afrika, nicht Gallien, nicht ein
anderes Land kann mit Spanien verglichen werden. Der Anlass und
Anstoss aber zu dieser Bevorzugung war — kein anderer, als die Reise
des Apostels Paulus nach Spanien.
■) Tiüemont, mämoires, 4, 439 sq. 442 sq. 710 sq.
') Natalis Alexandri H. ecc. saecuU ly diss. 16. — ^fde praedtcadonis eoangeUcae in
GaUia exordio**,
») 8. Buch 3, Kap. 1.
, Fünfzehntes Kapitel
Der Zusammenhang der Reise des Apostels Paulns nach
Spanien mit der Sendung der sieben Apostelsehfller.
Die Sendung der sieben Bischöfe von Rom nach Spanien — er-
scheint dem befangenen Blicke glaubwürdiger, wenn man sie in das
zweite oder dritte Jahrhundert, unglaubwürdiger, weil man sie in das
erste Jahrhundert sezt Dem umsichtigen und prüfenden Blicke aber
kann es nicht entgehen, dass diese Sendung mit der Reise des Apostels
Paulus nach Spanien auf das innigste zusammenhänge und ohne sie nicht
leicht erklärt werden könnte.
Im ersten Buche dieses Werkes wurden drei Beweisgründe auf-
geführt für das Weilen des Völkerlehrers in Spanien. — In diesem
zweiten Buch schliesst sich ihnen noch das vierte Beweismoment an: —
die Gegenwart der Siebenmänner in Spanien sezt die Gegenwart des
Apostels Paulus voraus.
Die römische Kirche hatte allerdings den Beruf, das Christenthum
überall, besonders im Abendlande, zu verbreiten. — Der Papst Inno-
zenz I. hatte wohl Recht, zu sagen, dass „in ganz Italien, Gallien,
Spanien, Afrika, Sicilien und den in der Mitte liegenden Inseln niemand
Kirchen gegründet habe, als diejenigen, welche der ehrwürdige Apostel
Petrus und seine Nachfolger zu Bischöfen ausgewählt habe. Oder sie
sollen es lesen, ob es sich finde, dass in diesen Provinzen ein anderer
Apostel gelehrt habe , oder gelehrt haben solle. Wenn sie es aber nicht
lesen, weil sie es nirgends finden, so müssen sie den Ueberlieferungen
der römischen Kirche folgen, von welcher sie ohne Zweifel den Ur-
sprung genommen haben. ^
Allein — die Gründung der Kirche Spaniens gieng doch zunächst
von dem Apostel Paulus aus; er gab den Anstoss dazu, und er legte
die Fortführung und die Erhaltung des Werkes in die Hand des Petrus
und seiner Nachfolger. — Wäre Paulus nicht nach Spanien gekommen,
Der ZiiBammenhang der Reise des Apostels Paulos nach Spanien etc. 219
so wl&re das Ohristenthum dennoch nach Spanien , aber wohl später , ge^
kommen. Es wären dann gewiss die Siebenmänner nicht nach Spanien
gesendet worden, und die Verbindung der spanischen Earche mit der
römischen Kirche von Anfang an nicht so enge gewesen. Das Christen-
thum kam von Rom nach Carthago und nach Afrika , wohl schon im
ersten Jahrhunderte. Aber diejenigen werden nicht genaniit, welche es
dahin gebracht haben'), vielleicht — weil sie keine direct von Rom
gesendeten Bischöfe waren. Das Christenthum kam von Rom nach
Gallien, aber wir wissen nicht gewiss, ob diejenigen, welche als erste
Bischöfe Galliens genannt werden, auf eigene Anregung der römischen
Bischöfe gesendet wurden. Allem Anscheine nach kamen sie vereinzelt
und 2u verschiedenen Zeiten. — Wer das Christenthum nach Sardinien,
Corsika und nach den Balearen gebracht habe, ist unbekannt. Die
Christen dieser Inseln aber denken zunächst an den Apostel Paulus,
und meinen, er könnte auf dem Wege nach Spanien sich bei ihnen auf-
gehalten haben.
Wer das Christenthum zuerst nach Britannien gebracht habe, ist
nicht bekannt. Wahrscheinlicher mag es gefunden werden, dass es von
Spanien oder Gallien dahin kam; jedenfalls kam es über Gallien, und
später, als nach Gallien, dahin.
Palladius und Patricius werden als Apostel der Schotten und der
Irländer gerühmt, sie wurden von Rom aus in ihrer Sendung bestätigt,
aber nicht direct gesendet. — Die Angeln und Sachsen eroberten um .
das J. 450 das vormals römische Britannien, und an 150 Jahre herrschte
hier wieder das Heidenthum, nachdem das Land etwa 150 Jahre christ-
lich gewesen war. — Erst in dem J. 696 wurde der Mönch Augustin
mit seinen Gefährten nach England gesendet. Diess ist das einzige Bei-
spiel, dass direct und ohne Anstoss von aussen eine Anzahl von Missio-
nären von Rom aus in ein Land gesendet wurde. — Aber von Leo I.
bis Gregor I. hatten viele Päpste regiert, und keiner hatte zuvor ge-
than, was Gregor L schon zu thun beschlossen hatte, bevor er Papst
geworden, an der Bekehrung der Angelsachsen zu arbeiten.
Dass es ein deutsches Land und Volk gebe, das war in Rom nie-
mand unbekannt. Es wurden aber keine Bischöfe, keine Glaubensboten
von Rom nach Deutschland gesendet. Man wartete in Rom auf die
angelsächsischen Missionäre; der deutsche Apostel Bonifacius wurde wohl
von Rom aus bestätigt und bestärkt, aber er ist* von England ausge-
gangen. Die Völker, welche nördlich und östlich von Deutschland
wohnen, die Dänen, Norweger, Schweden, die in Deutschland wohnen-
den Slavenstämme, die alten heidnischen Preussen, die Böhmen und
Mähren, die Polen und Russen, die Magyaren, Earanthaner, Croaten,
') MorceÜi, Africa chrtstiana, 1, 42,
220 Zweites Baeb. Fünfaehntes Kapitel.
Slayoni^y die Bulgaren , sind nicht durch direct und ohne äussern An-
stoss aus Rom gesendete Missionäre bekehrt worden.
Aber — wozu diess Alles? — Um zu zeigen, dass — wenn die
Geschichte uns die Sendung von sieben Missionsbischöfen von Rom nach
Spanien berichtet, wir uns nicht mit dem allgemeinen Ausdrucke be-
gnügen dürfen, dass die römische Kirche die Mission hatte, allen Völ-
kern, besonders des Abendlandes, Glaubensboten zuzusenden, sie — als
„die Vorsteherin des Liebesbundes^ der Christen, welcher mehr Kräfte
und mehr Gnaden zu Theil wurden, weil sie mehr zu wirken hatte. —
Diese Mission hatte die römische Earche zu aller Zeit; aber es fehlten
ihr die Missionäre. Immer galt das Wort des Herrn: „Die Ernte ist
gross, aber der Arbeiter sind es wenige, bittet also den Herrn der Ernte,
damit er Arbeiter in seinen Weinberg sende**. — Man bedurfte eines
bestimmten äussern Anstosses, und man bedurfte der Missionäre, um die
grosse vom Herrn gegebene Mission zu erfüllen.
Falsch wäre darum der Schluss: weil die Geschichte nichts davon
erzählt, dass in der frühesten Zeit die römische Kirche gleichzeitig eine
Anzahl Glaubensboten zu einem Volke des Abendlandes gesendet hat,
so ist auch der Bericht der Spanier über die Sendung von sieben Mis-
sionsbischöfen durch die Apostel von Rom aus — falsch. Vielmehr, da
man die Ankunft dieser Männer als Thatsache anerkennen muss, so
handelt es sich nur um das Wann und das Warum ihrer Sendung. Diese
zwei Fragen werden aber durch eine Antwort erledigt.
Was war der Anlass, dass von Rom sieben Männer nach Spanien
zur Predigt gesendet worden, da etwas Aehnliches sonst von einem
Lande nicht berichtet wird? Der Anlass und der Anstoss war der
Apostel Paulus. Weil er nach Spanien, und in kein anderes Land des
Abendlandes reiste, weil er seinet kurzen Wirksamkeit in Spanien eine
dauernde Unterlage und Zukunft geben wollte, darum wurden auf seinen
Antrieb die sieben Männer von Rom nach Spanien gesendet. — Die
Sendung der Siebenmänner ist ein weiterer Beweis seines Aufenthaltes
in Spanien; und seine Thätigkeit in Spanien erklärt allein die Sendung
der Siebenmänner. Die eine Thatsache ergiebt sich aus der andern,
und ruhet auf der andern. ^
Was waren aber dieses für Männer, die nach Spanien gesendet
wurden? Es waren offenbar keine Männer, wie Paulus. — Es waren
eben solche, wie man sie in den neugegründeten christlichen Gemein-
den, besonders der römischen, finden konnte. Wir thun ihnen nicht
Unrecht, wenn wir von ihrer geistigen Bildung uns bescheidene Vor-
stellungen machen. Entweder musste Paulus auf die Sache ganz ver-
zichten, oder sich mit der Auswahl von Männern begnügen, die mit
gutem Willen eine entsprechende Thatkraft verbanden, die den Muth
hatten, im Vertrauen auf die Hilfe Gottes sich selbst zum Opfer zu
bringen.
Der Zusammenhang der Reise des Apostels Paulus nach Spanien etc. 221
Wenn es heisst, dass die Siebenmänner von den Aposteln nach
Spanien gesendet worden, so müssen wir dieses wörtlich auffassen. Denn
die Ausrede erklärt nicht, sondern verwirrt, dass sie von einem der auf
Petrus folgenden Päpste seien gesendet worden. Im zweiten und im
dritten Jahrhundert nach Christus hatte die römische Kirche nicht diesen
mächtigen Antrieb dazu, wie im ersten; sie hatte keinen Paulus, der sie
trieb. Niemand aber kann beweisen, oder auch nur wahrscheinlich
machen, dass es im zweiten oder dritten Jahrhunderte mehr tüchtige
Missionäre in Rom gegeben habe, als im ersten. — Wenn man uns
also fragte, was war der Anlass, dass im zweiten oder dritten Jahr-
hunderte Missionsbischöfe von Bom nach Spanien gesendet wurden, so
wüssten wir eine spezielle Antwort nicht zu geben. Stellte man aber
dieselbe Frage an uns — in Betreff des ersten JahrhundeiHs, so liegt
die Antwort da — Paulus schickte sie, und veranlasste ihre Sendung^
er war, wie die BoUandisten sagen, Urheber, dass der heilige Petrus
sie sendete.
Wir haben deren Sendung und Ankunft in Spanien in die Jahre
64 bis 70 nach Christus zu sezen. Weder der Brand von Rom im J. 64,
noch die darauf folgende Christenverfolgung konnte ein Hindemiss dieser
Sendung seyn. Im Gegentheil ist es wahrscheinlich, dass sie dadurch
gefördert wurde. Man sagt, es werden nicht soviel Männer zur Hand
gewesen seyn, dass man aus ihrer Zahl sieben Bischöfe nach Spanien
hätte schicken können. Aber — waren denn im J. 80 n. Chr., oder
im J. tOO mehr Männer vorhanden, als im J. 64? Wenn wir aber bis
zum J. 150 herabgehen, ist dann die Sendung von sieben Bischöfen wahr-
scheinlicher — an sich? Weiter aber dürfte man wohl nicht herabgehen^
da nach Tertullian vor dem Ende des zweiten Jahrhunderts alle Ge-
biete Spaniens das Christenthum angenommen hatten. — Wer aber kann
beweisen, oder wahrscheinlich machen, dass es im J. 150 eine grössere
Anzahl von Glaubensboten, und einen mächtigem Anlass gab, dieselben
nach Spanien zu senden, als im J. 64 n. Chr.?
Bevor jemand diesen Beweis führt, verlangt es die historische Ge-
wissenhaftigkeit, zuzugeben und anzunehmen, dass sieben Missions-
bischöfe von den Aposteln Petrus und Paulus aus Rom nach Spanien
gesendet worden sind.
Sechszehntes Kapitel.
Die Siebenmftnner wurden zu Rom von den Aposteln ordinirt.
Das kleine römische Martyrologium , welches Ado mitgetheilt , so-
wie das unter dem Namen des Hieronymus vorhandene — sind die
ältesten Martyrologien. Bei ihnen müssen wir uns Raths erholen über
die Bedeutung ^der Ordination durch die Apostel*', In dem römischen
kleinen M. stehen zum 15. Mai die Worte: ;,Das Andenken des Torquatus,
Ctesiphon, Secundus, Indaletius, Cäcilius, Esicius^ Euphrasius, welche
zu Rom von den Aposteln ordinirt wurden *).^ Wann und wie die-
selben in dieses Verzeichniss kamen, wissen wir nicht. Jedenfalls kamen
ihre Namen von Spanien nach Rom. Denn dass sie von Rom ausge-
gangen und gesandt wurden, gab ihnen noch keine Stelle unter den
Heiligen. — Vorher mussten sie in Spanien ihr Leben in ihrem Berufe
als Heilige geschlossen haben. Als ^jBekenner'^, nicht als Märtyrer —
sind sie in diesem Verzeichnisse aufgeführt. Sie starben zu einer Zeit,
wo es keine y oder noch keine Verfolgung der Christen in Spanien gab.
In Rom (und später auch in Spanien) wurde ihr Fest vom 1. auf
den 15. Mai verschoben, weil am 1. Mai das Fest der heiligen Apostel
Philippus und Jacobus war, und es gerecht ist, dass die Apostelschüler
vor den Aposteln zurücktreten müssen. Was bedeutet aber das Wort:
,,von den Aposteln ordinirt*' in dem Sinne des ältesten Heiligenverzeich-
nisses der römischen Kirche? Bedeutet es, dass die Sieben überhaupt
von einem Papste der ersten Jahrhunderte, bedeutet es,, dass sie von
Petrus, oder von Petrus und Paulus zugleich ordinirt worden? Die
Antwort können uns nur die ältesten Martyrologien selbst geben. Wir
wollen ihren Sprachgebrauch untersuchen.
') Qui Eomae ab apMtoUs ordinati sunt.
Die SiebenmäDner wurden zn Rom von den Aposteln ordinirt. 223
Vetos Romannm oder RomanDm parmm. Hartyrologinm vetnstissl-
mmii 8. n. Hieronymi.
Januar.
4.
Apitd Cretam TUi, apostolorum disdpuU,
18.
Cathedra saneti Petri, qua primum Ramae sedit, DedkatioeathedraetaneH
Petri apostoli, qua pri-
mo Rom€^ 9cdU.
20.
Romae (et) Sebastianiy in vestigiis aposto- Ramae — pcusio a. Seba-^
lorum septdU. süani martyrU.
24.
Ephe9if Tim<ah€i aposMi.
25.
Conversio s. Pauli apoistoli. RomaeytranslaHos. Pauli
apostoli,
26.
S. Polycarpi, discipuli «. Joannis apostoli, apud lnNiea€a8mymae,pas9io
Smytnam pcusi. s, Polyearpi episeapi,
Februar.
1.
Antioehiae, Ignatii epiacopi et mairtyr%8,
16.
Saneti OneHmi apostoli.
22.
Apud Antiochiam , Cathedra saneti Petri, Natalis cathedrae 8. Petri
apostoli, qua sedit apud
Antiochiam,
März.
14.
Romae, martyrum quadraginta et octo, qui 6a-
ptizati sunt a heato Petro apostolo, cum tene^
retur in custodia; qui omnes Neroniano gladio
consumpti sunt,
15.
Lucae Evangelistae.
20.
ArcUppiy commilitonis Pauli apostoli.
22.
Narbonae, s. Pauli episcopiy disciptdi aposto^ In Narbona civitate na^
lorum. uüe s. Pauli confessaris.
224 Zweites Buch. Sechszehntes Kapitel.
MartjToL ron. parnin. M. Bteronymi.
April,
7.
Hegerippi, gtä vieinui apoHoUearum temporum
€XtiUt,
25.
* Et Bomaey UUmia major ad t, Petrum.
29.
Aptid Paphtun, Tyehici apostolorum cUgeiptUi.
30.
Et Viffüia apo9tolorum.
MaL
1.
Apoitolorum PhiUppi et Jaeobi, fraJtrii Dominik In Aiia Hierapolif luifa*
Ui sanetorum PhiUppi
apostoU, et Jaeobi.
6.
B, Evodii episeqpi, qtä primm ab apostolit
Antioehiae ordinatua est.
Et «. Lueii Cyreneruis, qtd Cyrenae ab apostolit
episcopua ordinatus est.
15.
Torquatiy Ctesiphontis, Secundi, Indalecii, Cae-^
eiliiy Esieii, Euphrasiij qui Bamae ab apo-
stotis ordinati sunt,
19.
Prudentis, disciptdi Pauli.
26.
Apud Aihenas, Quadrati, disdpuli apostolorum. Item — Qucuirati (ist
zweifelhaft y ob der
Quadratus von Athen
gemeint ist).
Juni.
10.
Bamabae e^ostolu
II.
Sosthenis apud Corinthum, disetpuli Pauli.
20.
Bomae, Noonti, fratris Timothaei presbyteri, qui
ab apostolis eruditi sunt.
25.
Apud Pyrriberoeam, Sosipatris diseipuU Pauli.
Die Siebenmänner wurden zu Rom von den Aposteln ordinirt. 225
BomaninB parvum Adonis.
Juni,
27.
Apttd Galatiamy Crescentis discipuli Pauli apostolL
29.
Romae, apostolorum Petri et Pauli.
Martyr. s. n. Hieronymi.
30.
Natalis Lucinae, diseipulae apoHolorum.
Juli.
2.
In coemeterio Damasi, Processi et Martinianiy ab
apostolis Petro et Paulo baptizatorum.
Et trium militum, qui cum apostolo Paulo passi
sunt.
6.
(Romae) et octavae Apostolorum.
Et primus ingressus apostoli Patdi in urbem
Romam.
12.
Aquil^ae^ Hermagorae episcopi^ discipuli s. Marci.
Apud Cyprum, NasoniSy antiqui Christi discipuli.
August
1.
Romae, ad s. Petrum ad Vincula.
4.
Äristarchij discipuli apostolorum.
September.
1.
Capuae, Prisci martyriSy de iUis antiquis Christi
düdpulis.
6.
Onesiphoriy Pauli diseipidi.
GamS) Bpan. Kirche.
Romae, natcdissanctorum
Petri, et Pauli aposto^
lorum, et aliorum non^
gentorum octoginta et
Septem martyrum. Et
dedicatio baptisterii an-
tiqui.
Romae, Damasi, et mili-
tum duorum.
Et octavae apostolorum
Petri et Pauli,
Romae, dedicatio primae
ecclesiae, et a beato Pe-
tro apostolo constructae
'et consecratae.
In Capua Aquaria, na-
talis s. Prisei martyris.
15
226 Zweites Buch. Sechszehntes Kapitel.
Ronanofi parvnin Adonis. Martyr. s. n. Hieronymi.
October.
5.
Eumeniae^ Thraseae episcopi, qm urms fuit ex
antiquis.
Sagaris episcopi Laodicensis ^ de antiquis Pauli
apostoli discipulis,
13.
Troade^ Carpi^ apostoli Pauli discipuli.
Antiochiae^ Theophili episcopi, qui sextus ab apo-
stolis fuit
17.
Aristionis, qui fuit unus de 70 Christi discipulis.
November.
a
Quartiy discipuli apostolorum,
21.
Bufi, quem Apostolus ad Romanos scribens sähOat
23.
Sancti Clementis episcopi, Romae, Maximi, natalis
s, dementia episcopi et
martyris,
26.
Romae, Lini Papae.
28.
SostheniSj discipuli apostolorum.
Dezember.
18.
Rufl et Zosimi, de primis discipulis domini, per
quos Ecclesia de Judaeis et Graecis primitiva
fundata est.
29.
Trophimi episcopi, discipuli apostolorum.
Nach dieser Zusammenstellung fragen wir: was bedeuten im Sinne
des ältesten uns bekannten römischen Festkalenders die Worte: ab apo^
stolis ordinati — Torquatus und seine Gefährten sind von den Aposteln
in Rom ordinirt worden? In dem genau auf unsern Fall zutreffenden
Sinne kommen die Worte nur noch einmal vor. Der heilige Sebafitian
ist an den Stufen^ welche zum Grabe der Apostel führen (in vesUgiis
Die Siebenmänner wurden zu Rom von den Aposteln ordinirt. 227
apostolorum) j zu Rom begraben worden. Der Leib des heiligen Seba-
stian wurde zuerst von der Christin Lucina in den Catacomben beige-
sezt, da wo anfangs auch die heiligen Leiber der beiden Apostel bei-
gesezt waren. Ln Anfange des fünften Jahrhunderts wurde über seinem
Grabe eine Kirche gebaut. Wenn in unserm Martyrolog dem Petrus
und Paulus je besondere Thätigkeiten zugeschrieben werden, so werden
sie auch besonders genannt. — Es ist wahr, dass das Wort: ah apo-
stolü — von den Aposteln, mehrfach einen einzigen Apostel, selbst zur
Zeit der Apostel , bedeutet. Da aber die erstere Erklärung, dass hier —
bei Torquatus und seinen Genossen — die beiden Apostel Petrus und
Paulus, welche zu gleicher Zeit in Rom waren — verstanden werden
müssen — die natürliche, die zunächst liegende, die ungezwungenste
Erklärung ist , warum sollen wir desswegen von dieser Erklärung ab-
gehen, weil der Geist einer übertreibenden Exitik sich gegen den Ge-
danken sträubt, dass Petrus und Paulus zusammen die Siebenmänner
nach Spanien gesendet haben?
15
Drittes Buch.
Die Kirche in Spanien von dem Tode der
sieben Apostelschüler bis zu dem Anfange
des vierten christlichen Jahrhunderts.
Erstes Kapitel.
Irenäus bezeugt den Bestand des Christenthumes in Spanien.
Irenäus von Lyon bezeugt die Ausbreitung der Kirche in Spanien.
Er sagt: ^Auch die in Deutschland gegründeten Kirchen glauben nicht
anders, oder lehren es anders, noch die Kirchen in Spanien, oder in
Gallien, noch die Earchen im Morgenlande, oder in Aegypten, oder in
Libyen, noch auch die in der Mitte der Welt gegründeten Kirchen ').
Dazu bemerkt der neueste englische Herausgeber des Irenäus , Har-
vey, es sei im höchsten Grade wahrscheinlich, dass Set. Paulus zuerst
das Evangelium in Spanien gepredigt habe, den spanischen Nachkommen
seiner eignen Tartessischen Vorfehren (?). Die Jahre zwischen seiner
ersten und zweiten römischen Gefangenschaft — hätten dazu hinge-
*) Sancti Irenaei — Ubros V adv. haeres, edid. W, W. Harvey — 2 tomi. Canidbrigiae
1857, ly p, 93, — Iren. 1, 10. — Kai ovre ai ev yepfuxvücis id^vfjtevou ixxXrjöiai
aXXcag jtexißrsvxaOiVy ij aXXtag Jtoc^aSidoaGiv , ovre ey raig Ißri^iaug^ ovre ev KeXraug^
ovre xara rag ayaToXag^ ovre er aiyvjrro), ovre ev ^ißvr^y ovre cd xarä fxeöov rov
xcgfiov iÖQVfjLevcu,
IrenäuB bezeugt den Bestand des Christenthumes in Spanien. 229
reicht *). Das Zeugniss des römischen Clemens sei schlagend, darum sei
die Predigt des Paulus in Spanien eine beständige Tradition gewesen.
Auffallend bescheiden , ja zweifelnd drückt sich Massuet, der Her-
ausgeber des Irenäus, zu dieser Stelle aus. Nachdem er sich auf die
Worte des TertuUian berufen (s. das nächste Kap.), sagt er, es sei ganz
unsicher, wer zuerst den Glauben bei den — von Irenäus — erwähnten
Völkern des Abendlandes verkündigt, ob er zu den Zeiten des Irenäus
schon weiter hin herrschte, ob sie mehrere, und zugleich volkreiche
Kirchen hatten. „Zwar rühmen sich mehrere Kirchen, sowohl in Frank-
reich, als Spanien und Deutschland, dass sie entweder von den Apo-
steln selbst, oder von deren Schülern gegründet seien^);** aber diese
Sache sei so voll Schwierigkeiten, dass es sicherer sei, die Beistimmung
zurückzuhalten. Erst unter Aurelius, dem Sohne des Antonin, schreibe
der älteste gaUische Historiker, Sulpicius Severus, habe man in Gallien
Martyrien gesehen, „indem die Religion Gottes später jenseits der Alpen
angenommen wurde" ^). Der Verfasser der Passion des heiligen Sa-
tumin von Toulouse sage gleichfalls, dass nur allmälig, und Stufe für
Stufe — in den Gegenden Galliens die Predigt der Apostel erschollen
sei, und dass vor dem Oonsulate des Decius und Gratus (von 250)
seltene Kirchen in einigen Städten, durch die Frömmigkeit einer kleinen
Schaar von Christen, sich erhoben haben, um so zahlreicher seien da-
gegen die Gözentempel und die in ihnen dargebrachten hässlichen
Opfer gewesen *). Die Zeugnisse dieser Schriftsteller scheinen über jeden
Angriff erhaben zu seyn.
Wenn in diesen Gegenden des Abendlandes vor den Zeiten des
M. Aurel der christliche Glaube tiefe Wurzeln getrieben und sich weit
ausgebreitet hätte, dann hätte es früher Märtyrer gegeben. Doch seien
die Märtyrer von Lyon die ersten in Gallien. Der erste anerkannte
Märtyrer Spaniens sei der heilige Fructuosus im J. 259. In Deutsch-
land und Britannien gebe es kein§ Märtyrer vor Diocletian. „So viel
also kann nur aus dieser Stelle des Irenäus entnommen werden, dass
*) It is in the highest degree probable , that S. Paul first preaahed the Gospel in Spain,
to the Spanish descendants of his own Tartessian ancestors. — The yearSf that inter-
vened between his first and second inprisonment j would allow sufßdent time for the
purpose. The afßrmation of S. Clement Rom. 5 — confirmatory of this notion „the
confines of the West*^ in a letter, written at Rome, can scarce tnean any tlüng ehe,
than the southem coast of FraHcia (Gallia Narbonensis) and Spain, — Accordingly
it has been a constant tradition in the church, that this latter country (Spanien) was
evangelised by S. Paul
') Massuet ad h. L Irenaei.
*) Sulpicius Severus. Sac. Bist. lib. 2. p. 150. ed.' Äntverp. a. 1574. — „Serius trans
Alpes Dei religione suscepta.**
*) Ruinart, Acta m. s. — (l, c.) p. 177, — „ Cum rarae in aUquibua dvitatibus eccle-
tiae paueorum christianorum deooHone consurgerent^
230 Drittes Buch. Erstes Kapitel.
bei den Gelten, Iberern oder Spaniern (die Iberier im Orient hätten den
Glauben erst zur Zeit des Constantin angenommen) und den Deutschen
einige Kirchen bestanden haben. Berühmter als alle übrigen waren die
Gemeinden von Lyon und Vienne, welche im J. 177 die ungemeine
Menge der Heiligen adelte , die zu Lyon die Krone der Märtyrer er-
langten. So lange Irenäus lebte , habe er durch Wissenschaft und Leben
den Glauben nach Kräften in Gallien ausgebreitet. — „Aber nach
seinem Tode ist dieser Glaube, wenn nicht völlig ausgelöscht, doch so
weit geschwächt worden, dass in der Mitte des dritten Jahiiiunderts
nur spärliche Gemeinden weniger Christen bestanden, und es neuer
Apostel, durch die er wieder erweckt würde, bedurfte. '^ Massuet legt
auf einige Worte des Martyriums des heiligen Saturnin ein allzu grosses
Gewicht. — Fast wörtlich so lautet die Einleitung in die Passion der
heiligen Leocadia von Toledo — J. 304 — und doch gab es damals
wenigstens einundzwanzig Bischöfe in Spanien. — Das ist gegen alle
Analogie und Wahrscheinlichkeit , dass mit dem Tode des heiligen Irenäus
das Christenthum in Gallien beinahe erloschen seyn sollte. Sollte denn
in Gallien allein das Wort sich nicht erfüllt haben: das Blut der Mär-
tyrer ist der Saame neuer Christen — ; und sollte denn der heilige Ire-
näus in einer Laufbahn von vielleicht fünfzig Jahren keine Schüler und
Nachfolger herangebildet haben , da er deren sogar in Rom hatte (Cajus,
Hippolyt) ?
Florez findet eine bekannte Stelle des Justin noch der Erwähnung
werth, dass keine Nation, weder der Christen, noch der Barbaren, so
ferne von dem Glauben an Christus den Gekreuzigten sei, dass weder
Bitten noch Danksagungen in derselben an den Vater aller gerichtet
werden *). — Auch in der ersten Apologie des Justin kommt eine Stelle
von demselben Inhalt vor. Daraus dürfte man einen indirecten Schluss
auf die Verbreitung des Christenthumes auch in Spanien — machen dürfen.
Schon bei dem Hirten des Hermas findet sich die Vorstellung, dass
alle Völker der Erde zum Christenthume bekehrt sind. Die zwölf Berge
^der Gleichnisse*' — sind die zwölf Völker, welche die ganze Erde inne
haben ^j. Unter ihnen ist der Sohn Gottes durch diejenigen gepredigt
worden , welche derselbe selbst zu ihnen gesendet hat. — Wie es zwölf
Apostel Christi gab, so sollte es zwölf Hauptvölker der Erde geben,
^ünd — alle Nationen, welche unter dem Himmel sind, haben ge-
hört und haben geglaubt, und sie sind mit einem Namen Söhne
Gottes genannt worden. Nachdem sie seine Besiegelung empfangen,
haben alle dieselbe Weisheit und denselben Sinn erhalten; und sie hatten
einen Glauben und eine Liebe. **
') Justin., dial. c. Tryph.
^) Hi duodecim montes — duodecm sunt gentes, quae totum obtinent orbem, I^'oedicatus
est ergo fiUus Dei per eoSf quos ipse ad iüos wtisit — Patt Herntae — L3, sim, 9 (17 )>
Irenäas bezengt den Bestand des Christenthumes in Spanien. 231
Die Völker zwar werden einzeln nicht angeführt; dasa aber auch die
Gallier und die Spanier unter diese zwölf Völker gerechnet werden, dar-
über kann kein Zweifel seyn, — Die Stellen bei Justin, Hermas , Ire-
näus, TertuUian, zusammengehalten mit den feindlichen Zeugnissen des
jungem Plinius, und des Lucian j^von dem Tode Peregrin's'^, beweisen
jedenfalls, dass das Christenthum im zweiten christlichen Jahrhundert
yiel weiter ausgedehnt war, als man gewöhnlich annehmen möchte. Viel-
leicht — dass es sich langsamer nach der Zahl seiner Bekenner aus-
breitete. Aber — der geographischen Ausdehnimg nach — war es
sicher lun die Mitte des zweiten Jahrhunderts schon in alle Provinzen
jdes römischen Reiches gedrungen, und waren dort einzelne Gemeinden
gestiftet worden. Um das J. 150 war es in Afrika, in Germanien am
Bhein und der Donau, in Gallien und in Spanien, und vielleicht auch
schon in das römische Britannien vorgedrungen.
Die Centralstellung der römischen Gemeinde, der leichte und be-
ständige Verkehr von Rom, dem Mittelpunkt des Reiches aus — nach
allen Provinzen des römischen Reiches — machte es leicht, von Rom
aus das Christenthum nach allen Richtungen zu verbreiten. — Stets
kamen Fremde von allen Seiten nach Rom; dort fanden sie die blühende
Christengemeinde vor, von der schon Paulus im J. 58 rühmt, dass ihr
Glaube auf der ganzen Welt gerühmet wird, welche Ignatius die Vor-
steherin des grossen Bundes der Liebe nennt, an welche um das J. 170
Dionysius von Corinth schreibt: „Von Anfang an ist diess euere Ge-
wohnheit, allen Brüdern mannigfache Wohlthaten zu erweisen, vielen
Kirchen in jeder einzelnen Stadt Unterstüzungen zu senden, also die
Bedürftigen in ihrer Noth zu erquicken, den in den Bergwerken ver-
bannten Brüdern von Anfang an Hilfe zu übermitteln ^). — Die Hei-
den, die nach Rom gekommen, die empfänglich und eines guten Willens
waren, konnten in Rom ungehindert Christen werden, und — in ihre
Heimath zurückgekehrt, wurden sie Missionäre. — Im ganzen Alter-
thume hat es keine Anstalten der Wohlthätigkeit gegeben. Die Armen,
Kranken und Fremden — waren auf sich selbst angemesen. Sie konnten
verkommen und umkommen, ohne dass ein mitleidiger Blick auf sie
fiel. Dem Elende gieng man, wie immer, aus dem Wege. Die Elen-
den wurden von einer Gesellschaft ausgestossen, deren Lebensprinzip
die vollendete Selbstsucht war.
Zahlreiche Fremde kamen nach Rom, um dort ihr Glück zu machen.
So waren denn im ersten Jahrhundert die Seneka^), Lucan^), Quin-
>) JEuseb. 4, 23.
*) Mariial. 1, 62, 8. — Seneka war reich, and galt für geizig — Dio Ccusius 62, 2.
') MartiaUa , 7, 22 (4), Lucan ist von Corduba.
232 Drittes Buch. Erstes Kapitel. Irenäas beseeugt den Bestand etc.
ülian, Pomponius Mela, Silius Italikus, Martial u. a. ^) nach Rom
gekommen 9 und hatten mehr oder weniger dort ihr Glück gemacht.
Die Seneka, Qnintilian und Lucan wurden reiche Leute. — Martial
dagegen brachte es^ troz seines 37jährigen Aufenthaltes in Rom, zu
nichts ; und kehrte mit einem Reisestipendium des jungem Plinius nach
Hause. Er selbst berichtet Fälle, dass Spanier vergebens nach Rom
gekommen, um dort ihr Glück zu machen. Dass auch sonst Spanier
— als Sprachlehrer auswärts weilten, ersehen wir u. a. aus Aulus Gellius.
— Bei dem sittlichen Ernste und der moralischen Energie der Spanier
lässt sich voraussezen, dass nicht wenige derselben in Rom Christen
wurden. Nicht bloss Vinzenzius von Saragossa, auch Laurentius ron^
Rom war ein gebomer Spanier.
Im Alterthum kannte man keine Polizei und kein Passwesen, wie
heute. Heiden, Juden und Christen reisten ungehindert, wohin sie
wollten. Diese Freiheit und Leichtigkeit des Verkehres fühlten einsichts-
volle Christen als eine grosse Wohlthat, und sie waren dankbar dafür,
wie „der Aeltere'^, den Lrenäus wiederholt redend einführt, mit beredten
Worten verkündigt.
Den Heiden konnte femer die gegenseitige Liebe der Christen nicht
verborgen bleiben. Nicht wenige Heiden wurden Christen, weil diese
Liebe sie anzog und rührte ^). Andere Heiden wurden, wie der Nigntius
des Lucian, Christen aus Noth und selbst aus Gewinnsucht. Wie es
heute noch sogenannte Convertiten giebt, welche zuüeJlen und abfallen,
je nachdem ihnen materielle Hilfe in Aussicht steht, oder sie solche er-
warten, so damals. Die ersten Christen hatten den natürlichen Wunsch,
dass ihre Zahl vermehrt werde. Diese äussere und materielle Hilfe,
worin die römische Kirche es allen Kirchen des Erdkreises zuvorthat,
war gewiss ein starker Grund der Vermehrung der Christen in Rom
und in den Provinzen, der gewöhnlich weniger beachtet wird.
*) Cf, Mart. 1, 62, 7 — 8: Duosque Senecas, umcumque Lucanum
Facunda loquitur Corduba.
Cf. 4, 40. Der Rhetor Seneka von Corduba hatte drei Söhne: 1) den Ann&us,
den Philosophen, Tragiker und Lehrer des Nero. 2) Den Seneka Gallio (Ttt-
dtuSf Ann, 6, 3, 15, 73), 3) Den Annans Mella, den Vater des Lucan — (16, 17).
— Die Frage wegen des vorgeblichen Briefwechsels zwischen Seneka und
Paulus hat kürzlich wieder Holzherr — in einer Schrift über Seneka verneinend
beantwortet. Ich lasse diese Frage bei Seile, weil ich derselben Ueberzeu-
gung bin.
*) Euseb. l c.
Zweites Kapitel.
TertuIIian Aber die Yerbreitnn^ des Ghristenthnmes in SpaDien.
Mehrfach, and an verschiedenen Stellen, kommt TertuIIian auf die
Verbreitung des Christenthumes zu sprechen. In seinem Buche gegen die
Juden — c. 7. — sagt er , dass die mannigfaltigen Stämme der Gätuler,
und viele Bezirke in )f auritanien , dass Spanien bis zu sdünen äussersten
Grenzen, dass die verschiedenen Nationen Galliens, dass die den Römern
unzugänglichen Landstriche Britanniens, die aber Christo unterworfen
seien, dass auch Sarmaten, Dacier, Germanen und Scythen — dem Nar
men Christi sich unterworfen haben ^). Bald dai^auf sagt er, dass dahin,
wohin die Macht der Bömer sich nicht erstrecke, sich doch der Name
Christi ausdehne; überall wird er geglaubt, von allen obgenannten Völ-
kern wird er verehrt, überall regiert er, „Überall wird er angebetet
Die vielen „Bezirke der Mauren^ — verglichen — mit „allen Enden
von Spanien^ lassen erkennen, dass nach TertuIIian das Christenthum
in Mauritanien viel weniger verbreitet war, als in Spanien, was sowohl
der Natur der Sache, als der Geschichte entspricht. Was weiss man
überhaupt von der Geschichte der Kirche in Mauritanien? Nichts —
oder beinahe nichts. Pamelius erklärt die ^muUi ftnes^ so ^) , dass viele
Völker — oder Gebiete — dort das Christenthum kennen; unter den
„omnes termini^ in Spanien versteht er alle Reiche, d. h. wohl alle Pro-
vinzen in Spanien, mit welcher Erklärung wir einverstanden sind. —
Auf dem siebenzehnten Concil von Toledo — im J. 694 — that König
Egica vor den versanmielten Bischöfen den Ausspruch, Spanien sei
') TertuUioaii- l. adv, Judaeos cap. 7 — ut jam Getulorum varietateSf et Maurotvm mtdii
finesj Hispaniarum omnes termini et GraUiarum dwersae nationes, et Britannarum in-
accessa Romanis locoy Christo vero subdita, et Scamatarum , et Daeorum et Germa-
norvm et Stytkcarum ete, — In quibus omnüms locis Christi nomenf qmjam venitf regnat,
*) Nnch Florez, 3,181.
234 Drittes Boch. Zweites Kapitel.
immer bekannt gewesen durch die Energie seines Glaubens^). Man
darf diese Stelle aber wohl nicht auf die extensive Ausbreitung des
Glaubens beziehen. Falsch ist die Erklärung, das j,immer^ schliesse
auch die -Verbreitung des Glaubens in den zwei ersten Jahrhunderten
ein. Das natürliche Verständniss dieser Worte ist wohl, dass — so
lange das Christenthum überhaupt in Spanien geblühet, es stets kräftig
geblühet habe. Eine Erklärung des Königs Ordonno U. im J. 915 über
das Bisthum Lugos, dass dasselbe seit der Verbreitung des Christen-
thumes in Spanien bestehe, will heissen, dass Lugos seit unvordenk-
lichen Zeiten ein Bisthum gewesen^).
An einem andern Orte kommt Florez wieder auf das Zeugniss des
Tertullian zu sprechen, aus Anlass der Gründung des Bisthums Ossonoba.
Man könnte, sagt er, die Worte „alle Enden Spaniens^ wörtlich nehmen,
und dann sei das Bisthum Ossonoba darin eingeschlossen ^ welches am
südwestlichen Ende Spaniens liege *).
Eine andere Stelle des Tertullian wird in ihrer Anwendung auf
Spanien bestritten , wird aber von den Spaniern auf ihr Land bezogen.
In seinem Buche an Scapula, Statthalter von Afrika, sagt er: ,ydenn
jezt wird sowohl ^a praeside Ugionia, et a prcMide Mauritaniiie*' der
christliche Namen verfolgt^), aber nur mit dem Schwerte (ohne Todes-
qualen), wie es von Anfimg an befohlen worden, dass gegen solche ver-
fahren werde. **
Heisst a praeside legionis — der Präses von Leon, oder der Präses
einer Legion? Ist in Leon in Spanien je ein Präses gewesen? Ich
vermuthe, dass der Präses Legionis — der Militärpräfekt von Afrika,
der Präses von Mauritanien aber der Civilpräfekt von Mauritanien war.
Der Kaiser Claudius, welcher Mauritanien erwarb, theilte es in zwei
Provinzen, das Tingitanische und Cäsariensische. Jede bekam einen
römischen Ritter zum Statthalter. — Die westlichste Provinz erhielt
ihren Namen von der Stadt Tingis oder Tanger, und wurde von Mau-
ritania Cäsariensis durch den Fluss Malucha, gegenüber von Urci in
Spanien, getrennt*). Die Civilverwaltung leitete in jeder Provinz ein
') Quod ßdei plenttudine ßnea semper Hispaniarura ßoruerunt
^) Cujus eccksia seu sedes venerahiUasima dignoscitur esse ßmdata in urbe Lucensi —
provinciae GaUaectae ab ipso initio praedicationis Apostolicae primitivae eccUsiae.
•) Flowz, 14,215-33.
*) L. ad Scapulam c. 4. nam nunc et a praeside Legionis, et a praeside MauriUmiae
vexatur hoc nomen, sed gladio tenus sicut et a principio mand<Uum est animcuiverti in
hujusmodi,
*) Forbiger, Handbuch der alten Geographie, 2, 868. Plvms, ö, 2. Wann? ist
anbekannt, sagt Georgi, Alte Geographie, 1838, 1, 540. Ebenso Becker- Mar-
quardt, Handbuch der römischen Alterthümer, 3(1), S. 232. — »Die Verbin-
dung Tingltanas mit Bätika ist — wenigstens nicht vor Constaniin zu sezen.«
r~ JTaciius, Bist, 1, 78 — provinciae Baeticae Maurorum dmtatee dono dediu
/
TertuUian über die Verbreitung des Christenthumes in Spanien. 235
Präses. Die Proyinz Tingitana wurde — zu Spanien geschlagen durch
den Kaiser Otho. — Nach der „Notüia imperii^^, vom Ende des vierten
Jahrhunderts steht dieses dritte oder äusserste Mauritanien unter der
grossen Präfektur*von Gallien, dem Vicarius von Spanien, einem Präses
für Civilsachen, und einem Comes für das Militärwesen. Nach Isidor
von Sevilla war es noch ein Bestandtheil von Spanien').
Buinart — in seinen Akten der Märtyrer betrachtet das Le£:io des
Tertullian einfach als eine Provinz, sagt aber nicht, wo sie gelegen
war^). — In den Akten des Märtyrers Marcellus von Tingis konmit
Fortunatus unter dem Namen 'praeses und proeurator vor *).
Am natürlichsten scheint mir die Worte — et a prcLende legionia ete,
zu erklären: sowohl von dem prcieses der in Lambesa in Afrika stehen-
den Legion , als dem Civilpräses von Mauritanien. Fortunat wird in den
Akten des Märtyrers Marcellus Präses der in Tingis stationirten Legion
genannt, welcher als solcher Strafgewalt über seine Leute hat*).
Zwischen 130 — 170 gab es achtundzwanzig Legionen. Davon stan-
den in Britannien drei, in Germanien vier, in Pannonien vier, in Mösien
und Dacien sechs, in Cappadozien zwei, in Phönizien eine, in Syrien
und Judäa — je zwei, in Arabien und Aegypten je eine, in Afrika nur
eine — III Augusta, in Spanien nur eine — VII Gemina. Lambesa in
Numidien, nicht weit von den Grenzen von Numidien, war Standort
dieser Legion. — Im ersten und im zweiten christlichen Jahrhundert
stand nur diese eine Legion in Afrika. Wenn also Tertullian in Cajv
thago sagte: der Präses der Legion, und der Präses von Mauritanien,
so wusste jedermann, dass die in Afrika stehende Legion gemeint s^ ^).
') Etymolog. 14 , 4.
') Ruinart l. c. — 31.
*) Ruinari, p. 343. s. unten Buch 4, Kap. 1.
*) Wesseling Iti'nerar. Ant. p, 397. — Vix induci poBsumy ut credamy TertuÜianum — per
Legionemy nullo addito titulo positamy VlI in Gaüaecia voluisse inteUigerB^ prc^uertim
cum in Afiica legio non dMusetf guae a Uctorihua accipi poaset, Nam Lamhuae in
A/rica Legio III Augtuta tendebat (Ptol, 4, 3. — Dio Cctss, 65). Eqvidem praesidem
legionia ejus praefectum, et legionis guidem in Africa militantiSf a Tertulüano designa-
tujHf quanquam titulo paulo insolitiore, putavero(im), — We8selin§^ hat wohl Recht,
nur war der Titel Braeses — am Ende des zweiten Jahrhunderts nicht mehr
ungewöhnlich für jeden Civil- und Militäroberbeamten. — Jeder ChÄf einer
Behörde heisst prcieses — also praeses legumißf praeaes provineiae — s. JuritAnii-.
justiniani frcigmenta , quae dicuntur Vaticana — recogn, ~- Mamnutn — 3<nmae 1861
— p, 117 — praeses provineiae — ebenso rector provineiae^ p, 103. -r- Schon Pli-
nius I. sagt 34,47: Praeses Galliae. Dio Cassiua, 55,23, — Becker - Marquardt
— 3(1), S. 301. — cf. 204.. Die Statthalter von vier spanischen Provinzen
(nach Constantin) hiessen Praesides.
») Becker -Marqoardt, 3 (2), S. 355 flg.
Drittes Kapitel.
Gyprian von Garthago, und die Kirche Spaniens in den Jahren
250 — 258.
§. 1. Der Brief Cyprian's an die Gemeinden von Astorga und
Leon, und von Emerita.
Oyprian, Cacilius, Primus, Polycarp, Nicomedes, Lucilian, Suc-
cessus, Sedatiis, Fortunatus, Januarius, Secundinus, Pomponius, Hono-
ratus, Victor, Aurelius, Satiud, Petras, ein anderer Januarius^ Satur-
niniis, ein anderer Aurelius, Yenantius, Quietus, Rogatian, Tenax,
Felix, Faustus, Quintus, ein anderer Satuminus, Lucius, Vincentius,
Libosus, Geminius, Marcellus, Jambus, Adelphius, Victoricus und Paulus
— an den Presbyter Felix, und an die Gemeinden, welche sich zu
Legio und Asturica befinden, ebenso an Lälius, den Diakon, und an
die Gemeinde, welche sich zu Emerita befindet, an die Brüder — Gruss
in dem Herrn.
1) Nachdem wir uns versammelt hatten, lasen wir, geliebteste Brü-
der, euere Briefe, welche ihr an uns durch unsere Mitbischöfe — Felix
und Sabinus in der Lauterkeit eueres Glaubens und euerer Gottesfurcht
gerichtet habet, worin ihr anzeiget, dass Basilides und Martialis, welche
sich durch die erlangte Bescheinigung ihres Gözendienstes befleckt, und
auf ihrem Gewissen die Schuld namenloser Verbrechen haben, — das
bischöfliche Amt zu führen, und das Priesterthmn Gottes zu verwalten
nicht verdienen, und ihr verlanget, dass wir euch darüber schreiben,
und dass wir euere ebenso gerechte als nothwendige Bekümmemiss sei
es durch den Trost oder die Hilfe unserer Antwort erleichtem. — Aber
diesem euerem Verlangen kommen nicht so fast unsere Bathschläge , als
die göttlichen Vorschriften entgegen, in welchen schon längst durch
göttlichen Ausspruch befohlen, und durch Gottes Gesez vorgeschrieben
$. 1. Der Brief Cyprian^s an die Gemeinden von Astorga etc. 237
wird; wie beschaffen jene seyn sollen, welche dem Altare dienen, und
Gott das heilige Opfer darbringen. Denn im Buche Exodus ermahnt
Gott den Moses mit den Worten: Die Priester, welche zu Gott dem
Herrn hintreten, sollen geheiligt werden, damit Gott sie nicht etwa ver-
lasse (Ex. 19, 22). Und wieder: Wenn die Heiligen zum Dienste des
Altares hinzutreten, sollen sie kein Verbrechen auf sich haben, damit
sie nicht sterben (28, 43). Ebenso befiehlt der Herr im Buche Levitikus
und spricht: Der Mensch, an dem eine Befleckung ist und ein Fehler,
soll nicht hinzutreten, um Gott Gaben darzubringen (21, 17).
2) Da diess vorhergesagt, und uns bekannt ist, so müssen wir noth-
wendig den göttlichen Befehlen Folge leisten. Dabei kann die mensch-
liche Schwachheit keine Bücksicht auf die Person nehmen , oder jeman-
den etwas gewähren, wo das göttliche Gebot dazwischen tritt, und seine
Stimme erhebt. Wir dürfen auch nicht dessen yergessen, was Gott zu
den Juden durch den Propheten lesajas sprach ^ indem er sie tadelt und
seinen Unwillen verkündigt, dass sie mit Verachtung der göttlichen Vorr
Schriften — menschlichen Bestimmungen folgten. Dieses Volk, sagt er,
ehret mich mit seinen Lippen, sein Herz aber ist weit von mir. Ohne
Grund -ehren sie mich, indem sie Vorschriften und Anschauungen der
Menschen lehren (Is. 29, 13). — Dasselbe wiederholt der Herr im Evan-
gelium und sagt: Ihr zertretet das Gebot Gottes, damit ihr euere Sa-
zungen haltet (Marc. 7, 13). Indem wir dieses vor Augen haben, es
sorgfältig und gewissenhaft erwägen, müssen wir bei den Weihen der
Bischöfe nur unbefleckte und unbescholtene Vorsteher erwählen, welche
heilig und würdig Gott die Opfer darbringen, und deren Gebete also
auch erhört werden können, die sie für die Erhaltung der Heerde des
Herrn darbringen, da geschrieben steht: Gott erhört die Sünder nicht;
wenn aber jemand Gott ehret und seinen Willen thut, den erhöret er
(Joh. 9, 31). — Desswegen müssen solche mit grösster Sorgfalt, und
nach aufrichtiger Prüfung zu Priestern Gottes auserwählet werden, von
denen man weiss, dass sie erhört werden.
3) Auch möge sich das Volk nicht schmeicheln, als ob es frei von
der Befleckung des Vergehens seyn könnte, wenn es mit einem sün-
digen Hohenpriester Gemeinschaft hält, und wenn es au dem ungerechten
und unerlaubten Episcopate seines Vorgesezten seine Einwilligung giebt,
da ja die göttliche Wamungsstinmie drohend durch den Propheten Oseas
spricht: Ihre Opfer sind wie ein Brod der Trauer, alle, die sie essen^
werden verunreinigt (Os. 9, 4) , — womit Er lehrt und zeigt, dass über-
haupt alle von der Schuld gebunden sind, welche sich durch das Opfer
eines gemeinen und ungerechten Hohenpriesters befleckt haben. — : Wir
finden, dass dasselbe im Buche Numeri ausgesprochen werde, als-Chor^,
Dathan und Abiron gegen den Hohenpriester Aaron sich die Macht zu
opfern anmassten. ^ Auch dort hat Gott durch Moses befohlen, dass
sich das Volk von ihnen trenne, damit es nicht durch seine Verbindung
338 Drittes Bu€h. Drittes Kapitel.
mit den Viörbrechenx — desselben Verbrechens schuldig werde. Trennet
eufih, spricht er, von den Zelten dieser verhärteten Menschen, und be-
rühret das nicht, was ihnen angehört, damit ihr nicht zugleich mit ihren
Sünden zu Grunde gehet (Num. 16, 26). — Darum muss das Volk dem
Befehle Gottes gehorchen, Gott fürchten, und von den sündigen Vor-
gesezten sich trennen , es darf sich nicht dem Opfer eines sacrilegischen
Bischofs zugesellen, da es vor allem die Macht hat, entweder würdige
Bischöfe zu wählen , oder unwürdige zurückzuweisen.
iy Wir sehen auch , dass dem eine göttliche Auctoritat zu Grunde
liege, dass der Bischof in Gegenwart des Volkes vor den Augen aller
gewählt, dass er als würdig und tüchtig durch das allgemeine Urtheil
und Zeugniss erprobt werde, wie Gott dem Moses in dem Buche Nu-
meri mit den Worten befiehlt: Nimm den Aaron deinen Bruder, und
seinen Sohn Eleazar, und führe sie auf den Berg vor der ganzen Ver-
sammlung, und dem Aaron ziehe aus sein Gewand, und bekleide damit
Eleazar seinen Sohn, und Aaron wird daselbst zu seinen Vätern ver-
sammelt werden und sterben (Num. 20, 25). Gott befiehlt, dass die
Hohenpriester vor der ganzen Versammlung aufgestellt werden, das ist,
er ordnet an und zeigt, dass die Ordination der Bischöfe nicht anders,
als unter Mitwissen des gegenwärtigen Volkes geschehen solle, dass inoi
Angesichte des Volkes entweder die Verbrechen der Bösen aufgedeckt,
oder die Verdienste der Guten verkündigt werden, und damit eine Or-
dination gerecht und legitim sei, welche durch die Stimmen und das
Urtheil aller ist geprüft worden. — Diess wird auch nacher — ent-
sprechend den göttlichen Vorschriften — in der Apostelgeschichte beob-
achtet, da Petrus über die Einsezung eines Apostels an die Stelle des
Judas spricht : Es stand Petrus — heisst es — in der Mitte der Jünger
auf, es war aber die Schaar (der 120) beisammen (Ap. G. 1, 15). — Man
beobachte, dass die Apostel dieses nicht bloss bei den Ordinationen
der Bischöfe und Priester, sondern auch der Diakone beobachtet haben,
worüber gerade in ihrer Geschichte steht: Die Zwölfe riefen die ganze
Menge der Jünger zusammen , und sie sprachen zu ihnen ( Ap. G. 6, 2).
— Diess wurde gewiss darum so sorgfältig und vorsichtig nach der
Berufung des ganzen Volkes vollzogen, damit keine Unwürdigen zum
Dienste des Altars, oder zu der priesterlichöi Würde sich heranschleichen.
— Denn, dass zuweilen Unwürdige, nicht nach dem Willen Gottes,
sondern menschlicher Anmassung gewäJbdt, und dass solches Gott miss-
fällig sei, was nicht in einer vorschriftmässigen und gerechten Wahl
seinen Grund hat, das erklärt Gott, wenn er durch den Propheten Oseas
sagt: Sie haben sich selbst einen König gesezt, aber nicht durch mich
(Os. 8, 4).
5) Darum muss gemäss der göttlichen L^e und der apostolischen
Uebung sorgfältig das beobachtet und festgehalten werden, was auch
bei uns und ÜAst in allen Provinzen beobachtet wird, dass zur richtigen
$. 1. Der Brief Cyprian^s an die GemeiBden von Astorga etc. 299
Abhaltung der Ordination bei derjenigen Gemeinde, für welche ein Vor-
steher ordinirt wird, die nächsten Bischöfe derselben Provinz zusammen-
konmien , imd dass der Bischof in Gegenwart des Volkes erwählt werde,
welches das Leben eines jeden am genauesten kenne, und das Thun
und Lassen jedes aus dem Umgange mit demselben durchschaut habe.
Wir sehen, dass dieses auch bei euch geschehen sei, bei der Ordination
unsers Amtsgenossen Sabinus, dass nach dem Gutachten aller Brüder,
und nach dem Gutachten der Bischöfe , die an Ort und Stelle gekommen,
und derjenigen, welche über ihn an euch geschrieben hatten, das Bis-
thum ihm übertragen — und ihm — an die Stelle des Basilides — die
Hände aufgelegt wurden. Eine mit Recht vollbrachte Ordination kann
es nicht mehr aufheben, dass Basilides, nach Entdeckung seiner Ver^
brechen, und — nachdem sein Schuldbewusstseyn noch durch dos eigene
Bekenntniss offenbar geworden, nach Rom gieng, und unsern so weit
entfernten Amtsgenossen Stephanus, welchem die Thatsachen und der
Thatbestand nicht bekannt war, täuschte, so dass er es dahin . brachte
(ut exambiretjf dass er mit Unrecht in sein Bisäium wieder eingesezt
wurde, dessen er mit Recht entsezt worden war. Diess ist so gewiss,
dass des Basilides Verbrechen nicht so fast au%ehoben, als vermehrt
sind, so dass zu seinen £rühern Sünden auch noch das Verbrechen der
Arglist und der Täuschung hinzugekommen. — Denn deijenige ist nicht
so fast zu beschuldigen, welcher — sich gehen lassend *~ getäuscht
wmrde, als jener zu verwünschen ist, welcher als Betrüger getäuscht
hat. — Wenn aber Basilides Menschen getäuscht hat, so kann er Gott
nicht täuschen, da geschrieben steht: Gott lässt seiner nicht spotten
(GaL 6, 7). Aber auch dem Martialis kann, die Falschheit nicht von
Nuzen seyn, dass auch er, von schweren Verbrechen belastet, das bischöf*-
lidie Amt nicht behalten darf, da auch der Apostel mahnt (Tit. 1,7):
Ein Bischof muss untadelfaaft seyn als Verwalter Gottes.
6) Da demnach nach eu^em Schreiben, geliebteste Brüder, und
wie unsere Amtsgenossen Felix und Sabinus versichern, und wie ein
anderer Felix von Saragossa, ein Anhänger des Glaubens und Verthei-
diger der Wahrheit, in seinem Briefe anzeigt, Basilides und Martialis
— durch das fluchwürdige Zeugniss des Gözendienstes befleckt sind,
Basilides zudem noch, neben der Mackel des Libell's, als er an einer
Krankheit damiederlag, Gott gelästert und seine Lästerung eingestan-
den hat, da er, von seinem bösen Gewissen verfolgt, freiwillig das
Bisthum niedergelegt und sich zur Uebemahme der Kirchenbusse ango^
schickt hat, indem er Gott um Gnade bat, und sich noch Glück wünschte^
wenn er wenigstens in der Kirchengemeinschaft der Laien stände, Mar-
tialis sodann ausser der Theilnahme an den schändlichen und schmal-
zigen Gastmalen der Heiden, an denen er in einer (heidnischen) Ge^
nossenschaft lange Theil nahm, und seine Söhne in demselben CoUe-
gium — nach der Sitte der fremden Völker — bei ausserkirchlidnen
240 Drittes Bach. Drittes Kapitel.
Grilbem aussezen, und zwischen Heiden begraben liess, da er auch
nach einer öffentlich gepflogenen Verhandlung vor dem Procurator Duce-
narius eingestanden hat, dass er sich dem Gözendienste unterworfen^
und Christus yerleugnet habe, und noch andere viele und schwere Ver-
brechen Torliegen, von denen Basilides und Martialis beschwert sind,
so massen solche vergebens sich das bischöfliche Amt an , da es am
Tage liegt y dass derlei Menschen weder der Kirche Gottes vorstehen,
noch Gott Opfer darbringen können: vorzüglich da schon längst , in
Vereinigung mit uns und überhaupt mit allen in der ganzen Welt ein-
gesezten Bischöfen auch unser Amtsgenosse Cornelius , ein friedliebender
und gerechter Hoherpriester, der auch die Gnade des Martjrthums von
Gott erlangt; verordnet hat, dass solche Menschen zwar zur Uebemahme
der Busse zugelassen , von der Ordination unter den Clerus aber und
der bischöflichen Würde ausgeschlossen seien.
7) Das soll euch auch nicht beunruhigen , geliebteste Brüder, wenn
bei einigen in den lezten Zeiten entweder der schwache Glaube wankt,
oder die mangelnde Furcht Gottes schwankt, oder die friedliche Ein-
tracht nicht besteht. — Es ist vorher verkündigt, dass dieses am Ende
der Welt eintreffen werde, es ist durch den Ausspruch des Herrn, und
die Betheuerung der Apostel vorausgesagt, dass, wenn die Welt schon
untergehen, und der Widerchrist sich nähern werde, alles Gute nach-
lassen, das Böse aber und das Widrige zunehmen werde.
8) Doch ist, ob auch in diesen lezten Zeiten, in der Kirche Gottes
die Ejrafk des Evangeliums noch nicht so gesunken , die Stärke der christ-
lichen Tugend oder des Glaubens noch nicht so erlahmt, dass nicht
eine Anzahl Bischöfe übrig wäre, die keineswegs bei diesem Sturze der
Dinge, bei diesen Schiffbrüchen des Glaubens erliegen, welche vielmehr
stark und standhaft die Ehre der göttlichen Majestät und der bischöf-
lichen Würde — mit voller Beobachtung der Ehrfurcht bewahren. Wir
sind dessen eingedenk und halten es fest, ogleich die übrigen erlagen
und nachgaben, dass Mathatias (LMacc. 2, 19, 20) das Gesez Gottes tapfer
vertheidigt habe, dass Elias (UI. Kön. 19, 10), als die Juden abfielen, und
die Religion Gottes verliessen, au&echt gestanden , und unerschüttert ge-
stritten habe ; dass Daniel (6, 10, 21 — 22) weder durch die Verbannung
in ein fremdes Land, noch die Bedrängniss einer beständigen Verfolgung
eingeschüchtert — oft und muthvoU rühmliche Bekenntnisse abgelegt,
dass ebenso die drei Knaben, weder durch ihre Jugend noch durch
Drohungen eingeschüchtert, den Flammen Babylons standhaft entgegen-
gehend, in ihrer eigenen Gefangenschaft den siegreichen König besiegt
haben. Es möge die Zahl der Abgefallenen oder der Verräther , welche
jezt in der Kirche gegen die Kirche sich zu erheben, und ebenso den
Glauben, wie die Wahrheit zu erschüttern begonnen haben, zusehen.
Es bleibt doch noch sehr vielen der aufrichtige Sinn, und die unge-
heuchelte Frömmigkeit, und das nur seinem Herrn und Gott ergebene
$. 1. Der Brief Cyprian^s an die Gemeinden von Astorga etc. 241
Gemüth; fremde Treulosigkeit legt den christlichen Glauben noch nicht
in Trümmer, sondern erweckt ihn vielmehr, und. erhebt ihn zur Glorie,
wie der selige Apostel Paulus ermahnt und spricht (Rom. 3, 3 — 4): Wie
aber, wenn einige von ihnen vom Glauben abgefallen sind, hat dann ihre
Untreue die Treue Gottes zu nichte gemacht? Das sei ferne. — Denn
Gott ist wahrhaft, jeder Mensch aber ist ein Lügner. Wenn jeder Mensch
ein Lügner ist, und Gott allein wahrhaftig, was müssen wir Diener
Gottes, und besonders wir Priester anderes thun, als dass wir die mensch-
lichen Irrthümer und Lügen verlassen, und, iadem wir die göttlichen
Gebote bewahren, in der Wahrheit Gottes verharren?
9) Obgleich (iaher eiQige von unsern Ämtsgenossen sich gefunden
haben, geliebteste Brüder, — welche meinen, dass man die göttliche
Disziplin vernachlässigen dürfe, und welche keck mit Martialis und Ba-
silides Gemeinschaft halten , so darf doch eine solche Erscheinung unsern
Glauben nicht verwirren, da der heilige Geist bei dem Psalmisten solchen
mit den Worten droht (Ps. 29, 17 — 18): Du aber hasstest die Zucht,
und hast meine Worte hinter dich geworfen. Wenn du einen Dieb
sähest, so liefest du mit ihm, und mit den Ehebrechern hattest du Ge-
meinschaft. Er zeigt, dass diejenigen theilhaft und mitschuldig fremder
Fehler werden, welche mit den Fehlenden sich verbunden haben. Das-
selbe sagt der Apostel Paulus: Ohrenbläser, Ehrabschneider, Gottes-
verächter, Lästerer, Uebermüthige , Prahler, Erfinder von Schlechtig-
keiten, welche, obgleich sie das Gericht Gottes erkannten, doch nicht
einsehen 9 dass nicht bloss diejenigen des Todes schuldig sind, welche
solches vollbringen, sondern auch jene, welche ihnen beistimmen (Rom.
1, 30 — 32). — Er spricht es aus, und beweist, dass des Todes würdig
seien, imd der Strafe nicht bloss die anheimfallen, welche Uebles thun,
sondern auch die Beistimmenden, welche, während sie Bösen, Sün-
dern und ünbussfertigen in unerlaubter Gemeinschaft sich zugesellen,
durch die Sünden der Schuldigen befleckt werden, und während sie in
der Schuld sich mit ihnen verbinden, auch in der Strafe von ihnen
nicht getrennt werden. — Darum loben wir zugleich und billigen die
gewissenhafte Sorgfalt eueres wahren Glaubens, geliebteste Brüder, und
soweit wir es vermögen, ermahnen wir euch durch imsere Briefe, dass
ihr mit profanen und besudelten Bischöfen euch nicht in eine sacrilegische
Gemeinschaft einlasset, sondern dass ihr die ganze und aufrichtige Festig-
keit eueres Glaubens in frommer Furcht bewahret. — Ich wünsche,
geliebteste Brüder, dass es euch inuner wohl ergehen möge.
Gamiy «pan. Kirche. 16
242 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
§, 2. Folgerungen aus diesem Briefe für die damalige Lage
und Ausbreitung der Kirche in Spanien.
Es wird von allen Seiten zugestanden, dass zuerst im südlichen
Spanien ckristliche Gemeinden und Bisthtimer entstanden sind ^). — Jezt
finden wir aber im Westen und Nordwesten von Spanien Bischöfe, einen
Bischof wenigstens für Astorga und Leon , einen Bischof für Saragossa,
einen Bischof von Merida. Dass es einen Bischof von Tarragona um
diese Zeit gegeben, wissen wir aus einer andern Quelle. Um so zahl-
reicher, dürfen wir schliessen, werden in dieser Zeit die Bisthümer in
Südspanien gewesen seyn. Denn noch zwei Klassen von Bischöfen wer-
den in dem Briefe des Cyprian angeführt, einmal die Bischöfe, welche
den Sabinus schriftlich empfahlen, und welche zu seiner Ordination
gegenwärtig waren, sodann die Bischöfe, welche mit dem von Papst
Stephan wieder eingesezten Basilides und mit Martialis Kirchengemein-
schaft hielten. Wo diese Bischöfe ihre Size hatten, wird nicht gesagt;
die Vermuthung aber spricht für den Süden von Spanien.
Baronius — zum J. 258 — nennt den Basilides Bischof von Leon,
den Martialis Bischof von Astorga. Ebenso wird in der Conciliensanam-
lung von Labb^-Coleti — das Concil von Carthago in das J, 258 ge-
sezt, und die beiden Bischöfe Leon und Astorga zugetheilt ^), Ihnen
ist in neuerer Zeit der Anglikaner Routh gefolgt^). — An sie hat sich
ferner Ellies Dupin angeschlossen *). Nebstdem hat Dupin Verschiedenes
in dön Brief des Cyprian's hineingelegt, was andere nicht darin finden.
Nach ihm giengen beide abgesezte Bischöfe nach Rom, nur — damit
Papst Stephan sie zu seiner Gemeinschaft zulasse, während doch Cyprian
nur von Basilides sagt, dass er dorthin gegangen; und sie hätten ge-
meint, diess (die Zulassung zur Communio des Papstes) könne viel zu
ihrer Wiedereinsezung beitragen, während doch Cyprian bestinmat sagt,
Basilides habe bei dem Papste Wiedereinsezung in sein Amt sich er-
schleichen wollen*). — Es mag seyn, dass dem Gallikaner El. Dupin
— eine so directe Anerkennung des römischen Primates von einem
Spanier nicht mundgerecht war, wesswegen er die Sache abschwächt.
— Fälschlich sagt Dupin weiter, dass der Clerus und das Volk von
Spanien an Cyprian geschrieben, während. doch nur drei Briefe oder
*) Lembke, Geschichte von Spanien, 1831, 1,128.
•) ColiecUo regia conc, — ed, Coletif Venetüt 1728, t, i, 765.
*) Routh, reliquiae sacrae — t 1, p, 77 und 122,
*) Dupin, nouveUe bibliotheque des auteurs eccUsuuiiques — t 1, Utrecht 1731 —
p. 163 — 164 (S. Cyprien) — Baailide et Martial, Pun ^vSque de Leon, et VcaOre,
d^ÄMtorgue. — Ebenso Fleury, Hist, ecclet. L 7. nr, 23,
*) Ut examhvret repom se injuste in epiecopaium.
$. 2. Folgerungen aus diesem Briefe ftir die damalige Lage etc. 243
Schreiben erwähnt werden — der Brief der Gemeinden Astorga und
Leon, sowie der Brief der Gemeinde Merida, und der besondere Brief
des Felix von Saragossa. Femer sagt Dupin, Cyprian schrieb an Clerus
und Volk von Leon und Astorga, statt zu sagen, an die Gemeinden
von Leon, Astorga und Merida. Der genauere Tillemont hat den von
Baronius begangenen, und auf andere übergegangenen Irrthum be*
richtigt ')•
Es waren zwei Bischöfe, Basilides und Martial, von welchen der
eine Bischof von Leon und Astorga war, „denn es scheint, dass diese
nur eine Kirche waren^, und der andere von Merida. Sabinus wurde
gesezt an die Stelle des Basilides, Felix an die des Martial. Sabinus
wurde gewählt durch das Volk und die Bischöfe, welche selbst darüber
an das Volk geschrieben hatten. Basilides aber gieng nach Rom, sei
es, um sich von dem Papste wieder einsezen zu lassen, wie die Aus-
drücke des Cyprian anzunehmen einigen Anlass geben ^), sei es bloss,
um als Bischof zu der Gemeinschaft des Papstes z^gelassen zu werden.
Cyprian sage nicht ausdrücklich, dass Martial ebenso gethan; doch schdne
er es anzudeuten , so er sage , dass seine Tücke ^) — seine Unfähigkeit,
Bischof zu seyn, nicht aufheben könne. — Tillemont sezt das Concil
in das J. 254, und nennt es ein Concil von achtundzwanzig Bischöfen,
da es vielmehr mit „Cyprian siebenunddreissig sind*'. Durch „eine noth-
wendige Folge^ sei die Wahl von Sabin und Felix „ratifidrt*' worden.
Treffend aber bemerkt Tillemont — zu der Adresse an den Diakon
Lälius von Merida, „dass dieser umstand zu sagen zwinge, dass damals
kein Priester^ in Merida war. — Noch die Synode von Elvira zeigt,
— c. 77 — dass es nur von Diakonen regierte Gemeinden in Spanien
gab. Ebenso passend ist die Hinweisung auf die Worte des Gregor von
Nazianz^), dass Cyprian, wie auch aus dieser spanischen Gesandtschaft
an ihn sich ergebe, nicht bloss der Kirche in Afrika vorstand, oder
der von Carthago, die sein Name so berühmt gemächt, sondern dem
ganzen Abendland , ja fast allen Nationen des Orients , des Nordens und
des Südens^ welche voll der Bewunderung seiner Tugend waren.
Remy Ceillier*), der in der Regel in den Fussstapfen Tillemont's
gewandelt, hält den Basilides für den Bischof von Leon und Astorga,
den Martial von Merida (ohne Beweis). Nebstdem enthält seine Analyse
*) TUlemontf M^oires paur servir etc, t4 — (Paris 1696) — />. iS3 — 35 — Ä Cy-
prien — article 40, — BasiUde et Martial surprennent U pape Etienne; €t $&nt en-
suite condamnez par le condU d^Äfirique,
*) Donnent quelque Heu de U crovr.
') FaUada,
*) Gregor. Naz, orat 18 (24),
*) Rer/ttf Ceiüiet, histoire gin&ak des auieurs saerib et eceUiiastiquee •— t 3 (1732)
p, 283 -^84. — p, 593 -^95. — (Neueste Ausgabe) t 2 (Parti 1858), p.265;
p. 562 ^ 64.
16'
244 Drittes Bach. Drittes Kapitel.
des Briefes von Cyprian wiederholte Ungenauigkeiten ; z. B. dass Felix
von Saragossa wegen seines Eifers in Afrika bekannt gewesen, sowie
Cyprian erkenne an, dass die beiden Neuwahlen nach der Regel ge-
schahen seien, was er ja nur von der Wahl des Martial sagt.
Der Benedictina: Gottfi*. Lumper sezt das Concil von Carthago auch
in das J. 254. Basilides war nach ihm Bischof von Leon, Martial von
Merida. Mit Unrecht sagt er, dass „die Bischöfe Spaniens durch ihre
Gesandten Felix und Sabinus den Cyprian um Rath gefragt, was mit
den zwei andern anzufangen sei^ ^).
Der Kardinal Aguirre^), ein Spanier (f 1699), hat seiner Ausgabe
der Concilien Spaniens eine eigene Abhandlung über die Sache der bei-
den abgesezten Bischöfe einverleibt, worin er schon in der Aufisichrift
Basilides Bischof von Leon, Martialis von Astorga nennt, und überhaupt
die Frage mehr verwirrt, als entwirrt. Ich führe nur ein Beispiel an.
Es werden, sagt Aguirre, im Briefe des Cyprian nur zwei Felix er-
wähnt; der Felix, welcher den Brief geschrieben , und der Felix, der
ihn mit Sabinus überbracht, Bischof von Leon oder Astorga. — Und
doch hat deutlich Cyprian einen dritten Felix genannt, den von Sara-
gossa; aber — meint Aguirre, dieser dritte sei eben der Priester Felix,
dem Cyprian schreibt. Darin hätten sich Baronius, der Spanier Morales^)
und viele andere geirrt, dass sie den dritten Felix als Bischof von Sara-
gossa angesehen — ^weil sie den Brief des Cyprian nicht genau genug
gelesen'^.
Die übrigen Lrrthümer übergehe ich. Nur als Curiosum bemerke
ich es, weil Aguirre selbst es bemerkenswerth gefunden, dass, während
er diese Abhandlung über Basilides und Martial zu Salamanca schrieb,
er den 18. September 1686 von Rom die Nachricht seiner Erhebung
zum Kardinalate erhielt^). — Der Purpur aber hat ihn nicht irrthums-
los gemacht.
Florez hatte Grund genug, den Thatbestand näher, als die Vorgänger,
zu untersuchen*). — Die Ueberschrift des Briefes laute: an den Prie-
ster Felix, und an die ,,vecino8^^ — (Nachbarn oder auch Einwohner),
d. h. an die beiden Gemeinden von Leon und Astorga. Hier sehen wir
-^ Merida an zweiter Stelle. — Leon und Astorga bildeten aber eine
*) Lumpeff Historia theologica critica de vüa, scriptis atque doctrina SS, P, — t. ii.
— Augsburg 1795, p. 344 — 45.
') Aguirre, Saenz de, Collectio maxima conciliorum Hispaniae et novi orbi*. Romae
1693 — P4 — ^vol — Romae 1753 — 6 vol c, Jos, Caialom — ich citire nach
beiden Ausgaben — ed. 1 — t. 1, p. 203 - 212, DinertaHo XIV — ds cmua Bon-
Udis Legionensts et MartiaUs ÄMturicensis ad annum drciter 257,
*) Moralet Antiq, 19, 45,
*) Er hat gegen die gallicanische Kirche Ludwig's XIV. und seiner Helfershelfer,
und über die Theologia s, ÄMehni geschrieben.
^) Egpanna sctgrada, 13, tr, 41, cp, 8 (p. 133 sq.), — beim Bisthume Meri4a.
$. 2. Folgerungen aus diesem Briefe für die damalige Lage etc. 245
Kirche. Hätten beide Kirchen zwei Bischöfe gehabt, so hätte jede Kirche
für sich schreiben müssen. — Aber woher weiss Florez, dass sie es
nicht thaten? — Mit vollem Rechte aber hält er daran fest, dass der
eine der Bischöfe von Leon und Astorga, der andere es von Merida
gewesen. — Die Anweisung der Bischöfe, des Basilides auf Leon, des
Martial auf Merida, geschehe in Kraft der Ordnung, in welcher Cyprian
die Städte, und die abgesezten Bischöfe nenne. Da Cyprian den Basi-
lides stets als den ersten nenne, den Martial als zweiten, so sage man
mit Grund, dass lezterer Bischof von Merida gewesen. — In Rom habe
Basilides dem Papste vorgelogen, dass ein anderer Bischof an seine Stelle
sich eingedrängt. Da man in Spanien stets grosse Ehrfiirdit vor dem
Stuhle Petri gehabt, so haben sich einige Bischöfe auf die Seite der
Abgesezten gestellt (und es ist zweifelhaft, ob sie dadurch Unrecht gethan).
An Cyprian nun, der wie die Sonne unter den Sternen war, wurden
die beiden Neugewählten selbst gesendet, „damit sie mündlich und aus-
führlich den ganzen Verlauf berichteten*' *). Cyprian vereinigte sechs-
nnddreisig Bischöfe um sich. Es ist sehr glaublich, dass mit der Ant-
wort der Afrikaner sich die ganze Unruhe gelegt. „Indess sorgten die
Gemeinden sicher dafür, dem Papste Stephanus die von Basilides ihm
verhehlte Wahrheit initzutheilen , und gewiss wird er darauf sicher den-
selben Ausspruch gethan haben, wie die Kirche von Afrika ihn gethan,
— die sich bei demselben ja auf einen Beschluss des Papstes Cornelius
stüzte. — So werden wohl Martial und Basilides ihres Bisthumes ent-
sezt geblieben seyn.
Diese Erklärung des Florez sticht wohlthuend ab von allen frühem,
— und wir können ihr in den meisten Punkten beitreten. Was man
nicht wissen kann , das will er nicht wissen , und was man wissen kann,
leitet er natürlich aus den Worten Cyprian's ab. — Auch trete ich
seiner weitem Meinung bei, es sei „wahrscheinlich, dass Sabinus imd
Felix von Carthago sich nach Rom einschifiBten , um dem Papste über
den Hergang bestinmiten Bericht zu erstatten*^ *).
Völlig aber weicht meine Ansicht ab *) von der des Florez in der
Frage über die Bisthümer, welchen die vier genannten Männer vor-
gestanden.
Auch die BoUandisten halten den Basilides für den Bischof von
Leon und Astorga^). Von Basilides sei es gewiss, dass er nach Rom
') jfPara que estos informassen de palabra y pw extenso de todo lo que passaba^ —
Florez, 13, 138. ^
') Den Brief Cyprian's sezt in das J. 254 noch Job. Fell; Tülemont die Abseznng
252 ein Jahr vor dem Poiitiilcate Stephanus, in das J. 254 die Reise des Basi-
lides nnd die Antwort des Cyprian.
») Florez, 13, 140 (»Felix«).
^ Acta Sanct, 1 1 AuguBÜ, p, ti4^i6,
246 Drittes Buch» Drittes Kapitel,
gegangen y von Martial sei es wahrscheinlich. — Sie nehmen den Papst
Stephan in Schuz gegen die Beschuldigungen Cyprian's. Vielleicht, dass
diesem selbst etwas Menschliches begegnet sei , was in diesem Briefe des-
selben gesagt sei, das habe man gesagt und beschlossen, ohne den an-
dern Theil (den Papst) zu hören, d. i. ^^bloss nach dem Berichte der
Gesandten, welche die an die Stelle der abgesezten eingesezten Bischöfe
waren. Konnten aber diese in ihrer eigenen Sache geeignete Zeugen
seyn? Konnten sie nicht den Cyprian ebenso leicht täuschen, wie Ba-
siÜdes den Stephan? War denn Rom von den Gegenden, wo dieses
vorgegangen, umsoviel weiter entfernt, als Carthago*), dass der Betrug
nach Born dringen, nach Carthago aber nicht dringen konnte? Oder
war denn ein so häufiger Verkehr zwischen den Carthaginensem und
Spaniern, die durch kein Band der kirchlichen Jurisdiction verknüpft
waren; war eine so seltene Verbindung der Spanier mit Rom, welches
das politische und das kirchliche Haupt von Spanien war, so dass, was
in Spanien geschah, nicht viel besser Stephanus zu Rom wissen und
prüfen konnte, als Cyprian in Carthago*^?
§. 3. Das Bisthum des Basilides und Sabinus einerseits, des
Martial und Felix anderseits.
Seit Tillemont ist es ziemUch allgemeine Annahme, dass Basilides
Bischof von Leon und Astorga, Martial von Emerita war. , Deutlich
geben Florez und Risco den Grund dieser Annahme an. Cyprian sagt
es nirgends. Aber Cyprian nennt Leon und Astorga vor Emerita, er
nennt den BasUides vor Martial, also war jener Bischof von Leon imd
Astorga^), Einen andern Beweis hat weder Florez noch ein anderer
für ihre Annahme geführt.
Diess ist offenbar kein Argument ; und es ist wohl keine Anmassung,
gegen den einstimmigen Consens der vorangegangenen Schriftsteller ein
Separatvotimi abzugeben , auch auf die Gefahr hin , dass ich Windmühlen
gegen Windmühlen in den Kampf führen sollte. — Warum nennt denn
Cyprian den Presbyter Felix von Leon zuerst? Die Antwort liegt nahe
— weil dieser eben ein Priester war; und den Diakon Lälius von Me-
rida nennt er nachher, weü dieser als Diakon auf der hierarchischen
Leiter eine Stufe niederer stand, als Felix. Hätte Cyprian in demselben
Briefe an einen Bischof geschrieben, so hätte er den Namen des Bischofes
zuerst, dann den des Priesters, hierauf den des Diakons, zulezt den der
Von Rom war es noch etwas näher, als von Carthago. Dazu kommt der be-
ständige Verkehr — zwischen Rom und Spanien.
*) Diess ist nicht einmal rhchtig; denn einmal sagt Cyprian: per Felicem et Sabinum
coSpücopos nostros; — Felix aber war unbestritten Nachfolger des Martialis; —
und wieder; ut FeUx et Sabinus coUeffoe nostri asseverant
J. 3. Das Bistham des Batilides ond Sabina« einerseits, etc. 247
Laiengemeinde gtoannt. — Den Basilides nennt Cyprian aber nicht
zuerst, weil er Bischof von Leon, sondern weil er der grössere , der
mehr hervortretende Mann war, der den Martial gleichsam nach sich
gezogen hatte. — Basilides war nach Rom gegangen, nicht Martial;
und die ganze Angelegenheit des Condls von Carthago hatte eben in
seln^ Reise nach Rom ihren Grund. Basilides als Urheber der Ver-
wirrung wird von Cyprian vorangestellt, weil er ^prapter potiarem m۟i^
tumtaUm^^ sich zu der „CaUudra Petri^ begeben hatte, zu welcher
»pt&pter potiortm principälitaUm^^ alle von allen Seiten zusammenkom-
men müssen.
Aus der Voranstellung seines Namens folgt nidht^ dass er Bischof
von Leon-Astorga, oder von Astorga-Leon war. Entweder muss man
es dahingestellt seyn lassen, ob er in Merida, oder in Astorga-Leon
Bischof war; oder wenn man sich für einen Siz entscheiden wül, muss
man sich nach andern Sttizen der Entscheidung umsehen. — Ich spreche
die Ansicht aus, dass Basilides und sein Nachfolger Sabinus Bischöfe
von Merida, dass Martial und Felix Bischöfe von Astorga waren.
Der Name Basilides kommt, mit Ausnahme des bekannten Kezers,
in dieser ersten Zeit der Kirche nirgends vor. Es ist ein acht heidni*
scher Name, und hat in der Kirche so zu sagen niemals das Bürger-
recht erlangt; wie denn auch Basilides von Merida ein ächter Heide
war. — Ein Bischof dieses Namens kommt später vor; er unterschrieb
auf dem Concil von Constantinopel im J. 381. — Ein anderer Basilides
war ein Heide, welcher als Nachrichter die heilige Potamiaena zur Hin-
richtung führen sollte. Den wilden abscheulichen Pöbel, der sie mn-
schwärmte , hielt er ab von ihr. Sie versprach ihm, dass sie nach ihrem
Tode für ihn beten werde *). Er aber — wurde Christ und Märtyrer.
Noch kommt bei Eusebius ein Basilides als Bischof von Pentapolis vor ^).
Der Name Sabinus kommt in den Concüien vierzehnmal vor, und
mit unserm Sabinus fünfzehnmal. Für das Morgenland sechsmal: 1) Sa-
binus von Ascalon — zu Nicäa 325. — 2) Sabinus zu Antibchien —
377. — 3) Sabinus zu Ephesus, 431. — 4 — 5) Sabinus zu Chalcedon,
451 — zweimal. — 6) Ein Diakon Sabinus zu Constantinopel, 531. —
Dreimal kommt der Name in It^en vor: 1) Sabinus, Diakon von Mai-
land, auf der römischen Synode von 369. — 2) Sabinus, Bischof von
Piacenza, auf der Synode zu Aquileja, 381 % — 3) Bischof Sabinus
von Canusium — zu Rom 531. — Einmal kommt ein afrikanischer Bi-
schof Sabinus vor, 411 auf dem Religionsgespräch zu Carthago, 416
auf der Synode zu Mileve. Zweimal kommt der Name in Gallien vor,
im J. 452 als Unterschrift eines Bischofs ; im J. 506 unterschreibt Sa-
binus, Bischof von Alby, auf der Synode von Agde.
*) Euseb. h, e. 6, 5, ^) Euseb. 7, 26.
Ambrosius schrieb mehrere Briefe an iho — B. Ceiüierf L 5, p, 4^-^97 (1860),
248 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
Nebstdem giebt es zwei Martyrbiseböfe dieses Namens, Sabinns,
Bischof von Spoleto, und Sabinus, ein persischer Bischof^).
Endlich kommen drei (vier) Spanier vor, welche diesen Namen
tragen. Von diesen drei Sabinus waren zwei bestimmt aus der Stadt
Sevilla. Sie sind der Bischof Sabinus zu Elvira — J. 306. Es ist dieses
wohl derselbe Sabinus, welcher in den Martyrakten der heiligen Justa
und Rufina Gabinius genannt wird. — löO Jahre spliter erscheint wieder
ein Bischof mit dem Namen Sabinus von Sevilla, welchen wir nicht aus
einer Unterschrift in Concilien, sondern aus dem Chronisten Idatius
kennen. Idatius sagt, dass Sabinus um das J. 441 durch eine Faction aus
seiner Stadt vertrieben, imd an seiner Stelle ein gewisser Epipbanius
eingesezt worden sei ^). Später berichtet derselbe Idatius , dass Sabinus
nach einer Verbannung von zwanzig Jahren, von Gallien in sein Bis-
thum zurückgekehrt sei ^). — Neben diesen beiden Sabinus nennen zwar
verschiedene Verzeichnisse noch andere Bischöfe von Sevilla;' von den-
selben ist aber sonst keiner durch geschichtliche Documente beglaubigt,
so dass wir vom J. 286 bis 461 eben nur die Namen dieser beiden Sa-
binus bestimmt kennen. Es wäre darum auch die Vermuthung nicht
gerade an sich unbegründet^), anzunehmen, dass während dieser ganzen
Zeit Bischöfe aus der Familie der Sabini in Sevilla gewesen.
Ein dritter Sabinus unterschreibt sich im J. 314 auf der ersten Sy-
node zu Arles als Presbyter „aus der bätischen Stadt*. Da sonst von
einer Stadt Bätis oder Bätica nichts bekannt ist, deren Name nur noch
einmal bei Strabo vorkommt, so neigt sich die Mehrzahl der Erklärer
zu der Annahme, dass darunter Sevilla zu verstehen sei.
Ein neues Gewicht erhält diese Ansicht durch die Erwägung, dass
der Name „Sabinus* in den ersten Jahrhunderten gleichsam ein Stanmi-
name der Bischöfe und hervorragenden Priester in Sevilla sei. — Dieser
Sabinus war wohl ein jüngerer Verwandter jenes Bischofs Sabinus, der
zu Elvira unterschrieben hat, — Ja, wenn das Martyrium der heiligen
Justa und Rufina in das J. 286 fällt, zwanzig Jahre vor die Synode
von Elvira, wie ich deren Zeitpunkt feststellen zu sollen glaube, so ist
von meiner Seite kein Hindemiss, anzunehmen, dass jener in den Akten
„Gabinius* genannte Bischof ein Vorgänger des Sabinus von Elvira war.
Der Sabinus, der Zahl nach der vierte, der Zeit nach der erste,
welcher in dem Briefe Cyprian's als Bischof erwähnt wird, war nach
*) Ruinart f a. m» p. 589, ed,' Manz.
^) Sahino eptscopo de HispaU /actione depulao, in locum ejus Epiphannu ordinatur ßraude^
non jurSf 441.
') Sabinus episcopus Hispalensis post annoa 20 y quam certaverat esqndius — de Gailüt
ad propriam rediit ecclesiam — chronicon parvum ~ bei Plorez, 4, 426. — Die Unter-
schrift eines gallischen Bischofs SabiniVB vom J. 452 kann demnach aach Sa-
binus IL von Sevilla seyn.
*) S. Buch 3,6 — 7.
J. 3. Das Bisthnm des Baailides and SabinnB einerseits, etc. 249
meiner Ansiebt Bischof , nicht von Leon-Astorga, sondern von Me-
rida. — Dieser Name hat unter den Bischöfen Spaniens nur^ eine
locale Verbreitung; er findet sich nur im Süden. — Um das J. 150
kommt ein reicher Grundbesizer von Sclaven in der Provinz Bätika vor,
in einem bekannten Edikte des Kaisers Antoninus Pius, ivelches ge-
wöhnlich als Beweis einer beginnenden mildem Behandlung der Sclaven
angeführt wird'). Es ist möglich, dass die begüterte Familie der Sa-
binus oder ein Zweig derselben zum Christenthume übertrat, imd dass
in derselben die bischöfliche Würde eine geraume Zeit erblich wurde.
— Es ist wahrscheinlich, dass imser Sabinus zur Zeit des Cyprian —
aus Sevilla stammte, und von Sevilla aus — Bischof der Stadt Emerita
wurde.
Von Emerita verbreitete sich das Christenthum nicht nach Sevilla,
sondern umgekehrt; da es von Acci und seiner Umgegend, von Elvira,
Illiturgis, Castulo ausgegangen — gieng es nach Westen, über Sevilla
vielleicht, Astigis und Corduba — nach Emerita. Es ist also auch viel
wahrscheinlicher, dass der Priester und nachmah'ge Bischof Sabinus —
von Sevilla nach Emerita gekommen. Cyprian rühmt die Regelmässig-
keit seiner Wahl; er ist gewählt worden durch die ganze Gemeinde —
(suffragio); — sodann durch das Gutachten (judicio) der Bischöfe, welche
zu diesem Zwecke persönlich nach Emerita gekommen waren'). Aber,
worauf stüzte sich die Abstimmung, das Sufiragium der Gemeinde? Es
ist wahrscheinlich, dass es sich auf das gute Zeugniss der Bischöfe stüzte,
welche nicht bloss zur Wahl zusammengekommen, sondern — welche
auch über diesen Sabinus Briefe an die Gemeinde geschrieben hatten *).
(Offenbar waren diese Briefe nur an die eine der Gemeinden gerichtet;
denn sie konnten nicht wohl zugleich an die von Leon-Astorga, und.
die von Merida geschrieben seyn, da ja nur eine Gemeinde den Sabinus
wählen konnte.) — Wozu bedurfte es Briefe über Sabinus, wenn dieser
der Gemeinde von Emerita persönlich bekannt, wenn er schon vorher
in dieser Gemeinde gewirkt hatte? Diese Empfehlungsbriefe „über*'
Sabinus haben aber einen Grund und Sinn, wenn Sabinus Priester in
Sevilla war, und etwa durch den Bischof von Sevilla, etwa mit Bei-
ziehung der Bischöfe von Cordoba, Astigi oder Egabra, der Gemeinde
von Merida empfohlen wurde.
Es ist schon bemerkt, dass die Adresse an den Diakon Lälius in
Merida — im Briefe Cyprian's den Schluss nahe legt, dass es um diese
Zeit gar keinen Priester in Merida gab; — und darum, wenn es sich
') Digest I, 6, 2, ex rescripto divi Pü ad AeUanum Mardanum, procontuUm Baeticae.
*) In praeaentia conuenerani
*) Quigue de eo tid vos UUercu fecerctnt
250 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
um die Wahl eines Bischofs handelte, musste man sich nm einen aus-
wärtigen Priester umsehen. Mit und nach dieser schriftlichen Empfehlung
kamen die Bischöfe selbst nach Merida, der von Sevilla; vieUeicht auch
der von Corduha, Afitigi, Castulo, Tucci oder Egabra. Drei Tagereisen
trennen Sevilla, Astigi und Cordova von Merida. — In ihrer Gegen-
wart und auf ihre Empfehlung hin wurde der Priester Sabinus zum
Bischöfe gewählt. Die Bischöfe hatten ihren „Rath^ gegeben; die Ge-
meinde gab ihre Zustimmung.
Dieses ist eine bestimmt verbürgte Thatsache, dass die Wahl des
Sabinus nach der kirchlichen Vorschrift und in der Gegenwart der Bi-
schöfe vor sich gieng. Nehmen wir nun aber an, Sabinus sei für Leon -
Astorga gewlfhlt worden , so liegt denn doch die Frage sehr nahe, welche
Bischöfe konnten denn nach Leon oder Astorga kommen? Die Spanier,
besonders Aguirre und Bisco, werden nicht müde, zu sagen, die be-
nachbarten Bischöfe seien nach Leon (oder Astorga) gekommen, und
Sabinus sei erwählt worden. Ich sehe mich weit und breit in der Nach-
barschaft von Leon und Astorga um, und ich finde nicht, dass es im
J. 250 — auf viele Tagereisen — einen Nachbarbischof von Leon oder
Astorga gegeben habe, welche beiden Städte selbst eine Tagereise von
einander entfernt sind. — Die Spanier, besonders Aguirre und Risco,
bezweifeln, dass Felix von Saragossa Bischof gewesen. — Dann war
der schon greise Bischof Fructuosus — der nächste — geschichtlich be-
glaubigte Nachbar. Er hatte nach Leon etwa zwölf, nach Astorga dreizehn
Tagereisen. — Von Emerita nach Astorga mochten es acht Tagereisen
seyn; — eilf in die oben genannten bätischen Bischofsstädte. — Gab
es vielleicht damals nähere Bischöfe bei Leon? Die Spanier zwar sind
gleich bei der Hand, und würden sagen, es habe Bischöfe in Lugos
und Braga (Bracara und Lucus Augusti) gegeben. — Aber den Beweis
dafür bleiben sie schuldig. — Sie vermögen uns nicht zu widerlegen,
wenn wir die Ueberzeugung aussprechen, dass es um das J. 250 noch
keine Bischöfe in Toledo, Bracara und Lugos gegeben, und dass der
Bischof von Astorga -Leon damals noch der einzige Bischof im Nord-
westen von Spanien gewesen sei. Dieser aber hatte gar keine Nachbar-
bischöfe ; also konnten auch die benachbarten Bischöfe nicht zu der Wahl
eines neuen Bischofes zusammenkommen.
Wir wollen aber annehmen , es habe in Braga damals einen Bischof
gegeben. — Aber von Braga nach Astorga war es viel weiter, als von
Sevilla, Astigis oder Cordova nach Emerita. — Hier beträgt die Ent-
fernung — nach dem Reichswegweiser — 93 römische Miglien, = 23
spanische Leguas. — Zwischen Astorga und Braga führt der Reichs-
wegweiser nicht weniger als vier verschiedene Strassen an. Die erste
südöstlich laufende Strasse — hat 247 römische Miglien. Die Entfernung
auf der zweiten Strasse wird auf 207 Miglien, die Entfernung der dritten
$. 4. Die Bischöfe Martialis und Felix. 251
Strasse auf 212^), eine yierte — aber Zick- Zack -Strasse Ton Braga
nach Astorga vollends auf 302 Miglien angegeben.
Indem Cyprian über die Wahl des Felix schweigt^ ^mll er dadurch
ausdrücken, dass derselbe nicht nach der Regel, nicht so wie Sabinus,
gewählt worden. Er yerwirft darum seine Wahl nicht; er nennt den
Felix, wie den Sabinus — den Genossen seines Amtes, aber er billigt
die Wahl auch nicht. Vielleicht, dass in dem Schreiben des Priesters
Felix von Leon (Astorga), und dem Briefe des Felix von Saragossa
gerade dieser Erklärungsgrund hervorgehoben war, dass wegen der
weiten Entlegenheit des Bisthums Astorga -Leon, und wegen der noch
fortdauernden, oder doch drohenden Verfolgung damals nicht möglich
gewesen, dass Bischöfe in Astorga oder Leon zusammengekommen, und
dass so Felix nicht durch die Gemeinde und die Bischöfe gewählt wor-
den sei. — Eine solche Entschuldigung war im höchsten Grade wahr
und giltig. Es war kaimi möglich, dass aus so weiter Ferne, da noch
keine kirchliche Hierarchie geordnet war in Spanien, da nirgends die
Spur eines Metropolitanverbandes sich zeigt, zwei oder drei Bischöfe
sich in Astorga oder Leon vereinigt hätten. — Es ist möglich, dass
sie dort keinen, oder keinen tauglichen Priester für die Stelle eines Bi-
schofs hatten , und dass er ihn^i von Saragossa oder einer andern Stadt
gesendet werden musste.
Drei Gründe demnach bestimmen mich, den Basilides und seinen
Nachfolger Sabinus für Bischöfe von Merida zu halten, der Name Sa-
binus, der besonders in Sevilla heimisch ist, die Anwesenheit der Bi-
schöfe bei der Wahl des Sabinus, welche Gegenwart in Merida leicht,
in Astorga oder Leon aber sehr schwer war; drittens die vorausgegangene
schriftliche Empfehlung des Sabinus durch die zu seiner Wahl versam-
melten Bischöfe.
§. 4. Die Bischöfe Martialis und Felix.
Wenn Sabinus Bischof von Merida wurde, so ergiebt sich von selbst,
dass Felix Bischof von Leon -Astorga wurde. Der Name Felix ist zu
allgemein und zu verbreitet, als dass aus dem Vorkommen desselben
sich ähnliche Folgerungen ziehen Hessen, wie aus dem des Sabinus.
Sieben Felix kommen vor unter den Bischöfen , die zu der Zeit Cyprian's
in Afrika erwähnt werden. Von den 466 Bischöfen, welche im J. 484
zu Oarthago versammelt waren, trugen sechsundzwanzig den Namen
Felix. Von den neunzehn — im J. 306 zu Elvira versammelten Bi-
schöfen trug einer den Namen Felix, und zwar der erste derselben,
Felix von Acci. — Der Name Felix kommt hundert und achtmal in
') Nach der Ausgabe des J. Äntonmi von WesseÜDg auf 212, nach der Ausgabe
von P(/rt% et Binder — BeroL 1848 — auf 215 Mi^Uen,
252 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
den Condlien vor, aber nur bis zum J. 877 , dann nur noch einmal
1179. Es giebt auch bei dem Auftauchen und Verschwinden der Eigen-
namen gewisse Geseze , aus denen sich für die Greschichte Entdeckungen
machen lassen, und die für die Aufhellung der vielen Räthsel der Ver-
gangenheit verwendet und verwerthet werden können. Wenn heute ein
Historiker eine Zeit oder ein Ereigniss behandelt, so findet er in der Regel
eine Wolke von Vorgängern auf demselben Felde beschäftigt. Aber sie
haben ihm in der Regel noch eine reichliche Nachlese übriggelassen,
und er würde einem eitlen Wahne fröhnen, dass er sofort — mit seiner
Nachlese — die reiche Ernte völlig eingethan, und dass seine Nach-
folger nur die Ergebnisse seiner Forschungen als Thatsachen einzu-
registriren hätten. — Andere, die nach mir kommen, werden prüfen,
ob ich, indem i(^h den Sabinus Bischof von Merida, den Felix Bischof
von Astorga nenne , damit ^einen glücklichen^ Wurf gethan habe.
Aus dem Namen Felix also, weil er soviel verbreitet ist, können
wir für Nordspanien nicht in derselben Weise argumentiren , wie mit
dem Namen Sabinus für Südspanien. — Doch ist es ebenso wahrschein-
lich, ja nqch wahrscheinlicher, dass das Christenthum sich in der Rich-
tung von Tarragona und Zaragoza nach Leon und Astorga verbreitet
habe , als von Sevilla nach Merida. Hier — im Süden — liegt die An-
nahme ebenso nahe, dass es sich von Castulo, Uliturgi, Tucci, Egabra,
Cordova und Astigi — gen Merida hin verbreitet habe, als von Sevilla
her. Aber im Norden gab es um diese Zeit kaum andere Heerde des
Christenthumes , als Tarragona und Zaragoza. Darum ist es auch keine
luftige Hypothese, anzunehmen, dass die drei in unserm Briefe ge-
nannten Felix von Saragossa ausgegangen seien. Auch unter den acht-
zehn Märtyrern von Zaragoza im J. 304 heisst einer Felix; und der
Märtyrer Felix von Gerona ist ohnedem bekannt.
Seltener als Felix, ist der Name Martialis. Doch war er im römi-
sclien Spanien ziemlich verbreitet, und zwar über das ganze Land von
Gades bis über den Ebro. Er findet sich also gleichmässig im Norden
wie im Süden, auch in der Mitte; denn Martial der Dichter stanmite
aus Bilbilis, das gegen die Mitte des Landes liegt. Von Christen, die
diesen Namen trugen, erinnere ich an den Märtyrer MartiaUs von Cor-
dova, der neben Januarius und Faustus für den Glauben starb. Diese
drei nennt Prudentius neben Acisclus und Zoelus die „drei Kronen^ von
Corduba. — Aber in demselben Hymnus ruft er seiner Stadt Zaragoza zu:
Auf, durch achtzehn Märtyrer Hochbeglückte!
— * Auf! und sing-e Preis dem Ratbe der Hohen,
Welche dir eignen!
Feiere den Spccessus, den Martialis,
In Gesängen erschalle der Tod des Urban ')•
') Aur, Brudent periit^hanon — b, 4, Ruinart p, 494 — 97,
J
$. 5. Felix voo Zaragoza. 253
Demnach kann Martialis ebenso von Zaragoza nach Astorga, als von
Cordova nach Merida gekommen seyn.
§. 5. Felix von Zaragoza.
Es ist die Frage, ob dieser Felix, welchen Cyprian einen Verehrer
des Glaubens, und einen Vertheidiger der Wahrheit nennt*), Bischof,
Priester oder Laie war. — Bei der Beantwortung dieser Frage ergiebt
sich die unglaubliche Thatsache, dass die nichtspanischen Schriftsteller
ihn in der Mehrzahl für einen Bischof halten, die Spanier dagegen (mit
Ausnahme von Morales , Murillo , Oarillo u. a.) für keinen Bischof. —
Baronius hält ihn für einen Bischof. Franz Bivar in seinen Commen-
taren zu Pseudo-Dexter, welcher Spanien eine Unzahl von Bischöfen,
Märtyrern und Heiligen andichtet, eifert mit aller Kraft gegen Felix
von Saragossa als Bischof. Natürlich! -Fr. Bivar (um 1624) athmet nur
in der Atmosphäre windiger Erfindungen leicht auf; wo solider l^istori-
scher Grund ist, nimmt er Anstoss, und fühlt sich abgestossen — von
der rauhen Wirklichkeit. Nach Bivar und seinem „Dexter*^ war Felix
vielmehr Priester von Vallata Urbicua , einer Stadt oder Station, welche
in dieser Zusammensezung bei keinem alten Schriftsteller, und in keiner
Inschrift vorkommt. „Es ist ein allzu grosses Unglück,^ sagt Baluzius,
„wenn ein Mensch allzu keck ist^).'' Den Kardinal Aguirre, und sein
oben erwähntes Missverständniss der Worte Cyprian's widerlegt ausführ-
lich Bisco, der Fortsezer des Florez. Die beiden leztem aber halten
den Felix nicht für einen Bischof. — Dagegen sind die französischen
Historiker — Dupin, Tillemont, Baluzius, R. Ceiilier u. a. überzeugt,
dass er Bischof war ^). Die entscheidenden Gründe aber , die für seine
bischöfliche Würde zeugen, haben sie nicht angeführt. Baluzius streift
an das Wahre an, aber erreicht es nicht ganz. Er bemerkt richtig, dasa
der Notar, welcher die Akten der Concilien niederschrieb, nirgends die
um Cyprian versammelten Bischöfe — so nannte. — Er schreibt ein-
fach: Cäcilius a BiUa, Primus a Misgirpa, Polycarpus ab Adrumeto. —
Und — war hinzuzufügen , bei den Ueberschriften des vorliegenden
Briefes (68) sind nicht einmal die Namen der Bisthümer hinzugefügt,
sondern — es stehen einfach die Namen — ohne Zusaz. Obgleich daher
Cyprian nur schreibe: Felix von Zaragoza , und nicht: „Felix, Bischof
von Zaragoza^, so beweise sein Stillschweigen nicht, dass Felix ^nicht
Bischof gewesen.
*) Utque „aUw^ FeUx de Caesaraufftuta , ßdei euUor, ac dtfenaar veritatUf UUms tuU
significat,
*) Babtzitu, annoUUiones ad epUt, 68 des Cyprian. ^
') Hefele, Concilien, I, 90. — »Zugleich unterstüzte sie der Bischof Felix von
Saragossa durch ein besonderes Schreiben.«
254 Drittes Bach. Drittes Kapitel.
Ich gehe einen Schritt weiter, und stelle die paradoxe Ansicht auf:
weil Cyprian den Felix nicht Bischof nennt , so war er Bischof. Wäre
er nicht Bischof gewesen, so hätte Cyprian seine Würde genannt, ent-
weder: Felix Presbyter, oder Felix Diakon, oder Felix ein religiöser
Mann aus dem Laienstande. Entscheidend ist das Wort des Cyprian:
aliua — ein anderer Felix, und der Zusammenbang, in welchem
dieses Wort: „cdius^ steht*). — Auf was bezieht sich alim? Es be-
zieht sich auf den voranstehenden Felix, und auf CoUega zugleich.
Es bedeutet: Wie ein anderer x\mtsgenosse Namens Felix von Sara-
gossa, — es bezeugt. Es gilt hier nicht: entweder, oder — wie Aguirre
und Bisco meinen, sondern — sowohl, als auch.
Um sich davon noch eindringlicher zu überzeugen, beachte man die
Ueberschrift des Briefes des heiligen Cyprian. — Hier werden sechs-
unddreissig Bischöfe der Reihe nach aufgezählt, vor keinem oder nach
keinem steht der Titel „Bischof*'. Sie werden auch nirgends im Ver-
laufe des Briefes Bischöfe genannt, dessen Context mit den Worten an-
fängt: „Als wir zusammengekommen waren, haben wir euere Briefe
gelesen. '^ — Dagegen finden wir veröden Namen von drei der versam-
melten Bischöfe die Bezeichnung: cUiiis — ein anderer: ein anderer
Januarius, ein anderer Aurelius, ein anderer Saturninus ^j. Woher diese
Bezeichnung? Weil schon andere Bischöfe mit demselben Namen vor-
ausgegangen waren.
Was kann also im Verlaufe unsers Briefes: aZiwa Felix — ein an-
derer Felix — anders heissen, als ein anderer Bischof Felix, ein zweiter
neben dem anwesenden Collegen Felix, welchen ihr zu uns gesendet
habt? — In dem Verzeichnisse der Bischöfe von Zaragoza, wie es auch
bei Madoz steht, findet sich Felix als Bischof aufgenommen^). — Ihm
voran stehen die Namen: 1) Jacobus der Aeltere, 2) Athanasius sein
Schüler, 3) Theodor, gleichfalls sein Schüler; 4) Epitectus oder Epi-
tacius. Dieser sei am 23. Mai des J. 105 Märtyrer geworden an den
Ufern des Ebro. — Von diesen fabelhaften Bischöfen bis auf unsem
Felix wissen die Spanier keine weitern Bischo&namen. Unser Felix ist
also der erste, dem Namen nach bekannte, Bischof von Zaragoza. Statt
ihn als Bischof zurückzuweisen, sollten die Spanier dankbar seyn, ihn
aufgefunden zu haben. — Die Annahme des Florez u. a. aber, dass
dieser Felix wegen seiner Verdienste um den Glauben in Afrika schon
bekannt gewesen sei^ ehe der „andere^ Felix und Sabinus mit ihren
') Ut Felix et Sabinus coüegae nottri cusevefant, utque aliua Felix de Caesartntgxtsta,
*) Alüie Jamuaius, aUus AureHut, aliu8 Satuminus, — Ebenso unierschreiben spa-
nische Bischöfe , z. B. im J. 10&8 bei der Einweihung^ der Kathedrale von Bar-
celona: Ego Guilkhnus q>i8copus Urgelensis, et ego aliu» Chäüehnus episoopus An-
sonenM, — de Marca, Marca BUpanica, p. 1113-^16,
*) Madoz, DiccioMorio — de Etpanna, Madr. iSSO, 1 16, p. 64>5-^i8.
$, 5. Felix von Zaragoiia. 255
■
drei Briefen dort angekommen, ist ohne allen Grund. Die Verdienste
des Felix von Zaragoza erfuhr Cyprian aus dem Munde des ^andern*
Felix, oder des Babinus, oder aus dem Briefe des ,, dritten^ Felix von
Leon, oder des Lälius von Emerita.
üeberhaupt kann man in dem Briefe des Cyprian — zwischen den
Zeilen — eine frappante Unkenntniss der Geographie von Spanien lesen.
Diese unkenntniss wird aber noch weit von der des Franzosen Stephan
Baluze übertroffen. Dieser wird in seiner TJeberzeugung, Felix sei Bi-
schof von Zaragoza gewesen, wieder erschüttert durch folgende Erwä-
gung: „Ein Umstand scheint mir Bedenken in sich zu tragen, wie der
Bischof von Zaragoza an Cyprian über die Sache des Basilides und Mar-
tialis schreiben konnte, da er ja kein Nachbarbischof derselben war,
vielmehr getrennt von ihnen durch einen weiten Zwischenraum, und
weil es nicht wahrscheinlich ist, dass Sabinus und Felix, welche auf
einem kurzen Weg nach Afrika überfahren konnten , bis zu den äusser-
sten Grenzen von Gallien sollten gereist seyn, um durch die Gebirge
der Pyrenäen zu Cyprian zu gelangen').*^ — Felix von Astorga-Leon
musste aber, um nach Carthago auf dem ihm nächsten Wege zu ge-
langen, über Zaragoza reisen, in Tarraco oder Dertosa konnte er zu
Schiffe steigen, und mit Sabinus, der von Merida her kam, zu Carta-
gena, Valencia oder einer andern Hafenstadt zusammentreffen. Denn
es ist nicht gesagt, dass Felix und Sabinus, es ist nicht einmal gesagt,
dass Felix von Astorga-Leon persönlich in Zaragoza war.
Ein weiterer Grund, den Felix von Zaragoza für einen Bischof zu
erklären, liegt in der Stellung, welche Cyprian's Brief ihm anweist. Er
schreibt an die Bischöfe von Afrika, und empfiehlt ihnen den Felix
(und vielleicht auch den Sabinus) als rechtmässige Bischöfe. Diess kann
im gewöhnlichen Wege nur ein Bischof thun ; ein Priester nicht so leicht,
noch weniger ein Laie. Das fühlt auch Bisco wohl. Er macht gegen
diesen Einwurf geltend, dass auch Nicht -Bischöfe in der Kirche eine
hervorragende Stellung eingenonmien hätten. Er weist auf Männer hin,
wie Minutius Felix, Lactanz, Firmicus Matemus, auf den Spanier —
Prudentius Clemens ^j. — Es lag nahe, vor allem den Tertullian und
den Origenes zu nennen. Aber wo findet sich eine Spur, dass einer
Balaze wohnte von 1656 an bei seinem Gönner und Freunde Petrus de Marca
bis zu dessen Tode 1662, er gab dessen aach heute noch schäzenswerthes Werk:
„Marca Hupaniea" heraus, worin die Geog^raphie von §^anz Spanien ziemlich
gut behandelt wird. — Darum kann man von Baluze nur sagen, dass er ein
Geograph war, wie die Franzosen es zu seyn pflegen. -- Maroa Hüpanica, «iae
Imes Hupanicua, edente StepK Baluzio; Paria 1688, Fol.
•) Risco schwankt, denn — t,31,12 der Esp. sag. sagt M. Risco, dass, was
Felix von Zaragoza gethan , die Sache eines Bischofs sei , und bald darauf wird
jer wieder anderer Meinung, 31, 13.
2Ö6 Drittes Bach. Drittes Kapitel.
•
dieser hervorragendeü Männer in ähnlicher Weise ein Empfehlungs^
schreiben für Bischöfe an Bischöfe gerichtet hätte?
Demnach bin ich der Ueberzeugung, dass Felix Bischof von jSara-
gossa gewesen, dass er an der Wahl und wohl auch Weihe des neuen
Bischofs Felix von Astorga starken Antheil hatte, der vielleicht selbst
aus dem Clerus von Zaragoza hervorgegangen war, und dass mit diesem
Felix die Reihe der beglaubigten Bischöfe von Zaragoza anfange, obwohl
ich — wenn auch ohne bestimmten Grund — vermuthe, dass Felix
nicht der erste Bischof von Zaragoza gewesen.
§. 6. Das Verhältniss der zwei Bisthümer Astorga und Leon
(Asturica und Legio VE).
Die Gemeinden von Leon und Astorga hatten um das J. 250 — 260
nur einen Bischof. Aber es steht in Frage, ob er in Astorga oder in
Leon wohnte. Der äussere Schein ist für Leon. Tiefere Erwägung
spricht für Astorga. — Unbestritten allerdings ist der Bischof Decen-
tius von Leon, welcher 306 zu Elvira unterschrieb. Der Bischof Domi-
tian von Astorga erscheint erst 343 auf der Synode zu Sardika. — So-
dann ist zu beachten^ dass die Kirche von Leon in dem Briefe Cyprian^s
vor der Kirche von Astorga genannt wird.
Stärkere Gründe sprechen dafür, dass Astorga Bischofssiz des Mar-
tialis und des Felix war. Einmal das höhere Alter von Astorga. Die
Stadt Asturica wurde unter Augustus gegründet — auf einer Anhöhe,
welche — isolirt stehend — auf viele Meilen weit die ganze Umgegend
beherrscht, und erwuchs bald zu grosser Blüthe, gewiss auch durch die
reichen Bergwerke, deren Erträgnisse in Augusta Asturica — d. h. in der
Augustusstadt des Landes Asturien — zusammenliefen, vermittelt und ver-
werthet wurden. Plinius der Aeltere, welcher selbst längere Zeit in
Spanien weilte, nennt Astorga schon um das J. 70 n. Chr. eine ^^urbs
magnifica'^, eine prächtige Stadt, was gewiss ebenso auf ihren Umfang,
wie auf ihre imponirende Lage sich bezieht. Die Stadt Leon dagegen
wurde frühestens imter Nerva, wohl erst unter Trajan in dem Anfange
des zweiten Jahrhunderts erbaut. Es war und blieb eine Soldatenstadt,
die Stadt der Legio VII gemina, und wenn es auch von Anfang an sich
schnell bevölkerte, so waren doch seiner räumlichen Ausdehnung enge
Schranken gesezt. Der Beisende Alezander Ziegler berichtet, das alte Leon
habe Mauern in der Höhe von zwanzig, in der Breite von acht Varas
(Ellen) gehabt, sowie zwanzig Thore. Doch sei das heutige Leon —
(welches aber nach der jüngsten Zählung vom J. 1857 nur 10,000 Ein-
wohner hatte, während Astorga nicht ganz 5,000 Seelen zählt) weit über
die alten Mauern des römischen Leon herausgewachsen. — Leon mag
eine mit Civilisten bevölkerte Vorstadt gehabt haben. Aber die ganze
$. 6. Das VerhUtniss der zwei Bisthümer Astorga und Leon. 257
Legion stand gewiss nicht in Leon; denn auch in Tarragona hat man
Inschriften der siebenten Legion gefunden.
Zur Zeit des Basilides und Martial war Leon noch nicht 150; Astorga
war mehr als 250 Jahre alt, was doch einen grossen unterschied aus-
macht. Astorga war ohne Zweifel eine grössere Stadt. Es war vom
Anfange an der Siz eines Obergerichtshofes. Florez sagt, dass man die
Zeit der Gründung der Stadt nicht genau kenne; jedenfalls fällt sie in
das Zeitalter des Kaisers Augustus. Der Titel Augusta, welchen Ptole-
mäus der Stadt Asturica giebt, fällt zusammen mit der Unterscheidung
des Plinius in Asturier jenseits der Berge und in Asturier von Augusta
(Astures transmontani et Astures Augustani) *). Die leztern hatten ihren
Namen offenbar von ihrer Hauptstadt. Florez meint, Asturica bedeute
das höhere Alter der Stadt vor Augustus , Augusta aber, dass der Kaiser sie
dotirte. — Nach dem Reichswegweiser, der (fälschlich) den Namen des
Antoninus Pius trägt, führten vier Strassen von Braga oder Augusta
Bracara — nach Astorga ; zwei führten von Astorga nach Zaragoza (und
Tarragona), endlich eine von Astorga nach Bordeaux, was erschliessen
lässt, dass Astorga einen Centralpunkt des römischen Verkehres in Spa-
nien bildete. — Auffallenderweise führt der Reichswegweiser keine
Strasse an, welche Astorga mit dem nahen Leon verbunden hätte, welche
beide Städte nur sieben Leguas, eine bescheidene Tagereise, von einan-
der entfernt sind *). — Auch das heutige Astorga liegt auf einem ringsum
freien Hügel.
Tür Astorga spricht ferner die grössere Volksmenge , besonders von
Frauen, welche überall zuerst Christen wurden.
Ich möchte selbst aus der Ueberschrift des Briefes Cyprian's schliessen,
dass der Bischof nicht in Leon, sondern in Astorga wohnte. Dass der
Priester Felix in Leon sich befand, kann man nicht bezweifeln. Wäre
auch der Bischof in Leon gewesen, so hätte es hier, in dem jungem
und viel kleinern Leon, einen Bischof und einen Priester gegeben, in
dem grössern und altern Astorga aber keinen Bischof und keinen Priester.
Wer hätte dann die gewiss zahlreichere Gemeinde in Leon geleitet?
Denn Cyprian bezeichnet die Gemeinden von Leon und Astorga deutlich
als zwei verschiedene — er schreibt an die Laiengemeinden von Leon
') PUn. h, n, 3f 3^4; 28, So wird der „Convenius juridtcus*^ des Plinius stets über-
sezt; vielleicht besser — Kreisgerichtshof. Cf. — über Astorga: Ptolemaeus,
2, 6,36. — Itinerarium Anioninif edidtt Wesaeling — und ed. Pinder- Parthey 1848
— p. 422, 423, 425, 421 und öfter; sie lag im Stamme Amaei und am Flusse
Asturica; Fhrus, 4, 12, — Oroaius, 6, 21, — Minnano, diccion, 1, 311, — Madoz,
dicc, 3, 54squ, — Fhrez, 16,9squ, — AI. Ziegler, 2, 140 — 54.
*) Auch heute Ist, -> sagt Madoz, der Weg in trostlosem Zustande, Madoz, 5, 55;
dass die beiden Brücken von S. Jnsto und Orbigo den Einsturz drohen. Ziegler,
Rei86 nach Spanien, 2, 153.
Garns, Span. Kirche, 17
258 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
und Astorga; während er nur an die Laiengememde von Merida
schreibt *)•
In der Frage über das Yerhältniss der beiden Bisthünier Astorga und
Leon gehen die beiden Herausgeber des ^^Heiligen Spaniens^, H. Plorez
und dessen Fortsezer^ Manuel Bisco ; getrennte Wege^). Da die An-
gelegenheit indess eine spätere Zeit angeht , so will ich nur die Haupt-
punkte berühren. Florez nimmt einen Bischof für beide Kirchen an;
betrachtet sie aber als eine Art von Doppelbisthum^ ohne sich näher
zu erklären. Bisco dagegen möchte beweisen, dass Leon stets neben
Astorga seinen eigenen Bischof gehabt habe. — Florez meint, aus dem
Briefe Cyprian's folge, dass die beiden Gemeinden einen einzigen
Priester gehabt, dass sie also wie Ein Körper erscheinen*). Aber wie,
wenn Felix der Bischof zugleich der Priester von Astorga, Felix aber
der Priester, — dieses eben nur für Leon war? — Hätten beide Kirchen
zwei Bischöfe gehabt, so hätten sie, jede getrennt von der andern,
schreiben müssen. — Aber die Antwort Cyprian's sagt nicht, dass sie
es nicht gethan haben. — Auch Florez kommt stets auf die Meinung
zurück, dass Astorga benachbarte Bischöfe gehabt, und sagt nicht,
welche^). — Er meint, dass in dieser ersten Zeit der Bischof in Leon
gewohnt habe.
Aber — mit Ausnahme des Decentius zu Elvira wird weder vorher
noch nachher ein — von Astorga — getrennter Bischof von Leon ge-
nannt. Während der ganzen Zeit der Gothenherrschaft in Spanien hat
auf den zahlreichen Concilien nie ein Bischof von Leon unterzeichnet
Erst Köm'g Ordonno 11. stellte das Bisthum^Leon wieder her — aera
954 (916).
Umsonst giebt sich Bisco erstaunb'che Mühe, nachzuweisen, dass Leon
— zur Zeit der Römer und der Gothen ein von Astorga getrenntes
Bisthum hatte. Umsonst „neigt^ er sich zu der Meinung, dass zu Cy-
prian's Zeit Astorga von dem Bischöfe von Leon regiert wurde; denn
diese Hinneigung hat keine Gründe für sich*). — CarlEspinös, Cano-
nicus zu Leon, der zu der Geschichte der Erche von Leon von dem
Bischöfe Trujillo — Bemerkungen schrieb, meint, beide Size seien
vereint gewesen, zur Zeit der Römer, Sueven und Gothen •); aber die
') Plebibus consisientibus ad Legionem et Asiuricae — et plebi Emeritae,
') Florez, Astorga, t. 16, cap. 5, p, 70— 71. Rjsco über Leon t 34, p. 51 sq.
') j,La8 quales en aquellos principios parece que componian un Obüpado — Leon und
Astorga waren representadas por un solo presbytero, y presididcu por un solo Obtq)o,
*) Während Basilides reaig war, „passaron los obispos comarcanos ä eUgir sucesor."
') Espanna sagr. t. 34 (1784) — La S, Iglesia esenta de Leon — cop. 8 — Examinase,
si el obispado de Leon fue distinto del de Astorga en tiempo de Romanos y Godos
^ p,65 — 81 — cf, 13, 133,
') Beide Werke — nur als MS. vorhanden, s. Munnoz, die, p, 151 -^ 52 , der eilf
$. 6. Das Verhältniss der zwei Bisthümer Astorga and Leon. 259
Biflchöfe hätten den Namen von Leon gehabt; nach dem Einfalle der
Barbaren in Spanien seien die Bischöfe nach Astorga übergesiedelt, weil
Leon beständigen feindlichen Anfällen ausgesezt gewesen.
Dagegen spricht, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass das viel
grössere und bedeutendere Astorga unter dem kleinem Leon gestanden
haben sollte; dagegen spricht die Existenz des Bischofs Domitian von
Astorga im J. 343 , zu welcher Zeit die Barbaren noch nicht in Spanien
eingefallen waren. — Bisco selbst weist darauf hin, dass „die Apostel*^
bei Gründung von Bisthümern die .„Metropolen" vorzogen, gewiss auch
„die prachtvolle Stadt", Astorga, den Siz des Obergerichtshofes *) —
des Kreises der Asturier, welches Asturien damals ein viel weiteres
Gebiet umfasste, als heute.
Da es an positiven Zeugnissen fehlt, so sind wir auf Vermuthungen
angewiesen. Ich vermuthe also, dass Martialis und Felix Bischöfe von
Astorga gewesen, und Leon damals als Pfarrei zu Astorga gehört habe;
dass Leon, vielleicht aus Anlass dieses ärgerlichen Falles — einen
eigenen Bischof verlangt und erlangt habe, dass Bischof Decentius von
Leon, am Anfange des vierten Jahrhunderts, nicht der erste Bischof
von Leon gewesen sei , dass Leon einen eigenen Bischof gehabt habe —
im ganzen vierten Jahrhundert, dass das Bisthum Leon im Laufe des
fünften Jahrhunderts erloschen sei, als — bei dem Zusammenstürzen
des Reiches — die Truppen aus allen fernem Posten, also auch aus
Leon, zurückberufen wurden^), dass Leon dadurch ein zu unbedeuten-
der Ort für einen Bischofssiz wurde, und dass die dortige Gemeinde —
bis zu dem Einfalle der Mauren eine Pfarrei des Bisthumes Astorga war.
— Als aber Leon Siz der Könige von Asturien und Leon wurde, so
ist es natürlich, dass das alte Bisthum wieder hergestellt, oder vielmehr
ein neues Bisthum Leon errichtet wurde. Das vielgenannte Doppel-
bisthum Leon -Astorga aber scheint mir eine reine Fiction zu seyn. —
In Leon selbst bestand im Mittelalter die Meinung, das Bisthum sei seit
Decentius exemt gewesen. — Aber die Exemtionen der Bisthümer stam-
men selbst erst aus dem Mittelalter^).
Leon fiel im J. 717 an die Mauren. Alfons der Katholische nahm
es wieder — 742. Garcias, der Sohn Alfons lU., liess sich in Leon
Schriften über Leon anführt, aber bemerkt, dass ausser der Espcmna aagrada —
nichts Gewichtiges über Leon — vorhanden sei.
34, 70.
^ In der NoHHa utriuaque imperii vom Ende des vierten, oder Anfang des fünften
Jahrhunderts kommt noch ein Pra^fectiu Legionensis VII geminae vor. In den
andern Städten war nur ein Tribun mit seiner Cohorte.
*) Auch Madoz sagt von Leon, Leon sei ein exemtes Bisthum seit der Zeit der
Gothen. — Ein Document des Bischofs Diego von Leon vom J. 1120 sagt:
Cum a tenqtorünts cencilü Liberritani — Ecdesia Legionensis, qttae sedes regia nun-
cmpoMKr^ fwUi metropoUiano , sed s€mcto pofktifici fwnano subdiia —
17*
260 Drittes Bnch. Drittes Kapitel.
nieder. 912 werden zuerst Könige von Leon genannt. Neue Bischöfe
hatte Leon schon Ende des achten , spätestens im Anfang des neunten
Jahrhunderts.
Der heilige Cyprian erfreute sich stets hoher Verehrung, wie in
ganz Spanien y so besonders in den beiden Bisthümem Leon und Astorga.
— Noch heute tragen sieben Pfarrkirchen des Bisthums Astorga seinen
Namen. Sonst ist Martha Patronin der Stadt Astorga, der~ heilige Tu-
ribius; Zeitgenosse Leo's L, Patron des Bisthums^).
§. 7. Einige weitere Erläuterungen.
Die beiden Fragen, ob die neugewählten Bischöfe Sabinus und Felix
direct, oder mit dem Umwege über Rom nach Spanien zurückgekehrt
seien , und welchen Ausgang die ganze Angelegenheit genommen, müssen
als unerledigt ruhen bleiben. Wollte man sie beantworten, so käme
man nicht über Vermuthungen hinaus. — Baronius hat „einen heftigen^
Verdacht, dass sie nach Rom gegangen; Baluzius spottet darüber. —
Das Eine sei bemerkt, dass — Papst Stephanus, der von 253 — 257
regierte, nach dem Papstbuche — »drei Bischöfe — an verschiedenen
Orten ordinirte,^ wobei man an Basilides, an Sabinus und an Felix
denken könnte.
Li welches Jahr fiel die Synode von Afrika? Sie fiel zwischen
254 und 257. Die Neuem sezen sie gewöhnlich in das J. 254. Be-
sonders ist hier Morcelli hervorzuheben*), welcher sich unbedingt für
das J. 254 entscheidet.
Es ist in dem Briefe Cyprian's von verstorbenen Söhnen des Mar-
tialis die Rede. Dass Bischöfe in der alten Kirche vor dem Antritte
ihres Amtes verheirathet gewesen, daran nahm in der alten Kirche, und
auch in Spanien niemand Anstoss. Der heilige Pacian, Bischof von
Barcelona von c. 360 bis 390, war der Vater des vielgenannten, und
von den Spaniern viel missbrauchten Fl. L. Dexter, welchem Hiero-
njmus seine viel genannte Schrift ^über die kirchlichen Schriftsteller'^,
oder „über die berühmten Männer^ zueignete. Der heilige Paulin von
Nola, der in dem J. 390 flg. mit seiner Gemahlin Tharasia in Barcelona
weilte, wurde im J. 393 von dem Volke von Barcelona gezwungen,
sich von dem Bischöfe Eulampius zum Priester weihen zu lassen ').
Dass von verstorbenen Söhnen des Martialis die Rede ist, kann an
sich nicht auflGällen. Denn mancher Vater überlebt alle seine Kinder.
Madoz, Astorga.
») Hefele, Concüien, 1, 90. Morcelli, A/nca christiana, Brescta 1816^17. 3 t P.
•— Annus chrüHcmus 254, — Cj^prianOy episcopo Carih, — nr, IIL
') Florez will beweisen, dass Tberasia eine „üustrtnma Espannola*^ war — Florez,
29, 99 sq. — ffObispca de Barcelona»^
$. 7. Einige weitere ErläQtenmgen. 261
Aber es möge erlaubt seyiiy an jene grosse Pest zu erinnern, welche
vom J. 250 an — das römische Reich heimsuchte. In Aegypten und
Afrika richtete sie die grössten Verheerungen an. An dieser Pest starb,
nach Aurelius Victor, Hostilian, der Nebenkaiser des Gallus und zweite
Sohn des Decius (251). — Diese furchtbare Pest ra£Bte auf ihrem Höhe-
punkte, in einem Tage — ohnstreitig in Rom allein — gegen 5,000 Men-
schen hinweg^). — Aus Spanien haben wir keine besondern Nach-
richten über ihre Verheerungen, wie wir überhaupt aus Spanien keine,
oder fast keine Nachrichten haben; aber es liegt nahe, anzunehmen,
dass die Söhne Martialis an dieser Pest gestorben seien.
Dem Martialis wird vorgeworfen , dass er Theil genonmien habe an
den schändlichen und schmuzigen Gelagen der Heiden, die er lange in
dem CoUegium (in der Genossenschaft, in die er sich hatte aufnehmen
lassen) besuchte; sowi«, dass er in derselben Genossenschaft seine Söhne
nach der Sitte der auswärtigen Nationen — d. h. unter heidnischen Ge-
bräuchen bei profanen Begräbnisspläzen habe aussezen, und sie unter
„Fremden*^, d. h. Nichtchristen habe begraben lassen.
Daraus folgert man, dass die Christen schon damals ihre eigenen
Begräbnisspläze hatten. Und mit Recht ; denn diess war in jener Zeit
eine Sache der freien Wahl, und die Polizei regierte nicht, wie im acht-
zehnten und neunzehnten Jahrhundert, im Gebiete der Leichen und
Leichenäcker. — Der Staat, oder die „Gesellschaft'^, welche die Leute
sterben liess, weil sie es nicht hindern konnte, liess dieselben auch be-
graben werden, wie es ihnen oder ihren Angehörigen gefiel. Von An-
fang an hatten die Christen in Rom und Neapel ihre eigenen Catacomben«
— Gewisse Genossenschaften oder CoUegia hatten ihre eigenen Begräb-
nisspläze, und es war Sitte oder Unsitte, dass bei Begräbnissen Schmau-
sereien gehalten wurden.
Diese Gewohnheit haben die spätem Spanier noch aus der römi-
schen Zeit beibehalten. Der Reisende Carter (aus dem vorigen Jahr-
hunderte) erzählt, „die Spanier richten bei dem Leichenbegängnisse
ihrer Freunde, nach der Sitte der alten Römer, in dem Sterbehause —
an dem Begräbnisstage, ein grosses und köstliches Gastmahl an, zu
welchem alle eingeladen werden, die die Leiche zu Grabe begleiten.
Es ist natürlich , dass die Zahl der Leidtragenden dadurch sehr vermehrt
wiüd'' ^). — Der Reisende Moriz Willkomm hat vollends einen Fall er-
lebt, dass die Träger einer Leiche dieselbe auf die Strasse stellten, und
sich in einem Wirthshause „erquickten*^, so lange es ihnen gefieL —
An solchen Leichenschmausereien nahm nun Martialis Theil, indem er
selbst Mitglied eines CoUegiums, entweder eines Leichenvereines war.
')Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, Bd. 2 (1860), S. 257— 58;
J261j 263-64; 266.
*) Carter, Reise von Gibraltar nach Malag^a, 1772, S. 284
262 Drittes Bach. Drittes Kapitel.
oder eines der zahlreichen yereSne, die durch Inschriften ans der römi-
schen Zeit Spaniens bezeugt werden; es bestanden Collegien von Künst-
lern ^ Baumeistern, Schiffsleuten, Kaufleuten, Schuhmachern etc.'), und
er kümmerte sich nicht um das Aergemiss, das er den Christen dadurch
gab, denn „die Schmausereien^ zogen ihn an.
Er verhandelte aber auch mit einem heidnischen Beamten, dem
proeitrator DucenariuSy öffentlich über seine Verleugnung Christi. —
Dieser Procurator hiess nach Florez nicht Ducenarius, welches Wort
unter den alten spanischen Eigennamen nicht vorkommt; er hatte viel-
mehr diesen Zunamen von seinem Einkommen , welches sich auf 200 Se-
stertien belief oder belaufen sollte^).
Das eigentliche Verbrechen aber, dessen sich die beiden unwürdigen
Bischöfe schuldig machten, war die Verleugnung Christi. Sie waren
Libellatici geworden, d. L sie hatten sich von der heidnischen Obrig-
keit das schriftliche Zeugniss ausstellen lassen, dass sie den Gössen ge-
opfert. In der That hatten sie nicht geopfert; aber sie hätten es doch
gethan, wenn ihnen ein anderer Ausweg nicht geblieben wäre.
Aus dem vorliegenden Schreiben Cyprian^s ist ein starker Beweis
für die Anerkennung des Primates der römischen Kirche im dritten
Jahrhunderte zu entnehmen. Wenn selbst der unwürdige Basilides den
Primat der römischen Kirche anerkannte, so that er es gewiss nicht aus
innerer Ehrfurcht; der den Glauben an Christus verleugnet hatte, wie
hätte er in dem Bischöfe von Rom den Stellvertreter Christi ehren sollen?
— Der Papst war ihm an sich gleichgiltig, wie das ganze Christenthum.
Aber — aus kluger Berechnung wendete er sich an den Papst. Er
kannte die grosse Auctorität desselben bei den christlichen Spaniern. —
Er konnte hoffen, dass, wenn der Papst ihn wieder einseze, oder ihn
empfehle, oder mit ihm Kirchengemeinschaft eingehe, er auch in Spa-
nien wieder als Bischof anerkannt würde. — Und — wirklich täusdite
er sich hierin nicht ganz. Ein Theil der Bischöfe Spaniens, vielleicht
war es der grössere Theil, erkannte ihn nach seiner Rückkehr wieder
als Bischof an, und unterwarf sich der Entscheidung des römischen
Stuhles. Dass die schweren Vorwürfe , welche desswegen Cyprian gegen
sie erhebt, von ihnen verdient worden, möchte ich in keiner Weise
zugeben. — Sie hatten zwischen zwei Uebeln zu wählen, und das ge-
ringere Uebel schien ihnen zu seyn, der Entscheidung des Papstes sich
>) Die Inschriften in der Sammlang von Masdeu, t. 5 et 6: Nro. 63, 660, 666, 666,
682, 691, 767, 792, 870, 884, 931, 944, 106, 741, 868, 118a
') Florez, 1, 245. War aber sein Name Ducenarius, so liegt darin ein neuer
Grund, dass Martial und sein Nachfolger Felix Bischöfe von Astorga waren.
Denn seit den Antoninen bildete Galizien und Asturien einen eigenen Bezirk
für die Abgabenverwaltung. Der oberste Beamte aber hiess procurator , der in
Astorga residirte. — Becker- Marquard, 3(1), 83.
$. 7. Einige weitere Eiläoterangen« 263
zu unterwerfen. — Wenn gefehlt worden war, so hatten nicht sie es
zu verantworten. Sie erkannten den Basilides an, nicht, weil seine
Vergehen ihnen gleichgiltig waren, wie Cyprian sie beschuldigt, son-
dern — weil der Papst ihn anerkannt hatte.
Femer spricht durchaus nichts dafür, dass Cyprian in seinem Briefe
die Angelegenheit der spanischen Bischöfe endgiltig entscheiden wollte,
oder entschieden zu haben glaubte. Trost oder Hilfe hatten sie von
ihm gewünscht. Trost und Hilfe gab er ihnen. Seine und seiner Mit-
bischöfe Entscheidung war ein Gutachten, kein Gfericht.
Gerade der (67) Brief des heiligen Cyprian, welcher dem (68) Briefe
an die Spanier zunächst vorangeht, ist ein Beweis, dass Cyprian den
Primat der römischen Kirche nicht bloss in der Person des Cornelius,
sondern auch des Stephanus anerkannte. Er schreibt an Stephanus , dass
der Bischof Faustinus von Lyon wiederholt an ihn geschrieben habe
über dasselbe, „von dem ich weiss, dass es auch dir ist berichtet wor-
den von demselben (Faustinus), und von imsern übrigen Mitbischöfen in
derselben Provinz**, dass der Bischof Marcian von Arles an die Nova-
tianer abgefallen sei. — „Es mögen also (sagt Cyprian zu Stephanus),
Briefe von dir an diese Provinz, und an die gläubige Gemeinde von
Arles geschrieben werden, damit — Marcian entfernt, ein anderer als
Bischof an seine Stelle gesezt, und die Heerde Christi, welche bis heute
von jenem zerstreut, verwundet und zertreten wurde, wieder gesammelt
werde.**
Diese Aufforderung, oder — diese Einladung des Cyprian an den
Papst — hebt alle Bedenken über den Sinn und die Tragweite seines
Briefes an die Spanier. — Gleichwie Cyprian durch die erwähnte Auf-
forderung einen „moralischen Druck** oder Eindruck auf Stephanus aus-
üben, und ihn treiben will, endlich zu thun, was seines Amtes als
Haupt der Kirche ist, — die Absezung des Marcian auszu-
sprechen, wie derselbe Cyprian in dem Streite über die Kezertaufe,
in welchem er materiell im Unrechte war, — durch die nachgesuchte
Beistimmung der Bischöfe Afrika's und des Orients einen „moralischen
Druck** auf Stephanus ausüben will, — also wollte er vielleicht durch
semen Brief an die Spanier „von dem übel unterrichteten — an den
besser zu unterrichtenden Papst** appelliren.
Auffallend ist es doch, dass die Gemeinden von Merida und
Astorga-Leon gerade ihre Bischöfe Sabinus und Felix nach Carthago
senden. Man sollte doch denken , dass ihre Anwesenheit zu Hause drin-
gend nothwendig , und jezt es am wenigsten für sie an der Zeit gewesen
sei, ihren schlauen und energischen Gegnern, den abgesezten Bischöfen,
auf so lange Zeit — das Feld zu räutnen. Jene Gemeinden in Spanien,
und diese beiden Bischöfe hätten die möglichst grosse Thorheit begangen,
wenn sie nicht einen überwiegenden Grund hatten, so zu handeln, und
von zwei Uebeln zugleich das kleinere zu wählen.
264 Drittes Bach. Drittes Kapitel. $. 7. Einige weitere Eri&Qteraiigeii.
Man sagt, Sabinus und Felix -wurden nach Carthago gesendet, um
dort ihre Sache selbst zu führen. ;,Wir unterliegen,^ sagt Baronius,
„einer wahrscheinlichen und heftigen Vennuthung, indem wir glaubten,
dass diese erwählten Bischöfe nach Afrika gesendet worden, damit ihre
Erwählung auch durch die Beistimmung Cyprian^s (und seiner Mitbischöfe)
gebilligt würde, und dass sie dann, ausgerüstet mit seinem und seiner
Amtsgenossen Briefen, nach Rom zur Widerlegung der Lügen des Ba-
silides fahren sollten ^).^ Jedenfalls wird man gestehen müssen, dass
eine solche Handlungsweise dem Eifer und der durchfahrenden Energie,
sowie dem Glaubensmuthe spanischer Katholiken entsprochen hätte«
Man sucht nach (neuen) Zeugnissen für die Anerkennung des Pri-
mates der römischen Kirche in den drei ersten Jahrhunderten. Ich sehe
nicht ein, warum man sich sträuben sollte, den gewöhnlich angeführten
noch dieses weitere beizufügen, dass um das J. 253 ff. ein abgesezter
Bischof Spaniens persönlich seine Wiedereinsezung in Rom gesucht und
gefunden habe.
Man nimmt heute gewöhnlich an, dass sowohl die Angelegenheit
des Bischöfe Marcian von Arles, als die zu Carthago aus Anlass der
spanischen Gesandtschaft gehaltene Synode — dem Ausbruche des Kezer-
taufstreites zwischen Cyprian imd Stephanus vorangegangen sei ^). —
Sollte es nicht erlaubt seyn, wie Baronius, „von einer wahrscheinlichen
und heftigen Vennuthung getrieben zu werden^, dass die Gereiztheit
und Heftigkeit, mit welcher der Streit von Seiten Stephan's und Cy-
prian's geführt wurde, zum Theil seine Veranlassung in den voraus-
gegangenen unangenehmen gegenseitigen Berührungen hatte? Es hatte
sich viel Zündstoff, viel — scheinbarer oder wirklicher — Grund zur
Unzufriedenheit angesammelt. Aber der Herr der Kirche schlichtete
den bittern und ärgerlichen Streit dadurch, dass er beiden Streitern die
Krone des Martyrthums schenkte, imd sie in seinem Reiche ewig mit
einander vereinigte.
') Bar, VerisimiK <zc vehementi dudmur conjectura — ann. 258 y 5.
') So Morcelli zum J. 254, der unmittelbar an die spanische Angelegenheit den
Ausbruch des EezertauCstreites anschliesst. Ebenso Hefele, Goncilieng. 1, 90:
»Diesen Synoden über die lapn folgten drei afrikanische Concilien über die
Kezertaufe.«
Viertes Kapitel.
Der Hartyrbischof Fructuosus von Tarra^ona, nnd seine
Gefährten Im Hartyrthume im Jalire 259.
§. 1. Die Martyrakten.
Wir h^ben von dem Falle spanischer Bischöfe gehört. Reissende
Wölfe waren eingedrungen in den Schaafstall Christi, um die Heerde
zu zerstreuen. „Die, welche sie als Väter und Hirten erhalten, und
welche sie daher als Führer und Lehrer hätte erproben sollen, damit
sie in immer engern Verbände mit dem Leibe Christi, welcher die Kirche
ist, vereint bliebe, hatte sie als Urheber des Abfalles erkannt *).*' —
Es ist uns aber auch vergönnt, von/ dem glorreichen Martyrtode spani-
scher Bischöfe, Priester und Diakonen zu hören. — Also lautet der
Bericht über das Martyrium des heiligen Fructuosus und seiner Gefährten,
welcher alle Spuren protokollarischer Aechtheit an sich trägt ^).
1) Akten des Martyrtodes des Bischofs Fructuosus, der Diakonen
Augurius und Eulogius. Unter den Kaisern Valerianus, unter den Con-
suln Aemilianus imd Bassus, am 16. Januar, an einem Sonntage, wurde
der Bischof Fructuosus ergriffen, die Diakonen Augurius und Eulogius.
— Der Bischof Fructuosus ruhete schon in seinem Schlafgemache, als
die Beneficiarien^) (Gerichtssoldaten) sich seinem Hause näherten, nemlich
') Aus der Allocution Gregorys XVI. vom 22. Nov. 1839 über die russischen Apo-
sfatcnbischöfe.
^ Rumart, Acta martyrum sincera, Ratisbonae 1859, p, 264 — 67. — Acta Sanctortan
zum 21. Januar. ^ Salazar MarU Hisp, zum 21. Januar.
') Btn^ficiarü — so hiessen die Soldaten, welche beneßcio prindpia — zu gewissen
Diensten bestimmt waren; sie waren theils Gerichtsdiener, theiis Amtsboten u. s.w.
(curion oder stattonarü)^ können also leicht mit »Gensdarmen«* übersezt werden ;
denn sie hatten auch den Beruf, Verbrechen den Behörden anzuzeigen —
8. Tertuüianf de fuga in persec c. 13, — Ducange glosaar, Euseb, h, eoc, 9, 9, —
VejftL iL r. mäL 9, 7. — Sie waren zu diesem Zwecke frei vom Kriegsdienste«
266 Drittes Buch. Viertes Kapitel.
Aurelias, FestuciuS; Aelius, Pollentins, Donatus und Maximus. Als
er das Geräusch ihrer Tritte hörte, stand er sogleich auf, und gieng in
Sandalen ^) zu ihnen hinaus. — Die Soldaten sprachen zu ihm : Komm
mit uns, der Präsident lässt dich mit deinen Diakonen rufen. Ihnen
antwortete der Bischof Fructuosus : Wir wollen gehen. Oder, wenn ihr
erlaubt, will ich meine Schuhe anziehen. Die Soldaten antworteten ihm:
Mache das, wie es dir gefällt. — Sobald sie kamen , wurden sie in
das Gefängniss aufgenommen. Fructuosus aber, gewiss und freudig des
Siegeskranzes Christi, zu welchem er berufen worden, betete ohne
Unterlass. Auch Brüder befanden sich bei ihm, die ihn erquickten, und
ihn baten, ihrer eingedenk zu seyn.
2) Des andern Tages aber taufte er im Gefängnisse unsem Bruder,
mit Namen Rogatian. Sechs Tage brachten sie im Gefängnisse zu,
und sie wurden am 21. Januar, an einem Freitage, herausgeführt und
verhört. Der Präses Aemilianus sprach : Bringet den Bischof Fructuosus,
den Augurius und Eulogius herein. Vom Gerichte wurde geantwortet:
Sie sind da, — Der Präses sprach zu dem Bischöfe: Hast du gehört,
was die Kaiser befohlen haben? Der Bischof Fructuosus sprach: Ich
weiss nicht, was sie befohlen haben. Ich aber bin ein Christ. Aemi-
lianus der Präses sprach: Sie haben befohlen, dass man die Götter an-
beten solle. Der Bischof Fructuosus sprach : Ich bete den einzigen Gott
an, welcher Himmel und Erde, das Meer und alles, was darin ist,
gemacht hat. Aemilianus sprach: Weisst du, dass es Götter g^ebt? Der
Bischof Fructuosus sprach : Ich weiss es nicht. — Aemilianus sprach :
Du wirst es bald wissen. Der Bischof Fructuosus blickte auf zum Herrn,
und begann — stille zu beten. Der Präses Aemilianus sagte : Wer wird
noch gehört, wer gefürchtet, wer angebetet werden, wenn die Götter
nicht angebetet, wenn nicht das Angesicht des Kaisers gegrüsst wird?
Der Präses Aemilian sprach zu dem Diakon Augurius: Wolle nicht auf
die Worte des Fructuosus hören. Der Diakon Augurius sprach: Ich
bete den allmächtigen Gott an. Der Präses Aemilianus sprach zu dem
Diakon Eulogius: Betest du vielleicht gar den Fructuosus an?^) Eu-
logius der Diakon sprach: Ich bete den Fructuosus nicht an; sondern
den bete ich an, den auch Fructuosus anbetet. Aemilianus der Präses
sprach zu dem Bischöfe Fructuosus: Bist du der Bischof? Der Bischof
Fructuosus sprach: Ich bin es. Aemilianus sprach: Du bist es gewesen^).
Im Griechischen hiessen sie ßeveptxudtoiy s. bei MasdeD in der Sammlung der
spanischen Inschriften Nr. 408,737,738,739, 947. — Becker- Marquardt, 8, 2.
S. 419.
') In Soleis — s. vita Fulgentii nr, 18.
*) Besser ist die Lesart bei Augustin — serm. 273, 3. — Betest auch du wohl
den Fructuosus an?
•) Etwa nach der Bedeweise des Cicero bei Sallust — abeü. CcOiUnanim** — vixerunt
Der Martyrbischof Frnctuosns von Tarragona, nnd seine Gef&hrten etc. 267
Und er befjEJil^ dass sie nach seinem ürtheilsspruche lebendig verbrannt
werden.
3) Und als der Bischof Fructuosus mit seinen Diakonen zu dem
Amphitheater geführt wurde, so fieng das Volk an, dem Fructuosus sein
Mitleid zu bezeugen. Denn solche Liebe genoss er nicht bloss von den
Brüdern, sondern auch von den Heiden. Denn so war er beschaffen,
wie der heilige Geist durch den seligen Apostel Paulus, das Gefäss der
Auserwählung, den Lehrer der Völker, erklärte, dass (ein Bischof) seyn
müsse. Die Brüder, welche wussten, dass er zu einer so grossen Glorie
gehe, waren darum auch mehr erfreuet, als betrübt. Und da viele aus
brüderlicher Liebe ihnen anboten, dass sie einen Becher Würzwein
nehmen möchten*), so sprach er: Es ist noch nicht die Stunde, die
Fasten aufzuheben. — Denn es war die vierte Stunde des Tages. —
Denn im Gefängnisse hatten sie am Mittwoch die Station feierlich be-
gangen^). Darum eilte er am Freitage freudig und sicher, dass er mit
den Blutzeugen und den Propheten in dem Paradiese , welches der Herr
denen bereitet hat, die ihn lieben, das Fasten aufheben werde. Und
als er zu dem Amphitheater gekommen war , trat zu ihm ein Bruder,
unser Mitstreiter, mit Namen Felix, er fasste ihn bei seiner rechten
Hand, und bat ihn, dass er seiner eingedenk sein möchte. Ihm ant-
wortete Fructuosus mit lauter Stimme, so dass es alle hörten: Ich muss
der katholischen Kirche eingedenk seyn, welche vom
Morgenlande bis zum Abendlande ausgebreitet ist.
4) Schon stand er am Thore des Amphitheaters , schon war er nahe
daran, eher zur unverwelklichen Krone, als zur Pein, einzugehen, —
nach dem Gebrauche bildeten die Gerichtssoldaten , deren Namen oben
angegeben wurden, seine V\7^ache; da sprach der Bischof Fructuosus, so
dass es unsere Brüder hörten, indem ihn der heilige Geist antrieb, ja
aus ihm redete: Von nun an wird euch der Hirte nicht fehlen; und
nicht wird die Liebe und die Verheissung des Herrn, sowohl hier, als
in Zukunft, sich euch entziehen. Denn das, was ihr sehet, ist ja nur
das Leiden einer Stunde. Nachdem er also die Gemeinde der Brüder
getröstet hatte, traten sie hinein zum Leben: würdig und glücklich selbst
— sie (die Verschwornen) sind todt — Oder der Präses wollte wenigstens
einen Kraftspruch than, um nicht als Besiegter zu erscheinen.
') Condttum mixtum ^ bei Prüden tius Hymn. 6 — Ubandum poculum. Ich glaube
nfcht mit Baronius 34, Nr. 108 — Ruinart, ad Acta Fruetuos. — Bollandisten
z. 21. Jan. — Tamayo Salazar u. a., dass es ein betäubender, sondern dass es
ein stärkender Trank war.
*) Mittwoch und Freitag waren dies »tationum, wo man bis zur neunten Stunde
fastete. — Baron. 262, nr, 65. — TertulL de jejun, — Thomas8in de jejun, l 1,
c€q>, 19, l 2, cap. 15. — Schere stationem heisst das Fasten aufheben. — Es war
zehn Uhr; und das Fasten dauerte bis drei Uhr Nachmittags. — Ueber den
Samstag als Fasttag s. c. 26 von Elvira.
268 Drittes Buch. Viertes Kapitel.
in ihrem Martyrtode^ da sie ja die Frucht der heiligen Schriften der
Verheiflsiing gemäss genossen. Aehnlich wm'den sie dem Ananias , Aza-
rias und Michael , so dass auch in ihnen die göttliche Dreieinigkeit ge-
schaut wurde: als schon jeder der Dreien in dem Feuer stand , so dass
der Vater nicht fehlte, und der Sohn ihm zu Hilfe kam, und der heilige
Geist mitten im Feuer wandelte. Und als die Binden ausgebrannt waren,
von denen ihre Hände gefesselt worden, so sanken sie, eingedenk des
göttlichen Gebotes, und der gewohnten Uebung, freudig auf die Kniee,
sicher ihrer Auferstehung, und selbst in das Siegeszeichen des Herrn
gestellt ^), fleheten sie zum Herrn, bis sie zumal ihre Seelen ausathmeten.
5) Dann fehlte es auch nicht an den gewöhnlichen Grossthaten des
Herrn, und es öffnete sich der Himmel, indem Babylan und Mygdonius,
unsere Brüder, aus den Hausgenossen des Aemilianus, ihn sahen, welche
auch der Tochter des Aemilianus, ihrer weltlichen Gebieterin, den hei-
ligen Bischof Fructuosus mit seinen Diakonen zeigten, wie sie, noch
mit den Pf ählen , an die sie gebunden waren, geschmückt, zum Himmel
emporstiegen. Als sie aber den Aemilianus herbeiriefen, und sagten:
Komme, und siehe, wie diejenigen, welche du heute verurtheilt hast,
dem Himmel und ihrer Hoffnung geschenkt sind, und als Aemilianus
kam, so war er nicht würdig, sie zu sehen.
6) Die Brüder aber waren traurig, wie verlassen ohne Hirten, trugen
sie ihren Schmerz; nicht als hätten sie über Fructuosus sich betrübt,
aber sie sehnten sich nach ihm, eingedenk des gemeinsamen Glaubens
und Kampfes. In der folgenden Nacht kamen sie eilend mit Wein in
das Amphitheater, um die halbverbrannten Leichen damit auszulöschen,
worauf jeder, wie er es konnte, die gesammelte Asche dieser Märtyrer
sich zueignete. Aber es blieben auch die Wunder unsers Herrn und
Erlösers nicht aus, zur Vermehrung des Glaubens der Gläubigen, damit
den Kindern (im Glauben) ein Zeichen gegeben würde. Denn es musste
der Märtyrer Fructuosus, was er in diesem Fleische durch die Erbar-
mung Gottes lehrend in unserm Herrn und Erlöser versprochen hatte,
nachher in seinem Leiden und der Auferstehung seines Fleisches erfüllen.
Daher erschien er nach seinem Leiden den Brüdern, und mahnte sie,
dass, was jeder aus Liebe von seiner Asche an sich genommen, sie alle
unverzüglich zurückgeben, und dass sie dafür sorgen sollten, dass es
gesammelt und an einem Orte beigesezt werde.
7) Auch dem Aemilian, der sie verurtheilt hatte, zeigte sich Fru-
ctuosus zugleich mit seinen Diakonen in den Kleidern der Vergeltung,
indem er ihn zugleich schalt und ihn verspottete, dass es ihm nichts ge-
nüzt habe, dass er umsonst sich getröste, dass sie auf Erden ihrer
D. h. die Hände in der Form des Kreuzes erhoben. Die Erklärung giebt Prüden-
tius in 8. Hymnus 6: Non ausa est cohibere poena pahncu
In morem crwds ad patrem . levandcu,
Der Martyrbischof Fructnosus von Tarragona, und seine Gefährten etc. 269
Körper beraubt worden, die er jezt in der Glorie isehe *). O selige Blut-
zeugen, die durch das Feuer vfie kostbares Gold bewährt, bekleidet
mit dem Panzer des Glaubens und dem Helme des Heiles, gekrönt sind
mit dem Diadem, und der unverwelklichen Ei'one, darum, weil sie den
Satan auf das Haupt getreten haben. • O selige Blutzeugen, welche ihr
eine würdige Wohnung im Himmel verdient — stehend zur Rechten,
preiset Gott den allmächtigen Vater, und unsem Herrn Jesum Christum
seinen Sohn. — Es nahm aber der Herr seine Märtyrer im Frieden
auf um ihres guten Bekenntnisses willen, dem Ehre ist und Glorie in
Ewigkeit. Amen.
Der Dichter Prudentius feiert den Märtyrer Fructuosus u. a. in seinem
Hymnus auf die achtzehn Märtyrer von Saragossa:
Tarraco, Mutter der Frommen, dreifach
Ist die Perlenkrone geschmückt, die Christo
Dar da bringen wirst, und die Frn^tuosus
Glänzend verknüpfte.
Eingeflochten ist in dem Perlenbandc
Dieser Name. Fearig zu beiden Seiten *
Blizen zwei verbrüderte Edelsteine
Aehnlich Strahlen.
Von seinen Hymnen über die Märtyrer — ist der sechste dem An-
denken gewidmet — des Fructuosus. (Hymnus auf die seligsten Mär-
tyrer den Bischof Fructuosus der Kirche von Tarraco, und die Diakone
Augurius und Eulogius.)
In dem von Lorenzana herausgegebenen gothischen Ejrchenkalender
ist das Fest des heiligen Fructuosus auf den 21. Januar also angesezt:
Frtictuosiy Augurii et Eulogii, Novem lectionum. Unmittelbar rorher
geht — 20. Januar — das Fest der heiligen Jungfrauen Agnes und Eme-
rentiana, gleichfalls von neun Lectionen. Aber auf den 19. Januar ist
das Fest des Sebastian und seiner Gefährten — als feHum sex capparum
angesezt; auf den 22. Januar aber das Fest des Blutzeugen Vincentius —
als festum quatuor capparum. Man sieht, dass die Gothen imd Mozaraber
drei Klassen von Festen hatten. Die niederste war das Fest der neun
Lectionen; die mittlere das Fest der vi«r Cappae, die höchste das Fest
der sechs Cappae ^).
Mit Recht bemerkt der Aufsaz bei Braun ^ Achterfeldt , dass diese Stelle
wohl ein späterer Zasaz seyn möge. Da der Präses vorher nicht würdig ge-
wesen, den Fructnosas zu sehen, wie sollte dieser ihm noch besonders er-
scheinen? Wir bezweifeln, ob es des Märtyrers Fructuosus würdig gewesen,
den Aemilian zu schelten und zu verspotten. — Heft 2, S. 77 (1852). Pruden-
tius weiss nichts davon, hat es also in den ihm vorliegenden Akten nicht ge-
funden. Cf. Florez, 25, p. 9 — 30. — 183 — 191.
*) Cappa — s. Diez , Lexikon der romanischen Sprachen , 2*« Ausg. 1861 — S. 111
270 Drittes Buch. Viertes KapiteL
Fructuosufl ist der einzige Martyrbischof), welchen Spamen bis züx
Zeit der Mauren hatte und verehrte. ^Denn Gerontios von Italica^ und
Grispinus von Astigi werden als Märtyrer nicht verehrt^ und es scheint
nicht 9 dass ihre Feste in den ersten Jahrhunderten gefeiert wurden,
weil sie — neben dem Hymnus t— keine besondem Of&cien haben. —
Wie kommt es nun, dass das Fest des Fructuosus weniger feierlich be-
gangen wird? Indem ich diese Frage beantworte, bringe ich zugleich
eine alte Schuld ein. Denn auch das Fest der apostolischen Sieben-
männer steht in dem mozarabischen Ritus nur als Fest von neun Lectionen.
— Man kann nicht sagen, diess sei geschehen, weil sie keine Märtyrer
waren; denn Fructuosus war Märtyrer, und wird dennoch höher nicht
gefeiert.
Noch mehr, von allen Heihgen, welche als Nicht -Spanier in der
alten spanischen Kirche verehrt wurden, ist (mit Ausnahme der Apostel)
keiner höher gefeiert worden, als Cyprian von Carthago. — Kein nicht -
spanischer Heiliger ist Patron so vieler Kirchen in Spanien als er. Seinem
Feste am 13. September gieng ein dreitägiges Fasten voraus (Quatember-
fasten). Sein Fest ist aber auch nur ein Fest von neun Lectionen, wäh-
rend das Fest des heiligen Augustin (f 430) ein festum sex capparum ist
Worin liegt nun der Grund von all' dem? Er liegt darin, dass
die Siebenmänner, Fructuosus und Cyprian in früherer Zeit lebten und
vollendet wurden, als die Helligen des vierten und fünften Jahrhunderts.
Zu einer Zeit wurden ihre Feste in der Kirche Spaniens eingeführt und
begangen, als der Ritus noch weniger entwickelt war. Damals bedeutete
das Fest der neun Lesungen wohl die höchste Stufe der Festfeier. Später,
als die Kirche sich entfaltete, kamen die quatuor cappae und die $ex
eappae hinzu, sie wurden aber nicht auf die frühem, sondern nur auf
die neuem Heiligen angewendet.
Es gieng mit dem mozarabischen Rituskalender genau so, wie es
mit dem römischen gegangen ist. — Gerade die Heiligen, welche in
der ersten Zeit der Kirche gelebt und gelitten haben, stehen auf der
niedersten Stufe kirchlicher Festfeier. Die Päpste der drei ersten Jahr-
hunderte der Kirche, welche meistens Märtyrer waren, haben entweder
nur eine Oommemoration oder nur eine Neben -Oration neben den son-
stigen Festen , die auf den betreffenden Tag fietllen , oder sie haben nur
— Mantel, kommt schon in einer Urkunde von 660 vor. Es kommt nicht von
Caput f sondern von Capere, das Umfangende. — Jsidor. etymoL 19, 31* Capüubm
e$t, quod vulgo capitulare dicuni, Idem est cappa, vel quod duoa apicea, ut eappa
* Uttera habeat, vel quia capitis omamentum est, — Fr. Lorinser berichtet vom Ja-
eobusCeste in Santiago: Beiseskizzen 3, 319: und beim Magnificat incensirten
zwei Prälaten mit der Mitra gemeinschaftlich den Altar. Der Erzbischof er-
thellte ohne Mitra den Segen.
') S. indess Geroniius, Cri8|>inas, vielleicht auch Severus«
Der Martyrbischof Fractooflas von Tarragona, und seine Gefährfen etc. 271
eine Lection, oder sie sind Feste von drei Lectionen, oder im günstigsten
Falle sind sie fe$Ui semiduplieia mit neun Lectionen.* Man sehe dieses
nach an den Festen der Fäpste Linus (8em,)y Anenclet — (semid.) Cle-
mens^ welcher Martyrpapst sich noch — einer Bevorzugung erfreut,
da er ein festum semiduplex hat — Evarestus, Alexander, Xystus L,
Telesphorus, Hjginus, Pius, Anicet, Soter, Eleutherus, Victor, Ze-
phjrin, sie werden entweder nur commemorirt, oder haben nur eine
Lection, oder sind Feste semid. ritus.
Callistus I. erfreut sich wieder einer Auszeichnung, indem er ritu
9emidupUci gefeiert wird. — Ich weiss nicht, ob bei dem in den Jahren
18Ö0 — 1854 geführten Conflickte über seine Persönlichkeit dieses Mo-
ment von irgendeiner Seite ist herbeigezogen worden. — Das harte
Urtheil des Hippolyt, der seine Klatschereien über die Antecedentien
des Callistus seinem neulich entdeckten wissenschaftlichen Werke über
alle Kezereien glaubte einverleiben zu sollen, war keineswegs das Ur-
theU seiner römischen Zeitgenossen. Denn Callistus hat gewiss nicht
selbst sich auf eine höhere Stufe festlichen Angedenkens in der Elirche
gesezt, als seine Vorgänger und nächsten Nachfolger.
Sein Nachfolger, der Papst und Märtyrer Urban, erfreut sich am
25. Mai nur einer Commemoration. Der Papst und Märtyrer Pontianns
hat am 19. November nur eine — zwölfte — Lection. Und so die
andern. Nicht einer wird ritu duplici gefeiert bis auf Silvester. — Es
ist, als hätten die Päpste selbst ihre Verdienste geringer angeschlagen.
Denn während das Fest des Clemens L als gemiduplex am 23. November
begangen wurde, steht das den Tag zuvor gefeierte Fest der heiligen
Cäciüa — um eine Stufe höher.
Indess — so war es auch bis auf die neueste Zeit — mit den Festen
des Timotheus, Titus, Polycarpus, Ignatius von Antiochien; erst unter
dem Pontificate des jezt regierenden Papstes Pius IX. sind sie von feHa
$emidiq>licia — zu duplicia erhoben worden — 18. Mai 1854. — Gerade
aber ihre scheinbare Zurückstellung ist ein Beweis, dass sie von Anfang
an in der Earche begangen wurden. So verhält es sich denn auch mit
den spanischen Festen. Die Feste der Siebenmänner, des Fructuosus
und des Cyprian, welch^ lezterer indess auch in der römischen Kirche
— mit und neben dem Papste Cornelius am 16. September — nur ritu
semiduplici begangen wird, wurden in der spanischen Elirche schon im
dritten und Anfange des vierten christlichen Jahrhunderts begangen, zu
einer Zeit also, wo die Festfeier noch nicht so entwickelt war; und so
blieben sie auf einer niederen Stufe stehen.
In dem Officium des heiligen Fructuosus findet sich der Hymnus
des Aurelius Prudentius Clemens auf ihn — in verschiedenen Theilen. Ihr
Officium selbst, sowie die Messe ihres Festes enthält keine neuen Momente,
welche nicht schon in ihren Martyrerakten enthalten wären. Dass die Ver-
gleichung mit den drei Knaben im Feuerofen immer wiederkehrt, lässt
272 Drittes Buch. Viertes Kapitel.
sich erwarten. Namentlich findet sich die Wendung häufig, dass und
warum diese aus ' dem irdischen Feuer errettet worden , während jene
durch das irdische Feuer hindurch in das ewige Leben eingegangen
sind. — Ein Theil des Segens lautet: Der Gott, welcher die Asche
ihrer Leiber, welche die Brüder sich amnassten *), sammeln wollte,
damit sie an einem Orte bestattet werde, wolle euch nicht trennen von
der Einheit der einen Mutterkirche. — In dem von AI. Lesley heraus-
gegebenen gothischen Missale aber findet sich die Messe des heiligen
Fructuosus und seiner Gefährten am 13. Februar.
Unter den Predigten des heiligen Augustinus findet sich eine auf
das Andenken des heiligen Fructuosus ^). Man sieht, dass ihm die Martyr-
akten vorgelegen haben. Er führt die Worte des Fructuosus an: Ich
muss beten für die katholische Kirche, welche vom Morgen- bis zum
Abendlande ausgebreitet ist. Er führt die Worte des Eulogius an : Nicht
den Fructuosus bete ich an, sondern den Gott, welchen auch Fructuosus
anbetet. — Die Märtyrer, sagt Augustin, ehren wir, Gott aber beten
wir an 3). Der Katholik müsse sagen: Ich bete den Petrus nicht an,
sondern Gott bete ich an, welchen auch Petrus anbetet. Dann liebt
dich Petrus*).
Die Predigt schliesst mit der Aufforderung: Ehret die Märtyrer, —
lobet, liebet, preiset, verehret sie: den Gott der Märtyrer aber betet an*).
§. 2. Das Bisthum Tarraco.
Die Stadt Tarraco war eine Zeit lang die grösste und bedeutendste
Stadt Spaniens. Die Neuern behaupten, dieselbe habe unter den Römern
eine Million, oder über eine Million Einwohner gehabt^). — Das sind
grossartige üebertreibungen. Zunächst sagt Strabo nur, dass es so be-
völkert war, wie Carthago. — Aber auch dieses ist eine allgemeine
Phrase. Und wie viel Einwohner hatte denn Carthago? Die hoch gehen,
nehmen 700,000 Seelen an. Aber — welche Anhaltspunkte hat man
für solche Behauptungen? Keine. Es ist stehende Phrase, dass Spanien
zur Zeit der Römer vierzig Millionen Einwohner gehabt. — Nüchterne
Forschungen der neuesten Zeit reduciren diese vierzig — auf höchstens
*) Usurpatos a frairtbus.
*) August, sermo 273. — ed, Maur, F, i.
') Ut martyrea honoremus, et cum martyrihus Deum eolamus, — cap, 7.
^) Effo Petrum non colo, aed Deum colo, quem coUt et PeiruM» Tunc te amai Peinu.
.*) Veneremini martyrea f ktudate, amate, praedkatef honorate: Deum martyrum ooKu.
•) Ziegler, Reise nach Spanien 1852» Bd. 1,112 flg. — Minutoli, Alles und
Neues aus Spanien, Berlin 1854, Bd. 2, S. 153 — 217, »das Herkulesgrab in
Tarragona«.
♦) Strabo, 3,159.
$. 2. Das Bisthum Tarraco. 273
neun Millionen ^), wlihrend heute Spanien und Portugal zwanzig Millionen
zählt, und wohl zu keiner Zeit so bevölkert war, wie heute. In ähn-
licher Weise dürfen wir die BeTölkerung des alten Tarraco auf etwa
250,000 Seelen reduciren. MinutoH, der derlei Uebertreibungen in seinen
sehneil geschriebenen Werken über Spanien auf das neue in Umlauf
gesezt hat, giebt uns selbst Anhaltspunkte zu dieser Reduction. Er sagt
in seinem Buche: Altes und Neues aus Spanien^), dass Tarragona, To-
ledo, Meridä und Murviedro die bedeutendsten Amphitheater in dem
alten Spanien besassen, von denen die zwei erstem an — 30,000 Zu-
schauer ge&sst haben sollen. Der im J. 1754 gebaute Circus für die
Stiergefechte in Madrid fietsse 12,000 Menschen. Nun hatte Madrid in
der Mitte des vorigen Jahrhunderts etwa 100,000 Einwohner , während
es nach der jüngsten Zählung 286,000 zählt. — Dabei muss man be-
achten, dass man für die Residenz einen grössern Circus baute, weil es
die Residenz ist.
Wenn wir dieses auf das alte TarragonaT.mit seinem Theater für
30,000 Menschen übertragen, so hatte Tarraco gerade eine Bevölkerung
von 250,000 Seelen. — Das alte römische Amphitheater soll für 250,000
Menschen Raum zum Stehen und Sizen gehabt haben. Das alte Rom
hatte nach den einen If, nach den andern 2^ Millionen ^) Einwohner.
Das erstere ist das Wahrscheinliche. Nach obiger Schäzung würden
sich für Rom zwei Millionen Einwohner ergeben. Doch wurde natür-
lich bei der Hauptstadt des Reiches nicht bloss auf die Einwohner^ son-
dern auch auf die Fremden gesehen.
Um die Million, welche Minutoli der Stadt Emerita andichtet, glaub-
lich zu machen, behauptet er, sie habe eine Besazung von 80,000 Fuss-
gängem, und 10,000 Reitern gehabt. Spanien hatte aber nie über drei
Legionen „Besazung^ *). — Das Wort Besazung muss also hier be-
deuten — waffenfähige männliche Einwohner, zwischen sechszehn imd
sechzig Jahren. Wenn es in Emerita deren 90,000 gab , so ergäbe sich
für die Stadt etwa eine Bevölkerung von 250,000 Seelen. Nun waren
Mmda und Tarragona anerkannt die grössten Städte im römischen
Spanien. Heute hat Lissabon 276,000, Madrid 286,000, Barcelona 180,000
») Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung, 1859, B. 1, S. 213— 16 — sezt
die heutige Bevölkerung auf 19^, die alte römische auf 9 Millionen an.
«) Bd. 2, S. 80 flg. («Das Stiergefecht-.)
') Wietersheim nimmt zur Eaiserzeit nicht viel über 1^ Million (S. 265); Grego-
rovius. in s« Geschicbie dea *-^ Kaisers Hadrian — 1851 — nimmt 2,265,000 Ein-
wohner an.
*) Im zweiten und dritten Jahrhundert stand in Spanien nur die legio VII gemtna.
Becker- Marquardt, Römische Alterthümer; 3C2), S. 356. — S. Minutoli, Altes
und Neues ans Spanien» B. 1, 18 — 27. — »Eine Gewitternacht in Merida«.
Qams, Span. Kirche. lo
274 Drittes Bach. Vierte» Kapitel
Einwofaner. Auch nach der Grösse der Stftdte steht die heutige pyre-
näische Halbinsel nicht hinter dem alten Spanien zurück.
Aus dem Umstand , dass das heutige Tarragona nur 1 5^000 Seelen
zählt; auf den Verfall von Spanien su schliessen; ist gans falsch ge-
schlossen. Das alte Spanien hatte kein Madrid ^ und das nahe Barcino
war eine kleine Stadt. Barcelona hat Tajrragona neutraÜMrt und auf-
gezehrt
Cn. und P. Scipio haben die Mauern von Tarraco ^baut. Plinius
nennt die Stadt ein Werk der Sdpionen. Augustus, der hier eine Zeit
lang wohnte, baute sich eine Residenz , die dem Umfang der heutigen
Stadt gleichkommen soll ; auch Kaiser Hadrian weilte }nee — während
seiner Reichsrundreise , und wäre nahezu von einem wüthenden Sclaven
ermordet worden ^). Hier baute Augnstus einen Tempel seiner Unsterb-
lichkeit. In dem erwähnten Amphitfieater der Stadt erwürgten sich zur
Feier der kaiserlichen Rückkehr von dem kantabrischen Kriege , von
dem der Ejuser keine Lorbeern zurückbrachte — 2,000 Sdaven gegen-
seitig^). Es war ein blutgedüngter Boden , von dem Fructuosus zum
Himmel stieg. — Der prächtige in einer Höhe von hundert Fuss über
das Thal führende Aquädukt ist noch h^te in seinen grossartigen Ver-
hältnissen zu erkennen. ^Aber weder der Triumphbogen von Sura,
noch die Scipionengräber werden die Zeit überdauern.'' — * Die Grün-
dung der Stadt wird dem Herkules zugesehrieben, der in Tarragona
begraben seyn soll. — Wenigstens wurde dort seü^i Grab, und in dem-
selben sogar sein Leib gefunden. Minutoli ist der Ansicht, dass dieser
Bau und dieses Grab sammt seinen Emblemen ägyptischen Ursprungs
sei, und dem vierten christlichen Jahrhundert angehöre.
Die Stadt Tarraco unterlag allen Wechseln der Schicksale. — Im
achten Jahrhunderte wurde dieselbe von den Sarae^oen völlig zerstört,
im zwölften Jahrhunderte wieder aufgebaut. — Von dem im Osten der
Stadt, nahe am Meeresstrande, bei der Bastion del Toro gelegenen
Amphitheater sieht man noch einige Ueberreste des in den Felsen ge-
hauenen Halbkreises, altes Mauerwerk und Bogen« — Neben dem Am-
phitheater bestand noch ein 1,500 Fuss langer Circus ^).
Fructuosus ist der erste bekannte Bischof von Tarraco. Da aber
die Stadt so bedeutend, so günstig für den Verkehr mit Rom gelegen
war, so ist wohl anzunehmen, dass er — nicht der erste Bischof war.
Die Einwohner selbst möchten, wie wir hörten (B, 1. Kap. 8.)^ den
Ursprung des Christenthumes in ihrer Stadt auf den Apostel Paulus
zurückleiten, und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daaa Paulus
') Aeüut Spartian. v. Hadr, eogo. 12,
*) Minutoli, 2, 154 sq. Das Herkules^prab in Tarragona. •— Braua-Achtarfididt L e.
') Ziegler, spanische Reise, 1,118.
$. 2. Das Bisthum Tarraco. 275
dort geweilt habe. — Die heilige Thecla, die Schülerin des Paulus, ist
die Patronin dieser Stadt; ihr ist eine erst im J. 1776 vollendete Kapelle
im Dome geweiht*). — [Der Bisehof Fructuosus war schon ^alt, krank
und zitternd an allen Gliedern** ^).]
Auffallend sind die Worte des Bischofs, ,,des lieblichen Märtyrers
Christi**, wie Augustin den einige Monate früher als Märtyrer gestor-
benen Cyprian nennt: Ich muss in meinem Herzen tragen die katho-
lische Kirche, welche* vom Morgen- bis zum Abendlande ausgebreitet ist.
Diese Worte befinden sich nemlich in der altspanischen Liturgie. Hier
heisst es im Anfange der Stillmesse: Heilig, heilig, heilig. Herr
Gott und ewiger König, dir sei Lob und Dank. Lasset uns die heilige
katholische Kirche in unsern G ebeten im Herzen tragen , damit in ihr Gott
gnadenvoll Glauben, Hoffnung und Liebe zu vermehren sich vnirdige ^).
Jene Worte des Fructuosus waren demnach aus dem Geiste und
Sinne des ältesten Gottesdienstes der Kirche in Spanien gesprochen. —
Man könnte auch vermuthen, dass die von Fructuosus gesprochenen
Worte in die spanische Liturgie übergegangen seien. Diess ist aber an
sich imwahrscheinlich ; wenigstens bieten sich kaum Analogieen hiefür
irgendwo dar. — Und die Worte des Fructuosus wären dann wörtlich
aufgenommen, namentlich gewiss der Zusaz: vom Morgen- bis zum
Abendlande ausgebreitet — nicht weggelassen worden. — Wenigstens
der Jesuit AI. Lesley *) zweifelt nicht daran , dass Fructuosus die Worte
der Liturgie im Sinne gehabt habe, dass also diese Ausdrucksweise in
der Mitte des dritten Jahrhunderts — in der spanischen Messe sich fand.
Diess ist u. a. ein Beweis des hohen Alters dieser Liturgie.
Der Martyrbischof Fructuosus erinnert an den Martyrbischof Poly-
carp, der gleichfalls im Angesichte des Scheiterhaufens, der seiner war-
tete , und den die Juden wetteifernd^ mit den Heiden bauten , — die auf
dem ganzen Erdkreise verbreitete katholische Kirche in seinem Herzen
trug, indem er für alle, und für die Kirche auf dem ganzen Erdkreise
betete, wie es seine Gewohnheit war^).
») Ziegler, 1,117.
') Achterfeld t- Braun — L c. S. 74, mit Hinweisung auf sermo 273 des Auguslin:
Contra unum i/ifirmum et trementetn omnihus memhris senenif quid vaht Hercules f
*) Ecdesiam sanctam cathoUcam in orationtbus in menie habeamus : ut eam Dominus et
ßde, et spe et charitate propitius ampliare dignetur — missa omnium offerentium —
post agyos, — Ft'UCtno8U9 aber sprach : in mente me habere necesse est ecclesiam
cathoUcam f ab Oriente wque ad Ocddentem d^ffusam.
^) Leeleus, prcufaiio in missale mixtum, nr, 210.
*) Martyr, Pelycarpi — c. 5. — JtgogevxofJLevog xe^l stavrtay , xod riav xara rrjy oi-
MOVfievtpf exxiijffuiv. osteq rpf öt^-S'BQ cevra. — cf. cap, 13, — fjuHJUdra VovdaüoY
ft^oSvfJuagy tSg eSo^ avrotgy eis ravra vjtov^ovvrtay»
18*
Fünftes Kapitel.
Unfälle und Fortsehritt des Christenthumes in Spanien vom
Jahre 260 bis 304.
§. 1. Einfälle der Barbaren; Verwüstung von Tarraco.
Der Martyrbiscliof Fructuosus, seine beiden Begleiter Eologias und
Augurius starben in demselben Jahre für den Glauben, in welchem
Laurentius, von Geburt ein Spanier, und wie die Spanier annehmen,
aus der Stadt Huesca — Osca — in Äragonien, den 10. August 259 —
zu Rom glorreich für den Glauben starb *).
Der Martyrbischof Fructuosus, der Verehrer und Vertheidiger des
Glaubens — Bischof Felix von Zaragoza, und die drei Diakonen, welche
der Kirche und ihren Bischöfen treu bis zum Tode geblieben, haben
die Schande wieder ausgetilgt, welche der Abfall der unwürdigen Bi-
schöfe Basilides und Martialis über das christliche Spanien gebracht hatte.
Die lezte blutige Verfolgung hatte der Kaiser Valerian über die
Kirche verhängt. Im J. 260 gerieth er in die Gefangenschaft der Perser,
und starb in derselben. Sein bisheriger Mitregent und Sohn Gallienus
regierte nun allein bis 268, soweit ihn die dreissig Tyrannen, die Noth
oder Usurpation in den verschiedenen Provinzen des Reiches, und soweit
ihn die Einfälle der barbarischen Völker regieren Hessen. Spanien schien
vor solchen Einfallen am gesichertsten zu seyn. Es lag am fernsten,
und hinter dem natürlichen Walle seiner Gebirge. — Aber wie die
Alpen Italien, so haben die Pyrenäen Spanien nie geschüzt.
Aurelius^ Victor erzählt: Franken verheerten Gallien, bemächtigten
sich Spaniens, verwüsteten und plünderten beinahe gänzlich die Stadt
') Franz Perez Bayer „Damasus et Laurentius, Stspanis asserii et vindicatio' — Romae
1756. — Nach andern lUllt sein Tod in das J. 257 oder 258.
{. 1. Einfälle der Barbaren; Verwüstung von Tarraco. 277
Tarraco, und nachdem sie Schiffe erlangt hatten^ gieng ein Theil der-
selben nach Afrika hinüber. — Eutrop , der hundert Jahre später schrieb,
sagt: Die Germanen drangen bis nach Spanien, und eroberten die be-
rühmte Stadt Tarraco. — Der Spanier Orosius (um 415) sagt in noch
viel auffallenderer Weise: Die jenseitigen Germanen bemächtigten sich
des ausgesogenen Spaniens. — Es bestehen jezt noch in verschiedenen
Provinzen — in den Ruinen grosser Städte kleine und arme Wohnsize,
welche die Zeichen ihrer Missgeschicke, und die Spuren ihrer Namen
bewahren: unter diesen sseigen auch wir in Spanien unser Tarraco —
um uns zu trösten in unserm neuesten Unglücke ^).
Dieser Einfall der Franken erfolgte zur Zeit der dreissig Tyrannen.
Wietersheim vermuthet , diese Franken seien aus Belgien in Gallien ein-
gebrochen , in ihrem Rücken haben sich römische Streitkräfte zusammen-
gezogen, und darum seien die Franken nach Spanien, theilweise nach
Afrika gezogen. — Orosius nennt Spanien ein ausgesogenes, ein „ab-
geweidetes*^ Land. Gallien befand sich wo möglich noch in einem
elendern Zustande der Ausplünderung und Aussaugung der Provin-
zialen^); in diese Zeit fällt die Entstehung der Bagauden, zunächst in
Gallien^).. Die Franken also, vermuthe ich, als sie in Gallien nichts
mehr zu plündern fsmden, warfen sich auf Spanien, wie vor ihnen die
Cimbem und Teutonen, und nach ihnen die Vandalen, Alanen und
Sueven.
Aber die Stadt Tarraco — scheinen sie beinahe zerstört zu haben.
„Ein kleiner und ärmlicher Siz** und der alte Name Tarraco blieb übrig
in den Ruinen der grossen Stadt. Minutoli, welcher Forschungen über
das sogenannte Herkulesgrab in Tarraco anstellte, scheint diess nicht
gewusst zu haben. Seine Hypothese, dass der Tempel und das Grab
aus dem vierten Jahrhundert stamme, hätte dadurch eine neue Bestäti-
gung gefunden. Vielleicht, weil Tarraco zu einem kleinen Ort herab-
') ÄttreL Victor de Caes. 33. — Francorum gentesy direpta Gallia, Hispaniam poeside-
rent, vcutato ac paene direpto Tarraconensium oppido, nactisque in tempore navigüs,
pars in usque Africam permearet. Eutropius 9, 8, -^ Orosius, 7,22. — »ö«r-
mani ulteriores abrasa potiuntur Hispania, JExtant adhuc pei' diversas provincias in
magnarum urbium ruinis parvae et pauperes sedes, signa miseriarum, et nominum in'
dicia servantes: ex quibus nos quoque in Uispania Tarraconem nosiram ad consola-
tionem miseriae recentis ostendimus ..*— Wietersheim, die Völkerwanderung,
2 (1860), S. 294 u. 363-64.
') Perditae provinciae — Oros. 7, 22.
«) Lor. Diefenhach, Origines Europaeae - 1861, S. 237 — 39 über die Bedeutung
des Wortes «Bagauden«. — S. Künsberg, »Wanderungen in das germanische
Alterlhum« 1861 — Beilin -- S. 155— 56. ..Bagaudae, wie im dritten Jahr-
hunderte die aufständischen Bauern in Gallien genannt wurden« — v. 215. —
Der Bagaudenkrieg begann erst 287. Aber noch die Aufständischen des fünften
Jaljrhunderts in Spanien werden von Idatius so genannt. Heute heisst man
niedergetretene Völker, die um ihr Leben sich wehren > »Räuber*'.
278 Drittes Bach. Fünftes Kapitel.
sank, hörten auch die Bischöfe von Tarraco auf; vielleicht war Hime-
rius um das J. 384 wieder der erste Bischof von Tarraco nach einem
Jahrhunderte der Zerstörung. — Die Spanier erzählen, dass die Stadt
nach ihrer Verwüstung durch die Franken viele Jahre unbewohnt blieb,
dass erst im J. 278 die ersten Einwohner wieder in sie zurückkehrten,
und dass in dieser Zwischenzeit die Stadt Barcelona — die Hauptstadt
der Tarraconensischen Provinz gewesen sei. Wahrscheinlicher war es
doch Cäsaraugusta , von dessen altem Glänze die ausserordentlich zahl-
reichen Münzen in der Münzsammlung des Flörez zeugen *). — Sollen
wir dem Orosius glauben , so wurde damals nicht bloss Tarraco , sondern
ganz Spanien verwüstet, — und es war zwölf Jahre lang unter dem Drucke
der germanischen Völker^). — Satumin, einer der j,dreissig Tyrannen*,
schrieb sich das Verdienst zu, Spanien beruhigt zu haben. Mit Kaiser
Probus — seit 277 — kam wieder eine bessere Zeit. Er gestattete,
dass wieder in Spanien, wie in Grallien, Wein gebaut werde ^).
Im J. 283, unter dem Kaiser Carus, dem Nachfolger des Probus,
wohnte M. Aurelius Valentinian, Präsident des diesseitigen Spaniens,
schon wieder in Tarraco. Inschriften, welche er dem Kaiser Carus
sezte, sind von ihm erhalten. — Doch war der Umfang der Stadt von
jezt an um vieles beschränkter. „Es begann der Zerfall der Stadt, die
sich zur Zeit der Gothen wieder erholte, zur Zeit der Saracenen völlig
untergieng*)*'.
§. 2. Fortschritte des Christentliuines in den Jahren 260 — 304.
Seit dem Sturze des Kaisers Valerian genoss das Christenthum einer
langen Ruhe von mehr als einem Mensohenalter. Gallienus hob die
Beschränkungen gegen die Christen auf. Er erlaubte ihnen Grundeigen-
thum zu besizen, auf dem sie eigene Kirchen und Coemeterien errichten
konnten^). — Zahlreiche Kirchen erhoben sich in allen christlichen
Ländern. — Von Rom abgesehen, hatten die Christen in Nicomedien
eine prächtige Kirche, welche beim Beginne der lezten grossen Christen-
verfolgung niedergerissen wurde. — Auch in Spanien wurden zahlreiche
Kirchen erbaut, wahrscheinlich in dieser Zeit. Diess geht daraus her-
vor, dass die Synode von Elvira in einer Kirche versammelt war, und
') Doch nahm Barcelona in Folge des Verfalls von Tarraco zu, Florez, 24,89.
') Oros. 7f 41y quod (Hispaniae) etiam sub Gallieno tmperatore per annos propemo-
dum 12 f Germanis evertentibus exceperunt.
*) Flav, Vopiscus — Probus imper. c. 18. — Gallis omnibuSf et Hispanis ae BriUnrns
(sie!) hinc permisit, ut vites haberenty vinumque conßcerent Statt Britannis liest
Casaubon Pannonis,
Florez, 24, 91.
•) Euseb. 7, 13 theilt das Dekret des Gallienus mit.
Drittes Bach. Ffinftes Kapitel. Fortschritte des Christenthumes etc. 279
dass die Oanones der Synode mehrfach die Existenz von Kirchen vor-
aussezen.
Wahrscheinlich sind auch in dieser Zeit verschiedene neue Bis-
thümer gegründet worden, während schon bestanden -— die Bisthümer
Tarraco, Asturica, Cäsaraugusta, Emerita, Acci, Urci, Iliberis, wahr-
scheinlich auch Tucci, Castulo; Mentesa, Egabra, Corduba, Astigi und
Hispalis.
Wahrscheinlich wurden in dieser ruhigen Zeit auch neue, ander-
wärts entstandene Irrlehren, in Spanien eingeführt.
Amobius, der gegen Ende des dritten Jahrhunderts schrieb, be-
zeugt die starke Ausbreitung des Christenthumes in Spanien: ;, Warum
ist in Spanien, in Gallien, zu gleicher Zeit nichts von solchen (Uebeln)
entstanden, da doch auch in diesen Provinzen unzählbare Christen
lebten?« *)
') In Hitpamiaf Gaüia, cur eodem tempore horum nihil natum est, cum innumeri vice-
rent in his quoque provinciis christiani? — Florez, welcher diese Stelle citirt,
sagt, sie stehe am Anfange des Baches 2 — adv, gentes, und nach Florez
hat sie der Verfasser der Abhandlung bei Achterfeld l- Braun citirt. Sie steht
aber l i, i$.
Sechstes Kapitel.
Der Bisehof Gerontius von Italiea bei Hispalis. San Gerontio
und Santiponee.
Was ^wir über den sogenannten Regionarbischof Gerontius wissen, ist
so wenig und unbestimmt, dass sich daraus die Zeit seiner Wirksamkeit
nicht ermitteln lässt. — Die spärlichen Quellen über ihn finden sich zum
Theil in der mozarabischen Liturgie, zum Theil beruhen sie auf der münd-
lichen Tradition. — Sein Andenken wurde in der alten spanischen
Kirche am 27. August begangen. — Er hat aber kein eigenes Officium,
weder der Messe noch des Breviers. — Die Messe ist die eines Bischöfe
und Bekenners. Sie hat zwei Orationen, welche sich auf Gerontius be-
ziehen. Die erste lautet:
O Gott, Sohn Gottes, welchen der Bischof Gerontius mit ganzem
Herzen bekannt hat: indem er deinen Namen verherrlichte, ist er zu
der Siegeskrone geführt worden : lege in unsern Mund das Bekenntniss :
welches uns von der Sünde reinige ; so dass , was wir zu der Ehre deines
Namens sprechen, unserer Seele zum ewigen Gewinne gereichen möge.
Die zweite Oration ist: O Herr, allmächtiger Gott; der du das
Leben und das Heil der Gläubigen (an dich) bist: an den wir glauben
als an den wahren Richter, welcher kommen wird: sei uns gnädig:
und lass uns, — die wir dieses Opfer für unser, und der Unsrigen
Wohl, sowie für die Sühne unserer Sünden zu der Ehre deines selig-
sten Bekenners Gerontius dir dargebracht haben, — erÜEthren, dass die
Hilfe deiner Erbarmung über uns ausgegossen werde. So dass wir, die
wir schon durch das Mahl an deinem Tische erquicket sind, durch deine
Gnadengabe den ewigen Lohn zu empfangen gewürdigt werden.
Diess ist alles, was sich in der Messfeier findet. Li dem Officium
(Vesper, Matutin und Landes) finden sich mehrere Orationen und Ca-
pitula, in welchen Gerontius erwähnt wird, so aber, dass man dabei
Näheres und Einzelnes über ihn nicht erfährt. — Man sieht, dass die
Der Bischof Gerontias v. Italica bei Hispalis. San Gerontio n. Santiponce. 281
Fassui](g ^eser Gebete in eine so späte Zeit fällt, in welcher man ^
neben dem Namen, dem Todesorte und der Todesart des Heiligen •*<-
nichts mehr von ihm wusste. — Man sieht, dass in diesen Gebeten
ängstlich jede Hiiweisnng — darauf vermieden ist, als wäre Gerontius
als Märtyrer gestorben. Dass er Christus mit ganzem Munde und Herisw
bekannt, und ihn gepredigt habe, sowie dass er Bischof gewesen, dar-
auf wird der Nachdruck gelegt.
Der Fesihynmuj» macht gleichfalls auf die IJngewissheit der Nad|-
richten über Gerontius aufinerksam, und damit auf den grossen Abeitaild
der Zeit — von seinem Leb^i oder Tod — bis auf die Zeit seiner
Festfeier. Die Worte des Hymnus: ;,er soll und man sagt von ihm^ —
deuten diess zur Genüge an. — Er soll als Lehrer zu der Zeit der
Apostel gelebt, und den höchsten Vater des allmächtigen Sohnes ver-
kündigt haben. Während er durch den äussersten Westen zog, wurde
er endlich durch den Hass der Heiden hinweggerissen, damit er sterbe.
Aber auf Befehl des Präses wurde er in Ketten geworfen, und in den
finstersten Kerker eingeschlossen. In den Banden sei er gestorben. Der
Hymnus , welcher wohl aus dem ^ebenten Jahrhunderte stammen dürfte,
lautet:
Sacratum Ckriati cmtistitem
Gerontium con/essorem
Dignis canamus laudtbuSf
Et celebremus vodbus.
Hie fertur ApostoUeo
Vates fulstsse tempore
Et praedicasse supremum
Pcttrem potentis Filti.
Qidqtte dum per oeciduam
Percurreret clarus plagam,
Tandem ira GentiUum
Ad passionem trahiiur,
Sed mox prciecepto BiraesuHs
Nodis gravatur ferreü:
Horrendis umbris ectrceris
Datur in jus camifids.
Quem feruwt vinctum vinculis
Inter paüen^ tenebras
Maptam e sacro corpore
Dedisse. coeh animam,
Sic inter apostoUca
Locatus jcan consoriia,
Gaudet caelesii gloria
Et clara Christi gratia.
Namgue infolatus gemino
Fulget et nüet praemio ;
Sacerdotali titulo
Confessionis merito.
Gloria Patri persqnetj
Christoque Unigenito
ParacUtoque Spiriiui
In saecuhrum saectila. Amen,
Dieser Hymnus hat seine Quelle offenbar in der unsichem münd-
lichen Tradition. Sein geschichtlicher Inhalt ist aber um so wahrschein-
licher, je wenigei* er — Ausserordentliches berichtet In der Mitte des
siebenten Jahrhunderts stand oberhalb Sevilla, am rechten Ufer des
Bätisflusses, ganz nahe dem alten Italica, — eine dem Andenken des
apostolischen Mannes gewidmete Basilika. Der heilige Fructuosus von
Bracara, welcher am 1. Dezember 656 Bischof wurde, machte in früherer
Zeit als Mönch eine Wallfahrtsreise durch Spanien. Er kam nach Me-
rida, zmn Grabe der heiligen Eulalia. Von hier wohl reiste er nach
%3 Dtittes Btrch. Seehsies Kapitel.
Sevilla. ^Eines Thgea fuhr er auf dem Flüsse Von Sevilla «ü der Basilika
des heiligen Gerontias. Hier pflegte er seiner Andaeht; und kam erst
hth späten Abend asum Schiffe zurück, worüber die Sühiflisteute sich
ungehalten 2seigten. Auf s^ne Aufforderung nahmen sie die Segel des
kleinen Schiffes hinweg, und schickten sich zur Buhe an. Fructuomis
Tt^^htete mit seinen Geführten den frommen Di^st, und indem das
Schiffchen von der Hand keines Menschen geleitet wurde, fuhr es schnell
isum andern (linken) Ufer. — Die Bchifisleute erwachtein, und wun-
derten sich sefhr, als sie sich schon auf der andern Sdte des Flusses
fanden*).
Daraus ersehen wir, dass im siebenten Jahrhunderte das Andenken
des heiligen Gerontius gefeiert war. — Aber — auf die Zeit seiner
Wirksamkeit daraus zu schliessen, geht nicht an. Er kann im ersten
wie im zweiten Jahrhunderte gewirkt, und ein Schüler der sieben Apostel-
schüler gewesen seyn. — Er kann auch erst im dritten Jahrhunderte
gelebt haben. Diess war wohl nicht mehr im Zeitalter der Apostel.
Aber der Verfasser des Hymnus sagt auch nur: Es wird gesagt, dass
er damals gelebt. — Er kann erster Bischof von Sevilla, oder von
Italica, oder von beiden zugleich, oder auch, — wie man gewöhnlich
annimmt, Bischof ohne einen bestimmten Siz gewesen seyn.
Man kann auch aus Anlass der Worte, — dass die Wuth der Hei-
den ihn zum Tode fortgeraffit habe, an das Martyrium der heiligen Justa
und Rufina um das J. 286 denken. — Ke Wuth der aufgeregten Hei-
den war es, die sie zum Martyrium zog. — Die einmal erregte Wuth
kann sich auf den Bisdiof Gerontius von Italica geworfen, und stürmisch
seine Hinrichtung verlangt haben. Da aber damals keine Christenver-
folgung herrschte, so kann sich die heidnische Obrigkeit mit seiner Ein-
kerkerung begnügt haben, vne auch der grausame Dacian sich mit der
Verbannung des Bischofs Valerius von Saragossa begnügte, troz der
Zeit der Verfolgung, und wie auch Hosius von Corduba zwar für den
Glauben litt, aber nicht starb. Doch diess sollen nicht mehr als Ver-
muthungen seyn.
Die alte Stadt Italica, Geburtsort der Kaiser Trajan, Hadrian und
vielleicht Theodosius, lag sechs römische Miglien entfernt von Sevilla,
auf der rechten Seite des Flusses. — Italica ist zu der Zeit der Muha-
medaner von der Erde verschwunden. Die Gegend hiess noch im sechs-
zehnten Jahrhunderte die Fdder von Talca (Italica) ; nacb Madoz besteht
der Name heute noch. An der Stätte des alten Italica besteht heute
') Quadam die, y^te B, SVuetuosus dovcHönia impkudae gratiaf de cwitate i3j»<Uen8i ad
BaaiUcam S. Gerontü navigio prof eckte est — Qui cum ewrexieeent (nautae), afque
se in alteram partem ripae flwmnie esse con^exieeent, obstupefacti turbatique mirar
bantur quidnam fecisset Detts. — S, Fructuosi Bracar, Vita, ap» Espanna s. — t, 15.
Ap, 4. — ^abUhn, Acta s. Ord. s. B. eaec, II, p, 2, p, 5S6.
Der Bischof Gerontius v. Italica bei Hispalis. San Gerontio u. Santiponce. 283
der Ort Santiponce. -^ Auf altem Karten Spaniens findet sich dieser
Ort nicht. Vielmehr die Orte Burguillos, Oantillana. — A. Cean Ber-
mudez , ein spanischer Schriftsteller der- Gegenwart *) , folgt der An-
sicht der frühern Historiker, des Morales, Rodr. Caro^ Mariana und des
Florez, über den Ursprung des Wortes Santiponce. Sie glauben, dass
die ursprüngliche Bevölkerung von Italica Santios oder Sanctius geheissen
habe, bis ihr Scipio den Namen Italica gab, indem er seine invaliden
Soldaten sich dort ansiedeln liess. Italica war aber ein Municipium.
Doch, meint Florez und nach ihm Madoz wohl mit Recht, diess sei ein
Missverständniss der Worte des Appian, welcher von Verwundeten des
Scipio rede^). „Es ist nicht bekannt, wie die Zeit das Schicksal dieser
so berühmten Stadt umwandelte.^
Caro und Morales haben keine Öründe angegeben für ihre Be-
hauptung, dass Italica früher Santi oder dergleichen hiess. — Es scheint
mir gewagt, mit Cort^s y Lopez — das Wort Saniipanee herzuleiten
von Saudorum positio — „die Station der Verwundeten**. Von Madoz
ist es um so aufFalleüder, dass er di^B^r abgeschmadcten Erkllirung des
Gort&i beigetreten, als er in dem betreffenden sehr kurzefn Artikel Fol-
gendes erzählt: Vor Zeiten lag hier ein Ort, mit Nam<^ Isla del Hierro,
der Ort wurde beinahe ganz zerstört durch i^ne Ueberschwemmung des
Quadalquivir am 30. November 1595, und war im J. 16G3 ein TrSomier-
haufen. Die noch übrigen ißanwohner nahmen ihre Zuflucht zu den Mönehen
des benachbarten Ellost^s San Isidoro del Campo , welche ihnen sechzig
Häuser bauten, und später durch die Könige dem neuen Orte eiti^
Namen geben liessen. Warum dieser Ort aber Santi -Ponoe genannt
wurde, wird nicht gesagt. Uliter solchen Umständen wäre es weniger
mit den Haaren herbeigezogen, Santiponce von Sanoti- Gerontio (zum
heiligen ' Gerontio) herzuleiten , (ds von saudorum poiUio (Stätte der
Verwundeten).
'} C. JBermudeZf Sumario de las Äntiguedades.
*) J^wtaxiSe Tovg r^avfjiarioeg e^ stoXiVy ffV dno rijg ^IraXiag ^IxtxXw^ excUeöe, xai
jtexTQi^ eöti T^e^'Cayov re xa< j4d^uxY0v. — Äppian der Alexandriner lebte um die
und naeh der Mitte det zweiten Jahrhunderts. — Das Wort Tpccvfuxriev — i6t
satwü im Lateinischen, w^her man Sanctü geleitet hat* — ^ S. AuL Geüius noet
atttcae, 16, 13, welcher erzählt, dass die Italicenser bei ihrem Landsmanne
Kaiser Hadrian die Gunst nachgesucht haben, dass ihre Stadt statt eines Mn-
aicipiums — eine Colonie werde. — Morales, Antigued. 6, 36. Cortfy, Diccion.
3, 101. (Madoz «. v. Santiponce^ El nombre Santi' P^nce es una degeneracion de
Saudi hie positi oder Positio Saudorum: y de aqui Saudponce y Santiponce.
Siebentes Kapitel.
Justa DDd Ruflna, Märtyrer and Schuzlieili^e von Sevilla.
Justa und Rufina waren Schwestern, arm an irdischem Besiz, lebten
sie von der Arbeit ihrer Hände. Es geschah, dass das heidnische Volk
mit dem Bilde oder der Statue der Göttin Salambo durch die Stadt zog.
— Salambo ist eine tyrisch- babylonische Göttin, welche den verlornen
Adonis sucht und beklagt*). Die beiden Schwestern lebten von dem
Ertrage der Töpferwaaren , die sie verkauften. Die Heiden kamen mit
den Schwestern in Streit, entweder weil sie bei denselben für ihre
Göttin Beiträge sammelten, und die Schwestern sich mit Recht dessen
weigerten , oder — weil die Schwestern sich — gleichfalls aus Gewissen-
haftigkeit weigerten. Etwas zum Zwecke und Dienste der Gözen zu
verkaufen. — Ihre Weigerung erbitterte das Volk. Ihre Geschirre
wurden zerschlagen und zertreten. Inzwischen fiel die Göttin von ihrer
Tragbahre zur Erde herab, und sie zerbrach — wie die Geschirre der
Schwestern. Das machten die Heiden den leztern zum Verbrechen, und
schleppten sie wegen Gotteslästerung vor Gericht. Die Einen, unter
andern Florez, sagen — die Heiden haben ihre Göttin selbst zur Erde
gestellt. Die Schwestern, nicht erzürnt, weil sie zu Verlust gekommen,
sondern aus Entsezen vor dem Idol, „warfen sich auf das GözenbDd,
schleppten es fort mit Hohn und Hessen nur Trümmer von ihm übrig''.
Diess betrachteten die Heiden als sacrilegisch.
Treuherzig erzählen Solches die Spanier, und sind weit davon ent-
fernt, an solcher „Energie'^ Anstoss zu nehmen. Wir andern — denken
*) Lampridius erzählt von dem Kaiser Heliogabal — HeL c, 7 — „Salambonem etiam
omni planctu et jactatione S^rictci cultus exhibuit.^ Movers, die Phönicier, 1, 585
— ders. bei Ersch und Gruber, «die Phönicier«, S. 389*. — Florez, 9, 108, der
meint, das Fest der Göttin sei in der Mitte des Juli gefeiert worden.
Jnsta und Rnfina, Märtyrer und Scbuzbeilige von Sevilla. 285
uns die Jüsta und Rufina als zwei christliclie Jungirauen^ die aus zartem
Gewissen keinen Beitrag zum Gözendienste geben wollen. Darüber
kommt es zum Hader; die Göttin wird entweder von den Heiden her-
untergeworfen, weil sie unsanft und uneben zur Erde gesezt ist, oder
— die Tragbahre sammt der Göttin kommt aus irgendeinem Zufalle zu
Falle, und zu Schaden. Die Heiden, erzürnt darob, und vielleicht
wähnend, die Schwestern hätten durch Zaubermittel solches bewirkt,
schleppen sie vor die Gerichte. Ganz anders die Spanier; ihnen sind
die Schwestern keine sanften, gewissensängstlichen Jungfrauen; es sind
energische aus - und durchgreifende Andalusierinnen von mehr als männ-
lichem Geiste. Sie geben kein Almosen, und geben kein Geschirr der
Göttin, auch wenn sie bezahlt werden. Da nun aber ihre Geschirre
von den Heiden zertrümmert werden, so zertrümmern sie zur Vergeltung
die Göttin. Frauen und sanfte germanische Naturen haben kein Verständ-
niss für solche Thatkraft. Heilige und Blutzeugen Christi aber sind Justa
und Rufina auch dann, wenn sie wirklich die Göttin Salambo zertrüm-
mert haben. Dass und wenn sie diess thaten, so war es weder heilig
noch unheilig; es war höchstens spanisch und noch näher andalusisch.
— Das aber war Nebensache, die Hauptsache ist, dass sie für Christus
ihr Leben gaben.
Bis auf die neueste Zeit begegnen wir der Auffassung und Dar-
stellung von Seite der Spanier, dass die Schwestern durch die Zer-
trümmerung des Gözenbildes ihren Tod herbeigeführt hätten. Der Canon
sechzig der Synode von Elvira verbietet, diejenigen als Märtyrer zu
verehren, welche von den Heiden getödtet worden, während sie Gözen-
bilder zertrümmert hätten. — Der neueste Herausgeber der Concilien
von Spanien, Tejada y Ramiro, trägt kein Bedenken, jenen Canon auf
die beiden Schwestern Justa und Rufina anzu\^^nden. £r meint, dass
die Väter von Elvira bei Erlassung jenes Canons unsere Schwestern im
Auge gehabt haben. Ich aber meine , dass er den Patroninnen der ehr-
würdigen und liebenswürdigen Stadt Sevilla nicht gerecht geworden sei.
Denn, es ist noch nicht erwiesen, dass sie wirklich das Idol zertrüm-
merten. Hätten sie es zertrümmert, so wären sie gereizt und im Zorne
dahin gekommen, während jener Canon auf solche hinweist, die ohne
besondern Anlass Gözen zertrmnmern. Dann passt der Canon nicht auf
die Schwestern, weil sie ja nicht bei der Zertrümmerung getödtet, son-
dern vor den Richter geführt wurden , und dort ihren Glauben standhaft
bekannten. Er passt nicht auf sie, weil sie ja in der ganzen Kirche
stets als Märtyrer anerkannt und verehrt wurden.
Die beiden Schwestern nehmen in der mozarabischen Liturgie eine
ausgezeichnete Stellung ein. Ihnen sind zwei Kirchenfeste gewidmet.
Am 17. Juli ist das Fest der heiligen Jungfrauen Justä und Rufina;
daneben hat Rufina für sich noch eine besondere Festfeier. — Das gothi-
sche Brevier hat zwei verschiedene OfGcieU; das-erstere zu £hren der
286 Drittes Bnpti. Siebentes Kupitel.
Justa; das andere der j^ufina; das gotbische Missale — bat gleicb^Us zwei
Messen; die erstere bandelt von beiden Sebwestern, die zweite von der
Rufina allein 9 wäbrend aucb bier die Präfation sieb auf beide beziebt.
Das gotbisebe Orationale bat nur ein Officium für beide. Wober nun
dieser ünterscbied? Hören wir weiter den Beriebt ibres Martyriums. —
Als die Heiden ibre Göttin Salambo zerbrochen zur Erde liegen saben,
gerietben sie in einen natürlicben Zorn, scbleppten die Sebwestern
vor den Ricbter, und klagten sie eines todeswürdigen Verbrecbens an.
Präses in Sevilla war Diogenian. Er wendete, um ibre Standbaftigkeit
zu brecben, Foltern und glübende Zangen an. Dann liess er sie in
das Gefängniss zurückfübren. Nacb wenigen Tagen sollte sieb der
Ricbter an einen Ort der Sierra Morena begeben. Er befabl, dass
die Sebwestern ibm mit blossen Füssen durcb raube und abscbüssige
Pfade folgen sollten. Aber sie ^traten den ganzen Weg wie Staub
unter ibre Füsse^. Endlicb baucbte Justa ihr Leben im Gefängnisse
aus; ibren Leicbnam liess der Präses in einen Brunnen werfen. Aber
der Biscböf Sabinus liess ibn berauszieben , und ehrenvoll begraben.
Die Rufina aber, welche (nach dem Tode ihrer Schwester) im Gefängniss
geblieben war, liess der Präses erdrosseln. Ihr Leicbnam wurde ver-
brannt, und (die Asche) ehrenvoll begraben.
Nicht leicht wird ein Volk das Andenken seiner Heiligen mit solcher
Treue und Liebe bewahrt und fortgepflanzt haben, wie das Volk von
Sevilla. Hier begegnen wir einer lebendigen Tradition, wßlche niemals
im Munde und Herzen des Volkes erlosch, welche darum auch nicht
aufs neue erweckt zu werden bedurfte. Die Tradition sagt, dass die
beiden Heiligen in der Vorstadt von Sevilla, Triana, jenseits des Flusses,
ihre bescheidene Wohnung hatten. An dieser Stelle wurde ein Spital
gebaut. Ebenso wird noch der Ort des Gefängnisses und der Brunnen
gezeigt. Der leztere befand sich in demselben Gefängnisse. In dem
Kloster der heiligsten Dreieinigkeit zeigt man die Höhle, die sich in
zwei enge Wege theilt, und am Ende des einen ist die Grube, deren
Wasser gegen viele Leiden mit Nuzen gebraucht wird ; ein den Heiligen
gewidmeter Altar befindet sich an dieser Stätte. Auch der Ort wird
noch gezeigt, wo der Leichnam der heiligen Justa begraben wurde; es
war auf dem an die Stadt sich lehnenden ßegräbnissplaze, der jezt
Prtxdo de Santa Justa (Wiese der heiligen Justa) heisst, auf der Nordseite
der Stadt. Von der heiligen Rufina wird noch besonders erzählt, dass sie
einem Löwen vorgeworfen wurde. Dieser aber habe seine Wildheit abge-
legt, und ihr kein Leid gethan. Im Amphitheater habe man ihren Leib
bramit Die üeberreste habe derselbe Bischof Sabinus gesammelt, und ver-
sie neben denen der heiligen Justa beigesezt. Die Nachricht von dem
Löiyen ruhet auf einer sidiem Quelle, auf einer Oration des mozarabi-
scbon Officiums. Nach dem alten Brevier von Sevilla wird das J. 287
ab das Jahr des Martyriums bezeichnet. Der Bischof Sabinus ^ welcher
Justa und Bufln«, N(ar.ty^err iind Sc)ui«lie]%^- von Sevilla. 387
neuraelm Jabce spHter in Elvira untei^scbrieb, kponte wphl dei^lbe, es
kann aber auch ein anderer* Sabinus seyn y da dieser Najxxe stehend ist
(a. Kap. 3). — Da in Spanien das Andenken der beiden Schi?vestern
besonders am 17. Juli gefeiert wird, so kann man annehmen, dass
wenigstens eine an diesem Tage starb.
Der Bubm und die Verehrung der Justa und Bufina sind in allen
Jahrhunderten gleich gewesen. Es ist darum keine Uebertreibung , wenn
ihre Messe' mit den Worten beginnt: ^Wir wollen den frömmst^a Glauben,
der heiligen und seligsten Märtyrer Justa und Bufina, und ihre auf dem
ganzen £rdkrei$e gefeierten Sl^ge — mit gebührjender Ehre begehen. '^
-- Ihre ISamm stehen in dem ältest^i römischen Majr tyrologium. Bald
nach ihrem Tode wurden Kirchen ihnen geweiht Iieander roa Sevilla
wurde begraben in der Kirche von Sevilla, welche ihren Namen trug.
— Unter den «sechs vielgenannten mezarabischen Pfarrkirdien in Toledo
(S. 83>), wel^die zu d^ Zeit der Mauren fortbestanden, und in denen
die altspanische Liturgie fortbestehen sollte, wird die P&rrhirche der
heiligen Justa. immer zuerst genannt. Diese Kirche der heiligen Justa
und Rufina wurde durch König. Atanagild schon im J. 654 gegründet,
und bestand in aUem Jahrhunderten gleichmllssig als die erste Pfanr^
kirche fort. Erst am 31. August des Jahres 1842 wurden mit ihr die
beiden (gleieh£alls mozarabischen Kirchen) San Sebastian und San Lucas
vereinigt. Jene wurde gegründet 601 , diese 641. — Die Kirche der
heiligen Justa und Rufina, welche viele Restaurationen erfaiiren hat,
befindet sidi in Mitte der Stadt ^). — In ihr legten die Christen alle
ihre Reliquien, Bücher und Pikiere nieder, die sie aus der Hand der
Maaren retten koamten. — Die Kirsche des heiligen Torcuato, welche
heute noch zum Fatronate der mozarabischen Kapelle gehört, wurde im
J. 701 gegründet *— Auch in Lissabon und Orihuela hatten diese H^
]^fen ihnen dedicirte Kirchen. — Li dem Bistfaume Astorga sind der
heUigen Justa vder Kirdien geweiht. Ihr Andenken wird in allen spa^
nischen Besizungen als Fest mit doppeltem Ritus gefeiert, in der Stadt
und dem Erzbisthum Sevilla als Fest der ersten lüasse mit einer Octave.
Das erstere aber erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, und unter
Mitwirkung des H. Florez*).
Als thatkräfitige Schuzheilige von Sevilla haben sich denn auch die
Schwestern Rufina und Justa erwiesen. — Bei dem grossen Sturme des
J. 1504 ist die Giralda, die Spize des Thurmes der B^athedrale von
Sevilla, allein unerschüttert geblieben. Denn die beiden Patroninnen
der Stadt^ die heiligen Jungfrauen Justa und Rufina, vnurden in Heiliger
') Florez, 9, 813. Hefele, Ximenes, 155. Madoz s. v. Toledo, 14, 821. Lorinser
2, 263.
*) Florez, 9,314.
288 Drittes Bnch. Siebentes Kapitel.
Grösse zu beiden Seiten des Thurmes sichtbar, und schüzten denselben
gegen die Wuth der entfesselten Elemente. Seit dieser Zeit wurden
diese beiden Heiligen nicht anders im Bilde dargestellt, — als neben
der Giralda stehend, und den Thurm (als Symbol des Schuzes, den sie
der Stadt gewährten) , mit ihren Händen stüzend *). Dieselbe ^Scene
stellt das Altarblatt dar, das die Kapelle dieser Heiligen in der Kathe-
drale ziert (Gemälde von Muriilo). Es ist diess allerdings eine fromme
Ueberzeugung des Volks von Sevilla, die man theilen und nicht theilen
kann. Ein historischer Beweis für die Thatsache wird sich vielleicht
nicht herstellen lassen. Aber ähnliche Thatsachen — treten als Ana-
logieen in der Welt- und Kirchengeschichte oft hervor, dass besonders
in Zeiten der höchsten Bedrängniss den Völkern ihre Sehuzhdilige sich
hilfreich erwiesen*).
Im Juli 1843 wurde Sevilla durch Van Haien, den General des
Espartero — bombardirt. Am 17. Juli, an welchem Tage in Spanien
das Andenken der beiden Schwestern festlich begangen wird, sah man
von der Giralda aus das Herabsteigen der Belagerungsarmee. Am 20.
begannen die Batterien zu spielen. Am 21. Juli donnerten die Batterien
18 Stunden lang unimterbrochen: 357 Bomben und 600 Kanonenkugeln
wurden auf die Stadt geschleudert. Am 28. Juli zog sich der Feind,
verfolgt von der Befreiungsarmee, zurück. — Umsonst sagten die Ver-
theidiger Espartero^s, man habe alle Sorgfalt angewendet, um die Ka-
thedrale und die Giralda nicht zu treffen. „Diejenigen, welche auf der
Giralda wachten, versicherten, es seien ganz deutlich viele Kugeln auf
diesen Thurm und die Kathedrale, welche unter ihm liegt, abgezielt
worden. Einige fielen zu bald ein, dnige flogen darüber hinweg, und
einige fielen seitwärts ; aber •— keine einzige traf das heilige Gebäude.^
— Das Volk fühlte alles Vertrauen in den Schuz des Hauses Gottes,
und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Auch jezt schien, dass
die Schuzheiligen Justa und Bufina — ihre schüzende Hände über der
Stadt und der Kirche hielten^).
Ziegler, AI., Reise nach Spanien, 1, 338; 346; 353. Justa und Rufina waren
Töchter eines Töpfers in Triana. — Lorinser, 4, 231. — Die Angaben über
die Zeit sind verschieden.
*) S. meinen Aufsaz: »Die Völker and ihre Heiligen« — in der nHildesheimer theo-
logischen Monatschrift« 1851 , S. 891 - 909 — und im Anhang zu Bd. 2 —
meiner gleichzeitig erscheinenden »katechetischen Reden« — die Predigt zum
5. Juni 1859 — auf das Fest des heiligen Bonifacius.
Card. Wiseman, Abhandlungen über verschiedene Gegenstände, Regensburg',
1854, 3. Bd. — Spanien — S. 1—135 — bes. S. 72.
Viertes Buch.
Die Kirche in Spanien während der
grossen Verfolgung unter Diocletian
und Maximian.
Erstes Kapitel.
Die ehristUehen Soldaten und Märtyrer Harcellos nnd
Cassianns von Tin^is.
Das Pest des Märtyrers Marceüus wird am 30. Oktober in der alt-
spanischen Kirche gefeiert. Desswegen wird Marcellus hier eingereiht,
obgleich er nicht auf dem Boden des eigentlichen Spaniens litt. Sein
Fest scheint aber erst spät, vielleicht erst durch Isidor von Sevilla in
das Brevier (Sanctorale) und in dais Missale gekommen zu seyn. Denn
das Officium wie die Messe ist das — „eines Märtyrers'^. Es hat keine
eigene Oratio, sondern nur einen Hymnus. Dagegen besizen wir seine
ächten Martyrakten.
Akten des heiligen Marcellus, Centurio und Märtyrers —
in der Stadt Tingis. 1) Als Fortunatus Präses war, traf der Ge-
burtstag des Kaisers ein. Da nun alle bei Gelagen schmausten und
opferten, hielt ein gewisser Marcellus von den Centurionen der Traja-
nischen Legion ^), diese Gelage für gemein, warf den militärischen Gurt
') Diess ist eben die Legio VII gemna, deren Hauptcorps in Leon stand.
Garns } Span. Birehe, 19
290 Viertes Buch. Erstes Kapitel.
vor den Legionszeichen, welche damals aufgestellt waren, hinweg, und
gab mit lauter Stinune Zeugniss und sprach: Ich diene dem ewigen
Könige Jesus Christus. Er warf auch die Weinrebe und die Waflfen
weg, und fügte bei: Von nun an höre ich auf, eueren Kaisem zu dienen,
und ich verachte es, euere hölzernen und steinernen Götter zu verehren,
welche stunune und taube Idole sind. Wenn diess das Loos der Krieger
ist, dass sie den Göttern und Kaisern zu opfern gezwungen werden:
siehe, so werfe ich die Weinrebe*) und den Gurt*) weg; ich entsage
den Insignien, und weigere mich zu dienen.
2) Es erstaunten aber die Soldaten, als sie dieses hörten: sie hielten
ihn fest, und meldeten es dem Anastasius Fortunatus, dem Präses der
Legion, welcher ihn in das Gefangniss werfen Hess. Als aber die Ge-
lage vorüber waren, so sezte er sich zu Gerichte, und befahl den Cen-
turio Marcellus hereinzuführen. Und als Marcellus von den Astasiani-
schen Centurionen^) hereingeführt worden, sprach der Präses Anastasius
Fortunatus zu ihm: Wie bist du dazu gekommen, dass du gegen die
Kriegszucht dich entgürtetest, und den Gurt und die Weinrebe weg-
warfest? Marcellus antwortete: Ich habe schon am 21. Juli, bei den
Zeichen dieser Legion, als ihr den Festtag des Kaisers begienget, öffent-
lich imd laut bekannt, dass ich ein Christ bin, und dass ich diesem
Fahneneid nicht dienen kann, sondern nur Jesu Christo, dem Sohne
des allmächtigen Vaters. Der Präses Anastasius Fortunatus sprach: Ich
kann deine Verwegenheit nicht ignoriren, und darum werde ich dieses
den Imperatoren und dem Cäsar berichten. Du selbst wirst wohlbehalten
zu meinem Herrn Aurelius Agricolanus hintibergesendet werden, welcher
Stellvertreter des Präfekten der Prätorianer ist, während Cäcilius die
Geschäfte des Gerichtshofes versieht.
3) Am 30. Oktober wurde zu Tingis Marcellus, einer der Centu-
rionen von Asta, eingeführt, und vom Gerichtshöfe wurde gesagt: der
Präses Fortunatus hat den Marcellus, einen der Genturionen, vor deine
Gerichtsbarkeit geschickt. Es ist ein Brief über seine Angelegenheit
da, welchen ich, wenn du es befiehlst, vorlese. Agricolanus sprach:
Er werde vorgelesen. Von Gerichtswegen wurde gesagt: An dich, Herr
') Viti8f eigentl. Weinstock; dann eine Weinrebe, d. h. der Stock, den die römi-
schen Centurionen führten, um die Soldaten zu strafen -^ PUn, 14, 3, — Jwen,
8f 247, •— S. Illustrirtes Wörterbuch der römischen Alterthümer von Ant Rieb,
übers, v. Müller. — Leipz. 1862 — S. 689.
') Ein Soldatengürtel von Metall oder von Leder, den man um die Lenden trug,
um das untere Ende des Harnisches festzuhalten, üeber diesem Gürtel war
der Säbelgurt mittelst eines Riemens befestigt. Daher auch emjffda iVirg,
Aeneü, 12, 942 -^ s. Ant Rieh , S. 149.)
') Astasianische Centurionen. — In Asta bei Gades stand eine AbtheÜang Sol-
daten — 8* Masden^ t, 5 (2), nr, 452 — die ihr Hauptquartier in Tingis hatten.
Die cbristl. Soldaten and Märtyrer Maroellas and Cassius von Tingis. 291
Fortuuatus und so weiter. — Dieser Soldat hat den Militärgürtel weg-
geworfen, sich als Cliristen bekannt, und vor dem ganzen Volke gegen
die Götter und den Cäsar viele Lästerungen ausgesprochen. Darum
haben wir ihn ah dich gesendet, dass, was deine Erlaucht festsezen
wird, an ihm vollzogen werde.
4) Nachdem der Brief verlesen war, sprach Agricolanus: Hast du
dieses, (was) in den Akten des Präses (steht), gesprochen? Marcellus
antwortete: Ich habe es gesprochen. Agricolanus sprach: Dientest du
im Heere als ordentlicher Centupo? Marcellus antwortete: Ich diente.
— Agricolanus sprach: Von welcher Wuth bist du besessen, dass du
den Eid wegwarfest (die Heiligthümer wegwarfest), und also redetest?
Marcellus antwortete: Keine Wuth ist in denen, welche den Herrn
fürchten. Agricolanus sprach: Hast du wörtlich so gesprochen, wie es
in den Präsidialäkten steht? Marcellus antwortete: Ich habe es ge-
sprochen. Agricolanus sprach : Hast du die Waffen weggeworfen? Mar-
cellus antwortete: Ich habe sie weggeworfen. Denn es ziemt sich nicht,
dass ein Christ, welcher Christus dem HeiTn dienet, den Mühseligkeiten
der Welt diene.
5) Agricolanus sprach: So sind die Thaten des Marcellus, dass sie
durch die Kriegszucht gesühnt werden müssen. Und so dictirte er den
ürtheilspruch: Marcellus, welcher als ordentlicher CentujSo im Heere
diente, welcher gestanden, dass er durch öffentliche Wegwerfung der
(militärischen) Heiligthümer sich befleckt habe, und der zudem bei den
Präsidialakten andere Worte voll WutL deponirt hat, soll mit dem
Schwerte gerichtet werden. Als er zur Hinrichtung geführt wurde,
sprach er zu Agricolanus: Gott möge dir Gutes thun. Denn es ziemte
sich, dass der Märtyrer so aus diesem Leben scheide. Und nachdem
er so gesprochen, wurde er enthauptet, und starb für den Namen unsers
Herrn Jesus Christus, welchem Ehre ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Unmittelbar auf den Martyrtod des Marcellus folgte der des Cas-
sianus. Auch darüber besizen wir ächte Matyrerakten, die aber mehr aus
dem Gedächtnisse, als in Form eines Protokolls geschrieben zu seyn
scheinen, und durch Abschriften tbeüweise corrumpirt sind.
Passio des heiligen Caßsian, Märtyrers von Tingis.
1) Als der seligste Cassian bei Aurelianus Auriculanus (Agricolanus),
welcher Stellvertreter des Präfectus Prätorio war, die Stelle eines Ex-
ceptor (Protokollführers) versah, so war er zu der Zeit, da er den hei-
ligen Märtyrer (Marcellus) zu verhören im Begriffe stand, seinem Herrn
2um Dienste* Als nun Marcellus, einer von den Centurionen in Asta,
zu Tingis hereingeführt wurde, am 30« Oktober, so versuchte ihn Aure-
lianus Auriculanus durch viele und erschreckende Worte , wie durch die
Auctorität des Bichters, von seinem standhaften Bekenntnisse abzubringen,
19*
292 Viertes Bnch. Erstes Kapital. Die christl. Soldaten n. Märtyrer etc.
Als aber der seligste Märtyrer Marcellus erklärte, dass er ein Krieger
Christi sei, — mit der höchsten Auctorität der Festigkeit — dass er
den Müheseligkeiten der Welt nicht mehr dienen könne, so dass viel-
mehr schon alle glaubten, Marcellus sei der Richter des Richters, wäh-
rend dagegen Aurelius Auriculanus Worte voll Wuth sprach (der Nach-
saz fehlt). Als Cassian diese Aussprüche niederschrieb, als er sah, dass
Aurelius Auriculanus durch die Frömmigkeit eines solchen Märtyrers
besiegt, die Todesstrafe über ihn verhängte, so bezeugte er laut seinen
Abscheu, und -warf den Griffel und das Protokoll auf die Erde. Als
das Gericht erschrak, Marcellus lachte, sprang zitternd Aurelius Auri-
culanus von seinem Size auf, und sprach, warum er die Protokolle mit
Verwünschungen weggeworfen habe. Es antwortete der seligste Cas-
sianus: Er habe ein ungerechtes ürtheil gefällt. Damit er ihn nun
nicht weiter zurechtweise, liess er ihn sogleich ergreifen, und in das
Gefängniss führen.
2) Denn der seUgste Märtyrer Marcellus hatte gelacht, weil er sich
freute, da er durch den heiligen Geist vorauswusste, Cassianus werde
in dem Martyrtode sein Begleiter seyn. An diesem Tage nun (erlangte)
— unter der gespanntesten Erwartung der Stadt der seligste Marcelias
das ersehnte (Ziel). Aber nach nicht langem Abstände der Zeit, das
ist am 3. Dezember, wurde Cassian an demselben Orte, wie Marcellus,
vor Gericht geführt, und verdiente fast durch dieselben Antworten und
dieselben Aussprüche wie der heilige Marcellus, den Triumph des Mar-
tyrthumes zu erlangen, mit Hilfe unsers Herrn Jesus Christus, welchem
ist Ehre und Glorie, Kraft und Macht in Ewigkeit.
Zweite» Kapitel.
Die Märtyrer Chelidooios ood fimeterios.
Am dritten März feierte die alte spanische Kirche das Andenken
der Märtyrer Chelidonius und Emeterius, welche von Aur. Prudentius
Brüder und Krieger genannt werden, und welche in Calagurris am
Ebro litten. — Man hielt sie früher für die ältesten Märtyrer Spaniens,
welche in der Verfolgung des Nero gelitten. Denn sie seien zu einer
Zeit Märtyrer geworden, als die Provinz Galizien noch mit der Provinz
Tarraconensis vereinigt gewesen. Die Trennung habe aber wahrschein-
lich schon unter Kaiser Trajan stattgefunden. Aber die Trennung Gali-
ziens von Tarraconensis fand erst zur Zeit der neuen Eintheilung Spa-
niens unter Kaiser Constantin statt *).
Martyrerakten sind nicht erhalten. Die wenigen Nachrichten, in
denen einige üebereinstimmung herrscht, sind: Die beiden Märtyrer
waren Soldaten der VII. Legion, welche in Leon stand. Sie bekannten
sich zu Leon als Christen, wurden von dort entfernt, und nach Cala-
gurris am Ebro (Nassica) geführt, eine geraume Zeit in Fesseln ge-
halten, und grausam gefoltert. Dann wurden sie enthauptet und daselbst
begraben.
Aur. Prudentius, der nach den einen aus Calagurris, nach andern
aus Cäsaraugusta stammte, hat zu ihrer Ehre einen Hymnus verfasst,
welcher vielleicht das früheste uns jezt erhaltene schriffcliche Denkmal
über sie ist. — Denn auch in ihrer Festmesse findet sich die Nachricht
aufgenommen, dass es — an Nachrichten über sie fehle, und dass die
Verfolger die Akten über sie unterdrückt haben. — Eben aus diesem
Schweigen können die Gläubigen folgern, wie verdienstvoll ihr Leiden
') S. indes« Buch 3, Kap. 3, §. 7. Für die Verwaltung der Abgaben war Asturien
and Galizieu seit der Zeit der Autonine getrennt. Becker- Marquardt, 3(1), 8.83*
294 Viertes Bach. Zweites Kapitel.
gewesen 9 da das Heidenthom die Nachrichten unterdrückt habe ^). „Nicht
Nachlässigkeit hat jene Blätter verloren: nicht der Zufall sie vernichtet
Nicht das unbekümmerte Alterthum sie zu Grunde gerichtet, sondern
der boshafte Neid des Verfolgers sie missgönnt. Nur die treue Kunde
der Nachwelt giebt Zeugniss von ihnen. ^
Aus so starken Ausdrücken erhellt zur Genüge, dass ihr Officium
und ihre Messe , wenn nicht erst aus dem siebenten, frühestens aus dem
fünften Jahrhundert stamme.
Darum werden auch die Angaben, die sich in der Inlatio der Messe,
und sonst finden, mit einiger Vorsicht aufzunehmen seyn, dass die bei-
den Märtyrer plözlich dem Kriegsdienste entsagt, daas sie plözlich zum
Christenthume bekehrt worden seien. «Dagegen findet sich bei Pruden-
tius, bei Gregor von Tours, und in ihrer Festmesse in gleicher Fassung
der Bericht, die beiden Märtyrer haben in dem Augenblicke ihres Todes,
der eine einen Ring, der andere ein Orarium (Leintuch, Halstuch) —
vor sich hin geworfen, und beide Gegenstände seien in den Augen
des ganzen Volkes gen Himmel getragen worden^).
Aber schon Aur. Prudentius beklagt sich über den Verlust der Mar-
tyrerakten. — Zu seiner Zeit war der Ort ihres Todes von dem gläu-
bigen Volke gekannt und besucht von Nah und Feme. Unter den
Wundem, die an ihrem Grabe geschahen, rühmt er besonders, dass
Besessene befireit wurden. — Der ganze Festhymnus de6 Prudentius
befindet sich in zwei Abtheilungen in dem kirchlichen Officium des Festes,
woraus zu ersehen, dass jener der Zeit nach dem Officium vorangieng ^).
Im J. 286 oder 287 brach — zuerst unter dem im Abendlande dem
Maximian unterworfenen Heere, eine heftigere Verfolgung gegen die
Christen aus. Um die Christen kennen zu lernen, sollten alle Soldaten
den Gözen opfern^). Es ist wahrscheinlich, dass gerade in diese Zeit,
*) Missa (3 Mart) — licet 8€tcrarum passianum monumenta non extent: tanto tarnen
beatissimis Martyribus pha honoris (xcddit, quod persecutores std virtutum prodi gesta
timuerunt,
') Orarium bedeutet u. a. ein langes Leintuch, Halstuch, nach Art einer Binde
(fascia) — s. Du Gange , Orariunif et Bona de rebus UturgiciSf l. 1, cap, 24, —
Gregor. Turon, ff. Fr. 3, 6; 6, 17, — Oraria waren auch Schärpen oder Tücher,
wekfae einige Kaiser in den circensischen Spielen unter das Volk vertheilen
liessen, um sie zu schwenken — zu Aufmunterung der Bosselenker, Fbpuc.
D, Aurel c, 48. — ffieron, ^, 52, 9: — Sonst bedeutet Orarium unsere Stola.
') Chartulas blasphemus olim nam sateUes abstuHt.
InUtas cruore sancto
Nunc arenas incolae
Confrequentant observantes
Voce, votis, munere.
*) Siehe J. Braun, zur Geschichte der thebäischen Legion, Bonn 1855, S. 12 flg. —
Die Märtyrer GhelidonioB and Emeterius. 295
wenige Jahre vor dem Ausbruche .der allgemeinen Verfolgung*), zu
welcher Maximian und Galerius unablässig den Diocletian drängten, so-
wohl die beiden Märtyrer in Tingis, als die beiden Märtyrer in Leon
und Calahorra für den Glauben starben^).
Gelbke, Kirchengeschichte der Schweiz, Bd. 1 (1856). — Bernhardt, Kaiser
Diocletian, 1862, S. 21 flg.
') ' Forte tunc airox, aecundos
IsraSUs posteros (die Christen)
Atictor aulae mundicdis
Ire ad aram jusserat:
Idolis litare nigrisy
£ase Ckriiti refugas,
») Siehe Florez-Risco, t. 33, p. 272 — 330 (handelt zum grossen Theile von der
Geschichte ihrer Reliquien), — und Appendice, I — VIL — Cf, Chregor. Tur,
de gloria martyrum, c. 93 — de Em. et Chel. martyribus. — EulogiuSf memoriale
Sanctorum, i, 22,
Drittes Kapitel
Anfang der Diocletianischen Verfolgong. Dacianos in Spanten.
Der Märtyrer Felix von Gernnda (Girona).
§. 1. Anfang der Verfolgung.
Der Kaiser Diocletian regierte vom J. 284 bis 305. — Im J. 286
hatte derselbe den rohen Maximian, mit dem Beinamen Hercnleus, zu
seinem Mitregenten erwählt, welchem das Abendland zufiel. Im J. 292
wurde Constantius Chloms Cäsar — über die Länder Britannien, Gallien
und Spanien, Galerius wurde Cäsar für Ulyrien. — Galerius und Maxi-
mian wussten endlich den Diocletian zu der gefürchteten und gefähr-
lichen Verfolgung der Christen zu bringen. — Diocletian hatte sich
lange gesträubt. Er ahnte, er wusste wohl, da^ er nicht nur seinen
Thron gefährde, sondern die grössten Erschütterungen des Reiches ver-
anlasse. Seit dem J. 298 hatte Galerius die Christen an seinem Hofe
imd in seinem Heere misshandelt. Doch starben nur wenige als Märtyrer.
Aber im Sommer 302 liess Diocletian viele Opfer schlachten, um aus
deren Eingeweiden die Zukunft zu erforschen. Die Opferpriester v^-
klagten die Christen, die an dem Hofe sich befanden, desswegen bei
dem Kaiser, dass sie sich vorher mit dem Ejreuze bezeichnet hätten,
und dass durch die Gegenwart dieser Profanen die Götter beleidigt seien
(wie auch der Teufel durch die Gegenwart eines Heiligen genirt ist).
Diocletian befahl erzürnt, alle Christen im Heere sollen opfern, oder
gegeisselt werden. Alle Soldaten im Heere sollten entweder opfern,
oder ausgestossen werden. Desswegen konnte der Tod der Märtyrer
von Tingis imd Calagurris auch in den J. 302 — 4 erfolgt seyn, während
das Martyrium der andern spanischen Blutzeugen in das J. 304 — 6 fällt.
Galerius kam selbst nach Nikomedien, um den Diocletian weiter
zu ziehen. Dieser berief endlich eine Versammlung von Kriegsleuten;
$. 1« Anfang der Veifolgang. 297
Beamten und Richtern ^ welche alle dafür stimmten, dass die Christen
als Feinde der Götter vertilgt werden müssten« Der Apollo zu Milet
aber antwortete auf geschehene Anfrage, die Gerechten auf Erden, d. h.
die Christen, verhinderten ihn, die Wahrheit zu sprechen, wesshalb nur
falsche Aussprüche vom Dreifiisse aus ertheilt würden.
Am 23. (24.) Februar des Jahres 303, an dem Feste der Terminalien,
wurden die kaiserlichen Edicte gegen die Christen erlassen. ,,Alle
Christen ohne Ausnahme werden ihrer Ehren und Würden entsezt
Kein Stand ist von der Anwendung der Folter befreit. Jedem steht es
frei, gegen die Christen jede Art von Klage anzubringen; sie selbst
können gegen kein Unrecht klagen; sie sollen weder Freiheit noch
Stimme haben. Die Kirchen der Christen sollen niedergerissen, die
Güter derselben confiscirt, ihre heiligen Bücher verbrannt werden.*^
Am Morgen des 23. Februar brach mit Tagesanbruch eine Horde
von Soldaten in die prächtige Basilika der Christen zu Nikomedien, sie
raubten dieselbe aus, und rissen sie nieder. Man kann, wenn man be-
denkt, dass Nikomedien die Residenz des heidnischen Kaisers war, dar-
aus einen Schluss ziehen, wie viele und wie prächtige Kirchen die
Christen damals überhaupt besassen, und wie eine solche Verfolgung
ganz gegen ihre Erwartungen stiess. Ein christlicher Soldat riss das
erwähnte in Nikomedien angeschlagene kaiserliche Edict herab, und
zerriss es spottend mit den Worten: Siehe da, die Verkündigung der
Siege über die Gothen und Sarmaten. Er wurde auf die Folter ge-
spannt, an langsamem Feuer gebraten und zulezt verbrannt, ohne dass
er im geringsten seinen Glauben verleugnet, oder Reue gezeigt hätte.
Bald ergieng ein zweites Edict, nach welchem alle Kirchen Vorsteher
eingekerkert werden sollten. Ein drittes Edict befahl, alle diejenigen
freizulassen, welche den Gözen opferten, die andern aber so lange zu
martern, bis sie nachgeben würden. Im J. 304 erst wurde die Ver-
folgung blutig imd blutdürstig. Die Todesstrafe wurde gegen alle Christen
ausgesprochen, welche den Glauben nicht verleugnen würden*). In
dem ganzen Reiche wurde nun, mit Ausnahme von Gallien, und eine
Zeit lang von Britannien und Spanien, wo Constantius Chlorus unter
dem mildernden Einflüsse seiner Gemahlin, der heiligen Helena stand,
mit unmenschlicher Grausamkeit gegen die Christen gewüthet. Man
sagt gewöhnlich, dass Constantius sich damit begnügt habe, die Kirchen
in seinem Gebiete niederreissen zu lassen, während er sonst den Christen
kein Leid zugefügt, im Gegentheil — aus ihrer Treue gegen ihren
Glauben auf ihre Treue gegen ihn geschlossen habe. Ausdrücklich be-
zeugt Eusebius, dass er nicht einmal die Kirchen habe niederreissen
lajssen. „Er nahm an, dem gegen uns untemonamenen Kriege keinen
Theil, er beschüzte die fronunen Christen in seinem Gebiete, dass sie
>) Etu. d€ oiort PcUtfesL 9.
\
298 Viertes Bach. Drittes Kapitel.
ungefährdet und ungekränkt blieben, er Hess weder die Eirdiengebäude
niederreissen, noch sonst etwas üebles gegen uns vollbringen *).'^
§. 2. Dacian kommt nach Spanien.
Aber er konnte es doch nicht verhindern, dass der Augustus Maxi-
mian die Verfolgung in seinen Ländern erweckte. Der genaueste Be-
richt über die Sendung des Präses Dacian nach Spanien ist in den Mar-
tyrerakten der Leocadia von Toledo enthalten. Dort heisst es, dass der Ruf
von der Blüthe des Christenthumes in Spanien nicht bloss Italien, sondern
auch Byzanz durchdrang. ^Dieses war der Grund, dass die Kaiser
Diocletian und Maximian den gottlosesten Präses Dacian — mehr zur Zer-
störung, als zur Verwaltung von Spanien — aussendeten. Zuerst nem-
lich betrat er Gallien wie ein blutdürstiger Wolf. Nachdem er sich
aber dort im Blute der Märtyrer gesättigt hatte, — griff er Spanien an,
den Felix, den Cucufat, die Eulalia, und andere, deren Namen zu weit-
läufig zu nennen wäre, belegte er mit den äussersten Qualen, aber er
opferte Gott ihre unschuldigen Seelen. — Aber daim eilte er wie ein
grimmiger Löwe nach dem glückseligen Cäsaraugusta u. s. w.
Wenn Dacian von Gallien kam, so gelangte er auf der grossen
Heerstrasse zuerst nach Gerunda; von hier nach Barcelona. Von Bar-
celona führte der Weg nach Tarraco, von Tarraco nach Cäsaraugusta.
In dieser Reihenfolge denn werden wir die einzelnen Märtyrer betrachten;
aber nur diejenigen behandeln, welche in der alten spanischen Liturgie
einen Plaz haben, oder wenigstens bei Prudentius erwähnt werden.
Diese Heiligen sind: 1) neben Fructuosus und seinen zwei Gefährten;
2) neben Emeterius und Celidonius von Calagurris; 3) neben Torquatus
und den Begleitern desselben; 4) neben Justa und Bufina von Hispalis
~ (sowie Gerontius von Italica); 5) neben Marcellus und Cassian, die
wir bereits besprochen haben, die folgenden:
6) Der Märtyrer Felix von Gerona — sein Fest am 1. August. —
7) Der Märtyrer Cucufat (am 30. Juli) von Barcelona. 8) Die heilige
Eulalia, Martyr- Jungfrau von Barcelona — am 12. Februar. 9) Die
heilige Engratias, oder die achtzehn Märtyrer von Cäsaraugusta — am
16. April. 10) Die Martyrerknaben Justus und Pastor von Complutum
— am 6. August. 11) Die heilige Leocadia, Bekennerin und Jungfrau
von Toledo — 9. Dezember. 12) Vincentius, Sabina und Chrysteta,
') Lactantius, de mortäm» peraecatorum^ c. 6^13. — Lact tnatUuL dwm, 5, 11, •—
Euaeh, histor, eccles. L 8 et9. — de vita ConsL 2, 49 — 55, TiÜemont mem. 5, 18 sq,
— Remy Ceiüier, Ausg. v. 1858 sq. t 3, 1 — 47. Eus. de martyribtu PalaesU L
Anhang zum 8. ß. der H. eccL Euseh, 8, 13 — fjo}re rtüv ixxhjtSuav rovg oixovg
xaSeitiJv» Vergl. indess TilUmont, mem, 5, 56, — Vogel, der Kaiser Diocletian,
1857. --- Bernhardt, Diocletian in s. Verhältnisse zu den Christen; B. 1862, 8. 15 flg.
$. 2. Dacian kommt nach Spanien. 299
von Elbora, Märtyrer zu Avila — 27* Oktober. 13) Der Levite Vin-
centius von Cäsaraugusta, Märtyrer zu Valencia — am 22. Januar. 14) Eu-
lalia, Martyr und Jungfrau, von Emerita — den 10. Dezember. 15) Fau-
stus, Januarius und Martialis, Märtyrer von Cordova, den 13. Oktober.
16) Zoilus von Cordotra — den 27. Juni. 17) Asciclus und Victoria
von Cordova — den 17. November. 18) Crispinus, Märtyrer von Astigi
— 19. November. 19) Servandus und Germanus, cbristliche Soldaten,
Märtyrer auf dem Gebiete von Gades — 23. Oktober.
Jede bedeutende Stadt von Spanien hat sonst noch ihre eigenen
Namen von Märtyrern, und beruft sich dabei auf ihre Localtraditionen.
Die Geschichte weiss nichts von ihnen — und sie werden nur so lange
fortgenannt werden, als der spanische Localpati'iotismus sie festhält. —
Die Frage, ob Dacian Statthalter von ganz Spanien, oder nur von der
Provinz Tarraconensis war, wird bei dem Kapitel über Vinzenz, Sabina
und Christeta, sowie bei dem Kapitel über Eulalia von Emerita noch
besonders zur Sprache kommen.
Wann kam Dacian nach Spanien ^ und wie lange blieb er daselbst,
oder — wie lange wenigstens verfolgte er die Christen? Das vierte Ver-
fplgungsedict, welches gegen alle Christen ohne unterschied die Todes-
strafe verhängte , erschien erst im J. 304 ^). Zudem hatte Dacian sich
eine Zeit lang in Gallien aufgehalten. Ich vermuthe daher, er sei nicht
vor der Mitte des Jahres 404 nach Spanien gekommen. Die Zeit und
der Ort des Martyrtodes des Vincentius von Saragossa steht ziemlich
fest. Er litt am — 22. Januar, vne ich glaube, im J. 305. — Im Juli
304 kam — nach meiner Ansicht — Dacian nach Spanien, reiste dann
über Gerona und Barcelona nach Zaragoza; von da nach Complutum,
von hier nach Toledo; von Toledo nach Elbora oder Libora, von hier
vielleicht vneder zurück nach Avila, zur Verfolgung des Vincentius und
seiner beiden Schwestern. Von da kann er im Januar 305 über Toledo und
Laminium nach Valencia gekommen seyn, vielleicht mit dem Umwege
über Carthagena; von hier mag er wohl nach Tarraco zurückgekehrt
seyn, als an den regelmässigen Siz der Prätoren. Von da kann er so-
wohl nach Barcelona, als nach Cäsaraugusta zum zweiten Male gekommen
seyn — im Februar und im April des J. 305.
Am 1. Mai des Jahres 305 legten die beiden Augustus Diocletian
und Maximian ihre Regierung nieder. Damit hörte die Verfolgung^
wenigstens für das ganze Abendland, auf. Damit musste auch Dacian
resigniren. Denn der milde, und den Christen freimdliche Kaiser Con-
stantius Chlorus liess den Blutmenschen gevriss nicht auf seinem Posten«
Er trat in das Dunkel zurück, aus welchem er für kurze Zeit hervor-
getreten war, um in demselben für immer unterzugehen. Sonach glaube
') £tis, de mart Palaest c, 3. Jevrigov S^ etovg diodaßovrog ^ (^fou) y^afifjuxtiav
ßccßüiütMV jtijpom^Koraiv y ev o& Jtaytag feay&rjfiei tovg xara xohv -^eiv — htdeoero.
300 Viertes Bach. Drittes Kapitel.
ich, dass sich Dacian nur vom Juli — 304 bis zum Mai 305 in Spanien
aufgehalten; dass wenigstens die Verfolgung nur ein Jahr gedauert habe.
§. 3. Der Märtyrer Felix von Gerona.
lieber ihn sind keine ächten Martyrerakten vorhanden, Er wird
aber von Prudentius gefedert , und hat seine Stelle in der alten spani-
schen Liturgie. In sein Officium ui^d seine Messe sind einige Angaben
über sein Leben und seine Persönlichkeit eingeflochten. Er lebte zu
Cäsarea, um daselbst die weltlichen Wissenschaften zu studiren. Da
aber wurde er „vollendet nach dem Geseze des Herm^. Er entsagte
den menschlichen Wissenschaften, und gelangte durch fromme Betrach-
tung in die Gemeinschaft der Engel ^). Jenes Cäsarea war aber nicht
das von Palästina. Denn so berichtet Eulogius^): „Als nach zuver-
lässiger Erzählung Felix von der Verfolgung der Katholiken hörte, welche
in Gerunda, einer spanischen Stadt in der Nähe von Gallien, aus-
gebrochen war, und als er erfuhr, dass die Kirche Gottes daselbst grau-
sam von den Heiden verfolgt werde, verliess er alsbald das Studium
der weltlichen Literatur, das er, wohnend zu Cäsarea in Mauritanien,
betrieb, fuhr eiligst über das Meer, kam in die erwähnte Stadt und
vollendete dort das Martyrium, woran es seinem Vaterlande fehlte, —
ein frommer Krieger Christi — siegreich.*'
Zweifel erregt, dass Gerunda keine Seestadt ist; dass Felix der ein-
zige bekannte Märtyrer von Gerona ist, dass im eigentlichen Sinne keine
Verfolgung gegen die Christen in Girona, sondern in ganz Spanien
herrschte. — Desswegen' weist Tillemont diese Nachricht als verdächtig
zurück ^).
Aus der Messe des Festes scheint indess hervorzugehen, dass sein
Fest kirchlich zuerst in Gerunda begangen wurde, und sich über Spa-
nien verbreitet habe, denn auch hier heisst es, wie bei dem Feste des
Torquatus und seiner Begleiter (in der Oratio cui Pacem): Wie der
heilige Felix ein eifriger Kaufmann dieser Stadt war, hervorragend
durch die Beinheit seines Wandels, so mögen wir thätige — Arbeiter
in einem Leben des Friedens und der Liebe werden.
In der Präfation des Festes werden die Verdienste des Felix be-
sonders dargestellt. Zuerst ist ihm die Erkenntniss Christi, sodann die
Gnade der Taufe zu Theil geworden. Dann führte er ein frommes
Leben, und dieses wurde gekrönet durch das Martyrthum. — In dem
Post Sanctus erfahren wir, dass der Bichter ihn zuerst durch milde
') Miasa in feato S. FetuitB.
^) Euloff, memoriale Sanctorum 1, 24,
') Tillemont, m^moires, 5, act. 22, De S, Felix, S, Nordsee, et quelques autres mar-
tyrs de Crirone — p. 60 — 62,
$. 4. Der Märtyrer Felix von Gerona. 301
Reden zum Abfalle zu bewegen suchte; dass er sodann in einen finstem
Kerker gelegt worden. Es folgte Hunger, Geissein, Zangen. — Dass
Felix ein Mönch oder Cleriker gewesen, wird nicht gesagt. Vielleicht
war er nur ein Laie, der des Handels wegen aus Aitika gekommen,
und — weil er sich als entschiedenen Christen zeigte, zu Gerona er-
griffen und getödtet wurde für den Glauben. ' **
Der Bericht, welcher den Titel Akten seines Martyrthumes trägt,
stammt aus sehr später Zeit, und verdient eine geringe Berücksichtigung.
Damach stammte Felix aus der an Märtyrern so reichen Stadt Scillita,
studirte in Cäsarea, hörte von der Verfolgung in Spanien (nicht in Ge-
rona) , bestieg ein Handelsschiff, und landete in Barcelona. — Hier blieb
er eine Zeit lang. Dann gieng er nach Emporias, und — während er
Handel zu treiben schien, lehrte er Christum, und verdiente den Namen
eines Lehrers und Apostels. Er wirkte auch in Ilerda, und zulezt in Gerona.
Dacian, der eben in Saragossa weilte, sandte einen seiner 0£Sciale nach
Gerona. Dieser liess den Felix in dem Hause einer vornehmen Matrone
ergreifen, und nun folgten alle die Foltern, welche gewöhnlich ange-
führt werden. Unter anderm wurde Felix von wüthenden Maulthieren
geschleppt, er wurde auch in das Meer geworfen, aber er wandelte
sicher auf ihm *).
Ado, welcher sehr ausführlich über Felix ist, scheint diesen Bericht
schon vor sich gehabt zu haben. Gregor von Tours — erzählt zwei
Wunder über ihn^). Nach seiner Angabe hätten sich seine Reliquien
zu Narbonne in Gallien befunden. Hier hatte er eine ihm gewidmete
Kirche; seine Kirche in Gerunda aber enthielt grosse Reichthümer. —
In dem Festhymnus des Heiligen wird von grossen Wundern erzählt,
die an seinem Grabe sich begaben, und besonders die Befreiung der
Besessenen hervorgehoben. — Von dem Bischöfe Nonnitus von Gerunda
— (621 — 635) berichtet Ildefons von Toledo, dass er ein grosser Ver-
ehrer des heiligen Felix gewesen *). In allen Ji^hunderten war Felix
in Gerona ein verehrter Schuzheiliger *).
Neben der Kathedralkirche, die wegen ihrer gothischen Bauart be-
rühmt ist, besteht in der Stadt Gerona noch die Collegiatkirche des
heiligen Felix — mit vierzehn Präbenden. Die jezige Kathedrale wurde
im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts — 1416 — gebaut Sie be-
steht aus einem einzigen Schiffe, hat aber den Chor in der Mitte. —
Die jezige Collegiatkirche des heiligen Felix stammt erst aus der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts; sie ist dem Eifer des Bischofs Don
>) Acta Sandonm, 1 1 ÄugusH, p. 22 — 28.
*) Gregor, Tur, de gloria martyrum c. 92,
') Ädhaerens inatanter obsequiia S, Felicia mctrtyrie, — Ilde/ons de viria iUuair, c. 10.
*) Ueber das Ganze: s. JEapanna aagrada, t,4S^ (erschienen 1819 durch die Au-
^nstiner Merino and Ganal), i,Santoa de Gerona*', p, 279-^^22,
n
302 Viertes Bach. Drittes Kapitel. $. 4. Der Märtyrer Felix von Gerona.
Tomas de Lorenzana y Butros (Bischof von Gerona von 1775 bis 1796)
zu verdanken, eines Bruders des grossen Eiirdinals Franz Lorenzana
von Toledo (f 1804) , welcher in derselben eine pi:ächtige Kapelle des
heiligen Narcissus herstellen liess, in der dessen Leichnam aufbewahrt
wird*). Narcissus soll Bischof von Gerona vom J. 304 — 7 gewesen
seyn. Aber die jmozarabische Liturgie und Prudentius wissen nichts von
ihm, wesswegen er hier übergangen wird. Nebstdem werden sein Diakon
Felix , ein Bischof Pontius , Vorgänger des Narcissus , ein Vinzenz , Ho-
norius, Victor und Aquilina, — und noch viele andere, im Ganzen
'neunundzwanzig Märtyrer genannt, welche nirgends beglaubigt sind.
Li den grossen Belagerungen , besonders von Seiten der Franzosen,
riefen die Geroneser die Fürbitte ihrer Schuzheiligen an. Als im J. 1653
der Marschall Haquisicourt die Stadt belagerte, wurde das Heer von
einem grossen Mückenschwarme heimgesucht. — Nach zwei Monaten
der engsten Einschliessung erschien zur Hilfe D. Juan d'Austria, und
zwang den Marschall zum Rückzuge. — Man rechnet bis jezt dreiund-
zwanzig Belagerungen der Stadt, in denen aber die Tapferkeit und
Standhaftigkeit der Einwohner sich bewährte. Diess war besonders in
den J. 1808 — 9 der Fall, wo die Bastion — mit dem Namen — San
Narcisso — ein grosses Blutbad unter den Franzosen anrichtete^).
') So berichtet Madoz; aber in dem betrefTenden Artikel in der E^, sagr, t 44,
JJPT — il steht nichts davon.
•) Willkomm, Zwei Jahre in Spanien, 3,369. — Madoz (Gerona),
Viertes Kapitel.
Der Märtyrer Gueufat von Bareelona.
Auch von Cucufat besizen wir keine ächten Martyrerakten, Es ist
aber sicher, dass er während der grosser^ Kirchen Verfolgung Blutzeuge
wurde, durch das Zeugniss des Prudentius, und vor allem — durc];i
»ein Fest in der alten sj^anischen Liturgie. Sein Fest wurde darnach
am 30. Juli begangen. Er kommt in dem „Römischen Kleinen? des
Ado nicht vor. Das Martyrologium des Hieronymus hat zum 15. Februar
die "Worte: Zu Barcelona in Spanien, die Passio der heiligen Loquumfas.
Eine heilige Loquumfas hat es weder in Barcelona noch sonst in der
Welt gegeben. Der Name hat aber entschiedene Aehnlichkeit mit Cu-
cuphat oder Cucufat; und zum 16. Februar lesen wir: In Spanien zu
Barcelona die Passio des heiligen Cucufet *).
Ado handelt ziemlich ausführlich über ihn. Er stammte aus der
Stadt SciUitana in A£rika, und litt zu Barcelona unter dem Froconsul
Galerius, und Maximian und Rufinus. — Er wurde grausam misshan-
delt, und sollte zulezt — mit Essig und Senf übergössen, gebraten
werden. Aber unversehrt blieb er in den Feuerflammen, und wurde
nun auf Befehl des Richters vor die Stadt geführt, und wieder in das
Feuer geworfen. Diess erlosch; Cucufat kehrte in das Gefängniss zurück,
und wurde von einem göttlichen Lichte erquickt. Wieder folgten schreck-
liche Qualen, und zulezt wurde Cucufat, als Empörer gegen die Fürsten,
der sich weigerte, den Göttern zu opfern, enthauptet. Er litt beim
achten Meilensteine von Barcelona. Die Christen bestatteten ihn mit
grosser Ehrfurcht Später wurde er nach Paris in die Kirche der Mär-
tyrer Dionysius, Rusticus und Eleutherius übertragen. Diess hat nach
seiner Gewohnheit Usuard in Kürze zusammengezogen, und schreibt:
') jPaitia sanctae Loquun^a^ Pamq saneti Cuai^fixtis*
304 Viertes Buch. Viertes Kapitel.
Cucnfat hat für den Namen des Herrn die furchtbarsten Qualen erduldet,
unter drei Richtern, und wurde zulezt enthauptet. Auch Florus, der
vor Ado schrieb, berichtet ebenso. — Von diesen Martyrologien nahm
Baronius den Cucufat in das römische Martyrolog von 1586 (am 25. Juli)
— auf. Er begnügt sich zu sagen, dass Cucufat zu Barcino nach vielen
Qualen unter dem Präses Dacian zum Herrn gegangen sei.
Nach der Festordnung der Kirche von Barcelona sollte das Fest
des Heiligen stets am 27. Juli gehalten werden, weil auf den 25. Juli
das Fest Jacobus des Aeltern fiel, mit Ausnahme der dem heiligen Cu-
cufat gewidmeten Kirchen. Sollte der 27. Juli auf einen Sonntag fallen,
so würde das Fest des Cucufat am 30. Juli gefeiert. Ausserhalb der
Diöcese Barcelona scheint aber das Fest nicht mehr begangen zu werden *).
In dem gothischen Missale von 1755 hat Cucufat keine eigene Messe,
nicht einmal eine Oration. In dem gothischen Brevier hat er auf den
30. Juli nur einen eigenen Hymnus, der, wie alle Hymnen, einer spä-
tem Zeit angehört. Nach demselben zeigte man sein Grab in Barcino;
die civitas Sciüitana hat ihn geschickt zu der Zeit, als Felix nach Ge-
runda kam. Bei den Foltern traten ihm die Eingeweide heraus, und
kehrten durch ein Wunder wieder zurück an ihre Stelle. Durch sein
Gebet löschte er die Flammen. Der Hymnus ist gelungen, und würdig
gehalten ^).
Die Stätte des Todes des San Culgat (wie ihn die Aragonesen
nennen) ist das alte Octavianum; und an der Stätte des Martyriums er-
hob sich das berühmte Benediktinerkloster Vall^s, oder San Culgat del
Vall^s. Ludwig der Fromme, der bekanntlich die Grafechaft Barcelona
einnahm 801, soll im J. 835 den Leib des Heiligen nach Paris ge-
nommen, zur Entschädigung aber dafür das Kloster gebaut haben. Nach
den Bollandisten geschah diess früher, unter Pippin dem Kleinen, oder in
der ersten Zeit KarPs des Grossen. Das Kloster sei vielleicht nach
dem J. 801 erbaut worden. Im J. 885 geschah die feierliche Ueber-
tragung der Reliquien nach St. Denys bei Paris ^).
Im J. 1024 wurde in der Stadt Barcelona selbst eine Kirche des
heiligen Cucufet gebaut und eingeweiht, und zwar an der Stelle, wo
der Märtyrer unversehrt aus dem Feuer hervorgegangen; darum hiess
sie auch die Kirche des heiligen Cucufat de fumo, seu fomaee (laigl eaia
de 9an CucufcUe del Homo); und auch sie verlangte und erlangte einige
Reliquien des Heiligen. Die Kirche (eingeweiht nach Florez 1023| nach
>) Aeta Set 1 6 Juüi, p. i50,
*) Er steht bei Lorenzana — zum 30. Juli , und bei den Bollandisten zam 25. Juli
-^ S. 151. — Anders artheilt darüber Tillemont, Mem, 5, 58; 609, der meint,
der Hymnus werde nicht vor 835 verfasst seyn. — Aber — er musste wobi
vor 711 verfasst seyn , weil er im gothischen Breviere steht. — (Siehe S. 153
(6 Juli) bei den Bollandisten.
*) Marea Eupanica, 2, 16, 5, MoraUs, chronieon, 10, 2,
Der Märtyrer Cucufat von Barcelona. .305
Diago 1024, nach Campmany 1027), vom Volke San Culgat genannt,
-wurde neu gebaut 1287, und wieder — 1827.
Das einst so blühende Kloster in Castro - Oetaviano oder Vallfe,
drei Stunden von Barcelona entfernt, ist seit der Aufhebung der Klöster
in Spanien im Zustande des Zerfalles. Seine Kirche ist Pfarrkirche ge-
worden. Auch die Kirche des heiligen Culgat zu Barcelona ist heute
die ärmste aller Kirchen in dieser reichen Stadt *). — Die Verehrung
des heiligen Cucufat in Barcelona ist gleichfalls ärmlich, und völlig
zurückgetreten vor dem Cult der heiligen Eulalia von Barcelona ^).
In dem Kloster des heiligen Cucufat bewahrte man noch den Leib
eines Märtyrers und Bischofs Severus, der nach gewöhnlicher Angabe
von den Gothen getödtet worden wäre. Florez hat eine sehr öeissige
und gelehrte Abhandlung über seine Person geschrieben, worin er u. a.
beweisen möchte, dass derselbe in der Diocletianischen Verfolgung Mar-^
tyrer geworden. Da aber sein Name imd sein Fest weder in der moz-
arabischen Literatur, noch bei Aur. Prudentius Cl. vorkommt, so wird
er hier übergangen^).
■) Madoz, Barcelona, 3,523.
^) lieber Cucufat s. besonders Acta Sanctorum, t, 6, JuUi — p, 14$ — 1B2 — eine aus-
führliche und gut g-eschriebene Abhandlung. Die im Anhange mitgetheilten
Acta scheinen aus dem neunten Jahrhundert zu stammen, — Espanna aagrada
29, 322—351,
») Florez, 29,51 — 77. „San Severo — Maftir,*'
Oäins, spaiL Kirche. 20
Fünftes Kapitel
Die heilige Ealalla von Barcelona ')•
§. 1. Widerlegung der Zweifel an ihrem MartyriunL
Die Hauptgründe 9 welche gegen die Eulalia von Barcelona — als
eine verschiedene Heilige von der £ulalia von Einerita, deren Existenz
von niemand beanstandet wird, geltend gemacht werden, und werden
können, sind — die Aehnlichkeit oder Gleichheit des Berichtes über
ihr Leiden, und das Stillschweigen des Aur. Prudentius. Andere Ein-
würfe haben bei näherer Betrachtung kein Gewicht Die Gleichheit der
beiden Namen darf nicht auffallen. — Die Namen der übrigen weib-
lichen Märtyrer aus dieser Zeit lauten: 1) Enkratis; 2) Julia von Sara-
gossa^); 3) Leocadia von Toledo; 4) Sabina von Elbora; 5) Christeta
von Elbora; 6) Victoria von Cordova; 7) Justa; 8) Rufina von Sevilla;
9) Eulalia; 10) Julia von Emerita. Sollte die Leztere auch nicht Martyr
seyn, so war sie doch eine Christin, und Begleiterin der Eulalia zu
ihrem Martyrium. Also auch so finden sich zwei Jungfrauen, welche
zugleich den Namen Julia führen, wie zwei, welche zugleich den Namen
EulaL'a führen.
Dem Märtyrer Ji^tus von Complutum tritt Justa von Sevilla an
die Seite. Neben dem berühmtesten spanischen Märtyrer Vincentius dem
Leviten geht der Märtyrer Vincentius von Elbora, der Bruder der Sa-
bina und Christeta; es giebt zwei Märtyrer Felix; einen Victor und eine
') S. Santa IgUsia de Barcelona > t 29 der Etp, eoffr,, obra poeihuma des Florez,
edirt von Risco — 1775. — Santos de Barcthma, Cap, 8. p. 287 —'321: j,Santa
EulaUa de Barcelona^ dwerea de la de Merida^^ (ef. 1. 13, p. 266 --284). Ada San-
etorum, t. 2, Februarüf p. 576—580, De 3, EukUia, virgine et mar^re, Barckume
m JSispania,
*) Statt JttÜa lesea andere Julius.
$. 1. Widerlegung der Zweifel an ihrem Martyrium. 307
Victoria; neben dem Märtyrer Ma;rtialis von Cordova geht der Märtyrer
Martialis von Saragossa. Neben Januarius und Faustus von Cordova —
Januarias und Faustus von Saragossa. — Dabei sehe ich noch ab von
den Namen der Heiligen, die nicht genug beglaubigt sind, um hier
angeflihrt zu werden.
Die Namen der Frauen sind stets weniger, als die dev Männer.
Darum muss es sich finden, dass verhältnissmässig mehr Frauen die
gleichen Namen haben , als Männer. An der Identität des Namens also
darf man sich nicht stossen , und aus ihr keinen Grund nehmen , an der
Eulalia von Barcelona zu zweifeln.
Der wichtigste Einwurf scheint mir wenigstens das Stillschweigen
de« A. Pnidentius zu seyn. Dieses Stillschweigen war für mich lange
ein Grund, an der Eulalia von Barcelona zu zweifeln. Als ich die
äusserst schwache Widerlegung dieses Einwurfes bei Florez las, wurde ich
in meinem Zweifel noch bestärkt. Er sagt, Aurelius Prudentius gehe ge-
raden Weges nach seinem Ziele. Er spreche nicht von den Märtyrern 8er-
vuidus und Germanus, nicht von Facundus (?) , nicht von Narcissus, nicht
von Leooadia. — Wer aber das Gedicht auf die achtzehn Märtyrer von
Saragossa (h. 4) , imd den Hymnus (3) des Prudentiusr auf die Eulalia
von Emerita liest, d^ sieht gar nicht ein, wie Aurelius Prudentius mit
Stillschweigen an der Eulalia von Barcelona vorübergehen konnte, wenn
er von ihrer Existenz wusste. Die Vergleichung der beiden Märtyrer
^ und Jungfrauen lag so nahe, und drängte sich so übermächtig auf, dass
das Schweigen — entweder ein Schweigen der Unwissenheit oder der
Absichtlichkeit ist. — Wenn er ausführlich das Leiden der einen Eu-
lalia beschreibt, wie war es ohne Absichtlichkeit möglich, die andere
Eulalia ganz zu verschweigen? Wenn er in seinem Hymnus die acht-
zehn Märtyrer von Saragossa beschreibt, und zur Vergleichung die Stadt
Barcelona mit dem dieser Stadt nicht ganz angehörigen Cucufat anführt,
wie konnte er stillschweigend über äie Eulalia von Barcelona hinweg-
gehen, iiv^enn er um sie gewusst? Hat er sie aber gekannt, warum hat
er geschwiegen über sie?
Von den männlichen Märtyrern, deren Namen in der alten spani-
schen Liturgie stehen, hat Prud.entius nicht genannt: 1) den Marcellus
von Tingisf 2r— 3) die beiden Soldaten und Märtyrer Germanus und
Servandus; 4) den Crispinus von Astigi; 5) den Vincenz von Elbora.
Den Faustus, Januarius und Martialis hat er dadurch angedeutet, das^
er 3ie die drei Kronen von Cordova nennt.
Von den weiblichen Martyreni, deren Namen und Feste in d^ alt-
sipani^chen Litur^e sich finden, hat Prudentius mit Stillschweigen über-
gangen: 1) die Leooadia von Toledo; 2) die Eulalia von Barcelona;
3) die Sabina; 4) die Christeta von Elbora; 5) die Justa; 6) die Rufina
von Sevilla; 7) die Victoria von Cordova. Was bleibt also noch übrig?
Welche Martyrin und Jungfrau hat denn Prudentius nicht ndt Stül-
20*
308 Viertes Buch. Fünfte« Kapitel.
schweigen übergangen? — Er hat allein und mit Ausschluss aller an-
dern die Eulalia von Emerita genannt und gerühmt« Denn die Enkratis
von Saragossa — nebst der Julia — kommt jm der alten Liturgie
nicht Tor. — In der Ausgabe des Missale von 1755 wird das Fest der
achtzehn Märtyrer von Saragossa nicht einmal erwähnt In der Ausgabe
des Breviarium von Lorenzana heisst es zum 16. April — An dem Feste
der heiligen Engratias oder der achtzehn Märtyrer ^) — ist alles wie an
einem Feste ^sehr vieler Märtyrer^ — mit Ausnahme des Hymnus: „Bü
novem noster/^ Diess aber ist gerade der von Prudentius auf die acht-
zehn Märtyrer seines geliebten Saragossa verfasste Hymnus; und wenn
dieser Hymnus nicht vorhanden gewesen ^ so wäre auch vielleicht kein
Hymnus, keine Erwähnung der achtzehn Märtyrer in das Brevier ge-
kommen.
Aber werden wir vielleicht desswegen an der Exist^iz der Leo-
cadia, der Sabina, Christeta, Justa, Bufina und Victoria zweifeln, weil
Prudentius von ihnen schweigt? Das sei ferne. Er ist nicht der ein-
zige und nicht der älteste Zeuge für sie. Die kirchliche Feier derselben
ist ein ungleich stärkeres Zeugniss. Die Kirchen, welche schon im
^chsten und siebenten Jahrhunderte zu Ehren dieser Heiligen errichtet
waren, sind ein ungleich soliderer Beweis, als das Beden oder Schweigen
des Prudentius. — Es kann kein Zweifel seyn, dass er die obigen sieben
Jungfrauen und Märtyrer gekannt hat. Warum aber hat er über sie
geschwiegen, und gleichsam seine Schuld gegen alle bezahlt, indem er
nur eine ehrte und verherrlichte? Wenn wir diese Frage nicht, oder
nur ungenügend beantworten könnten, so wäre damit nichts verloren
für die Hauptsache.
Prudentius lebte hundert Jahre nach der Zeit dieser Verfolgung.
Es ist möglich , dass damals, mit Ausnahme der Eulalia von Merida, das
Andenken der sieben andern Märtyrer und Jungfrauen Spaniens noch
nicht in die Liturgie der Kirche von Spanien aufgenommen war; dass
diess erst stattfand zwischen 400 — 450, oder erst zu der Zeit Isidor's von
Sevilla. Wenn ihnen damals noch keine kirchliche Feier zu Theil wurde,
so konnte Prudentius darin einen Grund finden, über sie zu schweigen.
— In der That haben wir keine Martyrakten der erwähnten Sieben aus
dem vierten Jahrhunderte. Die vorhandenen Berichte über Leocadia,
Sabina, Justa,, Victoria — stammen sämmtlich aus einer spätem Zeit,
aus der Zeit nach Prudentius.
Zweitens konnte Prudentius, wie fast alle Nichtspanier, Anstoss
nehmen an der Art, wie diese Jungfrauen zu dem Mar^rrium sich hin-
zudrängten, und wie herausfordernd sie dabei erschienen. Es ist mög-
lich, dass auch er den Canon sechzig der Synode von Elvira auf sie
') In fi$(o ^anctotf Engratiae vel dteem et odo mar^ruim
$. 1. Widerlegung dw ZweiM an ilireni Martyrium. 309
bezog, dass diejenigen , welche bei dem Zerstören der Gözenbilder ge-
iödtet würden, nijsht unter die Märtyrer gerechnet werden sollten I Diess
konnte für ihn auch ein Grund seyn, die beiden Märtyrer Germanus
und Servandus , sowie den Kriegsobersten Marcellus nicht zu erwähnen,
weil jene getödtet wurden , weU sie Idole zertrümmert hatten , weü dieser
das Martyrium absichtlich gesucht zu haben schien. Nun hatten, nach
dem Berichte der Spanier, Justa und Rufina die Göttin Salambo zer-
trümmert. Eulalia voii Barcelona hatte zum Martyrthum gegen den
Willen ihrer Eltern und Preundinen sich gedrängt. Victoria von Oor-
dova vollends biss sich die Zunge aus, und schleuderte mit derselben
dem Richter ein Auge heraus. Aehnliches mochte von Leocadia, von
Sabina und Christeta berichtet werden; oder Prudentius hielt dieselben
für gar keine Märtyrer.
Zwar von der Eulalia von Emerita berichtet er auch, dass sie zum
Martyrium sich herbeigedrängt, und dass sie dem Richter in das Ange-
sicht gespieen habe. Aber er bemerkt, dass sie stets von strenger Miene,
von bescheidenem Gange , und dass sie in zarter Jugend schon die Reife
des Greisenalters erlangt habe. Aber er kann doch nicht umhin, ihr
heftiges Auftreten bei dem Martyrium anscheinend zu tadeln; sie hat
einen trozigen Geist, verlangt nach stürmischen Kämpfen; ihr rauhes
Herz athmet nur nach Gott, und sie — die Frau — fordert die Männer
heraus zum Kampfe. Und sie ruft vor den Richtern: Die Gözen zer-
trete ich mit meinen Füssen ^).
Indem Prudentius die achtzehn Märtyrer von Saragossa rühmt und
besingt, kann er nicht umhin, die Vorkämpferin aller, die Jungfrau
und Heldin Engratias, zu rühmen. Aber er kann auch nicht umhin, sie
eine „gewaltthätige Jungfrau^ (virgo violenta) zu nennen. Indem er sie
rühmt und bewundert, tadelt er sie.
Prudentius betrachtet also dieses Hervor^eten und Auftreten der
«spanischen Jungfrauen bei dem Martyrium mit denselben Gefühlen, wie
überhaupt die Niehtspanier. — Er nimmt Anstoss an dem Kecken, Her-
ausfordernden ihres Auftretens (ob mit Recht, werde ich später be-
sprechen), und es ist, als ob er durch sein gesuchtes und absichtliches
Stillschweigen sie dafür bestrafen wollte. Prudentius schweigt mit Ab-
sicht und aus Berechnung über die Eulalia von Barcelona, weil er es
nicht billigen mochte (und es vielleicht auch nicht tadeln wollte), dass
sie mit Gewalt zum Martyrium sich gedrängt Sein Stillschweigen über
*) Injremuit sacer Eulaüaä
Spiritus, inffeniique ferox
Turbida frangert beüa parat
Et rüde peetus ankela Deo
Ftmina prmfocat arma virum.
310 Viertei BucIl FtnftM Kapital.
diese Enlalia ktnn also kein Grund gegen ihre Existenz , g^en eme
von der Emeritensischen verschiedene Eulalia seyn. ^
Der dritte gewichtige Einwurf ist aus der Liturgie und den Akten
der beiden Eulaliae genommen. Diese Liturgie und diese Akten enthalten
des Aenhnliehen und des Gleichen so viel, dass man versucht wird, nur
eine einzige Eulalia anzunehmen. — Beide hielten sich zu der Zeit der
ausbrechenden Verfolgung ausserhalb der Stadt auf einem Landgute auf.
— Beide eilten in die Stadt Bei beiden wird das Martyrium fast auf
dieselbe Weise erzählt Der heilige Leib beider wurde nach ihrer Voll-
endung durch Schnee bedeckt Der Hauptunterschied zwischen den Beiden
ist der, dass hier Dacian, dort Calpurnian als Richter angegeben werden.
Kleinere Differenzen sind: Eulalia von Barcelona war vierzehn Jahre
alt, Eulalia von Merida — dreizehn Jahre alt
Dass Beide im Landgute ihrer Eltern weilten, darf nicht auffallen.
Die Eltern wollten ihre Töchter schonen und erhalten, weil sie mit Recht
befürchteten, dass sie zum Martyrium sich drängen würden, — Der
Schnee, welcher beide bedeckte, kann auch für Spanien nicht auffallend
seyn, sei es, dass er am 10* Dezember zu Merida, oder am 12. Februar
zu Barcelona fiel.
Ich glaube, dass beide Eulalia*s zur Zeit der Verfolgung auf dem
Landgute ihrer Eltern nicht so fast sich aufhielten, als aufgehalten wur-
den, dass die von Barcelona ohne Wissen und Willen der Ihrigen in
die Stadt eilte, wo die Verfolgung ausgebrochen war, dass nur die von
Barcelona imgerufen in der Stadt erschien , dass endlich der Leib beider
nach ihrer Vollendung mit Schnee bedeckt wurde (obgleich ich weniger
fest an der leztern Vergleichung oder Gleichheit halte). Dagegen glaube
ich, dass Eulalia von Barcelona — sei es mit, sei es ohne voraus-
gegangene lange Qualen — durch die Enthauptung vollendet wurde,
Eulalia von Emerita aber dadurch, dass sie, sich neigend in die auf-
steigenden Flanmien, in denselben erstickte. — Die verschiedenen Fol-
tern, welche in der Mitte liegen, mögen mehr oder weniger ähnlich
gewesen seyn. Hier aber giengen die beiderseitigen Berichte leicht in
einander über, und manches konnte hier der Eulalia von Barcelona zu-
geschrieben werden, was der Eulalia von Merida zukam, und umgekehrt
Diess konnte auch schon in der Zeit von 400 — 450 nach Christus ge-
schehen, um so mehr, als wenigstens der Bericht über die Passio der
Eulalia von Barcino aus einer spätem Zeit stanmit, auch der Bericht
über die andere Eulalia keine eigentlichen Akten sind^).
') Die Verwirrung findet sich achon entschiedln in dem Hymnus 3 des Pruden-
tius, welcher der Martyrin von Merida Einiges zuschreibt, was aus der Passio
der Eulalia von Barcelona entlehnt ist. So oder auf ähnliche Weise konnte
die Vermengung der beiden Martyrinnen auch in die Liturgie kommen. »Die
historische Treue und Genauigkeit des Prudentius,*' sagt DöUinger, »könDeo
S* 2. Positive Beweise fUr die Eulalia von BarceloDa. 311
§. 2. Positive Beweiße fiir die Eulalia von Barcelona.
Man beachte, dass von der frühesten Zeit an in Spanien das Fest
der Eulalia von Barcelona ein von dem Feste der andern Eulalia ge-
trenntes war. Jene hat ein vollständiges Officium, und was von beson-
derm Gewichte ist, eine vollständige Messe. Da in dem Officium der
Eulalia von Merida der Hymnus des Prudentius vollständig aufgenommen
ist, so hat auch die Eulalia von Barcino ihren eigenen Festhymnus er-
halten, welcher natürlich viel kürzer ist. Dieser Hymnus ist offenbar
dem des Prudentius nachgebildet. Der Verfasser desselben ist der ge-
lehrte Bischof Quiricus, welcher in den Jahren 656 — 666 erwähnt wird,
und welchem der Bischof Tajo von Saragossa sein Werk: Sententiarum,
1,5' — widmete. In 'diesem Hymnus erscheint Quiricus als ein beson-
dererer Verehrer der heiligen Eulalia, welcher an der Stätte ihres Grabes
ein Kloster errichtet hat. Sie möge dafar seiner, wenn er aus dem
Leben scheide, eingedenk seyn, und was er hier zu wenig gewirkt,
ergänzen durch die. Fülle ihrer Verdienste. Er selbst sei die Muse,
welche die ihr vorgetragenen Bitten in Verse gefasst habe.
Diess ist zugleich eine interessante Nachricht über die Verehrung
der — getrennten — Eulalia von Barcelona^).
Das dritte Concil von Toledo — 633 hatte beschlossen, dass Ord-
nung und Einheit in den Ritus der Kirchen Spaniens kommen solle.
Isidor von Sevilla, die Seele des Ganzen, starb schon 636. Aber wir
sind nicht gezwungen, anzunehmen, dass damals die Ordnung des Ganzen
schon vollendet war. Jede Earche sendete vielleicht an diejenigen, denen
die Leitung und Redaktion übertragen war, ihre besondern Officien ein.
Wir haben ja schon gesehen, dass die Kirchen von Acci, Tarraco und
Gerona ihre eigenen Officien hatten. — So sendete denn auch Barcelona
das dort gefeierte Officium, sowie die Festmesse zu Ehreii der Eulalia
von Barcino ein, welche ohne Aenderung in das Missale und Brevier
au%enommen wurde*).
wir, besonders bei der Schilderung niohtspanlscher Märtyrer, nicht hoch an-
schlagen, theils weil schon die Form seines Werkes und das Bedürfniss der
postischen Auswahl und Verschönerung ihn zu grossen Licenzen verführen
musste, theils weil er nachweisbar in grobe Irrthümer gefallen ist." — Hippo-
lytus und Kallistus, 1853, S. 55—56.
') InUt haee eubnistus ipse üt tnei post vmöh eamtB
Con^ieacat Quiriau Sia memor in aethere:
Qßti tut loeum sepulchri Ei minus quod hie pertgi
RtguU» moncuticis 7Vi valenter unp^eow
Ad honorem consecravit Haec tibi perlata vota
Sempitemi numinia, Vel Camoena consearans,
») Florez, 29, 138.
312 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.
Aus dem Hymnus des Quiricus geht femer hervor , dass er an dem
Grabe der Heiligen eine klösterliche Gemeinschaft stiftete. Florez ver-
steht darunter Mönche*).
Das gothische Brevier hat das Fest der Eulalia am 12. Februar;
gleichfalls am zwölften das Missale. £s steht in lezterm als Fest von
neun Lectionen, ebenso im Brevier. Ebenso ist das Fest der andern
Eulalia nur ein Fest von neun Lectionen , während das Fest der Leocadia
von Toledo im Missale als Festum quatuor, im Brevier als Festum sex
capparum steht. Darin dürfte man vielleicht einen Fingerzeig sehen,
dass in der Primitialstadt die Entwicklung der kirchlichen Feste sich
schneller vollendete, wo man auch einen reichern Schmuck von Para-
menten besass (oder vielmehr dass die erwähnten Feste nach diesem
Bitus in Toledo gefeiert wurden).
Eulalia steht in fast allen Martyrologien der ältesten Zeit. — neben
der andern Eulalia von Merida. Den Beigen eröffnet das älteste Ro^
manum partum des Ado. — Es hat am 12. Februar: Barcinone —
Eulaliae virginis et martyrU. Dagegen am 10. Dezember: Eul(üi(ie viv
ginia et martyris, — Es wird hier Merida nicht genannt, weil oben
schon Barcelona genannt wurde, und eine Verwechslung also nicht mehr
möglich war. Dabei will und kann ich nicht in Abrede stellen, dass
vom Anfange an die Eulalia von Barcino zurückgedrängt, und gleich-
sam in den Schatten gestellt war — durch den grössern Ruhm der Eu-
lalia von Emerita. So ist es zu verstehen, wenn Prudentius in seinem
Hymnus 2 über den Märtyrer Hippolyt von Rom -Ostia, der durch das
neu au%efundene Werk des Hippolyt über alle Häresieen eine so über^
raschende Beleuchtung erhalten hat, zu Bischof Valerian (oder Yalerius II,)
von Saragossa sagt, wie er bis jezt die Festtage des Cyprian, des Che-
lidonius, und der Eulalia begangen habe, so möge er von nun an auch
das Fest des Hippolyt begehen. Daraus erhellt, dass man am Ende
des vierten Jahrhunderts zu Saragossa ein Fest der. Eulalia von Merida
(aber nicht der von Barcelona?) begieng. — Der alte Festkalender
der £irche von Carthago enthält nur den Namen der einen Eulalia (von
Merida), deren Andenken in Afrika begangen wurde; indess von allen
spanischen Heiligen eben nur diese Eulalia und den Leviten Vinzenz.
Das sogenannte Martyrologium des Hieronymus enthält zum 10. De-
zember: In Spanien, in der Stadt Emerita, die Passio der heiligen Jung^
frau Eulalia. Zum 11. Dezember: Zu Rom, der heiligen Eulalia — und
vieler andern ohne Zahl. — Von einer römischen Eulalia findet sich
sonst keine Spur, und es dürfte dieses eine Verwechslung mit der von
Barcelona seyn.
Ebenso berichtete Ado zum 12. Februar über die Eulalia von Barcino.
Er fügt aber die Quelle bei, aus der er diesen Bericht geschöpft hat
*) Florez, ?9, 139; 191- 93 j 306 sq.
S. 2. PositiTe Beweise für die Ealalia von Barcelona. 313
Er sagt: So ist es geschrieben in der Passio der heiligen Leocadia (die
wir besizen). Sein Bericht über die andere Eulalia zum 10. Dessember
ist gleichfalls ein Auszug aus der Passio derselben.
Von Usuard ist heute anerkannt, dasa er in der Begel nur der Ter*
kürzte Ado ist. Darum sagt er auch zum 12. Februar: In Spanien, das
Andenken der heiligen Jungfrau Eulalia, von der bekannt ist, dass sie
zur Zeit des Kaisers Diocletian die herrliche Krone des Martyrthums
empfangen hat in der Stadt Barcinona. Fast ebenso, wie Ado, berichtet
er zum 10. Dezember über die Eulalia von Mmda*
Beda allein kennt nicht zwei, sondern nur eine Eulalia. Am 12. Fe- .
bruar hat er den Namen nicht. Am 10. Dezember aber hat er: j,Das
Andenken der heiligen Eulalia, Jungfrau in Barcilona^, von welcher,
nachdem sie enthauptet worden, eine weisse Taube emporgeflogen ist
— Hierin folgte ihm nur Bhabanus Maurus nach (so dass Beide als eine
Stimme gelten). Er sagt am 10. Dezember: Fest der heiligen Jungfrau
Eulalia in Barcilona, einer Stadt Spaniens, unter dem Präses Dacian,
welche in einem Alter von dreizehn Jahren, nach zahllosen Qualen ent-
hauptet wurde, und nachdem das Haupt abgetrennt war, schien es, dass
eine Taube aus ihrem Leibe emporsteige '). Für den Unterschied der
beiden Eulalia sprechen sehr deutlich zwei Distichen des Martyrologen
Wandalbert zum 12. Februar und zum 10. Dezember; Jenes lautet:
EidaUae festum pridie scmguiaque coruscat,
ürba Barcinon exmia qua marUfre gaudet
Pas Fest und das Blut der Eulalia leQehtet —
Welche als Martyrin preist die herrliche Stadt Barcino.
I^Agegen am 10. Dezember sagt er:
JEukUutm sancto qtuirti» veneramur amore
ßi^Hmam, JEmerita cuius cruor osscique servant.
Die Ealalia ehren wir mit heiliger Liebe am zehnten Tag«
Die spanische; Merida bjrgt ihr Blut und Gebein.
Ebenso lauten alle spätem Martyrverzeichnisse. Z. B. des Notker,
das Martyrologium Trevirense, Augustanum, das von Stablo, Corvej,
das Ottobianum, und ein Vaticanum, und alle spätern Kaiendarien ^).
Der dritte positive Grund ist die in Barcelona stets fortdauernde
Ueberlieferung, dass sich daselbst das Grab und der Leib der heiligen
Eulalia befinden. Diess bezeugt Quiricus in der Mitte des siebenten
Jahrhunderts, während gleichzeitig Paulus der Diakon von Emerita in
seiner Schrift: „Ueber die Väter (Bischöfe) von Emerita, besonders über
*) RJuibani M, tnar^fr, — 10. Dez.
*) Mariene et Durandus, veterum Scriptorum coli, novo, p, 637; — das von SoUier
edirte M, Äugustanum et Lahbeanum s. Act ßct, part, IL t 6*. Junii 3f. Stahuhnse,
ap. Marien^ et Durand, — /. c. />. 679, — Kaleindarium Korbejerue — apud dOf-
dem, Tkiuaunu tuwus anecdotfnwn, L 3,
814 Vieites Buch. FUnfles Kapitol.
den ehrwfirdigen Metropoliten Massona, und die sdion erwtiinte Wall-
ühit des heiligen Fructaosas von Braga nach Emerita beweisen, dass
man damals nicht anders -wusste, als dass auch der Leib der andern
Ettlalia dort noch vorhanden sei. Von einer Uebertragung von Merida
nach Barcelona ist nirgends eine Spur. Sie musste vor dem J. 650 ge-
sehdien, denn damals^ war das Grab der Heiligen in Barcelona schon
Terehrt. £s ist eine eitle Hypothese, zu sagen, Eulalia sei in Barcino
geboren, und in Merida für den Glauben gestorben, oder lungekehrt.
Denn dagegen sprechen ja bestimmt die Akten. Laurentius war in Spa-
nien geboren, und litt in Rom. Niemand sagt aber, Laurentius von
Huesca, oder von Spanien. Vinzenz von Saragossa war geboren in
Saragossa, litt in Valencia, und war Diakon in Saragossa; alle Welt
aber nennt ihn nur den Leviten von Saragossa.
Wie vor, so nach der Eroberung Spaniens durch die Mauren unter-
schied man eine doppelte Eulalia. Sie führt Eulogius von Cordova an
als „Eulalia, Jungfirau von Barcelona^, welche unter vielen andern frei-
willig zum Martyrtode sich dargeboten habe. Es lag ihm an sich näher,
die andere Eulalia zu nennen; indem er aber diese nannte, giebt er
Zeugniss — für die Verschiedenheit beider ^).
An solchen hat es nie gefehlt, die nur eine Eulalia, und zwar die
von Merida angenommen haben. Schon der Historiker Marinäus Siculus
(t nach 1533) sagt, dass Eulalia, von Geburt aus Barcelona, zu Merida unter
dem Präses Dacian gelitten habe ^). Viel früher hat Vinzenz von Beau-
vais die Beiden verwechselt, denn nach ihm ist das Fest der einen Eu-
lalia zweimal im Martyrologium angegeben. „Wenn nicht etwa zwei
desselben Namens in derselben Provinz, und in derselben Verfolgung
gelitten haben*' *). — Der Gelehrte Resende von Evora, und der P. Are-
valo, der Herausgeber der Schrifken des Prudentius (1794 Born.) zwei-
feln an der Eulalia von Barcelona. Am Ende des achtzehnten Jahr-
hunderts wurde eine hefkige literarische Fehde über die Eulalia von
Barcelona geführt Ein Fr. Aug. Sala schrieb eine Abhandlung, worin
er Zweifel geg^i einige Thatsachen im Leiden der Eulalia von Barce-
lona aussprach. Jos. Pedros j Riera erhob sich dagegen in einer ge-
hamischten Streitschrift^) (1787). Auch Tillemont neigt sich mehr zu
der Ansicht von einer Eulalia; er hat es aber noch nieht verstanden,
den geschichtlichen Werth der alten Liturgieen zu verwerthen. — Zur
Bejahung neigt sich auch SoUerius — (zum 10. Dez. des Usuard).
*) Eulog, L memorialU sanct 1, 24, Sic Eulalia mrgo BareMnoMiuis, — muhique oB
tponU »t obtuUrunUf et coronad svnU
') Marinaeus Siaä. de rebus Htspaniae memorabiUbus , l 5, (1530); auch m Sekottü
Bispania Uhutrataj 1608,
*) Vincent. Belhv. speculum historicum, 12, 123.
*) VidOf martirio y grandezaa de Santa EulaUa, hija, patrona y tutelar de Barce-
Ama, por Baman Ponsieh y Cetmps. Madrid — 1770.
S. 3. nu BaiBio der heiUgM Eulalia. 315
§. 3. Die Passio der heiligen Eulalia.
Nadi den — allerdings spätem — Akten war Eulalia bei ihrem
Leiden Tier^hn Jahre alt. Florez und andere sezen dasselbe auf den
12. Februar 304; darnach wäre sie im J. 289 geboren. Ich entscheide
mich für das Jahr 306 9 weil ich der Ansicht bin, dass Dadan erst um
die Mitte des J. 304 nach Spanien gekommen sei. — Eulalia wurde
von ihren frommen und angesehenen Eltern auf einem Landgute fern
von der Stadt zurückgehalten. Sie entfernte sich ail^ von ihrem Land-
gute, und gieng zu Fuss in die Stadt , während die andere Eulalia mit
ihrer Gefährtin Julia fuhr. — Sie trat vor den Richtmrstuhl des Dadan,
während die zweite Eulalia vor den Bichterstuhl des Calpumian trat.
Eulalia aber redete den Dacian an: Du Richter der Gottlosigkeit, du
sizest so hoch, dass du den höchsten Gott nicht fürchtest, der über alle
deine Fürsten, und über dich ist — Dacian liess die Eulalia in die
Folter spannen, bis die Eingeweide offen lagen. Mit heiterm Angesichte
lobte Eulalia Gott und sprach: Herr, erhöre mich, ddne unwürdige
Magd, denn dir allein habe ich gesündigt. Verzeihe meine Uebdthaten,
und stärke mich, die Feinen zu erdulden, welche sie mir um deines
heiligen Namens willen anthun, dass Satan mit seinen Helfern zu
Schanden werde.
Der Präses sprach zu ihr: Wo ist derjenige, den du anrufest? Mich
höre, unseliges und thörichtes Mädchen, und opfere den Göttern, damit
du lebest. Denn schon nahet dir der Tod, und niemand ist, der dich
erlöse. Darob erfreut, sprach die heilige Eulalia: Niemals mag es dir
gut gehen, sacrilegischer, dämonischer, dem Verderben verfallener
Mensch, (der du willst), dass ich von dem Glauben meines Herrn weiche.
— Mein Herr, zu dem ich rufe, hier ist er bei mir, den du w^;en
deines ganz unreinen Geistes und wegen deiner wahnsinnigen Seele zu
schauen nicht verdienest. Er selbst. stärket mich, dass ich alle Qualen,
die du mir anthuest, für nichts achte.
Jezt liess erzürnt der Präses Fackeln an ihre Seite bringen, und
sie so lange schweben, bis sie durch das Feuer versenget war. Mit
Jubel sprach sie den Lobgesang: Siehe, Gott steht mir bei, und der
Herr nimmt meine Seele auf. Das Unglück falle zurück auf meine
Feinde, und nach deiner Treue zerstreue siel Freiwillig werde ich dir
opfern, und deinen Namen preisen, Herr, der du gütig bist. Weil du
aus grosser Trübsal mich errettet, und über meine Feinde freute sich
mein Auge (Ps. 63, 6 — 9). — Da wandte sich die Flamme gegen die
Schergen. — Als diess Eulalia sah, blickte sie zum Himmel, und mit
stärkerer Stimme rief sie: Herr Jesu Christe, erhöre mein Flehen, und
vollende deine Barmherzigkeit an mir; und befiehl, dass ich jezt auf-
genommen werde unter deine Auserwählten in die Ruhe des ewigen
316 Viertes Buch. Fünftes Kapitel.
Lebens y damit die Glaubenden an dich es sehen, und deine Macht' lob-
preisen. Als sie aber ihr Gebet vollendet hatte, wurden alsbald jene
Fackeln ausgelöscht, die — in Oel getaucht — in grossem Flammen
aufloderten. Die Diener aber, die sie hielten, wurden selbst versengt,
und betend fielen sie auf ihr Angesicht — und Set. Eulalia verschied.
Eine Taube gieng aus ihrem Munde, und flog zum Himmel auf.
Dacian voll des Zornes befahl, dass der Leichnam am Ejreuze bleibe,
bis er von den Vögeln des Himmels verzehret würde mit den Gebeinen.
Und siehe, plözlich fällt Schnee vom Himmel Und bedecket sie. Die
Wächter stellten sich nun in einiger Entfernung auf, um den Leichnam
zu bewachen. Da kamen ihre Eltern und Gefährtinnen, und sahen es
mit grosser Freude, welche weinend sich gar sehr betrübt hatten,
weil sie nicht wussten, was geschehen war*). — Nach drei Tagen
nahmen ironune Männer ihren Leib hinweg, da die Richter es nicht
merkten , indem sie mit Leintüchern und Wohlgerüchen ihn umwickelten.
— Der heilige Felix aber, der in dem Bekenntnisse mit ihr einmüthig
gewesen, sprach mit grosser Freude des Herzens zu ihr: Herrin, du
hast früher die Palme verdient. — Ihm lächelte Eulalia zu. — Auch
die Uebrigen fiengen an, Gott freudig den Hymnus zu singen: „Die
Gerechten riefen, und Gott erhörte sie, und aus allen ihren Trübsalen
hat er sie errettet^ (Ps. 33, 18). Und auf den Ruf der Lobsingenden
kamen viele aus dem Volk zusammen, und bald begruben sie dieselbe,
freudig preisend den Herrn, den Vater, und Jesum Christum seinen
Sohn, und den heiligen Geist, dessen Reich bleibet in Ewigkeit^).
Von diesen Akten sagt Tillemont, dass sie in einem sehr einfachen
und vernünftigen Style verfasst seien, obgleich die Anreden zu lange,
und die Schmähungen zu pikant seien für Originalakten ^). Allein,
meint Florez ^), Christus habe auch zu seinen Feinden gesagt: Heuchler,
Schlangenbrut, böses und ehebrecherisches Geschlecht, Söhne des Teufels.
Von der Eulalia von Merida sage Prudentius ohne Tadel: ^^Inque tyranni
oeuüLoM Sputa jadt^ (v. 127 in L Eulai,). — „In die Augen des Tyrannen
schleudert sie den Speichel^ ^), — so scharf sei die Eulalia Ton Barcelona
doch nicht gewesen.
Noch giebt es eine zweite Passio der Eulalia, geschrieben um das
J. 1106 — a Bmallo Orammatica. — Der Gefährte der Eulalia, Felix,
') Bartntea et socieie ejus cum gaudio magno eucurrerunt^ gut ßentes nimis iribuhbantur,
quia qvod eveneratf nesdebarU,
') Florez, 29, ap. 2. — Actos del martyrio de Santa £ulaUa de Barcelona , sacadas
de un codice gotico del moncuterio de Silos (cf. 29, 290 u. 304). — Acta Sanctorwn,
Februar, U 2, 577 — 78,
•) TiUemonty mem. 5, 718,
*) Ftorea^, 29, 297.
*) Siibert überseht: »Sondern sie speit ihm ergriniint in's Gesicht.«
$. 4. VerdbruBg der Ealiftlia in BarceloDa. 317
konunt auch in der Festmesse des Tages vor — und Ewar in^dem Gebet:
Post SaneHa: ;, Wahrhaftig heilig, wahrhaft gepriesen ist unser Herr,
Jesus Christus dein Sohn. Sein Geschenk ist es, dass die Jungfrau
Eulalia bei den Schlägen nicht zittert: seine Gnade, dass sie unter d^i
Flammen nicht a*gliihet: seine Gabe, dass sie nach dem Tode ako froh-
lockt. Denn, indem sie gleichsam die ewige Freude schon in ihrem
Angesichte trägt, und es noch in ihrer irdischen HüUe offenbarte, welche
Wonne der Seele sie dort geniesse: da sie den seligen Bekenner Felix
so aus der ewigen Seligkeit hertiber mittelst des Leibes anlächelte.
Durch Christus den Herrn und ewigen Erlöser.* Ob dieser Felix der
Martyr^ von Gerund^ war, oder ein von ihm verschiedener „Bekamer*,
darüber ist man im Ungewissen. Weder Florez noch A. Lesley getrauen
sich darüber zu entscheiden; und über Vermuthangen käme man nicht
hinaus ^), Uebrigens bildeten die ^^Cofifeasarea^^ damals einen besondern
Stand, einen Chor in der Kirche^).
In dem von Pius Y. genehmigten neuen Ritus für das Bisthum Bar*
celona — wird das £nde der Eulalia anders dargestellt; sie wurde ent*'
hauptet, wie schon Beda berichtet; und ich neige mich zu dieser An*
sieht, dass dieselbe nach vielen Qualen enthauptet wurde.
§. 4. Verehnmg der Eulalia in Barcelona.
Nach dem angeführten flymnus des Quiricus kannte man um 650
das Grab der Eulalia^). Im J. 870 kannte man die Lage des Grabes
nicht mehr. Man hatte sie wohl vergessen zur Zeit, als die Mauren in
Barcelona herrschten (713 — 801). Nach langem Nachsuchen fand Bischof
Frodoin den Leib der Heih'gen in der Kirche, welche Eulalia del Campo
hiess, — zwischen der Stadt und dem Meere, welche Kirche heute
Santa Maria del Mar heisst — 877. Mit grosser Feierlichkeit wurde
der heilige Leib in die Kathedrale von Barcelona übertragen, welche
sofort den Namen bekam: ^Kathedrale zum heiligen Kreuz und zu der
heiligen Eulalia*^*). — Eine der Grabinschriften ihrer Grabkapelle
lautete: Hier ruhet der Leib der seligen Jungfrau und Martyrin Christi
Eulalia, Bürgerin von Barcelona, die unter dem Präses Dacian gelitten
hat am 12. Februar, in dem Jahre des Herrn 287, den der heilige Felix
*) Florez, 29, 299 — 302 j,del compannero S€m Felix*^, Lesley — Noten m festo S.Eu-
laUae — Barehinoneneia, ^
*) S. die Erklärung^ des Canon 25 von Elvira.
') An seiner Aechtheit zweifelt F. Arevalo, HerausgeW des Pradentius, ohne
Grand — zu Brud, perist, S, — Er eignet sieh die Worte des And. Resende in
dessen Brief an Barth. Quevedo (Eebedius) an: d» Emeriiensi extant et aeta, et
eacer tue I^'udentiu$, De aüera vidermt eives Bcareinonenaea , et eoleriiue invesii^ent,
Florez, 29,189. Lorinser, 1, 7a
318 ¥i«rtei Bush. Pftnftei Kapitel.
und seine Eltern bej^ben in der Basilika der hiriligen Maria am Meere,
und von dort ist er übertragen worden an diesen Sis von d^n^ seligen
Bischöfe Frodoin im J. 878. — Die Kathedrale wurde neugebaut, und
eingeweiht im J. 1058. Am Ende des dreizehnten Jahrhtmderts ent-
sprach die Kathedrale nicht mehr der Grösse* und Bedeutung der Stadt,
in welcher die Könige von Aragonien, und ein so zahlreicher Adel
wohnte. D«mm wurde im J. 1296 ein Neubau im goduschen Style
begonnen« Im J. 1329 war der vordere Theil mit d^n Chore vollendet
Im J« 1338 war die unterirdische Kapelle, oder das Pantheon vollendet,
worin der Leib der heiligen Eulalia, der ersten Patronin von Barcelona,
verehrt wird. — Im J. 1339 fand die zweite Erhebung, und die feier-
liche Niederlegung der Reliquien der Heiligen statt, welche wegen des
Neubaues von 1329 bis 1339 in der Sakristei deponiit waren. Diese
Uebertragung geschah unter den grössten Feierlichkeiten, in Oegenwart
einer grossen M^ige erlauchter Personen aller Stände. Es waren gegen-
wärtig zwei Könige, drei Königinnen, vier Prinzen, zwei Prinzessinnen,
ein Kardinal, sieben Bischöfe ^), zwölf infulirte Aebte, neun Magnaten
von Gatalonien, vierundsechszig Barone und Adelige. An der Kathe-
drale finden sich noch heute zwei Inschrifiken, von denen die eine lautet:
In dem Namen unsers Herrn Jesus Christus, zu der Ehre der heiligsten
Dreieinigkeit, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, der selig-
sten Jungfrau Maria, und der heiligen Jungfrau Eulalia, der Martyrin
Christi und Bürgerin von Barcelona , deren Leib an diesem ihrem Wohn-
size ruhet: wurde der Bau dieser Kirche begonnen am ersten Mai des
Jahres des Herrn 1298, unter der Regierung des erlauchtesten D. Jacob,
Königes von Aragonien, Valencia, Sardinien, Corsika, und Grafen von
Barcelona. — Die andere Inschrift; lautet: Im Namen unsers Herrn
Jesus Christus, am ersten November im Jahre des Herrn 1329^ unter
der Regierung des Herrn Alfonso, des Königes von Aragonien, Va-
lencia, Sardinien, Corsika und Grafen von Barcelona, ist das Werk
dieser Kirche vollendet worden, zum Lobe Gottes, und der seligsten
Jungfrau, und der heiligen Eulalia^).
Die Kapelle der heiligen Eulalia befindet sich unter dem Presby-
terium. Die Reliquien befinden sich in einer prächtigen üme. Man
Sieben Bischöfe. Diese Zahl ist nicht gross. Im J. 1058 waren zu der Weihe
der neuen Kathedrale zwei E^rzbischöfe , und sechs Bischöfe versammelt; Florez,
29,229. Madoz — Barcelona, 3,520.
•) Siehe Madoz Lc. — Lorinser, 1,79. — Ziegler, AL, 1,57— 70 flg. — Will-
komm, Erinnerungen, 3,346. Lorinser führt den Spruch an:
Esta es Eulalw, la de Barcelona^ '
De la rica ciudad la joya riccL,
Diess ist Eulalia, die von Barcelona,
Der reichen Stadt die reiche Perle«
$. 4. Verehrung der Ealalia in Barcelona. 319
steigt f Ü2ifandzwaii2ig Stufen hinab ; zwanzig ausserhalb y fünf innerhalb
eines Gitters. Am Orabe der Heiligen brennen viele und grosse Lampen,
die an der Decke befestigt sind. Die Urne der Reliquie ruht auf acht
Säulen von Jaspis, und ist mit vielen Reliefs geschmückt, welche die
Thatsache ihres Martyriums darstellen. — Das Fest der Heiligen wird
mit einer Octave gefeiert Nach einer Entscheidung der Congregation
der Riten kann das Fest und die Octave auch gefeiert werden, wenn
dasselbe in die Fastenzeit fällt. Mit dem Feste sind, nach spanischer
Sitte, gewisse Volksbelustigungen verbunden.
Ich habe mich länger aufgehalten bei der Geschichte der heiligen
Eulalia, weil ich selbst erst durch genauere Studien mich überzeugt
habe, dass die Zweifel an zwei spanischen Heiligen dieses Namens selbst
nur auf Mangel an Studien beruhen, — und weil die grosse Verehrung,
deren die heilige Eulalia stets in Barcelona genoss, mir auch einiger
Berücksichtigung würdig schien. — Gewisse Umstände haben vielfach
die Meinung verbreitet, als sei Barcelona eine der Städte Spaniens, wo
sich weniger katholische Frömmigkeit erhalten. Es hat sich uns, sagt
der Kardinal Wiseman, eine günstigere Ansicht aus dem gebildet, was
wir gehört, und was wir gelesen haben. Personen, Fremde, die erst
dort gewesen, haben uns versichert, sie hätten nirgends anderswo bei
Prozessionen und öffentlichen Feierlichkeiten mehr Anstand und Fröm-
migkeit getroffen, als dort ^).^
WUeman, Abbandl. a. a. O. 3, 123.
Sechstes Kapitel.
Die achtzehn Märtyrer von Saragossa.
Die (schriftliche) Hauptquelle über dieselbe ist der Hymnus 4 des
Prudentius über die Siegeskronen. Diesen Hymnus lasse ich — nach
der Uebersezung Silberts folgen:
1) Achtzehn hoher Märtyrer Asche hütet
Unser Volk verehrend in einem Grabe.
Saragossa heisset die Stadt, der solch ein
Reichthnm bescheert ward.
2) Diese "Wohnung voll der erhabenen Engel
Fürchtet nicht des Erdenballes Einsturz,
Da so viele Gaben in ihrem Schoosse
Christo sie darbringt.
8) Wenn einst Gott, die flammende Rechte schwingend,
Auf dem Throne feuriger Wolken schwebet.
Und mit rechter Wage die Völker richtend
Ewiges Recht spricht.
4) Von der unermessenen Erde eilen
Dann die Städte alle, das Haupt erhoben.
Und in Särgen köstliche Gaben bringend,
Christo entgegen.
5) Cyprianus, Lehrer des Heils! es holet
Dein Gebein aus Afrika dann Carthago;
Den Acisclus und den Zoellus nebst drei
Kronen Corduba.
6) Doch Tarraco, Mutter der Frommen! dreifach
Ist die perlenkrone geschmückt, die Christo
Dar du bringen wirst, und die Fructaosus
Glänzend verknüpfte.
Die Achtzehn Märtyrer von Saragossa. 321
7) Eingeflochten ist in dem Perlenbande
Dieser Name. Feurig zu beiden Seilen
Blizen zwei verbrüderte Edelsteine
Aehnlich Strahlen.
8) Seinen Felix bringet das kleine, aber
An Gebeinen Heiliger reiche Giron:
Unser Calagurris erhebt die Beiden,
Die wir verehren.
9) Barcelona hebt sich im Schoz des hohen
Cucofatus; -^ Paulus beschüzt das schöne
Narbo; dich Genesius tr^t mit Stolz das
Starke Arelas.
10) Dem Altare Christi entgegen schwebend
Beicht die Stadt, die Herrscherin aller Städte ,
Lusitaniens, des verehrten MSgdleins
Asche zum Opfer.
11) Freudig bringt Complutum in seinem Schoosse
Eine Doppelgabe in Doppelurnen!
Glieder zweier Märtyrer dar: das Blut des
Jüstus und Pastor.
12) Tingis führt, was sein ist: den Cassianus,
Welchen einst massylische Herrscher festlich
Ehrten; dessen Asche die Heidenvölker
Christo gewonnen.
«
13) Wenig solcher Städte, die Opferpl&nder
Einst bewahrten, werden mit einem, zweien,
Oder dreien, höchstens mit fünf der Zeugen
Christi erscheinen.
14) Saragossa! welchem der Oelzweig friedlich
Und mit Ruhm die Scheitel bekränzt, das Christum
Liebt in treuem Eifer; du führst ihm achtzehn
Heilige entgegen.
15) Grösserer Schaaren Märtyrer hast allein du
Für die Ankunft Christi, des Herrn, bereitet;
Ueberreich an heiligem Sinn allein wirst
Lichtvoll du schimmern.
16) Kaum die reiche, punische Völkermutter,
Kaum die auf dem Throne erhabene Roma
Wird an solchen Gkkben dich, unsere Zierde,
Würdig besiegen.
17) Fern aus allen Thoren vertrieb das heiFge
Opferblut — der neidischen Teufel Horden;
Fern verscheucht es von der gesühnten Stadt das
Dunkel der Hölle.
Gama, ipan. Kirehe. 21
322 Viertes Boch. fieclistet Kapitel.
18) Keiner Schatten Gr&ael verweilt im Innern;
Der Dämonen Seacbe entfloh vom Volke;
Christas wohnt in s&mmtUchen Gassen; aller
Orten Ist Christas!
19) Selbst das Land der Martyrerkronen schaute
Hier dein Blick, von wannen ihr Chor, in hellen
Schneegewanden adelig strahlend, hoch zum
Himmel sich aufschwingt.
20) Deine Palme grünete hier, o Vinzenz!
Hier allein gebar den Triumph der Clerus,
Hier ist der Valerier Bischofswobnung
Infel geschmücket.
21) Stets wenn grimmig rasten die alten Stürme
Und erschüttert wurde der bange Erdkreis,
Traf der Schrecken schaurigster, wüthend zürnend,
Unsere Kirche.
22) Ohne Preis der Unsrigen wich aach keiner
Je der Stürme; heiliges Blut sah jeder;
Jeder Hagel mehrte der auierwfthlten
Märtyrer Anzahl.
23) Gabst, o Vincenz, Märtyrer, welcher ferne
Sterben sollte, unserm Land nicht früher
Du des Blutes rosigen Thau, die nahe
Marter verkündend?
24) Dieses Pfand') verehret die Stadt, als ruhten
Eingeschränkt in ihrem Bezirk die Glieder;
Das Gebein des Märtyrers schaut als Matter
Dort sie begraben.
25) Unser ist er, litt er auch fern in einer
Unbekannten Stadt und gewährt ihr siegreich
Seines Grabes Glanz, wo Sagunt sieh nah' der
Küste erhebet.
26) Unser ist er! Unsere Kampfes - Schule
Lehrt in hoher Tagenden Kunst den Knaben .
Mit des Glaubens Oelen gesalbt, den Satan
Mächtig besiegen.
27) Unseres Tempels rühmliche achtzehn Palmen
Waren kund dem Jüngling; des Vaterlandes
Heilige Lorbeern lehrten ihn bald nach gleicher
Glorie ringen.
28) Hier Enkratis, auch deine Glieder,
Jene Kraft der Tugend, womit dem wilden
Geist der Welt, gewaltige Jungfrau! seinen
Schmuck da entrissest
Die Stola des heil. Vincentias, während seine Gebeine in Valencia mheten.
Die achtzehn Märtyrer von Saragossa. 823
29) Keinen noch der Märtyrer ward yerliehen,
Hier in unserer irdischen Welt zu weilen;
Du allein, nach eigenem Tode lebend,
Wandelst hienieden.
30) Ja du lebst, und kündest der Martern Reihe
Troz des abgeschnittenen Fleisches Raube
Neugest&rkt, erzählst du die Pein der Furchen
Schmerzlicher Wunden.
31) Wild zerschnitt der Peiniger dir die Seite,
Blut entquellte deinen zerhackten Gliedern;
Offen stand den Blicken die Brust, zerschnitten
unter dem Herzen.
32) Minder ist der Preis des bestandenen Todes,
Der, das Gift der wüthenden Schmerzen tilgend.
Schnelle Rohe giebt den gelösten Gliedern:
Ruhe des Schlummers.
33) Lange quält^ der offenen Wunden Schmerz dich;
Lange wühlten Gluthen dir in den Adern,
Bis, durch langsam schwindende S&fte dürr, dein
Mark sich verdünnte.
34) Doch ob auch das neidische Schwert des Würgers
Dir den Tod versagte; es krönet dennoch
Dich als wahre Martyrin, als vollendet
Siegreich der Lorbeer.
35) Einen Theil der Leber, dir ausgerissen,
Sah'n wir, vor den folternden Zangen liegen.
Ganz besizt der lebende Tod dich; Theile
Hat der erstorbene.
36) Diese neue Zierde verlieh zum Rohm
Christus selber unserm Saragossa,
Dass sie einer Martyrin Heimath werde.
Welche noch lebet
37) Auf, durch achtzehn Märtyrer Hochbeglückte!
Durch Optatus und der Lupercus Reiche,
Auf! und singe Preis dem Senat der Hohen,
Welche dir eignen;
38) Feiere den Successus, den Martialis,
In Gesängen schalle der Tod des Urban,
Julia verkünde das Lied zugleich mit
Cäcilianas !
39) Auch das Rosenblut, das Evotus! deine,
Primitivus, deine Gefechte färbte;
Lautet Lob verherrliche deine Siege,
Held Apodemvs!
21*
S24 Viertes Buch. Sechstes Kapitel.
40) Noch soll Preis vier herrlichen Namen werden,
Wie das Mass des Verses sich auch versage,
Sf^turniner nennt sie die alte Sage
Früherer Zeiten.
41) Wenig sieht der goldenen Namen Liehe
Auf den Zwang dar Liedergeseze ; nimmer
Wird das Loh der Heiligen tadelnswürdig,
Nimmermehr neu seyn!
42) Rühmlich ist's der Kunst, die verehrten Namen
Aufzuführen, welche im Himmelshache
Christus aufgezeichnet, im Buch zur rechten
Zeit zu entfalten.
43) Vor dem Vater ehren und vor dem Sohn
Wird dann Gottes Ei^el die achtzehn Heiligen,
Welche Eine Stadt als Beherrscher lenken
Kraft der Begräbniss.
44) Ja gerechnet werden zur alten Zahl auch
Jene Jungfrau, lebend nach Marterproben,
Und des Vincenz Tod, dem in unserer Stadt einst
Leben und Ruhm quoll.
45) Ausser diesen (nicht zu verschweigen) Csjus,
Du auch Cremenz !; welchen des höchsten Lobes
Glanz entspross aus Kämpfen, die ihr gestritten,
Ohne zu bluten.
46) Gott, den Herrn, bekennend, erhoben Beide
Sich mit Eifer gegen die Wuth der Mörder, i
Beide Kämpfer kosteten leicht den Becher
Linderer Marter.
47) Unter Jenem ewigen Altar begraben
Winkt die Purpurschaar der Erlauchten, welche
Ihre Mutter treulich bewahret, flehend
UnsVe Verzeihung.
48) Lasst mit frommen Thränen des Marmors Inschrift
Uns benezen, wo uns die Hoffnung blühet,
Einst entlöst zu werden der schweren Banden,
Welche uns fesseln.
49) Wirf, erlauchte Stadt! zu der HeiPgen Gräber
Jezt mit mir dich nieder; zur Auferstehung
Folgst du dann den Seelen, die mit dem Körper
Bald sich erheben!
Die Stadt Cäsaraugusta stand stets in hohem Ruhme wegen ihrer
glttd^lichen Lage^ wegen ihrer materiellen Güter, und wegen der Zahl
ihrer Blutzeugen. Isidor nennt sie darum die erste Stadt in Spanien ^). —
cnpuCMM
Die achüsehB Märtyrer von Saragossa. 325
Baronius nennt es eine Metropolis der Märtyrer; andere eine heilige
Stadt,, andere ein zweites Rom. Frudentius meint , dass in der Zahl
der Märtyrer ihm nur Carthago und Rom vorangehe.
Frudentius sagt bestimmt ^ dass die Achtzehn von Saragossa vor
Vinzenz gelitten, nicht etwa nur einige Tage — [nach Florez-Risco] *)
— sondern eine längere Zeit, in welcher Dacian verfolgend durch
Spanien zog, vielleicht vom Juli oder August 304 bis Januar 305.
Vinzenz erscheint als Nacheiferer der achtzehn Märtyrer, von denen er
in der Ferne hörte, wie sie andererseits durch sein eifriges Wirken in
Saragossa auf das Martyrium vorbereitet waren ^). Dacian aber entfernte
ihn und den Bischof, um sie später zu versuchen und zu martern, wefl
die Gegenwart des Vinzenz für seine Hoffnungen und Zwecke gefähr-
lich war. Ebenso heisst es in den Martyrakten des Vincentius: ^Als
Dacianus bereits glaubte, dieselben (Valerius und Vincentius) seien durch
die Misshandlungen geschwächt, und dadurch, dass sie so lange Zeit
von der Gesellschaft der Menschen getrennt waren, — so liess er sie
aus dem Gefängnisse hervorführen.*'
Das Fest der achtzehn Märtyrer wird auf den 14., 15. und 16. April
gesezt. Daniel Fapebroch^) kann sich nicht überzeugen, dass im April
ihr Martyrium erfolgt sei. Er meint, zuerst sei Ruf&aus, der bei Felix
von Gerunda angeführt wird, Präses in Spanien gewesen. Da dieser
allzu mild verfahren, sei Ende des J. 303 Dacian als sein Nachfolger
gekommen, und dieser habe durch seine Grausamkeit in Saragossa ganz
Spanien erschrecken wollen. Im Januar 304 hätte dann Vinzenz in
Valencia gelitten. — Diese Annahme kommt von dem Irrthume des
Papebroch her, dass die beiden Kaiser schon im Februar 304 abgedankt
haben. — Risco sezt den Tod der achtzehn Märtyrer auf den April des
J. 303, das Leiden des Vinzenz in den Januar 304. Dabei kommt er
mit sich selbst in W^iderspruch. Denn neun Monate -^16- April 303
bis 22. Januar 304 — sind nicht „einige Tage** — und er übersieht,
dass das Edict der Kaiser, dass alle Christen getödtet werden sollten^
erst — Ende des J. 303 oder Anfangs 304 erlassen war*).
Man braucht aber nicht den (14 — IB.) April — als Tag des Lei-
dens der Achtzehn anzunehmen. Denn es ist nirgends angedeutet, dass
natumy loci amoenitate et deliciis praestantiw civttatibtts Hispaniae cuncHs, eOqus
iUustritue, florens aanctorum martyrum aepuUwris, Is. Etymol, 15 f 1,
>) Egp, sag, 30 j 250 — ' algunos duu antes que Vicente,
>) Noverat templo eelebres in isto '
Oeties partas deciesque pabncu:
Laurtis doctus pairns, eadem
Laude cucurrit.
') Acta Sandorum " de sandU 18 martyränte, t 2 AprÜ, p, 406 — 13,
*} Bi$co — £»p. e. 30, 259,
326 Viertes ^Baeh. Seehites Kapitel.
sie an diesen Tagen vollendet worden. Diese konnte auch der Todes-
tag der Jungfrau Engratias, oder der Tag der feierliehen Beerdigung
oder Erhebung der Achtzehn seyn, d^en Gebeine an einem und dem*
selben Ort begraben wurden.
Unter allen Verehrern der achtzehn Märtyrer ragt der Erzbischof
Eugen IL von Toledo hervor (646 — 657). Er war Kleriker zu Toledo,
dann Mönch. Aber er floh von Toledo, begab sich nach Saragossa,
liess sich an den Oräbern dieser Märtyrer nieder. Er wurde aber im
J. 645 mit Gewalt — durch den Willen des Königs (Chindaswinth)
nach Toledo zurückgebracht, und als Erzbischof eingesezt *). Eugen U.
selbst ist christlicher Dichter. Unter seinen Gedichten findet sich eines
mit der Unterschrift: „Ueber die Basilika der achtzehn heiligen Märtyrer.^
Demnach hatten sie damals in Saragossa eine eigene ihnen geweihete
Kirche, und wohl auch ein Kloster an dessen Seite, in dem Eugen
wohnte, j,da er an den Gräbern der Heiligen festhieng,^ d. h. wohnte.
Das Gedicht lautet:
IncoUt hoc temphan sat feUx turba piorum,
Quorum promeruii sort benedicta pohan.
Hie montes sacros viriutum cubnine celsos,
üniea ter senos continet uma viros.
Fumßa coenosi Itguenmt gcmdia mundi,
Proquo fidt Domrni membra d§derunt neä,
Bic eiiam compar meritis Eneratia nuartyr
Sorte sepulcraU dissodata jacet;
Bidua inexhausium testantvr sancia triun^hum
PetUa eruore rubens, secta papiUa ßbris, ^
Nomina tanctorum si mavis nosse virorum
Edicet curgim subdiia summa tibi,
Sed quia amcta simul meirun^ non tusdpit rnnum,
Aedpe dtoersiä haec variata meiris.
Quintiiianus adeat, EventiiUy atque Cauianu»
Felix, LupercMf Januariusgue ,
JuUus, Urbanus, Apodemius, inde Primitivus,
OptaiuSf I\tbliuSf Caeciliantts
Hie Sueeeseus inest, hie Matutinus habetur.
Ecce Faustus, ecce JFVonto, postque MartiaUs,
Haec tibi turba potens concedat prospera, Lector
Et veniam praestet haec tü>i turba potens.
So viele Namen haben wir allerdings bei Prudentius nicht geftinden.
Januarius, Faustus und Martialis correspondiren den drei gleichnamigen
') Hdefona de viris iüustr. c. 13: qui sagad ßtga urbem Caesarauguttanam petens, üUe
martyrum sepulcris inhaesit, ibique studia sapientiae et propositum monadu deeenter u^
cohdt; unde principaU violentia reductus eOque in pontiflcatum aseitus, vitam pbu vir-
iutum meritis quam viribus egiL Seine Werke hat edirt der Kardinal Lorenzana in
Patnm Toletanorum quotquot exiant opera (u3) — Ul (1782).
Die aditaehn Märtyrer Yon Saragossa. 327
Ifartjrem in Cordova. Dies» darf uns aber kein Grund seyn, die
Namen als Erfindung zu bemchnen. Es ist sogar möglich, dass Pru-
dentius um das J» 400 alle diese Namen nicht wusste, während sie dem
Eugen, der siöh jedenfalls eifriger damit beschäftigte, bekannt waren*
Wir sehen ferner, dass es achtzehn Männer waren, deren Gebeine yon
einer Urne uipschlossen werden. Wir sehen femer, dass die Engratias,
ihre Gefährtin, zwar in einem Tempel, in einer Baailika, nicht aber
in einem Grabe mit ihnen ruhete. An ihrem weiten Kleide konnte man
noch die Zeichen ihrer Leiden sehen.
Oajus und Crementius aber waren nur standhafte Bekenner, und
nicht Märtyrer. Dacian Hess ihnen also das Leben, wie er es dem Bi-
schof Valerius Hess.
Unter den fünfzehn Pfarrkirchen von Saragossa ist noch heute die
der heiligen Engracia. Nach der Kathedrale und der Kirche Pilar dürfte es
wenigstens historisch die berühmteste Kirche in Saragossa seyn. Die Pfarrei
der heiligen Engracia *) liegt in der Richtung des schönen neuerbauten
Thores von Santa Engracia, an welches Thor sich der Salon der Santa
Engracia, ein schöner Spaziergang vor dem Thore in Form einer grossen
Rotunde, anschliesst ^). Die Pfarrei und Kirche liegt ausserhalb des
Thores, und gehört zum Bisthume Huesca. Die Kirche wurde in dem
Unabhängigkeitskrieg ganz zerstört, ist aber wieder hergestellt worden.
Zu unterscheiden von dieser nicht unbedeutenden Kirche ist die
Pfarrei und Kirche de las Santas Masas , oder der unzählbaren Märtyrer.
Im Süden der Stadt liegt die unterirdische Kirche der „heiligen Massen*'.
Hier ist begraben S. Engracia, San Lamberto, Lupercus und seine im
J. 304 (nicht 303), wie die Spanier gewöhnlich annehmen, gemarterten
Gefährten. Man kennt nicht die Zeit des Baues, aber glaubt, dass es
die er^te in Saragossa gebaute Kirche nach der del Pilar (?) war, in
welcher sich der christliche Cult auch zu der Zeit der Mauren erhielt,
denen Zaragoza erst 1118 entrissen wurde. Sowohl diese Kirche, als
das diunit verbundene ehemalige Hieronymitenkloster Santa Engracia
war während der beiden berühmten Belagerungen Saragossa*s durdb die
Franzosen im J. 1806 und 1809 der Mittelpunkt des Elampfes. — Ein
merkwürdiger Beweis der — im Vergleiche mit andern Völkern —
unverwüstlichen Natur des spanisdien Volkes ist es, dass damals zahl-
reiche Frauen in Saragossa ganz denselben Charakter an den Tag ge-
legt hab^i, der uns aus dem Martyrium der heiligen Engracia entgegen-
tritt Der Ausdruck des Prudentius passt auch auf sie: sie waren
») Madoz, 16, 587.
*) M. Willkomm, Wanderungen durch die nordöBtlichen und centralen Provinzen
Spaniens. Reiseerinnerungen aus dem Jahre 18^ — Leipzig 1852, in 2 Bdn.
2, 4t — Madoz , 16, 579.
338 Vieri«« Bach. Süolistas Kaf^iteL
virgines violmtae — gewaltige Jungfrauen — deren es in Spani^ inuner
viele 9 in andern Ländern nur wenige und yereinzelte. gegeben hat.
Das Kloster und die Kirche S. Engracia war eines der festesten
Gebäude von Zaragoza *) , und bot, da es im höchsten Theile der Stadt
liegt, und diese desshalb beherrscht, den Belagerern — und den Be-
lagerten — zum Angriff und zur Vertheidigung sich dar. Die Fran-
zosen sprengten es in die Luft (14. Aug. 18Cß). Von dem ewig denk*
würdigen Gebäude entgieng nur die untei^ der Kirche befindliche Kata-
kombe, die sogenannte Kirche der Märtyrer, der Zerstörung. Hier
finden sich viele Kostbarkeiten, eine Menge Reliquien, und das Haupt
der heiligen Engracia, umschlossen von einer silbernen, mit Edelsteinen
verzierten Kapsel, dessgleichen ein Brunnen, welcher der Sage nach aus
dem Blute der Christen, die Dacian tödten liess, entstanden seyn solP).
Ln J. 1819 haben die Hieronymiten ,, unterstüzt von der Frömmig-
keit der Gläubigen , die Kirche wieder aufgebaut. Die Kirche der Mär-
tyrer ist von mächtigen Lampen erleuchtet. Das Grab der heiligen
Engracia ist zugleich ein Altar. Seine Vorderseite ist ein Relief vom
siebenundzwanzig Figuren von Personen, die grossentheils ohne Haupt
sind. Li der Mitte sieht man ein Weib, die heilige Engracia. Ueber
dem Altare ragt das Bild der Jungfrau hervor, die von ihren zehn Ge-
fährtinnen umgeben ist. Ana Eingange in die Kirche zeigt man noch
die Säule, an der die Heilige gemartert wurde.
Zu beiden Seiten des grossem Altares befindet sich eine Urne. Die
eine hat die Inschrift:
Hie ossOf hie cinerum sanctomm aanguine mcissae
Martins hoc nostri Lamberti truncus in uma.
Ueber die Person und die Zeit des Märtyrers Lambert aber ver-
mögen die Spanier in keiner Weise in das Reine zu kommen. Ich über-
gehe ihn aus dem Grunde, weil ihn die alte spanische Kirche nicht
verehrte. Ebensowenig behandle ich die Frage, ob die ,, unzähligen''
oder die „Massen*^ der Märtyrer von den achtzehn Märtyrern verschie-
den seien ^). Das Kloster Santa Engracia ist jedenfalls das älteste in
Zaragoza. Einige schreiben seine Gründung dem Pai^linus von Nola
zu, der in Barcelona zum Priester geweiht wurde, und auch hieher
kam — 392. Jedenfalls blühte das Kloster schon im siebenten Jahr-
hundert. Daraus gieng hervor Johannes UI., Bischof von Zaragoza
624 — 630, daraus Eugen IL von Toledo, daraus Braulio von Zaragozai
630 — 646, Bruder und Nachfolger Johannas HL Er beschüzte und
hob das Kloster so sehr, dass die Geschichtsschreiber ihn den Stifter
') So schreiben die Spanier für Saragossa.
>) WiUkomm l. c. 2, 25- 26.
•) Florez-Risco, 80, 275 — 295.
Die achtzehn Märtyrer von Saragossa. 329
desselben nennen (und yielleicht war er es auch). Das IQoster über-
dauerte den Sturz der Herrschaft der Westgothen , es wurde von Mönchen
auch zur Zeit der Herrschaft der Muhamedaner bewohnt; und war ein
Asyl der unterdrückten Christen. Die Katakomben dienten während
der neuen Verfolgung ihrem alten Zwecke. In dem Concil von Jacca
1063 trat Paternus, Bischof von Zaragoza, zugleich erster Abt des meluv
erwähnten E^osters San Juan de la Penna, das Kloster S. Engracia
an das Bisthum Huesca ab, eine Schenkung, welche im J. 1121 nach
der Wiedereroberung Zara^oza's durch die Christen durch päpstliche
Bulle bestätigt wurde. Bei einer zufälligen Ausgrabung wurden im
J. 1389 die Leiber der Engracia und des Lupecicus gefunden. König
Ferdinand der Katholische stellte das Kloster der heiligen Engracia wie-
der her '), und übergab es den Hieronymiten — 1493, welche im J. 1835,
bei der Aufhebung aller Klöster in Spanien, vertrieben wurden.
}) Acta Set April. 2,412.
n
SieVentes Kapitel.
Die Märtyrer Jnstns nnd Pastor von Gomplvtnm.
Wenn der Präses Dacian von Cäsaraugusta nach Toletum reiste,
so führte ihn der Weg über Complutum, welches die Mauren Alcala
de Henares genannt haben. — Hier wurden die beiden Knaben Justus
und Pastor Märtyrer. Prudentius erwähnt sie in dem Hymnus auf die
achtzehn Märtyrer von Saragossa. — Der Bischof Asturius von Toledo,
welcher der ersten im J. 400 zu Toledo gehaltenen Synode anwohnte,
und dort in. der Reihe der Bischöfe als der eilfte unterzeichnete, hatte
die Stadt Complutum in seinem Kirchensprengel, in welchen es heute
noch gehört, und von dem es sechszehn Leguas (nach Ildefons von
Toledo sechzig Miglien) entfernt ist *). — Er soll eine göttliche Er-
mahnung erhalten haben, in dem Municip Complutum Märtyrer Gottes
au&usuchen. Er eilte dahin ; die Erde und die Vergesslichkeit der langen
Zeit lag auf den Märtyrern ^). Aber Asturius fand die vergessenen Leiber
des Justus und Pastor wieder. Er weigerte sich, an seinen Siz nach
Toledo zurückzukehren ; er diente den Heiligen in treuer Liebe und Ver-
ehrung, und an ihrem Grabe beschloss er sein Leben. „So lange er
lebte, nahm indess seinen Bischofssiz (in Toledo) kein anderec ein. So
war er denn, wie die alten Berichte lauten, in Toledo der neunte, und
in Complutum der erste Bischof,^ welches zu der Zeit der Gothen stets
eigene Bischöfe hatte. So haben wir denn aus dem J. 400 zwei glaub-
würdige Zeugen für das Martyrium des Justus und Pastor.
') Nach dem Itinerar. des Antonin sind es zweiundfünfzig römische Meilen --
nach der Aussähe des Wesseling -— 1735, vierundfünfzig Meilen nach der Aus-
gabe von Parthey und Pinder — Berlin 1848.
*) Jldefont ToUt. L de viris üluUribus, c. 2.'^
Die Märtyrer Justns und Pastor von Complutnm. 331
Der dritte Zeuge ist die spanische Liturgie, in welcher sie ihr
Officium und ihre Messe am 6. August haben. -^ Der Festhymnus ist aus
späterer Zeit, nach einigen von Asturius, nach den andern und wahrschein-
licher aus dem 7. Jahrhundert. — Er berichtet, dass die beiden Knaben
Justus und Pastor in der Schule waren. Als sie aber hörten, dass der
Tyrann in die Stadt komme, so verliessen sie alsbald die Schule, imd
suchten in die Nähe des Dacian zu kommen, um sich ihm als Christen
bemerkbar zu machen. Man meldete es dem Dacian. Dacian Hess sie
festhalten und schlagen. Als sie standhaft blieben, und sich gegenseitig
ermuthigten, befahl Dacian, dass Beide enthauptet werden sollten. Die
Schergen führten sie auf den Ort vor der Stadt, welcher Laudabile
hiess, und sie wurden enthauptet. Dort geschahen Wunder. Teufel
wurden ausgetrieben, Wunden geheilt-. -^ In der Messe und sonst wer-
den sie Brüder, zarte Kinder, unbefleckte Knaben genannt *).
Die Passio oder den Bericht ihres Leidens hat Surius zum 6. August
mitgetheilt. Er stammt aus einer unbestimmten spätem Zeit. Denn —
nach demselben — ist Dacian als Verfolger durch die ganze Erde ge-
zogen. Er kam auch nach Complutum — auf der Durchreise. Die
beiden Knaben Justus und Pastor eilten aus der Schule herbei. Man
meldete dem Dacian , dass diese Knaben Kinder christlicher Eltern , und
dass sie desswegen „zu diesem Schauspiele gekommen seien, dass, wenn
eine Nachsuchung nach Christen stattfinden sollte, sie von freien Stücken
sich — darbieten vrürden*'.
Dacian hörte es, verhörte sie nicht, und liess sie grausam schlagen.
Denn er fürchtete, wenn er sie verhören würde, sie einige Gegenwär-
tige ziun Bekenntnisse des Christenthumes veranlassen würden. Auch
fürchtete er von den Kindern beschämt zu werden. — Die Schergen
hörten, wie die beiden Knaben sich gegenseitig ermunterten, und mel-
deten es dem Dacian. Er befahl, dass sie sogleich ferne von der Stadt
enthauptet würden. Sie wurden geführt „in das lobwürdige Feld«, wo
nicht einmal eine Gartenmauer war, und starben für Christus. Nach
der schleunigen Abreise des Dacian giengen die Christen hinaus, und
begruben die Beiden an der Stätte ihres Leidens. „Zwei Altäre errich-
teten sie den Beiden in einer Kirche. An dieser Stätte geschahen grosse
Wunder«).«
Diese Kirche musste entweder in demselben vierten Jahrhundert
noch z^allen seyn ^ wenn Asturius den Ort ihres Martyriums entdecken
musste, oder sie wurde erst von oder nach Asturius erbaut. Nach
') Florez, 7, 177. Morales, Cortmiea central de Etpanna, l 10 y 9. — if orales, la
Viday d martino, la Invencion, las Grandezae y Trtmelaeionea de he glmoeoe nmnos
marUfree (Kinder -Märtyrer) San Jueto ff Paeior, Äkalä 15€8, in 4^,
*) Flor«, 7, 169-177; 300--805.
332 Vierte« Bach. Siebentes Kapitel.
Baillet und TiUemont f) fand ihr Martyrium 304 statt. Ich bin derselben
Meinung; und e$ ist leicht möglich, dass sie am 6. August 304 vollendet
wurden, an welchem Tage zur Zeit der Gothen ihr Fest gefeiert^) wurde,
andere Martyrologien sezen ihr Andenken auf den 25. August ^).
Paulinus von Nola weilte in Complutum, und begrub dort seinen
Sohn Celsus, der nur acht Tage gelebt, neben den Gräbern der Mär-
tyrer — im J. 391 oder 392^). Darum sahen sich die Spanier ge-
zwungen, anzunehmen, dass Asturius die Gräber der Märtyrer schon
im J. 388 entdeckt habe. Auch liegt die Annahme nahe, dass Therasia
(Theresia), die Gemahlin des Paulinus, aus der Stadt Complutum stammte,
obwohl man nicht übersehen darf, dass Paulinus bei seiner grossen Ver-
ehrung für die Gräber der Märtyrer auf die Kunde von der Auffindung
der Märtyrer von Complutum einen Werth darauf gelegt haben kann,
eine Zeit lang an deren Grabe zu weilen , und seinen Sohn neben ihnen
zu begraben. Sehr frühe wurden die Reliquien des Justus und Pastor
gesucht und verehrt. Im J. 630 baute der Bischof Pimenus von Asido
eine Kirche, in der neben vielen andern — auch Reliquien des Justus
und Pastor niedergelegt waren*).
Fast von gleichem Alter ist das Kloster des Justus und Pastor (Com-
pltdieense oder Bergidensejj welches Fructuosus bei Astorga gründete. —
Im J. 682 wurde bei Alcaoer-do-Sal (dem alten Salacia) in Portugal
eine Kirche zu Ehren dieser Märtyrer vollendet®).
Die PjEsurkirche des heiligen Justus und Pastor in Toledo ist gleich-
«) Till. 5, 58.
*) So meint anch Florez und die Bollandisten zum 6. Augrust.
') Moralet, Ferrera, Florez, auch die Bollandisten — Acta Set. Augusüf t i,
p, 143 - 155.
*) Cf. PauHn. poim. 21 — IS in natal. S. Felieu et p, 34:
Dräns juga Pyrene« adii peregrinos Iberös.
IlUc me thalamis humana lege jugari
Pasaus es. —
Exoptata diu soboleSf nee praestita nobis,
Gaudere indignis posteritate pial
Credimus, cistemis iUum tibi, Celse, vireH^^
Laetitiae et vitae ludere participem;
Quem Complutensi mandavimus urbe, propinquis
Conjunctum tumuH /oedere martifribus
Üt de vtemo sanctorum sanguine ducat
Quo nostras iih purget in igne anmcu.
Siehe A. Buse, Paulin von Nola und seine Zeit, 1856, Bd. 1, S. 151 — 152.
*) PcuUüa, Bistoria eclesiastica de Espanna , 2, 202. — Caro, AntiguSdades de Seoiäot
L 3, 24. — MasdeUf Slatoria critiea de Espanna , 9 (1), p. 151^
') Hunc denique edifidum Scmctorum nomine cq>tum Justi et Pastoris mar^frum quorum
constat esse sacratum. Consummatwn est hoc opus era 720 (682 p. Ch.). — Padilla
l. c. 2f 7. 59. — Besende, aniiquit, Lusitan, l. 4« — Masdsu L c p.J57,
Die Märtyrer JnBtus und Pastor von Gomplatiim. 333
fidls sehr alt. Ebenso giebt es Kirchen dieser Heiligen i^ Madrid^ Sa-
lamanca, Oranada, Sevilla ^ Barcelona n. s. w. Die Kathedrale zu Nar-
bonne trug seit den ältesten Zeiten den Titel ,, Justus und Pastor', wie
aus einem Diplome Karl's des Grossen erhellt. Ebenso gross war die
Zahl der Klöster dieses Namens.
Nach dem Einfalle der Mauren "wurden die Reliquien des Justus
und Pastor durch den Einsiedler Urbicius nach Bordeaux gebracht *),
^durch einen frommen Diebstahl"; derselbe Urbicius brachte sie sodann
in das Thal Nocita, fünf Leguas nördlich von Huesca. Dort blieben
sie vom J. c. 800 bis Ende des fünfzehnten Jahrhunderts. Der Erz-
bischof Carillo von Toledo (1445 — 1482) wandte sich in dieser An-
gelegenheit an Ferdinand den Katholischen. Dessen Sohn Alphons,
Erzbischof von Zaragoza (1478 — 1520), bediente sich gleichfalls der
List, um die heiligen Leiber für Complutum zu erhalten. Er schickte
zwei Mönche hin, damit sie ^mittelst frommen Diebstahles^ die Reli-
quien erlangten. Aber ein Cleriker Venticus merkte es , machte Lärm.
Die Einwohner des Dorfes Nocita holten die Mönche im nächsten Dorfe
S. Eulalia ein, und waren schon daran, sie über Felsenabhänge hinunter
zu stürzen. Die von Sancta Eulalia kamen aber bewaffiiet den Armen
zu Hilfe; und eine Schlacht zwischen diesen und jenen drohte, wenn
nicht plözlich den Bogen aller Eulalianer die Sehnen stumpf geworden.
Da wandten sie sich zu Fürbitten für die Mönche, so dass die Nocitaner
die Mönche ziehen Hessen , aber ihnen die Reliquien wieder abnahmen.
Schon hatte der Erzbischof Carillo die neue prächtige Collegiat-
kirche S. Justus und Pastor in Alcala erbaut — 1479. — Der Kardinal
Ximenes erweiterte sie. Die CoUegiatesi bestanden aus einem Abte, fünf
Dignitariern und vierzehn Canonikem, welche Doctoren der Theologie
oder des canonischen Rechtes seyn mussten. Zum ersten Kanzler der
von ihm gegründeten Universität Alcala ernannte Ximenes den gelehrten
Petrus Lerma, den er aus Paris berufen, und zum Abte von Set. Justus
und Pastor gemacht hatte. Zugleich bestimmte er, dass für alle Zeit
die Kanzlerwürde mit dieser Abtei verbunden seyn sollte^).
Für die Abteikirche bedurfte er aber der Reliquien der beiden
Märtyrer. Er ersuchte im J. 1499 den Erzbischof von Zaragoza wieder
um seine Mitwirkung. Dieser wählte (ich bemerke, dass die Bollan-
difiten das Weitere ausführlich erzählen,) Leute aus, die im Geschäfte
des Raubes bewandert waren. Es waren sieben, genannt Linares, und
hatten im Thale Nocita schon ihr Unwesen getrieben; bei Nacht brachen
Dagegen Ado zum 6. August: ühi eHam (CcmpluH) in basiUca sui nommtr quieicmit
Diese Worte iiess Usuard aus.
*) Hefele, Ximenes, 106— ,7.
S34 Viertes Bach. Siebentes Kapitel. Die Märtyrer Jastvs und Pastor etc.
sie in die Kirche des heiligen Urbitius und das Grab ein; sie raubten die
beiden Leichname nicht ohne grosse Angst Die ReliquieQ kamen nach
Huesca — November 1499, wo sie blieben. Im J. 1643 wurde ein
neues Oratorium für deren Aufbewahrung erbaut. — In Alcala selbst
besass man nichts von den Reliquien; nur das Grab, und den Stein,
auf dem sie enthauptet worden seien. Das Grab besteht ganz aus Jaspis.
Philipp n. wandte sich an Papst Pius V. Dieser befahl dem Bischöfe
von Huesca, einen Theil der Reliquien nach Alcala zu senden. Diess
geschah im J. 1568. Grosse Feste wurden in Alcala veranstaltet. Auch
in das Kloster Escurial kamen Reliquien der Heiligen ^).
') Der Bericht bei Morales in dem oben citirten Werke — über S. Jnttas nnd
Pastor.
J
Achtes Kapitel.
Die belüge Leoeadia von Toledo.
1) Der Bericht über ihr Martyrium (im weitem Simie) lautet: In jenen
Zeiten, als nach der Ankunft des Heilandes im Fleische , und nach der
V^giessung seines Blutes für unsere Erlösung, seinem Hinabsteigen in
die Unterwelt, seiner Auferstehung und Himmelfahrt die evangelische
Lehre allmälig und Schritt für Schritt durch die Lehre der Apostel
über der ganzen Erde au%eleuchtet hatte, wurde sie spät endlich in
den Grenzen von Spanien bekannt, und selten war der — Glaube, und
weil selten, darum gross. — Die Tempel der Heiden aber rauchten an
jedem Orte durch die gottlose Vergiessung des Blutes der Stiere und
Bö(^e. Und weil einige Staaten, Städte, Villen und Schlösser yoU^
waren von heidnischen Gözen, und in Bildern aus Gold^ Silber und
jedem Metalle das Bild der Dämonen verehrt wurde,- desswegen konnte
der aufkeimende Glaube an Christus unter der so grossen Wuth der
Heiden nur zittern. Die Versammlung^! der Christen aber an den ver-
borgensten Orten und an geweihten Stätten wurden nur von Wenigen
und VoUkommnen besucht und gefeiert.
Je mehr aber die Würde des christlichen Namens wuchs, um so
mehr nahm ab der verabscheuenswerthe Dienst. So kam es, daas in
einigen Städten schon die Flamme eines vollendeten Glaubenfi entzündet
war, so dass nicht mehr bloss die Kirchen in Schlupfwinkeln sich ver-
bargen, sondern öffentlich, mit Priestern versehen und mächtig waren.
2) Der Ruf davon durchdrang nicht bloss Italien, sondern auch B jzanz.
Dieses war der Grund, dass die Kaiser Diocletian und Maximian den
gottlosesten Präses Dacian, mehr zur Za*störung, als zur Verwaltung
von Spanien aussendeten. Zuerst nenJich betrat er Gkllien, wie ein
blutlechzender Wolf. Nachdem er sich ab^ dor^ an dem Blute der
Märtyrer gesättigt hatte, — griff er Spanien an. Den Felix, den Cu-
cufat, die Eulalia, und andere, deren Namen zo weitläa% ul nennen
336 Viertes Bach. Achtes Kapitel.
wäre, belegte er mit den äussersten Qualen ^ aber er opferte Oott ihre
unschuldigen Seelen. Aber dann eilte er wie ein grimmiger Löwe nach
dem glückseligen Saragossa. Wie viele Schmach ^ wie viele Schläge^
wie viele Qualen, welches Blutvergiessen er dort angerichtet, darüber
möge das Wort v^stummen. Denn die Erde selbst, die befeuchtet ist
mit dem Blute der Märtyrer, wird es aussprechen; darum, weil kein
Ort sich findet, der nicht in seinem Schoose die einst wieder auflebende,
und die lebensvollste Asche der Märtyrer bärge.
3) Dann weiter eilend tritt er in die Stadt Complutum, wo er statt
des Blutes Milch aus den verstümmelten Leibern vergoss. Zwei Edel-
steine, anzufügen dem D/adem unsers Königes, und durch die Weihe
der Unschuld leuchtend wie Gold, den Justus und Pastor, nahm durch
die Gottlosigkeit des wilden Thieres der barmherzige Herr von der Erde
zum Himmel empor.
4) Dann kam Dacian in die Stadt Toledo, und sorgfältig spähend
suchte er die Glieder der Heiligen auf Hier fand er die gottgeweihte
heilige Leocadia von edlem Geschlechte, edler noch durch den Beruf,
den sie sich auserwählte, die in ausharrendem Wachen nicht Tag und
Nacht abliess vom Gebete. Er befahl, sie vor sein Angesicht zu bringen,
und redete sie also an: Welche leichtsinnige und eitle Täuschung hat
dich verblendet, entsprossen aus so herrlichem Gesehlechte, dass du
den Dienst unserer Götter verlassest, und vorgiebst, dass du ich weiss
nicht welchem Christus dienest. Aber mit grosser Kühnheit antwortete
ihm die heilige Leocadia: Dein Zureden bringt mich nicht von meinem
Entschlüsse für Christus ab, dem ich mich ungetheilt geweihet habe;
nicht deine trügerischen Worte, nicht die Schmeicheleien über meine
Abstammung, wodurch du mich zu bereden dich unterfängst, wird mich
hinwegziehen von der Knechtschaft oder der Yerheissung meines Herrn
Jesus Christus, der mit seinem kostbarsten Blute uns erlöset, und mit
grosser Freiheit uns beschenkt hat.
5) Wüth^nd befiehlt Dacian den Soldaten, die selige Leocadia in
die engsten Fesseln zu schliessen, indem er mit sich zu Bathe gieng,
mit welchen Feinen er sie bedrängen sollte.
6) Darum eilte er nach Elbora (Heibora) und forderte das ganze
Gericht auf, sorgfältig nach Christen zu forschen, und alle, die sich
fänden, vor seinen Richterstuhl zu stellen« Und alsbald fanden sie
einen Jüngling, mit Namen Yinzenz, dessen Verdienst sein Name schon
ausdrückt, sie ergriffen ihn, und stellten ihn vor sein Angesicht, den
er mit Sabina und Christeta, seinen Schwestern, in die Stadt Abtda
verfolgte*), und sie zu würdigen Gaben für Christus opferte. — Ab-
reisend von Elbora (Abula) tritt er in die Stadt Emerita. Sogleich liess
er sich ein Tribunal errichten, und viele Heilige, deren Blut er grausam
In AkuUmmn cMatem protequiM^
Die heilige Leocadi* von Toledo. 337
T6rg08a y sandte €fr au dem HerrB. Unter welchen er die heilige Eulalia
mit vielen Qualen und vielen Schlägen bedrängte ^ und durch Feuer sie
dem Herrn weihete*
7) Und als die Kunde so grausamer Thaten in die Stadt Toledo
SU der seligen Leocadia gedrungen war^ so knieete sie nieder an dem
Orte, wo sie eingeschlossen war, und nachdem sie ihr Gebet vollbracht^
empfahl und übergab sie Gott ihren Geist').
Der vorstehende Bericht hat in den ächten Martyrakten des Buinart
keinen Plaz gefunden, sowie auch Prudentius der Leocadia nicht er-
wähnt. Dagegen findet der Verfasser des Aufsazes über Spanien in der
Zeitschrift von Achterfeldt- Braun darin alle Spuren des Alterthumes
und der Aechtheit Trozdem muss er wenigstens um ein Jahrhundert,
und wahrscheinlich bis zum sechsten oder siebenten Jahrhundert zurück-
versezt werden. — Denn derselbe kennt Byzanz, das heisst, er kennt
^as vom Abendlandc getrennte Reich des Morgenlandes , welches leztere
den Spaniern erst unter Justinian I. recht bekannt wurde. Der Bericht
scheint ferner die viel altern Martyrakten der Eulalia von Merida nicht
zu kennen, in welchen nicht Dacian, sondern Calpurnian als ihr Richter
bezeichnet wird. Ferner — statt Merida, hätte der Bericht Valencia,
und das Martyrium des Vinzenz von Saragossa erwähnen sollen.
In der Einleitung fällt ein Widerspruch auf. Es gab nur sehr
wenige Christen in Spanien, und das Christenthum kam spät nach Spanien.
Dann aber wird es plözlich, man weiss nicht wie, so mächtig, dass
Diocletian in ^Byzanz^, und Maximian in Italien davon erfahren, und
den Dacian absenden, um solchem Fortschritte zu wehren. Hier ist die
Vermehrung des Christenthumes in Spanien verwechselt — mit dessen
Ausbreitung im ganzen römischen Reiche.
Jener scheinbare Widerspruch wird sich aber leicht heben, oder er-
klären lassen, wenn wir beachten, dass der Eingang der Passio der
heiligen Leocadia nur eine fast wörtliche Copirung des Einganges der
Passio des heiligen Saturninus, Bischofes von Toulouse in Südfrankreich,
und Märtyrers, ist. Man wird sich davon leicht durch folgende Ver-
gleichung überzeugen:
Pwala 8. Satontaü ep. Trtosni et Haf* Gatfessio et passio Suictae
tjffis ^1. Bnlnart (p. 177)« LecNsadiae.
Tempore iUo, quo poH eorpareufh -^ Sal'' In temporibus iUiSy dum
vatörk Domihi nottri Jesu Christi (xävenhim posf corporeum Salvatoris ad"
— exortits in tmebrii sol jittHUae — po«<- ventum — evangelica eruditio
quam »engim et qradoHm in omnem ter^ sensim atque gradatim ApostO"
ram EvangeUorum sonus exivü^ parique lorum doctrina in omnem ter^
progre$du in regienibuM noHri$ Aposto^ ram refuUissety serotandemin
') Florez, 6,320 — 22.
QmmBi Bpuu Kizehe,
22
338 Viertes Buch. Achtes Kapitel.
lorum praedicaHo caruseavit; cuni rarae Spaniae fMbu» igmottiU; erat^
in aliquibus dvüatUma eecUHae pauea* que rara fUtes; €t ideo magna^
rum Chriaianorum [devotione consurge-' quia rara» Delvbra vero gen^
rerUß sed nihilominw erebra — geniilium tilium in omni loco saerilega
nidoribus foetidis in ommbus locis templa effutione sanguinutn j tanr&rum
fumarent. Mreorwnque fumabant.
Der üebergang aber von den kleinen Anfängen des Christenthumes
zu seiner grössten Verbreitung wird plözlich und unvermuthet in dem
Saze ausgesprochen: Und je mehr die Würde des christliehen Namens
wuchs , um so mehr nahm der fluchwürdige Wahn ab. — Wann dieser
schnelle Umschwung erfolgt sei, wird nicht gesagt. Er müsste indess
in der Zeit von 260 bis 303 erfolgt seyn, weil dieser Umschwung und
Aufschwung des Christenthumes als Ursache der Verfolgung angegeben
wird. Der scheinbare Widerspruch löst sich aber dadurch, dass der
Eingang aus einer andern Passio entlehnt ist, in welche derselbe besser
passte.
Die alte spanische Kirche feierte das Fest der heiligen Leocadia
am 9. Dezember. Aus der Messe ihres Festes möge hier die Präfation
stehen :
Inlatio der Messe am Tage der heiligen Leocadia.
Würdig und gerecht ist es, allmächtiger Vater, dir zur Ehre deiner
Bekennerin Leocadia Dank zu sagen durch Jesum Christum, deinen
Sohn unsem Herrn: dessen Glauben weder durch die Verschiedenheit
des Geschlechtes verändert, noch dessen Tugendkraft entnervt durch
die Weichlichkeit weiblicher Künste aufgehoben wird. Denn das un-
besiegbare Haupt der katholischen Kirche hat seinen Gliedern eine solche
Vermehrung der Tugendkraft geschenkt , dass er nicht bloss Männer als
Zeugen seines Namens in dem Kampfe zu Siegern durch die Ausdauer
machte, sondern auch den Frauen die Siegeskrone durch die Geduld
schenkte. Denn die unversöhnliche Wuth des Henkers nahte den Frauen
mit ausgesuchten Feinen, aber die männliche Eraft in den Frauen er-
trug die aufgelegten Qualen. Und sie durfte nicht das Knirschen des
Peinigers fürchten, welche im ti^ten Grunde 4er Seele die gegen«
wärtige Hilfe des Erlösers empfand: und weil sie die Hufe- des unbe-
siegbaren Königs in ihrem Herzen besass, so siegte sie über alle schweren
Foltern des Leibes. Aber in allem diesem soll Christus der Herr, dein
eingebomer Sohn, mit endlosem Ruhme verherrlicht werden , welcher
überall lob würdig, überall wimderbof ist, welcher seine Mutter Maria
unversehrt vor jeder Befleckung bewa,hrt bat ^) , und seine. Dienerin Leo-
cadia , die treueste Bekennerin s^es .Namens .| während ihr^ G^t^etes
') Qttt et Mariam nuUrem inUbatani ah omm com^iifme serva^iL
Die heilige Leocadia von Toledo. 339
au%6nbmmen hat und -wie ^ machte ^ dass Maria nach der Qebnrt
Jungfrau blieb, so machte er, dass Leocadia Siegerin nach ihrem Hin -
gange war. Ihn sollen prdisen alle Engel und Erzengel , indem sie
sagen: Heilig etc. — Der Hymnus des Festes ist verfasst von einem
Dichter in Toledo, vielleicht von Eugen IL, obgleich er unter seinen
Werken nicht. steht, oder von Ildefons'). Er sagt aus, dass Leocadia
mit eisem^i Erallen gebunden wurde, damit ihr Glaube unter dem Qe-
widite der Bande erliege. Er nennt sie „unsere gefeierte Mitbürgerin,
und die Patronin von Toledo^. — Sie wird Bekennerin und Jungfrau,
nirgends Martyr genannt.
Ihr Fest ist ein Fest sex eappantm — während das Fest der Eu*
lalia von Merida, die an Ruhm und Verdiensten gewiss nicht hinter
Leocadia zurücksteht, nur ein Fest von neun Lectionen ist, — Ohne
Zweifel, — ist dieses die Festordnung der Kirche von Toledo, welche
der Erzbischof von Toledo aus den Akten der dortigen Kirche mit*
getiieilt hat. Es ist begreiflich und billig, dass man in Toledo selbst
das Fest der Patronin mit der höchsten kirchlichen Feier begieng, wäh-
rend das Fest der Eulalia zu Merida selbst als Fest der höchsten kirch-
lichen Ordnung begangen wurde. Der Unterschied der Feier in Toledo
will also nicht sagen, dass Leocadia eine viel grössere Heilige, ab Eu-
lalia gewesen, sondern dass sie als Patronin und als „eivis inelyUif^ eine
höhere Feier beanspruche.
In dar Kathedrale zu Toledo befindet sich eine Kapelle der heiligen
Leocadia. (Toledo wurde im J. 667 Residenz der westgothischen Könige,
und kam nach 711 an die Mauren, hatte also eine Glanzperiode von
nur 150 Jahren.) — Der Grundstein der Kathedrale wurde im J. 687
mit dem Anfemge der Regierung des Königes Reccared gelegt Nach
verschiedenen Bauten und Umbauten ist sie die grösste gothisehe Kirche
Spaniens — nächst der von Sevilla. Sie hat eine Länge von 404, eine
Breite von 204 Fuss mit 5 majestätischen Schiffen, welche von 84 gothi-
scfaen lYeilem getragen werden. Sie enthält 40 Seitenkapellen , und
mehr als 50 Altäre« Unter den E^apellen ragt die y,Oap%lla moxardbe^
hervor. Sie bildet eine Kirche für sich, und ist durch ein bronzenes
Gittcrtfaor von der übrigen Kirche geschieden. Sie ist von einer hohen
Kuppel ttbenpannt In dieser Kapelle wird heute nodi der alte goüiische
Gottesdienst gehalten^).
Wir haben von zwei Beisenden aus der neuesten Zeit einen Bericht
über diesen mozarabischen Gottesdienst, von dem französischen Laien
*) Aach die Pr&iktion mahnt an Ildefons.
*) Lorinser, Reiseskizzen, 2, 244 — 48. — Sie ist die pr&chtigste gothisehe Kirche,
die ich geaehen; 1227 wurde der Grand gelegt Sie ist 414Fa8B lang) 204
breit Sie hat den schönsten Chor, den es in der Welt gieht
»2*
340 Viertes Bnch. Achtes Kapitel.
Anton de Latour *) , und dem deutschen Priester Franz Lorinser. De La-
tour wohnte zweimal der mozarabiscben Messe an^ unterstüzt durch ein
mozarabisches Andachtsbuch (paroi$den). Einmal war auch der Herzog
Ton Montpensier anwesend, und sonst viele Personen, die dem Ritus
weniger mit Andacht, als mit Neugierde zu folgen schienen. Ein an-
deres Mal traf er in der Kapelle nur die fungirenden Priester. Ihm
fiel nur das Zerlegen der consecrirten Hostie in neun Theile auf. Doch
macht er eine gute Bemerkung über das Yerhältniss dieses Gottesdienstes
zu dem der katholischen Kirche. Er fragt: Welches waren die Formen
des (ältesten) Cultus (der Kirche in Spanien)? — Es waren die des
den Apojsteln gleichzeitigen Christentbumes. Entwickelt, vervoUstäadigt,
verbessert zu Bom, blieb er zu Toledo noch lange so, wie er gewesen
war zu der Zeit, als das Evangelium nach Toledo gebracht wurde.
Darum heisse dieser Gottesdienst mit Becht die apostolische Messe ^).
Aufmerksamer hat Fr. Lorinser diesen Gottesdienst verfolgt. Die
mozarabische Messe findet jeden Morgen um acht Uhr statt. Gleich
nach dem Staffelgebet wird Wein und Wasser in den Kelch geschüttet
Epistel und Evangelium ist, wie in dem römischen Bitus; hierauf folgt
die Oblation mit sehr langen Gebeten. Es ist kein OrcOe fratre». Die
Wandlung unterscheidet sich nur dadurch, dass der Kelch bedeckt empor-
gehoben wird. Bald darauf ist eine nochmalige Elevation der heiligen
Hostie mit einer Hand, wie bei uns am Charfreitage. Während der
Priester die heilige Hostie über dem Kelch hält, betet er ein sehr langes
Gebet. Hierauf findet die Partition in neun Theile statt, welche an
die neun Hauptgeheimnisse in dem Leben Jesu erinnern soll. Die Theile
werden zuerst alle in Kreuzform auf das Corporale gelegt Dann wird
ein langes Memento eingele^; dann wird eine Partikel in den Kelch
gethan, nachdem sie der Priester wieder lange in..der Hand gehalten hat.
Das Domme tum mm diffnus kommt nicht vor. Dagegen ein langes
Gebet des Priesters mit einer Partikel 4es. Saeraments in der Hand.
Hierauf Sumption aller acht Partikeln hinter einander. Die Coaimumon
des Kelches und die Ablution ist wjle im römischen Bitus» Vor der
lezten Benediction knieet der Priester eine Zeit lang in der Mitte nie*
der, dann giebt er den Segen: In unitate spiriim 9aneti ben&dicai vas
p(xUr et fUuB. — Diese nur still gelesene .Messe dauerte wohl über eine
Willkomm, Wanderungen — 1852, 2, 305. — ToMe et les bords du Tage^ imhi-
vellea itudes sur VEapagne par Anioine de Latour — Paris 1861,
^) Antoine de Latour y l c, cap, 7. La Chapeüe de Citneros, et le rite Jliossarabe,
p, 157 — 177. »Ich assistirte eine» Tages hinter dem Herzog von Montpensier;
alle Assistirenden waren Toletaner (7), all« voll Nengierd«.'^ Montpensier und
Latour wenigstens waren keine Toletaner. "— Ein zweites Mal fand leh nur
„les, oj(jfidants^, — Der Canonicus Don AntoDl» Mon^scillo sdirieb ein- »petit
paroissien mozarabe^, . - . i
Die li0iHg6 Leocadia von Toledo. 341
f Stande. Während derselben wurde das Officium kut psallirt. — Auch
diess bemerkte Lorinfier, dass die Uebersezung der heiligen Schrift an
mehreren Stellen von der Vulgata abweiche. — Gegen das Ende kam
das Te Deum, das Gloria in exeeUia, imd das Pater noster. Auf jede ein-
zelne Bitte wurde respondirt. Der Gesang war langsam und würdevoll *).
Ehe wir zu der Kathedrale und Kapelle der heiligen Leocadia zurück-
kehren, wollen wir die ihr in Toledo geweihten Kirchen nennen. Die
erste und die berühmteste ist die Basilika der heiligen Leocadia. Es
wird erzählt, dass man schon in der Aera 347, das heisst im J. 309
nach der Erhebung des heiligen Leibes hier, wo Leocadia gestorben
sei, ein Oratorium ihr zu Ehren gebaut habe. — Der König Sisebut
baute die Basilika der heiligen Leocadia — aera 650, d. h, 612 — 618^).
Schon im J. 633 wurde das el^te Concil in derselben gehalten, das
berühmte vierte Concil von Toledo. Nach diesem noch vierzehn weitere
Condlien, das lezte im J. 701 *). Es war diess eine General- und Na-
tionalsynode in der Kirche der heiligen Leocadia a^ 5. Dezember 633.
Sie wurde von König Sisenand berufen, und 62 Bischöfe waren unter
dem Vorsize des Isidor von Sevilla, damals des ältesten und angesehen-
sten Metropoliten, versammelt*). Auf dieser Synode wurde der Be-
schluss einer neuen Ordnung der spanischen Liturgie gefasst, unter der
Leitung Isidor's. — Ich glaube aber nicht, dass Isidor vor seinem Tode
(t 636) damit zu Ende kam.
Diese Basilika lag ausserhalb des Thores del Cambron. Der Kirche
war ein Abt mit Canonikern vorgesezt. Die Araber zerstörten diese
Kirche o^ro 753—715. Der Erzbischof D. Juan (1150—1166) erbaute
sie wieder und machte sie zur CoUegiatkirche. Sie wurde durch das
Volk von Toledo 1770 auf das Neue geschmückt. Sie wurde theil weise
zerstört durch die Heere Napoleons, und in den J. 1816 — 1826 wieder
hergestellt. Zulezt wurde sie vergrössert und erneuert im J, 1845 unter
der Leitung des Baumeisters Alvarez. Diese Kirche hat heute den Na-
men Cristo de la Vega. Doch werden darin die Gräber der heiligen
Leocadia und des heiligen Udefons gezeigt. Allbekannt ist die anmuthige
Legende (über deren historischen Hintergrund ich in keine Untersuchung
eintrete, ja nicht einmal eine bestimmte Ansicht habe), dass die heib'ge
Leocadia dem Ildefons erschienen , und zu ihm gesagt habe : j,Durch
dich lebt meine Herrin.^ Diese Worte bezieht man auf das berühmte
') Lorinser, Reiseskizzen, 2,265. — S. oben S. 102.
*) Mariana, 6, 8.
») Lorinser, 2, 225.
*) Ferreras, Geschichte von Spanien, 2, 367 (der deutschen Uebers.). Hefele,
CoDciliengesch. 3,72 — 81. Anf der vierten Synode nennen die Bischöfe die
Leocadia ^heatissima et tancta confeswr*^, auf der fünften „eonfetsor^^ auf der
sechsten nur f,mr$o\ Hefele, 3, 81. Madoz, 14, 820.
842 Viertes Bach. Aehtet^ KApital.
Werk des Odefoiis: „lieber die beatüadige JimgfeiuBctikeit der 8ciligiiteB
JongfiAtty gegen drei Kezer^).^ Ildefons habe ein Andenken dieser
Erscheinung für sich behaltoi wollen« Es sei am Feste der heiligen
Leocadia gewesen , als auch der König Receswinth an ihrem Grabe an-
wesend war. — Ddefons hielt den heiligen Dienst; da erhob sich d^
Stein des Grabmals , den kaum dreissig starke Männer von der Stelle
zu heben im Stande waren , von selbst; Leocadia trat aus der Grufl;
heryor, berührte die Hand des Udefons, und sprach: Udenfons, durch
dich lebt meine H^rin. Darob war das ganze Volk wie athanlos vor
Furcht y Ddefons überströmte im Preise der Jungfrau Leocadia und
empÜBthl ihr den Schuz der Stadt und des Reiches. j^Aber begierig,
eine so wichtige Sache durch ein bestimmtes Zeugniss auf die Nachwelt
zu berichten, schnitt er mit dem kleinen Schwerte, das der König ans
der Scheide gezogen hatte, und ihm darbot, einen Theil des Schleiers,
mit welchem das Haupt der Jungfrau bedeckt war, ab, bevor sidi die-
selbe in ihr Grab zurückzog. Dieser Theil des Schleiers wird sammt
dem Schwerte bis zum heutigen Tage in der Kathedrale von Toledo
aufbewahrt und gezeigt ^),^ So wird die Legende in verschiedenen Va-
riationen sehr ofl, und von fast allen Reisenden erzählt
Unter den neununddreissig Kirchen der Stadt Toledo gab es drei
der heiligen Leocadia geweihte. Die erste die oben* erwähnte, an der
Stelle, wo sie beigesezt wurde. Die zweite, genannt del Alcazar, yro
sie litt und starb. Die dritte ist die gegenwärtige Pfarrei der heüigen
Leocadia, die ihr dedicirt ist. — Die CoUegiatkirche der heiligen Leo-
cadia, von Alfons dem Weisen gegründet, verbunden mit dem Alcazar,
wo sie litt, wurde die Grabstätte der Könige Receswinth und ViTamba ^).
Später kam sie an die Kapuziner. Sie hiess S. Leocadia del Alcazar«
Die Würde eines Abtes der heiligen Leocadia ist heute eine der Digni-
täten der Kathedrale.
Die dritte Kirche ist die Pfarrkirche ihres Namens*). Die ehe-
maligen sieben mozarabischen Kirchen sind heute auf zwei reducirt,
Justa und Rufina, und San Marco. — Die vormals zwanzig lateinischen
Earchen der Stadt sind heute auf neun gesunken. Darunter ist die
Pfarrkirche S. Leocadia, in dem Hause gegründet, wo die Eltern der-
selben wohnten« Erhalten ist ein unterirdisches Gewölbe, wo Leocadia
geboren seyn soll. Sie wurde restaurirt gegen Ende des vorigen Jahr-
hunderts*).
') HUdefonsi — de virffinitate perpetua aanctae Mariae adoerws tre$ ti|/{cMM.
») Martana, 6, 10. — Divi Ilde/onsi vUa, — Cf, Latour y p, 44.
') Sie wurden 1845 in einen Anbau der Kathedrale transferirt.
*) Siehe Laioury L c. p. 39 sq, cap, 3. ~ SainU L^aoatüe, sa vU et »a mart, Lei
troia ^glieee, qui porient 9<m nom,
») Latour, p. 43. . .
J
Die heilige Leocadia Yon Toledo. 343
'f Kehren ynr zur Kathedrale zurück. Hier werden die Reliquien der
i heiligen Leocadia aufbewahrt. Die Gebeine der heiligen Leocadia sollen
jf im Anfange nach der Eroberung von Toledo durch die Mauren nach
»1 Oviedo, hierauf nach Soissons in Frankreich, später in das Kloster
i; S. Geslini im Hennegau bei Mons gebracht worden seyn ^). Noch Mo-
I lanus sagt, die Beliquien befinden sich daselbst; Karl Y., Philipp II.
i und der Herzog von Alba haben sich vergebliche Mühe gegeben, die-
ji selben für Toledo zurückzuerhalten. — Latour erzählt, die Reliquien
i seien zurückgekommen unter König Philipp IL Der König und die
i: Prinzen trugen sie auf den Schultern — 26. April 1589^). Jedes Ja;hr
I werde ein Fest an diesem Tage gehalten. Die Reliquien seien zuerst
i in der ihr geweihten Basilika niedergelegt worden, dann seien sie in
1 das Sacrarium der Ka&edrale in einer reichen Einfassung gebracht wor-
I den; die Schlüssel befänden sich in den Händen des Ayuntamiento der
') Molanus f de Sanctis Betgii, Lovani 1595,
') Latour, p, 44 — 45,
Neuntes Kapitel.
Die Märtyrer Vincentins, Sabina nnd Christeta von Elbm«
nnd Abiila.
Von diesen Märtyrern ist keine Passio vorhanden. Sie kommen,
wie wir hörten, vor in der Passio der heiligen Leocadia, die Haupt-
quelle für sie ist also die spanische Liturgie» In der Messe plurimonan
martyrum haben sie aber nicht einmal eine eigene Oration. In dem Bre-
vier haben sie zum 27. Oktober nur einen sehr kurzen Hymnus, von
äusserst wenig Inhalt. Es ist möglich, dass demselben die Passio der
heiligen Leocadia zu Grunde lag, welche — nach Mariana — hinwieder
ein Werk des Bischofes Braulio von Zaragoza ist. Der Verfasser des
Hymnus scheint nichts Näheres über das Martyrium gewusst zu haben;
desswegen hält er sich auf dem Gebiete der Allgemeinheiten.
Eine interessante Streitfrage hat sich zunächst zwischen dem Je-
suiten Mariana, und dem Priester ''Resende von Evora über die Frage
erhoben, ob diese Märtyrer aus der bekannten Stadt Evora in Portugal,
oder aus der Stadt Talavera (de la Beina), die eine kleine Tagereise
von Toledo — abwärts den Tajo — liegt, — stammten. Diess ist eine
der wenigen Fragen, bei welchen sich der Jesuit Mariana bei der stür-
mischen Eile seiner Geschichte Spaniens einige Augenblicke aufge-
halten hat. Johann Mariana stammte selbst aus Talavera (geb. daselbst
1536, t zu Toledo 1623), und kämpfte gleichsam für „Heerd und Altar«,
indem er diese drei Heilige seiner Vaterstadt zu vindiciren suchte *). Die
von Mariana angegebenen Gründe sind: Vinzenz floh vor Dacian von
*) Ticknor (Amerikaner von Boston), Biatoty of Spantah Lüerature, L 3, 143^ —
deutsch in 2 Bden von Julius, Leipzig 1852 — 2,277. Ticknor lobt ihn un-
gemein, und nennt seine Geschichte das stolzeste vorhandene Denkmal der Ge-
schichte Spaniens.
J
Die Märtyrer Vincentivs, SaUna und Gliristeta Ton Elbora und Abnla. 345
Slbora mdk Abnla y wo er al» Märtyrer starb. Seine Sdiwestern VeS
anlassten diese Flucht , und begleiteten ihn. Nun liegt Blbora, wenn
es das heutige Talarera ist^ so nahe bei Toledo, dass Daoiaa schnell
und unmittelbar hieher kommen konnte ^). Es liegt auch nahe geong
bei Ayila. — Dagegen ist von Toledo nach Evora ein sehr weiter Weg;
tmd noch weiter ist es Ton Eyora nach Avila. Der Verfasser der Pässio
der Leocadia musste sich denken, dass sein Elbora swischtti Arila und
Toledo einer-, zwischen Merida anderseits liege. Denn er erzählt, dass
Dacian von Abula nach Emerita gekommen sei. Wenn aber Elbom
das heutige Evora war, so war er schon zweimal nach Emerita gekom*
men, einmal auf dem Hinweg von Toledo, der nothwendig über Emmta
führte, dann wieder auf dem Rückwege, auf der Verfolgung des Vin-
zenz und seiner Schwestern. Bei Ptolemäus beisse der Ort Libora, der
jezt Talavera heisst; Livius mache Ebura daraus^). Hieraus, sagt Ma-
riana, entstand Elbora. — Auch Florez giebt zu, dass das heutige Ta-
lavera im zehnten Jahrhundert Elbora geheissen. Das Chroniken von
Sampiro sage: Elbora, eine Stadt der Mauren, die jezt vom Volke Ta-
lavera genannt wird. Ebenso sage der Chronist von Silos über König
Ordono II.: Nach Elbora, eine Stadt des Königreichs von Toledo, die
jezt Talavera heisst ^).
Nicht bloss in Evora, auch in Talavera zeige man das Haus des
Vincentius. Auf einem Berge zwischen Talavera und Avila stehe eine
Earche des heiligen Vincentius, die zum Bistbum Avila gehöre. Ja
man zdge auf dem Wege zwischen beiden Städten eine Höhle, die bei
dem Volke in hoher Verehrung stehe, weil sich der S^ge nach Vinzenz
auf seiner Flucht mit seinen Schwestern hier verborgen habe. Darum
habe man eine Kirche und ein Schloss Namens Set Vincent hieher
gebaut^). — Morales ist derselben Ansidit.
Mariana beschreibt auch die Grösse und Schönheit seiner Vaterstadt.
Sie hat grosse Mauern, acht Ptmeieny zehn Klöster. Die. Umgegend
ist sehr fruchtbar und reich; diese Stadt — gehörte als Nadelgeld der
jeweiligen Königin von Spanien, desswegen hiess sie auch „Talavera
der Königin^ ^). Moriz Willkomm kam im* J. 1850 von Toledo her
nach Talavera de la Reina. Nach ihm hat die Stadt 8 — 9^000 Ein-
wohner; eine Steinbrücke von 250 Fuss auf 85 Bögen — Brücke der
heiligen Katharina über den Tajo , sieben Pfarrkirchen , vierzehn Klöster»
und ist Residenz eines Generalvicars des Erzbischo£s von Toledo. Die
Collegiatkirche ist von gothischer Bauart, und enthält drei grosse schöne
JfOTMfMi, 4, iS-'H, Qtfo loeo mta sä EUwru, Ducript» EXbwra;
>) Lw. 40,30.
•) Florez, 14,28.
Maritmaf 4, e, i3. -
») Mar. 4,14..
816 Tieftet BuA. KeMBlee KapHeL
Sehifih« Er erirähni der Kirche der Yirgen del Prtdo, eUi6r Ereodcuthe
mit drei grossen: Schiffen im florentimschen Styl. — TaWera ist reich
te eigenlhttmllchen Sittai , und ist eine sehr reiche Stadt. Die Frucht-
baikeit ihres Gebietes wird noch durch das ausserordentlich mflde Klima
gesteigert. Die Umgegend erzeugt eine grosae Menge von Gktreide,
Wein, Oel, Feigen^ Mandeln , Gartenfrüchte aller Art , undSeule. Zur
Zeit der castilianischen Könige war sie das Erbgut der jedesmaligen
Königin. Die Stadt ist sehr alt^ und soll schon eu der Zeit der Römer
codstirt haben V*
Ansprüche Evora's auf die Märtyrer Vinzenz, Sabina und
Christeta.
Als Mariana seine These aufstellte , schien er gleichsam einen Ein-
griff in fremdes Eigenthum , einen frommen Diebstahl zu begehen. Denn
die erzbischöfliche Stadt Evora betrachtete sich als Mutterstadt dieser
drei Märtyrer; sie glaubte und glaubt, auf den Besiz derselben ebenso
gerechten Anspruch zu haben, wie auf ihren Märtyrer Mancius, den
ich hier eben bloss erwähne, weil er in der altspanischen Liturgie nicht
genannt wird. In Evora wird das Haus gezeigt, worin Vincentius ge-
wohnt, und sonst berufl man sich auf die uralte Verehrung desselben
in dem Bisthume.
Bevor Mariana mit seiner damals neuen Ansicht in Toledo hervor-
trat, wandte sich der Licentiat Barthol. de Quevedo, Racionero (Prä-
bendat) in Toledo, und wie Mariana, „ein Sohn** der Stadt Talavera,
an den gelehrten Oanonicus Andreas Resende (Resendius) von Evora,
den Verfasser der geschäzten ;,Lusitanischen Alterthümer*^ ^). Dieser
erhob sich in einem gelehrten Sendschreiben ^,ad Kehedium^ — „an Que-
vedo* — gegen die neue Theorie, machte sich lustig über die verschiedenen
Namen, die sich Talavera beilege (Talavera, Talabriga, Ebura, Elbora,
Iiibora, Aquas), meint, es sei stets ein unbedeutender, unbeachteter Ort
gewesen, durch welchen keine Staatsstrasse gegangen, beruft sich auf
die alte Tradition von Evora, wo man die Stadtgegend und das Haus
des Vinzenz zeige — was leider fast in Vergess^ckheit gekommen zu
s^yn scheine, und will alle Zweifel daran, dass Dacian überhaupt nach
Evora gekommen sei, durch eine von ihm beigebrachte Inschrift nieder-
') Willkomm , Wanderungen , 2 , 315 — 17.
') Sie sind abgedruckt bei And. Schott: HUpania iüu9traia,fU 4. Resende ist ge-
boren 1498, f 157(k — Siehe Bnendi, db mntiqmtmams ESbonu ^ t 4y j». 971-^84,
Jaeohi Menvetü Va»cone$üi, de Ehotensi mwrticipio Cammentar, p, 98S — 96, -Beson-
ders : Ändreoi Besendü, pro sanetis Chrüti mar(yrt6tw Vincentio , OUiqxmtim patr^mo,
Fmc0n<tb, Sabina et Chriateta de Ebarennhua civibuSf et ad quoM^mi ediä req^^nsio
- p.i(m-'i02i.
Die Märtyrer Vineendn» diMnA'Qiifl CKriat^U >nm fitbora und AbaU. SI7
schlagen y nach welcher Danum die Grenartreitigkeiten zwischen Fax
Augusta — heute Beja, und Ebdra — durch Aufrichtung einer Säule
geschlichtet habe, welche die Grenzgebiete beider. Städte bezeichnete^).
Die Spanier nehmen treuher^g und ohne Bedenken diese Denksäule
und ihre Lisehrifii; als äckit an. (Ich werde aber unten in einenl l)eBOli«'
dem Kapitel über die Terdächtige Natur dieser Inseiiürifteii handehi«)
Mariana selbst nimmt die Inschrift ak Beweis an, dMs D»tian Procoimd
oder Präses von ganz Spani»i gewesen aei^). Auch Floresi stüzt sich
auf die Inschrift wie auf ein Monument yon festem Gmnde. Er ftihct
die Inschrift in glänzender Einfassung an, als hätte er sie selbst gesehen^
und copirt; aber er gerteht: „Besendio sah es und copirte es^).'^ — :
Auch Maedeu troz seiner ^^kritischen Geschichte^ hat es ohne Kritik an-»
genommen, und sagt nicht einmal, wer die Inschrift yerbtirge^).
Ich frage , wer hat die ^Inschrift nach und neben Eesende gesehen ?
— Wer hat sie copirt? Warum hat denn Resende diese Inschrift jezt
erst, d, h. in seinem Briefe an Quevedo gebracht, und nicht in seinen
jjLusitanischen Alterthümern*^, wo er doch alle Inschriften über Portugal
bringt? Aber auch — wenn der Stein wirklich vorhanden wäre, müsste
er noch nicht römischen Ursprunges seyn. Denn man hat in Spanien,
wie wir aus dem Kapitel über Cäcilius von Elvira wissen, nicht bloss
Schriften , sondern auch Inschriften fabricirt und unterschoben.
Ich mache darauf aufinerksam, dass jede Inschrift verdächtig ist,
welche in ihrer Art, in Beziehung auf Personen und Inhalt, vereinzelt
dasteht. Nun hat man keine andere Inschrift von Dadan in Spanien,
als diese allein. — Man hat vor allem unter den ssahlreiehea römosohen
Inschriften in Spimien, die sich in der Sammlung von Masdeu auf 14Ö0
belaufen, keine einzige, in. der es sich von Grenzen handelt, oder die
sich auf Grenzstreitigkeiten und Grenzbestimmungen bezöge. Die em-
zige Inschrift, welche mit einiger Wahrscheinlichkeit Ideher gezogen
werden könnte, ist diejenige, welche sich in dem Orte Puai;o de la Pa*
lomera befinden sollte. — Palomera, das hier gemeint ist, befindet wh
sechs Leguas von der Bischofisstadt Coria, dem alten Caurium, welches
tief in liositanien lag. Hier nun soll sich die Inschrift beftmden h^ben:
<) D. />. N. N. AsUm, Jmpp, C. Äur. Valerio Jwfio DiocUÜano et M, Aur. VaUrio
EreuiBO Maxmkmo pm fßl »emper Äugg, Ttrmnus üUer Baemu, et Sboren», ourante
P. DaüoM. V, P. Proteide H, H. N. M. Q. earum dmmtmimo . .
Herne PaseMM
Beine Mbweneee, — p, iOlS «p. Reeendkm,
*) Mmüma, 4, i2.
*) Florez, 1,248 --49.
*) MoBdeu, Büiona eritrica de Eepanna, — Colecdtm de lOpidas y ww faflbi nr, 480.
348 'Viertes Bnek. Keutes KapÜeL
' Hie . eit . Tarraeo
Et Non LtmUmia.
Hie est LutiUmia
Et Non Tarraeo.
Hier ist Tarraeo (die Provinz) , und nicht Luaitanien. Hio? ist Lusi-
tanien, und nicht Tarraeo« Die alten Römer sollten eine so dnfältige
Inschrift gemacht haben, statt zu sagen: Grenze zinschen d^i beiden
Provinzen Luaitanien imd Tarraeo. -* Aber dieser Ort, wo die Schrifk
gestanden haben soll, lag ziemlich tief innerhalb des römischen Luin-
taniens, welches nördlich vom Tajo tief in das heutige Spanien herein*
reichte. Der ^^Schmid^ dieser Inschrift hat sein Machwerk viel zu weit
nach Westen verlegt Der kritische Masdeu hat auch kein Bedenken
gegen die AechÜieit dieser Inschrift '). Er er»&hlt, dass sich dieselbe
bei Cebreras und Guisando gefunden habe. Aber diese Orte liegen
schon wieder in einer andern Gegend, viele Meilen nordöstlich von
Palomera, so dass Masdeu selbst sich über die geographische Lage näher
nicht unterrichtet zu haben scheint. — Die erste Hälfte der Inschrift
hätte nach Osten, die andere nach Westen geschaut. Auch Florez nimmt
ohne Weiteres diese Inschrift an, die wieder nur die Auctorität eines
einzigen Schriftstellers ( Venero) für sich hat ^), An einer andern Stelle
aber zweifelt Florez (?), und er thut wohl daran. Denn eine so läp-
pische Inschrift kann nicht existirt haben. Hält man es für möglich,
dass an irgendeiner Stelle, wo heute eine spanische Provinz die andere
berührte, eine Inschrift stünde, etwa des Inhalts: Hier ist Alteastilien,
und nicht Neucastilien; hier ist Neucastilien, und nicht Alteastilien ^)? In
dem berühmten Engpasse von Despennaperros, durch welchen die Strasse
von Gaatilien nach Andalusien führt, ist auch die Grenze dieser beiden
Provinzai, und hier findet sich auch eine Pyramide als Grenzsäute Aee
beiden Provinzen. Auf der nach Oastilien gerichteten Seite befindet
sich ein Bild Unserer Frau del Sacrario — mit der Inschrift r Als der
Kardinal Franz Lorenzana Erzbischof von Toledo war — . Auf der
nach Andalusien gewendeten Seite ist ein anderes Bild, mit ein^
*) Florez, 13, 35.
') Siehe Sirabo, 3, 171. Auch auf der korinthischen Landenge erwähnt man
eine in früherer Zeit gesezte Sftale, welche die aas dem Pelopönnes vertrie-
benen Jonier gemeinschaftlich mit den Besizem des Pelo^nnes errichteten,
indem sie anf die Meg^ris zugewendete Seite schrieben: »Dies« niehl Pelo-
ponnesus, sondern Jonia,« und auf die andere : »Diess ist Peloponnesus, nicht
Jooia.« — Abgesehen davon, daas diese Inschrift in keiner Weise beglaubigt
ist, — scheint mir, dass der Compilator obiger angeblicher Greazefiale zwi-
schen Tarraeo und Lusitanieo — diese Worte des Strabo ungeschiekt nach-
geahmt habe.
Die Märtyrer Vincenthii,' Sabina und Ghntteta toh Elbom md Abala. 949
Inschrift, die nieht mehr gelesen werden kann^, doeli mit dem Namen des
(damaligen) Bischofes yon Jae'n ^). — Hält man es für denkbar, dass
die eine Seite lauten könnte: Hier ist Andalusien, und nieht Casülien;
die andere aber: Hier ist Gastilien, und nicht Andalusien? — Sodann
ist hier — eine durch die Natur gesezte Grenae, durch das Gebirge
der 8. Morena, während die Provinz^i Ludtanien und Tanraconensis
keine natürlidie Grenzscheide hatten. Alt- und Neucastilien «nd durch
die Sierra de Guadarrama geschieden. Auf der Höhe der Strasse, die
über das Gebirge führt, bezeichnet eine lateinische Inschrift nicht etwa
die Grenzlinie beider Oastilien, sondern ihre durch die Strasse yoUzogene
neue Verbindung:
Ferdinand VL der Vater des Vaterlandes hat — - durch lieber*
Windung der Berge eine Strasse für beide Castilien gebaut «^
im J. 1749 *).
Soldie Denksäulen haben Sinn und Bedeutung. — Sdiliesslich be-
merke ich, dass, — wäre die läppische Inschrift acht, sie nicht heissen
müsste: Hie e$t Tarraea^ denn so heisst die Stadt, und nur die Stadt;
dw Obergerichtsbefzirk heisst auch auf Inschriften immer ConvetUui tarren
e&nm9U, und die Provinz heisst ebenso ^ oder eiteriar Hiipama. Denn
obgleich dieser Name unter Augustns offiziell abkam , so wurde er doch
in Schriften und Inschriften beibehalten, während die beiden andern
Provinzen auch jezt noch das jenseitige Spanien, oder die jenseitige
Provinz Bätika und Lusitanien hiessen. Dieses zur Widerlegung' einer
angeblichen Inschrift, die, v^lre sie acht, allein ein Analogen zu der
von Resende — Datian zugeschriebenirai Inschrift darbieten würde« Nun
trägt aber diese leztere Inschrift noch manche andere bedenkliche Frage-
zeichen auf ihrer Stime. Was ist diess für eine Ausdrucksweise, welche
Sprache ist es, zu sagen: Heine Pacenses, Heine Eborenses? Die leztern
Worte machen die ganze Inschrift verdächtig. Denn Niemand braudite
zu wissen , nach welcher Richtung hin die „Pacenser'^, und nach welcher
die „Eborenser^^ wohnten. Es handelte sich gar nicht darum, diess zu
wissen, sondern die Grenze des beiderseitigen Gebietes festzusezen«
Wahrlich — es sollte ja kein Wegweiser seyn, sondern eine Grenz-
säule, und dann musste die Inschrift etwa lauten: Terminut inUf Cola^
niam Pacem Juliam Auguttam (später hiess sie Pace, und jezt Bi^a) —
et Mtmicipium (Üb, Jul.) Ebarenee. — Zudem ist es noch zweifelhaft,
>) Madoz, 7,381.
*) FenKnandus VL Paier PcOrias
Viam uirique Ccutellae
Si^peratis montibus feeU,
An, SabttU 1749 — repni sui 4,
Siehe Madoz i. Guadarrama« und Willkomm: Wanderungen, 2.
850 Viertes Bmtk. Neaotet Kapitel. Die Märtyrer Vioodiitiw, ete.
ob die Gtibiete beider Städte einander b^ilhrten, da z. B. das Gebiet
Ton Barapia in der Mitte liegen konnte.
Angesicbts dieser Ghründe kann ich mich nicht überseugen, dass
das Elbora des Märtyrers Vinzens und seiner Schwestern das heutige
Evora sei. -^ Ich gebe ku , dass Evora cur Zeit der Gt)then Elbora ge-
heissen, aber — • Talarera hatte denselben Namen. — Ich übersehe
nicht, dass die Angabe der Passio der heiligen Leocadia — Vinzenz
sei in die ^^Abulenabche Stadt^ geflohen — gegen meine Bevreasführung
in Bach 2 — Eap. 7 — (Secnndus von Abula) spreche , womach das
heatige Avila nie Abula vor dem eiiften Jahrhundert geheissen habe. —
Ich habe aber auch nicht geleugnet, dass Idatius in seinem Ghronikon
den Kezer Priscillian Bischof von Abula (d. h. AyUa) nenne. Aber
Idatius sowohl , als der Verfasser der Passio der heiligen Leocadia , nach
Mariana der Bischof Braulio (um 640), haben sich in dem Namen geirrt
In Talavera aber fuhr man energisch fort, die Ansprüche dieser
Stadt auf die erwähnten drei Märtyrer zu yertheidigen. Munnoz führt
zwölf Schriften über Talavera an. Eine Tom J. 1646 zeigt, dass Tak-
▼era das alte Elbora der Carpetaner sei. Eine andere handelt von den
,iAlterthümem des Carpetanischen Elbora^, jezt Talarera. Der erwähnte
Queyedo Imiterliess auch eine Schrift, um die Identitiit von Elbora und
Talavera zu zeigen. Frias de Albomoz aus derselben Stadt schrieb
gegen die erwähnte Abhuidlung des Andreas Resende, und suchte die
drei Märtyrer seiner Vaterstadt zu yindiziren. Auch Jos6 M. de la Paz
Rodriguez sclirieb gegen Resende. Endlidi schrieb Jos^ Pedro de Al-
c4ntara Über die Reliquien der drei Märtyrer yon Ayila.
Zehntes Kapitel.
Die Märtyrer in Cordova nnd Astigi.
§. 1. Die Märtyrer Faustus, Januarius und Martialis von
Cordova (13. October).
Die Stadt Cordnba ist, nach Saragossa, — die in dieser Zeit — ah
Märtyrern reichste Stadt« Sie war die Hauptstadt der Provinz Bätika,
und die Residenz des Proconsuls der Pro^na *)• — Darum lag auch hier
für die christliche Gemeinde die Ge&hr am nfiobsten, wie in spätem
Zeiten diese Stadt als Residens der Harscher der Mauren am meisten
christliche Märtyrer gehabt hat
In dieser Verfolgung des Dioeletiän wurde der grosse Bisdiof Ho^
sius von Corduba Bekenner des Glaubens. Entweder war er im Ge-
fängnisse, oder wurde zum Tode verfolgt, oder verbannt
Die Akt^[i des Faustus und seiner zwtei G«fUirtea. hat Sari« zwak
18. October mitgetheilt '). Tamayo hat sie in seiner Weise aösgeschmfi^t
Ruinart hat sie aus vier Handschriften her^osgegeben. Er sagt, 4as*
die Zeit ihres Leidens ganz unbekannt sei. jpa man von einer andern
Verfolgung in Spanien nichts weiss, weldie Laien getroffen, da. in den
Akt^[i von mehreren R^enten die Rede ist, so muss man ihren T<»d
in die Verfolgung des Dioeletiän sezen. Die Akten lauten also:
') Ein Propr&tor mit dem Titel Pi^consul reddHte in Qojrduba, welcher einen
kgatm und einen quaestor unter sich hatte. In Merida reaidirte ein legaiuß ilu-
gu9tif der unter sich einen UgcUu$ und einen Procurator hatte. In Tarraco war
ein consularischer UgatM Auguaü, und hatte drei Legaten unter sich. — l^ehe
Becker. Marquardt, Römische Alterthtlmer , 3, (I), — S. 80—86.
*) Auk dem l 5 des Manikä^u»^ Sicukg de r#^ Bupmiä^t
352 Viertel Buch. Zehntes Kapitel.
Als der Präses Eugenius nach Corduba gekommen war^ — und
ab er den Christen be&hl, sie sollten seine Götter anbeten , so kamen
ihm Faustusy Januarius und Martialis entgegen, und sagten: Was willst
du denn, Eugenius? der du die ELnechte Gottes lieber beneidest, als
ihnen glauben magst? Vom Zorn ergriffen sprach Eu^nius: O ihr
unseligen Menschen, was wollt ihr seyn? Faustus antwortete: Wir
sind Christen, wir bekennen Christus, welcher der einzige Herr ist,
durch den alles, und durch den auch wir erschaffen sind. Eugenius
sprach: Woher kommt euch diese verzweifelte Verbindung? Faustus
antwortete: Verzweiflung ist nicht in uns, sondern nur in dir allein,
der, du uns vergebens antreibest, Christum zu verleugnen. Als Faustus
diess gesagt, so sprach der Präses noch erzürnter: Spannet den Faustus
in die Folter, der mir so* unehrerbietig geantwortet hat.
Dann sprach Januarius zu Faustus: Du Theuerster, du duldest dieses
für uns, der du an der Schuld unserer Sünden Theil haben wolltest.
Ihm antwortete Faustus: Unsere Verbindung blieb immer auf Erden,
und ewig wird sie im Himmel bleibend Als Eugenius diess gehört, ver-
wunderte er sich, und sprach: Was führt ihr nun für eine Rede mit
einander, die ihr mir so gottlos antworten wolltet? Januarius sprach:
Wu* bekennen Christum, und sind fern von aller Gottlosigkeit Dann
sprach Eugenius zu Martialis: Siehst du ihren Wahnsinn, die dich in
ihre Gesellsohafik gezogen haben ? Wolle dich nicht diesen Bethörungen
und diesen Gottlosen anvertrauen* Ihm antwortete Martialis: Gott allein
ist unsterblich, welcher Himmel und Erde gemacht hat. Er selbst wird
difih für deine Uebelthaten bestrafen. Als Eugenius diess hörte, sagte
er: auoh dieser werde auf die Folter geiq>annt Als Martialis sah, dass
diess geschehe, sprach er: selige Unverg^glichkeit der Glorie Christi,
in der er uns, Bruder Faustus, mit dir zu verbinden sich würdigt
Dann sprach Eugenius. zu seinen Trabanten: Foltert sie, bis sie
unsere Götter anbeten. Faustus aber sprach, indem er gepeinigt wmrde:
Schwer ist esdir, und deinem Vater, welcher der Teufel ifiit, uns von
unsern väterlichen Gesezen — zu deiner Vergänglichkeit zu bringen.
Eugenius sagte: Die heiligsten Kaiser haben befohlen, dass ihr die
Gteüer anbetet Faustus sprach: Es ist ein Gi>tt, von dem alles ist, und
durch den wir sind. Denn ihr habt keine andern Götter, als euem
Vater ^ welcher Satan genannt wird. Eugwins sprach: Jezt will ich
dich peinigen. Man schneide ihm die Nase und die Ohren ab, reisse
ihm die Augenbrauen und die Zähne des obem Mundes aus. Als diess
geschehen, sagte Faustus Gott Dank, und wurde noch heiterer. Euge-
nius sprach zu Januarius: Sidist du, Januarius, wd<^e Qualen Faustus
erduldet hat, weil er, irre geführt durch seinen Wahn, hartnäckig sich
weigert, meinem Befehle zu gehorchen? Aber Januarius sprach: Diese
Gottlosigkeit und Hartnäckigkeit des Faustus möge mir bleiben, und
das Band der Liebe mit ihm möge nicht zerbrochen werden. Auf
S« 1. Die Märtyrer Faufitus, JaBnarins n. Martialis ▼. Cordova (13* Octbr.). 353
Worte erwiderte Eugenius: Auch von diesem möge hinweggenommen
werden y was ich befohlen habe. Und während Januarius gemartert
wurde ; sprach Eugenius der Ptäses zu Martialis: Siehst du Martialis^
welche Uebel deinen Gefährten wegen ihres Wahnsinnes widerfahren?
Du aber meine es gut mit dir, und trenne dich von ihrer bösen Ge-
sellschaft, und ihrem üblen Willen. Martialis sprach: Mein Trost ist
Christus, welchen diese freudig und frohlockend mit lauter Stimme be-
kennen, und darum sei bekannt und gelobt Gott der Vater, und der
Sohn und der heilige Geist.
Von grösserer Wuth entbrannt liess Eugenius sie hierauf in mäch-
tigem Feuer verbrennen*). Und als sie zum Orte ihres Leidens ge-
führt waren, so begannen sie also einmüthig das Volk Christi anzu-
reden, sprechend: Ihr meine Theuersten und Gläubige Christi, glaubet
nicht diesem Feinde und dem Teufel, dessen Zeit jezt ist; sondern er-
kennet an , dass ihr nach dem Gleichnisse und dem Bilde Gottes er-
schaffen seid. Ihn also betet an, und ihn lobpreiset, welcher der Urheber
des Alls ist. Nicht, wie Jene sagen, betet an die Werke ihrer Hände;
denn Holz und Stein, Gold und Silber sind die Werke der Menschen-
hände. Ihr also verachtet diese Unbild , und bekennet Jesum Christum,
und bringet Gott allein ohne Unterlass täglich Lob. — Und als die
Lictoren sie führten, durch deren Hände sie gemartert worden, — ' so
trieben dieselben sie in das Feuer, mit einander wurden sie den Flam-
men tibergeben, und übergaben lobpreisend Gott ihren Geist.
Zum Torbilde für uns ist dieses, dass ihr, die ihr es leset, männ-
lich zum Leiden eueren Geist bereitet, dass ihr das Leiden unsers Herrn
Jesu Christi und den Tod dieser euch vor Augen stellet, damit der
Name des Herrn gebenedeiet sei in Ewigkeit. Amen.
Diese Martyrakten tragen das Gepi^e der Aechtheit und Ursprüng-
lichkeit an sich. Sie sind einfach und erbauend. Ich möchte vermuthen,
dass der Bischof Hosius von Cordova ihr Verfasser sei. Denn an dem
Schlüsse tritt der Verfasser mit der Auctorität eines Lehrers und Mahners
auf, indem er seine Leser zu gleicher Standhaftigkeit hinweist. Auch
weisen die Worte: „die ihr dieses leset, sollet eueren Geist entschlossen
zu dem Leiden vorbereiten*^, auf die Zeit einer noch bestehenden Ver-
folgung hin. Wenn der Todestag der »drei Kronen*^ von Corduba, wie
Prudentius imsere drei Märtyrer treffend nennt, auf den 13. October
fiel, so yvax es wohl der 13. October 304. Denn in dem Jahre 303
hatte die Verfolgung zunächst nur die Kirchenvorsteher betroffen, und
im October 305 hatte dieselbe aufgehört.
Die ruhige, gemessene und doch entschiedene Sprache der drei
Märtyrer föUt wohlthuend auf. Hier ist alles Stärke, alles Freudigkeit,
') Legitimus ignis ist ein Provinzialistnug , und hcissi ein rechlschafienes, also ein
starkes Feuer.
Garns I span« Kirche. 23
854 Viertes Buch. Zehntes Kapitel.
alles Glaubenskraft, alles Liebe. — Es ist der ruhige und feste Geist
des Hosius, der aus der Sprache und der Haltung dieser drei Märtyrer
spricht Und wie sollte diese mächtige Persönlichkeit, vor der sich bald
Constantin der Grosse beugte, und um den sich bald die Bischöfe des
christlichen Erdkreises schaarten, — nicht die Auserwählten der ihm
anvertrauten Gemeinde zu Cordova — an sich gezogen, und ihnen das
Gepräge seines eigenen Geistes aufgedrückt haben? Sie gehen der Ver-
folgung muthig entgegen; sie selbst reden den Richter an. Aber nach-
her enthalten sie sich aller herausfordernden Worte. Sie sind entschlossen,
zu leiden und zu sterben für ihren Herrn, wissend, dass er ihnen, den
in unauflöslicher Liebe Verbundenen, ;,drei Kronen^ im ewigen Leben
geben werde.
In den Martyrologien stehet das Andenken der ;,drei Kronen*^ von
Corduba am 28. September, So im „römischen Kleinen*^ des Ado, bei
Ado selbst , welchem nach seinem Auszuge die obigen Martyrakten vor-
lagen ; bei üsuard stehen sie mit den nemlichen Worten am 13. October.
In dem mozarabischen Missale steht ihre Messe am 28. September, in
dem mozarabischen Breviarium dagegen ihr Officium am 19. October.
In dem Mart. des Hieronymus und Baronii^ stehen ihre Namen am
13. October.
In einer der Orationen heissen die Märtyrer zuverlässige Ejrieger
Gottes, und treue Freunde. Es wird angedeutet, dass sie das Martyrium
suchten. — In der Inlatio heisst es, dass Gott immer die ungleiche
Zahl (die Dreizähl) liebe ; dass er auf dem Felde des ruhmreichen Kampfes
heute drei Fahnenträger gekrönt, dass Keiner derselben von dem Glauben
abgefallen, sondern dass Martialis that, was er den Januarius thun sah,
dass Januarius dem Faustus folgte, der gen Himmel wandelte. — Der
Hymnus des Officiums stüzt sich ganz auf die Martyrakten.
Tillemont giebt zu, dass die Akten das Gepräge der Aechtheit an
sich tragen, und vor Constantin geschrieben zu seyn scheinen. Er
tadelt es aber^ dass die drei Märtyrer sich selbst dem Richter darge-
boten haben ^). — Uebrigens ist die stete Zurückhaltung, das bestän-
dige Schwanken zwischen Bejahen und Verneinen bei Tillemont unan-
genehm genug. — ^ Die spätem Spanier haben dem Centurio Marcellus
zwölf Söhne angedichtet, welche sammt und sonders Märtyrer gewor-
den, und zu deren Zahl die ^drei Kronen '^ von Corduba gehörten^).—
Nach dem Wortlaute der Akten waren die drei nicht Brüder, sondern
Freunde. Florez meint, weil Prudentius die drei nach Zoilus und
Acisclus nenne, so seien sie die lezten Opfer der Verfolgung gewesen,
was zu gesucht ist. Die Worte des Eugenius : „die geheiligsten E^aiser^
weisen, meint er mit Recht, auf Diocletian imd Maximian hin. Er
*) Tiü. ireÄ». 5, 796 — ce qui est contre la regle ordinaire de la ii^cyplme, — 5, 652 — 53,
') MoraleSf Coronica general de Espanna, L 10, cap^ 24*
$. 1. Die Märtyrer Faustas, Januarius u. Martialis v. Gordova (13. Octbr.). 355
entscheidet sich für den 28. September als den Tag des Todes, weil
das mozarabische Messbuch, die alten Breviere von Toledo, Sevilla,
Avila, diesen Tag annehmen, endlich „das Martyrolog des Rosweyd
(oder das römische Parvum)^ welches man in den Angelegenheiten des
Abendlandes den Martyrologien genannt Hieronymiana nicht nach-
sezen darf
Die drei Heiligen hatten eine alte Kirche in Cordova , die auch zur
Zeit der Mauren fortbestand ; ja nach Morales war sie in jener Zeit sogar
die Kathedrale. — Eulogius von Corduba , — schreibt um das J. 850:
Der Priester Gumesindus von Toledo kam noch als Boiabe mit seinen
Eltern nach Corduba, und seine Eltern machten in der „Basilika der
drei Heiligen, in welcher Faustus, Januarius und Martialis ruhen, indem
die Asche ihrer Körper gegenwärtig ist*', das Gelübde , ihn dem Priester-
thiime zu weihen. Er wuchs heran, und wurde Priester v^ einer Ge-
meinde der Umgegend von Corduba. Dann begab er sich mit dem
Mönche Servus Dei in die Stadt , welcher in dem erwähnten Heiligthum
noch als Jüngling mit dem Presbyter Paulus als Rechise lebte, beide
traten vor die Richter, bekannten sich als Christen, und vnirden ge-
tödtet den — 15. Jan. 846 *).
Am Ende des zehnten Jahrhunderts wird dieselbe Kirche wieder
erwähnt in den Annalen von Compostella. Dort heisst es von dem
Grafen Garci Fetnandez: er wurde nach Cordova geführt, und bei den
drei Heiligen begraben ^). Nach Morales wurde diese Kirche durch Fer-
dinand den Heiligen dem Apostel Petrus geweiht, weil er an dem Feste
desselben einen Sieg erfochten^).
In dieser Kirche des heiligen Petrus fand man den 21. November
1575 die Reliquien vieler Heiligen, Nach der Inschrift fanden sich hier
Reliquien dieser drei, ferner des Zoilus und Acisclus. Florez glaubt,
die Reliquien seien 1124 verborgen worden, zur Zeit der lezten Christen-
verfolgung durch die Mauren, welche die Christen, wenn sie nicht ab-
fallen wollten, nach Afrika brachten. — Der Bischof Bernhard de Fres-
neda liess die gefundenen Reliquien mit Einwilligung des Papstes Gre-
gor Xin, erheben. Auch ein zu Toledo 1582 gehaltenes Concil be-
stätigte den Cult dieser, Reliquien*).
^) Eulogius memorxalis Sanctor, 2, 9, Ihr Andenken »tehl in dem Mart. des Baro-
nius am 13. Januar.
^) Ductus ad Cardohcan, et sepultus in Sanctoe tres.
>) Mar. 17 j 6, Madoz, Cordoba, 6, 634, '^
*) Morales, 17, 4; M. Roa, Flos Sanctorum oder Santos naturales de Cordova etc, —
Sevilla 1615. — Cf. über diese drei Heiligen: Florez, 10, 328 — 341.
23
356 Viertel Buch. Zehntes Kapitel.
§. 2. Die Märtyrer Acisclus und Victoria (17- November).
Ihre Akten sind nicht ächt^ und aus späterer Zeit Als erste QueDe
ihres Martyriums muss darum die mozarabische Liturgie betrachtet werden.
Der Präses Dion kam in die Stadt Cordova^ und begann eine Christen-
verfolgung. Hier lebten Acisclus und Victoria in der Furcht Gottes
von frühester Jugend. Einer vom Gerichte ^ Namens Urban^), meldete
es dem Präses ^ dass diese die Götter verachten. Vor ihn gef ührt, sprach
Acisclus: Wir dienen unserm Herrn Jesus Christus, nicht den Teufeln,
und unsaubem Steinen. Der Präses liess beide zunächst in das Gefäng-
niss werfen. Hier kamen vier Engel zu ihnen ^ die ihnen das „Mahl
des Heües^ brachten^). Wieder wurden sie vorgeführt , und die Akten
lassen den Acisclus eine schmuckreicbe Rede halten y worin er die Gözen
imd die Heiligen einander entgegenstellt. Sie wurden gepeinigt und
wieder eingeschlossen. Am nächsten Tag wurden sie an ein grosses
Feuer geführt; sie machten das Zeichen des Kreuzes , und lobten Gott
in den Flammen. Engel traten zu ihnen , und lobten Gott mit ihnen
so laut; dass es beinahe das ganze Volk hörte. Unverlezt wurden sie
aus dem Feuer geführt, und der Präses schrieb dieses den Künsten
ihrer Magie zu. Victoria aber schilt ihn einen unreinen Geist , einen
Henker, einen Wurm. Der Präses befahl, man solle grosse Steine an
den Hals der Geschwister binden , und sie in den Fluss werfen. Es ge-
schah; aber schon waren die Engel wieder da, und sie wandelten auf
den Wassern des Flusses, und priesen Gott Und es kam eine Stimme
vom Hinmxel über sie; und eine lichte Wolke schwebte über ihnen,
und sie sahen in ihr Christum mit seinen Engeln. — Sie kehrten frei-
willig wieder in ihr Gefängniss zurück, das die Engel ihnen au&chlossen.
Da liess der Präses sie auf Räder binden, und darunter Feuer anzün-
den, mit Oel vermischt. Die Räder aber wurden umgedreht (von wem?).
Sie beteten, dass Gott das Feuer lösche. Da frass das Feuer um sich,
und verzehrte von den Gözendienem eintausend — fünfhundert — vierzig
— Männer. Die Märtyrer aber ruhten auf den Rädern wie auf sanften
Betten, und Engel standen bei ihnen. Da liess Dio sie hinwegnehmen
von den Rädern, und schalt sie Zauberer, und befahl ihnen, zu opfaii.
Er liess die Brüste der Victoria wegschneiden, und statt des Blutes floss
Milch hervor.
Wieder liess Dio sie in das Gefängniss führen, und alle Matronen
kamen zu ihr, brachten ihr Vieles von ;,ihren Gütern'^, und fielen ihr
zu Füssen. Sie redete zu ihnen von den Geheimnissen des Glaubens,
so dass Sieben derselben an Christum glaui)ten. Am nächsten Tage
') Quidam ex officio ^ nomine Urbanus.
*) Prcandium aalutie.
S- 2. Die Märtyrer Acisclus and Victoria (17. November). 357
geBchahen neue Wunder. JSine Stimme erscholl vom Himmel, und viele
Worte hörte man. Dion befahl , der Victoria die Zunge auszuschneiden.
Es geschah y und sie selbst nahm den abgetrennten Theil ihrer Zunge,
warf sie dem Dipn in's Gesicht, traf sein Auge, so dass es erblindete,
und rief mit lauter Stimme dem Dion so scharfe Worte zu, dass man
sie fast nur in Andalusien ohne Anstoss hören kann. Da liess sie Dion
mit Pfeilen tödten. Den Acisdus aber liess er im Amphitheater ent-
haupten. Eine Christin Minitiana begrub den Leib des Acisclus in ihrem
Hause, den der Victoria an dem Flusse. An den Gräbern aber ge-
schahen viele i Wunder *).
Gross ist der Unterschied — zvnschen der ungeschminkten Passio
der „drei Kronen'^ von Oorduba, und diesem geschminkten, und mit
unerhörten Wundem ausgeschmückten Berichte. Da aber Acisclus und
Victoria am 17. November ein eigenes Fest in der gothischen Liturgie
haben, so müssen wir sie, und zwar zunächst den Acisclus, als Mär-
tyrer anerkennen. Der Hymnus des OfQciums ist sehr allgemein ge-
halten. In den Capitula werden Acisclus und Victoria Heilige genannt.
In einelr Oration heissen sie Heilige und ruhmreiche Märtyrer. „Ihre
Gebeine, welche Kräfte der Seelen sind, grünen wie frische Pflanzen
wieder auf.*' Diess bezieht sich wohl auf den Bericht des Ado und
Usuard, dass an ihrem Feste am 17. October an ihrem Grabe blühende
Rosen sich finden. In einer andern Oration wird angerufen: der „hei-
lige Acisclus, und seine Gefährten^. Hier schon siebet man, dass die
Victoria bedeutend hinter den Acisclus zurückgesezt wird. In dem gothi-
schen Kirchenkalender, welcher der Ausgabe des Lorenzana voransteht
— heisst es zwar: der Märtyrer Acisclus und Victoria, Fest von neun
Lectionen; ebenso in dem der Ausgabe des Missale von AI. Lesley vor-
anstehenden Calendarium. '
Die Festmesse selbst aber kennt und erwähnt nur „die grosse Feier-
lichkeit deß seligsten Acisdus^. Er wird mit hohem Lobe gerühmt. Er
hat die Schläge seines Leidens standhaft ertragen. — In der Inlation
heisst es: Christus hat „seinem heiligen Acisclus eine doppelte Krone
gegeben'^. Acisclus hat „Verbannungen erduldet, hat Schmähungen hin-
genommen'^; er ist enthauptet worden. — Das römische Parvutn des
Ado nennt die beiden Märtyrer nicht; das des Hieronymus sagt zum
18. November: In Spanien, in der Stadt Corduba — das Andenken der
Martyrin Asdda (Asciclae martyris). Ado sagt zum 17. November: An
demselben Tage zu Corduba in Spanien , die Passio der Märtyrer Acisclus
und Victoria: wo zur Empfehlung ihres kostbaren Todes an demselben
Tage — durch die Kraft Gottes blühende Rosen gesammelt werden.
Wörtlich so heisst es bei üsuard. — Bei Beda heisst es nur: In Cor-
duba das Fest der Martyftr Acisclus und Victoria. Bei Bhabanus Maurus
>) Florez» 10, Append. 3, p. 495—502.
358 Viertes Buch. Zehntes Kapitel.
kommen sie nicht vor. Baronius hat aber die Beiden in das römische
Martyrologium mit den Worten aufgenommen: Zu Corduba der heilige
Märtyrer Acisclus und Victoria, Geschwister, welche in derselben Ver-
folgung (des Diocletian) auf den Befehl des Präses Dion auf das grau-
samste gemartert, von dem Herrn durch ihr ruhmreiches Leiden die
Kronen (des Sieges) erwarben.*
Von der hohen Verehrung des Acisclus in Cordova berichtet Isidor.
Der Gothenkönig Agila (549 — 554) rückte vor die Stadt Corduba. „Da
er aber zum Hohne der katholischen Religion den seligsten Märtyrer
Acisclus beleidigte , da er mit dem Blute von Feinden und Thieren den
heiligen Ort seines Grabes profanirte und befleckte, und es zum Kampfe
gegen die Cordubenser kam, so erduldete er die geziemenden Strafen,
welche die Heiligen über ihn verhängten. Denn er verlor dort im Kampfe
seinen Sohn mit einer grossen Menge des Heeres, und verlor seinen
ganzen Schaz mit grossen Kostbarkeiten *).^ Also war nicht weit von
Corduba eine Kirche des Acisclus mit dessen Grabe, — Hier befand
sich bis auf die jüngste Zeit das Kloster des Acisclus und der Victoria.
Die Klosterkirche , genannt der Märtyrer, wurde, wie Madoz berichtet '^j,
schon zur Zeit des Kaisers Constantln erbaut, und zwar am Ufer des
Flusses, wesswegen sie mehrfach wieder gebaut werden musste. Auf
dem Altarblatt des Hauptaltares, der von schlechtestem Geschmacke ist,
befindet sich ein gerühmtes Gemälde von J. L. Zambrano , auf welchem
das Martyrium von Acisclus und Victoria, „der Patrone der Stadt Cor-
duba^, dargestellt ist. Auch in dem Dome zu Cordova befindet sich
eine diesen Heiligen gewidmete Kapelle^). Das erwähnte Kloster ge-
hörte firüher den Cisterziensem, später den Dominicanern, und lag am
Thore nach Martos.
Der heilige Eulogius erwähnt dieselbe Kirche. Er erzählt in dem
Leben und der Passio der Jungfrauen Flora und Maria, welche zu Cor-
dova um des Glaubens .willen enthauptet wurden: ,,Ihre Häupter wui^
den in der Basilika des heiligen Acisclus niedergelegt, wo derselbe durch
seine Gegenwart das Volk der Christen schüzt *).^ — Derselbe Eulo^us
erzählt, dass der Priester und Märtyrer Perfectus in der Basilika des
') Isid. HisL de regibus Gothorumf cap, 45,
*) Madoz, 6,636.
3) Madoz, 6, 630.
^) Eulogii de vita et passume Virginum Florae et Mariae, tn Pairwn Toletan. opera,
t. 2, ed, Lorenzana, — Die erste Ausgabe seiner "Werke erschien za Alcala
1574 von A. Morales und Ponce-Leon. Die zweite Ausgabe erschien in ^Ei-
spania iUustrata*^ ed, A, Schott, t 4, ^ancofurti 1608; darnach in der BibUotieca
patrum maxima Lugdun, t, 15, p, 242. — Die vfl^rte Ausgabe ist von Loreo-
zana — t. 2, s. PcUrum Toletanorum quotquot extant opera, t 2 (1785), Darnach
ist — 5 — der Abdruck in Migne Pairol, lai, U 115 (1852), p, 703—959, Florei
hat in t, 11 die Werke des Alvaro und des Abtes Samson von Corduba edirt.
{. 2. Die Märtyrer Acisclns und Victoria (17. November). 359
heiligen Acisclus begraben worden sei, an dem Orte, »wo seine glück-
lichen Gebeine ruhen** *). — Später erzählt derselbe Eulogius, dass ein
späterer Märtyrer Argimir neben dem Grabe des Acisclus und des Per-
fectus beigesezt worden.
Im Hinblicke auf diese Worte möchte Morales in seinen Schollen
zu Eulogius rermuthen, es habe nicht bloss eine einzige Kirche des
Acisclus in Corduba gegeben. Denn zu seiner Zeit zeigte man zwei,
eine kleine Kirche, an dem Orte, wo Acisclus mit seiner Schwester
Victoria erzogen worden, eine zweite am Flusse, die damals den Do-
minicanern tibergeben wurde, welche hier ein Kloster gründeten. —
Aber nach dem Berichte des heiligen Eulogius bestand hier schon ein
Kloster im neunten Jahrhundert. — Der Priester Anastasius hatte von
seiner ersten Jugend an „bei der Basilika des heiligen Acisclus von Cor-
duba seine Erziehung und Bildung erhalten, lebte dort bis zu seiner
männlichen Jugend im Amte eines Diakons, und nachdem er das Mönchs-
leben — schon längst im Kreise der Alten — zugebracht, erlangte er
endlich die Priesterwürde. **
Florez vertheidigt die Meinung, es habe nur eine Kirche des Acisclus
gegeben, in der dieser und die Victoria beigesezt worden, aber, weil
Acisclus der bedeutendere der Beiden gewesen, habe die Kirche nur
seinen Namen erhalten; wie auch die Kirche des heiligen Zoilus, wo
viele Märtyrer ruhten, nur dessen Namen trug. — Ich glaube gern,
dass dem also sei, und dass Victoria mit Acisclus starb als Martyrin.
Aber wie schon Prudentius mit Absicht sie übergeht, wie sie in der
Festmesse gar nicht steht, in dem Officium nur wie widerstrebend er-
wähnt wird, so scheint es mir, dass man überhaupt Bedenken getragen
habe, sie als Martyrin anzuerkennen. Es scheint mir, dass selbst die
Spanier, bei denen es Sitte war, sich selbst dem Richter darzustellen,
dennoch Anstoss genommen haben — an der Uebermacht des natür-
lichen Elementes, das in ihrer Haltung sich kundgegeben hat. — Das
römische Parvurn, welches sich sonst von Prudentius dadurch unter-
scheidet, dass es die spanischen Virgines et Martyres mehr berücksichtigt,
erwähnt des Acisclus und der Victoria nicht, während es die Namen
der Sabina und Christeta nebst Vincentius von Abula enthält.
Die Frage, ob die Reliquien des Acisclus und der Victoria sich in
Corduba befinden, ist streitig. Toulouse in Frankreich behauptet, ihre
Häupter und Leiber zu haben (aber Victoria wurde ja nicht enthauptet?).
Gatalonien behauptet gleichfalls, ihre Reliquien zu besizen in dem Ehester
von San Salvador de Breda, wohin sie im dreizehnten Jahrhundert ge-
kommen seien. — Ausser diesem Kloster haben sie eine Kapelle in
1) Eulog, memor, Set. 2, 1. — Digno praesulis et sucerdotum obsequio in BaaiUca beati
AciacUi in eo iüulOf quo feUda ejus membra quiescunt, humatur, — Cf, 3, 16, Eu-
lop, 3, 8, Die Stelle ist nicht ganz deutlich.
— »
360 Viertes Bneh. Zehntes KapiteL
dem Schlosse San Adsclo bei Gerona, auch in der Pfarrei Vidr^ras
hatte man Reliquien^). S. Eulogius sandte an den Bischof Wiliesind
von Pamplona Beliqnien des heiligen Adsclus. Auch in Asturien und
auf Monteerrat glaubte man Reliquien zu besizen, wie auch zu Medina
Sidonia schon im siebenten Jahrhundert. In Cordova dürfte nur noi^
in der Kirche San Pedro eine Reliquie von Acisdus seyn.
§. 3. Der Märtyrer Zoylus und seine Gefährten (27. Jani).
Zuerst wird er bei Prudentius erwähnt^). „Corduba wird den Acis-
clus geben und den Zocilus und drei Baronen**. Mit Unrecht verstehen
die Bollandisten zum 27. Juni — unter diesen drei Elronen — den Zoe-
lus, Acisclus und die Victoria. In dem römischen Martyrologium des
Baronius steht zum 27. Juni: Zu Corduba der heilige Ma^rtyrer Zoilus,
und andere Neunzehn. — Das so unklare Martyrologium unter dem Na-
men des Hieronymus nennt hier einundzwanzig Namen von Märtyrern
in Spanien, darunter einen Zoenius und Marcellus. Doch lässt sich
Näheres nicht eruiren. Die Bollandisten, denen hierin Florez folgt,
nennen zwanzig Namen — neben Zoilus: 1) Creszenz, 2) Julian, 3) Ne-
mesius, 4) Fratria, 5) Primitivus, 6) Justin, 7) Statheus, 8) Novatian,
9) Clemens, 10) Marcellin, 11) Zebdinus, 12) Felix, 13) Venustus, 14) Mar-
cellus, 15) Italica, 16) Zelius, 17) Capiton, 18) Tinnus, 19) Timarchus oder
Thuscus, 20) Silvan. Diese Namen sind offenbar aus dem Martyrologiima
des Hieronymus entnommen, und sind zum grossen Theile verdächtigt).
Namentlich liegt bei dem Worte Italica nahe, dass darunter die Stadt
gemeint sei. Das römische „Parvum'^ hat den Zoilus nicht. Ado sagt:
Zu Corduba in Spanien das Andenken des heiligen Zoilus, und anderer
Neunzehn.
Dagegen hat Usuard zum 27. Juni: „Zu Corduba das Andenken des
heiligen Märtyrers Zoilus. Da es lange unbekannt war, wo sich dessen
Leib befinde, so wurde es dem ehrwürdigen Bischöfe dieses Ortes, Na-
mens Agapius, durch göttliche Offenbarung mitgetheilt*'. — Hier bringt
nun üsuard einen ihm eigenthümlichen Bericht, während er sonst nur
Auszüge oder den wörtlichen Ado giebt.
Der Mönch Usuard, der seia Werk um das J. 875 verfasste, war im
J. 858 mit seinem Ordensbruder Odilard aus dem EJ^oster des heiligen
Vinzenz zu Paris, später St, Germain des Pros genannt, nach Spanien
') DomeneCf vtda de Äciacloj 17, Nov. in Historia gener al de los Santos y varones ätt-
stres en aantidcid del principado de CatcUunna — Barcelona 1602, — Gerona 1680,
*) Hymn, 4.
') Seehs von diesen kommen an demselben Tag^e bei Usuard irfs S^hne der hei-
ligten Symphorosa vor*
S« 3. Der Märtyrer Zoylus un^ seine Gefährten (27. Juni). 361
gereist y um den heiligen Leib des Märtyrers ^ncentius in Valencia zu
erlangen. Diess war aber eine Unmöglichkeit.
Die beiden gallischen Mönche erfuhren aber in Barcelona, dass erst
kürzlich zu Corduba nicht wenige Christen um ihres Glaubens willen
das Leben verloren hätten. Unter andern Georgius, AureUus und Natha-
lia, welche im J. 8Ö2 enthauptet wurden. Troz der Schwierigkeiten und
Gefahren kamen die beiden Mönche nach Corduba , weilten dort sechs-
undfunfisigTagey und nachdem sie die Leiber der Märtyrer Georgius und
Aurelius, sowie das Haupt der Martyrin Nathalia erhalten hatten, kehr-
ten sie über Toledo, Alcala, Saragossa, Barcelona und Gerona nach
Frankreich zurück. — Auf dem Bückwege blieb Usuard allein in Barce-
lona achtzehn Tage. Er verehrte hier den Cucufat und die Eulalia*).
Die leztere war damals noch nicht wieder aufgefunden worden.
Während seines langen Aufenthaltes in Spanien hatte Usuard selbst
Anlass und Gelegenheit , über die Heiligen von Spanien , besonders über
die Märtyrer von Cordova, sichere Kunde einzuziehen. — Der Bischof
Agapius n., welcher den Leib des heiligen Zoylus fand, lebte unter
König Sisebuth (614 — 18).
£s giebt keine alten Martyrakten von Zoilus. Die vorhandenen aus
sehr später Zeit melden, er sei aus vornehmem Geschlechte und christ-
lich erzogen worden, und sei dem Richter als Christ angezeigt worden.
Der Richter wollte seine Jugend schonen, wenn er jezt den Geboten der
„Kaiser gehorchte*'. Er wurde gegeisselt, und auf jede Weise gemartert,
hierauf enthauptet. Von den Heiden wurde er unter die Leiber der
Ihrigen begraben, damit die Christen ihn nicht fänden. Bischof Agapius
ging aber mit den Christen nach der von oben ihm gezeigten Stätte, und
fand den Leib. Er brachte denselben in die kleine Basilika des heiligen
Felix. An dieser Stelle aber baute er nachher eine prächtige Kirche,
„sowie ein Kloster für hundert Mönche zu Ehren dieses Blutzeugen^.
Die Kirche blieb den Christen auch zur Zeit der Mauren. An ihr
wirkte S. Eulogius, und lebte hier in dem Collegium der Cleriker'), und
brachte im Gebete die Nächte zu, wie uns Alvaro in dessen „Leben*'
erzählt, und wurde wohl hier nach seinem Martyrtode (f 15. März 859)
begraben. Der berühmte Abt Samson wurde Rector dieser Kirche. —
Das von Agapius bei der Kirche gegründete Klosier ist zu unterscheiden
von dem spätem Kloster — genannt Monasterio Armilatense, das den
Kiomen des heiligen Zoylus trug, und an acht Leguas nördlich von der
Stadt entfernt war. — Eine Kirche des heiligen Zoylus bestehet nicht
mehr in Cordova. Doch befindet sich in der Kirche des Erzengels
Michael eine Kapelle, welche den Namen des Heiligen trägt.
*) PaOntm Ihleicmorum g. exL cpera, 2, p, 785 sq,
*) Siehe aaoh Memor, «cfr. 2, 6, iL
362 Viertes Bach. Zehntes Kapitel.
«
Die heutige Pfarrkirche zum heih'gen Andreas war unbestritten die
alte Kirche des Zoilus, eine berühmte, und vielleicht die älteste Kirche
der Stadt (J. 613). Nach den Resten von Gözenbildern^ und den römi-
schen Inschriften, die sieh bei ilirer Wiedererbauung fanden, scheint sie
zuerst ein heidnischer Tempel gewesen zu läein. Auch aus der Zeit der
Mauren fanden sich Inschriften in ihr^j.
In dem Missale Mixtum findet sich Zoilus nicht; nicht einmal in dem
von Leslej edirten Calendarium. In dem Breviarium des Lorenzana
steht der Tag des Heiligen am 27. Juni. Derselbe hat nur einen Hym-
nus, der frühestens aus dem siebenten Jahrhundert stammt. In diesen
Hymnus haben sich wörtlich vier Verse aus dem Hymnus des Pruden-
tius über die Engratis und die achtzehn Märtyrer von Saragossa verirrt«
Noch vier andere Verse sind fast wörtlich aus Prudentius, nach welchen
Saragossa die meisten Märtyrer zum Herrn sendete. Der ganze Hymnus
ist nachgemacht. Die neunzehn Märtyrer (die mir nicht genug beglau-
bigt zu seyn scheinen,) sollen Corduba noch um etwas höher stellen, als
Saragossa durch seine Achtzehn gestellt ist^).
Der Leib des Zoilus blieb in Cordova bis zum eilften Jahrhundert
Im eilften Jahrhundert wurde er nach Carrion de los Condes, welches
zwischen Leon und Palencia liegt, durch den Grafen Ferdinand Gomez,
den Sohn des Gomez Diaz, gebracht. Gomez Diaz und seine Gemahlin
Tarasia hatten das Benediktinerkloster Carrion gestiftet, unter dem Na-
men des heiligen Johannes. Kirche und Kloster hiessen nachher zum
heiligen Zoilus *). Viele Wunder geschahen an seinem Grabe.
§. 4. Der Märtyrer Crispinus von Astigi (19. November).
Er ist in der mozarabischen Liturgie durch einen Hymnus und eine
Oration vertreten. Darin heisst er ein leuchtender Märtyrer. Nicht Bande,
Peinen, Geissein oder Feuer, nicht Hunger und nicht Durst konnten ihn
erschüttern. Freudig blickte er zum Himmel, als er den Todesstreich
empfing. Sein Leib wurde in der Stadt Astigi beigesezt. Zu seinem
Grabe kommen Leidende und werden geheilt. Der Hynmus ist unver-
gleichlich besser, als der erwähnte auf Zoilus. Er wird in dem Hymnus
Madoz, 6, 635.
*) Martyrum ntäU, remecmte vita,
Contingit terris habiiare nostris:
Soku tu morti propriae superstes
Vivü in orbem.
») Florez, 10,256 — 58 — Kirche des heil. Zoilus. — S. 311-328 — Leben,
Martyrium des heil. Zoilus, seine Auffindung, Ucbertragung: und Wunder in
Carrion. — In Append. 4, p. 502—20 — Marlyrakten — und Miraeuh inedita
$. 4. Der Märtyrer Crispinus von Astigi (19. November). 363
nicht Bischof und nicht Priester genannt. In dem Missale heisst er nur
Confessor; die Messe ist aus dem Commune eines Bekenners, und hat
nur diese Oration: Herr der Kräfte, wunderbar in deinen Heiligen , er-
höre uns BittendQ, gewähre uns Sündern durch die Fürsprache deines
seligsten Bekenners Crispinus, die Fülle beständiger Liebe. Er hat die
Krone der Tugend verdient: wir mögen auf seine Fürbitte durch deine
Gnade Verzeihung unserer Vergehen , und den Frieden einer beständigen
Liebe zu erlangen gewürdigt werden. — Bei Ado kommt Crispinus nicht
vor. Dagegen bei Usuard zum 19. November mit den Worten: (Fest)
des heiligen Bischofes Crispinus , welcher in der Astiagensischen Stadt —
durch Enthauptung die Palme der Märtyrer erlangt hat. — Diese Worte
hat Baronius in sein Martyrologium aufgenommen. Usuard scheint in
Spanien selbst diesen Namen gefunden zu haben. Er nennt ihn auch
zuerst einen Bischof. Aber der Hymnus und die Oration sind jedenfalls
älter und glaubwürdiger. — / Ebenso lässt der Hymnus keinen Zweifel
darüber^ dass es heissen muss: Astigitcma urbs statt der Civitas AHiagensis
des Usuard und Baronius. — Es scheint mir, dass man im siebenten
Jahrhundert in Spanien selbst nicht wusste, ob Crispinus Bekenner oder
Märtyrer war. Desswegen glich man die Sache so aus, dass er im Hym-
nus als Märtyrer, in der Messe als Bekenner angerufen wurde. Die
neuem Spanier halten ihn für den ersten Bischof von Ecija, der in der
Verfolgung des Diocletian starb. — Ich trage Bedenken , dieser Ansicht
beizutreten , begnüge mich aber , hierin dem Beispiele des H. Florez fol-
gend, mit diesen wenigen Worten über den heiligen Crispinus*).
») Florez, 10,83—84.
Eilftes Kapitel.
Die heilige Eulalia von Emerita — [10. Dezember]
ist nach und neben Vincentius die gefeiertste Maxtyrin von Spanien — (ge-
wesen?). — Ihre Akten tragen das Gepräge der Aechtheit, und stammen
höchst wahrscheinlich aus dem vierten Jahrhundert. Buinart ist aber nicht
dieser Meinung, und hat statt der Passio den Hymnus 3 des Prudentius auf-
genommen. Doch herrscht eine grosse üebereinstimmung in allen Be-
richten über die heilige Eulalia. Ihr Vater war Liberius, von hohem
Stande. Der Priester Donatus hatte sie in ihrer Jugend unterrichtet.
Liberius sandte zur Zeit der Verfolgung seine Tochter auf ein Landgut
fern von der Stadt 38 Miglien (= 9j-Leguas) , genannt Promtianum, an den
Grenzen der Provinz Bätika. (Auch hier wird, vielleicht durch eine Ver-
wechslung ein Confessor Felix genannt, der bei ihr auf dem Landgute
war.) Dort hörte sie, dass ihr Vater, und die übrigen Bekenner schon
gefangen seien. Und sie liess alsbald das Gefährte bereithalten; sie selbst
trieb das Maulthier an, dass sie in schnellem Laufe dahineilte. Und —
da sie gen Emerita zogen, sprach sie zu ihrer Begleiterin Julia: Du mö-
gest wissen, Herrin meine Schwester, dass ich zulezt gehe, aber &-üher
leiden werde* Und so geschah es auch.
^ Als sie der Stadt nahe gekommen war, begegnete ihr ein Jude und
sprach: Du bist eben recht gekommen, Tochter 1 gehe und opfere, damit
du das Leben habest. Eulalia sprach: Gott mehre deine Jahre, denn
ich verlange zu sterben für Christus meinen Herrn. (Der Jude aber
sah, wie die Eilende von einem glänzenden Lichte umgeben war.) Sie
eilte alsbald auf das Forum, und um sie strömte die ganze Stadt zusammen.
>) Siehe Florez, Espanna sagrada, 1. 13, p. 266—^02. Santa EuhUa, wrgtny Martyr.
— Appendice IL Hymnus 3 des Prudentius auf Eulalia, S. 392 — 98 und Passio
EukUiae ^ 3^ -- 406,
Die heilige Eulalia von Emerita — (10. Desember). 365
So gross war der Ruhm ihrer Heiligkeit und Schönheit ^ und alles
Volk betrachtete sie wie eine „Senatorin^. Sie trat vor Calpurnian, den
Präses von Lusitanien , und redete ihn mit scharfen Worten an. Warum
betrittst du diese Stadt ^ du Feind des höchsten Gottes? Warum verfol-
gest du die Christen, und willst die Jung&auen Gottes verderben?
Der Präses sprach: kleines Kind^ bevor du herangewachsen, willst
du die Blüthe deines Alters verderben? Eulalia: Ich zähle an dreizehn
Jahre. Glaubst du meine Ejndheit durch dein Drohen zu verwirren?
Mir genügt diess vergängliche Leben, und weil ich mich an den Lockun-
gen des irdischen Lebens nicht erquicke, so erwarte ich ein anderes
kommendes seliges Leben, in dem die Gemeinschaft mit Gott mich glück-
licher machen wird. — Calpumian liess sie auf den entblössten Rücken
geissein. Aber standhaft und tapfer sprach sie Wehe dem Könige
und dem Kaiser mit seinen Göttern. Calpumian beschuldigte sie der
Zauberei. Da er zögert, fordert sie ihn auf, er möge sein ür-
theil fällen, ,,denn deinen Königen und ihren Göttern habe ich Wehe
gesagt, und verwünsche sie^. Dann beCedil der Präses, dass ihm am fol-
genden Tage ein Tribunal auf dem Forum angerichtet würde. Er filllte
die Entscheidung, dass Eulalia gekreuzigt und lebendig verbrannt werde.
Er liess unter andern Qualen ihre Brüste mit brennendem Oele über-
giessen. Sie rief: Erweitert hat mich dein kaltes Feuer, und dein bren-
nend Oel hat mich nicht entzündet. Aber mich hat entzündet die Liebe
Christi, den ich zu schauen mich sehne.
Calpumian der Präses sprach: Bringet mir lebenden Kalk, schüttet
ihn dorthin, und glesset Wasser hin. Eulalia entgegnete: Dich quäle
das ewige Fieuer, weil du die Magd Christi quälen wolltest — Mir wird
der Herr helfen , und aus deinen Händen mich befreien , denn nicht für
mich, sondern für Christus dulde ich diese Qualen. Der Präses sprach:
Füllet mit Blei ein Gefäss, und nachdem ihr es aufs höchste erhizt,
bringet es vor sie, und legt sie nackt auf ein eisernes Bett Zuerst
zeigt ihr die Pein, ob sie vielleicht zu den Göttern sich wende, und
wenn sie nicht opfern will, so überschüttet sie damit Die selige Eulalia
aber, welche täglich die Passion des heiligen Thyrsus las, sprach: Du
wahrer Gott, komme, um deine Magd zu befreien. Denn ich glaube,
dass du, der du dich des seligen Thyrsus, da er noch ein Heide war,
erbarmt, und ihn zu dir bekehret hast, auch mich zu dir bekehren
werdest und plözlich erlosch das Blei ; es kam kalt zu der heiligen Eulalia.
Jezt wurden Ruthen gebracht, und sie wurde geschlagen. Der Präses
sprach: Bringet Scherben von Scheiben, und reibet damit ihre Wunden.
Eulalia betete: Erbarme dich, Herr Jesu Christo, deiner Magd, auf dass
mein Herz nicht schwach werde, sondern mache es stark, denn ich ver-
lange, der Hölle zu entfliehen, und zu dir zu kommen, der du einfach
und dreifAch (ein Gott in der Dreiheit der Personen) bist, der du das
ewige Leben gewährest
366 Viertes Buch. Eilftes Kapitel.
Es sprach der Präses: Unselige, denk' an dich, bevor du hinweg-
gerafft wirst, und opfere den Göttern. Eulalia sprach: Opfere du, und
ihr alle, die bei dir sind, eueren Göttern. Ich aber will meinem Gotte
ein lebendiges Opfer bringen , indem ich mich selbst ihm aufopfere, wie
er für mich aufgeopfert worden ist , der uns aus der Macht der Finster-
niss und der Herrschaft des Teufels befreien will. — Nach mehreren
Zwischenreden und Drohungen antwortete Eulalia lächelnd : dann kommst
du meinen Wünschen mehr entgegen, wenn du schwerere Feinen über
mich verhängst; thue, was du vorhast, dass du mich in allem siegreich
in Christo machest. Calpurnian sprach: Unbesiegt werde ich dich nicht
entlassen, sondern die schwersten Feinen dir anthun. Eulalia: Besiegen
kannst du mich nicht, weil der siegt in mir, welcher für mich streitet.
Calpurnian: Zündet Fackeln an, und haltet sie an ihre Kniee. Eulalia:
Versenget ist mein Leib, und stark bin ich erfunden worden. Befiel,
dass Salz auf mich gelegt werde, dass mein Leib vollkommener in Chri-
stus gewürzt werde. Er rief voll Wuth : Schergen , zündet an den Gluth-
ofen, und legt sie in denselben, bis sie erliege.
Es geschah, und sie fieng an, in dem Gluthofen zu singen, und zu
sprechen: Es werden zu dem Könige die Jungfrauen nach ihm geführt.
Seine Genossinnen werden zu ihm geführet werden in Freude und in
JubeL Als Calpurnian sie singen hörte, sagte er: Ich meine, wir sind
besiegt, diese Jungfrau dauert aus in den Feinen. Aber damit sie sich
nicht rühme, so führet sie heraus,' und bevor sie sterbe, werden die
Haare ihres Hauptes abgelöst, und sie entkleidet herumgeführt — zu
ihrer Schande. Eulalia sprach: Obgleich ich Schande auf Erden leide,
so weiss ich doch, für wen ich dieses leide. Er weiss, wie er mir dieses
vergelten wird, du Feind der Gerechtigkeit.
Calpurnian sprach: Fürchtest du also, in Schmach zu konunen, so
gehe, und opfere den Göttern. Sie sprach: Ich opfere meinem Gotte
ein Opfer des Lobes , und ein Schlachtopfer des Freises. Calpurnian be-
fahl: Sie werde auf die Folter gebracht, und mit Fackeln auf beiden
Seiten verbrannt. Eulalia rief: Geprüft hast du mich, o Gott, im Feuer
mich erprobt, und kein Unrecht ist an mir gefunden worden/ Und sie
jubelte in Gott. Schon sah sie Engel ihr zur Seite stehen, aber sie er-
warteten das Ende ihrer Fassion. Dann wurde sie, mit ihren eigenen
Haaren festgebunden, zum Tode geführt. Da sie zum Orte der Fassion
ausserhalb der Stadt kam, zog sie mit ihren eigenen Händen das Ge-
wand ab, und gab es den Schergen. — Nur ein Gürteltuch behielt sie
bei zur Bedeckung der Lenden. Sie wurde auf die Folter gesezt, aus-
gespannt^ gefoltert, gegeisselt, imd mit ausgerenkten Gliedern wuchs
ihr Leib zur Fein. Weil sie aber siegreich Christum bekannte, konnte
sie keine Feinen empfinden. Nun traten zwei Soldaten hinzu, und brann-
ten von beiden Seiten mit Fackeln ihren Leib, und nach der Verbren-
nung folgten neue grössere Feinen. Da rief^ getrieben durch die
Die heilige Enlalia von Emerita — (10. Dezember). 367
Boaheit muthwiUiger Qualen, Eulalia: Calpumian, was hilft es dich, dass
du deine Wuth und Grausamkeit an mir auslassest? Deine Drohungen
und Todesstrafen fürchte ich nicht Ich bekenne, dass ich Christi, und
die Magd Gottes bin. Merke dir mein Angesicht, dass, wenn wir vor
den Richterstuhl meines Herrn Jesu Christi zur Zeit seines Gerichtes
kommen werden, du mein Angesicht an jenem Tage wieder erkennest,
und für deine Verdienste die schuldige Vergeltung erlangest. Erschreckt
und zerknirscht im Herzen bei diesen Worten fielen viele von den Gözen
ab, und glaubten an Gott. —
Am Elreuze jubelte Eulalia, und sie sprach, so dass es alle hörten:
Glauben muss man an einen Gott, den himmlischen Vater, und seinen
wahren Sohn, den allmächtigen Jesum Christum, der mit dem heiligen
Geiste angebetet, der gepriesen ist in Ewigkeit. Glorreich eilte so Eu- *
lalia, und damit sie schneller zum Herrn gelangte, so öffnete sie ihren
Mund, und trank die Flammen, die von beiden Seiten aufloderten. Da
gieng im Angesichte aller in Gestalt einer Taube der Geist der heiligen
Martyrin zum Himmel.
Unversehrt und unverlezt hieng auf Befehl des Präses ihr Leib drei
Tage an dem Kreuze. — Schnee Öel auf ihn , und ihr Haar erschien
nun wie ein Schmuck, und weiss wurde ihr Leib. Die Christen nahmen
ihn heimlich hinweg, und bestatteten ihn mit allen Ehren. Zu ihrem
Grabe kamen Leidende und Geplagte, und sie wurden geheilt. Bald
kamen Donatus und Felix, die Seligen, herbei, die einmüthig mit ihr
im Bekenntnisse gewesen, und die in ihren glorreichen Fussstapfen wan-
deln sollten.
Aus dem berühmten Hymnus 3 des Aurelius auf Eulalia führe
ich nur einige kennzeichnende Stellen an. Sie ist zwölf Jahre alt. Sie
hatte dem jungfräulichen Stand sich gewidmet, und darum für immer
der Ehe entsagt. Ihre Mutter hält sie fem von der Stadt. Aber
Heimlich eröffnet bei Nacht sie die Thür,
Fluchtet sich durch den eröffneten Zaun,
Ferne, auf nimmer betretenem Pfad,
Fluren, von Disteln und Dornen besäet,
Schreitet sie blutenden Fusses hindurch,
Engel begleiten die Heldin allein.
Schon vor Tag kommt sie in Merida an. Prüdentius nennt den
Richter nicht; er kennt nicht den Namen des Dacian oder Calpumian,
er nennt den Richter „Prätor*. Prüdentius berichtet sodann, was in
unsern Akten nicht steht. Auf die erste Anrede des Prätors entgegnete
sie nichts y
Sondern sie speit ihm ergrimmt in^s Gesicht,
Und sie zertrümmert das' Gozengebild
Auf dem Altar — und das heilige Mehl
St^9t'0ie mit Füssen vom Bauchtos hinweg«
368 Viertes Buch. Eilftes Kapitel.
Sodann fasst Prudentius die Marter selbst viel kürzer zusammen.
Endlich begmnt die Wasserte Qaal,
Fürder befurchen sie nimmer die Haut,
Bohren di» Rippen ihr furder nicht dnrch,
Sondern es wüthet die lodernde Oluth
Feuriger Fackeln im Eingeweid ihr.
Siebe, da fliegt ihr in's Antliz die Gluth,
Prasselnd erfasst, von den Locken genährt,
Jezt sie das Haupt, und zum Scheitel empor
Steiget die Flamme. — Ersehnend den Tod
Trinket die Jungfrau den feurigen Strom.
t
Schon zur Zeit des Prudentius erhob sich eine prächtige Kirche fiber
dem Grabe der Eulalia:
Dort in der Erde geheiligtem Schooss
Ruhet, wo blendend der Marmor und licht
Sich mit dem fremden und heimischen Glanz
Gattend, den prächtigen Tempel verziert,
Ihrer Gebeine geheiligter Rest.
lieber Gesimsen, mit Golde verziert.
Hebet der schillernde Dom sich empor,
Bunt mit Gestein ist der Boden geschmückt;
Aehnlich den Fluren, von Rosen bebiümt,
Blühet in wechselnden Blumen der Grund.
Unter den spanischen Heiligen hat das Calendarium der Eirche von
Carthago nur den Vinzenz von Saragossa, und die Eulalia , ohne Zweifel
die' von Merida. In ihrer Festmesse heisst es, dass sie, indem sie fern
von jedem Manne zu bleiben gelobt, selbst männlich geworden sei. Frei
von jedem menschlichen Verderben — nahm sie die Fülle der Gnaden
in sich au^ Die Inlatio vergleicht Eulalia mit Maria. „Sie gehet zum
Tribunal des blutdürstigen Präses, nicht aufgesucht. Sie wird verhört,
sie bekennt; sie wird getödtet und gekrönt. Und in einem grossen
Wunder nimmt Gottes Majestät den ausgehauchten Geist der Jungfrau,
den er durch die Flamme erlöst, in Gestalt einer Taube zu sich, damit
die Martyrin durch dasselbe Wunderzeichen zum Himmel stiege, durch
welches der Vater seinen Sohn auf Erden gezeigt hatte. Die Elemente
selbst schüzen ihren Leib ; die Beine wird von reinem Schnee bedeckt.
Der Himmel begeht das Leichenbegangniss der Leiche.' — Auch das
siedende Oel und das plözlich erkaltete Blei wird erwähnt.
Prudentius verdient weniger Glauben, wenn er die Eulalia zu Fuss
nach Merida gehen lässt, denn unsere Messe sagt nur: „Während sie
zum Bekeimtnisse gefuhrt wurde, ist keine Furcht des Todes über sie
gekommen, keine Blässe hat ihr Gesicht bedeckt.' — Indem Eulogius
Beispiele anführt zur Vertheidigung der Christen , die sich freiwillig den
Richtern stellen, erwähnt er den Justus und Pastor, und die Eulalia
von Barcelona. Sicher hätte er unsere Eulalia nicht übergegangen, wenn
Die heilige Eulalia von Emerita — (10. Dezember). 369
BIG von freien Stücken in die Stadt gegangen wäre^). Auch das gothi-
sche Orationale — hat ein ähnliches Gebet, dass Gott dieEulalia so un-
erschrocken gemacht habe, dass sie die Verfolgung der ihr nachsezen-
den Gottlosen nicht floh und ihr nicht auswich. Prudentius, der die
beiden Eulalien verwechselt, erzählt etwas Unglaubliches, dass dieselbe
viele Meilen allein mit blutenden Füssen gegangen sey. Wie sollte sie
dann noch am Morgen mit ihren Füssen ein Gözenbild haben zertrüm-
mern können, die doch in der Regel aus Stein oder Metall waren?
Diess könnte wieder eine Verwechslung seyn mit Justa und Rufina von
Sevilla. Auch das Speien in das Gesidit des Tyrannen finden wir nicht
in den Martyrakten und nicht in der mozarabischen Liturgie. Könnte
das nicht ein Anklang an die Victoria von Corduba seyn? Man muss
zweifeln, ob der Richter der Eulalia so nahe kam, dass sie diess ver-
suchen konnte. Ich sehe also keinen Grund, hierin dem Prudentius
Recht zu geben.
Die Taube, die aus dem Munde der Sterbenden gieng, bezeugen
durchaus alle Quellen , und daran zweifeln zu wollen, weil es eine über-
natürliche Erscheinung ist, scheint mir sehr gewagt. Auch Gregor von
Tours bezeugt diess ^). Paul von Emerita erzählt, die Eulalia sei dem
von Leovigild verbannten Erzbischof Masona von Merida in Gestalt einer
sehr weissen Taube erschienen, und habe ihm seine baldige Rückkehr
verheissen*). Dasselbe wird von der Eulalia von Barcelona erzählt. Auch
der heilige Benedictus sah die Seele seiner Schwester in Gestalt einer
weissen Taube zum Himmel steigen.
Die Eulalia von Merida kommt in allen Martyrologien, mit Aus-
nahme des von Beda, vor. Idatius erwähnt sie zweimal in seinem Chro-
niken, das mit dem J. 379 beginnt. Er erzählt zmn J.4299 ^^^ ^^^
König der Sueven Hermigar nicht weit von Emerita, welch^ er zum
Hohne der heiligen Martyrin Eulalia verachtet hatte, nachdem sein Heer
durch Geiserich geschlagen worden, fliehend — „durch den Arm Gottes
in den Fluss Anas gestürzt zu Grunde gieng^^). — In Emerita sodann
starb — 448 der heidnische König der Sueven Rechila , dem sein katho-
hscher Sohn Rechiarius folgte. — Im J. 457 wollte Theodorich, König
der Westgothen, Emerita plündern, wurde aber durch die drohenden
Zeichen der heiligen Eulalia abgeschreckt^). Dasselbe, nur etwas aus-
fuhrlicher, erzählt Isidor von Sevilla^). — Worin die y^Ostenta^ bestan-
den, erfiskhren wir freilich nicht. — Aber wir dürfen desswegen so wenig
*) Memor, Sctar, 1 , 55.
*) Chegor, de.gloria mariyr, 1, 91,
3) Päubts Diac tU vita P. P. Emerüennatm, cap. 14 — bei Florez, 13, 371.
*} Idctiku chronicon <id a, 429,
*) BecUae EulaUae martyri» terretur ostentis, Id, 457.
') Isidor f hUtor, de reg. ChAorum c 32, Sanctae m, StUaUae osUntia perterrttu8f cum
omni protmu» exercUu diteedit, «< Gaäia» r^A't.
Ganui, Span. Kirche« 24
370 Viertes Buch. Eilftes Kapitel.
an derThatsache selbst zweifeln; denn etwas ganz Aehnliehes ereignete
sich einige Jahre früher, als Attila Rom zerstören wollte, aber erschreckt
wurde nicht bloss durch Papst Leo L, sondern, wie er selbst gesagt ha-
ben soll, durch einen, der mit gezücktem Schwerte drohend hinter ihm
stand, durch den Apostel Petrus. Jedenfalls wich Attila plözlich, und
ihm selbst unerwartet zurück, wie Theodorich zurückwich vor Merida.
Gregor von Tours erzählt von Wundem , die am Grabe der Eulalia
geschahen, in ähnlicher Weise, wie es Ado von dem Grabe des heiligen
Torquatus von Acci erzählt^). Drei Bäume stehen vor dem Altar, der
ihre Gebeine bedeckt. Im Dezember sind sie jedes Laubes und jeder
Blüthe beraubt, aber am Morgen des Tages ihrer Opferung treiben sie
Blüthen in Gestalt einer schneeweissen Taube.
Der heilige Fructuosus von Bracara, ein jüngerer Zeitgenosse des
Isidor von Sevilla, machte eine Wallfahrt — „nachEmerita, der hervor-
ragenden Stadt der Provinz Lusitanien, wegen der Sehnsucht nach der
herrlichen Jungfrau Eulalia, damit er dort die heiligen Wünsche seines
Herzens aus der Tiefe seines Herzens ausspräche, damit er in dem An-
gesichte Gottes seine süssen Bitten ausgösse, und von der reichen Güte
des Herrn Jesus Christus die Erhörung derselben erlangte^ ^).
Wie gross die Verehrung gegen die heilige Eulalia war, ersieht man
besonders aus der Schrift des Paulus von Merida: über das Leben d^ Väter
(Bischöfe) vonEmerita. Die Heilige hatte mehrere Kirchen in der Stadt*).
Eine derselben wurde im sechsten Jahrhundert ausgebaut, und mit
Thürmen versehen. Sie hatte einen Propst oder Abt, einen Diakon
oder Erzdiakon. Gesänge erschauten dort zur Nachtzeit Der Abt wohnte
in dem Kloster, das zur Kirche gehört. Hieher zog sich der Bischof
Paul zurück, um zu sterben (um 560). Sein Nachfolger, der Bischof
Fidelis, ^prurde hier begraben (um 571). Auch der gefeierte Bischof
Masona wurde dort begraben (um 606). Ebenso seine Nachfolger Inno-
zenz und Renovatus. Die Kirche lag ausserhalb der Stadt gegen Nor-
den^). — Hier stand die Kirche, als an dem Orte ihres Martyrtodes. —
Die Kirche erhielt sich auch zur Maurenzeit; als Merida wieder an die
Christen fiel, wurde sie eine Pfarrkirche.
In BetrefiP der Reliquien der heiligen Eulalia ist die Unklarheit um
so grösser, je grösser ihr Heldenmuth, ihre Heiligkeit und ihr Ruhm
war. Denn Dörfer tragen heute noch in Spanien ihren 'Namen ^), und
nicht leicht sind die Kirchen und die Klöster zu zählen, die ihren
') Gregor, de gloria martifrum, 1, 91 — de sei, EnlaUa,
*) S. Fruciuosi Bracar. tfita — c. 12 — Florez, 15, 457 — tqfp. 5.
») Florez, 13, 234—38.
*) Paul. Em. cap. 18.
^) Darunter Villa Olalla in der Sierra Mor«na, was das alle Landgut PonciaDo
seyn soll. Aber es ist neunzehn L«g«a« ?on Merida entfernt
Die heilige Eulalia von Emerita — (10. Dezember). 371
Namen tragen und trugen. Oviedo glaubte ihre Gebeine zu besizen. Das-
selbe behauptete Elna, später Perpignan in Frankreich*). — Noch am
Ende des vierzehnten Jahrhunderts meinte man in Merida in deren Besiz
zu seyn. — Gehen wir über die langen und un6rquicklichen Geschich-
ten und Streitigkeiten darüber mit dieser blossen Andeutung hinweg.
Ado und Usuard nennen zum 10. Dezember die Julia, die Beglei-
terin der Eulalia, als Martyrin. Die Spanier vor dieser Zeit wissen
nichts davon. Das römische „Kleine'^ des Ado hat zum 24. Juli die
Worte : Zu Emerita in Spanien — victoris militarü. In der gothischen
Liturgie kommt dieser victor militarü nicht vor, sei es, dass sein Name
Victor war, oder, dass sein Name unbekannt war, und er nur „Sieger^
und „Krieger^ genannt wurde, weil er siegreich als Soldat für Christus
gestorben war. Ado weiss noch mehr von ihm zu sagen : Sein Name
ist Victor, und er ist mit seinen zwei Brüdern Stercatius und Antinoge-
nus nach verschiedenen Martern für den Glauben gestorben. Wörtlich
so hat es Usuard wiederholt. Das römische Martyrologium des Baronius
fügt bei , es sei dieses in der Verfolgung des Diocletien geschehen. Die
Erklärung des Irrthumes ist aber in diesem Falle bei Hieronymus zu
suchen. Dort heisst es: In der Stadt Armenia (Sebaste) das Andenken —
des Victor, des Militaris, der Emerita mit zwei Brüdern u. s. w. — Eme-
rita bedeutet hier nicht die Stadt, sondern den Namen der Person^).
') GalUa ^chtisticma, t 6, c. 1540. Marca Hi^anica,
') In Armenia dvttate — Sabhatiae — muss heissen in der Stadt Sebaste.
24*
Zwölftes Kapitel.
Die Hartyrer nnd Krieger Servandns und Germanus —
werden in der gothischen Liturgie am 23. Oetober gefeiert Bei Hiero-
nymus stehen sie nicht. In dem römischen ^Kleinen^ — lesen wir: ;,In
Spanien, des Servandus und Germanus *^. — Ado fasst die Martyrakten
gut zusammen, indem er sagt: ,,Sie haben nach Schlägen, nach dem
Schmerz des Kerkers, nach peinigendem Hunger und Durst, nach der
Mühsal eines sehr weiten Weges, den sie, mit Ketten belastet, auf Be-
fehl des Präses Viator erduldeten, zulezt den Lauf ihres Martyriums
vollendet, indem sie enthauptet wurden. Von ihnen wurde Germanus
zu Emerita — neben der seUgen Eulalia begraben; Servandus aber
wurde nach Hispalis gebracht, und ist in der Nähe der heiligen Justa
■und Rufina begraben.^ Diess hat Usuard mit Auslassung einiger V7orte
wiederholt. — Auch sie werden von den Spaniern für Söhne des Mar-
cellus ausgegeben. Florez hat ihre Passio, aus alten spanisehen Brevieren
zusammengesezt — gegeben*). Darnach waren sie gross und edel von
Geschlecht; hatten die heilige Taufe erhalten, trieben im Namen Jesu
Teufel aus, und heilten Presthafte. Li der Christen Verfolgung erdulde-
ten sie schwere Qualen. Aber nach der Zeit des Sturmes, und dem
Ruine Vieler wurde der Kirche der Friede wieder gegeben. Den Be-
kennern Servandus und Germanus aber — vnirde die Palme der Blut-
zeugen zu Theil. — Nachdem alle freigelassen wurden, die in Banden,
Peinen, Qualen und in Getängnissen sich be&nden, da wollten diese
Beide dennoch Märtyrer werden. Sie zerstörten also die Gözenbilder
der Heiden, welche die thörichten Menschen für Götter betrachteten,
Florez, 13,307-317. App. 410 -413.
Die Märtyrer und Krieger Serrandus und Germanus. 373
sammt ihren Hainen^ ihren Geb&uden und ihren Altären Töllig, ;,damit
sie den Menschen eines thörichten Sinnes den Irrthum
ihres eitlen Aberglaubens entrissen*^. Darob be&hl, wie na-
türlich, der Richter ihre Wiederergreifung; es folgten Folterqualen, weil
sie jene Göaenbilder, an deren Altären zu opfern sie verschmähet, zer-
trümmert hatten. Der Richter liess eiserne Bande um ihren Hals legen,
und ihre Hände binden. Als der Präses, Namens Viator, welcher Vicar
des PräfectuB (entweder der Legion oder des Prätoriums) war, aus der
Stadt Merida nach der Provinz Mauritanien reiste, befahl er, dass die
Seligen, gebunden mit Ketten, hinter ihm hergeschleppt würden. Sie
litten harte Beschwerden des Weges (zu Fuss) , «ie litten Ketten , Hun-
ger, Durst; aber der Weg war ihnen zur Freude. Zulezt kam man an
ein Grundstück, Namens Ursianus *), das auf dem Territorium von Gades
liegt Dort spi^ch Viator das Urtheil, dass beide enthauptet werden.
Sie wurden auf eine Anhöhe geführt, knieeten nieder, beteten stille, und
brachten Gott ihr Leben zum reinen Opfer dar. (^,0 viel glückliches
gaditanisches Land , das in seinem Schoosse das Blut der seligen Märty-
rer aufnahm.^) Sie litten am 23. October. Die Christen erhoben und
bestattet^i ihre Leiber. Germanus kam nach Merida, und neben der
Eulalia und den übrigen Märtyrern wurde er ehrenvoll bestattet. Der
Leib des Servandus aber wurde auf dem Gottesacker von Sevilla zwi-
schen der Justa und Rufina ehrenvoll begraben, und ruhet dort.
Beachtenswerth ist aus ihrer Festmesse die Oratio, genannt Missa,
in der es u. a. heisst : Wir wollen daher Gott den Herrn in ihrem Lei-
den lobpreisend anrufen, dass er, der durch ihre Thätigkeit^) so viele
Heiligthümer der Gözen zerstörte , auf ihre Fürbitte uns die Vermeh-
rung des Glaubens gestatten wolle. — Eine andere Oration lautet: O
Gott, der du die Leiber deiner Märtyrer, welche den ungetheilten Ruhm
einer Glorie geniessen, in getrennten Orten niedergelegt hast, indem
du den Servandus der gaditanischen Gegend zuweisest, den Germanus
aber den Bürgern von Emerita schenkc^st, verleihe uns in deiner
Gnade etc.
In der Inlatio heisst es nach anderm: Diese hat ein glückliches
Leben unbesiegbar gemacht in der Pein, demüthig in ihrem Gewissen,
erprobt in der Lehre. Sie predigen, dass die Heiligthümer der Gözen-
bilder umgestürzt, und Christus allein, der Sohn Gottes, angebetet wer-
den solle. Nach dem ersten Siege also, den sie errangen ü^er den be-
siegten Feind, werden sie wieder zu Krallen und Foltern, wieder zu
Peinen und Qualen fortgeraffib. Sie haben nicht die Mühe des Weges,
nicht die Enge des Kerkers, nicht die Peinen ihrer ganzen Passion er-
') Ad fundunif nomine Ursianua.
') Es heisst ührum inürucHone.
374 Viertes Buch. Zwölfte» Kapitel.
sehreckt. Sie haben an ihrem heiligen Halse daa schimmetAde Schwert
emp&ngen, und für deinen Namen Gott — muthig ihr Leb^i hin-
gegeben. —
Viator, ein Militär , gieng von Merida nach Tingis; denn in Tingis
war die oberste Militärbehörde, wenigstens für Südspanien ^ für die
Tmppen, welche in Asta, Merida, Italika u. s. w. standen, während
fiir Nordspanien dieselbe ohne Zweifel sich in Leon befand. Dass die
Beiden Soldaten waren, daran ist nicht zu zweifeln; sie wurden gerichtet
nach den Gesezen der Kriegszucht. Das Jahr ihres Todes ist genau
nicht zu bestimmen. — Das Wahrscheinlichere ist aber doch das J.305.
Die beiden Kaiser hatten abgedankt am 1. Mai 805. Nun wurde Con-
stantius Ohlorus Kaiser, und befahl, alle gefangenen Christen frei zu
lassen. Dieses konnte schon im Mai geschehen. — 'Freigelassen zer-
trümmerten die Beiden die Heiligthümer des Heidenthvmes , so lange
man sie gehen liess. — Diess kann jedenfalls nur ganz kurze Zeit ge-
dauert haben. Von Merida wurden sie dann nach Gades gebracht, und
am Eingang in das Territorium dieser Inselstadt enthauptet.
Florez weiss keinen andern Grund, dass Viator nach Gades auf
dem Wege nach Tingis reiste, als weil er dort im Tempel des Herku-
les seine heidnische Andacht verrichten wollte. Die nächste Ueberfahrt
nach Tingis war Gades nicht. Aber die Heerstrasse führte direct von
Merida über Asta nach Gades, und von da konnte man zu Schiffe be-
quemer und schneller nach Tingis gelängen, als auf dem Landwege bis
Belon, Joza Transducta, oder Mellaria. Ich sehe keinen Grund, dass
Herkules, der .tyrische, den Römer Viator sollte nach Gades gezogen
haben. Von jezt an konnte er die beiden Soldaten nicht mehr brauchen,
weil er in Gades zu Schiffe steigen wollte. Er liess sie darum, nach-
dem er sie lange genug gequält hatte, vor Gades enthaupten.
Damals gab es in dem schon zerfallenden Gades sicher waiig Chri-
sten , vielleicht nicht einmal eine Christengemeinde. Darum mochte man
in Gades keinen Werth auf den Besitz der Leiber dieser Märtyrer legen.
Später — war es zu spät, sie zu erhalten. Dennoch wurden die Beiden
Patrone der Stadt und des Bisthumes Gades, und sie werden als solche
heute noch verehrt — In der alten Kathedrale waren ihre BUdsäulen,
und sie stehen auch in der neuen. — Der heilige Fructuosus begab sich
auf seiner mehrfach erwähnten Wallfahrt nach Südspanien auch nach
Gades* An einem Sonntage, während es stürmte und regnete, gieng er
von Sevilla „nach der Insel, welche liegt in dem Gebiete von Gades.
Als viele Bürger dieser Stadt , oder auch der Antistes — ihn zurückhal-
ten wollten, weil es Sonntag, oder nicht gutes Wetter war — so solle
er doch wenigstens bis nach der Messe dort bleiben, so verkündete er
heiteres Wetter ^ das auch eintrat, und bestieg alsbald das Schiffe. —
Die Märtyrer nnd Krieger Servandas and Germanus. 375
Ihr jezt in ganz Spanien gehaltenes Fest gieng wohl von Sevilla
aus. Es ist enthalten in dem Officium, das Sixtus V. im J. 1590 auf
Bitten des Kardinals Castro genehmigte *). Von da wurde es in Cadix
angenommen — 1620. Im J. 1727 — 5. April wurde das Decret der
Ausdehnung des Festes auf ganz Spanien gegeben. In Toledo befand
sich ausserhalb der Mauer ein berühmtes den beiden Märtyrern geweih-
tes Kloster. Merida verehrt sie als seine Patrone (neben Eulalia). Im
J. 1619 nahm sie Cadiz mit einer grossen Feier als seine Patrone an —
ihr Fest ist dort ein^ gebotener Feiertag.
') Florez, 13,314.
Dreizehntes Kapitel.
Der levlte and Märtyrer Vincentias.
Seine Martyrakten sind nicht ursprüngliche Akten der Verhandlun-
gen, weil Dacian, als besiegt, die Aufnahme derselben nicht gestattete;
sie sind aber doch so alt und zuverlässig, dass sie für ächte gelten, und
so betrachtet sie auch Ruinart. — Der Vater des Vinzenz war Euticius
(Eutychius) *) , Sohn des Agressus, eines edlen ßathsherrn (wohl aus
Zaragoza). Seine Mutter war Enola, gebürtig aus der Stadt Osca. Vom
Knabenalter wurde Vincentius zum Studium angehalten. Von dem Bi-
schöfe Valerius von Zaragoza wurde er zum Diakon gewählt. „Und
weil es bekannt ist, dass dieser Bischof von schwerer Zunge war, über-
gab er das Predigtamt dem Vinzenz, und* lebte selbst der Betrachtung
und dem Gebete. Vinzenz aber vertrat oft seine Stelle. Dacian kam,
und Hess Bischöfe und Priester ergreifen. Valerius und sein Archidia-
kon eilten zum Bekenntnisse Christi. Dacian liess sie aber nach Valencia
bringen, durch Gefängniss, Hunger und Ketten sie peinigen, damit er
sie also überwinde. An Händen und am Halse — hatten sie die schwer-
sten Ketten zu tragen, und fühlten durch alle Glieder jezt schon die
Todesqualen. Dacian hoffte, sie seien jezt ermattet durch die Unbilden,
und dadurch, dass sie^so lange von der menschlichen Gesellschaft ge-
trennt gewesen, an Geist und Körper erschöpft. Er fürchtete ihren Tod
vor der Pein, und liess sie jezt aus dem Gefängnisse führen. Er drohte
ihnen, dass er sie auch im Tode nicht schonen werde, wenn sie nicht
den Gözen opferten. Doch erschrack er bei ihrem Anblick, denn sie
waren unversehrt am Leibe und an Kräften, und fragte seine Leute:
Habt ihr ihnen denn reichlicher zu essen und zu trinken gegeben? Aber
') Wie bei Hesychius, Esitius.
Der Leyite tind Märtyrer Vincentias. S77
Gk>tt hatte sie ernährt. Dann sprach er zum Bischöfe: Was treibst da
denn, Valerius? Was thust du gegen die Fürsten unter dem Vorwand
der Religion? Weisst du nicht, dass die ihr Leben auf das Spiel sezen,
welche die königlichen Gebote verachten. Folge also dem, was dir ge-
boten wird, deinem Beispiele werden leichter die Untern nachgeb^i.
Aber auch du Vincentius, höre zu. deinem Frommen auf mane Worte,
denn dich schmückt ein adeliges Geschlecht, und die Zier der lieblich-
sten Jugend. Sprechet laut euren Entschluss aus, damit ihr entweder
mit Ehren überhäuft, oder den schrecklichsten Qualen unterworfen
werdet.
Als der Bisehof schwieg: „denn er war von wunderbarer Einfalt
und Unschuld, zwar gebildet in der Wissenschaft, aber von schwerer
Zunge, so sprach Vinzenz: Wenn du willst, Vater, so will ich den
Richter mit einer Antwort angreifen. Valerius: „Schon lange habe ich
dir, geliebtester Sohn, den Dienst des göttlichen Wortes anvertraut.
Aber auch jezt überlasse ich dir die Antwort für den Glauben, für
welchen wir hier stehen^. Voll des heiligen Geistes sprach nun Vin-
centius, dass sie mit Freuden für die Wahrheit in den Tod gehen. Es
möge das in den Qualen absterbende Fleisch der teuflischen Grausam-
keit zum Opfer fallen, wenn nur der innere Mensch unversehrt den
Glauben seinem Schöpfer bewahre. Der Präses sprach: Schafft diesen
Bischoffort, denn es ist gerecht, dass er die Verbannung dulde, weil
er das kaiserliche Edikt verachtet hat. — Diesen Rebellen aber, der zur
öflientlichen Schmach geworden, übergebet schweren Feinen. Bringt
ihn auf die Folter: ziehet seine Glieder auseinander, und Verzerret sei-
nen ganzen Körper. Als diess geschah, sprach Datian: Was sagst du
nun, Vincentius, wo siehst du jezt deinen elenden Leib? Gestärkt von
Gottes Gegenwart, antwortete dieser mit heiterer Miene : das ist es, was
ich immer gewünscht, das ist es, womach ich mit meiner Sehnsucht begehrt
habe. Niemand ist mir befreundeter. Niemand näher (als du). Du aber
kommst meinen innigsten Wünschen am meisten entgegen. Siehe, schon
werde ich zur Höhe erhoben, und höher, als die Welt, veracht' ich
deine Fürsten. Ich will nicht, dass du meine Glorie minderst, und
meinem Ruhme Eintrag thuest. Bereit ist der Knecht Gottes, alles für
den Namen seines Erlösers zu erdulden. Erhebe dich also, und lass
den Geist deiner ganzen Bosheit walten. Vor Zorn schrie Dacian,^ und
mit Geissein und Stricken schlug er auf seine Henker* Vincentius
sprach: Was sagst du, Dacian? Siehe schon werde ich gerächt an dei-
nen Schergen, eine Rache in der Pein hast du mir selbst bereitet. —
Besiegt mussten die Henker ablassen. Dacian rief den Soldaten zu:
Was thuet ihr? Ich kenne eure Hände nicht mehr. Hartnäckige Mörder
habt ihr oft besiegt, das tiefe Schweigen der Eltemmörder und Zauberer
habt ihr gebrochen. Aber sammelt wieder euere Kräfte. Tiefer soll das
Eisen in sein Inneres dringen, und Seu&en, nicht Hohn soll aus ihm
378 Viertes Back. Dreizehntes Kapitel.
mederionen. Läebelnd sprach Vincentius; das ist es wohl, was ge-
schrieben steht, dass sie sehend nicht sehen , und ^örend nicht verstehen
Yrerden. Denn Christas den Herrn bekenne ich, den Sohn des höchsten
Vaters, den Eingeborenen des Einzigen, ihn mit dem Vater nnd dem
heiligen Geiste, bekenne ich als einzigen und wahren Gott. Weil ich.
bekenne, was wahr ist, sagst du, dass ich leugne. Quälen musst du
mich vielmdnr, wenn ich lüge, wenn ich deine Fürsten Götter nenne.
Aber quäle mich länger, der ich bekenne, und — ich bitte dich, höre
nicht auf, mich zu peinigen; damit du mit deinem ob auch sacrilegischen
Geiste die erprobte Wahrheit ahnen, und mich als ihren unbesiegbaren
Bekenner erproben mögest. — Ich opfere dem einen und lebendigen
Gotte , der gepriesen ist in Ewigkeit.
Schon floss das Blut nicht bloss von der Seite, sondern aus allen
Theilen des Leibes. Offen lagen die innersten Eingeweide, getrennt
waren die Sehnen von den Gelenken. Dacian konnte nun den Seinen
nicht mehr zürnen; aber dass er besieget wurde, darüber wunderte er
sich selbst. Er sprach: Habe Mitleid mit dir, Vincentius. Dieser ant-
wortet: O giftige Zunge des Teufels, was solltest du gegen mich nicht
thun, der du unsern Herrn und Gott versuchen wolltest? Ich fürchte
nicht die Qualen deines Zornes. Diess vielmehr befürchte ich, dass du
Mitleid heuchelst. Alle Feinen vielmehr mögen an die Reihe kommen,
und was du mit deinen bösen Künsten und deiner Bosheit vermagst, das
wende an. Denn du sollst den unter dem bittersten Gifte süssen Glau-
ben und die Standhaftigkeit des christlichen Geistes erfahren. Denn der
giebt die ausdauernde Stärcke, welcher zu den Seinen spricht: Fürchtet die-
jenigen nicht, welche den Leib tödten, der Seele nichts anhaben können.
Mindere also nichts an deinen Qualen, damit du bekennen müssest, in
allem besiegt zu seyn.
Dacian sprach : Dieser werde zu der gesezlicben Untersuchung über-
geben, und solle grössere Qualen dulden, und wenn sein Leben so
lange ausdauert, so mögen unter den Feinen seine Glieder erliegen.
Besiegen kann mich dieser nicht, so lange er lebt. Vincentius: O ich
Glücklicher ! diese deine Drohungen sind mir zum Lobe und zum Ruhme,
dein härterer Schrecken ist meine höhere Beseligung. Je schwerer du
also zu zürnen glaubst, um so mehr erbarmest du dich (meiner). Jezt
wurde der Levite Vincentius von der Folter genommen, und, zum
Feuergalgen geschleppt, eilte er seinen Henkern beinahe voran. Das
Bett mit den eisernen Rippen wurde gebracht , und über glühende Kohlen
sollte der Märtyrer gelegt werden. Freiwillig bestieg er den glühenden
Rost; er wird gequält, gegeisselt, verbrannt, und mit ausgerenkten
Gliedern wächst er zur Pein. Auf Brust und Glieder werden glühende
Bleche gedrückt, es flieisst das geschmolzene Blei auf den glühenden
Rost, die knirschende Flamme wh'd mit Fett begossen, Wunden werden
den Wunden geschlagen. Salzkömchen, im Feuer knirschend, bedecken
Der Levite mid Märtyrer Vlnceiitiafl. 379
seine GUeder; die Feinen enreidben nicht bloss die Glieder, ^sonderb dds
innerste Leben. Kein Tbeil des Köi^pers ist mehr ohne Wunden. Un-
bewegt bleibt der Knecht Gottes, und mit zum Himmel geriehteton
Augen betete er zu Gott.
Dacian fragt seine Soldaten, was Vincentius thue, was er sage? Sid
antworteten: mit heiterer Miene, mit starkem Geiste sei er dureb alla
Qualen hindurchgegang^i; und hartnäckiger als von Anfang sei er im
Bekenntnisse Christi. Wir sind besiegt, sprach Daoian. Noch ist übrig
eine Pein; der Geist, der nicht zu zähmen ist, soll gestraft werden.
Suchet einen dunkeln Ort, von jedem Lichte fem. Dorthin bringet
scharfe Scherben, darauf leget seinen Leib. Es werden seine Beine
ausgerenkt und auseinander gerissen, seine Füsse in das Holz gespannt:
damit nach zerrissenen Gliedern der Rebelle gegen die Fürsten aus-
hauche. Dann lasset ihn allein in seiner Finsterniss. Verschlossen seien
alle Zugänge» Nur meldet es, wenn er a*schöpft ist. So gesdiah es.
Als aber die müden Henker eingeschlafen,, — siehe — da nimmt die
Nacht jenes Kerkers das ewige Licht auf, es brennen Kerzen ^ strahlen-
der als der Glanz der Sonne, der Block fällt von den Füssen, die har-
ten Scherben werden süsse und weiche Blumen vojl des Wohlgeruches,
wodurch der unbesiegte Streiter Christi gestärkt, Psalmen und Hymnen
Gott singend, fröhlich auQubelt. Seine schreckliche Einsamkeit wird
erquickt durch die Menge der Engel ; umwallt von ihrer dichten Schaar,
wurde der herrliche Märtyrer durch ihren ehrfurchtsvollen Dienst ge-
pflegt, durch ihre Ansprache erquickt. Erkenne es, sprechen sie, unbe-
siegter Vincentius, für welchen Namen du treu gestritten hast, er selbst
bewahret die dir zubereitete Krone im Himmel, der dich zum Sieger
gemacht hat in den Peinen. Sei .darum sicher deines Preises, denn bald
wirst du ablegen die Last des Fleisches, und in unsere Reihen eintreten.
Es erscholl der Preis des Herrn, und die lieblichen Stimmen der Engel
hallen in die Feme. Verwirrt erwachen plözlich die Wächter., Ver-
schlossen ist die Thüre, und durch die Ri^en hineinblickend sehen sie
Diener Gottes mit der Schönheit der Gestirne glänzen, die finstere
Höhle strahlen von einem unendlichen Lichte, die spizigen Scherben
überall blühen, den heiligen Märtyrer Gottes, gelöst von allen Banden,
wandeln und singen. — Das ergriff die Wächter; sie wurden Christen,
und begehrten nun dem zu dienen, an dessen Ermordung sie vorher
gearbeitet hatten. Es war auch die benaohbarte Menge der Gläubigen
gekonamen, trauernd, jezt aber der Freude voll; fürchtet euch mcht, rief
Vincentius, und wollet das Lob Gottes nicht geringschäzen ; eilend
strömt herein, und schöpfet sicher den Trost der Engel. Wo ihr Fin-
sterniss zurückliesset, da freuet euch über das Licht. — Gelöset sind die
Bande, gewachsen sind die Kräfte, weiche Decken haben den Körper
erquickt. Wundert euch vielmehr, und bekennet mit aufrichtigem Lobe
Christum, der in seinen Knechten stets Si^er ist. — Man melde ea
380 Viertes Bach. Dreizehntes Kapitel.
also dem Dacian, welches Licht ich geniesse. Er möge noch thun an
mir, was er rermag. Nur sein Mitleid fürchte ich, nnr — dass er sich
den Sdiein geben wolle, zu vergeben.
Da er diess hörte, sprach Dacian: Was sollen wir noch weiter
thun? Wir sind besiegt Es werde darum sein Leib gebracht in ein
Bett und mit weichem Decken gepflegt Denn ich will ihn nicht noch
ruhmreicher machen , wenn er unter Qualen ermattet Die einen Augen-
blick gewährte Buhe möge die von den Qualen aufgeriebenen Glieder
erquicken; — dann soll er, selbst erneuert, neuen und ausgesuchten
Qualen übergeben werden. Während aber Dacian in eitlem Wahne
Feinen vorbereitete, entscheidet Christus gnadenvoll über den Preis.
Denn als der Märtyrer Gottes in das Bett gebracht, und von frommen
Händen der Heiligen in weichen Hüllen niedergelegt worden, so fiel
er alsbald einem kostbaren Tod anheim, und übergab dem Himmel
seinen Geist. Man konnte sehen, wie die Schaaren der Umstehenden
die Fersen des Heiligen wetteifernd küssten, die Wunden des ganzen
zerfleischten Körpers mit frommer Neugierde berührten, das Blut in
ihren Leintüchern auffiengen, damit es in heiliger Verehrung auf die
Nachkommen gelange.
Auf die Kunde seines Todes sprach Dacian : Konnte ich den Leben-
den nicht besiegen, so will ich den Todten strafen. Mit dem entseelten
Körper ist kein Kampf. Werfet ih^i auf das freie Feld, damit er von
wilden Thieren und Vögeln verzehret werde; damit nicht die Christen
seine Reliquien nehmen, und sich rühmen, einen Märtyrer zu besizen.
Es geschieht; aber wieder wachen und dienen Engel um seinen Leib.
Ein Rabe , ein träger langsamer Vogel, sass nicht ferne, schien zu trauern,
vertrieb die sich nahenden Vögel, und als plözlich ein gräulicher Wolf
in schnellem Laufe kam, trieb er ihn vom Körper hinweg. Mit rück^
wärts gewendetem Halse schaute dieser staunend nach dem heiligen
Leib, und — wie wir glauben, wunderte er sich über die Wächter,
die Engel. Was einst mit Elias und dem Raben geschehen, das ge-
schah jezt wieder mit Vincentius. Erschreckt sprach Dacian , ich fürchte,
dass ich auch den Todten nicht besiegen werde. Aber er werde in's
- Meer versenkt Der Leib werde in den Sack eines Eltemmörders ein-
genäht, und weit hinaus in's Meer gebracht, damit Fische und Bestien
des Meeres ihn verzehren; und durch einen Mühlstein an seinem Halse
werde er in die Tiefe versenkt. Ein gewisser Eumorphius, ein Mensch
von gemeinem Sinne und verruchtem Herzen, sammelte aus der Stadt
Matrosen, bestieg mit ihnen das Schiff, und fuhr weit hinaus in*s Meer.
Als schon die Spizen der Berge ihren Augen entschwunden waren,
warfen sie ilm mitten in das Meer. In wilder Freude meldeten sie es
dem Dacian, damit sie die ersten Boten wären. Aber der Leib des
Heiligen- war ihnen schon zuvorgekommen, und an's Ufer getragen
worden«
Der Levite und Märtyrer Vinoentius. 381
Der Märtyrer erschien in der Verzückung einem Manne , und zeigte
ihm den Ort, wo sein Körper liege. Da dieser zögerte, hinzugehen,
so wurde eine Wittwe im Schlafe ermahnt (Namens Jonica), voll des
Alters und der Heiligkeit, an welchem Orte am Sande des Meeres der
Leib des Heiligen sei. Diese Vision theilte sie insgeheim mehreren
Christen mit, und mahnte sie, an den Ort zu gehen. Sie kamen dahin.
Bald fanden sie den Leib des seligen Vincentius am Strand des Meeres,
den die Wunder Gottes auf der Erde und in dem Meere verherrlicht
hatten. Da sie ihn wegen der Wuth der Heiden nicht geziemend be-
statten konnten , brachten sie ihn in ein kleines Kirchlein zur Beerdigung.
Als aber die Verfolgung nachliess, und die Verehrung der Gläubigen
wuchs, wurde der seligste Märtyrer von dort erhoben, und unter dem
heiligen Altare ausserhalb der Stadt Valencia niedergelegt, wo auf seine
Verdienste die Wohlthaten Gottes gewährt werden.
Der berühmte Hymnus (5) des Prudentius — auf den Leviten Vin-
centius T- schliesst sich genau an diese Akten an, so dass man siehet,
sie haben dem Prudentius vorgelegen; denn, er hat nur eine poä'tische
Umschreibung derselben gegeben, und Differenzen, wie bei dem Hymnus
auf Eulalia, werden hier vergebens gesucht. Gesucht und unwahrschein-
lich ist, dass Dacian den Leviten nach den heiligen Büchern der Chri-
sten gefragt; denn in Valencia war wohl kein Bischof , und der gefangen
gehaltene Vincentius konnte von Valencia nichts wissen. Unrichtig ist,
wenn Prudentius nur von einem einzigen Wächter des Leviten weisö.
Dass Dacian vor Zorn geweint habe, ist sehr unwahrscheinlich. Auch
sagen die Akten nicht, dass einzelne Gläubige das Blut des Vincentius
gesaugt haben. — Zur Zeit des Prudentius wurde das Grab des Heiligen
schon von allem Volke besucht.
Alle Märtyrer Spaniens überstrahlet der Levite Vincentius, neben
Stephanus und Laurentius der dritte der Diakone, dessen Ruhm die
ganze christliche Welt erfüllt, und der in der Litanei zu allen Heiligen
von der ganzen Kirche ohne Unterlass angerufen wird. Er ist wahr-
haft, wie Laurentius, ein Liebling der christlichen Völker geworden.
Wir haben von Augustin vier Lobreden, die er zu seiner Ehre hielt;
aus denselben geht hervor, dass ihm die obigen Martyrakten be-
kannt waren. Nach seinem Zeugnisse wurde schon damals, hundert
Jahre nach seinem Martyrium, sein Fest auf dem ganzen Erdkreise
gefeiert *). Li den Kirchenkalendem der Griechen wie der Lateiner
stehet sein Fest am 22. Januar. Ihn feiert Paulinus von Nola ^).
Gregor von Tours spricht im 3. Buche der Geschichte der Franken von
der Tunika des Märtyrers, imd in dem (1.) Buche „von dem Ruhme
») Äug, ö, 276.
*) Paulinus N. c. 19 et 30.
382 Viertes Buch. Dreizehntes Kap. Der Levite u. Märtyrer Vineentius.
der Märtyrer spricht er von seinen Wundem, und den ihm geweihten
{[irchen *). — Ihn feiert Venantius Fortun^tufi ^).
Wer möchte die Kirchen und die Klöster zählen/ die in allen Län-
dern seinen Namen trugen und tragen, vom heiligen Vorgebirge an,
das von dem dort errichteten Kloster^ welcl^es eine Zeit lang in dem
Besize seiner Reliquien zu seyn sich rühmte — den Namen Cap San
Vincent erhalten, bis zu den fernen Ländern des Ostens? Die Kirche
des Vineentius war im sechsten und siebenten Jahrhundert eine der
prächtigsten in Sevilla. — In Frankreich allein gab es im siebenzehnten
Jahrhundert vier Kathedralen, die seinen Namen trugen: die von ChÄ-
lons an d^ Saöne, von Ma9on, von Viviers, von Set. Malo in der
Bretagne. Das weltberühmte Kloster Set Germain des Pr^s trug früher
diesen Namen. — Als die Frankenkönige Childebert und Chlotar Sara-
gossa belagerten, riefen die Einwohner dieser Stadt mit grossem Eifer
den heiligen Vineentius an, und trugen im Angesichte der Franken
seine Stola auf den Mauern herum. Childebert, dadurch ergriffen, ver-
sprach, von der Stadt zu weichen, wenn ihm der Bischof der Stadt,
Johannes, die Stola des Heiligen gäbe (537). Der Bischof gab sie ihm.
Als Childebert nach Paris ziurückgekehrt war, baute er eine prächtige
Kirdbie zu Ehren des heiligen Vineentius [um 542] ^). Die Kirche war
in Form eines Kreuzes gebaut, hatte Marmorsäulen. Innen sah man
Gemälde auf Goldgrund; das Dach war mit vergoldeten Knpferplatten
bedeckt Bischof Germanus gründete an der Kirche ein Kloster. Die
Kirche selbst wurde im J. 558 geweiht, und zugleich die Exequien für
den König Childebert gehalten. Set. Germanus (f 576) wurde in einer
Kapelle der Vinzenzkirche begraben; im J. 754 wurde sein Leib in die
Kirche selbst übertragen, welche allmälig den Namen Set Gecmain
erhielt
') De Gloria martyrum c. 90.
«) VenanU Fort 1,8.9,
*) Florez-Risco, 80,127—29.
Yierzehntes Kapitel,
Die Märtyrer Spaniens — im Allgemeinen.
Das christliche Spanien — hat Gott für viele Gnaden zu danken^
welche ihm vor andern Völkern, oder -wenigstens in höherm Masse, als
diesen , zu Theil geworden sind. Die Erstlinge der Gläubigen aus diesem
Volke reichen hinauf in die ersten Jahre der apostolischen Thätigkeit.
— Abgesehen von Rom und Italien, ist Spanien das einzige Land im
Abendlande und in Afrika, welches die Füsse eines Apostels betreten
haben. Durch es ssog, am Abende seines Lebens, der grosse Völkeiv
lehrer Paulus. Gesendet von den beiden Fürsten der Apostel lenkten
die sieben Apostelschülel* ihren Lauf und ihre Schritte in die Mitte dieses
Landes, und Cemden an getrennten Orten in Spanien ihr gemeinsamee
Grab. — Still und unbeachtet von der Welt sprosste und blühte die
junge Saat des Evangeliums in Spanien dem Siege und dem Himmel
entgegen.
Als der grosse Sturm der Verfolgung durch die Kirche zog, so
fand er feste Säulen des Glaubens in Spanien, die sich vor ihm nicht
beugten. Ungebrochen im Geiste gaben sie ihr Leben für den Herrn.
Aus allen Ständen und Klassen der Gesellschaft giengen diese Blut-
zeugen hervor. Den Reigen der Kämpfer eröfihet der liebliche Martyr-
bischof Fructuosus, der Greis; und wetteifernd mit ihm, eilten die bei-
den Eoiaben Justns und Pastor, die Krone der Sieger zu erlangen.
Werden unter den Blutzeugen Spaniels in jener ersten Zeit auch keine
Priester genannt, so erlangten doch in spätem Jahrhunderten, beson-
ders im neunten Jahrhunderte zu Cordova, zahlreiche Priester den Sie-
geskranz, allen voran der Priester Eulogius, erwählter Erzbischof von
Toledo. Werden in diesen Zeiten auch keine Priester als Märtyrer
384 Viertes Bach. Vierzehntes Kapitel.
genannt *) , so haben doch Priester Märtyrer erzogen (wie Donatus die
Jung&au Eulalia von Merida). Aber zahbreich vertreten unter der Schaar
der Märtyrer ist der — wenig zahlreiche — Stand der Diakonen. Eulo-
gius und Augurius stiegen mit ihrem Bischöfe Fructuosus zum Himmel.
Drei Tage nach dem Bischöfe, dem Papste Xystus, folgte der ;,Levite
Laurentius^. Auf alle folgte, alle überragte Yincentius, den Saragossa,
den Valencia, den Spanien, den Frankreich, den Rom und Italien, den
der ganze christliche Erdkreis den „seinigen^ nennt. Er ist ein Lieb-
ling aller Völker, und verdient es zu seyn. — Zahlreich in den Keihen
der Märtyrer Spaniens sind die Krieger, und die Jungfrauen. Jene
sind durch sechs Helden vertreten: Marcellus, Cassianus, Emeterius und
Chelidonius, Germanusund Servandus; vielleicht, dass auch die „drei
Kronen^ von Corduba Krieger waren. Am meisten aber tritt der Stand
der Jungfrauen hervor unter den Blutzeugen Spaniens. Ihnen dürfen
wir auch die Bekennerin Leocadia beizählen.
Es war eine Zeit der Kämpfe und der Ge&hren, aber auch eine
Zeit der Siege und endlosen Segens für Spanien, der Sturm dieser Ver-
folgung, welcher Spanien und dem Himmel die Schaar dieser Märtyrer
schenkte. Ein süsses, ein heiliges Band der Liebe knüpfte das christ-
liche Spanien aller Jahrhunderte an diese Erstlinge seiner Heiligen und
seiner Blutzeugen. Die Liebe zu ihnen senkte sich tief in das Herz des
Volkes. An ihrem Beispiele, an ihrem Vorbilde, an ihren Kämpfen
und Siegen erhoben sich die Hunderttausende; und wie über den Grä-
bern und zu Ehren dieser Heiligen sich prächtige Tempel schon im
vierten Jahrhunderte erhoben, so erbaute sich der geistige Tempel des
christlichen Spaniens für und für an den ruhmreichen Helden seines
Blüthenalters.
Die Völker leben nicht von der Erde, nicht von der Fruchtbarkeit
und dem Ueberflusse ihres Landes leben sie. Sie leben aus dem Geiste
und seiner Kraft; sie leben a\is Gott, soweit sie gottgefällig leben, imd
sie leben aus dem . gottgesehafFenen und gottverbundenen Leben ihrer
Väter und Vorfahren. Ein Volk, das keine Geschichte seiner Vergan-
genheit hat oder diese Geschichte verachtet, wirft seinen angestammten
Adel von sich. Noch hatte Spanien selbst keine Märtyrer (mit Aus-
nahme des Fructuosus und seiner Gefährten); aber Eulalia von Merida
las stets die Leidensgeschichte des Märtyrers Tyrsus. An ihr und aus
ihr schöpfte sie das Verlangen und die Kraft, selbst zu sterben für den
Glauben. Die Spanier der spätem Zeit erhoben und ermannten sich
an der Geschichte der Passio der heiligen Eulalia, und ihrer Gefährten
im Martyrthum jener Zeit , sie ermannten sich , wenn nicht zu dem Mar-
tyrtode, doch zu dem treuen und standhaftien Bekenntnisse des christ-
lichen Glaubens.
>) Vielleicht war Crispinas von Astigi — Presbyter.
Die Märtyrer Spaniens — im Allgemeinen. 385
Wör möchte auch nur von Feme ahnen, wie viel Gnaden und
Segnungen das christliche Spanien seinen Heiligen , und besonders diesen
Blutzeugen zu verdanken habe, welche so eben an unsern bewundern-
den Blicken vorübergegangen sind? Der geistige Wechselverkehr der
Himmlischen mit, den Irdischen entziehet sich unserm geistigen Auge.
Aber wir vermuthen, wir ahnen ;; wir freuen uns dieses Wechselver-
kehres — des Bittens und Fürbittens, des Verlangens und Erlangens.
In allen Jahren und Jahrhunderten, in, allen Stürmen der Yerfolgung^i,
die Spanien heimgesucht haben, hat sich das gläubige Volk der mäch-
tigen Fürbitte seiner Heiligen und Märtyrer getröstet, und es ist nicht
getäuscht worden. Als Papst Gregor XVI. am 22. Februar 1842 das
spanische Jubiläum ausschrieb, hat er diesem frommen Glauben einen
beredten Ausdruck in den Worten gegeben: „Mögen sie (die Katholiken)
alle sich ftissfällig wenden an die jungfräuliche Gottesgebärerin, der
Kirche mächtigste Helferin, der Christenheit liebreichste Mutter, und Spa-
niens treueste Beschüzerin. Mögen sie überdiess die Fürbitte des Fürsten
der Apostel — , mögen sie die Fürbitte der Himmlischen aller anrufen,
zumal derer, welche Spanien so sehr verherrlicht haben durch Tugend,
Heiligkeit und Wunder. '^
Wir haben es oft gehört und gesagt, dass die Gnade die angebome
oder anerschafifene Natur nicht aufhebe. Die spanischen Heiligen sind
grosse Heilige, aber sie sind und bleiben Spanier. Die spanischen Mär-
tyrer stehen hinter den Blutzeugen keines Volkes und Landes zurück,
aber sie sind und bleiben als Märtyrer — Spanier. Wir wollen diess
nicht loben; aber woher hätten wir ein Recht, es zu tadeln? Sie haben
die Palme des Sieges erreicht; und dabei ist es gleichgiltig, ob sie ihre
Peiniger mit scharfen Worten anredeten, die Gözenbilder zertrümmerten,
oder selbst ihren Richtern in das Angesicht spieen. — Es war diess
kein Troz, keine Selbstüberschäzung, kein Zorn, es war die angebome
Natur ihres Volkes. Wären sie den Feinen unterlegen, dann hätten
wir ein Recht, sie zu tadeln. Nun sie aber als Sieger hervorgiengen
aus dem Kampfe , wäre jeder Tadel ihrer Haltung, milde es ausgedrückt,
Engherzigkeit oder* Unverstand.
Diese natürlichen Aeusserungen , welche jedenfalls Nebensache sind,
kommen, weil sie als Eigenthümlichkeiten des spanischen Nationair
Charakters erscheinen, auch sonst und auch in früher Zeit bei Spaniern
vor, wejun sie den Tod erlitten. Schon zur vorchristlichen Zeit sah
man gekreuzigte Sclaven, wie sie ihre Peiniger vom Ejreuze herab ver-
lachten und höhnten. Zur Zeit des cantabrischen Krieges unter Au-
gustus — sangen gekreuzigte Spanier mit aller Kraft am Kreuze (wie
kürzlich noch, am 8. Dezember 1861, Josef Borges mit seinen Gefährten
sein eigenes Sterbelied sang). „Als das von Natur trozige imd wilde
Volk,^ sagt ihr Landsmann Orosius, „die Unmöglichkeit des Wider-
standes sah, entschloss es sich aus Hass der Sclaverei zu dem freiwilligen
Garns, fpan. Kirche, 25
386 Viertes Bach. Vierzehntes Kap. Die Märtyrer Spaniens — im Allgemeinen.
Tode. Denn wetteifernd tödteten sich beinahe alle durch Feuer, Schwert,
und Gift*).* — In unvergänglichem Andenken ist der Todesmuth der
Bewohner des alten Numantia und des alten Calagurris. Der für sein
Leben zitternde Kaiser Augustus glaubte sein Leben keinem sichereren
Schuze anvertraueti zu können, als einer Leibwache von Spaniern, der
sogenannten Gehörte der Calagurritaner. Was in der alten Zeit ge-
schah, das hat sich in unserm Jahrhunderte erneuert und wiederholtj
z. B. in Gerona, Saragossa, Valencia, Madrid, und an zahlreichen Orten.
Wenn heute ein zweiter Napoleon I. wieder Spanien überfallen würde,
dürfte er desselben Empfanges, das ist desselben Widerstandes bis zum
Tode, gewärtig seyn.
») Oros. kistor, 6, 21,
Fünfzehntes Kapitel.
Die Inschriften — lieine Quelle für die Geschichte der ersten
Jahrhunderte der Kirche Spaniens.
Wir haben im Verlaufe dieser Darstellung schon wiederholt Ge-
legenheit gehabt, uns zu überzeugen , dass ein ungebändigter und unge-
zügelter Local- Patriotismus die grössten Störungen und Verheerungen
auf dem Gebiete der spanischen Karchengeschichte hervorgerufen habe *).
— Von all' den Inschriften, welche herumgetragen, und Jahrhunderte
lang als Quellen für die spanische Kirchengeschichte benüzt wurden,
ist nicht eine unzweifelhaft acht. Wir wollen diess nur an den allbe^
kannten Inschriften nachweisen.
Allbekannt ist die angeblich aus der Zeit des Kaisers Nero stam-
mende Inschrift, welche zuerst Aldus Manutius im J. 1671 veröffent-
lichte, welcher sodann Baronius durch Aufnahme in — seine ^^Annalen^
die weiteste Verbreitung^ gegeben hat^), und welche lautet:
Neroni Claudio
Caesari Äug,
Pont. Max, ob
Provinciam La
tronibua et kia
Qfä novam Oe
neri Humano
SupentUUmem
Inctde(ä>ant
PurgcOam.
') Siehe 8.179-^183; 346—350.
*) Annakg Baron, 69 ^ nr, 46. — Akku Man,, poMt »ckoUa in eommemlar, Caetaria in
degcnpL provinciae Hispaniae ex rtMs pagi Maramesar (dieser Ort findet sich
nicht bei Madoz).
25»
388 Viertes Buch. Ffinfzehntes Kapitel.
Das ist: Dem Claudius Nero Cäsar Augustus, dem obersten Priester,
zum Danke der Befreiung der Provinz von den Räubern, und von den-
jenigen, welche dem menseUiehen Geschlechte einen neuen Aberglauben
aufdrängen wollten*). Diese Inschrift trägt alle Spuren der Unächtheit
auf der Stirne. Aber „der Schmied*' oder „die Schmiede*' derselben
glaubten dadurch ihr Vaterland zu verherrlichen, wenn sie auf Stein
oder Marmor nachwiesen , dass das Christenthum schon unter dem Elaiser
Nero in Spanien verbreitet gewesen, und dass Spanien schon damals
Märtyrer gehabt habe. — Ich will gänzlich von den innern Grün-
den absehen, welche gegen die Aechtheit dieser Inschrift sprechen; die
äussern Gründe genügen, sie zurückzuweisen. — Scaliger*), Gisbert
Cuper, Joh. Casp. Hagenbuch bestritten im vorigen Jahrhundert die
Aechtheit der Inschrift. Joh. E. Imm. VV"alch vertheidigte sie wieder-
holt 3). — J. Gruter und Grävius *) theilten dieselbe Inschrift in ver-
änderter Form mit (u. a. Caü statt Caes). Sie berichten, dass sich die-
selbe in einem Weiler von Lusitanien, Namens Marquesia, befinde.
Das scheint mit A. Morales zu stimmen, der die Inschrift auf die be-
rühmte, theilweise noch erhaltene Silberstrasse [Camino de la Plata,
den M. Willkomm vor zwölf Jahren begangen und beschrieben hat *)],
zwischen Merida und Salamanca verlegt. Diese Strasse läuft innerhalb
des heutigen Spaniens; aber ich finde weder einen Ort Marquesia noch
Maramesar in Spanien.
Sehr verdächtig ist ferner, dass Andere diese Inschrift nach der
alten Stadt Clunia, nördlich vom Duero -Flusse, dem heutigen Corunna
del Conde, verlegten. — Verdächtig ist es an sich, und auch dess-
wegen, weil die zweite angebliche Inschrift über die Christenverfolgung
unter Diodetian gleichfalls in Clunia entdeckt seyn will. „Thatsache ist,^^
sagt der gewissenhafte H. Florez, „dass weder Morales, noch irgendein
anderer Spanier, welche über dieselbe geschrieben, die Inschrift gesehen
haben. In der lezten Inschriftensammlung von Muratori wird sie unter
die unächten gesezt^).** Da indess Pagi behauptete, dass die Inschrift
») SaccarelUy Bist, eccles, U 1 (1771) An, 47,
*) ScaUffCTf de emendat. temp, l. V, p. 471.
') Walch, Marmor Hispaniat antiquum vexationis christianor, Neronianae insiffne docu-
mentum illustratum, Jenae 1750 , in 4^. — PeraecuHonis christianorum Neronianae in
Hiapania ex antiquis monumentia probandae uberior eocplanatio, Jenae, 1753. 4. —
Siehe G. B. Winer, Handbuch der theologischen Literatur, 1838, S. 591.
^ Inecriptiones anHguae totiua orhis romani, in abeohUssimum corptu redactae a Jano
Crrutero, Amstehdami, 1707, 4 vol.
*) M. Willkomm y Wanderangen, 2,328. »Die a^te Via mlitaris (hinter Segovia
nach Salamanca) ist ziemlich breit, und mag vor 2000 Jahren ganz vortrefflich
gewesen seyn. — Sie steigt in vielen Zickzacks zwischen Felsenmassen bis
zn dem Kamme der Bergkette empor.
•) Florez, Bsp, «. 3, 153, Pagi, Criüca, 64^ nr, 4,
Die Inschriften — keine Quelle für die Geschichte etc. 389
sich in Pisuerga befinde , welches kein Ort, sondern ein Nebenfluss des
Duero ist, so begab sich Florez im J. 1746 nach dem Orte Herrera de
Bio Pisnerga, wo Ruinen gezeigt wurden, und fand nichts. Cajetan
Cenni behauptet unbegründeter Weise, dass der nachmalige Kaiser Galba
diese Inschrift sezte*). — Trozdem ist Florez geneigt, die Aechtheit
der Inschrift anzunehmen, und bedient sich der sogenannten Gründe
der Wahrscheinlichkeit, die für uns kein Gewicht haben, da Niemand
die Inschrift selbst gesehen, und Niemand den Ort angiebt, wo sie ge-
funden wurde. — Masdeu ^) verlegt die Inschrift in die Gegend des
Flusses Pisuerga, und yermisst sich, alle Zweifel an der Aechtheit der-
selben zu zerstreuen. Er nimmt ohne weiteres an, dass unter Nero eine
vierjährige blutige Verfolgung Spanien heimgesucht. Er behauptet , ohne
Beweis, dass Spanien für diese, ui^d die Diocletiam'sche Verfolgung viele
römische Inschriften besize, vier im Königreiche Leon, drei in Alt-
castilien, an deren Aechtheit man nicht mit Grund zweifeln könne.
Seine Gründe aber sind eigentlich nur Versicherungen, dass dem so sei,
und dass man zum Zweifel keinen Grund habe^).
Noch viel berühmter, als diese angebliche Inschrift aus der Zeit
Nero's, ist die Inschrift auf das Ende der Diocletianischen Verfolgung.
Entscheidend gegen die Aechtheit ist, dass die Inschrift Niemand ge-
sehen hat, dass sie an verschiedenen Orten auf&refunden seyn will, dass
sie in verschiedenen Formen herumgetragen ^r,J, so dass w nicht
wissen, ob wir eine, ob wir mehrere, ob wir viele Inschriften vor uns
haben. Florez führt zwei an:
Diocletian, Jovius e^ Maximianm HercuLius Caess.
Augg. ampliflcato per orientem et oceid, imp, rom.
et nomine chrütianor. ddetOj qui remp. evertebtmt.
Die zweite Inschrift lautet:
Diocletian. Caes, Aug.
Qalerio in Oriente a-
dopt, st^erstiHone
Christ, ubiqu. deleta et
CuUu Deorum propagato*).
Masdeu stellt unter der Ueberschrift Corunna del Conde, d. i. Clunia,
beide Inschriften ohne weiteres neben einander*). Ich wundere mich,
dass er nicht auch noch andere ähnliche Inschriften aus andern Gegenden
') Cenni y de antiq, eccl. Hisp, 1740, t. 1, 48,
^) Storia criiica de Espanna , t. 5, p, 86, nr, 172,
») Masdeu, L 8, 214 (Madrid 1790).
*) Florez, 3, 185.
*) Masdeu, CoL nr. SSO, 351.
390 Viertes Buch. Fünfzehntes Kapitel.
Spaniens ztuBammengestellt hat. Denn der englische Beisende Carter,
der etwas früher Malaga besucht hat, führt eine angeblich in Malaga
gefimdene Inschrift an, welche er freilich selbst nicht gesehen hat:
8. ß. Imper. Dioclet. et Max. ob
novam superstitionem purgatam sub
aram DiÜs P(xt. Ordo Malac.
eine Inschrift, welche also [der Stadtrath von Malacca zu Ehren der
Kaiser hätte sezen lassen ^).
Florez muss gestehen, dass kein spanischer Schriftsteller diese In-
schriften, welche bis heute in den kirchengeschichtlichen Hand- und
Lehrbüchern regelmässig angeführt werden, gesehen habe. Er meint
mit Recht, dass die Thatsache der (blutigen) Verfolgung dieser Beweis-
mittel nicht bedürfe. Das Uebermass der Abgeschmacktheit ist vollends
eine Inschrift, welche man in Tera, einer Biegung des Flusses Duero,
geiunden haben will, nach welcher die vier unbesiegten Cäsam, die
sich sammt und sonders Imperatoren und perpetuirliche Augusti nennen,
gebaut haben in dieser Krümmung des Flusses Duero der Mutter der
Götter eine Kapelle, unter dem Namen der grossen Pasiphae', und noch
besonders der Diana eine trächtige weisse Kuh (fordam vaccam albam)
geopfert haben, weil durch dieser Kaiser fromme Fürsorge der christ-
liche Aberglaube unterdrückt und ausgetilgt sei'*). Troz der handgreif-
lichen Erdichtung behauptet Masdeu, man könne nicht an der Aechtheit
der Inschrift zweifeln, weil sich der Originalstein in dem Weiler Tera
in Altcastilien finde, als ob nicht sehr viele Steine in Spanien unächte
Inschriften trügen. — Hätten diese Inschriften auch nur einen Schein
von Aechtheit, so würde ich länger dabei verweilen; aber soweit sie
sich auf die Kirchengeschichte der ersten Jahrhunderte beziehen, sind
sie sammt und sonders erdichtet. Erdichtet ist wohl auch die angeblich in
Merida geftmdene Inschrift auf Constantin den Grossen: Imp. Caes. Fla-
vita Constantin. August. Pacis et justitiae ctdtor.pub. quietis fund., reli-
gionis et fidei auctor, remisso uhique tributOy fimtime (aej provinciae
Her restaur. fecit. l. XIIIL ^)
Sehr bekannt sind des Dichters Ausonius (aus dem Ende des vierten
Jahrhunderts) Verse: Ordo nobilium urbiumj Beihenfolge der ersten
Städte des römischen Beiches. Hier wird von den spanischen Städten
nur Sevilla erwähnt, welches damals Siz des Vicarius, also politische
Hauptstadt von ganz Spanien, und ohne Zweifel auch die bevölkertste
Stadt des Landes war. Die Verse lauteten:
Carler, Reise von Gibraltar nach Malaga, 1772, S. 266.
') Masdeu, Col. nr, 353,
') Masdeu f nr, 354. — Cenni, C, diss, 2, p, 102,
Die Inschriften — keine Quelle für die Geschichte etc. 391
Clara mihi pott haa memorabere nomen Iberum
Hispalis, aequoreus quam praeterlabitur amnis,
Submittit cui tota suos Hispania fcuces.
Corduha non^ non arce potens tibi Tarraco certant,
Qaaeque sinu Pelagi jactat se Bracara dives.
Die Verse können nur in Beziehung auf Sevilla einen Sinn haben.
Der Meeresstrom ist der Bätis, weil Fluth und Ebbe sich bekanntlich
bis Sevilla erstrecken, weil bekanntlich Seeschiffe bis Sevilla fuhren. —
Wenn sodann ganz Spanien seine Fasces senket vor dieser Stadt, so
haben solche Worte nur einen Sinn, weil damals Sevilla politische Haupt-
stadt von ganz Spanien war ').
Nun gefiel es dem Philologen Sca,liger, statt Hispalis ^^Emerita*' zu
sezen , weil er die Guadiana oder den Anas irrthümlich für einen „aequo^
reus amnis^^ und Emerita für bedeutender, als Hispalis, hielt. Spätere
Ausgaben behielten „Emerita** bei. Aber schon Weseling in seiner oft
erwähnten Ausgabe des ^^Itinerarium Antonini^^ — Amst 1735 bemerkt;
At obstant magrU viri (des Scaliger) senterUiae Manuscripta^). Dass Au-
sonius nur Hispalis gemeint und genannt haben könne, ist so klar, dass
es eines Beweises nicht bedarf.
Aber nun höre man das Unerhörte. Im J. 1633 erschien von Mo-'
reno de Vargasy regido perpituo, d. i. erstem Stadtbeamten von Merida,
eine Historia de la ciudad de MSrida, worin natürlich das Lob des Au-
sonius für Merida in Anspruch genommen ist. — Im J. 1638 erschienen
von Gomez Bravo, Beneficiat der Kirche von Sevilla: j^Advertendas d
la Moria de MSrida'% worin er Vieles im Werke des Moreno de Vargas
widerlegt; und im J. 1642 liess derselbe als Nachtrag erscheinen ein
Werkchen über die Verse des Ausonius:
Jure mihi post hos memorabere nomen Iberum
Emerita
worin er gegen einige Sevillaner, welche die Worte auf Sevilla anwen-
den, die Lesart Emerita vertheidigt, d. h. von den Herrlichkeiten der
leztern Stadt (deren „Sohn* er vielleicht war?) handelt ^).
Im J. 1857 erschien zu Badajoz die Schrift: Historia de las anti--
guedades de MSrida — von dem damals schon verstorbenen D. Gregorio
Femandez, Pönitentiar der Kirche von Badajoz, ein Auszug aus einem
grossem Manuscripte *). Hier wird erzählt, man habe im J. 1827 bei
Aufgrabung der Cloaken eines alten Gefängnisses in Merida eine Säule,
und darauf die Worte eingegraben gefunden:
Submittit cui tota suos Hispania fasces.
») Florez, 9, 69; 13, 99,
') Cf. Florez, 9, 64 (70); 13, 99.
') Nicolo Antonio, BibUotheca Hispana nova, ed. Fr, Perez Bayer, 1788, 1, 704.
*) Mwmoz, DiccionariOf p, 188.
392 Viertes Bach. Fünfzehntes Kapitel.
Ich zweifle nicht an der Thatsache des Findens; aber ebenso wenig
zweifle ich, dass ein Inschriftenscbmied im siebzehnten ^ oder vielleicht
gar im Lichte des neunzehnten (?) Jahrhunderts diese Denksäule dem
Ruhme seiner Vaterstadt errichtet hat, damit spätere Geschlechter die
Herrlichkeit von Emerita bewundern möchten. Diess ist ein handgreif-
licher Beweis, wie man in Spanien Handschriften fabricirte und imter-
schob, um damit Geschichte zu machen, d. i. zu fälschen. Es herrschte
eine eigentliche Manie, das Land zu verherrlichen, und die einzelnen
Orte desselben, und jede Stadt wollte am meisten ^^Exeelencias^^, d. i.
Herrlichkeiten, haben.
Bei aller Liebe zu der Grösse und Vergangenheit des spanischen
Volkes verlangt die historische Gewissenhaftigkeit, zu bekennen und
anzuerkennen, dass sämmtliche Lischriften , welche die ersten Jahrhun-
derte der Kjrchengeschichte Spaniens illustriren sollen, unächt sind; un-
ächt namentlich die Inschriften über die Verfolgungen unter Nero und
Diocletian, unächt auch die angebliche Inschrift des Dacian in Evora.
Sechszehntes Kapitel
Die Grflnde der Gbristenverfol^uB? unter Diocletian —
sind in den lezten Jahren von deutschen Historikern .mehrfach unter-
sucht und behandelt worden. Diocletian trat am 17. September 284 die
Regierung an, legte dieselbe am 1. Mai 305 nieder, und die Verfolgung
gegen die Christen begann erst am 23. Februar des J. 303. Warum
begann sie überhaupt, und warum so spät? — Jacob Burckhardt in
seinem schäzenswerthen , aber inr Ganzen gegen die Christen Parthei
nehmenden Werke: „Die Zeit Constantin des Grossen,* Basel — 1863,
sucht nach einer neuen Erklärung des Ausbruchs der. Verfolgung.
Nach ihm „haben die Christen den Namen Diocletian's völlig mit Fluch
zugeschüttet* (S. 326). — Burckhardt sucht das dem Lactantius zuge-
schriebene, und sehr wahrscheinlich zugehörende Werk: „De mortibua
per8€cutarum^% durch sogenannte innere Gründe zu verdächtigen. „Dem
Namen des Lactantius, von dessen Bildung und Tiefe nichts darin zu
jGnden ist, macht es eine höchst wahrscheinlich unverdiente Schande*
(S. 329).
Nachdem sich Burckhardt nach mehreren, ihm nicht zusagenden,
Erklärungsgründen der Verfolgung umgesehen, kommt er, es ist wun-
derbar zu hören, auf die im vorigen Kapitel zurückgewiesene spanische
Inschrift, und klammert sich an die Worte: „qui rempublicam eoerU"
hani'^ (dass die Christen den Staat zerstörten). Diese Inschrift ist ihm
eine sichere Stüze für die Behauptung, dass es die Christen auf eine
Staatsumwälzung abgesehen hatten, obgleich er selbst anführt, dass Mu-
ratori diese Inschrift nebst einigen andern ähnlich lautenden von Ascoli
unter d^i unächten Inschriften angeführt hat ^). „Suchten sich vielleicht
die Christen,* fragt er, „im Gefühl ihrer wachsenden Ausdehnung, dea
Muratori, navuä ikesaur. v$t. mscript 4 t 1739^—42, t 3, 1797.
394 Viertes Bach. Sechszehntes Kapitel.
Eaiserthums zu bemächtigen?^ (B. S.333.) Diess konnte auf ganz friedliche
Weise geschehen, indem man den Eidser bekehrte. Und dass etwas der
Art wenigstens beabsichtigt wurde, ist beinahe streng zu beweisen. Den
Beweis aber soll ein Brief des Bischofs Theonas von Alexandrien (282
— 300) an den kaiserlichen Oberkammerherrn (praeposito cubiculariorum)
Lucianus liefern, den wir nur lateinisch besizen. Nach demselben hat
Lucian viele am Hofe zu der Erkenntmss des Herrn geführt. „Jemehr
der Fürst selbst noch nicht der christlichen Religion zugethan, den
Christen selbst als den zuverlässigeren sein Leben und seinen Leib zur
Huth anvertraut hat, um so sorgfältiger, um sein Wohl und seinen
Dienst beflissener und umsichtiger müsst ihr seyn, damit dadurch am
meisten Christi Name verherrlicht, und sein Glaube durch euch, die
ihr den Fürsten pfleget, täglich gemehrt werde: denn einige frühere
Fürsten haben uns für Uebelthäter, und voll von allen Schandthaten
gehalten; aber wenn sie nun euere guten Werke sehen, so können sie
nicht anders, als Christum verherrlichen.* Nun giebt Theonas Mahnungen
im Besondem für den Verwalter der Gelder, der Garderobe, der Ge-
fässe und Geräthe des Fürsten. Sollte ein Christ die Verwaltung über
die Bibliothek erhalten, was nach der Meinung des Theonas damals
noch nicht der Fall war, so solle dieser „die weltliche Literatur und
die Talente der Heiden nicht verachten , an denen der Fürst sich erfreue*.
Zu loben seien die Dichter, zu loben die' Redner, zu loben die Philo-
sophen in ihrer Art; zu loben auch die Historiker. „Zuweilen wird er
— der christliche Bibliothekar — die heiligen Schriften zu loben wagen,
welche Ptolemäus Philadelphus mit solchem Fleisse und Aufwände in
unsere Sprache übertragen Hess; zuweilen werden auch das Evan-
gelium und die Briefe der Apostel gelobt werden wegen ihrer göttlichen
Aussprüche; es wird eine Erwähnung Christi eintreten können; es wird
allmälig nur seine Gottheit erklärt werden; alles dieses dürfte nur mit
der Hilfe Christi vorangehen können ^).^
Seit dem J. 298 waren (nach Burckhardt und der gewöhnlichen An-
nahme) zuerst die christlichen Soldaten aus dem Heere gestossen worden *).
Dieses sei aus politischen Gründen geschehen. Diese abgedankten Sol-
daten hätten nun da und dort Aufstandsversuche gemacht. — Die be-
kannte That eines christlichen Soldaten, der das kaiserliche Edikt zu
Nikomedien am 24. Februar abriss, erklärt Burckhardt als Beweis „einer
geheimen Hoffiiung auf allgemeinen Widerstand* (S. 337). Die grau-
samen Martern der christlichen Hofbeamten fanden statt; denn „die
Kaiser glaubten o£Penbar einem Complott auf der Spur zu seyn**. Das
im Palaste zu Nikomedien ausgebrochene Feuer möchte Burckhardt gerne
den Christen in die Schuhe schieben, wenn es gienge. Bald darauf
Achery gpidleg, t 3, p. 297-^299,
«) £uß^. ghron, m (298).
Die Gründe der ChriBtenverfolgnng unter Diocletian. 395
erfolgten die schon erwähnten christlichen Aufstände im Orient,
welche das zweite Edikt, den Verhaftsbefehl gegen alle Vorsteher der
Gemeinden, hervorriefen* (S. 339).
Aber — wer weiss denn etwas von christlichen Aufständen? Burck*
hardt kommt nicht über das hinaus, was er selbst „Vermutbung* nennt*
^Einige, vielleicht nur sehr wenige christliche Hofieute und einige dirist-
liehe Kriegsbefehlshaber in den Provinzen glaubten mit einem voreiligen
Gewaltstreich das Imperium in christliche oder christenfreundliche Hände
bringen zu können, wobei sie vielleicht der kaiserlichen Personen zu
schonen gedachten.^ Es sei ^nicht undenkbar^, dass des Diocletian's
Abwesenheit von Nikomedien im J. 302 das Vorhaben jener zur Reife
gebracht hätte. ,^s ist möglich, dass in der That Galerius der Sache
früher auf die Spur kam als Diocletian , und dass dieser sich wirklich
nur mit Mühe überzeugen liess^ (S. 34Ü). Unter den Christen gab es
ja damals Leute, welche „für solche Staatsstreiche nicht zu gewissenhaft
waren*.
Wenn ein Schriftsteller seine in der That neue Ansicht von der
Entstehung einer gewiss welthistorischen Erscheinung, wie es die lezte
grosse Kirchen Verfolgung war, selbst mit Prädicaten, wie „Vermuthung*',
es ist „möglich*', es ist „nicht undenkbar*, signalisirt und präconisirt,
dann sind wir Andern der Aufgabe einer speziellen Widerlegung überr
hoben.
Auf Jacob Burckhafdt, der sein Werk in „ehrerbietiger Dankbar-
keit* dem bekannten Herrn Professor r Dr. Heinrich Schreiber zu Frei-
burg gewidmet hat, folgte als Schriftsteller über Diocletian der Pro-
fessor der (protestantischen) Theologie Albrecht Vogel zu Jena. Er ist
ein Schüler Neander's, und verfolgt im Ganzen dessen Richtung. Im
J. 1854 erschien von ihm; „Ratherius von Verona, und das zehnte Jahr-
hundert*, 2 Thle, S. 657 — , ein Werk, das auf tüchtigen Studien ruhel^
und das uns den Ratherius weniger in dem Lichte eines Reformators
des zehnten Jahrhunderts, als welcher er in den kirchengeschichtlichen
Lehrbüchern in früherer Zeit fi^urirte, als in dem Lichte eines händel-
süchtigen Krakehlers — erscheinen lässt* — Neben ciuö* Skizze „Peter
Damiani*, 32 S. — Jena 1856 finden wir sodann von A. Vogel einen
Aufsaz über den Kaiser Diocletian in Herzog's Realencyclopädie für
protestantische Theologie und Kirche, Bd. 3, S. 399—403 (1855), welcher
die Behandlung dieses Gegenstandes von Burckhardt „vortrefflich* nennt
Er wandelt demnach auch in den Pfaden Burckhardt's , wenn er u. a»
sagt: „Wahrscheinlich bat auch die Christenheit in ihrem siegreichen Fort-
schreiten ihre Absicht und Hofihung merken lassen, das ganze künst-
liche Staatsgebäude zu zerbrechen, mit Hilfe des unter den Herrschern
selbst und im Heere vertretenen Theismus über die neuerhobene Staats-
religion zu siegen, sich selbst an ihre Stelle, und einen Christen auf
den Thron zu sezen. — Diese Absicht der Christen ist ^vielleidit zuerst
396 Viertes Bach, ßechszehntes Kapitel.
d«n GaleriujB zur Vermuthung und zur Gewissheit geworden, dem als
dem nächsten Nachfolger Diocletian^s am meisten an der festen Begrün-
dung und Erhaltung des kaum erst aufgestellten Systems gelegen war.
Die Begierungszeit des grossen Kaisers nahte ihrem Ende, die Vicen-
nalien konnten (sie!) einen allg^neinen Umsturz zu Gunsten der Chri-
sten bringen. Diocletian musste, was er angefangen hatte, auch vollenden.
Er durfte seinen Plaz nicht verlassen, ohne vorher die Christen alles
Einflusses auf den Staat beraubt, ohne sie vom Hofe, aus dem Heere,
von allen Staatsämtem vertrieben, ohne sie rechtlos gemacht, imter-
drQckt und vernichtet zu haben. Diocletian gab nach. Am Ende des
Kampfes war (aber) die heidnische Staatsreligion zerstört.^ (S. 401.) —
Vogel sezt, wie ich oben (Buch 4. K. 2), das Martyrium des Centurio
Marcellus, in das J. 298. — Bei ihm ist, wohl durch einen Druck-
fehler, das Pest der Terminalia am 23. Febr. 303 ein Fest der permi-
ralia geworden *). Nicht wenige Ungenauigkeiten begegnen uns im
Verlaufe; jedenfalls ist es unedel und sinnlos, zu sagen: „Es fehlte
nidit viel, dass die Märtyrer noch zu Lebzeiten angebetet wurden**
(S. 402), doch wird zugegeben, dass Diocletian seine glorreiche Regie-
rung schmachvoll geendigt habe.
Von demselben Albrecht Vogel erschien nicht lange nachher die
Schrift: „Der Kaiser Diocletian. Eine am 10. Dezember 1856 am Hofe
zu Weimar gehaltene Vorlesung. S. 130. Gotha 1*857, welche Schrift
er mit den schon angeführten Worten Burckhardt's : „Die Christen haben
den Namen Diocletian's mit Fluch völlig zugeschüttet ^ — eröffnet und
signalisirt. Dessen Hypothesen eignet er sich zu einem grossen Theile
an, doch im Ganzen mit milderm Urtheile gegen die Christen. Diocle-
tian übte allerhand alterthümliche Gottesdienste. Er baute und erneuerte
viele Heiligthümer einer Menge von Gottheiten in allen Ländern (S. 21).
Ueberall und in grossen Schaarei;i sah man wieder Priester in den Tem-
peln opfern. Das Kaiserthum des Diocletian (Diocles) war eigentlich
eine Statthalterschaft des Jupiter; darum nannte er sich Jovius. Das
Christenthum war anderseits zum Träger des monarchischen Gesammt-
Staates herangewaschsen , und sehnte sich, „den Schritt zur Herr-
schaft durch Christianisirung des Staatsoberhauptes zu
thun**'^). Die Christen konnten an den Versuch denken, den ELaiser
zu bekehren ; hatten sie ja die Kaiserin Prisca und ihre Tochter Valeria
für sich gewonnen. Den Ausbruch der Verfolgung selbst erzählt Vogel
der Geschichte getreuer. Der Kaiser war ängstlich und mit sich zer-
fallen. „Air sein Forschen in den sibyllinischen Büchern und in den
Eingeweiden der Opferthiere konnten ihn nur trüber und ängstlicher
*) In der unten besprochenen Schrift Vogel's heis«t es S. 111: Ttrminalia, ein
Fest am lezteil Tage 4^$ Jahres.
*) Vogel, S. 28-29,
Die GrüDde der Christenverfolgung uoter DiocletiaD. 397
machen*'*). Er gab dem Drängen nach, ^unter der Bedingung^, dass
alles ohne Blutvergiessen (gegen die Christen) abgehe. Die vier Edikte
berichtet Vogel in der herkömmlichen Weise. Das erste vom 24. Fe-
bruar 303 befahl, dass die Kirchen zerstört, die heiligen Schriften aus-
geliefert, der Gottesdienst der Christen verboten seyn solle. Alle Staats-
beamten sollten opfern; die Anwendung der Folter gegen die Christen
erlaubt seyn. Durch ein zweites Edikt -wurde die Gefangennebmung
aller Kirchen Vorsteher befohlen; bald folgte das dritte Edikt, dass die
verhafteten Christen, wenn sie freiwillig opferten, entlassen, wenn nicht,
auf jede Weise zum Opfern gezwungen werden sollten. Ein viertes
Edikt vom J. 304 befahl, dass alle Christen ohne Ausnahme opfern
(wo nicht, getödtet werden) sollten.
Im November und (oder) Dezember 303 hielt Dioeletian das Fest
seiner Vicennalien, d. i. die Feier seiner zwanzigjährigen Regierung
zu Rom, verüess im Fluge, und erzürnt die Stadt, und kam gegen
Ende Sommers 304 erkrankt wieder in Nikomedien an. Er wurde von
tiefem Herzeleide ergriffen^), erkrankte sehr schwer, galt schon in der
Stadt für gestorben und begraben, erholte sich aber nach langer Zeit
wieder, erschien wieder vor dem Volke, aber in kaum mehr kenntlicher
Gestalt, und wie es hiess, seines Verstandes nicht mehr mächtig. Am
1. Mai 305 vollzog er auf einem freien Felde bei Nikomedien seine Ab-
dankung, und erhob den Maximinus Daca zum Cäsar. — Auf die Aehn-
lichkeit mit der Abdankung Karl's V. weist Vogel hin ^).
„Sein patriarchalischer Despotismus wurde nun durch Galerius zu
einem diabolischen Sultanismus. Galerius fand Tausende und aber Tau-
sende, welche mit ihm die Henker ihrer Mitmenschen wurden. Maxi-
minus aber überbot noch seinen Oheim an unsagbarer Scheusslichkeit^).
Dioeletian aber starb, wahrscheinlich durch seine eigene That, im J. 313
in seinem Palaste zu Salona.
Von seinem Vormanne Burckhardt weicht Vogel darin ab, dass er
die Aechtheit der Schrift des Lactantius ^^{^ mortibus perseetttorum^^ an^,
sie in Schuz nimmt, behauptet, sie sei von Lactantius im J. 313 zu
[Nikomedien verfSetsst worden, und dem ILaiser Constantin (direct oder
indirect) in die Hände gekommen , der dann den Lactantius zum Er-
zieher seines Sohnes Crispus bestimmt habe. Ich trete vollkommen
diesen Ansichten bei. Er giebt femer zu, dass Dioeletian bedenklich,
schwer entschlossen und zaghaft gewesen; lässt sich aber durch Burck-
hardt verleiten, zu behaupten, dass die Christen einst gehoflS; hätten,
ihm in der Staatsbibliothek das Christenthum beizubringen. Den obigen
») Voffel, S. 42.
«) Vogel, S. 45.
») S. 47.
*) S. 48-49.
398 Viertes Buch. Seehtsehntet Kapitel.
Brief des Theonas nennt er einen Versuchy den Kaiser zu bekehren , eine
Behauptung, worin Neander, Burckhardt und Vogel sich begegnen *■),
Beachtenswerth ist noch die Angabe , dass am 17. November 303
die ersten Christen Märtyrer in Cäsarea wurden , denn daraus erhellt,
dass man den Anfang der blutigen Verfolgung in Spanien erst in das
J. 304 sezen dürfe, und dass das Datum des 22. Januar 305 für das
Martyrium des Leviten Vincentius historisch festzuhalten ist Die spani-
schen Schriftsteller, die den 22. Januar 304 annehmen, haben übersehen,
dass die Verfolgung erst im J. 304 eine blutige wurde, dass Vincentius
lange als Gefangener in Valencia aufbewahrt, und dass er dort von
dem Martyrium der Achtzehn in Saragossa hörte. Das Eine könnte ich
zugeben, dass Dacian von Valencia nach Tarragona, als an den Siz des
Proconsuls der Provinz Tarraconensis, dass er von da wieder nach Bar-
celona gekommen, vorausgesezt, dass San Cucu&t durch ihn Märtyrer
geworden, und dass man das Martyrium der Eulalia von Barcelona anf
den (11.) 12. Februar 305 anzusezen hätte, während das Martyrium der
Eulalia von Merida bestimmt auf den 10. Dezember 304 anzusezen ist.
In zwei Abhandlungen hat der Philologe Theodor Monmisen die
Zeitrechnung und die Zeit des Kaisers Diocietian behandelt Er gab
heraus und erklärte das Edictum Diodetian^s ad provinciäUa de preHü
rerum venalium vom J. 301 , erlassen zwischen dem 17. September 301
und 1. März 302^); sodann erschien von ihm im J. 1860: „lieber die
Zeitfolge der in den Kechtsbüchem enthaltenen Verordnungen Diocle-
tian^s ^).' Mit dieser Zeitfolge habe sich seit Tillemont % also seit bald
200 Jahren, niemand beschäftigt. Von Wichtigkeit seien die gewonnenen
Resultate nicht Aus der von Monmisen gegebenen Beihenfolge der
Edikte Diocletian^s ersieht man, dass der Elaiser im Januar 303 in Ni-
komedien sich befand. Aufbllend ist, dass sich so wenige Edikte ans
den lezten Jahren des Kaisers erhalten haben, wie denn auch die Edikte
g^gen die Christen verloren sind. Aus dem J. 300 giebt es zwei aus
Antiochien erlassene Geseze; aus dem J. 301 — zwei Geseze aus An-
tiochien. Aus dem J. 302 fehlen sichere Erlasse. Vom J. 303 findet
sieh ein Erlass aus Nikomedien vom 6. Januar. Kurze Zeit nach dem
Beginne der Verfolgung hat aber der Kaiser sdion Nikomedien verlassen,
und ist nach Europa gegangen. Es eüstirt vom 8. Juni ein Edikt aus
Dorostolum ') , welches an der untern Donau , und an einer der grossen
8.86-92. Neander, K. G. a*« Aafl. 1, 78.
*) Mommsen in Verhandlungen der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften — Phüol. histor. Klasse, 1851, S. 1 — 80; 384—400.
*) Mommsen in Verhandlungen der Berliner königl. Academie der W. v<m 1860,
S. 339 bis 447.
^) In dessen Hutoire des tmpertwrs^ t 4.
*) Mommsen, S. 445.
Die Gründe der Christenverfolgang unter Diocletian. 399
Heerstrassen zwischen der Residenz Nikomedien^ und der Residens Sir-
mium liegt, iii welch' lezterer Diocletian sehr oft und gerne weilte.
Sirmium ist das heutige Mitrovich in der slavonischen Militärgrenze.
Wahrscheinlich hielt er sich auch im Sommer 303 eine Zeit lang daselbst
auf; dann reiste er nach Rom , wo er nach Mommsen am 20. November,
nach Vogel eher ana 21. Dezember des J. 303 das Fest seiner Vicen-
nalien feierte, aus welchem Anlasse allen in den Gefängnissen Freiheit
angekündigt wurde*).
In Rom missfiel er sich ebenso, wie Kaiser Constantin, der 326
daselbst seine Vicennalien feierte^). Beide verliessen die Stadt, um sie
nicht mehr zu betreten. Die Römer spotteten und schmähten ebenso
über den christlichen , wie über den heidnischen Kaiser ; sie spotteten
imd entleideten im J. 303 den fernen Aufenthalt dem christenverfolgen-
den Diocletian, in;^ J. 326 dem christenbeschüzenden Constantin, im
J. 357 den kirchenverfolgenden Gonstantius. Den Diocletian schalten
sie geizig; — und er war es auch. — Wenn es wahr wäre, was Vogel
sagt, wovon ich aber bei Mommsen nichts finde, dass wir ein Edikt
von Burtudisus nördlich (es liegt vielmehr südlich) von Adrianopel vom
5. Dezember, ein Edikt von Singidunum bei Belgrad vom 8. Dezember
haben, so wäre Diocletian frühestens in der zweiten Hälfte des Dezember
nach Rom gekommen ^). Vogel meint, er sei nur an dem 21. Dezember
303 in Rom gewesen, und das ganze Fest habe sich auf diesen Tag
beschränkt.
Gewiss ist, dass er — beleidigt alsbald den Römern den Rücken
kehrte, und dass er zu Ravenna am 1. Januar 304 das neunte Gonsulat
antrat *). Von Ravenna reiste er auf dem Landwege durch den Umweg
„des Istrischen Ufers* nach Nikomedien zurück, wobei er meistens in
der Sänfte getragen werden musste, weil sein Unwohlseyn ihn nicht ver-
lassen wollte, und kam erst am Ende de» Sommers in Nikomedien an ^).
Die Worte y^'geir circuitttm ripae Istricae^^ sind ein Kreuz der Histo-
riker geworden. In dem durch Baluze aufgefundenen, und zuerst 1679
edirten Manuscripte unsers Werkes „Ueber den Tod der Verfolger*
stand fyrtpae Strigae^^. Heinrich Dodwell schrieb eine „Disaertatio de
') Mommsen, 8.445. Cf. Vogel, Diocletian, ß. 113.
*) Siehe Band 2 dieses Werkes, Buch 6, Kap. 2, §. 3.
») Vogel, S. 114. TiUmont, hisL pL en^erew-s, 4, 608.
*) Mommsen , S. 446.
*) Impaüens et (»eger anmi prorupit ex urhe impendenttbus Kalmdis Januarüs, quütus
ÜU nontu consulaius deferebatur, Tredecm dies toUröre non potuxt (d. i. vom 21. De-
zember zum 1. Januar), ut JRomae poiitUf quam Bavennae procederet consuL Sed
profectus hyeme, saeviente frigore atque imbribus verberaiuSf morbum levem ac perpe-
tuum trcaii; vexatusque per omne iier, lecHca phrimum vehebaiur, Sic aestate trans-
aetOf per circuitum ripcte Istricas Nicomediam vewit, morbo jam gram xnturgenic, Lact,
de mort, persec c. 17*
400 Vierte« Buch. Sechssehntes Kapitel.
ripa Striga^. Becht hat er, dass er es für ein Flussufer hält; denn
das Meeresufer heisst: ora maritima oder litu» maria. Recht hat er auch,
wenn er sagt^ Dlocletian sei von Ravenna zu der Donau gereist; weiter
möchten wir ihm nicht beistimmen, dass er die Donau abwärts zu Schiffe,
und durch das schwarze Meer gefahren sei. Unrecht hat er, wenn er
meint, Striga bedeute ein Längenmass bei Ländereien, Städten, La-
gern, eine Grenze, und ripa Striga heisse das Grenzufer, oder die
Grenze des Reiches an der Donau.
Indess ist die Lesart: Bipa iHriea sicher yorzuziehen '). Istricus
bedeutet, abgeleitet von Istri, die Bewohner von Istrien, abgeleitet von
Ister — die untern Donaubewohner. Pomp. Mela nennt die Bewohner
von Bessarabien lätrici^). Falsch ist die Erklärung, dass unter ripa
lätriea das Ufer des istrischen Meeres zu verstehen sei, und dass Dio-
cletian den nähern Weg über Dalmatien und lUyrien eingeschlagen habe.
Er gieng vielmehr von Ravenna nach Sirmium, wo er zu Hause
war, und wo er so gerne weilte, wie in Nikomedien; dann gieng er
entlang der Donau — auf den Reisestationen, die er in der Regel vor-
her eingehalten hatte: 1) Sirmium, 2) Singidunum, 52 römische Million;
3) Demessus; 4) Viminacium an der Donau, 48 Millien von Singidunum;
5) Cuppae, 24 Millien von Viminacium an der Donau; 6) Retiaria,
118 Meilen von Cuppae (auch Ratiaria an der Donau); 7) Cebrum oder
Ciabrus an der Donau, und dem Nebenflusse der Donau gleichen Na-
mens, 36 Millien von Ratiaria; 8) Variana an der Donau, 30 Millien
von Ciabrus; 9) Appiaria an der Donau, 132 Millien von Variana;
10) Transmarisca an der Donau, 16 Millien von Appiaria; 11) Doro-
stolum, wie oben erwähnt, an der Donau, über welche Station auf dem
Hinwege, wenn nicht nach Rom, so doch nach Sirmium, der Kaiser
im Juni 303 gereist war. Es liegt 37 Millien von Transmarisca. Bis
hieher lief die Strasse stets am südlichen Ufer der Donau entlang, in
östlicher Richtung, und der in der Sänfte Getragene konnte zur Ab-
wechslung sich auch von dem Flusse tragen lassen.
Von Dorostolum aber, hinter welchem der Fluss sich nordöstlich,
und bald darauf nördlich wendet, wandte sich die Strasse direct südlich:
12) nach Reginase; 14 Millien (Palmata?); 13) nach der Stadt Marcia-
nopolis, 59 Millien von Dorostolum; 14) nach Anchialus am schwarzen
Meere, 50 Millien von Marcianopel; 15) dann über Debeltus nach 16) Ha-
drianopel; 17) südöstlich in das schon erwähnte Burtudizus; 18) nach
Heraclea an der Propontis, oder dem Vormeere (des Pontus); dann an
dessen Ufer hin 19) über Melantias; 20) nach Byzantium ; von hier über
*) Man. denke an die Provinzen: Dacia ripensis, Moesia rip^nsid^ Noricum ripense,
das Ufernoricum , und an die Ripuarier, die Franken am Niederrhein.
«) Mela, 2, 1,7.
Die Gründe der ChristeaverfolgiiRg nnter Diocletian. 401
die Meerenge des Bosporus entlang der Propoi^ über 21) Pantichiam
nach 22) Nikomedien ^).
Hier kam der Kaiser am Ende des Sommers 304 krank und müde
an, um die Stadt niclit mehr bis zu seiner Abdankung zu verlassen.
Die stets blutigem Erlasse gegen die Christen haben vielleicht darin
ihren Grund, weil Diocletian stets kranker wurde, und soviel als mög-
lich von der Regierung sich zurückzog. — Ein Edikt vom 28. August
304 (5 Cal. Sept) ist schon wieder aus Nikomedien datirt, während zwei
frühere Erlasse keinen Ort an der Stirne tragen, und diess stimmt sehr
gut mit der Angabe des Lactantius, dass er am Ende des Sommers
zurückgekehrt sei^). Wieitere Erlasse deis Kaisers vom September 304
bis Mai 305, bis zu seiner Abdankung, fehlen. Auf die Kirchengeschichte,
und speziell die Verfolgung g^en die Christen lässt sich Mommsen
nicht ein, wofür wir ihm nur dankbar seyn können, da er sich u. a.
in der Vorrede zu seinen — lateinischen Inschriften des Königreichs
Neapel*) wegwerfend gegen die christlichen Alterthümer ausspricht
Im dritten Bande seiner so werthvoUen, und wie es scheint, bisher
wenig anerkannten ^Geschichte der Völkerwanderung*' kommt Ed. Wie-
tersheim auf die Christenverfolgung des Diocletian zu sprechen*). Er
sagt: ;,TreJ0Flich ist darüber der geistreiche Burckhardf Irrthündich
tadelt er denselben Burckhardt, der den Erlass des bekannten vierten
Ediktes vom J. 304 berichtet; denn Wietersheim findet nirgends eine
Quelle für dieses lezte Edikt, das nach ihm nicht vor dem J. 305 er-
lassen seyn konnte*). Wäre Wietersheim in der Kirchengeschichte nur
halben Weges so bewandert, wie in der Profangeschichte, so hätte er
die Quelle bei Eusebius (de martyr. PäLaest c, 3) gefunden •)• Allzu
bescheiden ist es, wenn Wietersheim gegenüber den grundlosen Ein-
würfen Burckhardt's gegen die Schrift: „lieber den Tod der Verfolger*
— sich alles „ürtheils enthalten* will; wenn er gleichfalls über die
erdichtete spanische Inschrift von Clunia erklärt: „Wir enthalten uns
des Urtheils, können aber nicht absehen, aus welchem Grunde man,
was doch nur in späterer Zeit geschehen seyn könnte, auf Erdichtung
einer Inschrift in offenbar antichristlichem Sinne, weil sie d&r Verfol-
gung zur Bechlfertigung gereichte, gefallen sei').* Ich antworte, dass
es auf den Inhalt der Inschrift gar nicht ankommt; ea genüge Herrn
') Siehe aaeh Mommsen L c, S. 441. Vogel, S. IgO.
*) Mommsen , S, 446.
^) Mommsen Th., Inscriptiones regni Neapolitani latinae, Lips, 1852,
*) Geschichte der Völkerwanderung von Ed. v. Wietersheim, Bd. 3, 1862, S. 160
— 167: »Diocletian's Christenverfolgung".
») Wietersheim , S. 480.
*) Siehe oben S. 301.
•*) Wiet. S. 481.
Oams, Span. Kirche. 26
402 ViertM Buch. SM^flclmtes Kapitel«
Widtemheixn wie Herrn Burckh«rdt, dasa kein Spanier, und sonst nie-
mand die Inschrift gesehen hat; dass der Ausdruck: „Die Christen zer-
störten den Staat^ in dem Sinne derer^ welche die Insdbriften erfsrnden^
nicht christenfeindlich war. Sie wollten damit eben nur ihr Vaterland
Spanien verherrlichen, und beweisen, dass es in jener Zeit vielem Mär-
tyrer gehabt, und dass die Kaiser selbst sich gewürdigt, in diesem Lande
Denksäulen ihrer Thaten oder Unthaten zu errichten«
Von dem erwähnten Schreiben des Bischofs Theonas an Ludan
muss Wietersheim gestehen, „dass es einen so lautem Greist wahrer
Frömmigkeit athme, dass es nimmermehr als Beweis für die Geneigt-
heit der Christen zu politischen Umtrieben dienw kann, — wer könnte
darin Anleitung zu einer ungebührlichen Propaganda finden?^ Der
Adressat Lucian aber kann nicht Kammerherr des Maxentius gewesen
seyn (Zosimus, 2, 9), weil zur Zeit des Maxentius Theonas nicht mehr
lebte. — Im Ganzen folgt Wietersheim der Erklärung Burckhardt's
über den Ausbruch der Verfolgung, aber *- wahrhaftig nicht mit Grund
und Fug, da er ja die beiden Hauptstüzen Burckhardt^s , die spanische
Inschrift und den Brief des Theonas als keine Verdachts- oder Beweis-
momente anerkennt, wenigstens den auch in Burckhardt's Augen wich-
tigeren Brief des Theonas nicht.
„Das Christenthum,^ sagt er^), „war der Regierung über den Kopf
gewachsen, und irgendwelche uns unbekannte Thatsachen (also wieder
das grosse Unbekannte 1) oder dringende Verdachtsgründe müssen Dio-
cletian plözlich zu der klaren Erkenntniss gebracht haben, dass er sich
entweder an die Spize der Bewegung (wo war eine Bewegung?) stellen,
oder dieselbe mit äusserster Energie unterdrücken müsse. Derselbe
wählte Lezteres — den von seinem Standpunkte aus ohnstreitig legaleren
Weg. Verwerflich, abscheulich war nur die Form des Verfahrens. Diese
aber lag in Recht und Sitte jener Zeit, und wurde durch die Energie
des Widerstands gesteigert. Musste es nicht den Herrn der Welt er-
bittern, wenn er die Allmacht seines Willens in gerechter Sache, wie
er glaubte, an dem vermeinten Troze seiner Hof bedienten und Unter-
thanen sich brechen sah? Von den scheusslichen Marter- und Henker-
scenen, wie solche Eusebius und die Acten der Märtyrer berichten, hi^
etwas wiederzugeben, widerstreitet der Würde der Geschichte, wie
imserm Gefühle. Die Glaubwürdigkeit dieser Quellen näher zu erörtern,
ist hier nicht der Ort, zweifellos nur, dass nicht das Pflichtgefühl histo-
rischer Treue, sondern Einseitigkeit, Hass und blinder Glaubenseifer
die Ver&sser geleitet haben, deren grosse Mehrzahl wir jedoch von be-
wusster und absichtlicher Unwahrheit gern freisprechen wollen.*' Cines
nur stehe für den Historiker fest, dass die Verfolgung weder so aus-
») Wietersheim, 3,164-65.
Die Gründe der ChriBteDverfolgiiBg unter Diocletian.
gedehnt^ noch so fortdauernd g^wesea, noeh ao viele getroffion habe^
als die .Gbristeo. behaupten.
Als Beweis führt er an, dass die in die Bergwerke verbannten Chrir
sten sich dort Kirchen bauten ^) , und auf eine Stelle in der von Eusebius
h. e, 10, 4 — eingeführten Festrede bei der Eirchweihe in Tyrus , dass
die Christen nur mit ^Maas^ (fiärga^) gezüchtigt worden* Beide Be-
weismomente sind absolut nichtssagend. £s ist eines Mannes , wie Wi€h
tersheim, unwürdig, eine Sprache zu führen, als wäre er einer der ge-
schworenen Christenfeinde. Diese Sprache erklärt sich nur aus einfoeher
Nachbeterei der nächsten, der mittelbaren Quellen, welche ihm vor-
lagen, und aus seiner absoluten Unkenntniss der eigentlichen Quellen.
Er hat weder den Eusebius, liicht einmal die von ihm angezog^en Ka-
pitel, namentlich nicht die erwähnte Festrede, noch auch die Martyr-
akten gelesen. Er hat gar keine Ahnung davon , was Martyrakten sind^
er weiss nicht, dass sie einfache Protokolle der Gerichtsverhandlungen
sind, deren Einfachheit und Schmucklosigkeit nutn aber nur kennen
lernt, wenn man sie überhaupt liest. Was Herr v. Wietersheim in
seiner Vorrede zum dritten Bande „Historische Kritik^ nennt, ist nichts
anderes, als Mangel an Kenntniss der Quellen für die Kirchengeschiehte.
Wie mag sich Wietersheim auf einen Mann wie Gibbon berufen? -*
Wer kann von der geringen Anzahl der christlichen Märtyrer überhaupt
reden, welcher etwas von den römischen Catacomben, und der Ge*
schichte der römischen Kirche in den drei erst^i Jahrhunderten weiss?
— Noch protestirt Wietersheim „auf das allerentschiedenste^ gogen eine
ihm zu ungünstig scheinende BeurtheQung Diocletian's durch Vogel, und
zwar von dem Standpunkte „des historischen und politischen Taktes^
aus, gegenüber dem Standpunkte eines Theologen.
Doch, genug der Wietecsheim'schen Taktlosigkeiten. Von ihm er*
fahren wir, dass ein Dr.. Heibig in Bonn in einer gekrönten Preisschrift
über Diodetian, die aber noch nicht im Druck erschienen, zu einer
ähnlichen (Nicht-) Erklärung der Verfolgung Diocletian's gelangt sei.
Mittlerweile ist, datirt aus Bonn vom April 1862, von einem Dr., Theodor
Bernhardt erschienen: „Diocletian in seinem Verhältnisse zu den Christen.
Eine geschichtliGhe Untersuchung von Dr. Th. B. '— Bonn 1862, 62 Seiten,
bei Max Cohen und Sohn^ , eine Schrift also , die sich ausschliesslich mit
dem Gegenstande dieses Kapitels beschäftigt. Diocletian's Verhältniss
zu den Christen schien dem Verfasser „noch nicht ausreichend erörtert^,
daher er sich die Aufgabe stellte, es einer erneuten Untersuehung zu
unterwerfen. Er hat mcht bloss die Quellen erforschen, sondern auch
die Resultate der neueren Forschungen mittheilen wollen.
Auf den Bericht des Lactantius ist auch nach Th. Bernhardt kein
Verlass/ während er die nackte Thatsacbe, dass Galerius den Diocletian
*) Museb, e, iS, de nutr^, Palaesänae,
26*
404 VieTtM Bach« Sechiieiintea Kapitel.
gegen die Christen xu reizen suchte, nidit unbedingt leugnen wüL Für
später Yerspricht er eine eingehendere Schrift über Diodetian« Auch
er will an der ^Wegräumung des Schuttes des von den Christen mit
Fluch ganz zugeschütteten Namens des Diodetian arbeiten^. — Bern-
hardt hält mit Recht daran fest, dass Lactanz der Verfasser der viel ge-
nannten Schrift sei; die Baluze in der von ihm entdeckten Handschrift
als Werk eines Lucios Cäcüius fand — (er hiess Luc Cäcilius Lactan-
tius Firmianus). Femer bezeugt Hieronymus (caM* 80) , dass er y,dt
penecuHoM Ubrum tmtmi^ geschrieben habe. Die äussern und innem
Gründe für die Autorschaft des Lactantius sind so überwiegend , dass
die aufgeworfenen Bedenken alles Gewicht yerlieren.
Trozdem, dass Bernhardt gegen den Bericht des Lactanz über die
Anfänge der Verfolgung polemisirt, giebt dieser Bericht allein eine ge-
nügende und motivirte Erklärung; und alle sonstigen Erklärungen er-
weisen sich als haltlose Vermuthungen. Galerius kam der Regierung
stets näher, Diodetian wurde älter und schwächer, demnach auch nach-
giebiger gegen fremde Einflüsse. Er yerspricht, sich dem ihn gegen
die Christen aufreizenden Gal^us nach langem Widerstreben — zu
fügen, wenn alle andern, die er hören würde, der Meinung des Ga-
lerius wären. Diess war der Fall. Die Orakel und die Opferthiere
sprachen auch gegen die Christen. Jezt erst gab Diodetian unter der
Bedingung nach, dass die Verfolgung unblutig sei. Hier ist nirgends
ein Widerspruch, nirgends eine Lücke. Galerius entscheidet nicht allein^
ist aber der Hauptantreiber und neben ihm der bekannte Statthalter
Hierodes (jMci. c. 16). — Von des Galerius Mutter Bomula wird nir-
gends gesagt, dass die Verfolgung von ihr ausgegangen; sie hat aber
auch getrieben und gestachelt, wie manche andere. — Lactanz schildert
den Kaiser als furchtsam und bedächtig, und zugleich als unterworfen
plözlichen Zomesausbrüchen , was ja furchtsamen Leuten oft eigen ist
Auch das ist in sich wahrscheinlich, dass die Verfolgung sich anfBUigs
nur auf das Heer und den Palast erstreckte. Der ,,Bath der Freunde^*^
wird von Lactanz gut so motivirt, dass der alte Kaiser die Schuld von
sich auf diese wälzen wollte (d. mort. pers. e, 11), Das äusserste Wi-
derstreben des Diodetian wird sehr drastisch und anschaulich geschildert.
^Diodetian wurde von seinem Vorhaben (der Christen zu schonen) also
abgebracht. Und weil er weder seinen Freunden, noch dem Cäsar
(Galerius), noch dem Apollo widerstehen (rduetari) konnte, so wagte
er doch noch diese Mässigung festzuhalten, dass er befahl, die- Sache
solle ohne Blutvergiessen geschehen, da der Cäsar diejenigen lebendig
verbrennen wollte, welche zu opfern sich weigern würden.*^
Dennoch sagen Jak. Burckhardt und seine Nachbeter und Nach-
treter, dass die Christen den Namen des Diodetian mit „Fludi völlig
zugeschüttet^. Wo ist hier die Gewissenhaftigkeit und die Wahrheitsh
liebe, wo ist hier die ^^historische Kritik^, wo ist ^d^ historische und
Die Gründe der Gliristenyerfolguiig unter Diocletian. 405
politische Takt^? — Lactanz sagt femer nicht , Galerius habe selbst im
Palaste za Nikomedi^i Feuer angelegt, sondern „oecuUis minigMa |>a-
lixHo ndjecU incendium^^. Jezt erst wurde Diocletian zornentbrannt und
grausam^ und liess die Unschuldigen brennen; aber nichts wurde her-
ausgebracht; ;,denn niemand folterte die Hausgenossen des Cäsar ^. Nach
fün&ehn Tagen brach wieder Feuer aus, wurde aber bald gelöscht.
Jezt gieng Galerius fort, und sagte ; er fliehe, aus Furdit, yerbrannt
zu werden.
Aber schon im Mai muss auch Diocletian die Stadt verlassen haben,
weil wir ihn anfangs Juni zu Dorostolum an der Donau gefunden haben.
— £r reiste ^^sogleich^^ (statim) nach Rom (L<iet, 17) y um dort am 21. De-
zember seine Vicennalien zu feiern.
Wenn Bernhardt den Lactanz in Widerspruch mit andern Schrift-
stellern über die Persönlichkeit des Diocletian bringen will, so über-
sieht er den Unterschied zwischen dem thatkräftigen Manne, und dem
furchtsamen Greise. Nach der erwähnten Abhandlung Mommsen's hat
Diocletian in den J. 294 — 95 zahllose Geseze und Edikte ausgehen
lassen; von den J. 300 — 305 kennen wir nur einige wenige. Nachdem
sein Edikt über die Preise (das Maximum) der Waaren solches Blut-
vergiessen verursacht, und von ihm hatte zurückgenommen werden
müssen, kann seine Thatkrafil; bei seinem zunehmenden Alter dne plöz-
liche Erschütterung erlitten haben. ;,Das wunderbare Glück^, das Dio-
cletian bis zum J. 302 hatte, kann ebenso Glück, als Verdienst seyn.
Denn warum misslang ihm denn seit diesem Edikt alles, was er unteiv
nahm? Was wissen denn seine Verehrer aus den J. 300—305 noch
Gutes oder Verdienstliches von ihm zu erzählen? Etwa, dass er ab-
dankte? Aber in welchen Händen — liess er den Staat zurück?
Dem Entweder-Oder des Th. Bernhardt*)' über die Unvereinbar-
keit der Schilderung des Diocletian durch Lactanz und die übrigen
Quellen sezen wir ein ,,Sewohl- Als auch*^, oder ein ^Früher und Später**
entgegen. Er hat ganz und gar nicht bewiesen, dass des Lactanz ;,Her-
leitung (der Christenverfolgung) von einer evident ganz unrichtigen Vor-
aussezung ausgeht^. Er muss zugestehen, dass u. a. Tillemont, Mos-
heim, Neander, Schröckh, Baur, u. a. selbst Gibbon sich von der Er-
zählung des Lactanz ;,beherrschen^ lassen. Er muss zugeben, dass selbst
Niebuhr: (Römische Geschichte, Th. 3, 295) den Galerius als Treiber
bezeichnet, wenn er sagt: ^Diocletian war im Ganzen ein milder Mann,
in zwei Fällen trifit ihn die Anklage der Grausamkeit, in der Bestra-
fung der Empörer von Alexandrien und in der Christenverfolgung, zu
welcher lezteren er in seinem Alter durch Galerius verleitet wurde. ^
Diese Verfolgung war vielmehr, nach Bernhardt, ;,eine politische Noth-
wendigkeit^, die Niebuhm ganz entgieng.
>) Bernhardt, S. la/S. 26.
406 Viertes Bneh. Seehflzeliiites Kupitel.
Anderseit» ist Bernhardt auMohÜg genug ^ obgleich er dem Jakob
Borekhardt viel rerdanke, doch seine auf die unächte Inschrift und auf
den misedeuteten Brief des Theonas gestüzte Hypothese von einer Ver-
schwörung der Christen zurückzuweisen. In dem Brief sei ;,nicht die
leiseste Andeutung^ daron, wenn man denselben ^unbefangene lese.
„Der ganze Brief athmet eine so vollkommen christlich -demüthige und
^fähige Gesinnung 7 dass wir uns schon auf dem Höhepunkte hierarchi-
scher Intrigue befinden müssten, wenn wir in diesem Briefe das Pro-
gramm einer vielverschlungenen Verschwörung zu erblicken hätten.^
8. 36 *).
Bernhardt stellt sich annähernd auf den Standpunkt Vogel's, wenn
er die Verfolgung aus politischen Gründen, d; h. aus der Idee des Herr-
sdierberufes herleitet, die sich Dipcletian gebildet. — Aber, man findet
sich bei Th, Bernhardt, dessen Schriftchen, falls' es eine Erstlings-
arbeit ist, Beachtung verdient, schon am Ende, wenn man erst die
eigentliche Entwicklung und Erklärung erwartet. Es sind Allgemein-
heiten, die uns vorgelegt werden. Wenn den Diöcletian seine „feind-
liche Haltung** gegen das Ghristenthum treibt, warum wartete er zwanzig
Jahre, bis zum Ende seiner Regierung, und dem Abende seines Lebens?
Wenn ihm das Christenthuip „für den neuen Unterbau, den er dem
Staatswesen zu geben strebt, im höchsten Grade gefahrdrohend erscheint^
(Bernhardt, S. 60), warum geht er erst daran, diese Gefahr zu besei-
tigen, nachdem der Entschluss seiner Abdankung mit Maximian ver-
abredet und beschworen ist? Diess ist auch ein „Entweder-Oder*',
dessen Lösung uns Th. Bernhardt vorerst schuldig geblieben. Warum
hat Diodetian^ der die Manichäer verfolgte und aus dem Reiche ver-
bannte, nicht schon damals (J. 287) oder noch früher die Ghristen an-
gegriffen? Die Antwort, welche Th. Bernhardt am Schlüsse auf diese
stets sich wiederholende Frage in wenigen Säzen giebt, ist offenbar
nichtssagend. Denn dann durfte überhaupt Diöcletian nicht abdanken.
Es ist eine pompöse Behauptung, ohne Beweis zu sagen: „Wollte
Diöcletian seinem Staate eine dauernde Grundlage und erneuerte Be-
festigung geben, so musste er die Christen vernichten, und so
lange er sieh kräftig genug fühlte, um die Zügel der Regierung zu
führen, bildete diess nothwendig das lezte Zid seiner Thätigkeii^ (Und
doch wird als Grund der zwei Jahre nachher erfolgten Abdication an-
gegeben, „die üeberzeugung*' angegeben, dass er überhaupt für die
fernere Regierung nicht mehr befähigt sei.) Die einzige Ursache der
Verfolgung li^e in der Persönlichkeit Diocletian's. Seine Christenver-
folgung, schliesst Bernhardt, bildet recht eigentlich den Schlussstein in
') Aach Baur sagt darüber Kirchengesch. Bd. 1,443 — Aufl. 1: »Die Hypothese
hängt an zu künstlichen und gewagten Combinationen, als dass sie sich grossen
Beifall versprechen dürfte.** %
Die Gründe der Ckrlitenverfolgaiig unter Diocletian. 407
der Erl&ftigiing und tJmgestaltang des altröiuischen Staatswesens , d^en
Verwirklichung sich Diocletian zur Lebensaufgabe gesezt hatte.^
Diese Erklärung können wir nur von der Verfolgung des Kaisers
Decius gelten lassen (249 — 251), der diese Aufgabe sogleich in Angriff
nahm, nimmermehr von der des Diocletian, der erst anfängt, nachdem
er an die Niederlegung der Regierung denkt, wenigstens beinahe zu
Ende regiert hat.
Wir beobachten, dass Jakob Burckhardt sich seine eigene Hypo-
these über Diocletian^s Verfolgung ausgesponnen hat, die völlig in der
Luft steht, dass A. Vogel theils die Ideen Burckhardt^s adoptirt, theils
seine eigenen Hypothesen, die völlig in der Luft schweben, anreiht, dass
Wietersheim die Hypothesen Burckhardt^s blindlings adoptirt, dass end-
lich Th. Bernhardt theils in den Fussstapfen Burckhardt's, theils Alb. Vo-
gel's wandelt.
Wir begegnen schliesslich zum Glücke und Tröste noch einem dent*
sehen Schriftsteller, mit dem wir uns in der Erklärung dieser Verfol-
gung im Wesentlichen im Einklänge finden. — Es ist die Schrift: „Der
Uebertritt Constantin's des Grossen zum Christenthum. Akademischer
Vortrag, gehalten am 12. Dezember 1861 im Grossrathssaale in Zürich,
nebst geschichtlichem Nachweis von Dr. Theodor Keim, ord. Prof. der
Theologie.*^ Zürich 1862, S. 105. — Keim stellt sich auf den Boden
der Geschichte, wenn er sagt, dass die „Geschichtschreiber Diocletian^s
die Verfolgung ohne allen geschichtlichen Boden — von einem persön-
lichen Misstrauen gegen die Christen, von einer Furcht, christlicher
Thronrevolution leiten*'.
„Warum nicht lieber von der orientalischen Anbetung, welche der
Kaiser zu fordern begann , welche das Christenthum nicht leisten mochte.
Aber auch über einen solchen Anlass giebt es keine geschichtliche Spur.^
(S* 7.) Aus zwei Gründen erklärt Keim die Verfolgung. Aus dem
zuerst von Vogel eingeführten von der ^ Herrscheridee Diocletian's, und
annähernd mit den Worten Alb. Vogers, wenn er u. a. sagt: „Es gab
nur zwei Mittel: Ergebung (an das Christenthum), oder Schlacht und
Sieg. Zum Zweiten griff Diocletian, seinem Vorbild Marc Aurel fol-
gend, und was er auf einer Triumphsäule sagte: aufgerichtet nach
Ausrottung des Namens der Christen, welche den Staat
zerstörten, das wollte er wenigstens*'*). Hier also begegnen wir wie-
der der fingirten spanischen Inschrift, und sie ist zu einer Triumphsäule
erwachsen« Aber sie soll erst noch entdeckt werden. — Das Haupt-
gewicht aber legt Th. Keim auf den feindseligen Einfluss der Neupia-
toniker, vor allem des unversöhnlichsten aller Feinde des Christenthums,
des Porphyrius (bis 305). Er schrieb fünfzehn Bücher gegen die Chri-
sten, die er bekehren wollte. Noch mehr gelang es dem Statthalter
>) Keim, S.a a73.
408 Yiertefl Bach. SechazehnteB Kapitel.
ELiwokles dem Aeltem Yon Bithynien^ Eiofliiss auf Galerius und Dio-
detian zu gewinnen. Er führte in der von Diocletian berufenen Ver-
sammlung das Wort gegen die Christen. Dieser fiierokles^ ex Vicario
Praeses, war der Urheber und B^hgeber zum Beginne der Verfolgung;
er verfolgte zugleich, ^nicht zufrieden mit diesem Verbrechen, durch
seine Schriften diejenigen, welche er in das Unglück gebracht hatte^.
(Lact. div. insL 5, 2,) j,Er schrieb zwei Bücher, nicht gegen die Chri-
sten, damit es nicht den Schein einer feindseligen Verfolgung gegen
ihn erweckte, sondern an die Christen, damit er ihnen einen freund-
schaftlichen Rath zu geben schiene ^).^ — In der That war der Titel
dieses Werkes: „Xöyot q)iXcci/t]d'cf,s ^Qog roiig XQ^*^^^^^9 Wahrheits-
liebende Beden an die Christen,^ deren Widerlegung sich später Euse*
biuit von Cäsarea unterzog. Lactantius hält ihn, wegen seiner genauen
Bekanntschaft mit dem Christenthume und mit der heiligen Schrift, für
einen abgefallenen Christen.
Dem Einflüsse des Galerius, des Hi^okles, des Porphyrius, und
vielleicht eines andern Philosophen Maximus ist zu gleich^i Theilen der
Ausbruch der Verfolgung zuzuschreiben. Das Widerstreben des Dio-
cletian ist so sehr constatirt, dass es nichts hilft, sich auf seine Energie
und Selbstständigkeit zu berufen. Denn in dieser Sache gab er nicht
die Initiative; er trieb nicht, sondern wurde getrieben, und er beschwicl^-
tigte sein Gewissen damit, dass alles unblutig abgehen sollte.
„Die Action sollte auch modern genug localisirt seyn, nur das Heer
und der Hof sollte gesäubert werden, imd in jenem war der Anfang
schon in den neunziger Jahren gemacht worden^); aber bald folgten
sich vier Edikte, welche die Zerstörung der Kirchen, die Verbrennung
der Bibeln, die Entsezung der christlichen Würdeträger, die Rechtlosig-
keit der Christen, die ewige Knechtschaft christlicher Sclaven, die Fes-
selung und Folterung der Vorsteher der Kirchen, und endlich nach
kurzer Amnestie bei den Vicennalien Diocletian's (November 303) im
J. 304 den Opferzwang für alle Christen verhängten.^ S. 16. „Noch
zu Ende des Jahres 304 machte Diocletian selbst den ärgsten Gi^ueln
durch ein Edikt ein Ende: es zieme sich nicht, dass die Städte mit
Bürgerblut sich beflecken. Die wohlwollende, sanftmüthige, allen gnä-
dige Herrschaft der Kaiser dürfe nicht der Grausamkeit beschuldigt
') De mort. pertec. e, 16, Qui (Hieroeles) auctor et cotmUarius ad faciendam pereem-
Honem fitit Cf. Lact divin, instit, 5, 2. Qui erat tum e numero judicum^ et qui
auctor in prinUs faciendae persecutionis fuit,
*) Keim sieht keinen Grund, den Anfang: gerade in das J. 298 zu sezen — S. 76
— Die vier Edikte siehe das erste — Euseb, Ä. e. 8, 2. — de mort. pers, 13, —
das zweite — Euaeh, 8, 2, 6, — das dritte — t6. 8, 2, 6, Das zweite und dritte
folgen fjiit' ov xohj. Zwischen das dritte und vierte fällt die Entlassung fast
aller Gefangenen — Eueeb. martyr, Pahest, c. 2, — das viert« Edikt mart, BU, e, 8,
Die Gründe der Christenverfolgung unter Diocletian. 409
«
werden; die Todesstrafe sei aufgehoben.^ Dieses will Tb. Keim aus
Eta, h. e, 8, 12 beweisen, wo Eusebius noch sagt, dass statt der Hinrich-
tungen jezt Verstümmelungen an einem Auge oder Fusse eingetreten.
^Aber dieses Edikt der Halbheit — erlaubte dem Galerius Grausamkeit,
Andern erlaubte es die Schonung. Aber die Schonung gewann die
Oberhand; noch vor Abdankung Diocletian's am 1. Mai 305 war die
Verfolgung im Westen, aber auch im Osten völlig erloschen, und will
man die Abdankung Diocletian^s ausreichend erklären, so war sie — mit
semer Krankheit und Geistesverwirrung ganz vorzüglich die Frucht
des Weltblutbades, das er nicht gewollt und doch ge-
stiftet hatte.^
Wir schliessen dieses Kapitel mit dem Wunsche, dass, nachdem
die „Phantasieen J. Burckhardt's^ soviel: Verwirrung in dieser Frage
angestiftet, die klare und nüchterne Darstellung Keimes die kommenden
Schriftsteller über diese Zeit auf den festen historischen Boden zurück-
leiten möge. Die vielverleumdete Schrift de martibus persectUorum aber
wird aus den Angriffen gegen sie siegreich hervorgehen, anerkannt als
Werk des Lactantius, anerkannt als eine unschäzbare Quelle für die
Kirchengeschichte und für die Profangeschichte jener Zeit.
Nachtrag zum ersten Buche.
Das zweite bis vierte Kapitel dieses Werkes war schon gedruckt,
als mir das im J. 1860 erschienene Buch: j,Die geschichtlichen Verhält-
nisse der Pastoralbriefe aufs neue untersucht^ von C, W. Otto, 406 S.
— Leipz. 1860, zu Gesichte kam. — Der Verfasser handelt so aus-
führlich über das „regfia rtjg Svaecog^, und das Fragment des Muratori,
wie ich. Er kommt zu andern Resultaten, hat aber nichts beigebracht,
was meiner Beweisführung für die Reise des Apostels Paulus nach Spa-
nien Eintrag thäte. — Seine Behauptung, dass die Stelle des Eusebius
hist. ecc. 2, 22 (Xoyoq 'ix^C) das erste klare Zeugniss über die zweite
Gefangenschaft des Paulus sei *), ist von mir ausführlich widerlegt (siehe
oben S. 34 — 37), wobei ich ihm ohne Mühe zugebe, dass das „Xöyog
ix^i^ des Eusebius „das Resultat seiner exegetischen Studien*' sei, denn
ich habe überhaupt auf das Zeugniss des Eusebius für die Freilassung
des Paulus aus seiner ersten Gefangenschaft keinen Werth gelegt. Falsch
ist, dass Eusebius für alle Spätem der einzige Gewährsmann sei (Otto,
S. 161).
Otto handelt ausführlich über das Zeugniss des Codex Muratori*).
Er schliesst sich dabei unbedingt an den von Wieseler gegebenen latei-
nischen Text an; dabei schlägt er eine neue Lesart vor. Er kommt zu
dem Schlüsse: „Unsere Erklärung der Stelle hat zu dem Ergebniss ge-
führt, dass der Fragmentist nicht nur die Geschichtlichkeit der spani-
schen Reise des Paulus annimmt, sondern dieselbe auch gegen mögliche
Einwände sicher zu stellen sucht. Es ist sehr wohl denkbar, dass der
römische Episcopat gegen Ende des zweiten Jahrhunderts ein besonderes
Interesse daran hatte, die Gründung der spanischen Gemeinden durch
•) Otto, S. 150.
») Otto, S. 152-1159,
Kachtvag zum ersieii Buche. 411
Paulus za behaupten ^ um dieselben den Nachfolgern des Petilis und
Paulus insonderheit ssu verpflichten.^ Nun folgen Zweifel gegen den
Werth des Codex Muratori. Die Handschrift sei aus dem achten Jahtv
hundert Wir rechten nicht mit Otto; er hat nichts neues beigebracht,
und erkennt den lateinischen Text als Original an. Otto selbst behauptet,
dass auf diese Schrift sich ein bestimmtes Urtheil nicht bauen lasse.
Von S. 160— 168 handelt Otto vom ro xigpia rfjg d^aecog des Clemens.
Er giebt eu, dass, wenn diese Worte die äusserste Grenze des Abend-
landes bedeuteten, in der That die Beise des Apostels nach Spanien
oder noch weiter" (nach Britannien) verbürgt wäre, und ;,wir könnten
uns nicht länger der Annahme einer zweiten römischen Gefangenschaft
entziehen^. Aber td tägfAU bedeute einen Zielpunkt für einen sich be-
wegenden öder doch bewegt gedachten Körper. Doch muss er zugeben,
dass bei Philo tä rägfActtu rrjg y^g — die Grenzen der Erde — stehe.
In der spätem Graecität bedeute es Streben nach dem Ziele. Zugeben
muss er, dass es nie, wie Wieseler und Schaff meinen (S.9 — 10), „höchste
Gewalt^ bedeute, sondern stets „Entscheidung, Bestimmung, leztes
Ziel** *). — „Hiernach sind die Lexika zu berichtigen. Zugleich ist er-
sichtlich, dass die Wieseler'sche Auffassung der Clementinischen Stelle
völlig verfehlt ist (womach ro rägpta — die höchste Gewalt des Abend-
landes bedeutet); denn in diesem Falle hätte Clemens schreiben müssen:
vno Tovg ro rägfAcß rrjg S'vaecog 'ixovrag^ >>unter die die lezte Bestimmung
im Abendlande Habenden^, und selbst dann hätte Clemens wider den
Sprachgebrauch seiner Zeit im alt -poetischen Sinne geschrieben, was
überall nicht anzunehmen ist.^
Nun macht uns Otto begierig auf seine eigene Erklärung. Er meint,
ro rägfiu rrjg Svaccog sei Genitivus rov arudioVy Paulus ist der rgexwv^
nicht die Siksig. Zum Ueberfiuss hat Clemens kurz zuvor die Stadien
angegeben , in denen Paulus seinen apostolischen Lauf ausgerichtet hat
— Das Ende ist, dass Otto auf die unnatürliche Erklärung von Baur
und Schenkel kommt, wornach ro rig^a rrjg Svaccog bedeutet, ro räg^a
ro icevTov iv rfj Svacij das Ende seiner selbst, seines eigenen Lebens,
im Abendlande. — Diess ist nicht bloss eine gezwungene, es ist eine
fade, eine abgeschmackte, eine unmögliche Erklärung. Wer hält es
für möglich, dass rö regfjta rrjg y^g bedeute: das Ende des Lebens auf
Erden, ro rigfia rfjg fieaoyalag das Ende des Lebens im Mittellande,
ro rägficc rrjg d'aXäciafjg das Ende des Lebens im Meere, ro regfia rov
fjXiov avtaxovrog das Ende des Lebens im Morgenlande? Das fühlte
Otto wohl, darum sagt er: „Was aber den vermeintlich gelockerten Ge-
nitiv bedeutet, so verweise ich auf Beispiele, wie ixxXrjaiai rtjg yakariag^
die Kirchen Galatiens.^ Aber diese Beispiele passen gar nicht. Denn
wir sagen ohne Unterschied: die Kirchen in Galatien^ und die Kirchen
') Otto, S.16^.
412 Nachtrag aam enten Boclieb
Galatiens; aber wenn wir sagen: das Ende des Abendlandes , so ver-
steht niemand darunter: das Ende des Lebens im Abendlande. Wir
können sagen: Petrus und Paulus haben ihr Ende in Born gefunden,
aber nie: sie haben das Ende Rom*8 gefunden.
Statt den Beweis zu führen, erhebt sieb C. W. Otto in Glauchau
zu einer Betheuerung, sagend: j^Es bleibt dabei: ild'wv inl ro r^fia
— heisst: gekommen an das — scUieet ihm gesteckte Ziel, r^g Stjaecog —
im Abendlande. Spanien ist kein Punkt , auf den sieh der Lauf des
Abendlandes wendet. Sprachlich ist allein die Erklärung zu rechtfer-
tigen , dass ro rägficc x^g Svaeiog das dem apostolischen Laufe im Abend-
lande gesteckte Ziel bedeutet.^
j,Es bleibt dabei, '^ dass C. W. Otto troz dankenswerther Bemühung
unserer Erklärung nur Vorschub geleistet hat, nach welcher „ro rägfia
rijg Svaecog'* das Ende des Abendlandes bedeutet, und dieses Ende nach
der Anschauung des Alterthumes nur Spanien bedeuten kann.
Ich selbst habe fünf Beweise für die sogenannte zweite römische
Gefangenschaft des Apostels Paulus beigebracht, welche ich sorgsamer
Prüfung empfehle. Auf den dritten , die Zeugnisse der Earchenväter von
Eusebius an, lege ich selbst geringeren Werth. Von den übrigen vier ist
jeder entscheidend. Zwei davon sind älteren Ursprungs, nemlich das
Zeugniss des Clemens und der Codex Muratori; aber es ist mir viel-
leicht gelungen, sie in ein neues Licht der Beweiskraft zu sezen. Die
beiden andern sind meines Erachtens neu; nemlich das in Rom gefeierte
Fest des Tprimus ingrtssu» ctpostoU Pauli in urbem Bomam, im Zusam-
menhalte mit dem Fest der Cathedra 8. Petri, qua primum Romae
sedit, und dem Feste : apud AnHochiam, eaihedra Petri (s. oben S. 32 — 33) ;
sodann der Beweis aus dem Zusammenhange der Reise des Apostels
Paulus nach Spanien mit der Sendung der sieben Apostelschüler (s. oben
8. 218—221).
j
Erster Nachtrag zum zweiten Buche.
Meine Ansicht von dem Ausgange der sogenannten vetus Itala nicht
aus Afrika y sondern aus Italien, steht zur Zeit noch sehr isolirt da. Erst
kürzlich hat Const. Tischendorf, wenn auch nur gelegentlich, sich für
deren afrikanischen Ursprung ausgesprochen. Sodann enthält das zweite
Heft der Tübinger ;, Theologischen Quartalschrift*^ von 1862 eine Ab-
handlung von Dr. Beusch in Bonn: „Die Aeusserungen des heiligen
Augustinus über die Itala, '^ S. 244 — 266, worin derselbe ganz die ge-
wöhnliche Ansicht vertritt, dass die älteste lateinische Bibelübersezung
vor dem Anfange des dritten Jahrhunderts wohl in dem proconsulari-
schen Afrika entstanden sei, wie sie namentlich von Lachmann in den
ProUg. zum N. T. p. IXy von Tischendorf in den Proleg. zum Evang.
PcUat. (und kürzlich wieder in seiner neuen Ausgabe des Testamentum
novttm graece, Recem. C. Tisch. Ed. stereot. IL proUg. renov. textuque
dmuo eorr. — Lips. 1862) , von Ad. Major , Einleit. in das N. T. S. 562,
vor allem aber von Wiseman in den zwei von mir ausführlich wider-
legten Briefen (s. oben S. 86 — 102) vertreten wurde. Auf diese, nach
Beusch in Deutschland „zu wenig beachtete^ (?) Abhandlung beruft und
stüzt sich derselbe vorzugsweise. Dr. Beusch geht aber auf die von mir
behandelte Streitfrage nicht ein. Er handelt bloss über die sehr stark
behandelte Controversfrage, ob unter der vetus itala bei Augusti^ (de
doetr. ehristianaf 2, 15) eine getrennte und besondere Bibelübersezung,
oder eine Becension der einzigen in Afrika entstandenen Version zu ver-
stehen sei, und entscheidet sich, u. a. gegen Dr. Weite's Ansicht (in
der Tübinger Quartalschrift, 1860, S. 150 — 51), für eine einzige Ueber-
sezung, die in Afrika entstanden, von der — nach Augustinus Zeugniss
— die Itala — nur die beste Ausgabe oder Becension war. Ich habe
keinen Anlass, auf seine Gründe näher einzugehen. Denn, ist meine
obige Beweisführung stichhaltig, so kommen wir auf dasselbe Ziel, frei-
lich mit dem Unterschiede, dass ich den Ursprung der ältesten und allen
vorzuziehenden Bibelübersezung in Italien und in Bom, die andern aber
in Afrika suchen.
Zweiter Nachtrag zum zweiten Buche.
(S. 83 und 102.)
Ein Exemplar der angeblich verschwundenen Ausgabe des MistaU
Oothicum von Lorenzana — Born 1804 — hat sich in der hinterlassenen
Bibliothek des Friedrich Windischmann dahier gefunden. — Die hiesige
Staatsbibliothek hat dieses Exemplar bei der Versteigerung um 14 Fl.
erstanden. «*- Das Misaale mixtum, herausgegeben eu Toledo im J. 1500,
wurde bei Versteigerungen antiquarisch schon um 450 Fr. verkauft. Das
Bremarium (s. oben S. 83) um 482 Fr. (Zusammen sogar um 2,1 40 Fr.)
— Die Ausgabe vom J. 1804 wurde um 29 Fr. verkauft Siehe Brunei,
Manuel du JUbraire, t. 3, p. 1761 — Part« 1862. — Nach dem „Ma$wel^
von Brunet hat Ad. Helfferich (s. oben S. 102) theilweise Recht Denn
Lorenzana liess wirklich als Erzbischof von Mexiko drucken: MUsta go^
Mea eeu motarabica, et officium itidem gothieum cUligenter ac dUucide eX"
planata etc. AngelopoU (Puebla), 1770, in Fol. Aber Helfferich hat die
Ausgabe des Breviarium — Mcuirid ap. Ibarra, 1775 et 1788 — des Kar-
dinals Lorenzana nicht gekannt, oder übersehen.
REGISTER.
A.
Abdera (Adra), S. 155. 166. 169.
Abla, 119. 142. 207.
Abala, der heil. Secundus von A., 150
—158. Abula ist die Villa Abla bei
Guadix, 154—157. Abla in der neue-
sten Kirchengeschichle, 157—158.
Abala, s. Avila. Vincentius.
Acci (Guadix), der Weg: von Basti nach
A., 120-123. Das alte Acci, 130-131.
Der heil. Torquatus von Acci, der erste
beglaubigte ßischof Spaniens, 138 — 149.
— Senat in A. , 141. Das Bistham von
A., das erste in Spanien, 142. Acci,
sein Strassennez, 208—209. Acci 156.
— Die Centrallage der Stadt Acci, 2(^
— 214.
Achery d\ Spicileg., 894.
Acisclus, und Victoria, Märtyrer von
Cordaba, 356 — 360.
Acta Sanctorum (Bollandisten), 70
-71. 139. 157. 164. 166. 168-169, 178.
181. 195. 199. 200. 221. 245. 267. 301.
314. 816. 325. 329. 332. 360.
Ado, Martyrologiura 870, 32-46.52.72
— 73. 78-80. 141. 146-149. 210. 222
—227. 303. 312—313. 333. 354. 360.
371. 372.
A f r a 141.
Agui'rre SaSnz, Card., f 1699, 244. 253.
Alba, 156.
Alciblades Haer., 21
Aldrete, 1614, 148. 193.
Almeria, 120. 126. 147. 154. 159. 161
— 164. Andenken des heil. Indaletlus
in Alm., 165.
Ambrosius, 247.
Ammianus Marcellinus, 95« 98.
Anas (Gnadiana), 57. 391.
Andujar, 187. 188. 191.
Anseimus Cant., S. 46.
Antiochien, 398.
Antonini Itinerarium, ed. Wesseling,
Amstelod., 1735, ed. Parihey et Pindor,
Berol., 1848, 66. 68. 119. 154-156.
161. 187. 202. 235. 250-251 257. 330.
Apostelschüler, die Sendung u. Thä-
tigkeit der sieben Apostel in Spanien, 76.
Die Martyrologien über die Sieben-
männer, 76-80. Die alte spanische
Liturgie — erste Quelle über sie, 81
—85. Ihr Officium und ihre Festmesse,
103—117. Die Städte der apostolischen
Siebenmänner und die Centrallage der
Stadt Acci (Guadix), 205—214. Die
Siebenmänner mit ihren sieben Städten,
und die Stadt Rom, 205 — 208. Der
Zusammenhang der Reise des Apostels
Paulus mit der Sendung der sieben
Apostelschüler, 218 — 221. Ihre Fest-
feier, 270-272.
Appianus, 284.
A q u i 1 a 8 , 3. 55.
Aristoteles, 14.
Arnobius, 90. 94. 95. 98. 280.
Asidonia, Bisthum, 64.
Astig is (Ecija), Bisthum, 56. 65. 69.
71. 142. 362-363.
A SSO, 153 — 54.
Asturica (Astorga), Bisthum, 57. 147.
236. 242 flg. 246—251. Das Verhältniss
der beiden Bisthümer Astorga und Leon,
256—260. Grösse und Bedeutung von
Asturica, 256—257.
Asturier, 257.
Afiturius, Bischof, 330—332.
Athanasius, 16. 40.
Augurius, Märtyrer, 265 flg.
Augustinus, 22. 91. 96. 101266.272.
275. 381
Augustus, 274.
416
Register.
AusoniuSjUndHi spalis, S.390— 92. — 14.
Avienas, Festus Av. Rufus, 53. 64.
163. 197.
Avila, Bisthum. Die Stadt Av. nicht
Bischofssiz des heil. Secundus, 150—153.
Av. und Vincentius von Av. 345 flg.
B.
Babylon, S. 39.
Badajoz, 391.
Bag^auden, 278.
B a 1 u z e , Steph., •} 1718, 253. 255. 260. 399.
Barcelona, Bislhum, 254. 260. 273—74.
279. — Cucufat v. B., 303—5; s. Eu-
lalia.
B a r o n i u 8 , Card., + 1607, annales, 6. 70.
242. 260. 264. 267. 387-89. ~ Mar-
tyrol. rem., 70. 77—78. 194. 209. 358. 371.
Basilides,Bi8chof,236 239— 41.242fl&.
Das Bisthum des B., 246—51. 262—64.
Basti (Baza), Bislhum, 120—23. 207.
Becker-Marquardt, Handbuch der romi-
schen Alterlhümer, 1853, 97. 234—35.
262. 266. 273. 295. 351.
Beda, Vener., 45. 313.
Benedict XIV., -|. 1758, 78—79.
Beneficiarii, 265—266.
Berja, bei Adra, 166. B. das Vergium
des heil. Ctesiphon, 167—170. Vereh-
rung des heil. Ctes. in B., 170—171.
Bermudez, Cean, 1832, 284.
Bernhard, v. Toledo, f 1125, 83.
Bernhardt, Theodor, Diocletian in sei-
nem Verhältnisse zu den Christen, 62 S.
— 1862, S. 403—407.
Bibelübersezung, die alte lateinische
vor Hieronymus nicht aus Africa, son-
dern aus Italien, 86—101.
Bilbilis (Calatayud), 133. 167. 204.
Binterim, 79. 84. 100. 134.
Bisping, 1854, 8-9. 57.
Bivar, 253.
Bracara, Bisthum, 250—51.
Braulio, Bischof, t651, 328—29. 344.
Britannier, 12. 15. 219.
Brunet, Manuel duLibraire, 1860—62,
126. 286. 414.
BuUas-las, 153-54.
Burckhardt, Jak., die Zeit Constantin
des Grossen 1853, 393—95.
Burtudisus, 399. 400.
Caecilius, der beil., von Elvira-Gra^
nada, S. 171— 185.
Caesaraogusta (Saragossa), 57. 242.
Anfänge des Bisthums Sar., 253— 256;
8. Felix. — Die achtzehn Märtyrer von
Saragossa, 320—329.
Cajus, Presbyter, 17. 20—24. 31. 32.
Calagurris, 295.
CallxtusL, S. 271.
Calmet, 49. 52.
Capella, Marcianus, 99. 160—61.
Capitolinus, 88.
Cappa, 269-70. 339.
Carcelen, 203.
Carcesa, s. Carteja und Cazorla, 213.
Carte ja, kein Bischofssiz, 193 — 197.
Carteja, der Olkaden, 197—198.
Carter, 1772, 261. 390.
Casiri, Mich., 1760—70, 175.
Cassianus, Märtyrer von Tingis, 291
292
Cassiu 8, Diu, 15. 64. 140. 196. 231. 235.
Castro, Adolfo de, 1858, 64.
Castro, Pedro de, 179. 181.
Castulo, Bislhum, 53. 56—57. 66. 119.
128. 188-189. 200. 202—203.
Catacombcn, 261. 403.
Catullus, 12. 93.
Cazorla, 195. — C. hat am meisten
Wahrscheinlichkeit für sich, das Carcesa
des heil. Esitius zu seyn, 198 — 204.
Ceillier, Remy, 1 1761, 160. 166. 243.
247. 298.
Cenni, Cajetan, 1740-42, 389. 390.
Chelidonius, die Märtyrer Chel. and
Emeterius von Calagnrris, 293—295.
Chrysostomus, 41. 52.
C i a n c a, A., 1593, 150. 152. 198. 200—201.
Cicero, 95. 99.
Claudius, Kaiser, 2. 3. 12. 33. 234.
Clemens, von Rom , 5—6. 6—7. 10. 30.
34. 60. 61. 229.
Columella, 95. 99.
Commodus, Kaiser, 140.
Complutnm, Bisthum, 330 — 34.
Constantin US, Kaiser, 397. 399.
Constantius Chlorus, 297—299. 374.
Constantius, Kaiser, 399.
Corduba, 56. Bedeutung der Stadt, 65
—66. 206. 232. Reich an Märtyrern,
351. Die Märtyrer Faustus, Jannarius
und Martialis, 351—355; Acisclus und
Victoria, 356—360; Zoylus und seine
Gefährten , 360-362.
Corinth, Paulus in, 1. 3. 57. 58. 64.
Cornelius, Papst, 240. 245. 271.
Cornelius a Lapide, 49.
Cortes y Lopez, 1835—36, 57. 121.
138. 141. 153. 161. 168. 177. 284.
Cotelerius, 6.
C r i s p i n u s , 65. 144. Märtyrer von Asti-
gis, 362—363.
Ctesiphon, heil., von Vergium, 166—170.
Cucufat I Märtyrer von Barcelona, 303
-305.
Oyprian, von Carthago, und die Kirche
Spaniens in den Jahren 250—58, 236
— 264. Sein Brief an die Gemeinden
von Astorga-Leon und Merida, 236—241.
V. 93. 270.
Cyrillus, von Jerusalem, 40.
Cyrillus, Lucaris, 6.
Begiiter.
417
Dacian, kommt nach Spanien i. J. 304,
S. 298—300. Daqian, nicht in Evoina,
346-50; v. 315. 316. 325. 330. 331.
376 flg. 392.
Daniel; H. A^, Handbuch der Geogra«
phie 1860, 16. 57. 136-137.
D e c i u 8 , Verfolgung unter, 216. 229. 407.
Dertosa, Bisthum, 54. 57. 69. Paulus
in D.?— 71—75. 204.
Diez, Ferd., 1861—1862, 172.269—70.
Diocletian, Spanien. während der gros-
sen Verfolgung xiiiter Diocletian und
Maximian , 289 flg. — Anfang der Dio«
clet. Verfolgung, 296— 29^ — Die
Gründe der Ghristenverfolgung unter
Diocletian, 393—409. — Ausbruch der
Verf., 396 — 97. Die 4 Edikte; s. Vi-
cennalien in Rom, Nov. Dez. 303^ erste
Martyrien, erkrankt auf der Rückreise
nach Nikomedlen , dankt ab 1. Mai 305.
Dio^net, 133.
D i o n y s i u s , Areopagita , 61. 216 — 17.
— Carthusianus, 49.
— von Gorinth, 231.
Dodwell, Heinr., + 1711, 399-400.
DöUinger, Christenthum und Kirche in
der. Zeit der Grundlegung, 1860, 10.
28. 38. 39. 52. 57 — 58. — Hippolytus
und Kallistus, 1853, 36. 310 — 11.
Domitianus, 145.
Dorostolum, an der Donau, 398. 400.
405.
Dozy, A., 1849—61, 175.
Dupin, Ellies, + 1719, 242-243.
Ebretmo, 1084, S. 163 — 64.
Echeverz, 1735, 126. 159. 164.
Egelastae (Yniesta), 57. 72. 128.
Elvira, das heutige Granada liegt an
der Stelle des alten Iliherris, 172—178.
Der heil. Gaecilius in Elvira, 178-183.
— Synode von Elv., 2. 64. 89. 118.
142. 162. 243. 248. 256. 267. 276. 279
— 80.286.309.
Emerita (Merida), Bisthum, 236. 242 f.
251. 256-257. Seine Bevölkerung,
272-*273. — Enlalia v. Emerita, 364
— 371. Falsche Alterthümer, 391—92.
Emeterias-, 59; s. Chelidonius.
Encratis, von Saragossa, 308. 309. 322.
329.
Endovellicus, 160.
EBglmann, glossaire, 1861, 82. 127.
203.
Ephesus, 1. 3. 4 56. 58.
Epiphanitts, 40 — 41.
Ermeafrid, 190.
Espanna^ sagrada, s. Florez.
Escudero, Xorres, 1665-69, 193. 201.
202.
* » ■
Oans, Span. Kireke*
EöUlia, von Emerita, S.146. Ihr Mar-
tyrium, 364-371. 281. 309. 339.
Eulalia, von Barcelona, ihr Martyrium,
306-319. 398.
Eulogius, Märtyrer, 265 flg.
Eulogius, von Corduba, Märtyrer, f
859, 189. 297. 300. 314. 355. 358. 359 .
—61. 368-69. 38a
Euphrasius, heil., von Illiturgi, s.
Verehrung, 186 — 192.
Euphrasius, Name von Bischöfen , 190
— 191.
Eusebins, von Gäsarea, 19—23. 29—
30. 34-36. 38. 60—61. 73. 77. 145.
231. 247. 265. 279. 297. 299. 394. 401
— 3. 408.
Eutropius, 278.
Evora, Bisthum, 346 — 50. 392.
P.
Fardes, rio, S. 124 — 126.
Faustinus, B. von Lyon, 26a
Faustinus, und Marcellinus, 59.
Felicitas, und Perpetua, 92 — 97.
Felix, Bischof von Saragossa, 239. 243.
253 256.
Felix, Bischof von Astorga, 236. 239.
243 flg. Das Bisthum des F., 246—
251. 251—53. 264.
Felix, Presbyter von Leon, 236.
Felix, Bischof von Acci, 142. 251.
Felix, Märtyrer von Gerunda, 300—302.
Felix, Gonfessor, 316. 317.
Fernandez, Gregorio, 1857, über Me-
rida, 391—92.
Ferreras, f 1735, Gesch. v. Spanien,
78. 118 - 119. 134. 136. 205. 341.
Flavianus, Bischof, 178.
Florez, Henrique, f 1773, Verfasser
der »Espanna sagrada«, t. 1 bis 29 —
1747 bis 1774. Bd. 30 bis 42 sind von
Bisco (1774-1801); t. 43 von Merino
und Ganal — 18J9; t. 44 von densel-
ben — 1826; t. 45 v. Jose de la Ganal
altein — 1832; t. 46 von demselben —
1836; t. 47 von Pedro Sainz de Ba-
randa, Madrid 1850. — s. t. I, S. 262.
347 dieses Werkes. — t III, S. 44—45.
52-54. 57-62. 68. 71. 72. 74. 82. 84
-85. 132. 144 169. 206. 211. 230. 233.
388-89. - t. IV, S. 119-20. 131—32.
134. 142—144 148. 151. 169. 188. 193.
195. 197. 200-201. 206. 230. 248. —
L V, 125. 154-155. - t. VII, 68. 125
-27. 131. 138. 147. 157-58. 186. 188
—89. 331-32. - t. VIII, 68. 159. 161.
198. — t. IX, 289. 391. - t. X, 65.
352. 355. 357. 362. 363. — t. XI, 358.
— t. XII, 174 187. 189. 190. - t. XIII,
244—245. 246—51. 258. 340. 364. 370.
372. 374 391. — t. XIV, 150- 152.
234 345. - t XV, 283. 370. — t. XVf,
257. 258. - t XXIV, 72. 279. -
27
418
E- e g I • I e r;
t XXY, S.72; — U XXIX, 260. 906. SIL
312. 81Ö-317. - t XXX^ 325-29.
382. - t XXXI, 255-56. - t XXXIV,
258. 259. — t XL, 190. 191. — t XLIl,
72. 74. 269. — t XLIII, 303. — Flor«,
MedaUas 3voL, 1757-1773, p. 130.
Plorus, 257.
Forbig er, H. der alten Geographie,
1848, 15. 128. 154 168. 234.
Freindaller, 1802, la 22. 23. 26.
Fructuosus, Martyrbisehofvon Tarracoy
+ 259, 59. 265-272. 274-275. 276.
Fruetuosus, beil., ▼. Bmcara, 281*-
82. 314. 332. 370. 374.
G.
Gades (Oadix), a 1. 2. 12. 13. 15. 58*
55 — 57. 63—65 (die Gadilaner im AU
terlhum). 196. 197. §74 — 75.
Galerius, 296. 303. 395. 397. 407-9.
Gallandi, bibliot. Tel patrum, 17. 20.
Gallien, angebliche Sendung Ton sieben
Bischöfen aus Rom, 215—217.
Gallienus, 276. 299.
Gelasius I., Papst (492—496), 43. 44.
46. 47.
Gellias, Aulus, 58. 93. 94. 95. 97. 98.
232. 283.
Genesius, 163.
Georgi, 1838, 284.
Gerontius, Bisehof von (Sevilla?) Ita-
lica, 59. 144. 145. 168. Der Bischof G.
von Italica, 280—283.
Gerunda, 300—302.
Gomez, Aivar, 84.
Gomez, Bravo, 391.
Granada, seine Lage an der Stelle des
alten Elvira, 171—178. Der sagro monte
von Granada u. seine Höhleo, 178—183.
— Die Verehrung des heil. C&cilius in
Granada, 183—185.
Gregor von Nazianx, 243.
Gregorius Baeticus, 178.
Gregorius Turonensis, 52.72. 191.216
—217. 294-295. 801. 369— 37a 381
302.
Gregor L, Papst (590—604), 43. 79,
219.
Gregor VIL (1073-1085), 83. 143.
Gregor XVL (1831—1846), 265. 385.
Gregoroviu», Ferd., 1851, 53. 273.
G u a d i X , Btsthum. Das Wunder bei
Guadix , 118 - 187. Das Thal von G.,
die Lage der Stadt, und das Gebirge
über ihr, 123 — 124. Def Fltiss von
G., und die Lage der Stadt an ihm.
Die beiden Nebenflflsschen Rio de Gor
und Fardes, 124-126. Die Einzeln-
heiten des Vorgangs , 127 — 129. Be-
merkenswerthe Analogieen aas der
neuesten Zeit, 129—130. — Das beid.
nische Fest in der Stadt, 130—135.
Der üjnsturz der Brücke. Das Wunder
and die Natur, S. M|— 187. — Guadix,
erneuertes Bisthum seit 1492^ 142. 147.
— Der heil. Torquatus in G. verehrt,
145 - 149 — cf. 157.
Gueranger, Dom, 1854, 102.
Guericke, 7.
Gnerrero, Pedro, Bischof, 184.
EL
Hackl&nder, c?n Wipter in Spanien,
1655, S. 121. 186. 184-185.
Hadrian, 274.
Harvey, W.W., 1857, 228 — 229.
Hebr&er, Brief an die, 21—22.
Hefele, F., der Karainal Ximenes,
1851, 2. 199. 388. — Patram apostol.
opera. 4 ed 1855, 10. 36. 89. - Cos-
ciliengeschichte , 1855-1860, 134.19a
253. 260. 264. 841.
Hegesipn, 19. 20. 60-61.
Helena, neil., 140.
Helfferich, 1860, der westgoth. Ana.
nism, 86. 102. 146. 168. 414.
Hermas, Pastor H., 19-24 31. 89fl;.
94. 97. 98. 100. 280-231.
Herodian, 140.
Herodot, 14.
Hesychius (Esitius, Iscius), der heil
H. von Carcesa, 193—204; sein Siz
nicht Carteja an der Meerenge, 193-
197; nicht das unbekannte Carteja der
Olkaden, 197-198; sondern wahr-
scheinlich Cazorla, 198—204.
Hierocles, Christenfeind, 404-406.
Hieronymus, 21. 29. 30. 37. 43.49.
53. 62. 98. 99. 150. 166. 210. 222-227.
260. 294. 312. 371.
Hippolytus, 22. 36. 140. 271. 312.
Hispalis (Sevilla), 56. 65. 248. 283.
Verehrung der heil. Justa und Rnfioa,
287—288. Hisp., Hauptstadt im 4teB
Jahrhundert, 390 — 391.
Horatias, 11. 12. 58. 56. 64.
Hug, L., 18. 27.
J.
Jaeobus, Apost., S. 62. 81. 214 (li«>
25. statt 24. Juli).
Idatius, fasti und chronicon, 55. 151.
248. 350. 369^
JaSn, Bisthum, 188. 191 — 192.
Ignatius, Martyr, 60. 231.
Ildefons, von Toledo, 301. 326. 390.
341 — 342.
Illiturgi, die Lage der Stadt lU., 186
-189.
Indaletius, beil., der heil. Ind. von
Urci 159—160. Der Leib des heil. In-
daletius in Paquenna , s|>&ter (1084) in
San Juan de la Penna, 162^164. Sein
Andenken in Almeria, 165.'
Innoeenz L (402— 417)| 48.
R e g i 8 t e^
419
Inichrlfieii, verd&thMg«, S.347-3Ö0;
angebliehe Inschriil in Spanien übor
die Neronische Cbristenverfolgnng, 387
— 389; angebliche über die Diocletia-
nische Verfolgung , 889 - 390. (cf, 393
-394).
Jo8t, 1825, 2. 58.
Jovian, Kaiser, 16.
I r e n äu 8 , v. Lyon, 22. 27. 62. 88. 89 flg.,
94. 98. 99. 100. 217. Irenäus bezeugt
den Bestand des Christen thums in
Spanien, 228-232.
Irland, 14.
Isidor, von Sevilla, t 636, 45. 59. 82.
96-97. 103. 127. 145. 285. 270. 324
-325. 341. 358. 369.
Isis, 131.
I8turgi,187.
Ister, Strasse an der untern L, 400-401.
Itala, s. Bibeluberse2ung.
Italica, bei Sevilla, 13. 282-84.
Juden, verwiesen aus Rom unter Clau-
dius, 2 — 3. ~ Juden in Spanien, 2.
3. 58. 63.
Julia, 371.
Julia Chalcedonica, 131. 140.
J u 1 i a n u 8 , von Toledo , 97.
Juni US Patricius, 6.
Justa und Rufina, 65. 248» Justa
und Rufina, Märtyrer und Schuzfaeilige
von Sevilla, 284-288.
Justin US, Martyr, 14. 1S3. 230.
Jus tu 8, die Märtyrer Justus und Pastor
von Complutum , 830 — 334.
Juvenal, 13. 15. 64. 97. 13a
Keim, Theodor, der Üebertrilt Conslan-
tin*8 des Grossen zum Christentbum.
Zürich, 1862, S. 105. - Keim, über
die Gründe der Verfolgung des Dio-
cletian, 407 — 409.
Kiepert, H., Atlas ant., 1861, 128.
Kuensberg, Wander. in das german.
Alterthum, 1861, 97. 277.
L.
Laborde, S. 121. 124. 125.
Laclantius, 90. 91. 92. 97. 298. Sein
Buch: de mortibus perseeutorum ; J.
Burckbardt gegen die Aechtheit, 393;
A. Vogel für sie, 397; für sie Th.
Bernhardt, 404« Des Lactant Bericht
über die Aal&nge der Verfolgung, 404
— 406. — L. über Hierocles, 408.
Laelia«, Diakon, 236. 243. 246.
Lafuente AUantara, 1843—46, 171.
177.
Lambesa, in Numidien, 234. 235.
Larainium, und Campus Laminitanus,
57. 66-68.
Lange, Geschichte der Kiithe, 1853,
10—11.
Las Aguilas, S. 16t.
Latour, über Toledo, 1860—61, 102.
340 — 41. 342. 343.
Laurentius, Martyr, 276.
Legionen', 235.
Lcmbke, Geschichte v. Spanien, 1831,
86. 242.
Leocad ia, beil., von Toledo, 144. 189»
230. 298. 312. 313. Die beil. Leocadia
V. Toledo , 335 - 343.
Leon, 234-236. 242. Das Verhältniss
der beiden Bisthümer Leon und Astorga,
256—260; s. Gründung, 256. 293.
Lesley, AI., 1755, 84. 85. 272. 275.
Libisosa, 57. Der Apostel Paulos das.?,
66-71.
Llvius, 95. 167. 169. 187. 18a 196. 197.
Lorca (EUocroca), 119. 120. 121. 159.
161.
Lorenzana, Fr., Kard., + 1804, 62.
84. 101-2. 168. 269. 304. 308. 326.
348. 414.
Lorinser, Fr., Reiseskizzen aus Spa-
nien, 4 Bde; 1855-58, 65. 102. 119.
121. 122—23. 124. 12a 129. 136. 173.
179-80. 204. 214. 270. 28a 317. 3ia
339 41,
Lorano, 1794, 161.
Lucan, Dichter, 11. 12. la 231.
Lucian, 231. 232.
Luc i an, christlicher Kammerherr, 394
—95 flg.
Lucretius, Dichter, 13. 93. 94.
Lugo, Bisthura, 190-191. 234.
Lumper, Gottfr., 1795, 244.
Luparia, 112. Die selige L., die erste
Christin in Acci, 139 — 141.
Lupariac, 141. ^
Lydia, 140.
Lyon, and Vienne, 229 — 30^
Macrobius, S. 130. 132.
Madoz, Diccionario geogräfico-estadi-
stico-historico de Espanna, por Ma-
doz , 16 t. in 4«. — Madrid 1848—1850,
66. 67. 119 128. 13a 142. 147. 149.
154. 156. 158. 161. i65. 170. 17a 174.
177. 179 184. 187. 191. 192. 199. 200.
203. 254. 257. 259. 260. 283. 302. 318.
327. 341. 349. 355. 358. 362.
Mai, Angelo. Kard., f 1854, 44—45.
Maier, Adalb., Einleit. in die Schriften
des A. T., 1852, 19. 20. 37. 51. —
Brief an die Hebräer erkl., 1861, 21
-22. 7a
Mamertinus, 14.
M a n n e r l , Geogr. d. Griechen u, Römer,
15. 155.
Marca, Petrus de, 1662, Marca Hispa-
nica, 52. 54. 254. 255. 304. 371.
Marceil US, Märtyrer ip Tingis, s. Mar-
tyrium , 289-- 2M. — s, 235» 396.
27*
430
Regiater.
M a r c i a , Gemahlin d. Gommodns, S. 140.
Marcian, von Arles, 216—17. 263-64.
M a r i a n a , f 1623, Geschichte v. Spanien,
62. 193. 199. 341. 342. 344-4».
Marieta, Juan, 1566, 193. 194.
Martialis, Dichter, 53. 64. 66. 133.
167. 231. 232.
Martialis, Bischof von Astorgra, 236.
239. 240. 241. 242 flg. 246-251. 252.
—53. 260-64.
Martyracten, 403.
Martyrologinm, romanam parvnm,
32 — 34. 72. fs. Baronius), 79 — 80.
141. 143. 148. 210. 222—227. 369. 370.
Maaden, f 1817, Historia critica de
Espanna, Madrid 1783 — 1800. 20 vol.
(unvollendet) , 131. 139. 153. 160. 162.
168. 174. 187. 197. 262. 266. 290. 332.
347. 348. 389. 390.
Mas o na, Bisch, v. Merida, 314.
Massuet, Mauriner, f 1716, 217. 229
230.
Mauritanien, 12. 15. 233 — 235.
Maximianas, 296. 298. 337.
Maximin US, Daca, 397.
Mela, Pompon., Geograph, 14. 160. 162.
196. 400.
M e n d e z , Fr., 1780—82, 2. ed. 1860, 126.
Mendoza, Eard., 1492, 142.
Mendoza, Ferd., 172.
Mentesa, Bisthom, 189.
Mile ,4.
Miltiades, 4M. dieses Namens, 17.21.
Minutoli, Spaniens Fortschr., Entw.,
1852, 56. 141. — Altes und Neues aus
Spanien, 1854, 272. 273. 274. 277.
Möhler-Reithmayr, Patrol., 1840, 21.
M o m m 8 e n , Th., röm. Mtinzwesen, 1860,
131. — üeber die Zeitfolge der Verord-
nungen Dioclelian's, 1860, 398—401.
Morales, Ambr., +1591, 189-90.193.
244. 331.
M o r c e 1 li , Africa christiana , 1816 — 17,
219. 260. 264.
Movers, die Phönizier, 1850, 130. 151.
176. 284.
Mo z arabische Liturgie, 47. 77. Ihre
Schicksale, 81—85. Ihre verschiedenen
Namen; ihr liegt die vetus Itala zu
Grunde , 84. 86 flg. ; stammt aus Rom,
86 flg. Ausgaben von Ximenes-Oeliz,
1500-1502; Lesley, 1755; Fr. Loreo-
zana, 1770, 1775, 1804; Migne, 1850,
101—2. 414. — Ueber die mozarabische
Messe. Das Officium und die Messe
der sieben Apostelschüler, 103 — 117.
143. 210-211. 212. 215. Die stufen-
weise Entwicklung, 270 — 272. 275.
Die mozarabische Messfeier im Dome
von Toledo, 340-341.
Munnoz, Diccionario bibliogr^tflco-histo-
rico de Espanna, Madr., 1858, 121. 138.
156. 181. 182. 202. 258. 350.
Maratori, L., f 1750, da« Bntdittück
eines Ungenannten, genannt Codex
Muratori , N. T., S. 17—24 — Antiq. ital.
roedii aevi. Mediol., 1740. Das Zeog-
niss des C. M. für die Reise des Apo-
stels Paulus nach Spanien, 25—28. 39.
92. 393 - 394.
Murcia, 161. 168.
Margi, 161. 162.
N-
Narbonne, S. 52. 54. 223.
Narcissos, 302.
Natalis, Alexander, f 1724, 6. 7. 44.
52. 62. 217.
Nero, 144. 145. 387—89.
Nethos-Mars, 130. 131.
Neucarthago, 53. 55. 56. 118. 120
-22. 126. 206-8.
Nicolaus V. Lyra, 49.
Nicomedien, 297. 396. 399. 402—5.
Nolte, über den Codex Muratori N. T.,
19. 20. 23. 25-28.
Nonins, 1608, 173. 187.
o.
Obulco, S. 53.
Oecumenius, 46.
Olalla, 204. s. Eulaiia.
Orationen, 7, der gothiachen Messe,
103.
Orbaneja, 1699, 126. 159. 162.
Orcelis, 167.
Orelli, Inscriptionnm collectio, 1828, 141.
Oretum, Germanorum, 68. 141.
Origenes, 38. 62.
Orosius, 257. 27a 385-86.
Ortiz, Alfons, 83.
Osins, von Corduba, 59. 65. 66. 351.
353-54.
Ossonoba, Bisthum, 234.
Otto, W., gegen eine zweite römische
Gefangenschaft des Ap. Paulus (1860),
410-412.
Overbeck, 1856, 100.
P.
Pacianus, v. Barcelona, S. 260.
Paciuchelli, Angelo, 1652, 49.
Padilla, Lorenz de, 1538, 65.
Paulinus, v. Nola, 332. 381.
Paulos, von Narbonne, 46. 52. 54. 57.
72. 216. 217. 223.
P a u 1 u s , von Merida , 213—14 369. 37a
Paulus, der Apostel P. in Spanien, 1—75.
Entschluss d. Apostels, nach 8p. zu
gehen, 1—4. — Paulus und Herakles,
1 — 2. 56. Gründe des Entschlusses,
2 — 4. — P. bei Aquilas u. Priscilla, 3.
— P. in Rom, 4* Das Zeugnis» des
Clemens v. Rom für die Reise ^ 5—16.
Register.
421
— Die Zeit seiner sjpan. Reise^ S. 50; er
giei)g nach seiner Freilassung im J. 63
zuerst nach Spanien, 51 — 52; er hat
den Weg zur See eingeschlagen, 52
— 54. Wirksamkeit des Ap. in Spanien,
55 — 75. — p. des Lateinischen nicht
mächtig, 52. 58 — 59. Ob er Gemein-
den gründete? 63. P. in Astigi? —65;
in Libisosa? 66 — 71; in Dertosa? 71
— 75. Der Zusammenhang der Reise
des Apostels Paulus nach Spanien mit
der Sendung der sieben Apostelschüler,
218 — 221.
Pechina (Paquenna), 162 — 65.
Pen na, San Juan de la P., 159. 163
—64. 329.
Pererius, Benedict, 1603, 47 — 48. 50
-52.
Perezy Joh. Bapt., 143.
Perpetua, 96, s. Felicitas.
Pest, von 250 flg., 261.
Petrus, s. doppelte Stuhlfeier, 33. 39. 62.
Pinius, 1740, 84.
Pius IX., 271.
Plaut US, Dichter, 94. 95. 99.
Plinius L, bist, natur., 3. 14. 39. 53.
56. 57. 66. 95. H8. 127. 130. 154. 155.
156. 161. 167. 174. 187. 196. 202. 208.
234. 235. 256. 257.
Plinius Secund., 66. 98. 133. 232.
Polybius, 14. 197.
Polycarp, 275.
Popp^ea, 140.
Porphyr! US, 408.
Port US magnus, 162.
Posidonius,13.
Priscilla, 3. 55.
PriscUlian, 151.
Probus, Xantlppe u. Polyxena, 67—71.
Procopius,15.
Prudentius, Aurelius PrndenU Cle-
mens, christlicher Dichter, 59. 252. 267.
268. 269. 271-72. 293-95. 300. 307
-10. 316-17. 320-24 330. 360. 367
— 69. 381.
Ptolemäus, Geograph, 15. 128. 150.
154. 156. 161. 167. 174. 257.
PuruUena, bei Guadix, 123. 124. 125.
129.
Q.
14.
Quinctilian, S. 231-32.
Quirle US, Bischof, 311. 312. 313
317.
R.
Ray m und, von Toledo, f 1150 od. 51,
S.83.
B e 8 e n d e , Andr., v. Evora, f 1575, 314.
317. 332. 344-48.
Reithmay r, Einleitung in d. N.T. 1852,
19. 20. 29-32.101.
Rom, Gemeinde in, S.S. 28. Die Tradi-
Oams, Span. Kirche.
tion der römischen Kirche über den
Apos.tel Paulus, 29 — 39. Centralstel-
lung der römischen Gemeinde, 205—8.
231 - 32.
Romula, Mutter d. Galerius, 404.
Rosweyd, f 1629, 79.
Routh, Mart, reliquiae sacrae, 1818 et
1846—48, 17. 18. 21, 22. 25. 26. 242.
Ruf US, Sextus, 141.
Ruf US, von Dertosa, 71-75? 226.
Ruinart, acta martyr. sine. ed. 1859
Manz, 134. 141. (216.) 229. 235. 248.
265. 267. 337-38. 351.
S-
Sabatier, S. 84. 85.
Sabinus, Bischof v. Merida, 236. 239.
242. 243 flg. 246-251. 264 — v. SeviUa,
287. 288.
Sätabis, 57. 72. 73.
Sagunt, 57. 72. 204.
Salambo, 284. 286.
Salmeron, Pasqual, 1777,193.197—98.
201. 202.
Samos, Kloster, 190.
Samson, Abt, 361—62.
S a n ch o , Don , 163.
Santiponce, 282—283.
Saturnin, y. Toulouse, 216—17. 229.
337—38.
Scaliger, und Emerita, 391—92.
Schaff, apostol. Kirche, 1854, 9—10.
Sebastianus, 223. 226—27.
Secundus, der heil. S. von Abula,
150-58. Abula ist der Ort Abla, 154
—57. 199.
Seneca, 66. 231-32.
Serena, 140.
Servandus, und Germanus, Krieger
und Märtyrer, 372—75.
Silius Italicus, 13.
Simeon, Metaphrastes , 45.
Singidunum, bei Belgrad, 400.
Sirmium, Residenz, 399—402.
SoUier, Jes., 73. 79.
Solorius, mons, 137.
Sophronius, von Jerusalem, 44 — 4 5.
Soto, Domin., 47.
Spanien, das Ende des Abendlandes,
6-16.
Spartianus, Aelius, 140. 274.
Spruner, 12a
Stark, Kirchengesch. d. 1. Jahrb., 1779, 9.
Stephanus I. (253-257?), 239. 242. 245.
246. 260. 263. 264.
Stephanus VI. (885-91), 54.
Stephanus, Byzant, 197.
Stolz, A., Spanisches, 136.
Strabo, Geograph, 13. 14—15. 39. 53.
57. 58. 63. 65. 66. 72. 122. 132. 196.
203. 208. 272. 348.
Suarez, Pedro, 1696,124-25.126.138.
156-57.
28 '