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Full text of "Geburtshilfe"

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GEBURTSHILFE 



EINE 



EINFÜHRUNO IN DIE PRAXIS 



VON 



DR. MED. HEINRICH ^RITSCH 

Professor der Gynäkologie und Geburtshilfe 
und Direktor der Königlichen " Frauenklinik an der Universität Bonn. 



MIT 73 ABBILDUNGEN 



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LEIPZIG 

VERLAG VON S. HIRZ'fiL 

1904. 



Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung vorbehalten. 



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Druck von August Pries in Leipzig. 






Vorwort. 



Es ist ein großes Glück für uns Deutsche, daß wir statt einer aus- 
schlaggebenden Zentralstelle eine große Anzahl Mittelpunkte wissenschaft- 
licher Autorität in unseren zahlreichen Hochschulen besitzen. 

Der Praktiker sucht sich aus den verschiedenen Lehren, Zeitschriften, 
Büchern und Vorträgen das Richtige und Wichtige aus. 

Viele Lehrer des Faches fühlen den inneren Drang, Das, was sie 
für gut und richtig halten, in einem Buche für ihre Schüler niederzu- 
legen. Auch ich habe es schon seit 30 Jahren beabsichtigt, habe vor 
30 Jahren den Verlagskontrakt unterschrieben, und wohl zehnmal die 
Arbeit begonnen, immer wieder durch andere Pflichten verhindert. 

In meinem Buche wollte ich Theorien und Hilfswissenschaften nur 
soweit heranziehen, als es unbedingt zum Verständnisse nötig ist. Denn 
weder mein Buch, noch irgend ein anderes, kann den theoretischen 
Unterricht, den Operationskursus und die klinischen Vorträge ersetzen. 
Im Gegenteil, nur Der kann ein Buch mit Vorteil studieren, der in den 
Vorlesungen die Lehren gut in sich aufgenommen hat. Er kann sich 
durch das Eine an das Andere erinnern, sich anregen lassen zum Nach- 
denken und zur Kritik. 

Ich wünsche, dem alten Studenten und dem jungen Arzte ein Buch 
zu geben, das ihm ein Ratgeber in der Praxis ist, ein Leitfaden im 
Zweifel und eine Stütze bei Unsicherheit des Entschlusses. 

Die Gruppierung des Stoffes mußte vom Hergebrachten abweichen. 
Wollte ich Zusammengehöriges nicht trennen, so mußte ich die Reihen- 
folge der Kapitel und die Reihenfolge in den Kapiteln mehr von der 
Logik als von den traditionellen Einteilungsprinzipien abhängig machen. 
Es fehlt auch in dem Buche Vieles, das seit 100 Jahren in jedem Lehr- 
buche der Geburtshilfe steht Dafür aber wird man auch Vieles finden, 
das in anderen Büchern fehlt, das ich aber für sehr nötig halte. 

So hoffe ich denn, daß meine Absicht, den angehenden Arzt in die 
praktische Tätigkeit des Geburtshelfers einzuführen, durch mein Buch 
erreicht wird. 

Nußbach im Schwarzwald, 28. VIII. 1904. 

Heinrich Fritsch. 



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Inhalt. 



Seite 

Erstes Kapitel: Der Geburtsweg i 

Das knöcherne Becken i 

Beckeneingang • • • ^ 

Führungslinie 9 

Zweites Kapitel: Die Weichteile des Beckens g 

Die Beckenmuskeln 16 

Drittes Kapitel: Das Becken des Neugeborenen, Wachstum und Aus- 
bildung des Beckens 17 

Viertes Kapitel: Menstruation und Ovulation 20 

Fünftes Kapitel: Die Schwangerschaft 24 

Die Befruchtung 24 

Die Eiimplantation 25 

Die Decidua 26 

Das Wachstum des Eies, Amnion, Chorion, Placenta ...... 28 

Der Nabelstrang 31 

Die Placenta 32 

Das Fruchtwasser 33 

Ernährung und Kreislauf des Fötus 34 

Die Vergrößerung und Form des Uterus in der Schwangerschaft . . 36 

Die Cervix und das untere Uterinsegment 38 

Dauer und Berechnung der Zeit der Schwangerschaft 41 

Zeichen und Verlauf der Schwangerschaft 44 

Die Diagnose der Schwangerschaft 50 

Die Diagnose des Schwangerschaftstermins 53 

Die Hygiene der Schwangerschaft 56 

Sechstes Kapitel: Das Kind in den einzelnen Monaten der Schwanger- 
schaft 60 

Siebentes Kapitel: Die Geburt 66 

Der Geburtsbeginn 66 

Der Blasensprung 69 

Die Wehen . 70 

Die Kopfgeschwulst 72 

Die Geburt der Placenta 74 

Achtes Kapitel: Das reife Kind im Uterus bei der Geburt 78 

Die Lagen des Kindes 78 

Die Schädellagen 80 

Der Geburtshergang bei Schädellagen 83 

Die Wirkung der Wehen 86 

Die Drehungen des Kopfes 



VI Inhalt. 

Seite 

Die Geburt des Rumpfes 90 

Mechanismus bei erster und zweiter Schädellage gi 

Abweichung vom Mechanismus , 93 

Vorderhauptslagen 94 

Stirnlagen 97 

Gesichtslagen 97 

Die Beckenendlagen 100 

Die mehrfache Schwangerschaft 105 

Neuntes Kapitel: Die Untersuchung bei der Geburt 112 

Untersuchung des Allgemeinbefindens 112 

Diagnose der Kindeslagen 115 

Die Auskultation 119 

Beckenmessung 121 

Die innere Untersuchung. Desinfektion 123 

Zehntes Kapitel: Die Leitung der Geburt 128 

Behandlung des Dammrisses 137 

Die Leitung der Nachgeburtsperiode 140 

Elftes Kapitel: Das Wochenbett 143 

Anatomie 143 

Physiologie und Symptomatologie 149 

Das neugeborene Kind 155 

Die Pflege fm Wochenbett 157 

Die Pflege des neugeborenen Kindes 162 

Wahl der Amme 171 

Die künstliche Ernährung des Neugeborenen 174 

Zwölftes Kapitel: Pathologie der Schwangerschaft 170 

Verdauungsorgane 177 

Harnorgane . 182 

Schwangerschaftsniere 184 

Atmungsorgane 188 

Tuberkulose 188 

Zirkulationsorgane 191 

Varicen 194 

Nerven, Chorea 196 

Epilepsie 197 

Hysterie .4 198 

Allgemeinerkrankungen 200 

Chlorose, Anämie, pemiciöse Anämie, Leukämie, Icterus usw. . . 202 

Syphilis 205 

Dreizehntes Kapitel: Eklampsie 213 

Vierzehntes Kapitel: Pathologische Zustände des Uterus in der 

Schwangerschaft und Geburt 231 

Retroflexio uteri gravid i 231 

Prolaps 238 

Tumoren des Uterus. Myome 241 

Carcinom des Uterus 247 

Ovarialtumoren 251 

Bildungsfehler 255 



Inhalt. VII 

Seite 

Vulva und Scheide 258 

Entzündung in und neben dem Uterus . 261 

Erkrankung der Eihäute 261 

Amnion 263 

Chorion, Traubenmole 266 

Placenta 268 

Nabelschnur 270 

Fünfzehntes Kapitel: Extrauteringravidität 271 

Symptome, Verlauf, Diagnose 276 

Behandlung 280 

Sechzehntes Kapitel: Der Abort 287 

Verlauf 289 

Diagnose 291 

Behandlung 293 

Habitueller Abort 301 

Siebzehntes Kapitel: Placenta praevia 302 

Symptome und Verlauf 303 

Diagnose 306 

Therapie 307 

Achtzehntes Kapitel: Die engen Becken 312 

Das gleichmäßig verengte Becken 313 

Das rachitische Becken 314 

Das kyphotische und lordotische Becken 318 

Die schrägen Becken 319 

Das skoliotische schräge Becken , . 320 

' Das Naegelesche schräge Becken 320 

Das durch Funktionsstörung eines Beines schräge Becken .... 323 

Das Luxationsbecken 324 

Das osteomalakische Becken 325 

Das spondylolisthetische Becken 327 

Das Geschwulstbecken 329 

Das Spaltbecken 329 

Diagnose 330 

Symptome und Verlauf der Geburt beim engen Becken 335 

Geburtshergang bei engen Becken 341 

Therapie, der künstliche Abort 345 

Die Diät, um das Kind klein zu erhalten 346 

Bauchbinde 347 

Die künstliche Frühgeburt 347 

Die Leitung der rechtzeitigen Geburt beim engen Becken .... 353 

Die prophylaktische Wendung 355 

Die Symphyseotomie 357 

Die Zange 359 

Die Perforation und Kranioklasie 360 

Der Kaiserschnitt 362 

Neunzehntes Kapitel: Geburtsstörungen, die vom Kinde ausgehen . 362 

Hydrokephalus 368 

Hemikephalus 370 



VIII Inhalt. 

Seite 

Ascites, Spina bifida 371 

Akardiaci 372 

Doppelmißbildungen 373 

Fehlerhafte Haltung des Kindes 374 

Vorfall der Nabelschnur 375 

Diagnose 376 

Behandlung 376 

Geburtsstörungen durch zu feste Eihäute 378 

Querlagen 379 

Therapie 382 

Die Extraktion bei Beckenendlagen 386 

Extraktion am Steiß 386 

Extraktion bei Fußlagen 388 

Verfahren bei Unmöglichkeit der Wendung 392 

Zwanzigstes Kapitel: Zu starke und zu schwache Wehen 394 

Zu starke Wehen 394 

Zu schwache Wehen 395 

Therapie 397 

Die Beckenausgangszange . 399 

Einundzwanzigstes Kapitel: Geburtshilfliche Verletzungen der Mutter 401 

Die Uterusruptur 405 

Symptome und Verlauf 408 

Therapie, Prophylaxe 410 

Zweiundzwanzigstes Kapitel: Die Nachblutungen 414 

Therapie 417 

Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Pathologie des Wochenbettes. . . 428 
Die Infektion mit Streptokokken und Staphylokokken : das Puerperal- 
fieber 428 

Infektion mit Tetanusbazillen 434 

Die Gonorrhoe im Wochenbett 434 

Verlauf der Infektion des Puerperalfiebers 436 

Sektionsbefund 437 

Schenkelvenenthrombose, Pyämie 438 

Diagnose und Prognose des Puerperalfiebers 441 

Therapie, Allgemeinbehandlung 442 

Die lokale Behandlung 445 

Die puerperalen Exsudate 450 

Therapie 454 

Anhang: Die puerperale Mastitis 455 

Therapie 45O 



Erstes Kapifel. 

Der Geburtsweg. 

Das knöcherne Becken. 

15. Lebensjahre, oft schon im 14., ist das Becken so entwickelt, 
dass die Geburt eines reifen Kindes stattfinden kann. 

Das Becken besteht aus 4 Knochen: dem Kreuzbein (Os sacruin), 
den zwei Hüftbeinen (Ossailei) und dem Steilibein (Os coccygis). 




Das Kreuzbein, das untere Ende der Wirbelsäule, ist in der Regel 
aus 5, seltener aus 6 nach unten kleiner werdenden, knöchern-ver- 
wachsenen Wirbein zusammengesetzt. Im kindlichen Alter sind die Kreuz- 
beinwirbel durch Knorpel von einander getrennt. Die Basis des Kreuzbeins 
ist mit dem fünften Lendenwirbel durch den Zwischenwirbelknorpel so 
verbunden, wie die Wirbel der Wirbelsäule unter sich. Der vorderste 
Punkt der Basis ist der Vorberg, das Promontorium. 

riiUrh, Geburtshilfe. I 



2 Erstes Kapitel. 

Die vordere Fläche des Kreuzbeins ist doppelt konkav, von oben 
nach unten: senkrechte Konkavität, und von rechts nach links: hori- 
zontale Konkavität, An der Seite befinden sich je 4 Löcher, die 
vorderen Kreuzbeinlöcher. Da, wo die Wirbelkörper des Kreuzbeins 
mit einander verwachsen sind, sieht man mehr oder weniger hervorragende 
Leisten. Die Seitenränder sind oben mit den Hüftbeinen verbunden. 

An der hinteren Fläche des Kreuzbeins befinden sich neben der 
Basis rechts und links die nach innen und hinten offenen Gruben der 
Oelenkfortsätze, in welche die Gelenkfortsätze des untersten Lendenwirbels 
hineinpassen. Zwischen ihnen Öffnet sich der dreieckige Spalt des Kreuz- 
beinkanals, die Forlsetzung des Wirbelkanals, 

Das Kreuzbein ist hinten konvex und trägt in der Mitte die Kreuz- 
beinleiste, in der die verwachsenen Dornfortsatze der Kreuzbeinwirbel zu 
erkennen sind. Am unteren Ende der Leiste ist der unregelmäßig ge- 
staHete Spalt des Kreuzbeinkanals. Die hinteren Kreuzbein löcher, ent- 
sprechend den vorderen, sind kleiner und unregelmäßiger als die vorderen. 

An der unteren Spitze des Kreuzbeins ist das Steißbein angesetzt, 
3—5 einzelne Knöchelchen, die beweglich unter sich und mit dem Kreuz- 
bein verbunden sind. Sehr oft, namentlich bei Frauen, die geboren 
haben, findet man Verschiebungen der einzelnen Steißbeinwirbel nach 
vorn oder hinten, auch nach der Seile, und knöcherne Verwachsungen 
in einer dieser pathologischen Lagen. 

Die Hüftbeine trennt man in 3, im kindlichen Lebensalter knor- 
peHg mit einander verbundene Knochen: das Darmbeim, das Sitzbein 
und das Schambein, die in der Pfanne mit je einem Winke! zusammen- 
stoßen. 

Am Darmbein unterscheiden wir oben den Darmbeinkamm. 
Unter ihm ist der Knochen dünn, oft durchscheinend. Der Darmbein- 
kamm hat eine äußere, mittlere und innere Lefze, die zusammen 
circa 1 — i'/^cm breit sind. Der Darmbeinkamm ist S-fÖrmig ge- 
bogen: das vordere Ende nach einwärts, der hintere nach auswärts. 
Hinten und vom endet der Darmbeinkamm in jFStacheln": spina anterior 
superior und Spina posterior superior. Beide Stacheln, deutlich durch 
die Haut zu fühlen, sind bei der Beckenmessung wichtige Meßpunkte, 
Vom vorderen oberen Darmbeinstachel nach abwärts wird der Knochen 
durch einen scharfen dünnen Rand nach vorn begrenzt und endet in 
dem gerade in der Mitte des oberen Pfannenrandes liegenden unteren 
vorderen Darmbeinstachel: Spina ossis ilei anterior inferior. Ebenso 
endet hinten abwärts von der Spina ossis ilei posterior superior der 
Knochen noch schärfer in dem unteren hinteren Darmbeinstachel, der 
dem Kreuzbeine, am unteren Ende der Superficies auricularis fest auf- 



Das knöcherne Becken. 



liegend, nicht so deutlich durchzufühlen ist. Diese Spina posterior in- 
ferior feilt den oberen Rand des großen Sitzbeineinschnittes in zwei Hälften. 
Ungefähr 5 cm vor dem hinteren Rand des Hüftbeins befindet sich die 
ohrmuschelförmige (superficies auricularis) Gelenkverbindung des Hüft- 
beines mit dem Kreuzbeine: die Kreuzdarmbeinfuge, die Synchon- 
drosis sacroiliaca. An ihrem oberen Rande, da, wo der scharfe Grat des 
Kreuzbeinf lügeis mit dem Hüftbein zusammenstößt, setzt sich an der 
Innenseite des Beckens dieser Oral in eine Linie fort, welche die Linea 
innominata heißt und die Grenze zwischen dem großen und dem kleinen 
Becken bildet. 

Das Sitzbein beginnt mit einem absteigenden Aste am Sitzbeinstachel, 
der die Grenze des großen Sitzbeineinschnittes nach vorn bildet Dieser 
Ast endet in den massigen Sitzbeinknorren (Tuber ischii). Zwischen 
ihm und dem Sitzbeinstachel befindet sich der kleine Sitzbeineinschnitt 
Vom Knorren schräg nach vorn und oben zieht der aufsteigende Sitz- 
beinast, der sich mit dem absfeigenden Schambeinast zum Schambogen 
verbindet. 

Die platte konvexe äußere Fläche der Darmbeinschaufel grenzt nach 
abwärts an die Pfanne, nach vorn an das Schambein, das ebenfalls 
an der Bildung der Pfanne beteiligt ist Der horizontale Ast des Scham- 
beins zeigt da, wo er an das Darmbein stößt, eine Hervorragung (Tuber- 
culum ileopeclineum). Oben hat das Schambein einen scharfen Rand: 
Pecten pubis. Beide Schambeine stoßen in der Mitte der vorderen 
Beckenwand in der Schambeinfuge (Symphyse) zusammen. Von hier 
nach abwärts zieht der Ramus descendens, der absteigende Scham- 
beinast zum aufsteigenden Silzbeinast Beide Äste bilden abwärts aus- 
wärts den scharfen oberen inneren Rand des Foramen obturatorium, 
dessen andere Hälfte vom Sitzbein begrenzt ist 

Es gibt am Becken die drei schon erwähnten Gelenke, resp. Halb- 
geienke: hinten sind die zwei Kreuzbeinflügel in der Superficies auricu- 
laris mit dem Darmbein verbunden, vorn stoßen die Schambeine in der 
Schamfuge, der Symphyse, zusammen. Diese Gelenke haben einen dünn 
faserknorpeligen Überzug, eine Synovia] kapsei und enthalten etwas wenige 
synoviale Flüssigkeit. Sind also auch die Substrate eines Gelenkes vorhanden, 
so hindern doch die Bänder, welche die Knochen verbinden, die Beweglich- 
keit Indessen ist nachgewiesen, daß während der Schwangerschaft eine, 
wenn auch geringe Beweglichkeit in diesen Halbgelenken existiert, resp. die 
geringe physiologische Beweglichkeit noch zunimmt Liegt z. B. das Becken 
fest auf und hängen die Beine herab, so wird die Schamfuge etwas gedehnt 
Ist es auch nur eine minimale Dehnung der Bänder, so ist doch nach- 




« 



Erstes Kapitel. 



gewiesen, daß dadurch die Beckendurchmesser zunehmen, a!so der 
Geburlsweg geräumiger wird. 

Die Bänder des Beckens sind besonders fest und kräftig. Hinten 
verbindet eine feste mehrschichtige Bandmasse, die Ligamenta sacroiliaca, 
den über das Kreuzbein hervorragenden hinteren Teil des Darmbeins von 
der Spina ilei posterior superior bis inferior mit dem Seitenrand des Kreuz- 
beins. Auch oben, vorn und unten überziehen feste Bandmassen das Gelenk. 

Das Steißbein ist ebenfalls durch feste Bandmasse mit der Kreuz- 
bein spitze verbunden. 

Die im Schambogen zusammenstoßenden absteigenden Schambeinäste 
sind durch das nach unten scharfrandige Ligamentum arcuatum und 

H durch Band massen, die auf allen anderen Seiten, namentlich oben, dieScham- 

I fuge überziehen, fest aneinander geheftet Sodann schließt die untere Öffnung 

' des Beckens seitlich der Bandapparat ab, der von der Spina und dem 

Tuber ischii nach dem Kreuzbein zieht: die Ligamenta tuberoso- und 
spinoso-sacra, Sie sind fest und unnachgiebig und geben dem 
Beckenausgang eine runde Form, resp, Öffnung, Vgl, Figur 2. 



Der Geburtshelfer trennt das Becken in das große Becken, ober- 
halb der Linea innominata, die man den Beckeneingang begrenzend in der 
Figur 2 erblickt, und in das kleine Becken unterhalb der Linea inno- 
minata, in das man in der Figur hineinsieht 

Am großen Becken haben wir4Durchm esse roderDistantiaezu merken. 
Vgl. Fig. 3. Die Entfernung von der Spina anterior superior der einen Seite 




k 



Die Durchmesser des kncichernen Bedtens. 



zu der der anderen Seite: die Distantia spinanmi 26 cm, und die 
weiteste Entfernung der Crista der einen Seite von der der andern: die 
Distantia cristarum 29 cm. Ferner die zwei schrägen Durchmesser 
von der Spina iJei posterior der einen Seite zu der Spina ilei anterior 
superior der anderen Seite. 

Diese 4 Durchmesser sind in der Figur 3 durch Linien bezeichnet. 
Enispricht ihr Maß der Regel, so haben wir es mit einem normalen 
Becken zu tun. Sind die Entfernungen geringer oder ist das Verhältnis 
zueinander ein unregelmäßiges, so schließen wiraus den durch die Messung 
gewonnenen Zahlen auf ein unregelmäßiges resp. verengtes Becken. 




Der wichtigste äußere Durchmesser des Beckens ist die sogenannte 
Conjugata externa, der Baudelocquesche Durchmesser vom Pro- 
cessus spinosus des letzten Lendenw^irbels zum vorderen oberen Rande 
der Symphyse: 20 cm. Er entspricht dem geraden Durchmesser des 
Beckeneingangs, Da dieser direkt mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln des 
Arztes nicht zu messen ist, so schließt man aus dem durch die äußere 
Beckenmessung festzustellenden Maße der äußeren Conjugata auf die 
innere, indem man g cm abzieht. 



Unterhalb der Linea innominata und des Promontorium befindet sich 
das kleine Becken, oder die Beckenhöhle. Die Grenze zwischen 
großem und kleinem Becken, der Beckeneingang, ist geburtshilflich 
außerordentlich wichtig. Wollen wir ihre Form beschreiben, so charakte- 




Erstes Kapitel. 



risieren wir sie durch die vier Durchmesser, die in der Figur 4 eing! 
zeichnet sind. 

Der wichtigste ist der gerade Durchmesser, vom Promontorium 
nach dem oberen Rande der Symphyse (Conjugata), 11 cm, zweitens 
der quere Durchmesser, die größte Entfernung von einer Seite des 
Beckeneingangs zum andern, 13,5 cm, und zuletzt die zwei schrägen 
Durchmesser, von dem Punkte, wo der Kreuzbeinflügel an die Linea 
innominata stößt, nach vorn zum. Tuberculum ileopectiueum, 12,5 cm. 

Die Beckenhöhle selbst teilen wir In verschiedene Räume. Vgl. Fig. 5. 
Wegen der senkrechten Konkavität des Kreuzbeins und der ziemlich gerade 




h 



verlaufenden hinteren Fläche der Schamfuge muß ein von der tiefsten Stelle 
der Konkavität des Kreuzbeins, vom Zusammenstoß des zweiten mit dem 
dritten Kreuzbeinwirbe! nach vom gezogenen Linie größer als die Conjugata, 
der gerade Durchmesser des Beckeneingangs, sein. Da hier das Becken 
also am weitesten ist, bezeichnet diese Linie die Beckenweite, 12,5 cm. 
Unterhalb dieser biegt sich das Kreuzbein mit seiner Spitze wieder nach 
vorn, so daß die Entfernung von vorn nach hinten wieder geringer ist, 11 cm. 
Diese Linie bezeichnet die Beckenenge. Noch tiefer abwärts bezeichnet 
eine von der Steißbeinspitze nach vorn gezogene Linie den Beckenaus- 
gang. Diese Linie hat eine verschiedene Länge, je nachdem das Steiß- 
bein normal steht oder etwas nach hinten abgebogen ist, 11 — 12,5 cm. 



J 







■I DurchmeS! 



Die Beckenhöhle verengert sich etwas trichlerförmig, so daß im Becken- 
eingang der Querdurchmesser 13,5 cm mißt, in der Beckenweite 12,5 cm 
und in der Beckenenge von einem 
Tuber ischü zum andern 11 cm. 

Die Ebenen dieser Durchmesser 
bezeichnet man als Ebene des Em 
gangs, der Weite, der Enge, des Aus 
gangs des Beckens. 

Den größten Widerstand bei 
der Geburt bereifet dem durchtreten 
den Kinde der Becken eingang, der 
überall knöchern begrenzt ist Am 
weitesten ist das Becken in der 
Ebene der Beckenweite. Hier koni 
men die schrägen Durchmesser nicht 
mehr in Betracht, weil ihre hm 
teren Enden in die Incisura ischi 
adica magna fallen. Die Becken- 
weite hai also nur einen geraden 
und queren Durchmesser. 

Unterhalb der Beckenweite, in 
der das Becken in Fig. 6 
durchsägt ist, gibt es 
ebenfalls nur zwei Durch- 
messer. Da das Becken 
ein wenig trichterförmig 
nach unten zu sich ver- 
engt, so bildet es hier 
zwischen dem rechten 
und dem linken Sitzbein- 
knorren, sowie der Sym- 
physe und der Kreuz- 
beinspitze fast einen 
Kreis, Am Beckenaus- 
gange ist nur die Ent- 
fernung von einem Sitz- 

beinknorren zum andern, Beclen in dsr tbene der Beckenweile diirchEÜEt 

der Querdurchmesser 

fest, während wegen der Beweglichkeit des Steißbeins der gerade Durch- 
- veränderlich ist, und zwischen 11 und 13 cm schwankt 





8 



Erstes Kapitel. 



Man merkt sich am leichtesten die Beckenmaße an einer kleinen 
Tabelle: 



Gerader 1 Querer 
Durchmesser Durchmesser 



Beckeneingang 
Beckenweite . . 
Be^ckenenge . . 
Beckenausgang 



11 

12;5 
11 

11—12,5 



13,5 

12,5 

11 



Schräger 
Durchmesser 



12,5 
12,5 



Beckenneigung. 

Steht die Frau, so sind die Pfannen gerade nach unten gerichtet. 
Will man also wissen, wie ein Becken in der lebenden stehenden Frau 
lag, so hält man es so, daß die Pfannen gerade nach abwärts sehen. Dann 
befindet sich der obere vordere Beckenrand ca. 7 — 8 cm tiefer als das Pro- 
montorium. Eine horizontale, vom Promontorium nach vorn gezogene Linie 
bildet mit der das Promontorium mit dem oberen Rande der Symphyse ver- 
bindenden Linie, der Conjugata, einen Winkel. Das Becken ist also nach vorn 
abwärts geneigt, und der Winkel, den die zwei beschriebenen Linien bilden, 
ist der Winkel' der Beckenneigung. Seine Größe schwankt zwischen 
40 und 60^. Je stärker die zwei physiologischen Biegungen der Wirbelsäule 
sind, je mehr namentlich der Lendenwirbelabschnitt der Wirbelsäule und mit 
ihm das Promontorium nach vorn kommt, z. B. bei rhachitischen Becken, 
um so tiefer steht die Symphyse, um so größer ist der Beckenneigungswinkel, 
um so stärker ist die Beckenneigung. Sie verändert sich bei ver- 
schiedener Stellung der Beine. Die Last des hochschwangeren Uterus 
drückt den vorderen Beckenrand herab, so daß die Beckenneigung in der 
Schwangerschaft zunimmt. Ebenso nimmt die Beckenneigung bis auf 
100^ zu bei starker Drehung der Beine nach innen oder nach außen, 
und beim Aneinanderpressen der Kniee. Andererseits kann man die 
Beckenneigung bei starkem Vornüberbeugen des Rumpfes bei geringer 
Einwärtsdrehung der mäßig gespreizten Oberschenkel sehr verringern. 
Die liegende Frau kann durch willkürliche Biegung der Wirbelsäule, 
durch Herstellung einer Kyphose, z. B. beim kräftigen Zug an Gurten, 
die am Bettende angebracht sind, und beim Anstemmen der Füße die 
Beckenneigung geringer machen. 



Fiihningslinie, die Weichteile des Beckens. g 

FührungBlinie. 

Verbindet man die Halbieruiigspunkte sämtlicher geraden Becken- 
durchmesser durch eine Linie, so entsteht die sog. Führungslinie oder 
Beckenachse. Wir benutzen diese Linie, um z.B. bei einer Geburt zu 
begründen, daß ein bestimmter Punkt des Schädels sich entweder in der 
Führungslinie oder rechts, links, vor oder hinter dieser Linie befindet. 



Zweites Kapitel. 

Die Weichteile des Beckens. 



^^^^F Der Beckenraum beherbergt die weiblichen Geschlechtsorgane. Sie 
P bestehen aus Vulva, Vagina, Uterus, Ovarien und Tuben. Sodann 
I sind noch die Blase und das Rectum, die Muskulatur des Becken- 
t rautnes, die Gefäße und Nerven zu besprechen. Selbstverständlich nur 

' insoweit, als sie speziell für die Geburtshilfe von Wichtigkeit sind. 

An den äußern Geschlechtsteilen lagern rechts und links unterhalb 
L des behaarten Mons Veneris die großen Schamlippen, hinten durch das 

i bei Querspannung bandartige Frenulum verbunden, hinter dem sich die 
I Fossa navicularis befindet 

I Bei der Schwangern, namentlich Mehrschwangern, dehnen sich in den 

großen Schamlippen oft die Venen zu großen Varicositäten aus. Rosen- 
kranzartig ragen Wülste und Höcker, bläulich, schwärzlich gefärbt, über 
L das Niveau hervor. An der Innenfläche der großen Schamlippen liegen 

I die kleinen, dünnen Hautfalten, meist etwas feucht, besetzt mit kleinen Talg- 
I drüsen, die bei Neugebornen und Greisinnen fehlen. In der Schwanger- 
P Schaft ragen die Drüsen über die Fläche hervor. Vorn teilen sich die kleinen 
Schamlippen in 2 Schenkel paare, deren obere das Praeputium Clitoridis 
bilden, die unteren ziehen als Crura Clitoridis an die Clitoris heran. 
L Diese Gegend ist sowohl außer als namenUich in der Schwangerschaft 

I sehr blutreich. Es verlaufen hier viele kleine Arterien, deren Verletzung 
I zu starker Blutung, ja zu Verblutung Veranlassung geben kann. 
" Zwischen dem Praeputium und den Schenkeln der Clitoris sieht 

man bei unsauberen Schwangern dicke Borken gelblich- weißlichen 
Smegmas, das bei der Reinigung der Genitalien vor der Geburt sorg- 
fältig entfernt werden muß. Unterhalb der Clitoris liegt das Orificium 
iirethrae und hinter ihm der Harnröhrenwulst, der in der Schwanger- 
schaft tumorartig hervorragt und blauschwarz aussehen kann. Wird ohne 




Zweites Kapitel. 



P 



Säuberung katlieterisiert, so schiebt leicht der Katheter Schmutz aus ' 
Umgebung in die Harnröhre und Blase. Es entsieht dann Infektion des 
Harnblasen Inhalts und Cystitis, namentlich wenn die Katheterisation etwas 
roh ausgeführt und die Urethra dabei verletzt wird. 

Die Scheide ist durch das Hymen abgeschlossen. In der Regel 
bmd als Folgen der Defloration 2 oder 3 radiäre Einrisse vom oberen 
Rande nach abwärts divergierend ver- 
laufend, deutlich zu sehen. Doch ist bei 
niedriger Hymenfalte und nach seltenem, 
vorsichtigem Coilus das Hymen auch 
noch intakt zu finden. Ja es ist selbst 
bei völlig erhaltenem großem Hymen eine 
Konzeption dadurch möglich, dafi das 
Sperma aus der männlichen Urethral- 
Öffnung direkt in die Vagina, auch ohne 
Immissio penis, eingespritzt wird. Fälle 
von großem, intaktem Hymen bei Schwan- 
gern sind gar nicht selten. 

Hat eine Frau geboren, so geht das 
Hymen größtenteils verloren. Man sieht 
nur noch einige Fetzen und Erhöhungen, 
da wo das Hymen aufsitzt: die sog. 
Carunculae myrtiformes. Muß man 
als Gerichtsarzt feststellen, ob eine recht- 
zeitige Geburt staltgefunden hat, so sind 
diese Verhältnisse des Hymen das sicherste 
Kennzeichen. 

Vom Hymen nach aufwärts, ungeßhr 
k die Fossanaiicuians 1 Hymen min parallel mit der Krcuzbcinkonkavitat ver- 
B vagira n ^^^^^ ^.^ Scheldc. Ihre Wandungen sind 

unten dicker als oben, namentlich vorn, der Harn röhren wu Ist ragt ge- 
schwollen wegen der Schwangerschaftshyperämie selbst bei Nulliparen 
in die Vulva hinein. Durchschnitten zeigt er einen fast kavernösen Bau. 
Viele weite Blutgefäße durchsetzen ihn. 

Bei Multiparen, deren Damm eingerissen und nicht wieder geheilt 
war, hängt die Columna rugarum anterior und posterior oft als Pro- 
lapsus oder Descensus vaginae bis vor die Vulva herab. Der obere Teil 
der Vagina ist geräumig und sehr dehnbar, so daß man die Finger frei 
in ihm um die Portio vaginalis des Uterus herumführen kann. 




leine Scham llppcn 
nusführungs^iiffe 
Drdsen F die oben 



K d 
klein 



Die Weichtdle des Beckens, Vulva, Uterus- 1 1 

In der Schwangerschaft ist die Vagina außerordenflich bhitreich. 
Selbst kleine Wunden zu schneiden, wie z. B. eine Cyste oder spitze 
Condylome aus der Vagina zu beseiligen, ist gefährlich. Nur die 
exakteste Naht stillt diese Blutungen, Die Wände der Scheide sind so 
weich, daß bei rohen Untersuchungen mit den Fingern oder einem Instru- 
ment leicht Zerreißungen und starke Blutungen entstehen. Die Scheide 
setzt sich oben an die Portio vaginalis des Uterus an, hinter ihr das 
geräumige hintere und vor ihr das vordere Scheidengewötbe bildend. 

Wir unterscheiden am Uterus das Corpus uteri und die Cervix, 
deren unteres Ende die Portio vaginalis in die Scheide hineinragt. 
Die Muskulatur des Uterus besteht aus glatten Muskelfasern und ist so 
angeordnet, daß über dem Fundus eine Kappe liegt, die mit dem Peri- 
tonaeum fest verbunden, in die Ligamente des Uterus ausstrahlt, diesen 
einen muskulären Kern abgebend. Die mittlere stark verfilzte Schicht ist 
die gefäßreichste. In der Schwangerschaft nehmen die Gefäße so zu, 
daß die Schichten in einzelne Lamellen zu zerlegen sind, getrennt von 
spallartigen BUiträumen. Die submuköse Muskelschicht hat ringförmige 
Anhäufungen um die Tubenmündungen, den inneren und äußeren 
Muttermund. Der äußere Muttermund ist ein ungefähr i cm langer 
Querspalt, oft ist er kleiner, oder auch ganz rund wie ein Stecknadel- 
kopf. Durch ihn, den äußeren Muttermund, gelangt man in die Höhle 
der Cervix, den Cervicaikanal, der bei Schwangeren von einem zähen, 
glasartigen Schleimpfropf angefüllt, resp. verschlossen ist. Haben Ge- 
burten stattgefunden, so ist der Muttermund größer, klaffend. Man kann 
bei der Mehrgeschwängerten leicht den Finger in den äußeren Mutter- 
mund einführen. Oft auch riß bei der Geburt die Cervix an einer oder 
beiden Seiten auf, so daß die Portio auf der einen Seite einen Einriß 
zeigt oder. in eine hintere und vordere Muttermundslippe geteilt ist 

Am inneren Muttermunde beginnt das Cavum uteri, dessen drei- 
eckige vordere und hintere Wand aufeinander liegen. Oben rechts und 
links sind die Tubenöffnungen, von dem aus der interstitielle Teil der 
Tube nach außen seitlich zieht. Diese Öffnungen sind sehr klein und 
von der Uterushöhle aus nicht zu sondieren. 

Während der Cervicaikanal hirschhornartig verzweigte Drüsen be- 
sitzt, sind die Drüsen in der mit flimmerndem Cylinderepithel bedeckten 
Ulerushöhle tubulös, höchstens dichotom, unten geteilt. Die Drüsen ziehen 
korkzieherartig in die Tiefe, Das periglanduläre Bindegewebe ist weich 
und besteht aus mit fadenförmigen Fortsätzen versehenen runden Binde- 
gewebszellen, die in der Schwangerschaft sich enorm vergrößern zu den 
sogenannten Decidualzellen, 




Zvntes Ka^^td. 



I>e Grena derScbleinlRnl itf keiae gende Linie. Hief und (fa sc 
tin Drüsenfundus tirtHt per^tmduQrrtn Gevebc tief in die Mnsculamc 







L'tcnHScblctmbaat, oben DiKCn. nntn Miclalztnr mit CeSUcn. 

Der Qefäßreichtum der Schleimhaut ist sehr bedeutend. Nach 
Leopold ziehen mehr Arterien hinein als Venen heraus, so daß also bei 
Hyperämie eine Blutung entstehen muß. 

Das Peritonaeum überzieht die obere und hintere Fläche des Uterus 
vollständig. Es gehl da, wo die Vagina an den Uterus hinten angesetzt 
ist, auf die hintere Vaginalwand als vordere Platte des Douglasschen 
Raumes über. Vorn schlägt sich das Peritonaeum ungefähr da, wo im 
Uterus sich der innere Muttermund befindet, auf die Blase über. Vorderer 
und hinterer peritonäaler Überzug bilden, an den Seitenkanten den 
Uterus verlassend und zusammen nach auswärts und hinten verlaufend. 
die Ligamenta lata. Die beiden Platten dieses Ligamentes lassen oben 
einen Raum zwischen sich, in dem die Arteria spermatica und die sie be- 
gleitenden Venen zum Ovarium, der Tube und dem oberen Utemswinkel 
ziehen. Von diesem seitlichen Uteruswinkel gehen vier Gebilde aus: das 
hier dicke, rundliche Ligamentum latum, das Band des Ovarium, die 
Tube und das Ligamentum rotundum. Am hochschwangeren Uterus rücken 
die Übergangsstellen der Bänder am Uterus auseinander und nähern sich 
wieder nach der Involution. Weiter abwärts sind die Platten des Liga- 
mentes fest mit einander verwachsen. Unten entfernt sich das vordere 
Blatt des Ligamentum latum vom hinteren, so daß ein dreieckiger Raum, 
das Parametriiim, entsteht. Es ist nach oben von den auseinander 
weichenden Platten des Ligamentum latum, nach innen von der Cervix uteri, 
nach unten von der Vagina begrenzt In diesem Räume laufen die ge- 
sthlängellen Art uterinae aus den Hypogastricae stammend an den Uterus 



J 



Die Wdchteile des Beckens, Uterinschi eint haut, Peritonae 



I, Tuben. 



heraniretend nach oben. Sie senken sich in den Uterus etwas oberhalb 
der Stelle, wo innen der innere Muttermund sich befindet. Einige Äste, 
von denen einer bei Blutungen oft für die Uterina selbst gehalten wird, 
ziehen sich tiefer in die Cervix oder die Scheidenwand. Das Binde- 
gewebe des Parametrium kommuniziert mit dem Bindegewebe des Sub- 
serosium und auf diesem Wege mit dem Bindegewebe zwischen Blase und 
Uterus, dem zwischen Uterus und Rectum, dem in der Kreuzbeinaushöhlung 
und dem Bindegewebe vor der Blase über dem Poupartischen Bande. 
Ja bis zum Bindegewebe um die Niere herum kann sich in ihm eine 
progrediente Entzündung fortpflanzen. 

Die vaginalen Äste der Arteria uterina nehmen ebenfalls in der 
Schwangerschaft an Dicke zu und erreichen den Umfang der Uterina 
einer N ich f schwangeren. Reißt bei der Geburt die Cervix seitlich ein 
und setzt sich der Riß in dem Parametrium fort, so kann eine tödliche 
Verblutung aus einem durchrissenen Ramois vaginalis der Uterina eintreten. 

Neben den Arterien verlaufen die Venen, die das desarterialisierte Blut, 
dessen Sauerstoff dem Kinde zugeführt wurde, durch die Hypogastrica, 
Iliaca, Vena cava, das Herz zur Lunge der Mutter führen. Diese Venen 
sind nicht einzelne Gefäße, sondern sowohl zwischen den Platten der 
Ligamenta lata, als denen der Mesosalpinx, des Mesovarium und im Para- 
metrium weite, schlaffe, vielfach anaslomosierende Venenplexus. Entsteht 
in dem diese Plexus umgebenden Bindegewebe eine infektiöse Entzündung, 
eine puerperale Paramelritis, so setzt sie sich leicht auf die Plexus fort; 
die Folge ist Periphlebitis, Thrombose, Phlebitis, Eiidophlebilis, Pyäniie. 



Wie oben bemerkt, hängen an 
den Uteruswinkeln die Adnexe: 
Tuben und Ovarien. 

Die Tube, deren Anfang als 
enger interstitieller Teil die Uterus- 
wand durchbohrt, hat einen ge- 
schlängelten Verlauf. In puerpe- 
ralen Leichen findet man sie oft 
ganz gerade verlaufend. Das 
Lumen wird nach der Seite zu 
weiter, so daß man den letzten 
weiten Teil die Ampulle nennt. 
Sie ist mit einer auf dendritischen 
Hervorragungen und Leisten sitzen- 
den, nach der Uterushöhle zu 
flimmernden Schleimhaut ausge- 




14 Zweites Kapitel. 

kleidet Eine Ringmuskulatur bildet den Hauptbestandteil der Röhre. 
Darüber befindet sich eine dünne Llngsmuskelfaserschicht und darüber 
das Peritonaeum. 

Die Tube endet in dem Morsus diaboli, dem von den zottigen, 
ebenfalls mit Flimmerepithel bedeckten Fimbrien umgebenen Ostium 
abdominale tubae. In dem von dem Flimmerepithel erzeugten Strudel 
wird das aus dem Ovarium austretende Ei in die Tube hineingezogen 
und, sei es durch Peristaltik, sei es durch die Flimmern, in den Uterus 
weiter geschoben. 

Das Ovarium ist durch das Ligamentum ovarii mit dem Uterus- 
winke] und durch das Mesovarium, eine Bauchfei Iduplikatur, mit der 
hinteren Fläche des Ligamentum latum verbunden. Es ist mit niedrigem 
Keimepithel bedeckt, dessen Grenze am Peritonaeum als sog. Farresche 
Linie auch makroskopisch sichtbar ist 

Unter dem Keimepithel liegt die 2—3 mm dicke Rindenschicht. 
Schon durch die Oberfläche hindurch erblickt man die Follikel, deren 
größere Graafsche Follikel heißen. Sie liegen unter der Oberfläche. Die 
innerste Partie des Ovarium ist die Markschicht, in welche hinein sich 
die ernährende Arterie, von der Spermatica stammend, begibt 

Das in das Stroma des Ovarium beim Fötus mit soliden Fortsätzen, 

den Pflügerschen Schläuchen, eindringende Keimepithel bildet durch 

Abschnürung die Follikel- 

zellen und Eizellen, die sog. 

Primordialfollikel. Nach 

Waldeyer ca. 100000, die 

bei dem neugeborenen Mäd- 

j^ ' ; , ■ ■ :- ' chen schon vorhanden sind. 

Zur Zeit der Geschlechts- 

''.^L-'/L-: reife entstehen aus ihnen die 

sog. Graafschen Follikel. 

Rechnet man auf das Jahr 

10 14 Menstruationen, resp.Ovu- 

a Niedriges zm^f^^'^o^<^T^:f^xu^^.n^.v.■. I^tio"^". *"• g^"^«" 35 Jahre 

1on»fuin, c Ubtrgjng vom rerilonäil. mm Keimenithcl ^^^ Fruchtbarkeit Und CIHe 
des Ovarium, d dicht« BindtMwtbe, sogenannte Alnu- 

ginj«, e nicht reit« hoiiM, rEpiihdd«Or»BischM Anzahl Ovulationen in der 
Follikels, Membrana Rnnutosa, g Liquor folliculi, n r.i im 

Cnmulusprolijtfrus, einer Anhäuiune von Epithel drs intcrmenstru eilen Zeit, SO 

Qraafschen hollikels lieirend, Zon» pelluclda.. Dotter, , -c 

VesiculaundMacuUgfrminativa, iThecafolliculi.kBinde- werden höchstens 000 reite 
gewtli« des Eierstocks, Längs- und Querfasern. 

Eier von der Frau gebildet. 
Zunächst ist das Ei von sich allmählich vermehrendem Follikelepithel 
umgeben. In diesem Epithel bildet sich eine Höhle, die sicli, mit Serum 



<^ 



.'Hi-eJ 



.^- 



Die Weichteile des Beckens, Ovariiii 



füllend, den Follikel in eine kleine Cysle umbildet, den Graafschen 
Follikel. Der sich vergrößernde Follikel gelangt an die Oberfläche des 
Ovariums und ist hier als durchscheinende Cyste von 0,4^1,0 cm, als 
große helle Anschwellung zu sehen. 

Der reife Follikel stellt also eine Cyste dar mit freier Höhle, in die 
der Cumulus proligerus an der der Oberfläche abgewenileten Seite 
hineinragt. Dem nach Eröffnung des Follikels aus dem Follikel aus- 
getretenen Ei haften Zellen der das Ei auskleidenden Zellschicht, der 
Membrana granulosa, an. 

Der Follikel ist von der Theca folliculi umgeben. Der geplatzte 
Follikel entwickelt sich 
zum Corpus luteum, 
das nicht viel größer 
ist als der Follikel, Wird 
aber das Ei befruchtet, 
so wird das Corpus lu- 
teum, nun verum ge- 
nannt, fast kirschen- 






.P' 



.. .. ?■• ^ 

Nach dem Auf- 
hören der Menstruation "" *" «r 
bis zum Qreisenaltcr 
schrumpft das Ovarium. 
Es wird hart, zäh, klein, 
ist mit Narben und 
Einziehungen bedeckt, ^ 

Follikel und Stroma . 

schwinden. ' 11 

Ovarien und Tu- " i""'"'!'«'' "'Se''!i^i^nÄSe''T!^™n^Fir"o.^''''^ ' 
ben liegen ungefähr 

so auf der Hinterfläche des nicht schwangeren Uterus, daß die Öffnungen 
der Tubenmündungen, medianwärts gerichtet, nur wenig von einander 
entfernt sind. Es wird also leicht das Ei des einen Ovariums in die 
Tubenmündung der anderen Seite einpassieren können, resp. in den 
Wirkungsbezirk der Flimmerepithelien der anderen Seite und somit in 
die andere Tube gelangen: äußere Überwandung des Eies. 



Die Flexura sigmoidea des Dickdarms sinkt im leeren Zustande 
oft tief in den Douglasschen Raum hinein. Das entleerte Rectum liegt 
in der Kreuzbein höh lung hinter dem Uterus und der Scheide. Bei starker 
Füllung schiebt es den Uterus nach vorn und oben, dabei 



elangt der 





Zweites Kapitel. 



Uterus ungefähr in die Beckenachse, bildet also jetzt retrovertiert nicht 
mehr einen rechten oder spitzen Winkel mit der Scheide. Somit kann 
der Uterus, dessen Achse bei starker RektalfülJung mit dem der Scheide 
übereinstimmt, in der Scheide nach abwärts gleiten. Ein Vorgang, der 
besonders im Wochenbett durch die allgemeine Erschlaffung der Becken- 
organe und die Vergrößerung und Schwere des Uterus noch erleichtert ist. 

Die Blase ist mit der Scheide fest, mit dem Uterus sehr lose ver- 
bunden. Ist sie entleert, so zieht sie sich vom Uterus etwas ab nach vom 
zu. Ist sie angefüllt, so hebt sie das Corpus uteri etvcas in die Höhe, 

schiebt sich aber auch 
gemäß ihrer sehr 
dünnen Wandung seit- 
lich und vor dem 
Uterus nach oben. 
Auch wölbt sie die 
vordere Vaginalwand 
hervor in die Vagina 
hinein. 

Ein Durchschnitt des 
Beckens bei leerem 
Darm und leerer Blase 
gibt also den in Fig. 1 2 
dargestellten Anblick. 

Das Peritonaeum ist 
in der Figur, um es 
deutlich zu machen, vom 
Promontorium an über 
den Rectum, denDou- 
glasschen Raum, den 
B dicke, weiße Linie 




Sigittj 



BeckenoFKane di 



Uterus, die Blase zur vorderen Bauchwand ziehend, . 
dargestellt 

Die Beckenmuskeln. 

Von den inneren Beckenmuskeln kommen zunächst die Hüftmuskeln 
lleopsoas, Obturatorius und Piriformis in Betracht. Sie verändern den 
Oeburtskanai nur unwesentlich und haben auf den Geburtshergang keinen 
Einfluß (Seilheim). Zwar verkleinert der Psoas die Qiierdurchmesser 
etwas, doch gerade der Querdurchmesser ist 13,5 cm lang, so daß ein 
Hindernis für den Durchtritt des Kopfes durch den Muskel nicht bewirkt 
wird. Der Beckeneingang erhält durch die Psoasmuskeln eine dreieckige 
Form, und die schrägen Durchmesser erscheinen als die größten. Der 



Wachstum des Beckens. 17 

Obturatorius ist nach Seil heim da, wo die Knochenwand am meisten 
nach innen in der Pfannengegend vorspringt, nur 3 mm dick. Die Haupt- 
masse des Muskels kann dem Kopfe in das Foramen obturatorium aus- 
weichen. Noch weniger kommt in Betracht der Piriformis, der hinter 
dem Plexus sacralis vom Kopfe unerreichbar liegt. 

Die Muskeln des Beckenbodens stellen mit den Fascien einen an 
der Beckenwand befestigten Trichter dar, der von Harnröhre, Scheide und 
Mastdarm durchbohrt ist An dieser das Becken abschließenden Muskel- 
masse beteiligen sich der Levator ani, der Pubo-coccygeus, rectalis, 
Ileo- und Ischio-coccygeus, darunter der Musculus compressor 
urethrae, Transversus perinei profundus, der Bulbocavernosus 
(Constrictor cunni), Sphincter ani externus und Transversus 
perinei superfacialis. 

Auch diese Muskeln verändern den Beckenraum nicht erheblich. 
Sie dehnen sich beim Durchtritt des Kopfes in ganz erheblicher Weise. 
Nach Sellheims sorgfältigen Studien beträgt die Entfernung von der 
Steißbeinspitze bis zur hinteren Kommissur der Vulva 6 — 8 cm. Bei der 
größten Dehnung während des Durchtrittes des Kopfes durch die Vulva 
beträgt die Entfernung 14 — 16 cm, also durchschnittlich das Doppelte! 



Drittes Kapitel. 

Das Becken des Neugeborenen^ Wachstum 
und Ausbildung des Beckens. 

Das Becken des neugeborenen Kindes zeigt wesentliche Unterschiede 
von dem des erwachsenen Menschen. Der Geschlechtsunterschied ist 
zwar vorhanden, aber nicht so ausgeprägt, wie beim Becken des Er- 
wachsenen. Das männliche Becken ist höher, das weibliche niedriger und 
breiter. Der Querdurchmesser des Eingangs ist beim weiblichen Becken 
des Neugeborenen schon größer als beim männlichen. Der Schambogen 
ist beim Knaben spitzen Ein geübter anatomisch gebildeter Geburtshelfer 
wird bei genauer Untersuchung des Beckens eines ausgetragenen Kindes 
das Geschlecht erkennen. 

Das Becken des Neugeborenen hat folgende Charakteristica: die 
Lendenlordose ist zwar stets vorhanden, aber doch weniger stark als 
später. Da auch die senkrechte Konkavität des Kreuzbeins nur in ge- 
ringem Maße besteht, so verläuft die vordere Fläche fast gerade von 

Fritsch, Geburtshilfe. 2 



l8 Drittes Kapitel. 

oben nach unten. Ein deutliches Promontorium fehlt. Die öegenH" 
Promontorium — Zusammenstoß des letzten Lendenwirbels mit dem ersten 
Kreuzbeinwirbel — steht verhältnismäßig hoch über dem Beckeneingang. 
Die Flügel des Kreuzbeins, noch durch Knorpelmasse mit dem Kreuzbein 
verbunden, sind relativ kleiner als später beim Becken der Frau. Die 
Flijgel besitzen noch nicht eine horizontale Konkavität. Die Steißbein- 
spitze ist nur wenig nach der Beckenhöhle zu umgebogen. Am großen 
Becken fällt vor allem auf, daß die Darmbeine eine plumpe Form haben, 
mehr steil aufrecht stehen und nicht ausgehöhlt sind. Demnach verläuft 
auch die Crista ilei mehr als gerade Linie. 

Ein großer Aufwand von Arbeit und Scharfsinn ist darauf verwendet, 
festzustellen, wie aus dem Becken des Neugeborenen das Becken der 
erwachsenen Frau entsteht. Man sollte meinen, daß dies einfach zu stu- 
dieren sei, wenn man aus jedem Lebensjahre ein oder mehrere Becken 
von Kindern zusammenbrächte und so die Phasen verfolgte. Leider 
fehlt uns noch eine solche Arbeit mit genügendem Material, Ist uns des- 
halb dieser Weg noch verschlossen, so hat man doch in mehr spekula- 
tiver Weise, auf Analoga und Vergleiche gestützt, Aufklärung zu schaffen 
gesucht. Man kennt den Anfang, kennt das Ende, kennt die auf das 
Becken einwirkenden Kräfte und hat so die Genese studiert. 

A priori ist selbstverständlich, daß nur mechanische Gründe die 
Eigentümlichkeit des Wachstums bedingen, denn auch das, was man 
früher „immanente Bewegungs- oder Wachstumsrichtung" nannte, wird 
durch die moderne Entwickelungsmechanik mechanisch erklärt. 

Leicht verständlich ist es, daß die Rumpflast von oben und der 
Druck durch die unteren. Extremitäten von unten auf das Becken form- 
verändernd einwirken. Ich sehe nicht ein, warum man neuerdings das 
Heranziehen des pathologischen Beckens zur Erklärung der physiologischen 
Vorgänge für falsch hält. Wenn besondere Veränderungen bei besonders 
weichen, sehr flexibeln Knochen und Becken entstehen, so werden bei 
weniger flexibeln Knochen diese Veränderungen zwar weniger stark, aber 
doch deutlich in die Erscheinung treten. 

Die Kräfte, welche auf das Wachstum des Beckens modellierend ein- 
wirken, sind folgende: 

Druck der Rumpflast. Durch die Schwere des Rumpfes nehmen 
allmählich die physiologischen Kyphosen und Lordosen der Wirbelsäule 
zu. Der Rücken wölbt sich nach hinten vor, die Lendenlordose kompen- 
sierend nach vorn. Je größer die Konvexität der Lendenlordose wird, 
um so tiefer kommt das Promontorium und um so mehr ragt es vor. 
Dabei macht das Kreuzbein, der Rumpflast folgend, mit seiner Basis 

kerne Drehung um die Querachse. Es tritt tiefer zwischen die Darm- 
J 



Genese des Beckens, ig 

ane~ünd dreht sich so, dalJ die obere Fläche, die Basis, einen immer 
größeren Winkel mit der Horizontalen bildet. 

Die hintere Fläche des Kreuzbeins ist durch feste Bandmasse mit der 
Spina ilei posterior superior. resp. dem hinteren Teil der Darmbeine ver- 
bunden. Tritt das Kreuzbein tiefer in das Becken und dreht sich 
die Basis ebenfalls abwärts, so muß eine Zerrung dieser Bänder statt- 
finden. Sie würden die Spinae posteriores superiores nähern und die 
Darmbeine nach außen klappen, wenn diese nicht in der Symphyse fest 
verbunden wären und wenn die Oberschenkel nicht einen Gegendruck 
auf die Seiten des Beckens ausübten. Beides ist physiologisch der Fall. 
Sind nun die Darmbeine, resp. Schambeine vorn in der Symphyse fest 
verbunden und die Seitenteile des Beckens durch den Druck der Ober- 
schenkel in ihrer Auswärlsbewegimg gehindert, so nimmt die Quer- 
spannung, der Querdurchmesser zu und die Länge der Conjugata nimmt 
ab. War also beim Fötusbecken die Conjugata nur wenig kleiner als 
der Querdurchmesser, so muß sich das Verhältnis durch Wirkung der 
Rumpflast so gestallen, daß bei Erwachsenen die Conjugata verhältnis- 
mäßig kürzer, der Querdurchmesser länger wird. 

Fehlt andererseits beim Luxationsbecken jede Einwirkung der 
Oberschenkel, so wird der Qucrdurctimesser immer größer und der 
gerade kürzer. Und fehlt die Symphyse beim Spaltbecken, so klappen 
die Darmbeine nach außen um, vorn einen großen Spalt bis zu 8 oder 
10 cm offen lassend. 

Da die feste Bandmasse, die von der hinleren Kreuzbfinfläche zu 
dem Darmbein der Spina posterior superior und inferior nicht besonders 
die hintere Fläche der Superficies auricularis drückt, so kann sie von dem 
Kreuzbeinflügel weniger komprimiert besser wachsend sich ausdehnen. 
Der Flügel nimmt deshalb an Größe zu und damit die Querspannung 
ebenfalls. 

Beim Sitzen wird ein Druck auf das Steißbein, resp. auf das untere 
Ende des Kreuzbeins ausgeübt, ebenso auf die Tubera ischii. Gemäß 
der Richtung dieser Knochen wird die Kreuzbeinspitze nach innen, das 
Tuber ischii nach außen gedrückt. Dadurch bildet sich die senkrechte 
Konkavität des Kreuzbeins und der allmählich weiter werdende weibliche 
Schambogen. 



Eine Wichtigkeit für das Wachstum hat auch die relative Blutfülle 
beim weiblichen Becken zu beanspruchen. Beim Fehlen der weiblichen 
inneren Oenitalorgane ist auch das Becken oft klein und verkümmert. 
Dies ist nicht so aufzufassen, als ob etwa der zentrifugale Druck 
beim Orößerwerden der in der Beckenhöhle liegenden Genitalien die 




Viertes Kapitel. 



b 



Beckenwände auseinander triebe. Diesem Drucke könnten die Weic!^ 
teile nach oben und unten ausweichen, er würde nicht auf den Knochen 
Einfluli gewinnen. Vielmehr werden von dem starken, zum Aufbau und 
der Ausbildung der Genitalien notwendigen Blutzufluii auch die benach- 
barten Knochen profitieren. Und im Falle des Pehlens der Genitalien 
wird auch der Knochen schlecht ernährt und schlecht wachsen. So sehen 
wir z. B., daß bei einseitigen Luxationsbecken oder bei schon in früher 
Jugend ausgeheilten coxalgischen Becken, auf der Seite des verkümmerten 
Beines auch die Beckenknochen zart und dünn geblieben sind. In diesen 
Fällen fehlen auf der verkümmerten Seite die typischen Foramina nutri- 
tiva ganz oder sind auffallend eng. 

Interessant ist, daß genaue Becken messun gen bei Becken von neu- 
geborenen Kindern sehr verschiedene Größen und Formen ergaben. Ist 
auch der Querdurchmesser im allgemeinen länger als die Conjugata, 
so gibt es doch auch Becken mit umgekehrtem Verhältnis. Jedenfalls 
kommen individuelle Verschiedenheiten der Entwickelung vor. 

Wichtig ist auch die Entwickelung des Knochens aus den Knochen- 
kernen, deren es im ganzen ungefähr igoo, im Becken ungefähr 40 
gibt. Sie sind nicht ganz regelmäßig vorhanden. Da die Ossifikation 
erst im 26. Lebensjahre ganz vollendet ist, so kann auch ein Fehlen 
eines Knochenkerns, resp. die dadurch bewirkte partielle Weichheit und 
Kompressibilität einer Knochenpartie das Wachstum und die Form des 
Beckens beeinflussen. 



Viertes Kapitel. 

Menstruation und Ovulation. 

Das äußere Zeichen der Geschlechtsreife des Mädchens ist die 
Menstruation. Sie tritt in unserem Klima im 12^15. Jahre ein und 
hört im 48— 52. Jahre auf. Ausnahmen kommen vor. Es gibt Fälle von 
sog. Menstruatio praecox, die Menstruation tritt im 3. und 4. Lebens- 
jahre ein. Doch sind diese Kinder meist auch in anderer Beziehung 
pathologisch. Das 9. und 10. Lebensjahr ist der früheste Termin des 
Menstrnationsbeginns bei gesunden Mädchen. Ebenso dauert die Men- 
struation in seltenen Fällen bis in die Mitte des 6. Jahrzehntes, ohne dafi 
pathologische Verhältnisse vorliegen, hört aber meist kurz vor oder nach 
dem 50. Lebensjahre auf. 



Menstruation und Ovulaticn, 



Die Pausen zwischen zwei Menstruationen dauern 20—30 Tage, im 
Mittel 28 Tage. Der Blutung geht eine allmählich zunehmende Schwellung 
der ganzen inneren Genitalien, namentlich der Uterusschleimhaut, vorher. 
Ist sie zur Zeit der größten Abschwellung ca. 2 mm dick, so schwillt sie 
bis zu 0,5 oder sogar 1, im Mitte! 0,7 cm Dicke an. Dann erfolgen per rhexin 
zahlreiche Blutungen aus den sich erweiternden Gefäßen in die subepi- 
theliale Schicht. Dadurch wird das Epithel stellenweise abgehoben, so 
daß mikroskopisch die Schleimhaut wie angefressen aussieht. Die Mus- 
kulatur scheint sich abwechselnd zu kontrahieren und zu erschlaffen, 
wodurch ziehende Schmerzen entstehen. Das Epithel verfettet nicht pri- 
mär, wohl aber abgestoßen sekundär. Nach der Blutung legt sich die 
größere Masse des epithelialen Überzuges wieder auf der Oberfläche an 
und bleibt erhalten. Die Blutung erfolgt nur in die Uterushöhle. Die 
Cervicalschleimhaut blutet in der Regel nicht. 

Daß auch die Ovarien bei der Menstruation anschwellen, hat man 

bei direkt tastbaren, in einem Bruchsack dicht unter der Haut liegenden 

Ovarien nachgewiesen. Ja man will sogar den reifen Follikel in dem 

einen größeren Ovarium gefühlt und ihn durch Druck zum Platzen ge- 

, bracht haben. 

Eine Frau produziert im ganzen ca. 600 Eier. Abgesehen von der 
r^roduktion der Eier sezemiert das Ovarium noch Stoffe, die zu dem 
Qesamtorganismus gewisse Beziehungen und Wirkungen haben. Dies 
beweisen die sog. Ausfaliserscheinungen nach Entfernung der Ovarien 
jugendlicher Personen. Sowohl der Geist als der Körper leiden durch 
den Wegfall dieser Sekreiion. Augenfällig ist Fettansatz und die Kumu- 
lierung der klimakterischen Beschwerden nach der Kastration. 

Sobald die Menstruabon eintritt, vielleicht noch eher, werden auch Eier 
aus den Ovarien ausgestoßen, und dann ist auch Schwangerschaft möglich. 

Daß Menstruation und Ovulation zusammengehören, beweist der 
gleichzeitige Beginn und vor allem das gleichzeitige Aufhören. Sowohl 
physiologisch als pathologisch. Eine nicht menstruierte Frau konzipiert 
in der Regel nicht. Aber es kommt vor, daß ein Mädchen, gerade als 
die Menstruation eintreten wollte, vorher konzipierte, daß also Schwanger- 
schaft eintritt, ohne daß die Menstruation stattfand. Dasselbe ist nach 
der Geburt möglich. So kannte ich eine Frau, die 6 Kinder gebar, ohne 
dazwischen zu menstruieren. Als es dann wieder zur Menstruation kam, 
war sie sehr erstaunt, weil sie angenommen hatte, in der Ehe gäbe es 
keine Menstruation mehr. 

Nach der Kastration — der Entfernung der Ovarien — hört die 
Menstruation auf und der Uterus verkümmert, seine Schleimhaut wird 
dünn und verliert die Drüsen. Die Flimmerbewegung der Epithelien 




22 Viertes Kapitel. 

hört sowohl in dem Uterus als in den Tuben auf. Die nach der Entfernung 
des Uterus zurückbleibenden Ovarien können zwar zunächst noch fungie- 
ren, sowohl durch innere Sekretion, als durch Bildung und Lieferung von 
Eiern. Es ist Befruchtung nach Entfernung des Uterus beobachtet, die natür- 
lich nun zu extrauteriner Schwangerschaft führen mußte. Bald aber fallen die 
Ovarien der Atrophie und Schrumpfung anheim, wovon man sich wiederholt 
bei zweiten Laparotomien nach Totalexstirpation des Uterus überzeugt hat. 

Es muß also ein kausaler Zusammenhang zwischen Menstruation 
und Ovulation bestehen. Zur Erklärung stellte Pflüger ein Gesetz auf, 
das viele Jahrzehnte unangefochten als richtig galt und auch heute noch 
bei vielen als richtig gilt: Es reize die Schwellung, die Heranreifung des 
Graafschen Follikels die Nerven des Ovariums. Die Folge dieser Reizung 
sei eine reflektorische Kongestion der weiblichen Genitalien, die sowohl 
zum Platzen des Follikels, Ovulation, als zur Hyperämie und Blutung 
der Uterusschleimhaut, Menstruation, führe. Die neueste Erklärung 
von Born und L. Fraenkel möchte ich durchaus nicht so ablehnen, 
wie manche Autoren. Nach Born und Fraenkel ist das Corpus luteum 
nicht nur der Form, sondern auch der Bedeutung nach eine Drüse mit 
innerer Sekretion. wDie Menstruation hat ihre Ursache in der sekretori- 
schen Tätigkeit des Corpus luteum. Sie veranlaßt die cyklisch-vier- 
wöchentliche Hyperämie des Uterus, welche entweder zur Schwanger- 
schaft oder zur Menstruation führt.« Abgesehen von den beweisenden 
Tierexperimenten spricht für die Born sehe Anschauung der Umstand, 
daß, wenn in der Schwangerschaft bei der Frau beide zu Tumoren 
degenerierte Ovarien entfernt werden mußten, der Fötus abstirbt, und 
daß, wenn das Corpus luteum graviditatis zufällig an dem einen ent- 
fernten cystischen Ovarium sich befand, ebenfalls regelmäßig der Abort 
erfolgte. Nach L. Fraenkel ermöglicht das Sekret der Drüse — des 
Corpus luteum — die Insertion und Weiterentwickelung des Eies ebenso, 
wie es bei der Nichtschwangeren die Hyperämie, die zur Menstruation 
führt, bewirkt Wie danach zeitlich Menstruation und Ovulation zu- 
sammenpassen, ist noch festzustellen. 

Sobald Eier aus den Follikeln ausgestoßen, resp. in die Tube und 
den Uterus gelangen, ist auch Schwangerschaft möglich, also können 
auch Kinder, die zeitig menstruieren, zeitig geschwängert werden. Die 
zeitigste jDeglaubigte Schwangerschaft in unserem Klima ist im 9. Lebens- 
jahre beobachtet, die späteste soll im 62. Lebensjahre stattgefunden haben. 
Chrobak hat eine Geburt im 55. Lebensjahre beobachtet. Daß Kinder 
im 13. Lebensjahre geschwängert werden, ist nicht selten. Fast in jedem 



Ovulation. 



23 



Jahre kamen in meiner Klinik Geburten bei 14jährigen Mädchen vor. 
Wenn so zeihge Schwängerung im allgemeinen glücklicherweise eine Aus- 
nahme ist, so liegt dies an unseren geordneten sozialen Verhäitnissen, 
aber nicht an der Unfruchtbarkeit junger Mädchen. 

Die Frage, ob die Ovulation nur gleichzeitig nn"t der Menstruation 
oder auch unabhängig von der Menstruation stattfindet, is( dahin ent- 
schieden, daß auch ohne Menstruation ein Ei ausgestoßen wird. Be- 
sonders fruchtbare Frauen haben viele Graafsche Follikel, von denen auch 
in der intermenstruelien Zeit ein Follikel platzen kann. Die Menstruation 
ist also eine nebensächliche Begleiterscheinung, die Ovulation ist die 
Hauptsache. Ja es ist nicht einmal sicher zu beweisen, daß regelmäßig 
Ovulation und Menstruation zeitlich vollkommen zusammenfallen. 



Nach dem Austreten des Eies aus dem Ovarium blutet es m den 
Follikel. Ob das immer der Fall ist und ob die Quantität des Blutes 
immer gleich ist weiß man nicht. In dem Follikel bleibt die membrana 
granuiosa, von der nur ein kleiner Teil am austretenden Ei haftet, 
zurück. Die Zellen des zurückbleibenden Follikelepithels nehmen um 
das 8 — lofache an Größe zu, sind epitheloid, polyedrisch und färben 
sich gelblich (Luteinzellen). Sie füllen den Follikel an, vergrößern ihn 
sehr bedeutend und verschließen die Rißstelle. Zwischen sie hinein 
wuchert das Bindegewebe der inneren Schicht der Theca, in der Wander- 
zellen und Riesenzellen auftreten. Auch Kapillarschlingen wachsen in die 
Fütlungsmasse hinein. In diesem Zustande heißt der Graafsche Follikel 
in der Schwangerschaft: Corpus luteum verum. Allmählich vernarbt 
der Follikelinhalt, das Pigment verliert sich, es bleibt eine zarte Binde- 
gewebsnarbe: Corpus albicans übrig. 

Unter dem Einfluß der Schwangerschaftshyperämie ist der Vorgang 
der Bildung des Corpus luteum ein sehr intensiver. Das Corpus wächst 
bis zu 4 Monaten zu einem über kirschgroßen, die Oberfläche des 
Ovarium überragenden, rötlich-goldgelben, runden Körper heran. Es bildet 
sich dann zurück. Jedoch ist hei der Sektion einer Puerpera stets noch 
das Corpus luteum des Follikels, aus dem das befruchtete Ei stammt, 
zu demonstrieren. 

Trift keine Schwangerschaft ein, so ist das Corpus luteum, jetzt 
spurium genannt, kleiner und versch'windet schneller. Indessen kommen 
Übergänge vor, So findet man bei blutreichen Myomen, auch bei sehr 
großem, blutreichem Uterus Corpora lutea fast von der Größe des Corpus 
luteum in der Schwangerschaft. Ein äußerlich anatomisch nachweisbarer 
Unterschied existiert nicht. Der Unterschied des Corpus luteum verum und 
spurium ist nur ein gradueller, was ebenfalls für die Ansicht Borns spricht. 




i 



24 Fünftes Kapitel. 



Fünftes Kapitel. 

Die Schwangerschaft. 

Die Befruchtung. 

Wenn nach dem fruchtbaren Coitus das Ei (vgl. S. 15 Fig. 11) durch 
einen Samenfaden befruchtet ist, beginnt die Schwangerschaft. 

Von den vielen Millionen Samenfäden, welche beim Coitus in die 
Scheide ergossen werden und sich nach allen Richtungen hin bewegen, 
gelangen einige gegen den Strom der nach außen flimmernden Uterus- 
epithelien in den Uterus und in die Tube, vielleicht auch regelmäßig bis 
auf das Ovarium. Die Samenfäden bewegen sich in der Minute ungefähr 

2 mm weit, demnach brauchen sie, um von dem Orificium uteri bis ans 
Fimbrienende zu gelangen, höchstens 4 Stunden. Schon 30 Minuten nach 
dem Coitus hat man Sperma in der Uterushöhle gefunden. Es wird 
also der Ort der Befruchtung im Uterus, der Tube oder, wenn das Ei 
aus einer zu kleinen Rißstelle des Graafschen Follikels nicht schnell 
herauskommen kann, auch in dem Ovarium liegen können. Daß alles 
dies möglich ist, beweisen die verschiedenen Fundorte der Schwangerschaft 
außerhalb der Gebärmutter. 

Die meisten Autoren nehmen als Ort der Befruchtung die Lokalität 
zwischen Ovarium und Tube, resp. die Ampulle der Tube an, wo sich 
wahrscheinlich Ei und Spermafäden begegnen. Die Samenfäden haben 
eine außerordentliche Lebensfähigkeit, sie wechseln, in den Uterus ge- 
langt, nur den Ort, nicht die physiologischen Lebensbedingungen. Sie 
leben im Uterus und Tube in derselben Temperatur und derselben Nähr- 
flüssigkeit wie im Hoden. Sie behalten deshalb auch in den Geschlechts- 
teilen der Frau lange Zeit, bis 3 Wochen, vielleicht noch länger, ihre 
Lebensfähigkeit, und es wäre also denkbar, daß die Befruchtung erst 

3 Wochen nach dem Coitus stattfände. Wie lange die Samenfäden faktisch 
brauchen, um den Weg durch die Tube zurückzulegen, weiß man beim 
Menschen nicht genau. Bei Tieren wenige Stunden, beim Menschen 
vielleicht in der Regel 12 oder mehr. 

Das aus dem Follikel ausgetretene Ei hat keine Eigenbewegung, es 
verhält sich auf dem Wege nach dem Uterus nur passiv. In den Strom- 
wirbel, der an dem Fimbrienende durch die Flimmerepithelien des Fim- 
brienendes und der Tube in der Peritonäalflüssigkeit entsteht, wird das 
Ei gleichsam in die Tube eingesaugt und weiterbefördert Die Musk-u- 
latur der Tube, die sie zu peristaltischen Bewegungen geeignet macht, 



; Be[ruchlung und die Eiimiilaiilalion. 



25 



schiebt das Ei weiter der Uterushöhle zu. Die Zeit, die das Ei braucht, 
um die Tube zu durchwandern, ist beim Menschen nicht festgestellt. Da 
aber der uterine Teil der Tube nur 2 — 3 mm Querdurchmesser hat, und 
ein befruchtetes Ei nach 8 Tagen 3 — 6 mm Durchmesser mißt, so wird 
in der Rege! das Ei nicht mehr als 6 bis höchstens 8 Tage Zeit zum 
Durchwandern der Tube haben können. 



Das menschliche Ei, 
mend, besteht aus dem Ke 
dem Keimbläschen (vesi 



z Zelle, aus dem Graafschen Follikel stam- 
;imfleck (macula germinativa), dieser liegt in 
:sicula germinaliva), dem Dotter (vitellus), 
umgeben von der Eihülle (zona pellucida). Vgl. S. 15 Fig. 11. 

Wie das menschliche Ei den Graafschen Follike! verläßt, ist zwar 
noch nicht beobachtet, doch läßt die oft gesehene Rißstelle des Follikels 
darauf schließen, daß durch Zunahme der Follikelflüssigkeif, resp. des 
Innendruckes der Follikel schließlich platzt Vielleicht begünstigt auch 
die Gewalt des Coitus das Platzen mechanisch oder die Flüssigkeit ver- 
mehrt sich durch die Hyperämie beim Orgasmus. 

Wie der Vorgang der Befruchtung bei dem Menschen morphologisch 
verläuft, ist noch nicht beobacTitet. Doch wird wohl bei Menschen, wie 
bei Tieren ein einziger Spermafaden in das Ei eindringen, sich mit dem 
Zellkern des Eies verbinden, so daß eine materielle Vereinigung der 
Keim Stoffe staltfindet. 

Ist das Ei befruchtet, so erfolgt die Furchung, die Zellteilung, 
die weitere Entwickeiung zur Frucht. 



Die Eümplantation. 

Das befruchtete Ei, ungefähr von 1 mm Durchmesser, gelangt in die 
Uterushöhle, deren Schleimhaut schon während des Durchtrittes des Eies 
durch die Tube ödemalös aufgelockert und dadurch zur Implantation 
des Eies vorbereitet ist. Auch bei Ansiedelung des Eies außerhalb der 
Gebärmutter wuchert ihre Schleimhaut. 

Das Ei lagert sich nicht auf die epithelbedeckte Schleimhaut auf, 
sondern dringt, vielleicht durch Gegendruck der anderen Uteruswand, in 
die Tiefe, ,iwie wenn ein Schrotkorn in weichen Sand gedrückt wird" 
(Pfannenstiei). Auch könnte das Ei die Eigenschaft besitzen, das Utenis- 
epithel zu arrodieren, aufzulösen und so sich selbst sein Nest zu graben. 
In der Tiefe der Schleimhaut subepithelial, die Drüsen beiseite schiebend, 
im kompakten Teil der zur Decidua sich umändernden Uferusschleimhaut 
wächst das Ei weiter. Ober der Eingangsstelle in die Tiefe, resp. über 
dem Ei liegt nach der neuesten Beobachtung ein Blutpfropf, der sich 
später organisiert. 



b 



w 



Wenn man bedenkt daß nicht Tage, sondern vielleicht Stunden die 
Beziehungen zwischen Ei und Uterusschi ei mhaiit ändern, daß ein Zu- 
stand nur ganz kurze Zeit derselbe bleibt und daß der Augenblick der 
Befruchtung, somit das Alter des Eies sich fast stets unserer Kenntnis 
entzieht, so ist klar, daiS heim Menschen nur wenig, zufälliges Material,^ 
und auch dies nicht einwandfrei, vorhanden ist. Der Einwurf, daß auch, 
dann noch ein zufälliger glücklicher Befund pathologisch sei, und daB' 
bei Tieren gefundene Tatsachen auf den Menschen nicht einfach über- 
tragbar sind, ist leider niemals zu widerlegen. Deshalb sind vorläufig die 
jüngsten Stadien der Eientwicl<elung und Implantation bis zur vierten 
Woche noch ein Gegenstand verechiedener Deutung und Beurteilung. 

Das aber ist wohl als richtig anzunehmen, daß das Ei das Uterus- 
epithel an der Berührungsstelle auflöst und sich in das subepitheliale, 
ödemafös erweichte Gewebe, vielleicht in eine Lymphspalie, einsenkt 
Über dem Ei bildet sich durch Wucherung des interglandulären Gewebes 
der Uterusschleimhaut um das Ei herum ein Abschluß nach dem Uterus- 
raume hin. An dieser Überwucherung, resp. Einkapselung sind das Utenis- 
epithel und die Drüsen nur passiv beteiligt. Das Ei drängt wachsend 
die Gewebe der Uterussch leim haut auseinander — spaltet die Decidua — , 
so daß ein Teil der Decidua über, ein Teil unter seinem Äquator liegt 
Über dem Äquator liegt die Decidua capsularis, früher refle.xa genannt, 
.unter ihm die Decidua basalis, früher serotina, der übrige decidual ver- 
änderte Teil der Uterussch leimhaut heißt Decidua vera. 

Die Decidua. 

Mit dem Namen Decidua belegte man seit allersher die in der 
Schwangerschaft spezifisch veränderte Uterusschleimhaut Man teilt sie, 
wie eben gesagt, in drei Teile. Erstens die Decidua basalis (serotina), 
die direkt unter dem Ei liegt, die Decidua capsularis (reflexa), die. 
das Ei einkapselt ^Iso über ihm liegt ^s von der Uterushöhle abschließt^ 
und den übrigen Teil der Schleimhaut: die Decidua vera. 

Die Veränderungen der Decidua in der Schwangerschaft sind teils' 
mechanische, teils organische, teils degenerative, teils produktive. 

Mechanisch wird die Capsularis durch Ausdehnung des wachsen- 
den Eies allmählich verdünnt Sie legt sich schließlich an die gegenüber- 
liegende Vera fest an und degeneriert durch Koagulationsnekrose zu Fibrin, 
sobald das Ei den Uterus völlig ausfüllt Schon in dem 3. und 4. Monat 
sind bestimmte Gewebe in der Capsularis nicht mehr zu unterscheiden, 
während man in den ersten Wochen noch die von der Peripherie auf 
das Ei bogenförmig heraufgezogenen, tangential liegenden Drüsen und 




Die Eiimplantation. Die Decidui 

Blutgefäße, die ebenfalls der Degeneration anheimfallen, deutlich nach- 
weisen kann. Am reifen Ei ist eine Capsularis nicht mehr zu finden. 

Die Basalis hat wie die Decidua vera eine obere kompakte und 
untere spongiöse Schicht. In der ersteren setzt sich das Ei an, es spaltet 
sie gleichsam, so daß unter dem Ei noch ein Tei! der kompakten Schicht 
sich befindet. Sie geht wegen der Kompression der Lymphgefäße bei dem 
Wachstum des Eies durch Koagulationsnekrose, fibrinös degenerierend, 
zu Grunde. Die nachgiebigere Spongiosa in der tieferen Schicht erhält 
sich länger. Ja in ihren tiefsten Schichten bleiben das Gewebe und die 
Drüsen erhalten, so daß von ihrem Epithel aus sich später im Puerperium 
das Uterusepithel wieder ausbilden kann. 

Die produktiven Veränderungen in der Basalis betreffen zumeist 
die Bildung von Bluträumen, in die sich die Chorionzotten einsenken 
und aus denen das Ei das Materia! zur Ernährung und zum Wachstum 
aufnimmt. 

Die Decidua vera ist die bis zum 4. Schwangerschaftsmonat hyper- 
trophierende Uterusschleimhaut Sämtliche Bestandteile der Schleimhaut, 
außer dem Oberflächenepithel, beteiligen sich an dieser Hypertrophie. 
Die Drüsen schlängeln, erweitern sich und buchten sich in der Tiefe aus, 
während sie in der obersten Schicht mehr passiv ausgezogen werden. 
Dadurch wird die Schleimhaut in der Tiefe spongiös, in der obersten 
Schicht bleibt sie kompakt (spongiöse und kompakte Schicht). Das Ober- 
flächenepithel der Schleimhaut verschwindet in der 7. bis 8. Woche, in 
den Drüsen der spongiösen Schicht wird das Epithel niedriger, kubisch. 
Auch hier degeneriert es, resp. verschwindet es zum Teil, so daß man 
früher die epithellosen Drüsenspalten für Lymphspalten halten konnte. 
Doch ist fast immer hier und da eine kleinere oder größere Reihe Epi- 
thelzellen, wenn auch in der Form verändert, abgeplattet, anhaftend oder 
lose im Lumen liegend, zu sehen. 

Die runden kleinen Bindegewebszellen des interglandulären Gewebes 
der Uterusschleimhaut vergrößern sich in der Schwangerschaft sehr er- 
heblich. Sie werden polygonal, haben große Kerne und deutliche Aus- 
läufer, ihre Form wird „epilheloid", sie werden die typischen Decidual- 
zellen. In der Compacta bleiben diese Zellen kleiner, rundlicher und 
liegen fester aneinander. Auch hier verschwinden beim Fortschreiten der 
Schwangerschaft die Zellen durch Koagulationsnekrose. In der Tiefe aber, 
dicht auf der Muskulatur, oft auch in sie hinein sich erstreckend, bleiben 
Drüsenfundus und Drüsenspalten mit Epithel erhalten. Von diesen Epi- 
thelien aus beginnt die puerperale Regeneration der Schleimhaut 




Das Wachstum des Eies, Amnion, Chorion, Plaoenta. 

Das in die Decidua basalis eingebettete, zunächst elliptische, später 
kugelige, noch zottenlose Ei nimmt schnell an Größe zu. In ihm hängt 
die vom Amnion umschlossene Embryonalanlage mittels des Bauchstieis 
oder Haftstiels — des Hauptanteils des späteren Nabelstranges — mit dem 
Chorion da zusammen wo das Ei sich an die Decidua basalis ansetzt. 

Das Amnion umgibt schon in der zweiten Woche die Embryonal- 
anlage Durch Zunahme der Amnionflüssigkeit wird es größer, legt sich 
an das Chorion an und überzieht nach Schluß der Bauchhöhle den 




Nabelstrang. Der Dottersack wird allmählich verdränRt. Der Dottergang 
wird auseinander geprellt und verschwindet teilweise. Aber noch bei aus- 
gelragenem Fötus findet man oft zwischen Chorion und Amnion das 
«Nabel bläschen", den Doltersack als linsengroße, kleine gelbliche Scheibe, 
in der mikroskopisch Oewebe nicht mehr differenziert werden können. 

Das Amnion besteht aus faserigem lÜndejicwebe und trägt an der 
der Amnionhöhle zugewendeten Seite ein sehr imregelmäiSiges, durch 
den zunehmenden Inhaltsdruck abgcplattclfs und ansgczcrrtes, unregel- 
mäßig gestaltetes niedriges Cylinderepilhel. 

Der Nabelstrang bildet sich aus ileni llanchsticl, dem der Dotter- 
gang und die Allanlofs anliegt, umgeben von der „Amnionscheide", Im 



, Chorio: 



2q 



Nabelstrang findet man also den Allantoisgang, den Dottergang, die zu 
einem Gefäße vereinigten zwei Nabelvenen und die ^wei Arterien ein- 
gehüllt von gallertig- faserigem Gewebe — der Whartonschen Sülze. 
Als Hülle darüber umgibt die Amnionscheide den Strang. 

Da, wo das Chorion der Basalis anliegt, bildet sich die Placenta, 
deren Mitte, wo der Nabelstrang später sich inseriert, der Ansatzsteile 
des Bauchsfieles an das Chorion entspricht Aus der Bauchseite der Em- 
bryonalanlage heraus hängt breitbasig aufsitzend der Dottersack zu dieser 
Zeil erheblich größer als der iJbrige Embryo. 

Die primären Chorionzotten entstehen wohl in der zweiten Woche 
auf der ganzen Oberfläche des Eies. Ihre Ausbildung scheint unregel- 
mäilig zu sein, wenigstens bilden verschie- 
dene Autoren die Zottenanlage verschie- 
den ab, als nicht gleichmäßig auf der ganzen 
Oberfläche. An der Basis, da, wo das Ei der 
Basalis anliegt, werden sie am kräftigsten sich 
entwickeln, weil dot;t das Ernährungsmaterial 
am reichlichsten zuströmt, während auf dem 
Refiexapol die Entwickelung am späriichsten ist. 

Die Zotten zeigen schon vom Beginn 
an Verästelung, kolbige Veränderung der 
Enden und hervorspringende Knöpfchen, ein 
Ausdruck des Wachstums. Fötale und mütter- 
liche Gewebe haben einen Anteil an der das 
Ei umgebenden Zone, der „Trophoblastione". 
In ihr befinden sich neugebildete Kapillaren 
der Decidua, mütterliche Blutlakunen, die 
dem Ei das Nährmaterial zuführen; die pri- chnrionzutien. 

mären intervillösen Räume. Das Ei liegt 

zwar so lose in einer Kapsel, daß es beim zeitigen Abort, bis zu 
3 Wochen, einfach herausfällt, aber man findet doch bei mikroskopi- 
scher Untersuchung stets abgerissene Zotten, deren einer Teil an der 
Basalis haften blieb. Die meisten Zotten schwimmen frei in den Blut- 
räumen, andere, die Haftzotten oder Haftwurzeln, sitzen fest in der Deci- 
dua. Die fertige Zotte besteht zunächst aus Schleimgewebe, das später 
zu Fasergewebe wird. Das fötale Blut geht durch eine Arterie in die 
Zotte hinein, zirkuliert in einem Kapillarnetz und verläßt die Zotte durch 
eine Vene. Schon in der dritten oder vierten Woche lassen sich die 
Gefäße nachweisen. Die Allantois ist bei der Gefäßhildung unbeteiligt. 

Die Zotten haben einen doppelten Epithelüberzug. Die äußere Schicht 
zeigt viele Kerne, aber keine Zellgrenzen, so daß man diese zusammen- 





30 Fünftes Kapitel. 

hängende kernhaltige Membran ein wSyncytium« genannt hat Diese äußere 
Schicht hat stark mit Kernen versehene, keulenartige Vorsprünge, in die 
hinein später die Chorionzotten mit den Gefäßen wachsen. Das Syn- 
cytium ist nach einer Darstellung der mütterliche Anteil der Zotten. 
Es entsteht aus dem Endothel der mütterlichen Bluträume, das sich 
in eine syncytiale Membran verwandelt und die Chorionzotten bei der 
Bildung der intervillösen Räume umwächst Es hat eine hohe physio- 
logische Bedeutung, indem es den Stoffwechsel zwischen Fötus und 
Mutter bewirkend, dem Fötus Nährmaterial zuführt und den Gasaus- 
tausch vermittelt Nach anderen Autoren stammt es vom kindlichen 
Anteil, nach anderen ist es umgewandeltes Uterusepithel. Die erste 
Ansicht ist wohl die richtige. 

Die Epithelschicht unter dem Syncytium, die Langhanssche Zell- 
schicht, ist fötalen Ursprungs. Die Zellen, scharf vom Zottenstroma ab- 
zugrenzen, liegen als wohlgeordnetes Epithel nebeneinander, haben große 
Kerne und wenig Protoplasma. 

Der Teil der Chorionzotten, der sich über der Decidua basalis be- 
findet, wächst weiter (Chorion frondosum) und bildet die Placenta, 
während die oberhalb des Eiäquators befindlichen Zotten atrophieren 
(Chorion laeve). Somit ist das Chorion in zwei Teile geteilt, das Cho- 
rion frondosum auf der Basalis und das Chorion laeve — ohne Zotten — 
resp. mit atrophierenden, verschwindenden und verschwundenen Zotten 
unter der Decidua capsularis. Die Zotten hängen in die mütterlichen 
Venen hinein, sowohl Syncytium als Zottenabschnitte können abgerissen, 
in die mütterlichen Blutgefäße weggeschwemmt werden — die Zotten- 
deportation Veits. 

In der dritten und vierten Woche münden in die beschriebenen pri- 
mären intervillösen Räume zahlreiche Arterien und Venen. In die letzteren 
schieben sich die Zotten — Ernährungszotten — hinein, dilatieren sie und 
bilden aus diesen ,; riesenhaft erweiterten« Kapillaren die sekundären inter- 
villösen Räume der fertigen Placenta. Das Zwischengewebe wird zu den 
Septis der Placenta. Es verhält sich aber nicht völlig passiv, sondern ein 
gegenseitiges Durchwachsen der Chorionzotten und der Decidua basalis 
findet statt, wobei freilich die Chorionzotten den Hauptanteil an der 
Bildung der Placenta haben. 

Außer den Ernährungszotten des Chorion entstehen auch Haft- 
zotten. An ihrem Ende ist das Syncytium verschwunden. Die Lang- 
hanssche Zellschicht wird am Ende der Haftzotten zuerst mehrschichtig 
und wächst in die Decidua hinein. Später verschwinden die Zellen eben- 
falls, so daß das Stroma der Haftzotten direkt in das' Gewebe der Deci- 



Sync>'tium. Intervill&se Räume. 31 

dua flbergeht. Dadurch bildet sich eine feste Verbindung der Decidua 
mit der Basalis. 

Die Zotten wachsen nie in die Arterien hinein. Die Arterien, um- 
geben von decidualem Gewebe, das sie bis hoch hinauf in die Piacenta 
mitnehmen, ziehen als Pfeiler nach oben und ergießen in die intervillösen 
Räume das arterielle mütterliche Blut. Am Rande des Eies, da, wo die 
Reflexa noch dick und vaskularisiert ist, wuchern ebenfalls die Cho- 
rionzotten in das deciduale Oew-ebe, das hier wachsend die ringförmige 
Decidua subchorialis bildet. 

Daß in den intervillösen Räumen das Blut beständig fließt und 
wechselt, ist eine physiologische Notwendigkeit Die in den Septen und 
deciduafen Pfeilern verlaufenden Arterien führen das arterielle mütterliche 
Blut zu den intervillösen Räumen. Vermittels des Syncytium findet Gas- 
austausch und Ernährungszufuhr nach den Zotten der Piacenta statt 
Das benutzte mütterliche Blut fließt durch die Venen ab. Eine direkte 
Kommunikation zwischen mütterlichem und kindlichem Blute existiert 
nicht in Blut lösliche Stoffe gehen durch das Syncytium, resp. durch 
die Zotten von der Mutter auf das Kind über. So kann man Jodkali, 
das die Mutter bei der Geburt einnimmt, im Urin des Kindes post par- 
tum nachweisen. Auch Chloroform gelangt in den kindlichen Kreislauf. 
Beim Kaiserschnitt findet man oft das Kind in einem Zustande, den man 
nur als Narkose auffassen kann. Ebenso wirkt Morphium, das die Mutter 
gebraucht, auf das Kind. Man untersagt deshalb sehr mit Recht den Schwan- 
geren den Genuß des Alkohols. 

Inwieweit kleinste Organismen, z. B. Kokken oder Tuberkelbacillen, 
die Scheidewand passieren können, ist noch nicht klar gelegt 

Alles Blut, das bei unverletzter Piacenta, z. B. hei Piacenta praevia, 
vor der Geburt oder nach Ausstoßung aus dem Uterus und der Pia- 
centa nach der Geburt ausfließt, resp. die Piacenta bedeckt oder aus ihr 
ausgedrückt wird, ist selbstverständlich mütterliches Blut. Der Fötus 
verblutet sich erst, wenn der Nabelstrang zerrissen oder die Piacenta zer- 
fetzt ist. 

Der Nabelstrang. 

Der Nabelslrang, ca. 50 cm lang, führt vom Nabel des Kindes 
zur Piacenta. Meist seizt er sich in der Mitte an, mitunter seidich, selten 
verläuft er in den Eihäuten zum Rande der Piacenta (Insertio velamen- 
tosa). In ihm veriaufen drei Gefäße. Eine Vene, welche von der Piacenta 
das arterialisierte Blut und Ernährungsmaterial zum Fötus befördert und 
zwei Arterien, durch die von dem Kinde das verbrauchte Blut zur Pia- 
centa fließt 



32 Fünftes Kapitel. 

Der Nabelstrang ist zuerst nicht vorhanden, er bildet sich nach Ent- 
stehen der Nabelgefäße und wird allmählich länger. Meist ist er nach 
links, seltener nach rechts gedreht. Diese spiralige Drehung ist noch nicht 
unanfechtbar erklärt. Sie soll dadurch entstehen, daß in der Regel die 
rechte Nabelarterie dicker ist Die Vene ist doppelt so dick als eine der 
Arterien, sie hat Ausbuchtungen und Verengungen, aber keine deutlichen 
Klappen. 

Die Länge des Stranges gestattet dem Kinde freie Bewegungen, ohne 
daß der Strang geknickt oder gezerrt wird. Er ist spirah'g gedreht Ein 
Gefäß ist oft gleichsam zu lang, so daß es mehrere kurze Windungen 
macht, auch wieder rückwärts und danach in einer Schlinge wieder vor- 
wärts verläuft Dadurch entstehen dicke Stellen — falsche Knoten — 
des Nabelstranges. Ein wahrer Knoten bildet sich, wenn durch eine 
Schlinge der Fötus hindurchschlüpft, so daß ein wirklicher Knoten in der 
Schnur resultiert. Die Gefäße sind in gallertiges Gewebe — der Wharton- 
schen Sülze eingebettet, sie wird nicht durch Gefäße, sondern durch 
Osmose ernährt Die Haut des Fötus, die an den Nabelstrang stößt, 
ist gefäßreich. An der Grenze zwischen beiden stirbt der Nabelstrang 
nach der Geburt ab. In dem Nabelstrang, namentlich am fötalen Ende, 
ist bei Querschnitten der Allantoisgang als feiner Strang mikroskopisch 
zu sehen. Der Nabelstrang ist mit Amnion überzogen. 

Die Flacenta. 

Die Placenta sitzt seltener im Fundus, meist an der vorderen oder 
hinteren Wand. Ihre Form ist rund, selten unregelmäßig. Sie kann recht- 
eckig, streifenförmig sein, durch Atrophie einzelner Cotyledonen entsteht eine 
geteilte Placenta. Mitunter ist sie, wohl in dem Seitenwinkel entwickelt, 
auffallend klein und dick, noch seltener ganz dünn membranös. Oft 
findet man beim Darüberstreichen mit der Hand Kalkkonkremente, die 
man, da die Kinder dabei besonders groß sind, als Zeichen der Ober- 
reife aufgefaßt hat Eine Bedeutung hat dieser Befund nicht 

Die Architektur der Placenta ist immer noch nicht völlig klar gelegt, 
trotz vieler und sorgfältiger Arbeiten. 

Die fertige Placenta ist in der Mitte 3-— 4 cm dick, flacht sich nach 
dem scharfen Rande ab, ist meist kreisrund und 500 g schwer. An der 
fötalen Seite ist sie von Chorion und Amnion überzogen. An der mütter- 
lichen Fläche sieht man die Teilung der Placenta in einzelnen Cotyledonen. 
Man kann die unregelmäßigen Reste der Decidua basalis stellenweise 
mit der Pincette abziehen. In die Furchen öffnen sich die intervillösen 
Räume, in denen das mütterliche Blut zirkuliert Am Rande ist ein 



- Fruchtwasser. 




P großes Ringgefäß, der Randsinus, der mit den intervillösen Sinus viel- 
' fach kommuniziert. Durch ihn fließt das Blut nach der Mutter zu ab. 

Das FruchtwasBer. 

Da es Fruchtwasser schon gibt, ehe die Nieren ausgebildet sind, so 
kann es unmöglich allein vom Urin des Fötus stammen. Vielmehr ist es 
ein Transsudat aus den mütterlichen Blutgefäßen stammend. Jedenfalls 
kann der osmotische Druck, resp. die chemische Lösung im Ei, konzentrierter 
sein als im mütterlichen Gewebssafl oder Blut. Deshalb nimmt die Eihöhle 
noch Serum durch Osmose auf. Die Menge schwankt am Ende der 
Schwangerschaft zwischen 250 und 2000 g, das spezifische Gewicht 
zwischen 1002—1020, Es enthält ca. 1,0 Proz, feste Bestandteile, Eiweiß 
{0,5 — 5 pro Tausend), verschiedene Salze und stets Harnstoff. 

Das Fruchtwasser kann sehr wohl zur Ernährung des Fötus dienen, 
wenn es auch wegen des geringen Eiweißgehalts keine große Bedeutung 
hat Dafür spricht auch, daß der Fötus das Fruchtwasser zweifellos trinkt, 
denn im Darmtraktus des Fötus finden sich im Meconium, dem Darm- 
inhalt, viele Bestandteile der desquamierenden Haut des Fötus : Woll- 
haare und Epidermisschuppen. 

Daß andererseits der Fötus uriniert, ist nicht wohl zu leugnen, da 
die funktionsfähigen Nieren vorhanden sind und das Fruchtwasser Harn- 



34 Fünftes Ka|iilel. 

Stoff enthält. Der Umstand, daß bei hydropischem Zustande der Mutter 
auch das Fruchtwasser enorm zunehmen kann, spricht dafür, dal! die 
Mutter das Fruchtwasser liefert. Auch fand man Farbstoff, in die Venen 
des Muttertieres gespritzt, im Fruchtwasser, ohne daß er in den Nieren 
und der Blase des Fötus nachzuweisen war. Das Vorkommen von viel 
Fruchtwasser bei Affektionen des Fötus, z. B. Lebererkrankungen, beweist, 
dali auch der Fötus einen Anteil an der Fmchtwasserbildung hat Anderer- 
seits ist sicher, daß die chemische Beschaffenheit, resp. die Salze und 
Eiweißgehait des Fruchtwassers in ihrer Quantität wechseln, denn je 
nach dem durch die Konzentration bedingten osmotischen Drucke wird 
eine Abgabe oder Aufnahme von Wasser stattfinden. Es ist also nie zu 
sagen, daß das zufällig gefundene chemische Verhallen des Fruchtwassers, 
einen Beweis für die Konstanz der chemischen Zusammensetzung bildet. 
Es wird ein Stoffwechsel zwischen Fruchtwasser und mütterlicher Gewebs- 
flüssigkeit fortwährend stattfinden. ' 

Das Fruchtwasser schützt den Fötus vor Verletzungen, da es ihm 
Beweglichkeit und Ausweichen gestattet bei Gewalten, die den Leib der 
Mutter treffen. 

Ernährung und Kreislauf des Fötus. 

In den ersten Tagen nach der Eiimplanlation wird der Fötus durch 
Osmose ernährt. Danach findet circa bis zum Beginn der dritten Woche 
die Ernährung durch den Dotterkreislauf statt, indem das Ernährungsmaterial 
aus dem Dottersack dem Fötus zufließt. Der Dotterstrang ist noch später 
im Nabelstrang zu finden, ebenso das Dotterbläschen, wie B.S. Schultz« 
gezeigt hat {S. 38). 

Nunmehr entsteht der zweite Kreislauf durch Allantoisgefäße zum 
Chorion und durch die Verbindung des Chorion mit der Uterusmucosa; 
esbildef sich der Piacent arkreis lauf, derbiszur Geburt des Fötus besteht 

Im Nabelstrang befinden sich drei Gefäße, die Vene und zwei 
Arterien. Durch die Vene wird dem Fötus das Material zum Aufbau, 
resp. Wachstum, und der Sauerstoff, resp. das zum Leben notwendige 
arterialisierte Blut zugeführt 

Daß dies der Fall ist, bewies Zweifel exakt Er lieferte den spektro- 
skopischen Beweis für den Saue rstoft're ich tum des Nabelvenenblutes 
gegenüber dem Blut in den Arterien, die das kohlensäurereiche Blut zur 
Placenta zurückbringen. 

In welcher Weise und in welcher chemischen Form das den kind- 
lichen Körper aufbauende Material durch die Placenta zum Fötus gebracht 
I wird, ist noch nicht festgestellt Ebensowenig, wie die Endprodukte des 

k J 



Ernährung und KreisUuf des Fötus. 3c 

Stoffwechsels des Fötus, „die Schlacken des kindlichen Stoffwechsels", auf 
dem Umwege durch den mütterlichen Blutkreislauf eliminiert werden. 

Nach Eintritt der Nabelveiie in den Bauch des Fötus teilt sie sich 
in zwei Äste, den Ductus venosus Arantii, der direkt in die Vena 
Cava inferior mündet, und einen kleineren Ast, der mit der Vena portae 
das Blut in die Leber führt. Von der Hohlvene aus gelangt das mit dem 
Hohlvenenblut aus den unteren Extremitäten gemischte Blut in den rechten 
Vorhof des Herzens. Dies zwar mit venösem Blut gemischte, aber doch 
mehr sauerstoffhaltige Blut fließt durch die nur beim Fötus vorhandene 
Kommunikation des Foramen ovale in den linken Vorhof, der noch eine 
kleine Quantität Blut durch die Lungenvenen aus den Lungen erhält. 

Durch den rechten Vorhof fließt bei der Diastole das aus der Cava 
superior stammende venöse Blut der oberen Körperhälfte in den rechten 
Ventrikel. 

Von hier ausfließt ein kleiner Teil des Blutes in die Arteria pul- 
tnonalis, die wegen der Kleinheit der Lunge wenig Blut beansprucht. 
Die Hauptmasse des Blutes fließt durch den später verödenden Ductus 
Botalli in die Aorta descendens. 

Das arterialisierte, aus der Nabelvene in den Ductus venosus 
Arantii durch den rechten Vorhof und das Foramen ovale in den 
linken Vorhof strömende Blut gelangt in den linken Ventrikel, Von hier 
aus versorgt es durch die Anonyma, Carotis und Subclavia Kopf und 
obere Extremitäten und durch die Aorta descendens die untere Körperhälfte. 

Die Aorta descendens hat also beim Fötus gleichsam zwei Wurzeln, 
zwei Gefäße, die sie mit Blut versorgen: den Arcus aorlae und den 
aus dem rechten Ventrikel stammenden Ductus arferiosus Bofalli. 
Dieses Blut fließt in der Aorta descendens nach der unteren Körperhälfte. 

Aus den beiden Arteriae hypogastricae entspringen die zwei 
Arieriae umbilicales, die, zwischen sich die Blase, zur vorderen 
Bauchwand aufsteigen, durch den Nabelring nach dem Nabelstrang ver- 
laufen. Durch sie geht also das verbrauchte, sauerstoffarme, kohlensäure- 
reiche Blut zum Nabelstrang und zur Placenta: der Lunge des Fötus. 

Demnach wird der Fötus von einem Gemisch von arteriellem und 
venösem Blute versorgt. 

Das rasche Wachstum der Frucht erklärt sich dadurch, daß der 
Fötus keine Wärme zu produzieren braucht, weil er in dem Uterus von der 
Mutter warm gehalten wird, daß er keine Arbeit leistet und daß er das 
Nährmaterial sofort assimilierbar erhält, also sofort zum Aufbau verwenden 
kann. Daß andererseits der Fötus seinen eigenen Stoffwechsel hat, beweisen 
die Nieren und die Darmtätigkeit. Aus der Untersuchung des Frucht- 
i ist nachgewiesen, daß der Fötus uriniert. Ebenso ist bei Ver- 





36 Fünftes Kapitel. 

Schluß der Harnorgane eine überdehnte oder geplatzte Harnblase ge- 
funden. Im Magen und Darm sind Bestandteile des Fruchtwassers und 
der Abschilferungsprodukte der Haut des Fötus, z. B. Haare mikrosko- 
pisch zu demonstrieren. 

Experimentell ist gezeigt, daß in Blut lösliche Medikamente, z. B. 
Jodkali, Salicylsäure die Placenta passieren und durch den Fötalkreislauf 
in den Urin und das Fruchtwasser gelangen. 

In welcher Form oder in welcher chemischen Beschaffenheit das 
Ernährungsmaterial durch die Placenta zum Kinde gelangt, ist nicht be- 
kannt. Jedenfalls sind die Chorionepithelien, bezw. ist das Syncytium ein 
Organ, das, wie Drüsenepithelien, ganz bestimmte chemische Funktionen 
besitzt und nicht etwa nur der Filtration dient Daß andererseits 
auch der Fötus Produkte der regressiven Metamorphose abgeben muß, 
und daß diese nur durch die Mutter ausgeschieden werden, ist physio- 
logisch nötwendig. Bei der Eklampsie führen diese in das mütterliche 
Blut gelangenden, bei Insuffizienz der mütterlichen Nieren nicht ausge- 
schiedenen Stoffe zur schweren Vergiftung der Mutter. Und spritzt man 
in das Fruchtwasser eines trächtigen Tieres Strychnin, so geht Fötus und 
Muttertier an Strychninvergiftung zu Gründe. 

Die Angaben über die Größe und Gewichtszunahme des Fötus sind 
selbstverständlich nicht mathematisch sicher. Aus vielen einzelnen Berech- 
nungen ergibt sich folgende Tabelle: 

Länge Gewicht 

Ende der 4. Woche 1 cm — 



» . 


if 


8. 


11 


3 


tt 




» 


» 


12. 


u 


8 


» 


25 g 


u 


u 


16. 


» 


16 


11 


100 n 


» 


tt 


20. 


n 


25 


n 


300 » 


» 


u 


24. 


u 


30 


n 


600 .; 


» 


u 


28. 


»1 


35 


u 


1300 u 


n 


II 


32. 


w 


40 


u 


1800 » 


» 


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36. 


n 


45 


» 


2500 „ 


i> 


n 


40. 


n 


50 


n 


3300 " 



Die VergröBerung und Form des Uterus 
in der SohwangersohafL 

Die Veränderungen der Schleimhaut sind bei der Eiimplantation be- 
sprochen. 

Der Uterus wächst in der ersten Zeit der Schwangerschaft aktiv. 
Seine Wand nimmt bis zur Mitte der Schwangerschaft durch selbständiges 
XX'achstum an Dicke zu, dann aber wird der Uterus durch das in ihm 



Veränderung des Uterus in der Schwangerschaft, 



37 



■wachsende Kind ausgedehnt. Bei Kaiserschnitten l<ann man beobachten, 
daß die Dicke der Wand nicht eine stets gleichmäßige ist. Einmal ist 
der Fundus, ohne daß etwa Wehen vorhanden waren, 3—4 cm dick, ein 
andermal nur 2 cm. 

Die den Muskel bildenden Fasern vergrößern sich ganz enorm, 
vielleicht bilden sich auch neue Fasern. Sie sind ungefähr lomal so 
lang und dick als die des nicht schwangeren Uterus. Ebenso verdicken 
sich die Arterien in ihm und neben ihm. Die Uterinae schlängeln sich 
und erreichen den Umfang einer starken Radialis, auch die Rami vagi- 
nales werden so dick wie eine Temporaiis. Die Venen nehmen eben- 
falls an Größe zu, sie sind als fingerbreite Bänder auf der Uterusober- 
fläche und als dicke Gefäße in den Peritonäalbändern am Rande beim 
Kaiserschnitt zu sehen. Die Nerven, namentlich das cervicale Ganglion 
und die Lymphgefäße, werden ebenfalls größer. Der Peritonäal- 
überzug dehnt sich bedeutend aus. Er wird aber nicht etwa dünner, im 
Gegenteil hyperplastisch dicker. Er ist vorn an der vorderen Uterus- 
wand bis zu einer Stelle fest angeheftet, die anfangs ca. 2 cm, in späterer 
Schwangerschaftszeit bis 7 cm oberhalb des inneren Muttermundes liegt 
Unmittelbar nach Entleerung des Uterus kann der zu große Bauchfell- 
Überzug nicht folgen, so daß Falten entstehen. Aus der Richtung dieser 
Falten, die natürlich senkrecht zu der Kontraktionsrichtung verlaufen, sind 
Rückschlüsse auf die Art der puerperalen Kontraktion möglich. 

Die Form des Uterus verändert sich in der Art, daß im Beginn der 
Schwangerschaft das Corpus auffallend breit wird und gleichsam den 
Beckeneingang überdacht Da sich das Ei meist in der Nähe des Fundus 
ansetzt, so bleibt die untere Hälfte des Corpus zunächst leer und von 
der Form Veränderung unbeeinflußt. Braun konnte sogar aus der Vor- 
buchtung einer Hälfte des Fundus und der verschiedenen Konsistenz 
fühlen, ob das Ei rechts oder links im Fundus saß. Die Placenta ent- 
wickelt sich meist an der vorderen und hinteren Wand, selten im Fundus 
gerade oben. Im 5. Monat ist der Uterus meist kugelrund, später wird 
er bei Geradlagen des Kindes längsoval, bei Querlagen queroval. Der 
Uterus ist sehr weich, wie man beim Kaiserschnitt fühlt. Er paßt sich 
jeder Lage des Kindes mit Leichtigkeit an. 

Fast immer liegt der schwangere Uterus, ebenso wie der nicht- 
schwangere, schon von Fötalzeiten her und wie im Puerperium etwas nach 
rechts geneigt Deshalb ist auch das Ligamentum rotundum als finger- 
dicker, fester, verschieblicher Strang links deutlicher zu fühlen als rechts. 

In manchen Fällen ist der Fundus — eine Andeutung der Bicornitäl 
im Fundus auffallend breit auch bei Oeradlagen — Uterus incudiformis. 




38 Fünftes Kapitel. 

Das Ovarium liegt, wegen der Entwickelung des Fundus, seitlich tiefer 
als gewöhnlich und dem Uterus näher gerückt, der bei der Vergrößerung 
des Uterus sich in die Ligamenta lata hineindrängt 

Die Cervix und das untere Uterinsegment. 

Der Brutraum des Eies ist die Höhle des Uteruskörpers. Diese 
Höhle reicht nur so weit nach unten, als die typische Uterusschleimhaut 
reicht Darunter befindet sich der Cervicalkanal, der in der Regel bis 
ans Ende der Schwangerschaft völlig erhalten bleibt Die Grenze zwischen 
beiden, der innere Muttermund, ist zwar bei der nicht Graviden leicht 
zu erkennen und zu demonstrieren, nicht aber bei der Schwangeren. Die 
Epithelgrenze ist inkonstant, namentlich bei Mehrgebärenden. 

Zwischen dem Corpus und der Cervix uteri nimmt man eine Zone 
an, die das untere Uterinsegment genannt wird. Dasselbe beginnt 
inwendig, da wo außen das Peritonaeum fest am Uterus haftet, und reicht 
unten bis zum oberen Ende des Cervicalkanals. In vielen Fällen aber 
ist an der Bildung des unteren Uterinsegmentes ein Teil des Cervical- 
kanals beteiligt, so daß die Gegend des inneren Muttermundes, der in 
der Schwangerschaft keine Bedeutung hat, in dem unteren Uterinsegment 
liegt. Die obere Grenze des unteren Uterinsegmentes bildet der »/Kon- 
traktionsring", der sich da befindet, wo die dicke Muskulatur des 
Corpus, des oberen aktiven Teils des Fruchthalters, aufhört Der Kon- 
traktionsring entsteht durch Wehen, ist also um so mehr zu fühlen, je 
mehr Wehen gewirkt haben. Am stärksten ist er ausgeprägt, wenn z. B, 
beim engen Becken sehr starke Wehen das Eintreten des vorliegenden 
Teils in den Beckeneingang nicht fertig brachten. Am wenigsten ist er 
bei leichten und schnellen Geburten zu fühlen, ja er kann hier völlig 
fehlen. Der Kontraktionsring und das Vorhandensein eines deutlichen 
dünnwandigen unteren Uterinsegmentes beweist, daß Wehen vorhanden 
waren. Da Wehen auch am Ende der Schwangerschaft vorhanden sind, 
so kann das untere Uterinsegment auch in der Schwangerschaft sich 
bilden. Sieht man auch oft den Kontraktionsring nicht, so fühlte man 
ihn doch vorher, z. B. bei einer Wendung, als »Isthmus uteri«. Unter- 
halb des Kontraktionsringes, der nicht etwa dem inneren Muttermunde 
entspricht, beginnt das untere Uterinsegment, der passive Teil des 
Geburtsschlauches, die dünne Partie des Uterus. Sie hat einen lamellösen 
Bau der Muskulatur und endigt unten an der festen Muskulatur der 
Cervixwand. An der Bildung des unteren Uterinsegmentes beteiligt sich 
in sehr vielen Fällen auch der obere Teil des Cervicalkanals, dessen 
Falten, den Arbor vitae man deutlich noch oberhalb des engen Teils der 



Cervix und uiiferes Ulerinsegment. 



39 



Cervix in die Wand der Eihöhle übergehen sieht. Ich habe schon bei 
ämonalJichem Uterus bei der Sektion den Beginn einer Etitfaltung des 
oberen Teils der Cervix deutlich gesehen. Der Teil der Cervix, der sich 
an der, Bildung ■ des unleren Uterinsegmentes beteiligt, ist mit «junger 
Decidua«, mit decidual veränderter Cervicalschieimhaut ausgekleidet. Es 
ist aber die Schleimhautgrenze zwischen deutlicher Uterus- und Cervical- 
schleimhaut wechselnd, einmal höher, «inmal tiefer, so daß aus mikro- 
skopischen Untersuchungen der Schleimhaut eine konstante Grenze, etwa 
der innere Muttermund an der Hochschwangeren, nicht zu demonstrieren 
ist. Somit ist der innere Muttermund, der so deutlich am nicht graviden 
Uterus zu sehen ist, am graviden nicht sicher zu finden. 

Für die Pathologie hat diese Verdünnung der Muskulatur eine hohe 
Bedeutung. Wenn durch die Masse des in das untere Uterinsegment 
eingepreßten kindlichen Körpers die Ausdehnung eine bedeutende wird, 
so platzt die dünne Muskelschicht leicht, namentlich bei schnellem und 
gewaltsamem Einführen einer Hand behufs Vornahme der Wendung. 

Ebenso stark verdünnt ist das untere Uterinsegment, wenn bei der 
Primipara in den letzten drei Wochen der Schwangerschaft der Kopf tief 
in das Becken eingepreßt ist Es wird dann mitunter so dünn, daß man 
durch das untere Ulerinsegment hindurch die Fontanellen und Nähte des 
Schädels fühlen kann. Ja man hat das untere Uterinsegment manchmal 
fälschlicher Weise wegen des auffallend deutlichen Durchfühlens des 
kindlichen Schädels für die Fruchtblase gehatten. 

Der Cervicalkanal aber ist auch in diesem Falle noch erhalten, wenn 
er auch zusammengeschoben wurde. Der Cervicalkanal bekommt dabei 
auch eine andere Richtung. Die Portio erscheint völlig verschwunden 
und der Kanal verläuft von oben schräg von hinten nach vom. Bei Prä- 
paraten, die bei zufällig Verstorbenen gefunden waren, ist die Portio in der 
Regel nachweisbar, resp. bei den Gefrierdurchschnitten zu sehen. 

Der äußere Mutiermund erweitert sich in den letzten sechs Wochen 
der Schwangerschaft. Ungefähr vier Wochen ante partum kann man in der 
Regel auch bei der Primipara mit dem Finger eindringen. Bei Mehrgebären- 
den findet man meist Einrisse, rechts oder links oder auf beiden Seiten. Wo 
der größte Einriß gefühJt wird, passierte das Hinterhaupt durch. Die 
Cervix der Multipara ist demnach klaffend, durchgängig, man fühlt oft 
schon 3 — 4 Wochen ante partum einen Knochen des Kopfes oder eine 
Naht deutlich am Ende des Cervicalkanals. Die Einrisse fehlen mitunter 
völlig. Es gibt Frauen, die vielmal geboren haben und dennoch einen 
ganz intakten äußeren Muttermund besitzen. 

Bei der Erstgeschwängerten verl<ürzt sich die Portio. Dies ist nur 




I 
I 



scheinbar der Fall. Durch die Auflockerung des Scheidengewölbes und 
die Anteversio des Uterus, vor allem aber durch den Druck des tiefliegenden 
Kopfes schiebt sich die Portio zusammen und wird dadurch kürzer gefühlt. 
Bei Zwillingen wird oft der ganze Cervicalkanal mit in die Eihöhle 
einbezogen, so daß man den Muttermund ganz durchgängig fühlt und 
meint, die Geburt sei schon im Gange. 

Daß der Kopf bei der Erstgeschwängerten tief im Becken, bei 
der Mehrgeschwängerten beweglich über dem Becken steht, erklärt 
sich aus den verschiedenen Verhältnissen der Bauchdecken, 

Der wachsende Uterus, resp. das in ihm wachsende Kind hat bei 
einer zunehmenden Vergrößerung von unten nach oben den Widerstand 
der intakten Bauchdecken der Nullipara zu überwinden. Dieser Wider- 
stand ist in seinem Effekt gleichzusetzen einem starken Druck, der das 
Kind in der Richtung von oben nach unten schiebt. Der vorliegende 
Kopf wird dadurch in das Becken hineingedrückt und liegt in den letzten 
3 — 4 Wochen schon in der Beckenhöhle. 

Bei den Mehrgebärenden aber fehlt der starke Widerstand am Fundus 
uteri. Das Kind kann sich frei entwickeln und schiebt die schlaffen 
Bauchdecken leicht empor. Deshalb liegt auch noch in der letzten Zeit 
der Schwangerschaft das ganze Kind oberhalb des Becken eingangs. 
NamenÜich wenn die Bauchdecken sehr schlaff sind und die Schwanger- 
schaften schnell aufeinander folgten, liegt z. B, beim Hängebauch und 
bei Diastase der Recti auch der vorliegende Kopf des Kindes sehr hoch. 

Bei Frauen aus besseren Ständen, die den Leib im Wochenbette gut 
wickelten, bei denen die Recti abdominis nicht auseinander gedrängt 
wurden, die in der neuen Schwangerschaft das Abdomen durch eine gute 
Binde hochhielten, findet man oft auch bei der Multipara den Kopf tief 
im Becken, 

Dies ist auch der Fall, wenn ein großer Zwischenraum zwischen der 
ersten und einer ferneren Geburt existiert. Nach der Geburt hat das 
Abdomen erst nach ca. einem halben Jahre seine definitive Form wieder 
eriangi Tritt die neue Schwangerschaft schon 2 — 4 Monate nach der 
ersten wieder ein, so ist die Rückbildung keine vollständige. Dann bleibt 
der Leib dauernd schlaff und dick. Besonders bei armen Frauen, die 
schwer arbeiten und keinen Wert auf die Erhaltung der Figur, der «Taille", 
legten, bildet sich auch bei ganz normalen Becken Verhältnissen ein Hänge- 
bauch aus. Entwickelt sich dann das Kind in dem im Hängebauch lie- 
genden, stark antevertlerten Uterus, so wird das Kind, resp. der Uterus 
von der vorderen Bauchwand getragen. Es liegt nicht auf dem Becken- 
eingange, resp, auf dem unteren Uterinsegment. Dadurch weicht der 




Dauer der Schwangerschaft, ^l 

Kopf leicht nach hinten seitwärts ab und es entsteht eine Schräg- oder 
sogar Querlage. 

Auf die Portio haben diese Verhältnisse ebenfalls eine Wirkung. 
Während sie in den letzten Wochen der Schwangerschaft bei der Primi- 
para vom tiefstehenden Kopfe zusammengeschoben wird, so daß sie Itaum 
zu fühlen ist (verstrichen ist), fehlt dieser komprimierende Druck bei der 
Multipara, und deshalb bleibt sie in ihrer Form erhalten. Sie ist also bei 
der Multipara oft noch in den ersten Geburtsstadien lang und als wirk- 
liche Portio, als Cervix, als Zapfen zu fühlen, während bei der Primipara 
nach Eröffnung des inneren Muttermundes nur ein Loch als äußerer 
und innerer Muttermund zu fühlen ist. Unmittelbar durch das Loch 
gelangt der untersuchende Finger auf den kindlichen Schädel, resp. auf 
die vorgewölbte Fruchtblase. 

Dagegen kann, wenn die Cervix b€i der Multipara hypertrophiert 
ist, z. B, bei Uterusprolaps, ein röhrenförmiger Cervlcaikanal noch zu 
fühlen sein, obwohl schon stundenlange Wehentätigkeit bestand. Ja nicht 
selten ist bei Multiparen, deren Portio in zwei Muttermundslippen 
durch frühere Einrisse getrennt war, die geschwollene vordere Mutter- 
mundslippe bis zur Passage des Kopfes als dicker Wulst vor dem Kopfe 
zu fühlen. Diese vordere geschwollene Muttermundslippe liegt mitunter 
sogar als Geburtshindemis vorn vor dem Kopfe und wird tief bis in 
die Vulva hineingepreßt, wo sie als blauroter Wulst beim queren Aus- 
einanderziehen der Vulva sichtbar zu machen ist. 

Dauer imd Berechnung der Zeit der Schwangerschaft. 

Die Dauer der Schwangerschaft läßt sich nicht genau bestimmen. 
Es steht fest, daß sie bei verschiedenen Frauen verschieden ist, und daß 
auch bei derselben Frau verschiedene Schwangerschaften ohne irgend 
einen auffindbaren Grund verschieden lange dauern. Als Regel ist fest- 
zustellen, daß länger getragene Kinder schwerer und größer sind als 
kleinere. Nach meinen Aufzeichnungen ist jedes Kind, das mehr als 
3300 Gramm wiegt, 10 — 20 Tage zu lange getragen. Drei Wochen Über- 
tragung machen ein Kind schon um 500 Gramm schwerer. Würde 
auch der Tag des Coitus und die Tatsache festzustellen sein, daß ein 
weiterer Coitus nicht stattgefunden hat, so Ist auch danach eine bestimmte 
Berechnung noch nicht möglich. 

Man kann die Schwangerschaft datieren von der Befruchtung des 
Eies, aber man datiert sie woh! meist von dem Moment der Einbettung 
des Eies in die Ulerusschleimhaut. Nun braucht das Ei vielleicht 6—8 Tage, 
um zur Uterushöhle zu gelangen. Die Spermatozoiden leben 14 Tage 




42 Fünftes Kapitel. 

und länger. Wo das Ei befruchtet wird, wissen wir nicht Es ist mög- 
lich, daß die Befruchtung im Ovarium, an verschiedenen Stellen der Tube 
oder ausnahmsweise erst im Uterus stattfindet Dies ergibt schon Diffe- 
renzen von ca. 14 Tagen bis 3 Wochen. 

Ferner ist möglich, daß das bei der Menstruation ausgeschiedene Ei 
kurz nach der Menstruation befruchtet wird. Dann wäre also die Frau, 
wenn die nächste Menstruation nicht eintritt, schon 3—4 Wochen schwanger. 
Oder die Spermatozoiden, die 2 — 3 Wochen am Lehen bleiben, befruchten 
das Ei kurz vor der Menstruation, die dann wegbleibt Dann würde die 
Schwangerschaft 2—3 Wochen später beginnen. 

Nun kommt dazu, daß nicht nur ein Ei bei emer Menstruation aus 
dem Ovarium ausgeschieden wird, sondern daß sicher bei sehr frucht- 
baren Frauen auch während zwei Menstruationen Ovulation stattfindet 
Auch eine Berechnung aus der anatoniischen Untersuchung der Embr}'Onen 
erweist sich als unsicher. Das Alter menschlicher Embryonen kann nicht 
genau genug geschätzt werden, weil das Material zu gering ist 

Es ist also nicht möglich, in exakter Weise auf Tage und Stunden 
die Dauer der Schwangerschaft zu berechnen. 

Sehr plausibel erschien es, die Dauer der Menstruationsepochen zur 
Berechnung der Schwangerschaft zu verwenden, also z. B. zu behaupten, 
wenn eine Frau alle 21 Tage die Menstruation hat, diese Pause mit 10 
multipliziert die Dauer der Schwangerschaft ergäbe. Meine genauen 
Aufzeichnungen haben mir diese Berechnung als falsch erscheinen lassen. 
Ich habe sicher beobachtet, daß die Schwangerschaft bei kurzen Men- 
struationsepochen manchesmal auffallend lange dauert und bei langen 
Zwischenräumen auffallend kurz. 

Zum Schluß ist nicht zu vergessen, daß der Tag des Eintritts der 
Geburt von Nebenumständen abhängen kann, die gar nicht mit der Ent- 
wicklung des Fötus zusammenhängen. So sieht man oft bei engen 
Becken, daß bei abgewichenem Kopfe der fehlende Druck auf das untere 
Uterinsegment den Eintritt der Geburt verzögert, während Zufälligkeiten, 
z. B. viel Fruchtwasser, Zwillinge, besonders individuell hohe Reizbarkeit 
des Uterus, heftiges Niesen, Husten, seelische Erregungen die Geburt 
vorzeitig einleiten. Es gibt ganz gesunde Frauen, die .stets etwas zu zeitig 
gebären. 

Wir werden also für den Tag des Eintritts eine Breite von 14 Tagen 
annehmen und uns begnügen müssen, die allbekannte Ansicht auch heute 
noch gelten zu lassen, daß die Schwangerschaft ungefähr 270—300 Tage 
dauert 

Das bürgerliche Gesetzbuch nimmt als Schwangerschaftsdauer 180 



Dauer der Schwangerschaft. 



43 



bis 302 Tage an, die Geburtsheifer statuieren als Dauer der Schwanger- 
schaft 240 — 320 Tage, also durchschnittlich 40 Wochen. 

Praktisch hat die Berechnung der Dauer der Schwangerschaft oder 
vielmehr die Voraussage des Termins der Geburt eine große Bedeutung. 
Sowohl um zurückzuschlielien auf den Tag des fruchtbaren Coitus bei 
zivilrechtiichen Alimentierungsklagen, als um vorauszuschließen auf den 
Tag der Geburt, um die notwendigen hygienischen Vorbereitungen zu 
treffen: Besorgung des Materials zur Geburt, der Hebamme, Wärterin. 

Die einfachste Berechnung ist folgende: man nimmt an, daß die Ge- 
schlechtslusf bei Frau und auch beim Manne wegen der durch die Menstru- 
ation bedingten Abstinenz nach der Menstruation am größten ist, daß 
demnach ein Coitus nach Aufhören der Menstruation regelmäßig statt- 
findet Rechnet man noch einige Tage dazu, die eventuell das Sperma- 
tozoid braucht, um zu dem Ovulum zu gelangen, so wird man den Be- 
ginn der Schwangerschaft circa auf den 8. Tag nach Aufhören der 
Menstruation zu setzen haben. Dann rechnet man einfach g Kalender- 
monate hinzu, um den Tag der Schwangerschaft zu bestimmen. War 
also am 1. Januar die Menstruation zu Ende, so würde die Geburt am 
S. Oktober eintreten. 

Nun stellt man noch die Zeit fest, in der die Frau die ersten Kinds- 
bewegungen wahrnahm. Selbstverständlich weiß eine Mehrgeschwängerte 
diese Empfindung, die sie schon kennt, eher zu deuten als eine Erst- 
geschwängerte, also fühlt die Mehrgeschwängerte die Kindsbewegungen 
einige Tage eher. Man zählt demnach, da die Kindsbewegungen in der 
Mitte der Schwangerschaft gefühlt werden, 4 ','2 Monate, bei der Mehr- 
geschwängerten eine Woche mehr hinzu, um den Termin zu berechnen. 

Stimmen diese zwei Berechnungen überein, so wird nunmehr eine 
Untersuchung vorgenommen. Findet man dann den Stand des Fundus 
uteri, des vorliegenden Kindsteiles und der Portio vaginalis ebenfalls dem 
berechneten Termin entsprechend (vgl. unten den Abschnitt über Diagnose), 
so ist die Berechnung eine ziemlich sichere. 

ist der Kopf des Kindes gut abzutasten, so wird auch die Größe des 
Kopfes, oder die des ganzen Kindes in Betracht gezogen werden müssen. 

Einen Tag zu bestimmen, muß man sich hüten, vielmehr wird man 
nur einen Zeitraum von 14 Tagen angeben, in dem die Geburt wahr- 
scheinlich stattfindet. Besser ist es, den Termin etwas hinauszuschieben, 
wenn auch die Möglichkeit eines zeitigeren Eintritts zugelassen wird. 
Eine Schwangere wird sonst ungeduldig, nervös und meint, es sei ein 
Unglück bevorstehend, wenn der vom Arzte angenommene Termin ver- 
streicht Eine besondere Wichtigkeit der Berechnung liegt dann vor, 
wenn man die künstHche Frühgeburt einleiten will. Davon später. 




■ 



h 



Zeichen und Verlauf der Schwangerschaft, 

Mitunter markiert sich schon die Befruchtung des Eies im Allgemein- 
befinden der Schwangeren. Es gibt Frauen, die wenige Tage nach dem 
fruchtbaren Coitus ganz bestimmt wissen, daß sie schwanger sind. Noch 
ehe eine solche Grölienzu nähme des Uterus besteht, daß der Leib meßbar 
stärker wird, empfindet die Schwangere subjektiv das Anschwellen der 
inneren Genitalien als Schwere und Schwellung des Leibes. 

Die Brüste werden praller und größer, sie entleeren bei Druck auf 
die Warzen wasserklare, in späterer Zeit mit weißen, gelblichen Fiöckchen 
durchsetzte Flüssigkeil. Freilich ist dies kein untrügliches Zeichen, denn 
manche Frauen, namentlich solche, deren Uterus sich in einem Reiz- 
zustande {chronische Metritis) befindet, beobachten bei jeder Menstruation 
Anschwellen der Brüste. Auch gibt es Frauen, deren Brust bei starkem 
Druck bis ins Alter hinein etwas sezerniert. Bei Carcinoma mammae 
kann man ebenfalls oft Sekret aus den Warzen drücken, Ist aber außer- 
dem noch der Warzenhof dunkler pigmentiert, die Warze hervortretend 
und empfindlich, so sind dies wichtige Zeichen der Schwangerschaft. 

Der Warzenhof wird bei Brünetten größer, dunkler, fast schwarz; 
bei Blondinen lebhaft rosenrot gefärbt. Die Montgomery sehen Drüsen 
sind als spitze Erhöhungen unregelmäßig über den Warzenhof verstreut 
sichtbar. Namentlich, wenn man die Erekhlität der Brustwarze durch 
Reizen zur Anschauung bringt, werden durch Kontraktion der muskulösen 
Elemente des Warzenhofes die Drüsen hervorgepreßi. Oft sind die Brüste 
empfindlich, so daß selbst der Druck des lose anliegenden Kleides 
Schmerzen bereitet (Mastodynie). 

Vom Nabel bis zur Symphyse zieht sich in der Mitte des Leibes 
eine stark pigmentierte breitere oder schmalere Linie; die Pigmen- 
tierung in der Gegend der Linea alba. Ein sicheres Zeichen, wenn 
es vorhanden ist, Fehit es ganz, so spricht dies durchaus nicht gegen 
Schwangerschaft, 

Der Bauch ist bei Erstgebärenden bis zur Mitte der Schwangerschaft 
meist ganz symmetrisch hervorgewölbt In den letzten Monaten und bei 
Mehrgebärenden mit schlaffen Bauchdecken schon eher ist der eine oder 
der andere obere Quadrant — meist der rechte — deutlich größer als 
der andere: der Uterus liegt nach rechts hinüber. Die Bauchhaut zeigt 
die Striae — Schwangerschaftsnarben: Zerreißungen des Unterhaut- 
zellgewebes. Sie beginnen meist an den beiden unteren Quadranten 
seitlich, oft massenhaft, oft späriich. Sie können auch völlig fehlen. 

Die Schwangerschaftsnarben der früheren Schwangerschaften blassen 
zwar ab, sind aber doch noch als weißliche faltige, etwas unter dem Niveau 



Zeichen und Verlauf der Schwangerschaft. 45 

befindliche schmale oder bis '1^ cm breite Striche zu sehen. Die Narben 
der neuen oder ersten Schwangerschaft sind also hochrote „frische" 
Striae und zeigen noch nicht die kleinen Querfalten. Auch dieses 
Schwangerschaftszeichen ist bei Blondinen mehr zu sehen als bei Brü- 
netten, bei denen es mitunter völlig fehlt. Diese Narben finden sich 
nicht selten auch an sehr starken Brüsten der Blondinen und Rothaarigen, 
deren Haut zart und weich ist Auch der Mann hat die gleichen Zer- 
reißungen der tieferen Hautschichten, z, B. der Turner, am Oberarm 
über dem Biceps. 

Die äulieren Genitalien nehmen eine lebhafte, ins Bläuliche 
spielende Rötung an, sie sind hyperämisch, empfindlich, jucken oft stark, 
sezernieren Fett und Flüssigkeil. Sie entzünden sich leicht bei Mangel 
an Sauberkeit und verbreiten dann einen scharfen Oenich nach Fett- 
säuren, 

Die Labien werden größer, ebenso die Nymphen. Die Taigdrüsen 
sind als kleine Körnchen sichtbar und fühlbar. 

Die Scheidenhaut lockert sich auf, wird sammetartig weich, oft 
auch gerunzelt, so daß einzelne Partien wie harte Körnchen ^ granu- 
lierte Vagina — zu fühlen sind. Die granulierte Vagina ist mit- ■ 
unter, aber durchaus nicht immer ein Beweis gonorrhoischer In- 
fektion, Oft schwillt die Vaginalhaut bedeutend an, so daß sie, nament- 
lich, wenn die Vagina durch den tiefstehenden Kopf nach abwärts zu- 
sammengeschoben ist, gleichsam keinen Platz mehr im Becken hat Dann 
drängt die Columna rugarum posterior, noch mehr die anterior, der 
Harn röhrenwu Ist, sich in die Vulva hinein und sogar vor die Vulva 
heraus, Unreinlichkeit der Kleidung oder Staub der Straße, an den 
feuchten Partien sich festsetzend, reizt die prolabierte Vaginalwand, ver- 
setzt sie in einen Entzündungszustand mit eitriger Sekretion und führt 
zu Schwellung und schmerzhaften Empfindungen. 

Die Bartholinschen Drüsen scheiden mehr Flüssigkeit aus als 
sonst Ebenso der Cervicalkanal. Das Sekret des Cervicalkanals, eine 
feste, zähe Masse, der «Schteimpropf", ist fest verfilzt mit den hyper- 
trophierten Palmae plicatae. Ein mikroskopischer Schnitt durch die 
Palmae plicatae zeigt fast cavernösen Bau mit großen cystenartigen 
Schleimfollikeln. Der Schleimpfropf bildet einen festen, auch gegen die 
Bakterien und Kokken sicheren Abschluß des Uterus, hat also die 
physiologische Aufgabe, die Uterushöhle abzugrenzen und zu schützen. 
Selbst bei jauchendem Portiocarcinom schützt oft lange Zeit der Schleim- 
pfropf den Uterusinhalt vor Fäulnis, falls nicht durch häufige Unter- 
suchungen der Propf gelockert und direkt infiziert wird. 




46 Fünftes Kapitel. 

Die Portio ist weich. Wie bei der Menstruation ist die Portio 
dicken röter, weicher. Schon nach 14 Tagen der Schwangerschaft wird 
einem geübten Untersucher diese Auflockerung auffallen. Untersucht 
man kurz vor einer zufällig verspäteten Menstruation, so kann man sich 
leicht in der Diagnose irren. Man fühlt die auch vor der Menstruation 
weichere Portio und den vergrößerten Uterus. Man diagnostiziert wegen 
des Ausbleibens der Menstruation eine beginnende Schwangerschaft 
Tritt nun die Menstruation, vielleicht etwas stärker, ein, so wird man zu- 
nächst kaum sagen können, ob es sich um einen ganz frühzeitigen Abort 
oder um eine verspätete und verstärkte Menstruation handelte. Natürlich 
ist in ein paar Tagen der Fall klargelegt 

Die Menstruation hört in der Schwangerschaft auf. Das 
weiß auch jeder Laie und doch wird dies Zeichen oft zu wenig bewertet. 
Bleibt bei einer völlig gesunden Frau die Menstruation aus, so liegt in 
fast jedem Falle, auch bei Fehlen aller anderen Erscheinungen, Schwanger- 
schaft vor. Es gibt eine große Anzahl von gesunden Frauen, die sich 
in der Schwangerschaft völlig normal fühlen und verhalten, die über- 
haupt kein einziges Symptom ihrer Schwangerschaft kennen, als allein 
das Ausbleiben der Menstruation und die deutliche Anschwellung des 
Leibes. Ja es kommt vor, daß eine Frau das eine Mal viel, das andere 
Mal gar keine Symptome der Schwangerschaft bei sich wahrnimmt Die 
Psyche spielt dabei eine große Rolle. Eine Frau, die die Schwanger- 
schaft perhorresziert und sie unterbrechen möchte, übertreibt alle kleinen 
Beschwerden, fühlt sich in ihrem vermeintlichen Unglück höchst elend 
und suggeriert sich allerhand schwere Leiden. Eine andere, über die 
gute Hoffnung glückliche Frau nimmt alle kleinen Beschwerden gern 
mit in den Kauf, ignoriert sie und hat mehr Freude als Klagen. 

Man wird oft von Frauen in der klimakterischen Periode konsultiert. 
Die unregelmäßig werdende Menstruation blieb aus, die Frau meint, sie 
sei schwanger, und klagt über alle von früher her bekannten Schwanger- 
schaftsbeschwerden. Sobald der Arzt die Diagnose auf Nichtschwanger- 
schaft stellt oder die Menstruation wieder eintritt, sind auf einmal alle 
autosuggerierten Symptome verschwunden und werden selbst für Ein- 
bildung erklärt. 

Daß die Menstruation oft noch einmal und zwar schwächer als 
gewöhnlich in der Schwangerschaft eintritt, muß zugegeben werden. Dies 
hat schon oft zu Irrtümern in der Diagnose des Schwangerschaftstermins 
geführt Aber daß während der ganzen, ja nur während einer Hälfte 
der Schwangerschaft die regelmäßige Menstruation fortbestand, ist eine 
Fabel. Ich habe davon zwar in manchen Büchern und fournalen gelesen, 
aber es nie selbst erlebt Die Berichterstatter sind wohl von Frauen, 



Verlauf der Schwan gerschafl. 



47 



die interessant ersdieinen wollten, betrogen. Dagegen geht bei Schleim- 
polypen, namentlich beim Carcinom unregelmäßig oft während der 
ganzen Schwangerschaft Blut ab. 

Der Uterus nimmt in den ersten Wochen der Schwangerschaft 
meist eine mehr gerade Richtung an und seine Achse entspricht der des 
Beckeneingangs. Er ist oft sogar etwas retrovertiert und deszendiert, legt 
sich aber bei Zunahme der Größe des Corpus bald wieder in antever- 
tierte Lage. Er überdacht das Becken, so daß man ihn bei leerer Blase 
auffallend breit und weich im vorderen Scheidengewölbe fühlt. 

Die Hyperämie des wachsenden Uterus teilt sich der Blase mit, 
die darauf durch Harndrang und Symptome, die an Blasenkafarrh er- 
innern, reagiert. Diese Hyperämie, nicht die Schwere des Uteiiis erzeugt 
den Harndrang. 

Hämorrhoidalknoten schwellen an oder bilden sich neu, nament- 
lich bei Erstgeschwängerten, wo der im Becken stehende Kopf die Blut- 
zirkulation behindert. Auch der After und Mastdarm beteiligen sich an 
der Hyperämie der Beckenorgane, so daß namentlich bei hartem Stuhl- 
gange leicht Fissuren, Schmerzen und geringe Blutungen bei der Defä- 
kation entstehen. Da die Schwangere sich oft nicht wohl fühlt, deshalb 
viel ruht, wenig arbeitet und überhaupt sich mehr zu Hause hält, wird 
der Stuhl träge. 

Bei langem Aufenthalte des Kotes im Dickdarm führt die Resorption 
der flüssigen Bestandteile des immer mehr faulenden Kotes zu Auto- 
intoxikation mit Fäulnisprodukten; Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosig- 
keit, Obelbefinden sind die Folge. Oft behaupten diese Schwangeren, 
Kotgeschmack im Munde zu haben; wohl eine Verwechselung des Ge- 
ruches mit dem Geschmack. Die Tatsache, daß nach Regelung des 
Stuhls die Schwangere sich oft viel wohler fühlt, spricht dafür, daß Auto- 
intoxikation mit Fäulnisprodukten vorlag. 

Auch auf reflektorischem Wege entstehen Magen- und Darm-Sym- 
plome. Um das Ernährungsmaterial für das Kind zu liefern, braucht 
eine Schwangere mehr Nahrung. Sie kann oft fortwährend essen, tut es 
auch ä conto des Kindes. Die Schwangerschaftsgelüste, denen sie nach- 
gibt, veranlassen sie, sich den Magen mit schwerverdaulichen Speisen zu 
überladen, weil eben nur diese mit Appetit genossen werden. Dadurch 
kommt es zu Magcndilatation und zu schlechter Motilität, so daß der 
Mageninhalt zu lange im Magen bleibt, sich zersetzt, gärt, und daß 
danach Pyrosis, Sodbrennen, ja Erbrechen sehr saurer Massen eintritt. 
Die Hyperacidität ist mitunter sehr bedeutend und kehrt selbst bei 
enormem Verbrauch von Natron bicarbonicum oder Magnesia usta sehr 




i 



wieder. Die Schwangere fühlt selbst, daß die Säure die Zähne 
stumpf niaclit 

Beliannt sind die Schwaiigerschaftsgelüste. Eine Schwangere 
ißt das nicht, was sie sonst liebt, und will das übermäßig genießen, 
was ihr sonst widerlich war. Gerüche erzeugen oft Eke!. Speisen oder 
Medikamente, die irgendwie riechen, werden verabscheut. 

Typisch ist das sog. Schwangerschaftserbrechen, das nament- 
lich früh beim Aufstehen aus dem Bette und überhaupt bei leerem 
Magen sich einstellt. Manche Schwangere würgt und bricht jedesmal 
erst einen Teil des Gegessenen aus, um dann sofort, ohne Übelkeit, 
weiter zu essen. Manche Schwangere kann wohl essen, wenn sie nicdt 
weiß, was ihr vorgesetzt wird, ist aber nicht im stände, Nahrung zu sich 
zu nehmen, die sie selbst zubereitet hat, oder von der sie weiß, daß sie 
auf dem Tische erscheinen wird. Oder die Schwangere kann nicht zu 
Hause essen, während sie auswärts mit vollstem Appetit speist. 

Die Hyperacidität teih sich auch der Mundschleimhaut mit, die 
Speicheid riisen sezernieren auffallend stark. Die Qärungsvorgänge führen 
zu fortwährendem Aufstoßen und ebenfalls zu Übelkeit, worunter die 
Zähne leiden, so daß Caries der Zähne schnell vorschreitet, oder neue 
kariöse Stellen schnell sich bilden. Der Umstand, daß Schwangere nicht 
gern an den Zähnen etwas macheu lassen, weil sie fürchten zu abortieren, 
führt dann zu schnellerer Verschlechterung der kariösen Stellen und zu 
Infektion anderer Zähne. 

Eigentümlich ist, daß die Hautfarbe der Schwangern oft leidet, „der 
Teint wird schlecht", das Gesicht braunfleckig: Chloasma uterinum. 
Das Gesicht sieht oft blaß etwas gedunsen aus. Bei manchen Schwangeren 
fallen die Haare aus, entweder schon in der Schwangerschaft oder erst 
im Wochenbett. Oft sieht eine Schwangere im Gesicht schlaff und jeden- 
falls häßlicher aus als vorher. 

Der Druck des schweren Uterus auf die Beckenorgane wird 
von empfindlichen Frauen sehr unangenehm empfunden. Sie wollen viel 
liegen, werden schwerfähig, klagen, daß das Gehen Schmerzen mache und 
Schmerzen hinterlasse, und scheuen jede Bewegung. Namentlich ist dies . 
der Fall bei Frauen, die sich des Gehens schon im Beginn der 
Schwangerschaft entwöhnten. 

Die Tatsache, daß in der Schwangerschaft an der Hyperämie der 
ganzen Beckenorgane auch die Halbgelenke des Beckens teilnehmen, ist 
wohl der anatomische Grund dieser Schwerfälligkeit Die Zunahme der 
physiologisch geringen Synovialflüssigkeit und die Durchfeuchtung der 
Beckengelenke in der Schwangerschaft hat eine zwar unbedeutende, aber 
doch bewiesene, größere Beweglichkeit in diesen Gelenken zur Folge. 




Verlauf der Schwangerschaft. 



49 



Und diese größere Beweglichkeif führt dann zu dem Gefühl der Schwer- 
fälligkeit und der Beschwerden beim Gehen. 

Der Geist leidet teils durch die Furcht vor der bevorstehenden 
schweren Stunde, teils durch die vielen kleinen Unbequemlichkeiten, die 
das Gefühl der Gesundheit beeinträchtigen und das Behagen stören. 

Schwangere sind oft weinerlich, empfindlich, reizbar, mißgesdmmt 
und verdrießlich, sie bedürfen und verlangen vom Arzte freundliches Zu- 
reden, Ermahnungen, Tröstung. 

Sind die Bauchdecken, wie bei den Primiparen, noch straff, so ist 
die Arbeitsfähigkeit wenig beeinflußt Schwangere aus niederen 
Ständen, die an körperliche Arbeit gewöhnt sind, arbeiten oft bis zur 
letzten Stunde, ohne darunter zu leiden und ohne den Eintritt der Geburt 
zu beschleunigen. 

Sind aber, (cie bei den Multiparen, die Bauchdecken schon gelockert, 
besteht eine Diastase des Recti, lagert sich der anteflektierte Uterus auf 
die dünne Stelle der vorderen Bauchwand zwischen den auseinander 
gedrängten Redis, so wird eine Schwangere sehr schwerfällig, ja völlig 
arbeitsunfähig. 

Manche Schwangere ist kurzatmig und hat bei Bewegungen Herz- 
klopfen, Kongestionen nach dem Kopf, Schwindel, Ohrensausen und eine 
Anzahl Symptome, die dafür sprechen, dal5 die Zirkulationsorgane über- 
anstrengt sind. Das Herz muß mehr Blut bewegen, da zu der früheren 
Blulmenge noch das in dem Tumor des schwangeren Uterus zirkulierende 
hinzukommt. Untersuchungen trächtiger Tiere haben ergeben, daß in 
der Tat die Blutmenge in der Gravidität zunimmt. Deshalb glaubt man 
auch, daß das Herz, das eine größere Bkitmenge bewegen muß, in der 
Gravidität etwas vergrößert isi Physikalisch zu beweisen ist diese Herz- 
vergrößerung der Schwangeren nicht, aber sie ist gewiß vorhanden. Man 
hat sie herausperkutiert, doch nehmen andere Autoren an, daß die 
Dämpfung größer erscheint, weil das Herz der Hochschwangeren etwas 
verschoben ist und der Brustwand mehr anliegt. Deshalb sei zwar in 
der Tat der leere Schal! der Herzdämpfung bei der Hochschwangeren 
größer, aber das Herz sei nicht vergrößert. 

Nicht selten hört man bei Schwangeren ein bruit de Souffle am 
ersten Herztone. Dies haben einige Autoren als anämisches Geräusch 
gedeutet, andere als eine Folge der Herzvergrößerung, Auch ein bis 
dahin nicht erkannter Herzfehler könne das Geräusch verursachen. In- 
dessen hört man bei vielen Menschen ähnliche Geräusche, ohne daß sie 
ein Beweis für einen pathologischen Zustand sind. 

Wenn die Blutmenge großer ist, müssen auch die Aufgaben der 
Nieren wachsen. Außerdem hat der Fötus als selbständiges Lebewesen 

Fri(5ch, Oeburtshilfe. j 



4 



50 



Fünftes Kapitel. 



ebensogut einen Stoffwechsel wie die Mutler. Die Prodmtte 
regressiven Metamorphose des Fölus, ndie Schlacken des kindlichen 1 
Stoffwechsels", haben keinen andern Ausscheidungsweg als das Blut der ' 
Mutter und die Nieren der Mutter. Demnach kommt zur Aufgabe der . 
mütterlichen Nieren noch die Ausscheidung de Endp odukt des fötalen 
Stoffwechsels hinzu. Störungen sind hier g w ß d nkba nd möglich. 
Störungen in der Ausscheidung der „Schlacken konn n z erheblichen 
Krankheiten führen, wie wir bei der Eklampse hen w d n. Aber es 
ist auch anzunehmen, daß geringere Störung n d Stoffwechsels zu 

geringeren Symptomen: Kopfschmerzen, Appetillosigktil dtr Mutter etc. 
eventuell Veranlassung geben. 



Die Diagnose der Schwangerschaft. 

Die alten Autoren unterscheiden sichere und unsichere Zeichen der 
Schwangerschaft. Wir unterscheiden subjektive und objektive Er- 
scheinungen der Schwangerschaft. 

Die ersten sind soeben geschildert. Übelkeit, Erbrechen am Morgen, 
Zunahme der Speichelsekretion, Harndrang, Gefühl von Schwellung der 
Brüste, Schwere im Unterleib, psychische Erscheinungen von Angst, Un- 
behagen, Widerwillen gegen Speisen; zu Anfang das Ausbleiben der 
Menstruation, später die Bewegungen des Kindes. 

Die objektiven Zeichen sind die, die der Arzt fühlt und sieht. 

Ein Irrtum bei der Diagnose der Schwangerschaft in den ersten 
2 Monaten ist sehr leicht, namentlich wenn die Angaben der Frau un- 
sicher sind oder die Schwangerschaft verheimlicht oder vorgetäuscht 
werden soll. Der Praktiker wird gut tun, wenn er in den ersten 2 Mo- 
naten der vermeintlichen Schwangerschaft mit dem Hinweise auf die Un- 
sicherheit der Diagnose und auf die Tatsache, daß nichts in der Welt 
sich so sicher bald von selbst herausstellen wird als die Schwangerschaft, 
überhaupt eine Untersuchung ablehnt, sie für gefährlich und überflüssig 
erklärt. 

Ich habe im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Fällen gesehen, 
wo nach derartigen Untersuchungen in den ersten 2 Monaten der Abort 
eintrat Ich halte es auch für praktisch ganz überflüssig und kontra- 
indiziert, die genaue Feststellung einer frühzeitigen Schwangerschaft durch 
kräftige kombinierte Untersuchung zu erzwingen. Es kommen ja alltäg- 
lich Fälle vor, wo Frauen aus den nichtigsten Gründen, um auf den 1 
zu gehen, um eine Vergnügungsreise zu machen, 
wissen wollen, ob sie schwanger sind oder nicht 



Ulli am ucii DcUi j 
nur aus Neugier I 



Diagnose der Schwangerschaft. 



Sagt man ihnen aber ernst, daß die Untersuchung Oefahr bedingt, 
daß sie nicht einmal ein sicheres Resultat ergibt, daß ein Attest darüber 
nicht ausgestellt werden kann und daß nach 4 — 8 Wochen die Sache 
auch ohne Untersuchung sicher ganz klar wird, so verzichten sie gern auf 
die immerhin schmerzhafte Untersuchung. 

Fälle sind auch häufig, wo bei einer ganz gesunden Frau nach auf- 
regenden, das körperliche Wohlbefinden durch geistige Depression 
störenden Erlebnissen, z. B. Todesfällen oder schweren Krankheiten in der 
Familie, die Menstruation ausbleibt. Dann ist der Uterus meist etwas 
vergrößert, bis die Menstruation sich wieder einstellt Nervöse Frauen 
empfinden auch durch Autosuggestion alle möglichen, ihnen bekannten 
Schwangerschaftssymptome. Eine Täuschung ist dann leicht. 

Mir erschien immer als das erste sichere Schwangerschafts- 
zeichen die auffallende Breite und Weichheit des kugehgen anteflektierten 
etwas tiefer als gewöhnlich liegenden Uterus. Dies läßt sich mit einem 
Finger per vaginam leicht fühlen, doch muß die Blase sicher ganz 
leer sein. Drückt man nur mäßig auf den Leib oberhalb der Symphyse, 
so wird man keinen Schaden anrichten und wird doch den Uterus auch 
indirekt so tief drücken, daß die Diagnose von der 4. Schwangerschafts- 
woche an ziemh'ch sicher zu stellen ist. 

Hegar machte darauf aufmerksam, daß man den unteren Abschnitt 
des Corpus uteri besonders weich prallelastisch fühlt, und Seilheim, 
daß man das in den Uterus oben ansitzende Ei gleichsam nach oben 
verdrängen kann. Braun zeigte, daß es selbst gelingt, den Sitz des Eies 
— rechts oder links — durch die verschiedene Konsistenz des Fundus 
zu fühlen. Ich rate diese Experimente zu unterlassen und abzuwarten. 
Nach 4 Wochen wird wohl meist die Frau selbst wissen, ob sie gravid 
ist, resp- der Arzt wird es alsdann mühelos und ungefährlich kon- 
statieren. 

Erreicht der Uterus Kindskopf- oder MannskopfgröBe, so ist 
die Diagnose leicht. Der Zusammenhang des Abdominattumors mit der 
Portio, die gleichzeitige Bewegung des vaginalen mit dem abdominalen 
Teile des Uterus, die charakteristische Weichheit, lassen die Diagnose 
stellen. Daß aber Irrtümer bei völlig gleich geformtem, myomatösem 
Uterus möglich sind, beweist die Kasuistik. Es wird kaum einen über 
größere Erfahrungen verfügenden Gynäkologen geben, der sich noch 
nicht geirrt oder sogar bei Gravidität Laparotomie gemacht hat. 

Ich habe einmal bei einer Blutmole mit „missed abortion« von 6 
Monaten, nachdem die Menstruation trolz der retentierten Mole wieder 
regelmäßig geworden war, den festen, harten Uterus als Myom exstirpiert 
und erst am Präparate später die Gravidität erkannt. Die Brüste, die 




4 



52 



Fünfles Kapitel. 



L 



äußeren Genitalien, die Portio hatten sich nach dem Abslerben des Eies 
völlig zurückgebildet. Dieses aber war durch subchoriale geronnene 
Blutextra vasate so hart geworden, daß ich eine Schwangerschaft ausschloß. 

Zweimal nahm ich Antepositio uteri gravidi und Incarceration eines 
Ovarieniunior unter dem Promontorium an. Es zeigte sich, daß der ver- 
mutete anteponierte Uterus ein subperitonäales erweichtes Myom der 
vorderen Wand von der Form des Uterus war, und daß die fälschlich 
diagnostizierte Ovariencyste der in Retroflexion gedrängte schwangere 
Uterus war. In beiden Fällen wurde die Enukleation des Myoms und 
glückliche Beendigung der Schwangerschaft erreicht. 

Da den berühmtesten Laparotomisten, wie Spencer Wells und 
anderen, ähnliche Irrtümer vorkamen, so werfe man auf niemand einen 
Stein, der sich irrt, am wenigsten aber auf einen praktischen Arzt, der 
solche Fälle selten sieht. 

Reicht der Uterus bis zum Nabel, ist der 5. Monat erreicht, so gibt 
es 3 sichere objektive Zeichen. Erstens die Kontraktionen des 
Uterus Bei der Untersuchung durch Palpation fällt es auf, daß durch 
den Reiz des Drucks Kontraktionen ausgelöst werden, die bei Tumoren 
selbstverständlich nicht vorkommen. Ahlfeld hat ganz recht, wenn er 
von partiellen Kontraktionen spricht, denn in der Tat wird nicht immer 
der ganze Uterus hart, sondern man fühlt einzelne Gegenden des Uterus 
hart werden und wieder erschlaffen. 

Zweitens fühlt man oft bei längerem Aufliegen der Hände die leicht 
klopfend an die Wand anstoßenden Kindsbewegungen. Das Kind 
schiebt sich im Uterus hin und her, man empfindet namentlich mit der 
anliegenden Backe beim Auskuhieren, wie das Kind vorbeigleitet. Auch 
der Finger, der den vorliegenden Teil bei leerer Blase nach oben drängt, 
fühlt das sich bewegende Kind. Die Härte, die eben vorhanden war, 
verschwindet und kehrt wieder. Drittens hört man am Tumor abdo- 
minis sorgfältig, lange Zeit auskultierend die Herztöne des Kindes schon 
vom 5. Monat an. 

Am Ende der Schwangerschaft haben wir so viele objektive 
Zeichen, daß die Untersuchung nicht mehr trügen kann. Man fühlt die 
Kindsbewegimgen, ja man sieht die Kindsbewegungen am Bauch, nament- 
lich, wenn man das Kind aus der gewohnten Lage etwas verschoben 
hat, dann die Hände schnell entfernt und wieder auflegt Auf die Ver- 
schiebung reagiert das Kind, es legt sich wieder in bequeme Lage und 
schiebt dabei hier und da die Bauchdecken sichtbar hervor. Man fühlt 
und unterscheidet die einzelnen Teile des Kindes, die kleinen und die 
großen. Man hört bei der Auskultation die Herztöne und seitlich 
das mit den mütterlichen Herztönen isochrone scharf hauchende Uterin- 




Diagnose der Schwangerschaft. 



53 



geräuscfi~d^ '" den slark geschlängeilen Arterien am Rande des Uterus 
entsteht Kommt dies Geräusch auch bei Tumoren vor, so ist dies doch 
eine sehr große Seltenheit. 

Untersucht man genau, beachtet man alle die geschilderten Sym- 
ptome, berücksichtigt man das Alter der Frau und verwertet man ihre 
Angaben und alle beschriebenen Zeichen der Schwangerschaft, so ist am 
Ende der Schwangerschaft die Diagnose nicht zu verfehlen. Freilich 
gibt es bei Komplikation mit Tumoren und fehlender Anamnese gewiß 
leicht verzeihliche Irrtümer. So kann ein myomatöser Tumor so liegen, 
daß das dahinter liegende Kind nicht zu fühlen ist. Der Ulerus kann dabei 
so unregelmäßig geformt sein, daß die Tatsache eines Tumors unzweifel- 
haft ist und die Gravidität übersehen wird, Irrtümer sind dem ge- 
übtesten Gynäkologen vorgekommen. Indessen ist dies praktisch nicht 
wichtig, da der Tumor, gerade wegen der Gravidität schnell zunehmend, 
ernste Beschwerden macht, die zur Exstirpation zwingen. 



Diagnose des Schwangerschaftstermias. 

Die Zeit der Schwangerschaft bestimmt man nach dem Unter- 
suchungsbefund. In den ersten Monaten untersucht man kombinier^ in 
den späteren erst äußerlich, danach innerlich und dann wieder kombiniert 

Im ersten Monat sinkt oft der schwerere Uterus etwas nach unten, 
so daß man bei der inneren Untersuchung eine geringe Retroversio, 
Auflockerung der Portio und Verdickung des auffallend weichen Corpus 
findet 

Im zweiten Monat ist der Uterus schon größer, überdacht gleich- 
sam das Becken. Bei gut entleerter Blase liegt die untere Fläche des 
Corpus unterhalb des oberen Endes der Symphyse. Das Uteruscorpus 
hat ungefähr einen Dickendurchmesser von 6 cm und ist mehr verbreitert 
als verlängert 

Ich möchte hier einschieben, daß die durch die Bauchdecken ge- 
fühlten Größen Verhältnisse schwer exakt zu bestimmen sind. Wenn man 
vor jeder Exstirpation eines abdominalen Tumors sich genau die an- 
genommene Größe notiert, so wird man später am exstirpierten Tumor 
oft sehen, daß man sich täuschte. Bei dicken, straffen Bauchdecken 
erscheint der Tumor größer. 

Im dritten Monat ist die Form und Größe des Uterus deutlich 
zu fühlen. Er überragt bei der kombinierten Untersuchung die Sym- 
physe, die Portio gelangt entsprechend der Zunahme der Anteversion 
mehr nach hinten und oben. Die untere Fläche der Portio ist nach der 
Kreuzbeinhöhlung hin gerichtet 




% 



54 



Fünftes Kapitel. 



Im vierten Monat ist der Uterus auch bei der alleinigen äußeren 
Untersuchung als runder weicher Tumor über der Symphyse zu fühlen. 
Er steht, da der Fundus durch die straffen Bauchdecken in der Ante- 
version gehindert wird, mehr gerade, so daß die Portio wieder mehr in 
die Führungslinie gelangt ■ 

Im fünften Monat steht der Fundus uteri in der Mitte zwischen 
Nabel und Symphyse. Der ganze Uterus ist nach rechts geneigt und 
dreht sich mit der linken Kante etwas nach vorn. Die Portio weicht 
etwas nach hinten links. 

Im sechsten Monat 

r/'"\.f'\ --•rfipli erreicht der Fundus die Höhe 

y ^^"g '"'^ des Nabels. Im siebenten 

steht er zwei Finger breit, 
10 isj j^ achten handbreit über 

"■ " ^* dem Nabel. Er liegt den 

Bauchdecken vorn fest an. 

^ Die Portio steht hoch oben, 

' so daß der Finger sie eben 

I erreiLlien und abtasten kann, 

I ' ' ^ '' J sie ist noch hart und deut- 

L» ,_ IiLh zu differenzieren, lockert 

|ft SKh aber allmählich mehr 

ff ^ ___^ und mehr auf. 

Im neunten Monat 
irrcicht der Uterus seinen 
hochstm Stand, er reicht bis 
an den Rippenbogen. Im 
zehnten Monat senkt sich 
ha"f^"oTiaien, reciiiinädi"''Wuciien. der Uterusfundus durch Zu- 

nehmende Anteversion des 
schweren Uterus wieder und steht ungefähr so hoch wie am achten Monat. 
Der Stand der Portio ist verschieden. Liegt wie bei der Multipara oder 
bei einer Verengerung des Beckeiieingangs das ganze Kind oberhalb des 
Beckeneingangs, so liegt auch die Portio hoch oben, meist etwas links. 
Liegt aber bei der Primipara der Kopf schon im Becken, so drückt er 
auch die Portio tiefer nach unten. Sie knickt sich ab und ist als kleiner, 
allmählich verschwindender Zapfen an der hinteren Seile zu fühlen. 

Wenn dies auch das alte Schema ist, nach dem wesentlich der bei 
der Palpalion des Leibes gefühlte Stand des Uterusfundus zur Diagnose 
des Termins der Schwangerschaft verwendet wird, so gibt es doch viele 
Ausnahmen und Schwierigkeiten, Irrtümer bezüglich des Termins sind 



Diagnose des Schwangerschattslerniins. 



also ieichl. Man irrt sich oft um 2 — 3 Wochen. Aber man muß be- 
denken, daß doch noch viele andere Hilfsmittel, Ausbleiben der Menstru- 
ation, Kindsbewegungen, Taxierung der Größe des ganzen Kindes und 
des kindlichen Kopfes u.s.w., hinzukommen, um die Diagnose zu fixieren. 

Bei einer Primipara mit sehr straffen Bauchdecken ist oft der Kopf 
so tief gepreßt, daß der Uterus auffallend klein erscheint. Auch fehlt der 
Hängebauch und deshalb ist die Senkung des Uterus und die zunehmende 
Ausdehnung des Leibes vom Nabel abwärts nicht deutlich. Man glaubt 
bei der alleinigen äußeren Untersuchung aus der Größe des Leibes und 
dem Stand des Fundus den Anfang des neunten Monats annehmen zu 
müssen. Statt dessen handelt es sich um den zehnten Monat, was durch 
den Touchierbefund des Kopfes im Becken sofort klar wird. 

Sodann kommt in Betracht, ob die Frau groß oder klein ist Einer 
schlanken, großen Frau ist oft die Schwangerschaft bis in den sechsten 
Monat überhaupt nicht auf den ersten Blick anzusehen. Der Uterus hat 
vollkommen Platz, da die Distanz vom Thorax bis zum Becken sehr 
groß ist. Bei einer kleinen Frau erscheint schon im vierten Monat der 
Leib sehr stark, namentlich beim engen Becken, bei dem später der 
Kopf nicht in das Becken eintreten kann. Auch die Kleidung ist wichtig. 
Personen, die die Schwangerschaft zu verheimlichen bestrebt sind, ge- 
lingt es bis zum achten Monat den Leib so zusammenzupressen, daß 
selbst der Arzt beim ersten Blick die Schwangerschaft nicht bemerkt 

Frauen aber, die ein Gefühl von Völle im Unterleib empfinden und 
dadurch geniert sind, kleiden sich so lose und bequem, daß man schon 
nach 3 — 4 Monaten den Umfang des Leibes für viel stärker annimmt, 
als er tatsächlich ist 

Hat die Frau ein enges Becken, bei dem das Kind im Hängebauch 
quer oder schräg liegt, so ist oft der Uterus ganz rund, dann beweist der 
„Stand des Fundus" überhaupt nichts. 

In diesem Falle kann man aber meist den Kopf des Kindes, da er 
frei über dem Becken liegt, ganz deutlich zwischen die Hände bekommen. 
Aus der Größe des Kopfes, zusammengenommen mit den anderen 
Zeichen, ist es dann möglich, einen ziemlich sicheren Schluß auf die 
Größe des Kindes zu machen. 

Ahlfeld empfahl auch die Länge des Kindes direkt mit dem Taster- 
zirkel zu messen, indem eine Zirkelspitze auf den Fundus außen, die andere 
auf den Kopf in der Vagina aufgesetzt wird. Die so gefundene Zahl 
entspreche der Hälfte der Länge des Kindes. Ich habe jahrelang diese 
Methode geübt, ohne verwertbare Resultate zu haben. Das Taxieren der 
Größe des über dem Becken deudich von zwei Seiten zu umfassenden 
Schädels erscheint mir besser. 




u 



Fünftes Kapitel. 

Der Uterus ist in der ganzen Schwangerschaft sehr weich und 
schmiegt sich an seine Umgebung an. Bei der Rückenlage sinkt das 
Kind mit dem Uterus meist vom Grat der Wirbelsäule abgleitend 
nach rechts. Beim Aufrechtstehen legt sich das Kind mit dem Uterus 
der vorderen Rauchwand eng an, so daß man bei Herabsinken des 
Bauches von einer physiologischen Anteversion des Uterus gesprochen 
hat. Je schlaffer die Batichdecken sind, um so mehr nimmt die Anfe- 
version zu. Wird sie pathologisch hochgradig, so berührt die vordere 
Bauchwand beim Stehen der Frau die Vorderfläche der Oberschenkel. 
Dies ist dann ein starker Hängebauch. 

Die Hygiene der Schwangerschaft. 

Eine Schwangere soll so weiter leben, wie sie es gewöhnt ist. Wenn 
eine körperlich arbeitende Frau in der Schwangerschaft stets liegen 
wollte, würde sie ebenso sich schaden, als wenn eine Frau, die sich nie 
körperlich anstrengte, in der Schwangerschaft plötzlich schwere Arbeit 
verrichten wollte. 

Der Arzt wird von einer Schwangeren der besseren Stände viel gefragt 
Er muß sich immer sagen, daß, wenn er zu streng ist, seine Ratschläge doch 
nicht befolgt werden und daß, wenn er zu sehr allen Wünschen entgegen- 
kommt, jedes zufällige Unglück seiner Sorglosigkeit zugeschrieben wird. 

Die Psyche spielt in der Schwangerschaft eine große Rolle, wie 
oben schon Seite 40 bemerkt. Der Arzt und die Umgebung können 
durch vernünftige Einwirkung auf die Schwangeren viel Unheil verhüten. 
Die übertriebene Angstlichkeil bekämpft man mit dem Hinweis darauf, 
daß, seit die Welt steht, Millionen und Milliarden von Frauen glücklich 
geboren haben und gebären, daß also auch im vorliegenden Falle irgend 
ein Orund zur Beängstigung nicht vorliegt. Aber der Arzt soll sich doch 
nicht nur negativ verhalten und verbieten. Er soll im Gegenteil ein be- 
stimmtes Regime vorschreiben. Einer Schwangeren ist es viel angenehmer, 
wenn ihr positiv gesagt wird, was sie tun, als wenn ihr nur negativ ge- 
sagt wird, was sie lassen soll. 

Alle gewöhnlichen Speisen sind erlaubt. Den speziellen Schwanger- 
schaftsgelüsten ist nachzugeben, falls sie nicht augenscheinlich schaden 
würden. Das Frühstück soll, namentlich wenn Vomitus matutinus vor- 
handen ist, im Bett genommen werden. Liegt die Schwangere danach 
noch 1 — 2 Stunden ruhig im Bett, so ist das meist genügend, das Früh- 
erbrechen zu verhindern. Es soll häufig gegessen werden. Die beste 
Bekämpfung des Erbrechens und der Übelkeit ist das fortwährende Essen 
oder Trinken. Wird noch spät abends vieles und schweres gegessen, so 




Hygiene der Schwangerschaft. 



57 



ist der Schlaf schlecht. Schlaflosigkeit bessert sich oft allein dadurch, 
daß die letzte Mahlzeit 3 Stunden vor dem Zubettgehen genossen und 
daß sie nur aus Milch und Semmel oder Suppe besteht. 

Der Alkohol ist aus zwei Gründen während der Schwanger- 
schaft vollständig und sireng zu untersagen. Erstens ist schon 
manche Frau zur Potatorin geworden, die, um Schwächegefüh! oder 
Übelkeit zu bekämpfen, sich den Qenuss von Likören oder Kognak in 
der Schwangerschaft angewöhnte. Und zweitens steht bei mir, nach vielen 
Beobachtungen, die Tafsache felsenfest, daß die Kinder von Müttern, die 
in der Schwangerschaft viel Alkohol tranken, um es kurz auszudrücken, 
dumm werden und dumm bleiben. Das aber ist noch der geringste 
Schaden. Aus den Akten unzähliger Verbrecher und schwachsinniger 
Menschen ergibt die Anamnese, daß die Mütter Alkoholisfinnen waren. 
Man kann nicht streng genug sein. Principiis obsla! 

Die alte Anschauung, daß große körperliche Anstrengungen die Unter- 
brechung der Schwangerschaft bewirken, bestehtzu Recht. Eine Schwangere, 
die fällt, die Rad fährt, die angestrengt auf der Nähmaschine näht, die schwer 
hebt, die tanzt, deren Bauch eine direkte Gewalt trifft, die ein Hund an- 
springt und umreißt, die auf holprigem Wege fährt, die eine lange 
Eisenbahn reise macht, abortiert leicht, namenUich wenn sie an Anstrengungen 
nicht gewöhnt war. Andererseits darf man nicht vergessen, dalS oft die 
Schwangere sich allen möglichen Schädlichkeiten aussetzt, ohne eine 
Ahnung von ihrer Schwangerschaft zu haben, und daß sie erst, wenn 
die Zeichen nach 6—8 Wochen deutlicher werden, nun plötzlich vor- 
sichtig wird. Hat man große chirurgische Operationen, Amputationen der 
Extremitäten, Laparotomien, selbst Enukleationen von Myomen aus dem 
schwangeren Uterus gemacht, ohne daß der Abort die Folge war, so 
wird auch die gewöhnte Anstrengung des alltäglichen Lebens nichts 
schaden. Ein sehr harter Stuhlgang ist ein größeres Trauma für den 
Uterus als körperliche Arbeit. 

Daß ein zu häufiger Coitus schädlich ist, lehren die häufigen Fälle 
von Blutung und Abort im Beginn der Ehe. Die Geschlechtslusl ist in 
der Schwangerschaft oft außerordentlich rege. Die Hyperämie beim ge- 
schlechtlichen Orgasmus dürfte mehr schaden als der nimius impetus 
coeundi. Jedenfalls ist Schonung in dieser Beziehung zu empfehlen. 

Eine Schwangere soll sich nicht, um die Schwangerschaft zu ver- 
heimlichen, aus Eitelkeit schnüren. Das gewöhnte Korsett soll durch ein 
loses wUmstandskorsett" ersetzt oder ganz abgelegt werden. Der Leib 
und die Brüste dürfen nicht eingeengt werden. Es ist zu empfehlen, 
von der Mitte der Schwangerschaft an eine, den Leib hochhaltende, Leib- 
binde zu tragen. Daß die Primiparen mit verschwindenden Ausnahmen 




n 



Fünftes Kapitel. 



< 



Oeradlageii haben, hat seinen Grund in der Straffheit der Bauchdecken. 
Wird durch eine ihren Zweck erfüllende Leibbinde ein Ersatz für die 
fehlende Straffheit beschafft, so wird auch bei den späteren Geburten 
das Kind so liegen wie bei der ersten. 

Bis in die letzte Zeit soll die Schwangere täglich gehen. Ohne 
direkte Veranlassung darf nicht die körperliche Bewegung unterbleiben. 
Liegt eine Hochschwangere erst einmal eine Woche still, so wird ihr die 
Bewegung später fast unmöglicli. Und es gibt kein besseres Mittel der 
Erhaltung geistiger und körperlicher Frische, als manuelle Beschäftigung 
und körperliche Bewegung. 

Die Geschlechtsteile sollen dadurch sauber erhalten werden, daß 
die Schwangere sich täglich früh und abends mit kühlem Wasser die 
Geschlechtsteile abwäscht, am besten im Bidet einfach durch Abspülen. 
Bäder sind vorteilhaft. Wenn es möglich, so soll die Schwangere 
wöchentlich einmal, und in den letzten 4 Wochen wöchentlich 2 mal 
baden. Salzzusatz zum Bad ist zu untersagen. Langdauernde, heiße 
Salzbäder wirken wie ein Abortivum. Dagegen kann dem Bade oder auch 
der Spülflüssigkeit Soda — dem Bade ein Pfund — zugesetzt werden. 
Die Temperatur sei 33 " C. Nach dem Bad, das meist ermüdend wirkt, 
soll die Schwangere ruhen. Deshalb werden die Bäder am besten 
abends vor dem Schlafengehen genommen. Partielle Bäder — Sitz- und 
Fußbäder — sind zu untersagen, Sie werden von vielen mit Recht für 
Abortiva und Emmenagoga gehalten. 

Die Medikamente, die notwendig sind, kann man ohne Besorgnis 
geben. So ist Chinin nicht ein Abortivum, wie früher angenommen 
wurde. Ebenso ist bei Kopfschmerzen und Nervenschmerzen Phenacelin, 
Pyramiden in ein viertel Dose, wie Antipyrin, Migränin, auch Morphium 
ungefährlich. Jedenfalls aber ist es besser, möglichst wenig Medikamente 
zu verabfolgen, denn alle im Wasser löslichen Mittel, namentlich Mor- 
phium und Alkohol, gehen auf das Kind über und schädigen, wenn auch 
nicht immer nachweisbar, den zarten Organismus eines Fötus. Daß 
dieser vulnerabler ist als der der Mutter, ist ja klar. Stirbt doch der 
Fötus an Lues, die die Mutter nicht tötet, und erliegt doch das Kind 
hohem Fieber, das die Mutter übersteht. Demnach soll man im all- 
gemeinen lieber diätetisch als medikamentös behandeln. 

Fast alle Schwangeren leiden an Obstruktion. Der Stuhl wird träge, 
weil wegen der allgemeinen körpertichen Schonung die Synergie des Darms 
nicht angeregt wird. Die Regelmäßigkeit der Defäkation ist aber unbe- 
dingt notwendig. Durch Honig und Butter, Mineralwassertnnken früh, 
reichliche Pflanzenkost, Obst und andere diätetische Ratschläge sucht 
man zum Ziel zu kommen. Sehr empfehlenswert ist namentlich bei 




Hygiene der Schwangerschaft. 



59 



schwächlichen magern Schwangern Milchzucker, früh und abends 30 g in 
Milch, Wasser oder dünnem Kaffee aufgelöst. Er scheint auch direkt 
gegen die Schlaflosigkeit wirksam zu sein. Salinische Abführmittel sind 
wohl von Zeit zu Zeit, aber nicht permanent zu nehmen, weil bald 
Brennen und Hitzegefühl im unteren Mastdarmabschnitt entsteht. Da- 
gegen wird die Furcht vor den Drasticis übertrieben. Erzielt eine 
Schwangere guten Stuhlgang, wenn sie wöchentlich 2—3 mal abends 
einige Pillulae aloeticae ferratae nimmt, so mag sie das wochenlang tun. 
Ich verordne dabei , daß diese sowie Kneippsche , Schweizerpillen, 
Cascaratabletien, Cascarine, Purgatin, Tamarinde sofort ausgesetzt werden 
müssen, wenn die gewöhnliche Dosis (2 Stück Pillen) nicht mehr reicht. 
Sagradawein, St Germain-, Faulbaumtee, Rheumpulver, Magnesia cum 
Rheo, Tartarus depuratus, Kureüasches Brustpulver, alle diese Mittel 
müssen in kleinen Dosen versucht werden. Dagegen ist sofort zu 
"wechseln, wenn die Dosis zu hoch genommen werden müßte. 

Die Brüste sollen u hochgebunden« werden. Die Brustwarzen sind 
mit warmem Wasser, ev. verdünntem Alkohol von dem antrocknenden 
fettigen Sekret, das während der Schwangerschaft austritt, zu reinigen. 
Unter den Borken bleibt die Haut weich und sehr vulnerabel. Nament- 
lich zerklüftete Warzen sind sorgfältig zu säubern. Sind sie auch nur 
im geringsten empfindlich, so werden sie in reine Watte gepackt und 
dadurch vor jeder Reibung, Druck und Verletzung geschützt Daß man 
tiefliegende Warzen durch Hervorziehen länger machen kann, glaube ich 
nicht. 

Die Pflege der Mundschleimhaut, resp. die Zahnpflege ist dringend 
zu empfehlen, denn bei Magensäure oder saurem Erbrechen schwillt das 
Zahnfleisch und werden die Zähne kariös. Deshalb ist namentlich nach 
jedem Obstgenuß der Mund mit alkalischem Wasser (1 Teelöffel Liquor 
Kalii carbonici oder Aqua Caicis auf 1 Glas Wasser) auszuspülen. Von 
dem Spirituosen Zusätze ist Thymolzahnwasser, Myrrhen- oder Ratanha- 
Tinktur empfehlenswert. Ist das Zahnfleisch locker, lose und leicht 
blutend, so bepinsele man es mit Tinctura Ratanhac oder in schHmmen 
Fällen mit Jodtinktur. 

Die Frage, ob Zähne in der Schwangerschaft gezogen, resp. piombiert 
■werden dürfen, ist nach der Individualität der Schwangern zu beantworten. 
Eine spezielle Gefahr bieten derartige Manipulationen bei vernünftigen 
Frauen gewiß nicht Geht aber eine Schwangere in größter Aufregung 
und Angst zum Zahnarzt, entsteht gleichsam ein Kampf zwischen dem 
Arzt, der im Munde manipuliert, und der widerstrebenden Frau, dauert 
die Behandlung lange Zeit, ist sie sehr schmerzhaft, steigert sich die 
psychische Erregung allmählich, und kommt es sogar zu gewaltsamem 




6o 



Sechstes Kapitel. 



Widerstreben durch heftige Abwehrbeu-egungcn, so kann natürlich eine 
Behandlung an den Zähnen sofort zum Abort führen. Man wird also 
die Patientin und das spezieile Zahnleiden kennen müssen und danach 
entscheiden, ob man Behandlung an den Zähnen gestatten soll. 



Sechstes Kapitel. 

Das Kind in den einzelnen Monaten 
der Schwangerschaft. 

Die FruchtJ[heißt bis ca. zur 6, Woche Embryo, von dieser Zeit 
an Fötus. 

Der Embryo hat am Ende des i. Monats eine Länge von 
1 cm. Doch kann man diesen Maßen keinen exakten Wert beimessen, 
weil der Gegenstand, der gemessen werden soll, keine sicheren Meß- 
punkle hat. 

Am Ende des 2. Monats kann man den dicken Kopf, an 
ihm die Ohren, Mund, Augen unterscheiden. An den Extremitäten sind 
die Anfänge der Zehen und Finger wahrzunehmen. Arme und Beine 
sind schon in drei Teile geteilt. Der Bauch ist geschlossen, der Nabel 
als Ring, der sich im 3, Monat schließt, zu sehen. Der Embryo 
wird ca. 3 cm lang. Die Haut ist glasig, die Blutgefäße schimmern 
durch. Fett fehlt 

Im 3. Monat bilden sich die Nägel, der Fötus ist g — 10 cm lang. 
Ich habe an einem solchen Fötus deutlich langsame Bewegungen der 
Extremitäten konstatiert. 

Die Pupillarmembran ist makrosko4]isch am Ende des 3. Monats 
als graue, dünne, die Pupille verschließende Membran zu sehen. 

Am Ende des 4. Monats ist der Fötus 15 — 17 cm lang. Eigen- 
bewegungen sind jetzt deutlich. Die Geschlechtsunterschiede sind 
äußerlich vorhanden. Das Gewicht dieses kleinen Fötus läßt sich schwer 
bestimmen. Sehr schnell wird es durch Feuchtigkeitsverdunstung ge- 
ringer. Es kann eine Gewichtsbestimmung nur Wert beanspruchen, 
wenn unmittelbar post partum gewogen wird. Und auch dann zeigten 
sich so große Differenzen, daß es kaum möglich ist, verläßliche Mittel- 
zahlen anzugeben. Die anderen Zeichen sind bei sehr frühzeitigen 
Früchten jedenfalls viel wertvoller als das Gewicht 




Das Kind in der Scli"vian gerseh aft. 



Am Ende des 5. Monats ist der Fölus ca. 24 cm lang. Am Kopfe 
sind Haare vorhanden. Bei lebender geborener Frucht sieht man den 
Herzschlag, die Haut erscheint glasig, rot, Gefäße schimmern deutlich 
durch. Der Fölus macht in Zwischenräumen ..friiströse" Atem- 
bewegungen, die keine Luft in die Lungen befördern. Die Augen- 
lider kleben fest aneinander. Die Pupillarmembran gewinnt am 
Ende des 5. Monats an Festigkeit. Man kann in ihr Gefäße mit der 
Lupe sehen. Dann beginnt die Haut zu schwinden. 

Im 6. Monat wird das Kind 33 — 35 cm lang. Auch diese Zahlen 
sind willkürlich, da man das Kind beim Strecken leicht um i — 2 cm 
länger ziehen kann. Das Kind wiegt c-a, 1000 g oder etwas mehr. Es 
bewegt sich lebhaft, stirbt aber bald. 

Am Ende des 7. Monats ist das Kind 34—39 cm lang, es erreicht 
ein Gewicht bis 1600 g. Der Fettansatz beginnt, die Haut sieht 
nicht mehr glasig und rot aus. Wollhaare sind reichlich vorhanden, 
Vernix caseosa am Rücken und an den Nacken hat sich abgelagert. 
Der Kopf erscheint auffallend groß. Die Schädelknochen sind leicht 
eindrückbar, Fontanellen sind deutlich zu fühlen. Die Kopfhaare 
sind 0,6 cm lang. Der Schädeliimfang beträgt 23—24 cm, Längs- 
durchmesser 7 — 3,5, Querdurchmesser 6—6,5. Lange der großen Fon- 
tanelle 4,5 cm. Die Lider der Augen sind verklebt, lassen sich aber 
beim Auseinanderzichen öffnen, Die Pupillarmembran ist im Anfang 
des Monats oft noch in Form kleiner dunkler Fetzen am Pupillenrande 
vorhanden, schwindet aber völlig bis zum 8. Monat. Die Nasen- und 
Ohrenknorpel sind von den Weichteilen beim Druck kaum zu unter- 
scheiden, die Ohren sind schlaff und an den Schädel angepreßt, oft mit 
Vernix caseosa angeklebt. Der Humerus mißt 4,5^4,8 cm, die Ulna 
3,9 cm, Radius 3,7 cm, Femur 4,2— 4,5 cm, Tibia und Fibula 41— 45 cm. 

Der Nabelstrang ist dick, . sulzig und inseriert sich erheblich unter- 
halb der Mitte zwischen Processus xiphoideus und Symphyse, 

Die Hoden treten in den Bauchring ein, befinden sich später auch 
in ihm oder vor ihm. Die Runzeln des Hodensackes erscheinen. Die 
großen Schamlippen sind zwar infolge der Zunahme des Fettes hervor- 
gewölbt, bedecken aber noch nicht die kleinen Schamlippen, so daß die 
Clitoris deutlich zu sehen ist. Die Nägel erreichen noch nicht die 
Fingerspitzen. Im Dickdarm befindet sich Meconium. Das Gehirn hat 
schon die Gyri. Das Gewicht der Placenta beträgt ungefähr 450 g, die 
Nabelschnur ist ca. 45 cm lang. 

Der Schulterndurchmesser beträgt 6 — 7,5 cm. Der Hüftendurchmesser 
5 — 6 cm. Leber groß, dunkelroL Im Mastdarm ist dunkelgrünes Meco- 




4 



62 



Sechsles Kapilel. 



u 



nium, das in oberen Partien des Dickdarms heitere Farbe zeigt. Kinder 
aus dem 7. Monat schreien mitunter laut und kräftig, sterben aber meist 
nach wenigen Stunden. Die Extremitäten werden bewegt, der Körper 
aber nicht völlig gestreckt. Das Kind schluckt zwar, saugt aber nicht 

Wird ihm Nahrung eingeflößt, so gelangt sie in den Magen. Die 
Muskelkraft ist nicht genügend, um die Atmung zu unterhalten. Es 
ist mir und anderen gelungen, Kinder vom Gewicht einer Frucht aus 
dem 7. Monat, also von 1300 — 1400 g, aniLeben zu erhalten. Aber 
dies sind meist außerordentlich kleine Kinder aus späterer Zeit. So kann 
z. B. eine Frau mit Herzfehler im 8. oder 9. Monat ein Kind von 
1400 g gebären, das dann am Leben zu erhalten ist. Oder Zwillinge aus 
dem g. Monat haben ein Gewicht von 1350 g. Sie sind aber älter, als 
d^ Gewicht andeutet. Sie besitzen, obwohl klein, doch die Lebenszähig- 
keit älterer Kinder. Dann gelingt es bei sehr sorgfältiger Pflege, wie sie 
nur in einer Klinik möglich ist, namentlich bei künstlicher Wärmezufuhr, 
ein Kind am Leben zu erhalten. 

Im 8. Monat, in dem die Lebensfähigkeit nach der gesetzlichen 
Annahme erreicht wird, ist das Kind 38 — 43 cm lang und wiegt 1500 bis 
2000 g, am Ende des Monats oft noch mehr. Der Fettansatz beginnt 
zwar, aber das greisenhafte Ansehen ist noch vorhanden. Die Haut ist 
noch rot, aber heller als im 7. Monat. Wollhaare sind auf Rücken 
und Nacken vorhanden. Der Kopf ist im Verhältnis groß und noch 
weich, die Knochen leicht verschieblich. Die Haare sind gefärbt, 
0,5 — 0,7 cm lang. Umfang des Kopfes 24—26, Langsdurchmesser 8-9,5, 
Querdurchmesser 6— 7,5 cm. Augenlider leicht verklebt, doch öffnet das 
Kind die Augen spontan, Pupillarmembran völlig geschwunden. Beim 
Drücken sind die Knorpel der Nase und Ohren nachzuweisen. In der 
Haut der Nase und um den Mund herum sieht man viele Comedonen 
und kleine Miliumcysten. Sie verschwinden allmählich. Der Nabel- 
strang inseriert nur ganz wenig unier der Mitte zwischen Processus 
xiphoideus und Symphyse. Die Hoden sind von außen zu fühlen, 
sie treten in das Scrotum herab. Die großen Schamlippen sind dicker, 
lassen aber noch genügend Zwischenraum, um die Clitoris zu sehen, 
Schulterndurchmesser 8— g cm, Hüften durchmesser 5,5—7,5 cm. Das 
Promontorium beginnt ein wenig hervorzutreten. Im 5. Kreuzbeinwirbet 
tritt der mittlere Verkalkungspunkt auf, in den Kiefern sieht man die 
Fächer für die Zähne. Die Nägel erreichen an den Fingern fast die 
Spitzen. Länge einzelner Knochen : Humerus 5 — 5,2, Ulna 4,5 — 5, 
Radius 4 — 4,2, Femur 5,2, Tibia und Fibula 4,8—5 cm. 

Das Kind schreit laut und kräftig und kann hei sachgemäßer Be- 
handlung am Leben bleiben. Der Kälte ausgesetzt, ja auch dann, Teno 



Das Kinti in der Schwangerschaft. 



63 



■ifen Kinde, angewendet 



nur die gewöhnliche Sorgfalt, wie heii 
wird, stirbt das Kind fast immer. 

Im g. Monat mißt das Kind 42—48 cm und wiegt 1700—2700 g, 
im A^ttel 2000 g. Die Glieder werden runder, das Gesicht nimmt 
mehr das Aussehen des Gesichtes eines reifen Kindes an, doch ist das 
Gesicht noch deutlich magerer als das des reifen Kindes. Die Haut 
ist blaß fleischfarben, die Wollhaare verlieren sich mehr und mehr. Der 
Kopf erscheint mehr propotlional, die Kopfknochen fühlen sich härter 
an. Die Haare auf dem Kopf sind reichlich vorhanden und 1 — 1,5 cm 
lang. Der Kopfumfang mißt 26—32 cm, der Längsdurchmesser mißt 
8.5 — 10 cm, der Querdurchmesser 7 — 8 cm Länge. Die Augen werden 
geöffnet. Die Knorpel der Ohren und Nase sind deutlich zu fühlen. Der 
Nabelslrang inseriert in der Mitte zwischen Processus xiphoideus und 
Symphyse, Die Hoden befinden sich in dem sich runzelnden Hodensack, 
Die großen Schamlippen rücken näher aneinander, Schullerndurchmesser 
8 — 11, Hüftendurchmesser 6,5 — 8 cm. Im 3. Kreuzbeinwirbel treten die 
seitlichen Verkalkungspunkte auf. Der untere Teil des Kreuzbeins be- 
ginnt sich etwas nach vorn zu biegen — ungefähr am 4. Kreuzbein- 
wirbel. In der zweiten Hälfte des g. Monats ist der Knochenkern in 
der unteren Epiphyse des Oberschenkels meist — wenigstens auf einer 
Seife — vorhanden und mißt 0,5 cm. Die Placenta wiegt 460 g, die 
Nabelschnur mißt 46 — 47 cm. 

Auch bei geringer Sorgfalt kann ein solches Kind am Leben bleiben, 
wenngleich es natijrlich leichter stirbt als ein ausgetragenes Kind. Bei 
kühler Temperatur im Freien liegend, erfolgt gewöhnlich bald der Tod 
wegen Wärmeverlust, 

Das reif geborene Kind ist 48 — 55 cm lang und wiegt 2800 bis 
5000 g, die Mittelzahl ist 50 cm Länge und 3250 g Gewicht Knaben 
wiegen 100 — 150 g mehr. Die ersten Kinder sind meist kleiner als die 
späteren. Totgeborene Kinder sind länger, da der Muskeltonus fehlt 

Bei Zwillingen finden sich alle Zeichen der Reife, abgesehen von 
Länge und Gewicht. Zwei Zwillinge sind kaum jemals so lang und so 
schwer, wie zwei reife einzelne Kinder. Ein Zwilling von 2700 g ist völlig 
ausgetragen. Das reife Kind hat ein gutes Fettpolster, die Gliedmaßen 
sind rundlich. Die Hautfarbe ist blasser, als bei unreifen Kindern. Die 
Wollhaare sind verschwunden, doch kommen Ausnahmen vor. Der 
Rücken und auch die Beugeseilen der Extremitäten sind mit mehr oder 
weniger Vernix caseosa, einer weißlichen Feftschmiere, bedeckt Sie 
besteht aus Sekret der Talgdrüsen, abgestoßenen Wollhaaren und Epi- 
thelien. Die Kopfhaare sind meist dunkel und 5—6 cm lang, die Haare 
der Brauen und Wimpern sind deutlich vorhanden. Die Kopfknochen 




I 

1 



l 



6^ Sechstes Kapifel. I 

sind hart und liegen in den Nähten dicht aneinander oder übereinander. 
Die Nasen- und Ohrenknorpel sind hart und verleihen diesen 
Organen Festigkeit. Die Nägel sind hart und überragen Finger- und 
Zetienspitzen. Die Brüste und Brustwarzen ragen etwas hervor und 
entleeren bei Druck wüsseriges Sekret. Die grollen Schamlippen 
berühren sich, so daß man die kleinen nur wenig sieht. Im gerunzelten 
Hodensack sind beide Hoden abzutasten. Der Darminhalt, gallig 
grünschwarz gefärbt, liegt im Dickdarm, sein äußerstes Ende ist mit 
einer weißlichen Epithelmasse bedeckt. 

Bei der Sektion sucht man vor allem den Knochenkern in der 
Epiphyse des Oberschenkels, der 0,5—1 cm Durchmesser hat. In 
der frischen Leiche hebt er sich rot vom weißen Knorpel ab, im blutig 
imbibierten Knorpel hat er eine bräunlich rote Farbe und ist beim 
Schneiden und Oberstreichen mit dem Finger als Knochenmasse festzu- 
stellen. 

Ein reifes Kind bewegt die Extremitäten langsam, aber kräftig. Es 
öffnet die Augen, schließt sie aber schnell wieder. Die Pupille reagiert 
auf Licht, schon beim allein geborenen Kopfe. Ein reifes Kind schreit laut, 
anhaltend, kräftig, weithin hörbar. Reflektorisch saugt das reife Kind 
an jedem ihm in den Mund gesteckten Gegenstand. Wird es an die 
Brust der Amme angelegt, so trinkt es sofort. Die Reflexe sind sämtlich 
vorhanden, aber nicht gut ausgebildet. Die Schmerzempfindung ist 
gering. Schon oft sind Kindern Brandwunden durch zu nahe an den 
Extremitäten Hegende heiße Wärmflaschen beigebracht worden, ohne daß 
das Kind anhaltend geschrieen hat Legt man einem neugeborenen Kinde 
einen Bleistift in die Hand, so hält es ihn eine Zeit lang reflektorisch fest 

Meconium, Kindspech, sch-warzgefärbter Kot geht während der Ge- 
burt oder bald danach ab. 

Der Schädel des Kindes ist in sich beweglich, da die einzelnen 
Knochen, die ihn zusammensetzen, durch häutige nNähtc' verbunden 
sind. Wir unterscheiden; Die 2 Stirnbeine, die in der Sutura l 
frontalis median sich berühren, und nach hinten durch die Kranz- 
nähte (Suturae coronales) mit den Seitenwandbeinen zusammen- 
hängen. 

Da wo die 4 Knoten sich treffen, befindet sich die große Fonta- 
nelle. Sie bildet ein Trapez mit einem spitzen vorderen, in die 
Stirnnaht (Sutura frontalis) übergehenden, und einen stumpfen, hinten in 
die Pfeilnaht (Sutura sagittalis) übergehenden Winkel. Hinten treffen 
die Seitenwandbeine das Hinterhauptsbein, die Hinterhauptsschuppe 
(Os occipitis). Die glatte Pfeilnaht bildet mit den gezackten Lambdanähten 
die kleine Fontanelle. Nicht so wichtig ist die vordere Seiten- 




Der kindliche Schädel. 



65 



fontanelle zwischen Schläfen-, Stirn- und Keilbein, und die hinlere 
zwischen Hinterhaupts-, Scheitel- und Schläfenbein. Zwischen beiden 
Seitenfontanelten läuft konvex nach 
oben die Schläfennaht {Sutura tem- 
poralis). Am dicksten ist der Knochen 
am Hinterhauptshöcker, am Stirn- 
und den Seiienwandbeinshöckern (Tu- 
bera parietalia). Nach den Nähten zu 
wird der Knochen dünner. Oft ist der 
Knochenrand an der Naht, nainent- 
jich an der Sagittalnaht, strahlig un- 
regelmäßig, und dann meist gleich- 
mäßig auf beiden Seiten defekt. Da- 
durch entstehen breite Stellen in 
der Naht, Löcher, falsche Fonta- 
nellen. Auch in der Hinter- 
hauptsschuppe kommen Ossifikations- 

defekte vor (Craniotabes). poraier Durchmet 

Wir unterscheiden folgende Kopfdurchniesser: 

1. Den biparietalen — großen Querdurchniesser ■ 
Tuber parietale zum andern, Fig. 18 Bp = 9^ — 10 cm. 

2. Den bitemporalen ^ kleinen Querdurchmesser von einer 
Schläfe zur andern, Fig. 18 Bt = S cm. 




Schädel decke 



emem 





Sch eroiler schräger Durch meS! 



3. Den frontooccipitalen — geraden, oder Längsdurchmesser 
von der Olabella zum Tuber occipitale, Fig. ig FO = 11 bis 
12 cm. 

4. Den Umfang des Kopfes = 33 — 35 cm. 



Siebentes Kapilet 

5, Den Höhendurchmesser, auch kleiner schräger DurchmesseC 
genannt, vom hinteren Rand der großen Fontanelle zur Mitte 
einer Linie vom Tuber occipilale zum Poramen tnagnum, 
Fig. 19 H = Q,5 cm. 

6^ Den Umfang des Schädels = 31—33 cm. 

7. Den mentO'Occipitalen Durchmesser, auch großer 
schräger Durchmesser, Fig. 19 Seh = 13 — 14 cm. 



Siebentes Kapitel. 

Die Geburt 
Der Gebnrtsbeginn. 



I 



L 



Daß die normale Gebun zu dem fast immer gleichen Termine be- 
ginnt bat die Geburtshelfer zu den verschiedensten Erklärungsversuchen 
veranlaßt Doch vird man sich damit begnügen müssen, etnfoch als 
Naturgesetz anzunehmen, daß die Geburt bei der Frau circa nach 280 
Tagen eintritt 

Die Erklärungen haben folgende Momente betont: daß der Ulenis 
durch das für seinen Rauminhalt altmählich zu große Kind zu Ent- 
leerungsbestrebungen angeregt werde; daß der Kopf auf das untere 
üterinsegment drückend die hier zahlreichen, in der Schwangerschaft noch 
besondere entwickelten Ner\en reize, daß der Sauerstoff der Mutter nicht 
mehr genüge, und deshalb der Kohlensäureüberschuß des Kindes den 
L'terus zu Kontraktionen reize, daß die verfettende Decidua, gleichsam 
als ein Fremdkörper wirkend, die >X'ehen hervorrufe, daß die schon in 
der letzten Zeit der Schwangerschaft vorhandenen sogenannten Schwanger- 
schaftswehen sich allmählich zu Geburtswehen verstärken — alles das 
klingt ganz plausibel. Es genügt aber nicht, den regelmäßigen Eintritt 
zu bestimmtem Termin mechanisch zu erklären. Auch bei extraulerin- 
liegender, lebender Frucht treten zum Terminus panus regelmäßige Wehen 
ein. die dann die Schleimhaut ablösen und als Pseudodecidua ausstoßen 

Meist geht bei der Mutter dem Beginn der Geburt eine Aufregung 
im Gefißsj-stem zuvor. Klagt eine Schwangere am Ende des 10. Monats 
über plötzlich eintretendes Hitzegefühl, über Blutzudrang zum Kopf, über 
Lufibunger und eine gewisse Präkordialangst, so ist dies meist ein dem 
Geburtsbeginn unmittelbar vorhergehendes unbehagliches Gefühl, das sich 




Der Qeburlsbeginn. 



67 



auch in der weichen oder »eineriicheu Stimmung ausspricht Aus dieser 
»beängstigenden, aufsteigenden Hitze" kann man oft mit Sicherheit 
diagnostizieren, daß die Geburt beginnt, nocli ehe sich irgend etwas 
Objektives nachweisen läßt. 

Daß der Uterus in der letzten Zeit reizbarer ist als vorher, sieht 
man oft in der Touchiersiunde, Schon die Vorstellung, daß untersucht 
werden soll, läßt den Uterus hart werden. Die Untersuchung selbst ruft 
ja schon in der Mitte der Schwangerschaft Wehen hervor, noch mehr 
am Ende. Diese sog. Schwangerschaftswehen werden nicht als Schmerzen, 
sondern nur als Hartwerden des Leibes, höchstens als Ziehen empfunden. 
Beim wirklichen Beginn der Geburt werden die Kontraktionen ener- 
gischer, sie dauern länger und kehren in bestimmten Pausen wieder. 
Die Frau empfindet sie selbst, weiß sie aber oft als Erstgebärende noch 
nicht zu deuten, bis bald der größere Schmerz jeden Zweifel verbannt 
Die Geburt beginnt! Bei körperlicher Ruhe lassen zwar die Wehen 
oft wieder nach, um beim Umhergehen sofort mit größerer Heftigkeit von 
neuem einzusetzen. 

Es besteht ein großer Unterschied zwischen Primiparen und Muhi- 
paren und bei letzteren wieder zwischen solchen, bei denen lange Zeit 
keine Geburt stattfand, und solchen, die vor kurzer Zeit, z. B. einem Jahr, 
geboren haben. 

Bei den Primiparen verstärken sich die Schmerzen, die Eröffnung 
des Muttermundes kann schon so schmerzhaft sein, daß die Gebärende 
laut schreit und klagt. Aber auf den ersten Bück wird trotz lauter 
Schmerzensäußerungen der erfahrene Geburtshelfer wissen, daß Preßwehen 
noch nicht vorhanden sind. Die Schwangere schreit auch während der 
Wehen, was nicht mehr möglich ist, wenn sie, den Atem anhaltend, das 
Zwerchfell tiefstellend, mitzupressen gezwungen ist. 

Bei Multiparen, die lange Zeit, z. B, 3—4 Jahre, nicht geboren 
haben, hat der Muttermund wieder die Härte erlangt, wie bei den Primi- 
paren, so daß der Vertauf der Geburt anfangs dem bei den Primiparen 
ähnelt oder gleich ist. Hat dagegen vor kurzer Zeit eine Geburt statt- 
gefunden, so geht die Eröffnung des unter diesen Umständen weich 
gebliebenen Muttermundes, wenn auch nicht unmerklich, so doch unler 
weit geringeren Schmerzeh vor sich. 

Oft weiß eine Mehrgebärendc kaum, daß die Wehen schon gewirkt 
haben, sie ist seihst darüber im unklaren, ob die Geburt vor sich geht. 
Und dabei fühlt man den Muttermund völlig eröffnet! In solchen Fällen 
gunstiger unmerklicher Vorbereitung veriäuft die Geburt auffallend schnell 
und günstig. 

Der Schleimpropf in der Cervix wird mobil, off bleibt er ganz 

5' 



1 



68 



Siebentes Kapitel. 



oder teilweise an dem untersuchenden Finger als etwas bitmg titjj 
glasige, zähe Schleimmasse hängen. 

Es hat praktische Bedeutung, den Geburtsbeginn sicher diagnosti- I 
zieren zu können. Drei Erscheinungen sind es, die, abgesehen von der | 
Wehentätigkeil, die Diagnose mit Sicherheit stellen lassen; Das Ver- J 




schwinden der Portio, die Erweiterung des Muttermundes und 
die Bildung der Fruchtblase, resp. von „Vorwasser" vor dem 
Kopfe. 

Bei der Primipara ist der größere Wert auf die Erweiterung 
des Mutlermundes, bei der Multipara auf das Verstreichen der 
Portio zu legen. Entscheidend ist bei beiden die Bildung einer »Fnidit- 
blase." 

Zieht die Muskulatur des Uterus bei den Wehen sich nach oben hin 
zusammen, wird dadurch das Loch im Uterus, der Muttermund; weiter, 
drängt sich das am meisten Bewegliche des Uterusinhaltes, das Frucht- 
wasser, bei der Uterusverkleinerung dem Drucke nachgebend, in den 



Muttermund hinein, so wird er auseinander gedrängt und er muß all- 
mählich größer werden: sich erweitern. Wie in der Figur 21 zusehen ist, 
drängt sich die Blase, den Muttermund auseinander pressend, nach unten 
in die Scheide herab. In der Wehenpause ist das Wasser nach ober in 
den Uterus zurück zu drücken, so daß man mit dem Finger durch die 
Blase den Kopf, resp. seine Nähte und Fontanellen abtasten kann. In der 
Wehe ist die Blase prall gespannt, «'eil der Uterusraum kleiner wird und 
das bewegliche Fruchtwasser dahin ausweicht, wo der Gegendruck fehlt 

Der Blasensprung. 

Der obere Teil der Eihäute, der der Innenfläche des Uterus fest auf- 
und anliegt, verschiebt sich nicht. Je mehr also Fruchtwasser bei der 
Uterusverkleinerung durch die Wehen am Kopf vorbei in die Fruchtblase 
eingepreßt wird, je mehr das „Vorwasser" zunimmt, um so mehr wird 
der freie, einer Stütze entbehrende Teil der Fruchtblase gedehnt Dieser 
Dehnung geben die Eihäute bis zu einem gewissen Grade nach. 
Wird aber der Druck zu groß, so platzt die Blase und das Fruchtwasser 
schießt hervor. Ob sofort viel oder wenig Wasser abgeht, d. h, ob das 
Fruchtwasser vollständig abfließt, oder ob nur das Vorwasser abgeht, 
hängt von Nebenumständen ab. Bei einer Querlage oder Schräglage z.B., 
wo das Vorwasser nicht vom Nachwasser durch den wie ein Ventil wir- 
kenden Kopf getrennt ist, fließt bei einer starken Wehe fast das ganze 
Wasser auf einmal ab, und schwemmt sogar einen lose über dem Mutter-' 
mund liegenden Arm, oder die nicht umschlungene lange Nabelschnur 
mit heraus. Liegt aber der Kopf vor, so liegt er ringsherum der Uterus- 
innenfläche an. Bei der Wehe wird zwar dieses Anliegen noch inniger, 
aber etwas Wasser wird doch bei starltem Drucke hei jeder Wehe 
neben dem Kopfe durch die Berührungszone zwischen Kopf und Uterus 
vorbei in die Blase gepreßt Nach und nach wird die Quantität so groß, 
daß die überdehnte Blase platzt Dann aber rückt sofort der Kopf von 
dem Gegendruck des in der Blase unter starkem Druck befindlichen 
Vorwassers befreit, etwas tiefer und verschließt dadurch ventilartig dem 
Nachwasser den Weg. Es fließt also nicht das ganze Wasser ab. Treten 
nun von neuem Wehen ein, so fließt bei jeder Wehe, je nach ihrer 
Stärke und Kraft, wie vorher, weiteres Wasser am Kopfe vorbei. Lüftet 
der untersuchende Finger durch Druck den Kopf, namentlich bei einer 
Wehe, so stürzt eine größere Menge Wasser heraus. Ebenso wenn z. B, 
der Zangenlöttel neben dem Kopfe nach oben geschoben, die Berührungs- 
zone zwischen Kopf und Uterus aufhebt. 

Etwas Fruchtwasser bleibt bei normalem Verlaufe der Geburt stets 




70 



Sietenles Kapitel, 



k 



zurück, nur wenn der vorliegende Teil nicht tiefer treten kann, wird das 
ganze Fruchtwasser ausgepreBt, so daß der Uterus dem Kinde eng an- 
liegt Bei der normalen Geburt übernimmt der Kopf des Kindes die 
Aufgabe der Blase: die Eröffnung des Muttermundes. 

Die Wehen hören nach dem Blasensprunge oft eine Zeit lang auf 
und werden schwächer, weil der Uterus sich erst an die neuen Verhält- 
nisse anpassen muss. Ist das aber geschehen, so wird er durch die Be- 
rührung mit den unregehuäßigen Hervorragungen des Kindes noch mehr 
gereizt als vorher. Die Wehen setzen um so kräftiger ein. Dies ist so 
regelmäßig der Verlauf, daß man das künsUiche Sprengen der Blase als 
\Fichtigstes wehen befördern des, wehenerzeugendes oder wehenverstärken- 
des Hilfsmittel kennt 

Der Muttermund setzt seiner Eröffnung sehr verschiedenen Wider- 
stand entgegen, wie wir schon S. 67 erwähnten. Ein weicher Mutter- 
mund gleitet nach oben, so daß man ihn nach völliger Eröffnung nicht 
mehr erreicht, er ist hinter den größten Umfang des Kopfes nach oben 
geglitten. Ist der Muttermund hart und fest, so nimmt ihn der tiefer 
tretende Kopf mit nach unten. Der Kopf schiebt den Muttermund so 
tief, daß man ihn heim Auseinanderklappen der Vulva als blauroten Wulst 
sichtbar machen kann. Der verdünnte Muttermund reißt bei einer kräf- 
tigen Wehe ein. Der Einriß liegt stets auf der Seite, wo das dicke Hinter- 
haupt den meisten Raum beansprucht Doch findet sich oft auf der Stirn- 
seite ein kleinerer Einriß. Ob Einrisse entstehen, hängt mehr von der 
individuellen Zerreißüchkeit der Portio als von der Wehenkraft ab. Bei 
schnellem künstlichem Entwickeln des Kopfes und noch zu engem Mutter- 
munde entsteht fast stets ein Riß, der mitunter stark blutet. 

Die Wehen. 

Man hat seit alters her die Wehen eingeteilt in Vorwehen, Stell- 
wehen und Preßwehcn. 

Vorwehen nannte man die kurzdauernden, schwachen Wehen, die 
schon in der Schwangerschaft objektiv nachgewiesen, aber nicht subjektiv 
empfunden werden. Stellwehen oder eröffnende Wehen sind die Wehen, 
welche den Muttermund eröffnen und den vorliegenden Teil des Kindes 
ircinsteilen". Presswehen sind die Wehen, die eintreten, wenn der Kopf 
auf den Beckenboden drückt, die Plexus haemorrhoidales der Nerven reizt, 
so daß die Frau unwillkürlich umitpreßt", d. h, mit der Bauchpresse nachhilft 

Die Stärke der Wehen wächst mit dem Widerstände. Ist er schon 
am Beckeneingange, z. B. beim engen Becken oder bei rigider Portio er- 
heblich, dann nehmen schon zu dieser Zeit die Wehen an Kraft so zu, 




Die Wehen. 



71 



daß die Schwangere unwillkürlich mitpreßt. Bei normalen Verhältnissen 
tritt aber das Mitpressen erst ein, wenn der Kopf, auf dem Beckenboden 
stehend, den Mastdarm und seine Umgebung direkt drückt Dabei 
empfindet die unerfahrene Primipara diesen Druck ais Stuhldrang und 
meint, sie müsse zu Stuhl gehen. Unwillkürlich drückt sie stark mit, die 
Bauchpresse anstrengend, den Atem anhaltend, das Diaphragma tief 
stellend. Dabei kann sie natürlich nicht exspirieren und nicht schreien. 
Der Geburtshelfer nimmt also sofort aus dem Charakter der Wehen 
wahr, ob Stellwehen oder ob schon Preßwehen vorhanden sind. Hinten 
in der Beckenhöhle liegt ungeschützt durch Knochenvorsprünge der Plexus 
ischiadicus. Er wird direkt vom Kopf gedrückt. Es entstehen dadurch 
Schmerzen in den Waden: Wadenkrämpfe. Auch die Klage über diese 
„Wadenkrämpfe" beweisen, daß der Kopf im Becken steht, resp. auf den 
Beckenboden drückt. 

Teils die subjektive Oberzeugung, daß der schmerzhafte Vorgang 
bald zu Ende ist, teils die Aufforderung der Hebamme mitzuhelfen, 
veranlaßt die Schwangere zu dieser Zeit die Bauchpresse gehörig wirken 
zu lassen: „mitzuhelfen", „die Wehen zu verarbeiten". 

Beim Touchieren fühlt man zu dieser Zeit meist eine Faltung der 
Kopfschwarte. Die Knochen des Schädels schieben sich übereinander, da- 
durch wird die Kopfschwarte für den auf kleinen Raum zusammenge- 
preßten knöchernen Schädel gleichsam zu groß. 

Klappt man die Vulva auseinander, so sieht man während der Wehe 
den schwarzbehaarten Kopf. In der Wehenpause weicht er wieder zu- 
rück. Bei neuen Wehen bohrt er sich immer weiter in die Öffnung 
der Vulva hinein. Und nach einer Summe von Einzelanstrengungen, 
die allmählich die Öffnung mehr und mehr erweitern, bleibt der Kopf 
»in der Krönung" stehen. Er weicht nicht wieder zurück. Darauf 
passiert er bei neuen Wehen die Vulva, die entweder nachgibt und den 
Kopf herausläßt, oder einreißt, so daß der Kopf schnell hervorschießt. 

Natürlich geht dieser Vorgang bei der Multipara schneller vor sich 
als bei der Primipara. Hatte lange keine Geburt stattgefunden, war der 
Damm bei der ersten Geburt nicht zerrissen, oder war er wieder gut 
zusammengenäht und geheilt, so ähnelt der Vorgang bei der Multipara 
der Geburt bei der Primipara, Umgekehrt gibt es Fälle, bei denen indi- 
viduell die Vulva einer Primipara'sehr nachgiebig ist, so daß der Damm 
ohne Zerreißen den Kopf auch bei der Primipara leicht passieren läßt 

Es liegt dies oft am häufigen Coitus, Wird eine Frau vielleicht bei 
der Defloration schwanger und gestattet sie dann aus Angst vor den 
Schmerzen der Defloration oder aus Furcht vor dem Abort den Coitus 
überhaupt nicht wieder, dann findet man so enge Genitalien, daß man 





72 Siebentes Kapitel. 

kaum den Finger einführen kann. Solche Frauen erleiden dann meist 
einen großen Dammriß. 

Wurde aber durch häufigen Coitus die Scheide von unten nach 
oben gedehnt, so ist diese Längsdehnung auch bei der Querdehnung 
in der Geburt von Vorteil. 

Ist der Kopf geboren, so preßt die Gebärende, falls nicht der Ge- 
burtshelfer oder die Hebamme nachhilft, den Rumpf des Kindes selbst 
heraus, namentlich, wenn sie dazu energisch aufgefordert wird. Schwierig- 
keit existiert nicht mehr, da der Kopf die Weichteile so erweitert hat, 
daß z. B., wenn die Kreißende zufällig steht, das Kind einfach herausfällt 
Da aber die Kreißende in der Regel liegt, so kann das Kind, falls die 
Wehen fehlen, und auch die Kreißende nicht zum Pressen veranlaßt 
wird, nicht herausgleiten. Die Hebamme muß das Kind »herausheben«. 
Geschähe dies nicht, so würde das Kind ersticken, denn es kann nicht 
atmen, wenn der Thorax im Becken liegt. Befindet sich, wie meist das 
Gesicht unten, so würde das Kind auch ersticken, wenn es mit dem Ge- 
sicht an das Bett angepreßt, oder mit Mund und Nase im Blut oder 
Fruchtwasser eingetaucht, liegen bliebe. 

Die Kopfgeschwulst. 

Das Kind befindet sich im Uterus stets und namentlich während 
der Wehen unter einem allgemeinen Drucke. Wäre dieser Druck überall 
im Uterus gleich, wie in der Schwangerschaft, so würde nicht ein be- 
sonderer Teil des Kindes Spuren verschiedenen Druckes zeigen können. 
Da aber auf den im Muttermunde liegenden — den vorliegenden Teil — 
der Innendruck nicht einwirkt, so müssen nach der vom Drucke be- 
freiten Stelle die Gewebsflüssigkeiten hinströmen: nach demselben Gesetz, 
wie in der vom atmosphärischen Druck befreiten Hautstelle unter dem 
Schröpfkopfe sich eine Hervorwölbung der Haut bildet. Der Teil des 
Kindes, der im Muttermunde liegt, schwillt also an, zeigt eine »Geburts- 
geschwulst«. 

Liegt der Kopf vor, so wird der Teil des Kopfes, der im Mutter- 
munde liegt, anschwellen, eine Geschwulst zeigen: die Kopfgeschwulst 
Ihre Größe steht in geradem Verhältnis zur Wehenkraft und Wehendauer. 
Erfolgt die Geburt bei einer Multipara schnell durch wenige Wehen, so 
fehlt die Geschwulst Gebraucht aber eine Primipara oder eine Frau 
mit engem Becken eine sehr große Wehenkraft und -dauer, so muß 
auch die Kopfgeschwulst sehr groß sein. 

Man kann also aus dem Fehlen oder dem Vorhandensein, resp. der 
Größe der Kopfgeschwulst untrüglich auf die angewendete Wehenkraft 



Die Kopfgeschwulst. 

schließen. Sagt z. B. die Hebamme dem gerufenen Arzte: die Wehen 
seien enorm kräftig, aber resultatlos, der Arzt möge deshalb sofort die 
Zange anlegen, und findet der Arzt keine oder nur eine höchst unbe- 
deutende Kopfgeschwulst, so kann er annehmen, daß ihn die Hebamme, 
vielleicht, um bald frei zu werden, belogen hat. Und umgekehrt: ruft die 
Hebamme den Arzt zu spät, behauptet sie, die Wehen seien so schwach 
gewesen, und die Geburt habe so kurze Zeit gedauert, daß keine Ver- 
anlassung gewesen sei, den Arzt zu rufen, findet aber der Arzt eine sehr 
bedeutende Kopfgeschwulst, die die Nähte und Fontanellen völlig ver- 
deckt, und die spezielle Diagnose der Einstellung unmöglich macht, so 
kann er ebenfalls die Hebamme Lügen strafen, denn ohne kräftige lang- 
dauernde Wehen ist eine große Kopfgeschwulst undenkbar. 

Wechselt der Kopf seine Stellung, so daß erst eine Gegend des 
Schädels vorlag, dann eine andere, so findet man, den verschiedenen 
Lagen des Schädels entsprechend, verschiedene Kopfgesch Wülste. 

Doppelte Kopfgeschwülsle entstehen auch in folgender Art. Es bildet 
sich zwar zu Beginn der Geburt etwas Vorwasser. Dann aber liegt der 
Kopf in der Berührungszone zwischen Kopf und Uterus der Innen- 
fläche des Uterus so innig und fest an, daß das Fruchtwasser diese Be- 
rührungszone auch in der Wehe nicht mehr passiert Da der Druck oben 
allmählich größer wird als im Vorwasser, so entsteht schon jetzt eine kleine 
Kopfgeschwulst. Schließlich platzt die Blase oder wird gesprengt. Dabei 
ändert der Kopf seine Stellung zum Muttermunde und es entsteht nun- 
mehr, der neuen Stellung entsprechend, eine zweite neue Kopfgesch wulsf. 

Sobald das lebende Kind geboren ist, und der Einfluß verschie- 
denen Druckes auf die Körperoherfläche aufhört, wird das die Kopf- 
geschwulst bildende Ödem schnell resorbiert. 

Die Kopfgeschwulst ändert sogar ihre Lage. Liegt z. B. das Kind 
im Bette auf der linken Seite, während die Kopfgeschwulst rechts sich 
befand, so senkt sich die Flüssigkeit nach unten von rechts nach links. 

Nach 48 Stunden schon ist jede Spur verschwunden, bei größeren 
Anschwellungen etwas später. 

Bei einer bedeutenden Kopfgeschwulst erscheint der kindliche Kopf 
sehr mißgestaltet. Stand z. B, der Kopf unter dem Einfluß mächtiger 
Wehen lange Zeit mit dem Hinterhaupte tief, so erscheint der Kopf auf- 
fallend lang. Erhielt der Kopf, sich an die Geburtswege adaptierend, 
sich konfigurierend, eine schiefe Form, und kam eine bedeutende Ge- 
burtsgeschwulst dazu, so sieht der Kopf ganz unförmig und schief aus. 
Betrifft die Geburtsgeschwulst das Gesicht, schwellen Lippen, Nase und 
Augenlider stark an, wird noch dazu die Haut beim häufigen Touchieren 




74 



Siebenies Kapitel. 



l 



abgeschilfert, so wird das Gesicht sehr verunstaltet, so häßlich, daß die 
Mutter sich beim Anblick entsetzen würde und man ihr deshalb lieber 
zuerst das Kind nicht zeigt 

Am vorliegenden Steiße bewirkt die Oeburtsgeschwulst starke ödema- 
töse Schwellung des Hodensackes oder der Schamlippen. Die der An- 
schwellung ausgesetzten Extremitäten schwellen unförmig an und be- 
kommen eine blaurote dunkle Färbung. Bei starker Anschwellung werden 
die Muskeln gelähmt, so daß vorübergehend die reflektorischen Be- 
wegungen aufhören. 

Durchschneidet man die Kopfgeschwulst eines in der Qeburt abge- 
storbenen Kindes, so findet man eine ödematöse Durchtränkung der 
ganzen Kopfhaut, und fast immer kleinere Blutpunkte im Periost, die 
Spuren geplatzter kleiner Gefäße, 

Die Geburt der Placenta. 

Ist das Kmd geboren so tritt eme Ruhepause ein Die '^ehen 
hören eine Zeit lang auf Dann zieht sich der Uterus wiedei zusammen. 
Er gewinnt neue \ngriffspunkte in der PKcenta 




Bluterguß Umslulpung; 



Sitzt die Placenta teilweise im Fundus, resp größtenteils in der oberen 
Hälfte der Uterushohle, so wird sich bei der zunehmenden Inkongruenz 



der Placenta und des Uterus, die Placenta lösen. D. h. nicht die Placenta 
löst sich vom Uterus, sie hat keine l<onlraktilert Elemente und verhält 
sich durchaus passiv, ihre Formveränderung ist nur ein Kollaps. Der 
harte sich verkleinernde Uterus löst sich vielmehr von der zu großen 
Placenta. Sie wird in das Lumen der Uterushöhle hineingepreßt und 
krempelt sich dabei um. Da ein leerer Raum nicht existieren kann, so 
füllt sich der Raum zwischen der nach unten konkaven uterinen Seite 
der Placenta und der nach oben konkaven Uteruswand mit Blut an, es 
entsteht der retroplacentare Bluterguß. Dieses Blut koaguliert schnell. 

Die neuerdings eintretenden Wehen drängen die Placenta in den 
inneren Muttermund. Der Reiz, den sie, den Cervikalkanal, resp. den 
inneren Muttermund erweiternd ausübt, erregt von neuem Wehen. Der 
Uterus verkleinert sich immer mehr. Unter dem Wehendrucke passiert 
die Placenta den inneren Muttermund, sie gelangt in die Cervix und 
in die Vagina, resp. in den oberen dehnbaren Teil der Vagina. Dabei 
wird oft ein Teil des retroplacenlaren Blutergusses an der Placenta vor- 
bei herausgedrückt 

Die Eihäute werden dlirch die tiefertretende Placenta von der Uterus- 
innenfläche abgezogen, gleichsam abgewickelt oder abgezerrt. Sie folgen 
also der Placenta und liegen auf ihrer uterinen Seite. Auch zum Lösen 
der Eihäute sind Wehen nötig. Schneidet man einen beim Porroschen 
Kaiserschnitt entfernten Uterus schnei! auf, so sieht man, daß zunächst 
die Eihäute glatt anliegen, daß sie aber, da auch der heraus- und auf- 
geschnittene Uterus sich kontrahiert, bald eine Unzahl kleiner Falten 
bilden, sich also lockern. Diese allmähliche Lockerung ist zur guten 
und völligen Lösung der Eihäute notwendig. Geht also die Lösung 
langsam vor sich, so lösen sich die Eihäute leicht und werden von der 
sinkenden oder herausgezogenen Placenta leicht völlig nachgezogen. 
Wird aber die Placenta zu schnell entfernt, so sitzen die Eihäute noch 
fest und reißen von der Placenta ab. Sie können so völlig abreißen, daß 
die Placenta ringsherum keine Spur von Eihäuten an sich hängen hat. 
Auch pathologisch zu feste Anheftung der Eihäute an der Uterusinnen- 
fläche kommt, wenn auch seifen vor. 

Ebenso kann man beim konservativen Kaiserschnitt, bei dem der 
Uterus schnell entleert werden muß, beobachten, daß die noch nicht von 
Wehen gelösten Eihäute auffallend fest haften, so fest, daß sie zerreißen 
und nur schwer von der Unterlage abzuziehen sind. 

Die Placenta kann schon völlig in die Scheide geboren sein. Es 
gelingt auch sie herauszuziehen. [Dennoch können die Eihäute, die noch 
festsitzen leicht zerreißen und teilweise oder ganz, von dem Placentar- 
rand sich tosend, im Uterus haften bleiben. In diesem Falle wäre 




H 



70 Siebentes Kapitel. 

es nur mit großer Gewalt möglich, die Eihäute sofort zu entfernen, 
während sie nach 1-2 Tagen, bei der zunehiTienden Verkleinerung des 
Uterus gelockert, verschoben und abgehoben, vielleicht nur noch in der 
Cervix liegend, leicht herausgezogen werden können oder spontan her- 
ausfallen, resp. abgehen. 

Will man die Entbundenen vor Eihautrctention und ihren mannig- 
faltigen schädlichen Folgen schützen, so muß man die Natur walten 
lassen und nicht die Ausstoßung der Placenta überstürzen. 

Gelangt die Placenta bis in die Vulva, so entsteht reflektorisch ein 
Drang, zwar in geringerem Maße, aber nach demselben Gesetze, wie bei 
dem auf den Beckenboden drückenden Kopfe. Die Frau upreßt mit" 
und die Placenta passiert bei intaktem Damme nach demselben Mechanis- 
mus wie der Kopf von hinten nach vorn oben steigend die Vulva. 
Hinter der Placenta folgt der ganze oder der Rest des meist schon ge- 
ronnenen retroplacentaren Blutergusses. Er kann sehr gering sem, wenn 
der Uterus in gutem Kontraklionszustande andauernd verharrte. Etwas 
geronnenes Blut fehlt niemals hinter oder an der Placenta. Auf der 
uterinen Fläche der Placenta haften stets einige Coagula. 

Der Arzt soll also niemals den natürlichen Vorgang der Placentar- 
und Eihauflösung stören. Überstürzt er die Piacentaren tfernung, so wird 
er Nachblutungen und Eihautrctention erleben! 

Anders ist der Mechanismus der Ausstoßung der Placenta aus dem 
Uterus, wenn sie tiefer, größtenteils an der Seitenfläche im Uterus sitzt 
Dann löst sich zunächst der untere Teil der Placenta, weil unten der enl- 
leerte Uterus seine Form am schnellsten verändert. Der retroplacentare 
Bluterguß bleibt nicht hinter der Placenta, sondern ergießt sich durch die 
Ablösungsstelle nach außen. Die Placenta tritt zunächst mit dem Rande 
in den Muttermund. Sie wird durch die Wehen weiter nach unten ge- 
schob.en. Der Lösung der Eihäute ist dieser Mechanismus der Aus- 
stoßung ungünstiger, denn der Zug auf die Eihäute erfolgt nicht rings- 
herum und ist nicht rechtwinkelig gegen die Uterusfläche gerichtet. Viel- 
mehr ist der Zug an verschiedenen Stellen des Placentarrandes ein un- 
gleichmäßiger. Die Eihäute müssen sich mehr flächenartig auf der Unter- 
lage verschieben. Es kommt trotz langsamer Lösung vor, daß die Eihäute 
von der Placenta teilweise abreißen, so daß sie nur an einem Teil der 
Placenta haften. 

Je häufiger und je stärker sich der Uterus kontrahiert, um so besser 
lösen sich die Eihäute. 

Die nach Geburt des Kindes eintretenden Wehen heißen Nach- 
wehen, sie lockern die Placenta und die Eihäute. Und es sei nochmals 
gesagt: die gut durch Wehen gelockerten Eihäute befördert leicht der Zug 




Lösung der Eihäufe. 



77 



Placenta oder der Zug mittelst der Placenta nach außen. Ohne Nach- 
wehen sitzen aber die Eihäute fest und bleiben ganz oder teilweise zurück. 

Je natürlicher und langsamer, je weniger durch Druck von außen 
gestört, um so besser verläuft die Nachgeburtsperiode. 

Ist der Uterus völlig endeert, so liegen seine Wände nicht direkt 
auf einander, sondern ein Blutcoagulum erfüllt den leeren Raum, die Höhle, 
das Cavum des Uterus. Ist der Uterus schlaff, folgen die Nachwehen 
nicht Schlag auf Schlag, so ist die Höhle größer und mehr vom Blute 
erfüllt. Tritt dann durch den Reiz des einströmenden Blutes eine neue 
Nachwehe ein, so stößt der Uterus einen großen Blutklumpen aus und be- 




hält schließlich definitiv die geringere Große In anderen F'allen fehlen 
die Nachwehen Dann fallt ersf nach zwei (.der drei Tagen nachiem 
sich die Gefaßlumma im Uterus hngst geschlossen haben der aseptische 
Blutklumpen beim Stuhlgang oder aufrichten im Bette aus der Vulva 
heraus. 

Nachdem mit Abgang der Pia enta die Geburt zu Ende ist dauern 
die Nachwehen doch noch Stunden und Tage lang an 6ie sind iiich 
sehr nol\( endig um die Verklemerung des Uterus zu errreichen 

Der entleerte Uterus hegt stets anteflektiert, nur auflerordenUich 
selten wird er in Retroflexion getroffen. Dagegen kann eine vorher be- 
standene Retroflexion sehr bald im Wochenbette wiederkehren. 




\ 



L 



Achtes Kapitel. 

Das reife Kind im Uterus bei der Geburt 

Seit alters her wendet man die Ausdrücke an: Haltung, Lage, 
Stellung und Einstellung. Unter Haltung (Habitus) versteht man 
das Verhältnis der einzelnen Kindsteile zu einander. Bei der normalen 
Haltung ist der Kopf und Steiß bauchwärts flektiert Die Wirbelsäule ist 
also nach vorn konkav gebogen und in dieser vorderen Konkavität liegen, 
wie in Fig. 29 Seite 85 zu sehen ist, die Extremitäten und die Nabelschnur. 
Bei dieser gekrümmten Haltung beansprucht der Fötus möglichst wenig 
Raum, ungefähr die Hälfte der Länge von Fuß bis Scheitel = 25 cm. 

Mit Lage (Situs) bezeichnet man das Verhältnis des Kindes zum 
Uterus. Es gibt also Längs-, Quer- und Schräglagen, Kopf- und Becken- 
endlagen. 

Der Ausdruck Stellung (Positio) wird oder wurde gebraucht, um 
das Verhältnis des Rückens, resp. Hinterhauptes zu den Seilen der Gebär- 
mutter zu bezeichnen. Man spricht also von dorsoanteriorer und dorso- 
posteriorer Stellung. Heutzutage ist vielfach der Ausdruck Stellung in 
den Ausdruck Lage aufgegangen, so daß man nur von Kindslagen spricht 
und damit eine genügend deutliche Bezeichnung der Lageverhältnisse 
des Kindes besitzt. 

Unter Einstellung versteht man das Verhalten des vorliegenden, 
am tiefsten befindlichen, vom untersuchenden Finger zuerst erreichten 
Teil des Kindes. Es befindet sich also z. B. ein Kind in normaler 
Haltung, d. h. nach vorn gekrümmt, in Schädellage, in erster 
Stellung (Rücken links) und vorderer Scheitelbein-Einstellung, 
d. h. mit gesenktem vorderem, am tiefsten liegendem Scheitelbein, Da die 
Haltung stets dieselbe ist und die Stellung aus der Lage ersichtlich, so 
spricht man kurz nur von Kindeslage, hier also la., und fügt höchstens 
noch zum genauen Verständnis die Art der Einstellung hinzu. 



Die Lagen des Kindes. 

Wir unterscheiden Kopflagen, Beckenendlagen und Schulter- 
lagen (Querlagen). 

Die Kindeslage wird nach dem Kindesteil benannt, der vorliegt, 
d. h. der sich in den Beckeneingang einstellt, der am tiefsten liegt, der 
zuerst im Muttermund von dem untersuchenden Finger gefühlt wird. 




Die Lage des Kindes. 



79 



Die verschiedenen Kindeslagen bezeichnet man der Kürze wegen 
mit Zahlen und Buchstaben. Jeder, der den Anspruch darauf macht, für 
einen wissenschaftlich gebildeten Arzt gehalten zu werden, muß sich vom 
Beginn seiner Tätigkeit an ein „Geburtsjournai" anlegen. Durch den Ver- 
gleich der Notizen wird er im Laufe der Jahre außerordentlich viel lernen. 
Die Notizen müssen kurz und übersichtlich sein. Zu diesem Zwecke 
ist es sehr vorteilhaft, sich von Anfang an daran zu gewöhnen, alle 
Lagen mit Buchstaben kurz zu bezeichnen. 

Liegt der Rücken links, so sprechen wir von erster Lage, rechts 
zweiter Lage, Rücken vorn A-Lage, Rücken hinten B-Lage, 




^Danach entsteht das Schema der Fig. 24 für die Qeradlagen: 
Kopflagen und Beckenendlagen. Bei den Querlagen richtet man sich 
mit der Bezeichnung nach Rücken und Kopf: Kopf links: Erste Lage, 
Kopf rechts: Zweite Lage, Rücken hinten b-L.age, Rücken vorn 
a-Lage. Auch ist die Bezeichnung dorsoanteriore und dorsoposte- 
riore Lage gebräuchlich. 

Statistisch ist zu bemerken, daß von 1000 Geburten ungefähr 
Q70— 980 Kopflagen sind, 15 Beckenend lagen und 7—8 Querlagen. 

Die Kopflagen teilt man ein in Schädellagen, bei denen das 
Schädeldach vorliegt, auch Hinterhauptslagen oder Scheitelbeinlagen ge- 
nannt, in Vorderhauptslagen, nach dem alten Schema Vorderscheitel- 
lagen, in Gesichts- und Stirnlagen. 







Die Schadellagen 

Liegt das ^Lhadeldath \or d h ist e dem untersuchenden Finger 
mächst erreichbar so steht meist das \ ordere seltener das hintere 




Scheitelbein tiefer. Das Hinterhaupt liegt tiefer als das Vorderhaupt, resp. 

die Stirn. Es besteht z. B. eine erste Schädellage mit vorderer Scheitel- 
bein- und Hinterhauptseinstellung. Der Unter- 
schied zwischen Lage und Einstellung ist also 
der, daß man unter Lage das während des 
ganzen Geburtsvorganges dauernde Verhältnis 
des Kindes zum Uterus und Becken versteht, 
während mit Einstellung nur das zeitweilige 
Verhältnis des Schädels zum Beckeneingang, also 
eine vorübergehende Phase des Oeburlsherganges 
bezeichnet wird. Hat der Schädel den Beckenein- 
gang überwunden, so spricht man nicht mehr von 
P.Einstellung", womit, wie gesagt, nur die Art 
und Weise bezeichnet wird, wie sich der Schädel, 
resp. der vorliegende Teil, zur Becken eingangs- 
ebene verhält. 

Wir unterscheiden folgende Lagen bei vor- 
liegendem Schädeldach: Erste Schädellage la, 
Fig. 25 u. 26. Äußerer Befund: Rücken links, 

Herztöne links. Kleine Teile recliis oben und hinten. Stirn deutlicher links 

über dem Beckeneingang zu fühlen als das tieferslehende Hinterhaupt rechts. 




it fipktiertftn und nac 

nlEren SchuHer Ecbog 

Kopfe. (Leopold.) 




Zweite Schädel läge. 



81 



Innerer Befund: Kleine Fontanelle links etwas vor dem linken 
Ende des Querdurchmessers tiefstehend, Pfeilnaht quer, dem ersten rechten 
schrägen Durchmesser genähert. Große Fontanelle hinten rechts etwas 
höher stehend als die kleine: circa 70% der Schädellagen. 

Zweite Schädellage Hb. Äußerer Befund: Rücken rechts, 
Herztöne rechts, mehr hinten, kleine Teile links oben vom. Stirn deut- 
licher links, als rechts das Hinterhaupt zti fühlen. 

Innerer Befund: Kleine Fontanelle rechts, hinten tiefstehend. 
Pfeilnaht quer, dem ersten rechten schrägen Durchmesser genähert Große 
Fontanelle, vorn links höher stehend: circa 30"/,, aller Schädellagen. 




Von einer mathematischen Übereinstimmung der Pfeilnaht mit einem 
Durchmesser des Beckens ist nicht die Rede, vielmehr steht die Pfeil- 
naht meist quer; bei erster Lage befindet sich aber doch nachweisbar 
schon zu Anfang der Geburt die kleine Fontanelle vor dem Ende des 
Querdurchmessers und bei zweiter Lage hinter dem Ende des Quer- 
durchmessers. 

Nur ausnahmsweise liegt die kleine Fontanelle vom Beginn an deut- 
lich hinten links und bei zweiter Lage vorn rechts, Fig. 27. 

Will man dann diese Lagen mit Buchstaben bezeichnen, so würde 
Rücken vom rechts IIa und Rücken hinten links Ib sein. Käme der 
Rücken von hinten links nach vorn links, so wäre, um es kurz im Ge- 
burtsjournal zu registrieren, aus einer Ib- eine la-Lage geworden. 

Wie schon aus den statistischen Zahlen zu ersehen ist, sind die 

Frilsch, Gehurlshiifc. 6 



n 



82 



Achtes Kapitel. 






Kopflagen die häufigsten Kindslagen, Als Oriind wird die spezii 
Schwere des Kopfes und der oberen Rumpfhälfte angenommen. Daß 
wiederum die Lage: Rücken vorn links, die häufigste Lage ist, hängt 
damit zusammen, daß die rechte Seite des Kindes, die »Leberseite", die 
spezifisch schwerere ist 

Die Beweisführung war folgende: Ließ man eine Kindesleiche in 
einem großen Glaskasten mit Salzlösung, deren spezifisches Gewicht etwas 
geringer ist, als das des Kindes, langsam zu Boden sinken, so gelangte 




das Kind stets mit dem Kopfe zuerst auf den Boden des Gefäßes. Der 
Kindskörper lag dabei etwas schräg, mit der rechten Seite, -wo die 
schwere Leber sich befindet, nach unten. 

Ist also das Gewicht des Kindes der Grund der Kopflage, so muß 
sich nicht nur die Kopflage, sondern auch der Befund, Rücken links oder 
rechts nach dieser Anschauung erklären lassen. 



Oebuilshergaiig bei Schädel lagen. 



83 



Das ist tatsächlich der Fall. Der Uterus liegt von der Entwick- 
lungszeit an stets etwas mehr nach rechts mit der linken Kante nach 
vorn gedreht Dies ist durch Aufsuchen der runden Mutterbänder bei 
Hoch schwangern leicht festzustellen. Bei aufrecht stehenden Hoch- 
schwangern befindet sich die tiefste Stelle, nach der die Leberseife 
— die rechte Seite — des Kindes gravitiert, links vorn. Liegt aber 
die Frau im Bett auf dem Rücken, oder im Schlafe auf der rechten 
Seite, so befindet sich die tiefste Stelle des Uterus rechts hinten, wohin 
also beim Liegen der Hochschwangern der Rücken des Kindes sinken 
muß. 

Sind diese Voraussetzungen richtig, so muß man früh mehr Hb — 
abends mehr 1 a — Lagen finden. Da aber der Mensch nur 8 Stunden 
ungefähr schläft und liegt, 16 Stunden aber geht, sieht oder sitzt, so 
muß auch im allgemeinen die erste Lage an Häufigkeit überwiegen. 

Um so mehr wird es deshalb der Fall sein, weil in der letzten Zeit 
der Schwangerschaft die Bewegungsmöglichkeit des Kindes wegen der 
Raumbeschränkung abnimmt, wodurch wieder die Konstanz der Lage be- 
günstigt wird. Tausende von Untersuchungen haben nun bewiesen, daß 
in der Tat früh im Bett oder unmittelbar nach dem Aufstehen in der 
Touchierstunde die zweiten Lagen überwiegen, während abends häufiger 
erste Lagen gefunden werden. Es ist dies auch bei reichlichem Frucht- 
wasser und beweglichen Kindern selbst bezüglich ein und derselben 
Schwangeren festgestellt. 

Wer häufig bei Kaiserschnitten die außerordentliche Weichheit des 
Uterus fühlte, wird kaum auf den Gedanken kommen, daß der Uterus, 
resp. seine Form einen bestimmenden Einfluß auf die spezielle Lage des 
Kindes haben kann. In ihn paßt das Kind in' jeder Lage hinein. Das 
Kind bestimmt mehr die Form des Uterus als der Uterus die Form des 
Kindes. Letzleres ist nur insoweit der Fall, als die Raumbeschränkung 
das Kind zwingt, in jeder Lage zusammengekrümmt zu liegen. 



Der Geburtshergang bei Schädellagen. 

Die Art und Weise, wie das Kind den Kanal des Beckens passiert, 
nennt man den Geburtshergang, resp. den Mechanismus partus. 

Um ihn zu verstehen, muß zunächst beschrieben werden, wie das 
Kind vor dem Eintritt der Geburtswehen gelagert ist. 

Der Uterus liegt der vorderen Bauchwand an, die Därme befinden 
sich über und hinter ihm. Demnach bildet die Achse des Uterus oder die 




84 Achtes Kapitel. 

Achse des Kindes mit der Becken eingangsebene, resp. mit der Conjugala 
annähernd einen rechten Winkel. Dieser Winkel ist nicht ein konstanter. 
Sind z. B. die Bauchdecken sehr straff und ist die Bauchhöhle bei einer 
großen Frau lang, resp. hoch, so wird der Uterus der hinteren Bauch- 
wand angepreßt erhalten. Die Därme haben Platz über dem Uterus, 
Die Achse des Uterus verhält sich nicht mehr rechtwinklig zur Conjti- 
gata, sondern weicht nach hinten ab, so daß sie einen großen, stumpfen 
Winkel bildet. 

In diesen Fällen kann sich das hintere Scheitelbein liefer einstellen, 
als das vordere. 

Sind aber die Bauchdecker schlaff, oder ist die Entfernung vom 
Diaphragma zum Beckeneingang bei einer kleinen Frau mit kleiner Bauch- 
höhle sehr klein, so muß der Uterus, der im Bauche keinen Platz findet, 
weiter nach vorn liegen, ja er sinkt bei sehr schlaffen Bauchdecken oder 
bei sehr beschränktem Bauchraum, bei sehr geringer Körpergröße nach 
vorn über, dadurch wird der Winkel spitz, kleiner als ein rechter, es 
entsteht ein Hängebauch, Uterus und Kind liegen gleichsam vor 
dem Bauche. Der Kopf des Kindes folgt diesen Bewegungen und wird 
in diesem Falle, der der häufigere ist, mit gesenktem vorderem Scheitel- 
bein sich in den Beckeneingang einstellen. 

Nach diesen Auseinandersetzungen hat es auch eine große Bedeutung, 
ob es sich um eine Erstgebärende oder Mehrgebärende, und ob 
es sich um normale Verhältnisse oder um ein Mißverhältnis zwischen 
Kopf und Becken handelt, ob also der Beckeneingang weit oder eng ist, 
und der Bauchraum groß oder klein ist. 

Bei der Erstgebärenden muß sich der wachsende Uterus den 
Raum gleichsam erobern. Er verdrängt das, was sein Wachstum hindert, 
er schiebt, sich ausdehnend, die Bauchdecken vor sich her. Diese leisten 
Widerstand. 

Es entsteht gleichsam ein Kampf zwischen dem Widerstand der 
Bauchdecken und dem wachsenden Kinde. Keins von beiden siegt voll- 
kommen. Die Bauchdecken werden zwar hervorgeschoben, leisten aber 
Widerstand, der mechanisch gleichzusetzen ist einem Druck auf den 
Fundus uteri oder den Steiß des Kindes. Das Kind wird durch diesen Druck 
in toto nach unten gepreßt, Ist der Beckeneingang weit genug, so wird 
der Kopf schon in der Schwangerschaft in den Beckeneingang hinein 
und durch ihn hindurch in die Beckenhöhle gepreßt. Findet man also 
schon 3 Wochen vor dem Geburtstermin bei einer Erstgeschwängerten 
den Kindskopf sehr tief stehend in der Beckenhöhle — der regelmäßige 
Befund — so spricht dies für normale Verhältnisse. Ein Mißverhältnis 
zwischen Kopf und Becken ist dann eo ipso auszuschließen. Durch eine 



Der Geburtemechanismus. 



äußere oder innere Untersuchung, bei der man am Ende der Schwanger- 
schaft den Kopf tiefstehend findet, wird die Prognose für die Geburt gut 
gestellt. Ein Teil des Oeburtsmechanlsmus: die Passage des Beckenein- 
ganges, ist schon in der Schwangerschaft absolviert. 

Liegt aber bei der Erstgeschwängerten unmittelbar ante terminum 
partus der Kopf hoch, sogar noch beweglich über dem Beckeneingange, 
so erhellt daraus, daß der Kopf zu groß ist für den Beckeneingang, daß 
also ein Mißverhältnis vorliegt. 

Und findet man bei einer Mehrgebärenden in den letzten Wochen 
der Schwangerschaft den Kopf tief stehend, so spricht dies einerseits da- 
für, daß die ßauchdecken normal geblieben, die Recti nicht auseinander 
gewichen sind, die Muskulatur nicht überdehnt ist, andererseits dafür, daß 
das Becken günstig «eit ist. In besseren Ständen, wo Frauen nicht schwer 
arbeiten, wo eine Bauchbinde in der Schwangerschaft getragen wird, wo 
das Wochenbett gut geleitet war, die Involution normal vor sich ging, und 
die neue Schwangerschaft nicht zu schnell der 
ersten folgte, findet man oft auch bei Mehr- 
gebärenden den Tiefs land des Kopfes am 
Ende der Schwangerschaft. 

Im allgemeinen aber, namentlich bei 
ärmeren Erauen, die schwer arbeiten und 
den Hängebauch nicht beachten, bei Frauen, 
die schnell wieder schwanger werden, ehe die 
Involution normale Verhältnisse herbeigeführt 
hat, bei denen zufällig die Recti weit von ein- 
ander wichen und in dieser Diastase verharrten, 
bleibt der Bauchraum weit, und das Kind findet 
beim Wachsen keinen Widerstand an den 
Bauchdecken. Der Druck auf den Fundus uteri 
oder den Steiß des Kindes fehlt, und der 
Uterus entwickelt sich ungestört im großen 
und geräumigen Bauche. Dann befindet sich 
in der letzten Zeil der Schwangerschaft der '""^'^" 

Kopf über dem Beckeneingange ganz beweglich, oder weniger beweglich, 
je nach der Erschlaffung der Bauchdecken. 

Unter diesen Umständen hat selbstverständlich das Kind im Uterus, 
namentlich bei viel Fruchtwasser eine leichte Beweglichkeit, es wechselt 
oft seine Lage und wird — von den Wehen oder dem Fruchtwasser- 
abfluB in einer zufälligen abnormen Lage überrascht, in abnormer Lage 
fixiert. 

Bei Mehrgeschwängerten und Frauen mit Hängebauch werden wir 




ZusammoigckrQmintelbltunE'dt 
Kindes ba Einstellung in de 
Beckeneinganft mit llefitehendn 




n 



86 Achtes Kapitel- 

also häufiger abnorme, oft wechselnde Lagen finden als bei Eretge- 
schwängerten mit straffen Bauchdecken. Als Regel kann gelten, daß bei 
der Erstgeschwängerten die Lage in den letzten 6, bei der Mehrgeschwän- 
gerten in den letzten 2 Wochen konstant bleibt. 

Unter normalen Verhältnissen hat der Uterus eine vordere konkave 
und eine hintere mehr gestreckt verlaufende Wand. In dem vorderen 
konkaven Raum liegt der Rücken des Kindes. Liegt das Kind zusammen- 
gekrümmt, so hat es eine konvexe und eine konkave Fläche. Selbstver- 
ständlich wird sich das Kind in der Regel nicht nach der mütterlichen 
Rückenseite hin, sondern nach der Vorderseite, wo der Raum größer 
ist, konvex krümmen. Somit entsteht die typische Haltung des kindlichen 
Körpers nach der Bauchseite zusammengekrümmt. Hier in der Konkavität 
des Kindes finden die Extremitäten und die Nabelschnur ihren Plat?. 
{Fig. 29). 



I 

L 



Die Wirkung der Wehen. 

Wenn sich der Hohlmuskel d^s Uterus zusammenzieht und hart 
wird, so übt er auf seinen Inhalt einen Druck aus. Dieser kommt in 
verschiedener Weise zur Wirkung. Zunächst wird der ganze Uterus- 
inhalt zentripetal zusammengedrückt. Da das untere Uterinsegment nicht 
so dick und kräftig ist als der obere Teil des Uterus, so wirkt der obere 
Teil — das Corpus — aktiv, der untere Teil erleidet passiv eine Dehnung. 
Die stärkere Muskulatur oben besiegt gleichsam die schwächere Mus- 
kulatur unten. Der Raum unten wird größer und dehnt sich, dadurch 
wird der Längsdurchmesser des Uterus größer. Der Fundus steigt 
nach oben und der Uterus r-bäumt sich auf". Diese letztere Erscheinung 
rührt davon her, daß die runden Mutterbänder sich aktiv kontrahieren 
und den Uterus nach vorn ziehen. Auch drückt beim Tiefstellen des 
Diaphragma die Gebärende die Därme hinter den Uterus, so daß dieser 
der vorderen Bauchwand angepreßt wird. Der Querdurchmesser des 
Uterus nimmt ebenfalls zu, während der Durchmesser von vorn nach 
hinten, der allerdings der Messung nicht zugänglich ist, abnimmt. Der 
Uterusinhalt wird tiefer gedrückt und drängt sich in das von der Natur 
gelassene Loch, den Muttermund, hinein, die Stelle, yo ein Gegen- 
druck fehlt. 

Der Muttermund eröffnet sich aus zwei Gründen. Erstens übt die 
Gesamtmuskulatur auf den Ring des Muttermundes eine Zerrung aus, 
zieht also den Muttermund auseinander, nach oben über die Blase, 
resp. den vorliegenden Teil zurück. Zweitens tritt der Uterusinhalt 




Wirkung der "Wehen. 



dilatierend in den Muttermund ein. Dies ist zunächst die Blase, welche 
keilförmig während der Wehe in den Muttermund eindringt. Ist die 
Blase gesprungen, so übernimmt ihre Aufgabe der vorliegende Kinds- 
teil, in der Regel der Kopf, resp. das Hinterhaupt Es treibt, je liefer 
es kommt, um so mehr den Muttermund auseinander, der bei der 
Primipara in der Wehe scharfrandig dem Kopfe anliegt. In der Wehen- 
pause gleitet der Kopf etwas zurück. Die Spannung des Muttermundes 
läßt nach und der touchierende Finger kann leicht, um Nähte und 
Fontanellen aufzusuchen, zwischen Muttermundsrand und Kopf ein- 
dringen. 

Würde der Uterus nicht durch seine Befestigungs mittel am Becken 
befestigt sein und durch die Bauchpresse nach unten gedrückt erhalten, 
so würde er sich einfach über das Kind, es ausstoßend, zurückziehen. 
Und würde das Becken so weit und würden die Weichteile so weich 
sein, daß das Kind gar keinen Widerstand fände, so würde der Uterus 
das Kind einfach ausstoßen und es fiele heraus. 

In pathologischen Fällen beobachten. wir beides. Ist das Becken sehr 
eng, so daß der Kopf des Kindes nicht den Eingang passieren kann und 
stets hoch über dem Becken stehen bleibt, so zieht sich der Uterus nach 
oben zurück und zusammen. Der passive Teil dehnt sich enorm, ebenso 
die anliegende Scheide, das Kind liegt oberhalb des Beckeneingangs 
in dem dünnwandigen Räume des unleren Uterinsegments, der bei 
starken Wehen, bei unregelmäßiger Kindslage, bei Eindringen mit der 
Hand behufs Wendung leicht platzt — Uterusrupiur. 

Und ist das Kind sehr klein und der Muttermund einer Multipara 
weich oder von früher her stark eingerissen, so gleitet das Kind heraus 
ohne Preßwehen, allein durch den allgemeinen Inhaltsdruck. 

Außer dieser leicht versländlichen Wehenwirkung hat man noch 
den sog- Fruchtachsendruck angenommen. Es ist klar, daß die 
Form des Kindes und die Angriffspunkte der Uteruskräfte am Kinde, 
sowie die Beobachtung bei der Geburt leicht die Wehenwirkung so 
erklären lassen, als ob die Wehen das Kind, wie den Stempel in der 
Spritze durch Druck in der Längsachse des Kindes vorwärts, resp. ab- 
wärts schieben. Aber dieser sog. Fruchtachsendruck wird sich nie 
vom allgemeinen Inhaltsdruck isolieren lassen, niemals allein zur Geltung 
oder Wirkung kommen. Daß aber auch der atigemeine Inhaltsdruck 
eine Wirkung haben muß, die dem Fruchtachsendruck tatsächlich gleich- 
kommt, ist für die Erklärung des Mechanismus sehr wichtig. 

Zu der Wehenwirkung gehört auch die willkürliche Mithilfe der 
Bauchpresse. Über dem Uterus, gleichsam wie ein konzentrischer 




H 



8S Achtes Kapitel, 

zweiter Kontraklionsapparat, liegt die Bauchmuskulalur. Das ■»■illkürliche 
Tiefertreten des Zwerchfells, die Zusammenziehung der Bauchmuskeln 
drücken den ganzen Inhalt des Leibes nach abwärts. Wie der Kot 
willkürlich ausgepreßt wird, wie die Bauchpresse bei Blasenschwäche 
die Blasen muskulatur unterstützt und den Urin ausdrückt, so hat die 
Anstrengung der Bauchmuskulalur eine der Wehenkraft des Uterus 
identische Wirkung. 



L 



Die Drehungen des Kopfes. 

Durch die Wehen wird das Kind geboren. Der Kopf findet nach 
Eröffnung oder während Eröffnung des Muttermundes am Beckenein- 
gange Widerstand. Die Hauptbewegung, die der Kopf macht, ist die 
von oben nach unten. Sie wird als selbstverständlich vorausgesetzt. 
Man richtete also das Augenmerk auf die die allgemeine Abwärtsbewegung 
komplizierenden Drehungen. Sie genau zu kennen, ist unerläßlich. 
Denn will der Geburtshelfer beurteilen, ob eine Geburt vorwärtsgeht 
oder nicht, so muß er feststellen, ob der Stand des Kopfes im Oeburts- 
kanal ein den Verhältnissen entsprechender ist oder nicht. 

Erste Drehung: Das Hinterhaupt kommt nach unten. Da 
die Wirbelsäule des kindlichen Rumpfes am Hinterhaupt angesetzt ist, 
so wird ein vom Rumpfe aus durch die Wirbelsäule wirkender Druck 
das Hinterhaupt tiefer pressen, während das am Becken anstoßende 
Vorderhaupt zurückbleibt. Demnach macht der Kopf eine Drehung um 
seine Querach'Se mit dem Effekte, daß das Hinterhaupt, resp., die kleine 
Fontanelle mehr und mehr nach unten kommt. Während dieser Drehung 
bleibt meist das hintere Scheitelbein, namentlich, wenn das vorspringende 
Promontorium das hintere Scheitelbein zurückhält, etwas zurück. Das 
vordere Scheitelbein ist demnach in größerer Ausdehnung abzutasten 
und die Pfeilnaht liegt mehr der hinteren Beckenhälfte angenähert. 
Das vordere Scheitelbein, an der gleichmäßig geformten vorderen Becken- 
wand nach unten gleitend, tritt gleichsam aus dem Schädel heraus; das 
hintere Scheitelbein zurückbleibend gegen das Promontorium angepreßt, 
schiebt sich unter das vordere Scheitelbein hinunter. Konstatiert man 
also beim Geburtsbeginn beim normalen oder auch beim engen Becken 
ein allmähliches Tiefertreten der kleinen Fontanelle bei der Wehentätig- 
keit, so konstatiert man den Fortschriit der Geburt. 

Zweite Drehung: Das Hinterhaupt kommt nach vorn. 
Während der ganze Kopf tiefer tritt und während das Hinterhaupt sich 
senkt, beginnt schon die zweite Drehung; die Drehung um die 
Höhenachse des Kopfes, um die Längsachse des Kindes. 




Der spezielle Qeburtsmechanismus : die Kopfdrehimgen. 



Berührt der touchierende Finger die kleine Fontanelle, so fühlt er 
einmal, dali bei einer Wehe die Drehung schnell erfolgt. Ein andermal 
gelangt langsam bei jeder Wehe das Hinterhaupt allmählich nach vom 
und in anderen Fällen scheinen besondere Schwierigkeiten zu bestehen, 
so daß der Kopf lange, auch noch lief im Becken, in querer Stellung 
verharrt. Geht die Drehung schnell vor sich, so ist der Kopf noch 
leicht beweglich und folgt der Qesamtdrehung des Kindes mit dem 
Rücken nach vorn. Denn das Kind legt sich mit seinem konvexen Rücken 
in die konkave vordere Hälfte des Uterus hinein, wo es mehr Raum 
hat als hinten. Kommt das Hinterhaupt langsam nach vorn, so bewirken 
die Widerstände im Becken die Drehung. Das vordere Stirnbein, das 
man als Folge dieses Mechanismus am geborenen Kinde unter das 
hinlere gedrückt und geschoben findet, gleitet am vorderen Rande des 
Beckeneingangs nach hinten ab, bis die Stirn in der Höhlung an der 
Synchondrosis sacroiliaca liegt und hier nach unten gleiten kann. Und 
besteht auch noch auf dem Beckenboden Querstellung, so stand meist 
während der ganzen Geburt das Vorderhaupt tief, so da!) beide Fonta- 
nellen gleich hoch zu fühlen sind. Die kleine Fontanelle, bezw. das 
Hinterhaupt ist etwas zurückgeblieben. Es 
kommt dies bei völlig normalem, ja bei 
besonders großem Querdurchmesser vor, 

Ist das Fruchtwasser abgeflossen und 
der Kopf ins Becken getreten, so legt sich 
der Uterus enger an das Kind an und 
streckt es, so daß der Steiß etwas höher 
steht. Auch in dieser Zeit ist der Kopf 
nur während der Wehe unbeweghch. Oft 
kann man ihn, wenn er schon sichtbar wird, 
noch um 3—4 cm in der Richtung nach 
oben verschieben. 

Steht der Kopf auf dem Beckenboden, 
so faltet sich meist die Kopfschwarte. Dies 
Phänomen ist seit altersher als Beweis gegen 
die alleinige Wirkung des Fruchlachsen- 
druckes angeführt. Denn wirkte allein der 

Stempeldruck von oben, so könnte sich die Haut nicht in Falten legen, 
sondern müßte sich im Gegenteil sehr anstraffen und glatter werden. 
Die Faltenbildung rührt auch daher, dall der durch Unterschiebung der 
Knochen kleiner werdende Schädel gleichsam zu klein für die Kopf- 
i.ch warte geworden ist. 

Der Kopf Hegt nunmehr fest dem Beckenboden an, so daß auch in 





i 



go Achtes Kapitel. 

der Weilenpause der Finger zwischen Kopf und Beckenboden nui*] 
schwierig eindringen kann. 

Jetzt findet der Kopf vorn eine Öffnung im Beckenboden, in die 
Hinterhaupt hineingetrieben wird. Keilförmig schiebt er sich in die 
Öffnung, ihre weichen Wandungen an die Beckenknochen anpressend,: 
hinein und es beginnt 

Die dritte Drehung: das Hinterhaupt passiert den Scham- 
bogen. Dies ist eine Drehung um die Querachse des Kopfes mit dem 
Hinterhaupte nach oben, umgekehrt als die erste Drehung, bei der sich 
das Hinterhaupt nach unten drehte, also Defiexion, während die erste 
Drehung eine Flexion war. Das Hinterhaupt passiert, sobald sein Quer- 
durchmesser eine Entfernung zwischen den absteigenden Scham beinästen 
gefunden hat, die seiner Länge (des Querdurchmessers) entspricht, den 
Scham bogen. 

Der Kopf ist fest am Rumpf angesetzt. Dieser Ansatzpunkt bildet 
gleichsam ein Punctum fixum. Die Wehen in ihren Bestrebungen, alles 
Bewegliche auszupressen, schieben das Vorderhaupt, resp. Gesicht an 
der hinteren Beckenseite abwärts bis vor die Vulva, während gleichzeitig 
das vorn von Gegendruck und Widerstand befreite Hinterhaupt vom 
emporsteigt und auf die Schamfuge sich auf- und anlegt. 

Bei dieser Drehung steht also der Kopf mehr gerade, so daß die 
Pfeilnaht sich dem geraden Beckendurchmesser annähert. Der Kopf hat 
eine etwas schräge Stellung, mit dem vorderen Scheitelbein tiefer und 
der kleinen Fontanelle noch etwas nach der Seite gerichtet. 

Ist der Kopf geboren, so nimmt er die natürhche Stellung zu dem 
Rumpfe wieder an. Ist also der Rücken nach links gerichtet, so sieht 
auch das Hinterhaupt nach links bei erster Lage und umgekehrt hei 
zweiter Lage. 

Geburt des Rumpfes. 

Wenn der Damm eingerissen ist oder es von früher her war, so 
fällt jetzt das Kind heraus oder wird durch eine willkürhche Anstrengung 
der Bauchpresse, resp. durch eine Wehe leicht herausgepreßt 

Ist aber der Damm noch erhalten, so kann er einen Druck gegen 
die hintere Schulter des Kindes ausüben und dadurch die vordere 
Schulter nach oben drücken und hinter dem Schambogen fesseln. Dann 
muß durch Senken des Kopfes die vordere Schulter flott gemaclit 
werden, um das Austreten des Rumpfes zu ermöglichen. Oder der in 
die hintere Achselhöhle einhakende Finger zieht erst diese Schulter über 




Der Geburtsmechanisi 

den Damm, so daß danach die vordere hinter den Schambogen herab- 
gleitet. 

Von Wichtigkeit ist auch die Lagerung der Kreißenden. Liegt ihr 
Hinterer tief im Bett, so drückt die vor den Geschlechtsteilen vorquellende 
Bettunterlage den geborenen Kopf stark nach oben, wodurch ebenfalls die 
vordere Schulter hinler den Schambogen gedrückt und gefesselt wird. 



Mechanismus bei erster xmd zweiter Schädellage. 

Die geschilderten Vorgänge, auf erste und zweite Schädellage ange- 
wendet, ergeben also für erste Schädellage folgendes: 

Der Kopf steht zumeist mit gesenktem vorderem rechtem Scheitel- 
bein und gesenktem Hinterhaupte so im Beckeneingang, daß die kleine 
Fontanelle vorn links leicht, die große hinten rechts schwerer zu 




e Schäüdla^ mit gesen] 



erreichen ist. Die Pfeilnaht verläuft im queren Durchmesser. Die kleine 
Fontanelle steht mehr oder weniger vor dem Querdurchmesser vom links. 
Das Hinterhaupt senkt sich und kommt sodann mit der kleinen 
Fontanelle von der linken Seile nach links vorn an das Ende des rechten 
ersten schrägen Durchmessers. Dann schiebt sich das Hinterhaupt unter 
den Schambogen von links her jiach der Mitte zu hervoi". Der Kopf 
dreht sich aus der Vulva heraus nach oben steigend. Der geborene Kopf, 
die natürliche Haltung zu dem Rumpfe einnehmend, sieht mit dem 
Hinlerhaupfe nach vorn oben links, mit dem Gesicht nach der Innen- 
seite des rechten schrägen Oberschenkels. 




Bei zweiter Schädellage steht ebenfalls das vordere Scheitelbein 
und das Hinterhaupt tiefer. Aber das Hinterhaupt steht rechts Die 




Igt Anfang der Gebur 



Pfeilnaht verläuft ebenfalls im Querdurchmesser, doch so, daß die kleine 
Fontanelle erst etwas hinter dem Querdurchniesser liegt, die große steht 
höher und ist vom links nach oben zu erreichen. 




Das Hinterhaupt senkt sich mehr und mehr und kommt von hinteo 
rechts nach vom rechts. Diese Drehung erfordert meist ebenso wenig Zeit 



Vorderhauptsl age. 



93 



als die etwas kürzere Drehung des Hinterhauptes bei erster Lage. Dann 
gelangt von rechts her das Hinterhaupt in die vordere Öffnung des 
Beckenbodens und passiert den Schambogen. Der geborene Kopf 
nimmt seine natürliche Stellung wieder ein, d. h. das Hinterhaupt sieht 
nach rechts oben, das Gesicht nach der Innenfläche des linken Ober- 
schenkels. 



Abweichungen des Mechanismus. 

Der Geburtshergang zeigt auch bei normalem Becken und Kinde 
einige Abweichungen. So fühlt man oft beim Beginn der Geburt, in der 
Zeit der Eröffnung des Uterus, daß während einiger Zeit die kleine 
Fontanelle etwas zurückweicht, so daß beide Fontanellen in gleicher 
Höhe zu fühlen sind. Ja oft weicht vorübergehend bei der Multipara 
der Kopf sogar etwas nach oben zurück. Dies ändert sich aber 
bei guten Wehen schnell zu Gunsten des Tiefstandes der kleinen 
Fontanelle. 

Dann steht oft auffallend lange der Kopf quer, d. h. er tritt schon stark 
nach unten, beginnt aber die Drehung mit dem Hinterhaupt nach vorn 
verhältnismäßig spät. Da der Kopf mit seiner Breitseite den Schambogen 
nicht passieren kann, so entsteht durch diesen tieferen Querstand ein 
vorübergehender Qeburtsaufenthalt. 

Nicht selten macht auch der Kopf, gerade ehe er die dritte Drehung, 
das Passieren des Schambogens beginnt, noch einmal besonders stark die 
erste Drehung. D.h. während man schon die kleine Fontanelle unterhalb 
des Scham bei nastes fühlt, dreht sie sich bei einigen kräftigen Wehen fast 
in die Mitte des Becken eingangs nach hinten. Der Kopf flektiert sich 
stark, während man schon die dritte Drehung, die Deflexion erwarten 
sollte. Ja es kann dabei zu einem so bedeutenden Oeburtsauf enthalte 
kommen, daß man mit der Zange künstlich die dritte Drehung, das 
Hochsteigen der kleinen Fontanelle bewirken muß. Ist das geschehen, so 
passiert leicht das Hinterhaupt den Schambogen. 

Zuletzt kommen auch sogen. Überdrehungen vor, d. h. das Hinter- 
haupt, statt sich nur von links nach links vorn zu drehen, dreht sich 
nach vorn rechts und umgekehrt. Eine praktische Bedeutung ist dieser 
Oberdrehung, die gerade bei günstigen Verhältnissen beobachtet wird, 
nicht beizulegen. 




i 



Vorderhauptslage. 

Tn seltenen Fällen bleibt Rücken und Hinterhaupt des Kindes hinten, 
also nach unserer Bezeichnung ,.verläuft die Gehurt als B-Lage-, Da man 
die Lagen des Kindes nach dem bezeichnet, was man beim Touchieren in 
der Mittellinie fühlt, und da man bei diesen Lagen die große Fontanelle, also 
den vorderen Teil des Scheitels, in der Mittellinie oder FühningsÜnie 
findet, so hatte man diese Lagen mit dem Namen Vorderscheitellagen 
bezeichnet. 

Der Lernende ist leicht geneigt Vorderscheitellage und Vorder- 
scheitelbein-Einsteilung zu verwechseln. Um also eine möglichst 
klare Nomenklatur zu gewinnen, 
~7^^7 f^^^ '^^^ '"^'^ diesen Lagen den 

^ — ^ K^:ß^i Namen Vorderhauptslage. 

Bestand zu Anfang eine 
llb-Lage, verwandelt sich aber 
diese Lage nach dem nor- 
malen Mechanismus durch 
Drehung des Hinterhaupts nach 
vorn, wie es die Regel ist, in 
eine Ila-Lagevergl. Fig. 32 u, 33, 
d. h. wendet sich das Hinter- 
haupt nach vorn und tritt es 
hier aus, so bestand nicht eine 
Vorderhauptslage, die sich kor- 
rigierte, sondern die Geburt 
verlief regelmäßig. Wenn aber 
das Hinterhaupt hinten und 
oben bleibt, das Kinn sich von 
der Brust entfernt, das Vorderhaupt sich senkt, so daß das Hinterhaupt 
gerade in der Kreuzbeinaushöhlung liegt, während die Glabella oder 
ein etwas höherer Punkt der Stirn sich an die Symphyse anstemmt, 
so besteht eine Vorderhauptslage, Fig. 34. 

Man hat hier feinere Unterschiede gemacht. Wenn das hinten liegende 
und hinten bleibende Hinterhaupt sich hinten tief senkt — wie es bei der 
normalen Geburt sich vorn tief senkt — so nannte man diese Lage; 
hintere Hinterhauptslage. Diese hinteren Hinterhauptslagen stellen 
aber oft nur eine vorübergeh erde Phase der Vorderhauptslage vor, Sie 
können deshalb als gesonderte Lagen nicht betrachtet werden. Wenn um- 
gekehrt das Hinterhaupt hinten autfallend zurückbleibt, so daß vom die 





^'orderhauplslage. 



95 



Stirn sehr tief tritt, so entsteht eine Stirnlage, die unten besonders ab- 
gehandelt wird. 

Die Ätiologie der Vorderhau pfslagen ist verschieden, was schon daraus 
erhellt, daß sowohl sehr kleine als sehr große Kinder in Vorderhaupts- 
lage sich zur Geburt stellen. Wenn der Kopf eines kleineren Kindes zu- 
fällig mit dem Hinterhaupt hinten liegt, so schieben die Wehen den Kopf, 
der so klein ist, daß er einen mechanischen Wert überhaupt nicht be- 
sitzt, in dieser Lage nach unten. Sehr kleine, namentlich abgestorbene 
Kinder passieren in dieser Weise ohne speziellen Mechanismus den 
Geburtskanal. 

Sodann sind alle Gründe ätiologisch wichtig, die eine Drehung des 
Rückens nach vorn verhindern. Liegt z. B. der erste Zwilling in B-Lage 
und bilden nach Abfluß des Fruchtwassers beide Kinder gleichsam 
eine Masse, so verhindert das zweite Kind die Drehung des ersten. 
Lag das erste Kind von Anfang an mit dem Rücken hinten, so bleibt 
der Rücken hinten und der Kopf tritt mit nach hinten gerichtetem Hinter- 
haupte aus. 

Aber diese Zufälligkeiten sind nicht für die Erklärung der Vorder- 
hauplslagen heranzuziehen, bei denen ein großer Kopf die Drehung mit 
dem Hinterhaupte nach vorn unterläßt. Bei Brachycephaüe, bei indi- 
viduell sehr runder Koptform kann die Drehung nach vorn unterbleiben. 
Vielleicht ist die Beckenform wichtig: eine besonders günstige Weife in 
dem geraden Durchmesser der Beckenweite und eine zufällig geringe 
Größe des Querdurchmessers, wie sie beim kyphotischen Becken vor- 
kommt. Auch hindert nicht selten der vollständige Fruchtwasserabfluß 
das feste Anliegen des Uterus am Kinde die Verschiebung des Rückens 
nach vom. Liegt aber der Rücken hinten gleichsam gefesselt, so bleibt 
auch das Hinterhaupt hinten, namentlich wenn noch die anderen Gründe: 
Geräumigkeit der Kreuzbeinaushöhlung und geringe Verengung des 
Beckenquerdurchmessers hinzukommen. Auch ein vorn seitlich vorge- 
fallener Arm, ein überaus seltenes Ereignis, kann die Drehung des Hinter- 
hauptes nach vorn ganz unmöglich machen. Ebenso wie ein fest in der 
Zange gefaßter Kopf, dessen Hinterhaupt hinten steht, durch das Fest- 
halten mit der Zange an der normalen Drehung gehindert, mit nach 
hinten stehendem und bleibendem Hinterliaupt, also in Vorderhauptslage, 
extrahiert wird. 

Bei dieser Lage sind die Durchmesser des Kopfes, die in Betracht 
kommen, und mithin der Umfang des Kopfes erheblich größer als bei 
den gewöhnlichen Hinterhauptslagen. Der Kopf beansprucht mehr Raum 
zum Tieferlreten und zum Austreten. Demnach ist die Geburt erschwert 
und verlangsamt. Wegen der langen Geburtsdauer ist das Leben des 




■ 



g6 Achtes Kapitel. 

Kindes in Gefahr und die Scheide ist Quetschungen, der Damm Zer- 
reißungen ausgesetzt. 

Ein großer Kindskopf hat einen frontooccipitalen Durchmesser von 
12 cm, während der Höhendurchmesser lo cm beträgt. Der Umfang 
desselben Kopfes mißt im frontooccipitalen Durchmesser, der bei der 
Vorderhauptslage die Vulva passiert, 35 cm, im Höhenumfang, der bei 
normaler Lage passiert, 32 cm. Die hintere Kommissur, bezw. der Damm 
muß also bei Vorderhauptslagen um 2 cm weiter sagittal und im 
Umfange um 3 cm mehr gedehnt werden als bei Hinterhauptslagen. Ist 
der Damm nicht dehnbar, oder muß die Zange den Kopf eher ent- 
wickeln, ehe die Dehnung des Dammes eingetreten ist, so platzt der 
Damm auf. 

Im Verlaufe der Geburt bei Vorderhauptslage entsteht oft ein voll- 
ständiger Stillstand der Geburt, weil die Entfernung von der Symphyse 
oder dem absteigenden Schambeinaste, an dem die Stirn angepreßt ist, 
bis zur Kreuzbeinspitze nicht genügt, um den frontooccipitalen Durch- 
messer des Kopfes tiefer treten zu lassen. Wird nicht eingegriffen, und 
sind die Wehen sehr kräftig, so wird langsam das Hinterhaupt hinten 
tiefer geschoben. Die Kopfknochen, die in den Nähten die Verschiebung 
gestatten, schieben sich in der Art untereinander, daß die Hinterhaupts- 
schuppe und die Stirnbeine unter, selten über die Seitenwandbeine 
geschoben werden, wodurch der Kopf eine Verkürzung im fronto- 
occipitalen Durchmesser erfährt, d. h. kürzer wird. Allmählich, während 
die fest angepreßte Stirn an der Symphyse und die große Fontanelle 
dicht unter dem einen Schambeinaste gleichsam fixiert ist, tritt, wie bei 
der Hinterhauptslage vorn, so bei der Vorderhauptslage hinten das Hinter- 
haupt tiefer. Unter enorm starken Wehen passiert das Hinterhaupt, bei 
Primiparen fast stets und auch bei Mehrgebärenden sehr häufig den 
Damm zerreißend, die Vulva. Ist das Hinterhaupt geboren, so gleitet 
leicht die Stirn unter dem Schambogen vor und das Kind wird mit nach 
vorn aufwärts gerichtetem Gesicht geboren. 

Findet man die Vorderhauptslage in einem frühen Stadium, so fühlt 
man die große Fontanelle vorn, die kleine ist wegen des festen Anliegens 
hinten kaum oder nicht zu erreichen. Senkt sich allmählich das Hinter- 
haupt hinten, so kann man von hinterer Hinterhauptslage sprechen, weil 
dann allerdings den tiefsten Punkt des Schädels nicht mehr das Vorder- 
haupt vorn, sondern das Hinterhaupt hinten bildet. 



Sfimiagen. — Gesichtslagen, 



Stirnlagen. 

fS^Tir seltenen Fällen trilt trolz starker Wehen das Hinterhaupt 
hinten nicht-tiefer, sondern bleibt völlig zurück; während das Vorder- 
haupt vom immer tiefer gepreßt wird. Dann tritt schließlich die Stirn 
vorn oder seitlich so tief, daß die große Fontanelle mehr nach der Mitte 
des Beckens zu gelangt und der Finger die Augenhöhlenränder und die 
Nasenwurzel vorn erreicht. Der sich einstellende Teil des Kopfes ist 
also die Stirn und diese Lage ist eine Stirnlage, nicht etwa eine Über- 
gangslage von der Gesichts- zur Vorderhauptslage, sondern eine sehr 
stark ausgeprägte Vorderhauptslage. 

Bei der Stirnlage treten alle geburtsbehindernden Momente in gleicher 
oder noch stärkerer Weise ein, als bei den Vorderhauptslagen. Der Stirn- 
lagenschädel beansprucht eine Dehnung des Damms auf 14 cm und einen 
Umfang von 36^37 cm. 

Die Geburt ist demnach in noch höherem Maße erschwert, als bei 
Vorderhauptslagen. Die lange Geburt bewirkt eine bedeutende Kopfge- 
schwulst; diese wiederum verdeckt Fontanellen und Nähte, so daß die Dia- 
gnose schwer zu stellen ist. Wird die Geburt nicht beschleunigt, so stirbt 
das Kind ab. Und wird sie beschleunigt, d. h. wird die Zange angelegt und 
der Kopf in dieser ungünstigen Stellung entwickelt, so kommt es wenig- 
stens bei der Primipara und normal großem Kinde fast stets zum Damm- 
riß. Starke Druckstellen von der Zange, ja Schädelfrakturen, Quetschungen 
der mütterlichen Weichteüe, Verletzung des Damms lassen sich bei Stirn- 
lagen kaum vermeiden. 

Gesichtslageu. 

Bei den Gesichtsiagen stellt sich das Kind so zur Geburt, daß der 
Kopf des Kindes mit dem Hinterhaupt sich dem Nacken nähert und das 
Kinn von der Brust sich entfernt. Es entsteht also eine hochgradige 
Deflexion des Kopfes. Bei dieser Kopfhaltung muß der Rücken statt 
konvex, konkav verlaufen. Daß bei einer solchen unnatürlichen Kopf- 
haltung nicht die Rumpfhaltung das Prirräre ist, sondern, daß der Kopf 
durch das Becken abgelenkt und der Rücken sich sekundär biegt, wird 
heute allgemein angenommen. 

Das Hinterhaupt wird irgendwo und irgendwie aufgehalten, so daß 

es nicht tiefer treten kann. Es muß eine Kraft einwirken, die den Kopf 

zwingt, die eigentümliche Haltung einzunehmen. Schon der Umstand, 

daß Gesichtslagen bei weitem und engem Becken vorkommen und daß 

Frilsch, Oeburtshilft, y 



* 



Achtes Kapitel, 



wiederholte Gesichtslagen bei derselben Frau außerordentlich selten sind, 
weist bei der Ätiologie auf Zufälligkeiten hin. I 

Da das Becken bei derselben Frau eine stets konstante Größe ist, 
so wird man vornehmlich beim Kinde die Gründe zu suchen haben. 
Hecker wies nach, daß die Oesichtslagenschädel besonders läng sind, daß 
sie auch ein besonders breites Hinterhaupt haben, das geeignet ist, am 
Beckenrande gleichsam hängen zu bleiben. Kommt dazu eine Schräg- 
lage des Uterus oder des Kindes, so daß die Richtung der Wehenkraft 
sich mehr nach einer Seite, al^ gerade nach unten richtet, so wird das 
Hinterhaupt gegen die Linea innominata gepreßt. Wirken die Wehen 
kräftig und pressen sie den Kopf nach unten, so entsteht ein punctum fixura 
da, wo der Kopf angepreßt 
wird, und der Kopf dreht sich 
mit dem Gesicht nach unten. 

t Demnach werden wir als Haupt- 

grund die Größe des Hinter- 
hauptes, als begünstigende Mo- 
mente, eine mäßige Beckenver- 
engung und eine Schräglage 
des Uterus, resp. die schräge 
Wirkung der Wehenkraft an- 
nehmen müssen. Ferner ist 
wichtig ein auffallend kurzer 
Hals des Kindes, ein dicker 
Brustkasten oder eine Struma 
congenita, die das Kinn in 
die Höhe schiebt und in der 
Höhe hält. Auch Geschwülste 
des Uterus selbst oder der 
Nachbarschaft, z. B. eine sehr 
Konkavwerden des kindlichen Rückens be- 




ihlslage. 



stark gefüllte Blase, t 

günstigen, sind ätiologisch verwertet. 

Ist das Gesicht in das Becken eingetreten, so wirken die Wehen 
schlecht, da die zusammengekrümmte Wirbelsäule den Kopf nicht vor- 
wärts schieben kann. Die Qesichtslagen sind also im allgemeinen ver- 
zögerte Geburten. 

Schon bei der äußeren Untersuchung hat man oft einen Befund, der 
die Diagnose stellen läßt; die Herztöne des Kindes sind besonders 
deutlich auf derselben Seite zu hören, wo man auch die kleinen Teile 
findet. Noch wichtiger ist, daß man das Hinterhaupt oft sehr stark her- 
vorgewölbt auf der Seite des Beckens dicht über dem Beckeneingang 



Qesichts lagen. 



9Q 



ja in manchen Fällen sogar sieht. Beim Touchieren wird die 
Diagnose sofort leicht gestellt, da das Gesicht kaum mit einem anderen 
Körperteil zu verwechseln ist. Die gewulsteten Lippen, dazwischen 
die Processus alveolares des Kiefers, oft auch die Zunge sind zu fühlen. 
Dann ist die Nasenwurzel so charakteristisch, daß sie leicht erkannt wird. 
Ebenso dürften die scharfen Arcus orbitales kaum für einen anderen 
Körperteil genommen werden. 

Liegt der Rücken links, fühlt man also innerlich das Kinn rechts und 
die Nasenwurzel links, so handelt es sicfi um eine erste Gesichtslage, 
Und umgekehrt bei Rechtslage des Rückens und Stand des Kinnes links 
um eine zweite Gesichtsiage. 

Bei Beginn der Geburt, ja selbst noch in der Beckenhöhle steht oft 
das Kinn etwas nach hinten, dreht sich aber, wenn man nur abwartet, 
fast regelmäßig nach vorn. Schließlicii liegt das Kinn vorn gerade in 
der Mitte unter dem Schambogen. Ist das Kinn geboren, so wälzt sich 
das Hinterhaupt über den Damm. 

Da die Kopfdurchmesser, die die Vulva passieren, etwas ungünstiger 
sind als bei gewöhnlichen Hinterhaupislagen, so sind auch Dammrisse 
bei Primiparen häufiger als bei Normallagen. 




Qeburlsgeschwulät u. TouchicriTr 




Wie schon gesagt, sind die Qesichtslagen meist verzögerte Geburten. 
Es entsteht auf dem Gesicht eine Geburtsgeschwulst. Wird häufig unter- 
such^ so erzeugt die Reibung der Finger auf dem weichen Gesichte 
Substanzveriuste der Epidermis, Blasenbildung und Wunden. Das ge- 
borene Gesicht zeigt deshalb neben starker Anschwellung der Nase, der 
Lippen und der Augenlider viele Wunden, die dem Kinde in den ersten 
Tagen ein häßliches Aussehen verleihen, vgl. Fig. 36. Wegen dieser 




•jOO 



Achtes Kapitel. 



Schwellung kann das Kind zunächst nicht saugen und trinken. Doch 
stell! sich das Vermögen dazu sehr bald wieder her. 

Der Kopf behält noch einige Tage die charakteristische Haltung mit 
nach hinten geneigtem Hinterhaupte. 

Da der Kopf bei dem Durchtritt durch das Becken wesentlich in 
der Richtung des Höhendurchmessers komprimiert wird, so ist der fronto- 
occipitale Durchmesser kompensatorisch lang, vgl. Fig. 37. Das Hinter- 
haupt ist abgeplattet und breit. Somit ist diejenige Form des Kopfes, 
die primär die Qesichtslage mit verschuldete, auffallend stark ausgeprägt. 
Daß aber nicht etwa die Dolichocephalie nur die Folge des Geburts- 
vorganges ist, haben Spätmessungen der Kinderschädel gezeigt Auch 
dann noch, als längst die Geburtsveränderungen verschwunden waren, er- 
gaben die Messungen einen auffallend großen frontooccipitalen Durch- 
messer. 

Sehr selten bleibt das Kinn während der ganzen Geburt hinten, so 
daß der Kopf mit nach vorn gerichtetem Hinterhaupte geboren wird. 
Die Gründe sind wegen der überaus großen Seltenheit dieser Fälle noch 
nicht genügend aufgeklärt. Sie können in der Form des Beckens, in der 
Unmöghchkeit der Rumptdrehung im engen Uterus, aber auch in der 
Ungeduld des Geburtshelfers gesucht werden. 

Oft kommt schheßlich bei einer kräftigen Wehe das Kinn nach vom, 
namentlich wenn der Geburtshelfer während der Wehe hinter das Kinn 
hakt und es nach vorn drückt. 

Geschieht dies nicht, so sind die Verhältnisse außerordentlich un- 
günstig, und nur durch enorme Wehenkraft ist die Geburt möglich, da 
Kopf und Brustkasten gleichzeitig in das Becken eintreten. Meist ist dann 
das Kind, wenn der Arzt nicht eingreift und die Drehung nicht künst- 
lich mit oder ohne die Zange zu stände bringt, abgestorben. 



L 



Die Beckenendlagen. 

Die Hecke nend lagen teilt man ein in: 
Steißlager, 

Vollkommene Fußlagen, 
Unvollkommene Fußlagen. 
Noch sind die Zufälligkeiten, die zu Beckenendlagen führen, unbe- 
kannt Nur das weiß man, daß sie, wie alle unregelmäßigen Lagen bei 
räumlichem Mißverhältnisse, z. B. bei Hydrocephalus und beim engen 
Becken, häufiger als bei normalen sind. Ferner ist bekannt, daß FuBlagen 
im allgemeinen mehr bei Multiparen, Steißlagen mehr bei Pnmiparen vor- 



4 




kommen. Dies hängt jedenfalls mit dem schlafferen und unten weiteren 
Uterus der Mehrgebärenden zusammen, bei denen leicht während und 
nach dem Fruchtwasserabtlusse die neben dem Steiß liegenden Füße, 
namentlich eines toten Kindes, herausgedrückt oder herausgeschwemmt 
werden. 

Auffallend ist die Kopfform bei Steißlagen. Wenn wenig Frucht- 
wasser vorhanden oder der Widerstand der Bauchdecken sehr groß ist, 




zeigt der Kopf fast einen Ausguß des Fundus uteri. Er ist auffallend 
niedrig und sehr lang. Hat dagegen das Kmd genügend Raum, so hat 
der Kopf die primäre Form Er behalt sie, weil das Kind schnell 
extrahiert wird, also die Beckenwiderstände auf den Kopf nicht fonm- 
verändernd einwirklen. Ebenso wie bei Kaiserschniltkindern. 

Wir unterscheiden erste; Rücken links und zweite Steißlage: 
Rücken rechts. Da bei beiden der Rücken während der Geburt sowohl 
hinten als zuletzt vorn steht, so werden prinzipiell nicht vier, sondern 
nur zwei Lagen unterschieden. 




Achtes Kapitel. 



Die Beine des in Steißlage liegenden Kindes können primär im 
Knie gebogen neben dem Steiß liegen, wie in Fig. 38 S. 101, oder sie 
liegen schon während der Schwangerschaft völlig gestreckt neben dem 
Körper, wie in Fig. 3g. 

Im ersten Falle klappen sich während des Durchtritts durch das 
Becken die Beine nach oben, wie in Fig. 3g. Ist das Kind geboren, so 
liegen die Beine wieder normal. Im zweiten Falle, Fig. 39, behalten die 
Beine des geborenen Kindes noch einige Zeit die eigentümliche ge- 
streckte Haltung. 

Die Diagnose wird aus folgenden Untersuchungsresultaten gestellt: 
Man fühlt im Fundus uteri, resp. oben einen gleichmäßig harten, runden 
und meist leicht beweglichen, von einer Seite 
zur anderen ballottierenden Teil. Bei erster 
Lage liegt der Kopf im oberen rechten, bei 
zweiter im oberen linken Quadranten, Die 
Herztöne hört man bei Beckenendlagen an 
eben der Stelle — in der Mitte der Seiten- 
wand, wie bei Kopflagen. 

Der Kopf ist am Halse leicht allein be- 
weglich, während bei Bewegungen des oben- 
liegenden Steißes das ganze Kind bewegt 
wird. Über dem Becken ein gange fühlt man 
von außen nicht den Kopf, sondern einen 
klein eren, weicheren Teil : das Beckenende. 
Täuschungen kommen bei alleiniger äußerer 
Untersuchung leicht vor. Ist z. B. der Kopf 
bei einer Primipara schon völlig ins Becken 
getreten, so fühlt man ihn bei straffen Bauch- 
decken nicht gut von außen. Leicht imponiert dann das ebenfalls harte, 
gerade oben liegende Kreuzbein für den harten Kopf. Ein Griff in die 
Vagina löst aber sofort alle Zweifel. 

Von innen untersuchend fühlt man zwar oft eine Härte, ähnlich 
der des Kopfes, denn das Kreuzbein hat kein Fett über sich. Aber die 
Form, die Unregelmäßigkeit und geringe Größe läßt doch leicht, zu- 
sammengenommen mit dem Resultate der äußeren Untersuchung, die 
Diagnose stellen. 

Mitunter hängt der Hodensack des Kindes nach unten. Er wird 
durch Bildung der Geburtsgeschwulst ödematös. Ist er durch Abgang 
des Meconiums sehr schlüpfrig, so ist er schon öfter mit der Nabel- 
schnur verwechselt Da die Genitalien meist mehr seitlich stehen, so 




Kind-Steisslagen. 




Steißlagen. 



sind sie bei engem Muttermunde nictit zu erreichen, resp. zur Stellung 
der Diagnose des Geschlechtes des Kindes nicht zu verwerten. 

Der Mechanismus der Beckenend lagen ist nicht so leicht zu studieren 
als der der Kopflagen. Erstens macht der Steiß keine isolierten Be- 
wegungen, vielmehr muß er den Bewegungen, die das Kind oben im 
Uterus macht, ebenso folgen, wie das Kind den Drehungen des Steißes, 
Da man aber »■ährend der Wehe die Drehungen des Kindes im Uterus 
nicht verfolgen kann, so ist während der Wehe nur aus der Drehung 
des Steißes die Drehung des Rückens zu erkennen. Zweitens ist das 
Beckenende, namentlich bei Fußlagen, kleiner als der Beckenkanal. Das 
Beckenende kann sich also unregelmäßig drehen oder gedreht werden. 
Zuletzt muß, um das Leben des Kindes nicht zu gefährden, oft sofort 
zugefaßt und extrahiert werden, wodurch wiederum der Mechanismus 
beeinflußt, resp. verändert wird. 

Seitist wenn das Kind abgestorben ist und man also ruhig beobachten 
könnte, nimmt der Arzt gern im Interesse der Beschleunigung der Ge- 
burt der Frau die Arbeit der Expression ab. Dann ist aber auch in 
diesen Fällen der Mechanismus, der nicht ungestört zum Ausdrucke 
kommt, nicht zu erkennen. 

Trotz allem muß man schon deshalb einen „normalen Mechanismus" 
schildern, weil doch die Geburtshilfe nur eine Unterstützung der Natur- 
kräfte sein darf. Das Kind soll also so gedreht und extrahiert werden, 
wie es die Natur eventuell allein fertig bringen würde. 

Bei Beginn der Geburt steht der Rücken vorn seitlich, ganz seitlich 
oder hinten seitlich. Die hintere Hüfte steht oft im Beckeneingange 
tiefer. Stets kommt, wenn es nicht durch Eingreifen verhindert wird, der 
Rücken nach vorn, indem sich die Konvexität des Rückens in die Kon- 
kavität der vorderen Uleruswand legt. !m Beckenkanal steht dann die 
vordere Hüfte tiefer und übernimmt die Führung. Ist der Steiß auf dem 
Beckenboden angelangt, so bildet sich eine sehr bedeutende Lateral- 
flexion des ganzen kindlichen Körpers mit der Konkavität nach vorn aus. 
Die vordere Hüfte steigt gerade nach oben, ebenso wie das Hinterhaupt 
bei der dritten Drehung. Oft durchschneidet auch der Steiß die Vulva 
ganz quer, selbst bei großem Kinde und enger Vulva. Dann dauert die 
Passage der Vulva etwas längere Zeit Die hintere Hüfte wird vom 
Beckenboden zurückgehalten. 

Ist der Steiß völlig geboren, so wendet sich meist der Rücken 
schnell nach vorn mit oder ohne Mifpressen der Kreißenden oder Mit- 
hilfe des Arztes. 

Die Beine sind in der Regel (vgl. S, loi Fig. 38) ganz nach oben 
geschlagen. Mitunter aber fühlt man auf der Bauchseite des Kindes eine 




H 



Ferse oder auch selten beide Fersen, eventuell auch eine Nabelschnur- 
schlinge, Ob dies der Fall ist oder nichi, hängt vom Zufall ab. Ist die 



Nabelschnur, wie in I 








n unvoUkoraineiier 



;. 39, vielfach um den Rumpf, den Hals oder die 
Extremitäten des Kindes umschlungen, so kann 
sie nicht vorfallen, hegt sie aber zusammen- 
gerollt gleichsam in dem Neste zwischen oberen 
und unteren Extremitäten auf dem Bauche des 
Kindes, so fällt sie mit dem Fuße herab, ohne 
daß der Arzt etwas dazu tut oder es verhindern 
kann. 

Solange der Steiß noch im Becken der 
Mutter liegt, ist das Leben des Kindes nicht 
gefährdet Es ist nicht mehr Masse des Kindes 
in der Vagina und aus dem Ufenis heraus als 
bei Kopflage, wenn der Kopf völlig im Becken 
steht. Der Gasaustausch in der Placenta ist 
noch ungestört Wenn aber jetzt eine neue 
Wehe einsetzt, so wird der Rumpf des Kindes 
schnell geboren und das Kind, das zu zwei 
Dritteln den Uterus verlassen hat, bekommt 
nicht mehr genug Sauerstoff — es würde 
asphyktisch ersticken, falls es nicht schnell in 
die Lage versetzt würde, den zum Leben nötigen 
Sauerstoff durch die Atmungsorgane zu be- 
ziehen. Deshalb muß nun der Arzt zufassen 
und das Kind so schnell, als es unbeschadet 
der Weich teile der Mutter angeht, herausziehen. 

Bei Fußlagen ist sehr wichtig, wie sich 
der Mutlermund verhält Hat ihn die Blase 
genügend erweitert, ist die Auflockerung gut, 
handelt es sich, wie hier in der Regel, um 
eine Mehrgebärende, so gleitet nach dem Blasen- 
sprunge das Kind schnei! bis über den Steiß 
heraus. Ebenso wie bei der Steißlage dreht 
sich der Rücken des bis dahin spontan ge- 
borenen Kindes stets nach vom, 

B€i unvollkommener Fußlage, Fig. 41, 
steht die Hüfte des nach unten geschlagenen Fußes 
schräg, so daß der Steiß gleichsam zugespitzt 
die Vulva passiert Auch hier, sowohl bei Vor- 
fall des vorderen als des hinteren Fußes, gelangt 




Zwillinge, Drillinge elc. 



105 



der Rücken regelmäßig nach vorn. Nur mit dem Unterschied, dal) bei 
Vorfall des vorderen Fußes der Rücken sich in derselben Seite nach vorn 
dreht, während, wenn der hintere Fuß vorgefallen, der Rücken sich oft 
hinten herum nach der anderen Seite nach vorn dreht Bestand also 
anfangs eine erste unvollkommene Fußlage: Rücken links und Vorfall 
des hinteren, rechten Fußes, so dreht sich der Rücken häufiger am Pro- 
montorium vorbei nach vorn rechts, als nach vorn links. Der Rücken 
macht also einen weiteren Weg durch drei Quadranten. Doch hat auch 
hier der Arzt, der an dem Fuße oder den Füßen zieht, einen großen 
Einfluß auf die Drehungen. Dann verdeckt also die Hilfe des Arztes 
die natürliche Drehung. 

Wird der Kopf spontan geboren, d. h. allein durch Anstrengung der 
Bauchpresse ausgestoßen, so ist er mit dem Kinne sehr stark auf den 
Thorax des Kindes gepreßt. Zieht man aber, namentlich in der Wehen- 
pause, ohne Nachhilfe, resp. Druck von außen, so zieht man das Hinter- 
haupt herab und das Kinn verläßt die Brust. Davon weiteres bei der 
Extraktion. 



Die mehrfache Schwangerschaft. 

Bei ungefähr 100 Geburten kommen einmal Zwillinge, bei 8000 
einmal Drillinge und auf 400000 einmal Vierlinge vor. Fünflinge sind 
einigemal mit Sicherheit beobachtet, sie würden als doppelte Zwillings- 
oder Kombination von Zwillings- und DriLlingsschwangerschaft zu deuten 
sein. Über noch mehr Föten in einem Uterus liegen Berichte zwar in 
der alten Literatur, aber nicht in der neueren amtlichen Statistik vor. Im 
allgemeinen scheinen die mehrfachen Geburten von Westen nach Osten 
in Europa zuzunehmen, so daß also in England relativ am wenigsten, in 
Rußland die meisten mehrfachen Geburten beobachtet werden. Über- 
wiegend betreffen sie junge Mütter bis zu 30 Jahren. In weiblicher 
Linie sind Zwillingsgeburten so auffallend häufig erblich, daß man diese 
Tatsachen diagnostisch verwertet 

Es kann ein Ei einen doppelten Keim besitzen, es können zwei Eier 
aus einem Graafschen Follikel stammen, oder es können zwei Eier, aus 
zwei Follikeln herrührend, befruchtet werden. Daß das erste das seltenere 
ist, beweist der Umstand, daß Zwillinge häufiger zwei Geschlechter als 
ein Geschlecht haben. Denn zwei Keime in einem Ei haben ein Ge- 
schlecht Alle Doppelmißbildungen also sind eingeschlechtig. Am 
häufigsten ist ein Knabe und ein Mädchen, ca. 40 %. Gemäß der Über- 
zahl der männlichen Geburten folgen dann zwei Knaben, 31 '%, und 
danach zwei Mädchen, 2g %. Bei Drilhngen fanden sich am häufigsten 




io6 



Achtes Kapitel. 



L 



zwei Knaben und ein Mädchen, 28 "/(,, ein Knabe und zwei Mädchen 
25 "/oi drei Knaben 24 % und drei Mädchen 23 "/i,. 

Zwillinge können völlig getrennte Placenten haben, so daß nach der 
Geburt eines Kindes die dazu gehörige Placenta, dann nach dem 
zweiten Blasensprung das zweite Kind und danach die zweite Placenia 
geboren wird. 

In diesem Falle, namentlich wenn die Fruchtbiasc des zweiten Kindes 
nach der Geburt des ersten zunächst nicht platzt, löst sich die Placenta 
dieses Kindes ohne neue kräftige Wehen nicht ab, das Kind bezieht noch 
genügend Sauerstoff von der Mutter und kann also Stunden, ja Tage lang 
noch am Leben bleiben. 

Ungleich häufiger aber verwachsen bei der Flächenausdehnung der 
Placenten die beiden Placenten, so daß ihre Gefäße Anastomosen ein- 
gehen. Die Placenten können nur mit einem Segmente oder auch so 
vollständig verwachsen ineinander übergehen, daß eine runde Scheibe, 
ohne Trennungsturche zwischen beiden Placenten auf der uterinen Fläche, 
zu sehen ist. Es hängt dies von der zufällig entfernteren oder näheren 
Insertion beider Eier im Uterus ab. 

Die Eihäute verhalten sich folgendermaßen: Die Decidua vera ist 
einfach, die Basalis (Serotina) entspricht jeder Placenta, die Capsu- 
laris Reflexa ist zwar doppelt, die beiden Reflexen lassen sich aber 
da, wo die Eihäute des einen die des anderen Zwillings berühren, nie- 
mals als zwei getrennte Häute makroskopisch oder mikroskopisch nach- 
weisen. Chorion und Amnion, als fötale Gebilde, sind doppelt 
Zerlegt man also durch Auseinanderziehen die Zwischenhaut zwischen 
den zwei Fruchtsäcken, so findet man vier deutlich zu trennende Häute; 
Amnion, Chorion, Chorion, Amnion. Zwischen den zwei Chorion un- 
regelmäßige Rauhigkeiten: die Reste der Reflexen. Findet man zwei 
Amnien, aber nur ein Chorion, so handelt es sich um eineiige Föten. 
Ist nur ein Amnion vorhanden, so ist dies ein pathologischer Zustand: 
das Amnion fehlt entweder als Entwicklungsfehler, oder ist zu Grunde 
gegangen. Dies ist bei Doppelmißbildungen der Fall. 

Liegen zwei Kinder in einem Amnionsacke, so können bei passiven 
oder aktiven Bewegungen die Kinder in ihre Nabelschnur Knoten 
schürzen, oder durch Schlingen, die sich festziehen, hindurchschiüpfen. 
Dann werden die Nabeischnurgefäße unwegsam, zusammengedrückt, die 
Kinder erwürgen sich und sterben ab. Bei abgestorben ausgestoßenen 
Zwillingen hat man wiederholt langgezerrte , vielfach geknotete, um- 
schlungene dünne Nabelschnuren gefunden. Der Tod der Föten mußte 
auf das durch die Knolung bewirkte Abschneiden des Sauerstoffs und 
Emährungsmaterials bezogen werden. 



Zwillinge. 

Die Nabelschnüre inserieren sich seifen ganz zentral in den Pla- 
centen. Oft rücken die Insertionen dicht neben die Zwischenwand, oft 
auch ist die Insertion eine randständige oder eine velamentöse. Sind 
die Placenten verwachsen, so etabliert sich außer dem von jedem Herzen 
eines Zwillings bewegten Blutkreislauf in der zugehörigen Placenia ein 
dritter Blutkreislauf in den Anastomosen. 

Fast niemals sind die Zwillinge völlig gleich groß. Meist ist das 
eine Kind schwerer als das andere, ohne daß deshalb die Prognose für 
das kleinere Kind eine schlechtere wird. Das kräftigere Kind hat auch 
ein kräftigeres Herz und wird also in dem Zwischengebiet, dem der 
Anastomose, im intrauterinen Kampfe ums Dasein siegen. Dies hat 
schädliche Folgen für das eine Kind. Es kann sich der Kreislauf so 
ändern, daß der eine Fötus durch Umkehr des Kreislautes gleichsam ein 
Appendix des ersten wird, daß der zweite Fötus nicht mehr arterielles 
Blut erhält, sondern nur das venöse, zur Placenta fließende, des ersten. 

Dann verkümmert die Fruchtanlage, das Herz bildet sich nicht aus 
oder die Anlage verschwindet. Der Fötus wird zu einer Mißbildung: 
einem Acardiacus (vgl. unten). 

Oder der eine schwache Fötus wird im wahrsten Sinne des Wortes 
an die Wand gedrückt, so daß er sowohl -wie seine Placenta verkümmert. 
Der Fötus wird so komprimiert, daß nur das Skelett von Haut über- 
zogen zurückbleibt, die Placenta wird weißlich hart, blutleer. Den platt- 
gedrückten Fötus nennt man, weil er wie aus Pappe geschnitten aussieht: 
Foetus papyraceus oder Foetus compressus. Der kleinste derartige 
Fötus war 2'/j cm lang, der größte stammte aus dem 6. Monat. Meist 
handelt es sich um Föten ungefähr aus der Mitte der Schwangerschaft 

Eine große praktische Bedeutung haben die Foetus papyracei nicht. 
Ein Geburtshindernis geben sie nicht ab. Ich sah die Ausstoßung bald 
nach Eröffnung des Muttermundes bei einer Erstgebärenden, deren großes 
lebendes Kind ich gefühlt halte. Ich war sehr erstaunt, als mir der Ehe- 
mann den Fötus brachte mit der Weisung, ich brauchte nicht wieder- 
zukommen, die Geburt sei vorüber. Nach einigen Stunden wurde das 
große Kind geboren, und am Rande der Placenta befand sich eine läng- 
liche Cyste: der Fruchtsack des Foetus papyraceus. In anderen Fällen 
befand sich der Fötus in einer Cyste der großen Placenta. Auch ist 
mehrfach berichtet, daß Stunden, ja Tage nach der Geburt eines lebenden 
Kindes, ein Foetus papyraceus nebst seiner Placenta abging. Die Placenta 
des Foetus papyraceus wird mitunter viel größer gefunden, als sie nach 
dem Alter des zugehörigen Fötus sein konnte. Dann muß man annehmen, 
daß auch nach dem Tode des Kindes, vielleicht unter Mithilfe des ein- 



H 



I 



loS Achtes Kapjlel. 

geschalteten Zwischenkreistaufes die Placenta des abgestorbenen Kindes 
noch eine Zeit lang weiterwuchs. 

Die oben erwähnte Tatsache, daß Zwillinge kaum jemals gleich 
schwer sind, ja daß sehr erhebliche Differenzen bis zu dem Verhältnis 
1 :3 betreffs des Gewichts vorkommen, ließ die alten Autoren die sog. 
Überfruchtung, Superfoet atio annehmen. D. h. man glaubte, dall 
durch eine Menstruation getrennte Begattungsakte zwei aus verschiedenen 
Ovuiationsperioden stammende Ovula von demselben Mann, oder so- 
gar von verschiedenen Männern befruchtet wären. Diese Anschauung ist 
bei dem heutigen Stande der Wissenschaft abzulehnen. Erstens weil als 
feststehendes Gesetz gilt, daß in der Schwangerschaft eine Ovulalion nicht 
mehr stattfindet, und zweitens weil schon im Beginne der Schwanger- 
schaft die Uierusschleimhauf so zur Decidua vera anschwillt, daß der 
Weg durch die Ulerushöhle in die Tube verlegt ist. 

Daß die Placenta des zweiten kleinen Kindes und das Kind selbst 
oft keine bedeutenden regressiven Veränderungen eingeht und „frisch" 
erscheint, ließ die Annahme der Superfoetalio oft richtig erscheinen. 
Doch muß man bedenken, daß die Placenta weiter wachsen kann, und 
daß die im Fruchtwasser liegende Frucht sich nur langsam verändert 
Selbst die Annahme, daß in einem doppelten Uterus in der einen Seite 
die Spermalozoiden eindringen können, beweist nichts, denn selbst bei 
Extrauteringravidität findet die deciduale Veränderung der Uterusschleim- 
haut statt, und bei Schwangerschaft in einem Home wird auch aus dem 
anderen eine Decidua gebildet und ausgestoßen. Vor allem aber feWt 
zu der Gravidität die Ovulation. 

Dagegen muß man es für möglich erklären, daß z. B. während einer 
Ovulation zwei Eier an verschiedenen Tagen, ja durch verschiedene 
Männer befruchtet werden. Dies, die Überschwängerung, Super- 
foecundatio wird zuzugeben sein, obwohl sie sich nicht beweisen läßt 
Selbst dann, wenn z. B. eine Negerin ein schwarzes und ein weißes Kind 
geboren hätte, ist noch nicht bewiesen, daß jeder Zwilling seinen eigenen 
Vater hätte, weil ja auch bei Tieren, z. B. Hunden, die Föten von einem 
männlichen Tiere stammend, die differenten Typen des Muttertieres und 
des Vatertieres zeigen. 

Im Volke betrachtet man Zwillinge eher als ein Unglück, denn als 
ein Glück. Das gleiche Vergnügen und die doppelte Last! Es ist leichter 
ein kräftiges Kind als zwei schwächliche groß zu ziehen. Den 
Anforderungen an die Mutterbrust kann nur eine außerordentlich kräftige 
Frau genügen. Andererseits ist der Volksglaube, daß Zwillinge Schwäch- 
linge, unfruchtbare Männer, sterile oder schwer gebärende Frauen würden, 
ganz falsch. Wenn nur die Ernährung genügend ist, so holt ein Kind 



ZwiUrngf 

außerhalb des Uterus das bald nach, was ihm innerhalb des Uterus fehlte! 
Auch das Becken bildet sich ganz normal aus, wenn nur die ganze Aus- 
bildung des Körpers im allgemeinen eine gute ist. 

Für die JVlutter ist die Prognose deshalb schiechter, weil die über- 
dehnten Bauchdecken dauernd schlaff bleiben, namentlich wenn bei armen 
Frauen Schonung im Wochenbett unmöglich ist. Auch treten bei der 
großen Uterus- und den großen Placentarf lachen Nachblutungen leicht ein. 
Rechnet man noch dazu unregelmäßige Kindslagen, z. B. Querlage des 
zweiten Zwillings, die einen geburtshilflichen Eingriff notwendig machen, 
so ist klar, daß die Prognose nicht so gut sein kann, als bei ein- 
fachen Geburten. 

Die Diagnose würde dann häufiger gestellt werden, wenn der Ge- 
burtshelfer überhaupt stets an Zwillinge dächte. Ist dies der Fall — 
ein auffallender großer Leibesumfang wird stets den Verdacht erregen — 
so ist die Diagnose nicht schwer. Übrigens hat die Diagnose eigendich 
wenig praktische Bedeutung. Es ist nur dem Arzte unangenehnl, wenn 
er selbst durch Zwillinge überrascht wird, ohne vorher auf die Möglich- 
keit aufmerksam gemacht zu haben. Wichtig wird die Diagnose für die 
Behandlung erst nach der Geburt des einen Kindes. Dann aber ist ein 
Irrtum — wenn auch oft genug vorgekommen — bei einiger Aufmerk- 
samkeit nicht möglich. 

[n der Schwangerschaft diagnostiziert man Zwillinge dadurch, daß 
man zwei Köpfe fühlt, z. B. einen im Fundus und einen vorliegend. 
Dann sucht man, ob man nicht zwei weit voneinander getrennte Centren 
lauter Herztöne bei der Auskultation findet, von denen aus entfernt sie 
leiser werden oder ganz verschwinden. Intelligente Mehrgeschwängerte 
führen oft den A zt selb t auf die Diagnose, weil ihnen der Leibesumfang 
auffallend groß ersehe nt und weil sie statt nur auf einer Seite stets überall 
lebhafte Kindesbewegungen f hien. 

Ein sehr gute d agno t sches Merkmal, das auch wiederholt Zwillinge 
in der letzten Zeit der Seh« angerschaft fintlen ließ, ist das Offenstehen des 
Muttermundes, ohne daß die Geburt im Gange ist So fühlt man z. B. 
einen zweimarkstückgroßen Muttermund, möchte deshalb annehmen, daß 
die Geburt schon begonnen hat, findet aber dasselbe wieder nach 8 Tagen, 
ohne daß Wehen vorhanden waren. Der Befund ist so zu deuten, daß 
die zwei Kinder mehr Raum beanspruchen, als ein Kind, daß der Uterus 
deshalb überdehnt und der Muttermund auseinander gezerrt ist. Diese 
Überdehnung veranlaßt auch oft den vorzeitigen Eintritt der Geburt 

Hat die Geburt begonnen und fühlt man einen Kopf oder fühlt 
und sieht man eine Extremität, so erkennt der Geburtshelfer aus der ge- 
ringen Größe, verglichen mit der Größe des Uterus, daß er bei diesem 



Mißverhältnis Zwillinge annehmen muli. Dagegen ist die Annahme, man 
könne äußerlich untersuchend die Kinder isoliert bewegen, nicht richtig, 
Verschiebt man das eine Kind vom Fundus oder das andere von der 
Vagina aus, so teilen sich diese Bewegungen dem anderen Kinde mit, 
oder man kann wenigstens nicht deutlich isolierte Bewegungen erzielen. 

Unbedingt notwendig ist die Diagnose nach der Gehurt des einen 
Zwillings; schon aus der Kleinheit des geborenen wird sofort klar, daß 
es sich um Zwillinge handelt. Die kombinierte Untersuchung, bei der 
die innere Hand leicht durch den erweiterten Mutiermund eindringt, 
während die äußere das Kind entgegendrückt, beseitigt schnell jeden 
Zweifel, z. B. bei Tumoren im Uterus oder in der Nachbarschaft des 
Uterus. Nur ganz fahrlässige Ärzte oder Hebammen übersehen den 
zweiten Zwilling. Daß es aber vorkommt, ist bekannt. Es gibt eine 
ganze Reihe von Fällen, wo der Arzt nach der Geburt eines Zwillings 
mit einer Placenta die Kreißende verließ, und ein anderer, z. B. wegen 
Nachblutung oder wieder eintretender Wehen gerufen, den zweiten Zwil- 
ling erkannte. Interessant ist, daß der zweite Zwilling noch tagelarg 
leben kann. Es sind zweite Zwillinge noch 3 Tage nach Geburt des 
ersten lebend geboren worden. 

Die Zwillinge liegen im Uterus schräg nebeneinander. Ist der eine 
geboren, so schieben die Wehen den anderen mit einem Ende des Körpers 
in den Gebärkanal hinein. Dies ist aber nicht immer der Fall. Oft auch 
liegt der zweite Zwilling quer über dem anderen und stellt sich zur Ge- 
burt in Querlage. Die Zwillinge liegen in circa 52 "/o beide in Koptlage, 
zu 2S "/o eine Kopf-, eine Beckenwandiage, zu g "/n beide in Bedten- 
wandlage, zu 6 % eine Kopf- und eine Querlage, in 3 \ eine Becken- 
wand- und eine Querlage. Sehr selten sind zwei Querlagen. Ich habe 
diese Lage nur zweimal in 30 Jahren beobachtet. Ich ergriff einmal zu- 
fällig zwei Füße zweier Kinder und erst nach einigem erfolglosem Ziehen 
erkannte ich, daß ich zwei rechte Füße in der Hand hatte. 

Liegt das erste Kind in zweiter Lage mit dem Rücken hinten, so 
wird es oft in dieser — Vorderhauptslage — geboren, weil das zweite 
Kind eine Drehung des ersten hindert, und weil das Becken relativ zu weit, 
den kleinen Kopf unbeeinflußt in jeder beliebigen Lage durchtreten läßt 

Die Querlage des zweiten Zwillings ist leicht zu erklären. Ist der 
Geburtskanal vom ersten Zwilling besetzt, so muß der zweite schräg oder 
quer liegen. Er bleibt in dieser Lage, wenn dem Uterus nicht Zeit ge- 
lassen wird, sich zu kontrahieren und das Kind gerade zu richten. 

Daß übrigens wegen Überdehnung des Uterus die Wehen regel- 
mäßig schlecht und deshalb Nachblutungen sehr häufig wären, kann ich 
nicht bestätigen. Ich sah doch recht viel Zwillingsgeburten, die ohne 




Zwillinge. 



Störung nach dieser Richtung hin ganz günstig verÜefen. Indessen war 
wohl auch die Aufmerlcsamkeit auf diese Störung und die "gute Über- 
wachung des Uterus von Erfolg. 

Meist werden zuerst beide Zwillinge und dann die gesamte oder die 
getrennte Nachgeburt geboren. Daß eine Placenta vor Geburt des zweiten 
Zwillings abgeht, ist eine Seltenheit. Dagegen stellt sich oft die zweite 
Blase erst nach Geburt des ersten Zwillings. 

Geburtshilfliche Operationen bei Zwillingen sind leicht auszu- 
führen und geben deshalb eine gute Prognose. Die Zange ist leicht 
wegen des kleinen Kopfes und die Wendung des zweiten Zwillings 
wegen der guten Vorbereitung der Qeburtswege durch die Geburt des 
ersten. Es ist kaum jemals nötig, die ganze Hand zur Wendung des 
zweiten Zwillings in die Gebärmutter einzuführen. Gelingt es nicht 
wegen dicker Bauchdecken oder Widerstrebens der Kreißenden den 
zweiten Zwilling durch äußeren Handgriff auf den Kopf zu wenden, so 
legt man die halbe Hand in den Muttermund auf die Lauer und drückt 
sich das Beckenende des Kindes herab. Man erfaßt dann leicht einen 
oder beide Füße und entwickelt das kleine Kind bei den weiten Geburts- 
wegen leicht und schnell. 

Ich gebe nach Zwiliingsgeburten unmittelbar nach der Geburt des 
zweiten Kindes Seeale cornutum, um auf die Verkleinerung des großen 
Uterus einzuwirken. 

Man hat auch theoretisch darüber gestritten, ob es nötig sei, den 
zweiten Zwilling sofort nach dem ersten zu entwickeln, oder ob es ge- 
raten ist, abzuwarten. Das erstere halte ich für richtig, da der zweite 
Zwilling leicht abstirbt, wenn sich seine Placenta löst. Ob dies aber der 
Fall ist oder nicht, kann man nicht wissen. Das Abwarten wurde em- 
pfohlen, weil man fürchtete, daß der zu schnell verkleinerte Uterus sich 
nicht fest kontrahieren, also nachbluten würde. In der Praxis ist es ge- 
wiß empfehlenswert, die Geburt schnell zu beenden. Wie schon oben 
gesagt, ist die Furcht vor Nachblutungen nicht gerechtfertigt. 




112 



Neuntes Kapitel. 

Die Untersuchung bei der Geburt. 

Mag der Arzt die Leitung einer Geburt übernehmen, wenn sie 
begonnen hat, oder mag er schon in der Schwangerschaft gerufen werden, 
um den Zustand einer Schwangeren, bei der er später die Geburt leiten 
soll, ärztlich zu begutachten, so ist stets eine genaue Untersuchung des 
ganzen Körpers und speziell der Geburtsorgane notwendig. 

Eine Schwangere beim Beginn der Geburt oder eine Gebärende 
wird untersucht, um festzustellen: 

1. ob die Frau gesund ist? 

2. ob Schwangerschaft vorliegt: Diagnose der Schwanger- 
schaft; 

3. bis zu welchem Zeitpunkte die Schwangerschaft vor- 
geschritten ist, resp. ob die Geburt begonnen hat und 
in welchem Stadium sie sich befindet: Diagnose des 
Stadiums der Geburt; 

4. ob die Kindslage eine normale ist: Diagnose der Kinds- 
lage; 

5. ob die Prognose gut ist: Diagnose der Beschaffenheit 
des Geburtsweges und des Lebens oder Todes des 
Kindes. 

Gerichtsärztlich oder in den Kliniken zur Übung der Lernenden 
wird noch festzustellen sein, ob die Schwangere eine Erst- oder Mehr- 
geschwängerte ist In der Praxis ist diese Frage durch die Aufnahme 
der Anamnese erledigt. 

Untersuchung des Allgemeinbefindens. 

Der Arzt, der eine Geburt zu leiten übernimmt, ladet sich dadurch 
eine große Verantwortung auf. Er hat deshalb die Pflicht, die Frau, die 
nicht nur ihr Leben, sondern auch das Leben ihres Kindes ihm anver- 
traut, ganz genau zu untersuchen. Er würde grob fahrlässig handeln, 
wenn er z. B., nachdem er die Frau schon in der Schwangerschaft ge- 
sehen hätte, von einem engen Becken, einem Herzfehler, einem Tumor 
oder Ahnlichem überrascht würde. Ebenso wäre es ein Fehler, nicht 
genau die Anamnese aufgenommen zu haben. Wäre z. B. erbliche Be- 
lastung oder eine schon dagewesene Psychose, Gonorrhoe oder Lues 
estgestellt, so hätte die Prophylaxe eine hohe Bedeutung. 



Anamnese bei Schvrangeren. 



Zunächst wird eine genaue Anamnese aufgenommen. Man sucht 
eine Verwandte der Frau oder den Ehemann nach allem auszufragen, 
was man die Frau selbst nicht fragen möcfite. Selbstverständlich verfährt 
man nicht in beschränkt-schemalischer Weise. Ist die Frau kräftig, schön 
gewachsen, ein Bild frischer, jugendlicher Gesundheit, so wird man nicht 
in genauester Weise nach überstandener Rhachitis zu forschen haben. 
Aber existiert auch nur der geringste Verdacht auf schlechte Beckenver- 
hältnisse, so fragt man, wann die Frau als Kind laufen lernte, welche 
Kinderkrankheiten durchgemacht sind. Namentlich schwerer Scharlach 
mit sich anschließender Nephritis ist wichtig, weil die Nieren zu erneuter 
Erkrankung dann vielleicht disponiert sind. 

Verkrümmungen der Wirbelsäule werden durch eine geschickte 
Schneiderin so verdeckt, daß man oft erstaunt ist, am entblößten Körper 
starke Veränderungen zu finden, die man bei der bekleideten Frau gar 
nicht vermutet hätte. Ebenso wirft man auf die Füße beim Gehen der 
Frau einen Bück, ob die Frau nicht hinkt oder ob nicht ein zu kurzer 
Fuß existiert, den eine hohe Sohle verdeckt. 

Herz und Lungen sind zu untersuclien. Selbst, wenn man auf den 
ersten Bück alles Pathologische ausschließen möchte, ist trotzdessen eine 
Untersuchung notwendig. Ein Kollege von mir verlor die Frau unmittel- 
bar post partum an Kollaps. Die Sektion zeigte eine bedeutende Mitralis- 
insuffizienz. Sie hatte so wenig spezifische Beschwerden gemacht, daß 
der Ehemann als Arzt niemals Veranlassung gehabt hatte, einen Herz- 
fehler zu vermuten. 

Ebenso kann bei ganz gutem Fetlpolster Phthise bestehen. Es ist 
deshalb auch die Lunge zu untersuchen. Sind Sputa vorhanden, so 
fahndet man auf Tuberkelbazillen. Danach muli der Zustand des 
Mundes und der Zähne betrachtet werden. Eine Schwangere sucht 
gern — vielleicht auf Veranlassung eines törichten Ehemannes — Lues 
zu verheimlichen. Findet man deshalb kahle Steilen am Kopfe, eine 
Angina mit oder ohne Plaques, Einrisse im Mundwinkel, geschwollenes 
Zahnfleisch, das auf überstandene Quecksilberkuren deutet, so ist die 
Fixierung der Diagnose unbedingt notwendig. Sowohl im Interesse der 
Mutter als des Kindes. Vor allem auch im Interesse des Arztes, der sich 
vor Infektion schützen will. 

Danach fragt man nach allen Symptomen, die in der Schwanger- 
schaft vorhanden waren, und untersucht die Beine, resp. Fußwurzeln nach 
Ödem, Varicen, Qeschwürsbildung etc. In jedem Falle untersucht man 
zwei- bis dreimal in Zwischenräumen von einigen Tagen den Urin. Hat 
er Spuren von Eiweiß, so ist auch die mikroskopische Untersuchung 
notwendig. 



i 



114 Neuntes Kapitel. 

Ergiebt die Anamnese, dali Fluor vorhanden, • 
den Symptomen der akuten Gonorrhoe. Fehlen diese auch, so ist es 
doch möglich, daß Gonorrhoe besieht. Dann führt man ein recht kleines 
gläsernes Röhretispekuluni, an dem man die Farbe des Fluors am besten 
erkennt, in die Vagina ein und untersucht danach mikroskopisch den 
anhaftenden Schleim. 

Die Anamnese hat sich auch auf die Charaktereigentümlichkeiten der 
Frau zu erstrecken. Danach fragt man die Angehörigen oder den Ehe- 
mann. Hört man, daß die Frau trübe Gedanken hat und an melancholi- 
schen Anwandlungen leidet, so wird man sein Benehmen und seine Rat- 
schläge ganz anders einrichten, als wenn der Ehemann berichtet, daß die 
Frau sich absolut nicht schone, jedem Vergnügen nachjage und die 
Schwangerschat^ ignoriere. Die durch solche Erkundigungen erst er- 
möghchte richtige psychische Behandlung der Schwangeren und Gebären- 
den ist außerordentlich wichtig. 

In vorsichtiger und geschickter Weise fragt man den Ehemann nach 
seiner Gesundheit Man macht darauf aufmerksam, daß es leicht verhüt- 
bare, aber doch enorm gefährliche Krankheiten des Neugeborenen gibt 
So informiert man ihn über die gonorrhoische Infektion des kindhchen 
Auges, über die gute Prognose der Lues neonati bei zeitiger Behand- 
ung u. s.w. Daß dies alles in taktvoller Weise zu geschehen hat, ist klar, aber 
wenn man bedenkt, welch enorm wichtige Fingerzeige für die richtige Be- 
handlung der Arzt aus diesen Daten erhält, wie der Ehemann, der die Wahr- 
heit sagt, in der Lage ist, seiner Frau und sich viele Nof und Sorge zu ersparen, 
so muß doch die Notwendigkeit genauester Anamnese anerkannt werden. 

Haben schon Geburten stattgefunden, so muß der Veriauf festgestellt 
werden. Hier ist wiederum vieles schematische Fragen überflüssig, 
wenn gesunde Kinder vorhanden sind. Aber es ist z. B. wichtig zu 
erfahren, ob die Nachgeburtsperioden gut verliefen, denn Piacentarver- 
wachsungen mit dem Uterus wiederholen sich oft. 

Um auch gleich zu entscheiden, ob das Selbststillen möglich ist, 
wird man sich Brüste und Brustwarzen besehen. 

Waren die Geburten stets leicht und glücklich, so hat es wenig Sinn, 
die Gebärende mit der Beckenmessung zu belästigen. Dagegen ist sie 
unbedingt notwendig bei einer Erstgebärenden, sei es, daß man schon in 
der Schwangerschaft als Geburtshelfer angenommen wird, oder daß man 
zur Kreißenden gerufen wird. Bei der Mehrgebärenden ist die Becken- 
messung notwendig, wenn man irgendwie Verdacht auf ein enges 
Becken hat — z. B. bei starkem Hängebauch, bei kleiner Körperfigur 
oder bei der Angabe, daß die vorhergehende Geburt oder die früheren 
Geburten schwierig waren. 



Diagnose der Kindeslagen. 



115 



Bei der Übernahme der Geburl ist die Temperatur zu messen. 
Dies ist namentlich dann wichtig, wenn man nach längerer Dauer der 
Wehen zur Beendigung der Geburt gerufen ist. Besteht auch nur eine 
Temperatur von 37,8 oder 37,9, so ist dies verdächtig. Man mißt dann 
alle Stunden aufs neue und entnimmt aus langsam sich erhöhender 
Temperatur eine Indikation, die Geburt zu beenden, wenn es der Stand 
der Geburt erlaubt. Man kann nicht wissen, ob nicht das ansteigende 
Fieber der Beginn schwerer Infektion ist. Dann aber ist der Ort der 
Infektion die Innenfläche des Geburtsschlauches. Und dieser ist erst zu 
reinigen und zu desinfizieren, wenn er leer ist. 



Diagnose der Kindeslagen. 

Nunmehr schreitet man zur Untersuchung des Leibes. Man empfiehlt 
der Schwängern oder Gebärenden sich zu dem Zwecke entkleidet in das 
Bett zu legen. Erstens ist dabei die Decenz am besten gewahrt, und 
zweitens kann nur so die Untersuchung eine vollständige sein. d. h. man 
kann nur so die Wirbelsäule, den Thorax, die Beine etc. und den ganzen 
Körper untersuchen. 

Die Diagnose der Schwangerschaft ist bei einer Hochschwangem 
oder Gebärenden sehr leicht. Aber die Tatsache, daß doch Irrtümer vor- 
kamen und vorkommen, beweist die Möghchkeit einer falschen Diagnose. 
Wenn ohne Voreingenommenheit, systematisch, nach den Regeln der Kunst 
untersucht wird, ist am Ende der Schwangerschaft ein Irrtum mit abso- 
luter Sicherheit auszuschließen. 

Die Schwangere muß im Bett liegen, nur mit dem Hemd bekleidet 
Der Leib wird von dem Rippenbogen bis an die Schamhaare entblößt 
Pedantisch in ganz bestimmter Reihenfolge untersucht man durch In- 
spjektion, Palpation und Auskultation. Die Perkussion gibt selten Auf- 
schlüsse und ist nur bei der differentiell en Diagnose von Wert Striae, 
Pigmentierungen in der Linea alba und des Warzenhofes, Form und Größe 
des Leibes werden beachtet. 

Das wichtigste ist die Palpation. Drei Griffe sind nötig. 
Nicht mehr und nicht weniger. Man setzt sich auf einen Stuhl ans 
Bett oder auf den Bettrand. Beide Hände, Daumen nach vorn, Finger- 
spitzen der Mittelfinger beider Hände unmittelbar aneinander, legt man oben 
auf den Uterus (Fig. 42). Die Hände liegen vollkommen dem Leib an, nicht 
hohl. Mit der ganzen Voiarfläche von den Fingerspitzen bis zum Ballen 
fühlt man den Uterus. Der Ulnarrand wird möglichst weit nach hinten 
in die Tiefe geschoben. Man hebt den Ulnarrand hinten etwas nach 
oben, um den Rippenbogen zu fühlen und um festzustellen, ob der 




n 



Neuntes Kapitel. 



härtere Inhalt des Bauches, der Uterus bis dicht an den Rippenbogen [1 
steht, oder wie weit er von ihm entfernt ist So grenzt man den härteren 
UtertJS gegen den weicheren Bauch ab und bestimmt die Höhe des 
Standes des Fundus uteri. 




Bei dem zweiten Griffe (Fig.43) liegen beide Hände an den Seilen 
des Bauches wieder so dicht auf der Unterlage, daß man die ganze Volar- 
fläche fühlen kann. Beim Drucke nach der Mitte zu fühlt man, ob rechts 
oder links der Widerstand größer ist, ob sich rechts oder links die Hand 
tiefer drücken laßt. 

Der Reihe nach drückt man abwechselnd in die Tiefe mit der oberen 
Hälfte der Hand, den Fingern, mit dem Ballen derselben Hand, ebenso 
mit der anderen Hand. Man sucht sich in dieser Art abwechselnd, den 
Uterusinhalt — das Kind — hin und her schiebend, mit einer Hand 
der anderen entgegenzudrücken. Macht man dies mehrmals in ver- 
schiedener Weise, so fühlt man auch dann kleine Teile und den großen 
Teil, wenn dies zu Anfang nicht der Fall war. Die kleinen Teile stoßen 
irgendwo an den Handteller oder die Finger an. Danach ist auf der 
anderen Seite der große Teil sofort zu fühlen. 

Ist man nicht bald im klaren, so drücken die konisch zusammen- J 
gelegten Fingerspitzen der einen Hand in der Mitte der Seite sich raög- 




Äufierc Untersuchung, 117 

liehst lief ein, drängen also z. B. auf der Bauchseite des Kindes liegend, 
den Rücken des Kindes der anderen Hand entgegen. Wendet man diesen 
Griff abwechselnd rechts und hnks an, so wird man sicher den Rücken 
fühlen, resp. auf der anderen Seite beim tiefen Druck das Fehlen des 
Rückens wahrnehmen. Kommt eine Wehe bei reizbarem Uterus, so wartet 
man etwas und untersucht weiter, sobald der Uterus wieder schlaff ge- 
worden ist. Fühlt man die kleinen Teile auf der einen Seite, so muß 




der große Teil — Steiß oder Kopf auf der anderen Seile liegen. Man 
tastet diesen großen Teil ab und sucht ihn zu bewegen. Der Steiß ist 
kleiner, scheinbar weniger beweglich als der harte, runde, leicht beweg- 
liche Kopf. 

Beim dritten Griffe (Fig. 44) sucht man über dem Becken den Kopf 
auf. Dazu erhebt man sich und steüt sich mit dem Rücken gegen das Ge- 
sicht der Frau. Nachdem man die Lokalität durch Nachfühlen nach den 
Spinis anter. und der Symphyse bestimmt hat, schiebt man rechts und 




Neuntes Kapitel. 

links in einer Distance von ungefähr 15 cm die krallenartig gebogenen 
Fingerspitzen so nach unten, als ob man gerade nach den Enden des 
Querdurchmessers des Beckeneinganges hindrücken wollte. Fühlt man 
eine Härte, so bringt man an sie die Fingerspitzen beider Hände. Man 
schiebt mit beiden Händen gleichzeitig und gleichartig drückend, den 
gesamten Kindesleil hin und her. Aus der Größe imd Härte ist sofort 
der Kopf zu erkennen, ja wer geübt ist, wird sich ein Urteil über die 
Größe des Kopfes leicht bilden. Ebenso ist aus dem geringeren Um- 
fange und der Weichheit des gefühlten vorliegenden Kindesteiles der 
Steiß 2u diagnostizieren. 




Es gibt noch zwei Methoden, den Kopf zu fühlen, die in leichten 
Fällen von Erfahrenen geübt werden, die aber nicht so sicher sind. Es 
ist dies ein schneller elastischer, das Fruchtwasser wegdrängender, tiefer 
Druck dicht oberhalb der Symphyse nach hinten zu in der Richtung der 
Conjugata. Die charakteristische Härte des Kopfes läßt dabei die Diagnose 
der Kopflage stellen. Oder man faßt, sitzen bleibend, nach dem z«-eiteii 
Griffe mit gespreizter Hand, auf einer Seite den Daumen, auf der anderen 
die vier Finger, dicht über der Symphyse so fest, daß man den Kopf 
zwischen die gespreizte Hand bekommt. Dieser Griff ist nicht so gut 
als der udritte Griff", weil der Ungeübte leicht am Kopfe vorbei drückt 
und weil, falls der Kopf schon im Becken steht, der Kopf überhaupt 
nicht gefaßt wird. 




Die Auskultation. 



iU) 



Da auch in der Schwangerschaft das Hinterhaupt tiefer steht, ist der 
Kopf auf seiner Stirnseite leichter zu fühlen. Sie ragt mehr hervor. 
Demnach ist bei erster Lage rechts, bei zweiter links die Härte des 
Kopfes deutlicher. Dies ist auch der Fall, wenn der Kopf schon im 
Becken steht. 

Bei der Primipara steht oft der Kopf zum gröfiten Teile schon 
im Becken. Dann erscheint der Uterus, namentlich bei straffen Bauch- 
decken und wenig Fruchtwasser, auffallend klein. Man fühlt aber doch 
tief nach dem Ende des Querdurchmessers des Beckeneingangs ein- 
drückend den Kopf, besonders deutlich auf der Bauchseite des Kindes. 

Alles überflüssige Herumtasten auf dem Leibe hat keinen Zweck, ist 
nur der Schwangeren unangenehm und verwirrt das Resultat der Unter- 
suchung. Mit den beschriebenen drei Griffen stellt man die Diagnose 
in einem Bruchteile der Zeil, die zur Beschreibung notwendig ist. 



Die Auskultation. 

Die Auskultation kann bei der Untersuchung einer Schwangeren 
dann unterbleiben, wenn man die Kindsbewegungen an den kleinen 
Teilen deutlich wahrnahm. Denn ein Kind, das zappelt, lebt. Die 
Auskultation ist aber von dem Lernenden sorgfältig zu üben, damit er 
als Arzt später gut und sicher auskultieren kann. Da, wo man den 
Rücken fand, wird das Ohr angelegt. Man schiebt, mit der einen Hand 
auf der Bauchseite des Kindes drückend, den Rücken dicht an die 
andere Uteruswand und diese an die Bauchwand, so daß der Rücken 
nach Verdrängung des Fruchtwassers möglichst nahe an die Bauchwand 
gelangt. Das Ohr wird angelegt und drückt sich tief ein, dem Rücken 
entgegen. Sobald man die kindlichen Herztöne wahrnimmt, ergreift die 
andere Hand den Puls der Mutter und vergleicht nun den kindlichen 
mit dem mütterlichen Herzschlage. Dies ist notwendig, um sich vor 
Verwechslungen zu hüten. Denn der Bauchinhalt leitet auch den mütter- 
lichen Puls, so daß also z. B. bei hohem Fieber und schnellem mütter- 
lichem Pulse Verwechslungen möglich sind. Man könnte glauben, das 
Kind lebe noch und deshalb in der Therapie Fehler machen. 

Das Stethoskop hat den Zweck, die einzelnen Klappentöne zu 
isolieren. Da bei der Auskultation des kindlichen Herzens davon nicht 
die Rede ist und da man um so besser hört, je näher das Ohr der 
Quelle des Geräusches sich befindet, so hört man besser mit dem bloßen 
Ohre. Höchstens bei einer mit Ungeziefer bedeckten, unsauberen 
Schwangeren oder bei sehr empfindlicher und überdecenter Frau muß 
man das Hörrohr gebrauchen. Existieren aber Schwierigkeiten, will 




Neuntes Kapitel, 



man genau nachforschen, so ist die Auskultation ohne Hörrohr ganz 
entschieden vorzuziehen. 

Wäre man nicht über die Lage des Rüclicns orientiert, so müßte 
man sorgfältig am ganzen Unterleib herum auskultieren. Dann kann 
man eventueli umgekehrt die Lage des Rückens aus der Stelle diagnosti- 
zieren, wo die Herztöne am lautesten hörbar sind. Beckenende und Kopf- 
lagen sind aus der Stelle der Hi^rztöne nicht differentiell zu diagnostizieren. 

Wenn auch die Auskultation in der normalen Schwangerschaft 
wenigerWert hat, so ist doch ihre Bedeutung für die sichere Diagnose 
des Lebens oder des Todes des Kindes entscheidend. 

Vermutet man, daß das Kind tot ist, hat die Mutter Bewegungen 
nicht mehr gefühlt, kann auch der Arzt Kindsbewegungen nicht wahr- 
nehmen, so ist der Beweis des Lebens des Kindes nur durch die Aus- 
kultation möglich. Ebenso ist während der Geburt die Auskultation 
wichtig. Verlangsamung der kindlichen Herztöne, namentlich wenn sie 
vorher als normal konstatiert waren, beweist Lebensgefahr für das Kind, 
das völlige Fehlen den Tod des Kindes. 

Oft, namentlich wenn eine Frau das Unglück hatte, schon einmal 
ein totes Kind zur Welt gebracht zu haben, ist sie überaus ängstlich. 
Am Ende der Schwangerschaft bewegt sich bei wenig Fruchtwasser das 
Kind nicht mehr so lebhaft, weil der Raum zu beschränkt ist Haben 
sogar schon kräftige Wehen die Empfindlichkeit des Uterus abgestumpft, 
so nimmt die Gebärende Kindsbewegungen überhaupt nicht mehr wahr. 
Dann wird vom Arzte sowohl in der Schwangerschaft als in der Geburt 
eine bestimmte Diagnose verlangt, ob das Kind lebt oder tot ist 

Folgende Zeichen sind wichtig. Stirbt das Kind in der Schwanger- 
schaft ab, so hat die Frau stets einen Tag oder einige Tage Fieber, das 
sowohl subjektiv als Schüttelfrost, Frösteln und Übelbefinden empfunden, 
als auch objektiv mit dem Thermometer nachgewiesen wird. Klagt also 
spontan eine Schwangere über dieses Symptom, so ist der Verdacht 
gerechtfertigt, daß das Kind abgestorben ist Oft wird auch angegeben, 
daß das Kind sich kurze Zeit auffallend heftig und dann überhaupt nicht 
mehr bewegt hat 

Bei der Untersuchung ist der Leib weicher. Die Kindeslage läßt 
sich nicht genau erkennen. Die kleinen Teile, die einmal weggedrückt, 
bei lebendem Kinde meist ba!d wieder an derselben Stelle erscheinen, 
sind nicht oder nur undeutlich zu fühlen. Die Herztöne sind nicht zu 
hören. Ist man in der Schwangerschaft in Zweifel, so mißt man den 
Umfang des Bauches. Bei toten Kindern ist er nach 14 Tagen eher 
kleiner, nie aber größer, da bei totem Kinde die Vergrößerung fehlt und 
das Fruchtwasser weniger wird. Meist löst der Eintritt der Geburt alle 




Zweifel. Sie tritt nach dem Tode des Kindes in den nächsten zwei bis 
drei Wochen in der Regel ein. 

Ist das Kind längere Zeit abgestorben, so knattern oft die Kopfknochen, 
sowohl wenn man den Kopf oben im Leib äußerlich, als wenn man ihn 
vorliegend unten fühlt. Das abfließende Fruchtwasser ist mißfarbig, von 
dem in ihm gelösten Meconium. Die Kopfknochen sind stark verschieb- 
lich oder verschoben, so daß z. B. die Seitenwandbeine in der Pfeilnaht 
1 oder 2 cm übereinander liegen. Findet man die Extremitäten oder den 
Steiß oder die Schniter, so löst sich beim Touchieren die abmacerierte 
Haut von der Unterlage und man befördert Fetzen, die am Finger haften, 
mit nach außen. Mit Eihäuten ist diese Haut nicht zu verwechseln, da 
die Haut, gegen das Licht gehalten, punktiert aussieht. 

Wichtige Anhaltspunkte gibt auch die Anamnese, die z. B. Lues fest- 
stellt, oder eine in der Schwangerschaft überstandene fieberhafte Krank- 
heit, auch einen psychischen Shock, ein Trauma oder ähnliche Schädlich- 
keiten ergibt. 

Bei der Auskultation hört man noch andere Geräusche. Zunächst 
gurrende Darmgeräusche, dann das Uteringeräusch. Es findet sich 
im unteren Quadranten des Uterus, rechts oder links oder auf beiden 
Seiten. Dieses scharf hauchende, mit dem mütterlichen Pulse isochrone 
Geräusch entsteht in den gewundenen, dilatierten Arterien am Rande des 
Uterus. Es hat keine Bedeutung. 

Ist aber das hauchende Geräusch isochron mit den kindlichen Herz- 
tönen, meist viel leiser als das Uteringeräusch, so bedeutet dieses sog. 
Nabelschnurgeräusch, daß die Nabelschnur geknickt oder kompri- 
miert ist. Demnach ist es oft nur kurze Zeit zu hören, da sich die 
Zirkulationserschwerung bald wieder ausgleicht. Jedenfalls findet man es 
Öfter dann, wenn sich die sehr lange Nabelschnur später umschlungen 
zeigte, auch war das Kind mitunter leicht asphyktisch, wo das Nabel- 
schnurgeräusch besonders deutlich gehört wurde. Also bedeutet immer- 
hin das Nabe ischnurgeräu seh eine wenn auch leichte und vorübergehende 
Gefahr für das Kind. Ist das Nabelschtiurgeräusch immer vorhanden, 
so muß man an einen Herzfehler des Kindes denken. Schon mehrfach 
ist es zufällig gelungen, aus dem konstanten Nabe Ischnurgeräu seh einen 
Herzfehler des Kindes zu diagnostizieren. 



Beckenmessung. 

Um in der Schwangerschaft die Prognose für die Geburt zu 
stellen, genügt die äußere Untersuchung und die Beckenmessung, Sie 
ist dann unnötig, wenn zweifellos die Lage des Kindes ein weites Becken 




4 



122 Neunies Kapitel 

beweist Steht also der Kopf am Ende der Schwangerschaft tief im 
Becken, so muß das Becken weit, resp. die Geburt unbehindert sein. 
Ist das aber nicht der Fall, oder kommt man zu einer Erstgeschwängerten, 
die noch nicht am Ende der Schwangerschaft angelangt ist, bei der also 
der Kopfstand noch nichts beweist, so gehört die Beckenmessung 
ebenso zu der Untersuchung der Schwangeren, wie die Auskultation der 
Lungen zur Diagnose des Allgemeinzustandes, In diesen Fällen genügt 
aber ein Maß: das der Conjugala externa. Man legt die Frau auf 
die Seite, so daß das volle Licht auf die Kreuzgegend fällt. Dann fühlt 
man nach der Symphyse und fixiert sich den vorderen Meßpunkt am 
oberen Rande der Symphyse. Hierauf sucht man den hinteren MeB- 
punkt durch Gefühl und Gesicht auf. Man fühlt die Spinae posteriores 
superiores der Darmbeine. Sie liegen unmittelbar unter der Haut seitlich 
von der MittelHnie. Sie sind auch als seichte Gruben zu sehen. Zwischen 
ihnen in der Mitte nach oben gehend fühlt man nach den Processus 
spinosi der WirbeL Sie werden nach oben abgetastet, dann wieder nach 
unten, bis man am Processus spinosus -des letzten Lendenwirbels sicher 
angelangt ist. Er hegt ca. zwei Finger breit über der Verbindungslinie 
zwischen den Gruben der Spinae posf. sup. 

Nachdem der Finger die beiden MeBpunkte vom und hinten gut 
und sicher bestimmt hat, schiebt man zwischen den Beinen die eine Spitze 
des weit geöffneten Meßzirkels nach vom oben und fixiert sie mit drei 
Fingerspitzen der einen Hand fest auf dem vorderen Meßpunkte an dem 
Rande der Symphyse. Dann bringt man die andere Spitze des Meßzirkeis 
nach dem Rücken der Schwangeren hin und drückt ihn möglichst fest 
auf den hinteren Meßpunkt: auf den Processus spinosus des letzten Lenden- 
wirbels an. Sind beide Spitzen gut unverrückt angedrückt, so liest man 
an den 21ahlen des Meßzirkels die Centimeter ab. Ein normales Becken 
soll eine Conjugata externa von 20 cm haben. Geringe Differenzen, 
21 oder ig cm, kann man ignorieren, denn es kommen völlig normale 
Becken vor, wo zufällig der Processus spinosus länger oder kürzer ist 
Aber ein Heruntergehen unter \g dürfte doch stets ein enges Becken 
andeuten. Auch bei niedrigerer Zahl als 20 hat man den Verdacht auf 
ein enges Becken und sucht noch andere Methoden anzuwenden — innere 
Beckenmessung, Anamnese, Lage der Frucht u.s.w. — um zu ganz sicheren 
Resultaten zu kommen. 

Hätte ein Arzt schon in der Schwangerschaft seine Hilfe bei der Geburt 
zugesagt, hätte er aber die Beckenmessung unterlassen und würde er dann 
später von einer schweren Geburt wegen engen Beckens überrascht, so hätte 
er fahrlässig gehandelt. Denn wenn er das enge Becken rechtzeitig erkannt 
hätte, so wäre eventuell durch eine künstliche Frühgeburt der Mutter 



die Gefahr einer schweren Geburt erspart und dem Kinde das Leben gerettet 
worden. Deshalb ist, wenn nicht untrügliche Zeichen, wie z. B. der Tief- 
stand des Kopfes, für normale Verhältnisse sprechen, die Beckenmessung 
ein unerläßlicher Teil der geburtshilflichen Schwangerenuntersuchung. 



Die innere UntersuohunK. Desinfektion. 

Vor der inneren Untersuchung muß der Rock abgelegt werden, das 
Hemd wird bis über den Ellbogen emporgeschlagen und eine gründliche 
Desinfektion, wie sie heutzutage jeder Student lernt, wird vorgenommen. 
Sie besteht in Abseifen und Abbürsten der Hände, resp. jedes ein2elnen 
Fingers und der Unterarme mit Seife, am besten mit Sand — oder 
Schieichscher Marmorseife. Danach Abspülung in reinem Wasser und 
danach Wiederholung dereelben Prozedur in Sublimatlösung kiooo. 
Das Sublimat, in Pastillen milgeführt, ist ohne Zweifel für die Hände- 
desinfektion das bequemste, beste, sicherste und billigste Mittel. Der 
Arzt kann mühelos io Pastillen — ä 2 Pfennig das Stück — mit sich 
führen, eine Quantität, die selbstverständlich stets genügt. Daß das Sublimat 
zur Händedesinfektion das sicherste Mittel ist, ist unbestritten. Es ist 
nicht einzusehen, weshalb man immer nach anderen Mitteln sucht, wo 
man doch ein vorzügliches im Sublimat hat. Nur Der, welcher Sublimat 
an seinen Händen nicht verträgt, muß andere Mittel wählen: Lysol, 
Sublamin, Borsäure, Carbolsäure usw. Fast in jedem Jahre tauchen neue 
Mittel auf. Von allen gilt das alte Wort: Es kommt weniger darauf an, 
mit welchem Mittel man desinfiziert, als -wie man desinfiziert. 

Nur möchte ich nicht raten, der mechanischen Desinfektion zu viel 
zu vertrauen. Wir Geburtshelfer können die chemischen Mittel nicht 
entbehren. Daß aber durch Sauberkeif ohne chemische baktericide 
Mittel sich auch Gutes erreichen läßt, zeigte Lawson Taii, der ohne 
Desinfektion taparotomierte. 

Ahlfeld wendet Alkohol an und hält die Desinfektion mit diesem 
Mittel für die beste und erfolgreichste. Er hat dadurch, selbstverständ- 
lich nach sorgfähigster mechanischer Reinigung der Hände mit heißem 
Wasser und Seife, Keimfreiheit der Finger erzielt. Daß er dies erreicht 
hat, hat er bewiesen. Aber ich fürchte, daß weder Hebammen noch viele 
Ärzte so sorgfältig" verfahren wie Ahlfeld, und ich rate deshalb, der 
Sicherheit wegen noch eine gründliche Sublimatwaschung nachfolgen zu 
lassen. Sie hat keinerlei Gefahren und garantiert jedenfalls noch mehr 
die Reinheit der Hände. Zu viel ist hier besser als zu wenig. 

Vor der inneren Untersuchung sind die äußeren Genitalien einer 
Schwangeren zu reinigen. Abseifen im Sitzbad, Vollbad oder Bidet ist 



h 



124 I II IIHJI iWgiJWU 

vorzunehmen. Fehlt diese Mö^ßd A ät, so werden die Qeschlechtsleae 
einlach abgeseift und desinfizierl. Vorher läßt man AUstdarm und Blase 
entleeren, und den Anus sauber mit reinem Wasser nach der Defäbatioo 
abwaschen, damit man nicht etwa Kotreste direkt vom Damm in die 
Vagina oder an die Harnröhre befördert. 

Ist der Mastdarm stark angefüllt, so wird dadurch die Scheide eng 
und der untersuchende Finger bew^ sich nicht freL Ist die Blase voll, 
so ist der vorliegende Teil Em vorderen Scheidengewölbe hinter der 
Symphyse nicht leicht zu fühlen. Er kann, wenn er frei beweglich ist 
weit verschoben sein. Auch ist die Untersuchung bei vollem Darm und 
Blase schmerzhafter. Man kann oft, 2. B. wenn der Kopf scheinbar nicht 
vorliegt, bei leichtem Drucke oberhalb der Symphyse den Kopf nach 
unten drängen, so daß man aus der charakteristischen Härte sofort die 
Diagnose auf Kopflage stellt Dies ist bei voller Blase nicht möglich. 

Wenn es irgend angeht, untersuche der Anfänger prinzipiell einmal 
mit der linken, einmal mit der rechten Hand. So wird er spielend leicht, 
mit beiden Händen gleich geschickt: namphidexter". Denn später ist es 
sehr beschämend, wenn der Arzt nur mit einer Hand untersuchen kann, 
und die Gebärende deshalb eine bestimmte Lage einnehmen muß. Auch 
kommt es doch recht oft vor, daß man eine Wunde am Finger hat, und 
daß man, um entweder die Kreißende oder sich selbst vor Infektion zu 
schützen, nur mit einer Hand untersuchen darf. 

Mit größerer Sorgfalt muß man verfahren, wenn man eine Ge- 
bärende untersucht. Es ist dann nicht nur die sorgfältigste subjektive 
Desinfektion — die Desinfektion der Hand des Geburtshelfers, sondern 
auch die objektive Desinfektion, die Desinfek-tion der zu untersuchenden 
Geschlechtsteile notwendig. 

Hier kommt es wiederum darauf an, ob die Gebärende ganz gesund 
und noch nicht untersucht ist Ist der Arzt der erste der untersucht, so 
wird er wieder die äußeren Genitalien abseifen, mit Desinfiziens naeh- 
waschen und über den auseinander geklappten Introitus vaginae desin- 
fizierende Flüssigkeit laufen lassen Das Desinfiziens, welches hierzu 
am geeignetsten ist, ist Lysol oder Liquor Cresoli saponatus in 1 '/j proz. 
Lösung. Beide Mittel sind so billig, daß man große Mengen verwenden 
kann. So wird hier zunächst mit dem Mittel die Vulva und Analgegend 
genau gesäubert und danach wird vor jeder Untersuchung mit einem 
großen von Lysollösung triefenden Wattebausch die Vulva von oben 
nach unten abgespült. Beide Mittel, namentlich der Liquor Cresoh stinken 
sehr, weshalb man sie in der ^feinen Praxis" durch 4 proz. Borsäurc- 
lösvmg ersetzen kann. 

Nunmehr klappen die Finger der einen Hand die Vulva so ausein- 




ander, daß man den Introitus deutlich sieht, in welchen unter Leitung 
der Augen, der Zeigefinger der anderen Hand eingeführt wird. Sollten 
sich bei diesem Auseinanderklappen in der Clitorisgegend noch feste 
Smegmamassen zeigen, so werden sie vor der Untersuchung sorgfältig 
aus- und abgewaschen. 

Der Arzt wird häufig in Fällen gerufen, wo die Hebamme, oder ein 
Kollege schon untersucht haben. Es soll eine Operation vorgenommen 
werden, weil die Geburt aus irgend einem Grunde sich verzögert, oder 
eine Komplikation eintrat. In diesen Fällen halte ich eine Ausspülung 
der Scheide für unbedingt notwendig. Man weiß nie, ob die Säuberung 
der äußeren Genitalien sorgfältig gemacht ist Und war sie aufs beste 
ausgeführt, so kann mittlerweile eine Defäkation, ja nur eine Blähung 
oder ein unwillkürliches, unbewußtes Mitpressen Kotpartikelchen an den 
Damm befördert haben. Sie verunreinigen den Damm aufs neue und 
machen jede frühere Desinfektion illusorisch. Ja es kann schon von 
diesen Massen einiges beim häufigen Touchieren , das gerade bei 
schwierigen Fällen und Geburts Verzögerung stattfand, in die Vagina ge- 
bracht sein. 

Zudem ist auch die Vagina, am wenigsten bei lang sich hinziehen- 
den Geburten, keimfrei. Die systematischen Untersuchungen gaben den 
gewissenhaftesten Untersuchern so verschiedene Resultate, daß stets der 
eine den anderen widerlegt, ohne daß bis jetzt eine Ansicht allgemein- 
gültig geworden ist Deshalb tut der Praktiker gewiß besser, eher 
zu vorsichtig als zu vertrauensselig zu sein. Ich würde es nie 
wagen, in einem von anderer Seite untersuchten Falle eine sorgfältige 
ausgiebige Exploration der Kindeslage, geschweige denn eine geburts- 
hilfliche Operation ohne Ausspülung, bezw. Desinfektion der Scheide vor- 
zunehmen. 

In der Khnik untersuchen Lernende. Auch die Desinfektion muß 
gelernt sein. Und trotz aller Gewissenhaftigkeit des Auf Sichtspersonals 
werden doch Fälle vorkommen, wo die Lernenden die Desinfektion noch 
nicht gelernt haben. Somit sind hier Fehler irgend einer Art leicht mög- 
lich. Diese können nur dadurch ungefährlich werden, daß wir von 
vornherein Fehler als stets vorhanden annehmen und die schädlichen 
Folgen prophylaktisch zu verhindern bestrebt sind. Man wird also in 
Kliniken, bei länger dauernden Geburten und prinzipiell vor jeder Ope- 
ration, sei sie intrauterin oder extrauterin, die Scheide desinfizierend aus- 
spülen, um alles etwa in sie gelangte Material herauszubef ordern und 
die Keime abzutöten. 

Für diese Scheidenspülungen ist Sublimat deshalb ein gefährliches 
Mittel, weil Quecksilberintoxikation eintreten und zum Tode führen 




n 



[ 



Neuntes Kapitel. 

kann. Deshalb nehme man Lysol oder Seifencresol, das im großen und 
ganzen als ungiftig angesehen werden kann. Es hat auch den Vorteil, 
nicht koagulierend auf Albumin und nicht adstringierend auf die Scheiden- 
wand zu wirken. Somit bewahrt, nach Lysolspüiungen, die Scheide ihre 
Weile und Schlüpfrigkeit. 

Ist die Prau in dieser Weise vorbereitet und die Hand desinfiziert, 
so geht man an die Untersuchung 

Bei der Hochschwangeren omtersucht man bezüglich der Desinfektion 
mit derselben Sorgfalt, wie bei einer Gebärenden, da manche Hoch- 
schwangere, ohne daß sie es weiß, schon eine Gebärende ist 

Bei der inneren Untersuchung vergesse man nicht, daß die empfind- 
lichsten Gegenden der Vulva sich oben, resp. vorn befinden; Harnröhren- 
wulst, Clitoris. Ihre Berührung ist zu vermeiden. Man schiebt den 
Finger hinten über die hintere Kommissur ein. Zunächst beachtet man 
den Damm und das Frenulum, die großen und kleinen Schamlippen, ob 
Varikositäten in ihnen oder Geschwüre, Condylome an ihnen vorhanden 
sind. Dann die Scheide, ob sie granuliert ist, ob die vordere oder hintere 
Seite stark hervorragen, ob z. B. eine Cystocele mit voller Blase besteht 

Man untersuche zunächst stets mit einem Finger, da bei Primiparen 
und oft auch bei Multiparen das Einführen zweier Finger schmerzhaft 
ist. Der Finger geht zuerst dicht hinter der Symphyse gerade nach oben. 
Bei Primiparen am Ende der Schwangerschaft stößt er sofort an den Kopf 
an. Die Nähte am Schädel und die Fontanellen sind durch das dünne 
unlere Uterinsegmenl oft deutlich zu tasten. 

Fühlt man das vordere Scheidengewölbe leer, so drückt die äußere 
oberhalb der Symphyse flach anliegende Hand das ganze Kind oder den 
vorliegenden Teil durch äußeren Druck herab. Kombiniert sucht man 
den vorliegenden Teil zwischen beide Hände zu bekommen, dabei sofort 
an der Härte erkennend, ob der Kopf vorliegt. Dann geht der Finger 
gerade in der Mitte nach dem Promontorium zu. Fühlt man nicht die 
Portio, so macht die Fingerspitze, während die Hand möglichst still liegt 
kleine Bewegungen nach rechts und links, am vorliegenden Teile hin 
und her streichend. Meist steht die Portio vaginalis etwas nach Hnks 
abgewichen, im linken hinteren Quadranten. 

Sobald man die Portio fühlt, wird sie abgetastet. 

Merkte man beim Einführen des einen Fingers, daß die Scheide sehr 
weit ist, daß Schmerzen nicht entstehen, so zieht man den Mittelfinger 
nach, weil man die Portio besser mit zwei Fingern betasten kann. Es 
wird darauf geachtet, ob die Portio weich oder hart ist, ob sie dick oder 
dünn ist, ob sie lang — zapfenförmig — oder kurz — verstrichen ist. 
ob sie regelmäßig oder unregelmäßig ist, ob der Muttermund klein oder 



Die 



i Untersuchung- 



diirch einen oder zwei Einrisse groß ist. Ob Narben vorhanden sind, 
die sich evenUiell seitUch in das Scheidengewölbe fortsetzen. 

Vorsichtig sucht der Finger ohne Qewah in den äußeren Mutter- 
mund einzudringen. 

Empfindet die Frau Schmerzen, so unterläßt man es, den Finger 
höher zu schieben. Ist aber der Muttermund weit, so schiebt man den 
gekrümmten Finger hakenförmig über die vordere Muttermundslippe nach 
oben, immer von außen den vorliegenden Teil fixierend oder entgegen- 
drückend. Man sucht festzustellen, ob vor dem Kopfe Fruchtwasser 
(Vorwasser) vorhanden ist — ob sich eine Blase gebildet hat, ob die Ei- 
häute dem Kopfe ganz fest anliegen oder schon zerrissen sind, so daß 
man die knirschenden Haare direkt fühlt. Dabei ist oft eine Naht oder 
Fontanelle abzutasten. Diesen Befund vergleicht man mit dem äußeren, 
und stellt dadurch genau die Diagnose, zunächst vor allem, ob die Ge- 
burt schon im Gange ist oder nicht. 

In der Schwangerschaft bei der Priruipara ist der Muttermund ge- 
schlossen, man fühlt ihn nur als Grübchen, Höchstens bei sehr großem 
Uterusinhalt, z. B. bei Zwillingen, ist der Muttermund schon in der 
Schwangerschaft für einen, ja für zwei Finger durchgängig. Die Portio 
ist bei der Primipara in den letzten 14 Tagen meist völlig verstrichen. 
Hebt aber die andere Hand den Uteru5 hoch, und weicht daher der 
Kopf etwas nach oben, so fühlt man die Portio wieder als Zapfen. 

Bei der Multipara ist die Portio bis zuletzt, ja auch noch im Be- 
ginne der Geburt als ein Zapfen zu fühlen und zwar als ein Trichter 
unten weiter, sich nach oben, zum inneren Muttermunde verengend. 
Einrisse teilen oft die Portio der Multipara in 2 Lippen — hintere und 
vordere Muttermundslippe. Schon in der Schwangerschaft ist der innere 
Muttermund der Mehrgeschwängerten oft so weif, daß der Finger leicht 
eindringen kann. 

Bei der Wehentätigkeit verschwindet die Portio, der Muttermund 
erweitert sich und Vorwasser tritt vor den vorliegenden Teil, so daß die 
Portio als solche nicht mehr zu fühlen ist. 

Bei der Primipara verstreicht erst die Portio, dann eröffnet sich der 
Muttermund. Bei der Multipara ist der Muttermund schon weit und erst 
dann verkürzt sich die Portio. Bei beiden beweist die Bildung der Blase, 
resp. das Vorhandensein des Vorwassers, daß Wehen gewirkt haben, daß 
die Geburt begann. 




I 



Zehn tes Kapitel- 

Leitung der Geburt. 

Die überwiegende Mehrzahl der Geburten wird allein von Heb- 
ammen geleitet. Der Umstand aber, daß es sich um zwei Menschen- 
leben handelt ^ die Mutter und das Kind — läßt es als wünschens- 
wert erscheinen, daß stets zwei ärztliche Personen, ein Arzt und eine 
Hebamme, zugezogen sind. Denn entsieht z. B. eine lebensgefährliche 
Nachblutung, während gleichzeitig das Kind asphyktisch ist, so würde 
eine Person sich um das Wichtigere, das Leben der Mutter, zu kümmern 
haben, dagegen das Leben des Kindes vernachlässigen müssen. Wird 
also das Gutachten eines Arztes verlangt, so darf er, ohne in den Ver- 
dacht zu kommen, sich anzubieten, rein aus sachlichen Gründen stets 
energisch dafür eintreten, daß ein Arzt und eine Hebamme zugezogen 
werden. 

Es ist eine nicht genug zu verdammende Unsitte, daß Ärzte allein 
Geburten übernehmen. Es geschieht dies nicht bei armen Leuten, son- 
dern bei Reichen, wo der Arzt auf höheres Honorar zu rechnen hat 
Früher, als die Hebammen die Desinfektion noch nicht gelernt hatten, 
war noch die Begründung möglich, daß man die Gefahren, die auf Un- 
sauberkeit der Hebamme beruhten, durch ihre Fernhaltung umgehen 
wollte. Sollte ein Arzt auch heute noch im besonderen Falle diese 
Begründung gelten lassen, so muß er selbstverständlich alle Pflichten 
der Hebamme, Säuberung, Klystier-setzen, Bettmachen etc. auf sich nehmen 
und die Kreißende vom Moment der Übernahme einer Geburt, sowie 
2 Stunden nach Beendigung nicht mehr verlassen, d. h. er muß sich zur 
Hebamme herabwürdigen. Noch verwerflicher ist es, unter Assistenz einer 
Wochenbett Wärterin zu entbinden, einer Person, die weder die Fähigkeit, 
noch die Bildung zur Ausübung der geburtshilflichen Tätigkeit besitzt 
Ja, ich kenne viele Fälle, wo Frauen, die recht gut daran zu sein glaubten, 
weil der Arzt die Geburt zu leiten versprochen hatte, nun, nachdem der 
Arzt weggegangen war — ganz ohne geburtshilfliche — sachverständige 
Hilfe allein mit der Wickelfrau gebaren und zu Schaden kamen. Man 
sollte doch den kärglichen Verdienst den Hebammen nicht nehmen! 

Wird der Arzt schon in der Schwangerschaft, resp. beim Qeburts- 
beginn zugezogen, so hat er Einfluß auf die Vorbereitungen und An- 
schaffungen für die Geburt. Er muß sich überzeugen, daß alles zur 
Hand ist, was gebraucht wird. Genügende reine Unterlagen, mehrere 




Leitung der Geburt. 



12g 



Pakete Watte, Gummiunterlagen, Waschschüsseln zum Desinfizieren des 
Arztes, zur Bereitung von Desinfizientien für die Säuberung der Ge- 
schlechtsteile, ein neuer Irrigator mit gläsernem Mutterrohr und Mastdarm- 
rohr, gläserner Katheter zum Urinablassen, elastischer zum Schleimaus- 
saugen aus dem Rachen des Kindes, genügende Menge warmen Wassers, 
Badegelegenheit für das Kind, eine ausreichende Menge Lysol und Subli- 
matpastillen für die Desinfektion der Hände des Arztes und der Hebamme. 
Der Arzt lasse sich gleich beim ersten Besuche in der Schwanger- 
schaft das Zimmer zeigen, in dem die Geburt staltfinden soll. Es sei 
ein großes luftiges Zimmer, wenn möglich ruhig nach hinten hinaus 
liegend. Neben dem Zimmer muß sich noch ein heizbarer Raum be- 
finden, so daß das Kind hier liegen und gebadet werden kann. Die 
Mutter bedarf oft dringendst der Ruhe und soll auch nicht durch das 
Schreien des Kindes und durch die Besorgung des Kindes gestört werden. 
Alles, was nicht bei der Geburt notwendig ist, soll aus dem Zimmer 
entfernt werden, namentlich Teppiche, Dekorationsgegenstände, Blumen etc. 
Denn der Fußboden wird mit Blut und Flüssigkeit oft beschmutzt, er 
soll täglich frisch aufgewaschen werden. Der Staubentwicklung im Kreiß- 
zimmer ist möglichst vorzubeugen. Mehrere leere Tische sind aufzu- 
stellen für Geräte und Instrumente des Arztes, für das Kind etc. Selbst- 
verständlich richtet man sich nach den Verhältnissen und verlangt bei 
armen Leuten nichts Unmögliches. Aber auch in der ärmlichsten Woh- 
nung ist es möglich, unter geschickter Benutzung des Vorhandenen, völlig 
sicher antiseptisch zu verfahren. 



Recht wichtig ist die psychische Einwirkung des Arztes. Seine 
Sicherheit und Ruhe beruhigt die Kreißende, seine Erregtheit und Un- 
ruhe teilt sich der ganzen Umgebung mit. Wenn man auch innerlich 
voll Sorge und Angst ist, so darf keine Miene diese Besorgnisse verraten. 
Ein freundlicher Zuspruch, eine ernste Ermahnung glättet oft die hoch- 
gehenden Wogen der geistigen Erregtheit, ja der Verzweiflung einer 
Kreißenden. Die überlegene Sicherheit des Arztes nützt mehr als Medizin 
oder Polypragmasie. 



Eine Kreißende hat kaum jemals Hunger, oft aber Durst. Hätte sie 
Hunger, so könnte man sie ruhig leichte Speisen essen lassen. Niemals 
aber erlaube man inira partum Alkoholica, es sei denn, daß man sie als 
Medikament, z. B. bei Verblulungsgefahr, verordnet. Der Alkohol hat 
auf die Wehentätigkeit einen sehr ungünstigen Einfluß. Eine völlig be- 
trunkene Kreißende hat stets unregelmäßige Wehen und leicht starke 
Nachblutungen. 



M 



130 Zehnies Kapitel. " 

Der Arzt selbst verweigere es, auch nur einen Tropfen Wein oder 
ähnliches zu sich zu nehmen. In der geistigen Erregung bewirkt auch 
ein kleines Quantum Alkohol, das sonst gar keinen Eindruck macht, Ver- 
wirrung des Verstandes und stört die klare Oberlegung und die Ent- 
schlußfähigkeit Wenn aber ein Unglück passiert, wie es ja immer möglich 
ist, so heißt es leicht, der Arzt habe in der Betrunkenheit unsinnig gehandelt 

Überhaupt gebe man auch der Kreißenden nicht viel zu trinken, 
weil leicht Erbrechen und Obelkeit entsteht 

Kennt man das Becken der Mutler durch frühere Untersuchung oder 
durch die Anamnese und hat man durch äußere Exploration die 
normale Lage und das Leben des Kindes festgestellt, zeigen die regel- 
mäßigen Wehen, daß die Geburt zweifellos begonnen hat und gut fort- 
schreitet, so ist eine innere Untersuchung nicht notwendig. 

Es ist der Hebamme vorzuschreiben, stets bei Übernahme der Ge- 
burt durch ein Klysma, resp. eine Eingießung den Mastdarm zu ent- 
leeren. Ist dies nicht geschehen, oder war es ohne gute Wirkung, so 
läßt man es wiederholen. Ist dann Erfolg dagewesen, so werden die 
äußeren Genitalien sorgfältig abgewaschen und abgeseift Bei dieser 
Säuberung wäscht man stets von vorn nach hinten, in der Art, daß ein 
großer von Lysoilösung triefender Wattebausch den Mons Veneris, die 
Vulva und zuletit die Rima ani säubert. Niemals wasche man von unten 
nach oben, um nicht Kotpartikel in die Vulva zu befördern. Diese Säube- 
rung wird von Zeit zu Zeit wiederholt, namentlich wenn Blähungen ab- 
gingen oder Kot ausgepreßt wird. Letzteres ist oft am Ende der Ge- 
burt fortwährend der Fall. Man lege dann immer wieder neue Unter- 
lagen, am besten Wattebäusche unter, die triefend naß von Lysollösung 
sein sollen. Jedes Kotpartikelchen wische man stets von vorn nach hinten 
ab, um den Kot möglichst von der Vulva fern zu halfen. Unerklärliche 
Eieberfälle sind oft so zu erklären, daß während der Geburt Kot in die 
Vulva befördert wurde. 

Es ist gewiß möglich, bei normalen Verhältnissen, die innere 
Untersuchung völlig zu entbehren. Allein bei Sauberkeit der Hände 
und der Genitalien ist eine innere Untersuchung nicht gefährlich. Man 
darf aber nie mit dem Finger von der Rima ani aus in die Vulva ein- 
dringen, sondern öffnet mit zwei Fingern der einen Hand die Vulva, 
so daß man den Introitus sieht, und schiebt nun den Touchierfinger, 
ohne die äußere Haut zu berühren, in die Vagina ein. 

Die innere Untersuchung ist oft leichter und schneller auszuführen, 
als die wiederhohe äußere Untersuchung. Namentlich stößt die 




Leitung der Geburt. 131 

Auskultation bei einer sich umherwerfenden, widerspenstigen und laut 
jammernden Kreißenden auf Schwierigkeiten. Deshalb ist es besser, am 
Ende der Geburt öfter innerlich nachzufühlen. Es kann die Nabelschnur 
vorfallen, und kann auch Meconium abgehen, was auf Lebensgefahr für 
das Kind deutet. Es ist auch wichtig, die Drehungen des Schädels genau 
zu verfolgen, um daraus den Geburtsfortschritt zu ersehen und zu verstehen. 

Für die Kreißende ist die bequemste und natürlichste Lage die 
Rückenlage. Zwar ist es nicht schädlich, eine Kreißende, namentlich 
eine Primipara, bei der der Kindskopf fest und tief im Becken steht, bei 
uneröffnetem Muttermunde sitzen und umhergehen zu lassen, aber einen 
besonderen Vorteil hat es nicht. Die Kreißende seihst zieht das ruhige 
Liegen vor. Direkt gefährlich ist das Gehen oder Sitzen, wenn eine un- 
regelmäßige Kindslage existiert, wenn der Kopf nicht fest das Becken 
abschließt. Es könnte dann leicht die Nabelschnur bei vorzeitigem Frucht- 
wasserabfluß, vorfallen. 



Lassen die Wehen eine Zeit lang nach, so ist es wieder zunächst der 
psychische Einfluß des Arztes, der einwirken muß. Man beruhigt 
die Kreißende mit dem Hinweis darauf, daß ihr etwas Ruhe vorteilhaft 
ist Dies ist auch sicher der Fall. Oft setzen nach einer Pause, ja nach 
etwas Schlaf die Wehen besonders kräftig wieder ein. Medikamente soll 
man nicht geben, oder doch nur ganz indifferente Mittel, wenn es aus 
psychischen Gründen tunlich erscheint, irgend etwas zu verabfolgen. Seit 
alters her gibt man ■/.. B. kleine Chinindosen 0,1 mit 1,0 Zucker, die wie 
Morphium schmecken, auch ein Migränin- oder Phenacetinpulver kann 
nichts schaden. Niemais aber gebe man Opium oder Morphium ohne 
bestimmte Indikation. Dagegen ist es nützlich den Fundus zu reiben. 
Man erzeugt dadurch Wehen. Zwar werden sie nicht wirksamer, da aber 
theoretisch nachgewiesen ist, daß jede Wehe den Uterus verkleinert, so 
werden häufigere Wehen eo ipso allmählich auch kräftigere Wehen. 
Ebenso ist ein Wechsel der Lagerung oft nicht nur eine große Erleichte- 
rung für die Kreißende, sondern auch ein direkt wehenverbesserndes 
Mittel. Der Lagewechsel wirkt psychisch gut ein, weil die Kreißende 
meint, es geschähe etwas, das den Fortschritt bewirke. 

Nach dem Blasensprunge tritt oft eine Pause ein, die für die Krei* 
ßende eine große Erleichterung ist. Man untersucht jetzt innerlich, ob der 
Kopf so steht, wie man es erwartete. Man sehe den hervorgezogenen Finger 
an, ob das Fruchtwasser etwa meconium haltig ist, und auskultiere mehr- 
mals, ob die Herztöne normal sind und normal bleiben. 



* 




■ 



132 



Zehntes Kapitel. 



Jetzt beginnen bald die Preßweiieii. Sind sie kräftig und wirksam, 
so hat man nichts anzuordnen. Wenn aber die Kreißende laut jammert, 
die Wehen nicht verarbeitet und die Bauchpresse nicht anstrengt, so 
mache man sie darauf aufmerksam, daß in diesem' Stadium die Dauer 
der Geburt und somit die Dauer der Schmerzen von ihr selbst abhängen, 
daß, wenn sie dem Rate des Arztes nicht Folge leistet und nicht mitpreßt, 
die Quaien länger anhalten, daü das Kind in Gefahr komme, daß even- 
tuell die Zange angelegt werden müsse. 

Wenn im Gegenteil die verzweiflungsvolie, kaum ihrer Sinne mäch- 
tige Kreißende die Wehen mit zu großer Kraft verarbeitet, so widerrate 
man dies. Und folgt sie dem Rate nicht, so lasse man sie mit offenem 
Munde schnell Luft holen. Dam ist das Mitpressen unmöglich. 

In manchen Gegenden ist es üblich, an das Bettende Riemen oder 
zusammengeknüpfte Handtücher mit Handgriffen anzuschlingen, diese 
der Kreißenden In die Hand zu geben und sie nun zu stärkstem Pressen 
unter gleichzeitigem Zug am Riemen und Anstemmen der Füße aufzu- 
fordern. Diese Methode ist nicht gut. Zwar gibt dem starken Drucke 
der Bauchpresse die Scheide nach, aber in der Tiefe wird die Becken- 
muskulatur voneinander gelrennt, es kann später bei plötzlichem Platzen 
der Scheidenwand ein großer Dammriß bis in den Anus entstehen. Auch 
hängen ganz sicher große Prolapse mit diesen subkutanen Gewebs- 
trennungen zusammen. 



L 



Oft verlangen die Kreißenden Schmerzlinderung durch Betäubung, 
bezw. durch Narkose. Ich widerrate sehr die Narkose, denn daß 
Chloroform auf das Kind übergeht, ist zweifellos. Chemisch ist es durch 
Zweifel nachgewiesen, und klinisch können wir es z. B. bei Kaiser- 
schnitten beobachten. Wird dabei zufällig viel Chloroform verbraucht, 
so ist das Kind narkotisiert. Auch kann ich nach reicher Erfahrung be- 
haupten, wenn auch nicht beweisen, daß Nachblutungen ex atonia uteri 
nach Narkosen häufiger sind als ohne Narkose. 

Die von Vielen bei normalen Geburten geübte Narkose ist auch 
mehr eine suggestive Behandlung. Man gießt einige Tropfen auf die 
Maske und der Kreißenden wird suggeriert, daß sie nun wegen des 
Chloroforms die Schmerzen nicht mehr fühle. Ein ernster Zuspruch, 
daß es ohne Schmerzen nicht abgehe, daß die Geburt bald vorüber sei, 
daß das Mitpressen unbedingt erforderlich sei, und daß je stärker die 
Schmerzen, um so eher die Qual ein Ende habe, genügt vollkommen. 

Passiert der Kopf die Vulva, so ist der Augenblick gekommen, wo 
in der Tat zwei Personen notwendig sind: der Arzt für den Damm- 




Leitung der Geburt. 



133 



Schutz und die Leitung der Nachgeburtsperiodc, die Hebamme für 
die Vorbereitung zum Empfange und zur Pflege des Kindes. Ist nur 
eine Person zugegen, so müssen die Angehörigen das Kind übernehmen, 
während die Hebamme sich vor allem der Mutter widmet. 

Um den Damm zu erhalten, gibt es drei Mittel. Erstens den lang- 
samen Durchtritt des Kopfes, zweitens die richtige Leitung der Kopf- 
drehung, drittens den direkten Schutz des Dammes. 

Das erslere erreicht man am besten durch Lagerung der Kreißen- 
den auf die Seite. Bei der Seitenlage kann die Gebärende die Bauchpresse 
nicht stark anstrengen. Die Lage ist auch eine sehr decentc, saubere und 
zur Erltenntnis des Dammrisses passende. Der Arzt entblößt den Hintern 
der Kreißenden, der ganz an den Bettrand geschoben ist. Er kann sehr 
leicht die ganze Gegend nochmals von Kot und Blut säubern. Entsteht 
ein Dammriß, so trifft die Wunde eine reine, eben desinfizierte Haut- 
fläche. Man kann auch gut beobachten und ganz genau sehen, wie die 
gespannte Hautbriicke über dem Kopfe auseinander weicht. Man sollte 
prinzipiell jede Primipara, sobald der Kopf durchschneidet, die 
Seitenlage einnehmen lassen. 

Sehr vorteilhaft ist es, wenn nicht besondere Eile mit Bezug auf das 
Leben des Kindes geboten erscheint, den Kopf in der \X'ehenpause her- 
aus zu befördern. Man hält ihn während der Wehe kräftig zurück, und 
fordert nach Ablauf der Wehe die Kreißende auf, zu pressen, resp. drückt 
den Kopf in der gleich zu beschreibenden Weise heraus. 



Das zweite und wichtigste ist die richtige Durchleitung des 
Kopfes, resp. die Durchleitung des kleinsten Kopfumfanges, der durch 
den Höhendurchmesser bezeichnet wird. Vorn muß man das Hinter- 
haupt freimachen, so daß es über die Symphyse nach oben treten kann. 
Um jeden Centimeter, um den das Hinterhaupt vorn hoch steigt, wird 
hinten der Damm entlastet, resp. weniger gedehnt. Es wird nochmals 
die Vulva mit Lysol reichlich abgewaschen, namenUich auch vorn. Dann 
schieben die vier Finger der einen Hand die Weichleile vorn in den 
Nacken des Kindes, während gleichzeitig die andere Hand, kräftig auf 
den Damm drückend, die Stirn nach oben drängt. Es wird also die 
Flexion des Kopfes vermehrt, und gleichzeitig wird der ganze Kopf stark 
nach vom, nach der Symphyse zu und über die Symphyse nach oben 
gedrückt 

Dieser Handgriff ist besser als der Olshausensche Handgriff, bei 
dem mit einem oder zwei Fingern vom Anus aus der Kopf nach oben 
gedrückt wurde. Daß der Olshausensche Handgriff wirksam ist, muH 
unbedingt zugegeben werden. Ich habe ihn selbst unzählige Male mit 




H 



Zehntes Kapitei. 

Erfolg ausgeübt Ich habe aber auch mehrfach erlebt, daß dabei der 
Mastdarm — nicht etwa von mir — zerdrückt wurde, nämlich dann, 
wenn die Scheide inwendig schon geplatzt war, ehe der Damm zerriß. 
Auch wird man das Eingehen in den unsauberen Mastdarm scheuen. 
Man müßte denn Gummihandschuhe oder Finger anziehen und schnell 
«ieder ausziehen, wozu meist die Zeit nicht hinreicht. 

Da der Anus in diesem Augenblick oft weit klafft, legt man über 
ihn und den Damm eine dünne lysol triefen de Kompresse, um die 
Hand vor Verunreinigung zu schützen. Selbstverständlich ist zur An- 
feuchlung nicht Sublimat zu verwenden. Die Mastdarmschleimhaut resor- 
biert so schnell Sublimat, daß schon diese wenige Berührung, resp. eine 
einmalige Bespülung der Mastdarmschleimhaut mit Sublimatlösung ver- 
giftend wirkt 

Das dritte, unwichtigste und unwirksamste ist der sog, direkte 
Dammschutz, der übrigens mit der zweiten Maßregel verbunden werden 
kann. Die Idee der Alten war dabei folgende: man sagte: die Vulva reißt 
vom nicht ein, weil sie hier einen knöchernen Schutz hat. Dieser hinten 
fehlende Schutz wird gleichsam durch die Hand, die gegen den Damm 
drückt, ersetzt. Diese Anschauung ist falsch, denn die Hand mag noch 
so drücken, über ihr, resp. unter ihr reißt doch der Damm. Wohl aber 
kann man, da ja der Damm durch Querdehnung reißt, mit der gespreizten 
Hand die Weichteile von rechts nach links zusammendrücken, so daß man 
gleichsam die Masse des Dammes nach der Mitte hin zusammenschiebt 
Es läßt sich das gut mit dem Druck gegen das Vorderhaupt verbinden. 
Während der Ballen der Hand energisch drückt, ziehen der Daumen von 
der einen Seite und die vier Finger von der anderen Seite die Weich- 
teile des Dammes nach der Mitte zu. 

Besonders ungünstig liegen betreffs der Erhaltung des Dammes die 
Verhältnisse bei Vorderhaupts- und bei Stirnlagen. Auch bei Ge- 
sichtslagen ist der Damm mehr gefährdet, als bei den Scheitelbein- 
lagen. 

Bei der Vorderhauptslage passiert das breite Hinterhaupt den 
Damm; er wird also mehr in die Quere gedehnt, als wenn ihn die 
schmalere Stirn passierte. Auch die Ausdehnung von vorn nach hinten, 
die Längsdehnung der Vulva, ist eine größere, da die Glabella sich vom 
anstemmt und nun der Kopf mit dem Längsdurchmesser die Vulva 
passiert. 

Es ist auch bei der Vorderhauptslage, wenn irgend möglich, die 
Flexion zu verstärken, das Hinterhaupt zuerst zu befreien, resp. hervor- 




Der Daniraschutz. 13g 

zubringen, es also hinten über den Damm zu heben. Man sucht unter 
Dehnung des Damms mil dem eingehakten Finger den Damm über und 
hinter das Hinterhaupt zu schieben. Oelingt dies ohne Einriß, so gleitet 
dann die schmale Stirn vorn heraus. Passiert aber Stirn und Hinter- 
haupt gleichzeitig die Vulva, oder kommt sogar die Stirn vom tief, 
stemmt sie sich am unteren Teil der Symphyse an, so platzt meist der 
Damm bis an und über den After. Es ist bei großem Kopfe und etwas 
resistentem Damme einer Primipara kaum möglich, den Damm bei 
Vorderhauptslage zu erhalten. 

Dasselbe ist der Fall bei der Stirnlage. Ich habe erlebt, daß bei 
dieser Lage, obwohl es sich um den zweiten Zwilling handelte, doch noch 
der Damm einriß, der bei der Geburt des ersten Kindes erhallen war. 
So wichtig sind die Durchmesser des Kopfes, die den Damm passieren! 

Diagnostiziert man eine Oesichtslage zu einer Zeit, wo der Kopf 
nicht völlig im Becken steht, sondern noch etwas beweglich ist, so ver- 
sucht man das Hinterhaupt des Kindes nach unten zu bringen, d. h. die 
Gesichtslage in eine Hinterhauptslage umzuwandeln. 

Die alleinige äußere Einwirkung auf den Rumpf erweist sich meist 
jj erfolglos, weil man nicht feste Angriffspunkte an bestimmten Teilen des 
I Kindes findet. Dagegen gelingt es, durch alleinige innere Einwirkung 
den Kopf zu drehen. Meist sind die Scheitelbeine unter die Stirnbeine 
geschoben, so daß die Stirnbeine an der Coronalnaht etwas leistenartig 
emporragen. Während man nun mit zwei Fingern energisch an dieser 
Stelle auf den vorderen Teil des Kopfes nach oben drückt, bemüht sich 
die äußere Hand das Hinterhaupt nach unten zu schieben. Macht man 
dabei der Kreißenden Schmerzen, so arbeitet sie durch Pressen dem 
Arzte entgegen. Ja nicht selten gleitet bei dem Pressen der Kopf in der 
Gesichtslage schnei! tiefer, und jede Einwirkung auf die Gesichtslage, jede 
künstliche Drehung ist nunmehr unmöglich. 

Oft aber ist der hochstehende Kopf so überraschend leicht und 
schnell zu drehen, daß man glauben möchie, er hätte sich auch ohne Kunst 
gedreht. 
f Ist das Becken weit, werden durch die Manipulationen die Wehen 

j kräftig, so tritt das Hinterhaupt nach unten und gleichzeitig nach vorn. 
Ich habe von dem Drucke gegen die Stirn die besten Erfolge gehabt. 
Die äußere Hand vollendet erst, was die innere begonnen. 

Eine Narkose ist bei starkem Widerstreben der Kreißenden gerecht- 
fertigt. Nur muß man ausdrücklich sagen, daß nicht etwa die Geburt 
zu Ende ist, wenn die Narkose vorüber ist. 

Versucht sollte die Umwandelung stets werden. Gelingt sie nicht, 




i 



Zehntes Kapitel. 



Dammes. Darauf kommt es gar nicht an. Der Schwerpunkt liegt nicht 
in der guten plastischen Vereinigung der Oberfläche, sondern in dem 
guten An ei nand erliegen der Qewebe in der Tiefe. Der Beckenboden 
muß wiederhergestellt werden, ob oben die Wundränder exakt an- 
einander liegen, ist weniger wichtig. Ein toter Raum in der Tiefe darf 
nicht zurückbleiben. Das schlechteste ist, exakte oberflächliche Naht und 
Hämatom in der Tiefe! 

Am besten macht der ohne Assistenz nähende Praktiker die Naht in 
der Seifenlage. Die Entbundene sieht nicht die Vorbereitungen, sie li^ 
bequem, die Decenz bleibt gewahrt Es kann nicht durch schreckhaftes 
Aneinanderpressen der Beine der Arzt behindert werden. Eine assistie- 
rende Hand genügt, selbst die eines Laien. Das Blut fließt nach unten 
und verdeckt nicht das Operationsfeld. 

Der richtige Zeitpunkt für die Dammnaht ist dann gekommen, wenn 
nach Entfernung der Placenta der Uterus gut kontrahiert ist Man legt 
die Entbundene ganz dicht an den Bettrand in Sinus-Seitenlage, so daß 
der Hintere den Bettrand überragt. Neben dem Arzte stehen zwei 
Schüsseln, mit Desinfiziens. In einer lie^t .Nadelhalter, Schere, Nadel 
und E^aden. Weitere Instrumente sind überflüssig. Nun wird die Hand 
irgend eines Assistierenden — ein Sachverständiger ist nicht notwendig — 
in ein Sublimattuch eingeschlagen. Diese Hand zieht die obere Hinter- 
backe kräftig nach aufwärts und hält sie so fest. Danach präsentiert sich, 
da die andere Backe nach abwärts sinkt, der Damm. Man wäscht ihn 
nochmals mit Lysollösung ab und zieht nun den Dammriß so weit aus- 
einander, daß man ihn völlig bis in die Tiefe überblicken kann, wobei 
er meist von neuem blutet. Dann sticht man an der tiefsten Stelle der 
Wunde ein, faßt möglichst viel von der Masse des Beckenbodens und 
sticht die Nadel dicht am Wundrande wieder aus. Dasselbe macht man 
auf der anderen Seite. Ist die Wunde nicht sehr tief, so kann man auch 
neben dem Wundrande von außen einstechen, muß aber ebenfalls sehr 
viel Masse des Beckenbodens mitfassen, sicher die tiefsten Stellen der 
Wunden umstechen und dicht am Wundrande ausstechen, 

Ist der Sphincter ani eingerissen, so wird ebenfalls die beschriebene 
Naht dicht neben dem Anus angelegt Danach aber wird noch eine be- 
sondere Naht, die den Sphincter faßt und vereinigt, dicht am Anus durch- 
geführt. Der erste Faden wird vorläufig nicht geknüpft, weil man den 
zweiten und dritten nicht in die Tiefe führen könnte, wenn der erste Faden 
geknüpft ist Mit drei Suturen kann man den größten Damm- 
riß vereinigen. Liegen die Ausstichsöffnungen dicht neben dem Wund- 
rande, so ist ein Adaptieren der Haut mit Pincetten überflüssig. Man 
zieht einfach den Knoten recht fest zu. Fest, weil die Gewebe geschwollen 




Die Damm naht. 



J39 



sind und eine lose liegende Sulur bald zu weit werden würde. Wenn 
sich nunmelir die Wundränder umkrempeln, so isl die eingelt rempelte 
Haut nur 1—2 mm breit, was die Heilung in der Tiefe nicht stört. 
Krempelt sich aber — wenn die AtissfichsÖffnung entfernt vom Wundrand 
liegt, ein 1 cm breiter oder noch breiterer Wundrand ein, so würden die 
Gewebe in der Tiefe nicht gut aneinander liegen. Selbstverständlich kann 
man zwischen die drei Hauptsuturen viel oberflächliche legen und die 
Wundränder plasdsch adaptieren. Notwendig ist es gewiß nicht. 

In der beschriebenen Weise wird man mit zwei assistierenden Per- 
sonen auskommen: Eine, die leuchtet, und eine, die die Hinterbacke hoch- 
hält. Ja, ich habe selbst nur eine Person zur Verfügung gehabt, und 
doch die größten Dammrisse mit gutem Erfolge unter den ungünstigsten 
äußeren Bedingungen genäht. Es ist ein Unglück, daß in Kliniken meist 
unter großer Assistenz von 3 — 4 Personen die Dämme genäht werden. 
Dann lernt der Student nicht die einfachen Methoden und kann sich 
später schwer behelfen. 

Als Nahtmaterial empfehle ich Silkworm oder Draht Aber auch 
mit Seide, die in jedem Desinficiens oder in kochendem Wasser schnell 
zu sterilisieren ist, hat man gute Resultate, wenn man von der Tiefe aus 
näht und wenn der Damm gut prophylaktisch, während der ganzen Ge- 
burtsdauer sauber gehalten ist. 

Die Wunde ist natürlich nicht trocken zu halten, da die Lochien 
I und der Urin herüberfließen. Deshalb behandele man von Anfang an 
I mit nassen Umschlägen, die auch den Vorteil haben, den brennenden 
Wundschmerz zu mildern. Eine große nasse Wattekompresse muß über 
die Geschlechtsteile vom Mons Veneris an bis über den Anus reichen, 
so triefend naß, daß in der nach unten fließenden Flüssigkeit und in der 
nassen Unterlage der mit einer Blähung herausgepreßte Darmschleim 
und Kot sofort desinfiziert wird. Die Watte wird verbrannt. Nimmt 
man Lappen, so muß aus der desinfizierenden Flüssigkeit der neue 
Lappen sofort nach Entfernung des ersten gut angeschmiegt vorgelegt 
werden. Dann wäscht die Wärterin den beblutelen Lappen in fließen- 
dem Wasser rein aus und legt ihn in das Desinficiens, in dem er bleibt, 
bis er nach 2 Stunden wieder vorgelegt wird. Nach 2 Tagen geht man 
von der feuchten Behandlung zur trockenen über, indem man trockene 
Watte vorlegt 






Katheterisiert wird, wenn die Wöchnerin Urin lassen kann, nicht 
Der Urin ist aseptisch, er wird auch sofort abgespült Die Harnröhre 
ist jetzt so verletzlich, daß Fissuren mit unangenehmen Symptomen leicht 
entstehen. Tritt das Gefühl von Stuhldrang sofort ein, so ist es meist 




i 



140 Zehnies Kapitel. 

die Sphincternaht, die diesen Reiz verursacht. Man gebe 
ersten Tagen lileine Opiumdosen, z\teistündlich 8 Tropfen Tindura 
Ihebaica. Auch ist es vorteilhaft, einen dünnen gläsernen Katheter 
in den Anus einzuführen, um Blähungen abzulassen. Sie dehnen die 
Ampulla recti, wodurch die Wunde im Rectum auseinander gedehnt und 
infektiöser Schleim in die Tiefe gepreßt wird. 

Bekommt die Wöchnerin am g. oder 6. Tage Stuhldrang, so werden 
50 g Olivenöl in den Anus gespritzt. Nach dem ersten Stuhlgang ent- 
fernt man die Nähte. Wenn nicht vollständige Heilung eintrat, so wird 
mit Argenfumsalbe 1 : 50, die desinfiziert und die Granulation anregt 
weiter behandelt. 

Eine künstliche Verstopfung lange zu erhalten, ist nicht notwendig, 
ja schädlich. Aber es heilen doch die Wunden besser, wenn sie 5 — 6 Tage 
in Ruhe sind. Auch jetzt noch kann ein vollkommen geheilter Damm 
durch einen sehr großen, alten, harten Kotbalien auseinander gedrückt 
werden. 

In diesen Fällen ist oft eine Sekundärnaht von Erfolg. Man 
kratzt mit sehr kleiner Curette alle Granulationen sorgfältig ab und 
den Wundrecessus aus. Dann näht man, wie das erstemal, nachdem man 
sehr intensiv die Wundfläche mit Lysollösung ab- und ausgewischt hat. 



Die Leitung der Nachgeburtsperiode. 

Nach der Geburt des Kindes tritt eine Pause in der Wehentätigkeil 
ein. Man erfaßt die Hand der Mutler und kontrolliert am Pulse, ob etwa 
eine innere Blutung eintraf. Gleichzeitig faßt man vorsichtig, keinesfalls 
stark drückend nach dem Uterus, Er liegt oberhalb der Symphyse breit 
und weich. Bald treten die zunächst nicht empfundenen Nachwehen ein, 
die man deutlich fühlt. 

In drei Räumlichkeiten kann die Placenta sich befinden. Entweder 
liegt sie noch in der Höhle des Corpus, oder sie ist aus dem Corpus in 
das untere Uterussegment, resp. in die Cervix herabgerückt, oder sie ist 
aus dem Uterus ausgestoßen und liegt schon in der Vagina. Wo sie liegt, 
ist leicht zu erkennen. Liegt sie noch oben im Uterus, so ist er breit, 
und befindet sich dicht über der Symphyse. Liegt die Placenta unterhalb 
des Kontraktionsringes im unteren Uterussegment, so kann man dies aus 
drei Zeichen erkennen. Erstens steigt der Fundus nach oben bis an 
oder über den Nabel. Zweitens ist die Gegend oberhalb der Symphyse 
weicher als der Uterus und drittens schiebt sich die Nabelschnur weite: 
vor die Vulva. Bemerkt man dies, so legt man die flache Hand nur auf 
die Vorderfläche des Uterus, drängt ihn nach der Wirbelsäule hin und 




Leitung der Nachgeburlsperiode. 



141 



drückt, ohne etwa den Fundus nach abwärts zu schieben, die Placenta 
in das Beclfen und die Vagina hinein. 

Diesem einfachen Handgriffe folgt die Placenta, deren Rand in und 
vor der Vulva, nach oben steigend erscheint. Man faßt ihn, ohne die 
Vulva zu berühren an und zieht die Placenta nach aufwärts aus der Vulva 
heraus. Durch diesen Handgriff wird der Weg vom unteren Uterus- 
segment bis in die Beckenhöhie geradlinig. Der Winkel zwischen Uterus 
und Vagina wird ausgeglichen, resp. gestreckt. 

Bleibt aber die Placenta im Uterus oben liegen, was man sofort aus 
der Größe und dem Tiefstand des Uterus wahrnimmt, so ist entweder 
die Placenta noch nicht gelöst, oder sie hat sich so völlig umgekrempelt, 
daß ihr großer Durchmesser den Kontraktionsring nicht passieren kann, 
der sich schon zusammengezogen hat Dann macht man den Cred^- 
schen Handgriff. Dazu muß der Uterus in der Mitte liegen. Man 
wartet ab, bis eine deutliche Wehe vorhanden ist. Zögert sie einzutreten, 
so kann man durch leichtes kreisförmiges Reiben des Uterus, ohne ihn 
etwa herabzudrücken, die nötige Wehe erzeugen. 

Sehr falsch ist es, sofort nach Ausstoßung des Kindes die Placenta 
zu entfernen, resp. sofort kräftig zu reiben und zu drücken. Täte man 
dies, so würde sich die Placenta nur teilweise lösen. Es gäbe Nach- 
blutungen (vergl. S. 70), die Eihäute blieben fest haften. Nur wenn der 
schnelle Puls Blutverlust andeutet, oder wenn man die Blutung durch 
Nachsehen zwischen den Beinen wahrnimmt, dann ist die Blutung eine 
Indikation, den Uterus leer zu machen, denn erst nach Ausstoßung 
der Placenta ist die völlige Kontraktion des Uterus und der Stillstand 
der Blutung zu erwarten. 

Vielmehr soll man 15 — 30 Minuten -warten und nur durch ganz ge- 
lindes Reiben, bei dem der Fundus nicht herabgedrückt wird, 
Wehen erzeugen. 



Sobald der Uterus wirklich hart 
auf die Rückseite des Fundus und 
Seite. Man drückt dann, wie man e 
ihn eher erhebend als tiefer drängend 
die Placenta den Uteruskörper verläßt, 



;t, fassen je 4 Finger jeder Hand 
beide Daumen auf die Vorder- 
ine Citrone ausdrückt, den Uterus 
aus. Deutlich bemerk-t man, daß 
daß er unter den Händen kleiner 



wird und daß der Inhalt: die Placenta abwärts gleitet. 

Nunmehr schiebt man nicht, wie vielfach gelehrt wird, mit dem 
Uterus die Placenta heraus, sondern man läßt den Uterus los, der Fundus 
bleibt hoch stehen, man drückt wie oben beschrieben mit der flachen 
unterhalb des Kontraktionsringes vorn aufgelegten Hand die Placenta in 
die Beckenhöhle. Erscheint sie in der Vulva, so wird sie direkt erfaßt 
und langsam nach oben liervorgezogen. ^ 




n 



142 Zehntes Kapitel. 

Fallen die Eihäute nicht sofort hervor, sondern hängen sie fest, so 
wird durch Auflegen und Druck mit der flachen Hand gegen die Vorder- 
fläche des Uterus der Winkel zwischen Uterus und Vagina ausgeglichen. 
Ist der Weg somit gerade gemacht, so gleiten die gelösten Eihäute leicht 
heraus. Wenn nicht, so macht man eine Wehe durch Reiben des Fundus. 
Reißen die Eihäute ein, so bindet man um sie einen Seidenfaden, weil 
sonst die Eihäute völlig abreißend leicht zurückschlüpfen. Von dem alt- 
hergebrachten Herumdrehen der Placenta, um aus den Eihäuten ncinen 
Strang zu bilden", sah ich keinen Vorteil. Das Abreißen wird dadurch 
nicht verhütet. Folgen die Eihäute bei gelindem Zug an dem Faden nicht 
sofort, so läßt man ihn ruhig liegen. Am anderen Tage sind die Ei- 
häute sicher gelockert, so daß sie beim Urinlassen, beim Stuhlgang heraus- 
fallen. Oder sie werden jetzt leicht mittelst des Fadens herausgezogen. 

Keinesfalls suche man durch intrauterines Eingehen die Eihäute ab- 
zuschieben, da das, was man mit Gewalt unter Schmerzen der Ent- 
bundenen bei Infektionsgefahr kaum vollenden könnte, die Natur binnen 
kurzem selbst gefahrlos fertig bringt. 

Die Placenta legt man auf die eine flache Hand, schiebt die Eihäute 
nach der kindlichen glatten Seite hinüber und betrachtet namentlich die 
Ränder, ob etwa ein Cotyledo fehlt. Tst das der Fall, so legt man eine 
Hand auf den Fundus, drückt ihn nach hinten und unten, macht somit 
den Weg in den Uterus zu einem geraden und tastet kombiniert die 
Scheide und die Uterushöhle aus. Der Cotyledo ist leicht durch seine 
charakteristische Rauhigkeit und Härte zu erkennen, und sofort zu ent- 
fernen. Sollte er anhaften, z. B. durch einen Strang, so wird dieser zer- 
rissen, wonach der Coiyiedo bei starkem Druck von außen in die Finger 
gleitet. 

Danach reinigt man die blutigen Hände, tastet den Leib ab, über- 
zeugt sich, daß der Uterus kontrahiert ist, beobachtet den Puls, reinigt 
die Vulva von Blut, legt ein sauberes Tuch unter und einen großen 
Wattebausch vor die Vulva, läßt die Beine fest zusammenlegen, und em- 
pfiehlt der Entbundenen es sofort zu melden, wenn etwa Schmerzen oder 
Ohnmachlsgefühle eintreten oder wenn Blut abfließt. 

Man wartet einige Zeit ab, legt dann die Frau auf die Seite und 
betrachtet den Damm, der ja auch durch die Schulter eingerissen sein 
kann, wenn er bei Durchgang des Kopfes erhalten war. Ist der Damm 
intakt, so läßt man die EnlbuTidene wieder die Rückenlage einnehmen, 
ist er zerrissen, so wird er, wie oben beschrieben, genäht, i 

Die Entbundene ist nun eine Wöchnerin. ■ 

L ^ 



Elftes Kapitel. 

Das Wochenbett 



Anatomie. 

Die durch die Nachwehen bewirkte Verkleinerung des Uterus hindert 
die Blutzufuhr. Das Ernährungsmaterial wird dem Uterus zum großen 
Teile entzogen. Dadurch kommt es zur Verfettung der Muskulatur. 
Das Plasma in den während der Schwangerschaft enorm vergrößerten, 
glatten Muskelfasern zerfällt fettig und vfird resorbiert Wahrscheinlich 
bleibt die Muskelfaser als solche erhalten, nimmt aber allmählich ihre 
vorige Größe wieder an. Dieser Vorgang ist nach 4 Wochen vollendet. 

An der Rückbildung, resp. der Verkleinerung beteiligen sich auch 
die Gefälle und Nerven. Die ersteren werden wieder enger, bleiben 
aber mehr geschlängelt, also länger als früher. Die großen Nervenstränge 
werden kleiner; der unmittelbar nach der Geburt gefaltete Peritoneal- 
überzug verliert allmählich seine Falten und überzieht nach 10 — 14 Tagen 
wieder als glattes Perimetrium den Uterus. 

Auch die Ligamente werden wieder kürzer, bleiben sie entzündlich 
infiltriert lang, so genügen sie nicht mehr ihrer physiologischen Aufgabe 
und es treten Lageve ränderungen des Uterus ein. Die Platten der Liga- 
mente, zwischen denen Venen, Lymphgefäße und Arterien an Umfang ein- 
büßen, legen sich wieder mehr aneinander. Der Uterus hatte durch 
Hineinschieben seiner Randgefäße die Platten des Ligamentum latum aus- 
einander gedrängt. Er zieht sich gleichsam aus den Ligamenten auf seine 
Form zurück. Geschieht dies nicht, z. B. bei eitrigen Thromben am 
Uterusrande, im Parametrium, so trifft man noch entfernt vom Uterus 
Auftreibungen des breiten Mutterbandes. Die großen Venen in den 
Plexus der Mesenterien der Anhänge kollabieren, verschwinden auch zum 
Teil vollständig. Die Ovarien und Tuben werden kleiner und blutleerer. 

Die während der Schwangerschaft habituelle Anteflexion prägt sich 
schärfer aus. Der Uterus bildet mit der Cervix einen rechten, ja zunächst 
einen spitzen Winkel. Der Uterus legt sich in dem Beckeneingange dicht 
auf die unteren Gebilde, das Becken überdachend. Bei zunehmender 
Verkleinerung sinkt der Uterus tief in die Beckenhöhle hinein, so daß 
man ihn bald von außen nicht mehr fühlt. Während am 1. oder 2. Tage 
der Uterusfundus noch handbreit über der Symphyse als weicher rund- 
licher, etwas nach rechts gelagerter Körper zu fühlen ist, überragt er 
nach einer Woche, schon um die Hälfte verkleinert, noch eben die Sym- 



n 



L 



Elftes Kapitel. 

physe. Nach zwei Wochen ist der Uterus nicht mehr von außen deut- 
lich zu fühlen, es sei denn, daß die Blase oder das Redum stark gefüllt 
sind. Die gefüllte Blase erhebt den Uterus bis zum Nabel und schiebt 
ihn nach einer Seite, meist der rechten. Daß dadurch Nachblutungen 
eintreten, ist nicht richtig. 

Das volle Rectum verschiebt den Uterus nach vorn und erhebt ihn. 
Die Cervix kann bis dicht an die Symphyse gedrückt werden. Bei sehr 
starker Füllung des Rectum, bis zum Durchmesser eines Kindskopfes 
liegt der Uterus anteponiert in der Mitte, Dies kommt mitunter in der 
Rekonvaleszenz nach einer Peritonitis vor, bei deren Behandlung reich- 
lich Opium gegeben wurde. 

Auch die runden Mutterbänder verkürzen sich stark, so daß sie die 
Anteflexion des Uterus erhalten. Nur außerordentlich selten fühlt man 
in den ersten Tagen des Wochenbettes eine Retroflexio. Aber daß sie 
sogar schon in der Nachgeburtsperiode möglich ist, habe ich selbst be- 
obachtet. Ebenso verkürzen sich die Douglasischen Falten, die Ligamenta 
retrouterina. Ihrer Verkürzung wird durch dauernd starke Füllung des 
Rectum entgegengearbeitet. Kabituelle Verstopfung im Wochenbett ist 
gewiß die erste Ursache der schlechten Involution und mangelhaften Ver- 
kürzung der Ligamenta retrouterina, also die Ursache der Retro- 
flexio uteri. 

Am schnellsten verkleinert sich die Portio vaginalis, war doch der 
Grund ihrer während der Geburt entstehenden Vergrößerung einfaches 
Odem. Unmittelbar post partum hängen die Muttermundslippen, oft 
durch ein oder zwei seitliche Einrisse getrennt, wie ..schlaffe Segel" tief 
in die Scheide hinein. Sie sind so weich, daß dem Nichtgeübten das 
Aufsuchen des Muttermundes sofort post partum schwer ist. Man kann 
leicht 2 Finger bis die halbe Hand in den Muttermund einschieben und 
fühlt erst eine Härte, resp. einen Widerstand am inneren Muttermunde, 
oder viel mehr an der Grenze der dicken Muskulatur, am Kontraktionsring. 
Schon nach zwei bis drei Tagen formiert sich die Portio wieder und 
erreicht nach 4 — 5 Tagen, namentlich wenn größere Zerreißungen fehlen, 
die Größe und Form, die vor der Geburt in der letzten Zeit der 
Schwangerschaft bestand. Schon nach 12 — 14 Tagen ist es allein aus 
dem Befunde der Portio bei einer Multipara gerichtsärztlich nicht zu be- 
weisen, daß eine Geburt stattgefunden hat. Auch der Arbor vitae bildet 
sich wieder aus. 

Die Innenfläche des Uterus stellt nach der Geburt eine große 
Wunde dar, denn die Decidua ist gespalten, resp. zerrissen. Eine un- 
regelmäßige dicke Schicht haftet an der Placenla, ein großer Teil bleibt 
im Uterus zurück. Die Spaltung ist unregelmäßig, geht sowohl tiefer 




Das Wochenbelt. Anatomie. 



145 



durch die Spongiosa als höher durch die Compacta. Die Placenta trägt 
also hier dickere, dort dünnere Auflagerung von Decidua. 

Die Innenwände des Uterus liegen nicht dicht aneinander, vielmehr 
füllt die Höhlung ein Blutcoagulutn aus. Ein kleineres bei guter Kontrak- 
tion, ein größeres bei ^i-eitem Uterus. Der Blutkiumpen verflüssigt sich und 
geht mit der sich auf- und ablösenden Decidua als Lochialfluß ab. Auch 
die Innenfläche des Uterus ist nicht regelmäßig glati, vielmehr haftet hier 
mehr, dort weniger Decidua an. Jedenfalls aber bleibt stets eine Schicht 
der Decidua zurück. Denn die Uterusschleimhaut, resp. die Decidua ist 
mit der darunter liegenden Muskulatur fest verbunden, ja erstreckt sich 
stellenweise in die' Muskulatur hinein. 

In die tiefste Schiciit der Decidua wandern viele weiße Blutkörperchen 
ein, bilden also gleichsam eine Granulationsschicht; über ihr stoßen sich 
die obersten Schichten der Decidua, der Verflüssigung anheimfallend, ab. 

Waren während der Schwangerschaft die Drüsen in die Quere ge- 
dehnt, parietal angedrückt, schräg und parallel der Innenfläche verlaufend, 
so wird nun bei der Verkleinerung des Uterus die Oberfläche wieder 
zusammengeschoben, so daß die Reste der Drüsen, die auf der Uterus- 
innenfläche haften bleiben, sich wieder mehr rechtwinkehg zur Ober- 
fläche stellen. 

Von diesen zurückbleibenden Drüsenresten oder Drüsenfundus aus 
wächst das Epithel über die Innenfläche herüber und senkt sich bei der 
zunehmenden Verkleinerung in die Tiefe. Es bildet sich wieder 
eine Uterusschleimhaut mit allen normalen Bestandteilen. Wie 
schnell dies vor sich geht, und nach welchem speziellen Modus, ist nicht 
genau bekannt, denn physiologische Uteri sind selten untersucht jeden- 
falls aber wurde in der dritten Woche post partum die Uterusschleim- 
haut schon völlig normal gefunden. 

Die Placentarstelie ragt nach der Geburt etwas konvex hervor, 
so daß sie in einer kreisförmigen, in der Mitte am höchsten hervor- 
ragenden Kuppel sich in das Lumen der Uterushöhle hineinwölbt. Ihre 
Oberfläche ist unregelmäßig rauh anzufühlen. Größere Thromben zum 
Teil in die Tiefe sich erstreckend, zum Teil über die Oberfläche hervor- 
ragend, befinden sich in der Placentarstelie. Virchow hat den Ver- 
gleich gebraucht: die Thromben säßen auf der Placentarstelie wie die 
Pfropfen auf der Weinflasche, halb außer und halb innen. Man muß 
diese Hervorragungen der Placentarstelie und ihre unregelmäßige Ober- 
fläche kennen, um nicht beim Austasten des Uterus etwas für pathologisch 
zu hallen, was physiologisch ist. Wiederholt hat man fälschlicher Weise 
diese Unregelmäßigkeiten für etwas Pathologisches gehalten und sie 
durch therapeutische Eingriffe, z. B. Abschabungen mit der Curette be- 



* 



n 



I 

l 



seitigen Ncollen. Viel länger, als man gewöhnlich denkt — noch 
3 und 4 Monaten kann man die Placentarstelle bei der Obduktion nach- 
weisen. 

Mit dem Wort „Lochien", «Wochenfluß« bezeichnet man das, 
was im Wochenbett aus den Genitalien abfließt. Zunächst ist es Blut: 
Lochia cruenta 2—3 Tage; selbstverständlich ist die Menge sehr ver- 
schieden. Bei großen Wunden in der Portio oder Vagina, bei schlaffem, 
ein großes Bhitcoagulum enthaltendem Uterus ist der Abgang des ge- 
ronnenen, sich verflüssigenden Blutes stark und dauert auch längere Zeit 
an. Es gehen Klumpen bei Anstrengung der Bauchpresse, beim Auf- 
sitzen zum Urinieren etc. ab. Beim Fehlen großer Wunden nimmt schon 
nach 2 Tagen der Lochialfluß eine hellere Farbe an und wird dünn- 
flüssiger: Lochia serosa. Heilen die großen Wunden durch Eiterung, 
so fließt, bis alles überhäutet ist, Eiter aus: Lochia lactea. 

Flüssigkeitsverlust des Körpers auf anderen Wegen beschränkt die 
Menge der Lochien. So haben stillende Frauen weniger Lochien, eben- 
so verringert sich die Menge bei starken Schweißen, hei Durchfällen, 
bei Fieber. Kratzt man den Uterus, /.. B. bei Fieber, aus, was allerdings 
sehr zu widerraten ist, so holt man große weißliche Fetzen, die noch 
nicht eingeschmolzene Decidua aus dem Uterus heraus. 

Bei normalem Verlaufe secerniert schon nach 3 Wochen der Uterus 
wieder glasigen Schleim, der besonders dann sehr reichlich ist, wenn das 
Cylind erepithel, eine sogenannte Erosion bildend, auf die Portio hin- 
überwuchert. Bestehen größere Verletzungen, z. B. in der Scheide — 
große Einrisse nach schweren Zangen- oder nach künstüch beendeten 
Geburten bei noch nicht völlig erweitertem Muttermunde, so eitern diese 
Wunden noch lange. Bis in die 3. und 4, Woche besteht dann reich- 
licher Ausfluß der Lochia lactea. Wird regelmäßig medikamentös ausge- 
spült und dadurch die Wundheilung begünstigt, so wird dieser Lochial- 
fluß beschränkt und hört oft ganz plötzlich auf. 

Da die Lochien zum Teil aus Eiter bestehen, und da sie über die 
nicht sterilen äußeren Genitalien fließen, da auch in die Scheide Bakterien 
leicht hineingelangen, so sind die Lochien keine sterile Flüssigkeit, son- 
dern enthalten Fäulnisbakterien, Staphylokokken und Streptokokken, 

Das Blut ist eine sowohl sterile als baktericide Flüssigkeit. Deshalb 
ist auch das ausfließende Blut der Lochia cruenta zunächst steril und 
kann die frischen Wunden nicht infizieren, resp. ihre primäre Heilung 
nicht stören. Sobald aber der Abfluß frisch extravasierten Blutes auf- 
hört, entwickeln sich in den Lochien Fäulnisbakterien und Kokken, In 



Die Lochien, Die Involution. 



147 



dem natürlichen Brutofen der Scheide wuchern die Fäuinisbakterien und 
führen Zersetzung und Fäulnis herbei. Oft sind deshalb nach einigen 
Tagen die Lochien übelriechend. Sie infizieren aber jetzt deshalb nicht, 
weil die Lymph- und Blutgefäße thrombosiert und die Wunden mit 
frischen Granulationen bedeckt, also resorptionsunfähig sind. Granulierte 
Wunden werden ebenso unschädlich, wie die Scheide bei der Menstru- 
ation von fauligen Flüssigkeiten bespült. Macht man andererseits in 
diesen Granulationen, z. B. durch eine Untersuchung, bei einem sehr 
■ harten Stuhlgang, durch ein roh eingeführtes Irrigatorrohr eine neue 
Wunde, so kann eine Spät Infektion, Spätfieber eintreten. 

In der Uterushöhle besteht wegen der Nachwehen und der an- 
dauernden Verkleinerung des Organs ein Innendruck, der das Einfließen 
der in der Scheide liegenden flüssigen Massen nicht zuläRt, sondern viel- 
mehr eine Stromrichlung nach abwärts bewirkt. In der Regel ist die 
Uterushöhle der gesunden Wöchnerin als bakterienfrei, als steril anzu- 
sehen. Sind aber z. B. bei geburtshilflichen Operationen, oder bei Unter- 
suchungen, die mit den bis in die Uterushöhle eingebrachten Fingern 
ausgeführt waren, Bakterien oder Kokken in die Höhle gelangt, so kann 
auch der Uterusinhalt verfaulen. 

Der innere Muttermund ist mitunter stark abgeknickt, ist doch schon 
physiologisch die Antetlexio oft spitzwinklig, wenn z, B. die stark ge- 
blähten Därme den Uteruskörper fest in das Becken drücken. Dann 
überwindet der Innendruck nicht den Knickungswinkel. Die Lochien 
bleiben zurück, faulen und bewirken nun wiederum durch Resorptions- 
vorgänge Erweichung, leichte Ausdehnung und Vergrößerung des Uterus, 
Es besteht dann Resorptionsfieber: Saprämie. So kann ein im Uterus 
zurückgehaltener Eihautrest oder auch nur ein Blutklumpen faulen. Die 
Fäulnis kann auch einen Thrombus der Place ntarsteUe ergreifen, wonach 
er sich verflüssigt, so daß es zur Blutung kommt. Reagiert der Uterus 
durch Wehen auf den Inhalt, oder wird er ausgedrückt oder ausgespült, 
so hört die Resorption und das Resorptionsfieber auf, worüber mehreres 
bei den Puerperal krau kheiten. 



Das Zurückkehren der Scheide zur früheren Form und Größe 
hängt namentlich davon ab, ob größere Verletzungen stattfanden. Trennt 
z. B- ein Dammriß die hintere Scheidenwand, so entbehrt das Rectum 
der Stütze der Vaginalwand und dehnt sich bei habitueller Füllung 
dauernd, stark aus: es entsteht eine Reclocele und Descensus der 
hinteren Vaginalwand. Bleibt aber der zerrissene Sphincter dauernd 
durchtrennt, so ist eine Reclocele unmöglich, denn unterhalb des 




4 



148 



Elftes Kapitel. 



Sphinder internus kann sich Kot nicht ansammeln und alsö^ 

Scheidenabschnitf nicht dehnen. 

Auch die vordere Vaginalwand senkt sich bei Zerreißung und Quer- 
dehnung der hinleren Vaginal wand; es entsteht eine Cystocele und 
Descensus der vorderen Vaginalwand, die der hinteren oder vielmehr 
unteren Stütze entbehrt Nun gibt es unendlich viel Obergänge von 
geringer Senkung bis zum allmählich sich ausbildenden völligen Prol^s. 

Tritt eine Schwangerschaft nicht bald wieder ein, fehlt eine größere 
Zerreißung am Introitus vaginae und auch an der Portio, so kann eine 
so vollständige Zurückbiidung zum Stadium integrum eintreten, daß man 
nach Jahren beim Touchieren kaum diagnostizieren kann, ob überhaupt 
eine Geburt stattgefunden hat. Nur am Hymen zeigen sich Spuren der 
stattgehabten Geburt Nach der Defloration sieht man die Deflorations- 
risse, meist 2 oder 3 Durchtreiinungen nach hinten zu, aber man sieht 
doch das ganze die Vagina abschließende Hymen noch als eine, wenn 
auch zerrissene Membran. Bei der Geburt aber wird das Hymen gleich- 
sam abgestreift und völlig vernichtet, man sieht nur den Introitus um- 
gebende kleine unregelmäßige Hymenaireste: die .sog. Carunculae myrti- 
formes. Täuschungen kommen vor, denn es gibt Fälle, wo das Hymen 
angeboren so niedrig ist, daß es von Anfang an die Form der Carunculae 
myrtiformes darbot. 



Der Uterus einer Frau, die geboren hat, bleibt in der Regel für die 
ganze Lebenszeit größer, als er vor der Schwangerschaft war. Fand aber 
nur eine, oder fanden wenige Qeburien statt, so ist im Greisenalter der 
Uterus so klein, daß man, wenn Einrisse fehlen, bei der Sektion nicht 
eine stattgehabte Geburt aus dem Befunde diagnostizieren kann. 



Die Bauchdecken der Wöchnerin sind nach der Geburt schlaff, 
so daß fast die Erscheinungen der Fluktuation vorhanden sind. Bestanden 
viele sogenannte Schwangerschaftsnarben, so blassen sie allmählich 
ab, bleiben aber doch als weißlich glänzende etwas geriefte Streifen für 
immer bestehen. Ausnahmen kommen vor. Es gibt Frauen, die trotz 
vieler Geburten nicht die Spur alter Striae aufweisen. 

Die Pigmentierung in der Linea alba, wenn sie vorhanden war, 
blaßt ebenfalls allmählich ab. Die Musculi recti rücken wieder dicht an- 
einander, bleiben aber in Fällen von großer Ausdehnung des Leibes, nach 
Zwillingen oder Querlagen, Hängebauch, und auch dann, wenn eine neue 
Schwangerschaft sehr bald wieder eintritt und wenn die schwer körper- 
lich arbeitende Wöchnerin durch Anstrengung der Bauchpresse die Därme 



Die puerperale Involution. 



149 



in den Zwischenraum zwischen die Recti einpreßt, dauernd getrennt. 
Oft besteht ein handbreiter Zwischenraum zwisclien den Recti, den man 
dadurch besonders deutlich macht, daß die liegende Wöchnerin, ohne 
sich auf die Arme und Ellbogen zu stützen, den Oberkörper erhebt. 
Dann gleiten die Recti nach der Seite und die Mitte wölbt sich mehr 
oder weniger stark kammartig hervor: Hernia lineae albae. 



Meist bleibt der Fettansatz in den Bauchdecken ein dauernder; Frauen, 
die geboren haben, behalten einen dicken Bauch, eine schlechte Tailie. 
Dazu trägt bei, daß die Därme, bei chronischer Konstipation mit Dami- 
gasen und Kot angefüllt, den Leib aufgetrieben erhalten. Da arme 
Frauen sich um die Wochenbetthygiene nicht kümmern, so sieht man 
dicke Bäuche und schlechte Involution der Bauchdecken besonders bei 
Frauen der schwer arbeilenden Klasse. Indessen ist der Fettansatz rein 
individuell, es gibt arme Frauen, die trotz schwerer Arbeit und vieler 
schnell aufeinander folgender Geburten schlank bleiben, und Frauen aus 
den besten Ständen, denen es nicht gelingt, trotz Binden und Beobach- 
tung aller Gesundheitsregeln wieder eine „gute Taille" zu bekommen. 

Am meisten schädlich in dieser Beziehung sind schnell aufeinander 
folgende Schwangerschaften. Die Schneiderinnen wissen darüber besseren 
Bescheid zu geben als die Ärzte. Der Leib bekommt nach einer Geburt 
eine definitive Form und den bleibenden Umfang erst nach 5 — 6 Monaten. 
Tritt schon nach 2 oder 3 Monaten eine neue Schwangerschaft ein, so 
nützen alle Knnslmütel nicht, die schlanke Taille wiederherzustellen. 
Man muß genau untersuchen: ist der Bauch dick, weil die Bauchdecken 
eine Fettschicht von 6 — S cm oder mehr besüzen, so nützen Binden, 
Massagekuren etc. nichts. Sind aber die Bauchdecken dünn und ist der 
Bauch dick, weil die Därme aufgetrieben und weil sie ihren Inhalt nicht 
entleeren, so wird man mit Massage und Regelung des Stuhlganges viel 
erreichen. 



Physiologie und Symptomatologie. 

Ist die Entbundene gereinigt und sauber gebettet, hat sie die Mit- 
teilung erhalten, daß nunmehr alles in Ordnung ist, hört sie den Schrei 
des Kindes und hat sie sich voll inniger Freude am Kinde satt gesehen, 
so bemächtigt sich der jungen Mutter ein geistiges und körperliches 
Wohlbehagen, das höchstens durch die von Zeit zu Zeit auftretenden 
Nachwehen gestört wird. Es ist volkstümlich und durchaus empfehlens- 
wert, der Entbundenen eine Tasse warme Milch oder Kamillentee zu 
verabreichen. Das Kältegefühl, das beim Abwaschen, Wäschewechseln 




4 



150 



Elftes Kapitel. 



und Enlblößeti des von der Qebuilsatistrengung heißen schwitzenden 
Körpers meist vorhanden ist, das sich selbst bis zu einem kurzen 
Schüttelfrosle steigert, wird durch warmes Getränk am schnellsten be- 
seitigt Eitle Wöchnerin ist überhaupt zum Schwitzen geneigt Dies ist 
so sehr die Regel, daß die alten Ärzte früher, und das Volk noch heute 
die 11 Wochenschweiße'' für etwas Naiürliches, Gesetzmäßiges und zum 
Wohlbefinden Nötiges hielten. Noch heute hört man oft im Volke die 
Erzählung, daß „Unterdrückung der Wochenschweiße" diese oder jene 
Krankheit verursacht habe, sogar die Schuld am Kindbettfieber trage. 
Diese Schweijie sind ein Beweis der Schwäche. Wie ein Magenkranker 
leicht schwitzt, wie überhaupt ein geschwächter Mensch zu leicht ein- 
tretenden Schweißen neigt, so auch die Wöchnerin. Wird das Wochen- 
bett hygienisch richtig geleitet, ä. h. ist die Zimmertemperatur normal, 
die Kleidung und das Bett nicht zu warm und dick, und das Qetränk 
nicht zu heiß, so hat eine gesunde Wöchnerin selbst im Schlafe keine 
.AVochenschweiße". 

Die Wehen dauern nach Abgang der Placenta als sogenannte Nach- 
wehen noch einige Zeit kräftiger an. Sie werden zwar nicht von der 
Wöchnerin, wohl aber vom Arzte als Hartwerden der Gebärmutter beim 
Auflegen der Hand gefühlt Eine ,. Dauerkontraktion", d. h. ein perma- 
nentes Hartsein gibt es nicht Vielmehr ist der Uterus weich, so weich, 
daß stark geblähte Därme seine Form verändern. Mitunter sind die 
Nachwehen so schmerzhaft, daß man einige Opiumdosen (2 stündlich 
8 Tropfen Opiumtinktur) geben muß. Verlief die Geburt außerordent- 
lich schnell, wie es der Fall ist bei Sturzgeburten oder überhaupt bei 
sehr günstigen Geburtswegen Muhiparer und sehr schnellem Verlaufe, 
so sind die Nachwehen stärker und schmerzhafter als bei länger dauern- 
den Geburten, zu deren Vollendung starke Wehen notwendig waren. 

Oft treten Nachwehen gerade dann ein, wenn die Mutler das Kind 
an die Brust legt. Man hat deshalb, da Nachwehen zur Rückbildung 
des Uterus nötig sind, gerade deshalb das Selbststillen für wünschens- 
wert erklärt, um die Involution zu begünstigen. Indessen wird wohl der 
günstige Einfluß der Nachwehen überschätzt Auch bei nichtstillenden 
Müttern erfolgt, wenn keine Störung durch fieberhafte Vorgänge oder 
Nachblutungen eintritt, die Rückbildung in normaler Weise. 



Die Puls- und Atemfrequenz ist im normalen Wochenbett ver- 
ringert. Seit alters her weiß man, daß die Pulsfrequenz auf 48 — 60 Schläge 
bei einer gesunden Wöchnerin sinkt. Ja bis auf 40 Schläge kann die 
Frequenz zurückgehen. Ein langsamer Puls beweist, daß die Wöchnerin 




gesund ist, läßt also eine gute Prognose stellen. Hafte die Wöchnerin 
Fieber und kehrt die Verlangsamung des Pulses zurück, so ist dies pro- 
gnostisch außerordentlich günstig. Ich habe wohl mit meiner Anschau- 
ung, daß diese Pulsverlangsamung nichts Spezifisches ist, sondern nur 
die Folge der großen körperlichen und seelischen Ruhe, recht behalten. 
Damit hängt auch die geringe Atemfreqaenz zusammen. i 

Die Temperatur ist bei der Geburt, resp. in den ersten Stunden 
nach der Geburt meist etwas erhöht bis 37,8. Temperaturen aber von 
38 oder über 38 möchte ich auch zu dieser Zeit für pathologisch, resp. 
prognostisch ungünstig halten. Schon am ersten Tage sinkt die Tempe- 
ratur auf 35,5 früh bis 37,5 abends. Erhebt sie sich auch nur um ein- 
zelne Zehntel Grade, so muß dies die Aufmerksamkeit des Arztes wach 
halten. Ich will nicht sagen, daß eine Wöchnerin, die einmal 38,0 oder 
38,2 Temperatur hat, sicher krank wird, aber man muß doch diese 
Temperaturen als „anzeigende", d. h, eine fieberhafte Krankheit wahr- 
scheinlich machende Temperaturen bezeichnen. 

Stuhlverhaltung und schwerer Stuhlgang, bei dem infolge starken 
Pressens Wunden, ja Blutungen auftreten, erhöht die Temperatur, Jeden- 
falls ist bei kleinen Steigerungen die Temperatur aufs genaueste zu 
kontroHieren. 

Die Entbundene hat meist, namentlich nach stärkerem Blutverluste, 
großen Durst Aber auch wenn sie zunächst wenig trinkt, ist die Ham- 
absonderung reichlich, so daß in den ersten 24 Stunden i — 1 '/^ Liter 
häufig entleert werden. Schon am 2. oder 3. Tage läßt sich im Harn 
Milchzucker nachweisen , er nimmt besonders dann zu , wenn die 
Brüste anschwellen und das Kind nicht angelegt wird. Ebenso wurde 
in den ersten 2 Wochen Peptonurie beobachtet , die auf die Re- 
sorption der Umsetzungsprodukte der Muskelfasern des Uterus be- 
zogen wird. 



Bei den Preßwehen wird oft die Blase entleert, der Urin spritzt im 
Strahle hervor. Nach der Entbindung füllt sich die Blase bald wieder, 
jedoch stößt die Endeerung öfter auf Schwierigkeiten. Eigentümlich ist, 
daß bei einer Füllung der Harnblase, die sonst Urindrang bewirken würde, 
die Wöchnerin das Bedürfnis, den Harn zu entleeren, nicht fühlt. Dabei 
ist oft die Blase so voll, daß die Dämpfung beim Perkutieren bis fast 
an den Nabel reicht. Es ist nur ein allgemein unbehagliches Gefühl, 
kein Harndrang vorhanden. Fordert man die Wöchnerin auf, den Urin 
zu entleeren, so gelingt es mitunter nicht Wir müssen unterscheiden 




n 



zwischen Gründen, die das subjektive Empfinden der Blasetifüllung 
stören, und solchen, die die Entleerung der Blase hindern. 

Nach der Geburl ist der Bauch leer, der abdominelle Druck hat 
wegen der Verkleinerung des Uterus abgenommen, die Blase, die sich 
vorher zwischen Bauchwand urd Uterus schieben konnte und in dieser 
abgeplatteten Form weniger Urin aufnehmen konnte, kann ungehindert 
ihre runde Form wieder annehmen, somit eine größere Menge Urin 
fassen. Es nimmt also die Kapazität der Blase zu und der Harndrang 
wird später eintreten. 

Sodann sind die Frauen ungeschickt und können nicht im Liegen 
den Urin lassen, sondern nur im Stehen oder im Kauern. Auch ist die 
gedehnte Bauchmuskulatur nicht im stände, den Bauchinhalt unter 
höheren Druck zu bringen, um etwa nachzuhelfen. Es kommt dazu, dali 
beim Tiefe rtreten des Kopfes die vordere Seh ei den wand zusammen- 
geschoben wird, wobei sich die obere Hälfte der Harnröhre etwas nach 
unten abknickt. Und zuletzt ist der Einfluß des Trauma auf die Harn- 
röhre von Wichtigkeit. Der starke Druck des Kopfes, namentlich bei 
schweren Zangengeburten bewirkt sowohl in der Urethraschleimhaut als 
in der Muskulatur Verletzungen, Ödem und reaktive Entzündung. Oft 
ist der Harnröhrenwulst und Harnröhreneingang sehr stark geschwollen. 
Wie nach größeren plastischen Operationen in der Nachbarschaft tritt 
dann Harnverhaltung ein. 

Alle diese Gründe, der eine mehr, der andere weniger wirken zu- 
sammen, um das Urinlassen zu erschweren. 

Auch psychische Momente spielen eine Rolle; wurde mehremal 
vergeblich das Urinlassen versucht, so verzweifelt die Wöchnerin am Er- 
folg und preßt nicht genügend. Niemals, es sei denn, daß eine Cystitis 
durch unreines Katheterisieren entsteht, bleiben schädliche Folgen, etwa 
dauernde « Blasen lähmung" zurück. 

Da als Vorbereitung zur Geburt die Entleerung des Darms stets 
erzielt ist, und da die Wöchnerin zunächst nur flüssige Nahrung genießt, 
so füllt sich der Darm nur allmählich mit kompaktem Kot. Die körper- 
liche Ruhe retardiert noch dazu den Stuhlgang und deshalb tritt spontan 
der Stuhldrang erst am 3. oder 4. Tage ein. 

Wenn sich auch eine Entbundene wohl fühlt, so schläft sie meist 
in der ersten Nacht nicht viel. Die geistige Erregung ist zu groß, die 
Wöchnerin denkt immer wieder an das Vergangene und die Zukunft, tausend 
Fragen drängen sich ihr auf. Erst allmählich wird das seelische Oleichge- 
wicht wieder gewonnen. Namentlich nervöse Frauen sind oft erregt, sind sehr 




Symptomatologie des Wochenbettes. 153 

ängstlich und weinen leicht. Es ist deshalb notwendig, psychisch be- 
ruhigend einzuwirken, und jede Aufregung fernzuhalten. 

Oft tritt ein auffallend starkes Ausfallen der Haare im Wochenbett 
ein. Viele Wöchnerinnen klagen, daß sie schlechter sehen als vorher. 
Dies ist wohl die Folge mangelnder Übung. Die Sehschärfe kehrt bald 
wieder. 



Der Blutverlust, die Lochien, die Milch- und Schweißsekretidn, die 
zunächst restringierte Diät, der vermehrte Stoffwechsel in den ersten Tagen 
führen Fettverlust herbei, so daß eine Wöchnerin zunächst etwas ab- 
nimmt, Bald aber verkehrt sich dies in das Gegenteil. In der Regel 
werden die Frauen nach der Geburt sehr korpulent, es sei denn, daß 
Hunger, Kummer und Armut die Mutter geistig und körperlich herunter- 
bringen. 

Nach 24 Stunden, bei der Erstgebärenden später, bemerkt die Wöch- 
nerin Ziehen, oft Schmerzen in den Brüsten, die hart und prall werden: 
die Laktation bereitet sich vor, Nichtsellen schwellen auch die Lymph- 
drüsen in der Achselhöhle an, so daß die Wöchnerin nur mit gespreizten 
Armen liegen kann. Man fühlt die einzelnen Drüsenlappen als unregel- 
mäßige Knoten unter der Haut, Drückt man vorsichtig nach der Warze 
zu streichend auf die Brust, so entleert sich, wie schon vom 2. Monat 
der Schwangerschaft an, jetzt aber reichlicher, Flüssigkeit Zunächst das 
sog. Colostrum, eine Milch, die mit gelblichen Streifen durchsetzt ist 
Später nimmt die Milch ihre charakteristische Farbe an. Das Colostrum 
enthält mehr Eiweiß als die fertige Milch und außer den Milchkügelchen, 
den Fetttröpfchen, die sog. Colostrumkörper, vergrößerte weiße Blutkörper- 
chen mit Fetikügelchen, von denen man annimmt, daß es sog. Phagocyten 
sind, weiche in sich Fetttröpfchen aufnahmen. 

Die spätere Milch stellt eine Emulsion dar: Fetttröpfchen von ver- 
schiedener Größe in Serum suspendiert Außer dem Fett enthält die 
Milch Casein, Milchzucker und phosphorsauren Kalk. 

Wird das Kind angelegt, so nimmt durch das Absaugen die'Milch- 
bildung zu. Es gibt Fälle, wo die Brustdrüse so wenig entwickeh ist, 
daß schon nach 2^3 Tagen die Brust wieder schlaft und milchleer ist 
Das Gegenteil findet man bei Frauen, deren Milchmenge das Kind so 
wenig bewältigen kann, daß fortwährend Milch überfließt Schon die 
Vorstellung, daß das Kind angelegt werden soll, läßt die Milch reichlich 
ausströmen. 




i 



Elftes Kapitel, 

Stillt die Mutter, so bleibt die Menstruation in der Regel aus, bis 
das Kind abgesetzt wird. In vielen Fällen aber zeigt sich schon während 
des Slillens die Menstruation wieder. Bei der nichtStil lenden Wöchnerin 
tritt nach 6 Wochen die Menstruation und zwar zunächst oft auffallend 
stark wieder ein. Dann kann auch sofort wieder Schwangerschaft ein- 
treten. Ja es sind Fälle bekannt, wo die spätere Geburt beweist, daß 
die Frau schon 3 oder 4 Woctien post partum wieder konzipiert haben 
muf!, ohne daß es überhaupt zur Menstruation kam. 

Eine Blutung, die in den ersten 3 Wochen auftritt, ist als patho- 
logisch anzusehen. Man muß nach den Gründen forschen und sie zu 
beseitigen suchen, da die ohnehin durch Schwangerschaft und Geburf, 
eventuell durch das Stillgeschäft geschwächte Wöchnerin, kein Blut über- 
flüssig verlieren darf. 



Das neugeborene Kind. 

Der Fötus bezog den zum Leben nötigen Sauerstoff durch die Pla- 
centa von der Mutter. Die Quantität war gering. Das Kind befand sich 
im warmen Medium, brauchte Wärme selbst nicht zu produzieren, leistete 
keine Arbeit und erhielt alles Ernährungsmalerial direkt assimiherbar. 
Auch unmittelbar nach der Geburt ist das Sauerstoffbedürfnis noch 
nicht so groß, wie später. Ein Kind kann schreien und eine Zeit lang 
leben, obwohl fast die ganze Lunge luftleer — atelektatisch — ist, und nur 
ein kleiner Bruchteil der Alveolen sich ausdehnte. Das Kind hat also 
meist noch von der Mutter her Sauerstoff genug, um einige Zeit, '/j— 1 
Minute zu leben, ohne zu atmen. Diesen Zustand bezeichnet man als 
Apnoe, man sieht ihn bei sehr schnell geborenen Kindern, z. B. nach 
glücklichen, schnellen Wendungen und Extraktionen oder nach Kaiser- 
schnitten. Meist aber ist schon bei den letzten Preßwehen der Uterus 
stark kontrahiert, also Blutzirkulation und Sauerstoffabgabe gestört. Dann 
atmet das Kind Luft ein, sobald sich der geborene Thorax dehnen kann. 
Dieser erste Atemzug ist nicht etwa die Folge des Hautreizes oder der 
verschiedenen Temperatur, sondern des Kohlensäureüberschusses im Blute, 
der das Atemzentrum reizt Für diese Anschauung ist der beste Beweis 
die Apnoe, bei der das noch mit Sauerstoff versehene Kind nicht atmet, 
seihst nicht, wenn starke Hautreize angewendet werden. Dagegen scheint 
der Reiz der kühlen Temperatur die Arterien des Nabelstranges zur 
Kontraktion zu veranlassen, und sie so zu verengen, daß sie undurch- 
gängig werden. 



Mit dem ersten Atemzuge tritt eine gewalhge Veränderung der 




Das neugeborene Kind. 



155 



tzirkuiation ein. Die Lunge dehnt sich aus, die verklebten Alveolen 
öffnen sich und lassen die Luft eindringen. Dabei wird durch die ganz 
erhebliche Vergrößerung der Lunge auch der Querschnitt aller Lungen- 
gefäße größer. Die erweiterten Gefäße nehmen viel mehr Blut auf, das 
aus dem rechten Ventrikel durch die Pulmonalis in die Lunge einströmt. 
Hatte früher der rechte Ventrikel das Blut nur zum kleinsten Teil in 
die Lunge, zum größten Teil durch den Ductus Botalli in die Aorta 
descendens gepreßt, so saugt jetzt die Lurge das Blut gleichsam an, der 
dadurch leere Ductus Botalli zieht sich zusammen, die Intima verklebt, 
er obliteriert und wird später ein einfacher Bindegewebsstrang. Aus der 
Lunge fließt das nunmehr durch Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft 
arteriaiisierte Blut durch die Arteriae pulmonales in den linken Vorhof 
ein. Selbstverständlich in viel größerer Quantität als zu fötaler Lebens- 
zeit, wo ja auch etwas Blut in die Lunge einfließt Dadurch entsteht 
im linken Vorhofe ein stärkerer Druck als früher, der dann die Klappe 
des Foramen ovale schließt und zur Verwachsung der Scheidewand 
zwischen den Vorhöfen führt, beide Vorhöfe sind also getrennt. Da- 
mit ist dann der definitive Blutkreislauf fertig. 

Das Blut kann nicht mehr in die kontrahierten Umbilikalarterien 
einfließen, wird vielmehr nach der Haut des Kindes, die extrauterin nicht 
mehr unter dem Intrauterin- Drucke steht, abgelenkt. Fehlt infolgedessen 
die Vis a tergo, so wird das Placentarblul nicht mehr bewegt und fließt 
auch nicht mehr durch die Vena umbilicalis. Somit wird auch der Ductus 
venosus Arantii leer. Dieser und die Arteriae umbilicales obliterieren 
und wandeln sich ebenfalls in Bindegewebs stränge um. Beschleunigt 
wird der Abschluß der Placentarzirkulation in den Umbilikalarterien durch 
das Abbinden des Nabelstranges, in dessen Rest man oft noch eine kurze 
Zeit die Pulsation in den Resten der Nabelschnurarterien sehen und 
fühlen kann. 

Der Rest der Nabelschnur trocknet ein — mumifiziert. Es bildet 
sich am Nabelringe, der sich eng zusammenzieht in der Haut eine De- 
markation. Die Granulationen lösen den Nabelschnurrest, so daß er am 
4., spätestens 5. Tage abfällt. 



Das Kind schreit meist laut und kräftig. Es läßt oft unmittelbar 
nach der Geburt sehr viel hellen Urin, ebenso wie der Erwachsene 
Urindrang bei Hautabkühlung bekommt. Im Urin befindet sich nicht 
seilen ungelöste Harnsäure, die als ziegelmehlartiger Niederschlag in der 
Windel zu sehen ist. Später nimmt die Urinmenge ab und steigt erst 
wieder bei Nahrungsaufnahme. 




156 Elftes Kapitel. 

Der Dickdarm des Kindes war in der Schwangerschaft 
pech, dem Meconiiim angefüllt. Dies besteht aus reichlichen Gallen- 
bestandteiien, Wollhaaren, Epidermisschuppen und Darmschleim. Ein 
Beweis, daß das Kind physiologisch Fruchtwasser schluckt. Das Meconium 
entleert sich oft schon unmittelbar nach der Geburt, jedenfalls in den 
ersten 3 — 4 Tagen, 

Die Temperatur des Kindes, die intrauterin 0,3—0,5 höher als 
die der Mutter war, ist nach dem Bad meist etwas erniedrigt 35—36''. 
Bald aber nimmt sie durch die Wärmezufuhr bei der Pflege wieder bis 
36,5 und 37 zu. 

Die Haut des Kindes schilfert sich regelmäßig in den ersten Tagen 
ab. Das Kind schwamm bis dahin im Wasser, nun trocknet die oberste 
Schicht ein und stößt sich ab. 

Viele Kinder werden ikteriscb. Nach Kehrer 75%- Dies scheint 
mir zu hoch gegriffen. Für den Icterus neonatorum hat man sehr 
viele Erklärungen gefunden. Das einfachste ist doch anzunehmen, daß 
der Reiz der Ingesla, die beginnende Verdauungstätigkeit des Kindes, zu 
einer Schwellung der Schleimhaut und Erschwerung des Gallenaustritles 
in das Duodenum führt. Jedenfalls ist es ein liepatogener Icterus. Zu 
zeitig geborene und schwächliche Kinder, deren Darm noch nicht ge- 
nügend fertig zur Verdauung ist, werden auf den Reiz der Ingesta noch 
mehr als kräftige mit guter Peristaltik reagieren , so daß bei ihnen der 
Icterus stärker auftritt. Bei starkem Icterus sind die Kinder unruhig. 
Die Sekrete, z. B. das blenorrhoische des Auges und der Urin nehmen 
ebenfalls ikterische Färbung an. 

Das Kind verliert in den ersten drei Tagen durch Urin, Meconium- 
abgang, Hautverdunstung und Feuchtigkeitsabgabe bei der Atmung 
ca. 200 g. Legt man aber ein kräftiges Kind unmittelbar post partum 
bei einer gesunden Amme an, so bleibt der Gewichtsverlust aus. Da aber 
meist das Stillgeschäft erst am 2.-3. Tage in den Gang kommt, so kann 
man den Gewichtsverlust als regelmäßig ansehen. Am 7. oder 8. Tage 
ist der Gewichtsverlust wieder eingebracht. 

Ein gesundes Kind trinkt schon am ersten Tage auf einmal 30 g, 
und in 24 Stunden 150 g. Bald dehnt sich der Magen aus, so daß die 
Nahrungsaufnahme schnell steigt. Am Ende der ersten Woche muß ein 
Kind in 24 Stunden wenigstens 300 g Milch trinken, am Ende der 
10. Woche 800 g, am Ende der 30. 1300 g. 

Die Gewichtszunahme des gut genährten Kindes soll pro Tag 
30 g, also pro Woche 200^250 g betragen. Kleine, schwächliche unii 
vorzeitig geborene Kinder trinken selbstverständlich schon deshalb 



Die Pflege im Wochenbett. 



157 



weniger, weil der Magen kleiner ist, erreichen aber, gut gedeihend, 
nach 3—4 Wochen auch die Zahlen der rechtzeitig geborenen kräftigen 
Kinder. 

Der Magen des Neugeborenen enthält Labferraent und Salzsäure, 
so daß das Casein der Milch gerinnt und in Pepton verwandelt wird. 
Ebenso scheidet das Pankreas seinen Saft ab, auch befindet sich Galle 
im Darm zur Emulsion der Fette. 

Es fehlt zwar zunächst das später vorhandene Ferment, das Stärke 
in Zucker verwandelt Das Kind kann also nicht sofort stärkehaltige 
Nahrung assimilieren. Aber interessant ist, daß, wenn das neugeborene 
Kind einige Tage kleine Mengen stärkehaltiger Nahrung erhält, sich das 
Ferment sicher zeitiger als sonst einstellt und daß oft die Verdauung 
eine genügende ist 

Die Pflege im Wochenbett. 

Wenn auch die Hebamme, die Wochenpflegerin, resp. eine mehr 
oder weniger sachverständige Angehörige die Pflege der Wöchnerin 
übernimmt, so muß doch der Arzt von allem, was im Wochenbett an- 
zuordnen und zu tun ist, genau unterrichtet sein. Es kommen Fälle vor, 
wo die junge Frau selbst völlig unerfahren ist, wo eine Mutter oder 
Verwandte fehlt, die Hebamme oder Wochenwärterin nichts versteht und 
Schaden anrichtet Dann muß der Arzt die eigentlich selbstverständhchen 
Anordnungen treffen und sich um jede Kleinigkeit kümmern. 



Eine Wöchnerin soll eine Woche lang ganz ruhig auf dem Rücken 
liegen und sich möglichst wenig bewegen, nur etwas erheben, um das 
Unterschieben der Bettschüssel zu ermöglichen. Seitenlage ist in der 
ersten Woche nicht zu empfehlen, weil dabei die Sekrete von den 
äußeren Geschlechtsteilen nach unten — jetzt nach dem Muttermunde 
hinfließen. Eine brüske Bewegung, jedes Aufsetzen, starkes Pressen, ja 
jede Anstrengung der Bauchpresse beim Erheben kann die Gebärmutter 
verschieben und dabei verklebte Wunden aufplatzen, so daß neue In- 
fektionspforten entstehen. 

Daß Wöchnerinnen nach hartem Stuhlgang bluten, daß danach 
Temperaturerhöhungen eintreten, sieht man alltäglich. Ebenso sind geistige 
Erregungen fern zu halten. Es ist nicht zu leugnen, daß starke psychische 
Erregungen, viel Besuche, Zank, Wirtschaflsärger etc. ebenfalls Fieber im 
Gefolge haben. Höchstwahrscheinlich durch vorübergehende Erregung 
des Herzens, Veränderung des Blutdruckes, schnelles Atemholen und da- 
durch bedingte Verstärkung des Druckes der Bauchpresse. 




^ 



158 Elftes Kapitel. 

Unerläßlich ist, daß die Körpertemperatur der Wöchnerin ge- 
wissenhaft kontrolliert wird. Es ist deshalb bei jeder, auch der scheinbar 
völlig gesunden Wöchnerin eine Temperaturta belle anzulegen, die an 
einem sichern Orte aufgehoben und jederzeit vorzulegen und einzusehen 
ist. Kennt der Arzt die Pflegerin nicht als völlig zuverlässig, so über- 
zeugt er sich durch gelegentliches Nachmessen, ob die Zahlen richtig 
sind. Dies hat er auch dann zu tun, wenn ihm der Puls, die durch 
Auflegen der Hand taxierte Temperatur, eine auffallende Rötung des 
Gesichts oder die subjektiven Empfindungen der Wöchnerin, viel Durst, 
Kopfschmerzen etc., die Zahlen falsch erscheinen lassen. Selbst ist der 
Mann — und was man nicht selbst feststellt, verdient kein Vertrauen! 

Die Messung der Temperatur wird in der Achselhöhle vorgenommen. 
Die Messung im Anus kann ja in einer Klinik vom Arzte aus wissen- 
schaftlichen Gründen zu bestimmten Zwecken am Platze sein. In der 
Privatpraxis ist diese Methode durchaus verwerflich. Man muß die 
Wöchnerin, die stillHegen soll, bewegen. Es können Verletzungen, In- 
fektionen die Folge sein und schließlich hat es gar keinen Zweck, sich 
die Sache zu erschweren. 

Bei einer gesunden Wöchnerin soll prinzipiell nicht ausgespült 
werden. Nur die äußeren Geschlechtsteile sind abzuspülen. Man nimmt 
eine große Schüssel mit Desinfiziens. Bei Wohlhabenden nimmt man 
Borsäurelösung 40:1000. Sie stinkt nicht, ätzt nicht, ist nicht giftig, 
macht keine Flecken in die Wäsche. Bei Ärmeren nimmt man Lysol 
10:1000. Giftige Mittel: Sublimat oder Karbolsäure sind kontraindiziert. 

Man schiebt die Bettschüssel unter, schöpft mit einem Töpfchen die 
Lösung aus, oder läßt sie aus einem Irrigator über die Geschlechtsteile 
so laufen, daß der Strom gegen den Mons Veneris gerichtet wird und 
von hier nach unten fließt. Man darf zwar mit nasser Watte leicht und 
sanft das Blut und die Sekrete auswaschen, niemals aber drücken oder 
etwa die Vulva entfalten. 

Man würde dadurch nur Wunden, die im Verkleben und Heilen 
sind, aufreißen. Stets wird die Wöchnerin aufgefordert, vor der Rei- 
nigung Urin zu lassen. Schwämme oder unsaubere Lappen sind selbst- 
verständlich absolut verwerflich. Nur reine Watte darf die Geschlechts- 
teile berühren. 

Ist die Rima ani mit Kot beschmutzt, so wird dieser erst sorgfältig, 
indem man von oben nach unten, resp. von vorn nach hinten wischt, 
ohne die Vulva zu berühren, abgewaschen. Sind die Schamhaare durch 
getrocknetes Blut fest verbacken, so schneidet man die „Zöpfe" mit der 
Schere ab und aus. Nach der Säuberung der äußeren Genitalien wird 




Die Pflege im Wochenbelt. 15g 

vor die Vulva bis hinauf auf den Mons Veneris reichlich trockene Watte 
gelegt Die verbrauchte Watte ist zu verbrennen. In Ermangelung von 
Watte legt man eine ausgekochte Kompresse ca. 10 cm breit und 20 cm 
lang vor die Vulva. Sie wird wenigstens alle 4 Stunden erneuert, da 
7 Stunden genügen, um Bakterien wachsen zu lassen. 

Trockene Watte muß während des ganzen Wochenbettes, also circa 
10 Tage lang vorgelegt werden, damit das Bett sauher bleibt und alle 
Sekrete aufgesaugt und dadurch unschädlich gemacht werden. 

Blenorrhoea neonatorum oder Mastitis entstehen oft erst in den 
späteren Tagen, wenn die Wöchnerin direkt oder indirekt ihre Finger 
mit den Lochien beschmutzt, und damit die Augen des Kindes oder ihre 
Brustwarzen berührt, resp. infiziert. 

Die größte geistige und körperliche Ruhe sind unbedingt für den 
guten Verlauf des Wochenbettes notwendig. Man sei deshalb auch mit 
Mitteilungen über das Kind vorsichtig und wirke überhaupt als Arzt stets 
auf die Beruhigung des Gemütes hin. 

Beim ersten ärzdichen Besuch nach der Geburt, also nach circa 
12 Stunden, fragt man nach dem Schlaf. Hat eine Wöchnerin gut und 
erquickend geschlafen, so ist sie auch gesimd. Eine fiebernde Wöchnerin 
schläft wegen der Kopfschmerzen, wegen des Durstes oder der Schmerzen 
bei beginnender Entzündung wenig oder nicht. 

Dann fragt man, ob Urin gelassen ist, weil ja trotz voller Blase 
der Harndrang oft fehlt und weil die Wöchnerin nur ein allgemein un- 
bestimmtes unangenehmes, sie beunruhigendes Druckgefühl wahrnimmt. 
Ist kein Harn gelassen, so palpiere und perkutiere man vom Nabel ab- 
wärts. Bei voller Blase ist meist der Uterus stark erhoben und nach 
rechts, selten nach links gedrängt als weicher runder Körper zu fühlen. 
Die Wöchnerin wird dann auf den Unterschieber gehoben, sie muß 
selbst mit der flachen Hand die Blasengegend etwas drücken. Manche 
Frau kann den Urin nicht lassen, wenn der Arzt daneben steht und zu- 
sieht. Deshalb wende man ihr den Rücken zu oder veriasse das Zimmer 
und empfehle ihr selbst auch die Blase zu drücken. Kann der Urin nicht 
gelassen werden, so wird der Oberkörper etwas erhoben. Dabei wird 
die Wöchnerin am einfachsten so unterstiätzt, daß die Wärterin sich auf 
den Bettrand setzt, den Ellenbogen in das Bett und die flache Hand 
gegen die Lendenlordose stemmt. Die Wöchnerin muli sich Mühe geben, 
den Urin zu entleeren, man sei nicht zu schnell mit dem Katheter bei 
der Hand. 

Ist aber das Urinlassen nicht möglich, so wendet man den Katheter an. 




i6o 



Elftes Kapitel. 



Leitet man als Arzt das Wochenbett, so überlasse man das Katheterisieren 
im Prinzip nicht der Hebamme. Leicht wird Unglück angerichtet, teils 
durch zu rohes Vorschieben des Katheters, teils durch ein ungeeignetes 
Instrument, z, B. ein Melallkatheter, dessen scharfes Fenster die in das 
Fenster hineinquellende Schleimhaut verletzt, teils durch Unsauberkeit, 
wodurch Cystilis entsteht. Die besten Katheter sind die gläsernen. Kein 
Metallkatheter ist so glatt oder läßt sich so leicht desinfizieren. Der 
Katheter wird in desinfizierender Lösung aufbewahrt 

Zur Katheterisation braucht man gute Beleuchtung, Gewiß wird es 
viele Ärzte und Hebammen geben, die aüch im Dunkeln, unter der Bett- 
decke das Orificium urethrae finden. Sicher aber ist der Schmerz und 
die Infektion am leichtesten zu vermeiden, wenn man das Orificium 
urethrae deudich sieht. Da die Wöchnerin meist mit dem Gesicht vom 
Fenster abgewendet liegt, so ist künstliche Beleuchtung notwendig. Man 
flektiert die Beine der Wöchnerin im Knie, drückt dann die Knie aus- 
einander, so daß die Geschlechtsteile offen liegen, läßt sich leuchten oder 
stellt ein niedriges Licht auf einen Tellerleuchter vor die Genitalien. 
Dann wäscht man desinfizierend die Vulva aus und tupft noch speziell 
das Orificium urethrae mit reichlicher, warmer Lösung ab. Während 
die Finger der — selbstverständlich desinfizierten — einen Hand die 
Vulva auseinanderhält, schiebt man mit der anderen den direkt aus der 
Borsäure- oder Lysollösung genommenen Katheter in die Blase. Der 
Katheter darf nichts berühren, che er in die Harnröhre einpassiert, jede 
Gewalt ist zu vermeiden, namentlich nach schweren Zangen, wo die 
Urethra geschwollen und empfindlich oder vielleicht geknickt ist. Fließt 
der Urin aus, so legt man die flache Hand gleichmäßig langsam drückend 
oberhalb der Symphyse auf den Bauch, zieht den Katheter allmählich 
heraus und spült danach nochmals die Vulva ab. 

Bei dem nächsten Besuche muß die Wöchnerin wieder zuerst alle 
Versuche machen, den Urin selbständig zu lassen. Suggestives Zureden 
wirkt nicht selten. Man mag noch so vorsichtig sein, so ist doch sicher, 
daß bei sehr häufigem Katheterisieren wegen des Schwellens der Harn- 
röhre leicht kleine Verletzungen entstehen: Fissuren, die unter Umständen 
wochenlang die unangenehmsten Symptome machen. Es ist deshalb das 
spontane Urinlassen, sobald als möglich, zu erreichen. 

Ebenso ist auf baldige Stuhlentleerung zu halten. Ein stark ge- 
füllter Mastdarm verdrängt den unteren Abschnitt des Uterus nach vorn 
und leitet dadurch das Entstehen der Retroversio ein. Sehr häufig bei 
Retroflexionen stellt man als ätiologisches Moment fest, daß im Wochen- 
bett hartnäckige Stuhlverstopfung bestand. Nach ungefähr 24 Stunden 



I 



Die Pflege im Wochenbett. 161 

ist deshalb ein Abführmittel zu geben, ein Mittel, das die Scybala im 
Dickdarm vorwärts schiebt. Am besten fragt man die Wöchnerin, 
welches Mittel sie gewöhnlich zum Zwecke der Beschleunigung des Stuhl- 
ganges früher genommen, also erprobt hat. Dies Mittel, dessen indi- 
viduelle ^X'■irkung bekannt ist, kann gebraucht werden. Das gebräuch- 
lichste Mittel ist Ricinusöl, 1—2 Eßlöffel. Es hat den Vorteil, gleich- 
zeitig ein Nahrungsmittel zu sein. Mitlelsalze, Rheum, Aloe, Schwefel 
und Senna bewirken leicht, daß das Kind Leibschmerzen bekommt, da 
die wirksamen Substanzen dieser Mittel in die Milch übergehen. In- 
dessen ist dies kein Unglück und kann uns nicht davon abhalten, eins 
dieser Mittel zu gebrauchen, wenn es der Wöchnerin angenehmer ist als 
Ricinusöl. 

Eingießungen in den Darm mit Wasser, Glycerin und Wasser (30 g 
zu 500 Wasser), Öl, Salzwasser oder verdünntem Syrup sind ebenfalls 
empfohlen. Ungeschickte Pflegerinnen machen aber leicht Mastdarm- 
verletzungen und Infek-tionen durch Unsauberkeit , oder wenigstens 
Schmerzen bei rohem Einschieben des Mastdarmrohres. Oft gehen mit 
dem ersten Stuhlgang noch einige Blutcoagula, eventuell auch Eihautreste, 
ab, die aus dem Uterus in die Scheide ausgestoßen, hier eine Zeit lang 
gelegen hatten. 

Ich habe gerichtsärztlich zweimal einen Todesfall zu beurteilen ge- 
habt, wo die Hebamme die Mastdarmwand mit dem Mastdarmrohr 
durchstoßen, die Flüssigkeit in das pararektale Bindegewebe injiziert und 
dadurch eine tödliche Infektion, Entzündung und Exsudatbildung hervor- 
, gerufen hatte. 

Nach jeder Defäkafion ist der After sorgfältig mit Wasser und Watte 
zu reinigen. Sind, wie oft, geschwollene Hämorrhoidalknoten vorhanden, 
so werden sie nach vorsichtiger, schonender, aber gründlicher Reinigung 
mit Borsalbe eingefettet, oder mit Läppchen bedeckt, die mit einem 
leichten Desinfiziens, z. B. mit Lösung von Also! oder Liquor aluminii 
acetici befeuchtet sind. 



Bis der erste Stuhlgang erfolgt ist, erhält die Wöchnerin nur flüssige 
Nahrung, am besten Milch oder Mehlsuppe. Eine Wöchnerin, die sofort 
kräftige Nahrung bekommt, hat leicht Magenbeschwerden. Nach der ersten 
Defäkation geht man zu leichten Fleischspeisen und bald zur gewöhn- 
lichen Ernährung über. Selbstverständlich ist es notwendig zu individuali- 
sieren. Nach starkem Blutverlust sind Alkoholica gewiß gerechtfertigt 

Soll eine Wöchnerin das Kind nicht anlegen, so wird man natürlich 
die Nahrung einschränken, während man umgekehrt, auf gute Milch- 
sekretion durch reichliche Nahrung und Fettzufuhr einwirken kann. 



H 



L 



Tee, dünne Fleischbrühen und Wassersuppen sollte man heutzutage, wo 
man die Schädlichkeit ungenügender Ernährung kennt, nicht mehr em- 
pfehlen. 

Eine Wöchnerin soll, wenn es die Verhältnisse gestatten, erst nach 
14 Tagen das Bett verlassen, aber auch nicht länger liegen, da sie sonst 
leicht appetitlos wird und der Stuhlgang retardiert bleibt. Blutet sie, so 
muß sie noch liegen bleiben, sie erhält dann reichlich Seeale und Ergotin, 
wird auch exploriert, um den Grund der Blutung, event Retroversion zu 
finden. Beim Aufstehen ist Vorsicht nötig. Alle Bewegungen sind lang- 
sam zu machen. Eine Wärterin muß gut aufpassen, weil beim ersten 
Aufstehen leicht eine Ohnmacht, wegen plötzlicher Blutleere des Gehirns 
auftritt und die Wöchnerin hinstürzen kann, ist eine unerklärliche Puls- 
beschleunigung vorhanden, so ist größte Vorsicht geboten, weil leicht in 
der Tiefe eine Thrombose vorhanden ist, und Lungenembolie den plötz- 
lichen Tod herbeiführen kann. 

Ist es zu ermöglichen, so soll die Wöchnerin noch 2— 3 Wochen in 
der Mitte des Tages 2—3 Stunden liegen, am besten im Bette. Man 
achte auch jetzt noch, im Spätwochenbett, auf den Stuhlgang, untersuche 
auch von Zeit zu Zeit und lasse, wenn die Scheidenwandungen sehr 
locker, weich, dick und etwas gesenkt sind, stark tonisierend adstrin- 
gierende Spülungen machen: 30 g Alkohol, 20 g Alaun zu 1 Liter Wasser 
40" C warm. 

Die Pflege des neugeborenen Kindes. 

Das abgenabelte Kind wird nach der Geburt in ein wollenes Tuch 
gehüllt und an einen sicheren Ort gelegt. Die Hebamme widmet sich 
zunächst der Mutter, um, wie oben geschildert, die Nachgeburtszeit zu 
überwachen. Ist die Mutter besorgt, so wird das Badewasser bereitet. 
Es sei 37" C. warm, da es besser ist, dem Kinde Wärme zuzuführen, 
ais ihm seine Wärme durch ein kühleres Bad zu rauben. Jede Heb- 
amme weiß heute mit dem Thermometer Bescheid. Da das Abschätzen 
der Wassertemperatur schwer ist, da manchen Menschen das Gefühl da- 
für abgeht, so ist unbedingt notwendig, die Wärme des Badewassers 
jedesmal mit dem Thermometer festzustellen. 

Ist das Kind mit Vernix caseosa sehr bedeckt, so wird diese mit 
einem ÖUappen abgerieben. Es ist auch vorgeschlagen, die Neugeborenen 
allein mit Ol abzureiben und nicht zu baden, doch sehe ich darin keinen 
Vorteil. Wägungen haben gezeigt, daß das Bad dem Kinde keinen Ge- 
wichtsverlust verursacht. 



Die Pflege des neugebot 



163 



Das Baden des Kindes besorgt zwar nicht der Arzl. Aber wie 
der General den Dienst des gemeinen Soldaten aus Selbsterfahrung 
kennen muß, so ist es auch notwendig, daß der Arzt mit allen diesen 
Kleinigkeiten vertraut ist. Gibt es doch Situationen, wo der Arzt ge- 
zwungen ist, das Kind selbst zu baden, z, B. bei kongenitaler Lues. Hier 
darf kein Tröpfchen eines Sublimatbades dem Kind in den Mund 
kommen, und wenn man sicher sein will, daß dies alles recht gut 
und richtig gemacht wird, so badet man lieber selbst und wagt 
nicht der Hebamme zu vertrauen. Deshalb muß man die Hand- 
griffe lernen und mindestens ebenso geschickt ausüben können, wie jede 
Hebamme, 

Nach der Reinigung des Kindes im Bade wird das Kind auf ein 
gewärmtes Tuch gelegt und, ehe es angekleidet wird, genau untersucht 
Man betrachtet das Gesicht, den Mund, sieht in ihn hinein, ob nicht eine 
Gaumenspalte, eine Ranula, oder Mißbildung vorhanden ist, betastet den 
Kopf, die Fontanellen, bewegt die Arme und Beine, namentlich, wenn 
das Kitid eine Extremität nicht bewegt oder beim passiven Bewegen 
schreit, wenn man also Verdacht auf Verletzungen nach schweren 
Entbindungen hat. Dann sieht man sich die Geschlechtsteile an, ob sie 
völlig normal sind, dreht das Kind um und sieht zu, ob, wenn Meco- 
niumabgang fehlt, nicht etwa eine Atresia ani besteht. Letztere wird häufig 
von unaufmerksamen Ärzten oder Hebammen übersehen. Es ist dann 
sehr mißlich, wenn ein derartiger, fast immer den Tod des Kindes be- 
deutender Fehler erst später entdeckt wird. Hierauf wird die Nabel- 
schnur nochmals definitiv unterbunden, indem man einen neuen festen 
Knoten in die Rinne des ersten legt. Das Kind wird sorgfältig abge- 
trocknet, der Nabelschnurrest wird in einen großen Bausch Watte, die 
die Feuchtigkeit aufsaugt, eingehüllt, und der Hebamme zum Ankleiden 
überlassen. Der Nabeischnurrest soll sobald als möglich eintrocknen. 
Dies erreicht man am besten durch trockene Watte. Das Kind liegt in 
einem Tragekissen, um es gut, ohne ihm weh zu tun, tragen zu können, 
und um ihm die Wärme zu erhalten. Darauf wird das Kind in einen 
Korb, in einen Kinderwagen oder ein Kinderbett gelegt Niemals darf 
es im Bett neben der Mutter liegen, weil die Mutter versehentlich im 
Schlaf dem Kind die Atmungsöffnungen verschließen und es so töten 
könnte. Unten in das Bett legt man eine Wärmflasche, um dem Kinde 
die Wärme zu erhalten. Wiederholt sind höchst gefährliche Verbrennungen 
dadurdi vorgekommen, daß die Wärmflasche zu nahe an den kindlichen 
Gliedmaßen lag. Durch ein wollenes Tuch hindurch kann eine Ver- 
brennung noch entstehen, deshalb muß die Wärmflasche wenigstens 10 cm 
vom kindlichen Körper entfernt liegen. 




4 



164 



Elftes Kapitel. 



[ 

I 



Einige Regeln für die Pflege in den ersten Wochen mögen hier folgen: 

Man lege das Kind, namentiich, nachdem es getrunken, stets mit der 
rechten Seite etwas tiefer, weil sonst die große Leber auf den Magen 
drückt, und das Erbrechen befördert wird. 

Schreit das Kind, so kann es Schmerzen haben oder hungrig sein. 
Eine gut beobachtende Mutter oder Pflegerin weiß das Schreien ganz 
genau auf eines oder das andere zu beziehen. Da die Schmerzen meist 
vom Darm herrühren, d. h. von sich zersetzendem Darminhalt, so würde 
es sehr fehlerhaft sein, jedesmal beim Schreien zur Beruhigung das 
Kind an die Brust anzulegen. 

Ein wegen Schmerzen schreiendes Kind läßt auch bald die Brust- 
warze los und wendet sich ab. Man bemerkt deudich aus den Klage- 
tönen, daß die Schmerzen zunehmen und abnehmen. Das Kind tritt mit 
den Beinen, so daß man das Reiben der Hacken auf der nassen Unter- 
lage hört. In solchem Falle wird der Arzt das Kind völlig ausziehen, 
sich gut die Hände wärmen und das Kind untersuchen. Oft fällt sofort 
auf, daß der Leib außerordentlich hart, gespannt und vorgewölbt ist 
Dies deutet auf Gär ungs Vorgänge , Darmparalyse , und Kolik hin. 
Man betrachtet auch die Windeln und sieht dann, daß der Stuhl grün 
und mit geronnener „gehackter" Milch vermischt ist. Während man, was 
dem Kind meist angenehm ist. mit der warmen Hand sanft drückend 
den Leib reibt, gehen Blähungen ab. Sind die Hacken des Kindes ge- 
rötet oder sogar wundgerieben, so beweist dies, daß die Schmerzen schon 
, tagelang vorhanden waren, daß also die Nahrung eine individuell unge- 
eignete ist Darauf betrachtet man die ganze Oberfläche des Kindes, 
Abszesse sind gar nicht selten, sie kommen überall vor, sowohl in der 
Form von Furunkeln, als Phlegmone, als vereiterte Lymphdrüsen, 
namentlich am Halse. Sodann betrachtet man durch Abklappen des 
Kinns Mund und Zunge, den After, den Penis, bezw. die Vulva. Den 
After zieht man etwas auseinander, um Fissuren zu erkennen. Unter das 
Praeputium führt man einen kleinen Sondenknopf, um die Weite der 
Öffnung des Praeputium festzustellen. 

Ist man zu dem Resultat gekommen, daß die Schmerzen vom Dick- 
darm ausgehen und ihren Grund in Zersetzung im Darme haben, daß 
es also kolikartige Schmerzen sind, so gibt man am besten folgendes 
Pulver: Calomel 0,005 Greta alba, Gummi arabic. ana 0,25, 2 — 3 mal 
täglich. Oft haben mich Mütter gefragt, ob nicht das Pulver ein Schlaf- 
mittel sei, weil sehr bald die Schmerzen abnahmen, und das vom Schreien 
abgemattete Kind ruhig und lange schlief. 

Leichter ist festzustellen, ob ein Kind hungert Falsch ist es, den 
Beweis für genügende Ernährung von den nassen Windeln herzunehmen. 




Die Pflege des Neu gebor 



165 



1 erlebte es, daß eine Amme, die keine Milch hatte, stets die Windeln 
in Wasser tauchte, und dann der Mutter beweisen wollte, das Kind tränke 
viel, denn die Windeln trieften. 

Jedes Kind muß gewogen werden. Mir ist immer auf- 
gefallen, daß dieses einfache Geschäft so schlecht besorgt wird. Die 
wunderbarsten Zahlen hört man dann, wenn man die Mutter nicht genau 
anleitet Am besten werden die Fehler bei folgendem Verfahren ver- 
mieden. Vor dem Bade wird das Kind im Tragebett gewogen, Ist die 
Wage im Gleichgewicht, so zieht man das Kind aus, steckt alles, was dem 
Kinde ausgezogen wird in das Tragebett, bindet es fest zusammen und 
legt das Bündel auf den Tisch. Ist das Kind gebadet und getränkt und 
in das neue Bett gelegt, so wird jetzt in Ruhe das Gesamtgewicht abge- 
lesen, resp. zusammengerechnet und genau notiert Dann wird das 
Tragebett mit seinem Inhalte genau abgewogen. Diese Zahl wird vom 
Gesamtgewicht abgezogen und das Gewicht wird in die Tabelle eingetragen. 

Das Kind soll pro die 20 — 30 g zunehmen, doch ist bei guter 
Ernährung die Zunahme oft größer, so daß ein Kind 250 g pro Woche 
an Gewicht zunimmt Verfolgt man eine solche Tabelle bei täglichem 
Wiegen, so stellt man fest, daß das Kind an einem Tage 60—70 g zu- 
nimmt, an einem anderen dafür nichts. In einer Woche gleichen sich 
dann diese Differenzen aus. Sie sind leicht zu erklären. Hat zufällig 
das Kind vor dem Bade nicht ausgeleert, so wird der Kot und Urin 
noch mit gewogen; dies beträgt 25— 40 g. Kommt dann die tägliche 
Zunahme von 30 g hinzu, so ist ein Kind um 70 g schwerer. Hat es 
aber am anderen Tage zufällig vor dem Bad Kot und Urin gelassen, so 
werden beim Abwägen der Kleidung diese 30 oder 40 g mit abgewogen, 
dann ist trotz der Gewichtszunahme das Resultat ungünstig. In einer 
Woche gleichen sich diese Fehler aus. 

Selbstverständlich ist nichts mehr geeignet, die Gesundheit und das 
Gedeihen eines Kindes mathematisch zu beweisen, als die Wägungs- 
resultate. Und umgekehrt wird die ungenügende Zunahme oder sogar 
die Gewichtsabnahme mit absoluter Sicherheit beweisen, daß das Kind 
nicht gedeiht, daß also die Ernährung geändert werden muß. Ohne 
regelmäßige Wägungen tappt der Arzt im Dunkeln. Er muß also wenig- 
stens in den ersten Wochen darauf halten, daß das Gewicht des Kindes 
regelmäßig festgestellt und notiert wird. 

Ebenso ist es auch sehr leicht festzustellen, ob ein Kind überhaupt 
Nahrung aus der Brust bekommt oder nicht Man läßt dann das nach 
dem Bad zum Trinken fertig gemachte Kind vor und nach dem Trinken 
wiegen, und notiert die Differenz. Eine einigermaßen intelligente Mutter 
kann diese Wägungen leicht ausführen. Diese regelmäßigen Wägungen 




i 



sind in allen Fällen, wo Zweifel existieren, unerläßlich 
der mütterlichen Müchpotenz. 

Jede gesunde Mutter soll ihr Kind selbst durch die Mutterbrust er- 
nähren. Dies ist so natürlich und selbstverständlich, dal! man darüber 
keine Worte zu verlieren braucht Daß sich dabei der Uterus besser 
zurückbildet, wird seit alters her gelehrt. Und wie oft erlebt man, daß 
beim Stillen des Kindes eine Mutter dick und fett wird, die früher stets 
elend und mager war Ehe wir die modernen Mittel, die Kuhmilch un- 
gefährlich zu machen, kannten, habe ich oft erlebt, daß Frauen, die nicht 
in der Lage waren, selbst zu stillen oder eine Amme zu bezahlen, regel- 
mäßig jedes Kind, namentlich im Sommer an Gastroenteritis verlor. Auch 
bei den modernen Vorsichtsmaßregeln geht manches künstlich ernährte 
Kind trotz aller Vorsicht zu Grunde. Raten sollte deshalb ein Arzt nie- 
mals, Ersatz für die Muttermilch zu gebrauchen, wenn die Mutter irgend- 
wie in der Lage ist, selbst zu nähren. Und die richtige Hygiene kann 
hier viel tun. Eine willige und energische Mutter wird durch reich- 
liches, passendes Getränk, "Milch nahrung, Kakao, Mehlsuppen, überhaupt 
durch reichliche Flüssigkeitszufuhr viel erreichen. Manche kleine und 
scheinbar milcharme Brust wird nach 3—4 Wochen in einer Weise 
leistungsfähig, wie man es zunächst kaum zu erwarten wagte. Geduld 
und Ausdauer, Mutterliebe, Sorgfalt und gute Anleitung durch den Haus- 
arzt sind oft von Erfolg, wo die Mutter schon verzweifelte. Selbstver- 
ständhch muß die Mutter auch das richtige Anlegen des Kindes lernen, 
sie bedarf der Anleitung durch den Arzt oder einer guten, geduldigen 
Pflegerin. Solange die Mutter noch liegt, legt die Pflegerin, zum ersten- 
mal 12 Stunden nach der Geburt das Kind an die Brust. Die Finger 
drücken die Warzengegend so hervor, daß die Nasen Öffnungen des Kindes 
zum Atemholen frei sind. 

Die Pflegerin und die Mutter müssen sich vor dem Anlegen 
die Hände waschen , ebenso muß die Warze mit Wasser gereinigt 
werden. Dagegen hat das oft rohe leicht zu Verletzungen führende 
Ausreiben oder Auswaschen des Mundes des Kindes keinen Zweck, 
da die Milch aseptisch ist und das Kind septische Stoffe nicht im 
Munde hat 

Das Kind wird abwechselnd an beiden Warzen angelegt; auch wenn 
zunächst Milch nicht oder wenig vorhanden ist, weil der Reiz des 
Saugens auf die Vermehrung der Sekretion der Brustdrüsen einen gün- 
stigen Einfluß hat Schießt die Milch zu reichlich hervor, so entleert 
man durch Druck die Warzengegend und legt erst dann das Kind an. 
Bei reichlicher Milchsekretion träufelt oft schon während der Vorbereitung 




Die Pflege des Neugeborenen. 167 

Milch aus, oder läuft, während das Kind an einer Brust trinkt, aus der 
anderen tropfenweise ab. 

Schwächliche Kinder soll man alle 2, kräftige nur alle 3 oder 
4 Stunden anlegen. Regelmäßigkeit ist von Anfang an notwendig. Die 
Mutter hört es genau, ob das Kind schluckt, also trinkt Tut es dies 
nicht mehr, bewegt es nur die Lippen, so wird ihm die Warze aus dem 
Munde gezogen. Das satte Kind liegt meist noch einige Zeit behaglich 
mit offenen Augen. Es wird vorsichtig in sein Bett gelegt, weil bei vollem 
Magen und bei kräftigen Bewegungen, namendich wenn der Kopf des 
Kindes zu tief gehalten wird, leicht die Milch wegen der kurzen Speise- 
röhre wieder herausschwappt. Bald schläft das satte Kind ein, auch 
wenn laute Geräusche im Zimmer zu hören sind. 

Sorgfältig muß man vorschreiben, daß dem Kinde nicht etwa jedes- 
mal, wenn es schreit, zur Beruhigung die Brustwarze in den Mund ge- 
steckt wird. Dadurch raubt man der Mutter die Ruhe und stört bei 
dem Kinde die Verdauung. Nach 4 Wochen schläft ein Kind, das sich 
abends satt getrunken, schon die Nacht durch. Es genügt dann, das 
Kind 5 — 6 mal in 24 Stunden anzulegen. 

In nicht wenig Fällen stößt das Selbststillen auf Schwierigkeiten 
oder ist unmöglich. Zunächst sind oft die Warzen ungeeignet, sie sind zu 
klein, ragen wenig hervor oder hegen sogar unter dem Niveau des 
Warzenhofes, so daß das Kind die Warze nicht oder nur schwer fassen 
kann. In diesen Fällen erreicht eine gewissenhafte Mutter unter guter 
Anleitung oft doch noch ihren Zweck, Man wende dann ein soge- 
nanntes Warzenhütchen an, einen Glasleller, an dem sich ein Saug- 
pfropfen aus Gummi befindet. Der Olasteller wird gegen die Areola 
gedrückt, so daß er die Luft abschließt. Durch das Anpressen an den 
Warzenhof wird schon etwas Milch. ausgedrückt, gelangt in den Oummi- 
slöpsel und durch dessen feine Löcher in den Mund des Kindes. Die 
Löcher dürfen nicht geschnitten werden, weil sie dadurch zu groß oder 
ventilartig werden. Man muß sie mit einer glühenden Nadel hinein- 
stechen, dann aber, um den brenzlichen Geruch zu beseitigen, den 
Gummistöpsel einen Tag in Salzwasser legen und gehörig auswaschen. 

Ich habe manche Mutter gesehen, die Monate lang trotz sehr un- 
günstiger „Hohlwarzeu" das Kind genügend ernährte. Es kommt vor 
allem auf den guten Willen der Mutter an. Verzweifelt sie schnell, so 
hört die Milchsekretion auf. 

Daß es Fälle gibt, wo die Brustdrüse zu wenig entwickelt, keine 
Milch gibt, ist ja sicher. Aber das sind doch große Ausnahmen. Oft 
kommt nach 2 — 3 Wochen erst die Milchsekretion richtig in den Gang. 




^ 



Eltfes Kapitel. 

Unmöglich ist freilich das Anlegen, "ffenn schon durch ungenügende 
hygienische Überwachung die Brustwarzen durch Schrunden und Wunden 
ganz zerstört sind. Ich habe aber erlebt, daß selbst eine ältere Mutter, die 
die ersten Kinder nicht gestillt hatte, beim 3. oder 4. Kind noch ge- 
nügend Nahrung bekam, um das Kind einige Monate zu stillen. 'Bei 
älteren Erstgebärenden findet sich oft anfangs genügend Milch, bald aber 
versiegt sie plötzlich. Bei anderen wieder ist die Brustdrüse so unent- 
wickelt, daß es nur unnötige Quälerei der Mutter ist, überhaupt den 
Versuch zu machen. 

Wenn eine Frau 6 — 7 Monate gestillt hat, so muß man genau be- 
obachten, um den Moment des Absetzens richtig zu bestimmen. 

Tritt die Menstruation wieder ein, so schadet dies dem Kinde nichts, 
wohl aber der Mutter. Oft bleibt die Menstruation dann wieder aus, 
weil die Anämie zu groß wird. Zuerst, obwohl noch genügend Milch 
vorhanden ist, wird der Appetit schlechter. Dann gehen die Haare aus, 
es stellt sich fortwährender, anämischer Kopfschmerz ein. Fast immer 
quälen Kreuzschmerzen die zu lange Stillenden. Die Schmerzen sind oft 
fast wehenartig. Vielleicht handeil es sich in der Tat um Wehen, die eine 
Hyperinvolution des Uterus bewirken. Der Uterus wird so klein, daß 
die Menstruation und Ovulation überhaupt nie wieder, oder wenigstens 
Jahre lang nicht mehr eintritt. Manche schwächliche Frau braucht viele 
Jahre, um wieder kräftig zu werden. Und sind die sozialen Verhältnisse 
ungünstige, tritt wieder Schwangerschaft, Blutverlust bei der Geburt, 
Störung im Wochenbett etc. ein, so bekommt eine Frau, solange sie 
lebt, nicht wieder die körperliche Frische und Gesundheit. Nach 
5^6jähriger Ehe sieht sie aus, als ob sie eine alte Frau wäre. In allen 
diesen Fällen muß der humane Arzt beobachten und nach den indi- 
viduellen und sozialen Verhältnissen seine Entschlüsse fassen und seinen 
Rat erteilen. 

Direkt untersagen muß der Arzt das Selbststillen bei akuter 
Sepsis, bei schweren Allgemeinkrankheiten, bei Tuberkulose und 
bei Psychosen. 

• Die Sepsis der Mutter überträgt sich leicht auf das Kind. Die 
Nabelwunde ist die Infektionspforte. Von hier aus kommt es sowohl zu 
Gefäßaffektionen in den Nabelgefäßen, als auch zu progredienter Binde- 
gewebsinfektion , die längs der Gefäße durch das Zwerchfell hindurch 
in das Lungenbindegewebe aufsteigt. Auch eine zufällige Verletzung, 
z. B. eine Zangenmarke kann die Infektionspforte sein, von der aus sich 
eine Erysipelas migrans, dem der zarte Organismus des Neugeborenen 
erliegt, ausbildet. In zweifelhaften Fällen kann man sogar die Gefähr- 




Gründe gegen das Selbstslilien. l6g 

üchkeit der mütterlichen Infektion aus dem schnellen Tode des Kindes 
erkennen, resp. prognostizieren. Und bei den großen Puerperalfieber- 
endemien früherer Zeiten starben stets noch mehr Kinder als Mütter. 
Aus diesen Gründen soll man das Neugeborene von einer fieberkranken 
Mutter so fern halten, daß eine Nabelinfektion verhütet wird. Sollte viel 
Milch vorhanden sein, und sollte man die Hoffnung haben, daß die 
Krankheit der Mutter bald vorübergeht, so läßt man die Milch mit einem 
der bekannten Milchsauger absaugen. Später, wenn die Krankheit bei 
der Mutter lokalisiert ist, z. B. bei einend parametritischen Exsudate kann 
man das Kind, trotz Fieber, anlegen lassen, sobald die Mutter dadurch 
nicht leidet. Auch hier wird es auf individuelle Verhältnisse ankommen. 
Jedenfalls schadet es dem Kinde nicht, wenn es Milch von einer leicht 
fiebernden Mutter trinkt. Auch bei einseitiger Mastitis kann das Kind 
an der anderen Seite trinken. 

Bei schweren Allgeineinkrankheiten, Scharlach fieber, Diphtheritis 
oder anderen Infektionskrankheiten, die vielleicht zur Frühgeburt führten, 
ebenso wie bei Pneumonien, schwerer Influenza oder bei akuter Pleu- 
ritis ist das Kind ebenso von der Mutler zu entfernen. Sowohl wegen des 
Kindes, das infiziert werden würde, als wegen der Mutter, die der Ruhe bedarf. 

Unbedingt notwendig ist es von einer notorisch f be kulosen 
Mutter das Kind fern zu halten, da Tuberkulose ebenfall vom 
Nabel aus übertragen wird. Dies ist. dadurch bewiesen daß nan om 
Nabel ausgehende tuberkulöse Drüsen bis in den Bauch verfolgen konnte. 

Mir fiel schon im Beginne meiner Praxis, als man on T be kel- 
bazillen noch nichts wußte, wiederholt auf, daß gerade bei schwerster 
Phthise, die der Mutter bald das Leben kostete, bei der man das Kind 
sofort der Mutter entzog und gar nicht einen Versuch des Stillens ge- 
macht hatte, die Kinder sich bei einer Amme oder bei geeigneter künst- 
licher Ernährung ausgezeichnet entwickelten und dauernd gesund blieben, 
daß aber bei Frauen, die nur im Verdacht der „Schwindsucht" standen, 
bald das Kind an akuter Miliartuberkulose zu Grunde ging. Die Ätio- 
logie dieser Tuberkulose der Kinder war gewiß nicht die, daß kongenitale 
Tuberkulose bestand, sondern daß durch Nabelinfektion oder durch das 
Sputum der Mutter beim Küssen etc. die Tuberkulose übertragen wurde. 
Erscheint es auch im einzelnen Falle sehr grausam, gerade einer so Un- 
glücklichen das Liebkosen und die Gesellschaft des Kindes zu unter- 
sagen, so ist es doch heilige Pflicht des Arztes, hier mit größter 
Energie der Möglichkeif der direkten Infektion vorzubeugen, d. h, das 
Kind der Mutter zu entziehen. 




Wunderbar ist es, daß selbst trotz enormen Blutverlustes, sich eine 
Wöchnerin schnell erholt, und wenn sie nur sonst gesund war und ist, 
auch bald das Stiligeschäft gut besorgen kann. 

Bei Psychosen ist das Kind aus zwei Gründen von der Mutter zu 
entfernen. Erstens muß die Mutter absolute Ruhe haben. Kann man 
doch oft die Psychose coupieren, wenn man guten Schlaf schafft. Und 
zweitens sind ja die Fälle bekannt, wo eine geisteskranke Puerpera ihr 
Kind erdrosselte oder in anderer Weise umbrachte, ohne sich später 
überhaupt an irgend etwas aus diesen Tagen zu erinnern. Konstatiert 
man also die typische, der Psychose vorhergehende Asomnie, so soll 
man sofort das Kind unter irgend einem Verwände an einen Ort 
bringen, der so weit entfernt ist, dall die Mutter das Schreien des Kindes 
nicht hört. 

Lues der Mutter ist gegen das Selbststillen keine Kontraindikation, 
Oanz im Gegenteil soll man es begünstigen. Erstens weil ja dann der 
Gefahr, daß eine Amme genommen, und auch noch sie infiziert wird, 
vorgebeugt ist, und zweitens deshalb, weil Quecksilber und Jodkali durch 
die Milch auf das Kind übergehen. Somit wird die Muttermilch eine 
terapeutische Potenz darstellen. 

Soll eine Mutter das Kind nicht anlegen, so bindet man ihr 
die Brüste auf, weil sie bei dem Herabhängen der schweren milchgefüllten 
Brust Unbehagen empfindet. Es empfiehlt sich dies überhaupt stets, 
wenn die Brüste sehr stark und schwer sind. Selbstverständlich darf 
die Sekretion nicht durch Ausdrücken oder Aussaugen unterhalten werden, 
da man dadurch dem Zwecke, die Milchzufuhr möglichst bald zu sistJeren, 
direkt entgegenarbeitet. Man läßt eine solche Wöchnerin wenig Flüssig- 
keit zu sich nehmen und erzielt durch Bitterwasser reichliche, dünne 
Stuhlgänge. Nach 3 — 4 Tagen werden die Brüste schlapp und weich; 
Schmerzen und Schwellungen hören von selbst auf. Bei schlecht ent- 
wickelten Drüsen fehlt mitunter jede Kongestion. 

Bei Schwangerschaftsniere, bei der mit der Geburt der Eiweiß- 
gehalt des Urins schnell abnimmt, habe ich oft, ohne Schädlichkeiten 211 
beobachten, das Kind anlegen lassen. Würde die Mutter zu schwach 
sein, und würde trotz der zweckentsprechenden Ernährung der PuL^^ 
nicht an Kräftigkeit zunehmen, der Eiweißgehah sich nicht schnell ver — 
ringem, so müßte man auch hier mit Rücksicht auf die Mutler, d^js 
Stillen untersagen. 




Wahl der Amme. 171 

Man hat auch behauptet, es sei nicht gut, dem Kinde sofort post 
partum Nahrung zukommen zu lassen. Es ist ja richtig, daß das Nah- 
rungsbedürfnis des Kindes zunächst gering ist. Wäre dies nicht der 
Fall, so wäre dies sehr übel, da die Brust einer Mehrgebärenden erst 
am 1. oder 2. Tag, einer Erstgebärenden erst nach 3 — 4 Tagen reichlich 
Milch secemiert. Wenn man aber ein neugeborenes kräftiges Kind so- 
fort nach der Geburt bei einer guten Amme trinken läßt, so nimmt es 
die Brust sofort nach dem ersten Bade, trinkt und verdaut genügend. 

WaM der Amme. 

Der beste Ersatz für die Milch der eigenen Mutter ist die Milch 
einer Amme. Streng genommen ist es unsittlich, dem unschuldigen 
Kinde der Amme das wegzunehmen, was ihm von Gott und Rechts 
wegen zukommt, und es für Geld einem anderen Kinde zu geben. An- 
dererseits aber wäre es auch eine Grausamkeit, ein Kind lieber zu 
Grunde gehen zu lassen, als ihm das beste Nahrungsmittel zu ver- 
schaffen, das bereitwillig von einer anderen Mutter geboten wird. Daß 
das Leben manches Kindes nur durch Ammenmilch gerettet werden 
kann, ist leider sicher. Somit würde man schließlich in das Selbst- 
bestimmungsrecht des Menschen eingreifen, wenn man einer Mutter, die 
nicht selbst nähren kann, es untersagen wollte, eine Amme zu bezahlen, 
oder wenn man einer Amme es verbieten wollte, mit einer Leistung 
ihres Körpers, über den ihr das Verfügungsrecht zusteht, ein Geschäft zu 
machen. 

Die Wahl der Persönlichkeit einer Amme ist sehr wichtig. Der Arzt 
hat eine außerordentlich große Verantwortung, wenn ihm die Aufgabe 
gestellt ist, eine Amme zu wählen, resp. zu untersuchen. Ist man nicht 
ganz sicher, daß die Amme gesund ist, so sollte man lieber zu streng 
als zu nachsichtig sein. 

Weiß der Hausarzt im voraus, daß eine Amme nötig ist, so soll er 
schon vor der Geburt sich nach einer geeigneten Person umsehen. Am 
besten wird man stets tun, eine Amme in einer öffentlichen Gebäranstalt 
zu suchen. Hier ist die Betreffende schon als Schwangere beobachtet 
Man kennt sie oft seit Wochen, ihren Charakter, ihre Anstelligkeit, ihre 
körperlichen Eigenschaften, ihre Gesundheit ist beobachtet und bekannt. 
Lues oder Gonorrhoe sind diagnostiziert oder ausgeschlossen. Die 
Amme wird einer sorgfältigen Untersuchung keinen Widerstand bereiten. 
Das Gedeihen des eigenen Kindes ist ebenfalls vom ersten Lebenstage 
an kontrolliert Somit sind Krankheiten der Amme oder des Kindes mit 
Sicherheit festgestellt oder ausgeschlossen. 



172 



Elftes Kapitel. 



Ist eine Amme empfohlen, so begibt sich am besten 
erwartet in die Wohnung, sieht sich die ganzen Verhältnisse und vor 
aüetn das Kind an. Unerwartet — denn daß Ammen durch Präsen- 
tieren eines geliehenen, kräftigen, älteren Kindes Betrug versuchten, ist 
ja oft genug vorgekommen. Deshalb lasse man sich die Geburtsurkunde 
des Kindes vorlegen und beurteile danach Kind und Mutter. Nicht 
selten wird ein Betrug auch so verübt, daß eine im q. oder lo, Monat 
entlassene Amme eine neue Stelle annimmt, und behauptet, sie sei vor 
3 oder 4 NVochen niedergekommen. Der Nichtkenner bewundert dann 
das große Kind der Amme und hofft ein gleiches Gedeihen für das 
anzulegende Kind. Oder die Amme legt ihr Kind absichtlich 24 Stunden 
nicht an, um dann beim Drücken eine große Menge Milch in den Brüsten 
aufweisen zu können. 

Unbedingt erforderlich ist, daß die Amme sich einer sorgfältigen 
Untersuchung unterwirft. Sind die Haare auffallend dünn, die Zähne 
und das Zahnfleisch schlecht, so daß man an Spuren von Quecksilber- 
gebrauch, resp. Lues denken muß, findet man Herzgeräusche, Lungen- 
dämpfungen, überhaupt schlechtes Aussehen, starken eitrigen Fluor, fühl- 
bare Leisten, Cubital- oder Nuchaldrüsen, ist das Kind nicht gut gediehen, 
so sehe man von einer solchen Amme ab, und mag sie noch so viel 
Milch haben. 

Magerkeit allein ist nicht entscheidend, denn oft sind solche arme 
Personen verhungert, und gewinnen bald bei guter Ernährung und 
günstigen Verhältnissen ein sehr gesundes Aussehen. 

Besorgt eine Ammen Vermieterin die Amme, so wird man ja über 
die Zuveriässigkeit der Agentin unterrichtet sein, oder sich unterrichten 
können. Großen Wert lege man aber niemals auf fremde Angaben. Da 
der Arzt die große Verantwortung allein trägt, so muß er auch allein 
sorgfältig untersuchen. 

Die Hauptsache ist, daß Lues mit absoluter Sicherheit aus- 
zuschließen ist Wie viel Unglück ist schon dadurch in Familien ge- 
bracht! Ich kenne die traurige Familiengeschichte eines Kollegen, bei dem 
die syphilitische Amme das Kind, dies die Mutter und sie den Ehemann 
ansteckte. Dieser bekam nach 3 Jahren Paralyse, das Kind starb und 
die Mutter wurde geisteskrank! 

Nicht unbedingt notwendig ist es, daß das Kind der Amme dem 
zu stillendem Kinde gleichaltrig ist. Eine Differenz von 4 — 6 Wochen 
schadet ganz sicher nichts. Dagegen wird die Milch vom 6. Monat an 
post partum, namentlich vom 8. Monat an sicher wässriger und schlechter. 
Man untersucht dann die Milch der Amme mit dem Galactobutyro- 




Wahl der Amme. 

meter und erzielt eventuell durch reichliche Fettzufuhr bei der Amme 
eine fettere Müch. Umgekehrt ist oft die Ammenmilch zu fett, weil der 
Amme, um dem Kind zu nützen, eine übertrieben nahrhafte Nahrung 
verabreicht wird. Auch in diesen Fällen, wo das Kind wegen der zu 
fetten Milch fortwährend Verdauungsbeschwerden hat, ist die Korrektur 
durch ein wenig reichere Nahrung leicht zu erzielen, nachdem der Grund 
festgestellt ist. 

Ist die Amme schon vor der Geburt angenommen, so sorge man 
schon dann dafür, daß, sobald die Amme den Dienst antritt, auch für 
das Kind der Amme eine gute Unterkunft bereit steht Eine Verzöge- 
rung soll nicht eintreten, und die Amme soll mit ruhigem Gemüt, ohne 
Sorge um das eigene Kind, gern in ihr neues Amt eintreten. Es wäre in- 
human, das Kind dem Verderben zu überlassen. Es wäre auch unklug, 
denn wenn die Amme hört, daß ihr Kind krank ist, läuft sie davon. 
Freilich oft ist sie auch zufrieden, wenn das Kind stirbt. Ist es möglich, 
so ist das Kind entfernt unterzubringen, damit die Amme nicht das 
Kind oft besuchen und ihm die Milch geben kann, die sie nun einmal 
verkauft hat. Ein menschlich denkender Hausarzt wird sich auch um 
das Ammenkind kümmern, und anständige Leute, die um Geld dem 
Kinde die natürliche Nahrung raubten, werden dies dadurch wieder gut 
zu machen streben, daß sie dem Kinde der Amme ihr dauerndes Inter- 
esse zuwenden. Auf diese humanen Flüchten soll der Hausarzt seine 
Klienten hinweisen. 

Ehe der Amme das Kind übergeben wird, muß sie gebadet, mit 
reiner Kleidung versehen werden. Die Brüste werden abgeseift, die 
Brustwarzen mit Borlösung abgewaschen. Der Arzt sei bei dem ersten 
Anlegen zugegen und kontrolliere in den ersten Tagen durch Wägungen 
vor und nach dem Anlegen, ob das Kind Nahrung erhält, wieviel Gramm 
es trinkt und ob das Kind gedeiht, ruhig ist und zunimmt, wie der 
Kot des Kindes beschaffen ist. 

Die Amme darf das Kind niemals im Bett liegend anlegen, sie muß 
auf einem Stuhl auch in der Nacht sitzen, und darf nicht willkürlich, 
sondern nur in regelmäßigen Zwischenräumen das Kind nähren. Die 
Amme muß für die Nacht mit warmer Kleidung versehen sein, da 
Wöchnerinnen leicht schwitzen und sich beim Entblößen leicht 
erkälten. 

Ist es möglich, so wähle man im Prinzip zur Amme eine Mehr- 
gebärende. Sie weiß besser Bescheid mit dem Kinde, sie hat auch 
derbere Warzen, so daß man vor Schrunden und Mastitis mehr ge- 
sidiert ist 

Eine Amme soll leichte Arbeit verrichten, und überhaupt so leben 



n 



L 



und so genährt werden, wie sie es gewöhnt war. Schwere Arbeit mute 
man ihr nicht zu, damit sie nicht Bhitungen bekommt oder erltrankt 

Im 8. Monat ist es Zeit, dem Kind andere Nahrung zu geben, da 
dann die Müch minderwertig wird. Nimmt das Kind nicht zu oder so- 
gar ab, so tritt die Notwendigkeit des Absetzens sofort ein. 



Die künstliche Ernährung des Neugeborenen. 

Kann oder will eine Mutter weder selbst stillen noch eine Amme an- 
nehmen, so wird das Kind mit Kuhmilch ernährt. Die Kuhmilch muß 
durch Verdünnung und Milchzuckerzusatz der Muttermilch ähnlich gemacht 
und durch Kochen von Keimen befreit werden, die dem Kinde gefährlich 
sind. Die Anschauungen, wie beides am besten zu erreichen ist, haben 
sehr gewechselt, d. h. man hat beides auf sehr verschiedene Weise zu 
erreichen gesucht Noch immerfort wird an der Erreichung besserer 
Methoden gearbeitet, so sind namentlich die Ansichten über die Kon- 
zentration der Milch sehr verschiedene. 

Aus eigener Erfahrung möchte ich empfehlen, das größte Vertrauen 
zu der Methode von Soxleth zu haben. Sie beruht darauf, daß die ge- 
samte in 24 Stunden gebrauchte Milchquantität auf einmal sterilisiert 
wird und zwar portionsweise gleich in den Flaschen, aus denen sie das 
Kind trinkt. Dadurch wird also einerseits die Arbeit sehr vereinfacht, 
andererseits ist man sicher vor Verunreinigungen, die beim Mischen und 
Umschütten sich leicht ereignen. 

In den ersten 4 Wochen wird die Milch mit Wasser 1 : 2 gemischt, dann 
steigt man auf 1:1, vom 5. Monat an versucht man reine Milch zu geben. 
Wer genau die Stühle kontrolliert, wird bei schnellerer und stärkerer 
Steigerung der Konzentration das unverdaute Feit und namentlich das 
weiß-flockige Case'i'n im Stuhl der Kinder nachweisen. Was hat es ffir 
einen Sinn, den Darm zu belasten mit Stoffen, die nicht verdaut werden? 
Andererseits kommt es auf die Qualität der Kuhmilch an, auf die man 
wenig Einfluß hat, man muß das kaufen, was käuflich ist Am besten 
verträglich, auch am fettesten ist Milch von Kühen, die trocken gefüttert 
werden. Der Fettgehalt ist wechselnd, so daß man nie schematisch ver- 
fahren darf, sondern stets das, was gegeben wird und das was entleert 
wird, genau kontrollieren muß. — Müch der Kuh und Milch der Frau 
sind sehr verschieden. Das Caseln der Muttermilch bildet eine leicht- 
flockige in der Milch suspendierte Masse, das der Kuhmilch gerinnt zu 
großen, harten, festen Klumpen. Die Hauptunterschiede zeigt am schnellsten 
folgende Tabelle: 




r 



Die künstliche Ernährung des Neugeborenen. 175 

CaseTn Andere Stickstoff- Fette Salz Lecithin Nucleon 
haltige Stoffe 
Frauenmilch 0,9 0,6 3,05 0,10 0,18 0,13 

Kuhmilch 3,0 0,3 3,55 0,7 0,11 0,06 

Man muß also, wenn die Kuhmilch der Frauenmilch ähnlich werden 
soll, durch Verdünnung den 4 mal so großen Caseingehalt der Nahrung 
verringern, und die Kohlehydrate durch Zuckerzusalz vermehren. Phos- 
phor in organischer Verbindung ist in der Muttermilch reichlich vor- 
handen als Lecithin und Nucleon, 

Den einfachsten Weg beschritt Soxlelh in seiner Vorschrift, indem 
er 30 g Milchzucker zu 1000 g der verdünnten Kuhmilch zusetzt. 

Sehr gebräuchlich ist auch die Backhausmilch, die nach Biederts 
Rahmgemenge konstruiert ist. Biedert hatte, um das CaseTn wegzuschaffen, 
Rahm und Magermilch getrennt, 100 g Rahm mit 300 g Wasser ver- 
dünnt und 15 g Milchzucker zugesetzt. Die Vorschrift war aber für 
unerfahrene Mütter zu schwierig auszuführen. Deshalb brachte Backhaus 
diese Milchkomposilion in fertigen Fläschchen sferilisiert in den Handel. 
Sie ist, ebenso wie die Gärtner-Milch zu empfehlen, umsomehr da auch 
der Laie sofort sieht, ob die Milch gut oder schlecht ist Im letzteren 
Falle hat sie gegoren und sieht mißfarbig zersetzt aus. 

Durch den Milchzuckerzusatz muß man auch die Verdauung regu- 
lieren, man setzt bei Verstopfung mehr Zucker zu, bei Durchfall weniger. 
Hält der letztere an, so wird statt Wasser ganz dünner Haferschleim 
zugesetzt. 

Auch die auf die Flasche vor der Verabreichung aufgesetzten Saug- 
pfropfen sind durch Kochen zu sterilisieren und dürfen nicht an dem 
Teil mit der Hand berührt werden, der in den Mund des Kindes ge- 
steckt wird. Der Saugpfropfen darf nicht zu lang sein, sonst reizt er 
— eingesaugt — zum Brechen, nicht zu weich, sonst wird er durch 
Druck gegen den Gaumen verschlossen, und nicht zu kurz, sonst gleitet 
er aus dem Munde, Die Löcher müssen klein sein, mit der Nadel ein- 
gebrannt Die Mutter muß das Kind, solange als es trinkt, beobachten, 
um die Flasche zu erheben, zurückzuziehen oder vorzuschieben. In 
meiner Klinik starb ein ganz gesundes Kind, in dessen Lungen die Milch 
eingelaufen war, so daß alle Bronchien mit Milch ausgefüllt waren. 

Die sterilisierte Milch muß kühl — am besten im Eisschrank im 
Sommer aufbewahrt werden. Sie ist nicht absolut keimfrei und kann 
sich in der Wärme zersetzen. 

Alle Sterilisationsverfahren eignen sich nicht für den Massenvertrieb, 
resp. für die Massenfabrikation. Beim Schütteln beim Herumfahren buttert 
die Milch aus. Am besten besorgt eine Mutter die Zubereitung selbst 




iy6 Zwölftes Kapitel. 

Leicht kommen Fehler vor, denn die Sorgfalt, der sich eine Mutter im 
Interesse ihres Kindes unterzieht, kann man nie bei bezahlten Leuten 
voraussetzen. Die Milch ist dem Kinde ca. 36^ warm zu geben, welche 
Erwärmung durch Eintauchen in heißes Wasser und Umschütteln er- 
reicht wird. 

Für spätere Zeiten, wo schon Fermente, die das Stärkemehl um- 
setzen, physiologisch vorhanden sind, also vom 5. Monat an, sind audi 
stärkemehlhaltige Surrogate vorteilhaft, so das Nestlesche Kindermehl, 
Rademanns Kindernahrung, mit denen ich sehr gute Resultate erzielt 
habe, die Liebe-Liebigsche Nahrung etc. Oft aber, wenn diese Mittel 
zu zeitig und zu konzentriert angewendet werden, ruiniert man die Ver- 
dauung so gründlich, daß die einzige Lebensrettung in der Rückkehr zur 
Brust einer Amme zu finden ist 



Zwölftes Kapitel. 

Pathologie der Schwangerschaft 

Manche an sich krankhafte Erscheinungen bei der Schwangeren er- 
klären wir für eine Folge der Schwangerschaft, aber noch nicht für ein 
pathologisches Symptom. Wenn aber diese Erscheinungen das gewöhn- 
liche erfahrungsgemäß erträgliche Maß überschreiten, wenn sie das Be- 
hagen, das geistige und körperliche Wohlbefinden stören, hält sich die 
Schwangere für krank und es wird ärztliche Hilfe angerufen. Die 
Schwangere leidet und erstrebt Heilung, resp. Befreiung von den lästigen 
Symptomen. Daß also Gesundheit und Krankheit hier noch weniger als 
sonst durch eine feste Grenze getrennt wird, leuchtet eo ipso ein. 

Es kommen die individuellen Verhältnisse hinzu. Eine reiche ver- 
wöhnte Frau, die gewöhnt ist, sich alles zu kaufen, verlangt auch, daß 
der Arzt jede kleine Unbequemlichkeit beseitigt, denn dafür wird er ja 
bezahlt. Eine solche Frau übertreibt, sie will weder noch kann sie 
Widerwärtiges mit Charakterstärke ertragen. Eine vernünftig erzogene, 
geduldige Frau andererseits weiß, daß das höchste Glück der Frau, 
Mutter zu werden, nicht ohne Opfer, Leiden und Dulden erlangt wird, 
Sie klagt nicht und trägt ihr Schicksal in Ruhe und Ergebung. 

Der ärztliche Berater muß ein kluger Beurteiler des Individuums 
und seiner geistigen Anlagen und Eigenschaften sein, er muß auf dem 



Pathologie der Schvcangersehatt: Verdauungsorgane, 



'77 



Instrumente seiner Therapie viele Register haben: Freundlichkeit, Ernst, 
Strenge, Trost etc. 

Man hat mehr systematisch richtig als den Tatsachen entsprechend, 
die Pathologie der Schwangerschaft in verschiedene Kapitel eingeteilt und 
zwar in Krankheiten, die nur Steigerung der physiologischen Symptome 
darstellen, in Krankheit als direkte Folge der Schwangerschaft und in 
zufällige Komplikationen. 

Es gibt aber vie! Obergänge, Man müßte Zusammengehöriges aus- 
einanderreißen, wollte man sich streng an eine Einteilung halten, deshalb 
ziehe ich es vor, die Affektionen, scheinbar ungeordnet, der Reihe nach, 
zu beschreiben und zu erklären. 



Verdauungso rgane. 

Das in den obigen Zeilen Auseinandergesetzte gilt vor allem von 
der sog. Hyperemesis gravidarum. "Wie das Erbrechen überhaupt 
recht viele Gründe haben kann, von der vorübergehenden Übelkeit und 
dem Erbrechen bei Überladung des Magens an bis zu dem Erbrechen 
als höchst bedenkliches Symptom bei Oehirnaffektionen oder Urämie, so 
verhält es sich auch bei der Schwangeren. 

Die Versuche, die Hyperemesis der Schwangeren stets auf eine be- 
stimmte ätiologische Ursache zurückzuführen, sind als verfehlt zu be- 
irachten. Daß eine hysterische, energielose, untätige Frau, deren Geist 
nicht durch das Bewußtsein, Pflichten erfüllen zu müssen, beschäftigt 
und abgelenkt wird, sich leichter von der Übelkeit, und dem Brechreiz 
überwältigen läßt, als eine geistig gesunde kräftige Frau, ist erklärlich. 
Gibt es doch Frauen, die lieber krank als gesund sein wollen, weil sie 
sich gern bemitleiden lassen und ihren leidenden Zustand höchst inter- 
essant finden. 

Namentlich, wenn die Schwangerschaft sehr unerwünscht kommt, 
wirkt alles zusammen, um der Patientin ihren Zustand ganz unerträglich 
erscheinen zu lassen. 

Man hat als Kriterium der schweren Fälle von Hyperemesis die Ab- 
magerung angeführt. Natürlich wird eine Schwangere, die nicht ißt und 
viel bricht, mager. Ich habe aber Fälle enormer Abmagerung gesehen, 
die ganz entschieden nicht der Hyperemesis perniciosa, sondern der 
Hysterie zuzurechnen waren. Die Schwangere verhielt sich jeder Therapie 
gegenüber ablehnend, sie wollte die Unterbrechung der Schwangerschaft 
erzwingen und nahm in der Tat in 4 Wochen um 30 Pfund ab. Erst 
als ihr definitiv erklärt wurde, daß die Schwangerschaft absolut nicht 
unterbrochen würde, wurde die Schwangere dazu gebracht, das Erbrechen 



4 




lyS Zwölftes Kapitel. 

ZU bekämpfen und bekämpfen zu lassen. Dann wurde sie geheilt und 
trug das Kind aus. 

Aber es kommen doch auch Fälle vor, wo die Schwangerschaft er- 
sehnt war, wo das Erbrechen zur Verzweiflung der Schwangeren so zu- 
nimmt, daß der Arzt die ganze gebräuchliche Therapie anwendet, wo er 
schließlich den Tod nahen sieht, wenn nicht der einzige Grund des Er- 
brechens, die Schwangerschaft beseitigt wird. 

Hier das Richtige zu treffen, nicht voreilig zu handeln, aber auch 
nicht die Rettung zu verweigern, ist gewiß schwer. 

In den Fällen von unstillbarem Erbrechen, das man mit Recht perni- 
ziöses Erbrechen der Schwangeren genannt hat, besteht sowohl bei vollem 
als auch bei leerem Magen fortwährende Übelkeit Das entsetzliche, 
krampfhafte, jede Ruhe raubende Würgen dauert an, wie bei einer Mor- 
phinistin, der das Morphium entzogen wird. Jede Speise, schließlich 
allein Magensaft mit Galle werden fortwährend erbrochen. Die Zunge 
und der Mund sind trocken. Wenig sehr konzentrierter, oft icterischer 
Urin wird abgeschieden. Stuhlverstopfung kann wochenlang bestehen. 
Am Ende wird das Sensorium benommen, Fieber tritt ein mit sub- 
normalen Temperaturen wechselnd und der Tod erfolgt durch Inanition. 
Ich habe einige solche Fälle sub finem vitae gesehen, wo ich nur die 
infauste Prognose konstatieren konnte. 

Man muß diese Fälle so auffassen, daß der Reflex von der Dilatation 
des Uterus, der für gewöhnlich nur den typischen Vomitus matutinus 
veranlaßt, hier ein so starker ist, daß er in außergewöhnlich heftiger 
Weise das permanente Erbrechen bewirkt. Solche Fälle sind sehr selten, 
aber man kann sie doch nicht leugnen. Das unstillbare Schwanger- 
Schaftserbrechen, oder der Vomitus perniciosus existiert tatsächlich als 
typisches Krankheitsbild. 

Bei der Behandlung ist das psychische Moment zunächst zu be- 
rücksichtigen. Durch ernstes Zureden, durch einfache diätetische Maß- 
regeln werden viele Fälle von starkem Erbrechen gut beeinflußt. Die 
ganze Lebensweise ist hygienisch zu ordnen. Der Stuhlgang ist zu 
regeln, denn mancher Fall beruht sicher auf Koprostase und Autointoxi- 
kation mit Fäulnisprodukten. Die Schwangere soll ihr erstes Frühstück 
im Bettjzu sich nehmen. Wenn auch dann noch beim Aufstehen Er- 
brechen eintritt, läßt man die Patientin eine Woche oder länger liegen, 
man appliziert Prießnitzsche Umschläge auf den Magen, gibt alle zwei 
Stunden etwas Nahrung, die nicht riecht, nicht reizt, z. B. eiskalte Milch. 
Von Medikamenten sah ich Erfolg von Cocain 0,05 und Bromkali 5,0 
zu 200 Wasser, täglich 3—4 Mal ein Eßlöffel. Ein Geschmacks-corrigens 



Hyperemesis. 



179 



isl nicht empfehlenswert, da riechende Medikamente, z, B. Aqua Menfhae, 
leicht erst recht Übelkeit hervorruft. 

Ganz vortrefflich wirken oft Nährklystiere, freilich ist es wohl meist 
die Wasserzufuhr, die den guten Erfolg hat, denn solche Schwangere 
sind gleichsam innerlich ausgetrocknet. Ich habe in einigen Fällen ge- 
sehen, daß vom Darm in 24 Stunden 2, ja 3 Liter Wasser aufgesaugt 
wurden. Bei schlechtem Pulse setzt man dem Wasser etwas Alkohol £U — 
einem halben Liter 1 Eßlöffel Cognac. Dabei läßt man auch mit Vorteil 
den Magen einmal 24 Stunden ganz in Ruhe. Lange, heiße Bäder wirken 
ebenfalls gut, namentlich bei Chorotischen, deren Temperatur sich stets 
unter 36" erhält. 

Bei Herzschwäche, trockener Haut und Zunge habe ich auch einige- 
male mit Vorteil subkutane Wasserinjeklionen unter die Brüste und auf 
den Oberschenkel gemacht. 

Eine große Rolle spielt die Suggestion. So wirkt gewiß nur sug- 
gestiv die Ätzung der Portio, die Dilatation der Cervix nachCopeman, 
eine Untersuchung in Narkose. 



Schwierig ist die Entscheidung, ob und wann man den künst- 
lichen Abort einleiten darf. Ich glaube nicht, daß man ohne ihn stets 
auskommt Wenn ich angebe, daß ich in 30 Jahren ihn nur 6 Mal habe 
machen müssen, resp. geraten habe, ihn auszuführen, so kann man daraus 
die große Seltenheit der Notwendigkeit dieses Eingriffes ersehen. Inter- 
essant war mir, daß zweimal, sofort nach dem Blasenstich, resp. dem 
Ablassen des Fruchtwassers das Erbrechen aufhörte. War das nun Sug- 
gestion, oder fiel durch Verkleinerung des Uterus der Reflex von der 
Ausdehnung des Uterus weg? Ich wage es nicht zu entscheiden! 

Hat man sich zum künstlichen Abort entschieden, so berate man 
sich wenigstens noch mit einem Arzte, setze ein Protokoll auf, lasse es 
von dem Kollegen, dem Ehemann und der Patientin unterschreiben und 
mache, wenn möglich, den Abort in einer öffentlichen Krankenanstalt, 
damit auch jeder Schein eines Verbrechens gegen das keimende Leben 
der Frucht ausgeschlossen ist. 

Der künstliche Abort in den ersten 2 oder 3 Monaten ist keine 
so leichte Operation, wie es gewöhnlich in Büchern geschildert oder von 
Laien angenommen wird. Namentlich bei der Primipara und bei engem 
Muttermunde, wird durch den einfachen Blasenstich das schnelle Eintreten 
lies Aborts nicht erreicht. Dabei kann sogar die Verletzung der Frucht- 
blase wieder heilen, Fruchtwasser sich wieder bilden und die Schwanger- 
schaft andauern. Ich habe das zweimal erlebt 




i 



l8o Zwölftes Kapitel. ^^H 

Die unendlich vielen gerichtsärztlichen Fälle, bei denen die 
Schwangere an den Folgen eines ungeschickt eingeleitelen Abortes durch 
Infektion, resp. Durchbohrung des Uterus starb oder schwer erkrankte, 
beweisen am besten, daß der Eingriff durchaus nicht leicht und unge- 
fährlich zu machen ist. 

Die beste Methode ist folgende. Unter antiseptischen Kautelen wird 
ein Laminariastift in die Cervix eingelegt. Nach 24 Stunden wird er 
entfernt, und nach reichlicher desinfizierender Spülung wird ein zweiter, 
dickerer eingeschoben. Nach dessen Entfernung wird das Fruchtwasser 
durch den Eihaulstich abgelassen. Der leere Raum im Uterus, resp. in 
der Eihöhle wird mit Jodoformgazestreifen, die in Ichthyolglycerin getaucht 
sind, möglichst völlig ausgestopft. Dadurch stirbt die Frucht ab, was sich 
meist durch mäßige Erhöhung der Temperatur bis ßg" markiert Die 
Wehen setzen dann ein, man verstärkt sie durch heiße Irrigationen und 
reichliche Seealegaben, 3—4 g, oder Ergotin 0,2—0,3. Of* wird unter 
Wehen das Ei spontan in die Scheide ausgestoßen. 

Ist dies nicht der Fall, so wird zeitigst am 4, Tage das gelockerte 
Ei unter mehr oder weniger bedeutender Blutung mit der Abortzange 
oder einer großen Curelte, am besten in der Chloroformnarkose leicht 
entfernt. 

Versucht man dies eher, zu einer Zeit, wo die Placenta und die Ei- 
häute noch fest sitzen, so würde leicht ein kolossaler Blutverlust eintreten, 
und es gelänge nur durch große Kraftanwendung und auch dann schwer, 
das ganze Ei zu entfernen. 

Wartet man aber die Temperaturerhöhung ab, tamponiert man kräftig 
die Scheide bei Blutverlust, und entfernf man erst am 5. oder 6. Tage 
das Ei, so ist dies sehr leicI^J und der Blutverlust ist gering. Mit der 
Curette holt man ohne Kraftanwendung das Ei und die Deciduen heraus 
und spült danach den Uterus aus. Ist er wirklich völlig entleert, so blutet 
er nicht mehr. Scheint er sich schlecht zu kontrahieren und blutet es bei 
der Entfernung des Ovulum sfark, so wird die Uterushöhlc tamponiert 
Der Tampon bleibt bei fieberfreiem Zustand drei bis vier Tage liegen. 
Besteht aber Fieber, so wird der Tampon entfernt, der Uterus ausgespült, 
Seeale wird verabfolgt, die Patientin darf erst dann das Bett verlassen, 
wenn jeder Blutabgang aufgehört hat 

Dringend möchte ich vor Überhastung warnen. Ich habe manchen 
Fall gesehen, wo der Arzt gleich nach der ersten Laminariadilatation oder 
sogar nach Dilatation mit Dilatatorien sofort alles beenden wollte. Die 
Blutung war lebensgefährlich geworden, die Manipulation mußte unter- 
brochen, der Uterus und die Scheide so schnell ais möglich tamponiert 
werden, um nur den Verblulungstod zu verhindern. Das zerfetzte Ei 




Der künstliche Abort. l8l 

blieb teilweise im Uterus. Ja, Todesfälle habe ich dabei erlebt. Alle 
diese Gefahren utiigeht man, wenn das beschriebene langsame, vorsichtige 
Verfahren gewählt wird. Namentlich sei man nicht ängstlich, wenn eine 
Temperaturerhöhung eintritt, sie ist eher ein günstiges Zeichen und be- 
weist, daß das Ei sich gelockert hat. 

Nicht vergessen darf man, daß Hyperemesis auch das Symptom 
schwerer Oehirnkrankheiten sein kann. Ich sah einen Fall, bei dem die 
Patientin auf 40 Kilo abmagerte und starb. Bei der Sektion fand sich 
ein GehimahszeG. Eine narbige Pylorusstenose nach Magengeschwüren 
fand sich auch öfter. Doch dürfte sich hier mit Hilfe der modernen 
Magenuntersuchung, rcsp. der Konstatierung der Beschaffenheit des Magen- 
inhaltes, des Fehlens der Salzsäure die Diagnose stellen lassen. Ebenso 
sieht man urämische Hyperemesis, bei der aber der charakteristische 
intensive Kopfschmerz seilen fehlt. Jedenfalls ist stets der Urin zu unter- 
suchen, ebenso der Augenhintergrund, 

Die Quantität des Speichels nimmt in der Schwangerschaft zu. 
Es scheinen hier Wechselbeziehungen zu bestehen. So haben manche 
Frauen bei geschlechtlicher Erregung oder bei der Menstruation ver- 
mehrte Speichelabsonderung, in der Schwangerschaft wird der Speichel- 
abfluß oft so bedeutend, wie nach einer subkutanen Püokarpin Injektion. 
Dabei ist in der Regel die Mundschleimhaut nicht hyperämisch. Die 
Salivation ist eine vorübergehende Erscheinung, die nur 2 — 3 Wochen 
andauert Adslringierende Mundwässer nützen nichts. Erfolg sah ich 
von Jodkali, von Brompräparaten, von Liquor ferri sesquichlorati 2 Tropfen 
auf ein Olas Wasser, davon stündlich 1 Teelöffel und vor allem von 
Galvanisation des Sympathicus. Ob diese Mittel oder die Zeil heilten, weiß 
ich nicht Jedenfalls dauerte die Salivation nicht länger als 2 — 3 Wochen. 

Öfter besteht nicht eigentlich Salivation, sondern nur starke Speichel- 
sekrelion bei Hyperacidität des Magens; diese bekämpft man am 
besten durch Magnesia usta. Man darf aber nicht geringe Dosen 
geben, sondern so große, daß der Mageninhalt wirklich neutralisiert wird, 
dazu sind oft 3 — 4 gehäufte Eßlöffel hinter einander notwendig. Kleine 
Dosen regen erst recht zur Säureproduktion an. 



Nicht selten handelt es sich um Gärungsvorgänge bei schlechter 
Motilität des Magens. Die Speisen bleiben, wie bei Pylorusstenose über- 
lange im Magen liegen und es ist nicht zu viel, sondern zu wenig Salz- 
säure vorhanden, vielmehr besteht Butter- und Milchsäuregärung. 
Dann tut Creosot gute Dienste. Man kann es in Pillen mit Mica panis, 
besser in Kapsein von Tolubalsam verordnen, wie man es früher bei 
Phthise gab. 




I 

4 



i82 Zwölftes Kapitel. 

Die Therapie bei Hyperacidität ist besser eine, therapeutisch probie- 
rende, denn die wiederholte Ausheberung des Magens nach Probemahl- 
zeiten könnte namentlich bei starkem Widerstreben Würgen, und Erbrechen 
den Abort hervorrufen. Die Diagnose läßt sich, soweit sie zur rationellen 
Therapie notwendig ist, durch Beobachtung der Wirkung der Arznei- 
mittel bald stellen. 

Mit der Magnesia usta muß man übrigens vorsichtig sein. Ich 
habe einen Fall beobachtet, wo nach Wochen große harte Steine von 
Magnesia unter großen Schmerzen abgingen. 

Über die Behandlung der Obstruktion bei Schwangeren wurde pag. 161 
das Nötige mitgeteilt. 

In der Schwangerschaft sieht man auch mitunter Fälle von Ileus, 
die sehr ungünstig verlaufen. Operiert man nicht, so ist überhaupt 
wenig mit der Therapie zu leisten. Operiert man, so ist die Prognose 
ungünstig, weil die ausgedehnten Därme und der hochschwangere Uterus 
bei der Operation sehr geschädigt werden. 

In lebensgefährlichen Fällen hatte ich einigemale mit der Unterbrechung 
der Schwangerschaft Erfolg. Man darf sich dazu umsomehr entschließen, 
als beim weiteren Verlaufe doch das Kind abstirbt. Tritt nicht ein Er- 
folg ein, kommt es nicht zur Wiederherstellung der normalen Darm- 
funktion, so ist die Laparotomie nach Entleerung des Darms unter 
günstigeren Verhältnissen zu machen, weil die Übersicht besser und der 
Raum im Bauche größer ist. 

Auch Appendicitis-Operationen sind in der Schwangerschaft mit Er- 
folg gemacht worden. 

Harnorgane. 

Schon bei der Schilderung der physiologischen Schwangerschafts- 
symptome erwähnten wir, daß eine Schwangere namentlich im Beginne 
der Schwangerschaft häufigen Urindrang spürt und daß der Urin- 
drang mehr auf die Hyperämie der Blase als den Druck des Uterus zu 
beziehen ist. 

Man wird zunächst durch kleine Dosen Morphium mit Extradum 
Belladonnae den Harndrang bekämpfen, z. B. Morphii, Extracti Belladonnae 
ana 0,05 zu 15 g Wasser, 2 stündlich 10 Tropfen oder mit Suppositorien 
von 2 g Kakaobutter mit Morphium und Belladonnaextrakt ana 0,015. 

Stets aber ist der Urin zu zentrifugieren und sorgfältig zu unter- 
suchen. Bei starker Säurebildung im Magen, auch bei Zufuhr vieler 
saurer Speisen nimmt die Säure des Urins zu. Man gibt alkalische 
Wässer, ev. mit Zusatz von Natron salicylicum: auf ein Glas von 200 g 
Fachinger, Vichy oder Selterser Brunnen 0,5 Natron salicylicum 2 — 3 mal tag- 



lieh zu trinken. Ist der Urin alkalisch, riecht er stark und enthält er Koli- 
bakterien, so gibt man am besten Kampfersäure 2—3 g täglich. Codein, 
das nicht so verstopft, wie Morphium, kann in der doppelten Dose, wie 
Morphium zugesetzt werden. 

Ist der Urin eiterhaltig, so muß man Blasenspülungen, resp. Blasen- 
auswaschungen machen, denn es ist doch nur selbstverständlich, daß man 
die Medikamente direkt auf die Blasenschleimhaut und nicht auf dem 
langen Umwege durch Magen und Blutbahn einwirken lälSt. Am besten 
spült man mit gut gewärmter 3 prozent. Borsaureiösung aus, danach mit 
Argenlum nitricum- Lösung 1 : 1000. Oft verschwindet der Katarrh der 
Blasenschleimhaut und der Harndrang danach sofort. Aber er kehrt auch 
wieder, so daß man mitunter während der ganzen Schwangerschaftsdauer 
von Zeit zu Zeit die Blase auswaschen muß. 

Sorgfältig ist auch die Scheide und ihr Sekret in allen diesen Fällen 
zu untersuchen. Oft ist die Schwellung der Scheide so bedeutend, daß 
selbst bei der Primipara der Harn röhrenwu Ist herabgedrängt wird und 
durch den Schmutz der Kleidung und deräuBeren Geschlechtsteile in starken 
Reizzustand gerät. Dann bildet die so entstehende Urethritis den Über- 
gang zur Cystitis. 

Man behandelt in dreifacher Art: durch Spülungen der Vagina, durch 
Umschläge auf die Vulva und durch Einspritzungen in die Urethra. 

Spulungen der Scheide in der Schwangerschaft schaden, richtig aus- 
geführt nicht. Das Wasser habe die Körpertemperatur 37—38". Der 
Irrigator darf nur so hoch stehen, daß die Flüssigkeit eben ausfließt und 
der desinfizierende Zusatz darf nicht adstringieren , nicht vergiften und 
nicht ätzen. Deshalb wähle man Borsäure oder Kali hypermangani- 
cu m. Mit einem dieser Mittel mache man Umschläge auf die Vulva und 
lasse, um den Druck des Uterus, resp. des Kopfes zu verringern, die 
Schwangere einige Tage im Bette auf der Seite liegen, wobei der Uterus 
vom Becken wegsinkt. 

Ist die Harnröhre sehr empfindlich, und kann man bei Streichen mit 
dem Finger von oben Eiter aus der Harnröhre herausdrücken, so wird 
die Harnröhre mit meinem an eine Pravatzsche Spritze 
Spritzenansatz cocainisiert und danach mit Argentumlösung 



lei Vorsicht und Sorgfalt kann man das ohne jede Schmerz- 
empfindung ausführen. 



Zwölftes Kapitel. 



;l 

L 



Man darf die Cystitis in gravidifate nicht als etwas Gleichgültiges- 
ansehen, sondern muß immer daran denken, daH eine Pyelonephritis ent- 
stehen kann. Gerade in der Gravidität ist dies eher als sonst zu be- 
fürchten. Dann ist der Fall prognostisch bedenklich, es schließt sich 
mitunter beiderseitig, seltener einseitig eine multiple Abszeßbildung in 
der Niere an. 

In manchen Fällen ist der Harndrang rein nervöser Natur. ' 
Man kann nichts anderes als ein irritable bladder diagnosticieren, wenn der 
Urin stets ganz klar ist, jede andere Erscheinung fehlt und trotzdessen 
der Harndrang stark belästigt, || 

Auch diese Fälle heilt man öfter mit Instillation von Argentumlösun^ i 
namentlich wenn die Cystoskopie partielle Hyperämien, z. B. des Trigo- 
num Liei:taudii dies nachweist. In einem Falle, bei dem die Hamblasen- 
schleimhaut viele ektatische Gefäße am oberen Eingang der Urethra , 
zeigte, ließ ich mit Erfolg permanente Scheidenirrigation machen, bei der | 
das Wasser ganz allmählich bis auf 8 g abgekühlt wurde. i 

Hämoglobinurie, Lipurie, Chylurie, Peptonurie, leichter Diabetes sind J 
ebenfalls in seltenen Fällen beobachtet. 

Auch steigert sich mitunter, namentlich bei Cystocele der Harn- 
drang bis zur Inkontinenz, oder der Urin geht wenigstens bei Niesen und 
Husten unwillkürlich ab. Belästigt dieser unwillkürliche Urinabgang 
sehr, so steht nichts im Wege, einige Paraffininjektionen in das para- 
urelhrale Gewebe nach Gersuny zu machen. 



Schwangeracliaftsiiiere. 

Da in der Schwangerschaft die Bliitmenge vermehrt ist, so sind auch 
die Aufgaben fijr die Nieren gewachsen. Sie haben außerdem nicht 
nur die Produkte der regressiven Metamorphose beim Stoffwechsel der 
Mutter, sondern auch die der Frucht auszuscheiden. Für diese vermehrte 
Aufgabe können die Nieren insuffizient werden, außerdem können sie 
durch toxische Einflüsse leiden. So erklärt es sich, daß die Nieren in 
der Schwangerschaft erkranken, und daß sie zum Beweise des krank- 
machenden Einflusses der Schwangerschaft sofort nach der Unterbrechung 
der Schwangerschaft am falschen oder richtigen Ende wieder gesunden. 

Diese Nierenerkrankungals Folge der Schwangerschaft nannte Leyden 
„Schwangerschaftsniere". Daß eine Schwangerschaftsntere vorlag, läßt 
sich oft erst daraus erkennen, daß die Albuminurie nach der Beendigung 
der Schwangerschaft später verschwindet. Vorher wird man, namentlich 
wenn die Anamnese nicht klar ist und der Fall nicht genügend zu be- 



Schwangerschaffsniere. 

obachten war, die Schwangerschaftsniere von der gewöhnlichen Nephritis 
nicht immer trennen können. Zur Diagnose gehört also, daß die Nieren 
vor der Schwangerschaft gesund waren, daß die Albuminurie erst in der 
zweiten Hälfte der Schwangerschaft anfängt, daß die Affektion keinen ge- 
fährlichen Charakter hat, und daß sie spontan nach der Geburt ver- 
schwindet. Der Befund des Urins selbst ist nicht entscheidend, da Form- 
elemente, namentlich Zylinder hier, wie bei allen Formen der Nephritis 
vorkommen. Rote Blutkörperchen fehlen meist völlig bei der Schwanger- 
schaftsniere. 

Es sind also, wenn eine Schwangere Albuminurie und Ödeme hat, 
drei Fälle möglich. Entweder handelt es sich um eine Schwangerschafts- 
niere, oder um eine Nephritis, die schon vor der Schwangerschaft bestand, 
oder um eine Nephritis, die zufällig zu einer Schwangerschaft als Kompli- 
kation hinzutraf. 

Ich habe seit Jahren darauf geachtet, ob etwa die Schwangerschafts- 
niere dann eintritt, wenn in der Jugend eine Scarlatinanephritis, resp, 
Scarlatina bestanden hat, und vielleicht ein Teil der Niere funktionsun- 
fähig geblieben war, doch habe ich sichere Beobachtungen nicht machen 
können. Der Umstand, daß nach Exstirpation einer Niere die Schwanger- 
schaft, wie ich wiederholt beobachtet habe, ungestört verlaufen kann, 
spricht dagegen, daß einfache mechanische Verhältnisse — zu kleines 
Filtrationsorgan — die Schuld der Schwangerschaftsniere trägt. 

Wird eine Nephritica schwanger, so nimmt in der Regel die Nieren- 
krankheif in der Schwangerschaft an Heftigkeit zu. Die Ödeme werden 
sehr umfangreich. Die Vulva schwillt so an, daß die Beine weit ge- 
spreizt liegen müssen, ebenso werden die Beine ganz kollosal dick, na- 
mentlich, wenn die Schwangere sich nicht schont oder sich nicht schonen 
kann. Pleuritische Ergüsse, oder Hydropericardium, Hydramnion treten ein 
und führen zu Cyanose infolge von insuffizi enter Atmung, ja zu Lungen- 
Ödem oder Suffokationstod. 

Das Kind stirbt infolge der ungenügenden Sauerstoffzufuhr. Oft 
I zögerte ich im 8. Monat tagelang mit dem Blasenstich, um das Kind zu 
retten. Plötzlich traten Wehen ein und das Kind wurde tot ausge- 
stoßen. Oder der Kohlensäurereichtum des mütterlichen Blutes führte 
' zu vorzeitigen Wehen und zur Geburt des lebenden Kindes. Die Ent- 
1 leerung des.Uterus hat stets wenigstens vorübergehend einen sehr guten 
Einfluß, da die Atmung freier wird und das Herz sich erholt. Erlebt man 
das oft, so entschließt man sich leichter zur Unterbrechung der Schwanger- 
schaft bei sehr bedrohlichen Erscheinungen. 

Aber gerade da, wo der Organismus sich seit Monaten an die Auf- 
nabtiie von Harnbestandleilen gewöhnt hat, bleibt Eklampsie in der Regel aus. 



l86 Zwölftes Kapitel. 

Der Tod des Kindes und die vorzeitige Beendigung der Schwanger- 
schaft ist auch oft die Folge einer spezifischen Placentarerl<ranl<iing. 
Fehling zeigte, daß gerade bei Nephritis in der Placenta viele weiße In- 
farkte entstehen, daß die so gehinderte Blutzirkutation in der Placenta zum 
Tode des Kindes, zur Lockerung der Placenta und zur Unterbrechung der 
Schwangerschaft führt. 

Die früher unerklärlichen Fälle, wo die Placenta am Ende der 
Schwangerschaft durch große retroplacentarc Blutergüsse von der Unter- 
lage abgehoben wurde, die «Lösung der rechtsitzenden Placenta» 
werden dadurch erklärt. 

In allen Zeiten der Schwangerschaft kann die nephritische Decidual- 
— und Placenta rerkrankung zum Tode des Kindes führen. Auch kommt 
es vor, daß die Schwangerschaft zwar nicht direkt unterbrochen, doch 
aber der Stoffwechsel zwischen Kind und Mutter erheblich geschädigt 
wird, so daß das Kind in der Entwicklung gehemmt, klein und atrophisch, 
wenn auch lebend, geboren wird. 

Schwer verlaufen auch die Fälle, bei denen eine akute Nephritis 
in der Schwangerschaft eintritt Die schnelle Veränderung der Funktion 
in der Niere führt zu schneller Toxämie und dadurch zu schweren urä- 
mischen Symptomen: Fieber, Amaurose, Retinitis, Erbrechen, Albuminurie, 
Hämaturie, Schmerzen in der Nierengegend, urämischer Intoxication, Kopf- 
schmerzen, Koma, Eklampsie. 

Ich sah auch Fälle von multiplen Abszessen, die die Nieren bis auf 
das Dreifache des Volumens vergrößerten. Dann bestand sehr hohes 
Fieber und große Schmerzhaftigkeit der Niere, die als Tumor deutlich zu 
palpieren war. Ich vermutete in einem Falle wegen des typischen Eiter- 
fiebers einen paranephritischen Abszeß und entfernte mit gutem Erfolge die 
vereiterte Niere. Dabei war die Blase ganz gesund, so daß die bakterielle 
Invasion vom Biut aus stammen mußte. 

Der Arzt, der zu einem Falle von Nephritis in der Schwangerschaft 
kommt, wird zunächst kaum in der Lage sein, die drei Formen auseinander- 
zuhalten. Wohl aber wird er die Individualität des Falles berücksichtigend 
betreffs der Therapie einen festen Plan haben. 

Stets, wenn man an Albuminurie denkt, namentlich bei Ödemen, ist 
der Urin nicht einmal, sondern eine Woche lang täglich zu untersuchen. 
Nicht etwa nur flüchtig qualitativ auf Eiweiß, sondern auch' quantitativ, 
um ein Bild über die Konstanz der Albumenquantitat, die Zunahme oder 
Abnahme zu haben, auch um den Einfluß der Therapie festzustellen. 
Daß auch genaue tägliche mikroskopische Untersuchung nötig ist, ist 
selbstverständlich. 



i 



Nephritis in der Schwange rscliaft. 1S7 

Jede albuminurische Schwangere muß, auch wenn sie sich wohl fühlt, 
dauernd im Bett liegen. Ich habe oft allein durch Bettruhe die Ei- 
weißmenge sehr schnell zurückgehen, ja schwinden sehen. Schwangere, 
die mit enormen Ödemen zur Klinik kamen, verloren alle beängstigenden 
Symptome allein durch Bettruhe. 

Ferner ist Milchdiät mit aller Strenge einzuhalten. Ist der Puls 
schnell, so erreicht man mit Digitalis — dem besten Diureticum — so- 
wohl Herzkräftigung als reichlichere Harnausscheidung. Fleisch, alle 
schweren Speisen, Alkohol, Kaffee etc. sind zu untersagen. Ferner sind 
von ausgezeichnetem Effekt lange, warme Bäder. Mit diesen drei Mitteln; 
Ruhe, Milch und Bäder erreicht man am meisten. Nach dem Bade sucht 
man durch Einwickelung des Körpers die Diaphorese anzuregen. Dies 
gelingt manchmal sehr leicht. 

In manchen Fällen ist es aber sehr schwer, Schweißsekretion zu be- 
wirken. Das sauberste und wirksamste Verfahren ist das elektrische 
Schwitzbett — eine durch elektrischen Strom gewärmte Drahtmalratze, auf 
die man die Schwangere bettet — und das Auflegen einer mit elektrischen 
Lampen versehenen Bettlade, Da beides nur in Krankenanstalten, resp. 
bei verfügbarem elektrischen Strome möglich ist, so muß man sich in der 
Privatpraxis mit Einwickelungen behelfen. 

Nimmt bei Abnahme der Ödeme die Harnmenge zu, und sind keine 
bedrohlichen Symptome vorhanden, wird auch der Eiweißgehalt des Urins 
geringer, ist also die Prognose besser, so behandelt man in der beschrie- 
benen Weise in der Hoffnung, das Kind zu erhalten. Daß gerade in 
diesen mehr chronischen Fällen Eklampsie weniger zu fürchten ist, er- 
wähnten wir oben. 

Wenn aber die Atmung infolge von hydropischen Ergüssen im Herz- 
beutel, Pleura oder in die Amnionhöhle schlecht wird, wenn Herzschwäche, 
Kurzatmigkeit, namentlich starke Cyanose eintritt, so ist es eine Grausam- 
keit gegen die Mutter, mit dem Ablassen des Fruchtwassers, wegen der 
dadurch herbeizuführenden Unterbrechung der Schwangerschaft zu lange 
zii zögern. Zwecklos ist die Verzögerung, da das Kind bei starker 
Cyanose, resp. Kohlensäureintoxikation der Mutter doch abstirbt. Schon 
das Ablassen des Fruchtwassers bessert oft so den Zustand, daß die 
Schwangere nun wieder ergiebig atmen kann und sich, wie erlöst von allen 
Leiden, bald wohl fühlt. 

Nach Ablassen des Fruchtwassers nimmt die Diurese schnell zu. Die 
bessere Atmung und die wachsende Herzkraft führen zu schneller Ausschei- 
dung großer Urinmengen. Freilich ist das Kind vor dem achten Monat ver- 
loren, aber es handelt sich hier nicht darum, Mutter oder Kind zu reiten, 



L 



188 Zwölftes Kapitel. 

sondern darum, ob man Mutter und Kind zu Grunde gehen lassen, 01 
allein das ohnehin schwer gefährdete Kind opfern will. In vielen Fällen hilft 
schon die vis medicatrix naturae, denn die Geburt erfolgt spontan auf 
der Höhe der bedrohlichen Erscheinungen. 

Im Wochenbett ist der Urin weiter aufs genaueste zu untersuchen, 
um Anhaltspunkte für die Therapie, namentlich die Diät zu gewinnea 

Paranephritische Abszesse mit hohem Fieber verlaufend sind 
schwer zu diagnostizieren. Das beste Verfahren ist die Probepunktion mit 
einer langen Pravatzschen Spritze. Selbst mehrfache Einstiche schaden 
nichts. Weist man aber Eiter nach, so hat man die Stelle, wo der Eiter 
liegt, auf diese Weise erkannt, und macht nun die Entleerung des Abszesses 
mit guter Aussicht auf Erfolg. 

Weist man Eiter nicht nach, so handelt es sich meist um eine große 
entzündete Niere. 

Pyelonephritis, Steineinklemmung im Ureter sind ebenfalls be- 
obachtet. Letzlere ist leider meist erst bei der Sektion gefunden. 



Atmungsorgane. 

Frauen mit hochgradigem Emphysem, Bronchiektasien, ßronchialkatarrh 
leiden in der Schwangerschaft mehr als bisher, aber besondere Gehren 
existieren bei sorfältiger Behandlung nicht. 

Seiir ungünstiger verlaufen Fälle croupöser Pneumonien. Wird 
auch eine Pneumonie in der ersten Hälfte der Schwangerschaft oft glück- 
lich überstanden, so ist, je näher die Geburt rückt, die Prognose umso 
ungünstiger. 

Das hohe Fieber, die Kohlensäureintoxikation, die Herzschwäche kann 
schon unmittelbar nach dem initialen Schüttelfrost das Kind töten und die 
Wehentätigkeit herbeiführen. Auffallend schnell erlahmt das Herz, so 
daß schon nach wenigen Stunden der Herzschlag enorm an Frequenz 
zunimmt und ganz unregelmäßig wird. Kommt nun die Geburtsarbeit 
hinzu, so schädigt sie, auch wenn sie kurz ist und der Arzt schnell ein- 
greift, die Herzkraft, deren Erhaltung ja bei der Pneumonie die Haupt- 
sache ist, aufs schwerste. Oft erfolgt der Tod bei enormer Atemnot 
und großer Todesangst nach kurzer Zeit, schon 24 oder 36 Stunden nach 
dem ersten Schüttelfrost. Mit der Pleuritis verhält es sich ähnlich. Beide 
Krankheiten combinieren sich auch in außerordentlich gefährlicher Weise. 
Trotz direkter Sauerstoffzufuhr, Kampterinjektion, Eisbehandlung. Alkohol 
ist man leider oft nicht im stände, den Puls zu kräftigen , und das 
Leben zu erbeten. 




Tuberkulose. 



Man hat auch die gewaltsame, schnelle, künstliche Entbindung vorge- 
schlagen und ausgeführt Die Erfolge waren so schlecht, daß allgemein 
die Regel gilt, expektativ zu behandeln, da die Statistik lehrt, daß beim 
Nichteingreifen die Prognose immer noch besser ist. 



Tuberkulose. 

Auch dem Laien ist der wechselseitige, schädliche Einfluß der Schwanger- 
schaft, der Oeburt, des Wochenbettes und der Tuberkulose so bekannt, 
daß man auf Tuberkulose verdächtigen Mädchen das Heiraten energisch 
widerrät. Sowohl in der Schwangerschaft als im Wochenbette schreitet die 
Tuberkulose schnell voran. Dabei ist wunderbar, wie wenig die Schwanger- 
schaft 'selbst ungünstig beeinflußt wird, ja daß Schwangere sich während 
der Schwangerschaft oft wohler als vorher fühlen. Der Grund ist wohl der, 
daß sich Schwangere den schädlichen Einflüssen körperlicher Anstrengungen 
und des Temperaturwechsels nicht so aussetzen als Nichtschwangere. Auch 
die Autosuggestion spieh eine Rolle. Die Schwangere hält alle Leiden für 
Schwangerschaftsbeschwerden und hofft von der Beendigung der Schwanger- 
schaft auch Beendigung der Krankheit. 

Ich habe Frauen behandelt mit großen Cavernen und Infiltrationen. 
Fast permanent wurde der ganze Körper, also auch der Leib beim Aus- 
husten großer Eitermassen erschüttert und doch wurde die Schwangerschaft 
nicht unterbrochen. Ja das Kind kann sogar relativ kräftig geboren werden, 
obwohl die Nahrungsaufnahme sehr gering war. Tritt aber post partum 
die erhoffte Besserung nicht ein, wird im Gegenteil nach der Anstrengung 
der Geburt und dem Blutverlust die Schwäche größer, fühh die Wöch- 
nerin selbst, daß sie ihre Kräfte immer mehr verliert, so wirkt die geistige 
Depression hochgradig ungünstig ein. Seltene Fälle von akuter Miliar- 
tuberkulose sind beobachtet Ich sah einen als Eklampsie gedeuteten Fall 
von akuter tuberkulöser Basilarmeningitis, die in den letzten Tagen der 
Schwangerschaft entstanden war. Auch im Wochenbett kann unter hohem 
Fieber, Bewustlosigkeit und typhusähnlichen Erscheinungen akute Miliar- 
tuberkulose eintreten. Die Differentialdiagnose mit Typhus ist schwierig, 
da der Fieberverlauf ähnlich ist und auch bei Tuberkulose kolikartige 
Diarrhöen vorkommen. 

Der Arzt wird bei Mädchen in zweifelhaften Fällen auf das genaueste 
wiederholt die Sputa auf Tuberkel bazillen untersuchen und die Heirat aufs 
energischste widerraten, wenn Tuberkelbazillen gefunden werden. Man 
muß durchaus offen und klar sich dahin aussprechen, daß Tuberkulose 
gewiß heilbar ist, aber gewiß nicht, wenn Schwangerschaft eintritt, daß 
eine solclie Kranke sich, ihren Mann und die eventuelle Nachkommen- 




1 



igo Zwölftes Kapitel. 

Schaft in Lebensgefahr bringt, daß es also durchaus unvernünftig, unklug 
und unmoralisch ist, in solchem Falle eine Ehe einzugehen. 

Ist es aber geschehen, ohne daß der Arzt gefragt war, so hat er ge- 
wiß das Recht und die Pflicht, antikoni^eptionelle Mittel an die Hanii 
zu geben, noch besser die Eheleute, wenn es die Verhältnisse erlauben, 
räumlich zu trennen, resp. die Icranke Frau auf lange Zeit in eine Lungen- 
heilanstalt zu schicken. Erst, wenn die Lunge sicher ausgeheilt ist, das 
Körpergewicht dauernd zugenommen hat, Tuberkelbazillen nicht mehr nach- 
zuweisen sind und jede Spur von Fieber fehlt, ist Konzeption zu erlauben. 

Ist aber die tuberkulöse Frau schon schwanger, so hat man nament- 
lich neuerdings die Ansicht vertreten, daß der Abort eingeleitet werden 
müsse, um danach eine antituberkulöse Kur zu beginnen. Meine Er- 
fahrungen sprechen entschieden gegen den guten Erfolg der Einleitung 
des Abortes. Ein künstlicher Abort ist gar nicht so leicht und so günstig 
zu machen, daß der Eingriff als unerheblich zu betrachten ist. Im Gegen- 
teil sah ich nach dem Abort schnelle Verschlechterung, bei vorsichtig ge- 
leiteter Schwangerschaft aber glückliche Geburt. Ich erkläre mich also 
nie bereit zum Abort auf die Indikation hin: Lungentuberkulose. Ist der 
Fall ein leichter, so wird man mit sorgfältiger Behandlung die Schwanger- 
schaft zu Ende gehen lassen, dann die Mutter vom Kinde trennen und die 
Tuberkulose behandeln. Ist aber der Fall ein schwerer, so ist wenigstens 
das Kind zu retten, während bei der Unterbrechung der Schwangerschaft 
beide Leben zu Grunde gehen. 

Freilich setzt die « sorgfältige Leitung der Schwangerschaft" die 
Möglichkeit voraus, eine gute Ernährung einzuleiten. Ist das in ärmlichsten 
Verhältnissen nicht möglich, so würde von Fall zu Fall, aber nicht prin- 
zipiell zu erwägen sein, was für die Mutter ersprießlicher ist: Abwarten 
oder Unterbrechung der Schwangerschaft. 

Das Kind einer tuberkulösen Mutter ist unter allen Umständen nicht 
bei der Mutter zu belassen. Daß oft vom Nabel aus die tuberkulöse In- 
fektion erfolgt, ist mehrfach bewiesen. Ebenso sind durch Küssen, ja nur 
durch Beisammensein mit der Mutter die Tuberkelbazillen in die Lungen 
übertragen. Der Arzt hat also die Pflicht, der Mutter, vielleicht unter 
dem Vorwande, daß sie völlige Ruhe haben müsse, das Kind zu entziehen. 

Tuberkulose wird nicht mtrauterin übertragen. Ich habe eine ganze 
Reihe Kinder jahrelang beobachtet, die von tuberkulösen Müttern stammten, 
die bald nach der Geburt starben. Die isolierten Kinder wurden völlig 
gesunde Menschen, während fast immer die Kinder, die bei der Mutter 
blieben, an tuberkulöser Peritonitis, Basilarmeningitis oder allgemeiner 
Miliartuberkulose zu Grunde gingen. 




Tuberkulose, Herzfehler. igi 



Zirkulationsorgane. 

Schon pag. 49 erwähnte ich, daß die Aufgaben für das Herz in der 
Schwangerschaft sich steigern. Es ist demnach a priori anzunehmen, daß 
bei Herzfehlern auch die schädlichen Folgen des Herzfehlers für den Or- 
ganismus zunehmen. Drei Gefahren liegen vor, erstens: die schädlichen 
Folgen der fehlerhaften Blutmischung, d. h. die Ernährung aller 
Organe mit nicht völlig arterialisiertem Blute, zweitens: diehämodyna- 
mischen Gefahren, die Druckschwankungen, die bei Oberanstrengung des 
Herzens zu Überfüllung der Venen, zu Stauungshyperämien in den ver- 
schiedenen Organen führen; drittens: die Gefahren der Myokarditis 
und Endokarditis, sei es, daß sie erst in der Schwangerschaft entstand 
oder schon vorher vorhanden war, und in der Gravidität oder dem Wochen- 
bett recidivierte. 

Die fehlerhafte Blutmischung schadet vor allem dem Kinde. 
Bei Herzfehlern bleiben oft die Kinder intrauterin klein und atrophisch, 
sie bekommen weder genügend Sauerstoff noch Ernährungsmaterial, die 
Geburt tritt, wie bei allen Kohlensäureintoxikationen, z. B. bei Pneumonie 
oder hohem Fieber oft vorzeitig ein, und demnach ist auch die Prognose 
für das Kind schlecht, sei es daß es vorzeitig, sei es daß es rechtzeitig 
geboren wird. 

Die Gefahren der gestörten Blutzirkulation zeigen sich schon 
in der Schwangerschaft namentlich aber bei der Geburt. Das Akkommo- 
dationsvermögen des Herzens ist zwar außerordentlich groß, allein die 
Akkommodation hängt von der Schnelligkeit ab, in der die neuen Ver- 
hältnisse Anforderungen stellen, von der absoluten Größe dieser Anforde- 
rungen und von dem Normalzustande der Muskulatur. Wachsen in der 
Schwangerschaft schon die Anforderungen ziemlich schnell, so ist dies 
noch viel mehr der Fall bei der Geburt selbst, während der Wehentätig- 
keit, die zur plötzlichen Zunahme des Blutdruckes führt. Der nach dem 
rechten Herzen gepressten großen Blutmenge ist die Leistungsfähigkeit des 
Herzens nicht gewachsen, der Gleichgewichtszustand wird gestört, so ent- 
stehen venöse Stauungen, namentlich wenn die Herzmuskulatur nicht 
mehr normal ist 

Die Kurzatmigkeit, die Pulsbeschleunigung, die Cyanose, die starken 
Herzpalpitationen nehmen oft während der Schwangerschaft in höchst be- 
denklicher Weise zu. Manche Schwangere mit Herzfehler, ist kaum 
im Stande zu gehen. Bei jeder, auch einer kleinen Anstrengung, nimmt 
die Herzagitation so zu, daß der Zustand nur bei absoluter Ruhe er- 
träglich ist 






ig2 Zwölftes Kapitel. 

Die alten Autoren nahmen an, daß das Herz wegen der größeren 
Blutmenge, die zu bewegen sei, sich, infolge der größeren Arbeit dilatiere, 
und dali die SciilußKhigkeit der bei normal großem Herzen noch einiger- 
maßen schließenden Klappen nunmehr insuffizient werde. IVlan nannte dies 
«relative Insuffizienz" und glaubte, daß die der Stütze an den gegenüber- 
liegenden, beraubten Klappen lädiert würden. Diese schlechte ii 
Schwangerschaft oder bei der Geburt schnell zunehmende SchluBßhig- 
keit, die sich als Kompensationsstörung klinisch markiert, erklärt man wohl 
besser nach Krehl als muskulöse Insuffizienz, da den plötzlich sich 
steigernden großen Anforderungen zwar ein gesundes Herz vielleicht sich 
akkommodiert, nicht aber ein Herz, dessen Muskulatur schon degeneriert 
oder atrophisch ist 

Klinisch beobachtet man in der Schwangerschaft die oben beschrie- 
benen Beschwerden und bei der Geburt plötzliche Tachykardie, große Un- 
regelmäßigkeit des Herzschlages, pff^lattern" des Herzens, Todesangst, Be- 
nommensein des Sensoriums, Lähmung des Herzens, Tod. 

Unmittelbar nach der Geburt kommen auch hämodynamischi 
Gefahren in Betracht, denn oft tritt der Tod ganz plötzlich ein. Es 
wird nach Ausstoßung des Kindes und der Placenta, der Druck in der 
Abdominalhöhle plötzlich geringer. Das Blut sammelt sich in den vom 
Druck befreiten Abdominalgefäßen an. Die geringe Vis a tergo, der 
den Arterien stammende Drucküberrest ist nicht kräftig genug, das Blut 
zu bewegen, und die schwache Atmung begünstigt zu wenig das Ein- 
fließen des Blutes in den Thorax und das rechte Herz. Dadurch gelangt 
zu wenig Blut in das zu große Herz. Es schlägt ganz irregulär, erlahmt 
plötzlich und plötzlich tritt der Tod ein. 

Daß dabei die Myokarditis eine große Rolle spielt ist klar, denn 
wenn zu den beschriebenen Gefahren auch noch eine Degeneration der 
Muskulatur hinzukommt, so müssen die beschriebenen Schädlichkeiten 
besonders stark in die Erscheinung treten. 

In manchen Fällen bessert sich nach glücklicher Geburt der Zustand 
so, daß die Kranke sich wieder für gesund hält. Folgen aber Geburten 
schnell aufeinander, rückt die Dämpfung des Herzens über das Brust- 
bein nach rechts, ist also die Dilatation des rechten Herzens dauernd, 
so wird dadurch die Gefahr immer größer. Dies wurde auch früher 
so oft beobachtet, daß man einen entzündlichen Charakter des Schwanger- 
schaftsblutes annahm, da man bei Sektionen frische endokarditische Pro- 
zesse an den Klappen fand. 

Besonders ungünstig sind Fälle von fieberhaften Wochenbettkrank- 
heiten. Schon den Alten war bekannt, daß frische Endokarditis int 




Herzfehler 

Wochenbett besonders häufig solche Frauen befällt, welche an einem 
Herzfehler in der Schwangerschaft litten. Es setzen sich an die Rauhig- 
keiten der Herzklappe Gerinnsel an. Staphylokokken, Streptokokken und 
Gonokokken sind, bei sogenannter variköser Endokarditis in den fibri- 
nösen Auflagerungen gefunden. 

Die Prognose im einzelnen Falle läßt sich schwer stellen. Es gibt 
Fälle, wo Frauen mit einem gut kompensierten Vitium cordis wiederholt 
glücklich niederkommen, ohne daß der Herzfehler überhaupt Symptome 
macht. Aber es gibt auch Fälle, wo trotz verhältnismäßigem Wohl- 
befinden in der Schwangerschaft das Herz plötzlich bei der Geburt er- 
lahmt, so daß überraschend schnell der Tod eintritt Ja, ich habe einen 
Fall gesehen, wo die Frau eines Arztes plötzlich post partum starb, ohne 
daß der Ehemann eine Ahnung von dem Herzfehler seiner Frau hatte. 
Weder vor noch in der Schwangerschaft war der Herzfehler erkannt, 
weil er keine subjektiven Symptome gemacht hatte. Erst auf dem Sek- 
lionstische wurde ein Cor bovinum und eine Mitralisstenose ge- 
funden. 

Was die einzelnen Arten der Herzfehler anbelangt, so kommt eigent- 
lich nur der Mitral isf eh 1er in Betracht. Alle gut kompensierten Mitralis- 
fehler können, wie gesagt, symptomlos in der Schwangerschaft bestehen, 
während bei Insuffizienz der Aortaklappen mit kompensierender Hyper- 
trophie des linken Ventrikels schon in der Schwangerschaft die typischen 
Symptome dieses Herzfehlers außerordentlich heftig in die Erscheinung 
treten. 

Bei der Behandlimg ein Wort über die Prophylaxe, Dem Arzt 
wird oft die Frage vorgelegt: Ist einer Herzkranken die Heirat zu ge- 
statten? Leider wird man gewöhnlich erst dann gefragt, wenn alles bis 
zum Druck der Verlobungsanzeigen fix und fertig ist! Gewiß hat man 
die Pflicht, auf die Gefahren aufmerksam zu machen und von der Ehe 
abzuraten. Oft erlebte ich, daß gegen meinen Rat die Ehe eingegangen 
wurde und daß alles gut ging. Das ist das häufigste. Aber daß be- 
sondere Gefahren vorliegen, und daß der Arzt nicht garantieren kann, daß 
alles gut geht, ist doch klar. Somit wird man im allgemeinen lieber ab- 
raten. Jedenfalls wird man und muß man es tun, wenn man eine deut- 
liche Herzvergrößerung nach der rechten Seite zu herausperkutiert, und 
wenn die Unregelmäßigkeit des Herzschlages eine Schädigung des Myo- 
kards beweist Bestehen sogar Ödeme, oder, wenn auch vorübergehend, 
Albuminurie, Atembeschwerden und Cyanose, so hat man die Pflicht, 
ganz entschieden die Heirat zu verbieten. Denn nicht nur die Mutter 
kommt in Lebensgefahr, auch die eventuelle Frucht ist Im höchsten Grade 
gefährdet 

Fritsch, Geburtshilfe. |o 



^ 



ig4 Zwölftes Kapitel 

Kommt man in der Schwangerschaft zu herzkranken Schwangern, 
so wird man Ruhe, Regelung des Stuhlganges, Abstinenz von Alkohol, 
kräftige, leichte Diät verordnen. Sobald das Herz schwach wird, gibt 
man Kampfer und Digitalis. Letzteres kann man mit Morphium ver- 
binden, eine Mischung, die gerade in diesen Fällen trefflich wirkt, ist Acetuiti 
digitalis 10,0, Morphii hydrocjilorati 0,05, astündlich 10 — 20 Tropfen. 
Dabei ist die genaueste Beobachtung notwendig, damit man, sobald die 
herzstärkende Wirkung der Digitalis eingetreten ist, sofort aussetzt Es 
ist nicht zu leugnen, daß Digitalis mitunter zum Abort führt Doch das 
muß man mit in den Kauf nehmen. Es ist oft eher ein Glück als ein 
Unglück, wenn die Schwangerschaft unterbrochen wird. 

Bei der Geburt ist ebenfalls sorgfältig zu beobachten. Im allge- 
meinen soll man die Geburt beschleunigen. Tritt starke Cyanose ein, 
wobei meist der Herzschlag unregelmäßig wird, so entbinde man sobald 
als möglich. Schon das Ablassen des Fruchtwassers schafft oft vorüber- 
gehende Besserung. Selbst eine Perforation, oder eine hohe Zange ist 
gerechtfertigt, denn die lange Wehentätigkeit verschlechtert sichtlich den 
Zustand. Ist der Uterus entleert, so muß schnell ein bereit gehaltener 
Sandsack von 4 Kilo auf das Abdomen appliziert und reichlich Kampferöl 
subkutan injiziert werden. Von Alkohol sah ich keinen Vorteil. 



Varicen. 

Die Frau ist mehr zu varicösen Anschwellungen disponiert als der 
Mann. Schon bei jungen Mädchen sieht man oft Venektasien in der 
Haut der Ober- und Unterschenkel. Auch große varicöse Venenpakete 
im Bereiche der Saphena oder ganz unregelmäßig über und am Knie 
sind bei Mädchen nicht selten. Die Venenerweiterungen treten auf in 
der Zeit der Pubertät, wo ja oft auch kleinere veneklatische Geschwülste 
der Vulva an Größe plötzlich zunehmen. 

In der Schwangerschaft sind die Beine und Füße dicker als gewöhn- 
lich, so daß eine Schwangere, namentlich in der letzten Zeit, weiteres 
Schuhwerk tragen muß. Man nimmt an, daß der vermehrte Innendrude 
in der Abdominalhöhle das Einfließen des venösen Blutes aus den unteren 
Extremitäten erschwere und daß dadurch Stauung in den Beinen enBtehl. 

Nach neueren Anschauungen genügt diese althergebrachte Stauungs- 
theorie nicht zur Erklärung der Varicen. Stauung allein könne nie Varieen 
machen, vielmehr müsse eine entzündliche Affektion der mittleren Venen- 
wand vorhergegangen sein, die besonders leicht die Venen der unteren Ex- 
tremitäten betrifft. Dann freilich, wenn die elastischen Fasern teilweise ent- 




Varicen in der Schwangerschaft. 



195 



zündlich zerstört und nicht regeneriert seien, bildeten sich die Venektasien 
in den Venen der unteren Extremitäten, weil diese Venen unter allen 
Venen den höchsten Blutdruck zu tragen hätten. 

Gegen die Stauungstheorie spricht auch, daß wir, wie oben be- 
merkt, bei Frauen, die nie geboren haben, ja schon bei jungen Mädchen 
hier und da bedeutende Varicen und viele kleinere Venektasien in der 
Haut nicht selten sehen, ferner, daß oft schon in der ersten Zeit der 
Schwangerschaft, wo von Druck des Uterus auf die Venen noch nicht 
die Rede sein kann, Varicen vorhanden sind. Da aber andererseits An- 
haltspunkte für einen entzündlichen Schwund der elastischen Fasern nicht 
existieren, so müßte man eine dem Weibe eigentümliche schlechte Ent- 
wicklung der elastischen Fasern annehmen. Dann träte aber wieder die 
Stauungstheorie in ihr Recht 

Die Varicen sind nicht gefährlich. Nur entstehen in niederen Ständen 
durch Reiben, schlechtes Schuhwerk oder rauhe Strumpfe, auch durch 
ein gelegentliches Trauma mitunter sehr schmerzhafte, zu geringen Eite- 
rungen führende, Periphlebitiden, die aber meist lokalisiert bleiben. 

Auch bei sehr bedeutenden varicösen Anschwellungen der Labien, 
resp. der CHtorisgegend besteht keine Gefahr. In der Rege! platzen die 
Varicen bei der Geburt nicht. Sie bilden sich im Wochenbett schnell 
zurück, um allerdings bei späterer Schwangerschaft in größerem MaBe 
von neuem zu erscheinen. 

Eröffnet ein Trauma einen Varix, so spritzt das schwarze Blut mit 
der Macht hervor, wie bei einer Arterien Verletzung, Verblutungstod bei 
mangelnder Behandlung ist wiederholt vorgekommen. Ich sah einen Fall, 
wo eine Schwangere aus einer 1 cm großen Wunde an der Schamlippe 
sich verblutet hatte. 

Die Therapie besteht in Ruhe, Hochlagerung der Beine und — 
wenn es blutet — Kompressionsverhand, bei Eiterung in desinfizierenden 
Umschlägen und ebenfalls absoluter Ruhe. 

Traumen sind möglichst zu vermeiden. Es geschieht dies am ein- 
fuchsten durch gute Einwickelung der Beine, resp. Füße. Salben, die 
die Haut erweichen, sollten nicht angewendet werden. Wohl aber sind 
häufige Waschungen mit Spiritus vorteilhaft. Legt man unter die Binde 
Watte, so bewirkt der elastische Druck Entleerung der Varicen und ver- 
hindert ihre Füllung und Ausdehnung. Qummistrümpfe sind zwar sehr 
zweckmäßig, aber einerseits teuer, andererseits wird von manchen Frauen 
der Druck so unangenehm empfunden, daß die Gummibinde oder der 
Oummistrumpf nicht ertragen wird, Wasserglas — oder Kleisterverbände 
schützen ebenfalls gut vor gelegentlichem Trauma und sind leicht und 
ohne Kosten auiuwenden. 

13' 




L 



196 



Nerven. 

Chorea. 

Wenn man von Chorea gravidarum spricht, so meint man damit 
nicht die leichten Fälle, bei denen eine Schvpangere dieselben choreatischen 
Symptome zeigt, wie früher, als sie nicht schwanger war, sondern die 
schweren und schwersten Formen, die prognostisch außerordentlich un- 
günstig sind. Chorea tritt oft plölzlich ein, oder es gingen zwar öfter 
Choreaattaquen vorauf, aber doch erst in der Schwangerschaft steigern 
sich die Anfälle zu einer entsetzlichen Heftigkeit. Meist handelt es sich 
um elende, schwächliche, erblich belastete Erstgeschwängerte. Auch bei 
Idiotismus ist Chorea öfter beobachtet Die Anfälle steigern sich in den 
schwersten Fällen so, daß die Schwangere nicht im Bett liegen kann. 
Sie schnellt im Zimmer auf dem Fußboden umher, wie ein Fisch, der 
von der Angel befreit, auf die Erde geworfen wird. Ich sah in einem 
Falle eine Beckenfraktur bei diesen Anfällen entstehen. Das Bewußtsein 
hört bald auf. Da es gar nicht möglich ist, Nahrungsmittel beizubringen, 
und der Stuhl und Urin spontan abgehen, ist der Stoffwechsel außer- 
ordentlich reduziert. Die Körperkräfte werden schnell konsumiert, die 
Kranke magert stark ab. Tagelang, nächtelang dauern die Anfälle an, 
auf die keine Therapie Einfluß hat. Man kann die Kranke festhalten 
und narkotisieren, aber unmittelbar nach Aufhören der Wirkung des 
Chloroforms und Morphiums beginnen die Anfälle sofort wieder. Oft 
tritt in größler körperlicher Erschöpfung der Tod ein. 

Die Geburt erfolgt meist vorzeitig, ob die Wehen einen schlechten 
Einfluß haben, läßt sich kaum feststellen. Ich sah zwei Fälle, wo bei der 
Geburt die Anfälle so zunahmen, daß jede Therapie unmöglich war. 
Trotzdessen zog sich der Uterus nach Ausstoßung der Placenta gut zu- 
sammen. Da die Antisepsis wegen der Unruhe der Kranken nicht anders 
als mangelhaft sein kann, kommt es leicht zu fieberhaften Erkrankungen, 
die das Leben gefährden. 

In reichlich einem Viertel der Fälle starben die Kranken noch während 
der Anfälle. In anderen wurden nach der Geburt die Anfälle selten, 
gingen wieder zu den leichten Formen der Zeit der Nichtschwangerschaft 
über oder hörten auch nach der Geburt plötzlich auf. Es bildet sich 
auch völliger Idiotismus aus, wenn er nicht schon vorher existierte. Andere 
starben an Diabetes, Phthise, Herzaffekt ionen, Apoplexie, Embolien oder 
gingen an allgemeiner Decrepidität infolge der mangelhaften Nahrungs- 
aufnahme zu Grunde. 

Sehr selten trat Chorea erst im Puerperium ein. 




Chorea, Epilepsie. 



197 



Bei der sehr schlechten Prognose, der Tatsache, daß die Fortdauer 
der Anfälle zu Absterben oder vorzeitiger Unterbrechung der Schwanger- 
schaft und Tod des Kindes führte, ist es gewiß geboten, sobald als 
möglich die Schwangerschaft zu unterbrechen; zu einer Zeit, wo der 
Oesamtorganismus noch nicht zu sehr geschädigt ist Doch sah ich 
auch dabei wenig gute Erfolge. Freilich betrafen meine zwei Fälle Erst- 
geschwängerte, die erst im 7. und 8. Monat zur Behandlung kamen. 



Epilepsie, 

Es gibt wenig Krankheiten, die so bedeutende graduelle Unterschiede 
zeigen, wie die Epilepsie. Von den Fällen, wo die Epilepsie nur in 
Ohnmächten mit kurzdauernder Bewußtlosigkeit nach großen Intervallen 
besteht, bis zu den Fällen, wo in wenigen Jahren unter enormer Zunahme 
der schwersten Insulte, Manie und Verblödung eintritt, gibt es unendlich 
viel Zwischenstufen, 

Gerade bei den leichten Formen ist es deshalb sehr schwer für den 
Arzt, das Eheverbot auszusprechen oder die Ehe zu gestatten. Die Pro- 
gnose zu stellen, ist kaum möglich. Ich sah Fälle, wo die Diagnose 
wegen der Leichtigkeit des Falles nicht einmal ganz klar war, und wo 
in der Ehe die Krankheit enorm schnell sich steigerte, andrerseits auch 
Fälle, wo die Epilepsie in der Pubertät entstanden, nach der ersten Ge- 
burt niemals wiederkehrte. Trotz allem aber wird der Hausarzt die Ehe 
einer Epileptischen auch mit Rücksicht auf die sichergestellten hereditären 
Verhältnisse widerraten. Gelang ihm aber nicht, seinem Rate Folgeleistung 
zu verschaffen, so mache man wenigstens dem Ehemann über die Be- 
deutung eventueller Anfälle Mitteilung. 

Daß eine Frau, die nie epileptisch war, allein durch die Schwanger- 
schaft epileptisch wurde, wird zwar berichtet, doch liegen hier wohl 
Verwechselung mit Hysterie oder Eklampsie vor. Auch ist es nicht 
richtig, daß die epileptischen Anfälle in der Schwangerschaft, resp. durch 
die Schwangerschaft an Frequenz zunehmen. Im Gegenteil scheint die 
allgemeine Hyperämie eher einen günstigen Einfluß zu haben. Jedenfalls 
stört die Epilepsie die Schwangerschaft nicht. 

Ein Schwangere, namentUch wenn sie von ihrer Epilepsie Kenntnis 
hat, wird sich nicht der Gefahr aussetzen, auf der Straße oder unter 
ungünstigen äußeren Verhältnissen einen Anfall zu bekommen, denn oft 
geht eine Art psychischer Aura schon viele Stunden dem Anfall vorher. 
Man hat also Zeit durch Bromkali und Ruhe vorzubeugen. 

Jedenfalls sind die Fälle sehr selten, wo eine epileptische Schwangere 
bewusstlos in ein Krankenhaus befördert wurde. Die Schwangerschalt 




H 



Zwölftes Kapitel. 



k 



wird durch den epileptischen Anfall, auch wenn er häufig Tied 
nicht unterbrochen. Namentlich ist es die Regel, daß unter der Geburt 
ein epileptischer Anfall nicht auftritt, vFOmii nicht gesagt sein soll, daß 
dies überhaupt unmöglich ist. Ich sah einen sehr starken Anfall, als ich 
die Placenta mit dem Credeschen Handgriff entfernte. 

Bei einem sehr langen AnfaJi kann das Kind infolge der ungenügenden 
Atmung bei Cyanose der Mutter absterben. 

Tetanie kommt mitunter in der Schwange rech aft, mitunter auch im 
Wochenbette vor. Bei völlig ungetrübtem Bewußtsein, werden die Finger 
steif, der Daumen ist eingeschlagen, die Finger werden wie beim Schreiben 
gehalten, die Unterarme, oft auch die Oberarme sind unbeweglich, die 
Muskeln hart anzufühlen. Dabei besteht ein schmerzhaftes Gefühl. Die 
Krämpfe lassen nach, kehren a.ber, namentlich bei den Reizen der Unter- 
suchung des Armes wieder. Der Krampf kann wochenlang anhalten, 
ohne daß das körperliche Wohlbefinden wesentlich gestört ist Die 
Prognose ist gut 

Als interessante Seltenheit sind Fälle von Sehslörungen Amaurose, 
Hemeralopie und Amblyopie beschrieben. Da es sich meist um sehr 
elende Schwangere handelt, so hängen diese Zustände woht mit Hydrämie 
zusammen. Deshalb behandelt man mit Chinin und Eisen. Die Prognose 
ist zwar gut, indessen ist doch genaueste Untersuchung, um Urämie, 
resp. Retinitis albuminurica auszuschließen, notwendig. Die Amaurose, 
oft das erste Symptom einer schweren Eklampsie, werden wir unten 
besprechen, 

Hysterie. 

Als man früher die Hysterie als Reflexneurose von den weiblichen 
Genitalien ausgehend, erklärte, nahm man einen intimen Zusammenhang 
der Hysterie mit der Menstruation, dem Geschlechtsverkehr etc. an. Heut- 
zutage, wo man die Hysterie als Psychose auffaßt, hat man erkannt, diB 
der Zusammenhang ein anderer ist Man gibt zwar zu, daß Störungen 
der Ovulation und Menstruation etc 'bei der Hysterie eine große Rolle 
spielen, aber man wird nicht mehr auf die Diagnose: Hysterie, hin, 
kastrieren oder operieren. 

So wird man wohl beobachten, daß die vielen psychischen Erregungen, 
namentlich die Angst vor der Geburt eine Hysterica übel beeinflussen kann, 
daß bei der geringen geistigen Widerstandskraft auch die Geburt zu ,\us- 
üruch hysterischer Symptome Veranlassung gibt, daß aber beides alleia 
Hysterie bewirkt, ist nicht richtig. 

Interessant sind namentlich die hysterischen Empfindungs- und Mo- 
tilitätsstörungen. So sah ich einen Fall, bei dem jede Untersuchung 



Epilepsie, Hyster 



19g 



1 war, wegen angeblich enormer Schmerzhaftigkeit des Leibes und 
derVulva. Dann trat die Geburt ein, und die Gebärende behauptde, weder 
Schmerzen zu empfinden, noch irgendwie zu leiden. Sie lächelte während 
der stärksten Wehen. 

In anderen Fällen bilden sich während der Schwangerschaft Para- 
plegien aus, die auch im Wochenbett mitunter monatelang andauern. 

Auch in der Schwangerschaft gibt es Fälle von «habituellem hyste- 
rischem Schmerz", die man früher als Rheumatismus uteri auffaßte. Ob- 
wohl die Schwangere behauptet, fortwährend die heftigsten Schmerzen 
zu haben, ist etwas Positives auch bei der genauesten Untersuchung nicht 
nachzuweisen. Diese auch als ununterbrochener Wehenschmerz von 
der Schwangeren gedeutete Hyperästhesie des Uterus hält oft monatelang 
an, ohne daß das Wachstum und gute Befinden des Kindes gestört ist 
Man muß sich dann sehr hüten, die Schwangere zur Morphinistin zu 
machen, vielmehr mit Ruhe, PrieRnitzschen Umschlägen etc. zu behandeln. 
Oft ist auch der Schmerz auf eine bestimmte Gegend am Uterus be- 
schränkt und man deutet dann den Schmerz als Zerrung von Adhäsionen. 
Hatte die Frau eine Perimetritis oder Parametritis früher überstanden, so 
ist diese Erklärung wahrscheinlich. Ja die Prognose ist dann günstig, 
denn keine therapeutische Methode wird einen gleich guten Effekt haben 
können, wie die langsame Dehnung der Verwachsungen in der Schwanger- 
schaft. 

Auch kataleptische Zustände, Steifigkeit der Extremitäten, Be- 
wegungslosigkeit des Körpers kommen in der Schwangerschaft vor. 

Die große Angst alter hysterischer Erstgebärenden, genährt durch 
törichte Erzählungen von der Gefahr späterer Geburten führt zu see- 
lischen Erregungen, die fast einer Manie gleichkommen. In solchen 
Fällen sieht man Schrei- Lachkrämpfe, hysteroepileptische Zustände, oder 
auch Melancholien, 



Ebenso scheinen schnell aufeinander folgende Geburten, übertrieben 
langes Stillen zu Hysterie im Wochenbett Veranlassung zu geben. Inter- 
essant ist, daß dann die Menstruation oft überiang ausbleibt und daß das 
regelmäßige Eintreten der Menstruation die Besserung, resp. Heilung 
einleitet. 



Hierher gehört auch die sogenannte Grossesse nerveuse. Eine 
Frau bildet sich ein, schwanger zu sein, hat vielleicht die Menstruation 
sehr schwach oder auch nicht Die Schwangere suggeriert sich alle Symp- 
tome der Schwangerschaft, deutet die Darmbewegungen als Kindsbewe- 
' gungen, ißt ä conto des Kindes sehr stark, ruht viel aus Angst, die 




I 



200 Zwölftes Kapitel. 

Schwangerschaft zu unterbrechen, und setzt infolgedessen enorm viel 
Fett an. 

Der Arzt hat grolle Schwierigkeit, die Diagnose zn stellen, da die 
Untersuchung durch den Fettansatz erschwert ist, namentlich wenn die 
Schwangere die Untersuchung durch Widerstreben stört. Schließlich 
wird sogar die Hebamme gerufen, die sich vielleicht auch täuschen läßt 
Erst eine genaue Untersuchung in Narkose verbannt zur größten Ent- 
rüstung der Hysterica jeden Zweifel. 

Allgemeinerkrankungen. 

Die Schwangere besiti^t nicht Immunität gegen irgend eine Krank- 
heit Alle akuten und chronischen Infektionskrankheiten wurden bei 
Schwangeren beobachtet. Ganz im allgemeinen ist der wechselseitige 
Einfluß ein ungünstiger. Die Krankheit nimmt durch die Schwanger- 
schaft leicht eine ungünstige Wendung und die Schwangerschaft wird 
oft unterbrochen, das Kind stirbt ab. 

Bei den akuten Infektionsl<rankheiten kommen in Betracht die Er- 
höhung der Körpertemperatur für den Fötus und die Folgen der Infek- 
tion für die Mutler. 

Der Fötus hat, wie schon Baerensprung vor 50 Jahren durch 
direkte Messungen bei Steißlagen nachwies, eine um 0,5 — 1,0 Orad 
höhere Temperatur als die Mutter. Hat sie eine Febris continua mit 
andauernd hohen Temperaturen, so stirbt der Fötus an Wärmestauung. 
Einmalige kurz dauernde hohe Temperaturen dagegen, z. B. ein Schüttel- 
frost mit 41 ja 41,5, töten das Kind nicht, wenn nur die niedere 
Temperatur bald wieder eintritt 

Die spezifischen Krankheitserreger, insoweit sie bakterieller Natur 
sind, passieren, soviel wir heute wissen, in der Regel nicht die placen- 
tare Scheidewand zwischen Mutter und Kind. Dagegen können ihre 
Produkte: Toxine, das Kind infizieren und töten. 

Dazu kommt, daß bei vielen Krankheiten die Atmung der Mutter 
auch ohne mechanische Ursachen nur durch hohes Fieber insuffizienl 
wird. Dann stirbt das Kind an den Folgen der Kohlensäureüberladung 
des mütterlichen Blutes. 

Eine besonders gefährliche Komplikation ist die Infektion mitScar- 
lalina. Englische Autoren nahmen an, daß Schwangere das Schailach- 
gift ohne Schaden bis zur Geburt wochenlang beherbergen köntilfn, 
daß dann aber post partum die Scarlatina mit um so größerer Intensißt 
in prognostisch sehr ungünstiger Weise ausbreche. 




Allgemeinerkrankungen in der Schwangerschaft. 201 

Dies ist wohl falsch. Man sieht bei sehr schweren puerperalen 
septischen Infektionen oft Hauteruptionen, die in der Tat der Scarlatina 
völlig gleichen. Dies beschrieb schon 1844 Litzmann. Ja eine Art 
Angina ist bei der Sepsis ebenfalls vorhanden, da die Kranke leicht bei 
der erschwerten Atmung den Mund dauernd offen hält, so daß er aus- 
trocknet und entzündet erscheint. 

Jedenfalls ist aber nicht zu leugnen, daß Scarlatina bei einer 
Schwangeren oder Wöchnerin eine ernste Erkrankung ist. Bei sehr 
hohem prodromalem Fieber stirbt das Kind ab. Von der komplizie- 
renden Angina aus werden leicht septische Keime an die Genitalien 
gelangen. Eine Komplikation mit puerperaler Sepsis ist dann die Folge. 
Schließlich ist die Differentialdiagnose zwischen septischem Hauterythem 
und Scharlachfieber kaum zu stellen. 

Weniger gefährlich sind Masern. Nach der alten Literatur sollen 
dabei besonders häufig die Kinder absterben, ja mit Masernausschlag 
geboren sein. Auch ich sah mehrere Fälle von Abort bei Masern im 
6. und 7. Monat, nachdem die Kinder, wohl infolge der Bronchitis 
der Mutter, abgestorben waren. 

Über Diphtherie ist nicht viel bekannt Doch erlebte ich einige 
Fälle, wo die Diphtherie ohne Schädigung der Schwangerschaft heilte. 

Eine Epidemie von Variola vera beobachtete ich als Assistenz- 
arzt nach dem Krieg 1870 in Halle. Die Fälle verliefen außerordent- 
lich ungünstig. In einem Falle trat sofort bei Temperaturen bis 42,0 
Koma und in bewußtlosem Zustande die Geburt ein. Wir fanden den 
fünfmonatlichen Fötus vor den Genitalien, ohne daß die Umgebung 
etwas von Wehen wahrgenommen hatte. Erst einige Stunden vor dem 
Tode wurde das Exanthem deutlich. Bei der Sektion war auch das 
Peritonaeum parietale und das des Uterus mit Blutflecken bedeckt. Das- 
selbe fanden wir in einem zweiten Falle. Eine andere Patientin abor^ 
tierte und starb an einer Pleuritis am 12. Tage post partum, nachdem 
sich der ganze Körper mit Krusten bedeckt hatte. 

In meinen Fällen fand sich kein Exanthem bei den Föten. Doch 
wird in der Literatur berichtet, daß der Fötus ebenfalls eine Eruption 
von Variola haben kann, ja daß sogar ein Fötus mit Pockennarben ge- 
boren sei. 

Bei einer drohenden Epidemie in Schlesien ließ ich 12 Hoch- 
schwangere impfen, von denen 10 Impfpusteln bekamen. Nach der 
Geburt wurden auch die Kinder geimpft Bei sämtlichen Kindern gab 
die Impfung ein gutes Resultat, so daß also der Infektionsstoff, der bei 



l 



der Impfung der Mutter einverleibt war, nicht auf den Fötus gewirkt 
hatte. 

Typhus befällt Schwangere ebenso wie Nichtschwangere. In selir 
schweren Fällen stirb! dann das Kind, wenn das Fieber in der 2. oder 
3. Woche 2U einer hohen Febris continua wird. Treten aber immer 
wieder Remissionen ein, so verläuft der Typhus, ohne daß das KinJ 
geschädigt wird. Daß die Typhusbazillen direkt auf . das Kind über- 
gehen, wird behauptet und geleugnet. Die Beobachtung am Kranken- 
bett spricht nicht für den Übergang. Ich habe eine große Anzahl 
günstig verlaufender Fälle beobachtet. Die Therapie ist die gewöhn- 
liche. Man muH im Auge behahen, daß das Fieber an sich dem Fötus 
gefährlich ist, und deshalb bei der Therapie die kühlen Bäder regel- 
mäßig anwenden, sobald das Fieber steigt. 

Schwere Intermittens, wie sie in unserem Klima nicht vorkommt, 
führt meist zum Abort. Daher stanunte die Ansicht, daß Chinin ein 
wehentreibendes Mitte! sei, weil man den Abort nicht auf das Fieber, 
sondern das Chinin fälschlich bezog. 

Daß bei Influenza häufig Aborte eintreten, ist allgemein be- 
obachtet, wie ja auch Blutungen, Menstruationsstörungen, Endometritideii, 
oft auf Influenza zurückzubeziehen sind. Auch das Neugeborene ist 
nicht immun gegen Influenza. Ich habe Katarrhe sämtlicher Respirations- 
organe beim Kinde mit hartnäckigem Verlaufe gesehen, als eine an In- 
fluenza leidende Amme das Kind weiter sdllte. 

Merkwürdig ist, daß Erysipel der Schwangeren trotz schwerer All- 
gemeinsymptome in der Regel günstig auch für das Kind verläuft 



Chlorose, Anämie, perniciöse Anämie, Leukämie, ' 
Icterus usw. < 

Daß die Chlorose durch Schwangerschaft günstig beeinflußt würde, i 
ist sicher nicht richtig. Im Gegenteil sehen chlorotisdie Schwangere 
oft, je mehr die Schwangerschaft fortschreitet, um so blasser und elender | 
aus, obwohl der Fettansatz zunimmt. I 

Besonders ungünstig verläuft die perniciöse Anämie in der 
Schwangerschaft. Die Kachexie nimmt trotz aller Therapie zu und oft 
erfolgt der Tod kurz vor der Geburt. Man suchte durch den sofort 




Chlorose, Anämie. 



203 



nach dem Tode ausgeführten Kaiserschnitt das Kind, das an der Krank- 
heit nicht partizipiert, zu retten, doch waren die Resultate so ungünstig, 
daß man sich wohl schwer fernerhin zur Operation verstehen wird. 
Die Ratschläge zur Operation in so ungünstigen Fällen machen oft den 
Eindruck, als ob es heutzutage nicht erlaubt sei, ohne Operation aus 
diesem Leben zu scheiden. 



Betreffs der Leukämie widersprechen sich die Angaben der Autoren. 
Es sind ja wiederholt Milzexstirpation en bei Leukämischen, stets mit 
ungünstigem Erfolge, gemacht. Das Blut hat die Gerinnungsfähigkeit 
verloren und die Operierten verbluteten sich aus gelösten Adhäsionen, 
oder sogar aus den Slichkanälen der Bauchwunde. Merkwürdigerweise 
aber hat, wenigstens nach meinen Beobachtungen, die künstliche Unter- 
brechung einen günstigen Einfluli auf die Beschwerden der Leukämie. 
Der Uterus kontrahierte sich gut und eine Nachblutung trat nicht ein. 
Man wird also den Entschluß zum künstlichen Abort von Fall zu Fall 
fassen. Jedenfalls aber ist ein günstiger Einfluß nur dann zu hoffen, 
wenn man in der ersten Hälfte die Schwangerschaft unterbricht und 
wenn die Milz noch klein ist. Je größer die Milz ist, um so ungünsti- 
ger verläuft der Fall. 

Icterus in der Schwangerschaft ist im allgemeinen selten. Es gibt 
drei Formen, der katarrhalische Icterus, der Icterus als Folge von 
Stauung bei Verlegung des Ductus choledochus und der Icterus gravis. 

Ein scheinbar gewöhnlicher katarrhalischer Icterus gehl nicht selten 
in den Icterus gravis über. Auch bei Stauungsicterus werden sehr hohe 
Grade von Cholämie erreicht. Er kann wochenlang, ja monatelang 
bestehen, aber schließlich kommt es zum Abort. Die Prognose ist sehr 
ungünstig. Das cholämische Blut coaguliert nicht und die Schwangere 
verblutet sich. Ich sah dergleichen Fälle, wo die Sektion einen großen 
Stein im Ductus choledochus zeigte, und ich sehr bereute, nicht zur 
Operation geraten zu haben. 

Die schweren Formen von Icterus sind höchst ungünstig. Wenige 
Tage nach dem Eintreten des Icterus nimmt er plötzlich erheblich zu. 
Gleichzeitig entsteht Koma und der Tod erfolgt bei akuter gelber Leber- 
atrophie. Das Kind, die Eihäute, das Fruchtwasser wurden ebenfalls 
icterisch gefärbt gefunden. 

Beobachtet man also einen Fall, wo die Anamnese schon für An- 
wesenheit von Gallensteinen spricht und wo wochenlang der Icterus 
besteht, ohne daß Koma oder Leberverkleinerung eintritt, so rate ich 
dringend zur Operation, weil nur dadurch das Leben gerettet werden 
kann. 




H 



L 



204 Zwölftes Kapitel. 

Brauer beschrieb einen seltenen Fall von recidi vieren dem Icterus 
graviditatis, und rechnet diesen Fall, sowie einen Fall von Hämoglo- 
binurie in der Schwangerschaft zu den Erkrankiingsformen, die von den 
eigenartigen Stoffwechselvorgängen in der Schwangerschaft abhängen. 
Dazu sind, nach Brauer, außerdem Schwangerschaftsniere, Eklampsie, 
vielleicht auch Osteomalakie zu rechnen. Vielleicht sind die durch die 
Veitsche Zottendeportation bewirkten Schädigungen des mütterlicheil 
Blutes mit Syncytiolysinen zur Erklärung der noch unbekannten Vorgänge 
heranzuziehen. 

Bei jedem Icterus ist sofort mit großen Dosen Bittersalz, und wenn 
dies im Stich lassen sollte, mit 1 Gramm Calomel reichliche Darment- 
leerung zu erzielen. Bildet sich bei Leberverkleinerimg Koma aus, so 
ist die Prognose absolut ungünstig. 

Stets hat man auch an Phosphorvergiftung und bei hohem Fieber 
an Icterus als Zeichen der Sepsis zu denken. 

Bei Diabetes nimmt der Zuckergehalt in der Schwangerschaft zu, 
oft erfolgt der Abort in der zweiten Hälfte, fieberhafte Wochenbett- 
erkrankungen sind häufig, weshalb die größte antiseptische Sorglall 
geboten ist, 

Fälle von Hämophilie sind selten beobachtet. Doch zeigen einige 
Beobachtungen die große Gefahr, namentlich für die Nachgeburtsperiode, 
bei der Verblutung eintritt Man müßte nach den neueren Erfahrungen 
schon beim Beginn der Geburt subkutane Einspritzungen von sicher 
sterilisierten Gelatinelösungen machen. 

Als Herpes gestationis hat man Fälle beschrieben, wo in jeder 
Schwangerschaft ein Herpes labialis auftraf. Oft sehen Schwangere 
deshalb häßlich aus, weil Acnepusteln massenhaft sich bilden, ebenso 
sind die Nase und Backen namentiich in der letzten Zeit der Schwanger- 
schaft hochrot. Das ganze Gesicht hat eine schmutzige graue Färbung. 
Auch das Chloasma uterinum nimmt oft so aulierordentiich zu, daß 
das Gesicht, namentiich die Stirn, dunkel und fleckig erscheint. 

Pruritus vulvae, verbunden mit starkem Geschlechtstrieb, quält 
oft die Hochschwangere bis zur völligen Schlaflosigkeit. Dies Symptom 
ist wohl auf die Hyperämie, vermehrte Sekretion der Talgdrüsen, Ver- 
unreinigung der Vulva mit Vaginalsekret, Klaffen der Vulva bei Hervor- 
drängen des Harn röhren Wulstes zu beziehen. Daß der Pruritus aber oft 
auch ein rein nervöses Symptom ist, wird durch die Erfolglosigkeit 
jeder Therapie und das plötzliche absolute Verschwinden nach der Ge- 
burt bewiesen. 




Syphilis. 205 

5ie Therapie hat zunächst absolute Reinlichkeit durch nicht adstrin- 
gierende reizlose Desinfizientien, z. B. Borsäurespüiungen und Waschungen, 

' zu erzielen, Umschläge mit durch Eis gekühhem Bleiwasser oder ver- 
dünntem Liquor Aluminii acetici nützen oft sehr. Vielleicht auch da- 
durch, daß sie das Jucken verhindern. In schlimmen Fällen kommt 

. mao ohne Morphium nicht aus. Man kann es aber ohne Gefahr geben, 
da ja die Geburt bald jede Therapie, also auch das Morphium über- 
flüssig macht. 

Schon den Alten war bekannt, daß der Hals der Schwangeren 
auffallend dick wurde und daß der Hals der Frau, die geboren hat, 
auch später dicker bleibt In manchen Gegenden binden auch die 
Frauen vor der Geburt ein festes Tuch um den Hals, um »einen Kropf 
zu verhüten". Wo Struma endemisch ist, wurde öfter beobachtet, daß 
die Struma in der Schwangerschaft an Große zunimmt und bei un- 
günstiger Lage der Geschwulst zu Atemnot und Erstickungsgefahr Ver- 
anlassung gibt. 

Fälle von Morbus Basedowii in der Schwangerschaft sind nicht 
häufig. Ich sah zwei Fälle, wo die erwartete Verschlechterung des Zu- 
standes ausblieb und die Schwangerschaft glücklich zu Ende ging. Ein- 
mal aber mußte ich schon im dritten Monat zum künstlichen Abort 
schreiten, weil die Herzpalpitationen und die Todesangst in einer ganz 
I entsetzlichen Weise zunahmen. In einem anderen Falle, der durch Lues 
kompliziert war, unterbrach ich ebenfalls die Gravidität, weil die teil- 
weise unterhalb des Sternums liegende Drüse zu erheblichen Atem- 
beschwerden führte. Der Blutverlust war enorm. Heutzutage würde ich 
die Exstirpation der Struma in der Schwangerschaft anraten, die, wie ich 
I jüngst beobachtete, selbst bei einer sehr großen Operation nicht zur 
' Unterbrechung der Schwangerschaft zu füliren braucht 



'■ Syphilis, 

Es existieren hier verschiedene Möglichkeiten: 

Die Mutter ist syphilitisch. Dann ist sehr wichtig, ob sie seit 
kurzer Zeit syphilitisch ist, oder ob sie, vielleicht nach mehreren Kuren 
ohne oder mit gutem Erfolge, nur noch an tertiären Symptomen leidet 

Ist die Mutter frisch syphilitisch, so stirbt meist das Kind im Be- 
ginn der zweiten Hälfte der Schwangerschaft ab und wird zwei oder 
drei Wochen später als macerierte Frucht geboren. Oft hat die Schwanger- 
i&chafl und Geburt den Effekt, daß bei der Mutter wieder jüngere 




I 
I 

i 



2o6 



Zwölftes Kapitel. 



Syphiliden auftreten, so /.. B. Roseola, Tophi, Milztunior, überhaupt 
Recidive. 

Hat aber die Mutter z. B. vor einem Jahrzehnt Lues gehabt, so 
kann, wenn auch noch serpiginöse, torpide Hautaffektionen, ja schwerste 
tertiäre Erscheinungen, wie Lebertumoren und Hirnerscheinungen, vor- 
handen sind, trotz dessen ein gesundes und gesund bleibendes Kind 
geboren werden. So enden oft die ersten Schwangerschaften durch 
Abort, dann werden hereditär syphilitische Kinder und zuletz^ obwohl 
die Mutter schwer tertiär syphilitisch ist, ganz gesunde Kinder geboren, 

Ist der Vater syphilitisch, hat er aber keine Syphiliden am Penis, 
so kann die Mutter zunächst gesund bleiben. Aber wenn sie schwanger 
wird, wird sie auch syphilitisch. Dies ist so die Regel, daö sogar aus 
der Tafsache der Infektion der Frau die Diagnose auf Schwangerschaft 
zu stellen ist. 

Es kann zwar ein äußerer Primäraffekt scheinbar fehlen, aber er ist 
doch tatsächlich vorhanden, z. B, in der Cervix, wo er kaum zu diagnosti- 
zieren ist. Die Syphilis der Frau überstürzt sich in der Schwangerschaft 
Symptome, die sonst später eintreten, kumulieren sich. Nach 6—8 Wochen 
kann ein großer Milztumor, können Tophi, Iritis, enorme Kopfschmerzen, 
schwere Angina, ja Affektion am Vomer schon vorhanden sein. Auch 
die intensivste Behandlung rettet dann das Kind in der Regel nicht 

Nicht zu leugnen ist, daß mitunter die von einem syphilitischen Manne 
geschwängerte Frau oft scheinbar gesund bleibt, obwohl das Kind luetisch 
totgeboren ist. Aber alle Krankheiten kommen in schweren und leichten 
Formen vor. Ich sah nach einem solchen syphilitischen Abort im 
5. Monat, bei einer bis dahin gesunden Frau eine leichte Roseola und 
leichte Angina. Der Hausarzt wollte nicht an die syphilitische Natur 
glauben, und lehnte merkurietle Behandlung ab. Ich habe die Frau ein 
Jahrzehnt beobachtet Sie blieb gesund. Der Ehemann machte zwei 
Schmierkuren durch und zeugte später gesunde Kinder. Trotzdessen 
glaube ich nicht daß die Mutter gesund war, sondern vielmehr, daß eine 
ganz schwache, abortive Art von Lues vorlag, die der gesunde Körper der 
Frau allmählich ausstieß. 

Sind Mutter und Vater luetisch, so kommt es wieder sehr da 
an, ob es sich um frische oder alte durch Therapie abgeschwächte Lues 
handelt Trotz schwerster beiderseitiger tertiärer Lues können später 
gesunde Kinder geboren werden, namentlich kurze Zeit nach einer neuen 
Schmierkur. Aber oft wenn der Erfolg der Schmierkur vorüber isl, 
folgen diesen gesunden Kindern wieder luetische, obwohl die Eltern neue 
Symptome der Lues nicht aufweisen. 

Es sind auch Fälle bekannt wo eine Frau erst in der zweiten Hälfte 



Syphilis- 



207 



der Schwangerschaft infiziert wurde, wu das Kind dann gesund blieb, 
oder bei Geburt mit den frischen Kondylomen in Berührung kommend, in- 
fiziert, frisch syphilitisch wurde. Aber alle diese wunderbaren Fälle 
halten strenger Kritik schwer Stand. 

Nach ausgeheilten schweren syphilitischen Affektionen der äußeren 
Geschlechtsteile können so harte, fibröse Narben entstehen, daß die Vulva 
sich absolut nicht erweitern kann. Man hat dann tiefe Inzisionen machen 
müssen, um den Durchtritt des Kindes zu ermöglichen. 



Die Gefahren der Syphilis fijr die Ehe sind doch so allbekannt, 
daß ein Mann, der syphilitisch ist oder nach seiner Meinung war, den 
Arzt um Rat fragt. Die Ehe zu widerraten, ist eine einfache Vorschrift, 
aber leider oft schwer durchzuführen. Man wird deshalb auf den 
chronischen Charakter der Krankheit hinweisen, zwar zugeben, daß 
Syphilis heilbar ist, daß aber immerhin für das ganze Leben Gefahren 
bestehen, dafl deshalb, namentlich bei eintretender Schwangerschaft die 
Frau, und nach eingetretener Geburt das Kind genau kontrolliert werden 
muß, daß auch der Mann sich selbst genau zu beobachten habe, ob etwa 
ein Zeichen der noch vorhandenen Krankheit gelegendich wieder sich 
einstellt. Gewissenhafte Männer möchten auch der Frau den Tatbestand 
mitteilen. Dies ist zwar moralisch gerechtfertigt, aber nicht klug, denn 
die Frau, hat entweder für die ganze Angelegenheit kein Verständnis, 
dann ist die Kenntnis zwecklos, oder sie verliert alle Illusionen betreffs der 
Tugend des Mannes und wird auch überätigstüch ^ dann ist die Kenntnis 
schädlich. Notwendig ist aber, den Ehemann über alle möglichen Er- 
scheinungen und Gefahren der Syphilis zu unterrichten, um ihm klar zu 
machen, wann die ärztliche Hilfe einzutreten hat. 

In jedem Falle aber muß der Mann seit den letzten Symptomen eine abso- 
lut gesunde Zeit von 3 Jahren verstreichen lassen, bis er es wagen kann, zu 
heiraten. Da bekannt ist, daß kurz nach einer merkuriellen Kur, oft 
ein gesundes Kind geboren wird, und daß wenn ihr Einfluß und ihre 
Wirkungen vorüber sind, wieder syphilitische Kinder erscheinen, so rate 
ich jedem Syphilitiker als spezielle Vorbereitung für die Ehe noch eine 
Schmierkur zu machen. Da heutzutage die Schmierkuren unter gleich-T 
zeitiger Kräftigungskur des Körpers im allgemeinen ausgeführt werden, 
so schadet die Kur gewiß nicht, ja manchmal macht es geradezu den 
Eindruck, als ob unter dem Einfluß der merkuriellen Kur die Körperkräfte 
zunehmen und das Aussehen wieder blühend wird. 

Ist die Frau, ohne gravid zu sein, syphilitisch, so wird sie einfach 
behandelt, wie jede Syphilitica. Namentlich ist es notwendig, allgemein 




L 



2oS Zwölftes Kapitel. 

und lokal gleichzeitig zu behandeln, da von den lokalen Affektionen immer 
nene Infektionsstoffe einverleibt werden. 

Ein Schwangere ist, sobald die Diagnose fest steht, sofort energisch 
zu behandeln. Leider wird oft die Diagnose zu spät gestellt, namentlich 
wenn der Mann nicht genügend informiert ist Die stets vorhandene Roseola, 
die Tophi, die Angina, die intensiven Kopfschmerzen werden übersehen 
oder als Schwangerschaftsbeschwerden gedeutet. Der Augenarzt stellt 
mitunter erst bei Lichtscheu und Augen seh merzen die Diagnose durch die 
deutlich zu sehende Iritis, resp. den Tumor in der Pupille. Daß eine typische 
Angina wochenlang erfolglos geätzt wurde, ohne daß der Arzt eine 
Ahnung von der ihm unmöglich scheinenden Lues hatte, habe ich 
selbst mehrfach gesehen. Es ist dies eine der Diagnosen, an die man nur 
zu denken braucht, um dann sofort klar zu sein. 

Sofort ist die Schmierkur zu beginnen. Alte andern Methoden der 
Quecksilbereinverleibung, mögen sie noch so bequem sein, sind aufs 
energischste zu widerraten, wenn auch der Ehemann, um die Krankheil 
zu verheimlichen, sie wünscht. Der beste Erfolg wird immer durch die 
Schmierkur erreicht, bei der Unglücksfälle, wie bei den Injektionen nicht 
vorkommen. Dabei ist die Vagina mit Sublimat i : looo täglich zweimal 
auszuspülen, denn oft befinden sich schwer zu beurteilende, syphilitische 
Affektionen an der Portio und in der Cervix. Ist eine bedeutende Erosion 
vorhanden, so kann sie syphilitischer Natur sein, und muß durch Spülungen 
und Ätzungen mit Liquor Hydrargyri nitrici behandelt werden. Auch 
Calomel kann auf die Erosion und in die Cervix befördert werden. 
Sobald Stomatitis oder Durchfälle eintreten, modifiziert man die BehanJ- 
lung. Kräftigste Ernährung ist unbedingt während der Kur geboten. 

Die Affektionen der Vulva, resp. der Rima ani verschwinden in wenigen 
Tagen, wenn sie gut mit Calomel bestreut werden. Die Sekrete sind 
zuerst abzuspülen. Dann werden Kondylome oder Plaques mit Salz- 
wasser getränkt und mit Calomel eingerieben. Geringes Brennen slelll 
sich danach ein. Wunderbar schnell verschwinden bei dieser Behandlung 
alle Exkreszenzen der äußeren Geschlechtsteile. Meist kehrt das Wohl- 
befinden bald wieder. Angina, Halsschmerzen, Kopfschmerzen verschwin- 
den schnell, in 14 Tagen bis 3 Wochen ist vom Milztumor oder der Iritis 
nichts mehr zu fhiden. 

Leider aber stirbt auch in diesen Fällen das Kind meist ab und wird 
vorzeitig geboren. Das Puerperium kontraindiziert keineswegs die ener- 
gische Fortführung der Schmierkur. Arme und Beine, der Rücken können 
ohne Schaden weiter eingerieben werden, die Bettruhe und Beltwärme, der 
Aufenthalt in dem von Quecksilberdämpfen erfüllten Bett im Wochen- 
zimmer begünstigen den Erfolg der Kur. Mit den Sublimaispülungcn ist 



Syphilis. 



209 



erst 3 Wochen post partum 7.u beginnen, weil vorher leicht schwere 
Sublimatintoxikation eintritt. Man begnüge sich deshalb mii desinfizieren- 
den Spülungen, denen Alkohol 30: 1000 zugesetzt wird. 

Wird der Arzt zu einerSchwangeren gerufen, der das Kind ohne nach- 
weisbaren Grund in der 2, Hälfte der Schwangerschaft abstarb, so hat er 
stets an Lues zu denken, und alle Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um sich 
vor Infektion zu schützen. Die Zahl der Arzte und Hebammen, die 
sich in Ausübung ihres Berufes infizierten, ist eine erschreckend große. 
Heutzutage vielleicht nicht mehr, da die obligatorische Desinfektion 
namentlich mit Sublimat gewiß etwas Schutz gewährt. 

Daß Wunden an den Fingern nicht vorhanden sind, ist keine Garantie 
gegen die Infektion. Wie der unverletzte Penis infiziert wird, so auch 
der Finger, an dem in den Nagelbetten ebenso dünne infektionsgefähr- 
liche Hautpartien existieren, wie am Penis. Und daß bei der Reinigung 
der Nägel und Nagelfalze mit Instrumenten kleine Wunden leicht ge- 
macht werden, ist ja zweifellos. Somit würde der vollkommenste Schutz 
in Anwendung der Gummihandschuhe, oder im Überziehen von Gummi- 
fingerlingen über die touchierenden Finger zu finden sein. Sind aber 
diese Schutzmitlei nicht vorhanden und nicht zu beschaffen, so genügt es 
gewiß, wenn nach jedem Touchieren die Hand in Sublimaliosung sorg- 
fältig abgewaschen wird. Ich empfehle die Hand zu reinigen und danach 
2 Minuten in die Sublimatlösung zu halten. 

Ist die Geburt eines toten Kindes vorüber, so spncht man mit dem 
Ehemann, sagt ihm, daß unter den Gründen, welche das Absterben des 
Kindes bewirken der häufigste die Lues sei, daß sie immer wieder bei 
neuer Schwangerschaft eintreten könne und würde, daß eine sorgfältige 
Kur ferneres Unglück zu verhüten im stände sei, daß es nicht nur vom 
Ehemann unmoralisch, gegen die Frau ein Unrecht, sondern auch zweifel- 
los sehr töricht gehandeh sei, eine solche Krankheit zu verheimhchen. 
Es sei auch sehr zu raten, Sektion der Frucht machen zu lassen, um 
sicher die Todesursache festzustellen. 

Der typische Sektionsbefund des Kindes ist von jedem Arzte leicht zu 
konstatieren. Es bedarf kaum der Zuziehung eines Fachgelehrten für 
pathologische Anatomie, Man findet oft in Lunge und Leber, seifen in 
der Milz deutlich große Oummigeschwülste von 2—3 cm im Durch- 
messer. Sie lassen sich gar nicht übersehen, weil sie sich durch ihre 
helle Farbe von der Umgebung gut abheben. Ist auch dies nicht vor- 
handen, so sieht man doch die Entzündungszone zwischen den Knorpeln 
der Epiphyse und den Knochen der Diaphyse an den Röhrenknochen 
der Extremitäten. Sodann ist oft der Bauch sehr dick, die Bauchhöhle 
enthält fibrinöses eitriges Exsudat. 



H 



jilO Zwölftes Kapitel. 

Gibt der Ehemann die Lues zu, oder ist sie durch die Sektion des 
Kindes konstatiert, so kann man, wenn bei der Frau alle Zeichen der 
Lues fehlen, 2 — 3 Wochen warten, um die Folgen des Wochenbettes 
vorüberzulassen. Dann aber ist dringend, auch wenn die Frau absolut 
kein Symptom der Lues zeigt, trotzdessen eine Schmierkur beider Ehe- 
gatten indiziert. Dem Ehemann ist jedenfalls der Coitus bis zur Voll- 
endung der Kuren zu untersagen. Nach der Kur ist nichts dagegen 
einzuwenden, daß der eheliche Verkehr wieder aufgenommen wird, denn 
gerade nach einer gründlichen Schmierkur scheint die Aussicht, ein ge- 
sundes Kind zu zeugen, am größten zu sein. 

Um nicht Zusammengehöriges zu trennen, will ich gleich hier eine 
Einschiebung über die Therapie der Lues des Kindes machen. 
Es liegen hier verschiedene Möglichkeiten vor. Entweder wird das Kind 
mit Lues geboren. Es ist auffallend klein, fettarm, hat eine dunklere 
Hautfärbung, congenitalen Pemphigus, d. h. bullöse Syphiliden an den 
Füßen und Handtellern. Diesen folgen oft schon in den ersten Tagen 
die typischen Onychien, d. h. Vereiterungen der Nagelbetten an Fingern 
und Zehen. 

Die Syphilidologen halten diese Fälle für prognostisch außerordent- 
lich ungünstig. Man muß sich aber darüber im klaren sein, daß der 
Grund des elenden Zustandes des Kindes allein die Lues ist und daß 
•demnach die Lues spezifisch energisch zu bekämpfen ist, wenn man das 
Kind retten will. Der Erfolg bleibt meist nicht aus, wenn das Kind 
nicht sehr elend und schon lange vor dem richtigen Termin geboren ist 

Den schnellsten Erfolg hat man dadurch, daß sofort drei Maßregeln 
ergriffen werden: Sublimatbäder, Calomelkur innerlich, lokale 
Behandlung der manifesten Syphiliden. Das Sublimatbad kann 
in jeder Zinkwanne gegeben werden, denn so schnell zersetzt sich das 
Sublimat nicht, daß etwa unmittelbar nach der Anfertigung des Bades 
das Sublimat unwirksam würde. Es genügt eine Sublimatpastille ä 1 Gramm 
zu einem Kinderbade. 

Der Arzt muß das Kind selbst baden, um sicher das Einfließen des 
Sublimats in den Mund des Kindes zu verhüten. Oder er muß wenig- 
stens sicher sein, daß die Wärterin diesen Fehler vermeidet Das Kind 
bleibt 10 Minuten im Bade. 

Die Dosierung desCalomel ist sehr gewissenhaft zu machen. Man 
verschreibt kleine Pulver 0,2 Zucker mit 0,01 Calomel zweimal täglich und 
schüttet das Pulver auf die Zunge des Kindes. Verordnet man nur, daß das 
Pulver gegeben wird, so wird es oft in einem Löffel mit Wasser gemischt, 
dann klebt das schwere Calomel am Löffel, das Kind bekommt nur die 



Syphilis. 211 

Zuckerlösung, der Erfolg tritt nicht ein. Will man sicheren Erfolg 
haben, so muß man auch sicher sein, daß das Kind die kleine Calomel- 
dosis bekommt. Dies ist nur dadurch zu erreichen, daß man das Kind 
etwas an der Unterlippe mit dem Finger reizt, und das Pulver, sobald 
reflektorisch der Mund geöffnet wird, in den Mund schüttet. 

Zuletzt ist der Fuß und die Hand, an denen Onychien sich befinden, 
mit einem Liniment zu behandeln, das aus Unguentum Praecipitati albi 
und Oleum Olivarum ana besteht. Ein Leinwandläppchen umhüllt die 
Extremität, der Lappen wird um die Handwurzel oder die Fußwurze! 
mit einem Bande befestigt. 

Binnen wenigen Tagen verschwinden dann die Onychien und Syphi- 
liden. Je mehr die Besserung vorschreitel, um so mehr schränkt man 
die Quecksilberzufuhr ein. Nach einer Woche hört man mit den Subli- 
matbädern auf und ersetzt sie durch Tannin oder Eichenlohebäder. Sind 
die Finger usw. geheilt, so ist die Präcipitatsalbe unnötig. Aber mit 
der Calomelbehandlung fährt man im ganzen drei Wochen fort Selbst- 
verständlich setzt man damit eventuell aus, wenn das Kind fortwährend 
Leibschmerzen hat und der typische Durchfall mit grünen Stühlen zu 
heftig wird. 0,02 Calomel pro die wird meist gut ertragen. Vielleicht 
deshalb, weil die reine Milchnahrung des Neugeborenen zu wenig Koch- 
salz enthält und somit das Calomel weniger reizt als bei der salz- 
haltigen Nahrung des Erwachsenen. Mundpflege ist unnötig. Das Kind 
hat noch keine Zähne, das Zahnfleisch schwillt deshalb nicht an. 

Die zweite Reihe der Kinder ist die, die anscheinend gesund ge- 
boren werden und bei denen erst später sich Zeichen der Lues finden. 
Im allgemeinen wird man es als richtig hinstellen können, daß, je später 
die Lues sich zeigt, sie um so leichter ist oder verläuft. Der schweren 
Infektion mit frischem Gift erliegt das Kind schon im sechsten Monat. 
Bei milderen Infektionen wird das Kind mit congenitaler Lues lebend 
geboren und bei schwächerer Infektion zeigen sich die Syphiliden erst 
einige Zeit post partum. 

Hat man Kenntnis von der Lues der Eltern, so beobachtet man 
genau. Die beste Zeit dazu ist die nach dem Bade, wo die roten 
Flecken in der Nähe des Afters am deutlichsten sind. Auch diese 
Kinder haben stets eine Roseola, die aber nur kurze Zeit, oft nur einen 
Tag deutlich ist. Dann sieht man wohl die kleinen runden, schwach 
bräunlich pigmentierten Flecken, über denen sich die Haut leicht ab- 
schilfert, aber dem Laien oder dem unachtsamen Arzte entgehen diese 
Flecke leicht Am besien sieht man sie am After, namentlich wenn ein 
Erythem den After umgibt, als rote runde Flecken. 

14' 




1 



212 ' Zwölftes Kapitel. 

Diese erslen Zeichen der Lues werden meist übersehen und erst 
aus der Coryza wird die Lues diagnostiziert Es ist aber ganz sictier, 
daß in den Fällen, wo erst die Coryza auffällt, die Roseola vorherging. 
Wenn ein Kind Coryza bekommt, zunächst ohne jede Eiter- und Blul- 
beimischung, so ist sie in fast allen Fällen hietischen Ursprungs, was 
am besten dadurch bewiesen wird, daß allein die antüuelische Behand- 
lung mit CalOiTiel die Coryza in wenigen Tagen beseitigt, während kein 
anderes Mittel Besserung brachte. 

Unbehandelt kommen diese Kinder sehr herunter. Sie verhungern. 
Zum Saugen ist es notwendig, daß das Kind Luft durch die Nase holt 
Ist diese durch Schwellung der Schleimhaut, durch eingetrocknetes Blut, 
durch Kn ochen pari ike Ich en vom zerfallenden Vomer verklebt, so kann 
das Kind nicht saugen. Hungrig und gierig ergreift es die Brustwarze, 
um sie sofort im Ersfickungsgetühl wieder loszulassen. Die Mutter ist 
in Verzweiflung, weil das Kind hungrig erscheint und doch nach zwei 
Schlucken die Brustwarze aus dem Munde ausstößt. 

Ein unmittelbar post partum, resp. in den ersten drei Wochen auf- 
tretender Schnupfen ist wohl immer genügend, um Lues zu diagnosti- 
zieren, die man dann durch die Anamnese auch feststellen wird. Auch 
eine Armlähmung ist öfter vorhanden, die nicht nervösen Ursprunges 
ist, sondern auf die luetische Knorpelerkrankung bezogen werden mult. 
Sie schwindet ebenso, wie die Schmerzhaftigkeit bei der passiven Be- 
wegung des Armes bei antiluetischer Kur. 

Bei diesen Formen, wo die Haut völlig gesund ist und nur die 
Coryza besteht, haben Sublimatbäder keinen Zweck, Man behandelt 
allein mit Calomel, steigert aber bei schlimmen Fällen, wenn z. B. die 
Nase fortwährend blutet, bis 0,03, ja 0,05 pro Tag. Meist ist schon 
nach 10 -14 Tagen jede Spur von Lues verschwunden, trotzdessen muß 
man die Kur bis zum 20. Tage fortsetzen. Dann hört man auf, be- 
obachtet aber das Kind genau. In der Regel tritt bald ein schwaches 
Recidiv ein, das in gleicher Weise mit einer kürzeren Kur beseitigt 
wird. Nach zwei bis drei Quecksilberkuren ist das Kind zwar gesund, 
doch immer noch nicht geschützt vor der Lues hereditaria tarda, die 
als Ozaena, Gaumenvereiterutig, Spina ventosa oder Retinitis punc- 
tata usw. später eintreten kann, die wir aber hier nicht zu besprechen 
brauchen. 

Was nun die Ernährung dieser syphilitischen Kinder an- 
belangt, so ist natürlich das beste die Ernährung an der Mutterbrust 
Ist es irgend möglich, so ist diese zu erstreben. Auch während der 
Schmierkur der Mutler. Da das Quecksilber in der Muttermilch nach- 




Syphilis. — Eklanipsie. 213 

gewiesoi ist, wird gerade während der Behandlung der Mutter das Selbst- 
nähren zu empfehlen sein, 

Ist die Ernährung an der Mutterbriist nicht möglich, so ist künst- 
liche Ernährung notwendig. Niemals gebe der Arzt seine Ein- 
willigung zur Ernährung an der Ammenbrusl Denn daß auch ohne jede 
Wunde am Munde des Kindes die Lues sich auf die Amme überträgt, 
ist ganz zweifellos. Ich sah wiederholt Primäraffekte auf der Brust einer 
Amme. Der Primäraffeki kann sehr schwer zu finden sein, wenn er 
gerade in der Warze sitzt, wobei diese hart, groß, starr und dick wird, 
ohne deutliche Exulceration zu zeigen. Der Arzt würde sich selbst der 
fahrlässigen Körperverletzung schuldig machen, wenn er dabei mitwirkte, 
eine Amme für ein syphilitisches Kind zu besorgen. 

Findet der Arzt die Amme schon vor, so muß er die Eltern des 
Kindes auf die Gefahr aufmerksam machen und sich vorbehalten, die 
Amme, wenn sie infiziert wird, von dem Charakter der Krankheit in 
Kenntnis zu setzen, um richtig behandeln zu können. Es sind das oft 
schwere Stunden für den gewissenhaften Arzt, wenn das syphilitische 
Kind bei der Amme gedeiht und die Eltern sich nicht dazu verstehen 
wollen, auf diese gute Emährungsquelle zu verzichten. Und doch muß 
es der Arzt berufsgeniäß untersagen. Heutzutage, wo die Methoden der 
künstlichen Ernährung sieb so vervollkommnet haben, ist jedenfalls die 
Gefahr des Verzichtes auf eine Amme geringer. 

Die Prognose hängt in diesen Fällen von der Sorgfalt des Haus- 
arztes ab. Ist er gewissenhaft, beobachtet er genau und leitet er die 
Ernährung und antisyphilitische Kur sorgfältig, so wird es ihm oft ge- 
lingen, ein ganz elendes Kind am Leben zu erhalten und zu einem gesunden 
Menschen zu erziehen. Kommen aber diese Fälle, wie oft in der 
Armenpraxis, erst spät zur Behandlung und wird diese schlecht ge- 
leitet und ausgeführt, so sterben die Kinder. Die falsche traditionelle 
Ansicht von der ungünstigen Prognose der hereditären Lues erscheint 
dann gerechtfertigt. 



Dreizehntes Kapitel. 

Eklampsie. 

Zu den gefährlichsten Komplikationen der Schwangerschaft und 
Geburt gehört die Eklampsie. Es treten dabei am Ende der Schwanger- 
schaft, öfter erst unmittelbar vor der Geburt schwere epileptiforme 




214 Dreizehntes Kapitel. 

Krämpfe mit Bewußtseinsstörung auf. Das Kind stirbt in der Regel, die 
Mutter — nach den verschiedenen Statistiken in 15—20 Proz. der Fälle. 
Bei Mehrgebärenden ist die Prognose schlechter als bei Erstgebärenden. 

Die Eklampsie ist häufiger bei Erstgebärenden als bei Mehr- 
gebärenden. Bei starkem Druck im Bauche, wie er bei engem Becken, 
das keinen Teil des Kindes aufnimmt, oder bei Zwillingen existiert, ist 
Eklampsie häufiger, als bei normalen Verhältnissen. 

Der Eklampsie gehen oft Magenbeschwerden voraus. In sehr vielen 
Fällen haben die Schwangeren schon 24 Stunden vorher Übelkeit, Kopf- 
schmerzen, Appetitlosigkeit und eine unbestimmte Präcordialangst Der 
gerufene Arzt findet die Schwangere liegend, da sie schwindelig ist 
Nicht selten, namentlich bei sehr schweren Fällen, beginnt das ganze 
Krankheitsbild mit völliger totaler Erblindung bei noch vorhandenem 
Bewußtsein. Ob diese Amaurose später vorhanden ist, kann man nicht 
wissen, da sich Bewußtlosigkeit bald einstellt 

Oft entstehen ganz akut, z. B. in einer Nacht, vor Ausbrechen der 
Krämpfe Ödeme. Besonders prognostisch ungünstig sind die partiellen 
Ödeme, die, noch ehe irgend ein bedenkliches Symptom eintrat, bemerkt 
werden. So sah ich Patientinnen, die sich bei völligem Wohlbefinden 
wunderten, daß plötzlich eine Hand geschwollen war. Früh konnten 
wegen Ödem des Gesichtes die Augen nicht gut geöffnet werden. 
Binnen wenigen Stunden trat dann Kopfschmerz, Amaurose, Eklampsie ein. 

Ob die Wehen zu Eklampsie oder die Eklampsie zu Wehen Ver- 
anlassung geben, ist im einzelnen Falle nicht mit Sicherheit zu ent- 
scheiden. Wahrscheinlicher scheint mir das letztere. Doch ist zu- 
zugeben, daß der Nervenreiz der Wehentätigkeit die Häufigkeit der 
Anfälle begünstigt. Auch äußere Reize, z. B. Kälteeinwirkung beim Um- 
kleiden, die Untersuchung beim Palpieren oder Touchieren, rufen An- 
fälle hervor, während absolute Ruhe in jeder Beziehung, günstigen Ein- 
fluß zu haben scheint. 

Die Anzahl der Anfälle ist verschieden. Es sind schon über 100 
gezählt Es kommen aber auch seltene Fälle vor, wo nur ein oder zwei 
Anfälle eintreten, z. B. ein Anfall vor, ein Anfall nach der Geburt: dann 
völliges Ausbleiben der Anfälle und Übergang zur Heilung. Am häufig- 
sten tritt die Eklampsie bei der Geburt ein, doch in vielen Fällen wird 
auch die Geburt, resp. die Wehentätigkeit durch die Eklampsie vor dem 
richtigen Termine, also noch in der Schwangerschaft, eingeleitet Am 
seltensten sind die Fälle, wo erst im Puerperium die Eklampsie auftritt 
Je mehr Anfälle, desto ungünstiger die Prognose. 

Die Urinmenge ist in der Regel verringert Man findet beim 
Katheterisieren in der Blase nur wenig Urin, manchmal so wenig, daß 



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Eklampsie, 215 

er kaum zur Untersuchung genügl. Er sieht braunrot aus, enthält rote, 
weiße Blutkörperchen, Harncylinder verschiedener Art, verfettete Nieren- 
epifhelien und oft so viel Eiweiß, daß der Urin beim Kochen in toto 
gerinnt. Je schwerer der Fall ist, um so stärker ist die Albuminurie. 
Fälle mit normalem Verhalten des Uritis sind außerordentlich selten. 

Während der Anfalle wird sehr wenig Urin sezerniert Das Wieder- 
eintreten der Urinsekretion wird im allgemeinen für prognostisch günstig 
gehalten. Aber ich sah auch manchen Fall tödlich enden, wo die Un'n- 
sekretion wieder sehr gut in den Gang gekommen war. Eine feste 
Regel ist hier nicht aufzustellen. In ca. q8 Proz. alter Fälle ist Albu- 
minurie, also eine Nierenaffektion vorhanden. 

Die Anfälle gleichen völlig dem epileptischen Anfalle. Nach einer 
kurzen körperlichen Unruhe, die sich vor dem Schwinden des Bewußt- 
seins durch Angstgefühl, nach dem Schwinden durch körperliche Un- 
ruhe, Hin- und Herwerfen, Bewegungen mit den Armen und Kopfe 
markieren, beginnen, oft zuerst im Gesicht, die Muskelzuckungen. In 
anderen Fällen streckt sich der Körper ziemlich plötzlich, das Sprechen 
und das Bewußtsein hört auf, die Zuckungen gehen auf den ganzen 
Körper über, die Pupille ist zuerst weit, das Gesicht blaß. Bald werden 
die Respirationsmuskeln befallen, die Atmung wird stertorös, Tracheal- 
rasseln stellt sich ein, das Gesicht wird gedunsen und cyanotisch, blutiger 
Speichel — von Zungen Verletzungen her — besudelt Mund und Ge- 
sicht Oft auch sind die Zähne fest aufeinander gepreßt, so daß der 
Speichel zwischen den Zähnen hindurch bei dem krampfhaften Atmen 
hervorsprudelt. Die Cyanose nimmt manchmal beängstigend zu, die 
Atmung ist unregelmäßig, Lungenödem tritt ein. 

Der Puls ist klein und sehr frequenf, setzt auch öfter aus. Kot 
und Urin gehen oft unwillkürlich ab. 

Fast stets fiebert eine Eklamptische. Daß nach epileptischen 
Krämpfen die Temperatur erhöht ist, weiß man seit langer Zeit Aber 
das Fieber bei Eklampsie ist viel höher. Oft kann es sich um Sepsis 
handeln, namentlich wenn Entbindungsversuche ohne antiseptische Cau- 
lelen stattgefunden haben. Aber man sieht das Fieber auch bei Fällen, 
die sicher nicht infiziert wurden, z. B. bei Schwangeren in einer Anstalt, 
die überhaupt nicht untersucht waren. Deshalb muß man annehmen, 
daß das Gift, das die Eklampsie hervorruft, auch Fieber macht, wie ja 
bei vielen anderen Intoxikationen die Temperatur sich ebenfalls erhöht. 
Eine besondere prognostische Bedeutung hat nach meinen Beobachtungen 
das rein eklamptische Fieber nicht 

Der Blutdruck ist während des Anfalles, der mit Gefäßkrämpfen 




J 



21 6 Dreizehntes Kapitel. 

einhergeht; erhöht, wechselt aber sehr bedeutend, so daß er oft auch 
sinkt, namentlich sub finem vitae. 

Ist der Anfall, der eine Viertelstunde bis zwei Minuten dauert, vorüber, 
so wird meist die Atmung wieder regelmäßig und sehr tief, auch der 
Puls wird regelmäßig und auffallend kräftig, oft wie bei Hirndruck 
langsam und hart. Bleibt er dauernd klein und hat er über loo Schläge, so 
hat das eine prognostisch schlechte Bedeutung. Die Pupillen, die 
beim Beginn des Anfalles oft sehr eng, während des Anfalles wieder 
weit wurden; nehmen die gewöhnliche Weite wieder an. 

Nach dem ersten oder einigen Anfällen, namentlich wenn sie nicht 
sehr intensiv waren,, kehrt das Bewußtsein nicht selten wieder. Die 
Patientin klagt über intensiven Kopfschmerz und Benommenheit, sie 
hat keine Ahnung davon, wie lange sie bewußtlos war, oder was mit 
ihr vorging, fühlt sich aber doch ebenso elend und zerschlagen, wie ein 
Epileptiker nach dem Anfalle. Auch ist oft die Erinnerung an die Zeit 
vor den Anfällen getrübt oder verschwunden. 

Pathologisch anatomisch sah man in der Regel Nierenver- 
änderungen und zwar Degeneration und Verfettungen und Nekrosen 
der sezernierenden Epithelien, hämorrhagische und anämische Leber- 
nekrosen, die als Folge der Krämpfe aufzufassen sind. Im Oehirn fanden 
sich Apoplexien und Erweichungsherde. Auch im Herzen wurden 
Muskelverfettungen, Nekrose der Muskelfasern und multiple Thromben 
gefunden. 

Oft ist eine, seltener sind beide Ureteren dilatiert. Gefäßver- 
stopfungen mit Syncytium, Gefäßendothelien und Leberzellen sind fast 
regelmäßig konstatiert. Über Bedeutung dieses Befundes, ob er Grund 
oder Folge der Anfälle ist, sind die Untersuchungen noch nicht ab- 
geschlossen. 

Die Prognose ist eine sehr unsichere. Noch giebt es kein als 
günstig beschriebenes Zeichen, das nicht einmal täuschte. Daß die Ent- 
leerung des Uterus günstigen Einfluß hat, steht außer aller Frage, 
ebenso hat der intrauterine Tod des Kindes eine prognostisch günstige 
Bedeutung. Besonders ungünstig verlaufen die Fälle, wo nach der Ge- 
burt von neuem kräftige Anfälle auftreten und bei denen die Cyanose 
auch in der anfallsfreien Zeit bestehen bleibt. Günstig für die Prognose 
ist, wenn die Anfälle allmählich in immer größeren Pausen und weniger 
intensiv eintreten. In ungünstigen Fällen erholt sich der Puls nicht, er 
wird immer schneller, kleiner und schwächer. 

Und wenn auch die unmittelbare Gefahr der Eklampsie vorüber 
ist, so existieren doch noch viele sekundäre Gefahren. So ist leider die 
Antisepsis kaum genügend zu wahren, da die sich umherwerfende Kranke 



Eklampsie. 217 

nicht genügend geschützt werden kann. Dann sind Nachblutungen 
nicht selten. Auch an Schluckpneumonien mit Lungengangrän habe 
ich manche Eklamptische sterben sehen. Psychosen können sich an- 
schließen. Apoplexien, die bei der Eklampsie entstehen, führen zu 
halbseitiger Lähmung, zu Koma und zum Tode. 

Der Tod erfolgt nicht selten auf der Höhe des Anfalles an insuffi- 
zienter Atmung, oft auch nach mehreren Anfällen im tiefen Koma, unter 
Erscheinungen des Hirndruckes, der Apoplexie, der Suffokation, resp. 
des Lungenödems. 

Die Kindersterblichkeit ist bei Eklampsie noch erheblich größer 
als die Sterblichkeit der Mütter. Dies hat verschiedene Gründe. Zu- 
nächst sind die Kinder oft nicht ausgetragen, da Eklampsie häufig in 
der letzten Zeit der Schwangerschaft eintritt 

Dann erliegen die Kinder der Vergiftung mit denselben Toxinen 
wie die Mutter; ferner ist bei der Mutter, wegen der ungenügenden 
Atmung, der Sauerstoff sehr verringert, was ja die Cyanose beweist. 
Das Kind stirbt demnach an Kohlensäureintoxikation. Und zuletzt erlag 
gewiß manches Kind dem, der Mutter massenhaft zugeführten Morphium 
und Chloroform. 

Die Statistiken über die Eklampsie geben bisher kein klares 
Bild. Die Frequenz wird meistens aus Polikliniken und Kliniken be- 
rechnet. In die Klinik werden aber eklamptische Gebärende gern ge- 
schickt, so daß, je nachdem die Stadt groß oder klein, je nachdem die 
Bevölkerung die Klinik schätzt oder nicht schätzt, je nachdem eine Klinik 
willig jederzeit Eklamptische aufnimmt oder nicht aufnimmt, die größten 
Differenzen entstehen müssen. 

Es finden sich ganz kolossale Schwankungen, so z. B. Halle 2712 Ge- 
burten mit 57 Eklampsien, Königsberg 5439 Geburten mit 75 Eklampsien. 
Dagegen Heidelberg 3870 Geburten mit 9 Eklampsien, Budapest 7407 
mit 28 Fällen ! 

Nach einer Statistik, die ich mit Hilfe der Hebammen machte, kam 
ein Verhältnis von 1 : 900 Geburten heraus. Nach großer anderer Stati- 
stik 1 : 500. Daß diese Schwankungen durch kosmisch-tellurische oder 
infektiöse Verhältnisse entstehen, wird von Vielen verworfen, doch muß 
man nach vielen Beobachtungen zugeben, daß bei kalter, nasser Witterung 
im Herbst und Frühjahr Eklampsie besonders häufig ist. Ja diese Häufig- 
keit ist mitunter so auffallend, daß man eine epidemische Infektion, wie 
bei Influenza, glaubhaft zu machen sucht Interessant ist, daß in manchen 
Gegenden, z. B. in Baden, vor allem in Württemberg, auffallend wenig 
Eklampsie vorkommt. 



21 8 Dreizehntes Kapitel. 

Eine völlig und für alle Fälle gleiche und genügende Erklärung des 
Symptomenkomplexes der Eklampsie ist noch nicht vorhanden. Nur 
steht das Eine fest, daß bei Eklampsie in der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle, vielleicht in allen Fällen reiner Eklampsie pathologische Zu- 
stände der Niere und ihrer Funktion zu beschuldigen sind. Frerichs 
schon erklärte, nachdem Lever 1843 den Zusammenhang der Eklampsie 
mit Albuminurie entdeckt hatte, die Eklampsie als ein Symptom der 
gestörten Nierenfunktion, bezw. der Urämie. Stoffe, die physiologisch 
von der Niere ausgeschieden werden, bleiben im Blute zurück. Das mit 
diesen giftigen Stoffen überladene Blut umspült die Zentralorgane und 
bewirkt die Krämpfe. Die Krämpfe sind also ein Symptom der Toxämie, 
resp. der Urämie. 

Es fragt sich aber: welcher Natur ist das Gift im Blut? Warum 
wird es so überraschend schnell, oft bei bisher ganz gesunden Schwange- 
ren gebildet? Welche Bedeutung hat die Nierenaffektion, ist sie der 
Grund oder die Folge der Vergiftung? 

Daß das Gift im Körper gebildet wird und daß nicht etwa eine 
Infektion mit bekannten oder unbekannten Bakterien vorliegt, ist die all- 
gemeine Überzeugung. Auch darüber herrscht Einstimmigkeit, daß das 
Gift ein Stöffwechselprodukt ist, das zwischen dem Eiweiß und dem 
Ende der Oxydation — Harnstoff und Harnsäure — liegt. Eine An- 
sicht, die ebenfalls in ihren Anfängen auf Frerichs zurückreicht. Dar- 
gestellt aber sind diese Gifte — Toxine — noch nicht Was aber der 
Hinderungsgrund dafür ist, daß diese Stoffe von den Nieren nicht wie 
sonst ausgeschieden werden, ist unbekannt. 

Nach der Ansicht einiger Forscher spielt die Leber eine Rolle bei 
der Eklampsie. Schmorl und andere fanden in der Leber der Eklam- 
ptischen Blutungen, Embolien .von Leberzellen und Nekrosen. Ist dies 
nicht etwa die Folge der eklamptischen Anfälle, so könnte man annehmen, 
daß die wichtige Rolle, welche die Leber bei der Eiweißumwandelung 
spielt, gestört ist und daß somit in der gestörten Leberfunktion der 
Grund der Eklampsie liegt. Wie aber soll man die primäre Leber- 
affektion ätiologisch erklären? 

Wir wissen, daß die Toxine bestimmter Krankheiten die Nierenfunktion 
schädigen. So entsteht bei Scharlach und bei langdauernden Eiterungen 
Albuminurie, resp. Nephritis. Es ist also auch denkbar, daß die Toxine 
beim Durchgang durch die Niere die Nierenfunktion stören. Wegen 
dieser Störung, resp. wegen der plötzlich abnehmenden Diurese häufen 
sich die Toxine so im Blut an, daß sie die Gefäße vergiften und Krämpfe 
erzeugen. Vielleicht kommen noch als erschwerende Momente hinzu: 
Druck auf die Ureteren, wodurch Urinretention, und Zunahme des 



Eklampsie. ,219 

intraabdominellen Druckes, wodurch Nierenanämie erzeugt wird. Jeden- 
falls ist Eklampsie bei Zwillingen, engem Becken, Erstgebärenden am 
häufigsten. Es wäre also dann die Nierenaffektion Folge der Toxin- 
wirkung. 

Werden aber keine Nierenaffektionen gefunden, so könnte zunächst 
der Symptomenkomplex andere Gründe haben, z. B. Apoplexien, Menin- 
gitis, oder es hätten sich gleich von Anfang an so enorm viel Toxine 
angehäuft, daß die Vergiftung: der Tod, noch eher eintrat, ehe eine nach- 
weisbare Nephritis sich ausbilden konnte. Auf eine allmählich ent- 
stehende Anhäufung der Toxine weist auch hin das Übelbefinden, das 
ein bis zwei Tage der eigentlichen Eklampsie vorhergeht. Es wäre dann 
die Eklampsie eine Autointoxikation. Nur weiß man nicht, mit welchen 
im Körper gebildeten Giften. 

Urin ist oft 24 Stunden nicht gelassen; ein Umstand, der ja auch 
zu der Erklärung Veranlassung gab, es handle sich um Krampf der 
Nierenarterien. Tritt wieder eine reichliche Diurese oder Schweiß- 
sekretion ein, so bessert sich oft, aber nicht immer die Prognose. 

Schon 12 Stunden nach dem letzten Anfalle kann in günstigen 
Fällen der Urin, der braunrot aussah und kolossal eiweißreich war, zur 
normalen Qualität und Quantität zurückgekehrt sein. Es müssen also 
die im Blut löslichen Gifte sehr schnell entstehen, bezw. in das Blut 
gelangen und ebenso schnell aus dem Blut ausgeschieden werden 
können. 

Die Experimente, die man mit dem Blut und Harn der Eklampti- 
schen gemacht hat, sind einesteils nicht wissenschaftlich exakt, weil nicht 
mit isolierten Giften experimentiert werden konnte, andererseits wurde 
der toxische Quotient nur an Tieren festgestellt. Zudem hatten ver- 
schiedene Forscher ganz widersprechende Resultate. 

Man verfuhr folgendermaßen: Man injizierte Tieren Blutserum und 
Urin von Eklamptischen und von Gesunden. Erwies sich nun bei den 
Eklamptischen das Serum als hochgradig giftig und der Urin nicht, bei 
den Gesunden aber der Urin sehr giftig, das Serum nicht, so glaubte 
man gefunden zu haben, daß das spezifische Gift im Blut der Eklampti- 
schen zurückgehalten und nicht in den Urin ausgeschieden war, daß 
dagegen bei der Gesunden das Gift im Serum nicht vorhanden, sondern 
in den Urin ausgeschieden war. 

Auch diese Untersuchungen führten nicht zu bestimmten Resultaten. 
Im Gegenteil wurde Giftigkeit des Blutserums Eklamptischer entschieden 
widerlegt 

Auch das Herz der Schwangeren wurde beschuldigt, indem man 



220 



Dreiiiehnles Kapitel. 



L 



annahm, daß bei zu schwachem Herzen die Ausscheidung aus den Nieren 
gestört sei. 

Besonders plausibel ist folgende Erklärung: Mutter und Kind haben 
einen Sloffvcechsel. Die Endprodukte des fötalen Stoffwechsels werden 
nur zum kleinsten Teile mit dem Urin in das Fruchtwasser, zum größten 
Teile auf dem Wege durch das mütterliche Blut von der mütterlichen 
Niere durch den mütterlichen Urin ausgeschieden. Die gesunde Niere 
der Mutter genügt dieser Aufgabe. Kommt es aber zu einer Störung 
der Nierenfunktion der Mutter, z. B. durch Gefäßkrampf der Nieren- 
gefäße, durch Anämie infolge starken Druckes im Abdomen, durch 
Ureterkom pression und dadurch mangelhaften Urinabfluß, durch irgend 
ein Gift, das die Epithelien der Niere der Mutter schädigt, so wird die 
mütterliche Niere für ihre großen Aufgaben insuffizient. Dann bleiben 
die giftigen Stoffe zurück, sie vergiften das Blut, bezw, das Gehirn der 
Mutter und es treten die Krämpfe ein. 

Stirbt das Kind, so hört sein Stoffwechsel auf, es liefert keine Nach- 
schübe von Gift, die Gittzufuhr wird also geringer, das Gift wird schlieü- 
lich auf dem Wege der Hautsekrelion, durch den Darm oder die Nieren von 
der Mutter ausgeschieden: Die Kranke wird nach Elimination des Giftes 
gesund. Dasselbe tritt ein, wem die Geburt vor sich geht und reichhch 
Blut von der Mutter abfließt. Beides ist tatsächlich der Fall, sowohl der 
Tod des Fötus als die Geburt haben den zu erwartenden günstigen 
Einfluß. 

Welches aber dieses Gift ist, wurde trotz sehr sorgfältiger Unter- 
suchung, die schon seit 50 Jahren viele eifrige Forscher beschäftigte, 
noch nicht nachgewiesen. 

Alle bisherigen Theorien erklären aber noch nicht das plötzliche 
Auftreten der Krämpfe. Das akute Moment, d. h. der Grund, der zu 
dem ersten, plötzlich auftretenden Anfalle führt, ist noch nicht gefunden. 
Es muß ganz sicher, wenn man auch manche plausible Gründe für die 
Intoxikation des mülterlichen Blutes durch fötale Stoffwechselprodukfe 
gefunden hat, die Veranlassung zum ersten Anfalle noch gesudit 
werden. Ehe nicht das akute Moment aufgefunden ist, ist die Eklampae 
noch nicht erklärt. 

Schon in früherer Zeit haben viele Forscher darauf hingewiesen, 
daß der Symptomen komplex der Eklampsie nicht notwendig stets denselben 
Grund haben müsse, daß es vielleicht eine verschiedene, komplizierte 
Ätiologie gäbe. Dies ist nicht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß 
auch der Sektionsbefund verschieden ist, ja daß, wenn auch selten, 
Eklampsie bei gesunden Nieren beobachtet ist Ich selbst verlor eine 
Kreißende an „Eklampsie". Bei der Sektion waren Niere, Leber usw. 




Eklampsie. 221 

normal. Aber nach Eröffnung der Kopfhöhle fanden sich massenhafte 
Tuberkeln an den Gefäßen der Arachnoidea, wie man es sonst nur bei 
Kindern sieht. 

Daß Apoplexie die Eklampsie vortäuscht, ist erklärlich. Sieht man 
eine solche Hochschwangere sub finem vitae, so ist es kaum möglich, 
die Differentialdiagnose zu stellen. Indessen kann man selbst bei einer 
komatösen Patientin eine halbseitige Lähmung feststeilen. Namentlich 
verschiedene Weite der Pupillen und die andauernde Lähmung einer 
Gesichtshälfte spricht für Apoplexie. Auch hält die Bewußtlosigkeit und 
Unbeweglichkeit an, während bei Eklampsie immer neue Krampfanfälle 
eintreten. 

Oft wird uns nach dem glücklichen Ausgange einer Eklampsie die 
Frage vorgelegt: kann das wiederkommen? Aus Humanität beantwortet 
man der Frau die Frage mit „Nein«. -Man denke sich nur die Todes- 
angst und Verzweiflung, wenn eine Frau wieder schwanger geworden, 
sich neun Monate vor dieser Gefahr ängstigen muß! 

Dem Manne gegenüber ist man aber verpflichtet zu betonen, daß 
Eklampsie tatsächlich bei einer späteren Schwangerschaft wiederkehren 
kann. Man muß dies dem Ehemanne aus zwei Gründen sagen. Erstens, 
weil eine längere Pause von drei bis vier Jahren ganz entschieden die 
Prognose bessert. Gefährlich ist ein schnelles Eintreten einer neuen 
Schwangerschaft Ich sah dreimal hintereinander bei einer Frau Eklampsie; 
die Schwangerschaft war stets ein Vierteljahr nach der Geburt wieder 
eingetreten. Es ist also eine Pause dringend anzuraten. 

Der zweite Grund ist der, daß man durch prophylaktische Maß- 
regeln: Ruhe, Milchkur, Bäder tatsächlich eine Eklampsie verhüten kann. 
Kennt der Ehemann die Gefahr, so wird in der Schwangerschaft der 
Urin regelmäßig untersucht und prophylaMische Maßregeln werden an- 
geordnet 

Die Diagnose der Eklampsie ist leicht zu stellen. Die Sympfome 
sind so charakteristisch, daß ein Irrtum kaum möglich ist 

Die Behandlung teilt sich in Prophylaxe, medikamentöse 
und geburtshilfliche Therapie. Betreffs der Prophylaxe verweise 
ich auf die Auseinandersetzungen S. 187 über Nephritis als Komplikation 
der Schwangerschaft. 

Wird man zu einer Schwangeren mit Eklampsie gerufen, so ist 
meist schon eine Hebamme zugegen, die über die Anzahl der Anfälle, 
über den Stand der Geburt usw. Auskunft zu geben im stände ist. Findet 
man die Schwangere nicht schon völlig bewußtlos, so richtet man an sie 




222 DrekeliTites Kapilel. 

eine Frage, um aus lier Art des Antwortens auf das Sensorium zu 
schließen. Ist dies auch noch vollkommen vorhanden, so ist es doch zu 
widerraten, eine langatmige Anamnese aufzunehmen. Das, was man wissen 
muß, erfährt man von der Hebamme, von, den Angehörigen und durch 
die Untersuchung. Ich habe öfter bemerkt, daß ein absichtliches Heraus- 
reißen — ich möchte sagen Herausschreien — aus der beginnenden Um- 
nachtung des Geistes sofort einen neuen Anfall im Gefolge hat 

Zunächst sucht man festzustellen, ob noch Urin in den letzten 
Stunden gelassen ist. Wenn nicht, so wird vorsichtig katheterisierl. Es 
ist für Diagnose und Prognose wichtig zu sehen, ob die Blase voll oder 
leer ist. Dann erfaßt man den Puls, betrachtet durch Emporheben der 
Lider beide Pupillen und geht nun zunächst an die äußere Untersuchung 
des Leibes. Dabei findet man, ob Wehen vorhanden sind — ist die Ge- 
burt im Gange, so tritt oft sofort bei der Abtastung des Fundus eine 
Wehe ein. Die Lage des Kindes und namentlich das Leben oder der 
Tod des Kindes wird mit aller Sorgfalt sicher festgestellt. 

Hierauf wird innerlich exploriert. Man steht fest: Dehnbarkeit des 
Dammes, der Scheide, Weite und Dehnbarkeit des Muttermundes, Vor- 
handensein oder Fehlen des Fruchtwassers, Stand des Kopfes, resp. des 
vorliegenden Teiles. Man läßt eine Zeit lang die Finger am Kopfe still 
liegen und wartet auf eine Wehe. Läßt sie zu lange auf sich warten, so 
reibt die andere Hand den Fundus. Es ist außerordenüich wichtig zu 
fühlen, wie sich Kopf und Muttermund während einer Wehe zu einander 
verhalten. Man läßt auch die Hebamme einmal kräftig von oben mft 
beiden Händen das Kind nach unten drücken und macht aus dem nun 
gefühlten Befund Schlüsse auf die Möglichkeit der Entbindung. 

Ist der Muttermund eng, so zieht man ihn mit eingehaktem Finger 
nach den verschiedenen Seiten, um seinen Widerstand zu prüfen. Dann 
sieht man den herausgezogenen Finger an, ob etwa eine gelbe Färbung 
den Abgang des Meconium und somit die Gefahr für das Kind beweist 

Jetzt wird noch der Urin untersucht. Je geringer seine Menge, je 
dunkler, je eiweißreicher er ist, um so notwendiger ist schnelles Handeln. 

Nunmehr muß der Fall für das Handeln klar liegen, man muß 
wissen, was man zu tun und was man den Angehörigen zu sagen ha^ 
was man versprechen kann, was zu befürchten ist, kurz der Plan für ' 
die Behandlung muß feststehen. 

Fand man den Muttermund ganz eng, fehlen Wehen, ist also die 
Geburt noch nicht im Gange, so bleibt nichts übrig als expektative und 
medikamentöse Behandlung. Es sei denn, daß man sich zu den gewalt- 
samen Methoden von Dührrsen oder dem Kaiserschnitt nach Halbertsnia 
entschließt (vgl. unten). 




Behandlung der Eklampsie. 



223 



In diesen Fällen ist es nicht nur in der Klinik, sondern auch in der 
Privatpraxis unbedingt nötig, genau zu beobachten. Nach folgenden 
Regeln ist m verfahren. Man legt eine Tabelle an, deren Ausfüllung 
mit den nötigen Notizen man der Hebamme, resp. den Angehörigen 
anbefiehlt, wenn es unmöglich ist, daß man dauernd bei dem Falle 
verharrt. 

Es wird nach der Uhr genau notiert, wann ein Anfall wiederum 
eintritt, wie lange er dauert, ob nur das Gesicht, ob der ganze Körper 
von Krämpfen befallen ist, ob Blut aus dem Munde fließt, das Gesicht 
blau wird, die Atmung unter Rasseln einhergeht, wie lange der Anfall 
dauert, bis die Atmung wieder frei ist. Es wird notiert, ob Wehen vor- 
handen, resp, ob der Leib hart ist. Es wird, wenn möglich, jeder Tropfen 
Urin aufgefangen. Ist z. B. die Gebärende unruhig, so wird ihr von 
Zeit zu Zeit der Unterschieber untergeschoben, wonach nicht selten 
gleichsam reflektorisch Urin gelassen wird. Puls und Temperatur werden 
zweistündlich gemessen. Zeichen von Bewußtsein, Verlangen nach Ge- 
tränken, subjektive Klagen, auffallende Unruhe (Zeichen von Wehen), 
jede Darreichung von Medizin, Trinkwasser — ob gut oder schlecht 
geschluckt wird — alle diese Beobachtungen werden notiert. Nur wenn 
so beobachtet wird, ist es möglich, einigermaßen richtig zu prognosti- 
zieren und richtig zu handeln. 

Was soll man nun in diesen Fällen tun, wo die Entbindung noch 
nicht vorzunehmen ist? Man kann verschiedenen Zielen zustreben. Man 
kann zunächst daran denken, das Gift, welches im Blut, resp. im Gehirn 
zirkulierend das Zentralorgan vergiftet, durch ein sicheres Gegengift un- 
schädlich zu machen. Leider ist dies vorläufig unmöglich, da die Natur 
des Giftes unbekannt ist. Deshalb muß man suchen, das Gift aus dem 
Körper auszuscheiden. Wir haben da drei Möglichkeiten: Urinaus- 
scheidung, Darmausscheidung, Hautausscheidung. Auf die Urinaus- 
scheidung müssen wir verzichten, da ja die Niere nicht physiologisch 
arbeitet. Ausscheidung aus dem Darm ist ebenfalls untunlich. Eines- 
teils sind wegen der Unmöglichkeit zum Schlucken oft Abführmittel 
nicht beizubringen, andererseits ist schnelle Hilfe notwendig und die 
Abführmittel wirken verhältnismäßiglangsam. Zuletzt haben auch energische 
AbfiJhrmittel eine so bedeutende Schwächung des Organismus, resp. der 
Herzkraft im Gefolge, daß sie bedenklich sind. Ich gab eine Zeit lang 
Calomel — 1 Gramm und mehr — der Erfolg war nicht gut.t 

Es bleibt demnach allein die Hauiausscheidung, die Diaphorese, 
übrig. Die Erzielung reichlichen Schweißes ist die älteste rationelle 
Therapie der Eklampsie. Man wies auf die Wechselbeziehungen zwischen 
Haut und Niere hin: bei starkem Schweiße wenig Urin, bei Kälte, 




i 






224 Dreizehntes Kapitel. 

Kotitraktion der Hautgefäße: häufiges Urinieren. Man wies auf die 
chemische Beschaffenheit des Schweißes hin, zeigte, daß z. B. bei Cholpra 
Hamsäurekry staue auf der Haut sich fänden. Somit hoffte man zunächst 
mechanisch die Niere durch künstliche Dilatation der Hautgefäße zu ent- 
lasten. Entlastung, Schonung ist stets das erste Prinzip bei Behandlung 
eines kranken Organs. Ferner aber wollte man auch chemisch ein- 
wirken, indem man die Giftstoffe auf dem Wege durch die Haut, dem 
einzig mögiichen Wege, aus dem Körper entfernte. 

Naheliegend war es, Pilocarpin subkutan zu geben, doch sind die 
Resultate unsicher. Ich sah mehrfach dadurch einen sehr schlechten 
Einfluß auf das Herz, möchte aber doch nicht dies Mittel völlig ver- 
bannt wissen. 

In ungefährlichster Weise suchte man durch heiße Bäder mit nach- 
folgenden Einwickelungen Schweiß zu erzielen. Leider ist in der Praxis 
die Durchführung dieser Therapie keine leichte. Bäder sind nicht 
überall zu improvisieren. Das Hineinheben der Bewußtlosen in das Bad 
verlangt viele starke Personen. Ärztliche Überwachung beim Bade ist 
unbedingt notwendig. Ich sah mehrmals im Bade einen Anfall. Von 
den sehr heißen Bädern bin ich zurückgekommen. Ich hatte den Ein- 
druck, daß sie eher schaden als nützen, selbst wenn man eine Eiskappe 
auf den Kopf und einen Eisbeutel auf das Herz legt. Demnach nahm 
ich d; Bad nu 37 Cel u , eine Temperatur, die von nicht Bewußt- 
losen ho al el he I empfunden wird. Die Dauer des Bades aber 
muß e ne lange e n Minuten bis eine halbe Stunde. Nach dem 

Bade w rd de Pate In n wollene Decken so dicht eingeschlagen, daH 
nur an de S e e ne Hand hervorragt, an der man den Puls beobachtet, 
und das Gesicht siLhtbar bleibt, um Pupillen und Atmung zu kontrollieren. 
Mit einigen losen Bindentouren werden die Decken um Beine, Brust 
imd Kopf befestigt Kommt es wieder zu sehr starken Anfällen, so werden 
allerdings die Decken auseinander geschleudert, die nackte Schwangere 
wirft sich hin und her, ein unästhetischer und für die Laien entsetzlicher 
Anblick! 

Setzt diese Therapie zeihg ein, so ist der Erfolg oft eklatant, unter 
enormer Schweißsekretion beruhigt sich die Patientin und weitere Anfälle 
treten nicht ein. Es gibt aber auch Fälle, wo es weder in dieser Weise, 
noch mit elektrischen Wärmapparaten gelingt, Schweiß zu erzielen, wo 
die Cyanose zunimmt, der Puls sehr frequent wird und Koma und Tod 
das Ende ist. Der Skeptiker kann zwar sagen, daß die günstigen Fälle 
auch ohne diese Therapie gut geendet hätten. Es wird die Erfahrung 
der Einzelnen und Aller entscheiden und diese spricht ganz entschieden 
für diese Behandlung. Sie kann nichts schaden, ist leicht auszuführen, 




Therapie der Eklampsie, 225 

ist rationell und jedenfalls empirisch erprobt. Jeden Versuch mit dieser 
Therapie zu unterlassen, weil der Erfolg nicht mathematisch sicher zu 
beweisen ist, würde ich für sehr fehlerhaft und gewissenlos halten. 



Die geschilderte Therapie wird uniersfützt durch die medikamentöse, 
d. h, durch Einverleibung von Narcoticis: Morphium, Chloroform, Chloral. 

Auch diese Behandlung ist eine rationeile zu nennen. 

Es ist eine Tatsache, daß Fälle mit wenig Anfällen prognostisch 
besser sind, als solche mit viel Anfällen. Setzen wir durch Narcotica 
die Reizbarkeit des Gehirns herab, so sind wir im stände, auch die Fre- 
quenz der Anfälle herabzusetzen, also auf die Eklampsie günstig einzu- 
wirken. Die Technik dieser Behandlung ist folgende. 

Man beginnt mit einer Morphiumeinspritzung von 0,02. Vorher 
und nachher beobachtet man genau die Pupillen, um zu sehen, ob die 
Morphiumwirkung eintritt und anhält, d. h. ob die Pupillen, die früher 
weit waren, eng werden und eng bleiben. Der Arzt setzt sich neben 
das Bett und kontrolliert Atmung und Puls. Man soll eine schwer 
Eklamptische prinzipiell nicht verlassen. Treten neue Anfälle ein, so 
stellt man mit der Uhr fest, ob die Anfälle schneller aufeinander folgen 
oder langsamer, ob der neue Anfall selbst länger oder kürzer dauert, ob 
er weniger stark ist. Schon die Tatsache, daß die Pausen zwischen den 
Anfällen nach der Morphiuminjektion länger werden und daß der Anfall 
selbst kürzere Zeit dauert, daß die Cyanose geringer ist, beweist den 
guten Einfluß des Morphiums. 

Oft haben die Anfälle auch eine individuell sehr verschiedenartige, 
aber individuell stets wiederkehrende Aura, So faHt eine Eklamptische 
stets nach der Herzgrube unter Zeichen von Schmerzen und Angst, bei 
einer anderen tritt nur körperliche Unruhe ein, oder die Kranke macht 
eine bestimmte Rollbewegung nach rechts oder links oder eine Streck- 
bewegung des ganzen Körpers. Sieht man daraus, daß ein neuer Anfall 
sich einleitet, so kann man ihn durch Vorhalten der Chloroformmaske 
oft gleichsam coupieren. 

Was die Quantität des Morphiums anbelangt, so läßt sich eine sichere 
Grenze nicht aufstellen. Sind die Pupillen ganz eng, so ist eben die 
Morphiumwirkung auf der Höhe, es ist dann falsch, bei neuen Anfällen 
immer mehr Morphium zu injizieren. Werden aber die Pupillen weit, 
ist also die Morphiumwirkung vorüber, so appliziert man von neuem 
eine Spritze. Haben die Anfälle aufgehört und sind die Pupillen weit, 
so hat man keinen Grund, weiter Morphium zu verabfolgen, noch weniger 
zu chloroformieren. Aber es ist gerade dann vorteilhaft, durch eine 
Chloraldose, die ja längere Wirk-ung hat, die Irritabilität des Gehirns 
Fritsch, QdiurUhilfe, 1 = 



i 



I 



226 Dreizehntes Kapitel. 

noch für Stunden herabzusetzen. So gebe ich meist, wenn stundenlang 
die Anfälle sistieren, ein Clysma von 3 Gramm Chloral, gleichsam als 
letztes, jetzt prophylaktisches Narkotikum, bczw. Sedativum. Es tritt dann 
oft langer, tiefer Schlaf ein, der den Fall zur Heilung und Gesundung 
überleitet. 

Auch diese Behandlung hat große Gefahren, die von den Gegnern 
mit Recht hervorgehoben sind. Mir ist es nach vielen Beobachtungen am 
Krankenbette gar nicht zweifelhaft, daß am Tode mancher Eklamptischen 
mehr die massenhaft verabreichten Narcotica, als die Eklampsie schuldig 
waren. Der Prüfstein würde doch immer erst das sein, daß wenigstens ein- 
mal ein ganz schwerer Fall durch diese Therapie gerettet würde. Aber 
leider ist es nicht der Fall. Nur die leichten Fälle werden durch Narcotica 
günstig beeinflußt. Und der Zweifler fragt berechtigt, ob solche Fälle 
nicht auch ohne alle Therapie glücklich geendet hätten. Andererseits ist 
erklärlich, daß eine Therapie, die leicht auszuführen ist und bei der man 
den günstigen Einfluß auf die Symptome sicher beobachtet, sich leicht 
eingebürgert hat. Um so mehr, als auch die Resultate, resp. die Statistik 
für diese Therapie sprechen. 

Die älteste Methode der Behandlung ist der Aderlaß. Er wurde 
fast ganz verlassen, als die Traube-Rosensteinsche Theorie der 
Eklampsie Geltung hatte. Nach dieser Theorie war die hydrämische 
Blutbeschaffenheit der Schwangeren der letzte Grund der Eklampsie. 
Es war also danach irralionell, das Blut durch den Aderlaß noch schlechter 
zu machen, als es ohnehin war. Trotz dieser Gegenanzeige gegen 
den Aderlaß ist er bei vielen Ärzten doch beliebt geblieben. 

Auch ich habe den Aderlaß niemals aufgegeben und habe oft damit 
einen vortrefflichen Erfolg gehabt. Er ist m. E. indiziert bei schnell 
eintretender Cyanose, bei hochrotem Gesicht, wenn die Atmung nach 
den_ Anfällen nicht wieder ruhig, gleichmäßig wird, kurz bei drohendem 
Lungenödem. In solchen Fällen habe ich nicht nur sofort Besserung 
des beängstigenden suffokatorischen Zustandcs, sondern direktes Aus- 
bleiben aller ferneren Anfälle gesehen. 

Geht die akute Gefahr vorüber in der Weise, daß die Anfälle auf- 
hören, aber Wehen nicht eintreten, so handelt es sich also um eine 
Eklampsie in der Gravidität Dann bleibt die Schwangere grundsätzlich 
noch wenigstens eine Woche, jedenfalls so lange, als Eiweiß im Urin ist, 
zu Bett. Es ist gut, etwas Digitalis zu geben, und zwar nicht Infusuro 
digitalis, weil der Magen ohnehin bei Eklampsie schlecht ist, sondern 
kleine Dosen Digitalin. Ich gab oft mit Vorteil Acetum digitalis 10,0, Morphii 
hydrochl. 0,05 täglich dreimal 20 Tropfen. 




Behandlung der Eklampsie, 

Die tägliche qualitative und quantitative Urinuntersuchung ist selbst- 
verständlich noch wochenlang notwendig. Der Arzt muß streng befehlen, 
daß er bei jedem Symptom, Kopfschmerzen, Magenverstimmung usw. zu 
holen ist. Man achte in der Zwischenzeit namentlich auf gute Darm- 
entleerung durch Mittelsalze, z. B. Karlsbader oder Homburger Quell- 
salz, das ja auch diuretisch wirkt Bei den geringsten Symptomen, die als 
urämische zu deuten sind, setzt sofort die mehrfach geschilderte pro- 
phylaktische Therapie wieder ein. 

Die Eklampsie an sich ist eine Indikation, die Geburt 
zu beendigen. Steht dies fest, so richtet sich die Methode der 
Beendigung nach dem Befunde. Es fragt sich nur, ob nicht unter Um- 
ständen, z. B, bei völlig geschlossenem Muttermunde, die Beendigung 
der Geburt noch gefähriicher ist, als die Eklampsie. Sind aber die Be- 
dingungen für Zange oder Wendung vorhanden, so zögert man nicht 
einen Augenblick, sofort diese Operation auszuführen. 

Ist das Kind tot oder vorzeitig, so ist die Wahl leicht. Auch bei 
noch engem Muttermunde kann man die Perforation und Cranio- 
dastextraktion leicht ausführen. Und wenn man auch nur eine Stunde 
gewinnt wenn auch der Muttermund sich bei guten Wehen voraus- 
sichtlich bald erweitern würde und die Weichteile keinen Widerstand 
bilden, so wird doch nicht einen Augenblick gezögert, die Geburt zu 
beendigen. Ich habe öfter sechs- und siebenmonatliche Föten perforiert 
und aus engem Muttermunde mit einer starken Kornzange, bezw. mit 
der Stein-Mesnardschen Knochenzange, die sich hierzu vortrefflich 
eignet, das vorzeitige Kind extrahiert. 

Man kann, die Natur nachahmend, mit Pausen so langsam ziehen, 
daß man faktisch nicht viel anderes mit der Kunst, durch Zug von unten 
macht, als was die Natur durch Druck von oben vollendet 

Zwischen den Fällen, wo eine Entbindung noch ganz unmöglich ist, 
weil die Ekiamptische mehr eine Schwangere als eine Gebärende ist, 
und den Fällen, wo die Geburt anstandslos sofort beendet werden kann, 
liegt eine große Anzahl Fälle, die sehr verschiedene Grade von Schwie- 
rigkeiten darbieten. 

Die Verfahren, bei engem Muttermunde den Uterus zu entleeren, 
sind folgende: Erweiterung des Muttermundes mit dem Kolpeu- 
rynter, Anwendung des Bossischen Dilatatoriums, Inzisionen in 
die Portio, vaginaler Kaiserschnitt, abdominaler Kaiserschnitt 

Mit größter antiseptischer Vorsicht wird ein zusammengefalteter 
Kolpeurynter in den Uterus bis über den inneren Muttermund ein- 
geschoben. Ist der Muttermund ganz eng, so wird er mit Dilatatorien bis 

15* 




223 



Dreizehntes Kapitel. 



L 



auf 1 — 1 ','j cm Durchmesser vorher schnell geweitet. Da die gewöhaüchea 
Kolpeurynter zu weich sind, so nimmt man solche, die aus besonders 
starkem Gummi angefertigt sind. Der in den Uterus eingeschobene 
Kolpeurynter wird mit Lysollösung langsam angefüllt und dann kräftig 
hervorgezogen. Der MuttermuTid wird also in natürhchster Weise durdi 
überall gleichmäßig wirkenden Druck erweitert Sobald die Erweiterung 
genügend ist, macht man je nach den vorhandenen Bedingungen die 
Wendung oder die Zangenextraktion. Bei totem oder nicht lebensfähigem 
Kinde wird die Perforation und Craniociastextraktion ausgeführt. Gehl 
schon Meconium, resp. dunkelfarbiges Fruchtwasser ab, sind die Herz- 
töne unregelmäßig, besteht schwere Cyanose bei der Mutler, so opfert 
man das Kind und macht lieber die prognostisch unendlich viel bessere 
Perforation, als die Wendung. Wendung und Extraktion bei engem 
Muttermunde, namentlich bei eirer Primipara, ist eine außerordentlich rohe, 
gewaltsame und gefahrvolle Entbindungsmethode, bei der der Minder- 
geübte trotz größter Verletzungen doch meist ein totes Kind erzielt Die 
Mutter stirbt leicht an dem Gemisch von Blutverlust, Morphium, Eklampsie- 
vergiftung und Sepsis. Deshalb ziehe ich die Perforation vor; bei der 
man am schnellsten, sichersten und ungefährlichsten fertig wird. 

Ist aber das Kind zweifellos lebensfähig, lebt es und erhalten sich 
die Herztöne normal, so ist es Aufgabe des Arztes, beide Leben zu 
retten. Dann kommen die großen Einschnitte, der vaginale Kaiser- 
schnitt und die Bossische Methode in Betracht, Ich empfehle als 
beste Methode den vaginalen Kaiserschnitt. Die großen Döhrssen- 
schen Einschnitte nach verschiedenen Seiten bluten enorm, man wciS 
nicht, wohin und wie weit sie reißen. Ein Arzt ohne Assistenz ist kaum 
im Stande, allein die Risse nach der Geburt zu nähen. Ist noch eine 
große Damminzision, ein «Schuchardtscher Schnitt" und die Zangen- 
anlegung notwendig, so ist auch bei Rettung des Lebens der Mutier aus 
der direkten Lebensgefahr durch Verblutung die Prognose ungünstig 
Langdauernde Eiterungen und Puerperalfieber gefährden das Leben, die 
großen Narben die Gesundheit 

Jeder, der den vaginalen Kaiserschnitt ausgeführt hat, wird ihn vor- 
ziehen. Man schneidet bei starkem Herabziehen der vorderen Muttermunds- 
lippe einen Querschnitt oberhalb der Portio durch die Scheide, schiebt die 
Blase nach oben, was gerade bei der Hochschwangeren merkwürdig leicht 
ist, und incidiert median sagittal. In die Ränder des Schnittes werden die 
Muzeuxschen Zangen, successive höher kletternd, eingesetzt, die vordere 
Wand des Uterus wird herabgezogen, der Schnitt wird so weit nach 
oben fortgesetzt, daß eine Hand eingeführt werden kann. Ist das untere 
Uterinsegment wenig nachgiebig und dehnbar, wie es dann z. B. der Fall 




Operative Behandlung bei Eklampsie. 



22g 



[ ist, venn der Kopf nicht vorlag, so macht man einen sagittalen Einschnift 
hinten ebenso wie vorn. 

Handelt es sich um Kopflagen, so wird das Kind mit der Zange 
«xtrahiert Weicht der Kopf aus, so ist es oft leicht, einen Fuß, der dicht 
über dem Kinne Hegt, schnell zu ergreifen. Bei Quer- und Fuölagen 
■wird die Wendung gemacht und die langsame, vorsichtige Extraktion 
wird angeschlossen. Schnell wird die Placenta gleich mit der Hand 
manuell entfernt Mit fortlaufendem Catgutfaden näht man den 
Medianschnitt aneinander und sodann die Scheide wieder an die 
Portio. Danach wird der Bauch so stark wie möglich mit einer Roll- 
hinde bei starker Anteversion des Uterus zusammengeschnürt und die 
Scheide wird kräftig tamponiert. Die Tamponade des Uterus ist unnötig, 
da der zwischen Scheidentamponade und Bauchkonipression liegende 
Uterus fest zusammengedrückt ist Die Beine werden fest zusammen- 
gebunden, damit der Scheidentarapon fixiert bleibt Eine gute Wärterin 
oder der Arzt bleibt neben der Entbundenen sitzen, kontrolliert den Puls 
und die Blutung durch häufiges Betrachten der äußeren Genitalien. 
Der vaginale Kaiserschnitt hat den großen Vorzug, daß er bei großem 
und kleinem Kinde in gleicher Weise ausgeführt werden kann. 

Das Bossische Dilatatorium ist ein Erweiterungsinstrument, das aus 
mehreren, durch Seh raub Vorrichtung auseinder zu spreizenden Armen be- 
steht. Es wird geschlossen in die Cervix eingeführt und durch langsames 
Aufdrehen der Schraube geöffnet Die einzelnen von einander weichenden 
Arme machen oft große Verletzungen. Ob die Risse tief und gefährlich sind, 
d, h. zur Verblutung führen, oder ob sie flach sind, auch ganz fehlen, hängt 
nicht vom Instrument und der Technik, sondern mehr von den individuellen 
Verhältnissen der Portio ab. Bei der nicht dilatierten Portio einer Primipara, 
die durch Wehen noch gar nicht verändert ist, sind Einrisse bei aller Vor- 
sicht unmöglich zu vermeiden. Erst die Geburtstätigkeit macht die Portio 
■weich. Ist sie noch hart, so reißt sie auf, mag man langsam oder schnell drehen. 
Die Statistik beweist wenig. Wer das Instrument viel anwendet, wird 
■es auch in leichten Fällen gebrauchen, nach längerer Wehendauer, wo 
die Verhältnisse günstig liegen. Er wird gute Resultate haben. Jeden- 
falls sind die Berichte und auch meine Erfahrungen der Art, daß ich das 
Instrument den Praktikern nicht empfehlen kann. Mir erscheint der 
sichtbare, zugängliche Schnitt beim vaginalen Kaiserschnitt ungefährlicher 
und leichter zu behandeln, als die unsichtbaren, tiefliegenden, unberechen- 
baren Verletzungen, die man beim Bossischen Instrumente erlebt 



Auch der abdominale Kaiserschnitt ist als 




Ekla 



ipsie- 






230 Dreizehntes Kapitel. 

behandlung empfohlen. Wäre es richtig, daß nach der Entleerung des 
Uterus stets die Eklampsie aufhörte, so würde er gewiß stets indiziert 
sein. Aber in ca. 24 Prozent der Fälle dauerte die Eklampsie nach Ent- 
leerung des Uterus an. Auch hier beweist die Statistik wenig, zumal 
sie noch recht klein ist Wer seinem operativen Können viel zutraut 
und unter günstigen Verhältnissen arbeitet, wird den Kaiserschnitt für 
ungefährlich halten. Er wird sich leicht entschließen, eine Operation,, 
deren Technik er beherrscht, sofort auszuführen und dann gute Resultate 
haben. Wer aber nur die allerschwersten Fälle operiert und als letzten 
verzweifelten Entschluß, mehr an einer schon Sterbenden als an einer 
noch Lebenden, diese große Operation macht, wird natürlich schlechte 
Resultate haben. Die Fälle sind verschieden, also auch die Resultate. 

Stellen wir uns auf den Standpunkt des Klinikers, der alle Hilfs- 
mittel, namentlich geschulte Assistenten, zur Verfügung hat, so wird er 
sich zu einem eingreifenden Verfahren leicht entschließen, die Verant- 
wortung auf sich nehmen und sie bei schlechtem Ausgange tragen. Der 
praktische Arzt aber wird gern solche Fälle, wenn es möglich ist, an ein 
Krankenhaus überweisen. Stellen wir uns aber auf den Standpunkt des 
selbständigen Praktikers! Wie soll er bei ungünstigen äußeren Verhält- 
nissen den heutzutage doch recht großen Apparat zu einer solchen Ope- 
ration sich beschaffen; woher soll er die Assistenten bekommen? Könnte 
er versprechen, daß die große Operation sicheren Erfolg hat, so würde 
er gewiß den Ehemann überreden. Kann er aber nur sagen: es ist ein 
Versuch, auch danach können die Anfälle wieder eintreten, die Rettung 
ist durchaus unsicher, so wird er kaum im stände sein, mit gutem Ge- 
wissen zum Kaiserschnitte zuzureden und die große Verantwortung auf 
sich zu nehmen. 

Wir Arzte werden nach dem beurteilt, was der Laie wahrnimmt 
Bei Eklampsie sieht der Laie die furchtbaren Krämpfe. Daß dergleichen 
gefährlich ist, glaubt er und weiß es ohne Auseindersetzung. Erfolgt der 
Tod, so wird er kaum den Arzt für den Ausgang verantwortlich machen. 
Bei glücklichem Ausgange wird der Laie nach seinen Kausalbegriffen 
dem Arzte das Verdienst gern zuschreiben. So ist also im ganzen die 
Stellung des Arztes bei der Eklampsie nach außen hin nicht entfernt so- 
schwierig, als z. B. bei einer Placenta praevia oder einer Uterusruptur. 

Was aber das Gewissen, das Pflichtgefühl und die innere Verant- 
wortlichkeit des Ar/tes anbelangt, so ist gerade die Behandlung 
der Eklampsie auluTordentlich schwierig. Man hat oft keine bestimmten 
Indikationen, man behandelt eine Kninkheit. die eigentlich unbekannt ist 
Man schwankt hin und her zwischen den begeisterten Empfehlungen 
dieses oder jenes Fnthusiasten. um allniahlich immer mehr enttäuscht 



Retroflexio uteri gravidi. 231 

und, was die Hoffnung auf therapeutische Erfolge anbelangt, Pessimist 
zu werden. Nicht einmal die Prognose vermag man zu stellen. Erst 
wenn der Fall ganz schlecht wird, ist die infauste Prognose klar. 

Ist die Eklampsie nach der Geburt glücklich vorüber, so darf man 
die Entbundene nicht verlassen. Wenn es sich um ein Menschenleben 
Jiandelt, kann von Mangel an Zeit gar nicht die Rede sein. Ich habe 
zwei Todesfälle nach Eklampsie an innerer Verblutung erlebt. In einem 
Falle hatte ich als poliklinischer Assistent einen Praktikanten bei einem 
Falle gelassen, um eine andere Geburt zu vollenden. Als ich zurück- 
kehrte, berichtete der Praktikant sehr zufrieden, daß kein Anfall da- 
gewesen. Die Entbundene war tot Der Uterus war so vollgeblutet, daß 
er weit über dem Nabel stand! In einem anderen Falle war sogar in 
der Klinik eine Eklamptische, die sich post partum schon mit den neben 
ihr liegenden Wöchnerinnen unterhalten hatte, in der Nacht verblutet, 
ohne daß die im Zimmer befindliche Wärterin oder die anderen Wöch- 
nerinnen etwas bemerkt hätten. 

Dergleichen darf selbstverständlich nicht vorkommen. Der verant- 
wortliche Leiter würde eine Anklage auf fahrlässige Tötung zu gewärtigen 
haben. Bei Kontrolle des Pulses und genauer Überwachung sind solche 
Todesfälle sicher zu vermeiden. Ich führe aber den Fall deshalb an, um 
die Arzte zu veranlassen, entweder selbst bei der Entbundenen noch 
sechs Stunden auszuharren, oder sie einer absolut zuverlässig beobach- 
tenden Wärterin anzuvertrauen. 



Vierzehntes Kapitel. 

Pathologische Zustände des Uterus in der 
Schwangerschaft und Geburt. 



Retroflexio uteri gravidi. 

Wird ein retroflektiert liegender Uterus gravid, so bleibt er zu- 
nächst in Retroflexion weiter wachsend im Becken liegen. Symptomlos 
aber stellt sich bald die normale Anteflexion der Schwangerschaft wieder 
her. Unzählige Frauen, die an habitueller Retroflexio leiden, machen 
normale Schwangerschaften und Geburten durch. 

Der in der Schwangerschaft sehr weiche Uterus verträgt gut eine 
Kompression, wenn nur seine Masse nach einer anderen Richtung hin 



i 



232 Vierzehntes Kapiiel. 

sich ausdehnen kann. Allmählich größer und größer werdend, füllt der 
Uterus die Beckenhöhle als weicher, rundlicher, dicker Körper aus, um 
schließlich, sobald der oberhalb des Beckeneingangs liegende Teil gröftet 
und schwerer als der untere geworden ist, wegen der Beckenneiguog 
bei stehender Frau vorn überzufallen. Dabei zieht der schwere Uterus 
sich aus der Beckenhöhle heraus und liegt nun normal. 

Der Umstand, daß in der Regel über Symptome nicht berichtet 
wird, beweist die mechanische Leichtigkeit des Vorganges. Ich sah oll, 
daß eine Frau mit retroflektiertem schwangerem Uterus, die zur Demon- 
stration wieder in die Klinik bestellt war, am anderen Tage mit normal 
liegendem Uterus kam, Sie hatte absolut keine Empfindung davon 
gehabt, daß sich in der Zwischenzeit der Uterus richtig lagerte. Viel- 
leicht hatte die gründliche Untersuchung ihn aufgerichtet, vielleicht war 
die Richtiglagerung spontan eingetreten. 

Es ist also zu erörtern, warum in einzelnen Fällen der schwangere 
Uterus diesen normalen Weg nicht macht. Am einfachsten wurde diese 
Frage dahin beantwortet: weil er unten am Peritonaeum parietale adhärent 
sei. Ich gebe zu, daß dies möglich ist, allein erlebt habe ich es noch 
nicht. Die Gründe fester Adhärenz würden Entzündungsprodukte sein, 
die ja dem Eintreten der Schwangerschaft überhaupt hinderlich sind 

Wenn geschrumpfte Bänder der Adnexe oder Narben im Sub- 
serosium die spontane Reposition verhindern, so werden derartige patho- 
logische Zustände wohl eher das Eintreten der Schwangerschaft erschweren 
oder unmöglich machen. Eher noch kann ein stark hervorragendes 
Promontorium den Uterus aus der Beckenhöhle gleichsam nicht heraus- 
lassen. Daß eine starke Füllung der auf der vorderen, hier oberer . 
Seite des Uterus lagernden Flexura sigmoidea den Uterus nicht nach 
oben gleiten läßt, ist wohl unrichtig, denn beim Stehen sinkt die volli: 
Flexur nach vorn, nicht nach hinten. 

Nun gelingt in allen Fällen bei richtigem Verfahren die Reposition- ■ 
Zerrisse man dabei Adhäsionen, so müßte man das fühlen, resp. man a 
müßte, wie bei der absichtlichen Zerreißung der Adhärenzen des leeren J 
retroflektierten Uterus, das Zerreißen mit dem Finger wahrnehmen. Dann-* 
aber wären auch starke Blutungen unausbleiblich. Und Fälle von innerer^ 
Verblutung sind bei Reposition des graviden Uterus nicht bekannt 

Ich nehme an, daß eine besonders große Ausdehnung un^B 
Tiefe des Douglasischen Raumes das ätiologisch wichtigste^ 
ist. Diese Ausdehnung kann angeboren sein — daß der Douglasische-=i! 
Raum sehr verschieden tief ist, sehen wir bei den hinteren vaginalen 
Koeliotomien. Die Ausdehnung kann aber auch akquiriert sein dadurch, 
daß der dauernd retroflektiert liegende hypertrophische, infarzierte Uterus 




Retroflexio uteri gravidi. 233 

sich gleichsam ein tieferes Bett in den Douglasischen Raum gedrückt 
hat Je mehr der schwangere Uterus den Douglasischen Raum aus- 
dehnt, um so tiefer gelangt der Fundus und um so höher steigt vom die 
Portio nach oben. 

Die Cervix ist oft infiltriert, hart und dick, dann setzt sich der 
weiche Uteruskörper so schroff an der Cervix ab, daß man die ver- 
größerte harte Cervix für den ganzen Uterus nehmen und den weichen 
Uterus in dem Douglasischen Räume für einen weichen Tumor, z. B. den 
Sack einer Extrauterinschwangerschaft oder für eine Ovariencyste, halten 
kann. Solche verhängnisvolle Irrtümer sind in der Tat schon vorgekommen 
und haben zur vaginalen Punktion des Uterus statt der vermeintlichen 
Cyste Veranlassung gegeben. 

Das Corpus paßt sich so in die Beckenhöhle ein, daß es breiter 
und rundlicher erscheint. Durch die dünne gedehnte Vaginalwand ist 
der Uterus als so weicher Körper zu fühlen, daß er leicht für eine Cyste 
zu halten ist. Ja er ist so leicht und tief einzudrücken, daß gerade diese 
Weichheit ein Hindernis für die Reposition bildet 

Ist die Cervix kurz, so gleitet die Portio nach oben. Der Uterus 
steht dann völlig auf dem Kopfe und die untere Fläche der Portio sieht 
direkt nach oben: Retroversio. Oder die vordere Vaginalwand ist nicht 
dehnbar genug, sie fesselt die Portio unten: dann entsteht eine sehr scharfe 
Abknickung in der Cervix: Retroflexio. 

Trotz der Raumbeschränkung hinten im Becken passieren die Kot- 
knollen, namentlich bei durch Abführmittel erhöhter Peristaltik und bei 
starkem Mitpressen der Schwangeren, das Rectum. Der weiche Uterus 
wird eingedrückt und breit gedrückt, er läßt den Kot, wenn auch unter 
Schwierigkeiten, vorbeipassieren. 

Aber die Dehnung und Auszerrung der vorderen Vaginalwand zerrt 
die Harnröhre lang und knickt sie in ihrem oberen Teile nach vom 
über die Symphyse. Auch drückt die Portio die Harnröhre gegen die 
Knochen der vorderen Beckenwand. Dann kann der Urin die Harn- 
röhre nicht passieren, es entsteht Urinstauung. Bei starkem Innendruck 
der Blase, begünstigt durch Anstrengung der Bauchpresse, ist zwar die 
Schwangere noch im stände, Urin auszupressen, aber nicht, die Blase völlig 
zu entleeren. Allmählich wird die Menge des residualen Harns größer, 
dadurch wächst allmählich die Kapazität der Blase. Schließlich wird 
bei Oberdehnung der Blase die Harnröhre noch mehr ausgezerrt und 
oben nach vorn abgeknickt, so daß sie völlig unwegsam wird. Nicht 
der Druck der Portio gegen die Harnröhre ist der erste Grund der 
Unwegsamkeit, sondern die Aus/errung und die Abknickung des oberen 
Teils nach vorn. 



f 



234 Vierzehntes Kapitel. 

So dehnt sich die Blase ganz allmählich enorm aus. Es gibt Fälle, 
wo die Blase zwei, ja drei Liter Urin enthielt Nicht immer empfindet 
die Schwangere dabei Harndrang, weil die Dehnung der Blase eine ganz 
allmähliche is(. Schließlich hat aber die Dehnung auch ihre Grenzen, 
und der Überdruck, der in der Blase entsteht, führt zum permanenten 
Ausfließen des Urins: es entsteht Harntrauteln. Obwohl also die 
Hauptsache die Retention des Urins und die Unwegsamkeit der Harn- 
röhre war, ist das in die Augen springende Symptom, wegen dessen die 
Hilfe des Arztes zuerst requiriert ist, das Harnträufeln, der unwiükür- 
liche Harnabfluß: Ischuria paradoxa. Die Kranke klagt über „Blasen- 
schwäche". Da Harnträufeln auch andere Ursachen haben kann, z. B. 
Tiefstand des Kopfes am Ende der Schwangerschaft und Prolapsus der 
vorderen Vaginalwand, so gibt es nachlässige Ärzte, die überhaupt nicht 
untersuchen und irgend einen Rat geben, irgend eine Medizin verordnen 
gegen Blasenschwäche. 

Unlersucht man, so ist die Blasendehnung durch die Perkussion, 
Palpation und interne Untersuchung sofort zu entdecken. 

In anderen Fällen tritt die Harnverhaltung plötzlich ein. Nachdem 
schon einige Tage das Urinlassen und die Defäcation erschwert war, 
preßt die Schwangere stark und plötzlich hört die Möglichkeit, die Blase 
zu entleeren, auf. Dann tritt beängstigender und quälender Harndrang 
plötzlich ein. 

Kommt eine solche Patientin zu einer Hebamme oder einem un- 
kundigen Arzte, so können durch falsche Maßregeln die schlimmsten 
Folgen entstehen. 

Die Hebamme hat gelernt, mit dem Metallkatheter in der normalen 
Richtung der Harnröhre zu katheterisieren. Selbstverständlich ist dies die 
Richtung, in der sie zunächst auch hier den Katheter einführt. Da aber 
die Harnröhre um die Symphyse herumgezogen und oft ganz erheblicli 
verlängert ist, gelingt es nicht, den Urin abzulassen. Bei den Versuchen 
entstehen Verletzungen und Schmerzen. Bei neuen Versuchen, die vohl 
meist nicht aseptisch gemacht werden, wird das infektiöse Wundsekrd 
höher geschoben. Gelingt es endlich beim Vorwärtsschieben des Katheters 
nach verschiedenen Richtungen zufällig in die Blase zu gelangen, w 
fließt der Urin ab. Aber da di« Retroflexio bleibt, so ist nach 24 Stunden 
die Blase wieder voll, Oder es werden falsche Wege gebohrt, so dsB 
starke Blutung eintritt. Wird von neuem katheterisiert, so wird das an 
der Außenfläche des Katheters anhaftende infektiöse Material nach oben 
in die Blase beffirdert. Es wird in die gedehnte Schleimhaut eingedrückt 
und bei der Kontraktion der Blase und Urethra in den Falten fest- 
gehalten. Nun besteht Hyperämie, Urinstauung und Bakterien- 




Cystitis bei Retroflexio uteri gravidi. 235 

Invasion. Die Kokken und Fäulnisbakterien wachsen, der Urin zersetzt 
sich. Je mehr er sich von neuem ansammelt, um so mehr Material zur 
Zersetzung ist vorhanden und um so schlechter ernährt wird die über- 
dehnte Blasenschleimhaut Sie wird durch die schlechte Ernährung und 
die Infektion nekrotisch, sie verfault Wird auch noch einigemal der 
immer trübere Urin durch Katheterismus entleert, so kann doch Besserung 
ohne Reposition des retroflektierten Uterus nicht eintreten. Die Folge 
ist nicht selten eine völlige Gangrän der Blasenschleimhaut Ob immer 
die Muskulatur der Blase ebenfalls nekrotisch wird, ist an der abgegangenen 
Membran selbst mikroskopisch nicht zu erkennen, da die Fäulnis die 
Untersuchung unmöglich macht Sammelt sich noch mehr Urin an, so 
gelangt er auch zwischen die abgelöste Schleimhaut und den Rest der 
Blasenmuskulatur. Der Peritonäalüberzug, in unmittelbare Nähe der 
Gangrän gerückt, entzündet und verdickt sich, dadurch eine demarkierende 
Grenze gegen die destruktiven Vorgänge in der Blase nach der Peritonäal- 
höhle zu bildend. Indessen gibt es auch Fälle, wo dieser Grenzwall 
nicht genügend fest ist, wo das Peritonäum sich entzündet, erweicht und 
durchbrochen wird, so daß der jauchige Urin in die Peritonäalhöhle 
fließt Dann tritt bald der Tod durch Sepsis ein. Die Blase platzt nicht 
eigentlich, sondern sie erweicht malakisch, so daß sich eine Kommuni- 
kation zwischen Blaseninnem und Peritonäalhöhle bildet 

Löst sich die nekrotische Blasenschleimhaut völlig ab, so liegt gleich- 
sam in der Blase eine zweite Blase. Die Orificia können sich gegenein- 
ander verschieben. Dann kann selbst beim Katheterisieren der Urin 
nicht entleert werden, weil der Katheter zwischen Blasenwand und die 
nekrotische abgelöste Schleimhaut gerät Unter sehr starkem Tenesmus 
schiebt sich mitunter die gangränöse Membran in das Orificium intemum 
der Harnröhre hinein, erscheint auch als schwarze Masse im Orificium 
extemum, kann aber doch die Harnröhre nicht passieren. Zieht man sie 
Instrumenten heraus, so stürzt der scheußlich stinkende, dunkle, dick- 
flüssige Urin nach. In günstigen Fällen spült der nachfließende Urin 
die große Jauchehöhle aus. Der Urin wird allmählich klarer und reiner. 
Fließt er auch zunächst durch die stark dilatierte Harnröhre, deren infil- 
trierter, zersprengter Sphinkter nicht fungiert, spontan ab, so wird doch 
allmählich die Blase weiter, die Harnröhre wird enger und völlige Heilung 
tritt nach Monaten ein. 

Die Diagnose auf retroflektierten graviden inkarzerierten Uterus 
ist leicht zu stellen. Bei der kombinierten Untersuchung, die bei dicken 
Bauchdecken und bei schmerzhafter Palpation in der Narkose auszuführen 
ist, fühlt man vorn die Portio, die allerdings auch manchmal so hoch 
steht, daß sie überhaupt nicht erreicht werden kann. Daß Schwangerschaft 



236 



Vierzehntes Kapitel. 



L 



besteht, ist meist schon nach den Angaben der Patientin klar, resp. aus 
den Zeichen der Schwan gerschafi erkannt. Harnträufeln, oder die An- 
gaben über Harnverhaltung, die Perkussion des Unterleibes lassen die 
Anfüllung der Blase mit Urin leicht erkennen. Dann wird zunächst 
katheterisiert. Man nimmt dazu am besten einen festen männlichen 
Katheter, da der weibliche zu kurz ist und auch nicht die notwendige 
Biegung besitzt, um nach vom über die Symphyse zu gelangen. 

Ist der Urin entleert, so versucht man den Uterus genau abzutasten. 
Beim Manne soll man bei Überdehnung der Blase nicht den ganzen 
Urin auf einmal ablassen, weil nach der nötigen Entleerung der starr- 
wandigen Blase leicht Flächenblutungen in die Blase wegen des Horror 
vacui entstehen. Bei der Frau ist dies nicht zu befürchten, da ja der ganze 
Vorgang mehr ein akuter und die Blasenwandung zunächst noch gesund 
ist. Ich habe eine solche Blasenblufung nach Katheterisation nur einmal 
erlebt. Die Patientin verblutete sich in die Blase, Bei der Sektion fand 
sich an dem Blasenvertex eine Netz Verwachsung, die die Blase hoch 
hielt und dadurch die Zusammenziehung unmöglich machte. 

Hat man nunmehr die Retroflexio uteri gravidi erkannt, so legt man 
die Patientin in Sims-Seitenlage oder in Knieellbogen läge und sucht mit 
zwei Fingern oder, wenn es die Weite der Genitalien gestattet, mit der 
halben Hand den Uterus nach oben zu schieben. Die Finger geben 
möglichst hinten an der Kreuzbeinaushöhlung entlang und komprimieren 
den Uterus in der Sagittalebene nach vorn. Meist schnappt der Uterus 
plötzlich über die linea innominata nach oben. Sind die Schmerzen er- 
heblich, so steht man von den Repositionsversuchen ab und legt einen 
Kolpeurynter in die Scheide. Dieser wird so stark, als es die Patientin 
verträgt, autgeblasen oder mit Wasser angefüllt. Mit diesem Kolpeur^Tiler 
bleibt die Patientin in Sims-Seiten läge im Bett. Fast regelmäßig ist nach 
ein bis zwei Stunden der Uterus erhoben und reponiert. Die Schwanger- 
schaft besteht trotz der starken Gewalt, die man doch ausüben muD, 
meist weiter. 

In dieser Weise gelingt fast stets die Reposition bei Retroflexio. Das 
Ablassen des Fruchtwassers, das Herabzerren der vorderen Vaginalwand mit 
Zangen, um die Portio zu erreichen, das kombinierte Verfahren; Dnid; 
hinten und Zug an der Portio ist unnötig, ebenso die Narkose. Der 
Kolpeurynter besorgt ungefährlich, unblutig und schmerzlos die Reposition, 

Blutet es aber schon vor der Reposition stark, war ein Schüttelfrost 
oder Fieber vorhanden, ist also die Frucht abgestorben, oder der Abort 
schon im Gange, vielleicht schon seit Tagen, so ist es das einfachste, zu 
narkotisieren, gleich in der Narkose zu reponieren, den Uterus aus- 
zuräumen, auszuspülen und mit Jodoformgaze leicht zu tamponieren. 




Retroversio uteri gravidi. 237 

l es schwer, die Portio bei reiner Retroversion zu erreichen, 
so erfaßt man in der Narkose möglichst hoch mit einer Muzeuxschen 
Zange die Scheidenwand. In ihr klettert man durch immer höheres Ein- 
setzen einer weiteren Muzeuxschen Zange allmählich immer höher, bis 
man die Portio erreicht. Nun setzt man die Zange in die hintere, sodann 
in die vordere Lippe und ^zieht stark nach abwärts, eventuell bei gleich- 
zeitigem Druck gegen den Fundus in der Kreuzbeinaushöhlung. Dann 
gelingt es stets, den retrovertierten, gleichsam auf den Kopf gestellten 
Uterus zu reponieren, die Portio so heranzuziehen, daß der Weg in 
die Höhle geradlinig ist, und sie zu entleeren. 

Eine Tamponade der Scheide, die vor allem die Portio nach hinten 
oben bringt, bewirkt dauernd richtige Lage des Uterus. Nach zwei bis 
drei Tagen wird die gesamte Gaze entfernt Man verordnet reichlich 
Seeale oder Ergotin, spült bei Fieber den Uterus, sonst nur die Scheide 
aus, sorgt für gute Entleerung des Darms und leitet so rationell die 
Nachbehandlung. Hört die Blutung ganz auf, so beginnt man später die 
Therapie der Retroflexio, sei es mit Pessarien, sei es durch Operation. 

Dafl es notwendig sein sollte, die Blase suprasymphysär, oder den 
Uterus vaginal oder sogar rektal zu pungieren, um den Uterus zu repo- 
nieren, ist zwar angegeben und beschrieben, ist zwar denkbar, erscheint 
mir aber doch schwer versländlich. Vielleicht handelte es sich um ge- 
schickte Beschönigung falscher Diagnosen. 

Ist es aber gelungen, den Uterus zu reponieren, ohne daß er blutet, 
hat man also die sichere Aussicht, die Schwangerschaft zu erhalten, so 
legt man einen weichen Gummiring von 7 — 8 cm Durchmesser in die 
Scheide, um das Wiedereintreten der Retroflexio zu vermeiden. Nach 
einigen Wochen, wenn die Hälfte der Schwangerschaft vorüber ist, ent- 
fernt man den Ring, weil jetzt der Uterus nicht mehr umfallen kann. 

Unter der Bezeichnung: partielle Retroflexio uteri gravidi hat 
man die seltenen Fälle beschrieben, bei denen in der zweiten Hälfte der 
Schwangerschaft, resp. bei der Geburt eine Aussackung der hinteren 
unteren Uterinwand gefunden wurde. Dabei bestehen äußerlich ganz 
normale Verhältnisse, innerlich aber liegt die Portio dicht an der Scham- 
fuge und dahinter fühlt man einen großen weiten Divertikel, in dem der 
jivorliegende Teil des Kindes sich befindet. In anderen Fällen war dieser 
IDivertikel leer. Oft verschwindet in der letzten Zeit der Schwanger- 
Ikchaft oder während der Wehen tätigkeit diese Anomalie und die Geburt 
jerfolgt spontan. 

|i Man lasse in der Schwangerschaft dauernd Seitenlage einnehmen 

und lege einen Kolpeurynter ein, der, stark aufgeblasen, die Reposition des 




J 



238 Vierzehntes Kapitel. 

im Divertikel liegenden Kindesteils besorgt. Bei der Geburt muß die 
Portio kräftig mit dem eingehakten Finger nach hinten gezogen werden. 
In einem Falle, der mir berichtet wurde, schnitt ein Arzt die Portio hinten 
durch, entwickelte das Kind durch diese Wunde, ohne danach zu nähen 
und zu tamponieren. Der Fall endete glücklich. 

Prolaps. 

In Fällen von totaler Inversion der Scheide mit Uterusprolaps 
ist kaum die Möglichkeit der Schwängerung gegeben, Wohl aber ist der 
Coitus und die Schwangerschaft in Fällen von unvollkommenem 
Prolaps, d. i. Senkung des Uterus, möglich. Der wachsende Uterus 
erhebt sich und liegt schließlich während der ganzen Schwangerschaft 
normal, so daß solche Frauen in der Schwangerschaft am wenigsten zu 
leiden haben. Auch die Geburt verläuft ungestört, erst im Wochenbette 
tritt die Senkung der Vaginalwände und des Uterus wieder ein. 

Es kommt aber vor, daß bei sehr starken körperlichen Anstrengungen, 
2. B. bei schwerer Feldarbeit, der 2-7-3 monatlich schwangere Uterus 
hervorgepreßt wird und nun nicht wieder zurückgleiten kann. Er inkar- 
zeriert sich beim unwillkürlichen Pressen in retroflektierter Stellung unter- 
halb des Promontorium, oder der subvulväre Teil des Gesamtvorfalles 
schwillt sehr stark an, sieht dunkelrot aus und wird bei der Berührung 
sehr schmerzhaft. Ist die ärztliche Hilfe nicht schnell bei der Hand, so 
kommt es bei der starken Stauungshyperämie im Uterus zur Zerreißung 
der Decidualgefäße und zum Abort; ja es sind schon Fälle berichtet, in 
denen der ganze Vorfall gangränös wurde. 

Sieht man den Fall bald nach dem plötzlichen Entstehen, so lagert 
man die Patientin mit stark erhöhtem Steiße, ölt die vorgefallenen Teile 
ein, drückt den Prolaps stark nach hinten und sucht ihn in das Becken — 
eventuell bei starker Empfindlichkeit in Narkose — zu reponieren. Dabei 
muß man aber genau darauf achten, daß auch das Corpus uteri richtig 
in Anteflexion kommt, und nicht etwa retroflektiert liegen bleibt 

Es ist mir in einigen Fällen die Reposition gelungen. Die Scheide 
wurde danach mit Jodoformgaze angefüllt, die Patientin dauernd auf die 
Seite i^elegt und die Schwangerschaft nahm einen glücklichen Verlauf. 
In anderen Fällen gelang es nicht den enorm angeschwollenen prola- 
bierten Teil zuriick;:uschieben. Dann wurde der Uterus durch Ablassen 
des Fruchtwassers verkleinert. Danach ist er so weich und schlaff, daß 
er sich Iciclu zurückschieben lä:>t. Sowohl in diesen Fällen, als auch 
dann» wenn die Blutung an/eii^i. daii der Abort im Gange ist, verzichte 
num /unvlchi darauf, den L'terus sofort auszunmmen. wenn der Fall noch 



Prolaps der schwangeren Gebärmutter. 239 

aseptisch ist Vielmehr tamponiere man fest und gebe Seeale. Der Abort 
verläuft dann besser und mit geringerem Blutverlust spontan, als wenn 
man bei noch festsitzendem Ei mit Finger, Curette oder Abortzange 
eingreift Daß bei Fieber und Fäulnis des Eies selbstverständlich sofort 
der Uterus ausgeräumt werden muß, ist selbstverständlich. 

Streng von Prolaps zu trennen sind die Fälle von Cervixhyper- 
trophie. Bei der Seltenheit dieser Fälle habe ich eine bestimmte Ätio- 
logie nicht gefunden. Höchstwahrscheinlich bestand stets angeboren ein 
sog. Col tapiroid. Dabei erblickt man in der Vulva, auch 3—4 cm vor 
der Vulva die Portio wie einen Penis hervorragen. Meist ist die Portio 
blaurot, mit Erosionen und Schleim oder Eiter bedeckt Es kann sich 
auch um reines Ödem handeln, so daß später bei der Geburt ein Hinder- 
nis nicht existiert und sich die Hypertrophie vollständig zurückbildet 
Jedenfalls hat man, wenn das kindliche Leben gerettet werden soll, mehr 
Chancen beim Abwarten, als beim Amputieren. Ich habe sowohl mit 
dem Messer, als mit der galvanokaustischen Schlinge, auch mit dem 
Paquelin solche rüsselförmige Scheidenteile abgetragen. Immer kam es 
zum Abort, während beim Abwarten die Geburt erst am rechten Termin 
eintrat und günstig verlief. Deshalb rate ich, mit Kompressen in Lösung von 
essigsaurer Tonerde oder ähnlichen leichten Desinfizientien getränkt, die 
Portio einzuhüllen, abzuwarten und die dauernde Bettlage anzuordnen. 
Ist dies nicht möglich, weil die Patientin die volle Arbeitsfähigkeit sofort 
verlangt, muß man also die Amputation vornehmen, so mache man auf 
die hohe Wahrscheinlichkeit des Abortes aufmerksam. 

Ungünstiger liegen die Fälle, wo nicht der Scheidenteil allein, sondern 
auch der supravaginale Teil hypertrophiert war und dauernd jahrelang 
vor der Vulva lag. Dann ist die Portio und der benachbarte, invertierte 
Scheidenteil hart, lederartig und nimmt an der Schwangerschaftsauf- 
lockerung nicht teil. Beim Touchieren erscheint die Vagina gleichsam 
ausgefüllt vom Prolaps. Kommt es zur Geburt, so dehnt sich die Cervix 
nicht, sondern wird durch den vorliegenden Kindesteil herab bis vor die 
Vulva mit geschlossenem oder wenig erweitertem Muttermunde herab- 
getrieben. Oft ist die Cervix röhrenförmig, lang und am Ende derselben 
erreicht man den Kindesteil. Oder die Härte ist mehr eine zirkuläre, 
so daß zwar der Kindesteil unmittelbar hinter dem Muttermunde liegt, 
dieser aber ganz unnachgiebig bleibt Liegt z. B. der Fuß vor, was in' 
diesen Fällen häufig ist, so zieht man mit dem Fuße den rigiden Mutter- 
mund bis vor die äußeren Genitalien herab, ohne daß er sich bei der 
gewöhnlichen Kraftanstrengung der Extraktion erweitert. 

Man muß dann mit dem Messer inzidieren, um die notwendige Er- 






240 Vierzehntes Kapitel. 

Weiterung zu ermöglichen. Vorteilhaft ist, daß die Inzision bei sfarkeni 
Anziehen der liindJichen Extremität, oder bei dem mit der Zange herab- 
gezogenen Kindskopfe unter Leitung des Auges vor der Vulva gemacht 
wird. Man sieht dabei sofort, wo die Arterien spritzen. Die Schnitte 
reißen meist wegen der Härte der Portio nicht weiter. Man extrahiert 
schnell das Kind, zieht mit zwei Muzeuxschen Zangen die hintere und 
vordere Muttermundslippe stark herab, entfernt gleich die Placenta manuell 
und näht nun vor der Vulva unter guter Kontrolle mit dem Auge die 
stark blutenden Risse zusammen. Die Muzeuxschen Zangen ziehen nach 
der dem Risse entgegengesetzten Seite, so daß man die Wunde gut sieht, 
die Wundränder gut adaptieren und vereinigen kann. Dann wird das- 
selbe auf der anderen Seite gemacht Die Fäden bleiben ungekürzt, 
damit, wenn es etwa weiter blutet, mit diesen Zügeln die blutende 
Stelle sofort wieder herabgezogen werden kann. 

Seltene Fälle von Verlagerung des Uterus in angeborenen Hernien 
sind in der Literatur beschrieben. Meist kamen diese Fälle schon in der 
Schwangerschaft zur Beobachtung, da der Raum im Bruchsacke zu beschränkt 
ist und deshalb Stauung, große Schmerzen und Blutungen entstehen. 

Ist es nicht möglich, den Uterus durch die Bruchpforte zurück- 
zupressen, auch dann nicht, wenn die Punktion das Fruchtwasser entfernt 
hat, so muß der Bruchsack eröffnet und am besten der Uterus exstirpiert 
werden. Theoretisch könnte man auch Erweiterung der Bruchpforte, 
Reposition des Uterus und festen Schluß der Bruchpforte empfehlen. 

In der erworbenen Hernie in einer Laparotomiewunde kann eben- 
falls der schwangere Uterus liegen. So fühlte ich einmal bei einer 
Schwangerschaft nach Kaiserschnitt den Uterus gleichsam außerhalb des 
Bauches. Er war nur von der düatierten Narbe bedeckt, die so dünn 
war, daß man die den Uterus überziehenden großen Venen durch diese 
glasige Membran hindurch sah. Die Pforte war groß genug, daß un- 
gefähr ein Kindskopf hin durchpassieren konnte. Da es aber nicht gelang, 
den ganzen hochschwangeren Uterus in den Bauch zurückzuschieben, 
wurde, sobald das Kind lebensfähig war, die Sectio caesarea gemacht und 
danach der Spalt zwischen den Rectis geschlossen. Meist findet man in diesen 
Fällen starke Netz- und Darmverwachsungen am Rande der Bruchpforte. 

Ähnliche schwierige Verhältnisse lagen in den Fällen vor, wo nach 
Vaginafixation die vordere Wand des Uterus in zu großer Ausdehnung 
und Festigkeit mit der Vagina verwachsen war. Dann steht die Portio 
hoch hinten oben. Die Wehen sind nicht im stände, das Kind in den 
Gebärkanal hineinzutreiben, und somit besteht Gebäruntnöglichkeit Da 




Myome als Komplikation der Schwangerschaft üiiii Qeburl. 241 

in diesen Fällen die Blase nicht zwischen Vaginalwand und Uterus liegt, 
so spaltet man die vordere, eventuell auch die hintere Lippe und Uterus- 
wand in der Mitte, um mit der Hand in den Uterus einzudringen, ein 
Bein zu ergreifen und an ihm die Extraktion zu machen. 

Stellt sich die Unmöglichkeit heraus, auf diese Weise zum Ziele zu 
kommen, so bleibt der Kaiserschnitt übrig, der mit gutem oder schlechtem 
Erfolge mehrfach gemacht werden mußte. 



Tumoren des Uterus. 

Myome. 

Daß das Myom des Uterus Sterilität bedingt, ist leider nicht der 
Fall. Richtiger ist wohl, daß der Uterus steriler Frauen häufiger myo- 
matös erkrankt. Andererseits wird die Komplikation von Myomen^mit 
Schwangerschaft oft beobachtet. In diesen Fällen kann man z. B. bei der 
Exstirpation meist feststellen, daß die Uterushöhle durch die Myome 
nicht wesentlich in ihrer Form verändert wurde. Hängen auch rechts 
und Hnks subperitonäale Myome von erheblicher Größe am Uterus, ist 
vielleicht auch die Uteruswand von vielen Knollen durchsetzt, so fehlen 
doch die submukösen und vor allem die polypösen Myome, 

Wird eine Frau mit Myomen schwanger, so wachsen die Myome 
öfter sehr schnell. Kleine subperitonäale Knollen aber können auch in 
ihrer Größe völlig gleich bleiben und selbst absterben. Die Knollen 
treten nur über die Oberfläche mehr hervor und sinken nach der Geburt 
wieder mehr ein. Mit dem Erheben des Uterus bei Andauer der 
Schwangerschaft gelangen die Myome ebenfalls in höhere Gegenden der 
Abdominalhöhle, werden dadurch besser abtastbar, machen auch Be- 
schwerden, die früher fehlten. So kann ein im Fundus sitzendes Myom 
gegen den Magen drücken, die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen und 
zu Erbrechen führen. Beobachtet man bei Myomen ein auffallend schnelles 
Wachstum und eine starke Zunahme der Beschwerden, so soll man stets 
an Schwangerschaft oder an Absterben eines Myoms denken. 

Liegen die Myome so, daß der Uterus in seinem Wachstum nicht 
behindert ist, so verläuft die Schwangerschaft normal. Nur in den seltenen 
Fällen, wo der Uterus mit einem oder mehreren submucösen Myomen 
gravid wird, kann das Myom als solches den Abort bedingen. Aber das 
ist sehr selten. Meist verläuft auch dann die Schwangerschaft ungestört, 
jedenfalls ist es falsch, Myome als ätiologisches Moment für den Abort 
anzusehen. Ein Myom kann aber, ungünstig liegend, das Wachstum des 
Kindes behindern. Ich habe mit Glück aus der vorderen Wand eines 

16 




242 Vierzehntes Kapitel. 

graviden Uterus ein großes Myom enukleiert, das den Uterus retroflektierte, 
so daß der Symptomenkomplex des inkarzerierten retroflektierten Uterus 
entstand. Nach der Operation lag der Uterus normal und die Schwanger- 
schaft verlief günstig. In anderen Fällen treten dadurch beängstigende 
Symptome ein, daß der Inhalt des Bauches zu groß wird. 

Das Kind, in einer unregelmäßigen, zu engen Höhle liegend, zeigt 
nicht selten Druckatrophien. So sah ich ein Kind, dessen untere Extremi- 
täten wie beim Foetus papyraceus plattgedrückt und atrophisch waren. 
Aus einem myomatösen Uterus extrahierte ich ein Kind, dessen Schädel 
völlig mißgestaltet und schiefgedrückt war. 

Bleibt der Qeburtskanal frei, liegen also die Myome allein in oder 
am oberen Teil des Uterus, so sind die Wehen kräftig. Daß etwa die 
dem Myom gegenüberliegende Wand des Uterus atrophisch würde, habe 
ich niemals gesehen. Noch weniger wird der Uterus neben dem Myom 
atrophisch. Im Gegenteil ist die Uterusmuskulatur eher zu dick als zu 
dünn, die Wehentätigkeit ist deshalb eine völlig normale, ja oft eine 
enorm starke. 

Nach Ausstoßung des Kindes besteht mitunter eine Schwierigkeit 
für den Austritt der Placenta. Sie löst sich schlecht, weil die Höhle 
unregelmäßig ist, sie kann auch auf nicht normaler Schleimhaut, z. B. 
auf dem Myom, selbst inseriert und festgewachsen sein. Oder nach Aus- 
stoßung des Kindes liegt das Myom so unglücklich, daß die Hand keinen 
Raum findet, um die Placenta zu entfernen, namentlich dann nicht, wenn 
Nachwehen den Uterus schnell verkleinerten. Ist dann die Placenta ver- 
jaucht, so liegt der Fall außerordentlich unglücklich. Man muß den 
Uterus bei Sepsis exstirpieren. Man versucht diesen letzten Weg der 
Rettung, wohl stets ohne Erfolg. 

Nach der Entleerung des Uterus treiben mitunter die Wehen das 
Myom in die Uterushöhle hinein. Die hypertrophierte Muskulatur der 
Nachbarschaft • bestrebt sich gleichsam unter enormer Anstrengung, das 
Myom los zu werden. Das Myom ist dann dicht über dem inneren 
Muttermunde zu fühlen. 

Man hat das sich einstellende Myom für einen zweiten Kindskopf 
gehalten, die Zange angelegt und das Myom allein oder samt dem Uterus 
herausgerissen; oder auch umgekehrt den invertierten Uterus für ein 
Myom genommen und in der Absicht, den »Polypen zu entfernen«, den 
Uterus herausgezerrt. 

Ist das Myom in derCervix entwickelt, so liegt es unterhalb des Kindes. 
Schon in der Schwangerschaft drückt der wachsende Uterus das Myom 
in das Becken, namentlich wenn bei einer älteren Primipara die 



Myome. 243 

Bauchdecken straff sind. Dann ist die Beckenhöhle oder der Becken- 
Eingang völlig vom Myom ausgefüllt und es besteht Gebärunmöglichkeit 
Man findet entweder den Muttermund, der sich trotz kräftigster Wehen 
nicht erweitert, hoch oben dicht hinter und über der Symphyse, oder, 
wenn das Myom, was seltener ist, in der vorderen Wand sich befindet, 
hoch hinten, fast unerreichbar am oder über dem Promontorium. 

Ist das Fruchtwasser abgeflossen, und fehlt der Druck eines Kinds- 
teiles, so wird der Muttermund wieder eng, allmählich erlahmt die Wehen- 
lätigkeit und macht einer dauernden Kontraktion des Uterus Platz. Wird 
nicht eingegriffen, aber viel touchiert, resp. infiziert, so tritt Fieber ein: 
der Anfang der gefährlichsten Sepsis. 

Es ist erstaunlich, was selbst in diesen unglücklichen Fällen mitunter 
die Wehentätigkeit leistet. Das abgestorbene, erweichte Kind wird nach 
lagelanger Wehentätigkeit doch noch ausgestoßen. Durch Kompression 
des erweichten Myoms und des erweichten Kindes wird der nötige Raum 
geschaffen. Nach der Geburt aber gleitet das Myom wieder herab und 
es kann selbst sofort nach der Geburt das Eindringen mit der Hand, um 
die Placenta zu entfernen, unmöglich sein. Fiebert die Entbundene 
schon, muß man nun gewaltsam eindringen, macht man dabei unver- 
meidbare Verletzungen, so wird die Prognose außerordentlich ungünstig. 
Beim Nichtstun erliegt die Entbundene der Infektion und bei großen 
Operationen an der Infizierten ist kaum Rettung möglich. 

Eigentümlich ist, daß Myome, die auf der Grenze des Corpus und 
der Cervix im Parenchym liegen, oft bei der Wehentätigkeit langsam nach 
oben steigen. Wie der Kontraktionsring beim engen Becken allmählich 
höher und höher steigt und sich das untere Uterinsegment verdünnt, so 
gleitet das im oder dicht am Kontraktionsring liegende Myom nach oben. 
Der Qeburtskarial wird allmählich frei, das Kind rückt der Mitte zu und 
die Geburt erfolgt. Später liegt wieder das Myom tiefer. Nach dem 
späteren Befunde kann man es sich oft kaum vorstellen, daß ein Kind 
den Weg passieren konnte. 

Der Arzt wird kein festes Programm für die Behandlung aufstellen 
können. Es ist oft überaus schwierig, trotz aller sachverständiger Über- 
legung das Richtige zu treffen. Man soll keinen Arzt verurteilen, der 
Unglück in solchen Fällen hat. Schließlich entscheidet der Erfolg, der 
ja auch bei gewiss falschen Entschlüssen manchmal zufällig eintrifft. 

Die Therapie ist für die Fälle abzuhandeln, die man in der 
Schwangerschaft sieht, und solche, zu denen man erst bei Geburts- 
störungen gerufen wird. 

16* 



244 Vierzehntes Kapitel. 

Entschieden zu verwerfen ist der Rat, unter allen Umständen einen 
myomatösen graviden Uterus sofort zu exstirpieren oder zu entleeren. 
Ein Eingriff ist nur dann zu empfehlen, wenn ganz sicher das Myom 
so liegt, daß es wachsend zu Oebärunmöglichkeit zweifellos führt Dann 
wiederum kann man schwanken zwischen Unterbrechung der Schwanger- 
schaft und Totalexstirpation und späterem Kaiserschnitt. Die Schwangere 
selbst wird bei der , Wahl des Eingriffes mitzureden haben. 

Die Unterbrechung der Schwangerschaft ist ein sehr unsicheres 
Verfahren. Ich habe es früher oft gemacht, dabei aber durchaus nicht 
gute Erfolge gehabt. In einigen Fällen war es enorm schwierig, aus der 
mißgestalteten Höhle die Frucht und vor allem die Placenta zu ent- 
fernen. Der Ungeschickte wird leicht die Uteruswand verletzen können, 
da er ja den Raum der Höhle nicht kennt. Die Ausstoßung des Fötus 
kann so lange dauern, daß Fieber eintritt, dann verjauchen die Myome, 
so daß eine Totalexstirpation oder vaginale Enukleation mit unberechen- 
barem Ausgange bei schon vorhandener Sepsis nötig wird. 

Gelingt es auch, den Fall zunächst aseptisch zu erhalten, so treten 
oft tagelang dauernde, kolikartig^ Wehen ein: die Bestrebungen des 
Uterus, die Myome auszustoßen. Durch diese Wehen wird den Myomen 
das Ernährungsmaterial abgeschnitten oder wenigstens verkürzt. Noch in 
der zweiten Woche wird das Myom nekrobiotisch und nekrotisch, so daß 
selbst bei anfänglich günstigem Verlaufe noch später Sepsis, Peritonitis u.s.w. 
eintreten kann. Ich lehne deshalb die künstliche Unterbrechung 
der Gravidität bei Myom jetzt ab. 

In Fällen, wo ein solitäres Myom subperitonäal am Uterus liegt, ist 
schon wiederholt das Myom enukleiert. Ich habe in mehreren Fällen faust- 
große und größere Myome ausgeschält, das Bett vernäht und die Freude 
gehabt, daß die Schwangerschaft ausgetragen, ja daß später wieder in 
normaler Weise ein Kind geboren wurde. 

Sieht man aber dabei, daß der Uterus von vielen Myomen durch- 
setzt ist, so daß man eventuell doch später eine Myomotomie machen 
müßte, so ist es gewiß richtiger, gleich die supravaginale Uterusampu- 
tation, oder, wenn das Myom bis in die Cervix reicht, die abdominale 
Totalexstirpation zu machen. Dies ist auch dann zu raten, wenn der 
Tumor kindskopfgroß oder noch größer ist und namentlich, wenn er 
nicht ganz subperitonäal, sondern tief im Parenchym liegt. Man kommt 
dann dem Endometrium mit der Naht zu nahe, unterbindet viele Gefäße^ 
eventuell in der Nähe der Placenta. Dann kommt es sicher zur Geburt, 
wodurch die Chancen sehr schlecht werden. Es ist bei größeren inter- 
stitiellen Myomen im Interesse des Lebens der Mutter vorzuziehen, den 
ganzen Uterus zu entfernen. 



Myome als Geburtshindernis. 245 

Ein ferneres Verfahren ist die Laparotomie und Abtragung des 
Uterus, sei es, daß die Frau in den ersten oder späteren Schwanger- 
schaftsmonaten sich befindet. Ich habe dies nicht selten auf Wunsch 
der Patientin mit Glück ausgeführt, namentlich wenn das schnelle Wachs- 
tum des Myoms erhebliche Beschwerden machte. So sah ich einen Fall, 
wo das Myom gerade im Fundus saß und direkt gegen den Magen 
wuchs. 

Richtiger ist es selbstverständlich, wenn die Beschwerden nicht zu 
groß sind, abzuwarten und am Ende der Schwangerschaft einige Tage 
vor dem Geburtsbeginn die Porrosche Operation zu machen, das Kind 
zu entwickeln und den Uterus zu entfernen. Man rettet dann das Kind 
und hat auch ziemlich sichere Aussicht, das Leben der Mutter zu 
erhalten. 

Auch die vaginale Totalexstirpation in früher Zeit der Schwanger- 
schaft habe ich ausgeführt Ebenso die Entfernung des Ovulums nach 
Spaltung der vorderen Vaginalwand mit nachfolgender Enukleation eines 
Myoms. 

Das richtigste ist zweifellos der Kaiserschnitt am Ende der 
Schwangerschaft. 

Kommt man zur Geburt, so ist das Handeln davon abhängig zu 
machen, ob das Kind lebt oder nicht, und ob Fieber besteht. 

Ist das Kind abgestorben, ist so viel Raum vorhanden, daß man mit 
der Perforation auszukommen hofft, so wird das Kind bei vorliegendem 
Kopfe nach der Perforation mit dem Cranioclast oder nach der Wendung 
am Fuße extrahiert. 

Ob der Raum genügt, ist hier nicht durch Messung festzustellen. 
Man muß mit der Hand in den Uterus einpassieren können. Genügt 
für die Hand der Raum nicht, so kann man auch das Kind nicht extra- 
hieren und die Placenta nicht entfernen. Bei myomatösem Uterus darf 
man nicht darauf rechnen, den Crede erfolgreich anzuwenden, sondern 
muß mit der Hand eindringen können, um die manuelle Placentarlösung 
vorzunehmen. 

Bei engem Räume, der die Hand nicht eindringen läßt, ist unbedingt 
die Laparatomie notwendig. Man exstirpiert dann den geschlosse- 
nen Uterus mit dem toten Kinde, wie ein Myom. Es ist sicher 
vorteilhaft, den Uterus geschlossen zu lassen, um jedes Ausfließen 
eventuell infektiöser Massen aus dem Uterus in die Bauchhöhle zu ver- 
meiden. Ist die Vagina reichlichst ausgespült, umstopft man vor Ampu- 
tation oder der Eröffnung der Vagina bei der Totalexstirpation die 



246 Vierzehntes Kapitel. 

Operationsgegend gut mit Servietten, so hat man selbst bei zersetztem 
Uterusinhalt gute Chancen, wie ich mehrfach erfahren habe. 

Jedenfalls giebt dies Verfahren eine bessere Prognose, als eine ge- 
waltsame Extraktion bei zu engem Räume per vias naturales. Leicht ent- 
steht dabei eine Wunde, die bis an das Myom reicht. Und gelangen 
Infektionskeime an oder in das Myom, so wird es nekrotisch und ver- 
jaucht trotz reichlichster Spülung mit Desinfizientien. Dann aber ist der 
Ausgang unberechenbar. 

Lebt das Kind, so wartet man etwas den Erfolg der Wehentätigkeit 
ab, um zu beobachten, wie bei den Wehen Myom und Kind sich zu 
einander verhalten. Sieht man, daß bei der Wehe das Myom nicht nach 
oben weicht, sondern im Gegenteil die Verhältnisse immer ungünstiger 
werden, besteht also Gebärunmöglichkeit, so macht man so schnell wie 
möglich, ehe die Temperatur sich erhöht, den Kaiserschnitt Er ist tat- 
sächlich ungefährlicher bei einer aseptischen Kreißenden, als eine forcierte 
Zange, Cranioclasie oder Wendung, wobei die Quetschungen sehr ver- 
hängnisvolle Wunden erzeugen. Beim Kaiserschnitt überzeugt man sich 
von den Verhältnissen. Bei vielen Myomen wird der Uterus exstirpiert^ 
bei einem, das günstig liegt, und bei zweifelloser Asepsis des Falles wird 
das Myom mit Erhaltung des Uterus enukleiert. 

Sollte aber die Kreißende schon septisch sein, d. h. besteht das 
Fieber z. B. schon tagelang, wird eine Unentbundene mit schnellem Pulse, 
benommenem Sensorium, verjauchtem Kinde in die Klinik eingeliefert^ 
so ist nur von der Totalexstirpation Rettung des Lebens zu erhoffen. 
Ich habe in solchen Fällen mit dem Uteruskatheter erst den Uterus 
reichlich ausgewaschen und den hochschwangeren Uterus mit dem in. 
situ belassenen, verfaulten Kinde total exstirpiert. 

Der Erfolg hängt dann nicht von der Geschicklichkeit des Opera- 
teurs, sondern davon ab, wie weit die Infektion vorgeschritten ist Findet 
man die Ligamenta lata und das retroperitonäale Bindegewebe schon 
ödematös gequollen, sieht man schon verklebte, dunkelgefärbte Darm- 
schlingen und Eiterflocken im Peritonäalraume, so ist der Fall trotz 
aller Sorgfalt und Schnelligkeit im Operieren verloren. Die Operation 
war dann der letzte Versuch, das Leben zu retten. Der schlechte Erfolg 
fällt nicht dem Operateur zur Last 

Schon mehrfach eru'ähnte ich das Absterben der Myome im 
Puerperium, das man leider durch die strengste Antisepsis nicht immer 
verhindern kann. Das im puerperalen Uterus beschränkte Ernährungs- 
material reicht für das in der Schwangerschaft schnell gewachsene Uterus- 
myom nicht aus, es stirbt ab. Vielleicht auch deshalb, weil die muskulöse 



Komplikation der Schwangerschaft mit Carcinom. 247 

Kapsel sich bei den Nachwehen sehr fest zusammenzieht Wenn das 
Myom auch zunächst nicht verjaucht, so reagiert doch der Uterus durch 
eine sehr starke, tagelang andauernde, die Wöchnerin erschöpfende 
Wehentätigkeit auf den Fremdkörper. Das Myom wird dadurch sub- 
mukös und kann nun in die Höhe der mit Lochien erfüllten, keimhaltigen 
Uterushöhle kommen, infiziert werden und verjauchen. Ja ich habe auch 
ein Verjauchen beobachtet und das verjauchte Myom per laparotomiam 
entfernt, obwohl zwischen ihm und der Uterushöhle eine zweifingerdicke 
Schicht völlig normalen Uterusgewebes lag und in den ersten 14 Tagen 
post partum Fieber fehlte. 

Zum Schlüsse bemerke ich noch, daß die alte Ansicht, ein Myom 
könnte im Puerperium verschwinden, wohl auf falscher Beobachtung 
beruht Manche Myome wachsen in der Schwangerschaft bis zu Kinds- 
kopfgröße, um später wieder sehr abzuschwellen. Das in der Schwanger- 
schaft unter dem Peritonaeum aus dem Parenchym herausgedrückte 
iMyom zieht sich gleichsam wieder zurück und ist schwer zu fühlen. 
Aber daß ein Myom völlig verschwindet, habe ich niemals konstatiert 

Carcinom des Uterus. 

Da das Carcinom der Portio auch im jugendlichen Alter, am 
meisten in den Jahren von 40—50, vorkommt, in einer Zeit, wo die Frau 
noch konzeptionsfähig ist, so sind Komplikationen von Carcinom mit 
Schwangerschaft und Geburt nicht selten. 

Man hat sich ofi darüber gewundert, daß bei ganz kolossalen carci- 
nomatösen Formveränderungen der Portio Schwangerschaft noch eintrat 
Dabei darf man nicht vergessen, daß der Blutreichtum in der Schwanger- 
schaft das Wachstum des Carcinoms außerordentlich begünstigt. Wir 
wissen, daß Carcinome im Greisenalter langsam, im jugendlichen Alter 
schneller, in der Schwangerschaft am schnellsten wachsen, es ist also 
möglich, daß erst in der Schwangerschaft der Tumor eine erhebliche 
Größe erreichte. 

Man kann drei Formen des Carcinoms in der Schwangerschaft 
unterscheiden: das Blumenkohlgewächs, das Ulcus rodens und das 
knollige Carcinom mit regionären Metastasen. 

Alle Formen gehen ineinander über. Das Blumenkohlgewächs 
geht von einer Lippe aus, bildet einen großen weichen Tumor, der die 
Scheide manchmal so völlig ausfüllt, daß das Touchieren unmöglich ist 
und ein Geburtshindernis entsteht Ehe wir Carcinome . operierten, habe 
ich einige solche Fälle gesehen, wo beim Fortgange der Geburt ein 
großer weicher Tumor vom Kopfe zerquetscht und zertrümmert, nach 



248 Vierzehntes Kapitel. 

der Geburt verjauchte und Puerperalfieber veranlaßte. Meist ist eine 
Lippe, scharfrandig dem Tumor anliegend, noch in ihrer Form erhalten. 
Der Tumor sitzt mitunter polypös an der Lippe. 

In diesen Fällen besteht in der Schwangerschaft, die bis zum Ende 
verläuft, fortwährender starker serös-blutiger Ausfluß. Auch heftige 
Blutungen treten ein, z. B. beim Coitus oder bei hartem Stuhlgang oder 
bei Anstrengungen. Oft gelangen auch Bakterien an das Carcinom, das 
dann im Speculum mißfarbig, wie ein diphtheritisches Geschwür aus- 
sieht. Dabei nimmt der Ausfluß Übeln Geruch an. 

Wenn das Carcinom mehr den Charakter des Ulcus rodens hat, 
so tritt mehr der Substanzverlust, als die Anbildung von Tumormassen 
in den Vordergrund. Das Carcinom ergreift die ganze Portio und es 
entsteht bis zum inneren Muttermunde ein Trichter, dessen Nachbarschaft 
hart infiltriert ist. 

Der schützende Schleimpfropf ist zunächst noch vorhanden. Auch 
hier geht Blut und blutiger Ausfluß reichlich und permanent ab. Doch 
kann Jauchung völlig fehlen, so daß der Ausfluß nur blutig, schleimig, 
serös ist. Er allein beweist nichts, auch bei Schleimpolypen kann er 
massenhaft sein. Die Portio wird sehr hart und büßt auch dadurch, 
daß sich per appositionem Carcinomknollen in der Nachbarschaft bilden, 
die Dehnbarkeit ein. Der Cervicalkanal wird in seinem unteren Teile 
durch oberflächlichen Substanz Verlust weit und trichterförmig. Dadurch 
verliert der schützende Schleimpfropf schließlich seinen Halt. Fäulnis 
zerstört ihn und schreitet nach oben fort. In mehreren Fällen wollte 
ich, früher, als man an vorgeschrittene Carcinome noch nicht operativ 
herantrat, die Zeit für einen erfolgreichen Kaiserschnitt abwarten, um 
wenigstens das Kind zu retten. Meistens aber trat doch vorzeitig die 
Geburt ein, weil der untere Eipol ungeschützt lag, die Eihäute anfaulten 
und das Fruchtwasser ebenfalls sich zersetzte. Die Geburt ist sehr leicht, 
da die Portio kein Hindernis bildet und das Kind noch klein ist 

In anderen Fällen aber besteht im unteren Uterinsegment ein abso- 
lutes Geburtshindernis, entweder dadurch, daß ein bindegewebereiches 
«fibröses Carcinom« der Portio die Dehnbarkeit geraubt hat, oder da- 
durch, daß massenhafte Carcinomknollen den Zwischenraum zwischen 
Portio und Becken völlig ausfüllen. 

Im ersten Falle wurde beobachtet, daß die Wehen bald erlahmten, 
das Kind starb und nun zunächst im Uterus nekrobiotisch liegen blieb. 

Bei starker Anbildung von Knollen, die sich nicht zusammendrücken 
lassen, vermag die Wehentätigkeit nicht Raum zu schaffen. Schon bei 
alten Autoren findet man die Ansicht, daß in solchen Fällen eine glatte 



Carcinom. 



249 



Kaiserschnittwunde prognostisch günstiger sei, als die massenhaften 
Quetschwunden bei der gewaltsamen Entbindung per vias naturales. 

Die Diagnose ist leicht. Die Anamnese ergibt den fortwährenden 
stärkeren oder schwächeren Blutabgang, der manchmal mehr wässerig 
ist, manchmal rein blutig. Bei der Untersuchung fühlt man das un- 
regelmäßige, höckrige, erweichte, hier und da eiridrückbare, ab- 
bröckelnde, zerreißliche, stark blutende Carcinom. Nur zwei Zustände 
kommen bei der Diagnose in Betracht: eine durch frühere gewaltsame 
Entbindung ganz unregelmäßige Portio mit Substanzverlust oder Narben- 
bildung und spitze Condylome. Man findet mitunter Fälle, bei denen 
ein Teil der Portio abgerissen oder durch Gangrän nach einer schweren 
Zange oder Kephalothrypsie verloren gegangen ist. Erweitert sich ein 
Teil der Portio, so kann die Unregelmäßigkeit, das Atypische in der 
Form, die stark sezernierenden Erosionen, die bei der Berührung mit 
dem Finger leicht blutenden Granulationen den Verdacht an Carcinom 
entstehen lassen. Indessen fehlt das Luxuriierende des Carcinoms, die 
Neubildung. Es ist alles, was man fühlt, gleich hart Es fehlt etwas, aber 
Tumorenbildung ist nicht zu fühlen. Weiche Massen sind nicht mit dem 
Finger abzudrücken. Ist man im Zweifel, so wird die Untersuchung im 
Speculum Aufschluß bringen. Man findet nicht Stellen, in die man die 
Sonde wie in eine weiche Kartoffel eindrücken kann, es ist nicht möglich, 
bröckelige Massen abzukratzen oder abzudrücken. Bei der Erosion, 
Eversion oder der zerrissenen Portio besteht überall die gleiche Konsistenz, 
man erzeugt wohl Blutung, aber weichere Stellen fehlen. Ich habe stets 
die Diagnose ohne Exzision, bezw. mikroskopische Untersuchung stellen 
können. 

Spitze Condylome finden sich bei Schwangeren in der Scheide, 
auch auf der Portio. Aber schon der Umstand, daß mehrere Exkreszenzen 
unten und oben in der Vagina vorhanden sind, daß sie gleichmäßig weich 
sind, daß sie nicht abbröckeln, sondern dem Finger ausweichen, daß sie 
dünn gestielt aufsitzen, daß es sich meist um Erstgeschwängerte und sehr 
junge Personen handelt und daß die Portio, abgesehen von dem an- 
hängenden, pendelnden Tumor, eine völlig physiologische Form zeigt, 
läßt den Verdacht auf Carcinom sofort verschwinden. 

Es kommen auch Schleimpolypen vor, die flottierend aus der 
Portio heraushängen und starken wässerigen Ausfluß machen. Sie sind 
eher zu sehen, als zu fühlen. Ich habe wiederholt beobachtet, daß solche 
weiche Polypen nach der Geburt verschwunden waren, sei es, daß sie 
vom Kinde abgequetscht oder daß sie atrophisch im Wochenbette zu 
Grunde gegangen waren. 



250 Vierzehntes Kapitel. 

Für die Behandlung kann man heute das einfache Gesetz auf- 
stellen, daß man prinzipiell in dem Moment, wo man das Carcinom ent- 
deckt, sofort eingreift. Über die Richtigkeit dieses Beschlusses kann 
heutzutage gar kein Zweifel sein. Selbstverständlich wird das spezielle 
Verfahren von der Form des Carcinoms und der Zeit der Schwanger- 
schaft abhängen. 

In früher Zeit der Schwangerschaft bis zu drei Monaten wird man 
den schwangeren Uterus einfach vaginal in toto exstirpieren, wie man 
einen carcinomatösen großen Uterus exstirpiert 

Von der Hälfte der Schwangerschaft an wird man in einer Sitzung 
erst das Fruchtwasser ablassen und eventuell nach Spaltung der vorderen 
Uteruswand die Frucht entfernen, um sodann den Uterus mit ungelöster 
Placenta zu exstirpieren. 

In späterer Zeit der Schwangerschaft zieht man den Uterus nach 
unten, schneidet quer über der Portio die Scheide durch, schiebt die 
Blase los, spaltet die vordere, eventuell auch die hintere Muttermunds- 
lippe so hoch nach oben, daß der Fötus extrahiert werden kann, und ent- 
fernt dann sofort den Uterus. Die Placenta sitzen zu lassen empfehlen 
Einige, Andere lösen die Placenta ab und hoffen, daß dann die Exstir- 
pation des nunmehr kleinen Uterus leichter gelingt. Ich habe stets die 
Placenta, um Blut zu sparen, sitzen lassen und bin durch die Größe des 
Uterus dabei nicht gestört. Es ist auffallend, wie leicht gerade der 
schwangere Uterus sich auslösen läßt. 

Sitzen viele Knollen in den Parametrien, füllen sie die ganze Becken- 
höhle aus und ist der Geburtskanal dadurch völlig unwegsam, so mu& 
das Kind durch Sectio caesarea entwickelt werden. Wenn möglich, so 
wird der Uterus von oben exstirpiert. Auch dies Verfahren ist nicht 
sehr schwer, erfordert aber selbstverständlich eine lange eingreifende und 
prognostisch ungünstigere Operation, als die vaginale Exstirpation. 

Ist das Carcinom so groß und so weit in die Umgebung vor- 
geschritten, daß man den Gedanken an die Heilung vom Carcinom auf- 
geben muß, d. h. sieht man den Fall erst in weit fortgeschrittenem 
inoperabelem Zustande, so wartet man ab und macht am Ende der 
Schwangerschaft den Kaiserschnitt, um wenigstens das Kind zu retten. 
Freilich tritt doch oft die Geburt eines toten Kindes vorzeitig ein. Solche 
unglückliche Fälle sehen hoffentlich die Jüngeren seltener als wir, denn 
je mehr die Carcinomoperation populär wird, um so eher schicken auch 
die Arzte und Hebammen die Patientin zur Klinik. 

Bei abgestorbenem Kinde habe ich prinzipiell von oben operiert 
Das Kind bleibt in situ und der Uterus wird, wie bei der Totalexstir- 
pation eines großen myomatösen Uterus, in toto exstirpiert. Die Ober- 



Komplikation mit Ovarialtumoren, 



251 



sichtlichkeif bei der Operation ist entschieden viel besser, als wenn man 
erst den Uterus entleert. Die Abbindungen sind leictiter zu machen, die 
Aus- und Ablösung aus der Sctieide gelingt leichter und blutleerer, wenn 
der Uterus groß und nicht kollabiert ist. Der Vorteil, daß bis auf den 
letzten Akt die ganze Operation blutleer zu machen ist, springt sehr in 
die Augen. 

Die Frage der Behandlung solcher Fälle muß meist von der tech- 
nischen Seite aus beantwortet werden, unter Wahrung des Prinzipes, ein 
Carcinom stets möglichst vollständig zu entfernen. 



O varialtumoren. 

Ovarialtumoren wachsen in der Schwangerschaft nicht in außer- 
gewöhnlicher Weise. Sie machen Symptome dadurch, daß sie die rich- 
tige Lage des Uterus beeinträchtigen, oder dadiirch, daß im Abdomen 
nicht genügender Raum für einen Tumor und den schwangeren Uterus 
vorhanden ist Auch wird ganz zufällig bei der Untersuchung einer 
Schwangeren ein Tumor entdeckt, von dessen Vorhandensein die 
Schwangere keine Ahnung hat 

Bei der Geburt kann der Tumor im Douglasischen Räume unter- 
halb des vorliegenden Kindesteiles liegend, das kleine Becken ausfüllen 
und dadurch dem Kinde die Passage der Beckenhöhle völlig unmöglich 
machen. 

Im Wochenbette gelangen auf dem Blut- oder Lymphwege bei fieber- 
haften Erkrankungen Kokken in den Ovarialtumor, wie z. B. beim 
Typhus Typhusbazillen. Es kann dann Vereiterung eintreten. Dies ist 
namentlich der Fall, wenn bei der Dislokation nach Entleerung des 
Uterus der Tumor um die Achse gedreht wird, so daß durch den tor- 
quierten Stiel Emährungsmaterial nicht mehr in den Tumor gelangen 
kann. 

Die Diagnose in der Schwangerschaft wird durch die Palpation- 
eventuell in der Narkose gestellt Eine Probepunktion mit der Pravatz- 
schen Spritze unter antiseptischen Cautelen ist gestattet Die verschiedene 
Konsistenz, die typische Lage seiUich am Fundus, die Möglichkeit, jede 
andere Affektion auszuschließen, macht den Fall klar. 

Bei enorm großen Ovarialcysten kann das Abdomen eine ungeheure 
|Ausdehnung erhalten und so fest und uneindrückbar sein, daß eine be- 
^ • kaum möglich ist Die Cyste platzt auch, sowohl in 

»ft, als bei der Geburt, dann kommt es zu sehr reich- 
pe und plötzlicher Verkleinerung des Bauches. 




252 Vierzehntes Kapitel. 

Nach der Entleerung des Uterus bei der Geburt ist das Abtasten 
des Bauches leicht Man fühlt jetzt Cysten, die vorher nicht erkannt 
werden konnten. 

Wichtig ist die Angabe der Schwangeren, daß sie schon ante gravi- 
ditatem einen sehr dicken Bauch hatte. 

In einem Falle von großer Hydronephrose konnte ich die Diagnose 
vor allem aus der Tatsache stellen, daß der Tumor schon im Kindesalter 
vorhanden gewesen war. Eine jahrzehntelang andauernde Konstanz der 
Größe ist bei proliferierenden Geschwülsten nicht denkbar. 

Echinokokken wurden meist als Tumoren hinter dem Uterus ge- 
funden, subperitonäal. Sie können in der Schwangerschaft, auch bei 
der Geburt in die Scheide platzen, worauf der Abgang der charakteristi- 
schen Blasen den Fall sofort klar macht 

Entdeckt man zufällig, oder durch die Symptome darauf hingeleitet, 
einen Ovarialtumor in der Schwangerschaft, so ist ohne Zweifel der 
beste Rat, die Operation sofort vornehmen zu lassen. Es sind schon 
sehr viel glückliche Ovariotomien in der Schwangerschaft gemacht Da 
doch einmal operiert werden muß, so geschieht dies je eher, je besser. 
Beim Wachstum des Uterus können die Symptome sehr störend werden, 
der Tumor kann bei der Geburt platzen, es können auch bei gutartigem 
Tumor Metastasen auf den Därmen und dem Peritonaeum entstehen, es 
kann Achsendrehung bei der Geburt und Verjauchung im Wochenbett 
eintreten. Alle diese Gefahren umgeht man durch zeitige Operation. 

Dabei ist der Schnitt so anzulegen, daß der Nabel ungefähr die 
Mitte des Schnittes ist, denn der Ovarialansatz ist nach oben gerückt 
Man operiert so schonend wie möglich, um den Uterus nicht zu Wehen 
anzuregen. Die Bauchnaht werde so exakt wie möglich gemacht Nament- 
lich ist es notwendig, die Fascien mit unresorbierbarem Material fest an- 
einander zu nähen, damit nicht etwa Hernien beim weiteren Wachstum 
des schwangeren Uterus oder bei der Wehentätigkeit entstehen. 

Die Geburt, resp. die Unterbrechung der Schwangerschaft tritt manch- 
mal trotz aller Schonung ein. Leider habe ich früher nicht darauf ge- 
achtet, ob dies Fälle waren, wo in dem am Tumor haftenden Ovarial- 
reste das Corpus luteum sich befand (vgl. S. 22). 

Schwieriger ist der Entschluß, wenn ein kleiner Tumor unten im 
Douglas liegt. Es beweist ja dies eine anormale Lage des Tumors, denn 
der wachsende Uterus hätte ja eigentlich den Ovarialtumor mit nach 
oben nehmen müssen. Trotzdessen fand ich einigemal .absolut keine 
Adhäsion des im Becken liegenden, leicht hervorzuziehenden Ovarial- 
tumors. Man mußte annehmen, daß primär der Stiel des Tumors sehr 



Ovarialtumoren. 



253 



lang war, und daß der Tumor wie ein retroflektierter schwangerer Uterus 
unterhalb des Promontoriums inkarzeriert wurde. 

Ich sah öfter Fälle, wo ich mich wegen des absoluten Wohlbefindens 
einer Schwangeren nicht entschließen konnte, den zufällig neben dem 
Uterus entdeckten sehr kleinen Tumor zu entfernen. Ich wartete die 
Geburt ab, um eventuell vaginal die Cystenflüssigkeit abzulassen. Die 
Geburt verlief spontan, der Tumor war später verschwunden. Vielleicht 
hatte es sich um eine kleine parovariale Cyste gehandelt 

Bei der Geburt entdeckt man einen Ovarialtumor oben am Uterus 
durch die auffallende Größe des Bauches. ' Man hüte sich, ihn zu 
bewegen und zu drücken, man beende die Geburt, sobald es geht, ohne 
äußere Einwirkung. Denn beim Drücken kann der Tumor platzen oder 
sich um die Achse drehen. Nach Erledigung des Wochenbettes wird die 
Ovariotomie gemacht Drängen nicht irgendwelche Symptome, so warte 
man 6 — 8 Wochen, weil vorher der Uterus sehr weich ist Die Fäden 
am Uterus schneiden leicht durch, man bekommt schwer zu stillende 
Blutungen aus Rißstellen und Nadelstichen im weichen Uterus. 

Liegt der Tumor unten im Becken vor dem vorliegenden Teile des 
Kindes, so fragt es sich, in welchem Stadium der Geburt man zu dem 
Falle kommt Ist der Kopf noch frei beweglich über dem Becken, so 
legt man die Frau in Knieellbogenlage oder in Sims- Seitenlage und 
versucht die Reposition. Schon oft wurden mir Fälle zur Sectio caesarea 
in die Klinik geschickt, wo es gelang, leicht den Tumor nach oben zu 
schieben. Freilich ist das kein ideales Verfahren, da die Cyste bei Kraft- 
anwendung, die ja notwendig ist, leicht platzen kann. Dann ist zwar 
Raum geschaffen und die Geburt ist möglich, aber der Cysteninhalt im 
Abdomen bedingt allerhand Gefahren. Mir schien es aber doch rich- 
tiger, diese Gefahren auf mich zu nehmen, als mitten in der Wehen- 
tätigkeit eine Laparotomie zu machen. Ich habe es auch öfter getan, 
hatte aber namentlich mit den nicht vorbereiteten aufgeblähten Därmen 
viel Not Ebenso leiden die Gebärenden bei den Wehen ganz außer- 
ordentlich durch Zerrung der frischen Wunde. Deshalb rate ich, lieber 
die Reposition zu versuchen. 

Anders verhalten sich die Fälle, wo der Ovarialtumor als Geburts- 
hindernis unterhalb des feststehenden Kopfes, resp. des Kindes in der 
Beckenhöhle liegt. Würde man dann reponieren, so würde man sicher 
den Tumor zerdrücken. Selbst bei Anwendung von viel Kraft und bei 
Narkose ist es oft unmöglich, den Tumor frei zu bekommen, beweglich 
zu machen und nach oben zu schieben. 

Noch mehr ist zu widerraten, mit Zange oder Cranioclast das Kind 
gewaltsam zu extrahieren. Dabei wird der Tumor noch tiefer gebracht 



( 



254 Vierzehnfes Kapitel. 

und zerquetscht, große Zerreißungen und Quetschwunden entstehen auch 
in der Cervix und trüben sehr die Prognose, denn leider sind in der 
Privatpraxis diese Fälle meist nicht mehr aseptisch, weil man zu spät 
gerufen wird. 

Für besonders falsch halte ich die Punktion. Oft ist der Cysten- 
inhalt dickflüssig, ja fest, dann fließt nichts ab. Und wenn Flüssigkeit 
abfließt und der Troicart entfernt wird, so verschieben sich nach Ent- 
leerung der Gebärmutter die beiden Offnungen. Asepsis ist nicht sicher 
gewahrt. Ist der Cysteninhalt infiziert, kommt es zu Fieber und Zer- 
setzung in der Cyste, so kann man die Cyste nicht ausspülen und der 
Fall ist so gut wie verloren, auch wenn man noch laparotomiert 

Ich habe deshalb bei tiefliegenden, nicht reponierbaren Tumoren und 
bei unbeweglichem Kopfe des Kindes nach dem Fruchtwasserabflusse 
folgendes Verfahren mit Erfolg wiederholt angewendet Man macht über 
die prall und tief gepreßte, die hintere Vaginalwand vorwölbende Cyste 
einen Längsschnitt in die Vagina. Während desselben kontrolliert ein 
mit Gummifingerling bedeckter Finger vom Anus aus, wie tief man nach 
abwärts schneiden kann. Meist ist ein Schnitt von 6 — 8 cm möghch. 
Die Blutung ist sehr stark. Sobald das Peritonaeum des Douglasischen 
Raumes durchtrennt ist, erblickt man die Cyste. Es wird in sie ein sehr 
kleines Loch gestochen, aus dem der Inhalt ausfließt. Schneit fixiert 
man, in das Loch mit krummer Nade! eingehend, die Cyste an der Vagi- 
nalwand, resp. man näht Cystenwand und Vaginalwände rechts und links 
mit dem Wundrande zusammen. Darauf erweitert man den Schnitt in 
der Cyste, so daß man bequem mit dem Finger eindringen kann. Dann 
näht man successive ringsherum Cystenwand an Vaginalwand. Nun kann 
Cysteninhalt nicht in die Bauchhöhle fließen, man kann den Inhalt ent- 
fernen, eventuell Scheidewände in der Cyste zerdrücken, und ausspülen. 
An den lang gelassenen Fäden der Suturen wird die Öffnung bis in oder 
vor die äußeren Genitalien gezogen. 

Jetzt wird die Zange angelegt oder die Wendung gemacht Sollle 
es aus der Cyste bluten, so wird sie mit Jodoformgaze ausgestopft. Tritt 
im Wochenbette Fieber ein, so ist die Cyste leicht auszuspülen. 

Man entfernt am lo. oder 1 1. Tage die Suturen und läßt die Vaginal- 
wunde ruhig heilen. Sie schließt sich meist völlig. Nach einiger Zeit 
füllt sich die Ovariencyste wieder, dann wird sie per laparotomiam exstir- 
piert, wenn sie noch sekundäre Cysten hat und sehr groß ist, oder vaginal, 
wenn der Tumor klein geblieben und beweglich ist. Ich habe bei späteren 
Laparotomien wiederholt gesehen, daß die künstliche Vereinigung mit der 
Vaginalwand sich spontan gelöst hatte. 



Bildungsfehler als Schwangerschaftskomplikation. 255 

I Auf den Versuch, die vaginale Ovariotomie intra partum zu machen, 

L verzichtete ich aus Furcht, durch eventuelle Durchtrennung von Adhä- 
sionen den Darm zu lädieren oder beim starken Anziehen den Tumor 
vom Uterus abzureißen und eine unstillbare Blutung zu erleben. 

Sollten im Wochenbette Schüttelfröste, peritonitische Erscheinungen, 
plötzliche Qrößenzunahme des Tumors auf Verjauchung hindeuten, so 
bestände Indicatio vitalis zur sofortigen Operation. 



BilduD gsf ehler. 

Wenn Ovulation und Menstruation vorhanden, so kann sich das Ei 
auch im mißgebildeten Uterus einnisten. In Betracht kommt der Uterus 
unicornis, bei dem das eine Hörn mit den Adnexen fehlt, dafür aber 
das andere vicariierend, günstig ausgebildet ist. Sowohl die Schwanger- 
schaft als die Geburt verläuft in solchen Fällen in der Regel ungestört. 
Meist hat man zufällig bei Sektionen die Anomalie entdeckt Aber auch 
bei der Lebenden ist die Diagnose zu stellen, namentlich unmittelbar 
post partum. Bei sehr starker Abweichung des Uterus nach der Seite 
vermutet man die Unicornität. Sondiert man später, so findet die Sonde 
nur mit ganz seitlich gerichtetem Sondenknopf den Weg nach oben. Die 
Abnormität hat keine praktische Bedeutung. 

Sehr bedeutungsvoll aber ist die Implantation des Eies im rudimen- 
tären Hörne eines Uterus bicornis. Wenn ein Hom des Uterus 
gut ausgebildet ist, neben ihm aber noch ein anderes, kleines, nicht völlig 
ausgebildetes Hörn liegt, dessen kleine S<:li leim hauthöhle sich nach der 
Vagina zu nicht öffnet, so ist die Implantation des Eies sowohl in dem 
großen als in dem kleinen Hörne möglich. In dem großen Hörne ver- 
läuft die Schwangerschaft und Geburt oft so normal, daß eine Abnormität 
weder vermutet noch diagnostiziert wird. Indessen habe ich mehrfach 
erlebt, daß die Geburt durch Abort endete oder doch vorzeitig eintrat, 
vielleicht weil doch der zu kleine Raum auf den zu großen Inhalt 
reagierte, so daß zeitiger Ausstoßbewegungen eintraten. 

Implantiert sich aber durch äußere Überwandung der Spermatozoiden 
oder des befruchteten Eies das letztere in dem mit dem Geburtskanal 
nicht kommunizierenden Räume des rudimentären Homes, so entwickelt 
sich das Ei zunächst ganz normal in der normalen Schleimhaut. 

Das rudimentäre Hörn besitzt aber nicht eine genügende Menge 
Muskelsubstanz, um einen genügenden Fruchthalter zu bilden. Es kann 
deshalb schon im zweiten oder dritten Monat das rudimentäre Hörn 
platzen, resp. vom wachsenden Eie durchbrochen werden. Dann ist der 



256 



Vierzehntes Kapitel. 



Tod durch intraperitonäale Blutung die Folge. Der Verlauf ist derselbe, 
wie bei einer geplatzten Tubarschwangerschati Erst der Sektionsbefund 
legt den Fall klar. Bei dem geplatzten rudimentären Hörne findet man 
das Ligamentum rotundum von diesem ausgehend. Die intakte ^Tube 
und das Ovarium hängen am Fruchlsack. 




k 



Bei der geplatzten Tubargravidität aber geht das runde Mutterband 
median von dem Fruchtsack ab und man kann die geplatzte Tube, bezw. 
die dilatierle Tube nachweisen. 

In einer großen Anzahl der Fälle aber ist das rudimentäre Hom 
genügend groß, so daß seine Muskelmasse zur Bildung eines Fnichl- 
halters genügt. Die Wand desselben wird zwar sehr dünn, aber das 
ausgetragene Kind findet doch Platz. Am Ende der Schwangerschaft 
kommt es sogar zu Wehen, sie erlahmen indessen bald, das Kind stirbt ab, 
und bei Laien, auch bei der Hebamme, entsteht ein Zweifel, ob über- 
haupt Schwangerschaft dagewesen ist. Das Fruchtwasser wird allmählicli 
resorbiert, die Frucht wird auf sehr engen Raum zusammengedmcld und 
nur ein runder Tumor bleibt zurück. Dieser macht schließlich Bf- 
schwerden, die Patientin sucht den Arzt auf. Jetzt wird die Diagnose 
schwanken zwischen Myom, Ovarialtumor, abgestorbener Extrauterin- 
schwan gerschaft und Schwangerschaft im rudimentären Hörn. Da in 




Schwangerschafl im rudimentären Nebenhorn. 257 

allen Fällen operiert werden muß, so hat die Differentialdiagnose keine 
den Ausschlag gebende Bedeutung. Sie läßt sich aber doch mit Sicher- 
heit stellen. Beim Ovarialtumor findet man ungleichmäßige Form und 
Resistenz, oder eine deutliche Cyste mit flüssigem Inhalt. Beim Myom 
ist die Konsistenz gleichmäßig hart oder bei erweichtem Myom gleich- 
mäßig weich. Der Zusammenhang mit dem Uterus ist inniger als beim 
gestielt ansitzenden, rudimentären Hörn. Bei beiden fehlten Zeichen der 
Schwangerschaft und fehlten die typischen Symptome der fruströsen 
Oeburtstätigkeit. Kindesteile, namendich Knittern der Schädelknochen, 
sind nicht nachweisbar. 

Das extrauterin liegende Kind ist meist tief in den Douglasischen 
Raum herabgedrückt Man fühlt durch die dünne Wandung oben, 
häufiger unten, den Schädel, die harten Knochen und die Nähte. Die 
Anamnese ergibt die Schwangerschaft und Wehentätigkeit 

Das rudimentäre Nebenhorn aber liegt hoher, es hat eine rund- 
liche, leicht abzugrenzende Form, es ist beweglicher. Das Kind ist auf 
den kleinsten Raum zusammengedrückt Entzündungserscheinungen, 
Schmerzen können wäiirend der ganzen Dauer der Schwangerschaft ge- 
fehlt haben. Wegen der dünnen Wandung sind Kindesteüe auffallend 
leicht durchzufühlen. 

Selbstverständlich muß das rudimentäre Hom mit dem Kinde 
exstirpiert werden, wie ein dem Uterus ansitzendes Myom. Die Fälle 
zeigen verschiedene Schwierigkeiten, je nachdem die Fnichlhöhle tief 
nach unten reicht oder nicht Das Hörn kann völlig frei intraperitonäal 
gestielt am Uterus hängen, wie in der Figur 46 S. 256, oder es kann tief 
in das Ligamentum latum hineinreichen, so daß der untere Pol gleichsam 
subserös liegt. 

Dreimal konnte ich das Hörn vom Uterus abschneiden und die 
solide Schnittfläche einfach vernähen wie die Amputationswunde nach 
supravaginaler Amputation des myomatösen Uterus. In anderen Fällen 
lag der Fruchthaiter tief im Ligamentum latum, so daß sich die Operadon 
sehr schwierig gestaltete. Ja ich habe einmal ein großes Stück des 
Ureters mit entfernen müssen. Das obere Ende wurde zunächst in die 
Abdominalwunde eingenäht weil es von der Blase zu weit entfernt lag. 
Nach sechs Wochen resezierte ich dann die zugehörige Niere mit Glück. 

Interessant ist, daß solche Patientinnen sowohl vorher als auch nach 
der Exstirpation des rudimentären Hornes normale Schwangerschaften 
durchmachten. 

Liegt das rudimentäre Nebenhorn neben dem schwangeren, anderen 
Hom und hypertrophiert es in der Gravidität so kann es, sich un- 
günstig lagernd, ein Geburtshindernis abgeben. 



258 Vierzehntes Kapitel. 

Bei doppeltem Uterus ist Schwangerschaft abwechselnd auf jeder 
Seite möglich. Dergleichen Fälle sind nicht selten. Fast in jedem Jahre 
kommt ein Fall in der Klinik vor.' Gewiß wird in der Praxis die Abnor- 
mität oft übersehen, denn auch in der Klinik entdeckten wir öfter erst 
bei dem Cred&chen Handgriffe oder bei der Untersuchung vor der Ent- 
lassung den doppelten Uterus. Öfter geht bei der Geburt aus deim nicht- 
schwangeren Hörne eine Pseudodecidua ab. Sie fehlt aber auch. 

Von bestimmten Vorschriften für die Behandlung kann keine Rede 
sein, sollte eine Störung der Schwangerschaft oder Geburt eintreten, so 
muß symptomatisch behandelt werden. 

Vulva und Scheide. 

Bei Mißbildungen der Vulva, z. B. Pseudohermaphroditismus, 
sind meist die inneren Geschlechtsorgane verkümmert, so daß Sterilität 
existiert Doch habe ich bei Hypospadie mit großer Clitoris Schwanger- 
schaft beobachtet. Obwohl der sondierte Uterus eine normal große 
Höhle hatte, wurde doch keine Schwangerschaft ausgetragen, gewiß weil 
die Uterusmuskulatur die große Ausdehnung nicht zuließ. 

An der Vulva kommen Geschwülste vor — Molluscum simplex — 
die in der Schwangerschaft schnell wachsen. Ich habe wiederholt, ohne daß 
die Gravidität gestört wurde, solche Geschwülste plastisch abgetragen. 

Spitze Condylome sind sehr häufig. Untersucht man genau die 
Vulva, so findet man fast in jedem zehnten Falle, wenn auch sehr kleine 
Excrescenzen über dem Frenulum. Sie verschwinden nach der Geburt. 
Aber es kommen auch große Geschwülste vor: faustgroße Auflagerungen 
auf den Labia majora. Erhebt man sie etwas, so sieht man, daß die Ver- 
bindung mit der Vulva durch einen bandartigen Stiel dargestellt wird. 

Auch diese großen Tumoren sind in der Schwangerschaft abzutragen. 
Der Einfachheit wegen am besten mit dem Paquelin in der Narkose. 
Durch die Glühhitze werden die Nerven in ihrer Funktion so gelähmt, 
daß beim Erwachen kaum ein Schmerz empfunden wird. Man verzichtet 
allerdings bei dieser OperationsmetJiode auf prima Intentio. Allein sie ist 
in diesen Regionen bei plastischen Operationen in der Gravidität über- 
haupt kaum zu erreichen. 

In seltenen Fällen sitzen auch spitze Condylome in der Vagina, ja 
auf der Portio. Sind die Pakete nicht groß und steht die Geburt bald 
bevor, so läßt man sie ruhig stehen und spült nur desinfizierend aus. 
Dauert aber die Schwangerschaft noch Monate, so muß man die Condy- 
lome entfernen, denn sie können in der Tat zu sehr umfangreichen Ge- 
schwülsten heranwachsen. 



Schwangerschaftskomplikation durch Abnormitäten der Vulva und Scheide. 259 

In der Feuchtigkeit der Scheide, begünstigt durch die starke Blut- 
zufuhr, sehen die spitzen Condylome nicht so blaß und spitz aus, wie 
an der Vulva, sondern sind röter und mehr geschwollen. 

Bei der Abtragung sei man sehr vorsichtig. Selbst eine kleine 
Schnittfläche in der Scheide blutet ganz enorm, so stark, daß Tamponade 
die Blutung nicht zum Stehen bringt. Ja selbst beim Abbrennen kann die 
Fläche stark bluten. Demnach bereite man alles wie bei einer größeren 
Vaginaloperation vor: Assistenz, Specula usw. müssen zur Hand sein. Die 
Blutung wird am besten durch die Naht beherrscht Ich habe schon vier, 
ja fünf Tumoren von 3 — 5 cm Durchmesser aus der Scheide exstirpiert 

Übrigens sei besonders darauf hingewiesen, daß spitze Condylome 
zwar oft sich mit Gonorrhoe komplizieren, aber durchaus keinen Beweis 
für Gonorrhoe abgeben. 

Breite Condylome sieht man öfter in nichtbehandelten Fällen in 
enormer Ausdehnung an der Vulva, auf der Innenfläche der Labien, in 
den Haaren bis auf den Mons Veneris und bis in die Rima ani sich 
erstrecken. Sie werden schnell durch Aufstreuen mit CalomePund durch 
Sublimatumschläge beseitigt. Die danach entstehende narbige Kontraktion 
der Gebilde raubt bei großer Ausdehnung dem Damme die Dehnungs- 
fähigkeit, so daß ein Geburtshindernis entsteht und große Einschnitte 
ante partum nötig werden. 

Selten bilden Varicen in der Scheide stark hervorragende polypöse 
Tumoren, die man wohl mit malignen Geschwülsten verwechseln kann. 
Doch die Weichheit, das Durchfühlen der Stränge der Qefäße,J die Kom- 
pressibilität, die intakte Schleimhautfläche bewahren vor der falschen 
Diagnose, resp. vor einer Operation. 

Das Carcinom der Vagina ist zwar meist eine Erkrankung älterer 
Frauen, aber die Komplikation mit Schwangerschaft und Geburt ist doch 
schon wiederholt beobachtet Ringförmige carcinomatöse [Geschwüre, 
unter dem Einflüsse der Schwangerschaftshyperämie schnell sich ver- 
größernd, führen zu blutigem Fluor und später zum Geburtshindernis. 
Die Prognose ist außerordentlich ungünstig und [der Plan für die Be- 
handlung schwer aufzustellen. Soll man den künstlichen Abort ein- 
leiten? — das nützt der Mutter nichts und das Kind wird geopfert 
Das beste ist, exspektativ zu behandeln. Dann entscheidet man sich bei 
der Geburt nach dem Befunde, ob die Entbindung per vias naturales 
noch möglich ist, oder ob man die Sectio caesarea machen muß. 

Die Scheide sezerniert in der Schwangerschaft milchig ge- 

17* 



26o 



vierzehntes Kapitel. 



färbten Schleim. Gelangt er zwischen die Haare der äußeren Scham, so 
kann er sich zersetzen und die Vulva reizen. Es entsteht dann Pruritus, 
Er}'them, Ekzem und Furunkulose dadurch, daß die Staphylokokken beim 
Jucken direkt in die Talgdrüsen hineinmassiert werden. Der Schleim 
kann auch eintrocknen, so daß die Haare zusammenbacken und nicht ent- 
wirrt werden können, sondern bei der Desinfektion ante partum ab- 
geschnitten werden müssen. 

Bei gonorrhoischer Infektion ist von besonderer Wichtigkeit 
ob es sich um eine junge Erslgeschwängerte, oder um eine alte Multi- 
para handelt. Vor der Defloration hat die Scheide noch den Charakter 
einer Schleimhaut. Gonorrhoe infiziert deshalb die Scheidenwandung, 
lokalisiert sich in ihr, veranlaßt große Eiterproduktion und heftige Ent- 
zündung. Die einzelnen Papiliengruppen schwellen, so daß die eigen- 
tümliche Form der Kolpitis granuiosa entsteht Sie ist übrigens nicht 
für Tripperinfektion allein pathognomonisch, sondern kommt auch in der 
Scheide von nicht infizierten Schwangeren mitunter vor und verschwindet 
im Wochenbette, 

Eine eigentümliche Form der Kolpitis Schwangerer ist die Kolpo- 
hyperplasia cystica. Es entstehen kleine Luftbiäschen in der obersten 
Schicht der Vaginalwand, Diese Bläschen verschwinden regelmäßig im 
Wochenbette und können ignoriert werden. 

Unbehandelt kann die Gonorrhoe zu Gescbwürsbildung zwischen 
den Labien führen. Die Urethra beteiligt sich, es kommt auch zur 
akuten Vereiterung der Barthoünschen Drüsen. Der Schleimpfropf 
in der Cervix bildet aber eine feste Grenze. Der Abort hängt nicht mit 
der Gonorrhoe zusammen. Die Schwellung der Vagina ist oft so be- 
deutend, daß selbst das Einführen eines kleinen Mutterrohrs Schmerzci». 
bereitet. Starke Adstringentien werden wegen Schmerzen nicht vertrager^ 
und sind zu widerraten, da sie die Scheide verengern und für eine Gebur 
schlecht vorbereiten. 

In diesen Fällen muß sich die Schwangere zu Bett legen, ode 
wenigstens ruhen. Es werden Umschläge mit einer Zincumsulfuricun»- 
lösnng auf die Vulva gemacht. Man spülf unter geringem Drucke rai 
kühlen Lösungen des genannten Mittels die Scheide aus, in den erslei 
Tagen drei- bis viermal mit mehreren Litern nacheinander, und 
allmählich zu selteneren Spülungen über. Bald verliert die Gonorrhö 
den akuten Charakter, die Schmerzen hören auf, aber etwas eilrigd' 
Fluor hält an. 

In diesen Fällen soll man bis zur Geburt täglich eine SpüluraÄ' 
machen lassen. Vor der Geburt wird die Vagina mit mindestens 4 Liier 
Desinfizienz gereinigt Das beste Mittel dazu ist Borsäure, Kai'- 



Entzündungen. — Erkrankungen der Eihäute. 261 

permanganicum oder Lysol. Alle drei Mittel wirken nicht adstringie- 
rend, so daß die Geburt nicht erschwert wird. 

Zwei Gefahren liegen vor: für die Mutter das Aufsteigen der 
Gonorrhoe im Wochenbette durch den Uterus und die Tuben bis zum 
Peritonaeum oder durch die Lymphgefäße in das Parenchym des Uterus 
und das subperitonäale Bindegewebe. Für das Kind: die Gefahr der 
Blenorrhoe der Conjunctiva. 

Die Prophylaxe für beides besteht in reichlicher, mehrfacher Spülung 
vor und während der Geburt Denn daß die Gonokokken dabei ent- 
fernt werden, daß die Virulenz abgeschwächt und das Wachstum beschränkt 
wird, ist klar. Mehr kann man zunächst nicht erreichen. Ober das 
Credeisieren der Augen der Neugeborenen vgl. unten. 

Entzündung in und neben dem Uterus. 

In der Regel bildet der Schleimpfropf in der Cervix der Schwangeren 
einen festen Schutz für das Endometrium vor Bakterieninvasion, so daß 
sich eitrige Entzündungen aller Art in der Vagina abspielen, ohne das 
Wachstum des Eies zu stören. Aber es kommen doch Fälle von ent- 
zündlichem Abort vor, bei denen man in der Decidua deutlich Eiterzellen 
oder eine Demarkationslinie findet, an der die eitrige Infiltration selbst 
makroskopisch zu sehen ist. Daran kann sich unter fieberhaften Er- 
scheinungen das Uterusparenchym und der peritonäale Überzug beteiligen, 
so daß eine Parametritis in der Gravidität zu diagnostizieren ist. 

Fälle von Peritonitis sind sekundärer Art, z. B. von einer Appen- 
dicitis ausgehend. Bei alten abgelaufenen Prozessen oder nach vorher- 
gegangenen Laparotomien setzen die Narben oder Abbindungen dem 
Wachstum des Uterus Widerstand entgegen. Äußerst heftige andauernde 
Schmerzen an der Seite des Uterus bestehen während der ganzen 
Schwangerschaft Man ist machtlos in solchen Fällen. Durch Ruhe, 
Umschläge, Morphium behandelt man exspektativ und tröstet die Schwangere 
mit der Aussicht darauf, daß nach der Geburt alle Beschwerden ver- 
schwinden. 

Erkrankungen der Eihäute. 

Pathologische Zustande des Eies sind zwar aus Präparaten von 
Aborten seit langer Zeit bekannt, aber alles, was über die Ätiologie 
geschrieben ist, bewegt sich nur in hypothetischen Deutungen der 
Befunde. So ist der Zusammenhang dieser Erkrankungen mit Endo- 
metritis, Gonorrhoe und Syphilis durchaus nicht bewiesen, wenn auch 
wahrscheinlich. 



262 Vierzehntes Kapitel. 

Wahrscheinlich ist es aber sicher, anzunehmen, daß das Ei sich i 
kranlten Schleimhaut überhaupt nicht implantieren kann und daß also ein 
pathologischer Zustand des Endometrium einen Grund für Sterilität abgibt 1 
Ebenso ist es möglich, daß bei Endometritis der Zusammenhang zwischen 
Ei und Decidua fehlerhaft ist, daß sich eine kranke Utenisschleiinhaut ' 
zu einer pathologischen Decidua serotina weiterbildet, daß diese den Stoff- ?, 
Wechsel zwischen Fötus und Mutter stört, daß dadurch der Fötus ab- 
stirbt, daß er abortiv ausgestoßen wird und daß als letztes Glied der J 
Kette die Placenta sich schlecht löst, resp. mit der Piacentarstelle im | 
Uterus verwachsen ist. Aber schon der Umstand, daß Frauen mehrere I 
normale Schwangerschaften vor und nach einem Aborte mit pathologi- ] 
sehen Eihäuten durchmachen, spricht gegen den regelmäßigen kausalen " 
Zusammenhang zwischen Endometritis und Eihauterkrankungen. 

J^an findet hier verschiedene Befunde vor. Zunächst die sog. Bl ul- j 
mole. Der Fötus stirbt ab. Das Fruchtwasser wird rraorbiert und es ] 
kommt zu Blutergüssen in die Decidua vera und serotina. Auch diese 
Blutergüsse dicken sich durch Resorption der flüssigen Bestandteile des 
Blutes ein. Die Eihöhte wird eng, spaltförmig, unregelmäßig durch ein- 
gedickte Blutmassen komprimiert. Die Decidua wird 2 bis 3 cm dick. 
Sie wird hart und fest, beim Durchschneiden sieht man große Blutungen 
und streifen'artige Reste der Eihäute. Amnion und Chorion sind stellen- 
weise fest aufliegend, oft auch abgehoben. Der Fötus verschwindet mit- 
unter ganz, oder wird wenigstens nicht gefunden, weil er beim Platzen 
der Eihäute zuerst herausfällt. 

Ein solches Ovulum kann lange Zeit nach dem Absterben im Uterus 
beherbergt werden (missed abortion). Es wird schließlich als bim- 
förmiger, harter, fester Ausguß der Uterushöhle nach Wochen, ja nadi 
Monaten aus dem Uterus ausgestoßen. 

In manchen Fällen besteht ein auffallendes Mißverhältnis zwischen 
der Größe des Fötus und der der Eihüllen. Es hat in die Eihüllen 
geblutet, so daß sie, von der Unterlage abgehoben, sich gleichsam in die 
Eihöhle hineingefaltet haben, die Falten sind zu rundlichen polypösen 
Tumoren von Wallnußgröße bis zu kleinen knopfartigen Hervorragungen 
verdickt Die Annahme, der Fötus sei abgestorben, die Eihüllen aber 
seien nach dem Tode des Fötus weitergewachsen, ist gewiß falsch. Viel- 
mehr ist die Annahme sehr plausibel, daß die Fruchtwassermenge eine 
exzessive war, daß also eine sehr zeitige hydramniotische Ansammlung 
die Eihöhle sehr vergrößerte. Dabei starb der Fötus ab, das Frucht- 
wasser wurde resorbiert und nunmehr kam es zu ganz langsam ein- 
tretenden Blutungen in die Decidua, die die fötalen Eihäute abhoben und 
in die Eihöhle hineinstülpten. In dem Maße, in dem das Fruchtwasser 



Erkrankungen der Eihäute, 



263 




resorbiert wurde, bildeten sich den Raum ersetzende Hämatome der 
Decidua, bis schließlich als Eihöhle nur ein unregelraälüger Spalt übrig 
blieb, in dem der kleine Föius liegt. So kann die Masse der Mole die 
Größe einer vier- oder fünf- 
monatlichen Frucht erreichen, ob- 
wohl der Fötus schon nach vier 
bis fünf Wochen abstarb und die 
Vergrößerung des Ovulum nun- 
mehr eine nur passive war. Das 
Ei kann Monate lang^ retentiert 
bleiben, bis schließlich doch der 
I Uterus den Fremdkörper ausstößt 
1 Ja ich habe sogar erlebt, daß die 
i Menstruation viermal dagewesen 
war und daß eine neue Men- 
slruationsblutung die Ausstoßung 
der Mole einleitete. 

In anderen Fällen ist die 
Bildung der Verdickung der De- 
cidua nicht bloß eine passive, 
durch eingedickte Blutergüsse 
i. hervorgebrachte. Vielmehr hat 47 

I die Decidua ein knotig poly- Hämaiommoic. 

pöses Aussehen. Es finden sich 
j' die polypösen Wucherungen in der ganzen Decidua. Schneidet man 
die Decidua durch, so sieht sie hell aus und besteht nicht aus ein- 
i gedicktem Blute. Es handelt sich um die schon von Virchow beschrie- 
I bene Endometritis decidua hyperplastica diffusa polyposa seu 
I tuberosa. An dieser Hypertrophie beteiligt sich die ganze Decidua, 
1 die Drüsen bilden kleine, auch makroskopisch zu sehende Cysten und 
! Bläschen, die mitunter polypös aufsitzen. Fibröse und fibrinöse Streifen 
J durchziehen die tuberösen Verdickungen. Die intervillösen Räume werden 
j schon zeitig komprimiert, so daß der Fötus bald abstirbt uhd meist auf- 
I fallend klein im Verhältnisse zu dem großen Ei gefunden wird. Die 
I, Amnionhöhle ist zusammengedrückt komprimiert. 

jl Oft eröffnet sich die Amnionhöhle wohl dadurch, daß der Uterus 

i auf die schnelle Vergrößerung seines Inhaltes durch Wehen reagiert 
Dann fällt der Fötus heraus und man findet, wie man es früher nannte, 
ein «taubes Ei", ohne Fötus, der aber selbstverständlich vorhanden war. 
Bei genauer Untersuchung ist auch stets ein Stück des Nabelstranges zu 
entdecken. 



' 



264 Vierzehntes Kapitel. ^^^^H 

Betreffen die Wucherungen auch die Serotina, so wird die BiWung 
der Placenta beeinträchtigt, es entstehen die sogenannten weißen In- 
farkte der Placenta. 

Auf Endometritis, bezw. auf Decidualerl<rankungen bezieht man 
auch die Hydrorrhoea gravidarum. Dabei soll in der ganzen 
Schwangerschaft Flüssigkeit teils kontinuierlich, teils stoßweise abgehen. 
Diese Flüssigkeit chemisch zu bestimmen, habe ich mehrfach versucht 
Doch der Scheidenschleim, die Scheidenepithelien, die mit abgehen, 
gestatten keine sichere Beurteilung. Ich habe keinen Fall gesehen, wo 
der Ausfluß in der ganzen Schwangerschaft gleichmäßig anhielt. Viel- 
mehr kam es stets über kurz oder lang zum Abort, resp. zur Unter- 
brechung der Schwangerschaft in der zweiten Hälfte der Schwanger- 
schaft. Ich nehme an, daß zufällige Löcher in dem Chorion und Amnion 
zu FruchtwasserabfluR und Ausfluß aus dem schwangeren Uterus Ver- 
anlassung geben. Daß Eihautrisse hellen können, beweisen ja die sicher- 
gestellten Fälle, wo nach Punktion der Eihöhle In verbrecherischer 
Absicht Fruchtwasser abfloß, aber trotzdessen die Schwangerschaft weiter 
bestand, nachdem das Loch sich verlegte, verklebte und sich Fruchl- 
Wasser wieder ansammelte. 

In anderen Fällen kommt es zu einem großen Loch in den Eihäuten 
vielleicht dadurch, daß sie aus irgend einem Grunde zu unnachgiebig sind 
So habe ich gesehen, daß das Chorion zerrissen war und sich das dünne 
Amnion als elastische Blase bis vor die äußeren Genitalien im 5. Monate 
vordrängte und platzte. Der Fötus kann aber auch aus einem Loch beider 
Eihäute herausgleiten, die Eiliäute ziehen sich hinter ihm zusammen 
und der Fötus liegt nun in der Decidualhöhle, hinter ihm die kolla- 
bierte, geschrumpfte Eihöhle. So ist eine Weiterentwickelung des Fötus 
zwar möglich, aber es fließt doch das Fruchtwasser leichter ab, weil 
der innere Muttermund nicht fest schließt, resp. der Abschluß durch den 
Schleimpfropf nicht fest genug ist Auch hier kommt es dann zu 
Hydrorrhoe und zur vorzeitigen Geburt. Die Föten sind meist klein und 
nicht genüge^id ernährt, da das Wachstum der Piacenta gehindert ist 

Bildete sich das bei der Hydrorrhoea gravidarum abfließende 
Wasser in der Decidua, so müßte man doch größere, diese WasserbiiUung 
erklärende pathologische Verä.nderungen in der Decidua selbst finden, 
wa n cht der Fall ist. Auch wäre es wunderbar, daß die Drüsen, die 
son t zal en Schleim absondern, plötzlich massenhaft ganz dünne Flüssig- 
ke t seze n erten. Es ist dagegen durchaus nicht unerklärlich, daß das 
abfl eßende Fruchtwasser sich ersetzt, daß dann wieder genügend Fniclit- 
wa e V landen ist, der Innendruck zunimmt und nun ein neuer B^" 
stattfindet. 




Anomalien des Amnion und Chorion. 265 

Amnion. 

Die Amnionflüssigkeit beträgt in der Regel 1 — 1^/2 Liter. Hydram- 
nion diagnostiziert man dann, wenn die Flüssigkeit stark vermehrt ist, 
z. B. bis 8 oder gar 10 Liter. Dabei ist der Leib kolossal ausgedehnt, die 
Uteruswand wird sehr verdünnt Es ist deutliche Fluktuation vorhanden. 
Das Kind ist bei der Palpation schwer oder nicht zu fühlen. Schon mehrfach 
wurde ein solcher Uterus für eine Ovarialcyste gehalten und punktiert. 

Da das Fruchtwasser teils von der Mutter, teils vom Fötus stammt, 
so kann Hydramnion bei mütterlichen und bei fötalen Krankheiten ent- 
stehen, so z. B. bei allgemeinem Anasarca der Mutter. Ja man hat bei 
Hydrops der Mutter infolge von Herzfehler oder Nierenkrankheiten 
Hydramnion und Anasarca des Fötus gefunden. 

Hydramnion als Folge von Fötalkrankheiten fand man bei Leber- 
affektionen des Fötus und namentlich bei Mißbildungen, so z. B. ver- 
mehrt die im Canalis centralis des Rückenmarks entstehende Flüssig- 
keit nach Platzen des Gehirns bei Hemicephalus die Fruchtwassermenge 
ganz erheblich. Typisch ist, daß überhaupt bei Mißbildungen des Fötus 
oft enorm viel Fruchtwasser vorhanden ist. Auch bei eineiigen Zwillingen 
hat mitunter der eine Zwilling eine hydramniotische, sehr erweiterte Ei- 
höhle. Dann besaß dieser Zwilling hypertrophierte Nieren und ein 
hypertrophisches Herz. Fließt bei der Geburt die hydramniotische Flüssig- 
keit plötzlich ab, und folgt der Uterus, sich kontrahierend, sehr schnell 
dieser Verkleinerung, so kann sich die Placenta teilweise lösen, es kommt 
zu starker Blutung und das Kind stirbt ab. 

Nach Graf Spee ist das Amnion zuerst eine solide Zellmasse, in 
der die Flüssigkeit des Fruchtwassers entsteht. Verläuft dieser Vorgang 
unregelmäßig, so kann das Amnion mit der Oberfläche des Fötus ver- 
kleben. Es haftet dann das Amnion z. B. am oder im Gehirn des 
Fötus, am Munde oder an irgend einer Stelle der Oberfläche des Fötus. 

Nimmt dann das Fruchtwasser später zu, so bilden sich Stränge, 
die sog. Simonart sehen Bänder, die durch die Eihöhle hindurchziehen. 
Sie können sich um eine Extremität, resp. einen Finger oder um die 
Zehen schlagen, so daß diese glatt amputiert werden. Das Kind wächst 
weiter, der abgeschnürte, noch sehr kleine Teil verschwindet und man 
findet einen glatten Stumpf. Oder ein Band sitzt in einer Spalte des 
Fötus, die sich nun nicht schließt, z. B. im Bauche, im Munde am 
Gaumen fest, wodurch Mißbildungen entstehen. 

Diese Erklärung der Simonartschen Bänder ist jedenfalls plausibler, 
als die Entzündungstheorie, wonach sekundäre Verwachsungen der 
Amnionfläche entstehen sollen. 



266 Vierzehntes Kapitel. 

Chorion. 

Traubenmole. 

Bei der Trauben mole verwandeln sich die Chorionzotten in wein- 
beerartige Gebilde von der Größe eines Stecknadelknopfes bis zur Größe 
einer Weinbeere. Tritt die Degeneration schon in der vierten bis sechsten 
Woche ein, so ist eine Placenta nicht gebildet, sondern das ganze 
Chorion frondosum und laeve ist zu einer lose zusammenhängenden 
Beerenmasse degeneriert. Das Wachstum ist dann ein überaus schnelles. 
Der Uterus ist im dritten Monat schon so groß, wie unter normalen Ver- 
hältnissen im sechsten Monat Ja ich habe eine Traubenmole im dritten 
Monate der Schwangerschaft entfernt, bei der der Uterus die Größe 
der hochschwangeren Gebärmutter hatte. Dabei bestand Albuminurie 
und Hydrops der Mutter, Cyanose und Herzschwäche, die sofort nach 
Entleerung des Uterus verschwanden. 

Man findet nicht selten auch in sonst normalen Placenten einige 
traubenmolenartig degenerierte Partien eingestreut. Es kann sogar die 
Placenta eines Zwillings normal, die des anderen zu einer Trauben- 
mole geworden sein. 

Die Ätiologie ist unbekannt. Einige Autoren nahmen an, daß ein 
pathologischer Zustand der Schleimhaut des Uterus schuldig sei. Dafür 
spricht die Tatsache, daß bei einer Frau öfter nacheinander Trauben- 
molen beobachtet wurden. Wahrscheinlich ist, daß der Grund in einer 
spezifischen Krankheit des Fötus zu suchen ist Dagegen, daß nicht 
etwa das zeitige Absterben des Fötus die Degeneration bewirke, sprechen 
die Fälle, bei denen frische, normale Föten in der Eihöhle bei Trauben- 
molen gefunden wurden. 

Der Grund zu der Auftreibung der Chorionzotten ist nicht eine 
myxomatöse Degeneration des Zottenstromas, sondern eine regellose 
Wucherung der Langhansschen Zellschicht und des Syncytiums, deren 
Folge der ödematöse Zustand des Zottenstromas ist. Die stark wuchern- 
den Zotten dehnen den Uterus aus. Sie durchbrechen aber auch die 
Decidua, wachsen in die Gefäße der Uterusmuskulatur hinein, durch- 
wachsen sogar den Uterus, so daß sie unter den peritonäalen Überzug, 
ja sogar durch diesen durchbrechen: destruierende Blasenmole. 

Ist der Uterus nur ausgedehnt, so kommt es bald zur völligen Aus- 
stoßung der großen Masse, die den Uterus zur Wehentätigkeit reizt Ist 
aber die Traubenmole destruierend, liegen die Zotten in den Gefäßen 
des Uterus, so ist die Blasenmole nicht zu entfernen, die Zotten ver- 
hindern den Uterus, sich zusammenzuziehen, und die Gefäße, sich zu 
schließen: es kommt zur Verblutung. 



Traiibenmole, Chorion epithelio 



267 



Hiermit hängt auch das maligne Chorionepitheliom zusammen, 
das dann leicht verständlich wird, wenn man die lange Dauer und die 
große Produktivität bei der Zellwucherung bedenkt Zellenmassen, die 
in der Decidua serotina liegen bleiben, wachsen auch nach Abgang der 
Blasenmolc oder eines Abortes destruierend weiter und bilden Tumoren: 
das maligne Chorionepitheliom, eine höchst maligne, epitheliale Neu- 
bildung von carcinomatösem Charakter. Sie bildet überraschend schnell, 
in zwei bis drei Wochen, dadurch Metastasen, daß Zellmassen überallhin 
auf dem Blutwege verschleppt werden und da weiterwachsen, wo sie 
festfahren, z. B. in der Lunge, dem Qehirn, der Leber, den Nieren, 
namentlich aber in dem Uterus selbst und in der Vagina, 

Interessant ist, daß diese Metastasen auch aus normalem Chorion- 
gewebe bestehen und gutartig sein können, demnach nach der Exstir- 
pation nicht wiederkehren. Meist aber handelt es sich um so maligne 
Metastasierungen, daß schnell der Tod eintritt 



Das schnelle Wachstum der Traubenmole macht oft so typische 
Symptome, daß man sie diagnostizieren kann. In anderen Fällen 
wiederum wird die Diagnose erst dadurch gestellt, daß man das 
Schwangerschaftsprodukt erblickt. 

Ich sah Fälle, bei denen außerordentlich heftige Beschwerden be- 
standen. Enorme, permanente, wehenartige Schmerzen bei hart gespanntem 
Uterus, der, obwohl die Schwangerschaft erst zwei Monate dauerte, schon 
die Größe des fünften oder sechsten Monats erreicht hatte. Hypere- 
mesis kommt dabei auch vor. Allgemeiner Hydrops, oder nur Ödeme 
der Beine, Albuminurie sind ebenfalls beobachtet. 

Meist ist es erst die Blutung und der Touchierbefund, der die 
Diagnose stellen läßt. Findet man dann am Finger, der in den Uterus 
eindrang, abgerissene Traubeiibeeren, oder hängt ein Teil in die Vagina 
hinein, der leicht abgerissen wird, oder liegen in dem abgegangenen 
Blutklumpen beerenartige Gebilde, so ist die Diagnose klar. Der Mutter- 
mund ist meist, auch ohne daß die Qeburtstätigkeit schon begonnen hat, 
leicht zu passieren, wie bei Zwillingen, wenn der Inhalt, schnell wachsend, 
den Muttermund auseinanderpreßt 



Die Therapie besteht in möglichst schneller Ausräumung des 
Uterus, denn die Blutung bei spontanem Verlaufe kann tödlich werden. 
Man muß kombiniert den Uterus über den Finger stülpen und nun die 
Mole mehr von oben herausdrücken, als von unten herauslösen, Chloro- 
formnarkose erieichtert sehr die Manipulation. 

Sollte der Muttermund nicht genügend weit sein, so erweitert man 



268 Vierzehntes Kapilel. 

ihn mit der gespreizten Kornzange, mit dem Finger oder mit Dilatator« 
Tamponade empfehle ich wegen des Zeitverlustes nicht. Die Enreileru. r»J 
des Muttermundes bis zur Möglichkeit, bequem einen Finger einzuführeria 
genügt. Nach der Entleerung des Uterus tamponiere ich prinzipiell der* 
Uterus mit Jodofornigaze, um den Muttermund weit zu erhalten. Ver^ 
läuft der Fall ohne Fieber, so läßt man den Tampon zwei bis drei Tag^«" 
liegen, entfernt ihn dann, mit ihm die Reste der Mole hervorziehend. Dann 
wird nochmals sorgfältig ausgespült und reichlich Ergotin oder Seeale ver- , 
ordnet, um den überdehnten Uterus zur normalen Größe zurückzuführerr. ' 

Daß man durch besonders sorgfältiges Ausätzen oder Ausschaben . 
das spätere Wachstum eines Chorionepithelioms verhüten könnte, istwoli' 
unrichtig. Wenn die Blasenmole destruierend in die Tiefe gewachser» 
ist, so wird die Curette doch nicht alles Pathologische entfernen. 

Im Laufe der Jahre habe ich eine große Anzahl Traubenmolen be- 
handelt und niemals ein Recidiv in Form maligner Geschwülste^ 
gesehen. Es ist also Metastasierung nach der Traubenmole gewiß die^ 
Ausnahme, wenngleich ich ihr Vorkommen selbstverständlich nicht 
leugnen will. Gewiß ist es notwendig, solche Fälle genau zu beobachten,, 
resp. den Patientinnen zu sagen, sie sollten sich von Zeit zu ZeiW i 
namentlich aber bei Fluor und Blutungen, sofort wieder vorstellen^ ' 
Sollten dann wieder Blutungen auftreten, oder sollte man im Uterus- i 
einen Tumor fühien, obwohl man genau weiß, daß die Höhle nach Aus — ' 
stoßung der Mole glatt und leer war, so ist unbedingt sofortige Exstir — " 
pation des Uterus geboten. . 

Es ist ganz erstaunlich, wie schnei! Metastasen beim Chorion " 

epitheliom entstehen. Ich habe den Uterus mit einem Knoten exstirpiert^^. 
ohne daß irgendwo Metastasen nachzuweisen waren. Schon nach zwe^S* 
Wochen traten Lungenblutungen ein, die Patientin starb in der dritter»^ 
Woche. Bei der Sektion fand sich, daß die ganze Lunge, die Pleura"* 
und der Herzbeutel mit Metastasen besetzt waren. 



Placenta. 

Sehr häutig findet man beim Darüberstreichen mit der Hand i 
der maternen Seite der Placenta Kalkkonkremente. Sie sind nicht al* 
pathologisch anzusehen. Dasselbe ist der Fall betreffs der sog. 
Infarkte (vgl, S. 2Ö3). Man erblickt sie ebenfalls auf der mateme^c^ 
Seite als rundliche, mehr oder weniger große Platten, die oft auch kei^^^ 
förmig in die Tiefe der Placenta hineinreichen. Am Rande der Placent^ 
macht es oft den Eindruck, als ob ein oder mehrere Cotylcdonen atn^ 
gestorben seien. Nur wenn sehr viele Infarkte vorhanden sind, dadurci 




Abnormilaten der Placenta. 

ein großer Teil der Placenta verödet und ohne Blutkreislauf gefunden 
■wir<d, ist das Kind abgestorben oder atrophisch. Dies ist z. B. bei Ne- 
phi ritis der Fall. Pathognomonisch für Lues sind die Infarkte sicher 
nicJif. Oft fehlen sie bei Lues vollständig und sind reichlich bei ganz 
gesunden Kindern vorbanden. Auch bilden sie am Rande der Placenta 
einen festen bindegewebigen Ring: placenta marginata. 

Physiologisch entstehen schon vom zweiten bis dritten Monat an in den 
inte- rvillösen Biuträumen Fibrinmassen, die gegen das Ende der Gravi- 
dit&l an Menge zunehmen. Es handelt sich also um fibrinöse Throm- 
bose der intervillösen Bluträume. In den Thrombosen sah man 
normale und auch nekrotische, fibrinös umgewandelte Deciduazellen und 
syncjtiale Massen. Das Fibrin ist teils homogen, teils kanalisiert Die 
in den Thromben liegenden Chorionzotten sind hyalin degeneriert und 
hat>*n meist das Epithel verloren. 

Ob das Primäre eine entzündliche Veränderung der Decidua und 
dadurch bewirkte Vernichtung der Zotten ist, ob zunächst die Zotten zu 
Grunde gehen, oder ob es sich um eine hämatogene Thrombose 
handelt, ist noch nicht festgestellt 

Jedenfalls aber ist ein Zusammenhang mit Lues nicht zuzugeben. 
Betreffs der luetischen Veränderung der Placenta ist überhaupt Sicheres 
noch nicht nachgewiesen. Alle Befunde, die man für pathognomonisch 
bei Lues erklärte, außer luetischen Tumoren, finden sich auch bei nor- 
malen Placenten, resp. bei Placenten abgestorbener Föten. 

Dagegen sind einzelne Fälle von Miliartuberkulose der Placentar- 
gefäße bekannt geworden, so daß intrauterine Übertragung der Tuber- 
kulose zuzugeben ist 

Cysten und Geschwülste der Placenta sind — meist zufällig — 
Erfunden, ohne daß sie praktische Bedeutung hatten. Es handelt sich 
""kroskopisch meist um Myxofibrome. 

Die Placenta hat selten eine anormale Form. So kann sie 
oadurch, daß ein Tei! sich nicht ausbildet, hufeisenförmig werden, oder 
f'^ geht wie ein breites Band durch den Uterus. In zwei Fällen fand 
bei Placenta praevia einer Primipara eine lange rechteckige Placenta, 
unterster Abschnitt vor dem Kindsköpfe prolabiert war, 



dere 



Nicht selten hängt an der Placenta eine kleinere Placenta, nur durch 
^'"c Arterie und Vene, die durch die Eihäute verläuft, mit der Haupt- 
Placetita verbunden: Placenta succenluriata, 

Die praktische Bedeutung dieser unregelmäßigen oder geteilten Form 






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1 
1 



237^ Vierzehntes Kapitel. 

43 er Placenta liegt darin, daß nach Abgang der Hauptplacenta das Zurück- 
l3leiben einer zweiten kleinen Placenta zu unvermuteten Symptomen der 
placentarretention Veranlassung geben kann. Wird dann wegen Blutuu^ 
oder Jauchung der Uterus ausgetastet und findet man die restierende 
I^lacenta succenturiata, so könnte man vermuten, daß in fahrlässiger Wefet 
ein Stück Placenta zurückgelassen sei. Es ist aber aus der Form deutiich 
zu sehen, um was es sich handelt 

Das aus der Placenta herausgerissene Stück ist dick, unregelmäßig, 
ohne kindliche Eihäute. Die Placenta succenturiata ist sehr dünn, hat 
um sich Eihäute, in die sie, sich allmählich verdünnend, übergeht. Eine 
unregelmäßige, breite Rißfläche ist nicht nachzuweisen. 

Es ist zu bemerken, daß meist die Eihäute in der Umgebung der 
Succenturiata auffallend dick sind, so daß sie meist mit der Hauptplacenta 
fest verbunden zusammen abgeht. 

Nabelschnur. 

Meist setzt sich die Nabelschnur (vgl. S. 37) zentral an der 
Placenta an. Liegt die Insertionsstelle am Rande, so heißt dies Insertio 
marginalis. Verläuft aber die Nabelschnur zu den Eihäuten, teilt sie 
sich in den Eihäuten, so daß in den Eihäuten die drei getrennten diver- 
gierenden Gefäße zu mehr oder weniger von einander entferntetv 
Stellen des Randes der Placenta verlaufen, so handelt es sich um In- 
sertio velamentosa. Die Schwangerschaft wird dadurch nicht gestOT\, 
wohl aber kann bei der Geburt ein über den geöffneten Muttermund 
ziehendes isoliertes Nabelschnurgefäß von dem Eihautrisse getrofien 
werden. Dann verblutet sich das Kind aus der Nabelschnur. 

Wahre Knoten in der Nabelschnur entstehen oft während des 
Austrittes des Kindes, ohne daß das Kind geschädigt wird, denn der 
Knoten zieht sich erst beim Erheben des geboren Kindes zu. Aber man 
hat auch schon bei intrauterin gestorbenen Kindern wahre, fest zu- 
sammengezogene Knoten gefunden. Namentlich bei Zwillingen, die in 
einem Amnionsacke lagen, deren Nabelschnuren sich verwickelten und 
knoteten. Dann sterben beide Kinder ab, weil der Placentarkreislauf 
durch Qefäßkompression unterbrochen wurde. 

Bei Syphilis fand man eine Endarteriitis und Atheromatose in den 
Nabelschnurgefäßen. 

Die Umschlingungen der Nabelschnur sieht man sehr häufig. 
Ob durch die Umschlingung allmählich die Nabelschnur länger \5^ird. 



Extrauteringravidität. 271 

oder ob die zu lange Nabelschnur sich leichter umschlingt, lasse ich 
dahingestellt. Eine Bedeutung erhalten die Umschlingungen des Halses 
bei der Geburt. Zieht sich die Schnur fest um den Hals des geborenen 
Kopfes und extrahiert man das Kind nicht schnell, um die Umschlingung 
zu lösen, so wird das Kind asphyktisch, weil es Sauerstoff von der Mutter 
nicht mehr und Sauerstoff aus der Luft noch nicht erhält. 

Bisher unerklärt sind die Torsiones nimiae der Nabelschnur. 
Man findet manchmal die Nabelschnur 100, ja 300 mal um ihre Achse 
gedreht, so fest, daß z. B. am Nabel die Nabelschnur zu 1 — 2 mm Dicke 
festgedreht ist Die Drehungen sind so fest und so massenhaft, daß 
schon bei den ersten Drehungen das Kind absterben muß und daß 
jedenfalls danach noch viele neue Drehungen dazukommen. Es muß 
also durch die verschiedenen Bewegungen der Mutter das Kind stets in 
demselben Sinne in der Uterushöhle herumgeworfen werden, was ja, weil 
stets dieselben Bewegungen der Mutter beim Gehen, Stehen, Legen, 
Wiedererheben stattfinden, erklärlich ist. 



Fünfzehntes Kapitel. 

Extrauteringravidität. 

Die Implantation und Entwickelung des befruchteten Eies ist auch 
außerhalb der Uterushöhle möglich. In der überwiegenden Mehrzahl der 
Fälle ist dieser fehlerhafte Sitz des Eies die Tube: Tubargravidität, 
sowohl der interstitielle Teil, als der freie Teil. Selten entwickelt sich 
das Ei im Ovarium: Ovarialgravidität Ob das Ei sich auch auf 
der freien Peritonäaloberf lache primär implantieren kann, ist fraglich: 
Abdominal gravi dität 

Eine einheitliche Ätiologie besteht wahrscheinlich nicht. Es muß 
ein Hindernis in der Tube existieren, das das befruchtete Ei nicht passieren 
läßt Dies Hindernis kann im Bau der Tube liegen — infantile, stark 
geschlängelte Form, Abknickungen z. B. bei früheren peritonäalen Ent- 
zündungen. 

Die erste Annahme ist eine Hypothese, die jedenfalls aus den 
gefundenen Präparaten noch nicht zu beweisen ist. Die zweite An- 
nahme ist durch viele Präparate und Krankengeschichten gestützt. So 



272 



Fünfeehntes Kapitel 



L 



sind Frauen zum Bciceise, daß Konzeptionshindernisse existieren, oft 
lange sterü, bis endlich die Gravidität — nun aber tubar — eintriH 
Oder es ging ein Abort mit nachfolgender Peritonitis voraus. Beweisend 
sind namendich Fälle, wo erst auf einer Seite Tubargravidität operiert 
und dabei eine Anzahl Adhäsionen auf der anderen Seite gelöst wurden. 
Danach entstand eine neue Tubargravidität auf der anderen Seile, da die 
Adhäsionen die Tube abknickten oder an einer Stelle komprimierten. 

Daß Erkrankungen der Tube ätiologisch wichtig sind, ist 
kaum anzunehmen, weil diese Erkrankungen meist doppelseitig sind und 
zu Sterilität führen. Sehr plausibel ist die Annahme von Sippe!. Es 
wird das Ei der einen Seite befruchtet, gelangt aber zufällig nicht in die 
Tube derselben Seite, sondern in die der anderen. Dieser Vorgang b^ 
ansprucht längere Zeit, das Ei ist mittlerweile zu groß geworden und 
kann nun die engeren Partien der Tube, die erst in der Nähe des Uterus 
beginnen, nicht mehr passieren. 

Vielleicht setzt sich das Ei auch in einer Nebentube fest, oder in 
einem Tu betidivertikel, dessen Vorkommen auch an nicht graviden Tuben 
sichergestellt ist 

Entwickelt sich, was das häufigste ist, das Ei in dem freien Teile 
der Tube, so kann es absterben und völlig resorbiert werden. Ich habe 
in zwei Fällen bei späteren Laparotomien absolut normale Tuben ge- 
funden, wo ich vor mehreren Jahren sicher eine TubenschwangerschafI 
beobachtet hatte. Auch wird das Ei nekrobiolisch, wird abgekapselt und 
verkalkt. Ein symptomloser kleiner Tumor bleibt zurück. 

Oder das Ei stirbt ab und wird aus der Tube ausgestoßen, wie das 
Ei beim Abort aus dem Uterus. Dabei kommt es zu einem Blut- 
erguß. Das Blut fließt in die tiefsten Stellen des Douglasischen Raumes 
und bildet hier eine sog. Hämatocele. Diese führt zu Verklebungen 
der Därme oberhalb, so daß eine abgekapselte Blutcyste zurückbleibt 

Es ist hier wieder der vollkommene Tubarabort zu unter- 
scheiden, dabei liegt das Ei in den Blutcoagulis vollkommen getrennt 
von der Ansatzstelle in der Tube. Die Tube zieht sich zusammen, ragt zwar 
mit dem Fimbrienende in die Blutcyste, ist sonst aber wieder nornis' 
geworden. Die fibrinösen Massen des Blutes bilden um den flüssigen 
Teil eine feste Hülle, die schließlich zu einer Abkapselung führt: Kapsel- 
hämatocele. 

Oder der Abort ist unvollkommen, das Ei liegt halb noch in der 
Tube, in der Mitte wie von einem Kranze von dem Fimbrienring um- 
geben; halb ragt es aus dieser Öffnung hervor. 

Dieser Vorgang ist oft ein ailmählicher. Die erste Blutung finde* 
statt, wenn das Ei abgestorben ist und sich löst. Nachschübe von Blutung 




Tubargravidität, Hämatocele. 



das Ei weiter heraus. Es kommt also zu wiederholten Blut- 
güssen, die sich auch durch wiederholte Symptome markieren. 




Auch bleibt manchmal die Placenta in der Tube, die Eihäute platzen 
id der Fötus fällt heraus in die freie Abdominalhöhle. Hier kann er 




Beginnender Tubenabart. 



'^Korben in der Hämatocele liegen bleiben und sich abkapseln. Aber 

anderen Fällen entfernt er sich von der Tubenöftnung und gelangt 

1 andere Stellen der Bauchhöhle. So fand ich einmal ein Stück 



274 



Fünfzehntes Kapitel, 



I 



Nabelschnur aus der Tube herausragen. Das andere abgerissene Stuck 
erblickte ich zwischen den Därmen, es führte zu dem an der Milz 
liegenden Fötus. Ja es ist auch möglich, daß die Placenta sich weiter 
entwickeil, der Fötus am Leben bleibt und sich in einem durch Adhäsionen 
und Darmverklebungen gebildeten Räume weiter nährt: sekundäre 
Peritonäalgra vidi tat 

Am gefährlichsten ist das «Platzen der Tube", das mehr als eine 
Usur durch die wachsenden Chorionzotten aufzufassen isL Das Ei 
implantiert sich in der Tube ähn- 
lich wie im Uterus, löst die Epithc- 
lien auf, oder durchbricht sie und 
gelangt in eine subepitheliale Schicht, 
so daß es in eintr Spalte in der 
dünnen Muscularis weiter wächst 
Dann fand man das Tubenrohr zu- 
sammengedrückt in der Wand, während 
das Er außerhalb in der Tubenwand 
sich entwickelte. Diese ist zu dünn, 
sie wird gleichsam arrodiert Bei 
noch lebendem Ei öffnen sich die 
intervillösen Bluträume nach der 
Peritonäalhöhle und es kommt zu 
einer tödlichen kolossalen Blutung. 
Schon bei ganz kleinen Eiern ist 
dies möglich. Ich operierte in einem Falle, bei dem nur eine bohnen- 
große spindelartige Verdickung der Tubenwand bei vierwöchentlidier 
Gravidität gefunden wuide. 

Im Bereiche der Ansatzstelle des Eies bilden sich Decidualzellen, 
während der übrige Teil der Tube seine normalen Flimraerzellen behält 

Sehr selten findet man das Loch der Tube zwischen den Platten der 
Mesosaipinx, dann bleibt der Bluterguß subserös: intraligamentäre 
Tubargravidität. 

Ein zufälliges Trauma beschleunigt den Prozeß der Dorchnagung. 
So sah ich das Platzen nach einem Coitus, nach einer zufälligen An- 
strengung: Einsteigen in die Badewanne, nach einer mehrfachen kräftigen 
diagnostischen Abtastung, nach einem harten Stuhlgange, auch nach einem 
Anziehen des Uterus mit der Muzeuxschen Zange. 

In den seltenen Fällen von interstitieller Tubargravlditü 
bildet sich seitlich auf dem Uterus ein Tumor. Der Fruchtsack lifB* 




Tubargravidllät. 
gerade In der Miltc iwischen Fimbrieni 




Extrauterinschwangerschaft. Tubenabort. 275 

im Uterusparenchym. Auch hier kommt es zum Platzen und innerer 
Verblutung. 

Wenn das noch im Graafschen Follikel sitzende Ei befruchtet wird, 
so entsteht die Ovarialschwangerschaft. Die Placenta durchwächst 
das Ovarium, entfaltet das Mesovarium und sitzt dann am Ende der 
Gravidität gleichsam subserös an der Beckenwand. Sie kann dabei einen 
runden kindskopfgroßen Tumor bilden, an dem die Eihäute mit dem 
Fötus sitzen. Auch hier kommt es oft schon zu früher Zeit zum Platzen, 
zum Fruchttod und zu innerer Verblutung. 

Die Abdominalschwangerschaft ist vielleicht so zu erklären, 
daß das Ei sich in den Fimbrien ansetzt Implantiert es sich hier, so 
wird es bei weiterem Wachstum abdominell, indem die Placentarbildung 
auf dem Peritonaeum vor sich geht. Die Epethelien des Peritonaeum 
verwandeln sich in Deciduazellen. Dies wäre eine primäre Abdomi- 
Tialgravidität, von der einige Fälle bekannt geworden sind. 

Befindet sich aber die Placenta ganz in der Tube oder in dem Ovarium, 
der Fruchtsack aber bei weiterem Wachstum in der Abdominalhöhle, so 
handelt es sich um sekundäre Bauchschwangerschaft. 

Bei den meisten Extrauteringraviditäten kommt es im zweiten bis 
vierten Monat zu Tubenabort oder zum Platzen der Tube. Doch 
sind auch ausgetragene Tubenschwangerschaften sichergestellt. 

Handelt es sich um sekundäre Bauchschwangerschaft, so verdrängt 
der Fötus, weiter wachsend, die Därme nach oben. Er wird aber wieder 
durch den intraabdominellen Druck nach unten geschoben, so daß er tief 
in den Douglasischen Raum hineingepreßt wird. Er drängt diesen in die 
Scheide vor und den Uterus stark nach der Symphyse zu. Das Kind 
wird meist hinter dem Uterus und sehr tief unten liegend gefunden. 

Am Ende der Schwangerschaft kommt es bei extrauteriner wie bei 
intrauteriner Schwangerschaft zu Wehen. Sie stoßen die in der Schwanger- 
schaft hypertrophierte Uterusschleimhaut ab, die als - sog. Pseudo- 
decidua geboren wird. Das Kind stirbt ab, es liegt, nicht in Berührung 
mit Bakterien, nekrobiotisch hinter dem Uterus. Das Fruchtwasser wird 
allmählich resorbiert, die Placenta verschwindet nach Jahren vollkommen. 
Der Fötus verwächst mit dem ihn umgebenden Fruchtsacke. Kalk- 
ablagerungen entstehen auf der Innenwand des Fruchtsackes. Um dem 
Kinde befindet sich eine eingedickte, vernixcaseosaartige, schmierige Masse. 
Allmählich wird das Kind immer kleiner, auf engeren Raum zusammen- 
gepreßt, es verkalkt. Die Muskeln im Gewebe des Kindes verwandeln 

i8* 



276 Fünfzehntes Kapitel. 

sich in eine fettwachsähnliche Masse. Schließlich kann das ganze Kind 
einen Kalkklumpen bilden, ein Steinkind werden, das nur noch ein 
Drittel so groß ist, als es beim Absterben war. 

Sehr käufig aber kommt es zu entzündlichen Vorgängen. Der Darm 
wird durch einen spitzen Teil des Kindes, z. B. einen lockeren Schädel- 
knochen verletzt, es gelangt Kot in den Fruchtsack, er verjaucht Dann 
können sich größere Kommunikationen mit dem Darm, der Bauchwand, 
der Scheide oder mit der Blase bilden. Nunmehr lösen sich die Muskeln 
und Gewebe des Kindes verfaulend auf, die Knochen werden frei und 
trennen sich von einander, gelangen in die Fisteln und werden aus ihnen, 
aus dem After, der Harnröhre ausgestoßen oder herausgezogen. Sind 
die Knochen des Kindes mit oder ohne Hilfe des Arztes allmählich 
sämtlich entfernt, wozu oft Monate gehören, so verödet der Sack, die 
Fisteln schließen sich und Heilung tritt ein. Aber der Vorgang kann 
auch die Kräfte des Individuums so konsumieren, daß die monatelange 
Eiterung und die durch die Darmfisteln gestörte Verdauung und Assi- 
milation der Nahrungsmittel zum Tode an Sepsis, Pyämie oder Er- 
schöpfung führt. 



Symptome, Verlauf, Diagnose. 

Bei der Diagnose kommt in Betracht: 

1. Fälle von nicht geplatzter Extrauterinschwangerschaft mit lebender 
Frucht in den ersten Schwangerschaftsmonaten. 

2. Fälle, bei denen der Tubenabort oder das Platzen der Tube 
eingetreten ist mit Verblutungssymptomen. 

3. Fälle von Extrauterinschwangerschaft mit lebendem Kinde in 
• späteren Monaten der Schwangerschaft 

4. Fälle von alter Extrauteringravidität lange nach dem Absterben 
der Frucht. 

Die Fälle ad 1 kommen dem Arzte verhältnismäßig selten vor. Die 
Verdrängung des Uterus, die Entwickelung des Eies veranlassen un- 
bestimmte Schmerzen und Übelbefinden, die die Patientinnen zum Arzte 
führen. Es bestehen die Zeichen der Schwangerschaft — Ausbleiben der 
Menstruation, Schwellen der Brüste, subjektive Schwangerschaftssymptome. 

Bei der Untersuchung findet man den auffallend weichen Frucht- 
sack neben dem Uterus, diesen seitlich verdrängend. Bei der inter- 
stitiellen Schwangerschaft stellt der Tumor eine seitliche Vergrößerung 
des Fundus uteri dar. Bei der intraligamentären Schwangerschaft ist der 



277 

Uterus stark erhoben und nach der Seile gedrängt Stets ist der Uterus 
erweicht vergrößert, namentlich verlängert. 

Verwechselung ist natürlich möglich, vor allem mit Retroflexio 
uteri gravidi. Die Portio ist oft so verdickt und verlängert, so auf- 
fallend durch ihre Härte von dem schwangeren retroflektierten Uterus- 
körper differenziert, daß man, namentlich wenn der Fundus etwas seit- 
lich liegt, leicht eine Extrauteri nschwangerschaft vermutet. Jedenfalls klärt 
die genaue Palpalion in der Narkose den Fall immer auf, so daß eine 
Punktion des retroflektierten Uterus als ein Kunslfehler zu betrachten ist. 

Da es sich hier häufig um sehr frühe Stadien handelt, also der 
Tumor nicht groß ist, muß man auch an andere Affektionen denken. Es 
■wird keinen Gynäkologen geben, der sich nicht schon irrte. Ich hatte 
einer Patientin mit akuter Gonorrhoe geraten, sich behandeln zu lassen. 
Nach drei Monaten erschien sie wieder, fieberte leicht, der Fluor war 
sehr stark und seitlich am Uterus hatte sich ein Tumor entwickelt, den 
ich für eine Pyosalpinx halten mußte. Bei der vaginalen Operation fand 
ich eine schwangere Tube, die mit Glück entfernt wurde. 

Umgekehrt ist schon oft eine Tubargravidität diagnostiziert worden, 
wo ein entzündlicher Adnextumor vorlag. Bedenkt man, daß bei Ent- 
zündung der Ovarien und des Uterus die Brüste anschwellen, daß sich 
Milch oft viele Monate nach der Geburt ausdrücken laßt, ja daß über- 
haupt bei manchen Frauen stets ein paar Tropfen von Milch in der Brust 
sich befinden, und daß Symptome, die den subjektiven Schwangerschafts- 
beschwerden ähneln, überhaupt bei Hysterischen oft vorkommen, so wird 
man Verwechselungen für erklärlich halten. Hat doch ein berühmter 
Gynäkologe den Ausspruch getan, er operiere keine Tubargravidität, 
sondern nur einen Adnextumor und stelle die Diagnose erst bei offener 
Bauchhöhle. 

Gewiß aber ist die sichere Diagnose gerade in Fällen von frischer 
ungeplaizter Tubargravidität wichtig, weil die Diagnose auf die Opera- 
tionstechnik Einfluß hat. Die Operation ist eine sehr einfache und er- 
folgreiche, wenn das Platzen durch Sorgfalt und Vorsicht vermieden wird. 

ad 2. Die zweite Reihe von Fällen sind die, wo die Tube geplatzt ist 
■oder der Abort stattgefunden hat, bezw. stattfindet Auch hier sind die 
Symptome verschieden. Bei Usur oder Platzen der Tube kann über- 
raschendschnell die Verblutungsgefahr eintreten {vgl. Fig. 50 S. 274), Schon 
Zwei bis drei Stunden nach dem unglücklichen Ereignisse findet man alle 
Unverkennbaren Zeichen der inneren Verblutung: fadenförmigen Puls, 
«chnelle Atmung, Schmerzen im Leibe, Ohnmächten, Durst, Übelkeit 
J^egen Reizung des Peritonaeums, Urindrang wegen des Druckes der 







278 Fünfzehntes Kapitel. 

Blutcoagula auf die Blase und des Andrängens des Uterus an die Sym- 
physe, anämisches Aussehen, Kollapstemperatur. Das Bild ist ein so 
deutliches, die Symptome sind auf andere Weise so wenig zu erklären, 
daß die Diagnose sofort gestellt werden muß. 

Nicht immer war die Menstruation ausgeblieben, tritt sie doch ein- 
mal noch häufig in der Schwangerschaft ein. Nicht immer sind deut- 
liche Schwangerschaftssymptome vorhanden, zu oft wird die Möglichkeit 
der Schwangerschaft geleugnet 

Irrtümer sind natürlich nicht absolut auszuschließen, so sah ich Ver- 
wechselungen mit einem nach der Peritonäalhöhle geplatzten Magen- 
geschwür, mit Gallenstein- oder Nierensteinkolik, mit Appendicitis. Dann 
aber wurde die Diagnose durch den Nachweis der Blutcoagula bei der 
Perkussion gestellt. 

Sinkt der Blutdruck, so hört das Ausströmen des Blutes aus den 
intervillösen Räumen auf, das Peritonaeum resorbiert die flüssigen Be- 
standteile, es bilden sich feste Coagula, und der vielleicht schon ver- 
schwundene Puls kehrt wieder, der Zustand bessert sich. Aber nidit 
selten ist doch so viel Blut ausgeflossen, daß mit oder ohne Therapie 
der Tod in wenigen Stunden eintritt. Ich sah Fälle, wo in sechs Stunden 
die Schwangere gestorben war, und dabei war das Loch in der Tube 
zwei Millimeter groß! 

Beim Tubenabort (Fig. 49 S. 273) ist die Gefahr nicht eine so rapide, 
aber auch hier kann der Tod schnell eintreten. Es kommt darauf an, 
ob das Ei plötzlich ganz ausgestoßen ist, oder ob das Ei sich nur 
lockert, etwas vorwärts rückt, aber noch teilweise in der Tube stecken 
blieb und dadurch tamponiert. Es verschließt oft die Tube so, daß das 
Blut, welches in dem Tubenteile zwischen Uterus und Ei liegt, nicht in 
das Abdomen laufen kann, sondern durch den Uterus nach außen ab- 
geht. Es ist dies ein sehr wichtiges pathognomonisches Symptom. Liegt 
ein Tumor neben dem Uterus, und geht wochenlang bräunliches, altes, 
krümeliges Blut ab, obwohl die Sondierung und Abtastung eine erheb- 
liche Vergrößerung des Uterus nicht ergiebt, so liegt Tubarabort mit 
abgestorbener Frucht vor. 

Beim Tubarabort findet in der schwangeren Tube Wehentätigkeit 
statt Diese Tubenwehen, erklärlich durch die Hypertrophie der Musku- 
latur in der Schwangerschaft, sind oft kolikartig, überaus heftig. Hat 
sich eine größere Blutmasse in die Peritonäalhöhle entleert, so beruhigt 
sich die Tube, die Schmerzen hören auf, um bei neuen Blutungen wieder 
zu beginnen. 



^^^^r Diagnose der Extrauteringravidität. 27g 

^^™T)ie Patientin, durch Schmerzen und Anämie in das Bett gezwungen, 
liegt eine Woche, erholt sich etwas, die Symptome lassen nach, die 
Patientin ist zwar schwach, fühlt sich aber gesund, sie verläßt das Bett, 
macht eine kräftige Bewegisng, arbeilet z. B. auf dem Felde. Dabei tritt 
ein Nachschub einer erneuten Blutung, eine Lockerung des die 
Tube tamponierenden Eies ein, Schmerzen und Blutausfluß aus der Tube 
beginnen von neuem. So können drei, ja vier weitere Nachschijbe 
entstehen. Auch spät noch ist der Verbhitungstod möglich. 

In anderen Fällen kapselte sich der Bluterguß gut ab, er ist von 
einer Fibrinhülle umgeben. In die Cyste öffnet sich die Tube und in 
dem Blutklumpen liegt das völlig gelöste Ei. Langsam kann sich alles 
resorbieren, so daß nach Jahren auch nicht eine Spur eines Tumors mehr 
zu finden ist 

Oft aber ist noch jahrelang ein Tumor vorhanden, er wird zwar 
immer kleiner und fester, macht aber doch viel Beschwerden. 

Eine Verjauchung ist selten, doch bestehen auch bei aseptischem 
Verhalten der Blutcoagula oft niedrige Fiebertemperaturen. 

ad 3. Fälle aus der Mitte der Schwangerschaft oder dem sechsten, 
bezw. dem siebenten und achten Monat kommen verhältnismäßig seilen 
zur Beobachtung. Ist die Gefahr des Tubenabortes oder des Platzens 
der Tube im zweiten oder dritten Monal vorüber, so ist das häufigere die , 
Entwickelung der Frucht bis zu normalem Ende, oder doch wenigstens 
bis zu fast normalem Ende. 

Die Diagnose der Extrauteringravidität in der Mitte der 
Schwangerschaft wird gewöhnlich dadurch veranlaßt, daß eine Schwangere 
fühlt, es sei diesmal etwas Anderes, als bei früheren Schwangerschaften. 
Sie fühlt die Kindsbewegungen deutlicher, hat allerhand Beschwerden, 
die sie zum Arzte führen. Dann ist es wiederum die starke Verdrängung, 
resp. die abnormale Lage des Uterus, die zunächst den Beweis liefert, 
daß eine regelmäßige Schwangerschaft nicht vorliegt. Weist man dann 
den leeren Raum, eventuell durch Sondierung, nach und ist die Schwanger- 
schaft zweifellos, so kommt höchstens noch die Differentialdiagnose 
zwischen Schwangerschaft im rudimentären Hörne und der Extrauterin- 
Schwangerschaft in Betracht. Bei der ersteren läßt sich das Fruchtwasser 
leichter begrenzen, es fehlen peritonitische Beschwerden, man fühlt deut- 
lich die feste Hülle um den Uterus. 

Schon oben war bemerkt, daß es seltene Fälle von ausgetragener 
.Tubargravidität gibt. Meist aber handelt es sich um Fälle, bei denen 




28o Fünfzehntes Kapitel. 

die Placenta in der Tube oder im Ovarium sich entwickelte, während 
der Fötus aus dem Ovarium oder aus der Tube hinausglitt und frei in 
der Bauchhöhle weiterwuchs. Das Kind ist vom Chorion und Amnion 
umgeben. Ja es ist schon vorgekommen, daß die Eihüllen völlig intakt, 
ohne entzündliche Verwachsungen einzugehen, frei im Abdomen lagen. 

Die Regel ist, daß sich ein Fruchtsack dadurch bildet, daß Eihüllen und 
Därme, Fibrinauflagerung und Entzündungsprodukte einen abgekapselten 
Raum schaffen, in dem das Kind liegt. Diese Bildung eines Frucht- 
sackes macht nicht immer peritonitische Symptome. 

Untersucht man, so liegt meist der Uterus dicht vorn angedrängt, 
ja er ist gerade deshalb und weil er verdickt und namentlich verlängert 
ist, leicht kombiniert abzutasten. Das Kind liegt hinter dem Uterus. 
Nicht immer liegt es den Bauchdecken dicht an, sondern mehr an der 
Wirbelsäule, von Därmen überdeckt. Aber in der Regel ist der unten 
liegende Teil, auch hier meist der Kopf, tief in den Douglasischen Raum 
hineingedrängt Man fühlt leicht den Kopf des Kindes, die Nähte, weist 
bei lebendem Kinde Herztöne und Bewegungen nach, bei totem Kinde 
fühlt man das Knattern und die Verschieblichkeit der Kopfknochen. 

Eine Diagnose ist, wenn überhaupt die Möglichkeit der Extrauterin- 
gravidität ins Auge gefaßt wird, leicht zu stellen. 

ad 4. Oft lag das extrauterine Kind viele Jahre im Abdomen, ohne daß 
die Gesundheit wesentlich beeinträchtigt wurde. Aber Zufälligkeiten, z. B. 
ein Trauma, oder eine wiederholte energische Untersuchung, bewirken 
Entzündung und Darmkommunikation. Bei großen Entzündungsprodukten, 
Exsudaten und Fisteibildung ist ein Fall mitunter unklar, bis Knöcheichen 
des Kindes und irgend eine Fistel {vgl. S. 276) abgehen. 

Auch bei Sektionen sind zufällig völlig verkalkte, extrauterin liegende 
Kinder gefunden: sog. Steinkinder. Daß man sich irren kann, bewies 
mir ein Fall, wo vor 30 Jahren schon von Hohl die Extrauterin- 
schwangerschaft diagnostiziert und in einer Dissertation beschrieben war. 
Jeder Assistent übergab diese interessante Patientin dem Nachfolger. Als 
ich Assistent war, erlag die Greisin einer Pneumonie. Die Sektion 
crgJib ein großes verkalktes, steinhartes Myom, das viele Jahrzehnte lang 
iinvi'rändert neben dem Uterus gelegen hatte. 



Behandlung. 

V-n ist immer mißlich, sich bei therapeutischen Fragen auf einen 
^u'iiyi'ii prinzipiellen Standpunkt zu steilen, denn in medizinischen An- 
tv'„iii'iilli'ilen gibt es immer Ausnahmen von der Regel, und besondere 



Behandlung der Extrauteringravidität. 281 

Umstände, die eine Modifikation eines festen Planes notwendig machen. 
Will man aber ein Prinzip bei der Behandlung der Extrauteringravidität 
aufstellen, so ist es ohne Zweifel das, stets sofort zu operieren, 
wenn die Diagnose der Extrauteringravidität feststeht. Denn 
die Gefahren der Operation sind heutzutage gering. Sie lassen sich 
berechnen und umgehen. Die Gefahren aber beim Abwarten sind un- 
berechenbar. Der Satz: der Tumor einer Extrauterinschwanger- 
schaft ist gleich zu setzen einem bösartigen Tumor, der je eher 
je besser zu entfernen ist, hat allgemeine Geltung erworben. 

Es kommt aber sehr darauf an, in welchem Stadium der Arzt die 
Extrauteringravidität diagnostiziert. Knüpfen wir an die S. 276 gegebene 
Einteilung an, so sind zuerst die Fälle zu besprechen, wo man die 
Gravidität diagnostiziert hat bei noch lebender Frucht. Hier ist sofort 
die Laparotomie zu machen. Es ist mir und vielen anderen oft geglückt, 
in leichtester, unblutiger Weise eine gravide Tube zu exstirpieren. Die 
Prognose ist dann ebenso gut, als die bei der Exstirpation einer kleinen 
Ovarialcyste. Nur muß man sehr vorsichtig zu Werke gehen, nament- 
lich den Leib, resp. den Tumor nicht drücken, damit vor oder bei der 
Operation der Fruchtsack nicht platzt. 

Nach Eröffnung der Abdominalhöhle sucht man sich schnell den 
Uterus auf und fühlt nach dem Ansatz der Adnexe am Uterus, resp. nach 
der verdickten Tube. Mit stumpfer Nadel wird ein Zügel so hindurch- 
geführt, daß er unter dem Ligamentum rotundum hindurchgeht. Dies 
ist deshalb notwendig, weil das Lig. rot. stets fest ist, während die Tube 
und das Ligamentum ovarii so weich sein kann, daß der Zügel bei festem 
Anziehen das erweichte Ligamentum ovarii und die Tube durchreißt. 

Mit dem Zügel wird der Uterus, bezw. der Tumor nach der Mitte 
zu gezogen. Dann unterbindet man, weil die Blutzufuhr von der Seite 
kommt, zuerst das Ligamentum infundibulopelvicum, sodann die Gebilde, 
unter denen der Zügel hindurchgeht. Nun wird innerhalb der zwei 
Unterbindungen der Tumor herausgeschnitten. Das Ligamentum latum 
wird fortlaufend mit Catgut vereinigt. Die Ligaturen werden durch eine 
zweite Ligatur gesichert, denn die erste, bei strotzenden, vollen Gefäßen 
angelegte, ist nach Abtragung des Tumors oft locker geworden. 

Hat man die Diagnose einer inneren Blutung, resp. einer frisch 
geplatzten Tubargravidität gestellt, so ist bis zur Operation absolute Ruhe 
unbedingt erforderlich. Nicht einmal ein Unterschieber darf beim Uri- 
nieren untergeschoben werden. Es ist zu katheterisieren. Ob ein Eis- 
beutel Vorteile hat, möchte ich bezweifeln. Subkutane Salzwasser- 
injektionen vor der Operation zu machen, ist wohl falsch. Ich rate, sie 



282 Fünfzehntes Kapitel. 

lieber unmittelbar nach der Operation zu machen, ebenso die Einwickelung 
der Beine. Die Narkose wird mit Äther eingeleitet Kampferöl wird 
subkutan injiziert Die Vorbereitung des Operationsfeldes ist so schnell 
als möglich mit Äther auszuführen. Die Blutcoagula werden nicht sorg- 
fältig ausgeschöpft, die ganze Operation wird so schnell als möglich 
gemacht. 

Auch hier sucht man mit schnellem Griffe in den Blutmassen den 
Uterus anf, nachdem man vorsichtig die meist nur lose angeklebten 
Därme losgezogen, nach oben gelagert und durch aufgelegte Servietten 
gedeckt hat Danach werden, wie oben geschildert, die Ligaturen gelegt 
und der Fruchtsack wird entfernt Man schöpft die großen Blutcoagula 
schnell aus, zieht eventuell Membranen, resp. Fibringerinnsel vom Uterus 
und Peritonaeum ab. Es blutet vielleicht aus diesen Flächen etwas, 
indessen ist eine Drainage unnötig, da die Abdominalhöhle aseptisch 
war und aseptisch bleibt Wenn auch im Verlaufe der Rekonvalescenz 
in den ersten Tagen die Temperatur etwas steigt, so ist dies gleichgiltig, 
ja dies ist die Reget 

Schwer ist die Entscheidung in zwei Fällen. Erstens wenn man zu 
einem Falle kommt, wo die Anämie sehr bedeutend ist Zwar kann man 
und muß man den Versuch machen, das Leben zu retten, oft aber 
operiert man aus äußeren, nicht vom Arzt abhängigen Gründen zu spät. 
Zwischen dem Stellen der Diagnose und der Vollendung der Vorbereitung 
der Operation verläuft zu viel Zeit Zu viel Blut ist ergossen, als daß 
die Patientin noch die Folgen eines so bedeutenden Eingriffes, wie ihn 
die Laparotomie darstellt, ertragen kann. 

Es wird oft auf die unberechenbare, individuelle Widerstandskraft 
und Lebenszähigkeit der Patientin ankommen, ob sie den Eingriff noch 
verträgt. Trotz subkutaner Kochsalzinfusion, Erwärmung der Patientin, 
reichlicher Kampfer- und Alkoholzufuhr wird man sich bei schlechtem 
Ausgange mit der Überzeugung trösten müssen, daß es Pflicht war, den 
einzigen Weg der Rettung beschritten zu haben. 

Es wird Nebenumstände geben, die eine Beschleunigung des Ein- 
griffes unmöglich machen. Da ja die Einwilligung der Patientin oder 
der Angehörigen notwendig ist, so werden oft kostbare Augenblicke ver- 
loren. Aber jedenfalls ist es nach dem Stande der Kenntnis von diesen 
Vorgängen das allein richtige, bei akuter Lebensgefahr einzugreifen, 
womit nicht gesagt werden soll, daß nicht auch Fälle vorkommen, wo die 
Operation verweigert wird und wider Erwarten Heilung auch ohne 
Operation eintritt. Dies ist dann ein glücklicher Zufall. 



Behandlung der Extrauteringravidität. 283 

Zweitens ist der Entschluß schwer, wenn die primäre Gefahr 
vorüber ist, wenn die Bildung eines circumscripten Tumors beweist, daß 
die Blutung steht, daß sich das ergossene Blut abgekapselt hat, daß also 
eine Hämatocele entstanden ist, der Beweis auch für den Tod der 
Frucht. 

In diesen Fällen wird der Tumor fester und härter, er fühlt sich 
namentlich vom Douglasischen Räume aus nicht mehr gleichmäßg prall, 
elastisch, sondern grobhöckerig an und ist nicht mehr so schmerzhaft bei 
der Berührung. Schon die Tatsache, daß vor 20 Jahren viele solche 
Fälle schließlich glücklich durch Resorption endeten, beweist, daß die 
Operation nicht unumgänglich notwendig ist. Aber eine sichere Pro- 
gnose läßt sich auch hier nicht stellen. Ich sah öfter Fälle^ wo Patien- 
tinnen drei, ja vier Wochen in der Klinik lagen und ich, weil der Tumor 
immer fester und kleiner wurde, die Operation nicht für nötig hielt 
Dann verließ die Patientin, die sich wohl fühlte und Jür gesund hielt, 
gegen unsern Rat die Klinik und nahm die gewohnte Lebensweise wieder 
auf. Es kam bald zu neuen «Nachschüben«, die Operation mußte doch 
noch ausgeführt werden. 

In besseren Ständen freilich, wo eine vernünftige Patientin den ärzt- 
lichen Anordnungen Folge leistet und viele Wochen lang ruhig liegt, ist 
der gute Ausgang, wenn nach dem Tode der Frucht sich ein fester 
Tumor gebildet hat, ziemlich sicher. Aber auch bei körperlicher Ruhe 
bewirkt eine Bewegung, z. B. beim Stuhlgang, einen Nachschub. Da 
gerade in diesen Fällen die Lebenssicherheit der Operation ein große ist, 
rate ich deshalb stets zur Operation. 

Man hat für die Operation drei Wege: die Laparotomie, die 
hintere und die vordere Kolpotomie. Ich bevorzuge die Lapa- 
rotomie, weil bei dieser der Überblick am besten ist, weil sich Adhä- 
sionen gut lösen lassen, weil die Operation sauber, programmmäßig, ohne 
Zwischenfälle leicht auszuführen ist 

Die hintere Kolpotomie habe ich ebenfalls oft gemacht Sie ist 
in Fällen indiziert, wo die Blutcyste — die Hämatocele — den Douglasi- 
schen Raum in die Scheide stark hervorgewölbt hat, wo schon viele 
Wochen seit dem primären Ereignisse vorübergegangen, also feste, ab- 
kapselnde Membranen über der Hämatocele sind, wo der Tumor weit 
entfernt von der Bauchdecke liegt und wo die Resorption sehr langsam 
oder nicht von statten geht. 

Man inzidiert durch Längsschnitt von der Portio an die vaginale 
Hervorwölbung so weit, daß der Finger bequem in die Cyste einzuführen 
ist Kombiniert sucht man sich das feste Ei auf und entfernt es durch 



284 Fünfzehntes Kapitel. 

Fingerdruck oder mit einer Abortzange. Dann füllt man vorsichtig die 
Höhle mit Jodoformgaze lose aus und spült zunächst nicht, um nicht 
Adhäsionen zu lösen. 

Oft verläuft der Fall ganz aseptisch. Nach sechs bis zehn Tagen 
fieberfreien Verlaufes wird die Gaze entfernt und Vaginalspülungen be- 
seitigen den Ausfluß. Tritt Fieber ein, so wird die Gaze sofort entfernt 
und die Höhle wird mit einem Katheter ä double courant gereinigt. 
Dasselbe muß im weiteren Verlaufe geschehen, wenn die Vaginalinzision 
sich schnell verengert, wenn Retention - und Fieber eintritt. Die Drainage 
mit Gummirohr ist nicht nötig. 

Ausgezeichnete Dienste tut bei Fieber die permanente Irrigation der 
Höhle. Läßt man sechs bis acht Stunden lang am Tage desinfizierende 
und später adstringierende Flüssigkeit in die Höhlung einfließen, legt 
man in der Zwischenzeit einen Sand- oder Schrotsack auf das Abdomen, 
so verkleinert sich die Höhle bald. Man spült zuerst mit Alsollösung 
oder Borsäurelösung, später spritzt man in die Höhle Qlycerin mit 
Borsäure 20:200, oder Wasserstoffsuperoxyd 40:200. 

Die vordere Kolpotomie erscheint aus zwei Gründen nicht 
richtig. Erstens liegt die Cyste, resp. die schwangere Tube auf der 
Rückseite des Uterus, wird also gezerrt und bei gewaltsamer Dislokation 
leicht zerrissen. Und zweitens ist die im Douglas befindliche Masse des 
ausgeflossenen Blutes nicht zu entfernen, was natürlich leichter gelingt, 
wenn die Öffnung an der tiefsten Stelle im Douglas sich befindet Hinten 
gehen bei der Verkleinerung, die auch der abdominelle Druck bewirkt, 
die Sekrete spontan ab. 

Handelt es sich um ein lebendes Kind circa in der Mitte der 
Schwangerschaft, so ist ebenfalls Laparotomie indiziert 

Sollte der Fruchtsack eine freie Cyste darstellen, die wie ein Ovarial- 
tumor durch die Laparotomiewunde nach außen gezogen werden und 
abgebunden, resp. in toto exstirpiert werden kann, so geschieht dies 
selbstverständlich. Leider. aber liegt meist der Fruchtsack den Bauchdecken 
nicht dicht an und ist auch nicht so zu isolieren, daß er in toto exstir- 
piert werden kann. Man muß dann die Därme nach Eröffnung der 
Bauchhöhle nach oben schieben und die Bauchdecken an den Fruchtsack 
andrücken und annähen. Eine ca. 10 cm lange und 4—5 cm breite 
Fläche der Fruchtsackwand wird durch das Annähen des Peritonaeum 
parietale von der Abdominalhöhle abgeschlossen. Diese Naht ist oft 
wegen der Dünnwandigkeit und Weichheit des Fruchtsackes sehr schwierig. 
Auch die Größe von 10 cm kann nicht immer erreicht werden, da 



I 



Behandlung der Extrauteringravidität. 285 

vielleicht Darmschlingen teilweise die Wand bilden. Dann eröffnet man 
den Fruchtsack und entfernt das Kind. 

Es ist nun sehr verführerisch, gleich die Placenta mit zu entfernen. 
Ich widerrate dies dringend. Nur in den Fällen, wo die Placenta an der 
frei beweglichen Fruchtsackwand anliegt, werden beide zusammen er- 
hoben, abgebunden und abgeschnitten. Sitzt aber die Placenta an einem 
festsitzenden, nicht zu isolierenden Teile, liegt sie z. B. im unteren Pol 
des Fruchtsackes, so lasse man die Nabelschnur ausbluten und tampo- 
niere den Fruchtsack mit steriler Gaze. Es wird so viel Gaze eingeführt, 
daß der Fruchtsack völlig ausgefüllt, also ungefähr ebenso groß ist, als 
er es vor der Entfernung der Frucht war. Zum Schlüsse näht man den 
Fruchtsack noch fest mit den Bauchdecken ringsherum zusammen, läßt die 
Fäden lang, um durch Auseinanderziehen die Öffnung bequem für eine 
neue Tamponade oder für die Ausspülung zugänglich zu machen. Ein 
fester typischer Kompressionswatteverband mit Rollbinde schließt die 
Operation. 

Der Verband bleibt bei Fehlen von Fieber acht Tage lang liegen. 
Dann holt man die Gaze heraus, die Placenta bleibt auch jetzt noch 
sitzen, wenn sie sich nicht spontan gelöst hat, denn auch jetzt noch kann 
bei Versuchen der Lösung eine lebensgefährliche Blutung eintreten. Die 
jetzt kleiner gewordene Höhle wird mit Jodoformgaze gefüllt, da nach 
dieser langen Dauer des Verlaufes eine Zersetzung in die Höhle zu be- 
fürchten ist. Nach einigen Tagen, namentlich wenn etwas Fieber vor- 
handen ist, löst sich sicher ohne Blutung die Placenta. Allmählich ver- 
kleinert sich die Höhle, die mit ungiftigen Adstringentien ausgespült wird. 

In einigen Fällen mußte ich nach dieser offenen Behandlung die 
zurückbleibende Laparocele operieren. Sie ist nicht zu vermeiden, bleiben 
doch auch nach Typhlitisoperation mit offener Nachbehandlung unver- 
meidbare Brüche zurück, die dann später durch eine Operation leicht 
geheilt werden. 

Schneidet man zufällig die Placenta eines lebenden Kindes an oder 
durch, so wird sie schnell mit Matratzennähten an die Unterlage an- 
geheftet, um die Blutung zu stillen. Dies gelingt schnell. Wer sich aber 
verführen läßt, die Placenta des lebenden Kindes zu lösen, wird enorme 
Blutungen erleben. Sie lassen sich dadurch stillen, daß man den Frucht- 
sack mit großen Massen von Gaze fest austamponiert und den Bauch 
mit einer Rollbinde so fest als möglich zusammenschnürt. Dabei ist 
zwar manches Leben von dem Verblutungstode gerettet, aber die Gefahr 
ist doch eine sehr große, jedenfalls größer als bei der beschriebenen 
Methode. 

Das geschilderte Verfahren ist auch bei ausgetragenen Extrauterin- 



286 Fünfzehntes Kapitel. 

graviditäten anzuwenden. Auch dabei liegt oft der Fruchtsack nicht diel 
den Bauchdecken an, so daß die Bauchhöhle erst durch Annähen d 
Peritonäums an den Fruchtsack gesichert werden muß. 

Ist der Inhalt des Fruchtsackes schon verjaucht, so ist das Verfahre 
nicht anders. Durch die beschriebene Annähung erzielt man einen volE — 
kommen sicheren Abschluß, namentlich dann, wenn während der Extralc:- — 
tion des Fötus und während des Ausfließens der Jauche massenhaft 
steriles Wasser oder Borsäurelösung aufgegossen wird, womit man schnei 1 
die infektiösen Flüssigkeiten entfernt. 

Bei jahrelang bestehenden Extrauteringraviditäten ist die Placent^i- 
völlig verschwunden, dagegen ist der ganze Fruchtsack mit Kalkkonkre — 
menten austapeziert. Hier verzichte man erst recht auf die Exstirpatior^ 
des Fruchtsackes, der ja keine bösartige Neubildung ist, sondern schrumpft 
und spontan verschwindet. Die Lebenssicherheit bei der beschriebenei:^. 
Methode ist eine außerordentlich große, während bei den Versuchen der 
Exstirpation die Operation so groß und so eingreifend sich gestalten 
kann, daß die Patientin zu schwach ist, um den großen, langdauernden 
Eingriff zu überstehen. 

Befindet sich im Fruchtsacke Kot und Luft, so wird er reichlich 
ausgespült, die Darmfisteln schließen sich während der Rekonvalescenz 
durch Narbenschrumpfung des Fruchtsackes meist von selbst, wenn 
Stuhlgang auf natürlichem Wege abgeht 

Liegt der Fruchtsack den Bauchdecken fest an, und befindet sich 
an dieser Stelle eine Fistel, wodurch schon Knochenpartikel abgingen, 
so erweitert man die Fistel nicht mit dem Messer, sondern mit Preß- 
schwamm oder mit Laminaria bis zu der Weite, daß der Finger die 
Höhle gut austasten kann. Dann entfernt man mit Finger und Korn- 
zange die Knochen allmählich. 

Das Qrößerschneiden einer Fistel ist sehr gefährlich, da man gar 
nicht wissen kann, ob nicht neben der Fistel eine Darmschlinge die 
Wand des Fruchtsackes bildet. 

Bei der sog. Blasenschwangerschaft hat sich eine Kommuni- 
kation mit der Blase gebildet. Man entfernt aus der Harnröhre die 
Knochen. Sollte dies nicht schnell gelingen, so wird ein vaginaler Längsschnitt 
in die Blase gemacht. Von ihm aus wird die Blase ausgetastet und aus- 
geräumt. Ich habe in einem Falle die Wunde nicht geschlossen, um die 
intensive Cystitis gut behandeln zu können. Die Fistel verkleinerte sich 
und schloß sich spontan. 



Der Abort. 287 

Sechzehntes Kapitel. 

Der Abort 

In den vorhergehenden Kapiteln ist wiederholt von der Unter- 
brechung der Schwangerschaft die Rede gewesen, und viele Gründe des 
Abortes sind angeführt. So z. B. fieberhafte Allgemeinkrankheiten: 
Pneumonie, Pleuritis, Influenza, Intermittens, Masern, Scharlach, Variola, 
Typhus usw., ferner Herzfehler, Syphilis, Retroflexio und Prolapsus des 
Uterus. 

Daß große geistige Erregungen zum Abort führen, ist nicht zu 
leugnen. So abortierten Frauen, denen ein Kind plötzlich starb, die von 
einem Hunde gebissen, die durch einen Einbrecher in der Nacht ge- 
weckt wurden. Bei großem Brandunglück oder anderen schrecklichen 
Ereignissen kam es zum Abort. Bekannt sind die Berichte, daß z. B. 
bei der Beschießung Straßburgs viele in die Keller geflüchtete Frauen 
abortierten. 

Mißbrauch mit Drasticis, mineralische oder andere Gifte, zu große 
Gaben Seeale oder Ergotin bewirken einen krankhaften Zustand des All- 
gemeinbefindens, dessen Symptom der Abort werden kann. 

Traumatische Insulte, die speziell den Uterus treffen, z. B. energische 
kombinierte Untersuchung, Sondierung, Herabziehen des Uterus mit 
Muzeuxscher Zange, kräftige Tamponade, eiskalte, heiße Irrigation, direkte 
Faradisation des Uterus, Einführen der Elektrode im elektrischen Bade in 
die Scheide, häufiger Coitus nimio impetu veranlassen ebenfalls unter Um- 
ständen die Unterbrechung der Schwangerschaft Namentlich das Zusammen- 
wirken eines körperlichen und geistigen Trauma ist ätiologisch wichtig. 
Auch lange Eisenbahnfahrten sind in der Schwangerschaft nicht unbedenk- 
lich. Vielleicht wegen der sich dabei entwickelnden Hyperämie der Becken- 
organe. Beobachtet man doch, daß auch das Eintreten der Menstruation 
dabei beschleunigt wird, oder daß in der klimakterischen Periode die 
schon weggebliebene Menstruation noch einmal eintritt. 

Andererseits wird vom Volke die schädliche Wirkung einer körper- 
lichen Anstrengung oder eines Trauma sehr überschätzt Infolge des 
Kausalitätsbedürfnisses der Menschen sucht fast jede Abortierende nach 
einem plausiblen Grunde für das unglückliche Ereignis. Bei genauer 
Analyse des Falles ist aber der Kausalkonnexus zwischen dem Fallen, 
dem «Überheben«, der Erschütterung, der Erkältung, Fahren auf der 
Eisenbahn, auf schnellen Wagen und Wegen usw. nicht sicher zu stellen. 
Nur wenn bei gesunder Frau der Beginn des Abortes sich unmittelbar 



288 Sechzehntes Kapitel. 

an das Trauma anschließt, wird man den Zusammenhang, eventuell auch 
als Gerichtsarzt, annehmen dürfen. 

Bedenkt man, daß bei habitueller Konstipation oft wochenlang enorm 
gepreßt werden muß, so widerlegt die Tatsache, daß dabei die Schwanger- 
schaft meist ungestört weiter verläuft, am besten den Einfluß mechanisch 
wirkender Insulte. Berichte über normalen Schwangerschaftsverlauf trotz 
großer Operationen, z. B. Amputation, Tracheotomie, Ovariotomien, 
Appendicitisoperationen usw. lehren auch, daß der schädliche Einfluß 
des Traumas überschätzt wird. Und daß bei beabsichtigtem Aborte die 
Frauen oft die größten Gewalten auf sich einwirken lassen, springen, 
tanzen, Rad fahren usw., ohne den sehnlichst gewünschten Abort zu 
erleiden, ist bekannt Ja selbst nach Sondierungen, denen eine starke 
Blutung folgte, verlief die Schwangerschaft ungestört. 

Daß große Cervicalrisse Abort hervorrufen, halte ich für eine 
falsche Beobachtung. Ich habe sehr oft große beiderseitige Cervixrisse 
operiert, wo die Anamnese eine ganze Reihe normaler Geburten ergab. 
Bedenkt man, daß auf ca. fünf Geburten ein Abort kommt, so haben 
natürlich Multiparen mit Cervixrissen, wie andere Frauen, die Chance zu 
abortieren. 

Jedenfalls sieht man unzählige Aborte, bei denen ein ätiologisches 
Moment nicht zu finden ist. Man hat deshalb auch ohne sichere ana- 
tomische Beweise die Aborte auf Endometritis bezogen, auf tiefen 
Ansatz der Placenta, auf Raumbeschränkung der Serotina usw. Wahr- 
scheinlich ist die Beschränkung der Osmose oder der Ernährung des 
Eies auf die Serotina nach Absterben der Zotten des Chorion frondosum 
ein kritischer Zeitpunkt, wenigstens ist die gefährlichste Zeit der zweite 
Monat. 

Sehr viele Frauen abortieren in der ersten Schwangerschaft Man 
bezog das auf Unvorsichtigkeit der nicht hygienisch gebildeten jungen 
Frau. Vielleicht liegt der Grund auch im Infantilismus, d. h. darin, daß 
der kleine Uterus nicht genügend schnell wächst, so daß ein Mißver- 
hältnis zwischen dem schnell sich vergrößernden Ei und dem zu lang- 
sam wachsenden Uterus vorhanden ist. 

In Fällen von habituellem Abort, der sowohl bei Frauen, di? 
schon einmal geboren laben, als bei solchen vorkommt, die noch nie 
ein Kind austrugen, findet man oft die abgegangene Decidua auffallend 
dünn, schlaff und die rauhe Fläche mehr glatt als zottig. 

Daß es Fälle von besonderer Irritabilität des Uterus gibt, ist 
sicher, es lehren dies die Fälle, bei denen ein Abort dem andereii 
folgt, bis die Schwangere sich entschließt, ganz ruhig zu leben. Frauen, 



■ 



I 



Verlauf des Abortes. 289 

die mehrfach abortiert haben, erleben oft erst dann einen ungestörten 
Schwangerschaftsverlauf, wenn sie während der ersten fünf Monate im 
Bett bleiben, oder wenigstens jede energische Bewegung, Gehen, Treppen- 
steigen usw. unterlassen. 

Verlauf. 

Ist die Menstruation ein- oder zweimal ausgeblieben, oder auch das 
letztemal auffallend schwach gewesen, hält sich die Frau für schwanger, 
nach den subjektiven Beschwerden, diagnostiziert man aus den objek- 
tiven Zeichen, namentlich der Vergrößerung des Uterus und der Schwellung 
der Brüste, die Schwangerschaft, und leitet ein sehr erheblicher plötzlicher 
Blutverlust den Abort ein, so beobachtet man meist Fieber, Frösteln, auch 
Schüttelfrost. 

Die Blutung beim Abort kann den Tod herbeiführen. Ist dies auch 
selten, so liegt das daran, daß sachgemäße Hilfe wegen der beängsti- 
genden Symptome fast stets bald requiriert wird. Ohne diese Hilfe aber 
tritt wohl einmal der Tod durch Verblutung ein. Ich sah dies öfter, 
z. B. erlebte ich, daß ein Ladenmädchen, das sich, wohl um die Schande 
zu verbergen, in ihre Dachkammer eingeschlossen hatte, verblutet, tot 
im Bette gefunden wurde. 

Der Verlauf hängt davon ab, ob die Unterbrechung in sehr frühen 
Monaten der Schwangerschaft eintritt und ob es sich um eine Multipara 
oder eine Primipara handelt Bei sehr zeitigem Abort kann nur das Ei 
abgehen, die Uterusschleimhaut aber in situ bleiben und, ohne abzu- 
sterben, reorganisiert werden. Dies habe ich mit Sicherheit beobachtet 
und zuerst beschrieben. Oder die Decidua wird vielleicht erst vier Wochen 
nach der Eiimplantation in kleinen häutigen Fetzen mit Blutcoagulis ohiie 
erhebliche Schmerzen, resp. Wehen allmählich ausgestoßen. 

Ist das Ei größer nach sechs bis acht Wochen, und ist der Mutter- 
mund bei der Primipara eng, so sind oft die Wehen ebenso schmerz- 
haft, wie bei einer rechtzeitigen Geburt. Das Ei kann dabei aus der 
Uterushöhle in die sich erweiternde Cervicalhöhle gedrängt werden und 
hier liegen bleiben. Der Cervicalkanal dilatiert sich ampullenartig, das 
Ei kann aber den äußeren engen Muttermund nicht passieren. Auch 
zieht sich mitunter der innere Muttermund zusammen, so daß das Ei 
halb im Uterus, halb in der Cervix vom inneren Muttermunde sanduhr- 
förmig eingeschnürt liegen bleibt. 

Bei der Multipara mit weitem Muttermunde verläuft der Abort fast 
ohne Schmerzen und Wehen. Es tritt eine Blutung ein, das Ei wird 
in tote in die Scheide ausgestoßen, der leere Uterus kontrahiert sich 

Fritsch, Geburtshilfe. ig 



gut. Der Abort geht nicht selten so glatt vorüber, daß die Patientin 
überhaupt nicht das Bett aufsucht. 

Da die Scheide Bakterien enthält, so verfault ein teilweise in die 
Scheide geborenes, vom Muttermunde festgehaltenes Ovulum. Es fällt 
aus der erweichten Cer\ix heraus, oder wird beim Untersuchen los- 
gedrückt. Aber ein Teil bleibt dabei leicht im Uteruscavum zurück- 
Die Fäulnis ergreift auch diesen Teil. Der innere Muttermund verengerte 
sich und der verjauchle Abortrest liegt im Uteruscavum. Dann ent- 
steht liohes Resorptionsfieber, weil der enge innere Muttermund das Ei 
nicht spontan abgehen läßt Kommt die ärztliche Hilfe zu spät, so li 
sich allgemeine Sepsis und tödliche Infektion anschließen. 

Die Blutung bei Abortresten ist intermittierend. Tagelang geht 
glasheller Schleim ab. Dann tritt plötzlich reichlicher Abgang gan^^r 
hellen normalen Blutes ein, das natürlich bei Rückenlage und längereirÄ 
Aufenthalte in der Scheide auch koaguliert und dunkelfarbig isL Oeh"*; 
mäßig, aber dauernd bräunlich krümliches, aber nie rein helles Blut ab, so 
vergesse man nicht, daß es sich vielleicht um Tubarblut bei Extrauterin — 
gravidität handelt. Irrtümer können sehr verhängnisvoll werden. War eine- 
normale Schwangerschaft angenommen und vermutet der Arzt wegen dei" 
Blutung einen Abortresl, kratzte er unter Dislokation des Uterus das Cavurr» 
uteri aus, so kann dabei der Fruchtsack platzen. Bei diesem InHiir» 
und konsekutiver intraperitonäaler Blutung habe ich mehrere Todesfälle 
gesehen. 

Öfter bleibt auch ein kleines Stück Decidua mit etwas Chorion i«» 
Uterus aseptisch liegen. Vielleicht war eine Partie der Decidua infolge^ 
lokaler Endometritis zu fest sitzend. Dies Stück hindert den Uterus aT* 
guter Kontraktion, Es treten Blutungen ein, bei denen es oft zunächst 
unklar ist, ob es sich um eine atypische Blutung oder um die wiedC 
eintretende Menstruation handelt. Die Blutungen kehren aber imme'i" 
wieder, auf den Abortrest kann sich Blut und Fibrin niederschlagen. 
so daß ein sich langsam vergrößernder sog. Place ntarpolyp entsteht; ein 
überaus seltener Vorgang.' Übrigens enden auch diese Fälle dadurcJi 
spontan günstig, daß der Uterus erweicht, infiltriert wird, sich aufeteift 
und daß nun mit oder ohne Wehen der Abortrest spontan abgeht 

Meist wird die Hilfe des Arztes eher requiriert, der dann daraus, 
daß die Menstruation ausgeblieben war, daß danach eine starke Blutung, 
die häufig wiederkehrte, eintrat, den Abortrest diagnostiziert oder 
wenigstens als wahrscheinlich annimmt in seltenen Fällen bleibl däS 
tote Ei wochen-, ja monatelang im Uterus zurück, missed abortioi- 
Es wird erst später, z. B. bei wieder eintretender Mensfruaüotr- 



Diagnose des Abortes. 291 

als harte Masse, als ein Ausguß der Uterushöhle, als eine Fleischmole 
ausgestoßen. 

Bis zum vierten Monate geht das Ei, vorausgesetzt daß der Verlauf 
nicht durch falsche Hilfe gestört wird, meist in toto ab, so daß die Ei- 
häute den Fötus noch am geborenen Aborte umschließen. Dasselbe ist 
nicht selten bei abgestorbenen weichen Föten noch im sechsten, ja siebenten 
Monate der Fall. Später verläuft die Ausstoßung der Frucht wie eine 
Geburt, nur selbstverständlich viel leichter, weil das kleine, weiche Kind 
auch einen engen Muttermund passieren kann. Dann aber schließt sich 
nach Abgang der kleinen Frucht der Muttermund wieder, so daß man 
Schwierigkeiten hat, die retentierte Placenta zu erfassen und zu ent- 
fernen. 

Ein solcher Uterus, der lange blutete, involviert sich schlecht Alle 
Teile des Uterus bleiben zii groß. Die Schleimhaut ist hypertrophisch, 
sezerniert viel Schleim und blutet leicht Die Muskulatur bleibt schlaff, 
so daß ein solcher Uterus sich leicht knickt, z. B. retroflektiert Der 
ganze Uterus bleibt schwer und senkt sich. Die Portio bleibt erodiert, 
die Cylinderepithelien überwuchern die Portio und erobern sich Partien 
der Außenfläche, die sonst mit Plattenepithel bedeckt sind. Der Uterus 
ist chronisch infarziert Die Menstruation ist dauernd zu reichlich. 



Diagnose. 

Bei der Diagnose handelt es sich, vorausgesetzt daß die Schwanger-' 
Schaft sicher gestellt ist, darum, ob der Abort wirklich unaufhaltbar im 
Gange ist, oder ob es sich nur um Blutung oder um Schmerzen handelt, 
bei denen eventuell der Abort noch aufgehalten werden kann. 

Ein Bluterguß allein, ohne Wehen, ohne Eröffnung des Mutter- 
mundes, kommt ohne alle äußeren Gründe nicht selten in der Schwanger- 
schaft vor. Es handelt sich um Loslösung eines Cotyledo der Placenta 
und Blutabfluß nach außen. Das Blut koaguliert, die Coagula tampo- 
nieren, die Hauptmasse der Placenta bildet sich vikariierend weiter aus 
und die Schwangerschaft verläuft bis zum normalen Ende. Ja mehrere, 
sich in Zwischenräumen wiederholende starke Blutungen ohne Unter- 
brechung der Schwangerschaft habe ich öfter in den ersten Monaten 
gesehen. 

Sind die Frauen ungeduldig, bleiben sie nicht permanent liegen, 
verlangen sie dringend, schnell gesund und arbeitsfähig zu werden, so 
können diese wiederholten Blutergüsse auch eine Indikation zur Unter- 
brechung' der Schwangerschaft abgeben. Dasselbe ist der Fall, wenn die 
Anämie so hochgradig wird, daß ein definitiver Schutz vor weiterem 

19* 



2Q2 



Sech zehn les Kapitel. 



Blulverlusl unbedingt notwendig ist. In diesen Fällen handelt es sich 
oft um Placenta praevia in ganz zeitigen Schwangerschaftsmonaten. 

Ebensowenig wie Blntungen ohne Schmerzen für das sichere Ein- 
treten des Abortes sprechen, ebensowenig beweisen Schmerzen allein, 
auch wenn sie als wehenartig geschildert werden, daß ein Abort ein- 
treten wird. 

Wenn aber cier ersten Blutung bald Wehen folgen, wenn der 
Muttermund sich eröffnet und man in ihm die Eispilze fühlt, so beweist 
der letztere Umstand, daß ein Teil der Frucht schon die Corpushöhle 
verlassen hat. Dann ist der Abort unaufhaltbar, es muß die 
Diagnose gestellt werden, daß die Schwangere abortiert. Ein 
Ei, das bis zum äußeren Muttermunde, ihn dilatierend, herabreicht, zieht 
sich nicht wieder zurück, es stirb! ab und wird ausgestoßen. 

In der Praxis ist es oft bei sehr zeitigen Aborten schwierig, zu ent- 
scheiden, ob ein Abort noch im Gange oder ob er tatsächlich schon 
vorüber ist Sind die Coagula beseitigt, so daß man sie nicht untersuchen 
kann und nicht weiß, was ausgestoßen ist, so ist es auch unmöglich, zu 
wissen, was zurückgeblieben ist Namentlich nicht wenn der Mutter- 
mund viel zu eng ist oder wieder geworden ist ^^ daß die Uterushöhle 
selbst mit dem Finger exploriert werden könnte. Der Uterus ist in beiden 
Fällen übernorraal groß und weich. 

In diesen Fällen forciere man nicht eine eventuell ganz unnöfi'ge 
Exploration der Uterushöhle, sondern warte unter genauer Beobachtung 
ab, nachdem die Scheide reichlich desinfizierend ausgespült und die 
Patientin Seeale oder Ergodn genommen hat 

Blutet es nicht mehr, fehlt der Wehenschmerz, so zeigt der Ton- 
chierbefund bald, daß der Uterus kleiner wird und also leer ist Bleibt 
der Uterus aber groß und weich, fehlen Schmerzen und Blutung, ist das. 
Wohlbefinden ungestört so hat man zu hoffen, daß es sich nur um eine 
Schwangerschaftsblutung und Fortdauer der Schwangerschaft handelt 
Treten von neuem Blutungen und Wehen ein, so ist der Abort im Gange 
und wird wie unten geschildert behandelt 

Genau ist die Temperatur zu beobachten. Stirbt das Ovulum al>» 
so fiebert meist die Patientin einen Tag oder auch nur einen halben 
Tag, und zwar nicht selten hoch bis zu 40 Grad. Auch Schüttelfrost 
und Frösteln wird oft beobachtet 

Das Fieber tritt schon beim Eintreten der Blutung auf. Tritt es 
aber erst später, während des Vorganges des Abortes auf, wird das ßlu' 
übelriechend, so handelt es sich um Resorption bei Fäulnis des abgelösten 
Eies und der Blutcoagula: der Abort ist verjaucht. 



Behandlung des Abortes. 293 

Sehr wichtig für die Diagnose des Todes der Frucht ist der Zu- 
stand der Brüste, die nach Absterben des Fötus meist vorübergehend 
hart werden und auch einige Tage Milch sezemieren. 

Behandlting. 

Bei der Behandlung des Abortes hat man zwei Gesichtspunkte ins 
Auge zu fassen: erstens die Verhütung der Blutverluste und zweitens 
die Verhütung von Nachkrankheiten. Beides wird am besten da- 
durch erreicht, daß man den pathologischen Vorgang nach 
Möglichkeit abkürzt Die Verfahren aber, um dies zu erreichen, 
müssen unschädlich sein, damit nicht etwa die Behandlung gefährlicher 
wird als die Krankheit 

Ist es sicher, daß der Abort unaufhaltbar im Gange ist, so kommt 
es bei der Entscheidung über die Therapie auf die Weite des Mutter- 
mundes an. Ist er noch so eng, daß der Finger ihn nicht durchdringen 
kann, so wird tamponiert Da die Scheide und die Vulva pathogene 
und Fäulniskeime oft enthalten, so wird zunächst desinfizierend reichlich 
ausgespült Dann macht man eine aseptische, feste Tamponade mit 
Jodoformgazestreifen. 

Die Tamponade wird am besten in der Seitenlage ausgeführt, am 
schlechtesten mit dem Röhrenspekulum. In der Seitenlage wird zunächst 
Anus und Vulva gut desinfizierend gereinigt Die Hände werden desin- 
fiziert Dann legt man aseptisches Tamponmaterial und sterile Tampon- 
zangen in eine aseptische, resp. mit Sublimatlösung ausgespülte Schüssel. 
Nun ergreift man mit zwei hakenförmig gekrümmten Fingern der linken 
Hand den Damm und zieht ihn so nach hinten, daß die Vulva weit klafft 
Unter Vermeidung der empfindlichen vorderen Scheidenwand füllt man die 
jetzt aufgeblähte Scheide völlig aus, die Gazestreifen fest hoch oben an- 
und eindrückend. Man kann selbstverständlich die hintere Vaginalwand auch 
mit einer Simschen Rinne hochhalten, man kann sich auch assistieren lassen, 
doch ist bei der beschriebenen Art und Weise Assistenz überflüssig. 

Ist die Scheide völlig ausgefüllt, so legt sich die Patientin wieder 
auf den Rücken, die Abdominalorgane senken sich, den Uterus dabei fest 
an den Tampon andrückend. 

Vor der Tamponade muß die Patientin Urin lassen. Fand dies in 
der Eile nicht statt, so macht man darauf aufmerksam, daß der Urin 
wegen der Tamponade eventuell nicht gelassen werden kann, sondern mit 
dem Katheter abgenommen werden muß. 

Innerlich gibt man, um die Wehen anzuregen, reichlich Seeale: 
1 Gramm oder Ergotin o,i zweistündlich. Nun wartet man ab, da die 



I 



294 Sechzehnies Kapitel. 

Wehen die Ausstoßung des Eies jedenfalls ungefährlicher und besser 
besorgen, als der Arzt mit Finger oder Instrument 

Meist treten infolge der das Ei lösenden Decidualblulungen, der 
Spülungen, der Tamponade und des Ergotins Wehen ein, die sich all- 
mählich steigern. Sind keine beängstigenden Symptome vorhanden, zu 
denen ein mäßiges Steigen der Temperatur noch nicht zu rechnen ist, 
so wartet man ab. In der Regel hören die Wehen ziemlich plötzlich auf 
und die Patientin fühlt sich sehr wohl. Entfernt man nun die Tampons, 
so liegt das Ei schon völlig unterhalb des äußeren Muttermundes auf den 
Tampons und wird mit dem Finger aus der Scheide gehoben. Eine 
reichliehe Spülung der Scheide beendet den Eingriff. Man läßt noch 
einige Tage spülen, kontrolliert die Temperatur, gibt noch Seeale und 
erlaubt, sobald jede Blutung aufgehört hat, in der Regel nach einer 
Woche der Patientin aufzustehen. 

Das Ei ist auf seine Vollständigkeit genau zu untersuchen, zu »el- 
cheni Zwecke es am besten nach Abspülung in einem Waschbecken unter 
Wasser auseinandergezogen und betrachtet wird. 

In dieser Weise verliefen und verlaufen unendlich viel Aborte. Es 
ist als feste Regel anzunehmen, daß die Blutung nach vollständigem Ei- 
abgang steht, und daß, wenn es weiter blutet, auch noch Eireste zurück- 
geblieben sind. 

Ist aber der Muttermund so weit, daß man mit dem Finger ein- 
dringen kann, und liegt das Ei halb im Uterus, halb in der Scheide, so 
wird der Uterus nicht genügend durch den weichen Inhalt zur Weiien- 
täligkeit gereizt Wenn man auch wiederholt tamponiert so dauert die 
Blutung doch weiter und kräftige Wehen fehlen. In diesen Fällen hat 
es keinen Sinn, sich auf die nichtoperative exspektative Behandlung zn 
kaprizieren. Es ist der Patientin ohne Zweifel besser gedient '«'cnn man 
ihr Blut spart und den Vorgang schnell zu Ende führt 

Ehe die Curetten erfunden waren, habe ich recht viele Aborte mit 
dem Finger beendet Es wurde, um gut kombiniert einzuwirken und 
die störenden Anstrengungen der Bauchpresse zu eliminieren, narko- 
tisiert. Die äußere Hand schob und stülpte den Uterus über einen oder 
zwei Finger. Der Finger im Uterus umkreiste das Ovulum, schob fi 
überall von der Unteriage los, krümmte sich hakenförmig, drückte das 
Ei an der Uteruswand herab und entfernte es auf diese Weise. 

Seit aber die Curette erfunden ist und seit wir Abortzangen bf' 
sitzen, machen wir die instrumentelle Entfernung des Eies leichter und 
schneller. 

Man wendet am besten bei dem Eingriffe die Seitenlage an, nöl 



Behandlung des Abortes. 295 

man dabei einen geraden Weg in den Uterus hat und weil man, ohne 
Berührung der Scheidenwand, direkt in den Muttermund und Uterus 
die Instrumente einführen kann. 




den Ultras dniudringra. 



Durch starkes Anziehen der Portio wird der Uterus gestreckt, so daß 
beim Zug mit der Muzeuxschen Zange die Höhle des Uterus viel leichter 
zugänglich gemacht wird, als bei Rückenlage der Patientin. 

Wenn man bei weitem Muttermunde Finger und Curette in den 
Uterus zusammen einführt, so bilden beide zusammen eine Zange. Der 
Finger drückt den Abort in das Lumen der Curette und bei gleich- 
zeitigem Herausziehen folgt das Ovulum. 

Ist der Muttermund nicht sehr weit, so holt man den Abort mit der 
Curette oder der Abortzange heraus. Die Curette muß sehr groß sein. 
Die Schleifen haben von rechts nach links 2 cm Durchmesser, Durch 
Herumdrehen des Instrumentes um die Längsachse wird das Ovulum mit 
gedreht und völlig von der Unterlage abgewickelt Dann folgt es leicht 
der herausgezogenen Curette. 

Da wir stets bestrebt sind, der Natur nachzuahmen, so ist auch 
a priori eine Auskratzung oder Ausätzung nach der Entfernung des 



2g6 



Sechzehntes Kapitel, 



Ovulums nicht zu machen. Ich glaube nicht, daß durch solche Eingriffe 
die Abortierende irgend einen Vorteil hat. 

Abortzangen sind seit 50 Jahren in Gebrauch. Schon Hohl hat ein 
solches Instrument angegeben. Die abgebildeten sind zwei Zangen, diu 
ich seit 30 Jahren anvpende. Man hat die Löffel mit Fenstern madien 
lassen (Fig. 52), von dem Gedanken ausgehend, daß durch Hineindrücken 
der weichen Massen in die Fenster das Ei besonders festgehalten würde, 
und ohne Fenster (Fig. 53) in der Hoffnung, daß das Ei möglichst wenig 
zerdrückt und zerfetzt werde. 





k 



Ist der Abort schon teilweise entfernt oder abgegangen, weiß man 
also nicht, ob noch etwas zurückgeblieben ist, so muß man mit dff 
Curette namentlich die Tubenwinkel ausräumen. Aus der Weite der 
Höhle und der freien Beweglichkeit der Curette merkt man bald, ob 
noch Inhalt im Uterus büeb. Man spült dann mit dem Uteruskatheter 
aus. Der Katheter wird wiederholt herausgezogen und eingeführt, sein 
Rückflußrohr wird mehrfach gereinigt, bis die Flüssigkeit klar und ohne 
Fetzen, leicht abfließt. Da man auch dann noch nicht sicher ist, ob 
etwa ein Decidualfetzen haften blieb, so stopft man die Uterushöhle mit 




Behandlung des Aborles. 



einetn schmalen Jodofornigazestreifen aus, der bei normalem fieberfreiem 
Verhalten zwei bis vier Tage liegen bleibt. Gleichzeitig gibt man reich- 
lich Ergotin oder Seeale. Nach Entfernung des Qazestreifens spült man 
noch aus, so lange wie das Wasser blutig wird, und läßt die Patientin 
das Bett verlassen, wenn es nicht mehr blutet. 

Nicht viel anders verfährt man, wenn der Abort verjaucht ist und 
<iie Patientin fiebert. Nur ist dann jedes Abwarten falsch. Die präli- 
minare Uterusausspülung wird mit zwei bis drei Litern und mit stärkeren 
Desinfizientien gemacht Die Tamponade nach Entfernung des jauchigen 
Abortes und nach der Ausspülung ist sehr wichtig. Erstens desinfiziert 
die Jodoformgaze dauernd die Uterushöhle, zweitens wird die Höhle ent- 
faltet; sie bleibt weit und zugänglich. Denn wenn trotz aller Sorgfalt das 
Fieber anhält, so muß noch ferner, häufig ca. alle acht Stunden, die 
Ulerushöhle reichlich ausgespült, resp. desinfiziert werden. 

Niemals wende man kleine Cureiten oder spitze Kornzangen an. 
Ich habe bei meiner Methode Durchbohrungen des Uterus, wie sie oft 
vorgekommen, niemals gesehen. Je größer die Curetten, je breiter und 
massiger die Abortzangen sind, um so sicherer wird eine Perforation 
. vermieden. 

I Ist das Unglück aber geschehen, hat der Arzt mit Sonde, Curette 

«der Kornzange den Uterus durchstoßen, so muß er dies auch sicher 
wissen. Man würde eine Durchstoßung mit Rücksicht auf die Not- 
wendigkeit der Operation und die Weichheit des Uterus verzeihen und 
mit Recht anführen, daß schon mancher geschickte Gynäkologe den 
Uterus mit der Sonde versehentlich perforiert hat. Strafbar aber würde 
Der sein, der die Durchbohrung gar nicht erkannt hätte, der eventuell 
noch ein- oder zweimal die gleiche Verletzung machte, oder der sogar 
ätzende Chemiealien in die zerrissene Uterushöhle, resp. in die Abdo- 
minalhöhle einspritzte. In diesem Falle tritt tödliche Peritonitis ein, 
während die einmalige Durchstoßung prognostisch günstig ist. 

Gleitet plötzlich das Instrument scheinbar ohne Widerstand so weil 
nach oben, daß schon daraus die Diagnose der Perforation gesteht wird, 
.so ziehe man langsam, vorsichtig das Instrument in derselben Art, wie 
es eingeschoben, wieder heraus. Man behandelt exspektativ, beobachtet 
^aber sehr genau. Die Temperatur ist zweistündlich zu messen, Opium 
■ ist zu ordinieren und, um recht ruhige Lage zu erzielen, eine Eisblase 
' auf das Abdomen zu applizieren. Selbst bei DurchsloBung mit größerer 
Curette verläuft oft der Fall günstig. 

Es sind Fälle bekannt, wo der Arzt mit der Kornzange nach Durch- 
, bührung des Uterus eine Dünndarmschlinge gefaßt und in den Uterus 





2g8 Sechzehnfes Kapilel. 

hineingezogen hatte. Dafl ein derartiger Fall ohne Eingriff verloren ist, 
ist klar. Weiß man aber bestimmt, daß eine andere Verletzung od{r 
Komplikation als die DurchstoRung des Uterus sicher nicht vorliegt, so 
halte ich die exspektativ-symplomatische Therapie für vorteilhafter als 
eine Laparotomie. Ich habe als konsultierter Arzt recht schwere Fälle 
solcher infekiiös-lraumatischer Peritonitiden heilen sehen, während icii 
keinen Fall sah, wo bei Laparotomie wegen universeller septischer Peri- 
tonitis Heilung eintrat 

Nicht immer ist bei fremden Fällen ante obductionem die Diagnose 
auf Durchstoßung klar. Bei kriminellem, unsauber ausgeführtem, künst- 
lichem Abort tritt nicht selten die septische Peritonitis mit derselben 
verhängnisvollen Schnelligkeit und Intensität ein, wie bei einer Durch- 
bohrung. Mir wurden wiederholt in die Klinik solche unglückiiclie 
Personen sub finem vitae eingeliefert, bei denen eine Uterusperforalion 
sehr wahrscheinlich war, ohne daß sie bei der späteren Sektion ge- 
funden wurde. 

Sollte man eine herabgezogene Darmschlinge im Uterus oder der 
Scheide diagnostizieren, so ist selbstverständlich Ijiparotomie und Be- 
freiung des Darmes aus der Incarceration indiziert. Rettung aus der 
imminenten Todesgefahr ist dabei schon vorgekommen. Hoffentlich haben 
diese traurigen Ereignisse die Folge, daß die Komzange fernerhin nicW 
mehr bei der Behandlung des Abortes in Anwendung kommt. 



L 



Schwierigkeiten bestehen auch bei engem äußeren oder engem 
inneren Muttermunde. Bei Primiparen kann bei engem äußeren Muller- 
munde und ampullenartiger Erweiterung der Cervix der Muttermunds- 
rand sehr dünn sein. Dann wird einfach eine Inzision vorn und hinten 
gemacht, um das Ei austreten zu lassen oder es herauszuholen. 

Ist der innere Muttermund eng und ist noch das ganze Ei i in 
Uterus, so wird tamponiert und gewartet wie oben beschrieben. 

Es kommen aber auch sehr schwierig zu beurteilende Fälle vor, «o 
ein Teil des Ovulum abgegangen oder abgerissen und beseitigt ist, vo 
der Muttermund sich schloß, ein Teil noch in der Uterushöhle zurüc!;- 
blieb und nun das hohe Fieber dringend indiziert, die Uterushöhle bald- 
möglichst zu entleeren. Ist nun der abgerissene Teil nicht mehr vorhanden, 
so ist zunächst festzustellen, ob der Uterus leer ist /jder nicht 

In allen diesen komplizierten Fällen rate ich dringend zu narkoti- 
sieren, weil man dann, ohne durch die Schmerzensäußerungen und ä^s 
Widerstreben der Patientin behindert zu sein, untersuchen und nani- 
pulieren kann. 




Beliandiung des Abortes. Progiios 



2Q9 



^^^iunächst spült man die Scheide und, wenn möglicli, den Uterus 
reichlich aus, dann stellt die Sondierung fest, \i'ie groß der Uterus ist. 
Ist er noch zehn oder mehr Centimeter lang, so enthält er noch das Ei 
oder wenigstens größere Eireste. Die freie Beweglichkeit der Sonde 
zeigt, wie weit die Höhle ist. 

Darauf dilatiert man mit dem mit Gummifingerling überzogenen 
Finger. Ist aber der Uterus hart, so wende man nicht zu viel Gewalt an, 
sondern dilatiere lieber mit Metalldilatatoren. Bei einer Durchgängig- 
keit des Muttermundes für den runden Dilatator von i cm Durchmesser 
läßt sich schon eine Curette von i V^ bis 2 cm Durchmesser einschieben, 
da der Kanal dabei oval gedehnt wird. Während des Dilatierens spült 
man immer wieder einmal den Uterus aus, um die Bakterien wegzu- 
schaffen oder abzutöten und sie nicht bei den Manipulationen in das 
Gewebe hineinzumassieren. 

Wenn irgend möglich, sucht man die Höhle mit dem Finger aus- 
zutasten, um den Abortrest zu fühlen. Beim Druck von außen gelingt 
es oft leicht, sich den Uterus über den Finger zu stülpen. Weiß man 
dann, wo der Abortrest liegt und wie groß er ist, so ist es nicht schwer, 
ihn mit der Zange zu erfassen. Darauf, wird noch sorgfältig exploriert, 
ob der Uterus leer ist. Er wird ausgespült und seine Höhle mit Jodo- 
formgaze ausgestopft. 

Bei sehr hartem Uterus, wo ich fürchtete, mit den Dilatatoren den 
Uterus zu zersprengen, wo auch oberflächliche Inzisionen die Cervix 
nicht zur Nachgiebigkeit brachten, habe ich — wenn man es so nennen 
will — den „Dührssenschen Kaiserschnitt", d. h. die sagittale Spaltung 
gemacht und den Uterus so ausgeräumt 

Jedenfalls, wenn man einmal chloroformiert, muß man auch den Fall 
ganz sicher so behandeln, daß man nach Beendigung der Operation 
absolut sicher für die völlige Entleerung und Desinfektion der Uterus- 
höhle garantieren kann. Ehe man nicht diese Sicherheit hat, ist man 
nicht fertig. 

Die Prognose ist gut. Ich habe schon Fälle behandeh und glück- 
lich zu Ende geführt, die von anderer Seite aufgegeben waren. Es ist 
wahr, bei einer stark ausgebluteten, hochfiebernden, septischen Patientin, 
bei der seit vielen Tagen der verjauchte Abort oder Piacentarrest in der 
Uterushöhle lieg!, erscheint die ganze Matiipulation schwierig und riskiert. 
Oft blutet die entzündete, teilweise regenerierte Schleimhaut ganz enorm. 
Die schon höchst anämische Patiendn kommt dadurch in direkte Lebens- 
gefahr. Dann muß man sehr schnell handeln. Man darf nicht Zeit mit 
Spülungen verlieren, sondern man tamponiert möglichst schnell nach 
I Ausräumung die Höhle mit Jodoformgaze. Nicht selten kommt es noch 




300 



Sechzehntes I" 



unmittelbar nach der Entleerung und Taniponade zu einem Schütteltrost 
und Temperaturanstieg, dann aber tritt mit überraschender Schnelligkeit 
Genesung ein. Nur nicht verzweifeln! Die Entleerung des Uterus ist 
unbedingt notwendig. Auch in den schlimmsten Fällen ist Genesung 
möglich und zu hoffen. 

Die aseptischen kleinen Abortreste (S. 290) behandelt man am 
besten so, daß man mit Laminaria dilatiert. Oft erlebt man, daß nach 
Streckung des Uterus der über dem Knickungswinkel im Uterus liegende 
Abortrest bei Herausziehen des Stiftes mit herausfällt Ist das nicht der 
Fall, so entfernt man den Rest mit der Curelte. Eine höchst dankbare 
Behandlung! Mit dem kleinen Eingriff erreicht man nach oft monate- 
langer Blutung und Siechtum sofortige Heilung. 

In den Fällen von missed abortion bin ich stets ohne Operation 
ausgekommen. Lag der Fall ganz klar, so gab ich Seeale und massierte 
den Uterus möglichst kräftig, auch, wenn mögüch, den Finger in den 
Muttermund einpressend. In späteren Monaten, im fünften bis achten, ist es 
sogar gefährlich, den Abort zu beschleunigen. Die Portio hat sich radi 
dem Absterben schon wieder involviert und hat ihre Weichheit eingebüßt. 
Man kann freilich eventuell den Fötus an den Beinen herabziehen, 
Leicht aber reißt der Kopf ab. Und will man nun bei engem, harten! 
Muttermunde Kopf und Placenta herausholen, so kommt es zu kolossalen 
Blutungen oder auch zu Zerreißungen der Cervix. Ja es sind schon 
Fälle bekannt geworden, wo die geplatzte Cervix den Kopf durchgleilai 
ließ, so daß er unter dem Peritonäum im Parametrium oder frei in der 
Bauchhöhle lag. 

Alles das vermeidet man, wenn man ruhig abwartet und den Wehen 
die Erweiterung zu besorgen überläßt. Sie lockern die Placenta, sie 
dilatieren den Muttermund, sie stoßen die Frucht in einer ungefährlichen 
Weise in toio aus, wie es auch der geschickteste Gynäkologe nicht an- 
nähernd so gefahrlos und unkompliziert fertig bringt. 

Nach Aborten lasse man noch einige Wochen lang Spülungs" 
machen, am besten mit Alkohol 300,0, Acidi salicylici 30,0, davon a EB- 
löffel = 30 Gramm zu 1 Liter Wasser. Man verhütet dadurch die Ent- 
stehung der Erosionen. Ebenso gebe man noch einige Wochen Secale- 
präparate, um den „chronischen Infard" der Gebärmutter prophylaktisdi 
zu verhüten. 

Bei irgend welchen Symptomen, namentlich bei Prolapsgefühi. 
schwerem Stuhlgang usw. exploriere man, weil eine eventuell eintretende 




Retroflexio-versio mit sicherer Aussicht auf völlige Heilung jetzt noch 
durch Pessarien und Glycerintampons behandelt werden kann. 



Habitueller Abort. 

Oft kommen Frauen, die mehrfach abortierten, zum Arzt mit der 
Frage nach der Ursache und mit dem Verlangen der Vorbeugung vor 
ähnlichem Unglück. 

Selbstverständlich ist eine genaue Exploration notwendig. Findet 
man nichts, so handelt es sich bei zwei- bis dreimaligen Aborten noch 
nicht um habituellen Abort Allgemein hygienisches, richtiges Verhalten 
wird eventuell weitere Aborte verhüten. 

Es gibt aber auch Fälle, wo Frauen talsächlich in jedem Jahre zwei 
bis drei Aborte durchmachen. Ich habe mehrfach in solchen Fällen mit 
Spülungen des Uterus Erfolg gehabl. Nach einmaliger Auskratzung 
wächst doch — das ist woh! sicher — eine ebensolche Schleimhaut 
wieder, wie sie vorher vorhanden war. Wenn man aber 14 Tage, ja 
3 Wochen lang den Uterus mit leichten Desinfizientien, Lysol- oder Borsäure- 
lösung, ausspult, so wird man durch diese fortwährende Bespülung der 
Schleimhaut, Reinigung der Uterushöhle und Sicherheit, daß alle Sekrete 
gut abgehen, die Schleimhaut des Uterus der Gesundung zuführen. 

Von inneren Mitteln gibt man Extractum fluidum Vibumi prunifolii 
zwei bis drei Theelöffe! pro Tag. 

Man hat auch von habituellem Abort gesprochen, wo das Kind 
jedesmal einige Tage oder Wochen ante partum abstirbt, ohne daß irgend 
ein Orund, z. B. Lues, diesen Tod des Kindes erklärlich macht. Daß 
Derartiges vorkommt, wußten schon die alten Autoren. Trotz sorg- 
fältigster Anamnese und Untersuchung ist nicht immer ein Grund zu 
finden. 

Im Laufe der Jahre habe ich im Zusammenwirken mit Kollegen 

wiederholt den partus praematurus auf die Diagnose hin: habitueller 

Abort, mit Erfolg ausgeführt. Stirbt jedesmal einige Zeit ante terminum 

das Kind ab, so leitet man 14 Tage vor der Zeit des befürchteten Todes 

I des Kindes die Geburt ein. Je später um so besser. 




Siebzehntes Kapitel. 

Placenta praevia. 

Wenn die Placenta unterhalb des vorliegenden Kindesteiles liegl, so 
liegt sie dem austretenden Kinde im Wege, sie ist eine ^praevia". 

Die Uterusschleinihaut vom Fundus bis zum inneren Muttermunde 
ist zur Ansiedelung des Eies gleich geeignet. Es ist also selbstver- 
ständlich, daß das Ei, wenn es auch in der Regel oben in der Utenis- 
höhle festgehalten wird, ebenso gut unten dicht über dem inneren Mutter- 
munde sich implantieren kann. Daß dies in der Tat vorkommt, ist durch 
Präparate bewiesen. 

Das Ei nimmt zunächst nur einen kleinen Teil der Uterusinnen- 
fläche, später aber zwei Drittel der Uterusinnenfläche ein. Es muß also 
ein Vorgang existieren, durch den die Placenta sich auf der Utenis- 
innenfläche Raum erobert. Die Chorion zotten, resp. die Placenta spaltet 
die zur Decidua umgewandelte Uterusschleimhaut parallel der Oberfläche, 
subepithelial und wächst so über die Uterusinnenfläche hinweg. 

Physiologisch ist es demnach denkbar, daß, wenn das Centrum dtr 
Placentaranlage in der unteren Hälfte der Corpushöhle liegt, die Placenta 
auch über den geschlossenen inneren Muttermund hinweg, oder seitlich 
dicht an Ihm vorbei wächst. Dabei kann der Teil der Placenta, der direkt 
über der Öffnung des inneren Mutlermundes liegt, atrophisch werden. 
Man findet nicht selten in der Mitte der Placenta praevia atrophische, 
verödete Cotyledonen, die wie verdickte Eihäute aussehen. 

Der Grund, weshalb sich das Ei tiefer ansetzt, kann ein rein zu- 
fälliger, mechanischer sein. Dafür spricht, daß es sich in der über- 
wiegenden Mehrzahl der Fälle um Mehrgebärende, also um Uteri mü 
weiter Höhle handelt Gelangt das Ei in die weite Höhle, die vielleicU 
von Schleim erfüllt, ausgedehnt ist, so sinkt das Ei unter dem Einflüsse 
eines zufällig vorübergehend vermehrten, inlraabdominellen Drucltes auf 
den inneren Muttermund, der durch die Schwellung der Schleimhaut 
geschlossen ist Das Ei wird hier aufgehalten und implantiert sich. 

Die Beobachtung, daß Hypersekretion oder Katarrh der Uterus- 
innenfläche oft zur Zeit der Nichtschwangerschaft bestand, oder daft 
manuelle Placentarlösungen voraufgingen, macht es wahrscheinlich, daB 
vielleicht auch pathologische Verhältnisse der Uterusschleimhaut den 
Ansatz des EieS an einer höheren Stelle hinderten, oder daß die kranke 
Schleimhaut nach einer Richtung hin die Flächenausdehnung der Placedö 
hinderte. So fand ich einmal die Placenta, zum Teil gelöst, vor dem 




Placenta praevia. 303 

Kopfe prolabiert Nach der Geburt zeigte es sich, daß die Placenta eine 
ganz ungewöhnlich lange rechteckige und schmale Form hatte. 

Es sind auch einige Fälle beschrieben, bei denen die Placenta in 
die Cervicalschleimhaut hineingewachsen war, die Cervicalschleimhaut 
also eine deciduale Umwandlung erfahren hatte. 

Hofmeier wies nach, daß sich die Chorionzotten, also ein Teil der 

Placenta, in der Reflexa entwickeln könne: Reflexaplacenta. Er fand 

große Abschnitte der Placenta, von dicker und glatter Reflexa mit nach 

I außen mündenden Drüsen überkleidet. Wächst nun die Placenta in der 

I Reflexa, so wird sich, falls das Ei sich unten im Uterus angesetzt hat, 

' die Placenta auf und über den Muttermund legen. Später wird sie mit 

dieser Gegend der Schleimhaut eine organische Verbindung eingehen. 

Warum die Placenta in der Reflexa sich entwickelt, ist noch nicht 

völlig klar. Wahrscheinlich wachsen die in unmittelbarer Nähe der 

Nabelschnurinsertion befindlichen Chorionzotten besonders kräftig, so daß 

bei tiefliegender Implantationsstelle auch die Placentarentwickelung hier 

besonders stark vor sich geht. Auch auf diese Weise entsteht dann eine 

Placenta praevia. 

Ist der innere Muttermund völlig von der Placenta verdeckt, so daß 
man mit beiden Händen abwechselnd untersuchend die Eihäute nicht 
! erreicht, sondern nur Placentargewebe über dem inneren Muttermunde 
fühlt, so besteht klinisch eine Placenta praevia centralis. Niemals 
aber stimmt etwa das Centrum der Placenta mit dem inneren Mutter- 
munde mathematisch genau überein. 
I Teilt der Placentarrand den inneren Muttermund, so daß man auf 

i einer Seite Placentargewebe, auf der anderen die Eihäute fühlt, so ist 
dies eine Placenta praevia lateralis. Fühlt man aber hoch oben an 
einer Seite die Placenta, während der ganze innere Muttermund von Ei- 
häuten bedeckt ist, so handelt es sich um eine Placenta praevia 
marginalis. 

Placenta praevia ist nicht selten, sie kommt nach Statistiken un- 
gefähr bei 150 Geburten einmal vor. In Polikliniken ist sie häufig, da 
I wegen der dringenden Gefahr die Angehörigen schnell dahin schicken, 
I wo sie sicher prompte Hilfe finden. Für den Zusammenhang mit 
körperlichen Anstrengungen spricht auch die relative Seltenheit der 
Placenta praevia in besseren Ständen. 

Symptome und Verlauf. 

Das typische Symptom der Placenta praevia sind Blutungen in 
den letzten zwei Monaten der Schwangerschaft, womit nicht gesagt sein 



304 Siebzehntes Kapitel. 

soll, daß nicht auch in früheren Monaten ein tiefer Sitz der Pla«nta 
durch Blutungen die Unterbrechung der Schwangerschaft herbeiführen 
kann. Vielleicht sind sogar recht viele Aborte darauf zu beziehen. Auch 
im fünften und sechsten Monat habe ich einigemal eine Placenta praevia 
beobachtet 

In der Regel tritt im achten oder neunten Monat plötzlich eine starke 
Blutung bei lebendem Kinde ein. Ein Trauma ist nicht die Veranlassung. 
Oft tritt die erste Blutung sogar im Schlafe ein. Die Schwangere fühlt 
früh Nässe an den Genitalien, und nimmt zu ihrem Schrecken wahr, daß 
sie im Blute schwimmt. Oder das Blut sammelte sich in der Scheide 
an und beim Aufstehen stürzen große Coagula zur Erde. 

Es blutet, weil sich der dem inneren Muttermunde zunächst liegende 
Teil der Placenta löst Diese Lösung ist die Kolge der Formveränderung 
des unleren Oebärmutterabsch nittes. Aus dem Trichter wird eine Halb- 
kugel, auch eröffnet sich oft der innere Muttermund etwas, so daß die 
Placenta abgetrennt wird. Da der Placentarrand mit dem großen Rsnd- 
sinus sich löst, so fließt sehr viel Blut aus. Das Blut stammt aus den 
intervillösen Räumen und ist selbstverständlich mütterliches Blut Ot 
ringe Blutungen deuten auf andere Leiden, z. B. Carcinom. Bei Pla- 
centa praevia ist gleich die erste Blutung sehr stark. 

Eine Schwangere, die kolossal blutet, sucht voll Angst, auch venn 
sie nicht ohnmächtig wird, das Bett auf. Dann bleibt das Blut in der 
Vagina, dehnt sie aus und coaguliert. Die Coagula wirken tamponierend. 
Die Coagulation setzt sich nach oben bis auf die Oberfläche des gelösten 
Teils der Placenta fort Der Blutdruck und die Herzkraft nehmen ab, 
namentlich wenn Ohnmächten eintreten. Dann steht die Blutung spon- 
tan. Die Schwangere erholt sich von der psychischen Alteration und 
von der akuten Anämie. Sie fühlt sich wieder kräftig und gesund. Der 
Blutverlust ist überwunden. 

Löste sich nur der Placentarrand, so kann eine glückliche Geburt 
ohne weitere Blutung die Schwangerschaft enden. An der Placenta sieht 
man noch den gelösten Teil und die veränderten Blutcoagula auf ihm. 

Leider aber treten in der Mehrzahl der Fälle, je mehr sich das 
untere Uterinsegment dehnt, weitere Blutungen ein, die immer heftiger, 
stärker und wegen der Zunahme der Anämie für das Leben bedenklicher 
werden. Das Blut wirkt dissezierend zwischen Placenta und UtenJS- 
Dadurch wird der Uterus zu Kontraktionen gereizt. Wehen treten ei" 
und die Geburt beginnt vorzeitig. In anderen Fällen thrombosieren die 
geöffneten Gefäße und erst unter dem Einflüsse der beginnenden Geburt 
kommt es zu neuer gefährlicher Blutung als Folge der Form Veränderung 
des unteren Gebärmutterabschnittes bei der Wehentätigkeit 



Verlauf der Geburt bei Placenta praevia. 305 

Die Lebensgefahr für die Schwangere ist groß. Bei fehlender ärzt- 
licher Hilfe kann eine Schwangere schon der ersten Blutung erliegen. 
Neue Blutungen machen die Verhältnisse immer ungünstiger. Voll Angst 
sieht man der Geburt entgegen, bei der ja stets Blutverlust zu er- 
warten ist 

Typisch bei der Geburt ist die schlechte Wehentätigkeit. Die 
vorliegende Placenta schützt gleichsam das untere Uterinsegment und 
die cervicalen Ganglien vor dem Drucke des vorliegenden Kindesteiles. 
Bei centraler Placenta praevia stellt sich die Blase nicht, sondern die 
Placenta wird in den Muttermund hineingetrieben. Dann bluten sowohl 
die geöffneten intervillösen Räume, als die geöffneten Uterusgefäße. Die 
Blutung dauert so lange an, bis der Uterus entleert ist Er blutet sowohl 
während der Wehen, als in den Wehenpausen. 

Das Kind ist noch mehr gefährdet als die Mutter: durch die Ab- 
lösung der Placenta wird die Sauerstoffzufuhr ungenügend. Das ver- 
schlechterte Blut der hochgradig anämischen Mutter und die Abnahme 
des Blutdruckes führen bald zur Kohlensäureüberladung und zum Tode 
des Kindes. Dazu kommt noch, daß die Geburt oft vorzeitig eintritt, 
so daß das Kind noch nicht genügende Widerstandskraft besitzt oder 
sogar nicht lebensfähig ist Somit ist die Prognose für das Kind eine 
sehr ungünstige, was bei der Therapie berücksichtigt werden muß. Man 
darf nicht, um die Prognose für das ohnehin gefährdete Kind zu bessern, 
das Leben der Mutter aufs Spiel setzen. 

Der tiefsitzende Nabelstrang fällt mitunter vor. 

Es kommen auch Fälle vor, wo die Schwangerschaft ihr Ende er- 
reicht und erst bei der Geburt eine enorme Blutung ganz plötzlich eintritt 

Je mehr Placenta sich löst, um so größer ist die Blutung und also 
die Gefahr. Also ist sie bei der centralis am größten, nicht so erheblich 
bei der lateralis, noch geringer bei der marginalis. Hier ereignen sich 
Fälle, wo nach dem künstlichen oder natürlichen Blasensprunge die 
Placenta von dem tiefertretenden Kinde gleichsam wie ein Pflaster auf 
die Placentarstelle aufgedrückt wird und wo eine fernere Blutung der 
ersten nicht folgt 

In seltenen Fällen prolabiert die Placenta ganz oder teilweise, so 
daß entweder die ganze Placenta vor dem Kinde geboren wird, oder ein 
Teil vom tiefertretenden oder mit der Zange tiefergezogenen Kopfe ab- 
gedrückt wird. 

Ist die Geburt des Kindes erfolgt, so ist meist die Placenta sehr 
leicht zu entfernen. Es kommen aber auch Adhärenzen vor. Die Blutung 
steht, falls nicht der Muttermund zerrissen ist, fast immer nach der Aus- 
stoßung der Placenta. 

Fritscb, Geburtshilfe. 20 



3o6 Siebzehntes Kapitel. 



Diagnose. 

Aus dem Gesagten ist klar, daß die Diagnose leicht zu stellen ist 
Bei einer plötzlichen starken Blutung in den letzten Monaten der 
Schwangerschaft kann es sich kaum um etwas anderes handeln, als um 
Placenta praevia. 

Zunächst stellt man fest, wie das Allgemeinbefinden, resp. wie hoch- 
gradig die Anämie ist, ob es überhaupt möglich ist, zu warten, oder ob 
imminente Lebensgefahr, die zum sofortigen Eingriff zwingt, vorhanden 
ist Dann wird äußerlich Lage und Leben des Kindes konstatiert 

Bei der inneren Untersuchung fühlt sich die Portio und das untere 
Uterinsegment auffallend weich an. Drückt man von außen auf den 
Fundus und legt man nach Entleerung der Urinblase den Finger in 
das Scheidengewölbe, so fühlt man, daß der Kopf nicht unmittelbar 
anliegt. 

Ein Eindringen in die Cervix ist bei geschlossenem Muttermunde 
zu unterlassen, namentlich wenn Wehen nicht vorhanden sind, also die 
Blutung eine Schwangere, nicht eine Gebärende betrifft 

Ist der Muttermund aber eröffnet und die Geburt sicher im Gange, 
so fühle man, abwechselnd mit beiden Händen untersuchend, nach, wo 
die Placenta sitzt Mit der rechten Hand kommt man links höher 
hinauf, mit der linken rechts. Es hat für die Therapie eine sehr große 
Bedeutung, zu wissen, ob es sich um eine Placenta praevia centralis oder 
lateralis handelt, und ob man links oder rechts den Placentarrand, bezw. 
die Eihäute erreichen kann. 

Bei der Diagnose kommt auch noch die vorzeitige Ablösung 
der rechtssitzenden Placenta in Betracht In seltenen Fällen löst 
sich die oben sitzende Placenta, es bildet sich ein retroplacentares 
Hämatom, das Blut gelangt auch, den Rand der Placenta ablösend, hinter 
die Eihäute. Der aufgelöste Farbstoff diffundiert durch diese. Da das 
Kind natürlich wegen Unterbrechung des Stoffwechsels bei abgelöster 
Placenta stirbt, so wird das Fruchtwasser meconiumhaltig. 

Reagiert der Uterus auf diese Vorgänge, treten Wehen ein, so werden 
die Blutcoagula herausgepreßt, sie drängen sich bei den Eihäuten vorbei 
und gehen aus dem Muttermunde oft in großer Quantität ab. Es blutet 
auch von neuem, so daß den alten Coagulis frisches Blut folgt Die 
Schwangere macht dann einen sehr anämischen Eindruck. 

Zum Unterschied von der Placenta praevia ist der Muttermund 
nicht weich, sondern auffallend hart Der Innendruck nimmt wegen der 



Placenta praevia. 307 

Zunahme des Uterusinhaltes durch das retroplacentare Hämatom sehr 
bedeutend zu, dadurch erscheint die Fruchtblase auch in der Wehen- 
pause hart 

Wichtig ist die Anamnese. Wird nicht ein Trauma als Ätiologie 
sicher angegeben, so forscht man nach einer Nierenaffektion. Die früher 
unerklärlichen Fälle werden meist sehr einfach durch Nierenleiden der 
Mutter klar gelegt (vgl. S. 184). Übrigens gibt es auch Fälle, wo die 
Differentialdiagnose zwischen Placenta praevia lateralis und Lösung der 
normal sitzenden Placenta kaum zu stellen ist. Dies ist auch schließlich 
gleichgiltig. In beiden Fällen sprengt man die Blase und beschleunigt 
die Geburt, so daß über die Therapie — was das wichtigste ist — 
Zweifel nicht obwalten. 

Therapie. 

Die Therapie ist eine verschiedene in der Schwangerschaft und in 
der Geburt, hier wiederum ist auf unser Handeln von Einfluß, ob die 
Geburt eine rechtzeitige ist und ob das Kind lebt 

Kommt man zu einem Falle, wo die Blutung schon steht und der 
Puls gut und kräftig ist, so läßt man die Schwangere liegen — eventuell 
wochenlang. Sie darf das Haus jedenfalls nicht verlassen. Sie ist genau 
zu instruieren, daß bei erneuter Blutung der Arzt oder im Ermangelungs- 
falle wenigstens die Hebamme sofort geholt werden muß. 

Bei einer Schwangeren sofort zu tamponieren oder energisch zu 
untersuchen, ist sehr zu widerraten. 

Würde man den Finger in die Cervix einpressen und tamponieren, so 
würde man die natürliche Blutstillung und das Fortschreiten der Schwanger- 
schaft durch die Tamponade nur hindern. Man spült desinfizierend 
die Scheide aus, reinigt die äußeren Genitalien, beruhigt psychisch die 
Schwangere, gibt eventuell etwas Morphium, verordnet Limonaden und 
!äßt ruhige Bettlage einnehmen. Dann beobachtet man, ob es noch 
blutet Man läßt die Beine etwas spreizen, legt die Hand auf den Fun- 
dus uteri und drückt ihn ganz langsam nach unten. Erscheint dabei 
vor der Vulva kein Blut, so verläßt man nach einer halben Stunde die 
Schwangere und hinterläßt den Befehl, größte Ruhe zu bewahren und 
sofort zu schicken, wenn von neuem Blut abgeht. 

Steht aber die Blutung nicht, sieht man, daß über die hintere 
Commissur andauernd Blut läuft, verlangsamt sich auch der Puls nicht, 
tritt Ohnmachtsgefühl, Ohrensausen, Flimmern vor den Augen, beim Er- 
heben des Kopfes ein, so ist klar, daß dieser Zustand nicht andauern 
darf, daß die Blutung Lebensgefahr bedingt Die Blutung muß sofort 

20* 



3o8 ' Siebzehntes Kapitel. 

gestillt werden. Das Mittel, das man anwendet, ist die Tamponade mit Jodo- 
formgaze. Vorher wird die Blase entleert und dann wird die Tamponade, 
wie S. 293 geschildert, ausgeführt Gerade hier besonders fest und voll- 
ständig, um prompten Erfolg zu haben. Man muß systematisch die Portio 
umstopfen und sie, wenn sie lang ist, abknicken und abgeknickt durch 
Tampons fixiert erhalten. 

Nach der Tamponade legt man die Frau auf den Rücken und unter- 
sucht zunächst, ob die Kindeslage normal geblieben, eventuell macht 
man die äußere Wendung und fixiert durch geeignete Bandage das Kind 
in Qeradlage. Auch auskultiert man, um zu wissen, ob das Kind lebt 
oder tot ist. Der Uterus wird durch eine feste Bauchbinde auf das 
Becken gedrückt 

Der vorliegende Teil sinkt bei Rückenlage der Frau auf das Becken 
und übt einen Druck auf das untere Uterinsegment aus, dadurch wird 
die Placenta gegen ihre Haftfläche gedrängt Außerdem bewirkt dieser 
Druck Wehen, die gerade jetzt sehr erwünscht sind. 

Die Tampons bleiben, wenn der Fall günstig verläuft, zwei bis drei 
Tage liegen. Ohne besondere Veranlassung werden sie nicht eher ent- 
fernt Der Urin muß oft durch den Katheter entleert werden, weil die Ver- 
längerung der Harnröhre nach oben und der Druck der Tampons die 
Harnröhre unwegsam machten. Man entfernt erst den untersten Teil des 
Tampons, dann nach sechs Stunden das zweite Drittel und zuletzt recht 
vorsichtig den Rest Nun wird auch die Bauchbinde gelockert. Stets 
ist die Temperatur während des Liegens der Tampons wiederholt zu 
kontrollieren, ebenso das Leben und die Lage des Kindes. 

Es kommen so glückliche Fälle vor, wo dem Einlegen des Tampons 
bald die Wehentätigkeit folgt, die dann erst zum Ausstoßen des Tampons 
und unmittelbar darauf zur Geburt des Kindes führt 

Der Kolpeurynter wurde einst von Braun gerade für die Be- 
handlung der Placenta praevia empfohlen. Als man noch nicht asepti- 
sches Tamponmaterial hatte, war es ungefährlicher, die Gummiblase, als 
bald zur Jauchung und Infektion führende unsaubere Watte oder Leinwand- 
stücke zu gebrauchen. Man mußte deshalb die Tampons häufig wechseln und 
. desinfizierend spülen. Dadurch machte man viel Schmerzen und Wunden, 
da die Vulva und Scheide geradezu geschunden wurde. Das Einlegen 
und Entfernen des Kolpeurynters war leichter und ohne Schmerzen zu 
machen. Jetzt läßt man die Jodoformgaze liegen. Sie garantiert eher 
Asepsis, als der noch so saubere Kolpeurynter. Zudem schließt er nicht 
so gut ab. Wird er sehr erweitert, so entsteht durch den Druck ein 
unerträglicher Schmerz. Ist er weniger erweitert, so fließt an ihm das 
Blut vorbei. 



Behandlung bei Placenta praevia. 309 

Anders verfahrt man, wenn die Erweiterung des Muttermundes und 
die Wehentätigkeit beweist, daß die Geburt schon im Gange ist Dann 
ist, wie schon vor 100 und mehr Jahren gelehrt ist, die richtigste 
Therapie die, welche die Geburt am meisten beschleunigt 

Zunächst wird sorgfältig der Befund festgestellt Man untersucht 
mit zwei Fingern, eventuell mit der halben Hand, um die Größe des 
vorliegenden Teils der Placenta zu erkennen, resp. um zu konstatieren, 
ob die Eihäute am Placentarrande zu fühlen sind. Dabei untersucht 
man abwechselnd mit beiden Händen, weil man mit der rechten Hand 
links, mit der linken rechts höher gelangen kann. 

Sind die Eihäute zu fühlen, so rate ich, die Blase zu sprengen. 
Gelingt dies nicht mit dem Finger, so sprengt man sie mit der Sonde. In 
der Wehenpause, damit nicht das plötzlich hervorschießende Wasser die 
Nabelschnur, die hier ja tief liegt, hervorschwemmt Es giebt viele 
Fälle, wo nach dem Fruchtwasserabfluß die Blutung definitiv steht, die 
Wehen schnell kräftig werden und die Geburt ungestört glücklich verläuft 

Die tiefertretende Blase zerrte die Placenta los. Ist die Blase 
gesprungen, so hört die Loszerrung auf und der tiefertretende Kindes- 
teil drückt die Placenta an die Uteruswand an und wirkt also tamponierend. 

Liegen die Füße vor, so zieht man sie etwas an, um das Andrücken 
der Placenta an die Uteruswand zu begünstigen. Auch Druck von 
außen, eventuell durch eine feste Bauchbinde dauernd gemacht und ver- 
stärkt, wirkt günstig, wehenerregend und geburtsbeschleunigend. 

Man prüft durch Einführen von zwei Fingern bis über den inneren 
Muttermund, ob dieser weich oder hart ist Ist er weich, ist ein Einriß 
nicht zu fürchten, so wird das Kind langsam und vorsichtig extrahiert. 

Die Methode richtet sich nach der Lage des Kindes: Extraktion, 
Wendung oder Z^nge kommen in Frage. Stets habe man im Auge, 
daß die Operation selbst sehr vorsichtig und schonend zu machen ist, 
um Einrisse zu verhüten. 

Besonders wichtig ist es, zu wissen, ob das Kind tot ist oder lebt 
Ist es tot, so kann man abwarten, wenn die Blutung steht Jedenfalls 
ist auf das Leben des Kindes wenig Rücksicht zu nehmen, da es oft 
klein und das Leben ohnehin sehr gefährdet ist 

Anders liegen die Verhältnisse, wenn man die Eihäute nicht erreichte, 
wenn der innere Muttermund vom Placentargewebe völlig überdacht ist 
Dabei ist oft die Placenta herniös, tumorartig in den Muttermund hinein 
gewölbt Diese Placenta praevia centralis, bei der das Fruchtwasser 
erhalten bleibt, macht kolossale Blutungen. Nach 10—15 Minuten schon 
ist der Zustand so, daß von Abwarten gar nicht die Rede ist Schnell 



L 



Siebzehntes Kapitel. 

entschlossen, ohne Rücksicht auf den Muttermund, der allerdings gradf 
hier auffallend weich ist und beim Eindringen der Hand kaum als Wider- 
stand gefühlt wird, muß man die Wendung machen. 

Die Hand wird seitlich in die Höhe geschoben, sobald man an die 
Eihäute gelangt, werden sie gesprengt. Man sucht gleich beide Füße da 
Kindes zu ergreifen, um möghchst schnell wenden zu können. Komml 
man nicht schnell an die Eihäute, so perforiert man die Placenü. 
Freilich ist dabei das Kind meist abgestorben, auch wenn unmittelbar 
vorher die Herztöne normal waren. Narkose ist oft unmöglich, im 
Prinzip aber gewiß nicht zu verbieten. Der Arzt muß sich desinfizieren, 
diese wenigen Minuten genügen zur Narkose. Denn die Willige wird 
schnell betäubt. Das Sinken des Blutdruckes in der Narkose wirkt eher 
günstig als ungünstig. 

Schon wenn das Fruchtwasser abgeflossen und die Hälfte der 
Placenta gelöst, meist auch in die Vagina prolabiert, wenn die Wendung 
fertig ist, steht die Blutung. Dies muß man wissen, um nun nicht die 
Extraktion zu überhasten, wozu gar kein Grund vorliegt. Im Oegenleil, 
so schnell die erste Hälfte des Eingriffes zu machen war, so langsam ist 
die zweite zu vollenden. Gerade in diesen Fällen außerordentlicher 
Weichheit des unteren Ulerlnsegmentes gelingt es eher als bei lateraler 
Placenta praevia, die Einrisse zu vermeiden. 

Ist das Kind sicher tot. Hegt der Kopf vor, ist der Muttermund hart 
und eng, ist nicht, wegen dringendster Lebensgefahr, der Zeitverlust 
auch nur einiger Minuten zu vermeiden, so ist es sehr vorteilhaft, die 
Geburt durch die Perforation des Kopfes und Craniociastextraktion dö 
Kindes zu beendigen. 

Von außen wird der Kopf möglichst tief gedrückt und fixiert. Man 
perforiert mit der Smellieschen Schere und legt den Craniociast an. 
Der Finger umkreist unausgesetzt den Kopf, hebt den Muttermund ab 
und schiebt ihn nach oben über den Kopf. Ich habe so z. B. bei einem 
siebenmonatlichen Kinde die Entbindung ohne Verletzungen der mütter- 
lichen Weichteile ermöglicht, als der Mutiermund kaum für zwei Finger 
durchgängig war. Der Vorteil, daß man ganz langsam ziehen, also ganz 
allmählich den Muttermund dehnen und den natürlichen Vorgang nach- 
ahmen kann, springt in die Augen. Es ist das jedenfalls vorteilhafter, 
als eine Wendung zu machen, bei der man Scheidenkeime in den LitenB 
befördert, die Placenta abtrennt, den Blutverlust vermehrt und gro6 
Einrisse riskiert. 

Ist bei lebendem Kinde eine lebensgefährliche Blutung bei harta 



Behandlung bei Placenta praevia, 311 

engem Muttermunde vorhanden, ändert sich auch der Zustand durcli 
Tamponade nicht, bleibt die Wehenfatigkeit aus und sagt man sich: 
; Änderung des Zustandes muß eintreten, das Abwarten ist lebens- 
gefährlich, so ist der Muttermund zu erweitern. 

Dies geschieht am schonendsten durch den dickwandigen Kolpeu- 
rynter. Die zusammengefaltete Gummiblase wird in den Uterus ein- 
geschoben und mit Bor- oder Lysolwasser gefüllt Dann dehnt sich die 
Blase über dem inneren Muttermunde aus und schiebt sich selbst etwas 
nach oben. Nun zieht man langsam den Kolpeurynter, der hier mit 
Recht, weil er im Uterus und nicht in der Scheide liegt, Hystereu- 
rynter zu nennen ist, heraus. 

Ist der Muttermund genügend erweitert, so sucht man durch äußeren 
Druck nicht auf das ganze Kind, sondern direkt auf den Kopf die 
Impression des Kopfes in den Beckeneingang zu machen. Gelingt es, 
so legt man die Zange an und extrahiert mit ihr das Kind. Ist aber der 
Kopf abgewichen, besteht Schräg- oder Querlage, kann man den Kopf 
nicht schnell „zangenrechf" machen, so hält man sich nicht mit der 
Rektifizierung der Kindeslage auf, sondern geht in den Uterus ein, 
ergreift die Beine, und macht wie oben beschrieben recht schonend die 
Extraktion, um Risse zu vermeiden. Ist das Kind tot oder stirbt es bei 
der Extraktion ab, so perforiert man lieber den nachfolgenden Kopf, als 
daß man einen Einriß riskiert. Denn wenn nur der Kopf noch im 
Uterus steckt, ist Eile nicht mehr notwendig. Die Blutung steht. 

Man hat empfohlen, bei nicht nachgiebigem Muttermunde nur die 
halbe Hand einzuschieben und durch energischen Druck von außen die 
Beine nach unten zu drücken, d. h. die sog. kombinierte Wendung nach 
Braxton Hicks zu machen. Ich empfehle dies nicht Muß nach 
einigen Minuten das ganze Kind durch den Muttermund gezogen werden, 
so ist die eventuell mit der ganzen Hand bewirkte Dilatation eher günstig 
vorbereitend, als fehlerhaft Beim Eingehen mit der ganzen Hand orien- 
tiert man sich sehr schnei! über die Kindeslage, man fühlt deutlich, wo 
die Placenta noch festsitzt und schont die Verbindungen besser, als beim 
langsamen Nachfühlen bei der längere Zeit in Anspruch nehmenden 
kombinierten Wendung, 

Ist aber Eile nicht notwendig, so tamponiert man bei lebendem 
Kinde, bei totem perforiert und extrahiert man mit den Cranioclast 

Die Nachgeburtsperiode verläuft meist günstig. Oft fällt gleich 
nach dem Kinde die gelöste Placenta heraus. Aber auch Adhärenzen 
sind beobachtet Nach jeder Geburt bei Placenta praevia wird touchierl, 
um Einrisse festzustellen, Fehlen sie, so ist die Gefahr vorüber, man 



1 



312 Achtzehntes Kapitel. 

gibt noch Ergotin und Seeale, wickelt den Leib bei anteflektiertem Uterus 
ein, betastet ihn, gibt Analeptica und beobachtet noch einige Stunden^ 
ob eine Nachblutung eintritt oder nicht 

Ist aber ein Einriß vorhanden, so darf man nicht exspektativ ver- 
fahren. Auch wenn die Blutung vorläufig steht, kann sie bei Erholung 
der Frau, wenn das Herz wieder kräftiger arbeitet, von neuem eintreten. 
Je mehr Blut ausfließt, um so schlechter coaguliert es. So verbluten sich 
manche Frauen noch nachträglich. Deshalb rate ich, bei einem Einrisse 
die Scheide fest mit Jodoformgaze auszufüllen und durch einen sehr 
festen Kompressionsverband des Abdomens den anteflektierten Uterus 
gegen diesen Tampon in die Beckenhöhle hineinzupressen. 

Salzwasserinfusion, subkutan, Ätherinjektionen, Klystiere mit warmem 
Wasser und Wein oder Cognac, Wärmezufuhr, alkoholische Getränke, 
Einwickeln der Beine, Belastung des Abdomens, kurz alle Methoden, das 
Leben einer Verblutenden zu erhalten, werden angewendet. 

Nach Entfernung des Tampons soll die Scheide ausgespült werden. 
Namentlich wenn die Temperatur nicht normal ist Kommt es zur 
Jauchung und Eiterung, so ist bei der tiefen Lage der Placentarstelle eine 
Fäulnis und Infektion der Thromben mit sich anschließender Phlebitis, 
Pyämie und Endocarditis gerade hier sehr zu fürchten. 



Achtzehntes Kapitel. 

Die engen Becken. 

Ein Becken, das geringere Maße aufweist, als die S. 5—7 angegebenen, 
ist ein enges Becken. 

Die Verengerung kann den ganzen Beckenkanal gleichmäßig be- 
treffen, es können auch nur einer oder mehrere Durchmesser zu klein 
sein, so daß es ungleichmäßig verengt ist Bei geringer Verengerung 
ist sowohl die Lage des Uterus und die des Kindes im Uterus ungünstig beein- 
flußt als auch die Geburt erschwert, aber doch ohne oder mit Kunsthilfe 
möglich. Von da an bis zu den hochgradig, absolut zu engen Becken, 
die Qebärunmöglichkeit bedingen, gibt es sehr viele Übergänge. 

Als man früher nur das ein enges Becken nannte, bei dem die Geburt 
eines lebenden Kindes oder eines Kindes überhaupt per vias naturales 



Die engen Becken. 313 

unmöglich war, hielt man die engen Becken für selten. Jetzt, wo man 
alle Becken mißt, nimmt man 10—12 Prozent enge Becken an; Becken, 
bei denen die Durchmesser hinter dem Normalmaß zurückbleiben. 

Der häufigste Grund der Verengerung ist die Rachitis, diese wiederum 
ist die Folge falscher oder ungenügender Ernährung im Kindesalter. 
Tritt nicht die ärztliche Kunst in der Behandlung der Rachitis rechtzeitig 
und wirksam ein, so entstehen die hochgradigsten Verengerungen der 
Becken, eine Teilerscheinung des krankhaften Zustandes des ganzen Skeletts. 
Je wohlhabender ein Volk wird, je richtiger und besser deshalb mit 
Zunahme der Intelligenz und der hygienischen Verhältnisse ein Volk wird, 
um so besser werden auch in den niederen Ständen die Kinder er- 
nährt, gepflegt und erzogen. Je seltener werden die Rachitis und die 
Entwicklungskrankheiten überhaupt 

Jedenfalls nimmt die Häufigkeit der engen Becken bei uns ab, 
denn sowohl im allgemeinen bei den Menschenrassen, als im besonderen 
bei den einzelnen Individuen einer Rasse hängt die günstige Entwickelung 
des Knochensystems von der Ernährung ab. 

Es gibt verschiedene Formen von engen Becken. Die dem Forscher 
interessantesten sind oft praktisch die am wenigsten wichtigen. 



Das gleichmäßig verengte Becken. 

Zwerginnen, deren Skelett subnormal ist, haben selbstverständlich 
auch allgemein zu enge Becken. Da aber Zwerginnen, weil auch die 
Genitalien auf einer kindlichen Stufe stehen, steril sind, so beanspruchen 
die Zwergbecken kein geburtshilfliches Interesse. 

Aber auch bei kleinen Frauen, deren Genitalien sich normal ent- 
wickeln, so daß Schwangerschaft eintritt, kommen, entsprechend dem 
zurückgebliebenen, infantilen Körperbau, enge Becken vor. Sie sind also 
eine Teilerscheinung des Infantilismus. 

Man trifft das allgemein gleichmäßig verengte Becken bei 
Frauen mit zartem, kleinem Körper, die in der Kindheit viel kränklich 
waren, bei denen die Pubertät spät eintrat, die viel jünger und kindlicher 
aussehen, als es nach dem Alter zu erwarten wäre. 

Die Untersuchung dieser Becken zeigt, daß sie einen infantilen 
Charakter haben. Die Querspannung ist während des Wachstums nicht 
eingetreten. Die Kreuzbeinflügel sind nicht genügend gewachsen, das 
Promontorium steht hoch und springt nicht vor, das Kreuzbein hat nicht 
die Drehung um die Querachse mit Senkung und Antepositio des Pro- 



314 



Achtzehntes Kapite , 



montorium gemacht, demnach ist der Beckeneingang nicht querovai,. 
«weiblich", sondern rund, «kindlich". i 

Auch bei Rachitis kommen solche Becken vor, wenn das Kind so' 
elend war, daß es die ersten Lebensjahre liegend im Bett zubrachte. 
Dann wirkt der Druck der Rumpflast und der Oberschenkel nicht ein. 
Das Becken vergrößert sich zwar beim Wachstum, aber es 
bewahrt die Eigentümlichkeiten der kindlichen Form. 

In der Schwangerschaft tritt der Kopf des Kindes nicht in den engen 
Beckeneingang ein. Der Uterus bleibt deshalb hoch liegen. Bei der 
Geburt kann der Kopf überhaupt nicht oder nur, nachdem er stark zu- 
sammengepreßt und verlängert ist, unier enormer Wehentätigkeit den Qe- 
burtskanal passieren. 

Mitunter gewinnen diese Becken die Form des Trichterbeckens, 
bei dem der Ausgang verengt, der Schambogen männlich, die Hüftbreitc 
gering und die Distanz von einem Tuber ischii zum anderen verkürzt ist 

Schon eine Verengerung aller Durchmesser um einen Centimeter 
bedingt eine hochgradige Geburtserschwerung, da die Masse des Kopfes 
sich nicht kompensatorisch nach einer Seite ausdehnen, configurieren 
kann, sondern in allen Durchmessern des Beckens beengt ist. 

Das rachitische Becken. 

Die Veränderungen, die die Rachitis am Becken hervorbringt, sind 
am leichtesten versländlich, wenn man die Art und Weise zu Grunde 
legt, in der aus dem fötalen Becken das Becken der geschlechtsreifen 
Frau entsteht. Dies wurde S. 17 auseinandergesetzt. 

Wenn man einen Gummiring in einer Richtung zusammendrüdd, 
so muß der auf der Linie dieser Druckrichtung rechtwinklig stehende 
Durchmesser um so viel länger werden, als der erste verkürzt wird. Je 
mehr also die Conjugata bei Tiefer- und Nachvorntreten des Promon- 
toriums kürzer wird, um so mehr muß der Querdurchmesser länger 
werden. Der Zunahme des Querdurchmessers arbeitet aber der Dnidt 
der Oberschenkel in den Pfannen entgegen, so daß schließlich die als 
normal angesehene querovale Form des Beckeinganges sich ausbildet 

Die beschriebene Formveränderung des Einganges, die gering ist 
beim normalen Becken, muß also, je weicher infolge mangelhafter Ver- 
kalkung die Knochen sind, um so mehr in die Erscheinung treten, um 
so ausgeprägter sein. Man kann also schon a priori abstrahieren, welche 



Das rachitische Becken. 



315 



Form bei Rachitis entstehen muß. Die normalen Veränderungen sind 
gleichsam übertrieben vorhanden, das rachitische Beclten zeigt eine 
»Karilcatur« der physiologischen Formen. 

Die Rumpflast drängt das Promontorium mehr und mehr nach 
unten und vorn. Da das Kind nicht oder nur wenig geht, so ist der 
Gegendruck in den Pfannen zu gering, die Querspannung nimmt zu, 
der Beckeneingang ist von vorn nach hinten zu klein, die Conjugata 
ist verkürzt, der Querdurchmesser ist zu lang. Es entsteht — 
wenn eine Skoliose der Wirbelsäule fehlt — ein symmetrisches, rachiti- 
sches, geradverengtes Becken. 



I 




Dazu kommt, daß das Becken, wegen der Decrepidität des Indivi- 
duums, im ganzen zu klein, daß es also außer der unregelmäßigen Ver- 
engerung auch noch allgemein verengt isk Wäre also beim normal 
weiten Beckeneingange die Conjugata auf 9 cm verkürzt, so müßte der 
Querdurchmesser, um 2 cm kompensatorisch verlängert, 15 cm lang sein. 
Ist er normal 13 cm lang, so ist er absolut zu kurz. 

Je defer das Promontorium kommt, um so mehr nimmt die Becken- 
neigung zu, und je mehr die Beckenneigung zunimmt, um so mehr fällt 
der Bauch vorn über, es entsteht also ein Hängebauch, der wiederum, 
an der Wirbelsäule zerrend, die Lordosc in der Lendengegend vermehrt 
und den Neigungswinkel vergrößert 

Da wo der Knochen wächst, bilden sich bei Rachitis oft Ver- 
dickungen, z. B. an den Rippen: „rachitischer Rosenkranz«, 
an den Extremitäten rachitische » do p p el te Glieder". So findet 




i 



^^^r 316 Achtzehntes Kapitel. 


^^H man nicht selten auch die Schambeinenden an der Symphyse verdickt 


^^H Sie bilden starke Wülste, wodurch die geraden Durchmesser noch im 


^^^B 'I2 — 1 cm verkürzt werden. 


J^^ 




Auch wo die Kreuzbein Wirbel 1 




__|^^^^^^^^^^^^_ 


zusammenstoßen, namentlich zwi- , 




^^^^^^^M^^^^^^^H 


sehen den ersten und zweiten Kreuz- | 




^^^^^^■K^l^^^^l 


beinwirbelkörpern, findet sich nidit 




^^^^^^^Mvv^^^^^H 


selten ein Wulst: ein zweites 




^^^^^^^HäB^^^^^I 


Promontorium. Deshalb soll 




^^^^^^^^^^^^^^^^1 


man stets, wenn man das Promgn- . 




^^^^^^^^^ ^^^^^1 


torium erreicht hat, durch genaue ( 




■ä^I 


Toiichieren nachfühlen, ob man 




das „falsche" oder das richtige 




Promontorium berührt 




Sitzt bei zu weichen Knochen 


i 


^^^^^^K^t^^^ir' 


das wachsende Kind auf harter 


' 


^ 


L'nterlage, so werden die Tubera 




^^^^^^k • 


ischii nach außen gedrängt, da- 




^^^B^^HH^f^ 


durch wird der Scharabogen weil 


i 


^^^■^m^^v 


und das Becken wird niedrig. 


1 


^^^B ^^^^^F ' 


tibenso wird der unterste Teil des 




^^^H fi^^HniHHi 


biegsamen Kreuzbeins übemomial 


^^^^^^^■^^^^^^^^H 


in die Beckenhöhle hineingedrückL 


^^^BT^^^^^H 


Dadurch wird die vordere Kon- 




^^^^^H^^^^^^^^^H 


kavität des Kreuzbeins sehr tief. 




^^^^^^^HC^^^^^^I 


Auch knickt sich mitunter die 






unlere Hälfte des Kreuzbeins g^ 




i 


^H^^^^^^P^^^^^H 


die obere im stumpfen oder redi- 




^^^^^^^^^^^^^^^^ 


ten, ja spitzem Winkel ab. 


I 55 ■ ts kommt nun ganz darauf 


|, Hängebaudt bei hocheradig« Rachiiis. an, wie lange die Rachitis besieht 


und ob sie hochgradig ist. Heilt 


die Rachitis bald und wird das Skelett normal groß, oder bestand 


nicht eigentliche Rachitis, sondern nur eine vorübergehende mangelhaite 


Ossifikation der Beckenknochen, so ist das einzige Residuum ein abnor- 


mer Tiefstand des Promontoriums, das gleichzeitig etwas nach vorn ge- 


treten ist. Dann handelt es sich um Becken, deren einzige AbnormiÖt 


1 die Verkürzung der Conjugata vera und eine entsprechende VergröÖerung ; 


des Querdurchmessers ist: ein einfach plattes Becken. 


1 War aber die Rachitis hochgradig, dauerte sie lange Zeit an, war 


1 das Individuum kränklich, ist das Skelett im allgemeinen schlecht aus- ' 

1 



Das rachitische Becken. 



317 



SO kann die Conjugafa bis auf die Länge von 4 oder 5 cm 
reduziert werden, während gleichzeitig das Becken in allen Durchmessern 
so klein blieb, daß die Geburt per vias naturales absolut unmöglich ist. 
Dann sind auch die Darmbeinschaufeln flach, klein und etwas 
nach außen umgefallen, da der Muskelzug, der die Spinae anteriores 
superiores einwärts zieht und einwärts hält, in seiner Wirkung fehlt. 
Mißt man beim normalen Becken von Crisfa zu Crista, so beträgt diese 
Linie 29, von Spina zu Spina 25 cm. Die Differenz beträgt 4—5 cm. 
Ist diese Differenz geringer, fehlt sie ganz oder kehrt sie sich so um, 
daß z. B. die Distanz zwischen Cristis 26, die zwischen Spinis 27 cm be- 
trägt, so handelt es sich sicher um ein hochgradig rachitisches Becken. 
Bei einfach platten, oder nur mäßig von der Rachitis beeinflußten Becken 
fehlt dieses charakteristische Zeichen oft gänzlich. 

Bei sehr hochgradiger, lang andauernder Rachitis werden die Pfannen 
tief in das Becken hineingedrückt und das Promontorium gelangt bis 
unter das Niveau des Beckeneinganges. Es entsteht ein spaltförmiger, 
unregelmäßiger, kartenherzförmiger Beckeneingang: ein pseudoosteo- 
malakisches Becken. 

Heilt schließlich die Rachitis aus, so kommt es zu einer völligen Ebur- 
neation des osteoiden Gewebes, das Becken wird auffallend plump, massiv, 
schwer und fest Die einzelnen Knochen bleiben verdickt, wie das auch 
beim Ausheilen der Extremitätenknochen beobachtet wird. 




PsaidGO<ileonii)lakisches rachitisches Becken, 



Schon oben wurde bemerkt, daß bei hochgradiger Rachitis, wenn 
das Individuum zu schwach ist, um zu gehen und zu stehen, die durch 
BPirkung der Rumpflast entstehenden Veränderungen fehlen können. 
pann bleibt als Residuum der Rachitis nur das unvollständige Wachs- 






AchWehntes Kapitel, 

tum, ein allgemein gleichmäßig verengtes Becken übrig. Aber auch 
diesen findet man bei genauer Untersuchung oft Zeichen der Rachitis 

Ja es kann sogar bei einem jahrelang hegenden Kinde der Einflu. 
der aufrechten Stellung ganz fehlen. Die physiologischen Krümmunge^^» 
der Wirbelsäule sind dann nicht vorhanden, die Wirbelsäule verläuft vo^»ni 
oben nach unten gerade wie ein Brett, oder es entsteht, wenn das Kinc^^^^ 
sich aufzurichten bestrebt isl und mit vornübergebeugtem Körper sitz* -t, 
nur eine allgemeine mäßige Kyphose der ganzen Wirbelsäule. Unte tr^t 
diesen Umständen fehlt die Lendenlordose und mit ihr der Tiefstanc^M 
des Promontoriums. Das, was das Becken verändert, ist nur die Kyphos- .e 
und das Zurückgebliebensein des Knochenwachstums. 

Die schrägen rachitischen, skoliotischen Becken werden wir bei de^^«i 
schrägen Becken besprechen. 

Das kyphotische und lordotische Beckeo. 

Die Veränderungen des Beckens bei Kyphose der Wirbelsäu^B- e 
stellen gerade das Umgekehrte der rachiflschen Veränderungen dar. Sitii^rt 
die Kyphose hoch oben, so kompensiert eine Lordose dicht über dem'^n. 
Kreuzbein die obere Kyphose. Dann handelt es sich nicht um ei ti 
kyphotisches, sondern um ein lordotisches Becken. 

Sitzt aber die Kyphose dicht über dem Kreuzbeine, so wird z"«J— 
nächst das Promontorium nach hinten geschoben, es wird gleichsi.m 
nach oben aus dem Beckeneingange herausgezogen. Das ganze Kreia^z- 
bein wird gestreckt, verlängert, dreht sich um die Querachse mit A.^^ . 
Basis nach hinten, also umgekehrt wie bei Rachitis. Dadurch wird die 
Conjugata auffallend lang und der Querdurchmesser wird kompensa- 
torisch verkürzt. Je mehr aber der Beckeneingang erweitert wird, \xt^ 
so mehr wird der Beckenausgang verengt Demnach ist das kyphotiscl^c 
Becken ein in der Conjugata erweitertes, querverengtes, trict»- 
terförmiges Becken. 

Da reine Kyphose eine verhältnismäßig seltene Affektion der Wirbel- 
säule ist, so sind auch diese Becken verhältnismäßig selten. Ihr"^ 
geburtshilfliche Bedeutung ist nicht groß.. Der Beckeneingang läßt den 
Kopf leicht eintreten, und im querverengten Beckenausgang haben ■W'*' 
nur im Querdurchmesser feste knöcherne Begrenzung, Je tiefer der 
Kopf steht, um so leichter kann man ihn mit Instrumenten anfassen und 
auf ihn einwirken. Wenn aber die Kyphose mit starker Verengerung des 
Beckens im allgemeinen verbunden ist, wenn sie eine verkümmerte PersOt 
betrifft, so kann auch hier Gebärunmöglichkeit existieren. 



Das kyphotische Becken. 31g 

Einer sehr starken Kyphose oberhalb entspricht eine ebensolche 
Lordose unterhalb. Es kann aber auch durch Knochenkrankheit, z, B. 
Caries der Wirbelkörper, primär eine so bedeutende Lordose vorhanden" 
sein, daß die Lendenwirbelsäule das Becken völlig überdacht: Pelvis 




Kyphotisches B«ken, 

obtecta. Dann liegen die Rippen auf oder sogar über den Cristis, ein 
Bauchraum existiert nicht in normalem Sinne, Bauchinhalt und Kind 
liegen im Hängebauch und die Geburt ist nur durch Kaiserschnitt zu 
vollenden. 

Die schrägen Becken. 

Unter einem schrägen Becken versteht man ein Becken, bei dem 
die schrägen Durchmesser des Beckeneingangs verschieden lang sind. 
Ist das Becken, was meist der Fall ist, auch allgemein zu eng, so ist es 
ein schrägverengtes Becken. 

Der Grund der Schrägheit kann über dem Becken liegen: Schräg- 
heit wegen Skoliose; im Becken; Schrägheit wegen pathologi- 
schen Verhaltens eines Kreuzbeinflügels; und unter dem Becken: 
Schrägheit wegen mangelhafter Funktion eines Beines. 

Wir werden sehen, daß Wechselbeziehungen zwischen den drei Arten 
der schrägen Becken bestehen. 



Achtzehntes Kapitel. 



Daa skoliotilobe Bohr&ge Beoken. 

Kopf und Gehfläche der Füße oder des den Menschen tragenden 
einen Fußes liegen in einer perpendikulären Linie. Entsteht in einem 
Teil des Knochengerüstes zwischen Kopf und Fuß eine Verkrümmung 
nach einer Seite, so wird sie durch eine Verkrümmung darüber oder 
darunter nach der anderen Seite kompensiert 

Bei der Skoliose ist die eine Beckenhälfte mehr belastet als die 
andere, und zwar die, nach welcher die Konvexität der Wirbelsäule /ge- 




Ocringgradig schräges B«ken bd SkolioM. 

richtet ist. Demnach ist die Beckenpartie, die zwischen Pfanne und 
Kreuzbein dieser Seite Hegt, einem größeren Drucke ausgesetzt, als die der 
anderen Seite, Ist das Becken noch im Wachstum begriffen, noch nicht 
völlig ossifiziert, noch weich, so hinterläßt die abnorme einseitige Be- 
lastung Spuren ihrer Wirkung. Erstens wird das Becken im allgemeinen 
schräg verschoben, so daß die mehr belastete Seite eingedrückt und 
die Symphyse nach der anderen Seite verschoben wird. Diese Ver- 
schiebung kann so gering sein, daß sie nur durch Messung festzustellen 
ist, sie kann auch fehlen, wenn schon in der Wirbelsäule selbst die 
Skoliose der einen Seite mit der der anderen sich kompensiert 



Die schrägen Bechen. 321 

Die Schrägheit kann aber auch so bedeutend sein, daß die enge 
Beckenhälfte zu eng ist, um auch nur einen Teil des Kopfes oder des 
Kindes einpassieren zu lassen. Ja es ist oft nur ein Spalt vorhanden. 
Das Promontorium berührt fast die vordere Beckenwand. Und dieser 
Raum auf der engen Beckenseite wird noch kleiner, wenn durch die 
einseitige Belastung der Oberschenkel dieser Seite die Pfannengegend in 
das Becken hineinschiebt 




Skoliotischrs schrägci Becken, 

Die Kompression des Beckenabschnittes, der den größten Druck zu 
tragen hat, des Kreuzbeinflügels und des zwischen diesem und der Ffanne 
liegenden Teiles des Darmbeins, beeinträchtigt das Wachstum. Die Foramina 
nutritiva werden enger, fehlen auch ganz. Dadurch bleibt der Knochen 
im Wachstum zurück, das Becken wird schräg und verengt Ist die 
Lendenlordose sehr bedeutend, liegt die Lendenwirbelsäule tief über dem 
Beckeneingange, so muß der Kopf abweichen und kann nicht auf oder 
in den ßeckeneingang sich einstellen. 

Der Grund dieser das Becken schräg machenden Skoliosen ist fast 
stets Rachitis, und es ist deshalb fast jedes rachitische Becken mehr oder 
weniger schräg. 

Daa Naegelesohe aohräge Becken. 

Wenn ein Kreuzbeinflüge! fehlt oder kleiner ist, als der andere, so 
muB ebenfalls der Beckeneingang schräg werden. Dieses Fehlen des einen 



322 



Achtzehntes Kapitel. 



Kreuzbeinflügels kann verschiedene Gründe haben. In dem knorpelig an- 
gelegten Kreuzbeinflügel treten beim Kinde Ossifikalionspiinkte auf, von 
denen aus der Knorpel verknöchert Fehlt ein Ossifikation spunkl, sowirci 
der benachbarte vikariierend größer. Fehlen aber mehrere oder alle Ossi— 
Rkationsp unkte in den Kreuzbeinflügeln einer Seite, so wird schon in frühe- 
ster Jugend der weiche Knorpel komprimiert und die Superficies auricula— 
ris sitzt dem Wirbelkörper dicht an. Dann fehlt auch meist das Ueosacral — 
gelenk und somit die neben dem Knorpel dieses Gelenkes liegende Wachs- 
tumszone. Wie überall wächst der Knochen nicht, wo eine prämatur* 
Synostose die Knochen verbindet Das Fehlen des Gelenkes wird voxi, 
manchen als das primäre betrachtet, weshalb diese Becken auch anky. 
lotische schräge Becken heißen. 




Das Fehlen des Gelenkes ist in manchen Fällen als Entwicke- 
lungshemmung, in anderen als Folge intrauteriner oder extrauterine^ 
Entzündung aufgefaßt Daß entzündliche Vorgänge im Kindesalter 
zum Fehlen des Gelenkes und Verschwinden des Kreuzbeinflügels führen 
können, beweisen Präparate, an denen man Spuren überstandener Caries» 
Narben, Osteophyten, Fistelbildungen usw. fand. 

Auch ein Trauma, Abbrechen des Kreuzbeinflügels, z. B. durch 
Oberfahren oder Sturz, hat schon Verlust des Kreuzbeinflügels und 
Schrägheit des Beckens verursacht 



Die schrägen Beckeai, 



Das durch Tunktionestörung eines Beines schräge Becken. 

Hierher gehören zunächst die koxalgischen Becken. Wenn ein Kind 
gen Koxitis ein Bein nicht benutzen kann, so ruht die ganze Körper- 
t auf dem andern. Diese Seite wird nach innen gedrängt, die andere 
ht belastete Seite weicht nach außen. Also die Seite, wo das funk- 
nslose Bein sitzt, wird die weite, die gesunde Seite die enge Beckenhälfte, 
Es können aber auch die Verhältnisse sich umkehren. Verläßt z. B, 
Oberschenkelkopf die Pfanne, ist das Bein nach vollkommener 




»Heilung des Prozesses mehrere Zentimeter höher sicher fixiert, so 
dies Bein verkürzt. Beim Gehen muß die entsprechende Becken- 
^e tiefer gestellt, mehr belastet werden. Namentlich dann, wenn das 
1 in der neuen Ansatzstelle unbeweglich fest sitzt und nach vorn 
'eicht, nach innen gerolH, und nicht gerade nach abwärts gestellt 
Die Wirbelsäule biegt sich nach dieser Seite hinaus und darüber 
1 der andern Seite, sonst würde der Kopf nicht in der perpendikuiären 
e sich befinden. Auf diese Weise wird die früher funktionslose, 
'■ aber zu stark belastete Beckenseile die enge. 




324 



Achtzehntes Kapitel. 



Ob nun das Bein wegen Koxitis, Tumor albus eines Knies, oder 
Karies der Fußwurzelknochen, Klumpfuß oder wegen eines schlecht 
geheilten Knochenbruches funktionslos oder verkürzt ist, hat für die 
Beckenveränderung denselben Effekt. 

Bleibt das ganze Skelett im Wachstum nicht zurück, so ist das 
Becken nur schräg verschoben, und die Geburt kann günstig ablaufen. 
Bildet sich aber das Skelett bei gestörter Gesundheit in der Wachs- 
tumsperiode mangeihaft aus, so ist das Becken nicht allein schräg, 
sondern auch allgemein verengt. Dann ist die Geburt sehr erschwert 
oder bei hochgradiger Enge unmöglich. 

Und wenn ich oben sagte, daß Wechselbeziehungen zwischen den 
drei Arten der schrägen Becken bestehen, so wird dies nun klar 
sein. Bei Skoliose wird der Kreuzbeinflügel klein, bei Belastung aus- 
schließlich eines Beines ebenfalls. Bei Verkürzung eines Beines ent- 
steht ebenfalls durch vermehrten Druck Atrophie eines Flügels und 
oberhalb auch Lordose und kompensatorische Skoliose. Und bei Fehlen 
eines Flügels biegt sich ebenso nach dieser Seite die Wirbelsäule oft 
etwas aus, die ganze Beckenhälfte rückt etwas nach oben, «-odurdi 
wiederum das betreffende Bein kürzer wird. 

Die prämature Synostose zwischen Kreuzbein und Darmbein 
ist in sehr seltenen Fällen doppelseitig. Dann fehlt die Asynimehie 
Der Beckeneingang ist symmetrisch querverengt. Solche symmetrisdi 
querverengte Becken, nach dem ersten Autor „Roberl"sche Becken gf- 
nannt, gehören zu der größten Seltenheit. 

Das Luxatiousbeckeii. 

In ähnlicher Weise wie beim schrägen Becken verändert die an- 1 
geborene Luxation eines Oberschenkels die Beckenform. Es kociint 
auch hier darauf an, ob das betreffende Bein gebraucht wird, sich als** i| 
der Schenkelkopf einen festen Fixalionspunkt oberhalb der Pfanne gc" 
bildet hat. Dann wird das Becken schräg gestellt. Die Seite der Luxatiof* 
steht tiefer, ist mehr belastet und wird enger. Oft ist auch die gaiiz^ 
Beckenhälfte, au der die Pfanne fehlt, atrophisch, dünn, ohne Foramin* 
nutritiva und im Wachstum zurückgeblieben. 

Ist aber der luxierte Oberschenkel durch Inaktivität atrophisch, sO I 
entsteht ein schräges Becken durch Funktionslosigkeit des Beines. 

Besteht beiderseitige Luxation, so fehlt der Gegendruck i" j 
der Pfanne. Das Promontorium nähert sich mehr und mehr der f 




Das osteomalakische Becken. 325 

vorderen Beckenwand, weil der Vergrößerung des Querdurchmessers bei 
fehlendem Seitendnick keine Kraft entgegenarbeitet. 

Das osteomalakische Becken. 

Bei der Osteomalacie verschwinden allmählich die Kalksalze der 
fertigen Knochen, so daß der Knochen weich, flexibel wird. Man hat 
auch bei Kindern und Greisen Osteomalacie gefunden. Die Osteomalacie 
der Frauen nennt man puerperale Osteomalacie. Ihre Ätiologie ist 
unbekannt, doch ist eigentQmlich, daß in bestimmten Gegenden die 
Osteomalacie besondei? häufig ist. Damit ist aber nicht gesagt, daß sie 
anderswo nicht vorkommt Ich habe auch aus Gebirgsgegenden, aus 
niederen und aus sehr wohlhabenden Ständen Osteomalakische behandelt 

Die nicht puerperale Osteomalacie beginnt an der Wirbelsäule, die 
puerperale am Becken. Sie betrifft meist Frauen, die leicht konzipieren, 
die viel geboren haben. 




Das weiche Becken knickt allmählich in sich zusammen. Die 
Lendenlordose sinkt mit dem Promontorium herab, die Pfannen werden 
in die Beckenhöhle hineingedrückt Die Symphyse ragt schnabelförmig 
hervor, die Rami descendentes der Schambeine werden geknickt, so daß 
die Tubera ischÜ sich fast bertihren. Auch die Darmbeinschaufeln 
knicken zusammen. Durch den Verlust des Kalks wird der Knochen 
leicht Man braucht nur die Wirkung der Rumpftast und des Druckes 
der Beine zu bedenken, um sich a priori den Effekt zu berechnen. 



^ 



326 Achtzehnles Kapitel. 

Ist die Osteomalacie noch nicht hochgradig, so ist das weidie 
Becken bei der Geburt erweiterungsfähig. Unter dem Drucke der 
Wehen drängt der Kopf das eng gewordene Becken auseinander und 
die Geburt findet statt. Ist aber in hochgradigen Fällen die Fonn- 
veränderung sehr vorgeschritten, so kann der Kopf nicht in den Becken- 
eingang eindringen. Dann ist die Keilwirkung ausgeschlossen, und die 
Geburt ist unmöglich. 

Schließlich geht die Osteomalacie vom Becken auf die Rippen, die 
Wirbelsäule und die Extremitäten knochen über. Unter enormen rheuma- 
tischen fortwährenden Schmerzen werden alle Bewegungen untnöglidi. 
Die Extremitäten werden durch Muskelzug zusammengeknickt und un- 
brauchbar. Die Kranke vermag weder zu gehen noch zu sitzen, sie be- 
kommt wegen der Raumbeschränkung im Thorax Lungenaffekfionen 
und stirbt schließlich an DecTepidität. 

Oft verläuft die Krankheit außerordentlich langsam, heill posi 
partum scheinbar aus, beginnt aber sofort wieder, wenn eine neue 
Schwangerschaft eintritt, und schreitet in dieser sehr schnell weiter. 

Auch die Osteomalacie heilt in seltenen Fällen aus, sowohl ohne 
Therapie als bei geeigneter Therapie. Daß durch PhosphorbehandJLn? 
Osteomalacie nicht nur günstig beeinflußt wird, sondern völlig heilen 
kann, ist zweifellos sicher. 

Fehling entdeckte, daß durch die Kastration die Osteomalade in 
der Regel geheilt wird. Es gibt schon viele Dutzende von Fällen, m 
auch sehr schwere Osteomalacie nach der Entfernung der Ovarien 
verschwand. Interessant ist, daß oft schon in 1 — 2 Tagen nach der 
Operation die quälenden Schmerzen wegfallen. Ich habe eine Frau, 
die nicht mehr gehen und stehen und den Körper nicht gerade hallen 
konnte, kastriert. Sie arbeitet heute wieder auf dem Felde, obwohl i'e 
Verkrümmung der Wirbelsäule, der Oberschenkel und die Becktn- 
veränderungen geblieben sind. Die Knochen sind aber heute schmeß- 
frei und fest. 

Die Diagnose ist nach dem Gesagten leicht zu stellen. Dis 
Veränderungen am Becken sind leicht zu deuten und als acquirieric 
dadurch zu erkennen, daS vorher normale Geburten stattfanden, 
Schmerzempfindung beim Druck auf die Symphyse ist eins der ersM 
Symptome. 

Die Erfolge bei der Phosphorbehandlung sind so gut, daß man 
bei beginnender Osteomalacie, ehe man zur Kastration schreitet, stets 
zunächst mit Phosphor behandeln sollte. Die Dosis pro die Ist 0,0001 




Das spondylolisthetische Becken. 



327 



bis 0,0003 pro die, in öl gelöst Diese Dose kann wochenlang gegeben 
werden. 

Rp. Phosphori 0,015, Olei Amygdal. 10,0, Aquae dest. 80,0, Gummi 
arab. 10,0 M. F. Emulsio S; täglich einen Teelöffel. 

Bei hochgradigen Fällen entschließt man sich schnell zur Kastration. 
Sie hat den Vorteil, daß die Frau nicht wieder schwanger werden kann. 
Sodann spart man der Decrepiden das Blut, das bei den Menstruationen 
verloren geht Auch die Schmerzen hören auf. Fast stets tritt völlige 
Heilung bald ein. Aber ich kenne doch auch einen Fall, wo die 
Kassation der fortschreitenden Osteomalacie keinen Halt gebot Gibt es 
aber Überhaupt eine unfehlbare Therapie irgend einer Krankheit! 

Statt der Kastration habe ich öfter die vaginale Uterusexstirpation 
gemacht, da diese Operation im allgemeinen prf^ostisch günstiger ist 
und die Gefahr eines bei schwer arbeitenden Frauen doch immer mög- 
lichen Bauchbruchs, wegfällt. 

Das spondylolisthetisohe Becken. 

Beim „ Wirbelgleitbecken " ist die Lendenwirbelsäule vom Promon- 
torium nach vom abgeglitten. Voi dem Promontonum liegt also im 




Spondylollslhetisches Becken. 



Beckeneingang die Lendenwirbelsäule. Dadurch wird der Beckeneingang 
bis auf 5—6 cm im geraden Durchmesser verengt und eine Geburt ist 



328 



Achtzehntes Kapitel. 




unmöglich. Der Grund dieses Abgleitens der Wirbelsäule liegt nicht 
in den Körpern der Wirbel und den Intervertebralknorpeln, denn die 
Wirbelsäule wird fest erhalten durch die Verbindung der Wirbelbogen. 
Da auch der Processus spinosus an seiner Stelle bleibt, so muß also 
eine Verlängerung im Bogen 
eingetreten sein , wenn der 
Wirbelkörper nach vorn ab- 
geglitten ist. Diese Ver- 
längerung kann auf angebore- 
ner mangelhafter Ossifikation 
des Wirbelbogens beruhen, 
aber auch Folge eines Trauma 
sein, wie Neugebauer ge- 
zeigt hat 

Geburtshilflich betrachtet 
sind diese Becken Kaiser- 
schnittbecken. Doch sind auch einige bekannt, wo der Vorgang des 
Abgleitens erst im Beginn und somit der Beckeneingang noch nicht er- 
heblich verengt war. 

Bei der Diagnose kommt in Betracht; die auffallend tiefe der 
Lendenlordose entsprechende Einziehung der Lenden Wirbelsäule, der 
eigentümliche Gang, die Verkürzung des Bauches, das Fühlen der Wirbel- 
säule tief im Becken und vor ihr die tiefgerückte Teilungsstelle der 
Aorta. Tastet man in der Narkose das Becken aus, so ist die Raum- 
beschränkung in dem geraden Durchmesser sofort zu erkennen. 



Unterster Lendinwirlwl. 
PirbclkCrrtn'. b Processus splnosv 
llneFrio' Wirbelbogoi. 




Oeschwulslbcckei 



Das Oeschwulstbecken. Das Spaltbecken. 



Das Oeschwulstbecken. 

Osteosarkome können, wie das in der Figur 65 abgebildete, den 
Geburtskanal völlig verlegen. Auch. eine Spina bifida anterior bildete 
einen ähnlichen Tumor. 

Exostosen, da vco die Knochen des Beckens in der Kindheit zu- 
sammenwachsen, sind als Geburtshindemisse ebenfalls beschrieben. Unter 
dem Namen Stachelbecken zeichnete man Becken ab, deren Tuber- 
culum ileopectineum besonders stark hervorragte. 

Bei der Diagnose muß, man in der Narkose untersuchen. Schon 
öfter wurden unterhalb des Kopfes fest eingekeilte Tumoren, ja ein vom 
Kopf gegen die Symphyse gepreßter Stein in der Blase für einen Knochen- 
tumor gehalten. 

Das Spaltbecken. 

Man findet diese Becken bei Blaseneklopie, aber auch bei völlig 
normal geschlossenen Bauchdecken. FehH die Verbindung des Scham- 




Spallbecken. 

beins in der Symphyse, so entfernen sich hier die Darmbeine voneinander, 
je mehr das Kreuzbein nach unten kommt. Das Kreuzbein treibt die 



330 Achtzehntes Kapitel. 

Schambeine, die vorn nicht zusammengehalten werden, allmählich immer 
mehr auseinander. 

Das Spaltbecken kann selbstverständlich der Geburt keine Hinder- 
nisse bereiten. Der gelockerte Uterus prolabiert nach der Geburt, wes- 
halb ich ihn in einem solchen Falle exstirpiert habe. 

Diagnose der engen Becken« 

Wird die Diagnose bei einem Mädchen verlangt, dessen Eltern 
wissen wollen, ob die Heirat ratsam ist, muß man eine Entscheidung 
treffen, von der das Glück, eventuell das Leben abhängt, so muß man 
andere diagnostische Mittel anwenden, als wenn man im Drange der 
Not und augenblicklichen Lebensgefahr zu einer Kreißenden kommt, die 
nicht gebären kann. 

Im ersten Falle wird sorgfältig die Anamnese aufgenommen. Man 
sucht von der Betreffenden selbst oder von den Angehörigen zu er- 
fahren, wie die Kindheit verlief, ob die Entwicklung eine normale war, 
oder ob viele Krankheiten durchgemacht sind, ob sie als Kind spät laufen 
lernte, ob sie vielleicht, was besonders charakteristisch für Rachitis ist, 
als Kind gehen konnte, das Gehen aber wieder verlernte und lange 
nachher im Bett liegen mußte, ob sogar Rachitis oder englische Krankheit 
vom Hausarzt diagnostiziert war. Man betrachtet beim Gespräch den 
Körper im allgemeinen, die Körpergröße, die Form des Kopfes, man 
beobachtet das Mädchen beim Gehen, ob es hinkt, ob also ein Bein 
kürzer ist, ob eine Schulter höher, ob die Wirbelsäule verkrümmt 
ist. Dann muß sich die Betreffende entkleidet in das Bett legen. Man 
tastet die Claviculae ab, deren starkes Hervorragen, resp. deren starke 
Krümmung für überstandene Rachitis spricht. Ebenso werden am Thorax 
der rachitische Rosenkranz, an den Gelenken Spuren doppelter Glieder 
aufgesucht. Dann läßt man sich den Rücken zuwenden, verfolgt die 
Processus spinosi der Wirbel und forscht nach Verkrümmungen der 
Wirbelsäule, die nur bei völliger Entblößung zu sehen sind. Man wirft 
auch einen Blick auf die Beine und tastet die Schienbeine ab. Man 
sucht sich das Kreuzbein auf die äußere Haut zu projizieren. Die Spinae 
posteriores ossis ilei tragen gerade über sich kein Fett, so daß sie als 
seichte Gruben bei guter Beleuchtung stets zu sehen sind. Zwei Finger 
breit über der Verbindungslinie dieser Gruben liegt eine sichtbare Grube 
in der Mitte, sie entspricht dem Processus spinosus des letzten Lenden- 
wirbels. Ist bei Rachitis das Kreuzbein um eine Querachse nach vom 
und unten gedreht, so liegt diese dritte Grube der Verbindungslinie 
näher, ja in der Verbindungslinie. Der stark hervorspringenden Lordose 



Diagnose der engen Becken. 331 

enls|r> rechend liegen die Processus spinosi der Lendenwirbel tief, die Mitte 
bildet oft eine tiefe Rinne. Beim Auseinanderzielien der Hinterbacken 
erbli«z:kt man auffallend gut die hinten liegenden großen Schamlippen, bezw, 
die "Vulva: ein Beweis für zu starke Neigung des Beckens. Man geht 
mit dem Finger auch in den Anus, die Vola manus nach hinten gerichtet 
und "tastet die Konkavität des Kreuzbeines aus. 

IWun wird das Becken gemessen. Der wichtigste Durchmesser ist 
die dZ^onjugata externa, die 20 cm betragen soll. Er wird am besten 
so gefunden, daß man bei Seitenlage zunächst den oberen Symphysen- 
rand durch das Gefühl aufsucht. Dann schiebt man den einen Arm des 
Meft.^ irkeis zwischen den Oberschenkeln hindurch und fixiert die Spitze 
auf ci en gefundenen Punkt am obern Rande der Symphyse. Hier wird die 
Zirlc^lspitze angedrückt und festgehalten. Die andere Spitze setzt man 
bei ^ut beleuchteter Kreuzbeingegend in die dem Processus spinosus 
des letzten Lendenwirbels entsprechende Grube, drückt nun die beiden 
Spit^::en möglichst fest an den Knochen an und liest das Maß am Meß- 
appa-1-ale des Zirkels ab. Ist diese Linie 20 cm lang, so genügt dies Resul- 
tat, t».m, wenn sonst keine besonderen Abnormitäten vorhanden sind, der 
Heii-^t zuzustimmen, resp. die Prognose für die Geburten gut zu stellen. 
Alan mißt nun noch die Entfernung von Spina zu Spina, die 
36 '^tTi, und die von Crista zu Crista, die 2g cm lang sein soll. Die 
DifF^rrenz beider Entfernungen beträgt also 3 cm. Sind beide Entfer- 
nungen gleichmäßig zu kurz, also z. B. 24 und 27, so liegt ein gleich- 
mä&ig verengtes Becken vor. Für Rachitis spricht eine geringere Diffe- 
renz , also z. B. von Spina zu Spina 25 und von Crista zu Crista 26. 
Ist die Differenz noch geringer oder sogar umgekehrt, so daß die Gristen 
näher aneinander liegen als die Spinae, so finden sich sicher noch andere 
nichtige unverkennbare Zeichen von Rachitis, die den Fall klar machen. 
Es ■Wäre übrigens falsch anzunehmen, daß diese aus der Differenz abzu- 
leitenden Zeichen sicher immer vorhanden wären. Im Gegenteil wird bei 
g^nggradig rachitischem Becken gerade dieses Zeichen in der Regel 
;miißt 

Ist das Maß der Conjugata externa ig oder 18 cm, so berücksich- 
man die Figur der zu Untersuchenden im allgemeinen. Bei sehr 
iner Figur wird diese Verkleinerung des Durchmessers zwar eine even- 
^elle Schwierigkeit andeuten, diese aber läßt sich durch geschickte Lei- 
tung der Schwangerschaft und Geburt überwinden. Ist das Maß aber 
Unter 18, so wird man darauf aufmerksam machen müssen, daß die Ge- 
burt eines lebenden Kindes fraglich ist, daß eventuell eingreifende Ope- 
rationen, Symphyseotomie, Perforation des Kindes notwendig werden, und 



332 



Achlzehnles Kapitel. 



daß sich nur durch künstliche Frühgeburt ein lebendes Kind erzielen lassen ^ 
wird. Ist das Mali unter 16 cm, so handelt es sich um ein Kaiserschnifcr^, 
becken, selbst die Perforation oder Zerkleinerung des Kindes wird ax*J 
Schwierigkeiten stoßen und Lebensgefahr bedingen, es ist also das ELn^ 
gehen einer Ehe dringend zu widerraten. 

Handelt es sich um eine schwangere Frau, die bezüglich des 
eventuellen Verlaufs von Geburten untersucht werden soll, ist also d/f 
innere Beckenmessung möglich, so sucht man sowohl äußerlich als 
innerlich die Form und den Orad der Becken Verengerung ganz genau 
durch Messung zu bestimmen. Wurde ein Geburtshelfer engagiert und 
versäumte er die Beckenmessung, würde er dann durch eine schwere Ge- 
burt überrascht, so hätte er eine grobe Fahrlässigkeit begangen. Audi 
wenn scheinbar die Frau absolut gesund, schön gebaut, groß und kräftig 
ist, verabsäume man niemals die Beckenmessung, Ergibt sie normale Ver- 
hältnisse, so ist auch mit dieser Feststellung viel gewonnen, man wird die 
Eheleute durch die Sicherheit einer guten Prognose beruhigen kötinfli 

Es wird in derselben Art verfahren, wie oben beschrieben, Ist die 
Conjugata externa 20 cm lang, so genügt diese Feststellung- 
Ei n Becken, das dies Maß aufweist, setzt der Geburt Schwierig — 
keiten nicht entgegen. 

Ist aber das Maß geringer, so werden die Größen Verhältnisse aucl^ 
noch durch die Maße der Cristae und Spinae bestimmt Hai raar^ 
wegen Hinkens, Verkrümmung der Wirbelsäule, resp, wegen über — 
standener Knochen- oder Gelenkkrankheiten eines Beines Verdacht au"^ 
ein schräges Becken, so werden noch die großen schrägen Durchmesse«" 
gemessen. 

Dies geschieht so, daß man eine Ztrkelspitze auf die Spina poi — 
terior superior der einen Seite und die Spina ossis ilei anlerio k" 
der anderen Seite aufsetzt. Diese zwei Linien müssen gleich langseir*- 
Differieren sie deutlich, so ist dies der Ausdruck der Schrägheit des 
Beckens. 

Danach tastet man ebenfalls in Seilenlage die Innenfläche des 
Kreuzbeines ab, indem man die vola manus der vorderen Kreuzbein- 
oberfläche zukehrt. Auf diese Weise ist es oft sehr leicht, das gioze 
Kreuzbein abzutasten und das Promontorium zu erreichen. Dadurch, dafl 
man den empfindlichen Harnröhrenwulst vermeidet, gelingt es viel höher 
zu tasten als bei Rückenlage, weil die Schwangere nicht widerstrebt. 

Vor dieser Abtastung der Kreuzbeinkonkavität muß der Mastdann 
völlig entleert sein, Ist der Darm stark angefüllt, so ist diese Untersuchung 
nicht möglich. 



Diagnose der engen Becken. 333 

Hat man das Promontorium erreicht, so geht man von ihm nach 
den beiden Seiten, um sicher zu sein, daß man nicht etwa an der Fuge zwischen 
den beiden obersten Kreuzbeinwirbeln — dem falschen Promontorium — 
mit der tastenden Fingerspitze sich befindet. Namentlich schräge Becken 
werden in ihrer Form bei dieser Untersuchungsmethode leicht erkannt, 
da man den Winkel, die Konkavität, die der Kreuzbeinflügel mit dem 
Körper bildet, abtasten kann. Das rachitische Becken ist wegen der 
starken Krümmung des Kreuzbeins sehr niedrig, deshalb gelangt man 
leicht bis an und über das Promontorium, zumal der schwangere Uterus, 
resp. das Kind in der Seitenlage vom Beckeneingange wegsinkt 

Hierauf dreht man den Finger nach vorn und tastet die liintere Wand 
der Symphyse ab. Man gewinnt dadurch leicht ein Urteil über die Enge 
des Beckeneingangs und kann auch feststellen, ob etwa an der Symphyse 
Knochenwülste sich befinden, die das Becken noch enger machen. 

Vorteilhaft ist es auch, die Abtastung der Vorderfläche des Kreuz- 
beins bei der stehenden Schwangeren vorzunehmen. Die Schwangere 
stützt sich dabei mit den Händen auf, beugt den Oberkörper stark nach 
vorn, macht das Kreuz hohl, spreizt etwas die Beine und streckt den 
Hintern möglichst weit nach hinten hervor. Dadurch wird die Becken- 
neigung vermehrt, die Vulva, die ohnehin bei diesem Becken weit nach 
hinten liegt, ist dann sehr gut zugänglich, der touchierende Finger gelangt, 
gerade nach oben gehend, direkt auf die obere vordere Fläche des Kreuz- 
beins und kann so sehr leicht das den Beckeneingang überdachende. 
Kreuzbein abtasten, seine Form genau erkennen und durch Fühlen der 
Symphyse die Länge der Conjugata beurteilen. 

Als letztes Maß wird nunmehr die Conjugata diagonalis, die 
Linie von dem unteren Rande der Symphyse zum Promontorium ge- 
messen. Dies ist nur in Rückenlage möglich. Die Messung ist schmerz- 
haft, unbequem und indiskret, deshalb nehme man dies Maß zuletzt, um 
nicht von vornherein die Schwangere ungeduldig und widerstrebend zu 
machen. 

Der Geburtshelfer muß dazu den Steiß der Schwangeren so fest und 
hoch lagern, daß er den Oberarm tief senken kann. Deshalb schiebt man 
ein festes Keilkissen unter und lagert die Schwangere so an den Rand, 
daß der Steiß stark erhöht ist. Zunächst schiebt man unter möglichster 
Vermeidung des empfindlichen Harnröhrenwulstes einen Finger, wenn 
möglich zwei in die Vagina. 'Erst wenn man das Promontorium deutlich 
gefühlt hat, drückt man langsam und kräftig die Finger in den Scham- 
bogenwinkel hinein. Der Zeigefinger der anderen Hand geht an der 



334 Achtzehntes Kapitel. ^^^^H 

Symphyse entlang nach unten und markiert durch N^eleindruc^*3 
Stelle, wo der Finger in den Symphysenwinkel hineingedrückt ist 

Die Nagelmarke bleibt einige Zeit deutlich, so daß man sich vor der 
Messung waschen kann. Mit dem Meßzirkel oder an einem auf den 
Tisch gelegten Zentimetermaß mißt man mm von der Nagelmarke bis 
zur Fingerspitze, die das Promontorium fixierte. Das Maß soll bei nor- 
malem Becken circa 13 cm betragen. Um die Länge der Conjugata ^u 
taxieren, zieht man 1 '/j bis 2 cm ab. Fühlte man bei der vorherigfn 
Abtastung des Kreuzbeines in der Seitenlage, daß die perpendikuläre 
Konkavität sehr tief ist, daß das Promontorium sehr weit hervorragt, 
daß es der Symphyse gerade gegenüberliegt, so zieht man weniger ai, 
fühlt man das Promontorium hoch, so zieht man mehr ab. 

Zahlenbestimmungen in Millimeter haben keinen Sinn. Dies wird 
jeder Praktiker zugeben. Nicht das Maß allein bestimmt Prognose und [ 
Therapie. Vielmehr ist es bei der Beurteilung der Beckenverhäitnisse nur 
eine Tatsache, die erst durch die vergleichende Berücksichtigung anderfr 
Tatsachen, der äußeren Maße und der Kopfstellung von Wert ist Es handelt 
sich ja stets um zwei Faktoren; das Becken und den Kindskopf. Den 
Kopf in seiner Grösse und bezüglich der Festigkeit der Knochen genau 
zu bestimmen, ist unmöglich. Auch ist der Meßpunkt am Promontoriun 
kein fest bestimmter, ebensowenig wie der untere Symphysen rand. 

Es wäre nur eine Selbsttäuschung, wollte man aus dem Maße der 
Conjugata diagonalis ein ganz genaues Maß der Conjugata vera be- 
stimmen, es handelt sich nur um Abschätzung und um Vergleiche mit 
den äußeren Maßen. 

Kommt der Geburtshelfer zu der Geburt, die schon lange währt, 
so führt schon die Tatsache der abnorm langen Dauer auf die Diagnose. 

Bei der Erstgebärenden ist nach Aufnahme der Anamnese, Aus- 
führung der äußeren und inneren Beckenmessung, Bestimmung der 
Kindeslage, Beurteilung der Art der Einstellung des Kopfes die Diagnose 
des Grades der Verengerung wichtig. Da eine Uterusruptur nicht 
zu fürchten ist, so ist Eile nicht notwendig. Es sei denn, daß schon 
Fieber vorhanden und das Kind abgestorben ist Es ist notwendig, si 
erkennen und zu bestimmen, ob die Geburt überhaupt per vias naturales 
möglich oder unmöglich ist. 

Bei der Mehrgebärenden ist die Anamnese durch Erkundigonu 
nach den früheren Geburten zu vervollständigen. War stets das lOwä 
tot geboren, jede Geburt instrumenteil beendet, oder war allein do 
erste Kind schwer, aber doch lebend geboren, so macht man schon dara« 
wichtige Schlüsse. ■ 



Die Geburt bei engen Becken. 335 

Es muß zuerst die Diagnose des Lebens oder des Todes des 
Kindes gestellt werden, denn dies ist für die einzuschlagende Therapie 
entscheidend. Sodann muß der Allgemeinzustand der Kreißenden genau 
untersucht werden. Er kann so bedenklich sein, daß ein Eingriff sofort 
erforderlich ist. Er kann auch so gut sein, daß man Zeit hat, wichtige 
diagnostische Momente aus der Beobachtung des Verlaufes der Geburt 
zu entnehmen. 

Zuletzt untersucht man die Kopf stellung. Beim engen Becken erfährt 
der Mechanismus bestimmte Abweichungen, die so charakteristisch sind, 
daß auch die Kopfstellung zur Diagnose verwertet wird, wie wir bei der 
Schilderung des Verlaufs sehen werden. 

Die längere Beobachtung: Fortschritt oder Stillstand der Kopf- 
bewegungen läßt auch ein Urteil über den Grad der Verengerung gewinnen. 

Symptome xind Verlauf der Geburt bei engen Becken. 

In den ersten Monaten der Schwangerschaft macht das enge Becken 
keine Symptome. In späteren aber führen drei Umstände zu Er- 
scheinungen, die auch dem Laien auffallen. 

Zunächst ist bei verstärkten Krümmungen der Wirbelsäule, nament- 
lich bei Kyphoskoliosen oder starken Lendenlordosen die Distanz vom 
Beckeneingang bis zum Brustkorbe auffallend gering und dadurch der 
Raum im Bauche sehr beschränkt. Die Rippenbogen können die Crista 
ilei auf einer Seite fast berühren. Es hat demnach der schwangere Uterus 
nicht, wie bei einer großen schön gewachsenen Frau, Platz im Bauche. 
Zu einer Zeit, wo die Schwangerschaft bei der normalen Frau in der 
Regel auf den ersten Blick kaum zu entdecken ist, wölbt sich beim engen 
Becken der Leib schon erheblich hervor. ^ 

Dazu kommt, daß die Beckenneigung entsprechend den ver- 
mehrten Krümmungen der Wirbelsäule ebenfalls verstärkt ist. Durch 
die Drehung des Kreuzbeins um die Querachse, resp. die Senkung des Pro- 
montoriums wird der Beckenneigungswinkel vergrößert. Der Becken- 
eingang steht bei stehender Frau fast senkrecht Dadurch ruht die ganze 
Last des schwangeren Uterus auf der vorderen Bauchwand, wird von 
ihr getragen und dehnt sie aus. 

Sind die Bauchdecken der Primigravida noch fest und straff, 
so entsteht die Form des Spitzbauches, eine sehr starke Hervorwölbung 
des Unterleibes, deren Spitze am Nabel liegt. Je kleiner die Figur der 
Schwangeren ist, um so mehr fällt diese Hervorragung auf, so daß der 
Laie, wenn die Zeit der Schwangerschaft nicht genau bekannt ist, wegen 
dieser auffallenden Größe des Unterleibes die Schwangerschaft für weit 
mehr vorgeschritten hält, als sie es in der Tat ist Tritt dann die Geburt 



336 



Achtzehntes Kapitel. 



I 

L 



ein, so entsteht leicht die Annahme, daß das Kind übertragen, zu gro A 
und daß dadurch die Geburt erschwert war, | 

Sind die Bauchdecken durch vorhergegangene Schwangerschaftej» j 
überdehnt, so sind oft die Redi weit auseinander gewichen. Die Mitte 
der Bauchwand besteht nur aus Haut, Fett, Fascie und Peritonaeum, es 
hat sich eine Hernia lineae albae ausgebildet, und der Uterus bohrt sicli 
gleichsam wie ein Keü zwischen die Recti, sie auseinander treibend. Je 
größer die Becken neigung, je kleiner der Raum im Bauche, je dicker die 
Bauchwand geworden ist, um so stärker wird der Hängebauch. Der 
Uterus kann so nach vorn herabsinken, daß bei der stehenden Hoch- 
schwangeren der Bauch den Oberschenkeln auf- und anh'egend bis lu 
den Kniecn herabreicht. 

Dadurch sinkt auch der vorliegende Kindesteil vom Beckeneingang 
hinweg, wird nicht auf und in den Eingang hinein gedrückt. Dieser isl 
überhaupt zu eng, als daß er dem Kopfe oder einem Segment des Kopfes 
zum Ruhe- oder Stützpunkt dienen könnte. Der Kopf bleibt deshalb 
beweglich und weicht vom Beckeneingang ab. Wegen der hervorragenden 
Lendenwirbelsäule wird er nach einer Seile gedrängt, und es leiten sich 
abnorme Kindeslagen, namenthch Quer- und Schräglagen, leicht ein. 

Der Uterus ist weich, seine Wandungen folgen der Form seines 
Inhaltes, sowohl bei Querlage wie bei Oeradiage dehnt sich der Uterus 
so aus, wie es sein Inhalt verlangt. Wenn wir unter normalen Becken- 
verhältnissen bei der Primigravida fast stets eine Oeradiage finden, so 
liegt der Grund nicht im Uterus, sondern in den straffen Bauchdecker, 
die den Uterus hochhalten. Fallen diese Gründe weg, so entstehen un- 
regelmäßige Lagen des Kindes. Überrascht der FruchtwasserabfluB oder 
auch nur die Wehentätigkeit das schlecht liegende Kind, so wird es fixiert 
und stellt sich in dieser ungünstigen Lage zur Geburt 

Dadurch wieder bleibt das untere Uterinsegment leer. Es driickl 
kein voriiegender Teil auf den untersten Uterusabschnitt. Dieser Druck 
auf das untere Uterinsegment spielt aber als Grund des Geburtsbeginns 
und der Wehentätigkeit eine große Rolle. Deshalb tritt oft gerade bä 
einer Multipara mit engem Be<:ken die Geburt später ein. Davon wieder- 
um ist die Folge eine stärkere Verkalkung, eine größere Festigkeit der 
Schädelknochen und eine übermäßige Größe des Kindes. 

Ferner drängt sich, wenn der Kopf nicht vorliegt, die Blase in den 
Muttermund und platzt leicht vorzeitig, das Fruchtwasser fließt ab und 
schwemmt die Nabelschnur, wenn sie nicht um das Kind umschlungen 
ist, in die Scheide oder vor die Genitalien heraus. 

Bei der regelmäöigen Geburt übernimmt der Kopf die dilatierentei 
Funktion der Blase, Bei abgewichenem Kopfe oder bei Querli^en iehft 



^ ditatierende Moment Der Muttermund erweicht zwar unter den 
*/ehen, wird aber nicht mechanisch gedehnt. 

Und existiert eine Schräglage bei Beckenendlage des Kindes, so 
lallen leicht die Füße vor und erscheinen in der Vulva zu einer Zeit, 
*0 der Muttermund noch nicht erweitert ist 

Wegen des fehlenden Druckes auf das untere Uterinsegment bleiben 
auch die Wehen schwach. Sie werden erst kräftiger, wenn der Uterus 
nach Abfluß des Fruchtwassers mit der unregelmäßigen Oberfläche des 
Kindes in innige Berührung kommt Allmählich wird ein Segment 
des Kopfes in den Eingang hineingepreßt Ist der Beckeneingang ge- 
räumig genug, um wenigstens einen Abschnitt des Kopfes aufzunehmen, 
so wird der Uterus zwischen Kopf und Beckeneingang hinten am Pro- 
montorium und vorn am horizontalen Ast des Schambeins stark kom- 
primiert. Dann werden die Wehen enorm stark, indem auf den starken 
Druck und Reiz der Nerven der ganze Uterus reagiert. 

Durch diese starken Wehen wird der Kopf konfiguriert, adaptiert 
und zusammengepreßt Er gelangt schließlich, wenn es der Raum ge- 
stattet, in den Beckeneingang und durch ihn in die Beckenhöhle. Dazu 
gehören aber viele Wehen und viel Zeit 

Ist aber der Beckeneingang zu eng, so kontrahiert und verkleinert 
sich der Uterus mehr und mehr. Er zieht die Cervix und durch sie 
die Scheide nach oben. Dadurch wird der vorliegende Kindesfeil gleich- 
sam aus dem Uteruskörper in einen Raum getrieben, der aus dem stark 
verdünnten unteren Uterinsegment und der nach oben gezogenen Scheide 
gebildet wird. Dieser von dünnen Wanden umgebene Raum endet oben 
an der dicken Korpusmuskulatur. Die Grenze zwischen beiden ist 
deutlich zu fühlen, ja mitunter sogar durch die Bauchdecken zu sehen, 
sie heißt der Kontraktionsring. Er veriäuft meist schräg, da auch 
der Uterus schräg nach rechts liegt, von rechts unten nach oben links. 

Ist dieser Ring wahrnehmbar ausgebildet, und steigt er immer höher, 
so ist oft das Kind durch den verdünnten Abschnitt unter dem Kon- 
traktionsring, selbst in den Wehen deutlich zu fühlen. Dann entsteht 
leicht eine Uterusruptur, indem die dünne Partie platzt. Um so mehr, 
wenn etwa die Hand oder ein Instrument eingeführt wird. Die plötz- 
liche Vermehrung des Inhaltes um die Hand oder den Arm des Geburts- 
helfers drückt damit die bis auf 2 bis 3 mm verdünnte Wand auseinander. 

Die zu lange Dauer der Geburt hat aber auch schädliche Folgen 
für das Allgemeinbefinden der Gebärenden, für die Weichteile des 
Geburtskanals und für das Kind. Fieberhafte Wochenbettkrankheiten 
sind die Folge der Infektion während der Geburt Je länger also die 



338 



Achtzehntes Kapitel. 



i 



Geburt dauert, um so länger dauert die Infektionsgefahr. Bei ein^ 
Sturzgeburt fehlt die Zeit zur Infektion. Bei einer Geburt, die tagelar»j 
dauert, dauert auch die Infektionsgefahr so lange, daß es tatsächlich kaum 
möglich ist, die Infektion fern zu halten. 

Man kann Vulva und Scheide nicht reinigen wie eine Hand oder 
wie den Unterleib vor dem Bauchschnilt. Wir würden die Bauchhaut 
nicht für genügend desinfiziert zur Laparotomie halten, wenn wir sie 
nur mit dem Desinficiens berieselten und den Kopf nicht, wenn wir 
die Haare nur ausseiften. Ebensowenig dürfen wir hoffen, daß die 
Scheide durch Berieselung resp, Ausspülung sicher keimfrei wird, oder 
daß das Abwaschen der äußeren Geschlechtsteile sie völlig steril machte. 

Dann die Nähe des Afters! Leicht geht unwillkürlich etwas Kol 
oder mit einer Blähung Darmschleim ab. Man müßte unendlich oft 
von neuem spülen, waschen und bürsten, wollte man für Tage die 
Keimfreiheit der Genitalien garantieren. Die Vulva und Scheide sind 
nicht durch einen Verband abzuschließen. 

Wird auch die Vulva durch Umschläge geschützt, so haften diese '; 
doch nicht fest. Die Gebärende Hegt nicht ruhig, die Bettwäsche ist ■, 
nicht steril. Daß also an die Vulva Keime gelangen, darf nicht ver- 
wundern. Nun muss ausgiebig untersucht werden, dabei ebenso, «ie 
bei dem Oeburtsfortschritt entstehen kleine Wunden in der weichen 
Epitheldecke. Sie liefern Nährmalerial und bilden Infektionspforten. 

Daß bei diesen Verhältnissen, wenn eine Geburt tagelang dauert, 
die Möglichkeit der Infektion nahe liegt, ist klar. Und so beobaciitel 
man auch, daß trotz größter antiseptischer Vorsicht bei sehr lang dauern- 
den Geburten beim engen Becken Fieber oft eintritt: der Beginn der 
Infektion. Dies ist so die Regel, daß wir uns noch heute nicht wundern, 
wenn z. B. eine Frau, bei der eine künstliche Frühgeburt sich eine 
Woche hinzieht, fieberhaft erkrankt. Die Alten wußten dies, wie Wj 
sie nahmen an, daß die lange Wehentätigkeit zur Entzündung des 
Uterus führe. 

Es wird nunmehr ganz von Zufälligkeiten abhängen, z. B. von der 
Virulenz und der Art der Kokken, ob die Infektion eine gefährlidie 
ist, oder ob nicht. Jedenfalls aber kann man nicht von Fehlem det 
Methode der Desinfektion sprechen, wenn eine Frau nach langer Os- 
burlsdauer fiebert bezw, infiziert wird. 

Somit ist klar, daß die lange Geburtsdauer, bei engem 
Becken ganz allein, auch ohne Verletzungen oder andere un- 
günstige Ereignisse, die Prognose für die Mutter trübt 

Sodann kommen in Betracht die Wunden und Quetschungen. 



Die Geburt beim engen Becken. 339 

Muß der Kopf das für ihn zu enge Becken passieren, so werden die 
Weichteile dem Drucke länger ausgesetzt als bei der normalen Geburt. 
Dadurch entstehen kleine oberfläcWiche Substanzverluste und größere Ver- 
letzungen. Beide geben Infektionspforten ab. Beide liefern Nährmaterial für 
Kokken. In dem lange Zeit unter Druck befindlichen anämisierten, 
schlecht ernährten Gewebe wachsen Kokken leichter als in dem nor- 
malen gut mit arteriellem Blute versorgten Geweben. Ja dieser lang- 
dauernde Druck kann zu Nekrose und infolge der Gegenwart der 
Kokken zu Gangrän der Druckstelle führen, so entstehen Substanz- 
verluste, die, wenn sie die Scheide und Blasenwand treffen, zu Fistel- 
bildung führen. 

Und muß man, um Mutter oder Kind zu retten, operieren, so 
manipuliert man in Genitalien, die nicht aseptisch sind. Leicht führt, 
auch wenn ausgespült wird, die Hand oder das Instrument Kokken in 
die Uterushöhle, und drückt sie direkt in die Wunden hinein, wo sie 
ihre gefährliche Lebenstätigkeit entwickeln, Toxine erzeugen und sowohl 
lokal wie allgemein vergiftend wirken. 

Auch das Kind ist gefährdet. Nach Abfluß des Fruchtwassers 
ist der Uterus kleiner; er wird immer kleiner, je länger die Wehentätig- 
keit dauert. Dadurch werden alle Gefäße im Uterus kleiner, die 
Piacentarstelle wird zusammengeschoben, ebenso die Placenta. Die 
Blutquantität, die durch die Gefäße strömt, wird geringer, deshalb auch 
die Quantität des Sauerstoffs. Sie genügt schließlich nicht, um das Kind 
am Leben zu erhalten, es stirbt suffokatorisch an Mangel von Sauer- 
stoff: es erstickt Wie schnell dies eintritt läßt sich nicht mit Zahlen 
ausdrücken. Bei völligem Fruchtwasserabfluß und schnell aufeinander 
folgenden Wehen stirbt das Kind schnell ab. Sind die Wehen schwach, 
so kann das Kind trotz des Fruchtwasserabflusses lange am Leben bleiben. 

Ein Kind, das intrauterin abstirbt, stirbt an Kohlensäureintoxikation^ 
es erstickt und man findet bei ihm die pathologisch anatomischen Sub- 
strate der Erstickung. Regelmäßig macht ein solches Kind, wenn es 
nicht prämatur ist, Atembewegungen und saugt das ein, was in seinem 
Munde und vor seinem Munde sich befindet. Da während des Ab- 
sterbens Meconium abgeht und sich mit dem Fruchtwasser mischt, so 
findet man im Munde, in der Trachea, ja oft bis in die feinen Bronchien 
eingesaugte grünliche, meconiumgefärbte Flüssigkeit Das weiße, ab- 
gestorbene Kind ist mit bräunlichem Meconium besudelt. 

Auf der Oberfläche der nicht ausgedehnten, soliden, festen, blassen^ 
luftleeren Lungen, im Herzbeutel und auf der Oberfläche* des Herzens 
erblickt man die sogenannten subpleuralen Ekchymosen: kleine^ 



22* 



340 Achtzehntes Kapitel. 

linsengroße Blutextravasate, die dadurch entstanden sind, daß beim 
fruströsen Atmen kleine Qefäße platzten. Diese Blutpunkte sind ein 
sicheres Zeichen des Erstickungstodes, Auch auf der Oberfläche des 
Gehirns finden sich. nicht selten größere Blutergüsse, die nicht trauma- 
tischer Natur sind. 

Gelangen gasbildende Fäulnisbakterien aus dem Darm in die Scheide 
und von hier in den Uterus, so setzt sich die Fäulnis in der Uterus- 
höhle fort Sowohl der touchierende Finger ist schuldig, als auch ein 
Lagewechsel der Frau, bei dem der Muttermund zeitweilig tiefer liegt, 
als das Scheidengewölbe, z. B. bei Seitenlage. Dabei fällt der Uterus 
herab, zieht den Muttermund nach und so wird der Scheideninhalt 
gleichsam in den Uterus hineingesaugt oder fließt allmählich in den 
Cervicalkanal hinein. 

Dann bildet sich Fäulnis mit Gasentwicklung im Uterus. 
Gewöhnlich tritt dies Ereignis erst nach langer Dauer ein, da zur Ent- 
wicklung der Fäulnis zirka 8 Stunden gehören. In dieser Zeit ist das 
Kind abgestorben und kann nun ebenfalls verfaulen. Der Gestank, der 
bei der Geburt eines solchen Kindes entsteht, ist so entsetzlich, daß man 
kaum atmen kann. 

Hat sich aber zufällig die Fäulnis schon beim Beginn der Geburt 
entwickelt, so kann sie auch bei noch lebendem Kinde in die Uterus- 
höhle fortschreiten. Schon oft hat man Gasentwicklung und Tympa- 
nites des Uterus auch bei lebendigem Kinde beobachtet Gelangen 
die Fäulnisprodukte in den Mund oder bei vorzeitigen Atembewegungen 
in die Lunge des Kindes, so stirbt es bald an Sepsis bezw. an Pneu- 
monie. 

Direkt gefährdet ist das kindliche Leben durch die Raum- 
beschränkung. Sowohl bei spontaner Geburt als namentlich bei der 
künstlichen instrumentellen Geburt kann der Schädel so gedrückt werden, 
daß die Knochen brechen. Aus der Bruchstelle des blutreichen wach- 
senden Knochens fließt das Blut über das Gehirn und das Kind stirbt 
an Hirndruck. 

Auch kann bei bedeutender Verschiebung der Knochen in der 
Sagittalis der darunter liegende Sinus longitudinalis platzen, wodurch eine 
tödliche Blutung über das Gehirn entsteht 

Somit ist, ganz abgesehen von den Fällen, wo perforiert werden 
mußte, das Leben des Kindes vielfach gefährdet 

Wie schon oben erwähnt, kommt es nicht selten zum Nabelschnur- 



Der Geburtshergang beim engen Becken. 341 

Vorfall Ist die Nabelschnur um das Kind umschlungen, so kann sie 
nicht vorfallen. Liegt sie aber beweglich neben dem Kinde, so fällt sie 
beim Fruchtwasserabfluß dann vor, wenn nicht ein Kindesteil den Ab- 
schluß des Uterus bildet 

Auch im späteren Verlaufe der Geburt, wenn die Wehen alles Be- 
wegliche aus dem Uterus auspressen, wird die Nabelschnur neben dem 
Kinde vorbeigedrückt Sie gelangt in die Scheide. Ist dies bei engem 
Muttermunde der Fall, so ist das Kind in großer Lebensgefahr, denn 
schon ein geringer Druck auf die Nabelschnurgefäße unterbricht den 
Blutstrom in ihm. Ist der Muttermund so weit, daß die Geburt zu be- 
endigen ist, so ist zwar die Gefahr geringer, aber immerhin verschlechtert 
die notwendige Manipulation, wenn sie nicht schnell zum Ziele führt, die 
Prognose. 

Geburtshergang beim engen Becken. 

Beim engen Becken erfährt der Kopf Widerstand am Beckenein- 
gange, er stellt sich hier ein, aber kann die Enge nicht passieren. Aus 
der Art und Weise, wie der Kopf sich einstellt, ist es möglich, sowohl 
auf die Form des Beckeneingangs als auch auf den Grad der Enge einen 
Rückschluß zu machen. Wenn also das enge Becken noch nicht durch 
Anamnese oder Messung erkannt wäre, so würde man es aus der typischen 
Art der Einstellung des Kopfes erkennen. 

Das gleichmäßig verengte Becken zwingt den Kopf zum Tief- 
treten des Hinterhauptes. Rings herum am Eingange sind die Wider- 
stände gleichmäßig zu bedeutend (s. S. 88). Deshalb ist auch die auf sie 
zu beziehende typische Kopfdrehung mit. dem Hinterhaupte nach unten 
abnorm stark ausgeprägt. Der typische Befund bei gleichmäßig verengtem 
Becken ist also die Senkung des Hinterhauptes, Tiefstand der 
kleinen Fontanelle. 

Der Kopf wird wie das Eisen im Drahtzug in dem zu engen Kanäle 
lang gedrückt, der frontooccipitale Durchmesser des nach langer Geburts- 
arbeit spontan geborenen Kopfes ist auffallend lang, der Kopf hat eine 
dolichocephale Form. 

Die Kopfgeschwulst steht zu der Wehenkraft im geraden Ver- 
hältnis. Je mehr und je länger die Wehen einwirken, um so größer ist 
die Kopfgeschwulst Wird der Geburtshelfer zu einem solchen Falle nach 
langer Qeburtsdauer gerufen, überhöht eine sehr große Kopfgeschwulst 
das Hinterhaupt, so kann diese Kopfgeschwulst 3 bis 5 cm den knöchernen 
Schädel nach abwärts verlängern. Dann erreicht der Finger den Kopf 



342 



Achtzehntes Kapilei. 



dicht über dem Beckenboden. Nähte und Fontanellen sind nicht durdi- 
zutühlen. Leicht ist ein Irrtum möglich: man meint, der Kopf habe den 
Beclteneingang schon passiert, während er noch mit der größten Ma^e 
in und über dem Beckeneingange steht. 

Bei den häufigsten engen Becken, den in der Conjugata verengten, 
springt das Promontorium abnorm stark hervor. An ihm bleibt dss 
hintere Scheitelbein hängen. Es wird so stark gegen das Promontorium 
gedruckt, daß die komprimierten Weichteile des Schädels eine deutliche 
Druckmarke zeigen, ja daß der Knochen sich tief eindrückt; löffeltör- 
mige Impression. 




L 



■c Scheitclbclncinstellang ni 

Das vordere Scheitelbein aber schiebt sich an der gleichmäßig kon- 
kaven vordem Beckenhälfte nach unten, somit senkt sich das vordere 
Scheitelbein, während das hintere zurückbleibt. Es dreht sich also der 
Kopf so, daß die Pfeilnaht ganz hinten am Promontorium liegt. 

Das Hinterhaupt resp. der bipariefale Durchmesser ist zu groß, um 
den verengten Beckeneingang zu passieren, er wird zurückgehalten. Sind 
die Wehen stark, pressen sie den Kopf tiefer, so gleitet auf der anderen 
Seite die Stirn tiefer. 

Und da der Querdurchmesser der größte ist, so gelangt in ihn 
der längste Durchmesser des Kopfes, der frontooccipitale Durchmesser. < 
" ' ' '- ' ; zu kurze Conjugata typische ""' 



finden also eine für i 




Vordere Scheitelbeineinstellung. 343 

einsleltung, die sich aus drei Abnormitäten zusammensetzt: die Senkung 
des vorderen Scheitelbeins, die Senkung der Stirn und die 
Querstellung. Finden wir also die Pfeilnaht querlaufend, dicht am 
Promontorium, und die große Fontanelle tiefer als die kleine, so dia- 
gnostizieren vir dadurch einen Beckeneingang, der im geraden Durch- 
messer verengt ist Und da das am meisten Auffallende dieser Ein- 
stellung das abnorm tief stehende vordere Scheitelbein ist, so nennen 
wir diese Einstellung: Vordere Scheitelbeineinstellung. — In der 
Figur 67, die vor über hundert Jahren Smellie gezeichnet, und die immer 
noch die beste schematische Figur ist, erkennt man leicht diese Einstellung. 




Hintere ScheilelbdnelnittllunE 



In seltenen Fällen kehrt sich die Einstellung um, so daß sich das 
hintere Scheitelbein senkt: hintere Scheitelbeineinstellung (Fig. 68). 
Es muß in solchen Fällen die Achse des Uterus nach hinten gelegen haben, 
wenn nicht etwa durch Schieben und Drücken oder durch Zangenver- 
sudie diese Kopteinstellung künstlich gemacht ist. 

Sie kommt auch bei weitem Becken vorübergehend vor. 

Unter dem Einflüsse der Wehen konfiguriert sich der Kopf, d. h. 
die Knochen schieben sich in den Nähten, vor allem in der Sagittalnaht, 
übereinander. Das hintere Scheitelbein wird verbogen und flacht sich 
bei der vorderen Scheitelbeineinstellung ab, und das vordere, vom Druck 



344 



Achtzehntes Kapitel. 



I 



betreite schiebt sich gleichsam aus dem Schädeldach hervor. Sobald nun 
unter dem Einflüsse dieses formverändemden Druckes die queren Kopf- 
durchmesser so klein geworden sind, daß sie der Länge der Conjugata ent- 
sprechen, treiben die Wehen den nun adaptierten in seiner Form für den 
Beckeneingang passend gewordenen Schädel durch den Beckeneingang 
hindurch in die Beckenhöhle. Da der Beckenausgang bei dem platten 
Becken meist weit ist, so hört jetzt der Widerstand auf. Gleichzeitig aber 
erlahmen oft die Wehen, die gerade dadurch enorm stark geworden 
waren, daß der Kopf abnorm stark die Nerven der Cervix drückte und 
reizte. Hört dieser Reiz auf, so hören auch kräftige Wehen auf. Bleiber 
sie aber gut oder treten sie von neuem ein, oder legt der Geburtshelfer 
die Zange an, so ist nunmehr schnell der Widerstand des Beckenaus- 
gangs überwunden. 

Ist aber der Beckeneingang sehr eng, so verharrt der Kopf über, auf 
und im Beckeneingang, Man fühlt die Konvexität des Kopfes beweglidi 
oder fest auf dem Beckeneingange. Wie ein flaches Brett überdacht der 
Schädel das Becken. Von außen ist der Kopf in seiner ganzen Ausdeh- 
nung dauernd über dem Becken zu fühlen. Innen erreicht man wegen 
der starken Senkung des vorderen Scheitelbeins nicht einmal die hodi 
oben hinten am Promontorium befindliche Pfeilnaht. Auf der Seile ge- 
lingt es die Stirn abzutasten. Die große Fontanelle liegt mitunter dicht 
am Promontorium, das so stark hervorragt, daß es gut abzutasten ist. In 
diesen Fällen handelt es sich um Becken, deren Conjugata nicht über 
7 — 7% "^"^ '^"S' '^*^^'" '*'^"" ^'^ länger ist, um Kinder mit sehr hartem 
großem Kopf, der sich durch die Wehen nicht in seiner Form verändert 
Auch deshalb nicht, weil er ja überhaupt nicht mit dem Beckeneingang 
sich engagiert, so daß er nur unter dem allgemeinen Inhallsdruck steht- 
Da ist von besonderem Mechanismus nid»' 

die Rede. Die Geburt des unverletzten Kindes pd 

vias naturales ist nicht möglich. 



Der geborene Kopf trägt die Spuren de" 
Gewalt, die auf ihn einwirkte. Er ist deshalb 
schief. Das hinlere Scheitelbein ist in den Schade 
unter das vordere gepreßt und so abgeflacht, d»J 
der Winke!, der das Scheitelbein am Tuber parietal- 
bildet, stumpfer wurde. 

Diese Verbiegungen und Verschiebungen gleiche«! 
sich in kürzerer oder längerer Zeit aus. Nach 3 bw 
4 Monaten ist jede Spur verschwunden. 




AhUacfaun^ und Unl^r 
Schiebung de« [echten 
Hen prragung des linke] 
Sdiatelheins nach der Oe 
burt [n aster Lige 





Der Schädel des Kindes bei engen Becken. 345 

Schädelfrakturen, sei es, daß sie bei der Extraktion gemacht oder 
spontan entstanden waren, sind nicht immer tödlich. Es kommt auf die 
Größe der Fraktur an und darauf, ob die Bruchstelle mitten durch den 
Knochen geht, da vo er reich mit Blut versorgt ist Wird nur eine Ecke, 
z. B. in der Nähe einer Naht abgesprengt, so heilt der Bruch ohne 
weitere Schädlichkeit 

Druckstellen sind graduell sehr verschieden je 
nach der Beckenenge. Oft sieht man nur einen roten 
Streifen, da wo der Kopf am Promontorium vorbei- 
strich. Wird eine Stelle sehr lange gegen das Pro- 1 
montorium gedrückt, so kann sie derart anämisiert 
werden, daß Nekrose entsteht und eine mit dem 
Knochen verwachsene Narbe zurückbleibt. t' 

Bei gewaltsamen Extraktionen des Kopfes wird "- 
auch der Knochen vom Promontorium löffeiförmig 
eingebogen. Auch diese off sehr tiefen Einbie- 
gungen verwachsen völlig und geben eine gute Dm 
Prognose. 

Daß andererseits Idiotismus höchsten Orades die Eolge von Geburts- 
verletzungen des Schädels sein kann, habe ich öfter erlebt 

Therapie. 

Der kunstliche Abort 

Der künstliche Abort ist bei dem heutigen Stande der Wissen- 
schaft nur beim osteomalakischen Becken indiziert, und zwar deshalb, weil 
diese Krankheit gerade in der Schwangerschaft besonders schnell fort- 
schreitet Man wird also, wenn z. B. eine Osteomalakische von den 
Schmerzen geplagt wird und wenn sie die Gehfähigkeit und Arbeitsmöglich- 
keit schnell verliert, den Abort aus drei Gründen machen, erstens wegen 
der voraussichtlich sehr schweren Geburt, zweitens wegen des schnellen 
Fortschreitens der Knochenkrankheit, und drittens, um möglichst bald die 
Kastration anzuschließen, und dadurch die Krankheit definitiv zu heilen. 

Erlaubt das Becken den Zugang von unten, resp, ist der Uterus noch 
klein und das Becken nicht zu sehr verengt, so exstirpiert man Uterus plus 
Ovarien vaginal, um sich nur auf einen Eingriff und zwar einen 
prognostisch günstigeren als die Laparotomie zu beschränken. Ist die 
Schwangerschaft weiter vorgeschritten über den 5. oder 6. Monat, so wird es 
möglich sein die Lebensfähigkeif abzuwarten und die Porrosche Opera- 
tion: Kaiserschnitt mit Entfernung des Uterus und der Adnexe auszu- 
führen. 



l 



346 Achtzehntes Kapitel. 

Diese Methode ist entschieden prognostisch günstiger als der Kaiser- 
schnitt mit Entfernung der Ovarien. Dabei haben wir drei Wunden, zwei 
seitliche an den Adnexen und eine im Uterus, beim Porro haben wir nur 
eine Wunde, die durch Übemähen des Stumpfes völlig von der Pen- 
tonäalhöhle abzuschließen ist. 

Die Wünsche der Schwangeren und ihrer Angehörigen müssen b^ 
rücksichtigt veerden. 

Bei anderen engen Becken unter 15 cm Conjugata exf., d. h. beiOe- 
bärunmöglichkeit würde ich dringend raten, abzuwarten, um den Kaiser- 
schnitt vornehmen zu lassen. Ich für meine Person würde den Abort 
ablehnen im Hinblick auf die gute Prognose des Kaiserschnittes. Aber 
ich würde den Arzt nicht verdammen, der auf den Wunsch der Schwan- 
geren oder ihrer Angehörigen, aus Angst vor der großen Operation des 
Kaiserschnittes, die Einleitung des Abortes unternähme. Weder geseblidi 
noch moralisch ist die Einleitung des Abortes bei Gebärunmöglichkeit zu 
untersagen. 

Die Diät, um das Eind klein zu erhalten. 

Eine bestimmte Diät zum Zwecke, das Kind klein zu erhalten, ist 
seit Jahrhunderten immer wieder vorgeschlagen. Die Beobachtungen 
lehren, daß in der Tat eine Schwangere, die sehr viel ißt, stets liegl, 
auch ein großes Kind zur Welt bringt, und daß bei elenden Frauen, die 
z. B. fortwährend brechen oder in der ganzen Schwangerschaft sehr wenig 
essen, oder einen Herzfehler haben, die Kinder klein sind. 

Nun ist ja wissenschaftlich festgestellt, daß zu reichliche Nahning 
zum Fettansatz führt, daß es aber nicht so sehr auf die Qualität als auf 
die Quantität ankommt. Namentlich die Beschränkung auf Fleisch wird 
die Kalkzufuhr nicht beeinträchtigen und dem Kinde das Material zum 
Knochenaufbau zuführen, also den Schädel eher zu hart und zu wenig 
konfigurationsfähig machen. Ich bin also durchaus der Meinung, dal 
wie es die Erfahrung lehrt, eine restringierte Diät einen Einfluss auf die 
Größe des Kindes hat, aber ich glaube nicht, daß eine bestimmte Diät, 
Enthaltung von Flüssigkeit, Kohlehydrate etc. das Kind klein erhält 
Andererseits ist richtig, daß d«r Arzt bestimmte Vorschriften geben muss, 
daß mit allgemeinen Redensarten, nicht zu viel zu essen, praktisch nichls 
auszurichten ist. Man wird also im gegebenen Falle genau feststellen, 
wie die Ernährung stattfindet, und dann durch Entziehung eines b^ 
stimmten Bruchteils die Ernährung einschränken. 



Therapie beim engen Becken. 347 

Die Bauchbinde. 

Für sehr wichtig halte ich, namentlich bei der Multipara, eine wirk- 
same Bauchbinde in der Schwangerschaft tragen zu lassen, um dadurch 
dem schädlichen Einflüsse des Hängebauches entgegenzuarbeiten. Der 
Arzt muß die Binde selbst anlegen und kontrollieren, ob auch wirklich 
der Bauch hoch gehalten wird. Die Verhältnisse sind individuell sehr 
verschieden. Oft ist die Lendenwirbelsäule hinten so konkav gebogen, 
daß der Binde auch Träger über die Schultern hinzugefügt werden 
müssen. Die Binde ist schon vom 4. Monat an zu tragen, denn wenn 
später schon ein bedeutender Hängebauch existiert und sich die Schwangere 
an diesen Situs viscerum gewöhnt hat, so wird eine straffe Binde, die 
plötzlich eine ganz andere Lage des Bauches zu stände bringt, nicht gut 
vertragen. Die Binde ist dann von Zeit zu Zeit ärzUich zu revidieren, 
eventuell zu ändern, damit sie bei Zunahme des Leibes auch fernerhin 
ihren Zweck erfüllt. Eine Kopflage, die beim weiten und beim 
engen Becken stets die beste Prognose gibt, wird auf diese Weise am 
sichersten erzielt Ich glaube, daß in dieser Erhaltung einer normalen 
Uleruslage auch eine Prophylaxe gegen die Uterusruptur liegt, weil 
die Dehnung und Auszerrung des unteren Uterinsegments verhütet wird. 
Ebenso wird die Bauchpresse vor Überdehnung durch die Binde ge- 
schützt und bleibt für die Geburt wirksamer. 

Die künstliclie FrüJigeburt. 

1 Die wichtigste prophylaktische Maßnahme ist die Einleitung der 

I künstlichen Frühgeburt, eine Operation, so recht für den praktischen 
, Arzt geschaffen ! Ihre Prognose hängt von der Schnelligkeit ab, mit dei- 
es gelingt, gute Wehen zu erzielen, und von der leichten Erweiterung 
des Muttermundes. 
j Sehr selten ist man in der Lage, bei einer Primipara die künstliche 

I Frühgeburt einzuleiten. Daß sie aber hier ebenso indiziert und erlaubt 
f ist, wie bei der Multipara, ist zweifellos, denn die Raumverhältnisse, die 
I, stets die gleichen sind, indizieren die Operation. 

Das enge Becken, namentlich das mäßig verengte, macht in der 
Schwangerschaft keine Symptome, und deshalb wird auch ärztliche Hilfe 
selten rechtzeitig requiriert. Andererseits sind auch die ersten Kinder 
Verhältnismäßig klein, und man darf mit Recht hoffen, daß die noch 
intakte Bauchpresse bei der Primipara sehr viel leisten wird. Es kommt 
dazu, daß die Uterusruptur bei der Primipara nicht zu fürchten ist 
[Somit wird man bei Becken von iS bis 19 cm Conjugata externa die 
iSpontane Geburt bei der Primipara abwarten dürfen. 




348 Achtzehntes Kapitel. 

Hat aber das Becken eine Conjugata externa von i6 bis 17 cm, sowitd 
man die ungefährliche künstliche Frühgeburt vorschlagen, wenti die 
Schwangere eine gefährlichere Operation, die Symphyseotomie oder den 
Kaiserschnitt nicht riskieren will. 

Die Progn ose bei der Primipara ist viel ungünstiger als bei der Multi- 
para, weil man nie weiß, ob auch Wehen bald eintreten, weil das Frudrt- 
wasser leicht vorzeitig abfließt, weil der Muttermund sich langsam erweitert 
und deshalb der Eintritt der Geburt recht lange auf sich warten iäBL 

Oft tritt bei zu langer Dauer (vgl. S. 338) Fieber ein. Dies nötigt 
zu schnellem Eingriff im Interesse der Mutter. Leider muiS dann ofl 
das Kind geopfert resp. die Perforation schleunigst gemacht werden. 
Somit ist der Arzt nicht in der Lage, feste Versprechungen bei Einleitung 
der künstlichen Frühgeburt machen zu können, und diese nur bcdiigl 
gute Prognose hält viele von der Operation ab. Es ist im allgemeinen 
für die Erzielung der Nachkommenschaff richtiger, bei einer Primipara 
abzuwarten, eventuell das Kind sterben zu lassen oder zu perforieren, 
um dann später unter günstigen Aussichten bei der Multipara, deren 
Muttermund sich schneller erweitert und weniger Widersland entgegen- 
setzt, die künstliche Frühgeburt einzuleiten. 

Bei der Multipara gestaltet sich die Sachlage oft so, daß der Arzt 
nach unglücklichem Verlaufe bei der ersten Geburt die künstliche Früh- 
geburt vorschlägt. Das Becken ist nunmehr genau bekannt. Aus der 
wiederholten Messung, aus der Beobachtung bei der ersten Geburl, 'weiK 
man, wie die Maße sind. Man schlägt mit gutem Gewissen die künst- 
liche Frühgeburt als aussichlsvoll vor. 

Es ist dann vor allem nötig, die Schwangerschaftszeit genau m 
bestimmen. Dazu haben wir die Anamnese und die Untersuchung, Dit 
Frau selbst wird aufgefordert, genau auf das Ausbleiben der Menstruation 
zu achten. Der Arzt untersucht alle 4 Wochen, notiert sich genau dis 
Befunde, vergleicht sie und Ifontrolliert genau, wie die Schwangersdisit 
vorschreitet. Je später die Frühgeburt eingeleitet wird, um so besser für 
das Kind. 4 Wochen ante terminum ist die beste Zeit. Freilich ist dann 
der Kopf schon größer als der Beckeneingang. Aber der Kopf ist wiiäk 
kompressibel, er adaptiert sich besser, die weichen Knochen biegen, aber 
brechen nicht Auch hier ist die Prophylaxe, d. h. das Tragen einsr 
Bauchbinde, um die Bauchpresse wirkungsvoll zu erhalten und die Kopf- 
lage zu erzielen, sehr wichtig. 

Der erfahrene Geburtshelfer hat auch einen Anhaltspunkt durch die 
Abtastung des Kopfes, da dessen Größe wegen des Hochstandes gerade 
hier sehr gut äußerlich festzustellen ist. 




Die künstliche Frühgeburt. 349 

Ist der Zeitpunkt gekommen, so suche man eine Amme oder eine 
Mutter, die dem geborenen Kinde sofort Muttermilch geben will, sich zu 
beschaffen. Die Amme muß zunächst ihr Kind bei sich behalten, da ein 
vorzeitig geborenes Kind nicht viel trinkt, und an einer straff gefüllten 
Brust nicht gut saugen kann, wenn es überhaupt schon saugen kann. Würde 
die Milch bei der Amme stagnieren, so könnte die Milchsekretion über- 
haupt schnell aufhören. 

Als Vorbereitung ist sehr sorgfältige Entleerung des Darms not- 
wendig. Der Arzt muß selbst den Stuhl ansehen, um zu wissen, daß 
auch tatsächlich der alte Kot völlig beseitigt ist. Dann desinfiziert man 
die Rima pudendi und die Vulva auf das allersorgfältigste. Man legt die 
Frau in die Simssche Seitenlage, eröffnet mit dem Speculum die Vagina, 
zieht mit der Muzeuxschen Zange die Portio herab und wäscht die 
Scheide, die Portio und den zugänglichen Teil des Cervicalkanals mit Subli- 
matlösung aus und ab. Nunmehr kann man die Bougies, ohne sie mit der 
Vulva und Vagina in Berührung kommen zu lassen, direkt in den Mutter- 
mund einschieben. Würde man in der Rückenlage, bei geschlossener 
Vagina die Bougies in den Uterus schieben, so würde man Vaginalsekrete, 
die trotz aller Spülungen nicht keimfrei sind, leicht nach oben befördern. 

Die wohl desinfizierten Bougies von ca. 8 bis 9 mm Dicke werden 
in die Cervix eingeschoben. Celluloidbougies sind zu hart, sie bohren 
sich leicht in die Muskulatur ein und machen gefährliche Verletzungen. 
Die Bougies sind da nach oben zu dirigieren, wo sie leicht hinein- 
gleiten. In der Seitenlage sinkt der Kopf uterinwärts, so daß die Bougies 
an der Hinterwand des Uterus leicht nach oben gleiten. Fühlt man 
Widerstand, so wählt man eine andere Stelle. Es gelingt meist, 2, auch 
3 oder 4 Bougies nach oben zu dirigieren. Nicht selten geht dabei etwas 
Blut ab. Aber ich habe mehrmals an der geborenen Placenta gesehen, 
daß ein oder sogar zwei Bougies zwischen Placenta und Uterus geraten 
waren, ohne Blutung zu machen oder das Leben des Kindes zu gefährden. 
Ebenso perforiert manchmal die durch Anstoßen an das Kind abgelenkte 
Bougiespitze die Eihäute. Dann geht etwas, aber nicht viel Fruchtwasser ab. 
Namentlich wenn Wehen eintreten. Auch dies schadet nichts, denn es 
fließt bei hoher Verletzung der Eihäute nur eine mäßige Quantität Frucht- 
wasser ab, so daß sich eine Blase doch noch bilden kann. Ja die Wehen 
treten bei Fruchtwasserabfluß schneller ein. 

Vor die Bougies wird ein Tampon von Jodoformgaze und auf die 
Vulva eine große in Lysollösung getauchte Kompresse gelegt. Man 
sagt nun, daß die Wehen oft erst nach Tagen eintreten, damit die 
Schwangere nicht etwa erwartet, es müsse nun binnen kurzem das 
Kind erscheinen. Lassen die Wehen lange auf sich warten, so wird die 



I 



L 



350 Achtzehntes Kapitel. 

Schwangere ungeduldig, zaghaft, aufgeregt, was wiederum die Wehen- 
tätigkeit schädlich beeinflußt 

Ist der Muttermund sehr weich, für einen Finger durchgängig, 
und treten die Wehen nicht kräftig ein, so kann man auch einen zusammen- 
gefalteten Kolpeurynter in den Uterus schieben und ihn mit Lysol- 
oder Borsäurelösung anfüllen. 

Wenn die Wehen nicht bald eintreten, so wird der Ulerus 
massiert, wobei man den Kopf des Kindes kräftig gegen die Wandung 
des unteren Uterussegmentes in den Beckeneingang drückt Oft bei 
torpidem Uterus, treten durch diese Massage bald Wehen ein. Sie 
lassen zwar bald wieder nach, aber neue Massage ruft sie wieder 
hervor, allmählich werden sie regelmäßig, kräftig und dann auch 
wirksam. 

Treten auch nach Einlegen des Kolpeurynters und durch Massage 
Wehen nicht ein, so dehnt man den Kolpeurynter durch weitere Ein- 
spritzungen prall aus, man befestigt an dem Schlauch ein Gewicht \on 
i — 2 Kilo. Der Zug und Druck des Kolpeurynters wirkt dann ebenso ifie 
der eintretende Kopf, erzeugt Wehen und erweitert mechanisch den 
Muttermund. 

Die Temperatur wird genau kontrolliert Bleibt sie normal, so kann 
man warten. Gerade diese anfangs langsam verlaufenden Fälle geben 
eine gute Prognose. Steigt aber die Temperatur, so ist die Geburt zu 
beschleunigen. Das einzige ungefährliche Mittel zu diesem Zweck ist 
der Zug am Kolpeurynter, der also auch in den Fällen, die mit Bougiß 
begonnen sind, zur Erweiterung des Muttermundes noch angewendet 
werden kann. 

Man muß stets im Auge haben, daß für das Leben des Kindes die 
Beschleunigung der Geburt wichtig ist Sieht der Kopf hoch über dem 
Becken, wird er auch von der Wehe nicht in den Beckeneingang ge- 
drückt, so entschließe man sich zur Wendung, sobald es die Weite des 
Muttermundes zuläßt Die Wendung ist bei kleinem Kinde nicht 
schwerer als bei großem. Gerade bei dem hochstehenden Uterus ist die 
Einwirkung auf den Steiß von außen sehr leicht Es gelingt oft, die 
Beine nahe dem Kopfe schnell zu ergreifen, und das Kind leicht 
zu drehen und schnell zu extrahieren. Der nachfolgende weiche Kopt 
passiert unter starker Mithilfe von außen ohne Schwierigkeit den Becta- 
eingang. Der Beckenausgang ist ohnehin beim rachitischen Becken 
weit, und die Weichteile bereiten dem Durchtritte des kleinen Kindes 
keinen Widersland. 

In diesen Fällen gelingt auch oft die äußere Wendung oder die 




Die künstliche Frühgeburt. 351 

kombinierte. Ebenso macht man bei Querlagen schnell die Wendung 
und bei Beckenendlagen die Extraktion. Nach längerer Qeburtsdauer 
ist der Muttermund weich. 

Steht aber der Kopf fest auf dem Beckeneingang, ist das Frucht- 
wasser seit langer Zeit abgeflossen, ist sogar ein Teil des Kopfes in den 
Beckeneingang schon eingetreten, so sucht man sich äußerlich den Kopf 
auf und drückt ihn nach Hofmeier durch direkten Druck in das 
Becken hinein. 

Bei dieser Prozedur muß der Muttermund erweitert sein, und 
es muß narkotisiert werden, weil der Druck sehr schmerzhaft und bei 
Widerstreben der Kreißenden, die die Bauchpresse hart macht und 
anstrengt, wirkungslos ist 

Oft ist auch ein Druck dicht über der Symphyse gerade nach hinten, 
gegen das Promontorium von Vorteil. Der Kopf wird dadurch im 
geraden Durchmesser des Beckens komprimiert Selbst eine Impression 
der Knochen, die dabei entstehen kann, verschlechtert nicht die Prognose 
des Lebens des Kindes. 

Die Kreißende wird bei dieser Prozedur in die Walcherschc 
Hängelage gelagert, d. h. dicht an den Bettrand mit nach unten hängen- 
den Beinen. Die Füße dürfen sich nicht aufstützen, sondern müssen 
frei in der Luft schweben. Sinken beide Beine nach unten, so wird 
der Beckeneingang weiter. Erstens direkt dadurch, daß die Symphyse 
breiter wird, und dann auch dadurch, daß das Promontorium nach oben, 
bezw. der Beckeneingang nach unten kommt In dem Sacroiliacalgelenke 
drehen sich die Seiten des Beckens ein wenig in dem Sinne, daß das 
Kreuzbein zurückbleibt und die vordere Beckenhälfte nach unten kommt 
Den Effekt der Walcherschen Hängelage kann man oft deutlich 
erkennen: ehe sie eingenommen ist, gelingt es auch großer Kraft nicht, 
den Kopf in den Eingang zu pressen, während bei Herabhängen der 
Beine der Kopf sofort dem Drucke folgt und nach unten gleitet 

Hat der Kopf den Eingang passiert, so läßt man Steißrückenlage 
einnehmen und greift sofort zur Zange, es sei denn, daß die Wehen 
so schnell auf einander folgen und so kräftig sind, daß die Geburt 
schnell fortschreitet Meist ist das nicht der Fall, sondern nach Passage 
des Einganges tritt eine Pause ein. Eine Zangenoperation hat keine 
spezielle Gefahr, da es sich meist um Multiparae handelt, der Kopf 
klein und der Damm dehnbar ist 

Sollte aber der Abgang von Meconium und das Fehlen der 
Herztöne den Tod des noch hoch liegenden Kindes sicher beweisen, so 
zögere man nicht mit der Perforation und Extraktion. Und wenn man 



p 



i 



352 Achtzehntes Kapitel, 

damit weiter nichts erzielt, als daß man die Geburt abkürzt, so ist 
schon damit im Interesse der Mutter viel gewonnen. 

Will man nach Zahlen die Becken bestimmen, für die die künst- 
liche Frühgeburt am besten paßt, so sind es Becken von 17 cm Conjugata 
externa aufwärts. Bei Becken unter diesem Maße habe ich auch schon 
die Operation aufgeführt, aber dann ist der Erfolg betreffs des Kind« 
recht zweifelhaft 

Oft hat man Gelegenheit, seine Entschlüsse auf Tatsachen zu basieren, 
die durch die individuelle Erfahrung gewonnen sind. So wurde z. E 
bei Becken von i6 und 17 Conjugata externa bei der ersten Geburt die 
Zange vergeblich versucht, und das Kind perforiert Bei der zweiten 
wurde die prophylaktische Wendung gemacht, wieder mit schlediietn 
Resultat Bei der dritten entschloß sich vielleicht ein anderer Arzl zur 
künstlichen Frühgeburt, wieder erwies sich das Becken zu eng, dasKinit 
starb mit eingedrücktem Schädel. Nun erst ist man zu dem Aussprudle 
berechtigt, daß nur der Kaiserschnitt ein lebendes Kind garantiere, ob- 
wohl die Beckenmaße eine gflnsligere Prognose a priori stellen lieBen. 

Auch bei mäßig verengten Becken, einer Conjugata externa von 
18— 19 cm macht man nicht selten die künstliche Frühgeburt, weil die 
Kinder gerade bei dieser Frau stets auffallend große und harte Köpfe 
hatten. Es liegen dann nicht andere räumliche Verhältnisse vor, als 
wenn die Kinder kleine weiche Köpfe haben und die Conjugata nodi 
1 — i'/'i cm kürzer ist 

Daß ein vorzeitiges Kind lebenschwächer ist als ein aiu- 
getragenes, ist klar. Es bedarf also der soi^iältigsten Pflege. Eltern, die 
nach schweren Geburten von toten Kindern glückselig sind, endlich ein 
lebendes Kind zu besitzen, werden alle Sorgfalt gern anwenden, nament- 
lich, wenn die soziale Lage dies erlaubt. Eine uneheliche Mutter aber, 
die es für viel vorteilhafter hält, kein Kind zu haben, wird diese Sorgfalt 
nicht anwenden, und wenn sie mittellos allein steht, nicht anwenden 
können. Sonach hängt die Prognose für das Kind auch von äuBeren 
Verhältnissen ab. 

Das wichtigste ist, einem zu früh geborenen Kinde die Wärme z« 
erhalten und ihm geeignete Nahrung zuzuführen. Das Kind sollnitÖ 
in Wasser unter 38" gebadet werden. Unter dem Kissen, auf dem das 
Kind liegt, und neben dem Kinde müssen sich Wärmekrüge befinden, 
geschützt durch wollene Decken, damit das Kind nicht Brandwunden 
davonträgt. Ein Thermometer, an den Leib des Kindes angebunden, 
darf nicht unter 36" zeigen. 



^^^^B Die künstliche Frühgeburt. 353 

^^^5a das Kind oft noch nicht saugen kann, so preßt ihm die Amme 
Milch aus der Brust in den Mund. Oder sie zieht sich die Milch mit 
einem Milchsauger ab, läßt sie in ein Qefäß fließen, das im Warmwasser- 
bade steht und flößt die Milch mit dem gewärmten Löffel ein. 30 g drei- 
stündlich kann man dem Kinde verabreichen. Es wird taglich gewogen. 
Gedeiht das Kind, so kann es meist nach 8 bis 10 Tagen saugen und 
trinken. Die Amme läßt vor dem kleinen Kinde ihr Kind etwas trinken, 
damit die Brust schlaffer wird und die Warze besser hervorragt Bald 
bewältigt das Kind die ganze Milch der Amme und gedeiht, so daß man 
es pflegen kann wie jedes andere Kind. Auch mit künstlicher Ernährung 
habe ich manches derartige Kind erhalten, doch ist stets Muttermilch 
vorzuziehen. 

Man hat sehr komplizierte Wärmeapparate (Couveusen) erfunden, in 
denen die Kinder gleichsam wie in einem Brutapparat liegen. Diese 
Apparate haben sich nicht eingebürgert, sie sind für die Praxis zu um- 
ständlich und teuer, selbst in einer Klinik unbequem zu besorgen. Ich 
habe deshalb als einfachen Apparat für diese kleinen Kinder eine Zink- 
wanne mit doppelten Wänden, zwischen denen sich heifles Wasser be- 
findet, konstruieren lassen. Sie hat oben eire Einflußöffnung, unten einen 
Ausflußhahn, ein Thermometer zum Ablesen der Wärme ist eingefügt. 
Das Wasser wird 39'' warm eingefüllt. Die Wanne ist von einer dicken 
Filzlage umgehen. Die Wärme erhält sich 6 bis 8 Stunden. Von Zeit 
ßu Zeit wird heißes Wasser nachgefüllt und das kühle wird abgelassen. 
in Betten eingehüllt liegt in der Wanne das Kind. Es ist uns so ge- 
Sungen, Kinder von 1300 g am Leben zu erhalten. 

Das Volk meint, daß solche Kinder im ganzen Leben schwächlich 
Wieben, Dies ist ganz falsch. Ich kenne Frauen, die ich vor 30 Jahren 
lÜurch künstliche Frühgeburt ans Leben beförderte. Sie besitzen völlig 
^rmale Skelette und haben normal geboren. 

> 

2>ie Leitung der rechtzeitigen Geburt beim engen Becken. 

Hat der Arzt, zu einer Geburt gerufen, die Diagnose auf ein enges 
iBecken gesteht, so sind folgende Punkte für den Plan der Behandlung 
hrichtig : 

' 1, Verlangt der Allgemeinzustand der Kreißenden einen sofortigen 
' Eingriff? 

2. Handelt es sich um eine Primipara oder Multipara? 

3, Lebt das Kind oder ist es bereits abgestorben? 

Frilsch, Gcburlshilie. 23 



354 



Achtzehntes Kapitel. 



L 



ad i: Ist die Kreißende gesund, die Temperatur und der Puls 
normal, lebt das Kind, so kann in Ruhe dieBeckeumessungvorgenomineü 
werden, ist aber z. B. eine Uterusruptur vorhanden oder steigt die 
Temperatur immer mehr, so muß sobald als möglich eingegriffer 
werden. 

Es vervcirrf nur den Arzt, wenn er sofort nach bestimmten Indika- 
tionen für bestimmte Operationen sucht. Das erste ist die Beant- 
wortung der Frage: Kann man warten oder nicht? Ist man zum 
Beschluß gekommen, daß Warten gefährlicher als Eingreifen ist, besteht 
also die Indikation, die die einzige ist, die es für uns gibt: Gefahr für 
Mutter oder Kind, so muß nunmehr festgestellt werden, welcher Eingriff 
nach der Form und Größe des Beckens und nach dem Stadium der 
Geburt am imgef ährlichsten den Uterns entleert. 

Die gewählte Operation gehört zum technischen Teil der Aufgabe, 
die uns gestellt ist. Die technische Aufgabe ist die Cura posterior. Vorher 
muß völlig klar entschieden sein, ob ein Eingriff indiziert ist oder nidit 

Wir haben also, wenn man es anders ausdrücken will: allgemeine 
Indikationen und spezielle. Die allgemeine Indikation zu operieren ist 
nur dann vorhanden, wenn das Abwarten für Mutter oder Kind gefähr- 
licher als die Operation ist Die spezielle Indikation bezieht sich auf die 
speziellen, individuellen, zeitlichen Verhältnisse des knöchernen und 
weichen Gehurtskanals sowie auf die Lage des Kindes. 

Hat man beschlossen, einzugreifen, so wird die Frage gelöst, ob die 
Bedingungen für diese oder jene Operation vorhanden sind oder nicht 
Man entwickelt sich also logisch den Plan für die Behandlung, indem 
man feststellt, i. muß man handeln, 2. wie muß und kann man handeln? 

ad 2: Die größte Lebensgefahr bei der Geburt beim engen Becken 
ist die Uterusruptur. Sie kommt bei der Primipara kaum vor, wir 
können also bei ihr, wenn bisher kein Fieber vorhanden ist und das Kind lebt, 
stundenlang, ja tagelang warten und den Naturkräften vertrauen. Es ist 
nicht selten, dali die enorm kräftigen Wehen selbst eine Verengerung uro 
2, ja 3 cm in der Conjugata siegreich und ohne Schaden für die Mutter 
und das Kind überwinden. Macht also die Geburt deutliche Fortschritte, 
kommt der Kopf tiefer, dreht sich das Hinterhaupt nach unten und vorn, 
so wartet man beim Becken bis zu 17 cm Conjugata externa bei der 
Primipara ab. 

Bei der Multipara dagegen, wo die Bauchpresse wenig nützt oder 
wirkungslos ist, müßte der Uterus fast allein das Kind auspressen. Dies 
vermag er nicht, und so verkleinert er sich allmählich mehr und mehr, 
Die Muskulatur zieht sich gleichsam nach dem Fundus hin zusammen. 




Therapie beim engen Becken. 35g 

lias untere Uterinsegment wird mehr und mehr gedehnt. Man fühlt die 
Grenze zwischen der dicken nnd dünnen Muskulatur, dem aktiven und 
passiven Teile des Geburtsschlauches, den sogenannten Kontraktions- 
ring. Er steigt meist etwas schräg, von unten rechts nach oben links 
verlaufend, immer höher, Fühh man dies, so steht die Gefahr der Uterus- 
ruptur vor der Tür. Das Abwarten beginnt also gefährlich zu werden. 

ad 3: Stets ist es entscheidend für die Therapie, ob das Kind lebt 
oder tot ist. Sobald das f^ind abgestorben ist, ist das Heil der Mutter 
unsere einzige Richtschnur. Was für die Mutter das Ungefährlichste ist, 
hat zu geschehen. Ob das tote Kind zerkleinert wird oder nicht, ist 
unter diesen Umständen ganz gleichgültig. 

Es muß also durch fortwährende genaue Auskultation und Unter- 
suchung festgestellt werden, ob das Kind lebt Der Schädel eines toten 
Kindes wird, sobald es die Verhältnisse der mütterlichen Weichteile ge- 
statten, perforiert. Dadurch wird der Kopf klein und kompressibel. Er 
kann von dem Loch im Schädel aus gut angefaßt und extrahiert werden. 
Warten — nach dem Tode des Kindes, falls der Muttermund die 
Extraktion gestattet, ist ein Fehler. Um jede Minute, um welche die 
Geburlsdauer verringert wird, wird die Infektionsgefahr für die Mutter 
verringert. 

Ich werde nun an der Hand der einzelnen möglichen Operationen 
die Therapie durchgehen. 

Prophylaktisclie Wendung. 

Wenn die Conjugata externa 17—18 cm lang ist, und die Frau das 
erste Kind lebend geboren hat, so Hegt die Möglichkeit der glück- 
I liehen Vollendung der Geburt vor; aber nicht die Sicherheil, denn 
das jetzige Kind kann einen viel größeren, härteren Schädel haben, so 
daß die Verhältnisse diesmal trotz der gleichen Beckenverhältnisse ganz 
andere und viel ungünstigere sind. 

Die Wehen müßten also viel kräftiger sein, um das größere Miß- 
verhältnis zu überwinden. Sind sie nun schlecht, jedenfalls wegen der 
gelockerten Bauchdecken schlechter als bei der ersten Geburt, so rückt 
der Kopf nicht tiefer. Er konfiguriert sich nicht, bleibt beweglich über 
dem Becken. Dann empfiehlt sich die schnelle Beendigung der Geburt 
durch die Wendung. Man müßte sonst noch stunden-, ja tagelang 
[ warten. Träten dann endlich die Wehen kräftig ein, so könnte gerade diese 
i. große Wehenkraft die Uterusrupfur herbeiführen. Da ist es doch richtiger, 
ji prophylaktisch zu wenden, immer sich bewußt, daß die frühere Oe- 

23* 




35Ö 



Achtzehntes Kapitel. 



» 



L 



burt eines lebenden Kindes die Möglichkeit, das kindliche Leben zu 
retten, beweist 

Die Wendung ist in diesen Fällen an frei beweglichem Kinde eine 
leichte Operation, In kombinierter Weise von außen auf den Steiß 
drückend, gelingt es leicht die Füße zu ergreifen. 

Der nachfolgende Kopf passiert, wie auch experimentell festgestellt 
ist, leichter die Enge des Beckeneinganges als der vorangehende. Zu 
einer Zeit, wo das untere Uterinsegment noch nicht pathologisch ver- 
dünnt ist, die Uterusruptur also noch nicht imminent ist, wird dasKinil 
im Uterus gedreht. Die Arme werden so hoch als möglich gelöst, 
und der Kopf wird unter Mithilfe von außen, bei sehr kräftigem 
Druck über der Symphyse nach hinten und unten, in das Becker ge- 
zogen. Dabei muß die Kreißende in die Walchersche Hängelage 
gelegt werden. 

Es wird auf die unbekamite und nicht zu erkennende Weichheit 
oder Härte des kindlichen Schädels ankommen, ob er ohne Verletzung 
mit einer ungefährlichen Impression oder mit einer tödlichen Fraktur den 
Beckeneingang passiert. Den Arzt trifft in letzterem Falle keine Schuld 
Der Druck von außen soll das meiste leisten. Er ist ungefährlicher als 
der Zug an den Schultern und im Munde des Kindes. Der Zug ander 
Schulter kann an der Wirbelsäule die Intervertebralscheiben von dem 
Wirbelkörper abtrennen, kann den Plexus brachiaiis zerreißen, und die 
Hinterhauptsschuppe zerbrechen. Beim starken Druck von außen kann 
allerdings auch der Schädel eingedrückt und zerbrochen werden. Ist 
letzteres der Fall, so ist es die Folge des engen Beckens, nicht die Folge 
einer Ungeschicklichkeit des Geburtshelfers. 

Wird während der Entbindungsversuche an dem her\'orhängenden 
Rumpfe der Tod des Kindes erkannt, so hört man sofort auf zu mani- 
pulieren. Der Schädel des Kindes wird perforiert. Es giebt zwei 
Stellen, wo man in den Schädel eindringen kann, das Hinterhaupt und 
den Gaumenbogen. Man wählt die Stelle, die am leichtesten zu- 
gänglich ist. Bei der Perforation des Hinterhauptes hebt man das Kind 
in die Höhe, sucht sich hinten im Becken, wo der Raum am größten ist 
die seitliche Gegend am Hinterhaupt auf, stößt hier die Smelliesche 
Schere drehend und bohrend durch den Knochen, führt sie bis zum 
Schädeldach, das Tentorium zerstoßend, langsam und vorsichtig nach 
oben. Die Schere wird wiederholt um die Achse gedreht, damit man 
das Gehirn zerrührt und die Öffnung im Knochen weit macht Während 
der Assistent bezw. die Hebamme von oben drückt, zieht man datiadi 
an den Beinen des Kindes und extrahiert den verkleinerten Schädel. 
Auch in der Seitenlage ist diese Operation leicht auszuführen. 




^^^^V Wendung. Symphyseotomie. 357 

^^l^egt der Mund des Kindes leicht zugänglich, so hat auch die 
Perforation des Gaumens Vorteile, Allerdings ist die Schädelbasis fester 
und dicker. Aber die Smelliesche Schere durchbohrt den Knochen 
leicht. Man hilft, mit dem Finger lose Knochenstücke los und ab- 
drückend, nach. Die Schere im Munde ist gut gedeckt, so daß Neben- 
verletzungen nicht entstehen. Das Gehirn fließt dann schneller und 
leichter ab, als durch den Spalt am Hinferhaupte, der leicht ventüartig 
schließend, das Austreten des Gehirns erschwert. Während der ganzen 
Manipulation muß aber sehr kräftig an den Beinen gezogen werden, da- 
mit der Kopf nicht mit der Schere nach oben geschoben wird. Das 
Anlegen eines Extraktionsinstrumentes nach der Perforation ist nicht 
nötig, aber möglich. Man hat ja durch Zug an den Beinen das beste 
Mittel, die Zugkraft auf das Kind wirken zu lassen. 

Die -prophylaktische Wendung gibt namentlich bei wenig verengtem 
Becken mit Conjugata externa von 18 und ig cm ganz vortreffliche 
Resultate. 

Bei Erstgebärenden ist sie dringend zu widerraten. Sie ist nicht 
nötig, da die Wehenkraft das ohne Gefahr leistet, was der Geburts- 
helfer unter großen Gefahren fertig bringt. Die Gefahr besteht in 
Verletzungen, die bei der Unmöglichkeit, in den geburtshilflichen Fällen 
Antisepsis zu garantieren, stets die Prognose zweifelhaft machen. 

Die Symphyseotomie. 

Wird die Symphyse operativ von einander getrennt, so wird der 
Beckeneingang erheblich weiter. Eine eigentliche Conjugala gibt es 
dann nicht mehr, denn der vordere Endpunkt dieser Linie fällt 
in den Spalt zwischen die Schambeine. Die schrägen Durchmesser 
werden um 1 '/j — 2 cm länger. Rationell ist also zweifellos diese 
Operation, da sie die engen Becken weiter macht Bei der Durch- 
Irennung der Weichteiie in der Mitte blutet es stark. Zwar kann man 
durch kombinierten Druck von innen und außen die Blutung sofort be- 
herrschen. Aber das Umstechen und Unterbinden schafft ungünstige 
Verhältnisse für die primäre Heilung, so daß sogar manche Operateure 
auf primäre Heilung verzichtend, die Wunde tamponierten oder nach der 
Scheide zu drainierten. Nicht selten platzte die Scheide in der Mitte, 
auch kam es zu Verletzungen der Blase und Fistelbildung. Diese un- 
günstigen Verhältnisse werden schon dann viel besser, wenn man die 
Weichteiie 2 Finger von der Mitte nach außen entfernt durchtrennt. Es 
ist leicht, das Fett und die Haut so zu verschieben, daß man die Symphyse 
erblickt Sie wird durchtrennt ohne daß die Clitorisgegend verletzt wird. 
I Dann erzielt man leicht Stillung der Blutung und primäre Heilung. 




358 Achtzehntes Kapitel. 

Noch besser ist die Hebotomie: Es wird direkt über der Symphi-se 
etwas seitlich ein kleiner Schnitt gemacht Durch ihn führt man mil 
einem geeigneten SchÜngenführer oder Dechampsscher Nadel das Ende 
der Giglischen Drahtsäge unter Kontrolle eines in der Scheide liegenden 
Fingers dicht hinter dem Knochen nach unten. Der Schiingenführer 
drängt die Weichfeile am Ramus descendens zwischen kleiner und großer 
Schamlippe hervor. Man schneidet auf ihn ein, schiebt ihn durch das 
Loch hervor und zieht die Kettensäge heraus. Dann führt man dies 
Ende der Säge in dasselbe Loch wieder ein und schiebt es dicht über 
und vor dem Knochen nach oben durch das zuerst geschnittene Loch 
heraus. Nun wird der Knochen durchgesägt, so daß die Trennungsiinie 
seiüich von der Symphyse liegt. 

Eine Knochenwunde heilt besser und fester als eine Gelenktrennung. 
Die Blutung ist gering. Die Wunde liegt subkutan. Das Becken aber 
wird ebenso erweitert, wie bei der Durchtrennung der Symphyse, 

Nach der so erzielten Becken erweiterung wird die Geburt sofort, 
noch in der Narkose beendet. Steht der Kopf schon tief, so legt man 
die Zange an, ist er beweglich, so macht man die Wendung, Dann wird 
ein Zinkleimverband, geschützt durch breite die Hüfte umfassende 
Heftpf lästerst reifen angelegt. Kracht es bei der Köpfen twickelung und 
klafft dabei plötzlich die Symphyse auf 7 circa 8 cm, so ist seitlich 
eine Synchondrosis sacroiliaca vorn aufgeplatzt. Dies ist auch durdi 
Gegendruck gegen die Trochanteren nicht zu vermeiden. Die große 
Festigkeit der hinteren Verbindung, die Ligamenta sacroiliaca, genügen, 
um die Stabilität des Beckens zu erhallen. Ich erlebte, daß eine der 
Operierten in der Nacht danach aufstand und gehen konnte. 

Die Knochennaht der Knochen- oder Symphysenwunde kompliziert un- 
nötig die Operation. Ich habe nie den Knochen genäht und stets später 
die völlige Arbeitsfähigkeit zurückkehren sehen. 

Durch die Symphyseotomie sind Kinder bei Becken bis zu 16'ii 
Conjugata externa entwickelt Und wenn diese Operation sich bisher 
nicht eingebürgert hat, so ist wohl der Hauptgrund in den guten Er- 
folgen des Kaiserschnittes zu suchen. 

Daß Primärheilungen möglich sind, sah ich bei der alten und bei 
der modernen Methode. Allerdings, falls die Wunde vereitert, isl die 
Nachbehandlung zeitraubend und fesselt die Operierte viel länger an das 
Krankenbett als ein glücklicher Kaiserschnitt. 

Fast in allen Fällen stellt sich bei Primär- und Sekundärheilung 
die spätere Geh- und Arbeitsfähigkeit wieder her. Es scheint auch, ä^ 
das Becken weiter bleibt. Die Technik ist nicht so schwierig, daß sie 




Syrnphyseolomie. Zange. 



359 



die Fähigkeilen eines chirurgisch gebildeten Arztes übersteigt Jedenfalls 
ist der Eingriff gegenüber dem Kaiserschnitte ein geringerer. 

Da die Wunde nicht mit dem Genitaltractus kommuniziert, so liegt 
ein Grund, sie bei fiebernder Kreißender prinzipiell zu unterlassen, nicht 
vor. Stets muß fleißig auskultiert werden, denn wenn ein totes Kind 
bei der Symphyseotomie extrahiert wird, so war der Fall nicht richtig 
beurteilt. 

Die Zange. 

Um den Widerstand des verengten Beckeneingangs zu überwinden, ist 
die Zange ein ungeeignetes Instrument, Steht der Kopf über dem ßecken- 
eingange beweglich, so kann sie überhaupt nicht angelegt werden. Ist ein 
Teil des Scheitels eingetreten, so steht der Kopf quer. Im queren Durch- 
messer wird er auch von der Zange gefaßt Sie komprimiert ihn bei 
Kraftanwendung im Querdurchmesser. Die Masse des Kopfes weicht 
nun nach dem geraden Durchmesser aus. Also wird der Kopf gerade 
da kleiner, wo Raum vorhanden und da größer, wo er fehlt 

Wird unter diesen Umständen eine Zange forciert, so stirbt meist 
das Kind infolge zu langer und starker Kompression des Kopfes, durch 
Knochenfrakturen imd durch Blutungen über das Gehim. Die Mutter 
wird schwer verletzt, erkrankt oder stirbt Der Geburtshelfer spricht 
dann oft von einem schonenden Zangenversuche! 

Will man bei Beckenmaßen von 17 — 18 cm Conj. ext feslsteüen, ob 
wohl der Kopf so klein und weich ist, daß er bei größerer Kraftentfaltung 
den Beckeneingang passieren wird, so soll man nicht sofort die Zange 
anlegen. Natüriicher ist es, dies durch Druck von außen zu erproben. 

Die Kreißende wird bei erweitertem Muttermunde, wenn die Wendung 
wegen Feststandes des Kopfes nicht mehr möglich ist, narkotisiert. Alles 
wird zur Zange oder Perforation vorbereitet !n Walcherscher Hänge- 
lage wird der Kopf nach Hofmeier durch direkten Druck auf Kinn und 
Hinterhaupt in den Eingang hineingepreßt. Ist dies bei großer Kraftan- 
wendung unmöglich, so würde auch die Zange das Kind nicht retten, 
wohl aber die Mutter durch Verletzungen gefährden. 

Gelingt es, oder trieben die Wehen den Kopf so tief, daß er im 
schrägen Durchmesser mit gesenkter kleiner Fontanelle steht, lebt das 
Kind, so legt man gern die Zange an, da der größte Kopfumfang schon 
den Beckeneingang überwunden hat 

Die Zange ist also bei engem Becken kontraindiziert Wollten doch 
alle Ärzte diese Anschauungen sich zu eigen machen! Noch alljährlich 
vird viel Unheil dadurch angerichtet, daß mit kolossaler Kraft Kinder bei 




Achöehntes Kapitel. 

engen Becken gewaltsam mit der Zange entwickelt werden. Die Eli 
kenntnis, daß der Kopf zu groß ist, der schnelle Entschluß zur Perforatio] 
würde mancher Mutter das Leben erhalten. 

Die Perforation und Kranioklasie. 

Ist bei engem Becken das Kind abgestorben, so soll sofort das Kinci 
perforiert und extrahiert werden, sowohl dann, wenn man bei der Über- 
nahme der Geburt den Tod des Kindes konstatiert, als wenn, während 
der Beobachtung der Geburt oder während des Versuches einer das kindlicli e 
Leben „rettenden" Operation, der Tod des Kindes sicher eingetreten ist 

Ist also z. B. die pulslose Nabelschnur beim engen Becken vorliegend, 
so ist es ein Fehler zu warten. In jeder Viertelstunde, die man über- 
flüssiger Weise die Entbindung hinausschiebt, kann eine Uterusmpta t 
oder Infektion eintreten. Das lote Kind zu beherbergen, hat für di ■e 
Mutter absolut keinen Vorteil. Die Operation selbst aber bedingt für di e 
Mutter keine Gefahr. 

Als Bedingung der Perforation wird angeführt, daß der Kopf fes* - 
steht und der Muttermund erweitert ist Beides ist wünschenswert, abermch»'t 
notwendig. Der Kopf ist von außen leicht zu fixieren, wenn die Kreißenil « 
narkotisiert ist. Narkose ist aber stets einzuleiten, denn namentlich derri 
Anfänger würde beim Widerstreben der Kreißenden und beim plötzliche "*i 
Herumwerfen des Körpers leicht Verletzungen machen. Der starke ai^ • 
dauernde Druck von außen wird wegen der Schmerzen ohne Narko^ * 
nicht vertragen. 

Ist der Muttermund nicht völlig erweitert, wohl aberweich uu -^ 
erweiterbar, so kann perforiert werden, denn die zur Extraktion gebrauct"»-" 
ten Instrumente, Smclliesche Schere und Kranioklast sind so klein, da -A3 
sie keine Verletzungen oder Quetschungen der mütterlichen Weichtdl- * 
machen. Zieht man am verkleinerten Kopfe, so wird der Muttermui»« 
nicht anders erweitert, als es die Natur fertig bringt 

Es gibt Fälle, wo die Beendigung der Geburt dringend geboten i^^ 
und solche, wo zwar gewartet werden kann, wo aber das Abwarten nici^' 
den geringsten Vorteil hat, weil die mechanischen Verhältnisse voratis- 
sichtlich dieselben bleiben. 

Oft rückt der Kontraktionsring höher und höher, das untere Uterin- 
segment wird immer mehr gedehnt, so daß man selbst in der Wehe däf 
Konturen des Kindes durch die Bauchdecken und die Uteruswand Qö^r 
der Symphyse fühlen kann. Besonders dann, wenn nach längerer Ri»*" 
plötzlich fast kontinuierlich die Wehen andauern, ohne daß eine ga*^^ 
schmerzfreie Pause die Erholung der Kreißenden gestattet, ist Gefahr i'" 
Verzuge. 



^1 




Perforation und Krantoklasie. 361 

Findet man dann den Kopf stets in gleicher Höhe, tritt kein Segment 
ein, ergab die Messung ein Becken von unter ig cm Conjugata, so muß 
die Frau entbunden werden, wenn man sie nicht fahrlässig zu Gründe 
gehen lassen will. Man wird zunächst Kaiserschnitt und Symphyseotomie 
in Erwägung ziehen und vorschlagen. Lehnt die Kreißende, wozu sie das 
volle Recht hat, diese Operationen ab, so muß die Perforation gemacht 
werden. 

Oft wird der Entschluß dadurch erleichtert, daß das Kind tot oder, 
was die Abnahme der Herztöne beweist, gefährdet ist. 

Würde man in solchen Fällen nicht perforieren, sondern warten, so 
wäre der Erfolg für das Kind der gleich ungünstige, in einem Fall 
stirbt das Kind, indem sich der Arzt aktiv, im anderen Falle, indem er 
sich passiv verhält. Die Mutter aber, die bei der Perforation kaum ge- 
fährdet ist, käme beim Warten in dringendste Lebensgefahr. 

Betreffs des Fiebers als Indikation sind die Ansichten geteilt Ich 
halte das ganz allmähliche Ansteigen für bedenklicher, als eine plötzlich 
eintretende hohe Temperatur, die oft nach der Geburt ebenso plötzlich 
wieder verschwindet. 

Im allgemeinen sind die Fälle, wo man zur Perforation bei lebendem 
Kinde schreiten muß, selten, Ist man aber dazu entschlossen, so soll 
man der Mutter nicht den Schmerz machen, ihr mitzuteilen, daß das Kind 
im Mutterleibe getötet wird. Man sagt ihr, daß das Kind — was ja der 
Wahrheit entspricht — verloren ist, holt sich die meist gern gegebene Er- 
laubnis des Ehemanns, narkotisiert und geht an die Operation. 

Sie kann in Rückenlage und Seitenlage ausgeführt werden. Letztere 
ist bei mangelnder Assistenz vorzuziehen. 

Unter guter Fixierung des Kopfes von außen bohrt man mit Dreh- 
bewegungen die Smelliesche Schere in den Schädel da ein, wo er am 
leichtesten zugänglich ist. Durch Drehen wird das Loch erweitert Dann 
schiebt man den geschlossenen Arm des Kranioklastes in das Loch, sich 
dadurch den Schädel fixierend. Der gefensterte Arm wird nunmehr vor 
einer Synchondrosis sacroiliaca, wo immer genügend Platz ist, nach oben 
geführt. Man touchiert, ob auch der Kranioklast nicht etwa nur mit der 
Spitze, sondern mit ganzer Ausdehnung das Schädeldach faßt. Beim Zu- 
sammenschrauben und starkem Drucke von außen, fließt das Gehirn ab, 
und der Zug mit dem Kranioklast befördert bald den zusammenfallenden 
Schädel in die Beckenhöhle. Befindet er sich unterhalb des Promon- 
toriums, so zieht man direkt nach vorn und oben, um den Damm zu er- 
halten. Man entwickelt durch Nachhilfe mit der anderen Hand den Kopf. 

Reißt der Kranioklast aus, oder gleitet er ab, so liegt das daran, daß 
nicht der ganze Kopfteil des Kranioklastes die Schädeldecke gefaßt hatte. 



302 



Achtzehntes Kapitel. 



r 



Dies ist kein Unglück. Man öffnet das Instrument und legt es an der 
anderen Seite des Schädels von neuem an. Etwas tiefer ist der Schädel 
doch gekommen, so daß man den Kranioklast höher an den Schädel 
bringt. Reißt er auch hier aus, so sucht man das Gesicht des Kinde-s 
mit dem Kranioklast zu fassen und so den Schädel zu extrahieren. 

Auf diese Weise gelingt es, bei Becken bis zu 15 cm Conjugala ex. 
das Kind herauszubefördem. 

Bei der Perforation in Seilenlage muß die vordere Muttermunds- 
lippe nach der Symphyse zu geschoben werden, um die Schere eimu- 
bohren und den Kranioklast anzulegen. Hier ist feste Fixierung von außer) 
um so notwendiger, da der Uterus vom Beckeneingang wegsinkt. Main 
richtet den Zug mit dem Kranioklast gerade nach hinten, indem man iliTi 
seitlich vom Steißbein gegen die Weichteile drückt So hat man den Vor- 
teil, daß die Zugrichtung der Beckenachse am Beckeneingange entspricht. 
Ist der Kopf in die Beckenhöhle gelangt, so faßt man über den Baucl^ 
zwischen die Schenkel der Mutter und zieht so nach vorn. 

Die Operation ist bei mäßig verengtem Becken außerordentlich leidet 
auszuführen. Bei starken Verengerungen aber braucht man oft, wegen d^T 
wiederholten Anlegungen längere Zeit. Es liegt in der menschlichen Natiii", 
daß fortwährend ntue Instrumente zum Zwecke der Schädel verkleinerur»Ä 
erfunden werden. Ich erwähne diese komplizierten Instrumente absic!^** 
lieh nicht und empfehle dringend das Einfache als das Beste zu i>* 
wahren. 

Ist das Kind extrahiert, so läßt man es, faUs noch Lebenszeiche 
wahrzunehmen sind, zugedeckt hegen. Ehe die Placenta entfernt und li 
Wöchnerin besorgt ist, ist das Kind dann sicher tot. 

Nach einer Perforation wird stets Uterus und Scheide mit 6 — 10 Utd; 
Lysoilösung ausgespült, um Gehirnreste, Blutcoagula zu entfernen, 1 
die vielen kleinen oder auch großen Wunden gründlich zu desinfiziere*** 



Der Kaiserschnitt. 

Man unterscheidet, was die Indikation anbelangt, den Kaiserschr» if 
bei absoluter und bei relativer Indikation, und was die Technik an-' 
belangt, den Kaiserschnitt ohne und mit Entfernung des Uterus: deß 
konservativen Kaiserschnitt und die Porrosche Operation. 

Daß, wenn das Kind nicht per vias naturales geboren werden kano, 
ein anderer Weg: der abdominale gewählt werden muß, ist klar. Es 
sind dies Becken unter 15 bis 16 cm Conjugata externa, bei denen msn 
nicht einmal die Hand durch den Beckeneingang führen kann: absolu/f 
Indikation. 



ID, ■ 

an M 

1 



Der Kaisersclmift. 



363 



Schwieriger aber ist die Entscheidung bei Becken von 15 bis 19 cm 
Conjugata externa, bei denen zwar ein zerkleinertes Kind das Becken 
passieren kann, nicht aber ein lebendes. Als noch fast jede Frau, die 
den Kaiserschnitt gestattete, starb, zog man die lebenssicherere Zerkleinerung 
des Kindes bei diesen Becken vor. Als aber die Prognose dank der 
Antisepsis und der verbesserten Technik ungefähr gleich wurde der der 
Laparotomien im allgemeinen, wagte man auch den Kaiserschnitt als 
WaMoperation zu empfehlen mit dem Zwecke, das Leben des Kindes 
zu retten. Die Operation war zwar nicht absolut indiziert, aber doch 
die einzige Entbindungsart, die der Frau den sehnlichsten Wunsch er- 
'füllte, ein lebendes Kind zu bekommen. 

Da bei der künstlichen Frühgeburt immerhin die Prognose für das 
schwächliche Kind dubiös war, da bei den zerkleinernden Operationen 
gefährliche Neben Verletzungen und für Infektion geeignete Wunden nicht 
zu vermeiden waren, so ist die Prognose bei den glatten Wunden des 
Kaiserschnittes, bei der Möglichkeit tadelloser Asepsis fast ebensogut als 
bei den anderen Methoden der Entbindung. 

Ob das Kind groß oder klein ist, einen harten oder weichen Schädel 
•latte, kommt nicht in Betracht. Und somit kann und muß man, 
»■enn ein lebendes Kind gewünscht wird, den Kaiserschnitt als sicherste 
Methode, sicherer als künstHche Frühg^eburt, Symphyseotomie oder 
Wendung empfehlen. 

Diese relative Indikation besteht bei Becken von 15 bis iq cm Con- 
jugata externa. 

Selbstverständlich hat die Gebärende selbst das Recht der 
Verfügung über ihren Körper. Will sie die Gefahr auf sich nehmen, 
so darf sich der Arzt nicht weigern, dem Wunsche nachzukommen. 
Lehnt die Schwangere die Operation ab, zieht sie es vor, das Kind zu 
opfern, so hat sie auch zu diesem Entschluß das Recht. Der Arzt kann 
^*'ar und soll auch den Kaiserschnitt empfehlen, aber gegen den Willen 
"^r Schwangeren ihn vorzunehmen, ist er ohne Zweifel nicht berechtigt. 

Willigt die Schwangere ein, so ist ihr noch die Frage vorzulegen, 
"" die Operation so gemacht werden soll, daß eine fernere Schwanger- 
Khaft ausgeschlossen ist, oder daß die Möglichkeit fernerer Schwanger- 
^hafi offen gelassen wird. 

Man muß die Schwangere darauf aufmerksam machen, daß im 
*'^teren Falle, wenn, was immerhin möglich ist, das Kind stirbt nun 
Wbstverständlich jede Hoffnung auf Nachkommenschaft zu Ende ist, daß 
"•er, wenn die Operation mit Erhaltung der Qestationsfähigkeit gemacht 
*'r(i_ jedesmal dieselben Gefahren, Schmerzen und Leiden wiederkehren 




364 



Achtzehntes Kapitel. 



L 



würden. Hat die Schwangere sich nach Beratung mit den 

die ihr passend erscheinen, zum einen oder zum anderen entschlossen, 

so hat der Arzt diesen Wünschen zu entsprechen. 

Der Arzt soll zwar mit seiner Ansicht nicht zurückhalten und das 
raten, was er pflichtgemäß für richtig hält, aber er soll nicht zu viel I, 
versprechen, die Prognose nicht zu gut stellen und nie zu einem Eingriff 
überreden, am wenigsten durch unwahre Darstellung der Veräitnisse. 

Bei dem konservativen Kaiserschnitte operiert man am beslei, ■ 
wenn die Wehen den Muttermund etwas eröffnet haben. Es ist zmi ' 
von mir und anderen festgestellt, daß auch vor dem Qeburtsbeginn röp. 
ohne daß Wehen vorhanden waren, die Uteruskontraktion nach Entleemng 
genügend war, um Nachblutung zu verhüten und den Uterus daiiemd ^ 
klein zu erhalten. Wenn aber der Muttermund eng und noch völlig ge- 
schlossen ist, so können im Wochenbette die Sekrete nicht gut abfließEn, 
es gibt Stagnation, eventuell Zersetzung des Uterusinhaltes und Fieber. 
Das Ausspülen des Uterus wird durch den engen Muttermund ersciiirert. 

Die Vorbereitungen stnd so zu treffen, daß die ganze Operation 
vom Beginn der Narkose an schnell vor sich geht. Bei zu langen 
Narkosen geht Chloroform auf das Kind über, das dadurch direkt ge- 
fährdet wird. 

Starke Bcckenhochlagerung ist beim Kaiserschnitt sehr empfehlenswert 
Die objektive und subjektive Desinfektion ist so gut, wie nur möglidi zu 
machen. Eine gute Entfettung des Bauches mit Äther leitet am besten 
die Desinfektion ein. Seit 20 Jahren gebrauche ich zur Säuberung des 
Bauches Seifenspiritus. 

Der Bauch wird in der Medianlinie so weit eröffnet, daß man den 
Uterus hervorwälzen kann. Ist dies geschehen, so muß entweder ein 
Assistent die Bauchdecken von jetzt an dauernd fest zusammenhalten, uin 
jedes Hervorquellen der Därme zu verhindern, oder man muß mit ein 
oder zwei provisorischen Nähten den Bauch hinter dem Uterus m- 
sammennäheu. 

Nun wird der Uterus eröffnet. Nach wie vor halte ich den queren 
Fundalschnitt für das beste. Seine Vorteile sind folgende: Es fließt be»' 
steiler Becken hochlagerung kein Tropfen Blut oder Fruchtwasser in di«- 
Bauchhöhle. Es ist also völlig unnötig, während oder nach der Operatio'* 
auch nur einmal mit dem Tupfer in die Bauchhöhle zu fahren, f*^ 
Därme erscheinen nie vor oder in der Bauchwunde, bleiben warm ukTW 
vor jeder Berührung, auch nur mit der Luft, geschützt. ' 

Die Blutung ist, wenn nicht die Placenta gefroften wird, auB^^ 
ordentlich gering, so daß eine Kompression der Cervix unnötig ist f — ^ 
Wunde hat überall eine gleichdicke Fläche, so daß die Naht gleichmäil^»^ 




Der Kaiserschnitt. 365 

schnell und gut gemacht werden kann. Beginnt man mit einer Sutur rechts 
und einer links, so werden die Hauptgefäße, die von der Seite kommen, 
sofort geschlossen. 

Die Extraktion des Kindes gelingt bei dem Querschnitt außerordent- 
lich leicht, da man von oben die Beine schnell erreicht. Ist der Schnitt 
für den Kopf nicht groß genug, so zieht man gewaltsam den Kopf heraus. 
Reißt der Schnitt dabei etwa weiter, so schadet das nichts. 

Die Placenta kann vom oberen Querschnitte aus sehr gut abgelöst 
werden, die Eihäute folgen leicht Der Uterus zieht sich gut zusammen, 
die Wunde bleibt für die Naht stets gut zugänglich. 

Zur Uterusnaht nehme man Katgut Damit kann man durch die 
Decidua stechen. Beim Anziehen liegt der Faden, die weiche Decidua 
durchdrückend, auf der Muskulatur. Die Ausstichöffnung ist stets ganz 
dicht neben dem Wundenrand, während man in der Tiefe möglichst viel 
Uterusmuskulatur faßt Die Katgutfäden werden unschädlich resorbiert. 

Nimmt man Seide, liegt ein Faden in der Uterushöhle oder 
nahe der Höhle und kommt es früher oder später zu Fäulnis oder 
Eiterung in der Uterushöhle, so kann längs dem Seidenfaden Eiterung in 
die Tiefe fortgeleitet werden. Namentlich aufsteigende Gonorrhoe führt 
bei Seide leicht zu Vereiterungen längs der Seidenfäden. Ich verlor in 
der vierten Woche eine Wöchnerin an Pyämie, die ihren Ausgang von 
den vereiterten Seidensuturkanälen aus genommen hatte. 

Werden die Katgutnähte dicht am Peritonäalwundrande des Uterus 
ausgestochen und fest geknüpft, so bildet sich eine Rinne, über der man 
mit fortlaufender Katgutnaht die hervorquellende Uterusmuskulatur und 
das Peritonaeum über den ersten Nähten zusammenzieht 

Sollte die Patientin wünschen, sterilisiert zu werden, so umsticht man 
fortlaufend zwei- bis dreimal mit festem Zwirn oder Seidenfaden die 
Tube und schnürt sie mit einem festen Knoten zusammen. 

Die Uteruswunde wird noch außerhalb des Bauches abgetupft Bei 
hervorquellendem Blute werden an diesen Stellen noch einige Katgut- 
umstechungen gemacht, der Uterus wird reponiert. 

Die meisten Operateure machen den alten vorderen Längsschnitt. 
Dabei ist es kaum möglich, von der Bauchhöhle jeden Blutstropfen oder 
den Uterusinhalt so fern zu halten, daß nie getupft zu werden braucht 
Die Wundflächen sind oben dick und unten, namentlich, wenn schon 
Wehen stattgefunden haben, viel dünner, so daß die Vereinigung nicht 
so schön gleichmäßig und nicht so schnell von statten geht Indessen 
kann es ja Jeder machen, wie er will. 

Der Bauch wird in üblicher Weise in 4 Schichten geschlossen. 



306 Achtzehnies Kapitel. 

Das Peritonaeum wird fortlaufend genäht, wodurch die Wunde schon 
viel kleiner wird. Die Recti müssen heranmassiert und vereinigt werden. 
Die Fascien werden mit un resorbierbaren, am besten mit 4 — 5 Silkworm- 
nähten vereinigt, so daß für jetzt und später ein Auseinanderweichen un- 
möglich wird. Dann bringt eine fortlaufende Katgutnaht die Fascien- 
ränder dicht aneinander. Wie die äußere Haut genäht wird, ist gleich- 
gültig, da sie bei der Bildung einer eventuellen Hernie gar nicht in 
Frage kommt 

Der Uterus wird in die normale puerperale Anteflexionsiage ge- 
drückt, und der feste ßauchverband mit Heftpflasterstreifen so an- 
gelegt, daß der Uterus in dieser Lage fest auf das Becken gedrückt er- 
hallen wird. 

Die Nachbehandlung ist die gewöhnliche. Tritt Fieber ein, so 
wird der Uterus ausgespült, wobei nicht selten noch viel Coagula abgeh«i. 
Reichlich verabfolgt man Ergotin. Hat die Patientin wenig Blut ver- 
loren und fiebert sie nicht, so wird sie das Kind ebensogut an die Brust 
legen können, wie jede andere Wöchnerin. Die Entfernung des Utenis 
hat auf die Laktation keinen schlechten Einfluß, 



Bei der Porroschen Operation entfernt man den Uterus, nach 
Extraktion des Kindes. Die Placenla bleibt im Uterus, wodurch etwas 
Zeit und viel Blut gespart wird. Man bindet zunächst beiderseitig die 
Adnexe ab, oder läßt auch ein Ovarium zurück, um Ausfallserscheinungen 
zu vermeiden. Dann geht man an dem Uterusrande abbindend tiefer, 
um die Uterinae sicher zu unterbinden. Nunmehr wird mit nach oiien 
konvexem Bogenschnitt vorn ein großer Periionäallappen umschnillen 
und nach unten abgeschoben. Hinter ihm trägt man den Uterus ab. 
Die seitliche nicht gekürzte Ligatur zieht der Stumpf nach oben. Die 
Schleimhaut des Cervicalkanals wird ausgeschnitten. Das keilförmige Lod 
wird mit Katgutknopfnähten vereinigt. Über dem Cervicalkanal ist Kalgul 
notwendig, um späteren Eiterungen vorzubeugen. Die Vereinigung ist so 
zu machen, daß ganz sicher jedes spritzende Gefäß gefaßt ist. Am Ende 
wird der Peritonäallappen so über dem Stumpf durch fortlaufende Kal- 
gutnaht befestigt, daß keine Schnittwunde unbedeckt in die Peritoniai- 
höhie ragt 

Auf diese Weise vermeidet man Adhäsionsbildung, resp, Ileus und 
sichert sich eine ungestörte Rekonvalescenz. Die seitlichen Stümpfe sind 
so beweglich und dehnbahr, daß sie, wenn nur der Peritonäallappen 
nicht zu klein ist, ebenfalls unter diese Kappe zu lagern sind. 

Die Porrooperation dauert 5 — 6 Minuten länger als der kon- 



Geburlsstörungen, die vom Kinde ausgehen. 



3Ö7 



servalive Kaiserschnitt. Sie ist aber, gut ausgeführt, prognostisch besser, 
weil die Uterushöhle, in der sich doch einmal Zersetzung etabliert, 
weggefallen ist. Somit ziehe ich die Porrosche Operation in allen den 
Fällen entschieden vor, wo die Schwangere Sterilisation wünscht. 

Unbedingt indiciert ist diese Operation, wenn Myome im Uterus sich 
befinden oder wenn der Uterusinhalt zersetzt ist 

Ist vor dem Kaiserschnitte Fieber vorhanden und ist das Kind ab- 
gestorben, so bleibt das Kind im Uterus und dieser wird geschlossen, 
wie bei der Myomolomie tief amputiert. In diesen Fällen ist vor der 
Amputation die Cervix gut mit Servietten zu urastopfen, so daß das Ein- 
fließen von Sekreten in die Bauchhöhle ganz sicher vermieden wird. 
Die Cervix wird dann mit Sublimat ausgewaschen, die Schleimhaut wird 
möglichst genau durch Trichterschuitl excidiert. Der Peritönäallappen, 
der übergenäht wird, ist eine weitere Garantie vor Sepsis der Bauchhöhle. 

Die Totalexstirpation gibt eine schlechtere Prognose, da sie viel 
länger dauert, und da die nicht sicher zu reinigende Scheide eröffnet wird. 



Neunzehntes Kapitel. 

Geburtsstörungen, die vom Kinde ausgehen. 

Von Riesenwuchs des Kindes spricht man, wenn das Kind über 
4 Kilo wiegt Meist handelt es sich um Kinder sehr großer Eltern und 
abnorm lange Dauer der Schwangerschaft 

Liegt eine Mutter sehr viel in der Schwangerschaft, bewegt sie sich 
überhaupt wenig, ernährt sie sich dabei sehr gut, so wird das Kind auf- 
fallend groß. 

Das schwerste Kind, das ich extrahierte, wog nach Enthirnung 
5 ','2 Kilo, doch sind schwerere Kinder bis 8 Kilo beglaubigt. 

Die Qeburtserschwerung ist nicht nur eine Folge der Größe des 
Kindes, sondern auch der Dicke und Festigkeit, der sehr vollkommenen 
Verkalkung der Schädelknochen. Da beim engen Becken die Geburt 
wegen des Hängebauches und somit wegen des fehlenden Druckes auf 
das untere Ulerinsegmenl oft später, als nach 280 Tagen eintritt, so 
kompliziert sich nicht selten enges Becken mit Riesenwuchs. Obwohl 



I 



368 



Neiinzehnles Kapitel, 



N 



dann die erste Geburt eines lebenden Kindes noch spontan erfolgte, isl 
das Mißverhältnis später ein so bedeutendes, daß die Verkleinerung des 
Schädels unumgänglich ist. 

Der Mechanismus der Kopflage ist beim normalen Becken und beim 
großen Kinde, wie ich wiederholt beobachten konnte, nicht der wie beim 
gleichmäiiig verengten Becken, sondern der wie beim geradverengten 
Becken, d. h. der Kopf stellt sich in Vorderscheitel beineinstellung in den 
Eingang. 

Die zu großen Schultern machen ebenfalls Schwierigkeiten, so daß 
sie dem Zuge am Kopfe nicht folgen. Lebt das Kind noch, so muß man 
den Kopf sehr stark nach unten senken, um die vordere Schulter unter 
die Symphyse zu bringen und um in die Achselhöhle einhaken m 
können. 

Ist das Kind tot, so ist ein vortrefflicher Handgriff, den hinteren 
Arm herabzuholen. Dies ist nicht schwierig, doch bricht der Arm dabei 
leicht Am herabgestreckten Arme ziehend, ist es leicht, das Kind si 
extrahieren, teils weil der Schulte rumfang um den Arm verringert ist, 
teils weil die Schultern sich schräg stellen und dadurch der Umfang 
kleiner wird. Man zieht erst stark nach abwärts und hinten, um die 
vordere Schulter unter die Symphyse zu bringen, holt dann, wenn 
noch Schwierigkeiten bestehen, auch den zweiten Arm hervor und ziehl 
das Kind an beiden Armen leicht heraus. 

Sind die Wehen schlecht und ist der Kopf so groß und hart, dall 
er beweglich über dem Becken bleibt, so macht man die Wendung 
auf die Füße. Die Umdrehung des Kindes ist nicht schwerer bei großem 
Kinde als bei kleinem. Folgt der Kopf nicht, so versucht man zuerst 
durch starken Druck von außen in Walcherscher Hängeiage den Kopf 
durch den Beckeneingang zu drücken. Versagt dieser Versuch und ist das 
Kind tot, so hakt man mit der einen Hand von vorn und mit der anderen 
Hand von hinten über die Schultern. Dann drückt und zieht man mit 
Völler Kraft nach abwärts. Dabei bricht eventuell das Schlüsselbein, 
namendich das hintere. Da aber das Kind schon tot ist, so schaden 
diese Verletzungen nichts. Der Kopf bricht eher in sich zusammen als 
das Becken auseinander. Folgt der Kopf auch jetzt noch nicht, so wird 
er perforiert 

Hydrokephalus. 
Beim Wasserkopfe ist der kindliche Kopf so groß oder größer als 
ein Mannskopf. Ist das Kind seit längerer Zeit abgestorben und weich, 
so schiebt sich oft ein Segment des voriiegenden Kopfes in den Beckeneingang 



Hydrokephalus. 36g 

hinein. Die hochgradige Niveaudifterenz der Knochen des Schädel- 
daches, die breiten Nähte und Unregelmäßigkeiten der Knochenränder 
und der äußere Befund lassen die Diagnose auf Hydrokephalus stellen. 

Ist das Kind noch frisch oder lebt es und tritt ein Segment des 
Kopfes in den Beckeneingang ein, so laßt schon der Umstand, daß früher 
normale Kinder geboren waren, den Qrund der Verzögerung der Geburt 
in der Form des Kindes suchen, es sei denn, daß Osteomalacie vorläge. 
Auch werden öfter von einer Frau wiederholt Hydrokephalen geboren, 
die Anamnese ist also wichtig. 

Untersucht man kombiniert, so ist sofort die Diagnose klar. Oft 
findet man auch große Lücken zwischen den unregelmäßigen Kopfknochen, 
so daß man zunächst glaubt, es steile sich die Fruchtblase ein. Die 
dünnen Kopfknochen knattern wie eingedrücktes Blech. Die Unter- 
suchung mit der halben Hand slelll den Befund ebenfalls fest. Wenn 

der Geburtshelfer überhaupt an diese Abnormität denkt, so wird er 
.die Diagnose leicht stellen. 

Sehr häufig findet man bei Hydrokephalus Beckenendlagen. Stets, 
wenn die Anamnese und die Messung normale Beckenverhältnisse ergibt 
und der Kopf nicht leicht folgt, muß man die Möglichkeit der Hydro- 
kephalie erwägen. Ein Griff auf den Leib genügt, um den Qrund der 
Oeburtsverzögerung zu erkennen. Das Knattern der Kopfknochen allein 
beweist nichts, da es auch bei abgestorbenem Kinde vorkommt 

Wird die Diagnose nicht rechtzeitig gestellt und die Geburt über- 
mäßig verzögert, so kann Uterusruptur entstehen. Namentlich, wenn 
neben dem übergroßen Kopfe in das überdehnte untere Uterinsegment 
die Hand eingezwängt wird. Auch wiederholte Zangenversuche und 
Abgleiten der stark gespreizten Zange verursachen große Verletzungen, 
Einrisse und Urinfisteln. 

Vom nachfolgenden Hydrokephalus ist schon öfter bei starkem Zug 
der Rumpf abgerissen. Ja, wenn gleichzeitig eine Uterusruplur spontan 
entstand oder beim Wendungs- und Extraktionsversuch gemacht wurde, 
glitt der abgerissene Kopf in die Bauchhöhle. 

Der Hydrokephalus muß, ob das Kind tot ist oder lebt, mit der 
Smeltieschen Schere perforiert werden, sobald es die Weite des Mutter- 
mundes gestattet. Beim vorangehenden Kopfe fließt das Wasser sofort 
ab. Man erfaßt das Kind an der Kopfschwarte, führt eventuell in das 
Loch einen Finger ein und zieht den Kopf leicht heraus, Extraktions- 
instrumente sind nicht nötig, namentlich die Zange ist kontraindiziert, sie 
würde abgleiten. 



370 



Neunzehntes Kapitel. 



Nach Perforation des nachfolgenden Kopfes muß stark von 
außen gedrückt werden, um das Wasser durch den langen engen Kanal 
hin durchzudrängen. Gerade hier ist die Perforation vom Gaumen aus 
vorteilhaft, weil die Wände nicht ventilarlig das Loch verschieben und 
verlegen, 

HemikeplialuB. 

Beim Hemikephalus war die Wasseransammlung in den Gehirn- 
höhlen in sehr früher Zeit der Schwangerschaft so bedeutend, daß wegen 
der enormen Dehnung der Gehirnblassn das Schädeldach sich nicht aus- 
bilden konnte. Die große Wasserblase drückt die Schädelbasis und oft 
auch den oberen Teil der Wirbelsäule an ihre Peripherie. Die Wirbel- 




HcBiilicphaliis 



d Syndak^Up an di 



L 



bögen klaffen, ihre Hälften stehen weit auseinander, die Wirbelkörper 
sind sehr niedrig. Der Kopf gleitet zwischen die Schultern, der Hsis 
fehlt, der Rumpf ist verkürzt Nach Platzen der Blase liegt auf dw 
Schädelbasis, umgeben von scharfen, unregelmäßigen, gezackten Knochen 
des Schädeldaches, die auch ganz fehlen können, eine weiche Masse; das 
rudimentäre Gehirn, Die Ohren sitzen direkt auf den Schultern, die 
Zunge ist aus dem Munde herausgepreßt und die Augen quellen wöt 
vor, daher der Name Frosch köpf. 



Hemikephalus, Ascites des Kindes. 371 

Das Fruchtwasser ist meist sehr reichlich, da zu dem Fruchtwasser 
noch der Inhalt der geplatzten Hirnblase hinzukommt 

Solche Kinder werden meist frühzeitig geboren, aber es kommen 
auch ausgetragene, selbst übertragene Hemikephalen vor. Dann entsteht 
eine Geburtserschwerung durch den enorm vergrößerten Umfang der 
Schultern. 

Schließt sich das Schädeldach bis auf eine Stelle, aus der bruch- 
, artig das Gehirn hervorgequollen ist, so handelt es sich um eine Meningo- 
' kele oder Enkephalokele, die ein Oeburtshindernis nicht macht. 

Es kommen auch Komplikationen mit Spina bifida vor, nicht 
immer, wie in der Figur 4, der benachbarten Halswirbelsäule, sondern 
auch getrennt am unteren Ende der Wirbelsäule. Das Gesetz, daß Miß- 
bildungen sich komplizieren, gilt auch hier, so daß Klumpfüße, Syndak- 
tylie U.S.W., vor der Extrakhon beobachtet, Hemikephalie vermuten lassen. 
Gesichert wird die Diagnose, wenn man am vorliegenden Kopfe 
I die scharfen Knochenränder und dazwischen die weichen Gehirnmassen 
I fühlt Bei B ecken end läge, die auch hier häufig ist, wird meist die Diagnose 
erst dann gestellt, wenn man den Hemikephalus sieht 

Die Schwierigkeit bei der Geburt ist die Folge des sehr vermehrten 
I Schulterumfanges, 

Da auf das Kind keine Rücksicht genommen wird, so kann man 
bei Oeburts Verzögerung den geschlossenen Arm des Kranioklasts in den 
Mund des Kindes stecken, den gefensterten Arm auf das Schädeldach 
legen, zusammenschrauben und so extrahieren. Besonders vorteilhaft ist 
die S. 368 beschriebene Methode, einen Arm hervorzuholen und an ihm 
das Kind herauszuziehen. 

Ascites, Spina bifida. 

I Wenn in einem Geburtsstadium, wo ein Oeburtshindernis nicht zu 

erwarten ist, Schwierigkeiten bei der Extraktion sich plötzlich einstellen, 
[■z. B. bei vorangehendem Kopfe nach der Geburt der Schultern oder bei 
1 vorangehenden Beinen vor der Geburt des Steißes, so darf nicht eine 
wüste Kraftansi rengung ohne weiteres angewendet werden, sondern es 
(muß erst durch Exploration mit der halben, den Rumpf umkreisenden 
■ Hand das Geburtshindernis aufgesucht und aufgeklärt werden. Es könnte 
Wich ja auch um ein normales Kind und einen benachbarten, sich bei 
fder Extraktion neben dem Uterus einkeilenden Tumor handeln. Findet 
'man dabei ein Abdomen von bedeutendem Umfange, so handelt es 
■ich um Ascites, Kystennieren, Hydronephrose oder Erweiterung 




372 Neunzehntes Kapitel. 

der Harnblase bei Verschluß der Urethra. Allgemeiner Hydrops des 
Kindes macht kein wesentliches Geburtshindernis. 

Man versucht zunächst durch starken Fingerdruck die Wand des 
cystischen Raumes zu perforieren. Gelingt das nicht, so wird die 
Smelliesche Schere eingestochen. Auch ein weicher, solider Tumor, 
z. B. ein Sacraltumor, wird durch Anstechen, durch Austreten weicher 
Massen und durch den Blutverlust kleiner. Darauf zieht man energisch 
an dem hervorragenden Teile des Kindes, und zerstört, wenn die Extrak- 
tion auch dann nicht von statten geht, durch Eingehen mit der Hand in 
den Tumor den Inhalt, lockert ihn, befördert ihn nach außen und zieht 
unter Mithilfe von außen das Kind heraus. 

Keine geburtshilflichen Schwierigkeiten machen die Fälle von Hernia 
funiculi umbilicalis, bei denen die Leber, eventuell Magen und Ge- 
därme vor dem Bauche, überzogen vom Peritonaeum, liegen. Ist der 
Bruch klein, läßt er sich reponieren, so kann man die Bauchdecken 
operativ vereinigen, wie das mit Glück öfter gemacht ist Bei größeren 
und irreponibeln Brüchen trocknet bald das Peritonaeum ein, die Ober- 
fläche der Eingeweide wird gangränös und das Kind stirbt nach zwei 
bis drei Tagen. 

Akardiaci. 

Wenn bei eineiigen Zwillingen das eine Kind bedeutend stärker als 
das andere ist, so überwindet der Blutdruck in der Nabelschnur des 
kräftigen Kindes den Blutstrom des schwachen Kindes. In dem letzteren 
kehrt sich die Stromrichtung um. Dann erhält das schwache Kind nicht 
genügendes Ernährungsmaterial und Sauerstoff. Es bilden sich die 
Organe, namentlich das Herz, nicht aus. Zwar findet man rudimentäre 
Spuren des Gesichtes, der Extremitäten, auch Haare, Ohren, Augen u.s.w., 
aber die Frucht stellt nur ein rundliches Monstrum ohne Kopf und 
Glieder und namentlich ohne Herz dar. Das andere Kind ist normal 
ausgebildet und wird normal geboren, so daß man zunächst gar nicht 
den Gedanken an etwas Pathologisches hat. 

Treten aber von neuem heftige Wehen auf, entdeckt man, daß der 
Uterus noch auffallend groß ist, untersucht man kombiniert mit der 
ganzen Hand, so ist der Tumor im Uterus sofort zu erkennen. Die 
Leichtigkeit, mit der er sich im Kreise herum drehen und nach unten 
drücken läßt, die intravelamentöse Lage führt auf die Diagnose. 

Ein kleiner Akardiacus gleitet, dem Credeschen Handgriffe folgend, 
schnell heraus. Aber ich habe schon sehr große Mühe gehabt, einen 



Doppelniißbilduiigen. 



373 



über Kindskopf großen, sehr beweglichen Akardiacus zu fassen und 

herauszubefördern. Blutung tritt nicht ein, da die Placenta noch anhaftet. 

Bestimmte Vorschriften kann man nicht geben. Unter starkem Druck 

' und Fixation von außen wendet man am besten einen scharfen Haken 

" oder eine große Polypenzange an. Da die Akardiaci meist länglich oval 

Isind, so gelingt es, von außen den unteren Pol bis in die Vulva zu 
drücken, ifin wie einen Polypen mit Zangen zu erfassen und heraus- 
zuziehen. 

DoppelmißbildungeiL 

Es handeh sich meist um extrauterin nicht lebensfähige Früchte; 
Diprosopus, Dicephalus, Janiceps u.s.\f., die ohne Schwierigkeiten 
geboren oder extrahiert werden. In der Regel erfolgt die Geburt etwas 
vorzeitig. 

Geburtshilfliche Bedeutung haben vor allem die Thoracopagen. 
Die Brücke zwischen beiden zusammengewachsenen Zwillingen zieht sich 
bei der Geburt enorm aus, so daß sie viel länger gefühlt wird, als sie 
tatsächlich ist. 

Meist liegen beide Kinder mit demselben Teile vor, wenn nicht 
geburtshilfliche Manipulationen die Stellung der Kinder zu einander ver- 
ändern. Tritt der eine Kopf vor die Vulva, so tritt der andere Kopf in 
die ßeckenhöhle. Liegt der zweite Kopf hinter dem ersten, so wird 
dieser stark nach oben, mit dem Halse fest in den Schambogenwinkel 
hineingedrängt. Diese auffallende Lage des Kopfes ganz dicht im Scham- 
bogenwinkel und die jetzt eintretende Geburtsverzögerung ist ein sehr 
wichtiges diagnostisches Zeichen. 

Wenn möghch, sollen alle vier Extremitäten herabgestreckt werden, 
damit nicht der Steiß des zweiten Kindes am Beckenrande hängen bleibL 

Oft wird aber die Diagnose erst zu einer Zeit gestellt, wo die 
Wendung nicht mehr möglich ist. Man sucht dann durch verkleinernde 
Operationen sich zu helfen. So habe ich einmal den ersten Kopf ab- 
geschnitten und dann den zweiten mit der Zange extrahiert. Dann 
folgten die Rumpfe sofort. Im anderen Falle habe ich den Kopf des 
zweiten Kindes perforiert, dann das erste extrahiert und zuletzt das 
zweite. 

Ist die Diagnose zu spät gestellt und ist durch viele verzweifelte 
Entb in du ngs versuche die Mutter verletzt, ist schon Fieber vorhanden, so 
wird die Prognose sehr ungünstig. 





Neunzehntes Kapitel, 



I 



Fehlerhafte Haltung des Kindes. 

Liegt der Arm vor dem Kopfe im Uterus bei nicht gesprungener 
Fruchfblase, so handelt es sich um Vorliegen, liegt er bei gesprungener 
Blase in der Scheide oder vor der Scheide, so ist er vorgefallen. 

Die Arme liegen oft (vgl. Fig. 40, S. 140) neben dem Gesicht empor- 
gestreckt. Bei abgewichenem Kopfe fühlt man mitunter neben und vor 
dem Kopfe eine Extremität, die sich aber spontan zurückzieht Wenn 
dann die Wehen eintreten und der Kopf die tiefste Stelle im Uterus ein- 
nimmt, so verschwindet der Arm. Entdeckt man bei der Untersuchung 
im Qeburtsbeginn den vorliegenden Arm, so greift man ihn nicht an, 
weil man dabei die Blase sprengen und den Armvorfal! bewirken könnte. 
Vielmehr untersagt man alles Mitpressen und lagert die Kreißende auf 
die Seite, und zwar so, daß der Arm oben liegt, also bei rechtsl legendem 
Arme auf die linke Seite und umgekehrt Nach dem FruchtwasserabfluB 
untersucht man. Oft ist der vorliegende Arm verschwunden. 

Ist das nicht der Fall, ist der Arm tiefer gekommen, liegt er nach 
dem Wasserabfluß vor dem Kopfe, so handelt es sich um Armvorfall. 
Er setzt oft voraus, daß eine Schräglage oder Querlage bestanden hat, die 
sich bei den Wehen rektifizierte. 

Steht der Kopf über dem Becken, so wird der Arm reponiert, »eil 
er das Eintreten des Kopfes in den Beckeneingang hindert 

Oft besteht das einzige Geburtshindernis in diesem vorgefallenen 
Arme. Sobald er zurückgebracht ist, tritt der Kopf in das Becken und 
die Geburt verläuft sehr schnell. 

Man geht mit der halben, bei weiter Scheide auch mit der ganzen 
Hand in die Scheide und schiebt den Arm möglichst hoch um die gröDle 
Circumferenz des Kopfes nach oben. Gleichzeitig sucht man von außen 
den Kopf in den Beckeneingang zu drucken und weist, ist dies gelungen, 
die Kreißende zum Pressen an. Die Hand des Geburtshelfers hkU 
liegen und wartet die infolge der Reizung des Muttermundes meist bald 
eintretenden Wehen ab. Während der Wehe zieht man langsam dif 
Finger zurück und kontrolliert noch öfter, ob der Arm auch oben bleibt. 

Ist das Becken eng, so macht man sofort die Wendung auf die 
Füße, nachdem man die Hand angeschlungen hat Bei der Extraktion 
wird die Armschlinge angezogen, so daß der Arm unten bleibt Somil 
hat man nur noch einen Arm zu lösen, was gerade beim engen Beckw 
die Extraktion des Rumpfes sehr erleichtert. 



Findet man den Arm neben dem fest im Becken stehenden Kop'*' 
ein überaus seltenes Ereignis, so fehlt der Raum, um den Ann 




Vorfall des Armes, der Nabelschnur. 375 

zurückzuschieben. Man würde bei Anwendung von Gewalt die Mutter 
verletzen und den Arm brechen. Er darf niemals abgeschnitten, auch 
nicht eingeschnitten werden. Vielmehr fordert man die Kreißende zu 
guter Verarbeitung der Wehen auf, oder legt, falls die Geburt nicht fort- 
schreitet, die Zange an. Dabei darf der Arm nicht mitgefaßt werden. 
Vielmehr wird der Zangenlöffel zwischen Kopf und Arm nach oben 
geführt Das Hindernis, das der Arm bereitet, ist recht groß, so daß 
solche Zangenoperationen mitunter sehr schwierig sind. 

Vorfall der Nabelsclmur. 

Fühlt man durch die Eihäute hindurch die Nabelschnur, so liegt 
sie vor, sind die Eihäute zerrissen und fällt die Nabelschnur in die 
Scheide oder vor die Vulva, so handelt es sich um Vorfall der Nabel- 
schnur. 

Wenn der Kopf beim engen Becken dem unteren Uterinsegment 
nicht gleichmäßig ringsherum fest anliegt, wenn in der Wehe das Frucht- 
wasser plötzlich abfließt und die nicht umschlungene Nabelschnur lose 
auf der Bauchseite des Kindes liegt, so wird sie leicht herausgeschwemmt, 
resp. sie fällt vor. Es kann auch ganz allmählich neben der schmalen Hälfte 
des Kopfes dem Gesicht zunächst eine kleine Schlinge vorbeigepreßt 
werden, so daß man unmittelbar nach dem Blasensprunge noch nichts 
fühlt, wohl aber nach längerer Wehentätigkeit. Ja gerade bei einer aus- 
giebigen Exploration, die leicht den Kopf etwas erhebt und bei der die 
Gebärende gleichsam abwehrend preßt, stürzt die Nabelschnur herab. 

Meist ist der Muttermund dabei erweitert oder doch wenigstens für 
zwei Finger gut durchgängig. Daß bei engerem Muttermunde die Nabel- 
schnur vorfällt, ist selten. Indessen kommt es vor. Ich fand sogar bei 
einer Primipara mit dicht dem Schädel anliegendem unteren Uterinsegment 
die Scheide von der ganzen vorgefallenen Nabelschnur angefüllt. 

Bei Querlage, Fußlage fällt die Nabelschnur leicht vor, wenn sie 
nicht um den Hals oder den Oberkörper geschlungen ist. Auch bei 
Steißlagen drängt sie sich manchmal zwischen den Oberschenkeln 
hindurch. 

Daß der tiefe Sitz der Placenta den Vorfall erleichtert, wird allgemein 
angenommen, indessen wird die Differenz von 10— 15 cm bei der 
50 cm langen Nabelschnur wenig ausmachen. 

Das Leben des Kindes ist beim Vorfall der Nabelschnur gefährdet, 
da sie zwischen Beckenwand und dem den Oeburtskanal passierenden 
Kinde komprimiert wird. Wie man sich beim Anfühlen der vorgefallenen 
pulsierenden Nabelschnur überzeugen kann, gehört ein sehr schwacher 



376 Neunzehirtes Kapitel. 

Fingerdruck dazu, die Zirkulation zu unterbrechen. In sehr wenigen 
glücklichen Fällen bleibt das Kind bei spontan sehr schneller Geburt am 
Leben. Meist dauert die Geburt schon deshalb zu lange, weil das Becken 
eng ist 

Diagnose. 

Das Vorliegen der Nabelschnur kann dem Geburtshelfer leicht 
entgehen, denn dem touchierenden Finger weicht die im Fruchtwasser 
leicht hin- und herrollende Nabelschnur aus. Diagnostiziert man das 
Vorliegen, so legt man die Frau auf die Seite, auf der die Nabelschnur 
nicht vorliegt. Man untersagt jedes Mitpressen, um die Erweiterung und 
die Erweichung des Muttermundes vor sich gehen zu lassen, ehe die Blase 
platzt Man touchiert häufig und wird oft erleben, daß nach dem Blasen- 
sprunge die Nabelschnur nach oben geglitten ist, daß also die vorliegende 
Nabelschnur nicht eine vorgefallene wird. 

Der Vorfall darf nicht übersehen werden. Einer der Gründe, wes- 
halb die innere Untersuchung nach dem Blasensprunge öfter vorgenommen 
werden muß, ist die Möglichkeit des Nabelschnurvorfalles. Meist liegt 
die Nabelschnur seitlich und hinten neben dem Gesicht des Kindes. 

Pulsiert sie nicht, so wird schnell auskultiert, denn die Kompression 
hat vielleicht soeben plötzlich begonnen und das Kind kann noch leben. 
Fehlt der Meconiumabgang, so ist dies sogar wahrscheinlich. Dann rettet 
schnelles Handeln das Kind. 

Behandlung. 

Bei der Behandlung kommt es erstens darauf an, ob das Kind 
tot ist oder lebt, und zweitens darauf, ob der Muttermund eng ist 
oder weit 

Ist das Kind tot, so ist allein die Rücksicht auf die Mutter maß- 
gebend. Man wird ihr alle Arbeit und alle Gefahren einer langdauernden 
Geburt, namentlich bei Beckenenge durch sofortige Perforation und 
Extraktion des Kindes ersparen, falls die Weite des Muttermundes die 
Operation zuläßt 

Lebt aber das Kind und ist der Muttermund weit, so holt man 
schnell bei jeder Lage des Kindes beide Füße oder wenigstens einen Fuß 
herab, um sofort zu extrahieren. 

Bei Kopflagen ist es oft schwierig zu entscheiden, ob die Wendung 
erlaubt ist, d. h. ob der vorliegende Kopf so beweglich ist, daß die Hand 
ohne Gefahr, den Uterus zu zerreißen, in den Uterus geschoben werden 
darf. Schon die Tatsache, daß die Nabelschnur pulsiert, beweist, daß der 



Behandlung bei Nabelschnurvorfall. 3yy 

Kopf noch beweglich ist Denn stände er schon lange eingekeilt fest, so 
wäre die Nabelschnur gedrückt und sie würde nicht mehr pulsieren. 

In diesen Fällen wird die Wendung in Seitenlage ausgeführt, weil 
dabei der Kopf vom Beckeneingange wegsinkt. Man operiert schnell, 
ohne Rücksicht auf die Nabelschnur zu nehmen. 

Lange Zeit am Muttermunde und in der Cervix, um etwa die Nabel- 
schnur bei Seite zu schieben, zu manipulieren, ist falsch. Man würde 
dadurch eventuell eine Wehe erzeugen, die dann das Einführen der Hand 
unmöglich macht. Man müßte warten und das Kind stürbe ab. Schnellig- 
keit ist deshalb die Hauptsache. Wird auch dabei sicher die Nabelschnur 
so gedrückt, daß vorübergehend die Zirkulation unterbrochen wird, so 
hört doch der Druck sofort wieder auf, wenn die Füße ergriffen und 
das Kind gedreht ist Auch die Extraktion des Kindes muß dann be- 
schleunigt werden. 

Bei engem Muttermunde ist wieder die Entscheidung schwierig, 
ob er so dehnbar ist, daß man, ohne einen Einriß zu riskieren, Wendung 
und Extraktion wagen kann. Ist dies nicht möglich, so wird die Repo- 
sition gemacht Sie ist zwar nicht leicht, führt aber doch nicht selten 
zum Ziele. Die Patientin wird am besten in Knieellbogenlage oder 
Sims' Seitenlage gelegt. Dann geht man mit der ganzen Hand in 
die Vagina, umfaßt die Nabelschnurschlingen und schiebt sie mit zwei 
Fingern oder der halben Hand über die größte Circumferenz des Kopfes 
in den Uterus. Sobald die Nabelschnur sicher nach oben geschoben 
ist, umkreist man nochmals den Kopf mit dem Finger, um festzustellen, 
ob nicht vielleicht an einer anderen Stelle eine Schlinge wieder herabfällt 

Dann läßt man die Hand in der Vagina liegen, läßt die Kreißende 
wieder Rückenlage einnehmen, macht mit der anderen Hand eine Wehe 
und zieht während derselben die Hand aus der Cervix zurück. Man 
bleibt während der Wehe aber am Kopfe, um sich zu vergewissern, daß 
nicht etwa die Nabelschnur bei der Wehe wieder herausgepreßt wird. 
Hierauf auskultiert man. Gute Herztöne beweisen am besten die ge- 
lungene Reposition. Auch jetzt muß man noch oft nachfühlen und so 
schnell wie möglich durch Reiben des Fundus eine Wehe nach der 
anderen erregen, damit der Kopf feststeht und das untere Uterinsegment 
gut abschließt Bleiben die Herztöne gut, so läßt man wieder Seitenlage 
einnehmen, und zwar legt man, wie oben angegeben, die Kreißende auf 
die Seite, wo die Nabelschnur nicht vorlag. Von Zeit zu Zeit wird 
auskultiert und im allgemeinen sucht man die Geburt bald zu beendigen. 

Sind die Herztöne schlecht, so ist das letzte Mittel, das Kind zu 
retten, die schnelle Erweiterung des Muttermundes. Sie wird dadurch 
erzielt, daß man einen Kolpeurynter in den Uterus einschiebt, ihn schnell 



378 Neunzehntes Kapitel. 

füllt und herauszieht. Sobald dadurch der Muttermund erweitert ist, wird 
die Wendung ausgeführt. Es ist mir öfter gelungen, auf diese Weise 
das Kind zu retten. 

Es kommt auch vor, daß bei dem Repositionsversuche oder bei dem 
Versuche, die Hand zur Wendung einzuführen, ein sehr reizbarer Uterus 
durch Wehen reagiert, und daß der Kopf schnell so tief und fest gepreßt 
wird, daß man ohne Gefahr der Zerreißung des Uterus die Wendung 
nicht mehr machen kann. Dann gelingt es manchmal, mit einer schnellen 
Zangenextraktion das Leben des Kindes zu retten. 

Bei Querlage ist die Reposition falsch und zwecklos. Die hoch- 
geschobene Nabelschnur würde wieder herabfallen, sie würde bei der 
Manipulation gedrückt, der Muttermund würde gereizt, die Wehentätig- 
keit erregt, die Schulter des Kindes tiefer gepreßt und die Wendung 
würde erschwert werden. 

Befindet sich die Nabelschnur bei Steißlagen zwischen den Ober- 
schenkeln, so holt man bei hochstehendem Steiße einen Fuß herab. Ist 
dies bei tiefstehendem Steiße nicht mehr möglich, so liegt man mit dem 
Finger an der Nabelschnur gleichsam auf der Lauer. Sobald auch in 
der Wehenpause die Pulsationen langsamer werden, muß extrahiert werden. 
Am ungefährlichsten mit einer durch die Hüftbeuge geschobenen Schlinge. 

Eine zu kurze Nabelschnur kann bei der Geburt zerreißen. Ich 
habe es allerdings nur zweimal erlebt In diesen Fällen aber war ganz 
sicher die Nabelschnur gerissen, während das Kind die Vulva passierte, 
ohne daß der Geburtshelfer gezogen hatte. 

Es sind auch Fälle publiziert, wo der Zug an einer sehr kurzen 
Nabelschnur die Placenta und wegen der Kohäsion die Uteruswand nach- 
gezogen und so eine Inversio uteri erzeugt hatte. 
< 

Oeburtsstörungen durcli zu feste Eihäute. 

Die Eihäute können durch zu feste Verwachsung in der Umgebung 
des Muttermundes diesen an der Erweiterung hindern. Es sind Fälle 
bei Primiparen beobachtet, wo der Muttermund trotz kräftiger Wehen 
eng blieb. Als dann durch Eingehen mit einem Finger und kreisförmiges 
Losschälen der festsitzenden Eihäute diese gelöst waren, erweiterte sich 
schnell der enge Muttermund. 

Die Eihäute sind mitunter so fest, daß sich die Blase bis vor die 



Zu feste Eihäute. Querlagen. 37g 

äußeren Geschlechtsteile hervorwölbt Dann soll man sie sprengen, um 
Loszerrung des Placentarrandes und eventuelle Blutung aus dem Rand- 
gefäße der Placenta zu vermeiden. 

Es ist aber sehr falsch, ohne bestimmte Indikation die Blase zu 
sprengen, etwa um die Wehen zu verbessern und die Geburt zu be- 
schleunigen. Wenn die Blase steht, ist eine Gefahr für Mutter oder Kind 
in der Regel noch nicht vorhanden. Es kann also, selbst wenn die 
Wehen stundenlang cessieren, gewartet werden. Bei Geburten mit vor- 
zeitigem Wasserabflüsse, Hochstand des Kopfes und engem Muttermunde 
werden oft die Wehen sehr schlecht, ja sie hören stundenlang vollständig 
auf, weil an die Stelle der den Muttermund reizenden und erweiternden 
Blase ein Fruchtteil nicht tritt. 

Bei auffallend dicken Eihäuten im Muttermunde findet man mit- 
unter einen flachen verödeten Cotyledo auf dem Chorion, also eine ver- 
ödete Placenta praevia. 

Zu dünne Eihäute kommen ebenfalls vor; daß damit, resp. mit 
einem Loch oben in den Eihäuten wohl die sog. Hydrorrhoea gravi- 
darum zusammenhängt, wurde S. 264 erwähnt. 

Fließt aus einem oberen Loche das Fruchtwasser ab, so daß die Ei- 
häute auch nach der Geburt noch fest dem Kopfe anliegen, so wurde 
nach der alten Hebammensprache das Kind mit einer „Glückshaube '' 
geboren. 

Querlagen. 

Über die Entstehung der Querlagen wurde S. 336 das Nötige ge- 
sagt Sie sind meist die Folge des Hängebauches, und da dieser besonders 
bei Mehrgebärenden mit engem Becken vorkommt, so beobachtet man 
auch die meisten Querlagen bei Mehrgebärenden mit engem Becken. 

Aber auch bei weiten Becken, namentlich in den. niederen Volks- 
klassen, wo die Hygiene der Schwangerschaft und des Wochenbettes nicht 
•berücksichtigt ist, kommen Querlagen als Folge des Hängebauches häufig 
vor. Sehr selten sind Querlagen bei Primiparen. Mat hat hier an- 
genommen, daß eine angeborene besondere Breite des Uteruskörpers die 
Schuld trägt. Aber der Uterus ist so weich, daß er sich jeder Lage des 
Kindes anschmiegt Vielleicht handelt es sich nur um Zufälligkeiten. 
Wir unterscheiden vier Unterarten: 

la Kopf links, Rücken vorn, 
Ib Kopf links, Rücken hinten, 
IIa Kopf rechts, Rücken vorn, 
IIb Kopf rechts, Rücken hinten. 



38o 



Neunzehntes Kapitel. 



Die dorsoanterioren Lagen kommen dreima] so häufig als die 
dorsoposterioren Lagen vor Sehr häufig liegt der zweite Zwilling 
quer, da während des Durchganges des ersten Kindes der Beckenkanal 
vom ersten ausgefüllt ist, und nach dessen Geburt der sich kontrahierende 
Uterus das zweite Kmd nicht m der Lage nach abwärts drückt, in der 
es vorher lag. 




In der Schwangerschaft fühlt man äußerhch den in der Quere ver- 
breiterten, niedrig stehenden Uterus. Die zwei großen Teile sind rechts 
und links zu palpieren und der Raum über dem Becken ist als leer ai 
erkennen. Innerlich fühlt man den Beckeneingang ebenfalls leer, oüfr 
doch nur an der Peripherie einen Teil, der weicher als der Kopf isL 

Bei der Geburt nach dem Blasensprunge ist es meist der vorgefallene 
Arm, der sofort auf die Diagnose führt 

Man untersuche auch während einer Wehe. Sie nähert die beidf 
Enden des Kindes und drängt dadurch den vorliegenden Teil ti^fff' 
Dabei kann man die Schultern betasten. Man fühlt die Achseihöhle M^ 
erkennt daraus, wo der Kopf liegt, dann schiebt man die Finger vo"i 



Die Querlagen. 381 

und hinten neben dem Kinde möglichst hoch nach oben. Aus den ge- 
fühlten Rippen, der Clavicula, diagnostiziert man die Lage des Bauches 
und aus dem Schulterblatt, resp. der Spina scapulae, eventuell den Pro- 
cessus spinosi der Wirbelsäule die Lage des Rückens. 

Ist eine Hand vorgefallen, so weiß man sofort, welche Seite des 
Kindes unten liegt Man hat also nur noch die Differentialdiagnose 
zwischen zwei Lagen zu stellen. Liegt z. B. der rechte Arm vor, so 
handelt es sich entweder um eine la- oder Hb-Lage. Hatte man äußer- 
lich oder innerlich festgestellt, daß der Kopf links liegt, so muß es eine 
la-Lage sein. Bei Vorfall des linken Armes handelt es sich entweder um 
eine IIa- oder Ib-Lage. Welche Lage besteht, ist also sofort zu erkennen, 
wenn man äußerlich den Kopf gefühlt und die Hand unten gesehen hat. 

Sehr selten ist der obereArm vorgefallen, dies kommt bei starkem 
Hängebauche vor. Es ist leicht zu diagnostizieren, wenn man den Arm 
anzieht und wieder losläßt Die obere Hand gleitet sofort wieder zurück, 
während die untere vor der Vulva liegen bleibt 

Die genaue Diagnose der Lage ist wegen der Technik bei 
der Wendung notwendig. Leider sprengen die Hebammen, wenn sie 
nichts vorliegend fühlen, oft die Blase, um die Diagnose zu stellen. 
Kommt dann nach Abfluß des Fruchtwassers der Arzt nicht bald, treten 
starke Wehen ein, schieben sie die Schultern tiefer, so ist das Einführen 
der Hand, die Umdrehung des Kindes erschwert und wegen der violenten 
Uterusruptur gefährlich. 

Würde bei Querlage und reifem Kinde die Wendung nicht aus- 
geführt, so wäre die Geburt, resp. die Ausstoßung des Kindes durch 
natürliche Kräfte fast unmöglich. Das Kind stürbe ab, weil das gesamte 
Fruchtwasser abfließt, der Uterus danach stark verkleinert und der Qas- 
austausch zwischen Mutter und Kind behindert würde (vgl. S. 339). Die 
allmählich stärker werdenden Wehen nähern immer mehr Kopf und Steiß 
des Kindes, schieben dadurch die Schultern in den Beckeneingang, den 
sie völlig ausfüllen und verlegen. Der Uterus umschließt das Kind, das 
von ihm unbeweglich festgehalten wird, er ist wohl beweglich und ver- 
schieblich, nicht aber das Kind in ihm. Die Uterusmuskulatur zieht sich 
nach oben zusammen (vgl. S. 337), das Kind wird in das verdünnte, 
untere Uterinsegment, resp. in die nach oben ausgezerrte Scheide gepreßt 
Die Verdünnung dieses passiven Teiles des Qeburtsschlauches führt 
schließlich zum Platzen: Uterusruptur. Oder das Platzen tritt dann 
ein, wenn der Geburtshelfer, um zu wenden, die Hand in den zu engen 
Raum einführt und das Kind im zu engen Räume dreht 

Erliegt die Frau nicht der Blutung oder Sepsis, so können nach 



382 Neunzehntes Kapitel. 

Heilung großer Verletzungen nach langdaiiernden Eiterungen die un- 
angenehmsten Fisteln übrig bleiben, so Uterus-Dünndarm- oder -Dickdarra- 
fisteln, Kommunikationen zwisctien Darm und Scheide, Blase und Sclieidf, 
große Dammrisse, die beim Drucke des Armes auf den Damm entstehen, 
Dauert die Geburt lange, so fault der Ulerusinhalt und Koltken- 
wachstum führt zur Infektion, Die vielen großen und kleinen Wundfn, 
die bei der Wendung entstehen, resorbieren. Sepsis und Tod sind die 
Folge. 

Weiche abgestorbene oder unreife Kinder werden bei Querlj^e coi- 
dupiicato corpore geboren, d, h. der Kopf drückt sich tief in den Bnisl- 
kasten ein. Unter kräftigen Wehen werden Kopf und Thorax gleichzeitig 
ausgestoßen. Oder das ßeckenende wird, neben dem Kopfe vorbeigleiteiid, 
an ihm vorbei gepreßt, so daß die Füße zuerst vor der Vulva erscheinen 
(Selbstwendung). Der Kopf folgt den Anstrengungen der Bauchpresse 
oder wird leicht herausgezogen. 

Therapie. 

Dal) eine von der iWitte der Schwangerschaft an getragene, gul 
sitzende Bauchbinde das Entstehen einer Querlage verhüten kann, *'ird 
allgemein anerkannt Deshalb rate man Frauen, die man durch die 
Wendung entbunden hat, in der nächsten Schwangerschaft den Hängebaucb 
von der Mitte der Schwangerschaft an hochzubinden und hochzuhallfn, 

Entdeckt man in den letzten Wochen der Schwangerschaft die Quer- 
lage, so macht man die äußere Wendung, Freilich fälit das Kind oft 
wieder in die Querlage zurück. Da man aber sehr oft beobachtet, da9 
queriiegende Kinder sich spontan drehen und in Geradlage sich zur Ge- 
burt stellen, so ist die Begünstigung dieses natürlichen Vorganges sieber 
rationell. Und manchmal bleibt doch die künstlich hergestellte Oerad- 
lage sofort bestehen. Man muß die Frauen auf der Seite des Rückens 
des Kindes drei bis vier Tage liegen lassen, kann auch durch eine ge- 
schickte Bandage die Qeradlage erhalten. 

Ebenso gelingt oft die äußere Wendung bei dem Beginne der 
Geburt Handelt es sich, wie meist, um Mehrgebärende, bei denen 
voraussichtlich der Muttermund keine Schwierigkeiten macht, so fixiert 
man die hergestellte Geradlage durch den Blasensprung. Man stiehl 
mit einer aseptischen Uterussonde die Blase in der Wehenpause an ui)d 
preßt durch Druck auf den Fundus etwas Fruchtwasser langsam heraui 
Beim Blasensprunge in der Wehe und großem Loch in der Blase könnte 
die Nabelschnur vorfallen. Durch Druck von außen wird der Kopf'" 




Therapie bei Querlage. 



' den Beckeneingang hineingepreßt. Die nächste Wehe fixiert dann meist 
den Kopf definitiv. 

Es ist auch heute noch, wo allerdings das Einführen der Hand m 
die Genitalien wegen der Antisepsis nicht entfernt mehr so gefährlich ist, 
als früher, sehr vorteilhaft, durch äußere Wendung eine Kopflage herzu- 

-stelien und dadurch eine spontane Geburt zu ermöglichen. 

Leider kommt der Arzt in der Praxis zu der überffiegenden Mehr- 
i^ahl der Querlagen erst nach dem Blasensprunge, Dann soll man prin- 
izipiell die äußere Wendung nicht mehr versuchen. 

Der Druck auf den Leib macht schneller und kräftiger eintretende 
.Wehen. Sie hindern die Einwirkung auf das Kind und nötigen zu Pausen. 
,Neue Versuche pressen das Fruchtwasser aus und schieben die Schulter 
■tiefer. Die äußere Wendung ist unmöglich, die innere dann schwer und 
gefährlich. 

Ehe man die innere Wendung ausführt, stellt man fest, ob das Kind 
noch lebt, oder ob Meconiumabgang, eventuell die vorgefallene pulslose 
Nabelschnur und das Fehlen der Herztöne beweist, daß das Kind tot ist. 
' Liegt die Hand vor, so streckt man die Finger und kitzelt in der 

I Vola manus, aus der Reflexbewegung wird das Leben oder der Tod sofort 
erkannt Bei totem Kinde ist es gleichgültig, ob man langsam oder schnell 

iverföhrt oder ob ein Arm bricht, man nimmt nur Rücksicht auf die 

^Mutter. 

Die subjektive und objektive antiseptische Säuberung ist 

j' vor der Wendung außerordentlich gründlich zu machen. Namentlich ist 

!■ die Vulva abzuseifen und abzuspülen, da die Schamlippen durch den 
eindringenden Arm eingestülpt und abgewischt werden. Haften hier 
noch Saprophyfen oder Kokken, so würden sie direkt nach oben befördert 
werden. Ebenso muß eine Ausspülung mit einem nicht adstringierenden 
oder Eiweiß koagulierenden Antiseptikum vorausgehen. Am besten mit 
Lösung von Lysol. Die Außenfläche der Hand und der ganze desin- 
fizierte Unterarm werden mit Borsalbe (Byrolin) bestrichen. Auf dem 

II Unterleibe der Kreißenden liegt ein Sublimattuch. 

1 Ehe man zur Wendung schreitet, muß man feststellen, daß die Be- 

dingungen vorhanden sind, d. h. daß der Muttermund erweitert, resp. 
erweiterbar und daß das Kind, bezw. der vorliegende Teil des Kindes 
beweglich ist. 

Sollte der Muttermund nicht völlig erweitert sein, so müßte er doch 
so weich sein, daß voraussichtlich der hindurchgezogene Kopf den Mutter- 
mund und die Cervix nicht zerreißt. Und sollte ein Einriß zu erwarten sein, 
so müßte die Gefahr beim Abwarten größer sein, als die Gefahr eines 





¥ 



384 Neunzehntes Kapitel. ] 

Einrisses. Man würde also bei schwerer Eklampsie, bei drohend^iJ 
Verblutungstode, bei Placenta praevia die Gefahr der Einrisse für gj^i 
ringer anschlagen, als die Gefahr des Zögems. | 

Stets muß man das Leben der Mutter mehr berücksichtigen, als das j 
des Kindes, das ja ohnehin bei jeder schweren Geburt sehr gefährdet ist j 

Aber es gibt auch Fälle, wo man, die individuellen Verhältnisse er- ] 
wägend, einmal das Leben des Kindes in den Vordergrund stellt So 
entband ich eine Frau, deren erstes Kind bei Steißlage, deren zweites i)ei 
einer hohen Zange abgestorben war. Nun fand ich eine Querlage mif 
Nabelschnurvorfall. Das Fruchtwasser war vorzeitig abgeflossen, der 
Muttermund nur handtellergroß! Die Mutter ersehnte ein lebendi- 
ges Kind! Unter diesen Umständen, wo beim Abwarten sicher das 
Kind gestorben und der Muttermund sich kaum noch diktiert hüte, 
wo das Tiefertreten der Schultern das Eindringen mit der Hand er- 
schwert hätte, wagte ich die sofortige Wendung und Extraktion. Man 
muß hier, wie stets in der Geburtshilfe, individualisieren und Vorteüe 
und Nachteile auf die Wagschale legen! Dann, überlegend, nicht was 
im Prinzip, sondern was im speziellen Falle das vorteilhafteste ist, 
muß man den Entschluß fassen und danach prompt handeln. 

Die Kreißende wird vor der Wendung narkotisiert Der 
junge Arzt kann seine Aufmerksamkeit auf den Fall konzentrieren und 
wird weder durch geistige noch körperliche Unruhe der Gebärenden 
gestört Er kann gut von außen einwirken und einwirken lassen, da die 
beim Widerstreben sich anstrengende Bauchpresse ausgeschaltet ist. 

Die Lage auf dem Querbett ist in der Praxis am besten. Erstens 
kann man durch einen schnellen Blick nach dem Gesicht der Kreißenden 
die Narkose überwachen, zweitens ist es bei Rückenlage am leichtesten, 
kombiniert, resp. bimanual zu verfahren und drittens wird die Extraktion 
so am besten gleich angeschlossen und vollendet 

Zuletzt ist auch hinten der Raum zum Einführen der Hand größer, 
die Dehnung der langen hinteren Vaginalwand ist ungefähriicher, als die 
der vorderen. Beim Einführen vorn kommt es leichter zu Querrisscn, 
resp. zum Abreißen des Uterus von der Scheide, Deshalb führt man 
prinzipiell die Hand hinten in der Gegend der Synchondrosis sacroiiiaca 
nach oben. 

Man wähh die Hand , mit der man am besten an die Beine dffl 
Kindes gelangt, also bei erster Lage die linke, bei zweiter Lage die 
rechte Hand. 

Steht die Blase bei Querlage, so sprengt man sie seitlich, da wo sie 
der Unterlage fest anliegt und geht mit der Hand intravelamentös nach 
oben. Man laßt also der Uterusinnenfläche ihren natüriichen Schutz, umnich' 




Technik der Wendung. 



385 



bakleriellen Scheideiiinhall in die Decidua hineinzudrücken. Un- 
mittelbar nach dem Blasensprunge hat das Kind seine freie BewegUchkcif 
noch nicht eingebüßt. Dies ■icürde erst der Fall sein nach mehreren Wehen. 

Während der Arm nach oben geschoben wird, wirft man von Zeit zu 
Zeit einen Blick unter den Arm. Oft wird jetzt Kot ausgepreßt, dessen 
Berührung mit dem Arme vermieden werden muß. Sobald man Kot be- 
merkt, hebt man den Ann, hält ihn ruhig und läßt erst mit großem, in 
Lysollösung getauchtem Wattebausch den After gründlich reinigen. Der 
Arm wird ebenfalls nochmals mit Lysollösung übergössen. 

Stehen der Kopf oder die Schultern scheinbar fest, so legt man die 

■ Frau in Sims' Seilenlage, wobei der Uterus vom Becken absinkt. Man 

umfaßt mit der einen Hand und mit dem Unterarme den Bauch und 

" drückt ihn der inneren Hand entgegen, damit man nicht etwa, Uterus 

plus Kind hochschiebend, den Uterus zerreißt. 

Tritt eine Wehe ein, so liegt die Hand im Uterus still, bis die Wehe 
vorüber ist Lebt das Kind, so ist mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß 
bald beim Abwarten wieder eine Pause in der Wehentätigkeit eintritt 
Bei dauernder Kontraktion aber, dem Tetanus uteri, ist das Kind längst 
abgestorben. 



Um eine Wendung schnell und glücklich zu vollenden, ist folgendes 
nötig: 

1. Die eine Hand üegt auf dem Bauche der Kreißenden, 
der durch ein in Desinfiziens getauchtes Tuch bedeckt ist Die äußere 
Hand muß sich gleichsam mit der inneren verstehen. Da, wo die innere 
Hand sich nach oben bewegt, drückt die äußere Hand den Uterus- 
inhah nach unten, der inneren Hand entgegen. Die äußere Hand hält 
den Uterus auf dem Beclieneingange fest, verhindert eine Dehnung des 
unteren Uterin Segmentes und fixiert das Kind, so daß die innere Hand 
sich, ohne das Kind zu verschieben, am Kinde verschieben kann. 

2. Man muß genau die Lage des Kindes kennen. War es 
unmöglich, z. B. wegen Widerstrebens der nicht Narkotisierten, dies durch 
äußere und innere Untersuchung vorher zu diagnostizieren, so geht man 
langsam in den Uterus ein und stellt die Diagnose beim Betasten des 
Kindes mit der ganzen Hand. Man darf nicht etwa schnell nach oben 
gehen, ohne bestimmt eu wissen, wo die Füße liegen. 

3. Die Vola manus muß stets der Bauchseite des Kindes 
gegenüberliegen. Dies ist bei dorsoanterioren Lagen eo ipso der Fall. 
Bei dorsoposterioren Lagen muß der hinten hochgeschobene Unterarm 
gesenkt und so gedreht werden, daß die Hand richtig liegt 

4. Man darf nie am Knie ziehen, sondern erst dann mit der Hand 

Frilsch. Oeburtshilte. 25 




L 



386 Neunzehntes Kapitel. 

nach abwärts gehen, wenn man den Fuß oder die Fiiße sicher gefaßt hat 
Da die Füße meist dicht nebeneinander liegen, so wird durch Aufsuciien 
des zweiten Fußes wenig Zeit verloren, und diese wird reichlich dadurch 
wieder eingebracht, daß beim Ziehen an beiden Füßen die Umdrehung 
und Extraktion des Kindes leichter ist, als beim Zuge an einem Fuße. 

Andererseits ist auch die Wendung auf einem Fuße möglich. 

5. Hat man die Füße erfaßt, so wird nach der Mitte gezogen, 
mit der Absicht, den Steiß des Kindes von der Uteruswand hinw^ nach 
der Mille hin zu bewegen. 

Die Wendung, d. h. die Umdrehung des Kindes ist vollendet, wenn 
das Knie des Kindes vor der Vulva liegt 

Unter allen Umständen ist jetzt eine kleine Pause zu machen. Durcii 
Kitzeln an den Fußsohlen überzeugt man sich, ob das Kind auf Reize 
reagiert, also lebt. Zuckende Bewegungen der Beine bedeuten Dyspnoe, 
vorzeitige Atembewegungen, Lebensgefahr für das Kind. Sie fordern 
also dringend auf, mit der Extraktion nicht zu zögern. 

Ist, wie öfter, die Nabelschnur vorgefallen, so prüft man, ob 
sie pulsiert Ist sie pulslos, also das Kind tot, so ist Eile nicht nötig. 

An die Wendung wird die Extraktion sofort angeschlossen, 
nachdem die Art der Beckenendlage erkannt ist. Es ist möglich, daß 
durch eine zufällige Kollision mit der Nabelschnur der Gasaustausch 
zwischen Mutter und Kind gestört ist Vorteilhaft ist es auch, die Nar- 
kose noch zu benutzen. Es ist zwecklos, zu warten. Je eher das lebende 
Kind erscheint, um so besser. 

Die Extraktion bei BeckeuendlageD. 

S. 100 sind die spontan entstandenen Becken endlagen geschildert, 
soeben die durch die Wendung künstlich hergestellten. Die Methode 
der Extraktion ist bei beiden gleich, nur muß noch die Therapie der 
vollkommenen Steißlagen nachgeholt werden. 

Extraktion am Steiß. 

Bei Steißlagen wartet man so lange ab, bis der vor der Vulva liegende 
Steiß eine gute Handhabe zum Anfassen bietet Die Ungeduld der Ge- 
burtshelfer hat eine ganze Reihe Methoden erfinden lassen, an dem nocli 
in dem Becken befindlichen Steiß zu extrahieren. Es ist zwar nicht w 
leugnen, daß bei Steißlagen, wie bei allen Lagen, Gefahren für Mutter 
oder Kind die schleunige Qeburlsvollendung indizieren, aber dies sind 
große Ausnahmen. Ebensowenig wie das Kind regelmäßig in Gefahr 
kommt, wenn der Kopf im Becken steht, ebensowenig ist das Kind in 




Extraktion bei Steißlagen. gSy 

Gefahr, wenn der Steiß längere Zeit im Becken verweilt Freilich ent- 
steht jetzt oft eine Geburtsverzögerung, weil der weiche Steiß den Becken- 
boden nicht so reizt, wie der große Kopf, und weil deshalb starke Preß- 
wehen oft lange auf sich warten lassen. Dann soll man von oben expri- 
mieren und nicht sofort extrahieren. 

Mag man Haken, Schlingen, Finger oder Zangen gebrauchen, um 
den hochstehenden Steiß herabzuziehen, alles ist gefährlich! Der Haken 
verletzt leicht das Kind, ebenso wie die Schlinge, die naß und gezerrf, 
nicht weich bleibt, sondern zu einem festen Strang wird, der leicht die 
Weichteiie durchdrückt oder durchsägt. Man soll in der Regel ruhig 
und geduldig warten, bis der Steiß geboren ist Dann aber soll man 
schnell die Gebärende aufs Querbett legen, in die hintere und vordere 
Hüftbeuge so einhaken, daß die Daumen auf dem untersten Teile des 
Rückens liegen, diesen vollends nach vorn drehen und kräftig nach oben 
ziehen. Ein starkes Heben des Steißes beim Zug läßt unten die Füße 
vorfallen. Jedenfalls ist es nicht nötig, sie zu lösen, da Das, was sicher 
spontan geboren wird, nicht mühsam herausgeholt zu werden braucht. 

Ist aber eine Indikation vorhanden, s. B. bei Eklampsie, bei Nahel- 
schnurvorfall , bei Kollaps der Mutter, so muß vor einem Eingriffe test- 
gestellt werden, ob das Kind auch sicher lebt Längere Zeil, auch nur 
zwei Tage abgestorbene Kinder zeigen deutlich das Abgehen von Haut- 
fetzen. Meconiumabgang ist kein Zeichen der Gefahr des Kindes, da 
wegen der Kompression des Beckenendes des Kindes das Meconium stets 
herausgedrückt wird. 

Ist das Kind tot so wendet man den stumpfen Haken an, den man 
leicht in die vordere, schwerer, aber wirksamer in die hintere Hüfte 
einsetzt Ob man das tote Kind verletzt, ist gleichgiltig. 

Lebt aber das Kind, und muss man es herausziehen, so wird sehr 
kräftiger Druck von außen mit beiden flachangelegten Händen an- 
geordnet Leider widerstrebt demselben oft die Mutter, da der Druck 
sehr schmerzhaft ist 

Dann bleibt nichts anderes übrig als am Steiße zu ziehen. Der 
Finger, der bei hochstehendem Steiß nur vorn eingehakt werden kann, 
ist nicht im stände, einen kräftigen Zug in der nötigen Richtung — 
gerade nach aufwärts — auszuüben. Man muß deshalb eine Schlinge 
einschieben. Da aber ein Hindurchziehen der nassen festen Schlinge 
die Weichteile verletzen kann, so muß die Schiinge zusammengerollt 
durch die Hüftbeuge geschoben werden. Die kleine Rolle wird mit 
, einem Finger der andern Hand zwischen den Beinen hervorgeholt und 
al^erollt Nunmehr kann man unter kräftiger Mithilfe der Frau und 
Expression von außen den Steiß schnell so tief ziehen, daß er vor der 




388 Neunzehntes Kapitel. ^^^^^^^^H 

Vulva erscheint Sobald dies der Fall ist, zieht man mit mmetHm^oTn 
eingeführten Zeigefingern den Steiß hervor, 

Extraktion bei Fußlagen. 

Besteht eine Fußlage vom Oeburtsbeginn her, so überzeugt man 
sich zunächst, ob der Muttermund erweitert oder wenigstens so weich isl, 
daß er voraussichtlich dem Durchtreten des Kindes keine großen Schwierig- 
keiten bereiten wird. 

Ist der Muttermund eng und hart, wie es namentlich bei vorzeitigem 
Fruchtwasserabflusse, also Wegfall der Wirkung der Fruchtblase, der 
Fall ist, so wartet man ab und widerrät der Kreißenden das Mitpressen, 
Freilich erweitern die Füße den Muttermund nicht mechanisch, aber 
beim Abwarten wird doch der Muttermund weicher, so daß man nach einiger 
Zeit unter geringerer Gefahr, die Cervix zu zerreißen, extrahieren kann, 

Muss, um das Kind zu retten, bei engem Muttermunde extrahiert 
werden oder schieben die Wehen das Kind so tief, daß Abwarten zur 
Kompression der Nabelschnur, zur Störung des Qasaustausches und zum 
Tode des Kindes führen würde, so sucht man mit der halben Hand den 
Mulfermund zu erweitern. Die Hand schiebt sich flach zwischen Kind 
und Cervix und hebelt durch Krummmachen der Finger den Mutter- 
mund nach oben über den Kindskopf hinweg. Ob dann dennoch ein 
Einriß zu stände kommt, hängt mehr von der individuellen ZerreiSiichkeil 
der Cervix ab, als von der Methode der Extraktion. Auch jetzt noch 
ist der Druck von außen außerordenUich wichtig. 

Stets muß man sich, auch bei vollkommenen Fußlagen, überzeugen, 
wie das Kind liegt. Die vorliegenden beiden Beine erfaßt man so, daß 
die Daumen der Hand des Geburtshelfers auf den Waden des Kirül^ 
aufliegen, während die andern Finger die Unterschenkel fest umfassen. 

Sind die Waden nach hinten gerichtet, so wird gedreht, um den 
Rücken des Kindes nach vorn zu bringen. 

Liegt nur ein Fuß vor und ist der Rücken nach vorn gerichtet, so 
extrahiert man an einem Fuß mit beiden Händen anfassend. Gelangt 
der Rücken nicht sofort nach vorn, so läßt man die Hebamme kräftig 
exprimieren, wobei man dann sieht, wie sich das Kind drehen ffifd- 
Diese Bewegung begünstigt man, um den Rücken nach vorn zu bringen. 

Ist ein Bein nach oben geklappt (unvollkommene Fußlage), so wrd 
es nicht etwa herabgeschlagen, sondern man verschafft sich nur durch 
Einhaken mit der Hand einen neuen guten Angriffspunkt zum Ziehen. 

Das Bein fällt bei der weiteren Extraktion von selbst heraus. 0*^ 
Herausfallen des nach oben geschlagenen hinteren Beines begünstigt lü 




Extraktion bei Fiifi lagen. 38g 

durch Erheben, der des vorderen durch Senken des geborenen Teiles 
des Kindes. Stets muß man so ziehend drehen, daß der Rücken des 
Kindes nach vorn kommt. Nach der Nabelschnnr jefzt zu fassen, um 
das Leben des Kindes zu konstatieren, ist nur Zeitvergeudung, man extra- 
hiert doch stets so schnei! als möglich und so langsam, daß man Ver- 
letzungen vermeidet Lebte das Kind sicher vorher, so wird es auch 
wiederbelebt, wenn es etwa durch Druck auf die Nabelschnur bei der Extrak- 
tion wenig Sauerstoff bekam. 

Ist die Spina scapulae sichtbar oder fühlbar, so geht man 
an die Armlösung, Die eine Hand ergreift beide Füße des Kindes 
und hebt es hoch nach der Seite, die der nach hinten gerichteten 
Schulter des Kindes entgegengesetzt ist. Jetzt geht die halbe Hand des 
Geburtshelfers über den Rücken des Kindes nach oben, während der 
Zeigefinger parallel neben der Wirbelsäule liegt. Sobald die Finger über 
die Schulter gelangt sind, wird der Zug an den Beinen verstärkt und 
der Oberarm des Kindes wird nach der andern Seite herausgedrückt 
Er wird sofort erfaßt und rechtwinklig zum Kinde gehalten. Mit dem 
Arme wird die hintere Schulter nach oben gehoben, während gleichzeitig 
die andere Hand die Beine stark senkt. Dann wechseh man die Hände, 
die Beine werden wieder nach oben gehoben und die andere Hand löst 
den andern Arm. Sobald er herausgefallen oder herausgedrückt ist, 
wirft man das Kind über diesen Unterarm und sucht, mit der Hand 
vorwärts dringend, den Mund des Kindes auf. In ihm drückt man 
auf den Unterkiefer und die Zungenwurzel, wodurch man dem Kopf 
eine solche Drehung um seine Querachse gibt, daß das Gesicht nach unten 
und das Hinterhaupt nach oben kommt 

Es wird also das Kinn stark abwärts gezogen. Erst darnach 
geht die andere Hand mit gespreizten Fingern über die Schultern des 
Kindes. Der Hals liegt zwischen dem Zeigefinger und dem nächsten 
Finger, Jetzt drückt die Hebamme von außen stark auf den Kopf und 
der Geburtshelfer zieht das Kind so nach oben heraus, daß es möglichst 
vom Damm hinweg bewegt wird. Am Ende liegt das Kind mit seinem 
Rücken fast dem Unterleibe der Mutter auf. Bei dieser Methode ge- 
lingt es oft, selbst bei der Primipara den Damm zu erhalten. 



Das geborene Kind wird schnell herumgedreht, so daß man Gesicht 

und Thorax sieht Pulsiert die Herzgegend deuUich, reagiert das Kind 

auf Anblasen durch Verziehen des Gesichtes, so ist es außer Gefahr. 

Reagiert das Kind nicht auf Anblasen und pulsiert das Herz nicht, so 

I ist es tot Pulsiert aber das Herz noch und reagiert das Kind nicht auf 




3Q0 Neunzehntes Kapitel. 

Anblasen, so ist es scheintot: asphyktisch. Reagiert das Kind bei nor- 
malem Herzschlage, ohne zu atmen, so befindet es sich im ungefähr- 
lichen Zustande der Apnoe. Es wird schnell abgenabelt. Durch Aus- 
wischen des Mundes mit dem Finger, Schwenken des Kindes an den 
Beinen, Aussaugen des Rachens mit einem Katheter wird der über dem 
Kehlkopf liegende Schleim entfernt. 

Dann legt man das Kind auf ein Kissen, schiebt je vier Finger 
beider Hände unter den Rücken und drückt mehrmals nach einander 
schnell elastisch auf den Thorax. Kommt dadurch die Atmung nicht in 
den Gang, so macht man Schultzesche Schwingungen. Das Kind 
wird mit beiden Händen so ergriffen, daß der Rücken dem Geburts- 
helfer zugewendet ist. Vier Finger jeder Hand liegen auf dem Rücken 
des Kindes, mit dem Daumen umfaßt man die Claviculargegend, die 
Daumenballen halten den Kopf. Man senkt das Kind tief und erhebt es 
nun im schnellen Schwünge nach oben, so daß der kindliche Körper 
vornüber zusammenklappend den Thorax stark komprimiert. Hierauf 
macht man mit dem Kinde im kräftigen Schwünge den Weg nach unten 
wieder zurück. Wird dies richtig ausgeführt, so gelingt es erstens den 
eventuell eingesaugten Schleim aus dem Thorax in den Mund auszu- 
pressen, zweitens gelingt es selbst bei totem Kinde, oft mit deutlich 
hörbarer Inspiration, Luft in die Lunge des Kindes zu befördern. Hat 
man dies 3 — 4 mal wiederholt, so wird das Kind im Bade wieder er- 
wärmt und auf den Rücken gelegt. Dann wird in der vorher be- 
schriebenen Weise durch Druck mit dem Daumen die Expiration und 
durch die eigene Elastizität der sich erhebenden Rippen die Inspiration 
eingeleitet. 

Betrachtet man den Thorax, so beginnt oft die Atmung als eine 
schnelle flatternde Bewegung des Thorax. Meist kommt dann ziemlich 
schnell eine tiefe Inspiration in den Gang. Das Kind schreit laut und 
ist gerettet. 

Auch wenn es nicht gelingt, das Kind völlig wiederzubeleben, schlägt 
mitunter das Herz, allmählich erlahmend, noch lange Zeit weiter. Ja selbst 
ein Schrei oder eine tiefe seufzende Inspiration wird oft gehört, obwohl 
nur ein sehr kleiner Teil der Lunge lufthaltig wurde. Dann stirbt das 
mühsam «wiederbelebte« Kind in den nächsten 24 Stunden. 



Ohne hier die in den Operationskursen gelehrten Technicismen 
ganz erschöpfen zu wollen, müssen doch einige Schwierigkeiten bei 
der Extraktion besprochen werden. 

Die Armlösung ist dann nicht schwierig, wenn man der Natur 



Die Extraktion nach der Wendung. 3g 1 

nachahmend, das Kind nur während der Wehe oder eines die Wehe 
ersetzenden starken äußern Drucks extrahiert, wenn man dabei die natür* 
liehen Drehungen möglichst b^^ünstigt, die eventuell nicht narkotisierte 
Kreißende mitpressen läßt und wenn man nichts überhastet, sondern lang- 
sam zieht 

Wird berichtet, daß bei einer Beckenendlage die Armlösung schwierig 
war, daß die Arme unnatürlich lagen, z, B. im Nacken, so ist häufig 
falsch extrahiert Auch daß der Rücken hinten liegt und hinten bleibt, 
ist oft die Folge falscher Manipulationen, d. h. zu starken gleichmaf^igen 
Zuges ohne Berücksichtigung der natürlichen Drehungen. 

Aber bei Wendungen im engen Uterus und bei Extraktion a'as 
engen Becken hat man es nicht in der Gewalt, die Arme günrJg auf 
der Brust des Kindes zu erhalten. Einer oder dtr andere Arm !:>gt 
mitunter gerade gestreckt nach oben, auch hinter dem Ohr fAtr in: 
Nadcen. Dann wird die Arrnlösur.g nicht anders als oben fctv±r:^':*ii 
gemacht Nur das Schieben des Annes nach vom ist oft r*:',r.t ^-i'r.v^^ 
ja, ist fehlerhafter Weise der Rumpf zu tief gtzogtZy vj jcann e^ ganz 
unmöglich sein* den Arm zwischen Kcpf und P.-omor.:on-m r.ir.Z'^rJr, 
zu zwingen- Dana brich: leicht der Arm oder es %zri «o lar^f^-a^n ex- 
trahiert, da3 das Kind strhi 

ihn of: von inürn herauszfehen. Die Vcla mar.us ^eht iLc-er der: Th'.rajt 
unterhalb des K":::des >i h:ch r-a::h cbe::, dai die fr.^ertc.^j^t -hrrr der. 
Ellbogen r.^ir Dir::: zieht ri^:: den .Arm üc-er O^t.iht •.:•':: TrcTi-r 

Der K 2^ ü-mTi* z^z.t, e ne -"^'-r^ti^^e n^ ' ^"'z e"i ^t^i ii^^ rr "".e*'' 

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3g2 Neunzehntes Kapitel. ^^^^H 

läge des Arms, jedesmal erneuert. Der Druck konsolidiert sich^HnaP 
ohne dauernden Schaden. Derselbe Verband wirdbeiClavicularbrücfien 
oder Lösungen der Epiphyseii gemacht 

Prognostisch sehr ungünstig sind Nervenzerreißungen oder Deh- 
nungen. Beweist die Lösung der Hand, daß die Nerven verletzt sind, 
so bleibt meist dauernde Lähmung und Atrophie zurück. 

Der Oberschenkel bricht sowohl durch direkten Druck, als auch 
dadurch, daß ihm eine zu starke Druckbewegung mitgeteilt wird. Er wird 
nach oben geschlagen, an dem Bauche mit einer Rollbinde angebunden 
und heilt in 3 Wochen. Schädel Verletzungen wurden S. 356 besprochen. 

Verfahren bei Unmöglichkeit der Wendung. 

Kommt man erst, nachdem viel kräftige Wehen nach dem Fnidit- 
wasserabflusse dagewesen sind, zu einer Querlage, zu einer sog, „ver- 
schleppten Querlage", so liegt die Schulter schon tief im Becken, ja in 
der Vulva. Diese klafft und aus ihr heraus hängt der blaurote dicke 
ödematöse Arm. Eine so tiefe Lage der Schulter beweist, dal) das 
Becken nicht oder nur wenig verengt ist. 

Auch jetzt überzeugt man sich zunächst vom Tode oder Leben des 
Kindes. Wohl stets ist es abgestorben. Dann sucht man; um zu wiesen, 
wo der Rücken liegt, die Processus spinosi auf, sie sind bei diesen fällen 
leicht zu erreichen, Der Orund, weshalb das Kind nicht wie ein Taschen- 
messer zusammenklappt, ist die Resistenz der Wirbelsäule. Sie wird durch- 
schnitten: Spondylotomie, Ich habe dies mit der Smellieschen Schere, 
auch mit einem Messer gemacht. SchuHze empfiehlt das über die 
Schneide gekrümmte, schon bei Mauriceau abgebildete scharfe Messer, 
das unter der Haut über die Wirbeisäule gebracht, gedreht und abwärts 
gezogen die Wirbelsäule durchschneidet. Ist die Wirbelsäule an einer 
oder zwei Stellen durchtrennt, so faßt man das Kind an und zieht das 
Beckenende herab. Beim Einsetzen eines stumpfen Hakens in den After 
oder Vulva oder über das Beckenende zwischen die Beine gelingt es oft 
überraschend leicht, das Beckenende herabzuziehen. Sind die Beine heraus- 
gekiappt, so werden die Arme schnell gelöst, ob sie dabei brechen oder 
nicht, ist gleichgiltig. Der Kopf wird entwickelt. 

Steht aber beim engen Becken die Schuller hoch, so zieht man 
die vorliegende Hand sehr stark an und zwar nach dem Beckenende do 
Kindes. Dabei spannt sich die Haut des Halses straff an, weil der Kopf 
auf der Linea innominata oben festgehalten wird. Nun übergibt man de" 
Arm der Hebamme, die ihn stark nach der Seite anzieht und festhält 

Dann gehen zwei Finger einer Hand an den Hals des Kindes, so 



Verfahren bei Unmöglichkeit der Wendung. 



393 



[er eine Finger vor, der andere hinter dem Halse liegt. Jeder Finger 
kontrolliert ein Scherenblalt, der mit der andern Hand hochgehobenen 
Schere. Man nimmt die Smelliesche Schere, oder eine große ge- 
krümmte Schere. Nachdem ein Loch in die Haut geschnitten, geht der 
Finger in das Loch der Haut und wühlt sich vorn und hinten unter der 
Haut so hoch, daß die Haut abgeschoben und die Wirbelsäule isoliert ist. 
Dann wird die Schere in das Loch geschoben. Sie durchschneidet die 
sich anstraffenden Weichteile bis an die Wirbelsäule. Man bemerkt, wie 
nach jedem Schnitte der Arm etwas tiefer gezogen werden kann. Schließ- 
lich durchlrennt man mit kräftigem Scherendruck die Wirbelsäule. Weicht 
sie auch zuerst aus, so wird sie doch allmählich durchschnitten. Die 
mütterlichen Weichteile sind völlig geschützt, da die Schere subkutan 
schneidet. Nach Durchtrennung der Wirbelsäule gleitet mit einem Ruck 
die Schulter sehr tief. Die Haut strafft sich so an, daß sie sehr leicht 
von der weichen Vagina unterschieden wird. Sie wird allmählich mit 
der Schere durchschnitten, was wiederum deshalb leicht ist, weil bei jedem 
Schnitte sich der Rest der Haut straffer anspannt und somit leichter sich 
von der sammetw eichen Vaginal wand unterscheiden läßt. Schließlich 
reißt die letzte Hautbrücke durch und das Kind gleitet schnell heraus. 
Ist der Rumpf entfernt, so geht man mit der halben Hand ein, sucht sich 
unter Mithilfe von außen den Mund des Kindes auf, hakt sich hier ein 
und zieht den Kopf heraus. Gelingt es nicht leicht in den Mund zu 
kommen, so rotiert man mit 2 Fingern den Kopf, während er von außen 
entgegen gedrückt wird. Ich habe den Kopf auch schon mit stumpfem oder 
scharfem Haken, auch mit dem Kraniokiast extrahiert Da der Kopf durch 
den Blutverlust kleiner geworden, so ist er auch beim engen Becken leicht 
zu entfernen. Ist das Becken sehr eng, so wird der Kraniokiast in dem 
Foramen magnum angelegt. Beim Zuschrauben quillt das Gehirn heraus 
und der Kopf folgt leicht. 

Zur Abtrennung des Kopfes wendet man auch den sog. Braunschen 
Schlüssel haken an, den Zweifel dadurch verbesserte, daß er zwei Haken 
konstruierte, die zusammenpassen. Es wird der Kopf durch Drehen der 
I Haken vom Rumpfe abgerissen. Daß dabei eher eine Quetschung und 
iVerletzung der Weichteüe zu stände kommt, als wenn man die Weichteile 
[bei der schneidenden Dekapitation kaum berührt, dürfte zweifellos sein. 

Andererseits sind diese Fälle selten. Hat sich Jemand auf sein Ver- 
fahren eingeübt und hat er damit gute Erfolge, so wird er nicht das ße- 
jiiürfnis haben, andere Verfahren zu lernen und zu üben, die er für 
falsch hält. 





394 



Zwanzigstes Kapitel. 

Zu starke und zu schwache Wehen. 

Die absolute Kraftleistung der Wehen hat man wiederholt mathe- 
matisch zu bestimmen gesucht. Für die Praxis ergaben diese Arbeiten 
wenig Resultate, denn absolut schwache Wehen, können bei geringem 
Widerstände stark genug sein, um die Geburt schnell und glücklich zu 
beendigen, absolut sehr starke aber bei großem Widerstände zu schwach 
sein, um die Geburt fertig zu bringen. 

Andererseits muß man die Wehen relativ zu starke nennen, die für 
den vorliegenden Fall die Geburt zu schnell, überstürzt, präzipitiert 
vollenden, und die Wehen relativ schwache, die ohne Erfolg mit zu 
großen Pausen einen Geburtsfortschritt nicht bewirken. 

Zu starke Wehen. 

Bei heimlich Gebärenden, die den Akt möglichst zu beschleunigen 
suchen, bei großer geistiger Erregung, bei günstigen Geburtswegen ver- 
läuft oft die Geburt so rapide, daß die Kreißende, fast unzurechnungs- 
fähig eine Geburtsstätte bezw. das Bett nicht aufsucht oder nicht mehr 
aufsuchen kann. Sie kommt an einem beliebigen Orte in irgend einer 
zufälligen Körperhaltung im Stehen, im Kauern, im Knieen plötzlich nieder, 
so daß das Kind gleichsam aus den Genitalien herausschießt oder herausfällt 
Bei diesem Fall ist eine Verletzung des Kindes möglich, wenn z. B. der 
Kopf auf Stein fällt oder die Treppe herabrollt. Dann entsteht eine 
Schädelfraktur, auch ein großer Dammriß bei der wSturzgeburt«. 

Deutet die Primipara, unbekannt mit dem Geburtsgeschäft die Wehen 
als Darmkolik, kommt sie auf dem Kloset nieder, so kann das Kind in 
das Kloset bezw. in die Klosetgrube fallen, dabei eine Schädelfraktur er- 
leiden, oder im flüssigen Kote ertrinken. 

Gerichtsärztlich würde es also möglich sein, eine unwissende Pri- 
mipara von jeder Schuld am Tode des Kindes in solchem Falle freizu- 
sprechen, während eine Multipara, die weiß, was Wehen sind und wie 
die Geburt verläuft, schwerer zu exkulpieren ist. Sie würde es nicht 
glaubhaft machen können, daß sie Wehen für Stuhldrang gehalten hätte. 

Aber auch bei Geburten unter der Beobachtung einer Hebamr»^ 
oder des Arztes gibt es Fälle, wo die Wehen Schlag auf Schlag folg^^' 
wo die Kreißende verzweiflungsvoll, unvernünftig, ohne einen Rat zu ^^' 
folgen, mit größter Kraft mitpressend, einen großen Dammriß erleide 



Zu starke und zu schwache Wehen. 395 

Der Arzt legt die Kreißende in solchen Fällen auf die Seite, entzieht 
ihr die Möglichkeit, sich mit den Händen festzuhalten und die Beine an- 
zustemmen. Er befiehlt, schnell zu atmen, wobei es dann unmöglich ist, 
die Bauchpresse anzustrengen. 

Bei sehr starken Wehen sind Brüche des Sternums beobachtet Eigen- 
tümlich sind die Fälle, wo im Kehlkopf eine Kontinuitätstrennung entsteht 
und Luft in das lose Bindegewebe gepreßt wird: subkutanes Emphy- 
sem, Am Halse, ja bis in die Hand hinein kann die Luft in die binde- 
gewebigen Interstitien gelangen, so daß man 'das Knistern beim Betasten 
oder beim Händedruck fühlt Erleichternd wirkt ein Geschwür im Kehlkopf. 
Bei tuberkulösen Zerstörungen im Kehlkopfe ist öfter solches Hautem- 
physem beobachtet Die Luft verschwindet langsam unschädlich. 

Zu schwache Wehen. 

Daß bei kleinem sog. pubescentem, d. h. in der Entwicklung zurück- 
gebliebenem Uterus die Wehenwirkung eine schwache sein kann, dürfte 
aprioristisch angenommen werden. So stellen sich z. B. am Ende der 
Schwangerschaft im rudimentären Hörne, das nur eine dünne Muskel- 
wand hat, zwar Wehen ein, sie erlahmen aber bald. In ähnlicher Weise 
wurden bei gleichmäßig verengtem Becken, bei infantilem Habitus, bei dem 
auch der Uterus klein ist, oft schwache Wehen notiert. 

Daß es überhaupt Uteri gibt, die gleichsam träger, wenig reizbar 
sind, und solche, die eine hohe Irritabilität besitzen, beweist am besten 
der verschiedene Verlauf der künstlichen Frühgeburt. Es besteht nicht 
selten das, was die Alten Inertia uteri nannten. Der Uterus reagiert 
auf alle die Reize, die gewöhnlich die Wehen hervorrufen oder verbessern, 
sehr langsam. In anderen Fällen wiederum treten sofort kräftige und 
dauernde Wehen ein. Ja während in einem Falle das Zerren und Dik- 
tieren am Muttermunde kaum eine Wehe bewirkt, tritt in anderen beim 
Touchieren, beim Eindringen mit der Hand in den Uterus sofort eine 
heftige langdauernde Kontraktion ein. Man beobachtet, daß die Irritabi- 
lität bis zu einem gewissen Momente der Geburt steigt und dann wieder 
abnimmt Leider gibt es darüber noch keine wissenschaftlichen Arbeiten, 
die für die Praxis verwertet werden könnten. 

Mitunter läßt sich zwar der Geburtsbeginn diagnostizieren, aber ein 
Fortschritt tritt nicht ein. Ja der Muttermund, schon durchgängig, schließt 
sich wieder, die Schmerzen, resp. Wehen hören auf und die Geburt be- 
ginnt erst nach Tagen, Auch kommen lange Pausen vor, so daß eine 
Kreißende stundenlang schläft Nach der sehr wünschenswerten Ruhe, 



396 



Zwanzigstes Kapitel. 



die psychisch gut einwirkt, wird dann die Wehentätigkeit auffallend g 
Hysterische, nervöse Personen haben öfter ganz unregelmäßige Weh^^. J 

Da im allgeineinen die Wehenkraff mit dem Widerstände wächsl, 
sind die Wehen oft auch dann schwach, wenn der Reiz auf das unte/t J 
Uterinsegment fehlt oder zu gering ist. So tritt eine sekundäre Weher,. F 
schwäche z, B. bei karzinomatöser Zerstörung des unteren Uterinse^- 
mentes, oder bei Placenta praevia centralis ein, bei der die enorme Oe- 
fäßentwickelung in der Decidua basalis die Muskulatur verdrängt hat. 

Der fehlende Druck auf die Cervix bei Hochstand des Kopfes über 
dem engen Becken, bei Qucrla-gen, namentlich bei Hängebauch, bei dem 
das untere Uterinsegment leer bleibt, veranlaßt Wehen schwäche. Auch 
ein Vorfall eines Armes neben dem Kopfe, wodurch das Eintreten des 
abgewichenen Kopfes unmöglich ist, hält das Eintreten kräftiger Weher» 
und somit die Geburt auf. 



Bei zu großer mechanischer Dehnung des Uterus, z. B. bei Hy^- 
dramnios, bei Zwillingen und bei übertragenen Riesenkindern, sif» -^ 
oft die Wehen schwach. 

Erschöpfung führt ebenfalls zu Wehenschwäche. So sieht m^^*^ 
z, B, bei alten Erstgebärendea nach tagelanger fruströser Geburtsarb^^™! 
eine völlige Erlahmung der austreibenden Kräfte. Der Uterus wird (ta^^M 
druckempfindlich, die Schwangere hat keine richtigen Wehen mehr, kla^fl^ 
aber fortwährend über Schmerzen. Kommt es dann, wie so oft b- 
langdauernden Geburten, zu Fieber, so hat man das Bild des Telani— 
uteri inflammatorius der alten Autoren. 



Die Wirkung der Bauchpresse ist nicht selten eine höchst u "*^- 
genügende. Sind die Recti stark auseinandergewichen, besteht eine Hern *2 
lineae albae, so schieben sich die Recd bei der Anspannung wahrer^*'' 
der Kontraktion noch mehr auf die Seite, der Uterus liegt in der Heim ■' 
und der Fruchtach send ruck fällt fast vollständig weg. Die Kreißentri^ 
kann die Wehen nicht ^ verarbeiten", nicht „mitpressen". 

Da die Bauchpresse aus der dem Willen unterworfenen Muskulal«-*^ 
besteht, so wird auch, wenn der Wille mitzuhelfen gering ist, die Wiikiir^^ 
der Bauchpresse gering sein. So sieht man nicht selten, daß die Schmerz- ^3" _ 
bei dem Eindringen des Kopfes in die Vulva die Schwangere zu f»rt-i 
währenden lauten Schmerzensäußerungen veranlaßt, die dann eine kräfti£f W 
Mithilfe verhindern. Die Kreißende unterstützt die unwillkürliche An- 
strengung des Uterus nicht durch Anstrengung der willkürlichen ßaucA- 
muskulatur. 




Therapie der Wehenschwäche. 397 

Starke Füllung der Urinblase, oder der Schmerz, der in einer 
Leisten- oder Schenkelhernie entsteht, führen ebenso zu Wehen- 
schwäche. Freilich reponiert sich meist die Hernie in der Schwanger- 
schaft von selbst, aber bei sehr großer Bruchpforte werden bei der An- 
strengung der Bauchpresse mitunter die Eingeweide so stark in den 
Bruchsack gepreßt, daß er anschwillt und als harte Geschwulst über- 
dachend die Vulva verlegt Es muß dann die Zange angelegt werden. 



Therapie. 

Bei der Therapie muß man unterscheiden zwischen Wehenschwäche 
beim Beginne der Geburt, Wehenschwäche während der Er- 
öffnungsperiode, Wehenschwäche in der Austreibungsperiode 
und Wehenschwäche in der Nachgeburtszeit, die bei den Nach- 
blutungen besprochen wird. 

Bei engem Muttermunde und stehender Blase befindet sich 
das Kind in denselben Verhältnissen, wie in der Schwangerschaft, also 
außer aller Gefahr. Es wäre ein Fehler, nur weil die Gebärende Be- 
schleunigung wünscht, irgend etwas zu machen. Heiße und medikamen- 
töse Ausspülungen lädieren das Oberflächenepithel der Scheide und 
Portio und schaden deshalb. Noch verkehrter wären Manipulationen, wie 
bei der künstlichen Frühgeburt. Man muß mit der psychischen Behand- 
lung, zu der auch innere indifferente Mittel gehören, auskommen. So 
hat man kleine Chinindosen, Natron biboracicum usw. gegeben. Eine 
Polypragmasie zu dieser Zeit kann viel Unheil stiften. Selbstverständlich 
würden Fieber, Eklampsie, Dyspnoe, Herzfehler usw. bestimmte Indika- 
tionen zum Handeln abgeben. 

Auch in der Eröffnungsperiode verhält man sich passiv. Man 
läßt die Kreißende die Seitenlage einnehmen, auf welcher der Kindesteil 
liegt, der nach unten treten soll, also z. B. bei erster Schädellage liegt 
die Kreißende auf der linken Seite. 

Sehr falsch ist es, die Blase vorzeitig zu sprengen. Dadurch erreicht 
man gerade das Gegenteil. Die Wehen hören auf, weil die Blase nicht 
mehr und weil der Kopf noch nicht die Cervicalganglien reizt. Die 
Blase darf erst dann gesprengt werden, wenn der JVluttermund 
völlig eröffnet ist 

Besteht ein Hängebauch, so wird er, während die Hand per 
vaginam den Beckeneingang abtastet, von der Hebamme hoch gehoben 
und seitlich hin und her geschoben. Fühlt man dann den Kopf im 



3g8 Zwanzigstes Kapitel. 

Beckeneingange, so wird in dieser Lage des Bauches der Leib durch 
eine Leibbinde fixiert Oft treten, wenn der Kopf richtig liegt, sofort 
Wehen ein und die Geburt erfolgt in Minuten, während vorher bei ab- 
gewichenem Kopfe in Stunden kein Fortschritt eintrat. 

Erlaubt ist stets das Reiben des Fundus und die Expression, d. h. eine 
künstliche Nachahmung der Fruchtachsenwirkung in der Art, daß man 
das Gesicht den Füßen der Kreißenden zugewendet mit beiden Händen 
das Kind seitlich umfaßt und nach abwärts drängt. Dadurch drückt 
man den Kopf gegen das untere Uterinsegment, resp. reizt man die Cer- 
vicalganglien. Ist auch der Effekt der dann entstehenden Wehen zunächst 
gering, so führen doch schwache Wehen zum Eintreten stärkerer Wehen 
und zur Verstärkung der Wehentätigkeit im allgemeinen. 

In der Austreibungsperiode, nach Abfluß des Fruchtwassers, 
kommt bei zu langer Dauer der Geburt oft das Kind in Gefahr. Bei 
jeder Wehe wird der Uterus etwas kleiner, damit werden alle Gefäße in 
ihm kleiner, es zirkuliert weniger Blut, weniger Sauerstoff wird auf- 
genommen, mehr Kohlensäure bleibt im Kinde: das Kind stirbt ab. 
Es ist also sehr notwendig, nach Abfluß des Fruchtwassers sorgfältig zu 
auskultieren. Wird das Kind unruhig, bewegt es sich, was man sowohl 
äußerlich wahrnimmt, als auch dadurch, daß man beim Touchieren den 
auf den Finger sich verschiebenden Kopf fühlt, werden die Herztöne 
auffallend schnell, sind sie danach dauernd deutlich verlangsamt, geht 
Meconium ab, so ist das Kind in Lebensgefahr. Es bezieht nicht mehr 
genügend Sauerstoff von der Mutter. Wenn man dem Kinde nicht eine 
neue Zufuhr aus der atmosphärischen Luft zugänglich macht, so wird es 
„asphyktisch«, erstickt, stirbt an Kohlensäureintoxikation. 

Der Sektionsbefund bei diesen intrauterin gestorbenen Kindern 
ist charakteristisch. Die Leiche ist meist mit Meconium besudelt, das in 
der Eihöhle sich verbreitete, resp. in dem restierenden Fruchtwasser sich 
aufgelöst hat Ein solches Kind sieht blaß-weiß aus. Es hat stets Atem- 
bewegungen vorzeitig gemacht und Das bei dem fruströsen Atmen in 
den Mund und die Lunge eingesaugt, was sich vor dem Munde befand. 
Man findet also in den Bronchien meconiumf arbige Massen. Auf Pleura, 
Herzbeutel, auch auf dem Herzen selbst sieht man die sog. sub pleu- 
ralen Ekchymosen, die bei den Saugbewegungen entstehen, flohstich- 
artige, kleine, linsengroße, dunkelblutig aussehende Sugillationen. 

Diese Gefahr für das Kind ist also die Folge der für den indivi- 
duellen Fall zu schwachen, effektlosen Wehen. Da man diese Gefahr 
ganz sicher voraussieht, so wird man nicht warten, bis sie in hohem 



Beckenausgangszange. 399 

Maße vorhanden ist, sondern man wird, prophylaktisch handelnd, es gar 
nicht zu der imminenten Lebensgefahr kommen lassen. Also bei jeder 
Verzögerung der Austreibungsperiode wendet man Mittel gegen die 
Wehenschwäche an. Es sind zunächst psychische Mittel. 

Die Kreißende wird aufgefordert, mit zu helfen, mitzupressen, die 
Wehen gut zu verarbeiten, die Bauchpresse willkürlich anzustrengen. 
Es wird der Kreißenden auseinandergesetzt, daß, falls sie sich nicht an- 
strengt, ihr Kind stirbt, daß, um diese Gefahr zu vermeiden, sie selbst 
mit helfen kann und muß. Man gibt Anleitung, daß gerade während 
der Wehe, die man durch Reiben und Drücken hervorruft, mit ge- 
preßt wird. 

Seit alters her wird in dieser Zeit der Geburt Mutterkorn (Seeale) 
verabreicht Die Regel ist folgende: Da Seeale nicht richtige Wehen, 
sondern nur Uteruskontraktionen macht, so kommt das Kind, wenn es 
nicht bald geboren wird, in der oben geschilderten Weise in Lebens- 
gefahr. Man darf also Seeale erst dann geben, wenn man die 
Beendigung der Geburt in der Hand hat. Bei Kopflage, wenn 
die Zange angelegt werden kann, bei Steiß- und Beckenendlagen, 
wenn der Muttermund soweit geöffnet ist, daß die Extraktion sofort ge- 
macht werden kann, bei Querlage aber niemals, weil die Kontraktion 
den Uterus eng macht, die Wendung erschwert und die Gefahr der Zer- 
reißung, der violenten Ruptur nahe bringt. 

Seeale gibt man in Dosen von 1 Gramm in Zwischenräumen von 
10 Minuten 2 — 3 mal. Hilft das nichts, so sind weitere Dosen zwecklos, 
ja sie führen oft nur zu Nausea und zu Erbrechen. 

Die Beckenausgangszange. 

Ist die Kreißende zu schwach und zu erschöpft, um kräftig mitzu- 
pressen, verarbeitet sie also die Vehen schlecht, ist die Lebensgefahr des 
Kindes diagnostiziert, so ersetzt man die mangelnde Kraft von oben 
durch die Zugkraft von unten, d. h. man legt die unschädliche Kopf- 
zange an. 

Die Gebuh muß bis zu einem Stadium vorgeschritten sein, die eine 
Zangenanlegung und Extraktion unschädlich geschehen läßt, d. h. die 
Bedingungen der Zange müssen erfüllt sein: Der Muttermund 
muß gedehnt oder dehnbar sein, die Blase muß gesprungen sein, der 
Kopf muß zangenrecht stehen, d. h. mit seinem größten Umfange unter 
dem Beckeneingang oder schon völlig im Becken stehen. Der Kopf 
muß wohlgestaltet sein, nicht zu klein, dann ist die Zange unnötig (Hemi- 



400 



Zwanzigstes Kapitel, 



kephalus) und nichl zu groß, dann ist die Zange unmöglich (Hydroke- 
phalus). Das Becken darf nicht zu eng sein (s. S. 359). 

Wäre der Muttermund eng, so würde er zerreißen, die Frau könnte 
aus der Rißwunde verbluten. Auch hier wieder sind die Gefahren des 
Abwartens und die des Eingreifens gegen einander abzuwägen. Das 
Abwarten kann z. B. bei Fieber oder Eklampsie oder Dyspnoe bei Lungen- 
und Herzkrankheiten so lebensgefährlich sein, daß ein Einriß derCerra 
ungefährlicher ist als das Abwarten. Es sind also Umstände möglidi, 
die es gebieten, auch bei nicht eröffnetem Muttermund die Zangen- 
extraktion zu machen. Also man soll vor allem das Leben und 
die Gesundheit der Mutter berücksichtigen. Das Lebendes 
Kindes ist nie so hoch zu bewerten wie das der Mutter. Schwanger- 
schaft kann noch oft eintreten; die spätere Schwangerschaft kann eventuell 
in irgend einer Weise zu glücklichem Ende geführt werden- Der Tod 
der Mutter macht allem ein Ende, und eine schwere puerperale Krank- 
heit hat oft Sterilität im Gefolge. 

Steht der Kopf nicht im Becken, so soll in der Regel die 
Zange nicht angelegt werden. Man soll vielmehr den Kopf in das 
Becken hineindrücken (vgl. S. 359) und erst dann die Zange applizieren. 
Von dieser Regel gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. So würde inan 
vielleicht bei Hängebauch und Nabelschnurvorfall die Wendung machen. 
Es gelingt aber nicht in den Uterus einzudringen, weil sofort beim Be- 
rühren der Cervix kräftige Wehen entstehen und den Kopf festpressen. 
Dann schnell zur Zange greifend, hat man bei weitem Becken mitunter 
das Glück, den Kopf günstig zu fassen und das Kind lebend zu extra- 
hieren. Es ist ein Versuch, der nicht forciert werden darf, der bei kleinem 
und weichem Kindskopfe und nicht zu engem Becken gelingt 

Auch bei Placenta praevia ist öfter mit der Zange noch am besten 
die Geburt schnell zu beendigen. 

Sind also die Bedingungen vorhanden, so legt man die Frauaufs 
Querbett, bereitet alles zum Empfang des Kindes vor (Badewasser, Ka- 
theter usw.), überzeugt sich nochmals, ob Mastdarm und Blase entleert 
sind, desinfiziert sich und die Vulva und legt die Zange'an. 

Der mit der linken Hand gefaßte Löffel wird in der linken Seile 
des Beckens, nachdem man den Weg bis in die Cervix mit den Fingern 
der andern Hand aufgesucht hat, auf der Volarseite dieser Finger nsch 
oben geschoben. Nach Wechseln der Hände der rechte Löffel rechK 

Die Zange wird geschlossen. Während man den ersten Zug aus- 
führt, untersucht man, ob die Zange am Kopfe festliegt und wie die 



Üeburishilf liehe Verletzungen der Mutter 



401 



Fontanellen und Nähte sich zur Zange verhalten. Man ahmt den be- 
kannten Mechanismus nach, zieht also bei erster Lage die kleine Fonta- 
I nelle nach rechts der Mitte zu und bei zweiter nach links. 
1 Wird der Kopf sichtbar, so zieht man, wieder den natürlichen Aus- 

. trittsmechanismus nachahmend, den Kopf nach oben um den Arcus pubis 
. herum. Eine Hand zieht an der Zange, die vier Fingerspitzen der andern 
I schieben die vorderen Weichteiie hinter das Hinterhaupt in den Nacken des 
Kindes. Ist das Hinterhaupt frei, so wird durch Druck auf den Vorderdamm 
j, die Slim nach oben gedrückt. Spannt sich der Damm zu sehr an, so 
I macht man auf der Seite des Hinlerhauptes nach dem Tuber ischii zu 
I' mit der Schere einen kräftigen Schnitt, der nach der Oebut vernäht wird. 
f Klaffen die Zangengriffe während des Zuges, so ist der Kopf un- 

( günstig im Längsdurchmesser gefaßt. Dann dreht man die Löffel in 
|, der Art, daß sie an die Enden des Querdurchmessers des Kopfes gelangen. 
Sonst würde sie abgleiten. Daß diese Gefahr besteht, merkt man aus 
der Vergrößerung der Entfernung des Schlosses der Zange vom Kopfe. 
Diese Entfernung soll nur so lang wie (1er Zeigefinger sein. Wird sie 
größer, so «öffnet man die Zange", nimmt sie aber nicht etwa heraus, 
sondern schiebt jeden einzelnen Löffel, einen nach dem anderen, wieder 
I' nach oben. 



} 



Der Dammschutz ist nicht anders als der bei der spontanen Geburt 



l S. 133 geschilderte. Die Einzelheiten der Technik können hier nicht in 
extenso geschildert werden. Ich verweise auf mein Buch: i,Klinik der 
geburtshilflichen Operationen". 

Vor jeder Zangenextraktion muß man sich vom Leben oder Tode 
des Kindes überzeugen. Ist es sicher abgestorben und ist ein Dammriß 
zu fürchten, so muß der Schädel verkleinert werden; wird dadurch auch 
nur der Dammriß verhütet, so ist doch der Vorteil groß. 



Einundzwanzigstes Kapitel. 

Geburtshilfliche Verletzungen der Mutter. 

Sehr selten wird das knöcherne Becken zersprengt, und zwar 
meist bei schweren Zangengeburten. Es kommt vor bei männlich ge- 
lormten, spitzwinkeligen Arcus pubis und bei Trichterbecken. Hebt der 
Geburtshelfer mit großer Kraft die Zangengriffe, ehe das Hinterhaupt den 

ritsch, Gfburtshilte. 3Ö 



402 Einundz«anzigsles Kapitel. 

Schambogen passiert hat, so drückt er gewalfsam den Arcus pubis und 
die Symphyse auseinander. Dabei kann die Scheide abgequetscht werden, 
so daß ein QuerriD, bis durch die Urethra gehend, die Scheide durch- 
trennl. Auch ein Sacroiliacalgelenk kann zerplatzen. 

Bemerkt man die Verletzung, so wird ein fester Beckengürtel angelegt 
Die Prognose ist gut, wenn nicht von der vereiternden Scheidenquetsdi- 
wunde das zersprengte Gelenk infiziert wird, [n diesem Falle gibt es 
im besten Falle lange Eiterungen. Es können aber auch Nekrosen, 
Sequestrierungen am bloßgelegten Gelenk resp. am Knochen entstehen. 

Bei der Differentialdiagnose zwischen Primiparen und MuUiparen 
wird besonderer Wert auf die Beschaffenheit der Portio vaginalis gelegt 
Sie zeigt fast bei jeder Frau, die geboren hat, „Einrisse", oder vieimelir 
Narben von schlecht verheilten Einrissen herrührend. Der äußere 
Muttermund ist oft in zwei „Lippen" geteilt; meist ist ein seitlicher Einriß 
größer und zwar auf der Seite, die dem Hinterhaupte bei der ersten 
Geburt entsprach. 

Bei zu zeitig, d. h. vor völliger Eröffnung des Multeniiundes ange- 
legter Zange, oder Extraktion bei Beckenendlage sind die seitlichen Einrisse 
oft sehr groß. Sie können, die Cervix völlig durchtrennend, das Para- 
metrium eröffnen und auch das obere Drittel oder die Hälfte der Scheiden- 
wand spalten. Dann findet man typische gerade nach unten verlaufende 
Narben, die Scheide, Parametrium und Beckenwand vereinigen, den Uterus 
fixieren, seine physiologischen Lageändenmgen verhindern und dadurch 
mancherlei Symptome machen. Namentlich wenn der Riß bis an das 
Peritonaeum reichte und nicht per primam heilte, setzt sich die entzünd- 
liche Wundreaktion auf das Peritonaeum, seine Duplikaturen und auf dif 
Uterusadnexe fort. Es bilden sich verzerrende Adhäsionen, Produkte 
chronischer Para- und Perimerlritis, die den Grund dauernder Schmerzen 
und akquirierter Sterilität abgeben. 

Über die Blutungen beim Eintreten dieser Risse werde ich bei den 
Nachblutungen sprechen. 

Bei Spontangeburten kommt selten ein großer seitlicher EinriB 
vor. Es ist dann wohl eine individuelle leichte Zerreiß lieh keif ebenso iU 
beschuldigen als überstürzte Wehentätigkeit. 

Der Muttermund ist mitunter außerordentlich eng und klein, so klein, 
daß man eine Öffnung mit dem Finger nicht fühlt Ja dieser kleine 
Muttermund kann sogar in der Schwangerschaft völlig verkleben: Con- 
glutinatio orificii externi. Bohrt man aber mit dem Finger da ein 
wo ein Grübchen den Muttermund andeutet, so gelingt es stets, df" 
Muttermund zu finden und zu eröffnen. 




Rigidität des Muttermundes. 403 

Eigentümlich ist, daß wenn dieser oige Muttermund sehr weit hinten 
liegt, der Kopf die Cervix und das untere Uterinsegment ganz enorm 
ausdehnt Erst wenn der Finger den Muttermund etwas auseinander- 
drückt, oder wenn man ihn mit der Schere einschneidet, erfolgt schnell 
die Erweiterung. 

Abnorme Rigidität des Muttermundes kommt bei alten Primiparen 
vor. Der äußere Muttermund bildet einen harten, didcen, wulstigen, un- 
nachgiebigen Ring, der vom Kopf bis in, ja bis vor die äußeren Geni- 
talien getrieben wird. Mitunter macht es den Eindrudc, als ob der 
Muttermund bei den Wehen eher enger -als weiter würde. 

Schneidet man den festen Ring nicht rechtzeitig durch und sind die 
Wehen sehr stark, so gibt die verdünnte Cervixwand nach: es entsteht 
ein Riß oberhalb des äußeren Muttermundes. Durch den Riß kann der 
Kopf passieren. Dann hängt nach der Geburt der Ring des Mutter- 
mundes, durch eine Brücke meist hinten mit dem Uterus verbunden, in 
die Scheide herab. Auch kann der Ring völlig abreißen, so daß er, durch 
die hervorquellende Kopfgeschwulst festgehalten, nach der Geburt auf 
dem Kopfe aufsitzt 

Manchmal reißt auch der Ring durch, oder wird vom Geburtshelfer 
durchrissen, so daß die Fetzen in die Scheide herabhängen. Li^ eine 
Hälfte zufallig in einer Scheidenwunde, so heilt sie hier ein. Man findet 
dann in der Scheide eine Art Henkel, durch den man den Finger 
schieben kann. 

Selbst bei einem Aborte führt die Unnachgiebigkeit des Muttermundes 
zu einem Einriß, so daß das ganze Ei aus einem seitlichen Risse der 
Cervix herauspassiert. 

Die Rigidität hängt auch mit habituellem Prolaps des Uterus zu- 
sammen. Die Portio ist dabei hypertrophiert, lag in der Zeit der Nicht- 
schwangerschaft vor der Vulva, wurde hier hart, lederartig, hypertro- 
phisch, zog sich aber wegen der Anteflexion des hochschwangern Uterus 
in die Scheide nach oben zurück. Man findet die völlig unnachgiebige 
Cervix in der Scheide, der Cervixkanal ist röhrenförmig und diktiert 
sich trotz kräftiger Wehen nicht Zieht man am Kinde z. B. am Becken- 
ende, so zieht man den festen Muttermund bis weit vor die Genitalien 
herab. Vor der Vulva zerschneidet oder zerreißt man die Portio, kann 
sie hier gut behandeln, die spritzenden Gefäße erkennen, die Blutung 
stillen und den Riß durch die Naht vereinigen. 

Die Rigidität des Muttermundes ist auch mitunter eine narbige. 

26* 



404 



Einundzwanzigsles Kapitel. 



Wenn die Cervix bei einer schweren Geburt gequetscht und vielfach 
rissen gangränös zu Grunde gehl, so bildet das obere Ende der Schi 
eine feste Narbenmasse, durch die ein so enger Kanal zieht, daß z 
Menstrualblut und Spermatozoiden durchpassieren, aber später eine 
weichung und Erweiterung bei der Geburt nicht eintritt. Solche f^.^ 
waren wiederholt Indikationen zum Kaiserschnitt. Er sollte d^a_ 
nicht zu spät gemacht werden, denn wennschon Fieber eingetre-ft 
so ist die Prognose außerordentlich ungünstig. 

Gewaltsame Zersprengung so fester Narbenmassen durch die Hai 
bei der Wendung, durch das Kind bei der Extraktion an den Füßea 
oder mit Zange oder Kranioklast, machen die schwersten Verletzungen, 
Während bei normalen Verhältnissen der Ureter und die Arteria uterina 
gewöhnlich nicht durchreißen, sondern ausweichen, zerreißen beide Röhren, 
wenn sie an Narben festsitzen, nicht ausweichen und nicht gedehnt werden 
können. Zerreißt aber die Uterina, namentlich bei narbiger Fixation des 
Parametrium an der Beckenwand, so ist die Portio nicht herabzuziehen 
und die Patientin verblutet sich trotz Tamponade oder Anwendung von 
styptischen Mitteln. 

Auch in der Scheide kann das Oeburtshindernis liegen. 
Es kommen sichelartige Halbstenosen der Scheide vor, die, zersprengl, 
zu großen Blutungen Veranlassung geben. 

Fleischige Stränge, die von einer Seite zur andern ziehen und das 
Herabtreten des Kopfes verhindern, sind nicht selten. Sie werden einfadi 
zerschnitten. Untersucht man später, so findet man oft keine Spur des 
früher sicher gefühlten Stranges, weil ein „Strang" nicht existierte, sondern 
der gefühlte Strang aus einer ausgezogenen Verklebung, resp. Verwachsung 
der Scheide gebildet war. Diese Verwachsungen sind oft als Folgen 
rudimentärer doppelter Scheide aufzufassen. 

Bei richtiger Verdoppeln ng erfolgt die Geburt meist ohne Hindernis 
durch die eine der beiden Scheiden. Die Mißbildung wird dann zufällig 
bei der Geburt und auch erst später im Wochenbette entdeckt. 

Das Hymen setzt normalerweise der Geburt kein Hindernis in den 
Weg. Es kann aber so fleischig und dick sein, daß es nach dem Zer- 
reißen stark blutet. Ja ich mußte schon in der Hymenwunde eine kleine 
spritzende Arterie unterbinden. 

Bei einem siebförmigen Hymen: cribriformis, gelangen durch die 
kleinen Löcher des beim Coitus eingestülpten Hymen die Spermatozoiden 
in die Scheide und den Uterus, so daß Schwangerschaft eintritt Bei oa 
Geburt aber drängt der Kopf das rote, glatte gedehnte Hymen vor sich 




Thrombus vulvae. 



405 



' her, ohne es zum Platzen zu bringen. Dann stirbt schließlich das Kind 
ab. Fäulnisbakterien gelangen in die Scheide, das tote Kind verfault, wenn 
nicht rechtzeitig nach operativer Zerstörung des Hymen das Kind extra- 
hiert wird. 

Man macht mit Messer oder Schere einen Kreuzsdinitt in das Hymen, 

vorauf sich meist sehr schnell die Vulva erweitert Ist das Kind tot und 
die Vulva so rigide, daß Einreißen gefürchtet wird, so macht man auch 

jetzt noch die Perforation, um eine größere Wunde in der lokal infizierten 

X'ulva zu vermeiden. 

ii 

\> Über den Dammriß und seine Behandlung ist S. 133 — 140 das 

j^ötige auseinandergesetzt 

|i An der Vulva kommen auch Einrisse in der vorderen Hälfte vor, 

j'^renn die sehr blutreichen Weichteile in der Nähe der Harnröhrenmün- 
riung in der Nähe der Cliloris auseinanderplatzen. Es handelt sich 
meist um kleine, nur auf einer Seite befindliche oberflächliche Kontinui- 
lätstrennungen, die aber ganz enorm bluten. Das Blut ist hellrot, da 
arterielles Biut beigemischt ist Trotz guter Kontraktion des Uterus, trotz 
Fehlens eines Cervixrisses oder einer Scheidenverletzung, strömt das Blut 
ununterbrochen aus. Man muß in solchen Fällen bei guter Beleuchtung 
die Vulva ringsherum absuchen und abtupfen. Entdeckt man dann die 
kleine, stark blutende Wunde, so wird sie durch 2 oder 3 Nähte ge- 
:,,schlossen. Kompression, selbst mit styptischen Mitteln, ist nicht immer 
|genfigend, auch wenn man sie längere Zeit fortsetzt 

f 

Unter Thrombus vulvae versteht man die Fälle, wo ein großes 
Gefäß in der Tiefe unter einer Schamlippe zerreißt und eine große 
Blutmenge sich in das weiche, verschiebliche Gewebe unter die äußere 
Haut ergießt Meist entdeckt man erst einige Tage post partum die Ge- 
schwulst, da sie langsam wächst Sie erreicht Kindskopfgröße und reicht 
bis an den Anus und hat oft eine ganz unregelmäßige Form. 

Die Haut über ihr kann durch den Blutfarbstoff, der in die Gewebe 
«indringt, völhg schwarz aussehen. Mitunter ist die Scheidenhaut ober- 
; halb verletzt, so daß oben in der Vagina cire kleine Öffnung besteht, aus 
' der das dunkle Blut abfließt Dann ist auch Verjauchung möglich. In 
, der Regel aber kommuniziert das Hämatom nicht mit der äußeren Haut 
I Dann bleibt es aseptisch liegen und resorbiert sich langsam. 
I Man behandelt mit antiseptischen Umschlägen z. B. mit Liquor alu- 

1 minii acetici. Eröffnet man das Hämatom, so muß dies mit so großem 
iSchnitte geschehen, daß man nach Ausdrückung und Ausspülung die Höhle 




4o6 



Einundzwanzigstes Kapitel. 



übersehen kann. Noch nach mehreren Tagen findet man das zerrissene 
Oefäß nicht verstopft, sondern weiter blutend. Dann macht man in 
der Tiefe einige Umstechungen, tamponiert die Höhle mit Jodotormgaze 
fest aus und fixiert den Verband durch eine T-Binde. Kleine, bedeutungs- 
lose Hämatome bilden sich auch häufig im Anschluß an die Dammnaht, 
von einem Stichkana! ausgehend, der in der Tiefe zufällig ein Oefäfl ver- 
letzte. 

Die Uterusruptur. 

Schon beim engen Becken, beim Hydrocephalus und beiden 
Querlagen mußte wiederholt die Uterusrupiur erwähnt werden. Wenn 
nach langer vergeblicher Wehentätigkeit die Uterusmuskulatur sich mehr 
und mehr an dem Kinde nach oben zieht, das untere Uterinsegment aber, 
der Cervicaikanal und die benachbarte Scheide überdehnt wird, so ent- 
steht die spontane Uterusruptur. 

Die gedehnte Uteruswand im unteren Uterinsegment ist unter diesen 
Verhältnissen nicht dicker als i^ — 3 Millimeter. 

Zudem ist das untere Uterinsegment ungleichmäßig gedehnt Bei 
Lateralflexion, wie sie ja schon physiologisch als Dexteroversio uteri 
existiert, ist die eine Seite zusammengeschoben, die andere gedehnt Da 
wo z. B. bei Stirneinstellung das dicke Hinterhaupt über dem Becken- 
eingange liegt, ist die Verdünnung größer, als auf der anderen Seite. 

Wirken dann kräftige Wehen, kann aber der zu große Kopf den 
Beckeneingang nicht passieren, so weichen die Muskelfasern auseinander, 
es bildet sich im unteren Uterinsegment seitlich gleichsam ein neuer 
Mutlermund, in den der am meisten hervorragende Teil des Kopfes oder 
lies Kindes sich einbohrt 

Die entstehende Wunde kann plötzlich die Uternswand zersprengen, 
so daß das Kind durch ein großes Loch sofort in die Bauchhöhle ge- 
langt: komplete Uterusruptur. Dies ist ein überaus seltenes Er- 
eignis. 

Häufiger bleibt das Kind im Uterus, dessen Innenraum nach Ent- 
stehung des Loches größer geworden ist, liegen, weil die Expulsivkraft 
des Uterus nach seiner Verwundung, resp. Zerreißung völlig erlahraL 
Dann ist es möglich, daß der Riß die Peritonäalhöhle eröffnet oder daß 
er 2war den Uterus, nicht aber das Peritonaeum durchtrennt: inkomp)el£ 
Uterusruptur. Eine Kontinuitätstrennung des Uterus, bei der nur die 
Muskulatur zwischen Kopf und Promontorium oder vorderer Becken- 
wand gleichsam zerrieben, zerquetscht ist, nennt man „Drucfcusur", Bei 
ihr tritt nicht durch Verblutung Todesgefahr ein, wohl aber kann die 
gedrückte, anämisierte Stelle gangränös werden, so daß sie nach Tage" 




Die Uterusniptur. 407 

'nekrotisch erweicht und ausfällt Dann entstehen Perforationen hinten 
nach dem Douglasischen Räume, vorn nach der Blase: Blasenscheiden- 
f istein. 

Da bei der Uterusruptur sehr blutreiche Gewebe zerreißen, blutet 
es stark. Es kommen aber sehr verschiedene Arten der Blutung vor. 
Bei einer plötzlichen kompleten Ruptur sind die Verhältnisse ähnlich wie 
beim Kaiserschnitt. Der Uterus zieht sich sofort, nachdem das Kind ihn 
verlassen, zusammen. Es kann dann jede Blutung und somit aucfi jedes 
Symptom einer Blutung, resp. der akuten Anämie fehlen. Die tödlich 
Verletzte macht zunächst, ehe Sepsis sich entwickelt, einen günstigen 
Eindruck. In anderen Fällen aber läuft sofort der ganze Bauch voll 
Blut, ebenso fließt Blut nach außen und der Tod tritt schnell durch 
Blutverlust ein. 

Schließt bei der kompleten Ruptur der Kopf die Cervix ab, so 
blutet es nach oben, das Blut läuft in die Peritonäal höhle und es ent- 
stehen die Symptome der inneren Verblutung. Ist der Riß ein inkom- 
pleter, blieb das Peritonaeum erhalten, so wühlt sich das Blut einen 
Raum unter dem Peritonaeum im Subserosium, es bildet sich seitlich 
vorn ein Hämatom, Untersucht man und leitete man dadurch Luft in 
die Scheide, so mischt sich das Blut mit Luft. Es entsteht beim kombi- 
nierten Drucke auf das Hämatom emphysemalöses Knistern. 

Eine große Rolle bei der Entstehung und Form der Ruptur spielen 
, frühere Entzündungen. Bei alten perimetritischen und parametriti sehen 
Narben ist das Peritonaeum fixiert. Dann tritt eine weite Abhebung 
nicht ein, sondern eine komplete Zerreißung, 

Das Loch im Peritonaeum ist meist klein. Der Riß im Uterus kann 
10 cm lang sein und das Loch im Peritonaeum nur für einen Finger 
durchgängig. Dabei ist aber das Parametrium bis an die Beckenwand 
aufgeplatzt. Die Blutung ist in diesen Fällen mitunter so bedeutend, daß 
binnen wenigen Stunden, ja binnen Minuten der Verblutungstod eintritt. 

Die spontan entstehenden Risse verlaufen sowohl senkrecht als wage- 
recht, sie befinden sich an der Seite, 

I Wenn nach Einführung der Hand des Geburtshelfers der Riß ent- 
steht, so nennt man dies: violente Uterusruptur. Die Hand drang 
in den Uterus, dessen Raum zu gering ist, um neben dem ohneiiin schon 
fest umklammerten Kinde noch die Hand, resp. den Unterarm aufzu- 
nehmen. Der plötzlich überdehnte Uterus platzt auf. Will der Geburts- 
helfer sich zu den Beinen des Kindes gewaltsam hinarbeiten, so schiebt 
er das Kind plus Uterus nach oben und reißt dabei den Uterus quer ab, 




408 Einundzwanzigstes Kapitel. 

und zwar da, wo er am dünnsten ist: im unteren Uterinsegment, resp. 
in der überdehnten Cervix. 

Besonders gefährlich ist das gewaltsame Nadiobendringen, wenn die 
Hand vorn hinter einem Ramus horizontalis des Schambeines kräftig 
nach oben geschoben wird. Dann kann der Uterus so abgerissen werden, 
daß vorn nur die Ligamenta rotunda den Uterus noch festhalten und 
hinten nur eine Ideine Brücke erhatten bleibt {Fig. 73). 




at Lif!ani«nta rotundi. 

naeum. (f Hafipfannen, ä Ulenianiptur: rol. gg 

physe. Man sieht in der Miltc der Figui den Pni 

naeutn hat sich nach oben zurückKCZogm, b, der at. 

ti^tiss« d liegt über dem Beclieniand, zwischen beiden uu cniuiuuic 
unter« Uterins^ment mit dem rot gezeichneten Risse. 

Der Uterusrtß, wie er im Präparate erscheint, hat nicht mehr die 
Form und Größe, wie bei der Entstehung. Bei der Umdrehung des 
Kindes während der Wendung, bei der Extraktion, bei der Bewegung der 
Hand des Geburtshelfers im Uterus wird der Riß größer. Nach Ent- 
leerung des Uterus kollabieren die Gewebe und der Riß wird wieder 
kleiner. 



Symptome und Verlauf der Uterusruptur. 409 

In die Scheide setzt sich der Riß oft fort Sie kann auch allein ein- 
reißen, namentlich bei Querlagen. 

Risse im Fundus uteri sind ebenfalls beobachtet Ja sogar in der 
Schwangerschaft kann infolge von Gewalteinwirkung der Uterus platzen. 
2L B. bei einem Tritt gegen den Bauch, bei einem Sturz auf den Bauch, 
ja selbst bei starkem Pressen beim Stuhlgang ist schon der Uterus ge- 
platrt. In diesen Fällen ist eine Prädisposition nicht von der Hand zu 
weisen. Wie z. B. eine dünne Kaiserschnittwunde aufplatzt, so auch ein 
Uterus, dessen Muskulatur überhaupt als ein Symptom des Infantilismus zu 
dünn war, oder vielleicht durch frühere Entzündungen stellenweise in 
unnachgiebiges, unelastisches, narbiges, festes Gewebe überging. 

Ssrmptome und Verlaiif. 

Schon ehe die Ruptur komplet ist, reagiert die Kreißende auf die 
beginnende Kontinuitätstrennung des Uterus. Der Puls wird auffallend 
schnell und das Allgemeinbefinden wird schlecht Das Schmerzgefühl 
ist nicht auf die Wehe beschränkt, sondern dauert ununterbrochen an, 
so daß dem Geburtshelfer, selbst dem Laien das auffallende Schlechter- 
werden des Zustandes der Gebärenden auffällt. Oft steigt auch die 
Temperatur um einige Zehntel Grade. 

Untersucht man, so findet man das Ligamentum rotundum, bei Seiten- 
lagerung des Uterus nach rechts oder links und umgekehrt, stark gespannt 
als fingerdicken, empfindlichen Strang. Der Uterusfundus ist dick und 
hart, man fühlt oben Kindesteile nicht durch. Unten aber im stark ver- 
dünnten unteren Uterinsegment, unterhalb des harten dicken schräg ver- 
laufenden, sich deutlich markirenden Konträktionsringes ist der Kopf 
sowohl in der Wehenpause als auch in der Wehe überraschend leicht 
zu fühlen, besonders auf der Seite, wo er am meisten hervorragt, auf der 
Seite des Hinterhauptes. 

Fühlt man bei der inneren Untersuchung eine Kopf geschwul st 
und trotzdessen den Kopf beweglich, so ist gewiß schon eine den 
Uterusinnenraum vergrößernde Kontinuitätstrennung der Uteruswand 
vorhanden. Denn wäre alles noch normal, so müßte bei bedeutender 
Kopfgeschwulst der Kopf feststehen. Oder wäre der Kopf noch beweg- 
lich, so könnten die Wehen noch nicht kräftig gewesen und folglich 
könnte eine bedeutende Kopfgeschwulst noch nicht vorhanden sein. 

Die Wehen hören, wenn der Uterus völlig entleert und das Kind 



410 Einundzwanzigstes Kapitel. 

in die Bauchhöhle ausgetreten ist, plötzlich auf. Aber auch bei inkom- 
pleten Rupturen, selbst bei Druckusur bestehen zwar heftige Schmerzen, 
aber keine regelmäßigen effektvollen Geburtswehen. Dies ist ein so 
sicheres Symptom der Uterusruptur, daß, wenn dem Arzte von dem 
rufenden Laien berichtet wird, die Wehen seien kolossal stark gewesen, 
dann hätten sie plötzlich ganz aufgehört, die Kreißende sei schwach und 
befinde sich sehr schlecht, habe Ohnmächten gehabt, oder sei bewußtlos 
gewesen, er schon per distance die Uterusruptur diagnostizieren kann. 

Ein ferneres Zeichen ist die Blutung. Wo eine Wunde entsteht, 
blutet es. Geht also bei einer so schweren Geburt, daß man an Uterusruptur 
denken kann, plötzlich Blut in größerer Menge ab, so beweist dieses 
Blut, daß eine Wunde entstanden ist, und diese Wunde, diese Kontinui- 
tätstrennung befindet sich im unteren Abschnitte der Uterus, es ist eine 
beginnende Uterusruptur. 

Da es sich meist um länger dauernde Geburten handelt, so ist leider 
auch oft die Kreißende schon infiziert, sie fiebert, was die Prognose 
außerordentlich verschlechtert 

Das Kind ist in solchen Fällen, bei sehr großer Pulsbeschleunigung, 
also verringertem Blutdrucke der Mutter in der Regel abgestorben. 

Bei violenter Ruptur, die der Arzt macht, wird das Kind, wenn es 
vorher lebte und das Becken eine schnelle Extraktion gestattet, auch oft 
lebendig extrahiert Der Vorgang spielt sich zu schnell ab, als daß das 
Kind geschädigt würde. 

Daß die Uterusruptur unter der Hand oder vielmehr über der Hand 
entsteht, fühlt der Geburtshelfer. Während er früher nur sehr schwer 
die Hand bewegen konnte, ist auf einmal die Bewegung frei und die 
Umdrehung des Kindes gelingt auffallend leicht Das Auseinanderweichen 
des Uterus wird auch direkt bei der Umdrehung oder beim Herabziehen 
des Beines wahrgenommen. 

Wenn auch die Uterusruptuf stets eine lebensgefährliche Verletzung 
genannt werden muß, so kommt doch manche Frau mit dem Leben davon. 
Zwei Gefahren liegen vor: die Verblutungsgefahr und die Infektion. 
Steht die Blutung und betraf die Zerreißung einen aseptischen Uterus, so 
verklebt das Peritonaeum sehr schnell. Es kann schon nach 2—3 Tagen 
jede Gefahr beseitigt sein. Fieberte aber die Frau schon vor der Ent- 
stehung des Risses, so ist sie infiziert und meist, trotz aller Therapie 
verloren. 



Therapie bei Uterusruptur, Prophylaxe. 411 

Therapie. 

Prophylaxe. 

Die Prophylaxe besteht im allgemeinen in der richtigen Leitung der 
Geburt beim engen Becken. Es kommt also auch die künstliche Früh- 
geburt bei Mehrgebärenden in Betracht 

Die Kreißende mit engem Becken soll sich sofort legen, sie soll das 
Mitpressen unterlassen, zu dem sie oft schon beim Eintreten des Kopfes 
in den Beckeneingang das Gefühl auffordert Sie soll still liegen. Der 
vorzeitige Fruchtwasserabfluß ist verhängnisvoll, deshalb soll vor dem 
Wasserabflüsse nur sehr vorsichtig und in der Wehenpause untersucht 
werden. 

Seitenlage ist anzuordnen, und zwar Lage auf der Seite, auf der das 
Hinterhaupt des Kindes liegt Der Uterus sinkt dann nach dieser Seite 
herab, wodurch der Oberdehnung entgegengewirkt und das Hinterhaupt 
nach unten dirigiert wird. 

Die beste Prophylaxe ist die zeitige Entbindung. Ich habe 
sehr oft in diesem Buche darauf hingewiesen, daß bei allen schweren 
Geburten stets das Leben des Kindes festgestellt werden muß, daß, so- 
bald das Kind sicher tot ist, jede Verzögerung der Entbindung ein Fehler 
ist Sobald es der Muttermund irgend gestattet, ist nach dem Tode des 
Kindes sofort der Kopf zu perforieren, oder das Kind zu zerkleinern 
und sofort zu extrahieren. Diese so einfache selbstverständliche Regel 
wird leider oft vernachlässigt! Sei es, daß eine Wendung forciert wird, 
obwohl das Kind schon tot ist, oder daß sie nicht unterbrochen wird, 
sobald der Tod des Kindes während der Manipulationen eingetreten ist 
Wie mancher Arzt, der das Kind retten wollte, opferte Mutter und 
Kind! 

Die Erweiterung des Muttermundes muß durch den langsam mit dem 
Kranioklast herabgezogenen Kopf bewirkt werden. Das Einlegen eines 
viel Raum beanspruchenden Kolpeurynters vor dem Kopf wäre bei dro- 
hender Uterusruptur nach dem Wasserabflüsse ein Fehler. 

Ist auch der Kopf beweglich, so gelingt es doch leicht, ihn von außen 
so fest zu halten, daß die Smelliesche Schere in den Schädel zu bohren 
und daß in dies Loch der Kranioklastarm einzuführen ist Gerade hier 
bewährt sich der Kranioklast, der Raum für sich gar nicht beansprucht 

Bei hochgerücktem Kontraktionsringe, bei Überdehnung des unteren 
Uterinsegmentes oder der Scheide und bei plötzlich sehr stürmisch 



[ 



^12 Ein uiidz wanzigstes Kapitel, I 

werdenden Wehen, die schnell die Ruptur zu stände bringen, scheue man 
sich nicht, auch ein lebendes Kind zu perforieren. Bei der Uterus- 
ruptur stürbe das Kind doch ab, wenn auch nicht sofort, so doch wegen 
des engen Beckens bei der Armlösung und bei der Kopfentwickelung. 
Viel mehr wert ist das Leben der Mutter. Wird sie nach einigen Tagen 
ihrer Pflicht, ihrer Familie gesund wiedergegeben, so ist der Erfolg ge- 
wiß ein besserer, als wenn man unter großen Gefahren ein asphyktisches 
Kind mit gebrochenen Extremitäten, verletzten Nerven stammen und ein- 
gedrücktem Schädel lebend oder vielmehr sterbend extrahiert! Durch 
Entstehen oder WeiterreiBen eines Risses kann die Mutter sofort verbluten. 
Dies ist bei der größten Geschicklichkeit nicht immer zu vermeiden, denn 
ob Narben im Parametrium existieren, kann man nicht mit Sicherheil 
wissen oder ausschließen. 

Muß man bei engem Uterus bei Querlage prophylaktisch, um die 
Uterusruptur zu vermeiden, eine Wendung machen, so sei sie möglichst 
eine kombinierte. Es wird nur die halbe Hand in den Uterus eingeführt 
und sie geht möglichst an das Kind angedrängt nach oben. Die 
äußere Hand drängt das Beckenende des Kindes der inneren Hand ent- 
gegen. Man sei nicht darauf erpicht, beide Beine zu ergreifen, sondern 
begnüge sich mit dem zunächstliegeiiden Fuße. Zieht man an ihm stark, 
so kommt, wenn auch die Umdrehung nicht sofort gelingt, doch das , 
Beckenende der inneren Hand näher, so daß das andere Bein dann leichler 
zu holen ist, als wenn es hoch oben lag. Sind beide Beine nach unten 
geschlagen, so gelingt stets die Wendung. 

Ist das Kind vom Uterus fest umklammert, so ist es auch stets ab- 
gestorben, denn um diesen Grad der Kontraktion, des Tetanus uteri zu 
erreichen, müssen viel Wehen vorhanden gewesen sein, die dann die , 
Blutzirkutation im Uterus so störten, daß der Gasaustausch zwischen Mutter , 
und Kind längst unterbrochen ist. Es ist dann bei sehr starkem Anziehen , 
des Arms die Dekapitation mit der Schere die für die Mutter sicherste 
Entbindungsmethode. ' 

Diagnostiziert man die schon vorhandene Uterusruptur, so ist eben- 
falls die Entleerung des Uterus sobald als möglich zu erzielen. Und tvi3' 
ist die Entbindung so zu machen, daß der Uterusinhalt nicht um die | 
Hand des Geburtshelfers oder um Instrumente vermehrt wird. DasVer- ■ 
fahren ist dasselbe wie bei der drohenden Uterusruptur. 

Merkt man bei einer schweren Wendung, daß der Uterus 




Therapie bei Uterusruptur. 413 

zerreißt, hat man also eine violente Uterusruptur selbst gemacht, so 
darf man, auf die Gefahr hin, daß die Wunde beim Weiteroperieren größer 
reißt, die Wendung und Extraktion nicht unterbrechen. Es ist so schnell 
als möglich die Extraktion anzuschließen, da die große Wunde erst nach 
Entleerung des Uterus klein wird. Man exprimiert so schnell als mög- 
lich die Placenta, die in diesen Fällen meist leicht abgeht. 

Ist das Kind ganz durch den Riß getreten, so kommt es darauf 
an, wo es liegt. Durch Palpation und kombinierte Untersuchung wird 
festgestellt, ob das Kind dicht am Uterus liegt oder entfernt vom Uterus. 
Fühlt man durch den Riß die Beine des Kindes, so kann, wie ich in 
einem Falle erlebte, das Kind bei einer inkompleten Ruptur subperitonäal 
liegen. Es wird dann durch den Riß schnell per vias naturales extrahiert. 

Ist aber der Uterus völlig kontrahiert, so daß der harte, nach vorn 
oder der Seite verschobene Körper des Uterus deutlich zu fühlen ist, 
liegt das Kind entfernt vom Beckeneingange, sind sogar schon Stunden 
seit der Entstehung der Ruptur verflossen, so wäre es falsch, in die 
Bauchhöhle durch den schon klein gewordenen Riß einzudringen und 
ihn mit dem Kinde aufzureißen. 

Es ist dann die Laparotomie, als einzig richtige Methode, das 
Leben der Mutter zu retten, geboten. Die Unterlassung wäre eine Fahr- 
lässigkeit Freilich unter ungünstigen Verhältnissen wird die Mutter wohl 
stets sterben, weil sie vorher infiziert war. Ich habe nur in der Klinik 
einmal ein gutes Resultat gehabt. 

Ist das Kind und die Placenta extrahiert, so handelt es sich nun- 
mehr um die Nachbehandlung, resp. um die Behandlung der 
Uteruswunde. 

Hier liegen zwei Gefahren vor: Verblutung und Sepsis. Was 
zunächst die Gefahr der Verblutung anbelangt, so stehen sich hier Theorie 
und Praxis oft unvereinbar gegenüber. Theoretisch muß man zugeben, 
daß die einzig sichere Methode der Blutstillung hier wie überall das 
Zugänglich- und Sichtbarmachen der blutenden Fläche ist. Theoretisch 
ist es logisch, daß man in jedem Falle laparotomiert und die spritzenden 
Gefäße unterbindet Denn es blutet am stärksten nicht der Uterus oder 
die Cervix, sondern das aufgerissene Parametrium. Dies kann man nicht 
nach unten ziehen, oder von unten so übersehen, daß die Blutung 
sicher zu stillen wäre. 

Aber für den Arzt wird es schwierig, ja unmöglich sein, die als 
richtig erkannte Theorie in die Praxis überzuführen. Wird eine solche 



414 



Zweiundzwanzigsfes Kapitel. 



k 



Patientin sofort in eine Klinik gebracht, spielen sich die Vorbereitungen 
schnell und sicher ab, ist die Antisepsis und Asepsis gut gewahrt, ist 
Assistenz und alles Material genügend vorhanden, kann sofort eine Salz- 
wasserinfusion gemacht werden, so wird die Prognose hier, wie bei jeder 
anderen schweren Laparotomie, gut sein. Bei wenigen Fällen wird aber 
alles dies zutreffen! Welche kostbare Zeit geht dabei verloren, den Ver- 
wandten die Situation klar zu machen, sich die Einwilligung zu ver- 
schaffen, Assistenten und Operations bedarf herbeizuholen! Das sind oft 
fast unüberwindliche Schwierigkeiten, die es erklärlich erscheinen lassen, 
daß in der Privatpraxis in solchen Fällen selten laparotomiert isl. 

Die theoretisch weniger richtige Tamponade der Vagina und der 
starke Kompressionsverban d wird auch fernerhin anzuwenden sein. Ich 
sage absichtlich Taniponade der Vagina, denn bei der Tamponade des 
Uterus würde mau beim festen Einstopfen die Peritonäalwunde ent- 
falten, größer reißen, das schnelle Verkleben des Peritonaeum hindern 
oder das schon verklebte Peritonaeum trennen. 

Vor der Tamponade darf selbstverständlich nicht ausgespült werden, 
da die Flüssigkeit, in den Peritonäalraum laufend, die Frau vergiften 
würde. Ein großer Ballen trockener loser Jodoformgaze wird in die 
Scheide geschoben. Die Beine werden zusammengebunden. Vor die 
Vulva legt man einen Lappen in Lysol getränkt, unter die Vulva auf- 
saugende Watte. Dann wird durch sehr festen Kompressiwerband, in 
den ein Sandsack oder Schrolsack zu 2 Kilo eingebunden werden kann, 
der Uterus in Anteflexionsslellung in das Becken gegen den Ballen g^ 
drückt und angedrückt erhalten. Nun sucht man durch Opium und 
Morphium die Psyche zu beruhigen, die Schmerzen zu lindem, den 
Darm ruhig zu stellen und somit der Verbreitung der Peritonitis ent- 
gegenzuarbeiten. 

Kommt man zu einer Uterusruptur erst 5—6 Stunden post partum, 
ist die akute Gefahr der Verblutung vorüber, ist die Placenla abgingen, 
so hat jede aktive Therapie zu unterbleiben. Man gibt zweistündlich 
8 Tropfen Opiumtinktur, befiehlt absolut ruhige Rückenlage an, läßt eine 
Eisblase oder einen Sandsack auflegen, ordnet an, daß die Frau weder 
wegen Stuhl noch Urinlassen bewegt werde, läBt vorsiclitig katheten- 
sieren und einen LysoUappen dreistündlich gewechselt auf die Vulva 
legen. Die Beine werden fest zusammengebunden. 

Tritt kein Fieber ein, so ist die Prognose gut, tritt Fieber und Peri- 
tonitis ein, so erfolgt meist der Tod an Sepsis. Die ärztliche Kunst löi"^ 
hier nicht viel leisten. 



Die Nachblutungen. 



415 



1 Aber auch so schwer verletzte Wöchnerinnen bleiben mitunter am 

I Leben. Das Peritonaeum verklebt schnell, in ihm demarkiert sich die 
Entzündung. Unterhalb kann die Eiterung wochenlang bestehen. Lang- 
dauernde extraperitonäale Exsudate mit nachbleibenden verzerrenden 
Narben, auch einmal Phlebitis, Schenkelvenenthrombose oder Pyämie 
1, können sich anschließen. 



Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

Die Nachblutune^en. 



Bei der Schilderung der Physiologie und der Leitung der Nachge- 
burtsperiode (vgl. S. 74 und 140) haben wir schon die Entstehung und 
Verhütung von Blutungen ei-wähnt. 

Haftet die Placenta noch völlig auf ihrer Unterlage fest, so ist eine 
Blutung unmöglich. Aber schon unmittelbar nach dem Austreten des 
Kindes löst sich oft die Placenta central ab; es entsteht ein retroplacen- 
tares Hämatom, Löst sich dann auch an einer Stelle der Placenta rrand, 
so fließt das Blut nach außen. Diese Blutung muß anhalten, bis nach 
Abgang der Piacenta die Gefäße der Serotina durch die Verkleinerung 
I des Uterus verschlossen werden. 

I Begünstigt werden die partiellen Ablösungen durch ungeschickte, 

' vorzeitige Expressionsversuche. Die Nachblutungen bei noch im Uterus 
' befindlicher Placenta sind in der Mehrzahl der Fälle die Folge der fehler- 
i haften zu aktiven Leitung der Nachgeburtsperiode. 

I Auch der Sitz der Placenta in einer Tubenecke oder in der Seiten- 

icante des Uterus führt zu erschwertem Abgange, Man fühlt dann dem 
Uterus seitlich aufsitzend einen weichen Tumor an der Place ntarstelle, 
\^'ährend der Uterus sonst fest kontrahiert ist. Ja es kann die Haupt- 
masse der Placenta abreißen und abgehen, während in der Tubenecke 
Hoch ein faustgroßes oder kleineres Stück Placenta nicht anhaftet, aber 
Zurückgehalten wird. 

I Die Angaben, daß die Placenta im interstitiellen Teile der Tube sich 

entwickelt habe, beruhen wohl auf Täuschung. Beim Herausholen eines 
n der Tubenecke retentierten Piacentarrestes hat man in der Tat das 



in der Tubenecke 



^l6 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

Gefühl, ais ob man durch einen Ring oder Spalt in einen besonderen, 
von der Uterushöhle gesonderten Raum eindringen müsse. 

Haben ungeschickte extrauterine oder sogar intrauterine resultatlose 
Lösungsversuche stattgefunden, so kontrahiert sich die Muskulatur unterhalb 
des Placentasitzes oder dem zurückgehaltenen Placentarteil sehr stark und 
fest So fest, daß man ohne Narkose nicht den festen Ring unterhalb der 
Placenta mit der Hand erweitern und durchdringen kann: Placenta 
incarcerata, Uterusstriktur. 



h 



L 



Die Hebammen sprechen oft von angewachsener Placenta. Ich 
habe in über dreißigjähriger Praxis sehr selten einen Fall von fest ver- 
wachsener, nicht ablösbarer Placenta gesehen. Wohl muß man manchmal 
die Placenta von der Serotina abschälen oder abziehen, aber eine größere 
Gewalt als z, B. beim Kaiserschnitte braucht man in der Regel nicht anzu- 
wenden. Wenn von Strängen die Rede ist, die durchrissen wurden, so 
ist das wohl so zu erklären, daß die Hand des Geburtshelfers, mit dem 
Rücken an der Uterusinnenwand liegend, mit den Spitzen der gekrümmten 
Finger unabsichtlich in das Placentargewebe selbst eindrang, hier Stränge 
fühlte und diese zerriß. Ein Präparat von festsitzender Placenta, die tat- 
sächlich mit dem Uterus verwachsen war, sah ich nur zweimal. 

Wob! aber erlebte ich öfter, erst einige Stunden post partum ge- 
rufen, daß sowohl der Credesche Handgriff als das Eindringen in den 
Uterus wegen zu fester Kontraktion zunächst unmöglich war. 

Vielfach hört man, daß eine Frau wiederholt Nachblutungen post 
partum gehabt habe. Die Tatsache ist zuzugeben. Aber ich habe oft 
bei guter Leitung der Nachgeburtsperiode, namentlich beim Abwarten 
und Enthaltung von jedem Eingriffe, ohne jede Einwirkung von außen 
und innen gerade in diesen Fällen völlig günstigen Verlauf beobachtet 
Das Falscheste ist ein Überhasten, ein regelloses Massieren, Kneten und 
Drücken, wodurch eine partielle Lösung und also eine Blutung er- 
zielt wird. 

Blutungen, die nach Entfernung der Placenta eintreten, sind ato- 
nische Blutungen. Sie kommen nach sehr schnellen und sehr leichten Ge- 
burten bei Multiparen vor, nach Überausdehnung des Uterus durch Zwillinge, 
große Kinder (Hydramnios), aber auch nach sehr schweren langdauernden 
Wendungen und bei hochfiebernden Kreißenden, deren Uterus vorher 
tetanisch kontrahiert war, also überhaupt nach unregelmäßigem Verlaufe 
der Geburt. 



Therapie bd Nachblutungen. 41 y 

Es kann bei starker Anteflexion ein Verschluß am Knickungswinkel 
existieren und der Uterus voll Blut laufen. Er steigt dann bis zum 
Nabel und über den Nabel in die Höhe, er fühlt sich dabei, da der 
Uterus durch Wehen auf die Wiederausdehnung reagiert, hart an. Doch 
die Größe beweist trotz der Härte die innere Nachblutung. 

Oder das Blut läuft kontinuierlich ab, während der Uterus so weich 
ist, daß man ihn zunächst gar nicht als distinkten Tumor im Abdomen 
von außen palpiert 

Sodann kommen Nachblutungen am Ende der ersten Woche dann 
vor, wenn ein Placentarstück zurückgeblieben ist Dies Stück kann asep- 
tisch im Uterus liegen. Aber es kann auch verjauchen, so daß bei fieber- 
haftem Zustande der Wöchnerin jauchig riechendes Blut abgeht 

Zuletzt beobachtet man wiederholte Nachblutungen als Symptom 
der Phlebitis, Phlebothrombose der Spermatica bei hohem Fieber. Es 
ist dies eine pyämische Nachblutung, bei der Schüttelfröste dann fehlen, 
wenn kontinuierlich aufgelöste Massen vom erweichten Thrombus in 
das Gefäßsystem gelangten und deshalb das Fieber ebenfalls kontinuier- 
lich hoch ist 

Bei Fäulnis des Uterusinhaltes verfaulen auch die Thromben der 
Placentarstellen. Es tritt eine Blutung ein, ohne daß bei leichtem Ab- 
gange der verfaulten Massen Fieber vorhanden ist 

Wir haben auch schon die Blutungen aus Einrissen erwähnt, die un- 
mittelbar nach Entstehen des Risses das Leben gefährden. 

Therapie. 

Ist eine Nachblutung vorhanden, so ist die Therapie verschieden, je 
nachdem die Placenta noch im Uterus oder schon ausgetreten ist 

Ist die Placenta noch im Uterus, so wird zunächst der Cre du- 
sche Handgriff ausgeführt (S. 140). Er gelingt stets, es sei denn, daß schon 
viel Zeit vorüber und der Uterus hart und fest tetanisch kontrahiert ist 
Aber selbst in diesen Fällen wird der Geschickte oft zum Ziel kommen, 
während der Ungeschickte, namentlich die Hebamme, trotz großer Kraft- 
anstrengung die Placenta nicht herauszudrücken vermag. 

Ist die Placenta incarceriert, so wird chloroformiert. Ohne Nar- 
kose ist die unbedingt notwendige Einwirkung von außen unmöglich. 
Man schiebt die konisch zusammengelegte Hand durch die enge Stelle, 
während die andere Hand den Uterus festhält und ihn gleichsam über 
die innere Hand hinüberstülpt 

Fritsch, Geburtshilfe. 27 



41 8 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

Mir ist es bei tiefer Narkose und langsamem, aber kräftigem Vor- 
gehen stets gelungen, die Hand durch die Striktur in die Höhle einzu- 
führen. Ehe nicht die ganze Hand im Uterus liegt, ergreife man nicht 
die Placenta. Abreißen einzelner Stücke, was so oft die Hebammen fälsch- 
lich machen, ist ein großer Fehler. Der Uterus umklammert den Rest 
um so fester. B. S. Schnitze, ein gewiß sehr erfahrener Geburtshelfer, 
hat einmal, weil er durch die Striktur nicht dringen konnte, den Uterus 
mit der Placenta exstirpiert, woraus ersichtlich, welche enormen Schwierig- 
keiten existieren können. Der Uterus kontrahiert sich in der Tat zu 
einer steinharten Hülle, in der die gelöste Placenta sich hin und her 
drehen läßt Nicht das Abtrennen der Placenta von der Unterlage ist die 
Hauptsache, sondern die Eröffnung des Uterus. Ist die Hand einpassiert, 
so folgt bei kombiniertem Verfahren die Placenta leicht. 

Hat die Hebamme oder ein anderer Arzt die Placenta zerfetzt oder 
sieht man aus der vorgezeigten Placenta, daß sicher oder auch nur wahr- 
scheinlich ein Stück Placenta im Uterus zurückgeblieben ist, so muß 
sofort der Uterus ausgetastet werden. Namentlich die Tubenecken sind 
ganz sicher zu befühlen. 

Es muß absolut feststehen, daß der Uterus leer ist, eher darf man 
nicht die Manipulation beenden. Dabei ist zu bedenken, daß die Placentar- 
stelle sich stets rauh anfühlt, daß sie nicht glatt ist und eine unregel- 
mäßige, mit Hervorragungen bedeckte etwas prominente Oberfläche 
aufweist 

Ist die Placenta sicher vollständig entfernt und der Uterus leer, so 
wird nach diesen Eingriffen stets der Uterus reichlich mit 5 — 10 1 des- 
infizierend ausgespült Die Hand, die durch die Vulva und Scheide 
ging, hat leicht Saprophyten oder andere an der Vulva und in der 
Vagina befindliche Kokken in die Uterushöhle befördert. Fast unmittel- 
bar nach dem Eingriffe wird eine reichliche Spülung dieses Infektions- 
material ziemlich sicher entfernen, während ohne Spülung durch Kokken- 
vermehrung und Wachstum Infektion entstehen kann. Betreffs der In- 
fektion sind die intrauterinen Placentaroperationen die all ergefährlichsten. 
Die Hand wird leicht keimfrei zu machen sein, nicht aber der Weg in 
den Uterus, von dem die Hand Kokken abstreift und in den Uterus be- 
fördert 

Sollte der Uterus trotz dieser die Kontraktion anregenden Manipu- 
lationen, trotz Ergotin und Massage noch schlaff bleiben, so wird am 
besten sofort ein Kompressionsverband angelegt. 



Therapie bei Nachblutungen. 



41 Q 



I In den Fällen, \fo man zur Entbundenen kommt, sie pulslos, mit 

I schon schlechtem Sensorium, fast verblutet, eher sterbend als lebend 
' findet, also bei Atonie höchsten Grades, wende ich folgendes Verfahren 
an: der Uterus laßt sich unmittelbar post partum selbst bei dicken Bauch- 
decken, namentlich wenn man massierend die Recti auf die Seite schiebt, 
leicht umgreifen und ausdrücken. Das Blut, das schon in ihn ergossen 
ist, ist natürlich der Frau schon verloren. Es muß schnell durch Druck 
' entfernt werden. Dann hebt man den Uterus hoch, indem man mit den 
Händen auf die hintere Seite geht. Man drückt den Uterus in forcierter 
Anteflexionsstellung auf die Symphyse und über die Symphyse hinweg. 
Man anteponiert ihn also stark. Der innere Muttermund liegt ungefähr 
gerade über dem Pecten pubis. Die Bauchdecken werden tief hinter 
dem Uterus in den Beckeneingang hineingedrückt. Der Raum hinter 
dem Uterus, der so entstehende Trichter, wird mit zusammengelegten 
Handtüchern, Wäschestücken, oder wenn man sie zur Hand hat, mit 
großen Bauen Watte ausgefüllt, so daß der Uterus ganz vom an die 
Bauchdecken angepreßt ist. Dann wird mit einer energisch angezogenen 
Rollbinde die ganze Masse hinter dem Uterus lief nach unten gepreßt, 
I so daß die Bauchdecken einen Trichter bis fast in den Beckeneingang 
\ hinein bilden. Das Corpus uteri liegt also auf und vor der Symphyse, 
Hat man keine Rollbinde, so werden schnell zwei Handtücher breit 
zusammengenäht oder geknüpft Mit großer Kraft, so fest als es nur geht, 
wird die Masse durch Anziehen des Knotens fest in den Beckeneingang 
hinein und der Uterus nach vorn gepreßt. Einige Bindentouren, die über 
' den Fundus uteri unterhalb der anderen Binde ziehen, drücken die Wände 
• des in starker Antefiexion befindlichen Uterus fest zusammen. 
I Befestigt man die hinter den Uterus gelegten Massen mit zusammen- 

' geknüpften Handtüchern, so wird noch eine zweite gleiche Bandage über 
I dem Fundus uteri zusammengeknüpft. Eine Blutansammiung im 
Uterus ist also unmöglich, da eine Uterushöhle nicht existiert 
I Der Verband bleibt zwölf Stunden liegen. Er wird auffallend gut 

I vertragen. Sei es, daß die Patientin voll Todesangst gar nicht wagt, zu 
; widerstreben, sei es, daß das gestörte Sensorium die Schmerzempfindung 
herabsetit, jedenfalls habe ich oft am anderen Morgen, auf direkte Fr^en 
, die Antwort erhalten, daß die Binden nicht unbequem seien. 
!■ Ist die Blase bei Anlegung des Verbandes voll Urin, so spritzt er 

. meist beim starken Anziehen der Binden heraus. Urin wird ja wenig 
I produziert, wenn der Blutvedust groß ist Sollte Harndrang entstehen, 
, so hindert nichts den Katheterismus. 

I Nachdem der Verband fertig ist, wird der Kopf tief gelagert, ein 

, Stuhl wird unter das Fußende des Bettes gestellt, Wärmkrüge kommen in 

27* 




420 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

das Bett, reichliches Getränk wird verabfolgt, Kampferöl-, Ergotin-, Äther- 
injektionen, Kochsalzinfusionen sind zu machen, falls der Puls sich nicht 
ohne das hebt 

Man erreicht bei dieser Behandlung folgendes: 

1. Die Bauchhöhle wird komprimiert. Es wird also noch besser als 
bei der zeitweiligen direkten Kompression der Aorta descendens oder beim 
Einwickeln der Beine das wenige noch vorhandene Blut in der oberen 
Körperhälfte gefesselt 

2. Es kann aus dem Uterus nicht mehr bluten, weil die Wände fest 
aufeinander gepreßt sind und ein Innenraum, eine Höhle, in die es blutete, 
gar nicht mehr vorhanden ist 

3. Es geht auch nicht mehr das Blut verloren, das während der 
Tamponade herausfließt, und das in den großen Tampon hineinläuft Die 
Tamponade der Uterushöhle hat sich ja bewährt, aber ich habe doch 
gerade bei hochgradigen Atonien auch bei der Tamponade Todesfälle er- 
lebt Und der Unerfahrene, der auf sich allein angewiesen ist, wird nicht 
schnell mit der Tamponade fertig. Er braucht schon lange Zeit, um sich 
über den Muttermund ganz ins klare zu kommen. Ich sah mehrere Fälle, 
wo nach schließlicher Vollendung der Tamponade die Entbundene tot 
war, trotz Kochsalzinfusion etc Es war eben zu viel Blut während der 
Tamponade verloren gegangen. 

4. Meine Methode hat den Vorteil, daß sie jeder sofort anzuwenden 
im Stande ist, daß man sich nicht einmal zu desinfizieren braucht, wenn 
Gefahr im Verzuge ist, sondern daß man sofort, ohne Schmerzen zu 
machen, ohne lange zu untersuchen, ohne eine Sekunde Zeit zu verlieren, 
den komprimierenden Verband anlegen kann. 

5. Ein weiterer Vorteil ist, daß nach dem Verbände die Entbundene 
in Ruhe gelassen wird. Alle weiteren Maßnahmen der allgemeinen Therapie 
sind, ohne die Entbundene zu stören, leicht auszuführen. 

6. Zuletzt muß zugegeben werden, daß eine extravaginal ausgeführte 
Behandlung stets der intravaginalen vorzuziehen ist, namentlich wenn man 
Eile hat 

Nach 12 Stunden — ungefähr — nimmt man den Verband ab. 
Langsam sinkt der Uterus, in dem nun längst die Gefäße durch Thromben 
verschlossen sind, in seine normale Stellung zurück. Eine Nachbehand- 
lung, namentlich eine intrauterine, ist selbstverständlich unnötig. Auch 
ein Vorteil! Schon nach acht Stunden habe ich den Verband entfernt 
In einem Falle, wo der Verband 24 Stunden lag, war an der Crista ilei 
ein Decubitus entstanden. Dies ist bei der Anämie erklärlich. 

Mit dem beschriebenen Verfahren bin ich stets ausgekommen. Be- 
sonders beliebt ist heutzutage die Tamponade des Uterus. Sie ist von 



Behandlung der Blutungen bei Einrissen. 421 

ÜDührssen empfohlen und in der Tat ein Mittel, das ebenso bequem an- 
zuwenden ist als in vielen Fällen zum Ziele führt 

Es vird dabei mit zwei in der vordem und hintern Lippe eingesetzten 
Muzeuxschen Zangen die Portio bis in die Vulva herabgezogen, so daß 
man die Muttermundslippen sieht. Ein Speculum erleichtert zwar die 
Manipulation, ist aber wegen der großen Beweglichkeif des eben entleerten 
Uterus nicht notwendig. Man übergiebt der Hebamme die Zangen zum 
Halten und legt eine Hand oben auf den Uterus. Die andere Hand 
schiebt aus einer bereit stehenden Büchse Jodoformgazestreifen mit der 
Kornzange in den Uterus. Man muß von außen kontrollieren, daß die 
Gaze auch zirka 12 cm bis in den Fundus uteri geschoben wird. Von 
außen fühlt man deutlich den nach oben geschobenen Ballen der Gaze. 
Dann stopft man so viel Gaze in den Uterus hinein, als hineingeht. Nun 
wird auch die Scheide angefüllt und zum Schluß legt man einen Kom- 
pressionsverband, wie oben beschrieben, an. Die Uterusinnenfläche, der 
ganze Uterus ist also zwischen dem Druckverband und der im Uterus 
und in der Scheide liegenden Gaze fest komprimiert. 

Auch diese Methode gibt gute Resultate. Oft sind nur die äußersten 
Schichten Gaze durchblutet, während der Tampon innen blutleer ge- 
blieben ist 

Sind also Jodoformgaze, Kornzange und Assistenz zur Hand, so habe 
ich gegen diese Therapie absolut nichts einzuwenden, ich habe sie so oft 
angewendet und anwenden lassen, daß ich ihre Erfolge als gut bezeichnen 
kann. Nur möchte ich behaupten, daß man einerseits mit der einfachen 
Kompression ohne Taniponade ebenfalls vortreffliche Resultate hat, und 
daß andererseits Todesfälle an Verblutung auch bei der Tamponade vor- 
kommen. 

Ausspülungen mit Eiswasser, heißem Wasser, Einspritzung von Jod- 
tinktur und Liquor ferri sesquichlorati widerrate ich. Die einfachen Spü- 
lungen leisten nicht mehr als die Kompression und die Adstringentien sind 
-wegen der schädlichen Folgen gefährlich. Steht eine Blutung nach 
Liquor ferri sesquichl. nicht prompt, so kann man nichts mehr machen, 
man muß dem Verhängnisse seinen Lauf lassen. Denn würde man jetzt 
wieder massieren und komprimieren, so würde man dieCoagula losdrücken. 
Die Enge der verätzten Vagina aber macht fernere intrauterine Manipu- 
lation fast unmöglich. In den Coagulis entwickelt sich schneit Fäulnis, 
die kaum zu beherrschen ist Die Tiefenwirkung des Liquor ferri kann 
bis ins Peritonaeum fortschreiten, so daß große Partien absterben und 
Narben von großer Ausdehnung im günstigen Falle zurückbleiben. In 
einem solchen Falle mußte ich wegen der Narbenkontraktion an der 
Portio und in der Scheide später den Kaiserschnitt machen. 




422 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

Blutungen aus Einrissen waren früher seltener. Als man noch 
als erste Bedingung für jede entbindende Operation die völlige Erwei- 
terung des Muttermundes lehrte und verlangte, sah man höchstens bei 
einer Extraktion nach vorzeitigem Fruchtwasserabfluß oder bei einer strikt 
indizierten Wendung bei noch nicht völlig erweitertem Muttermunde eine 
derartige Blutung. Jetzt macht man ja bei Eklampsie und bei Placenta 
praevia auch bei verhältnismäßig engem Muttermunde die Wendung und 
Extraktion. Bei hohem Fieber oder Eklampsie fürchtet man mehr die 
Folgen der langdauernden Geburt, als die Folgen des Einrisses. Es ist 
dies eine Folge der Sicherheit, die uns die Antisepsis gab, und der zu- 
nehmenden Verbreitung gynäkologischer Technik. Würde, was ich weder 
glaube noch hoffe, die Bossische Methode der instrumentellen Dilatation 
sogenanntes Allgemeingut der Ärzte, so würden wir noch öfter von großen 
Einrissen und Verblutungen hören. 

Jedenfalls aber gibt es Fälle, wo wir mit vollem Bewußtsein die Ge- 
fahr eines Einrisses riskieren müssen, Fälle, bei denen man die Gefahr 
des Abwartens höher einschätzt, als die Gefahr der Verletzung. 

Man kann schon aus dem ersten Befunde und dem Verlaufe der Ge- 
burt voraussehen, daß vielleicht ein Einriß entstehen wird. Jedenfalls muß 
der Einriß sofort diagnostiziert werden, wenn er entstanden ist. Der 
Widerstand bei der Kopfextraktion, das Gefühl des plötzlichen Nach- 
gebens der Gewebe, die Blutung unmittelbar post extractionem oder post 
partum, die Tatsache, daß es trotz gutem Kontraktionszustande des Uterus 
dennoch stark blutet, und daß das Blut nicht koaguliert und nicht dunkel 
sondern hell und dünnflüssig ist, läßt sofort den Einriß diagnostizieren. 
Es lag sehr nahe, die Blutung durch die Naht hier — wie an andern 
Orten — zu stillen. 

Meine Erfahrung hat mich belehrt, daß die Naht, für die ich selbst 
einst eintrat, und die ich oft genug gemacht habe, keine sicheren Resul- 
tate gibt. 

Ich habe manche Sektion im Laufe der Jahre gesehen, wo durchaus 
sachgemäß genäht war. Ganz abgesehen davon, daß die Naht der Cervix 
für einen Geburtshelfer, der nur die Hebamme zur Hilfe hat, doch recht 
schwer ist, erfüllt sie auch zumeist nicht ihren Zweck. Der Riß ist da 
am tiefsten, wo das Parametrium an die Cervix stößt. Ja ich habe Fälle 
gesehen, wo der äußere Muttermund und das Scheidengewölbe völlig 
intakt waren. Hier sind ja die Gewebe nachgiebig. Aber oberhalb war 
ein tiefer Riß durch die Cervix, in dem man mit zwei Fingergliedern 
noch nicht das Ende fühlte. Im Momente des Durchganges des Kopfes 
ist die Cervixwand nur 2 — 3 mm dick. Will auch der Arzt bei der 
Entwicklung des nachfolgenden Kopfes mit dem Finger im Munde des 



Behandlung der Blutungen bei Einrissen, 423 

Kindes gerade nach unten ziehen, und steht der Kopf quer, so drückt er 
doch unwillkürlich das Hinterhaupt nach vorn und nach der Seite gegen 
die Beckenwand hin. Und drückt nun der Assistent, respektive die Heb- 
amme stark von außen, so platzt die dünne Wand der Cervix, da, wo das 
Hinterhaupt einen ganz erheblichen Raum beansprucht. Immer liegt der 
Riß auf der Seite des Hinterhauptes. Die schmale Stirn befindet sich 
schon längst unterhalb der engen Stelle, wo das zuletzt kommende Hinter- 
haupt die Cervix aufreißt. Meist verläuft der Rio vor der Uterina, aber 
ist dies Oefäß durch eine alte parametrische Narbe fixiert, so kann es auch 
durchreißen. Ich habe einige Male bei der Sektion mitten in einem Riß 
einander gegenüber die zwei großen Lumina der durchgerissenen Uterina 
gesehen. Auch ein Ramus vaginalis kann so dick sein, wie eine Radialis. 
Die Blutung aus einem zerrissenen Ramus vaginalis kann selbst bei einer 
Nichtsch wangern tödlich sein. 

Wird nun die Portio mit Muzeuxschen Zangen nach unten gezogen, 
um den Riß zu nähen, so zieht man zwar den Uterus herab, nicht aber 
das Parametrium. Die tiefste Stelle des Risses, die im Parametriura, 
respektive im Beckenbindegewebe liegt, bleibt oben. Ebenso wie man bei 
der Naht des rupturierten Uterus von der Bauchhöhle aus auch nicht die 
ganze Wundfläche aneinander nähen kann, sondern nur den Uterus selbst, 
ebensowenig ist dies beim Herabziehen von unten möglich. 

Es ist am Präparat bei der Sektion oft ganz deutlich KU demonstrieren, 
daß zwar die Portio vaginalis und vielleicht auch der Riß im Scheiden- 
gewölbe gut zusammengenäht sind, daß aber oberhalb dieser Naht der 
Finger weit in der Tiefe, im klaffenden Risse, sich bewegen kann. Als 
ich früher in solchen Fällen Liquor ferri in das Loch direkt einspritzte, 
habe ich oft in der Rekonvaleszenz beim Ausspülen aus einem tiefen, 
oberhalb der Portio vaginalis liegenden, seitlichen Trichter, dessen Wände 
nun hart geworden waren, die Borken herausgeholt. 

Würde man aber, während die Portio in situ blieb, mit großen, 
krummen Nadeln den ganzen Riß in der Tiefe umstechen wollen, so 
käme doch sicher der Ureter in Gefahr. Ich glaube also, wenn man 
Erfolg betreffs der Blutstillung mit der Naht hatte, so hätte die Blutung 
auch ohne Naht gestanden. Zu dieser Ansicht bin ich allmählich nicht 
durch Theorie, sondern durch Erfahrung und das genaue Studium der 
Leichen Präparate bei den Sektionen gekommen. Freilich sind derartige 
Präparate genau anzusehen und anzufühlen, denn Portio- und Cervbc- 
verletzungen sind an den herausgeschnittenen Genitalien nicht leicht 
deutlich zu machen. 

Statt der Naht hat man auch den RitS ausgestopft. Da muß ich 



424 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

aber mit vollster Bestimmtheit sagen, daß die Blutung aus einem größeren 
durchrissenen Gefäße durch die Tamponade nicht zu stillen ist Viel- 
leicht steht sie doch dabei einmal, aber nur weil die Blutende ohnmächtig 
wird, weil der Blutdruck enorm sinkt und die Arterie sich allmählich 
zusammenzieht, thrombosiert und verschließt. Jedenfalls schließt aber ein 
Tampon eine durchrissene größere Arterie nicht prompt ab. Wird auch 
der Leib stark gegen den Tampon zusammengewickelt, so ist der Druck 
des aus den Gefäßen fließenden Blutes doch zu stark. Das Blut verbreitet 
sich in den Gewebsinterstitien. Ich sah dabei ein Hämatom, das längs 
des Ureters bis an die Niere gewandert war. Auch blutet es in die Gaze 
hinein. Viel Blut geht femer während der Manipulation selbt verloren. 
Sicher ist die Methode der Tamponade gewiß nicht. Und wenn man 
mir vorwirft, ich hätte die Tamponade in den ungünstig endenden Fällen 
nicht schnell genug und nicht gut gemacht, so muß man auch zu- 
geben, daß schließlich der Anfänger es auch nicht besser und schneller 
machen wird. 

Ich habe deshalb das meiste Vertrauen zu einer Methode, die sich 
mir schon oft bewährt hat: zu der doppelten Kompression. Zunächst 
wird die Placenta entfernt. Das gelingt gerade in diesen Fällen meist 
sehr schnell, denn der innere Muttermund ist weit, resp. zerrissen. 
Der Uterus kontrahiert sich gut Ist die Placenta entfernt, so drücke 
ich mit der rechten Hand den anteflektierten Uterus so tief als möglich 
in das Becken hinein, dadurch werden alle Coagula herausgepreßt Dann 
ergreife ich mit der linken Hand, an der linken Bettseite stehend, die 
Vulva, drücke die beiden großen Schamlippen fest zusammen und dränge 
sie nach oben in den Schambogenwinkel hinein, als wollte ich den ganzen 
Beckenboden in die Beckenhöhle nach oben schieben. Auf diese Weise 
gelingt es, die Vulva so fest zusammen zu drücken und zusammen zu 
halten, daß Blut nicht mehr ausfließen kann. Der Handgriff würde bei 
einer nicht eben Entbundenen schwer sein. Bei einer Entbundenen aber 
ist die Vulva schlaff und herabgeschoben, sie liegt gleichsam in einer 
tieferen Ebene, so daß man sie gut fassen und zusammendrücken kann. 
Nun wird mit der einen Hand von oben und mit der anderen Hand von 
unten kräftig das dazwischen Liegende zusammengepreßt Der untere 
Arm drückt sich mit dem Ellbogen in das Bett, er erlahmt also nicht 
so bald. Erlahmt aber die obere Hand, so weist man die Hebamme 
oder den Ehemann an, mit zwei Händen auf die obere Hand zu drücken, 
sich gleichsam darauf zu lehnen. Ob der Riß rechts oder links ist, ist 
gleichgültig, man drückt nicht auf einer Seite, sondern einfach in der 
Mitte nach abwärts. 



Behandlung bei Piacentarresten. 425 

Die Hände werden in der Art wenigstens eine halbe Stunde, ja drei 
viertel Stunde und länger gehalten. Die Entbundene liegt ganz still, 
sie bekommt Analeptica zu trinken. Der Druck schmerzt nicht Laßt 
man langsam zunächst die obere Hand los, so bleibt meist der Uterus 
zunächst wie fes^eklebt tief liegen. Die Blutung steht und kehrt, ein- 
mal gestillt, weil Thrombosierung eingetreten ist, nicht wieder. An die 
Stelle der oberen Hand kommt ein Sandsack von drei Kilo, oder ein 
anderer schwerer Gegenstand, dessen Besorgung mittlerweile angeordnet 
ist Die Entbundene bleibt, ohne sich zu rühren, ruhig liegen. Ich habe 
ganz kolossale Blutungen in wenig Minuten so zum Aufhören gebracht 

Die Vorteile der Methode sind: 

1. Die ganze Behandlung spielt sich extravaginal ab, eine Infektions- 
gefahr durch den Handgriff ist also ausgeschlossen. 

2. Auch das Blut, das sicher bei der Naht oder der Tamponade 
während dieser Manipulationen verloren gehen würde, bleibt erhalten. 

3. Die Blutung wird in rationellster Weise dadurch gestillt, daß die 
blutenden Flächen aufeinander gedrückt werden, so fest, daß ein Raum, 
in den es bluten könnte, nicht mehr vorhanden ist Man bereitet also die 
Verklebung und Heilung dadurch vor, daß die Wundflächen aufeinander 
und ineinander gedrückt werden. 

4. Eine Nachbehandlung ist nicht notwendig. Lassen die Hände 
los, steht die Blutung, so ist irgend eine weitere Manipulation über- 
flüssig. 

Das Vorhandensein sog. Piacentarreste oder Placentarpolypen 
wird aus der Blutung diagnostiziert Eine Wöchnerin kann sich völlig 
Wohlbefinden und plötzlich am Ende der ersten Woche oder auch etwas 
später eine ganz kolossale Nachblutung bekommen. 

Die Anamnese stellt oft fest, daß die Hebamme mit dem Credeschen 
Handgriffe nicht zum Ziele kam und die Placenta manuell stückweise ent- 
fernte. Dann liegt stets der Verdacht vor, daß ein Stück Placenta zurück- 
blieb. Ich habe aber auch eine ganze Reihe Fälle gesehen, wo Piacentar- 
reste nach erfolgreichem Credeschen Handgriffe, ja nach spontanem Ab- 
gange der Placenta zurückgeblieben waren. 

In diesen Fällen ist stets der Muttermund weich und weit, so daß 
gerade dieser Umstand beweisend dafür ist, daß »Etwas« zurückgeblieben 
ist Ich rate auch hier, prinzipiell zu narkotisieren. Es ist unbedingt 
notwendig, daß die ganze Uterushöhle mit dem Finger revidiert wird. 
Ist auch der Uterus ganz leer, handelt es sich vielleicht nur um Lösung 
eines äußeren Thrombus an der Placen tarsteile, so muß doch der Ge- 
burtshelfer mit absoluter Sicherheit wissen, ob der Uterus noch Etwas 



426 Zweiundzwanzigstes Kapitel. 

enthält oder ganz zweifellos leer ist Will man die Tubenecken ganz 
sicher austasten, so ist diese Manipulation recht schmerzhaft. Überwindet 
man mit Kraft das Widerstreben der Wöchnerin, so ist die Anwendung 
von Kraft gefährlich, wegen eventueller Verletzungen. Narkotisiert man 
aber, so ist ein bimanuelles Verfahren außerordentlich leicht und schnell 
zu beenden. 

Man führt zunächst einen, wenn möglich zwei Finger durch die 
Cervix und stülpt den Uterus über die Finger. Meist liegt der Piacen- 
tarrest lose im Fundus und konnte nur wegen der durch Involution und 
Anteflexion des Uterus herbeigeführten Enge des inneren Muttermundes 
nicht abgehen. Man drückt mit gekrümmtem Finger den Piacentarrest 
heraus. Auch eine große Curette, eine Abortzange (Fig. 52 S. 297) ist 
anzuwenden, doch kommt man meist mit dem Finger aus. Nach dieser 
Manipulation muß der Uterus ausgespült werden. Sehr vorsichtig! unter 
sehr geringem Wasserdruck, bei gut kontrolliertem Abflüsse der Spül- 
flüssigkeit, denn wegen der offenen blutenden Gefäße ist gerade jetzt das 
Einfließen der Desinfektionsflüssigkeit in die Gefäße des Uterus zu be- 
fürchten (vgl. S. 340). 

Findet man keinen Piacentarrest, so belohnt die sichere Konstatierung 
dieser Tatsache genugsam die aufgewendete Mühe. 

Fiebert die Wöchnerin hoch, so ist die Austastung und Entleerung 
erst recht notwendig. Findet man dabei außer dem Piacentarreste viele 
meist weißlich aussehende Decidualfetzen, so halte ich die Curettage für 
notwendig, denn nur die Entfernung aller Massen sichert einen nunmehr 
aseptischen Verlauf des Wochenbettes. 

In diesen Fällen schließt die Tamponade der Uterushöhle mit 
Jodoformgaze die Manipulation. Tränkt man die Gaze mit einer Glyzerin- 
Jodoformemulsion, so kontrahiert sich der Uterus besonders schnell und 
gut. Man gibt reichlich Ergotin und mißt dreimal täglich die Tempera- 
tur. Ein einmaliges Steigen, selbst bis auf 39 oder 40 Grad unmittelbar 
nach dem Eingriffe zwingt noch nicht zur Entfernung der Gaze. Hält 
aber die hohe Temperatur an, so wird die Gaze entfernt. Es wird dann 
so lange gespült, bis das Fieber aufhört. Wird der Uterus klein und der 
Eingang eng, ist der Katheter nicht mehr einzuführen, floß das Spül- 
wasser klar ab, so unterläßt man die Spülungen. Das Fieber hängt dann 
nicht mehr von intrauteriner Zersetzung, sondern von Entzündung der 
Nachbarschaft oder von allgemeiner Sepsis ab. 

Die Allgemeinbehandlung der akuten Anämie hat erst dann 
zu beginnen, wenn die Blutung sistiert. Vorher kann man wohl bei 
dringender Lebensgefahr Kampferöl- oder Atherinjektionen machen, Wein 



Allgemeinbehandlung der akuten Anämie, 



427 



Alkohol trinken lassen, aber die Hauptsache bleibt die Sistierung 

der Blutung. 

Oft dauert ein schwankender Zustand des Allgemeinbefindens an. 

Zwar geht nicht mehr Blut ab, aber es ging doch schon so viel verloren, 

daß die Gefahr des Todes an akuter Anämie noch existiert. 

Dann laßt man reichlich Wein usw. trinken. Man macht eine sub- 

Iculane Heißveasserinfusion unter den Brüsten und auf beiden Ober- 
' schenkein. Ein, ja anderthalb Liter einer physiologischen Kochsalzlösung, 
138 Grad, die schon während der Bemühungen um die Blutsdilung vor- 
' bereitet ist, wird subkutan injiziert Dazu ist nur die Injektionsnadel, ein 
' Gummischlauch und ein Trichter notwendig. 

Auch Clysmita von alkoholischen Lösungen werden verabfolgt 
; Wärme ist reichlich zuzuführen \C armflaschen, warme Tücher usw. sind 
I zu diesem Zwecke überall zu haben 

; Die Beine werden in msse Binden fest eingewickelt, der Kopf wird 

■ Tiiedrig, die Beine werden hoch gelegt Das Fußende des Bettes wird 

auf einen Sluhl gehoben und dadurch erhtVht. Auch eine zeitweise Kom- 
', pression der Aorta diL durch dit schliffen Bauchdecken gut zu erreichen 
I ist, fesselt das Blut in der oberen Körperhälfte. Oft kehrt unmittelbar 
f nach dieser Kompression das Bewußtsein zurück. 

i Tritt nach einer Stunde Schweiß ein fühlt die Entbundene sich warm 

und behaglich, so ist dies ein sicheres Zeichen, daß das Gefäßsystem 
wieder gut gefüllt ist. Man kann dann die Entbundene mit gutem Ge- 
) wissen verlassen. 

' Es ist nicht nötig, wie es früher oft geraten wurde, der Wöchnerin 

f nunmehr das Schlafen zu untersagen. Meist hat die arme gequälte Frau 
j nur einen Wunsch: endlich in Ruhe gelassen zu werden. Man faßt von 
l Zeit zu Zeit an den Puls, der sich im Schlafe sogar schneller hebt, als 
j im Wachen. Es ist auch, wenn der Puls gut kontrolliert wird, nicht 
nötig, jede Viertelstunde die Decke zu heben, die Beine auseinander- 
zuklappen und die Genitalien zu betrachten. Der Puls ist eine ge- 
nügende Kontrolle. 

Zuletzt möchte ich noch besonders darauf hinweisen, daß die psy- 
chische Einwirkung des Arztes enorm wichtig ist Der Arzt ist hier 
wirklich oft «der rettende Engel". In dem Augenblicke, wo er ruhig, 
selbstbewußt völlig im klaren über das, was zu geschehen hat bestimmt 
in seinen Befehlen und Maßnahmen die Situation beherrschend, die 
Leitung übernimmt, kehrt auch das Vertrauen zurück; die in Todesfurcht 
verzweifelnde Frau wird ruhig und folgsam. Diese geistige Ruhe trägt 
nicht wenig dazu bei, auch das körperliche Befinden zu verbessern- 





428 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Wunderbar ist, wie schnell sich eine Frau, deren Leben schwer dem 
Tode abgerungen ist, wieder erholt. Oft ist nach 3 — 4 Tagen schon der 
Puls in normaler Weise verlangsamt und das Stillgeschäft wird so gut 
besorgt, als wenn es sich um einen normalen Verlauf der Geburt ge- 
handelt hätte. 



Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Die Pathologie des Wochenbettes. 



Die Infektion mit Streptokokken und Staphylokokken: 

das Puerperalfieber. 

Nach der Geburt stellt die Innenfläche des Uterus eine große Wunde 
dar. Ebenso finden sich im Cervicalkanal viele kleine, oft auch größere 
Einrisse. Der obere Teil der Scheide reißt zwar in der Regel nicht ein, 
doch kommt es in ihr wegen der Ausdehnung beim Durchtritt des Kindes 
überall zu Kontinuitätstrennungen, Abschilferungen und Substanzverlusten 
der obersten Epithelschichten. Zuletzt entstehen, wenigstens bei Primi- 
paris fast stets kleinere oder größere Dammrisse und Hautdefekte oben 
am Schambogen. 

Da weder die Cervix, noch die Scheide, am wenigsten die Vulva und 
ihre Nachbarschaft keimfrei oder durchDesinfektionvölligkeimfrei 
zu machen ist, so wachsen in dem ergossenen Blute und in den Wund- 
sekreten Saprophyten. Auch Staphylokokken und Streptokokken 
sind ubiquistische Kokken, wie jede Eiterung einer undesinfizierten Wunde 
der Haut beweist. Beide Arten Kokken sind Fiebererreger und kommen 
auch in der Scheide vieler Schwangeren vor. Ob dies regelmäßig oder 
ausnahmsweise der Fall ist, ist für die Praxis ziemlich gleichgiltig, da 
während der Geburt und im Wochenbette viele Möglichkeiten existieren, 
die Kokken der Haut in die Vulva und Vagina zu befördern. 

Theoretisch könnte man denken, daß demnach jede Puerpera infiziert 
werden müßte. Dies verhindern verschiedene Schutzvorrichtungen des 
Körpers. Sie bestehen betreffs der Uterushöhle in dem Kontraktionszu- 
stande des Uterus, und betreffs der gesamten Genitalien in den Heilungs- 
vorgängen, der Thrombosierung der feinsten Lymph- und Blutgefäße. Bis* 



Die puerperale Infektion. 429 

ilnis eingetreten, ist längst die Innenfläche eine nicht mehr resorbierende 
Oberfläche geworden, so daß selbst bei üblem Geruch der verfaulten 
Lochien Fieber in der Regel fehit Aber leichte Temperaturerhöhungen 
auf Resorption der Fäulnisprodukte der Lochien, das was man Saprä- 
mie nennt, ist doch häufig und unvermeidbar. Sie ist so häufig, daß 
man eine Wöchnerin noch nicht für krank erklärt, wenn die Temperatur 
um einige Zehntel Grade über das Normale erhöht ist. 

Ob es sich nur um Resorption von Fäulnisprodukten handelt, 
oder ob die geringe Temperaturerhöhung der Anfang von schwerer fieber- 
hafter Erkrankung, von Sepsis ist, zeigen bald die Symptome und der 
Verlauf. 

Bei der Infektion mit Streptokokken und Staphylokokken gibt 
es unendlich viel Übergänge von der einfachen Wundreaktion bis zur 
schwersten septischen Allgemeinerkrankung. 

Von der Eigenart der Kokken, von ihrem Virulenzgrade, von der 
Widerstandskraft des infizierten Individuums und von dem Zeitpunkt 
■xler Infektion, hängt die Art und Weise der puerperalen Erkrankung ab. 

Der spezifische Infektionserreger des Puerperalfiebers ist der Strepto- 
kokkus. Wenn man einmal so weit ist, die Krankheiten nach der fak- 
tischen Krankheitsursache zu benennen, so wird man nicht mehr von 
■Puerperalfieber, sondern von der Streptokokkenkrankheit der 
■Wöchnerinnen sprechen. 

Unter Infektion versteht man die Fähigkeit der Vermehrung des 
infizierenden Agens im lebenden Organismus. Die Streptokokken sind 
die gefährlichsten, die vom Menschen stammen. Die Gefahr, die Virulenz 
■wird erhöht durch öfters wiederholte Passage des Streptokokkus durch 
den empfänglichen Tierkörper, hier durch den Körper anderer Wöch- 
nerinnen. Gelangen Streptokokken von einer infizierten Wöchnerin 
stammend mit dem untersuchenden Finger, mit einem Geräte, einem In- 
strument oder mit Verbandmaterial in die Genitalien einer anderen 
Wöchnerin, so entsteht ein so rapides Wachstum der Streptokokken in 
f der infizierten Wöchnerin, daß die Krankheit viel schneller und gefähr- 
' licher verläuft als bei der Ersterkrankten. Bei den früher oft beobach- 
, teten Epidemien von Kindbeltfieber folgten den ersten, relativ langsam 
[ verlaufenden Fällen, sehr bald solche, bei denen unter schwersten Er- 
scheinungen nach 2— 3 Tagen der Tod an. Sepsis eintrat Hecker hat 
; in einem solchen Falle fälschlich eine Apoplexie diagnostiziert; so schnell 
I trat Sepsis, Benommenheit des Sensoriums und der Tod ein. 

In allen genau bakteriologisch untersuchten Fällen von akut letal 



I In allen get 



gl 



430 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

endendem Puerperalfieber handeUe es sich um Streptokokken, die ^^ 
kranken Wöchnerinnen oder von mit Streptokokken infizierlen Kran^H 
z. B. von Wundeiierungen stammten. 

Eine Angina, ein Panaritium, ein Furunkel, ein Erysi— -^ 
Masern, Scharlach, Diphtheritis, Decubitus, ein Typhusabsc p, 
ja eine chronische Dakryocystoblennorrhoe liefern ebenfalls 
fährliche Streptokokken, die, in die Vagina der Gebärenden gebr-gj^ 
das schlimmste Kindbettfieber, die gefährlichste, tödliche Sepsis eTzevpaij 

Der Zeitpunkt der Infektion hat eine hohe Bedeutung. Die 
oben geschilderten Schutzvorrichtungen treten erst in Wirkung, wentj die 
Geburt vorüber ist Werden also die Streptokokken beim Beginne der 
Geburt in der Vagina deponiert, so finden sie hier in dem natüriidien 
Brutofen der innern Genitalien genug Nährmaferial und genug kleine 
Wunden, um den Gesamtorganismus zu infizieren. Namenthch bei lang- 
dauernden Geburten, wo viel untersucht wird, wo von den äußeren Ge- 
nitalien Infektionsstoff in die Genitalien eingebracht wird, wo viele 
Quetsch-, Riß- und Druckwunden, wenn auch geringen Grades, entstehen, 
ist der Gesamtorganismus off schon infiziert, ehe der Uterus entfernt ist. 
Kontrahiert sich dann auch post partum der Uterus, stößt er bei den 
Nachwehen und der Involution Blut und Wundsekrele aus, so ist die 
Infektion längst in die für Spülungen unzugängliche, unerreichbare Tiefe 
vorgedrungen. 

Tritt also schon während der Geburt allmählich ansteigendes 
Fieber ein, beweist das nach der Geburt andauernde Fieber, daß der 
Uterus und die Vagina durch die Geburt und die Blutung der infizieren- 
den Massen nicht ledig geworden sind, so verlaufen gerade diese zeilig 
infizierten Fälle sehr ungünstig. Denn keine lokale Therapie, keine Aus- 
waschung, ja auch keine Auskratzung kann die in der Tiefe wachsenden 
Kokken, das in der Tiefe entwickelte Gift, entfernen oder vernichten. 

Während unter Infektion die Vermehrung des lebenden Agens in ■ 
den Geweben verstanden wirdj nannte man Intoxikation die Vergiftung 
des Körpers mit den in den Gewebsflüssigkeiten gelösten Pro- 
dukten der wachsenden, sich vermehrenden Kokken. Beides: Infektion 
und Intoxikation sind klinisch nicht zu trennen. Jeder Infektion folgl 
die Intoxikation, denn bei der Vermehrung der Streptokokken in den 
Geweben (Infektion) werden kontinuierlich Toxine produziert und resor- 
biert (Intoxikation). 

Die Infektion hat lokale und allgemeine Folgen. Die lokale 



Die puerperale Infektion. 



431 



i Folge ist die lokale Entzündung. Es entsteht eine gangräneszierende 
Entzündung des Endometrium, in dem sich dann Saprophyten ansiedeln 
(Jauchung), Auch der ganze Qenitaltraktus, oder wenigslens alle Wunden 

I in ihm, können sich an dieser jauchigen Entzündung beteiligen, so daß 

I ein nekrotischer Belag sie bedeckt 

[ 

I Die Invasion mit Streptokokken geht auf dem Lymphweg in 

contiguo weiter, aber auch sprungarlig \Fie beim Erysipelas migrans. In 
das Uteru sparen chym gelangend bewirken die Kokken eine Metritis, so- 
dann eine Perimetritis und Peritonitis. In den Ligamenten des 

I Uterus, subserös fortschreitend entsteht eine Parametritis, Bindege- 
websentzündung, Phlegmone; auf die Venen von außen nach innen 
fortschreitend, oder von innen durch Erweichung und den Zerfall der 
Thromben beginnend, entsteht eine Periphlebitis, Endoplebitis, En- 
dokarditis, Pyämie. 



Bei der Peritonitis schreitet die Entzündung von der Metritis aus 
auf den peritonäaien Oberzug des Uterus fort: Perimetritis, dann auf 
das Perilonaeum des Beckens: Peiveoperitonitis. Dann ergreift sie 
das parietale und viscerale Peritonaeum: Peritonitis universalis. 

Die Darmserosa entzündet sich. Der Darm wird gelähmt, sowohl in 
seiner motorischen als in seiner vegetativen Funktion. Der Darminhalt 
vird nicht weiter geschafft, er zersetzt sich, die Saprophyten des Darm- 
inhaltes entwickeln Gärung und Fäulnis, massenhafte Oase treiben den 
Darm auf. Sein verfaulender Inhalt bewirkt Autointoxikation mit den 
j Produkten der Fäulnis. 

L Die Peritonitis schreitet durch das Diaphragma und das Mediastinum 

iposticum fort, es entsteht Pleuritis und Perikarditis. 

Bei der Parametritis geht die Infektion in den Bändern des Uterus 
subserös weiter, soweit wie es Bindegewebe gibt, durch den ganzen Körper. 
I Am Uterus beginnend quillt das Bindegewebe ödematös auf, so daß die 
Bänder, wenn man sie bei Lebzeiten gelegentlich einer Laparotomie erblickt, 
verdickt glasig gequollen aussehen. In der Flüssigkeit und dem Bindegewebe 
findet man massenhafte Streptokokkenketten. Auch an andern Stellen des 
Körpers, in der Nähe der Gelenke, z. B. des Ellbogen- oder Schulter- 
gelenkes entstehen Auftreibungen. Schneidet man sie ein, so entleert sich 
kein Eiter. Der helle ausgedrückte Gewebssaft enthält unzählige Strepto- 
kokkenketten, so viel, daß man sofort den Eindruck gewinnt: dieser 
haften Infektionsmaterie wird der Körper eriiegen! 




'J 



432 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Die Venen und größeren Lymphgefäße des Uterus und Parametrium, 
die Spermatica und die Beckenvenen thrombosieren, die Thromben wachsen, 
erweichen zentral, Eiter erfüllt die Gefäße. Es entsteht Stauung im Uterus, 
enorme, Wiederholte Nachblutungen, infolge Einschmelzung der Thromben 
kommen vor. Die Herzschwäche begünstigt das Wachsen der Thromben. 
Die direkte Eiteraufnahme in das Blut macht hohes Fieber, und die Ab- 
lösung kleiner Partikel bewirkt Embolien, Metastasen, Endokarditis. 

Auf alle diese Lokalisierungen der Streptokokkeninfektion reagiert der 
Organismus durch hohes Fieber, durch Benommenheit des Sensorium, 
enorme Pulsbeschleunigung und Konsumption der Kräfte. Erliegt eine 
Wöchnerin dieser Infektion und Intoxikation, so starb sie an puerperaler 
Sepsis. 

Von der Virulenz der Streptokokken, vielleicht auch von der Menge 
des Infektionsmaterials, von der Größe und Anzahl der Infektionspforten, 
resp. der Wunden, und von der Widerstandskraft des Individuums hängt 
es ab, ob die Wöchnerin bald erliegt, oder erst nachdem sich alle lokalen 
Reaktionen und Folgen ausgebildet haben. Ein Sieg des Organismus 
über die Infektion ist möglich. Als wir noch große Epidemien sahen, 
blieb immer einmal eine Wöchnerin am Leben, die ebenso schwer als 
andere erkrankt war. 



Die Staphylokokken treten bei der tödlichen puerperalen Sepsis in 
den Hintergrund. Ihr Hauptniederlagegebiet ist die äußere Haut Von 
ihr aus gelangen sie in die Wunden der Haut, z. B. in den Dammriß, 
wenn er genäht oder nicht genäht vereitert. 

Mit den Fingern oder mit Instrumenten können die Staphylo- 
kokken in die Genitalien in der Art befördert werden, daß der Finger 
von der Vulva Kokken abstreift und sie nach oben führt. Dies kann 
natürlich auch eine keimfreie oder mit Gummihandschuh be- 
kleidete Hand machen. Gelangen die Staphylokokken in einen 
Scheidenriß, z. B. in einen großen, das Parametrium eröffnenden Cervi- 
calriß, so entsteht hier eine Eiterung. 

Bricht ein solcher Staphylokokkenherd in die Blutbahn ein, vereitert 
durch Staphylokokkenwirkung ein Thrombus, so kommt es durch Meta- 
stasenbildung zurPyaemia multiplex. Die verschleppten Staphylo- 
kokken bewirken in den Nieren, den Lungen, der Milz, dem Auge, dem 
Gehirn, ja in allen Organen eine der ersten identische metastatische 
Eiterung mit den klinischen Folgen der neuen Lokalisierung. 

Die Staphylokokken siedeln sich symbiotisch bei anderen bak- 
teriellen Krankheiten an, so daß durch Bakterienassoziation eine Misch- 



Die puerperale Infektion. 433 

Infektion entsteht, wie dies bei der typischen puerperalen Pyämie die 
Regel ist 



Die Saprophyten sind nur in dem Sinne nicht infektiös, als sie in 
den Geweben der lebenden Organismen sich nicht vermehren. Pro- 
dukte der Fäulnis aber bewirken doch Saprämie, eine Vergiftung des 
Körpers, wie z. B. bei der Autointoxikation, die vom verfaulten Darm- 
inhalte bei Ileus oder peritonitischer Darmlähmung ausgeht 

Colibazillen, in den Uterus gelangt, führen zu Fäulnis des Uterus- 
inhaltes und zur Gasbildung: Tympanites uteri (vgl. S. 340 u. 426). 

In der Agone wirken diese Produkte septisch, so daß man von einer 
agonalen Coliseptikämie gesprochen hat Auf sie sind auch die 
coUiquativen Diarrhöen zu beziehen, die sub finem vitae bei puerperaler 
Sepsis oft vorkommen. 

Daß Colibazillen durch die Darmwand gelangen, beweisen die 
Fälle von Cystitis bei Eiterungen im oder am Rectum. 

Die puerperale Infektion kann also entstehen, ohne daß der Arzt 
oder die Hebamme die Wöchnerin infizierten. Die Wöchnerin kann in 
sich und an sich Kokken haben, die, ohne daß neue von außen hinzu- 
kommen, die schwerste Infektion bewirken. Die Selbstinfektion ist 
vom bakteriologischen Standpunkte als möglich zuzugeben. 
Selbst bei einer völlig unberührten Kreißenden nach einer Sturzgeburt 
kamen schwere infektiöse Prozesse vor. Gerade in dieser Vagina, an 
oder in dieser Vulva waren zufällig Kokken vorhanden. Es ist nicht 
möglich, Fieber im Wochenbett durch subjektive und objektive Desin- 
fektion absolut sicher zu verhindern. 

Diese Erkenntnis wird uns aber nicht abhalten dürfen, beide Des- 
infektionsmethoden auf das strengste zu gebieten und auszuüben. Die sub- 
jektive Desinfektion wird die gefährlichsten Infektionserreger an den 
Händen des Arztes vernichten, und die objektive Desinfektion wird nach 
Möglichkeit die ubiquistischen Kokken abtöten und wegschaffen, wenn 
das auch nach den anatomischen Verhältnissen der weiblichen Genitalien 
nicht so vollkommen geschehen kann, daß man für eine Keimfreiheit der 
Geschlechtsteile garantieren könnte. 

Es wäre also ungerecht, unlogisch und unwahr, wollte man bei 
jeder fieberhaften Erkrankung im Wochenbette dem Arzte oder der 
Hebamme die alleinige Schuld an dem Fieber zuschieben. Wie das 
Menstruationsblut verfault, wie die Karcinomsekrete verjauchen, wie ein 

Fritsch, Geburtshilfe. 28 



434 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

vernachlässigter Abort in der Uterushöhle sich zersetzt, ohne daß touchiert 
wurde, so kann auch das Lochialsekret verfaulen oder zum Nährboden 
zufällig vorhandener Strepto- und Staphylokokken werden. 

Saprophyten können auch noch später, z. B. nach 7—8 Tagen 
hohes Fieber erzeugen. Es ist z. B. die Cervix stark abgeknickt, so daß 
die Lochien in der Uterushöhle zurückgehalten werden. Zufällig be- 
finden sich, wenn auch wenige, Saprophyten in der Uterushöhle, die 
den Inhalt langsam zur Fäulnis bringen. Die Fäulnisprodukte werden 
bei dem Innendruck im Uterus gleichsam in das Uterusparenchym 
hineingedrückt und bewirken, resorbiert, eine Intoxikation mit oft schweren 
Symptomen und hohem Fieber. Geht spontan der Uterusinhalt (Lochio- 
metra) bei Zunahme des Innendruckes ab, wird er vom Arzte aus- 
gepreßt oder ausgespült, so verschwinden sofort alle Symptome der 
»Spätinfektion«. 

Infektion mit Tetannsbazillen. 

Außer dem Puerperalfieber katexochen gibt es noch einige andere 
bakterielle Krankheiten des Wochenbettes. So sind vereinzelte Fälle, 
auch Epidemien und Endemien von Infektion mit Tetanusbazillen be- 
obachtet. Die Prognose ist außerordentlich ungünstig. Die Diagnose 
wird durch die Beobachtung der Kieferstarre und des tetanischen Krampf- 
zustandes gestellt Die Therapie, selbst Exstirpation des Uterus, sub- 
kutane und subdurale Antitoxininjektionen bleiben meist erfolglos. 

Die Gonorrhoe im Wochenbett. 

Die Gonokokken-lnfektion hat mit der Befruchtung direkt nichts 
zu tun. Beim fruchtbaren Coitus kann Gonorrhoe übertragen werden. 
Nur die Nachkrankheiten: Endometritis, Pyosalpinx, Oophoritis, 
Perioophoritis, Perimetritis und perimetritische Verwachsungen 
bei der Frau, Orchitis usw. beim Manne bewirken Sterilität 

In der ganzen Schwangerschaft besteht mitunter zuerst florid, dann 
chronisch resp. latent die Gonorrhoe. Der Schleimpropf in der Cervix 
verhindert das Aufsteigen der gonorrhoischen Eiterung. Nach der Ge- 
burt aber fällt die Grenze zwischen Uterushöhle und Vagina fort Ja 
bei Seitenlage muß die vaginale Flüssigkeit auf die Cervix und in die 
Uterushöhle nach dem Gesetz der Schwere zurückfluten. Ein Innendruck 
des Uterus und Flimmerbewegung des Epithels mit der Stromrichtung 
nach außen als Schutzvorrichtung fehlt, somit werden die in den Wochen- 
bettsekreten sich rapide vermehrenden Gonokokken leicht in die Uterus- 



Tetanusinfektion. Qonoirhoe. 



435 



höhle gelangen: die Gonorrhoe ascendierL So kommt sie auch in 
eine oder in beide Tuben. Ohne daß irgend eine besondere Ver- 
anlassung vorliegt, bildet sich 3—4 Wochen post partum schon ein pal- 
pabler Tumor, eine Pyosalpinx. Daß die Gonokokken auch durch die 
Decidua in das Uterusparenchym und in das Parametrium vordringen, 
ist nachgewiesen, es gibt also eine gonorrhoische Parametritis. 

Die häufigere Folge aber ist eine peritonitische gonorrhoische 
Erkrankung, durch Ascendieren der Gonorrhoe von der Scheide in den 
Uterus und durch die Tuben auf das Pelveoperitonaeum entstanden. 

Zu dem Ascendieren des Prozesses gehört Zeit, demnach treten 
die ersten Symptome meist nicht vor dem Ende der ersten Woche des 
Puerperium ein. Man ist sehr erstaunt, zu einer Zeit, wo die Gefahr 
der Streptokokkeninfektion längst vorüber ist, ohne Grund, plötzlich 
Fieber und heftige spontane Druckempfindlichkeit an den Adnexen zu 
finden. Oft wird ein Trauma als schuldig angegeben, namentlich schwerer 
Stuhlgang oder eine unvorsichtige Bewegung im Bette. Noch 14 Tage 
post partum kann eine gonorrhoische Perimetritis beginnen. 

Da der Gonokokkus zwar ein Eiter-, aber kein Fiebererreger ist 
und Sepsis nicht bewirkt, so fehlen Allgemeinerscheinungen. Die lokalen 
Folgen treten in den Vordergrund: Schmerzen, Eiterproduktion in der 
Tube, in den OvarialfolHkeln, Bildung von Eitercysten in beiden Organen, 
Adnextumoren, Wird von hohem Fieber berichtet, so handelt es sich um 
eine Mischinfektion, 

Nicht selten kommen im Wochenbett Gonokokkenmetastasen vor, 
so z, B. Qelenkkrankheiten. Wie beim Gelenkrheumatismus er- 
kranken Hand-, Schulter- oder andere Gelenke. Nur fehlt Fieber und 
Rötung, während Schmerzen und Oelenlterguß vorhanden sind. Auch 
1 schwere gonorrhoische Endocarditis ist beobachtet 



Der Verlauf ist exquisit chronisch. Schwinden auch die akuten 
Symptome bald, so liefern doch gerade diese Patientinnen ein großes 
Kontingent zu den chronisch kranken, hysterischen, arbeitsunfähigen 
sterilen Frauen. 



Die Therapie besteht in Ruhe. Irgend etwas anderes als des- 
infizierende Spülungen der Vagina vornehmen zu lassen, ist ein großer 
Fehler. Gerade die schweren zu Operarionen führenden Adnexerkran- 
kungen sind sehr oft die Folge intrauteriner Therapie. Wie man bei 
Typhlitis eine Kranke so lange hegen lassen soll, bis jede Druckempfind- 
lichkeit geschwunden, so auch hier. Aber wie schwer ist eine solche 
Vorschrift durchzuführen! 




436 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Ganz auffallend günstig wirkt der elektrische Beleuchtungs- resp. 
Wärmapparat Oft verschwinden nach 2 — 3 maliger einstündiger Appli- 
kation die Schmerzen sehr schnell. 

Die Augen des Kindes müssen in diesen Fällen recht sorgfältig 
kontrolliert werden. Stellte die Anamnese Gonorrhoe fest, bekannte der 
Mann, wegen des Fluors der Frau gefragt, seinen Tripper, berichtet die 
Frau von Fluor und Harnbeschwerden in der Schwangerschaft oder 
findet man bei der Geburt auffallend viel Eiter am Finger, so wird dem 
Kinde eine iprozentige Argentumlösung in die Augen eingeträufelt, es 
wird »cred^isiert«. Die Augenblenorrhoe der Neugeborenen ist 
aus den Frauenkliniken, wo jedes Kind cred6isiert wird, fast absolut ver- 
schwunden. Die geringe Reizung durch die Argentumlösung hat den 
Augen des Kindes niemals Schaden gebracht. Die Technik der Argentum- 
einträufelung wird jeder Hebamme gelehrt Bei diagnostizierter gonorrhoi- 
scher Puerperalkrankheit müssen die Augen des Kindes noch nachträg- 
lich lange Zeit beobachtet werden, denn Spätinfektionen mit Gonorrhoe 
können vorkommen und sehr unangenehme Überraschungen bereiten. 

Verlauf der Infektion: des Puerperalfiebers. 

Bei der schweren puerperalen Sepsis tritt das Fieber bald nach 
der Geburt ein, wenn es nicht schon intra partum bestand. Oft mit 
einem Schüttelfrost, der beweist, daß die Temperatur schnell stieg. 
Erreicht die Temperatur langsam die hohen Grade, so fehlt der 
Schüttelfrost. 

Auffallend ist die schnelle Beteiligung der Psyche bezw. der 
toxische Einfluß des Infektionsgiftes. Die Kranke hat Kopfschmerzen, 
schläft schlecht und hat das Gefühl, schwer krank zu sein. Die Tem- 
peratur steigt auf 39.5 oder erreicht auch sofort 40, ja 41. Sie sinkt 
zwar am Morgen, steigt aber abends wieder an. Der Puls nimmt an 
Frequenz schnell zu. 

Die Reaktion der Psyche auf hohe Temperaturen ist individuell 
sehr verschieden. Der Eine rast bei 40^, ist bewußtlos und halluziniert, 
während der Andere apathisch somnolent und teilnahmslos darniederliegt 
So kommen auch bei hochfiebernden Wöchnerinnen als Folge des Fiebers 
und der Sepsis Zustände vor, die einer maniakalischen Psychose ähneln. 
Daß, wie bei schwerem Typhus eine Wöchnerin rast, zum Fenster hinaus 
springt, sich oder das Kind verletzt, ist oft beobachtet 

An schwere Eklampsie schließen sich ähnliche Zustände an. 

Davon ist verschieden die puerperale Psychose, ein halluzinatori- 



Symptor 



■ des Puerperalfiebers. Sektionsbefiind. 



437 



sches Irresein. Sie betrifft meistens psychopathische Personen, ist erblich 
und im späteren Wochenbette recidiviereiid. Sie beginnt so typisch mit 
Asomnie, daß, wenn der Arzt von erblicher Disposition unterrichtet ist, 
er der Asomnie die größte Bedeutung beimessen muß. Da in der 
Psychose Selbstmord, Kindsmord, Tobsucht auf Verfolgungsideen be- 
ruhend vorgekommen sind, so muß der Arzt alle Fälle von tatsächlicher 
Asomnie sehr ernst nehmen. 

Der Uterus bleibt meist etwas größer als bei Fieberfreiheit. Er ist 
weich und druckempfindlich. Oft kann man deutlich das Fortschreiten 
der lokalen Entzündung bcobachfen. Früh war nur der Uterus druck- 
empfindlich, abends schon eine Uteruswand, dann steigt die Empfindlich- 
keit auf der Seite höher, das Pelveoperitonaeum wird schmerzhaft Dann 
treibt sich der ganze Leib auf, es entstehen unter Zunahme der Allge- 
meinerkrankung die Symptome der schweren septischen foudroyanten 
Peritonitis universalis. Binnen kurzem hat der Leib einen größeren 
Umfang als vor der Geburt Im gelähmten Darm hört die Peristaltik 
auf. Es bestehen „lleuserscheinungen". Der Darminhalt wird in 
den Magen übergedrückt, Singultus, Erbrechen von fäkalen Massen 
tritt ein. 

Die Peritonitis ergreift den Blasenüberzug, die Blase ist gelähmt, 
die Kranke kann nicht urinieren. 

Der Leib Ist enorm druckempfindlich, so daß der Druck einer 
Eisblase, ja selbst der Druck der Bettdecke schmerzhaft empfunden \pird. 
Aber es gibt auch ^ gerade sehr schwere — Fälle von Sepsis, wo 
die septische Infektion die sensiblen Nerven völlig gelähmt hat und der 
Druck deshalb nicht schmerzhaft ist Dieser Zustand der Unempfind- 
lichkeit tritt oft gerade dann ein, wenn die Zunahme der Pulsfrequenz 
und der Benommenheit die Prognose absolut schlecht stellen lassen. 

Das Diaphragma wird hochgepreßt Die Atmung ist dann be- 
schleunigt Das Gesicht sieht cyanotisch aus. Die Zunge ist borkig. 
Der Puls steigt auf 120 und wird sub finem vitae bis zur Unzählbarkeit 
beschleunigt Das Sensorium ist benommen. Es kommt zu Pseudo- 
euphorie. Der Tod tritt durch insufficiente Atmung und Vergiftung 
mit den Toxinen ein. Schon nach 3—4 Tagen ist der Exitus möglich, 
meist dauert die Krankheit 6—10 Tage. 



Sektionsb efund. 

Bei sehr schnellem Verlaufe findet man das Peritonaeum ohne 
Glanz, alle Gefäße sind mit dunklem Blute erfüllt, die aufgeblähten 



L 




438 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Därme sehen braunrot aus. Einige Eßlöffel bräunlich blutiger Flüssig- 
keit erfüllen den Douglasischen Raum. Außerdem sind nur die ödema- 
tösen Schwellungen des Subserosiums und der Bänder wahrzunehmen. 

Dauerte die Krankheit 5 — 7 Tage, so ist der Uterus weich und groß. 
Die geblähten Därme drücken in ihn Facetten, so daß er ganz unregel- 
mäßig erscheint Seine Innenfläche zeigt blutige Auflagerungen, mit 
grünlichgelblich schmutzigem, nekrotischem, fetzigem, lose anhaftendem 
Belage bedeckt. In den Gefäßen am Uterusrande finden sich schwarze 
auch schon zentral zerfallende Thromben, oder ein dicker Eiter. Die 
Tuben sind hochrot gequollen, die Ovarien groß, weich, zerfallend, ihre 
Follikel vergrößert, erweitert in Abszesse verwandelt. 

Trat der Tod nicht schon in der ersten Woche ein, hatte der Or- 
ganismus Zeit auf die Infektion durch lokale Entzündungen zu reagieren, 
so findet man mehr eitrige Prozesse. Alle Venen des Parametrium, auch 
die Spermaticae sind stellenweise zu kleinen Eitercysten dilatiert Ebenso 
ist die Peritonäalhöhle mit Eiter erfüllt, die Därme sind mit welligem 
Eiterbelag bedeckt Die Tube ist dilatiert, von Eiter erfüllt, ebenso das 
Ovarium. 

In diesen Fällen kämpft der Organismus, bis er erliegt oder siegt, 
zwei bis drei Wochen. Die Uterushöhle kann sich mit oder ohne 
Therapie so reinigen, daß der Uterus bei großen peritonäalen Eiter- 
ansammlungen ganz normal erscheint 

Es gibt auch Fälle, bei denen das Peritonaeum völlig unbeteiligt 
ist Die Infektion schreitet im subperitonäalen Bindegewebe fort. Es 
entsteht das, was Virchow ein Erysipelas malignum internum 
nannte. Das subperitonäale Bindegewebe ist gequollen, sieht, wenn man 
es gelegentlich bei einer Laparotomie erblickt, ödematös aus, bei der 
Sektion dunkel schwärzlich verfärbt 

Schenkelvenenthrombose, Fyämie. 

Die pathologischen Vorgänge spielen sich in andern Fällen wesent- 
lich in den Venen ab. Die leichten Fälle sind die der sogenannten 
puerperalen Schenkelvenenthrombose. Nach den Symptomen einer 
leichten Parametritis fühlt man an der Seite des Uterus die Stränge 
der thrombosierten Venen. Es bestand leichtes Fieber, das oft bald 
wieder aufhörte, so daß es übersehen wurde. Die Thromben wachsen 
zwar per appositionem, aber sie zerfallen nicht Es bildet sich auf einer 
Seite, oft nach einiger Zeit auch auf der andern Seite eine Thrombose 
der Hypogastrica bis in die Iliaca und Femoralis fortschreitend. 



Pyämie. 



439 



Dann entsteht Ödem des betreffenden Beines. Da das Blut der untern 
Extremität nur die Femoralis zum Abfluß ?ur Verfügung hat, dauert das 
ödem des Beines lange Zeil Das Blut muß durch die oberflächlichen 
Hautvenen abfließen. 

Das betroffene Bein sieht blaß aus, wird auffallend fest und pratl 
und unbeweglich. Man hat das Produkt dieser gutartigen Schenkel- 
venenthrombose unter dem Namen Phlegmasia alba dolens als 
Krankheit für sich beschrieben. In der Tai handelt es sich um ein 
eigentümliches Krankheitsbild. Das lange Krankenlager, die Unbeweg- 
lichkeit eines oder beider Beine, die Unmöglichkeit, durch Therapie zu 
nützen. Decubitus bei Nachlässigkeit in der Pflege etc., beweist, daß man, 
wenn auch die Prognose quoad vitam gut ist, doch die Affektion für eine 
schwere erklären muß. 

Auch primär entstehen mitunter in der Saphena oder in der Po- 
plitaea, auch in zufälligen Varicen an den unteren Extremitäten Throm- 
bosierungen, die nach oben steigend zur Phtegmasie führen und lange 
Zeit den Gebrauch des betreffenden Beines unmöglich machen. 

Ein Thrombus, dessen Existenz, wenn er in der Tiefe z. B. am 
Blasenhals oder in den Plexus in den Uterusligamenten saß, ganz unbekannt 
war, kann sich plötzlich lösen, zu Embolie der Pulmonalis und 
plötzHchem suffokatorischen Tode bei Haemoptoe führen. Solche Fälle 
kommen gerade bei großen deutlich erkannten Thrombosen nicht vor, 
viel häufiger trat der plötzliche Tod ganz unerwartet, plötzlich, ohne 
Vorboten ein. Meist nach einer Bewegung z. B. dem Aufstehen, der 
Defäkation, oder auch nur einem schnellen Herumdrehen im Bette. 
Auch eine geistige Erregung kann das ätiologische Moment abgeben, was 
ja erklärlich ist, wenn man bedenkt, wie sehr die Herzaktion von Gemüts- 
bewegungen beeinflußt wird. 

Daß eine auffallende Pulsbeschleunigung nicht selten vorherging, 
ist richtig. Deshalb wird man bei unerklärlicher Herzschwäche und 
Pulsfrequenz vorsichtig sein, langes Liegen anraten, und heftige Bewe- 
gungen untersagen. 



Bei der metastatischen sog. Pyaemia multiplex, die wir schon 
erwähnen mußten, ist der Anfang eine Phlebitis, die sowohl durch 
Phlegmone um eine Vene herum, als durch direkte Infektion 
eines äußeren Thrombus an der Placentarstelle entstehen kann. 
Letzteres kommt oft vor bei Placenta praevia und bei intrauteriner 
manueller Lösung der Placenta. In beiden Fällen ist der Kontraktions- 




440 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

zustand des Uterus schlecht, die Venen sind weit, viele Thromben sind 
vorhanden. 

Es gibt akute von Streptokokken bewirkte Pyämie, bei der 
binnen kurzer Zeit, in iV2~2 Wochen unter Bildung von unzähligen 
Metastasen in Lunge, Nieren, Milz etc. der Exitus eintritt 

Fährt der Embolus irgendwo fest, so kommt es in der Umgebung 
zu Stauung, Gefäßverstopfung und einer der primären gleichen Ent- 
zündung: es entsteht eine Metastase, z, B. ein Lungeninfarkt. 

Auf diesen Vorgang reagiert der Organismus durch schnell ansteigende 
Temperatur und Schüttelfrost. Je nachdem schnell nacheinander oder 
nur in größeren Pausen, neue Emboli festfahren, folgen auch die Schüttel- 
fröste schneller oder langsamer aufeinander. Doch vergehen selten 
24 Stunden ohne einen neuen Schüttelfrost, ja es können an einem Tage 
2—3, und im ganzen Hunderte eintreten. Jeder Schüttelfrost ist eine 
weitere Etappe zum Tode. 

Die Symptome hängen von der Lokalität des Infarkts ab. Bei 
Lungeninfarkten treten blutige Sputa ein, oft ohne jedes subjektive 
Symptom, mitunter mit deutlichen pleuritischen Erscheinungen. Dann 
kann ein Pyothorax oder ein Pneumothorax entstehen. Ist die Milz 
stark vergrößert, so hat man auch in der Milz Infarkte zu vermuten. 
Dies oder jenes Gelenk vereitert. Selten ist der Sitz der Embolie die 
Leber, noch seltener ein Gehirnsinus oder die Centralis retinae, 
wobei dann eine eitrige Panophthalmie oder plötzliche Blindheit ein- 
tritt. Bei Infarkt in den Nieren ist Pyurie und Albuminurie das erste 
Zeichen. 

Die immer wieder eintretenden Schüttelfröste sind eine große Qual 
für die Patientin. Sie erfährt vom Arzte, daß die Prognose erst gut wird, 
wenn die Schüttelfröste aufhören. So bereitet jeder Schüttelfrost nicht nur 
körperliches Leiden, sondern auch psychische Depression, Enttäuschung 
und Vernichtung der Hoffnung. 

Am Ende führt eine akute Pleuritis, Myokarditis mit Abszessen, 
Peritonitis, Endokarditis oder auch nur die Konsumption der 
Kräfte den Tod herbei. 

Die pyämische Endokarditis ulcerosa hat man auch als eine genuine 
Krankheit aufgefaßt Es gibt besonders bösartige Fälle, bei denen unter 
gleich hoch bleibendem Fieber und Lokalisation der Pyämie im Herzen 
der Tod bald eintritt Aber der Umstand, daß sehr häufig endokardi- 
tische Herde, sowie Geschwüre und Substanzverlust im Endokard ge- 
funden wurden, läßt wohl die Endokarditis als Teilerscheinung der Pyämie 
bezw. der Phlebitis maligna puerperalis auffassen. 



Diagnose und Prognose des Puerperalfiebers. 



Diagnose und Prognose des Puerperalfiebers. 

Daß eine Wöchnerin krank ist, erkenni man aus Puls, Temperatur, 
dem Allgemeinbefinden imd den objektiven lokalen Symptomen, Das ist 
also nicht schwierig festzustellen. Aber die Differentialdiagnose zu 
stellen zwischen leichtem saprophytischen und schwerem septischen Fieber 
ist bei Beginn der Krankheit überaus schwierig. Namentlich für den, 
dem die Wöchnerin bis dahin unbekannt war. Der Irrtum, daß man 
«ine leichte Temperaturerhöhung für den Beginn schwerer Sepsis hält, 
loder daß man die Prognose kurze Zeit ante mortem noch günstig stellt, 
list von Unerfahrenen und Erfahrenen oft genug begangen. 
'■ Je eher das Fieber eintritt, um so ungünstiger liegt der Fall. Das 
"Volk sagt: ist die Wöchnerin 3 Tage gesund, so stirbt sie nicht, und, ist 
sie 5 Tage gesund, so bleibt sie gesund. Diese Anschauung entspricht 
in der Tat der Erfahrung. 

Sodann ist außerordentlich wichtig die Beobachtung der Psyche. 
Schlaflosigkeit, Erregung, Todesfurcht, Mißstimmung sind ebenso schlechte 
"Zeichen wie Appetitlosigkeit, Durst und ÜbeSkeit, Ist dann der Zustand 
ähnlich wie bei schwerem Typhus, ist das Sensorium benommen, der Puls 
hyperfrequent, so ist die Diagnose der Sepsis sicher. Dabei kann der 
lokale Befund absolut nichts ergeben, nicht einmal Lochien, denn bei der 
starken Schweißproduktion versiegen die Sekrete des Uterus. Ja ein 
Dammriß heilt bei der schwersten Sepsis mitunter tadellos. 

Zeitweises Herabgehen der Temperatur beweist noch nicht Besserung, 
JTpenn noch nicht gleichzeitig der Puls langsamer und das Sensorium frei 
j^ird. Im Gegenteil sub finem vitae geht oft die Temperatur stark her- 
i'unter (Kollapstemperatur), während der Puls unzählbar wird. 

Die Prognose ist besonders bei primärer Beteiligung des Perito- 
Inaeum sehr schlecht. Daß aber auch in schweren Fällen ein guter Aus- 
".gang vorkommt, haben wir namentlich vor Jahrzehnten, als wir noch 
' Epidemien in den Kliniken sahen, öfter beobachtet. Dann demarkiert sich 
.-die Entzündung. Im Parametrium entsteht ein Tumor, ein Exsudat, das 
Fieber wird ein typisches remittierendes Eiterungsfieber und die schweren 
Allgemeinsymptome nehmen ab. 

Bei der Peritonitis kann ebenfalls eine Demarkation eintreten, so 
:daB ein abgekapseltes peritonitisches Exsudat zurückbleibt 



Bei der Diagnose der gonorrhoischen puerperalen Per 
■aritis kommt zunächst die Anamnese und die Tatsache in Betracht, 
jffks Kind an Blenorrhoe erkrankt war, sodann das verhältnismäßig späti 



ik 



daß 

päte h 



442 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Auftreten der Symptome, das geringe Fieber, die exquisite Schmerzhaft! g,- 
keit einer Seite, eventuell Gelenkaffektion. Sehr einfach gelingt die Kcnr 
statierung der Krankheit, da man nur aus der Scheide resp. Cervix, ni ^ 
aus dem Uterus zur Diagnosenstellung Sekret zu entnehmen hat 



Die Diagnose der Pyämie ist nach einigen Tagen Beobacht 
leicht zu stellen. Nach den ersten Schüttelfrösten kann das Befinden (j 
Wöchnerin so normal sein, daß man meint, der Bericht von den Schik -f^^ 
frosten beruhe auf Irrtum oder Übertreibung. Die Temperaturmes^^i/^, 
aber beim oder nach dem Frost klärt den Zweifel bald auf. 

Ein heftiger ^/j Stunde dauernder Schüttelfrost greift die Paii^titin 
sehr an, unmittelbar darnach sieht sie blau, cyanotisch und kollabiert aus. 
Die Temperatur steigt auf 40, 41 ^ und mehr, um bald wieder abzusin/cen. 
Nach den ersten Tagen ist die Temperatur stundenlang zwischen den 
Schüttelfrösten normal, ja subnormal. Sind erst viele Metastasen vor- 
handen, so ist die Temperatur auch zurzeit der Remissionen erhöht. Die 
wiederkehrenden Schüttelfröste sichern die Diagnose. 

Die Symptome der Metastasen zeigen, wo die Emboli festgefahren sind 

Bei der Endokarditis ist charakteristisch, daß nach dem initialen 
Schüttelfroste die Temperatur gleichmäßig hoch bleibt Bei hoher Febris 
continua fehlen später Schüttelfröste. In einem solchen Falle würde ein 
Schüttelfrost beweisen, daß die Temperatur wenigstens vorübergehend 
wieder niedrig war, also würde hier ein Schüttelfrost prognostisch eher 
günstig als ungünstig sein. 

Ist auch die Prognose der Pyämie schlecht, so gibt es doch leichtere 
und schwerere Formen; leichte, die langsam verlaufen, die in Heilung 
übergehen können und schwere Formen, deren schwerste die oben er- 
wähnte Endokarditis ulcerosa maligna ist 

Die Schüttelfröste können allmählich immer seltener und weniger 
intensiv auftreten. Dann kommen Pausen von mehreren Tagen vor. Die 
Schüttelfröste bleiben ganz weg und die Patientin wird gesund. Wenn 
3 mal 24 Stunden kein Schüttelfrost eintrat, so ist die Prognose gut 



Therapie. 

Allgemeinbehandlung. 

Durchaus falsch ist es, beim Fieber im Puerperium sofort Anti- 
febril ia zu geben. Man verdeckt sich dadurch das Krankheitsbild so, 
daß es gar nicht möglich ist, klar zu sehen und eine sichere Diagnose und 



Therapie des Puerperalfiebers.. 443 

Prognose zu stellen. Daß keines der Mittel, die das Fieber herabsetzen, 
antiseptisch wirkt, ist praktisch erwiesen. Ehe wir lokal behandelten, 
haben wir genugsam Mißerfolge mit der medikamentösen Therapie ge- 
sehen. 

Dagegen ist es rationell, viel alkoholische Getränke, am besten 
Cognac mit Wasser oder schwere Weine zu verabfolgen. Es ist unglaub- 
lich, welche Quantitäten Alkohol von hochfiebernden Wöchnerinnen gut 
vertragen werden. Ein Liter Portwein in einer Nacht ist nicht zu viel. 
Die bakterizide Wirkung, die Anregung der Diurese und Diaphorese und 
die sedative Wirkung großer Alkoholdosen übt einen guten Einfluß auf 
die Infizierte aus. Will die Wöchnerin nicht trinken, so macht man Ein- 
laufe mit lauwarmem, mit etwas Cognac vermischtem Wasser. Daß eine 
Sepsis nicht durch Cognac geheilt wird, ist zwar sicher, aber zusammen 
mit der lokalen Therapie wirken große Dosen Alkohol, überhaupt die 
Einverleibung großer Massen von Flüssigkeit sehr günstig. 

Ebenso rationell ist das Ergotin, das ebenfalls vielfach empfohlen 
ist Reagiert der Uterus, was allerdings bei Metritis septica nicht mehr 
der Fall ist, noch auf Ergotin, so wird durch die Uteruskontraktion die 
Resorption gehindert und die Ausstoßung der Sekrete befördert. 

Ist die akute Gefahr des Todes an Sepsis vorüber, geht der Fall in 
ein subakutes Stadium über, so ist es gewiß von Vorteil, für die Erhal- 
tung der Kräfte im allgemeinen und der Herzkraft im speziellen die hohe 
Bluttemperatur herabzusetzen. 

Zu dem Zwecke sind laue Bäder von33—- 35ÖC. sehr empfehlenswert. 
Die Wöchnerin wird im Beisein des Arztes gebadet, da mitunter ein 
Kollaps, der ärztliches Eingreifen erfordert, vorkommt. Man läßt im Bade 
Alkohol trinken, die Wöchnerin bleibt bis eine halbe Stunde im Bade, 
wenn es ihr behagt länger. Man kann in 24 Stunden 2, auch 3 Bäder 
geben. Die Besserung des subjektiven Befindens ist oft ganz auffallend. 

In diesen Fällen gibt man dann auch Antifebrilia. BeiPyämie 
werden die Schüttelfröste kürzer und weniger angreifend, wenn man Anti- 
febrilia verabfolgt. Eine Morphiuminjektion beim Beginn des Frostes 
mildert sehr die subjektive, unangenehme Empfindung. Das am besten 
vertragene Mittel ist Migraenin (Antipyrin 1,0, Coffein 0,1), dem ich gern 
0,03 Codein zusetze. Bei Pyämie gebe ich 3 g Natr. salicylic. zu 200 Wasser, 
zweistündlich ein Eßlöffel und täglich zweimal 0,5 Chinin mit 0,03 Codein. 
Es ist dies sowohl rationell als auch praktisch erprobt Der Zusatz von 
Narcoticis ist bei der Wöchnerin zu empfehlen, sowohl wegen des All- 
gemeinbefindens als wegen der Peritonitis. 



444 Dreiund^-wanzigstes Kapitel. 

Ist eine Wöchnerin sehr aufgeregt, so ist es indiziert, noch mehr 
Narcotica zu verabfolgen, ramenllich dann, wenn Insomnie besteht Hier 
liegt immer die Gefahr der Psychose vor, vgl. S. 436. 

Man muß eine gute Wärterin bei der Patientin haben, um festzustellen, 
ob die Berichte über Schlaflosigkeit nicht übertrieben oder direkt erlogen 
sind. Das Kind darf selbstverständlich nicht an die Brust gelegt werden, 
ist überhaupt zu entfernen. Das Zimmer muß dunkel sein. Alle Qeräusdie 
sind fern zu hallen. Das Wochenbett ist nach einem ruhigen, nicht vom 
Straßenlärm gestörten Räume zu verlegen. Die Wärterin darf die 
Wöchnerin nicht einen Augenblick verlassen. 

Es gelingt nicht selten, im Wochenbett eine Psychose zu koupieren. 
Wenn man überhaupt an eine Psychosis puerperalis denkt, so muß man, 
um das Wiederausbrechen zu verhüten, sofort für tiefen Schlaf sorgen. 
Als Mittel eignet sich am besten Chloralhydrat in Kombination mit Mor- 
phium. Man injiziert 0,01 Morphium und gibt 3g Chloralhydrat Geringert 
Dosen erzeugen erst recht Tobsucht Vor dem Chloral ist durch eine 
Dosis Natron bicarbonicum der Mageninhalt zu neutralisieren. 

Sollte Schlaf nicht eintreten, so fügt man noch eine Dosis Morphium 
hinzu. Erwacht die Wöchnerin gebessert, so werden in den nächsten 
Tagen 4—5 g Bromkali pro Tag verabfolgt 

Die Vorschrift, solche Kranke sofort einer Anstalt zu überantworten, 
ist leicht gegeben, aber bei einer frischentbundenen fieberhaft Kranken 
nicht auszuführen. Bessert sich aber der Zustand nicht, hält bei körper- 
lichem Wohlbefinden die Psychose an, so ist selbstverständlich Anstalls- 
behandlung das Beste. 

In diesen Källen tritt meist die Menstruation zunächst nicht ein. Die 
Besserung des Befindens koinzidiert so oft mit dem Wiedereintrelen der 
Menstruation, daß der Gedanke nahe liegt, durch Blutentziehungen aus 
dem Uterus einzuwirken. In der Tat habe ich mehrmals beobachtet, daß 
eine Blutentziehung aus der Portio durch Sticbelung gute Folgen hatte. 
Im allgemeinen ist die Prognose gut, jedenfalls besser als bei anderen 
Psychosen. 

Das Marmorekschc Anfistreptokokkenserum muß gewiß weiter ver- 
sucht werden. Die Berichte lauten völlig entgegengesetzt Vielleicht gib' 
es doch viele Arten Streptokokken und in günstigen Fällen war zufällig 
das richtige Antiserum verabreicht. 

DieCredeschen Callargoleinreibungen und Injektionen werde 
ich auch weiter anwenden, wenngleich den Fällen, bei denen es mir und 
anderen scheinbar gute Resultate gab, wieder solche gegenüberslehei. 



Lokale Therapie des Puerperal tiebers. 445 

bei denen es absolut wirkungslos war. Aber warum soll man nicht alles 
sicher Unschädliche versuchen? 

Die Totalexstirpation des Uterus ist ebenfalls vorgeschlagen. 
Man muß sie rein theoretisch rationell nennen. Ich habe Fälle bei der 
Sektion gesehen, wo auch der pathologische Anatom konstatierte, daß die 
Erkrankung auf den Uterus beschränkt geblieben war. Aber wer will 
das vorher wissen? Technisch sind diese Operationen sehr leicht Findet 
man aber Ödeme der Ligamente, so ist die Prognose ungünstig. Ich 
rate zu der Operation im Prinzip nicht, habe sie aber, fast gezwungen 
von Kollegen, wiederholt stets mit schlech-fem Ausgange gemacht 

Daß die Ernährung nicht vernachlässigt werden darf, ist klar, in- 
dessen muß man bedenken, daß Hochfiefaernde die Nahrung schlecht 
assimilieren. Speziell bei Pyämie oder langdauerndem Eiterungsfieber 
nach großen Verletzungen ist es sehr wichtig, die Resistenzfähigkeit des 
Organismus durch reichliche Nahrungszufuhr zu erhahen und zu stärken. 
Spezielle Vorschriften zu geben, erübrigt sich wohl. 



Die lokale Behandlung. 

Geringe Fiebertemperaturen sind häufig. Auch in der vor-antisepti- 
schen Zeit haben wir unendlich oft Temperaturerhöhungen bei Wöch- 
nerinnen beobachtet, ohne daß uns überhaupt der Gedanke an eine 
schlechte Prognose aufgetaucht ist 

Es ist ein Zuviel, wenn wir bei diesen geringen Fieberbewegungen, 
bei denen das Allgemeinbefinden völlig ungetrübt ist, die wir ohne Thermo- 
meter kaum diagnostizieren würden, sofort irrigieren wollten. Mit der 
Ausspülung machen wir mechanisch durch Dehnung der Scheide, durch 
Erhebung des Uterus oder sogar direkt mit dem Rohr in den ersten 
Tagen sicher kleine Wunden, eine absolute Reinigung, bezw, Steri- 
lisation der Scheide ist nicht zu erzielen. Werden die SpCdungen 
nicht vorsichtig gemacht, nicht methodisch fortgesetzt und oft wiederholt, 
so verschwindet das Desinfiziens, fließt aus, wird chemisch zersetzt oder 
resorbiert, ehe alle Keime getötet sind. Es rücken von oben neue Lochien 

1 herab, neue Nährflüssigkeit für die üppige Entwickelung alter, noch 
lebensfähiger Keime. Schnell tritt Zersetzung ein und die vielen neuen 

■ kleinen Wunden resorbieren. Somit wird durch eine Ausspülung, nament- 
lich von ungeschickter Hand, nur geschadet Dies bewies auch die Er- 

-iab ruDg. 




446 



Dreiundzwanzigstes Kapitel, 



Selbstverständlich aber ist die sorgfältige Beobachtung auch des 
leichtesten Fiebers unbedingt notwendig. 

Bei hohem Pieber wird intrauterin ausgespült. Wir wissen, 
daß geringe Temperaturen meist in Heilung übergehen; wir wissen aba | 
auch, daß bei hohem Fieber, namenllich bald nach der Geburt, der Pafl', 
leicht das wird oder das schon ist, was man puerperale Sepsis nennt. , 

Drei Aufgaben müssen wir uns stellen: i. müssen wir den Orgatiis,! 
mus kräftigen; 2. müssen wir Stoffe, deren Resorption gefährlich jri' 
wegschaffen; 3. müssen wir die Resorption zu beschränken suchen. 

Der Erfolg der Kräftigung des Organismus ist S. 444 besprochen 1 
ich unterschätze ihn nicht. Aber Wein und Eier, Bier, Cognac und 
Beefsteak nützen nichts, wenn die Gewebe des Uterus und der Vagina 
von Streptokokken erfüllt sind. 

Es ist unzweifelhaft, daß im Genitaltraktus oben oder unten die 
Pforten sich befinden, durch welche der Feind eindringt. Schliefen 1 
können wir diese Pforten nicht, wohl aber können wir die infektiösen 
Massen, welche vor diesen Pforten lagern, wegschaffen. 

Der Umstand, daß hohes Fieber vorhanden, beweist, daß die KßVkia 
nicht nur auf der resorbierenden Fläche liegen, sondern daß sie schon 
eingedrungen sind, schon ihre Wirksamkeit in den Geweben entfalten, 
daß die Toxine schon im Blute kreisen. 

Aber ebenso, wie giftige Stoffe resorbiert werden, werden audi 
Medikamente resorbiert, welcfie vielleicht schädliche Stoffe in den 0^ 
weben unschädlich zu machen im stände sind. Wie schnell gerade dsr 
puerperale Genitaltraktus im Wochenbett resorbiert, hat man ja durch 
die unglücklichen Fälle von Sublimatvergiftung genugsam erfahren. 

Spülen wir also den Uterus aus, so verfolgen wir einen doppelten 
Zweck, wir schaffen die Kokken und Toxine fort, wir verhindern die 
Bildung neuen Giftes und wir senden in die Gewebe hinein Medika- 
mente, welche bakterizid wirken. Reinigten wir die Uterushöhle niclil, 
so handelten wir wie ein Chirurg, der eine Sepsis bei gangränöser 
Quetschwunde durch einige Dosen Antipyrin heilen wollte. 

Daß durch intrauterine Ausspülungen mancher schwere Fall geheiH 
ist, wird niemand leugnen, der schwerkranke Wöchnerinnen behandelte. 

Zu den intrauterinen Ausspülungen muß man einen Uteruskatheter 
mit Rücklauf nehmen. Es sind unzählige solche Katheter konstruieit 
Wahrt man das Prinzip, daß der Katheter eine Beckenkrümraung hat, bei der 
der Uterus nicht gewaltsam dislociert wird, bei dessen Einführung also 
neue Wunden nicht entstehen, daß das Abflußrohr des Katheters wei'^f 
als das Zuflußrohr ist, so wird man jeden solchen Katheter für zweck- 




Lokale Behandlung des Puerperalfiebers. 447 

entsprechend erklären. Ich wende eine grolle Nummer meines Katheters 
an, dessen äußere, die innere Röhre bergende Hülle fingerdick ist. 

Als Antisepticum sind alle nicht giftigen und nicht ätzenden 
Antiseptica zu gebrauchen. Giftig darf das Mittel nicht sein, weil in dem 
Uterus und der Scheide Lösung zurückbleibt, die schnell resorbiert wird. 
Fast jede mit Karbolsäurelösung ausgespülte Wöchnerin bekam 
Karbolurin, war also mit Karbolsäure vergiftet Am gefährlichsten ist 
Sublimat Als es in den Schatz der Antiseptica eingeführt und zu in- 
trauterinen Spülungen verwendet wurde, sind eine Anzahl tödlicher 
Sublimatvergiftungen beobachtet Eine Sublimatlösung darf also 
niemals in die Genitalien gelangen. 

Ein Desinfizienz darf auch nicht ätzen, denn wir wollen nicht eine 
Wunde zur Verheilung bringen, sondern die physiologischen Verhält- 
nisse der inneren Genitalien sich rekonstruieren lassen. Es würden 
Schmerzen und oberflächliche Gangräneszierungen entstehen, Die Hände 
des Geburtshelfers würden leiden. Beides haben wir bei starken, z. B. 
Sprozentigen Karbollösungen genugsam erfahren. 

Welches Mittel gebraucht wird, richtet sich nach den Verhältnissen. 
So gebraucht man bei wohlhabenden Kranken gern 4prozentige Bor- 
säurelösungen, die weder ätzen, noch stinken, noch giftig sind, die 
durchsichtig die Farbe der Sekrete und abgehenden Fetzen leicht er- 
kennen lassen. 

Am meisten wird das Lyso! in iprozentiger Lösung verwendet 
FreiHch stinkt es und erzeugt auch brennende Schmerzen in der Vagina 
und Vulva. Aber der billige Preis und die Unschädlichkeit dienen diesem 
Mittel so zur Empfehlung, daß es heute das am meisten gebrauchte 
Desinfektionsmitte! geworden ist 

Man soll nicht mit zu wenig Lösung irrigieren, lange Irrigationen 
mit 5 — 6 Liter reizen den Uterus zur Kontraktion, es lockern sich fest- 
haftende Eihautreste und Coagula. Die langen Spülungen sind er- 
fahrungsgemäß weit wirksamer als kurze Irrigationen. Namentlich bei 
der ersten Ausspülung des Uterus nehme man wenigstens 5—6 Liter. 

Betreffs der Technik ist darauf zu achten, daß man Schmerzen 
nicht bereiten darf. Es wird erst die Vulva abgespült und von allem an- 
haftenden Schmuti sorgfältig gereinigt. Sind die Schamhaare lang oder 
verfilzt, so werden sie abgeschnitten. Nach Reinigung der Vulva wird die 
' Vagina ausgespült Ein gelinder Druck auf den Fundus befördert die 
Flüssigkeit heraus, wobei oft Coagula abgehen. 

Um sich die Finger sauber zu erhallen, werden diese Ausspülungen 
I Stets gemacht, nachdem man sich einen Gummihandschuh über die 



|i sieis gemacn[, n; 




Dreiundzwanzigstes Kapitel. 



Hand gezogen hat. Danach wird ein Finger in die Vagina eingeführt, |' 
während die Spüiflüssigkeit läuft Der Finger orientiert sich über Ver- ] 
letzungen der Scheide und der Portio, er sucht auch den Mutterniund 
auf und öffnet etwas die Vulva, um festere Coagula herauszulassen. Nun- 
mehr wird der Katheter in den Uterus eingeschoben. Mit den Fingern 
der Hand, deren einer Finger in der Vagina li^, wird der Katheter in 
situ erhalten, während die andere Hand auf den Leib geht, den Uterus 
umfaßt und etwas drückt Der Irrigator darf nur so hoch gehalten 
werden, daß die Flüssigkeit langsam ausfließt Die Stromkraft muH so 
gering als möglich sein. Von Zeit zu Zeit drückt die Hand den Uterus 
wie beim Credeschen Handgriffe. Stets wird sorgfältig kontrolliert, daB 
der Abfluß ungestört vor sich geht 

Das Gesicht der Wöchnerin wird beobachtet, es wird ihr gesagt, 
daß sie, wenn sie Schmerzen hat oder überhaupt ein unangenehmes Ge- 
fühl spürt, dies sofort mitteilt Wird der Ausfluß plötzlich frischbtutig, 
so wird die Irrigation sofort unterbrochen. 

Es sind Fälle von direktem Einfließen der Desinfektions- 
flüssigkeit in die Venen des Uterus beobachtet Dies ungunstige 
Ereignis kann den Tod der Wöchnerin im Gefolge haben. Blutung, 
plötzliche Blässe, Bewußtlosigkeit, Irregularität des Pulses deutet das un- 
günstige Ereignis an. Wird jetzt sofort die Spülung unterbrochen und 
der Uterus durch Kompression von außen sanft ausgedrückt, so ver- 
schwinden die schweren beängstigenden Symptome bald und ein weiterer 
Schaden bleibt nicht zurück. 

Nach der Spülung wird die Temperatur gemessen. Glückliche 
Fälle, wo nach einer Spülung das Fieber sofort und definitiv schwindet, 
sind nicht selten. 

Meist aber tritt zwar der bessernde Effekt der Spülung zweifellos 
ein, aber bald steigt die Temperatur wieder an, da nicht alles septisdit 
Material entfernt ist Dann ist eine neue Spülung spätestens 8 Stunden 
nach der ersten zu machen und zu wiederholen. Der einmal ein- 
getretene Erfolg tritt auch wieder ein. Gibt man gleichzeitig reichlich 
Ergotin bezw, Seeale, wirkt man durch Alkohol auf die Herzkraft, 
läßt man, um die Diurese anzuregen, reichlich Flüssigkeit trinken, spüit 
man gleichzeitig den Dickdarm aus, verabfolgt man auch per anum 
warmes Wasser mit Alkohol, so gelingt es oft, dauernde Defervescenz 
und Heilung zu erzielen. 

Ist freilich die Sepsis eine allgemeine, beweist die Benommen- 
heit des Sensorium und die Erfolglosigkeit der Reinigung des Utenis 



Behandlung des Puerperalfiebers. 44g 

das gleich hochbleibende Fieber, daß der Sitz der Krankheit nicht mehr 
im Uterus, sondern weit über den Uterus hinaus fortgeschritten 
ist, so wird die Abspülung der uterinen Wundfläche das Leben nicht zu 
retten vermögen. 

Man kann nicht die Zeit, nicht die Zahl der Ausspülungen be- 
stimmen. Die Zeit nicht, weil wir in der Privalpraxis die Fälle nicht 
frisch sehen, nicht vom ersten Schüttelfroste an behandeln. Die Zahl 
nicht, weil wir uns damit nach dem Erfolge der einzelnen Ausspülungen 
richten. Tritt kein Erfolg ein, ist die tödliche Sepsis zweifellos, so hat es 
keinen Zweck, eine Moribunde zu quälen. Und ist der Fall in der Be- 
ziehung klar, daß z. B. ein Exsudat deutlich nachweisbar ist, so werden wir 
eine extrauterine Krankheit nicht intrauterin bekämpfen. Die Ausspülung 
ist wesentlich die Einleitung der Behandlung, sie ist ein Teil, 
und zwar ein wesentlicher Teil der Therapie, aber die Reinig- 
ung einer Wundfläche ist nicht die Summe der Behandlung. 

Das beste Zeichen, daß der Uterus resp. die Resorption von der 
Uterushöhle aus nicht mehr den Grund des Fiebers abgibt, ist die In- 
volution des Uterus. Wird er hart und eng, so daß man den Katheter 
nicht mehr leicht einführen kann, so sind auch Spülungen nicht mehr 
möglich und nicht mehr nöÜg, 

Bei der beginnenden Peritonitis ist Ruhe in jeder Beziehung 
die Hauptsache, Man mache nicht von Zeit zu Zeit, wenn die Schmerzen 
besonders quälen, eine Morphiumeinspritzung, sondern halte die Kranke 
unter permanenter Opiumwirkung, Zweistündlich 8 — 10 Tropfen Tindura 
thebaica sind zu geben. Bei Übelkeit per anum. 

Eis wirkt beim Beginn gut, regt aber oft die Peristaltik an, so daß 
eine Prießnitzsche Einpackung des Leibes besser vertragen wird. Per os 
gebe man so wenig wie möglich Nahrung, da Magen und Darm doch nicht 
resorbieren. Selbst das Wasser der im Munde schmelzenden Eisstückchen 
lasse man wieder ausspucken. Sehr gut wirkt oft ein Mastdarmrohr bei 
Seitenlage, aus dem ohne Pressen Darmgase abgehen. Kommt es zu 
Kotbrechen, so spült man den Magen aus und entfernt durch den Heber 
den reichlich in den Magen gedrückten DarminhalL Eine große Wohltat 
für die Kranke, da das Erbrechen danach oft lange sistiert. 

Die Incisionen in das Abdomen und die desinfizierenden Aus- 
. Spülungen der Peritonäalhöhle bei Streptokokkenperitonitis hat in der 
Beziehung einen Vorteil, daß die Qualen durch den schneller eintretenden 
Tod abgekürzt werden. Gerettet ist damit noch keine Wöchnerin. 




450 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

Bei den Folgen der Schenkelvenenthrombose, der Phleg- 
masia alba dolens ist die Therapie eine symptomatische. Man muß 
den Decubitus verhüten, muß Ernährung und hygienisches Verhalten so 
einrichten, daß die Patientin das lange Krankenlager gut aushält, denn 
Monate gehen oft vorüber, bis die Kranke wieder gehen kann. Die Ge- 
lenke können völlig unbeweglich werden, so daß man passive Bewegungen 
und Massage anzuwenden hat. Ja nicht selten bleibt für das ganze Leben 
eine Art Elephantiasis oder doch wenigstens eine Neigung zu Ödemen 
der unteren Extremitäten beim Stehen, namentlich beim Arbeiten im 
Stehen zurück. 

Die puerperalen Exsudate. 

Wenn die Infektion lokal bleibt, oder wenn sie sich bald demarkiert, 
wenn ein Schutzwall die infizierte Partie vom anderen Körper abgrenzte, 
so entsteht das, was man ein Exsudat nennt. Die Tatsache der Demar- 
kation beweist die geringe Virulenz der Kokken und die gute Wider- 
standskraft des betreffenden Organismus. Die Prognose ist also immer 
besser, wenn bei hohem Fieber ein palpabler parametraner Tumor zu 
fühlen ist, als wenn jede lokale Erkrankung fehlt 

Die Lokalität der Bindegewebsentzündung resp. des Tumors, des 
Exsudates ist durch die anatomischen Verhältnisse vorgezeichnet Da wo 
loses Bindegewebe zwischen Uterus oder unter dem Peritonaeum liegt, 
liegt auch das Exsudat und da wo das Peritonaeum fest unverschieblich 
aufsitzt kann es auch nicht abgehoben werden, kann auch ein Exsudat 
sich unmöglich bilden. 

Der Beginn des Exsudates liegt meist im Parametrium, das nur durch 
eine ganz dünne, oft zerrissene Grenze vom Qenitalschlauch getrennt ist 
(Vergl. S. 431.) 

Dieses parametrane Bindegewebe, durchsetzt von den Lymph- 
gefäßen, den großen Venen und der Arteria uterina, kommuniziert unter 
dem Peritonaeum, subserös mit dem Cavum praeperitonaeale Retzii, vor 
der Blase, mit dem Bindegewebe aller Uterusligamente, mit dem Binde- 
gewebe, in dem der Ureter liegt, mit dem, längs der Aorta bis in den 
Thorax sich fortsetzenden. 

Zerreißt die Cervix, öffnen sich diese Bindegewebsräume, schreitet 
aber die Infektion nicht auf allen genannten Wegen fort, sondern demar- 
kiert sich die infektiöse Entzündung, so fühlt man neben dem Uterus das 
Exsudat die Schwellung, die Härte, den Tumor, die Parametritis. 

Oder sie geht vom Uteruscavum auf dem Lymphwege durch den 
Uterus hindurch in den oberen Teil des Ligamentum latum, dahin wo 



Die puerperalen Exisiidale. 



die Tube, das Ligamentum nvarü und das Ligamentum rotundum vom 
Uterus ausgehl. In diesem oberen losen Bindegewebe geht die Sper- 
niatica zum Uterus, die bei einer Bindegewebsentzündung oft in Mit- 
leidenschaft gezogen wird. Beide Orte von Entzündungen resp. beide 
Lokal isaiionen der Parametritis oben im Ligamentum latum und unten 
im eigentlichen Parametrium sind durch die fest verwachsene Mitte des 
Ligaments getrennt, so daß eine Entzündung, die oben liegt, nicht vaginal, 
und eine, die unten liegt — wenn sie nicht sehr groß ist — nicht ab- 
dominal gefühlt wird. 

Der häufigere Sitz ist das Parametrium, die der Cervix benachbarte 
Partie. Die Entzündung beginnt am 3 — 5, Tage, wie alle Entzündungen 
mit Fieber, ev. einem Schüttelfroste, 

Sehr oft fühlt "man seitlich neben dem Uterus einen kleinen circum- 
skripten Tumor «vermehrte Resistenz". 

Man rechnet, dali gs *„ der parametriti sehen Exsudate resorbiert werden. 
Namentlich ist dies bei absoluter Ruhe der Fall. Der Nachlaß des Fiebers 
beweist die Demarkation. Weist man auch noch einige Zeit den Tumor 
neben dem Uterus nach, so wird er doch allmählich kleiner und ver- 
schwindet, oft so schnell, daß nach 3—4 Tagen Fieber, die Wöchnerin 
nach 14 Tagen des Wochenbettes gesund das Bett verläßt. 
I Ist der Tumor größer, so daß er kombiniert zu fühlen ist, so ,1 wandert" 

, mitunter der Uterus. D. h. zunächst verdrängt das Exsudat den Uterus 
I etwas nach einer Seite. Schrumpft dann das Exsudat und das Ligamentum 
. latum, so wird der Uterus gerade nach der Seite des Exsudates durch 
Narbenbildung verzogen; es wird z. B. aus einer primären Sinistropositio 
I eine sekundäre Dextropositio uteri. 

t In anderen Fällen aber, namentlich wenn die Wöchnerin nicht ganz 

I ruhig liegt, schreifei die Entzündung im losen Bindegewebe fort. Es ent- 
i^ Steht unter anhaltendem Fieber ein großer die Beckenwand erreichender 
i. subseröser Tumor, 

' Dann gelangt die Infihration an der vorderen Beckenwand in das 

I Cavum praeperitonaeale Retzii. Hier bildet sich die typische von außen 
zu fühlende brettartige Härte, oberhalb des Poupartischen Bandes. Die 
Härte reicht von der Spina ilei anterior superior bis an die Mitte oder 
L bis über die Mitte der vorderen Bauchwand, oben meist in der Mitte 
[zwischen Nabel und Becken mit scharfem, umfaßbarem Rande endend: 
' das typische extraperitonäale Beckenexsudat 
I In dieselbe Gegend gelangt auch das Exsudat, das oben im Liga- 

I mentum latum neben dem Ligamentum rotundum nach abwärts geht, 
j daß das Endresultat beider parametritischen Exsudationen schließlich 



[ so daß das 



ag* 



452 Drein nitzwanzigsles Kapitel. , 

dasselbe ist: wiederum das typische extraperitonäale Becl(en- [ 
exsudat 

Der Verlauf dieser Exsudationen ist oft ein überaus schleppender, 
so daß Monate vergehen, bis endlich der Eiter entleert werden kann. Der ' 
Uterus und das Parametrium wurden längst normal. Der Weg, den die 
Entzündung ging, ist frei, aber entfernt von der primären Parametritis J 
liegt das Endresultat vom, extraperitonäal, oberhalb des Poupartischen 
[Jandes. Schließlich wölbt der entzündliche Tumor die Haut hervor, so 
daß man Rötung der Haut und in der geröteten Haut die Oewebslücke 
wahrnimmt, unter der unmittelbar der Eiter liegt. 

In anderen Fällen zeigt die Infiltration gar keine Neigung zur Ein- 
schmelzung und bleibt bei subfebrilen Temperaturen unverändert wochen- 
lang gleich groß und gleich hart. 

Bei diesem Verlaufe handelt es sich oft um Frauen, die sidi nichl 
schonen oder nicht schonen können, weil sie arm sind und wieder arbeiten 
mijssen. Die Ruhe, das beste Antiphlogisticum fehlt, somit komml 
es zu Recrudeszierungen, zu Pausen und Besserungen, wieder zu Ver- 
schlimmerung, bis endlich nach Monaten der Eiter sich bildet, der Ober- 
fläche naht und durchbricht oder künstlich entfernt wird. 

Auch nach hinten, wo die Douglasischen Falten am Uterus beginnen, 
schreitet das Exsudat, einen retrouterinen Tumor bildend, fort. Schließ- 
lich ist das ganze Subserosium beteiligt, überall stößt der Finger auf harte 
Infiltration, die seitlich sich vom Knochen nicht scharf abgrenzen läßt 

Ein derartiges großes Exsudat kann sich völlig, wenn auch langsatn 
resorbieren. Aber es schmilzt auch ein. Spontan kann es den Mast- 
darm durchbrechen. Bei Zunahme des Fiebers und schmerzhaftem Stuhl- 
drang wird massenhaft mit Blut vermischter, oft jauchig riechender Eiter 
entleert, wonach sehr bald das Befinden sich bessert. 

Bei Durchbruch in die Blase entsieht plötzlich Tenesmus vesicae, 
auch Unmöglichkeit, Urin zu lassen. Alle Symptome schwinden, sobald 
der Eiter mit dem Urin entleert ist. 

Auch eine paramelrische Narbe in der Cervix kann ein- 
schmelzen, so daß reichlicher Eiter plötzlich per vaginam abfließt Otr 
Eitersack wölbt auch einmal die Uteruswand so nach innen vor, daß wan 
ein Myom in der Wand vermuten könnte. Beim Einschneiden entleereo 
sich große Mengen Eiters: man eröffnete einen parametritischen AbszeS- 

Nicht selten fließt bei spontanem Durchbruch zwar viel Eiler ab, 
aber der entzündliche Tumor verschwindet nicht vollständig. Vielleicbl 
ist die Öffnung nicht an der tiefsten Stelle, es bildet sich eine gewundene 
Fistel bis zum Eiterdepot, das Loch ist zu klein, oder verengt sich. Da«" 



Behandlung der Becken ex^mlale. 



453 



loen sich Fisteln, die, wenn es nicht gelingt, eine Oegenöfinung anzu- 
legen, nicht Monate, sondern viele Jahre zurückbleiben. 

Oder es entstehen Organ durchbräche, Kommunikationen zwischen 
Blase und Darm etc. 



Beim beginnenden parametritischen Exsudat ist stets das benachbarte 
Peritonaeum beteiligt. Es besteht Druckempfindlichkeit, die verschwindet, 
wenn die Demarkation fertig ist. Aber ofl verliert das Peritonaeum seine 
resorbierende Funktion und es entsteht dann oberhalb des parametritischen 
Exsudates ein peritonäales Exsudat: ein abgesackter Ascites z. B. im 
Douglasischen Raum, oder auch seitlich. Ja das parametrilische Exsudat 
kann verschwinden, während die peritonäale abgesackte Flüssigkeit bleibt. 
Inzidiert man den Douglasischen Raum, so fließt wasserhelle peritonäale 
Flüssigkeit ab. Sie kann sich sogar immer wieder ansammeln, da das 
Peritonaeum dauernd geschädigt ist. Die Auffassung, dafi dies das Re- 
siduum einer eitrigen Peritonitis sei, ist natürlich falsch. Es würde dann 
die Flüssigkeit resorbiert und eingedickter Eiter zurückgeblieben sein. 

Seltener beobachtet man peritonitische Exsudate. Entweder wird 
die Peritonitis universell und führt zum Tode, oder sie begrenzt sich 
bald und es resultieren Adhäsionen, Perisalpingitis, Perioophoritis und 
Adnextumoren. 

Aber auch nach einer universellen Peritonitis, die anfangs prognostisch 
sehr ungünstig erschien, siegt mitunter der Organismus über die Infektion 
und es erfolgt Demarkation durch Abkapselung und Verklebung der 
Därme. Ein solches abgekapseltes peritonäales Exsudat kann in 
allen Gegenden des Abdomens liegen, aber meist befindet es sich an der 
Entstehungstelle am Uterus, im Becken. Es senkt sich in den Dougia- 
sischen Raum. Seltner liegt es an einer Seite, in einer Nierenbucht — 
beim Liegen der tiefsten Stelle. An Größe zunehmend wird der Tumor 
durch Innendruck rund, er drückt den Uterus gleichmäßig nach vom, 
es sei denn, daß eine komplizierende einseitige Paramelriiis die Bewegung des 
Uterus verhindert Ein von der Nierenbucht ausgehendes Exsudat läßt sich 
durch die Perkussion erkennen. Es nähert sich allmählich den Bauch- 
decken, wo es am Nabel durchbrechen kann. Durch Kommunikation mit 
dem Darm kann es verjauchen. Gase und Kot enthalten. 

Die Diagnose der peritonäalen Provenienz ist durch die 
Anamnese klar. Die Schmerzhaftigkeit und Tympanites abdominis trat 
anfangs in den Vordergrund, später nach der Demarkation nimmt die 
Empfindlichkeit ab. Hinten liegt das Exsudat tiefer als ein parametritisches, 
r die Portio steht höher, ist vorn angepreßt, oder die Durchbruchstelle be- 



[• die rortio 



454 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

reitet sich an einer ganz atypischen Stelle vor, wohin eine Parametritis 
anatomisch nicht hingelangen kann. 

Das häufigere ist aber, daß bei peritonäalen Entzündungen entweder 
der Tod eintritt oder Adhäsionsbildung resp. Adnextumoren entstehen. 

Therapie. 

Beim Vorhandensein eines parametritischen entzündlichen Tumors ist 
die Hauptsache Ruhe. Man läßt Prießnitzsche Umschläge machen, weil 
sie die Patientin zur ruhigen Lage nötigen. 

Ich habe eine Zeit lang prinzipiell die frischen puerperalen Exsudate, 
sobald sie zu fühlen waren, von der Vagina aus eröffnet, bin aber von 
dieser Therapie zurückgekommen. Zwar gelingt es, den Eiter zu finden 
und zu entleeren. Aber die Operation ist oft technisch sehr schwer 
durchzuführen. Verletzungen der Därme, der Blase, des Ureters, eine 
größere Blutung durch Anschneiden der Uterina sind möglich. Gegen 
diese Gefahren ist der Vorteil gering. Denn die Nachbehandlung ist 
langwierig und schwierig, die Öffnungen verengern sich sehr, und 
müssen, um den Abfluß zu ermöglichen, öfter dilatiert werden, so daß ein 
Vorteil betreffs der Abkürzung des Krankenlagers nicht erzielt wurde. 
Mit der exspektativen Therapie, resp. Unterstützung der Naturheilkraft 
kommt man ohne Gefahr ebenso schnell zum Ziele. 

Wölbt aber das Exsudat die äußere Haut oberhalb des Ligamentum 
Poupartii deutlich vor (vgl. S. 451), fühlt man den flüssigen Eiter durch 
die Gewebslücke, so wird selbstverständlich durch Inzision der Verlauf 
sehr abgekürzt 

Präparatorisch geht man dicht über und parallel mit dem Liga- 
mentum Poupartii in die Tiefe. Kommt man auf die über dem Exsudat 
liegende Schwarte, so dringt man recht vorsichtig in die Tiefe. Das Loch 
wird nur so groß geschnitten, daß der Eiter zu Tage tritt. Dann er- 
weitert man stumpf mit Kornzange und Fingern, spült aus, tastet die 
Tiefe des Abszesses aus und füllt ihn mit Jodoformgaze an. 

Oft trifft man sehr dicke Schwarten und sehr wenig Eiter. Aber gerade 
diese Fälle, die sonst monatelang bis zur Heilung brauchen würden, geben 
eine gute Prognose, wenn sie eröffnet werden. 

Auch vaginal zu fühlende, stark sich hervorwölbende Exsudate werden 
inzidiert. Man legt den Schnitt sagittal median an, während ein Finger 
m Mastdarm liegt. Dann sind Nebenverletzungen mit Sicherheit zu ver- 
meiden. 

Haben sich peritonäale Exsudate völlig abgekapselt, z. B» im 



Die Mastitis. 



455 



Douglasisdien Räume, so "fferden sie ebenfalls durch Inzision entleert. Sie 
wölben sich oft so erheblich hervor, daß man den Längsschnitt der 
hinteren Vaginalwand, ohne Specula zu brauchen, dicht über der Vulva 
anlegen kann. 

Aber auch an ganz beliebigen Stellen der Bauchdecken, z. B. dicht am 
Nabel habe ich eine „Peritonäalkaverne" inzidiert. Unter lebhaftem Fieber, 
Rötung und Hervorwölbung der verdünnten Haut markiert sich die Durch- 
bruchstelle. Nach sorgfältiger Perkussion wird vorsichtig inzidiert, das 
kleine Loch wird stumpf erweitert, der Eiter ausgespült und die Höhle 
mit Jodoformgaze tamponiert. Darmverletzungen müssen sicher vermieden 

werden. 

Der abdominelle Druck drückt dann die Höhle zusammen, so daß 

sie bald zur Verheilung kommt. 

Ist das Exsudat alt und Fieber nicht mehr vorhanden, so handelt es 

sich um einen gynäkologischen Fall, dessen Behandlung in dem Lehrbuch 

der Gynäkologie nachzusehen ist. 



Anhang: Die puerperale Mastitis. 



Die 
zapfenartig hervor, so ( 



hat verschiedene Formen. Sie ragt normaliter 
ß das Kind die Warze gut mit dem iVtunde fassen 
kann. Nicht selten ist die Warze zerklüftet, sie ist gleichsam aus ver- 
schieden hohen einzelnen Warzen zusammengesetzt. 

Trinkt das Kind, so wird das durch die Feuchtigkeit erweichte 
Epithel leicht abgesaugt, namentlich wenn das Kind bei fehlender Milch. 
zu häufig angelegt wird. 

Bei unregelmäßig geformten Warzen, bei denen die Saugkraft die 
verschiedenen Teile der Oberfläche nicht gleichmäßig trifft, kommt es be- 
sonders häufig zu kleinen oberflächlichen Substanzverlusten, den sog. 
Schrunden, Rhagaden. Sie können nicht heilen, da immer wieder der 
Schorf beim Saugen abgestreift wird. Es sind also Hautdefekte, Wunden 
vorhanden, die Infektionspforten darstellen. Denn diese Wunden kommen 
mit nicht aseptischen Kleidungs- und Bettstücken in Berührung. Beim 
Anfassen mit den Fingern, um die Warze in den Mund des Kindes zu 
stecken, gelangen Staphylokokken, auch Streptokokken von den 
Genitalien resp. dem Lochialfluß stammend, an und in die Wunden. 

Dann entsteht bei Streptokokkeninfektion eine erysipelatöse 
Rötung der Haut. Die Brust wird an der geröteten Stelle hart, em- 
pfindlich. Hohes Fieber tritt ein. Die Entzündung schreitet auch in die 
Tiefe fort, die Gewebe um die Drüsenacini herum werden infiziert, den 



■ 




456 Dreiundzwanzigstes Kapitel. 

betroffenen Acinis wird der Blutzufluß geraubt, es entsteht ein Abszeß, 
in dem abgestorbene Acini und nekrotisches Bindegewebe liegen. 

Auch durch Staphylokokkeninfektion, vielleicht in den Milch- 
gängen selbst Platz greifend, entstehen in der Tiefe Abszesse. 

Die Brustdrüse wird dadurch erheblich vergrößert, so daß, wenn der 
Abszeß in der Tiefe sich bildet, zunächst die beim Vergleich beider 
Brustdrüsen auffallende Größe der einen die Diagnose stellen läßt. Bei 
der Staphylokokkeninfektion ist das Fieber nicht so hoch, wie bei der 
oberflächlich erysipelatösen Streptokokkenmastitis. 

Bei beiden Arten der Mastitis bilden sich Abszesse. Kommt der 
Eiter der Haut nahe, so ragt eine Stelle etwas hervor, sie wird glasig, 
lebhaft gerötet und empfindlich, man fühlt die Qewebslücke. Wird nicht 
inzidiert, so schmilzt die Haut ein, Eiter fließt aus, das Loch verkleinert 
sich, der Eiterabfluß stockt Es bildet sich ein neuer Abszeß, hie und da 
entsteht noch eine Öffnung und schließlich ist die ganze Brustdrüse teils 
vernarbt, teils eingeschmolzen, teils von Fistelgängen durchsetzt 

Die Laktation dauert zwar anfangs noch an, da nur ein Teil der 
Drüse erkrankt ist Wird aber das Kind nicht mehr angelegt, so hört 
die Milchproduktion bald auf. Die Eiterung aber aus den Fisteln kann 
Wochen-, ja monatelang andauern, wenn nicht rationell behandelt wird. 

Selten kommt es schon in der Schwangerschaft zur Mastitis. Auch 
diese Mastitis geht von einer zufälligen Verletzung der hervorragenden 
Mamilla und Infektion mit ubiquistischen Staphylokokken aus. 

Hohlwarzen sind solche Warzen, die unter dem Niveau der Haut 
resp. des Warzenhofes liegen. Es gibt verschiedene Grade und Über- 
gänge, auffallend niedrige Warzen bis zu der vollkommen fehlenden Er- 
höhung im Warzenhofe. 

Therapie. 

Zur Wochenbetthygiene gehört die genaue Untersuchung der Brust- 
warzen vor und während des Säugegeschäftes. Sobald man Schrunden 
oder Fissuren entdeckt, muß durch Desinfektion die Infektion der kleinen 
Wunde verhütet werden. Dies ist möglich durch sehr häufig gewechselte 
desinfizierende Umschläge. Man nimmt am besten ein ungiftiges, ge- 
ruchloses Antisepticum: 4prozentige Borsäurelösung. Wird jede halbe 
Stunde das Läppchen gewechselt, so gelingt es, Infektion fernzuhalten. 
Das Kind soll in größeren Pausen angelegt werden, damit die Wunde 
Zeit hat zum Heilen. 



Therapie der puerperalen Mastitis. 



457 



Die oberflächliche erysipelatöse Mastitis heilt bei Aufbinden der 
Brüste und antiseptischen Umschlägen oft ohne Abszellbildung. 

ist sicher Eiter vorhanden — nicht eher — so chloroformiert 
man, schützt die Hände mit Gummihandschuhen und macht einen so 
großen Schnitt, daß ein Finger in die Eiterhöhle einpassieren kann. Der 
Schnitt muß radiär angelegt werden, damit man nicht zu viel Milch- 
kanäle zerschneidet. Die Eiterhöhle wird ausgetaslef, wobei enge Stellen 
erweitert, und Recessus zur weiten Kommunikation mit der Haupthöhle 
gebracht werden. Reichliche Spülung säubert die Höhle. In die tiefste 
Steile des Abszesses wird ein Drainagerohr geführt, ein fester Kompres- 
siwerband wird angelegt. Am andern Tage wird der mit B!ut und Eiter 
beschmutzte erste Verband entfernt. Es wird eine sorgfältige erneute 
Desinfektion der Höhle vorgenommen und ein neuer Kompressiv verband 
appliziert Meist Verwachsen die Abszeßwände sofort. Bleiben eiternde 
Gänge zurück, so werden sie ausgespült und durch einen Verband 
geschützt. 

!n vernachlässigten Fällen sind off mehrere Spaltungen kleiner 
Fistelgänge notwendig, um jeden Recessus zu entleeren. Alte Fistel- 
gänge sind mit der Curetle von weichen Granulationsmassen zu säubern. 
Man spritzt Lösungen von Wasserstoffsuperoxyd (1:5) oder mit der 
Salbenspritze Argentumsalbe (1 : 50) an die tiefste Stelle der Fistelgänge. 




Sachregister. 



Abdomen, Überausdehnung des kind- 
lichen 371. 
Abdominalschwangerschaft 271, 275. 
■ sekundäre 275. 
Abeang von Meconium bei Kopflage 

bei Beckenendlage 387. 
Abgleiten der Zange 309, 401. 
Abkapselung der l.xsudate 452. 
Abnabeln 103. 
Abort 287. 

Ätiologie des 287. 

Diagnose des 291. 

Behandlung des 293. 

Einleitung Künstliche des 179. 
beim engen Becken 345. 
bei Hyperemesis 179. 

■ ■ bei Myom 244. 

fieberhafter 2qi>, 297. 
-- habitueller 208, 301. 

Reste des 31K). 

tubarer 272. 

Verlauf des 28g. 
Abort/ange '2{p. 
Absterben des Kindes 383. 398. 
habituelles 288. 
bei langer Oeburtsdauer 398. 

- i)ei Nephritis 185. 

bei IMacenta praevia >vs. 
bei Syphilis 2c>8. 
AbHtoliung \u*8 Nabelschnurrestes 155. 
AbH/eß, i^arunephritischer 188. 

der Niauuna 4S;S. 
Aeanliaous vr-- 
AilerlaU jjlu, 

Ailhftren/ der Plavxnita 41O, 
Äther, subkutan \2i\ 
Akute lufektionskmnkheiten 21M, 
AÜMuuinurle i8(>. |^). 
Alkohol als Hesinfi/iens 123. 

hei der (Wburt i». 

in iler Sohw an^rschatt 57. 

int Wochenbett 44^. 
AllautttiH Jt). 

Alluenteinbeliudeu bei der Geburt 112. 
Alltientelnbehaudlun^ bei Blutungen 420. 

rttermnlfleber 44-*. 
Allneu»elnerkr«i\kun^ in der Svhvran^w- 



Allgemein gleichmäßig verengtes Becken. 

313. 
Amaurose 186. 
Amme 171. 
Amnion 28. 

Amniotische Bänder 265. 
Amputation, spontane 265. 
Anämie, akute 425. 

— perniziöse 202. 
Anamnese bei der Geburt 113. 
Anenephalus 370 

Angina 420. 

Ankylotiscnes Becken 321. 
Anlegen des Kindes 345. 

— der Zange 359. 
Anschlingen des Arms 374. 
Anteversio uteri gravidi k6. 
Antifebrilia bei Puerperalfieber 442. 
Antisepsis 123. 

Aorten kompression 426. 
Apnoe 300. 

Arbeitsfinigkeit in der Schwangerschaft 
49. 

— nach Symphyseotomie 358. 
Argentum nitricum 435, 450. 
Arme, Fraktur der 391. 

— Lösung der 389, 390, 391. 

— Vorfall der 374, 381. 
Arteriae umbilicales 31. 
Ascendieren der Gonorrhoe 434. 
Ascites der Frucht 371. 

— der Mutter 452. 
Asphyxie 339. 

Atembewegungen, vorzeitige 339, 398. 
Atemzug, erster 1^ 
Atmungsorgane, Krankheiten der 188. 
Atonie, des Uterus 418. 
Augenentzündung der Neugeborenen 

415. 435- 
Ausgetnigpnes Kind 63. 

Auskultaüon 5a, 119, 355. 
Ausräumung des Utaiis 296. 
Ausspülung des Uterus nach Kaiser- 
schnitt ^4. 

nadi Lo6un|[ der Placenta 425. 

nadi Operationen 362. 

im Wochenbett 445. 

Ausn^ibung^mode go, 133. 
Autotransfi^on 426. 



Baclciifiiisniilch 175. 
Bacterium coli 432. 
Bakterien bei Puerperalfieber 4-27, 
Bäder bei Eklampsie 224. 

— bei Puerperalfieber 442. 

— in der Schwangerschaft 5S, 
Bänder des Beckens 4. 
Bartholinsche Drüsen 45. 260. 
Basedowsche Krankheit 203. 
Bauchdecken in der Schwangerschaft 4Q. 

— bei Mehrgebärenden -m^. 

— im Wochenbett 148. 
Bauchfellen tzQndune 440. 
Bauchpresse 87, jtp. 
Bauch spalte 32g. 

Baiidelocquescher Durchmesser g. 
Becken, das große 4. 

— das kleine 5. 

— das normale 1. 

— das. enge 312. 
■ Ätiologie des 313. 

— allgemein gleichmäfiig verengtes 313. 

— anfiylotisches 321. 
~ Diagnose des 330. 

— Frequenz des 330. 

— Qeburtsmechanismus 341. 

— Oeschwulslbecken 328. 

— kox algisch es 323. 

— kyphotisches 318. 

— Leitung der Geburt beim 353. 

— lordotisches 318. 

— Luxation sbecHen 324. 

— Naegelesches 321. 

— Osteom alacisch es 325. 
~ plattes 316. 

— pseudoosteomalacisches 317. 

— skoliotisches 320. 

— Spaltbecken 329. 

— spondylolisthefisches 327. 

— Stachel becken 328. 

— qiierverengles 324. 

— Therapie beim 345- 353- 

— Trichterbecken 314. 

— Zwergbecken 313. 
Beckenachse g. 
Becken ausgang 6. 
Becken ausgangs-Zange 39g, 
Becken bindege webe 449. 
B eckend urchmesser 5, fi, 7, 
Beckenebenen fj, 
Becken ei ngang 5. 
Beckenendlagen 110, 3()q. 
Beckenenge 6. 
Beckenent Wicklung 17. 
Becken exsudate 451. 
Beckenge lenke 3, 
Beckennöhle 5. 
Becken ni essung 114, 121, 33L. 
Becken mnskeln 16, 
Beckenneigung 8, 325, 
Becken des Neugeborenen 17, 



^ 45Q 

ßeckenuntersuchung 114, 121, 331. 

Becken Wachstum 18. 

Becken weich teile g, 

Becken weite 6. 

Bedingungen der Extraktion 338. 

— der Perforation 360. 

— lier Wendung 383. 

— der Zange 399, 
Befruchtung 25. 

Berechnung der Zeit der Schwanger- 
schaft 41. 
Beschwerden in der Schwangerschaft 4g. 
Biederts Rahmgemenge 175. 
Bildungsfehler des Uterus 255. 
Bimanuelle Kompression 41g, 423. 

— Wendung 311. 
Bindegewebsemphysem 395. 

— bei der Ulerusniptiir 407, 
B lasen fislel, 406, 
Blasenschwangerschaft 286. 
Blasen Sprengung 378, 38a, 371. 

— bei der Hnstlichen Frühgeburt 349. 

— bei Placenta praevia 309. 
Blasenspning, vorzeitiger 376, 69. 
Blasenmole 266. 
Blennorrhoea neonatorum 159. 
BluTnenkohlgewächs 247. 
Blutkreislauf des Fötus 35. 

— des geborenen Kindes 155. 
Blutmoie 252. 

Blutung beim Abort 28g, 291. 

— atonische 418. 

— bei Einrissen 420. 

— bei Extrauterin Schwangerschaft 281. 
-' bei Placenta praevia 303. 

— in der Nachgeburtsperiode 418. 

— Spätblutung 43t. 
Brachycephalie 95. 
Braims Kraniokfast 36fi, 

— Schlüssel haken 393. 
Braxton Hicks Wendung 311. 
Bruit de souFfle bei Schwangern 49. 
Brüste 44, 

— Entzündung der 454. 

— Veränderung in der Schwangeis'chafl 
59- 

— im Wochenbett 153, 
Brustfellentzündung 430, 440. 
Brustwarzen 454. 

— Schrunden der 454. 
Brutapparat 353. 

Calomel 164. 

— bei Lues 210, 

Caput succedaneum 72, 40g. 
Carcinoma uteri 247. 

— der Vagina 259. 
Carunculae myrtiformes 10. 
Catheterisation u, Catheter siehe K. 
Cavum uteri 11. 

Centralis retinae, Thrombose der 431). 



L 



400 



Sachregister. 



Cervix uteri ii. 

— beim Abort 298, 403. 

— Anatomie der 11. 

— Kanal der 11, 39. 

— Elongation der 23g. 

— am Ende der Sdiwangerschaft 38. 

— Erweiterung der 39. 

— bei der G«)urt 39. 

— bei der Multipara 39. 

— bei der Primipara 39. 

— Risse der 280. 

— in der Schwangerschaft 38. 
Chloasma uterinum 48. 
Chloroform 132. 

Chlorose 202. 
Cholämie 203. 
Chorea 196. 
Chorion 29. 

— Entstehung des 28. 

— Epitheliom 267. 

— Erkrankung des 261. 

— laeve 30. 

— Zotten 29. 

Circulationsapparat, Erkrankung des 191. 

Clavicularfractur 392. 

Clitoris 9. 

Clysmata im Wochenbett 161. 

Coitus in der Schwangersdiaft 57. 

Colibazillen 432. 

Collargol 444. 

Colostrum 158. 

Colpeuryse siehe Kolpeuryse. 

Combinierte Wendung 356. 

Comedonen 62. 

Compression der Aorta 419. 

Conception 25. 

Conduplicato corpore 382. 

Condylomata acuminata 249. 258. 

— breite 259. 

Conglutinatio orifidi uteri 402. 
Conjugata diagonalis 333. 

— externa 5, 331. 

— vera 5. 

Contractionsring siehe Kontraktionsring. 
Convulsionen der Kreißenden 213. 
Corpus albicans 23. 
Corpus luteum 15, 23. 
Corpus luteum spurium 23. 
Couveuse 353. 
Craniotomia 360. 

Credeisierung 261, 435. 
Credescher Handgriff 140. 
Crista ilei 2. 

Cumulus proligerus 15. 
Currettage 296, 425, 457. 
Cysten der Placenta 269. 
Cystenniere 471. 
Cystitis 183, 432. 

— bei Retroflexion 235. 
Cystocele 184. 



Dammnaht 137. 

Dammriß 136. 

Dammriß Eiehandlung des 137. 

— Naht des 157. 

— Sekundämaht des 140. 
Dammschutz 133, 134. 

Darm, Lahmung bei Peritonitis 436. 

— Trägheit in der Schwangerschaft 47. 
Darmbein 2. 

Dauer der Schwangerschaft, zu lange 367. 

Decapitation 412. 

Deciaua, Ausstoßung der 27. 

— basalis 27. 

— Bau der 27. 

— capsularis 26. 

— reilexa 26. 

— serotina 27. 

— vera 26. 

— Zotten der 27. 
Deciduom 266. 
Decubitus 429. 450. 
Desinfektion 123. 

Diät beim engjen Becken 346. 
Diaphorese bei Eklampsie 224. 
Diarrhoe bei Sepsis 432. 
Dikephalus 373. 
Diphtherie 429. 
Diprosopus 373. 
Distantia cristarum 5. 

— spinarum 5. 
Dohchokephalie 341. 
Doppel mißbildungen 373. 
Dottersack 28. 
Douglasische Falte 15. 
Drehungen des Kopfes 88. 
Drohende Uterusruptur 337, 406. 
Druckmarke 340, 342, 345. 
Drucknekrose 406. 

Druck der Rumpflast 17, 325. 
Drüsen, Montgomerysche 44. 

— der Uterusschleimhaut 12. 
Ductus Arantii 35. 

— Botalli 35. 

Dührssens Tamponade 420. 
Durch leitung des Kopfes 133. 
Durchmesser des Beckens 5. 

— des Kindesschädels 65. 
Durchreibungen des Uterus 406. 
Durchschneiden des Kopfes 133. 

Echinokokken 252. 

Ei, Implantation des 25. 

— Oberwanderung des 255. 

— Wanderung des 25. 
Eierstock 14, 15. 
Eihäute 26. 

— Erkrankung der 261. 

— zu festes Haften 378. 

— Reste 76. 
Eihautriß 69. 



461 



1 die Schleimhaut 



Dnklemmung des refro flektierten Uterus 

271. 

Einlilemmiine der Ovarialcyste a^i. 
Einleitung der kunstlichen Frühgeburt 

30'. 347- 
Einpressung des Kopfes nach Hofmeiei 

35" ■ 
Einstellung des Kopfes So. 

— beim affgemein verengten Becken 341. 

— bei platten Becken 343. 
Einteilung der Kindeslagen yg. 
Eintritt der Geburt 66. 

— der Kindesbewegungen 52. 
Einwickelung bei Eklampsie 224. 
Eis bei Perilonitis 224. 

Eiweiß im Harn der Schwangeren 186. 
Ekchymosen 339, ggS. 
Eklampsie 213. 

— Anatomie der 216. 

— Behandlung 221. 

— Operationen bei 227. 

— Statistik der 217. 
Ektopia vesicae 326, 
Embolie 431. 
Emphysem, subkutanes 305. 

— ixi Ruptura uteri 407. 
Endokarditis 102, 431. 441. 

— im Wochenbett 440. 
Endometritis bei Abort 228. 

— decidua 262. 
Endo Phlebitis 430. 
Entfernung der Nachgeburt 140. 
Entwickelung des Beckens 17. 

— des Eies 24. 

— des Kopfes mit dem Kranioklasl 361. 

— — des nachfolgenden 356. 

mit der Zange 35g. 

Entzündung des Becbenbindegewebes 

430- 

— der Brustdrüse 454. 

— des Peritünaeum 435. 
Epidemie des Kindbett fiebers 42g. 
Epilepsie 197. 
Epiphysenlösung 392. 

Erbrechen während der Schwanger- 
schaft 48. 
Ergotin 448. 
Ernährung der Frucht intrauterin 34. 

— durch die Amme 171. 

— des Neugeborenen 175. 

— des frühzeitig geborenen Kindes 352. 
Emährungszotten 30. 

Erweiterung der Cervix in der Geburt 6g. 

— durch den Kolpeur>'nler 308, 350, 377. 
Erysipel as 437. 
Expressio foetus 387. 



k 



E\pressio placentae 140. 

Exstirpation des Uterus beim Kaiser- 
schnitt 366. 

— bei Sepsis 446. 

Extraktion des Kopfes mit dem Kranio- 
klast ;j6o. 

- — - mit der Zange 35g. 

Extraktion des nachfolgenden Kopfes 



nach der Perforation 362. 

— am Fuß 388. 

— am Steiß 386. 

— nach der Wendung 389. 
EKtrauterinschwangerschaft 271. 

Farresche Linie 14. 
Fäulnis, Bakterien 432. 

— im Uterus 340. 
Fettverlust im Wochenbett 153. 
Fieber bd der Geburt 361. 

— im Wochenbett 42g. 
Fimbrien 14. 

Fisteln 406. 

Fleisch mole 262. 

Flexura sigmoidea 15. 

Foetus papyraceus 107. 

Follikel, Graafscher 14. 

Form des Kopfes beim engen Becken 345. 

Fraktur der Arme 391. 

— der Clavicula 392, 

— des Beines 3g2. 

— des Schädels 356, 359. 

— des Stemura ggs. 
Foramen obturatorium 3. 
Frucht, die 154. 

— die reife 154. 

— die unreife 83. 

— Wachstum der 53. 
Fruchtachsendruck 87. 
Fruchtwasser 37. 

Frühdiagnose der Schwangerschaft 51. 
Frühgeburt, kOnstiiche 301, 347. 
Führungslinie q. 

Fiindalschnitt beim Kaiserschnitt 364. 
Fundus uteri, Stand in der Schwanger- 
schaft 54. 
Fiirchung des Eies 25. 
Fußlage 104, 375. 

Gärtner, Milch 175. 
Gärungsvorgänge 181. 
Galaktobutyromeler 172. 
Gebärmutter siehe Uterus. 
Geburt 66. 

— Desinfektion vor der 123. 

— alter Erstgebärenden 402. 
^ Anamnese bei 113. 

— Beginn 67. 

— Geschwu^t 72. 

— Leitung 128. 



402 



Sachregister. 



Geburt der Placenta 74. 

— des Rumpfes 90. 

— Untersuchung 112. 
Geburtsmechanismus 83. 
Geburtsw^e 1. 

Geisteskrankheiten 168, 170, 43t), 443. 
Gelbsucht der Schwangeren 203. 
Geschwülste des Beckens 328. 
Geschwülste der Weichteile 241. 
Gesichtslage 97, 135. 

— Schädel bei 99. 

— Umwandlung der 135. 
Gewicht des Neugeborenen 154. 

— Zunahme des, der Neugeborenen 
156, 165. 

Gonorrhoe 45, 114, 171, 2^, 261, 365, 

^434, 435. 

Graafscher Follikel 14. 
Granulierte Vagina 48. 
Grossesse nerveuse 199. 
Gummihandschuhe 431, 456. 

Habitueller Abort 288. 
Haftzotten 30. 
Hämatocele 272. 
Hämatom 465, 272. 

— Mole 2&i. 

— retroplacentares 140. 

— der Vulva 405. 
Hämophilie 204. 
Hämorrhoidalknoten 47. 
Händedesinfektion 123. 
Hängebauch 56. 

Hängelage, walchersche 357, 359. 

Harndrang 184. 

Hamorgane 182. 

Harn träufeln 234. 

Harnverhaltung 233. 

Hautemphysem 395. 

Hautfarbe der Schwangeren 48. 

Hebotomie 357. 

Hegarsches Zeichen 51. 

Hemikephalus 370. 

Hemia funiculi umbilicalis 372. 

— lineae albae 149, 396. 

— des Uterus 240, 232 
Herpes gestationis 204. 
Herz bei der Geburt 113. 

— in der Schwangerschaft 19. 
Herzfehler 121, 191. 
Herztöne 32. 
Hinterhauptshöcker (y^. 
Hinterscheitelbeineinstellung 3'^)8. 
Hoden 61, 63. 

Hohl Warzen 167, 454. 
Hüftbeine 1. 
Hydramnios 263. 
Hydrokephalus 368. 
Hydrorrhoea gravidarum 246. 
Hymen 10, 178. 

— cribriformis 404. 



Hyperacidität 48, 181. 
Hyperemesis 177, 181, 267. 
Hypospadie 258. 
Hysterektomie 415, 444, 446. 
Hysterie 177, 199. 
Hystereur>'nter 310. 

Icterus gravidarum 203. 

— neonatorum 156. 
Heus 436, 182. 
Implantation des Eies 25. 
Impression des kindlichen Kopfes, löffei- 
förmige 342, 356. 

Incarceration des Uterus 231. 

— der Placenta 417. 
Infantiles Becken 313. 
Infarkt bei P>'ämie 439. 

— weißer, der Placenta 268. 
Infektion, puerperale septische 427. 430. 
Infektionskrankheiten in der Schwanger- 
schaft 200. 

Influenza 169, 202. 

Innere Untersuchung 123. 

Insertio velamentosa 31.' 

Insomnie 443. 

Intermittens 202. 

Interstitielle Schwangerschaft 274. 

Inter\illöse Bluträume 33. 

Intoxikation, puerperale 430. 

Intraligamentäre Schwangerschaft 274. 

Intrauterine Atmung 398. 

Introitus vaginae 10. 

Inversio uteri 378. 

Involution, puerperale 149, 448. 

Irritabilität des Uterus 288. 

Janiceps 373. 

Kaiserschnitt 362. 

— bei Carcinom 250. 

— konservativer 3fe. 

— bei Eklampsie 229. 

— bei Myom 245. 

— nach Forro 302. 
Kampferöl 426. 
Kapselhämatocele 272. 
Karbolsäure 446. 
Katheterisation 139, 160. 
Katalepsie 199. 
Keimbläschen 25. 
Keimfleck 25. 

Kind bei Eklampsie 217. 

— bei der Geburt 78. 

— Haltung des 78. 

— Lage des 78, 79. 

— Leben oder Tod des 120. 

— bei Lues 209. 

— neugeborene 154. 

— das reife 63. 

— in der Schwangerschaft 60. 

— Stellung des 78. 






463 



Kind. Tod in der Geburt 383, 30S. 

— übergroße Entwickelung 367, 397. 
Kindbettfieber 427. 
Kindsbewegungen 43, 52, 
Kindspech siehe Meconium. 
Knieellbogen läge 372. 

Knittern der Schädelknochen 369. 
Knochenkem der Epiphyse 20, 04. 
Knoten der Nabelscnnur 32. 
Kochsalzin fusLon 426. 
Kolpeurynter 308, 350, 377. 
Kolpitis granulosa 260. 
Kolpohyperplasia cystica 260. 
Kolpolomie 283, 284. 
Kompression, doppelte 41g, 423. 
Kontraktionsring 38, 337. 355, 40g. 
Kopf, Drehungen des 88. 

— Durchmesser des 65. 

— Einstellung des, beim engen Becken 

— Form Veränderung des 345, 

— Hallung bei Gesichts läge gg. 
- -Lage 79. 
" "ifgeschwu 

umfang 65. 
Kornzange 2(yj. 
Kranioklasie 360. 
Kranioklast 3Ö1. 

Krankheiten der Mutter in der Schwanger- 
schaft 300. 
Kreislauf des Fötus 34. 
Kreuzbein 1. 
Kreuzdarrabeinfuge 1. 
~ Platzen der 402, 
Kuhmilch 175. 
KünstücheEmleitungdes Abortcs 1 79, 345. 

— — der Geburt 301, 347. 
Kyphoskoliofisches Becken 320. 
Kyphotisches Becken 31 S. 
l^photisches querverengtes Becken 318. 

Lage der Frucht 79. 
Lagerung der Gebärenden 133, 
Lageveränderung des schwangeren Uterus 



Laparotomie bei Tubargravidität 2 
Leitung der Geburt 128! 



Leitung 

— beim _ .. 

— der Nacngeburtsperiode 

— des Wochenbetts 157. 
Leukämie 203. 
Levator ani 17. 
Liebigs Nahrung 176, 
Ligamentum arcnatum 4. 

— rotunduni 37. 

— spinosacrum 4. 
- luberosacrum 4. 



Linea alba ^4. 

Hernie der 140, 39Ö. 

Pigmenlierung der 44. 

Liquor amnü 33. 

— ferri seaquichlorat. 420. 
Lithopaedion 27h. 
Lochien 140. 
Lochiometra 413. 

Löffeiförmige Impressionen 352, 356. 
Lösung der Arme 38g, 390. 

Lu.es 170, 172. 
Lungenembolie 438. 

— bei der Geburt 110. 

Infarkt 439. 

Luxation sbecken 19. 
Lymphgefäße des Uterus 32. 

— Vereiterung der 439. 



Magen darm Symptome in der Schwanger- 

Schaf l 47. 
Magnesia usta 181. 
Marmoreksches Serum 447. 
Maße des Beckens 114, 121, 331. 
Malignes Deciduom 266. 
Maligne Endokarditis 431, 441. 
Manuelle Entfernung der Placenta 416, 

Masern bei Schwangeren aoi, 429. 

Mastitis 454. 

Mechanismus der Geburt 83. 

— — — beim engen Becken 341. 
Mehrfache Schwangerschaft 40, 60, 105. 
Mekonium 2, 383, 39S. 

Membrana granulosa 15. 
Menstruation 20. 

— Aufhören 46. 
Metastasen bei Pyämie 431. 

— — Traubenmolen 208. 
Metrophlebitis 437. 
Migränin 443. 

Mikroorganismen bei Puerperalfieber 427. 

Milchbildung 103. 

Milchdiät 1^. 

MJlchsauger i6g. 

Mi Ich Sekretion 153. 

Misch Infektion 432. 

Mißbildungen der Frucht 373. 

Mola 202. 

Molluscum Simplex 258. 

Monleomervsche Drüsen 44. 

Morbilli 201, 429. 

Morbus Basedowii 205. 

Morphium 58, 225. 

Morsus diaboli 14. 

Mutterbrustemährung 166. 

Matlermund, äußerer 39. 

— innerer 30. 
Myokarditis 192, 440. 




^ 



Mvom, Absterben des, im Piierperium 

246. 
Myxofibrom der Placenta 26g. 

Nabelarterien 31, 
Nabelschnurgeräusch 121, 
Nabelschnurrest 155. 
Nabelstrang 28. 31, 61. 

— Knoten des 32, 270- 

— Torsionen des 271. 

— Umschlingung des 270. 

— Vorfall des 341, 375, 3S2. 

— Zerreil Jung des 37B, 
Nachblutungen iig, 4iq. 
Nachfolgender Kopf 389, 
Nachgeburtsperiode 74. 

— Leitung der 140. 

— Physiologie der 140, 

— bei Placenta praevia 311. 
Nachgeburts wehen 141. 
Nachwehen i«j. 
Naegelesch es Becken 321. 
Naht der Cervlv 421. 

— des Dammrisses 137. 
Nähte am Schädel des Kindes 65. 
Narkose 132. 

Nebenhorn des Uterus 256. 
Nebentube 272. 
Neigung des Beckens 8, 325. 
Nephribs 186. 26g, 307. 
Neugeborene 154. 

— Blennorrhoe des 415, 435. 

— Ernährung des 174. 

— Icterus des 156. 

— Lues des 170, 205, 270. 
Nierenerkrankung i3b, 269, 307. 
Niere des Fötus 33. 

Ohrenknorpel Oi. 
Ohlshausens Handgriff 133. 
Ophthalmoblennorhoe 415, 435. 
Opium bei Peritonitis 414. 
Orificium urethrae 9. 
Osteomalacie 325. 
Ostium abdominale tubae 14. 
Ovarialgravidität 271, 275. 
Ovarialtumoren 251, 
Ovarium 13, 21. 
Ovulation 20. 
Ovulum 14, 15. 

Palpation bei der Geburt 115. 

Panaritium 42Q. 

Panophthalmie bei puerperaler Pyämie 

439 . 
Parametritis puerperalis 430, 450. 

— in der Schwangerschaft 261. 
Paramehriura 12. 

Para nephritischer Abszeß 188. 
Partus praecipitatus 394, 



Pathologie der üeburt 302, 
Schwangerschaft 176. 

— des Wochenbettes 427. 
Pecten pubis 3. 
Pelveoperitonitis 430. 
Pelvis obtecia 318. 
Perforation des Schädels 360. 355. 
^ des hydroce]DhaIi5chen 369, 

nachfolgenden 356. 

Perimetritis 430. 
PerioophoriHs 433. 
Peritonäalgraviditat 274. 
Peritonaeum la. 

Peritonitis, abgesackte 452. 

— gonorrhoica 441. 

— septica ^35. 

— universalis 440, 430. 
Peminiöse Anämie 202. 
Pflege des Kindes 162. 

— der Wöchnerin 157. 
Phlegmasia alba dolens 43S. 
Phlegmone 4.30. 

Phosphor bei Osteomalacie 326. 
Phthisis pulmonum 18g. 
Physiologie der Geburt 66. 
Schwangerschaft 24. 

— des Wochenbettes 143. 
Pigmentierung 41, 148. 

Placenta, Anomalien der l,ösung 32. 

— Bildung der 3a. 

— Cysten der 26Q, 

— Expression der 140. 

— Geschwülste der 269. 

— Incarceralion der 415, 417. 

— Lösung der 74, 
Dei Nephritis 186. 

~ manuelle Entfernung der 416, 417 

— Myxofibrom der 268. 

— praevia 302. 

centralis 303. 

Diagnose der 306, 

lateralis 303. 

raarginalis 303. 

Sitz der. in der Tubenecke 417 

Symptome der 303. 

— — Therapie der 367. 

— — Verlauf der 303- 

— — vorzeitige Ablösung der 306. 

weilier Infarkt der 264. 268. 

Zurückbleiben der 414. 

Placentarpolyp 424. 

Place nlarrest 424. 

Placenfarretenlion 415. 

Placenlarstelie 145. 

Plattes Becken 316. 

Platzen der Tube 275- 

Pleurilis lög. 430, 440. 

Pneumonie 169, 188. 

Pneumothorax 439. 

Pocken bei Schwangeren 201. 

Porrosche Operation 75, 245, 362, 3*. 



Sachregister. 



465 



Portio d6. 
Preßwehen 70. 
Primordialfollikel 14. 
Prolapsus uteri 238. 
Promontorium 3. 

— falsches 333. 

Prophylaktische Wendung 355. 
Pruritus vulvae 204. 
Pseudodecidua 275. 
Pseudoeuphorie 437. 
Pseudohermaphroditismus 258. 
Psychische Emwirkung 129, 131. 
Psychose 168, 170. 
Ptyalismus 181. 
Pubococcygeus 17. 
Puerperalfieber 427, 440. 

— Diagnose 441. 

— Therapie 442. 

— Verlauf 435. 

Puls bei Blutungen 426. 

— bei Sepsis 440, 447. 

— im Wochenbett 150. 
Pupillarmembran 60. 
Pyamie 430, 438, 439- 
Pyelonephritis 188. 
Pylorusstenose 181. 
Pyothorax 439. 

Querbett 384. 

Querer Fundalschnitt 364. 

Queriage 375, 392. 

— verschleppte 392. 
Querstand, tiefer des Kopfes 93. 
Querverengtes Becken 324. 

Rademanns Kindermehl 176. 
Randsinus der Placenta 33. 
Reflexaplacenta 303. 
Reposition der kleinen Teile 374. 

— der Nabelschnur 377. 
Resorption 428. 
Retention des Abortes 300. 

— der Eihäute 76. 

— der Placenta 415. 
Retinitis 186. 

Retroplacentares Hämatom 95. 
Retroversio uteri 231, 233, 277. 

— partielle 137. 
Rhachitis 316. 
Rhagaden der Warze 454. 
Riesenkind 3Ö7. 

Rigidität des Muttermundes 402. 
Rooertsche Becken 324. 
Rückbildung im Wochenbett 145. 
Rückenlage 131. 
Ruptura uteri 381, 354, 369, 406. 

Sacraltumor 372. 
Salivation 181. 
Saprämie 147. 
Saprophyten 427, 433. 

Fritsch, Geburtshilfe. 



Schädel des Kindes 64. 
Schädellagen 78, 80, 83, 91. * 

Schamfuge 1. 
Schamfugenschnitt 357. 
Schamlippen, große 63. 

— kleine 63. 
Scharlach 169, 201. 
Scheide 11. 

— Hämatom, der 405. 

— in der Schwangerschaft 45. 

— Verengerungen 404. 

— im Wochenbett U7- 
Scheidenhaut siehe Cervix u. Portio. 
Scheitelbeineinstellung 80, 368. 

— hintere 368. 

— vordere 368. 

Schema der Kindeslagen 79. 
Schlaf im Wochenbett 159. 
Schleichsche Seife 123. 
Schleimhaut der Gebärmutter 12. 
Schleimpfropf 45, 67. 
Schleimpolypen 240. 
Schlinge zur Wendung 374. 
Schlüsselhaken, Brauns 393. 
Schräges Becken 320. 
Schräg verengtes Becken 320, 321. 
Schrunden der Warze 454. 
Schüttelfrost 435, 439. 
Sch'ulterlagen siehe Querlagen. 
Schulter des Kindes bei Hemikephalie 

370. 

Schultzes Schwingungen 390. 

Schutzmittel des Körpers gegen Infek- 
tion 428. 

Schwangerschaft 25, 36. 

-— Arbeitsfähigkeit in der 49. 

— Ausspülungen in der 58. 

— Bauendecken in der 49. 

— Beschwerden 49. 

— Coitus in der 57. 

— Dauer der 41. 

— Diagnose der 50. 
des Termins der 53. 

— Diätetik der 56. 

— Erbrechen in der 48. 

— Gelüste der 48. 

— Geschlechtslust in der 59. 

— Hegarsches Zeichen der 54. 

— Herz in der 49. 

— Hygiene der 56. 

— Narben der 48, 148. 

— Niere in der 170, 184. 

— Obstruktion in der 58. 

— Parametritis in der 361. 

— Pathologie der 176. 

— Perimetritis in der 261. 

— Verlauf der 44. 

— Wehen der 38. 

— Zeichen der 44, 58. 

Schwitzbett 187. 
Skoliotisches Becken 320. 

30 



466 



Sachr^ister. 



Seeale cornutum 390, 442. 

Sectio caesarea bei Eklampsie 228. 

— bei engen Becken 362. 
Sekundäre Dammnaht 140. 
Seitenlage bei der Beckenmessung 114, 

121. 331. 

— beim Dammschutz 133. 

— bei der Kranioklasie 362. 

— bei der Wendung 377. 
Selbststillen 175. 
Selbstwendung 382. 
Sepsis 168, 431, 435, 448. 
Serumtherapie 447. 
Simonartscne Bänder 265. 
Sitzbein 3. 

Skoliose J20. 

Smellies Schere 356, 372, 392, 396, 301. 

Soxhlet 175. 

Spaltbecken 19. 

Spätfieber 433. 

Spätwochenbett 161. 

Speichelfluß 181. 

Spina bifida 371. 

Spinae ilei anteriores 5. 

— Messung der 331. 
Spitzbauch 325. 
Spondylolisthesis 392. 
Spontanamputation 265. 
Stachelbecken 229. 
Staphylokokkus 427. 
Steinkind 276. 
Steißbein 1. 
Steißlagen 100, 386. 
Stellwehen 70. 
Sterilisierung der Frau 363. 

— der Milcm 175. 
Sthetoskop 119. 

Stillen im Wochenbett 161, 164. 
Stimlage 95, 97, i35- 
Stoffwechsel des Fötus 36. 
Streptokokkus 427, 439. 
Striae 48. 

Stuhlentleerung im Wochenbett 160. 
Stumpfer Haken 387. 
Sturzgeburt 394. 

Subkutane Kocnsalzinfusion 426. 
Sublimat 446, 349, 383, 210. 
Superfoecundatio 108. 
Superficies auricularis 3. 
Symphyse 3. 

— Zerreißung der 401. 
Symph^seotomie 357. 
Syncytiom 266. 
Syncytium 30. 
Syphilis 170, 205, 270. 

Tamponade bei Abort 293. 

— bei Nachblutungen 419, 425. 

— bei Placenta praevia 308. 
Temperatur des Neugeborenen 15O. 

— im Wochenbett 151. 



Tetanusbazillen 433. 
Tetanus uteri 385, 396. 
Theca folliculi 15. 
Thorakopagen 373. 
Thrombophlebitis puerperalis 438. 
Thrombose der intervillösen Bluträume 

269. 
Thrombus vulvae 405. 
Tod des Kindes in der Geburt 120. 

— bei Nephritis 185. 

— in der Schwangerschaft 120. 

— bei Syphilis 209. 
Torsion der Nabelschnur 271. 
Totalexstirpation des Uterus 415, 444, 

446, 250, 245, 325. 
Transfusion 426. 
Traubenmole 266. 
Trichterbecken 314, 401. 
Trophoblastzone 29. 
Tubarer Abort 272, 278. 
Tube 13. 

Tubendivertikel 272. 
Tubengravidität 272. 

— Behandlung der 280. 

— Diagnose der 279. 

— interstitielle 274. 
Tuberkulose 168, 189, 267. 
Tumoren als Geburtshindemis 241. 
Tvmpanie der Därme bei Peritonitis 

'436. 
Tympania uten 340, 342. 
Typhus 202, 429. 

•• 

Uberdrehung 93. 

Uberfruchtung 108. 

Übergang von Stoffen auf den Fötus 

..36. 

übertragen 397. 
Oberschwängerung 108. 
Überwanderung des Eies 15, 255. 
Ulcus rodens 247. 

Umschlingung der Nabelschnur 270. 
Umstülpung der Gebärmutter 378. 
Umwandlung der Gesichtslage 135. 
Unikomität des Uterus 255. 
Unstillbares Erbrechen 177, 181, 267. 
Unteres Uterinsegment 38. 
Untersuchung der Gebärenden 130. 

— äußere 112, 130. 

— innere 123. 
Urämie 170, 184. 
Urethritis 183. 
Urin drang 182. 

Urinlassen im Wochenbett 159. 
Urinstauung 233. 
Uteringeräusch 52, 53, 121. 
Uterinsegment, unteres 38. 
Uterus, Arterien 37. 

— bicomis 255. 

— Cervix des 11. 

— Corpus des 11. 



Sachregister. 



467 



UteruS; Exstirpation des, bei Carcinom 
250. 

bei Myom 245. 

bei Osteomalacie 325. 

bei Sepsis 446. 

— Innenfläche des im Wochenbett 144. 

— Lymphgefäße des 37. 

— Nlerven des 37. 

— rudimentärer 255. 

— Ruptur des 381, 354, 369, 406. 

— Schleimhaut des 12. 

— in der Schwangerschaft 37. 

— Tamponade des 419, 425. 

Vagina an. 
Vaginaefixation 240. 

— granulierte 45. 
Vaginaler Kaiserschnitt 228. 
Varicen 194, 259. 

Variola vera 201. 
Veitstanz 106. 
Vena umbilicalis ^i. 
Verarbeiten der wehen 71. 
Verblutung, innere 272, 418. 

— bei Placenta praevia 303. 

— im Wochenbett 424, 431. 
Verdauungsorgane in der Schwanger- 
schaft 177. 

Vergiftung mit Karbolsäure 446. 

Verjauchung 279, 297. 

Verletzung des Kindes bei der Geburt 

356, 391. 

— der Mutter 40 1, 404. 
Vernix caseosa 61, 63, 162. 
Verschiebung der Kopfknochen 96. 
Verschleppte Querlagen 392. 
Verstreichen der Portio 68. 
Verwachsung der Placenta 416. 
Virulenz 428, 432. 
Vorderhauptslage 94, 134. 
Vorderscheitelbeineinstellung 368. 
Vorfall der Arme 374. 

— der Nabelschnur 341, 375, 382. 

— der Placenta 305. 

— des Uterus 403. 
Vorwasser 69. 
Vorwehen 38, 70. 
Vorzeitige Atmung 398. 

Vorzeitige Lösung der Placenta 186, 306. 
Vulva 10. 

Wachstum des Beckens 17. 

— des Eies 28. 

— der Frucht 35. 

— der Placenta 32. 
Wadenkrämpfe 71. 
Wägen des Kindes 154. 



Wahl der Amme 171. 
Walchers Hängelage 35 1, 356, 368. 
Warze der Brust 44, 454. 
Wasserkopf 366. 
Wasserstoffsuperoxyd 456. 
Wehen 70. 

— Verarbeiten der 71. 

— zu schwache 395. 
Wehen, zu starke 394. 

— Wirkung der 86. 
Weichteile des Beckens 9. 
Wendung bei Armvorfall 374. 

— äußere 382. 

— bei Kopflage 356. 

— bei Naoelschnurvorfall 377. 

— bei Riesenwuchs 368. 

— kombinierte 356. 

— bei zu großem Kinde 366. 

— bei der künstlichen Frühgeburt 368. 
Whartonsche Sülze 29. 
Wiederbelebung 390. 

Wochenbett 143. 

— Pathologie des 427. 

— Pflege im 157. 

— Psychosen des 436, 443. 

— Puls im 150. 

— Temperatur im 151. 
Wochenfluß 146. 
Wollhaare 61. 
Wundinfektionskrankheiten 427. 

Zahnpflege in der Schwangerschaft 59. 
Zange, Anlegung 359. 

— bei Armvorfall 375. 

— im Beckenausgang 399. 

— bei Nabelschnurvorfall 378. 

— am nachfolgenden Kopfe 391. 

— Bedingung 399. 

— beim engen Becken 359. 

— Gefahren 401, 359. 

— Indikation 399. 

Zeichen der Reife der Frucht 63. 

— der Schwangerschaft 50. 
Zeit der Schwangerschaft 53. 
Zeitpunkt der Infektion 429. 
Zellteilung 25. 
Zerreißung des Beckens 401. 

— der Cervix 280, 432. 

— des Dammes 136. 

— des Nabelstranges 378. 

— des Plexus brach ialis 356. 

— des Uterus 381, 369, 406. 
Zona pellucida 25. 

Zotten des Chorion 29. 
Zwergbecken 313. 
Zwillinge 40, 60, 105. 



30' 



I Medicinischer Verlag 

S. HIRZEL m LEIPZIG 




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Handatlas 

der 

Anatomie des Menschen 

in 935 teils farbigen Abbildungen mit Text. 

Mit ünteratützuug 
von Wilhelm His, Profeanor der Anatomie ai 
bearbeitet von 

Werner Spalteholz 

a. 0. PrafesEor an der Daiversltät Leitizie uod Custoa der BoalomiacheD SammlaDgen. 

Drei Bände. 

Vierte Anflage. 

Preis gebunden 50 Mark. 

I, Knochen, Gelenke, Bänder. Preia geheftet 13 Mark, gebunden 14 Mark. 

II. Regionen, Muskeln, Fascien, Ken, Blutgefässe. Preis eeb. 13 Mark, geb. 14 Mark. 
III. Eingeweide, Gehirn, Nerven, Sinnesorgane. Preis geh. 21 Mark, geb. S2 Mark. 

Die Abbildungen sind in ein- und mehrfarbiger Autotj'pie hergestellt, weil 
dieses mechanische Verfahren die Originale in weit grösserer Natnrtreua wieder- 
giebt, als es der Holzschnitt vermag. 

Für die Namen im Text und an den Abbildungen ist durchweg die neae Baseler 
anatomiBche Nomenclatur zu Gmnde gelegt worden. 

Als Ergänzung des Handatlas der Anatomie von W. Spalte holz ist erschienen: 

Handbuch der Anatomie des Menschen 

mit einem Synonymen reg ister auf Grundlage der neuen Baseler 
V anatomischen Nomenclatur. 

I Unter Mitwirkung von W. KIs und W. Waldeyer 

' W. Krause 

in Berlin. 

I. Abtheilung: Osteologia, Syndesmologla, Myologia. 4 Mark. 
n. AbtheiluTig: Splanchnologia, Angiologia. 6 Mark. 
I III. Abtheilung; Neurologia, Organa sensuum et integumentum 
commune. Preis geh. 6 Mark. Abtheilnng I— in, den geeamten Text 
enthaltend, gebunden 18 Mark. 
I Die IV. Abtbeilung (daa Synonymik nregister) wird IBUS ausgegeben. 

Das Handbuch enthält keine Abbildungen, sondern ist als Text zn dem Atlas 
gedacht, auf lieseen Fi^eu es am Rande der Druckseiten verweist. 
L Beide Werke veremigen sich somit zu einem ausführlichen Handbach der 

L AAKtomie mit miutereiltiKen farbliceii Abbildnnxen. 

L 



Lehrbuch 

der 

Topographischen Anatomie. 





Zum Gebrauch für Aerzte und Studierende 

Dr. Fr. Hermann, 

>. 0. Piofaflaor dei' Anatomie an der Dniversität Erlangen. 

Band: Kopf und Hals. 

Erste Abteilung: Kopf. 

Mit 1S3 Figuren, votwiegend nach Originalzeichnungen des Verfassers. 
Preis geheftet 18 Mark. 

Die Entwickelung 

des 

menschlichen Gehirns 

während der ersten Monate. 

Untersuchungsergebnisse 

Dr. Wilhelm Hls, 

E. S. Gebeimer Rath, FrofesBOr der Anatomie und Direktor i]er BiiatomiHcb«n 
Anstalt in Leipzig. 

Mit 1]5 Ahbildiingen im Text. Preis 



Die geschichtliche Entwicklung 

des ärztlichen Standes 

und der 

medicinischen Wissenschaften 



Dr. med. J. Hermann Baas. 

Geheftet ^i. 11,—, gebunden M. 13.25. 




Physiologie des Menschen 




Mit 341 teilweise farbig 

Preis geheftet 24 Mark, gebunden 

Die Abgrenzung des phrsiologiBchen Lehrstoffes ist eine Behwiefige. Im vor- 
liegenden Falle kann nicht dIoks diese Aufgabe als ^luQgen angesdien werden, 
sondern die Auswahl der mediciniach und biologisch wichtigsten Capitel ist ausser- 
dem so sorgfältig geecbeheii, dass sie fast allgenremea Interesse beanspmclien körnven : 
ein Dmstand, der fQr das Lehrbuch um so Eöher ia Anschlag kommt, da der junge 
Mediciner gar oft den Lehrstoff der Physiologie als l&atigen Prafiingsballast be- 
trachtet, uneingedenk der grossen Wichtigkeit desselben fiir das praktische Können. 
Dazu kommt noch die lexchtfassliche Darstellung selbüt schwieriger Capitel [Ohr, 
Raumvoretellimg I Zelte), die fliessende Diotion und die lobenswerte Deberaichtlieh- 
keit, da die wichtigsten plijsiologiscben Lehrsätze in geBperrtem Drucke gegeben 
sind. — Das Lehrbucn zarallt in zwei Teile. Im ersten Band kommen, nach korzer 
Besprechung der gebräuchlichsten phjBiologischen Methoden, der Eigenschaften, 
Lebensbedingungen und Lebenseraohemnngen der Organismen und der Einwirkungen 
der äusseren Einflüsse auf dieselben, die grossen Lapitel Ernährung, Yerdanung, 
Blut und Athmung zur Sprache. Mit den drüsigen Organen, Abbau des Körpers, 
Ausscheidungen, Körpertemperatur schliesst der erste Band. Der zweite Band ent- 
hält die Physiologie der Muskeln, der Sinne, des Nervensystems, der Zeugung und 
Entwicklung. Die zahlreichen Dlnstrationen unterstützen das leichte Verständnis. 



Angelo Mosso 

I. Professor der Phj'slologie an dar Duiverai 



Die Furcht 1 

Aus dem Italienischen übersetzt | 
von W. Finger. i 
Deutsche Originalausgabe. Mit 7 Holz- 
schnitten a. 2 Tafeln. Pi-eis geheftet 5 Mk. I 



Die Ermüdung 

Aus dem Italic nisclien übersetzt 
von J. Olinzer. 
Deuteche Originalausgabe. Mit 30 Holz- 
schnitten. Preis geheftet 6 Mark. 



J. Gad und J. F. HeymanS, ^"""^t^ Lehrbuch der Physiologie 

• : des Menschen. Mit ii2 Abbildungen in 

Holzschnitt und einer lithogi-aph. Tafol. 18il2. Gt^heftet lO Mark, gebunden 

11 Mk. 4U Pf. 

Carl LudwiO ^'^ physiologischen Leistungen des BlutdtTicks. 
**' Mk. -.50. - Die wissenschaftliche Thätigkeit in 
den physiologischen Instituten. Mk. — .öO, 

Carl Ludwig und F. Schweigger-Seidel, ?'^ Lymphgefässe 

r =2 L der Fascien und 

Sehnen. Mit 3 Tafeln. Kolio. Mk. 8.—. 






FathologiBche Anatomie 

iier 

weiblichen Sexualorgane 

Dr. C. Gebhard 

>. 0. FrafeilOi Für Osbartsljilfe and Gynäkologie an ilar UnlverHität zi 

Mit 200 znm Teil farbigen Abbildungen. 
Preis geheftet 18 Mark, pebanden 20 Mark. 



Uterus und Kind 

von der ersten Woche der Schwangerschaft bis zum 
der Geburt und der Aufbau der Placenta, 



Geburtshülflich - anatomischer Atlas 

30 Tafeln enthaltend, 

mit erläuterndem Text in deutscher oder französischer Spraclie 

und 5 Texttafeln. 

Herausgegeben 

Professor Dr. G. Leopold 



Preis für Atlas mit Text 120 Mark. : 



OPERATIONES TOKOLOGICAE 

TABULAE XXX 

IN USUM 

STUDIOSORUM MEDICINAE 

QUI IN OPEBATIONIBUS PEEPETEAKDIS PHANTOMATE 
ADHIBITO EXERCENTÜE 



PAULO ZWEIFEL 

ARTIS 0B9TETRI01AE ET GYNAEKOLOOIAE PROFESöORE PtiBLlCO 0RD3NARI0 LlPSIENSl. 



Die Krankheiten der Frauen 



I 



für Aerzte und Studierende 

dargestellt von 

Dr. med. Heinrich Fritsch 

äkologla und OebnrtabUlfe , ijeh. MedicIiiEilri 
ligUcbea FraaeDlilinik ao der Duiversiiat za 

Zehnte^ Tielfach Terbesserte Anüage. 

Mit 278 Abbildangen in Holzschnitt, 
Freie geheftet 13 Mark GO Pf., gebunden 15 Mark. 



Heinrich Fritsch, J^j'"!«^ ^1^^^'t\°%n^r\ !''y"^^°^^f'':}^ "^^^^ 

' tafeln zum Untemcht. 2Ü lafela von 90;llU cm, mit 
Test in deutsclier, französischer und englischer Sprache. 18S5. Preis 60 Mark. 
(Probetafel gratis und franco.) 
— Aus der Brealauer Frauenklinik. Bericht über die gynäkologischen 
Operationen des Jahrgangs 1891/92, Mit 13 Abbildgn. in Holzschn. 6 Mk. 

Geburtshilfe 

Eine Einführung in die Praxis 

Dr. med. Heinrich Fritsch 

ProfaBSor der Oynakaloele nnd OBburtabllfe , Geb. Mediüinalrat]! aoi Director der Knniglicbea 

FranenkllDlk an der Dnlveraitit zn Sonn, Hitglled dea Medicinakollegii Titr die RhslnproTinE. 

Mit 73 Abbildungen, 

Preis geheftet 10 Mark, gebunden 11 Mark. 

Lehrbuch der Gynäkologischen Diagnostik 



Dr. Georg Winter 



der Gynäkologie, Medlcii 

Unter Mitarbeit von 

Prof. Dr. Carl Rüge in Berlin. 

Mit 20 Tafeln nnd 140 Textabbildungen. 

Zweite Antlage. 

Preis geheftet 14 Mark, gebunden 1(1 Mark. 

:a dei BearbeitQDe dergyaükoloeiBcben Diagnostik dadurch 

[ -.i,-. i_. ^-bfll babe leb mlob elngeliand mit der 

■ ■ - ■ in dldakdscbe 

. , ._. n leb dadurcb 

entoeReD gekommen, daus tcb alli^n dlagnostlscben PmikteD, welcbe leb in dem langjährigen engaa 
VeikBbr mit meinen ärztiicben Znbfirern als wicbtig erkannt babe, sine besondere BerBokslebtlgnng 
Bcbenhle. Anf diese Weise babe icb mein Lebrbucb im anmittel baren Ansebluas an den Onter- 
ricbc gescbrleben and hoffe, mit demselben dem LeruBDden and dem proktlscb tbä,tlgen Ante in- 





Die 



Pathologie der weiMiclien Seinalorga 



in LiclitdTnck-Abbildiuigea 

nach der Natur iii Originalgröäse ducob aiiatoiDifChe ua(i klinische Erfahrungen 
erläutert von 

F. von Wlnckel 

iloele, Direclor de 
Lt und äuE K. Ober 

■ Mit 49 Tafeln und 5 Holzschnitten. ^^= 

Preis gebunden 70 Marl;. 

Lehrbuch 

der 

Frauenkrankheiten 

Dr. F. von Winckel. 

Mit 206 Kolzaehnittcn, Zweite umgearbeitete Aatlape. 

Preis geheftet IG Mark, gebunden la Marl; 50 Pf. 



WinrlfPl F V Berichte und Stadien aus dem königl. säclisi sehen Ent 
' ' bindanga-Institnte in Dresden. 3 Bände. 34 Mark 40 P£ 

1. Band: Mit 11 Holzschnitten nnd 4 lithograpbirten Tafeln. 1874. 

10 Mark 40 Pf. 

2. Band: über dJe Jalire 1874 und 1875. 1876. 10 Mark 

3. Band: über die Jabre 1876, 1877 und 1878. Mit 10 lithographirteo 

Tafeln. 1879. 14 Mark. 

Arbeiten aus der königl. Frauenklinik in Dresden, gr. s. 

I. Band: 1. Die königliche Frauenklinik in Dresden 1884 — 1891, nament- 
lich alB Dnterrichtsanatalt für Aerzte. 2. Die gebartshülflichen 
Operationen bei engem Becken: KfinEtliche Frühgeburt, Wendung und 
litraction, Perforation, Sectio caesarea und Symphyseotomie. Von 
G-. Leopold. Mit 10 Abbildungen nnd 1 Carventafel. 1893. 15 Hark. 

IL Band: GebnrtBliiilfe und Gynäkologie von G. Leopold. Mit 2 litho- 
graphischen Tafeln, 12 Curventafeln und 37 Abbildungen. 1895. 

24 Hark. 

Universitäts-Frauenklinik, ^'' "^"'ff ^' inMSnehen m den Ja^en 

' 1884 — 1890. Benchte und Studien. 

Herausgegeben von F. v. WinckeL 1892. 16 Hark. 



Lehrbuch 

iler 

Kinderkrankheiten 

für Aerzte und Studirende 
Dr. Adolf Bagjnsky 

a.. 0. Profeasiir der Kiiiilerl.eilkiindc an der IJniveraitii Berlin, Di 
Kaiserin Friedrli:li-Kiinierkj-ankönhaiiaes. 

Siebente vielfach Termehrte und verbesserte Anllage. 

. Preis geheftet 22 Mark, gebunden 24 Mark. ^= 

Diese 7. Auflage dea Lebrbncbi^s der EiiiderkrBiikL«lt( 
Ding^hendea und aargsamea Onrcbarbeitong dea ganEen Wi 
und dnroh die biaherigo gänatige Aufnabnip, von der meiilolnL. 
AnardDane. aiue weaentliuhe Aendprung nicht getiofren wordei 

xa Tlieil geworden ist. 

Aetiologie, Prophylaxis und Therapie 

der 

Rhachitis 



Dr. Paul Zweifel 

K. S. Gell, Mediuinalratb, nrd. Profeaaur der Qebnrtabülfe und IjynüliOlOEiB 
in LeipKig, 

Preis geheftet 6 Mark. 

Pi( (t|ltn Piitt(rp|liil|ttn m nt trftc $inii(S|iflc9(. 

33e[e[)riiii95bud) für junge grouen imb SDiütter Don 

Dr, 5- % öon ^Imnwti 

3td)tmt06ccifjiflftc aiuflofle, b»rd)C|efel]eii von 

Dr. 5. uott SBtnifcI 



aRti XitelDigneiK. 12. 'i^rciS ae&unbcn 

««4 IKm aomnirt Drt ttxtmiqrbttS: I« «ulforttiuns txt fflcritflei:», ,1\t iintii anatitttRliSitn- 
BDt tinti nnitn Mullofle ju rtDlOirm. Ifi Bei 6ciau»a(S(c (lern naitiBitoBinitn ; Don ammon'« JÜtil cnl" 
bin eint ^lille aii[4ltDtc St)a6nin«tiaiK unti trrtfti^ci Stalti[ctiaac, bii fdbV k(r ^rjt oft >r|l am 
gvoiüUKbltt Ut cLgtncn Sinbtc Icnntn unb iiVl^B Icml. 

Sag Buti mivb miint&er lungcn ItutMr ecrubiqnng unb ^(l gtiDSbicn. ni4t nxil fit ii 
ünldS fintiel. Rdi mit Sijill^en S^ugni ju Inli^afttflen , bncn Ecccün idr Ben Slnubeit belbtin« 



If^ fle Diontfitl oon Oti Brj(li*m BlmW. ionirni IDtil Pnn «nimon'J fflnl immet jac (Tgentn U; 
Ser Snii^l«*. ri4 ai 



!ai etobmOtung Untitnt biflnnl unb bif einiitn bei tigenta EBifjcnt Ulr RA unb anbtve (o idiBn bttpcHl. 
at ber Snii^l«*. ri4 an brtdtitt* ftttlfi tu iccnbcn. ntif- — '- — 1— a.-.«— ^i..^. ._■ — 

alt e(n telblineTnänbltitiec. nalUtlKfn Suittd] ecfibelM. 




Leitfaden 

für den Untemcht 



Kranken- und "Wochenpflege 



Dr. med. Brsno Bosse 

AislsteaC bd der tB.tholog;i3Uh-BnB.tomiBcb«n Abuilnng ine äudt krank enbausea x 

= Mit 143 AbbildungeD. = 
Preis geheftet 5 M. 50 Pf., gebuDden 6 M. 50 Pf. 



Ie^&uj^ für BßbatiTOttn 

3ni auftrage 
Bes Koiiiglid! Sdr^ttfi^en niinifietinm öes ^'"'Sf" 



Prof. Dr. $. ^eoporb 



Prof. Dr. ^. ^weifet 

Set)- nicM(ina[ialt| unti Ciitclac in 



) mit 38 I^olifdjnitteii uiib 8 fatbigcii Hafeln. c 
pteis ge&iin&en UTE. 6,50. 



(6. fieopOlö iitib P. ^mCifeL ^" acburtsliülflidii; Uutetfuc^uiig für ycrjte, Stu- 

Sircube bet nTEbijin, ffebatnmen tmb Ejebnmmtn' 

fc^fileriiinen. ^m yiiflragc Öes Königlid) Säcbfifiicn ITlinifterium ftes t^nnern Be- 
atbeitel. mit 13 Mbbil&imgeii unU a farbigen Eafeln. ^. umgearbeitete Iluflage. 



gr. ( 



1902. mt. \.- 



Grenser, P. W. Th., 



k 



Die Ovariotomie in Deutsohland, hietoriBiih und kri- 
tisch dargestellt, gr. 8. 1870. Mk. 2.40. 
KohlfclUSCh ^"^ Anatomie und Physiologie der Beekenorgana nebst 

1 ; naturgetreuer Abbildung der lÄngsdurchBohnitte dea mÜDD- 

liehen und weiblichen Beckens, Mit 3 Kupfeitafeln. gr. 4. 1854. cact Mk. 9.—. 
WinCkBl F Klinische Beobachtungen zur Dystokie durch Beckenenge. 

1 1!_ GratulationsBchiift zum 4. August 1882, zur Feier des filnf- 

jögjahrigen Doctorjubilänms des Sanitatsrathes und KreiBjihjsicua Dr. L. Winckel. 
Mit 5 Tafeln in Lichtdruck. 4. 1882. Mk. j.— . 

Indikabionen und Contraindikationen des Radfahreoa. 
gr. 8. Mt. 1.20. 

die Chirurgie des Halses. Eine klinische Studie. Deutsche Ueber- 
ietzung von S, Ariel. Mit 52 Abbildungen, gr. 8. 1898. M. 8.— . 
specielle Chirurgie fklr Aerzte und Studirende. Mit 190 Abbildungen 

^- "-'--"-"" " ^""" ■ ' M. 20.-, geb. M. 21Ä). 



Schiefferdecker, 
Bottini, H., 
Fischer, H. 



Hohschnitt, gr, 8. 1892, Preis 



Lehmänn-NitSChS R Beiträge zur historischen Chirurgie nach Funden 
' ■' deutscher Voraeit. Mit einer Taiel. gr. 8. 



M. 1.- 



Berieht über die neueren Leistungen 

Ohrenheilkunde 

Tüll 

Dr. Louis Blau 

Spectalarzt tut ObrenkruiklieiteD in Bi^rlin. 

Fünfter Bericht (1S97— 190Ü). i Sechster Bericht (inoi— inOi;). 

Preis geteflet M. 4.—. ! Preis geheOet M. i.~. 

Handbuch der Ohrenheilkunde 

Für Aerzte und Studirende 

Dr. Wilhelm Kirchner 

PiatesBOi der OhrenliellkuDde nad Voratand der otlatrischen Duiyersit^ts-PolikKnEk in Wärztaurg. 

Slflllflllte Auflage. Mit TO Abbildungen in Hokachnitt. 

Preis geheftet M. ü.SO, gebunden M. 7.^. 



■B Znaa 



menfaBBung der Erltranknnge 



T>as vorliegende Euidbnch, weicbea e.__ _ .. . . 
ßehörorean es bieten soll, wnrde In der Absieht und mlCdEmWonfloha b 
und praktlscbsn Aerzt«n eine Anleltnog ca geben, in voTbommenden Fallen diaae Leiden riobtiK 
zu erkennen und, soweit diea moalicb, ancb mit Erfolg zu bebandeln. Ee Ist daber in derAus- 
fvshl und Anoidnang dee Stoffes hau]>teäab)leb auf die BedllrfnisBe des praktlBchen 
'--*-- "ückfllcht genommen, weebalb mancbe Kapital, die In anderen Lehrbüchern der O"- — 
■ — lienderhflBchriebenBfnd, namentlich aiato 
a Notwendigste beschränkt Bind, 



hellkunde eine 



le und ph^Blologiadie Schilderungen 



Scheiata zum £JDzeicbD6D opbtbalmologisctier Krankheitsbefonde 

Dr. med. Otto Lange 

Preia M. I.SO (oder in vier einzelnen Couverta ä M. — 501, 
Von demselben Verfasser eracblan (ruber; 

Topographische Anatomie des menschiichen Orbitaiinhaits in Tafeln. 



Augenheilkunde und Ophthalmoskopie 

Für Aerzte uud Studirende 

Dr. H. Schmidt-Rlmpler 

i. Prof. derÄDgenbeilkundo, Oeh-Medieinalralb u, Director der o] * thelmla tri Boben Klinik zuHalle. 

7. verbesserte Aaflage (1901). 

Mit 1{)0 Abbildüugen im Test und 2 Farbentafeln. 

Preis gebeflet M. 12. — , gebunden M. 14.^. 

Dae Botb verfolgt in erster Linie didaktische Zwecke: es bietet die moderne Augen- 

illknnde in einer Form, weleha die Aneignung ibras atofflicben InbaltB erleichtert. Dies wird 

_^_i..i.. j — >. ii. ..^ — .. — ,. „ — Brilon hervortretende Trennung der einzelnen Abtbeilnngan 

.ii_i.>.i,.i t — ,._i__j.__j_ niügiiohatwenlgvoraneBetzende 



und (rnterabtheilungen, soivle durch die allmählioli foitacbreltBn< 

SarBIellaDg. Ebuoao hat der Verfisser die Aufiiabme der zur Eriiennnng der itefraotioi 

Accammodatione- Anomalien erfarderllchen matbamBtiscben Vorkennlnisae durch EineohranBang 

■■■ ' ■' "' d durch (asalicliB Vorfahrnng besonder» erleichtert. Spedell 

e BeddrfnUae d« MUit£r&rEle und Hygienikei Mck- 

.„, „ r QOBkople iaC eine dngebendere Schildernng gewidmet und 

u>8 Dibingabörige auch local zueammengBatellt, um den Stndlrendeo einen einiKarmMaaen ab- 
Keichlossenea Leitfaden zur Benutzung bei ophihalmaakoplscben Eunen Innerhalb des fUbmena der 
UeBammt-AngBDbBÜ künde zu bieten. — Die All gerne inletden, utveltrie in Beilebnnsiii AngeB- 
alTectlonen alehen, sind In dem alpbabetlscban Sachregister KnfftefBbrt, nnd damit Ist einneaonderat 
Kapitel über diese BeilehuBfien, das viele Wlederbalnnitmi würde esthalten müsaen, eDtbehrllob 
gewordan. — Die ittölf am Schlüsse deaBuchea auf zwei Tafeln zoBemmenEeatelltenopbtialmoakopi- 
Bchen BUdei können wobl den beatgetungenen farbigen Daralellnngendieaai' Art zugerechnet werden. 



rj] 



SCHMIDTS JAHRBUCHER 

DER 

IN- UND AUSLÄNDISCHEN 

GESAMHTEN MEDICIN. 

ViiteT Mitwirkung von 

Geh. Ued.-Eath Prof. Dr. H. Fritsch (Bonn): Gynäkologie u. öebmtaliülfe. 

Gell. Med.-Eath Prof. Dr. H. Helferich (Kiel): Chinirgie, 

Geh.-Eat]i Prof. Dr. 0. Heubner (Beriini: Kinderkrankheiten, 

Prof. Dr. G. Riehl (Wien): Haut- und Geschlechtskrankheiten, 

Geh. Med.-Eath Prof. Dr. H. Schtnidl-Rimpler (Halle): Augenheilkunde, 

Geh. Mei-Eath Prof. Dr. H. Senator (Berlin): Innere Krankheiten, 

Prof. Dr. W. Spalteholz (Leipzig): Anatomie, 

Prof. Dr. R. Tigerstedt (Helsiugfors) : Physiologie 

herauügegebeo von 

P. J. Möbius und H. Dippe 

in Leiiizig. 

71. Jahrgang. 

gr. Quart. 12 Hefte ca. 180 Druckbogen. Preis 36 Mark. 

Inhalt der einzelnen Hefte: 

A. OriginalabhandluDgen und Übersichten. 

B. Auszüge. 

Medicinische Physik, Chemie undBofanik. 

Anatomie und Physiologie, 

Allgemeine Pathologie und p[Lth alogische 

Anatomie. 
Pharmakologie uud 'l'osikologie. 
Nenropathologie und Psychiatrie. 



Innere Mediein. 

Gehurtshülfe, Frauen- und Kimlerbeil- 

kuude. 
Chirargie, Äugen- und Ohrenheilkunde. 
Hygiene und Staataarzneikande. 
Medicia im Allgen 



D. Medicinisohe Bibliographie des In- und Auslandes. Sach- und 
N^amen sregister. 



r 



Arbeiten 

aus dem 




pathologischen Institute zu Leipzig. 



Herausgegeben von 

F. Marchand 



h 



Über das maligne Chorionepitlieliom uud die analogen 
IVncIieruugen in Hodeuteratomen. von or. w. Riaei, 

I. Assistenten am p at hol ogi sehen luatitute ku Leipzig. Mit 2 AbbUdungeo 
im Teste und 3 Tafeln. Preis geheftet M. 7.— - 

Heft -l: 

Histologische Untersachungen über Endokarditis. 

Von Dr. H. KSnlger. ehem. ÄsBietenten am pathologi sehen Institute zu 
Leipzig, zur Zeit Aeaiatenten an der medizinisclien Klinik zu Erlangen. Mit 
- Tafeln. Preis geheftet M. 7. — . 



Physikalische Uebungen 

fiir Mediziner 



Lehrbuch der Botanik 

fiir Phamaccuten und Malicmtr 



Mit (iö Abbildungen. 
Preis geheftet M. 5.—, gebunden M. L 



Dr. Hermann Warnecke 

Mit 338 Teitabbilduögen. 
Preis geheftet M. 8.(10, gebunden M. ö.ö 



Sanders, F., ««ndbyDh d 



SeiunilhBltlpnag«. In zweiter Auflage btaibpitet nnd 

iratand des Niederrheini Beben Vereini für öfTeDtllobe Os- 

geh. 10 Mark, gebdn. 12 Hark. 

ig Mr gsrishlllDhen Madloln. ActrlltsvorlesDUB. giihalten am 



GRUNDKIÖÖ 



Militär -Gesundheitspflege 



Dr. med. Martin Kirchner 



Mit 454 Figuren im Teit 
Preia geheftet M. 30.- 



Hjgiene an äei ünlTorsitftt Berlin. 
:nd drei Lichtdrucktafeln, 
, gebunden M. 32.30. 



1 R PnM- Die acuten Infeotionskrankheiten. gr. 8. ISBü. 

Lehrbuch der chemischen Untersuchungsmethoden zur Diagnostik 
innerer Krankheiten. Mit 2S Abbildungen in Holzachnitt. gr. S. 
ISm. geh. Mli. li,— , gbdn. Mk 7.20. 

Qinnla T Die Behandlung der Hals- und Lungenlelden mit Inhalationen. 3., stark 
OloyiB, C, vermehrte Autlage. gr. S. 1S6Ö. Mk. i.~ 

Lehrbuch 
Klinischen XJntersuchungsmethoden 

innerer Krankheiten 



Dr. Hermann Eichhorst 



I. PiofesBor der siieu. PalLoiogie a, Therapie 



malicinisolien Unlveraitätekliiiik 



Vierte nmgearbeHete Auflage. 

^^= Mit 281 Abbildungen in Holzschnitt. ^^^ 
Preis geheftet 20 Mark, gebunden 21 Mark 80 Pf. 

Inhalt: Constitution des Kranken. Lage ins Kranken. GeaichtsauBdTQck des 
Kranken. BewuasUein des Kranken, ünterauchung der Körpertemperatur, Unter- 
Buckung des Pulses. Unterauchnng dei Haut. Dntersnchung der RespirationHOrgane. 
UnterKUcbunft des CirculationBapnarates. Untersuchung des Verdauungaapparatea.ünter- 
Eucbung des Harn- und GeschlechtsapparateE. Untersuchung der Nerven and Mnskeln. 

Der lolialt der vorliegenden vierten Anßage ist im Vergleiche zu ihren Vorgänge- 
rinnen ein umfangreicherer geworden, denn während früher nur die physikalischen 
UntersuchuDgsmethoden besprochen wurden, sind diesmal alle aolche klinischen 
UntersuchungEmethodeu dargeatellt, welche fiir die Erkennung von inneren Krank- 
heiten von Wichtigkeit sind. 

Gredanken und Grespräclie 
Schweninger's Aerzteschtile. 

Erstes Heft: Magen imd Ma^engymnastik. 

Preis geheftet I Mark 50 Pf. 

FUrbrinOfir P ^'^ inneren Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane, flir 
s — l 1! Aente und Studirende. 2. umgearbeitete und vermehrte Auf- 
lage. Mit IS Abbildungen in HolKschnitt. gr. S. 1890. 

geh. Mk. 12.—, gebdn. Mk. 13.60. 
Hebra H V ^'^ krankhaften Veränderungen der Haut und Ihrer Anhangsgehilde, 

'- : — '2 mit Ihren Beziehungen zu den Krankheiten des Geaammtorganismui 

dargestellt. Mit 3.") Abbildungen in HolzBohnitt. gr. S. 18S4. 

geh, Mk. 12.—, gebdn. Mi, 13.60. 



geh. Mk. 12,—, gebd. Mk. 13.01. 



Jahr«sbericlit über die Fortschritte in Jcr Lehre 

Pathogenen Mikroorganismen 

mnfassend Bacterien, Pilze und Protozoen 

[luter Mitwirkung von FacligeBosaui b»arbuitut, 
nnJ bBiBUBgBBebBn von 

Dr. med. P. von Baumgarten »»d Dr. med. F. Tangl 

. e. Fiof. der P&tbolugie a.. d. üniverBltät o. o. Pcot. der Physioloei« a. d. tblerärztlEchsn 

Tübingen. Hoobscbule in Bndapeat. 

Siebzehnter Jahrgang (19013. Preis geheftet M. 32.— 



taamcarten, P. v-, Lebibai^b der pMbologiachen Mykologie, Varlesoiigen fSr Aerzte und 
StnSrende. Mit 101 fist aammtllch nach eigfinen Präparuten des VertaBaera anBgefübcien 
Original- Abbildungen, M davon in Farbendrucl!, und elDei litbogranhlrten Tafel. 2 Bünde 
H, 27.-. 

Geber die Nabelvene des HenaebeD and Ihre Bedeutung lür die CircnlationaBttirunE bei Leber- 
clrrbose. Mit 10 Steindracktafeln. U. 4.—. 
Beitrag Enr Lehre von der mitürliolien Immunitlit, M. —M, 



Bekämpfung der Tuberkulose. 

Rede. 

gehalten am 27. Junuar 1Ö(J4 im Festsaale der Aula der Universität Tübingen 

■ Professor Dr. Paul von Baumgarten. 

Preis geheftet ] Miirk. 
Die 

Gewebe des menschlichen Körpers 

H und ihre milfroskopische Untersuchung 

W. J. Behrens, A. Kossei und P. Schiefferdecker. 

Erster Band: W. J. Behrens, A.Koseel und P. Schiefferdecker, das Mikroskop 
und die Methoden der mikroBlcopischeD Untersuchtug. Mit 193 Abbildungen 
in Holzschnitt. M, 8.60, gebunden M. 9.SÜ. 

Zweiter Band; F. Schiefferdecker und Ä. Kossel, Gewebelehre mit l)eHOnderer 



Atlas der normalen Gewebelehre 

des Mensclien. 

Für Studirende und Aerzte 

Dr. Arnold Brass. 

2. Auflage. 

tJÜ Tafeln mit 070 EinzeldarstelJungen in farbigem Gravur- und Toudruck 

mit Erläuterungen. 

Preis geheftet M. 3).—, j^ebunden M, L'4.— . 



ZEITSCHRIFT 

FÜR 

WISSENSCHAFTLICHE 

MIKROSKOPIE 




UND FCE 
MIKROSKOPISCHE TECHNIK 

Besründet vi>d W, J. BeliraiiB. 

Unter besonderer Mitwirkung von 

Prot. Dr. P. Schiefferdecker (Bonn) und Dr. E. Somtnerfeldt ^Tübingen) 

herausgegeben 

Dr ernst Küster 

in Halle a, il. Saale 
— JalirgaDg XXI, ■ — 

Die Zeitachrlft für wissenschaftliche MikroBkopie tritt mit ilirem neuen 
Jalicgang in das dritte DeztnDiiim ihrer Wiritiauikeit. Die zahlreichen Original- 
abhandlungen und Referate, die sie veröffentlichl hat, stellen ein umfangreicheB 
Batnmelwerk dar, das über alle Fragen der wisaenBchaftlichen Mikroskopie und 
mikroskopischen Technik, die in dea letzten zwanzig Jahren zur Behandlang 
gekommen sind, zuverlässig Auskunft gibt. 

Die Zeltaohrift für wissensohaftirohe Mikroskopie veröfleDtlicht vor allem 
Originalabhandhingen in deutscher, englischer, französischer und italienischer 
Sprache aus sämtlichen Gebieten, die den Mikrnskopiker interessieren — über 
Instrumentenkunde, Theorie des Mikroskops und alle Zweige der mikroskopischen 
Technik. Weiterhin wird in Referaten über alle wichtigen einschlägigen 
Erscheinungen berichtet. Ober selbständige Werke und über die in anderen Zeit- 
schriflfin veröffentlichten Abhandlungen: dabei finden, was die mikroskopische 
Technik anlangt, die Interessen der Zoologen, Anatomen und Pathologen, der 
Botaniker, Bakteriologen und Mineralogen gleichmässige ßeriicksichtigUDg. Die 
Bearbeitung der Referate liegt zum grftssten Teil in den Händen von Gelehrten, 
die seit vielen Jahren sich der Zeitschrift widmen. Die der Redaktion zugesandten 
Bücher und Separatabzüge Werden zur Besprechung an die Herren Referenten 
verteilt. Die „Neue Literatur" gibt schliesslich in jedem Hefte über alle 
neuen einschlägigen Erscheinungen Auskunft und dient insofern zur Ergänzung 
des Referatteiles, als in diesem grundsätzlich nur diejenigen Arbeiten berücksichtigt 
werden, die durch ihren wissenaehaftlichen Wert eine Besprechung wünBchenswect 
und notwendig machen. 

Die Zeitschrift fOr wlssensciiaftliche Mikroskopie und für mikroskopisclis 
Technik erscheint seit 1684 in vierteljährlichen Heflen von je S bis 10 Bogen, mit 
Holzschnitten und schwarzen oder farbigen Tafeln, zum Preise von 20 M jährlich. 

Rhninhßrn Julius ^- ^- ^^- ^'* ^''^ cammon basia or the theories of mi- 
mioiimoia, JmiMO, groscopio Vision treated without the aid of mathematl- 

cal formlilae. With 3!) woodcuts, (Reprinted (Vora Zeitschrift für wissenschafl- 
lichf MikroEkopie). Mk. I.ÖO- 

SnältfiholZ WornCr ^il^asIcDpie und Mikrochemie. Betracht ungen über 

" \ \ die Grundlagen der mikroskopischen üntei- 

suchiingsmethodcn. Mk. 1.^. 



ü 




DIE MIKROTECHNIK 

DER 

THIERISCHEN MORPHOLOGIE 

Eine kritische Darstellung 
der mikroskopischen Untersuchungsmethoden 

Dr. med. Stefan von Apäthy, 

teaaor der Zoologia und vergleielienden AnaldmiB an der Universität KoloiHvär. 

Ersle Abtheilung. Zweite Abthellung. 

Mit 10 HolzachnitWn. Mk, ".— 

Mk. 7.Ü0 



TABELLEN 

ZUM GEBEAUCH 

BEI 

MIKROSKOPISCHEN ARBEITEN 

VON 

WILHELM BEMEN8 



3. neu bearbeitete Auflage — Preis gebunden 6 Mk. 



LEHRBUCH 

DER 

MIKROPHOTOGRAPHIE 



Dr. R. NEDHAUSS 



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2. umgearbeitete Auflage — Preis 8 Mk.. gebunden 9 Mk. 



Braun I. Syitsniatllohai Lt 
i. Auflage, herau! 



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y^^ Die Curmlttal Oeynhiutan'a CSahme'a}, -Ihre Anwendungawalta und IKr Natian In daa var- 

HhladaBaa mit ihnaa bahaadaltaa Kranlilieltea. Im Anhanges B^acbrelbong Oefii- 

liauseD's und aeiner den Curgast interesslrendec ElnriulituiiKeii. 8. I8B3. i Harli iu Pf. 
SdtintDII t'i' 9. 9. Vi:liiintntliai(tit. flnlriiuns'n »um bdlfamin AtMau4( l<r 

' — — unb Bübti. nftn iJÜSrn on Me »iirotK 3R1IMIüiidDo{. J. MiiflDai 

orbtJlH unB nflönil »on 5. iHtimci. 3Sit SiKluisntlK, li, 1M80. 3 Hai!. 
Riffel A. "iKhallungan äHar die Erblichkalt and Infettloiitll dar Scnwladtuuhl. )Ilt einom Onsplan 
' — - KI. 8. tasi. 5 Mark. 



Briesinger, W., '"^ Pattiologi« und Thenpla iBP ptyehliflliBB Krukhsilsii, fäc AeTzte nod Studirendo. 

4. Auflagp, mit dem in Siahl Eestothenem BildEia daa VertassBra. ßr, S. I87ii. 

9 Hark. 
Seeligmüller, A,, Lehrbuuh dar Krankneltan das Nervs niyttaini. 2 Bände, gr, B. 

geb. 34 Maik «n Pf., eebdn. S7 Mark W Pf. 

Krater Bsnil: Lelirbucb der Krai]khe.i(en iler ;ieripbereD Nerven nnd des SympstbloHB, täi 

Aerzte ond Stndlrende. Mit SS AbbildnoBcn in Holxscbnitt. ISii. a Mark SO Pf. 
Zveiter Band: Lehrbacb der Kianklieiten das Kückenmarks nnd Oeblma, sowie der all- 
gemeinen Senrgaen. Für AerEla und Studivenile. Mit ins Abbildoügen In Holz- 
scbniit. 1B87. 1« Mark. 

Psychiatrie 

Für Aerzte uud Studirende bearbeitet von 
Dr. med. Th. Ziehen 

Zweite, ToUrtändig nmflearbeitete Anflage. 

Mit U Abbildungen in Holzschnitt und S Tafeln in Lichtdruck. 
Preis geheftet IB Mark, gebunden 18 Mark. 

Der Schatz der Geisteskranken 

Person und Eigentum 
Dr. Max Fischer 

Ohera.rzt in Illanau. 
Preiö geheftet 2 Mark. 



Bericht übei die Leistungen 

auf dem Gebiete der 

Anatomie des Centralnervensystems 

in den 

Jahren 1901 und 1902 

Von 

Prof. Dr. L Edinger und Dr. A. Wallenberg 

Preis 4 Mark. 



Erbsyphilis und Nervensystem J^i™"'™?,»"™™: 

und Pflege-Austalt zu Lublinit?, O.S. M. 2.—. 



Ueber die Frage des Heiratens von früher Geistes- 

If rQnIfOn Vortrag, gehalten auf der J^ahreBveraammlung der deatschen 
Kl allKDlI. paychiater in Göttingen am 2«. April 1904 von Geheimnt 
Dr. H. Schule, Direktor der Heilanstalt Illenau. Mk. —,&i- 



l'o avpid fine. tliJs book shuuld be retumed □ 
r bcfur« thc dale last stamped below